ET nt mnanunnnt nun ana ei ment ne nn ” Ye = 2 F ir A) 2 2 le nu TE a A .* ET Fi ale je a: £ ii; Re \ 7% e 2. uch j ? | ge - \ de e . $ % , > “ y Rn m > £ \ Eu ir”; ee .\ # ZVer U ar N u A u u er ir E he el 7 et 5 ze PERS BR, ae te NE Fe | Ku 2 > T + ri }- 2 - F ; 7 P en Be 2 ae er 2 e” . , ! u ee Given by ac er ee mE 3: *,*No book or pamphlei is to be removed from the Lab- oratory wiithout the permission of the Trustees, PRÄNT =T Pe EN NN iR RED, Di AIR PETE Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Dreiundfünfzigster Band. Mit 30 Tafeln und 24 Figuren im Text. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1899. In Inhalt. Seite Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden und ihrer Adnexa. Von Bernh. Solger. Hierzu Tafel I... . . . 1 Untersuchungen über Zelltheilung. II. Von Bernhard Rawitz. EEE RE Re SE ee en 19 Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzer der Säugethiere. (Erster Theil einer anatomisch-pathologischen Untersuchung der sogenannten automatischen Herzcentren.) Von Dr. S. Schwartz (Moskau). (Aus dem anatomischen Institut zu Berne ENerziss Rate ER Se 63 Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. Von J. Herman Jakobsson, weil. Assistent am Histol. Institut zu Upsala. (Aus dem Laboratorium des Histologi- schen Institutes zu Upsala.) Hierzu Tafel IV undV... 78 Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. Von Dr. F. Ris (Rheinau, Schweiz). (Aus dem Laboratorium für Histologie und allgem. Pathologie der Universität Pavia, dir. von Prof. Gammllor&olei.), Hierzu Tafel VI und VIE ..: ......_2%...- 106 Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut einheimischer Frösche. Von Dr. G. Ottendorf, Assistent am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu 9 Textfiguren . 131 Das Genus Mermis. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu en an ee te II Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca und Rana eseulenta. Von Dr. Hans Beissner. (Aus dem anatomi- schen Institut in Bonn.) Hierzu Tafel IX u. 2 Textfiguren 168 Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. Von Dr. Karl Peter, Privat-Docent und Assistent am anatomischen Institut. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Breslau.) Hierzu a N A 1 EN a ta a N SO Ueber die Tyson’schen Drüsen. Von Dr. Edmund Saalfeld, Berlin. (Aus dem anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu En ENTE NEST AR rer SS RR V- IV Inhalt. Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure durch die Nieren. Von Hugo Sauer in Breslau. Hierzu Tafel XI Ueber Holzessigfarben. Von Eugen Burchardt, Arzt in Strass- N 3 Ra Be, De a 15:0 Zur Frage über den feineren Bau der Herzganglien des Menschen und der Säugethiere. Von A. S. Dogiel, Professor der Histo- logie an der Universität zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XII, XII u. XIV sRcRR Die Nebenniere der Selachier nebst Beiträgen zur Kenntniss der Morphologie der Wirbelthiernebenniere im Allgemeinen. Von Dr. Alfred Kohn, Assistenten am histologischen Institut der deutschen Universität in Prag. (Mit Unterstützung der „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“.) (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. Vorstand: Prof. Dr. Sig- inund; Mayer.) Hierzu Tate) AV 2 Turner Ueber die Secretionserscheinungen der Giftdrüse der Kreuzotter. Von W. Lindemann, Privat-Dozent der Alle. Pathologie an der k. Universität Moskau. Hierzu Tafel XVI Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen beim menschlichen Embryo. Von Dr. C.S. Engel, Berlin. Hierzu Tata NVA nee er Re RO a Fe ee Ueber Theilungsvorgänge in Primordial- Eiern bei einer Er- wachsenen. Von Dr. W.Stoeckel, Assistent an der Frauen- klinik zu Bonn. (Aus dem pathol.-anatomischen Institut zu Marburg; Prof. Marchand.) Hierzu Tafel XVII. Ueber die Hautdrüsen von Bufo cinereus. Von Dr. Otto Weiss, I. Assistenten am Physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr. (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Hierzu 3’Fizuren’ im Text. 2 DI TR 2 re Die Linse des Maulwurfes. Von C. Ritter. Hierzu 3 Figuren im Text. Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Von Dr. J. Loewy, Berlin. Hieranı Tarel AI NE SFR RE RIES I A Beiträge zur experimentellen Morphologie und Entwieklungs- geschichte. IV. Von Oscar Hertwig. (Aus dem anatomisch- biologischen Institut der Berliner Universität.) Hierzu Tafel XX u. XXI Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. Von M. Nussbaum Ueber Kopfhöhlenrudimente beim Menschen, Von K. W. Zim- mermann, a. o. Professor der Anatomie in Bern. Hierzu Tafel XXII 237 281 313 322 397 403 415 444 481 Inhalt. Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen und ihrer Fortsätze. Von Vladislav RüZitcka. (Aus dem ex- perimental-pathologischen Institut des Prof. Dr. A. Spina in Prag.) Hierzu Tafel XXIII Bee Ueber die Structur des Protoplasmas der menschlichen Epidermis- zelle.e. Von Dr. Karl Herxheimer, Oberarzt der dermato- logischen Abtheilung des städtischen Krankenhauses in Frank- furt a.M. Hierzu Tafel XXIV*) Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. Von J. Sobotta Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln und der Topographie des Mittelohres verschiedener Säugethiere. Von Dr. Esch- weiler, Privat-Docent und Assistenzarzt der Universitäts- Poliklinik für Ohren- und Nasenkranke zu Bonn. (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn.) Hierzu Tafel XXV—XXVII und 5 Figuren im Text Ueber die Blutbildung bei der Pricke. Von Maurizio Aseoli. (Aus dem pathologischen Laboratorium der Universität Turin. Director: G. Bizzozero.) Hierzu Tafel XXIX . Die obere Trigeminuswurzel. Von Dr. Michael Terterjanz. (Aus dem I. anatom. Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXX *) In der Ueberschrift S. 510 steht irrthümlich Tafel XXV, man in XXIV ändern wolle. V Seite 510 546 was Zur Kenntniss der Chromatophoren der Oe- phalopoden und ihrer Adnexa'). Von Bernh. Solger. Hierzu Tafel I. Da mir der anatomische Nachweis der zu den Chromato- phoren tretenden Nerven?) noch nicht in befriedigender und einwurfsfreier Weise erbracht schien, benutzte ich die Gelegen- heit, lebendes Material zu erhalten, die während eines längeren Aufenthalts an der unter Leitung des Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Dohrn stehenden zoologischen Station zu Neapel sich mir bot, die Lösung der Frage anzustreben. Dank der unermüd- lichen Fürsorge des Herrn Dr. S. Lo Bianco war ich stets reichlich mit geeigneten Untersuchungs-Objeeten versehen und ich erfülle daher an dieser Stelle gerne die angenehme Pflicht, ihm für die liebenswürdige Unterstützung meiner Arbeit meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ob meinerseits das dargebotene Material in angemessener Weise verwerthet wurde, möge der Leser nach Prüfung meiner Befunde entscheiden, zu deren Mit- theilung ich sofort mich wende. Die meisten Figuren der beigegebenen Tafel beziehen sich auf Chromatophoren von Thieren, welche der Einwirkung von 1) Vorgetragen bei Gelegenheit der Braunschweiger Naturforscher- Versammlung 20. Sept. 1897. 2) Von den älteren Autoren, die mit dem Studium des Einflusses des Nervensystems auf diese Gebilde sich beschäftigten, seien hier nur genannt Boll, Paul Bert, Fr&ed£rieg, Colasanti, Klemensie- wiez, Krukenberg. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 1 3 Bernh. Solger: Methylenblau ausgesetzt waren. Ich bin keineswegs der Erste gewesen, der diesen Farbstoff Tintenfischen in der Absicht ein- verleibte, um über die zu den Chromatophoren tretenden Nerven ins Klare zu kommen, vielmehr hat ihn schon Joubin zu diesem Behufe angewendet, allein, wie mir scheint, mit etwas zweifelhaftem, oder doch. wenigstens unvollständigem Erfolge !), vielleicht zum Theil aus dem Grunde, weil er (bei älteren Chromatophoren) die viel discutirten Radiärfasern für bindege- webiger Natur hielt und daher sein Augenmerk nicht auf etwa in ihre Nähe kommende und mit ihnen verlaufende Nerven richtete. Im Gegensatz zu Joubin ging ich für meinen Theil von der Anschauung aus, dass hier in der That eine jener wenigen Fälle vorliege, in denen, um mit Blochmann (Z. f. w. Z., Bd. XXXVII zu reden, eine „einzelne Zelle mit be- sonderen zu ihrer Bewegung dienenden Muskeln ausgerüstet“ sei. Als solehe Einrichtungen nennt er ausser den Chromatophoren der Cephalopoden noch die Purpur-, bezw. Milchsaftdrüsen der Aplysien, welche einzellige Drüsen ?) darstellen, die von einer mit verzweigten Muskelzellen durchsetzten Lage von Bindege- webszellen umgeben sind. Vielleicht sind hier auch noch die con- tractilen Pigmentzellen von Tiedemannia neapolitana zu nennen, von deren Membran zahlreiche Muskelfasern entspringen (Gegenbaur). Sämmtliche Figuren der Tafel I beziehen sich auf Chroma- tophoren von Cephalopoden; und zwar stellen sie mit Ausnahme von Fig. 8 u. 9 gewisse Befunde nach Einwirkung von Methylen- blau dar. Die Application des Farbstoffes, um diese technische Frage zunächst zu erledigen, geschah auf dem Wege der Injec- tion und zwar benutzte ich natürlich fast stets lebende Thiere 1) Nach Joubin (Compt. rend., T. 112, p. 60) endet, von einem eutanen Netzwerk ausgehend, je eine Nervenfaser mit einer leichten’ Anschwellung an der Chromatophore, ohne aber, wie es scheint, in dieselbe einzudringen. 2) Siemenz (Leopoldina, Heft 28) bringt die (nach ihm aus dem Eetoderm stammenden) Chromatophoren der Cephalopoden und Ptero- poden in functionellen Zusammenhang mit den Farbdrüsen, wenigstens bildeten sie den Uebergang zu diesen Organen, die besonders in wär- meren Klimaten zur Ausbildung gelangen und ein im Organismus nicht weiter verwendetes Pigment als Abfallstoff produeiren. Beiläufig sei hier bemerkt, dass die Haut der Wirbelthiere schon vor langer Zeit von Bonnet als ein pigmentzerstörendes Organ bezeichnet wurde. Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden ete. B} zu diesen Untersuchungen. Mittelst einer Pravatz’schen Spritze wurden je nach der Grösse des Thieres eine oder mehrere In- Jeetionen einer Mischung etwa gleicher Theile einer filtrirten 1/,/,igen Lösung von Methylenblau und einer 0,6 °/,igen Koch- salzlösung gemacht. Als Einstichstelle wählte ich entweder eine beliebige Stelle am Mantel des Thieres oder an der Basis der Arme. Nach der Injeetion wurden die Thiere gleich wieder in Seewasser gesetzt, das späterhin mehrfach gewechselt wurde, weil es mir darum zu thun war, die Wirkung der Injection mögliehst rein und ungetrübt zu erhalten und namentlich eime Imbibition des Integumentes durch den dem umgebenden Medium beigemischten Farbstoff auszuschliessen. Als der günstigste Moment für die Untersuchung, wenn überhaupt der. Versuch ge- glückt war, erwies sich die Zeit 2—4 Stunden nach der In- Jeetion. Sowie eine passende Stelle in den durch Scheeren- schnitte erhaltenen Lamellen, die in der Regel ohne Zusatz- flüssigkeit untersucht wurden, gefunden war, wurde eine Skizze entworfen, bei deren Aufnahme stets Eile geboten war, weil manchmal noch während des Zeichnens die blau imprägnirten Stellen verblassten. Ich will hier noch ausdrücklich bemerken, dass ich das getödtete Thier an der Luft liegen liess und dass ich den Zutritt der atmosphärischen Luft und die Erneuerung derselben möglichst begünstigte. S1. Ueber motorische Nerven. Wir fassen zunächst die 4 ersten Figuren näher in’s Auge. Bilder wie die in Figur 1—4 schwarz hervorgehobenen vari- kösen Linien oder Körnehenreihen werden hier, soviel mir be- kannt, zum ersten Mal vorgeführt; sie sind zweifellos auf Nerven, genauer aut Muskelnerven zu beziehen und zwar halte ich diese Imprägnirung im Gegensatz zu der in den Figuren 5 und 6 dargestellten für eine vitale. Der Farbstoff erscheint am frischen Präparat in Form tiefblauer, theilweise variköser Linien oder in Gestalt grösserer und kleinerer Kügel- chen abgelagert, oder es zeigen sich statt dieser Formen andere, gleichsam durch Combination der vorigen hervorgegangene Figuren von komma-, haken-, oder schlingenförmiger Gestalt. Fig. 4 scheint mir auf der Grenzscheide zwischen vitaler und postmortaler Imprägnation zu stehen. 4 Bernh. Solger: Bezüglich der Einzelheiten bemerke ich noch folgendes: Fig. 1 bezieht sich auf eine Chromatophore von Rossia macrosoma und deren Umgebung, wie sie bei Anwendung einer schwächeren Vergrösserung etwa Seibert Objeetiv II er- scheint. Es liegt eine vitale Färbung dreier Nerven vor, die den stumpfen Ecken der Chromatophoren entsprechend angeordnet sind. Hier heften sich ja auch die Radiärzellen, d. h. die Muskeln an. Fig. 2 stellt einen Muskelnerven einer Chromatophore und zwar gleichfalls von Rossia macrosoma bei starker Ver- grösserung (Oel-Immersion) dar und zwar in vitaler Methylen- blaufärbung. Ein scharfer Unterschied besteht bezüglich des Aussehens des von der Zelle entfernteren Segmentes a und des der Zelle näheren (db) und diese Differenz kehrt auch in Figur 3 wieder. Das Segment a verläuft nämlich beinahe geradlinig oder nur in sanfter Krümmung und zeigt sich mit einigen, ziem- lich weit von einander abstehenden spindelförmigen Varikositäten besetzt. Im Bereiche des Segmentes b dagegen folgen sich kugelige, komma-, haken- oder schlingenförmige, durch den Farbstoff intensiv hervorgehobene Auftreibungen dicht aufein- ander; diese eigentkümliche Anordnung erklärt sich daraus, dass der Nerv hier geschlängelt verlief. Fig. 3 stellt 2 benachbarte Muskelnerven von Chromato- phoren einer anderen Species (nämlich von Loligo vulgaris) dar, nach einer mit dem Zeichenapparat aufgenommenen Skizze und zwar bei weitem Abstand des Präparates vom Prisma unter Anwendung des Seibert’schen Objectivsystemes V. Das Prä- parat zeigt im Wesentlichen denselben Befund als das vorige. Die Methylenblauwirkung, die uns in Fig. 4 entgegentritt, steht gleichsam auf der Grenze zwischen der rein vitalen Färbung und der postmortalen Imbibition des neuro-muskulären Apparates. Das Thier war nämlich, als die Applieation des Farbstoffes vorgenommen werden konnte, schon abgestorben. Die beiden Figuren, etwa eine Stunde nach der Injection aufgenommen, stellen ein und dasselbe Segment einer Chromatophore von Sepiola rondeletii in 2 verschiedenen Zuständen dar. Bei A ist die Chromatophore ausgedehnt, die Muskelzelle (dunkelgrau dargestellt) eontrahirt, m BD ist umge- kehrt, die Chromatophore (dunkler als vorhin) zusammengezogen, Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden ete. 5 die betreffende Muskelzelle aber erschlafft und daher länger als vorhin. Obwohl das Thier, wie bemerkt, schon abgestorben war, reagirten die Chromatophoren, wie man das stets findet, auf applizirte Reize noch sehr lebhaft. Von einer Zusatzflüssigkeit wurde abgesehen. In Figur 4 A, welche also, wie bemerkt, dem kontrahirten Zustand des Muskels und der Ausdehnung der Chromatophore entspricht, liegen die imprägnirten Nervengranula, 34 an der Zahl, ziemlich eng beisammen. In B dagegen hat sich die braune Ecke der nunmehr zusammengezogenen Chromatophore weiter nach rechts verschoben, die Muskelzelle ist länger und schlanker geworden, die Nervengranula, namentlich die ersten 16 (von rechts her gezählt) haben sich weiter von einander entfernt. Aus der Literatur war mir bekannt, dass Harting durch direete Beobachtung lebender Embryonen vom „Calmar“ zu der Ueberzeugung gelangt war, dass bei der Contraction der Chroma- tophoren die strahlenförmigen Fasern vollkommen unbeweglich blieben!), er erklärte daher diese Gebilde für Nervenendigungen, welche sich an eine umhüllende Membran mit kernhaltiger Verbreiterung ansetzen sollten. Ich habe diesem positiven Ausspruch gegenüber nicht unterlassen, die Beobachtung so lange ununterbrochen fortzusetzen, bis ich den Vorgang wiederholt gesehen hatte, er spielte sich aber stets in der geschilderten Weise ab ; doch gewann ich dabei die Ueber- zeugung, als wenn die Verschiebungen, welche in der Phase 3 ihren Abschluss erreichten, rascher vor sich gingen, als die- jenigen, welche in A vollzogen sind und welche die Contraetion characterisiren. Fig. 5 und 6, bei Oel-Immersion aufgenommen, stellen nun aber zweifellos postmortale Imbibitionen dar, obwohl die ihnen zu Grunde liegenden Bilder noch lebenden Thieren entstammten. Hier war eben durch die Injection selbst eine locale Schädigung der betr. Gewebspartieen eingetreten. Beide Figuren beziehen sich auf Rossia macrosoma. Dass es sich um postmortale Imbibition handelt, geht mit Sicherheit aus folgenden Punkten hervor: 1. sind mehrfach Kerne gefärbt (Fig. 6), 1) In demselben Sinne äusserte sich später (1886) Albini. 6 Bernh. Solger: 2, die Muskelzelle auf grosse Bezirke blass-blau (diffus) imbibirt. Die blassblauen oder dunkelblauen (hier grau oder schwarz dargestellten) Granula gehören entweder gar nicht oder nur zum Theil zum Nerven, sondern (das gilt in erster Linie für Fig. 6) zur Muskelscheide (gaine museulaire, Phisalix). Aber auch in Fig. 5 ist wenigstens ein guter Theil der Granula auf diese Muskelscheide zu beziehen, von der sogleich eingehender ge- sprochen werden soll. Zwei Fragen sind zunächst zu diskutiren; nämlich einmal die Frage, ob die Radiär-Fasern wirklich Muskelzellen sind, und zweitens, ob die in den 4 ersten Figuren durch Methylenblau hervorgehobenen Linien auf Nerven zu beziehen sind. Kann eine dieser Fragen bejaht werden, so wird hierdurch bei der innigen Verknüpfung von Muskel und motorischem Nerven auch die Er- ledigung der anderen Frage näher gerückt. Untersuchen wir zunächst, welche Angaben über Muskel- nerven der Chromatophoren der Cephalopoden vorliegen. Mir sind nur 2 Autoren bekannt, die ihre mit Hülfe neuerer histo- logischer Methoden gewonnenen Ergebnisse ihrer Untersuchungen bekannt machten, nämlich Joubin und Phisalix. In seiner Arbeit: Chromatophores des C&phalopodes!), giebt Joubin einige auf Nervenendigungen selbst bezügliche Abbildungen, an denen man folgendes wahrnimmt: An eine ausgebildete Chromatophore, deren Muskelzellen noch nicht alle ihr definitives Wachsthum vollendet haben, tritt von der Seite her ein ziemlich dieker eontourirter Strang, der die von den Radiärzellen gelassene Lücke mit einer knopfförmigen Verbreiterung ausfüllt (l. e. Fig. 20). Eine bei stärkerer Vergrösserung aufgenommene ergänzende Abbildung zeigt noch einige weitere bemerkenswerthe Einzelheiten (l. e. Fig. 22), nämlich innerhalb des Stranges einen centralen Faden, der im Innern des erwähnten Knopfes in eine Endaufsplitterung ausgeht. Es ist möglich, dass Joubin ein nervöses Gebilde vor sich hatte, dann würde es aber, wie das ja auch wohl im Sinne Joubins ist, zur Chromatophore selbst gehören. Eine motorische 1) Arch. zoolog. exper. et gen, 2. ser, vol. X (1892). Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden ete. 7 Nervenendigung kann es nicht sein, da nur ein einziges derartiges Gebilde auf eine ganze Anzahl (etwa 2 Dutzend Radiärzellen, also Muskelzellen im Sinne der Mehrzahl der Autoren) kommt. Besser steht es mit den von Joubin bei Cephalopoden-Embryonen durch Methylenblau sichtbar gemachten verzweigten Figuren; hier handelt es sich wenigstens in seiner Fig. 36 (Taf. XII) um Nerven. Aber diese aus den Nervenschlingen hervorgehenden keulenförmigen Nervenendigungen der Haut (terminaisons en massue) haben mit unseren Methylenblau-Bildern auch nichts zn thun und an den in Fig. 35 dargestellten Chromatophoren-Nerveu, mit denen möglicherweise die schon erwähnten mit einem Knopfe an den Strängen identisch sind, sieht man weiter nichts, als dass die Chromatophoren an ihnen wie Beeren an ihren Stielen hängen. Ich lasse übrigens hier, bei den erwähnten technischen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, die Frage ausdrücklich noch offen, ob es mir bei den von mir ausgeführten Methylen- blau-Versuchen gelungen ist, die Nervenfädchen nun auch bis zu ihrer allerletzten Endigung zu verfolgen. Zur Lösung dieses Punktes von prinzipieller Bedeutung, der zusammenfällt mit dem Problem des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Sarkoplasma und Muskelfibrillen einerseits und Neuroplasma und Neurofibrille andererseits, möchten sich die von mir gewählten Objecte nur wenig eignen. Dass man auch in der Beurtheilung der Beziehungen be- nachbarter Nerven zu irgend welchen Endapparaten sehr behut- sam zu Werke gehen muss, ehe man eine wirkliche Nerven- endigung annimmt, ist allgemein bekannt. Ich sah bei erwachsenen Cephalopoden nach Methylenblau-Behandlung Bilder, welche an die von Joubin gegebene Darstellung (l. e. Fig. 35) einigermaassen erinnerten, allein die genauere Untersuchung ergab doch stets, dass es sich um Nervenverzweigungen in der Nähe von Chromatophoren handelte. Der zweite der oben erwähnten Autoren, Phisalix!), bediente sich bei seinen Untersuchungen zum Nachweis der Nerven 1) Phisalix, C., Structure et developpement des Chromatophores chez les c@phalopodes, Arch. de physiol. norm. et pathol., ser. 5, vol. 4 (1892), pag. 445—56, I. Tat. 8 Bernh. Solger: der Osmiumsäure und ferner der Pikrinschwefelsäure, mit nach- folgender Färbung in Pikrokarmin. Zunächst konstatirte er ein Nervennetz in der Haut seiner Untersuchungsobjeete. In den Maschen dieses Netzes finde man häufig ovoide, stark licht- brechende Körperchen, in denen ein Nervenfädchen endigt. Die Frage, ob diese Gebilde Nervenzellen seien oder Organe des Tastsinnes, wird von ihm nur aufgeworfen, bleibt aber unent- schieden. Was nun die zu den Chromatophoren selbst gehenden Nerven betrifft, so meldet er von ihnen, sie seien fast stets „replies“ und um sich selbst gewunden (contournes sur eux m&mes). Dies scheint sich aber, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, auf die von den Chromatophoren noch entferntere Strecke zu beziehen; denn nun erst bringt er die Thatsache bei, dass jede Chromatophore einen oder mehrere Nerven erhalte, welche sieh zu einem Bouquet freier Endigungen (bouquet terminal) auflösen. Diese Endzweige liessen, heisst es weiter, eine „disposition moni- liforme“ erkennen und endigen (s’epanouissent) in einer Art Ver- zweigung, die mit nervösen Körnern oder Knöpfen (de grains ou boutons nerveux) besetzt sind, welche (stark liehtbrechend und stark gefärbt) bis zur Berührung des Pigmentfleckes zwischen die Zellen des „Collerette* vordringen (Fig. 6, n, n), und zwar begegnet man diesen Nervenverzweigungen besonders an der der Oberfläche (also der Epidermis) zugewandten Seite der Chroma- tophoren. In Fig.6 vonPhisalix wäre somit die untere Seite nach aussen gerichtet zu denken. — Diese Einzelheiten be- schreibt Phisalix an Querschnitten durch das mit Pikrin- schwefelsäure fixirte Integument (nachträgliche Färbung mit Pikrokarmin). Schon aus der Wahl des Färbungsmittels geht hervor, dass in solchen Präparaten von einer eleetiven Färbung nervöser Elemente nicht die Rede sein kann. Von etwaigen Beziehungen dieser Nervenfäden, welche eben- so wie der Stamm des Mantelnerven, zugleich motorische und sensible Fasern enthalten, zu den Muskeln meldet er fast nichts. Diese Lücke in unseren zootomischen Kennt- nissen wäre also durch den von mir gelieferten Nachweis der Nerven, die an den Radiärzellen endigen, ausgefüllt. Damit ist aber gleichzeitig auch die zweite Frage, die nämlich nach der wahren Bedeutung der Zelle so gut wie entschieden: Es sind muskulöse Elemente. Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden ete. B) Dieser Auffassung stehen freilich die experimentellen Erfahrungen, die J. v. Uexküll!) bei unipolarer Reizung (Kühne) erhielt, entgegen, nach Untersuchungen, die an Eledone (Octopus, Sepia) angestellt wurden; auf sie gestützt gelangt er etwa zu folgenden Sätzen: Die Chromatophoren der genannten Thiere sind nicht eontraetil, ihre Ausdehnungen werden nur durch die Contraetion der vielverzweigten Hautmuskulatur, die sich an die bindege- webigen Elemente ansetzt, bedingt. Alle Erscheinungen an den -Chromatophoren lassen sich vollkommen erklären, wenn man annimmt, dass die Kapsel Elastizität besitzt, die Radiär- fasern aber. bindegewebiger Natur sind. Dies letztere ist übrigens im Laufe der verflossenen Jahrzehnte mehr- fach behauptet worden, aber auch die Deutung ihres Entdeckers A. von Kölliker, der sie zuerst für muskuläre Elemente er- klärte, fand stets wieder ihre Anhänger. Eine gute historische Uebersicht über den Wechsel der Meinungen betreffs der in Rede stehenden Gebilde gab Phisa- lix ?), auf welche ich hiermit verweise. Soviel mir bekannt ist, fanden speciell diese Elemente in den neueren, mit modernen Hülfsmitteln angestellten Untersuchungen über den feineren Bau des Muskels der Mollusken keine Berücksichtigung. Ich selbst hatte leider damals keine Zeit, eigene Erfahrungen über Gebilde zu sammeln, die jedenfalls manches: Eigenthümliche zu haben scheinen. Denn ©. Vogt und Yung erkennen zwar die mus- kulöse Natur der Fasern an, fügen aber hinzu, ihre eigenen Prä- parate hätten ihnen keine überzeugenden Bilder geliefert (nach Phisalix eitirt), und nach Joubin sollen sie zwar bei den Jungen Chromatophoren muskulär sein, bei den Chromatophoren des ausgewachsenen Thieres dagegen bindegewebiger Natur. Auch Blanchard (Compt. rend., T. 113, p. 565 ff.) reiht sie ebenso wie Girod (1882) und Albini (1886), dem Binde- gewebe an. 1) Uexküll, 'J. v., Physiol. Untersuchungen an Eledone mo- schata. Zeitschr. f. Biol. Bd. 28. pag. 550—566, 3 Figg. 2) Phisalix, C., Röcherches physiologiques sur les chromato- phores des e&phalopodes. Arch. de physiol. norm. et pathol. 5e serie, T. IV., 24 annee, 1892 pag. 209 ff. — S. auch B. Solger, Ueber pig- mentirte Zellen und deren Centralmasse, Mitth. d. naturw. Vereins für Neuvorpommern und Rügen, 22. Jahrgang (1890), S. 14 und 15. 10 Bernh. Solger: Ob diese zelligen Elemente aus dem Ecetoderm oder dem Mesoderm abzuleiten sind, muss einstweilen dahingestellt bleiben. Was nun das Verhalten dieser Zellkapsel anlangt, so be- steht sie, wie besonders deutlich zu sehen ist, aus hellen, ge- blähten (gonflees) Zellen, deren festonirter Umriss sieh deutlich gegen die Umgebung absetzt-und die in ihrer Gesammtheit gleichsam eine epitheliale Krone bilden. An den erweiterten Chromatophoren ist sie kaum zu erkennen, ihre Zellen erscheinen abgeplattet und mit ihrer Basis an die Pigmentzelle angedrückt (Phisalix). Ebenso steht es mit dem fibrillären Netzwerk, das sich m der Umgebung dieser Zellkapsel findet; im Zustand der Ruhe eng um die Chromatophore zusammengezogen, ist es ausgedehnt und zeigt verlängerte Maschen an der dilatirten Pigmentzelle. Dieses fibrilläre Netzwerk, das ich bei meiner Untersuchung nicht weiter berücksichtigte, und ebenso die schon erwähnte Muskelscheide färben sich, wie Phisalix feststellte, in Pikro- karmin gelb, das umgebende Bindegewebe rotb, der von der Scheide umschlossene Muskel zinnoberroth. Ueberhaupt spricht Phisalix die Muskelscheide als eine Fortsetzung des fibrillären Netzwerkes an, denn in Wirklichkeit handelt es sich auch hier gar nicht um Fasern, sondern um ein vacuoläres Gewebe, das durch die Anhäufung umgebildeter Zellen entstanden sei, deren Kern nur bier und da sich’ noch erhalten habe. Wenden wir uns nun zur Erklärung von Fig. 8 und 9, Fig. 8 stellt eine Chromatophore von Sepia officinalis im frischen Zustande dar, aufgenommen bei Seibert, Objektiv, System V. Die Contouren z wurden erst bei Anwendung der Oel-Immersion wahrgenommen und nachträglich eingezeichnet. Nach dem wasP hisalix über die „collerette“ auf Schnitten senkrecht zur Oberfläche der Haut eruirte, scheint es sich bei den mit z bezeichneten Gebilden auch nur um Theile derselben zu handeln; und zwar um solche, welche der Epidermis zugekehrt waren. Doch ist auch an die Möglichkeit zu denken, dass die sog. „Kittlinien“ der tiefsten Epidermiszellen vorlagen. Die In- sertion der tiefer gelegenen Zellen der Kapsel an den Umfang der Chromatophore ist deutlich zu erkennen. Die Zellen sind in der That blasenförmig und von der gesammten Structur scheint sich nichts erhalten zu haben, als die periphere, membranartige Schicht. Fig. 9 bringt dann diese tiefer im Umkreis der Chroma- Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden etc. 11 tophoren gelegenen Zellen der Kapsel zur Darstellung, wie sie bei Untersuchung mit der Seibert schen Oel-Immersion er- scheinen. Man bemerkt zwischen den blasenförmigen Räumen und äusseren Einsenkungen entsprechend pfeilerartige Verbin- dungen, welche zwischen der äusseren Schicht der Chromatophore und den peripheren Grenzeontouren der „collerette“ sich aus- spannen und eine feine Streifung erkennen lassen. Wie schon bemerkt, schreibt Phisalix diesen Elementen Elastizität zu und von dieser Eigenschaft soli die Retraction der ausgedehnt gewesenen Chromatophoren, nachdem die Contraetion des Muskels aufgehört hat, abhängen. Bei der Zusammenziehung spielt also der elastische Apparat, von dem die Chromatophore umgeben ist, eine Hauptrolle; er ist es, der sie stets wieder zu ihrem ursprüng- lichen Volumen zurückführt. Mehrfach wurde von mir eine feine radiäre Streifung gesehen, welche einen zwischen den Radiär- zellen und der stets kleinen, stark zusammengezogenen Chromato- phore befindlichen lichten Raum wie ein Strahlenkranz durchsetzte. Jede der Radiärfasern besteht aus einer protoplasmatischen Masse, mit einem gegen das basale, der Chromatophore zuge- gewandten Ende hin verschobenen Kern. Diese Masse wird von einer homogenen, stark lichtbrechenden Wand umfasst. An der Insertionsstelle des Muskels an die Chromatophore zeigt sich, dem Kern entsprechend, eine leichte konische Anschwellung; bezüglich der Structur der Muskelzelle beschreibt Phisalix noch Fibrillen und Granula. An der Insertionsstelle lösten sich die Radiärfasern oft in Ramificationen auf, deren lateral gele- gene mit denen der benachbarten Faser anastomosiren. Durch central gelegene Granula wird oft das Bild einer unechten Strei- fung hervorgerufen; sie gehören ausschliesslich der central ge- legenen Faser an, die stark liehtbrechende und homogene Wand- schicht ist davon frei. Eine solche Gliederung der Muskelfasern in eine Rinden- substanz und in Achsensarkoplasma, das Körnchen führt, ist übri- gens, wie Ballowitz!) aus der Literatur nachweist, von an- deren Muskeln der Cephalopoden schon längst durch H. Müller und Leydig bekamnt. 1) Ballowitz,E., Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen 1. Die Muskelfasern der Cephalopoden. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 39, pag. 291—324, 2 Taf. 12 Bernh. Solger: Durch den oben geführten Nachweis von Nerven, welche zu den Radiärzellen treten, ist ohne Zweifel das Gewicht der Gründe, welche für ihre muskulöse Natur sprechen, erheblich verstärkt worden. Zu denjenigen Forschern, welche an der eben erwähnten Deutung der Radiärfasern festhalten, gehört auch Phisalix Er bringt übrigens nicht nur anatomische Thatsachen, sondern auch eine Reihe experimenteller Erfahrungen zur Stütze seiner Meinung bei. Die helleren oder dunkleren Granula und lineären Streifen, die man in meinen Fig. 5 und 6 in dem Gebiete der Radiär- muskeln durch Methylenblau hervorgehoben findet, sind zweifel- los ebenso, wie die diffuse Färbung des Kerns und der centralen Partie des Muskels selbst auf postmortale Imbibition dieses Ge- bildes und seiner Scheide (gaine museulaire), deren feineren Bau Phisalix schildert, zurückzuführen. Nur soviel sei hier er- wähnt, dass diese Scheide am Rande des Muskels unter der Form körmiger Züge mit festonirten, also gefalteten Rändern uns entgegentritt. 8: 1Ueher acecessorische. Theile, -besangezs über die Zellkapseli Zu den accessorischen Theilen der Chromatophoren gehören aber ausser der eben erwähnten Muskelscheide noch andere Ge- bilde, nämlich eine elastische Hülle und ein diese Hülle umgeben- des fibrilläres Netzwerk. Die Bewegungen der Chromatophoren der Gephalopoden werden durch 2 antagonistische Kräfte her- vorgerufen, nämlich 1) durch muskuläre und 2) elastische, von welchen jene von einem Kranz radiärer Muskeln ausgeht, wäh- rend die andere durch eine elastische Hülle, die der Chroma- tophore und ihren Muskeln fest anhaftet und die nach der Aus- dehnung passiv in ihren früheren Spannungszustand zurückkehrt, repräsenftirt wird (Phisalix). Wir wollen diese elastische Hülle, welche Phisalix als collerette bezeichnet, und die vielleicht der Umhüllungsmembran von Harless entspricht, in der Folge einfach als Zellkapsel bezeichnen, weniger mit Rücksicht darauf, dass sie die Chromatophore, an deren ein- zelliger Natur ich (gegenüber einer von Phisalix früher ge- äusserten Anschauung) übrigens festhalte, einschliesst, als weil Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden etc. 13 sie, wie Phisalix nachwies, selbst aus metamorphosirten Zellen entstanden ist. Da ich hier und da Andeutungen eines äusseren Contours wahrzunehmen glaubte, so dürfte die Strahlung somit nichts an- deres sein, als eine modifizirte Zellkapsel. $S3. Ueber Entwicklungsstadien der Chromato- phoren. In Folgendem gebe ich eine kurze Darstellung der That- sachen, die über die Entwicklung der Chromatophoren der Cephalopoden vorliegen, sie ist der Hauptsache nach ein Auszug aus der schon mehrfach eitirten im Jahre 1892 veröffentlichten Arbeit von Phisalix (Arch. d. phys. norm. et pathol. ser. 5 Bd. 4 p. 445 ft. Die bisher über diesen Gegenstand vorliegenden Unter- suehungen haben hinsichtlich der fundamentalen Frage nach der Abstammung der Chromatophoren bisher noch zu keiner Ueber- einstimmung geführt. Nach Klemensiewiez und Girod ent- wiekeln sich die Chromatophoren (einschliesslich der Radiär- muskeln) auf Kosten des Mesoderms. Derselben Ansicht sind auch Phisalix und Faussek!). Joubin dagegen leitet die pigmen- tirte Zelle von dem Eetoderm ab, während allerdings die Radiär- fasern sich auf Kosten des Mesoderms entwickeln. Diesen Angaben gegenüber betont Phisalix ausdrücklich, dass von irgend welchen Anzeichen der von Joubin behaupteten Einstülpung ectodermaler Elemente nichts wahrzunebmen sei. Es handele sich vielmehr um eine Differenzirung mesodermaler Ele- mente, und diese Sonderung gewisser Zellen zu Vorstufen von Chromatophoren, deren spätere Bestimmung sich vorher durch kein Merkmal verrathe, beginne bei den Embryonen von Sepia (seiche) auf jener Entwicklungsstufe, auf welcher der Dotter in das Innere des Körpers einzutreten anfange. Freilich gilt dieses verhältnissmässig späte Auftreten der Chromatophoren, wie ich hier einschalten möchte, nicht für alle Glieder der Gruppe der Cephalopoden. So beobachtete Grenacher?) bei einem nicht 1) Faussek, V., Zur Cephalopodenentwicklung, Zool. Anzeig. Nr. 519 (1896). 2) Grenacher, H.,, Zur Entwickelungsgeschichte der Cephalo- poden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV, pag. 426 ff. 14 Bernh. Solger: näher bestimmbaren Cephalopoden aus der Gegend von Porto srande (Capverden), von dem ihm eine Reihe von Entwicklungs- stadien vorlagen, ein sehr frühzeitiges Auftreten der Chromato- phoren; sie erscheinen hier schon zu einer Zeit, zu der das Blastoderm die Dotterkugel noch gar nicht vollständig umwachsen hat, und zwar in der Gegend des unteren Poles der Dotterkugel, wo die Blastodermanlage sich schon etwas von der Dotterkugel abgehoben hat, als die ersten Differenzirungsproducte derselben. Grenacher beschreibt ihre Gestalt im Allgemeinen als stern- förmig, doch sah er an gewissen Stellen auch solche von rund- licher Form; er konnte sie übrigens nur am frischen Objeete studiren. — Bei Sepia treten, wie eben bemerkt, die ersten An- zeichen einer Differenzirung der Chromatophoren erst zu einer Zeit auf, in der die Embryonen schon eine Länge von 3 und 4 mm erreicht haben, und zwar erscheinen sie am frühesten am Rücken in der zwischen den Flossen gelegenen Körpergegend. Den Zeitabschnitt, innerhalb dessen sich die verschiedenen Form- und Structurveränderungen von ihrem ersten Auftreten an bis zur vollendeten Ausbildung der Chromatophoren vollziehen, gliedert Phisalix in zwei Perioden. — I. Periode: Alle Zellen des Mesoderms anastomosiren durch protoplasmatische Fortsätze mit einander. Aus dem so gebildeten Netzwerk heben sich von Strecke zu Strecke Zellen ab, welche sich durch ihre grösseren Dimensionen und durch sonstige Charaktere (z. B. durch das Verhalten des Kerns) von jenen unterscheiden. Es sind diese Elemente um die sich entwickelnde Chromatophore, deren Gra- nula zunächst noch farblos sind, aber mehr und mehr dunkel werden, ohne Ordnung gruppirt, später fangen sie jedoch an, in bestimmter Weise sich zu orientiren, wobei die Chromato- phoren den Mittelpunkt der Zellrosette abgiebt; auch pflegen ihre Kerne in radiärer Richtung verlängert zu sein. II. Periode: Sie beginnt kurz vor dem Ausschlüpfen der Embryonen und führt zunächst zu einer beträchtlichen Ver- grösserung eines centralen, in der Umgebung des Kerns der Chromatophore auftretenden Hohlraumes, der schon während der ersten Entwicklungsperiode sich bemerklich gemacht hatte. Noch mehr charakterisirt sich jedoch dieser Abschnitt durch das Auf- treten der seeundären Chromatophoren, welche durch manche Eigenthümlichkeiten von den vorigen, den primären, Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephbalopoden etc. 15 sich unterscheiden. Während nämlich die primären Chromato- phoren eine zusammenhängende Schicht bilden, welche unmittel- bar unter der Epidermis liegt, aber von ihr durch ein Lager von Mesodermzellen getrennt ist, finden sich die nun auftretenden seeceundären Ühromatophoren ohne deutliche Ordnung unter der vorigen Lage. Auch sie haben einen Hohlraum, um welchen sich, besonders aber gegen die Enden der meist ovalen Zelle bräunliche Granula anhäufen. Da man an manchen Stellen Haufen dicht beisammenliegender Elemente dieser Art begegnet, ist Phi- salix geneigt, sie als Reserve-Öentren anzusehen, von denen die Verbreitung der Chromatophoren über die an Ausdehnung all- mählich zunehmende Oberfläche des Körpers auszugehen habe. Auf diese Beobachtungen gestützt, weist Phisalix die „bizarre Hypothese“ Joubin’s zurück, nach welcher die Muskeln der embryonalen Chromatophoren zu ihrer Ortsveränderung und zu ihrer Zerstörung dienen sollien. — Erst später ordnen sich um diese seeundären Pigmentzellen, von denen wahrscheinlich ein sehr grosser Theil der gelblichen Chromatophoren des erwachsenen Thieres herstammt, radiäre Zellen an. Man kann somit die Pigmentzellen als amoeboide Zellen ansehen, welche auf dem Wege der Pigment-Degeneration sich befinden. Bildungsweise der Chromatophoren beim erwachsenen Thiere. — Beim erwachsenen Thiere ist die Production neuer Chromato- phoren (wir folgen immer noch den Angaben von Phisalix) zwar weniger activ als beim Embryo, allein sie fehlt keineswegs ganz; sie vollzieht sich hier wie in der Embryonalzeit auf Kosten der Bindegewebszellen der Haut und nach demselben Modus wie dort. Als Untersuehungs-Objeet wird besonders Sepiola empfohlen. Bei erwachsenen Exemplaren dieses Genus finde man ziemlich zahlreiche kleinere Pigmentflecke, deren Aussehen merklich von dem der ausgebildeten Chromatophore abweiche. Die eine Form, die uns hier weniger interessirt, besteht nach seiner Schilderung aus einer Zellgruppe, in deren Mittelpunkte je nach der Grösse dieser Flecke eine oder mehrere Anhäufungen von Pigment sich finden, die, wenn ich den Autor recht verstanden habe, auch ihrerseits von degenerirenden Zellen eng umschlossen sind. Die zweite Form dieser auf Chromatophoren zu beziehenden Zellen- gruppe müssen wir genauer in’s Auge fassen. Es handelt sich hierbei um eine einzige Zelle, um welche die benachbarten Ele- 16 Bernh.:Solger: mente eine radiäre Anordnung annehmen. Die centrale Zelle, die auf der von Phisalix veröffentlichten Abbildung (l. e., Fig. 4) sich dargestellt findet, war übrigens schon pigmentirt. Zur Kenntniss dieser rudimentär gebliebenen (also am Ende ihrer Entwickelung angelangten) oder, was ja ebenso gut möglich ist, noch mitten ihrer Entwickelung stehenden Chromatophoren kann ich selbst einige Beiträge liefern. — Betrachten wir zu- nächst Fig. T genauer! Es handelt sich um eine chromatophoren- ähnliche Zelle von Illex Coindetii. Das betreffende Exem- plar, das freilich erst soeben abgestorben in meine Hände gelangt war, maass von der Wurzel der Arme bis zum Körperende 10cm, war also wohl ausgebildet. Im Bereiche des Mantels wurde nun alsballl eine subeutane Injection von Methylenblau (von der oben angegebenen Concentration und Mischung) gemacht. Nach einiger Zeit konnten Scheerenschnitte hergestellt werden, die mit Sei- bert’s Obj. — S. II (Ocular II) untersucht wurden. Es zeigte sich folgender Befund: Zwischen vollkommen ausgebildeten Chro- matophoren standen ganz kleine, offenbar mit ursprünglich farb- losen, nun intensiv blau tingirten Granulis erfüllte Elemente, um welche herum — allerdings in einem auffallend grossen Abstande, dessen Bedeutung mir nicht klar geworden ist, ein Kranz von Zellen sich ordnete, deren basaler Theil mit Methylenblau stark imprägnirt war. — Auch folgende am Integumente eines gleich- falls eben abgestorbenen Exemplares von Loligo offieinalis gemachte Beobachtung gehört hierher. Dass an diesem Thiere die Epidermis fast in ihrer ganzen Ausdehnung abgelöst war, erwies sich für die Herstellung von Flächenpräparaten des in Sublimat fixirten Coriums nur günstig. An solchen, nachträglich mit Hämatoxylin gefärbten Partieen der Lederhaut ergab sich u. A. folgendes Bild: Eine grosse Zelle von ellipsoidischem Um- risse mit ähnlich geformtem fast central stehenden und durch Hämatoxylin färbbaren Kerne, deren Körper der Pigmentablage- rung vollkommen entbehrte, zeigte sich von einem Kranz zahl- reicher (etwa 25—30), viel kleinerer Elemente von ungefähr kubischer, eylindrischer oder polymorpher Gestalt umgeben, die nur an einigen Stellen in 2 Schichten angeordnet waren (8. Fig. 10). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die central gelegene Zelle (ich betone mit Rücksicht auf eine schon Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden etc. 7 erwähnte Aeusserung Phisalix’s, dass ich nur ein ein- ziges Element im Sinne habe) der ganzen Gruppe die grösste Aehnlichkeit mit einer unfertigen Chromatophore hat. Derartige Bilder lagen wohl auch schon Phisalix!) (1886) vor, der ihnen eine eigenthümliche Deutung gab. Darnach sollten die Chromatophoren „Vacuolen* sein, die nachträglich mit Zellen erfüllt wurden, welche die Pigmentdegeneration erlitten hätten. Die Chromatcphoren wären demnach zusammengesetzte Gebilde, deren hauptsächlichste Elemente von transformirten Zellen ab- stammen, und zwar ordne sich zweimal ein Kranz von Zellen um die sich ausbildende Chromatophore. Meiner Meinung nach liegt die Sache wohl einfacher. Die central gelegene Zelle würde in unserem Falle, wenn sie nicht in ihrer Ausbildung unterbrochen worden wäre, ihre bisher noch farblosen Granula, wie mir scheint, allein durch ihre eigene Lebensthätigkeit zu Pigmentschollen metamorphosirt haben, wäh- rend die Elemente des sie umgebenden Zellenkranzes entweder nur den elastischen Apparat oder gleichzeitig auch die Radiär- Muskeln geliefert haben würden. Dem Studium der ersten Entwicklungsstadien der Chromato- phoren konnte ich bei der Fülle von anderen Fragen, deren Beantwortung ich während meines Aufenthaltes in Neapel in Aussicht genommen hatte, leider keine Zeit widmen. Nur auf eine während einer späteren Entwicklungsphase zu beobachtende Erscheinung, deren Kenntniss wir Joubin?) verdanken, möchte ich zum Schlusse noch hinweisen, nämlich auf eine zu einer gewissen Zeit bei Embryonen von Loligo marmorata vorübergehend bestehende unverkennbare Symmetrie der Chromato- phoren, so dass am Mantel wie am Kopfe deutliche Querreihen zu Stande kommen. An sechs Exemplaren von weit entwickelten Embryonen der genannten Species, die kurz vor dem Ausschlüpfen (Ende Januar) standen, kehrte stets derselbe regelmässige Be- fund in seinen Grundzügen wieder. Besonders scharf ausgeprägt 1) Comp. rend., T. 102, p. 775—177. 2) Leider kounte ich die schon oben eitirte Arbeit Joubin’'s mir erst bei Erledigung der Correctur verschaffen; ich muss mich da- her darauf beschränken, an dieser Stelle auf seine ausführlichen An- gaben, die ich im Wesentlichen bestätigen kann, zu verweisen (verg!. bee D2296 4 und, Far X]). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 2 18 Bernh. Solger: war diese regelmässige Anordnung auf der dorsalen Fläche (Fig. 11) der Embryonen, wo die Chromatophoren auch nicht so dicht stehen, als auf der ventralen (wenigstens, soweit das Ge- biet des Mantels reicht), aber auch auf der ventralen Fläche (Fig. 12) tritt die symmetrische Vertheilung der pigmentirten Elemente am Kopfe und .an den Armen unverkennbar hervor. Manchmal erscheint die Symmetrie gestört oder unvollkommen ; dann tritt die vitale Methylenblaufärbung (Einsetzen der noch von den Eihüllen umschlossenen Embryonen in Seewasser, dem eine stark verdünnte Lösung des Farbstoftes zugesetzt war) er- gänzend ein, denn nunmehr gelingt es (wenigstens auf der be- zeichneten Entwicklungsstufe) fast stets, die fehlenden Glieder dureh künstliche Färbung ihrer Granula hervorzuheben. Das war auch in dem unseren beiden Abbildungen (Figg. 11 und 12) zu Grunde liegenden Falle eingetreten, hier sind die künstlich ge- färbten Chromatophorenanlagen durch Kreise wiedergegeben. Greifswald, Anatomisches Institut. Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Chromatophoren von Cephalopoden des Golfes von Neapel. Fig. 1. Chromatophore von Rossia macrosoma. Vitale Färbung dreier “ Nerven, die den stumpfen Ecken der Chromatophoren ent- sprechend angeordnet sind. Schwache Vergrösserung (Sei- bert, Obj. II). Muskelnerv einer Chromatophore von derselben Species bei starker Vergrösserung (Oel-Immersion, Seibert). Fig. 3. Vitale Färbung zweier benachbarter Muskelnerven einer Chro- matophore von Loligo vulgaris mit dem Zeichenapparat auf- genommen bei Seibert, Obj. V. . 4. Ein und derselbe Muskel und Muskelnerv einer Chromatophore in zwei verschiedenen Contractions-Zuständen des ersteren. Sepiola Rondeletii. . 5 und 6 stellen Muskeln der Chromatophoren von Rossia macro- > be) W » ® soma dar, und zwar im Zustande postmortaler Imbibition mit Methylenblau; Untersuchung mit Seiberts Oel-Immersion. Fig. 7. Ersatz-Chromatophore von Illex Coindetii. Das betreffende Exemplar, das, soeben abgestorben, zur Untersuchung gelangte, maass von der Wurzel der Arme bis zum Körperende 10 cm. Imprägnation mit Methylenblau. Seibert, Obj. II, Oeul. IH. Fig. 8. Chromatophore von Sepia officinalis, frisch. Aufgenommen mit Seibert, Obj. V. Die Contouren bei z wurden erst bei Zur Kenntniss der Chromatophoren der Cephalopoden ete. 19 Anwendung der Oel-Immersion wahrgenommen und nachträg- lich eingezeichnet. Fig. 9. Unteres Segment der vorhergehenden Figur bei Anwendung der Oel-Immersion und tiefer Einstellung auf den Grenz-Con- tour der Pigmentmasse, hat einen scharfen Contour, welcher der Zellgrenze entspricht. Zwischen dem Grenzcontour und der äussersten Schieht der Chromatophore pfeilerartige Ver- bindungen von anscheinend fibrillärem Bau. . Fig. 10. Vorstufe einer Chromatophore sammt Adnexa von Sepia offi- einalis. Methylenblau. Fig. 11 und 12 stellen einen und denselben Embryo von Loligo mar- morae dar, nach Einwirkung von Methylenblau, Fig. 12 von der ventralen, Fig. 11 (einen Tag später aufgenommen) von der dorsalen Fläche. Untersuchungen über Zelltheilung. Von Bernhard Rawitz. Hierzu Tafel II. II. Die Theilung der Hodenzellen und die Spermatogenese bei Seyilium eanieula L.!) Die in den folgenden Zeilen mitzutheilenden Untersuchungs- ergebnisse bilden den Anfang einer grösseren Reihe von Arbeiten, welche ich über die Theilung der Hodenzellen bei Wirbelthieren 1) Das Material von Scyllium canicula sammelte ich während eines Aufenthaltes in der zoologischen Station zu Rovigno. Herrn Dr. Hermes für die liebenswürdige Aufnahme, die ich allezeit in seiner Station gefunden, auch an dieser Stelle zu danken, ist mir eine ange- nehme Pflicht. Der Aufenthalt in Rovigno wurde mir durch ein vom Königl. Preussischen Kultusministerium bewilligtes Stipendium ermöglicht. Hierfür meinen ehrerbietigen Dank auszusprechen, ist mir Bedürfniss. Wie bisher immer, so standen mir auch bei der Aus- führung dieser Arbeit die Mittel des physiologischen Institutes der hiesigen thierärztlichen Hochschule zur Verfügung; dem Chef des Institutes, Herrn Professor Hermann Munk, statte ich daher hier- mit meinen aufrichtigsten Dank ab. 50 Bernhard Rawitz: und Wirbellosen zu veröffentlichen beabsichtige. Der Gesichts- punkt, der mich hierbei leitet, ist der, an einer grösseren Reihe von Thieren der verschiedensten Typen durch systema- tische Untersuchungen festzustellen, unter welchem Bilde die Attraktionssphäre im den Hodenzellen erscheint, welche Bedeu- tung sie bei deren Theilung besitzt und wie und in welcher Weise sie sich am Aufbau des Spermatosoma betheiligt. In einer vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift veröffentlichten Arbeit (9)Y;, die ich als Prooemium dieser Untersuchungen be- trachten möchte, war ich zu Resultaten betreffs der Spindel- bildung gekommen, die so sehr von der hergebrachten Dar- stellung abwichen, dass dadurch der Gedanke an eine so aus- sedehnte Untersuchung nahe gelegt wurde. Was ich in jener erwähnten Abhandlung beschrieben, halte ich übrigens — dies nebenbei bemerkt — der mehr aprioristischen Kritik von Meves (6) gegenüber voll aufrecht. Eine solche Untersuchung, von einem Einzelnen in der beabsichtigten Ausdehnung durchgeführt, scheint mir auch des- wegen von Werth, weil dadurch wirklich einmal festgestellt werden kann, wie beschaffen die Sphäre in den Hodenzellen der Thiere der verschiedensten Typen ist und wo die Vergleichs- momente zu suchen sind. Gegenwärtig nämlich kann meines Erachtens keine Rede davon sein, dass wir für Analogieen und Homologieen eine gesicherte thatsächliche Unterlage hätten. Der Eine beschreibt das Verhalten der Sphäre in den Hoden- zellen einer Nematode und vergleicht seine Befunde mit denen, welche ein Anderer an den Eizellen einer Schnecke erhalten; und vice versa. Wir kennen eine Fülle der interessantesten Thatsachen und haben doch keine Richtschnur für die Ver- gleichung. Beweis dafür unter anderem auch der Streit, was man unter einer „Attraktionssphäre“ zu verstehen hat und ob überhaupt die Sphäre ein distinkter, wohl charakterisirter Be- standtheil der Zelle ist, ob das Centrosoma die Hauptsache ist, oder ob, wie ich bis jetzt noch immer glaube, die Prävalenz dieses Gebildes nur eine scheinbare ist, nur auf der meist ver- wendeten Eisenhämatoxylinmethode beruht. 1) Die Zahlen in Klammern hinter den Namen weisen auf das am Schlusse folgende Literaturverzeichniss hin. Untersuchungen über Zelltheilung. 21 Die Ausdehnung, die ich meiner Untersuchung zu geben beabsichtige, erlaubt mir aber auch, mich bei Besprechung meiner Resultate auf diejenigen Literaturangaben zu beschränken, die sich auf die gerade von mir untersuchte Gruppe beziehen. Da- her werde ich in der vorliegenden Veröffentlichung ausschliess- lieh auf die Arbeiten über Selachierhoden Rücksicht nehmen. Ferner bin ich dadurch zur Zeit noch der Pflicht überhoben, aus meinen Resultaten Schlüsse von allgemeiner Bedeutung zu ziehen. Denn naturgemäss kann eine allgemeine Erörterung mit Nutzen erst dann erfolgen, wenn das gesammte Vergleichungs- material vorliegt. Vielleicht ist bisher auch darin von den Au- toren zu viel geschehen. Auf Grund einiger wenn auch noch so wichtiger und interessanter Befunde, die an einem einzigen Objekte gemacht waren, wurde fast jedesmal in grösster Aus- führlichkeit das ganze Problem der Zelltheilung, das der Be- fruchtung, der Vererbung ete. diskutirt, ohne dass dabei ein er- kleklieher wissenschaftlicher Gewinn abfiel. Sehr viele Autoren, die über Zelltheilung geschrieben, kommen mir vor — ich will damit Niemandem persönlich zu nahe treten — wie ein Geograph, der die Provinz Brandenburg beschreibt und daran eine Er- örterung der ganzen physischen Geographie der nördlichen Erd- hälfte knüpft. Vielleicht wären wir im Verständniss der Zell- theilungsvorgänge schon weiter, hätte jeder Einzelne sich mehr Reserve auferlegt. Im Vorstehenden habe ich bereits den Ausdruck „Attrak- tionssphäre“ gebraucht, also mich an die alte van Beneden- sche Terminologie gehalten. Ich weiss sehr wohl, dass der van Beneden’sche, zur Kennzeichnung gewisser am sich furchen- den Ascarisei zu konstatirender Erscheinungen bestimmte Aus- druck im Sinne jenes Autors bei anderen Zellen nieht ganz zu- treffend ist. In meiner früheren Arbeit (9) habe ich ausdrück- lich hervorgehoben, dass van Beneden’s „zone corticale* an den Sphären der Zellen des Salamanderhodens nieht vorkommt, dass daher die Bezeichnung „sphaire attractive“ in dem von van Beneden gewollten morphologischen Umfange nicht zutrifft. Den Ausdruck selber aber glaubte ich beibehalten zu sollen, einmal weil ein besserer zur Zeit, wenigstens meines Er- achtens, nieht vorhanden ist, und dann weil nach meinen Unter- 22 Bernhard Rawitz: suchungen das fragliche Gebilde wirklich einen „anziehenden* Einfluss auf die ersten Chromosomenanlagen ausübt (9, pag. 179). In mir erfreulicher Uebereinstimmung befinde ich mich insofern mit Meves (6), als derselbe gleich mir die Attraktions- sphären in den Hodenzellen des Salamanders als besondere distinkte Gebilde anerkennt. Leider kann ich mich mit den anderen hierauf bezüglichen Ansichten von Meves nicht so einver- standen erkläreu. Wenn dieser Autor in seinem Referate über Zelltheilung (6, pag. 313) das Charakteristische der Attraktions- sphäre in der Anwesenheit des Centrosoma zu sehen scheint, so kann ich dem nicht zustimmen und verweise zur Begründung meines ablehnenden Verhaltens gegen diese Charakterisirung auf meine Abhandlung „über die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus“ (dies Arch. Bd. 45), gegen deren Resultate stud. med. Schumacher eine ganz unzureichende Polemik geführt hat. Durch seine Auffassung ist Meves auch zu seiner neuen Terminologie gekommen (6, pag. 315). Er nennt die Sphäre „Idiozoma“, denn sie stellt eine „spezifisch beschaffene Hülle“ dar, „welche die Centralkörperchen in den männlichen Samenzellen !) umgiebt“. Ich kann nicht finden, dass bisher ein wirklich stringenter Beweis dafür erbracht wäre, dass die Sphäre nichts weiter sei als eine Hülle für das Cen- trosoma: im Gegentheil: manche Thatsachen sind bekannt ge- worden, dass Sphären vorkommen, auf die jene Definition nicht passt. Meves selber hat die interessanten Veränderungen der Sphären in den Spermatogonien des Salamanders beschrieben, bei denen kaum von einer Hülle der Centrosomen gesprochen werden kann. Ich werde in Folgendem ähnliche Verhältnisse bei Seyllium zu schildern haben. Wozu überhaupt einen neuen Namen ? Attraktionssphäre, Archiplasma oder gar das barbarische Archoplasma, Aströsphäre, Centrosphäre, Idiozoma, Nebenkern: wahrlich Namen genug, um die Möglichkeit einer Verständigung weit hinauszurücken. Je mehr Bezeichnungen übrigens in der Wissenschaft für ein Gebilde vorhanden sind, um so weiter sind wir vom Verständnisse desselben entfernt: das ist eine alte Er- fahrung. Haben wir, um ein Beispiel anzuführen, denn noch ein 1) Männliche Samenzelle ist ein Pleonasmus; eine Samenzelle beim Thier ist immer männlich, weibliche Samenzellen giebt es nicht. Untersuchungen über Zelltheilung. 23 Recht auf die Anwendung des Namens „Zelle*? Das, was wir unter Zelle verstehen, ist doch etwas ganz anderes, als was Schwann, Remak und Reichert darunter verstanden haben. Warum können wir es mit dem Terminus „Attraktions- sphäre“ nicht ebenso halten ? Es existirt in der Zellsubstanz der Hodenzellen vieler Thiere eine Bildung, die mit gewissen Färbe- methoden (Flemming’s Orangeverfahren, Thionin, adjektive Anwendung der Aniline, Alizarin ete.) klar hervorzuheben ist und die offenbar bei der Theilung dieser Zellen eine bestimmte Rolle Spiels: dieseBildwnglisteinevAttraktionssphäre. Ob mit dieser Definition das van Beneden’sche Schema über- einstimmt oder nicht, ist gleichgiltig; genug, dass wir ungefähr wissen, was mit dieser Bezeichnung gemeint sein soll. Wie be- schaffen die Sphäre in den verschiedenen Thiertypen ist, ist Objekt der Untersuchung; aber wären die Differenzen noch so gross, der einmal vorhandene Name, der das Recht der Priorität für sich hat, wäre dennoch beizubehalten, ebenso wie die Be- zeichnung „Zelle* für so verschiedene, vom ursprünglichen Schema limmeiweit abweichende morphologische Gebilde wie Ganglienzelle, Muskelzelle, Drüsenzelle beibehalten wird. Bei möglicherweise noch so beträchtlicher Verschiedenheit im Aus- sehen der einzelnen Sphären: in ihrer Bedeutung für das Leben der Zellen könnten sie dennoch übereinstimmen. Das Hervorheben der Bedeutung des Centrosoma beruht meines Erachtens lediglich auf den Resultaten der unglückseligen, sogenannten „regressiven“ Färbungsmethoden. Ich habe aus- führlieh in der Nr. 3 des XIII. Bandes des „anatomischen An- zeigers“ meine Ansichten über das Unzuverlässige dieser Methoden aus einander gesetzt, bei denen man „so lange differenziren“ kann, „bis gar nichts mehr different, d. h. bis alles wieder völlig entfärbt ist“. Auf das dort Gesagte sei hiermit verwiesen. Ich bin erfreut, mich mit F. Hermann (2)!) in Uebereinstimmung zu wissen, der auch den „regressiven“ (!) Methoden nicht sehr zu trauen scheint. Darum habe ich mich — um nach dieser terminologischen Einleitung, welche mir aber nicht überflüssig 1) Ich bin genöthigt, bei dem Namen Hermann immer den Vornamen zuzufügen, da in dieser Abhandlung zwei Autoren gleichen Namens zu erwähnen sind. 24 Bernhard Rawitz: erschien, die von mir benützte Technik kurz zu erwähnen — für die Untersuchung am Selachierhoden zur Tinetion, da mich auch Flemmings sonst ausgezeichnetes Orangeverfahren im Stich liess, ausschliesslich des Alizarins bedient. Die echte Färbung, die man mit dieser Substanz erzielt, schien mir eine Gewähr für die Zuverlässigkeit der gewonnenen Bilder zu bieten. Die Technik der Anwendung des Alizarius ist von mir in der Nr. 10 des XI. Bandes des „anatomischen Anzeigers* ausführlich be- schrieben. Fixirt war das von Seyllium canieula stammende Material inFlemming’scher Lösung; die Schnittdieke betrug 5— T!/, u. A. Zelltheilung. Ueber den gröberen Bau des Selachierhodens brauche ich nichts anzuführen, da diese Frage seit den Untersuchungen von Hallmann (1) und Lallemand (5) erledigt ist. Das Haupt- konstituens des Organs sind bläschenförmige Gebilde, die soge- nannten Ampullen, deren Verbindungsweise mit dem Neben- hoden auf Schnitten nicht immer zu erkennen ist. Nur an den- jenigen Ampullen, welche reife Spermatosomen enthalten, kann man diese Verbindung wahrnehmen, während an den übrigen, namentlich den die Spermatogonien enthaltenden, eine solche Verbindung nicht erkennbar ist. Diese letzteren Ampullen würden darum besser Cysten heissen. Auf einem Transversalschnitte durch den Hoden sieht man, dass an der einen Seite die Cysten mit den Spermatogonien sich finden, während an der entgegengesetzten die Ampullen mit den reifen bez. reifenden Spermatosomen gelegen sind. Die weitere Anordnung ist dann so, dass auf die Cysten mit den Spermatogonien nach innen zu die mit den Spermatocyten, dann die Spermatiden haltigen und endlich diejenigen folgen, in welchen die Spermatogenese sich vollzieht. Letztere grenzen an die Am- pullen mit den reifenden Spermatosomen. Nach G. Herrmann (3) sollen allerdings die Verhältnisse anders liegen. Nach diesem Forscher kann man auf Transversalschnitten durch die Hoden von Seyllium, Squatina und Raja eine äussere Zone, in welcher ein Wachsthum der Ampullen stattfindet, eine mittlere Zone, in welcher die Ampullen mit Spermatoblasten (Spermatocyten) angefüllt sind, und eine innere Zone unterscheiden, in welcher die eigentliche Spermatogenese vor sich geht. Diese Angabe Untersuchungen über Zelltheilung. 25 ist sicherlich unrichtig, denn weder auf Transversal- noch auf Dorsoventralschnitten war in den Hoden der zahlreichen Exem- plare von Scyllium cavnieula, die ich untersuchte, eine andere als die von mir beschriebene Anordnung zu sehen. Jede einzelne Oyste bez. Ampulle ist von einer relativ starken bindegewebigen Kapsel, in der Kerme nicht wahrzu- nehmen sind, umgeben. Wohl findet man an der Kapsel dicht anliegend Kerne, die von einem sehr zarten und schmalen Proto- plasmamantel umhüllt sind; doch sind dies keine Bindegewebs- kerne, sondern die Kerne der Stützzellen (Fig. 1, 2,3, st). Von der‘ Kapsel (Fig. 1—4, k) gehen zahlreiche derbe Züge in radiärer Richtung gegen den Hohlraum der Ampullen bez. Cysten (Fig. 1, 2,4,b), die wiederum durch zarte Bindegewebslamellen unter einander in Verbindung stehen. Letztere, die sich mannig- fach kreuzen und gegen das Lumen der Cyste hin ein zartes, schleierartiges Gewebe bilden (Fig. 2, b,), in welchem keine Zellen mehr eingeschlossen liegen, stellen ein Fachwerk dar, in welchem die Hodenzellen sich finden, und zwar immer je eine Zelle in einem Fache. Die radiäre Richtung der derberen Züge bedingt es, dass die Zellen ebenfalls in radiärer Richtung strang- förmig geordnet erscheinen (Fig. 1 und 2). Die Existenz des mit der Kapsel zusammenhängenden bindegewebigen Fachwerkes ist vielfach verkannt worden. So erwähnt Jensen (4) in dem- jenigen Theile seiner Arbeit, der sich auf Raja clavata und Raja vomer bezieht, eine nach Anwendung der Müller’schen Lösung deutlich werdende „granulöse Substanz“, die an der Wand des „Follikels“ erscheint und von derselben hervorgebracht sein soll. Alles, was über diese granulöse Substanz („eouche granuleuse*) ausgesagt wird, ist, wenn ich meine Präparate mit den Abbil- dungen von Jensen vergleiche, auf eine durch das angewandte Reagens veranlasste Verwechseluug mit dem intraampullären sehr feinfaserigen Bindegewebe zurückzuführen. Seine weiteren Angaben aber über eine durch Zerstörung der innersten Sperma- toeyten entstehende granulöse Substanz, die mit den Spermato- eyten verbunden sein und schliesslich die Stützzelle („Cytophore“) bilden soll, ist mir gänzlich unverständlich. Was der Autor eigentlich gesehen hat, ist mir weder aus seinen Schilderungen, noch aus den Abbildungen, noch endlich aus der Vergleichung mit meinen Präparaten klar geworden. Auch Swaäön und 26 Bernhard Rawitz: Masquelin (12), die sich in ihrer Schilderung ausserordent- lich lange mit Nebensächlichkeiten aufhalten, haben unklare Vor- stellungen über die Kapsel der Cysten bezw. Ampullen, wie das aus der irrigen Angabe hervorgeht, dass der Stützzellenkern („noyau basilaire‘), der nach meinen Präparaten von Anfang an da ist, erst relativ spät erscheinen soll. Sanfelice (11) endlich beschreibt an den Ampullen eine endotheliale Membran, die thatsächlich nicht existirt. Die bindegewebige Grundlage zeigt das von mir beschriebene Verhalten, namentlich die zarte Schleierbildung, welche in den Spermatideneysten (Fig. 2, b,) am deutlichsten ist, bis weit in die Spermatogenese hinein (Fig. 4. Erst wenn die sich entwickelnden Spermatosomen ihre Einlagerung in die Stützzelle gewonnen haben, wird dies Bild undeutlich. Sind die Zellen in Ruhe, dann haben die Cysten überall ein gleiches Aussehen, setzt dagegen die Zelltheilung ein, so er- scheint eine ganz charakteristische Anordnung, die auch bei den, hier nicht weiter berücksichtigten, die Spermatogonien enthalten- den Cysten ausgeprägt ist. Es findet sich nämlich (Fig. 5) über- all eine deutliche Quadranteneintheilung. Die Zellen je zweier einander gegenüberstehender Quadranten zeigen Ruhe bez. Rück- kehr zur Ruhe, die der beiden anderen Quadranten Theilung. Schon bei Anwendung sehr schwacher Linsensysteme ist eine solehe Anordnung deutlich und der Untersucher kann daher leicht die Theilungen auffinden. Dabei ist hervorzuheben, dass stets mehrere Stadien der Theilung gleichzeitig in einem Qua- dranten vorhanden sind. Diese Quadranteneintheilung geht bis zur Ausbildung der Spermatiden; sind diese zur Ruhe gekommen, dann gehen die Veränderungen, d. h. die Spermatogenese, in allen Zellen einer Ampulle gleichmässig vor. Die Zelltheilungen will ich von der Spermatocytengene- ration ab schildern. Die Theilung der Spermatogonien habe ich darum nicht berücksichtigt, weil die diese Zellgeneration ent- haltenden Cysten so peripher im Hoden liegen, dass sowohl an der Zellsubstanz wie am Kern die Resultate zu stürmischer Os- miumwirkung zu beobachten sind. Ist dies auch ziemlich be- deutungslos für die eigentlichen karyokinetischen Figuren, so ist doch die Struktur der Kerne in der Einleitung der Zelltheilung hierdurch sehr stark alterirt, die mikroskopischen Bilder sind Untersuchungen über Zelltheilung. 27 daher meines Dafürhaltens nicht verwerthbar. In den Cysten mit Spermatoeyten fehlen die sogenannten „Deckzellenkerne* („Cystenkern“, „Noyau follieulaire“), es erledigt sich für mich daher ein Eingehen auf die hierüber höchst widerspruchsvollen Angaben der Autoren. Die Zellen der aus den Spermatogonien entstandenen Sper- matocyten kehren zur vollen Ruhe zurück und zeigen die bereits erwähnte, durch die Bindegewebszüge bedingte radiäre Anordnung (Fig. 1). Es sind zwei Generationen von Spermatocyten zu unter- scheiden, die sowohl durch die Grösse der Zellen im allgemeinen wie durch die der Kerne im besonderen von einander abweichen. Sie sollen in der folgenden Darstellung durch die Bezeichnung Spermatocyten I. und II. Ordnung aus eimander gehalten werden. Die ruhenden Zellen der I. Ordnung (Fig. 5) sind poleydrische oder rundliche, von zarter Membran umschlossene Gebilde, deren durchsehnittliche Grösse 15 u beträgt. Die Zell- substanz zeigt eine unbestimmte Struktur, d. h. weder lässt sich an ihr eine deutliche Zusammensetzung aus Filar- und Interfilar- substanz noch ein ausgesprochen granulirter Bau erkennen. Wahr- scheinlich sind die Fäden der Filarsubstanz so fein, ihr Maschen- werk ist daher so eng, dass selbst durch ein so ausgezeichnetes Fixirungsmittel wie die Flemming sche Lösung Verklumpungser- scheinungen hervorgerufen werden, die eben jene unbestimmte Struktur bedingen. Moore (8), der am selben Objekte gearbeitet hat wie ich, zeichnet überall eine grobretieuläre Anordnung der Zellsubstanz. Indessen da die Abbildungen von Moore keineswegs die Verhältnisse immer richtig wiedergeben, da er sogar Manches zeichnet, was nicht vorhanden ist, so glaube ich auch seinen auf diesen Punkt sich beziehenden Figuren nur ge- ringe Glaubwürdigkeit beimessen zu dürfen. In der Zellsubstanz sieht man zahlreiche sehr feine Körnchen, unter denen gelegent- lich, d. h. in einzelnen Zellen, ein oder das andere sich durch etwas beträchtlichere Grösse auszeichnet. Diese Körnchen sind durch ihre intensivere Färbung von der sich blasser tingirenden übrigen Zellsubstanz deutlich unterschieden, infolge ihrer Klein- heit aber nur bei sehr starker Vergrösserung wahrzunehmen. Sie sind meist in einfacher, hier und da auch in mehrfacher Reihe konzentrisch zum Kern angeordnet, gehen aber um letzteren nicht ganz herum, sondern fehlen an einem Pole desselben in 28 Bernhard Rawitz: ınehr oder minder beträchtlicher Ausdehnung. Diese Körnchen sind in Fig. 5 mit s bezeichnet. Ich halte diese Gebilde für das Aequivalent der Attraktionssphäre, wofür die später bei der Theilung der Zellen zu beschreibenden Vor- gänge die Begründung beibringen. Bei der relativen Indifferenz des Ausdruckes „Attraktionssphäre“ scheint mir diese Bezeich- nung der beschriebenen Erscheinung die geeignetste. Wohl gleicht diese Sphäre weder der im Ascarisei noch der in den Hodenzellen des Salamanders; immerhin aber stellen die Körn- chen deutlich differenzirte Bildungen der Zellsubstanz dar. Sie in ihrer Gesammtheit als „Idiozoma“ zu benennen, geht nicht an, denn weder ist ein Üentrosoma zu unterscheiden, noch bilden sie einen Gürtel um ein in der Zellsubstanz, ausserhalb des Kerns gelegenes Gebilde. Der Kern, dessen Durchmesser zwischen 10,5 und 11 u schwankt, ist ein kugeliges oder eiförmiges Gebilde. Er besitzt eine deutliche Membran; die chromatische Substanz besteht aus Körnern, die unregelmässig in einer homogenen, sich nicht fär- benden Grundsubstanz vertheilt sind, sieh nieht sehr intensiv tingiren und ungleiche, aber stets geringe Grösse haben (Fig. 5). Ein Lininnetz ist nieht zu erkennen. Beim Uebergang zum diehten Knäuel — wenn hier eine solehe Bezeichnung überhaupt anwendbar ist — zeigt sich zunächst bei unverändert gebliebenem Aussehen der Zellsubstanz eine Veränderung in denjenigen Gebilden, die ich für das Aequi- valent der Attraktionssphäre halte (Fig. 6). Die Körnchen- sphäre umgiebt nicht mehr konzentrisch den Kern, sondern hat sich nach einem Pole desselben zusammengezogen. Noch sind die Körnehen getrennt, noch ist keine solide Sphäre vor- handen, wohl aber bedeutet dieses Zusammenziehen den Beginn der Konsolidirung. Die Körnchen sind weniger zahlreich, die einzelnen sind umfangreicher geworden, messen beinahe 1 u, ihre Färbbarkeit hat zugenommen, sie imponiren jetzt als ein unregelmässig gestalteter, deutlich differenzirter Haufen. Moore (8)!) dagegen zeichnet die Sphäre mit einer Deutlichkeit wie 1) Die Arbeiten von Sanfelice (11) und von Sabatier (10) im Text zu berücksichtigen, will ich unterlassen, um die Schilderung meiner Befunde nicht durch zu häufige kritische Exceurse zu unter- brechen. Die Arbeit von Sabatier habe ich nur der Vollständigkeit Untersuchungen über Zelltheilung. 29 ich sie nur bei den Spermatiden, niemals bei den Spermatocyten I. und II. Ordnung und auch nicht bei den Spermatogonien an- getroffen habe. Centrosomen habe ich in diesem Stadium nie gesehen und es dürfte auch schwer sein, in der Körnchenssphäre (Fig. 6) ein Centrosoma zu unterscheiden, vorausgesetzt, dass man nicht eine irrationelle „regressive“ Fär- bung angewendet hat. Denn bei der letzteren kann durch die sogenannte Differenzirung eine Entfärbung der Körnchen herbei- geführt werden, sodass schliesslich aus Zufall ein oder das andere nicht entfärbt ist, das dann wohlgemuth als „Centrosoma* an- gesprochen wird. Wie diese Konsolidirung, diese Zusammen- ziehung der Körnchensphäre zu Stande kommt, lässt sich nur er- schliessen, nicht beobachten. Man dürfte aber wohl von der Wahrscheinlichkeit sich nieht zu sehr entfernen, wenn man an- nimmt, dass durch aktive Ortsveränderung die Körnchen in der Zellsubstanz wandern, dass dabei mehrere mit einander ver- schmelzen (daher die geringere Zahl) und dass durch die Wande- rung sie sich an einem Kernpole konzentriren. Da wo die Körnehensphäre liegt, ist die Hauptmasse der Zellsubstanz; die Körncehen berühren niemals die Kernmembran. Die entsprechende Veränderung am Kern offenbart sich zunächst durch eine viel intensivere Tingirung in dem ange- wendeten Farbstoffe. Die Chromatinkörnchen stehen sehr dicht, sie sind zahlreicher geworden (Fig. 6), bilden namentlich im Centrum des Kerns einen diehten Haufen — wo diese Vermehrung herkommt, konnte ich allerdings nicht feststellen — und liegen -in einer Grundsubstanz, die jetzt eine zarte Färbung angenommen hat. Indem ich auf meine eingangs eitirte Abhandlung über Alizarinfarben verweise, bemerke ich hier nur, dass diese Färbung der Grundsubstanz nicht Wunder nehmen darf, da das Alizarın die achromatische Substanz deutlich, und zwar in einem von der Färbung der chromatischen verschiedenen Tone färbt. Ein Linin- netz ist nicht zu erkennen. wegen erwähnt; was dieser Forscher eigentlich gesehen und was er beschrieben, ist mir trotz wiederholten Studiums der Arbeit nicht klar geworden. Ich kenne keine Veröffentlichung über Spermatogenese, die eine so verwirrte Darstellung enthält. Die Untersuchungen von Sanfelice sind zu flüchtig und mit zu ungenügender Technik an- gestellt, um von Werth zu sein. Der italienische Autor streift kaum das Problem, geschweige denn, dass er in dasselbe eindringt. 30 Bernhard Rawiıtz: Im Stadium des loekeren Knäuels!) sind zunächst die Veränderungen an der Körnchensphäre zu betrachten (Fig. Ta). Die Zahl der Körnchen hat sich wiederum, wahr- scheinlich infolge mehrfacher Verschmelzung, vermindert, die ein- zelnen sind umfangreicher als auf dem vorhergehenden Stadium, sie sind näher aneinander gerückt, stellenweise bis zur gegen- seitigen Berührung und erscheinen im ihrer Gesammtheit als ein sichelförmiges Gebilde von geringer Ausdehnung, das an einem Pole des Kernes gelegen ist. Sie finden sich in der Hauptmasse der Zellsubstanz, welch letztere unverändert ihre unbestimmte Struktur beibehalten hat. Der Kern, der an Grösse den Kernen des vorigen Stadium gleicht, zeigt die beträchtlichsten Veränderungen (Fig. Ta). Sein Gefüge ist jetzt ein sehr lockeres, sein Centrum erscheint hell, seine Peripherie dunkler gefärbt. Dies rührt daher, dass im Centrum sich nur wenig, durch kleine Körner repräsentirte chro- matische Substanz findet, während dieselbe, wie in Fig. Ta deut- lich sichtbar, an der Peripherie von grossen, runden oder eckigen Klumpen gebildet wird, die grösstentheils der Kernmembran an- liegen. Die einzelnen Bestandtheile des Chromatins sind durch ein Lininnetz untereinander zu einer (physiologischen) Einheit verbunden. Dieses Lininnetz, das jetzt zum ersten Male erscheint, besteht aus starren, relativ dicken Fäden. Nunmehr treten Veränderungen auf, welche zum Aster über- leiten. Für dieses Stadium, das sehr wichtig ist, existirt bisher kein besonderer Namen; ich will es mit Rücksicht auf die Er- scheinungen am Kern das Maulbeerstadium (Fig. Tb) nennen. Die Zellsubstanz ist hauptsächlich in eimer Ecke der Zelle angehäuft; hier findet sich ein zartes spindelförmiges Ge- bilde (Fig. Tb), das die nunmehr konsolidirte Sphäre darstellt. Diese ganz homogen erscheinende Sphäre besitzt kein Centrosoma, auch sind an ihren beiden Enden keiner- lei Andeutungen von Polkörperehen walırzunehmen. Manchmal ist diese spindelförmige Sphäre leicht gebogen und dann konzen- trisch zum Kern, dem sie aber nicht anliegt. Ihre durchschnitt- 1) Um keine neuen Kunstausdrücke einzuführen, brauche ich die Bezeichnungen „dichter“ und „lockerer Knäuel“, obgleich, wie ein Blick auf die Figuren 6 und 7 lehrt, von Knäuelformen im eigent- lichen Wortsinne hier nicht gesprochen werden kann. Untersuchungen über Zelltheilung:. öl liche Länge beträgt etwa 6u, ihre Breite knapp 1,5u. Noch beträchtlicher sind die Veränderungen, die der Kern zeigt. Seine Membran ist geschwunden, die chromatische Substanz hat sich auf einen Haufen zusammengedrängt, der etwas excentrisch in der Zelle liegt und von einem hellen, von Zellsubstanz freien Hofe umgeben ist (Fig. 7b). Der Durchmesser hat sich bedeu- tend verkleinert, er beträgt nur noch 6 u. Das Chromatin bildet eine höckerige, unregelmässig konturirte Masse von maulbeer- artiger Gestalt und besteht aus den eng aneinander liegenden Chromatinpartikeln. Zwischen der konsolidirten spindelförmigen Sphäre und dem Chromatin des Kernes ist eine imnige Verbin- dung vorhanden, die durch starre Fäden bewirkt wird (Fig. 7 b). Diese Fäden stammen vom Linin, wie aus ihrem starren Aus- sehen gefolgert werden kann. Sie ziehen von der Chromatin- masse, in deren Innerem sie allerdings infolge der diehten Lage: rung der Chromatinpartikel nur schwer wahrnehmbar sind, zur Sphäre, an die sie sich inseriren. Dieses Stadium ist allen Unter- suchern, die bisher über den Selachierhoden gearbeitet haben, entgangen. DiespindelförmigeSphäre wächstallmählich zur achromatischen Spindel heran und zwar auf Kosten der Zellsubstanz. Letztere wird fast ganz in die Spindel einbezogen, die zugleich ein faseriges Aussehen gewinnt; die Fasern sind von äusserster Zartheit und Feinheit. Erst nach Ausbildung der noch extranucleär gelegenen achromatischen Spindel erscheinen die Polkörperchen in den Spindelspitzen; sie stammen offenbar aus der Sphäre ab, doch lässt sich ihre Ent- stehung nicht klar verfolgen. Nur das ist mit Bestimmtheit zu sagen, dass sie nicht auf Centrosomen zurückzuführen sind, da solehe hier nicht vorkommen. Mit dem Auftreten der Pol- körperchen ist die Asterform ausgebildet, da nunmehr das Chromatin im Aequator der Spindel sich angeordnet hat und zugleich ist eine zweite Art von Spindelfasern erschienen. Diese sind starre, hart aussehende und relativ starke Fasern, die aus- schliesslich vom Lininnetz abstammen und mantelartig um den feinfaserigen centralen Theil der Spindel herumliegen. Die Fasern der Centralspindel gehen ganz hindurch, von Polkörper- chen zu Polkörperchen, während die Mantelfasern nur vom Pol- körperehen zum Chromatin reichen. Eine Polstrahlung 32 Bernhard Rawitz: findet sich nicht. Das Chromatin bildet längJiche, ab- gerundete und gegen die Spindel leicht konkav gebogene Stäbe, deren etwa 20--24 in der ganzen Circumferenz vor- handen sind. Chromatinschleifen, wie solehe nach den Angaben von Moore (8) und F. Hermann (2) vorkommen sollen, habe ich nie gesehen; die Chromatinringe, die Moore (8) erwähnt, sind wahrscheinlich, wie dies schon Meves (6) vermuthet hat, auf Verklumpungsfiguren zurückzuführen. Die Spindeln sind sehr gross, ihre Längsaxe misst 1l5u, ihre Breite im Aequator beträgt 10u. Die Zellsubstanz färbt sich auf diesem Stadium nur noch sehr schwach, sie ist sehr zart, zeigt hier und da eine leicht faserige Beschaffenheit und sieht aus — der Ausdruck er- scheint mir durchaus zutreffend — wie erschöpft. Erst nach Ausbildung der Asterform tritt die Spaltung der Chromosomen ein. Diese verläuft durchaus nicht gleich- mässig in allen Zellen. Manchmal theilen sich die Chromatin- stäbe der Länge nach in zwei Theile, manchmal der Quere nach; in einzelnen Asterformen, wenn die Chromatindoppelreihe schon ausgebildet ist, sieht man noch hier und da zwei Tochterehromatin- stäbe mit einander durch eine schmale Brücke verbunden (Fig. 3). Immer aber erhalten die so entstehenden Tochterzellen die gleiche Chromosomenzahl wie die Zellen der I. Ordnung; es handelt sich also hier um eine Aequationstheilung. Bevor ich die weiteren Theilungsstadien schildere, muss ich kritisch auf die Arbeiten von G. Herrmann (3) und Moore (8) eingehen. G. Herrmann's Angaben über die Theilung der Hodenzellen bei Selachiern (l. e. p. 397) sind mir unverständlich. Ich habe vergeblich versucht, seine Angaben und seine bezüg- lichen Figuren (Taf. XXIV Fig. 13 und 14 1. e.) mit meinen über- all klaren und eindeutigen Präparaten in Beziehung zu setzen. Ich bekenne offen, dass ich nicht erfassen konnte, was dieser Autor eigentlich meint, wenn er sagt, der Kern theile sieh in zwei Stäbe, von denen jeder zu einem neuen Kern aufquellen soll. Und ich verstehe die eitirten Figuren nicht, in denen er solche Stäbe abbilde. Auch zu Moore (8) befinde ich mich in entschiedenem Gegensatze. In seinen sehr roh gezeichneten Figuren bildet er zwei Centrosomen ab, die ihre Strahlenkrone haben und an entgegengesetzte Pole wandern sollen. Jetzt schwinde die Kernmembran und die chromatische Substanz bilde Untersuchungen über Zelltheilung. 33 eine ovale Masse, in der man die Chromatinschleifen erkennen könne. Im Asterstadium sollen von den Polkörperchen Polstrah- lungen ausgehen. Durch Vergleich mit meinen obigen Angaben und meinen hierher gehörigen Figuren wird die zwischen Moore und mir herrschende Differenz deutlich. Manches hat Moore richtig geschen, vieles Thatsächliche aber völlig verkannt, und zwar darum, weil er offenbar mit vorgefasster Meinung an die Untersuchung herangetreten. Er glaubte wiederfinden zu müssen, was von anderen Forschern an anderen Objekten bereits ge- funden war, und hat sich manche Beobachtung dadurch sugge- rirt, für die ein thatsächlicher Boden nicht vorhanden ist. Um in der Beschreibung meiner Befunde fortzufahren! Nach der Theilung der Chromatinstäbe rücken dieselben aus einander und gegen die Spindelpole hin zur Bildung des Dyasters (Fig. 9). Dieses Auseinanderweichen ist offenbar keine aktive Ortsverände- rung, sondern eine passive, sie wird bedingt durch eine Contrak- tion der Mantelfasern der Spindel, also der ursprünglichen Linin- fasern. Wie ein Blick auf die Fig. 9 lehrt, sind die Spindelfasern, welche vom Polkörperchen zur Chromatinmasse ziehen, sehr viel stärker geworden als im Asterstadium, und dieses Stärkerwerden ist, wie das ja auch von anderer Seite längst ausgesprochen, nur durch eine Contraktion zu erklären, für welche das Punetum fixum die Polkörperchen abgeben. Die Fasern lagern sich dabei so eng, dass sie streekenweise wie eine homogene Masse er- scheinen. Zu gleicher Zeit sind die Chromatinstäbe so dieht an einander gerückt, offenbar in Folge des Zuges der Mantelfasern der Spindeln und wegen des kleineren, am Spindelpole zur Ver- fügung stehenden Raumes, dass sie eine einzige, unregelmässig verklumpte Masse bilden, in weleher die einzelnen Bestandtheile nicht mehr zu unterscheiden sind. Der Raum zwischen den beiden Chromatinmassen wird von den Fasern der Centralspindel ein- genommen. Diese sind, wie vorher, überaus zart und fein, aber nicht mehr fassdaubenartig gewölbt, sondern nahezu parallel zu einander geordnet, zugleich aber auch leicht wellig gebogen. Auf diesen Fasern sieht man spärlich und verstreut sehr kleine Körnchen (Fig. 9), die sich ganz im Sinne des Chromatins färben und vielleicht versprengte Chromatinpartikel darstellen. Die Länge der Spindel ist dieselbe geblieben, ihre Breite aber hat sich vermindert; sie beträgt im Aequator gemessen Jetzt nur noch 7,5. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 Br) 34 Bernhard Rawitz: Immer weiter rückt die Chromatinmasse gegen die Spindel- pole und wir erhalten dadurch das Stadium des Dispirem. Hier ist zunächst nur eine wichtige Veränderung zu konstatiren: die Polkörperchen sind mit den Mantelfasern scheinbar zu einer einheitlichen Masse verschmolzen, denn sie sind als solche nicht mehr kenntlich. Im Uebrigen aber sind die Verhältnisse noch unverändert. Allmählich werden dann die Spindelpole zu kleinen Kappen, welche dem Dispirem auf dessen freier, d. h. dem Zell- kontur zugewendeter Seite aufliegen, schliesslich schwinden sie. Es beginnt, wie gleich hier bemerkt werden soll, die Central- spindel sich aus dem Chromatin heraus zu ziehen, wodurch das Schwinden der Spindelpole erklärt wird. Gleichzeitig fängt die Zerschnürung der Zelle an sich bemerkbar zu machen. Diese Zerschnürung geht endlich durch die ganze Zelle hindurch und pari passu mit ihr findet im Aequator ein Zusammendrängen der Centralspindelfasern statt, sodass sie das bekannte sanduhrförmige Gebilde darstellen (Fig. 10). Der Flemming 'sche Zwischen- körper ist bei diesen Zellen keine konstante Erscheinung, denn ebenso oft, wie er sich findet — er ist dann ein Ring — ebenso oft fehlt er. Nunmehr trennen sich, indem gleichzeitig die Spin- delim Aequator durehreisst, die beiden so entstandenen neuen Zellen, wobei sie sich meist im rechten Winkel von ein- ander entfernen. Erst nach der Trennung zieht sich der Rest der Centralspindel, welche kein Polkörperchen besitzt, voll- ständig aus der Chromatinmasse heraus und nimmt mehr rund- liche Formen an. Bereits erscheinen einzelne Körnungen, die sich von ihm loslösen: es sind dies die Constituenten der Attrak- tionssphäre der neu entstandenen Zellgeneration. Nach dem Heraustreten der Spindel beginnt auch die Zellsubstanz sich zu regeneriren, was aus ihrer wieder auftretenden grösseren Färb- barkeit hervorgeht. Dass, wie F. Hermann (2) von der letzten zur Spermatide werdenden Zellgeneration angiebt, die Mantel- fasern der Spindel bei dem Herausrücken aus der Chromatin- masse umklappen, wie ein vom Sturm umgedrehter Regenschirm, habe ich weder bei dieser, noch bei der nächsten Generation von Zellen bestätigen können. Damit ist die Theilung der Spermatocyten I. Ordnung be- endet und die Spermatoeyten II. Ordnung sind entstanden. Untersuchungen über Zelltheilung. 35 Sowohl die Zellsubstanz wie auch der Kern der Sperma- toeyten I. Ordnung haben noch eine Reihe von Verände- rungen durchzumachen, ehe sie zur Ruhe kommen. Denn es setzt auf die Theilung der Zellen der I. Ordnung nieht unmittel- bar die der II. Ordnung ein, sondern es folgt ein mehr oder minder langes Stadium der Ruhe. Darauf hat übrigens, wenn auch nicht in sehr klarer Weise, bereits Moore (8) hingewiesen. Die Zellen dieser Ordnung unterscheiden sich von denen der vorigen ganz allgemein durch ihre geringere Grösse; von rundlieher oder polyedrischer Form haben sie einen Durchmesser, der etwa 12 u beträgt. Unmittelbar nach beendeter Theilung finden wir in diesen Zellen ein noch nicht völlig regenerirtes Plasma, eine Hälfte der Centralspindel und einen Kern, der, aus dieht an einander liegenden Chromatinpartikelcehen bestehend, das Dispirem der vorigen Generation darstellt. Die Veränderungen, welche allmählich eintreten und zunächst volle Zellruhe herbei- führen, sollen an den drei Bestandtheilen gesondert geschildert werden, was darum erforderlich ist, weil dieselben nicht pari passu erfolgen. Im Kern werden zunächst die einzelnen Chromatinpartikel deutlicher. Während im Dyaster und im Dispirem, wie erinner- lich, in Folge der Reagenswirkung eine homogene Chromatinmasse vorhanden war, lockert sich jetzt diesölbe und man erkennt theils runde, theils eckige, bald körnchenartige, bald stäbehenförmige Chromatintheile, die in grosser Zahl vorhanden sind und sehr dicht liegen. Offenbar hat also eine Zerklüftung der im Aster vorhandenen Chromatinstäbe stattgefunden. Sie liegen in einer homogenen Grundsubstanz, die sich nur um ein geringes weniger intensiv als das Chromatin gefärbt hat. Die Grösse der ovalen Kerne beträgt im längsten Durchmesser 6 u; auch sie ist also sehr viel geringer als die der Kerne der I. Ordnung. Bei sich gleich bleibendem längsten Durchmesser verändert sich jetzt die Gestalt der Kerne. Während diese vorher an einer Stelle, die dem ehemaligen Spindelpol entsprach, eine leichte Concavität be- sassen, werden sie jetzt kugelig, der Breitendurchmesser erreicht also das gleiche Maass wie der Längendurchmesser. Dadurch wird auch das Kerngerüst wiederum etwas lockerer und die Chromatinpartikel sind deutlich zu erkennen. Endlich wird das 36 Bernhard Rawitz: Ruhestadium erreicht. Die Chromatintheile liegen relativ weit aus einander in einer nur noch äusserst zart gefärbten Grund- substanz; sie stellen unregelmässig geformte Brocken dar, deren Grösse eine sehr variable, aber im Allgemeinen geringe ist. Eine besondere Anordnung zeigen sie nicht, vielmehr liegen sie ganz ungleich verstreut im Kern. Ein Lininnetz fehlt. Dass im Ruhestadium die Chromatinbestandtheile des Kerns in Form verschiedenartig gestalteter Brocken relativ weit aus einander liegen, ist eine beachtenswerthe Thatsache. Würde das aus dem Dispirem der Zellen I. Ordnung stammende Chromatin der Masse nach unverändert in den Kernen der Zellen II. Ord- nung erhalten bleiben, dann wäre unverständlich, dass der Kern seine Grösse während des Ueberganges zur Ruhe im Wesentlichen wahrt. Denn es leuchtet ohne Weiteres ein, dass die Chromatin- masse jener Dispireme, wenn sie in kleine Partikelehen zerlegt wird und wenn letztere weit aus einander liegen, dann in einem an Umfang doppelt oder dreifach so grossen Kerne sich finden müsste, als wie es in der That der Fall ist. Das Beibehalten des Kernumfanges lässt sich daher meines Erachtens nur durch die Annahme erklären, dass ein Theil der ehromati- schen Substanz während der Zeit, in der der Kern zur Ruhe kommt, zu Grunde geht. Wie dieses Zugrundegehen stattfindet, das ist nicht zu beobachten; genug, dass offenbar der ruhende Kern der Spermatocyten II. Ord- nung viel weniger Chromatin enthält, als der durch die Theilung der Zellen der I. Ordnung eben entstandene Kern. In diesem Zugrundegehen ist die Reduction der ehromatischen Substanz ausgesprochen, denn, und hierin kann ich zu meiner Freude endlich einmal mit Moore (8) mich einverstanden erklären, eine Reducetions- theilung, wie sie vor Beginn der Spermatogenese bei anderen Thieren vielfach beschrieben wor- den ist, kommt bei Selachiern nicht vor. Sowohl bei der Theilung der Spermatocyten I. Ordnung wie bei der der II. Ordnung, dies sei hier schon vorläufig bemerkt, findet nur Aequationstheilung statt, indem die Tochterzellen genau dieselbe Chromosomenzahl erhalten, welche die Mutterzellen besitzen. Dass wirklich hier während des Ueberganges zur Ruhe das Untersuchungen über Zelltheilung. 37 Chromatin der Masse nach redueirt wurde, werden wir nach- her beim Asterstadium erkennen. Die Zellen II. Ordnung hatten vom Dispirem eine halbe Centralspindel erhalten, die aus dem Chromatin herausgetreten war. Betrachten wir jetzt das Schicksal dieses Gebildes. Be- reits vorhin wurde ausgeführt, dass diese Halbspindel rundliche Formen annimmt und dass sich einzelne Körnchen von ihr los- zulösen beginnen. Schon bevor die Loslösung beginnt, ist der faserige Bau der Halbspindel geschwunden, sie ist ganz homogen geworden. Dann macht die Zerlegung der Halbspindel immer mehr Fortschritte, es entstehen allmählich zahlreiche Körnchen, bis schliesslich ein solides Gebilde nieht mehr vorhanden ist. Ein Theil, und zwar der grössere, dieser Körnehen wird offenbar zum Aufbau der sich regenerirenden Zellsubstanz verwendet, denn er verschwindet spurlos, ein kleinerer Theil bleibt erhalten. Die Körnehen, 4—6 an der Zahl, bilden eine in Sichelform angeord- nete Gruppe, die konzentrisch zum Kern an einem Pole des- selben, ohne aber die Kernmembran zu berühren, liegt und pe- dantisch genau das Bild wiederholt, das im Stadium des lockeren Knäuels die Sphäre der Spermatoeyten I. Ordnung darbietet Beta Aus eivwem. Theile der: Halbspindel'ist mit anderen Worten durch Zerklüftung die At- traktionssphäre dieser Generation entstanden. Auch hier in dieser Körnchensphäre ist, wenigstens mit meiner Alizarinmethode, kein Centrosoma zu unterscheiden und dem- gemäss auch kein „Idiozoma“ vorhanden. An den Halbspindeln waren keine Spindelpole sichtbar, auch keine Zwischenkörperchen- reste erhalten. Dieser ganz eigenthümliche Zerklüftungsprocess, der zur Neubildung der Sphäre führt und mit dessen Beendigung die Zellruhe eingetreten ist, ist nicht leicht zu beobachten. Natur- gemäss haben die Körnchen wie ihre Matrix, die homogen ge- wordene Halbspindel, nur einen geringen Diekendurchmesser, sie sind daher nieht nothwendig in jeder Zelle zu erkennen, da nicht jede gerade mit der Ebene in den Schnitt gefallen ist, in wel- cher die Körnchensphäre gelegen ist. Dann kommt dazu, dass mit dem Zerfall der Halbspindel einhergeht eine geringere In- tensität in der Färbung der Zerfallsprodukte, wodurch deren 38 Bernhard Rawitz: leichte Erkennbarkeit beeinträchtigt wird. Man bedarf zur Con- statirung der von mir geschilderten Verhältnisse sehr starker Vergrösserungen — ich wendete Zeiss’ homogene apochroma- tische Immersion 1,5 mit den Compensationsocularen 8 und 12 an — und sehr guter Beleuchtung. Ist man aber erst einmal auf diese Verhältnisse aufmerksam geworden, dann findet man sie stets leicht wieder. Nachdem die Spermatocyten I. Ordnung längere oder kür- zere Zeit in Ruhe verharrt — wie lange?, darüber gibt natür- lich der mikroskopische Schnitt keinen Aufschluss —, setzt die Theilung ein, deren Phasen im Wesentlichen eine Uebereinstim- mung mit den Theilungsphasen der Spermatocyten I. Ordnung zeigen. Im Einzelnen ist hierbei Folgendes anzumerken. Wenn die Spirembildung beginnt, nähern sich die einzelnen Körnchen, aus welchen die Attraktionssphäre besteht einander, oft bis zur gegenseitigen Berührung. Doch ist noch kein homogenes Gebilde vorhanden, vielmehr erkennt man bei genauem Zusehen deutlich die einzelnen Sphärenbestandtheile. Die chromatische Substanz des Kerns, während der Ruhe, wie vorhin beschrieben, durch kleine Körnchen dargestellt, erscheint Jetzt in Form von grösseren Körnern, von denen einige sogar schon das Aussehen und den Umfang der Chromatinstäbe des Asterstadiums besitzen. Ein Lininnetz fehlt, der Kernsaft färbt sich nicht. Allmählich wird die Sphäre homogen, indem deren Constituenten mit einander verschmelzen. Sie erscheint im Ali- zarin blassrosafarben, besitzt längliche Gestalt und hat sich — hierin liegt eine Abweichung von den Zellen I. Ordnung — dem Kern dicht angefügt. In dieser nunmehr consolidirten Sphäre ist ein Centrosoma nicht vorhanden. Die Chromatin- theile weichen gleichzeitig aus einander und zeigen eine Anord- nung, welche dem lockeren Knäuel der Zellen I. Ordnung entspricht (Fig. 7), sie sind diek geworden, haben kugelige oder stäbehenförmige Gestalt und färben sich sehr intensiv. Zu gleicher Zeit ist das Lininnetz deutlich hervorgetreten. Zwischen den Chromatintheilen, diese unter einander verbindend, findet sich eine fädige Zwischensubstanz; die Fäden kreuzen sich netz- förmig und sind von äusserster Zartheit und Feinheit. Durch diesen letzteren Umstand unterscheidet sich dies Lininnetz auf das schärfste von dem der I. Ordnung. Im Allgemeinen sind Untersuchungen über Zelltheilung. 39 die die Theilung einleitenden Phasen in dieser Generation etwas abgekürzter als in der vorigen. Die fernere Umwandlung ist dann die, dass die Chromatin- massen nun sämmtlich, nach dem Schwinden der Kernmembran, zu dieken Stäben werden, die dicht an einander liegen und einen unregelmässig konturirten, maulbeerartigen Haufen bilden. Ausser- halb des letzteren liegt eine Spindel von sehr zartem faserigen Bau!), die etwa halb so gross ist wie die achromatische Spindel des späteren Asterstadiums. Diese feinfaserige Spindel, in welcher Polkörperchen noch nicht wahrzunebmen sind, stammt ursprünglich, wie bereits hervorgehoben, aus der Sphäre und ist zu ihrer augenblicklichen Grösse dadurch herangewachsen, dass sie die Zellsubstanz grösstentheils in sich aufgenommen hat. Eine Polstrahlung fehlt. Nachdem die Lininfäden, die etwas stärker geworden sind, sich an die Spindelpole angesetzt haben, treten in diesen die, wahrscheinlich aus der Sphäre stammenden, Polkörperchen auf. Durch identische Contraktion der Lininfäden, die, wie bemerkt, mit den Chromatinstäben verbunden sind, werden die letzteren im Aequator der Spindel gruppirt, wobei sich ihre Längsaxe parallel zur Längsaxe der Spindel ein- stell. Auf diese Weise ist das Asterstadium entstanden (Bis21]). Die achromatische Spindel, die auch in dieser Generation einer Polstrahlung entbehrt, besteht also, ganz wie das gleiche Gebilde der Zellen I. Ordnung, aus zwei Arten von Fasern. Die einen stammen von der Sphäre und aus der Zell- substanz, sie gehen durch von Pol zu Pol, stellen die Central- spindel dar und sind von grosser Zartheit. Die anderen, vom Linin gebildet, gehen nur vom Pol zum Chromatin, liegen aussen um die Centralspindel herum, stellen also den Spindelmantel dar und sind demnach Halbfaseın. Sie sind stärker als die anderen 1) Ein für alle Mal möchte ich anmerken, dass die Sphäre und Spindel auf diesen einleitenden Stadien nicht in jeder Zelle sichtbar sind. Die Gebilde sind wenig umfänglich, die Zellen dagegen so gross, dass sie mindestens in zwei Schnitte, wie man sich durch Unter- suchen der Serie überzeugen kann, zerlegt sind. In einem Schnitte können jene Gebilde nur liegen; man muss also, um sie unzweifelhaft festzustellen, Serien schneiden und die einzelnen Zellen durch die Serie zu verfolgen suchen. 40 Bernhard Rawitz: und zeigen (Fig. 11) kleine, punktförmige Varikositäten. Die Länge der ganzen Spindeln beträgt 10 u, ihre Breite 7—8 u, sie sind also, wie auch die Vergleichung der Figur 11 mit Figur 8 zeigt, sehr viel weniger umfangreich und auch sehr viel schlanker als die Spindeln der Zellen I. Ordnung. Die chromatische Sub- stanz besteht aus ovalen Stäben, nicht, wie Moore (8) una F.Her- mann (2) angeben, aus Schleifen, von 1,5 u Länge, welche kon- kav-konvex gewölbt sind, und zwar liegen sie mit ihrer konkaven Seite der Spindelwölbung an, während die konvexe nach aussen sieht. Es sind etwa 14—16 Stäbe vorhanden, denn man kann auf dem Medianschnitt durch die Spindel T7—8 zählen (Fig. 11), ihre Zahl ist also geringer als die Zahl der Chromatinstäbe der I. Ordnung, aber, und das ist sehr wichtig, sie ist doch grösser als die Hälfte derselben. Hierin ist also eine fundamentale Diffe- renz zwischen Selachiern und denjenigen Vertebraten vorhanden, die bisher auf die Thatsache der Chromatinreduktion im Hoden untersucht wurden. Die Zellsubstanz ist sehr matt, blass gefärbt und zeigt einen leicht fädigen Bau. Erst auf dem Asterstadium findet die Chromosomentheilung statt, ganz wie bei den Zellen I. Ordnung; dieselbe ist hier aus- schliesslich eine Quertheilung und man sieht noch gelegentlich (Fig. 12) einzelne der bereits aus einander weichenden Theilungs- produkte durch eine schmale Chromatinbrücke mit einander zu- sammenhängen. Es gehen also der Zahl nach ebenso viel Chromosomen in die sich bildenden Tochterzellen über, während die chromatische Substanz im Aster von vorneherein der Masse nach geringer war als in den Zellen der I. Ordnung. Die Chromatinhälften weichen aus einander und es entsteht der Dyaster (Fig. 13). Die Polkörperchen sind jetzt kleiner geworden, die sich an sie inserirenden Fasern des Spindel- mantels sind, offenbar infolge von Contraktion, stärker und sind stellenweise sogar mit einander verschmolzen. Die Fasern der Centralspindel sind zum Theil parallel geordnet, zum Theil bauchig aus einander getrieben (Fig. 15) und dabei leicht wellig gebogen. Die Chromatinstäbe, welche nahe an die Spindelpole gerückt sind, sind nicht zu einheitlichen Masse verklumpt, sondern deut- von einander getrennt. Dies erklärt sich sowohl aus ihrer ge- ringeren Zahl als auch aus ihrem im Vergleich zu den Zellen der I. Ordnung geringeren Umfange. Auf den Centralspindel- Untersuchungen über Zelltheilung. 4] fasern liegen in einigen wenigen Zellen noch einige Chromatin- brocken, die nicht mit in den Dyaster hineingezogen wurden und nun vielleicht zu Grunde gehen. Die Zellsubstanz zeigt das gleiche Aussehen wie im vorigen Stadium. Indem sich die Chromatinstäbe allmählich eng aneinander legen und zu einer einheitlichen ovalen und etwas höckerig aus- sehenden Masse verschmelzen, und indem sie gleiehzeitig in die Spindelpole rücken, entsteht das Dispirem. Die Durchsehnürung der Zellsubstanz ist erfolgt und die achromatische Spindel, die natürlich keine Mantelfasern mehr besitzt, da diese ja, wie erinner- lich, sich nach den Spindelpolen hin zurückgezogen haben, ist in der Mitte verschmälert, bietet das bekannte sanduhrförmige Aussehen dar (Fig. 14). Die Polkörperehen sind geschwunden und auch die Spindelspitzen ragen nicht mehr über die chro- matische Substanz hervor; wenigstens gehören Bilder, wie eines in Fig. 14 wiedergegeben ist, bei so weit vorgeschrittener Thei- lung zu den Seltenheiten. Ein Flemming’sches Zwischen- körperehen ist bald vorhanden und erscheint dann stets ring- förmig, bald fehlt es. An der Grenze der beiden neuen Zellen, da, wo der Trennungskontur die Centralspindel umfasst, habe ich nie die von Moore (8) und F. Hermann (2) beschriebene und abgebildete Reihe aequatorialer Körnehen gesehen !), von denen der letztgenannte Autor angibt, dass sie in den Verlauf der Centralspindelfasern eingeschaltet seien. Sie sollen kreis- förmig gestellt sein, dann unter Zusammenraffung der Central- spindel immer enger aneinander rücken und schliesslich einen soliden, sich stark färbenden Ring bilden. Moore hat diese Gebilde auch gesehen, aber völlig verkannt, wie denn überhaupt die Angaben dieses Autors recht wenig zuverlässige sind. Wie gesagt: ich habe nie etwas gesehen, das dem von F. Her- mann (2) Beschriebenen zu vergleichen wäre. Aber betrachte ich mir die Figuren F. Hermanns (2; Taf. XVII, Fig. 1 und 2), dann kann ich zu einer Erklärung seiner Angaben kommen. Er bildet nämlich, besonders in Figur 1 1. e., die Dispireme nicht im Medianschnitte ab, sondern in beiden noch zusammenhängen- 1) Die von Moore (7) vorgenommene unzulässige Analogisirung dieser Bildung mit Erscheinungen am Ascarisei hat F. Hermann (2) in seiner wiederholt eitirten Arbeit zutreffend charakterisirt. 42 Bernhard Rawitz: den Zellen als kreisförmige Gebilde, also im Aufblicke. D. h.: beide Dispireme sind von oben gesehen und dann er- scheinen sie allerdings als Kreise. In Figur 15 dieser Abhand- lung sieht man in der einen Zelle die chromatische Substanz schräg von oben und bemerkt daher im Centrum einen hellen Fleck. Ist meine Auffassung der beiden hier in Betracht kom- menden F. Hermann schen Figuren richtig, dann ist auch seine Angabe über den zum Zwischenkörperchen werdenden Körn- chenring verständlich. Beide Dispireme kann man nur dann von oben, also kreisförmig seheu, wenn die noch zusammen- hängenden Zellen an der Zusammenhangsstelle, im Aequator, gegen einander abgeknickt sind. In diesem Falle werden auch die Spindelfäden mitgeknickt und diese Knickungsstellen müssen nach optischen Gesetzen als feine Pünktchen imponiren. Ich habe angegeben, dass das Flemming- sche Zwischenkörperchen nicht in allen Zellen vorkommt; wo es sich aber findet, erscheint es von Anfang an als ein zwar feiner, aber deutlicher und durchaus einheitlicher Ring. F. Hermann zeichnet und giebt ferner in der erwähnten Arbeit an, dass die Centralspindel auf diesem Stadium aus der Chromatinmasse herausgerückt sei. Auch hier muss ich das Zutreffende der Beobachtung wenigstens für mein Material be- streiten. Auf diesem Stadium habe ich bei Seyllium canieula nie etwas Aehnliches gesehen; da F. Hermann seine Unter- suchungen an Seyllium catulus angestellt hat, so liegt hier offen- bar eine Abweichung zwischen beiden Arten vor. Nach F. Hermann soll sich die allerdings stark ver- kleinerte Centralspindel noch dann als Zellbrücke erhalten, wenn die beiden Tochterzellen sich bereits von einander entfernt haben. Nichts dem Aehnliches kommt bei Seyllium canieula vor; hier spielen sich die Vorgänge bei der definitiven Bildung der Sper- matiden in folgender Weise ab: Nachdem die Durehschnürung der Zellsubstanz und mit ihr die Durchsehnürung der Centralspindel erfolgt, nachdem auch die letzte Andeutung eines Spindelpoles verschwunden ist, trennen sich die so entstandenen Tochterzellen und bilden dabei meist einen spitzen, selten einen rechten Winkel zu einander (Fig. 15). Jetzt erst zieht sich aus jeder neuen Zelle der Halbspindel- rest aus der Chromatinmasse heraus. Das Punctum fixum für Untersuchungen über Zelltheilung. 3 dieses Herausziehen bildet der Zellkontur, der als feine Membran imponirt und an dem die Halbspindelfasern aufsitzen und fest- haften. Die Faserung ist noch deutlich zu sehen, der Spindel- rest erinnert aber in seiner Gestalt nicht mehr an eine Halb- spindel. Die dem früheren Spindelpol zugehörigen Fasern weichen nämlich jetzt auseinander, wie etwa Besenreiser, die durch ein schnürendes, um ihre Spitzen gelegtes Band zusammen ge- halten waren, nach Entfernung des Bandes auseinander weichen. Zwar erscheinen die Fasern, wie dies Figur 15 getreu wieder- giebt, an ihren dem Chromatin zugekehrten Enden durch einen deutlichen Kontur abgegrenzt, doch halte ich diesen Kontur für eine rein optische Erscheinung. Neben den Spindelresten treten hier grössere, da kleinere, fast punktförmige Verdiehtungen in der Zellsubstanz auf (Fig. 15), von denen ich nicht sagen kann, ob sie aus dieser selber stammen oder ob sie von den Spindel- resten herrühren. Die Zellsubstanz und die Chromatinmasse bieten das gleiche Verhalten dar, wie vor der Trennung der Zellen. Die nächste Umbildungsphase ist nun dadurch ausgezeichnet, dass der Halbspindelrest sieh sowohl von der ehromatischen Sub- stanz als auch vom Zellkontur zurückgezogen hat (Fig. 16). Er hat dabei mehr rundliche Formen angenommen, ist aber noch deutlich faserig gebaut. Zugleich erscheint er von einem feinen Kontur umgeben. Dieser ist nicht auf das Vorhandensem einer Membran zurückzuführen — eine solche kommt nicht vor — sondern ist eine durch den Kontrast zwischen der blassrosa Fär- bung dieses Gebildes und der ganz schwachen Färbung der Zell- substanz hervorgerufene optische Erscheinung. Neben diesem Gebilde, das die Attraktionssphäre der Sperma- tide darstellt, liegen entweder zwei grössere oder mehrere kleinere Körnehen, die sich intensiver als die übrige Zellsubstanz gefärbt haben; sie sind identisch mit den vorhin erwähnten Ge- bilden. Der Kern ist nach wie vor eine homogene Chromatin- masse, welche sich etwas in die Länge gestreckt hat. Die Zellsubstanz ist wieder ganz normal, also von unbestimmter Struktur. Die weitere Veränderung drückt sich darin aus, dass die Sphäre homogen wird und eine etwas intensivere Färbung an- nimmt (Fig. 17). Noch sind die versprengten Körnchen in der Zellsubstanz zu erkennen (Fig. 17), doch giebt es auch Zellen, 44 Bernhard Rawitz: in denen sie fehlen, und fast scheint es, als ob sie in die Sphäre einbezogen werden, die dadurch an Umfang etwas zunimmt. Eine fernere Veränderung besteht darin, dass die Chromatinmasse sich zu lockern beginnt. Man erkennt zusammenhängende Stäbchen, Körner und Klumpen von Chromatin, zwischen denen eine helle, nur wenig gefärbte Zwischensubstanz vorhanden ist. Endlich wird das Ruhestadium erreicht (Fig. 18). Die Zellen sind von verschiedener Gestalt, sie erscheinen oval, polye- drisch oder unregelmässig; ihre Konturen sind scharf, wie mem- branös, die Zellsubstanz gleicht vollkommen der der ruhenden Spermatoeyten I. Ordnung. Die Kerne sind alle zur Ruhe ge- langt; sie enthalten zahlreiche meist kleine, nur wenige grössere unregelmässig geformte Chromatinpartikel, die in einer sehr blass gefärbten Grundsubstanz liegen. Ein Lininnetz ist in letzterer nieht deutlich zu erkennen. Jeder Kern hat eine sich intensiv färbende Membran; die Gestalten der Kerne sind wechselnde, hier kugelig, dort oval, zuweilen auch nierenförmig eingebogen, und dann findet sich diese Einbiegung entweder auf der der gleich zu erwähnenden Sphäre abgewendeten oder auch auf der ihr zugewendeten Seite. Die Kerne liegen stets excentrisch in einem Pole der Zellen, zuweilen dieht am Rande und dann von einem nur schmalen Zellsubstanzsaume bedeckt. Polar entgegenge- setzt, in der Hauptmasse der Zellsubstanz, findet sich die Attrak- tionssphäre (Fig. 18), die manchmal weit vom Kern ab, manch- mal in seiner Nähe liegt. Die Sphäre ist ein solides scheiben- förmiges, nicht kugeliges, Gebilde von ganz homogener Beschaffen- heit, in der ein Oentrosoma nie zu sehen war. Sie hat ent- weder kreisförmige Gestalt oder ist oval; um sie herum ist keine besondere Differenzirung der Zellsubstanz (etwa wie bei Sala- mandra) zu erkennen. Ihr Kontur ist deutlich und erscheint fast immer ganz glatt, doch trifft man auch vereinzelte Sphären, deren Begrenzung gezackt ist, ähnlich wie nach meinen Beob- achtungen bei Salamandra maculosa, so dass es scheint, als ob die Sphäre kontinuirlich mit der Zellsubstanz zusammenhinge. Sie hat sich so intensiv in Alizarin, und zwar dunkelrosa, ge- färbt, dass sie scharf absticht von dem braunrothen Chromatin und von der blassrosa gefärbten Zellsubstanz. Durch diese Intensität der Färbung ist sie, die in keiner Zelle fehlt, so leicht zu erkennen, sie tritt mit so verblüffender, fast könnte man « Untersuchungen über Zelltheilung. 45 sagen, brutaler Deutlichkeit hervor, dass sie schon bei Anwen- dung von relativ schwachen Vergrösserungen auffällt. Figur 2, die bei Zeiss Ocular 2 System D entworfen und bei Oeular 3 System D ausgeführt wurde, giebt getreu das Verhalten wieder; die Sphäre macht sich neben dem Kern, der bei so geringer Vergrösserung homogen aussieht, deutlich bemerkbar und er- scheint stets — ich hebe dies der nachherigen Auseinander- setzung mit F. Hermann wegen hervor — als ein rundes, nie- mals aber als ein spindeliges Gebilde. Mit diesem Stadium ist die Zelltheilung im Selachierhoden beendet. Die Spermatiden, deren Ent- stehungsweise wir verfolgt haben, bestehen aus einer unbestimmt strukturirten Zellsubstanz, in welcher eine deutliche, centro- somenlose Attraktionssphäre und ein relativ grosser Kern gelegen sind, welch’ letzterer kleine, in einer sich nicht oder nur wenig färbenden Grundsubstanz eingebettete Chromatin- körnchen besitzt. Die Grösse der Spermatiden schwankt zwischen 10 und 12u, die der Sphären zwischen 2 und 3 u, die der Kerne zwischen 4, 5 und 6u. (Ganz wesentlich anders schildert F. Hermann (2) den Bau der Spermatiden von Seyllium catulus. Obgleich wir ver- schiedene Species untersucht haben, so glaube ich doch nicht, dass die Differenz unserer Befunde sich einzig und allein daraus erklären lässt; denn so grosse prinzipielle Abweichungen können meines Erachtens bei zwei so nahe verwandten Arten wie Seyllium catulus und canicula nicht vorhanden sein. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die Ursache für die Diffe- renz sowohl in den verwendeten verschiedenen Fixirungsflüssig- keiten, wie vor allem in den Färbungsmethoden suche, und ich möchte hinsichtlich der letzteren die Behauptung aufstellen, dass die exakte, echte Färbung, die man mit dem Alizarin erhält, die Präsumptio boni für sich hat. Nach F. Hermann (2) spielen sich die hier interessirenden Vorgänge folgendermaassen ab: Nachdem sich nach der letzten Theilung wieder ein bläschenförmiger Kern gebildet, der excen- trisch liegt, finde man in dessen Nachbarschaft ein zierliches Spindelehen von homogener Beschaffenheit. Dasselbe sei glashell und scharf konturirt, an seinem einen Pole sei ein kleines, an seinem anderen ein grosses Körnchen gelegen. Der Nachweis 46 Bernhard Rawitz: ist durch Hämatoxylinlacke erbracht. F. Hermann hält dies Spindelehen für eine halbe Centralspindel; von den beiden Körperchen soll das kleinere das Öentrosoma sein, während das grössere die Hälfte des Zwischenkörperchens repräsentirt. Es sollen somit die Verhältnisse ähnlich sein, wie nach Benda beim Salamander. Ganz abgesehen davon, dass Benda’s Schilderung vom Salamander nach meinen Erfahrungen nicht ganz zutreffend ist — der Nachweis bleibt einer späteren Mittheilung vorbe- halten —, kann ich den Angaben von F. Hermann für Seyl- lium nicht zustimmen. Ich habe nie etwas ähnliches auch nur andeutungsweise gefunden, immer nur die Verhältnisse so beob- achten können, wie ich sie geschildert, und zwar immer mit solcher Deutlichkeit, dass für mich wenigstens an ihrer Richtig- keit kein Zweifel ist. Allerdings bin ich unmodern genug, mich nicht der Hämatoxylinlacke zu bedienen. Durchaus zutreffend hat F. Hermann am Eingang seiner Darstellungen die Unzu- verlässigkeit dieser Färbungsmethoden hervorgehoben, bei denen „während des „Prozesses der Differenzirung“ soviel in die Ge- schicklichkeit und Willkür der einzelnen Untersucher gelegt ist“ (2, pag. 280). Darum wundert es mich, dass F. Hermann sich zur Anwendung soleh’ unzuverlässiger Methoden entschliesst. Ich möchte das Hauptgewicht in den eitirten Worten auf die Willkür legen; denn die Geschicklichkeit kann sich schliess- lich Jeder erwerben, aber wann einer aufhören soll zu „diffe- renziren“, hängt lediglich von seiner Willkür ab. Ich habe meinen Standpunkt gegenüber diesen Methoden in einer beson- deren Abhandlung (Anat. Anzeiger Bd. XIII, Nr. 3) des breiteren dargelegt und brauche daher hier auf eine Kritik derselben mich nicht näher einzulassen. Ueber die Grenzen der Leistungsfähig- keit ihrer Methoden werden sich die meisten Untersucher gar nicht klar; sie kümmern sich auch nicht darum, machen vielmehr einfach nach, was vorgeschrieben ist, und können dann als sehr moderne Forscher ehrenvollen Citirtwerdens sicher sein. Dass die Hämatoxylinlacke zur Erforschung so dunkler Gebiete wie das der Attraktionssphären ihrer ganzen Natur nach am aller- wenigsten geeignet ist, ist dem, der sich mit dem Technischen des Färbens beschäftigt, einleuchtend. Nur dem Umstande, dass den meisten Forschern das Wesen des Färbens eine Quantite negligeable ist, haben wir es zu danken, dass diese ganz irratio- Untersuchungen über Zelltheilung. . 47 nellen Färbungen gerade auf cytologischem Gebiete in ausge- dehntestem Maasse angewendet werden. In manchen der modernsten eytologischen Arbeiten ist das Neue, was sie enthalten, nur auf eine willkürlich verkürzte oder verlängerte Differenzirung zurückzuführen, vieles wäre unbeschrieben geblieben, hätten wir eine allgemein anerkannte rationelle Methode des Färbens. Ob F. Hermann seine Resultate durch zu langes oder zu kurzes Differenziren erhalten hat, weiss ich nicht; jedenfalls finde ich in meinen Präparaten keinen Anhalt für seine Angaben. Des weiteren erwähnt F. Hermann ein Gebilde in der Zellsubstanz, das anfangs dem Kerne sich dieht anschmiege, dann in der Hauptmasse der Zellsubstanz gelegen sei. Dieses stark granulirte, sich dunkel färbende Gebilde soll eine Archi- plasmaanhäufung sein und dem Reste der Spindelmantelfasern seine Entstehung verdanken. Ein Blick auf seine zugehörigen Figuren 5—9, Taf. XVIT 1. e. zeigt, dass es sich hier an- scheinend um die Attraktionssphäre der Spermatiden handelt, aber ein Vergleich der F. Hermann’schen mit meinen Ab- bildungen offenbart auch sofort die Differenz, die zwischen uns vorhanden ist. Dass die Sphäre (Archiplasmaballen) sich inten- siv färbt, ist richtig, das habe ich auch hervorgehoben. Aller- dings würde ich zur Erkennung nicht eine so irrationelle Kombi- nation wie die der Pal’schen Methode mit Saffraninnachfärbung gewählt haben, denn die Pal’sche Methode, vortrefflich geeignet zum Studium der Faserung des Centralnervensystems, ist ganz werth- los für alle übrigen Organe. Auch die leichte Sichtbarkeit dieses Gebildes habe ich konstatirt, nur erscheinen die Sphären in meinen Präparaten während der Zellruhe stets homogen und von rundlicher Gestalt, nicht stark granulirt und unregelmässig be- grenzt wie die Archiplasmaballen bei F. Hermann. Die Bilder von F. Hermann stammen von einem Materiale, das mit der Benda’schen Salpetersäure-Kali bicehromieum-Methode fixirt war. So gut diese Kombination für Gehirn und Rückenmark sowie für Drüsen ist, so wenig geeignet ist sie nach meinen jetzigen Erfahrungen für den Hoden. Auch hat Benda die Methode gar nicht für den Hoden empfohlen. F. Hermann selber hat in dieser Arbeit ein Präparat abgebildet, in welchem die Köpfe der reifen- den Samenfäden vollständig zerstört waren. Das stimmt mit dem, was ich im Salamanderhoden mit diesem Fixirungsmittel 48 Bernhard Rawitz: erhalten habe, durchaus überein. Ich habe aber auch gefunden, dass die Zellsubstanzen selber stark angegriffen werden, sodass manche Struktureigenthümlichkeiten verschwinden, manche artifi- ziell hervorgebracht werden. Für artifiziell verändert halte ich aber die Sphäre, so wie sie F. Hermann abbildet, wenn es sich bei seinem Archiplasmaballen überhaupt um die Sphäre handelt, und ebenso glaube ich, dass das glashelle Spindelchen im wesentlichen seine Existenz in dieser Form der Fixirungs- methode verdankt. Am besten und zuverlässigsten ist nach meinen Erfahrungen für den Hoden der Wirbelthiere und Wirbel- losen die Flemming’sche Lösung, der, wenn man ihre sehr kleinen Fehler kennt, kein anderes Reagens gleich zu achten ist. Dass die Sphäre von den Spindelmantelfasern abstammt, muss ich direkt bestreiten. Weder klappen diese Fasern regenschirm- artig um, noch reissen sie von den Polkörperchen los; ihr Schiek- sal ist vielmehr so wie oben beschrieben. Die Sphäre der Spermatiden stammt von der Centralspindelab, aus der sie naclı mannigfachen Metamorphosen in ihrer defini- tiven Gestalt hervorgeht; das Spindelchen aber, das F. Her- mann beschreibt, sowie sein Archiplasmaballen sind nach meinen Präparaten nicht vorhanden. B. Spermatogenese. Die Veränderungen, welche die Spermatiden beim Ueber- gang zum Samenfaden durchmachen, verlaufen in allen Zellen einer Cyste (Ampulle) gleichmässig. Aber die verschiedenen Cysten zeigen verschiedene Phasen des Umwandlungsprozesses, sodass dieser an einem Hoden von Anfang bis Ende studirt werden kann. In all’ den Exemplaren, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, waren die Einzelheiten der Spermatogenese in so vollkommener Uebereinstimmung, so ohne jede Abweichung, wie ich es bei anderen Vertebraten in dem gleichen Grade bis- her nicht gefunden. Hinzufügen will ich, dass das Material im April gesammelt wurde. Die erste Veränderung, welche die Spermatiden erkennen lassen, besteht darin, dass in den Kernen die Zwischensubstanz zwischen dem Chromatin (Kernsaft) eine so intensive Färbung annimmt, dass das Chromatin nur noch undeutlich zu erkennen ist (Fig. 19). Während die Zellsubstanz in ihrem Aussehen un- Untersuchungen über Zelltheilung. 49 verändert bleibt, zeichnet sich die Sphäre, die rund (Fig. 19a) oder oval (Fig. 19b) ist, ebenfalls durch eine sehr intensive Färbung aus. Allerdings ist es mir nicht klar, ob wir es hier wirklich mit einer stärkeren Färbbarkeit dieses Gebildes zu thun haben, oder ob es sich nur um eine Kontrastwirkung handelt. Letztere wäre folgendermaassen zu erklären. Durch die dunklere Färbung, welche der Kern angenommen hat, erscheint die sehr blasse Zellsubstanz noch blasser ;, darum ist es sehr wohl möglich, dass die Sphäre, welche intensiver tingirt ist als die Zellsubstanz, dunkler aussieht, als sie thatsächlieh ist. Ich führe dies nur an, weil solche Kontrastwirkungen leicht zu Irrthümern Anlass geben können, während es im vorliegenden Falle aller- dings irrelevant ist, ob die Sphäre sich dunkler gefärbt hat oder nicht. Die Sphäre findet sich entweder in der dem excentrisch gelegenen Kerne polar entgegengesetzten Ecke (Fig. 19 b) oder sie hat sich ihm bis fast zur Berührung genähert (Fig. 19a). F. Hermann (2) beschreibt von diesem Stadium eine Er- scheinung an den Kernen, in welcher er glaubt, einen sehr wiehtigen Vorgang erblicken zu sollen. Es soll sich nämlich an einer Stelle eine Verdichtung des Kernkonturs ausbilden, ent- weder durch Anlagerung eines Chromatinpartikelehens oder durch die eines Nucleolus an die Kernwand. Durch diese Verdichtung soll eine polare Differenzirung am Kern entstehen, da eben diese Stelle zum Spiesse des reifen Spermatosoma wird. Die Beob- achtung ist richtig; indessen die Bedeutung, die ihr F. Her- mann zuschreibt, kann ich ihr nicht beilegen. - Sehr oft näm- lich kann man konstatiren, dass der Spiess aus einem Theile der Kernmembran sich bildet, der dieser Verdichtung gerade entgegengesetzt liegt: damit fällt aber die Bedeutung des Vor- ganges in dem von F. Hermann gewollten Sinne weg. Je- doch in anderer Weise ist eine polare Differenzirung nicht bloss des Kerns, sondern der ganzen Zelle zu beobachten. Sphäre und Kern liegen, wie wiederholt hervorgehoben, zunächst in ent- gegengesetzten Ecke der Zelle. Hat sich aber die Sphäre dem Kern genähert, was schon auf diesem Stadium fast zu einer beiderseitigen Berührung führt, so ist dies Faktum von beson- derer Wichtigkeit. An dem Pole des Kernes nämlich, welcher der Sphäre direkt entgegengesetzt gelegen ist, bildet sich der Spiess des Samenfadens, an dem Pole der Sphäre, welcher vom Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 53 4 50 Bernhard Rawitz: Kerne abgewendet ist, der Schwanz des Samenfadens. Doch greife ich hiermit der Thatsachenschilderung schon etwas voraus. Während die centrosomenlose Sphäre ihr unverändertes Aussehen, ebenso wie die Zellsubstanz, beibehält und nach wie vor bald kreisförmig, bald oval erscheint, hier noch fern vom Kern liegt, dort sich ihm.bereits genähert hat, welche Annähe- rung übrigens auf ihre Gestalt keinen Einfluss hat, ist der Kern jetzt ganz homogen geworden (Fig. 20). Alle Theile an ihm färben sich gleichmässig, das Chromatin ist als solehes nicht mehr zu unterscheiden: der Kern stellt eine stark lieht- brechende homogene Kugel dar. Eine Verkleinerung seines Durchmessers ist nicht erkennbar. Nunmehr treten sehr bedeutende und wichtige Veränderungen im Kern auf, während Sphäre und Zellsubstanz unverändert bleiben. Die Kernmasse zieht sich nämlich von der Kernmembran sehr stark zurück, sodass letztere, die auf dem vorigen Stadium als solche nieht sichtbar war, deutlich hervortritt (Fig. 21) und dass ausserdem ein heller, farbloser Hof um den Kern entsteht. Doch zieht sich der Kern nieht gleichmässig von der Membran zurück. An demjenigen Pole, welcher dem Zellkontur benach- bart und der Sphäre diametral entgegengesetzt ist, bleibt er mit der Membran in Verbindung und zieht dieselbe in Gestalt eines kleinen Zipfels nach innen hinein. Die Figur 21 giebt die Ver- hältnisse klar wieder. Dieser Membranzipfel zeigt eine leichte Färbung; das ist sehr erklärlich, wenn man überlegt, dass die Membran überhaupt gefärbt ist und dass sich an dieser Stelle gewissermaassen eine Falte derselben gebildet hat, sie also in zwei Blättern über einander liegt. Die Sphäre ist auch hier dem Kern bis fast zur Berührung genähert (Fig. 21 a) oder liegt noch immer weit von ihm ab (Fig. 21b). Das Zurückziehen des Kernes von der Membran ist nicht bloss mit einer sehr be- trächtlichen Volumsverminderung verbunden, sondern es ändert sich auch die Gestalt. Statt der Kugeln haben wir jetzt stark lichtbrechende homogene Scheiben vor uns, wovon man sich auf's bestimmteste durch Heben und Senken des Mikroskoptubus über- zeugen kann. F. Hermann (2) stellt den Vorgang etwas anders dar. Nach ihm findet die Volumsverminderung statt zu einer Zeit, in der der Kern noch nieht vollkommen homogen ist. Nach seinen Untersuchungen über Zelltheilung. 51 Angaben und Figuren zu schliessen kann man eine Art Kernge- rüst selbst noch dann erkennen, wenn bereits die Schwanzanlage des Spermatosoma entstanden ist. Ich vermag nicht zu sagen, worauf diese Abweichung der F. Hermann’schen Befunde von den meinigen zurückzuführen ist. Möglicherweise hatten die Kerne durch die Vorbehandlung mit der Pal’schen Methode so gelitten, dass sie nachträglich das Saffranin nieht mehr gut an- nahmen, oder der letztere Farbstoff wurde in dem zum Ent- wässern bestimmten Alkohol zu stark ausgezogen. Derselbe Autor erwähnt ferner, dass bei der Volumsver- kleinerung des Kermes Flüssigkeit aus dessen Innerem in Form einer kleinen „Vacuole* heraustrete und gegen die Zellsubstanz sich vorwölbe. Diese Beobachtung, die, wie F. Hermann ganz richtig bemerkt, nicht zu identifiziren ist mit den nicht sehr klaren Beschreibungen von Jensen (4) und Swaäön und Masquelin (12), kann ich bestätigen, nur lege ich ihr wenig Bedeutung bei. Die Vacuole (richtiger müsste es heissen: das Tröpfehen) ist nach F. Hermann’'s zutreffender Bemerkung eine bald vorübergehende Erscheinung. Das Ausstossen der Flüssigkeit und deren Vermischung mit der Zellsubstanz erfolgt so schnell, dass der Vorgang in sehr vielen Fällen gar nicht fixirt ist. Dass etwas Kernsaft bei der Volumsverkleinerung des Kernes ausgestossen werden muss, ist klar, für die Spermato- genese aber hat dies keine Bedeutung. Wichtig dagegen ist die auch von F. Hermann mitgetheilte Thatsache, dass der Kern mit der Membran an einer Stelle in direkter Verbindung bleibt. Denn dadurch wird die polare Differenzirung der Zelle deutlich, auf die vorher schon hingewiesen wurde. Ferner bildet diese Verbindungsstelle, wie ich in Uebereinstimmung mit F. Hermann feststellen konnte, später den Spiess des Samenfadens. Dass die Retraktion der Kernmasse von der Membran bei der von F. Her- mann untersuchten Species nicht gleich von Anfang an eine so beträchtliche ist wie bei derjenigen Art, von welcher mein Material stammt, ist wohl nur eine untergeordnete Differenz. Jetzt rücken die Kerne nahe an den Zellkontur heran und ihnen folgt die Sphäre; diese, in der man, aber aueh nur in diesem Stadium und nur vorübergehend, zwei cen- trosomenartige Bildungen zu erkennen glaubt, liegt niemals mehr in einer Ecke der Zellsubstanz, sondern hat sich dem Kern ge- 52 Bernhard Rawitz: nähert. Meist berührt sie ihn bereits, zuweilen, aber nur in wenigen Zellen, liegt sie mehr seitlich vom Kern, wie Fig. 22a zeigt, die das nächstfolgende Stadium wiedergiebt. Die Gestalt des Kernes ist birnförmig geworden; der Pol, der mit der Kern- membran in Verbindung geblieben ist, ist dem Stiel der Birne zu vergleichen. Die Kernmembran schwindet bei der weiteren Veränderung bis auf einen Rest und dieser Rest ist die Stelle des Zusammen- hanges von Membran und Kern. Flügelartig gehen von der Zu- sammenhangsstelle zwei Fortsätze zu beiden Seiten ab, die kon- centrisch zum Kern gebogen sind und bis über die halbe Höhe des letzteren hinausragen. Der Kern mit diesem Anhange ist einem Luftballon mit Gondel zu vergleichen (Fig. 22). Um ihn ist noch ein zarter heller Hof zu sehen, der aber nicht mehr scharf konturirt erscheint; er selber hat sich dem Membranrest so stark genähert, dass dieser num nicht mehr als besonderer Stiel imponirt (Fig. 22). Die Gestalt der Zellen hat sich eben- falls verändert; während sie früher polyedrische oder rundliche Gebilde waren, sind sie jetzt alle in die Länge gestreckt und haben ovale Gestalt angenommen. Die wichtigste Veränderung aber besteht darin, dass in allen diesen Zellen die Schwanzanlage des Spermato- soma erschienen ist. Woher sie stammt, wie sie entsteht: das festzustellen, war mir nicht möglich; sie ist plötzlich da, doch über ihre Bildungsweise ist nichts zu erkennen. Sie erscheint als eine zarte, feine, dunkle Linie, die, genau in der Hauptaxe der Zelle gelegen, von der Mitte des inneren Kernpoles, wenn man die Ansatzstelle des Kerns an die Membran als den äusseren Pol bezeichnen kann, bis an den Zellkontur reicht. An letzteren setzt sie sich mit einer dreieckigen Verbreiterung an (Fig. 22), am Kernpol bildet sie eine feine Spitze; sie wird also von aussen nach innen dieker. Diese Verbreiterung ist jetzt noch kein Ring, wie ich F. Hermann und den anderen Untersuchern gegenüber auf das schärfste betonen muss. Eigenthümlich ist die Stellung der Sphäre zur Schwanzanlage. In den einen Zellen — diese bilden die Minderheit — liegt die Sphäre seitlich von der Schwanz- anlage (Fig. 22a), in der Mehrzahl findet sie sich so gelagert, dass sie den Kern an dessen hinteren Pol dieht berührt und da- durch von der Schwanzanlage halbirt wird (Fig. 22b). Im Untersuchungen über Zelltheilung. 993 letzteren Falle liegt die Sphäre entweder über oder unter der Scehwanzanlage, diese geht nieht durch jene hindurch, wenn es auch infolge der geringen Dicke der Sphäre und der dunklen Färbung der Anlage so aussieht !). Der Ort, an dem die Schwanz- anlage sich zuerst findet, der Umstand, dass Kern und Sphäre offenbar mit ihr nichts zu thun haben, macht es höchst wahr- scheinlich, dass sie ein Differenzirungsprodukt der Zellsubstanz ist. Von Betheiligung eines Centrosoma bei der Schwanzanlage ist keine Rede. Zuweilen hat es, dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt, bei Anwendung sehr starker Vergrösserungen den Anschein, als ob die Schwanzanlage aus einer linear ange- ordneten Körnchenreihe bestünde. Immer deutlicher wird von jetzt ab die Form des Sperma- tosoma. Die Zellen strecken sich sehr beträchtlich in die Länge und werden gleichzeitig sehr schmal, ihr Längendurchmesser be- trägt im Mittel etwa 15u, ihr Breitendurchmesser 4,5u. Die Zellsubstanz selber zeigt keine Veränderungen. Der Kern wird zu einem strangförmigen Gebilde von etwa 4,5u Länge und Zu Breite (Fig. 23a). Hat man Zellen im Schnitt quergetroffen, so erkennt man, dass der Durchschnitt des Kernes ein kreisförmiger ist (Fig. 23 b); der Kern ist also ein Cylinder, dessen beiden schmalen Flächen leicht konvex gerundet sind. Am Aussenpole des Kerns, der nunmehr wohl als Spermatosomenkopf bezeichnet werden kann, ist der Rest der Kernmembran vorhanden, der schirmartig dem Kopfe dicht aufliegt. Der aul dem vorigen Stadium noch vorhandene helle Hof um den Kern ist geschwunden. Die Sphäre hat sich jetzt genau an die Mitte der inneren Fläche des Kerns angelegt und ist ebenfalls oval geworden; sie hat 1) F. Hermann (2) und auch Moore (8) schildern die Vor- gänge in vieler Beziehung anders wie ich. Namentlich ersterer Autor lässt dabei sein glashelles Spindelchen und zum Theil auch den Archi- plasmaballen eine so merkwürdige Rolle spielen, dass ein Kompromiss zwischen unseren beiderseitigen Beobachtungen ausgeschlossen erscheint. Es würde aber der Darstellung meiner Befunde in formeller Beziehung sehr zum Nachtheil gereichen, wollte ich über dem Strich jedes Mal die entgegengesetzte Angabe F. Hermann’s ausführlich kritisiren. Ich verzichte daher darauf und hebe nur noch hervor, dass ich das We- sentliche der Hermann’schen Darstellungen als unrichtig bezeichnen muss. Nur noch selten werde ich im Text auf die F. Hermann’sche Arbeit zurückkommen müssen. 54 Bernhard Rawitz: ungefähr dieselbe Länge wie der Kern, ist aber nur höchstens halb so breit wie dieser. Ihre Färbbarkeit ist gegen das vorige Stadium etwas vermindert, was leicht verständlich ist. Bei dem geringen Umfange der Sphäre und ihrem zarten Bau kann sie, wenn sie sich ausdehnt, an Masse aber sich gleich bleibt, also keine neuen Bestandtheile .aus der Zellsubstanz in sich aufnimmt, nicht ebenso intensiv sich färben, wie auf dem Stadium, auf welchem sie einen kleineren Raum beanspruchte. Die Schwanz- anlage geht durch die längsgestreckte Sphäre hindurch. Nirgends findet man mehr Andeutungen, dass die Sphäre neben oder über der Schwanzanlage gelegen wäre; durch genaueste, darauf hin gerichtete Untersuchungen habe ich mich davon überzeugt, dass thatsächlich der an den Kern anstossende Theil der Schwanz- anlage in der Sphäre gelegen ist. Das ist nur durch die An- nahme zu erklären, dass die an den Kern (aktiv) herangerückte Sphäre sich um die Schwanzanlage herum legt und so diese einschliesst; doch ist letztere noch deutlich innerhalb der Sphäre zu erkennen. Aehnliches scheint F. Hermann gesehen zu haben, doch leidet seine Darstellung hier an einiger Unklarheit. Die Schwanzanlage geht jetzt über den Zellkontur hinaus (Fig. 23a) bis zur halben Zelllänge; die ursprünglich vorhandene dreieckige Verbreiterung am Zellkontur präsentirt sich in der Gestalt eines ovalen Ringes, der aber noch sehr eng, als solcher nur bei ge- nauem Zusehen zu erkennen ist. Durch diesen Ring tritt die Schwanzanlage in das Cystenlumen. Sehr beachtenswerth ist auf diesem und dem nächsten Stadium die topographische Anordnung der Spermatiden. Die- selben liegen frei in ihren Fächern, doch sind die die letzteren herstellenden, vom Bindegewebe abstammenden Lamellen nicht mehr genau zu erkennen. Alle Zellen liegen ausserhalb der Stützzelle, welch’ letztere der bindegewebigen Wand der Cyste dieht angeschmiegt ist (Fig. 4, st). Die Spermatiden, trotzdem sie unregelmässig durch einander liegen, zeigen doch schon im allgemeinen die Tendenz, sich so einzustellen, dass der Kern, also der Kopf des künftigen Samenfadens, gegen die Cysten- wand, die Schwanzanlage gegen das Cystenlumen gerichtet ist. Die Längsstreekung und zugleich die Verschmälerung der Zelle macht immer weitere Fortschritte und auf dem nächsten Stadium, das wir unterscheiden können, haben wir ein Gebilde Untersuchungen über Zelltheilung. 55 vor uns (Fig. 24), das mindestens doppelt so lang und kaum halb so breit ist, wie auf dem eben beschriebenen Stadium. Auch der Kern hat sich bedeutend in die Länge gezogen. An seinem äusseren Ende ist der Kernmembranrest als eine den Kern bedeckende Kappe wieder deutlicher geworden, während die seitlichen flügelförmigen Fortsätze sich sehr verschmälert haben. Ob sich dies Wiederdeutlichwerden darauf zurückführen lässt, dass der Kern von seiner Kappe sich etwas mehr zurück- gezogen hat, oder wie die Thatsache sonst zu erklären ist, ver- mag ich nicht zu sagen. Der Kern selber liegt geschlängelt in der Zelle (Fig. 24). Noch haben wir es bloss mit wellen- förmigen Biegungen des Kernes zu thun, nicht mit spiraligen Windungen, die Biegungen sind noch wenig zahlreich, etwa 2—4, und nicht sehr ausgiebig. Bei einer durchschnittlichen Länge von 15 u beträgt die Breite des Kernes knapp 1,5u. Mit dem Auftreten der Schlängelungen können wir den Kern definitiv als Kopf des Spermatosoma bezeichnen. Auch die Sphäre hat sich bedeutend in die Länge gestreckt, ist nahezu doppelt so lang wie vorher, hat aber nur relativ wenig an Breitendurch- messer eingebüsst; ihre Färbbarkeit ist, ebenso wie im vorigen Stadium, eine nur geringe. Die Schwanzanlage ist in ihr nicht mehr zu erkennen, die Sphäre erscheint ganz homogen. Betrachtet man sich die Zellen auf diesem Stadium der Umbildung objektiv und zieht man dabei das Schicksal der Sphäre in Betracht, so kann über das, was letztere zum Aufbau des Spermatosoma beiträgt, kein Zweifel herrschen (Fig. 24): das Mittelstück des Samenfadens ist aus der Attraktionssphäre der Spermatide entstanden. Die Schwanzanlage, an deren Ansatzstelle am Mittelstück ein Endknöpfchen weder jetzt noch früher zu sehen ist (gegen F. Hermann), reicht weit hinein in das Lumen der Cyste; die Durchtrittsstelle durch die Zellsubstanz ist zu einem relativ breiten Ringe geworden (Fig. 24). Die Schlängelung des Spermatosomenkopfes, der immer schmaler wird und immer mehr sich in die Länge zieht, wird sehr viel stärker und schliesslich legt sich der Kopf in zahl- reiche Spiralwindungen. Ob diese vom Mittelstück zum Spiess eine links aufsteigende Richtung in allen Fällen zeigen, wie F. Hermann (2) angiebt, darauf habe ich nicht genau ge- achtet, im allgemeinen aber mich von der Richtigkeit der 56 Bernhard Rawitz: F. Hermann'’schen Angabe überzeugt. Doch kann ich m letzterem Thatbestande etwas besonders Wichtiges nicht finden. Von dem Augenblicke ab, wo die Spiraldrehung des Kopfes ausgesprochen ist, findet die Einlagerung der Spermatiden in das Protoplasma der Stützzellen statt: eine Thatsache, die weit wichtiger ist, als die Drehungsrichtung der Spermatosomenköpfe. Im einzelnen ist über die Stützzellen, die jetzt erst die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, das Folgende nachzutragen: In den Cysten, in welchen die Spermatiden ihre erste Umwand- lung zu Spermatosomen durchmachen, ist die Stützzelle ein nahe- zu rudimentäres Gebilde. Ihr Kern ist klein, von eiförmiger Gestalt, färbt sich ausserordentlich blass und lässt einige wenige Granula sowie ein oder zwei Nucleolen erkennen; ein eigent- liches Gerüst aber ist nicht in ihm wahrzunehmen. Der Kern liegt mit seiner langen Seite der bindegewebigen Cystenwand so dicht an, dass er vielfach für einen Kern dieser Wand ge- halten wurde. Die Zellsubstanz um den Kern herum ist so schwach entwickelt und so zart, dass sie nur als schmaler Saum um den Kern herum erscheint. In diesem Zustande verharren die Stützzellen bis zu dem Stadium, in welchem das Wellig- werden des Spermatidenkernes beginnt. Es wächst jetzt ihre Zellsubstanz ganz beträchtlich heran, während ihr Kern sein Aussehen und seine Lage unverändert beibehält.. Die Spermatiden mit spiralig gewundenem Kopfe lagern sich also in die nunmehr herangewachsenen Stützzellen ein. Welche besonderen Mechanismen hierbei thätig sind, oder ob die Einlagerung etwa dadurch geschieht, dass die Stützzelle die sich zum Samenfaden umbildenden Spermatiden einfach umwächst, vermag ich nicht genau zu sagen. Mir scheint letzteres das Wahrscheinliche. Die Einlagerung findet in der Weise statt, dass der den Kopf und das Mittelstück enthaltende Theil in der Stützzelle drin steckt, während der Theil, in welehem das An- fangsstück des Spermatosomenschwanzes gelegen ist ist, ausser- halb der Stützzelle bleibt. Die Zellsubstanz der sehr langge- streckten Spermatide erschemt nur noch als ein schmaler Saum um Kopf, Mittelstück und Anfangstheil des Schwanzes. Ich kann der Angabe von F. Hermann (2) nicht zustimmen, dass sich der Spiess, i. e. der kappenartige Kernmembranrest, durch die Substanz der Spermatide durchbohrt und frei zu Tage liegt. n Untersuchungen über Zelltheilung. 5 Vielmehr sehe ich in allen meinen Präparaten auch den Spiess innerhalb der Spermatide gelegen. Mit der Einlagerung in die Stützzellen — es stecken in jeder der letzteren stets zahlreiche Spermatiden — tritt eine deutliche systematische Anordnung auf. (Fig. 25.) Die äussersten Spitzen der Köpfe mit den betreffen- den Spiessen konvergiren, doch olıne dass es zu einer gegen- seitigen Berührung kommt, die Köpfe selber divergiren und von den Mittelstücken ab findet wieder Konvergenz statt, die am Anfange des Schwanzes bis zur gegenseitigen Berührung gehen kann. So entsteht eine tonnenförmige Figur (Fig. 25), deren basales Ende breiter ist als das dem Ampullenlumen zugewandte. Da, wo die Schwänze an das Mittelstück sich ansetzen, ist eine leichte Anschwellung des letzteren zu sehen, die besonders auf dem nächsten Stadium sehr deutlich ist, fast wie ein dunkles, grosses Korn erscheint (Fig. 27), um bei reifen Spermatosomen wieder zu fehlen (Fig. 28). Die Schwänze konvergiren gegen das Ampullenlumen und legen sich mit ihren freien Enden dicht an einander, so einen weit in das Lumen hineinragenden Schopf bildend. Die Stützzelle wächst nun allmählich heran, wobei sie eine zart granulirte Struktur erhält; ihr Kern, bisher basal gelegen, rückt an die Seite (Fig. 26 st), während die Samenfäden tiefer in die Substanz der Stützzelle eindringen. Die tonnenförmige Figur schwindet, die Spermatosomenköpfe werden parallel und ihre spiralige Drehung nimmt zu (Fig. 26 sp). Betrachtet man die Samenköpfe mit schwacher Vergrösserung, so erscheinen sie deutlich geschlängelt und diese Schlängelung stellt sich nach Anwendung homogener Immersion als eine ausgeprägte Spiral- drehung dar (Fig. 27). Aber am Mittelstücke ist von einer solchen Schlängelung oder Drehung nichts wahrzunehmen. F. Her- mann (2), der über das angebliche Diekenwachsthun des Mittel- stückes ganz eigenthümliche Angaben macht, wofür ich in meinen Präparaten kein Analogon finden kann, behauptet auch, dass das Mittelstück, bevor es seine „Mantelsubstanz“ (?) erhalten, eine Spiraldrehung zeige, die gerade entgegengesetzt der des Kopfes gerichtet sei. Betrachtet man den spiralig gedrehten Kopf bei Anwendung homogener Immersion sehr lange und gebt dann auf das Mittelstück über, so gewinnt es in der That den Anschein, als ob letzteres eine entgegengesetzte Drehung besässe. Ich 58 Bernhard Rawitz: halte aber diese Drehung für eine optische Täuschung; durch langes Ansehen gedrehter Gegenstände suggerirt man sich sehr leicht das Vorkommen einer entgegengesetzten Drehung an Objekten, die eine solche thatsächlich nicht besitzen. Dazu kommt, dass unser Auge durch die starken Linsensysteme, deren wir zur Er- kennung der Einzelheiten bei der Spermatogenese bedürfen, sehr bald ermüdet und ein ermüdetes Auge sieht nur zu leicht Struk- tureigenthümlichkeiten, für die kein Anhalt vorhanden ist. Einiger- maassen ausgesprochene Spiraldrehungen müssen an gut fixirtem und distinkt gefärbtem Materiale mit ausgeruhtem Auge stets leicht erkennbar sein, soll man von ihrer Existenz sich über- zeugt halten. Was nur bei langer Augenanstrengung erkannt werden kann, ist entweder gar nicht vorhanden oder nicht so vorhanden, wie es dem ermüdeten Auge erscheint. Ich kann daher die Angabe von F. Hermann, dass das Mittelstück des reifenden Spermatosoma bei Scyllium eine Spiraldrehung zeige, nur als eine optische Täuschung, als eine Art Autosugge- stion bezeichnen. Auch die Mittelsticke haben sich auf diesem Stadium der Samenreifung (Fig. 26 m) parallel zu einander geordnet; ihre Grenze gegen die Schwanzstücke ist noch immer eine sehr deut- liche. Die letzteren konvergiren nach wie vor, legen sich im Ampullenlumen dicht an einander und winden sich stellenweise um einander. Auf diesem Stadium nehmen sowohl der Kopf wie das Mittelstück des reifenden Spermatosoma eine intensive Fär- bung an, die sich bis zur vollen Ausreifung immer mehr steigert, während der Schwanzfaden stets blass, in Alizarin blassorange, bleibt. Ich glaube diese Thatsache darauf zurückführen zu können, dass die Zellsubstanz der Spermatide allmählich schwindet; sie wird offenbar aufgezehrt und kommt den reifen- den Spermatosomen dabei zu gute. Dass ein solches Schwinden wirklich statthat, geht zur Evidenz daraus hervor, dass auf dem Stadium der tonnenförmigen Figur (Fig. 25) die Grenzen der Spermatiden gegen die Substanz der Stützzelle, in deren Fächern sie stecken, noch sehr deutliche sind, während auf dem augenblicklich behandelten Stadium von solchen Grenzen nichts mehr zu erkennen ist. Zwischen den benachbarten Spermatosomen- köpfen und Mittelstücken findet man jetzt nur noch die zart sranulirte Substanz der Stützzelle. Untersuchungeu über Zelltheilung. 59 Auf diesem Stadium treten ferner in der Stützzelle homogene, stark liehtbreehende Körper auf, die bekannten „corps proble- matiques“ (Fig. 26 k). Anfangs sind es mehrere kleine, schwach gefärbte Körper, die an verschiedenen Stellen der Stützzelle sich zeigen, dann verschmelzen sie allmählich mit einander und nehmen hiernach eine intensive Färbung an. Woher diese Gebilde stammen, habe ich nicht feststellen können; sie entstehen in der Substanz der Stützzellen und stellen möglicherweise deren Stoffwechsel- produkte dar, worauf der Umstand hinzuweisen scheint, dass sie mit zunehmender Reifung der Spermatosomen, mit der offenbar auch ein erhöhter Stoffwechsel der diese beherbergenden und er- nährenden Stützzellen pari passu gehen muss, grösser werden und sich immer intensiver färben (Fig. 29 k). Mit der weiter vorschreitenden Reifung der Spermatosomen schwinden die Fächer der Stützzellen, welche die benachbarten Spermatosomenköpfe und -mittelstücke von einander trennen. Die nahezu reifen Spermatosomen stecken in Form eines dieken Bündels, das auf Quersehnitten und bei Betrachtung mit schwachen Linsensystemen (Fig. 28 b) als ein homogenes dunkles Gebilde erscheint, in einem Loche der Stützzelle. Letzteres erkennt man besonders an solchen Schnitten, in welchen die Spermatosomen- bündel tangential getroffen sind; zu beiden Seiten derselben ist die Substanz der Stützzellen deutlich zu sehen, zwischen den Spermäatosomenköpfen fehlt sie. Es wird also offenbar diejenige Substanz der Stützzelle, welehe die Fächer für die Spermatiden bildete, bei der Ausreifung der Spermatosomen ebenso aufgezehrt wie die Substanz der Spermatiden selber. Auf solch’ tangen- tialen Schnitten machen — dies nebenbei bemerkt — die Sperma- tosomenköpfe infolge ihrer spiraligen Drehung in ihrer Gesammt- heit betrachtet den Eindruck eines quergestreiften Muskels, weil die dem Beschauer abgewendeten Windungen der Spirale heller erscheinen als die ihm zugekehrten. Die Spermatosomenköpfe des Bündels stellen ein abge- stumpft eylindro-konisches Gebilde dar (Fig. 28 a, Fig. 29 sp), das bis nahezu auf den Boden der Stützzelle reicht. Die Spiesse der Spermatosomenköpfe sind in meinen Präparaten, offenbar in- folge der Wirkung des Fixirungsmittels, nieht mehr deutlich von einander zu unterscheiden, sie sind aber gegen die Stützzellen- substanz durch einen auffällig dunklen und scharfen Kontur abge- 60 Bernhard Rawitz: grenzt (Fig. 29 ss). Die Spermatosomenbündel stecken excen- trisch in den Stützzellen (Fig. 28 a, b; Fig. 29). Die Mittel- stücke, durch ihre Färbung von den Köpfen deutlich unter- schieden, weichen fassdaubenartig aus einander (Fig. 28 a, m; Fig. 29 m). An den Schwänzen kann man zwei deutlich unter- schiedene Abschnitte wahrnehmen. Der an die Mittelstücke angrenzende Theil ist etwas, wenn auch nicht viel, intensiver gefärbt, als die übrige Partie; die Grenze zwischen beiden Ab- schnitten ist eine ziemlich deutliche, wie aus den Fig. 28a u. 29 hervorgeht. Die innersten Theile der Schwanzfäden legen sich dieht aneinander, in ihrer Gesammtheit rollen sie sich etwas und ragen wie eine Locke in das Ampullenlumen binein. Was die Grössenverhältnisse anlangt, so sind die Köpfe etwas 37 u, die Mittelstücke etwa 15 u lang. Die Stützzelle, in der, wie bemerkt, das Spermatosomen- bündel excentrisch steckt, reicht auf der einen Seite des Bündels (Fig. 28a und besonders Fig. 29) bis zum Ansatze der Mittel- stücke an die Köpfe und bildet hier einen schmalen, die Spermato- somenköpfe bedeckenden Saum. Auf der entgegengesetzten Seite reicht ihre Zellsubstanz bis zum Ansatze der Schwänze an die Mittelstücke. Auf dieser Seite ist ihre Hauptmasse gelegen, die sich gegen die Mittelstücke hin aber auch bedeutend verschmächtigt. Der Kern liegt an der Seite des Spermatosomenbündels und zwar in der Hauptmasse der Zellsubstanz entweder in der Nähe der Spiesse (Fig. 29) oder etwas höher (Fig. 28a). Er ist oval, sehr hell, zart granulirt und enthält 1 oder 2 deutliche Nucleolen. Ueber dem Kern, also dem Ampullenlumen zu, findet sich der homogene Körper (Fig. 29 k), der bald kugelig, bald oval, bald platt wie ein Ritterschild, bald ganz unregelmässig gestaltet ist. Z/Zuweilen hat man den Eindruck, als ob zwischen Stützzellenkern und homogenem Körper eine Verdichtung der Zellsubstanz sich fände, da man hier gelegentlich eine durch intensivere Färbung sich auszeichnende Stelle antrifft. Doch ist diese Erscheinung, in meinen Präparaten wenigstens, eine inkonstante, Auf dieser Ausbildungstufe werden die Spermatosomen aus dem Hoden entleert, um im Nebenhoden ihre endgültige, hier nicht weiter interessirende Reifung durchzumachen. Berlin, Mai 1898. Untersuchungen über Zelltheilung. 61 Literatur-Verzeichniss. 1. Hallmann, Ueber den Bau des Hodens und die Entwickelung der Samenthiere der Rochen. Müller’s Archiv 1840. 2. F. Hermann, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwickelungsgeschichte Bd. 50. 3. G. Herrmann, Recherches sur la spermatogenöse chez les sela- ciens. Journal de l’Anatomie et de la Physiclogie. 1882, Bd. 18. 4. Jensen, Etude sur la spermatogenese. Archives de Biologie par Ed. van Beneden et van Bambeke. T. 4. 1883. 5. Lallemand, Observations sur le developpement des zoospermes de la raie. Annales des sciences naturelles. Seconde serie. T. 15. Zoologie. 6. Meves, Zelltheilung. Referat in: Merkel und Bonnet, Ergeb- nisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1897. 7. Moore, On the germinal blastema and the nature of the so called „reduction division“ in the cartilaginous fishes. Anatomischer An- zeiger 1894. 8. Moore, On the structural changes in the reproduetive cells during the spermatogenesis of elasmobranchs. Quarterly journal of microscopical science. T. 38. 189. 9. Rawitz, Untersuchungen über Zelltheilung. I. Archiv für mikro- skopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 47. 10. Sabatier, Sur quelques points de la spermatogenese chez les selaciens. Comptes rendus de l’acad&mie des sciences. Paris 1895, 2.120, ll. Sanfelice, Spermatogenese des Vertebres. Archives italiennes de biologie. T. X. 1888. 12. Swaön et Masquelin, Etude sur la spermatogenese. Archives de Biologie par Ed. van BenedenetvanBambeke. T. IV. 1883. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Die Figuren, die sich alle auf Seyllium canicula beziehen, wurden nach Alizarinpräparaten mit dem Abbe’schen Zeichenapparat bei Zeiss’schen Systemen entworfen. Bei Trockensystemen wurde Ocular 2, bei der homogenen apochromatischen Immersion (1,5) Com- pensationsoeular 6 zum Zeichenapparate benutzt. Die Einzelheiten wurden bei Ocular 3 bez. 8 eingetragen. Wenn kein besonderes System angegeben ist, so ist die Figur bei apochromatischer homogener Immer- sion (1,5) gezeichnet. Fig. 1. Spermatocyten I. Ordnung in Ruhe (System D). k= Kapsel, b=raliäre Bindegewebszüge, st — Stützzellenkern Bernhard Rawitz: Untersuchungen über Zelltheilung. Spermatiden in Ruhe; in fast jeder Spermatide die Sphäre er- kennbar (System D). k = Kapsel, b =radiäre Bindegewebszüge, b!= Grenze gegen das Cystenlumen, st = Stützzellenkern. Cyste mit Quadranteneintheilung (System B). k = Kapsel. Spermatiden ungeordnet in den Bindegewebsfächern (System D). k = Kapsel, b = Bindegewebszüge, st = Stützzellenkern. Spermatoeyte I. Ordnung; Ruhe. s—= Attraktionssphäre. Spermatocyte I. Ordnung. Kern zeigt dichten Knäuel. s= Attraktionssphäre. Spermatoeyte I. Ordnung. a = lockerer Knäuel, b= Maulbeer- stadium, s = Attraktionssphäre. Spermatocyte I. Ordnung. Aster. Spermatocyte I. Ordnung. Dyaster. . Spermatocyte I. Ordnung. Dispirem. . Spermatocyte II. Ordnung. Aster. . Spermatocyte II. Ordnung. Aster (Chromosomentheilung). . Spermatocyte II. Ordnung. Dyaster. . Spermatocyte II. Ordnung. Dispirem. . Spermatocyte II. Ordnung. Trennung der Theilungsprodukte. und 17. Spermatiden zur Ruhe gelangend. . Spermatiden in Ruhe. s= Attraktionssphäre. . (a und b cfr. Text). Spermatiden. Erste Umwandlung im Kern. . (a und b cefr. Text), Homogener Kern. . (a und b cfr. Text). Zusammenziehung des Kernes. . (a und b cefr. Text). Auftreten der Schwanzanlage. . a = Längsstreckung des Kernes und der Sphäre; Schwanz- anlage über die Zelle hinausreichend; b= Zelle mit Kern im Querschnitt. . Deutlichwerden des Spermatosoma. . Einlagerung der Spermatosomen in die Stützzelle (System D). bi = Bindegewebskapsel, st = Stützzelle, sp = Spermatosomen- kopf, m = Mittelstück, s = Schwanz. . Reilung der Spermatosomen (System D). k = homogener Kör- per. Die übrigen Bezeichnungen wie Fig. 25. . Zwei reifende Spermatosomen. ss = Spiess. Die übrige Be- zeichnung wie Fig. 25. . Reife Spermatosomen (System D, a=im Längsschnitt, b= im Querschnitt. Bezeichnung wie vorher. . Stützzelle mit reifen Spermatosomen. Bezeichnung wie vorher. 3) oO (Aus dem Anatom. Institut zu Berlin.) Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. (Erster Theil einer anatomisch-pathologischen Untersuchung der sogenannten automatischen Herzeentren.) Von Dr. S. Schwartz (Moskau). Hierzu Tafel III. Es darf wohl nicht auffallend erscheinen, wenn, ungeachtet der grossen Zahl der früheren Untersuchungen über die Innervation des Herzens, immer wieder neue Arbeiten auf diesem Gebiete auftauchen. Einerseits stellt das Herz. ein sehr wichtiges, im Wesen seiner Thätigkeit indess ziemlich unbekanntes, ich möchte sagen geheimnissvolles Organ dar, andererseits kommen in jeder Arbeit neue Angaben, die theils im Widerspruch mit den früheren stehen, theils nicht fest genug begründet zu sein scheinen, und so bleibt das Streben nach neuem Suchen immer nicht getilgt. Und gerade in der letzten Zeit stehen wir zweien ent- gegengesetzten Strömungen der Physiologen und Histologen gegen- über. Während die Physiologen von der alten Lehre abkommen zu wollen scheinen und den Ganglienzellen, wie überhaupt der intracardiellen Innervation, eine mehr und mehr geringe Be- deutung zuschreiben, suchen die Anatomen fortwährend nach neuen Ganglienzellen und Ganglienzellengruppen an der Ober- fläche und in der Muskulatur des Herzens. Dass diese Strö- mungen diametral entgegengesetzt sind und nicht gut sich ver- einigen lassen, braucht keiner weiteren Auseinandersetzung. Aber auch die rein anatomischen Angaben sind noch nicht überein- stimmend. Wie weit die Differenzen hierin gehen, wird sich aus der folgenden kurzen Uebersicht ergeben. Remaks ursprüngliche Angabe lautet, dass auf der Ober- fläche des Kalbsherzens mehrere Ganglien an den Nervenstämmen sitzen sollen. Da er die fraglichen Ganglienknoten, so weit sie am Ventrikel sich vorfanden, nur mit freiem Auge gesehen und nicht mikroskopisch untersucht hat, — wenigstens sagt er nichts davon — 64 S. Sehwartz: so ist es schwer zu sagen, ob dies in der That Ganglienzellenhaufen waren. Der in Fig. 2 von Remak angegebene Nerv ist mit einem solchen Ganglion allerdings versehen. Bei der schwachen Ver- grösserung und Dunkelheit der gezeichneten Elemente ist es in- dessen unmöglich, mit absoluter Sicherheit zu erkennen, ob es sich hier um Ganglienzellen handelte. Ich will aber bereitwillig die gangliöse Natur des in Fig. 2 abgebildeten Knotens aner- kennen, da derselbe nach Remak’s Angabe vom Vorhofe des Herzens stammt. | Eisenlohr gibt an, dass er Ganglienzellen und Ganglien- gruppen nur an der Scheidewand der Vorhöfe gesehen habe. Die Ganglienzellen liegen nicht in der Muskulatur selbst; sie be- finden sich vielmehr unter dem Pericard und liegen meistens zwischen den Nerven oder an den Nerven. Ausser in der Scheidewand sollen auch Ganglien im Suleus coronarius transversus vorkommen. Die Ganglienzellen besitzen eine Kapsel mit Kernen, einen gekörnten Leib, einen oder zwei Kerne mit Kernkörperchen. Zur Untersuchung wurden Stücke vom Herzen abgeschnitten und mit Osmiumsäure oder Pierocarmin bearbeitet. Zu ganz ähnlichen Resultaten kam Ott. Koplewskyt) hat anlässlich seiner Untersuchungen über pathologische Veränderungen der Herzganglien folgende anatomi- sche Thatsachen angegeben: Beim Menschen existiren zwei Gruppen von Ganglienzellen in der Gegend der Furche zwischen den Vor- höfen im Dreieck, das von dem Zusammentreffen der Muskelfasern beider Vorhöfe gebildet, und nach aussen von dem visceralen Blatte des Pericard umgrenzt ist. Die Zellen besitzen eine binde- gewebige Kapsel und haben häufig zwei Kerne. Sie haben ent- weder einen einzigen dicken Fortsatz oder zwei feinere. Der Verfasser hat weder isolirte Zellen noch Zellgruppen an den Nervenfasern im Myocard sitzen gesehen. Van Gehuchten hat im Myocard einen weit ausgedehn- ten Nervenplexus gesehen, hat aber nie dort Ganglienzellen ge- troffen. Dagegen hat Berkley bei Bearbeitung des Herzens mit der Methode von Golgi zwischen den Muskelfasern bipolare und 1) Citire nach Jacques, s. das Literaturverzeichniss. Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. 65 multipolare Zellen gefunden, die er als Ganglienzellen auffassen zu können glaubt. Die Beschreibung dieser Zellen jedoch, ob- wohl Berkley durch Ausschliessen von Artefacten oder ein- facher Anschwellungen im Verlaufe der Nerven sich gegen alle mögliche Einwände gesichert zu haben glaubt, entspricht voll- kommen den Bildern, welche Fusari!) in dem Bindegewebe der Zungenmuskeln und des Herzens bei der Bearbeitung nach Golgi’s Verfahren bekommen hat und als Bindegewebs- zellen bezeichnet. Vigual in seiner grossen Arbeit über Herzinnervation gibt bei der Besprechung der Ganglienzellen im Froschherzen die un- bedingt ganz richtigen und wichtigen Kennzeichen der Ganglien- zellen (bindegewebige Kapsel, Kerne der Kapsel, granulirte Sub- stanz der Zellen, ein oder zwei Kerne, von welchen jeder zwei Kernkörper hat); er weist beim Kaninchen zwei ganz verschiedene Arten von Ganglienzellen in mehreren grossen Ganglien nach, die er in die Nähe der Pulmonalvenen verlegt. Eine Anzahl dieser Zellen sollen nur einen Fortsatz und einen Kern besitzen, die anderen sollen immer mehr als einen Fortsatz haben und zwei Kerne, und dabei schienen sie „alle Kennzeichen der sympathi- schen Zellen des Kaninchens zu besitzen“. Ausser diesem aber fand er auch Ganglien auf der Oberfläche des Plexus cardiacus (gleich unterhalb der Coronargefässe und auf der Basis ventri- euli), die immer nur aus einigen Zellen bestanden. Die Zellen haben nur einen Kern und einen Fortsatz, haben aber keine Zeichen der Sympathicuszellen. Das von Remak angegebene Ganglion auf der Vorhofs- scheidewand hat er bei Kaninchen nie gesehen. An den Vor- höfen nehmen die Ganglien eine intramuskuläre Lage, auf den Ventrikeln eine subpericardiale ein. Auf die physiologischen An- gaben, die Vigual beigefügt hat, ist hier nieht der Ort einzu- gehen. Nach den embryologischen Untersuchungen von His jun. befinden sich die Ganglienzellengruppen bei den Säugethieren und beim Menschen auf der hinteren Oberfläche des Herzens im Gebiete zwischen der Furche beider Vorhöfe und der Aorta descendens nach hinten, und bis zum Suleus coronarius trans- 1) Siehe bei Jacques. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53, (eb 66 S. Schwartz: versus nach unten. Manche Ganglienzellen sollen dem hier be- findlichen Theile der Aorta anliegen. Keine weitere Verbreitung der Ganglienzellen auf die Ventrikeloberfläche ist von ihm beobachtet worden. Wie wir sehen, gibt also auch die Ent- wiekelungsgeschichte keine Anhaltspunkte für die Annahme der Ver- breitung der Ganglienzellen auf die Oberfläche der Ventrikel. Kasem-Beck ist bei den Untersuchungen, die er zur Kon- trolle der Angaben von Vigual über das Vorkommen von zweierlei Ganglienzellen in den Herzganglien verschiedener Thiere anstellte, dahin gelangt, dass er das Vorkommen verschiedenartiger Gang- lienzellen und die Spiralfaser verneinen musste. Bei Kaninchen hat er ein- oder zweikernige ovale Zellen mit einem Fortsatze gesehen. Ueber die Lage der Ganglienzellen bei den von ihm untersuchten Thieren macht er keine Angaben. v. Openchowski macht in seiner Arbeit über Nerven- endigungen im Herzmuskel eine kurze Bemerkung über die von ihm gesehenen Ganglienzellen, die meist unipolar waren. Er hat Zellen an der Grenze der Ventrikel und Vorhöfe gesehen, die nur hier und da vorkommen und bis in das obere Viertel der Ventrikel hinein liegen. In den 3 anderen Vierteln des Ven- trikels hat er keine Ganglienzellen gesehen. Jaeques, dessen Arbeit einen grossen Anspruch auf Ge- nanigkeit hat, meint, dass an den subperikardialen Nervenplexus von Ratten, Mäusen und anderen kleinen Säugethieren eine sehr srosse Zahl von kleinen 'Ganglien angehängt seien, hauptsäch- lich in dem Suleus atrio-ventrieularis und interatriarius, auf den Vorhöfen und am oberen Drittel der Ventrikel. „Man findet sie auch, wenn in geringerer Zahl auf der ganzen oberen Hälfte, man darf wohl sagen auf den oberen zwei Dritteln des Ventrikels in der Nähe des Suleus interventrieularis.“ Bei schwacher Ver- srösserung sieht man die Nervenzellen-Häufchen von wechselnder, aber immer beträchtlicher Zahl bilden. Diese Häufchen bestehen aus unregelmässigen, birnförmigen oder kugelförmigen Elemen- ten. Sie liegen immer in der Nähe einer nervösen Faser. Ein kurzer Faden verbindet sie stets mit dem nächsten Nervenfaser- bündel. Wenn die Zellen sich zu einem Ganglion anhäufen, sind sie nicht dicht aneinandergedrängt und von einer allgemeinen Hülle umgeben, sondern sie lassen zwischen sich, wenigstens beim Hund und der Ratte, immer genügend breite Zwischenräume, in Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. 67 welchen sich die Fortsätze durchflechten und wahrscheinlich auch fremde Nervenfasern sich fortsetzen. (Dans lesquels rampent leur prolongements et s’insinuent probablement aussi des filets nerveux £trangers.) Im Allgemeinen sind die multipolaren Zellen vorherrschend; man begegnet aber auch unipolaren und bipolaren Zellen. Ausser diesen subpericardialen Zellen, die Jacques unbedingt für Nervenzellen hält und den im Muskel selbst liegen- den Zellen, die wahrscheinlich Bindegewebszellen (von Berkley als Ganglienzellen aufgefasst) sind, hat Jaeques noch eine Art von Zellen gesehen, die in der Dicke der Vorhofswand und der Vorhofsscheidewand liegen, über welche er kein endgiltiges Ur- theil sich gebildet hat. Nach dem Aeusseren und den Dimen- sionen gehören sie eher zu den Bindegewebszellen, aber sie be- sitzen einen Fortsatz, der ein „ein wenig specielles* Aussehen hat (il faut reconnaitre que leurs prolongements presentent un aspeet un peu special). Bei der Beschreibung und Abbildung der Zellen geht Jacques sehr auf die Form, die Grösse, die Zahl der Fortsätze und den Kern mit dem Kernkörperehen ein. In seiner ganzen Arbeit ist jedoch kein Wort über die Zellenkapsel und die Kapselkerne enthalten. Mit den angeführten Angaben denke ich eine genügende Rücksicht auf die Literatur der uns beschäftigenden Frage ge- nommen zu haben. Ich möchte nur die Bemerkung hinzufügen, dass die in Frage kommende Literatur sehr erschöpfend bei Jacques und His angegeben ist. Nach dem Gesagten ist es nicht zu verkennen, dass wir hier mit zwei in der Grundlage verschiedenen Ansichten zu thun haben. Wir sehen, dass eine Gruppe von Autoren: Eisenlohr, Ott, Koplewsky und vor allem His jun. (auf Grund seiner embryologischen Untersuchungen) beim Menschen und bei den Säugethieren ein Vorkommen von Ganglienzellen nur im Gebiete der Vorhöfe annehmen, die anderen dagegen — Remak, Ka- sem-Beck, von Openchowsky, Berkley, Vignal und Jacques behaupten, dass Ganglienzellen auch am Ventrikel, und nach Berkley sogar inmitten der Muskelwand desselben vor- kommen. Wenn man gegen Eisenlohr, Ott und Koplewsky den Einwand machen könnte, dass sie nicht das ganze Herz untersucht haben und deshalb kein definitives Urtheil in der Frage abgeben können, so darf man doch diesen Einwand gegen His 68 S. Schwartz: jun. nicht als geltend anerkennen. Das einzige, was man gegen ihn sagen könnte, ist, dass er nur mit Entwickelungsstufen zu thun gehabt hat und dass in der folgenden Zeit doch noch wei- tere Anhäufungen und Verlagerungen von Ganglienzellen sich aus- bilden könnten. Aber man muss doch zugeben, dass die Behaup- tungen der gegen His sprechenden Autoren auch nicht völlig zweifellos und endgiltig sein können, schon wegen der Wider- sprüche, welche sich in ihren Beschreibungen finden. Auf den Widerspruch in der Arbeit von Vignal habe ich schon vorhin aufmerksam gemacht; jetzt möchte ich nur einige Worte über die Angaben von Jacques beibringen. Wie die meisten der anderen Autoren hat auch Jaeques mit solchen Unter- suchungsmethoden gearbeitet, die hauptsächlich den Zusammen- hang der Zellen mit den Nervenfasern verfolgen. Dabei können zwei Quellen für Irrthümer entstehen: 1) Wenn der Nerven- fortsatz einer fraglichen Ganglienzelle abgeschnitten ist, so wird es zweifelhaft, ob eine Ganglienzelle vorliegt, auch da, wo bei der Anwendung anderer Verfahrungsweisen die Sache ent- schieden werden könnte; 2) wenn eine Zelle auch nieht nervöser Art dieht an einer in irgend welcher Richtung verlaufenden Faser oder in faserigem, bei dem Untersuchungsverfahren gefärbten Bindegewebe liegt, so bekommt man wieder einen Anlass zu Irr- thümern. Man muss dabei nicht aus dem Auge lassen, dass es selbst bei stärkeren Vergrösserungen sehr oft nieht möglich ist zu entscheiden, ob eine Faser nur vorüber läuft, besonders von unten, oder in die Zelle hinein zieht. Dass solche Verwechse- lungen nicht nur vorkommen können, sondern auch vorgekommen sind, beweist genügend die Arbeit von Berkley. Aus wel- chem Grunde Jacques in Zweifel gerieth, ob er es mit einer Nervenzelle zu thun gehabt habe, ist vorhin angeführt worden. Jacques kann sich nicht entscheiden, zu sagen, ob die Zellen, die er in der Tiefe der Muskulatur der Vorhöfe gesehen hat, Nervenzellen waren oder nicht, obwohl sie grosse Aehnlichkeit mit Bindegewebszellen zeigten, denn sie standen im Zusammenhange mit einem Fortsatze, der „ein etwas besonderes Aussehen“ hatte. (il faut reconnaitre que leurs prolongements pr&sentent un aspeet un peu special, qui, dans quelques cas, devient tout & fait iden- tique & celui d’une fibre nerveuse). Nach diesen Auseinandersetzungen wird es verständlich sein, dass ich abermals mir die Aufgabe stellte, die Lage der Gang- Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. 69 lienzellen im Herzen der Säugethiere zu bestimmen. Ich war nicht im Stande, der Anschauung von Openchowsky’s beizupflichten, dass im Allgemeinen die Autoren in ihren An- gaben bezüglich der Lage der Ganglien übereinstimmten. Dass das nicht der Fall ist, kann man, abgesehen von meinen Aus- führungen, auch aus den Citaten von Jacques in dem von Poirier herausgegebenen „Trait& d’anatomie humaine“ sehen. Bei meinen Untersuchungen strebte ich darnach, mich mög- lichst von den Quellen der Irrthümer früherer Autoren frei zu machen. Dazu musste ich mir zwei Bedingungen stellen: 1) das ganze Herz zu untersuchen und 2) eine Färbemethode zu wählen, die mir ohne weiteres die Ganglienzellen einwandsfrei zu erkennen ermöglichte und dabei die Nervenfasern nicht mitfärbte. Was die erste Bedingung anbetrifft, so konnte ich sie nur dann er- füllen, wenn ich kleine Thiere wählte, um das ganze Herz in Schnittreihen zerlegen zu können. Ich untersuchte deshalb Ratten- herzen und begnügte mich nicht, Schnittreihen in einer Richtung herzustellen, sondern in 3 Riehtungen: der frontalen, sagittalen und transversalen. Das gab mir die Möglichkeit, einen vollständigen Ueberbliek über die ganze Oberfläche des Herzens, die Scheide- wand, Muskulatur und Endocard, zu gewinnen. Die Schnitte waren 20 bis 30 u diek. Dabei konnte mir kaum eine Zelle entgehen. Zum Färben nahm ich das Thionin, welches allen An- forderungen entspricht, die man an ein Nervenzellenreagens stellen kann. Das Thionin, wie auch das Tholuidinblau, werden von den Autoren als ein Medium, welches für Ganglienzellen wie geschaffen zu sein scheint, angesehen. Das Tholuidinblau passt aber mehr für sehr dünne Schnitte und für Paraflin- einbettung. Diese Bedingungen, welche für die Untersuchung der feinsten Struetur der Nervenzellen nothwendig sind, wären bei einer mehr topographischen Arbeit und Schnittreihen-Anferti- sung nicht wohl ausführbar und auch wohl überflüssig. Später, bei den Untersuchungen über die feinere Structur werde ich mich des Tholuidinblau bedienen. Das Thionin habe ich vorher bei unzweifelhaft nervösem Material ausprobirt, dann beim Froschherzen, und erst dann, als ich mit dem Gebrauch des Thionin genügend bewandert war und die Kennzeichen, die eine Ganglienzelle — welchen Ursprungs, sympathischen oder spinalen, sie auch sein mochte — mir sicher 70 S. Schwartz: zu eigen gemacht hatte, bin ich zur Untersuchung der Ratten- herzen übergegangen. Die Ratten wurden durch Aether getödtet, das Herz un- mittelbar darauf herausgenommen, wobei ich oft vorher noch die Gefässe unterband oder auch durch die Vena cava ascendens Formalinlösung (10°/,) einspritzte. Ich pflegte dabei die un- sebenden Gewebe von den Gefässen nicht abzupräpariren, um keine Zellen wegzuschneiden. Das Herz kam in der Regel auf 1 Tag in 10°/,ige Formalinlösung, dann auf 2 Tage in Alkohol, wurde aus dem Alkohol in Celloidin eingebettet und in Schnitte zerlegt. Dabei habe ich mich des Verfahrens von Darkschewitsch bedient, und habe die Schnitte auf nume- rirten Papierstückchen in ein hohes Glas mit schwachem Alkohol gebracht, dann, nach dem üblichen Verfahren, aus dem Alkohol in concentrirter Thioninlösung gefärbt und später in Anilinöl- alkohol differeneirt. Dabei wusste ich nach der Bezeichnung auf dem Papier immer ganz genau, welchen Schnitt von welcher Serienrichtung ich vor mir hatte. Jeder fünfte Schnitt wurde gefärbt und die auf diese Weise gewonnenen Präparate nachein- ander untersucht. Wenn in irgend welchen Schnitten Ganglien- zellen gefunden waren, so wurden auch alle benachbarten Schnitte nachträglich gefärbt und untersucht. Wenn man Rücksicht dar- auf nimmt, dass in jeder Richtung mindestens 3 Herzen ge- schnitten wurden und dass bei diesen verschiedenen Schnittrich-- tungen bald eine, bald die andere Fläche des Herzens mit beson- derer Deutlichkeit hervortreten musste, so wird es begreiflich, dass keine Stelle des Herzens ununtersucht geblieben ist. Die Untersuchung ergab, dass an der Oberfläche des Her- zens 2 Arten von Zellen streng von einander zu unterscheiden sind. Eine Art von Zellen —dieechten Ganglienzellen— zeigen folgendes Bild: ein fein gekörnter Leib, von ca. 17—30 u im Querschnittsmaass, ist in gröbere Tigroide!) zerfallen, enthält meistens 1, oft aber 2 Kerne mit je 1—2 oder auch 5 Kern- körperchen. Die Tigroide sind hellviolett gefärbt, der Kern hellweiss, die Kernkörperchen tief blauviolett; um diesen Leib herum sieht man eine hellblau gefärbte eben nur angedentete 1) Bekanntlich hat v. Lenhossek die Nissl’schen Körper mit dem Namen „Tigroide“ bezeichnet. Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. 71 © > © Kapsel mit vielen violett blauen oder blaugrünlichen Kapselkernen, Je nach der Richtung, in welcher die Zelle getroffen ist, sieht ınan manchmal einen leicht angedeuteten Fortsatz, in den meisten Fällen aber nieht. Diese Zellen liegen hauptsächlich in grossen Gruppen zusammen, sind mehr oder weniger von Bindegewebe “umgeben, in welchem man auch eine sehr grosse Zahl von Kernen (der zugehörigen Bindegewebszellen) sieht. Ausser diesen grossen Gruppen kommen die Ganglienzellen auch vereinzelt vor, aber wieder nur in derselben Gegend, wo auch die Gruppen liegen, und es markiren, so zu sagen, die vereinzelten Zellen den Weg von einer Gruppe zu der anderen. Wie gesagt, habe ich die Ganglienzellen nieht in Zusammenhang mit den Nervenfasern untersucht, und wenn ich zur Zeit keine Auskunft über diesen Zusammenhang geben kann, war ich doch sehr wohl in der Lage, nieht nur die grossen Ganglien aufzufinden, sondern auch ganz vereinzelte Ganglienzellen, die alle angeführten Zeichen einer Ganglienzelle haben und deshalb für rein nervöse Elemente ge- halten werden müssen, genau zu bestimmen. Ausser diesen Elementen findet man auf der Oberfläche des ganzen Herzens zerstreut eine andere Art von Zellen, die bald rund sind, bald oval, bald keilförmig zugespitzt, so dass man an einen direeten Fortsatz der zugespitzten Ecke denken kann. Die Zellen sieht man bald vereinzelt, bald in kleinen Gruppen von 3—4 Stück, sie liegen bald nebeneinander, bald aufemander und können somit einen grösseren Körper vortäuschen. Sie liegen, wie gesagt, auf der Oberfläche des ganzen Herzens unter dem visceralen Pericard; man sieht sie in allen Sulei. Diese Zellen kommen auch neben den Ganglien und zwischen den Ganglien vor. Wie man bei anderen Färbemethoden sehen kann, liegen diese Zellen neben und an den Nervenfasern. Sie begleiten auch die Gefässe und ihre Verzweigungen, wie man es schon bei Thioninfärbung sehen kann. Sie begleiten auch die Gefässe und die Nerven im Myo- cardium selbst. Sie sind im Allgemeinen kleiner als die echten Ganglienzellen, indem sie 6—14 u Durchmesser aufweisen. Sie be- stehen aus einem mit runden Körnern durchsetzten, viel dunkler tingirten Leibe und einem Kerne, in welchem die von oben ge- sehenen grösseren Körner ein Kernkörperchen vortäuschen können. Sie haben aber keine Kapsel und keine Kapselkerne! Am nächsten stehen sie den Ehrlich’schen „Mastzellen“, für welche 12 Ss. Schwartz: ich sie auch halte. Ihre Tinetionsfähigkeit ist so gross, dass, wenn die echten Ganglienzellen durch Anilinölalkohol schon so differeneirt sind, dass sie kaum noch erkennbar geblieben sind, die Mastzellen meist noch zu dunkel gefärbt erscheinen. Ausser- dem muss man noch zufügen, dass die Mastzellen nicht immer in derselben Zahl und Häufigkeit vorkommen. In einem Herzen waren sie zahlreich, in anderen konnte man sie nur in geringerer Menge auffinden. Nach dieser, meiner Ansicht nach unbedingt nothwendigen Trennung der beiden Arten von Zellen, die bisher möglicherweise verwechselt worden sind und deshalb Anlass zu widersprechenden Resultaten verschiedener Untersucher gaben, wollen wir zu der Lagerung der Ganglienzellen selbst übergehen. Von den drei verschiedenen Richtungen, in welehen ieh mir Schnittreihen angefertigt habe, halte ich die transversale für die geeignetste für die Beschreibung der Lage der Ganglienzellen. Die beiden anderen zeigen, wie diese auch, dass unterhalb des Suleus coronarius transversus und ausserhalb der Gegend der hinteren Wand der Vorhöfe, die seitwärts von den hinteren Enden der Herzohren begrenzt ist, keine Ganglienzellen mehr vorkommen. Wenn man bei der Durchmusterung von Quer- schnittsreihen von der Spitze des Herzens zur Basis vorgeht, ver- misst man die Ganglienzellen ganz und gar, so lange man auf dem Querschnitt nur die Ventrikel hat. Hier hat man stets nur kleinere Gruppen von Mastzellen. Erst wenn man in den Suleus transversus gelangt, was man an der grösseren Dünne des Muskel- schnittes, an den mehr oder weniger quer getroffenen Gefässen und an dem Vorkommen von Knorpel im Präparate (im untersten Theile der Vorhofsscheidewand zeigt sich bei Ratten ein Knorpel) feststellen kann, findet man das erste Ganglion und auch seitlich davon im Bindegewebe gelegene vereinzelte Ganglienzellen. Dieses Ganglion liegt links von der Scheidewand und hat eine quer- ovale Form. Auch hier vermisst man die Mastzellen nicht, die in dem Epicard, in der Umgebung der Vorhöfe und der Herz- ohren in kleineren Gruppen oder vereinzelt vorkommen. Weiter nach oben sieht man eine neue Gruppe von Ganglienzellen. Ob diese Gruppe eine besondere vorstellt oder im Zusammenhange mit der ersten steht, ist schwer zu sagen. Ihrer Lage nach — seitwärts nach links von der ersten — könnte man cher an- Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. —1 nehmen, dass diese beiden ein zusammenhängendes Ganglion bil- den, das dem linken Vorhof von hinten anliegt. Nun kommt eine Strecke von 10—15 Schnitten zu 20 u, die allem Anschein nach keine Ganglienzellen enthält. Auch die Mastzellen sind hier nur selten vertreten. Dann kommt wieder auf der linken Seite des Schnittes ein grosses Ganglion, welches der Wand des linken Vorhofs anliegt, sehr lang gezogen ist und, wegen des Vorkommens verschiedener Formen in aufeinander folgenden Sehnitten und Theilen dieses Ganglions, nicht in einer Ebene zu liegen scheint. Noch weiter nach oben sieht man neue Anhäu- fungen von Ganglienzellen, die jetzt mehr zur Mitte hin liegen und um den Sinus sich gruppiren. Bald trifft man dann Ganglien nicht nur links von der Mittellinie und in der Mitte selbst, son- dern auch an der rechten Seite des Querschnitts vom Sinus. Das letzte Ganglien, welches man zu sehen bekommt, liegt wieder links und hat eine ganz runde Form. Einige dieser Ganglien sind sehr reichlich von Bindegewebe umsponnen und durchsetzt, andere dagegen haben nur knappes Bindegewebe um sich liegen und in diesen Ganglien liegen die Zellen viel diehter aneinander. Ueberall in diesen Gegenden kann man von Streeke zu Strecke auch vereinzelte Ganglienzellen finden, welche so zu sagen den Weg von einem zum andern Ganglion anzeigen. Dass auch hier die Mastzellen nicht fehlen und zeitweise sich in grösserer Zahl anhäufen, sei ausdrücklich bemerkt. Ich halte es nicht für nöthig, noch auf die Einzelbeschrei- bung der in den anderen zwei Richtungen gewonnenen Schnitte einzugehen. Wichtiger scheint es mir, das Aussehen der Gan- glienzellen bei anderen von mir versuchten Färbungen anzugeben. Wenn man die nach oben angegebener Weise bereiteten Schnitte in Hämatoxylin färbt, sieht man den Zellleib grau-violett und fein gekörnt, aber ohne die Tigroide erkennen zu können; der Kern springt als ein deutlicher, dunkler gefärbter, blau-violetter Körper vor und zeigt 1—3 sehr dunkel violette Kernkörperchen. Die Kapsel ist nicht siehtbar, aber ihre Kerne treten sehr deut- lich hervor und haben eine schwarz-violette Farbe. In der Zelle selbst sieht man zuweilen einen Ring um den Kern, der aus ein- zelnen grau-hell-violetten, kernartigen Bestandtheilen zusammen- gesetzt ist und durch eine helle Zone vom Kerne selbst und auch von der Peripherie getrennt ist. Möglich, dass dieser Ring dem 74 S. Schwartz: Tigroid entspricht. In dem Gesichtsfelde fallen ferner die zalıl- reichen Bindegewebskerne auf, die durch ihre gestreckte Gestalt von den Kernen der Ganglienzellenkapseln sich unterscheiden. Auch bei dieser Färbung kann man die Mastzellen sehen, in welchen man die grobkörnige Structur leicht erkennen kann. Bei dieser Färbung tingiren sie sich viel dunkler als die Ganglien- zellen; ihr Zellkern erschemt als ein schwarz-violetter runder Körver. Bei Färbung mit Carmin und Osmium-Carmin sind ausser den beschriebenen Bestandtheilen der Ganglienzellen auch sehr gut die Kapseln selbst und die Fortsätze zu sehen. Bei Carmin-Alaun sind die Nuancen der verschiedenen Bestandtheile in roth dieselben wie bei Hämatoxylin in violett. Die Kapsel ist hellroth gefärbt und lässt sich gut, sowohl vom Protoplasma wie auch vom Kern, abgrenzen. Bei Osmium-Carmin, welches so angefertigt ist, dass die Schnitte aus dem Alkohol in 1P/,ige Osmiumsäurelösung auf 48 Stunden kommen und nachher in Alauncarmin, ist der Grundton gelbbraun-roth. Die Zelle selbst und ihr Kern sind in gelbröthlichem Tone gefärbt, der Kern dunkler als der Zellenleib, Kernkörperehen, Kapselkerne dunkel- braun-roth und die Kapsel selbst bläulich-roth. Am sehönsten sind die Präparate, die nach Allerhand!) gefärbt sind. Der Leib der Zelle ist dabei dunkelbraun oder, bei grösserer Differenzirung, hellbraun, der Kern ist immer viel dunkler braun gefärbt, das Kernkörperchen fast schwarz. Die Kapsel ist scharf conturirt, die Kapselkerne sind ebenfalls von fast schwarzer Farbe. Man sieht sehr deutlich von vielen Zellen einen Fortsatz abgehen, der hellbräunlich gefärbt, scharf bicon- turirt ist und auch, wie die Kapsel, Kerne enthält. Ob es Zellen giebt, die zwei Fortsätze haben, kann ich nach meinen bisherigen Untersuchungen mit Bestimmtheit noch nicht sagen. Mir schien es allerdings, als ob ich auch solche Zellen gesehen hätte. An der Stelle, wo man von der Zelle den Fortsatz abgehen sieht, liegt meistens ein grosser ovaler Kapselkern. Weitere Beobach- tungen über den feineren Bau der Zellen, die ich an manchen meiner Präparate bereits machen konnte, sollen später mitge- theilt werden, wenn ich dieselben an dünneren Schnitten und mit Hülfe anderer Färbemethoden nachgeprüft haben werde. ]) Allerhand, Neurologisches Centralblatt, 1897. -] C Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. In dem übrigen Herzgewebe sieht man bei Thioninfärbung gar keine Bildungen, die Anlass zum Verwechseln mit Ganglien- zellen geben könnten. Dasselbe gilt auch für die Färbung naclı Allerhand. Ich denke, dass es auch bei gewöhnlicher Carmin- oder Hämatoxylinfärbung gelingen müsste, Ganglienzellen mit Sicherheit als solche an Sehnitten durch das Herz zu erkennen, und keine Verwechslungen zu begehen. Wenn ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen zusammen- fasse, so formulire ich: 1. Ganglienzellen kommen im Herzen der Ratte nur auf einem begrenzten Gebiete der hinteren Vorhofswand vor, mehr links als rechts von der Vorhofsscheidewand. Ich nehme keinen Anstand, diesen Befund, gestützt auf die Untersuchungen von Vignal und His jun., auch auf die übrigen Säugethiere zu übertragen. 2. Die Ganglienzellen bilden 4—5 grosse Gruppen, zwi- schen welchen auch vereinzelte Zellen vorkommen. 3. Das Gebiet, wo die Ganglienzellengruppen liegen, ist begrenzt seitlich von den hinteren Enden der Herzohren und nach unten von dem Suleus coronarius transversus, in welchem das unterste Ganglion liegt. 4. Die Ganglienzellen liegen immer unter dem visceralen Pericard, zwischen ihm und dem Myocard. 5. Die Ganglienzellengruppen sind von Bindegewebe um- geben und durchsetzt, einige mehr, die anderen aber sehr spär- lich. In den letzteren liegen die Zellen dicht aneinander ge- drängt. 6. Ausser den Ganglienzellen sieht man auf der Oberfläche des Herzens eine sehr grosse, aber wechselnde Zahl von Zellen, die die Nerven und Gefässe begleiten, die bald vereinzelt, bald in kleinen Gruppen vorkommen. Diese Zellen, welche ich als „granulirte Herzzellen* bezeichne und zu den „Mastzellen“ Ehrlich's in Beziehung bringe, sind im Allgemeinen kleiner als die Ganglienzellen, färben sich viel dunkler, haben keine Kapsel und, keine Kapselkerne. 7. Es liegt nahe anzunehmen, dass diese granulirten Herz- zellen in manchen der früheren Untersuchungen mit Ganglien- zellen verwechselt worden sind, was besonders leicht bei aus- schliesslicher Anwendung des Golgi’schen Verfahrens geschehen 16 S. Schwartz: kann, und dass dadurch die Angaben verschiedener Autoren vom Vorkommen von Ganglienzellen in und auf den Ventrikelwandungen entstanden sind. Dies ist mir deshalb wahrscheinlich geworden, weil die Lage dieser Zellen, in kleinen Gruppen von 3—4 Stück, welche sie öfters bilden, vollständig den „sogenannten Ganglien- zellen“, welche z.B. Jacques auf der Oberfläche von ?/, des Ventrikels beschreibt, entspricht. Zum Schluss habe ich die angenehme Pflicht, meinen Dank Herrn Professor Waldeyer für die Aufmerksamkeit, die er meiner Arbeit geschenkt hat, zu sagen. Ich danke auch Herrn Prof. W. Krause und meinen Collegen Dr. Dr. Flatau, Pollak und Kalischer für die Liebenswürdigkeit, mit wel- cher sie meine Präparate auf meinen Wunsch durehgesehen haben. Literatur-Verzeichniss. 1. Remak, R., Neurologische Erläuterungen. Müller's Archiv 1844. Eisenlohr, Ueber die Ganglienzellen und Nerven des mensch- lichen Herzens ete. Dissert. inaug. München 1886. 3. Ott, Zur Kenntniss der Ganglienzellen des menschlichen Herzens. Prager medieinische Wochenschr. 1885. 4. Koplewsky, Veränderungen der Ganglienzellen bei Erkrankun- gen des Myocards. Dissertation. Petersburg 1881. 5. Berkley, On complex nerve terminations ete. Anatomischer An- zeiger 189. 6. Vignal, Recherches sur l’appareil ganglionaire du coeur des ver- tebr6s. Arch. de Physiolog. 1881. 7. His jun., Die Entwickelung des Herznervensystems bei Wirbel- thieren. Abhandl. der math.-phys. Kl. d. K. S. G. d. W. 1893. 8. Kasem-Beck, Zur Kenntniss der Herznerven. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXII. 9. v. Openehowskvy, Beitrag zur Kenntniss der Nervenendigungen im Herzen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. 10. Jacques, a) Recherches sur les nerfs du coeur ete. Journal de l’anat. 1894. b) Trait@ d’anatomie humaine public sur la direetion de Paul Poirier 189. 11. Ranvier, L., Traite technique d’Histologie. 1875. 12. v. Lenhossek, Ueber den Bau der Spinalganglien der Menschen. Arch. f. Psychiatr. u. Nervenk. 1897. D Ueber die Lage der Ganglienzellen im Herzen der Säugethiere. Fig. 1. 1D Fig. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. —] | Erklärung der Abbildungen auf Tafel III. Ein grosses Ganglion von der hinteren Wand der Vorhöfe einer Ratte. Sagittale Schnittführung. Färbung mit Thionin. Man kann annehmen, dass auf dieser Abbildung Theile meh- rerer Ganglien getroffen sind, wenigstens 4, entsprechend den Ziffern 1, 2, 3, 4. Vergrösserung 1:150. a= Ganglienzellen, b=Kerne der Kapsel, e=Bindegewebszellenkerne, d = Kerne der Ganglienzelle, e—= Kernkörperchen. Ein kleines Ganglion aus derselben Stelle bei transversaler Sehnittführung. Dieselbe Vergrösserung. Dieselbe Bezeich- nung. Thioninfärbung. Eine Ganglienzelle aus dem ersten Ganglion bei grosser Ver- grösserung. Thioninfärbung. a= Tigroid, b = Kapselkerne, e=ein Bindegewebskern, d— Zellkern mit fein tingirter Sub- stanz in ihm, e= Kernkörperchen. Eine Ganglienzelle nach Allerhand gefärbt. Dieselbe Ver- grösserung, wie frühere. a= Tigroid, b = Kapselkerne, e = Kapselwand, d = Zellkern, e — Kernkörperchen (in diesem Fall 3), f = Fortsatz. Verschiedene Formen von granulirten Herzzellen. Dieselbe Vergrösserung. 1,1,1, ovale Form. a = die runden Körnchen im Protoplasma der Zellen, b = Kern der Zelle, e—= von oben nach dem Kerne projieirte Körnchen, die zuweilen ein Kernkörperchen vor- täuschen können. 2. Bisquittähnliche Form. 3. Keilförmige granulirte Herzzelle. 4. Schwach granulirte Herzzelle. 5. Rundovale Form dieser Zellenart, (Aus dem Laboratorium des Histologischen Institutes zu Upsala.) Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwick- lung der Steissdrüse. Von J. Herman Jakobsson, weil. Assistent am Histol. Institut zu Upsala. Hierzu Tafel IV und V. Die Untersuchungen über die Steissdrüse‘), deren Ergeb- nisse hiermit dargelegt werden, bezogen sich hauptsächlich auf die embryonale Entwicklung dieses Organs. Ich schieke eine kurze Darstellung über die Anatomie des „Glomus coceygeum“ unter Berücksichtigung der vorhan- denen Angaben vorauf. Luschka?), dem wir die Entdeekung der von ihm so benannten Steissdrüse verdanken (1859), giebt als ihre Maximalmaasse 4 mın Länge, 3 mn Breite und 2!/, mm Dicke an. Diese sind jedoch, wie erwähnt wurde, Maximalmaasse, und nicht selten, oder gar in der Regel, hat die Drüse bedeu- tend geringere Dimensionen. Luschka sagt selbst, dass sie nur selten mehr als ?/, der oben angegebenen Maximalmaasse er- reicht. Die äusseren Formverhältnisse sind aus den vorhandenen Beschreibungen (Luschka, J. Arnold u. A.) sattsam bekannt. Die Drüse liegt in dem um die Steissbeinspitze reichlich auftretenden Fettgewebe eingebettet, unmittelbar unterhalb einer kleinen Oeffnung in der Insertionssehne des Musculus levator ani bei dem letzten Steisswirbel, oder geradezu in dieser kleinen Oeffnung, durch welehe die für das Organ bestimmten Gefässe und Nerven ihren Lauf nehmen. Das Organ bekommt sein Blut durch die äusserst feine Endverzweigung der Arteria sacralis media wie durch 1) Ich behalte den ursprünglichen Namen bei, obgleich das Organ streng genommen nicht als Drüse zu bezeichnen ist. 2) Siehe die nachstehend eitirten Arbeiten von Luschka. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 79 Endzweige der Arteriae sacrales laterales; im Verhält- niss zu seinem Umfange tritt eine auffallend grosse Anzahl Ge- fässe in es hinein. Die zutretenden Gefässe und Nerven bilden eine Art Stiel, an dem das ganze Gebilde gleichsam aufgehängt ist. Ehe die Gefässe in das Organ eindringen, formen sie auf der Oberfläche jedes einzelnen Lobus ein dichtes Netzwerk mit rundlichen oder polygonalen Maschen. Nerven sind äusserst zahlreich vorhanden und stammen hauptsächlich vom Sympathieus. Von dem Ganglion ecocey- seum, oder, falls dieses fehlt, von der die beiden unteren Enden der Grenzstränge verbindenden Schlinge lösen sich zwei oder drei feine Zweige ab, welche gemeinschaftlich mit der Arteria sacralis media zwischen Steissbein und dem Ligamentum sacro-coceygeum anterius zur Drüse verlaufen, in deren Stroma sie späterhin eine plexusartige Verbreitung bilden. Ich kann die Richtigkeit dieser Angaben Luschka’s und der übrigen nachstehend eitirten Forscher bestätigen. Mikroskopisch ergiebt sich die Drüse als aus einer Anzahl kleiner Lobuli bestehend, die von je einem fibrillären Binde- gewebsstroma durchzogen werden. In Exkavationen dieses Stromas sind in regelloser und nicht eben speeifischer Anordnung die diesem Organ eigenen parenchymatischen Bestandtheile gelagert (Fig. 8 par). Diese bilden theils strangförmige, theils rund- liche Zellenanhäufungen. Die Parenchymformationen werden wie üblich als „Drüsenschläuche“* und „Drüsenblasen“ benannt; da sie nun schlechterdings aber keine „Hohlgebilde“ sind, son- dern solide Massen mit Bluträumen im Innern, so erlaube ich mir, diese Bezeichnungen gegen die Namen „Parenehym- stränge“ und „Parenehymballen“ umzutauschen, mit denen ich sie in der Folge benennen werde. Die Stränge und Ballen bestehen aus einer mehrschichtigen Zellenmasse mit grossen polygonalen oder rundlichen Zellen epithelähnliehen Aussehens; im Innern derselben verlaufen regelmässig Gefässe, meist Kapillaren, aber auch kleinere Arterien und Venen (Fig. 9 par u. bl). Die Parenchymstränge haben einen sehr wnregel- mässigen, schlängelnden und verästelten Verlauf und bilden eine Art Netzwerk. Die wahrscheinlich in recht spärlicher Zahl auf- tretenden Parenehymballen stehen vermittelst ihrer Centralgefässe indirekt mit den Strängen in Verbindung. Diese im Innern der 80 J. Herman Jakobsson: Parenchymgebilde stets vorhandenen Gefässe können, wie Ar- nold, O0. Meyer u. A. dargethan haben, von der Arteria sa- eralis media aus injieirt werden. Das Stroma besteht aus festem Bindegewebe, ab und zu mit einem Streifen glatter Muskelfasern, welche in der Längs- richtung der Parenchymstränge oder in etwas schräger Rich- tung gegen diese verlaufen (Fig. 8 und 9 str und m). Eine kontinuirliche, eirkulär geordnete Muskelumhüllung der Paren- chymstränge, wie etliche Untersucher sie ihnen haben zuschreiben wollen, konnte ich nicht wahrnehmen. Der den Parenchym- strängen und den Parenchymballen unmittelbar anliegende Theil des Stromabindegewebes ist zu einer Art fibröser Umhüllung derselben verdichtet. Die Richtung der Fibrillen ist hier kon- eentrisch, und wahrscheinlich war eben dieser Theil des Stromas der Gegenstand der vorerwähnten Auffassung von einer Muskel- schicht (Fig. 9 str). Das Stroma hat ferner unmittelbar an der Oberfläche der Lappen eine vom Parenchym freie Randpartie, in welche eine Menge von Gefässen und Nerven verlaufen (Fig. 8 kaps). Die Nerven bilden, wie bereits erwähnt worden, eine plexusartige Ausbreitung im Drüsenstroma. Ihre Hauptmasse besteht aus Remak schen Fasern; markhaltige kommen indess ebenfalls vor. Hinsichtlich ihrer Endigungsweise ist nichts mit Bestimmtheit erwiesen; man scheint jedoch der Auffassung, dass sie frei enden, zuzuneigen. Luschka’s Behauptung von der Endigung in einer Art terminaler Ganglienzellen hat bislang keine Bestätigung gefunden; auch ich habe nichts dergleichen gesehen. Auch auf die übrigen meist irrthümlichen Angaben Luschka’s, die bereits anderweitig widerlegt sind, habe ich nicht nöthig einzugehen. Abgesehen von einigen weniger belangreichen Abweichungen in der Auffassung von dem Bau der Drüse steht W. Krause!) im Grossen und Ganzen noch auf dem Standpunkte Luschka’s. Auch ihm ist das Organ eine echte Drüse, welche eine Art von Sekret abgiebt, welches aus den Parenchymsträngen weg- geschafft wird. Eine von den Ansichten Luschka’s und Krause’s ab- ı) W.K rause, Zur Anatomie der Steissdrüse. Zeitschr. f. ra- tionelle Mediein, 3 R, Bd., X, 1861. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 81 weichende Meinung wird von J. Arnold!) ausgesprochen. Ihm gebührt das Verdienst, nachgewiesen zu haben, dass jeder der Parenchymstränge mit einem centralen Gefässe versehen ist. Dieses Gefäss wurde jedoch von Arnold übersehen; er hielt das von ihm nachgewiesene Lumen für ein eigenes Lumen des Parenchymstranges, welches von dessen eigenen Zellen begrenzt sei. Jedoch legte er durch Injektion von der Arteria sacralis media aus eine offene Kommunikation zwischen den Lumina der Parenchymstränge und dem der Arterie, wie er sagt, dar, und dieser Entdeckung misst er eine so grosse Bedeutung bei, dass er berechtigt zu sein meint, die ganze Steissdrüse für ein Kon- slomerat erweiterter Arterien zu erklären. Die Parenchymstränge gelten ihm nur als Gefässschläuche, und ihre eigenthümlichen epithelähnlichen Zellen sind ihr Endothel. Konsequenterweise giebt Arnold die Bezeichnung „Steiss- drüse‘“ auf und ersetzt sie durch den Namen „Glomeruli arteriosi coceygei“. G. Meyer?) ein Schüler W. Krause’s, und Letzterer selbt treten bald der Ansicht Arnold’s vollständig bei. W. Krause?) erklärt, das Organ sei nichts als verküm- merte Rami dorsales der von der Arteria sacralis media aus- sehenden Seitenäste, die ursprünglich den Steisstheil des Me- dullarrohres versorgt hätten, dann aber, nachdem dieser früh- zeitig verschwunden, in dieser sonderbaren Weise umgebildet worden wären. W. Krause wies auch nach, dass der Arnold- sche Hohlraum in der That ein Gefässlumen wäre. Die späteren Autoren haben sich der Ansicht Arnolds, dass es sich bei der Steissdrüse nur um einen Gefässplexus handle, nicht anschliessen mögen, sondern halten an ihrer eigenartigen Natur fest. 1) J. Arnold, Ein Beitrag zu der Structur der sogenannten Steissdrüse. Virchow’s Archiv f. path. Anat. u. Physiol. Bd. XXXII, 1865, S. 293. — Derselbe, Zur Steissdrüsenfrage. Ibid. Bd. XXXII, 1865, S. 454. — Derselbe, Ein weiterer Beitrag zu der Steissdrüsen- frage. Ibid. Bd. XXXV, 1866, S. 220. 2) G. Meyer, Zur Anatomie der Steissdrüse. Zeitschr. f. ration. Mediein. Dritte Reihe, Bd. XXVIII, 1866, S. 135. 3) W. Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Han- nover 1876, S. 323. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 55 6 82 J. Herman Jakobsson: Sertoli!), welcher der Letzte ist, der jenem Gebilde eine ein- gehendere Untersuchung widmet, drückt dieses mit folgenden Worten aus: „Nach dem, was ich bis jetzt angeführt habe, ist die Steissdrüse ein specifisches Organ, gebildet aus einem fibrösen Stroma und aus in letzteres eingelagerten besonderen, mit Zellen erfüllten Hohl- gebilden von sehr verschiedener Form und Grösse, in welche Blut- gefässe eintreten und sich in ihnen verzweigen.“ Und weiter unten heisst es: „Dass das Lumen der Hohlgebilde ein Blutgefässlumen sei, behauptet Arnold mit Recht, aber zufolge meiner Beobachtungen nicht weil das Hohlgebilde ein Blutgefäss ist, sondern weil in dem- selben ein Blutgefäss verläuft.“ „Die Zellen also, welche in denselben (den Hohlgebilden) enthalten sind, stellen nicht, wie man annahm, ein Gefässepithel dar, sondern sie liegen ausserhalb der Gefässe und müssen daher ihre besondere Bedeutung haben.“ Etwa die gleiche Auffassung hegt Eberth?). Er meint, die Drüse bestehe aus einem Gefässplexus; um die Gefässe herum seien aber polygonale Zellen in grösserer oder geringerer Mächtigkeit ge- schichtet, eine Art Gefässscheide bildend. Wie sind nun diese epithelähnlichen Zellen, welche die eigenthümlichen Parenchymstränge der Drüse bilden, in der That aufzufassen? Haben sie epithelialen Charakter, oder sind sie viel- leicht nichts als in eigenthümlicher Weise modifieirte Bindegewebs- zellen? Die bisherigen rein anatomischen Untersuchungen geben darauf keine bestimmte Antwort. Eine systematisch durchgeführte Untersuchung über die Ent- stehung und Entwicklung des Organs giebt es bis jetzt nicht, und wir haben daher den Anhaltspunkt für die Beurtheilung der wirklichen Natur dieser Zellen, welche ein solches embryo- logisches Studium uns geben könnte, bislang entbehren müssen. Hie und da kommt freilich in der Literatur eine einzelne Be- obachtung hinsichtlich der Embryologie des Organes zur Mit- theilung; diese sind jedoch durchaus unzureichend, um einer Erörterung der ganzen Entwicklungsgeschichte dieser Drüse zu Grunde gelegt werden zu können. An Vermuthungen betreffs ihrer Entstehung fehlt es freilich nicht, wie insbesondere Lusch- ka’s grosses Werk „über den Hirnanhang und die Steissdrüse“ erweist; es dürfte wohl unnöthig sein, dieses 1) E. Sertoli, Ueber die Structur der Steissdrüse des Menschen. Virchow’s Archiv f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. XLII, 1868, S. 370. 2) C. J. Eberth, Von den Blutgefässen. Stricker's Gewebe- lehre I. S. 212. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 83 Alles hier zu recapituliren.- Was thatsächliche Angaben anlaugt, so sagt Luschka folgendes: „Jedoch habe ich bisher zweierlei Wahrnehmungen gemacht, welche wohl auf frühere Stadien seiner Bildung bezogen werden müssen. Bei einem fünfmonatlichen, menschlichen Fötus fand ich vor der Steiss- beinspitze ein nierenförmiges, !/; Linie breites, durchscheinendes Knöt- chen, welches an einem Aestchen der Arteria sacralis media hing. An jenem Knötchen konnte man mit Bestimmtheit eine feine, concentrisch gestreifte, verhältnissmässig dicke, von zahlreichen länglichen Kernen durchzogene Hülle unterscheiden und eine von ihr umschlossene Zell- masse. Es fanden sich ungefähr zwölf sphärische, kernhaltige, helle, ziemlich grosse Zellen, welche unter einander durch eine feine Molle- kularsubstanz zusammengehalten wurden. Diese Wahrnehmung ist vielleicht insofern nicht ohne Werth, als sie die Annahme zu unter- stützen vermöchte, dass sich aus diesen Zellen die Drüsenblasen und durch deren weitere Metamorphose die Schläuche entwickeln könnten. Bei älteren Fötus und bei Neugeborenen habe ich sehr zarte, schlauch- artig, oft in bedeutende Länge gezogene, mit oblongen Kernen spar- sam besetzte Gebilde gefunden, welche im Wesentlichen dem Zuge stärkerer Nerven gefolgt sind. Es steht der Annahme kein Hinderniss im Wege, diese Bildungen für die Anfänge jener langen, Zellen und kleine von Zellen erfüllten Blasen einschliessenden Schläuche der Steissdrüse zu halten.“ R. Heschl hat die Drüse bei einer 3l/ymonatlichen Frucht „in Gestalt eines ovalen !/ Linie langen, !/, Linie breiten, von kernhal- tigen, !/s, Linie grossen Zellen erfüllten Hohlgebildes“ beobachtet!). Woher diese von Luschka und Heschl beschriebenen kleinen Zellanhäufungen ursprünglich stammen, konnten Beide nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Ausser den erwähnten Muthmaassungen betreffs der ver- schiedenen Wege, welche sich für die Entstehung des Organes erdenken lassen, finden sich in Bezug auf seine Embryologie keine Angaben in der Literatur; Schäfer und Symington schrieben dann auch letzthin (Quain’s Anatomy): „The mode of development and the funetion of this body are not known.“ Auch die Forschungen über die vergleichende Ana- tomie des Organes haben es nicht vermocht, uns behufs der Beurtheilung der Entstehung der Steissdrüse irgendwie feste Stützpunkte zu liefern. An Resultaten hat es zwar nicht ge- mangelt, bedauerlicher Weise sind sie aber gar nicht überein- stimmend. Der eine Forscher bestreitet ganz entschieden die 1) Citirt nach Luschka, Anatomie des Menschen II. 2. S. 19°, 84 J. Herman Jakobsson: Riehtigkeit der Beobachtungen des anderen, und wahrscheinlich hat man Gebilde für homolog erklärt, welche mit der Drüse nichts zu schaffen haben. Luschkal) erwähnt eines mit der Steissdrüse homologen Or- ganes beim Hunde, welches zwischen dem Mastdarm und der Wirbel- säule in der Ebene des ersten Schwanzwirbels liegen solle. Seine An- gabe wird von Meyer?) und Arnold?) in Abrede gestellt. Meyer hat unter allen von ihm daraufhin untersuchten Thieren nur bei der Katze ein Homologon gefunden, und zwar liegt dieses neben dem dritten Schwanz- wirbel. Das Vorhandensein eines solchen Gebildes an dieser Stelle bei der Katze leugnet aber Arnold. In Bezug auf Hunde und Ratten lieferten Meyer’s Untersuchungen negative Resultate. Krause hat die Drüse bei einem Schwanzaffen (Macacus eynomolgus) wiederge- funden, und zwar liegt sie dort am Beckeneingange, wie bei dem Menschen, und ragt zum dritten Schwanzwirbel hinauf. Arnold sagt: „Bei einer Anzahl von Säugethieren (Hund, Katze, Eichhörnchen, Ka- ninchen, Ratte) finden sich regelmässig in der hinteren Hälfte des Schwanzes Gefässsäcke, welche in ihrer Beziehung zu der Arteria sacralis media und in ihrem Bau im Wesentlichen mit den Glomerulis coccygeis des Menschen übereinstimmen, und die wir deshalb als Glo- meruli caudales bezeichnen. Bei keinem der genannten Säugethiere finden sich regelmässig Glomeruli oder Wundernetze an dem Stück der Arteria sacralis media, das auf den sechs bis acht ersten Schwanz- wirbeln gelegen ist.“ Meine Untersuchungen über die Entwicklung des Glomus coceygeum wurden auf Veranlassung von Professor Hammar unternommen und unter seiner Leitung durchgeführt. Ich untersuchte Schnittreihen aus der Steissregion von 24 Föten, die 1,5 em lang bis neugeboren waren, welche mir (zum grösseren Theile) aus dem histologischen Laboratorium zu Up- sala, zum andern Theile durch Vermittelung von Prof. Erik Müller (Stockholm) geliefert wurden; ich spreche dem Letz- teren hiermit meinen ergebensten Dank aus. Die Untersuchung wurde theils an Querschnitten, theils an Sa- gittalschnitten ausgeführt; die Dicke der Schnitte betrug im Allgemeinen 15 u. Die Schnitte wurden mit Alaunhämatoxylin und Eosin doppelt gefärbt, mit gesättigtem Kochsalzglycerin eingeschlossen und unter- sucht. Ein Theil des Materials, welches weniger gut konservirt er- schien, wurde vorzugsweise zur Kontrolle verwendet. Nachstehend bringe ich ein Verzeichniss nebst Angaben der Fixirungsmethoden der zur Untersuchung verwendeten Föten. 1) Der Hirnanhang und die Steissdrüse. 2)... 8.0. 3) J. Arnold, Ueber die Glomeruli caudales der Säugethiere. Virchow’s Archiv f. path. Anat. u. Physiol. Bd. XXXIX, 1867, S. 497. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 85 Körperlänge Steiss-Scheitellänge Fixirungs-Methode 1,5 cm —_ Sublimat 15892; — Formalin 1:10 2,4 „ Pe „ » 4,6 ,„ 4 cm Alkohol 5,2 „ 4,5 „ ” 5,9 „ 4,7 „ „ 5,9 ” 5,0 ” ” 60,5 — Perenyi’s Flüsssigkeit MDR. — Formalin 1:10 #1.0*7,; 8,1 cm Müller’s Flüssigkeit 12,2 eh} 9,1 ” ’ ” 19.02: _ Formalin 1:10 16,81. 11,8 em Alkohol I — Formalin injieirt 1:10 23,0 ” ur: „ ” 2] 32 5, 16,0 em Formalin 1:10 27x. 24.0; 16.2.5, „ F Sr 16,0. Müller’s Flüssigkeit 25,0 ” 16,5 ” » „ 28,0 ” 18,5 2) ”„ ” 2 Reife un n s Ausserdem ein Fötus, dessen Rumpf 2,5 cm maass. Wenn schon, nach früheren Untersuchungen, Chorda, End- darm und Schwanz der Embryonen nichts mit der Entwicklung der Steissdrüse zu thun haben, so konnten sie hier doch nicht gänzlich übergangen werden. Ich lasse daher zunächst einiges über meine Befunde an diesen Organen folgen. Das Medullarrohr. Fötus von 1,8 cm Länge; Sagittalschnitte (Fig. 1 mr). Das Medullarrohr erstreckt sich auf dieser frühen Stufe als ein konti- nuirlich gegen die Spitze der Wirbelsäule sich verjüngendes Rohr bis in das kaudale Ende des Embryos, von der Epidermis nur durch eine äusserst dünne Mesenehymschicht getrennt. Hier endet es mit einer unbedeutend aufgeblähten, schwach kolben- ähnlichen Parthie, welche ein wenig weiter kaudalwärts geht, als die Chorda und das Perichondrium des letzten Wirbels. Unmittelbar vor dem angeschwollenen Endtheile setzt sich vom Medullarrohre dorsalwärts eine kleine, hohle, zapfenförmige Zell- masse fort, die letzte Andeutung des vormals zwischen diesem Gebilde und der Epidermis existirenden Zusammenhanges. S6 J.SrkernmamzJakiohbsson: Aber schon auf dieser frühen Stufe ergiebt sich ein merk- licher Unterschied zwischen dem kaudalen Endtheile und dem weiter kranialwärts gelegenen Theil des Medullarrohres. Während die letztere Parthie die wohlbekannten Veränderungen erfahren hat: die Differenzirung zu Neuroblasten und zu Spongioblasten nebst dem Auftreten einer Lage längsziehender feiner Nerven- fasern (weisse Substanz), verbleibt der über den letzten Wirbeln gelegene Theil fortdauernd in einem verkümmerten und unent- wickelten Zustand. Dass jedoch auch hier ein Differenzirungs- prozess anhebt, scheint ausser Zweifel; er führt indess nie zu irgendwie durchgreifenden Aenderungen. Die spezifisch nervöse Umbildung des epithelialen Medullarrohres, in kranio-kaudaler Richtung fortschreitend, erreicht diese Region eigentlich nie, sondern bleibt ungefähr am unteren Rande des 2. Steisswirbels stehen. Der weiter unten gelegene Theil ist von bedeutend ge- ringeren Dimensionen. Seine Wände bestehen aus einer Art ge- schichtetem Cylinderepithel, von einigen Fasern der weissen Substanz des Rückenmarks umgeben, und das ganze Gebilde setzt sich durch einen scharfen Begrenzungsrand nach aussen gegen das Bindegewebe ab. Der Centralkanal ist sehr klein, stückweise sogar zu einer kleinen Spalte verengert, abgesehen von dem äussersten, angeschwellten Theile, wo eine recht grosse Höhlung existirt. Die weisse Substanz des Rückenmarks setzt sich mit wenigen, in der Peripherie des Rohres gelegenen Fasern abwärts fast bis in die Spitze fort. Ventral ruht das Gebilde fast unmittelbar auf dem Perichondrium der Wirbel. Dieser kaudale Theil des Medullarrohres stellt sich dem- nach bereits von Anfang an als wenig entwickelt dar, und er fällt denn auch bald einer hochgradigen Atrophie anheim, welche zu dem gänzlichen Schwunde des Gebildes führt. Fötus von 2,4 cm Länge. Querschnitte. Bei diesem Embryo ge- stalten sich die Verhältnisse wesentlich gleich denjenigen der vorher- gehenden. Auch hier kann man das Medullarrohr bis in die Spitze der Wirbelsäule als ein kontinuirlich sich verjüngendes Rohr verfolgen. Der Centralkanal ist eine kleine Strecke lang verengert und das Me- dullarrohr in ein strangförmiges Gebilde umgewandelt. In der am weitesten kaudalwärts gelegenen Partie ist das Lumen jedoch noch vorhanden. Fötus von 6 cm Länge. Sagittalschnitte. Die drei letzten Wirbel- Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 87 stehen ventralwärts rechtwinklig gegen die übrige Wirbelsäule ab Das Medullarrohr endet bei der Mitte des ersten Steisswirbels. Von hier geht kaudalwärts ein dichter Bindegewebsstrang ab, welcher die unmittelbare Fortsetzung des die Umhüllung des differenzirten Medul- larrohres bildenden Bindegewebes ausmacht, das in der Folge die ein- zelnen Hüllen desselben abgiebt. Nebst diesem Bindegewebe bethei- ligen sich auch an der Bildung des Stranges ein Strich feiner, längs- gehender Nervenfasern und einige kleinere Anhäufungen rundlicher polygonaler Zellen, offenbar Ueberreste zerfallenen Epithels. Diese Epithelreste sind natürlich Ueberbleibsel des den Centralkanal aus- kleidenden Ependyms. Der ganze Strang, Filumtterminale, führt zu einer über den beiden letzten Wirbeln gelegenen Epithelblase, deren oberster, sich in eine Spitze verjüngender Theil in ihn übergeht. Das kaudaie Ende des mit dem Epithel ausgekleideten Hohlgebildes liegt noch immer in der Ebene des letzten Steisswirbelrandes. Das Epithel besteht aus polygonalen und platten Zellen. Die Blase ist länglich oval, 700 u lang, 100 u hoch und 70u breit, und bildet die gerade und direkte Fortsetzung des Filum terminale. Die Abänderungen, welche der Endtheil des Medullarrohres hier erfahren hat, veranlassten also eine Unterbrechung der Kontinuität des Rohrverlaufes. Oben und unten bleibt zwar immer noch der ur- sprüngliche Hohlraum, von dem Epithel des Medullarrohres begrenzt; in dem zwischen dem ersten und dritten Steisswirbel gelegenen Theile ist aber nicht nur der Centralkanal geschwunden, sondern auch das ursprünglich vorhandene Epithel ist mit spärlichen Ausnahmen zu Grunde gegangen. Was demnach in der Steissregion von dem ur- sprünglichen Medullarrohr übrig geblieben, ist eigentlich nichts als eine oberhalb der beiden letzten Wirbel gelegene Epithelblase, welche in etwas vergrössertem Maassstabe der bei dem vorigen Embryo be- gegnenden Ampulla entspricht. Fötus von 7,5 cm Länge. Sagittalschnitte. Die drei letzten Wirbel sind hier, wie bei dem vorigen Embryo, ventral gebogen, obschon nicht in dem Grade, wie dort. Das Medullarrohr ist weiteren Meta- morphosen unterworfen worden. Der Centralkanal und sein wand- ständiges Epithel hören an der Mitte des ersten Steisswirbels auf, und dieser Punkt bezeichnet demnach auf dieser Stufe die untere Grenze des eigentlichen Medullarrohres. Von hier geht dann das Filum ter- minale kaudalwärts als die unmittelbare Fortsetzung des differenzirten Medullarrohres weiter und erstreckt sich bis an den oberen Theil des letzten Steisswirbels. Es ist 3 mm lang. In seinem oberen, etwa 0,5 mm langen Theil nimmt der Strang gleichmässig von oben bis unten ab und bildet einen spitz ausgezogenen Kegel, den Conus medullaris. Darauf hält sich sein Kaliber konstant, ausser am unteren Ende, wo er in einer grösseren fibrillären Verbreitung endet. Das Filum terminale besteht bei diesem Fötus aus zwei gegeneinander scharf abgegrenzten Gewebs-Bestandtheilen, Zu äusserst liegt eine Schicht verdichteten Bindegewebes aus Fibrillen, welche in 88 J. Herman Jakobsson: der Längsrichtung des Stranges verlaufen, nebst zwischen dieselben eingelagerten Zellen mit ovalen, platten Kernen bestehend. Diese äussere Hülse, deren Mächtigkeit etwa 15 u beträgt, bildet die unmittel- bare Fortsetzung der Hüllen des Rückenmarks. Den centralen Theil des Filum terminale behauptet eine fast zellfreie Partie, die aus feinen, längsgehenden Fibrillen besteht, welche oben in kontinuirlichem Zu- sammenhang mit der weissen Substanz des Rückenmarks stehen und als ein Bündel feiner Nervenfasern betrachtet werden muss. Nur im Conus medullaris werden verästelte Nervenzellen angetroffen. Das Filum terminale liegt in seiner ganzen Ausdehnung in un- mittelbarer Berührung mit der dorsalen Oberfläche der Wirbel; nur durch spärliche, äusserst dünne Striche fibrillären Bindegebes locker mit ihrem Perichondrium vereint. Nur seine Endausbreitung bildet hiervon eine Ausnahme, indem hier eine reichlichere Bindegewebslage sich zwischen ihn und die Wirbelsäule hineingeschoben hat. Unmittelbar dorsalwärts vom oberen Theil des letzten Steiss- wirbels schliesst sich das Filum terminale an eine dort belegene Epi- thelblase an. Diese bildet hier nicht, wie es auf dem vorhergehenden Stadium der Fall war, die unmittelbare, gerade Fortsetzung des Filum terminale, sondern liegt von seinem kaudalen Ende dorsalwärts. Diese Verschiebung mag wohl dadurch entstanden sein, dass die Wirbelsäule bei ihrern hier anhebenden raschen Wachsthum das den Wirbeln dicht anliegende und also leicht der Mitbethätigung ausgesetzte Filum termi- nale abwärts zog, während die Epithelblase ihren früheren Platz behielt. In Folge dessen ergiebt sich eine S-förmige Windung des vorher ge- raden Stranges, und zwar liegt die dorsale Bucht eben da, wo das Filum terminale in die Epithelblase übergeht, während die ventrale den am weitesten hinabgezogenen Theil des Filum bezeichnet. Die Epithelblase ist 320 u lang, 130 u hoch und 150 u breit; sie ist 280 u von der äussersten Steissspitze entfernt. Sie ist also in er- heblichem Maasse kranialwärts verschoben worden. Ihre dorsale Wan- dung ist dünn und besteht aus einer Schicht kubischer oder fast platter Zellen; in der ventralen hat das Epithel hingegen seinen Charakter eines geschichteten Cylinderepithels bewahrt. Ihre Aussenfläche_ ist keineswegs eben, sondern mit einer Menge Ausbuchtungen versehen. Fragt man nach der Ursache dieses unstreitig ein wenig eigenthümlichen Verlaufes der Medullarrohr-Atrophie, so dürfte sie zweifelsohne in den merkwürdigen Druck- und Dehnungsver- hältnissen zu suchen sein, denen der Endtheil des Medullarrohres ausgesetzt ist. Bei einem 1,8 cm langen Embryo bildet der untere Theil der Wirbelsäule ein fast gerades Stäbchen, das nur sehr schwach bogenförmig — und zwar die Konkavität ventralwärts gestellt — gekrümmt ist, und dessen kaudaler Theil in den vom äusseren Niveau des Embryos hervorragenden Steiss- di Me Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 89 höcker hineinragt. Bei einem Fötus von 6 cm Länge hat sich dies Verhältniss dahin geändert, dass die 3 letzten Wirbel einen rechten Winkel in ventraler Richtung gegen den Rest der Wirbel- säule bilden. Anlässlich dieser Frage äussert Ecker!): „Das Steissbein bildet noch längere Zeit hindurch einen stumpfen Vorsprung, den Steisshöcker, der dann allmählich, einerseits in Folge der nun eintretenden stärkeren Krümmung des Steissbeins, anderseits durch die stärkere Entwickelung des Beckengürtels und seiner Muskeln mehr und mehr unter der Oberfläche verschwindet.“ Was diese Ventralbiegung der Wirbel verursacht hat, mag dahingestellt sein; indess wird infolge dessen das auf ihrer Dorsalseite ruhende Medullarrohr einem starken Druck ausgesetzt, der am höchsten Punkte der Wirbel- krümmung, d.h. bei dem zweiten Steisswirbel, am stärksten ist. Und eben hier beginnt die Atrophie. Fötus von 11,0/8,1 cm Länge?). Querschnitte (Fig. 3 2b). Hier finden sich die Epithelreste dorsal von dem letzten Wirbel und dehnen sich von der Steissspitze nach vorn etwa 300 u weit aus. Hier begrenzt das Epithel ebenfalls einen grossen Hohlraum, dessen Höhe 350 u und Breite 250 u beträgt. Die Konfiguration der Epithelblase ist jedoch eine andere. Von dem zur Biase ventralwärts gelegenen Bindegewebe schiebt sich eine zapfen- oder papillenförmige Bindegewebswucherung in ihr Lumen hinein, auf diese Weise die ventrale Wandung vor sich her drängend, ein Verhältniss, das gewissermaassen mit der Einstül- pung der primären Augenblase zum Augenbecher vergleichbar ist. Hierdurch erhält die Epithelblase im Querschnitt ein mehr oder weniger deutlich halbmondförmiges Aussehen, welches sie auch im Sagittal- schnitt besitzt, wie die nächste Serie darthut. Die in dieser Weise wuchernde bindegewebige Papille ist reichlich mit Gefässen versehen; sei es nun, dass diese einen sprengenden Druck auf die Epithelmembrane ausüben, oder dass irgend eine andere Kraft hierbei thätig ist — kurz, der Zusammenhang der Epithelzellen unter einander ist zerstört, und einzelne von ihnen sind zwischen die Bündel des sie umgebenden Bindegewebes gerathen. Die dem Lumen näher liegenden Zellen be- halten jedoch ihren Zusammenhang mit einander und ihr ursprüng- liches Aussehen. Das eigentliche Filum terminale wird hier als ein im Querschnitt runder Bindegewebsstrang, der den Wirbeln dicht anliegt, wieder- 1) A. Ecker, Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz ? Archiv f. Anat. u. Entw. Jahrg. 1880, S. 428. 2) Wo zwei Maasse angegeben sind, bezeichnet das erste die totale Körperlänge, das letztere die Länge des Steiss-Scheitels. 90 d. Herman Jakobsson: gefunden. Kaudalwärts verliert er sich in das in die Blase hinein- wachsende Bindegewebe. Fötus von 15 cm Länge. Sagittalschnitte. Das blasenförmige Gebilde ist hier unmittelbar dorsalwärts vom dritten Steisswirbel, !/; mm von der Steissspitze entfernt, gelegen. Es ist 350 u lang, 300 u hoch und 5004 breit. Die Gestaltung ist im Schnitte halbmondförmig. Die Bindegewebswucherung ist weiter in die Blase hinein vorgedrungen, als im vorhergehenden Falle, und die „Hörner“ des Halbmondes sind sehr spitz ausgezogen. Das Filum terminale wird als ein kaudalwärts sich rasch verjüngender Strang wahrgenommen, welcher unmittelbar unter der Blase in das Bindegewebe verläuft. Keine nervöse Elemente sind mit Sicherheit nachweisbar; der Strang scheint also nunmehr nur aus fibrillärem Bindegewebe zu bestehen. Fötus von 24/16,2 em Länge. Querschnitte (Fig. 2 25‘). Hier finden wir die epithelialen Ueberreste etwa !/; mm von der Steissspitze. Sie sind 470 u lang. Die im vorigen Stadium erwähnte Bindegewebs- papille hat weiter gewuchert. Sie ist bis an die dorsale Wandung der Blase herangewachsen, welche sie sogar stellenweise ganz zersprengt hat. In Folge dessen ist die Epithelmembrane in kleinere Partieen ge- theilt worden, welche sich im Schnitte theils als unregelmässige, ver- ästelte und geschlängelte Stränge, theils aber auch als runde Zellen- anhäufungen darweisen. In einigen Strängen findet sich ein Lumen, offenbar ein Theil des Hohlraumes der älteren grösseren Blase, und zwar in der Weise entstanden, dass die bei dem Durchbruch der Pa- pille auf einander stossenden ventralen und dorsalen Epithelwandungen sich nur an einzelnen Punkten verlötheten. Die Zellen haben eine polygonale Form, ausser dort, wo sie diese kleineren Lumina begrenzen, in welchen Fällen sie ihre eylindrische Form beibehalten. Fötus von 28/18,5 cm Länge. Sagittalschnitte. Von der Steiss- spitze 1,5 mm entfernt liegt hier ein bogig gekrümmtes, spaltenförmiges, dorsalwärts konvexes Lumen, mit einem Epithel polygonaler Zellen aus- gekleidet. Dieses Gebilde ist 0,9 mm lang. Reife Föten. Bei einem der untersuchten reifen Föten konnte ich nicht die geringste Spur von diesen embryonalen Epithelbildun- gen antreffen. Bei dem anderen dagegen habe ich die Vorkomm- niss einer epithelbekleideten Blase von ganz erheblichen Dimensionen nachweisen können; sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach als ein übrig- gebliebener und weiter entwickelter Rest des Medullarrohres zu be- trachten. Diese eystenähnliche Höhlung ist von einem geschichteten Pflasterepithel ausgekleidet, dessen Zellen stellenweise stark ange- schwollen sind; sie ist 500 u lang, 400 u breit und 700 u hoch. Im freien Lumen liegen zahlreiche abgestossene Zellen nebst einer koagu- lirten Masse. Das Gebilde ist von dem dritten Steisswirbel aus dorsal gelegen. Von Föten zwischen 28/185 cm und der Reife lagen mir keine zur Untersuchung vor; deshalb kann ich mich auch nicht über das Beiträge zur Kenutniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 91 Aussehen der medullaren Epithelreste während der Zwischenzeit äussern. Tourneux und Herrmann!), welche über diesen Gegenstand Unter- suchungen anstellten, haben aber eine stetig fortschreitende Atrophie nachgewiesen. Noch zur Zeit der Geburt kann man indess, nach diesen Forschern, noch Ueberreste dieser embryonalen Epithelbildun- gen wahrnehmen. Die obige Darstellung des Verlaufs der Atrophie des Steiss- theils des Medullarrohres stimmt in allem Wesentlichen mit der von Tourneux undHerrmann gelieferten Beschreibung desselben Verhältnisses überein. Freilich ist zuzugeben, dass ich nicht immer auf einem gewissen Stadium ganz genau dieselben Verhältnisse wiederfand, welche sie als diesem Stadium eigen beschreiben. In Bezug hierauf sei aber daran erinnert, dass die einzelnen Phasen nicht nothwendig bei verschiedenen Föten immer mit den gleichen zeitlichen Zwischenräumen einander ablösen müssen. Der Fötus mag während der Entwicklung mitunter Verhält- nissen ausgesetzt sein, welche in diesem Falle fördernd, in jenem hemmend zu der regressiven Metamorphose Bezug nehmen. Geringere Abweichungen liessen sich wohl anmerken. Es würde indess zu weit führen, sich hier auf eine vergleichende Er- örterung meiner und ihrer Resultate einzulassen, und ich begnüge mich deshalb damit, auf ihren eitirten Aufsatz zu verweisen. Wir haben demnach gesehen, dass das Medullarrohr in der Steissregion während des Fötallebens eine durchgehends regressive Metamorphose durchmacht, welche schliesslich seinen Untergang herbeiführt. Pathologisch können sich aus diesen Epithelresten kongenitale Sacrococeygeal-Geschwäülste entwickeln!). Bei dieser regressiven Metamorphose schwindet zuerst der über dem zweiten Steisswirbel gelegene Theil, während der am meisten kaudalwärts gelegene in der Form epithelbekleideter Hohlräume oder solider Epithelstränge am längsten bleibt. Wir sehen ferner, dass diese Epithelreste stets dorsal zur Wirbelsäule, nie kaudal oder central, liegen. Sie erleiden ferner — wennschon in geringem Maasse — eine der Wirbelsäule gegenüber kranialwärts gehende Ver- schiebung. 1) Tourneux & Hermann, Sur la persistance de vestiges me&- dAullaires coceygiennes. Journal de l’Anat. et de la Physiol. Bd. 23, 1887, S. 498. 92 J- Herman Jakobssen: Die Chorda. Die Chorda erstreckt sich bekamntlich frühzeitig in Gestal- tung eines geraden und gleich dieken Epithelstranges bis in die kaudale Spitze des Embryos. Dieses Verhältniss ändert sich in- dess bald dadurch ab, dass der äusserste Theil des Embryoschwan- zes, der nach Eeker!) und Anderen nur aus Hornblatt, Chorda und einem unsegmentirten Zellenblastem besteht und der übrigen Organanlagen entbehrt — möglicherweise könnte er noch das Medullarrohr enthalten — bereits früh redueirt wird. Dieser äusserste Theil der schwanzförmigen Verlängerung des Embryos enthält keine Wirbelsegmente und wurde von His als der „Eeker’sche Schwanzfaden“ bezeichnet. Eine ähnliche Bildung ist auch, wie Braun?) nachgewiesen, den Embryonen schwanz- tragender Wirbelthiere eigen. Bei der Reduktion, welche das Verschwinden des Schwanzfadens ergiebt, geht indess derjenige Theil der Chorda, welche diesen Faden durchzog, nicht zu Grunde, ohne Spuren zu hinterlassen. Der vorher gerade Epithelstrang beginnt sich zu winden und rollt sich schliesslich zu einem kleinen Knäuel zusammen, das sich ganz an die Spitze des letzten Seg- mentes verlegt. Die Chorda erstreckt sich also anfangs ganz er- heblich mehr kaudal, als die Anlage des letzten Segments, oder, mit den Worten Braun’s, „sie ist zu gross ausgelegt worden“. Als einen solehen knäuelförmig zusammengerollten Zellen- strang finde ich den kaudalen Theil der Chorda bei einem 1,8 em langen Fötus (Fig. 1 ch). Ein Theil dieses Knäuels liegt offen- bar innerhalb des Gebietes des letzten Wirbels; sein am weite- sten kaudal gelegener Theil ragt aber frei aus dessen Spitze heraus und berührt sich eng mit der ventralen Seite des Me- dullarrohres. Im letzten Wirbel verläuft der Zellenstrang in zahl- reichen Windungen und hat an einigen Stellen eine deutliche Gabelung. Was die Zellform betrifft, so weicht sie ganz beträchtlich von derjenigen ab, welche die Chorda auf früherem Stadium be- 1) A. Ecker, Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz? Archiv f. Anat. u. Entwickelungsgeschichte, Jahrg. 1880, S. 421. 2)M. Braun, Entwickelungsvorgänge am Schwanzende bei einigen Säugethieren mit Berücksichtigung der Verhältnisse beim Menschen. Archiv f. Anat. u. Entw. Jahrg. 1882, S. 207. cr as Zee ee ei Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 93 sitzt. Die anfänglich eylindrischen oder kubischen Zellen sind jetzt fast sphärisch geworden. Durch die reichliche Aufnahme einer, wie es scheint, sehr wässerigen Flüssigkeit sind sie höchst bedeutend angeschwollen und haben eine mehr oder weniger deut- lich blasenförmige Gestaltung erhalten. Nach der Entwässerung scheinen die Zellkerne gleichsam in dünnwandigen Höhlungen zu liegen, die von dünnen Membranen begrenzt werden. Dieser anfänglich ausserchondrale Theil der Chorda ent- rinnt jedoch nicht dem Schicksal, welches auch den innerhalb der Wirbelsäule gelegenen Theil betroffen hat, nämlich der Atro- phie und dem schliesslichen Schwunde. Durch den unaufhalt- sam weitergreifenden Verknorpelungsvorgang werden immer neue Stücke in den Bereich des letzten Wirbelknorpels gezogen, und schliesslich hat dieser Wirbel die ganze Partie der Chorda, welche ursprünglich frei aus seiner Spitze herausragte, in sein Inneres aufgenommen. Dieser Vorgang lässt sich Schritt auf Schritt verfolgen. Bei einem 7,5 em langen Fötus finden wir den unteren Theil des letzten Steisswirbels von einer Menge anastomosirender Hohlräume durch- zogen, welche sich in Schnitte theils als langgedehntere Kanäle, theils als runde Lumina darstellen. Diese Hohlräume werden ausgefüllt von einer Masse, die aus Zellkernen und zusammengefallenen und gefal- teten Membranen besteht. Deutliche Zellgrenzen konnte ich unmög- lich wahrnehmen. Ausserhalb des eigentlichen, knorpeligen Wirbels finden wir ebenfalls solche Hohlräume, die von verdichtetem Binde- gewebe begrenzt und von demselben Inhalt ausgefüllt werden wie die Höhlungen des Wirbels selbst. Sie kommen jedoch nur in ‚unmittel- barer Nähe des Wirbels, in seinem Perichondrium vor. Bei einem 15 cm langen Fötus ist es nicht mehr möglich, Reste der Chorda ausserhalb des Knorpels zu entdecken. Zellreste liegen noch in den Höhlungen des Knorpels. Dass dieser aufgewundene Theil der Chorda thatsächlich in der vorerwähnten Weise ganz und gar vom letzten Steisswirbel eingeschlossen wird, dafür spricht meines Erachtens auch der Umstand, dass wir den unteren Theil dieses Wir- bels später in den Schnitten in so reichem Maasse von Hohlgebilden durchbrochen finden, dass der Schnitt fast ein siebähnliches Aussehen gewinnt. Wir ersahen demnach, dass der knäuelförmig zusammen- gerollte und ursprünglich ausserchondral gelegene Theil der Chorda durch die Verknorpelung des Bindegewebes gänzlich in den Bereich des letzten Wirbels hineingezogen wird; er veranlasst also keine ausserhalb der Wirbelsäule gelegene Bildung. 94 J. Herman Jakobsson: Der Schwanzdarm. In Bezug auf den Schwanzdarm kann ich mich kurz fassen. Ich muss nämlich gestehen, dass ich in meinen Serien niemals ein Gebilde beobachtet habe, von dem sich annehmen liesse, dass in ihm der Schwanzdarm oder Ueberreste eines solchen vorlägen. Nicht einmal bei einem Embryo, welcher nach der Fixirung 8 mm maass, waren dergleichen Reste bestimmt nachweisbar. Das Vorkommen eines solchen Gebildes beim Menschen scheint übrigens erst letzthin durch die Untersuchungen von Fol und vor allem von Keibel!) mit Gewissheit erwiesen zu sein. His?) und Ecker°), deren übereinstimmende Ansichten in der Schwanzfrage in den sogen. Kompromisssätzen ausgesprochen sind, scheinen nicht ge- neigt zu sein, einen solchen Darmtheil als integrirenden Bestandtheil des Schwanzes anzunehmen. Sie bezeichnen als den Schwanz nur denjenigen Theil des Embryokörpers, welcher sich über die Kloake hinaus erstreckt. Die die Analöffnung präformirende Stelle ist nach His am untersten Theil der Kloake zu suchen, und der frei heraus- ragende Schwanztheil des Embryo entbehrt deshalb nach seinem Da- fürhalten einer Verlängerung des Darmrohres. Keibel äussert dagegeu anlässlich der Bearbeitung eines 4,2 mm langen Embryos: „Medullarrohr, Chorda und Darm reichen bis an das Caudalende des Embryo, um dort mit einander, und wie hinzugefügt werden mag, mit dem Mesoderm zu verschmelzen. Von diesen Ge- bilden bewahrt das Medullarrohr am längsten seine Selbständigkeit, während die Chorda sich schon etwas früher der dorsalen Darmwand anschliesst. Während von dem Medullarrohr und der Chorda nichts be- sonderes hervorzuheben ist, mag vom Darm betont werden, dass die Anlage des Afters nicht auf der Kuppe der Cloake (der Bursa pelvis, His) statthat, sondern dass der hintere Rand des Afters resp. der Aftermembran — denn um eine solche handelt es sich hier noch — beträchtlich weiter kranial liegt.“ Umd dann bezeichnet er den kaudal 1) F. Keibel, Ueber den Schwanz des menschlichen Embryo. Arch. f. Anat. u. Entw. Jahrg. 1891, S. 356. 2) W. His, Anatomie menschlicher Embryonen. 1—3. Leipzig 1880-85. — Zur Kritik jüngerer menschlicher Embryonen. Sendschrei- ben an Herrn Prof. W. Krause in Göttingen. Archiv f. Anat. u. Entw. Jahrg. 1880, S. 407. — Ueber den Schwanztheil des menschlichen Em- bryo. Antwortschreiben an Herrn Geh. Rath A. Ecker in Freiburg i. B. Ibidem, S. 431. 3) A. Ecker, Beiträge zur Kenntniss der äusseren Form jüngster menschlicher Embryonen. Archiv f. Anat. u. Entw. Jahrg. 1880, S. 403. — Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz? Briefliche Mitthei- lung an W. His. Ibidem, S. 421. — Replik und Kompromisssätze, nebst Schlusserklärung von W. His. Ibidem, S. 441. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 95 zur Aftermembran gelegenen Theil der Kloake als den Schwanzdarm. Bei einem 8 mm langen Embryo hat der Schwanzdarm, sagt Keibel, sich von der Kloake abgeschnürt und liegt nun im Schwanze als ein Epithelstrang, welcher nur in seinem kaudalen Ende mit einem Lumen versehen ist. Bei einem 11,5 mm langen Embryo fand er nur einen rudimentären Zellenstrang als eine Andeutung des Schwanzdarmes, und schliesslich findet er bei 20 mm Länge davon keine Spur mehr. Aus diesen Untersuchungen Keibel’s, verglichen mit den von mir gemachten Beobachtungen, erhellt demnach, dass diese im Schwanzgebiete vorhandene embryonale Epithelbildung bereits auf einer sehr frühen Stufe schwindet, ohne jedwede Spur zu hinterlassen. Wir haben also ersehen, dass keins der drei vorhin bespro- chenen Epithelgebilde den Ursprung der Steissdrüse abgeben kann. Es erübrigt jetzt, die von Luschka aufgeworfene Ver- muthung von der Herstammung der Drüse aus dem Sympathieus‘ näher zu untersuchen. Der Steisstheil des Sympathieus und die Anlage der Steissdrüse. Wenn die Ansicht betreffs der Entstehung der sympathi- schen Ganglien, welche heutzutage gang und gäbe ist, die näm- lich, dass die sympathischen Ganglien durch Zellenwucherung aus den spinalen entstanden seien, richtig ist, so können natürlich sympathische Ganglien in dieser Gegend, wo eben infolge des frühzeitigen Schwundes des Medullarrohres ihre Voraussetzungen, die spinalen Ganglien, nie zur Entwicklung kommen, nicht ent- stehen. Da der Sympathieus aber nichtsdestoweniger schon auf einer recht frühen Entwieklungsstufe als ein zusammenhängender, wennschon stetig schmaler werdender Zellenstrang sich ganz bis auf die Vorderseite des letzten Wirbels erstreckt, so können wir schon a priori vermuthen, dass dieser Endtheil der Ganglienkette in einer etwas modifieirten Weise entstanden sei. Und ich glaube nieht zu weit zu greifen mit meiner Behauptung, dass dieser letzte Theil durch einen Zuwachs des Verbindungsstranges des letzten direet angelegten Ganglions in kaudaler Richtung ent- standen ist. Wir werden diese Verhältnisse in der Folge ein- gehender erörtern. 96 J. Herman Jakobsson: Fötus von 1,8 em Länge. Sagittalschnitte. Diese Serie umfasst die 10 am weitesten kaudalwärts gelegenen Wirbel. Jederseits der Wirbelsäule liegen 8 Spinalganglien, das erste kranialwärts vom ersten Wirbel, das letzte zwischen dem 7. und 8., oder von der Steissspitze aus zwischen dem 3. und 4. Diese Ganglien sind gross und kräftig entwickelt, ausgenommen das letzte, das im Vergleich zu den übrigen ungewöhnlich klein und rudimentär erscheint. Auf der ventralen Seite der Wirbelsäule, der Lage der Spinalganglien entsprechend, finden sich zwei Reihen von je 7 Ganglienzellen-Anhäufungen. Diese sind Anlagen von gleich vielen sympathischen Ganglien, und entsprechen ihrer Lage nach genau je einem Spinalganglion. Das letzte spinale Ganglion hat also seinen Platz zwischen dem 1. und 2. Steisswirbel, das letzte sympathische zwischen dem letzten Sacral- und dem ersten Steisswirbel. Diese sympathischen Ganglien sind unter einander vereint ver- mittelst Stränge feiner Nervenfasern, der Anlage der sympathischen Grenzstränge, in welche ebenfalls Zellen gleicher Natur, wie diejenigen, welche die Ganglien selbst bilden, verästelte Gebilde mit langen proto- plasmatischen Ausläufern, reichlich eingestreut sind. Von jedem der bei- den letzten Ganglien geht späterhin ein Ganglienzellen einschliessender Strang Nervenfasern kaudalwärts aus, und diese beiden Stränge legen sich den abwärts hinziehenden Gefässen eng an. Sie erstrecken sich bis auf die Vorderseite des letzten Wirbels und verrathen eine deut- liche Neigung mit einander zu konfluiren. Es sei hinzugefügt, dass der linksseitige dieser beiden Stränge an zwei Stellen, zwischen dem 1. und 2. und dem 2. und 3. Steiss- wirbel, eine grössere Zellenanhäufung zeigt, welche eine Art gangliärer Anschwellung andeutet. Dieses ist bei dem rechtsseitigen Strang nicht der Fall, welcher immer schmaler werdend sich bis zum letzten Wirbel erstreckt. Die hypothetisch rekonstruirte Vorderansicht des Sympathicus würde auf dem den 6 ersten Wirbeln entsprechenden Gebiete der 10 letzten Wirbel zwei perlschnurähnlich angeschwellte Zellenstränge darbieten. Vom Zwischenraume zwischen dem letzten Sacral- und dem ersten Steisswirbel konvergiren sie gegen die Mittel- linie, wo sie sich eng aneinander legen. Vergebens späht man auf dieser Stufe nach der Anlage einer Steissdrüse. Fötus von 2,4 cm Länge. Querschnitte. Der Sympathieus verhält sich hier wie bei dem vorigen. Fötus von 6 cm Länge. Sagittalschnitte (Fig. 4sy). Bei diesem Fötus erwiesen die Verhältnisse sich etwas abweichend. Auch in dieser Serie sind die 10 letzten Wirbel, deren 3 letzte, wie vorhin er- wähnt worden, einen fast rechten Winkel gegen die übrige Wirbel- säule bilden, vorhanden. In der Region der oberen Wirbel liegen die Ganglien und die Grenzstränge in gewöhnlicher Ordnung, wenn schon der rechte Sympathicus auf einem kleinen Gebiet deutlich markirter Ganglien entbehrt, sondern sich eher als ein gleich dicker Strang dar- MT en er" EEE Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 97 stellt. Das sympathische System ist in dieser Weise paarig bis zum Zwischenraum zwischen dem letzten Sacral- und dem ersten Steiss- wirbel hinab, wo die beiden sympathischen Ketten sich zu einer ein- zigen vereinen. Dieser Strang setzt sich später als ein einfaches Gebilde bis auf die Vorderseite des letzten Wirbels fort, und zeigt drei kleinere gan- gliäre Anschwellungen, nämlich zwischen 1. und 2, dem 2. und 3. und 3. und 4. Steisswirbel.e. Demnach haben wir auf dem Gebiete der letzten 4 Wirbel durch das Verschmelzen der ursprünglich dicht an einander liegenden Stränge einen einheitlichen erhalten. Auch bei diesem Fötus ist keine Drüsenanlage ersichtlich. Fötus von 7,5 cm Länge. Sagittalschnitte. Dieser Fötus ver- hält sich wesentlich wie der vorige. Auch hier bestätigen wir, dass der Sympathieus in der Steissregion sich als ein gleich dicker Strang ganz bis auf die Vorderseite des letzten Wirbels hinab erstreckt, und dass er aus längsgehenden feinen Nervenfasern und einer Menge Nervenzellen besteht. Fötus von 11/8,1 em Länge. Querschnitte. Etwa 150 u von der Steissspitze entfernt stossen wir hier dem Wirbel ventral anliegend auf einen kleinen, im Querschnitt rundlichen Strang, der infolge seines grossen Zellenreichthums sofort auffällt. Wenn wir dieses Gebilde näher untersuchen, finden wir, dass es aus einer Arterie und einer Vene, beide quer durchschnitten, und zwei sympathischen Nerven besteht. Sowohl die Arterie als die Vene geben hier seitliche Aeste ab. Die Nerven, von denen die Gefässe dicht umsponnen werden, enthalten ausser Fasern noch zahlreiche Zellen; hauptsächlich die letzteren verleihen der be- treffenden Partie ihr kompaktes Aussehen. Verfolgen wir die Serie kranialwärts, so ergibt es sich, dass sowohl die Gefässe als die Nerven sich in ein gemeinschaftliches, strangförmiges Gebilde fortsetzen, und wir können das ersterwähnte zellenreiche Gebiet also mit Recht als eine knotenförmige Verdiekung des Sympathicusstranges bezeichnen. Von der Umgebung grenzt dieser Theil sich sehr deutlich dadurch ab, dass das Bindegewebe sich in concentrischen Lagen geordnet hat. Weiter kranial gelegen, etwa 500 u von der Steissspitze entfernt, liegt eine ähnliche kleine rundliche Zellenmasse, welche vermittels eines Nerven- stieles mit dem Sympathieus in Verbindung steht und ein vom Hauptstamm abgeschnürter Theil desselben zu sein scheint. Beide Zellenanhäufungen dürften, wie aus dem folgenden erhellt, auf die Drüsenanlage Bezug haben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 7 98 J. Herman Jakobsson: Fötus von 15cm Länge. Sagittalschnitte. (Fig. 5 ceg und Fig. 6). Hier begegnen wir zum ersten Male der Steissdrüsen- anlage als einem selbständigen und scharf markirten Gebilde. Sie liegt hier in der Ebene der Steissspitze als ein kleines rund- liches oder vielleicht besser ovales Zellenklümpcehen von ganz un- ansehnlichen Dimensionen. . Es ist etwa 155 u breit und misst im Sagittalschnitt 60 u in dorso-ventraler und 120 u in kranio- kaudaler Richtung. Das Organ liegt der Arteria sacralis media und dem diesem Gefäss sich dicht anschliessenden unteren Theil des Sympathiceus eng und zwar unmittelbar an. (Fig. 6 ar und n.) Eben die Stelle, wo das Organ belegen ist, ist zugleich der Abzweigungsort eines grossen Seitenastes der Arterie, und infolge: dessen wird die Drüse gleichsam in ein von diesen beiden Ge- fässen gebildetes Knie gebettet. Der Hauptstamm der Arteria sacralis media macht hier auch seine schlingenförmige Umbiegung, um sich von der Ventralseite her um die Steissspitze auf die dor- sale Seite des Steissbeines zu schlagen, wo die Arterie in der Gegend des letzten Steisswirbels ihre Endausbreitung hat. Das Organ ist durchgehends gleichförmig gebaut und bietet sich bereits auf den ersten Blick als eine specifische Bildung dar. Verhältnisse, welche andeuten sollten, dass sie nichts als eine verdichtete Bindegewebspartie sei, sind nicht vorhanden. Irgend welche continuirliche Uebergänge zwischen dem Binde- gsewebe der Umgebung und den an dem Aufbau der Drüsenan- lage interessirten speeifischen Elemente — den Parenchymzellen — sind nicht nachweisbar. Im Gegentheil, seine Umrisse sind scharf abgegrenzt. Das die Bildung zunächst einhüllende Binde- gewebe hat sich um das Organ her in concentrischen Zügen ge- ordnet, eine Art Kapsel bildend (Fig. 6 Kaps.). Betreffs der Zellform ist eine völlig bestimmte Aussage schwierig, da die Zellen so dicht gedrängt liegen, dass es nahezu unmöglich ist, eine derselben ganz isolirt zu betrachten. Jeden- falls bieten sie gar keine Aehnlichkeit mit Bindegewebszellen. Ihre Form scheint polygonal zu sein; wenigstens kann man viel- fach um die grossen runden oder rundlich ovalen Kerne her poly- gonale Zeichnungen wahrnehmen (Fig. 6 ccg). Die Drüse steht durch mehrere Nervenäste in intimer Ver- bindung mit dem unteren Theile des Sympathieus, welcher als ein die Arteria sacralis media begleitender Stamm dicht an dem ‚Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 99 Organ vorbeizieht. Ihr Nervenreichthum ist in der That so gross, dass er eine ganz eigene Bedeutung haben, und nicht nur der Ausdruck einer gewöhnlichen Innervation sein dürfte. Wie er- wähnt dringen die Nerven in mehreren Verästelungen durch die Kapsel zwischen die Parencehymzellen der Drüse hinein, wo man sie dann als feine vom Eosin schwach roth gefärbte Fibrillen verfolgen kann. In welchem Verhältniss diese Nervenfasern zu den Parenchymzellen stehen, erhellt nicht aus den Bildern. Was die Gefässe betrifft, so giebt es ihrer äusserst wenige (Fig. 6 bl); nur.sehr spärliche Kapillaren kommen in der Kapsel und den am meisten peripherisch gelegenen Theilen des Paren- chyms vor. Auf diesem Stadium besteht also die Drüse aus einem rundlichen Klümpehen wahrschemlich polygonaler Zellen, die Grundlage des Parenchyms bildend. Ein inneres Bindege- webegerüst ist auf diesem Stadium noch nicht entwickelt. Nur Woher stammen nun diese Parenchymzellen, wel- che allein die erste Anlage der Steissdrüse bilden? Bindegewebiger Natur können sie nicht wohl sein, nach dem, was vorhin dargethan worden; ferner entstammen sie weder dem Medullarrohr, noch der Chorda, noch dem Schwanzdarme, da jedes dieser Gebilde, wie die oben gelieferte Erörterung zeigt, seine besondere Metamorphose durchmacht. Dagegen steht dieses Zellenklümpcehen in einer so engen Verbindung mit dem sym- pathischen Ganglienstrange und entspricht auch in seiner Lage dessen unterem Ende, dass man gezwungenerweise das Paren- chym als einen abgesehnürten Theil desselben, und die Zellen als modifieirte Ganglienzellen betrachten muss. Fötus von 24|16,2 cm Länge. Querschnitte (Fig. 7). Bei diesem Fötus tritt das Organ mit einem Aussehen auf, welches sich erheblich von dem unterscheidet, welches als für das vorige Stadium eharakteristisch beschrieben wurde. Dieser Unterschied wird hauptsächlich dureh eine starke Vermehrung der Blutbahn der Drüse bedingt, ein Verhältniss, welches in dieser Serie be- sonders hübsch zu Tage tritt wegen der reichlichen Selbstinjee- tion der Gefässe. Anstatt der äusserst spärlichen Kapillaren, welche wir in der vorhergehenden Serie in der Kapsel und den peripherischen Theilen der Drüse fanden, sehen wir hier die ganze Drüsenmasse von einer Menge sinuös erweiterter vor- kapillarer Arterien durchzogen (bl). Von diesen gehen dann 100 J. Herman Jakobsson: vielfältige feine Kapillaren aus, welche reichlich unter einander Anastomosen eingehen, und sich auch mit den Kapillarbahnen der umgebenden Gewebe in Verbindung setzen. Diese Blutbahnen durchkreuzen eine die ganze Drüse hin- durch gleichartige Zellenmasse (par). Die polygonale Form der Zellen tritt hier noch deutlicher hervor, als in der vorigen Serie; irgendwelche specielle Anordnung oder Gruppirung derselben ist noch nicht wahrnehmbar. Die zuführende Arterie der Drüse geht von der nahen Arteria sacralis media als ein starker und muskel- reicher Stamm ab, scheint aber fast sofort nach ihrem Eintritt in das Organ den grössten Theil ihrer muskulösen Elemente zu verlieren. Das Blut wird von der Drüse hinweggeleitet, theils vermittels der vorerwähnten kapillaren Anastomosen mit den Kapillaren der umgebenden Gewebe, theils ferner vermittels klei- nerer, innerhalb des Organes durch Zusammenfluss seiner Ka- pillaren entstandener Venen. Nerven ziehen von dem dicht nebenan gelegenen Sym- pathieus reichlich in das Organ ein. Auf diesem Stadium kann man auch eine Andeutung beginnender Lobulirung der Drüse gewahr werden. Von der Kapsel (kaps) schieben sich kleinere Bindegewebsstreifen in das Parenchym (par) hmein; eine wirk- liche Zertheilung desselben in kleinere Abschnitte vermittels binde- gewebiger Septa liegt nicht vor. Das Organ hat seinen Platz unmittelbar an der Steissspitze und misst in kranio-kaudaler Richtung 150 u. Sein grösster Diameter im Querschnitt beträgt 190 u. Ausser dieser eigentlichen Anlage der Steissdrüse werden weiter kranialwärts an zwei Stellen, bezw. 60 und 430 u von der Steissspitze entfernt, zwei etwas kleinere Gebilde gleichen Baues wie die Hauptanlage angetroffen. Auch diese liegen der Arterie und dem Sympathicus dieht an und nehmen von beiden Aeste in sich auf. Sie messen in kranio-kaudaler Richtung bezw. 200 und 135 u, im Querschnitt bezw. 130 und 120 u. Bereits vorhin, anlässlich eines 11/S,1 em langen Fötus, wurde bemerkt, dass dort in einer Entfernung von 500 u von der Steissspitze ein rundliches Zellenklümpcehen angetroffen wurde, welches vermittels eines aus feinen Nervenfasern bestehenden Stieles mit dem Hauptstamm des Sympathicus in Verbindung stand und allem Anschein nach von diesem abgeschnürt war. Nun Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 101 liegt es ja sehr nahe anzunehmen, dass die bei diesem Embryo vorhandenen zwei drüsigen Bildungen aus Zellenklümpchen ent- standen sind, welche jenen ähneln, gerade so, wie die Steissdrüse sich selbst aus einer weiter kaudalwärts gelegenen, gleichfalls primär gefässfreien Zellenmasse entwickelt hat. Und als der- gleichen Steissdrüsen en miniature muss ich sie denn auch be- trachten. Meine diesbezüglichen Beobachtungen stimmen in der That sehr gut zu Arnold’s!) Angabe, dass auf der Vorderseite des Steissbeins im Anschluss an die Arteria sacralis media mehrere kleinere Gebilde sich vorfänden, welehe in ihrer Struktur mit dien Parenchymsträngen der Steissdrüse übereinstimmen. Er sagt, dass man die Drüse als aus mehreren solcher einfacher Bildungen, welehe sich zu einem Ganzen zusammengethan, aufgebaut be- trachtet werden kann. Wie bereits oben erwähnt wurde, meint er jedoch, diese Bildungen seien Gefässerweiterungen, die er „Ge- fässsäcke“ benennt. Fötus von 24,5]16 cm Länge. Querschnitte. Bei diesem mit dem vorigen ungefähr gleichalterigen Fötus finde ich nur eine einzige, aber bedeutend grössere Drüsenanlage. Sie ist 250 u von der Steissspitze entfernt und misst in kranio-kaudaler Riehtung 250 u; die Breite beträgt 350 u. Uebrigens ist sie hier in zwei grössere Partieen getheilt, welche durch eine schmalere Zellenbrücke mit einander zusammenhängen. Die Struktur ist sonst etwa dieselbe wie auf dem vorigen Stadium. Auch die Serie des 28,0/18,5 em langen Embryos ergiebt nichts Neues. Von den Grössen über 28,0/18,5 em bis zur Reife hat mir kein Material zur Untersuchung zur Verfügung gestanden. Die Veränderungen, denen das Organ während des zwischen diesen beiden Stadien liegenden Zeitraumes unterworfen wird, sind aber in der That von so wenig durchgreifender Bedeutung, dass die Ermangelung des Materiales aus dieser Periode sich unschwer ertragen lässt. Reife Föten. Querschnitte (Fig. 8). Wir finden hier die Drüse 320 u von der Steissspitze entfernt wieder. Sie misst im Querschnitt dorso-ventral 400 u, von der einen Seite querüber zur andern 850 u, und erstreckt sich in kranio-kaudaler Richtung TAN 32078. 81. [y 102 J. Herman Jakobsson: 500 u lang. Die zunächst in die Augen fallende Veränderung ist der beträchtliche Zuwachs des bindegewebigen Gerüstes, des Stromas, der Drüse. Anstatt der kleineren Bindegewebsstreifen, die wir auf dem vorigen Stadium von der Kapsel her in das Parenchym einsetzen sahen, ohne dass sie jedoch eine eigentliche Zertheilung desselben bewirkten, finden wir hier wahre Septa, welche die ganze Drüsenmasse durchziehen. Das Parenchym wird in dieser Weise in eine Menge kleinerer Partieen zerlegt: m. a. W., die Drüse ist gelappt. Einige dieser Septa sind sehr grob, und infolge ihres Vorschiebens sind mehrfach Drüsen- partieen gleichsam vom Ganzen abgetrennt worden und treten nunmehr als freiliegende Gebilde auf. Andere Septa aber, und zwar die meisten, durchziehen die Drüse in feinen Zügen. Durch diese Bindegewebswucherung ist also der einheitliche Zellen- klumpen in kleinere Abschnitte getheilt worden, und das Paren- chym (par) liegt hier in unregelmässigen rundlichen oder strang- förmigen Anhäufungen. Diese Parenchymstränge gleichen indess nicht ganz denjenigen des Erwachsenen. Sie haben ein gröberes und plumperes Aussehen. Das Parenchym ist hier dem Volumen nach noch vorwiegend, das Stroma dagegen verhältnissmässig schwach. Das ganze Organ macht noch den Eindruck eines mehr durch und durch parenchymatösen Gebildes, als dieses bei dem Erwachsenen der Fall ist. Von hier aus bis zum Verhältniss beidem Erwachsenen ist jedoch kein grosser Schritt (Fig. 9). Durch eine stetig an- dauernde Bindegewebswucherung haben sich diese ursprünglich schmalen Septa offenbar zu mächtigen Strichen entwickelt, welche schliesslich solehe Dimensionen gewinnen, dass das Parenchym immer weniger in die Augen springt. Diese werden ferner in- folge der Zunahme des Bindegewebes in immer kleinere Partieen zertheilt, welche strangförmig oder rundlich gestaltet (par) in das mächtige Stroma (str) eingebettet sind. Somit haben wie die Steissdrüse durch alle Entwicklungs- stadien hindurch verfolgt, von ihrer ersten Anlage, bis zu ihrem endlichen Bau als ein ausgebildetes Organ. Zusammenfassung. Ein kurzer Rückblick der obigen Darstellung dürfte die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die embryonale Ent- Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 103 wieklung der Steissdrüse in folgende Hauptpunkte zusammen- fassen. 1. Zum ersten Male begegnen wir der Steissdrüse als einer deutlich bezeichneten Anlage bei einem Fötus von 15 cm Totallänge (Ende des 4. Monats). Sie erscheint dort in der Form eines kleinen ovalen Häufchens epithelähnlicher, poly- gonaler Zellen und liegt unmittelbar ventralwärts der Steissspitze. Von ihrer Umgebung ist sie durch kreisförmig sie umgebende Bindegewebszüge, welche eine Art Kapsel für die Anlage bilden, scharf abgegrenzt. Gefässe finden sich in der Drüsenanlage selbst nicht, jedoch spärliche Kapillaren in der Kapsel nnd den peripherischen Theilen der Drüse. Mit dem Sympathieus steht sie durch zahlreiche Nervenfasern, welche sich unter den Zellen im Innern verlieren, in engem Zusammenhang. 2. Diesem ersten Stadium folgt in der Entwicklung der Drüse ein zweites, welches von einer starken Vermehrung der Blutbahnen gekennzeichnet wird. (Fötus von 24 cm Totallänge Ende des 5. Monats). Das Zellenklümpchen ist nunmehr von srossen Arterien und Kapillaren, welche in der Drüse ein dichtes Netz bilden, vielfach durchzogen. Im Innern des Organes ist noch fast gar kein Bindegewebe vorhanden, nur eine Andeutung zur Lobulirung durch eine spärliche von der Kapsel ausgehende Bindegewebswucherung. 3. Die späteren Veränderungen des Organes ergeben die Ausbildungen des bindegewebigen Gerüstes und die Lobulirung desselben. 4. Aus diesen Verhältnissen dürfte sich späterhin der persistirende Bau des Organes in der Weise entwickeln, dass das Bindegewebe stetig an Mächtigkeit zunimmt, bis es schliess- lich den Hauptbestandtheil der Drüse ausmacht, und welcher dem ausgewachsenen Organe seine eigenthümlich feste Beschaffen- heit verleiht. 5. Während sämmtlicher Entwicklungsperioden liegt die Drüse stets ventralwärts zur Wirbelsäule. Sie kennzeichnet sich demnach schon durch ihre Lage als ein Organ, das aus einem ventral von der Wirbelsäule gelegenen Gebilde hervorgegangen ist. 6. Ausser dieser Hauptanlage können, ebenfalls ventral von der Wirbelsäule, aber mehr kranialwärts in engem Anschluss an den Sympathicus und die Arteria sacralis media, kleinere Bil- 104 J. Herman Jakobsson: dungen gleichen Baues wie die Drüse selbst vorkommen, wahr- scheinlich derselben Quelle entstammend, wie sie. 7. Die Steissdrüse ist also nicht, wie es Arnold und Krause haben behaupten wollen, ein Gefässknäuel, der entweder den unteren, zusammengerollten Theil der Arteria sacralis media vertritt, oder seitliche Verzweigungen dieses Gefässes, welche dem Steisstheile des Medullarrohres zur Nahrungszufuhr dienen sollten, die aber infolge der frühzeitigen Atrophie dieser Partie ihre funktionale Bedeutung verloren haben und deshalb dieser eigenthümlichen Umwandlung unterzogen wurden. Der Haupt- stamm der Arteria sacralis media schlägt sich vielmehr um die Steissspitze auf die Dorsalseite und hat da seine Endausbreitung. Die für die Drüse bestimmte Arterie zweigt sich als ein Seiten- ast von dem Hauptgefässe ab. Die Gefässe spielen bei der Ent- stehung des Organs eine secundäre Rolle und wachsen erst, nachdem dieses bereits als ein selbständiger, distinkt markirter und gefässloser Zellenhaufen angelegt worden, in dasselbe hinein. 8. Was die Abstammung derjenigen Zellen betrifft, welche diese primäre Drüsenanlage bilden, können sie nicht von der Natur gewöhnlicher Bindegewebszellen sein, denn sie sind bereits in ihrem ersten Auftreten epithelähnlich, und Zwischenformen, welche den Uebergang von den Bindegewebszellen ausmachen möchten, sind durchaus nicht nachweisbar. Die ganze Anlage ist von An- fang an scharf gegen das Bindegewebe abgegrenzt. 9. Diese Zellen können auch, wie eingehend erörtert wurde, weder dem Medullarrohre, noch der Chorda, noch dem Enddarme entstammen. 10. Dagegen müssen wir die Entstehung der Drüse aus dem Sympathieus als mehr denn wahrscheinlich erachten. Die primäre Drüsenanlage erscheint auf dem Platze des kaudalen Endes der Sympathieusanlage und hängt bereits von ihrem ersten Auftreten an und fortwährend mit dem Sympathiecus nahe zu- sammen. Die Parenchymzellen sind demnach mit den sympa- thischen Ganglienzellen homolog. 11. Aus diesem Gesichtspunkt wäre die Untersuchung des Verhältnisses zwischen den Parenchymzellen des erwachsenen Organes und seinen zahlreichen Nervenfasern besonders erwünscht. Beiträge zur Kenntniss der fötalen Entwicklung der Steissdrüse. 105 Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV u. V. Erklärung der Buchstaben: ar — Arteria sacralis media. ı m = Glatte Muskelfasern. bl = Blutgefäss. mr = Medullarrohr. bp = Bindegewebspapille. ı n—= Nervenfasern. ce = Centralkanal. | par = Drüsenparenchym. ccg = Steissdrüse. | str = Stromagewebe. ch = Chorda. sw = Schwanzwirbel. d = Darm. sy = Sympathicusanlage. ep — Epidermis. tb — Terminalblase des Medullar- ft = Filum terminale. rohres. kaps = Stromakapsel. | tb‘ = Ueberreste von tb. Fig. 1. Vergr. 40:1. Sagittalschnitt durch den unteren Theil eines Fig. Fig. Fig. [) 1,5 em Fötus. Epidermis ein gutes Stück abgelöst, wodurch das Medullarrohr theilweise oder vollständig blossgelegt wird. Durch die Spitze der Wirbelsäule (sw) ragt die Chorda (ch) frei heraus und steht mit der Terminalblase (Z£b) des Medullar- rohres in intimem Kontakt. Vergr. 60:1. Querschnitt durch die Steissregion eines 24/16,2 cm Fötus. Dorsal von dem Wirbel (sw) Epithelreste der zer- sprengten Terminalblase (£b’). In einigen findet sich noch ein Lumen. Zwischen diesen Epithelresten die reichlich vaskula- risirte Bindegewebspapille (bp). Ventralwärts schliesst sich der Arteria sacralis media und einigen sympathischen Nerven an eine kleine drüsige Bildung (ccg‘), die ihrem Baue nach mit der eigentlichen Steissdrüse übereinstimmt. Vergr. 65:1. Querschnitt durch die Steissregion eines 11/8,1 em Fötus, etwa 200 u von der Steissspitze. Die Figur zeigt die zwischen dem Wirbel und der Epidermis gelegene Terminal- blase (2b) mit in sie hineinwachsendem Bindegewebe (bp). Vergr. 15:1. Sagittalschnitt durch den unteren Theil eines 6cm Fötus, das Verhalten der Sympathieusanlage (sy) dar- stellend. Die Unterbrechung der Kontinuität auf der Biegung des Stranges beruhend. Das dazwischen gelegene Stück findet sich im angrenzenden Schnitte. Vergr. 15:1. Sagittalschnitt, durch die Steissregion eines 15cm Fötus. Dorsal von der Wirbelsäule (sw) das Filum termi- nale (ff). Ventrai von der Steissspitze und im Anschluss an die Arteria sacralis media die Anlage der Steissdrüse (ceg). Vergr. 300:1. Derselbe Schnitt wie Fig. 5, stärker vergrössert. Die Drüse liegt dicht neben der Arteria sacralis media (ar) und ein paar Nerven. Gefässe (bl) nur in der Peripherie der Anlage. Schwache Kapsel (kaps). 106 B.4 Rs: Fig. 7. Vergr. 300:1. Drüsenanlage eines 24/162 em Fötus. Von der Kapsel (kaps) aus schieben sich schmale Bindegewebs- streifen (str) in das Pareuchym (par) hinein. Grosse, blut- angefüllte, vorkapillare Arterien und Kapillaren (bl). Fig. 8. Vergr. 90:1. Steissdrüse eines Neugeborenen. Das Parenchym (par) liegt hier in grossen Klumpen, zwischen denen dünne Bindegewebssepta (str) sich hineinziehen. Die Kapsel (kaps) ist stärker entwickelt und das Innere der Drüse von Gefässen (dl) reichlich durchzogen. Lobulirung. Fig. 9. Vergr. 350:1. Der Länge nach und theilweise auch ober- flächlich geschnittener Parenchymstrang (par) eines Erwachse- nen. Im Stranginnern ein Gefäss (bl). Das dem Parenchym anliegende Stromabindegewebe ist in eirkulären Zügen (str) geordnet. Ein Streifen glatter Muskelfasern (m) im Gesichts- felde links, wo ebenfalls einige polygonale Parenchymzellen durch das aufliegende Bindegewebe hindurebschimmern. (Aus dem Laboratorium für Histologie und allgem. Pathologie der Universität Pavia, dir. von Prof. Camillo Golgi.) Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. Von Dr. F. Ris (Rheinau, Schweiz). Hierzu Tafel VI und VII. Der Lobus optieus der Vögel ist bereits von Ramon y Cajal!), van Gehuchten?), und Kölliker?) vermittelst der 1) Ramon y Cajal, Sur la fine structure du lobe optique des oiseaux et sur l’origine reelle des nerfs optiques. Journal Internatio- nal d’Anatomie et de Physiologie. V. VIII. p. 337—366, pl. XXIII— XXIV. 1891. 2) A. van Gehuchten, La structure des lobes optiques chez l’embryon de poulet. La Cellule, V. VIII. fasc. 1. 43 p. 3 pl. 1892. 3) Kölliker, Handb. d. Gewebelehre. V. II. p. 413—422, Fig. 5173—579. 1896, Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 107 Golgi’sehen Methode untersucht worden. Die Befunde dieser Autoren sind im wesentlichen übereinstimmend und enthalten bei- nahe alles, was auch wir durch dieselbe Methode an dem com- plieirten Organ aufdecken konnten. Einzelne nicht unwichtige Thatsachen haben wir indessen noch dazu gefunden; um diese in richtigem Zusammenhange wiederzugeben, erschien es uns nöthig, auch das von den genannten Autoren bereits Veröffent- lichte nach unsern Präparaten nochmals zu besprechen und ab- zubilden, zumal wir in der Lage sind, einzelne der bereits be- kannten Thatsachen durch etwas charakteristischere Abbildungen, als die vorhandenen, illustriren zu können. Die Arbeit wurde im Jahre 1897 im Laboratorium des Herrn Prof. Camillo Golgi in Pavia ausgeführt, und ich bin sowohl dem Leiter des Institutes, wie seinem Assistenten Dr. Emilio Veratti, für mannigfache Anleitung und Hülfe zu vie- lem Dank verpflichtet. Als Material dienten zunächst die Gehirne vor Kurzem aus- geschlüpfter, oder auch schon etwas befiederter, aber noch blinder Singvögel (Spiegelmeisen, Amseln ete.), die von jungen Liefe- ranten gerade für andere Zwecke ins Laboratorium gebracht wurden; es war dies ganz vorzüglich geeignetes Material, von dem tadellose Präparate mit grosser Sicherheit zu erhalten waren; allein es ging nicht an, von unserer Seite die gesetzwidrige Nest- räuberei zu unterstützen, und so wurden die Untersuchungen an Hühnerembryonen fortgesetzt, die ein Brütofen den Sommer und Herbst hindurch in reichlicher Menge lieferte. Dieselben wurden vom 14.—18. Tage untersucht und erwiesen sich während dieser sanzen Zeit sehr brauchbar. An den jüngeren wurden durch- schnittlich bei gleicher Behandlung etwas andere Zellgruppen im- prägnirt als an den ältern, so dass sich die Theilung des Ma- terials nach der verschiedenen Zahl der Bebrütungstage als vor- theilhaft erwies. Ausgeschlüpfte junge Hühnchen besitzen als selbständig bewegliche, sehende Thiere schon so weit in der Entwicklung vorgeschrittene Lobi optiei, dass sich diese, des reichlichen Myelingehaltes wegen, nicht mehr besonders für die schnelle Golgi’sche Methode eignen; immerhin ergaben uns ein- zelne von solchen vorgeschrittenen Gehirnen hergestellte Präpa- rate willkommene Controlobjeete. — Das Organ ist beim Hühn- chen etwas anders als bei den Singvögeln, offenbar auf einer 108 FR St etwas niedrigeren Stufe der Entwicklung stehen geblieben; auf die Differenzen werden wir zurückzukommen haben. Die Technik war die schnelle Golgi’sche Methode in ihrer klassischen Form: Chromosmiumgemisch (3°/, Kaliumbiechromat 4 Th., 1°/, Osmiumsäure 1 Th.) für 1—5 Tage, 1°/, Silber- nitratlösung bis zur weiteren Verarbeitung der Stücke. Die doppelte Imprägnirung wurde nur für die myelinisirten Stücke der ausgeschlüpften Hühnchen angewendet, sonst nur die einfache, die sehr sichere Resultate ergab; die besten Erfolge erzielten wir nach 3 Tagen Chromosmiumbehandlung; für einzelne Dinge war aber frühzeitiger Transport in die Silberlösung nothwendig, schon nach 48 oder gar nach 24 Stunden. Daneben lief eine Untersuchung des Organs an Sublimat- und Chrompräparaten mit Kernfärbungen und Weigert-Pal’scher Färbung; wir wer- den diese Dinge nur kurz berühren, da wir sie nicht weiter för- dern konnten, als zur Controle der Befunde an den Golgi’schen Präparaten nöthig war. Eine eingehende Darstellung des Faser- verlaufs im Mittelhirn der Vögel ist eine Aufgabe für sich, und zwar weder eine kleine noch eine leichte. Wir müssen unsere eingehende Beschreibung auf die Dach- oder Rindenregion des Lobus beschränken, da nur hier die Untersuchung zu einem ge- wissen Abschluss gelangt ist. Es wurde auch nicht versäumt, die Region der Endigung des Sehnerven an Tritonen-, Frosch-, Eidechsen- und Säugethier- Gehirnen nebenher zu untersuchen. Frosch- und Eidechsengehirn zeigen sehr hoch differenzirte Lobi optiei, ohne indessen die Complieation des Organs der Vögel zu erreichen; das Tritonen- gehirn verdient besonderes Interesse wegen seiner primitiven Form, von der wohl einst Erklärungsversuche der ganzen Struktur werden ausgehen müssen. Bei Säugerembryonen haben wir wenig erreicht, nicht annähernd was Ramon y Cajal!), und jedenfalls nichts, was irgendwie suggestiv gewesen wäre. Das Dach oder die Rinde der Lobi optiei der Vögel er- reicht eine Complieation des Aufbaues, welcher nur etwa die der Retina oder der Kleinhirnrinde an die Seite gestellt werden können. Die Schichtung der Elemente ist in dem Organ eine 1) Ramon y Cajal, Beitr. z. Stud. der Med. obl. ete. Deutsch von J. Bresler, Leipz. 1896 (p. 26 ff., p. 102 ff.): Ueber den Bau des Lobus optieus der Vögel. 109 sehr ausgesprochene; indessen halten wir die Eintheilung in 15 Schichten nach Ramon für eine unglückliche; sie ist (l. e. Fig. 1) nach dem Organ des Sperlings gemacht und ein Specialfall, der sich durchaus nicht ohne Weiteres auf andere Arten übertragen lässt, z. B. dem wesentlich einfacher gebauten Organ des Hühn- chens nicht passt. Auch van Gehuchten’s Eintheilung in nur 5 Schichten (couche des fibres retiniennes, couche des cellules optiques, eouche des fibres optiques centrales) nehmen wir nicht auf, da sie der wirklich vorhandenen Complication nicht gerecht wird. Kölliker theilt nach Weigert’schen Präparaten vom aus- gebildeten Gehirn des Huhns in 6 Schichten; wir nehmen: diese Eintheilung an, da sie auch auf Präparate von Embryonen mit Zellfärbung übertragbar und somit zur topographischen Ordnung der Befunde an Golgi’schen Präparaten zu verwenden ist. Nur die zweite Schicht Kölliker’s müssen wir in eine Anzahl von Unterabtheilungen bringen; wir thun dies ohne eine neue Nume- rirung der Schiehten zu schaffen, um möglichst wenig von Kölli- ker abzuweichen. Taf. VI, Fig. 1 stellt einen Querschnitt des optischen Daches vom l6tägigen Hübnerembryo dar, mit Sublimat fixirt und mit Safranin gefärbt. Das Präparat zeigt gegenüber mit der Golgi- schen Methode behandelten gleichartigen Stücken eine nicht un- bedeutende Contraction, lässt sich aber gleichwohl gut mit jenen vergleichen. Es sei hier gleich bemerkt, dass Schnitte in der Richtung auf die längste Axe des Lobus fast identische Bilder des Daches (natürlich nieht der Ganglien) ergeben, wie solche in darauf senkrechter Richtung. Wir haben unsere Sehnitte stets nach den Axen des Lobus opticus orientirt und nieht nach denen des ganzen Gehirns, um möglichst wenig Abgang an tangential fallenden sehr wenig instructiven Schnitten zu haben und dann besonders, weil die Lage des Organs wechselt, z. B. beim Hühner- embryo, wo es frei liegt, eine ganz andere ist, als bei den jungen Singvögeln, wo es durch die mächtig entwickelten Hemisphären be- deckt und niedergedrückt wird; nach den Hirnaxen orientirte Schnitte hätten also bei verschiedenen Species ganz verschiedene Lage. Fig. 1 soll unsere Uebertragung der Kölliker’schen Schichten auf das embryonale Organ mit Zellfärbung illustriren und damit als Orientirungstafel für die Analyse der Chromsilber- präparate dienen. 110 F. Ris: 1. Die Optieusfaserschicht. 2. und 3. Die „graue Lage“ Kölliker’s. 2. Diese Schicht enthält verstreut kleine unregelmässig polygonale oder spindelförmige Nervenzellen, ist aber ihrer Haupt- masse nach eine „moleculäre* Schicht. An ihrer Grenze gegen 5 indessen sammeln sich die Zellen zu einer ungemein dichten, etwa 2—3 Zellen breiten Lage kleiner, regelmässig spindelför- miger Elemente, zwischen welchen sich grössere und unregel- mässigere Zellen nur verstreut finden. Diese Grenzregion, welche ihre besondere Bedeutung hat, wollen wir als Schicht 2a be- zeichnen. Schon beim Hühnchen zeigt sich, an verschiedenen Stellen des gleichen Präparats verschieden deutlich, die Tendenz zu einer weitergehenden Schichtung innerhalb der Lage 2, in dem Sinne, dass die zerstreuten Zellen sich nach der Oberfläche zu ver- diehten, die Mitte der Schieht ziemlich frei lassen und in ge- ringer Distanz von 2a sich nochmals zu einer Zellschieht anord- nen. Diese beim Hühnchen noch ziemlich verwischte Anordnung prägt sich bei den Singvögeln, z. B. der Spiegelmeise mit grosser Schärfe aus, so dass sich hier die Lage 2 in folgender Modifi- cation darstellt: «) eine 3—4-fache Zellenlage, ß) eine fast zellen- freie, den grösseren Theil von 2 umfassende Moleculärlage, y) eine regelmässige, einfache Zellenlage, d) eine schmale Mole- eulärlage, darauf die Schicht 2a. Wir konnten uns nicht über- zeugen, dass dieser complieirteren Schichtung eine besondere Be- deutung der so angeordneten Elemente entspreche, nur die schmale Moleeulärlage 2d beansprucht später unser besonderes Interesse. 3. Die Schicht 3 enthält als Hauptmasse zweierlei Ele- mente: ]. ziemlich grosse, spindelförmige, mit der Längsaxe in radialer Richtung orientirte Zellen und 2. in mindestens ebenso grosser Zahl kleine Elemente von gleicher Form und Orientirung. Zwischen diesen Hauptformen eingestreut finden sich in geringerer Zahl unregelmässige, nicht radial orientirte Elemente, die in der Form und Grösse theils an die kleinen Zellen von Schicht 2, theils auch an die grossen von Schicht 4 erinnern. — Die Zellen stehen hier sehr dieht und die spindelförmigen sind so vertheilt, dass näher der Oberfläche die kleinen, tiefer die grossen etwas vorwiegen. Unmittelbar unter 2a liegt eine Zone, die nur spär- liche Zellen enthält; sie ist beim Hühnchen ganz undeutlich be- Ueber den Bau des Lobus optieus der Vögel. 111 grenzt, wird aber bei den Singvögeln fast zellenfrei, schärfer be- grenzt und damit zu einer deutlichen Molecularzone. 4. Die „gitterförmige, markhaltige Schicht“ von Kölliker. Sie ist in dem abgebildeten Stadium noch marklos (übrigens wäre das Myelin auch durch die Sublimatfixirung nicht erhalten geblieben). Sie ist der Sitz ziemlich weitläufig gestellter, grosser, unregelmässig polyedrischer Ganglienzellen; deren reichliches Protoplasma zeigt deutliche Schollen chromophiler Substanz. Da- zwischen finden sich zerstreut kleine Zellen, die wahrscheinlich zum Theil der Neuroglia angehören. 5. Die „Lage der cerebralen Sehfasern* von Kölliker ist beim Embryo noch eine dünne Schieht und von 4 undeutlich abgegrenzt. Dagegen wird sie scharf begrenzt und ungefähr ebenso breit wie die Schicht 4 mit der Myelinisirung der Fasern beim heranwachsenden Thier. 6. Die Ependymschicht. Wenn wir in Betracht ziehen, dass Schicht 1 die zuleiten- den, 5 die ableitenden Fasern und 6 die Hauptelemente des Stütz- gewebes enthält, so bleibt für die eigentlichen Träger der Funk- tion des Organs die nicht mehr sehr eomplieirte Eintheilung in die Schichten 2, 2a, 3 und 4 übrig, eine Eintheilung, die sich am Studium der Chromsilberpräparate durchaus bewährt. Es ist dabei zu bemerken, dass sich eine weitere Theilung für das Hühnchen nur gezwungen, für die Singvögel (Spiegelmeise) da- gegen ohne Schwierigkeit machen liesse. Die Auflösung dieser leicht zu eonstatirenden Schichten in ihre Elemente war nun das Ziel unserer Untersuchung vermittelst der Chromsilbermethode. 1. Optieusfaserschicht: Ueber diese ist wenig zu sagen. Üollateralen haben wir an ihren Fasern im Bereiche des optischen Daches nicht gefunden, dagegen wird auf echte Colla- teralen, die aus tiefern Regionen des Traetus abgehen, zurück- zukommen sein. An der Abstammung dieser Fasern, oder doch ihrer grossen Mehrzahl aus den Elementen der Ganglienzellen- schicht der Retina haben wir nicht den mindesten Grund zu zweifeln; sie wird von allen neueren Autoren angenommen. 2. Das für die Sehieht 2 am meisten charakteristische Element sind die Verzweigungen eben dieser Optieus- fasern, „die freien Endigungen der Sehnervenfasern“, wie sie 112 PouR is: im Sinne der Contakttheorie von den Autoren (Cajal, van Ge- huchten, Kölliker) genannt werden. Wir lassen die Frage nach der „freien Endigung“ offen, um am Schluss noch mit einigen Worten darauf zurück zu kommen. — Diese Bildungen sind leicht in grosser Menge in den Präparaten zur Anschauung zu bringen, besonders bei. nur kurz dauernder Einwirkung des Chromosmiumgemisches. Ihrer Beschreibung durch Cajal, van Gehucehten, Kölliker haben wir kaum etwas beizufügen; die schönste Abbildung davon gibt Kölliker (l.e. pag. 416, Fig. 575). Die Verzweigung der Opticusfaser in viele feine, gewundene Aest- chen in fast lauter wenig spitzen, dem rechten sich nähernden Winkeln, so dass jede einzelne Faser in einen dichten Strauss aufgeht, ist charakteristisch für diese Gebilde; dagegen finden wir, dass der Annahme „knopfförmiger, oder hakenförmig um- gebogener freier Enden“ grosse Vorsicht entgegenzubringen ist; einen derartigen Anblick haben wir an vielen und zwar zum Theil an den besten unserer Präparate vermisst, wo die Aestchen ein- fach aufhörten, wie jede feine Faser, ohne dass man den Beweis hätte, dass hier wirklich die Faser und nicht nur die Imprägna- tion zu Ende ist. — Beim Hühnchen fanden wir nur eine sehr unordentliche, eben angedeutete Schichtung dieser Bäumehen in dem Sinne, dass zu äusserst flachgedrückte, mehr tangential aus- gebreitete, in der Mitte und Hauptmasse kugelige, in einer tief- sten Schicht wiederum tangential flachgedrückte Büsche liegen. Am besten liessen sich noch diese letzteren absondern, als eine schmale Zone unmittelbar über der Schicht 2a die Moleeulärlage 2d einnehmend. Weit deutlicher ist eine derartige, in gleichem Sinne angeordnete Schichtung bei der Spiegelmeise (Taf. VI, Fig. 5). Die tiefen, tangential ausgebreiteten Büsche kommen auch hier in die schmale Moleeularlage 2d zwischen den beiden Zellschichten 2y und 2a zu liegen. Bei einigermaassen vollständiger Imprägnation der Optieus- fasern ist die ganze Schicht 2 ein unentwirrbar dichter Plexus feinster Fasern, erscheint aber auch dann nach der Tiefe zu, im Niveau der Zellschicht 2a scharf abgeschnitten. Wir suchten vielfach nach Fortsetzung der Optieusfasern in tiefere Schichten, konnten aber niehts unzweideutig in diesem Sinne aufzufassendes nachweisen. Doch möchten wir daraus nicht folgern, dass eine solche Fortsetzung nicht möglich sei; das schiehtweise Vordringen Ueber den Bau des Lobus optieus der Vögel. 113 der Silberimprägnation lässt sich oft beobachten; so kommt es nicht selten vor, dass die in der Moleeularlage 2d liegende Ver- zweigung später zu besprechender Elemente der Schicht 3 allein, ausser Zusammenhang mit den zugehörigen Zellkörpern, ganz dieht imprägnirt ist. Die Zellen der Schicht 2, beim Hühnchen, wie ge- sagt, nur andeutungsweise in zwei Schichten geordnet und sonst durch die ganze Breite von 2 verstreut, bei den Singvögeln mit ausgesprochener Anordnung in zwei besondere Schichten, sind sehr wahrscheinlich alles Zellen vom zweiten Typus von Golgi, d.h. solche, deren Axenfortsatz in der Nähe der Zelle, jedenfalls aber innerhalb des Organs sich gänzlich auffasert. Wir haben solche Elemente in Taf. VI, Fig. 2 u. VI, Fig.3?3 darge- stellt. Es finden sich im Wesentlichen zwei Typen: 1. tangential gelagerte, spindelförmige Elemente, die sehr an die Cajal’schen Zellen der Grosshirnrinde erinnern; ihr Axenfortsatz, meist von einem Protoplasmafortsatz in einiger Entfernung vom Zellkörper entspringend, nimmt meist wenigstens zu Anfang ebenfalls tangen- tialen Verlauf (Taf. VI, Fig. 3°). Die Protoplasmafortsätze durch- laufen oft sehr lange Strecken in fast gerader Richtung; 2. un- gefähr kugelige oder stumpf polyedrische Zellen mit, zahlreichen, gewundenen, vielfach verzweigten und dormenbesetzten Proto- plasmafortsätzen, die in sphärischer Anordnung um den Zellkörper nach allen Richtungen streben; ihre Axenfortsätze geben zahl- reiche Aeste innerhalb der Schicht 2 ab und streben oft mit einem Hauptast nach der Tiefe in die Schicht 3; über den Plexus von 3 hinaus haben wir sie aber nicht verfolgen können (Taf. VI, Fig. 3°). Zwischenformen zwischen diesen beiden Haupttypen, den tangential spindelförmigen und den sphärischen Zellen, sind häufig (Taf. VI, Fig. 2). Alle diese Elemente erfüllen mit ihren Axen- fortsätzen und deren Collateralen die Schicht 2 mit einem dichten Plexus, der natürlich bei einigermaassen vollständiger Imprägnation aus dem der Opticusfasern selbst gar nicht zu entwirren ist. Was alles noch aus tiefern Schichten in die Schicht 2 eintritt, darauf kommen wir später. Die Zellschicht 2a ist offenbar ein hervorragend wich- tiger Theil des Organs; wir fanden sie bei allen untersuchten Species in annähernd gleicher Weise differenzirt. In ausgezeich- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 3 114 PERS: neter Weise imprägnirt erhielten wir sie besonders bei Hühner- embryonen vom 14.—15. Tage, und zwar bei kurzer Einwirkung der Chromosmiummischung (24—48 Stunden) und fast ausschliess- lich an Stücken, die nicht mehr von den Meningen bedeckt wa- ren; an anderen Präparaten erschienen zwar oft einzelne Zell- individuen dieser Schicht {wie sie z. B. van Gehuchten ab- bildet), aber nicht eine reichliche und zusammenhängende Im- prägnation ihrer Elemente. Die früheren Arbeiten über den Lobus optieus geben keine genügende Einsicht in die Zusammensetzung dieser sehr auffallenden Zellschieht, wie sie überhaupt über die Zellen 2. Typus des Organs sich nur sehr wenig eingehend äussern. Alle kleinen Zellen dieser Sehicht gehören zum 2. Typus von Golgi; und zwar sind diese kleinen Zellen die überaus grosse Mehrzahl; auf die spärlichen grossen Zellen kommen wir zurück. Taf. VI, Fig. 2 stellt ein Stück eines solchen Präparates dar; die Zeichnung ist, soweit sie die Schieht 2a angeht, nicht combinirt, sondern die möglichst getreue Wiedergabe einer einzigen Stelle des Objeets; nur in den oberflächlichen Theilen der Schicht 2 wur- den, um die durch Niederschläge bedingten Lücken im Bilde zu decken, aus, andern Gegenden desselben Objects entnommene Zellen der Schicht 2 eingezeichnet. Die Zellkörper sind klein, spindelförmig. Der nach der Oberfläche gerichtete Pol entsendet regelmässig einen Protoplasma- fortsatz in radialer Richtung nach der Oberfläche zu; dieser trägt reichliche kurze Seitenzweige, theilt sich auch gelegentlich bald nach dem Abgang vom Zellkörper in zwei Hauptäste; an günstigen Stellen (d. h. wo die an den meisten gelungenen Präparaten der Schicht 2 a störenden oberflächlichen Nieder- schläge fehlen) kann man beobachten, wie die Enden dieser Fortsätze bis hart unter die Optieusfaserschicht reichen und sich da noch eine kurze Strecke tangential umbiegen. Der Axenfortsatz entspringt fast ausnahmslos vom tiefen Pol der Zelle, verläuft eine kurze Streeke radial nach der Tiefe und löst sich dann sofort in zahlreiche feine Aestehen auf. Die Gesammtheit dieser Fortsätze mit ihren Verzweigungen bildet eine der Zellschicht 2 a parallel folgende Zone eines äusserst dichten und feinen Nervenfaserplexus. Die Zone grösster Dichte dieses Plexus er- Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 115 reicht etwa das erste äussere Drittel der Schicht 3 !); dann ver- mindert sich seine Dichte allmählich, und nur einzelne Fasern lassen sich durch die ganze Tiefe der Schicht 3 verfolgen. Aber ebensowenig, wie nach innen, hat dieser Plexus nach aussen eine scharfe Grenze; unzählige Fasern streben aus ihm rück- läufig in die Schicht 2, wo sie mit dem wohl physiologisch gleichwerthigen Nervengeflecht der eigenen Zellen dieser Schicht, sowie den Verzweigungen der Optieusfasern sich unentwirrbar vermischen. Es ist noch zu bemerken (siehe Taf. VI, Fig. 2), dass einzelne Zellindividuen gleicher Art auch ausser dem Ver- bande der Schicht 2 a bis ziemlich tief in die Schicht 3 hinein sich finden. Es steht also fest, dass eine mehrfache Lage ganz dicht gestellter Zellen vom zweiten Typus von Golgi den Hauptbe- standtheil der Schicht 2a ausmacht, welehe Schicht sieh in gleichmässiger Weise durch das ganze optische Dach ausbreitet. Die grösseren Zellen von 2a scheinen nach ihrer Bedeutung schon den grösseren Elementen der Schicht 3 nahe- zustehen; es gelingt wenigstens in vielen Fällen, ihren Axen- fortsatz in eine centralwärts verlaufende Faser zu verfolgen. Taf. VI, Fig. 2 stellt einige dieser Elemente dar, unregelmässig polyedrische Formen mit nach verschiedenen Richtungen, weder streng radial noch ausgesprochen tangential, auseinander streben- den Protoplasmafortsätzen; der starke Axenfortsatz strebt radial der Tiefe zu, nachdem er in Form von Collateralen auch seinen Autheil an den Plexus der kleinen Zellen von 2a abgegeben hat. Einen anderen Typus dieser Elemente stellt Taf. VI, Fig. 3° dar (von der Spiegelmeise, ganz älınliche Zellen finden sich aber auch beim Hühnchen). Der Zellkörper ist spindelförmig, radial orientirt; ein starker Spitzenfortsatz verläuft, gegen das Ende vielfach verzweigt, bis hart unter die Optieusfaserschicht, oft mit tangentialer Umbiegung der Enden; in manchen Fällen gibt dieser Fortsatz nahe seinem Ursprung vom Zellkörper, und zwar innerhalb der mehrerwähnten Molecularlage 2 ö, tangentiale 1) Maasse geben wir absichtlich nicht, da sie ganz verschieden ausfallen, ob beim 14-, 16- oder 1Stägigen Embryo gemessen, ebenso verschieden sind sie beim gleichen Object an Chromsilber- oder an Subli- matpräparaten. 116 F. Ris: Aeste ab; vom tiefen Pol der Zelle geht ein Büschel Protoplasma- fortsätze ab, die, vielfach verzweigt und sehr fein, kelchförmig auseinanderstrahlen. Aus der Mitte dieses Büschels tritt der Axenfortsatz hervor, der zur centralen Faser wird; häufig gibt dieser Axenfortsatz ein Büschel rückläufiger Collateralen ab, die sich in der Region der kelehförmig ausgebreiteten Protoplasma- foptsätze ganz ähnlich anordnen, wie diese selbst. Diese Ele- mente bilden an gewissen Präparaten (siehe auch van Ge- huchten’s Fig. 5) eine eigene tiefere Lage der Zellschicht 2 a; doch fanden wir darin keine Constanz, die uns berechtigte, sie der Schicht 3 zuzurechnen, wo sie eigentlich physiologisch hin- gehören. Die Taf. VI, Fig. 3* (von der Spiegelmeise) dargestellte Zelle zeigt bei ziemlich starkem radialwärts in die Tiefe streben- dem Axenfortsatz eine sehr eigenthümliche protoplasmatische Verzweigung innerhalb der Moleeularschicht 25; da es sich aber dabei um eine ganz vereinzelte Beobachtung handelt, wissen wir nicht, ob eine derartige Zellform einem zahlreicher vorhan- denen Typus entspricht; Cajal bildet etwas damit Vergleich- bares ab (l. e. Fig. 4). Die Schieht 3: Die Hauptmasse ihrer Elemente bilden zwei Zelltypen: 1. die grossen Spindelzellen mit nach der Tiefe, centralwärts, verlaufendem Axenfortsatz, 2. die kleinen Spindel- zellen, deren Axenfortsatz nach der Oberfläche zu verläuft. Dass daneben Zellen vom 2. Typus aus 2 a bis in die Schieht 3 sich verstreuen, haben wir schon bemerkt; ebenso werden wir Zell- individuen von der Form, wie sie der Schicht 4 angehört, ver- einzelt auch in 3 finden. Die grossen Spindelzellen: Ein spindelförmiger, radiär orientirter Zellkörper sendet einen ganz feinen wellen- förmig verlaufenden, mit feinsten Seitenfäserchen versehenen Protoplasmafortsatz nach der Tiefe, meist bis tief in die Schicht 4 hinein; vom Beginn dieses Fortsatzes, sowie vom Zellkörper selbst gebt eine besonders grosse Menge feinster Seitenästehen ab; der nach aussen gerichtete Pol der Zelle verlängert sich in einen sehr starken Protoplasmafortsatz, welcher, oft in zwei Hauptäste getheilt, in radialer Richtung bis unter die Optieus- faserschicht verläuft; von ihm gehen zahlreiche Seitenästchen aus, die auf seinem ganzen Verlauf vorkommen, aber in der zellarmen Zone unterhalb der Schicht 2 a besonders dieht stehen Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 117 und sich auch gegen das Ende der Fortsätze in Schicht 2 etwas häufen. Der Axenfortsatz dieser (von allen Autoren ungefähr übereinstimmend beschriebenen) Zellen nimmt mit grosser Regel- mässigkeit seinen Ursprung von dem peripheren starken Proto- plasmafortsatz; er biegt sogleich scharf um und verläuft als eentralwärts strebende Faser nach der Schicht 5. Auf diesem Verlauf gibt er etwa in der Höhe des zugehörigen Zellkörpers und oft fast unentwirrbar mit dessen basalen Protoplasmafort- sätzen verflochten, viele feine Collateralen ab, die zusammen einen Hauptantheil des dichten Nervenplexus in den tieferen Lagen von Schicht 3 bilden; in diesen Plexus geht, wie wir schon ausführten, der Plexus der Golgi'schen Zellen von 2a allmählich über. Dies ist die Form der grossen Spindelzellen beim Hühnchen (Taf. VII, Fig. 1°). Nach unsern Erfahrungen modifizirt sich die Gestalt dieser Zellen bei anderen Vogelarten nicht unwesentlich. Eine besonders weitgehende Modification fanden wir bei der Spiegelmeise (Taf. VI, Fig. 3 & 68‘), Hier ist der Zellkörper rundlicher; der starke periphere Protoplasmafortsatz bleibt regelmässig auf eine längere Strecke ohne Seitenäste, bis er in ein äusserst dichtes, fein ver- zweigtes Bäumchen von ungefähr sphärischen Umrissen ausein- ander fährt. Diese Bäumehen nehmen mit grosser Regelmässig- keit die (wie oben erwähnt bei den kleinen Singvögeln fast zellenfreie) Lage unmittelbar unter der Schicht 2a ein; nur wenige Zweige dieser eigenthümlichen Verästelung dringen durch 2a bis in die Schicht 2 vor. Die Lage dieser Bäumchen ent- spricht übrigens ungefähr derjenigen, wo der entsprechende Zell- fortsatz des Hühnchens den grössten Reichthum an Seitenästen aufweist. Der Ursprungsort des Axenfortsatzes ist fast immer, gleich wie beim Hühnchen, der Stamm dieses Bäumchens, mit sofortiger Umbiegung nach der Tiefe; auch seine Collateralen sind entsprechend. Hie und da fanden wir indessen Zellindivi- duen (Taf. VI, Fig. 3 6% P), sehr oberflächlich, oder dann sehr tief in der Schicht 3 gelegen, bei denen der Axenfortsatz vom tiefen Pol des Zellkörpers abging. Der nach der Tiefe gehende Protoplasmafortsatz der grossen Spindelzellen ist hier viel unregelmässiger als beim Hühnchen; dafür finden wir meist ein stärkeres Büschel vom Zellkörper selbst abgehendeı basaler Fortsätze. 118 E.MRrs: Die kleinen Spindelzellen häufen sich etwas mehr in den äusseren Theilen der Schicht 3 an, während die eben beschriebenen grossen in den inneren Theilen dichter stehen. Sie dürften in ihrem Volum durchschnittlich weniger als die Hälfte der grossen erreichen; ihre Zahl ist ausserordentlich gross. Vom tiefen Pol des Zellkörpers geht wiederum ein feinster, wellenförmig verlaufender Protoplasmafortsatz nach der Tiefe der Schicht 4, mit zahlreichen feinsten kurzen Seitenzweigen. Der Fortsatz des peripheren Pols erreicht in radialem geraden Ver- lauf die Optieusfaserschicht; innerhalb der Schicht 3 sind seine Seitenästehen spärlich und kurz; sobald er aber die Zellschicht 2 a passirt hat, gibt er ein dichtes Büschel tangential verlaufen- der Aeste ab, die gewunden und vielfach verzweigt sich ganz flachgedrückt in der mehrerwähnten Molecularlage 2 ö ausbreiten ; der Stamm setzt sich nach Abgabe dieses Büschels feiner fort und oft sieht man seine Enden unter der Optieusfaserschicht tangential umgebogen. Der Axenfortsatz dieser Zellen entspringt ausnahmslos von dem peripheren Plasmafortsatz, meist eine er- hebliche Strecke vom Zellkörper entfernt; er verläuft diesem Fortsatz parallel und oft sehr nahe (da er aber sehr fein ist, ist seine Erkennung als Axenfortsatz bei guten Präparaten leicht); genau in der Höhe der tangentialen Verzweigung des Plasma- fortsatzes bildet auch der Axenfortsatz eine durchaus ähnliche und ebenso auf die Lage 2 ö zusammengedrückte Verzweigung; sein Stamm verläuft dann weiter peripherwärts, und in einzelnen Fällen konnten auch wir beobachten wie er zweifellos in tangen- tialer Umbiegung sich der Opticusfaserschicht anschloss. Cajal schreibt die Verästelung in 26 den Axenfortsätzen, van Ge- huchten dagegen den Protoplasmafortsätzen allein zu; es ist aber zweifellos, dass beide Elemente in ungefähr gleichem Maasse daran theilnehmen. Der Plexus in 2 ö ist ausserordentlich dicht, zumal da hier noch die plattgedrückten Verästelungen der tiefen Opticusfasern liegen; es kommt nicht zu selten vor, dass sich eine isolirte, diehte Imprägnation dieses Plexus einstellt, ohne gleichzeitige Schwärzung der zugehörigen Spindelzellen. Die Form der kleinen Spindelzellen ist ungefähr die gleiche beim Hühnchen (Taf. VII, Fig. 1°), wie bei der Spiegelmeise (Taf. VI, Fig. 5°). Doch kommen hie und da Abweichungen von diesem regelmässigen Typus vor, so Taf. VI, Fig. 5%, wo die Verzwei- Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 119 sung m 2 ö fehlt und dafür Protoplasma- und Axenfortsatz sich ‘in der äusseren Hälfte der Schieht 2 je in ein dichtes, fein verästeltes, sphärisches Bäumchen auflösen, welche beiden Bäum- chen sich gegenseitig durchflechten. Diese kleinen Spindelzellen werden von den Autoren als Ursprung von retinawärts verlaufenden und dort endenden Fasern beschrieben. Wie bemerkt haben auch wir zweifellos den An- schluss ihrer Axenfasern an die Optieusbündel gesehen (Taf. VI, Fig. 3%), können aber nicht unterlassen, einen kleinen Vorbehalt zu machen: einmal ist die Anzahl solcher Zellen ausserordent- lich gross (so dass also auch eine sehr grosse Menge im Traetus peripherwärts verlaufender Fasern vorauszusetzen wäre), und dann erscheint es uns etwas gewagt, so feinen Axenfasern so kleiner Zellen einen derartig weiten Verlauf zuzuschreiben. Zellen vom zweiten Typus kommen in Schicht 3 ausser in ihren äusseren Theilen, wo sie gewissermaassen als versprengte Elemente der Schicht 2a aufgefasst werden können, auch in tieferen Lagen vor. Wir beobachteten besonders eine Form (Taf. VI, Fig. 38), bei der der Axenfortsatz vom peri- pheren Pol eines spindelförmigen Zellkörpers entspringt, nach mehr oder weniger langem radialen Verlauf (oft bis nahe an die Schieht 2a) umbiegt, parallel dem ersten Theil des Verlaufs radial nach der Tiefe strebt und sich in zahlreiche Collateralen auflöst; ein basaler Protoplasmafortsatz dieser Elemente löst sich ungefähr in derselben Region ebenfalls in eine feine Verästelung auf. Die Axenfortsätze dieser Zellen, die wir meist nur in ge- ringer Zahl imprägnirten, bauen mit den Collateralen der grossen Spindelzellen einen grossen Theil des tiefen Plexus der Schieht 3 auf; von den Axenfasern der kleinen Spindelzellen sahen wir innerhalb der Schicht 3 nur ganz ausnahmsweise eine feine Collaterale abgehen. Eine sehr wichtige Quelle für den Plexus der Schicht 3 bilden aber noch Verzweigungen von Nervenfasern unbekannter Herkunft, welche aus der Tiefe von Schicht 5 aufstreben und in Schicht 3, etwa in der Höhe der grössten Anhäufung grosser Spindelzellen sich in höchst charakteristischer Weise verzweigen (Taf. VII, Fig. 2). Cajal gibt (l. e. pag. 355, Fig. 5) eine Beschreibung und Abbildung dieser Verzweigungen, die unseren Beobachtungen entspricht. Er nimmt mit einigen Vorbehalten an, dass es sich um Elemente 120 FirRis: der Neuroglia handelt; bei van Gehuchten findet sich nichts über dieselben, wenn nicht Fig. 5n und Fig. 10n (l.e.) als ebenfalls für Glia gehaltene Fragmente derselben angesehen werden müssen; Kölliker erwähnt diese Dinge nicht. Wir müssen diese Gebilde für Nervenfasern halten und glauben, durch unsere Abbildung und Beschreibung diese Anschauung genügend zu stützen. Wie Cajal erhielten wir sie am leichtesten bei Hühnerembryonen vom 16.—18. Tage, vermissten sie aber auch nicht bei den Singvögeln. Eine aus der Tiefe kommende sehr dieke Faser biegt sich etwa in der Höhe der grossen Spindelzellen von Schicht 3 haken- förmig, oft schraubenförmig um. Von dieser Umbiegungsstelle streben zahlreiche feine Fasern radialwärts nach der Oberfläche, die einzelnen Fasern in fast parallelem Verlauf ein dichtes Büschel bildend; die sichtbaren Enden dieser Fasern reichen meist bis etwa in die Mitte der Schicht 2, nicht selten aber auch bis hart unter die Opticeusfaserschicht. Sie verzweigen sich dabei vielfach in ganz spitzen Winkeln, so dass das Bündel immer eng beisammen bleibt; kurze, mehr stumpfwinklig ab- gehende Seitenästchen, welche das ganze Bild noch mehr com- pliciren, sind auf dem in Taf. VII, Fig. 2 abgebildeten Entwicklungs- stadium noch spärlich imprägnirt. Von der Umbiegungsstelle der starken Faser gehen aber ausser dem radialen Büschel noch eine Anzahl feinster kurzer Fäserchen aus, die um diese Stelle oft einen dichten Schopf bilden und aus deren Gewirre sich längere feine Aestehen absondern, um rückläufig in die tieferen Theile der Schicht 3 zu streben, wo sie am Aufbau von deren Plexus reichen Antheil nehmen. Eine oft zu beobachtende Ver- diekung der Umbiegungsstelle der Fasern scheint uns ein Kunst- produkt zu sein: zwischen den zahllosen feinsten Fäserchen lagern sich da, wo sie an ihrem Ursprung noch ganz nahe bei- sammen liegen, Niederschläge ein; bei ganz feiner Imprägnation fehlt die Verdiekung. Diese merkwürdigen Gebilde sehen wir aus einem Bündel dieker Fasern aufsteigen, welches ungefähr in der Richtung der centralen optischen Fasern den Ventrikel umkreisend sich nach der Basis zu bis in die Gegend der Ganglien des Lobus optieus verfolgen liess. Wir können an der nervösen Natur dieses Faser- bündels nicht zweifeln, schon nieht wegen seines Verlaufes und Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 121 seiner Zusammensetzung, dann aber auch deswegen nicht, weil wir einen deutlichen Anfang von Myelinisirung (bei Embryonen vom 18. Tage) an den Fasern constatirten in Form der für etwas myelinhaltige Fasern charakteristischen rothen, stellenweise in Tropfen zusammengeflossenen Chromsilberimprägnirung. Die Her- kunft der einzelnen, sich so eigenthümlich verästelnden Fasern aus dem myelinisirten Bündel konnten wir in der Taf. VII, Fig. 2 dargestellten Weise nicht nur an der abgebildeten Stelle, sondern noch an manchen andern Orten ganz unzweifelhaft nachweisen. Die auf der rechten Seite der Figur abgebildete Theilung der dieken Faser in mehrere gleichwerthige Aeste in der Tiefe von Schicht 3 ist kein seltenes Vorkommniss. Von der umgebogenen Theilungsstelle ab scheinen unsere Fasern auch beim heranwachsenden Thier marklos zu bleiben. Wir sahen sie beim vor 2—3 Tagen ausgeschlüpften Hühnchen, das entsprechend seinem vorgeschrittenen Entwieklungsgrad einen ganz myelinisirten Lobus opticus hat, von diesen Theilungsstellen ab in ganz gleich charakteristischer Weise imprägnirt, wie bei den Embryonen. Nur erreichte hier die Verzweigung, haupt- sächlich durch das Hinzukommen zahlreicher kurzer Seitenäst- chen eine solche Dichtigkeit, dass nicht daran zu denken war, sie durch Zeichnung einigermaassen entsprechend wiederzugeben. An denselben Schnitten fand sich reichliche Imprägnation der Ependym-Gliafasern, welche durchaus verschiedenen Anblick bie- tend an diesem Präparat lauter feine Fasern waren, die unver- zweigt in geradester Richtung von ihrem tiefgelegenen Zellkörper aus radial nach der Oberfläche strebten. Wir versuchten, der Herkunft dieses merkwürdigen Faser- bündels auf die Spur zu kommen, gelangten aber zu keiner be- friedigenden Einsicht. Weigert’sche Präparate an Embryonen verunglückten und der Einbruch des Winters schnitt uns dann die fernere Zufuhr von geeignetem Untersuchungsmaterial vor- läufig ab. Aus Weigert’schen Präparaten von erwachsenen Thieren war bei der grossen Complication der Gegend nichts beweisendes zu entwirren. Wir wissen also nicht mehr, als dass dieses Faserbündel ungefähr auf dem gleichen Wege, auf dem die centralen optischen Fasern (die Axenfasern der grossen Spin- delzellen ete.) das optische Dach verlassen, in dasselbe eintritt. Wie seine Wege sich gestalten, sobald es die Region des opti- 122 PHRis: schen Daches verlässt, darüber können wir uns nicht weiter äussern, da die Beobachtungen kein befriedigendes Resultat er- geben haben. Auch Cajal (l. e. Fig. 4s) und van Gehuchten ([. e. Fig. 10) erwähnen aus der weissen Substanz der Tiefe in das Dach eintretende und daselbst sich verzweigende Fasern. Es handelt sich aber dabei offenbar nicht um die eben beschriebe- nen; Cajal hat, wie gesagt, diese auch gesehen, aber als Glia gedeutet, und seine Fig. 4 s stellt etwas dar, was in dieser Form zu sehen uns nicht gelungen ist; die Faser von Fig. 10 van Gehuchten’s beweist wenig, so kann ein Bruchstück fast jeder beliebigen nervösen Verästelung aussehen. 4. Die Schieht 4. Auf die Schicht 3, die Schicht der Spindelzellen, folgt zunächst nach der Tiefe zu eine zellenarme Zone, wo noch einzelne spärliche Spindelzellen neben ebenfalls spärlichen Individuen vom Typus der Zellen von 4 sich finden (Cajal’s 12. Schicht); bald aber nimmt die Zahl der letzteren zu und ergibt das charakteristische Bild der Schicht 4, zu der wir rationeller Weise auch die zellarme Uebergangszone rechnen. Die grossen Zellen der Schicht 4 gehören alle einem ein- heitlichen Typus an: Ein unregelmässig polyedrischer Zellkörper sendet nach der Tiefe zu einen ziemlich feinen Axenfortsatz, der sich, sofort nach dem Austreten aus der Schicht tangential um- biegend, den den Ventrikel umkreisenden Bündeln der central- wärts verlaufenden Fasern anschliesst ; ausnahmsweise entspringt dieser Axenfortsatz statt vom Zellkörper von einem der Proto- plasmafortsätze in dessen Nähe. Nach der entgegengesetzten Seite, d. h. nach der Oberfläche des Organs zu, geht von dem Zell- körper ein System enorm langer Protoplasmafortsätze aus, die in ihrer Gesammtheit einen flachen Conus umspannen, dessen Spitze der Zellkörper bildet, dessen Basis etwa in die Mitte der Schieht 2 verlegt werden muss. An radialen Schnitten erscheint natürlich nur ein Querschnitt dieser Ausbreitung (Taf. VII, Fig. 1° und besonders die schematische Darstellung Taf. VII, Fig. 5); günstig gelegene tangentiale Schnitte zeigen aber, dass derartige Fortsätze gleichmässig nach allen Radien des oberflächenwärts geneigten Conus ausstrahlen. Diese Fortsätze beginnen in nicht sehr grosser Zahl und meist in stark tangentialer Richtung am Zellkörper; jeder einzelne verzweigt sich zunächst spitzwinklig Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 123 in mehrere Hauptäste (meist noch innerhalb der Schicht 4), die die stark tangentiale Richtung beibehalten, so dass man über jeden dieser Hauptäste in fast gerader Linie zu einem vom Zell- körper in 4 sehr weit entfernten Punkt der Schicht 2 gelangen kann. Von diesen Hauptästen zweigen sich viele Nebenäste ab, die mehr und mehr der radialen Richtung in recht- und spitz- winkliger Verästelung zuneigend, schliesslich als äusserst feine, spitzwinklig verästelte Fäserchen etwa in der Mitte der Schicht 2 ihr Ende finden (Taf. VII, Fig. 1). Wir gelangen also vom Zellkörper zu einem beliebigen Punkt an der Basis des Conus, den die Zelle umspannt: zu den peripheren Punkten direkt über die Hauptäste und ihre Verlängerung, zu den centralen über die Nebenäste. Bei der enormen Ausdehnung einer einzelnen solchen Zellver- ästelung verflechten und bedecken sich natürlich die Gebiete der verschiedenen Zellen des gleichen Typus in unentwirrbarer Weise; man kann annehmen, dass in dem Gebiet, welches eine dieser Zellen umspannt, Theile des Gebietes von vielen Hunderten der gleichen Art enthalten sind. Diese Verzweigung gibt Präparaten, wo die Imprägnation dieser Zellgruppe isolirt erfolgt ist, ein sehr eigenthümliches Aussehen: Die Schicht 4 enthält ausser den grossen Zellkörper ein dichtes Gewirr spitzwinklig-tangential verlaufender, in allen Richtungen sich kreuzender Fortsätze; im Verlaufe durch die Schieht 3 werden diese feiner und feiner; die radiale Richtung accentuirt sieh mehr und mehr, und endlich in der innern Hälfte der Schicht 2 finden wir einen diehten Wald radial-spitzwinklig verzweigter feinster Fäserchen. — Bemerkenswerth ist die Nei- sung dieser Verästelung zum geradlinigen Verlauf jeder einzelnen Faser. In der Regel finden wir auf den gröbern und mittelfeinen Zweigen in unregelmässigen Abständen feine knötchenförmige Verdiekungen, in gleicher Weise, wie dies als ein bei der Chrom- silberimprägnirung von feinen Nervenfasern häufig auftretendes Phänomen bekannt ist. Wir glauben, dass unsere Figuren dem sehr eigenthümlichen Charakter dieser Verästelung besser gerecht werden, als die bisher davon bestehenden Abbildungen. Diesem Zelltypus der Schicht 4 sind wenig zahlreiche Ele- mente beizurechnen, die in verschiedenen Höhen der Schicht 3 liegen, bis nahe an 2a heranreichend (Taf. VI, Fig. 3°). Ent- 124 BAHR TS: sprechend ihrer grösseren Nähe an der Oberfläche des Organs und ihrer geringeren Grösse ist das Gebiet, das sie mit ihren Fortsätzen umspannen, viel kleiner als bei den in 4 gelegenen Zellen; der Gesammtcharakter der Verästelung ist aber derselbe. Vom Axenfortsatz dieser in Schicht 3 versprengten Elemente sahen wir zahlreiche Collateralen ausgehen und sich am Plexus der Schicht 3 betheiligen. Dagegen gelang es uns niemals, am Axenfortsatz der in 4 gelegenen grossen Zellen Collateralen auf- zufinden, womit natürlich nicht bewiesen ist, dass solche fehlen müssen. Es gelang uns ebenso wenig, einen Nervenplexus in Schicht 4 zu imprägniren; die Lücken zwischen den nieht sehr dieht stehenden grossen Zellen füllen die in dieser Lage schon zahlreich zusammenströmenden centralwärts strebenden Fasern aus, die sich später myelinisiren und so die „Gitterschicht“ Kölliker’s bilden, An den Schichten 2, 2a, 3 war bemerkenswerth die im Wesentlichen radiale Anordnung aller Elemente; tangentiale Ver- zweigungen, wie die der Moleeulärlage 2d, gewinnen für jedes einzelne Element keinen grossen Umfang; überall ausser in 2d sind solche ausserdem recht spärlich (wie nieht nur die impräg- nirten Stücke, sondern auch solche mit Zellfärbung beweisen). Im Gegensatz dazu ist der hervorstechendste Zug der Elemente von Schicht 4, das Umspannen eines in tangentialer Richtung weit ausgedehnten Gebietes durch die Verästelung jeder einzelnen Zelle. 5. Die Schieht der cerebralen Sehfasern ist, wie oben bemerkt, gegen die Schicht 4 beim Embryo noch nicht scharf abgegrenzt; sie wird es erst später mit der Myelinisirung ihrer Fasern. Ausser den cerebralen Sehfasern enthält sie noch das Bündel der von uns oben beschriebenen „Nervenfasern un- bekannter Herkunft“, die sich in den Schichten 2 u. 3 verästeln. Es scheint, dass diese Fasern sich von allen in der 5. Schicht zusammenkommenden zuerst myelinisiren, ein Umstand, der dazu verhelfen sollte, ihrer Herkunft auf die Spur zu kommen. 6. Die Ependymschicht. Die Gliaelemente des op- tischen Daches sind bei den von uns untersuchten embryonalen Vogelgehirnen zum allergrössten Theil ächte Ependymfasern, d. h. streng radial nach der Oberfläche verlaufende Verlängerungen des Ventrikelepithels. Die starr geradlinige radiale Richtung, so- wie die fein moosförmigen Fäserchen, die ihnen, wenigstens Ueber den Bau des Lobus optieus der Vögel. 125 in embryonalen Zustand, anhangen, lassen die Ependymfasern sofort erkennen; Fragmente derselben haben wir in Taf. VII, Fig. 2, den vollständigen Verlauf in der schematischen Figur auf Taf. VII, Fig. 5 abgebildet. — Auch von der dem Dache abge- wendeten Seite des Ventrikels senden mindestens ein Theil der Epithelzellen ihre Ependymfaser nach der Oberfläche des Daches; so sieht man an der unteren Seite des Organs Bündel von Ependymfasern die sich nach den Ganglien des Lobus wen- denden cerebralen Sehfasern im Bogen durchkreuzen und das Dach, welches sich hier allmählich auskeilt, erreichen. Aechte Neurogliazellen, d. h. aus dem Verband des Epen- dyms losgelöste Elemente, fanden wir beim Hühnchen nur spär- lieh und die Schicht 4 nach aussen nicht überschreitend; auch diese gingen stets in eine streng radiale geradlinige Faser aus, sowohl beim Embryo, wie in dem entwickelten Organ des 2—3 Tage alten Hühnchens; Theilungen konnten wir nie, weder an diesen, noch an den ächten Ependymfasern nachweisen. Bei den Singvögeln (Spiegelmeise) sahen wir die aus dem Ependym los- gelösten Gliazellen zahlreicher und höher hinauf, bis weit in die Schieht 3 hineinreichend. — Van Gehuchten hat nach unserer Ansicht vielfach unvollständig imprägnirte nervöse Elemente als Gliazellen angesprochen. Ueber die Ganglien des Lobus optieus gehen un- sere Untersuchungen nicht über die von Cajal (l. ce. p. 357 ff.) publieirten Ergebnisse hinaus. Nur schien es uns, dass die aus dem Dache stammenden cerebralen Sehfasern sich nicht, wie Cajal anzunehmen scheint, in dem mittleren Ganglion der vom Ventrikel ferner gelegenen Gangliengruppe vollständig auflösen, sondern dass sie dahin wohl zahlreiche, äusserst dichte Colla- teralenbüschel abgeben, mindestens zum Theil aber mit ihrem Stamme auf unbekanntem Wege weiterziehen. Es ist nieht daran zu denken, in der Kenntniss dieser Gegend wirkliche Fortsehritte zu machen, d. h. weitere Aufschlüsse über den Verlauf der optischen Bahnen im Vogelgehirn zu erlan- gen, ohne eine sorgfältige Analyse der Basis des Mittelhirns mit allen verfügbaren Methoden, eine Aufgabe, die zur Zeit ausserhalb ‚unseres Bereiches lag. Als „Ganglion des optischen Daches“ beschreibt Cajal einen kleinen Kern, der an dieses Dach da angelagert 126 KN@RFLS: ist, wo von der Basis her der Traetus optiecus sich über das- selbe auszubreiten beginnt. An Schnitten in der Richtung der langen Axe des Organs ist dieser Kern am besten zur Anschan- ung zu bringen. Er ist nach der Oberfläche zu begrenzt durch den Traetus; nach der Tiefe zu umkreist ihn ein Bündel starker Fasern, von denen ein Theil, den Ventrikel tangential umkreisend, in die tiefe Faserschicht des Daches sich verfolgen lässt (an Weigert- wie an Golgi-Präparaten), und deren Herkunft und Bedeutung uns unbekannt ist. Der kleine Kern richtet gegen den Traetus gewissermaassen einen Hilus, in den Fasern eintreten, welche sich sofort in langgestreckte, in den Radien des Kerns verlaufende, dichte Büschel auffasern. Diese Büschel, nach Cajal „Endigungen von Optieusfasern“, sahen wir zweifellos aus ächten Collateralen der Traetusfasern hervorgehen. Ueber die Zellen des Kerns haben wir nicht mehr ermittelt als Cajal. Ehe noch der Traetus diese Stelle erreicht, zieht er, bald nach dem Chiasma, über zwei andere, grössere und ziemlich gross- zellige Kerne hinweg, an welche seine Fasern ebenfalls ächte Collateralen abgeben. Die Zellen dieser Kerne fanden wir an der dem Traetus abgewendeten, tiefen Seite angehäuft, spindel- förmig; nach dem Traetus zu gehen sie in einen starken, langen Protoplasmafortsatz aus, der sich in ein dichtes Büschel viel ver- schlungener, sehr dorniger Aeste auflöst; eine geringere Anzahl gleicher Aeste gehen ohne gemeinsamen Stamm nach der ent- gegengesetzten Seite ab. Von den Axenfortsätzen dieser Zellen konnten wir nur kurze, jedesmal nach der Tiefe zu gerichtete Anfangsstücke zu Gesicht bekommen. Auch über die Bedeutung dieser Kerne ist uns nichts Näheres bekannt. Zusammenfassung unserer Resultate. 1. Am Aufbau der Schicht 2 nehmen Theil: a) von ner- vösen Verzweigungen: 1. Die Verästelung der Traetusfasern, 2. die Axenfasern der in Schicht 2 liegenden Zellen, welche mindestens in ihrer grossen Mehrheit dem zweiten Typus von Golgi angehören, 3. zahlreiche rückläufige Zweige aus dem Plexus der Zellen von 2a, 4. der periphere Theil der Veräste- lung der „Nervenfasern unbekannter Herkunft“ von Schicht 3, 5. Verästelungen des Axenfortsatzes der kleinen Spindelzellen von Schiebt 3 (diese der Mehrzahl nach auf die schmale Lage Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 127 206 beschränkt); b) von protoplasmatischen Verzweigungen: 6. die Fortsätze der zahlreichen Zellen der Schicht selbst in sphärischer und tangentialer Anordnung, 7. die Fortsätze der Zellen zweiten Typus von 2a, in radialer Anordnung in ihrer ganzen Ausdehnung, 8. die peripheren Fortsätze der Zellen ersten Typus von 2a, radial in ihrer ganzen Ausdehnung und in tangentialer Anordnung innerhalb der Lage 26, 9. die stark verzweigten Enden der peripheren Fortsätze der grossen Spindel- zellen von Schicht 3, 10. die peripheren Fortsätze der kleinen Spindelzellen von Schicht 3, in ähnlicher Weise verzweigt wie die Axenfortsätze derselben Elemente, 11. die feinsten, in die Schicht bis etwas über ihre Mitte radial aufsteigenden Enden der Fortsätze der grossen Zellen von Schicht 4. 2. Die auffallende Zellenschicht 2 a besteht zum weitaus grössten Theile, d. h. in ihren kleinen, spindelförmigen Elementen, aus Zellen des zweiten Typus; ihre Axenfortsätze erfüllen mit ihren dicht verflochtenen Zweigen die äussere Hälfte der Schicht 3 und geben einen starken Antheil rückläufiger Aeste an den Plexus von 2 ab. 3. Die Schicht 3 enthält: a) an nervösen Verzweigungen: 1. die bereits erwälnte Verästelung der Axenfortsätze der Zellen zweiten Typus von 2a, 2. zahllose Collateralen der als cen- trale optische Fasern nach der Tiefe ziehenden Axenfortsätze von Zellen ersten Typus, nämlich den grossen Zellen von 2a, den grossen Spindelzellen von 3 und den in 3 verstreuten Elementen von der Form der Zellen in 4, 3. Verzweigungen, wie es scheint nieht sehr zahlreicher in 3 gelegener Zellen zweiten Typus, 4. den Hauptantheil der äusserst reichen Ver- zweigung unserer „Nervenfasern unbekannter Herkunft“; b) an protoplasmatischen Verzweigungen: 5. die Fortsätze der grossen Spindelzellen, 6. Die Fortsätze der kleinen Spindelzellen, beide in radialer Anordnung, 7. die Hauptmasse der Fortsätze der Zellen von Schicht 4 auf ihrem Durchgang nach 2. 4. die grossen Zellen von Schicht 4 senden centralwärts einen Axenfortsatz, an dem wir Collateralen nicht nachweisen konnten; ebenso wenig konnten wir in Schicht 4 einen nervösen Plexus imprägniren. Mit ihren eigenthümlich starren, geraden Proto- plasmafortsätzen umspannt jede der grossen Zellen von Sehicht 4 ein tangential sehr ausgebreitetes Gebiet der oberflächlicher ge- legenen Schichten. 128 ESehiıE: 5. Die Fasern des Traetus optieus geben, an mehreren grauen Kernen der Basis des Mittelbirns vorbeiziehend, ächte Collateralen in diese Kerne ab, die letzten in den „Kern des optischen Daches“ von Cajal. 6. Eine vielfach wiederholte Beobachtung lehrt, dass proto- plasmatische und Axenverzweigungen, die derselben Zelle ange- hören, vielfach im selben Areal sich ausbreiten, so dass also eine bestimmte Zellkategorie das gleiche Areal mit protoplasma- tischen und axialen Geflechten erfüllt. 7. Die Gliaelemente des optischen Daches der Vögel stehen (mindestens im Embryonalzustand) auf der Stufe von einfachen, unverzweigten Ependymfasern, oder von aus dem Verbande des Epithels losgelösten Zellen, die ebenfalls in eine unverzweigte radiale Faser ausgehen. Cajal und besonders van Gehuchten haben an ihre anatomischen Untersuchungen des Lobus optieus ausführliche physiologische Disceussionen angeknüpft, um aus dessen Struetur die „dynamische Polarisation“ der Nervenzellen abzuleiten, im Sinne der von diesen Autoren weiter specialisirten Contakttheorie. Wir wollen ihnen auf diesen hypothetischen Boden. nicht folgen ; aus unseren Auseinandersetzungen dürfte hervorgehen, dass die Complieation gerade dieses Organs eine so grosse ist, das es gewagt erscheint, dasselbe als Prüfstein für allgemeine anatomisch- physiologische Lehrsätze zu benutzen. Wenn wir z. B. in der Schicht 2, bei möglichster Vereinfachung der Zellkategorien, nicht weniger als 11 verschiedene Verzweigungsgruppen, 5 axiale und 6 protoplasmatische im selben Gebiete sich vereinigen und deeken sehen, so muss es als zur Zeit ganz hoffnungslos be- zeichnet werden, im Verlauf der nervösen Erregung auf diesem Boden klar sehen zu wollen. Was die Contakttheorie an sich, ohne die auf dieselbe aufgebaute weitere Hypothese der „dyna- mischen Polarisation“, betrifft, so gestehen wir, dass es für unsere Vorstellung vom Verlauf der nervösen Erregung ganz einerlei ist, ob wir Contakte oder Continuitäten zwischen den einzelnen Elementen des Nervensystems annehmen; die Compli- cation und gegenseitige Durchflechtung dieser Elemente zeigt sich an den Chromsilberpräparaten als eine so hochgradige, dass es uns eben weder auf dem einen, noch auf dem andern Wege gelingt, uns vorzustellen, was etwa, physikalisch gedacht, bei ihrer vitalen Thätigkeit zwischen diesen Elementen vorgehen Ueber den Bau des Lobus opticus der Vögel. 129 könnte. Die geläufigen, von den elektrischen Inductionsapparaten in ihren mannigfaltigen Formen hergenommene Vorstellungen über diese Vorgänge dürfen doch nur als eine zwar bequeme aber doch recht rohe Symbolik aufgefasst werden, der wir auf die Auffassung anatomischer Befunde nur mit grosser Vorsicht einen Einfluss gestatten können. Die stärkste Stütze der Con- takttheorie scheint uns die morphologische Auffassung zu sein, welche in jeder Zelle des Körpers ein Individuum sieht und Verschmelzungen dieser Zellindividuen ohne direkten Beweis nicht anzunehmen geneigt ist. Diesen Beweis anzutreten hat neuerdings Apäthy!) mit neuen Methoden unternommen. Seine grosse Arbeit verfehlt nicht, durch die ausserordentliche Sorgfalt und Gründlichkeit der Untersuchungen einen bedeutenden Eindruck zu machen. Bewähren sich seine Resultate, so stellt uns Apäthy nichts weniger in Aussicht, als die Bestätigung des Gerlach-Max Schultze’schen allgemeinen Nervennetzes, natürlich mit der durch die neuen Methöden gegebenen Verfeinerung der Resultate und Vertiefung der Erkenntniss.. Ueber das Materielle der Apäthy’schen Studien zu urtheilen, erklären wir uns gänzlich incompetent. Dagegen müssen wir diesem Forscher durchaus beistimmen, wenn er die Forderung aufstellt, zur Entscheidung allgemeiner Fragen über den Bau des Nervensystems sei von den einfachen Typen dieses Baues bei niederen Thieren auszu- gehen, welcher Forderung er selbst gerecht wird, indem er seine Anschauungen an den Hirudineen entwickelt. Es ist zweifellos ganz verkehrt, von unbewiesenen physiologisch-psychologischen Lehrsätzen aus die anatomischen Befunde am Nervensystem interpretiren und modifiziren zu wollen, wie das heutzutage viel- fach geschieht. Der am meisten versprechende Weg, um zu klaren anatomischen Anschauungen auch über die complicirtesten Hirntheile höherer Thiere zu kommen, ist der, zuerst an niedern Formen die allgemeinen Dinge aufzudecken (wovon wir noch ziemlich weit entfernt sind) und dann von da aus in die Ge- heimnisse der verwickelteren Strueturen vorzudringen. Auf diesem gleichen, nach unserer Ansicht richtigen Wege, gehen natürlich auch die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen. Inzwischen, bis einmal die wahre Structur des nervösen Elements aufge- 1) Mittheilungen aus der zoolog. Station zu Neapel. 12. Bd. 4. H. 1897. Archiv f. mikrosk, Anat, Bd, 53 9 130 F. Ris: Ueber den Bau des Lobus optieus der Vögel. deckt ist, behalten natürlich auch Untersuchungen, die sich mit dieser nicht befassen (wie z. B. auch die unsrige) ihren Werth; nur sollten sie sich, wie wir glauben, von Speculationen fern halten, denen ohne die Kenntniss der intimeren Structur jeder thatsächliche Boden fehlt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI u. VII. Taf. VI, Fig. 1-3 und Taf. VII, Fig. 1—2 sind mit Obj. 5, Oc. 2 von Leitz (Vergr. ca. 250) und einer Camera lueida nach Abbe& ge- zeichnet. Bei der Vervielfältigung sind die Originalien dann zur bessern Raumausnützung in etwas verschiedenem Maassstabe verkleinert worden, so dass die Vergr. 250 auf die unten stehenden Zahlen redu- eirt wurde. Tafel VI. Fig. 1. Vgr. 188. Streifen eines Querschnittes durch das optischeDach vom l6tägigen Hühnerembryo. Sublimatfixirung, Safraninfärbung, 7,5 u dicker Paraffinschnitt. 1. Optieusfaserschicht. 2, 2a, 3, 4, 5 die im Text beschriebenen verschiedenen Schichten des Daches. 6. Ependymschicht. Fig. 2. Vgr. 188. Die kleinen Spindelzellen der Schicht 2a vom l4tägigen Hühnerembryo. Ein Theil der oberflächlich gelegenen Zellen der Schicht 2 ist aus andern Stellen des gleichen Präparates ergänzt. Fig. 3. Vgr. 150. Die Schichten 1—3 von der Spiegelmeise, aus verschie- denen Stellen und Schnitten des gleichen Organs zusammenge- stellt. 1. Verzweigungen der Opticusfasern; 2. Zellen, zweiten Typus der Schicht 2 mit annähernd sphärischer Ausbreitung der Protoplasmafortsätze; 3. desgl. mit tangentialer Ausbreitung; 4. eigenthümliche Zelle (1. Typus?) aus der Schicht 2a; 5. Zellen ersten Typus aus der Schicht 2a; 6. grosse Spindelzellen der Schicht 3; 6a und 6b desgl. mit vom tiefen Pol entspringendem Axenfortsatz; 7. kleine Spindelzellen der Schicht 3; 7a desgl. mit Verzweigung in den oberflächlichen Theilen der Schicht 2; 8. Zellen zweiten Typus der Schicht 3; 9. in Schicht 3 gelegene Zellen vom Typus der Schicht 4. Tafel VII. 1. Vgr. 150. Die Schichten 3 und 4 vom 16tägigen Hühnerembryo. 1. Grosse Spindelzellen; 2. kleine Spindelzellen; 3. die grossen Zellen der Schicht 4 (von 3 Stellen combinirt). Fig. 2. Vgr. 143. Die Nervenfasern unbekannter Herkunft der Schicht 3 vom 16tägigen Hühnerembryo. In Schicht 5 das Bündel, dem diese Fasern entstammen. Einige Ependym- und Neuroglia- zellen mit Fragmenten ihrer Fasern (nicht combinirt). Fig. 3. Vgr. 75. Halbschematische Zusammenstellung der verschiedenen Zell- und Fasertypen (Axenfortsätze roth). Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut einheimischer Frösche. Von Dr. &. Ottendorff, Assistent am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu 9 Textfiguren. Ueber die Frage, ob die Nerven der Haut bei Menschen und Thieren auch über die Mittellinie hinaus auf die entgegen- gesetzte Seite übertreten, oder ob die Medianlinie eine unüber- schreitbare Grenze bildet, ist von den Anatomen schon viel ge- stritten worden. So sagt W. Krause in seinem Buch über all- gemeine und mikroskopische Anatomie: „Jede Nervenfaser mit Ausnahme des N. optieus endigt auf derjenigen Körperseite, auf welcher sie das Centralorgan verlassen hat (abgesehen von den asymmetrischen Eingeweiden).“ Henle drückt sich etwas vor- sichtiger aus: Die peripherischen Nerven überschreiten in den vom Cerebrospinalsystem versorgten Körpertheilen in der Regel nicht die Medianebene. Auch Andere stellen diese Regel mit grösserer oder geringerer Bestimmtheit auf. Dass diese Behauptung nicht das Richtige treffe, wurde von den Aerzten behauptet. Dr. C. S. Sherrington (Philo- sophical Transactions of the Royal Society of London 1895) stellte in umfangreichen physiologischen Untersuchungen über die Verbreitung der hinteren Rückenmarkswurzeln unter anderem fest, dass die Empfindungsgebiete der Nerven ventral und dorsal auf kurze Strecken die Mittellinie überschreiten. Der erste anatomische Nachweis gelang M. Nussbaum durch Anwendung seiner für die Darstellung von Muskelnerven benutzten Methode auf die Haut des Frosches, der weissen Maus und menschlicher Embryonen. (Ueber den Verlauf und die En- digung peripherer Nerven. Verhandlungen der anatomischen Ge- sellschaft in Basel 1895.) Von Zander wurde die erste hierher gehörige Veröffent- 132 G. Öttendorff: lichung 1897 gemacht. (R. Zander, Ueber das Verhalten der Hautnerven in der Mittellinie des menschlichen Körpers. Sitzungs- berichte der biologischen Section der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königsberg i. Pr. 28. Januar 1897.) Zander hat seine Untersuchungen am Menschen gemacht und hat speeciell die Kopfnerven genau untersucht. In seiner Schrift: Beiträge zur Kenntniss der Hautnerven des Kopfes, kommt er theilweise auf Grund von Sensibilitätsprüfungen, theilweise durch Präparation der Nerven bis in ihre feinsten makroskopisch darstellbaren Ver- zweigungen zu dem Ergebniss, dass die Gebiete der verschie- denen Nerven durch Entsendung feiner Aestchen in einander übergreifen, und dass auch die Mittellinie keine Ausnahme hier- von mache, Er führt auch dabei die Untersuchungen von F. Krause aus dem Jahre 1895 (Die Physiologie des Trige- minus naclı Untersuchungen an Menschen, bei denen das Ganglion Gasseri entfernt worden ist. Münchener medie. Wochenschrift 1895 Nr. 25, 26, 27) an, der durch Sensibilitätsprüfungen die Grenzen der einzelnen Nervengebiete und ihr Verhalten zur Mittellinie feststellt. Zander hat seine und Krause’ Eı- gebnisse in Kopfschematas sehr übersichtlich eingezeichnet. Daraus geht hervor, dass sich in den meisten Fällen die Erhal- tung der Sensibilität über die Mittellinie hinaus erstreckt. Die Arbeiten von Zander datiren in ihren ersten An- fängen aus dem Sommer 1895, zu welcher Zeit er diese Unter- suchungen zusammen mit E. Funke vornahm, der die Ergeb- nisse in einer Dissertation zusammengefasst hat. Die sehr zeitraubende und umständliche Präparation der Nervenfasern, wie sie beim Menschen nöthig ist, erlaubt aber doch nicht die Nerven bis zu ihren Endigungen zu verfolgen. Beim Frosch und auch bei der weissen Maus lässt sich dagegen der Verlauf der Nerven bis in ihre feinsten Verzweigungen auf eine sehr einfache und sichere Art feststellen, wenn man nach der von M. Nussbaum angegebenen Methode verfährt. Das Ma- terial zu diesen Untersuchungen verdanke ich Herrn Professor Nussbaum. Ein Theil der Vorarbeiten ist unter seiner Leitung von meinem Vorgänger am hiesigen anatomischen Institut, Herrn Dr. R. Förster, ausgeführt worden, der mir seine Notizen in liebenswürdigster Weise zur Benutzung übergab. Es beziehen sich diese Untersuchungen speciell auf die Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut etc. 133 Rückenhaut des Frosches. Ich will zunächst den makroskopischen Verlauf der betreffenden Nerven schildern und folge dabei dem Werk über die Anatomie des Frosches von A. Eeker und R. Wiedersheim, neubearbeitet von E. Gaupp, Freiburg, 2. Aufl. 1897 8: 159. A. Rami dorsales. Die Rami dorsales der Spinalnerven sind bestimmt für die Versorgung der Muskulatur und Haut des Rückens und zeigen in den einzelnen Regionen der Wirbelsäule ein Verhalten, das im Wesentlichen gleichartig ist und nur durch mehr unter- geordnete Anpassungen an die specielle Ausbildung der Musku- latur, sowie durch den Mangel der Hautnerven in einzelnen Ge- bieten eine Modifikation erfährt. Sie treten am dorsalen Umfang der Kalksäckehen hervor; der für den M. intertransversarius be- stimmte Ast meist selbstständig neben oder vor den anderen. Diese letzteren steigen entweder schon getrennt oder noch zu- sammengefasst dicht vor dem zugehörigen Querfortsatz zwischen diesem und dem Gelenkfortsatz am medialen Rande des M. inter- transversarius dorsalwärts und gehen dann auseinander. a) Rami muscularis. Sind bestimmt für die MM. intererurales und MM. inter- transversarii und die Pars dorsomedialis des M. ilio-lumbaris, so- wie für den M. longissimus. b), Ramiioutanei.dorsi. Für die Haut des Rückens bestimmte Aeste kommen nicht allen Spinalnerven zu. Sie fehlen gewöhnlich dem II. und III., sowie dem VIII, IX. und X. Nerven. Vorn ist es der R. auri- eularis N. vagi, der sein Gebiet bis über die Scapulargegend rückwärts ausdehnt. Hinten wird die normale Nichtbetheiligung dreier Spindelnerven an der Versorgung der Rückenhaut ausge- gliehen durch die starke Rückwärtsverlängerung des davor ge- legenen Hautnerven. Hin und wieder sind auch Rückenhaut- nerven vom VIII., IX. und X. Spinalnerven, auch einseitig, vor- handen und ebenso findet sich gelegentlich ein solcher Ast vom III. Spinalnerven. Zwei Reihen von R. eutanei dorsi sind zu unterscheiden, 1314 G. Ottendorff: eine mediale und eine laterale. Doch kommen beide Aeste zu- gleich nur den Nn. spinales IV, V, VI, VII zu. Rami eutanei dorsi mediales. Die medialen Rückenhautäste des IV. bis VII. Nerven steigen von den Ganglien aus dorsalwärts, dann medialwärts über die zugehörigen MM. intererurales und treten am medialen Rande des M. longissimus dicht neben der Mittellinie mit caudalwärts gerichtetem Verlauf durch die Fascia dorsalis. Die Durchtritts- stelle durch die Fascie liegt entweder dicht neben dem Dorn- fortsatz des zu dem Nerven gehörigen Wirbels oder etwas caudal davon. Die R. eutanei dorsi mediales ziehen frei durch den dorsalen Lymphsack nach hinten und zur Seite, um erst nach längerem Verlauf an die Haut zu treten. Ihr Gebiet erstreckt sich im Allgemeinen seitwärts bis an das dorsale Septum, dessen Ansatz an der Haut äusserlich durch die vom Augenwinkel rück- wärts ziehende verdiekte Linie markirt ist. Doch greifen sie auch über diese Linie hiaus. . In dem hinteren Rumpfgebiet kommen ganz besonders viele Varianten in der Verteilung der medialen Rückenhautäste vor. Meist treten seitwärts vom hintersten Steissbeinabschnitt zwei mediale Hautäste durch die Fascia dorsalis, der eine etwas cra- nial von dem andern. Diese können entstammen: dem R. dorsalis X—XI oder dem R. dorsalis XI— XII, oder sie sind Aeste des R. dorsalis XI, mit oder ohne Anastomose des hinteren Astes mit dem R. dorsalis XII. Ueber die Häufigkeit dieser verschie- denen Vorkommnisse fehlt mir ein Urtheil. Immer verlaufen die “ beiden Aeste erst eine Strecke subfascial neben dem Steissbein, ehe sie nach aussen abbiegen. Einige Male beobachtete Gaupp einen R. cutaneus dorsi medialis des dritten Spinalnerven. Er trat seitwärts vom Proc. spin. vert. III durch die Dorsalfascie. Auch ein entsprechender Ast des N. spinalis VIII kommt vor, der des N. IX scheint, wenn er überhaupt vorkommt, besonders selten zu sein. Sobald die Nerven die Haut erreicht haben, ist ihre Ver- folgung mit blossem Auge nicht mehr möglich. Schon Czermak!) hat vor vielen Jahren die auch sonst in der histologischen 1) Müller’s Archiv 1849, pag. 252 sqgq. u Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete. 135 Technik gebräuchliche, stark verdünnte Essigsäure zur Entfer- nung des Epithels und der äusseren Schichten des Corium beim Studium des Verlaufes der Frosch-Nervenfasern benutzt. Diese alte Methode ist dann von Nussbaum in folgender Weise ver- bessert und erweitert worden. Man löst die Rückenhaut des Frosches, am geeignetsten sind grössere Exemplare von Rana fusca, in ihrer ganzen Länge und in der Breitenausdehnung zwischen den beiden Rückenwülsten ab und durchschneidet die im Rückenlymphsack verlaufenden Nerven, spannt dann die Haut mit der pigmentirten Fläche nach oben in einer flachen mit Paraffin ausgegossenen Schale auf und übergiesst sie mit einer 0,8°/, Lösung von Essigsäure. Diese lässt man 3—6 Tage bei eirca 15° Celsius einwirken. Man kann alsdann das Epithel und die äussere stark pigmentirte Schicht des Corium mit Pincetten von der Unterlage abheben und braucht nur selten mit dem Messer nachzuhelfen, um die Trennung voll- ständig zu machen. Dann wird das Präparat mit aufwärts ge- wendeter Innenfläche für 10 Minuten in eine 0,1°/, Osmiumsäure- lösung gebracht, bis sich die Nerven grau färben. Es folgt darauf eine Auswässerung des Präparates in fliessendem Wasser auf die Dauer von 24 Stunden, wobei sich die Nervenfasern schwärzen. Die weitere Härtung erfolgt in Alkohol von stei- sender Concentration. Eingeschlossen wird das Präparat in Glycerin. Die Behandlung mit Essigsäure hat den Zweck, die Einwirkung der Osmiumsäure auf das umgebende Gewebe zu verhindern, so dass nur die Nervenfasern intensiv geschwärzt erscheinen. Es lässt sich an derartigen Präparaten die Ausbreitung der Nerven mit grosser Genauigkeit verfolgen, da alle in der gleichen Ebene auf der Unterfläche des Corium gelegen sind. Betrachten wir zunächst die Theilung eines Nerven direkt nach seinem Eintritt in die Haut. In den meisten Fällen theilt sich der Nerv erst nach seinem Eintritt in die Haut; es ist jedoch auch nicht selten, dass die Theilung und zwar in zwei oder auch mehr Aeste schon vor dem Eintritt stattfindet. Das Grundschema der Theilung ist folgendes (Fig. 1): Der Nerv (R) theilt sich nach seinem Eintritt in die Haut in einen medialen (Ram), einen lateralen (Ral), einen caudalen 136 G. Ottendorff: (Raca) und einen ceranialen (Rac) Ast. Von diesem Schema ‘kommen zahlreiche Abweichungen vor, doch findet man meistens, wenn der eine oder andere Ast fehlt, dass dieser als seeundärer Ast aus einem der benachbarten hervorgeht. So findet man nach untenstehender Zeichnung, dass der laterale Ast von dem eranialen abgeht, während die anderen dem Normalschema entsprechen (Fig. 2). Rac Ral But Ral Ram R et R \ Ra ca Ram ee Fi 1. ie Rac @ Fig. 2. Bei Figur 3 theilt sich der Nerv schon vor dem Eintritt in die Haut, wobei der eine Ast (Z,) sich in einen R. lateralis (Ral) und R. cranialis (Rac) theilt, der andere Ast (R,) in einen Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete. 137 R. medialis (Ram) und caudalis (Raca). AR, und R, sind durch die starke Anastomose A miteinander verbunden. Bei Zeichnung 4 sind zwei schwächere mediale Aeste (Ram, u. Ram,) vorhanden, von denen der eine aus dem cranialen, der andere aus dem caudalen Ast hervorgeht. Im weiteren Verlauf der Nerven herrscht die diehotomische Theilung vor, jedoch findet man vielfach drei- oder auch vierfache Theilungen. Die Nerven bilden einen reichen Plexus, und zwar finden sich die Anastomosen nieht nur zwischen den Aesten desselben Nerven, sondern auch zwischen den Aesten benachbarter Nerven. Die umstehende Abbildung (Fig. 5) zeigt die Nervenvertheilung in einem Nussbaum schen Präparat der Rückenhaut von Rana fusca. Man erkennt die Plexusbildung zwischen den zwei N. eutanei dorsi mediales derselben Seite und über die Mittellinie hinüber mit gleichen der anderen Seite. Mo, Me = Mittellinie. Mo entspricht dem cranialen, M,c dem eaudalen Pol, N=Stamm eines N. cutaneus dorsi medialis (vergl. Fig. 9). Die Zeichnung ist auf folgende Weise hergestellt worden. Das betreffende Präparat wurde unter Benutzung eines genau arbeitenden, verschiebbaren Objeettisches in kleine Bezirke ein- getheilt und in 42 Einzelphotographien bei einer 54fachen Ver- grösserung aufgenommen. Die verschiedenen Photographien wurden sodann zu einer einzigen Tafel vereinigt, die zur Herstellung einer verkleinerten Photographie diente. Von dieser stammt die vor- liegende Abbildung als Pause; doch sind nur der Verlauf der Nervenverzweigungen, nicht aber die in der Photographie sicht- baren einzelnen Nervenfasern, die Blutgefässe und Pigmentzellen copirt worden. Die aus dem Plexus in die höheren Corium- schichten aufsteigenden Nerven sind nur rechts unten genau ein- getragen. An anderen Stellen sind deren mehr vorhanden, als die Zeichnung aufweist. Die Originalphotographie verdanke ich Herrn Professor Nussbaum, unter dessen Leitung und Beihülfe dieselbe von Herrn eand. med. Schorlemmer angefertigt wurde (vergl. Sitz.-Ber. der Niederrh. Ges. 1897, pag. 27). Die Plexusbildungen existiren aber nicht nur, wie die Ab- bildung zeigt, zwischen Nerven derselben Seite, sondern sie über- schreiten auch die Mittellinie in der Art, dass sowohl einander gegenüberliegende als auch aus verschiedenen Rückenmarkswur- zeln stammende Nerven sich an der Plexusbildung betheiligen. Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete, 139 Im weiteren Verlauf der Nervenfasern wird die Plexus- bildung viel häufiger. Man sieht die einzelnen Nervenfasern eines Stammes in das Gebiet der anderen Nervenstämme übergehen, so dass ein Hautbezirk von sehr verschiedenen Stämmen aus in- nervirt werden kann. Es sind dies aber im Gegensatz zu den von Zander für den Menschen ausgesprochenen Behauptungen nicht blos die Grenzgebiete der verschiedenen Nervenstämme, sondern es reichen die Fasern vielfach bis in die Mitte anderer Nervengebiete und auch über die Mittellinie hinaus. vr® a Bi: * in B y 3 e| Fig. 6. Theilung einer isolirt verlaufenden Nervenfaser N 7T=Thei- lungsgestelle der Nervenfaser; B = Blutgefässcapillare; P= Pigment- zelle. Nach rechts lässt sich die Faser in den Hauptnervenstamm hin- ein verfolgen; nach links zieht sie weiter unter Abgabe von Aesten, die wie der bei 7’ gelegene das Corium durchbohren und dann ihr Mark verlieren. Es handelt sich bei diesen Plexusbildungen nicht allein um Fasern, die zuerst in dem einen Stamm verlaufen, um dann in den anderen überzugehen. Man findet auch isolirte Nervenfasern, die an verschiedenen Stellen sich theilen und ihre Theiläste ent- weder anderen Fasern beimischen oder überall isolirt durch die Lederhaut in die Höhe steigen lassen. Die Theilungstellen haben gewöhnlich die Form eines T. Der horizontale Schenkel ist durch eine Ranvier’sche Einschnürung unterbrochen und der verticale ebenso gegen den horizontalen abgesetzt. Der verticale Schenkel ist, wenn die Faser selbst weiter zieht, um sich noch- mals zu theilen, der durchbohrende. In den Nervenfasersträngen kommen gewöhnlich Y-förmige Theilungen vor. Ranvier’sche Einschnürungen finden sich auch zwischen den Theilungsstellen im Verlauf der ungetheilten Fasern. Die Theilung einer isolirten markhaltigen Nervenfaser ist obenstehend abgebildet worden. 140 G. Ottendorff: An einer anderen Stelle liessen sich aus einer einzigen Ner- venfaser zehn durch Theilung derselben entstandene Fasern bis in die höheren Lagen des Coriums verfolgen. Diese einzige Faser versorgt mit ihren Theilstücken ein Gebiet von ca. 2[_]mm. Besonders ausgezeichnet sind derartig isolirt verlaufende und sich deutlich theilende. Nervenfasern durch ihre Dieke und ihre intensive Färbbarkeit in Osmiumsäure. Ob ihnen eine besondere Funktion zukommt, und ob sie mit besonderen Endorganen in Verbindung stehen, bedürfte einer besonderen Untersuchung. Soweit sich erkennen liess, durch- bohren sie in derselben Weise wie die anderen Nerven die Haut. Der Ursprung derartiger Nervenfasern im Centralnervensystem würde sich vielleicht wegen ihrer besonderen Dieke durch die Wurzeln hindurch verfolgen lassen, wenigstens waren sie in den Stümpfen der Nerven, so weit sie in dem Präparat erhalten waren, deutlich zu erkennen. Ein bestimmtes Gesetz über die Bildung des Plexus lässt sich nach diesen Untersuchungen nicht aufstellen, doch lässt sich Jedenfalls soviel sagen, dass im Durchschnitt jeder Ast eines Nerven mit den benachbarten Aesten desselben Stammes und mit den ihm zugewandten Aesten der benachbarten Stämme ein oder mehrmals in Verbindung tritt, so dass dieselbe Stelle der Haut nicht nur von dem zunächst liegenden, sondern auch von ent- fernteren Nervenstämmen aus versorgt wird und zwar nicht bloss von den ober- und unterhalb gelegenen Aesten aus, sondern auch mit grosser Häufigkeit über die Mittellinie hinüber. Die feinere Anordnung der Nervenprimitivfasern bei der Plexusbildung lässt sich nach der oben angegebenen Methode leicht verfolgen. Man findet dabei, dass die Fasern theils in dem ersten Nerven weiter verlaufen, theils in einen andern über- gehen, wobei häufig eine Theilung einzelner Nervenprimitivfasern stattfindet. Vielfach findet auch eine Ueberkreuzung der Nerven- fasern statt, so dass bei der weiteren Theilung der Nerven Fasern in die Aeste der Nerven eintreten, die aus einem räumlich ziemlich entfernt liegenden Nerven stammen. Es lässt sich ganz genau feststellen, dass häufig Nervenfasern, die ganz nahe bei einander enden, aus zwei verschiedenen Wurzeln derselben oder der entgegengesetzten Seite herstammen. Ueber derartige Plexus, jedoch ohne Beziehung auf die Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete. 141 Mittellinie, giebt bereits auch Schwalbe in seinem Lehrbuch der Neurologie 1881, pag. 310 an: Es betheiligen sich an solchen Endplexus entweder nur die verschiedenen feinen Zweige ein und desselben Nerven oder Zweige verschiedener Nerven. In allen Fällen findet der reichlichste Fasernaustausch statt, so dass in Folge dessen ein und dieselbe Körperstelle z. B. ein und dieselbe Strecke der Haut von verschiedenen feinen Nervenzweigen aus Fasern erhalten kann. Es dürfte jedoch dieser letzte Satz richtiger lauten: von verschiedenen feinen Nervenzweigen aus Fasern erhalten kann und auch erhält. Zum weiteren Beweis derartigen Uebergangs von Nerven- fasern in das Gebiet anderer Nervenstämme und speciell für den Uebertritt von Nervenfasern über die Mittellinie wurden von Dr. Foerster auf Veranlassung von Profesor Nussbaum an einer Reihe von Fröschen Operationen ausgeführt, um durch die Degeneration einzelner Nervenstämme die aus anderen Nerven stammenden Fasern desto leichter erkennen zu können. Diese Versuche dehnten sich vom 25. Mai bis 10. August 1897 aus. Es wurde die Operation in zweierlei Weise gemacht. Erstens indem auf der Rückenhaut des Frosches durch einen der Mittel- linie parallelen Schnitt an der medianen Kante des seitlichen Rückenwulstes der Rückenlymphsack eröffnet wurde. Von den in dem Rückenlymphsack verlaufenden R. cut. dorsi med. wurden einer oder mehrere durchschnitten und die Wunde durch Naht geschlossen. Durch den parallel der Mittellinie verlaufenden Schnitt waren alle Nervenelemente, die von seitwärts in den Lappen treten, zerstört; durch die Zerschneidung der Nervenstämme alle die Fasern, die sich von da aus in dem Hautlappen verbreiten, so dass nur die über die Mittellinie herübertretenden Fasern und die eranialwärts oder caudalwärts hinzukommenden erhalten blieben. Um auch diese letzteren auszuschalten, wurde der Längsschnitt durch zwei senkrecht dazu stehende Schnitte, die bis zur Mittel- linie reichten, vervollständigt, so dass ein Lappen entstand, der seine Versorgung nur über die Mittellinie herüber erhalten konnte. Es fand sich die Empfindung in den betreffenden Hautpartien kurz nach der Operation in geringem Maasse herabgesetzt, nach Verlauf von 2 bis 3 Monaten aber wieder anscheinend normal. In 142 G. Öttendorff: diesem Stadium wurden die Versuchsfrösche dann getödtet und die Rückenhaut in der angegebenen Weise präparitt. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab sich, dass sich die durehschnittenen Nerven nicht wieder regenerirt hatten. Sie erschienen in den nach oben angegebener Methode herge- stellten Präparaten als ganz. blasse Stränge ohne bestimmte Diffe- renzirung, während die erhaltenen Fasern sich durch tiefschwarze Färbung auszeichneten. Bekanntlich hat Ranvier zuerst den Schwund des Nervenmarks an durchschnittenen Nerven beobachtet (Ranvier, Sur le systeme nerveux. Paris 1878). Es liessen sich daher mit grösster Leichtigkeit die Fasern der erhaltenen Nervenstämme verfolgen und speciell ihr Uebertreten über die Mittellinie. In denjenigen Präparaten, wo noch die Möglichkeit eines Nerveneintritts im die operirte Gegend von der Kopf- oder Sehwanzgegend her vorhanden war, fanden sich derartig verlau- fende Fasern. Wo diese Möglichkeit durch die Querschnitte der Haut ausgeschlossen worden war, fanden sich nur einige Fasern, die von den Stämmen der unverletzten Seite über die Mittellinie hinaus in die operirte Seite übertraten, während die Hauptmasse der dieser Seite ursprünglich angehörigen Fasern degenerirt war. Gehen wir zu den einzelnen Versuchen über, deren Protokoll mir von Dr. Förster gütigst zur Veröffentlichung überlassen wurde. Ich berichte hierbei nur über die Versuche, die bis zu Ende durchgeführt werden konnten. Eine Reihe von Thieren ging an verschiedenen Erkrankungen vorher zu Grunde. Versuch IL 25. Mai Operation: Lappenschnitt links, ein Nerv durch- schnitten und zu einer Schleife zusammengebunden, um das Aus- wachsen und eventuelle Wiederverheilen hintanzuhalten. Haut- wunden mit mehreren Seidennähten geschlossen. Erregbarkeit auf dem ganzen Lappen post operationem herabgesetzt. 29. Mai Erregbarkeit im eranialen Theile des Lappens ab- geschwächt, im caudalen nur sehr wenig. 2. Juni Erregbarkeit im ganzen wenig herabgesetzt. 18. Juni Erregbarkeit etwas abgeschwächt, besonders im eranialen Theil. 26. Juni Erregbarkeit auf dem ganzen Lappen nur wenig abgeschwächt. Hautwunde verheilt. u Ba ch Yaha Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhautete. 143 8. Juli Erregbarkeit in dem eranialeu Theile noch ein wenig herabgesetzt. 2. Sept. Erregbarkeit auf dem ganzen Lappen gleichmässig vorhanden, vielleicht noch eine Spur herabgesetzt. Getödtet zur Anfertigung des Präparats. Der Nervenstumpf unverändert. Bei Betrachtung des Präparates, das nach der oben ange- gebenen Methode angefertigt wurde, zeigte sich, dass der durch- schnittene Nerv sich nicht regenerirt hatte. Es war nur das bindegewebige Gerüst erhalten, während die Substanz der eigent- lichen Nervenfasern ganz verschwunden war. Von dem Nerven der anderen Seite reicht ein starker Ast meist in das Gebiet des degenerirten Nerven hinein; auch einige kleinere Aestehen über- schreiten noch die Mittellinie. Von einem Eintritt der Nerven von oben oder unten her ist nichts zu bemerken. Versuch I. 29. Mai Operation wie bei Versnch I; zwei Nerven durch- schnitten. Erregbarkeit post operationem nur im oberen Theile ein wenig herabgesetzt. 4. Juni Erregbarkeit im Ganzen etwas abgeschwächt. 11. Juni Erregbarkeit anscheinend normal. 18. Juni Erregbarkeit vielleicht eine Spur abgeschwächt. 26. Juni nur sehr wenig abgeschwächt. Hautwunde narbig zusammengezogen. 8. Juli Erregbarkeit auf dem ganzen Lappen etwas herab- gesetzt. 31. August Erregbarkeit anscheinend normal. Getödtet zur Anfertigung des Präparates. Auf der linken Seite nach dem Kopfe zu ist die Haut auf einer etwa linsengrossen Stelle mit der Fasecie verklebt ; die Faseie ist daselbst braun verfärbt. Keine neuen Nerven zu sehen; die alten centralen Stümpfe unverändert. Lymphsack sonst gut erhalten. Die mikroskopische Untersuchung des Präparates ergiebt dasselbe Resultat wie bei dem vorigen. Die beiden durchschnit- tenen Nerven sind zu bindegewebigen Strängen degenerirt. Ein Uebertreten geschwärzter, also normaler Fasern über die Mittel- linie findet in reichem Maasse statt, von oben und unten her jedoch nicht. 144 G. Ottendorft: Versuch I. 2. Juni Operation: Längsschnitt, links zwei Nerven rese- eirt. Hautwunde mit fortlaufender Seidennaht geschlossen. Erreg- barkeit post operationem anscheinend unverändert. 11. Juni Erregbarkeit. unverändert. 8. Juli median vom Hautschnitt ein wenig herabgesetzt. 28. Juli Erregbarkeit anscheinend normal. Getödtet zur Anfertigung des Präparates, Lymphsack gut erhalten, keine Veränderungen zu sehen. Die mikroskopische Untersuchung zeigt das Uebertreten zahlreicher Nervenfasern in das Gebiet der durchschnittenen Ner- ven und zwar von oben und unten her und über die Mittellinie herüber; die letzteren gehen theilweise bis beinahe zur Mitte des Gebietes der degenerirten Nerven. An diesen selbst lässt sich keine bestimmte Differenzirung wahrnehmen, nur bindegewebige Stränge und dazwischen eingelagerte schollige Massen, anschei- nend Degenerationsprodukte der Nervensubstanz. Dass sie bei den beiden ersten Präparaten fehlten, dürfte wohl daran liegen, dass bei diesen der Zeitraum der Operation und Tödtung länger war, so dass die Resorption der Degenerationsprodukte vollstän- diger geschehen konnte. Regenerationserscheinungen an den Nerven sind nirgends zu sehen. Versuch WW. 18. Juni Operation: Lappenschnitt links. Reseetion von vier Nerven. Wunde mit fortlaufender Naht geschlossen. Erregbar- keit post operationem im oberen Theile etswas abgeschwächt, unten nur sehr wenig. 26. Juni Erregbarkeit oben nur ganz wenig abgeschwächt. Chromatophoren auf dem Lappen unverändert. 8. Juli Erregbarkeit im oberen Drittel etwas abgeschwächt. 26. Juli Erregbarkeit anscheinend normal. Getödtet zur. Anfertigung des Präparates. An der Schnittstelle sind die Haut- schichten fest verklebt. Die centralen Nervenstümpfe scheinen etwa 0,5—1l mm länger geworden zu sein. Sonst keine Verän- derung sichtbar. Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete. 145 Mikroskopische Untersuchung: Die peripherischen Verzwei- gungen der vier durchschnittenen Nerven sind degenerirt und zeigen ausser faserigem Bindegewebe an einigen Stellen einge- lagerte körnige Massen, die durch die Osmiumsäure geschwärzt sind, anscheinend Produkte fettiger Degeneration. Ueber die Mittellinie treten sehr zahlreiche Nervenfasern hinüber und er- strecken sich ziemlich weit in das Gebiet der durchschnittenen Fig. 7. Nerven. Von oben und unten her treten keine Fasern ein, da diese durch die Querschnitte bei der Operation zerstört sind. Aus der Rückenhaut dieses Frosches stammen die beiden Abbildungen 7 u. 8. Fig. 7 ist nach einer bei schwacher Ver- grösserung aufgenommenen Einzelphotographie reprodueirt. Das Bild zeigt einen oberhalb der Mittellinie (MM,) gelegenen Bezirk mit zwei normalen N. ceutanei dorsi mediales und eine untere Hälfte mit zwei durcehschnittenen und degenerirten gleichnamigen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 10 146 G. Ottendorff: Nerven. Der links gelegene Nervenstumpf ist mit & bezeichnet; der rechte tritt nahe an den Bildrand heran und ist nicht mit einem besonderen Buchstaben versehen worden. Die Photographie und besonders die hier benutzte Art der Reproduktion sind nieht im Stande, die Eleganz des Präparates wieder zn geben. Ein Uebelstand besteht darin, dass die degenerirten Nervenstämme (siehe x), obwohl sie im Osmiumsäurepräparat weiss bleiben, bei durchfallendem Licht undurchsichtig sind und deshalb im pho- tographischen Bilde schwarz erscheinen. Die Reproduktion soll nur die Richtung der Nervenverzweigungen angeben. In Fig. 8 ist bei Leitz III, Oe. I. ein in die degenerirte untere Hälfte hineinragende, aus der gesunden Seite stammende und deshalb durch die Osmiumsäure geschwärzte Partie von Ner- venfasern abgebildet (MM, Mittellinie). Die Plexusbildung der Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut ete. 147 Versuch V. 7. Juli Operation: Lappenschnitt, links zwei Nerven rese- eirt. Wunde mit fortlaufender Naht geschlossen. Erregbarkeit post operationem im oberen Drittel vielleicht etwas abgeschwächt, sonst normal. 13. Juli Erregbarkeit anscheinend normal. 22. Juli Erregbarkeit im oberen Drittel ein wenig herab- gesetzt, ganz unten vielleicht etwas erhöht (?), sonst normal. Getödtet zur Anfertigung des Präparate. Nur die Epidermis lässt sich ablösen, zum Lappen ziehen keine neuen Nerven hin. Gewebe unter dem Lappen mehr macerirt als auf der gesunden Seite. Mikroskopische Untersuchung: Die durchschnittenen Nerven sind zu blassen, bindegewebigen Strängen : degenerirt; Regene- rationserscheinungen sind nicht zu sehen. Der Uebertritt von Nervenfasern über die Mittellinie ist deutlich zu erkennen; era- nial- und caudalwärts treten keine Fasern hinzu. Ganz so deutlich wie bei den anderen Präparaten ist das Bild nicht, da sich die Pigment führende Schicht der Haut nur unvollkommen ent- fernen liess. Aus diesen Experimenten sowohl, als aus der unter normalen Verhältnissen angestellten anatomischen Untersuchung geht auf das Deutlichste hervor, dass die Mittellinie gar kein Hinderniss für den Verlauf der Nervenfasern bildet, dass im Gegentheil der Faseraustausch über die Mittellinie hinüber eher reichlicher ist, als zwischen den Nervenstämmen derselben Seite. Die dadurch bewirkte Innervation ist jedenfalls eine vollkommene; da, wie ja auch der mikroskopische Befund erwarten lässt, die Inner- vation bei Ausschaltung des einen Nerven vicariirend durch den anderen übernommen wird, so dass der Ausfall kein ganz voll- ständiger ist. Ausserdem ist dieser Ausfall nur ein temporärer. Die Versuche zeigten, wie im Verlauf von ein bis zwei Monaten mit Bezug auf Empfindlichkeit restitutio ad integrum eintritt, ohne dass die durchschnittenen Nervenstümpfe sich wieder ver- einigt hätten, oder von dem centralen Stumpfe ein neuer Nerv in die operirte Seite der Haut eingetreten wäre. Zum Schluss füge ich noch Fig. 9 bei, um den Werth der 148 G. Ottendorf: Die Plexusbildung der Nerven ete. Nussbaum’schen Methode für die Verfolgung der einzelnen Nervenfasern in den Plexus zu zeigen. Bio: Die abgebildete Stelle liegt in dem Prä- parat, das der Fig. 5 zu Grunde liegt, in Fig. 5 bei *, also nahe der Mittellinie. Die Fig. 9 erläutert somit, wie in dem in der Figur nach rechts unten aus dem Hauptstamm ab- gehenden durchbohrenden feinen Nervenstamm je eine Faser von oben, das heisst von der einen Körperseite und die zweite von unten her, also von der anderen Körperseite eintritt. Die beiden Nervenfasern des durchbohrenden feinen Nervenstranges würden nach Verlust ihres Markes sich in den höheren Schichten der Haut verzweigen. Vergr. Leitz, Obj. 5, Oo HE 149 Das Genus Mermis. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel VIII. Der zoologischen Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde verdanke ich ein reiches Material von Mermis-Präpa- raten, in dem sieh mehrere neue Arten fanden, und es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geh. Rath Professor Dr. Moebius an dieser Stelle für die gütige Uebersendung meinen verbindlich- sten Dank zu sagen. Mermis albieans v. Siebold. Fig. 1—4. Aeltere Literatur: Diesing, Syst. helm. II, Vindobonae 1851, pag. 108 —109;' Revis. d. Nematoden, Wien 1861, pag. 607—609. Mermis albicans, acuminata, truncata. v. Siebold, Stettiner entomol. Zeitung Bd. 3, 1842 pag. 146—161, Bd. 4, 1883 pag. 78—84, Bd. 9, 1848 pag. 290—300, Bd. 11, 1850 pae. 329-336, Bd. 15, 1854 pag. 101—121, Bd. 19, 1858 pag. 143. Zeitschr. für wissensch. Zoolog. V, Leipzig 1854, pag. 201—206, VII, 1555 pag. 143. Meissner, Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. V, Leipzig 1854, pag. 207— 284, tab. XI—XV; VI, 1855, pag. 144 u. 250. Die kleinste Larve, welche ich untersuchen konnte, war 15,4 mm lang und 0,17 mm breit; grössere hatten eine Länge von 165 und 195 mm und eine Breite von 0,35 und 0,60 mm. Die Thiere haben die Neigung, sich lockenförmig aufzurollen. Das Kopfende ist abgerundet und zeigt, wie alle Mermis-Arten, 6 im Kreise stehende Papillen; das Schwanzende (Fig. 4) ist ebenfalls gerundet, die Bauchfläche gerade, die Rückenfläche eonvex, und am Ende steht eine nach der Rückenseite gerichtete, fingerförmige Verlängerung, die 0,138 mm lang und an der Basis 0,016 mm breit ist. Auf Querschnitten erkennt man, dass dicht hinter dem Kopfende die Dorsoventralwülste sich genau in den Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 jtl 50 v. Linstow: Seitenlinien inseriren (Fig. 1 dl), sehr bald aber weiter nach der Dorsalseite rücken (Fig. 2 dl); die ventrolateralen Wülste aber, die 0,0078 mm vom Kopfende (Fig. 12) wie die dorsolateralen mit den dorsalen und ventralen zur Stütze des hier noch in der Mittelachse des Körpers verlaufenden Oesophagus werden, inse- riren sich hier in den ventralen Submedianlinien, um sich weiter hinten mehr den Seitenlinien zu nähren. Die Haut- und Muskel- schieht ist fast gleich breit. In der vorderen Oesophagusgegend ist der Dorsalwulst mächtig entwickelt (Fig. 2 d) und sendet einen Ausläufer nach dem einen Ventrolateralwulst; mit dem der anderen Seite steht der Oesophagus in Verbindung (Fig. 20); die Dorsolateralwülste sind stark entwickelt (Fig. 2 u. 3 dl) und dreitheilig, während der Ventralwulst auf Querschnitten gabel- förmig erscheint (Fig. 2 u. 3). Der Fettkörper ist von einer derben Hülle umgeben (Fig. 3 f); die Hautschicht ist 0,0091 mm, die Muskellage 0,0182 mm dick und die einzelnen Muskelfibrillen sind 0,0028 mm breit. Die Larve von Mermis albicans lebt in Schmetterlings- raupen und geht von hier in die entsprechenden Puppen und Schmetterlinge über, ausnahmsweise in Käfern, Gradflüglern, Fliegen, Netzflüglern und Mollusken. Ein Fragezeichen vor dem Artennamen bedeutet, dass in dem Thiere eine Mermis-Larve ge- funden ist, die wahrscheinlich zu M. albicans gehört. Lepidoptera. Vanessa antiopa, Puppe. „ Io, Raupe. „ v. album, Raupe. Pontia erataegi, Raupe. ? Epinephele tithonus. Zygaena minos. Notodonta ziezac, Raupe. N Pygaera bucephala. Liparis chrysorrhoea, Raupe. ii auriflua. Gastropacha neustria, Raupe. 3 pruni. 5 rubi, Raupe. dromedaria, Raupe. Ptilophora plumigera, Raupe. Dasychira salieis, Raupe. Oeneria dispar. Setina aurita, Raupe. Euprepia caja, Raupe. Catocala nupta, Raupe. 5 sponsa. 5 paranympha, Raupe. Naenia typica, Raupe. Cueullia verbasei, Raupe. „ serophulariae, Raupe, Puppe. Cueullia tanaceti. Diloba eoeruleocephala. Das Genus Mermis. 151 Episema graminis. Amphidasys betularia, Raupe. Mamestra pisi. Cabera exanthemaria, Raupe. Agrotis brunnea, Raupe. Cheimatobia brumata, Raupe. Calpe libatrix, Raupe. Tortrix textana, Raupe. ? Trachea piniperda, Raupe. „ heparana, Raupe. ?Hadena polyodon, Raupe. Penthina salicana. ? Acidalia dilutata. Carpocapsa pomonana. Ennomos illuminaria, Raupe. Hyponomeuta variabilis. „ Juniperata, Raupe. 4 evonymella. Cidaria berberata, Raupe. ® padi. Coleoptera. Melo& proscarabaeus. Stenopterus rufus. Orthoptema. Mantis religiosa. ?Oedipoda carolina. Gomphocereus morio. Stenobothrus pratorum. 5 biguttulus. Gryllus parallelus. n parapleurus. Gryllotalpa vulgaris. Orchelinum graeile. Diptera. Cordylura pubera. Hymenoptera. Apis mellifica. Hylotoma berberidis. Lophyrus socius. Tenthredo spinarum. a ? obseuratus. 5 ovata. Mollusken. Suceinea amphibia. Auch in Aepfeln und Birnen ist Mermis albicans gefunden; es wird sich wohl um Fallobst handeln, in welches der Wurm hineingekrochen ist, wenn er nicht aus der Raupe von Carpo- capsa pomonana stammt. Die Geschlechtsform lebt frei in der Erde und ist von Meissner eingehend geschildert; das Schwanzende beider Ge- schlechter ist abgerundet; das Männchen ist 31—54—68 fım lang; auf 1 Männchen kommen etwa 50—200 Weibehen; die beiden gleichen Cirren sind 0,19 mm lang, kurz, breit und hinten abgerundet; an der Bauchseite stehen 6 Längsreihen von grossen 152 v. Linstow: Papillen, in jeder Reihe S—10, vor der Geschlechtsöffuung in jeder Reihe 2—3. Bei den 108—135 mm langen und 0,45 bis 0,56 mm breiten Weibchen liegt die Vagina 2,5—3,4 mm hinter der Körpermitte; die Eier sind 0,16—0,17 mm gross und kugel- förmig und zeigen keine Anhänge; die Embryonen sind 2,26— 2,52—3,39 mm lang und 0,03 mm breit. In Mitteleuropa. Mermis nigrescens Duj. Fig. 5—6. v. Linstow, Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. XL, Bonn 1892, pag. 498—512, Taf. XXVIII-XXIX. Diese Arbeit, welche auch eine vollständige Literatur- Uebersicht der Art bringt, enthält eine ausführliche Beschreibung derselben. Die Larve ist 54—332 mm lang, die grösste Breite beträgt 0,475 mm, das Kopfende ist dünner als das Schwanzende, am letzteren ist die Bauchseite gerade und die Rückenseite convex und 0,3 mm vom Schwanzende steht eine Papille in der Ventral- linie (Fig. 5 p), ein Horn am Schwanzende aber fehlt. Die Larve lebt in Heuschrecken, ausnahmsweise in Käfern und Schmetterlingen, die bekannten Wirthe sind folgende: Orthoptera. Gomphocereus parapleurus. Dectieus brevipennis. Es morio. h; verrucivorus. ; sibiricus. Locusta viridissima. ? 4 virudulus. Oedipoda stridula. 2 55 elegans. ? Barbistides autumnalıs. Stenobothrus pratorum. ? Mantis religiosa. "N biguttatus. ? Blatta orientalis. Coleoptera, Melolantha vulgaris. ? Coceinella septempunctata. ? Galleruca ah. Lepidoptera. Euprepia caja, Raupe. Liparis chrysorrhaea. a Zu ai A ee a u ET a Al A a U | Un 0 u 2 Din u a m nn a Da a m en A u a en Ma Da — Das Genus Mermis, 153 Die Geschleehtsform lebt in der Erde; obgleich van Be- neden die Weibehen so massenhaft fand, dass er von einem Wurmregen spricht, so ist das Männchen noch unbekannt. Die dunkel durchscheinenden Eier geben dem Thier ein schwärz- liches Ansehen. Die Länge entspricht derjenigen der Larve; die Exeretionsgefässöffnung liegt 0,075—0,078 mm vom Kopfende in der einen Dorsolaterallinie (Fig. 5 e); die Vagina liegt genau in der Mitte der Körperlänge; die Eier sind linsenförmig abge- plattet und von eiförmigem Umriss, 0,055 mm lang und 0,047 mm breit; an beiden Polen entspringt ein Faden, der in Fransen aus- läuft. Ausser den 6 im Kreise stehenden Papillen am Kopfende bemerkt man noch 2 andere links und rechts von der Mund- öffnung, welche von kegelförmigen Verlängerungen des Paren- chyms gestützt werden (Fig. 5). Der Embryo ist 0,25 mm lang und 0,010—0,012 mm breit. Mermis erassa v. Linstow. ?v. Siebold, Stettiner entomol. Zeitung 1848, pag. 299; 1858 pag. 343. Mermis Chironomi, Mermis Simuliae reptantis (Larve). ?Kraemer, Illustr. mediec. Zeitung, München 1855, III, pag. 291, tab. XI, Fig. 9—10. Merinthoidum mucronatum (Larve). v. Linstow, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. XXXIV, 1889, pag. 392 —396, tab. XXII, Fig. 2-8; Bd. XXXVII, 1891, pag. 244—245, tab. XII, Fie. 10; Bd. XXXIX, 1892, pag. 328, tab. XV, Fig. 9—10. Stiles, Bullet. soc. zool. France, Paris 1891; Journ. compar. med. and. veter. arch. vol. XIII, Nr. 9, 1892, pag. 523—526, Fig. 9—12. Ganz junge Larven mit dem embryonalen Bohrzahn am Kopfende fand ich 0,55 mm lang und 0,026 mm breit; der Bohr- zahn misst 0,01 mm und ist in der Mitte verdickt; das Schwanz- ende ist verjüngt mit abgerundetem Ende; ältere Larven waren 5,55—17,50.mm lang und 0,15—0,25 mm breit, das Schwanzende ist auch hier noch zugespitzt. Noch ältere Larven waren 13— 45—56—59 mm lang und 0,29—0,72—0,76—0,90 mm breit; das Sehwanzende ist hier abgerundet und trägt ein 0,0359 mm langes und von der Basis 0,013 mm breites Horn. Die Larve lebt in den Wasserlarven von Chironomus plumosus, Ch. ? leueo- pogon und Simulia reptans. Die Geschleehtsform lebt im Wasser. Das Männchen, wel- ches Stiles bei Paris auffand, ist 19—28 mm lang; es hat nur 1 kurzes Spieulum; am zugespitzten Schwanzende finden sich zahl- 154 v. Linstow: reiche prä- und postanale Papillen; sie stehen in 1 mittleren und 2 seitlichen Längsreihen ; die mittlere ist ihrer ganzen Länge nach verdoppelt, die seitlichen sind vor der Geschlechtsöffnung doppelt, so dass man also 6 prä- und 4 postanale Reihen zählt. Das Männchen ist 23—90 mm lang; die Art ist breit und erinnert in der Körperform an Gordius. In Mitteleuropa. Mermis contorta v. Linstow. v. Linstow, Archiv für mikroskop. Anat. Bd. XXXIV, Bonn 1889, pag. 391—392, tab. XXIJ, Fig. 1. Lebt im Wasser; der Körper ist langgestreckt und dünn und rollt sich lockenförmig ein; das Schwanzende ist in beiden Geschlechtern zugespitzt; das Männchen ist 14,5 mm lang und 0,17 mm breit, das Weibehen 24—49 und 0,23—0,28 mm; der Oesophagus nimmt ?/,, des Körpers ein, die Vagina liegt etwas vor der Körpermitte, die kugelförmigen Eier messen 0,059 mm; die Larve führt ein Horn am Schwanzende. Bei Göttingen. Mermis paludicola v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1883, pag. 300—301, tab. IX, Fig. 42—43. ?Fedtschenko (Bericht d. Freunde d. Naturwissensch.). Moskau, Bd. X, Heft II, 1874, pag. 58—60, tab. XIV, Fig. 16. Mermis explicans (russisch). Kopf mit 6 fingerförmigen Ausläufern des Parenchyms, welche in die 6 Papillen führen; das 36 mm lange und 0,34 mm breite Männchen hat ein abgerundetes Schwanzende und zwei 1,5 mm lange, dünne, stabförmige Cirren und ausserdem einen 0,14 mm grossen Stützapparat; das Schwanzende zeigt 2 seitliche Reihen von Papillen, von denen 9 prä- und 11 postanal stehen, ausserdem jederseits postanal 4 mittlere. Das 78mm lange und 0,485 mm breite Weibehen hat ein abgerundetes Schwanzende; gefunden im Wasser an Rohrwurzeln in Turkestan aus Fedt- schenko's Sammlung. Fedtschenko’s Mermis explicans, gefunden zwischen Rohrwurzeln im See Durschan-kul im Thal Sarawsehan in Turkestan, ist vermuthlich identisch mit paludicola; Fedt- schenko’s Artname kann aber nicht aufrecht erhalten werden, weil eine Artbeschreibung fehlt. a 0. Das Genus Mermis. 155 Mermis aquatilis Duj. Fig. 7—10. Dujardin, Histoire des Helminthes. Paris 1845, pag. 68, tab. III, Fig. E u. F. Filaria aquatilis, Filaria lacustris. Bugnion, Verhandl. d. schweizerischen naturf. Gesellschaft in Bex, Jahresber. 1876—77. Lausanne 1878, pag. 247-—255. Die Gelegenheit, diese Art untersuchen zu können, ver- danke ich der grossen Freundlichkeit des Herrn Professor Bugnion in Lausanne, welcher mir ein reiches Material aus dem Genfer See schiekte, wofür ich nochmals bestens danke. Die Larve lebt nach einer schriftlichen Mittheilung Bu g- nion’s in der Wasserlarve von Tanypus nebulosus; die kleinste von mir gesehene Larve war Tmm lang und 0,14 mm breit; am abgerundeten Schwanzende steht ein 0,068 mm langes Horn (Fig. 9). Die Geschlechtsform lebt im Wasser; der Körper ist sehr zart und fein und lockenförmig aufgerollt. Das Oesophagusrohr mündet nicht im Scheitelpunkt, sondern in der Ventrallinie zwischen den Papillen (Fig. 7 ö), was schon Dujardin richtig beobachtet hat (tab. 3, Fig. F); das Oesophagusrohr verläuft vielfach hin- und hergewunden; der Nervenring ist stark ent- wickelt (Fig. 7 n) und nach vorn und hinten über dem Oeso- phagus verlängert; zahlreiche Ganglienzellen sind deutlich sicht- bar; die Exeretionsgefässöffnung mündet 0,021 mm vom Kopf- ende (Fig. 7 e); die Fettkügelchen sind gross; zuerst von Bugnion gesehene und als Blutkörperchen gedeutete stark lichtbrechende Scheiben im Innern des Körpers sind oval und abgeplattet, 0,0182 mm lang, 0,0115 mm breit und 0,0044 mm diek (Fig. 10); vom Nervenring, der 0,l4mm vom Kopfende entfernt liegt, strahlen zahlreiche Nerven nach hinten und vorn aus; das Schwanzende ist in beiden Geschlechtern abgerundet. Das Männchen ist durchschnittlich 12 mm lang und 0,176 mm breit; das Oesophagusrohr nimmt das Schwanzende !/,, der 1 2,4 ganzen Länge ein; es ist nur 1 Cirrus vorhanden, der pfriemen- förmig und 0,26 mm lang ist (Fig. 8 c); vor der Geschlechts- öffnung stehen 3 Reihen zahlreicher Papillen, 1 mittlere und 2 seitliche, die etwas hinter der Basis des Cirrus endigen und sehr schwer zu erkennen sind; an der Bauchseite der Schwanz- 156 vaalsınısit' om: spitze findet sich ein Längsspalt (Fig. 8 s), der offenbar durch an die Ränder tretende Muskeln erweitert werden kann und viel- leicht als Haftorgan dient. Das 19mm lange und 0,273 mm breite Weibchen hat ein Oesophagusrohr, das fast die halbe Thierlänge einnimmt; die von ihm durchlaufene Strecke verhält sich zur hinteren wie 1:1,13; die Vagina mündet hinter der Körpermitte, der durch sie gebildete vordere Körperabschnitt verhält sich zum hinteren wie 25:19. Die sehr muskulöse, 0,07 mm breite Vagina verläuft 0,4mm nach hinten, biegt dann eine kurze Strecke nach vorn um und theilt sich nun m die 2 Uteri; das eine Geschlechtsrohr liegt in der vorderen, das andere in der hinteren Körperhälfte, und bei einem jungen Weibchen endigte das vordere Ovarium !/-, das hintere !/,, der ganzen Thierlänge vom Kopf- resp. Schwanz- ende. Die kugelförmigen Eier messen 0,049 mm. Gefunden von Bugnion im Genfer See bei Morges zwischen Wurzeln von Potamogeton und Myriophyllum, in 2---80 Meter Tiefe; auch Asper fand die Art im Schlamm am Grunde von Schweizer Seen und Dujardin in Frankreich bei Rennes unter den Blättern von Nymphaea. Mermis lacinulata Schneider. Schneider, Monographie der Nematoden. Berlin 1866, pag. 178 tab. XIV, Fig. 5—7. Männchen 84, Weibehen 330 mm lang; bei beiden Ge- schlechtern ist das Sehwanzende gerundet, beim Weibehen ven- tral gerade, dorsal convex; das Männchen hat 2 gleiche, eylindrische, gekrümmte Spieula mit stumpfen Enden; man findet am Schwanzende 3 Längsreihen von Papillen, von denen die mittlere kurz vor und hinter der Geschlechtsöffnung verdoppelt ist. Vaterland und Wohnort unbekannt. Mermis acuminata v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1883, pag. 301, tab. IX, Fig. 44. Männchen unbekannt, Weibchen 45 mm lang und 0,72 mm breit, das Schwanzende ist zugespitzt; am Kopfende stehen ausser den gewöhnlichen 6 Papillen 2 spitze Vorsprünge des Parencehyms nach vorn; die Eier sind 0,069 mm lang und 0,055 mm Das Genus Mermis. 157 breit, aus Fedtschenko’s Sammlang in Turkestan, Fundort unbekannt. Mermis rotundata v. Linstow. v. Linstow, das. pag. 301—302. Auch hier lag nur ein Weibehen vor, das 14mm lang und 0,17 mm breit ist, das Schwanzende ist abgerundet; das Thier ist erfüllt mit 0,74mm langen und 0,02 breiten Embryonen, deren lang zugespitzter Schwanz ®/, der ganzen Länge einnimmt; auch aus Fedtschenko's Sammlung in Turkestan, Fundort nicht bekannt. Mermis albicans wird von Leidy als in Nordamerika bei Philadelphia vorkommend vorgeführt, die Larve wurde in Locusta carolina gefunden (Proceed. Acad. Philadelphia t. V, 1852, pag. 263, t. VIII, 1857, pag. 58). Da aber jede Beschreibung - fehlt, so ist es unmöglich zu bestimmen, ob hier wirklich Mermis albicans oder eine andere Art beobachtet ist. Drei Varietäten, elongata, crassicaudata und ferruginea, früher als besondere Arten angeführt, werden zu Mermis albicans gestellt, können aber nicht hierher gehören, da sie im Wasser leben. Das wenige, was Leidy über diese Formen anführt, ist folgendes: Mermis elongata Leidy. Länge 163--596 (!) mm, Breite 0,385—0,75 mm; Farbe gelb- lich; in einem Graben bei New Jersey gefunden. Mermis crassicaudata Leidy. 237 mm lang, weiss; im einem Graben bei Philadelphia. Mermis ferruginea Leidy. 381 mm lang, braun; in Brasilien gefunden ohne Ortsangabe. Ein Recht, als Art angesehen zu werden, können diese An- gaben wohl nicht bedingen, ebensowenig aber kann es sich um Varietäten von Mermis albicans handeln. Bei dem Mangel aller characteristischen Merkmale der Haut bei Mermis muss das männliche Hinterleibsende die Art- charaetere geben, und wo die Männchen fehlen, muss man den inneren Bau studiren. 158 v. Binstow: Nur in der Larvenform bekannte Mermis-Arten Aus Orthopteren. Mermis spiralis Baird. Baird, Catalog. entoz. Brit. Mus. London 1853, pag. 35, tab. I, Fig. 3. Der Körper ist eingerollt, 190 mm lang und 0,56 mm breit, aus einer Locusta in Rio de Janeiro. Mermis praematura v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1897, pag. 32, tab. IV, Fig. 13. 60 mm lang und 0,40 mm breit, Schwanzende conisch mit abgerundeter Spitze; die Vagina liegt hinten und theilt den Körper im Verhältniss von 23:7; das Thier stammt angeblich aus einer Stenobothrus-Art aus Madagascar, und enthält merk- würdiger Weise, obgleich parasitisch lebend, doch kugelrunde, . 0,06 mm grosse Eier mit einem entwickelten Embryo; ver- muthlich liegt, was das Herkommen betrifft, ein Irrthum vor. Mermis acrididorum v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1897, pag. 32. 145—205 mm lang und 0,40—0,36 mm breit, am Schwanz- ende ein Horn; aus Orthoeris und einer anderen, Stenobothrus- artigen Heuschrecke in Madagascar. Mermis longissima Fedt. Fedtschenko, Nachricht der Kaiserl. Gesellsch. d. naturf. Freunde in Moskau (russisch), Bd. X, Heft II, 1874, pag. 58—60, tab. XIV, Fig. 15. v.Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1883, pag. 302. Mermis spec. ? 440 mm lang, Oesophagusrohr über 80 mm lang; die Ab- bildung giebt einen Querschnitt ganz vorn dicht hinter dem Kopfende wieder. Aus Pachytylus migratorius in Turkestan. Aus Arachniden. Mermis truncatula Rud. Rudolphi, Entoz. histor. II, pag. 78. Filaria truncatula. Meissner, Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd. VII, Leipzig 1856, pag. 48. Länge 54—136 mm; aus Phalangium cornutum und Phalan- gium opilio. Das Genus Mermis. 159 Mermis robusta Leidy. Haldeman, Iconogr. encycl. II, zool. 48. Filaria Lycosae. Leidy, Proceed. Acad. Philad. VIII, 1856, Philadelphia 1857, pag. 58. 81—135 mm lang und 0,46—0,89 mm breit; blass röthlich, glänzend, starr, Kopfende eonisch. Pennsylvania in Nordamerika aus Lycosa seutulata und Lycosa spec. ? Mermis Drassi v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1883, pag. 302, tab. IX, Fig. 45. Etwa 76 mm lang und 0,46 mm breit, Papillen am Kopfende von eoncentrischen Kreisen umgeben, Schwanzende kugelförmig verjüngt, am Ende abgerundet, aus Drassus spec.? Fedt- schenko’s Sammlung in Turkestan. Mermis brasiliensis n. sp. Fig. 11—13. Berliner Sammlung Nr. 1053. Länge 125, Breite 0,531 mm; Kopf mit wenig prominenten, ganz vorn stehenden Papillen, die nicht von Kreisen umgeben sind; die Exeretionsgefässöffnung liegt 0,055 mm vom Kopfende ent- fernt (Fig. 11 e); das Schwanzende ist abgerundet und zeigt einen winzig kleinen, 0,0052 mm grossen kegelförmigen Anhang (Fig. 12); die Haut ist sehr diek und hat eine Breite von 0,021 mm. Die Längswülste sind wenig entwickelt, mit Aus- nahme der ventrolateralen sind sie dreitheilig (Fig. 13); der Oesophagus ist auf die Seite gedrängt (Fig. 13 ö); die Fett- kügelchen sind von verschiedener Grösse, einige sind sehr gross, die Hülle des Fettkörpers ist breit; hinten im Körper überragen die Längswülste die Muskulatur nicht nach innen. Aus einer Spinne (Aranea) in Rio grande da Sul, Südbrasilien. Andere, nicht benannte und beschriebene Mermis-Larven sind gefunden in Mieryphantes bieuspidatus, Tarentula inquilina, Salticus formicarius, Tegenaria atrica (Bertkau, Verhandl. d. naturhist. Ver. der preuss. Rheinl. Bd. 45, Bonn 1888, pag. 91—92), und vermuthlich ist das, was Rösel (Insektenbelust. Bd. IV, Nürnberg 1761, pag. 264, tab. XXXIV, Fig. 5) in Epeira dia- demata gefunden hat, auch eine Mermis-Larve. 160 v. Linstow: Aus Mollusken. Mermis hyalinae v. Linstow. v. Linstow, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. XXXVII, Bonn 1891, pag. 245—248, tab. XII, Fig. 11—14. 96 mm lang und 0,36.mm breit; im Fettkörper finden sich Längsscheidewände; der Exeretionsporus liegt dicht hinter dem Kranz der 6 Papillen; das Schwanzende ist abgerundet und ohne Horn, wodurch die Art sich von M. albicans unterscheidet; von M. nigrescens ist sie durch den Mangel der beiden Parenchym- fortsätze nach vorn, die in Papillen endigen, unterschieden; auch sind die Längswülste anders gebaut als bei diesen Arten; aus Hyalina cellaria, bei Braunschweig gefunden. In Suceinea amphibia=putris ist die Larve von Mermis albicans beobachtet, durch v. Siebold in mehrerer Hunderten von Exemplaren, Mitten aber führt (Annals and magaz. of nat. hist. 3. ser., vol. XX, London 1867, pag. 445—446) eine 8l mm lange, nicht näher beschriebene Mermis-Larve aus Limax agrestis auf. Aus unbekannten Wohnthieren. Mermis setiformis v. Linstow. v. Linstow, Archiv für Naturgesch. Berlin 1879, pag. 182—183, tab. XII, Fig. 30. Grösste Länge 40 mm, Breite 0,2 mm; das Kopfende_ ist kolbenförmig verdickt und endigt, was sonst bei Mermis nicht beobachtet wurde, in 2 halbkugelförmige Lippen; jede derselben trägt 3 Papillen, so dass auch hier ein Kranz von 6 Papillen besteht; dicht vor und hinter jeder dieser 6 Hauptpapillen aber steht noch eine kleinere. Die ursprüngliche Beschreibung ist hier in einigen Punkten verbessert. Heimath unbekannt. Mermis rigida Baird. Baird, Catal. entoz. Brit. Mus. London 1853, pag. 35; Proceed. zool. soc. London 1853, pag. 19, tab. XXX, Fig. 2. Länge 338 mm, Breite 1,13 mm, braun, glänzend, Schwanz- ende mit conischer Spitze; Fundort nicht genannt. Su se en Eee EEE ee ee ee a Met, Das Genus Mermis. 161 Mermis australis n. sp. Fig. 14—-16. Berliner Sammlung Nr. F. 1002. 255 mm lang und 0,43 mm breit. Das Exemplar befmdet sich in der Häutung und unter der abzustreifenden Haut erkennt man die junge. Die letztere ist sehr diek, 0,023 mm messend, während die abzustreifende Haut nur 0,013 mm stark ist, was ein Dickenverhältniss von 9:5 ergiebt. Am Kopfende stehen die constanten 6 Papillen. Das chitinöse Oesophagusrohr, das sehr lang ist, wird bei der Häutung mit ausgestossen; der Punkt, an welchem es mit dem Scheitelende des Kopfes verwachsen war, ist losgerissen und zurückgeschoben (Fig. 14 a), der End- punkt aber, welcher etwa in der Mitte des Körpers lag, ist dem Kopfende schon sehr genähert (Fig. 14 b), und das lange Rohr liegt nun in vielen Windungen im Kopfttheil der abzustreifenden Haut (Fig. 14); das Rohr ist 0,010 mm breit. Das Schwanzende ist abgerundet und mit einer sehr kleinen, 0,10 mm langen Spitze versehen (Fig. 15 a), welche der bleibenden Haut fehlt (Fig. 15 b). Die Längswülste sind dadurch merkwürdig, dass sie zu einem Cylinder verschmolzen sind, der auf Querschnitten als Ring er- scheint (Fig. 16); die Fettkügelchen sind klein und gleiehmässig. Von Dr. B. Friedländer in Neu-Seeland gesammelt. Mermis africana n. sp. Fig. 17--19. Berliner Sammlung Nr. F. 726. 310 mm lang und 0,59 mm breit. Das Oesophagusrohr ist vorn spindelförmig erweitert (Fig. 17); das Schwanzende ist abgerundet, ohne Anhang und an der Bauch- fläche nicht abgeplattet (Fig. 18); die sehr dieke Haut hat hinten einen Durchmesser von 0,053 mm, in der Mitte von 0,130 mm, während die Muskellage 0,0078 mm misst. Die Längs- wülste sind wenig entwickelt; der ventrale hat eine schmale Basis (Fig. 19 v), die dorsolateralen sitzen mit ganzer Basis der Haut auf (Fig. 19 dl) und sind den Seitenlinien nahe gerückt, der Fettkörper hat eine dünne Hülle, die Kügelehen haben alle fast dieselbe Grösse. Von E. Baumann bei Togo, Misahöhe in Südwestafrika gefunden. 162 v. Linstow: Mermis costaricensis n. Sp. Fig. 20—22. Berliner Sammlung Nr. 280. Wird bis 68mm lang und 0,52 mm breit. Die Exeretions- gefässöffnung findet sich 0,047 mm von Kopfende entfernt, dicht hinter dem Kranze der 6 Papillen (Fig. 20 e); am abgerundeten Schwanzende steht ein kleines, nach der Rückenseite gekrümmtes, 0,013 mm langes Horn (Fig. 21); die Fettkügelehen sind sehr verschieden an Grösse bis zu den kleinsten, punktförmigen, die sich lebhaft färben; die Haut ist 0,0078 mm, die Muskelschiecht 0,0104mm stark, die Hülle des Fettkörpers ist besonders an der Bauchseite breit. Die Dorsolateralwülste haben 3, der ven- trale hat 2 Kernreihen, erstere wurzein mit breiter, letzterer steht mit schmaler Basis auf der Haut. Von Dr. Hoffmann in Costarica gesammelt. Nur in der embryonalen Larvenform bekannt. Mermis Gammari v. Linstow. v. Linstow, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. XXXIX, 1892, pag. 324, tab. XV, Fig. 11—12. 0,59 mm lang und 0,018 mm breit, Bohrstachel 0,021 mm lang, der im vorderen Drittel verdiekt ist; der Oesophagus & 1 L nimmt 38 der Gesammtlänge ein. r) Uneingekapselt in der Leibeshöhle von Gammarus pulex bei Göttingen. Leuckart berichtete (Jahresber. 1856, pag. 350) über Mermis in Gammarus pulex. Mermis Sialidis v. Linstow. v. Linstow, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. XXXIX, Bonn 1892, pag. 329, tab. XV, Fig. 13. Länge 0,54 mm, Breite 0,013 mm, der hinten etwas ver- diekte Bohrstachel misst 0,016 mm, der Oesophagus macht 398 , [= der ganzen Thierlänge aus. Aufgerollt in kugelförmigen, membranösen Cysten im Fett- körper der Wasserlarve von Sialis lutaria, bei Göttingen, Das Genus Mermis. 163 Zur Anatomie und Histologie des Genus Mermis. Die Mermis-Arten sind langgestreckte Nemathelminthen, deren Haut glatt ist; Dornen, Stacheln, Nackenpapillen, Seiten- leisten fehlen stets und leicht erkennbar ist das Genus an unter einem bestimmten Winkel gekreuzten Fasersystemen, welche der zweiten Hautschicht angehören und durch die dünne Epi- dermis durchscheinen; bei Mermis nigrescens fand ich unter der Epidermis 3 Corium-Lagen, welche vier Schichten sich der Mächtigkeit nach verhalten wie 1:3:4:16; die zweite Lage be- steht aus den 2 unter einem Winkel von 80 oder 100° gekreuzten Fasersystemen. Die Haut der parasitischen Larven ist viel dünner als die der freilebenden geschlechtsreifen Thiere; durch mehrere Häutungen erfolgt ein Wechsel. Unter der Haut liegt die Hypodermis, welche an 6 Linien zu Wülsten vorgewölbt ist, die das ganze Thier der Länge nach durchziehen. Diese 6 Längswülste können eine grosse Mächtig- keit erreichen, wie bei Mermis crassa, und enthalten oft zahl- reiche, runde Kerne, die nicht nur reihenweise neben einander, sondern mitunter auch in mehreren Lagen über einander ange- ordnet sein können, wie ich es bei Mermis nigrescens und M. crassa gefunden habe. Diese Wülste habe ich als 1 dorsalen, 2 dorsolaterale, 2 ventrolaterale und 1 ventralen bezeichnet; ihre Entwicklung ist sehr verschieden; die stärksten sind stets die dorsolateralen, der ventrale wurzelt meistens mit schmaler Basis auf der Haut, der dorsale pflegt schwach entwickelt zu sein, am schwächsten aber die beiden ventrolateralen; dass aber alle 6 im Prineip gleiehwerthig sind, erkennt man aus Querschnitten am Kopf- und Schwanzende (s. meine Abbildung von M. nigres- cens tab. XXVIII, Fig. 6 und von M. crassa tab. XXI, Fig. 3 u. 6), wo alle 6 in derselben Weise gebildet sind. Die 6 Längswülste grenzen 6 Muskelzüge ab, welche aus Längsfibrillen gebildet sind; es sind quergestreifte, contractile Fasern mit dazwischenliegender Plasmamasse (M. nigrescens tab. XIX, Fig. 13), die an der der Leibeshöhle zugewandten Seite kleine, rundliche Kerne tragen; bei geschlechtsreifen Exem- plaren von M, albicans und M. nigrescens sind die Fibrillen 0,0023—0,0028 mm breit. Die Muskeln der jüngeren Larven sind schwach entwickelt. 164 v. Linstow: Denkt man sich die 6 Längswülste durch Mittellinien ge- theilt und bildet so 2 dorsale, 2 laterale und 2 ventrale Felder, so nehmen diese bei den einzelnen Arten folgende Procente des Körperumfanges ein: Mermis albi- nigres- crassa afrieca- austra- costari- brasi- cans cens na lis censis liensis Dorsalfeld 20 16 18 a2 25 = 32 Lateralfeld 16 18 19 16 16 16 19 Ventralfeld 14 16 13 12 11 15 13 Ventralfeld 14 16 13 123 al 13 13 Lateralfeld 16 18 19 16 16 16 15 Dorsalfeld 20 16 18 2 23 21 22 Wenn alle 6 Felder gleich breit wären, so müsste auf jedes 16?/, 2), kommen; Meissner, Schneider und Rohde verlegen die Dorsolateralwülste in die Seitenlinien; sind sie sehr breit, so können sie dieselbe wohl erreichen, ihre Mittellinie aber verläuft stets erheblich dorsalwärts von ihr. In einem der beiden Dorsolateralwülste verläuft ein Exere- tionsgefäss, das dieht hinter den Kopfpapillen nach aussen mündet, wie ich es bei M. nigrescens, M. hyalinae, M. con- torta, M. aquatilis, M. brasiliensis und M. costaricensis ge- funden habe. Am Kopfende stehen stets 6 Papillen im Kreise, das Oesophagusrohr mündet im Scheitelpunkt, bei M. aquatilis aber dieht dahinter in der Ventrallinie; Lippenbildungen am Kopfe fehlen, worin nur M. setiformis eine Ausnahme macht. Das Schwanzende ist entweder abgerundet oder zugespitzt, oft an der Bauchfläche abgeplattet, die Larven tragen bei manchen Arten ein nach der Rückenseite gekrümmtes Horn. Der Oesophagus besteht aus einem oft sehr langen, chiti- nösen Rohr, das in der Mitte eines mit regelmässig hinter ein- ander liegenden Anschwellungen versehenen Körpers verläuft, den ich für den Darm halte; bei den Larven von Mermis nigres- cens fand ich, dass das Rohr in der Mitte dieser Anschwel- lungen eine kleine Oeffnung besitzt (tab. XXVIIL, Fig. 2 b), so dass ich das Rohr, das hinten blind endigt, für einen in den Darm versenkten Oesophagus halte. Bei den Häutungen wird das Rohr mit ausgestossen (M. setiformis, M. paludicola, M, CN RER. ee 2 ie er ie ee EEE ee ee Die Das Genus Mermis. 165 australis) und wieder ergänzt; bei den freilebenden Geschlechts- thieren aber fehlen die Oeffnungen; die Ernährung scheint hier lediglich durch Aufnahme von Wasser und die in ihm gelösten Stoffe durch die Haut zu erfolgen. - Ein stark entwickelter Nervenring umgiebt den Oesophagus- Darm ganz vorm; Meissner sah bei M. albicans und ich bei M. aquatilis zahlreiche Ganglienzellen; nach vorn und hinten treten Nerven aus, und im hinter dem Nervenring gelegenen Körpertheil sieht man einen Dorsalnerven an der Innenseite des Dorsalwulstes und einen Ventralnerven an der Innenseite des Ventralwulstes verlaufen; wie bei den Nematoden ziehen Quer- stränge der Marksubstanz der Muskeln zu diesen Hauptlängs- nerven, durch welche sie innervirt werden, was von Rohde gefunden wurde. Die ganze Leibeshöhle der Larven wird, ab- gesehen vom ÖOesophagus-Darm, vom Fettkörper erfüllt, den Fedtschenko u. a. für den Darm hielten; er ist aber wohl nichts weiteres als das Bildungsmaterial für die Geschlechts- organe. Bei der Larve von M. nigrescens fand ich am Kopfende diehtgedrängte kleine Drüsen (tab. XXVIII, Fig. 1.d). Bugnion entdeckte bei M. aquatilis Blutkörperchen, welche ich bei dieser Art wiedergefunden und beschrieben habe. Die Geschlechtsorgane sind ganz ähnlich wie bei den Nema- toden gebaut. Bei den Männchen findet man einen Hoden, die Sper- matozoen bei M. albicans sind nach Meissner kugelförmig mit einem fadenförmigen Anhang; auffallender Weise findet man bei den Männchen bald einen (M. crassa, M. aquatilis), bald zwei Cirren; die Papillen am männlichen Schwanzende unterscheiden sich von denen der Nematoden dadurch, dass sie ausser den beiden Seiten- auch eine ventrale Mittelreihe bilden; diese 3 Reihen sind entweder einfach oder ganz oder theilweise ver- doppelt; zieht die Mittelreihe an der Geschleehtsöffnung vorüber, so ist sie hier stets verdoppelt; bekannt sind die Männchen von M. albicans, crassa, paludicola, contorta, lacinulata und aquatilis. Die Vagina liegt in der Körpermitte oder etwas hinter ihr; sie hat starke, muskulöse Wandungen und führt in 2 Uteri, die in Ovarien übergehen; das eine Geschlechtsrohr liegt in dem vorderen, das andere im hinteren Theil des Körpers von der Vagina aus gerechnet. Archiv f, mikrosk. Anat. Bd, 53 12 166 v. Linstow: Die kleinen Eier sind bald kugelförmig, bald linsenförmig; die von M. nigrescens haben die geschilderten Anhänge an den Polen. Der Embryo liegt in wenigen oder vielen Windungen auf- gerollt in der Eischale. Wie bei Gordius muss man zwei Larvenformen unter- scheiden, eine jüngere, kleine, embryonale, welche zunächst dem Embryo im Ei entspricht, und eine ältere, grosse, welche in die Geschlechtsform übergeht. Die embryonale Larvenform ist entweder sehr langgestreckt, wie bei Mermis albicans, rotundata und praematura, oder kurz und verhältnissmässig breit, wie bei Mermis nigrescens, cerassa, Gammari und Sialidis; alle führen am Kopfende einen geraden, das Ende des Oesophagusrohrs bildenden Bohrstachel. Die zweite, grosse Larvenform, welche, weil sie parasitisch lebt, keinen Verletzungen ausgesetzt ist und fast keine Bewegungen zu machen hat, eine schwach entwickelte Haut und Muskulatur besitzt, entbehrt aller Geschlechtsorgane; die Leibeshöhle ist vom Fettkörper ausgefüllt und oft steht am Schwanzende ein nach der Rückenfläche gekrümmtes Horn. Die befruchteteu Weibchen legen ihre Eier, je nach ihrem Aufenthalt, in die Erde oder in’s Wasser. Die aus den Eischalen kriechende embryonale Larve lebt zunächst einige Zeit lang frei in der Erde oder im Wasser, um dann mittels des Bohrstachels in Insektenlarven einzudringen ; v. Siebold beobachtete, wie die jungen Larven von Mermis albicans in Raupen von Hyponomeuta (cognatella=) evonymella, Pontia erataegi, Liparis chrysorrhoea und Gastropaeha neustria einwanderten (Stettin. entomolog. Ztg. Bd.11, 1850, pag.329-—-336). In den Insekten wächst die junge Mermis-Larve heran und verwandelt sich in die grosse, zweite Larvenform. Erwachsene Larven von Mermis albicans nahm v. Siebold aus den Raupen von Hyponomeuta evonymella und sah sie in der feuchten Erde in Blumentöpfen in einigen Wochen geschlechtsreif werden (Stettin. entomol. Ztg. Bd. 9, 1848, pag. 292—295). Die Larven der Landarten leben in Land-, die der Wasser- arten in Wasserinsektenlarven, mitunter treten die Mermis-Larven in Insekten ganz massenhaft auf, wie es von Rosenhauer und v. Siebold für Mermis albicans in Hyponomeuta-Larven beobachtet wurde; Assmus beobachtete eine Epizootie bei NETT ER Da ZA Das Genus Mermis. 167 Drohnen von Apis mellifica bedingt durch dieselbe Art, und van Beneden beschreibt ein so massenhaftes Auftreten von Mermis nigrescens in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni bei Löwen (Louvain), dass man von einem Wurmregen sprach. Diese Art erscheint, wie es von van Beneden, Kraemer und mir geschildert ist, Nachts nach heftigem Gewitterregen im Sommer auf der Erdoberfläche, ringelt sich an Pflanzen empor und umwindet sie mit der hinteren Körperhälfte, während sie mit der vorderen pendelnde Bewegungen in der Luft macht; mit dem ersten Sonnenstrahl verschwindet sie wieder in der Erde. VanBeneden giebt an, die Weibehen von Mermis nigres- cens seien bereits von Eiern erfüllt, wenn sie die Insekten ver- lassen (M&m. sur les vers intest. Paris 1861, pag. 278); dann müssten die Männchen von Mermis die Weibehen noch während ihres parasitischen Lebens in den Insektenlarven befruchten, oder man müsste an Parthenogenese oder Hermaphroditismus denken; vermuthlich hat van Beneden neben Mermis-Larven, die er aus Maikäfern hervorkommen sah, geschlechtsreife Exemplare auf dem Boden gefunden und beide Funde irrthümlich vereinigt; und so wird auch bei Mermis praematura ein Beobachtungsfebler vorliegen. Für die Arten erassa und aquatilis möchte ich das neue Genus Paramermis aufstellen, von Mermis durch das Vorhan- densein von nur einem Spieulum unterschieden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIL. e = Excretionsgefässöffnung; e = Haut; m = Muskeln; ö = Oeso- phagus; f= Fettkörper; d= Dorsal-, dl = Dorsolateral-, v»! = Ventro- lateral-, » —= Ventralwulst. Fig. 1-4. Mermis albicans, Larve; 1—3 Querschnitte, 1 dicht hinter dem Kopfende, 2 etwas weiter hinten, 3 hintere Oesophagus- gegend, 4 Schwanzende. Fig. 5-6. Mermis nigrescens, Larve; 5 Kopf-, 6 Schwanzende, p Pa- pille, dem Orte des Anus entsprechend. Fig. 7—10. Paramermis aquatilis. 7 Kopfende, » Nervenring, 8 männ- liches Schwanzende von der Bauchfläche, e Cirrus, r Retractor, p Protrusor desselben, s saugnapfartige Grube; 9 Schwanzende der Larve; 10 Blutkörperchen, a von der Fläche, b von der Kante gesehen. ig. 11—13. Mermis brasiliensis, 11 Kopfende, 12 Schwanzende, 13 Querschnitt. je oO 168 Hans Beissner: Fig. 14—16. Mermis australis. 14 Kopfende, a von der Scheitelfläche losgerissenes, vorderes Ende des bei der Häutung ausge- stossenen Oesophagusrohres; b hinteres Ende desselben; 15 Schwanzende; 16 Querschnitt, a abzustreifende Larvenhaut, b bleibende Haut. Fig. 17—19. Mermis afrieana. 17 Kopf-, 18 Schwanzende, 19 Querschnitt Fig. 20—22. Mermis costaricensis. 20 Koptf-, 21 Schwanzende, 22 Quer- schnitt. (Aus dem anatomischen Institut in Bonn.) Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca und Rana esculenta. Von Dr. Hans Beissner. Hierzu Tafel IX u. 2 Textfiguren. Schon im Jahre 1846 giebt Bidder in seiner Arbeit: Männliche Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphi- bien, eine genauere Beschreibung von dem nahen Zusammenhang der Niere und des Hoden bei den Anuren. Er sah zuerst die Vasa efferentia testis im Mesorchium sich verzweigend zur Niere ziehen und sich in der Nierensubstanz mit den Kanälen der letz- teren verbinden. „Am äusseren Rande der Niere“, so schreibt er, „verläuft in der ganzen Länge derselben ein Kanal, in den von innen her aus der Niere kommende kleine Gänge sich ein- senken. Dieser Kanal ist Vas deferens und Ureter zugleich. Die Samengänge durchsetzen die Niere nicht neben den Harnkanäl- chen und treten erst mit dem Vas deferens zusammen, sondern die Vereinigung findet schon früher mit den feinsten Nieren- kanälen statt, sodass der Same die Harnkanälchen in ihrer ganzen Länge durchzieht und der Urin gleich bei seinem Erscheinen in den Harnkanälehen mit Samen gemischt ist.“ Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca etc. 169 Hyrtl verbreitet sich über den Gegenstand in seiner Arbeit: Ueber die Injection der Wirbelthierniere und deren Er- gebnisse (Wiener Sitzungsber. der kaiserl. Acad. der Wissensch. Bd. 47. Abth. ID) folgendermaassen: „An einer oder der anderen Niere findet man die Gruben der Malpighi’schen Körperchen mit Masse ausgefüllt, welche nicht bloss die Kapseln der Mal- pighi’'schen Körperehen einnimmt, sondern auch in die Aus- führungswege der Hoden eindringt, welche bekanntlich bei Fröschen in diese Kapseln einmünden.* Niemals ist es ihm aber gelungen, alle Malpighi’schen Kapseln vom Ureter aus zu in- jieiren, sondern bloss die an der Oberfläche der Niere liegenden, die nach seiner Ansicht auch allein mit den Ausfuhrwegen des Hodens eommunieiren. Heidenhain sagt in seinen Mikroskopischen Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der Nieren (Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. X. 1874): „Wie dem auch sei, so ist es für mich ganz sicher, dass in dem zweifellos den Harn bereitenden Theile der Niere von einer Verbindung der Malpighi’schen Kapseln mit den Samenwegen nicht die Rede ist; sie findet erst in den grossen Ausfuhrwegen des Harnes statt. Die an die Nieren herantretenden Samenkanäle laufen zum Theil nur über die Ober- fläche derselben hin.“ Spengel: Das Urogenitalsystem der Amphibien (Arbeiten aus dem zool.-zootom. Institut zu Würzburg Bd. III. 187677, pag. 102) giebt von dem Hodennetze und seiner Verbindung mit dem Harnsamenleiter durch die Niere hindurch für den Frosch folgende Schilderung: „Die Querkanäle des Hodennetzes münden in einen, vollkommen Bidder’s Schilderung entsprechenden Längskanal, der am medialen Rande, etwas gegen die dorsale Fläche der Niere zugerückt, verläuft und der Niere eng anliegt. Der eigentliche Längskanal ist nur sehr dünn; von seiner late- ralen Wand entspringen indess in grosser Anzahl Kanäle, welche quer durch die Niere hindurch ziehen, sich zum Theil mit ein- ander vereinigen und endlich in den Harnleiter eintreten. An der Stelle, wo diese Kanäle den Längskanal verlassen, besitzen sie eine ampullenartige Erweiterung, wodurch das varicöse Aussehen des Längskanals bedingt wird. Ob diese Ampullen ursprüngliche Malpighi’sche Kapseln gewesen sind, deren Glomerulus sich zurückgebildet oder garnicht entwickelt hat, muss die Entwick- 170 Hans Beissner: lungsgeschichte lehren.“ Einen Zusammenhang des Hodennetzes mit den Malpighi’schen Kapseln leugnet er bei Rana, Discoglossus, Alytes und Bombinator mit Bestimmtheit. Völlig abweichende Verhältnisse jedoch trifft er an bei Bufo. „Wie bei den Urodelen und Coeeilien passirt der Same bei Bufo die Harnkanälehen ihrer ganzen Länge nach, auch die mit einem grossen Glomerulus versehenen Malpighi’schen Kapseln.“ Oscar Frankl: Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 63. Heft 1. 1897) beschreibt nach Injeetionspräparaten die betreffen- den Verhältnisse in folgender Weise: „Am medialen Rande der Niere angelangt, erweitert sich an einzelnen Schnitten der Ductus efferens, beziehungsweise der die Ductus efferentes verbindende Längskanal zu den sogenannten Ampullen, welche gleichfalls mit Injectionsmasse angefüllt sind. Und nun sieht man an vielen Schnit- ten den Querkanal durch die Niere laufen, zwar nicht rein quer, sondern in leichtem Bogen, gegen den lateralen Rand der Niere, woselbst derselbe in den Leydig schen Gang einmündet. Der (Juerkanal ist immer mit Berliner-Blau gefüllt. Nach meinen Präparaten schwankt die Zahl der Querkanäle zwischen 5 und 18. „Wenn man die Schnittserien durchsieht, merkt man, dass nicht bloss sagittal verlaufende Harnkanälchen, von der ventralen Nierenfläche zur dorsalen ziehend, in die Querkanäle einmünden, sondern dass von der dorsalen Seite der Malpighi’schen Kör- perchen Kanäle gegen die dorsale Nierenfläche ziehen, dieselbe aber nicht erreichen und entweder in den Querkanal einmünden, oder öfter eine Strecke vor demselben aufhören. An den ent- sprechenden weiteren Schnitten sieht man dann mühelos das fehlende Stück und es bedarf durchaus nicht der Anfertigung eines Modells, sondern einige wenige Zeichnungen auf einander- folgender Schnitte genügen, die Communication der Malpighi- schen Kapseln mit den Querkanälen mittelst sagittaler, mit In- jeetionsmasse erfüllter Kanäle darzuthun. Ich schlage demnach vor, diese Kanäle als Sagittalkommissuren zu bezeichnen.“ So sehen wir nun, dass sich in der Literatur über die Samen- niere der Anuren die verschiedensten Ansichten gegenüberstehen. Bidder und Hyrtl sind der Meinung, dass der Same oder bei letzterem die Injeetionsmasse die Harmkanälchen in Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca ete. 171 fo} ihrer ganzen Länge durchzieht und auch die Malpighi’schen Kapseln erfüllt. Heidenhain ist entgegengesetzter Ansicht und leugnet Jede Verbindung der Samenwege mit den Malpighi schen Kap- seln. Darnach würde man annehmen müssen, dass die dem Nebenhoden der höheren Wirbelthiere entsprechenden Abschnitte in den Ausfuhrwegen des Hodens vom Hoden aus entstanden seien. Spengel ist für Bufo der Ansicht Hyrtl’s und stimmt für Rana wiederum Heidenhain bei. Frankl bestätigt durch Injeetion die Communication der Malpighi’schen Kapseln mit den Querkanälen durch sagittale Commissuren. Nach seiner Annahme aber, die er durch das Schema in Figur 1 illustrirt, würde der Same einen ganz anderen Weg nehmen, als es Bidder und Hyrtl angenommen hatten. Soll man nun glauben, dass die eine Hälfte der genannten Beobachter sich geirrt hat, oder wäre es nicht vielmehr denkbar, dass beide Parteien Recht haben, dass jeder ein anderes Object, das heisst eine andere Species von Rana untersucht hat? Die vorgetragenen, entgegengesetzten Ansichten prüfte N uss- baum von diesem Gesichtspunkte und kam dabei zu folgenden Resultaten. Die beiden Species Rana temporaria, speciell die früher nicht als besondere Species bekannte Rana fusca und Rana escu- lenta wurden auseinandergehalten und an beiden eingehende Unter- suchungen angestellt. Schon in einem Sitzungsbericht der Nieder- rheinischen Gesellschaft vom Jahre 1877, also drei Jahre nach Bekanntwerden der Resultate Heidenhain’s, äussert sich Nuss- baum folgendermaassen: „Auch bei erwachsenen Thieren von Rana esceulenta können die Glomeruli in den samenableitenden Harnkanälchen erhalten bleiben. In den mit Samenfäden erfüllten Kapseln fehlt der Glomerulus nicht und in allen Abschnitten der betreffenden Harnkanäle finden sich Samenfäden.“ In einer späteren Arbeit vom Jahre 1886: Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen (Archiv für mikr. Anat. Bd. 27. pag. 456) kommt er wieder zu dem Resultate, dass bei Rana esculenta das Hodennetz in ächte Malpighi’sche Körperchen einmündet. Auch beim grossen ungarischen Wasserfrosch stehen nach 172 Hans Beissner: seinen Untersuchungen gewöhnlich mehrere Malpighi’sche Kör- perchen, dicht bei einander gelagert, durch Kanäle, die vom ventralen Pole des Bowman schen Kapselraums ausgehen, mit dem Bidder’schen Längskanal und weiterhin mit dem Hoden- netze in offener Verbindung. Bei Rana temporaria, speciell der neuen Species Rana fusca dagegen liegen die Verhältnisse ganz anders. Dort sind während der Paarungszeit alle ächten Malpighi'schen Körper- chen frei von Sperma und eine direete offene Verbindung der- selben mit dem Bidder’schen Längskanal und dem Hodennetze wie bei Rana esculenta fehlt. Der Spermastrom geht hier von dem Längskanal aus durch die Ampullen, die Malpighi- sche Kapseln darstellen, deren Glomerulus zu Grunde gegangen ist, in eine Anzahl Querkanäle, die durch die ganze Niere hin- durchziehen, in das Vas deferens oder den Ureter münden. In seiner Arbeit: Ueber die Entwicklung der samenableitenden Wege bei den Anuren (Zool. Anz. Bd. III. pag. 502, 1880) hat Nussbaum nun auch nachgewiesen, dass die samenableitenden Wege aus der Niere hervorsprossen und sich erst seeundär mit den Anlagen des samenbildenden Theiles des Hodens verbinden. Bei Rana esculenta bleibt diese Verbindung der Bowman schen Kapseln mit dem funetionellen Theile des Hodens auch ferner bestehen und der Spermastrom geht durch diese Verbindungen, durch die Malpighi'schen Körperchen, deren Glomerulus erhalten bleibt und durch die Harnkanälchen in den Querkanal und von da aus zum Ureter. Bei Rana fusca jedoch ist diese Art von Verbindung nur kurze Zeit nach ihrem ersten Auftreten während der Ent- wieklungsperiode vorhanden. Später gehen der Glomerulus und die secernirenden Theile des betreffenden Harnkanälchens zu Grunde, und es bleibt von ihm nur die Verbindung zwischen Längskanal und Querkanal mit eingeschalteter Ampulle übrig. In der jüngsten Mittheilung (Zool. Anzeiger 1897, Nr. 544, pag. 425) geht Nussbaum nochmals auf die Unterschiede ein, welche in der Ausgestaltung der samenableitenden Wege der beiden bekanntesten Froschspecies bestehen; er hebt die Eigen- thümlichkeiten im Bau der homologen Theile bei anuren und urodelen Amphibien und den höheren Wirbelthierklassen hervor, und betont die Bedeutung der allmählichen Umwandlung, deren einzelne Etappen sich hier in lückenloser Stufenfolge bei fer- Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca ete. 173 tigen Thieren erhalten haben. Bei anderen fort- oder rück- schreitenden Abänderungen kann die Continuität oft nur durch das Studium der embryonalen Periode erkannt werden, wie sich dies schon an demselben Organ — der Amphibienniere — mit Bezug auf das verschiedene Verhalten der Wimpertrichter ergiebt. Nussbaum hat also durch seine Untersuchungen darge- than, dass alle früheren Autoren zum Theil Recht behalten, dass aber einige nur RKana fusca, andere nur Rana esculenta untersucht haben; denn bei diesen Froschspecies sind die Strassen, welehe die Samenfäden vom Hoden zum Ureter zurücklegen, ge- rade so verschieden, wie die Samenfäden selbst. Zu meinen Untersuchungen bediente ich mich zuerst der Species Rana fusca. Ich tödtete einige seit einigen Tagen in Copulation befindliche Männchen durch Chloroform; schnitt die Nieren heraus, härtete sie in Alkohol von steigender Concentration und bettete sie in Paraffin ein. Von einer künstlichen Injection der Niere wurde vorsätzlich zunächst abgesehen, da mir die na- türlich mit Sperma gefüllte ein genaueres und fehlerfreieres Bild zu bieten schien. Auf einem Querschnitte eines solchen Objectes, wie ihn Figur 1 darstellt, sieht man nun bei schwacher Vergrösserung zunächst ein Vas efferens in den Längskanal, der auf dem Quer- schnitt getroffen ist, einmünden und dann in leichtem Bogen näher der dorsalen Seite der Niere durch das Parenchym ziehen. Dieses Anfangsstück muss eine leichte Krümmung machen, da es auf der ventralen Seite aus dem Längskanal heraustritt und sich im Inneren der Niere nach der dorsalen Seite hinwendet. Die an der ventralen Seite gelegenen Malpighi’'schen Körper sind sämmtlich frei von Spermatozoen, während der Querkanal und seine Seitenzweige von Sperma vollständig erfüllt sind. Bei Sehnitten, die von künstlich mit Berliner Blau injieirten Nieren angefertigt sind, fand sich jedoch auch in den Malpighi- schen Körpern Injectionsmasse, aber Sagittalkommissuren, wie sie Frankl in seiner Arbeit beschreibt, sind mir trotz eifrigen Suchens nicht zu Gesicht gekommen. Ich fand oft mit Berliner Blau gefüllte Harnkanälchen von den Malpighi’schen Körpern ausgehend, nach dem Querkanal ziehen und lateral, dicht vor ihm enden. Untersuchte man aber dann die folgenden Serienschnitte, 174 Hans Beissner: so sah man den Querkanal allmählich verschwinden und das Harnkanälchen unter ihm hinwegziehen und umbiegen. In Figur 2—-6 ist an aufeinander folgenden Sehnitten der Uebergang von Längskanal zu Ampulle und Querkanal genauer dargestellt. Aus diesen Serienschnitten ist auch ersichtlich, dass das Anfangsstück des Querkanals, ehe es sich zur Ampulle er- weitert, nicht in direet horizontaler Richtung aus dem Längs- kanal hervorgeht, sondern dass es sogleich nach seinem Austritt eine Krümmung nach dem Kopfstück der Niere zu macht, dann nach dem lateralen Nierenrande zu umbiegt und sich zur Ampulle erweitert. Dies geht besonders deutlich aus Figur 6 hervor, wo der Querkanal mit einem Stück der Ampulle dem Längskanal ohne eine Verbindung dicht angelagert ist. Diese Verbindung, die in der oral gerichteten Krümmung liegt, ist in den vorher- gehenden Schnitten 4 und 5 sichtbar. Figur1. Schema zu Rana fusca. Der Längskanal und die folgenden Theile sind hier wie- derum voll von Spermatozoen, während ein dicht daneben gela- gertes Malpighi'sches Körperchen davon völlig frei ist. Ebenso waren aber auch alle anderen Malpighi'schen Körperchen der Niere frei von Samenfäden. | Bei Rana fusca nimmt also das Sperma vom Hoden aus seinen Weg durch die im Mesorchium verlaufenden Vasa efferentia testis, die sich am medialen Rande der Niere zu dem Bidder- schen Längskanal vereinigen, strömt dann durch die Ampullen und die Querkanäle zum Ureter. An dem vorstehenden Schema habe ich diese Verhältnisse möglichst einfach und klar darzustellen versucht. Ve bezeichnet ein Vas efferens testis, Z den Bidder' schen Längskanal im Quer- Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca ete. 175 schnitt, Qu den Querkanal mit der Ampulle A, gl einen Glome- rulus mit seinen Harnkanälchen, 7, /7, III, IV, S die aufeinan- derfolgenden Abschnitte eines Harnkanälchens, U den Ureter im Querschnitt. | Bei Stauung von Sperma kann dasselbe selbstverständlich vom Querkanal aus rückwärts bis in die Malpighi schen Kapseln gelangen, wie ja auch die Injeetionsmasse, die unter ziemlich starkem Drucke vom Ureter aus eingespritzt wird, dieselben erfüllt. Nach Klarlegung dieser Verhältnisse bei Rana fusca wandte ich mich nun der anderen Species Rana esculenta zu, indem ich bei Herstellung der Präparate in derselben Weise vor- ging, und wiederum zuerst zur Brunstzeit natürlich injieirte Nieren untersuchte. Hier ist das Bild, welches sich an feinen Schnitten durch die gehärteten Nieren darbietet, ein ganz anderes. Was zunächst auffällt ist, dass fast alle dem medialen Nierenrande nahe gelegenen Bowman'schen Kapseln, nur wenige ausge- nommen, mit Sperma erfüllt sind, ebenso auch alle Abschnitte der zugehörigen Harnkanälchen. In den Figuren 7, 8, 9 sind der erste, zweite und vierte Abschnitt eines Harnkanälchens, die sich Ja bekanntlich durch die verschiedenen Arten ihrer Zellen unter- scheiden, dargestellt, und alle sind erfüllt von Spermatosomen. Weiterhin fällt bei der Betrachtung auf, was auch Frank] in seiner Arbeit bereits erwähnt hat, dass am ventralen Rande der Niere ein zweiter Querkanal durch das Nierenparenchym zieht, den Frankl als ventralen Querkanal bezeichnet. Von diesem Querkanale nun sieht man Kanälchen abgehen, die in die Malpighisschen Körperchen einmünden (Fig. 10). Meistens ist jede einzelne Kapsel durch ein besonderes Röhrchen mit dem Hauptkanal verbunden, manchmal aber sieht man auch, wie in Figur 11, einen Kanal sich theilen und zwei Kapseln versorgen, wie dies schon von Nussbaum beschrieben und abgebildet wurde!). Neben den mit Sperma erfüllten Malpighi schen Körperchen kommen auch solche vor, die davon vollständig frei sind, und die keine Verbindung mit dem ventralen Querkanal, den ich den zuführenden Querkanal zu nennen vorschlage, zeigen, die also denen bei Rana fusca gleichen, und nur eine harnab- scheidende Thätigkeit entfalten. 1) Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 27. 176 Hans Beissner: Eine Ampulle, wie sie bei Rana fusca vorhanden ist, fehlt und ihre Stelle wird von dem ersten, mit dem zuführenden Querkanal verbundenen Malpighi’schen Körperchen eingenommen, dessen Glomerulus aber in allen Fällen erhalten ist. Der Gang des Spermas bei Rana eseulenta ist also hiernach folgender: Zunächst gelangt das Sperma wieder in den Bidder’schen Längskanal, der auf der ventralen Seite der Niere zuführende Querkanäle durch das Parenchym absendet. Aus diesen strömt das Sperma durch einfache oder verzweigte Röhrchen in einige Malpighische Körperchen, dann durch die zugehörigen Harn- kanälchen, sammelt sich in den abführenden Querkanälen und gelangt durch diese mit dem Harn in den Ureter. Das beigefügte Schema giebt auch diese Verhältnisse, wie ich glaube, klar und deutlich wieder. V.e. wie bei Rana fusca ein Vas efferens des Mesorchium, Z der im Querschnitt dar- gestellte Längskanal, Z. Qu. ein zuführender Querkanal, V ein Verbindungsröhrehen mit den Malpighi’schen Körpern, Qu der abführende Querkanal, U der Ureter. Ausserdem ist in das Schema ein Harnkanälchen eingetragen worden, dessen Malpighi- sches Körperehen ohne Verbindung mit dem Querkanal bleibt. Noch klarer werden diese Verhältnisse, wenn man sich mit der Entwieklungsgeschichte der Anuren vertraut macht, und so möchte ich hier nock kurz eine Arbeit von M. Nussbaum: Ueber die Entwicklung der samenableitenden Wege bei den Anuren (Zool. Anzeiger Bd. III. 1880) anführen. Er sagt auf pag. 502 folgendermaassen: „Fortgesetzte Untersuchungen haben nun er- Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca ete. 177 geben, dass wie Semper dies für die Selachier, Braun für die Reptilien nachgewiesen hat, die samenableitenden Wege aus der Niere hervorsprossen und sich secundär mit den Anlagen des samenbildenden Theiles des Hodens verbinden. Es wachsen nämlich von sieben bis acht Harnkanälchen feine Schläuche als Ausbuchtungen der Bowman’schen Kapseln in das Mesorchium hinein und verbinden sich, an ihren vorderen Enden sich baum- artig verzweigend, mit den aus den Urgeschlechtszellen hervor- gegangenen Zellennestern. Diese Anlage der ableitenden Samen- wege existirt schon bei zweibeinigen Larven, die Verbindung mit dem funetionellen Hodenparenchym kommt erst beim metamor- phosirten Thiere Mitte August zu Stande, während in der Zwischen- zeit alle Uebergänge beobachtet werden.“ Dieser Zustand bleibt nun bei Rana esculenta bestehen. Bei Rana fusca jedoch sind nur die primären Urnierenkanälchen mit dem Hoden verbunden. Sie verlieren aber vor der Ge- schlechtsreife ihren Charakter als Harnkanäle; ihre Glomeruli gehen zu Grunde und ihre Bowman’schen Kapseln liefern die Ampullen. Am Schlusse meiner Arbeit möchte ich noch eine Ansicht Frankl’s in Betreff der Peritonealtrichter richtig stellen. Er sagt in seiner Arbeit, dass er, was die Peritonealtrichter angehe, der Meinung Hoffmann’s und Nussbaum'’s beistimme, die da behaupten, dass diese Trichter bei den Anuren sich vom Halse der Malpighischen Kapseln loslösen und als blindge- schlossene Röhren weiterwachsen. Er begründet seine Behaup- tung dadurch, dass er sagt, falls die Trichter mit den Harn- kanälehen eommunieirten, so müsste auch nothwendig bei seinen Präparaten Injectionsmasse in den Aussentrichtern zu finden sein, was aber nicht der Fall wäre. Aus diesem Injectionsversuch den Schluss zu ziehen, dass die Wimpertrichter nicht mit den Harn- kanälchen zusammenhängen, ist durchaus berechtigt, und schon dieser Versuch würde die Unrichtigkeit der von Spengel!) herrührenden Auffassung von der Einmündung der Wimpertrichter in den vierten Abschnitt der Harnkanäle zur Genüge darthun. Damit wäre aber die Frage nach ihrem wirklichen Verhalten noch nicht entschieden. Sie blind endigen zu lassen, geht deshalb 1) Arbeiten aus dem zool. zootom. Institut der Universität Würz- burg Bd. III. 1870. 178 Hans Beissner: nicht, weil dies nicht dem thatsächlichen Verhalten entspricht, und überdies schon vor 18 Jahren Nussbaum!) ihre Endigung in die ventralen Nierenvenen nachgewiesen hat. Seine Entdeekung ist von Wichmann?) A. M. Marshall und E. J. Bles?) bestätigt worden. Die Wimpertrichter münden bei Rana, Bufo und Bombinator in die ableitenden Venen der Niere ein, nachdem sie kurze Zeit in der Larve mit dem Halse der Harnkanälchen zusammengehangen haben; ein Zusammenhang, der sobald der Glomerulus entwickelt ist, zu Grunde geht. In Abbildung 12 ist ein solcher Peritoneal- trichter und seine Einmündung in eine Vene der ventralen Nieren- fläche von Rana esculenta dargestellt. Literatur-Verzeichniss. Bidder, Männliche Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien. 1846. Hyrtl, Ueber die Injection der Wirbelthierniere und deren Ergeb- nisse. (Wiener Sitzungsber. d. kais. Acad. d. Wissenschaften Bd. 47. Abth. 1.) Heidenhain, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Nieren. (Archiv für mwikr. Anatomie Bd. X. 1874.) Spengel, Das Urogenitalsystem der Amphibien. (Arbeiten aus dem z00l.-zootom. Institut zu Würzburg Bd. III. 1876—77, pag. 102.) Nussbaum. (Sitzungsbericht der Niederrheinischen Gesellschaft 1877.) Derselbe, Ueber die Entwicklung der samenableitenden Wege bei den Anuren. (Zool. Anzeiger Bd. III. 1880, pag. 502 und 514.) Derselbe, ebenda 1897, pag. 425. Derselbe, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. (Archiv für mikr. Anatomie Bd. 27. 1856, pag. 456.) Ralf Wichmann, Inaugural-Dissertation. Bonn 1884. Marshall und Bles, Studies from the biological laboratories of the Owens College Vol. II. Manchester 1890. Frankl, Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. (Zeit- schrift für wissenschaftl. Zoologie Bd. 63. Heft. 1. 1897.) 1) Zoologischer Anzeiger Bd. III. 1880, pag. 514 und d. Archiv Bd. 27. 1880. 2) Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung der Nierenorgane der Batrachier. Inaug.-Dissert. Bonn 1884. 3) Studies from the biologieal laboratories of the Owens College. Vol. II 1890, pag. 150. Fig. Fig. Der Bau der samenableitenden Wege bei Rana fusca ete. 179 Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Sämmtliche Zeichnungen sind mit Hülfe des Abb&’schen Zeichen- apparates in der Höhe des Objecttisches von ungefähr 15 u dicken Serienschnitten entworfen. Die Präparate für Fig. 1—6 stammen aus Nieren von Rana fusca, während die Präparate zu Fig. 7—12 Nieren von Rana esculenta entnommen sind. 1% (Gez. mit Zeiss A, Oec. 2.) Vollständiger Querschnitt durch die rechte Niere von Rana fusca. Links im Schnitt ist der mediale, rechts der laterale Rand, oben die ventrale, unten die dorsale Fläche der Niere gelegen. Der mediale Rand zeigt ein Vas efferens testis im Längsschnitt, den Längskanal im Querschnitt und beide von Sperma erfüllt. Der ebenfalls mit Spermatosomen gefüllte Querkanal zieht der dorsalen Seite genähert durch die Niere hindurch. U, Ureter. 2—6. (Gez. mit Zeiss CC, Oc. 2.) Fünf aufeinander folgende »alldh 10,11. Querschnitte durch den medialen Theil der Niere von Rana fusca. g=Glomerulus, Y=Vene, = Längskanal, a = Am- pulle, A= Harnkanälchen, Qu —= Querkanal. In dem Längs- kanal, der Ampulle und dem Querkanal finden sich Sperma- tosomen. (Gez. mit Zeiss F, Oe. 1.) I. Abschnitt oder Hals eines Harn- kanälchens aus der Niere von Rana esculenta auf dem Schräg- schnitt. Das Harnkanälchen geht nach oben in die Bow- man’sche Kapsel über, von der nur ein Theil abgebildet ist. Im Inneren eine Menge von Spermatozoen. Die Zellen der Harnkanälchenwandung sind mit den für den ersten Ab- schnitt charakteristischen langen Cilien besetzt. (Gez. mit Zeiss F, Oe. 1.) II. Abschnitt eines Harnkanäl- chens von Rana esculenta auf dem Querschnitt. Im Inneren ebenfalls Spermatosomen. Die Zellen mit einem schmalen Fransenbesatz. (Gez. mit Zeiss F, Oec. 1.) IV. Abschnitt eines Harnkanälchens von Rana esculenta. Querschnitt mit Sperma. Die Zellen ohne Besatz, aber mit feiner Strichelung ihres Protoplasmas. (Gez. mit Zeiss A, Oec. 3.) Rana esculenta. B=Bowman- sche Kapsel, gl = Glomerulus, Sp=Spermatosomen, # = Röhr- chen, welches vom zuführenden Querkanal kommend in die Bowman’sche Kapsel einmündet, 7 = Harnkanälchen. (Gez. mit Zeiss A, Oe. 3.) Rana esculenta. Z. Qu. = Zu- führender Querkanal, R = Röhrchen, gl = Glomerulus. . (Gez. mit Zeiss CC, Oe. 3). Stück aus dem ventralen Rande eines Nierenquerschnittes von Rana esculenta. W = Wimper- trichter, V= Vene. Man sieht den Wimpertrichter auf dem Längsschnitt getroffen und in eine Vene einmünden. 180 (Aus dem anat. Institut der Universität Breslau.) Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. Von Dr. Karl Peter, Privat-Docent und Assistent am anatomischen Institut. Hierzu Tafel X. So zahlreich auch die Arbeiten auf dem Gebiete der Sper- matogenese sind, welche in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, so beschränken sie sich doch fast ausschliesslich darauf, die Entwieklung der einzelnen Abschnitte des Samenfadens zu verfolgen. Namentlich gingen die Forscher darauf aus, die ein- zelnen Bestandtheile der Zelle, deren Bedeutung für das indi- viduelle Leben der Zelle und für die Befruchtung man erkannt hatte, im Spermatozoon wiederzufinden, und darin sind sie bei verschiedenen Thieren (Selachier, Amphibien, Säuger) zu auf- fallend gleichen Resultaten gelangt. Dagegen scheint die Frage nach der Bedeutung des zweiten Elementes im Hodenkanälchen, der sog. Sertoli’schen Zelle, in letzter Zeit mehr vernachlässigt worden zu sein. Nach Benda’s umfassenden Untersuchungen über den Bau des funktionirenden Samenkanälchens bei den Säuge- thieren (1887 b), in welchen die Rolle der „Fusszelle“ bei mehreren Säugern ausführlich dargelegt wurde, ist meines Wissens nur eine einzige Arbeit publizirt worden, welche auf die interessanten Verhältnisse der Konjugation der reifenden Spermatozoen mit den Fusszellen auch bei anderen Wirbelthieren näher eingeht: ich meine Etzold’s Aufsatz über den Testikel des Sperlings (1891). Im übrigen ist diese Frage bei anderen Thieren trotz der unten wiedergegebenen Notiz Benda’s nicht eingehend ventilirt worden. Existiren nun schon Lücken in unserer Kenntniss vom Vor- kommen einer so eigenartigen Anordnung von Zellen, wie sie Samenfaden und Sertoli’sche Elemente bieten, so habe ich über- haupt noch nirgends gefunden, dass die Nothwendigkeit dieser Anlagerung zu erklären versucht wurde. Man begnügte sich Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 181 mit der Hypothese, dass die „Fusszellen“ den reifenden Samen- körpern Nährstoffe zuführten, ohne darüber nachzudenken, wes- halb diese einer solehen Ernährung bedürfen. So muss v. Len- hoss&ek noch in seiner in diesem Jahre (1898) erschienenen Arbeit über die Spermatogenese der Ratte von dieser Konjugation bekennen, dass wir ihr „vom Gesichtspunkte eines kausalen Erkennens auch noch heute wie einem Räthsel gegenüberstehen“. Ich unternahm es nun, vorerst der Frage nachzugehen, wie weit eine Anlagerung reifender Samenzellen an nährende Elemente bei den Vertebraten und weiterhin bei den Wirbellosen ver- breitet sei, um dann zu untersuchen, ob sich nicht ein Grund für diesen eigenartigen Prozess finden liesse. Das letzte, was betrefis der Konjugation bei mehreren Wirbelthierklassen geschrieben wurde, bildet eine kurze Notiz von Benda (1887 a) auf der 1. Anatomenversammlung zu Leip- zig, die folgendermaassen lautet: „Im grösseren Kreise der Wirbelthierreihe fand ich nur bei Vögeln und Reptilien ähnliche Verhältnisse der Zellbildung wie bei den Säugethieren, die Verhältnisse der Konjugation bei Vögeln, Amphibien (ausser Bombinator), Selachiern; undeutliche Kopulation bei Reptilien und Bombinator, sicheres Fehlen eines derartigen Vorganges bei Knochenfischen. In allen Wirbelthierklassen, ausser den Knochenfischen, finden sich aber im Hoden zwei morphologisch und funktionell verschiedene Zellarten ete.“ Bei dem Lesen dieser Zeilen fiel mir auf, dass die Ge- schlechtsorgane der Teleostier nach einem Typus gebaut sein sollten, der von dem aller übrigen Vertebraten so sehr abweicht. Da nun weiterhin Prenant in seiner öfters zu zitirenden Arbeit über die Bedeutung der „accessorischen* Zelle im Hoden (1892) bei ausgedehnter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur über Wirbelthiere und Wirbellose die Knochenfische mit keinem Wort erwähnt, glaubte ich erst mich über den Bau der Testikel in dieser Thierklasse informiren zu müssen. Ich schicke eine kurze Beschreibung derselben voraus; dann wird die in Betracht kommende Literatur und zum Vergleich die histologische Be- schaffenheit der Hoden der übrigen Vertebraten und der Everte- braten besprochen werden, und daran werden sich einige theore- tische Erörterungen anknüpfen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 13 182 Karl Peter: Dass der Bau des Hodens bei den Teleostiern so selten Gegenstand der Untersuchung geworden ist, dass die Histiogenese ihrer Spermatozoen überhaupt noch keinen Bearbeiter gefunden hat, liegt an der Kleinheit der Elemente; vor allem sind die massenhaft produzirten Samenkörper so minutiös, dass nur die stärksten Vergrösserungen über ihre Zusammensetzung Kunde geben. Auch hier werde ich die Entwicklung und Ausgestaltung der Spermatozoen nicht in den Rahmen der Besprechung einziehen. Zur Untersuchung gelangten die männlichen Geschlechts- drüsen von Hecht, Barsch und Schleie während der Winter- und Frühjahrsmonate. Stücke eines Hodens wurden dem eben ge- tödteten Thier entnommen und inHermann’scher oder heisser Zenker’scher Flüssigkeit fixirt. Die Weiterbehandlung ge- schah nach bekannten Regeln. Nachhärten in allmählich ver- stärktem Alkohol (bei den Sublimatpräparaten mit Jodirung), Xylol, Xylol-Paraffin, Einbetten in Paraffin. Die Fixationsmittel erwiesen sich beide als brauchbar; das Osmiumsäuregemisch ver- dient insofern den Vorzug, als es nicht die geringsten Schrum- pfungen entstehen lässt. Oft wirken aber die intensiv schwarz gefärbten Fettmassen sehr störend, da sie mitunter ganze Zellen erfüllen und so ein Studium feinerer Verhältnisse unmöglich machen. Zur Bleichung der Präparate wandte ich, wenn nöthig, Wasser- stoffsuperoxyd nach v. Erlanger’s Vorschrift (1895), da es auf histologische Details nicht immer ankam, mit Erfolg an. Will man aber die feinere Struktur der Zelle besonders während der Theilung studiren, so darf man die Schnitte nicht bleiehen — wenigstens nicht nach den oben angegebenen Regeln —, es entstehen nämlich durch das Wasserstoffsuperoxyd innerhalb der Zellen Quellungen, welche die Klarheit des histologischen Bildes beeinträchtigen. Das haben mir in genau gleicher Weise behan- delte Kontrollpräparate bewiesen. Während die ungebleichten Sehnitte ausserordentlich klar alle Einzelheiten der Kern- und Plasmastruktur zeigten, wurde es an denen, welche der Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds ausgesetzt worden waren, unmöglich, feinere Gebilde wie Spindelfasern oder Centralkörper (an Zellen des Tritonhodens) zu studiren, da diese ganz verquollen waren. Die Färbung wurde meist nach der M. Heidenhain- schen Hämatoxylinmethode (1894), die auch gute Uebersichts- bilder liefert, vorgenommen. Heidenhain hat in seiner letzten Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 183 Abhandlung über diese Tinktion (1896) an Stelle der Böhmer- schen alte Weigert’sche Hämatoxylinlösung empfohlen, die 10 °/, Alkohol enthält. Ich versuchte nun, ob nicht ein noch stärkerer Spiritusgehalt der Farblösung die Klarheit der Präparate er- höhte und wandte eine von Hermann (1891a) empfohlene Mischung (1 gr Hämatoxylin, 70 Alkohol absol., 30 aqu. destill.) an, und zwar bei Schnitten von Tritonhoden, die in Hermann- scher Flüssigkeit fixirt waren, mit überraschend gutem Erfolge. Zellen in Kinese zeigten hell grünbraune, stark glänzende Chromo- somen; die Centrosomen waren scharf sichtbar und intensiv schwarz gefärbt; sehr deutlich nahmen sich die Spindelfasern aus, welche dunkel graublaue Farbe trugen. Diese äusserst sauberen Präparate waren sehr leicht herzustellen. Die Schnitte wurden in eine 2!/,°/, wässrige Lösung von Eisenoxydammon gebracht und daselbst '/,—1 Tag belassen (auch Meves (1897) empfiehlt ein längeres Verweilen in dieser Flüssigkeit). Nach kurzem Abspülen in Wasser gelangten die Schnitte in die Farb- mischung, in welcher sie 1—2 Tage verweilten. Hierauf wieder Abspülen in Wasser und differenziren in der Eisenlösung, dann Wasser, Alkohol, Xylol, Kanadabalsam. Uebrigens habe ich ver- sucht, das Wasser völlig aus der Färbeprozedur zu verdrängen ; ich habe das Eisensalz in 70°/, Alkohol gelöst, was bis zu etwa 2°/, ohne Schwierigkeit gelingt, und habe auch das spätere Auswaschen in Spiritus vorgenommen. Die so behandelten Prä- parate zeigten dieselben scharfen Bilder, wie die durch wässrige Lösungen geführten, ohne dass ich eine grössere Klarheit zu konstatiren vermochte. Protoplasmafärbungen habe ich übrigens nachträglich zahlreiche angewandt; das von Benda empfohlene Säureviolett und Lichtgrün in alkoholischer Lösung (0,2 Farb- stoff auf 80,0 Alkohol absol.) leistete mir gute Dienste durch schärferes Hervortretenlassen der Zellgrenzen. Ein Schnitt durch den Testikel einer Schlei zeigt nun zum Beginn der Samenbildung folgendes Bild. Bindegewebsstränge durchziehen das Organ und theilen einzelne Partieen ab, die sich theils durch ihre rundliche Form als Querschnitte, theils durch langgestreckte Gestalt als Schräg- bezw. Längsschnitte der Hodenkanälchen dokumentiren. Diese Abtheilungen lassen einen centralen Hohlraum und einen wandständigen Zellenbelag 184 Karl Peter: erkennen, sind aber oft so vollgepfropft mit Zellen, dass das Lumen auf einen Spalt reducirt scheint oder gänzlich geschwunden ist. Unter den Elementen, welche diese Kanälchen erfüllen, fallen nun 2 gänzlich verschiedene Formen in’s Auge. Die eine Zellart (Fig. 1 5) ist gross, hat eine deutliche Membran und helles Protoplasma, welches um den Kern herum oft ein diehteres, gekörntes Aussehen gewinnt. Der letztere ist gross, bläschen- förmig und trägt einen auffallend voluminösen Nucleolus, von dem aus grobe Chromatinstränge nach der Kernperipherie hin- laufend den Nucleus durchsetzen. Am Rande sind wieder gröbere Chromatinbrocken angehäuft. Zwischen diesen Zellen finden sich nun eingestreut Kerne (Fig. 1,2 N) von dunklem Aussehen, bedingt durch reichlich vorhandenes, fein vertheiltes Chromatin und von unregelmässiger Gestalt. Ein Nucleolus scheint nicht regelmässig vorzukommen. Diese Kerne zwängen sich in die Zwischenräume zwischen den runden Elementen ein und richten sieh in ihrer Form völlig nach dem ihnen gebotenen Raum, so dass sie langgestreckt, 3 oder 4 eckig gestaltet sind (Fig. 2 N). Das Protoplasma, welches die Kerne einhüllt, schiebt sich noch weiter zwischen die grossen Zellen ein und bildet so eine deutlich erkennbare Intereellular- substanz für dieselben. Zellgrenzen lassen sich an diesem Plasma nirgends wahrnehmen; die unregelmässigen Kerne gehören also nicht getrennten Zellindividuen an, sondern wir haben es mit einem Syneytium zu thun, in welchem die beschriebenen runden Zellen gelegen sind. Auf diesen Punkt werde ich später noch zurückkommen; es wird sich nämlich ergeben, dass eine solche kernhaltige Plasmamasse sich im Hoden aller Wirbelthiere findet. Dass diese Kerne übrigens zu den grossen Zellen in Be- ziehung stehen, sie mit ihrem Plasma gewissermaassen einhüllen, erkennt man sehr deutlich an solchen Stellen, wo durch das Mikrotommesser eine der letzteren in’s Lumen eines Kanälchens verlagert ist: meist hat eine der grossen Zellen einen derartigen (dunklen, sichelförmig sich an die Membran anschmiegenden Kern mit sich herausgerissen. Eine Reihe von Fächern besteht ausschliesslich oder vorwie- gend aus diesen beiden Elementen. In den meisten (Fig. 3) treten aber noch andere Zellarten auf, die kleiner sind als die runden Zellen, dabei von verschiedener Grösse, dunkler und homogener, Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 185 die sich aber durch ihre rundliche Gestalt, ihre deutliche Mem- bran und besonders durch das charakteristische Kernkörperchen im Centrum, welches sich öfters in mehrere kleinere getheilt hat, sicher als Abkömmlinge der erstbeschriebenen Zellen mit grossem runden Kern erweisen. Auch lassen sich histologisch alle Uebergänge von den grossen bis zu den kleinen Zellen nachweisen (Fig. 3 5 5,85,8,). Ferner liegen die grossen Zellen unabhängig neben- einander, die kleineren Elemente sind dagegen in Nestern gruppirt, welche regellos im Kanälchen zerstreut sind und eine wechselnde Anzahl von Zellen beherbergen — oft nur 2 oder 4, oft eine grosse Menge. Am meisten ähneln den grossen runden Zellen nun die, welche nur zu zweit in einem solchen Nest liegen (S,); kleiner und dunkler stellen sich schon die Gebilde dar, welche in grösserer An- zahl zusammengelegen sind, während die zellreichsten Abtheilungen die kleinsten und am meisten umgestalteten Elemente beherbergen. Bedenkt man nun noch, dass alle derartig ein Nest erfüllenden Zellen sich in demselben Zustande der sog. Ruhe oder auf dem gleichen Stadium der Kinese befinden, so wird klar, dass wir es bei ihnen mit Abkömmlingen einer der grossen hellen Zellen zu thun haben. Die letzteren sind die Ursamenzellen; sie theilen sich wiederholt, und ihre Theilprodukte bleiben stets in einem engeren Zusammenhange. Obgleich nämlich die Zellgrenzen noch deutlich erkenn- bar sind, ist ein solches Nest gegen die Umgebung durch eine bedeutende Protoplasmamasse abgetrennt, die sich nach der Peripherie zu membranartig gestaltet. Während die unregel- mässigen Kerne im ersten Stadium zwischen den grossen runden Zellen regellos vertheilt erschienen (Fig. 2), liegen sie hier nur an der Peripherie der Nester, am häufigsten dem Lumen des Hoden- kanälchens zugekehrt. Sie haben sich übrigens sichtbar vergrössert. Wir haben es also hier mit echten Cysten- oder Follikelbildungen zu thun, wie wir sie später noch öfter antreffen werden. Uebrigens möchte ich schon hier darauf aufmerksam machen, dass die unregelmässigen Kerne durchaus nichts mit dem Bindegewebe zu thun haben, welches die einzelnen Hoden- kanälchen umgiebt. Ihr Plasma ist von den Fibrillen der Binde- substanz stets deutlich zu sondern. Die beiden Substanzen, welche die Zellen und Nester einerseits und die Samenkanälchen anderseits begrenzen, sind völlig differente Gebilde. 156 KariwPp ever: Innerhalb dieser Follikel oder Cysten, deren Wand die un regelmässigen Kerne angehören, vollziehen sich die weiteren Akte der Spermatogenese und zwar so, dass eine solche Cyste stets genau dieselben Stadien aufweist. Nachdem die Elemente sich dureh Theilung bedeutend vermehrt und zugleich eine auffallende Kleinheit erlangt haben, verdichtet sich das Chromatin des Kerns in eben der Weise, wie es uns Flemming vom Salamander beschrieben hat. Damit leitet sich ein Vorgang ein, auf den ich grosses Gewicht legen möchte. Ich konnte ihn in gleicher Weise bei Hecht und Barsch verfolgen; für die Schleie fehlten mir gerade die betreffenden Stadien. Einer der unregelmässigen Kerne des Follikels, meist an der Basalmembran des Kanälchens gelegen, übt eine merkwürdige Anziehungskraft auf die Köpfe der reifenden Spermatozoen aus. Die unreifen Samenkörper, deren Schwanzfaden sich bereits er- kennen lässt, liegen anfangs regellos durcheinander. Allmählich ordnen sie sich aber in ganz bestimmter Weise so an, dass ihre kugeligen Köpfe sich nach der Wandzelle, also meist nach der Peripherie des Hodenkanälchens richten, während die Schwänze dem Lumen desselben zugekehrt sind (Fig. 4. Erst locker neben einander gelagert, drängen sie sich dann enger aneinander; die Köpfe liegen dabei in mehreren Schichten übereinander (Fig. 5). Kurz, man gewinnt den Eindruck, als ob ihnen in der Nähe des bedeutend vergrösserten Follikel- oder Cysten- kerns — wie wir den unregelmässigen Kern jetzt nennen können — die Umwandlung in ihre definitive Gestalt erleichtert würde. Dabei ist das Protoplasma dieser Cystenkerne zwar nach aussen membranartig abgeschlossen, nach dem Innern des Follikels lässt sich aber keine bestimmte Grenze für dasselbe nachweisen; es mischt sich zwisehen die Köpfe der reifenden Spermatozoen; diese tauchen in den Zellleib der -Kollikelzellenvein. Wirv'haben alsowau ch hiervein, dewtliches “Beispiel (einer :K opularıaa vor uns. Zwar hat es in Schnittpräparaten oft den Anschein, als ob eine Anzahl solcher mit Spermien erfüllter Cysten eine kernlose Wandung zeige, indess haben mich Serien davon überzeugt, dass sich mindestens ein grosser länglicher Kern in jedem Follikel nachweisen lässt; er braucht eben nicht gerade in den betreffenden Schnitt gefallen zu sein. Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 187 Durch Reissen der umhüllenden Membran gelangen die Samenkörper in’s Innere der Hodenkanälchen, das sie prall an- füllen; auch da kann man an den Büscheln solcher Fäden leicht erkennen, dass die einer Samenmutterzelle entstammenden Elemente noch lange zusammenbleiben. Wir fanden also bei den Teleostiern im Hoden 2 Zellarten, deren eine die Samenelemente aus sich hervorgehen lässt, während die andere nur indirekt zur Spermatogenese in Beziehung steht, indem die reifenden Spermatozoen in deren Plasma eingelagert ihre definitive Gestalt erlangen. Sehen wir uns nun den Bau des Hodens bei den übrigen Vertebraten an, so treten uns wohl überall die beiden Zellarten entgegen. In der männlichen Geschlechtsdrüse des Amphioxus er- wähnt Langerhans zwar nur eine Art von Elementen, doch glaube ich, dass diese Angabe der Nachprüfung mit den heutigen Mitteln der Technik werth ist. Ueber die Hodenentwicklung bei den Cyelostomen habe ich in der Literatur keine Notiz finden können. Bei allen anderen Wirbelthierklassen werden stets 2 ver- schiedene Zellarten in den Samenkanälchen unterschieden. Aller- dings wird der Vergleich bei der Durchsicht der Literatur durch die Verwirrung, die in der Namengebnng herrscht, erschwert. Fast jeder Untersucher hat die beiden Elemente anders bezeichnet ; entweder glaubte er bei der Nomenklatur von einer diesen Ge- bilden zugesprochenen physiologischen Bedeutung ausgehen zu müssen, oder er hielt sich reservirt zurück und gab ihnen mög- lichst indifferente, von Gestalt oder Lage hergenommene Be- zeichnungen. So kommt es, dass Prenant 1892 nicht weniger als 17 verschiedene Namen aufführt, die alle für ein und dieselbe Zellart bei den Säugern, für die Sertoli’schen Gebilde gelten. Es war mir nun schwer zu entscheiden, nach welchen Angaben ich mieh richten sollte, um nicht noch ein neues Wort einzu- führen; während nämlich für die samenbereitenden Elemente die Nomenklatur von La Valette St. George’s allgemein angenommen ist, findet man für die andere Zellart des Hodens auch jetzt noch keine einheitliche Bezeichnung. Am weitesten verbreitet sind bei den Anamniern die Namen Follikel- oder Cystenzelle, 188 KarlmPp:eiter: bei Amnioten Fuss- oder Sertolische Zelle. Da diese aber nur für je eine der beiden grossen Klassen Berechtigung haben, so möchte ich den von Gilson (1887) ursprünglich für Wirbellose vorgeschlagenen Namen „Nährzelle“ als allgemein verwendbar gebrauchen; diese Wahl wird auch noch weiter unten gerechtfertigt werden. Die Angaben über die Spermatogenese bei den Sela- ehiern sind infolge der Grösse der Elemente und der dadurch erleichterten Untersuchung sehr reichlich; besonders ist es das Verdienst vonSwaän und Masquelin (1883) die Rollen der beiden Zellarten während der Entwicklung der Samenfäden ver- folgt und klargelegt zu haben. In der gleichen Arbeit be- schreiben sie dieselben Verhältnisse bei dn Amphibien und setzen die Befunde bei beiden Thierklassen in Parallele. Bei Seyllium und Raja wie bei Salamandra fanden diese Autoren im Samenkanälchen einmal grosse, bläschenförmige Zellen mit deutlichen Grenzen, deren runder, grosser Kern grob vertheiltes Chromatin und einen Nucleolus enthält. Dann liegen um diese Elemente unregelmässig gestaltete Kerne, homogen mit fein ver- theilter ehromatischer Substanz und Kernkörperchen, und zwar in einem Protoplasma, das nieht durch Zellgrenzen eingetheilt ist. Jede der ersten Zellen ist eine Samenmutterzelle, eine Spermato- gonie, die sich wiederholt theilt; die Abkömmlinge werden dabei immer von der zweiten Zellart umhüllt. In der so gebildeten Cyste wandeln sich dann die stets gleichweit entwickelten Zellen zu den langen stabförmigen reifen Samenkörpern um, wobei sie sich streng parallel zu Bündeln vereinigen und mit den Köpfen in das Plasma einer „Nährzelle* des Follikels tauchen. Die eben wiedergegebenen Verhältnisse passen fast ganz genau auf die Befunde bei den Teleostiern; aus diesen Angaben folgt also, dass die Spermatogenese der Knochenfische, wie sie oben beschrieben wurde, sich durchaus so ver- hält, wie die der übrigen Anammier. Keinesfalls nehmen die Teleostier in Bezug auf die Samenbildung in der Reihe der Wirbelthiere die ihnen von Benda (1887 a) zugeschriebene exzeptionelle Stellung ein. Wir fanden ja erstens, dass auch die Teleostier zwei Zellarten in den Hodenkanälchen besitzen, von denen eine sich zu Spermatozoen umgestaltet, während die andere nur als Nährzelle fungirt. Der Befund dieser zwei diffe- Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 189 renten Elemente ist durchaus nicht neu, und ich würde ihn nicht weiter hervorgehoben haben, wenn in der Literatur der Spermatogenese auf ihn Rücksicht genommen worden wäre. So- wohl Nussbaum (1880) wie Jungersen (1889) und Brock (1881) erwähnen bei ihren Untersuchungen über die Geschlechts- organe der Knochenfische die beiden Zellen und bilden sie richtig ab; Brock beschreibt sogar das Entstehen der Zellnester aus den grossen Elementen. Zweitens liess sich auch bei unseren Objekten eine Follikel- bildung mit Konjugation der Samenelemente verfolgen; eine Samenmutterzelle, von Cystenzellen umgeben, theilt sich wieder- holt. Ihre Tochterzellen befinden sich stets auf dem gleichen Stadium, wandeln sich innerhalb des Follikels gleichzeitig in Spermatozoen um und ordnen sich dabei so an, dass ihre Köpfe der Nährzelle zugekehrt, während die Schwänze nach dem Lumen des Kanälchens gerichtet sind: es ist das unleugbar derselbe Prozess der Kopulation, wie ihn Benda den Amphibien u. a. zuschreibt, während er ihn ebenso sicher den Teleostiern abspricht. Aller- dings ist diese Anlagerung nicht so in die Augen fallend, wie bei Amphibien und Selachiern, bei denen die Spermatozoen parallel zu Bündeln geordnet in’s Plasma der Nährzellen tauchen; doch beruht der Unterschied, wie mir scheint, weniger auf einer verschieden grossen Affinität der beiden Zellarten zu einander, als auf der Formverschiedenheit der Samenkörper. Es sollen nämlich die umgeformten Gebilde in der kugeligen Cyste offenbar möglichst günstig so angeordnet worden, dass sie alle in nahe Be- rührung mit nährenden Elementen kommen. Dies geschieht bei langen stabförmigen Körpern, wie bei den Samenfäden der Haie und Rochen natürlich so, dass sie sich parallel aneinander legen; für die kugelförmigen Köpfe der Teleostierspermatozoen würde eine derartige Nebeneinanderlagerung sehr ungünstig sein, da sie sehr viel Raum erfordern würde. Hier ist eine Gruppirung in mehreren Reihen hintereinander weit vortheilhafter; der gebotene Raum wird völlig ausgenutzt und auch die dem Lumen des Kanälchens näher gelegenen Elemente werden dem Kern der Nährzelle noch benachbart genug sein, um von ihm in geeigneter Weise beeinflusst zu werden. Ich glaube also, dass bei den Knochenfischen eine ebenso intensive Konjugation der Samen- zellen mit dem nährenden Elementen stattfindet, wie bei den 190 Karl’ Peter: übrigen Anamniern. Kurz, die Untersuchung des Hodens der Teleostier brachte nichts Neues, sondern füllte nur eine Lücke aus und verwies diese Thierklasse auch in Bezug auf die Sperma- togenese unter die Anamnier. Bei den Amnioten werden gleichfalls stets zwei Zell- arten im Samenkanälchen unterschieden, wenn auch, wie be- kannt, der Bau der männlichen Geschlechtsdrüse ein anderer ist, als er von den niederen Vertebraten beschrieben wurde. Wir finden hier keine abgeschlossenen Follikel mehr, innerhalb derer sich eine Gruppe von Samenzellen gleichzeitig entwickelt; die Cysten sind gewissermaassen gesprengt und ihr Inhalt in der Längsrichtung der Hodenkanälchen gruppirt und zwar so, dass die Entwiekelung der Geschlechtsprodukte radiär nach der Mitte des Kanälchens zu erfolgt. Zwischen den Nährzellen, die in Abständen an der Basalmembran gelegen sind, finden sich die Samenmutterzellen. Die Abkömmlinge derselben rücken nach dem Lumen des Kanälchens, so dass die jüngsten Stadien am weitesten von der Peripherie entfernt sind. Dann erfolgt aber eine Umlagerung: die reifenden Spermatozoen wandern nämlich wieder peripher, um sich in Fortsätze der Nährzellen, welche diese nach dem Centrum hin zwischen die Säulen der Sperma- tiden aussenden, in die sog. „Füsse“ einzusenken. Dieser Wan- derung hat man besonderes Gewicht beigelegt, da man glaubte, dass mit ihr der Akt der Konjugation beginne, doch lassen sich, wie ich mir denke, auch diese Verhältnisse auf mechanische Faktoren zurückführen. Einmal würde nämlich das Samen- körperchen, wenn es noch weiter dem Lumen zu sich entwickelte, sich allzuweit von der nährenden Zelle entfernen, zumal seine langgestreckte Gestalt den Einfluss der letzteren auf das ganze Gebilde noch schwächen würde, dann wäre Gefahr vorhanden, dass das fadenförmige Gebilde vom Sekretionsstrom im Hoden noch unreif fortgeschwemmt würde. Deshalb lagert sich das Spermatozoon, das aus später zu erörternden Gründen gerade im letzten Stadium seiner Ausbildung besonders des nährenden Elementes bedarf, so nahe an den Kern der Fusszelle. Für das Vorkommen dieser beiden Zellformen bei den 3 grossen Gruppen der Amnioten möchte ich, um nicht zu weit- schweifig zu werden, für die Eidechse nur auf die Arbeit von Tellyesniezky (1897), für den Sperling auf die Beob- Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 191 achtungen Etzolds (1891) und für die Säuger auf die um- fassenden Untersuchungen von Benda (1887b) hinweisen, wenn ich mich auch mit der Deutung der Befunde des ersten Autors durchaus nieht einverstanden erklären kann. Uebrigens zeigen seine Figuren, wie auch unsere Fig. 7, dass die Konjugation bei den Reptilien den allgemein bekannten Charakter trägt und nicht, wie Benda will, „undeutlich“ ist. Wenn ich oben der Umlagerung der reifenden Samenele- mente so geringen Werth beilegte und sie einfach auf mecha- nische Ursachen zurückführte, so drängt sich die Frage auf, in welchem Verhältniss die Spermatiden und Spermatogonien zu _ den Nährzellen stehen. Entweder haben sie nämlich keine Be- ziehung zu denselben, und dann ist das Eintauchen der unreifen Spermatozoen in's Plasma der Fusszellen allerdings ein wichtiger Prozess, oder sie sind schon vor der Wanderung in die Füsse in den Zellleib der Sertoli’schen Elemente eingelagert, und dann entspricht der berührte Vorgang nur einer Ortsveränderung. Diese Frage lässt sich übrigens leichter an den plasmareichen Zellen des Amnioten als an den mit nur wenig Zellsubstanz aus- gestatteten Follikelelementen der niederen Wirbelthierklassen prüfen. Ueberall, wo die beiden Zellarten der Samenkanälchen charakterisirt werden, findet sich die Angabe, dass die künftigen Samenelemente gut erkennbare Zellgrenzen besitzen, während die einzelnen Nährzellen nicht von einander abzugrenzen sind. Ferner haben die Untersuchungen gezeigt, dass zwischen den Spermatoeyten und Samenmutterzellen sich eine Intercellular- substanz befindet, in welche die erwähnten Gebilde eingebettet sind. Was ist nun diese Intercellularsubstanz? Hängt sie mit den Fusszellen zusammen oder ist sie eine eigene Formation ? Darauf lässt sich die Antwort geben, dass überall der direkte Zusammenhang dieser Substanz mit dem Protoplasma der Nährzellen erkennbar ist. Für die Knochenfische ist dies oben beschrieben und abgebildet worden; bei Triton zeigt es Fig. 6; das- selbe beweist auch jeder gut fixirte Schnitt eines Amniotenhodens. Alle, welche ihr Augenmerk auf dies Verhältniss richteten, sind zu dem gleichen Resultat gekommen, wenn sie auch die Be- deutung der Fusselemente durchaus verschieden fassten. So identifizirt Tellyesniezky (1897) bei der Eidechse die 192 KamlmPieter: Zwischenzellensubstanz mit dem Plasma seiner „unregelmässigen Wandzellen“, welche er allerdings nur als Degenerationsformen der Spermatogonien auffasst. Fig. 7 lässt deutlich erkennen, wie das Plasma der Nährzellen sich zwischen die Samenzellen jeder Entwieklungsstufe drängt. Beim Sperling beweisen Etzold's Bilder ein direktes Ineinanderfliessen der Zellsubstanz der Nähr- zellen, in deren Plasma die Samenmutterzellen eingebettet sind. Hermann (1892) beanstandet zwar die Richtigkeit dieser An- gabe, ich möchte indess, da dasselbe Verhältniss überall wieder- kehrt, keinen Zweifel an ihr hegen. Für die Säugethiere hat Prenant (1887) die Verbreitung der Substanz der „Füsse“ zwischen die reifenden Samenelemente erkannt, verwahrt sich indess vor Identifizirung dieser Intercellularmasse, in welcher auch die reifen Spermien liegen, mit dem Protoplasma der Nähr- elemente. Er theilt nämlich jeden „Fuss“ in 2 Abschnitte, deren unterer dem Nährkern als Plasma zugehört, während der obere, die Samenzellen tragend, aus Intercellularsubstanz besteht. Eine solche mikroskopisch nachweisbare Trennung kann aber nur durch lange und starke Einwirkung von Reagentien zu Stande kommen und wird wohl kaum als normaler Befund angesehen werden können. Auch der zweite Beweis Prenant'’s, dass nicht jeder Fuss an der Basalmembran einen Kern trage, also nur aus Zwischensubstanz bestehe, ist hinfällig; auch hier, wie es oben bei den Cysten der Teleostier beschrieben wurde, braucht auf Schrägschnitten nicht stets ein Kern im Fuss sich nach- weisen zu lassen. Fuss und Nährzelle sind eins, und was für uns von Wichtigkeit ist: auch für die Säuger ist bewiesen, dass die Intereellularsubstanz ein Theil des Protoplasma der Fuss- zellen ist. Fig. 8 zeigt dies deutlich. Damit ist bewiesen, dass dieSamenelemente in jedem Stadium ihrer Entwicklung mit den Nährzellen in Verbindung stehen und nicht erst während des Herunterwandernsin die Füsse (bei Amnioten) diese Verbindung eingehen. Diese Auf fassung steht auch in Uebereinstimmung mit der Struktur der Nährzellen während der Spermatogenese. Wenn deren Thätig- keit erst mit dem Eintreten der Samenkörper in die fussförmigen Fortsätze beginnen würde, so würde sich dieser wichtige Moment sicher auch in plötzlichen Veränderungen im Bau ihres Kerns Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 193 kenntlich machen, wie sie später beschrieben werden. Mit Aus- nahme aber einer deutlich wahrnehmbaren Vergrösserung der Nuclei, die sehr allmählich eintritt und auf eine sehr langsam ansteigende Thätigkeit schliessen lässt, die übrigens auch v. Lenhossek (1898) erwähnt, ist es unmöglich, irgend eine histologische Veränderung an den Nährzellen während der Samenbereitung zu beobachten. Uebrigens scheint sich die Verschmelzung der einzelnen Sertoli’schen Zellen untereinander erst während des Lebens nach der Geburt zu vollziehen; an neugeborenen Mäusen konnte Hermann (1887) im Hoden, wenn auch schwach und undeut- lich, doch anscheinend sicher Zellgrenzen auch zwischen den Nährelementen entdecken. Hier hat das Organ ja auch noch keine Funktion, die einzelnen Bestandtheile verhalten sich noch indifferenter. Allmählich werden die zahlreichen Follikelzellen von den sich stark vermehrenden Spermatogonien an die Wand des Samenkanälchens gedrückt, ihre Zellkonturen schwinden und sie bilden eine kernhaltige, protoplasmatische Masse, ein Syn- eytium, in welches die Samenmutterzellen eingebettet sind. Immerhin darf man nach diesem Entstehen den Ausdruck „Nährzelle“ als kurz und verständlich wohl noch anwenden. Die Frage nach der embryonalen Herkunft dieser Elemente ist noch nicht allgemein festgestellt und wird noch verschieden beantwortet. Die Spermatogonien stammen natürlich vom Keim- epithel ab; die Mehrzahl der Autoren lässt die Nährzellen desselben Ursprungs sein. Dies betonen Nussbaum und Jungersen für die Teleostier, deren ganze männliche Ge- schlechtsdrüse mitsammt dem Zwischengewebe der letztgenannte Forscher sogar vom Keimepithel herleitet. Benda (1889) findet beim Kaninchen, dass das verdickte Keimepithel in 2 Zellformen in das Bindegewebsstroma einwuchert, zwischen denen er auch Uebergangsstadien erkannt hat. Die eine Art liefert die Sper- matogonien, die andere die Nährzellen. Auf der anderen Seite identifizit Brock (1881) die Follikelzellen der Knochenfische mit den Zellen des Zwischen- gewebes und leitet sie von dem Stroma ab, dem gewöhnlichen embryonalen Bindegewebe der Geschlechtsanlage, das aus dem- Jenigen der mit Peritonealepithel bekleideten Genitalfalte entsteht. Dagegen möchte ich an obige Bilder erinnern, welche klar 194 Karl Peter: zeigten, dass die beiden Elemente histologisch wenigstens deutlich von einander abgesetzt sind, und nicht, wie Brock meint, in einander übergehen. Ferner vertritt Semon (1887) die Ansicht, dass die „Follikelzellen* beim Hühnehen von den Genitalsträngen herzuleiten sind. Ich neige mehr der Ansicht der erstgenannten Autoren zu, wenn ich auch die Befunde noch nicht selbst nach- geprüft habe; zeigt die phylogenetische Entwicklung der Nähr- zellen bei den Evertebraten doch deutlich genug, dass sie nur besonders umgestaltete Ursamenzellen sind. Ich hoffe aber auf diese Frage in einer anderen Arbeit noch zurückkommen zu können. Sehen wir uns nun im ungeheuren Reiche der Wirbellosen um, so treffen wir häufig auf ganz ähnliche Bilder, wie wir sie bei den Vertebraten fanden. Es ist mir natürlich nicht möglich gewesen, die ganze hier in Betracht kommende Literatur durch- zusehen und zu besprechen; ich werde mich auf einige Typen beschränken müssen. In der zweiten Arbeit von Prenant (1892) ist die einschlägige Literatur in ausgedehntem Maasse referirt. Wir stossen hier nun auf dieselbe Erscheinung, wie ich sie oben besprochen habe: auch in den Arbeiten über Spermato- genese der niederen Thiere herrscht grosse Verwirrung bezüg- lich der Nomenklatur, indem homologe Gebilde mit den ver- schiedensten Namen belegt oder gleiche Worte für völlig diffe- rente Elemente gebraucht werden. Sehen wir ab von Bezeich- nungen, die von Gestalt oder Lage der einzelnen Zellen herge- nommen sind, so ist der häufigste Name für die Nährzelle, die in den verschiedensten Formen auftritt, „Follikel-* oder „Öystenzelle“, Cytophor, Blastophor oder Sperma- tophor. Doch ist von diesem Gebilde die sekundär um Samen- fadenbündel bei einigen Thieren sich bildende Hülle, die gleich- falls Spermatophor genannt wird, streng zu trennen; die Kapseln um die Spermatozoenbündel der Scolopender, von Gryllus u. a. gehören hierher. Gilson (1887) bezeichnet dieselben als „sekun- ddäres Spermatophor“; ich würde zur Vermeidung jeden Missver- ständnisses gern zu einem völlig differenten Namen rathen. Während wir bei den Vertebraten auf relativ einfache Ver- hältnisse stiessen — bei allen untersuchten Gruppen mit Aus- nahme des Amphioxus liessen sich Samenzellen und Nährzellen unterscheiden — gestalten sich dieselben in dem grossen Reich Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 195 der Wirbellosen bedeutend komplizirter. In manchen Klassen fehlen nämlich Nährelemente völlig, in anderen sind sie durch kernlose Massen vertreten. Daher lassen sich 3 Gruppen aufstellen. 1. Wirbellose Thiere ohne Nährelement. 2. Formen mit kernlosem Nährmaterial. 3. Formen mit Nährzellen. Zu den ersteren rechnet Prenant in seiner Literaturzu- sammenstellung folgende Familien: Arachniden, Acariden, Asearis, Turbellarien und Plathelmin- then z. Th., Acanthocephalen, Echinodermen, Myriapoden, Medusen. Von diesen Thierklassen fallen die Echinodermen, Asearis und die Medusen z. Th. aus, da sie unter die beiden anderen Rubriken zu rechnen sind. Die übrigen Gruppen weisen nach den Arbeiten der Autoren — soweit möglich, habe ich alle Öriginalarbeiten eingesehen, — allerdings im Hoden nur eine Art von Zellen auf, die sich sämmtlich zu Spermatozoen entwiekeln sollen. Nun haben aber die meisten Forscher, wie schon bei den Wirbelthieren, auch hier mehr auf Form und Ausbildung der Samenfäden selbst ihr Augenmerk gerichtet, als auf den Bau der Geschlechtsdrüse, und so glaube ich, das hier und da ein nährendes Element übersehen worden ist. Schreibt doch auch Jensen (1883): „Il ressort done des recherches de nos predecesseurs, que le eytophore est tres-repandu chez les inver- tebres. Il semble aussi qu'il se rencontre partout chez les inver- tebres.“ Ich bin der Ueberzeugung, dass bei eigens darauf ge- richteter Aufmerksamkeit sich auch in manchen dieser Klassen eine Nährmasse in der einen oder anderen Form nachweisen lassen würde. Jedenfalls werden nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse Thierfamilien beschrieben, deren Samenelemente sich ohne jedes Nährmaterial selbständig ausbilden. Ueber das Vorkommen von kernlosen Nährmassen für die Spermatozoen und über deren Entstehen haben uns die schönen Untersuchungen Jensen’s (1885) unterrichtet. Bei einer Turbel- larie, Plagiostomum vittatum, komte er verfolgen, wie von einer Samenzellengruppe sich die centralen Plasmatheile ab- schnüren und zusammenfliessen. Während die Spermatosomen sich entwickeln, dient ihnen jene Protoplasmamasse als Nähr- material. Bei Ascaris kann man vielleicht in der „Rhachis“ eine kernlose, die Samenzellen ernährende Masse erblicken, 196 Karl Peter: Eigenthümliche Verhältnisse ergaben des eben genannten Autors eingehende Studien über die Spermatogenese der See- gurke Cuceumaria frondosa. Hier entwickeln sich zwar auch alle Samenzellen zu Spermatozoen, aber aus einer Lage eylin- drischer, gekörnter Epithelzellen, welche von der samenbildenden Innenschicht der Hodenkanälchen durch eine Muskularis getrennt ist, wandern gekörnte, kernlose Massen, „Vesieules“, zwischen die reifenden Elemente ein und führen ihnen offenbar nährende Stoffe zu. Hier wird das zur Entwicklung der Samenfäden be- nöthigte Nährmaterial sogar von einem ganz fremden Gewebe geliefert ! Den Uebergang von diesen Formen des nutritiven Materials zu den kernhaltigen Nährzellen bilden, wieder nach Jensen, ein Mollusk Triopa elavigera und die Annelide Clitellio arenarius. Bei beiden stösst man nämlich auf kernlose und kernhaltige Nährmassen. Bei dem Weichthier degeneriren einige Samenzellen — die im Centrum der Spermatidenkapsel gelegenen —, ihre Kerne lösen sich auf und ihr Plasma mengt sich zwischen die reifenden Geschlechtsprodukte; hier ist das Cytophor dem- nach erst kernhaltig, dann kernlos. Clitellio dagegen weist 2 Arten von Spermatophoren auf: eine ohne Nuclei, „qui n’est pas rare du tout‘ und eine aus vollständigen zusammengeflossenen Zellen bestehende, deren Kerne sich bis zur fertigen Ausbildung der Spermatozoen erhalten. Die ganze übrige Formenwelt der Wirbellosen lässt im Hoden Samenzellen und Nährzellen erkennen, welche letztere meist aus Spermatogonien entstehen, wie oft direkt beobachtet werden kann (vergl. die Befunde von Bloomfield (1880) bei Lumbrieus terrestris, von Platner (1885) bei Pulmonaten), der- artige Elemente finden sich schon in der Klasse der Cölen- teraten; Polajaeff (1882) und Fiedler (1888) haben sie bei Spongien gefunden und „‚cellule recouvrante“ genannt, v. Lendenfeld (1885) beschreibt eine Zelllage mit schwer erkennbaren Grenzen um die Geschlechtsprodukte einer Meduse, Cyanea Annaskala, während andere Arten der Gruppe nur eine Art von Zellen in den Genitalien aufweisen. Bei den Würmern sprechen z. B. die Untersuchungen von Bloomfield über den Regenwurm für das Vorkommen einer Nährzelle. Genau untersucht sind die Verhältnisse bei den Arthro- Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 197 poden, und zwar scheinen die Follikelzellen nach Gilson (1884—1887) bei verschiedenen Krustern (Asellus, Oniscus, Amphipoden), obgleich gerade hier deutliche Konjugation beob- achtet ist, keine Schwesterzellen der Samenmutterzellen zu sein. Wenigstens schreibt der Autor: „.. . loin de deriver du noyau d’une metroeyte commune, n’ont qu’une parente lontaine avec les cellules spermatiques et viennent du dehors“, ohne dass aus der Arbeit selbst hervorgeht, was mit diesem „dehors“ gemeint ist. Im übrigen scheinen die Nährzellen desselben Ursprungs zu sein, wie die Samenelemente. Sie finden sich bei allen Deka- poden; bei den Insekten sind die „Cystenzellen“, welche oft mehrere Kerne enthaltend die Spermatiden einhüllen, schon lange bekannt; Gilson belegt sie mit dem Namen „noyau satellite“ oder „eellule reste“, sonst werden sie hier auch als „Verson- sche Zelle“ bezeichnet. Schon die jüngsten Stadien der Samen- zellen liegen im Protoplasma dieses grosskernigen Gebildes und empfangen von ihm ihr Nährmaterial. Auch in dem grossen Kreis der Mollusken sind ganz ähnliche Verhältnisse zu finden. Platner (1885) schreibt bei der Spermatogenese der Pulmonaten, dass in der aktiven Ge- schlechtsdrüse sich ein Theil der Spermatogonien unverändert erhält, während andere, an dem Alveolarrand gelegene, sich zu den von Platner sogen. Basalzellen umwandeln. Der Kein wird stark granulirt, eiförmig, nimmt an Grösse bedeutend zu und zeigt 1 oder 2, selten mehr Nucleolen, und färbt sich sehr intensiv. Beim Uebergang zu Spermatocyten gruppiren sich die Samenzellen um eine Basalzelle und machen genau gleich- zeitig alle weiteren Verwandlungen durch. Die „Basalzelle‘ bildet dann die Basis des sich entwickelnden Samenfadenbündels, wie es ganz auffallend ähnlich alle Vertebraten zeigen. Mit einer ganz eigenthümliehen Form von Nährzellen hat uns Auerbach (1896) bei Paludina vivipara bekannt gemacht. Schon lange wusste man, dass diese Schnecke und mit ihr noch einige Verwandte 2 Arten von Spermatozoen produzire; v. Brunn (1884) wies nach, dass nur die kleinen, haarförmigen die Be- fruchtung vollzögen, die Funktion der langen wurmförmigen Elemente blieb dunkel. Auerbach zeigte nun, dass beide Formen aus denselben Spermatogonien entstehen und erst im Laufe der Entwicklung verschiedene Wege einschlagen. Ferner Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53. 14 198 Karl Peter: fand er, dass die langen wurmförmigen Spermien sich nach ihrer Ausbildung zu Bündeln gruppiren und zwischen sich die noch unentwickelten haarförmigen Elemente aufnehmen, welche erst dort ihre definitive Gestalt annehmen können. Der Autor er- kannte die Bedeutung der wurmförmigen Zellen in einem nähren- den Einfluss auf die zur Befruchtung bestimmten Gebilde, und ich trage kein Bedenken, diese in merkwürdiger Weise umge- stalteten Zellen auf die gleiche Stufe mit den übrigen Nährzellen zu stellen. Ueberhaupt nehme ich mit La Valette St. George und Prenant eine funktionelle und meist auch genetische Identität aller dieser Nährelemente mit den Sertoli’schen Zellen der Wirbelthiere an. Auch Jensen war diese morphologische Aehnlichkeit auf- gefallen, er konnte sich jedoch nicht entschliessen, sie bei den verschiedenen Klassen zu identifiziren. Sonst stösst man übrigens kaum in der Literatur auf Angaben, welche die Follikelzellen der Wirbellosen mit denen der Wirbelthiere in Parallele setzen. Dies rührt davon her, dass nur selten Arbeiten sich mit den beiden grossen Abtheilungen zugleich befassen. Andernfalls würde wohl kaum an der Gleichwerthigkeit der in den verschiedensten Gestalten auftretenden Nährelemente im Hoden der Thiere ge- zweifelt worden sein. Wir erkennen aus dem Vorstehenden, dass bei der Sper- matogenese das Bestreben vorliegt, den reifenden Samenelementen kernloses Nährmaterial zuzuführen, oder sie mit kernhaltigen Zellen in innige Verbindung zu setzen. Bei einigen Thierklassen liess sich allerdings ein soleher Vorrath von Reservestoffen bis jetzt noch nicht nachweisen, indess haben wir oben gesehen, dass dies z. Th. vielleicht auf unvollkommenen Methoden der Untersuchung beruht. Dass nun Zellen zu ihrer Entwicklung Nährmaterial be- dürfen, das aus zerfallenden gleichwerthigen Elementen geliefert wird, wie es die Jensen schen Befunde bei Triopa und Clitellio zeigten, ist nichts Wunderbares; ähnliche Verhältnisse finden sich auch anderswo im Thierreiche, wie z. B. bei der Entwick- lung der Eier der Daphniden. Es ist eben eine Art von Arbeits- theilung; während sonst jede Zelle ihr Nährmaterial in sich bergen oder mit der Fähigkeit ausgestattet sein muss, dasselbe ee Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 199 sich aus den umliegenden Geweben zu beschaffen, so degene- riren hier einige Spermatogonien selbst zu nutritivem Plasma, das nun in nächster Nähe der sich entwickelnden Samenzellen gelegen ist. Den letzteren wurde so die Arbeit erspart, entweder sich vorher mit genügenden Reservestoffen zu versorgen und zu beladen, welche während der Ausbildung wohl auch die Zelle in ihrer energischen Thätigkeit gestört hätten — oder auch die Nahrungsstoffe aus dem benachbarten selbst aktiven Gewebe zu entnehmen. Diese Ersparniss kam den Samenzellen zu gut und konnte auf Ausbildung einer feineren und für die Aufsuchung des weiblichen Geschlechtsproduktes geeigneteren Form des Sperma- tozoon verwendet werden. Schon bei der Bildung von kernlosem Nährplasma lassen sich 2 Stufen unterscheiden: bei einigen Thieren (Plagiostomum) wird der nutritive Theil des Zellleibs erst wäh- rend der Entwicklung von der Zelle abgetrennt, so dass diese anfangs doch mit dieser Masse beschwert ist; andere Klassen (Clitellio, 'Triopa) entheben die Samenzellen ganz dieser Bürde; bei ihnen bildet eine Anzahl vollständiger Spermatogonien durch Zerfall das Nährplasma. Im Gegensatz zu diesen Fällen mit kernlosem Nährmaterial, das auch in anderen Organen vorkommt, ist einzig dastehend der andere Befund, dass Zellen während ihrer Ausbildung mit anderen Zelien eine innige organische Verbindung eingehen, — mit Ele- menten, die nicht zu Grunde gehen, sondern offenbar im Stadium einer gesteigerten Funktion stehen. Dies Verhältniss hat sich aus dem ersteren entwickelt, wie eben wieder Clitellio und Triopa lehren, stellt also gewissermaassen eine höhere Stufe dar. Dabei ist auffallend, dass solehe nährende Zellen im Samenkanälchen so ausserordentlich weit verbreitet sind. Völlig unabhängig von einander hat sich in den verschiedensten Thierklassen dies Ver- hältniss herausgebildet, und zwar gerade in solchen Thierklassen, welche wie die Mollusken, Gliederfüsser und Wirbelthiere sehr hoch organisirt sind, und deren Samenelemente offenbar sehr komplizirt gebaut sind. Haben doch die Untersuchungen gerade der letzten Jahre erwiesen, wie viele einzelne Gebilde die Samen- fäden z. B. des Salamanders oder der Ratte — der beiden klassi- schen Objekte für das Studium der Spermatogenese — zu- sammensetzen ! Weshalb ist nun an Stelle der Zuführung kernlosen Nähr- 200 Karlepreter: materials bei so hochstehenden und zahlreichen Thierkreisen die innige organische Verbindung der reifenden Spermatozoen mit lebenden kernhaltigen Zellen getreten ? Ueber die Bedeutung dieser Zellen, die wir vorgreifend als „Nährzellen“ bezeichnet haben, sind übrigens die widerspreehend- sten Ansichten geäussert worden, über welche Waldeyer’s Referat (1887) einen vollständigen Ueberblick giebt. Bald be- trachtete man sie als Nährelemente, bald nur als Stützzellen des Hodens analog den Gliafasern des Centralnervensystems; bald schrieb man ihnen eine Wirkung zu beim Austreiben der Sper- matozoen, bald sprach man ihnen jede Beziehung zur Spermato- genese ab. In neuerer Zeit bezeichnet sie Prenant (1892) als „El&ment feminin“ und glaubte das Räthsel ihrer Bedeutung gelöst zu haben. Er stellte nämlich die Hypothese auf, dass in jeder Keimdrüse ein männliehes und ein weibliches Element vor- handen sei und identifieirte die Samenzellen mit den Follikelzellen im Ovarium, dem männlichen Theil der weiblichen Geschlechts- drüse, während er das Ei den Nährzellen des Hodens gleichsetzte: eine Hypothese, die sich wohl kaum Anhänger gewinnen dürfte. Abgesehen davon würden wir mit einer solehen morphologischen Erklärung dem Räthsel des Vorkommens der Nährzellen vom Standpunkte der physiologischen Nothwendigkeit um keinen Schritt näher getreten sein. Tellyesniezky (1897) hin- wieder scheint seinen „unregelmässigen“ Zellen jede Funktion abzuspreehen und betrachtet sie nur als Degenerationsprodukte der „regelmässigen“ Samenzellen. Am nächsten kommt unserer unten folgenden Erklärung Gilson (1887), der die Ansicht ausspricht, dass die Samen- bildner, in denen sich bedeutende Umwandlungen vollziehen, von den Nährzellen besser vorbereitete Nahrung beziehen, als durch ein kernloses Plasma. Es sei mir gestattet, den ganzen interes- santen und wichtigen Passus, den der genannte Autor in den theoretischen Theil seiner schönen Arbeit einflicht, hier wieder- zugeben. Gilson schreibt: „Cellules coloniales, cellules sper- matiques ou jeunes metrocytes des inseetes ... . . doivent etre le siege d’une activite nutritive considerable. Or, ils ne peuvent se nourrir que par lintermediaire de la cellule-reste qui les eontient. Celle-ei fait subir aux substances nutritives quelle Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 201 puise dans le milieu exterieur, des modifiecations qui les rendent plus facilement assimilables par les cellules internes auxquelles elles sont transmises. En d’autres termes, les cellules coloniales doivent trouver A l’interieur de la cellule-reste des conditions de nutrition plus favorables que celles qu’elles rencontreraient dans le plasma ambiant, si elles y etaient plongees direetement.“ Der Autor stützt seine Ansicht auf die heutigen Theorien von der Funktion des Kernes, indem er fortfährt: „On peut &tre aujour- d’hui assez eloigne de penser que le noyau ne joue son röle que dans les phenomenes de la multiplication cellulaire et de la fecondation, on peut admettre au contraire quil joue un röle tres-important dans la fonetion de nutrition, dont il constitue peut-etre le centre.“ Doch deckt sich Gilsons Auffassung nicht völlig mit der unsrigen, wie aus dem Folgenden hervor- gehen wird. Gilson glaubt, dass die sich schnell umwandelnde Samenzelle sich nicht genügend selbst ernähren kann und dazu die Hülfe der Cellule-reste in Anspruch nimmt. Ich glaube da- gegen zeigen zu können, dass im Bau und in der Art der Um- wandlung der Spermatide der Grund liegt, dass dieses Element Anfangs nur schwer, später gar nicht mehr Nahrung assimi- liren kann, so dass sich nicht „günstige Bedingungen“, sondern die Nothwendigkeit fremder Ernährung ergäbe. An eben dieselbe neuere Ansicht von der Funktion des Kernes, die im zweiten Citat wiedergegeben ist, knüpfen auch unsere Betrachtungen an und zwar an Born's und Rückert's Arbeiten, welche eine interessante und höchst bedeutungsvolle Uebereinstimmung zwischen der Vertheilung des Chromatins im Kern und der Thätigkeit der ganzen Zelle ans Licht brachten. Born hat in seinen Untersuchungen über die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus besonders auf die Vertheilung des Chromatins im Kern sein Augenmerk gerichtet und auf eine interessante Beziehung desselben zu der Ausbildung der Eizelle hingewiesen. Während der Zeit nämlich, wo das Ei stark wächst (bis zur Kugel von I mm und mehr) und gleich- zeitig erhebliche und schwierige innere Differenzirungen erleidet (Bildung, Ablagerung und Schichtung der Dotterkörner), wächst der centrale Kern nicht nur ebenfalls zu sehr bedeutender Grösse heran (bis zu '!/, mm Durchmesser), sondern zeigt auch sein Chromatin so fein wolkenartig vertheilt, dass in gewissen Sta- 202 Karl Pieter: dien der färberische Nachweis desselben besonders schwierig wird. Born glaubt nun annehmen zu dürfen, dass diese feinste Vertheilung desChromatins den Zweck hat, dieser auch für die nutritive Funktion und den histolo- gischen!) Aufbau der Zelle wichtigsten Substanz eine möglichst grosse wirkende Oberfläche zu verleihen, welche dem Chromatin gestattet, auch die oben angedeuteten schwierigen Umgestaltungen im Inneren des Eies zu volbringen. Bei dem glücklichen hier gewählten Beispiel trat diese feine Vertheilung des Chromatins besonders deutlich in Erschei- nung; doch lässt sich ein gleiches Abhängigkeitsverhältniss auch an anderen Zellen bei entsprechender Gelegenheit beobachten; ich brauche nur an die thätigen Drüsenzellen zu erinnern, die stets das Chromatin in feinen Strängen den Kern durchziehend zeigen. Man kann daher allgemein den Satz aussprechen: „Je intensiver die individuelle Thätigkeit derZelle ist, desto feiner vertheilt sieh die ehro- matische Substanz im Kern.“ Umgekehrt kann man auch schliessen: „Je feiner ver- theilt sich die chromatische Substanz im Kern darstellt, desto thätiger ist der Elementarorga- nismus, und in je gröberen Portionen sie’den Kern erfüllt, desto geringer wird die Thätigkeit der Zelle sein können. Wird das Chromatin end- lich völlig econcentrirt in eine Form gebraeht, die bei möglichst geringer Oberfläche möglichst viel Substanz beherbergt, so wird die nutritive und aufbauende Thätigkeit eines solchen Kerns auf Nullherabsinken; es wird einer solchen Zelle völlig unmöglich sein, die in den Geweben eirkulirenden Nahrungsstoffe zu verarbeiten und weitere Differenzirungen einzugehen.“ Für eine derartige Koncentration des Chromatins bietet ein allbekanntes Beispiel die Kinese. Das Chromatin steht ja 1) „Histologischer Aufbau einer Zelle“ ist eigentlich eine ganz unmögliche Bezeichnung; indess fehlt uns völlig ein Wort, welches die Thätigkeit der Zelle in Bezug auf ihr individuelles Leben, auf Er- nährung, Wachsthum und Differenzirung — ganz abgesehen von der Fortpflanzung — bezeichnet; in diesem Sinne sind hier die Ausdrücke „nutritive Thätigkeit“ oder „innerer Aufbau‘ zu verstehen. Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 203 nicht nur in Beziehung zur nutritiven Thätigkeit der einzelnen Zelle selbst, sondern es enthält auch die Vererbungssubstanzen, die eine Zelle bei der Theilung überträgt und welche den Cha- rakter der Tochterzellen bestimmen. Ist nun doch der ganze komplieirte Mechanismus der Mitose offenbar auf den einen Zweck der genauen Halbirung der chromatischen Substanz und die Bewe- gung der halbirten Massen zu den beiden Tochterzellen hin zuge- spitzt. — Nun sehen wir, dass bei der Karyokinese offenbar im Inter- esse der leichteren Halbirung und Transportirung des Chromatins, dasselbe in eine möglichst einfache und gleichzeitig kompakte Form übergeführt wird, — die eimes cylindrischen Stabes oder Fadens. Wir haben nun allen Grund anzunehmen, dass das Chromatin in dieser kompakten, gewissermaassen für die Reise geeignet verpackten Form, die es während der Kinese annimmt, nutritiv für die Zelle gar nicht wirk- sam ist und gar nicht wirksam sein kann, dass also der Zustand des Kerns, den wir gewöhnlich als den der Thätigkeit bezeichnen, nutritiv für das individuelle Leben der Zelle ein solcher der absoluten Ruhe ist — und umgekehrt. Kurz, die kondensirte Form des Chromatins während der Kinese mit der geringen Oberfläche verträgt sich nicht mit der nutritiven und aufbauenden Thätigkeit. Ein ganz gleiches Verhalten des Chromatins wie während der Mitose findet sich nun bei der Ausbildung der Samen- fäden. Die ganze chromatische Substanz des Sperma- tidenkerns koncentrirt sich nämlich in eben der glei- chen Weise, wie es bei der indirekten Kerntheilung geschieht und bildet so den kugel- oder stabförmigen Kopf des Spermatozoons; völlig homogen stellt sich dieser Theil selbst bei den stärksten Vergrösserungen dar. Diese Einrichtung hat nun auch denselben Zweck, wie die Kondensirung derselben Sub- stanz in den Chromosomen: dieser wichtige Zellbestandtheil soll auf einen möglichst klemen Raum zusammengedrängt werden, ohne dass bei dieser Verpackung etwas Substanz verloren gehe. Das ganze Samengebilde kann so ganz klein und leicht beweg- lich werden; das ist natürlich von höchster Wichtigkeit für das männliche Geschlechtsprodukt, das dann um so leichter die Ei- zelle aufsuchen kann. Mit dieser Koncentration des Chromatins im Kopf 204 Karl’Peter: des reifenden Spermatozoons verliert nun aber die sich umwandelnde Zelle völlig die Fähigkeit, sich selbst zu ernähren und „histologisch“ weiter auszubilden. Da sie nun auch nach diesem Ereigniss noch weiterer Er- nährung bedarf und weitere Differenzirungen durch- zumachen hat, so schlug sie den Ausweg ein, mit an- deren Zellen in innige Verbindung zu treten, welche ihr diese weitere Ausbildung durch histologische Ver- arbeitung und Zufuhr dieses histologisch verarbeiteten Nährmaterials gestatteten, und dassind die Fusszellen, die „Nährzellen“. Die oben schon geführte Bezeichnung recht- fertigt sich jetzt. Das ist meiner Meinung nach der Grund für die Kopulation der Samenelemente mit den Nährzellen, — des Prozesses, den man schon lange kannte, der aber in seiner Be- deutung noch immer räthselhaft erschien. Diese Nährzellen haben nun auch ganz das Aussehen von Elementen, die intensiv thätig sind. Obgleich sie nämlich selbst keine weiteren Umbildungen erleiden und wahrscheinlich häufig nach Ausstossen der Spermatozoen zu Grunde gehen, so weisen sie doch stets sehr fein vertheiltes Chromatin im Kern anf, das also eine grosse wirkende Oberfläche besitzt. Wo sie auch be- schrieben werden und von welchem Thier, stets wird der „homo- gene‘, stark sich tingirende Charakter ihres Kerns hervorgehoben. Diese Gebilde bereiten also die Nährstoffe zu und übermitteln sie assimilationsfähig den Spermatiden. Aber nicht nur in den letzten Stadien der Reifung stehen die Samenzellen in Beziehung zu den Nährelementen; wir haben oben gesehen, dass sich das Proto- plasma der letzteren als Intercellularsubstanz zwischen die Sper- matogonien und Spermatiden jeder Entwicklungsstufe eindrängt und diese rings einhüllt. Auch diese Gebilde haben eine leichter assimilirbare Nahrung nöthig, da ihr Chromatin in groben Schollen im Nucleus aufgespeichert ist, eine Eigenschaft, die an allen Spermatogonien im Gegensatz zu den homogenen Kernen der Nährzellen hervorgehoben wird. Ausserdem theilen sich die Samenzellen äusserst rasch hintereinander auf mitotischem Wege, oft ohne ein sogen. Ruhestadium zwischen die einzelnen Kinesen einzuschieben, wie Meves (1897) beim Salamander direkt be- obachten konnte. Während dieses Zustandes ist ja aber, wie oben ausgeführt wurde, der Zelle die Möglichkeit genommen, Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 205 selbstständig für ihre Ermährung und Ausbildung zu sorgen. Zudem scheinen die Kerne der Spermatogonien ausserordentlich lange im Spiremstadium zu verweilen; Hermann (1889”) fand bei der Maus diese Phase auf mindestens 5 Tage ausgedehnt. Alles dies weist darauf hin, dass die reifenden Samenzellen höherer Thiere unmöglich sich allein er- nähren und ausbilden können. Es ist also im Hoden eine sehr vortheilhafte Arbeitstheilung eingetreten: während eine Gruppe von Zellen ihre ganze Energie darauf verwandte, möglichst viele Elemente von einer für die Befruchtung geeigneten Gestalt hervorzubringen, übernahm eine andere Gruppe die Arbeit, die sämmtlichen Zellen des Samen- kanälchens mit assimilationsfähigem und direkt verwendbarem Nährmaterial zu versorgen. Die Verhältnisse liegen so für die Ausbildung der männlichen Geschlechtsstoffe natürlich ungleich günstiger, als wenn diesen nur kernloses, noch aufnahmefähig zu machendes Plasma zur Ernährung geboten würde, obgleich dies auch schon, wie oben erwähnt, eine vortheilhafte Arbeitstheilung ist. Im letzten Falle muss ja das Chromatin der Samenzelle während der ganzen Entwicklung in einer: Anordnung im Kern bleiben, welche die Assimilation der gebotenen Reservestoffe mög- lieh macht; im ersteren Falle dagegen ist die Samenzelle dieser Sorge völlig enthoben; die chromatische Substanz kann sich in einer Weise koncentriren, dass das reife Spermatozoon eine Ge- stalt erhält, die ihm die beste Möglichkeit bietet, das weibliche Geschlechtsprodukt aufzusuchen. Die Genese dieser wiehtigen Umformung lässt sich an Clitellio und Triopa nach den Jensen’schen Befunden, wie schon erwähnt, gut verfolgen. Bei Triopa lösten sich die Kerne im Nährmaterial auf und dienten mit dem Plasma nur als Nahrungsstoff. Clitellio behält die Kerne der Nährzellen länger, oft bis zum Ablauf der Spermatogenese. Es wird sich von da allmählich ein Verhältniss der längeren Aktivität der Nährkerne herausgebildet haben, während welcher Periode die Samenzelle ihre ganze Thätigkeit auf ihre Umgestaltung richten konnte. Schon eine geringe Dauer dieses Stadiums war für die Ausbil- dung der Samenfäden von Nutzen. Dieser Vortheil wurde all- mählich grösser, je nachdem das Nährplasma seinen funktioniren- den Kern bebielt, bis das so einförmige Verhältniss der Nähr- 206 Karl Peter: zellen entstand, welches den Samenzellen völlig die Arbeit der Zubereitung der Nahrungsstoffe abnahm. Ich bin mir wohl bewusst, dass diese Theorie auf die Spermatogenese ohne nutritives Plasma keine Anwendung finden kann; auch die Spinnen und Tausendfüsser zeigen komplieirt gebaute Samenkörper, ohne dass — nach Gilson’'s Angaben — irgend ein noyau satellite sich im Hoden dieser Thiere nach- weisen lässt. Nur scheint sich das Chromatin des Kerns in ihrem Spermatozoenkopf in ganz gleicher Weise zu verdichten, wie es oben für die Wirbelthiere beschrieben wurde. Lässt sich also nir- gends ein nährendes Element nachweisen, was ich noch für mög- lich halte, so kann man nur an eine höhere Speeialisirung der chromatischen Substanz bei den „höheren“ Thierklassen denken. Während dieser Zellbestandtheil bei letzteren unbedingt nöthig ist, um Wachsthum und Umbildung der ganzen Zelle zu über- wachen, so hat er bei den niederen Formen diese Funktion noch nicht ausschliesslich an sich gerissen; sie kann hier noch von anderen Theilen des Elementarorganismus ausgeführt werden — ein Prozess der Differenzirung, wie er überall im Leben der Or- ganismen sich wiederfindet. Auffallend ist das beinahe regelmässige Vorkommen von grossen Nucleolen im Kern der Nährzellen. Sie wer- den fast durchgehend erwähnt; Swaön und Masquelin bilden sie von Selachiern, Amphibien und Säugern ab; bei Triton finde ich sie wenigstens in Kernen am Fuss von Spermatozoen- bündeln regelmässig in der Mehrzahl, 3 oder 4. Etzold’s Bilder zeigen eben solche Kernkörperchen bei Fringilla und Hermann (1889%) beschreibt ihre Gestalt bei der Maus sehr eingehend. Nun hat Born in seiner oben eitirten Arbeit bei dem nor- malen Wachsthum des Keimbläschens eine ausserordentliche Ver- mehrung und Vergrösserung dieser in ihrer biologischen Bedeu- tung noch sehr räthselhaften Gebilde beobachtet und glaubt auch ihnen einen Einfluss auf das individuelle Leben der Zelle zu- sprechen zu können. Ziehen wir in Betracht, dass die Nährzelle wie das wachsende Keimbläschen in sehr gesteigerter Thätigkeit sich befinden, so lässt sich das fast stets beobachtete Vorkommen auffallend grosser und eigenthümlich gestalteter Nucleolen in den Nährzellen mit obiger Hypothese wohl in Einklang bringen. KILZE ei ee A Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 207 Auf einen Punkt möchte ich nun nur noch aufmerksam machen. Während die Theilung der Samenzellen stets auf dem Wege der Mitose vor sich geht, sind karyokinetische Bilder bei den Nährzellen nie zur Beobachtung gelangt. Dagegen hat man oft Formen gefunden, welche eine direkte Kerntheilung dieser Gebilde sicher annehmen lassen. Dies beschreibt v. Rath (1894) vom Salamander, Tellyesniezky bildet amitotisch sich theilende Fusszellenkerne aus dem Hoden der Eidechse ab, auch Etzold fand beim Sperling eine Vermehrung der Nähr- elemente auf das dreifache, ohne je eine Mitose beobachtet zu haben. Mir selbst ist nie eine mitotisch sich theilende Nährzelle begegnet. Weshalb theilen diese sich nicht auf dem weit ver- breiteten Wege der Fadenbildung? Ich glaube, dass auch dies Verhalten sich unter Anwendung der Born’schen Theorie er- klären lässt. Wie im Früheren gesagt wurde, ist der Zelle während der Mitose zufolge der Koncentration des Chromatins die Möglichkeit genommen, sich selbst zu ernähren oder ihr Nährmaterial sich zuzubereiten. Darf sie diese Funktion nicht aufgeben und liegt trotzdem die Nothwendigkeit einer Vermehrung vor, so kann eben die Kondensirung des Chromatins nicht eintreten — die Mitose bleibt aus und der Kern theilt sich direkt. Dieser Fall tritt für die Nährzellen des Hodens ein. Sie dürfen nie aufhören, die Samenbilder mit histologisch verarbeitetem Nährmaterial zu ver- sorgen — daher müssen sie sich direkt theilen. Weiterhin gehört ein guter Ernährungszustand dazu, die grosse Arbeit der Koncentration der chromatischen Substanz zu verrichten; die Zelle muss durch einen Vorrath verarbeiteter Nahrung gerüstet sein, es während der oft langen Dauer der Mitose ohne Ernährung aushalten zu können. Degenerirte, schwache Zellen können aber die Arbeit der Kondensirung nicht mehr leisten, und, da sie kein Plus von Reservestoffen besitzen, bei der Thei- lung der feinen Chromatinanordnung nicht entrathen — daher auch solche Zellen direkte Kerntheilung aufweisen. Diese Thatsachen hat schon v. Rath (1894) gefunden und seine Resultate in fol- genden Worten zusammengefasst: „Amitose tritt hauptsächlich in Zellen auf, die in Folge besonderer Speeialisirungen einer inten- siveren Assimilation, Sekretion oder Exkretion vorstehen, ferner im alternden, abgenutzten Gewebe und folglich da, wo die Zellen 2083 Karl Peter: nur eine vorübergehende Bedeutung haben.“ Für die Nährzellen des Hodens gelten gewiss oftmals beide Gesichtspunkte, da sie einerseits gesteigert thätig sind und bei vielen Thieren nach Ablauf der Spermatogenese zu Grunde gehen. Sprechen wir dem Chromatin des Kerns die Bedeutung zu, für die Ernährung und innere Ausbildung der ganzen Zelle Sorge zu tragen, so löst sich das Räthsel der Konjugation der Sper- matozoen mit den Fusszellen in einfacher Weise: Die reifende Samenzelle, deren koneentrirtes Chromatin der nutritiven Funk- tion nicht mehr vorstehen kann, muss ihr Nährmaterial durch ein anderes Element bereits assimilationsfähig gemacht und histolo- gisch verarbeitet beziehen; zu diesem Zweck legt sie sich an die Nährzellen an, mit denen sie aber schon als Samenmutter- zelle in stetem Kontakt stand und wegen des grob vertheilten Chromatins und der wiederholten Mitosen stehen musste. Diese zweite Art von Zellen scheint nichts weiter zu sein als eine be- sonders differenzirte Ursamenzelle — wenigstens weisen darauf manche embryologischen und besonders die vergleichend ana- tomischen Thatsachen hin. Da zeigt sich nämlich deutlich, wie von den Samenmutterzellen sich erst nur ein Theil des Plasmas, dann ganze degenerirende Zellen absondern und zur kernlosen Nährsubstanz werden, bis einige der Ursamenzellen ohne zu zer- fallen auch die nutritive Funktion der Geschlechtsprodukte über- nehmen. Alle die verschiedenen Bildungen, die als Cystenzellen, Follikelzellen, Fusszellen u. a. beschrieben werden, sind physio- logisch und meist auch morphologisch gleiehwerthige Gebilde und nichts anderes, als Nährzellen der reifenden Samenelemente. Verzeiehniss der eitirten Literatur. Auerbach, L., Untersuchungen über die Spermatogenese von Palu- dina vivipara. Jenaische Zeitschrift Bd. XXX (XXIII) 1896. Benda, C., Zur Spermatogenese und Hodenstruktur der Wirbelthiere. Verh. d. 1. Versamml. d. anat. Gesellsch. z. Leipzig 1887a. . Derselbe, Untersuchungen über den Bau des funktionirenden Samen- kanälchens einiger Säugethiere ete. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXX. 1887». a Zu a ee Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 209 Derselbe, Die Entwicklung des Säugethierhodens. Verh. d. 5. Ver- samml. d. anat. Gesellsch. zu Berlin 1889. Derselbe, Neue Mittheilungen über die Entwicklung der Genital- drüsen und über die Metamorphose der Samenzellen. Verhandl. d. physiol. Gesellsch. vom 11. XII. 1891. Bloomfield, On the Development of the Spermatozoa. Part I. Lum- brieus. Quart. Journ. of mier. Sc. 1880, Born, G.,, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. Arch. f. mikr. Anat. XLIII. 1894. Brock, J., Untersuchungen üb. d. Geschlechtsorgane einiger Murae- noiden. Mitth. a. d. zool. Station z. Neapel Bd. II. 1881. v. Brunn, M., Untersuchungen über die doppelte Form der Samen- körper von Paludina vivipara. Arch. f. mikr. Anat. XVII. 1884. v. Erlanger, R., Beiträge zur Morphologie der Tardigraden. Morph. Jahrb. XX11. 189. Etzold, F., Die Entwicklung der Testikel von Fringilla domestica von der Winterruhe bis zum Eintritt der Brunst. Zeitschr. f. wiss. Zool. LII. 1891. Fiedler, K., Ueber Ei- und Samenbildung bei Spongilla fluviatilis. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLVII. 1888. Gilson, G., Etude compar&e de la Spermatogen&se chez les Arthro- podes. La Cellule.. Tome I, II, IV. 1884 —1887. Heidenhain, M., Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellprotoplasma, Arch. f. mikr. Anat. XLIII. 1894. Derselbe, Noch einmal über die Darstellung der Centralkörper durch Eisenhämatoxylin ete. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. XII. 15%. Hermann, F., Beiträge zur Histologie des Hodens. Arch. f. mikr. Anat. XXXIV. 1889. Derselbe, Die postfötale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. Arch. f. mikr. Anat. XXXIV. 1389». Derselbe, Beitrag zur Lehre von der Entstehung der karyokineti- schen Spindel. Arch. f. mikr. Anat. XXXVII. 1891a. Derselbe, Urogenitalsystem. Ergebnisse v. Merkel u. Bonnet. I. 1891b. Jensen, ©. S., Recherches sur la Spermatogenese. Arch. de Biologie IV. 1883. Jungersen, H. F. E.,, Entwicklung der Geschlechtsorgane bei den Knochenfischen. Arbeiten a. d. zool. Inst. z. Würzburg IX. 1889. Langerhans, P., Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. Arch. f. mikr. Anat. XII. 1876. v. Lendenfeld, R., Ueber Coelenteraten der Südsee. I. Cyanea An- naskala. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVII. 1853. v. Lenhossek, M., Untersuchungen über Spermatogenese. Arch. f. mikr. Anat. LI. 1898. Meves, F., Ueber die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen von Salamandra macul. Arch. f. mikr. Anat. XLVIII. 1897, 210 Karl Peter: Nussbaum, M., Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich. Arch. f. mikr. Anat. XVIII. 1880. Platner, G., Ueber die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Arch. f. mikr. Anat. XXV. 1885. Polajaef, Ueber das Sperma und die Spermatogenese bei Sycandra raphanus. Sitz. d. Akad. d. Wissensch. Wien LXXXVI. 1882. Prenant, Recherches sur la-Signification des Elements du Tube se- minifere adulte des Mammiferes. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Phys. 1887. Derselbe, Sur la Signification de la Cellule accessoire du Testicule. Journ. de l’Anat. de la Phys. XXVIII. 1892. v. Rath, O. Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Sala- mandra maeul, II. Zeitschr. f. wiss. Zool. LVII. 1894. vückert, J., Zur Entwicklungsgeschiehte des Ovarialeis bei Sela- chiern. Anat. Anz. VII. 1892. Semon, R., Die indifferente Anlage der Keimdrüsen beim Hühnchen und ihre Differenzirung zum Hoden. Jen. Zeitschr. XXI (XIV). 1887. Swaön, A.u. Masquelin, H., Etude sur le Spermatogenese. Arch. de Biol. IV. 1883. Tellyesniezky, K., Ueber den Bau des Eidechsenhodens. Math. und naturw. Ber. a. Ungarn XIII. 1897. Waldeyer, Bau u. Entwicklg. der Samenfäden. Verh. d. 1. Versamnl. d. anat. Gesellsch. zu Leipzig. 1887. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. In allen Figuren bezeichnet S eine Spermatogonie oder einen ihrer Abkömmlinge, N den Kern der Nährzellen. Fig. 1—5 beziehen sich auf die Spermatogenese der Teleostier. Fig. 1. Schleiee. Zenker’sche Flüssigkeit. Hämatoxylin nach Hei- denhain; Lichtgrün. Gezeichnet mit Zeiss Homog. Immer- sion 3mm, Apertur 1,30. Compens. Ocular Nr. 8. Tubuslänge 160. Eine grosse Samenmutterzelle zeigt im Inneren einen grossen Kern, dessen Chromatin, an der Peripherie und um den Nucleolus stärker angehäuft, in groben Strängen vertheilt ist. Im Zellleib ist das dunklere Archiplasma deutlich erkennbar. Um die Zelle, deren Grenze scharf sichtbar ist, befinden sich 3 dunkle chromatinreiche Kerne (N), deren Plasma keine Zellgrenzen erkennen lässt. Fig. 2. Barsch. Zenker. Hämatoxylin Heidenhain. Lichtgrün. Seibert Homog. Immers. !/j. Ocul. I. Tubuslänge 170. Eine Anzahl von Spermatogonien ($) von in Fig. 1 ge schildertem Aussehen liegen im Plasma der Nährzellen (N), ee er ae Ze Fig. 4. Fig. 5. Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. 211 welches ohne Zellgrenzen aufzuweisen eine Intercellularsub- stanz für die ersteren bildet. Schleie. Hermann’sche Flüssigkeit. Hämatoxylin Heiden- hain. Lichtgrün. Zeiss wie Fig. 1. Ein Abschnitt eines Samenkanälchens zeigt die Samenzellen (S—S,) in verschiedenen Stadien und Beziehungen zu den Nährzellen (N). $S= einzelne Spermatogonien, die sich bei S; in 2, bei S, und 83 in mehrere Tochterzellen getheilt haben, dabei von einer Membran umschlossen sind, der die Nährkerne angehören. S,= eine grössere derartige Cyste. Barschh Hermann. Hämatoxylin Heidenhain. Lichtgrün. Zeiss wie Fig, 1. Die im Inneren einer solchen Cyste befindlichen Zellen haben sich bereits zu unreifen Spermatozoen umgewandelt und lassen die Schwanzfäden deutlich erkennen (S). Dabei beginnen sie sich so anzuordnen, dass ihre Köpfe den beiden Nährkernen (N, N,) zugewandt sind. Die Nährzelle N; gehört einer anderen schon gesprengten Cyste an. Barsch. Hermann. Hämatoxylin. Lichtgrün. Zeiss wie Fig.1. Die Umordnung der fast reifen Samenfäden (S) ist erfolgt, sie tauchen mit ihren Köpfen ein in das Plasma der Nährzellen (N, N,), welches nach aussen membranartig abgeschlossen, nach dem Inneren der Cyste zu keine deutliche Grenze zeigt. Fig. 6—8 sollen die Beziehung der Intercellularsubstanz in den Samen- Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. kanälchen zum Protoplasma der Nährzellen zeigen; man sieht deutlich, dass es eben das Plasma der Zellen ist, das sich zwi- schen die Spermatogonien und ihre Abkömmlinge einschiebt. Triton taeniatus. Hermann. Hämatoxylin. Zeiss wie Fig. 1. Ein an der Wand eines Samenkanälchens gelegener, dunk- ler Nährkern (N) schiebt sein fetthaltiges Protoplasma zwischen die grossen Spermatiden hinein. Ringelnatter. Hermann. Hämatoxylin. Seibert wie Fig. 2. 2 stark chromatinhaltige, unregelmässig gestaltete, an der Samenkanälchenwand gelegene Nährkerne (N, N,) lassen ihr Protoplasma in fädigen Zügen durch die ganze Zellschicht bis zum Lumen des Kanälchens sich erstrecken, so dass Sperma- togonien (S), Spermatiden (S;) und fast reife Spermatozoen (85) in dasselbe eingelagert sind. Hund. Hermann. Saffranin. Gentianaviolett. Seibert wie Dre; 2. Zwischen den grossen mit deutlichen Zellmembranen ver- sehenen Spermatogonien (S$) zeigt sich die dunkler gefärbte Intercellularsubstanz, die sich als direkte Fortsetzung des Zell- leibes der Nährkerne (N) erweist. [60] ft [0] (Aus dem anatomischen Institut zu Berlin.) Ueber die Tyson’schen Drüsen. Von Dr. Edmund Saalfeld, Berlin. Hierzu 2 Figuren im Text. In einer Anfang vorigen Jahres erschienenen Dissertation (1) war Sprunck auf Veranlassung Stieda’s der Frage nach der Existenz der sogenannten Tyson’schen Drüsen näher getreten und in seiner Arbeit zu folgenden Ergebnissen gekommen: 1. Weder an der Glans penis noch an der Innenfläche des Präputium giebt es Talgdrüsen. 2. Ein Theil der Autoren (Littre nachfolgend) hat die Coronarpapillen der Glans für Drüsen gehalten. 3. Ein anderer Theil der Autoren hat, nachdem die pa- pilläre Natur der vermeintlichen Drüsen erkannt war, die Epi- dermiseinsenkungen zwischen den Papillen (Finger’s Krypten) für Talgdrüsen gehalten. Professor Waldeyer forderte mich zur Nachprüfung der Sprunck’'schen Untersuchungen auf. Die hierher gehörige Literatur, die Sprunck mit grossem Fleiss gesammelt hat, will ich hier nur in so weit berücksichti- gen, als ich in der Lage bin, einige ergänzende Mittheilungen zu machen. i Die beiden von Sprunck eitirten Werke Tyson’s (2) habe ich ebenso wie er mit demselben negativen Resultate durch- gesehen; von den anderen Schriften Tyson’s, in denen viel- leicht noch die Drüsen erwähnt werden könnten, stand mir noch eine aus dem Jahre 1680 (3) zur Verfügung, aber auch hier wird der Drüsen keine Erwähnung gethan, was um so erklärlicher ist, als es sich um ein weibliches Thier handelt, das hier beschrieben wird. Die Annahme Sappeys (4), die dieser Autor mit positiver Bestimmtheit hinstellt, dass Tyson die Drüsen bei der Beschreibung des Orang-Utang (2) zuerst erwähnt habe, ist schon BIa TE Fe u Sa a ee Ueber die Tyson’schen Drüsen. 213 deshalb nicht zutreffend, weil dieses Werk erst 1699 erschien, während Cowper (5) bereits 1694 der Drüsen Erwähnung thut. Da Cowper’s Arbeit Sprunek nicht zur Verfügung stand, möchte ich der Vollständigkeit halber die betreffende Stelle von Cowper hier wiedergeben und erwähnen, dass in diesem Werke Cowper’s in Fig. 10 wohl zwei Stellen angegeben sind, wo die Drüsen sitzen sollen, ohne dass jedoch die Drüsen selbst in der Zeiehnung erscheinen ... pag. 228f.: In that part where the Prae- putium (the Glandulae odoriterae) is contiguous to the Bala- nus, my very good Friend that judieious Anatomist, Dr. Tyson, has discovered certain small Glands (aa) Fig. 10, which he calls from the great scent their separated Liquor emits, Glan- dulae odoriferae: their Number is uncertain; in those that have the Praeputium longer than ordinary, they are not only more, but also larger, and separate a greater quantity of their juiee, which being lodged there, often grows acrid and corrodes the Glans. They are very conspieuous in most @Quadrupeds, partieularly in Dogs and Boars, in the latter of which; their separated Liquor is eontained in a proper Cist, at tlie Verge of the Praeputium; out of which there is a large Aperture, whereby it's remitted again to lubrieate the Penis of that Animal. Es war mir noch eine Arbeit Tyson’s aus dem Jahre 1683 (6) zugänglich, in der jedoch ebenfalls die Drüsen keine Er- wähnung finden — auch hier handelte es sich um em weibliches Thier; dasselbe Geschlecht besass das im Jahre 1695 (7) von Tyson beschriebene Thier; auch in dieser Arbeit ist ein Hin- weis auf die Drüsen nicht zu finden. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch eine hierher gehörige Stelle, die sieh bei J. F. Cassebohm (8) findet und Sprunck entgangen zu sein scheint, eitiren: „Das Präputium, nebst dem Froenulo nehme ich gleichfalls weg, nachdem ich vor- her seine Membranum, so ad coronam glandis sich befestiget, ge- nau betrachtet habe; denn allhier observieret man zuweilen kleine Glandulas, von welchen eine Materia olida secernirt und eirca coronam glandis colligirt wird.“ Von neueren Autoren, die für die Existenz der Tyson- sehen Drüsen eintraten, möchte ich noch Schweigger-Seidel's (9) erwähnen, der zu seinen Untersuchungen herangezogen hatte die noch mit der Vorhaut verklebte Eichel eines vierwöchent- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 15 914 Edmund Saalfeld: lichen Knaben, ferner mehrere Neugeborene und 7 Erwachsene. Schweigger-Seidel sagt: „Der letzte Penis enthält an der Eichel mehrere mit Talg gefüllte Drüsenbälge, so dass an dem Vorkommen der Eicheldrüsen nicht gezweifelt werden kann, mag es auch noch so vereinzelt sein.“ An der Lamina interna prae- putii fand dieser Autor in. mehreren Fällen keine Drüsen, und dann war auch das äussere Blatt drüsenarm. In anderen Fällen fand er sie nur an der vorderen Umschlagstelle reichlich, so dass sie einen förmlichen Kranz zu bilden schienen. Gegen die von Stieda verfochtene und dureli die Sprunck- schen Untersuchungen gestützte Anschauung von der Nichtexistenz der Tyson’schen Drüsen hatte sich bereits von Kölliker (10) auf der vorjährigen Anatomen-Versammlung zu Gent gewandt und an vorgelegten Präparaten die Tyson’schen Drüsen nach- gewiesen. Als dasselbe Thema auf dem Internationalen Congress zu Moskau von Stieda behandelt wurde, konnte Waldeyer durch Demonstration meiner Präparate ebenfalls die Existenz der Tyson’schen Drüsen zeigen. Ich habe meine Untersuchungen, die damals noch nicht zu Ende geführt waren, zu einem gewissen Abschluss gebracht und möchte dieselben hier mittheilen. Das negative Resultat Spruncek’s rührt meiner Meinung nach, wenn er sich auch dagegen verwahrt, wohl daher, dass er keine Schnittserien angefertigt hat. Ich habe die Glans penis in eirca 500 Abschnitte zerlegt, wobei ich den vordersten Ab- schnitt im ganzen schnitt, während ich die übrige Partie noch der Länge nach zerlegte, um nicht zu grosse Schnitte zu be- kommen und so möglichst wenig Verlust an Material zu erleiden. Ich habe von einer Glans eirca 850 Schnitte durchmustert und habe hier 28 Drüsen gefunden. Es handelte sich um tubu- löse, theils unverästelte, theils mehr oder weniger verästelte Talgdrüsen; dass diese wirklich als solehe anzusehen und nicht etwa einfache Einstülpungen oder Krypten waren, dafür sprach deutlich der anatomische Bau, der klar die Anordnung der kleinen Seitentubuli, den Ausführungsgang und die in den Tubulis ge- lagerten Talgzellen erkennen liess. An der Uebergangsstelle von der Glans penis auf das innere Blatt des Präputium, im Suleus coronarius, fanden sich ebenfalls die Drüsen und nieht minder fanden sie sich im inneren Präputialblatt. Ueber die Tyson’schen Drüsen. 215 Im vordersten Theil der Glans penis konnte ich sieben ver- ästelte und zwei unverästelte Drüsen nachweisen, während ich im mittleren Theile der Glans dieselben vermisste. Der unterste Theil der Glans penis besass 12 verästelte und 7 unverästelte Drüsen; dieselben lagen zum Theil in der unmittelbar an der Corona gelegenen Partie des Suleus coronarius. In der einen der Länge nach getheilten Hälfte der Lamina interna praeputii eines anderen Penis konnte ich 12 verästelte und eine unverästelte Drüse nachweisen. Die beigefügten Zeichnungen (nach Photographien) lassen, glaube ich, jeden Zweifel an der drüsigen Natur der in Frage stehenden Gebilde schwinden. Tyson’sche Drüsen: Glans penis, hinterer Theil. Auf die von Sprunck geschilderten Coronarpapillen hatte auch ich meine Aufinerksamkeit gerichtet, und zwar bemühte ich mich in erster Reihe festzustellen, ob dieselben in irgend welcher Beziehung zu drüsigen Elementen ständen. Diese Unter- suchungen haben ein negatives Resultat ergeben. Da ich that- sächlich nachweisen konnte, dass diese Coronarpapillen eine ge- wisse Empfindlichkeit besitzen, wurde ich veranlasst, dieselben auf ihre nervösen Gebilde zu prüfen, zumal da dies Sprunck nach seiner eigenen Angabe nicht möglich war. Um mir einen Ueberblick über das Verhalten der Nerven an den Fundorten zu verschaffen, untersuchte ich mit der Goldmethode nicht nur Stück- chen der Glans mit Papillen, sondern auch jene correspondirenden Stellen von Glandes, welche keine Coronarpapillen enthielten, 916 Edmund Saalfeld: Die naheliegende Prämisse, dass die empfindlichen Coronar- papillen mit nervösen Elementen reicher ausgestattet wären als die entsprechenden papillenlosen Partieen, hat sich auffälliger Weise nicht als richtig erwiesen. Bei meinen Untersuchungen stellte sich nämlich heraus, dass irgend ein Unterschied im Nervenreichthum zwischen den ‘papillenhaltigen und papillenlosen Stellen nicht nachweisbar war. Ich legte mir ferner die Frage vor, ob etwa die Condylomata acuminata sich besonders bei Patienten fänden, die zahlreiche Coro- narpapillen besässen. Aber auch hier bin ich zu einem negativen Resultat gekommen. Eine auffallende Bevorzugung bezüglich des Auftretens von Acuminaten bei Individuen mit stark ausgeprägten Coronarpapillen war nicht nachzuweisen. Dies ist leicht erklär- lich, wenn man sich vor Augen führt, dass Acuminaten nicht selten an der Vulva vorkommen, ferner beim weiblichen Geschlecht am Anus, ‘einer Lokalität, an der sich Coronarpapillen oder ähnliche Gebilde nicht finden. Fasse ich das Resultat meiner Untersuchungen zusammen, so glaube ich den Beweis für das Vorhandensein der Tyson- schen Drüsen erbracht zu haben; ferner aber auch zu der Be- hauptung berechtigt zu sein, dass die erste Nachricht über die Tyson'schen Drüsen nieht von diesem Autor selbst, sondern von Cowper aus dem Jahre 1694 herstammt. Nachdem mir nun der Nachweis der Tyson’schen Drüsen in der Glans penis gelungen war, lag es nahe, die Untersuchun- gen auch auf die Glans elitoridis auszudehnen. Ich zer- legte 13 Ulitorides von Frauen verschiedenem Lebensalters in Schnittreihen und konnte 865 Schnitte durehmustern; ein grosser Theil derselben ist auch von Prof. Waldeyer untersucht wor- dem Es 'ist mir nicht gelungen, auch. nur eıne Drüse nachzuweisen. Es ist daher wohl der Schluss ge- stattet, dass, wenn in der Glans elitoridis überhaupt drüsige Ele- mente vorkommen, dies doch nur sehr selten der Fall sein kann, Nach dem Gesammtergebnisse dieser Befunde ist es also unrichtig, das Vorkommen von Talgdrüsen an der Glans penis zu bestreiten, wie dies Sprunck thut; dagegen muss es als ein Verdienst der Mittheilungen von Stieda und Spruncek aner- kannt werden, dass sie diese Talgdrüsen durch ihre Untersuchun- gen auf ihren wahren, sehr unbedeutenden Werth zurückgeführt Ueber die Tyson’schen Drüsen. 217 haben. Sie sind durch nichts vor den übrigen Talgdrüsen der Haut ausgezeichnet, als durch ihre Kleinheit, ihre geringe Zahl und durch ihren Sitz an einer haarlosen Stelle; durch den letz- teren Umstand und durch ihre Kleinheit stellen sie sich zu den Talgdrüsen der Nymphen, mit denen sie die meiste Aehnlichkeit haben; nur sind die letzteren in viel grösserer Zahl vorhanden. Ebenso wenig aber, wie die Nymphendrüsen verdienen die der Glans penis (oder eventuell die der Glans celitoridis) einen ei- genen Namen, um so weniger, als, wie ich nachweisen konnte, Tyson diese Drüsen gar nicht einmal selbst beschrieben hat. — Von den Beschreibungen der früheren Autoren entspricht die- Jenige Schweigger-Seidels vollständig den thatsächlichen Verhältnissen. Zum Schluss erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Prof. Waldeyer für die liebenswürdige Unterstützung bei der Arbeit, sowie Herrn Prof. W. Krause für die gütige Mithülfe bei der Sammlung der Literatur verbindlichst zu danken. Literatur-Verzeichniss. 1. Aus dem anatomischen Institut zu Königsberg i. Pr. Nr. 23: Ueber die vermeintlichen Tyson’schen Drüsen. Inaugural-Dissertation von Hans Sprunck. 1897. 2. Dr. Edward Tyson: a) Orang-Outanzg or the anatomy of the Pygmie compared with that of a monkey an ape and a man. b) A phil. essay concerning the Pygmies, the Cynocephali the Sa- tyrs and Sphinges of the Ancients. London 1699. 3. Tyson, On the Anatomy of a Porpess, dissected at Gresham-Col- ledge; with a Praeliminary Discourse concerning Anatomy, and a Natural History of Animals. 4 ef» 1 ipag. 17. 5. Myotomia reformata: or, a New Administration of all the Muscles of Humane Bodies: wherein The true Uses of the Musecles are Explained, the Errors of former Anatomists concerning Them Confuted, and several Muscles not hitherto taken notice of Descri- bed; To which are subjoin’d, A Graphical Description of the Bones; And other Anatomical Observations. Illustrated with Figures after the Life. By William Cowper Surgeon. London, Printed for Sam. Smith and Benj. Walford at the Prince’s-Arms in St. Paul’s Church-Yard. MDCXCIV Pag. 225 ff. An Appendix: Containing a Description of the Penis, and the manner of its Erection. 218 Hugo Sauer: 6. Tyson, Tajacu, sive Aper Mexicanus moschiferus or the Anatomy of the Mexico Musk-Hog. Philosophical Transactions No. 153, Ox- ford 1683. 7. Tyson, Cariqueya, seu Marsupiale Americanum, or the Anatomy of an Opossum, dissected at Gresham-Colledge. Philosophical Trans- actions No. 239, Oxford 1698. 8. J. F. Cassebohm, Methodus secandi. Berlin bei Schütz 1746. 8. pag. 158. 9. Schweigger-Seidel(Virchow’s Archiv 1866, Band 37, pag. 225ff.). 10. Anatomischer Anzeiger 1897. 11. Zehnter internationaler Congress zu Moskau, Section für Anatomie. Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure durch die Nieren. Von Hugo Sauer in Breslau. Hierzu Tafel XI. Die Ausscheidung von Harnsäure nnd harnsauren Salzen in körperlicher Form innerhalb der Nieren bei Gieht und harn- saurer Diathese hat die Veranlassung zum Versuch gegeben, diesen Vorgang experimentell hervorzurufen. Zwar ist es nicht gelungen, den ursprünglichen Plan, auf diese Weise Harnsteine zu erzeugen, zu verwirklichen; dagegen hat sich bei den Ver- suchen gezeigt, dass es möglich ist, die Ausscheidung der Harn- säure experimentell zu studiren. Besonders haben sich Ebstein und Nieolaier!)u.?) mit diesen Vorgängen beschäftigt, wo- bei sie zu auffallenden und bisher nicht bekannten Ergebnissen 1) Ebstein und Nicolaier, Ueber die experimentelle Erzeu- gung von Harnsteinen. Wiesbaden 1891. 2) Ebstein und Nicolaier, Ueber die Ausscheidung der Harn- säure dureh die Nieren. Archiv f. path. Anatomie Bd. 143, S. 337 bis 369. 1896. De ev Se:0ca 2 an Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure ete. 219 gelangten. Eine Nachprüfung ihrer Versuche schien daher an- gezeigt, und ich erfüllte gern den Wunsch meines nunmehr ver- storbenen hochverehrten Lehrers, Rudolf Heidenhain, er- neute Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure dureh die Nieren anzustellen und gedenke an dieser Stelle dank- bar seiner Unterstützung durch Rath und That. Das wesentliche Ergebniss, zu dem Ebstein und Nieo- laier bei ihren Versuchen über die Harnsäureausscheidung durch die Nieren gekommen sind, ist die Ansicht, dass die harn- sauren Salze innerhalb zelliger Elemente der gewundenen Harn- kanälchen sich anhäufen und von diesen getragen dem Nieren- becken zugeführt werden. Zu dieser Ueberzeugung wurden Ebstein und Nico- laier durch Versuche geführt, deren Inhalt in folgendem kurz referirt ist. Als Versuchsthiere verwendeten Ebstein und Nicolaier Kaninehen, und zwar theils gesunde, theils solche, deren Nieren vorher dureh neutrales ehromsaures Kali oder Aloin geschädigt worden waren. Die Einverleibung der Harnsäure in den Organismus der Versuchsthiere erfolgte auf verschiedenen Wegen: In reiner Sub- stanz wurde die Harnsäure mit dem Futter verabreicht; intravenös gelöst in Piperazinlösung, subeutan in Lösungen von phosphor- saurem Natron und Piperazin, intraperitoneal als reine Substanz, oder in sterilen Flüssigkeiten suspendirt einverleibt. Bei der Verfütterung konnte die Harnsäure nur in den Faeces, nicht im Harn und den Nieren nachgewiesen werden. Diese Versuchsreihe ist demnach als bedeutungslos auszuscheiden. Für meine Beurtheilung soll auch die Versuchsreihe an den dureh chemische Agentien vorher beeinflussten Nieren nicht in Betracht gezogen werden, da hier die Entfernung der Harnsäure nieht durch normale Nieren erfolgte; es sind daher nur die- jenigen Versuche, bei denen die Harnsäure intravenös, subeutan oder intraperitoneal dem Organismus der Thiere einverleibt worden war, geeignet, zum Studium der physiologischen Harn- säureausscheidung herangezogen zu werden. Von den Befunden dieser Versuchsreihe geben Ebstein und Nieolaier folgende Beschreibung: Der Harn, welcher nach der Einverleibung von Harnsäure 220 Hugo Sauer: ausgeschieden wurde, war fast immer frei von Eiweiss. Er ent- hielt viel Urate, welche die Murexidprobe gaben, und Harnsäure- krystalle. Die Nieren unterschieden sich in Grösse, Farbe und Con- sistenz nieht von normalen. Makroskopisch zeigten sie auf dem Durchschnitt in der Markschicht grau-weisse Streifen, die bis in die Rindenschicht verliefen; dort waren noch ebenso gefärbte Pünktchen zu erkennen. Die mikroskopischen Bilder ungefärbter, in absolutem Alko- hol gehärteter Nierenschnitte werden von Ebstein und Nico- laier folgendermaassen beschrieben: „In einer Reihe meist dilatirter Harnkanälchen der Rinde, sowie des Markes erschienen die Epithelzellen wie gequollen und zeigten, miteinander ver- glichen, nur geringe Grössendifferenzen und im wesentlichen eine polygonale Form. Diese Zellen, die wir der Kürze halber als „kleine Uratzellen“ bezeichnen wollen, sassen in manchen Harn- kanälchen wie sonst das unveränderte Epithel wandständig, in anderen aber waren sie unregelmässig angeordnet, in anderen wieder erfüllten sie die Durchschnitte durch die Harnkanälchen vollständig. Ihr Leib war homogen, byalin, theils farblos, theils schwach grünlich gefärbt und zeichnete sich durch einen sehr starken Glanz aus, durch den die Zellen dem Beobachter selbst schon bei schwächerer Vergrösserung in die Augen fallen.“ Neben diesen kleinen Uratzellen beschreiben Ebstein und Nicolaier noch „grosse Uratzellen*. Ihr Leib soll polymorph, bedeutend grösser sein und oft mehrere kernartige Gebilde ein- schliessen. Betrachte man den Verlauf der Harnkanälchen von den Glomerulis nach den Sammelröhren zu, so habe es den An- schein, als ob der Leib der Uratzellen an Substanz verliere, so dass man in tieferen Abschnitten nur noch Gebilde im Lumen der Kanälchen antreffe, die den Kernen der Uratzellen sehr ähnlich wären. Abgesehen von den Uratzellen waren in ihren Präparaten noch viele Kanälehen mit kleinsten amorphen und grösseren strukturirten Körnehen ausgefüllt. Sie erwiesen sich chemisch als harnsaure Salze. In den Glomerulis und Kapseln wurden die beschriebenen Gebilde nie gefunden. Die Struktur der grösseren Coneremente wird verschieden- artig angegeben. Viele sollen eine concentrische Schichtung, h d Da I Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure etc. 221 andere eine radiäre Faserung, noch andere beide Anordnungen kombinirt zeigen. Bei der Untersuchung im polarisirten Licht fanden Ebstein und Nieolaier noch, dass die kernartigen Gebilde der kleinen und grossen Uratzellen, sowie die kleineren und grösseren Coneremente das Licht doppelt brachen und viel- fach das schwarze Interferenzkreuz der Sphärolithe zeigten. Daraus schliessen beide Forscher, dass die intra- und extracellu- lären Bildungen identisch sind und bezeichnen sie kurz als Sphärolithe. Der Leib der Uratzellen soll dagegen nur selten und dann nur am Rande das Licht doppelt brechen. Die Sphärolithe konnten in Essig- oder Salzsäure aufgelöst werden. Dabei blieb ein der Grösse und Form entsprechendes Gerüst zurück, von dem Ebstein und Nicolaier annehmen, dass es aus Bestandtheilen derjenigen Uratzellen sich aufbaue, in denen der Sphärolith entstanden sei. Auf Grund dieser Befunde kommen Ebstein und Nico- laier zu folgendem Ergebniss!): ‚Die Harnsäure imprägnirt, und zwar höchst wahrschemlich in Form von harnsauren Salzen, die Epithelzellen gewisser Abschnitte der Harnkanälchen, die infolge dessen aufquellen, sich vergrössern, einen glänzenden Leib und vielfach eine schwach gelbe Farbe bekommen (kleine und srosse Uratzellen.. In diesen mit den harnsauren Salzen im- prägnirten Zellen scheiden sich die Urate sämmtlich oder zum Theil in Form eines oder mehrerer Sphärolithe aus... Neben den intakten Uratzellen sehen wir freie d. h. extracelluläre Sphärolithe, welche durchaus den intracellulären entsprechen, oft auch noch am Rande Reste von Protoplasma zeigen, so dass anzunehmen ist, dass sie im wesentlichen in den Zellen und nicht ursprünglich etwa ausserhalb derselben gelegen haben . . . Sie werden ebenso wie die Uratzellen von ihrem Entstehungs- orte in tiefere Abschnitte der Harnkanälchen fortgeschwemmt und gelangen schliesslich mit dem Harn in die Harnwege und werden dann mit ihnen nach aussen entleert.“ Als Ort der Ausscheidung nehmen sie die gewundenen Kanälchen und den Isthmus der Schleifen an. Um nun über diese Angaben von Ebstein und Nico- laier ein eigenes Urtheil zu gewinnen, beobachtete ich bei 1) e. (8. 861. 222 Hweo.Sauer: meinen Versuchen zunächst genau ihre Vorschriften zur Herstellung der Präparate: Als Versuchsthier wurde das Kaninchen benützt. Die Harnsäure wurde nur intravenös einverleibt, da nach Ebstein nnd Niecolaier die Ausscheidung der Harnsäure unabhängig von der Art der Einverleibung (intravenös, subeutan oder intraperitoneal) erfolgte. In Betreff der Lösung der Harnsäure hielt ich mich zuerst genau an die Angaben von Ebstein und Niecolaier. Sie lösten 0,4g Harnsäure in 10 cem einer 5°/, Piperazinlösung. Obwohl nun die von mir benützten Chemikalien aus den gleichen Fabriken stammten, fand ich doch das Lösungsverhältniss anders. Um 0,4 g Harnsäure zu lösen, sind mindestens 10 cem einer 10°, Piperazinlösung erforderlich bei gleichzeitiger bedeutender Er- wärmung. Selbst dann bleiben noch kleine Mengen von Harn- säure ungelöst. Beim Erkalten der Flüssigkeit entsteht ein er- heblicher, weisser, amorpher Niederschlag von harnsaurem Pipe- razin. Durch erneutes Erwärmen geht der Niederschlag wieder in Lösung. Bei den meisten Versuchen benützte ich eine kurz vor der Injektion bereitete Lösung der Harmsäure in Piperazin. Sie wurde von den Thieren gut vertragen, obwohl einige Male dem Organismus binnen 10 Minuten 0,7 g Harnsäure in 20 cem einer 10 °/, Piperazinlösung einverleibt wurden. Bei einigen Versuchen wurde auch die von früheren Versuchen übrig gebliebene Flüssig- keit verwendet, indem kurz zuvor der Niederschlag von harn- saurem Piperazin durch Erwärmen gelöst wurde. Von den damit behandelten Versuchsthieren sind mir jedoch, obwohl die Flüssigkeit sebr langsam in das Venensystem einfloss, drei in sehr kurzer Zeit noch während der Injektion unter starken dyspnöischen Erscheinungen verendet. Auf dieselbe Weise ver- loren Ebstein und Nieolaier zwei Kaninchen. Das harn- saure Piperazin muss demnach eine gewisse Giftwirkung besitzen. Von weiteren Nebenerscheinungen, welche nach der intra- venösen Injektion von Harnsäure und Piperazinlösung eintraten, sei starker Speichelfluss erwähnt. Diese Wirkung muss nicht der Harnsäure, sondern dem Piperazin zugeschrieben werden. Denn wurde die Harnsäure in Lysidin gelöst einverleibt, so trat kein Speichelfluss ein. ä ; . e " j 4 ß j i Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure etc. 223 Der kurze Zeit nach der Harnsäureeinverleibung secernirte Harn war stets eiweissfrei. Die Farbe war schmutzig gelb und durch grau-weissliche, körperliche Beimengungen stark getrübt. Unter dem Mikroskop zeigte das reichliche Sediment amorphe Beschaffenheit und löste sich nach Zusatz von Essigsäure. Beim Verdunsten derselben schieden sich Harnsäurekrystalle aus. Die Harnsekretion selbst war bei allen Versuchen recht be- deutend. Einmal konnten in 40 Minuten 195 eem Harn aufge- fangen werden, aus denen 0,098 g reine Harnsäure wiederge- wonnen wurden. Im ganzen waren bei diesem Versuch 0,8 g intravenös injizirt worden. Daraus kann man sehen, wie rasch ein Thier, das unter normalen Verhältnissen keine Harnsäure in seinem Organismus produeirt, verhältnissmässig grosse Massen dieser Substanz aus seinem Körper durch die Nieren ausscheidet, wenn dieselben in die Blutbahnen gelangen. Die Versuchsdauer wurde verschieden gewählt. Frühestens 20 Minuten und spätestens 60 Minuten nach der Injektion der Harnsäurelösung wurden die Thiere getötet. Die sofort entnommenen Nieren boten an der Oberfläche normales Aussehen dar. Auf dem Durchschnitt war die Rinden- und Markschicht deutlich gesondert wahrzunehmen, oft auch noch die Grenzschicht gut ausgeprägt. Die Markkegel liessen sehr feine, grau weisse, oft perlmutterartig glänzende Streifen erkennen und diese konnten auch durch die Rindenschicht bis an die Kapsel verfolgt werden. Neben den radiär verlaufenden Streifen, waren noch quer verlaufende und ebenso gefärbte Pünktehen zu sehen, doch nicht mit so grosser Deutlichkeit, und oft waren die Linien unterbrochen. Die Fixation von Nierenstückchen erfolgte entweder in ab- solutem Alkohol oder dem Gemisch von Alkohol-Chloroform-Eis- essig, das ich bei einer früheren Arbeit!) mit grossem Erfolg benützt hatte und das sich auch hier gut bewährte. Die ge- bräuchlichsten anderen Fixirungsmittel konnten nicht Verwendung finden, da durch sie die harnsauren Conkremente gelöst werden und nicht zur Anschauung kommen. 1) H. Sauer, Neue Untersuchungen über das Nierenepithel und sein Verhalten bei der Harnabsonderung. Archiv f. mikrosk. Anatomie 1895, Bd. 46 S. 116. 224 Hugo Sauer: Wegen der Erhaltung dieser Gebilde ist es auch recht schwierig, einen geeigneten Farbstoff zu finden; derselbe muss in alkoholischer Lösung brauchbare Bilder liefern. Wer viel Nierensehnitte unter dem Mikroskop gesehen hat, wird bei einiger Uebung auch in ungefärbten Präparaten manches erkennen können. Um aber zu entscheiden, ob die feinsten Harnsäureniederschläge intra- oder extracellulär liegen, ist doch eine Färbung wünschens- werth, welche die Epithelien einigermaassen differeneirt. Ebstein und Niecolaier benutzten dazu Methylenblau. Eine bessere Fär- bung erzielte ich mit gesättigter alkoholischer Thioninlösung. Es ist dabei vortheilhaft, das ganze Nierenstückchen zu färben und beim Uebergang von Alkohol-Xylol dieser Mischung noch Thionin zuzusetzen, sonst blasst die Farbe des Stückchens sehr ab. Besonders gut ist zwar die Färbung mit Thiovin auch nicht; auf den dünnen Schnitten ist das Protoplasma immer noch recht blass blau, die Kerne sind etwas dunkler. Immerhin aber sind die Epithelien so differeneirt, dass sich die von Natur aus dunkel- braunen harnsauren Conkremente gut von ihnen abheben. Beeinflusst wird die Färbung der Nierenschnitte noch durch den Grad der Harnsäureeinverleibung resp. Harnsäureausscheidung. Wurde z. B. eine Niere während des Versuches exstirpirt, hatte sie also weniger Harnsäure ausgeschieden, als die andere, welche noch längere Zeit secernirte, so zeigten die Schnitte der zuerst entnommenen Niere einen rein blauen Farbenton, während die der zweiten Niere besonders im Verlauf der gewundenen Kanäl- chen mehr ein schmutzig blaues oder grün-gelbliches Aussehen darboten. Die geraden Kanalsysteme und die Glomeruli, die, wie noch später gezeigt werden wird, mit der Ausscheidung der Harnsäure direkt wohl nichts zu thun haben, färbten sich immer gleich gut blau und etwas intensiver, so dass bei schwacher Vergrösserung die gewundenen und geraden Harnkanälchen sich von einander deutlich abhoben. Im Einzelnen ergab sich bei der mikroskopischen Betrach- tung folgender Befund: Kapsel und Glomeruli boten immer ein normales Aussehen. Nie waren Conkremente in ihnen zu finden, die auf eine bereits hier beginnende Harnsäureausscheidung hätten schliessen lassen. Die gewundenen Kanälchen waren theils von normaler a ET E A er ed re ei 1 Seit Me A ».. Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure etc. 225 Weite, theils mässig dilatirt. Ihr Lumen war mehr oder weniger mit gröberen und feineren Körnchen angefüllt, die nach der Mitte zu mehr regellos lagen, dagegen dicht beisammen an dem dem Lumen zugekehrten Epithelsaume, dort wo normaler Weise die Bürstenbesätze sich finden. So bildeten die Conkremente auf Schnitten senkrecht zum Verlauf der Harnkanälchen betrachtet oft einen Ring, der durch seine gelblich braune, auch grünliche und mitunter stark glänzende Farbe sofort auffiel (siehe Abbil- dung). Recht häufig konnte ich aber auch feinste Körnchen eine Strecke weit in die Epithelien hinein verfolgen (s. Abbdg. a be). Die Membrana propria erreichten sie nie. Abweichend von diesem Befund waren bei recht wenig sewundenen Kanälchen an Stelle der normalen Protoplasmaaus- kleidung gelblich glänzende Gebilde zu erkennen. Sehr selten ununterbrochen, waren sie meistens durch stärkere Umrandung oder Zwischenräume getrennt und sahen eylindrischen oder poly- gonalen Zellen ähnlich, besonders noch dadurch, dass in ihrer Mitte ein dunkleres kernartiges Gebilde lagerte (s. Abbildung d). Manche dieser Gebilde hatten ihren Zusammenhang mit der Basal- membran verloren, lagen vereinzelt im Lumen oder füllten die Liehtungen der Kanälchen vollkommen aus. Der gelblich grüne, hellleuchtende Leib zeigte kaum eine Struktur, während das kern- artige Gebilde mitunter radiär gefasert zu sein schien. In dem ab- und aufsteigenden Theil der Henle’schen Schleifen lagen die oben beschriebenen feineren und gröberen Körnehen ganz vegellos, dazwischen aber auch grössere Conkre- mente, die eine radiäre Faserung oder konzentrische Schichtung zeigten. Ab und zu waren auch die soeben beschriebenen zell- ähnlichen Gebilde anzutreffen (s. Abb. d). Die Sammelröhren führten dieselben Anhäufungen wie die vorigen Kanalsysteme, nur traten die Körnchen mehr in den Hintergrund gegenüber grösseren oft fast das Lumen einnehmen- den Conkrementen (s. Abb. c). Diese grösseren Niederschläge liessen bei der Vergrösserung mit Objektiv D (Zeiss), mit wel- chem die Abbildung gezeichnet ist, eine doppelte Struktur er- kennen. Ihre Peripherie zeigte eine feine radiäre Faserung, während die Mitte eine dunklere mehr konzentrische Schichtung erkennen liess, Der Zusammensetzung nach bestanden diese Ge- bilde aber nur aus einem Stoff. Bei Zusatz von Essigsäure lösten 226 Hugo Sauer: sie sich im Ganzen auf und beim Verdunsten der Säure schieden sich typische Harnsäurekrystalle aus. Bei der Betrachtung mit Immersion konnte man ebenfalls erkennen, dass die Conkremente nur einfach zusammengesetzt waren. Die mittlere Schicht, welehe bei schwächerer Vergrösserung konzentrische Schichtung darbot, erschien jetzt ebenfalls nur radiär gefasert. Die nach der Mitte zu konvergirenden kleinsten, radiären Fasern können demnach bei schwächerer Vergrösserung nicht mehr als solche erkannt werden. Die Niederschläge von harnsauren Salzen boten alle noch eine gemeinsame Erscheinung dar. Bei auffallendem Licht leuch- teten sie hellgrau und bei polarisirtem Licht zeigten sie das schwarze Interferenzkreuz, eine Erscheinung, welche alle nach bestimmten Regeln aufgebauten Körper darbieten. Das schwarze Interferenzkreuz war ferner noch an den Kernen der oben be- schriebenen gelblichen, zellähnlichen Gebilde (Abbild. d) zu be- obachten. Was die Epithelauskleidung anlangt, so war sie in den geraden Kanalsystemen immer normal. Auch in den gewundenen Harnkanälehen zeigten sich keine Veränderungen bis auf die wenigen Stellen, wo die beschriebenen gelblich glänzenden zell- ähnliehen Gebilde der Basalmembran auflagerten. Die Bürstenbesätze waren nie zu sehen, da die dafür ge- eignete Färbung wegen der Erhaltung der Harnsäureniederschläge nicht anzuwenden war. Um sie aber doch beobachten zu können, wurden einige Schnitte nach der von mir!) früher angegebenen Methode behandelt, wobei allerdings die Harnsäureconkremente verloren gingen. An solchen Präparaten waren die Bürstenbe- sätze wohl zu erkennen, aber vielfach nicht in ihrer ganz nor- malen Form. Oft waren sie zerrissen oder von den Epithelien abgelöst. Es wird sich jedoch schwer daraus urtheilen lassen, ob schon in vivo durch die Harnsäureniederschläge die Bürsten- besätze und damit die Epithelien selbst in Mitleidenschaft ge- zogen worden, oder ob bei der nachträglichen Lösung der Nieder- schläge an den zarten Bürstenbesätzen künstliche Veränderungen entstanden sind. Dieser Befund weicht nun ab von den Beschreibungen IP aa NOS. 17. Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure ete. 227 Ebstein’s und Niecolaier’s, und es fragt sich, worin der wesent- liche Gegensatz liegt. Wie oben auseinandergesetzt worden ist, erklären E. und N. „die kleinen und grossen Uratzellen“ als die Träger der Harn- säureausscheidung durch die Nieren. Nach meinen Beobachtungen sind aber die gelblich glänzenden, zellähnlichen Gebilde, die wohl den Uratzellen jener gleichzusetzen sind, in so verschwinden- der Menge anzutreffen, dass sie mit der eigentlichen Ausscheidung der Harnsäure und ihrer Salze nichts zu thun haben können. Vielmehr möchte ich diese Gebilde für Trümmer pathologisch veränderter aber früher normaler Epithelien halten. Ihr Zustande- kommen erklärt sieh in der Weise, dass reichliche Anhäufungen von Harnsäureconkrementen manche Kanälchen für immer oder zeitweise verlegen. Es entsteht so an dieser Stelle und den nach den Kapseln zu gelegenen Abschnitten eine Sekretstauung, wie ja auch mehrfach stärker erweiterte Harnkanälchen anzu- treffen sind. Solche pathologische Veränderungen mögen aber geeignet sein, einzelne Epithelien mehr oder weniger zu schädigen und zum Absterben zu bringen. Da nun erfahrungsgemäss nekro- tische Körper eine Ablagerungsstätte für Salze bilden, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass im vorliegenden Falle die abge- storbenen Nierenzellen mit Harnsäure imprägnirt werden und so den gelblich-grünen Ton und Glanz erhalten. Andererseits hat aber auch der Organismus das Bestreben, sich nekrotischer Theile zu entledigen. Die noch ein zellähnliches Aussehen darbietenden Gebilde lösen sich von der Basalmembran ab, gelangen in das Lumen und können nun vom Sekretstrom fortgeschwemmt werden. Auf dem weiteren Wege werden noch nach und nach durch Reibung und Anstossen an die Wandungen des Lumens oder mit Harnsäureconkrementen Theile des Zellleibes abgerissen, bis so der nekrotische mit Harnsäurekrystallen imprägnirte Kern übrig bleibt und so das Aussehen eines Gebildes darbietet, welches E. und N. als Sphärolithe bezeichnen. Diese Gebilde, die wohl den kleinen und grossen Urat- zellen von E. und N. entsprechen, kommen wie gesagt, in meinen Präparaten so spärlich vor, dass es unmöglich ist, sie als die Träger der ganzen, die Niere passirenden Harnsäuremenge zu betrachten. Ferner kann ich mich der Ansicht von E. und N. im fol- 228 Hugo Sauer: genden Punkte nicht anschliessen: Jene fanden, dass die Kerne der Uratzellen und die grösseren Harnsäureconkremente, die sie als Sphärolithe bezeichnen, gleiches Verhalten im polarisirten Lieht und das schwarze Interferenzkreuz zeigten. Sie erklären daher die intra- und extrazellulären Sphärolithe für identische Gebilde und ziehen noch ‚weiter den Schluss, dass die extra- zellulären Sphärolithe, d. s. die grösseren und kleineren Ab- lagerungen, zuerst in den Uratzellen gebildet und dann allmäh- lich frei geworden seien. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass durch das schwarze Interferenzkreuz, welches beide Bildungen zeigen, ihre Identität nicht bewiesen ist, sondern nur soviel, dass beide Körper eine Struktur haben müssen, deren einzelne Componenten nicht über 10 u betragen, sonst aber können sie aus ganz verschiedenen Substanzen bestehen. Meines Erachtens sind die intracellulären Sphärolithe von E. und N. die Ueberreste zu Grunde gegangener, früher lebens- fähiger Zellkerne, in denen sich allerdings Harnsäurekrystalle niedergelassen haben; die extracellulären Sphärolithe d. h. die kleineren und grösseren Ablagerungen im Lumen bestehen da- gegen ursprünglich aus feinsten Niederschlägen von harnsauren Salzen, die sich zu grösseren regelmässigen Gebilden aneinander- geschlossen und wohl mitunter um ein Gerüst aus einem Eiweiss- körper gelagert haben. Letzteres Verhalten konnte ich übrigens durchaus nicht immer bestätigt finden, während es Ebstein und Nicolaier bei den grösseren Sphärolithen als Regel aufstellen. Meine eigenen Befunde führen mich vielmehr zu folgender Auffassung von dem Mechanismus der Harnsäureausscheidung durch die Nieren: Die Nierenkapseln und Glomeruli sind bei der Ausscheidung der Harnsäure direkt nicht betheiligt. In ihnen sind nie Nieder- schläge von harnsauren Salzen anzutreffen. Die ersten, feinsten Conkremente finden sich in den ge- wundenen Harnkanälchen. Hier also beginnt der Ausscheidungs- prozess. Es bleibt nur noch die Frage offen, unter welchen Be- dingungen die Niederschläge von harnsauren Salzen entstehen. Wenn man an der bisher fast allgemein angenommenen Theorie der Harnsekretion festhält, wonach die Menge des Harn- wassers hauptsächlieh dureh die Glomeruli und die harnfähigen Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure ete. 229 Salze durch die Epithelien der gewundenen Kanälchen ausge- schieden werden, so kann man sich drei Möglichkeiten für das Zustandekommen von Niederschlägen harnsaurer Salze innerhalb der Harnkanälchen denken: 1. Die Harnsäure gelangt noch in alkalischer Lösung durch den Glomerulusstrom in die gewundenen Kanälchen, trifft dort mit dem zweiten aber sauren Sekret aus den Epithelien zusam- men und fällt dadurch aus. 2. Kann umgekehrt die Harnsäure in Lösung durch die Thätigkeit der Epithelien der gewundenen Harmkanälchen aus- geschieden werden, dann mit einem sauerreagirenden Glomeru- lusstrom zusammentreffen und dadurch ausfallen. 3. Kann die Harnsäure durch aktive Thätigkeit der Epi- thelien der gewundenen Kanälchen körperlich in das Lumen der Kanälchen ausgeschieden werden. Die erste dieser Annahmen ist am wenigsten wahrscheinlich, da nach den bisherigen Erfahrungen die durch die Glomeruli ausgeschiedene Flüssigkeit arm an festen Bestandtheilen ist. Gegen die zweite Annahme lassen sich zwar meines Er- achtens keine allgemein giltigen Thatsachen anführen; doch möchte ich auf Grund des folgenden Befundes die dritte An- nahme für die zutreffende halten: Wie erwähnt, finden sich die feinsten Niederschläge inner- halb der Epithelien der gewundenen Kanälchen und es ist daher am wahrscheinlichsten, dass sie innerhalb dieser Zellen entstehen und von ihnen ausgeschieden werden. Dagegen könnte allerdings der Einwand gemacht werden, diese feinsten Niederschläge seien beim Schneiden des Nieren- stückchens verschleppt worden. Um dem vorzubeugen, wurde ausser in Paraffin noch in Celloidin eingebettet, oder bei Paraffin- einbettung das Nierenstückchen vor jedem Schnitt mit Collodium bestrichen und noch jeder einzelne Schnitt auf dem Objektträger mit Strasser’'scher Klebmasse befestigt. Die Verhältnisse blieben die gleichen. Ferner möchte ich noch geltend machen, dass bei einer Verschleppung man auch den Weg, also Rillen oder Streifen im Protoplasma hätte beobachten müssen. Zudem wären wohl eher die grösseren Conkremente für eine Verschleppung durch das Messer geeignet gewesen, als die kleinsten. Ich habe Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53. 16 230 Hugo Sauer: daher die Ueberzeugung, dass die feinsten Harnsäureniederschläge intracellulär liegen. Als zweiten, allerdings nicht strenge beweisenden Grund für meine letzte Annahme will ich noch anführen, dass bei der Färbung mit Thionin die gewundenen Kanälchen einen Farben- unterschied gegenüber den Kapseln und geraden Kanalsystemen zeigten. Die Färbung ist nicht wie bei diesen rein hellblau, sondern etwas schmutzig, mit einem Uebergang ins Grün. Be- sonders deutlich war der Farbenunterschied an den Nieren, welche reichlich Harnsäure ausgeschieden hatten. Schliesslich machte ich zur Prüfung der dritten Hypothese noch Versuche, welche darauf hinausgingen, den Glomerulusstrom zu unterdrücken und so ein Wegspülen der Harnsäureniederschläge aus den gewundenen Kanälchen nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Glomerulusstrom kann bekanntlich ausgeschaltet werden, erstens durch Herabsetzung des arteriellen Blutdruckes, zweitens durch Aetzung der Nierenrinde. Zur Herabsetzung des Blutdruckes wurde Kaninchen das Halsmark durchschnitten und künstliche Athmung eingerichtet. Alsdann wurde die Harnsäurelösung injieirt. Trotz der Durch- schneidung des Halsmarkes trat aber jedesmal reichliche Harn- sekretion ein und zeigten daher die mikroskopischen Nieren- schnitte keine Verschiedenheiten gegenüber denen von gewöhn- lichen Versuchen. Da somit dieser Versuch keine Unterscheidung in der vor- liegenden Frage herbeiführte, wurde die Unterdrückung des Glomerulusstromes durch Verschorfung der Nierenrinde versucht. Nach einem seitlichen Bauchschnitt wurde eine Niere herausge- holt, mit dem Thermokauter auf der Oberfläche Streifen einge- brannt, und nach Reposition der Niere die Bauchwunde wieder geschlossen. Nach zwei Tagen wurde Harnsäure in die Blut- bahn gebracht und die Niere in der früheren Weise untersucht. Die mikroskopischen Schnitte liessen deutliche Aenderungen an keilförmigen Nierenpartien, deren oberste Rindenschicht ver- schorft war, gegenüber den normalen erkennen. Die unter der verschorften Rindenzone liegenden gewundenen Kanälchen ent- hielten in gleicher Weise Niederschläge von harnsauren Salzen wie die der normalen Rinde, nicht aber die dazugehörigen geraden Kanalsysteme. Diese Thatsache kann nur so gedeutet werden, 2er ee er re Sees Untersuchungen über die Ausscheidung der Harnsäure etc. 231 dass. die Harnsäure dureh eine aktive Thätigkeit der Zellen der gewundenen Kanälchen in körper- licher Form in das Lumen gelangte und von dort nieht in die tieferen Theile, in die geraden Kanalsysteme weg- geführt wurde, da der Glomerulusstrom versiegt war. Zum Schlusse fasse ich meine Ergebnisse in folgende Sätze zusammen: 1. Die Auffassung von Ebstein und Nicolaier von der Ausscheidung der Harnsäure durch „Uratzellen“ in der Niere kann ich nicht bestätigen. 2. Als Ort der Ausscheidung sind die gewundenen Kanäl- chen zu bezeichnen und ist es in hohem Grade wahrscheimlich, dass die Harnsäure durch aktive Thätigkeit der Epithelien in körperlicher Form in das Lumen gelangt. 3. Die geraden Kanalsysteme führen die in den gewundenen Kanälchen zur Ausscheidung gekommene Harnsäure dem Nieren- becken zu. Auf diesem Wege können sich kleinere Conkremente zu grösseren vereinigen. Erklärung der Abbildung auf Tafel XI. Die Zeichnung ist mit dem Zeichenapparat von Zeiss auf dem Arbeitstisch entworfen. Tubuslänge 160 mm, Ocular 4, Objectiv D (Zeiss). Querschnitt durch die Rindenschicht einer Kaninchenniere. Fixa- tion: Alkohol-Chloroform-Eisessig. Färbung: Thionin. Bei a, b, ce sind in den gewundenen Harnkanälchen feinste Con- kremente von harnsauren Salzen vom Lumen aus in das Protoplasma der Epithelauskleidung hinein zu verfolgen. In dem aufsteigenden Theil einer Henle’schen Schleife sind bei d freiliegende, gelb-grünlich glänzende, zellähnliche Gebilde zu be- obachten. Sie entsprechen den „kleinen Uratzelien* von Ebstein und Niecolaier. In dem Anfang eines Sammelrohres liegen bei e grössere Con- kremente von harnsauren Salzen mit einem dunkleren Centrum und einer helleren, radiär gefaserten Peripherie. 232 Ueber Holzessigfarben. Von Eugen Burchardt, Arzt in Strassburg i. E. Im Verlauf meiner Untersuchungen über die kernfixirenden Bichromate ') hatten sich mir dieselben Schwierigkeiten für die Färbung mit den bekannten Haematoxylin- und Carminfarben entgegengestellt, wie wir sie an Präparaten zu finden gewohnt sind, welche mit starken Cbromsäurelösungen behandelt wurden. Während ich nun damit beschäftigt war, auch für derartige Prä- parate geeignete Uarmin- und Haematoxylinlösungen, besonders im Hinblick auf eine mögliche Stückfärbung, zu finden, wurde ıir-von Herrn Professor Goette die ehrenvolle Aufgabe gestellt, für werthvolles Material, das auf fernen Reisen gesammelt, dabei meist in zu starken Chromsäurelösungen gehärtet, oft auch nicht genügend ausgewaschen war, eine Färbung zu suchen. Die im Folgenden zu beschreibenden Holzessigfarben sind das Ergeb- niss dieser Untersuchungen. Nachdem ich sie während fast eines Jahres bei meinen Arbeiten im hiesigen zoologischen Laboratorium einer gründlichen Prüfung unterworfen habe, glaube ich nicht mehr zögern zu dürfen, sie zur allgemeinen Kenntniss zu bringen. Ich glaube nämlich nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, (lass diese Farben in die mikroskopische Färbetechnik, besonders insoweit sie eine Stückfärbung sein soll, die erwünschte und bis Jetzt zweifellos nicht vorhandene Sicherheit bringen. Holzessig-Haematoxylin. Gerein. Holzesig . . 130,0 Kabalamm a e \. .. 2,0 Haematoxylin.... .; . 0,5 Bei der Bereitung ist zuerst der Alaun kalt in dem Holz- 1) „Bichromate und Zellkern“ La Cellule 1897, t. XI. ee Eugen Burchardt: Ueber Holzessigfarben. 233 essig durch Umschütteln zu lösen, was einige Zeit erfordert, erst dann 0,5 Haematoxylin, in starkem Alkohol gelöst, hinzuzusetzen, und die Mischung wenigstens 12 Tage am Lichte stehen zu lassen. Sie ist vollkommen haltbar, nimmt aber auch mit der Zeit an Färbekraft zu. Diesem Umstande lässt sich durch Zusatz von etwas gereinigtem Holzessig, z. B. 20 eem nach 6 Monaten, leicht abhelfen. Bei der ausserordentlichen Breite der Tinetionszeit wird dies aber erst nach sehr langer Zeit nöthig. Hiervon über- zeugt man sich leicht durch Einlegen von Schnitten auf 10 Minuten bis 10 Stunden und selbst länger; dieselben sind stets brauchbar, allerdings nur bei Untersuchung in Oel, nicht in Glycerin, weil, besonders nach Alkoholhärtung, Bindegewebe und Zellen einen braunen Farbenton annehmen. Dieses Haematoxylin dringt in sehr grosse Stücke ein und eonservirt die zartesten Gewebe. Nie darf Wasser zugesetzt werden — und dies gilt für alle Holzessigfarben; die Stücke (und Schnitte) werden deshalb stets direet aus starkem Alkohol eingelegt, verbleiben in der Farbe 1—12 Stunden und länger, je nach ihrer Grösse, werden dann gründlich in 50°, Alkohol ausgewaschen und wie üblich mit steigendem Alkohol weiter be- handelt. Die Farbe ist eine verschiedene, je nach der Härtung. Schnitte können auch in Wasser, selbst gewöhnlichem, ausgespült werden. Nach meinen Erfahrungen ist dies die einzige Haematoxylin- lösung, die sich wirklich zur Stückfärbung eignet, denn auch die Ehrlich ’sche saure Haematoxylinlösung, mit welcher ja meine manches gemein hat, ist selbst in Verdünnungen in diesem Punkte durchaus unsicher. Holzessig - Carmine. Derartige Carmine !) lassen sich eine ganze Reihe herstellen, die alle eine verschiedene, aber je nach dem gewollten Zweck brauchbare Färbung liefern. 1) Da meine Versuche »elbstverständlich eine grosse Zahl von Lösungen umfassten, mussten diese mit Buchstaben und Zahlen be- zeichnet werden, von denen die ersteren hier beibehalten wurden; r = rectificatum, e = erudum. r 234 Eugen Burchardt: Es sind entweder reine Kernfärbungen oder Mitfärbungen von Zellkörper und Muskel, nach einigen Härtungen, wie z. B. in Pierinsäure und Pierinschwefelsäure, auch von Bindegewebe. Jedoch sind auch die letzteren nicht in störender Weise diffus, sondern geben, besonders in dünnen Schnitten, gut differenzirte Bilder. 1.. CarmınXr, Ger. Holzesig . . . 100,0 Bester Carmin . . . 2,0 über kleiner Flamme langsam auf die Hälfte einzukochen. Man erleichtert sich das Einkochen, indem man erst 50 eem einfüllt und den Stand der Flüssigkeit mit dem Gelbstift oder durch Aufkleben eines Papierstreifens markirt. Die gekochte Lösung wird abgekühlt und filtrirt. Die Stücke werden 12—24 Stunden gefärbt, hierauf in 50° Alkohol ausgewaschen. Die Färbung ist jetzt eine diffuse. Zum Differenziren dient Alaunalkohol. In 50° Alkohol wird Kalıi- alaun im Ueberschuss geworfen, wiederholt tüchtig umgeschüttelt und absetzen gelassen. Es löst sich nach meiner Schätzung kaum !/,°/o; filtrirt wird nicht, um durch Zugiessen von 50° Alkohol und Umschütteln immer im Besitz einer genügenden Menge dieses Alkohols zu sem. Nach dem Differenziren kommen die Stücke in reinen 50° Alkohol, um wie üblich weiter be- handelt zu werden. Dieses, mein erstes Verfahren, ergiebt eine starke Färbung auch für die schwerfärbbaren Präparate, erfordert aber meist ein sehr langes Differenziren, von 2—3 Mal 24 Stunden und selbst mehr, ohne je eine reine Kernfärbung zu geben. IH: Garmin; Pr: Ger. Holzessig ... . . .100,0 Bester ‘Carmin , ... ... 3,0 Kaplan wir... ned 0,5 langsam auf die Hälfte einkochen und kalt filtriren. Man färbt 2—24 Stunden und wäscht in 50° Alkohol aus. Carmin Pr giebt selbst nach sehr langem Einlegen eine reine Kernfärbung, die jedoch, gerade weil nichts als Chromatin ge- färbt wird, für die meisten mikroskopischen Untersuchungen un- 3 t Ueber Holzessigfarben. 235 geeignet ist. Dies Verfahren ist angezeigt für die Färbung von Thieren, die in toto eingebettet werden sollen und für Serien mit dieken Schnitten, z. B. von Embryonen. III. Carmin Xr+Pr (Doppelearmin). Carmin Ar | Carmin Pr | Giebt sehr brauchbare Färbungen bei Einlegen von 6—24 Stunden; es wird gründlich in Alkohol 50 ° ausgewaschen. Nach fast allen Härtungen wird gestreifter Muskel zu stark gefärbt. Dem wird durch mehrstündiges Differenziren in Alaunalkohol ab- geholfen, wobei nur darauf zu achten ist, dass das Stück nach dem Färben zuerst immer in reinem 50° Al- kohol ausgewaschen wird, bevor es in den Alaunalkohol kommt. Es beruht dies darauf, dass letzterer verbunden mit Essigsäure auch die Kerne entfärbt, was allerdings nicht nach allen Härtungen in gleicher Weise ausgesprochen ist. Einfache Controlversuche, besonders an Alkoholpräparaten werden hier- über aufklären. Nach Entfernung der Essigsäure dagegen können die Stücke beliebig lange im Alaunalkohol verbleiben, ohne dass die Kernfärbung leidet. Je nach der Dauer der Differenzirung ist das Bild ein etwas anderes; ich lasse gewöhnlich über Nacht im Alaunalkohol und erhalte stets schöngefärbte Schnitte. Um jedem Irrthum vorzubeugen, will ich das Verfahren kurz wiederholen: färben in Carmin Xr+Pr während 12—24 Stunden; auswaschen in reinem 50° Alkohol 1—12 Stunden; differenziren in Alaunalkohol 6—24 Stunden; auswaschen in 50° Alkohol u. s. w. Dieses Verfahren ist in den meisten Fällen indieirt; es liest sich complieirter als es in Wirklichkeit ist. ' zu gleichen Theilen. Während alle bisher beschriebenen Carmine mit dem ge- reinigten Holzessig bereitet waren, habe ich doch auch den rohen Holzessig zu diesen Versuchen herangezogen. Das Ergebniss lässt sich dahin fassen, dass die mit ihm hergestellten Farblösungen eine noch dunklere Kernfärbung geben, dabei aber den übrigen Geweben und besonders den Zellen selbst eine tiefbraune oder 236 Eugen Burchardt: braunrothe Färbung verleihen. Ein grosser Nachtheil dieser Ab- kochungen besteht in Niederschlägen, vor denen selbst ein jedes- maliges Abfiltriren des Farbquantums, besonders bei längerem Einlegen, nicht sicher schützt. Immerhin habe ich die folgende Mischung beider Holzessige mit Vortheil angewandt, wenn es sich darum handelte, in dünneren Schnitten auch die Protoplasma- struktur in Gegenfarbe hervorzuheben: IV. Carmin Xc+Pr. Carmin Xe Carmin Pr | umschütteln und filtriren. Carmin Xc wird hergestellt analog dem Carmin Ar. Die Behandlung ist die unter III angegebene. zu gleichen Theilen Holzessig-Cochenille. Ger. Holzessig . . . 100,0 Bochenille Win MV 58% 4,0 Rahalaınt 2m. Yalt; 0,5 auf die Hälfte einkochen und filtriren. Einlegen 12—24 Stunden; auswaschen in 50° Alkohol, man kann jetzt differenziren mit Alaunalkohol u. s. w. Diese leicht darzustellende Lösung giebt eine sehr ange- nehme Färbung, bei der zwar die Kerne weniger hervortreten als mit den Carminen, die Zellen und Muskeln aber, sei es mit oder ohne die Differenzirung in Alaunalkohol, vortrefflich zur Anschauung kommen. Bevor ieh abschliesse, möchte ich noch eine Befürchtung zerstreuen, die sich mir ebenso wie wohl schon dem Leser auf- gedrängt hat, dass nämlich diese Holzessigfarben sehr ungleich in ihrer Wirkung sein könnten, weil ja dieses Produkt keine constante Zusammensetzung hat. Meine Versuche mit reinem Holzessig verschiedenster Provenienz, davon besonders zwei schon auf den ersten Blick durch Aussehen und Geruch sich unter- scheidenden, haben diese Befürchtung völlig zerstreut. Möglicher- weise wird durch das lange Kochen der Gehalt, besonders an ua NUN. UN. © Ueber Holzessigfarben. 237 Essigsäure, die aber nach einigen daraufhin gerichteten Versuchen durchaus nicht der einzige, noch viel weniger der auschlaggebende Faktor in diesen Farben sein kann, mehr weniger ausgeglichen. Die Contraindieationen sind eben durch diesen Gehalt an Essigsäure gegeben und durch eine gewisse Undurchsichtigkeit bei der Untersuchung in Glycerin. Die Vorzüge sind die ausser- ordentliche Breite der Färbungsdauer und, was damit einhergeht, die Sicherheit dieser Verfahren zusammen mit guter Conser- virung selbst der zartesten Gewebe und endlich ihre Universalität. Die letztere Eigenschaft bedarf jedoch einer Einschränkung in so fern, als es sich um Präparate handelt, die nach Härtung in Bichromatlösungen nicht oder ungenügend ausgewaschen sind. Dies ist der einzige Fall, in welchem mir diese Holzessigfarben versagt haben. Zur Frage über den feineren Bau der Herz- ganglien des Menschen und der Säugethiere '). Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XTI, XIII und XIV. Seit der Veröffentlichung meiner ersten Untersuchungen über den Bau des sympathischen Nervensystems, deren Fort- setzung der vorliegende Aufsatz bildet, ist die einschlägige Lite- ratur um einige bemerkenswerthe Arbeiten bereichert worden. 1) S. meinen Aufsatz: Zur Frage über den fein. Bau des sym- pathischen Nervensystems bei den Säugethieren, |. c. 238 S. A. Dogiel: Unter den physiologischen Arbeiten sind in erster Linie die schönen Untersuchungen von Langley (2) und Anderson zu erwähnen; diese Autoren wiesen nach, dass gewisse Fasern der Cere- brospinalnerven durch bestimmte vordere Wurzeln in die weissen Rami communicantes eintreten und von hier nach gewissen sympathischen Ganglien der Grenzstränge verlaufen, wo sie, um die Ganglienzellen pericelluläre Geflechte bildend, endigen. Langley nennt diese Fasern „praeganglionie fibres“ und schliesst aus Beobach- tungen über die Wirkung geringer Dosen von Nicotin, welche die sympathischen Zellen lähmen, dass gewisse Ganglienzellen mit jenen Fasern nicht in Verbindung treten; dazu gehören nach Langley unter anderen die Ganglien der Auerbach’schen und Meissner- schen Geflechte. Einzelne solcher Fasern verlaufen sehr weit und versorgen die Zellen mehrerer (2, 3, 4) Ganglien. Die Existenz von solchen sympathischen Fasern, welche, von Zellen eines beliebigen Ganglions ausgehend, an der Peripherie der Zellen desselben, oder eines anderen Ganglions endigen, wird von Langley verneint. Die Färbung normaler, sowie nach Durchschneidung degenerirter Nerven des sympathischen Grenzstrangs mit Osmiumsäure überzeugten Langley ferner davon, dass bei der Katze viele markhaltige Nervenfasern ihren Ursprung direct von den sympathischen Gang- lienzellen nehmen. Kölliker (3) giebt eine sehr sorgfältige Beschreibung des sympathischen Nervensystems, indem er alle in letzter Zeit durch ihn selbst und andere Forscher erhaltene Resultate zusammenstellt; aus seinen Angaben ergiebt es sich, dass er seine früher ausgesprochenen Ansichten über den Bau des genannten Systems in einigen Punkten geändert hat. In erster Linie leugnet er die Existenz irgend welcher Beziehungen zwischen den Endverzweigungen der Nervenfortsätze von Zellen eines Ganglions und den ‚übrigen Zellen desselben Ganglions oder den Zellen anderer Ganglien: die sympathischen Fasern haben seiner Ansicht nach freie Endigungen nur an glatten Muskelfasern, oder an Drüsenzellen. Was nun die sensiblen Fasern anbetrifft, so sind sie nach Kölliker alle cerebrospinalen Ursprungs; — der Sym- pathicus selbst enthält keine ihm angehörenden sensiblen sympathi- schen Nervenfasern. Ferner stimmt Kölliker mit mir in der An- nahme überein, dass die Verästelungen der Dendriten einer Zelle nie sympathische Zellen desselben Ganglions umflechten, ebenso darin, dass er die vonR. y Cajal in den Darmzotten, dem Pancreas u. S. w. beschriebenen sternförmigen Zellen nicht als nervöse Elemente auffasst, während R. y Cajal sie zu den sympathischen Zellen stellt. D. Timofejew (4) untersuchte den feineren Bau der sympa- thischen Ganglien im Gebiet der Prostatadrüse und anderer Theile des Geschlechtsapparates, und bestätigte, einige Details ausgenommen, im Allgemeinen die Resultate, welche von anderen Forschern auf diesem Gebiet gewonnen wurden. Nach seinen Beobachtungen geht der Nervenfortsatz der Ganglienzellen immer in eine marklose Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 239 Nervenfaser über, welche in ihrem ganzen Verlauf keine Collateraten abgiebt. Was die in den Ganglien endigenden Fasern betrifft, so ge- hören diese theils zu den markhaltigen, theils zu den marklosen Fasern ; die Endverzweigungen beider Arten von Fasern umflechten zuerst die Zellkapsel, dringen sodann durch dieselbe ein und endigen in Gestalt von Faserbündeln, welche dem Körper einer jeden Zelle direct an- liegen. Arnstein(5)giebtan, indem erPloschk o's Untersuchungen über den Bau der sympathischen Ganglien in der Trachea mittheilt, in einem jeden Ganglion seien dreierlei Arten von Nervenfasern zu unterscheiden. Die einen sind starke markhaltige Fasern, welche nur durch das Ganglion hindurchtreten und, ohne ihre Marksubstanz zu verlieren, zwischen den Büscheln glatter Muskelfasern sowie unter dem Schleimhautepithel in Gestalt von Endbäumchen frei endigen. Eine zweite Kategorie von Fasern entspringt an den Ganglienzellen, führt nie eine Markscheide, und endet in der glatten Muskulatur der Tra- chea; dies sind die motorischen sympathischen Nervenfasern. Fasern einer dritten Kategorie endlich bilden in den Ganglien pericelluläre Geflechte und gehören zu den dünnen markhaltigen und marklosen Fasern. Die ersteren dieser Fasern hält Arnstein für cerebrospinale Nervenfasern; bezüglich der zweiten Art spricht er nur die Vermuthung aus, es könnten markhaltige Fasern sein, welche ihr Mark in grosser Entfernung von der Ganglienzelle verloren haben, oder aber man habe es hier mit sympathischen Fasern zu thun. In dem gleichen Aufsatze betont Arnstein entschieden, dass die sympathischen Fasern stets den Charakter von Remak'schen oder marklosen Fasern tragen. Unter anderem verweist er auf die Arbeit Langley’s, in welcher dieser die Existenz myelinhaltiger sympathischer Fasern nachweist, mit der Bemerkung: „Langley zieht seine Schlüsse aus Zählungen; die directe Beobachtung des Ursprungs myelinhaltiger Nervenfasern aus sympathischen Zellen feht immer noch.“ A. Juschtschenko (6) färbte Ganglien des sympathischen Grenz- strangs von verschiedenen Thieren (Pferd, Schwein, Katze u. s. w.) nach der Golgi’schen Methode (mit den von Kolossow vorge- sehlagenen Modificationen), und gelangte fast zu denselben Resultaten wie die übrigen Bearbeiter dieses Gegenstandes. Von einer jeden Ganglienzelle gehen nach Juschtschenko Dendriten und ein Nervenfortsatz aus; dabei endigen erstere frei oder zwischen den Zellen des Ganglions, oder aber sie bilden um die letzteren die soge- nannten „nids p£ricellulaires* R. y Cajal’s. Die feinsten Endver- ästelungen der Dendriten unterscheiden sich kaum von den Veräste- lungen der zwischen den Ganglienzellen endenden Nervenfasern. Wäh- rend die Nervenfortsätze der Zellen durch Ganglien hindurchtreten, umgeben sie sich nie mit Myelinscheiden, und geben in gewissen Fällen Collateralen ab. Die in den Ganglien endenden Fasern sind nach Juschtschenko sehr fein, mit Varicositäten besetzt und bilden 240 A.S. Dogiel: um die Zellen und deren Dendriten ein dichtes Geflecht!). Die Mehr- zahl der in Ganglien eintretenden marklosen Fasern gehört nach dem genannten Autor den cerebrospinalen Fasern an, und nur einige unter ihnen sind zu den sympathischen Fasern zu zählen, welche die ver- schiedenen Theile des sympathischen Systems unter einander verbinden. Was die myelinhaltigen Fasern betrifft, so geht der grösste Theil da- von durch die Ganglien hindurch und steht in keinerlei Beziehung zu den Ganglienzellen; in den Ganglien selbst enden nur diejenigen markhaltigen Fasern, welche vor oder nach ihrem Eintritt in das Gang- lion ihre Markscheide verloren haben. Leider geben die Abbildungen des Verfassers (Taf. XXVI) nur eine sehr unklare Darstellung des Charakters und der Endigungsweise der Fasern innerhalb der Ganglien. Endlich sind in neuester Zeit von G. €. Huber (7) Vorlesun- gen über das sympathische Nervensystem herausgegeben worden. Er giebt darin eine sehr ausführliche Darstellung dessen, was bis jetzt über den feineren Bau des sympathischen Systems und dessen Bezie- hungen zu verschiedenen Organen und zum cerebrospinalen System bekannt ist. Der Aufsatz Huber’'s wird alle diejenigen interessiren, welche mit dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von den Funktionen und dem Bau dieses Abschnittes des Nervensystems bekannt zu werden wünschen. Bezüglich der Anordnung und des Baues speciell der sympathi- schen Ganglien des Säugethierherzens liegt bereits ein ziemlich umfangreiches Material von Veröffentlichungen vor. J. Dogiel (8), Vignal(9, Kasem-Beck (10, N. Lawdowsky (11) und viele Andere haben sorgfältige Untersuchungen angestellt über die Lage der Ganglien in verschiedenen Abschnitten des Herzens, und versuchten auch zum Theil den Bau der Ganglienzellen und deren Beziehungen zu den muskulösen Elementen des Herzens festzustellen; sie alle be- dienten sich dabei der älteren Methoden mit Essigsäure, Goldehlorid etc. So fanden unter anderem J. DogielundVignal, dass in den Herzganglien des Menschen und der Säugethiere sowohl unipolare als auch multipolare Zellen vorkommen; erstere hält Vignal für Spinal- ganglienzellen, letztere für sympathische Zellen. Aus den Untersu- chungen Lawdowsky'’s über das Herz des Kaninchens geht hervor, dass einer der Fortsätze der multipolaren Zellen nach den Muskel- elementen verläuft und sich dort in seine Endverästelungen auflöst, welche augenscheinlieh in gewisse Beziehung zu den Muskelzellen treten. Dagegen gelang es erst in neuerer Zeit, dank den Unter- suchungen von Aronson, His (jun., Berkley, P.Jacquesund zum Theil auch von Smirnow und W. Schmidt, welche sich der 1) Auf ein solches Verhalten gewisser in Ganglien endender Fasern, Dendriten sympathischer Zellen gegenüber, habe ich bereits vor dem Erscheinen des Aufsatzes von Juschtschenko hingewiesen. (Siehe: Zur Frage üb. d. fein. Bau etc. etc.) | Me nn A Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 241 neueren Methode (Golgi und Ehrlich) bedienten, die Beziehungen der Zellen untereinander, zu den Muskeln des Herzens und zu den Nervenfasern centraler Abstammung, bis zu einem gewissen Grade genau festzustellen. Bei Anwendung der vitalen Methylenblaufärbung constatirte Aronson (12) erstmals mit Sicherheit das Vorhandensein eines ner- vösen Netzes um die Ganglienzellen des Vorhofs, weshalb er diese Ganglien auch zu den sympathischen zählte. Nach Aronson be- sitzen die an der Basis der Herzkammer (längs der Atrioventricular- furche) und in der Scheidewand des Herzens gelegenen Zellen kein pericelluläres Netz und unterscheiden sich hierdurch von den zweifel- los sympathischen Zellen der Vorhöfe. His junior (13), welcher die Entwickelung der Nervenelemente des Herzens untersuchte, beschreibt die Ganglienzellen des Herzens als unipolare sympathische Zellen und spricht u. a. die Vermuthung aus, die Muskeln des Herzens könnten im Stande sein, die rhythmischen Contractionen von sich aus, ohne jede Theilnahme von Nerven, zu be- wirken. H. Berkley (14) untersuchte das Herz von Nagern, welches er nach der Golgi’schen Methode "und ferner mittelst Picro-osmium bichromicum behandelte; er fand zwischen den Muskelbündeln des Myocards ziemlich starke Nervenfasern, welche im Sarcoplasma der Muskelzellen als Endbäumchen oder in Form verschiedenartiger Ver- dieckungen enden, dabei aber mit den überall im Myocard sich finden- den Nervengeflechten in keinerlei Verbindung stehen. Im Verlauf dieser Fasern liegen besondere bipolare Nervenzellen und zwar in grösserer oder geringerer Entfernung von den erwähnten Endapparaten, welche der Verfasser für den sensiblen Apparat des Herzens hält. Ausserdem fand Berkley im Myocard bipolare und multipolare Zellen mit verästelten Fortsätzen, welche er für sympathi- sche Zellen ansieht; es gelang ihm nicht zu entscheiden, ob diese Zellen einen nervösen Fortsatz haben oder nicht. Ferner beschreibt Berkley ein Nervengeflecht mit darin zerstreuten Ganglien zwischen den Muskelbündeln der Vorhöfe und vergleicht dasselbe mit dem Auerbach'’schen Geflecht des Darmes. P. Jaeques (15) erkennt auf Grund seiner eigenen Beobach- tungen über die Herzganglien der Säugethiere wie auch der Unter- suchungen seiner Vorgänger an, dass die in der Atrioventrieularfurche gelegenen Ganglien multipolare Zellen enthalten (aller Wahrscheinlich- keit nach wirken dieselben beschleunigend auf die Herzthätigkeit); da- gegen haben die Zellen der Ganglien der Vorhöfe und ihrer Scheide- wand den Charakter von unipolaren Zellen, und haben wahrscheinlich die Rolle hemmender Apparate. Es gelang Jacques, den nervösen Fortsatz dieser Zellen bis zu seinem Eintritt in Nervenstämm- chen zu verfolgen. Auf Grund dieser Befunde spricht er die Ver- muthung aus, dass die Herzganglien möglicherweise sowohl sympa- thische als auch Spinalganglienzellen enthalten. Die von Berkley 242 A.S. Dogiel: im Myocardium beschriebenen Nervenzellen hält Jaeques für Binde- gewebszellen. Auch G. Heymans und L. Demoor (16) betrachten mit Jacques die von Berkley im Myocard beschriebenen Zellen als Bindegewebszellen und weisen darauf hin, ihre Zahl sei fast ebenso gross wie die der Muskelzellen. A.Smirnow (17) erwähnt in Kürze die multipolaren Ganglien- zellen der Vorhöfe und Kammern und giebt an, eine markhaltige Faser zerfalle in mehrere marklose Fasern, welche in Gestalt pericellulärer Netze um die erwähnten Zellen endigen. In allerneuester Zeit endlich untersuchte W. Sehmidt (18) die Nervenelemente des Herzens einiger Nager (Maus, Kaninchen) mit Hilfe der Golgi’'schen Methode und gelangte zu folgenden Schlüssen: In den Ganglien der Vorhöfe findet sich eine ungeheure Anzahl unter sich anastomosirender Nervenfasern, welche ein dichtes Geflechte bilden, in dessen Maschen Nervenzellen liegen. Der Verfasser fand in Präparaten des Herzens neugeborener Kaninchen, dass eine jede Zelle von einem dichten nervösen Geflecht (Faserkorb) umgeben ist, von welchem eine oder zwei Nervenfasern ihren Ursprung (?) nehmen. Dies pericelluläre Geflecht besteht nach Schmidt aus feinen mark- losen Fasern; die von demselben abgehenden Fasern (wenn es deren mehrere sind) verlaufen nach verschiedenen Richtungen. Ausserdem treten aus den Ganglien noch einige Fasern, welche nach dem Myocard gehen. Diese Beobachtungen, wie auch die Unter- suchungen Smirnow's, veranlassen W. Schmidt zu der Ansicht, dass es Fasern von mindestens zweierlei Ursprung sind, welche in den erwähnten Geflechten enden, und zwar gehört ein Theil dieser Fasern zu den markhaltigen Fasern, ein anderer Theil dagegen stammt aus dem Myocardiun und verläuft als einzelne marklose Fasern bis zu dem Ganglion, wo sie sich in das Endgeflecht auflösen. Doch damit begnügt sich der Verfasser nicht, sondern lässt die pericellulären Ge- flechte einer jeden Zelle aus den Verästelungen von mehr als zwei Fasern verschiedenen Ursprungs bestehen (!). Ueber die Gestalt der Ganglienzellen der Vorhöfe, die Beziehungen zwischen ihren Fort- sätzen u. Ss. w. sagt Schmidt in seiner Arbeit gar nichts. Ferner fand Schmidt im Myocardium der Vorhöfe und Kam- mern noch kleine multipolare Zellen; diese Zellen hält er für Nerven- zellen, da es ihm mehrere Male gelang, einen aus denselben hervor- gehenden feinen Nervenfortsatz zu beobachten und denselben sogar bis zu seinem Eintreten in einen Nervenstamm zu verfolgen (vgl. Fig. 20b, e, d). Die Dendriten dieser Zellen verästeln sich nur unbedeutend und enden mit geringen Anschwellungen; bisweilen schien es dem Ver- fasser jedoch, als gingen einige Dendriten in feine, aber äusserst kurze Fasern von nervösem Charakter über und endeten mit kleinen An- schwellungen an einer Muskelzelle (?). In Wirklichkeit ist es sehr schwer, aus den Figuren des Autors einen Begriff darüber zu erhalten, welcher Natur diese Zellen sind, wo ihr nervöser Fortsatz ist und wie #‘ Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 243 er in das Nervenstämmcehen übergeht, da sich das Nervenstämmchen und alle Fortsätze der Zellen durch nichts von einander unterscheiden. Ausser den erwähnten Zellen sah Schmidt im Myocard noch an- dere mit sich verästelnden und unter einander anastomosirenden Fort- sätzen, welche entweder abgestumpft oder zugespitzt enden; es sind dies seiner Ansicht nach augenscheinlich Bindegewebszellen. Aus den angeführten Literaturangaben ersehen wir, dass die Frage über den feineren Bau der Herzganglien von einer endgiltigen Entscheidung noch weit entfernt ist. Einige Forscher (Vignal, Jacques) geben an, dass die Zellen der erwähnten Ganglien zu den sympathischen und den Spinalganglienzellen ge- hören, andere (Aronson, His jun., Arnstein, Smirnow) halten sie für ausschliesslich sympathische Zellen, und wieder andere endlich (Berkley, Sehmidt) weisen darauf hin, dass im Myo- card der Vorhöfe und Herzkammern eigenartige nervöse Zellen auftreten und stellen das Nervengeflecht selbst dem Auerbach- schen Plexus gleich. Bezüglich der in den Ganglien endenden und aus denselben austretenden (d. h. aus den Ganglienzellen hervorgehenden) Nerven- fasern liegen nur spärliche Angaben vor (Smirnow und Schmidt), dahin lautend, dass erstere vorwiegend den Charakter von myelin- haltigen Nervenfasern cerebrospinaler Abstammung zeigen und mit pericellulären Geflechten enden, — letztere dagegen zu den marklosen Fasern gehören und sich an der Oberfläche von Muskel- zellen des Herzens auflösen. Da ich es mir zur Aufgabe gestellt habe, den Bau des sympathischen Nervensystems zu erforschen, entschloss ich mich, von den peripheren Ganglien auch die Ganglien des Herzens zu untersuchen, und dies umsomehr, als im Bau dieser Ganglien noch vieles unaufgeklärt geblieben ist, wie aus allem Obengesagten hervorgeht. Die sympathischen Ganglien des Herzens. Als Material für die Untersuchungen dienten die Vorhöfe und Kammern des Herzens vom Menschen (Säuglinge im Alter von 1 bis 2 und 3 Monaten), Hund, von der Katze, vom Schaf, Kalb und theilweise auch vom Kaninchen. Die Färbung der Nerven erfolgte mit einer Lösung von Me- thylenblau, in der Art, wie ich es ausführlich in meinem Aufsatz über 244 A.S. Dogiel: die Endigungen sensibler Nerven im Herzen und in den Blutgefässen !) beschrieben habe. Fixirt wurden die Präparate nicht nur in gesät- tigter wässeriger Lösung von pikrinsaurem Ammoniak, sondern auch nach der Bethe'schen Methode, welche gewöhnlich auf zweierlei Weise zur Anwendung kam: Die gefärbten Objeete kamen in eine Lösung von molybdänsaurem Ammonium (1:10) mit oder ohne Hin- zufügung von Salzsäure (1 Tropfen auf 10 cem), in welcher sie 12—24 Stunden verblieben. Nach Ablauf dieser Zeit wurden sie 12—24 Stun- den in Wasser ausgewaschen, auf 1-2 Stunden in Alkohol übergeführt, sodann in Xylol aufgehellt und schliesslich in Damar- oder Canada- Xylol eingeschlossen. Eine andere Abänderung der Bethe’schen Me- thode bestand darin, dass die Präparate zuvor in Lösung von pikrin- saurem Ammoniak fixirt, darauf während einiger Tage in Glycerin eingeschlossen, und nachdem sie sich unter dem Deckglas gehörig aus- gebreitet hatten und genügend flach geworden waren, in derselben Weise weiter behandelt wurden, wie dies oben angegeben worden ist. In einigen Fällen wurden die Präparate noch vor der Ueberführung in Glycerin mit Hoyer’schem Pierocarmin gefärbt. Die beiden letzterwähnten Fixirungsmethoden habe ich über- haupt nur in der Absicht angewendet, um die Färbung der Nerven in den Präparaten auf längere Zeit zu erhalten; Präparate, welche aus- schliesslich nach ıneiner Methode fixirt wurden, halten sich zwar oft mehrere Jahre hindurch ohne sich zu verändern, werden aber doch init der Zeit weniger durchsichtig und schön, als sie es am Anfange waren. Dieser Nachtheil wird aber reichlich durch den Umstand auf- gewogen, dass in den nach meiner Methode fixirten Präparaten der Nervenelemente und ihre Beziehungen zu einander mit viel grösserer Deutlichkeit und Schärfe hervortreten als in stark aufgehellten, nach einer der oben angeführten Methoden fixirten Präparaten; selbst die vorhergehende Färbung mit Pierocarmin ist bei solchen Präparaten ohne besonderen Nutzen. Ich wiil nicht unterlassen, an dieser Stelle hervorzuheben, dass ich in einem Falle die Nervenfärbung mit Methylenblau am Herzen eines Kindes erst 9 Stunden nach erfolgtem Tode angewendet habe, wobei die Nerven sich trotz dieses Umstandes in befriedigender Weise färbten. Der eben angeführte Fall gestattet meiner Ansicht nach zwei Deutungen: entweder muss man annehmen, dass die Nerven ihre vitalen Eigenschaften noch recht lange nach dem Tode beibehalten, oder aber, dass sie diese Eigenschaften verlieren, trotzdem aber während einer gewissen Zeit die Befähigung beibehalten, sich mit Methylenblau zu färben. Die Anwendung der oben mitgetheilten Färbemethode gestattet nicht nur ein genaues Studium der Endigungen sensibler Nerven im 1) Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. LII, 1898. , Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 245 Herzen, — sie ermöglicht es gleichzeitig besser als jede andere Me- thode, den feineren Bau der Herzganglien festzustellen. An Präparaten, welche nach dieser Methode gefärbt sind, sieht man, dass die in das Herz eintretenden dieken Nerven- stämme allmählich in eine Menge Stämmehen und Aeste von ver- schiedener Stärke zerfallen, und so im Pericardium der Vorhöfe und Kammern ein mehr oder weniger weitmaschiges Geflechte bilden; dieses Geflecht liegt in den tiefen Schichten des Peri- cardiums, fast unmittelbar über dem Myocard, und wurde von mir bereits unter dem Namen „subpericardiales Ge- flecht“ beschrieben. Die Stämmehen und Aeste dieses Plexus zeigen im Pericardium im Allgemeinen einen etwas grösseren Durchmesser als in den Kammern; sie bestehen sowohl aus mark- haltigen, wie aus marklosen Nervenfasern, oder —- besonders in dünneren Stämmehen — fast ausschliesslich aus letzteren. Der Charakter und das quantitative Verhältniss beider Arten von Nervenfasern sind ausführlich genug in meiner Arbeit über die Endigungen sensibler Nerven im Herzen !) besprochen worden. Doch muss ich nochmals darauf hinweisen, dass nicht alle marklosen Fasern, welche die Gestalt bald variöser, bald glatter Fäden von verschiedener Dicke haben, in ihrem ganzen Verlauf den Charakter sogenannter Remak’scher Fasern bei- behalten. Einige darunter gehören unzweifelhaft zu den myelin- haltigen Fasern, was in Folge der Grösse der zu untersuchenden Präparate (1, 1!/,, 2 und 2!/, gem) und der daraus resultiren- den Möglichkeit, die gefärbten Fasern innerhalb der Nerven- stämmcehen eine grosse Strecke hindurch zu verfolgen, leicht zu eonstatiren ist. In den meisten Fällen gelingt es zu beobachten, wie die meisten (vielleicht auch alle) stärkeren und feineren markhaltigen Fasern des Geflechts da, wo die Stämmchen sich theilen, gleichfalls eine Theilung erfahren; dabei verlieren einige Fasern, während sie noch in dem Nervenstämmchen sich be- finden, ihre Markscheide und verlaufen dann weiter — als variköse oder glatte Fasern — die ganze, ungemein grosse Strecke hin- durch bis zu ihrer Auflösung in die Endverästelungen. Ausser- dem trennen sich oft von einer beliebigen markhaltigen Faser Tr:E € Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 17 246 Aus. Dogiel: irgend eines Zweigs des Geflechts unmittelbar marklose Fäden (Fasern) ab, welche dann als scheinbar marklose Fasern in das Geflecht übergehen. Die wahre Abkunft aller solcher Fasern kann man nur dann feststellen, wenn es gelingt, die Faser bis zu derjenigen Stelle zu verfolgen, wo sie ihre Markscheide verloren hat; hat jedoch eine Faser in ihrem ganzen Verlaufe keine Mark- scheide, so muss man sie bis zu ihrem Ausgang von der mark- haltigen Faser verfolgen können. Andernfalls können die er- wähnten Fasern leicht für echte Remak'’sche Fasern gehalten werden, neben welchen sie verlaufen und denen sie ihrem Aus- sehen, ihrer Stärke u. s. w. nach völlig ähnlich sehen. Von den verhältnissmässig wenig zahlreichen markhaltigen Nervenfasern in den Nervenstämmen und -Aesten des subperi- cardialen Geflechts trennen sich einzelne früher oder später, wie ich dies in der oben eitirten Arbeit angegeben habe, von den Verästelungen des Geflechts und enden in Gestalt verschieden- artiger sensibler Apparate in dem Pericardium, dem .intermusecu- lären Bindegewebe, dem Gewebe des Myocardiums, dem Endo- cardium und den Wandungen der Herzgefässe; diese Fasern ge- hören demnach unstreitig zu den sensiblen Fasern. Was nun alle die übrigen markhaltigen und marklosen Fasern, sowie alle Remak’schen Fasern betrifft, so stehen sie in einer gewissen Beziehung zu den Ganglien des Herzens und es soll ihr ferneres Schieksal weiter unten bei der Beschreibung der Herzganglien besprochen werden. Von dem subpericardialen Geflecht der Vorhöfe und Kam- mern geht eine Menge verschieden dicker Aestchen nach allen Schichten der Herzwand ab, wo dieselben je nach der Stärke einer jeden Schicht eine grössere oder geringere Anzahl neuer Geflechte bilden. Längs den Stämmehen und Aestchen des subpericardialen Geflechts der Vorhöfe liegen zahlreiche, nach Grösse und Ge- stalt (rund, oval, polygonal) sehr verschiedene Gruppen von Nervenzellen; diese Gruppen bestehen bald aus hunderten, bald nur aus einigen Dutzenden oder gar nur einzelnen (3, d, 10) Ganglienzellen. Neben diesen Zellgruppen trifft man in den Vor- höfen und der Basis der Ventrikel auch noch beständig einzelne Ganglienzellen; zum Theil liegen diese einzelnen Zellen den Stämmehen und Aestchen des Subpericardialgeflechts dieht an, A re Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 247 zum Theil erscheinen sie in dieselben verflochten, und sind rings von Nervenfasern umschlossen. Meist liegen die einzelnen Gang- lienzellen in grösserer oder geringerer Entfernung von einander, oder es sind 2—3 solcher Zellen nebeneinader gelagert; in den Vorhöfen fand ich sie nicht nur im subpericardialen Geflecht, sondern auch längs der Aestchen anderer, mehr peripher gelegener Geflechte des Pericards und sogar, allerdings seltener, in den nervösen Geflechten des Myocards. In dem subpericardialen Ge- flecht der Kammern findet man nur selten kleine Gruppen von Zellen, während einzelne Zellen nur in nächster Nähe der Atrio- ventrieularfurche angetroffen werden. Das Auftreten von überall zwischen den Ganglien auftretenden einzelnen Ganglienzellen verleiht dem subpericardialen Geflecht der Vorhöfe eine bedeutende Aehnlichkeit mit den Gefleehten in der Wand der Gallenblase und des Darmes. In dem subpericardialen Geflecht der Vorhöfe eines Kindes ist eine solche Menge von Ganglien und einzelnen Zellen enthalten, dass dieses Geflecht genau genommen als ein einziges ununterbrochenes Ganglion aufgefasst werden kann. Das Methylenblau übt auf die Elemente der Herzganglien dieselbe Wirkung aus, wie auf die Elemente der sympathischen Ganglien überhaupt: auf einem und demselben Präparat kann man finden, dass in gewissen Ganglien sich allein die darin endenden Nervenfasern gefärbt haben, — in anderen ausser den genannten Fasern auch einzelne Zellen, — wieder in anderen die Zellen allein. Im Allgemeinen jedoch färben sich in jedem Ganglion, die kleineren, aus wenigen Zellen bestehenden ausge- nommen, nur sehr wenige Zellen intensiv, während die grosse Mehrzahl in den verschiedensten Stadien der Färbung sich be- findet. Die Merkmale, welche die Zellen aller sympathischen Gang- lien überhaupt charakterisiren, sind auch den Zellen der Herz- ganglien eigen: immer geht von jeder Zelle eine ge- wisse Anzahl von Dendriten und ein Nervenfort- satz aus. Eine gleiche Aehnlichkeit besteht auch im Bau der Ganglienzellen. Sowohl in dem Körper der Zelle, als in dem basalen, erweiterten Abschnitt der Dendriten und des Nerven- fortsatzes färben sich zuerst die feinen Körnchen (Granula), welche ziemlich gleichmässig im ganzen Körper der Zelle, mit Ausnahme des peripheren Abschnitts, wo sie spärlicher auftreten, vertheilt 248 A:-8. Dogiel: sind. Die Körnehen sind sehr klein und so dieht gedrängt, dass die ganze Zelle ein körniges Aussehen erhält; die Körnchen sind in einer homogenen Grundsubstanz suspendirt (nach A. Bühler!) soll diese Substanz eine Netzstruktur haben), welche entweder ganz ungefärbt bleibt, oder aber schwach und bisweilen sogar stark gefärbt wird (Fig. 1, 2, 3). Je nach dem Grade der Fär- bung der Grundsubstanz treten die Körnehen mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit hervor, ja sie können selbst, bei sehr intensiver Färbung, kaum sichtbar werden, während die ganze Zelle eine dunkelblaue Färbung annimmt. In denjenigen Fällen, wo die Granula sich gefärbt haben, kann man stets Zellen finden, in welchen die Körnchen zu einzelnen Gruppen vereinigt sind, und die bekannten chromophilen Körperchen oder Nissl’schen Klümpehen bilden. Letztere treten gewöhnlich sowohl in stärkeren Dendriten als auch im Basalabschnitt des Nervenfortsatzes auf und sind im Körper der Zelle ungleichmässig vertheilt: der centrale, innere Theil der Zelle enthält mehr soleher Klümpchen als die periphere Schicht. Woher aber in den Zellen ein und desselben Ganglions, bei anscheinend gleichen Bedingungen der Farbstoffemwirkung, in den einen Zellen die Körnchen über den ganzen Zellkörper zerstreut erscheinen, in anderen wieder ein grosser Theil der- selben sich gruppenweise anhäuft, — ob diese Erscheinung von dem Grad der Thätigkeit der Zelle abhängt, oder von anderen Factoren, — diese Frage wage ich jetzt noch nicht zu ent- scheiden. Lange Zeit gelang es mir nicht, in dem Körper der sym- pathischen Zellen Fibrillen zu entdecken; nur in den stärkeren Dendriten und in dem Nervenfortsatz (namentlich in dessen ba- salem Conus) traten Fibrillen mit grösserer oder geringerer Deut- liehkeit hervor. Unlängst jedoch kamen mir mehrere Zellen zu Gesicht, deren Körper eine scharf ausgesprochene fibrilläre Struktur zeigt. Die Fibrillen hatten das Aus- sehen äusserst dünner Fädehen und verliefen in ganz bestimmten kiehtungen, was mir besonders bemerkenswerth erschien: die einen waren kreisförmig (concentrisch) und zum Theiletwas schief angeordnet, andere verliefen 1) Siehe weiter unten |. e. ee Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 249 mehr oder weniger parallel zum Längendurch- messer der betreffenden Zelle (Fig. 1). Das erstere Fibrillensystem gehört der peripheren Schicht des Zellenkörpers an, wovon ich mich durch Betrachten bei verschiedenen hohen Einstellungen überzeugen konnte, — das zweite System einer tiefer gelegenen Schicht, was der Ganglienzelle eine gewisse Aehnlichkeit mit den Zellen der cerebrospinalen Ganglien verlieh. Zwischen den einzelnen Fibrillenreihen befanden sich sehr schmale Zwischenräume, welche mit einer interfibrillären Substanz aus- gefüllt waren; letztere enthielt kleine, in Reihen angeordnete Körnehen. In einigen Fällen waren die Fibrillen nur undeutlich zu sehen, doch konnte man dann immer noch aus der Richtung der Körnchenreihen auf die Richtung der dazwischen liegenden Fibrillen schliessen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass Zellen mit deutlich ausgeprägtem fibrillären Bau in den sympathischen Ganglien be- deutend seltener angetroffen werden, als z. B. in den cerebrospi- nalen Ganglien, im Centralnervensystem, in der Retina u. s. w., weshalb ich mich wahrscheinlich so lange nicht von ihrem Vor- handensein überzeugen konnte. Aus dem eben Angeführten scheint mir jedoch hervorzugehen, dass die Ganglienzellen aus denselben Elementen aufgebaut sind, wie die übrigen Nervenzellen auch, nämlich aus Fibrillen, interfibrillärer Grundsub- stanz und Körnehen. Nach der Anordnung der Fibrillen aber stehen sie den cerebrospinalen Zellen am nächsten, was höchst wahrscheinlich auf die Ent- wiekelungsweise der sympathischen Ganglien zurückzuführen ist. E. Lugaro!) weist in einer seiner Arbeiten darauf hin, dass die Anwesenheit von Körnehen und Klümpehen in Nerven- zellen es oft unmöglich machen, den fibrillären Bau deutlich zu beobachten. Bei Thieren jedoch, welche mit Arsenik vergiftet wurden, verschwinden Körnehen und Klümpchen völlig aus dem peripheren Theil der Zelle und bleiben nur in einem beschränkten centralen Theil derselben erhalten. In solchen Fällen treten die Fibrillen in den Zellen äusserst deutlich hervor. 1) E. Lugaro, Sulle alterazioni degli elementi nervosi negli avvelenamenti per arsenico e per piombo. Rivista di patolog. ner- vosa e mentale. V.2. F. 2, 1897. 250 A.S. Dogiel: In neuester Zeit hat A. Bühler!) eine sehr ausführliche Beschreibung des Baues der Nervenzellen gegeben, in welcher er gleichfalls die unzweifelhafte Existenz von Fibrillen hervorhebt und dieselben als Differenzirungsprodukt der Zellsubstanz ansieht. Die eben angeführten, äusserst interessanten Beobachtungen von Lugaro undA. Bühler sind für mich von ganz besonderem Werth, da sie bis zu einem gewissen Grade meine Untersuchungen über den Bau der Nervenzellen, und unter diesen auch der sym- pathischen Zellen, bestätigen. Für gewöhnlich besitzt eine jede Ganglienzelle einen ziem- lich grossen, runden oder ovalen Kern; in einigen Fällen aber, in den Herzganglien des Kindes z. B., fand ich beständig Zellen mit zwei Kernen (Fig. 15); häufig fanden sich in einem Ganglion mehrere solcher Zellen. Auf die Kerne selbst kann das Methylenblau eine verschiedene Wirkung ausüben: bald färbt es nur die Nucleolen, bald den ganzen Kern in mehr oder weniger intensiver Weise, wobei jedoch ein schmaler peripherer Gürtel entweder gar nicht, oder nur sehr schwach mitgefärbt wird. Jede Ganglienzelle wird von einer äusserst dünnen Binde- sewebskapsel umgeben, welche durch das Methylenblau oft mehr oder weniger intensiv gefärbt wird. In solchen Fällen kann man die Grenzen des Zellkörpers nur schwer unterscheiden, doch wird einem dafür die Möglichkeit geboten, die Beziehungen der Kapsel zu den Zellfortsätzen einigermaassen aufzuklären. Die Frage, ob die Kapsel auf die Dendriten der Zelle über- geht, oder ob letztere einfach die Kapsel durchsetzen, hat eine gewisse physiologische Bedeutung, wie dies Prof. ©. Schieffer- decker in einem an mich gerichteten Briefe in sehr richtiger Weise hervorhebt. Soviel ich bei meinen Untersuchungen an Zellen mit gefärbter Kapsel bemerken konnte, geht diese von der Zelloberfläche nicht nur auf den Nerven- fortsatz, sondern auch auf diediekeren Dendriten ununterbrochen über (Fig. 2 und 3). Besonders deutlich sieht man den Uebergang der Kapsel auf alle Fortsätze der Zellen an Nervenzellen, welche kleinere Ganglien bilden, oder 1) A. Bühler, Untersuchungen üb. d. Bau der Nervenzellen, Verhandlungen der physik.-mediz. Gesellschaft zu Würzburg. Bd. XXX], Nr. 8, 1898. nen ee ee ie de Ya Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 251 einzeln an Nervenstämmehen und -ästchen sitzen. Diese einzelnen Zellen haben gewissermaassen das Aussehen unipolarer Zellen mit nur einem kräftigen Fortsatz, welcher in das Nervenstämm- chen übergeht; jede einzelne Zelle nun erscheint mittelst ihres Fortsatzes wie eine Beere an ihrem Stiel, an dem Nervenstämm- chen befestigt. In allen den Fällen jedoch, wo die Kapsel einer solchen Zelle nur schwach, die Zelle selbst aber mehr oder weniger intensiv gefärbt erscheint, ist es unschwer zu erkennen, dass an verschiedenen Stellen mehrere Fortsätze von der Zelle ausgehen, welche anfangs von der Kapsel bedeckt sind (Fig. 9), dann zu einem Bündel zusammentreten, von der Kapsel der Zell- oberfläche aus eine Hülle bekommen und schliesslich in das Nervenstämmehen eintreten. Dieselbe Erscheinung kann man auch in dem Falle beobachten, wenn alle Fortsätze, wie dies häufig vorkommt, von einem einzigen Pol der Zelle ausgehen. Auf diese Weise kann eine multipolare Zelle unter gewissen Um- ständen, falls die Zellkapsel allein gefärbt wird, dem Beobachter als unipolare Zelle erscheinen. Ferner werden durch das Methylenblau bisweilen (besonders in den Herzganglien des Menschen) nicht nur die Ganglienzellen mit ihren Fortsätzen gefärbt, sondern es treten gleichzeitig auch die Grenzen der flachen polygonalen Zellen deutlich hervor, welche die innere Kapseloberfläche auskleiden (Fig. 2). Auf solchen Präparaten kann man sich leicht davon überzeugen, dass die eben erwähnten Zellen der Kapseln sich auch auf die stär- keren Dendriten fortsetzen; auf diesen letzteren treten nämlich genau dieselben dunkelviolett gefärbten Zellgrenzen hervor, wie an der inneren Oberfläche der Zellkapsel. Diese Belagzellen um- hüllen die Dendriten oft auf einer grossen Ausdehnung, und schliessen oft ganze Büschel von Dendriten auf einmal ein. Die Gegegenwart von flachen Zellen auf der Oberfläche der Dendriten scheint mir unzweifelhaft darauf hinzuweisen, dass letztere, gleich dem Körper der Ganglienzelle, sich mit einer Hülle umgeben, welche eine Forsetzung der Kapsel darstellt. Es ist mir nicht gelungen festzustellen, ob die Kapsel die Dendriten auf deren ganzem Verlauf begleitet, doch möchte ich annehmen, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Dendriten bis zum Zerfallin dieEndverästelungen umhülltund sich dann im Bindegewebe der Ganglien oder 252 A..8.7D 0 siel: Nervenstämmcehen verliert (wenn dieZellen längs diesen letzteren zerstreut liegen). Was nun die Gestalt der Zellen betrifft, so gehört in den Ganglien des Herzens die Mehrzahl «derselben zum multipolaren Typus, doch kann man darunter bisweilen auch bipolare und selbst unipolare Zellen fmden. Alle Zellen, welche an dem Auf- bau der Herzganglien Theil nehmen, können, soviel ich auf Grund sorgfältigen Studiums einer grossen Menge von Präparaten con- statiren konnte, in drei Grundtypen eingetheilt werden; diese Grundformen unterscheiden sich durch den Charakter ihrer Dendriten und zum Theil auch des Nervenfortatzes mehr oder weniger scharf von einander. a) DieGanglienzellendes ersten Typus (Fig. 4) sind von runder, ovaler, keulenförmiger oder eckiger Gestalt und im Allgemeinen von geringer Grösse; sie scheinen die Mehrzahl der Zellen in jedem Ganglion auszumachen und färben sich, im Vergleich mit den nach den beiden anderen Typen gebauten Zellen,sehr schwer mit Methylenblau; niemals habe ich diese Zellen einzeln längs den Nervenstämmehen und -ästchen zer- streut oder von den Fasern der Nervengeflechte eingeschlossen gefunden, — stets lagen sie in den Ganglien selbst. In seltenen Fällen sah ich die Zellen mehr oder weniger in einen der Pole des Ganglions hineinragen. Die Dendriten gehen in der Zahl von 2—4—8—10—16 und mehr von den Polen der Zelle aus und erscheinen als kurze, dicke, oft etwas flach gedrückte, und mit Varicositäten besetzte Fortsätze. Schon in geringem Abstande von der Zelle theilt sich jeder Dendrit in mehrere längere oder kürzere varicöse Äeste von verschiedener Stärke, welche sich wiederum rasch vielfach theilen und endlich in ein Büschel kurzer und dicker varicöser Fäden zerfallen (Fig. 4). An den Theilungsstellen der Dendriten entstehen gewöhnlich eckige, abgeplattete Anschwel- lungen. Alle Verästelungen (auch die letzten Verzweigungen) der Dendriten sind mit kurzen, mehrfach getheilten Dornen (d.h. dornartigen Fortsätzen) besetzt, welche den Zellen ein eigen- artiges Aussehen und eine grosse Aehnlichkeit mit entsprechen- den Zellen der Gallenblase verleihen. Doch habe ich mich in ıneiner ersten Arbeit über die Ganglien der Gallenblase !), in Zur Frage über den feiu. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 253 welcher ich diese Zellen eingehend beschrieb und abbildete (siehe Fig. 4D u. 7), noch nicht entsehliessen können, einen besonderen Zelltypus für sie aufzustellen. Je nach der Lage der Zellen im Ganglion, d.h. mehr an dessen Peripherie oder aber im cen- tralen Theil desselben, verlaufen die Dendriten in einer bestimmten Richtung, oder sie gehen nach verschiedenen Seiten ab, wobei ihre Verästelungen sowohl zwischen den Zellen des Ganglions, als auch an seiner ganzen Peripherie, unmittelbar unter der Hülle verlaufen. Die Endverästelungen der Dendriten und die stachelartigen Auswüchse aller einem Ganglion angehörigen Zellen des ersten Typus treten in so innige Verbindung mit einander, dass sie ein diehtes Netz bilden; dieses Netz tritt nur in dem Falle mit Deutlichkeit hervor, wenn die Dendriten mehrerer benachbarter Zellen dieses Typus in einem Ganglion sich gefärbt haben (Fig. 4). Im entgegensesetzten Falle aber, d. h. wenn die Dendriten von nur einer, zwei oder drei, in verschiedenen Ab- schnitten des Ganglions, gelegenen Zellen sich färben, hat es den Anschein, als ob alle aus den Verzweigungen resultirenden Aestchen frei endigten, in Gestalt eines Büschels von mehr oder weniger dicken, kurzen, varicösen Fäden. Unter den eben charakterisirten Zellen trifft man häufig auch solche an, von deren einem Pole nur ein einziger, sehr dieker Dendrit, oder aber ein ganzes Bündel von Dendriten (3—4) abgeht: in beiden Fällen zerfallen die Dendriten schon in kurzer Entfernung von der Zelle in mehrere Aeste von verschiedener Dieke. Der Nervenfortsatz beginnt stets in Gestalt eines oft recht langen und ziemlich dieken Kegels an dem Körper der Ganglienzelle oder sehr häufig auch an einem der Dendriten. Auch habe ich mehr wie einmal beobachtet, wie der eine oder der andere der Dendriten schon vorher in mehrere Aeste zer- fallen war, und damm erst der Kegel des Nervenfortsatzes von einem dieser Aeste seinen Anfang nahm. In vielen Fällen gehen von dem proximalen kegelförmigen Abschnitt des Nervenfort- satzes eine beträchtliche Menge seitlicher Aeste von verschie- dener Stärke ab, welche sieh in keiner Weise von den Dendriten unterscheiden; sie verästeln sich im Ganglion und tragen, gleich den Verästelungen der Dendriten, zur Bildung des durch letztere aufgebauten Netzes bei (Fig. 4). 254 A. S. Dogiel: Bisweilen scheint es (besonders in den an der Peripherie des Ganglions gelegenen Zellen), als ob von dem Körper der Zelle der Nervenfortsatz allein ausginge, von dessen Kegel zahl- reiche seitliche Aeste ihren Ursprung nehmen. Die letzteren vertreten gleichsam die Dendriten der betreffenden Zelle. Aehn- liche Zellen beschreibt La Villa!) für die Ganglien des Darm- gefleehts. An gelungenen Präparaten kann man sich jedoch da- von überzeugen, dass an solchen Zellen neben dem Nervenfort- satz stets auch mehrere Dendriten ausgehen (Fig. 4); doch do- minirt ersterer vermöge der Breite seines Kegels sozusagen über die sehr kurzen und rasch in ihre Endverästelungen zerfallen- den Dendriten. Die Anwesenheit des dieken und langen, mit zahlreichen Seitenästen besetzten Kegels am Nervenfortsatz ermöglicht es oft, die Zellen des ersten Typus von denen der übrigen Typen zu unterscheiden. In Gestalt eines Kegels beginnend, erscheint der Nerven- fortsatz in seinem weiteren Verlauf als ein langer, stellenweise varieöser Faden, oder aber als eine fast völlig glatte mehr oder wenig gebogene und dicke Faser. Für gewöhnlich schlängeln sich die Nervenfortsätze der Zellen des vorliegenden Typus zwi- schen den Zellen eines Ganglions hindurch nach den Polen dieses letzteren zu, und treten dann in die mit dem Ganglion verbun- denen Nervenstämmehen ein. Soviel ich bemerken konnte, ge- hört dieMehrzahlder varicösenFädenund glatten Fasern, welche in den Stämmchen enthalten sind eben zuden Nervenfortsätzen der hier beschrie- benen Zellen. Obgleich der Verlauf der Nervenfortsätze in den Stämmchen oft auf sehr grosse Entfernungen hin verfolgt werden kann, war doch nie zu bemerken, dass einer derselben eine Markscheide bekäme, d. h. sich in eine markhaltige Faser verwandelte; die ganze Strecke über behalten die Nervenfortsätze ihren ursprünglichen Charakter bei, wobei man an stärkeren Fortsätzen die Gegenwart einer Sehwann'schen Scheide kon- statiren kann. Auf welche Weise die fraglichen Fortsätze im Herzen enden, ist sehr schwer zu erkennen. Gewöhnlich können sie weit über die Zelle hinaus in den Stämmcechen verfolgt werden; l) Revista trimestral micogräfica. Vol Il. F. 3 u. 4, 1897 (p. 192). % ii h F Y f I ee se ee Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 255 später aber wird es in den meisten Fällen unmöglich, sie von den übrigen, neben ihnen verlaufenden Fasern zu unterscheiden, und ebenso etwas Gewisses über ihr späteres Schicksal auszu- sagen. Nichtsdestoweniger gelingt es nach Durchmusterung vieler Präparate zweierlei zu constatiren: Erstens treten die fraglichen Fortsätze in die Nervenästchen über, welche den Plexus im Myocardium bilden; zweitens gelang es mir mehrere Male zu be- obachten, wie der Nervenfortsatz einer Zelle vom ersten Typus, nachdem er in das Myocardium eingedrungen war, sich daselbst in 2—3 dünne varieöse Fäden theilte (Fig. 5). Auf die eben angeführten Beobachtungen, sowie auf meine Untersuchungen über die Geflechte des Darms gestützt, spreche ich die Ver- muthung aus, dass die Nervenfortsätze der Zellen vom ersten Typus in der Muskulatur des Herzens enden, mit anderen Worten, dass sie zu den moto- rischen sympathischen Fasern des Herzens zu rechnen sind. b) Die Zellen des zweiten Typus (Fig. 5, 6—17) gehören zu den interessantesten Elementen aller peripheren Gang- lien und darunter auch der Herzganglien. In ihrer Gestalt zeigen sie keinen wesentlichen Unterschied von den Zellen des ersten Typus; wir finden unter ihnen vorzugsweise multipolare, aber auch bi- und unipolare Zellen, von denen letztere häufiger auf- treten als bei den nach dem ersten Typus gebauten Zellen. Grosse Zellen treten in überwiegender Mehrzahl auf. Zu den Zellen des zweiten Typus gehören alle diejenigen Zellen, welche vereinzelt längs den Nervenstämmehen und -ästehen des Sub- pericardialplexus liegen und theils den einzelnen Stämmehen und Aestehen angelagert sind, theils zwischen den Fasern der letzteren eingeflochten liegen; sie sind meist reihenweise, eine neben der anderen angeordnet, oder aber liegen sie in verschieden grosser Entfernung von einander. Die kleineren Ganglien, welche im Verlauf der Nervenstämmehen auftreten und meist aus wenigen (3—4—5—7) Zellen aufgebaut sind, werden augenscheinlich fast ausschliesslich von Zellen des zweiten Typus gebildet. Bisweilen endlich findet man sie in den Verästelungen des Geflechts, wel- ches sich zwischen den Bündeln von Muskelfasern im Myocar- dium der Vorhöfe und der Basis der Kammern ausbreitet. Wie gross die Zahl dieser Zellen in den grossen Ganglien ist, lässt 256 A.S. Dogiel: sich schwer unterscheiden, da in diesen letzteren durchaus nicht alle, sondern nur ein kleiner Theil der Zellen durch das Me- thylenblau gefärbt werden. Die Dendriten entspringen zu mehreren (von 1—2 bis 4—8—10 und mehr) an verschiedenen Stellen des Zellkörpers, entweder an einer beliebigen Seite desselben, oder aber von einem oder beiden Polen der Zelle, was vollständig von rein localen Bedingungen abhängt, und zwar ob die Zellen zu grossen oder kleinen Ganglien gehören, ob sie in die Fasern eines Nerven- stämmehens eingeflochten sind, oder ob sie diesem Stämmcehen nur anliegen u. s. w. Liegen die Zellen ganz an der Peripherie des Ganglions, so entspringen die Dendriten an der dem Gang- lion zugewendeten Oberfläche der Zelle; nehmen die Zellen da- gegen eine mehr centrale Lage ein, so gehen die Dendriten von verschiedenen Seiten des Zellkörpers aus und verlaufen hierauf nach den Polen des Ganglions. An denjenigen Zellen, welche ganz vereinzelt längs den dünnen Nervenstämmchen liegen, be- ginnen die Dendriten entweder als ganzes Büschelchen, oder aber einzeln von einem der beiden Zellpole. Liegt eine Zelle dem Nervenstämmehen dicht an, oder befindet sieh in seiner Nähe, so entspringen die Dendriten (deren es einer oder mehrere sein können) von derjenigen Seite der Zelle, welche dem Nerven- stämmcehen zugewandt ist. In solchen Fällen können die Den- driten sogar an verschiedenen Stellen der Zelloberfläche ent- springen, und sich bald darauf zu einem Bündel vereinigen, welches von einer Fortsetzung der Zellkapsel umhüllt wird und nach längerem oder kürzerem Verlauf mit dem Nervenstämmehen vereinigt. Gewöhnlich sind die Dendriten einer Zelle an ihrer Basis verschieden stark: die einen haben ein ziemlich dickes Basalstück, andere erscheinen als dünne Fasern oder Fäden (Fig. 6—17). Jeder Dendrit zerfällt meist schon in geringer Entfernung von der Zelle in mehrere varieöse oder fast ganz glatte Aeste von verschiedener Dicke; letztere treten, je nach der Lage der Zelle, in das Ganglion oder in die Nervenstämm- chen über, und können selbst auf grosse Entfernungen noch unter- schieden werden (Fig. 6—17). Liegt die Zelle aber im Ganglion selbst, so schlängeln sieh ihre Dendriten zuerst zwischen den Zellen des Ganglions durch, indem sie sich bisweilen wiederum theilen und treten dann aus dem Ganglion heraus und in die ; 4 P . I ye u A a u Kr Asch Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 257 Nervenstämmehen ein, welche von den Polen des Ganglions ab- gehen. Da es mir möglich war, den Verlauf der Dendriten in den Nervenstämmchen bis auf ungemein grosse Entfernungen hin zu beobachten, konnte ich bemerken, dass sie die ganze Zeitüber den Charakter mehr oder weniger dün- ner, varicöseroder glatterFasern und Fädenbei- behalten; es ist in Folge dessen fast unmöglich, innerhalb der Stämmcehen die Dendriten von den marklosen Fasern zu unterscheiden. Häufig theilen sich die Verästelungen der Den- driten, nachdem sie schon in die Nervenstämmehen übergegangen sind, nochmals in mehrere dünne, varieöse oder glatte Aestchen. In dem Falle, wenn eine der zu besprechenden Zellen in mehr oder weniger beträchtlicher Entfernung von den Nerven- stämmehen liegt, verlaufen die von den Polen der Zelle abgehen- den Dendriten zu Bündeln vereinigt, oder einzeln nach den zu- nächst gelegenen Stämmchen, treten in diese ein und entziehen sich dann, vermöge ihrer Aehnlichkeit mit marklosen Fasern, der weiteren Beobachtung (Fig. 6). Mit ähnlichen Schwierigkeiten hat der Beobachter namentlich dann zu kämpfen, wenn sehr viele Nervenfasern der Stämmcehen sich mit dem Methylenblau gefärbt haben. Die Nervenstämmehen und -ästehen der pericardialen, und zum Theil auch der myocardialen Geflechte enthalten demnach ausser den Nervenfortsätzen der sympathischen Zellen und den Fasern des cerebrospinalen Systems auch Dendriten der nach dem zweiten Typus gebauten Ganglienzellen. Die Art und Weise der Endigung der Dendriten festzustellen ist äusserst schwer, in Folge ihrer bedeutenden Länge und des Umstandes, dass sie mit den Nervenfasern der Nervenstämmcehen zusammen ge- lagert sind. Auf vielen meiner Präparate aus dem Herzen des Kindes hatten sich die zu besprechenden Zellen mit allen ihren Fortsätzen wundervoll mit Methylenblau gefärbt, und ich konnte die Dendriten bis auf eine grosse Entfernung von den Zellen verfolgen; trotzdem ist es mir nicht gelungen über das Schick- sal ihres Endverlaufes Aufklärung zu schaffen. In den meisten Fällen verliefen die Dendriten in den Nervenstämmehen und -ästchen, theilten sich nicht selten auf dem Wege, gingen bis- weilen durch eines der nächstliegenden Ganglien hindurch und entzogen sich dann der weiteren Beobachtung (Fig. 6, 7, 10, 11, 258 A.S. Dogiel: 13, 14 und 16). Oft kommen einander Dendriten von Zellen zweier benachbarter Ganglien in den die beiden Ganglien ver- bindenden Nervenstämmchen entgegen. Indem man ihren weiteren Verlauf verfolgt, kann man sehen, dass sie sich scheinbar mit einander vereinigen, oder durch das Ganglion hindurchtreten, oder endlich, ehe sie das letztere erreichen, seitwärts abbiegen und in die Aestehen übergehen, welche von dem Nervenstamm ausgehen. In einigen Fällen nahmen die Dendriten, entweder einzeln oder in den Nervenstämmchen oder -ästehen einge- schlossen, ihren Verlauf in die Masse des Myocardiums; was aber dann mit ihnen geschieht, weiss man nicht. Bezüglich ihres weiteren Schicksals kann man, wie mir scheint, nur zwei Möglichkeiten zulassen: entweder müssen sie mitirgend welchen Endapparaten in der Herzwand enden oder aber ihre Endverästelungen müssen sich in den Nerven- stämmehen und Nervenästchen der Herzgeflechte mit einander verbinden. Erstere Voraussetzung halte ich für die wahrschein- lichere. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Dendriten der Zellen vom zweiten Typus eine ungeheure Länge besitzen, eine verhält- nissmässig geringe Zahl von Aestehen abgeben, die Gestalt von mehr oder weniger dünnen Fasern und Fäden haben, und end- lich, dass sie immer über die Grenzen desjenigen Ganglions, zu welchem die Zelle gehört hinausgehen — so wird uns die Mög- lichkeit gegeben, die Ganglienzellen des zweiten Typus von den übrigen sympathischen Zellen zu unterscheiden. Was den Nervenfortsatz betrifft (Fig. 5, 8, 12, 13, 14, 15 und 16), so verlässt er in Gestalt eines kleinen Kegels den Zell- körper oder den erweiterten basalen Theil eines der Dendriten, hat das Aussehen einer dünnen, glatten oder stellenweise ver- diekten Faser und tritt gemeinschaftlich mit den Dendriten der Zelle in eines der Nervenstämmchen ein. Von dem Kegel des Nervenfortsatzes zweigen bisweilen, sowohl bei Zellen, welche in den Ganglien liegen, als auch bei solehen, welche längs den Stämmcehen einzeln angeordnet sind, dünne seitliche Aeste ab. Soviel ich bemerken konnte, erhält in den meisten Fällen der Nervenfortsatz keine Markscheide, und erhält sich selbst in sehr beträchtlicher Entfernung vom Zellkörper noch als marklose Faser. In seinem ganzen Verlaufe finden sich ovale Kerne, welche Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 259 ihm dicht anliegen und den Zellen der Sehwann'schen Scheide angehören. Doch traf ich in grossen Ganglien, namentlich im Herzen des Kindes, ausser derartigen Fortsätzen auch bisweilen Zellen, deren Nervenfortsatz einen anderen Charakter trug. Er begann an der Zelle als langer dieker Kegel und hatte das Aus- sehen einer starken marklosen Faser, welche mit grossen spindel- förmigen Varicositäten besetzt ist; bisweilen war die Faser von Kernen der Sehwann'schen Scheide begleitet (Fig. 17). Unter- sucht man derartige Präparate, so fallen die Dicke des Fort- satzes selbst, wie auch die Grösse der varieösen Erweiterungen meist in erster Linie in die Augen. Verfolgte ich den Verlauf eines solchen Fortsatzes, so konnte ich sehen, dass dieser, oft in recht grosser Entfernung von der Zelle, sieh mit einer mehr oder weniger dünnen Mark- hülle bedeekte, mit anderen Worten, dass er zu einer markhaltigen Faser wurde. Der Nervenfortsatz der Zellen vom zweiten Typus erscheint demnach einmal als marklose und dann wieder als markhaltige Nervenfaser. Diese Thatsache steht in direetem Widerspruch mit der von Arn- stein und seinen Schülern ausgesprochenen Ansicht, die sym- pathischen Fasern trügen immer den Charakter markloser (Remak'scher) Nervenfasern. Die Anwesenheit von Mark- substanz in der Umgebung det Nervenfortsätze ist sehr leicht durch die intensive Färbung der Ranvier'schen Kreuze zu erkennen, wobei die Marksnbstanz häufig unterbrochen ist und dann wieder von neuem auftritt, was sich oft vielemale wieder- holt; hie und da fehlt die Markscheide auf sehr grosse Ent- fernungen hin. Bei den bipolaren Zellen entspringt der Nervenfortsatz von einem der beiden Zellpole (Fig. 12 u. 15), bei unipolaren Zellen beginnt er gemeinschaftlich mit den Dendriten der Zelle an einer gemeinsamen Basis. Da der Nervenfortsatz, falls er keine Markscheide erhält, ebenso glatt, oder schwach varieös erscheint wie die Dendriten und deren Aeste und ebenso wie diese im Nervenstämmehen oder -ästchen verläuft, so ist es sehr schwer, ihn von den Dendriten zu unterscheiden. Am leichtesten ist dies noch an der Stelle, wo die Fortsätze die Zelle verlassen: hier erscheinen die Den- driten in den meisten Fällen bedeutend stärker und beginnen 260 A.S. Dogiel: sehr bald sich zu verästeln, während der Nervenfortsatz dünner ist, sich nieht theilt und meist als ziemlich scharf ausgeprägter Kegel beginnt; der Nervenfortsatz behält die eben genannten Merkmale bei, auch während er sich im Nervenstämmehen be- findet. Die grosse Aehnlichkeit im Aussehen des Nervenfortsatzes und der Dendriten ist nun auch die Hauptursache, weshalb die Zellen vom zweiten Typus den Eindruck hervorrufen, als ob von ihnen ausschliesslich Nervenfortsätze ausgingen. Um mir Aufklärung darüber zu verschaffen, auf welche Weise die besprochenen Fortsätze enden, unter- suchte ich eine Menge von Präparaten auf das Genaueste, wobei es mir gelang, die Fortsätze eine grosse Strecke hindurch zu verfolgen und zu konstatiren, dass sie bis in die Stämmehen und Aestchen des Pericardialplexus verlaufen. Ausserdem gelang es mir, zwei oder drei Mal zu sehen, wie der Nervenfortsatz einer im Stämmcehen gelegenen Zelle das zunächst liegende Ganglion erreichte und augenscheinlich in demselben sich verästelte (Fig. 25); doch konnte ich mich trotzdem nicht unbedingt davon überzeugen, ob der Fortsatz auch wirklich im Ganglion endet, da die gleich- zeitige Anwesenheit einer Unmenge von andern Fasern und Fäden mich in der Beobachtung hinderte. c) Zellen des dritten Typus (Fig. 11a, 18, 19). In den grossen Ganglien des Herzens finden sich ausser den beiden oben beschriebenen Zelltypen noch multipolare Zellen, welche gewissermaassen eine Mittelstellung zwischen dem ersten und dem zweiten Typus einnehmen: ihre Dendriten gehen nicht über die Grenzen des Ganglions hinaus, stehen aber ihrem Charakter nach näher zu den Den- driten der Zellen des zweiten als derjenigen des ersten Typus. Ihrer Grösse nach unterscheiden sich diese Zellen nieht von denjenigen des zweiten Typus. In den Gang- lien finden sie sich in ziemlich grosser Anzahl, doch immerhin nicht so zahlreich wie die Zellen des ersten Typus. Von einer jeden solchen Zelle gehen mehrere (3, 4, 6 und mehr) stärkere und schwächere Dendriten ab; in kurzer Entfer- nung von der Zelle zerfallen diese, je nach ihrer Dicke, in ein ganzes Büschel oder mn 2—3 Aestchen, welche, im Gegensatz zu dem, was wir bei den Aestehen an den Zellen vom ersten Typus Sebi a u ee ee RE Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 261 gesehen haben, eine bedeutende Länge besitzen und die Gestalt von dünnen, mehr oder weniger varicösen Fäden haben. Ein jedes Aestehen theilt sich in einer gewissen Entfernung wiederum gabelförmig in 2—3 dünne Aestchen, welche sich oft von neuem verästeln und schliesslich in eine Menge dünner, varicöser und vielfach verästelter Fädchen zerfallen. Diese Endveräste- lungen aller Zellen des dritten Typus verlaufen zwischendenGanglienzellen und bilden ein dieh- tes Geflecht, welehes natürlich zu gleicher Zeit auchteinigse,der Zellen von’ den anderen Typen Denis pin tal Jeiwe. um’ sdienGanglienzellen dureh die Verästelungen der Dendriten gebildeten Ge- flechte, welche R. y Cajal als „nids pericellu- asınaaı shlezre kehneit,i wnid.tebenso) die. ’gle vehren Ge flechte in den Ganglien der Gallenblase, welche von mir beschrieben und abgebildet worden sind (s. Fig. 1,2,5), müssen ohne Ausnahme auf die Den- arten der Zellen“ vom! dritten Typus'zuwrück’ge- führt werden. Die verhältnissmässig kleine Anzahl der bei der Theilung der Dendriten entstehenden Aestchen, die bedeutende Länge, der geringe, aber eonstantere Durchmesser dieser Aestchen, alles dies lässt sie den Nervenfortsätzen ausserordentlich ähnlich er- scheinen. Was nun den Nervenfortsatz selbst anbelangt, so beginnt er in Gestalt eines mehr oder weniger dicken Kegels am Körper der Zelle oder an einem der Dendriten und hat das Aussehen einer dieken, glatten, nur in seltenen Fällen stellenweise ver- diekten Faser (Fig. 11, 18 u. 19); diese Faser tritt in eines der Nervenstämmehen über und kann, wie dies auf Fig. 11 u. 19 dargestellt ist, auf einer grossen Strecke von der Zelle aus ver- folgt werden, wobei sie stets als marklose Faser auftritt. Von dem conischen Basalstück des Fortsatzes gehen oft ein oder mehrere Seitenästehen nach dem betreffenden Ganglion ab, welche ganz den Charakter von Dendriten tragen. Ob die Nervenfort- sätze der Zellen eines Ganglions in anderen, benachbarten oder entfernter liegenden Ganglien oder aber auf eine andere Weise enden, darüber kann ich einstweilen nichts Bestimmtes aus- sagen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 18 262 A. S. Dogiel: Indem ich mit der Beschreibung der Ganglienzellen ab- schliesse, muss ich nochmals darauf aufmerksam machen, dass im Allgemeinen die Färbung der Zellen mit Methylenblau in den Ganglien des Herzens schwerer vor sich geht, als in den übrigen peripheren Ganglien; am raschesten werden die Zellen des zweiten Typus gefärbt, darauf folgen diejenigen des dritten und endlich die Zellen des ersten Typus. Als geeignetstes Objekt zum Stu- dium der sympathischen Ganglien des Herzens ist nach meinen Erfahrungen das Herz des Menschen und der Katze anzusehen. In den Ganglien endende Nervenfasern. In- dem ich die Ganglien des Herzens studirte, überzeugte ich mich davon, dass mindestens zweierlei Fasern in ihnen en- digen, welche zweifellos verschiedenen Ursprungs sind. Dies bezieht sich, wie ich es zum Theil schon früher ausgesprochen habe, auf alle Ganglien überhaupt, diejenigen des sympathischen Grenzstrangs mit eingeschlossen. a) Zu den Fasern des ersten Typus (Fig. 20, 21 —26) gehören markhaltige und marklose Fasern von verschie- dener Stärke; stets färben sich die Endigungen dieser Fasern sehr intensiv mit Methylenblau, weshalb man sie fast auf jedem Herzpräparate sehen und in Folge dessen die Beziehungen der Endverästelungen zu den Ganglienzellen leicht erforschen kann. Je nach der Grösse eines Ganglions treten eine, zwei oder mehrere (3—4 und mehr) markhaltige Fasern von den Polen aus an dasselbe heran; die Dieke dieser Fasern kann eine verschie- dene sein: die einen erscheinen stärker, die anderen dünner, ja es treten selbst Fasern mit so schwacher Markscheide auf, dass sie oft nur an den sich intensiv färbenden Ranvier'schen Kreuzen unterschieden werden können. Die Ranvier’schen Einschnürungen sind gewöhnlich anfangs ziemlich weit von ein- ander entfernt, diese Entfernungen werden aber mit der wachsen- den Nähe des Ganglions allmählich immer geringer, und gleich- zeitig wird auch die Faser selbst immer etwas dünner. In ge- wissen Fällen verschwindet das Mark der Faser zwischen zwei Einschnürungen eine Strecke weit, erscheint dann wieder von neuem u. Ss. w., so dass eine solche Faser dann ein varicöses Aussehen bekommt (Fig. 20B, Fig. 22). Bisweilen entbehrt eine Faser des Marks vollständig auf dem Zwischenraum zwisehen zwei oder selbst drei Ranvier’schen Einschnürungen, und hat Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 263 dann die Form eines mehr oder weniger dünnen Fadens (Fig. 20A). Nach ihrem Eintritt in das Ganglion theilt sich die mark- haltige Faser sofort, oder nachdem sie eine gewisse Strecke zu- rückgelegt hat, an einer der Einschnürungen V- oder T-förmig in zwei markhaltige Aestchen; ein jedes dieser Aestchen verliert häufig schon an der 1., 2. oder 3. Einschnürung seine Mark- scheide und zerfällt in zwei varieöse oder glatte Fäden, oder aber es theilt sich in zwei kurze markhaltige Zweige und diese letzteren erst verwandeln sich früher oder später in eine mark- lose Faser (Fig. 29A u. 6). Häufig zweigt sich von einer mark- haltigen Faser, bei deren Eintritt in das Ganglion, an einer Ranvier'schen Einsehnürung ein dünner markloser Faden ab (Fig. 20A), welcher zugleich mit der Faser in das Ganglion ein- dringt; die Faser selbst verliert, nachdem sie eine gewisse Strecke im Ganglion zurückgelegt hat, ihre Markscheide und theilt sich gabelförmig in zwei varicöse Fäden. Doch nicht immer behalten die markhaltigen Fasern ihren Charakter bis zu ihrem Eintritt in das Ganglion bei: es ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung, dass solche Fasern in einer gewissen Entfernung vom Ganglion ihre Markhülle verlieren und sich hierauf in zwei oder drei Aeste theilen, welche vor ihrem Eindringen in das Ganglion oft noch- mals eine Theilung erleiden. In einigen Fällen behält ein aus der Theilung der Faser hervorgegangenes Aestehen seine Mark- hülle bis zu dem Ganglion selbst bei, oder aber ein markloses Aestchen giebt noch vor seinem Eintritt in das Ganglion einige Fäden nach dem letzteren ab, worauf es selbst in das Ganglion eintritt, sich mit einer dünnen Markhülle umgiebt, um dann bei der 2., 3. oder 4. Einschnürung seine Markhülle endgiltig zu verlieren und in mehrere varieöse Fäden zu zerfallen (Fig. 200). Endlich kamen mir auch solche markhaltige Fasern zu Gesicht, welche noch während ihres Verlaufes in den Stämmehen — in bedeutender Entfernung von einem der Ganglien — ihre Mark- scheide verlieren und in Gestalt verschieden dicker Fäden in das Ganglion eintreten, wo sie dann eine Theilung erfahren. Doch enden nicht alle in ein Ganglion eintretenden Fasern mit sämmtlichen Endverästelungen in diesem letzteren: einige der- selben geben ein oder zwei markhaltige oder marklose Aestchen an das betreffende Ganglion ab, worauf sie das Ganglion an einem seiner Pole wieder verlassen, von neuem in das Nerven- 264 A.S. Dogiel: stämmcehen eintreten, ein anderes in der Nähe liegendes Ganglion aufsuchen und dann in diesem letzteren enden. Recht häufig kann man beobachten, wie die eine oder die andere markhaltige Faser in einer gewissen Entfernung von irgend einem Ganglion im Nervenstämmchen sich in zwei markhaltige Fasern theilt; von diesen tritt die eine in das betreffende Ganglion ein, und zerfällt hier in ihre Endverästelungen, während die andere, ohne das Nervenstämmchen zu verlassen, ein benachbartes oder auch entfernter liegendes Ganglion erreicht und sich in demselben verästelt. Bisweilen giebt die markhaltige Faser in einer Ent- fernung von einer oder zwei Einschnürungen vom Ganglion einen feinen varicösen Faden ab, wobei sie selbst in das Ganglion ein- tritt und daselbst endet, während der erwähnte Faden (Fig. 20A) seinen ursprünglichen Charakter beibehaltend an dem Gang- lion vorbeigeht, sodann eine beträchtliche Strecke zurücklegt und auf diesem Wege sich in eine dünne markhaltige Faser ver- wandelt; diese Faser endet schliesslich in einem anderen Gang- lion, welches von dem ersterwähnten oft sehr beträchtlich ent- fernt liegt. Ausser den markhaltigen Fasern tritt aber noch eine ge- wisse, von der Grösse des Ganglions abhängige Anzahl von mark- losen Fasern in dasselbe ein (Fig. 20A u. B; Fig. 21A u. B). Die Zahl der eintretenden marklosen Fasern beträgt bei grossen Ganglien gewöhnlich 4—6—10 und mehr, bei kleineren Ganglien dagegen eine oder mehrere (2—3); dabei haben diese Fasern das Aussehen dicker oder dünner, glatter oder variköser Fäden und unterscheiden sich in keiner Weise von den Nervenfortsätzen der Ganglienzellen. Auf Flächenpräparaten aus dem Herzen, von ein, bisweilen 2 und 2!/, gem Grösse, konnte ich den Ver- lauf soleher Fasern in den Stämmehen sehr weit verfolgen; niehtsdestoweniger gelang es mir kein einziges Mal zu beobachten, dass diese Fasern sich mit einer, auch noch so dünnen Mark- scheide bedeckten, und ich muss sie daher als marklose Fasern ansprechen. Es ist sehr leicht, die erwähnten Fasern mit Nerven- fortsätzen von Ganglienzellen zu verwechseln, welche aus dem betreffenden Ganglion heraustreten und mit welchen sie grosse Aehnlichkeit besitzen; bei genauerer Untersuchung ist es jedoch unschwer zu erkennen, dass eine jede dieser Fasern an der Stelle, wo sie in das Ganglion eintritt, oder in diesem letzteren TER Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 265 in mehrere (2—-3—4) dünne varieöse Fäden zerfällt, welehe inner- halb des Ganglions in ganz bestimmter Weise (s. weiter unten) enden. Einzelne marklose Fasern treten gleich den markhaltigen durch ein beliebiges Ganglion hindurch, oder verlaufen an dessen Peripherie und geben auf diesem Wege ein oder mehrere Seiten- ästchen ab, welche in dem betreffenden Ganglion enden, während die Faser selbst ein anderes Ganglion aufsucht und dort in ihre Endverästelungen zerfällt (Fig. 26b). Nicht selten kommt es vor, dass eine Faser Seitenzweige an zwei oder gar drei Gang- lien abgiebt und erst dann in einem der Ganglien endet. Wie aus der vorhergehenden Beschreibung hervorgeht, stehendiemarkhaltigen und diemarklosenFasern in gleichen Beziehungen zu den Ganglien: einige davon enden vollständig, mitallen ihren Endver- ästelungen,ineinemder@Ganglien,‚—anderegeben zuvor aufihrem Wege Aestchen an andere Gang- lien ab. Alle aus der Theilung von markhaltigen und marklosen Fasern hervorgehenden Aestchen und Fäden enden auf die gleiche Weise in den Herzganglien: sie theilen sich vielfach in dünne varieöse Fäden, welche sich auf mannigfaltige Weise zwischen den Ganglienzellen hindurchwinden, sich dabei auf's neue ver- zweigen und schliesslich in eine ungeheure Anzahl feinster vari- cöser Fädchen zerfallen. Diese letzteren umflechten alle Elemente des Ganglions, d. h. sowohl die Ganglienzellen als auch deren Fortsätze; sie bil- denin demGanglionein zusammenhängendes und äusserst dichtes Gefleeht, an welchem die Ver- ästelungen der markhaltigen wie der marklosen Fasern, welehein dem betreffendenGanglion en- den, Antheil nehmen (Fig. 20 u. 21). Im Falle sich die Kapseln der Zellen durch das Methylen- blau etwas färben, kann man unschwer bemerken, dass die Fädchen des erwähnten Geflechts immer ander Oberfläche der Zellkapsel verlaufen, in keinem Falleaberunterdieselbeeindringen; von der Kapsel- oberfläche gehen die Fäden auch auf die Zellfortsätze über, um- flechten diese und markiren gleichzeitig Verlauf und Richtung der Fortsätze, auch wenn diese durch das Methylenblau nicht 266 A.S. Dogiel: gefärbt waren, auf eine gewisse Strecke (Fig. 20B, Fig. 21A u. Fig. 22). Ein solches Verhältniss der Fäden zu den Zellen und ihren Fortsätzen tritt mit besonderer Deutlichkeit zu Tage, wenn nicht alle, sondern nur einige der Fäden sich färben, was den An- schein erweckt, als ob die Verästelungen einer Faser eine oder mehrere Zellen umflechten. In Wirklichkeit ist dies in den grossen Ganglien nie der Fall, und bei vollständiger Ausfärbung kann man sich leicht davon überzeugen, dass an der Bildung eines pericellulären Geflechts die Verästelungen vieler Fasern betheiligt sind. Auf den nach der Golgi’'schen Methode angefertigten Präparaten färben sich die Endigungen der Fasern in den Gang- lien bekanntlich ziemlich schwer; für gewöhnlich, so viel man aus den Abbildungen von L. Sala, A.v.Gehuchten, Köl- liker u. a. ersehen kann, gelingt es, bei Anwendung dieser Methode, nur wenige der Verästelungen zu färben, aus welchem Grunde auch Bilder erhalten werden, welche den Anschein er- wecken, als ob die Verästelungen einer oder mehrerer Fasern ein Geflecht um eine oder mehrere Zellen bilden. Wie schon oben bemerkt, verlaufen die Fäden des Geflechts an der Ober- fläche der Kapseln der Ganglienzellen, eine Erscheinung, welche mit besonderer Deutlichkeit hervortritt, wenn zu gleicher Zeit nicht nur die Fäden des Geflechts, sondern auch die Kapsel selbst gefärbt erscheinen. Häufig jedoch bleibt die Kapsel ungefärbt, und es färben sich nur die Zellen mit den sie umflechtenden Fäden; in diesem Falle überzeugt man sich davon, dass zwischen dem Geflecht und der Zelle selbst ein kleiner, beide Gebilde trennender Zwischenraum übrig bleibt. In Folge dessen erscheint die Zelle, wenn man ihre Dimensionen nach dem Geflecht beur- theilt, stets grösser als sie in Wirklichkeit ist, da sie vom Ge- flecht noch durch die Kapsel geschieden ist. Was die Beziehungen zwischen den Fäden des in Frage stehenden Geflechts und den Dendriten der Ganglienzellen be- trifft, so werden diese Fortsätze, wie dies auf den Fig. 20B und 21 A zu sehen ist, gleich der Kapsel von den Fädchen des Geflechts umsponnen. Wenn man in Betracht zieht, dass die Kapsel von dem Zellkörper unmittelbar auf die dieken Dendriten übergeht, so ist es klar, dass auch die Fäden des Geflechts von Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 267 der Kapsel auf diese ihre Auswüchse übergehen und durch letztere von den Dendriten getrennt sind. Eine unmittel- bare Berührung der Fäden mit den Dendriten kann nur da stattfinden, wo die Dendriten keine Kapsel besitzen, mit anderen Worten — an ihren Endverästelungen. Gewöhnlieh liegen im Herzen viele Ganglien nahe bei ein- ander; verfolgt man in einem solehen Ganglion die Geflechte, welche von den Verästelungen der eintretenden Fasern gebildet werden, so kann man sich leicht davon überzeugen, dass sich von demGefleeht eines beliebigenGanglions ein, oder häufig aueh mehrere dünne varicöse Fäden ablösen, und nach dem in einem benachbarten GanglJion gelegenen Geflecht verlaufen. Dureh Vermittelung soleher verbindenden Fäden stehen die Gefleehte vieler Ganglien im Zusammenhang mit einander. | Alles, was soeben über die Endigungen der zu beschrei- benden Nervenfasern in den grossen Ganglien gesagt worden ist, bezieht sich in gleichem Maasse auch auf die kleineren Ganglien. Häufig hat es den Anschein, als ob zu einem solchen Ganglion nur eine markhaltige oder marklose Faser herantrete und, in eine Menge Fädehen zerfallend, das ganze Geflecht des betreffen- den Ganglions bilde (Fig. 22, 23, 24); da aber, selbst bei an- scheinend vollständiger Färbung der Nerven mit Methylenblau, doeh nicht alle Nervenfasern gefärbt werden, so kann mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass in Wirklichkeit auch in den kleineren Ganglien eine grössere Anzahl von Nerven- fasern endet. Die Beziehungen zwischen den Fasern der ersten Art und solchen Zellen, welehe überall zu einer, zweien oder dreien längs den Nervenstämmchen und -ästchen angetroffen werden, sind am Herzen viel leichter aufzuklären, als an den übrigen inneren Organen (Verdauungskanal, Gallenblase u. s. w.). Es gelang mir sehr häufig auf meinen Präparaten zu beobachten, dass zu einer oder zwei solcher Zellen eine markhaltige Faser herantrat, in kurzer Entfernung von der Zelle ihre Markhülle verlor, und sodann in mehrere, sich wiederum theilende Fäden zerfiel. Die letzteren theilten sich, indem sie die Zelle erreichten, in eine Menge feinster Fädehen, welche die Zellkapsel nmflochten 2683 A.S. Dogiel: und bisweilen auch die Dendriten auf einer gewissen Entfernung umgaben (Fig. 22, 23 u. 24). In einigen Fällen trat zu solchen Zellen, statt einer mark- haltigen, eine marklose Faser heran und endigte in der vorhin angegebenen Weise an der Oberfläche der Zellkapseln. Sehr interessant ist das Verhältniss der Fasern zu den einzelnen, längs dem Verlauf der Nervenstämmchen der Herzgeflechte in bedeu- tender Zahl zerstreut liegenden Zellen. Zu einer solchen Zelle tritt gewöhnlich eine markhaltige oder marklose Faser hinzu und theilt sich an der Zelle selbst, oder in einiger Entfernung von ihr in 2—3—4 Fäden, welche an der Oberfläche der Zellkapsel in eine Menge feinster varieöser, die Kapsel allseitig umflechtende Fädchen zerfallen (Fig. 22 u. 24). Bisweilen, wie dies in Fig. 23 dargestellt ist, trennt sich von einer der zu einem beliebigen Nervenstämmchen verlaufen- den markhaltigen Fasern, an einer Ranvier'schen Einschnü- rung, ein glatter oder variköser Faden ab und verläuft nach einigen der von den Fasern des Stämmehens umflochtenen Zellen. Nachdem der erwähnte Faden die Zellen erreicht hat, zerfällt er in variköse Endfäden, welche die Kapseln der betreffenden Zellen umflechten. Von dem so gebildeten pericapsulären Ge- flecht zweigt wiederum ein variköses Fädchen ab, welches sich zu einer benachbarten ähnlichen Zellgruppe begiebt und unter Bildung gleicher Geflechte daselbst endet. Häufig, namentlich in Ganglien, welche von 2—3 Zellen gebildet werden, dringen die Fäden des Geflechtes nicht zwischen die Kapseln der ein- zelnen Zellen hindurch, sondern vertheilen sich nur an deren äusserer, der Peripherie des Ganglions zugewandten Seite. b) Die Nervenfasern des zweiten Typus (Fig. 27) färben sich viel schwerer mit Methylenblau als die oben beschriebenen Fasern, und während man letztere fast auf jedem, nach der angegebenen Methode bearbeiteten Präparate ausge- zeichnet sehen kann, kommen erstere nur auf wenigen Präparaten zur Darstellung. Zum Unterschied von den Fasern des ersten Typus haben diejenigen des zweiten ausschliesslich den Charakter von mark- haltigen Fasern; viele derselben haben einen ansehnlichen Durch- messer und zerfallen innerhalb der Stämmcehen nicht selten in markhaltige Fasern von verschiedener Stärke. Hie und da Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 269 verliert eine der Fasern stellenweise auf einer kurzen Strecke ihre Markhülle und erhält in Folge dessen ein rosenkranzförmiges Aussehen. Meist treten in ein Ganglion, je nach seiner Grösse, eine, zwei, drei oder vier Fasern ein, und verlieren, so viel ich be- merken konnte, vor oder nach ihrem Eintritt die Markhülle. Verfolgt man den Verlauf der in mehrere (2—4) benachbarte Ganglien eindringenden Fasern, so kann man sich davon über- zeugen, dass sie in eines oder das andere Stämmchen eintreten, und dass sie nichts Anderes vorstellen als die Theilungsprodukte irgend einer, meist recht dieken, markhaltigen Faser. Gewöhn- lich theilt sich eine solche Faser auf ihrem Verlaufe in dem Nervenstämmehen nach und nach in eine grosse Anzahl von markhaltigen Fasern. Da wo das betreffende Stämmehen sich verzweigt, dringen diese Fasern dann in die sich abtrennenden Aeste des Stämmehens ein und begeben sich, oft nach einem recht langen Verlauf, nach den mit den Aesten verbundenen Ganglien, in welche sie zu 1, 2, 3 und mehr eintreten. Es erweist sich auf diese Weise bei genauer Untersuchung, pass in solchen Fällen, wo in ein gewisses Gang- lion mehrere Fasern der zweiten Art eintreten, diese letzteren nicht immer alle zuverschiedenen Fasern gehören, sondern oft zu ein und derselben Faser, welche nach vielfachen Theilungen eine verschiedene Zahl von Aestcehen nach mehreren Ganglien entsendet. Bisweilen sind diese Aestchen kurz, bisweilen dagegen sehr lang, und nur bei bedeutender Grösse der Flächenpräparate können sie in ihrer ganzen Ausdehnung, vom Anfang bis zum Ende, beobachtet werden. Was soeben über die Herkunft der Fasern gesagt wurde, ist jedoch nicht immer die Regel; nicht selten erscheinen die in ein Ganglion eintretenden Fasern als Aeste nicht einer einzigen, sondern von zwei oder drei einzelnen Fasern, oder aber eine oder zwei von ihnen gehören der einen, die übrigen einer anderen Faser an. Nur in seltenen Fällen fand ich, dass von einer markhaltigen Faser, noch vor ihrem Eintritt in eines der grossen Ganglien, ein dieker, variköser und kurzer Faden sich ablöste, weleher in ein kleines, in der Nähe des grossen gelegenes Gang- lion eintrat. 270 A.S. Dogiel: Aus dem soeben Dargelegten ergiebt sich, dass eine jede markhaltige Faser der zweiten Kategorie während ihres ganzen Verlaufs in eine Menge markhaltiger, sich ihrerseits oft in gleicher Weise theilender markhaltiger Fasern zerfällt, welehe in verschiedener Anzahl nieht in ein oder zwei, sondern in viele, längs dieser Fasern ge- legene Ganglien eindringen. Die Endigungsweise dieser Fasern in den Ganglien des Herzens trat mehrere Male mit bemerkenswerther Schärfe hervor, so dass es möglich war, ihre Beziehungen zu den Ganglienzellen zu ermitteln und gleichzeitig meine Beobachtungen über die Endigung der betreffenden Fasern in anderen Ganglien zu be- stätigen und zu vervollständigen. Gewöhnlich theilt sich jede Faser, nachdem sie ihre Markscheide verloren hat und in das Ganglion eingetreten ist, in 2—3 und mehr dicke, glatte und variköse Fäden, welche sich zwischen den Ganglienzellen hin schlängeln und dabei allmählich in eine grosse Anzahl von Fäden gleicher Art zerfallen. Ein jeder dieser Fäden durch- bohrt die Kapsel einer Zelle und umflicht den Zellkörper mit zahlreichen, sich in verschiedenen Richtungen kreuzenden Win- dungen, dabei giebt er in seinem Verlauf kurze seitliche Fäden ab. Letztere verflechten sich unter einander der- art, dassihre Gesammtheit eine Art Knäuel bil- det, als dessenKern derKörper der Ganglienzelle selbst erscheint, und dessen Peripherie von den Fäden gebildet wird, welche die Zelloberfläche umhüllen. Nachdem er diese, das Endknänelchen oder pericelluläre Geflecht bildenden Fäden abgegeben hat, zieht der Hauptfaden, wenn ich mich so ausdrücken kann, weiter, nach einer benach- barten, oder etwas entfernter gelegenen Zelle, an welche er neue Fäden abgiebt, welehe dasselbe Verhalten wiederholen wie die ersten, u. s. w.; endlich, nachdem der Faden sich in der eben an- gedeuteten Weise mit mehreren Zellen in Beziehung gesetzt hat, zerfällt er an der Peripherie einer letzten solchen Zelle in seine Endverästelungen. Bisweilen gesellt sich einer der Fäden, nachdem er mehrere pericelluläre Gefleebte gebildet hat, zu den Fäden gleicher Geflechte, welehe entweder von anderen Aestehen der- Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 271 selben Faser, oder von Verzweigungen anderer Fasern der zweiten Art zusammengesetzt sind. Ausserdem giebt fast immer ein jedes der Knäuelchen einige Fäden an andere Knäuelchen ab, welche in gewissem Maasse am Aufbau dieser Geflechte Theil nehmen. Ueberhaupt sind alle Endknäuel, soviel ich sehen konnte, mittelst solcher Fäden untereinander verbunden, unabhängig davon, ob sie in dem betreffenden Ganglion durch die Verzweigungen einer oder mehrerer Fasern des zweiten Typus gebildet werden. Die Fäden der Endknäuel sind dick und häufig mit starken Varikosi- täten besetzt, die Endknäuel selbst haben gewöhnlich geringe Dimensionen (siehe Fig. 27). Alle Charaktere zusammengefasst — die Gestalt und Grösse der Endknäuel, die Dieke der sie bildenden Fäden, und die Anwesenheit von starken Varikositäten auf den Fäden — geben den Endknäueln ein so eigenartiges Aussehen, dass die Aufmerksamkeit des Beobachters unwillkür- lich auf den grossen Unterschied in der Endigungsweise der Fa- sern vom ersten und derjenigen vom zweiten Typus gelenkt wird. Bisweilen werden durch das Methylenblau nicht nur die Endknäuelehen, sondern auch die von ihnen umflochtenen Ganglien- zellen gefärbt, so dass es in solchen Fällen fast unmöglich wird zu entscheiden, ob die Fäden auf der Oberfläche der Zellen liegen, ober ob sie sich stellenweise mit dem Protoplasma der Zellen ver- binden; es entsteht in solchen Fällen ein Bild, wie ich es ähn- lich schon längst bei der Untersuchung von pericellulären Ge- flechten an gewisssen Zellen der Netzhaut und der granulirten Schicht des Cerebellum beobachtet habe. Die eben besprochenen Endknäuel erinnern sehr an die in neuester Zeit von S. Mayer im Trapezkern, dem ventralen (accessorischen) Acustieuskern u. s. w. beschriebenen Endapparatee Held!) und S. Mayer?) haben kürzlich eine ausserordentlich interessante Beobachtung gemacht, welche darauf hindeutet, dass zwischen den pericellulären Ge- flechten und dem Protoplasma der von ihnen umflochtenen Zellen nicht bloss eine einfache Berührung (Contact) stattfindet, sondern dass zwischen ihnen eine innigere Verbindung besteht. Natürlich bedürfen diese Beobachtungen bei dem grossen Interesse, wel- 1) Archiv f. Anat. u. Physiol., Anat. Abth. 1897. 2) Bericht d. math.-physik. Klasse d. Königl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. zu Leipzig. Sitzungsber. v. 25. Oct. 1897. 272 AB: \Dogüel: ches sie darbieten, noch eimer genaueren Nachprüfung; sollten sie sich aber wirklich als den Thatsachen entsprechend erweisen, so würden die eben von mir beschriebenen Endknäuel ebenfalls in gleichen Beziehungen zu den sympathischen Zellen stehen müssen. Bei der Durchsicht von Präparaten, auf denen die Nerven gut gefärbt waren, wurde meine Aufmerksamkeit unter Anderem durch folgende sich immer wieder darbietende Erscheinung er- regt: ungeachtet der augenscheinlich vollständigen Färbung der Nerven des zweiten Typus in irgend einem der Ganglien, um- fleehten ihre Endverästelungen doch lange nicht alle Zellen des betreffenden Ganglions; während auf demselben Präparat, in an- deren oder sogar in demselben Ganglion die Endverästelungen der Nervenfasern des ersten Typus ein sehr dichtes, allgemeines Geflecht bilden. Ausserdem sind die Endknäuelchen, wie man aus der Vergleichung der Fig. 27 mit Fig. 20, 21, 22 ersehen kann, meist kleiner als die pericapsulären Geflechte, welche von den Fasern des ersten Typus gebildet werden. Der angeführte Unterschied in den Dimensionen zwischen den Endknäuelchen und den pericapsulären Geflechten fällt besonders bei solchen Ganglien ins Auge, in welchen die Endigungen beider Kate- gorien von Fasern gut ausgefärbt sind. Auf Grund dieser Angaben kann man, wie mir scheint, die Schlussfolgerung ziehen, dasserstens die Verästelungen der Fasern zweiter Kategorie nur einige wenige Ganglienzellen umflechten, und dass zweitens die Mehrzahl der von ihnen umflochtenen Zellen geringere Dimensionen aufweisen müssen. Da nun ferner die Ganglienzellen von geringerer Grösse meist dem ersten Typus von Zellen ange- hören, so kann man voraussetzen, dass die Fa- sern des zweiten Typus in jedem Ganglion eben nur an der Peripherie von solehen Ganglienzellen enden. Die Dicke der Fäden, aus welchen die Endknäuel bestehen, ihre stark ausgeprägten Varikositäten, die eigenartige Gestalt der Endknäuel selbst, endlich die oben beschriebenen Eigen- thümlichkeiten der als Endknäuel endenden Nervenfasern, alles dieses giebt uns die Möglichkeit, die Unterschiede zwischen den A A Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 273 Nervenfasern der ersten und der zweiten Kategorie mit Leichtig- keit festzustellen. Die beigegebenen Zeichnungen, welche ich möglichst genau angefertigt habe, beweisen besser als alle Be- schreibungen, dass in den Ganglien des Herzens zwei verschie- dene Arten von Nervenfasern enden, welche einen verschiedenen Ursprung besitzen. Angesichts der soeben mitgetheilten Thatsachen bleibt noch eine Frage zu entscheiden, zu welchen Fasern nämlich die Fa- sern erster und zweiter Kategorie zu zählen sind? Diese Frage zu beantworten ist einstweilen schwer, doch kann man immerhin zu gewissen Schlussfolgerungen gelangen, wenn man die oben mitgetheilten Beobachtungen mit den interessanten und werth- vollen physiologischen Angaben, welche wir Langley, An- derson u.A. verdanken, nebeneinander stellt. Schon in meinen ersten Aufsätzen habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass die Nervenfasern vom ersten Typus zu den sympathischen, die- jenigen des zweiten Typus zu den cerebrospinalen Nervenfasern gezählt werden müssten. In der That sehen wir, indem wir den Charakter der Fasern der ersten Kategorie untersuchen, in erster Linie, dass zu ihnen sowohl markhaltige wie auch marklose Fa- sern gehören; dabei ist ihre Endigungsweise in den Ganglien ein und dieselbe: sie bilden so zu sagen ein einheitliches Geflecht, welches sich zwischen alle Zellen des Ganglions erstreckt, und eo ipso alle Zellen sammt deren Fortsätzen umflicht. Dieses Ge- flecht kann als intercelluläres Geflecht bezeichnet wer- den. Schon die gleiche Endigungsweise der erwähnten Fasern spricht dafür, dass sie einen gleichen Charakter tragen. Ferner haben alle markhaltigen Fasern einen verhältnissmässig geringen Durchmesser und sind nur von einer dünnen Markhülle umgeben, welche oft auf grössere oder geringere Strecken, nicht nur vor dem Eintritt der Faser in das Ganglion, sondern auch während ihres Verlaufes im Nervenstämmehen, unterbrochen erscheint. Solche Merkmale kennzeichnen vorzugsweise markhaltige sym- pathische Fasern, wie dies aus meinen Untersuchungen über die Ganglien des Herzens, und ebenso über diejenigen des Grenz- strangs des Sympathicus und das G. solare u. s. w. hervorgeht. Endlich weisen die marklosen, in den Ganglien endenden Nerven- fasern, soweit ich diese in den Nervenstämmcehen und -ästehen der Haargeflechte verfolgen konnte, in ihrer ganzen Ausdehnung 274 A.S. Doseiel: keine Markhülle auf, und gleichen völlig den Nervenfortsätzen der Mehrzahl der Ganglienzellen des Herzens; mit anderen Wor- ten, diese Fasern sind unstreitig als Remak'sche Fasern anzu- sehen. In einigen Fällen gelang es mir überdies zu beobachten (siehe Figur 25), wie der Nervenfortsatz einer Zelle, welcher den Charakter einer marklosen- Faser trug, von einem Ganglion zu einem anderen verlief und in dem oben beschriebenen Inter- cellulärgeflecht endete. Auf Grund alles eben Angeführten scheint es mir, dass man zu folgenden Schlussfolgerungen gelangen kann: a) viele, ja vielleicht alle marklose Fasern, aber nur sehr wenige der markhaltigen Fasern, welche in den Ganglien des Herzens enden, gehören den Zellen dieser Ganglien an; b) alle übrigen markhaltigen Fasern, und wahrscheinlich auch einige von den marklosen Fa- sern, nehmen ihren Ursprung von Zellen sympathischer Ganglien, welche ausserhalb des Herzens gelegen sind. Was die Fasern des zweiten Typus betrifft, so haben die- selben, wie aus dem vorhin Mitgetheilten hervorgeht, eine bedeu- tende Dicke, tragen immer den Habitus von markhaltigen Fa- sern, treten im Vergleich mit den Fasern des ersten Typus nur in geringer Anzahl in die Ganglien des Herzens ein und endigen mit Endknäuelchen (echten pericellulären Geflechten), deren Fäden der Oberfläche des Körpers der Ganglienzellen (des ersten Typus) unmittelbar aufliegen, also die Zellkapsel durchbohren. Eine solche Faser zerfällt während ihres Verlaufs stets in viele Fasern, welche in mehreren (2—4—-6 und mehr) Ganglien endigen. In- dem durch die Beobachtungen Langley's auf physiologischem Wege der Nachweis geführt wird, dass zwischen den peripheren Verästelungen gewisser cerebrospinaler Fasern und den Ganglien- zellen eine innige Beziehung besteht, rechne ich gerade zu dieser Kategorie von Fasern die eben beschriebenen Fasern des zweiten Typus. Indem ich die Abbildungen, welche verschiedene Erforscher des sympathischen Systems (R. y Cajal, A. v. Gehuchten, Sala, Kölliker u. a. m.) von sogenannten pericellulären Ge- flechten geben, durchsehe, überzeuge ich mieh davon, dass auf diesen Abbildungen allein die Endigungen der von mir beschrie- benen Fasern erster Art wiedergegeben sind. Die echten peri- cellulären Geflechte oder Endknäuel, wie ich sie nenne, färben Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 275 sich sehr schwer mit Methylenblau. Nach der Golgi’schen Me- thode gelang es mir kein einziges Mal sie zu färben, während die Fäden des intercellulären Geflechts sich ziemlich leicht nach beiden Methoden, besonders aber nach der Ehrlich’schen, färben lassen. Die Richtigkeit meiner Annahmen wird übrigens durch die Figg. 6 u. 7 der Sala’schen Arbeit!) und die Fig. 837 in Kölliker’s Lehrbuch?) bestätigt. Bezüglich der letz- teren Zeichnung sagt Kölliker unter Anderem: „Zweifelhafter ist dagegen das Verhalten in den Fällen, wie sie die Fig. 857 wiedergiebt. Hier treten an einen Faserknäuel mehrere, ja oft (siehe die Figuren von Sala) viele Nervenfasern, und ist nicht zu ermitteln, wie dieselben im Einzelnen sich verhalten.“ Von meinem Standpunkte aus sind solche Figuren wohl begreiflich und können dadurch erklärt werden, dass in den Zwischen- räumen, welche eine Ganglienzelle von den übrigen trennen, oder, anders ausgedrückt, an der Oberfläche der Zellkapsel, viele Fäden enden, welche von der Theilung einer oder mehrerer Fasern des ersten Typus herrühren. Drückt man dies mit anderen Worten aus, so stellt ein solches quasi pericelluläres Geflecht, wie es auf Fig. 857 abgebildet ist, nichts anderes vor, als einen kleinen, durch Silber gefärbten Bezirk jenes allgemeinen intercellulären Geflechts, mit welchem die Fasern des ersten Typus in jedem Ganglion enden. Da nun nach der «olgi’schen Methode in den Ganglien meist nur wenige Verästelungen der eben erwähn- ten Fasern gefärbt werden, so erhält man sehr häufig ähnliche Bilder, besonders in den grossen sympathischen Ganglien (Gangl. sympath. I, Gangl. stell., Gangl. solare u. a... Man darf über- dies nicht ausser Acht lassen, dass auch die Verästelungen der Dendriten zwischen den Ganglienzellen, falls nur ein Theil ihres ganzen Verlaufs gefärbt wird, ebenfalls sehr leicht für die Ver- ästelungen der Fasern angesehen werden können, welche die pericellulären Endgeflechte der Autoren bilden. Kölliker, welcher in seinen früheren Arbeiten die directe Einwirkung einer sympathischen Zelle auf eine andere zugab, hat diese Auffassung in neuerer Zeit fallen lassen und erkennt 1) L. Sala, Sur la fine Anatomie des ganglions du sympathique. Arch. italiennes de Biologie. T. XVIIL., F. III. 1893. DYNlE.NG; 276 A.S. Dogiel: mit Langley nur die Existenz einer Art von Fasern an, der cereprospinalen Fasern nämlich, welehe mit pericellulären Ge- flechten enden. Meine Beobachtungen weisen mit Bestimmtheit darauf hin, dass in den sympathischen Ganglien, soviel wir hier mit den heutigen Methoden aufzuklären im Stande sind, zweierlei Arten von Fasern enden. Ob nun die Fasern des ersten Typus zu den sympathischen Fasern gehören oder nicht, darüber lässt sich einstweilen vielleieht noch streiten, aber Thatsache bleibt doch Thatsache. Die Ganglien der Blutgefässe. In dem perivas- culären Nervengeflecht der Kranzarterien fand ich nicht selten einzelne Ganglienzellen, welche theils nebeneinander, theils in srösserer oder kleinerer Entfernung von einander lagen. Soviel ich bemerken konnte, waren diese Zellen nach dem zweiten Typus gebaut, d. h. eine jede Zelle hatte sehr lange Dendriten, welche sich unmerklich zwischen den Fasern des perivasculären Geflechts verloren, und einen Nervenfortsatz. Ausserdem unter- suchte ich noch die Ganglien des perivaseulären Geflechts der äusseren Bindegewebshülle vom Aortenbogen. Die Elemente dieser Ganglien färben sich, namentlich beim Menschen, ziemlich leicht; um die Ganglien jedoch mit genügender Deutlichkeit hervor- treten zu lassen, ist es nothwendig, von dem bereits mit pikrin- saurem Ammonik fixirten Gefäss zuvor die innere und einen Theil der mittleren Gefässhaut mit einer Pincette abzureissen. , Ge- wöhnlich sind die genannten Ganglien aus mehreren, bisweilen selbst aus vielen Zellen aufgebaut, bei welchen man dieselben Typen unterscheiden kann, wie für die Ganglien des Herzens. Ausserdem trifft man in dem perivasculären Geflecht der Aorta häufig vereinzelte, in grösserer oder kleinerer Entfernung von einander gelagerte Zellen. Sie sind nach dem zweiten Typus gebaut und haben, wie man zum Theil aus der Fig. 14 u. 15 ersehen kann, verschiedene Gestalt: die Mehrzahl von ihnen ge- hört zu den multipolaren Zellen, doch traf ich hier und da auch uni- und bipolare Zellen an. Von ersteren geht ein ziemlich dicker und langer Fortsatz ab, welcher sich in einer gewissen Entfernung von der Zelle T-förmig in zwei Aeste theilt. Der eine dieser Aeste, und zwar der etwas diekere, verläuft in be- liebiger Richtung in dem Nervenstämmehen und zerfällt hierauf in mehrere Aestehen; der andere Ast verläuft in demselben Aest- | { E | | | 4 Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 277 chen, jedoch in entgegengesetzter Richtung und unterliegt keiner Theilung. Derartig geformte Zellen erinnern an Zellen der spi- nalen Ganglien; dabei sind die sich theilenden Fortsätze als Dendriten aufzufassen, während der ungetheilte Fortsatz dem Nervenfortsatz entspricht. Was die bipolaren Zellen betrifft, so haben sie die Gestalt einer mehr oder weniger in die Länge ge- zogenen, etwas zusammengedrückten Zelle, von deren einem Pol der Nervenfortsatz, vom anderen Pol die für diese Zellen cha- rakteristischen Dendriten ausgehen. Die Nervenfasern, welche in den Ganglien der Wand des Aortenbogens enden, verhalten sich zu den Ganglienzellen genau so, wie dies in den Ganglien des Herzens der Fall ist. Literatur-Verzeichniss. 1. A.S. Dogiel, Zur Frage über die Ganglien der Darmgeflechte bei den Säugethieren. Anatom. Anzeiger Bd. X. Nr. 16. — Zur Frage üb. d. feineren Bau d. sympath. Nervensystems b. den Säugethieren. Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XLVI. p. 305—344. — Zwei Arten sympath. Nervenzellen. Anatom. Anzeiger Bd. XI. Nr. 22. J. N. Langley, A short account of the sympathetie system. Phy- siologieal Congress. Berne 189. 2a.J. N. Langley and H. K. Anderson, The innervation of the pelvie and adjoining viscera. Journ. of Physiologie Vol. XIX. Nr. 1—2, 189. — Öbservations on the medullated fibres of the sympathetie system and chiefly on those of the grey rami communicantes. Journ. of Physiologie Vol. XX. Nr. 1, 1896. — On the nerve cell connection of the splanchnie nerve fibres. Journ. of Physiologie Vol. XX. Nr. 2—3, 18%. 3. A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen Bd. I. 189. 4. D. Timofejew, Ueber Nervenendigungen in den männlichen Ge- schlechtsorganen bei den Säugethieren und beim Menschen. Dissert. Kasan 18%. 5. A. Ploschko, Die Nervenendigungen und Ganglien der Respira- tionsorgane. Anatom. Anz. Bd. XIII. Nr. 1—2, 1897. 6. Juschtschenko, Zur Frage über den Bau d. sympath. Knoten Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 19 D 278 10. 13. 14. 15. 17. 18. A.S. Dogiel: bei den Säugethieren und beim Menschen. Aus d. histol. Labor. d. Univ. zu Warschau 1896. Arch. f. mikr. Anat. 1897, Bd. 49, S. 585. C. Huber, Four Lecetures on the sympathetic Nervous System. Journ. of Comparative Neurologie Vol. VII. Nr. 2, 1897. J. Dogiel, Vergleichende Anatomie, Physiologie u. Pharmakolo- gie des Herzens. Kasan 189. Vignal, Recherches sur l’appareil ganglionnaire du coeur des vertebres. Arch. de physiol. T. VIII., 2 ser. 1881. — Systeme ner- veux du coeur du lapin. Gaz. med. de Paris, Nr. 49, 1880. — Sy- steme nerveux du coeur de la tortue mauresque. Gaz. med. de Paris, Nr. 45, 1880. Kazem-Beck, Zur Kenntniss der Herznerven. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24, 1885. — Ueber das Vorkommen von Ganglien und einzelnen Nervenzellen etc. Centralblatt f. med. Wissenschaft Nr. 42, 1887. . N. Lawdowsky, Ueber die Fortsätze der Nervenzellen in den Herzganglien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXIX. 1887. H. Aronson, Beiträge z. Kenntniss der centralen und peripheren Nervenendigungen. Inaug.-Dissert. Berlin 1886. W. His (junior), Die Entwickelung des Herznervensystems bei Wirbelthieren. Abhandl. d. math.-physik. Cl. d. Kgl. Sächs. Gesell- schaft d. Wissensch. Bd. XVII. H. Berkley, On complexe nerve terminations and ganglion cells in the muscular tissue of the heart ventricle. Anatom. Anz. Nr. 1 bis 2, 1893. — The Intrinsie nerve supply of the cardiae ventrieles in certain vertebrates. The Johns-Hopkins Hospital Reports. Vol. VI. Nr. 4—5, 1894. P. Jacques, Recherches sur les nerfs du coeur chez la grenouille et les mammiferes. Journ. de l’anat. et de la physiol. Nov.-Dee. 1594. — L’etat actuel de nos connaissances sur l’innervation du coeur. Archives de physiol. ete. Ser. 5, VIII, 1896. J. Heymans et L. Demoor, Etude de l’innervation du coeur des Vertebres ä l’aide de la methode de Golgi. Me&em. couronn6s et autres mem. publ. par l’Acad. roy. de med. de Belgique, coll. 11.89, D. XI, 1, 9894. A. Smirnow, Ueber die sensiblen Nervenendigungen im Herzen bei Amphibien und Säugethieren. Anat. Anz. Bd. X. Nr. 23, 189. Dr. V. Schmidt, Sur la question de l’innervation du coeur de mammiferes. Archives russes de Path., de Medecine clin. et de Bacteriologie, Annde 2®me, 1897. AA U nn u tee a A EEE Eu nr er Zur Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen ete. 279 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII, XIII u. XIV. Fig. Fig. ig. 13. 10. 11: ar Vertheilung der Fibrillen im Körper einer Ganglienzelle der Katze. 8a. Ganglienzellen aus dem Vorhof eines Kindes. Man sieht die Grenzen der flachen Zellen, welche die innere Oberfläche der Kapsel, sowie deren Fortsetzung auf die Zellfortsätze aus- kleiden. 6. Kapsel, welche die Ganglienzelle und deren Fortsetzung um- hüllt, und dann in die Hülle des Nervenstämmcehens (a) über- geht. Die Kapsel selbst ist nur schwach durch das Methylen- blau gefärbt; der Körper der Zelle dagegen und deren Fort- sätze bleiben ganz ungefärbt. Vorhof der Katze. 6. Ganglienzellen des ersten Typus; n—Nervenfortsatz; d=Den- driten. Vorhof der Katze 6. a= Ganglienzellen des zweiten Typus aus dem Vorhof der Katze; b= Ganglienzelle des ersten Typus; n = Nervenfort- satz; d—= Dendriten; ce = Arterie. Der Nervenfortsatz der Zelle des ersten Typus (b) verästelt sich im Myocardium. Der Ner- venfortsatz einer der Zellen vom zweiten Typus geht in das die Arterie begleitende Nervenstämmchen über. 4. Ganglienzelle des zweiten Typus; die Fortsätze treten in die Nervenstämmchen (a) über. Vorhof der Katze. 6. Gruppe von Ganglienzellen des zweiten Typus; die Fortsätze dieser Zellen gehen in die Verästelungen (b) des Pericardial- geflechts über. Vorhof der Katze. 6. a= Ganglienzellen des zweiten Typus; b = Nervenstämmchen; n = Nervenfortsatz; d= Dendriten. Die Nervenfortsätze der Zellen treten in das Nervenstämmchen über. Vorhof der Katze. 3. Ganglienzelle mit Nervenfortsatz (rn) und Dendriten (d). Die Dendriten entspringen an verschiedenen Stellen des Zellkör- pers, verlaufen zunächst innerhalb der Kapsel, sammeln sich sodann zu einem Bündel und vereinigen sich, in Gemeinschaft mit dem Nervenfortsatz, mit dem Nervenstämmchen. Vorhof der Katze. 8a. Zwei einzeln liegende Ganglienzellen, deren Fortsätze in einem Nervenästchen verlaufen. Vorhof der Katze. 6. Ganglion, mit darin enthaltenen Zellen des dritten Typus (a); = einzelne an der Theilungsstelle des Nervenstämmchens (ec) gelegene Zelle des zweiten Typus; n = Nervenfortsatz und d = Dendriten der Zellen vom dritten Typus. Alle Fortsätze der Zelle vom zweiten Typus (b) verlaufen in Nervenstämm- chen. Vorhof der Katze. 5. a=Bipolare Ganglienzelle des zweiten Typus aus dem Vor- hof der Katze; n—Nervenfortsatz; d=Dendrit. 6. a=Ganglienzellen des zweiten Typus; b= Nervenstämmchen; 280 . 16. 17% 18. a! . 22. A. S. Dogiel: n=Nervenfortsatz;, d=Dendriten. Eine der Zellen enthält zwei Kerne. Basis der rechten Herzkammer eines Kindes. 6. . a—=Ganglienzellen des zweiten Typus; n = Nervenfortsatz; d — Dendriten. Adventitia des Aortenbogens eines Kindes. 6. . a—=Bipolare Ganglienzelle aus dem Vorhof eines Kindes; n= Nervenfortsatz; d= Dendriten. 6. Kleinere Gruppe von Ganglienzellen aus dem Vorhof eines Kindes; a= Ganglienzellen des zweiten Typus mit Nerven- fortsatz (rn) und Dendriten (d). 6. Ganglion aus dem Vorhof eines Kindes; a= Ganglienzellen des zweiten Typus; rn = Nervenfortsatz; d= Dendriten. Der Nervenfortsatz einer Zelle zeigt eine kleine Strecke weit eine Markscheide. 6. Ganglion aus dem Vorhof der Katze; a= Ganglienzellen des dritten Typus mit Dendriten (d), welche sich im Ganglion ver- ästeln. 5. a=Grosse Ganglienzelle des dritten Typus; rn = Nervenfort- satz; d= Dendriten; b = markhaltige Nervenfaser im Nerven- stämmchen; Vorhof der Katze. 6. .20A, Bu. C. Ganglien aus dem Vorhof der Katze; a = mark- lose und b = markhaltige Nervenfasern, welche mit einem all- gemeinen intercellulären Geflecht endigen; ce = collaterale Aest- chen. 6. . 21 A u. B. Ganglien aus dem Vorhof der Katze; a= marklose, mit gemeinsamen intercellulären im Geflecht endenden Fasern. Auf Fig. A ist zu sehen, wie die Endverästelungen der Fasern die Fortsätze der Zellen umflechten. 6. Kleineres Ganglion aus dem Vorhof der Katze; a = marklose Nervenfaser; b=markhaltige Faser, deren Endverästelungen zwischen den Ganglienzellen liegen. 6. 23. Nervenstämmchen aus dem Vorhof der Katze, welches einige [0] SS Ganglienzellen enthält; « u. b=marklose und markhaltige Fasern im Nervenstämmchen. Von einer der markhaltigen Fasern (b) theilt sich ein markloser Ast (c) ab, welcher zu einer Gruppe von Ganglienzellen verläuft, wo er ein Geflecht bildet; von letzterem geht wiederum ein dünner Faden ab, welcher in der benachbarten Gruppe von Ganglienzellen mit einem eben solchen Geflecht endet. Die betreffende Faser (b) konnte bis zu einem grossen Ganglion verfolgt werden, in welchem sie in ihre Endfäden zerfiel. Vorhof der Katze. 6. . a= Markhaltige Nervenfaser, deren Endverästelungen eine (vielleicht auch zwei) dem Nervenstämmchen anliegende Gang- lienzelle umgeben. Vorhof der Katze. 6. . a= Ganglienzelle des zweiten Typus; 5 = Nervenstämmchen; n = Nervenfortsatz, welcher, wie es scheint, in dem inter- cellulären Geflecht eines der Ganglien endet. Vorhof der Katze. 6. art» Zur Frage über den fein. Bau der Herzganglien des Menschen etc. 281 Fig. 26. Gruppe von Ganglienzellen; a—=Zellen des zweiten Typus; n= deren später in ein Nervenstämmchen eintretender Ner- venfortsatz; b = marklose Nervenfaser, welche einen Seitenast nach einem der Ganglien abgiebt. Vorhof der Katze. 5. Fig. 27. Ganglion aus dem Vorhof der Katze mit in demselben en- denden markhaltigen Fasern (a) des zweiten Typus. 6. Alle Zeichnungen sind mit Hülfe des Oberhäuser’schen Zei- chenprismas gezeichnet worden. Die am Ende jeder Figurenerklärung stehende Zahl bezeichnet das Objectiv von Reichert’schen Systemen. (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. Vorstand: Prof. Dr. Sigmund Mayer.) Die Nebenniere der Selachier nebst Beiträgen zur Kenntniss der Morphologie der Wirbel- thiernebenniere im Allgemeinen. Von Dr. Alfred Kohn, Assistenten am histologischen Institut der deutschen Universität in Prag. (Mit Unterstützung der „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“.) Hierzu Tafel XV. Wer es jemals unternommen hat, sich über die Neben- niere der Selachier aus der ihr gewidmeten Literatur zu unterrichten, wird mir beipflicehten, dass es schwierig sei, aus derselben eine klare Anschauung über dieses Organ zu gewinnen. Vor allem erregt der Umstand Befremden, dass das bei den Säugethieren (scheinbar) einheitliche Organ bei den Selachiern durch zwei räumlich getrennte, nach Genese und Struetur völlig verschiedene Bildungen repräsentirt sein soll. Dieser Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass eines dieser Gebilde — der Interrenalkörper oder die 282 Alfred Kohn: Zwischenniere (interrenal body nach Balfour) — als ein median gelegener, unpaariger Körper sich darstellt, während das andere — der eigentliche „Suprarenalkörper* (suprarenal body nach Balfour) — paarig ist und in der Vielzahl auftritt. Man sollte meinen, dass es zwingende, aus genauen Untersuchungen hervorgegangene Gründe sind, die zu einer derartigen Homolo- gisirung führten. Wenn man jedoch bedenkt, wie unzulänglich unsere Kenntnisse von dem feineren Bau der Nebenniere der Säugethiere sind und in wie viel höherem Maasse dies von der der Selachier gilt, so wird man daran zweifeln dürfen, dass die Erkenntniss der genauen Uebereinstimmung des anatomischen Baues diese Auffassung bedingte. In der That lässt sich un- schwer ein anderer Weg ausfindig machen, der zu diesem Ergeb- nisse geführt hat. Es ist nicht uninteressant, denselben zurück- zuverfolgen; man wird dadurch zu einem berechtigten Urtheile über die angewendeten Argumente gelangen. Vorher dürfte es aber geboten erscheinen, über die beiden hier in Betracht kom- menden Organe, den „Interrenal- und die Suprarenalkörper“ Balfour’s einige einleitende Bemerkungen vorauszuschicken. Als Interrenal body (Interrenalkörper, Zwischenniere) bezeichnete Balfour (1) jene von Retzius (29) im Jahre 1819 entdeckten eigenthümlichen, gelblichen Gebilde an der Dorsal- fläche der Nieren der Selachier. In der Regel unpaarig, be- stehen sie entweder nur aus einem einzigen, annähernd median gelegenen, diekeren, gelblichen, der Dorsalfläche des eaudalen Abschnittes der Nieren angelagerten Körper, oder sie treten da- selbst als eine unpaare, discontinuirliche Reihe von einzelnen längeren und kürzeren schmalen, gelben Streifehen oder Körnern auf. In diesem Falle erstrecken sie sich gewöhnlich weiter nach vorne als im ersteren; die vordersten Partien erscheinen oft nur wie gelbe Punkte. Durch ihre Anlagerung an die Niere, insbe- sondere aber durch ihre Farbe und ihre Anordnung zu einzelnen, von einander getrennten, disseminirten Partien erinnern sie leb- haft an die Nebenniere der Amphibien. Die „Suprarenalkörper“ erweisen sich als paarige, symmetrisch gelegene, immer in der Vielzahl auftretende Gebilde. Leydig (19) machte die Beobachtung, dass bei den Selachiern den einzelnen Ganglien des sympathischen Grenzstranges innig angeschlossen, sich Knötehen von eigenartiger Structur finden, Die Nebenniere der Selachier etc. 283 die er als die Nebennieren dieser Thiere auffasste. Diese vom Abgange der Axillararterie bis zum Hinterende der Leibeshöhle reichende Kette paariger Adnexe der sympathischen Ganglien sind es, die Balfour, der ursprünglichen Leydig’schen An- schauung folgend, als „Suprarenal bodies“ (Suprarenalkör- per) bezeichnete. Da aber allgemein unter der Bezeichnung „Suprarenal bodies (capsules)* und den gleichbedeutenden Be- nennungen (gl. suprarenalis; capsule surr&nale; capsule surrenali) die Nebennieren verstanden werden, so wollte Balfour — er hat dies auch ausdrücklich erklärt — durch diese Namengebung andeuten, dass er diese Gebilde als die eigentlichen Nebennieren ansehe. Der Begründer dieser Anschauung ist, wie oben erwähnt, Leydig (19). Nachdem er erkannt hatte, dass die Structur der sogenannten Axillarherzen der Chimaera monstrosa ihren Namen durchaus nicht rechtfertige, untersuchte er dieselben auch bei Torpedo und anderen Rochen und Haien und fand hierbei, dass die sog. Axillarherzen nichts Anderes seien, als das vor- derste und grösste einer symmetrischen Reihe von Körperchen, die sich den Ganglien des Grenzstranges unmittelbar anlagerten und in gleicher Weise den aus der Aorta seitlich austretenden Blutgefässen aufsassen wie die Axillarherzen der Axillararterie. Leydig (19a) kommt zu dem Schlusse, dass die Axillarherzen und ihre Fortsetzungen an den sympathischen Ganglien als die eigentliehen Nebennieren der Knorpelfische zu betrach- ten seien und nicht die bis dahin dafür genommenen gelben Streifen und Körper hinter der Niere. Denn „alle die Eigen- thümlichkeiten“, sagt er, „welche die Nebenniere der Säugethiere auszeichnen ..., kehren an den fraglichen Körpern der Knorpel- fische wieder. So haben erstens beide den gleichen Grundbau: die Nebennieren der Säugethiere und gedachte Körper der Knorpelfische bestehen aus geschlossenen, mit Zellen erfüllten Blasen; zweitens, die Nebennieren der Säugethiere haben wie bekannt, einen grossen Reichthum von Blutgefässen, auch unsere Körper haben die gleiche Eigenschaft; drittens ist schon allen Beobachtern, welche die Nebennieren der Säuger untersuchten, der ungemeine Nervenreichthum dieser Gebilde aufgefallen; dass dieser Umstand an den „Axillarherzen“ und den übrigen Körpern wiederkehrt, habe ich gemeldet.“ 284 Alfred Kohn: Aus dieser Darstellung geht unzweifelhaft hervor, dass nach Leydig ausschliesslich jene Gebilde, welche Balfour später auch direet die Suprarenalkörper (also die Nebennieren) der Elasmobranchier nannte, und die auch ich der Kürze und Ver- ständlichkeit halber schon jetzt und späterhin so nennen will!), der Nebenniere der Säugethiere entsprechen sollten. Die Supra- renalkörper in ihrer Gesammtheit repräsentiren nach seiner Auf- fassung jenes Organ, das bei den Säugethieren als ein einheit- lieher Körper auftritt. Niemand wird die von Leydig aufgezählten Vergleichs- momente für ausreichend halten, die vermeintliche Uebereinstim- mung von Säugernebenniere und Suprarenalkörper der Selachier zu erweisen. Es ist auch ganz klar, dass diese Annahme bei dem damaligen Stande der Kenntnisse von der Nebenniere der Säugethiere einerseits und den von Leydig zum ersten Male beschriebenen Suprarenalkörpern andererseits nicht besser und nicht ausreichender begründet werden konnte. Und doch sind diese Körperchen seither immer als Nebennieren oder wenigstens als ein integrirender Bestandtheil derselben angesehen worden. Man wird billig fragen, ob spätere, genauere Untersuchungen die nachträgliche Rechtfertigung dieser Ansicht erbracht haben. Es scheint indessen, dass sie einer eingehenden Untersuchung nie- mals unterworfen wurden, und was von Beschreibungen vorliegt, ist nicht ausreichend, die oben mitgetheilte Anschauung zu be- gründen. Vielleicht geht man nicht fehl mit der Annahme, dass ein von Leydig nicht hervorgehobener Umstand mehr zur Be- 1) Ich will ausdrücklich hervorheben, dass ich in meiner Dar- stellung die Bezeichnung „Suprarenalkörper“ ausschliesslich für die den sympathischen Ganglien angeschlossenen Gebilde gebrauche, ohne diese jedoch gleich Balfour auch wirklich für die Nebennieren anzusehen. Die Benennungen Balfour’s „Inter- und Suprarenal- körper“ sind so handlich und verbreitet, dass ich nur ungern auf deren Gebrauch verzichtet hätte, zumal im Deutschen, wo die Gland. suprarenalis allgemein als „Nebenniere“ und nicht als „Suprarenal- körper“ bezeichnet wird, Missverständnisse nicht zu befürchten waren. Ich nenne also „Inter- und Suprarenalkörper“ jene Organe der Selachier, denen Balfour diesen Namen gab, gebrauche aber den Namen „Suprarenalkörper“ nur als eine specielle Bezeichnung für die erwähnten segmentalen Gebilde, aber durchaus nicht als synonym mit „Nebenniere“. a ee ee at pe va a az ur a a © Die Nebenniere der Selachier etc. 285 festigung dieser Ansicht beigetragen hat, als die von ihm betonte Aehnliehkeit der fraglichen Organe: der Umstand nämlich, dass man Gebilde in der Nähe der Niere der Selachier kennen gelernt hatte, für die man kein Aequivalent bei höheren Wirbelthieren kannte. Erleiehtert wurde die Identifieirung besonders dadurch, dass man von der Nebenniere eben auch nicht mehr wusste als von den Suprarenalkörpern. Ich hielt es für nothwendig klarzustellen, auf welche Gründe hin die Suprarenalkörper in Verbindung mit der Nebenniere ge- bracht wurden, mit denen sie späterhin immer im Zusammenhange belassen wurden, damit nicht diese Verbindung als etwas lange Erwiesenes und einer kritischen Prüfung nicht mehr Bedürftiges hingenommen werde. Kurze Zeit darauf modifieirte Leydig (19b) selbst seine Ansicht, wenn auch zunächst nicht wesentlich. Die gelben Streifen an der Rückenfläche der Niere — der später von Balfour so- genannte Interrenalkörper — denen er früher jede Beziehung zur Nebenniere abgesprochen hatte, sollten nun doch u. z. mit- sammt den Suprarenalkörpern der Nebenniere der Säugethiere zu vergleichen sein. „Der Rindensubstanz der Nebennieren von Säugethieren entsprechen die bisher bekannt gewesenen gelb- körnigen und streifigen Nebennieren!) der Fische und Amphibien ... der Marksubstanz der Nebennieren von Säugern ... setze ich gleich die von mir bei Plagiostomen und Reptilien ge- fundenen eigenthümlichen Blasen mit Zellen?), die Abschnitte der sympathischen Ganglien darstellen und continuir- lich in die bisher bekannt gewesenen Nebennieren sich fort- setzen.“ In dieser Formulirung, dass der Interrenalkörper der Rinde, die Suprarenalkörper dem Marke der Säuger- nebenniere entsprechen, wird die Ansicht Leydig’s von neueren Forsehern nachdrücklich vertreten. Man übersehe aber nicht, dass Leydig sich damals den Inter- und Suprarenalkörper aus Zellen gleicher Art u. z. nervöser Natur aufgebaut dachte; bloss durch den enormen Fettgehalt sollten sich die Elemente des ersteren unterscheiden. 1) Der Interrenalkörper. 2) Der Suprarenalkörper. 286 NIEredok ohn: Aber in seinem Lehrbuche der vergleichenden Histologie spricht Leydig (19e) nicht mehr davon, dass die Rindenzellen durch Fettaufnahme modifieirte Mark- also (nach ihm) Nerven- zellen seien. Er betont vielmehr jetzt ausdrücklich die Verschie- denheit der beiden Zellarten, indem er sagt: „Natürlich kann nur von der specifisch nervösen Natur des Marks die Rede sein, während die meist fetthaltige Rinde mit einer anderen Funktion betraut sein mag.“ Leydig ging also davon aus, dass nur die Suprarenal- körper der Nebenniere der Säugethiere entsprechen; rechnete dann zur Nebenniere auch den Interrenalkörper, dessen Zellen von den sonst gleichwerthigen der Suprarenalkörper bloss durch die Verfettung verschieden wären; schliesslich beschränkt er sich darauf, die nervöse Natur der Zellen der Suprarenalkörper, die er der Marksubstanz der Säugernebenniere vergleicht, hervor- zuheben, den Zellen des Interrenalkörpers, den er der Rinde der Säugernebenniere gleichsetzt, spricht er die nervöse Natur ab. Seither werden die Suprarenalkörper immer mit den Neben- nieren in Verbindung gebracht, von einigen Autoren wohl auch ausschliesslich als solche gedeutet, während früher der Interrenal- körper allein als die Nebenniere der Fische bezeichnet wurde. Retzius (29) entdeckte im Jahre 1819 den Interrenal- körper — ich gebrauche die späteren Benennungen Balfour’s auch für die Angaben der früheren Autoren — der Haifische und fasste ihn wegen der Aehnlichkeit, die er in Farbe und Bau mit der Nebenniere der Vögel aufwies, als Nebenniere auf. Er fand diese Körper bei Squaliden und Rajiden. Stannius (33) und später Ecker (8) konnten diese Befunde bestätigen. Genauere Angaben über den feineren Bau fehlen bisher. Wenige Jahre später erschienen die, oben ausführlich behandelten Arbeiten von Leydig, die zu dem Endergebnisse führten, dass der Inter- renalkörper nur als Rindensubstanz, als Marksub- stanz dagegen die den Ganglien des Grenzstranges angeschlos- senen Suprarenalkörper anzusehen seien. Genauere Angaben über den Bau und die Entwicklung dieser Organe verdanken wir Balfour. Anfangs nahm er die ursprüngliche Ansicht Leydig’s wieder auf. Die Suprarenal- körper — der Name stammt von ihm und gibt seine Anschauung wieder — seien die eigentlichen Nebennieren der Elasmobranchier. rg Die Nebenniere der Selachier ete. 38T Aber auch Balfour (la) fand sich später veranlasst, diese Auffassung in derselben Weise zu ändern, wie Leydig es vor ihm gethan hatte. Unter dem Einflusse der unterdessen laut gewordenen Anschauungen v. Brunn’s (3) über die Neben- niere der Vögel, Kölliker's (16) über die der Säugethiere, be- sonders aber Braun’s (2) über die der Reptilien und auf Grund seiner eigenen Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Nebenniere der Elasmobranchier, kam auch er zu dem Schlusse, dass der Interrenalkörper der Rindensubstanz und die Su- prarenalkörper der Marksubstanz der Nebenniere der höheren Wirbelthiere homolog seien. Ihm gebührt auch das Verdienst, Inter- und Suprarenalkörper ihrer morphologischen und genetischen Ver- schiedenheit gemäss — im Gegensatze zu Semper (31), der von einem Uebergange der Supra- in den Interrenalkörper ge- sprochen hatte — scharf auseinander gehalten, ihre Entwicklung erforscht und insbesondere die genetische Beziehung der Supra- renalkörper zum Sympathieus erkannt zu haben. „Die paarigen Suprarenalkörper“, sagt er (la), „entwickeln sich aus den sym- pathischen Ganglien und stammen daher aus dem Epiblast. Diese Ganglien theilen sich nach und vach in emen gangliösen und einen Drüsentheil. Der erstere bildet die sympathischen Ganglien des erwachsenen Thieres, der letztere die wahren, paa- rigen Suprarenalkörper ..... Jeder dieser Körper besteht aus einer Reihe von Läppchen und zeigt eine sehr ausgesprochene Trennung in eine aus säulenartigen Zellen gebildete Corticalschicht und eine aus unregelmässig polygonalen Zellen gebildete Mark- substanz ...... Der zweite Körper besteht aus einer unpaarigen Zellsäule, welehe zwischen der Aorta dorsalis und der unpaaren Vena caudalis liegt und jederseits von den hinteren Theilen der Niere begrenzt wird. Ich schlage vor, ihn den Interrenalkörper zu nennen. Nach vorne greift er über die paarigen Suprarenal- körper über, verbindet sich aber nicht mit ihnen. Er besteht aus einer Reihe gut abgegrenzter Läppehen u.s.w.... Der Interrenalkörper entwickelt sich aus indifferenten Mesoblastzellen zwischen den beiden Nieren in derselben Lage, die er auch beim erwachsenen Thiere hat... In Bau und Entwicklung stimmt das Organ der Elasmobranchier, welches ich Interrenalkörper ge- nannt habe, so vollkommen überein mit dem Mesoblasttheil!) der 1) Rinde. 288 Alfred Kohn: Suprarenalkörper!) der Reptilien, dass ich nicht anstehe, sie als homolog zu betrachten. Die paarigen Körper der Elasmobranchier hingegen, welche von den sympathischen Ganglien abstammen, entsprechen offenbar dem Theile der Suprarenalkörper der Rep- tilien, weleher in gleicher Weise entsteht“ ?). Wenn nun auch zwei so ausgezeichnete Forscher wie Leydig und Balfour zum Schlusse übereinstimmend dahin gelangten, Inter- und Suprarenalkörper der Nebenniere der höheren Wirbelthiere gleichzusetzen, so begegneten ihre An- sichten in der Folgezeit doch mannigfachem Widerspruche. Che- vrel (4), der den anatomischen Bau der Suprarenalkörper ein- gehend untersuchte und manche der Angaben Balfour’s be- richtigen konnte, gewann die Ueberzeugung nicht, dass die Suprarenalkörper als Nebennieren anzusprechen seien; auch über die Bedeutung des Interrenalkörpers enthält er sich jeden be- stimmten Urtheils. Fusari (9a) hat zwar die Nebenniere der Selachier selbst nieht untersucht, aber seine Beobachtungen über die Entwick- lung der Nebenniere der Säugetbiere führten ihn zu der Ueber- zeugung, dass der Interrenalkörper weder der Säugernebenniere, noch einem ihrer Abschnitte homolog sei. Bei Mausembryonen fand er nämlich zwischen den beiden Nieren epitheliale Läpp- chen, die er von den Anlagen der Nebenniere ableitet. Die Zellen dieses Zwischennierengewebes beladen sich bald mit Fett- tröpfehen und gewinnen später das Aussehen von Fettzellen. Hier liegt also nach Fusari ein dem Interrenalkörper nach Lage und Bau entsprechendes Gewebe vor. Ich möchte gleich hier der Vermuthung Raum geben, dass Fusari einen Theil der bei Nagern weitverbreiteten sogen. Winterschlafdrüse vor Augen hatte. Nach Pettit (25) ist die Frage nach der Nebenniere der Selachier noch nieht spruchreif. Immerhin hält er es für das Wahrscheinlichste, dass die Suprarenalkörper der Elasmo- branchier den Nebennieren der Säugethiere entsprechen dürften. Diese Aeusserung Pettit's ist um so befremdender, als er in demselben Werke ausführlich über die Nebenniere der 1) Nebennieren. 2) sog. Mark. | Die Nebenniere der Selachier ete. 289 Teleostier handelt und es doch keinem Zweifel unterliegen kann, dass die von ihm als solehe bezeichneten Organe in jeder Beziehung gleichzusetzen sind dem Interrenalkörper der Selachier. Letzteren bezeichnet auch Diamare (5) geradezu als die Nebenniere, die eine wahre Blutgefässdrüse darstelle. In einer Reihe von Arbeiten, die bis in die letzte Zeit hereinreichen, vertritt Swale Vineent (37) entschieden wieder den Standpunkt, dass der Interrenalkörper der Rinden- und dieSuprarenalkörper der Mark substanz der Säuger- nebenniere gleichwerthig seien. Diese bezügliche Gleichwerthig- ‚keit finde ihren Ausdruck nicht nur in dem gleichen anato- mischen Bau, sondern auch in dem gleichen physiologi- schen Verhalten. Entsprechend den Erscheinungen, die man nach Einspritzungen von Extracten der Marksubstanz von Säuger- nebennieren beobachten konnte, verursacht auch Injection des Extraets der Suprarenalkörper Contractionen der Blutgefässe (der Kröte), während die Extracte des Interrenalkörpers — gleich denen der Rindensubstanz — ganz oder nahezu unwirksam bleiben. Swale Vincent nennt darum den Interrenalkörper „Cortical glands“, die Suprarenalkörper „Medullary glands“. C. Rabl (27), der zum Schlusse seines Werkes über das Urogenitalsystem der Selachier auch auf die Nebenniere zu sprechen kommt, bringt genaue Aufschlüsse über die — räum- lieh und geweblich — vollständig getrennte Entwicklung von Interrenal- und Suprarenalkörper, vermeidet es aber, mangels vorhandener brauchbarer histologischer Untersuchungen, bezüglich ihrer Vergleichbarkeit mit der Nebenniere höherer Wirbelthiere ein bestimmtes Urtheil abzugeben. Wie man aus der vorangehenden Uebersicht, die unschwer noch um manchen Autor, der bei der Untersuchung der Neben- niere anderer Wirbelthiere einen vergleichenden Seitenblick auf die fraglichen Organe warf, erweitert werden könnte, galten bald der Interrenalkörper, bald die Suprarenalkör- per, bald beide vereint als das Homologon der Nebenniere der höheren Wirbelthiere. Keine der vorgebrachten Ansichten erschien offenbar ausreichend begründet, um sich allgemeine An- erkennung erringen zu können. Vor allem fehlte die sichere Grundlage, welche eine zuverlässigere Beurtheilung ermöglicht hätte, nämlich die Kenntniss des feineren Baues der fraglichen 290 Alfred Kohn: Organe der Selachier. Es liegen zwar einzelne Beschreibungen derselben vor, aber sie sind zu allgemein gehalten und für den angestrebten Zweck unzureichend. Andererseits ist uns nicht minder eine klare Einsicht versagt in das eigentliche Wesen, den histologischen Charakter, jener Elemente, welche an der Zusammensetzung der Nebenniere der Säugethiere betheiligt sind. Durch vergleichend-anatomische Untersuchung scheint am ehesten ein Verständniss der Prinzipien des Baues der Neben- niere gewonnen werden zu können. Allerdings müssen die so erhaltenen Ergebnisse an denen der Entwieklungsgeschichte und der genauen histologischen Untersuchung geprüft. werden. Die Uebereinstimmung, mit der alle diese Wege zu demselben Resultate führen, lässt mich hoffen, in dieser Dar- legung etwas zur Lösung der Frage beitragen zu können. Ich will zunächst meine Auffassung, die sich auf Untersuchungen nicht nur an Selachiern (Rajiden und Squaliden), sondern auch an Vertretern aller Wirbelthierklassen gründet, näher präeisiren und sie im Nachfolgenden zu begründen versuchen. Als die eigentliche Nebenniere der Selachier ist nur der Interrenalkörper anzusehen. Demzufolge ist die Nebenniere dieser Thiere ein rein epitheliales Organ. Es besteht aus verzweigten, vielfach zusammenhängenden Epithel- strängen, die durch weite, dünnwandige Blutgefässe von einander getrennt sind. Die Epithelzellen sind in der Regel von Fett- tröpfehen dicht erfüllt, auf welche die gelbe Farbe des Organs zurückzuführen ist. Es wird von einer bindegewebigen Kapsel umhüllt. Die Suprarenalkörper dagegen sind ein integrirender Bestandtheil des Sympathicus und haben mit der Nebenniere der Selachier nichts gemein. Sie be- stehen vorwiegend aus einer besonderen, für sie charakteristischen Art von Zellen — „ehromaffine Sympathicuszellen“ habe ich (17) sie genannt — ferner aus typischen Nervenzellen, Nervenfasern nebst Blutgefässen und Bindegewebe. Ich kehre also wieder zur allerersten Ansicht in der vor- liegenden Frage zurück, zu jener, die Retzius aussprach, dass der Interrenalkörper als die Nebenniere der Selachier zu gelten habe. Die Begründung derselben kann ich erst nach Darlegung der einschlägigen Verhältnisse versuchen. Die Nebenniere der Selachier ete. 291 Der Interrenalkörper liegt, als ein unpaariges Organ, an der Dorsalfläche des eaudalen Abschnittes der Niere, nahezu in der Medianebene. Seine Lage ist, genau genommen, nicht als mediane zu bezeichnen, da er gewöhnlich unsymmetrisch, etwas seitwärts gerückt, einer der beiden Nieren angelagert, erscheint. Er bildet entweder einen massigen, einheitlichen, ziemlich kurzen und dieken Körper, wie dies z. B. bei Torpedo marm. vorkommt, oder einen schmalen, dünnen, ziemlich weit nach vorn reichenden Streifen, wie dies z. B. bei Seyllium can. und Mustelus laev. der Fall ist. In ersterem Falle ist auch thatsächlich oft nur ein einziger Körper vorhanden, oder er ist doch nur in wenige, zwei bis drei unpaar hinter einander ge- legene Theilstücke zerfällt, in letzterem Falle aber ist der Streifen fast immer discontinuirlich, die einzelnen Partien von wechseln- der Länge, doch so, dass im Allgemeinen die hintersten die läng- sten, die vorderen nur kurz bis punktförmig sind. Die grösseren Körper sind leicht abzupräpariren und isolirt zu erhalten, die schmalen Streifehen sind aber nicht leicht vom Nierengewebe, in das sie oft förmlich eingebettet sind, abzulösen, so dass sie am besten mit einem Theil desselben zur Untersuchung genommen werden. Die Farbe des Organs ist immer ausgesprochen gelblich. Quersehnitte durch den Interrenalkörper ergeben natürlich Bilder von auffallend verschiedener Grösse, je nachdem ein com- pacter Körper etwa von Torpedo m. oder der streifenförmige eines Jüngeren Mustelus vorliegt, aber der Bauplan ist doch immer ein und derselbe. Eine ziemlich zarte, bindegewebige Kapsel bildet die äussere Umhüllung des Organs. Dieses selbst besteht der Hauptsache nach aus einem von dünnwandigen Blutgefässen durchzogenen Netzwerke von Zellbalken. Eine Läppchenbildung, wie sie von einzelnen Autoren angegeben wurde, ist nicht wahr- zunehmen. Wohl dringen von der Peripherie her stellenweise auch stärkere Züge von Bindegewebe in Begleitung der Gefässe in den Körper ein, lösen sich aber sehr bald auf, ohne mehr als eine ganz äusserliche Einkerbung hervorgebracht zu haben. Die Zellbalken sind von verschiedenem Umfange und aus einer mehrschichtigen Lage polygonaler Epithelzellen aufgebaut. Unmittelbar an die freie Fläche der Balken legt sich die Endo- thelbekleidung der zwischengelagerten Blutgefässe an, deren Wandung eben nur aus diesem Endothelhäutchen zu bestehen 292 Alfred Kohn: scheint. Es kommen allerdings auch grössere Gefässchen mit ausgesprochen arteriellem und venösem Charakter innerhalb des Organs vor, die auch eine deutliche Ausbildung aller Wand- schichten zeigen, aber Zartheit der Wandung bei ansehnlicher Liehtung ist für die Mehrzahl seiner Blutgefässe charakteristisch (s. Taf. XV, Fig. 2). Die -Zellstränge sind in den kleineren Körperchen im Allgemeinen schlanker, nur aus wenigen, zwei bis drei Lagen von Zellen zusammengesetzt, von denen die rand- ständigen nicht selten eubisch sind und eine zur Richtung des angrenzenden Blutgefässes senkrechte Stellung annehmen. Aber in den mächtigeren, aus vier bis acht Lagen von Zellen zu- sammengesetzten Balken der grösseren Körper ist eine strenge Gesetzmässigkeit in Form und Lagerung der Zellen nicht zu er- kennen. Doch bewahren sie immer den unzweifelhaften Cha- rakter von Epithelzellen, der in ihrem Habitus, ihrer Anein- anderlagerung und Anordnung seinen Ausdruck findet. Von Al- veolenbildung oder gar von Formationen, ähnlich den Halbmonden der Schleimdrüsen, von denen Swale Vincent berichtet, kurz von allem, was für eine Differenzirung zu secernirenden Bläschen oder Schläuchen spräche, vermochte ich im Interrenalkörper der Selachier nichts wahrzunehmen. Zwei einander durchflechtende Netze, das eine von soliden Epithelsträngen, das andere von den Blutgefässen gebildet, sind seine Constituenten. So weit würde die Beschreibung des Interrenalkörpers voll- ständig in Uebereinstimmung stehen mit jener, die ich von den in der Nachbarschaft der Schilddrüse der Säugethiere gelegenen Körperchen, dem äusseren und inneren Epithelkörperchen (noduli [epitheliales] para- und intrathyreoidei) gegeben habe !). In der That darf der Interrenalkörper mit vollem Rechte in demselben Sinne als ein „Epithelkörper“ bezeichnet werden; der Typus seines Baues ist ganz derselbe (s. Taf. XV, Fig. 1). Was ihn im Besonderen charakterisirt, das ist der Gehalt seiner Zellen an eingelagerten Fetttröpfehen. Diesen ver- dankt er seine gelbe Farbe. Diese beherrschen das Bild, das er, im frischen Zustande untersucht, darbietet, so sehr, dass Leydig eine Zeit lang seinen eigentlichen Bau verkennen und ihn für eine Art Fettkörper, ähnlich dem der Amphibien, halten 1) Kohn, A., Studien über die Schilddrüse. Arch. f. mikr. Anat, Bd. 44 u. 48. Die Nebenniere der Selachier ete. 293 konnte. An Präparaten, die mit Flemming’'s Gemisch oder Lösungen der Ueberosmiumsäure behandelt worden waren, tritt das Fett, welches in Form von Tröpfehen verschiedener Grösse das Protoplasma durchsetzt, durch seine Schwärze ungemein deut- lich hervor, aber die typische Anordnung der Zellstränge wahrt dem Bilde das Gepräge eines epithelialen Organs. Nach den meisten Fixirungs- und Härtungsflüssigkeiten verschwindet das Fett aus den Zellen, höchstens deutet noch eime netzartige Gra- nulirung auf die frühere Einlagerung hin. Der Interrenalkörper der Selachier, wie er eben be- schrieben wurde, gleicht in seinem Baue vollständig jenem Or- gane, das als die Nebenniere der Teleostier bezeichnet wird. Allerdings können die Zellstränge letzterer hohl werden, ein Lumen gewinnen, also aus soliden Zellbalken zu drüsenartigen Schläuchen sich umgestalten, aber die Gleichartigkeit der beiden Organe steht ausser allem Zweifel, Aber auch mit der Nebenniere der Amphibien zeigt der Interrenalkörper im Wesentlichen eine solche Ueber- einstimmung der Struktur, dass beide Organe als homolog be- zeichnet werden müssen. Ein Unterschied besteht nur insofern, als die Nebenniere der Amphibien eine grössere Menge secun- därer Organbestandtheile enthält: reichlicher Bindegewebe mit grösseren Gefässen, Nervenstämmehen mit sympathischen Nerven- zellen und besonders jener eigenen Art von Zellen, die ich „ehromaffine Sympathicuszellen“ genannt habe und deren Vorkommen im Sympathieus der Amphibien besonders durch Leydig (19b) und Sigm. Mayer (21) („Zellennester, Kernnester*) bekannt wurde. Aber der Grundtypus des epithe- lialen Baues der Nebenniere wird dadurch nicht alterirt. Das Gleiche gilt von der Nebenniere der Reptilien, der Vögel und auch der Säugethiere, in welche die oben aufgezählten seeundären Organbestandtheile und besonders die chromaffinen Sympathicuszellen in immer zuneh- mender Menge eindringen. Bei den Säugethieren sind die dem Sympathieus entstammenden und — wie ich behaupte — auch dauernd zuzurechnenden Elemente im Inneren des Organs in compaeter Weise gehäuft. Das gigentliche epitheliale Organ wird hier „Rindensubstanz der Nebenniere* genannt. Auch diese lässt, mag auch die Anordnung complieirter erscheinen, Archiv £. wmikrosk. Anat, Bd, 53 20 994 Alfred Kohn: doch im Grossen und Ganzen denselben Typus der verzweigten Epithelbalken erkennen, den der Bau des Interrenalkörpers in so einfacher Weise veranschaulicht. Die Epithelzellen der Balken sind auch bei den höheren Wirbelthieren mit Fetttröpfehen erfüllt. Was insbesondere für die Homologie der aufgezählten Or- gane spricht, ist der Umstand, dass sich in so zwanglos drasti- scher Weise der Uebergang darbietet von der rein epithelialen Nebenniere der Fische und der von wenig sympathischen Elementen durchsetzten der Amphibien zu der von Strängen sym- pathischen Gewebes durchzogenen Nebenniere der Reptilien und Vögel bis zu der mit einem so mächtigen, centralen — als Mark- substanz bezeichneten — sympathischen Plexus ausgestatteten Nebenniere der Säugethiere. Auch die Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte stimmen darin überein, dass bei allen Wirbelthieren die hier homologisirten Organe aus gleichartigem, epithelialem Mutterge- webe, dem Peritonealepithel, hervorgehen. Für die Nebenniere der Säugethiere verweise ich auf die diesbezüglichen Mittheilungen von Janosik (14), Mihaleovies (22), der ähnliche Verhältnisse auch bei Vögeln und Reptilien constatirte, von Masamaro Inaba (15) und von Fusari (9a); für die Nebenniere der Vö- gel auf die von Valenti (35), H. Rabl (28) und Fusari; für den Interrenalkörper auf die von Weldon (38), van Wijhe (38) und C. Rabl (27). Da uns der Interrenalkörper ganz be- sonders angeht, will ich die Angaben C. Rabl’s über die Ent- wicklung desselben bei Pristiurus hierher setzen: „Schon bei einem Pristiurusembryo mit 55 Urwirbeln sehe ich an der Radix mesenterii, unter der Aorta im hinteren Drittel oder höchstens der hinteren Hälfte des Embryo einige Zellen, welche nicht in den Reihen der anderen Mesodermzellen eingeordnet sind... Zahl- reicher werden diese Zellen bei Embryonen mit 63, 64 und 69 Urwirbeln, und in diese Zeit möchte ich auch die erste Anlage der Zwischenniere verlegen. Bei Embryonen zwischen 70 und 80 Urwirbeln ist diese Anlage schärfer begrenzt, so dass man schon ungefähr ihre Ausdehnung erkennen kann. Ihr Vorderende ist ungefähr in der Höhe des 20. oder 21. Urwirbels zu verlegen, ihr Hinterende ans Vorderende der Cloake .... Das ventral von der Aorta zwischen den hinteren Cardinalvenen gelegene Organ ist nach oben und den Seiten scharf begrenzt, nach unten da- Die Nebenniere der Selachier ete. 295 gegen so innig mit dem Epithel der Radix mesenterii verbunden, dass eine Grenze zwischen beiden nicht zu finden ist... Ich kann daher kaum daran zweifein, dass die Zwischenniere zu diesem Epithel in genetischer Beziehung steht und aus demselben hervorgeht ... . (Sie) macht von den frühesten Stadien an den Eindruck eines epithelialen Organs.“ Der Interrenalkörper der Salachier entspricht also der Nebenniere der übrigen Fische, soweit eine solche mit Sicherheit nachgewiesen werden Konnte, und der — in der Regel als „Rindensubstanz“ bezeichneten — eigentlichen Nebenniere der Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugethiere. Als Suprarenalkörper werden jene, bereits mehrfach erwähnten Körperehen bezeichnet, die den sympathischen Gang- lien des Grenzstranges unmittelbar angeschlossen sind. Leydig hat zuerst die Beobachtung gemacht, dass jene segmentalen Ge- bilde, die den aus der Aorta dorsalis entspringenden Zweigchen aufsitzen, und die man sonst für die sympathischen Ganglien zu halten geneigt wäre, sich bei genauerer Untersuchung aus zwei, ihrem anatomischen Baue nach verschiedenen Abschnitten be- stehend erweisen. Der eine derselben ist das eigentliche sym- pathische Ganglion, der andere ein Organ eigener Art, das Ley- dig als eine Blutgefässdrüse, die Nebenniere, auffassen wollte. Balfour, der auch den genetischen Zusammenhang dieser Gebilde mit den sympathischen Ganglien nachwies, nannte sie „suprarenal bodies“, Suprarenalkörper (Nebennieren). Genauere Angaben über ihre Lage und Zahl findet man bei Pettit (25). Bei Seyllium cat. z. B. beobachtete er 13—20 Paare dieser Körper am Abgange der einzelnen Intercostalarterien oder an einem Aestchen derselben gelegen, immer auch mehr weniger der Vena interrenalis benachbart. Das vorderste Paar ist weit voluminöser als die folgenden und derart schief zur Medianlinie gestellt, dass es einen nach vorne offenen Winkel (V) bildet. Es liegt beiderseits neben dem Oesophagus an der Axil- lararterie und wird von einem Zweige derselben durchbohrt. Dieses vorderste Paar der Suprarenalkörper war schon vor Leydig bekannt gewesen. Duvernoy !) entdeckte es bei Chi- inaera monstr. und nannte es einer irrigen Anschauung zufolge 1) eit. nach Leydie. 296 Alfved-Kohn: „Axillarherz“. Die folgenden Körperchen sind weit kleiner und nehmen im Allgemeinen caudalwärts an Grösse ab. Aehnlich waren die Verhältnisse auch bei anderen Squaliden. Bei den Rajiden sind weniger Suprarenalkörper vorhanden, die Zahl von 10 Paaren wird kaum überschritten. Das vorderste Paar ist bei Torpedo nicht ‚durch so auffallende Grösse ausge- zeichnet, wie bei den Squaliden, und liegt dem Stamme der Axillararterien direkt an. Die caudalwärts folgenden Paare liegen der Niere innig an, so dass sie der herausgenommenen Niere in der Regel anhaften. Im Uebrigen unterliegt nach Pettit die Zahl und Grösse der Suprarenalkörper erheblichen Schwankungen. Ich habe bloss grössere Organe, also z. B. die früher sogen. Axillarherzen, für sich isolirt behandelt, während ich die kleineren, besonders von jungen Exemplaren, gern im Zusammenhange mit den Nachbarorganen beliess, so dass ich oft beide Nieren, den Interrenalkörper und ein Paar der Suprarenalkörper in einer Reihe von Quersehnitten untersuchen konnte, Die Suprarenalkörper sind, wie schon Leydig mit- theilte, immer in innigem Anschlusse an 1—2 sympathische Gang- lien anzutreffen. An den grösseren lässt sich überdies häufig beobachten, dass der Peripherie des Organs kleine Ganglien- gruppen angelagert sind, deren Volum hinter dem des eigent- lichen Suprarenalkörpers weit zurückbleibt. Aber in vielen Fällen, besonders bei den kleineren Körperchen, ist eine deutliche Ab- grenzung des Ganglions gegen den Suprarenalkörper nicht vor- handen und eine scharfe Trennung der beiden Organe nicht durchführbar. Man kann dies Verhalten so auffassen, dass das Ganglion im Suprarenalkörper mehr minder eingebettet liegt. Diese Verschmelzung wird im Nachfolgenden ihre Erklärung finden (s. Taf. XV, Fig. 4 u. 6). Ein Querschnitt durch den Suprarenalkörper lässt diesen häufig, nicht immer, eoncentrisch um ein grösseres Blutgefäss angeordnet erscheinen. An einem Ende, öfter an mehreren Punkten der Peripherie, sind in kleineren Häufchen sympathische Gang- lien angelagert (s. Taf. XV, Fig. 3, 7, 8). Das Organ wird von einer bindegewebigen Hülle umschlossen und, wenn es eines der grösseren ist, durch einstrahlende Bindegewebszüge in einige Felder getheilt. Doch ist eine derartige Lappung nicht immer deutlieh wahrnehmbar. Balfour unterschied am Suprarenal- Die Nebenniere der Selachier etc. 297 körper eine äussere, aus eubischen Zellen gebildete Rindenschicht und eine centrale, aus polygonalen Zellen gebildete Markschicht. Dieser Beschreibung liegt vielleicht das Bestreben zu Grunde, den Bau des Suprarenalkörpers mit dem der Nebenniere der Säugethiere in Einklang zu bringen. Thatsächlieh lässt sich eine solche Scheidung nicht aufrecht erhalten; der Bau des Organs ist vielmehr ein ziemlich gleichmässiger, wenn auch zuzugeben ist, dass die peripheren Zellen oft grösser und regelmässiger gelagert sind als die centralen. Leydig hatte angegeben, dass der Supra- renalkörper aus Blasen, die von Zellen erfüllt wären, zusammen- gesetzt sei. Dieser Angabe wurde späterhin mit Recht wider- sprochen (Chevrel). Keinerlei Formation, die an Bläschen oder Schläuche oder regelmässige Zellstränge erinnerte, ist nach- weisbar. Wenn eine Reihe von Forschern, von Balfour bis Swale Vincent, den Suprarenalkörper drüsig gebaut findet, so ist dagegen einzuwenden, dass keiner der bekannten Drüsen- typen in demselben ersichtlich ist, auch nicht ein Bauplan, der an den des Interrenalkörpers — also den eines Epithelkörpers — im Entferntesten gemahnen würde. Er besteht aus eigenartigen Zellen verschiedener Form und Grösse, die zuweilen mit deutlichen Fortsätzen ausgestattet sind, einen ziemlich grossen Kern, mitunter deren auch zwei, besitzen und in diehter Anordnung in ein spärliches, faseriges Zwischengewebe eingelagert sind. Die Zellen liegen regellos einzeln oder in kleinen Gruppen. Bloss die peripher gelegenen, die im Allge- meinen grösser sind, liegen der Peripherie des im Querschnitte rundlichen oder elliptischen Organs mitunter derart an, dass ihre Längsdimension senkrecht auf der Umgrenzungslinie steht, aber sie bilden keine ceontinuirliche Lage. Die mehr gegen die Mitte hin gelegenen Zellen sind durchschnittlich kleiner als die peripheren, aber es finden sich auch nieht minder grosse mitten unter ihnen. Was mir am charakteristischesten erscheint für die Elemente des Suprarenalkörpers, das ist gerade der Mangel jeder gesetz- mässigen Anordnung. Nicht zu einer bestimmbaren Formation geordnet, liegen die Zellen regellos durcheinander, mit ihren Längsdimensionen in verschiedensten Richtungen gestellt, mannig- fach gegen einander geneigt. Es fehlt ihnen der bestimmte Gruppen- charakter, wie er in allen Epithelformationen zu Tage tritt. Man gewinnt nicht den Eindruck, dass sich je eine Anzahl von Zellen zu einer organischen Einheit verbinden, wie dies bei epithelialen Bil- 298 Alfred Kohn: dungen (Drüsen) der Fall ist, sondern die einzelnen Zellen treten sozusagen als selbständige Individuen auf, vergleichbar den Nerven- zellen in einem Ganglion. Nach dieser Anordnung ist es ganz aus- geschlossen, dass die Suprarenalkörper als drüsige Organe aufge- fasst werden dürfen, wie dies allgemein geschieht. Ganz den gleichen Anblick wie ein Ganglion gewährt — von dem Cha- rakter der Zellen zunächst abgesehen — der Suprarenalkörper schon deshalb nieht, weil seine meist kleineren Zellen viel diehter liegen und insbesondere jene stärkeren Bündel von Nervenfasern, die zwischen den Gruppen der Nervenzellen eines Ganglions hin- durchziehen, hier im Allgemeinen fehlen. Auf diese dichte Lage- rung der Zellen und die feine Vertheilung des Zwischengewebes ist es wohl zurückzuführen, dass die meisten Autoren dem Su- prarenalkörper das Aussehen eines drüsigen Organs zuschreiben. Aber die regellose Anordnung der Zellen, die verschie- dene Hauptriehtung der Zellachsen und das Vorhanden- sein eines, wenn auch meist nicht in stärkeren Bündeln, so doch in feineren Zügen das ganze Organ durchkreuzenden Zwischen- gewebes, aus Nervenfäserchen, Bindegewebe und Blutgefässen bestehend, in welchem die Zellen vereinzelt oder in mannig- facher Gruppirung liegen, lassen den Vergleich mit einem Ganglion weit eher statthaft erscheinen. Die Beschreibung der den Suprarenalkörper aufbauen- den Elemente kann nur mit Rücksicht auf die in Anwendung gebrachte Fixirungsflüssigkeit gegeben werden; denn die Bilder sind ungemein verschiedenartig, je nachdem man die Präparate in eine Sublimatlösung (Sublimat-Kochsalzlösung) oder eine Os- miumlösung (Flemming’sches Gemisch) oder eine Lösung von chromsauren Salzen (3 %/,ige Kaliumbichromatlösung, Müller'sche Flüssigkeit) eingelegt hatte. Ich lege der allgemeinen Darstellung die Quersehnittsbilder zu Grunde, die man von einem mit Sublimat-Kochsalzlösung be- handelten Suprarenalkörper mittlerer Grösse erhält. Die Ganglienzellen, welche meist in kleinen Gruppen dem Organe angelagert sind, mitunter aber auch zu einer grösseren, ein- heitlichen Gruppe vereinigt sind, enthalten grosse, meist zweiker- nige Ganglienzellen!), die von einer kernhaltigen Hülle umgeben 1) Dieser Befund erinnert an das gehäufte Vorkommen z wei- kerniger Nervenzellen in den sympathischen Ganglien einiger Nage- thiere (z. B. Kaninchen). 2 1 Die Nebenniere der Selachier ete. 299 sind. Soleher Gruppen finden sich oft mehrere an verschiedenen Punkten der Oberfläche des Suprarenalkörpers. Manchmal sind sie deutich abgegrenzt vom Hauptkörper, manchmal ist eine Grenze nicht nachweisbar. Im letzteren Falle sind die Nervenzellen um so kleiner, je weiter sie von der Peripherie gegen das Innere auf- einander folgen. Ihre beiden Kerne liegen dann bis zur Berüh- rung dicht aneinander. Ganz unmerklich mischen sich unter diese rein nervösen Zellen die eigenartigen Elemente des Supra- renalkörpers. Dieser selbst enthält immer eine Anzahl unzweifel- hafter Nervenzellen, meist nur mittelgrosser und kleiner Sorte, und eine reiche Menge von Zellen mannigfaltiger Form und ver- sehiedener, aber die der mittleren Nervenzellen meist nicht über- treffender, Grösse, deren Charakter schwer bestimmbar ist, zumal Sublimatlösungen (und Alkohol) der Conservirung des Protoplas- mas dieser Zellen nieht günstig zu sein scheinen. Aber so viel lässt sich ruhig behaupten, dass alle diese mannigfachen Zellen eine unverkennbare Aehnlichkeit mit Ganglienzellen besitzen, die ihren Ausdruck findet in ihrer regellosen Anordnung, in dem Mangel bestimmter Formationen und in dem selbständigen Cha- rakter der einzelnen Zellindividuen, und in deren Annahme man noch bestärkt wird durch die Vielgestaltigkeit der Zellen und die relative Grösse ihres Kernes. Besonders, wenn sie auch zwei- kernig sind, gleichen sie den Ganglienzellen ihrer Umgebung in auffallender Weise. Noch augenfälliger tritt diese Aehnlichkeit an Präparaten hervor, die mit Flemming’scher Lösung behandelt wurden. Der gleichmässig dunkle Farbenton des Zellleibes und der helle bläschenförmige Kern erinnern lebhaft an das Aussehen kleiner Ganglienzellen nach Anwendung derselben Methode; nur erscheinen die letztern hierbei nicht so dunkel wie die des Su- ‚prarenalkörpers. Die merkwürdigste Reaction der Zellen, um derentwillen ich sie „chromaffin“ nannte, stellt sich nach Fixation der Organe inKaliumbichromatlösungen ein (s. Taf. XV, Fig. 7, 8, 9). Während die dem Suprarenalkörper angelagerten und die inmitten seiner Elemente gelegenen Ganglienzellen sich leicht gelblichgrau färben, treten seine speeifischen Zellen in intensiv gelbem oder braunem Farbentone in überraschender Weise hervor. Durch diese Chromfärbung werden auch die feinsten Ausläufer des Zellleibes sehr distinet zur Anschauung gebracht, 300 Alfred Kohn: und es gewinnt den Anschein, als ob es sich manchmal um multipolare, mit Fortsätzen versehene Zeilen handelte. Wenn auch die Deutlichkeit der Fortsätze in Folge der durch das Kaliumbiehromat bedingten Schrumpfung des Zellleibes künstlich gesteigert wird, so ist es doch zweifellos, dass die Fortsätze oft kein Kunstproduet, sondern -thatsächlich vorhanden sind, da sie auch am frischen Präparate nicht selten zur Beobachtung gelangen. Die Form der Zellen gleicht oft jener, welche Zellen aus der grauen Substanz des Rückenmarkes bei gleicher Behandlung an- nehmen (s. Taf. XV, Fig. 8, 9). Ueberhaupt tritt die Aehnlich- keit mit Nervenzellen gerade bei dieser Methode am evidentesten hervor, so sehr auch andererseits eben die Chromreaetion die Zellen des Suprarenalkörpers von den ungefärbt gebliebenen sympathischen Ganglienzellen unterscheidet. So unleugbar es also nach dieser Reaction erscheint, dass die eigenartigen Zellen des Suprarenalkörpers ihrer Natur nach nicht identisch sind mit den sympathischen Ganglienzellen, ebensowenig lässt sich leugnen, dass sie mit Nervenzellen im Allgemeinen gewisse gemeinsame Familiencharaktere besitzen, wie solche trotz aller Besonderheiten die Ganglienzellen verschiedenster Herkunft, aus dem Gross- und Kleinhirn, der Medulla oblongata und spinalis, den spinalen und syinpathischen Ganglien, unter einander aufweisen. Stellt man die bündige Frage nach dem Wesen dieser Zellen, so muss ich bekennen, dass die bisherige Untersuchung mich nicht weiter geführt hat als bis zur Ueberzeugung, dass sie am ehesten den Nervenzellen anzureihen sind. Sie aber als solche zu präeisiren, ihr Verhältniss zu den typisch nervösen Gebilden zu ergründen, ihnen ihre gebührende Stellung innerhalb der grossen und mannigfaltigen Gruppe der zum Nervensystem gehörigen Zellen nach den hiefür maassgebenden Gesichtspunkten anzuweisen, muss weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben. Auf dem bisherigen Wege gelangt man nur zu dem Urtheile, dass die Zellen des Suprarenalkörpers von allen in Betracht kommen- den Gebilden den Nervenzellen am nächsten stehen, ohne dass man sie mit Sicherheit als solche anzusprechen wagte. Grössere Wahrscheimlichkeit gewinnt diese Annahme durch die Ent- wieklungsgeschichte, eine Wahrscheinlichkeit, die durch die vergleichende Anatomie und die vergleichende Entwicklungsgeschichte noch erheblich gesteigert wird. PRBETER®: a EEE Die Nebenniere der Selachier ete. 301 Balfour erbrachte den Nachweis, dass die Suprarenal- körper von den Ganglien des Sympathieus abstammen, die sieh im Laufe der Entwieklung in emen „gangliösen‘“ und einen „lrüsigen‘ Absehnitt (den Suprarenalkörper) scheiden. Van Wijhe bestätigte diese Trennung der Ganglienanlagen in einen „gangliösen“ und einen „nieht gangliösen“ Theil. Auch C. Rabl fand die Anlagen der sympathischen Ganglien „bei einem Embryo von Seyllium eanieula von 53mm Länge stellen- weise deutlich in zwei Abschnitte getheilt, einen vorderen, welcher deutliche Nervenfasern führt, und einen hinteren grösseren, der aus Zellen besteht, die eine gewisse Aehnlichkeit mit Epithel zellen besitzen“. Dass Balfour und Andere die Meinung aussprachen, dass diese Sympathicusderivate drüsiger Natur seien, fällt nicht allzuschwer ins Gewicht. Denn einmal konnte ich bereits früher feststellen, dass diese Annahme, wie die Untersuchung des ana- tomischen Baues lehrt, unhaltbar ist, und dann ist sie auch schon an und für sich in hohem Maasse unwahrscheinlich. Wie sollten diese von den Ganglienanlagen des Sympathicus stammenden Organe drüsig werden, da doch das Medullarepithel, nachdem es sich vom Eetoderm differenzirt hat, nur nervöse Derivate liefert. Wie sollten gerade diese allerspätesten Differenzirungs- producte Drüsenstructur gewinnen, nachdem alle die sich suc- cessive abspaltenden Zwischenproducte, wie spinale und sym- pathische Ganglien, sich zu typisch nervösen Organen entwickeln. So wie sich aus dem Medullarepithel nebst den nervösen Ele- menten der Centralorgane auch die Anlagen der Spinal- ganglien, aus diesen ausser den eigentlichen Spinalganglien auch noch die Anlagen der sympathischen Ganglien entwickeln, so scheinen sich schliesslich aus diesen ausser den eigentlichen sympathischen Ganglien auch noch jene Organe zu entwickeln, die man die Suprarenalkörper nennt und die als vorwiegendes Bauelement jene Zellen enthalten, die ich „chro- maffine Sympathicuszellen“ genannt habe. Eine ihrer kräftigsten Stützen gewinnt die von mir ver- tretene Ansicht durch die vergleichend-anatomische Unter- suchung. Auch bei den Amphibien findet man die zwei Arten von Zellen im Sympathicus verbreitet, neben den typischen Ganglienzellen jene eigenthümlichen, einzeln oder 302 Alfred Kohn: in „‚Nestern‘“ auftretenden Zellen, die Leydig entdeckt, Sig- mund Mayer eingehend untersucht und eine Zahl späterer Autoren [Löwenthal(20), Smirnow (32), besonders Gia- eomini (10)] beschrieben hat. Ebenso enthalten die sympa- thischen Ganglien der Reptilien, wieLeydig fand, Braun genauestens untersuchte und Hoffmann (12) bestätigte, jene zwei Arten von Zellen. Endlich kann ich diese Befunde, die ich für die aufgezählten Wirbelthierklassen vollkommen zu be- stätigen in der Lage bin, dahin ergänzen, dass sich nach meinen und Kose’s (18) Untersuchungen auch allenthalben in den synı- pathischen Ganglien der Vögel und der Säugethiere jene zwei differenten Zellformen finden, welche Thatsache das von einigen Autoren behauptete Vorkommen von „Markzellen“ der Nebenniere in den ihr benachbarten sympathischen Gang- lien [Dostoiewsky (6), Stilling (34, H. Rabl (28), Pfaundler (26)] in befriedigender Weise erklärt. Diese zweite Art der in den sympathischen Ganglien ver- breiteten Zellen erweist sich als homolog für alle Wirbelthier- klassen durch Gleichartigkeit des Ursprungs, des Vorkommens, der Anordnung, des Habitus und eimiger eigenartiger Reaetio- nen, von denen die auffallendste und eigentlich längstbekannte [Henle (11)] die Bräunung in Kaliumbichromatlösung ist. Dieser merkwürdigen Reaetion wegen habe ich diese Zellen, da uns zunächst bessere, ihr Wesen treffende Charakteristika noch fehlen, „chromaffine Sympathicuszellen‘“ genannt. Sie finden sich in den sympathischen Ganglien und Nerven allgemein, wenn auch oft nur in geringer Menge, ver- breitet und gelangen mit diesen auch in das Innere der von sympathischen Nerven versorgten Organe, ins- besondere auch in die Nebenniere. Was man bisher „Mark- zellen“ der Nebennieren von Säugern, Vögeln, Reptilien und Amphibien, was man „braune Zellen“ (Braun) bei Reptilien, „Zellennester“ oder „Kernnester“ (Sigmund Mayer) bei Amphibien nannte, ist identisch mit „chromaffinen Sym- pathieuszellen“, also auch mit den Elementen der Supra- renalkörper. Die Entwieklungsgeschichte hat auch für die chromaffinen Sympathienszellen der übrigen Wirbelthiere, wenn auch nieht in der allgemeinen Formulirung, die ich ihr zu geben mir erlaube, nu re ee Die Nebenniere der Selachier ete. 303 den Nachweis ihrer Abstammung vom Sympathieus erbracht. In- dem sie nämlich lehrt, dass die Marksubstanz der Neben- niere der Säugethiere [Kölliker (16), Mitsukuri (24), Fusari (9a), der Vögel (Fusari, H. Rab), der Reptilien (Braun, Weldon, Hoffmann) vom Sympathieus stammt, hat sie indireet den Beweis geliefert, dass die „ehromaffinen Zellen“ aus dem Sympathicus ihren Ursprung nehmen; denn die Bezeiehnuug ‚„Marksubstanz der Nebenniere‘ ist eben nur ein unpassender Ausdruck für eine locale Ansammlung der sonst im ganzen Sympathieus verbreiteten ehromaffinen Zellen. Berücksiehtigt man nun alle früher erwähnten Umstände, welehe für die nervöse Natur der Zellen der Suprarenalkörper zu sprechen scheinen, ferner, dass die Entwieklungsgeschichte auch für sie den genetischen Zusammenhang mit dem Sympathieus, mit dessen Ganglien sie zeitlebens im Zusammenhange bleiben, erwiesen hat, dass im Sympathieus aller Wirbelthierklassen zwei Arten von Zellen vorkommen, von denen die eine insbesondere durch ihre Färbbarkeit in Kalinmbiehromatlösung ausgezeichnet ist und auch diese Eigenschaft den Zellen der Suprarenalkörper in gleicher Weise zukommt, so wird man mir die Berechtigung kaum ab- sprechen, diese als die chromaffinen Sympathieuszellen der Hai- fische aufzufassen. Nun könnte man allerdings folgenden Einwand erheben. Da — mit der Nebenniere der Säugethiere verglichen — that- sächlich der Interrenalkörper der Rindensubstanz ent- spricht und die Suprarenalkörper sich aus den gleichen Ele- menten zusammensetzen wie die Marksubstanz, so wären also doch diejenigen im Rechte, welche die Suprarenalkörper als die Marksubstanz der Selachiernebenniere auffassen und demzufolge den Interrenalkörper sammt den Suprarenalkörpern als die Neben- niere der Selachier bezeiehnen. Dieser Deutung kann ich durch- aus nicht beistimmen. Die mitgetheilten Befunde lassen es doch in keiner Weise geboten erscheinen, diese zwei local, genetisch, morphologisch und jedenfalls auch physiologisch vollkommen von einander getrennten Gebilde in eine organische Einheit zusammen- zufassen. Auch bei den Amphibien ändert der Umstand, dass sympathische Nerven mit ihren zwei Zellformen, den Ganglien- und den chromaffinen Zellen in die Nebenniere eindringen, eben- sowenig an dem epithelialen Charakter des Organs, als der 304 Alfred Kohn: einer Drüse dureh eingelagerte Nerven mit Ganglienzellen ver- ändert wird. Im Prinzipe dasselbe Verhalten treffen wir in immer zunehmendem Maasse bei Reptilien, Vögeln und Säuge- thieren. Bei den letzteren wird ein mächtiger nervöser Plexus mit einer bedeutenden Masse chromaffiner Sympathieuszellen von der epithelialen „Rinde“ ganz oder theilweise umschlossen. Aber deshalb werden die chromaffınen Zellen ebensowenig zu „Mark- zellen“, d. h. zu specifischen Organbestandtheilen der Neben- niere als es die übrigen Elemente des Sympathicus, die Nerven- fasern und Nervenzellen, hierdurch ‚geworden sind. Als ein besonderes, in der ganzen Reihe der Wirbelthiere vorhandenes Organ wird die Nebenniere bloss durch ihren epi- thelialen Antheil charakterisirt. Die Nervenfasern, Nerven- zellen und chromaffinen Zellen finden sich in der Nebenniere höherer Wirbelthiere umschlossen von dem eigentlichen (epithe- lialen) Organ, ebenso wie in vielen anderen Organen. Von den Nervenfasern und den Nervenzellen wird man dies gewiss zu- geben. Bezüglich der chromaffinen Sympathieuszellen steht aber die Sache genau ebenso, und nur der Umstand, dass sie bei den Säugern ihrem wahren Wesen nach unerkannt geblieben waren, verschuldete die falsche Auffassung. Sie sind ein eonstanter Be- standtheil des Sympathieus, wie bei den niederen Wirbelthieren so auch bei den Säugethieren und finden sich bei letzteren, zwar nicht in grosser Menge, aber immerhin leicht nachweisbar, in dden sympathischen Ganglien der Bauch-, Brust- und Halsregion. Der Umstand, dass sie auch in der Nebenniere höherer Wirbelthiere vorkommen, ist durchaus kein Grund, sie als speceifiseche Bestandtheile derselben anzusehen und als solehe selbst dann zu reclamiren, wenn sie, wie bei den Se- lachiern, gar nicht in Beziehung zur Nebenniere treten. Man könnte sonst mit ebensoviel Recht auch die Gang- lien des Grenzstranges als Nebennierentheile bezeichnen. Sie sind weder „die Nebenniere* noch die specifische „Marksub- stanz‘‘ derselben, sondern sie sind — und beurkunden sich gerade bei den Selachiern in einfachster und überzeugendster Weise als solehen — ein integrirender Bestandtheil des Sympa- thieus. Man ging früher immer von der Vergleichung mit den Ver- hältnissen bei den Säugethieren aus und maass die Berechtigung, I e \Opor VE RN Die Nebenniere der Selachier etc. 305 ein Organ als Nebenniere aufzufassen, an der Zahl und Werthig- keit der Vergleichsmomente, die es mit der der Säugethiere ge- meinsam hatte. Da aber über die letztere bezüglich der Natur ihrer Elemente wenig Positives vorlag, hatten alle diese Ver- gleiche einen problematischen Werth. Nun ist der einfache Bau der Nebenniere der Selachier bekannt, und seine Ver- gleichung mit dem entsprechenden Organe der höheren Wirbel- thiere lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diesem epithelialen Körper an und für sich der Rang eines selb- ständigen Organes zuzuerkennen ist. Bei den Säugethieren findet sich in ausserordentlicher Weise eine Complication des Organes ausgebildet, die schon bei den Amphibien beginnt und in der aufsteigenden Reihe der Wirbelthiere immer zunimmt: die Betheiligung sympa- thischer Elemente. Insbesondere ist es ein relativ wenig bekannter, bei Säugethieren bisher ganz unbekannt gewesener Bestandtheil des Sympathieus, der seeundär in den Aufbau der Nebenniere mit einbezogen wird — die chromaffinen Sympathicuszellen. Diese eigenartigen, ihrem Wesen und ihrer Bedeutung nach noch unaufgeklärten, Zellgebilde sind es, die das specifische Gewebselement der Suprarenalkörper der Se- lachier darstellen. Die Suprarenalkörper aber deshalb als Neben- niere oder Nebennierentheile aufzufassen, sehe ich, wie ich noch- mals wiederhole, nicht den geringsten Grund ein. Sie sind De- rivate des Sympathicus und stehen den nervösen Organen auch nach ihrer definitiven Ausbildung morphologisch und vielleicht auch physiologisch nahe. Als die natürliche Auffassung der vorliegenden Verhältnisse erscheint mir daher die, dass die Suprarenalkörper dem sym- pathischenSystem zugetheilt und nicht mit der Neben- niere in Beziehung gebracht werden; die Nebenniere der höheren Wirbelthiere aber als ein epitheliales, dem Interrenal- körper gleichwerthiges Organ anzusehen sei, an dessen Aufbau sich in der aufsteigenden Reihe der Wirbelthiere in zunehmender Menge sympathische Elemente, besonders die chromaf- finen Zellen, die im Sympathieus aller Wirbelthierklassen als ein constanter Bestandtheil vorkommen, mitbetheiligen. Im Sinne dieser Ausführungen wäre man versucht, die chrom- affınen Zellen nach Genese und Natur als eine besondere A b- 306 Alfred Kohn: art der Nervenzellen anzusehen, wie sich ja auch früher schon einige Autoren für den nervösen Charakter der (mit ihnen identischen) sog. „Markzellen der Nebennieren“ ausgesprochen haben. [Leydig, Braun, Fusari (9), H. Rabl, Semon]. Diese Ansicht steht im Widerspruche mit der von Swale Vincent (37b), dass kein Theil der Suprarenalkörper nach Bau und Ursprung nervös sei, und sie widerstreitet ebenso auch der Anschauung jener, die zwar den nervösen Ursprung der ehromaffinen Zellen zugeben, aber aus dieser nervösen Än- lage ein drüsiges Organ hervorgehen lassen. (Balfour, van Wijhe). Daher kann ich auch die Richtigkeit der von Jano- Sik, Valenti, Minot vertretenen Meinung nicht zugeben, dass Rinde und Mark aus Gewebselementen gleicher Art bestehen sollen und muss auch Huot (13) widersprechen, der zwischen dem Sympathicus und den Suprarenalkörpern nur eine äusserliche Contiguität bestehen lässt. Andererseits möchte ich mich aber auch jenen nicht an- schliessen, welche die chromaffinen Zellen („Markzellen*, „braune Zellen“) als in einem embryonalen Zustande verharrende Sympathieuszellen ansehen (H. Rabl) oder durch allmähliche Uebergangsformen mit den sympathischen Nervenzellen verknüpft glauben (Braun, Pfaundler, H. Rab)). Vielmehr bin ich der Ansicht, dass sich aus den noch un- vollständig differenzirten Sympathieusanlagen zwei verschieden- artige Zellformen — die typische Nervenzelle und die chromaffine Zelle — entwickeln dürften, die nach ihrer definitiven Ausbildung selbständige Zellenspecies darstellen, die keineswegs mehr ineinander übergehen. Jene Zellen, welche als Uebergangs- formen aufgefasst wurden, wären dann nur besonders günstige Repräsentanten der verwandschaftlichen Aehnlichkeit, die zwischen allen Mitgliedern der Familie der Nervenzelle — von der Gross- hirn- bis zur chromaffinen Zelle — besteht. Von einigen Autoren, zumeist von jenen, welche den ner- vösen Charakter der Suprarenalkörper bestreiten, wird ein anderes Moment in den Vordergrund gerückt: die innige Beziehung zwi- schen Suprarenalkörpern und Blutgefässen. (Swale Vin- cent, Chevrel, Pettit.) Ich glaube kaum, dem Umstande, dass die Suprarenalkörper so regelmässig an einem Blutgefässe liegen, mehr Gewicht beimessen zu dürfen, als der allgemeinen, Die Nebenniere der Selachier etc. 307 innigen Lagebeziehung zwischen sympathischem Nerven- und Blutgefässsystem. Noch ein Wort über die Bezeichnung der Suprarenal- körper. Der Name „Suprarenalkörper“ ist zu verwerfen, da er synonym ist mit „Nebenniere“, mit welcher diese Organe nichts zu thun haben. Er führt übrigens in allen anderen Sprachen als der deutschen leicht zu Missverständnissen. Daher mögen „chrom- affıne Körper“ bez. „chromaffine Zellen“ vorläufig als Ersatz- namen dienen. Vielleicht sind die sog. „Suprarenalkörper“ ei- gentlich nichts anderes als sympathische Ganglien, von deren Elementen ein grosser Theil der zweiten Zellform, den chromaffinen Zellen, angehört. Aehnlich sind ja auch die Verhältnisse im manchen Ganglien des Sympathicus der höheren Wirbelthiere. So ist z. B. die Menge der chromaffinen Zellen in den grossen, sympathischen Ganglien des Plexus coeliacus der Säugethiere eine ganz ansehnliche. Zum Schlusse will ich nur die prineipiellen Ergebnisse meiner Untersuchung kurz zusammenfassen. Die Nebenniere der Selachier ist ein unpaa- riges, zwischen den caudalen Abschnitten der beiden Nieren, an deren Dorsalfläche, gelegenes Organ. Sie ist en epithe- liales Gebilde und besteht aus verzweigten Zellsträn- gen, zwischen denen dünnwandige Blutgefässe verlaufen. In den Epithelzellen sind reichliche Fetttröpfehen eingelagert, denen das Organ seine gelbliche Farbe verdankt. Die Neben- niere der Selachier führt den Namen „Interrenalkörper“ und mag ihn auch beibehalten, wiewohl sonst allgemein „supra- renal* für die Bezeichnung der Nebenniere gebräuchlich ist. Für die sog. „Suprarenalkörper“ ist diese Benen- nung aufzugeben, denn sie haben mit der Nebenniere nichts gemein. Sie stellen vielmehr Abschnitte der sympathischen Ganglien dar und enthalten ausser den spärlich vorhandenen typischen Elementen eines solchen in über- wiegender Menge chromaffine Zellen. Die Nebenniere der Wirbelthiere ist im Prineipe ein epitheliales, aus verzweigten Zellbalken aufgebautes Organ. Von den Amphibien angefangen zu den Säugethieren aufsteigend, findet sich in zunehmender Menge Sympathieus- gewebe mit allen seinenElementen, unter denen aber 308 Alfred Kohn: die ehromaffinen Zellen unverhältnissmässig überwiegen, innerhalb des Organes. zu als der in Anatomisch, nach ihrem Bauplane, gehören die Nebennieren jenen aus verzweigten Epithelsträngen gebildeten Organen, deren typische Repräsentanten die „Epithelkörper“ in Nachbarschaft der Schilddrüse hingestellt werden dürfen und deren Gruppe auch die Hypophysis einzureiien wäre. Sie stehen den eigentlichen Drüsen nur noch durch ihren epi- thelialen Bau nahe, da sie typischer Drüsenformationen und epithelialer Ausführungsgänge entbehren. Letzteres negative Merk- mal bringt sie den „glandulae elausae,“ den „Drüsen ohne Aus- führungsgang“ (der Schilddrüse) relativ am nächsten. 1; 12a. 6. en Literatur-Verzeichniss. Balfour, F. M,, A Monograph on the Development of Elasmo- branch Fishes. London 1878. Derselbe, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Ueber- setzt von Vetter. Jena 1881. — Ueber die Entwicklung und Mor- phologie der Suprarenalkörper (Nebenniere). „Biolog. Centralblatt“ Bd. 1. 1881. Braun, M., Bau und Entwicklung der Nebennieren bei Reptilien. Arbeiten aus d. zoolog.-zootom. Instit. in Würzburg. Bd. 5. 1880. Brunn, A. v., Ein Beitrag zur Kenntniss des feineren Baues u. d. Entwicklungsgeschichte der Nebenniere. Archiv f. mikr. Anat, Bd. 8. 1872. Chevrel, Sur l’anatomie du syst@me nerveux grand sympathique des Elasmobranches et des Poissons osseux. These de Paris 1889, et Archives de Zool. exper. 2€ serie, t. V bis, suppl. 1889 (eit. nach Pettit). Diamare, V., Ricerche intorno all’ organo interrenale degli Elas- mobranchi ed ai eorpusculi di Stannius dei Teleostei, contributo alla morfologia delle capsule surrenali. Mem. matem.-fis. della soe. ital. della scienze. Serie III. T. X. Roma 1896 (eit. nach Swale Vincent). Dostoiewsky, A., Ein Beitrag zur mikrosk. Anatomie der Neben- niere bei Säugethieren. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 27. 1886. Eberth, ©. J., Die Nebennieren. In: Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere. Von S. Stricker. Leipzig 1872. 8. 58 10. 13. 14. 192. 19b. LIE. Die Nebenniere der Selachier etc. 309 Ecker, A., Der feinere Bau der Nebennieren beim Menschen und den vier Wirbelthierklassen. Braunschweig 1846. Fusari, R., De la terminaison des fibres nerveuses dans les cap- sules surrenales des mammiferes. Archiv. ital. d. Biologie. T. XVI. 1891. . Derselbe, Contribution A l’&tude du developpement des capsules surrenales et du sympathique chez le poulet et chez les mammi- feres. Archiv. ital. de Biologie T. XVII. (Auch in: Archivio per le scienze mediche Vol. XVI. N. 14.) 1892. Giacomini, E.,, Sopra la fine struttura delle capsule surrenali degli anfibi. Comunicazioni seientifiche della R. Accademia dei Fisioeritiei di Siena. 1898. . Henle, J., Ueber das Gewebe der Nebenniere und der Hypo- physe. Zeitschr. f. rat. Med. 3. R. Bd. 24. Hoffmann, C.K., Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenital- organe bei den Reptilien. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 48. 1889. Huot, E., Sur les capsules surr@nales, les reins, le tissu Ilymphoide des Poissons lophobranches. Comptes rend. hebd. d. s. de l’acad. d. se. I, CRXXIV:n.,25. Paris'1897. JanosSik, J., Bemerkungen über die Entwicklung der Nebenniere. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 22. 1883. Inaba, Masamaro, Notes on the Development of the Suprarenal Bodies in the Mouse. Journ. of the College of Science, Imperial University, Japon, Vol. IV. P. I. 1891. Kölliker, A. v., Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. Kohn, A., Ueber die Nebenniere. Prag. med. Wochenschr. Jahrg. RRIMEN IN. 1898 Kose, W., Ueber das Vorkommen „chromaffiner Zellen“ im Sym- pathicus des Menschen u. d. Säugethiere. Sitzungsber. des deut- schen naturwiss.-med. Vereines f. Böhmen „Lotos“ in Prag. Jahrg. 1898. ‚Nr. 6. Leydig,F., Anatomie u. Histologie d. Chimaera monstr. Müller’s Archiv 1851. Derselbe, Beiträge zur mikrosk. Anatomie und Entwicklungs- geschichte der Rochen und Haie. Leipzig 1852. Derselbe, Untersuchungen über Fische u. Reptilien. Berlin 1853. Derselbe, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt 1857. Loewenthal, N., Ueber eigenthümliche Zellengebilde im Sympa- thicus des Frosches. Internat. Monatsschr. f. Anatomie u. Physio- .logie. Bd. XI. 189. . Mayer, Sigmund, Das sympathische Nervensystem. In: Handb. d. Lehre von den Geweben des Menschen u. d. Thiere. Von S. Stricker. Leipzig 1872. Derselbe, Beobachtungen und Reflexionen üb. d. Bau u. die Ver- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 90* 310 22. 23. 24. 25; 26. 27T. 28. Alfred Kohn: richtungen des sympath. Nervensystems. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 66. III. Abth. 1872. Derselbe, Die periph. Nervenzelle u. d. sympath. Nervensystem. Arch. f. Psychiatrie u. Nervenkrankhniten Bd. VI. 1876. Mihälcovies, G. v., Untersuchungen üb. d. Entwicklung d. Harn- u. Geschlechtsapparates der Amnioten. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. Bd. II. 1885. Minot, Ch. S., Lehrbuch d. Entwicklungsgeschichte d. Menschen. Uebers. von Kästner. Leipzig 189. Mitsukuri, K., On the Development of the Suprarenal Bodies in Mammalia. Quart. Journ. of Mieroscop. Science Vol. XXI. 1882. Pettit, A., Recherches sur les capsules surr&nales. Journal de de l’anat. et de la physiol. norm. et path. A. XXXII. 18%. Pfaundler, M., Zur Anatomie der Nebenniere. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 101. Abth. III. 1892. Rabl, C., Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems der Sela- chier. Morphol. Jahrb. Bd. 24. 1896. Rabil, H., Die Entwicklung u. Structur der Nebenniere bei den Vögeln. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 38. 1891. 29. Retzius, Obs. in anatomiam cehondropterygiorum. Lund. 1819 (eit. 30. 3. 39. 37a. 3Tb. ITe. nach Ecker). Semon, R., Studien üb. d. Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbelthiere. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. 26. 1892. Semper, C., Das Urogenitalsystem der Plagiostomen u. seine Be- deutung für das der übrigen Wirbelthiere. Arbeiten aus d. zool.- zoot. Inst. in Würzburg. Bd. 2. 1875. Smirnow, A., Die Structur der Nervenzellen im Sympathicus der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 355. 1890. Stannius, H., Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. (2. Theil des Lehrb. d. vergl. Anat. von Siebold u. Stannius.) Berlin 1846. Stilling, H., A propos de quelques experiences nouvelles sur la maladie d’Addison. Revue de Medeecine. a. Xe. 1890. . Valenti, G., Sullo sviluppo delle capsule surrenali nel pollo ed in aleuni mammiferi. Atti della Soe. Toscana di Sceienze naturali. Vol. X. 1889 (eit. nach Fusari). . Valentin, Ueber d. centrale Nervensystem u. die Nebenherzen der Chimaera monstr. Müller’s Archiv 1842. Vincent, Swale, The Suprarenal Gland. Brit. med. Journ. Vol. 11.”1898. Derselbe, On the Suprarenal Capsules and the Lymphoid Tis- sue of Teleostean Fishes. Anat. Anz. Bd. XIV. 1897. Derselbe, On the Morphology and Physiology of the Suprarenal Capsules in Fishes. Anat. Anz. Bd. XII. 1897. Derselbe, Addison’s Disease and the Function of the Supra- renal Capsules. Birmingham Medical Review, April, 1898. 38. 39. Die Nebeuniere der Selachier ete. anal Weldon, W.F.R., On the Suprarenal Bodies of Vertebrata. Quart. Journ. of Microse. Se. Vol. XXV. 1885. van Wijhe, J. W., Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ur d. Entwicklung d. Excretionssystems bei Selachiern. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33. 1889. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Sämmtliche Zeichnungen sind mit Hülfe des Zeichenapparates angefertigt. Fig. Fig. Fig. 1 5. Querschnitt durch den (walzenförmigen) Interrenalkörper von Mustelus laevis (Müller’s Fl.—Formol; Cochenillefärbung). Vergr. 120. Die epithelialen Zellbalken schmal; die Blutgefässe meist leer, ihre Wandung collabirt, nur in einzelnen sind Blut- körperchen (bk) vorhanden. k = Kapsel. Mittlere Partie aus einem Querschnitte durch den Interrenal- körper von Torpedo marm. (Sublimat—Kochsalzlösung, Fär- bung nach van Gieson). Vergr. ca. 200. Der Körper war bedeutend dicker als jener, dessen Durchschnitt in Fig. 1 dar- gestellt ist. Die epithelialen Zellbalken (zd) meist breiter als in der vorigen Fig.; Blutgefässe (bg) weit, nur von Endothel ausgekleidet, mit Blutkörperchen. Querschnitt durch einen Suprarenalkörper von Torpedo marm. (Sublimat—Kochsalzlösung, Cochenillefärbung). Vergr. ca. 90. An dem einen Ende sympathische Ganglienzellen (g), nicht scharf abgegrenzt gegen den eigentlichen Suprarenal- körper (sk), von dessen Zellen bei dieser Behandlung und Vergrösserung fast nur die Kerne deutlich hervortreten. bg = Blutgefäss; k = Kapsel. Hälfte eines Querschnittes durch einen Suprarenalkörper von Myliobatis noct. (Sublimat—Alcohol, Cochenillefärbung). Vergr ca.250. An der Peripherie (rechts) sympathische Gang- lienzellen (g) gehäuft, von denen einige zweikernig sind. Gegen die Mitte hin treten allmählich immer mehr die speci- fischen Zellen des Suprarenalkörpers (SZ) [= chromaffine Zellen] in den Vordergrund. Die Behandlung war der Dar- stellung dieser Zellen nieht günstig; namentlich an den klei- neren ist wenig vom Zellleibe zu sehen. Aus einem Querschnitt durch den an der Axillararterie gele- genen Suprarenalkörper von Torpedo marm. (Flemming- sche Lösung). Vergr. ca. 250. In diesem Falle war das sym- pathische Ganglion (ggl) scharf abgegrenzt gegen den Supra- renalkörper (spk). Die Ganglienzellen (g) meist zweikernig, 312 Alfred Kohn: Die Nebenniere der Selachier etc. mit kernhaltiger Hülle. Die Zellen des Suprarenalkörpers (sz) [=chromaffine Zellen] regellos in faserigem Zwischengewebe eingebettet, von verschiedener Form und Grösse. Querschnitt durch den Interrenalkörper (?k) und einen Suprarenalkörper (sk) von Mpyliobatis noct. (Sublimat— Alcohol, Cochenillefärbung). Vergr. ca. 90. Schon bei so schwacher Vergrösserung tritt der verschiedene Bautypus des epithelialen Interrenal- und des ganglionären Suprarenal- körpers deutlich hervor. Suprarenalkörper und sympathisches Ganglion sind hier wieder zu einem Körper vereinigt. Die peripheren Zellen sind typische Ganglienzellen (g), die cen- tralen chromaifine. Querschnitt durch einen Suprarenalkörper von Torpedo oc. (Müller’sche Flüssigkeit—Cochenillefärbung). Vergr. ca. 90. Der Körper umgreift ein Blutgefäss (Dg). Die Ganglienzellen (g) in kleinen Gruppen an der Peripherie, deutlich abgegrenzt gegen den eigentlichen Suprarenalkörper, dessen chromaffine Zellen (chr z) in ihrer specifischen Reactionsfarbe hervortreten. n — Nierenkanälchen. Die Hälfte eines dem in Fig. 7 dargestellten ähnlichen Quer- schnittes durch einen Suprarenalkörper von Torpedo oc. (Müller’sche Flüssigkeit—Cochenillefärbung). Vergr. ca. 160. Die Ganglienzellen (g), gesondert vom eigentlichen Suprarenal- körper, meist zweikernig, der Zellleib geschrumpft. Vereinzelte Ganglienzellen (gz) innerhalb des Körpers; die chromaffinen Zellen (chr z) in charakteristischer Färbung; bg = Blutgefäss; n —= Nerv; nk = Nierenkanälchen. Partie aus einem Querschnitt durch einen Suprarenalkör- per von Torpedo oc. (Müller’sche Flüssigkeit—Cochenille- färbung). Vergr. ca. 500. Vereinzelte Ganglienzellen (g) in- mitten der chromaffinen Zellen (chr z); letztere von verschie- dener Form und Grösse, mit deutlichen Fortsätzen (f). Die feinen Ausläufer sind auf die durch Kaliumbichromat be- dingte Schrumpfung zurückzuführen. 313 Ueber die Secretionserscheinungen der Gift- drüse der Kreuzotter. Von W. Lindemann, Privat-Docent der Allg. Pathologie an der k. Universität Moskau. Hierzu Tafel XVI. Die Giftdrüsen der Schlangen sind, wie es im Speciellen die eingehenden Untersuchungen von Reichel!) erwiesen haben, den Oberlippendrüsen der anderen Ophidier und also den Mundhöhlendrüsen der Säugethiere homolog. Da aber durch eine eigenartige Veränderung der Function aus einer ein Verdauungs- secret liefernden Drüse, dieselbe zu einem Organ geworden ist, welches eine ganz anders zusammengesetzte Flüssigkeit secernirt, wodurch auch in der Struetur manche nicht unbeträchtliche Ab- weichungen entstanden sind, so ist vor der Hand nicht zu er- sehen, ob die Agentien, welche auf die normal ausgebildete Speieheldrüse einflussreich sind, auch bei den Giftdrüsen dieselbe Wirkung ausüben werden. Wir wissen, dass, obgleich Atropin und Pilocarpin ganz all- gemein als Drüsengifte anzusehen sind, ihre Wirkung, je nach der Art der Drüse, sehr verschieden ist, so dass zum Beispiel bei der Milehdrüse nur die Zusammensetzung des Secrets, aber nicht dessen Quantität beeinflusst wird, während bei der Leber und der Schilddrüse nur die mikroskopischen Zellveränderungen in Betracht kommen, die dabei so minutiös sind, dass die meisten Forscher sie selbst gänzlich in Abrede stellen ?). Ich selbst 1) Reichel, Beitrag zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Morphol. Jahrb. Bd. VIII. 1882. 2) Vgl. Cornevin, Comptes rendues CXVI, 263. 3) Vgl. dieAngaben von Afanassieff(Pflüger’s Arch.Bd. XXX) und Ellenberger und Baum (Arch. f. wiss. Thierheilk. Bd. XII), sowie die Arbeiten von Schmidt (Arch. f. mikr. Anat. Bd 37) und Andersson (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 35). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 21 314 W. Lindemann: konnte in den Lebern der mit Atropin und Pilocarpin vergifteten Schlangen auch keine Veränderungen finden. Deswegen schien es mir nicht ohne Interesse zu sein, diese Frage einer experimentellen Prüfung zu unterwerfen, wofür ich während meines Aufenthaltes in Königsberg, wo die Kreuzotter sehr gemein ist, die beste Gelegenheit hatte. In der diesbezüglichen Literatur, die überhaupt nicht eine sehr reiche zu nennen ist, habe ich nur eine einzige Angabe von Reichel gefunden, die wie folgt lautet: „— injieirte ich einer Kreuzotter im Verlauf einer Stunde ca. 0,03 Pilocarpin unter die Haut, tödtete das Thier 20 Minuten nach der letzten Einspritzung, präparirte die Drüsen (gl. sublin- gualis) sofort heraus und untersuchte sie sodann auf gleiche Weise, wie die Drüsen einer ungereizten Kreuzotter. „Die in Alcohol gehärteten Drüsen wurden mit Pierokarmin gefärbt und in feine Schnitte zerlegt; letztere wurden in Glycerin eingelegt. Es zeigte sich Folgendes: An den Lippendrüsen war die Zahl der hohen glashellen Cylinderzellen vermindert, die dunkelen, stark granulirten niedrigen Zellen in weit grösserer Ausdehnung vorhanden, als bei der ungereizten Drüse. An den Unterzungendrüsen erblickte ich fast ausschliesslich ein niedriges dunkles Cylinderepithel, die Zellgrenzen waren nur schwach sichtbar; der an der ruhenden Zelle dicht an die Basis gerückte kleine Kern war bedeutend vergrössert, mehr nach der Mitte der Zelle gerückt und schien nur eine runde Form angenommen zu haben. Es zeigten sich also dieselben Veränderungen, wie sie von den Säugethieren bekannt sind.“ Die Giftdrüse ist also speciell gar nicht erwähnt, wahr- scheinlich war sie wenig verändert. Reichel giebt leider nicht an, wie gross die Dosis bei einer jeden Einspritzung war; da er aber an einer anderen Stelle die Angabe Leydig's bestreitet, dass die Epithelkerne der funetionirenden Drüse nach der freien Oberfläche rücken, so ist es anzunehmen, dass diese einzelnen Gaben sehr klein waren. Solche Gaben erzeugen aber, wie es z. B. vonHeidenhain!) an den Speicheldrüsen der Säugethiere festgestellt ist, zwar eine Secretentleerung, aber keine ebenso schnelle Wiederherstellung 1) Herrmann’s Handbuch der Physiologie Bd. V. Ueber die Secretionserscheinungen der Giftdrüse der Kreuzotter. 315 des entleerten Secrets, so dass die Drüsen wie nach einer pro- longirten Chordareizung aussehen, das heisst, ihre Zellen er- scheinen verkleinert und protoplasmareich. Derartige Verände- rungen hat also auch Reichel an der Unterzungendrüse bei seinem Versuch gefunden. Ein anderes Verhalten zeigen die Drüsen bei sehr grossen Pilocarpingaben. Sie werden dann erst zu einer sehr starken Seeretion angeregt, nachher aber wird die Ausscheidung sehr bald paralysirt, so dass das Protoplasma der Zellen mit Seeret- körnern gefüllt bleibt. Es ist daraus ersichtlich, dass zum Studium der Seeretionserscheinungen derartige toxische Dosen am meisten geeignet sind. Was die von mir gewählte Versuchsanordnung anbetrifft, so war sie die folgende. Die frisch eingefangenen munteren Thiere wurden mittelst einer Zange am Schwanze gefasst, mit dem Kopfe nach unten gehalten und in einen engen Glaseylinder hineingelassen, wo sie sich nicht umdrehen konnten. Dann wurde ein Tuch umgeschlagen, das Thier mit dem Cylinder durch dasselbe festgehalten und eine Injection unter die Rückenhaut vorgenommen. Die Nadel muss sehr weit unter die Haut einge- stochen werden, weil sonst, wegen der geringen Elasticität der- selben, die Hauptmasse der injieirten Flüssigkeit wieder ausfliesst. Auf diese Weise wurden je drei Schlangen mit Atropin und mit Pilocarpin vergiftet. Das Atropin hat in ziemlich grossen Dosen (bis 0,05) nur eine geringe Giftwirkung — die Thiere werden etwas aufgeregt, beissen wüthend um sich, aber weder in dem Zustande der Pu- pillen noch in den Bewegungen des Leibes ist was Abnormes zu bemerken. Nur eins der drei Thiere, bei welchem ich successive bis 0,1 Atropini sulfuriei injieirt habe, ist an der Vergiftung in 5!/, Stunden gestorben. Etwa eine Stunde vor dem Tode wurde es weniger munter, die Bewegungen wurden immer schwächer und unbeholfener, bis zum Schlusse eine vollständige Paralyse eingetreten ist. Krämpfe, die nach Atropin bei Fröschen auf- treten !), habe ich bei Schlangen nicht gesehen. Die mit kleineren Dosen vergifteten Thiere zeigten ausser einer gewissen Steige- rung der Erregbarkeit nichts Abnormes und wurden nach fünf Stunden durch Decapitation getödtet. 1) Vgl. Kobert, Lehrbuch d. Intoxicationen 1893. S. 609, 316 W. Lindemann: Das Pilocarpin ist dagegen für die Kreuzotter ein ziemlich heftiges Gift, so dass es nicht leicht verständlich ist, wie Reichel bei der Injeetion von 0,03 keine Vergiftungserscheinungen be- kommen hat. Wenn ich dieselbe Dosis von Pilocarpinum hydro- chlorieum (Merck) auf einmal injieirte, so war im Verlauf von 20 Minuten eine gesteigerte Secretion des Speichels zu bemerken, so dass überall, wo das Thier mit der Schnauze die Wand des Behälters berührt hatte, feuchte Spuren geblieben sind. Bald darauf traten Zuckungen in den Rumpfmuskeln auf, denen sich bald ein convulsives Rachenaufsperren und Hervorschieben des Penis hinzugesellte. Nach 40 Minuten fand der erste Anfall von tetanischen Krämpfen statt, der sich als ein korkenziehenförmiges Zusammenrollen des Leibes darbot. Diese Anfälle dauerten ca. drei Stunden mit kleinen freien Zwischenräumen und während dieser Zeit wurde auch die Speichelseeretion immer stärker. Nach drei Stunden fingen die Anfälle an schwächer zu werden und das Thier wurde durch Decapitation getödtet. Ein anderes Thier wurde mit absolut tödtlicher Dosis Pilo- carpin vergiftet (0,06) und ist in 2 Stunden eingegangen. Die Erscheinungen waren ungefähr dieselben, nur ist die Wirkung etwas früher eingetreten. Eine dritte Kreuzotter bekam nur 0,005 und wurde nach 3 Stunden getödtet. Von den Vergiftungserscheinungen ist nur Speichelfluss eingetreten. Ausserdem wurden 2 Ringelnattern mit Atropin und Pilo- cargin vergiftet. Das Atropin wirkt auf die Ringelnatter viel stärker, so dass 0,03 schon eine tödtliche Dosis ist. Die Köpfe aller vergifteten Schlangen und zwei normaler Kreuzottern, von denen eine kurz vorher eine Maus durch ihre Bisse getödtet hatte (das Thier wurde im Ganzen 5 Mal gebissen), wurden enthäutet und 6 Stunden lang in Sublimat fixirt, gründ- lich durchgewaschen und in Alkohol aufgehoben. Die aus dem fixirten Präparat entnommenen Drüsen wurden in Celloidin ein- gebettet und mit dem Jung schen Mikrotom geschnitten. Die Schnitte wurden nach van Giesson gefärbt. Um die Veränderungen des secernirenden Parenchyms durch die Giftwirkung beurtheilen zu können, ist es nothwendig, erst das Verhalten des normalen Organs zu besprechen. Die Giftdrüse der Kreuzotter (Pelias berus) wurde zuerst Ueber die Secretionserscheinungen der Giftdrüse der Kreuzotter. 317 von Meyer!) und vonLeydig?) eingehend in ihrer feineren Struktur untersucht. Meyer giebt an, dass das giftabsondernde Parenchym aus glashellen, nebeneinander liegenden zelligen Ele- menten besteht, welehe den Drüsenraum völlig erfüllen. Diese irrige Angabe, welche wahrscheinlich durch Untersuchung nicht fixirter Drüsen entstanden ist, wurde schon von Leydig be- richtigt, dessen Beobachtungen bis jetzt das Wichtigste aus- machen, was wir von diesen Drüsen wissen und im Grossen und Ganzen auch durch spätere Untersuchungen von Reichel und Niemann’) bestätigt worden sind. Wie aus den leider an sehr ungeeignet conservirtem Materiale angestellten Untersuchungen des letzteren zu sehen ist, ist die Struktur der Giftdrüsen bei den meisten Schlangen sehr ähnlich, der Hauptuntersehied ist die Weite der Drüsenschläuche, welche am weitesten bei den Cro- taliden (0,36—0,45 mm) und am engsten bei den Elapiden (0,23-—0,24 mm). Ein abweichendes Verhalten zeigen aber nach der Zusammenstellung Hoffmann’s) die Drüsen des Caussus rhombeatus Wagl., die durch ihre Grösse und ausgeprägt tu- bulöse Struktur sich auszeichnen, ferner die mit einander ver- wachsenen Riesendrüsen von Callophis und die in zwei ver- schieden gebaute Abschnitte getheilten Drüsen der Naja. Was die Giftdrüse der Kreutzotter anbetrifft, so stellt sie einen ungefähr dreieckigen Körper dar, welcher hinter der Orbitaldrüse geiegen ist und von einer derben elastischen Mem- bran, so wie auch von zahlreichen Muskelsträngen umgeben wird. Unter dieser Hülle liegt weiches Bindegewebe, welches zahlreiche Maschen bildet — die von Leydig zuerst beschriebenen Lymph- räume. Dieses Bindegewebe verbreitet sich auch zwischen den Drüsenschläuchen und führt Gefässe und Nerven [nach Gaupp’) Endäste des N. maxillaris superior V]l. Die Gefässe sind gut entwickelt und enthalten manchmal zahlreiche Blutkörperchen. Das Parenchym der Drüse besteht aus wunregelmässigen, sehr verschieden geformten und langgezogenen Schläuchen, die alle nach vorn, dem Ausführgange zu, convergiren und ein weites 1) Meyer, eit. nach Hofmann, Bronns Klass. u. Ordn. Bd. VI. 2) Leydig, Arch. f. mikr. Anat. 1873. 3) Niemann, Archiv f. Naturgeschichte 1892. 58. J. Bd. 1. 4) Hofmann, Bronns Klass. u. Ordn. Bd. VI. 2. 5) Gaupp, Morphol. Jahrb. 14. S. 438. 318 W. Lindemann: Lumen besitzen. Die Wandungen dieser Schläuche bestehen aus einschichtigem eylindrischem Epithel, dessen Zellen je nach Um- ständen höher oder niedriger sind. Von den genannten Autoren halten Leydig und Reichel die Giftdrüse für tubulös, Niemann gibt an, dass die Schläuche eine ganz unregelmässige Form besitzen, was ich bestätigen kann. Da ein jeder Unterschied zwischen den Epithelien des Drüsenparenchyms und des Ausführungsganges fehlt, was auch Leydig und Reichel gefunden haben, so ist gewiss die Drüse nicht acinös zu nennen und muss in der That als eine secundär veränderte tubulöse Drüse angesehen werden, wofür auch die Verhältnisse bei Caussus rhombeatus Wagl. sprechen. Was den Bau der Epithelien des secernirenden Drüsen- parenchyms anbetrifft, so sind unsere Kenntnisse darüber ziemlich dürftig. Leydig gibt an, dass das Epithel aus kleinen niedrigen Cylinderzellen besteht, deren Kern weit nach vorn liegt und die von einander durch feine Intercellulargänge getrennt sind, die je nach dem Zustande der Füllung als helle oder dunkele Streifen zwischen den Zellen zu sehen sind. Reichel schreibt folgendes: „Das der Wand unmittelbar aufsitzende Epithel erscheint als ein niedriges Cylinderepithel; die Zellen sind schmal, dieht gedrängt und zeigen ein mehr oder weniger stark granulirtes Protoplasma; die Zellränder sind nur schwer zır erkennen, der Kern ist bald kleiner, bald grösser und der Basis der Zelle nahe gerückt. Leydig gibt an, den Zell- kern bald ganz an der Basis, bald an der Zellspitze gefunden zu haben und schiebt dies verschiedene Verhalten den verschie- denen Funetionsstadien zu. Muss ich auch zugeben, dass die Kerne an den verschiedenen Schläuchen verschieden weit von der Basis entfernt sind, so finde ich doch nirgends weder an der unthätigen, noch an der dureh subeutane Pilo- earpininjection in Thätigkeit versetzten Drüse die Zellkerne der Spitze so nahe gerückt, wie dies Leydig andeutet.“ „Zerzupft man die frische Drüse in 0,6°/, Kochsalzlösung oder macerirt man ein Stück durch 24 Stunden in Müller'scher Flüssigkeit, färbt es dann in Karmin und zerzupft in Glycerin, so sieht man, dass die Zellen doch nicht rein eylindrisch sind, Ueber die Secretionserscheinungen der Giftdrüse der Kreuzotter. 319 sondern zwar einen cylindrischen Zellleib haben, der sich aber in einen mehr oder weniger unregelmässigen in Karmin nicht färbbaren Fortsatz auszieht. Die meisten Zellen haben nur einen dreieckigen, in eine Spitze endenden Fortsatz, andere deren zwei; wieder bei anderen ist derselbe hakenförmig umgebogen und dgl. m. Der Zellkern ist rund und färbt sich in Karmin; an einzelnen Zellen konnte ich deutlich zwei Kerne wahrnehmen, bald direet aneinander eben in Theilung begriffen, bald getrennt. Das Zellprotoplasma ist körnig; inihm sieht man meist noch eigenthümliche, stark lichtbrechende Kör- perchen, die auch schon Meyer gesehen zu haben scheint.“.... Niemann nennt das Epithel der Giftdrüse eubisch und gibt an, dass der Kern in der Mitte der Zelle gelegen ist. Nach seinen Messungen ist die Höhe des Epithels 38—46 u. Was also die Seeretionserscheinungen anbetrifft, so ist bei keinem dieser Autoren irgend welche nähere Angabe zu finden, von den „liehtbreehenden Körperehen“ Reichel’s abgesehen, die wahrscheinlich intracellular gelegenes Secret darstellen. Das Secret selbst verdient wohl auch eine Erwähnung, da es ein sehr interessantes Verhalten bei Sublimatfixation zeigt, welches auf einige andere Secretionsvorgänge zurückzuschliessen erlaubt. Dies Secret wird nämlich durch Sublimat in der nor- malen und noch besser in der atropinisirten Drüse derartig coa- sulirt, dass es das Aussehen einer hyalinen Masse bekommt, welehe dem Colloid der Schilddrüse täuschend ähnlich ist und auch sehr ähnliches Verhalten gegen Farbstoffe zeigt. Am Rande dieser Colloidklumpen sieht man auch die sogenannten Vacuolen, welche aber, wie ich es schon in Betreff der Schilddrüse gezeigt habe, nicht etwa durch Fixation entstandene Artefacte, sondern nur frisch secernirte Secrettropfen darstellen. Meine eigenen Untersuchungen über den Bau und die func- tionellen Veränderungen der secernirenden Epithelzellen der Gift- drüse haben Folgendes ergeben: Die Form und die Grösse der Zellen ist ganz von dem Zustande des Thieres abhängig und vor allem davon, ob es vor kurzem gebissen hat oder schon lange in Gefangenschaft ist. Als Typus will ich den Bau der Zellen darstellen, die von einer frisch eingefangenen Schlange stammen, welche ihre Drüse soeben durch Beissen entleert hat und sofort getödtet wurde. 320 W. Lindemann: Einen Schnitt soleher Drüse stellt unsere Fig. 1 dar. Die aus demselben Präparat entnommenen Zellen, die auf der Fig. 2 ab- gebildet sind, bieten folgende Besonderheiten. Die Kerne sind dunkel tingirt, nicht über einen halben Diameter der Zellbasis gross und stehen von der Basis der Zelle etwas ab. Die Kör- nung des Protoplasmas nimmt von unten nach oben zu und ist am freien Rande der Zelle am stärksten. Bei einer Drüse, welche von einem Thiere genommen ist, das längere Zeit in Gefangenschaft war, und mehrere Tage nicht gebissen hat, ist die Körnung des Protoplasmas viel heller und mehr gleichmässig über die ganze Zelle vertheilt. Die ungefähre Grösse der Zellen aber bleibt unverändert. Wird dagegen eine Drüse von einer mit Pilocarpin ver- gifteten Kreutzotter untersucht, so fällt sofort auf, dass die Zellen stark vergrössert und ihr Protoplasma viel heller ist. Ausserdem sind auch die Kerne verhältnissmässig grösser und etwas heller geworden. Die Körnung des Protoplasmas ist am stärksten in den basalen Theilen der Zelle. Das Secret, welches die Drüsenschläuche füllt, besteht aus einer schaumigen Substanz und verhält sich gegen Farbstoffe etwas anders als in der Norm. Das normale Secret färbt sich z. B. durch van Giesson’sches Ge- misch leuchtend Orangegelb, das von der pilocarpinisirten Drüse dagegen schmutzig Rosa (Fig. 3 und 4). Bei Atropinvergiftung wird dagegen das Secret fest und liegt in Form von homogenen Schollen in jedem Drüsenschlauch ; am Rande dieser Schollen ist es nur hier und da mit spärlichen Vacuolen besetzt. Die Epithelzellen der vergifteten Drüse werden sehr niedrig, die Kerne werden sehr dunkel und in die Breite gezogen und dabei merklich verkleinert. Das Protoplasma ist auch sehr dunkel und fast homogen (Fig. 5 und 6). Da die Pilocarpinwirkung bei jeder Dosirung dieselbe ist und, gleichgültig ob das Thier an der Giftwirkung zu Grunde gegangen ist oder getödtet wird, in einer Secretionssteigerung besteht, so ist anzunehmen, dass die Giftdrüse sich den Drüsen mit continuirlicher Seceretion, wie die Leber- und die Schilddrüse, ähnlich verhält. Eine Paralyse der Seeretion, ist nur durch Atropin zu erreichen. Der Process der Seeretion besteht also, der Speichel- seceretion analog, in dem Auftreten von homogenen Tröpfehen Ueber die Secretionserscheinungen der Giftdrüse der Kreuzotter. 321 im Potoplasma der Zellen, welches dabei heller wird. Das Proto- plasma der gesunden Zellen besteht grösstentheils aus diesen Tröpfehen, wie es aus dem Bilde einer atropinisirten Zelle zu schliessen ist, wo diese Tröpfehen fehlen, weshalb die Zellen stark verkleinert erscheinen. Bei der physiologischen Entleerung wird sofort die Peripherie der Zellen dunkler gekörnt, was augenscheinlich von dem Ausscheiden des Seerets abhängig ist. Bei der Pilocarpinvergiftung sieht man dagegen eine Steigerung der Bildung dieser hellen Tropfen, weshalb die Zellen viel höher und heller werden. Zu Schlusse muss ich noch hinzufügen, dass die homologe Oberlippendrüse der Ringelnatter (Tropidonotus natrix) weder durch Atropin noch durch Pilocarpin irgendwie in ihrem Aus- sehen verändert wird. Als Beispiel gebe ich eine Abbildung einer pilocarpinisirten Drüse der Natter bei (Fig. 7). Hiermit meine Arbeit abschliessend, benutze ich die Ge- legenheit, Herrn Professor Dr. Max Braun für die gütige Aufnahme in sein Laboratorium meinen besten Dank auszu- sprechen. Koöntesberg i. PY 27 1171898. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI. Fig. 1. Normale Giftdrüse der Kreuzotter, die soeben gebissen hat. Vergr. Oe. 2. Syst. DD. Zeiss. Fig. 2. Einzelne Zellen derselben Drüse. Vergr. Oc. 4. Syst. Hom. Imm. 1/g Zeiss. Fig. 3. Einzelne Zellen einer pilocarpinisirten Drüse. Vergr. Oc. 4. Syst. Hom. Imm. !/ja Zeiss. Fig. 4 Pilocarpinisirte Drüse mit schaumigem Inhalt. Vergr. Oe. 2. Syst. DD. Zeiss. Fig. 5. Einzelne Zellen einer atropinisirten Giftdrüse. Vergr. Oec. 2. Syst. Hom. Imm. 1/ig Zeiss. Fig. 6. Atropinisirte Drüse mit grossen Secretschollen. Vergr. Oe. 2. Syst. DD. Zeiss. Fig. 7. Pilocarpinisirte Oberlippendrüse einer Ringelnatter. Die sämmtlichen Zeichnungen sind von meiner Frau Barbara Lindemann angefertigt worden. Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blut- körperchen beim menschlichen Embryo. Von Dr. ©. S. Engel, Berlin. Hierzu Tafel XVII. Die Unmöglichkeit, aus dem fertigen Blute des Erwachsenen einen Einblick in die Entstehungsweise der rothen und weissen Blutkörperchen zu gewinnen, hat seit einer Reihe von Jahren die Blutforscher veranlasst, das Blut von Embryonen zum Gegenstand ihrer Untersuchungen zu wählen. Um mit wenigen Worten den jetzigen Stand der Ansichten über die embryonale Blutentwicke- lung zu skizziren, sei es mir gestattet, aus dem „Grundriss einer klinischen Pathologie des Blutes“ von R. v. Limbeck (2. Aufl., Jena 1896) folgenden Abschnitt, der sich mit der Entstehung der rothen und weissen Blutkörperchen beschäftigt, hier wieder- zugeben (fol. 201): „Ueber die Entstehung der rothen Blutkörperchen im Em- bryo sind unsere Kenntnisse trotz zahlreicher dahin gerichteter Untersuchungen noch sehr unvollkommen. Bereits frühzeitig bilden sich in der Area vasculosa des Embryo sog. Blutinseln, welche aus freiliegenden Zellen bestehen. Wie diese entstehen, ist bis heute strittig. Ein Theil der Autoren leitet sie vom Mesoderm, ein anderer vom Entoderm ab. Die ersten Blutzellen sind durchaus kernhaltig und vermehren sich auf dem Wege der indirekten Theilung. Erst später gesellen sich auch weisse Blut- körperchen zu ihnen. In der folgenden Embryonalzeit betheiligt sich die Leber insofern an der Blutbildung, als sich die Körper- chen in den blindendigenden Ausbuchtungen ihrer venösen Ca- pillaren stark vermehren. Schon im fötalen Leben wie auch beim erwachsenen Menschen kommen für die Blutbildung jedoch ausserdem noch das Knochenmark, Milz und Lymphdrüsen, die sog. hämatopoetischen Organe in Betracht. Das embryonale sog. rothe Knochenmark, durch das Einwachsen einer periostalen Knospe entstehend, enthält folgende morphologische Elemente. 1) Die sog. Markzellen. Grosse Zellen mit grossem chromatin- Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 323 armem Kern, der meist in der Einzahl vorhanden und nur selten gelappt ist. Diese Zellen kommen im Blute des gesunden, er- wachsenen Menschen gar nicht oder gewiss sehr selten vor. Bei linaler und gemischter Leukämie sind sie nicht selten im Blute zu finden. 2) Kernhaltige rothe (hämoglobinhaltige) Blut- körperchen. 3) Eosinophile Zellen und 4) Riesenzellen, welche, sofern sie an der Peripherie des Markes liegen, Osteoklasten heissen und meistens mehrkernig sind. 5) Mastzellen, meist ein- kernige, grob granulirte Zellen mit y-Granulation. Für die embryo- nale Blutbildung kommen die kernhaltigen, rothen Blutkörperchen in Betracht, welche im Knochenmark durch mitotische Theilung schon vorhandener, vielleicht auch aus Leucocyten, die allmäh- lich Hämoglobin in sich bilden, entstehen. Beim erwachsenen Menschen ist das Knochenmark die Hauptstätte der Blutbildung. In der Milzpulpa gelangen wahrscheinlich weniger die rothen als die weissen Blutkörperchen zur Ausbildung. Man findet in ihr neben fertigen rothen Blutkörperchen, kernhaltige und Zellen, welche Trümmer von rothen Blutkörperchen enthalten. Die Mal- pighi’schen Körperchen sind als Brutstätten der Leucoeyten an- zusehen, von wo dieselben direct in die Pulpa gerathen. Durch die Eigenthümlichkeit des capillaren Gefässsystems der Milz wird es wahrscheinlich, dass das Blut in direeten Contact mit den Pulpaelementen kommt. In den Lymphdrüsen sind stets reich- lich kleine mononucleäre Lymphocyten zu finden; in ihrem Cen- trum sind oft zahlreiche Mitosen wahrzunehmen, welche für eine energische Proliferation derselben an diesem Orte sprechen (Keim- centren, Flemming). Es ist anzunehmen, dass sie hier in Mutter- zellen der Leucocyten umgewandelt und an die Peripherie des Lymphfollikels geschoben werden, von wo sie aus dem weit- maschigen Bindegewebe in den Lymphstrom gelangen und so dem Kreislauf zugeführt werden. Mit fortschreitendem Fötalleben nimmt die Zahl der kern- haltigen Blutkörperchen im Blute ab und jene der kernlosen zu, was wahrscheinlich auf direeter Umwandlung der ersteren in letztere beruht. Wo und wie diese Umwandlung vor sich geht, ist zum Theil noch strittig. Einige bezeichnen in erster Linie die Leber, andere das eireulirende Blut und die Milz als die Hauptstätte dieser Umwandlung. Betreffs des Modus derselben lässt die eine Reihe von Autoren den Kern innerhalb der Zelle 324 2. IS EN EEI: einfach zu Grunde gehen und verschwinden (Bizzozero, Neu- mann), andere nehmen eine Trennung von Kern und Zelle an (Rindfleisch, Howell), und Hayem nimmt überhaupt eine von einander völlig unabhängige Entstehung der kernhaltigen und kernlosen rothen Blutkörperchen an. Rindfleisch und Fellner haben den Austritt des Kerns direet beobachtet, doch zweifelt letzterer, hier einen physiologischen Vorgang vor sich gehabt zu haben. Ehrlich vereint beide Anschauungen, indem er für einen Theil der kernhaltigen, rothen Blutkörperchen, die sogenannten Normoblasten, ein Ausgestossenwerden des Kerns und für einen zweiten, die sogenannten Megaloblasten, ein endo- celluläres Zugrundegehen desselben annimmt. Betreffs der Neu- bildung der rothen Blutkörperchen am Erwachsenen lehnt sich die Ueberzahl der Autoren an den in groben Zügen geschilderten Bildungsvorgang im Embryo und Fötus an.“ Ich glaube, diese kurze, aber übersichtliche Skizze v. Lim- beck’s hier wiedergeben zu sollen, damit um so leichter die Uebereinstimmungen und Abweichungen in der Auffassung über die Blutentwieklung, zu denen ich einerseits durch frühere Unter- suchungen gekommen bin, die andererseits den Gegenstand dieser Veröffentlichung bilden sollen, hervortreten. Bevor ich an die ausführliche Schilderung der Beobachtungen herantrete, die ich an einer Anzahl von menschlichen Embryonen und Föten ver- schiedenen Alters machen konnte, will ich in kurzen Zügen zu schildern suchen, zu welchen Ergebnissen ich vor einigen Jahren dureh die Untersuehung des Blutes junger Mäuseembryonen (und einiger weniger menschlicher Embryonen) geführt worden bin. Die jüngsten Mäuseembryonen, die ich hatte untersuchen können, waren 5mm lang. Durch Decapitiren derselben und Hinein- laufenlassen des Blutes in einen durch zwei Deckgläschen ge- bildeten capillaren Raum gewann ich Blutpräparate, die nur eine Zellform aufwiesen. Diese Zellen waren kugelig, ca. zwei bis drei Mal so gross wie ein normales rothes Blutkörperchen, stets kernhaltig; der Kern war vielfach in Mitose begriffen und nahm einen verhältnissmässig kleinen Theil der Zelle ein. Das Zell- protoplasma liess sich intensiv mit sauren Farbstoffen färben, ebenso wie es stets bei den rothen Blutkörperchen der Fall ist. Diese Zellform ist also als ein hämoglobinhaltiges, rothes Blut- körperchen anzusehen, sie ist jedoch weder identisch mit den Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen ete. 325 grossen, kernhaltigen, rothen Blutkörperchen der Amphibien und Reptilien, noch mit Ehrlich ’s Megaloblasten und Gigantoblasten'). Ich habe diese Zellen als „Mutterzellen“, „Metroeyten I. Gene- ration“ bezeichnet. In diesem Stadium der Blutentwickelung fanden sich weder kernlose rothe Blutkörperchen, noch irgend- welche Zellen, die als Leueoeyten angesprochen werden konnten. Ich fand mich veranlasst, der Ansieht van der Stricht’s ?) bei- zutreten, der behauptet, „dass die ersten Blutkörperchen rothe sind, während die weissen später in der Cireulation erscheinen.“ Einige Tage später sind die kugeligen Metroeyten I. Ge- neration aus dem Blute verschwunden, und statt ihrer finden sich kugelige, hämoglobinhaltige Zellen mit einem viel kleineren Kern, als ihn der Metrocyt I. Generation besitzt. Von Mitosen ist bei diesen Zellen, die ich als Metroeyten II. Generation bezeichnet habe, nichts zu sehen. Beide Metrocytenformen nehmen bei Triaeidfärbung nach starker Erhitzung mehr das Orange an, die kleinkernigen noch mehr als die grosskernigen. In demselben Blute — es entspricht einem Mäuseembryo von etwa 12 Tagen — fanden sich kleine kernhaltige Rothe, die im Uebrigen den Metrocyten II. Generation, namentlich in der Orangefärbung des Protoplasmas und dem kleinen Kern ähnlich sind, endlich drittens eine zweite Form von kleinen kernhaltigen Rothen, die einen verhältnissmässig grossen, stark structurirten Kern und wenig Protoplasma enthielten, welches letztere mehr den Fuchsinfarb- stoff des Triacid angenommen hatte. Ausser diesen drei Formen kernhaltiger rother Blutkörperchen, den orangeophilen, grossen Metroeyten II. Generation, den orangeophilen, kleinen, Kernhal- tigen Rothen und den fuchsinophilen, kleinen, kernhaltigen Rothen fanden sich im Blute drei Formen kernloser rother Blutkörper- chen. Die eine Form färbte sich und verhielt sich auch sonst wie die gewöhnlichen kernlosen Erythrocyten, die andere Form war grösser und entsprach den Macrocyten. Das Protoplasma beider hatte dieselbe Farbe wie die Metrocyten und die sich orange färbenden, kleinkernigen, kernhaltigen Rothen. Die dritte Form der kernlosen Rothen war etwa so gefärbt wie die gross- 1) Zur Entstehung der körperlichen Elemente des Blutes. Arch. f. mikr. Anat. 189%. 2) Nouvelles recherches sur la genese des globules rouges et des globules blanes du sang. Archives de Biologie. 1892. 326 C.S. Engel: kernige Form der kernhaltigen Rothen, nahm also mehr das Fuchsin an. Von Leucocyten waren in diesem Alter nur einige Lymphkörperehen zu erkennen. Die drei Formen rother Blut- körperehen, welche aus dem Triacid besonders das Orange an- genommen hatten, d.h. 1. die Metrocyten II. Generation mit grossem, kugligem Protoplasmaleib und kleinem, wenig struetu- rirtem Kern, 2. die Macrocyten mit grossem, kugligem Proto- plasmaleib ohne Kern und 3. die kleinen, orangeophilen, kern- haltigen Rothen mit kleinem Protoplasmaleib und einem Kern, der dem der Metrocyten in jeder Beziehung gleicht, liessen eine Zusammengehörigkeit erkennen. Während einzelne Exemplare der Metrocyten II. Generation eine gleichförmig geformte Kugel mit einem an der Oberfläche liegenden, kleinen, runden Kern bildeten, hatte sich bei anderen um den kleinen Kern herum ein Theil der protoplasmatischen Oberfläche derart verdichtet, dass es den Anschein erweckte, als ob auf einem orangeophilen Ma- erocyten ein kleines, orangeophiles, kernhaltiges Rothes aufläge. Diese „Krausenbildung“ wie ich mich ausdrückte, um den kleinen Metrocytenkern, liess sich in allen möglichen Uebergangsstadien beobachten und ich kam zu der Ueberzeugung, dass ein grosser Theil der orangeophilen, kernlosen Macrocyten dadurch entstan- den sei, dass sich in dem kernhaltigen Metrocyten ein Theil des Protoplasmas der den Kern einschloss, von dem kernlosen Theil abgelöst hatte. Ich verglich diese, in der Histologie bisher ohne Beispiel dastehende Zellbildung mit dem in die Botanik durch Sachs eingeführten Begriff der „Energide*. Auch diese stellt einen Theil der Zelle dar, der, um den Kern herumliegend, durch diesen mehr beeinflusst wird, als die mehr peripher liegen- den Theile der Zelle. Da bei der Fixirung durch Hitze sehr leicht Sprünge in den Blutkörperchen entstehen, so lag es nahe, diese Krausenbildung um den Metrocytenkern als Kunstprodukt anzusprechen. Dagegen war jedoch Folgendes einzuwenden: 1. Die in den Präparaten in einzelnen kernhaltigen und kernlosen Rothen vorhandenen Hitze-Sprünge gingen quer durch die ganze Zelle hindurch und waren ohne Weiteres als solche zu erkennen. 2. Die von den orangefarbenen Metrocyten sich ablösenden oran- geophilen, kleinen, kernhaltigen Rothen glichen von dem Augen- blick an, wo die ersten Andeutungen von Verdiehtung um den Metrocytenkern erkennbar waren bis zum Verlassen des kernlosen . Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 327 Metrocytenrestes in jeder Hinsicht den frei im Präparate liegen- den, kleinen, orangeophilen, kernhaltigen Rothen. 3. An den kernlosen, orangeophilen Metrocytenresten (Macrocyten) konnte in den meisten Fällen die Stelle angegeben werden, wo die Ab- trennung des kernhaltigen, rothen Blutkörperchens stattgefunden hatte. Während der Macrocyt in der ganzen Peripherie eine scharfe Linie (Kugeloberfläche) zeigte, deutete eine zackige, un- regelmässige Stelle an der Oberfläche auf den abgelaufenen Vor- gang der Loslösung hin. 4. konnte man in einzelnen Exemplaren das orangeophile, kleine, kermhaltige Rote noch im Zusammenhang mit dem zurückbleibenden orangeophilen, kernlosen Macrocyten antreffen. So interessant die Beobachtung ist, dass die kleinen, orangeophilen, kernhaltigen Rothen Abkömmlinge der orangeo- philen Metroeyten sind, so bedeutungslos ist diese Entwickelungs- weise derselben, wenn wir das Blut der späteren embryonalen Zeit oder gar dasjenige des Erwachsenen ins Auge fassen. Denn weder von der zweiten Hälfte des intrauterinen Lebens an, noch im extrauterinen Leben können die orangeophilen, kernhaltigen Rothen Abkömnlinge grösserer Zellen sein, weil von der zweiten Hälfte des intrauterinen Lebens ab Metrocyten nieht mehr vor- handen sind. Nur für eine verhältnissmässig sehr kleine Spanne Zeit des embryonalen Lebens hat die Trennung des Metrocyten II. Generation in einen kernhaltigen Theil (orangeophiles, kleines, kernhaltiges Rothes) und in einen kernlosen Theil (orangeophiler Mareocyt) Bedeutung. Es ist das Entwickelungsstadium, welches demjenigen folgt, wo alle Blutkörperchen kernhaltig sind. Bei der Maus scheint die Bildung von kleinen, orangeophilen, kern- haltigen Rothen aus Metrocyten auf den 12. bis 15. Tag der embryonalen Entwicklung beschränkt zu sein. Diese Erschei- nung, dass der Metrocyt in einen kernhaltigen und einen kern- losen Theil sich trennt, von dem der kernlose Theil bestehen bleibt, während der kernhaltige sich weiter entwickelt, ist inso- fern vom Standpunkt der vergleichenden Anatomie von Interesse, als eine ähnliche Beobachtung auch beim Hühnchen gemacht werden konnte. Auch bei diesem sind die ersten Blutkörperchen, etwa um den dritten Tag der Bebrütung, den Metroeyten I. Ge- neration ähnliche, kernhaltige, hämoglobinreiche, kuglige Zellen, die vom 5. Tage ab den kleinkernigen Metrocyten I. Generation Platz gemacht haben. Beide Zellformen sind jedoch noch nicht 328 C.S. Engel: die definitiven, kernhaltigen Rothen des ausgebrüteten Hühnchens. Die länglichen, platten, scheibenförmigen, kernhaltigen Rothen des ausgebrüteten Vogels haben um den 8. Tag der Bebrütung ihre definitive Form zum Theil noch nieht angenommen; sie sind zwar schon scheibenförmig, aber meist noch kreisrund. Diese kreisrunden, hämoglobin- und kernhaltigen Blutscheiben hängen zuweilen noch mit einer kernlosen, hämoglobinhaltigen Zelle durch eine protoplasmatische Verbindung zusammen. Beide Theile, der kernhaltige — aus dem sich das kernhaltige rothe Blutkörper- chen des Hühnchens entwickelt — und der kernlose — der beim Hühnchen zu Grunde geht — sind die Componenten des Metro- eyten II. Generation, aus welch’ letzteren beim Hühnchen am 8. Tage der Bebrütung noch etwa die Hälfte aller Blutzellen besteht. Es ist also die interessante Thatsache festzustellen !), dass das Blut der embryonalen Maus um den 12. Tag herum und das des bebrüteten Hühnereies um den 8. Tag herum zum Theil aus kugelförmigen, hämoglobinreichen, kleinkernigen, oran- geophilen Metrocyten II. Generation besteht, dass das Blut beider ausserdem kernhaltige und kernlose rothe Blutkörperchen besitzt — von denen bei der Maus die kernlosen, beim Hühnchen die kernhaltigen bei weitem die Majorität bilden —, dass jedoch im weiteren Verlauf der Entwickelung bei der Maus die kernlosen, beim Hühnchen die kernhaltigen allein verbleiben, während die anderen allmählich aus dem Blute verschwinden. Auf einen anderen Punkt hatte ich ferner in der betreffen- den Arbeit über die Mäuseblutentwicklung aufmerksam gemacht, welcher das Verhalten der kernlosen, rothen Blutkörperchen be- traf. Bekanntlich besitzt der erwachsene Mensch nur eine Form kernloser, rother Blutkörperchen. Es sind dies die kreisrunden, dellenhaltigen BJutscheiben, die bei Färbung mit Triacid nach starker Erhitzung einen Orange-Farbenton annehmen; bei An- wendung von Eosin-Methylenblau oder Eosin-Hämatoxylin färben sie sich roth. Denselben Farbenton nehmen die grossen, kern- losen, rothen Blutkörperehen, die Macrocyten an, die im Blute bei pernieiöser Anämie vielfach gefunden werden und die, wie schon erwähnt, in grosser Anzahl zu der Zeit im Blute des Mäuse- 1) Die Blutkörperchen des bebrüteten Hühnereies. Arch. f. mikr. Anatomie. 1895. Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 329 embryonen vorkommen, wenn zum ersten Male kernlose Rothe im Blute auftreten. Bei schweren Anämien findet sich jedoch im Blute von Kindern sowohl wie bei Erwachsenen noch eine an- dere Form kernloser, rother Blutkörperchen, die sich erstens dadurch von den eben besprochenen zwei Formen — den normalen Erythroeyten und den Macrocyten — unterscheidet, dass sie eine mehr unregelmässige, lappige Oberfläche besitzt, besonders aber dadurch, dass sie bei Färbung mit Eosin-Häma- toxylin oder Eosin-Methylenblau keinen rothen, sondern einen mehr violetten Farbenton annimmt. Gabritschewsky hat diese Zellen als Vorstufen bezeichnet und spricht von Jugendformen der rothen Blutkörperchen. Dieser Ansicht widerspricht Ehrlich, der an- nimmt, dass dieselben als Absterbe-Erscheinung normaler rother Blutkörperchen aufzufassen sind. Aus folgenden Gründen bin ich zu einer etwas abweichenden Auffassung gelangt. Die polychro- matischen kernlosen, rothen Blutkörperchen sind auch durch Ehrlich’s Triacid darstellbar; sie nehmen bei Anwendung starker Erhitzung von den beiden sauren Farbstoffen (Orange-G und Säurefuchsin) mehr das Fuchsin an. Im embryonalen Blute kommen sie ebenfalls vor. Bei der Maus habe ich sie am zahl- reichsten um den 15. Tag der Entwickelung herum angetroffen. Sie sind etwa von der Grösse der normalen, rothen Blutkörper- chen, haben eine mehr lappige Oberfläche, sie besitzen selten eine Delle und nehmen bei Triaeidfärbung einen mehr rothvio- letten Farbenton an. Wie im Blute des postembryonalen Lebens unterscheiden sie sich meistens scharf von den orthochromatischen oder monochromatischen kernlosen Rothen, die, wie wir gesehen, mehr das Orange annehmen, die scharfe Begrenzung der Kugel- oberfläche zeigen und im Embryo zuweilen, beim Erwachsenen bekanntlich fast immer, eine Delle besitzen. Um die verwandt- schaftlichen Verhältnisse der polyehromatophilen, kernlosen Rothen festzustellen, eignet sich das embryonale Blut jüngeren Stadiums bedeutend besser als das anämische Blut des Erwachsenen, weil wir im embryonalen Blute ausser den beiden Formen der kern- losen Rothen (den orthochromatischen und polychromatischen) auch die zugehörigen kernhaltigen Rothen stets vor Augen haben. Von orthochromatischen kernhaltigen Rothen haben wir im Blute des 12tägigen Mäuseembryonen zwei Formen, den Metroeyten II. Generation und kleine, orthochromatische, kernhaltige, rothe Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 53 22 330 C.S. Engel: Blutkörperchen; von fuchsinophilen, das fuchsinophile, kernbal- tige Rothe mit structurreichem Kern und schmalem, lappigem Protoplasma. Zahlreiche Uebergänge zwischen den kleinen, oran- geophilen, kleinkernigen Rothen (den orangeophilen Normoblasten) zu den fuchsinophilen Normoblasten lassen den Schluss zu, dass mit dem Wachsthum des Kerns der kernhaltigen Rothen das Protoplasma derart verändert wird, dass dieses allmählich mehr das Fuchsin aufnimmt. Es lässt sich eine Entwickelungsreihe zwischen diesen Zellformen erkennen: als Anfang eine äusserst kleine Zelle mit glänzendem, orangefarbenem Protoplasma und einem kleinen, wenig structurirten Kern — als Ende eine grosse Zelle mit lappigem, fuchsinophilem Protoplasma, das nicht den Durchmesser des Kerns besitzt, während dieser, structurreich, den grössten Theil der Zelle einnimmt. Während die erstere ein kleines, orangeophiles, kermhaltiges Rothes bildet, entspricht die letztere Ehrlich's Megaloblasten. Aus den orthochroma- tischen Normoblasten entstehen die gewöhnlichen, orthochroma- tischen Erythrocyten, aus den polychromatischen, kernhaltigen die polychromatischen, kernlosen Rothen. Daraus folgt, dass die orthochromatischen, kernlosen Rothen der jüngeren embryonalen Zeit zum Theil Macrocytengrösse haben — wenn sie nämlich aus Metrocyten hervorgegangen sind — während die polyehro- matischen die Grösse der normalen Erythrocyten wenig über- schreiten, weil ja auch die meisten polychromatischen, kernhal- tigen Rothen des embryonalen Blutes nur die Grösse normaler Rother besitzen (also Normoblasten sind). Aus der Entstehung der orthochromatischen, kernlosen aus den gleichartigen kern- haltigen und dementsprechend der polychromatischen, kernlosen aus den polychromatischen, kernhaltigen Rothen ergiebt sich noch Folgendes: Wie wir gesehen haben, giebt es vor der Zeit, wo kernlose Blutkörperchen im Blute vorhanden sind, ein Stadium, wo alle Zellen Kernhaltig sind. Dieses Stadium, welches wir bei dem 5 mm langen Mäuse-Embryo vorfanden, besitzt ausser den Metrocyten I. Generation nur noch solche II. Generation. Von fuchsinophilen (polyehromatischen), kernhaltigen Rothen ist in diesem Stadium im Blute noch nichts zu sehen. (Ein geringes Abweichen der Färbbarkeit der Metrocyten I. Generation von denen II. Generation soll hier unbeachtet bleiben.) Fuchsinophile, kernhaltige Rothe entstehen, wie wir gesehen Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 331 haben, im Blute erst durch Heranwachsen aus den kleinen, orangeophilen, kernhaltigen Rothen. Es können fuchsinophile, kernlose Rothe erst entstehen, wenn aus orangeophilen, klein- kernigen, fuchsinophile, grosskernige Rothe geworden sind. Es müssen also die polyehromatischen, kernlosen Rothen jünger sein als die orthochromatischen Erythrocyten. Es soll gleich an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass diese Unterscheidung nur beim Jüngeren embryonalen Blute durchzuführen ist, dass insbesondere die Verhältnisse im Blute Erwachsener andere sind. Beim Er- wachsenen werden, wie ich hier vorweg nehmen will, zwar auch orangeophile und fuchsinophile, kernhaltige Rothe gebildet. Dies geschieht aber nicht im Blute, sondern im rothen Knochenmark. Ferner sind die orangeophilen, kernhaltigen Rothen keine Metro- eyten, sondern von normaler Grösse. — Nur bei der pernieiösen Anämie erreichen sie zuweilen Metrocytengrösse. — Die Folge davon ist, dass die aus den orangeophilen, kernhaltigen Rothen entstehenden (orangeophilen) rothen Blutkörperchen ebenfalls von normaler Grösse sind. — Nur bei der perniciösen Anämie bilden sich Maerocyten. — Die fuchsinophilen, kernhaltigen Rothen werden zu gleicher Zeit wie die orangeophilen im Knochenmark erzeugt. Die aus ihnen hervorgehenden fuchsinophilen, kernlosen Rothen, die bei Anämien in die Blutbahn gelangen, sind also nicht Absterbeformen der orangeophilen, sondern gelangen wahr- scheinlich als „Aushülfeblutkörperchen* aus dem Knochenmark ins Blut, wenn einmal der normale Ersatz von orangeophilen Blutkörperchen ins Stocken gerathen ist. Dann kommen auch fuchsinophile, kernhaltige Rothe, selbst orangeophile, kernhaltige Rothe und — wenn diese letzteren bei perniciöser Anämie zu Metrocyten ausgewachsen sind — selbst neben den Macrocyten auch Metrocyten ins Blut. Bevor ich zu der Schilderung der bei menschlichen Emibryo- nen verschiedenen Alters gefundenen Zellen des Blutes und der Blutbildungsorgane übergehe, will ich noch mit einigen Worten der Kerne der vier Formen der kernhaltigen Rothen (Metrocyten, orangeophilen Normoblasten, fuchsinophilen Normoblasten, Megalo- blasten) gedenken. Wie seit lange bekannt ist, und wie auch ich oben angeführt habe, giebt es im Leben des Säugethier- Embryo ein Stadium, wo die hämoglobinhaltigen Blutkörperchen sämmtlich Kerne besitzen. Andererseits enthalten die rothen 332 0.8. Engel: Blutkörperchen des erwachsenen Menschen und Säugethiers be- kanntlich keine Kerne. Es ist nun zuerst die Frage zu beant- worten, ob denn überhaupt eine Beziehung zwischen den kern- haltigen und kernlosen Blutkörperchen besteht. Es wäre ja denkbar, dass die kernhaltigen Rothen verschwinden und die kernlosen einen anderen Ursprung haben. Hierher muss man Hayem’'s Theorie der Blutentwickelung im postembryonalen Leben rechnen, der zwei Entstehungsmodi der kernlosen Blut- körperchen annimmt, eine aus den Blutplättchen, die er Hämato- blasten nennt, und eine aus den kernhaltigen Rothen. Im All- gemeinen herrscht jedoch, wie wir im Eingang dieser Abhandlung sahen, die Annahme vor, dass die kernlosen Rothen aus den kernhaltigen hervorgehen und zwar dadurch, dass der Kern auf irgend eine Weise unsichtbar wird. Soll das kernhaltige Rothe kernlos werden, so giebt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder verlässt der Kern den hämoglobinhaltigen Theil und es resultiren aus der Zelleinheit (Protoplasma plus Kern) zwei Einheiten; oder der Kern verlässt das Protoplasma nicht, er verändert sich jedoch so, dass er für das Auge unsichtbar, für die Färbung nicht mehr darstellbar wird. Man könnte bei der zweiten Möglichkeit an die Auffassung erinnert werden, die über die Kerntheilung herrschte, bevor Flemming die Vorgänge bei der Karyokinese klar legte. Damals, als noch keine geeignete Färbungs- und Fixirungs- methode für die Darstellung der mitotischen Figuren vorhanden war, wurde bekanntlich ebenfalls angenommen, dass der Kern bei der Theilung sich auflöse und erst nach derselben wieder sichtbar werde. Wenn man, wie etwa bei der embryonalen Maus am 12. Tage der Entwickelung, neben grossen, orange- ophilen, kugligen Zellen mit Kern, den Metrocyten, ebensolche ohne Kern, die Macrocyten antrifft, wenn ferner neben kleinen, orangeophilen Zellen mit Kern, gleichgrosse orangeophile ohne Kern angetroffen werden, wenn endlich in demselben Präparat kernhaltige Blutkörperchen mit polychromatischem, lappigem Protoplasma neben ebensolchen ohne Kern vorkommen, dann liegt die Vermuthung ausserordentlich nahe, dass je eins dieser drei Zellpaare mit einander verwandt ist. — Die fuchsinophilen Megaloblasten verhalten sich wie die fuchsinophilen Normo- blasten. — Wo bleibt der Kern? Nehmen wir zunächst an, Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen ete. 333 jeder Kern verlässt sein zugehöriges hämoglobinhaltiges Proto- plasma, dann müssten wir im Blute eben so viel Kerne wie kern- lose Rothe haben, da, wie wir ja gesehen‘, wenige Tage vorher noch jedes Rothe einen Kern besass. Wie stellt sich nun das Verhältniss der kernhaltigen zu den kernlosen Rothen am 12. Tage des Mäuseembryonen ? Es kommen auf ca. 20 bis 30 Rothe ohne Kern erst eins mit Kern. Es müsste also die Zahl der freien Kerne sich zu den kernhaltigen Rothen ebenfalls wie 20 bis 30 zu 1 verhalten. Davon ist jedoch gar keine Rede. Wenn man in fünf bis sechs Gesichtsfeldern ein einem Metro- eytenkern ähnliches Gebilde (mit einem äusserst schmalen, hämoglobinfreien Protoplasmasaum) findet, hat man Glück ge- habt. Zuweilen freilich findet man, namentlich beim Menschen, etwas mehr. Also selbst wenn wir mit Rindfleisch an- nehmen, dass der Kern das kernhaltige Rothe verlassen kann, haben wir noch nicht die Frage beantwortet, was aus dem Kern der übrigen kernhaltigen Rothen geworden ist. Bestände bereits in dem vorliegenden Alter ein Blutbildungsorgan, dann könnte man annehmen, die Kerne seien in diesem zurückgehalten worden und nur das kernlose Rothe sei im die Blutbahn gelangt. Aber in dem vorliegenden Alter ist noch das Blut selbst Blutbildungs- organ; selbst die Leber, die in diesem Alter bereits an der Blut- bildung Theil nimmt, lässt sich, wie wir gleich sehen werden, zur Erklärung des Kernschwunds nicht heranziehen. Wir sind also unter allen Umständen genöthigt, auch wenn wir den viel- fach — auch von mir — behaupteten Kernaustritt (mit einem feinen hämoglobinfreien Protoplasmasaum) als sicher hinstellen, eine Karyolyse anzunehmen. Da ich auf diese Frage im Verlauf dieser Abhandlung nicht wieder zurückkomme, will ich bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass ich bei zweitägigem Fixiren von Blutpräparaten drei- bis viermonatlicher menschlicher Embryonen und zweitägigem Färben in kaltem Eosin-Methylenblau von Chenzinsky in einer grossen Anzahl kernloser, rother Blut- körperehen um die Mitte der Zelle herum eine bläuliche, körnige Masse zur Ansicht bekam, die möglicherweise als Kernrest anzu- sprechen ist!). Mit dem Unsichtbarwerden hat meines Erachtens 1) Nach der Würdigung, die ich der Dissertation Pappenheim’s (Berlin 1895) in meiner Arbeit „Ist die perniciöse Anämie als Rück- 334 C.S. Engel: der Kern der kernhaltigen Erythrocyten seine Rolle noch nicht gänzlich ausgespielt. In der oben angeführten Arbeit habe ich auf Beziehungen der Blutplättchen zu den kernlosen, rothen Blut- körperchen hingewiesen, auf die ich glaube, an dieser Stelle noch einmal zurückkommen zu sollen. Nicht alle kernlosen, rothen Blutkörperchen haben, wie es gewöhnlich angegeben wird, eine Delle; es gibt auch einige, die eine Kugelform zeigen. Solche Kugelformen kann man in fast jedem Blute finden — wenn man sich nur einer einwandsfreien Fixirungs- und Färbungsmethode bedient — welches zahlreiche Blutplättehen besitzt. Dann kann man auch die Ansicht Foä’s bestätigen, dass die rothen Blut- körperchen eine peripheren Schicht, die Hämoglobinschicht, besitzen, während das homogene Zellprotoplasma den Inhalt der Zelle bildet. Bei Triacidfärbung nach starker Erhitzung färbt sich die Hämoglobinschicht orange, das von derselben ein- geschlossene, homogene Zellprotoplasma mehr röthlich. Dieselbe schwach röthliche Farbe nehmen auch bei derselben Färbung die Blutplättchen Bizzozero's an. Durchmustert man ein Blutprä- parat, das viel Blutplättchen enthält, so findet man ausser frei- liegenden Haufen derselben noch solche, die aus kugelförmigen rothen Blutkörperehen wie aus einer „platzenden Bombe“ her- auskommen. Aehnliche Angaben haben seitdem Bremer!), Köppe?), van Niessen?) gemacht. Solche platzende Blut- kugeln finden sich sowohl im Embryo als auch im normalen und pathologischen Blute, als auch, wie ich gleich beifügen will, im Knochenmark des gesunden Erwachsenen. Je mehr Blutplättehen ein Blut enthält, um so mehr platzende Blutkugeln sind meistens in ihm zu finden. Die herausplatzende Masse verhält sich nach Form und Färbbarkeit wie die Blutplättchen, sie nimmt wie diese mehr den sauren Farbstoff an. Zuweilen nimmt die her- schlag in die embryonale Blutentwickelung aufzufassen ?* (Virchow’s Arch. 1898) habe angedeihen lassen, glaube ich auf dessen Behauptung, er hätte die Entkernung nachgewiesen, nicht noch einmal eingehen zu müssen. 1) Ueber die Herkunft und Bedeutung der Blutplättchen. Cen- tralbl. f. d. med. Wissensch. 1894. 2) Arch. für Anat. u. Physiol. 1895. 3) Ueber regenerat. Vermehrung menschl. Blutzellenu. Virchow’s Arch. 189. Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 335 ausplatzende Masse auch Kernfarbstoff auf, sodass man den Ein- druck gewinnt, als wenn ein den weissen Blutkörperchen ähn- liches Gebilde der Inhalt der Blutkugel gewesen sei. Ich habe angenommen, dass auf diese Weise auch einige Leucoeyten ent- stehen können. Die Blutplättchen wären dann als Endprodukt ‘der durch Karyolyse (Nekrose) zu Grunde gegangenen Kerne einiger kernhaltiger, rother Blutkörperchen anzusehen. Dafür, dass die Blutplättchen Verwandtschaft zu den Kernen (und Leucoeyten) haben, spricht, dass Nuclein in ihnen nachgewiesen worden ist!). Dadurch würden sich auch diejenigen Blutprä- parate erklären, in denen die Blutplättchen zum Theil Kernfarb- stoff angenommen haben. Es sind dann in den mit Triacid röthlich gefärbten Blutplättchenhaufen einige grünliche Partien deutlich erkennbar, die wohl die Veranlassung geboten haben, dass den Blutplättchen von einigen Untersuchern ein Kern zu- gesprochen worden ist. Andererseits spricht das Verhalten der Plättehen den sauren Farbstoffen gegenüber ebenso wie ihre starke Alkalinität?) für eine Verwandtschaft mit dem Protoplasma der . Leucocyten. In der angegebenen Weise herausplatzende Massen habe ich bisher nur aus orangeophilen Blutkörperchen herauskommen gesehen, an denen dann noch eine zeitlang der Riss in der oberflächlichen Hb-Schieht deutlich zu erkennen ist. An fuchsinophilen Zellen, die einen meist viel grösseren, struetur- reichen Kern haben, konnte ich derartige Erscheinungen bisher nicht beobachten. Bemerkenswerth ist, dass nur diejenigen kern- losen Rothen eine wohlausgebildete Delle zeigen, die ursprüng- lich den kleinen, wenig structurirten, an der Oberfläche liegenden Metrocytenkern besessen haben — das sind die orangeophilen —, während die fuchsinophilen, kernlosen Rothen auch nach der Entkernung meist ein lappiges Aussehen behalten und häufig nur eine Andeutung von Dellenbildung zeigen. Es ist noch zu er- wähnen, dass es in erster Linie die polychromatischen, fuchsino- philen, kernhaltigen Rothen mit lappigem Protoplasma sind, an denen Kernaustritt zu beobachten ist. Doch tritt kein freier Kern aus der Zelle, stets findet man eine, wenn auch noch so feine, hämoglobinlose Protoplasmaschicht um den Kern. Die aus- 1) Lilienfeld, Du Bois-Reymond'’s Archiv. 1891. 2) Ehrlich-Lazarus, Die Anämie. Wien 189. 336 C.S. Engel: getretenen Kerne mit schmalem Protoplasmasaum sind den Lymphkörperchen des Blutes ähnlich. Im Folgenden will ich versuchen, nachdem ich Gelegenheit hatte, eine grössere Anzahl frischer, zum Theil noch lebender, menschlicher Embryonen zu untersuchen, nachdem es mir insbe- sondere gelungen ist, ausser dem Blute auch die Zellen der Leber, des Knochenmarks und der Milz möglichst frisch einer Untersuchung zu unterziehen, meine früheren Befunde nach Mög- lichkeit zu ergänzen. Zur Verfügung standen Embryonen und Föten von 6cem Länge bis zur Geburt. Die Untersuchung ge- schah spätestens 12 Stunden nach dem Geborenwerden des Em- bryo und zwar sowohl an frischen Präparaten als auch besonders an Deckglastrockenpräparaten. Die frischen wurden nach der Durchmusterung mit 2°/, Osmiumsäure behandelt und in Glycerin eine zeitlang aufbewahrt, die Deckglaspräparate wurden theils in Alcohol absol., theils auf der Kupferplatte fixirt. Die in Alcohol fixirten wurden in Eosin-Methylenblau, die auf der Kupferplatte mit Triacid gefärbt. Die Fixirung auf der Kupfer- platte geschah etwas abweichend von Ehrlich's Vorschrift, in- dem ich nicht bei ca. 110°, wie Ehrlich, sondern bei ea. 125—135°C. mit Hülfe der Xylol-Siedetemperatur fixirte. Ueber das genauere Verfahren habe ich an anderen Orten berichtet). An Trockenpräparaten, die bei starker Hitze fixirt sind, lässt sich die Ortho- und Polychromasie der Rothen besonders gut er- kennen, wenn man Triacid als Farbstoff anwendet. Alles, was orthochromatisch ist, nimmt Orange an, ist orangeophil, alles Polycehromatische nimmt mehr das Säurefuchsin an, ist fuchsino- phil. Doch sind die Farbenunterschiede bei Färbung mit Eosin- Methylenblau zuweilen deutlicher ausgeprägt. Andere Fixirungs- mittel, namentlich das seit einiger Zeit in Mode gekommene Formol, habe ich für die systematische Untersuchung aus dem Spiele gelassen, erstens weil mir die anderen beiden Fixirungs- mittel prächtige Bilder gaben, zweitens weil ich es für noth- wendig hielt, dieselben Färbungs- und Fixirungsmittel anzuwen- den, die ich seit einer Reihe von Jahren benutze, um die zu 1) Siehe Leitfaden zur klin. Untersuchung des Blutes. Ver- handlungen des XVI. Congresses für innere Medicin in Wiesbaden 1898. Virchow’s Archiv 1898. Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 337 verschiedenen Zeiten gewonnenen Präparate mit einander ver- gleichen zu können. Beginnen wir mit der Schilderung der Blutzellen eines 8 cm langen (ca. 3 Monate alten) menschlichen Embryo. Das frische, unfixirte Blut enthielt kernlose Erythrocyten von normaler und bedeutender Grösse, ferner kernhaltige Rothe in zwei Formen: a) solehe mit grossem, kugligem, reichlich gelb- farbenem Protoplasma und deutlich in der gelben Zelle er- kennbarem Kern, b) kleinere Zellen mit relativ grossem Kern und schwach gelblichem Protoplasma. Die ersteren entsprachen den Metrocyten Il. Generation, die letzteren den kernhaltigen Rothen (Normoblasten). Einige kuglige Zellen waren geschrumpft und zeigten die Stechapfelform, auch die Normoblasten zeigten vielfach eine unregelmässige Zellbegrenzung. Ausser den hämo- globinhaltigen Zellen waren noch einzelne, wenige, hämoglobin- freie Zellen zu erkennen, die das Aussehen von Lymphkörper- chen hatten. Die nach Fixirung gefärbten Präparate ergaben Folgendes: Da ich früher nur streng nach Ehrlich bei ca. 110° fixirte, so boten die bei 135° fixirten Präparate, namentlich betreffs der hämoglobinhaltigen Zellen, ganz besonderes Interesse. Es fielen zwei Formen dieser Zellen ins Auge: kernhaltige und kernlose. Unter den kernhaltigen fiel eine Form durch die zierliche Kugel- gestalt mit verhältnissmässig kleinem Kern auf. Es handelte sich um die Metroeyten Il. Generation. Das Protoplasma nahm bei Färbung mit van Gieson einen gelblichen, bei Eosin-Hämato- xylin oder Eosin-Methylenblau einen glänzend rothen, bei Triacid nach geringerer Erhitzung einen orange-röthlichen, nach stär- kerer Erhitzung einen reinen orangenen, bei Färbung mit Ehr- lich’s Triglyceringemisch (Aurantia, Nigroein und Indulin) einen reinen rothen Farbenton an. Da bekamntlich auf der an einer Seite erhitzten Kupferplatte die Temperatur allmählich abnimmt, kommt es oft vor, dass einzelne Metrocyten orange aussehen, während andere, die mehr am Rande des Deckgläschens gelegen, weniger stark erhitzt waren, neben dem Orange noch etwas Mischfarbe von Orange und Roth zeigen. Die Grösse der Metro- eyten schwankt zwischen 12 und 20 u, der Kern hat einen Durchmesser von 31/,—6 u. In einzelnen Fällen erreicht der Kern eine Grösse von 7—8 u; diese grossen Kerne gehören dann 338 C.S. Engel: aber fast ohne Ausnahme grossen Zellen von 17—20 u an. Von Mitosen konnte ich bei ihnen nichts entdecken. Was die Zahl der Zellen betriift, so kommen in diesem Alter 4—6 Metrocyten auf 100 kernlose Rothe. Ausser den (grossen, orangeophilen) Metroeyten kommen in demselben Blut noch kleine, orangeophile, kernhaltige Rothe vor. Ihre Kerngrösse ist dieselbe wie die der Metrocyten (31/,—5 u), ihre Zellgrösse schwankt zwischen 5 und 9u. Den orangeophilen Metrocyten und den orangeophilen, kernhaltigen Rothen stehen solche kernhaltige Rothe gegenüber, die von der Grösse der normalen kernlosen Rothen (7 u), einen verhältniss- inässig grossen, structurreichen Kern und ein ziemlich schmales Protoplasma haben. Dieses hat ein mehr lappiges Aussehen und nimmt bei starker Erhitzung und Färbung mit Triacid das Säure- fuchsin an. Ausser diesen fuchsinophilen, kernhaltigen Rothen, deren Zelldurchmesser 7—8 u, deren Kerndurchmesser 5—6 u beträgt, finden sich, jedoch viel seltener, grössere Formen der- selben Art mit einem Zelldurchmesser bis zu 16 u und einem Kern bis zu 11 u im Durchmesser. Von den kleineren Formen, den Normoblasten bis zu den grösseren Formen, den Ehrlich’schen Megaloblasten, giebt es alle möglichen Uebergänge. Zuweilen besitzen die Normoblasten zwei Kerne. Erwähnt werden muss ferner, dass sie zuweilen in Gruppen von 2—6 Zellen zusammen- liegen, sodass man zuweilen den Eindruck gewinnt, als ob das Protoplasma nach der Theilung der Kerne erst allmählich sich in die jedem Kern zugehörigen Theile getrennt hat. Die kernlosen Rothen entsprechen ihrer Farbe sowohl wie ihrer Form nach zum allergrössten Theil den orangeophilen, kern- haltigen Rothen. Sie sind kuglig, oft ohne Delle, in der Mehr- zahl orangeophil und schwanken in ihrer Grösse zwischen 8 und 18 u. Ihre Oberfläche, die eine scharfe kuglige Begrenzung zeigt, hat zuweilen an einer Seite eine etwas zerrissene Stelle, die schon im frischen Blute zu bemerken ist, weder mit der Stechapfelbildung, noch mit der Darstellung der Präparate, noch mit der Fixirung etwas zu thun hat, sondern, wie wir sehen werden, mit der Entstehung der orangeophilen, kernhalti- gen, rothen Blutkörperchen zusammenhängt. Einige kernlose Rothe zeigen, wenn auch in wenigen Exemplaren, das Heraus- platzen der Blutplättchen-ähnlichen Masse. Endlich finden sich Weiterer Beitrag zur Entwiekelung der Blutkörperchen etc. 339 einige fuchsinophile kernlose Rothe, die sich wie die polychro- matophilen verhalten. Die hämoglobinhaltigen Zellen beherrschen das Blutbild in diesem Alter derart, dass man eine ganze Anzahl von Gesichts- feldern durchmustern kann, ohne eine hämoglobinfreie Zelle zu finden. Vorhanden sind erstens Metroeytenkerne, zweitens den Lymphkörperehen ähnliche Zellen und endlich, seltener, eine Zelle mit neutrophiler Granulation, deren Kern mehr einkernig als polymorph ist. Diese erinnert sehr an Ehrlich’s Myeloeyten, doch ist sie scheinbar in diesem Stadium des embryonalen Blutes kleiner als die im pathologischen Blute des Erwachsenen. Auch einige wenige polynucleäre Zellen mit neutrophiler Granulation kommen vor. Eosinophile Zellen konnte ich um diese Zeit im Blute nieht finden. An den freien Kernen war, wenn man sich besonders starker Vergrösserung bediente und nicht zu sehr gefärbt war, stets ein sehr schmales, protoplasmatisches, hämoglobinfreies Protoplasma zu erkennen. Während sie in ihren kleinsten Exem- plaren (3—4 u gross) wenig Struetur, ebenso wie die Metrocyten- kerne, aufwiesen, wurde dieselbe mit zunehmender Kerngrösse deutlicher, sodass die grösseren Kerne mit dem schmalen Proto- plasmasaum zuweilen von Lymphkörperchen nicht zu unterscheiden waren. In einem Punkte unterschieden sich jedoch die grösser gewachsenen Metroeytenkerne von den gewöhnlichen Lymph- körperchen. In Präparaten, die mit Eosin-Methylenblau gefärbt sind, zeigen bekanntlich die gewöhnlichen Lymphkörperchen einen hellblauen Kern und dunkelblaues Protoplasma, in dem bei sehr starker Vergrösserung ein Netzwerk erkannt wird, das früher von Ehrlich als basophile Granulation aufgefasst worden ist. Die gewachsenen Metrocytenkerne haben im Gegensatz dazu einen dunkelblauen, stets strueturirten Kern und ein helles, blaues Protoplasma, vorausgesetzt, dass beide Zellen auf dieselbe Art fixirt und gefärbt sind. Da beide Zellformen auch im Blute des Erwachsenen vorkommen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die als Lymphkörperchen bezeichneten Zellen nicht nur einen Ur- sprung haben. Es dürfte sich empfehlen, bevor ich zur Schilderung des Blutes eines älteren Embryo übergehe, der Zellen zu gedenken, die im Blute der Blutbildungsorgane des beschriebenen zu be- obachten sind. In diesem Alter bietet das Blut der Leber 340 0.18. Engel: das grösste Interesse. Beginnen wir wieder mit den rothen Blutkörperchen, so können wir auch hier kernhaltige und kern- lose unterscheiden. Ebenso sind die Zellen nach der Farbe des Protoplasmas in orangeophile und fuchsinophile zu trennen. Abgesehen von den hämoglobinfreien (weissen) Blutzellen sind die Zellformen der Leber dieselben wie die des Blutes. Ein Unterschied besteht nur in dem Verhältnisse derselben zu ein- ander. Beginnen wir mit den orangeophilen Metroeyten. Ihre Zahl weicht in der Leber nicht erheblich von derjenigen im Blute ab, das Verhältniss derselben zu den übrigen Rothen be- trägt 3—6°/,. Auch bezüglich der Farbe, Form und Grösse des Zellleibes wie in Betreff der Grösse und Structur des Kerns wei- chen die Metroeyten der Leber nicht von denen des Blutes ab. In einem Punkte besteht jedoch eine ausserordentliche Verschie- denheit zwischen dem Herzblut und dem Leberblut. Während das Herzblut beherrscht wird von den orangeophilen, kernlosen Rothen, enthält das Leberblut ausserordentlich viel fuchsinophile Normoblasten, wodurch dasselbe ein ganz eigenartiges Aussehen gewinnt. Sie verhalten sich zu den kernlosen etwa wie 1:1. Wenn auch die fuchsinophilen, kernhaltigen Rothen des Leber- blutes denen des Herzblutes ausserordentlich ähnlich sind, so unterscheiden sie sich doch darin von den letzteren, dass etwa ein Viertel aller fuchsinophiler, kernhaltiger Rother der Leber mehrkernig ist. Die Zahl der Kerne schwankt zwischen 2 und 6, doch herrscht die Zweizahl bedeutend vor. Dabei sind die Zellen nicht grösser als die entsprechenden des Blutes, 8—12 u. Proto- plasma- und 6—10 u Kerndurchmesser. (Doch konnte ein kern- haltiges Rothes von 20 u Durchmesser mit 2 Kernen von je 9 u beobachtet werden.) Sind mehrere Kerne vorhanden, ist jeder entsprechend kleiner. Alle zeigen jedoch die deutliche Kern- structur, welche die Kerne der fuchsinophilen Rothen von denen der Metroeyten in den meisten Fällen unterscheidet. Die Kerne sind von gleicher oder von verschiedener Grösse. Häufig liegen neben einem Kern von normaler Grösse (ca. 6—8 u) einer oder mehrere ausserordentlich kleine (von !/, u und sogar noch kleiner). An anderen Kernen erkennt man, dass die kleinen durch Knospung sich von den grossen zu trennen im Begriff sind. Dann zeigt der eine Kern zuweilen Einbuchtungen und Abschnürungen auf der einen Seite, während auf der anderen Seite die abgeschnürten . Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 341 Theile schon frei liegen. Karyokinetische Figuren sind zwar sicher vorhanden, jedoch verhältnissmässig selten. Die kernlosen Rothen sind theils orangeophil, theils fuchsi- nophil. Während jedoch im Herzblut die fuchsinophilen sehr wenig zahlreich waren, betragen sie in der Leber fast die Hälfte der kernlosen. Von weissen Blutkörperchen besitzt das Leberblut in dem geschilderten Alter mehr als das Herzblut. Von Zellen mit Gra- nulation waren ein- und mehrkernige mit neutrophiler Granulation zu beobachten, die ersteren von 12— 14 u Durchmesser und einem 9—10 u grossen Kern (selbst bis zu 24 u und 16 u Kerngrösse), der entweder kugelrund ist oder mehr oder weniger tiefe Ein- buchtungen hat. Sie sind ohne Weiteres als Ehrlich’s Myelo- eyten zu erkennen. Die polynucleären Neutrophilen sind seltener und meist etwas kleiner, fast noch seltener sind die Zellen mit eosinophiler Granulation. Die angetroffenen (Zelldurchmesser ca. 14 u, Kerndurehmesser ca. 10 u) sind fast ohne Ausnahme ein- kernig, die Granulation hat einen violetten Farbenton, jedes Granulum etwa einen Durchmesser von ?/;u. Wenn auch ein- zelne neutrophil Granulirte ein ziemlich grobes Korn hatten und der eosinophilen Granulation zuweilen ähnlich sahen, so konnte doch, wenn man sich eines Farbengemisches bedient, das nur die eosinophilen Granula zur Darstellung bringt, z. B. Eosin-Hämato- xylin, kein allmählicher Uebergang von der neutrophilen zur eosinophilen Granulation, wie es behauptet worden ist, festgestellt werden. Mastzellen mit basophiler Granulation wurden nicht ge- funden. Von Leueocyten ohne Granulation waren, wenn ich die freien Metrocytenkerne vernachlässige, zwei Formen sicher zu unterscheiden, Lymphkörperehen und grosse Lymphoeyten. Die Lymphkörperchen (8— 10 u gross) hatten bei Triacid einen grossen, bläulichen, wenig structurirten Kern und ein sehr schmales, rosa- farbenes Protoplasma; ihre Zahl war sehr gering. Die grossen Lymphocyten waren namentlich bei Färbung mit Eosin-Methylen- blau deutlich und in zahlreichen Exemplaren zu erkennen. Sie hatten einen Durchmesser von 12—20 u, einen hellgefärbten Kern und einen oder mehrere dunkler blau gefärbte Innenkörper (die Ehrlich in seinem oben eitirten Buch über Anämie als Kernkörperchen anspricht). Ihr Protoplasma war von der Ober- 342 C.S. Engel: fläche bis zum Kernrand 1—4 u dick, sah tief blau aus (Methylen- blaufärbung) und war durch hellere Lücken unterbrochen). In dem Kern dieser Zellen wurden irgend welche Einbuchtungen nicht beobachtet. Im Uebrigen sahen die grossen Lymphoeyten genau so aus, wie sie auf Seite 47 des eben eitirten Buches ab- gebildet sind. Diese grossen Lymphoeyten sind im Leberblut dieses Alters so zahlreich, dass in fast jedem Gesichtsfeld 1—2 derselben zu zählen sind. Bei der Besprechung der granulations- losen Leucocyten muss noch einer Zellform Erwähnung geschehen, die nieht ohne Interesse ist. Wie ich oben ausgeführt habe, müssen wir unter den rothen Blutkörperchen die kleinkernigen, orangeophilen von den grosskernigen, fuchsinophilen unterscheiden. Richtet man sein Augenmerk auf diese letzteren, grosskernigen Zellen mit schmalem Protoplasma, so findet man, dass dieses mit dem Wachsthum der Zelle bei Triacid einen schwach rotvioletten, bei Eosin-Methylenblau einen mehr blauen Farbenton angenommen hat, sodass, wenn man in dem Präparat, das so überaus reich an kernhaltigen Rothen ist, nicht alle Uebergänge von den Normo- blasten über die Megaloblasten zu diesen Zellen verfolgen könnte, man diese letzteren eher für grosse Lymphocyten als für grosse kernhaltige Rothe halten möchte. Wie es scheint, verlieren diese Zellen mit dem Wachsthum des Kerns das Hämoglobin aus dem Protoplasma, so dass sie dann als grosse Lymphoeyten imponiren. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch von den eben besproche- nen grossen Lymphocyten, dass sie einen intensiv gefärbten Kern und ein weniger stark gefärbtes Protoplasma haben. Sie ver- halten sich also ähnlich wie die frei gewordenen Metrocyten- kerne. Endlich soll nieht unerwähnt bleiben, dass die Leber ferner noch eine grosse Zellform (ca. 25 u) mit verhältnissmässig nicht grossem Kern (10—12 u) besitzt, in deren Protoplasma bei Triacid gelbliche, bei Eosin-Methylenblau grünlich gefärbte, im unge- färbten Präparat gelbliche, grobe Pigmentkörnchen enthalten sind, die wohl als Gallen- oder Blutpigment angesehen werden müssen. Die Zellen dürften als die specifischen Leberzellen anzusprechen sein, die durch Anfertigung des Anstrichpräparates aus ihrem Zusammenhang gerissen sind. Von Milz und Knochenmark ist in diesem Stadium der embryonalen Entwickelung wenig zu berichten. Die Milz, Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 343 die ein Dreieck bildet von je 2 mm Länge und 1 mm Breite und die etwa !/,; mm hoch ist, enthält im Quetschpräparat, soweit das Blut in Frage kommt, nichts Charakteristisches. Man findet wenige kernhaltige und verhältnissmässig viel kernlose Rothe, so- wohl orangeophile als auch fuchsinophile.. Von Knochenmark ist im Oberschenkel noch nichts zu finden. In der Mitte des noch nicht verknöcherten Oberschenkels sieht man einige wenige, rothe Blutpunkte. Unter dem Mikroskop sehen die Zellen dieser Blut- flecke dem Herzblut in diesem Alter sehr ähnlich, doch ist die Zahl der kernhaltigen Rothen grösser als in dem letzteren. Nachdem ich an der Hand dieses, ca. 3 Monate alten Em- bryo die in Betracht kommenden Zellformen eingehend besprochen habe, kann ich mich bei der Beschreibung der anderen Embryo- nen kürzer fassen, um so mehr, als in den verschiedenen Alters- stufen immer dieselben Zellen, wenn auch in verschiedenem Ver- hältniss vorkommen. Es dürfte sich empfehlen, nebeneinander das Blut, dann Leber, Milz und Knochenmark gleich mehrerer Embryonen verschiedenen Alters zu besprechen. Beginnen wir mit dem Blute von Embryonen, deren Länge 6cm, 12cm, 16cm und 19cm beträgt, dann finden wir Fol- sendes: Vergleichen wir nacn Durchzählung einer grösseren An- zahl von Gesichtsfeldern die Zahl der kernlosen mit den kern- haltigen Rothen (Metrocyten, orangeophilen und fuchsinophilen Normoblasten), dann betrug das Verhältniss der kernlosen Rothen zu den kernhaltigen bei 6 cm 12 kernlose auf I kernhaltiges, bei 12 cm 55:1, bei 16 cm 150:1, bei 19 cm 176:1. Daraus folgt, was bereits längst bekannt ist, dass mit dem Alter des Embryo die Zahl der kernhaltigen Rothen geringer wird. Von beson- derer Wichtigkeit ist das Verhalten der kernhaltigen Rothen zu einander. Bei 6 cm betrug die Zahl der Metrocyten etwa 4°/, der kernlosen Rothen, bei 12 em nicht mehr ganz !/,°/o und von da ab wurden die grossen, orangeophilen Zellen über- haupt nieht mehr angetroffen. Die kleinen orangeophilen, kern- haltigen Rothen betrugen bei 12 cm ca. !/,°/, und die fuchsino- philen ca. 1!/,°/,.. Bei 16 und 19cm fanden sich fast nur fuchsi- nophile. Entsprechend dem Schwinden der Metrocyten war der grösste Durchmesser eines kernlosen rothen Blutkörperchens bei 6 cm noch 14—18 u, bei 12 cm nur noch 12—14 u und bei 16 und 19 em 10yu. Die bei weitem grösste Zahl der kernlosen 344 C.S. Engel: Rothen hatte 7—8 u Durchmesser. Von Leucocyten war bei 6 em Länge im Allgemeinen noch wenig zu finden. Das Verhält- niss der Rothen zu den Weissen betrug etwa 1000—500:1. Später besserte sich das Verhältniss zu Gunsten der Leucocyten. Am zahlreichsten waren die den Lymphkörperchen ähnlichen Formen, zu denen noch die freien Kerne mit schmalem Proto- plasmasaum zu rechnen waren. Die Zahl der eine Granulation besitzenden Zellen war erst äusserst gering, doch wurden Myelo- eyten schon bei 6 em Länge nachweisbar. Das Leberblut zeigte in allen vier Altersstufen eine ähnlich bedeutende Zahl kemhaltiger Rother, wie wir es aus- führlicb bei dem 8 em langen Embryo beschrieben haben. Das Verhältniss der kernhaltigen zu den kernlosen betrug bei 6 em 1:11/,, ‚bei: 12:emı 1: 15! bei 16 em L: 3; "bei. 19ıem esıısr Zahl der Metrocyten war bei 6 cm am höchsten, ea. 3°/,, bei 12 em nur noch !/,°/,, von 16 cm ab wurden keine mehr ange- troffen. Die fuchsinophilen, kernhaltigen Rothen waren stets be- deutend zahlreicher als die orangeophilen; es muss jedoch her- vorgehoben werden, dass, wenn ein Präparat zu stark erhitzt wird, eine Unterscheidung von fuchsinophilen und orangeophilen Normoblasten fast unmöglich ist, weil dann auch die grosskerni- gen etwas Orange annehmen, ebenso wie bei schwachem Erhitzen auch die orangeophilen sich etwas mit Fuchsin färben. Was die Leucoceyten angeht, so waren, wie bei dem 83cm langen Embryo, grosse und kleme Lymphocyten, Myelocyten (schon bei 6 em Länge in der Leber) und einkernige Eosinophile festzustellen. Die Milz zeigte bei 6 cm Embryolänge keine Abweichung vom Herzblut, es kamen auf ca. 12 kernlose ein kernhaltiges. Auch bei 12 em Länge zeigte sie keine Abweichung vom Blute desselben Alters, es betrug das Verhältniss der kernlosen zu den kernhaltigen etwa 50:1. Von Leueocyten wurden einige Lymph- körperchen, wenige Myelocyten, sehr selten einkernige Eosino- phile gesehen. Bei 16 em machte sich schon eine Verschieden- heit von dem Blute desselben Alters bemerkbar. Während im Blute das Verhältniss der kernlosen zu den kernhaltigen Rothen 150:1 betrug, war es in der Milz nur 50:1, also noch ebenso wie bei 12 cm Länge. Was die Art der kernhaltigen Rothen betrifft, so waren grosse kernhaltige Formen, also Metrocyten, nieht vorhanden, auch die Zahl der kleinen, orangeophilen, kern- Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 345 haltigen Rothen war sehr gering, fast alle kernhaltigen waren fuchsinophil. Unter den Leucoeyten überragten die granulations- losen die granulirten ganz bedeutend, dabei war die Zahl der Leucocyten überhaupt ziemlich erheblich; es kamen etwa ein Leucoeyt auf 3 kernhaltige Rothe. Das Milzblut bei 19 cm Embryolänge unterscheidet sich wenig von dem 16 em langen, die Zahl der kernhaltigen ist relativ etwas geringer (55: 1). Die Entwickelung des Knochenmarks endlich gestaltet sich besonders dadurch interessant, dass bis zum Ende des zwei- ten Monats, so lange, wie noch kein Knochen vorhanden ist, kei- nerlei Anzeichen vorliegen, welche darauf hinweisen, dass das Knochenmark das Blutbildungsorgan par excellence werden würde. Im Gegentheil! Beim Embryo von 6cem Länge enthält der Saft, den man aus dem frei präparirten Oberschenkel herauspressen kann, wenig körperliche Elemente. Es haben sich um diese Zeit auch noch gar keine rothe Punkte in der Mitte der Diaphyse gebildet, wie ich sie bei dem 8 cm langen Embryo habe an- führen können. Die Zellen des ausgepressten Saftes sind meist kernlose Rothe, hin und wieder findet man einen kleinen, orangeo- philen Normoblast. Das Verhältniss der kernlosen zu den kerm- haltigen war in dem einen Falle, den ich untersuchen konnte, ca. 200:1. Von sonstigen Zellen konnte in diesem Alter nichts festgestellt werden. Beim i2 em langen Embryo war die Zahl der kernhaltigen Rothen, namentlich der fuchsinophilen, schon bedeutend. grösser, sodass schon auf 24 kernlose ein kernhaltiges kam. Metrocyten waren zwar sicher vorhanden, aber in äusserst geringer Anzahl; die orangeophilen, kernhaltigen Rothen betrugen etwa den 9. Theil der fuchsinophilen. Bezüglich der letzteren fiel auf, dass ihr Protoplasma zuweilen breiter war als das der gewöhnlichen fuchsinophilen Normoblasten, sodass ihre Form mehr der der orangeophilen glich, während ihre Protoplasma- farbe nöthigte, sie als fuchsinophile zu bezeichnen ; auch war ihr Kern grösser als der der gewöhnlichen orangeophilen.. In Rück- sicht auf das Verhalten beim Erwachsenen ist es von Wichtig- keit, auf das Vorkommen von Leucocyten in diesem Stadium der Knochenmarksentwiekelung (12 em) zu fanden. Auch hierin zeigte es sich, dass das Knochenmark noch nicht auf der Höhe seiner Entwiekelung stand. Es konnten nämlich unter mehr als 2000 kernlosen Rothen weder ein Myeloceyt noch eine mehr- oder Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 23 346 C.S. Engel: einkernige Eosinophile gefunden werden; eine polynucleäre Neu- trophile liess sich nachweisen. Auch die Zahl der den Lymph- körperchen ähnlichen Zellen betrug bei der angegebenen Zahl der Rothen nur 8. Also auch in diesem Alter kann das Knochen- mark noch nicht als Blutbildungsorgan angesehen werden. Erst ganz allmählich treten die Zellen auf, die man später regelmässig im Knochenmark antrifft. Bei 16 cm Länge war das Verhältniss der kernlosen zu den kernhaltigen auf 48:1 gesunken — wobei wieder die fuchsinophilen ca. 10 Mal so zahlreich waren wie die orangeophilen — doch konnte man jetzt bereits etwa 1°/, Myelo- eyten erkennen. Einkernige Eosinophile waren schon sicher vor- handen, wenn auch noch sehr selten, polynucleäre Neutrophile ebenso, granulationslose Leucocyten waren etwa doppelt so zahl- reich wie die Myelocyten. Meistens handelte es sich um Lymphkör- perchen; die Zahl der grossen Lymphoeyten (also granulationsloser Leucoeyten von Myelocytengrösse) betrug etwa den vierten Theil der Myelocyten. Ausserdem trat eine granulationslose Zellform verhältnissmässig zahlreich auf, die grösser als eine polynucleäre einen im Verhältniss kleinen Kern und ziemlich mächtiges Proto- plasma hatte, eine Form, die ich als „kleinkernige Markzelle“* bezeichnen zu sollen glaubte. Von dieser Form wurden etwa ebenso viel gefunden wie Myelocyten. Mit zunehmendem Wachs- thum des Embryo (19cm) treten im Knochenmark immer mehr die Zellformen hervor, die ihm das Gepräge geben. Während das Verhältniss der kernhaltigen zu den kernlosen etwa dasselbe ist wie beim 16 cm langen Embryo (1:51), von denen wieder die fuchsinophilen zahlreicher sind als die orangeophilen (2:1), ist jetzt bereits die Zahl der hämoglobinfreien Zellen im Vergleich zu denen der anderen Organe, Blut eingerechnet, vermehrt. Es wurden bereits auf 1800 kernlose Rothe 100 weisse gezählt. Diese betrugen also bereits etwa 6°/, der kernlosen Rothen. Die Vermehrung betraf in erster Linie die einkernigen, grossen Leu- coeyten mit neutrophiler Granulation, Ehrlich’s Myeloeyten (56 Zellen), während die grossen einkernigen Leucoeyten ohne Granulation nur 15 betrugen, von denen ein Drittel einen runden, zwei Drittel einen gelappten Kern hatten. Ob die granulations- losen Zellen in die granulirten übergehen, konnte ich nicht fest- stellen. Gering war noch die Zahl der Eeosinophilen (2), wäh- rend von Lymphkörperchen 25 gezählt wurden. Von polynucleä- Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen ete. 347 ren Neutrophilen waren nur zwei vorhanden. Werden uns also von einem 19 cm langen Embryo vier Präparate zur Diagnose vorgelegt, von denen je eins ein Abstrichpräparat von Blut, Leber, Milz und Knochenmark darstellt, so werden wir zuerst das Leber- präparat an der ausserordentlich grossen Zahl der kernhaltigen Rothen erkennen. Dasjenige Präparat, welches bedeutend mehr kernlose als kernhaltige Rothe und dabei sehr wenig Leucocyten (ea. !/,°/,) enthält, werden wir als Herzblut diagnostieiren, Milz und Knochenmark, bei denen das Verhältniss der kernlosen zu den kernhaltigen fast dasselbe ist, werden wir dadurch trennen können, dass in der Milz die granulationslosen Lymphocyten, im Knochenmark die granulirten Myelocyten vorherrschen. Wenn auch die für die verschiedenen Embryogrössen angegebenen Zahlenverhältnisse in anderen Fällen andere sein werden, so bleibt doch die bedeutend hohe Zahl der kernhaltigen Rothen in der Leber, das Vorherrschen der granulationslosen Zellen in der Milz und dasjenige der grauulirten im Knochenmark in diesem Alter bestehen. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass bei Embryonen derselben Grösse zuweilen nicht unbeträchtliche Ver- schiedenheiten in dem relativen Verhältniss der einzelnen Zell- formen gefunden werden, sodass aus einem bestimmten Aussehen des Bildes, sei es des Blutes oder der Blutbildungsorgane, nicht mit Sicherheit auf eine bestimmte Embryogrösse geschlossen werden kann. Dies gilt namentlich für die etwas grösseren Föten, von denen wir hier nur noch die Verhältnisse bei einer Länge von 23 cm und bei einer Länge von 27 cm besprechen wollen. Diese letztere Länge entspricht etwa einem Embryo am Ende des fünften oder Anfang des sechsten Lebensmonats. Die Blutverhältnisse der letzten Monate sollen bei einer anderen Ge- legenheit erörtert werden. Da der Embryo von 23 em Länge zur Untersuchung ge- langte, während das Herz noch pulsirte, wurde durch Blutent- nahme aus der Radialis die Zahl der Rothen, der Weissen und das Hämoglobin bestimmt. Ferner war ich in der Lage, die Alealescenz festzustellen. Die Zahl der rothen Blutkörperchen ergab (Methode Thoma-Zeiss) 3,500000, die der weissen!) ca. 1) Das Resultat ist leider nicht genau. Dazu kommt, dass ziem- lich viele Kerne der kernhaltigen Rothen mitgezählt sein werden, was nicht zu verhüten ist. 348 C.S. Engel: 40000. Das nach der Fleischl’schen Methode bestimmte Hä- moglobin ergab 80°/,, die Alcaleseenz, die ich mit Hülfe des von mir modifieirten Löwy-Zuntz’schen Verfahrens untersuchte, be- trug 426,4 mgr NaOH für 100 eem Blut berechnet. Da die Al- caleseenz des erwachsenen Blutes zwischen 426 und 553 mgr NaOH liegt, so weicht die Alcalescenz des hier untersuchten embryonalen Blutes von der des Erwachsenen nicht ab, wenn sie auch an der unteren Grenze des Normalen liegt. Was die Erythrocytenzahl betrifft, so konnte die für Neugeborene ange- gebene Ziffer (mehr als 5 Millionen), sowie ein starker Hb-Gehalt des Blutes in diesem Alter (etwa 5. Monat) noch nicht gefunden werden. Doch ist festzustellen, dass die Zahl der Rothen ?/, des Normalen, während der Hb-Gehalt */, betrug. Wenn auch der Hämoglobingehalt des Blutes bei dem untersuchten Embryo nie- driger als beim gesunden Erwachsenen ist, so ist doch jedes der vorhandenen rothen Blutkörperchen Hb-reicher als normal, wie es bekamntlich auch bei den Blutkörperchen der Neugeborenen (und oft bei der pernieiösen Anämie) der Fall ist. Betreffs der morphologischen Elemente des Blutes und der Blutbildungsorgane konnte Folgendes festgestellt werden. Das Blut besteht der Hauptmasse nach aus kernlosen Rothen mit Delle von normaler Grösse. Fast sämmtlich sind orangeophil. Was die kernhaltigen Rothen betrifft, so hätte erwartet werden können, dass ihr Ver- hältniss zu den kernlosen geringer sein würde als bei dem 19 cm langen Embryo. Das war jedoch auffallender Weise nicht der Fall. Es wurden auf etwa 120 kernlose schon ein kernhaltiges gezählt. Ob ein Beobachtungsfehler vorliegt, oder ob die Ursache für das unerwartete Resultat darin zu suchen ist, dass der 23 cm lange Fötus lebend, die beiden 19 em langen, die ich untersuchte, und deren Zahlen übrigens ebenfalls etwas von einander ab- wichen, erst 12 Stunden nach der Geburt zur Untersuchung kamen, lässt sich nicht unterscheiden. Auf jeden Fall findet da- durch meine oben aufgestellte Behauptung eine Bestätigung, dass gleichen Embryolängen nieht eine gleiche Blutzusammensetzung entspricht, dass man andererseits aus der Zusammensetzung der Blutzellen genau das Alter des zugehörigen Embryo nicht fest- stellen kann. Die kernhaltigen Rothen waren vielfach klein- kernig mit orangeophilem Protoplasma. Metrocyten waren nicht vorhanden. Unter den grosskernigen, mit schmalem, fuchsino- Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 349 philem Protoplasma waren einige mit deutlicher Mitose zu be- obachten, auch einzelne Megaloblasten (einer von 13 u Zell- und 10 u Kerndurchmesser) waren zu sehen. Von Leuceocyten wur- den granulirte und nicht granulirte gefunden. Eosinophile u. z. mehrkernige waren in geringer Zahl vorhanden. Die neutrophil granulirten zeigten alle Uebergänge von den einkernigen (Myelo- cyten) zu den polymorphkernigen. Das Verhältniss der granu- lirten zu den granulationslosen betrug etwa 2:5. Bekanntlich ist das Verhältniss beim Erwachsenen etwa 3:1. Wenn man bedenkt, dass bis zur Geburt die einkernigen Neutrophilen fast gänzlich aus dem Blute schwinden, so dass der Neugeborene unter normalen Verhältnissen fast keine Myelocyten im Blute hat, so würden wir richtiger handeln, wenn wir die Lymphocyten nur mit den polynucleären Neutrophilen vergleichen. Es ergiebt sich dann für die Lymphkörperchen ein noch günstigeres Ver- hältniss (5:1). Es nehmen also vom 5. Monat des embryonalen Lebens an die polynucleären Neutrophilen des Blutes zu, die Lymphkörperchen ab, in der Weise, dass — wenn wir die Zahlen unseres Embryo zu Grunde legen — am Ende des zweiten Drittels des embryonalen Lebens die polynucleären Neutrophilen sich zu den Lymphkörperchen wie 1:5, bei jungen Neugebore- nen wie 1:(2—)3, bei Erwachsenen wie 3(—2):1 verhalten. Das Zahlenverhältniss wird jedoch dadurch complieirter, dass ich die grossen und kleinen Lymphoeyten nicht getrennt habe, die grossen jedoch viel häufiger bei jungen Kindern und Em- bryonen als bei Erwachsenen sind. Auch abgesehen davon findet man zuweilen Abweichungen von dieser Regel. Wenn wir auch von diesen Schwankungen in den Zahlenverhältnissen hier ab- sehen müssen, so muss doch eines Punktes bei dieser Gelegen- heit Erwähnung geschehen. Es ist das Verhältniss der poly- morphkernigen Zellen mit neutrophiler Granulation zu denen ohne Granulation. So nahe liegend die Annahme ist, dass die granu- lationslosen „grossen Lymphocyten mit gelapptem Kern“ dadurch zu „polynucleären Neutrophilen“ werden, dass sie die neutrophile Granulation annehmen, glaube ich doch dieser Auffassung ent- gegentreten zu müssen. Nach meiner Ueberzeugung bekommen die granulationslosen Zellen, wenn ihr Kern eine gelappte Form angenommen hat, keine neutrophile Granulation mehr. Trotzdem ist eine Verwandtschaft zwischen den einkernigen, granulations- 350 @.8. Engel; losen und den einkernigen, granulirten Leucoeyten nieht zu be- zweifeln. Soweit ich mir in dem ausserordentlich schwierigen Gebiet der granulationslosen Leucocyten eine Meinung habe bilden können, liegen die Verhältnisse folgendermaassen: Während die polynucleären Neutrophilen aus den einkernigen Neutrophilen (Myeloeyten) durch allmähliches Lappigwerden des einen Kerns entstehen und einen Entwiekelungsgang nehmen, der mit den granulationslosen Zellen nichts gemein hat, ist zuerst festzuhal- ten, dass die Lymphkörperchen niemals eine neutrophile Granu- lation erlangen, auch nicht, wenn sie durch Wachsthum die Grösse der polynucleären Neutrophilen (10 u) erreicht haben. Die aus den Lymphkörperehen zu grossen Lymphocyten (mit einem runden Kern) herangewachsenen Zellen können im Verlaufe der weiteren Entwickelung einen gelappten Kern erhalten, der gewöhnlich plumper aussieht, als der der polynucleären Neutrophilen. Diese grossen Lymphocyten mit gelapptem Kern unterscheiden sich nicht nur bei Triaeidfärbung — durch Fehlen einer neutrophilen Granulation — sondern auch bei Eosin-Hämatoxylin- und Eosin- Methylenblaufärbung von den polynucleären Neutrophilen u. z. dadurch, dass das Protoplasma der ersteren einen bläulichen Ton annimmt, während das Protoplasma der polynucleären Neutro- philen bei Anwendung der beiden letzteren Farbgemische unge- färbt bleibt. Die vielfach verbreitete Annahme, dass die Lymph- körperehen Jugendformen, die polynucleären Zellen Altersformen darstellen, und dass die letzteren aus den ersteren hervorgegan- gen sind, ist meiner Ansicht nach dadurch entstanden, dass alle mögliehen Uebergänge von den kleinen Lymphkörperchen zu den grossen Lymphoeyten mit gelapptem Kern — selbst bei dem vorliegenden 23 cm langen Embryo — zu finden sind, Es ist aber nicht genügend Rücksicht auf die neutrophile Granulation genommen worden. Wo besteht nun die Verwandtschaft zwi- schen granulationslosen und granulationshaltigen, einkernigen Zellen? Sowohl im Knochenmark des gesunden Erwachsenen als auch im Blute bei myelogener Leukämie (als auch in der Leber des 23 em langen Embryo) kommen neben den Myeloeyten noch Zellen vor, die genau wie diese, einen verhältnissmässig grossen, kugligen Kern besitzen, aber in dem ziemlich unbedeu- tenden Protoplasma bei Triaeidfärbung keine neutrophile Granu- lation zeigen. Nach meiner Ansicht sind diese Zellen, von denen Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 351 ich annehme, dass sie sich mit Müller’s „Markzellen“ decken, und die grosse Aehnlichkeit mit den „grossen Lymphoeyten mit rundem Kern“ besitzen, doch möglicher Weise auch von den letzteren zu unterscheiden. Für’s Erste habe ich sie mit der Mehrzahl der anderen Untersucher als „grosse Lymphocyten“ bezeichnet. Diese grossen Lymphocyten des Knochenmarks wie des leukämischen Blutes zeigen zuweilen an einer Seite mehr oder weniger viel neutrophile Granula und man kann Zellen neben einander sehen, welche alle möglichen Uebergänge zwischen den granulationslosen zu den granulationshaltigen Formen bilden. Auf Knochenmark, Milz und Leber brauchen wir bei un- serem Embryo nicht genauer einzugehen, weil die Zellen derselben sich ähnlich denen verhalten, welche wir bei dem 19 em langen Embryo beschrieben haben. Von dem 27 cm grossen Embryo, dessen Beschreibung den Schluss dieser Abhandlung bilden soll, ist nur zu berichten, dass im Blute das Verhältniss der kernlosen zu den kernhaltigen Rothen etwa 200:1 betrug, dass ferner auf etwa 90 Erythro- cyten ein Leucocyt, und dass endlich auf vier polynucleäre Neutrophilen fünf Lymphocyten kamen. Von einem bedeutenden Ueberwiegen der Lymphkörperchen über die Granulirten war also hier keine Rede, namentlich nicht, wenn man die vorhan- denen Myeloeyten mitrechnet. Eosinophile wurden äusserst wenig gefunden. Als Beweis, dass die Lymphkörperchen mit den Kernen der kernhaltigen Rothen nahe verwandt sein müssen, kann an- geführt werden, dass wiederholt zwei Kerne, die ursprünglich offenbar einem kernhaltigen Rothen mit zwei Kernen angehört hatten, ohne Hämoglobin im Protoplasma zu besitzen, neben einander liegend mit gemeinsamem Protoplasmaleib angetroffen wurden, und dass diese Gebilde, was Grösse, Färbung, Form, Kernstruetur betrifft, von Lymphkörperchen nicht zu unterschei- den waren. Was die Blutbildungsorgane angeht, ist das Bild im Quetsch- präparat der Milz das einfachste. Ausser zahlreichen kernlosen finden sich viele kernhaltige Rothe, meist Normoblasten, doch sind die kernlosen in der Mehrzahl. Von Leucoceyten sind zwar einige polynucleäre Neutrophile, auch einige Myelocyten, selbst einige wenige mehrkernige Eosinophile zu finden, die Mehrzahl der Leucoeyten besteht jedoch aus Lymphkörperehen und na- 352 C.S. Engel: mentlich grossen Lymphocyten mit rundem, meist gelapptem Kern. Das Knochenmark sieht dem von Embryonen gerin- gerer Grösse sehr ähnlich. Ausser normalen kernlosen Erythro- eyten (orangeophilen) waren zahlreiche Normoblasten, sowohl kleinkernige, orangeophile als auch grosskernige, fuchsinophile vorhanden, daneben Uebergänge von der ersteren Form in die zweite, auch mehrkernige kernhaltige Rothe. Megaloblasten waren in geringer Zahl vorhanden. Von Leucocyten waren Myelocyten und polynucläre Neutrophile zahlreich, ein- und mehrkernige Eosinophile nieht selten zu finden. Basophile Mastzellen waren nicht zu sehen. Von granulationslosen Zellen waren kleine Lymphkörperchen ziemlich zahlreich, Lymphoeyten mit rundem und gelapptem Kern weniger häufig. Endlich sind noch die kleinkernigen Markzellen zu erwähnen. Die Leber endlich bot ein sehr mannigfaltiges Bild. Ausser den auch in diesem Alter sehr zahlreichen orangeophilen und fuchsi- nophilen, kernhaltigen Rothen von normaler Grösse waren auch grosse Megaloblasten mit einem und zwei Kernen ziemlich häufig anzutreffen; sie hatten zuweilen eine ganz bedeutende Grösse, Dann war auch der Kern sehr gross. Während die kernhaltigen Rothen das Bild beherrschten, wurden auch hämoglobinfreie Zellen in reichlicher Menge beobachtet, sodass das Leberblut dem des Knochenmarks in manchen Gesichtsfeldern nicht unähnlich war. Doch besass es mehr kernhaltige Rothe als das letztere. Alle bisher beschriebenen Leucocyten: polynucleäre Neutrophile, Myelo- cyten verschiedener, selbst bedeutender Grösse, mehr- und meist einkernige Eosinophile in ziemlich grosser Zahl, einige Mast- zellen, Lymphkörperehen und grosse Lymphoeyten mit rundem und mit gelapptem Kern wurden in reichlicher Anzahl ange- troffen. Von den einkernigen Eosinophilen ist noch besonders hervorzuheben, dass die grobe Granulation bei Triaeidfärbung einen mehr violetten, weniger rothen Farbenton angenommen hatte. Es würde zu weit führen, wollte ich noch die Schilderung des Blutes und der Blutbildungsorgane aus dem letzten Drittel des intrauterinen Lebens folgen lassen. Ich will mich hier darauf beschränken, zum Schluss die Hauptpunkte aufzuzählen, die für das Blut menschlicher Embryonen von 6—27 cm Länge (Ende des 2. bis Anfang des 6. Monats) von Bedeutung sein dürften: Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 353 1. Die Blutkörperchen junger menschlicher Embryonen sind hämoglobinhaltig, die hämoglobinfreien mit und ohne Gra- nulation treten erst später im Blute auf. Von diesen finden sich die Lymphkörperchen früher und zahlreicher ein als die mehr- kernigen Zellen. 2. Je jünger der Embryo, um so zahlreicher sind die kern- haltigen Rothen im Vergleich zu den kernlosen im Blut. Mit dem Wachsthum des Embryo geht die Zahl der kernhaltigen Rothen zurück. 3. Die kernhaltigen Rothen der jüngeren, embryonalen Zeit sind vielfach grösser als die kernlosen Rothen des gesunden Erwachsenen, ebenso sind die kernlosen Rothen bis etwa zum Ende des dritten Monats meistens grösser als die normalen Erythroeyten. 4. Bis etwa zum Ende des dritten embryonalen Monats finden sieh im Blute hämoglobinhaltige, kleinkernige, kuglige Zellen, die von da ab beim gesunden Menschen nicht mehr ge- funden werden. — Sie finden sich beim Erwachsenen zuweilen im Knochenmark und selten im Blute an pernieiöser Anämie Erkrankter. — Diese, Metrocyten genannt, sind nicht identisch mit den bei Anämie im Blute vorkommenden Normoblasten und müssen ferner von den bei schweren Anämien gefundenen gross- kernigen Megaloblasten unterschieden werden. 5. So lange Metrocyten im Blute vorhanden sind, werden auch Macroeyten gefunden, mit dem Verschwinden der ersteren werden auch letztere vermisst. Neben den grossen Metrocyten besitzt das Blut noch kleinere Zellen derselben Art, die sich von ersteren nur durch ihre geringere Grösse unterscheiden. Wie die Macrocyten mit den Metrocyten, sind die normalen Erythrocyten mit den kleinkernigen Normoblasten verwandt. Bis etwa zum dritten Monat, solange das Blut Blutbildungsorgan ist, scheint der Metrocyt sich in einen Macroeyten und einen kleinkernigen Normoblasten zerlegen zu können. Vom Anfang des zweiten Drittels des embryonalen Lebens ab werden weder im Blute noch in den Blutbildungsorganen Metrocyten gefunden. 6. Ausser den orangeophilen enthält das embryonale Blut noch fuchsinophile, kernhaltige und kernlose, rothe Blutkörper- chen. Durch Wachsthum des Kerns kann ein orangeophiles, kernhaltiges zu einem fuchsinophilen werden. Diese Umwand- 354 0.8. Engel: lung scheint nur in der jüngeren Zeit des embryonalen Lebens statt zu haben, nach Eingreifen der Blutbildungsorgane scheinen beide Formen neben einander gebildet zu werden. Eine direkte Umwandlung eines orthochromatischen, kernlosen Blutkörperchens in ein polychromatisches (Degeneration) erfolgt nicht; wie die orthochromatischen, kernlosen aus orthochromatischen, kernhalti- gen Rothen entstehen, so geschieht es auch bei den polychroma- tischen. | 7. Knochenmark und Milz nehmen erst nach dem dritten Monat an der Blutbildung Theil; Metrocyten werden in ihnen nieht gebildet, das Produkt ihrer Thätigkeit sind orangeophile und besonders fuchsinophile Normoblasten. Die, im Vergleich zu den zahlreichen fuchsinophilen, geringen orthochromatischen, klein- kernigen Rothen scheinen für den Ersatz zu Grunde gehender orthochromatisceher, kernloser Rother auszureichen. Die fuehsino- philen, kernhaltigen Rothen der Blutbildungsorgane scheinen nur im Nothfall (bei Anämien) zur Neubildung von (fuchsinophilen) kernlosen Rothen herangezogen zu werden. 8. Die Leber nimmt schon während einer früheren Zeit des embryonalen Lebens an der Blutbildung Theil als Milz und Knochenmark; sie scheint weniger zur Bildung von hämoglobin- haltigen als vielmehr zur Entwiekelung hämoglobinfreier Zellen beizutragen. Aus der ausserordentlich grossen Zahl ihrer fuchsi- nophilen, kernhaltigen Rothen, die zur Entwickelung orthochro- matischer, kernloser Rother ungeeignet sind, darf man schliessen, dass die kernhaltigen Rothen nicht nur zur Bildung von Erythro- eyten dienen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass den Kernen der hämoglobinhaltigen Zellen eine viel grössere Bedeutung bei- gelegt werden muss, als es gemeinhin geschieht. Die Kerne der kernhaltigen Rothen scheinen noch eine andere Aufgabe zu haben als zu verschwinden. 9. Es ist nieht zu bestreiten, dass ein grosser Theil der Kerne der Normoblasten durch Karyolyse unsichtbar wird, ebenso sicher ist aber, dass der Kern, umgeben von einem hämoglobin- freien Protoplasmasaum, den Rest des Normoblasten, den Erythro- eyten, verlassen kann, um selbständig weiter zu leben. Ebenso wie aus dem kernhaltigen, rothen Blutkörperchen durch Kern- schwund (Karyolyse) ein kernloses Rothes, ebenso wie durch Trennung des Kerns von dem hämoglobinhaltigen Theil ein Weiterer Beitrag zur Entwickelung der Blutkörperchen etc. 355 kernloses Blutkörperchen und ein Leucoeyt entstehen kann, ebenso kann der dureh Auflösung des hämoglobinhaltigen Protoplasmas (Plasmolyse) frei gewordene Normoblastenkern zum Lymphoeyten auswachsen. Es ist sehr wohl anzunehmen, dass der durch Ka- ryolyse unsichtbar gewordene Kern zu den Blutplättchen in Be- ziehung steht. 10. Wenn auch die granulationslosen Leucocyten früher im Blute gefunden werden als die mehrkernigen, neutrophil gra- nulirten, so ist doch noch nicht bewiesen, dass die letzteren aus den ersteren hervorgegangen sind. Im Gegentheil ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lymphkörperchen und grossen Lympho- eyten einerseits, die Myelocyten und die polynucleären Neutro- philen andererseits, endlich die ein- und mehrkernigen Eosino- philen je einen getrennten Entwickelungsgang haben. Wenn auch über die Herkunft der Granulationen in den Zellen noch keinerlei Anhaltspunkte vorhanden sind, so wird man doch gut thun, darnach zu forschen, was aus dem Hämoglobin derjenigen kernhaltigen Rothen wird, die zur Bildung von kernlosen nicht herangezogen werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Die Bilder entsprechen einer Vergrösserung von 664 (8x 83). Als optisches Instrument wurde der Apochromat von Zeiss mit 3mm Brennweite und 1,40 Apertur (Vergrösserung 83) mit Compensations- ocular 8 benutzt. Gefärbt wurde mit Triacid. Die Fixirung geschah, um die Orangeophilie neben der Fuchsinophilie herauszubringen, bei ca. 130—1350 C. Um den Eindruck des mikroskopischen Bildes nach Möglichkeit zu wahren, konnten einzelne, besonders grosse Zellen bei dem beschränkten Raum nicht dargestellt werden. Fig. 1. Blut eines menschlichen Embryo von 8cm Länge. a) Metrocyt II. Generation; b) kleinerer Metrocyt; ce) kleine orangeophile Normoblasten ; d) freier Metroeytenkern; e) oran geophiler Normoblast noch in Verbindung mit einem kern- losen Erythrocyten; f) Macrocyten; g) normaler Erythrocyt (ohne Delle); h) Mierocyt; i) fuchsinophile Normoblasten; k) mehrere Normoblasten, die nach der Theilung des Kerns ihr Protoplasma noch nicht getrennt haben; 1) Megaloblast; m) fuchsinophile Erythrocyten, durch Kernverlust aus den fuchsi- nophilen Normoblasten hervorgegangen; n) Lymphkörperchen; o) polynucläre Neutrophile. ig. 2. Fig. Fig. Fig. C. S. Engel: Weiterer Beitr. z. Entwickel. d. Blutkörperchen etc. Leberblut desselben Embryo. a) Metrocyt; b) kleiner Metrocyt; ec) freier Metrocytenkern (mit wenig hämoglobinfreiem Protoplasma; d) ein- und mehr- kernige fuchsinophile Normoblasten; d‘/) Kerntheilung; d“) Knospenbildung; e) Megaloblast; f) fuchsinophile Erythrocyten; g) normaler Erythroeyt; h) Macrocyt; i) Lymphkörperchen; k) Myelocyt; I) grosser Lymphocyt oder Megaloblast oder „mononucleäre Zelle“. Blut eines 23cm langen Embryo. a) orangeophiler Normoblast (kleiner Metrocyt); b) orangeo- phile Normoblasten, die allmählich fuchsinophil werden; c) fuchsinophile Normoblasten (gewöhnliche Form); d) Macroeyt; e) normaler Erythrocyt; f) fuchsinophiler Erythrocyt; g) freier Kern (eines kleinkernigen Normoblasten) mit wenig Proto- plasma; h) Lymphkörperchen; i) grosser Lymphocyt mit ge- lapptem Kern; k) polynucleäre Neutrophile; ]) Myelocyt; m) Blutplättchen. Quetschpräparat aus dem Knochenmark des 23 cm langen Embryo. a) orangeophiler Normoblast; b) Normoblasten, die allmäh- lich fuchsinophil werden (b/); e) freier Kern; d) Lymphkörper- chen; e) grosser Lymphoeyt mit gelapptem Kern; f) Myelo- eyten; g) polynucleäre Neutrophile. Quetschpräparat aus der Milz eines 27 cm langen Embryo. a) Normoblasten; b) freier Kern mit wenig Protoplasma; c) freier Kern, der zum Lymphkörperchen heranwächst; d) Lymphkörperchen; e) grosse Lymphocyten mit gelapptem Kern; f) grosser Leucocyt mit rundem Kern; g) polynucleäre Neutrophile; h) Myelocyt; i) mehrkernige Eosinophile. Leberblut des 27 cm langen Embryo. a) orangeophiler Normoblast; a‘) fuchsinophil werdend; b) fuchsinophile Normoblasten; ce) fuchsinophiler Megaloblast; d) Lymphkörperchen; e) grosser Lymphocyt; f) Myelocyten; g) polynucleäre Neutrophile; h) mehrkernige Eosinophile; i) ein- kernige Eosinophile. 357 (Aus dem pathol.-anatomischen Institut zu Marburg; Prof. Marchand.) Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern bei einer Erwachsenen. Von Dr. W. Stoeckel, Assistent an der Frauenklinik zu Bonn. Hierzu Tafel XVII. Bei der Durchsicht einiger zu anderen Zwecken herge- stellter Schnitte aus den Ovarien einer unmittelbar nach der Menstruation verstorbenen Erwachsenen machte mich Herr Ge- heimrat Marchand auf das Vorhandensein eines doppelten Keimbläschens in einem Primordialfollikel aufmerksam und ver- anlasste mich zu einer eingehenden Untersuchung der beiden Ovarien. Es stellte sich dabei die überraschende Thatsache heraus, dass die Verdoppelung des Keimbläschens eine sehr grosse An- zahl von Primordial-Eiern betraf, ja dass solche mit 3, selbst 4 Keimbläschen vorhanden waren. Es handelte sich um eine Nullipara, welche im Alter von 29 Jahren am 9. Mai 1898 in der hiesigen medieinischen Klinik in Folge von rechtsseitiger kroupöser Pneumonie gestorben war. Aus der Anamnese und dem Krankheitsverlauf will ich nur hervorheben, dass die Patientin schwächlich und chlorotisch gewesen sein soll. Sie war seit ihrem 15. Lebensjahre menstruirt, zunächst in unregelmässigen, dann in regelmässigen Intervallen mit geringer Blutung und ohne be- sondere Beschwerden. Fünf Tage vor ihrem Tode trat die Periode ein und hielt unter sehr geringer Blutung drei Tage an. Zugleich stellte sich etwas Nasenbluten ein. Die Pneumonie hatte acht Tage vor dem Tode begonnen. Bei der Section (Sectionsprotokoll 61) wurde die klinische Dia- gnose bestätigt. Der Uterus war von gewöhnlicher Grösse, dunkel- geröthet; an seiner hinteren Wand fand sich ein halberbsengrosses, weissliches, scharf abgegrenztes Knötchen. Das Oreficium uteri exter- num bildete eine kleine rundliche Oeffnung. Die Schleimhaut des Uterus war etwas geröthet, an ihrer Oberfläche hingen lose gelblich- grau gefärbte, membranöse Fetzen. Die Ovarien waren mit dem Uterus unnnittelbar nach der Section in Müller’scher Flüssigkeit mit Zusatz 358 W. Stoeckel: von Formol konservirt und sodann in Alkohol gehärtet. Dieselben waren ziemlich gross (am gehärteten Präparat betrug die Länge etwa 5,0cm, die grösste Breite 2,0 cm, die Dicke in der Mitte 1,0 cm), von länglich walzenförmiger Gestalt, an beiden Enden verschmälert; ihre Oberfläche war nur wenig höckerig. Es fanden sich einige mit klarer Flüssigkeit gefüllte Follikel. Zur mikroskopischen Untersuchung wurden das ganze Organ um- fassende Querschnitte aus beiden Ovarien in Celloidin und Paraffin eingebettet und in Einzelschnitte von 10—12 u sowie Schnittserien zer- legt. Zur Färbung wurde Hämatoxylin-Eosin, vornehmlich aber die van Gieson’sche Methode verwandt. Hervorheben möchte ich zunächst, dass beide Ovarien sich als frei von pathologischen Veränderungen erwiesen insofern, als von entzündlichen Processen oder sonstigen Veränderungen des Gewebes nichts nachzuweisen war. Vielmehr zeigten sowohl die bindegewebigen wie die epithelialen Elemente eine vollkommen normale Struktur mit ganz ausgezeichneter Kernfärbung. Dieses Letztere gilt besonders auch für das die Albuginea überziehende Keimepithel, welches an gut eingebetteten Schnitten als einfacher Zellbelag mit (nach van Gieson) tief dunkelbraun gefärbten Kernen erkennbar ist. Einstülpungen desselben in die Rinden- schicht hinein, sowie unvollkommene abgeschnürte Schläuche fanden sich an keiner Stelle. Die Gefässe am Hilus sowie in der Marksubstanz sind verhältnissmässig weit und meistens prall mit Blut gefüllt. Veränderungen der Gefässwand liegen nicht vor. Die Primordialfollikel liegen nahe der Oberfläche in der ganzen Cirkumferenz der einzelnen Schnitte. Ihre Anzahl ist wechselnd, stellenweise sehr beträchtlich. Es fällt sofort eine an vielen Stellen wiederkehrende Gruppirung derselben auf, indem zwei, drei oder vier von ihnen unmittelbar aneinander gelagert eine Reihe bilden oder sich zu einem Kreise vereinigen (Fig. 11). Dieses Verhalten erinnert an die Verhältnisse beim Neugeborenen, wo eine derartige Anordnung öfters beschrieben worden ist. Dieselbe geht dann in der Regel um so mehr verloren, je älter das Individuum wird, je mehr die einzelnen Follikel durch zwi- schengeschobenes Bindegewebe auseinander gedrängt werden. Auch hier finden sich solche einzelne Primordialfollikel, ziemlich weit von einander entfernt, in grosser Anzahl, meiner Schätzung nach etwa ebenso häufig wie die Follikelgruppen. Diese Letz- teren umfassen zuweilen auch sechs und mehr, scheinbar zu einem Verbande zusammengeschlossene Follikel, jedoch sehr viel seltener Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 359 als drei und vier. Die Scheidewände zwischen diesen werden theils durch ganz feine, sich nach van Gieson lebhaft roth färbende Bindegewebsfasern gebildet, theils von einer einfachen oder doppelten Reihe von Follikelepithelien, zwischen denen die eben erwähnten, eine Membran bildenden Bindegewebsfasern ver- laufen. In den tieferen Parthien der Rindenschicht sind Eifollikel in den verschiedensten Entwickelungsstadien bis zu vollständig reifen Graaf’schen Follikeln, sowie Corpora fibrosa vorhanden. Das linke Oyarium enthält den von der letzten Menstruation her- stammenden geplatzten Follikel.e. Die Mehrzahl der Primor- dialfollikel entspricht vollkommen der Norm. Von rund- licher oder mehr ovaler Gestalt werden sie gebildet von einer einfachen Umhüllung von Follikelepithelzellen mit länglich-ovalen, die Färbung gut annehmenden Kernen, welche stets ein deutliches, scharf hervortretendes Kernkörperchen erkennen lassen. Im In- nern dieses Epithelringes findet sich das Ei, welches, gewöhnlich ziemlich in seiner Mitte, das Keimbläschen enthält. Die Membran des letzteren, sein Kernkörperehen und Kerngerüst sind in der Regel gut sichtbar, nicht selten jedoch in Folge etwas blasserer Färbung schlechter zu unterscheiden. Das Protoplasma der Ei- zelle erscheint bei Eosinfärbung röthlieh, bei Anwendung der Färbung nach van Gieson matt-gelblich, füllt das Follikellumen meistens vollkommen aus und sieht bei starker Vergrösserung fein- granulirt aus. Daneben fällt jedoch eine erhebliche Anzahl von Follikeln auf, die sehr bemerkenswerthe Abweichungen des soeben skizzirten Bildes aufweisen, als deren wichtigste ich die Verdoppelung des Eies und des Keimbläschens an erster Stelle hervorheben und kurz beschreiben möchte, zumal sie auch an Zahl erheblich die später zu beschreibenden Formen überragt. Eier mit doppeltemKeimbläschen finden sich fast in jedem Schnitt, zuweilen mehrere in einem. Ihre Gestalt und gegenseitige Lagerung ist verschieden. Gewöhnlich sind beide ungefähr gleich gross und entweder un- mittelbar aneinander gelagert, so dass sich ihre Membranen in geringer Ausdehnung oder nur in einem Punkte berühren (Fig. 2) oder von einander isolirt, auseinander gerückt und allseitig vom Protoplasma des Zellleibes umgeben. Im ersteren Falle resultirt, falls die Gestalt des Keimbläschens, wie es meistens der Fall ist, annähernd rund erscheint, das Bild einer regelmässigen Acht. 360 W. Stoeckel: Seltener habe ich zwei oval geformte Keimbläschen, nur ganz ausnahmsweise ein rundes neben einem ovalen gesehen. An zwei Eiern fiel mir ihre erhebliche Grössendifferenz besonders auf. Das eine derselben zeigte einen Doppelkern derart, dass an einem grossen Keimbläschen ein sehr viel kleineres gleichsam wie ein Appendix daran sass. Beide Gebilde waren gleichmässig rund, wobei das erstere ungefähr der Norm entsprach. Das andere Ei zeigte ein ganz ähnliches Bild, indem bei demselben Grössen- verhältniss der beiden Keimbläschen ihre Form eine mehr .läng- lich-ovale war. Es handelte sich hier sicher nicht um Schrägschnitte, son- dern die beiden Keimbläschen waren in ihrer ganzen Ausdehnung getroffen, was zunächst schon daraus hervorging, dass beide Ge- bilde bei derselben Einstellung mit gleicher Schärfe hervortraten, mithin also in der gleichen Ebene lagen und ausserdem beide alle Theile eines Keimbläschens: eine scharf ausgeprägte Kern- membran, ein deutliches, ziemlich grosses, excentrisch gelegenes Kernkörperchen, ein etwas weniger markirtes Kerngerüst, sowie mehrfache in der Kernsubstanz verstreute dunkelgefärbte Körner enthielten. Entsprechend der Gestalt der beiden Keimbläschen gingen ihre Membranen an der Berührungsstelle in einander über. — Sehr viele dieser Eier werden oft schon durch eine auffallende Grösse des Follikels gekennzeichnet, auch das Eiprotoplasma zeigt häufig eine das Gewöhnliche überschreitende Ausdehnung; seine Masse erscheint jedoch stets vollkommen einheitlich ohne jede Furchenbildung, sodass es sich also um einfache Eizellen mit doppeltem Kern handelt. Sehrviel zahlreicher noch sind Primordialfollikel, die je zwei Eier enthalten. Viele derselben unterscheiden sich von den eben genannten nur dadurch, dass im Eiprotoplasma zwischen den Keimbläschen eine Grenzlinie sichtbar wird, welche dasselbe ent- weder nur zum Theil oder vollkommen durchzieht, ohne aber in nachweisbare Verbindung mit der Follikelwand zu treten (Fig. 5). Dieselbe verläuft etwas gekrümmt oder auch in halbelliptischer Kurve, in den meisten Fällen aber halbkreisförmig und bewirkt eine Trennung der Protoplasmamasse des Eies in zwei scheinbar ungleiche Theile, indem sie den ihrer konkaven Seite anliegenden Theil derselben zu einem oval- resp. rundlich geformten Eikörper abschliesst, während der Rest des Protoplasmas den halbmond- Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 361 förmigen Raum, welcher von ihrer konvexen Seite und dem ent- sprechenden Theil der Follikelwand gebildet wird, ausfüllt. Es macht den Eindruck, als ob die so entstandenen beiden Eier übereinander liegen, und das obere einen Theil des Protoplasmas von dem darunter liegenden verdeckt, so dass nur ein halbmond- förmiger Abschnitt von diesem sichtbar ist. Begleitet wird diese Grenzlinie öfters von einem schmalen, hellen Streifen. In anderen Follikeln präsentiren sich die beiden Eier von annähernd gleicher, jänglich ovaler Gestalt und derart aneinander gelagert, dass sie sich nur mit ihrem Protoplasmasaum eine kurze Strecke weit berühren, im Uebrigen aber von hellen Lücken voll- ständig umschlossen werden. Die letzteren liegen zuweilen auch in der Mitte des Follikels, die beiden je ein Keimbläschen ent- haltenden Eier scheinbar vollständig von einander trennend. Diese zunächst in die Augen fallenden Formen überraschten mich ungemein. Ich glaubte zunächst in den Eiern mit doppel- tem Keimbläschen Bildungen vor mir zu haben, wie sie als ex- ceptionelles Vorkommniss unter dem Namen von „Zwillingseiern“ ganz vereinzelt bei Föten und Neugeborenen beschrieben sind. Abgesehen davon, dass ihre grosse Anzahl diese Annahme von vornherein nicht sehr wahrscheinlich machte, forderten die noch häufigeren doppeleiigen Follikel ohne Weiteres dazu auf, sie mit diesen in nähere Beziehung zu bringen und an einen Theilungs- prozess zu denken, der eine Umwandlung doppelkerniger Eier in Doppeleier herbeiführt. Besonders dort, wo in einem sonst vollkommenen einheitlichen Eiprotoplasma eine Grenzlinie zwischen den beiden Keimbläschen andeutungsweise oder scharf hervortrat, schien ein Bindeglied vorzuliegen, die Grenzlinien also die Bedeu- tung einer Theilungsfurche zu haben. In gleichem Sinne waren die erwähnten Grössenunterschiede der beiden Keimbläschen, so- wie ihre verschiedene Lagerung zu einander zu verwenden. Man kann die verschiedenen Follikel ohne Zwang in eine Reihenfolge anordnen, dass sie als Glieder einer Theilungskette aufgefasst werden können. Ich bemühte mich des Weiteren für diesen Theilungsvorgang, an dessen Vorhandensein schon nach dem bis- her Gesagten wohl nicht zu zweifeln ist, neue Anhaltspunkte zu gewinnen. Was sich dabei ergab, soll in Kürze mitgetheilt werden und zwar sollen zunächst diejenigen Eier behandelt werden, die als Vorstadien zu den Eiern mit doppeltem Keim- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53. 24 3623 W. Stoeckel: bläschen anzusehen sind. Das Keimbläschen erscheint vielfach ganz besonders gross, wie aufgequollen. Sein Aussehen wird dabei entweder im Ganzen heller oder es tritt nur an einzelnen Stellen eine unregelmässig umschriebene hellere Färbung ein. Die äussere Form ist dabei noch die gewöhnliche, runde, die Begrenzung durch die Kernmembran scharf. Die Lage des Kern- körperchens wechselt, bald liegt es peripher, bald im Centrum und erscheint dabei zuweilen sehr vergrössert, verbreitert und un- regelmässig zackig. Daneben sind oft 2—3 Nehenkernkörperchen sichtbar, die meistens sehr viel kleiner als das Kernkörperchen sind, oft aber demselben an Grösse auch nur wenig nachstehen. Ihre Anordnung ist sehr verschieden: bald liegen sie in unmittel- barer Nähe des Kernkörperchens, bald in unregelmässigen Ab- ständen von demselben. In wieder andern Fällen erscheint das ganze Keimbläschen hell und an seiner Peripherie, der Kern- membran unmittelbar anliegend, sieht man grössere und kleinere Körnchen, unter denen man das Kernkörperehen nicht deutlich herauszufinden vermag. An andern Eiern tritt eine erhebliche Gestaltveränderung des Keimbläschens auf, mit welcher die Form des Eiplasmas und des Follikels nur selten korrespondirt. Es erscheint läng- lich-oval (Fig. 1). Seine Membran ist meist noch scharf und deutlich ausgeprägt, oft aber geht diese scharfe Abgrenzung auch verloren. Die Konturen werden unregelmässig, zackig, ver- schwommen; das Aussehen kann eckig, hantel-, bohnen-, herzförmig werden. Es macht den Eindruck, als ob eine stellenweise Ver- breiterung und zugleich Einkerbung und Einschnürung erfolgt. Mit dieser äusseren Gestaltveränderung geht meistens auch eine Veränderung des Inhalts Hand in Hand. Die vorher erwähnte Verbreiterung und Vergrösserung des Nucleolus ist hier oft ganz besonders ausgeprägt, das Chromatinnetz enthält besonders zahl- reiche und grosse, dunkle Körner und mehrfach sieht man in solchen Keimbläschen 2 Kernkörperchen, welche dann entweder an der Peripherie einander gegenüberliegen (Fig. 10) oder mehr nach der Mitte zu gelagert sind (Fig. 1), wo sie zuweilen in gleicher Höhe mit einer meist doppelseitig auftretenden Ein- schnürung des Keimbläschens sich vorfinden. Dieses Zusammen- treffen ist jedoch ein ausserordentlich seltenes und ich gebe diesen Befund daher nur mit einer gewissen Reserve wieder, in- Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. 363 dem ich den Hauptwerth auf die Gestaltveränderungen des ganzen Kernes lege, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit bereits eine auf direktem Wege sich vollziehende Theilung anzudeuten scheinen. Einzelne dieser Formen freilich können sehr wohl durch Schräg- schnitte hervorgerufen sein; namenjlich wo das Aussehen bohnen- ähnlich wird, halte ich es für sehr wohl möglich, dass der be- treffende Schnitt nur die eine Hälfte des schräge zur Oberfläche gelegenen Keimbläschens gefasst hat. Andere Formen, wie be- sonders die hantelförmigen, lassen eine solche Verwechselung wohl nicht befürchten und ich betrachte sie daher als die Vor- läufer einer direkten Kernabschnürung, wie wir sie bei 2 von den oben erwähnten Eiern mit doppeltem Keimbläschen nach- weisen konnten. Zeichen einer indirekten Kerntheilung habe ich nirgends auffinden können. Oefters freilich glaubte ich schleifen- artige Gebilde um 2 peripherwärts gelagerte Centren angeordnet zu sehen, an andern Stellen auch feine, fadenförmige Ausläufer, die netzartig von zwei Kernkörperchen ihren Ausgangspunkt nahmen. Indessen waren diese Bildungen nicht scharf ausge- prägt, und die Kernmembran war dabei noch stets erkennbar '). Verdoppelung des Kernkörperchens, besonders aber Form- verändernngen und Abschnürung am Keimbläschen selbst können wir demnach als die Vorstadien ansehen, aus denen die ver- schiedenen doppelkernigen Eier hervorgehen. Die weitere Meta- morphose derselben durch Furchung des Eiprotoplasma in 2 ge- trennte Eier (Figur 3), wie wir sie schon kennengelernt haben, bedeutet noch nicht das Ende des Prozesses. Derselbe tritt viel- mehr jetzt in ein neues Stadium durch Mitbetheiligung der Fol- likelwand, mit der Eitheilung kombinirt sich die Follikeltheilung. Der Grenzfurche zwischen den beiden Eiern folgend schiebt sich zunächst eine feine sich nach van Gieson intensiv rotlı färbende Bindegewebslamelle ein. Sie verliert sich manchmal mitten zwischen den beiden Eiern in der Grenzfurche, an sehr vielen anderen Follikeln sieht man sie jedoch deutlich von einer Seite zur andern hinüberziehen, die beiden Eiprotoplasmen vollständig von einander trennend (Fig. 6). Es scheint auch ein doppel- 1) Sie scheinen den neuerdings (Verhandl. d. anat. Gesellsch. v. 1898, S. 140) von van der Stricht beschriebenen Schleifenbildungen zu entsprechen. 364 W. Stoeckel: seitiges Vordringen solcher Bindegewebsfasern dem Verlauf der Grenzfurche entsprechend vorzukommen, wenigstens sprechen dafür jene Follikel, in denen sie beiderseits zwischen die Eier hinein verfolgbar sind, ohne sich noch in der Mitte zu vereinigen. Es scheint, dass diese Epithelzellen des Follikels zuerst sich vom Rande her zwischen die in Theilung begriffenen Eizellen hinein- schieben. Der Follikel zeigt an den der Eifurche entsprechenden Stellen eine deutliche Einbuchtung, die Epithelien biegen an dieser Stelle aus ihrer ursprünglichen, der Peripherie des Ei- plasmas parallel verlaufenden Richtung ab und stellen sich zu- nächst schräg, dann mehr minder senkrecht zum Follikel, um zugleich nun auch ihrerseits einzeln oder paarweise, von einer Seite oder auch von beiden Seiten ziemlich zugleich zwichen die bereits getrennten Eier vorzurücken und so die endgültige Bildung zweier mit vollständiger Epithelbekleidung versehener einfacher Primordialfollikel zu veranlassen. Das gesammte sich darbietende Bild ist damit jedoch noch lange nicht vollständig wiederge- geben. Dasselbe gestaltet sich vielmehr noch sehr viel bunter durch das wiederholte Auftreten von Eiern mit 5 und 4 Keim- bläschen sowie von dreieiigen Follikeln. Diese beiden Formen sind sehr viel seltener als die Doppelbildungen, immerhin aber relativ häufig. In den zahlreichen von mir durchgesehenen Prä- paraten kommt ungefähr auf jeden 15. Schnitt ein vielkerniges Ei resp. ein vieleiiger Follikel. Betrachten wir zunächst die Eier mit mehrfachen Keimbläschen, so finden wir dieselben in verschiedener Weise angeordnet. Einmal fand ich sie als drei- getheilte Rosette in der Mitte des Protoplasmas gelegen. Diese Rosettenform beruhte jedoch nicht auf einem zusammenhängen- den, dreitheiligen Keimbläschen, sondern war lediglich durch Uebereinanderlagerung vollständig von einander getrennter Keim- bläschen bedingt. Bei stärkerer Vergrösserung konnte ich zu- nächst 3 sich theilweise kreuzende Kernmembranen deutlich nach- weisen; dieser Follikel konnte durch 4 Schnitte von 10 u Dicke verfolgt werden. Auf dem Schnitte, welcher dem soeben ge- schilderten voraufging, bildeten die 3 Keimbläschen einen Kreis; in dem 4. Schnitt wurde noch ein 4. Keimhläschen in demselben Follikel sichtbar. 4 Keimbläschen in einem Ei habe ich sonst nur noch einmal gesehen. Furchen im Protoplasma fehlten in beiden Eiern. Unter den Follikeln, welche 3 von ein- Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. 365 ander getrennte Eizellen enthielten, möchte ich einen besonders hervorheben, an welchem der Theilungsprozess ungleichmässig vorgeschritten zu sein schien (Fig. 8). Dieser Follikel hatte be- trächtliche Grösse und eine lJangausgezogene schlauchartige Form. Er enthielt 3 in einer Reihe angeordnete Eier. Das Protoplasma des mittleren war nach einer Seite hin durch eine schwach aus- geprägte, halbkreisförmige, von einem hellen Hof umsäumte Furche von dem benachbarten Ei getrennt. An dieser Stelle fand sich eine doppelseitige Einbuchtung der Follikelwand, welche der zwischen die beiden Eier sich vorschiebenden Epithellage entsprach. Die Protoplasmen der beiden Eizellen standen noch miteinander in Verbindung. Es lag also hier die fast vollendete Umwandlung eines Follikels mit 3 Eiern in 2 Follikel mit einem resp. 2 Eiern vor. An vielen anderen Follikeln war die Theilung bereits vollständig eingetreten: ein Primordialfollikel von gewöhn- lichem Aussehen liegt einem andern, der 2 getrennte Eier ent-- hält, unmittelbar an (Fig. 5). Ob dabei eine Theilung des Keim- bläschen in 3 Tochterbläschen stattfindet, oder ob zunächst eine Verdoppelung erfolgt und sich das eine Keimbläschen dann noch weiter theilt, ist nach den mir vorliegenden Bildern nicht sicher zu entscheiden. Die eben geschilderten Formen scheinen auf den zweiten Entstehungsmodus hinzuweisen. Ich möchte an dieser Stelle nochmals die bereits eingangs der Arbeit erwähnte Gruppirung der Primordialfollikel (mit je einem Ei) zu je zweien, dreien oder vieren in Ketten- resp. Kreisform hervorheben, da ich sie als das Endresultat dieses ganzen Prozesses ansehe, zu- mal auch bier Uebergänge sichtbar sind, indem die Scheidewände der enge und unmittelbar aneinandergelagerten Follikel entweder nur aus Bindegewebsfasern oder schon aus einer einfachen oder doppelten Epithelzellenlage bestehen. Schliesslich deutet nur noch gruppenartige Anordnung die ursprüngliche Zusammen- gehörigkeit an (Fig. 11). Das häufige Vorkommen heller Vakuolen im Eiprotoplasma wurde bereits erwähnt; dieselben finden sich sowohl in Gestalt kreisrunder Räume von verschiedener Grösse im Innern der Ei- zelle als besonders an der Peripherie, sodass das Protoplasma durch zahlreiche konkave Ausschnitte unregelmässig gestaltet erscheint. 366 W. Stoeckel: Zuweilen findet man eine Vakuole unmittelbar dem Keim- bläschen anliegend, mit ihm eine achtförmige Figur bildend }). Wenige Worte noch über das Verhalten des Follikelepithels. Dasselbe ist im Allgemeinen sehr gut erhalten; seine ovalen Kerne treten bei der Theilung scharf hervor. Nur ausnahms- weise ändert sich die Form derselben und geht aus einer ovalen in eine mehr eckig-polyedrische über, wobei dann auch die Struktur etwas verwaschen erscheint. Die Kontinuität des Fol- likelepithelringes um das Ei findet sich sehr häufig unterbrochen. Für die verschiedenen der erst durch eine Bindegewebslamelle 1) Nachträglicher Zusatz: In der Mehrzahl der Eier findet sich der durch Henneguy*) genauer bekannte und neuerdings von van der Stricht**), untersuchte Balbiani’sche Dotterkern. Derselbe ist nur in einigen der abgebildeten Eier, wo er besonders deutlich her- vortrat, sodann in den Figuren 12—15 bei stärkerer Vergrösserung dargestellt. Der Körper ist an den nach van Gieson gefärbten Prä- paraten etwas dunkler gelblich gefärbt als das umgebende Protoplasma und stärker lichtbrechend. Oft ist das Protoplasına in seiner Umge- bung etwas stärker granulirt, oder der Körper liegt in eineın helleren Kreise. Der Körper ist in der Regel kreisrund, ca. 4—5 u gross, nicht selten aber auch länglich oval, bikonvex und selbst spindelförmig. Ziemlich häufig ist die Mitte heller, der Rand etwas stärker lichtbre- chend, so dass der Körper ringförmig erscheint. Nicht ganz selten finden sich auch zwei gleichgrosse Körper nebeneinander, zuweilen auch drei, von verschiedener Form und Grösse, doch ist schwer zu entscheiden, ob diese alle derselben Natur sind. Fast immer liegt der Körper in nächster Nähe des Keimbläschens, so dass er auch durch dasselbe verdeckt werden kann. Sehr deutliche Beziehungen zu dem Theilungsvorgang liessen sich noch nicht feststellen. In einem Ei mit doppeltem Keimbläschen fand sich nur ein ziemlich grosser, runder Dotterkern (Fig. 15), in einem zweiten ähnlichen fanden sich an dem einen Keimbläschen zwei länglich runde oder spindelförmige, an dem zweiten in einer anderen Ebene ein grösserer runder (Fig. 16). Es scheint, dass der Dotterkern durch Aufquellung auch grösser und heller, vakuolär werden kann. Die Deutung des Körpers als Attraktions- sphäre, welche van der Stricht als wahrscheinlich hinstellt, dürfte wohl am meisten für sich haben. Für feinere Untersuchung war das vorliegende Objekt nicht hinreichend konservirt. [M]. *) Henneguy, Le corps vitellin de Balbiani. Journal de l’anato- mie et de la Physiologie. T. 29. 1893. **) van der Stricht, Contribution ä& l’etude du noyau vitellin de Balbiani dans l’oocyt de la femme. Verhandl. d. anatom. Gesell- schaft 1898, S. 128. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 367 theilweise oder ganz von einander getrennten Eier bedarf diese Thatsache keiner weiteren Erklärung, da hier die Bildung der neu entstehenden Primordialfollikel noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Auffallend ist dies Verhalten zunächst nur an isolirt liegenden, ganz . unveränderten Primordialfollikeln, die öfters nur zur Hälfte von Follikelepithel umgeben sind, während der Rest von Bindegewebsfasern abgegrenzt wird. Manchmal treten auch nur kleine Lücken des Epithelringes auf, indem hier und da eine Epithelzelle fehlt. Zunächst spielt auch hier wohl die Sehnittrichtung eine grosse Rolle ebenso wie in den Fällen, wo die Epithelzellen scheinbar im Innern des Follikels liegen, das Centrum mehr oder minder verdeckend. Es beruht dieses darauf, dass der Follikel schräg resp. tangential getroffen ist. Ausserdem fallen in dünnen Schnitten während ihrer Fertigstellung die Epi- thelzellen leicht aus. Ab und zu werden jedoch im Eiprotoplasma intensiv gelb (nach van Gieson) gefärbte Gebilde sichtbar, welche sich ziemlich scharf von dem mattgelben Grunde abheben und stäbehenförmig, zuweilen auch mehr rund, gestaltet sind. Dieselben könnten als veränderte, in das Ei eingewanderte, Epi- thelzellen angesprochen werden, die degenerirt sind, worauf auch dunkelkörnige, in kleinen Häufehen zusammenliegende Massen hindeuten, die manchmal neben dem Keimbläschen zu finden sind. Beides ist jedoch selten, sodass nennenswerthe degenera- tive Prozesse am Follikelepithel, an welehe ich zunächst dachte, als ich die zahlreichen, oben beschriebenen Vakuolen sah, aus- geschlossen werden können. Dass die letzteren mit „Epithel- vakuolen“ nichts gemein haben, ist bereits hervorgehoben; sie verdanken ihre Entstehung wahrscheinlich einem Degenerations- prozess des Eiprotoplasmas. Ziehe ich noch einmal kurz das Faeit aus der soeben ge- gebenen Gesammtbeschreibung, so glaube ich, dass man nicht anders kann, als die so viel gestaltigen nebeneinander vor- liegenden Bilder als Einzelglieder einer Theilungskette aufzu- fassen; einer anderen Auslegung dürften sie schwerlich zu- gänglich sein. Höchstens könnte man, den Zusammenhang der einzelnen Formen zugegeben, an den umgekehrten Prozess, das Ineinanderübergehen und Zusammenfliessen zweier Primordial- follikel zu einem, der dann 2 Eier enthielte, denken. Es ist ohne Weiteres klar, dass Theilungs- und Verschmelzungsprozess 368 W. Stoeckel: in gewissen Stadien nicht zu unterscheiden sein würden. So könnte beispielsweise das gruppenartige Zusammenliegen der Follikel mit demselben Rechte als Beginn gegenseitiger Vereini- gung wie als Schluss bereits erfolgter Trennung aufgefasst wer- den. So könnten ferner die zwischen 2 Follikeln sich hinziehenden Bindegewebsfasern auch als-der Rest des hier ursprünglich vor- handen gewesenen Bindegewebes angesehen werden, welches nicht trennend zwischen 2 Eier eines Follikels sich eingeschoben hat, sondern welches nach Auseinanderdrängung des Zwischengewebes und Epithels seitens der Follikel allein noch eine Vereinigung derselben zu einem mit 2 Eiern verhindert und allmählich dann auch zu Grunde geht. Eine solche Auffassung wäre für manche Formen, wie gesagt, nicht ohne Weiteres von der Hand zu wei- sen. Es bliebe freilich völlig unklar, wodurch ein derartiges Zusammenfliessen bedingt sein könnte. Eine genaue Zahlen- angabe für die einzelnen Follikelkategorien zu machen, ist nicht gut möglich. Um aber wenigstens einen ungefähren Anhalt zu geben, habe ich an verschiedenen Präparaten diejenigen Follikel durchgezählt, welche entweder ein Ei mit doppeltem Keimbläs- chen oder 2 durch eine Furche getrennte Eier enthielten. Voll- ständig vermisst habe ich dieselben nur in fünf Schnitten; in allen anderen, die mir in grosser Anzahl aus den verschiedenen Theilen beider Ovarien vorlagen, waren sie vorhanden, zuweilen nur 4—5 in einem Schnitt, mitunter sehr viel mehr. An einem 10 u dieken Celloidinschnitt zählte ich 15 solcher Follikel, die sich auf eine Rindenschicht von ungefähr 12 DJmm Inhalt ver- theilten; mehr als 10 in einem Schnitt habe ich öfters feststellen können. Sehr viel häufiger noch sind die nur durch eine binde- gewebige Scheidewand getrennten Primordialfollikel, während 3 Keimbläschen in einem Ei sowie 3 Eier enthaltende Follikel sel- tener, Kernveränderangen an eineiigen Primordialfollikeln noch seltener und 4 Keimbläschen in einem Ei am seltensten (nur im Ganzen 2 mal) zu sehen waren. Alles in Allem kann man die Rindenschieht beider Ovarien völlig durchsetzt nennen von dieser auf direktem Wege erfolgenden Follikel- und Eitheilung. Die Feststellung dieser Thatsache regt unmittelbar zu der sehr wichtigen Frage an, welche Bedeutung die beschriebenen Veränderungen besitzen, ob wir es mit einem physiologischen Prozess, oder mit einer pathologischen Affektion zu thun haben. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. 369 Die Konstatirung des Befundes bei einer kroupösen Pneumonie muss wohl als eine rein zufällige betrachtet werden, während das Zusammentreffen mit der vor 2 Tagen abgelaufenen Men- struation nicht unbeachtet bleiben darf. Es ist mir nicht bekannt, in welchem Umfange genauere Untersuchungen an Ovarien z. Z. der Menses bereits angestellt sind. Bei der relativen Seltenheit, in der derartige Fälle zur Sektion bezw. eingehender histologi- scher Untersuchung kommen, würde es nicht auffallen, wenn die Zahl keine grosse wäre. Es ist immerhin zweifelhaft, ob ein solcher Zusammenhang besteht. Zum Vergleich mit diesem durchaus ungewöhnlichen Be- funde bei einer Erwachsenen wäre das Studium fötaler Ovarien sehr wünschenswerth. Herr Geheimrath Marchand stellte mir zu diesem Zwecke freundlichst eine Serie von Paraffinschnitten zur Verfügung, welche er von dem im frischen Zustand in Sub- limat eingelegten, in Alkohol gehärteten Ovarium eines Neuge- borenen angefertigt hatte. Die Schnitte waren Längsschnitte und umfassten das Ovarium in seinem ganzen Umfang. Sie ent- hielten sämmtlich neben vielen schlauchförmigen Einsenkungen des Keimepithels und abgeschnürten Pflüger’schen Schläuchen, eine ausserordentlich grosse Anzahl von Primordialfollikeln. Rand- parthieen und Mitte des Organs in gleicher Weise vollkommen durchsetzend, lagen die Follikel dieht neben einander und liessen eine besondere Anordnung nur insofern erkennen, als auch hier kleine Gruppen, 2, 4, 6 oder mehr Follikel umfassend, vorhanden waren. Bei weiterem genauen Zusehen konnte ich zu meiner Ueberraschung sämmtliche Veränderungen, so weit sie sich auf Verdoppelung des Keimfleckes, Keimbläschens, Eies und Follikels beziehen, und zwar recht zahlreich, auch hier konstatiren. Auf- fallend viele Keimbläschen enthielten 2 sehr deutliche, ziemlich grosse und scharf abgegrenzte Nucleolen, die meistens peripher einander gegenüber lagen, jedoch auch mehr in der Mitte nahe bei einander sich fanden. Die Gestalt solcher Keimbläschen war meist oval, seltener rund, nur ausnahmsweise mehr in die Länge gezogen oder unregelmässig mit kleinen Vorsprüngen resp. Ein- ziehungen an einzelnen Stellen (z. Th. vielleicht als Folge der Paraffineinbettung). Eier mit doppeltem Keimbläschen konnte ich in jedem Schnitt und zwar mehrfach nachweisen. Die Letzteren lagen dabei auch hier entweder vollkommen isolirt in 370 W. Stoeckel: einem gemeinsamen, einheitlichen Zellprotoplasma oder sie be- rührten sich mit ihren Memhranen in grösserer oder geringerer Ausdehnung, oder sie gingen auch derartig in einander über, dass eine scharfe Trennung zwischen beiden nicht immer möglich war und sie in dieser Sammelform mehr einem sehr grossen, in der Abschnürung begriffenen Kern glichen. In noch grösserer Zahl salı ich doppeleiige Follikel, und ich würde nur vollständig das beim ersten Fall Gesagte wiederholen müssen, wollte ich die Einzelnheiten noch näher beleuchten. Das Auftreten der Zell- körperfurche im Protoplasma, die vollständige Sonderung in 2 Zellkörper, die Einbuchtung der Follikelwand, das Vordringen der Bindegewebslamelle, welche eine zunächst nur unvollständige, später vollkommene Trennung der beiden Eier und somit Bildung zweier Follikel veranlasst, alle diese Stadien konnte ich nach- weisen, ohne besonders darnach suchen zu müssen. Je nachdem sich der ganze Vorgang an einzelnen Stellen rascher oder lang- samer abspielt, kommen die verschiedenen Theilungsstadien auch hier oft an einer Follikelgruppe zum Ausdruck und geben so zu den gleichen vielgestaltigen Bildern Veranlassung, wie ich sie vorangehend bei den Primordialfollikeln der Erwachsenen ein- gehend beschrieben habe. 3 oder 4 Keimbläschen in einem Ei sowie dreieiige Follikel habe ich in diesem fötalen Ovarium nicht aufgefunden, möchte aber noch erwähnen, dass sich ab und zu in einem einfachen Keimbläschen 3 sehr deutliche Kernkörper- chen fanden, die von Knotenpunkten des Chromatinnetzes leicht zu unterscheiden waren. Diese Befunde zeigen zunächst, dass eine direkte Ei- und Follikeltheilung im fötalen Ovarium sicher stattfindet, und sie bestärken mich weiterhin in der Annahme, dass dieser Vorgang, wo er im geschlechtsreifen Ovarium ange- troffen wird, als ein Analogon der embryonalen Theilungsprozesse, mithin als physiologisch anzusehen ist, wenn er auch in so grosser Ausdehnung wahrscheinlich nur zu gewissen Zeiten, viel leicht in oder nach der Menstruation vorkommen dürfte, Ich habe mich vergeblich bemüht, in der Literatur eine ähnliche Anschauung auf Grund einwandfreier Untersuchungen vertreten zu finden. Waldeyer äussert sich in seinem bekannten Werk!) 1) Eierstock und Ei. Leipzig 1870. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 371 pag. 45 über „die sehr schwierige Frage, ob auch noch im späteren Leben, etwa bis zum Erlöschen der Geschleehtsthätig- keit, neue Follikel und — es ist darauf das Hauptgewicht zu legen — neue Eier gebildet werden.* Er stellt eine solche Neubildung für alle Säugethiere bestimmt in Abrede und hält sie, trotzdem Pflüger!) zur Annahme einer periodischen Neu- bildung von Eiern und Follikeln bei erwachsenen Thieren hin- neigt, für nicht bewiesen. Er schliesst jene Fälle aus, in denen Reste Pflüger’scher Schläuche oder Ballen von Keimepithel, die sich nicht zu Follikeln abgeschlossen haben, an einzelnen Stellen zurückgeblieben sind, aus welchen dann später noch Follikel hervorgehen können. Er verlangt vielmehr für eine that- sächliche Neubildung, dass „vom Oberflächenepithel her oder von den bereits eingebetteten Keimmassen durch Vermehrung der Keimzellen“ neue Eier resp. Follikel entstehen. „Ebenso müsste das nachträgliche Auswachsen von Epithelzellen bereits einge- betteter Schläuche oder gar abgeschnürter Follikel zu Eiern, endlich eine noch spät in solehen Schläuchen oder. Follikeln stattfindende Theilung der Ei- zellen selbst unbedenklich als Eineubildung auf- sefasst werden.“ Nagel?) stellt sich auf den gleichen Standpunkt. Er sagt pag. 374: „Ich habe überhaupt keine Bilder in meinen Präpa- raten, wenigstens beim Menschen, finden können, die auf eine Vermehrung der Primordialeier durch Theilung hindeuten. Ist einmal eine Keimepithelzelle zur Eizelle geworden, dann ist das Ziel erreicht... Eine Vermehrung durch Theilung findet nicht statt.“ Er hat bisher trotz ausserordentlich zablreicher Unter- suchungen nur zwei mal Primordialeier gefunden, welche 2 Keim- bläschen enthielten. Das eine stammte von einem sechsmonat- lichen Fötus, das andere von einem Neugeborenen. Er hält sie für „wahre Zwillingseier“, aus denen 2 Embryonen gleichen Ge- schlechts mit gemeinsamem Chorion hervorgehen würden und motivirt seine Ansicht, dass eine Theilung der Primordialeier beim Menschen nicht stattfinde, noch näher, indem er sagt: „Es würde ganz und gar im Widerspruch stehen mit den heutigen 1) Die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen. 2) Das menschliche Ei. Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 31. 312 W. Stoeckel: Anschauungen über Kerntheilung, wenn man solche Bilder als Stadien einer Zelltheilung auffassen wollte. In einem solchen Stadium, wo die auf karyokinetischem Wege ent- standenen Tochterkerne ein solches fertiges Aussehen haben und wo von einer Spindelfigur nichts mehr zu entdecken ist, müsste das Protoplasma ebenfalls längst vollständig getheilt sein.“ Dieser Ansicht haben sich wohl die meisten Autoren an- geschlossen. Für meinen Fall trifft sie jedenfalls nicht zu. Wie aus meiner Beschreibung hervorgeht, finden sich in meinen Prä- paraten sehr zahlreiche Eier, die den von Nagel] abgebildeten (mit doppeltem Keimbläschen) nicht nur ähneln, sondern absolut mit ihnen übereinstimmen. Indessen handelte es sich dort um ein fötales Ovarium, in welchem sich ein einziges solches Ei vor- fand, hier dagegen um sehr zahlreiche derartige Bildungen bei einer 29jährigen Virgo; es fehlen dort gänzlich die sehr mannig- fachen Bildungen, welche hier derartige „Zwillingseier“ als Ueber- gangsstadium der Follikel- und Eitheilung erkennen lassen. Ent- weder also hat Nagel auch nur ein solches „Stadium“ gesehen oder aber es handelt sich um 2 verschiedene Dinge, um ein wahres Zwillingsei auf der einen, um Theilungsprodukte auf der anderen Seite. Wenn jedoch Nagel seine Auffassung noch da- mit motivirt, dass die Annahme einer Theilung im Widerspruch mit unseren heutigen Anschauungen über Zelltheilung steht, so ist dem entgegen zu halten, dass es sich offenbar um eine di- rekte Kern- und Zelltheilung handelt. Schon Marchand!) weist übrigens darauf hin, dass eine Theilung des Keimbläschens wahrscheinlich nicht auf mitotischem Wege erfolge. — Zwei Eier in einem Follikel hat Nagel nur einmal und zwar beim Neu- geborenen gesehen. Jedes Ei hatte seinen eigenen Discus, die- selben lagen an fast diametral entgegengesetzten Stellen des Follikels. Er hält ein derartiges Auftreten eventuell für begün- stigend für Zwillinge mit getrenntem Chorion, betont aber, dass dieselben ebenso gut auf Platzen mehrerer Follikel zur Zeit der Menstruation zurückgeführt werden könnten. Meine eigenen Be- funde am Ovarium des Neugeborenen beweisen mir, dass jeden- falls nicht alle „Zwillingseier* als solche aufzufassen sind, wenn 1) Missbildungen in Eulenburg’s Realencyclopädie der ge- sammten Heilkunde. 3. Aufl. 1897, S. 53. N Ueber Theilungsvöorgänge in Primordial-Eiern etc. 373 dies überhaupt jemals statthaft ist, dass sie nicht ein „fertiges Stadium“, wie Nagel sich ausdrückt, sondern dass sie ohne Frage das vorübergehende Stadium einer Theilung darstellen können. Ferner scheint mir ganz besonders die Arbeit Schott- länder’s!) nach dieser Richtung hin verwerthbar zu sein, wie wohl er selbst sich ausdrücklich dagegen verwahrt. Seine Unter- suchungen beziehen sich auf ein sehr grosses Material meistens menschlicher Föten. Er giebt Abbildungen und genaue Beschrei- bung abnormer Follikelanlagen, die er „atypische Primordial- follikel“ nennt. Dieselben fanden sich in grosser Anzahl in der 28.—52. Woche des Fötallebens und nahmen in der Zeit vorher und nachher an Zahl allmählich ab. Sie enthielten 2, seltener 3 Eier und verdankten ihre Entstehung „einem allem Anschein nach konstanten, aber von dem Gewöhnlichen abweichenden und unregelmässigen Vorgang“. Sch. wendet sich gegen die Annahme Nagel’s, dass es sich dabei auch um doppelt angelegte Keim- bläschen handeln könne. Vielmehr seien es 2, seltener 3 Ei- zellen, „die, meistens nicht gemeinsamen Ursprungs, zufällig zusammenliegend von Bindegewebe umwachsen und dadurch aus den Eiballen (seltener den Schläuchen) gesondert werden“. Er weist dabei auf die Aehnlichkeit der Gruppirung in den Ei- ballen hin, wo auch „2 seltener 3 Eizellen, die nach gegenseiti- ger Lage, Grösse, Richtung der Hauptachse und Gestalt der Kerne unmöglich aus einer Mutterzelle hervorgegangen sein kön- nen“, genau ebenso zusammenliegen. Die Endbestimmung dieser typischen Primordialfollikel ist, wie Sch. selbst sagt, durchaus nicht einleuchtend. Was ihr späteres Schicksal anbelangt, so ist zunächst eine Verwandlung derselben in gewöhnliche Primordial- follikel möglich durch bindegewebige Trennung, doch spricht sich Sch. etwas unklar darüber aus, in welchem Maasse er dieselbe für wahrscheinlich hält. Er nimmt an, dass sie zuweilen aus- bleiben könne, in welchem Falle dann später mehreiige Follikel daraus entständen. Schottländer’s Abbildungen (Fig. 4—7) könnten ohne Weiteres zur Illustration meiner eigenen Befunde dienen; ich möchte deshalb näher auf dieselben eingehen. Fig. 4 stellt einen Follikel dar, welcher 1 Ei mit 2 Keimbläschen ent- 1) Ueber den Graaft’schen Follikel. Archiv f. mikrosk. Anato- mie Bd. 41. 374 W. Stoeckel: hält; in dem Protoplasma zwischen den beiden Keimbläschen ist eine deutliche Furche erkennbar, welehe mit der Follikelwand nicht in Verbindung tritt. Dieselbe hat jedoch seiner Ansicht nach mit einer Theilung nichts zu thun, sondern markirt nur die Grenze zwischen den beiden Eizellen. In Fig. 5 finden sich in einem Ei 3 Keimbläschen, ohne dass eine Furchenbildung des Protoplasmas erkennbar wäre. Fig. 6 ist ganz besonders bemer- kenswerth, weil das betreffende Präparat von einer Erwachsenen stammt: 2, je 1 Ei enthaltende Follikel sind unmittelbar an- einander gelagert und nur durch eine Bindegewebsmembran von einander getrennt. Wo diese Membran in das Follikelepithel übergeht, findet sich beiderseits eine Einsenkung der Follikel. Fig. 7 endlich veranschaulicht 2 vom Follikelepithel vollkommen umschlossene Eier, zwischen welche sich eine bindegewebige Scheidewand zu schieben beginnt. — Sch. verwahrt sich indess ausdrücklich dagegen, dass diese Ei- und Follikelformen einem Theilungsprozesse entsprängen und betont, ebenso wie Nagel, dass die „vermeintliche“ Zellkörperfurche in einem Stadium auf- trete, in welchem der Gestalt der Kerne nach die Zelltheilung schon vollkommen abgelaufen sein müsste, zuweilen aber auch gänzlich vermisst werde, was dann „auffallend und schwer zu erklären ist“. Es handele sich nicht um eine Furche, sondern um die Grenzlinie zweier Eizellen. Bei Fig. 5 könne man eine spätere Trennung ähnlich wie bei Fig. 4 annehmen, wiewohl etwas Positives sich darüber nicht sagen liesse. Fig. 6 spräche, wenn „man nicht eine Neubildung bei der erwachsenen Frau“ zugebe, für ein langes „Stationär-Bleiben* solcher atypischen Follikel, da die binde- gewebige Trennung noch nicht lange vollzogen zu sein schiene. — Diese Trennung dureh zwischenwachsende Bindegewebsfasern erfolgt nach der Beschreibung scheinbar in derselben Weise, wie in meinen Fällen, wenngleich Fig. 7 ein etwas anderes Verhalten zeigt, indem die Absonderung hier zunächst allein durch die Follikelepithelien bedingt wird. Diese Befunde Schottländer’s sind mir deshalb ganz be- sonders wichtig und interessant gewesen, weil sie einmal durch Vergleich mit den meinigen vielleicht einer anderen, als der vom Autor selbst gegebenen Deutung zugänglich wären und gleichfalls als Stadien einer Follikel- und Eitheilung angesprochen werden könnten, sodann aber auch die Möglichkeit offen liessen, dass es Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 375 bei der Erwachsenen zu exceptioneller Wiederholung von Vor- gängen kommen kann, die schon im fötalen Ovarium in Aus- nahmefällen sich abspielen — eine Möglichkeit, die mir nach meiner eigenen Untersuchung am Ovarium des Neugeborenen ınittlerweile zur Gewissheit geworden ist. In den Schottländer- schen Abbildungen und desgleichen in dem erläuternden Text vermissen wir freilich die ersten Stadien eines Theilungsprozesses: die Veränderung der Keimbläschenform — wo dieselbe auftrat, hält sie Sch. für ein Kunstprodukt, hervorgegangen durch die Härtung mit absolutem Alkohol — die allmählich sich vollziehende und schrittweise zu beobachtende Abschnürung ete., die in un- serm Falle fast ununterbrochene Theilungskette zeigt Lücken, die im Protoplasma zuweilen auftretende „scheinbare“ Furche greift nicht nachweisbar auf die Follikelwand über, es sind eben nur einzelne Phasen des ganzen Vorganges sichtbar gewesen. Ich würde es auch nicht für unmöglich halten, dass Fig. 6 ein Stadium von p. partum eingetretener Follikel- und Eitheilung repräsentiren könnte. Sch. selbst kommt allerdings zu dem Schlusse, dass beim erwachsenen Menschen sich weder die beim Fötus beobachteten noch neue Arten der Follikelentstehung ver- folgen liessen. Es würden an dieser Stelle einige Beobachtungen anderer Autoren anzureihen sein, die sich gleichfalls auf doppelkernige Eier resp. mehreiige Follikel beziehen. Besonders die kürzlich erschienene Arbeit von v. Franque!) erscheint insofern beach- tenswerth, als sie über ein „wahres Zwillingsei* bei einer Er- wachsenen (einer 35jährigen Frau) berichtet. Dasselbe entstammt einem eystisch degenerirten Ovarium, lag aber, wie der Verfasser versichert, in „normal erscheinendem Ovarialgewebe“. Die bei- gegebene Abbildung zeigt einen Primordialfollikel, der vollstän- dig ausgefüllt ist von dem Eiprotoplasma, welches seinerseits 2 gleich grosse Keimbläschen mit deutlich sichtbaren ziemlich grossen Kernkörperchen enthält. Der Verf. setzt dasselbe auch in Beziehung zum Zustandekommen eineiiger Zwillinge, „denn die grosse Seltenheit derselben stimmt ja gut überein mit der mindestens ebenso grossen Seltenheit mehrkerniger Ovula.“ 1) Beschreibung einiger seltenen Eierstockspräparate. S.-A. Zeit- schrift für Geburtshülfe u. Gynäkologie Bd. 39, Heft 2. 376 W. Stoeckel: v.Franque& giebt ferner an, dass er in den Ovarien eines nicht ganz ausgetragenen Mädchens sehr zahlreiche doppelkernige Ureier gesehen habe, sowie ein Ovulum mit 3 Kernen, die 12 bis 15 u maassen und bringt dies in Beziehung zu Theilungsvorgängen der Ureier. Ich entnehme der Arbeit v. F.’s noch einige lite- rarische Daten: Leopold!) sah „2 Eichen, umgeben von einer langgezogenen, feinkörnigen, gelblichen, schwach getrübten Masse“ (am frischen Präparat) bei einem Neugeborenen. Hirigoyen?), Perotin?) und Sappey*) sollen doppelte Keimbläschen in einem Ei, vermuthlich bei Neugeborenen, beschrieben haben. Schulin?) giebt an, bei einem 3- und einem 4jährigen Kinde mehrkernige Eier gesehen zu haben. Am Schlusse seiner Arbeit beschreibt v. F. einen makroskopisch eben erkennbaren Graaf- schen Follikel, der 3 getrennte Keimhügel enthielt. In jedem derselben lag von einer regelmässigen Corona radiata umschlossen ein Ovulum und zwar befanden sich 2 in der gleichen, das dritte in einer anderen Schnittebene. An Stelle dieses letzteren mar- kirte sich dort, wo nur 2 Eier erkennbar waren, ein heller Fleck. Keimbläschen waren an keinem der Eier sichtbar, was Verf. auf die reichliche Ansammlung von Deutoplasma und die blasse Fär- bung schiebt. Er hält die betreffenden Eier für ganz normal. Dieser Follikel entstammt dem Ovarium einer 24 jährigen Nullipara, welches ebenfalls eystisch degenerirt war. Diese Thatsache er- scheint mir in genetischer Hinsicht nicht belanglos, da im Ver- ein mit Oystenbildung mehreiige Follikel, deren Zustandekommen durch Kontluenz in folge von Zerstörung des die einzelnen Primordialfollikel trennenden Zwischengewebes nicht von der Hand zu weisen ist, bereits beobachtet sind. Ich kann mich dabei auf eine persönliche Mittheilung von Herrn Geheimrath Marchand berufen, welcher mehrere Eier in einem Follikel im Verein mit Oystenbildung schon öfters gesehen hat und die obige 1) Untersuchungen über das Epithel des Ovariums etc. J.D. Leipzig 1870. 2) Etude pratique sur la grossesse et l’accouchement g&mellaires. These de Paris 1879. 3) De la grossesse et l’accouchement gemellaires.. These de Paris 1879. 4) Trait& d’anomalie descriptive. Paris 1879. 5) Archiv f. mikrosk. Anatomie 1881, Bd. 19. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. 377 Erklärung ihres Entstehens für möglich hält. Im übrigen scheint v. F. diesem Befunde keine sehr grosse Bedeutung beizumessen und äussert sich auch nieht weiter darüber, wie er sich den Follikel entstanden denkt. Er hält allerdings die betreffende Frau für disponirt zu mehrfacher Schwangerschaft, weil das Ovarium einen ausserordentlichen Reichthum an Primordial- follikeln aufwies, die in 10—20 facher Reihe übereinanderlagen. — Von weiter zurückliegenden Beobachtungen erwähne ich die von Grohe!), welcher in dem Eierstock eines ?/, jährigen Kindes viele Eier mit doppeltem Kern, ferner gleichfalls bei Kindern oft in bereits vollständig ausgebildeten Follikeln 2 Eier, bei einem Kind von 4!/, Jahren 3 Eier in einem Follikel gesehen hat. Gegen diese letzteren Angaben macht v. Franque?), sich darin der Ansicht von Klien’) anschliessend, die zu jener Zeit mangel- haft entwickelte Technik geltend und hält sie nicht für ein- wandsfrei. Ich kann dem nicht beistimmen, da der Nachweis von Eiern in grösseren Follikeln besonders complizirte Hilfsmittel nicht verlangt. Auch Slavjansky !) hat ebenso wie Bidder?°) bei Kindern und auch bei Erwachsenen 2 und 3 Eier in einem Graaf’schen Follikel gesehen, wenn auch selten. Der von Erste- rem eitirte Fall von Plihal®), in welchem bei einem 18 jährigen Mädchen Bildungen ähnlich den Pflüger ’schen Schläuchen sich fanden, hat mit Follikel- und Eineubildung nichts zu thun. Vermuthlich hat es sich um Schlauchreste aus der fötalen Zeit her gehandelt. Die bisher genannten Forscher bringen also, wenn wir von v. Franqu& absehen, ihre Befunde von doppelkernigen Eiern resp. mehreiigen Follikel nieht weiter in Zusammenhang mit Theilungsvorgängen oder sie weisen sogar derartige Beziehungen direkt zurück. Indessen fehlt es auch nicht an Autoren, die 1) Ueber den Bau und das Wachsthum des menschlichen Eier- stocks ete. Virchow’s Archiv 1885, Bd. 26. Z)eleic. 3) Ueber ınehreiige Graaf’sche Follikel beim Menschen. Mün- chener medieinische Abhandl. IV,4 1893 (eit. nach v. Franqu&a.a.O.). 4) Zur normalen und pathologischen Histologie des Graaf’schen Bläschens beim Menschen. Virchow’s Archiv 1870, Bd. 51. 5) Müller’s Archiv 1842 (eit. nach Slavjansky). 6) Archiv f. mikrosk. Anatomie 1869, V. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 25 378 W. Stoeckel: Theilungsprozesse an Eiern entweder direkt behaupten oder die- selben wenigstens vermuthungsweise annehmen. Alle diese Unter- suchungen beziehen sich aber nur entweder auf Thiere oder auf menschliche Föten und Neugeborene. So schliesst van Bene- den!) aus seinen Untersuchungen, dass bei Neugeborenen und Föten eine Eitheilung innerhalb von jungen bereits fertigge- bildeten Follikeln erfolgt. Dabei findet am Keimbläschen „endo- genetische“ Vermehrung statt. Er bildet Follikel mit 2 Eiern, die zum Theil platt aneinandergedrückt liegen, sowie ein Ei ab, dessen Keimbläschen 3 Tochterbläschen einschliesst. Bei Letzte- rem war das Protoplasma von 3 deutlichen Furchen durchzogen, was auf direkte Theilung desselben hinweise. Theilungsvorgänge am Follikel selbst vermisst er. Nach vollständiger Theilung der Eier findet eine Wucherung von Granulosa-Zellen zwischen die- selben statt, schliesslich tritt ein Septum, hervorgegangen aus der Tunica propria (nach Henle) auf — Vorgänge, die ausser- ordentliche Aehnlichkeit mit den unsrigen haben. v. Beneden betont aber ausdrücklich, dass er sie nur ausnahmsweise bei Neugeborenen und Föten, niemals bei Erwachsenen gesehen habe, für welehe er eine Ei und Follikelneubildung bestreitet. Auf- fallend erscheint es, dass er an anderer Stelle gelegentlich von Untersuchungen bei Fledermäusen ein Ei mit doppeltem Keimbläs- chen nicht als Theilungsprodukt anspricht. — Kölliker?) unter- suchte Eierstöcke von Schweinen. Rindern und menschlichen Em- bryonen und fand nicht selten Eier mit 2 Kernen und häufig andere, die eine innige Verbindung der Protoplasmen miteinander zeigen. Für diese Formen nimmt er Theilungsvorgänge an. Sein Befund eines mehreiigen Follikels bei einer erwachsenen Frau hat damit nichts zu thun und ich erwähne ihn nur nebenbei. Klebs?°) fand im Gegensatz zu Pflüger), welcher wohl auch Theilungsvorgänge an den Eiern annahm, jedoch nur in den nach 1) Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf Memoires couronn&es et M&em. des savants &etrang. publ. p. ’Academie R. de Belgique. Coll. in 4° Tome 34. Bruxelles 1870. Citirt nach Nagel (a. a. O.). 2) Gewebelehre des Menschen 1867 und Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Säugethiere 1879. 3) Die Eierstockseier der Säugethiere und Vögel. Virchow’s Archiv Bd. 28. A). c. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete. 379 ihm benannten Schläuchen (bei der Katze), dass die Oogenese bei Thieren „mit der Abschnürung der Follikel nicht beendet ist“ und glaubt, „dass auch innerhalb der Letzteren Theilungs- vorgänge der Eizellen stattfinden, ohne dass es zur Bildung eigentlicher Eiketten kommt. Beim Menschen !) scheint „in der ersten Zeit des Lebens eine Vermehrung der Eizellen durch Theilung stattzufinden“. Man kann doppelte Kernkörperchen, Kerne, welche durch eine quere Scheidewand in 2 Hälften ge- theilt sind, sodann 2 Eizellen beobachten, welche dicht neben- einander liegend sich gegenseitig abgeplattet haben und von einer gemeinsamen Kapselschicht umgeben sind. Diese Formen waren häufig beim Neugeborenen, bei einem 7jährigen Mädchen wurden sie nur sehr spärlich angetroffen. Letzteres scheint mir besonders beachtenswerth, weil dies der einzige Fall ist, wo bisher an einem älteren Individuum derartige Follikelformen mit Thei- lungsprozessen in Zusammenhang gebracht werden. Unvollständig getheilte Eizellen und solche mit 2 Kernen hat Klebs nicht gesehen, im Uebrigen aber ist die Aehnlichkeit seiner Schilderung mit der meinigen so in die Augen springend, dass dies keiner weiteren Begründung bedarf. Nur kurz will ich hier auf die Ansicht Balfour’s?) hin- weisen, dass das Urei nicht das wahre Ovum ist, sondern dass aus ihm erst durch Theilung die Primordial-Eier hervorgehen. Schrön?), welcher Katzen, und G. Wagener), welcher trächtige Hündinnen untersuchte, sprechen sieh für Ei und Follikel- neubildung auch bei erwachsenen Thieren aus. Der Letzere fand einmal 6 Eier in einem Follikel. Quincke°) nimmt gleichfalls eine Follikeltheilung bei Thieren bis zur Pubertät an. Die Befunde von v. Bär®), der beim Schwein, von Bidder‘), der beim Kalb Follikel mit 1) Klebs, Eierstockeier der Wirbelthiere. Virchow’s Archiv Ba. 21. 2) On the Structure and the developement of the vertebrate Ovary. Quarterly Journal of Microsc. Science 1878. 3) Cit. nach Nagel (a. a. O.). 4) Archiv f. Anat. und Physiologie, anat. Abth. Jahrg. 1879. 5) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 12; eit. nach Nagel (a. a. O.). 6) Epistola 18; eit. nach Nagel (a. a. O.). 1) Müller’s Archiv 1842, 380 W. Stoeckel: 2 Eiern, von Coste und Thomson!), die bei Kaninchen und Katzen doppelkernige Eier, von Claparide, von la Valette und R. Wagener?), die beim Regenwurm, bei der Libellenlarve und beim Maikäfer doppelte Keimflecke in einem Keimbläschen sahen, führe ich nur nebenher an. j Die Angaben von Koster und Paladino über angeb- liche Neubildung von Follikeln bei der erwachsenen Frau be- ziehen sich, wie es scheint nur auf die Bildung schlauchförmiger Wucherungen des Oberflächen-Epithels, welche nach Nagel?) auf chronisch-entzündliche Prozesse am Ovarium zurückzuführen sein dürften. Dagegen müssen noch einige Arbeiten erwähnt werden, welche gleichfalls über Theilungen der Eizellen berichten; im Gegensatz zu dem bisher Mitgetheilten handelt es sich dabei aber nicht um die Produktion neuer, leistungsfähiger Eizellen, sondern um eine Vorstufe degenerativer Follikelentartung, die schliesslich zur Atresie der Follikel führt. J. Janosik*) sah diese Zustände bei Meerschweinchen, seltener auch bei Katzen und Fledermäusen, bei welchen zur Zeit der Trächtigkeit viele Follikel zu Grunde gehen, nachdem sich Keimbläschen und Ei vorher getheilt haben. Die Eizelle bildet die Richtungskörper- chen und kann sich nach Bildung derselben im Ovarium, also ohne dass Befruchtung eingetreten ist, noch weiter theilen, wobei die aus der Theilung 'resultirenden Segmente kernhaltig und entweder untereinander gleich oder verschieden gross sind. Bei älteren Thieren kommt daneben eine Fragmentirung und schol- liger Zerfall der Eizelle vor, wie sie ähnlich schon Pflüger, Schulin (bei der Ratte) und Henneguy°) beschrieben haben. Der Letztere berichtet bei der Ratte, Fledermaus, Spitzmaus, Katze, dem Storch und bei Reptilien und Amphibien über chro- matolytische Degeneration des Eies, die eine irreguläre parthe- nogenetische Segmentation desselben einleitet. Das Chromatin des Keimbläschens löst sich in kleine, unregelmässige Massen 1) Cit. nach Marchand (a. a. O.). 2) Citirt nach Waldeyer, Eierstock und Nebeneierstock. In: Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. La car, E 4) Die Atrophie der Follikel und ein seltsames Verhalten der Eizelle. Arch. f. mikrosk. Anatomie 1897, Bd. 48. 5) Journal de l’Anatomie et de la Physiologie 1894, Bd. 30. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern ete 381 auf, die verstreut im Dotter liegen. Jede derselben zeigt dann weiterhin eine rudimentäre Karyokinese in Gestalt einer kleinen Anzahl von Chromosomen und entsprechender achromatischer Fäden. Centrosomen fehlen. Der Dotter theilt sich in oft ungleiche Fragmente, von denen einige eine oder mehrere Karyokinesen einschliessen, während in andern keine Kerntheile nachweisbar sind. — Ich habe meine ganz besondere Aufmerksamkeit auf diese Angaben gelenkt und versucht die eben mitgetheilten Schilderungen von Janosik und Henneguy vielleicht auch auf meine Befunde anwenden zu können. Vielleicht handelte es sich auch hier um Follikel- und Eiteilung im Sinne einer nach- folgenden Follikelatresie. Ich habe jedoch nennenswerthe An- zeichen dafür in keiner Weise feststellen können. Eine etwas veränderte Kernstruktur (kein deutliches Chromatinnetz, sondern helle Zone in der Mitte und am Rande, der Kernmembran an- liegende Körner), eventuell Unvollständigkeit des Follikelepithels zusammen mit im Protoplasma angetroffenen Zellresten (herrüh- rend von eingewanderten Follikelepithelien?) wären die einzigen sehr schwachen Belege dafür, die jedoch, wie bereits erwähnt, so ausserordentlich selten zu sehen waren, abgesehen davon, dass sie nicht einmal eindeutig sind, dass ich degenerative Prozesse mit Sicherheit in nennenswerthem Umfange an den Follikeln habe ausschliessen können. Diese der Litteratur entnommenen Daten machen keines- wegs Anspruch auf Vollständigkeit, besonders soweit es sich um Untersuchungen bei Thieren handelt. Schliesslich habe ich noch die fragliche Beziehung der Eier mit doppeltem Keimbläschen zur Entstehung eineiiger Zwil- linge und Doppelmissgeburten zu erwähnen. B. Schulze hat bekanntlich zuerst die Verdoppelung des Keimbläschens als wahrscheinliche Ursache der Doppelbildungen bezeichnet und viele Autoren sind ihm darin gefolgt, und A. O. Schultze, neuer- dings auch OÖ. von Franque, welcher das von ihm beschrie- bene Ei mit doppeltem Keimbläschen aus diesem Grunde als „wahres Zwillingsei“ bezeichnet, nach dessen Nachweis bei einer Erwachsenen nun nichts mehr daran hindere, das Zustande- kommen eineiiger Zwillinge auf dieses Faktum zu beziehen. Marchand!) hat bereits seit 1883 diese den Eiern mit doppeltem 1) Missbildungen in Eulenburg’s Realenceyclopädie 1. Auflage. 382 W. Stoeckel: Keimbläschen für die Entstehung symmetrischer Doppelbildungen zugeschriebene Bedeutung bestritten und ihnen höchstens eine eventuelle Beziehung zu gewissen Formen asymmetrischer Doppel- bildungen (Inelusio foetalis) eingeräumt. hat aber neuerdings auch diese Annahme aufgegeben). Nachdem wir das Vorkommen eines doppelten Keimbläs- chens in den Primordialeiern bei einer Erwachsenen als vorüber- sehendes Stadium der Theilung der Eizellen nachgewiesen haben, kann selbstverständlich diesen Befunden eine Bedeutung für die Entstehung von Doppelbildungen nicht mehr beigelegt werden. Denn es ist anzunehmen, dass das reife Ei, wenn es seine Befruchtungsfähigkeit erlangt hat, seine Theilung bereits vollendet haben wird. Wollte man die Verdoppelung des Keim- bläschens noch zur Erklärung der Doppelbildung heranziehen, so müsste man diese Erscheinung in einem ausgebildeten mit Zona pellueida versehenen Ei und zwar unter möglichster Ausschliessung eines Degenerationszustandes (Follikel-Atresie) nachweisen. Aber auch in diesem Falle würden die erwähnten theoretischen Be- denken bestehen bleiben. Aus unseren Befunden geht mit Sicherheit hervor, dass die bisher allgemein gültige Annahme, nach welcher im extrauterinen Leben und ganz besonders bei der Erwachsenen eine Ei- und Follikelbildung nicht stattfinden soll, nicht als richtig anerkannt werden kann, da dureh unsern Fall eine solche Thei- lung in grosser Ausdehnung bei einem 29jähri- gen Weibe hat nachgewiesen werden können. Zum Schlusse spreche ich Herrn Geheimrath Prof. Mar- cehand, der mich bei der Abfassung dieser Arbeit in mannig- facher Weise mit Rath und That unterstützt und auch die grosse Liebenswürdigkeit gehabt hat, die derselben beigegebenen Zeich- nungen anzufertigen, meinen herzlichsten Dank aus. 1) Daselbst 3. Auflage S. 53 u. 73. Fig. Fig. Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. 383 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Fig. 1—10 sind mit Zeiss Apochr. 3cm Oec. 4 und Abbe’schem Zeichenapparat entworfen (Vergr. 480. e=Kerne der Epithelzellen des Follikel; = Tunica propria; s—= Stroma; v® —= Vacuole; b = Keim- bläschen ;k=Keimflock; d&=sog. Dotterkern (Balbiani’scher Körper). ir 10: ASioh- Ein Follikel mit Primordialei, dessen Keimbläschen langge- streckt und mit 2 grösseren Nucleolen versehen ist. (Follikel 0,053 mm lang, 0,045 breit; Keimbläschen 0,03 lang, 0,015 breit.) Follikel mit einem Ei und 2 Keimbläschen, welche einander berühren; jedes mit gut ausgebildetem Keimfleck. (Follikel 0,06 mm lang, 0,05 breit; Keimbläschen 0,02 mm.) Follikel mit einem durch eine feine Furche bereits getheilten Ei, jedes mit Keimbläschen und deutlichem, rundlichem Keim- fleck. Jedem Keimbläschen liegt der etwas undeutlich abge- grenzte Dotterkern an. (Follikel 0,065 mm lang, 0,055 breit; Keimbläschen 0,02.) Zwei neben einander liegende Primordialeier, welche deutlich von einander getrennt, aber noch nicht durch eine Fortsetzung der Tunica propria von einander geschieden sind. Zwei unmittelbar neben einander liegende Follikel; bei ge- wissen Einstellungen ist die Grenze zwischen beiden erkenn- bar. Der grössere von beiden Follikeln enthält 2 deutlich von einander getrennte Eier, das eine etwas kleiner als das andere, mit kleinem Keimbläschen. Zwei neben einander liegende Follikel, welche durch eine feine (mit Fuchsin roth gefärbte) Grenzlinie von einander getrennt sind. dk =Jänglich runder Dotterkern. Grosser Follikel, welcher 3 von einander getrennte Primordial- eier enthält. (Follikel 0,06 mm lang und breit; das grösste der Keimbläschen 0,02, das kleinste 0,015 mm.) Schlauchförmiger Follikel mit 3 hinter einander gelegenen Eiern, welche undeutlich von einander getrennt sind (starke Vakuolenbildung). (Länge des Follikel 0,1, Breite 0,04 mm.) Grosser Follikel mit 3 neben einander liegenden Eiern, welche gegen einander abgeflacht sind. (Follikel 0,07 mm lang, 0,055 breit.) Ein Follikel mit einem Ei, dessen Keimbläschen durch eine Linie in 2 Hälften getheilt ist. In jeder Hälfte ein grösserer Nucleolus. Eine Gruppe von Follikeln mit Primordialeiern in ihrer na- türlichen Anordnung, zwei derselben mit doppeltem Keim- bläschen; einige Follikel sind sehr dicht aneinander gelagert, 384 W. 16, Stoeckel: Ueber Theilungsvorgänge in Primordial-Eiern etc. anscheinend durch Theilung auseinander hervorgegangen. (Apochrom. 8Smm, Ocul. 4, Vergr. 180.) . 12-15. Primordialfollikel aus demselben Ovarium zur Darstellung des Balbiani’schen Körpers. "Zeiss’ Apochr. 2mm. Ocul. 4. (Vergr. 680) . Ei mit etwas verlängertem Keimbläschen und einer grossen Vacuole im Protoplasma. dk = Balbiani’scher Körper, läng- lieh rund, in der Mitte heller; Nucleolen doppelt. . Ein ähnliches Ei mit länglich rundem Dotterkern. . Ei mit doppeltem ringförmigen Dotterkern. . Ei mit doppeltem Keimbläschen und einfachem, grossen run- den Dotterkern. Der Nucleolus des einen Keimbläschens ist doppelt. Ei mit doppeltem Keimbläschen, das eine in einer anderen Ebene, nur angedeutet. Der dazu gehörige Dotterkern gross, rund; neben dem grösseren Keimbläschen liegen zwei spindel- förmige Körper derselben Beschaffenheit. 385 (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Ueber die Hautdrüsen von Bufo cinereus. Von Dr. Otto Weiss, I. Assistenten aın Physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr. Hierzu 3 Figuren im Text. Die Haut von Bufo einereus ist mit besonderer Rücksicht- nahme auf ihre Drüsen schon häufig der Gegenstand von Unter- suchungen gewesen. Wie für die übrigen Amphibien unter den Autoren verschiedene Ansichten darüber bestehen, ob mehrere Arten von Drüsen in der Haut vorkommen oder ob die verschie- denen Bilder verschiedene Entwiekelungsstufen einer und der- selben Drüsenart darstellen, so gehen auch bei den Hautdrüsen der Kröten die Ansichten auseinander. Da mir in diesem Früh- ling eine reichliche Menge Material durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. W. Lindemann zu Gebote stand, so habe ich die Krötenhaut und besonders ihre Drüsen einer erneuten Unter- suchung unterzogen, deren Resultate ich kurz mittheile. Die zu untersuchenden Objekte wurden theils frisch, theils nach Härtung betrachtet. Die Härtung wurde durch Osmiumsäure, durch Pikrinsäure, Sublimat, Salpetersäure-Kaliumbichromat, Al- kohol und Formalin vorgenommen. Als Färbemittel dienten Carmin, Hämatoxylin und eine Reihe von Anilinfarben. Die Epidermis der Krötenhaut zeigt drei verschiedene Zell- typen. Die der Cutis aufsitzende Schicht besteht im Allgemeinen aus prismatischen Zellen, deren kurze Axen der Cutis parallel sind, deren lange senkrecht zu ihr stehen. Der Kern dieser Zellen ist bläschenförmig, oval, mit zartem Chromatingerüst ver- sehen; seine Längsaxe ist der der Zelle gleichgerichtet. Der der Cutis zugewandte Theil dieser Zellen zeigt lange, in die oberste Schieht der Cutis eingelassene Fortsätze, wie sie zuerst von Eilh. Schulze (8) beschrieben sind. An der übrigen Ober- fläche der Zelle finden sich ebenfalls Fortsätze. Diesen kommen andere der angrenzenden Zelle entgegen und verschmelzen mit 386 Otto Weiss: ihnen. So bleiben rings um die Zelle herum freie Räume, die hier wie bei den Wirbelthieren der zur Ermährung der Zellen bestimmten Iymphatischen Cireulation dienen [Bizozzero (12), Ranvier (17), Flemming (18), Heitzmann (14), Leydig (4, 7, 16, 25), Mitrophanow (21), A. Henle (22)]. Nach P. Sehultz (23) finden sich nur an den kurzen, der Cutis und der Hautoberfläche zugekehrten Seiten der Zelle solche Fortsätze, was jedoch für die Krötenhaut sicher nicht zutreffend ist. Die Zellen der auf die beschriebene folgenden Schicht sind nur durch ihre polyedrische Form von den genannten unterschieden. Das Protoplasma beider Zellschiehten färbt sich mit Osmium nur sehr wenig, es bleibt durchscheinend. In der erstgenannten Schicht habe ich häufig Kerntheilungen beobachtet. Die dritte Zellschicht färbt sich mit Osmium dunkler als die tiefen Schichten. Sie be- steht aus etwas abgeplatteten Zellen, deren grösster Durchmesser der Hautoberfläche parallel ist. Die Abplattung der Zellen ist um so grösser, je mehr dieselben nach aussen liegen. Ihre Kerne sind eiförmig, der längste Durchmesser liegt parallel der Hautoberfläche. Die Intercellularfortsätze werden in der oberen Schicht theilweise unvollkommen ausgebildet, theils überhaupt nicht gefunden. Scharf getrennt von diesen drei allmählich in einander über- gehenden Zellschiehten zieht über diese ein auf den ersten Blick keine Differeneirung zeigender schmaler Saum, welcher sich je- doch bei näherer Betrachtung als zusammengesetzt aus sehr ab- geplatteten Zellen erweist, welche noch färbbare, der Abplattung der Zelle entsprechend zusammengedrückte Kerne haben. Diese Scehieht wird bei der nächsten Häutung abgestossen (Häutungs schicht von Bolau (5), Pfitzner (19)). Dieser Abstossung geht eine vielfache Lockerung voraus, welche bewirkt wird durch Anhäufung des Seeretes von Zellen der unter der Häutungsschicht liegenden Epidermis. Diese Zellen sind hier und da eingestreut unter die bereits beschriebenen. Sie wurden von Rudneff am Frosch entdeckt und von Eilh. Schulze (8) und Pfitzner (19) ebenfalls beschrieben. Dieselben stechen auffällig von den sie umgebenden Zellen durch ihr helles, durehscheinendes, zuweilen feingekörntes Protoplasma ab. Sie haben eine kugelige oder ovale Form, ihre der Hautoberfläche zugekehrte Seite ist abgeplattet. Der Kern liegt an ihrer Innenfläche, derselbe zeigt wenig Chro- matinsubstanz. Bei vielen Zellen ist der der Häutungsschicht zu- Ueber die Hautdrüsen von Bufo ceinereus. 387 gewendete Contour nicht scharf, das Protoplasma ist herausge- quollen, zu beiden Seiten die Zellränder überragend, dabei hat die Zelle an Volumen verloren. Durch den Erguss des Zell- inhaltes unter die Häutungsschicht wird diese gelockert und so die Häutung vorbereitet. Für den Salamander liegen analoge Beobachtungen von P. Schultz (23) vor. Unter der Epidermis findet sich zunächst ein homogener Saum, weleher an seinem der Epidermis zugewandten Theil die Fortsätze der Epidermiszellen aufnimmt und dementsprechend auf Sehnitten gezähnelt erscheint. Es folgt ein lockeres Binde- gewebe in ziemlich breiter Schicht, welches reichlich Blutgefässe zeigt, die unmittelbar unter dem homogenen Saum in ein diehtes Capillarnetz übergehen, welches offenbar zur Ernährung der Epi- dermis bestimmt ist [Rainey (2). Unmittelbar unter dem Saum findet sieb eine continuirliche Reihe von mit braunem Pigment erfüllten, wenig verästelten Zellen; auch Nervenbündel lassen sich vielfach nachweisen. Besonders augenfällig sind die unge- mein häufigen Einlagerungen von glänzenden, unregelmässig ge- stalteten, mit zackigen Contouren versehenen Gebilden, welche sich dureh die bekannten mikrochemischen Reactionen als Caleium- carbonat erweisen. Auf die lockere Bindegewebsschicht folgt eine derbe. Sie besteht aus wellenförmig, parallel der Hautober- fläche verlaufenden Bündeln, welche hier und da strohmatten- artig von senkrecht zu ihrer Richtung verlaufenden Faserbündeln durchflochten werden. Die der Körperfascie zugekehrte Cutis- fläche zeigt wieder eine lockere, gefässreiche Bindegewebsschicht, von welcher feine Bündel zur Körperfascie abgehen. Das regelmässige Bild der Cutis und der Epidermis wird dureh die Drüsen und ihre Ausführungsgänge unterbrochen. Auf der Dorsalseite des Thieres findet man zwei Arten von Drüsen, auf der Ventralseite nur eine. Die eine Drüsenart, welche sich nur auf der Dorsalseite findet, die sogenannten Giftdrüsen, hat eine kugelige oder ovale Gestalt. An ihrer Mündung ist die Epidermis trichterartig eingezogen, mit ihr auch der Grenzsaum der Cutis, welcher nach der Drüse zu dünner wird und dieselbe als Membrana propria umgiebt. Auch die Häutungsschicht wird mit eingestülpt; dieselbe erstreckt sich in den Ausführungsgang bis zu einer Tiefe, welche der Dieke der Epidermis gleichkommt. Da wo diese oberste Epidermisschicht aufhört, bilden die Epi- 388 Otto Weiss: dermiszellen einen dieken Wulst, welcher sich nach dem Lumen der Drüse zu verjüngt und sich in ein einschichtiges Epithel, welches die Drüse auskleidet, fortsetzt. Die innerste Epidermis- schieht zeigt nach der Drüse zu kürzer und kürzer werdende Fortsätze, welche mit dem Uebergang der Epidermiszellen in Drüsenzellen aufhören. Das Lumen des Ausführungsganges ist sehr eng, soweit ihn die Häutungsschicht auskleidet, sein Ver- lauf ist senkrecht zur Hautoberfläche. Dort, wo die beschrie- bene Zellanhäufung sich findet, erweitert sich der Gang, es findet sich bereits Seeret in ihm, welches jedoch scharf gegen die ihn auskleidenden Zellen gesondert ist. Erst da, wo das einschich- tige Drüsenepithel beginnt, sind Zellen und Secret nicht mehr scharf von einander abgrenzbar. Einen besonderen Verschluss- apparat für diesen Gang in Gestalt eines zähen Schleimpfropfes, wie ihn Calmels (20) beschreibt, habe ich gleich Sehultz (23) nicht gesehen. Ebenso wenig habe ich einen Sphineter- Muskel, wie ihn Schultz (23) beschreibt, nachweisen können. Auch erscheint ein solcher nicht erforderlich, da ein Ausfliessen des Secretes bei der Enge der Drüsenmündung ohne besonders eingeleitete Muskelaction nicht zu befürchten ist. Wie gesagt, sitzt das Epithel der Drüse auf einer feinen Membrana propria, der Fortsetzung des oberen Cutissaumes. Auf diese Membran folgt eine Schicht glatter Muskelfasern, welche im Wesentlichen einen vom Drüsengrund zur Mündung gerich- teten Verlauf haben. An die Muskelschicht schliesst sich das lockere Bindegewebe der Cutis an, welches die ganze Drüse, auch da, wo sie in der derbfaserigen Cutisschicht liegt, unmittel- bar umkleidet. Im Lumen der Drüse befindet sich ein feinkörniges Secret, welches dem Giftseeret des Thieres identisch ist. Dasselbe be- steht aus feinen, dunklen Körnchen, zwischen denen in unregel- mässiger Vertheilung grössere, kugelige Körper liegen. Diese bestehen aus einem Conglomerat von sehr feinen, den erstbeschrie- benen gleichenden Körncehen, wovon man sich durch die Unter- suchung des frischentleerten Secretes leicht überzeugen kann. Während sich im Lumen der Drüse, und zwar dessen grösseren Raum einnehmend, diese beschriebene körnige Masse mit deutlich von einander unterscheidbaren Körnehen und Conglomeraten der- selben findet, wird nach der Drüsenwand hin der Abstand der Ueber die Hautdrüsen von Bufo einereus. 389 Körnchen kleiner, so dass sie dieht gedrängt werdend bald nicht mehr von einander unterscheidbar sind. Die Körnchen färben sich in Hämatoxylin blau, in Osmium dunkelbraun. Es erscheint bei so gefärbten Präparaten nahe der Drüsenwand ein dunkler, blauer oder brauner Streifen, welcher nach dem Centrum der Drüse in die beschriebenen Körnehen sich auflöst. Nach der Wand hin zeigt sich wieder ein geringes Lichterwerden des Saumes und auch hier lassen sich wieder Körnehen erkennen, welche bis in das Protoplasma der Zellen der Drüsenwand zu verfolgen sind. An der der Wand zugekehrten Seite zeigt das Protoplasma dieser Zellen eine nur sehr geringfügige Körnung. Der Kern ist bläschenförmig, er zeigt ein feines Chromatin- gerüst. Die Längsaxe des ovalen Kernes liegt in der Richtung einer an die Drüse gelegten Tangente. Neben diesen prall mit Secret gefüllten kugeligen Drüsen finden sich andere, deren Oberfläche nicht glatt, sondern vielfach eingebuchtet erscheint. Ihr Seeretinhalt gleicht dem der beschriebenen Drüsen, nur sind die Körnchen nicht so dicht gelagert. Nahe der Wand findet sich der beschriebene aus dicht gedrängten Körnchen bestehende Saum, dessen nach der Wand zu liehter werdende Körnung sich auch hier in das Protoplasma der Epithelzellen fortsetzt. Diese Zellen erscheinen hier nicht abgeplattet, sondern haben eylin- drische Gestalt; sie sind deutlich gegen einander abgegrenzt, ihr Kern liegt so, dass seine längste Axe radiär steht, seine Struetur ist der vorhin beschriebenen analog. Mitosen finden sich sehr selten. Will man sich das Studium des Epithels er- leichtern, so muss man durch vorsichtiges Ausschütteln oder Auspinseln den Secretinhalt zuvor entfernen. Ich machte es mir zur Aufgabe, die Bildung des Gift- seeretes zu untersuchen. Hierzu musste die Drüse künstlich ent- leert werden, da die Kröten — die Versuche wurden im Früh- Jahr angestellt — freiwillig ihr Gift nicht auspressten. Ich ver- wendete häufig zur Entleerung den electrischen Reiz, wobei die Eleetroden theils in Form feiner Nadeln im Nacken und am Rumpfende eingestochen wurden, theils wurde auch die Rücken- haut an den beiden Rumpfseiten durchschnitten und nach der Medianlinie zu umgeklappt, wobei die Hautnerven sich aus- spannten und so nach Durchschneidung gereizt werden konnten. In beiden Fällen entleerte sich reichlich Secret aus den Drüsen. 390 Otto Weiss: Dadurch, dass auch auf Reizung der isolirten Nerven eine Se- eretion eintritt, wird die Annahme Seek’s (24) widerlegt, der Drüseninhalt würde durch eine Erhöhung des Lymphdruckes in den Rückenlymphsäcken ausgepresst. Die Erhöhung des Lymph- druckes denkt er sich entstanden durch die bei der erstgenannten Art der Reizung entstehenden Tetani der Rückenmuskulatur. Zuweilen entleerte ich auch den Drüseninhalt durch Ausquetschen der Drüsen mit den Fingern. Beide Methoden lieferten gute Resultate. Es sei noch erwähnt, dass ich die Angabe Calmels (20), dass sich bei electrischer Reizung nur der Rücken des Thieres mit milchigem Giftseeret bedeckt, während die Bauch- seite sich mit glasigem Secret überzieht, vollkommen bestä- tigt fand. Die Oberfläche der auf die genannte Art vollkommen ent- leerten Drüsen ist in Falten gelegt, das Secret mit den grossen kugeligen Körnchen ist verschwunden; dagegen ist der dem vor- hin erwähnten dunklen Saum entsprechende Theil des Drüsen- inhaltes geblieben. Die Epithelzellen, in deren Protoplasma die feinen Secretkörnchen sich fortsetzen, sind jetzt noch schlanker eylindrisch geworden, als ich sie bei den in Falten gelegten, mässig gefüllten Drüsen fand; im Uebrigen gleicht ihre Structur dem Epithelbau der beschriebenen Drüsen. Nachdem mehrfach die frisch entleerte Drüse untersucht war, wurde ein Theil der Thiere nach der Entleerung des Secretes am Leben erhalten und, um die Neubildung des Seeretes zu verlangsamen, an einen kühlen Ort gebracht. Es sei erwähnt, dass bei den Thieren, deren Haut- nerven durchsehnitten wurden, eine Neubildung von Secret nicht beobachtet wurde. Von zwei zu zwei Tagen wurde ein Thier getödtet und die Haut desselben untersucht. Die Neubildung des Secretes ging so vor sich. Es wurde zunächst der dem Inneren der Drüse zugewandte Theil des dunklen Saumes lichter durch Vergrösserung des Abstandes der feinen, ihn bildenden Körnehen. So erscheint in der unmittelbar nach der Entleerung mit einer fast schwarzen Masse ausgekleideten Drüse ein ihre Form wiedergebender heller Streifen. Die Epithelzellen zeigen nun reichlich dunkle Körner, besonders in ihrem dem Lumen zu liegenden Theil. Der helle Streifen wird breiter und breiter, während das Epithel gleichzeitig niederer wird. Dabei glätten sich die Falten der Drüsenwand mehr und mehr, um bei der Ueber die Hautdrüsen von Bufo cinereus. 391 prallen Füllung der Drüse gänzlich zu verschwinden. Der die Form der Drüse wiedergebende dunkle Saum, welcher sich un- mittelbar über der Epithelsehicht befindet, wird indessen immer gefunden. Er ist um so mächtiger, je weniger Secret in der Drüse gebildet ist. Nach und nach bilden sich in dem Anfangs nur aus feinen Körnchen bestehenden Secret die grösseren kuge- ligen Elemente, deren auf die Raumeinheit fallende Zahl mit dem Zunehmen der Secretmenge und dem Alter der Drüse wächst. Es erscheint nach dem geschilderten Befund einleuchtend, dass das Giftseeret von den die Drüse auskleidenden Epithelzellen aus deren Protoplasma gebildet wird, ohne dass die ganze Zelle oder etwa ihr Kern zerfällt. Man hat dabei anzunehmen, dass das im Protoplasma der Zelle gebildete Secret zunächst nach dem inneren Zellabtheil geschafft, hier so zu sagen in eoncentrirter Form angehäuft und nach und nach unter gleichzeitiger Abgabe von Flüssigkeit zum fertigen Secret gestempelt wird. Dabei plattet sich das Epithel der Drüse durch den Druck des Secretes ab, Verhältnisse, wie sie für Epithelien längst bekannt und für das Epithel der Milchdrüse jüngst noch von Michaelis (50) beschrieben sind. Ueber das Epithel und die Bildung des Giftseeretes bei der Kröte liegen bisher nur wenig Untersuchungen vor. Nachdem Rainey (2) ein eylindrisches, Eckhard (1) ein aus Rund- zellen bestehendes Epithel für die Giftdrüsen der Kröte beschrie- ben hatte, zeigte Leydig (4, 7,16, 25), dass die Epithelzellen der gefüllten Drüsen platte Gebilde seien, deren nach dem Cen- trum der Drüse zu körniger Inhalt unabgrenzbar in das Secret übergehe. Calmels (20) untersuchte zuerst die Bildung des Seeretes in den Giftdrüsen. Seiner Ansicht nach besteht ein scharfer Unterschied zwischen den Giftdrüsen und den noch zu beschreibenden Schleimdrüsen nicht, sondern eine und dieselbe Drüse kann bald Giftseeret, bald Schleim produeiren. So sind auch bei seiner Beschreibung der Secretbildung die Regenerations- vorgänge in der Schleim absondernden Drüse mit denen in der Giftdrüse bunt durch einander geworfen, was P. Schultz (23) alsbald erkannte und berichtigte. Schultz (23) giebt dann selbst eine eingehende Beschreibung über die Bildung des Gift- secretes in den Drüsen des Salamanders, wobei er für die Kröte ähnliche Verhältnisse annimmt. Nach ihm liegen in der ruhenden, 392 Otto Weiss: mit Secret gefüllten Drüse hier und da in Abständen an der Drüsenwand kleine Zellen mit grossem Kern und trübem, dunk- lem, meist gleichmässigem Protoplasma. Diese Zellen sollen sich nach erfolgter Seeretentleerung durch indireete Kerntheilung vermehren, wobei er Mitosen beobachtete „von so mächtiger Grösse, wie man sie selten findet“. Diese ungeheuren Kerntheilungs- figuren sind später von keinem anderen Autor beobachtet. Bei den Drüsen der Kröte sah ich häufig Fadenbildungen, welche Mitosen hätten vortäuschen können, in der beschriebenen dunklen Randzone; jedoch nur bei einigen Härtungsmethoden z. B. bei Alkoholhärtung, auch bei der Salpetersäure-Kaliumbichromieum- Härtung. (Ich erwähne dieses, ohne damit etwas gegen Schultz’s Beobachtungen am Salamander, den ich nieht untersucht habe, sagen zu wollen.) Die ganzen Zellen sollen nach der Vermehrung zerfallen und so in Giftseeret umgewandelt werden. Nur an der Drüsenwand bleiben dann die beschriebenen Zellen hier und dort stehen, um als Ausgangsmaterial für die Secretneubildung zu die- nen. Seek (24) zieht die bislang von den Autoren als glatte Muskeln angesprochenen, unter dem Epithel liegenden Zellen als Ersatzzellen heran, indem er deren muskuläre Natur bestreitet. Die Secretbildung erfolgt nach ihm durch vollkommene Auf- lösung der Drüsenzellen. Ebenso regenerirt sich nach M. Hei- denhain (26) und Nicoglu (27) beim Salamander das Seeret durch Zerfall von Zellen. Von der Gegend des „Schaltstückes“ (der von mir am Ausführungsgang beschriebenen Zellanhäufung) wächst eine neue Drüsenepithelanlage in die Muskelwand der Drüse hinein, das alte Secret verdrängend. „Diese neue Anlage zeigt, nachdem sie das Secret verdrängt hat, ein geräumiges Lumen, weiches direet in das Lumen des Schaltstückes und des Ausführungsganges übergeht und von einer gerinnselartig erschei- nenden Seeretmasse erfüllt ist. Die auskleidenden Epithelzellen sind im ganzen oberen Drüsenabschnitt klein, dem Schaltstück benachbart eylindrisch, weiter nach abwärts kubisch geformt.“ Von diesen Zellen sollen die des oberen Drüsengewölbes bis auf kleine dort sich findende Drüsenelemente, welche cylindrischen Epithelzellen gleichen, zu Grunde gehen. Die eylindrischen Ele- mente sollen das Keimlager sein, von welchem aus das Epithel sich regenerirt. Auch soll von den Zellen am Drüsenfundus ein Theil zu Grunde gehen. Aus den übrig bleibenden Epithelzellen Ueber die Hautdrüsen von Bufo einereus. 393 sollen Riesenzellen werden, welehe durch ihren Zerfall das Secret bilden. Vollmer (28) suchte dann später nachzuweisen, dass die im Schaltstück von Heidenhain (26) und Nicoglu (27) beobachteten eylindrischen Elemente Epidermiszellen seien, welche durch Wucherung an diese Stelle gelangt sind. Diese Zellen sollen dann das Epithel und die Muskulatur der Drüse regene- riren. Für die Drüsen der Froschhaut hat neuerdings Junius (29) die Seeretbildung untersucht und giebt an, dass die jugend- liche Drüse eine eontinuirliche Epithelauskleidung besitzt. Diese Epithellage secernirt zunächst ein Secret in das Lumen der Drüse hinein, es gehen einige Epithelzellen gänzlich zu Grunde, so dass nur hier und da an der Drüsenwand durch das Anwachsen der Secretmenge plattgedrückte Epithelzellen stehen bleiben. Ueber regenerative Vorgänge macht er keine bestimmten Angaben. Er spricht die Vermuthung aus, dass die alten Drüsen veröden und neue „nach dem Typus der embryonalen Drüsenanlagen“ sich aus „zapfenförmig in die Cutis sich einsenkenden Wucherungen der Epidermiszellen“ bilden. | Die Angaben der Autoren über die Regenerationsvorgänge in den Drüsen sind, wie man sieht, nicht übereinstimmend. Wun- derbar ist dieses nicht, da in der mit Secret gefüllten Drüse das Studium des Epithels durch die erwähnte dunkle Randzone sehr erschwert ist, da ferner in der Wärme die Neubildung des Se- eretes in künstlich entleerten Drüsen sehr schnell vor sich geht. Schon dieser Umstand, dass man 24 bis 36 Stunden nach der Entleerung die Drüse wieder prall mit Secret gefüllt findet, spricht dagegen, dass es sich hier um ein durch Zellwucherung und nachherigen Zerfall entstandenes Secret handelt. Man müsste dann reichlich Mitosen finden, was nach den gemeinsamen Be- obachtungen aller Autoren nieht der Fall ist. Dadurch, dass ich durch den Aufenthalt der Thiere in der Kälte die Seeretbildung verlangsamte und, was bislang versäumt war, die Drüse unmittel- bar nach der Secretentleerung untersuchte, gelang es mir, den Secretbildungsvorgang in seinen verschiedenen Stadien, wie be- schrieben, mir zu Gesicht zu bringen. Wie gesagt, giebt es ausser den bislang behandelten Gift- drüsen noch eine zweite von diesen streng zu sondernde Drüsen- art. Die Frage, ob in der Haut der Amphibien eine oder meh- rere Arten von Drüsen vorkommen, ist mehrfach lebhaft diseutirt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 26 394 Otto Weiss: Während von Engelmann (13), Seek (24), Schultz (23) zwei Arten von Drüsen angenommen werden — Gift- und Schleim- drüsen — und neuerdings M. Heidenhain (26) und Nicoglu (27) noch eine Uebergangsform zwischen beiden annehmen zu müssen glauben, sind Calmels (20, Leydig (4, 7, 16, 25), Bugnion (15), Junius (29) der Ansicht, dass es nur eine Art von Drüsen in der Haut der Amphibien giebt. Da ich nur über die Krötenhaut Erfahrungen habe und hier zwischen Calmels (20) und Schultz (23) Widersprüche bestehen, so kann ich nur zu diesem Streitpunkt einiges beitragen. Ich schliesse mich der Ansicht Schultz’s (23) an, welcher zwei Arten von Drüsen unterscheidet. Der genannte Autor führt als bauptsächliches Unterscheidungsmerkmal den Bau des Ausführungsganges an. Während bei den Giftdrüsen derselbe in eine trichterförmige Vertiefung der Epidermis mündet, erscheint die Oeffnung des- selben bei den jetzt zu beschreibenden Drüsen wie mit dem Loch- eisen aus der Epidermis ausgeschnitten. Die Häutungsschicht kleidet ihn bis zum Uebergang in die Drüse aus. Hier fehlt die für die Giftdrüsen beschriebene Zellanhäufung, das sogenannte Schaltstück. Die Epidermiszellen stossen hier mit dem Epithel der Drüse ohne besondere Vermittelung zusammen. Dieses unter- scheidet sich wesentlich von dem der Giftdrüsen. Die Zellen sind kleiner als dort, schlank eylindrisch oder pyramidenförmig. Der Kern ist oval gestaltet, bläschenförmig und liegt im Wand- theil der Zelle. Das dem Lumen zugewandte Zellstück zeigt häufig keinen scharfen Grenzeontour gegen den Inhalt, es zeigt eine feine Körnung, welche ebenso wie das fertige im Lumen angesammelte Secret der Drüse die Schleimreaetion mit Thionin giebt. Diese Reaction fällt bei den Giftdrüsen stets negativ aus in allen Stadien der Secretbildung. Mit der Vermehrung des schleimigen Secretes wird auch bei diesen Drüsen das Epithel niederer, wenn auch die Abplattung der Zellen nicht so weit geht, wie in den Giftdrüsen. Für den Zerfall von Zellen bei der Secretbildung habe ich auch hier keine Anhaltspunkte ge- winnen können. Endlich sei noch erwähnt, dass die Schleimdrüsen stets in der oberen lockeren Cutisschicht liegen, deren Bindegewebe sie umkleidet. Auf diese lockere Bindegewebsschicht folgt eine Lage glatter Muskeln, welche jedoch weit weniger mächtig ist, Ueber die Hautdrüsen von Bufo einereus. 395 als bei den Giftdrüsen. Dieselbe besteht aus einer einfachen Lage sehr zarter Muskelzellen!), Nach meinen Auseinander- setzungen handelt es sich hier um eine von den Giftdrüsen scharf zu sondernde Drüsenart. Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, dem Di- rector des hiesigen anatomischen Instituts, Herrn Geh. Medieinal- rath Prof. Dr. L. Stieda, für die Erlaubniss, die technischen Hülfsmittel und die Bibliothek seines Instituts zu benutzen, sowie meinem Freunde, Herrn Dr. Lindemann, Privatdocenten für allgemeine Pathologie in Moskau, für die Ueberlassung des Thier- materials meinen Dank zu sagen. Literatur-Verzeichniss. Eckhard, Müller’s Archiv. 1849. s je -2. Rainey, Quart. Journ. mieroscop. Se. Vol. 3. 1855. 3. Hensche, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 7. 1856. 4. Leydig, Lehrbuch d. Histologie. 1857. "5. Bolau, Beiträge zur Kenntn. d. Amphibienhaut. Dissert. Göttin- gen 1864. 6. Stieda, Müller’s Archiv. 1865. 7. Leydig, Ueb. d. Molche d. würtemberg. Fauna. Berlin 1867. 8. Eilh. Schulze, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. III. 1867. 9. Szezesny, Beitr. z. Kenntn. d. Structur d. Froschhaut. Dissert. Dorpat 1867. 10. Ciaccio, Intorno alla minuta fabrica della pelle della rana escul. Palermo 1867. 11. Eberth, Unters. über die normale und pathol. Anat. d. Frosch- haut. Leipzig 1869. 12. Bizozzero, Studj fatti nel laboratorio pathologico della univer- sita di Pavia 1870. 13. Engelmann, Pflüger’s Archiv. 1872. . Heitzmann, Sitzungsber. d. Wiener Akademie Mai 1873. 15. Bugnion, Bullet. de la societ€e Vaudoise des sc. nat. XII. Nr. 70. 1873. 16. Leydig, Arch. f. mikr. Anatomie. 1876. 17. Ranvier, Trait& technique d’histologie. 1876. 18. Flemming, Schriften d. naturw. Ver. in Kiel (Vortrag). 1878. 19. Pfitzner, Morphologisches Jahrbuch Bd. VI. 1880. ‘20. Calmels, Archives d. Physiologie. 1883. 21. Mitrophanow, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 41. 1885. 22. Henle, A., Göttinger Nachr. Nr. 14. 1887. ‚ 23. Schultz, Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. 34. 1889. 24. Seek, Ueber die Hautdrüsen einiger Amphibien. Dissert. Dorpat 1891. art He 1) Ueber die Existenz ist früher lebhaft gestritten worden, man vergleiche die Arbeiten von Hensche (3), Stieda (6b), Szezesny (9), Ciaccio (10), Eberth (11), Engelmann (13), Nicoglu (27), Seek (24), Leydig (25). 396 Otto Weiss: Ueber die Hautdrüsen von Bufo einereus. 25. Leydig, Biolog. Centralblatt Bd. XII. 1892. 26. Heidenhain, M., Sitzungsber. d. Würzb. physik.-med. Gesellsch. 1893. 27. Nicoglu, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 56. 1893. 28. Vollmer, Arch. f. mikrosk. Anatomie Bad. 42. 1893. 29. Junius, Arch. f. mikrosk. Anatome Bd. 47. 1896. 30. Michaelis, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 51. m . e. IT Ya s 12 * Fig. 3. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Theil einer frisch entleerten, in Falten gelegten Giftdrüse. Osmiumfixation. m — glatte Muskelfasern; e= Epithel; k = dunkler aus dicht gedrängten Körnchen bestehender Saum. Rio.42, Drüsensegment vier Tage nach der Entleerung, das Thier war an einem kühlen Ort aufbew ahrt. Osmiumsäure. m—k wie in Fig. 1; s= fertiges Secret mit grossen Körnern. Fig. 3. Drüsensegment einer pr all mit Secret eefüllten | Drüse. Osmium- fixation. m—s wie in Fig. 2. 397 Die Linse des Maulwurfes. Von C. Ritter. Hierzu 3 Figuren im Text. Schon lange hat die Linse des Maulwurfes die Forscher beschäftigt. Die Fasern derselben sind zuerst von Leydig be- schrieben; Henle hat in seinem grossen Werke über die Ana- tomie der Linse eine Zeichnung der Fasern gegeben, welche nur theilweise zutreffend ist. Ich finde unter meinen alten Zeich- nungen Fasern abgebildet, welche sehr von Henle’s Darstel- lung abweichen. Henle und O. Becker geben an, dass ihnen Durchsehnitte durch die Linse des Maulwurfes nicht gelungen sind. Mit der jetzigen Technik und bei guter Celloidineinbettung ist die Entzifferung der Maulwurflinse nicht ohne Mühe, aber auch nicht übermässig schwierig. Das Maulwurfsauge liegt in der Haut vorn an der Schnautze, es ist ungefähr 1 mm im Durchmesser gross, ein kleiner schwar- zer Punkt, weleher in einer Conjunctivafalte liegt. Die Linse hat eine flache, linsenförmige Gestalt, am Aequator ist sie flach ab- gerundet. Sie misst im äquatorialen Durchmesser 0,35 mm, im axialen 0,18. Die vordere Fläche hat in ihrer Krümmung einen grösseren Durchmesser als die hintere, sie ist also etwas flacher, aber nur wenig. Die Augen wurden ganz frisch in Zenker’scher Lösung fixirt, ausgewässert, allmählich in absoluten Alkohol übergeführt, mit Boraxearmin gefärbt, dann in 70°/, Alkohol + !/,°/, Salzsäure übertragen und wieder allmählich in absoluten Alkohol geführt, dann vorschriftsmässig in Celloidin eingebettet und mit dem Mi- krotom geschnitten. Die Kapsel ist überall an der Linse sehr dünn und hat dieselbe Dieke von 0,001 mm vorn und hinten. Die vordere Kapsel mit ihrem Epithel scheidet sich von dem Linsenkörper durch einen Spalt, welcher nicht ganz bis zum Aequator reicht und keine grade Linie bildet, da das Epithel der vorderen Kapsel sehr ungleich in der Dieke und Lagerung ist. 398 ec. Ratter: Die Kapsel ist überall durchsichtig und bildet eine sehr feine Plasmamembran. Ihr Epithel gleicht dem Epithel der Kapsel anderer Thiere gar nicht. Die Zellen desselben sind unter sich an Dieke, Höhe und Grösse sehr verschieden, und zwar liegen sehr ungleiche Zellen oft neben einander. Die Höhe der Zellen schwankt zwischen 0,025 und 0,01 mm, die Breite zwischen 0,013 und 0,07 mm. Die Kerne sind meist rund von 0,006 mm Durch- ds q ‘psdey AdpıoA » L S1q "HSUIFINANBN PIP yaınp YIuyasydandı Wirbelbildung in der Mitte des vorderen Kapselepithels. a vordere Kapsel. ‘Asur] A9p 9ssey op pun Fig. 3. Zelle der Linse. josdey} u91opIoA 109p Toyyidgy uaydsımz Je messer, gegen den Aequator hin werden sie länger und schmaler. Die Zellen sind am höchsten in der Mitte der vorderen Kapsel. Hier scheinen sie auf einzelnen Schnitten, wie von einem Mittel- punkte fächerförmig auszustrahlen, so dass sie mit der inneren Spitze zusammenhängen und breiter werdend an der vorderen Kapsel endigen (Fig. 2). Ueberhaupt haben die Zellen weit mehr ein faserartiges, als ein epithelartiges Aussehen. Gegen den Die Linse des Maulwurfes. 399 Aequator werden sie schiefliegend, lagern sich mit der Breite an die Kapsel, auch wohl mehrere in einer Reihe. Zwischen diesen faserartigen Zellen finden sich aber stets wieder einzelne breite Zellen und Nester solcher breiten Zellen. Dass die Zellenlage an der vorderen Kapsel ein Epithel darstellt, kann aus der ein- zelnen Zelle, aus ihrer Gestalt und Lagerung nicht geschlossen werden. Die ganze Zellenlage ist zur richtigen Deutung nöthig. Am Aequator bilden kleine Zellen, kurz und rund den Uebergang zur Masse der Linse. Die Kerne dieser kleinen Zellen stehen öfters ziemlich dieht und reihenförmig geordnet neben einander. Die Masse der Linse bildet nun keinen Kern, es findet sich auch nicht die geringste Spur von regelmässig gebildeten Faser- lagen. Die ganze Linse wird aus Zellen zusammengesetzt, welche nur zum kleinen Theil faserartig auswachsen, zum viel grösseren Theil breit werden und mit spitzen Fortsätzen sich zwischen die benachbarten Zellen drängen (Fig. 1 u. 3). Vier bis fünf Reihen solcher Zellen übereinander bilden die Masse der Linse. Die Fortsätze der einzelnen Zellen drängen sich zwischen die Zellen der anderen Reihen hindurch und verlaufen vielleicht ausnahms- weise von der vordersten Zellenlage durch alle hinteren Lagen bis zur hinteren Kapsel, doch ist dies nicht mit voller Sicherheit nachzuweisen. Aus den mittleren Schichten aber sieht man häufig solche Fortsätze bis zur hinteren Kapsel oder dieht in ihre Nähe verlaufen. Wenn, wie sehr häufig, mehrere Fortsätze neben ein- ander in gleicher Richtung verlaufen, so erhält an diesen Stellen die Linse ein faseriges Gefüge, welches in der Hauptsache von vorn nach hinten, also im axialen Durchmesser verläuft. Einzelne Faserzüge dieser Art gehen auch in spitzen Winkel gegen die hintere Kapsel, aber immer so, dass die Richtung vom Aequator nach hinten gerichtet ist gegen die Kapsel. Niemals zeigen diese faserartigen Fortsätze der Zellen eine runde gebogene Form, wie sie zu einer Kernbildung der Linse nöthig wäre. Die faserigen Theile der Linse sind überhaupt nur schmal; sie sind auch so selten, dass ich in einzelnen Durchschnitten sie ganz vermisst habe. Kerne sind in diesen Faserzügen nicht zu bemerken. Die Zellen bestehen aus einem durchsichtigen Protoplasma, welches sich nur mit Protoplasma der Linsenzellen vergleichen lässt. Von einer Zellmembran habe ich nie etwas bemerkt. Die 400 BRibFerT: Grösse der Zellen schwankt zwischen 0,01 mm und 0,05 mm Länge und Breite, ist also sehr erheblichen Unterschieden unterworfen. Es ist anzunehmen, dass auch die Dicke der Zellen denselben Spiel- raum in der Ausdehnung darbietet, denn alle Durchschnitte zeigen dieselben Dimensionen. Die Zellen sind nicht nach der Grösse geordnet; manche sind zehnfach so gross, wie die dicht neben ihnen liegenden, ohne dass sich ein Grund für das verschiedene Wachsthum fände. Die kleinen Zellen sitzen allerdings mehr an der Kapsel, aber es finden sich auch in den mittleren Zellschichten kleine Zellen zur Ausfüllung. Die mittleren Reihen zeigen haupt- sächlich die faserartigen Fortsätze, welche mehrere Reihen durch- laufen und sich an die hintere Kapsel ansetzen. Die äussere Zell- schicht zeigt dagegen gar keine Fortsätze. Wie ich aber schon hervorgehoben habe, es ist von einer Regelmässigkeit in der Zell- bildung und Zellenlage überall keine Rede; die faserartigen Zellenfortsätze können auch an den Zellen der vorderen Kapsel liegen und ihre Enden verschwinden dann zwischen den übrigen Zellen. Grosse Zellen finden sich auch an der Kapsel und finden sich auch am Aequator. Die Kerne sitzen meistens in der Mitte der Zelle oder etwas nach der Seite. Sie sind rund und haben einen Durchmesser von 0,01 mm. Im den Zellen, welche einen dünnen Leib und dieke Fortsätze haben, sind die Kerne lang gestreckt in der Richtung des Faserzuges, die Breite ist dann 0,003 mm, die Länge 0,008. In sehr grossen Zellen habe ich Kerne von 0,01 mm Durchmesser gefunden. Die Kerne färben sich mit Carmin ganz gleich- mässig gut. Die chemische Zusammensetzung des Zellprotoplasmas muss dem der Linsenfasern anderer Thiere ganz gleich sein, die Zellen erscheinen völlig durchsichtig; das Protoplasma ist an jeder Stelle der Zelle ganz gleichförmig, eine Membran scheidet sich nicht ab. Auch der Kern ist im lebenden Zustande als durchsichtig anzu- sehen. Nur einzelne Zellen der vorderen Kapsel möchten durch ihren schrägen Verlauf und durch ihre Häufung dem Lichteinfalle Hinderniss geben. Von diesem Bilde der Maulwurfslinse, wie es in Fig. 1 ge- zeichnet und hier beschrieben ist, habe ich keinerlei Abweichung beobachtet. Alle Durchsehnitte zeigen dasselbe charakteristische Bild. Die Linse des Maulwurfes. 401 Wenn man nun fragt, auf welche Weise und aus welchem Grunde es zu dieser abnormen Bildung der Maulwurflinse kommt, wesshalb also keine Kernbildung, keine concentrische Schichten- bildung vor sich geht, so liegt es sehr nahe, an das Stehen- bleiben auf einer früheren Entwieklungsstufe zu denken. Es gleicht der normalen Linse in der Maulwurfslinse die Kapsel, die Zellen derselben, die Zellen des Kerns und es ist selbst Faser- bildung vorhanden, die chemische Zusammensetzung ist in allen Theilen der der normalen Linse gleich zu setzen. Nun finde ich allerdings in der Entwieklung der Froschlinse einen Zeitpunkt, in welchem die Linse einige Aehnlichkeit mit der Maulwurfslinse bietet. Es ist die Zeit kurz vor der Kernbildung. Die Linse bietet zu dieser Zeit ein sehr prägnantes Bild. Das Epithel der vorderen Kapsel ist ein massives einzelliges Epithel, die Masse der Linse besteht aus einer zierlichen Figur von 5 bis 6 Reihen von Zellen, wenn man einfach mit den hervortretenden Kernen urtheilen wollte. Aber obgleich der Linsenkern noch nicht vor- handen ist, zeigt sich schon in jedem Kern und jeder Zelle die Gesetzmässigkeit, welche zu der concentrischen Faserbildung führt. Es ist eben der Anfang der Kernbildung, zu der die ersten Fasern sich gruppiren. Die Zellen sind rundlich gebogen, concav gegen die Mitte. Die Zellen wachsen nur in zwei ent- gegengesetzten Richtungen nach vorn und hinten aus. In diesem Stadium der Entwicklung lässt die Froschlinse die spätere Gestalt zuerst ahnen. Von einer solehen Gesetzmässigkeit ist die Maul- wurfslinse völlig frei. In ihr herrscht völlige Regellosigkeit in der Lagerung der Zellen, es kommt also nur zur Grössenzunahme und gegenseitiger Abplattung der Zellen. Auch wenn man die Annahme zu Hülfe nimmt, dass zu dem Stehenbleiben auf einer früheren Entwicklungsstufe eine abnorme regellose Entwicklung der damals vorhandenen Zellen annimmt, kommt man nicht zu einem befriedigenden Ende. Wiederholte mehrjährige Untersuchung der Linse zwingt mich, die Ursache der eoncentrischen Linsenbildung in dem Wirbel zu suchen. Die Bildung des Wirbels ist noch lange nicht genug untersucht und harıt noch der Entzifferung. Die Lage- veränderung der Kerne spielt im Wirbel die wichtigste Rolle. Der Wirbel liegt beim Embryo und beim erwachsenen Thiere an ganz verschiedenen Stellen. Ich muss mir die genaue Dar- 402 C. Ritter: stellung auf einen anderen Ort vorbehalten. Bei der Maulwurfs- linse glaube ich nun annehmen zu dürfen, dass die Wirbelbildung bei ihr nieht im Aequator oder der hinteren Kapsel zu Stande kommt, sondern schon an der vorderen Kapsel. Ich stütze mich dabei auf das Bild Fig. 2, wo man in der Mitte der vorderen Kapsel einen Wirbel der Zellen bemerkt. Aehnliche Bilder sind öfters zu sehen. Dadurch würde es sich erklären, dass schon im vorderen Epithel faserartige Zellen entstehen und dann wäre eine Kernbildung der Linsenmasse unmöglich. Durch diese Hypo- these, welche sich auf die Präparate stützt, kommt man nach meiner Meinung der Erkenntniss näher. Andererseits ist eine andere Betrachtung nicht allein möglich, sondern erklärlich, wel- che jener ersten fast entgegengesetzt erscheint und sich doch mit ihr vereinigen lässt. Man könnte annehmen, dass die Form der Linsenzellen, welche sich bei der Maulwurfslinse findet, diejenige wäre, welche die Zelle im freien Zustande stets zu erlangen suchen wird; der Kürze halber sei mir der Ausdruck: „Die ideale Form der Linse“ erlaubt; dass dagegen die regelmässigen Linsenfasern der übrigen Thiere durch einen gewissen gesetzmässigen Zwang zur Kernbildung veranlasst werden. Dieser Zwang fehlt beim Maufwurf und die Zelle wächst schrankenlos aus. Die Bildung des Linsenkerns in mathematisch genauer Form ist nicht ohne bestimmtes Gesetz, ohne gesetzmässigen Zwang denkbar. Dieser Zwang ist mir bei langjähriger Untersuchung der Entwicklungs- geschichte der Linse ein nothwendiger Gedanke geworden. Es finden sich dafür einzelne Beweise. Der Ort des Zwanges wäre die Bildungsstelle der jungen Fasern, man nimmt gewöhnlich den Aequator als diesen Ort an, nicht mit Recht, aber der Kürze wegen brauchbar. An dieser Stelle, wo die Epithelzellen zu Fasern auswachsen, erleiden die Kerne eine Umdrehung, ihre vordere Seite wird zur hinteren, die hintere zur vorderen. Dieser Drehung, welche bei allen Thieren im Entwicklungszustande zu verfolgen ist, während im Alter das Epithel sich sehr ändert, entspricht eine völlige Aenderung der Kerme in ihrer Form, sie werden lang, schmal und dünn. Es ist möglich, dass die Ver- änderungen der Kerne nur die Folge jenes angenommenen Zwanges sind. Wir müssen uns zunächst damit begnügen, dass wir den Ausdruck eines gesetzmässigen Zwanges an der Stelle der Um- wandlung des Epithels in Linsenfasern darstellen, mag es sich Die Linse des Maulwurfes. 403 später auch ausweisen, dass es nur ein Theil der Erscheinun- gen ist. Es bleibt die Frage zu beantworten, ob eine so gebaute Linse wie die des Maulwurfes dem Zwecke der Linse, ein Bild des Gegen- standes auf der Retina zu entwerfen, dienen kann. Obgleich die Oberflächen der Linse zur Brechung der Strahlen fähig sind und die Linse die Strahlen durchlassen muss, so ist doch un- zweifelhaft die Maulwurfslinse nicht fähig, ein umgekehrtes Bild des Objeetes zu entwerfen. Es fehlt ihr der concentrische Bau, es kann kein mathematisches Bild entstehen. Die Linse ist durchsichtig und lässt das Licht auf die Retina durchfallen. Die Empfindung von Hell und Dunkel wird auf der Retina entstehen können. Die Bilder der Objekte müssen aber aus verzerrten Linien bestehen, eine Erkenntniss der Gegenstände scheint nicht möglich. In dem Bau der Retina und der Bildung des Bulbus finde ich ausser der verschwindenden Kleinhaut keinen Grund, das Auge des Maulwurfs für zum Sehen untauglich zu erklären. Bremervörde, 7. Juni 1898. Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut der männlichen und weiblichen Geschlechts- organe. Von Dr. J. Loewy, Berlin. Hierzu Tafel XIX. Marcello Malpighi (1628—94) hat als erster das Stratum mucosum der Haut beschrieben und dasselbe als Rete bezeichnet. Diese Bezeichnung entspricht vollkommen den thatsächlichen ana- tomischen Verhältnissen dieses Gewebes. Wunderbar muss es 404 J. Loewy: deshalb erscheinen, dass trotz dieses Namens, welcher doch All- gemeingut der descriptiven Anatomie geworden, dennoch erst in neuester Zeit der Bau des Rete Malpighi als Netzwerk näher studiert und festgestellt worden ist, während bisher die Ansicht vorherrschte, dass es sich bei dem Strat. mucosum nicht um ein Netzwerk, sondern um Zapfen handele (Epithelzapfen), welche sich zwischen die Cutispapillen einsenken. Ohne hier näher auf die gesammte Literatur einzugehen, sei nur erwähnt, dass es hauptsächlich das Verdienst Blaschko’s!) war, darauf hingewiesen zu haben, dass man sich der durch Fäulnissvorgänge oder auf künstliche Weise von der Cutis abge- lösten Oberhaut bedienen müsse, um durch Betrachtung des Flächenbildes von der der Lederhaut zugewendeten Seite her einen wichtigen Einblick in den komplieirten Bau des Rete zu gewinnen. Bei dieser Betrachtungsweise war Blaschko im Stande, bisher völlig unbekannte Strukturverhältnisse des Rete der gesammten Hautdecke kennen zu lernen. Bestätigt und in einigen Punkten erweitert wurden diese Angaben durch eine Arbeit Philippson’s?), welcher gleichzeitig ein neues Verfahren mittheilte, auf chemischem Wege eine Tren- nung der Epidermis von der Cutis herbeizuführen. Vermittelst dieser Methode und einer Modifikation derselben hatte ich es dann unternommen), systematisch das Rete der gesammten Hautdecke zu untersuchen. Hierbei stellten sich mancherlei neue Befunde heraus und es zeigte sich, dass wohl kein Gewebe des mensch- lichen Körpers eine gleiche Mannigfaltigkeit seines anatomischen Aufbaues aufweist, wie das Rete Malpighi. Denn verschieden ist meist der Aufbau des Netzes an den verschiedenen Hautpar- tieen, verschieden das Rete gleicher Hautbezirke in verschiedenen Lebensaltern. Weiter komplieirt wird das Studium dieser Bil- dungen dadurch, dass Dank der schleimig-weichen Beschaffenheit 1) Blaschko, Beiträge zur Anatomie der Oberhaut. Archiv. f. mikroskop. Anatomie Bd. 30. Die Arbeit enthält ausführliche Literatur- angabe. 2) Philippson, Ueber Herstellung von Flächenbildern der Ober- haut u. der Lederhaut. Monatshefte f. prakt. Dermatologie Bd. VIII, pag. 389. 3) J. Loewy, Beiträge zur Anatomie u. Physiologie d. Oberhaut. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 37. Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut etc. 405 des Strat. mucosum dasselbe im Stande ist, bei den verschie- densten Bewegungen der Haut beim Spannen und Erschlaffen derselben seine Gestalt zu verändern und sich den neuen Ver- hältnissen anzupassen. Leicht lassen sich diese Erscheinungen auch an der abgelösten Oberhaut demonstriren, wenn man die- selbe in stärkerer oder schwächerer Spannung ausgebreitet be- trachtet. Es könnte deshalb leicht gegen die bisher mitgetheilten Befunde der Vorwurf erhoben werden, dass sie den thatsächlichen Verhältnissen nicht völlig entsprächen und theilweise Kunst- produkte darstellten, hervorgebracht z. B. durch starkes Auf- pressen eines Deckglases auf das leicht veränderliche Rete oder dureh Schrumpfung desselben beim Trockenwerden des Präparats. Diesem Einwurfe ist schon von Blaschko und mir selbst da- durch begegnet worden, dass zur Vermeidung des Druckes die Präparate überhaupt nicht mit einem Deckglas bedeckt wurden, sondern die Epidermis am Objektträger einfach zum Austrocknen gebracht wurde. Dass sie hierbei keinerlei bemerkliche Schrum- pfung erlitt, konnte durch vorheriges und nachheriges Messen des Präparates festgestellt werden. Unter denselben Kautelen, welche theilweise noch dadurch verschärft wurden, dass ich die frisch losgelöste Oberhaut sofort noch ungefärbt photographirte, habe ich es unternommen, das Rete der männlichen und weiblichen Genitalien einer nochmaligen Untersuchung zu unterwerfen, nieht nur aus dem Grunde, weil diese Bildungen bisher noch am wenigsten bekannt sind, sondern weil sie die interessantesten Strukturverhältnisse der gesammten Rete der menschlichen Haut darbieten. Alle jene verschieden- artigen Typen und Eigenartigkeiten, welche gerade diese Präpa- rate aufweisen, in Abbildungen wieder zu geben, würde den Raum eines selbständigen Atlasses beanspruchen. Ich muss mich deshalb an dieser Stelle, wo nur ein beschränkter Raum zur Ver- fügung steht, damit begnügen, die charakteristischsten Bilder heraus zu greifen und vorzuführen. Bei der Herstellung der Präparate bediente ich mich der von Philippson angegebenen Methode, indem die Trennung der Epidermis von der Cutis durch !/,°/, Essigsäure erfolgte, allerdings unter Anwendung einer konstanten Temperatur von 37° durch 24 Stunden hindurch. Das Material stammt aus der pathologischen Abtheilung des 406 J. Loewy: städtischen Krankenhauses Moabit. Für die bereitwillige und liebenswürdige Ueberlassung desselben, spreche ich auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Langerhans meinen herzlichen Dank aus. Durch die erneuten Untersuchungen, welche sich auf eine sehr grosse Zahl von Genitalien erstreckten, kann ich nicht nur meine früheren Angaben bestätigen, sondern dieselben noch be- sonders in Bezug auf die weiblichen Geschlechtsorgane sehr er- weitern. Wenn ich mich bei der Beschreibung dieser Ergebnisse möglichst kurz fasse, so geschieht es, weil ich das Hauptgewicht auf die beigefügten Abbildungen legen möchte, welche in ihrer Auswahl die Haupttypen des Rete darstellen und besser als jede Schilderung das wechselvolle Bild desselben demonstriren. 1. Die männlichen Geschlechtsorgane. Der Grundtypus der Rete der männlichen Genitalien ist das einfache ziemlich gleichförmige Netzwerk mit stark ausgebildeten Längsleisten und schwächer entwickelten Querleisten. Dieses Bild findet sich am klarsten bei Föten und Kindern in den ersten Lebenswochen, wenngleich auch schon hier zahlreiche Abwei- chungen auftreten, welche sich durch Bildung sekundärer und tertiärer Querleisten, durch Verdiekungen einzelner Längsleisten, Zottenbildung ete. dokumentiren. Mit zunehmendem Alter wächst dann die Mannigfaltigkeit der Bildungen in der eben geschilderten Richtung, ohne jedoch jemals den Grundtypus völlig zum Ver- schwinden zu bringen. — Bis in das höchste Alter hinein kann man das kräftig entwickelte Strat. mucosum verfolgen, zum Schwinden gebracht nur an den Stellen, welche durch besonders stark ausgebildete Funktionsfalten durchzogen werden. Aller- dings treten hier mancherlei Abweichungen zu Tage. So fand ich das Rete des Penisschaftes eines 40 und 60jährigen Mannes aus auffallend schmalen Leisten, an manchen Stellen nur aus Rudimenten bestehend, während ein 84jähriger Mann an der gleichen Hautpartie ein auffallend stark entwickeltes Leisten- system aufwies. — Man kann daran denken, dass diese Diffe- renzen abhängig sind von stärkeren oder schwächeren Druck- einwirkungen, wie sie durch einen verschieden intensiven Ge- brauch des Gliedes bedingt werden. Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut etc. 407 Die einzelnen Abschnitte der Haut des männlichen Genital- traktus zeigen folgende Verhältnisse : Das Rete des Serotums Fig. 1 bietet im Fötalleben und in den ersten Monaten ein ähnliches Bild wie das des Rumpfes. Wir sehen ein wohl ausgebildetes Netzwerk aus kräftigen Längs- leisten und gut entwickelten Querleisten. Die Maschenräume sind fast von gleicher Grösse wie die des Rückens. Sekundäre und tertiäre Leisten theilen dieselben in Unterabtheilungen. Der Ver- lauf der Längsleisten ist bogenförmig und das Serotum herum von der Peniswurzel zum Perineum gerichtet. In gleicher Rich- tung verlaufen die zahllosen Haare mit ihren Talgdrüsen, wäh- rend flache Funktionsfurchen das Gesichtsfeld regellos durch- ziehen. Letztere haben noch nicht vermocht, die unter ihnen dahinziehenden Leisten zum Schwinden zu bringen. Doch schon in diesem Alter wird die Gleichförmigkeit des Baues unterbrochen durch grössere oder kleinere charakteristi- schere Partieen. Hier verbreitern sich die Längsleisten, zeigen kammartige Verdickungen, auf denen besonders deutlich die Drü- senmündungen sichtbar werden, treten auch, während sie bisher einander fast parallel verliefen, dieht zusammen und kreuzen sich theilweise. Die Querleisten werden immer seltener, nehmen aber dafür im Diekendurchmesser zu. Letztere Bildungen werden mit zunehmendem Alter häufiger und komplieiren sich weiter in mannigfacher Weise. So entsteht in grosser Ausdehnung ein Leistensystem, das Cutispapillen bedingt, welche die Gestalt zu- sammengesetzter Wärzchen aufweisen. Dann treten wieder Bil- dungen auf, in denen die Querleisten eine gleich starke Entwick- lung wie die Längsleisten aufweisen, sich mit letzteren dendritisch verzweigen und verästeln, um schliesslich so zu verschmelzen, dass die Cutispapillen wie Pünktehen aus dem flächengleichen Strat. mucosum heraus schauen. Dabei haben die Funktions- falten nicht nur an Zahl, sondern auch an Breite und Tiefe zu- genommen und stellenweise das Rete zum Schwinden gebracht, so dass nur noch Stümpfe von Längs- und Querleisten stehen ge- blieben sind. Dies ist das für das Serotum charakteristische Bild. Der Penisschaft Fig. 2!) besitzt ein verhältnissmässig 1) Dieses Präparat ist deshalb zur Darstellung gebracht worden, um die charakteristischen Funktionsfalten deutlich vor Augen zu führen. 408 J. Loewy: grossmaschiges und regelmässiges Netzwerk, dessen Längsleisten der Längsrichtung des Schaftes folgen. Ein grosser Theil der Maschenräume ist in Unterabtheilungen geschieden. Je weiter man sich aber dem Praeputium nähert, desto kleiner werden die Maschenräume, desto gedrängter die Längsleisten, desto häufiger die Kreuzung der letztern und ihr büschelartiges Auseinander- weichen. Hier treten auch in steigender Menge kamm- und zottenartige Bildungen auf der Höhe der Längsleisten auf, welche die anstossenden Maschenräume überschatten. Die bisher reich- lich vorhandenen Haare und Drüsen werden spärlicher. Dagegen setzen sich die Funktionsfalten, welche die Penisoberhaut in so reicher Zahl durchziehen, dass sie für diese Bilder fast ein Charakteristikum bilden, in gleicher Zahl in das Präputium fort. Der Unterschied der verschiedenen Lebensalter spricht sich deutlich aus in dem Grösserwerden der einzelnen Maschenräume und im Wachsen der Leistendurchmesser. Besonders aber springt in die Augen die äusserst vermehrte Zahl der Funktionsfalten, welche an den meisten Stellen das von ihnen getroffene Rete zum Schwinden gebracht haben. Bis in das höchste Alter kann man diese Reteleisten kräftig entwickelt verfolgen. Doch findet man manchmal, wie schon oben erwähnt, selbst schon im Alter von 40 Jahren, nur noch die Trümmer eines Retenetzes, Rudimente von Längs- und Quer- leisten, vereinzelt Maschenräume bildend, auch an den Stellen, welche von den Funktionsfalten nicht durchzogen werden. Den weitaus interessantesten Aufbau des Rete des männ- lichen Genitaltraetus zeigt das Präputium Fig. 3!). Zunächst fällt bei dem eirkulär verlaufenden Leistensystem das Zurück- treten der Querleisten in die Augen. Nur an wenigen Stellen gleich kräftig wie die Längsleisten entwickelt, erscheinen sie meist nur schwach angedeutet oder fehlen völlig. Dann werden die Maschenräume gebildet durch die eigenartige Anordnung der Längsleisten, durch Kreuzung und Schlängelung, durch Conver- 1) Besonders deutlich kann man bei der Betrachtung dieser Figur — in weniger scharfer Weise auch bei den übrigen — je nach der Art des Beschauens das Leistennetz oder die Cutispapillen wahr- nehmen. Stellt man das Auge mehr auf die Entfernung ein, so treten die Papillen plastisch aus der Ebene hervor, während es zur Wahr- nehmung des Rete einer besonderen Einstellung auf die Nähe benöthigt. Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut ete. 409 genz und Divergenz derselben. Auch fehlen kammartige Ver- diekungen derselben nicht, sowie Zottenbildung auf der Höhe der Leisten. Näher zur Ansatzstelle an die Glans hin scheinen auch die Längsleisten zu schwinden, und die glatte Fläche des Strat. mucosum zeigt dicht gedrängt schräg gegen die Oberfläche gerichtete Oeffnungen, in welche warzenartig die Cutispapillen hineinragen. Ein Bild, wie es auch das Serotum allerdings nur an wenigen Stellen aufweist. Dieses Gesammtbild wird weiter komplieirt durch zahlreiche Centren, Gebilde, welche durch das plötzliche Zusammenströmen vieler Längsleisten zu einem Punkt hin entstehen. Sie haben genau das Aussehen eines stark ver- zweigten und verästelten Baumes. In anderen Bezirken findet man auch kleine Bildungen von eigenartiger unregelmässiger Form, welehe ein Ganzes für sich darzustellen scheinen, als etwas Fremdes hineingepflanzt in das umgebende Leistensystem. Scharf umgrenzt stehen die Leisten derselben, welche theils ein gut ausgebildetes Netzwerk, theils jenen eben beschriebenen komplieirten Aufbau zeigen, senkrecht zur Verlaufsrichtung der Leisten seiner Umgebung und treten dadurch äusserst plastisch hervor. Die Oberhaut des Präput. ist reichlich mit Drüsengängen und in unregelmässiger Weise mit Haaren durchsetzt. Beide nehmen an Zahl immer mehr ab, je mehr man sich dem Sule. eoronar. nähert und letztere schwin- den dann völlig. Auch die äusserst zahlreichen Funktionsfalten werden in der Nähe der Glans seltener. Bei Neugeborenen uud Kindern in den ersten Heesrachen besteht ein Unterschied gegenüber Erwachsenen nicht nur in der schwächeren Entwicklung der Leisten, sondern auch in dem Vor- herrschen einfacherer Verhältnisse, indem die Längsleisten regel- mässiger und geradliniger verlaufen, wenngleich auch hier schon die komplieirten Bildungen zu finden sind. Am Suleus eoronarius Fig. 4 treten die Längsleisten wieder weiter auseinander und nehmen an Diekendurchmesser zu. Zugleich ändern sie ihre Verlaufsriehtung und werden wieder parallel der Längsachse des Penis. Dann theilen sich die ein- zelnen Längsleisten in zwei resp. drei dünne Leisten, welche sich verästeln und kreuzen, häufig auch dicht neben einander her- laufen. Die schmale dazwischen liegende Rinne ist dann durch minimale Querleisten getheilt, die punktförmige dicht gedrängt Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 27 410 J. Loewy: liegende Maschenräume bedingen. Zwischen diesen Bildungen verlaufen stark entwickelte, gewulstete und kammartig verdiekte Längsleisten mit zahlreichen Drüsenausführungsgängen, welche in der Gegend der Corona glandis spiralige und schleifenförmige Gebilde, die durch sekundäre Leisten in kleinere Unterabthei- lungen getheilt sind und mächtige Papillen bedingen, .umgreifen. Dann werden die Leisten wieder schwächer, führen fast keine Drüsengänge mehr, treten näher zusammen und bilden durch häufige Kreuzung und vermittelst häufiger Querleisten ein Netz- werk, welches Papillen umgreift, die wie Tannenzapfen er- scheinen, welche dicht gedrängt schräg in die Unterlage einge- lassen sind. Diese Leistenanordnung, diese Schleifen- und Spiralenbildung findet man stets in diesen Hautbezirken und sie ist als typisch für das Rete des Sule. eoronar. und der Corona glandis zu be- zeichnen. Die Glans Penis weist wieder einfachere Verhältnisse auf. Ein deutliches Netzwerk von Längs- und Querleisten ist vorhanden, wenn auch letztere nur schwach entwickelt sind und erstere durch Kreuzung unter einander und geschlängelten Ver- lauf die Hauptmaschenräume selbst bilden. Auf der Höhe der äusserst kräftig entwickelten Leisten finden wir vielfach kamm- artige Verdiekungen, auch vereinzelte Zottenbildung, stellenweise treten auch komplieirtere Bildungen auf, welche Cutispapillen von der Form zusammengesetzter Warzen bedingen. Was die Verlaufsrichtung der Leisten betrifft, so sind die- selben von der Corona gland. radiär gegen das Orifie. urethr., dann eireulär um dasselbe gerichtet und gehen schliesslich in die gleichfalls eireulär gerichteten Leisten der Mucosa urethrae über. Drüsenöffnungen sind auf der Glans bei diesen Präparaten verhältnissmässig wenig nachweisbar. Der Unterschied zwischen dem Rete dieser Hautparthie Er- wachsener und ganz junger Individuen besteht einzig in der stärkeren oder geringeren Entwicklung der einzelnen Leisten. 2. Die weiblichen Geschlechtsorgane. Bei der Beschreibung des Baues des Rete der Lab. major. Fig. 5 u. 6, kann ich mich kurz fassen, da es Strukturverhält- Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut etc. 411 nisse aufweist, die mit denen des Penisschaftes im Grossen und Ganzen übereinstimmen. Auch hier ein meist ausgesprochen regelmässiges Netzwerk, mit durchschnittlich kleineren Maschen- räumen als sie der Penis zeigt, mit kräftig entwickelten Längs- leisten und schwächeren Querleisten, auch hier häufiges Kreuzen und Schlängeln der ersteren und Bildung von Maschenräumen ohne Zuhülfenahme der letzteren. Dann auch hier stellenweise komplieirtere Verhältnisse, kammartige Verdiekungen der Leisten, engerer Zusammenschluss derselben zur Bildung von warzen- und zapfenartigen Cutispapillen. Zahllose Haare durchziehen das Gesichtsfeld, meist regellos angeordnet und reichliche Funktions- falten beleben das Bild. Auf der Höhe der Leisten traten die Drüsenmündungen zu Tage. — Nähert man sich den kleinen Labien, so ändern sich die Verhältnisse ähnlich wie beim Penis in der Nähe des Präputiums. Dichter und diehter treten die Längsleisten an einander, verschmelzen zu einer Fläche, in der punktförmige Oeffnungen für die Papillen sichtbar sind; zotten- und warzenförmige Gebilde werden häufiger, Leistencentren treten auf, auch vereinzelte rosettenartige Bildungen. Dabei nimmt die Zahl der Haare ab, ebenso wie die Menge der Funktionsfalten. In den verschiedenen Lebensaltern ist kein wesentlicher Unterschied im Aufbau dieser Reteparthien wahrnehmbar. Er bezieht sich meist nur auf die Grösse der Maschenräume und die Stärke der Leisten. Dagegen zeigen die Lab. minor einen ganz eigenartigen und charakteristischen Aufbau ihres Leistensystems, der als ty- pisch für diesen Hautbezirk betrachtet werden muss. In der Gegend der Lab. maj. ist der Totaleindruck noch der eines Netzwerkes. Dennoch aber sind auch hier schon die einfachen Maschenräume, welche von Längsleisten und Querleisten von oft auffallender Stärke gebildet werden, nur selten. Sie er- scheinen wie vereinsamte Inseln inmitten komplieirter gestalteter Gebilde. Letztere gleichen auffallend denen des Präputiums. Auch hier treten die Querleisten fast ganz in den Hintergrund und die Längsleisten zeigen wieder ein äusserst vielgestaltetes und wechselvolles Bild in ihrem Aufbau und in ihrem Verlaufe. Auch Leistencentren (Fig. 8) fehlen nicht, noch jene Leisten- komplexe, welche wie selbständige Organe mitten in das Leisten- netz hineingepflanzt erscheinen. Sie unterscheiden sich von denen 412 J. Loewy: des Präputiums durch besonders stark entwickelte Centralleisten, sowie durch die Häufigkeit ihres Auftretens. Fig. 7, ein Ueber- sichtsbild in schwacher Vergrösserung, zeigt besser als jede Be- schreibung die grosse Zahl der Centren, die Breite ihrer Central- leisten und den eigenartigen selbst in dem einen Gesichtsfelde schon so vielfach wechselnden Charakter des umgebenden Leisten- systems. Nähert man sich der Vaginal-Schleimhaut, so findet man Strukturverhältnisse, wie sie nur dem Rete der kleinen Labien eigen. Das Bild eines Netzwerkes verliert sich vollkommen. In Kreis- und Rosettenform verlaufende Leisten, welche eigenartig geformte Cutispapillen bedingen, treten auf, schwinden wieder stellenweise völlig, und in der ebenen Fläche werden Kommaähnliche und spitzen Krystallnadeln gleichende Oeffnungen sichtbar, welche gleichgeformten, schräg gegen die Fläche gestellten Papillen entsprechen. Noch weiter zur Schleimhaut hin ändert sich das Bild von neuem. Wie Tropfsteinbildungen (Fig. 9) so mannig- faltig, so zerklüftet ragen die einzelnen Leisten hervor und tragen auf ihren Spitzen die kleinen und unter sich noch viel- fach verschiedenen Papillenöffnungen. Dann werden auch sie flacher und gehen in die glatte Fläche der Schleimhaut mit ihren kommaförmigen dicht gedrängten Papillenöffnungen über, deren zugehörige Papillen einen auffallend spitzen Winkel gegen die Oberfläche bilden. Dieses hochentwickelte Rete zeigen die Lab. minor vom jugendlichen bis zum höchsten Alter. An Funktionsfalten sind diese Hautparthieen verhältniss- mässig arm. Haare sind überhaupt nicht mehr vorhanden, Drüsen- öffnungen auf der Höhe der Leisten kaum wahrnehmbar. Die Verlaufsrichtung des Leistensystems resp. der Papillen des weiblichen Genitaltrakts ist trotz seines wechselnden Baues feststellbar. In den grossen wie kleinen Labien verlaufen die Papillen radiär auf die Schleimhaut der Vagina zu, um dann in derselben eine eireuläre Richtung einzuschlagen. Wenn es mir bei dem beschränkten Raume nicht möglich war, für alle die geschilderten Strukturverhältnisse des Rete der männlichen und weiblichen Genitalien Abbildungen vorzuführen, so kann man sich doch aus den dargebotenen schon ein klares Bild von dem vielgestaltigen und wechselreichen Bau des Strat. mu- cosum machen. Wir sehen, wie am Serotum, am Penisschaft und Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut etc. 413 den grossen Labien die einfachen Papillen, so wie wir sie an der Haut des Rumpfes zu finden pflegen, vorherrschen, wie aber auch hier schon komplieirtere Papillenbildungen in grosser Zahl auftreten. Am Präputium, am Sule. coronar. der Corona gland. und den kleinen Labien werden die Papillen zahlreicher. Dicht gedrängt aneinander liegend, eigenartig in ihrer Form gleichen sie theils Zotten, theils einfachen und zusammengesetzten Warzen, theils Kolben, dann Fäden und spitzen Nadeln oder gar Rosetten ähnlichen Bildungen. Hierzu treten die zahlreichen Centren, Conglomerate von Papillen, die scheinbar zu einem Ganzen ver- schmolzen sind. Diese eigenartigen anatomischen Verhältnisse sind von hoher praktischer Bedeutung. Die Papillen sind die Hauptträger der nervösen Endapparate der Haut und mit einer grösseren Anzahl und einem komplieirten Bau der Papillen muss a priori ein ent- sprechender Reichthum der nervösen Endorgane einhergehen. Hiernach müsste die Haut des Genitaltraktus und ganz besonders die der kleinen Labien, des Präputiums und der Corona glandis ganz besonders reich mit nervösen Elementen ausgestattet sein. Dass dies auch den thatsächlichen Verhältnissen entspricht, geht daraus hervor, dass kein Hautbezirk des menschlichen Organis- mus eine gleiche Empfindlichkeit aufweist wie die Haut des Genitaltraktus. — Ob den beschriebenen Leistencentren eine specifiscehe Bedeutung für die Sensibilität dieser Theile zu- zuerkennen ist, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Als bemerkenswerth verdient noch Folgendes hervorgehoben zu werden. Entwieklungsgeschichtlich entspricht den Lab. ma]. das Scerotum und den Lab. minor. die pars cavernos. urethrae. Hiernach müsste man a priori annehmen, dass die entsprechen- den Hautdecken eine gleiche Uebereinstimmung aufweisen. Dies ist nicht der Fall. Es zeigt vielmehr das Rete der grossen Labien eine auffallende Aehnlichkeit mit dem des Penisschaftes und das der kleinen Labien mit dem des Präputiums. Leider konnte dieselbe auf den Abbildungen nicht im erwünschten Maasse zur Darstellung gebracht werden, da nicht die Aehnlichkeiten, sondern gerade die für die betreffenden Hautparthieen charakte- ristischsten Bildungen bevorzugt werden mussten. Schliesslich noch ein Wort über die diagnostische Bedeu- tung des Rete. Ist man auch nicht im Stande, aus dem Rete 414 J. Loewy: Ueber den Bau des Rete Malpighi der Haut etc. Malpighi allein stets die betreffende Hautparthie festzustellen, so kann man dies wenigstens mit ziemlicher Sicherheit aus dem Rete des Präputiums, des Sule. coronar., der Corona gland. und der kleinen Labien. I) Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Scrotum eines zwei Monate alten Kindes. Vergr. 20. a. Funktionsfalte; b. Haare; c. Drüsenausführungsgang. Penisschaft eines Erwachsenen. Vergr. 50. a. Funktionsfalten. Präputium eines 45jährigen Mannes. Vergr. 20. a. Leistencentrum. Sulcus coronar. und Corona glandis eines 45jährigen Mannes. Vergr. 20. a. Schleifen- und Spiralenbildung. Lab. maj. einer $4jährigen Frau. Vergr. 20. a. Drüsenausführungsgang. Lab. maj. eines 4jährigen Mädchens. Vergr. 20. a. Haare; b. Funktionsfalten; ec. Drüsen. Kleine Labien einer 20jährigen. Uebersichtsbild. a. Centren. Kleine Labien einer 20jährigen. Leistencentrum. Dasselbe Präparat wie Fig. 7, stärker vergrössert. Vergr. 50. Kleine Labien einer Erwachsenen. Vergr. 20. a. Schleimbaut. u ee 415 (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Berliner Universität.) Beiträge zur experimentellen Morphologie und Eintwicklungsgeschichte. 4) Ueber einige durch Centrifugalkraft in der Entwick- lung des Froscheies hervorgerufene Veränderungen. Von Oscar Hertwig. Hierzu Tafel XX u. XXI. In dem soeben erschienenen zweiten Theil meines Lehr- buchs der allgemeinen Anatomie und Physiologie habe ich für entwieklungs-physiologische Forschungen den Grundsatz aufge- stellt, dass der Entwieklungsprozess eines Organismus, um ver- standen zu werden, erfasst werden muss als ein kleines Stück- chen des Naturverlaufs. Das will heissen: „es entwickelt sich das Ei in unmittelbarstem Zusammenhang, in steter Fühlung mit dem Naturganzen unter Benutzung der es umgebenden Aussen- welt. Stoff und Kraft treten beständig in dasselbe ein und aus“ (S. 78). Das gesetzmässige Ineinandergreifen äusserer und innerer Faktoren beim Entwieklungsprocess habe ich schon in verschie- denen Richtungen durch experimentelle Untersuchungen einer strengeren Analyse unterworfen. Einmal zeigte ich durch verschie- denartig durchgeführte Compression befruchteter Froscheier, wie der Furchungsprocess, die Form der Blastula und Gastrula eine der Natur des äusseren Eingriffs jedesmal genau entsprechende Modification annimmt!). Darauf wies ich nach, dass durch ver- schieden eoncentrirte Kochsalzlösungen ganz bestimmte Formver- änderungen am Embryo, eigenthümliche Hemmungsmissbildungen und Monstrositäten bedivgt werden?). Mit dem Causalnexus, der 1) Oscar Hertwig, Ueber den Werth der ersten Furchungs- zellen für die Organbildung des Embryo. Arch. f, mikrosk. Anat. Bd. 42. 1893. 2) Oscar Hertwig, Die Entwicklung des Froscheies unter dem Einfluss schwächerer und stärkerer Kochsalzlösungen. Arch, f. mikrosk. Anat. Bd. 44. 416 Oscar Hertwig: zwischen dem zeitlichen Ablauf des Furchungs- und überhaupt des Entwicklungsprocesses und verschiedenen Temperaturgraden besteht, beschäftigte sich eine dritte Experimentaluntersuchung!). Einen vierten Beitrag, zu welchem die Experimente schon vor längerer Zeit durchgeführt wurden, übergebe ich erst jetzt der Oeffentlichkeit. Es wird m ihm der Einfluss der Centrifugalkraft auf die Entwicklung der Eier untersucht und nachgewiesen, dass bei einer gewissen Stärke der Centrifugalkraft eine Desorgani- sation und ein Absterben des Eies, unterhalb dieses Punktes aber characteristische Veränderungen in dieser Entwicklungweise her- vorgerufen werden. Schon Rauber?) hat sich m seinem kleinen Aufsatz „Schwerkraftversuche an Forelleneiern“ mitdiesem Thema beschäf- tigt, ohne indessen, wohl in Folge der Wahl seines Versuchsobjeectes, zu bemerkenswerthen Resultaten gelangt zu sein. Er bediente sich zu seinen Versuchen des Althaus’schen Reactionsrades. Die Forelleneier wurden in Reagensröhrehen, die mit Wasser gefüllt waren, gebracht, und diese wurden an dem Apparat in der Weise befestigt, dass sie um eine verticale Axe in 20 em Abstand rotirten. Die Umdrehungsgeschwindigkeit, wobei als Motor der Druck der Wasserleitung in Anspruch genommen wurde, betrug 200 in der Minute. Als nach 8 Tagen der Versuch unterbrochen wurde, waren noch alle Eier wohl erhalten. „Die Eiaxe (Verbin- dungslinie zwischen dem Mittelpunkt des Keimpols und des Nahrungsdotterpoles) lag fast wagrecht; der Keim selbst war centripetal, der Nahrungsdotter centrifugal gelagert.“ Ihre Ent- wicklung war in den 8 Tagen ungehindert fortgeschritten und zeigte nach Härtung und genauerer Untersuchung keine auf- fälligen Störungen. Bei dieser Gelegenheit hat Rauber auch die Frage ge- prüft, wie die Centrifugalkraft auf die Funetionen und das Leben ausgebildeter Thiere unter der oben ange- gebenen Versuchsbedingung einwirkt und hat hierbei das Ergebniss erhalten, dass Fäulnissbacterien, Infusorien, Würmer, Crustaceen, 1) Oscar Hertwig, Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Entwicklung von Rana fusca und R. esculenta. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 51. 1898. 2) Rauber, Schwerkraftversuche an Forelleneiern. Berichte der naturforsch. Gesellsch. zu Leipzig. Jahrg. 1884. Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 417 Gastropoden, Wirbelthiere (einjährige Rana temp.) merkwürdiger Weise nicht schwer beeinflusst werden. Während Rauber nur eine bestimmte Intensität der Cen- trifugalkraft in seinen Versuchen geprüft hat, habe ich dieselbe in der verschiedensten Weise variirt und bin dadurch auch zu anderen Ergebnissen als Rauber gelangt. Denn ich kann nach- weisen, dass bei einer bestimmten Stärke die Centrifugalkraft in den Entwicklungsprocess des Eies sehr umgestaltend eingreift und keineswegs so wirkungslos ist, wie es aus Rauber’s Experimenten hervorzugehen schien. Darauf, dass man die Bedingungen zu variiren und zu- sammenhängende und nach einem bestimmten Prineip durchge- führte Versuchsreihen zu gewinnen sucht, muss überhaupt bei entwicklungs-physiologischen Untersuchungen besonders geachtet werden, wenn sie uns über das Ineinandergreifen der äusseren und inneren Factoren des Entwicklungsprocesses Klarheit ver- schaffen sollen. Denn sehr oft pflegt bei den verschiedensten äusseren Einwirkungen eine deutlich wahrnehmbare Reaction von Seiten des Organismus erst bei einem genau bestimmten Grad der Einwirkung hervorzutreten. Um diesen aufzufinden, müssen die Experimente variirt werden. Zu meinen Versuchen benutzte ich folgenden, von mir zu- sammengestellten Oentrifugalapparat: Ein schweres, eisernes Stativ trug einen starken, U-förmig gebogenen, eisernen Rahmen, der vertical, mit der Oeffnung zur Seite, befestigt war. Zwischen den offenen Enden des Rahmens war eine Stahlspindel angebracht, die in 2 scharfe Spitzen auslief und mit diesen in 2 conische Gruben eingriff, so dass sie leicht um ihre Axe rotirt werden konnte. An ihrem oberen Ende war ein Satz von kleineren und grösseren Holzscheiben befestigt, mit welchen eine Seidenschnur als Transmission in Verbindung gesetzt wurde, um dadurch die Bewegung eines Motors auf den Apparat zu übertragen. Von der Mitte der verticalen Stahlspindel gingen in horizontaler Richtung 4 starke Eisenstäbe von 40 em Länge aus, zusammen ein Kreuz bildend. An einem jeden von ihnen waren mit Schrauben, in einigen Versuchen vier, in andern drei Messingkapseln in ver- schiedenen Abständen befestigt, welche dazu bestimmt waren, die Glasröhren mit den Versuchseiern aufzunehmen. Bei der An- 418 Oscar Hertwig: ordnung zu dreien betrug der Abstand von der Umdrehuygsaxe 40 cm, 29 cm, 18 cm. Um den Centrifugalapparat in Bewegung zu setzen, bediente ich mich im ersten Jahre der Wasserkraft. Von einem Freibassin, das auf dem Boden des Instituts angebracht war, wurde durch eine Rohrleitung ein Wasserstrahl in eine kleine Turbine geleitet, deren Umdrehungsgeschwindigkeit durch die oben erwähnte Trans- mission auf die Holzscheiben des Centrifugalapparates übertragen wurde. Da indessen der Wasserdruck zur raschen Bewegung des Apparates, den ich im zweiten Jahre kräftiger bauen liess, um Erschütterungen zu beseitigen, nicht genügend stark war, so benutzte ich später als Motor eine kleine Dynamomaschine von Schuckert, welche ich in die eleetrische Leitung des Instituts einschalt. Durch Variirung eingeschalteter Widerstände liess sich die Umdrehungsgeschwindigkeit des Centrifugalapparates auf das (enaueste reguliren und Tage lang nahezu constant erhalten. Um die Anzahl der Umdrehungen in der Minute zu messen, war an der verticalen Spindel ein Schraubengang angebracht, der in das Rädchen eines Registrirapparates eingriff, an welchem man die Umdrehungsgeschwindigkeit mit der Uhr in der Hand feststellen konnte. Versuche mit Rana eseculenta. Eier von Rana esculenta wurden 3 Stunden nach der Be- fruchtung auf den Uentrifugalapparat gebracht, dessen Geschwin- digkeit allmählich auf 140—-147 Umdrehungen in der Minute gesteigert wurde. Das Eimaterial war auf 4 Röhrchen vertheilt, die sich in einem 4fach verschiedenen Abstand von der Um- drehungsaxe befanden, wonach wir sie als B!, B?, B?, B* unter- scheiden wollen. Bei B! betrug der Radius der Umdrehung 14 cm, bei B* 40 em, B? und B? waren im Zwischenraum zwi- schen beiden in gleichen Abständen angeordnet. Entsprechend der Länge des Radius waren die 4 verschie- denen Eiportionen in ungleichem Maasse der Einwirkung der Centrifugalkraft unterworfen und lieferten demnach auch ver- schiedene Ergebnisse. - Im Röhrchen B* begann der Entwicklungsprocess bald zu erlöschen. Nach einigen Stunden Umdrehung waren zwar bei einigen Eiern eine Anzahl Furchen entstanden, blieben aber nur Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 419 auf die Umgebung des normalen Poles beschränkt und verliefen hier in sehr unregelmässiger Weise. Am anderen Tage waren die Eier abgestorben und verfärbt, indem das Pigment über die Oberfläche ungleich vertheilt war. Von den früher vorhandenen Furehen war keine Spur mehr zu sehen. Die Eier im Röhrchen B! dagegen theilten sich in nahezu normaler Weise und standen am andern Tag auf dem Blastula- stadium. Hier zeigte sich nur in so fern eine Abweichung, als die vegetative Hälfte noch aus sehr grossen Stücken bestand, während die animale Hälfte schon sehr kleinzellig geworden war. Am dritten Tag war die Gastrulation beendet, bei den meisten Eiern in normaler Weise, indem aus dem engen Blastoporus nur noch ein sehr kleiner Dotterpfropf heraussah. Bei einigen in- dessen war eine Störung eingetreten. Das ganze Dotterfeld (Taf. XX, Fig. 1) lag noch frei zu Tage und war vom colossal weiten Urmundring umgeben. Auch war die Dottermasse nur in sehr grosse Zellen abgetheilt. Der Befund ist ein ähnlicher wie bei Froscheiern, die sich in Kochsalzlösungen von 0,6°/, entwickelt haben. Die zwischen B* und B! befindlichen Röhrehen 2 und 3 lieferten das interessanteste Ergebniss. Hier wirkte die Centri- fugalkraft in einer Stärke auf die Eier ein, welche einerseits im Inhalt eine Sonderung hervorrief, andererseits aber doch dadurch den Entwicklungsprocess nicht aufhob, sondern ihn nur in erheb- licher Weise abänderte. Bei den meisten Eiern kam die erste Thheilung noch in normaler Weise zu Stande, indem sie bis an den vegetativen Pol durchschnitt. Dagegen blieben die folgenden Theilungen mehr und mehr auf die animale Hälfte des Eies beschränkt. Es bildete sich so ein Zustand aus, wie er für die meroblastischen Eier mit partieller Furchung eigenthümlich ist. Wie ein solcher am total sich fur- chenden Froschei durch die in einer gewissen Stärke einwirkende Centrifugalkraft künstlich hervorgerufen werden kann, lässt sich leicht begreifen: Auf dieimFroschei vorhandenen Substanzen von ungleicherSchwere wirktimExperiment die Centrifugalkraft stärker sondernd ein, als es unter normalen Verhältnissen durch die Schwer- 420 Oscar Hertwig: kraft geschieht. Die schwereren Dotterplättchen werden daher ein Bestreben haben, sich noch dichter an den immer nach aussen gewendeten vegetativen Pol zusammen zu drängen, während die leichtere protoplasmatisehe Substanz noch mehr nach dem der Umdrehungsaxe zugerichteten animalen Pol hinzuströmen gezwungen wird. Am meisten aber wird die Stellung und Vertheilung der Kerne, welche sich beim Furchungs- process bilden, eine veränderte werden müssen. Denn im bläs- chenförmigen Zustand sind die Kerne, weil sie viel Kernsaft enthalten, noch speeifisch leichter als das Protoplasma und wer- den daher, wenn die Centrifugalkraft auf den Inhalt des Eies nach der Schwere seiner Theile sondernd einwirkt, in der ani- malen Hälfte festgehalten und am Eindringen in den vegetativen Abschnitt ganz verhindert. Auf diese Weise erklären sich die eigenthümlich abgeän- derten Blastulae, die ich erhielt, als ich nach 24stündiger Ein- wirkung der ÜCentrifugalkraft einen Theil der Eier aus dem Apparat herausnahm und behufs genauerer Untersuchung in halb- procentige Chromsäure einlegte. Schon nach Entfernung der Gallerte durch Eau de Javelle zeigten sich bei Untersuchung der Eier mit Lupenver- grösserung bemerkenswerthe Veränderungen. Drei Zonen liessen sich an der Oberfläche deutlich unterscheiden (Fig. 2 A u. B). In der Umgebung des animalen Poles markirte sich ein rundes Feld (Fig. 2 A) durch seine grössere Durchsichtigkeit, welche namentlich auch bei seitlicher Betrachtung des Eies (Fig. 2 B) auffiel. Das Bild erklärt sich in der Weise, dass man durch die sehr dünne Decke der Keimblase ihre mit Flüssigkeit gefüllte Höhle hindurchschimmern sieht. Auch ist die Decke, abgesehen von ihrer Dünne, mehr durchscheinend geworden, weil durch die Behandlung mit Eau de Javelle das bei Rana eseulenta nur in geringer Menge vorhandene Pigment aufgelöst ist. Das Bild ist ein ähnliches, wie es von den meroblastischen Eiern der Vögel bekannt ist, deren vom Dotter abgehobene Keimscheibe in der Mitte verdünnt und durchsichtiger als der Randbezirk ist. Der den hellen Hof umgebende dunklere Ring reicht etwa bis in die Gegend des Aequators des Eies, in manchen Fällen auch noch etwas über denselben nach abwärts (Fig.3) und setzt hier mit einer unregelmässigen, gezackten Linie gegen die dritte Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 421 Zone scharf ab. Bei starker Lupenvergrösserung erkennt man in seinem Bereich die einzelnen Zellen als kleine Körner. Die dritte Zone nimmt die vegetative Hälfte des Eies ein, ihre Oberfläche erscheint ganz glatt, nur bei einigen Eiern (Fig. 3) lief eine verticale Furche über die Oberfläche und zer- legte sie in 2 Hälften. Sie rührt von der ersten Theilebene her, welche, wie oben erwähnt, in manchen Fällen noch zu Stande kommt. Sonst ist von Zellen und Furehen keine Spur zu sehen. Auch in der Färbung unterscheiden sich die Bezirke von ein- ander. In Folge der Härtung in Chromsäure hat die nicht in Zellen zerlegte vegetative Zone einen grünbraunen Ton erhalten, während die in kleine Zellen abgefurchte Hälfte des Eies mehr weisslich aussieht. Von dem gehärteten Material wurden viele Eier in Serien- schnitte zerlegt. Hierbei tritt die Uebereinstimmung der durch Centrifugalkraft umgewandelten Froscheier mit dem meroblasti- schen Typus in einer noch viel prägnanteren Weise zu Tage. Obwohl nieht ein Ei genau den gleichen Befund wie das andere darbot, was bei experimentell hervorgerufenen Abänderungen ja nur sehr selten der Fall ist, herrschte doch im Ganzen eine sehr auf- fällige Uebereinstimmung. Die am meisten typischen Bilder lie- ferte das im dritten Röhrchen befindliche Material. Wie die Figuren 4, 5, 6, 7, 8 lehren, ist das Froschei scharf gesondert in einen nicht in Zellen zerlegten Nahrungsdotter und in eine kleinzellige Keimscheibe. Die letztere beträgt gewöhnlich nur den dritten Theil der ganzen Eimasse; sie schliesst eine ge- räumige Keimblasenhöhle ein, an deren Wand wir .eine nach oben gekehrte Decke von dem an den Dotter angrenzenden Boden unterscheiden können. Die Decke ist sehr dünn, da sie sich nur aus einer einzigen Lage ceubischer Zellen zusammensetzt, und ist in Folge dessen bei der Durchtränkung mit Paraffin bei den meisten Eiern nach dem Innern eingesunken. (In den Figuren ist sie in ihrer natürlichen Wölbung gezeichnet.) Der Boden der Keimblase besteht aus 3—4 Lagen noch ziemlich grosser, poly- gonaler Zellen. Die ansehnlichsten Zellenmassen liegen in der Peripherie der Keimscheibe. An manchen Eiern ist die Abgrenzung zwischen Keimscheibe und ungetheilter Dottermasse eine sehr scharfe und wird auf dem Durchschnitt durch eine häufig ganz gerade Linie angezeigt. Zu- 422 Oscar Hertwig: weilen kommt es auch vor, dass zwischen beiden Theilen sich kleine Spalträume ausgebildet haben, wodurch die Sonderung eine noch mehr ausgeprägte wird. Am Nahrungsdotter ist wieder eine dünne, unmittelbar unter der Keimscheibe gelegene, subgerminale Schicht von der übrigen Hauptmasse zu unterscheiden. Die subgerminale Schicht besteht aus Protoplasma und sehr kleinen Dotterkörnehen und setzt sich dadurch auf dem Durchschnitt als ein etwas lichterer Streifen von dem grobkörnigen Dotter zuweilen sehr deutlich ab. Was aber dieser Schicht noch ein besonderes Gepräge und eine grössere Bedeutung verleiht, das sind bald vereinzelte, bald in Haufen bei- sammen liegende Kerne, welche sofort an die Merocyten (Rückert) der meroblastischen Eier erinnern. Da die Objeete mit Boraxcarmin durchgefärbt worden waren, fielen sie durch ihre rothe Färbung sofort auf; auch ist in ihrer Umgebung häufig etwas Pigment angesammelt. Die Kerne im Dotter [Me- roeyten] (Fig. 4—7, Fig. 7 B, Fig. 9 u. 10) zeichnen sich vor den Kernen der gewöhnlichen Embryonalzellen durch ihre beträcht- lichere Grösse aus, durch ihren lappigen Bau oder dadurch, dass sie aus einem Haufen dicht zusammengedrängter Kernbläschen zusammengesetzt sind. In ihnen haben wir Kerne vor uns, welche auf den ersten Stadien des Furchungsprocesses am weitesten nach dem vegetativen Pol zu vorgeschoben worden sind, es aber in Folge der durch die Centrifugalkraft hervorgerufenen Verände- rungen nicht zu einer Zerlegung der Dottermasse in ihrer Um- gebung haben bringen können. Die experimentell erzeugte, kernhaltige Lage unter der Keimscheibe wollen wir mit demselben Namen belegen, welchen Virchow für eine ähnliche Schicht bei den meroblastischen Eiern eingeführt hat, und demgemäss das Dottersyneytium nennen. Die Kerne im Dotter besitzen hier noch die Fähigkeit, sich durch Karyokinese zu vervielfältigen. Denn in manchen Schnitten traf ich in dem Dottersyneytium eigenthümliche pluri- polare Mitosen an (Fig. 11 u. 12), wie ich solche von überfruch- teten Seeigeleiern früher beschrieben habe, und wie man sie von den Riesenzellen des Knochenmarks her kennt. An den viel- lappigen Kernen oder den Haufen von einzelnen Kernbläschen müssen viele Centrosomen auftreten, zwischen welchen sich Spin- deln bilden, wodurch eigenthümliche Complexe von dem verschie- Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 423 denartigsten Aussehen zu Stande kommen. So zählte ich Complexe von 5 bis 11 Strahlenfiguren. Hierbei ist auch an die Möglichkeit zu denken, dass derartige zusammengesetzte Figuren in der sub- germinalen Schicht dadurch entstehen, dass benachbarte Kerne, wenn sie sich gleichzeitig in Spindeln umwandeln, näher zu- sammenrücken und mit den Polen zusammenlegen. Eine der- artige secundäre Vereinigung ursprünglich getrennter, Spindeln kommt ja in der That in überfruchteten Eiern vor, wenn die vom Eikern getrennt gebliebenen Spermakerne sich in Spindeln um- wandeln. Das Dottersyneytium ist selten in gleicher Mächtigkeit unter der Keimscheibe ausgebreitet (Fig. 4—8). Bald ist es hier dicker, dort dünner oder fehlt ganz. Häufig kommt es vor, dass es be- sonders ansehnlich unter dem nach oben gewandten Rand der Keimscheibe entwickelt ist. Wie die Figuren 6 und 8 zeigen, setzt sich hier gegen die ungetheilte, grobkörnige Dottermasse ein grösseres unregelmässiges Feld von feinkömiger Substanz ab mit zahlreichen Kernen und einzelnen, mit Flüssigkeit erfüllten Hohl- räumen (Vacuolen). Schon am frischen Material lässt sich übri- gens diese verdickte Randpartie des Synceytiums bei Betrachtung der Oberfläche an einer eigenthümlich veränderten Färbung des Dotters erkennen. Was endlich noch den grobkörnigen Dotter anbetrifft, so werden in ihm keine Kerne mehr angetroffen. Die in ihm ein- geschlossenen Dotterplättehen (Fig. 13 A) sind durch ihre viel beträchtlichere Grösse und dichte Zusammenlagerung von den kleineren und mehr auseinander liegenden Plättchen des Dotter- syneytiums unterschieden (Fig. 13 B und 13 0). Auf Grund der mitgetheilten Befunde können wir das Er- gebniss unserer Experimente in folgende Sätze zusammenfassen: Wenn die Centrifugalkraft in einer gewissen, durch den Versuch zu ermittelnden Stärke auf das Ei von Rana eseulenta einwirkt, ruft sie in seinem Inhalt eine stärkere Sonderuug der leichteren und schwereren Substanzen hervor, in Folge des- sen der Furchungsprocess auf die animale Hälfte des Eies beschränkt bleibt. Im weiteren Verlauf der Furehung erhält dann das Ei eine von der Norm ganz abweichende Beschaffenheit, welche 424 Oscar Hertwig: eine sehr weitgehende Aehnlichkeit mit mero- blastischen Eiern darbietet, sodass man geradezu sagen kann: Das normaler Weise holoblastische Ei des Frosches mit totaler Furchung ist in den meroblastischen Typus mit partieller Furehung dureh den äusseren Eingriff umgewandelt wor- den. Denn man kann jetzt einen ungetheilten Nahrungsdotter, welcher die Hälfte bis zwei Drit- teldes ganzen Eies beträgt, und eine in Zellen zerlegte Keimscheibe mit Blastocoel unterschei- den; ja dieUebereinstimmung geht sogar so weit, dass sich auch unter der Keimscheibe noch eine besondere Schicht von Meroceyten, ein Dotter- syneytium, ausgebildet hat. An den eben der gestellten typischen Befund schliest ich noch die Beschreibung einiger Eier an, welche durch die Centrifugal- kraft theils noch stärker, theils weniger umgeändert sind. Die ersteren erhielt ich aus dem dritten, die letzteren aus dem zweiten Röhrchen. Ein Durchschnitt von einem stärker beeinflussten Ei ist in Figur 14 abgebildet. Er zeigt auch die Sonderung in 3 Schichten. Aber die obere, der Keimscheibe entsprechende Schicht ist nicht in Zellen zerlegt, besteht vielmehr aus einem feinkörnigen, fädigen Protoplasma, welches von grösseren und kleineren Vacuolen durch- setzt ist und hier und da auch pathologisch veränderte grosse, blasige und gelappte Kerne oder Haufen von Kernbläschen auf- weist. In diesen Fällen ist entweder auch die Zerlegung der animalen Eihälfte in Zellen verhindert worden, während der Kern sich mehrfach hinter einander getheilt und den in der ver- änderten Substanz des Eies zerstreuten Kernen den Ursprung ge- geben hat; oder es hatten sich im Anfang der Entwicklung wirk- liehe Zellen dureh Furehung gebildet, sind aber später wieder in Folge von Störungen, welche die Centrifugalkraft in ihnen be- wirkt hat, wieder unter einander zusammengeflossen, sodass ihre Kerne in eine gemeinsame, protoplasmatische Grundsubstanz zu liegen kommen. Welcher von beiden Vorgängen in Wirklichkeit stattgefunden hat, liess sich an dem Untersuchungsmaterial nicht feststellen. Unter der oberen Scheibe folgt eine dünne Lage Dotter- Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 425 substanz mit sehr kleinen Dotterplättehen, in welcher auch noch sehr vereinzelte kleine Kerne angetroffen werden, vergleichbar dem früher beschriebenen Dottersyneytium. Den Rest des Eies bildet der unveränderte und ganz kernfreie, grobkörnige Nah- rungsdotter. Die zweite Gruppe von Eiern, welche im zweiten Röhrchen sich vereinzelt mit finden, bilden Uebergänge zum normalen Ver- halten. In vielen Fällen fehlen nach dem vegetativen Pol zu ebenfalls die Kerne in der Dottersubstanz, aber es ist hierbei nicht zu der oben beschriebenen scharfen Sonderung in die drei Schichten gekommen, vielmehr geht der zellige Theil des Eies, indem die Zellen nach dem Aequator zu grösser und dotterreicher werden, mehr allmählich in die nicht in Zellen zerlegte Dotter- masse über. Andere Eier endlich schliessen sich noch mehr an das nor- male Verhalten an, indem nach 24 Stunden auch die vegetative Hälfte des Eies allerdings nur in einige wenige grosse Dotter- zellen zerfallen ist. Am zweiten Tage standen die im zweiten und dritten Röhr- chen eingeschlossenen Eier, welche dem Einfluss der Centrifugal- kraft nach wie vor auf dem Apparat ausgesetzt gewesen waren, noch auf dem Blastulastadium, hatten aber im den 24 Stunden weitere Fortschritte in ihrer Entwieklung gemacht. Durch fort- gesetzte Theilung waren die Zellen erheblich kleiner geworden und schliessen an der Oberfläche dicht zusammen (Fig. 15). Die Keimblasenhöble hat sich nieht unerheblich vergrössert. Ihre Decke ist wie früher sehr dünn, so dass sie bei dem Einschluss der Eier in Paraffin leicht einfällt, besteht aber jetzt aus 2 Lagen, einer Grundschieht und einer Deekschieht von sehr kleinen Zellen, welche an Stelle der einfachen Schieht der grösseren mehr rund- lichen Elemente vom Tag zuvor getreten sind (Fig. 4 u. 5). Die Grundschicht setzt sich aus ausserordentlich kleinen ceubischen, die Deekschieht aus kleinen eylindrischen, zu einem Epithel fest zusammenschliessenden Elementen zusammen. Am Boden der Keimblasenhöhle sind Veränderungen in der Vertheilung der Zellen eingetreten. Während an dem vor- ausgegangenen Tage die Keimblasen am Boden über dem Dotter- syneytium wenigstens 3 bis 4 Lagen von grösseren Zellen (Fig. 4—7) besassen, sieht man jetzt zuweilen (Fig. 16 u. 17) den un- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 28 426 Öscear Hertwig: getheilten Nahrungsdotter oder die ihn bedeckende Meroeyten- schicht eine Strecke weit unmittelbar an die Höhle grenzen oder von ihr nur durch 1 oder 2 Lagen von Zellen getrennt werden. Es sind also im Allgemeinen die Zellen mehr von der Mitte nach dem Rand der Keimscheibe hingerückt und zwar besonders nach dem Randtheil, von welchem weiterhin die Gastrulaeinstülpung beginnt. Besonders auffällig ist die verschiedene Dicke des Keim- scheibenrandes an den beiden Figuren 16 u. 17 ausgeprägt. An einzelnen Objecten macht sich auch jetzt schon der erste Beginn der Gastrulation bemerkbar. An dem verdickten Randtheil der Scheibe ist schon bei Betraehtung von der Ober- fläche eine scharfe Furche zu sehen, welche den zelligen Theil gegen den Nahrungsdotter schärfer abgrenzt. Wie der Durch- schnitt (Fig. 16) lehrt, hat sich an dieser Stelle ein Umschlags- rand, wie am hinteren Umfang der Keimscheibe eines Knochen- fisches gebildet. Es wird von hier aus weiterhin eine Masse kleiner, locker mit einander verbundener Zellen nach Innen ge- drängt; sie lagert sich als eine besondere Schicht der Decke der Keimblase an, welche aus kleineren und fester zusammengefügten Zellen besteht. Am dritten Tage liefert das auf dem Centrifugalapparat belassene Eimaterial verschieden weit entwickelte Gastrulae. Schon bei Lupenbetrachtung fällt die Einstülpungsstelle als eine halb- mondförmige Rinne an der Grenze des ungetheilt gebliebenen Nahrungsdotters auf. In Figur 18 zum Beispiel ist eine Kleine, dorsale Urmundlippe durch Einstülpung entstanden. Auf Durchschnitten bieten derartige Eier verschiedene Be- funde dar. (Siehe die Figuren 19—21.) Meist ist die Urdarm- höhle sehr klein und spaltförmig, was am meisten noch in Fig. 21 der Fall ist. Dagegen ist die Keimblasenhöhle noch in grosser Ausdehnung vorhanden, nimmt aber an den 3 in Schnitte zer- legten Eiern eine etwas verschiedene Lage ein in Folge einer ungleichen Vertheilung der eingestülpten Zellmassen. In Figur 20 ist die Keimblasenhöhle von der Urdarmhöhle nur durch eine ganz dünne Membran getrennt, die theils aus kleinen Zellen, theils aus nicht zelliger Dottermasse besteht. Aehnlich ist ihre Lage in Figur 19. In Figur 21 dagegen liegt die Keimblasenhöhle ganz oberflächlich in der Gegend des hin- teren Randes der ursprünglichen Keimscheibe und wird hier eben- Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 427 falls nach Aussen nur durch ein dünnes Häutchen abgeschlossen, welches zum Theil auch nichts anderes als ungetheilte Dotter- masse ist. In den drei Beispielen besteht etwa ein Drittel bis die Hälfte der Eier aus ungetheiltem Nahrungsdotter, der an der Oberfläche der Eier noch ganz frei zu Tage liegt und vom Ein- stülpungsrand aus beginnt. In ihm finden sich, so namentlich auch in der Nähe und gegenüber der Urmundlippe, einige Kerne (Meroeyten) eingelagert. Nicht alle Eier erreichen übrigens im Centrifugalapparat das Stadium der Gastrula. Ein Theil bleibt in der Entwicklung in Folge einer allgemeinen Schädigung stehen und geht durch Zerfall zu Grunde. Um die Eier, bei welchen durch die Wirkung der Centri- fugalkraft der Furchungsprocess, die Form der Keimblase und der Gastrula in so erheblicher Weise abgeändert worden war, auf ihre weitere Entwicklungsfähigkeit zu prüfen, wurde am zweiten und vierten Tag eine Portion aus dem zweiten Röhrehen herausgenommen und in ein Uhrschälchen mit Wasser abgeson- dert, um unter normalen Verhältnissen weiter gezüchtet zu werden. Am 28. Mai waren langgestreckte Embryonen entstanden, von denen einige in den Figuren 22 bis 24 abgebildet sind. Bis auf das hintere Ende sind sie im Ganzen normal entwickelt. Chorda, Nervenrohr, sehr zahlreiche Ursegmente, deren vorderste schon in Muskelfasern sich umwandeln, Auge und Ohr sind an- gelegt. Der Kopf setzt sich vom Rumpf ab und zeigt in seiner unteren Fläche die Haftnäpfe. Das hintere Ende dagegen ist ganz missgebildet. Hier findet sich ein grösserer Theil nicht in Zellen zerlegter Dotter- substanz. Sie ragt als eine höckerige Masse aus einer grossen, weiten Oeffnung heraus, durch welche man in das Darmrohr hineinkommt. Die Oeffnung ist von einem wulstigen Ring um- geben, an welehem sich die Oberhaut in die inneren Zellschichten umschlägt. Bei den meisten Embryonen ist eine Schwanzanlage entwickelt; sie geht als ein bald mehr, bald minder weit vor- stehender Höcker von dem dorsalen Rand des ringförmigen Zellen- wulstes aus, welcher die freiliegende Dotterwand umfasst. Nach ihrer Lage unter der Schwanzknospe und am hinteren Ende des Embryo ist die mit Dotter ausgefüllte Oeffnung, durch welche man in den Darm hineinkommt, einem ausseror- 428 Öscar Hertwig: dentlieh ausgeweiteten After oder dem Rest des Urmundes zu vergleichen. Ein nahe der Medianebene geführter Sagittalschnitt durch das hintere Ende eines Embryo (Taf. XXI, Fig. 15) vervoll- ständigt den Einblick. An der Rückenfläche zählt man in dem abgebildeten Stück allein 17 Ursegmente, von welchen die hin- tersten schon dem weit vorstehenden Schwanzhöcker angehören und in die kleinzellige Masse desselben übergehen. Unter der Sehwanzknospe liegt ungetheilte Dottermasse und setzt sich all- mählich nach vorn in die Masse der Dotterzellen fort, welche das hintere Ende des Darımrohrs auftreiben. Ventralwärts wird die Dottermasse begrenzt durch mittleres Keimblatt und Epi- dermis, welche am Afterrand in ähnlicher Weise wie auf früheren Stadien der Urmundbildung unter einander zusammenhängen. Hiermit ist der Beweis geliefert, dass die Froscheier, in welchen unter dem Einfluss der Centrifugalkraft abnorme Sonde- rungen im Inhalte des Eies, abnorme Furchung etc. hervorgerufen worden sind, doch noch weit differenzirte, in zahlreiche Seg- mente gegliederte und mit allen Organen versorgte Embryonen liefern können, wenn sie zu geeigneter Zeit dem umändernden und allmählich auch schädigenden Einfluss der Centrifugalkraft entzogen und unter normale Bedingungen gebracht werden. Versuche mit Rana fusea. An Rana fusca wurden sowohl die ersten als auch die zahl- reichsten Experimente über die Einwirkung der Centrifugalkraft vorgenommen. Zugleich wurde hier auch die Frage geprüft, ob die Zeit, in welcher das Experiment nach Vornahme der Befruch- tung begonnen wird, einen sichtbaren Einfluss auf das Resultat ausübt. Es ist das entschieden der Fall. Als ich am Beginn meiner Versuche die Eier auf den Centrifugalapparat in der ersten Zeit nach der Befruchtung brachte, entwickelten sich die Eier überhaupt nicht oder starben bald ab, während sie bei der- selben Umdrehungsgesehwindigkeit sich entwickelten, wenn der Versuch noch kurze Zeit vor der ersten Theilung begonnen wurde. Ich vermuthe, dass im ersteren Fall, wenn das Ei schon während der Befruchtung der Centrifugalwirkung unterworfen wird, Ei- und Samenkern sich in grösserer Nähe am animalen Pol treffen, dass daher der Furchungskern von vornherein eine sehr ober- u ei Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 429 flächliche Lage erhält. Dadurch beginnt schon vor der ersten Furehung sich am Froschei eine animale Scheibe schärfer vom Dotter zu sondern. Schon die erste Furche geht nicht durch das ganze Ei hindurch. Leider habe ich verabsäumt, Eier auf dem entsprechenden Stadium vom Centrifugalapparat zu nehmen und zu conserviren, um später an einer Schnittserie den Grad der Lageveränderung des ersten Furchungskernes festzustellen. Ich werde in meinem Laboratorium später noch eine auf diesen Punkt besonders gerichtete Untersuchung vornehmen lassen. Dass die Centrifugalwirkung auf das Ei um so mehr verändernd einwirkt, je früher sie nach der Befruchtung beginnt, geht besonders aus folgender Versuchsreihe hervor. Eier von Rana fusca wurden am 30. März um 123/, Uhr befruchtet und in grosse, mit Wasser vollkommen gefüllte Röhr- chen gleich um 1 Uhr auf den Centrifugalapparat gebracht, dessen Umdrehungsgeschwindigkeit 150— 160 in der Minute betrug. Schon bei den Eiern, die an dem kleineren Radius von 18 em rotirten, war die Veränderung eine viel bedeutendere, als in den Experi- menten, in denen der Versuch kurz vor der Zweitheilung begonnen wurde. Während bei diesen die vegetative Hälfte nach 24 Stunden stets in Zellen zerlegt wird, die allerdings weit grösser und un- regelmässiger als bei normaler Entwicklung ausfallen, bleibt dort ein mehr oder weniger beträchtlicher Theil des Dotters ganz un- getheilt; ja es kann sogar die Veränderung so weit gehen, dass nur !/, der Eimasse am animalen Pol sich in eine zellige Scheibe umgewandelt hat. Zwei solehe hochgradig veränderte Eier stellen die Figuren 1 u. 2 auf Tafel XXI dar. In Figur 1 ist die kleine zellige Scheibe durch eine scharfe Linie vom ungetheilten Dotter abge- setzt. Sie enthält in ihrer Mitte eine Furchungshöhle, deren Decke beim Härten etwas eingefallen ist und aus einer einfachen Lage von Zellen besteht, während an ihrem Boden 2 bis 3 Lagen von Zellen übereinander liegen. Im Dotter selbst ist wieder eine besondere Schicht mit einzelnen Merocyten unterhalb der Keim- scheibe zu unterscheiden. Sie enthält ausserdem nur kleinere Dotterkörnchen und unregelmässig vertheiltes Pigment, in Folge dessen sie auf dem Durchschnitt als ein verwaschenes, bräun- liches Band erscheint. Die zweite Figur (Fig. 2) zeigt die Furchungshöhle in einer 430 Oscar Hertwig: etwas anderen Lage, da sie sich hier zwischen dem zelligen Theil der Scheibe und dem Dottersyneytium befindet. Die zellige Scheibe liegt wie ein Uhrglas dem Dotter mit seinem Syneytium auf; ihr einer Bestandtheil ist etwa 4 Zellenlagen diek, während der entgegengesetze auf 2 Lagen verdünnt ist. Als die Eier nach 24 Stunden vom Centrifugalapparat ge- nommen wurden, entwickelten sie sich zum Theil noch weiter; die am vorausgegangenen Tage noch grossen Zellen hatten sich in kleine, mit ihren Seiten dicht zusammenliegende Elemente ver- mehrt. Theils befanden sich die Eier auf dem Stadium der kleim- zelligen Blastula, theils waren sie in Umwandlung zur Gastrula begriffen. Auf einem Durchschnitt durch eine kleinzellige Keimblase (Fig. 3) hat sieh die Höhlung im Innern bedeutend vergrössert; die eine Hälfte der Blasenwand ist aus 3 Lagen kleiner Zellen, die andere aus ungetheilter Dottermasse zusammengesetzt. In letzterer bemerkt man am Boden der Keimblasenhöhle theils einige freie Kerne, theils vereinzelte oder in kleinen Gruppen (2 bis 4) zusammenliegende Zellen. An dem Präparat möchte ich noch besonders darauf aufmerksam machen, dass von der zelligen Hälfte nur eine Umwachsung der ungetheilten Dotter- masse begonnen hat. Besonders auf der einen Seite haben sich kleine pigmentirte Zellen in einfacher Lage bis in die Nähe des vegetativen Poles zu über den Dotter vorgeschoben. Bei einigen Eiern, bei welchen die Zerlegung in Zellen von Anfang an offenbar eine vollständigere gewesen war, hatte die Gastrulation begonnen und hatte sich durch Einstülpung von Zellen und ungetheilter Dottersubstanz eine kleine Urdarmhöhle gebildet. Bei den Eiern, die an einem Radius von 29 cm und noch mehr bei denen, die an einem Radius von 40 cm rotirten, äusserte sich der Eingriff in noch höherem Maasse, indem entweder ein noch kleinerer Bezirk des Eies in Zellen zerlegt wurde oder die Zerlegung in Zellen überhaupt ganz ausblieb. Auch trat bei ihnen am zweiten Tag eine Weiterentwieklung nicht mehr ein. Bei den am längsten Radius rotirten Eiern lieferte der Querschnitt stets ein sehr auffälliges Bild, sowohl in dem Fall, dass sich eine kleine zellige Scheibe entwickelt hatte, als auch in dem Fall, dass die Zellentwicklung ganz unterblieben war. ea Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 431 Stets ging durch das Ei (Fig. 4 u. 5) etwas oberhalb seiner Mitte ein intensiv dunkler, breiter Pigmentstreifen hindurch, durch welchen es gewissermaassen in 3 Zonen getheilt wurde: 1. in eine die Dotterplättchen enthaltende, vegetative Halbkugel, 2. in eine oberhalb des Aequators gelegene, schmale Schicht, in welcher die Pigmentkörnehen angesammelt waren, und 3. in eine kleine, animale Calotte, die entweder aus mehr homogener, protoplas- matischer Substanz oder zum Theil aus Zellen bestand. Wir haben hier also eine deutlich sichtbare und ausserordentlich scharfe Sonderung der Inhaltsbestandtheile des Eies nach ihrem verschiedenen specifischen Gewicht zu Stande gebracht. Zwei Durchschnitte durch ein Ei, an welchem die animale Calotte aus Zellen besteht, bieten die Figuren 4 u. 5. Ueber dem Pigmentband liegt zunächst eine homogene, protoplasmatische Schieht mit einzelnen Kernen, das Dottersyneytium. Darüber folgt die Keimscheibe; in der Figur 4 ist ihr Rand getroffen, eine Schicht von 3—4 grossen, unregelmässigen Zellen, von wel- chen einzelne viel Pigment enthalten. Der in der Figur 5 dar- gestellte Durchschnitt geht durch die Mitte der Keimscheibe, welche durch die Furchungshöhle in 2 Lagen von Zellen ge- trennt ist, erstens in eine Lage kleiner Zellen, welche lose dem Dottersyneytium aufliegen, und zweitens in eine Lage grosser, pigmentirter Zellen, welche die Decke bilden. Das Gegenstück zu der mitgetheilten Versuchsreihe bildet die folgende, die mit Cf 9 bezeichnet wurde. Die am 18. März um 10 Uhr 15 Minuten befruchteten Eier wurden um 12 Uhr 30 Minuten auf den Centrifugalapparat gebracht, dessen Geschwin- digkeit auf 145 Umdrehungen in der Minute regulirt wurde. Um 1 Uhr 15 Minuten begann bei den Controlleiern die erste Thei- lung einzutreten. Am folgenden Tag 2 Uhr wurde ein Theil der Eier in Chromsäure eingelegt, der Rest vom Üentrifugal- apparat genommen und sich weiter entwickeln gelassen. In den am längsten Radius centrifugirten Eiern war eine Sonderung in eine zellige Scheibe und in eine ungetheilte Dottermasse, die etwa die Hälfte bis ?/, des ganzen Eies betrug, eingetreten. Aber die Sonderung war viel weniger scharf und die Entwick- lung der Eier war viel regelmässiger und weiter fortgeschritten als in der oben beschriebenen Versuchsreihe. 432 Osear Hertwig: Als Beispiel diene Figur 6. Wie in dem Fall von Rana eseulenta ist die erste Theilebene noch durch das ganze Ei hindurchgedrungen. Die Dottermasse ist dadurch in 2 Stücke getrennt. Die Abgrenzung gegen den zelligen Theil des Eies erfolgt nicht in einer planen Ebene und mit einer scharfen Grenze, sondern in mehr unregelmässiger Weise. Nur an einzelnen Stellen ist eine Schicht von Merocyten entstanden, während an anderen Stellen die Zellen gegen den Dotter nieht so scharf abgegrenzt sind. An dem vorliegenden Präparat finden sich Gruppen von Zellen von der Keimscheibe abgetrennt und in die erste Furchungsebene zwischen die beiden Hälften der unge- theilten Dottersubstanz bis in einige Entfernung vom vegetativen Pole eingelagert. Der animale Theil des Eies ist in viele, schon ziemlich kleine Zellen zerfallen und enthält eine grosse Keimblasenhöhle. Ihre dünne Decke besteht aus 2 Zellenschich- ten, einer Grund- und einer Deckschicht; ihr Boden aus 3 und mehr Zellenlagen, unter welchen dann an manchen Stellen eine Meroeytenschicht und auf diese der Dotter folgt. Bei den am kürzeren Radius centrifugirten Eiern aus den wöhrehen 2 und 1 war die Sonderung noch weniger oder gar nicht eingetreten. Das Material im Röhrchen 2 zeigte nur einen kleinen Abschnitt des Dotters nicht in Zellen zerlegt; bei den Eiern im Röhrchen 1 hatte sogar schon der Gastrulationsprocess begonnen, wie bei den in einer Wasserschale gezüchteten Con- trolleiern. An den nächsten Tagen machte die Entwicklung bei allen Eiern, die vom Centrifugalapparat genommen waren, weitere Fortschritte, wobei sich aber auch wieder Unterschiede ergaben, Je nachdem die Objecte vom ersten, zweiten oder dritten Röhr- chen herrührten. Bei den Eiern (Nr. 3) bildete sich am zweiten Tage die Gastrulationseinstülpung am Rande der Keimscheibe aus, und am dritten Tage legte sich die Medullarplatte an. Die Em- bryonen sahen verkrüppelt und missgestaltet aus. Im zweiten Röhrchen ging die Entwicklung schon besser von Statten. Am dritten und vierten Tage waren Embryonen (Fig. 7) entwickelt, bei welchen sich die Medullarrinne zum Rohr geschlossen und das vordere Ende als Knopf abgesetzt hatte. Nur das hintere Ende zeigte die eharakteristische Störung, welche uns auch schon die Eier von Rana esculenta darboten (Taf. XX, Fig. 22-24). Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 433 Eine Platte von Dottersubstanz, welche nicht in Zellen zerlegt war, ist bei der Gastrulation nicht in die Urdarmhöhle aufgenommen und auch später nicht von den Keimblättern über- wachsen worden. Die Darmhöhle ist daher nach hinten weit geöffnet und lässt hier die nicht zellig gewordene Dottermasse als Pfropf nach Aussen hervorstehen. Am ersten Röhrchen sind fast normale Embryonen ent- standen. Bei den zahlreichen von mir angestellten Versuchen wurde mehrfach auch eine schärfer durchgeführte Sonderung in einen zelligen und einen nicht zelligen Abschnitt erreicht in ähnlicher Weise, wie bei den von Rana esculenta (Taf. XX, Fig. 4—7) abgebildeten Figuren. Zum Beweise dienen die Schnittserien durch 2 Eier, welche von 2 verschiedenen Versuchen herrühren, bei welehen die Umdrehungsgeschwindigkeit eine grössere als in den vorausgehenden Versuchen war (Taf. XXI, Fig. 8 u. 9). In beiden Fällen ist der Dotter durch eine ziemlich glatte Contour von der animalen Scheibe getrennt. An der Grenze beider hat sich ein Dottersyneytium, besonders nach dem einen Rande zu, entwickelt. Es zeichnet sich ausser der Einlagerung von Kernen gleichzeitig durch einen grösseren Pigmentgehalt aus. In der Zellenscheibe ist eine kleine Keimblasenhöhle eingeschlossen, deren dünne Decke aus einer einfachen Lage von Zellen besteht. In den Röhrchen, die an dem längsten Radius rotirten, war in dem Versuch, in welchem die Umdrehungsgeschwindig- keit 230 in der Minute betrug, die Sonderung in Zellen auch in der animalen Scheibe entweder nicht zu Stande gekommen, trotz- dem eine Kernvermehrung stattgefunden hat, oder die Anfangs gebildeten Zellen waren nachträglich wieder zu einer Masse ver- schmolzen. In der einen oder in der anderen Weise müssen wohl die Bilder gedeutet werden, welche Serienschnitte durch solche Eier gaben, von denen eines in Figur 10 abgebildet ist. Nach dem vegetativen Pol zu ist etwa 2 Drittel bis 5 Viertel der sanzen Eisubstanz ungetheilt und auch frei von Kernen. Der nach dem animalen Pol zu gelegene Rest ist in eigenthümlicher Weise umgewandelt und lässt erkennen, dass an ihm sich die ersten Entwicklungsprocesse, wenn auch vollkommen gestört, ab- gespielt haben. Eine Keimblasenhöhle ist in ihm entstanden. Sie wird aber nur an einer Seite und nur eine kleine Strecke 434 Oscar Hertwig: weit von Zellen begrenzt. Nur ein ganz kleines Stück des Scheibenrandes und eine an ihn angrenzende kleine Partie von der Decke der Keimblase setzt sich aus ziemlich grossen, pig- mentirten Zellen zusammen. Der bei weitem grösste Theil der animalen Scheibe ist eine continuirlich pigmentirte Substanz, ohne irgend welche Andeutung von Zellengrenzen, dagegen stark durch- setzt von grösseren und kleineren Bläschen, welche ihr ein schau- miges Aussehen verleihen (Fig. 10). Nach meiner Ansicht sind diese Bläschen nichts anderes als zahlreiche Kerne, die durch Theilung vom Keimkern abstammen, aber mit Ausnahme des kleinen oben erwähnten Bezirks den Dotter nicht in Zellen zu zerlegen die Kraft gehabt haben. Manche dieser in den Dotter eingebetteten Kerne ist dann durch abnorme Aufnahme von Flüssigkeit zu einer grossen Blase umgewandelt worden, eine Eigenthümlichkeit, welche sich ja auch an den Merocyten be- obachten lässt. Auch die Decke der Keimblasenhöhle besteht, wo sie nicht zellig ist, aus einer dünnen Lamelle von Dotter- substanz, in welcher einzelne kleine Kerne eingebettet sind. Auch in anderen Versuchen, in welchen die Centrifugal- kraft stärker wirkte, wurden ähnliche Eier (Fig. 10) erhalten, die nach dem vegetativen Pol zu aus unveränderter Dottermasse, nach dem animalen Pol zu dagegen aus einer von vielen kleinen Vaeuolen durchsetzten und dadurch in eine Art Schaum umge- wandelten, pigmentirten Substanz bestanden. Zum Schluss gehe ich noch auf einige merkwürdige Befunde ein, welehe aus der ersten Zeit der von mir angestellten Ex- perimente herrührten. Damals nahm ich dieselben gewöhnlich in einer etwas anderen Weise vor. Die befruchteten Eier wurden nicht in ein mit Wasser ganz angefülltes Glasrohr gebracht, son- dern auf Öbjeetträger in Reihen nebeneinander aufgesetzt, nachdem die Gallerthüllen stark gequollen waren. Die Object- träger wurden in Glaskästehen wie man sie für mikrosko- pische Zwecke von der Firma Leitgeb in Köln bezieht, vertical eingesetzt. Die Kästchen, deren Wände vorher mit Fliesspapier, das mit Wasser stark durchtränkt war, belegt worden waren, wurden mit einem Deckel fest geschlossen und an dem Centrifugalapparat befestigt. In anderen Fällen wurden die Eier mit gequollenen Gallerthüllen in Glasröhrehen gebracht, die nur wenig mit Wasser gefüllt wurden. Die Eier befanden Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 435 sich daher während des Versuchs nur in einer feuchten At- mosphäre. Die unter solchen Verhältnissen centrifugirten Eier liessen eine sehr auffällige und eigenthümliche Anordnung ihrer Zellen in regelmässigen Curven erkennen. Aus 2 Experimenten, bei denen 200 Umdrehungen in der Minute stattfanden, rühren die charakteristischen Figuren 12—14 her. Figur 12 stellt eine Keimblase dar von Eiern, die am 26. März 9 Uhr 30 befruchtet, um 11 Uhr auf den Apparat gebracht und nach 24 Stunden abgetödtet worden waren. Nur ein kleiner Theil des Dotters am vegetativen Pol ist nieht in Zellen getheilt. Die Keimblase hat eine auffällig kleine Höhle, die einen halbmondförmigen Spalt bildet. Es rührt dies daher, dass von unten her eine Zellenmasse als Hügel in sie hineinragt und dadurch der Höhle die Form eines Halbmonds verleiht. Ihre Decke ist dünn und nur von einer Lage abgeplatteter Zellen zusammengesetzt. Besonders aber interessirt die Anord- nung der Zellen. Die in dem Umkreis der Eiaxe gelegenen sind in auffälliger Weise sehr in die Länge gestreckt und dabei so orientirt, dass die Richtung ihres längsten Durchmessers mit der Richtung der Eiaxe zusammenfällt, wobei sie in Reihen hinter einander liegen. Die Endzellen der einzelnen Reihen bilden die Spitze des in die Keimblasenhöhle vorspringenden Hügels. Im Umkreis dieser centralen Zellenmasse sind die Zellen etwas kleiner, aber auch mit einem längeren Durchmesser versehen und in Curven angeordnet, deren Concavität nach dem animalen Pol gerichtet ist. Mit ihrem einen Ende beginnen die Curven an der Circumferenz der als Hügel in die Keimblasenhöhle ein- springenden Zellenmasse und reichen mit ihrem anderen Ende an die Oberfläche der Keimblase. Es entsteht so ein Bild, als ob von unten und von der Seite her das Zellenmaterial in das Innere der Keimblasenhöhle hineingepresst würde. In Folge von Verhältnissen, deren Analyse sich meiner Beurtheilung entzieht, müssen hier in eigenthümlicher Weise Strömungen im Inhalt der Keimblase eintreten, Zug- und Schubkräfte wirksam sein, welche die Zellen in einer Richtung in die Länge ziehen, sie hier in geraden Reihen und dort sich in regelmässigen Curven anzuordnen zwingen. Dabei zeigte das Eimaterial eines Versuches eine ungemein 436 Oscar Hertwig: gleichmässige Beschaffenheit. Die Schnittserie jeden Eies lie- ferte Bilder, wie sie in der Figur 12 wiedergegeben sind. Wenn der Versuch über zwei Tage ausgedehnt wird, rücken die Eier über das Keimblasenstadium nicht hinaus, die Zellen haben sich noch etwas weiter getheilt; im Ganzen aber sind die Verhältnisse, namentlich auch die Anordnung in Reihen und Curven, dieselben wie am Tage zuvor geblieben. Man vergleiche die Durehschnitte durch 2 Keimblasen, welche derselben Versuch- reihe angehören und von welchen die eine sich einen Tag, die an- dere (Fig. 14) zwei Tage auf dem Centrifugalapparat befunden hat. Noch einmal der Begriff „gestaltende Kräfte“. Dureh eine Reihe von Experimenten ist von mir dargethan worden, wie durch die verschiedensten äusseren Factoren: durch Druck, durch chemische Stoffe, durch Erhöhung oder Erniedri- gung der Temperatur, durch Centrifugalwirkung, der Entwick- lungsprocess eines thierischen Eies, hier also speciell des Frosch- eies, in einer streng gesetzmässigen Weise, abgeändert werden kann. Es erscheint dies ja selbstverständlich, wenn der Ent- wieklungsprocess eines Organismus, wie ich mich in der Ein- leitung ausdrückte, als ein kleines Stückchen des Naturverlaufes aufgefast wird: Denn wenn in gleichartig wiederkehrenden Processen, vordem wirksame Ursachen ausfallen oder neue Ursachen eintreten, so folgt nach dem Causalitätsgesetz mit Noth- wendigkeit, dass nunmehr der Process in seinem Ablauf gerin- gere oder grössere Modificationen aufweisen muss. Wenn sich Froscheier anstatt in Wasser in Kochsalzlösung, oder unter Druck oder bei 2, bei 5 oder 20° Celsius oder auf dem Centrifugalapparat entwickeln, so müssen die Folgen der von der Norm abweichenden Entwicklungsbedingungen in dieser oder jener Weise in der Beschaffenheit der Entwicklungsproducte sich geltend machen. Anhänger der Entwicklungsmechanik erblicken in derartigen Experimenten einen Weg „zur Erforschung der gestaltenden Kräfte oder Energieen der Organismen“, was für sie die Aufgabe und das Ziel einer besonderen Wissenschaftsdiseiplin, der Ent- wicklungsmechanik- ist. Den Ausdruck „gestaltende Kräfte“ habe ich im zweiten Heft meiner Zeit- und Streitfragen: „Mechanik und Biologie“ Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 437 beanstandet. Ich habe dort das von Roux aufgestellte Ziel der Entwicklungsmechanik — nämlich die Erforschung der ge- staltenden Kräfte oder Energieen des Organismus — als ein un- klares bezeichnet, als ein Ziel, bei dessen Bestimmung nament- lich gegen den Gebrauch des Begriffes „Kraft“ sich schwer- wiegende Bedenken erheben. Ich musste namentlich auch hervor- heben, dass Roux das Wort „Kraft“ nieht in der schärferen Fassung der Physik und Chemie, sondern gleichbedeutend mit dem Begriff „Ursache“ gebraucht, welche beide Begriffe er meist promiscue anwendet, und dass er sich einem Selbstbetrug hingibt, indem er glaubt, durch den Gebrauch des Wortes Kraft eine Erscheinung besser begriffen und seine Forschungsrichtung da- durch auf einen „höheren Standpunkt“ gestellt zu haben. Roux ist in einer Gegenschrift „Für unser Programm und seine Verwirklichung“ für seinen Standpunkt und für die Richtig- keit seiner begrifflichen Definitionen seitdem von neuem einge- treten; nicht nur spricht er nach wie vor von gestaltenden Kräften und vermengt die Begriffe: Ursache und Kraft, sondern er schliesst auch seinen Exeurs mit dem Ausruf: „Ja die Philosophie“, wo- mit er vielleicht vor 30 Jahren auf diesen oder jenen Leser hätte Eindruck machen können, aber nicht mehr in unseren Tagen, in denen auch in den Reihen der Naturforscher mehr und mehr die Ueberzeugung zum Durchbruch gekommen ist, dass etwas philosophische Schulung im Gebrauch der Begriffe den Natur- forschern nur von Nutzen ist. Wenn es nun auf Roux allein ankäme, so würde ich zu seinem Programm „von der Erforschung der gestaltenden Kräfte der Organismen“ gewiss kein Wort mehr verlieren. Denn wie sollte ich noch länger wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit einem Forscher führen, der wenn ihm von anderer Seite, wie von Driesch und mir, Einwürfe gemacht werden, immer die Gegenrede zur Hand hat, dass man ihn entweder nicht verstehe oder seine Ansichten absichtlich falsch darstelle, und wenn man sich darauf seiner eigenen Sätze bedient, jetzt seinen Gegner „als einen Meister der unrichtigen Darstellung bei Anwendung reichlicher, wörtlieher Citate“ anzuklagen für gut findet! Hier fehlt somit der Boden für eine fruchtbringende Discussion. Was ich also hier noch zu sagen habe, das ist nicht an Roux gerichtet, sondern an jene Freunde der Entwicklungs- 438 Oscar Hertwig: mechanik, welche in der Erforschung „der gestaltenden Kräfte der Organismen“ ein gut definirtes Arbeitsziel vor sich zu haben meinen. Nur an sie wende ich mich, wenn ich jetzt noch ein- mal im Anschluss an die schon früher gegebenen Auseinander- setzungen, auf welche ich hier zugleich verweise, weitere Gründe anführe, warum in dem Ausdruck „gestaltende Kräfte“ eine wissenschaftlich unzulässige und unbrauchbare Anwendung des Kraftbegriffes liegt. Denn sie führt zu Unklarheiten und Unzu- träglichkeiten und ist völlig verschieden von der Verwendung des Kraftbegriffes in der Physik. In der Phrase „gestaltende Kraft“ liegt wieder die schon anderen Ortes mehrfach gerügte Verwechslung der Begriffe Ur- sache und Kraft vor, welche fälschlicher Weise für gleichbedeu- tend genommen werden. Wenn dies im gewöhnlichen Sprach- gebrauch öfters geschieht, so ist dies doch nicht zulässig bei wissenschaftlicher Verwendung des Begriffes, am wenigsten aber, wenn hierauf eine neue Forschungsrichtung begründet werden soll. Die Formen der Dinge und ihre Beziehungen zu einander verändern sich aus Ursachen, die zusammenwirken, wodurch im Naturverlauf fortwährend in buntem Wechsel neue Gestaltungen entstehen. In den Veränderungen erblickt man die Aeusserung von Naturkräften, welche ebenso wie die Materie unzerstörbar und allgegenwärtig sind. „Kraft, von der Ursache vollständig verschieden, ist, nach der Definition vonSchopenhauer, das, was jeder Ursache ihre Kausalität, d. h. die Möglichkeit zu wirken ertheilt.*“ Aus dem Gemeinsamen, welches Reihen von Veränderungen in der Körperwelt zeigen, hat man in den Natur- wissenschaften auf eine Gleichartigkeit der sich in ihnen äussern- den Kräfte geschlossen und ist auf diesem Wege zur Aufstellung einer Anzahl allgemeiner Naturkräfte gelangt, die man als Schwer- kraft, eleetrische Kraft, Cohäsionskraft, chemische Kraft ete. unterschieden hat. Der Begriff Kraft, wo er in der Naturwissen- schaft mit Nutzen zur Erklärung der Erscheinungen verwandt wird, zielt immer auf das Allgemeine. In diametralem Gegensatz zu dieser Verwerthung des Be- griffes Kraft in der Philosophie und Naturwissenschaft, steht der von mir beanstandete Begriff „gestaltende Kraft“, d. h. eine Kraft, welche gestaltet, also Gestalt oder Form macht. Denn Gestalt oder Form betrifft stets das Besondere der Materie. Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 439 „Form mit der Materie, giebt das Konkrete, welches stets ein Einzelnes ist, also das Ding.“ Daher kann eine gestaltende Kraft, wie das Besondere, zu dessen Erklärung sie dienen soll, stets selbst nur eine besondere sein. Zahllos, und stets wechselnd, wie die Formen der Dinge im Naturverlauf, müssen daher auch die gestaltenden Kräfte ausfallen. Wenn schon in dieser Be- ziehung sich der Begriff als ein unbrauchbarer und von dem Kraftbegriff der Physiker total verschieden erweist, so ist in anderer Beziehung auch noch daran zu erinnern, dass bei Ver- änderungen der Körperwelt stets viele Ursachen zusammenwirken, und keine Gestalt als die Wirkung einer einzigen Ursache er- klärt werden kann. In der Phrase „gestaltende Kraft“ liegt nichts anderes als eine Verwechselung der Begriffe Ursache und Kraft vor, wie ich schon früher bemerkt habe; es soll heissen: Ursachen, durch deren Zusammenwirken eine besondere Gestalt hervorgerufen wird. Wie es begriffsverwirrend wirken muss, wenn man anstatt von Ursachen, von Kräften redet, die gestalten, Gestalt machen oder Gestalt verändern, tritt sofort zu Tage, wenn man den ab- straeten Ausdruck in conereten Fällen verwendet. Wählen wir dazu die Ergebnisse unserer Experimente: 0,6°/, Kochsalzlösung, wenn sie als Zusatzflüssigkeit bei der Entwicklung von Froscheiern angewandt wird, ist eine Ursache, dass Embryonen mit Hemicephalie entstehen. Ist nun etwa in diesem Experiment eine von der 0,6 °/, Kochsalzlösung aus gehende, Frosch-Hemicephalie gestaltende Kraft nachgewiesen worden? In einem andern Experiment wurde die Entwicklung des Froscheies auf dem‘ Centrifugalapparat, wenn ein besonderes Maass der Umdrehungsgeschwindigkeit eingehalten wurde, eine Ursache, dass das Ei eine Sonderung in Keimscheibe und unge- theilten Dotter erfuhr. Wer wird hier wieder den Nachweis erbracht zu haben glauben, dass die Centrifugalkraft eine ge- staltende Kraft sei, in unserem Falle speciell eine Frosehkeim- scheiben gestaltende Kraft? Bisher waren im Sinne der Physiker Schwerkraft, Cohäsions- kraft, chemische, electrische Kraft das, was die Physik von ihnen lehrt und niehts Anderes. Jetzt lehrt uns die Entwicklungsme- chanik, dass sie auch noch gestaltende Kräfte sind. Und was können sie so schliesslich Alles gestalten? Eine weiche Thon- 440 Öscar Hertwig: kugel fällt auf glatten Boden und hat sich zu einer Scheibe ab- geplattet. Flugs enthüllt sich uns in diesem Experiment die Sehwerkraft als eine Thonscheiben gestaltende Kraft. Setzen wir anstatt der Thonkugel eine Glaskugel, welche beim Auffallen zerplatzt, dann lernen wir die Schwerkraft wieder von einer neuen Seite als eine Glassplitter gestaltende Kraft und so fort ken- nen. Wenn ein Handwerker irgend einen Gegenstand anfertigt, ein Drechsler eine Kugel, ein Tischler einen Stuhl, und so weiter, so können wir ihnen in unserem Suchen nach gestaltenden Kräften eine den jeweiligen Gegenstand, eine Kugel, einen Stuhl ge- staltende Kraft zuschreiben. Man bedient sich in allen solehen Fällen des Kraftbegriffes in derselben nichtssagenden Weise, wie wenn man dem Morphium, dem Chloral eine schlafmachende Kraft (vis dormitiva) zuschreibt. Zu solehen Ungereimtheiten führt schliesslich die Verwen- dung eines so unklaren, im gewöhnlichen Sprachgebrauch zu- weilen angewandten, aber in der Wissenschaft besser zu vermeidenden Begriffes. Daher sagte ich früher wohl schon mit Recht (Seite 56): „Was sollen wir uns, bei Lichte besehen, unter Ermittelung von gestaltenden Kräften vorstellen? Physik und Chemie kennen solehe vor der Hand nicht. Und mit Recht.“ „Die Verbindung der beiden Worte „gestaltende Kraft“ insbe- sondere schliesst eine naturwissenschaftlich brauchbare Verwen- dung des Kraftbegriffes geradezu aus.“ Alles dies ist vor mir, namentlich von Schopenhauer und von Lotze, schon in vortrefflicher Weise auseinanderge- setzt worden. Ich verweise daher auf die für Naturforscher sehr lesenswerthen Erörterungen dieser beiden Philosophen und auf die Darstellung, welche ich in meiner Schrift: „Mechanik und Biologie“ gegeben habe. Auf 2 Stellen aus den Schriften von Lotze und Schopenhauer sei indessen zum Schluss meiner Abhandlung jetzt noch besonders die Aufmerksamkeit gelenkt. „Die Missdeutungen“, bemerkt Lotze, „denen die im Grunde höchst einfachen, (vorher erörterten) Wahrheiten in der Anwendung des Begriffes der Kraft auf die lebendigen Erschei- nungen fortwährend unterliegen, veranlassen uns, zur Verstän- digung einige Vergleiche und Beispiele hinzuzufügen. Zahlen- verhältnisse sind am geeignetsten, den Zusammenhang von Gründen und Folgen zu verdeutlichen.“ en ee Beitr z. experimentellen Morphologie u Entwicklungsgeschichte. 441 „Wenn 3 zu 4 addirt, die Zahl 7 giebt, so schreibt hier Niemand der 3 oder 4 eine siebenbildende Kraft zu; es ist gar zu deutlich, dass einzeln keine von beiden ausreicht, um die grössere Zahl zu erzeugen; sie tragen beide zu diesem Resultate bei und sind so ein Bild der mehreren Ursachen, die sich zur Entstehung jeder Wirkung vereinigen müssen. Aber auch die besondere Art und Weise der Vereinigung, die Addition, ist maassgebend; andere Beziehungsweisen beider Zahlen, Multipli- cation, Division würden andere Grössen erzeugen. Die Kraft, jene sieben zu bilden, kommt daher weder einer Zahl allein, noch beiden, noch ihrer Beziehung allein, sondern nur der Summe aller dieser Bedingungen zu, dass nämlich gerade diese Zahlen gerade in dieser Beziehung der Addition verknüpft werden sollen. Endlich, wenn man zu derselben 3 nicht 4, sondern 5, 6, 7, in die gleiche Beziehung treten lässt, so wird der drei ganz in gleicher Weise wie früher ein Antheil von Kraft, bald 8, bald 9, bald 10 zu erzeugen, zukommen, während ihre Fähigkeit zur Miterzeugung der Sieben verschwindet. Niemand wird hier meinen, dass die siebenbildende Kraft doch noch in ihr liege, und nur wegen der Ungunst der Umstände sich nicht geltend mache; man giebt vielmehr sogleich zu, dass keine dieser Zahlen ein für allemal irgend eine bestimmte Kraft besitzt, dass vielmehr jeder bald diese bald jene scheinbare Kraft zuwächst, je nach- dem sie bald mit dieser bald mit jener anderen in eine oder die andere Beziehungsweise eintritt.“ „Allerdings sind nun die Zahlen unserer Beispiele keine wirklichen Dinge, ihre Beziehungen keine physischen Verhält- nisse, die Ergebnisse der Rechnung keine Ereignisse; aber nichts hindert, alle Züge des Beispiels auf den wirklichen Naturverlauf zu übertragen ete.* Wie Lotze den Begriff „siebenbildende Kraft“, so habe ich oben an einigen Beispielen den Begriff „gestaltende Kraft“ analysirt. Um nun aber auch noch zu zeigen, in welcher Weise der Begriff „Kraft“ in der Physik gebraucht wird und vom Be- griff Ursache zu unterscheiden ist, wodurch ich zugleich diesem Kapitel über die „gestaltenden Kräfte“ einen befriedigenden Ab- schluss zu geben hoffe, führe ich folgende, so überaus klare Dar- legung von Schopenhauer an: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 29 443 Osear Hertwig: „Die Ursache ist allemal, wie auch ihre Wirkung, ein Ein- zelnes, eine einzelne Veränderung: die Naturkraft hingegen ist ein Allgemeines, Unveränderliches, zu aller Zeit und überall Vor- handenes. Z. B. dass der Bernstein jetzt die Flocke anzieht, ist die Wirkung: ihre Ursache ist die vorhergegangene Reibung und jetzige Annäherung des Bernsteins; und die in diesem Process thätige, ihm vorstehende Naturkraft ist die Electrieität.“ „Von der endlosen Kette der Ursachen und Wirkungen, welche alle Veränderungen leitet, bleiben zwei Wesen unberührt: einer- seits nämlich die Materie und andererseits die ursprünglichen Naturkräfte; jene, weil sie der Träger aller Veränderungen oder dasjenige ist, woran solche vorgehen; diese, weil sie Das sind, vermöge dessen die Veränderungen oder Wirkungen überhaupt möglich sind, Das, was den Ursachen die Causalität, d. h. die Fähigkeit zu wirken, allererst ertheilt, von welchem sie also diese bloss zu Lehn haben. Ursach und Wirkungen sind die zu noth- wendiger Suecession in der Zeit verknüpften Veränderungen: die Naturkräfte hingegen, vermöge welcher alle Ursachen wirken, sind von allem Wechsel ausgenommen: daher in diesem Sinne ausser aller Zeit, eben deshalb aber stets und überall vorhanden, all- gegenwärtig und unerschöpflich, immer bereit sich zu äussern, sobald nur am Leitfaden der Causalität die Gelegenheit dazu eintritt.“ (Bd. I, S. 45.) Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX u XXI. Tafel XX. Alle Figuren (1—24) beziehen sich auf Eier von Rana esculenta. Die Eier wurden am 22. Mai 1896 um 9 Uhr 45 Minuten befruchtet und um 12 Uhr 45 Minuten auf den Centrifugalapparat gebracht. Die Zahl der Umdrehungen in der Minute betrug 140—147. Um 2 Uhr 30 Minuten ist die erste Theilung im vollen Gange. Fig. 1. Ei aus Röhrchen 1 (B!), welches am kleinsten Radius rotirt hat. Nach 3 Tagen abgetödtet (am 25./V.). Fig. 2. Ei aus Röhrchen 3 (BP), welches am drittlängsten Radius rotirt hat. Nach 1 Tage abgetödtet (am 23./V... A vom animalen Pol aus, B von der Seite gesehen. Fig. 3. Ei aus Röhrchen 3 (BP). Nach 1 Tag (am 23./V.) abgetödtet. ee BEN Beitr. z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 443 Fig. 4. Durchschnitt durch ein Ei aus Röhrchen 3 (BP), welches einen Tag nach Beginn des Versuches (am 23./V.) abgetödtet wurde. Fig. 5—8. Durchschnitte durch Eier aus Röhrchen 2 (B?), welche einen Tag nach Beginn des Versuches (am 23./V.) abgetödtet wurden. Fig. TB. Ein Stück des Dottersyneytiums mit aufliegenden Zellen der Keimscheibe stärker vergrössert. Fig. 9 u. 10. Kerne aus dem Dottersyneytium stärker vergrössert. Fig. 11 u. 12. Pluripolare Mitosen aus dem Dottersyncytium (Ver- grösserung Zeiss D. Oe. 1). Fig. 13 A. B. C. Verschiedene Grösse der Dotterptättchen in den ver- schiedenen Abschnitten des Eies (Vergrösserung. Homogene Immersion. Oc. 4). Fig. 14. Durchschnitt durch ein Ei aus Röhrchen 3 (B?), das 1 Tag nach Beginn des Versuchs am 23./V. abgetödtet wurde. Fig. 15 u. 16. Durchschnitte durch 2 Eier aus Röhrchen 3 (BP), die 2 Tage nach Beginn des Versuchs (am 24./V.) abgetödtet wurden. Fig. 17. Durchschnitt durch ein Ei aus Röhrchen 2 (B?), das am 24./V. abgetödtet wurde. Fig. 18. Ei aus Röhrchen 2 (B?), bei welchem am 25./V. die Gastrulation ihren Anfang genommen hat. Fig 19—21. Durchschnitte durch Eier, bei welchen die Gastrulation im Gang ist und welche 3 Tage nach Beginn des Versuchs (am 25 /V.) abgetödtet wurden. Das eine Ei (Fig. 19) stammt aus Röhrchen 3 (B?), die 2 anderen stammen aus Röhrchen 2 (B?). Fig. 22. Missgebildeter Embryo, gezüchtet aus einem Ei, welches aus Röhrchen 2 (B?) nach einem Tag (am 23./V.) vom Centrifugal- apparat genommen und bis zum 28./V.im Uhrschälchen weiter gezüchtet wurde. Fig. 23 u. 24. Missgebildete Embryonen, gezüchtet aus 2 Eiern, die aus Röhrchen 2 (BB) nach 3 Tagen (am 25./V.) vom Centrifugal- apparat genommen und bis zum 28./V. im Uhrschälchen weiter gezüchtet wurden. Tafel XX1. Die Figuren 1—14 beziehen sich auf Rana fusea, Figur 15 auf Rana esculenta. Fig. 1-5. Eier von Rana fusca wnrden am 30./III. 12 Uhr 45 Min. befruchtet und um 1 Uhr auf den Centrifugalapparat gebracht (Versuch cf. 12). Fg. 1, 2, 4, 5 sind Durchschnitte durch Eier, welche einen Tag nach Beginn des Versuchs dem Röhrchen Nr. 1 entnommen und ab- gretödtet wurden. Fig. 3 bezieht sich auf ein Ei, das sich etwas länger entwickelt hat. Fig. 6. Durchschnitt durch ein Ei, das am 18./III. 10 Uhr 15 Min. be- fruchtet und um 12 Uhr 30 Min. auf den Centrifugalapparat in Röhrchen 3 (längster Radius) gebracht wurde. Zahl der 444 Fig. Oscar Hertwig: Beiträge zur experimentellen Morphologie etc. Dee ig. 13. ulsr Umdrehungen 145 in der Minute (Versuchsreihe Cf 9). Am 19./IIl. abgetödtet. Missgebildeter Embryo, gezüchtet aus einem Ei, das der Ver- suchsreihe ef. 9 (siehe Figur 6) angehört, aus Röhrchen Nr. 2. Einen Tag nach Beginn des Versuchs wurde das Ei vom Centrifugalapparat genommen und vom 19.—22./III. im Uhr- schälchen weiter gezüchtet. Durchschnitt durch ein Ei, das am 25./III. 12!/4 befruchtet, um 2 Uhr auf den Centrifugalapparat gebracht und am 26./IIl. abgetödtet wurde. Zahl der Umdrehungen 230. (Versuchsreihe C.) Durchschnitt durch ein Ei, das am 17./lll. 9 Uhr 45 Min. be- fruchtet, um 12 Uhr auf den Centrifugalapparat gebracht und am 18./III. abgetödtet wurde. Zahl der Umdrehungen 180— 190. (Versuchsreihe cf. 3.) 11, 12, 14. Die Eier gehören der Versuchsserie Cf 7 an. Be- fruchtung 26./llI. 12 Uhr 2C Min. Zahl der Umdrehungen 200. Das Ei gehört der Versuchsserie A2 an. Eier am 20./lIl. 9 Uhr 30 Min. befruchtet, wurden um 11 Uhr auf den Centrifugal- apparat gebracht (Zahl der Umdrehungen 200) und 1 Tag nach Beginn des Versuchs abgetödtet. Längsschnitt durch das hintere Ende eines Embryo von Rana esculenta, welches der Versuchsserie Cf 8 (siehe Erklärung von Tafel XX) angehört. Einen Tag nach Beginn des Ver- suchs wurde das Ei aus Röhrchen Nr. 2 genommen und vom 23./V.—28./V. im Uhrschälchen weiter gezüchtet Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. Von M. Nussbaum. Nach den vorliegenden Angaben von dem Vorkommen der Parthenogenese bei den Schmetterlingen schien der Versuch nicht aussichtslos, dureh die anatomische Untersuchung weiteren Auf- schluss über die Entstehung des Geschlechts zu erhalten. Wollte man jedoch diesen Weg einschlagen, so war eine Prüfung und Nachuntersuchung jener biologischen Angaben unerlässlich. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 445 Historisches. Die geschichtliche Darstellung kann sich nicht mit allen Angaben befassen, die für oder wider die Möglichkeit sprechen, aus unbefruchteten Eiern vieler Schmetterlinge Raupen zu ziehen. Es wird genügen, die Angaben Derjenigen zu prüfen, welche als Naturforscher von Bedeutung unsere Beachtung verdienen. Unter ihnen figuriren Autoren, die lebende Raupen aus unbefruchteten Eiern aufzogen, andere, die nur der Anfang einer Entwicklung in derartigen Eiern beobachteten und schliesslich solche, von denen Angaben über die Bedingungen gemacht worden sind, welche unbefruchtete Eier von Schmetterlingen zur vollen Ent- wicklung gelangen liessen. Nach von Siebold!) sind die Beobachtungen schon alt, denen zu Folge Jungfernzeugung beim Seidenspinner vorkommen soll. Wie viel aber auf diesem Gebiete Voreingenommenheit das Urtheil zu trüben im Stande sei, geht deutlich aus der Erzäh- lung hervor, die Siebold über Castellet’s Versuche giebt. Castellet, General-Inspeetor der Seidenspinnereien im König- reich Sardinien, hatte sich durch Versuche davon überzeugt, dass unbegattete Weibchen des Seidenspinners entwicklungsfähige Eier legen. Sein Bericht über diese Beobachtungen wurde von Reaumur nicht grade freundlich und ermuthigend aufgenom- men. Die abweisende Antwort machte auf Castellet jedoch solch’ tiefen Eindruck, dass er später zur Erklärung seiner Be- obachtungen eine Begattung der Raupen kurz vor dem Einspinnen annahm; da er bemerkt hatte, dass sich einige Raupen schneller, andere langsamer einen Augenblick mit dem Hinterende des Leibes vereinigt hätten. Hatte Reaumur dem Dilettanten ab- weisend geantwortet „Ex nihilo nihil fit“, so fertigt ihn Siebold mit seiner zweiten Beobachtung, betreffend die Begattung der Raupen, vernichtend mit den Worten ab: „Was von dieser be- obachteten Vereinigung zu halten, wird jeder sich selbst sagen können, der in Betreff der Fortpflanzungsorgane die anatomische Beschaffenheit einer ausgewachsenen Raupe kennt“ ?). 1) Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen u. Bienen. Leip- zig 1856. 2) pag. 121. 446 M. Nussbaum: Die Beschreibung der Anlage und Entwicklung der Aus- führungsgänge der Geschlechtsdrüsen und die der Begattungs- organe hat Herold gegeben; sie ist von J. Nusbaum und E. Verson erweitert worden. Nach unseren jetzigen Kennt- nissen ist, wie Siebold mit Recht hervorhob, eine Begattung während der Raupenperiode absolut ausgeschlossen. Verson giebt an, dass etwa bis zur Mitte der Puppen- periode die doppelten Duetus ejaculatorii neben einander bleiben und, jeder für sich, blind gegen die Herold’sche Tasche en- digen (Zool. Anzeiger 18. Jhrg. pag. 407—411). In einen dem alten Castellet’s ähnlichen Irrthum sind auch diejenigen Experimentatoren verfallen, welche durch die verschiedenartige Ernährung von Raupen das Geschlecht der Schmetterlinge bestimmt zu haben glauben. Zuvörderst ist in derartigen Versuchen, und das gilt auch von solchen, die an Wirbelthieren angestellt wurden, nöthig, dass der Verlust an Versuchsobjecten während der Dauer des Versuchs gleich Null oder doch im Vergleich zur Gesammtzahl verschwindend klein sei. Dieser Forderung wird mit Ausnahme der an Rotatorien vorliegenden Ergebnisse nirgend Rechnung getragen. Sodann haben die Beobachtungen an Raupen den Fehler, dass das Ge- schlecht schon bestimmt ist, ehe die Versuche begonnen wurden. E. Bessels!) wies bei einigen Lepidopteren nach, dass man schon an dem noch von der Eischale umschlossenen Embryo das Geschlecht unterscheiden könne, indem bei Zeuzera aesculi, Li- paris dispar, einem unbekannten im September an Luzula maxima gefundenen Embryo, der Ausführungsgang beim weiblichen Ge- schlecht axial von der indifferenten Geschlechtsdrüsenanlage weiter verläuft, beim männlichen dagegen seitlich ansetzt. Nach Verson?) soll das Geschlecht bei Bombyx mori bald nach dem Ausschlüpfen der Larve erkennbar sein. Von Toyama°) eitire ich folgende Stelle: „Even in the first larval stage, where the sexual differentiation of germ cells is not yet to be noticed, the difference of the shape of sexual 1) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. 17, pag. 545. 2) Zool. Anzeiger 12. Jahrgang, pag. 100—103 u. La spermato- genesi nel Bombyx mori. Padova 1888. 3) Zool. Anzeiger 17. Jahrgang, pag. 20—24 u. Bull. Coll. Agrie. Univ. Tokyo. Vol. 2, pag. 125—157. ee Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 447 glands is to be seen; the male gland is kidney shaped while the female gland is triangular and smaller. Moreover, the vas deferens is formed on the inner side of the male gland, while the oviduet is attached to the outerside of the ovary.“ Die wichtigste und gleich der von Bessels am meisten für unsern Zweck beweisende Angabe geht auf die neueste Un- tersuchung von la Valette’s St. George zurück, da hier die Verschiedenheit von Hoden und Eierstock an Embryonen von Bombyx mori, die aus dem Ei herauspräparirt waren, deutlich zu erkennen ist (D. Arch. Bd. 50, pag. 756 u. 759 und Fig. 5 nebst Fig. 14 der beigegebenen Tafeln 39 u. 40). Das Geschlecht ist demgemäss, soweit dies bis jetzt untersucht wurde, bei den Raupen schon vor dem Auskriechen des Embryo bestimmt, und alle auf verschiedenartige Fütterung von Raupen basirten Schlüsse über die Bestimmung des Geschlechts beruhen auf falschen Vor- aussetzungen, sind Trugschlüsse. Für die gelegentlich erfolgreiche Parthenogenese bei Schmet- terlingen ist vor Allen von Siebold!) eingetreten. Seine Versuche an Bombyx mori gliedern sich in zwei Gruppen, je nachdem sie ganz oder nur theilweise von ihm angestellt worden sind. Von der ersten Art wird nur ein einziger Versuch mitge- theilt. Im Gelege sieben jungfräulicher Seidenspinner verfärbte sich ein gewisser, immerhin geringer Procentsatz von Eiern schiefergrau. Wie weit die Eier sich entwickelten, wird nicht an- gegeben. Raupen zum Auskriechen zu bringen, glang nicht; denn auch diese Eier wie alle gelb gebliebenen „verschrumpften und vertrockneten gänzlich, als das darauf folgende Frühjahr herangekommen war“ (pag. 130). Die übrigen Versuche, in denen einmal das Auskriechen von Raupen aus unbefruchteten Eiern beobachtet wurde, sind wissen- schaftlich nieht zu verwerthen, da die abgelegten Eier von An- deren Siebold übergeben worden waren, und der wichtigste Nachweis, dass es sich um Jungfernzeugung in diesen Versuchen handle — die genaue anatomische Untersuchung der benutzten Weibehen —, von Siebold nicht gemacht werden konnte. Um so mehr ist es zu bedauern, dass die Versuche der zweiten Gruppe nicht ganz durch Siebold von Anfang bis zu 1) 1. c. pag. 120. 448 M. Nussbaum: Ende mit all’ den Vorsichtsmaassregeln durchgeführt worden sind, die man ihrer grossen Bedeutung wegen fordern muss. Die Resultate der Versuche können richtig sein; bewiesen ist ihre Richtigkeit aber nicht. Aus den Siebold übergebenen, angeblich unbefruchteten Eiern des Bombyx mori gingen nämlich, wie sonst aus befruch- teten Eiern, sowohl männliche als weibliche Schmetterlinge her- vor. Unsere Anschauungen von der Bedeutung der Befruchtung für die Entstehung des Geschlechts müssten auf Grund einer solehen Beobachtung eine grosse Förderung enthalten. Wie Leydig schon vor Jahren betonte, würde sich die gänzliche Einflusslosigkeit der Befruchtung auf die Geschlechtsbildung er- geben, wenn bei derselben Species Männchen und Weibchen aus befruchteten und unbefruchteten Eiern hervorgehen könnten. In seiner Abhandlung „Der Eierstock und die Samentasche der Insecten* schliesst Leydig!) mit dem Satze: „Wenn wir sehen, dass bei Aphiden, Daphniden, Rotatorien Männchen unter dem Einfluss allgemeiner Ursachen, als da sind Nahrung, Wärme und Kälte, zum Vorschein kommen, so haben wir einstweilen wenigstens einen Anhaltspunkt zu der Vermnthung, dass die Differeneirung des Geschlechts auch in anderen Gruppen ähnlichen allgemeinen Einwirkungen unterworfen sein könne.“ Leydig stützt sich dabei auf die Versuche Kyber’s?) an Blattläusen, bei denen durch Nahrungsmangel das Auftreten der Männchen herbeigeführt werden konnte. Bei Rotatorien hatte Leydig des öfteren beobachtet, dass, wenn die Thiere einige Tage in reinem Wasser, das keine Nahrung darbot, gehalten würden, der Eierstock einschrumpft, die Körnermasse (Dotter) fast vollständig schwindet, die Keimflecke zu einfachen Körpern werden, und alle solche Individuen nur Wintereier produeiren. Leydig hat somit schon vor mehr als dreissig Jahren einen Standpunkt vertreten, der für die in Frage stehenden Thiere mit der Zeit sich als der richtige erwiesen hat. Wenn aber von Siebold's Versuche an Bombyx mori keinen sicheren Aufschluss darüber geben, ob parthenogenetische 1) Leydig, Nova acta Acad. Leopold. T. XXXIH. pag. 1865. 2) Kyber, Erfahrungen über Blattläuse. Germar’s Magazin der Entomologie 1813. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 449 Eier sich zu Raupen entwickeln können, und welches Geschlecht diese Raupen haben werden, so ist doch durch seine Versuche auf's Neue nachgewiesen worden, was vorher Herold beob- achtet hatte. Herold!) behauptete auf das Bestimmteste, dass die un- befruchteten Seidenspinnereier sich bis zu einem gewissen Grade entwickelten. Dagegen gelang es ihm nicht, Raupen zum Aus- kriechen zu bringen; wenn er auch während des Winters hin und wieder aus einem unbefruchteten Ei „einen Foetus hervorgezogen hatte“. Zutreffend sind seine Beschreibungen der Färbungsunter- schiede befruchteter und unbefruchteter Eier. Deutlich spricht sich Herold dahin aus, dass die in unbefruchteten Eiern ent- stehenden Räupchen nicht lebensfähig seien (l. e. Text zu Dab. VII.;5*). Somit ist eine gewisse Entwicklung unbefruchteter Eier, also das Vorkommen ächter Parthenogenese bei dem Seidenspinner wohl sicher. Es ist aber bis heute noch nicht festgestellt, ob die Raupen ausreifen und demgemäss auch nicht, welchem Ge- schlecht sie zugehören. Unter denjenigen Beobachtern, welche bestimmte Bedin- gungen für eine volle Entwicklung parthenogenetischer Eier des Bombyx mori erkannt zu haben glauben, gehört in erster Linie Barthelemy?). Bei seinen Versuchen fand dieser Autor, dass gelegentlich parthenogenetische Eier von Sommerzuchten in demselben Jahre auskriechende Raupen männlichen und weiblichen Geschlechts lieferten, dass dagegen die unbefruchteten Eier von Sommer- oder Herbstzuchten, sobald sie überwintert wurden, niemals ganz zur vollen Entwicklung gelangten. Dass aber hierin nicht der wahre Grund des Fehlschlagens so vieler anderer Experimente aufge- funden sein könne, führt schon von Siebold aus, indem er darauf hinweist, dass er selbst, sowie sein Mitarbeiter, der Se- minarlehrer Schmid, auch aus überwinterten und nach Angaben von Schmid unbefruchteten Eiern gelegentlich kräftige Raupen erhalten habe. Die Richtigkeit der von Barthelemy aufge- 1) M. Herold, Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der wirbellosen Thiere im Ei. Frankfurt 1838. 2) Annales des sciences naturelles T. 12. 1859, pag. 311. 450 M. Nussbaum: stellten Behauptung wird dadurch gewiss nicht gestützt; doch wäre es ungerecht, nicht gleichzeitig den eignen Ausspruch Barthelemy’s hier anzuführen (l. ec. pag. 312): „La parthenogenese se presente done chez le Bombyx mori A l’etat de simple aceident.“ Boursier!) berichtet, aus den im Sonnenschein gelegten unbefruchteten Eiern des Bombyx mori seien Raupen ausgekro- chen; die im Schatten gelegten Eier desselben unbegatteten Weibchen hätten sich nicht entwickelt. Diese Angaben gehören gleichfalls in die Gruppe der Versuche, welche die Auffindung günstiger Bedingungen für die erfolgreich durchgeführte Parthe- nogenese des Seidenspinners zum Vorwurf haben. Man wird nicht umhin können, sich den schon von Siebold ausgespro- cehenen Zweifeln?) anzuschliessen. In ähnlicher Weise hat Tiehomiro w unter dem Einfluss der Wärme, chemischer und mechanischer Reize an eben abge- legten parthenogenetischen Eiern von Bombyx mori experimentirt. Den Angaben Tiehomirow’s ist dann Verson?) mit folgender Erwiderung entgegengetreten: „Um Missverständnissen vorzubeugen halte ich es für an- gezeigt, darauf aufmerksam zu machen, dass diese sog. parthe- nogenetische Entwicklung bei der Seidenraupe nur bis zur Bil- dung der serösen Membran geht, uud dass eine weitere Ent- wicklung des kaum angedeuteten Keimstreifens bei den unbe- fruchteten Eiern weder mit, noch ohne mechanische und chemische Beizung stattfindet. Von einer wirklichen parthenogenetischen Brut kann beim Seidenspinner überhaupt gar keine Rede sein, wie ich nach 20jähriger Erfahrung mit Bestätigung meiner ersten diesbezüg- lichen Versuche (Annuario della Stazione Bacologieca I) wohl behaupten darf; und die gegentheiligen Angaben von Barthe- lemy, von Jourdan, von Gasparinu.A., welche von Sie- bold in seinen Beiträgen zur Parthenogenesis der Arthropoden anführt, sind vollständig aus der Luft gegriffen.“ In seinen Beiträgen zur Parthenogenese der Arthropoden 1) Comptes rendus 1847. 2) l. c. pag. 126. 3) Zool. Anz. Bd. XI. 1888, pag. 263. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 451 berichtet von Siebold aber auch über Versuche, die er selbst und zum Theil selbst angestellt hat; dieselben würden also ebenso von Verson beurtheilt werden. Trotz dieses Angriffes von Seiten Verson's bleibt A. Ti- cehomirow dabei, dass nicht allein die von Verson aufge- zählten Beobachter, sondern er selbst und noch verschiedene an- dere wahre Parthenogenese bei dem Seidenspinner nachgewiesen und Räupchen aus den unbefruchteten Eiern erhalten hätten. Derselbe Autor hat nach Eintauchen unbefruchteter Eier von Bombyx mori in Wasser von 45° C. 65°/, sich entwickeln sehen). Wie viel Procent ohne Eintauchen erhalten worden, ist nicht an- gegeben. Wie lange das Eintauchen dauerte, ebenfalls nicht. Da ich mich selbst ausser mit der Parthenogenese bei Bombyx mori auch mit der bei Liparis dispar beschäftigt habe, so verweise ich mit Bezug auf die älteren Versuche auf von Siebold’s?) Bericht und führe hier nur die Versuche P lat- ner’s?) an, über die leider zur eine vorläufige Mittheilung bis jetzt gegeben wurde. Diese Versuche verdienen nach meiner Ueberzeugung die vollste Beachtung, da Platner zur Zeit, als er sie anstellte, unbedingt unter die ersten lebenden Histologen gezählt werden musste. Nach Platner soll das unbefruchtete Ei des Schwamm- spinners gleich wie das befruchtete zwei Richtungskörper bilden. Er wandte sich diesem Objekt zu, nachdem er aus den Winter- eiern von fünf unbefruchteten Weibchen zahlreiche Räupchen gezogen hatte, die munter weiter gediehen. Das Geschlecht der Raupen hat Platner durch ein Versehen bei der weiteren Aufzucht nicht bestimmen können, da die betreffenden Raupen irrthümlich mit anderen zusammengebracht wurden. Weitere Mit- theilungen Platner’s liegen nicht vor. Was die Bildung des zweiten Richtungskörpers im Ei an- langt, so hat man grossen Werth auf den Nachweis gelegt, dass die Zahl der färbbaren Elemente des Kernes bei der Bildung des zweiten Richtungskörpers halbirt werde. Trifft dies überall gesetzmässig zu, so muss im Leibe derjenigen Embryonen, welche 1) Biol. Centralbl. 1890, pag. 424. 2) Wahre Parthenogenesis, pag. 131. 3) Biologisches Centralblatt 8. Bd. 1888, pag. 521—524. 452 M. Nussbaum: nach Abspaltung eines zweiten Richtungskörpers sich partheno- genetisch entwiekeln können, unbekümmert um ihr Geschlecht zu irgend einer Zeit der Entwicklung eine Verdopplung der ehromatischen Kernfäden auftreten, da nicht allein bei der Reifung des Eies mit Bildung von zwei Richtungskörpern, son- dern auch, wie Platner zuerst beobachtete, im Laufe der Spermatogenese eine Halbirung in der Zahl der färbbaren Kern- fäden Platz greift. Würde die Wiederherstellung der typischen Zahl beispielsweise im unbefruchteten Drohnenei nicht geschehen, so müssten alle Spermatiden nur durch einfache und nicht durch Reductionstheilung gebildet werden. Unterläge ihre Bildung dem allgemeinen Gesetz, was doch wohl erwartet werden darf, so könnte der Samenkern schliesslich nur die Hälfte der Fäden wie der Eikern enthalten und auch das aus dem befruchteten Ei gebildete Weibehen müsste dabei zu kurz kommen. Somit muss für die Halbirung während der Richtungskörperbildung auch im männlichen Embryo ein Ausgleich vorgesehen sein, wie er in der Anlage der weiblichen Biene in der Vereinigung zweier auf die Hälfte der ursprünglichen Zahl reducirten Elemente durch die Befruchtung gegeben ist. Auch die neueren Beobachtungen van der Stricht’s!) über die Zahl der Chromosomen in dem zweiten Richtungskörper und dem Eikern des Thysanozooneies, die älteren über die verschiedenen Wandlungen der chromatischen Substanz des Ker- nes, von dem Auftreten eines einzigen Fadens bis zur Theilung in die freilich der Zahl nach constanten färbbaren Elemente, die Verschmelzung der an Zahl nach so verschiedenen Kernfäden, Schleifen oder Kugeln zu einem diehten Körper bei den Samen- elementen: dies Alles deutet darauf hin, dass die Reduction der Zahl der ehromatischen Elemente beim Ei- und Samenkern nur eine mechanische und keine dynamische Bedeutung haben könne. Die Spindel ist für eine bestimmte Zahl von Fäden einge- richtet; daher die Veränderung in der Zahl.der eopulirenden Elemente. Offenbar muss, soll die Zahl constant bleiben, in all den Fällen, wo sie bei dem Anheben der Entwicklung des befruchteten oder unbefruchteten Eies verdoppelt oder halbirt ist, nachträglich eine Correetur stattfinden, da sonst die Constanz der Zahl nicht denkbar wäre. 1) Archives de Biologie T. 15. 1897, pag. 367 sg. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 453 Gerstäcker hat in Bronn’s Classen und Ordnungen des Thierreiches Bd. V, Abth. 1, pag. 166 sechszehn, ©. Taschen- berg!) sogar zweiunddreissig Schmetterlingsarten aufgezählt, bei denen Parthenogenese beobachtet wurde. Auf eine nähere Prüfung dieser Angaben mit Ausnahme der oben besprochenen über Bombyx mori und Liparis dispar kann bier nicht einge- gangen werden. Unsere Auseinandersetzung wird sich weiter mit der Frage zu beschäftigen haben, was von den Autoren über die Gesetz- mässigkeit im Auftreten eines bestimmten Geschlechts bei den- jenigen Thieren ermittelt wurde, die sich durch befruchtete und unbefruchtete Eier zugleich fortpflanzen können. Soweit unsere augenblicklichen Kenntnisse reichen, ist bei Wirbelthieren zur Fortpflanzung der Art jedesmal Befruchtung nöthig. Die früher behauptete parthenogenetische Furchung des Frosch- und Hühnereies existirt nach Pflüger?) und Bar- furth?) nicht. Bei Barfurth ist auch eine ausführliche Be- sprechung der bezüglichen Literatur zu finden. Dem tieferen Eindringen in die Erkenntniss der Partheno- genese der Wirbellosen hat in erster Linie die Vermischung zweier, ganz von einander zu trennenden Erscheinungen hindernd im Wege gestanden. Man hätte die Erzeugung verschieden ge- stalteter Generationen und die Entwicklung verschiedenartig aus- gestatteter Eier (Subitan- und Dauereier) von der Untersuchung nach der Entstehung des Geschlechts trennen müssen, was aber nicht geschehen ist. Die Grundbedingung für die Entstehung des Geschlechts muss überall die gleiche sein, während das Auf- treten eines besseren Bewegungsapparates bei den fertigen Thieren, oder grössere Widerstandskraft der Eier nur gewissen Arten einen Schutz zu ihrer Erhaltung, eine Anpassungsfähigkeit an veränderte, schwierige Lebensverhältnisse gewähren, deren andere Arten nicht benöthigen. Während die Entstehung des Geschlechts eine universelle Erscheinung ist, so kommt den anderen, gleich- zeitig auftretenden Eigenschaften eine nur auf bestimmte Arten beschränkte Bedeutung zu. 1) Abhandlungen der naturf. Gesellschaft zu Halle Bd. XVII, pag. 367 mit umfangreichem Literaturverzeichniss. 2) Pflüger’s Archiv Bd. 29. 1882. 3) Archiv für Entwicklungsmechanik Bd. II., pag. 303, 189. 454 M. Nussbaum: Würde man aber auch das Beiwerk secundärer, wit der Entstehung des Geschlechts nicht in direetem Zusammenhang stehender Einrichtungen in den Hintergrund drängen, so sind die Angaben über das Auftreten eines bestimmten oder beider Ge- schlechter im Verlauf der Parthenogenese nicht sicher genug, in vielen Fällen geradezu einander widersprechend, so dass eine durchgreifende Gesetzmässigkeit daraus nicht abgeleitet werden kann. Dazu werden noch viele Vorarbeiten nöthig sein. Vielleicht hätte die weitere Entwicklung der ganzen Frage ein schnelleres Tempo angenommen, wenn der richtigen Auffas- sung Leydig’s sich Leuekart und Siebold nicht im Anfang entgegengestellt hätten. Jetzt nimmt man allgemein an, dass die parthenogenetische Entwicklung vom Ei ihren Ausgang nimmt, wie es Leydig!) schon 1850 von der Entstehung der oviparen Blattläuse gelehrt hatte. Siebold, einer der berühmtesten Naturforscher, die sich je mit dieser Frage beschäftigt haben, gruppirte das Vorkommen der Parthenogenese nach dem Gesichtspunkt des gesetzmässigen Auftretens eines bestimmten Geschlechts bei der Jungfernzeugung verschiedener Arthropoden. Er fügte dem von Leuckart ein- geführten Begriff der Arrenotokie, den der Thelytokie hinzu, um zu bezeichnen, ob die Jungfernzeugung nur männliche oder nur weibliche Brut erziele. Um keinen Zweifel an der Auffassung Siebold’s aufkommen zu lassen, will ich die be- treffende Stelle hierhersetzen : „Obgleich noch viel zu wenig Beispiele von jungfräulicher Zeugung genauer geprüft worden sind, um die Frage zu ent- scheiden, welches Geschlecht die von jungfräulichen Müttern erzeugte Brut an sich trage, so wird man, wenn auch kein all- gemein gültiges Gesctz für die Parthenogenesis aus den bisher gewonnenen Resultaten hinstellen können, doch wenigstens soviel aus denselben als festgestellt betrachten dürfen, dass unter den Hymenopteren bei Apiden, Vespiden und Tenthrediniden männ- liche Brut und unter den Lepidopteren und Crustaceen bei Psychiden, Talaeporiden und Phyllopoden weibliche Brut durch parthenogenetische Fortpflanzung erzeugt werden kann.“ Dieser Zusammenstellung ist es nun, wie ich glaube, zum 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. II., pag. 62. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 455 grössten Theil beizumessen, weshalb die Vorstellung derjenigen verwirrt werden musste, die sich nicht selbständig mit dem Gegenstande beschäftigt haben. Denn die Parthenogenese der Apiden und der Psychiden ist keineswegs auf dieselbe Stufe zu stellen und von demselben Gesichtspunkte aus zu beurtheilen. Die Honigbiene und ihr verwandte Arten legen entweder unbe- fruchtete oder befruchtete Eier. Aus den unbefruchteten ent- stehen unabänderlich Männchen, aus den befruchteten Eiern ebenso gesetzmässig weibliche Nachkommen. Männchen und Weibehen sind immer gleichzeitig in einem Bienenstaate nöthig, weil sonst die Art ausstürbe. Eine Aufklärung über die Ursachen der Entstehung des Geschlechts ist hiermit nicht gegeben. Aber es sind doch immer dieselben Eier, die je nachdem sie befruchtet werden oder nicht, ein bestimmtes Geschlecht liefern. Dass auch Arbeiterinnen männliche Brut erzeugen, ist in Uebereinstimmung mit dieser Erscheinung. Denn die Arbeite- rinnen der Bienen und Wespen sind Weibchen, deren Generations- organe durch die besondere Art des Futters nicht ihre volle Ausbildung erhielten; sei es, dass die Eierstöcke degenerirten, oder dass nur die Missbildung der äusseren Geschlechtswerkzeuge eine Befruchtung der wohlentwickelten Eier unmöglich machte. Die Bienen und Wespen sind somit dadurch ausgezeichnet, dass gleichgeformte Eier von verschieden gestalteten Weibchen abge- setzt werden und dass diese Eier unbefruchtet sich zu Männchen, befruchtet aber zu Weibchen entwickeln. Man müsste freilich, um auch den zweiten Theil dieser Behauptung beweisen zu können, die Eier von Arbeitswespen befruchtet und Weibchen daraus gezogen haben. Das ist bis jetzt nicht geschehen; doch bleibt darum die Thatsache unan- fechtbar, dass die unbefruchteten Eier aller Bienen Männchen, und dass die befruchteten Eier der Königin Weibchen liefern. Was für unsern besondern Zweck sich aus dieser Erfahrung er- giebt, ist der Nachweis, dass unabhängig von der äusseren Form der Weibchen ein bestimmtes Geschlecht unter bestimmten Be- dingungen auftritt. Gerade bei der Frage nach der Entstehung des Geschlechts der Bienen hat der um die Förderung unserer Kenntnisse von der Parthenogenese so hochverdiente Zoologe Leuckart ein 456 M. Nussbaum: Moment eingeführt, welches unter dem Einfluss seiner Autorität von den Nachfolgern angenommen wurde, aber einer vereinfachten Uebersicht hemmend entgegentreten musste. Leucekart!) verwerthete die Umwandlung von Arbeits- bienen in Königinnen durch rechtzeitig dargereichtes Futter als ein Beispiel für die Entstehung des Geschlechts unter der Wir- kung äusserer Bedingungen. Das ist aber nicht angängig. Denn die Arbeiterinnen sind Weibehen wie die Königinnen. Das reiche Futter bringt nur bei der Königin die Geschlechtsorgane zur vollen Entfaltung, ähnlich wie vo m Rath) durch reiches Futter an Drohnen das umgekehrte Ergebniss erzielte. Die Drohnen erreichten zwar die doppelte, gewöhnliche Grösse, erlitten aber Hemmungsbildungen an Hoden und Copulationsorganen. Man kann somit an der Bienenlarve durch Variation des Futters das schon vorhandene Geschlecht nieht mehr ändern; man kann aus einer Drohne keine Königin und aus einer Königin oder Arbeiter- larve keine Drohne aufziehen. Wohl aber kann man durch Variation des Larvenfutters die angelegten Geschlechtsdrüsen und auch die Copulationsorgane zur besseren oder geringeren Entwicklung bringen. Auf die Entstehung des Geschlechts bleiben Einwirkungen während der Larvenperiode der Bienen erfolglos, da das Ge- schleeht schon vorher bestimmt ist. Ob der Hunger bei den Bienen einen geschlechtsregulirenden Einfluss habe, ist nicht nach- gewiesen; wirkt er auch hier, so muss er sich schon im Ei gel- tend machen. Es würde aber nur durch das Ausbleiben der Befruchtung ein Zustand mangelhafter Ernährung des Embryo hervorgerufen werden können, da die befruchteten Eier alle weib- liche Larven liefern. Fast man die Eigenthümlichkeiten im Auftreten der Parthenogenese bei den Bienen und Wespen zusammen, so er- giebt sich, dass 1. dieselbe Königin, d. h. ein ausgebildetes Weibchen, beide Geschlechter erzeugt, 2. dass die unbefruchteten Eier männliche, und die befruchteten Eier weibliche Brut liefern, 1) R. Leuekart, Zur Kenntniss des Generationswechsels und der Parthenogenese bei den Insekten. Frankfurt 1858. 2) Bericht d. Naturforschenden Gesellsch. zu Freiburg i. Br. Bd. 8. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 457 3. dass beide Geschlechter demgemäss zur Erhaltung der Art unbedingt nöthig sind, 4. dass die verkümmerten Weibehen nicht begattet werden können, und demgemäss aus ihren unbefruchteten Eiern nur Männchen entstehen, 5. dass die Parthenogenese nur Männchen liefert und dass 6. das Dauerei in der Bienencolonie keine Rolle spielt. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Rotatorien. Hydatina senta kann auf dem Wege der Parthenogenese männ- liche und weibliche Brut erzeugen. Ein Aussterben der Art wie bei den Bienen ist somit ausgeschlossen, selbst wenn unter den nöthigen äusseren Bedingungen die Parthenogenese eine Zeit lang die einzige Fortpflanzungsweise darstellt. Alle Weibchen der Hydatina senta, die Mütter der männlichen und der weiblichen Naclıkommen, haben dieselbe Form und Gestalt; es giebt keine ausgebildeten und verkümmerten Weibehen wie bei den Bienen. Die begatteten Weibchen erzeugen unter Umständen Dauereier. Sollte die Maupas’sche Hypothese von der Art der Entstehung der Dauereier völlig zu beweisen sein, so würde in einem Punkte die Entstehung des Geschlechts bei Bienen und Rotatorien Ueber- einstimmung zeigen. Es würde dann in beiden Thiergruppen durch Befruchtung derjenigen Eier, die parthenogenetisch Männ- chen geliefert hätten, Weibchen entstehen. Bei Rotatorien würde gleichzeitig die Form des Eies durch die Befruchtung abge- ändert werden, aus einem kleinen dünnschaligen männlichen Ei würde ein grosses hartschaliges Dauerei hervorgehen. Bei der Biene bleibt auch nach der Befruchtung Form und anfänglicher Inhalt des Eies unverändert, wie schon oben betont wurde. Die Besonderheiten in der Fortpflanzung der Rotatorien beständen somit darin, dass 1. jedes Weibehen parthenogenetisch nur ein Geschlecht erzeugt, 2. dass auf parthenogenetischem Wege beide Geschlechter entstehen, 3. dass die reifen Weibehen nur an ihrem Ovarium, nicht in der Leibesform verschieden sind, 4. dass aus den befruchteten Eiern unter Ausbildung einer Dauerform Weibehen auskriechen, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53. 30 458 M. Nussbaum: 5. dass zur Erhaltung der Art unter günstigen äusseren Bedin- gungen die Befruchtung nicht nöthig ist. Aehnlich wie die Rotatorien verhalten sich die Blattläuse. Als Beispiele mögen die Verhältnisse gelten, wie sie von der Reblaus, Phylloxera vastatrix bekannt sind. Die ungeflügelte Form der Weibchen legt bei genügender Ernährung, wie dies von Behr!) besonders hervorgehoben wurde, Eier, aus denen wieder ungeflügelte Weibehen auskriechen. Tritt Nahrungsmangel ein, so erscheint eine geflügelte, parthenogenetische Generation, die neben den Weibehen auch Männchen enthält. Aus den be- fruchteten Eiern dieser geflügelten Form gehen wieder unge- flügelte Weibchen hervor. Da die Blattläuse auch von der Ausbildung des befruch- tungsbedürftigen Dauereies Gebrauch machen wie die Rotatorien, um die durch den Hunger unterbrochene Jungfernzeugung wieder eintreten zu lassen, indem aus den Dauereiern nur Weibehen entstehen, so sind in diesem Punkte Rotatorien und Blattläuse einander gleich. Aber die Bildung dieser Dauereier selbst kann nur eine secundäre, von der Entstehung des Geschlechts unab- hängige Einrichtung sein, da die Erzeugung von weiblichen Nachkommen aus befruchteten Eiern weder bei der Biene, noch bei den meisten anderen Thieren an das Auftreten von Dauer- eiern gebunden ist. Die Entstehung von Dauereiern bei den Rotatorien ist verständlich aus der Lebensweise dieser Thiere, und die Widerstandsfähigkeit der Dauereier ist nur die weitere Fort- bildung einer auch den Sommereiern eignen Kraft. Den Rota- torien fehlen die Variationen der Leibesform, wie sie bei den Blattläusen zur Leistung ganz bestimmter Aufgaben, die mit der Entstehung des Geschlechts nichts zu thun haben, sich finden. Sieht man demgemäss von Leibes- und: Eiform ab, so ist den Bienen, Rotatorien und Blattläusen gemeinschaftlich, dass die befruchteten Eier dem weiblichen Geschlecht verfallen sind. Die Verschiedenheit besteht darin, dass die Bienen parthenogenetisch nur ein Geschleebt, und zwar das männliche, erzeugen können, Blatt- läuse und Rotatorien parthenogenetisch aber beide Geschlechter. Blattläuse und Rotatorien sind bis jetzt die einzigen Tbhiere, deren Geschlechtsverhältnisse während der Parthenogenese durch äussere Einwirkungen regulirt werden können. Für die Rota- 1) Zoe, Vol. II, Nr. 4, January 12, 1892. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 459 torien habe ich an Hydatina eine grosse Reihe soleher Einwir- kungen dahin zusammenfassen können, dass alle Hunger in der Colonie erzeugen. Das Auftreten der Männchen wird demgemäss einem Mangel an Ernährung verdankt. Eine Bespreehung der Angaben über Geschlechtsbestim- mungen an befruchteten Eiern gehört nicht hierher und könnte vor der Hand auch zu keinem Ergebnis führen. Aber auch die Geschlechtsverhältnisse parthenogenetisch erzeugter Junge von einer grossen Zahl wirbelloser Thiere sind zur Zeit so wenig bekannt, dass ein vereinfachter Ueberblick über das ganze Gebiet noch nieht möglich ist. So sind die Geschlechtsverhältnisse der Sackträgerschmet- terlinge durch das vorliegende Beobaehtungsmaterial keineswegs aufgeklärt. Denn wenn eine lange Reihe parthenogenetisch erzeugter Weibchen die Art fortpflanzt und während dieser Zeit kein einziges Männchen sich findet, so müssen, um die Zeit, wann Männchen gefunden werden, auch diese durch Partheno- genese entstanden sein. Dann würde sich die Fortpflanzung dieser Arten der ächt parthenogenetischen der Rotatorien an- schliessen. Aus befruchteten Eiern der Psychiden wollen die Beobachter bald nur Weibchen, bald beide Geschlechter!) ge- züchtet haben. Wie unsicher aber die Feststellung stattgehabter Begattung für eine stattfindende Befruchtung ist, möchte auch ohne das Thierexperiment wohl hinreichend bekannt sein. Nur die histologische Untersuchung des Eies selbst kann hier die Frage der vollzogenen Befruchtung entscheiden (vergl. d. Arch. Bd. 49, pag. 305). Wir wissen also über die Geschlechtsbildung in befruchteten Psychidenweibchen nichts Sicheres. In der soeben eitirten Schrift betont pag. 142 Siebold, wie wichtig es wäre, die Brut einer zweigeschlechtlichen Generation von Cochlophora helix bis zur völligen Entwicklung der vollkommenen Schmetter- linge zu erzielen. „Jedenfalls wird daduch die wichtige Frage gelöst werden können, ob die aus befruchteten Eiern der Coch- loplhora helix erzogenen Raupen sämmtlich oder nur’zum Theil als männliche Individuen ausschlüpfen werden.“ Für andere Wirbellose werden dagegen von anderen Autoren ganz bestimmte Angaben gemacht, so dass es nöthig sein wird 1) Vergl. Siebold, Beiträge, pag. 148 u. 149. 460 M. Nussbaum: zu zeigen, wie in die Literatur über unseren Gegenstand positive Behauptungen eindringen, die späterhin als bewiesene Thatsachen weiter geführt werden, ohne dass aber in den vorliegenden Beob- achtungen ein wirklicher Beweis zu finden ist. So sagt Taschenberg (l. c. pag. 394): „Durch Siebold ist die thelytoke Parthenogenese bei Apus über jeden Zweifel erhoben worden. Später (1872) stellte Brauer fest, dass aus den befruchteten Apus-Eiern Männ- chen hervorgehen.“ ; Die folgende Darlegung wird zeigen, dass Brauer nach dem Zusammenbringen von Männchen und Weibehen aus den im Schlamm abgesetzten Eiern Männchen und Weibehen zog und, um die von Siebold vertretene Ansicht zu stützen, die Hypo- these machte, es seien bei seinen Versuchen wohl nicht alle Eier befruchtet worden. Fr. Brauer!) hat Liebesspiele eines Männchen mit un- gefähr zwanzig Weibchen von Apus cancriformis beobachtet. Die Annäherung an das Weibchen erfolgte aber in einer anderen Form, als sie von Kozubowsky?°), dem Entdecker der Männ- chen dieses Phyllopoden, beschrieben wurde. Da der Befruchtungs- vorgang selbst, das Eindringen der Samenzellen und ihre Ver- änderung im Ei, weder von vonSiebold, noch Kozubowsky, noch von Brauer beobachtet wurde, so sind die Angaben über das Geschlecht der von angeblich begatteten Weibchen abge- legten Eier nicht verwerthbar. In Brauer ’s Versuchen fanden sich in dem getrockneten Schlamm des Aquarium, worin drei Tage lang ein Männchen und elf Weibchen gelebt hatten, Eier, die bei der späteren Aufzucht 12 Männchen und 5 Weibchen lieferteu. Nachdem diese Thiere ihre Geschlechtsreife erlangt und zehn Tage in dem Aquarium zusammengeblieben waren, lieferte der Aufguss des neuerdings getrockneten Schlammes zwei Männchen und acht Weibehen. Dazu macht Brauer dann die Bemerkung: „Dass bei diesen Versuchen stets beide Geschlechter erschienen, darf wohl nicht auffallen, da nicht anzunehmen ist, dass alle Eier bei der grossen Zahl und der fortwährenden Bil- dung desselben befruchtet werden“ — —. Die Zulässigkeit dieses 1) Sitz.-Ber. d. Acad. zu Wien, 65. Bd., pag. 279. 1879, 2) Wiegmann'’s Archiv Bd. 1, pag. 312. 1857. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 461 Schlusses wird nicht durch den anderen Versuch nachgewiesen, worin entsprechend den Erfahrungen älterer Experimentatoren ein isolirt aufgezogenes Weibchen nur neun, und ein abermaliges Troeknen und Aufgiessen des Schlammes einen weiblichen Apus als dritte Generation lieferte. Wenn in diesen Versuchen sehr viele Eier sich nicht entwickelten, so wird dadurch ebenfalls seine Beweiskraft vermindert. Ehe man also etwas Gewisses über das Geschlecht der aus befruchteten Eiern des Apus eaneriformis gebildeten Brut aussagen könnte, müssten neue Versuche unter den entsprechenden Controlmaassregeln ausgeführt worden sein. Während also das Vorkommen der Parthenogenese bei den Phyllopoden namentlich durch die Versuche Schaeffer’s, Siebold’s und durch den zuletzt ausgeführten Versuch Brauer’s sicher nachgewiesen ist, so steht eine sichere Aufklärung über die Geschleehtsverhältnisse der aus unbefruchteten und befruch- teten Eiern hervorgegangenen Brut noch aus. Wir kennen somit bis jetzt mit befriedigender Gewissheit nur die Gesetzmässigkeit im Auftreten des Geschlechts bei den Bienen und Wespen, den Rotatorien, den Blattläusen und den Polypen und können durch äussere Einwirkung das Geschlecht bei diesen Thieren bestimmen. Meine jüngste Veröffentlichung über Hydatina senta hat trotz der beigefügten Ergebnisse zahl- reicher Einzelversuche die Meinung, das Auftreten der parthe- nogenetischen und befruchtungsbedürftigen Generationen sei an bestimmte Cyclen gebunden, nicht beseitigen können. Die An- nahme solcher Cyelen ist aber unzulässig, wenn es gelingt, durch den Versuch zu jeder Zeit nach Belieben die gewollte Vermehrungsform einzuleiten, Männchen und Weibchen durch Variation der Versuchsbedingungen zu erzeugen. Man hat seit Weismann!) das Auftreten der Geschlechts- generationen bei manchen niederen Krebsen als an einen be- stimmten Cyclus gebunden erklärt. Für dieselbe Deutung der Geschlechtsverhältnisse bei den Rotatorien ist vor Kurzem auch Lauterborn?) eingetreten. Gewiss wird sich in der freien Natur dieser Cyelus ausge- 1) Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. Leipzig, W. Engelmann, 1876—1879. 2) Biolog. Centralbl. Bd. XVIII, pag. 173. 1898. 462 M. Nussbaum: bildet haben, wie viele Pflanzen bei uns nur im Sommer grünen und blühen. Die Entstehung des Cycelus ist aber an äussere Be- dingungen geknüpft. Wenn ich daher für die Grundursache der Entstehung des männlichen Geschlechts bei den Räderthieren den Hunger verantwortlich machte, so habe ich in meiner Ab- handlung hinlänglich betont, dass die Räderthiere hungern, wenn sie, wie Maupas gefunden hat, unter dem Einflusse der. gestei- gerten Temperatur Männchen bilden. Sie hungern aber auch, wenn sie gegen den Herbst oder im Frühjahr Männchen erzeugen, da auch um diese Zeit trotz der fallenden Temperatur der Hunger die wahre Ursache der Geschlechtsdifferenzirung ist. So werden sich in der freien Natur unter feststehenden äusseren Bedingungen sehr wohl Cyelen ausbilden können, die sogar der Eintheilung des Jahres in die Jahreszeiten folgen, ohne dass dem Hunger, dem Grundregulatur des Geschlechts, bei den parthenogenetisch erzeugten Räderthieren der maassgebende Einfluss fehlte. Denn es ist möglich, durch das Experiment zu zeigen, dass zu jeder beliebigen Zeit, bei den verschiedenartigsten Temperaturen immer nur dann Männchen erscheinen, wenn Hunger in der Colonie auftritt. Wären die Cycelen nicht an die äusseren Verhältnisse ge- bunden, so gäbe es keinen Grund für ihr Bestehen. Würden aber die auf unserer Erde den grössten Schwankungen unter- worfenen äusseren Verhältnisse nicht einen einfachen, sich stets gleichbleibenden Factor erzeugen und in die Rechnung einstellen, wie für unsern Fall den Hunger, so wäre die Anpassungsfähig- keit an die äusseren Verhältnisse nicht möglich. ‚Kein Rotator könnte bei gleichbleibender, bei ansteigender oder abfallender Temperatur gleichmässig gezwungen werden, männliche Brut oder Dauereier statt der weiblichen Subitaneier zu liefern. Das Experiment lehrt, dass der Hunger auf verschiedene Weise erzeugt werden kann: die Verhältnisse in der freien Natur sind so geordnet, dass der Hunger nur zu gewissen Zeiten als Begleiterscheinung einer augenfälligen Veränderung auftritt. Da- her im Experiment Fehlen, in der freien Natur das Vorhandensein von Cyclen. Bei den Polypen konnte ich zu jeder Zeit, an demselben Thier mehrmals im Jahre, Geschlechtsproducte erzeugen. Die Autoren geben verschiedene Jahreszeiten für das Auftreten der- Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 463 selben an. Schon aus diesem Umstande allein wäre, auch ohne die Bestätigung durch das Experiment der Schluss gerechtfertigt: die Bedingungen für die Fructifieation der Polypen treten zu verschiedenen Zeiten ein. Sie sind aber auch in Fällen, wo die Beobachter auf Veränderungen der Wassermenge, der Jahreszeit geachtet haben, durch diese Veränderungen erst geschaffen worden. So verhält es sich auch mit den Cyelen der Blattläuse. Für gewöhnlich treten gegen den Herbst die Männchen auf, nachdem im Sommer nur Weibehen vorhanden waren und die Art parthe- nogenetisch fortpflanzten. Das ist also ein ausgesprochener Öyelus. Da aber schon die älteren Experimentatoren viele Jahre lang durch gutes Futter das Erscheinen der männlichen Blattläuse bei ihren Versuchen hindern konnten, so sind die in der Natur beobachteten Cyelen nur der Ausdruck, dass in der Natur bei uns gewöhnlich im Herbst Futtermangel für die Blattläuse ein- tritt, und die parthenogenetische Generation der befruchtungs- bedürftigen weichen muss. Die Cyelen sind demgemäss nichts anderes, als der Ausdruck dafür, dass die Bedingungen für das Erscheinen der Männchen für bestimmte Arten an bestimmten Orten nur zu gewissen Zeiten eintreten. Die Ermittelung der Zeit, wann ein einfaches und bequem einzuführendes Agens das Geschlecht bestimme, schien mir bei den Rotatorien so weit gefördert, dass ich einige meiner Schüler mit der Aufgabe betraute, die Veränderungen in den Ovarien während dieser Phase der Entwieklung zu studiren. Die Resul- tate dieser Untersuchung werden an einer anderen Stelle ver- öffentlicht werden. Es lässt sich nun leicht einsehen, dass wenn es auch gelungen wäre, den gesuchten cellularen Ausdruck für die Geschlechtsdifferenzirung aufzufinden, man ihn bei anderen Ge- schöpfen nicht immer in derselben Phase der Entwicklung er- warten dürfe. Man hat sich gewöhnt, den Eintritt der Geschlechtsreife auf verschiedenen Entwicklungsstufen der Organismen als etwas durchaus Bekanntes hinzunehmen. Bei Pflanzen und Thieren, auch bei verwandten Species, ist dieses Ereigniss an so verschie- dene Punkte der Entwicklung verlegt, dass es dadurch wohl ver- ständlich sein dürfte, wenn auch die Differenzirung des Geschlechts nieht überall an dieselbe Periode geknüpft ist. Das erschwert 464 M. Nussbaum: natürlich ein schnelles Vordringen auf diesem Gebiet, weil für jede naturwissenschaftliche Untersuchung die Kenntniss der Zeit, wann eine bestimmte Veränderung auftritt, unerlässlich ist. Hier wird sie aber in gewiss vielen Fällen nicht aus der Analogie festgestellt, sondern erst aus der Verbindung des Experiments mit mühsamen histologisch-embryologischen Versuchen erkannt werden können. Bei dem grauen Polypen des süssen Wassers kann das Ge- schlecht, wie ich gezeigt habe, am fertigen Thier durch Variation der äusseren Bedingungen abgeändert werden. Je nach dem Grade der Ermährung erzeugt derselbe Polyp Eier oder Hoden. Die Entstehung des Geschlechts ist also in eine Zeit verlegt, wo bei höheren Thieren eine Abänderung des einmal ausgebildeten Geschlechts wohl von Niemandem versucht werden dürfte. Die histologischen Vorgänge, welche zur Differenzirung des Geschlechts führen, müssen sich demgemäss bei der Hydra grisea im Beginn jeder zur Bildung von Geschlechtsproducten führenden Periode wiederholen. Bei den Bienen liefert jedes unbefruchtete Ei ein männ- liches, jedes befruchtete Ei ein weibliches Individuum; es muss daher die Periode der Geschlechtsdifferenzirung in der Zeit nach der Befruchtung des Eies fallen. Das Geschlecht selbst ist an der eben ausgekrochenen Larve nicht mehr abzuändern. Während aber bei den Wirbellosen wie auch bei den Wirbelthieren immer nur das Geschlecht eines in der Entwicklung begriffenen Individuum bestimmt wird, so ist bei den Räder- thieren die Zeit der Geschlechtsbestimmung soweit zurückverlegt, dass nicht das Geschlecht einer heranwachsenden, sondern das der folgenden Generation zu einer gewissen Periode der Ent- wicklung sich entscheidet. Ich konnte im Gegensatz zu Maupas, der das Geschlecht der Enkel im Ovarium der Grossmütter ent- stehen lässt, zeigen, dass nur das Geschlecht der nächsten und nicht der zweitnächsten Generation jedesmal in den Ovarien der heranwachsenden Weibchen festgestellt wird. Füttert man ein junges Weibehen von Hydatina senta gut, so liefert es später zur Zeit der Geschlechtsreife nur weibliche Nachkommen; wird es kurze Zeit, nachdem es das Ei verlassen hat, mangelhaft er- nährt, so sind alle seine Nachkommen männliche, sobald keine erfolgreiche Befruchtung stattgefunden hat. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 465 Würde somit, wie das zu erwarten ist, die Differenzirung des Geschlechts in einem histologisch erkennbaren Vorgang be- stehen, so würden die sichtbaren Zeichen dieses Vorganges sicher zu verschiedenen Zeiten gefunden werden. Genau so, wie bei dieser Species reife Eier und reife Samenkörper schon bei Larven ausgebildet sind und bei anderen erst zu verschiedenen Zeiten nach vollendeter Ausbildung der übrigen Organe. Genau so wie die gleichen zur vollen Reife der Geschlechtsproduete führenden Theilungsvorgänge beim Ei und beim Samenkörper zu verschiedenen Zeiten auftreten. Die Richtungskörperbildung beginnt bei den Eiern im Ovarium und ist bei manchen Species vor dem Eindringen der Samenzelle zur Zeit der Befruchtung beendet, während in anderen Eiern der zweite Richtungskörper vom Ei erst nach dem Eintritt der männlichen Zelle abgeschieden wird. Die homologen Theilungsvorgänge an den Samenzellen sind im Gegensatz zu dem zeitlich so weit hinausgerückten Auf- treten im Ei schon längst vorüber, ehe die Samenkörper ihre definitive Gestalt und völlige Reife erlangt haben. Aus diesem Grunde nahm ich die alten Versuche über die Parthenogenese bei den Schmetterlingen wieder auf, mit der Ab- sicht, die Angaben meiner Vorgänger zu prüfen und einer etwa vorhandenen Gesetzmässigkeit im Auftreten des Geschlechts bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern nachzugehen. Der letzte Punkt schien deshalb von der grössten Wichtigkeit, weil nach den vorliegenden Angaben sowohl aus befruchteten als auch aus unbefruehteten Eiern vieler Schmetterlinge ebensowohl Männchen als Weibchen sich bilden sollten. Während demge- mäss bei Bienen, Rotatorien und Blattläusen der Einfluss der Befruchtung, wenn auch in vorläufig unerklärter Weise, geschlecht- bestimmend wirkt, würde bei den Schmetterlingen nach den vor- liegenden Angaben die Befruchtung für die Entstehung des Ge- schlechts bedeutungslos sein, und es würden aus einem Vergleich der befruchteten und unbefruchteten Eier Vergleichspunkte ge- wonnen werden können, die bei den Rotatorien nicht aufzufinden sein dürften. Eigene Beobachtungen. Bei der Anstellung der Versuche hat man der Natur der Sache gemäss eine Reihe von Sicherheitsmaassregeln zu treffen, um Täuschungen auszuschliessen. 466 M. Nussbaum: Selbstverständlich muss jede einzelne Puppe, oder, wenn es sich um Cocons handelt, je ein Cocon in einen besonderen verschliessbaren Kasten gebracht werden, der gut gelüftet und von Unbefugten nicht geöffnet werden kann. Trotz aller, oft sehr bestimmt lautenden Angaben kann man einem Cocon nicht immer das Geschlecht des auskriechenden Schmetterlinges vorher ansehen. Da oft zwei Thiere in einem Cocon liegen, die auch verschiedenen Geschlechts sein können, so muss der Cocon nach dem Auskriechen des Schmetterlings untersucht werden, ob er nur eine Puppenhülse enthält. Nach der Eiablage muss jedes zu einem Versuch benutzte Weibehen auf den Inhalt von Samen- und Begattungstasche unter- sucht werden. Nach obigen Regeln sind alle meine Versuche angestellt worden, so dass ich auf das Bestimmteste versichern kann, dass die zu den Versuchen benutzten Weibehen in der That unbe- fruchtete Eier gelegt haben, wenn sie nieht absichtlich später oder von Anfang an zur Paarung zugelassen wurden. Die Art, wie ein unbegattetes Weibchen seine Eier legt, ist schon an und für sich so characteristisch und von der begatteter Weibchen so verschieden, dass der Unterschied im Gelege als ein Zeichen für voraufgegangene oder fehlende Begattung ver- werthet werden kann. Man wird aber dieses Zeichen keineswegs zu den untrüglichen zählen dürfen. Die Schwammspinner, bei denen je nach der Angabe der Autoren ebenfalls Parthenogenese vorkommen soll, legen, wenn sie unbegattet bleiben, wie Bombyx mori unregelmässig und in grösseren Zwischenräumen, so dass die typische Form der Eier- schwämme nicht zu Stande kommt. Der Schwamm von Porthesia chrysorhoea ist länglich, zungen- förmig. Bleiben die Weibchen unbefruchtet, so verstreuen die Thiere die Eier einzeln, hüllen sie schlecht in die ausgerupften Wollhaare ein oder machen kleine, in der Form atypische Schwämme. Dasselbe gilt von dem Schwamm der Liparis dispar, dessen typische Schildform bei einem unbegatteten Weib- chen gleichfalls nicht zu Stande kommt. 3ombyx mori legt auf einem glatten Papier als Unterlage nach der Begattung alle, oder fast alle Eier in einem Tage und in einem einschichtigen Haufen ab. Man sieht an den in Reihen Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 467 angeordneten und auf der Unterlage festgeklebten Eiern eine gewisse Methodik der Eiablage, vielleicht um jedem derselben Luft und Licht zu sichern. Das Gelege eines unbegatteten Weib- chen ist nicht zusammenhängend; hier ein Häufchen, dort ein anderes, wie wenn das Thier in den langgezogenen Pausen noch die Gelegenheit zur Paarung abwarten wollte. Vor dem Legen hebt das unbegattete Weibehen den Hinter- leib fast um 45° gegen die Unterlage in die Höhe und schiebt die bis dahin verdeckten, letzten, nicht ganz behaarten Leibes- segmente vor. An den beiden Seiten dieser letzten Segmente erscheint je eine prall, mit gelblicher Flüssigkeit sich füllende Blase, die, sobald das Postabdomen der Unterlage wieder ge- nähert wird, durch eine quer gestellte Einschnürung sich ein- buchtet. Mit der völligen Senkung des Hinterleibes werden die Blasen ganz eingezogen, bei der Hebung wieder hervorgestossen. Endlich, wie nach langen Wehen, fährt das fingerförmige letzte Leibessegment wie tastend auf der Unterlage hin; die Blasen und nach ihnen die letzten Leibessegmente werden eingezogen und verschwinden in dem behaarten äussersten Theile des Post- abdomen; das Ei tritt hervor und haftet fest an der Unterlage, wo es durch das jedes Ei einhüllende Secret der Kittdrüsen an- geklebt wird. Gelegentlich kommt es vor, dass das Klebemittel der Kitt- drüsen nicht ausreicht und die letzten Eier nicht befestigt werden; sie rollen dann auf dem untergelegten Blatt umher, während normal befestigte Eischalen auch nach dem Auskriechen der Räupchen noch fest an der Stelle haften, wo sie zuerst ab- gesetzt worden waren. Den Bericht über meine Versuche lasse ich hier folgen. A. Bombyx mori. 1. Ein grosser Cocon wird am 8. Juli 1897 in ein ver- schliessbares Kästchen aus Zinkboden und feinmaschigen Draht- geflechtwänden gebracht. Am 20. Juli kriecht ein weiblicher Schmetterling aus dem Cocon, fängt am 21. Juli an zu legen; am folgenden Tage sind erst 20 Eier abgesetzt; am 23. Juli und an den darauffolgenden Tagen setzt das Weibchen das Lege- geschäft fort und verendet am 3. August. Von den abgesetzten 257 Eiern sind am 3. August 2 Stück grau und 3 Stück ge- 468 M. Nussbaum: sprenkelt. Die übrigen Eier sind noch gelb; alle zeigen die cen- trale Delle. Der Cocon enthält eine leere Puppenhülle. Begat- tungs- und Samentasche des Weibchens sind frei von Samen- fäden. Die Eier werden am 10. August auf dem mit den nöthigen Notizen versehenen, breit zusammengerollten und verschnürten Papier in einen frostfreien Keller gebracht, wo auch die später gewonnenen Eier überwinterten. Als die Eier am 6. Juni 1898 wieder in mein Arbeitszimmer gebracht wurden, waren einige wenige noch gelb, die übrigen bei auffallendem Licht rosa schimmernd; schräg beleuchtet dagegen schmutzig-grau. Ausgekrochen 0°/,. 2. Dem am 8. Juli unter Verschluss genommenen Cocon entschlüpft am 22. Juli ein weiblicher Schmetterling, der bis zum 24. Juli 7 Uhr Morgens 125 Stück Eier gelegt hat. Nachdem die auf dem untergelegten glatten Papier haftenden Eier (Por- tion a) entfernt sind, wird der Schmetterling auf ein neues Blatt Papier mit einem in der Nacht zum 24. Juli ausgekrochenen Männchen zusammengebracht und wieder unter Verschluss genom- men. Die Copula beginnt sofort und wird öfters wiederholt. Die abgelegten Eier (Portion b) werden entfernt, und die in Copu- lation befindlichen Schmetterlinge am 26. Juli 11 Uhr Morgens auf einem nenen Blatt Papier wieder in den verschliessbaren Kasten gebracht. Um 6 Uhr Abends sind die Schmetterlinge getrennt; das Weibehen hat wieder Eier gelegt. Am 27. Juli Morgens 7 Uhr sind die Schmetterlinge wieder in Copulation, die um 8 Uhr gelöst und bis zu dem am 30. Juli erfolgten Tode des Männchen nicht mehr wiederholt wird. Das am 31. Juli getödtete Weibehen hat gänzlich leere Eierstöcke; seine Begattungs- und Samentasche sind mit Spermatozoen erfüllt. Der Cocon enthält nur eine Puppenhülle. Die abgelegten Eier, Por- tion e, werden am 10. August 1897 mit der Portion b in den Keller gebracht und dort bis zum nächsten Frühjahr bei einer Temperatur von ungefähr 7° C. aufbewahrt. Die Eier verhielten sich folgendermaassen. Portion a enthielt 125 Stück. Die Eier zeigten vom 26. Juli an eine eentrale Delle, blieben ohne Ausnahme gelb. Am 10. August wurden alle mit Ausnahme von 3 Stück in Wasser von 45° C. getaucht. Am 26. August waren alle Eier gelb und hatten eine Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 469 centrale Delle. Eine Entwicklung trat nicht ein. Im Tag und Nacht geheizten Zimmer überwinterten sie und fingen Mitte April 1898 an zu vertrocknen. Ausgekrochen O°/,. Portion b zählte 104 Eier, die bis zum 28. Juli fast alle grau gefärbt waren; nur 3 Eier blieben gelb. Nach der Ueber- winterung bei einer Temperatur von 7° C. krochen von den auf dem Blatte am 8. Juni vorhandenen 87 Stück Eiern 61 Stück aus, 26 jedoch nicht, obschon mit Ausnahme von 3 Eiern alle schön blau gefärbt waren und in gewöhnlicher Weise auf der Mitte der Oberfläche eine Vertiefung zeigten. 17 Eier müssen mangelhaft aufgeklebt gewesen und beim Verbringen in den Keller oder beim Heraufholen aus dem breit gerollten und verschnürten Papier verloren gegangen sein. Ausgekrochen 71°/, (bezogen auf den Rest von 87 Stück). Portion e nicht genau gezählt; in den Notizen auf ungefähr 100 geschätzt. Am 3. August sind nur 23 Eier gelb, 3 leicht gesprenkelt. Die Eier werden wie Portion b überwintert. Bei dieser Portion muss die Anheftung der Eier noch mangelhafter gewesen sein als bei Portion b, da im Juni 1898 nur 21 Stück blaugrauer Eier zurückgeblieben sind, aus denen 15 Raupen aus- kriechen. Ausgekrochen 70°/, (bezogen auf den Rest von 21 Stück). Während also von den unbefruchteten anfangs gelegten Eiern kein einziges zur Entwicklung kam, da alle Eier gelb blieben, entwickelten sich die nach der Begattung des Weibchen abgesetzten Eier zum grössten Theil. Von den 104 in Portion b enthaltenen blieb die Entwicklung nur bei 3, von dem Rest der in Portion e enthaltenen bei 26 Eiern aus. Zum Auskriechen kamen im Ganzen, obschon viele befruchtete Eier verloren gingen, 76 Stück. Die Zahl der ausgekrochenen Raupen lässt sich einfach aus der Veränderung der Eierschalen entnehmen. Entwickelte Eier sind blaugrau und haben eine centrale Delle. Beim Auskrichen benagt die Raupe eine Langseite der Schale, die als weisses plattes Oval mit schwarz berändertem, an einer Längsseite befindlichem Loch auf der Unterlage festgeheftet bleibt; die in den ersten Tagen nach der Eiablage an der Schalenoberfläche sichtbar gewordene Delle bleibt erhalten. Un- entwickelte Eier vertrocknen zu unregelmässig gestalteten Näpf- 470 M. Nussbaum: chen. Man kann die Beweisstücke der Versuche demgemäss wie ächte Akten und ohne grosse Mühe aufbewahren. 3. Wie sich erst im Verlauf des Versuchs ergab, enthielt dieser dritte in einen verschliessbaren Kasten verbrachte Cocon zwei Schmetterlinge. Die Art der Einspinnung ist in solchen Fällen nicht immer dieselbe. Oft liegen zwei Puppen in der Höhle eines einfachen Cocons; oft aber auch, wie in diesem Versuche, sind die Puppen durch eine Scheidewand von einander getrennt. Das Weibchen flog am 23. Juli aus, hatte bis zum Morgen des 24. Juli 9 Eier gelegt und war in Copula mit dem inzwischen aus der anderen Abtheilung des Cocons ausgekrochenen Männ- chen. Bis zum Morgen des 26. Juni hat das Weibchen seine Eier abgesetzt; es wird am 3. August getödtet und zeigt Eier- stöcke leer, Begattungs- und Samentasche von Samenfäden erfüllt. Von den gelegten Eiern sind am 3. August 1897 mit Aus- nahme von 40 Stück alle grau. Unter den 40 Eiern sind 32 gelb, 8 grau gesprenkelt. Nach dem Ueberwintern sind die Eier mit Ausnahme von 40 blaugrau. Nach dem 10. Juni 1895 sind 300 Raupen ausgekrochen und 66 Eier uneröffnet zurückgeblieben. Ausgekrochen 82°/,. 4. Das in dem verschliessbaren Kasten aus dem Cocon am 24. Juli ausgekrochene Weibehen legt bis zum Morgen des 26. Juni ungefähr 150 Eier; es stirbt am 28. Juli; in seinen Ei- röhren sind noch reife Eier mit der Schale vorhanden. Begat- tungs- und Samentasche sind leer. Der Cocon enthält nur eine Puppenhülle. Die Eier sind am 7. August 1897 gelb mit Aus- nahme von 7 grau gesprenkelten. Von den überwinterten Eiern wird kein einziges blaugrau. Ausgekrochen 0°/,. 5. Das vor dem Auskriechen aus dem Cocon isolirte Weib- chen legt vom 26. bis zum 29. Juli 1897 im Ganzen 41 Eier und wird dann getödtet. Die Eierstöcke sind rosenkranzartig mit gelben hartschaligen Eiern gefüllt; Begattungs- und Samentasche dagegen frei von Samenfäden. Von den gelegten und gleich den aus den anderen Versuchen überwinterten Eiern ist Keine einzige Raupe erzielt worden; kein einziges Ei war blaugrau geworden. Ausgekrochen 0°/,. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 471 6. Ein grosser Cocon wird am 9. Juli 1897 in einen luftigen, verschliessbaren Kasten gebracht. Der am 24. Juli ausgekrochene weibliche Seidenspinner hat bis zum 26. Juli 24 Eier gelegt. Um 10 Uhr Morgens wird er an demselben Tage unter Verschluss mit einem Männchen zusammengebracht. Die Begattung erfolgt sofort und ist am Abend 6 Uhr 30 Minuten noch nicht beendet. Am folgenden Morgen (27. Juli, 8 Uhr) sind die Schmetterlinge wieder vereinigt. Das Weibchen hat aber inzwischen 32 neue Eier abgesetzt. Auch am 28. Juli befinden sich die Thiere in Copulation. Inzwischen hat das Weibchen wieder einige Eier gelegt. Vom 29. Juli an ist eine weitere Copulation nicht beob- achtet worden. Nachdem das Weibchen im Ganzen etwa 380 Eier abgelegt hat, werden die Schmetterlinge am 30. Juli ge- tödtet. Die Eierstöcke des Weibchen sind leer, Begattungs- und Samentasche mit Sperma gefüllt. Von den überwinterten Eiern sind im Juni 1898 28 ver- trocknet. Ausgekrochen sind ungefähr 350 Raupen, zwei sind beim Auskriechen, noch halb in der Schale steckend, zu Grunde gegangen. Ausgekrochen 91°/,. Von der Gesammtsumme der gelegten Eier waren aber 24 unbefruchtet abgelegt worden. Diese hatten bis zum 3. August 1397 keine Entwicklung gezeigt, so dass der Verlust an befruch- teten Eiern, die bis zum 3. August 1897 schön grau gefärbt waren, verschwindend klein ist. 7. Dieser Versuch scheiterte daran, dass die Puppe im Cocon nicht zur Entwicklung kam und vor der Verwandlung abstarb. 8. Ein grosser Cocon wird isolirt und am 9. Juli 1897 in einen verschliessbaren Kasten gebracht. Da der Cocon am 3. August, also fast vier Wochen später, nicht weiter verändert war, als dass an einem Pole die Flüssigkeit durchsickerte, die sonst am Flugloch haftet, so wird der Cocon eröffnet. In einer einzigen Höhle liegen zwei Weibehen und abgelegte Eier. Einige Eier waren grau gesprenkelt, die meisten gelb. Ausgekrochen ist keine Raupe. Die folgenden Versuche sind im Laufe des Jahre 1898 angestellt worden, um die Angaben Tichomiroff’s über den Einfluss des Eintauchens in Wasser von 45° auf die Weiterent- 472 M. Nussbaum: wicklung der Eier des Seidenspinners zu untersuchen. Die Mög- lichkeit, durch künstliche Nachhülfe auf irgend einem beliebigen Wege die unbefruchteten Eier bis zur Entwicklung fertiger Rau- pen weiter zu züchten, wird zwar von Verson, wie schon an- geführt wurde, bestritten. Aber man man muss doch bedenken, dass an sicher unbefruchteten Eiern die Entwicklung bis zu einem gewissen Grade fortschreitet, wie die Angaben Herold’s auf das Unzweifelhafteste darthun. Es wäre demgemäss denkbar gewesen, dass das von Tichomirow angegebene Mittel in irgend einer Weise auf das virtuell entwieklungsfähige Ei so vortheil- haft einwirke, dass die Entwicklung bis zum normalen Ende, d.h. bis zum Auskriechen von Raupen weitergeführt würde. Schon im vorigen Jahre wurde ein derartiger Versuch mit unbefruchteten Eiern gemacht (siehe pag. 468). Da das Resultat nicht den Erwartungen entsprach und die Abhandlung Tieho- mirow’s nicht im Buchhandel zu haben ist, so wandte ich mich an den Autor um Auskunft, zu welcher Zeit er das Eintauchen der Eier vorgenommen habe. Ich erhielt in liebenswürdigster Weise die Antwort, dass die erfolgreichen Experimente haupt- sächlich mit Eiern aus der ersten halben Stunde nach der Ablage gemacht worden seien. Dies bestimmte mich, die Versuche zu wiederholen, da zu dem einzigen, den ich bis dahin gemacht hatte, 14 Tage alte Eier benutzt worden waren. Die Aufgabe, mit frisch gelegten Eiern zu experimentiren, complieirt natürlich den Versuch ungemein, da, wie schon ange- geben, die unbegatteten Weibchen nicht in einem Zuge die Eier absetzen und die Geduld des Beobachters auf eine harte Probe stellen. Die Versuche wurden unter den angegebenen Vorsichts- maassregeln wie die früheren angestellt, so dass sowohl nach der Art der Aufzucht, als auch durch die anatomische Unter- suchung der Geschlechtsorgane volle Sicherheit gewährleistet wurde, an begatteten oder unbegatteten Weibehen experimentirt zu haben. Hatte ein Schmetterling eine kleine Portion Eier gelegt, so wurden sie nach Tiehomirow's Angabe in Wasser von 45° getaucht und dem Schmetterling ein neues Papier zum An- kleben der nächsten Eier untergelegt. Die Kasten wurden nach Entnahme der Eier sofort wieder verschlossen. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 473 9. Aus dem unter Verschluss genommenen Cocon ist am 26. August 1898 früh ein weiblicher Schmetterling ausgekrochen. Bis zum Abend ist noch kein Ei abgesetzt worden; am anderen Morgen früh finden sich 8 gelbe Eier, von denen 7 Stück auf eine Secunde, das achte für eine halbe Minute in Wasser von 45° C. getaucht werden. Von den 7 nicht weit von einander gelegenen Eiern blieben gelb sechs Stück; eins war am 30. August bräunlich verfärbt und zeigte am 1. September an einem Pole eine dunkle Sprenklung. Bis zum 15. September ist keine weitere Veränderung aufgetreten. Das in einer Ecke weit ab von den übrigen gelegene und länger in das warme Wasser eingetauchte Ei verfärbt sich am 1]. September, wird am 2, September grau und vom 5. September an gesprenkelt; in dem grauen Grundton treten dunkle Punkte auf. Eine weitere Veränderung hat nicht stattgefunden. Die zweite Portion Eier legte der Schmetterling, nachdem er am 27. August 1898, Morgens 9 Uhr, auf ein neues Blatt Papier gesetzt worden war, in der Zeit von 2 Uhr bis 8 Uhr Abends. Um acht Uhr wird der Schmetterling auf ein neues Blatt gebracht, die abgesetzten 29 gelben Eier für eine Secunde in Wasser von 45° getaucht. Von dieser zweiten Portion wird am 1. September ein Ei an einem Pole gesprenkelt und macht bis zum 13. September keine weiteren Fortschritte. Die übrigen Eier bleiben sämmtlich gelb. Die Ablage der dritten Portion Eier wurde direet beobachtet. Von Abends 8 Uhr 15 Minuten bis 8 Uhr 45 Minuten legte der Schmetterling in gleichen Zeitintervallen vier Eier, die, sobald das letzte an der Unterlage festgeheftet war, nach Entfernung des Weibehen eine Seeunde lang in Wasser von 45° getaucht wurden. Alle Eier blieben bis zum 13. September unentwickelt und gelb, trotzdem sie innerhalb der ersten halben Stunde nach der Ablage eingetaucht worden waren. Die vierte Portion Eier legte das Weibchen von 8 Uhr 45 Minuten am 27. August 1898 Abends bis zum folgenden Nachmittag 5 Uhr 30 Minuten und zwar von 8 Uhr 45 Minuten bis 8 Uhr 52 Minuten ein Ei, von da bis 9!/, Uhr keine und dann bis 10'!/, Uhr noch zwei Eier. Am anderen Morgen 7 Uhr fanden sich sechs Eier vor. Bis 3'/, Uhr Nachmittags erschien kein weiteres Ei; dann aber bis 4 Uhr 50 Min. 14 Stück und Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 Sq 474 M. Nussbaum: bis 5'/, Uhr noch vier Eier. Da die Eier zu den verschiedenen Zeiten an weit genug von einander entfernten Stellen auf dem Papier festgeklebt waren, so konnte ihr Alter durch Bleistift- notizen kenntlich gemacht werden. Das Weibchen wurde um 51/, Uhr auf ein neues Blatt gesetzt und wie vorher auch wieder unter Verschluss genommen. Die ganze Portion von 24 Eiern wurde dann um 5 Uhr 32 Minuten für eine Secunde in Wasser von 45° C. eingetaucht. Obwohl die Eier zum Theil in der letzten halben Stunde gelegt und alle keinen ganzen Tag alt waren, trat bis zum 13. September 1898 keine Veränderung an ihnen auf; alle blieben gelb, wenn auch am 1. September, also nach vier Tagen, die centrale Delle deutlich ausgeprägt war. Die letzten 18 Eier dieser Portion waren im Laufe von 2 Stunden abgesetzt worden, so dass, wie das auch bei den Eiern der dritten Portion beobachtet wurde, ein Ei dem anderen in einem Zwischenraum von etwa 7 Minuten folgte. Die Ablage erfolgte somit zögernd, und wenn sie in Gang gekommen war, wurden immer nur wenige Eier in einem Zuge abgesetzt. Die fünfte Portion wurde nicht in Wasser eingetaucht. Von 51/, Uhr Nachmittags des 28. August 1898 bis zum folgenden Morgen 8 Uhr waren 19 Eier gelegt worden; nach 1 Uhr bis 4 Uhr Nachmittags weitere 34 Eier und bis 7 Uhr noch 3 Eier. Unter diesen 56 Eiern wurde am 2. September ein Ei und am 3. September noch ein Ei grau gesprenkelt. Weitere Entwieklung dieser Eier trat nieht ein; die übrigen blieben gelb mit eentraler Delle, gänzlich unentwickelt. In der Zeit vom 29. August Abends 7 Uhr bis zum Morgen des 31. August 7 Uhr setzte der Schmet- terling noch 65 Eier ab. Von diesen 65 Eiern blieben 61 gelb, nur die centrale Delle zeigte sich am 1. September an ihnen; zwei Stück wurden gesprenkelt und zwei andere homogen grau verfärbt, ohne aber bis zum 13. September die Tiefe der Färbung und die Beimischung von Blau zu zeigen, wie sie den normal entwickelten Eiern dieser Stufe zukommt. Von den im Ganzen bis dahin abgelegten 186 Eiern hatten somit im Ganzen nur neun Eier eine gewisse Veränderung gezeigt, deren Bedeutung später besprochen werden soll. Nachdem das Weibchen nunmehr 5 Tage alt geworden war und sicher die Hälfte seiner Eier abgesetzt hatte, wurde es mit einem höchstens 1'/, Tage alten Männchen zusammengebracht, Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 475 Dieses Männchen hatte am ersten Tage nach dem Auskriechen ein anderes Weibchen erfolgreich begattet, so dass, wie die Ver- suche zeigen, ein Männchen nicht allein mit demselben Weibchen öfter copulirt, sondern auch mehr als ein Weibchen erfolgreich begatten kann. Die beiden Schmetterlinge werden am 31. August 1898, Morgens 7 Uhr 30 Min. zusammengebracht und unter Verschluss genommen. Die Copulation erfolgt fast augenblicklich, obwohl das.Männchen mit dem vorher zur Paarung benutzten Weibehen nicht vereinigt gewesen war. Die Copulation dauert bis 1 Uhr 40 Minuten Mittags. Das Männchen wird entfernt und getödtet. In der Zeit von 3 bis 5 Uhr Nachmittags legt das Weibchen 46 Eier; es gebraucht also zur Ablage des einzelnen nicht ganz 3 Minuten. Die Eier werden aber nur zu einem kleinen Bruchtheil festgeklebt, so dass man annehmen könnte, um diese Zeit sei der Vorrath der Kittdrüse erschöpft gewesen. Es wird sich jedoch später zeigen, dass das Verstreuen der Eier einen anderen Grund hat. Das Weibchen lebt am 3. September 1898 noch, ist also acht Tage alt geworden. Seine Eierstöcke erweisen sich bei der anatomischen Untersuchung ganz leer. Die Begattungs- und Samentasche sind von Samenfäden erfüllt. In dem Cocon steekt nur eine leere Puppenhülle. Von den 46 nach der Begattung abgesetzten und meist nicht festge- klebten Eiern sind 13 Stück bis zum 13. September gelb geblieben. Von den übrigen 33 entwickelten sind 30 der Entwicklungsstufe entsprechend gefärbt, drei aber nur grau gesprenkelt. 10. Aus dem am 16. August 1898 unter Verschluss genom- menen Cocon kriecht am 30. August ein Weibchen aus, das bis zum andern Morgen 10 und bis zum Nachmittag des ersten Sep- tember im Ganzen 30 Eier, bis zum 3. September Morgens 9 Uhr in Summa 90 Eier gelegt hat. Nur etwa die Hälfte der Eier haftet an der Unterlage. Bis zum 13. September sind alle Eier noch gelb mit eentraler Delle; nur drei sind grau gesprenkelt. Bei der anatomischen Untersuchung des am 3. September ge- tödteten Weibchen enthalten die Eierstöcke noch reichlich hart- schalige gelbe Eier; die Begattungs- und Samentasche sind frei von Spermatozoen. Der Cocon enthält nur eine leere Puppenhülle. 11. Ein am 1. September 1898 6 Uhr Abends aus einem am 16. August unter Verschluss genommenen Cocon ausgekro- 476 M. Nussbaum: chenes Weibchen hat erst in der Nacht vom 3. auf den 4. September 3 Eier gelegt, bis zum 5. September Morgens 12, bis zum 6. September 22 Eier, bis zum 7. September 55 Eier, einen Tag später im Ganzen 53 Eier; am 10. September zählte ich 132 Eier, am 13. September 242 Eier. Das Weibchen lebte noch. 170 Eier hafteten nicht auf der Unterlage, nur 1 Ei war ge- sprenkelt, alle anderen waren gelb. _Am 13. September 1 Uhr Mittags wird der Schmetterling auf eine neue Unterlage gesetzt und wieder unter Verschluss genommen. Gegen 2 Uhr Mittags ist ein Ei halb aus der Vagina hervorgetreten, die aber nicht der Unterlage aufruht, sondern horizontal frei in die Höhe gehalten wird. Das Ei ist um 3 Uhr noch nicht weiter gerückt und wird mit einer scharfen Scheere quer durchschnitten, um so leichter durch die fortwährend arbeitende Bauchpresse des Thieres ent- fernt zu werden. Der Eirest ist aber um 5!/, Uhr noch nicht entfernt. Am 14. September Morgens 7 Uhr ragt ein neues Ei aus der Vagina hervor und die vertrocknete Schalenhälfte des am Tage zuvor durchschnittenen Eies klebt dorsal an der Vagina fest. Am folgenden Morgen setzt das Thier zwei Eier ab; das zuerst gelegte ist nicht an der Unterlage festgeklebt. Dieses Ei war aber schon den ganzen vorigen Tag zur Hälfte aus der Vagina hervorgetreten. Das letzte Ei haftet dagegen am Papier fest. Dadurch wird auch erklärt, weshalb so viele Eier lose um- hergestreut sind. Das Secret der Kittdrüse fehlt nicht, wie man annehmen könnte, sondern erhärtet bei dem lang hingezogenen Legeakt an der Luft, ehe das Ei die Vagina ganz verlassen hat. Der Schalenrest des am 13. September durchscehnittenen Eies klebt am 19. September noch dorsal an der Vagina fest. Das Weib- chen selbst lebte noch am 18. September Abends; es lag am folgenden Morgen todt in dem Kästchen, war also 18 Tage alt seworden und hatte im Laufe von 12 Tagen im Ganzen 242 Eier abgesetzt, beginnend mit dem 3. Tage nach dem Ausschlüpfen. In den letzten 3 Tagen war kein Ei gelegt worden. Von dem ganzen Gelege sind am 19. September nur zwei Eier grau ge- sprenkelt; die übrigen sind, wie das gewöhnlich der Fall ist, etwas dunkler gelb, als gleich nach der Ablage. In dem Cocon steekt nur eine Puppenhülle. Die Eierstöcke des seeirten Thieres enthalten noch 18 reife, hartschalige, gelbe Eier. Begattungs- und Samentasche sind frei von Samenfäden. Zur Parthenozenese bei den Schmetterlingen. 477 > oO In dem doppelhörnigen Reservoir der Kittdrüsen ist, wie sich nach Aleoholzusatz ergiebt, noch reichlich Seeret vorhanden. Die Kittsubstanz ist im frischen Organ so durchsichtig, dass sie sich von der durchsichtigen Hülle nicht abhebt. In Alcohol gerinnt sie, wird weiss und zieht sich von der Wand zurück. 12. Ein in Paarung begriffenes und über Nacht aus- geschlüpftes Weibehen und Männchen werden am Morgen des 30. August 1898 isolirt. Die Thiere sind am Abend noch nicht, wohl am folgenden Morgen getrennt. Das Männchen dient dann zu Versuch 9, Abth. 6 (pag. 475). Das begattete Weibchen bleibt unter Verschluss und legt am 31. August nach 5!/, Uhr bis 9 Uhr Abends 235 Eier, die sich regelmässig weiter entwickeln. Nur zwei Stück bleiben gelb, während die anderen am 4. September hellrehbraun, am 5. September dunkler mit einem Stich ins Blaue und am 13. September blaugrau sind. Bis zum 1. September 6 Uhr Abends werden noch 30 Eier gelegt, die sich mit Aus- nahme von zwei grau gesprenkelten regelmässig weiter entwickeln. Vom 1. September 6 bis 9!/, Uhr Abends erscheinen noch 33 Eier, die sich regelmässig entwickeln. Bis zum 3. September bleibt das Weibchen amı Leben und legt noch 11 Eier, von denen 3 bis zum 13. September gelb bleiben, während die übrigen normalerweise um diese Zeit schon blaugrau sind. Bei der anatomischen Untersuchung des am 3. September abgetödteten Weibehen fanden sich noch einige Eier in den Eier- stöcken und viele Spermatozoen in der Begattungs- und Samen- tasche. Von den 309 abgelegten Eiern sind nur sieben in der Entwicklung zurückgeblieben. Zieht man die Summe aus diesen Versuchen, so haben sich von den 1102 beobachteten, unbefruchteten Eiern im Ganzen 22 Stück, also ungefähr 2°/, bis zu einem gewissen Punkte ent- wiekelt, während von 1260 befruchteten Eiern sich im Ganzen 1190 Stück, also 94,5°/, entwickelten. Die unbefruchteten Eier lieferten keine Raupen, während aus den befruchteten, soweit bis jetzt beobachtet, von 70 bis zu 91°/, lebensfähige Raupen erzielt wurden. Das Resultat muss um so augenfälliger die Verschiedenheit befruchteter und unbefruchteter Eier darthun, als in .den meisten Versuchen dasselbe Weibehen zu Anfang unbefruchtete und erst nach zwei bis fünf Tagen befruchtete Eier gelegt hat. Die un- befruchteten Eier gingen alle zu Grunde, aus den befruchteten 478 M. Nussbaum: krochen im folgenden Frühjahr die Raupen aus. Die Lebens- bedingungen, die Art der Aufbewahrung der Eier während des Winters waren in allen Versuchen dieselben gewesen. Die ganze von mir in vereinzelten Fällen beobachtete Ent- wicklung unbefruchteter Eier bestand in einer grauen Spren- kelung des Eies. Die mikroskopische Untersuchung soleher Eier ergab, dass sich ein aus pigmentirten Zellen zusammengesetztes Chorion und eine kleine Embryonalanlage gebildet hatte, dass also der Furchungsprozess eingeleitet worden war. Es ist über- flüssig besonders zu betonen, dass in den grau oder graublau verfärbten Eiern die Entwicklung des Embryo weiter verfolgt werden konnte, da aus solchen Eiern im Frühjahr die Raupen auskrochen. Dagegen konnte an den gelb gebliebenen Eiern auch nach vierzehn Tagen noch keine Furchung nachgewiesen werden, B. Porthesia chrysorhoea. Die Versuche sind unter denselben Vorsichtsmaassregeln wie die vorigen angestellt worden. Von den eingesponnenen Puppen wurden 5 Stück vorsichtig aus dem Cocon befreit, um das Geschlecht derselben bestimmen zu können, und jede der weiblichen Puppen in einen verschliessbaren Kasten gebracht, wie sie zu den Versuchen am Bombyx mori gedient hatten. Nebenher wurden mehrere Paare isolirt, und der Rest der ganzen Zucht ohne weitere Auswahl aufbewahrt. Anfangs Juli 1898 krochen die Schmetterlinge aus. Die unbegatteten Weibehen legten viel später als die begatteten und dann nur einige Eier. Während die Eierschwämme der begat- teten Weibehen eine gestreckte Zungenform haben, sind die der Jungfernschmetterlinge unregelmässig. Das begattete Weibchen macht einen Schwamm und setzt alle Eier darin ab; das unbe- gattete liefert kleine Schwammbruchstücke und hält die meisten Eier nach seinem Absterben in den Eiröhren zurück. Das Recep- taculum seminis der unbegatteten Weibchen enthält keinen Samen. In den unbefruchteten Eiern ist keine Entwicklung aufgetreten, der Dotter blieb ungefurcht. Aus den befruchteten Eiern krochen vom 2. August an lebende Raupen aus; die unbefruchteten Eier enthielten auch um diese Zeit noch flüssigen ungefurchten Dotter. Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. 479 (6. Liparis dispar. Durch die Güte des Herrn Frings, eines ausgezeichneten Bonner Entomologen, erhielt ich zu Anfang Juli dieses Jahres etwa 100 grosse Raupen von Liparis dispar. Bei gutem Futter trat gegen den 20. Juli die Verpuppung ein. Einzelne als Puppen isolirte Weibchen krochen in den verschlossenen Kästchen am 30. Juli aus; die meisten erst bis zum 5. August. Durch geeig- nete Auswahl verblieben unter den verpuppten Raupen nur drei Männchen zurück, die sich auch zu Schmetterlingen entwickelten, der Vorsicht halber aber in einem von den zu den Versuchen über die Parthenogenese benutzten weit entfernten Zimmer gleich- falls unter Verschluss gehalten wurden. Sicher unbefruchtete Weibchen habe ich im Ganzeu 29 zu Versuchen verwandt. In 5 verschlossenen Kästchen wurde je eine weibliche Puppe zum Auskriechen gebracht, der Schmetterling bis zum Tode gehalten und sein Gelege aufbewahrt. In einem Versuche waren 2, in einem anderen 6 und in einem letzten 16 weibliche Puppen in verschliessbaren Kästchen ohne Zusatz von Männchen isolirt. Bei der Section der Weibchen waren die Genitalorgane frei von Samenfäden: die Eiröhren enthielten auch in den eines natürlichen Todes gestorbenen Weibchen stets viele reife Eier. Auch hier war, wie bei Porthesia chrysorhoea, der natür- liche Kunsttrieb zur Anfertigung eines schildförmigen Schwammes in Folge der ausgebliebenen Begattung gestört, das Legegeschäft in die Länge gezogen; ebenso wurden, wie schon gesagt, bei Wei- tem nicht alle Eier abgesetzt. Der Schwamm hatte niemals die typische Form, wie er von begatteten Weibchen gefertigt wird. Meist zupften die jungfräulichen Thiere die Afterwolle, ohne dass sie zusammenhielt; hier und da war ein Ei darin eingewickelt; viele Eier rollten aber auch frei zu Boden. Kam es zur Bildung eines Schwammes, so war er abgeplattet und anstatt einheitlich zu sein, in mehrere von einander räumlich getrennte Theilstücke zerlegt. Da alle Versuche in gleichem Sinne ausfielen, so sollen nur einige derselben hier mitgetheilt werden, um die Unterschiede gegen die mit begatteten Weibchen angestellten zeigen zu können. 1. Eine unter Verschluss genommene Puppe von Liparis dispar kriecht am 30. Juli 1898 als Schmetterling aus und hat am 31. Juli wenige Eier lose abgesetzt. Die abgezupfte After- 4850 M. Nussbaum: Zur Parthenogenese bei den Schmetterlingen. wolle fliegt auf leichten Luftzug hin und her. Das Thier ist am 3. August todt. Die Mehrzahl der fertigen, hartschaligen Eier liegen in den Eiröhren. Die Samenblase ist leer. Bei Unter- suchung einiger Eier am 14. August 1898 zeigt sich, dass keine Furchung eingetreten ist; am 19. September d. J. sind die Eier geschrumpft; jede Entwicklung fehlt. 2. Zu einem am 31. Juli ausgekrochenen Weibchen, das noch keine Eier gelegt hat, wird am 1. August ein Männchen gebracht. Als das Männchen am 2. August entfernt wird, hat das Weibehen schon einen grossen schildförmigen Eierschwamm begonnen und ist noch mit Eierlegen beschäftigt. Als das Weib- chen am 4. August getödtet wird, sind die Eierstöcke ganz leer; die Bursa copulatrix voll unbeweglicher Samenfäden. Die Eier enthalten schon bei der Untersuchung am 14. August Embryonen am 30. August messen die pigmentirten Räupchen 3,25 mm, haben Haarkleid, Beine und Kiefer entwiekelt und wachsen ent- sprechend weiter, wie eine nochmalige Untersuchung am 19. Sep- tember d. J. ergibt. Somit ist es in diesen Versuchen nur bei Bombyx mori in einer verschwindend kleinen Zahl von Fällen gelungen, eine bis zu einem gewissen Grade fortschreitende parthenogenetische Ent- wieklung der Eier zu beobachten. Die Möglichkeit des Vor- kommens der Parthenogenese, wie sie von älteren Beobachtern, namentlich Herold, behauptet wird, ist dadurch von Neuem wieder bestätigt worden. Vorläufig fehlt aber die Aussicht, durch weitere histologische Untersuchung unbefruchteter Eier von Schmetterlingen die Vorgänge kennen zu lernen, welche die Dif- ferenzirung des Geschlechts einleiten. Dafür ist der Procentsatz der unbefruchtet überhaupt nur zur Furehung gelangenden Eier zu gering. Es würde auch keine Möglichkeit zur praetischen Durchführung einer entwicklungsge- schichtliehen Untersuchung gegeben sein, selbst wenn, wie es einzelne Autoren behaupten, hin und wieder lebende Raupen aus unbefruchteten Eiern gewisser Schmetterlinge sich entwickelten, Die Zahl der günstigen Objeete ist also nicht vermehrt, wohl aber für den heutigen Stand unserer Kenntnisse begrenzt worden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine erneute Unter- suchung der Psychiden von Erfolg begleitet wäre. 481 Ueber Kopfhöhlenrudimente beim Menschen. Von K. W. Zimmermann, a. o. Professor der Anatomie in Bern. Hierzu Tafel XXII. Als ich an einem menschlichen Embryo von 3,5 mm N.- St.-L!) die Blutgefässe des Kopfes untersuchte, fielen mir auf der rechten Seite lateral von der Carotis interna und zugleich lateral von der Anlage der Rathkeschen Tasche etwas hinter der Augenblase in einer zellreicheren Gegend des Mesoderms, nahe dem Mundhöhlenepithel, drei scharf begrenzte kleine Lumina (s. Fig. 2) auf, von denen das vordere (ventrale) am grössten und etwas in die Länge gezogen (a), das hintere (dorsale) am kleinsten (e) erschien. Das mittlere (b) und das hintere waren rundlich. Erst dachte ich an Querschnitte von Blutgefässen, ein genaueres Studium der fraglichen Gebilde bei stärkerer Vergrösserung und die Verfolgung derselben durch die verschiedenen Schnitte hindurch belehrte mich jedoch bald eines Besseren. Zunächst constatirte ich, dass die Lumina allseits ge- schlossenen Bläschen angehörten. Die Wände derselben waren von epithelartigen Zellen begrenzt, welche peripher spitz aus- liefen. Der an der Bildung des Lumens betheiligte Abschnitt dieser Zellen war im Allgemeinen etwas breiter, doch wechselte die Breite und Länge bei den einzelnen Zellen sehr. Die Kerne lagen zum Theil in gleicher Höhe, doch fanden sich auch ver- schiedene aus der Kernreihe mehr oder weniger peripheriewärts herausgerückt. Dieselben gehörten schmäleren und längeren Zellen 1) Kurz vor dem Einbetten gemessen. Der Embryo entspricht äusserlich ganz dem von Rabl einer Selbstmörderin 8 Stunden post mortem entnommenen 4 mm langen Embryo. Der Erhaltungszustand ist zwar nicht der allerbeste, da das Hirnrohr stark unregelmässig ge- faltet ist, doch sind die hier in Betracht kommenden Verhältnisse durch- aus gut erhalten und klar zu erkennen, so dass es ausgeschlossen er- scheint, dass die zu beschreibenden Gebilde etwa Kunstprodukte seien. 482 K. W. Zimmermann: an. Mehrere weiter abliegende Zellen sandten noch einen ganz schmalen Fortsatz zwischen die übrigen Zellen hinein bis zum Lumen. Wieder andere von rein spindelförmiger Gestalt liessen den entspsechenden Fortsatz zwar zwischen die das Lumen begren- zenden Zellen hinein, aber nicht mehr bis zum Lumen selbst verfolgen. Alle drei Höhlen zeigten den gleichen Charakter und waren nur durch die Weite der Lumina verschieden. Als ich durch Verfolgen der Schnitte erkannt hatte, dass es sich um geschlossene Bläschen und nicht um Quer- schnitte von Kanälchen handelte, drängte sich mir mit Rücksicht auf die Lage und auf den Bau der Gebilde der Gedanke auf, dass es sich um kopfhöhlenähnliche Bildungen han- delte. Ausschlaggebend wurde der Umstand, dass ich auch auf der linken Seite genau an derselben Stelle ganz ähnliche Verhältnisse aufzufinden ver- mochte, femer dass bei Selachiern in derselben Gegend Augenmuskeln bildende Kopfhöhlen liegen, und dass bei einem menschlichen Embryo von T mm Länge in der gleichen Gegend ein grösserer, zellreicherer Bezirk sich vorfand, in welchem zwar keine Spur von Kopfhöhlen mehr nachweisbar war, im dem aber der Oeulomotorius, Trochlearis und Abducens sich verloren, so dass ich annehmen musste, die die Augenmuskeln liefernden Zellmassen seien aus den fraglichen Gebilden hervorgegangen. Nun lag der Gedanke nahe, dass in den drei kleinen Höhlen die drei entsprechenden Kopfhöhlen der Selachier zu suchen seien, aus denen sich die Augenmuskeln entwickeln, dass also die vorderste grosse Höhle die Oculomotoriusmuskulatur, die mittlere den M. obliquus superior, die hintere den M. reetus lateralis liefere. Diese Erwägung wurde aber durch den Befund auf der linken Seite zu niehte gemacht, da sich hier statt der dreiim Ganzen sieben kleinere Höhlen fan- den und zwar zwei grössere, drei mitlere und zwei kleinere. Dieser Befund konnte zwar an der Deutung der Gebilde als Kopfhöhlen nichts ändern, machte es jedoch zur Gewissheit, dass man nicht etwa in jeder der Kopfhöhlen eine einer bestimmten der Selachier entspre- chende vor sich habe, wenigstens nicht auf der linken Seite, dass man vielmehr in ihnen nur Reste von Kopf- Ueber Kopfhöhlenrudimente beim Menschen. 483 höhlen zu sehen habe. Ob von einer oder von allen dreien, lässt sich noch nicht entscheiden. Noch ist zu bemerken, dass irgend welche röhrenförmige Reste in den Visceralbogen nicht aufzufinden waren. Ich habe auch einige andere Säugethierembryonen ent- sprechenden Alters auf Kopfhöhlenrudimente hin untersucht, jedoch bei keinem auch nur eine Andeutung von solchen gefunden, wo- mit ich jedoch durchaus nicht sagen möchte, dass dergleichen nur beim Menschen vorkäme. Vielleicht existiren die Bildungen nur kurze Zeit, und es standen mir nicht die richtigen Stadien zur Verfügung, oder das Auftreten derselben ist individuellen Schwankungen unterworfen!),. Es wäre sehr wünschenswerth, dass die Herren Fachgenossen, welche über eine grössere Zahl von Säugethierschnittserien verfügen, dieselben auf Kopfhöhlen- rudimente hin untersuchten. Ich bin überzeugt, dass wir dann bald über das Verhalten derselben bei den Säugern im Allge- meinen ins Klare kommen werden. Zum Schluss gebe ich noch einige Maasse der Höhlenlumina. Da die äusseren Contouren der Gebilde, wie die Fig. 2 zeigt, keine bestimmten sind, so lassen sich auch genaue Zahlen für die Gesammtgrösse nicht angeben. Rechts (drei Höhlen. Sie lagen annähernd in der gleichen Sagittalebene): [ grösster Längsdurchmesser des Lumens: 43 u = | „ Querdurehmesser 5 a 19 u [ grösster Durchmesser » n 16 u “ | kleinster = a 5 12 u 2 grösster ” „ n Iu “ | kleinster 2 a 1,6 u N Links (sieben Höhlen. Die Reihenfolge der Buchstaben deutet an, wie die Gebilde von innen nach aussen aufeinander folgen; e und f lagen im gleichen Schnitt): a: Durchmesser des Lumens Yu b. = = 18 u grösster x ® 2 23,8 u © | kleinster " E > 13,4 u 1) Ich besitze einen Eidechsenembryo, bei dem eine Höhle auf der einen Körperhälfte sehr schön entwickelt ist, auf der anderen aber vollständig fehlt und durch eine zellreichere Stelle vertreten wird. 484 K. W. Zimmermann: Ueber Kopfhöhlenrudimente b. Menschen. d. Durchmesser des Lumens bu [ grösster ” 5 ® 18 u fi | kleinster = 2 5 4,4 u r | grösster 5 3 5 15 u “ | kleinster 2% a R u 8: n n » 5,9 u Bern, den 10. Oktober 1898. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Fig. 1. Sagittalschnitt eines menschlichen Embryo von 3,5 mm N.- St.-L., die drei Kopfhöhlenrudimente der rechten Seite ent- haltend. 1. 2. 3. 4 erster, zweiter, dritter, vierter Visceral- bogen. 4A. Aorta; Al. Allantois; C. Herz: D, D, D Darm; G. Gehörbläschen; Z. Leber; X. die drei Kopfhöhlenrudi- mente; ZL. Leibeshöhle; M, M, M. Medullarrohr; N, Nabel- vene; P. rechte Lungenanlage; S. Schwanzdarm; V. Vorder- hirn. Vergr. 26 fach. Fig. 2. Die drei Kopfhöhlen der rechten Seite (a. b. ec), M. Mund- höhlenepithel. Vergr. 490 fach. Fig. 3. Die sieben Kopfhöhlen der linken Seite (a bis g; nur Um- risse). 1. erster Visceralbogen; A. Augenanlage. Vergr. 168fach. 485 (Aus dem experimental-pathologischen Institut des Hofrath Prof. Dr. A. Spina in Prag.) Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen und ihrer Fortsätze. Von Vladislav Ruzicka. Hierzu Tafel XXI. Die allgemeine Histologie des Nervensystems bietet trotz der vielfachen Bearbeitung dennoch eine ganze Reihe ungelöster Probleme von fundamentaler Wichtigkeit. Unter denselben gebührt den Fragen nach der Struetur der Nervenzellen und ihren anatomischen Beziehungen zu den in den Centralorganen enthaltenen Elementen die erste Stelle. leh habe mich in der letzten Zeit mit dem Studium dieser Fragen, hauptsächlich mit Bezug auf das Säugethierrückenmark beschäftigt und theile im Nachfolgenden die Resultate, zu welchen ich gelangt bin, mit. I. Zur Frage von der Entstehung der Nissl’schen Körperchen. Vor Allem möchte ich die bereits vielfach ventilirte, bis jetzt jedoch noch offene Frage berühren, wie die Nissl’schen Bilder zu Stande kommen und in wie ferne sie in der Struetur der lebenden Nervenzelle begründet sind. Diesen Gegenstand haben in neuester Zeit Held!) und Bühler?) in ihren Abhand- lungen gestreift und auf die Ausführungen dieser beiden For- scher will ich in den nachfolgenden Zeilen reagiren. Ich werde aus der Literatur nur dasjenige anführen, was für meine Arbeit von Interesse ist. Held kam auf Grund mikroskopisch-chemischer Unter- suchungen zu der Ansicht, dass die Nissl’schen Körperchen in 1) Held, Beitr. zur Structur der Nervenzellen und ihrer Fort- sätze. Arch. Du Bois-Reymond. 1895, S. 396. — 1897, S. 204 u. 273. 2) Bühler, Unters. über den Bau der Nervenzellen. Stahel. Würzburg 1898. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 32 486 Vladislav Rüzicka: der lebenden Nervenzelle nicht präformirt sind, sondern durch sauere Fixirungsmittel (wie Sublimat, Osmiumsäure) aus den im lebenden Protoplasma gelösten Stoffen entstandene Fäl- lungsproducte darstellen. In frischen, sofort nach dem Tode untersuchten Nervenzellen, konnte er diese Körperchen nicht ent- decken. Erst nach Zusatz des Fixirungsmittels traten sie hervor. Diesen Beobachtungen entgegen sehen Flemming!) und Dogiel?) die Nissl’schen Körperchen für präformirt an. Der- selben Ansicht ist Marinesco?°), dessen Urtheile gemäss die Grösse und Gestalt der erwähnten Gebilde von der Grösse der Maschen des Spongioplasmas abhängt. Auch von Lenhossek) hat die Nissl’schen Körperchen für präformirt angesehen. Er behauptet nämlich, sie an Spinal- ganglienzellen sofort nach dem Tode deutlich gesehen zu haben. Seine Meinung stützt er weiterhin durch die Umstände, dass erstens die Nissl’schen Körperchen bei Anwendung verschiedener Fixirungsmethoden immer ihre typische Form zeigen, und dass sie, zweitens, bei verschiedenen Thiergattungen constante mor- phologische Unterschiede aufweisen. In einer neueren Arbeit bezeichnet sie jedoch Lenhossek ’°) als aufgespeicherte Nahrungsstoffe und beruft sich hierbei auf ihr Verschwinden im Fieber. Eine gewissermaassen vermittelnde Stellung zwischen Held und den übrigen eitirten Forschern nimmt Bühler ein. Bühler giebt an, dass er die Nissl’schen Körperchen weder an lebenden, noch — und dies möchte ich im Hinblicke auf das weiterhin Mitzutheilende hervorheben — an fixirten Ner- venzellen gesehen hat. Trotzdem hält er sie für präformirt, indem er annimmt, dass in der lebenden Zelle festere Substanzen 1) Flemming, Ueber die Structur centraler Nervenzellen bei Wirbelthieren. Anat. Hefte. 1896. 2) Dogiel, Der Bau d. Spinalganglienzellen bei d. Säugethieren. Anat. Anzeiger XII. 1896. 3) Marinesco, Rech. sur l’histol. de la cellule nerveuse avec quelques considerations physiologiques. Compt. rend. 1897. 4) Lenhoss&k, Ueber Nervenzellenstructuren. Verh. d. anat. Ges. 1896. 5) Lenhossek, Ueb. d. Bau d. Spinalganglienzellen. Arch. f. Psych. 28. 1896, Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen etc. 487 vorkommen können, die ohne Anwendung von Reagentien nicht sichtbar sind. Zu dieser Annahme wurde Bühler durch die Beobachtung geführt, dass die Kerne der lebenden Spinalgang- lienzellen im Beginne der Beobachtung nicht so deutlich zu sehen waren und keine so deutliche Membran und innere Structur auf- wiesen wie später. Hiermit bringt Bühler die Ansichten Auer- bach’s und Flemming’s über die Unsichtbarkeit lebender Kernstructuren in Verbindung. Auerbach hat nämlich die Ansicht ausgesprochen, dass die Ursache des Auftretens von Zellkernen im Absterben der Zellen zu suchen sei. Hingegen ist Flemming!) der Meinung, dass der Kern zwar auch in der lebenden Zelle existirt, jedoch dess- halb unsichtbar sei, weil er denselben Brechungsindex acquirirt wie der Zellleib. Bezüglich dieser Diskussion muss ich auf eine Publikation von mir?) hinweisen, in welcher ich den nachfolgenden Versuch mitgetheilt habe. Einem Leucoeyten, der zuerst vollkommen kernlos erschien, später jedoch drei Kerne bildete, die wiederum verschwanden, setzte ich verdünnte Essigsäure zu. Der Leueocyt starb ab und zeigte nunmehr zwei Kerne. Durch diesen Versuch wird also direet dargelegt, dass wir keine Berechtigung haben, die intravitale Existenz irgendwelcher Zellbestandtheile ohne Weiteres zu behaupten, von deren Vor- handensein wir keine sinnlichen Eindrücke empfangen und auf die wir nur aus Bildern schliessen, die wir an fixirten und ge- färbten Objecten zu sehen gewohnt sind. In Anbetracht dieser Beobachtungen kann ich den von Bühler für seine Ansicht, dass die Nissl’schen Körperchen präformirt sind, angeführten, oben eitirten, Grund, nicht für zureichend halten. Die Entstehung der Nissl’schen Körperchen beim Ab- sterben der Zellen will aber Bühler nicht anerkennen, indem er nur ein besseres Hervortreten derselben in diesem Falle zugiebt. Für die Ansicht, dass die Nissl’schen Körperchen prä- formirt sind, führt jedoch Bühler weiterhin auch den Umstand 1) Flemming, Ueber Unsichtbarkeit lebendiger Kernstructuren. Anat. Anz. Nr. 23, 24. VIL 2) Vlad. RüZicka, Unters. über d. ungefärbten Zellen d. Blutes. Allg. Wiener medic. Ztg. 1894. 488 Vladislav RüZicka: an, dass Held nach Behandlung mit Laugenaleohol an Stelle der dadurch aufgelösten Körperchen Lücken gefunden hat. Zum Schlusse sagt Bühler von den Körperchen des Nervenzellenprotoplasma: „— an der frischen Zelle nicht zu sehen, lassen sie sich aber durch Methylenblau sichtbar machen; ganz ebenso verhält es sich mit ihrer Unterscheidung am fixirten Schnitt im ungefärbten und im gefärbten Zustande.“ Indem ich nunmehr zu meinen eigenen Beobachtungen über- sehe, will ich gleich von vornhinein feststellen, dass ich am Protoplasma der überlebenden, in physiologischer 0,6°/, Koch- salzlösung untersuchten Nervenzelle, mag es nun eine Rücken- marks-, Hirnrinden- oder Spinalganglienzelle von Kalt- oder Warmblütern (Frosch, Triton, Hund) gewesen sein, ähnlich wie HeldundBühler nie etwas Anderes gesehen habe, als eine Körnelung, die je nach der Thier- und Zellen- art fein bis mittelgrob sein kann. Weiterhin muss ich konstatiren, dass ich auch an fixirten Nervenzellen nichts von den Nissl’schen Kör- perehen entdeeken und dieselben auch durch Zusatz von Fixirungsflüssigkeiten (Alcohol absol, Sublimat cone.) zu lebenden Zellen nicht hervorrufen konnte. Ich befinde mich also, was die erstere Beobachtung anbetrifft, in Uebereinstimmung mit Bühler. Auch an der fixirten Nervenzelle habe ich nichts Anderes gesehen, als meistentheils eine Granulirung und zwar sowohl an Alcohol. wie an Sublimat- und ÖOsmiumsäurepräparaten. An Alecohol- schnitten konnte ich sogar oft die schönste fibrilläre Structur beobachten, wie sie Max Schultze beschrieben hat. Wenn also Held behauptet, dass die Nissl’schen Körperchen durch die Einwirkung der Fixirungsflüssigkeiten entstehen, so kann ich mich seiner Meinung aus dem Grunde nicht anschliessen, weil mich meine eigenen Versuche von dem Gegentheile überzeugt haben. Um so weniger kann ich dies jedoch in Betreff der von Bühler geäusserten Anschauung thun, nach welcher die Nissl’schen Körperchen trotz der Unsichtbarkeit in der leben- den Zelle und in fixirten Schnitten doch präformirt sein sollen. Bühler stützt diese seine Ansicht auf die bereits erwähnte Angabe von Held, dass die Niss1’schen Körperehen an fixirten Schnitten nach Behandlung mit Laugenalcohol ver- Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 489 schwinden und Lücken hinterlassen, woraus freilich auf ein Vor- handensein derselben geschlossen werden könnte jedoch nur in den fixirten Schnitten, nicht aber auf eine Präformation in der lebenden Zelle, wie Bühler meint. Die betreffende Angabe von Held ist jedoch meinen Er- fahrungen gemäss nicht haltbar. Obzwar es mir gleich von Anfang an unwahrscheinlich er- schien, dass durch die Einwirkung gewisser Stoffe auf die Ner- venzellen in denselben Lücken nach Gebilden auftreten sollten, die weder in der lebenden noch in der fixirten Zelle zu sehen sind — wie ich ja in Uebereinstimmung mit Bühler habe constatiren können — so habe ich trotzdem Sublimat- schnitte von Hunderückenmark mit Kalialcohol behandelt und in demselben untersucht. Auch an diesen Schnitten fand ich nichts Anderes, als an den nur mit Fixationsflüssigkeiten behandelten. Vor Allem fand ich in den Zellen keine Lücken nach den Nissl’schen Körperchen, sondern wieder nur die auch sonst beobachtete Granulirung. Ja, ich habe mich sogar überzeugen können, dass die mit Kalialcohol vorbehandelten Zellen der Sublimatschnitte beinachfolgender Toluidinblaufärbung das gewohnte Bild der Nissl’schen Körperchen darbieten. Sehr schlagend ist in dieser Beziehung der nachfolgende Versuch. Ein Sublimatschnitt, der ungefärbt und wnaufgehellt in Alechol untersucht, keine Nissl’schen Schollen zeigt, wird mit Toluidinblau gefärbt, in Wasser und Alcohol abgefärbt und in dem letzteren abermals durchmustert. Es kann nun die Anwesenheit der Nissl’schen Körperchen in den Zellen konstatirt werden. Der Schnitt wird in Kali- alcohol getaucht. Dadurch wird aus demselben aller Farbstoff, der sich hierbei zugleich in Roth umwandelt, entfernt. Färbt man nun von Neuem mit Toluidinblau in der oben angegebenen Weise mit nachfolgender Aufhellung in Nelkenöl und Einschluss in Canadabalsam, so erhält man dasselbe Bild wie bei der ersten Färbung, nämlich Zellen mit Nissl- schen Körperchen!). 1) In Kalialeohol aufgehellte Schnitte können nicht in Canada- balsam eingeschlossen werden, weil sich in demselben sofort eine sei- fige Trübung einstellt. 490 Vladislav Rüzicka: Aus meinen Versuchen können die nachfolgenden Schlüsse gezogen werden: 1. Die Kalialeoholbilder sind nicht durch Auflösung der Nissl’schen Zellkörperchen entstanden, oder 2. der Kalialeohol hat die Körperchen gelöst und sie sind in meinem ebeneitirten Versuche von Neuem entstanden. Ist die erstere Folgerung richtig, so müsste man annehmen; a) dass die Angabe von Held, die Nissl’schen Körperchen entstünden durch Einwirkung sauerer Fixirmittel, unrichtig ist, und dass sie b) daher, in Anbetracht der auch von Held statuirten Unsichtbarkeit derselben in der lebenden Zelle, in dieser nicht präformirt sind. Im Falle, dass die sub 2) angeführte Eventualität Geltung haben sollte, würden meine früher angeführten, an der lebenden und fixirten Nervenzelle bezüglich der Nissl’schen Schollen semachten Beobachtungen, wie auch das Wiedererscheinen der- selben in dem letzterwähnten Versuche unerklärt bleiben. Ich muss mich daher .der erstangeführten Möglichkeit zu- wenden und aus meinen Beobachtungen schliessen, dass die Nissl’schen Körperehen weder in der lebenden Zelle präformirt sind, noch durch den Einfluss sauerer Fixirungsmittel entstehen. Indem ich die eben angeführte Entstehungsweise nicht zu- geben kann, die in Rede stehenden Gebilde aber trotzdem als Artefacte ansehen muss, stehe ich vor der Nothwendigkeit, zu schliessen, dass sie in der weiteren Präparationstechnik begründet sind, und es handelt sich demnach zunächst darum, zu erfahren, durch welchen Eingriff sie dargestellt werden. Um hierüber Aufschluss zu gewinnen, unternahm ich eine Reihe von Versuchen, in welehen ich die einzelnen Prozeduren der von mir zur Darstellung der Niss1’schen Körperchen ge- brauchten Methode in ihrer Einwirkungsweise auf eine bestimmte Zelle der Reihe nach geprüft habe. Die ursprüngliche Methode von Niss] habe ich nicht an- gewendet, da ich der Ansicht bin, dass, wenn zwei Methoden — eine einfachere und eine eomplieirtere — zu demselben Resultate führen, die einfachere den Vorzug verdient. Zur Färbung wandte ich Toluidinblau an, das von Len- Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen etc. 491 hossek geradezu als ein Specifieum zur Darstellung der Nissl- körper gerühmt wird. Ich habe es, statt wie üblich in einer eoncentrirten, in einer 1°/, wässerigen Lösung gebraucht, die ich für gewöhnlich bis zur Dampfentwickelung erwärmt habe. Der in diese Lösung für einige Seeunden getauchte Schnitt wurde in Wasser und in Alcohol entfärbt, hierauf in Nelkenöl aufgehellt. In dem letzteren geht noch viel Farbe ab, so dass man gut thut, stärker gefärbte Schnitte in das Nelkenöl zu bringen. Man soll also dementsprechend auch den Alcohol nicht allzulange einwirken lassen. Die Färbung gelingt auch ohne Erwärmung, nur muss dann die Entfärbungsprocedur noch schneller und vorsichtiger durchgeführt werden. Bei meinen Versuchen habe ich alle Tempi, aus denen das eben beschriebene Verfahren besteht, welches mir allerzeit gute Resultate geliefert hat, einzeln in ihrer Wirkungsweise auf das Nervenzellenprotoplasma geprüft. Ich habe die ganze Pro- cedur stets an einer und derselben Zelle wiederholt, bis das ganze Verfahren in allen wichtigen Combinationen erschöpft war. — Es gelang mir jedoch die Nissl’schen Körperehen nur dann darzustellen, wenn ich nebst der Färbung auch die Abfärbung geübt habe. Kein einziger von den Eingriffen, welche das oben eitirte Verfahren zusammensetzen, führt zur Darstellung der Nissl'schen Schollen, die zwei letztangeführten ausgenommen. Die Fär- bung ist eine econditio sine qua non. Aber das Tolui- dinblau selbst färbt diffus, und erst die bis zu einem gewissen Grade gediehene Abfärbung zieht die Differenzirung der Schollen nach sich. Eine längere Einwirkung der Entfärbungsmedien (Alcohol, Oel) bewirkt leicht vollkommene Entfernung des Farbstoffes aus den Schnitten. Eine kürzere Einwirkung derselben hat wieder eine ungleichmässige Differenzirung zur Folge. Einzelne Zellen bieten dann deutliche Nissl’sche Schollen, während andere noch überfärbt sind. Diese letzteren sind es wahrscheinlich, die von Goldscheider und Flatau!) als „ehromophil“ bezeichnet und mit Recht für normale Gebilde angeseben werden. Färbt man 1) Goldsceheider und Flatau, Norm. u. pathol. Anat. der Nervenzellen. Berlin 1898. S. 26. Zellleib gross, deutlich ausgeprägt, umgiebt vollständig 492 Vladislav Rüziecka: überhaupt nicht ab, so findet man die Zellen diffus gefärbt, ohne die geringste Andeutung der Nissl'schen Körperchen. Die Abfärbung muss somit einen bestimmten Grad erreichen, um die Nissl’schen Körperchen hervortreten zu lassen. Die Entfärbung ist es also, die des Weiteren zur Darstellung der Nissl- schen Körpercehen unumgänglich nothwendig ist. Inwieferne diese Beobachtung mit der Angabe, dass die Niss]'schen Körperchen aus Körnerhaufen bestehen (Held), wie ja thatsächlich manchmal konstatirt werden kann, zu vereinigen ist, will ich diesmal unerörtert lassen. Ich beschränke mich darauf, zu konstatiren, dass es mir ohne Farbstoff nie ge- lungen ist, jene Körperchen zur Ansicht zu bringen. II. Die Protoplasmastruetur der Vorderhorn- zellen des Stierrückenmarkes. Es ist bekannt, dass Nissl mittels einer von ihm erfun- denen, ziemlich komplieirten Methode, die im nachfolgenden Schema gekennzeichneten, auf Färbungsunterschieden beruhenden Typen der Nervenzellen aufgestellt hat. Nervenzellen I. 1. den Kern (somatochrome Zellen). — Zellleib klein, Kern gross j Sun eytochrome, karyochrome, u nl 7 Je nach der Protoplasma- Je nach der Wichtig- wenn derKern wenn der Kern structur: keit der im Protoplas- Leucocyten- die Grösse der arkyochrome=.netzförmige ma enthaltenen mor- grösse besitzt. Nervenzellen- stichochrome==fibrilläre phol. Bestandtheile: kerne besitzt. arkyostichochrome pyknomorphe gryochrome=körnige parapyknomorphe apyknomorphe Hinsichtlich dieser Classification hat nunmehr Niss] ineiner neueren Arbeit!) erklärt, dass „die Praxis ihn darüber belehrt hat, dass diese Nomenelatur den realen Verhältnissen wenig Rechnung trägt“. In demselben Aufsatze führt Niss] weiterhin aus, dass es überhaupt keine echt gryochrome Zellen giebt und dass, ausser den motorischen und einigen wenigen spindelförmigen Zellen, auch keine rein stichochrome Zellen vorhanden sind, und 1) Nissl, Ueb. d. Veränd. d. Nervenzellen nach experim. er- zeugten Vergiftungen. Allgem. Zeitschr. f. Psychiatr. Bd. 53. 1897. Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 493 kommt schliesslich, indem er den arkyostichochromen Typus gänz- lich fallen lässt, zu dem Schlusse, dass eigentlich nur arkyo- chrome Zellen existiren. Auch Levi!) führt an, dass zwischen den von Nissl auf- gestellten Typen keine scharfe Unterscheidung möglich ist, und dass sämmtliche Uebergangsformen vorkommen. Was nun die Beziehungen der Structur zu den Functionen der Zellen betrifft, so hat Niss] den Standpunkt eingenommen, dass zwar einige morphologische Typen (als: Vorderhornzellen [motor. Hirnregion], Spinalganglienzellen, Purkyn&’sche Zellen u.s. w.) aufgestellt werden können, dass jedoch bloss die parallelstreifige Anordnung der Protoplasma- schollen mit einer bestimmten u. zw. mit der mo- torischen Funktion zu verknüpfen ist. „Bis zu diesem Punkte* — sagt Nissl — „führt uns die anatomische Erkenntniss. Weiter lässt sie uns — vorläufig — im Stiche.“ Den Grund für dieses Versagen seiner Methode sucht Niss! in dem complieirten Autbaue des Centralnervensystems. Als einfacher zusammengesetzte Abschnitte desselben bezeichnet er die Gruppen der motorischen Vorderhornzellen, die motorischen Kerne des Hirnstammes und die sensiblen Spinalganglien. Im übrigen sei die Gliederung sehr verwickelt, was hauptsächlich von der Hirnrinde gilt, die aus „ganz verschiedenen Zellarten zusammengesetzt ist.“ Auf die weiteren Ausführungen von Nissl will ich vor- läufig nicht eingehen, da sich dieselben nicht direet auf den von mir bearbeiteten Gegenstand, das Rückenmark, beziehen, sondern hauptsächlich das Gehirn betreffen. Doch muss ich betonen, dass aus den Untersuchungen von Niss|l die ausserordentliche Schwierigkeit bei der Ableitung funetioneller Typen von Ner- venzellen aus morphologischen Kennzeichen sehr deutlich erhellt. So stellt Niss] auch fest, dass ein dem motorischen sehr nahe stehender Zelltypus nicht nur die motorische Region, sondern eine „ganz enorme Fläche der Rinde bevölkert. 1) Levi, Ric. eitologiche comparate sulla cellula nervosa dei vertebrali. Riv. di patol. nerv. e mentale. Maggio, Giugno 1897. 494 Vladislav Raziecka: Nichts ist natürlicher, als die Frage, soll auf Grund der morphologischen Congruenz diese ganze, weit verbreitete, sicher- lich niehtmotorische Gebiete umfassende Region auch für mo- torisch angesehen werden? Ich werde es versuchen, diese Frage im Nachfolgenden indireet zu beleuchten. Da nach dem bisher Angeführten nur für die motorischen Nervenzellen ein bestimmter morphologischer Typus aufgestellt worden ist, so erscheint es mir — angesichts der Thatsache, dass ein demselben sehr ähnlicher auch innicht mo- torisehen Regionen des Gehirns weitverbreitet ist — wichtig zu entscheiden, ob Zellen von bestimmt motorischer Funktion, wie es z.B. die Vorderhornzellen des Rückenmarkes sind, in allen Fällen das erwähnte morphologische Aussehen zur Schau tragen. Ich habe die darauf bezüglichen Untersuchungen am Rückenmark des Stieres ausgeführt. Die von mir befolgte Präparationsmethode war die fol- gende: Das Rückenmark wurde dem Thiere gleich nach dem Tode entnommen und noch warm in Scheiben von etwa !/, em Dieke in concentrirten wässerigen Sublimat zur Fixirung ge- bracht, in Alcohol nachgehärtet, dann in Celloidin eingebettet und in der üblichen Weise zur Färbung verarbeitet. Die Färbung habe ich in derselben Weise vorgenommen, wie es im I. Absatze dieser Abhandlung angegeben wurde. Mit Hilfe dieser Färbungsmethode, welche — wie man sich leicht überzeugen kann — dieselben Resultate liefert wie die ursprüngliche Methode von Nissl, konnte ich mich, wie ich gleich in vorhinein feststellen will, von einer einheitlichen parallelstreifigen Structur der motorischen Vor- derhornzellen, wie sie von Nissl geschildert und nunmehr allgemein angenommen worden ist, nieht überzeugen. Im Gegentheile habe ichin den Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes die verschiedenartigsten Gruppirungen und For- men der Nissl’schen Körperchen konstatiren können. Im Nachfolgenden gebe ich eine Beschreibung der von mir vorgefundenen auffälligsten Typen. In den Abbildungen von typischen Nissl’schen Schollen, Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 495 wie sie .B.e. Goldscheider und Flatau auf Tafel VI, Fig. 1!) geben und wie man sie auch anderwärts abgebildet sehen kann (Lenhossek Fig. 17, St. 1522), zeigen dieselben ge- wöhnlich grosse Gleichmässigkeit und Regelmässigkeit, sowohl was die Grösse, als auch was ihre Vertheilung im Zellkörper anbe- langt. Die Schollen selbst werden zumeist als grobe, homogene Einlagerungen geschildert, die eines scharfen Umrisses entbehren. Dies ist ja auch in der weitaus grössten Anzahl der Fälle wirk- lich der Fall. Manchmal — freilich relativ selten — haben sie jedoch das Aussehen eines sehr fein gelochten Siebes, wobei die rundlichen Löcher nicht gleich gross sein müssen, so dass die ganze Scholle das Aussehen eines äusserst kleinmaschigen Netz- werkes mit groben Balken erhält. Weiterhin können die Schollen aus Körnern zusammengesetzt sein und zwar können die Körner frei liegen, wie dies auch Held beobachtet hat, oder sie sind von einem unsebarfen Contour umgeben, der jedoch den ihm zuge- hörenden Körnerhaufen deutlich als NissI’sches Körperchen charakterisirt (Fig. 1). Auch kann sich die Scholle als ein dunkler, uuscharf con- tourirter Farbfleck präsentiren, in dessen Innerem noch dunk- lere Körnchen liegen (Fig. 2). Weiterhin habe ich Zellen gesehen, deren Nissl’sche Körperehen vollkommen glattrandig waren und als solide Gebilde hervortraten, so dass sie eher den Altmann'schen Granulis zugerechnet werden konnten (Fig. 8). Bis jetzt habe ich nur von Zellen gesprochen, deren Schollen eine gleichmässige Gestaltung im ganzen Zellkörper zur Schau trugen. Wenn diese Anordnung auch in der Mehrzahl der Fälle Geltung hat, so bildet sie doch keineswegs die Regel. Man begegnet Zellen, welche theils solide N issLl’sche Körperchen enthalten, theils mit Körnern gefüllt sind und somit einen Uebergang zwischen den grobscholligen und den gryo- chromen Zellen bilden (Fig. 5). Diese Zellkategorie kann in Folge der verschiedenartigsten Combinationen der erwähnten beiden Formen selbst das Aussehen von pathologisch veränderten Zellen gewinnen, so eigenartig muthet das ungewohnte Bild an (vergleiche Fig. 17). 9) Goldscheider os Fiatau, 1. 2) Lenhosse&k, D. feinere Bau d. Nervensystems. 1895. 11. Aufl. 496 Vladislav Ruzicka: Die als normal geschilderte parallelstreifige Structur kann auch in verschiedener Weise zum Ausdruck kommen. Neben den typischen Bildern, die auch im Stierrückenmarke häufig vor- kommen, findet man in einzelnen Zellen eine förmlich fibrilläre Struetur: mässig wellige Linien von wechselnder Stärke ziehen durch die Zelle. Die Linien sind entweder solid oder können auch zum Theile aus Körnern zusammengesetzt sein (Fig. 4). Während in einer Anzahl von Zellen diese Linien ohne jede Anastomose verlaufen, finden sich wiederum andere, in welchen die Fibrillen, ungefähr parallelstreifig verlaufend, zahlreiche Ana- stomosen aufweisen, so dass man eher von einer netzförmigen Struetur sprechen könnte (Fig. 5). Dass unter den Vorderhornzellen auch rein arkyochrome vorkommen können, beweist meine Fig. 6. Auch Fig. 7 stellt eine Zelle von netzförmiger Struetur mit welligem Verlaufe des Gerüstbalken vor. Ebenso wie rein arkyochrome Zellen sind im Stierrücken- marke auch rein gryochrome vorhanden, wodurch die Richtigkeit einer früher angeführten, das Vorkommen solcher Zellen be- streitender Angabe von Niss| in Frage gestellt wird. Die von mir beobachteten rein gryochromen Vorderhorn- zellen kommen im Stierrückenmarke in drei Typen vor und zwar als grobkömige (Fig. 8 und 9), feinkörnige (Fig. 10) und ge- mischtkörnige (Fig. 11). Schliesslich habe ich Zellen beobachtet (Fig. 12), die in ihrer gänzlich unregelmässigen Körnung und Streifenbildung, ebenso als Uebergangsformen zwischen arkyochromen und gryo- chromen Zellen hätten gelten können, als sie an die in patho- logischen Zuständen oft beschriebene Chromatolyse erinnert haben. Die Vorderhornzellen des Rückenmarkes von Stieren zeichnen sich also dadureh aus, dass sie eine von der für motorische Zellenall- semein anerkannten in Vielem und Wesentlichem abweichende Strucetur aufweisen. Dass dieses Verhalten nicht nur auf das Stierrückenmark beschränkt ist, habe ich mich auch am Hunderückenmark über- zeugt. Wiewohl hier die Mehrzahl der Vorderhornzellen das typische Verhalten zeigt, so habe ich doch auch ganz feinkörnige Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen etc. 497 Zellen gesehen (Fig. 13, 14, 15), sowie auch solche, die aus völlig ungleichmässigen Protoplasmaelementen, das heisst zugleich aus Nissl'schen Schollen und winzigen Körnchen aufgebaut waren (Fig. 16, 17). Desgleichen kann ich über ein bisher unbeschriebenes Ver- halten der Nissl’schen Schollen vom Rückenmarke eines fast ausgetragenen Meerschweinchenembryos berichten. Eine gewisse Anzahl von Zellen zeigte nämlich die nachfolgende Structur. Auf der Oberfläche der Zellen lag ein parallelstreifiger Zug von Fibrillen, welche aus verschieden grossen Körnern zusammenge- setzt waren, im Inneren der Zellen lagen jedoch Granulationen von verschiedener Form und Grösse (Fig. 18). Andere Vorderhornzellen desselben Rückenmarkes zeigten wiederum eine so regelmässige wabige Structur, wie sie Gold- scheider und Flatau (l.c. Fig. 1, St. 8) als Regel (beim Kaninchen) abbilden und wie ich sie an den übrigen von mir untersuchten Objeeten (Pferd, Stier, Hund, Katze, erwachsenes Meerschweinchen, Frosch, Triton) nirgends in dieser Klarheit und Menge wiedergefunden habe. Aus den angeführten Beobachtungen geht hervor, dass den Vorderhornzellen des Stierräckenmarkes keine einheitliche Proto- plasmastructur zukomnit, in soweit sie nämlich ihren Ausdruck in der Anordnung und Beschaffenheit der Nissl’schen Kör- perchen findet. Ich halte mich demgemäss zu dem Schlusse be- rechtigt, dass die parallelstreifige Anordnung der Nissl’schen Schollen für die motorischen Vor- derhornzellen des Stierrückenmarkes nichtals eharakteristisch angesehen werden kann. Meinen Beobachtungen zu Folge verhalten sich also die Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes in vollkommen analoger Weise wie die Zellen der Grosshirnrinde, deren diesbezügliches Verhalten, wie ich ja schon oben angeführt habe, bereits Nissl früher constatirt hat. Wollte ich nach dem Vorbilde Nissl’s vorgehen, so müsste ich die Manigfaltigkeit der Anordnung der Protoplasmaschollen in den Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes, ebenso wie er, auf einen complieirten Aufbau der Vorderhornzellengruppe zurück- führen, womit ich aber mit allgemein anerkannten physiologischen 498 Vladislav Rüzicka: Gesetzen über die Funetion derselben in Widerstreit gerathen würde. Niss] hat, nachdem er für die motorischen Nervenzellen einen besonderen Protoplasmabau festgestellt hat, denselben trotz der erwähnten widerstreitenden Befunde an der Grosshirnrinde mit einer bestimmten physiologischen — und zwar der moto- rischen — Funktion verbunden. Von verschiedenen Seiten her gelangte man hierauf zu der, wie es scheint, nunmehr ganz all- gemeinen Anschauung, dass den motorischen Zellen überhaupt nur dieser morphologische Typus zu Grunde liegt. Aus dem, was ich bisher angeführt habe, ist jedoch er- sichtlich, dass diese Ansicht mit Bezug auf die Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes (und wahrscheinlich auch andere Zellen) nicht beibehalten werden kann. Da es aber keinen Zweifel geben kann, dass es sich hier um ausgesprochen motorische Zellen handelt, so muss der Schluss zugestanden werden, dass die motorische Funetion mög- licher Weise auch an andere alsan parallelstrei- fige Structuren geknüpft sein kann. Nur dem Umstande, dass Niss] kein genügend geeignetes Objeet untersucht hat, kann ich es zuschreiben, dass er aus seinen richtigen Beobachtungen nicht den richtigen Schluss gezogen hat, dass die Form und Anordnung der von ihm be- sehriebenen Körperchen für die Protoplasma- struetur der lebenden Nervenzellen nicht ent- scheidend ist. Ob dies dadurch zu erklären ist, dass — wie Marinesco meint — die Grösse und Anordnung der erwähnten Gebilde von der Grösse und Anordnung der sie umgebenden Maschen des eigentlichen Protoplasmaretieulums abhängt und daher secundären Charakter besitzt, oder dass, wie Lenhossek neuerdings be- hauptet, dieselben aufgespeicherte Nahrungsstoffe darstellen und ddemgemäss in Form und Grösse variiren können, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich keine hierauf bezüglichen Unter- suchungen angestellt habe. Indem ich im ersten Absatze nachgewiesen zu haben glaube, dass die Nissl'schen Körperchen Artefakte sind, die in keiner Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 499 direeten Beziehung zu der eigentlichen Protoplasmastruetur stehen, und in dem zweiten zu der Ansicht komme, dass die Anordnung derselben nicht für eine bestimmte Function characteristisch ist, so will ich mich hiermit trotzdem in keiner Weise gegen die Verwer- thung derselben bei pathologischen Untersuchungen aussprechen, in- soferne nur bei der Beurtheilung der pathologischen Veränderungen stets daran gedacht wird, dass dieselben nur einen bedingten Werth besitzen und mit der eigentlichen Struetur und Function des Nervenzellenleibes nichts zu thun haben. IH. Die gegenseitigen Beziehungen der im Rücken- mark enthaltenen Gewebselemente. Im Nachfolgenden soll uns die Frage nach den anato- mischen Beziehungen der Nervenzellen zu einander beschäftigen, eine in physiologischer Beziehung gewiss sehr wichtige Frage. Ohne mich in weit ausgreifende historische Darlegungen einzulassen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass die Streit- frage, ob die Nervenzellen untereinander anastomosiren oder nicht, heute trotz der gegentheiligen älteren Erfahrungen Gerlach’s, die mit Hülfe der Goldfärbung gewonnen wurden, in Folge der Erfolge der Silberimprägnation nach Golgi von den meisten Forschern verneinend beantwortet wird. Vor Allen anderen ist es von Lenhossek!), welcher für die freie Endigung der Ausläufer der Nervenzellen in sehr entschiedener Weise eintritt, indem er sich auch auf die Autorität von Kölliker und Dei- ters, die sich gegen irgendwelche Anastomosen ausgesprochen haben, beruft. Es lohnt sich die Gründe, welche von Lenhossek an- geführt werden, etwas näher zu untersuchen. Seine Behauptung, „die Nervenzellen sind von Anfang an und bleiben nach wie vor selbständige, für sich bestehendelndividuen, sie stehen auch späterhin bloss in Kontaetbeziehungen zu einander“, wurde auf Grund der Golgi’schen Methode gewonnen. Diese letztere ist nach von Lenhossek u. A. unerlässlich, um in den Bau des Centralnervensystems einzudringen. Will man sich jedoch davon überzeugen, dass zwischen den Nervenzellen keine 1) Lenhossek, D. feinere Bau etc. S. 39, 46 u. ff. 500 Vladislav Rüzicka: Anastomosen bestehen, so muss man nach Lenhossek’s An- gabe in den Präparaten solche Stellen aufsuchen, wo nur we- nige Zellen nebeneinander imprägnirt sind; „dann“, sagt er, „wird es nicht schwer sein, eine jede Zelle als durehaus selbst- ständiges Individuum zu erkennen, jeden Dendriten frei endigen zu sehen.“ Demgegenüber muss jedoch aufmerksam gemacht werden, dass an den geforderten Stellen die Imprägnation un- vollständig sein kann, da ja bekanntlich die Methode von Golgi überhaupt sehr unverlässlich ist. Andererseits tritt, wie ja auch Lenhossek gesteht, bei vollständiger Färbung, wenn die Fort- sätze tief schwarz gefärbt werden, ein solches Fasergewirr zu Tage, dass die Frage nach der Anastomosenbildung nicht ent- schieden werden kann. Meines Erachtensist daher die Methode von Golgi für die Entscheidung der Anastomosen- frage überhaupt unbrauchbar. Für diese Behauptung führe ich nachfolgende Gründe an. I. Es ist doch selbstverständlich, dass bei der Entscheidung der Frage, ob zwischen gewissen Zellen Verbindungsbrücken vor- kommen oder nieht, jede Färbungs- oder Imprägnirungsmethode vermieden werden muss, welche zu einer unvollständigen Färbung des Präparates führen könnte. Der letztere Umstand. kommt je- doch bei der Methode von Golgi bekanntlich nur zu oft vor. Selbst die eifrigsten Anhänger dieser Methode gestehen, dass dieselbe in einer unverlässlichen Weise, oder wie sie, z. B. Len- hossck, sich ausdrücken, „sehr elektiv“ färbt, so dass man nie voraussetzen kann, welche Elemente sich färben werden und welehen Umfang die Färbung erlangt. Mit der Golgi schen Methode theilt diese Eigenschaft auch die Methylenblaufärbung nach Ehrlieh — und es ist bezeichnend, dass es Dogiel?) gelungen ist, mit Hülfe der letzteren die Anastomosen der Retina- nervenzellen nachzuweisen, was freilich von Cajal?) auf Grund desselben Färbungsverfahrens bestritten wird. Ich will auf diese Streitfrage hier nieht weiter eingehen, doch hielt ich es — mit 1) Dogiel, Ueb. d. nervösen Elem. in der Retina d. Menschen. Schultze’s Arch. Bd. 38. 1891. — Zur Frage über d. Bau d. Nerven- zellen ete. Ibid. Bd. 41. 1893. — Zur Frage üb. d. Verhalten d. Nerven- zellen zu einander. Arch. Du Bois-Reymond, Anat. Abth. 1893. 2) Cajal, La retine des vertebres. La Cellule. T. IX. 1893, u A Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 501 Hinblick auf meine eigenen Resultate — für angemessen zu konstatiren, dass Dogiel mit Hülfe der Methylenblaumethode das gelungen ist, was mit der Golgi 'schen Niemandem gelingen wollte, ein Umstand, der für die Brauchbarkeit dieser letzteren Methode in der diseutirten Angelegenheit bezeichnend ist. II. Soll die oben gestellte Frage in befriedigender Weise gelöst werden, so muss bei Methoden, die zu einer vollkommenen Färbung führen, darauf gesehen werden, ob durch dieselben die Durehsichtigkeit der gefärbten Stelle beeinträchtigt wird oder nicht. Wie unwichtig dieser Umstand auch auf den ersten Blick erscheinen mag, so ist er doch nieht zu unterschätzen, denn nur bei genügender Durchsichtigkeit kann oft zur Entscheidung ge- bracht werden, ob es sich in einem gegebenen Falle um eine echte Anastomose oder nur um eine Kreuzung der Ausläufer handelt. Die Methode von G olgi ertheilt jedoch den Zellausläufern eine tiefschwarze Färbung und macht sie undurchsichtig. Bei einem eventuellen Zusammentreffen einiger Aestchen (in gut im- prägnirten Präparaten) ist man daher, besonders wenn die Aeste dünn sind, nicht im Stande zu entscheiden, ob es sich um Ana- stomosen oder blos um Auflagerungen handelt. Wenn aber von Lenhoss&äk!) aus diesem Verhalten den Schluss zieht, dass „die vermeintlichen Anastomosen natürlich nur auf Täuschung“ beruhen, so ist dieser Schluss unmotivirt. Ob eine Täuschung vorliegt, kann eben nicht mittels Methoden entschieden werden, die — wie die von Golgi — zu Täuschungen Anlass geben können. Wollte man sich andererseits, wie es übrigens Len- hoss&k (siehe oben) auch thut, auf unvollkommen gefärbte Präparate berufen, dann wäre wieder die unvollständige Färbung die Quelle neuer Irrthümer. Aus diesen Gründen habe ich die Silberimprägnation nach Golgi bei meinen Untersuchungen nicht angewendet und an- dere Tinetionsmethoden versucht, um zum Ziele zu gelangen. Die meisten, unter denselben auch die Methylenblaufärbung nach Nissl oder nach Rehm, zeigten sich unbrauchbar. Dagegen ergab das nachfolgende Verfahren konstante Ergebnisse. Das untersuchte Material war normales Stier- und Hunde- 1) Lenhossek, Der feinere Bau etc. St. 46. Arch. f, mikrosk. Anat. Bd. 53. 33 502 Vladislav RüZicka: rückenmark, dasselbe wurde in concentrirtem wässerigem Subli- mat fixirt, in Alcohol nachgehärtet, in Celloidin eingebettet und die Sehnitte dann in der nachfolgenden Weise verarbeitet. Die von mir angewendete Färbungsmethode ist vollkommen identisch mit der im I. Absatze mitgetheilten. Nur verbleibt der Schnitt in der erwärmten '1°/, Toluidinblaulösung etwas länger, etwa 15—20 Secunden; dagegen wird die Entfärbung verkürzt, darauf die Aufhellung in Cajeputöl vorgenommen und der Schnitt in Canadabalsam montirt. Die Dauer der Abfärbung und Auf- hellung muss ausprobirt werden. Die Zellen erscheinen dann ein wenig überfärbt, die Zellenausläufer mittelstark tingirt, so dass die eventuell in ihnen enthaltenen Nissl’schen Körperchen deutlich hervortreten. Ich ging bei diesem Verfahren von der Erwägung aus, dass bei der im I. Absatze mitgetheilten Färbung sich die Zel- lenausläufer nur auf eine gewisse, mehr oder weniger kurze Strecke färben. Ich hoffte daher, bei der Steigerung der Färbung jenen Punkt zu erreichen, bei welchem die Dendriten ganz ge- färbt erscheinen würden. Dies ist mir nun auch gelungen. — Mit Hülfe dieser einfachen Färbungsmethode kann man nun zwischen einzelnen Nervenzellen Anastomosen nachweisen. Ich habe mich vorläufig bei dem Studium derselben auf das Rückenmark beschränkt und mein Augenmerk hauptsächlich auf die Vorderhornzellen gerichtet. Die Nervenzellenanastomosen kommen nun fast in jedem Schnitte vor und erscheinen zumeist in Form von breiten Proto- plasmabrücken (Fig. 19), sie können jedoch auch feine Fäden bilden (Fig. 20). Dieselben sind gewöhnlich schon bei schwachen Vergrösserungen deutlich sichtbar (Reiehert, Obj. 4), doch bleiben sie selbst bei den stärksten Vergrösserungen (homog. Immersion !/,;) der genügenden Färbung wegen klar und un- zweideutig. Es empfiehlt sich jedoch, bei starken Vergrösse- rungen entweder überhaupt ohne den A bb e’schen Beleuchtungs- apparat zu arbeiten, oder denselben wenigstens etwas herabzu- schrauben. Die intimeren Structuren treten dann besser hervor. Die Anastomosen sind trotz der Färbung durchsichtig, so dass man sich ohne Mühe überzeugen kann, ob sie eontinuirlich zwischen den zugehörenden Zellen verlaufen, oder ob etwa zwei verschiedenen Zellen angehörige, gegeneinander gerichtete Aus- Untersuchungen über die feinere Struetur der Nervenzellen ete. 503 läufer einander bloss überdeeken, und so eine Verbindung vor- täuschen. Zuweilen, wenn man den Schnitt stärker entfärbt hat, so dass die sog. Zwischensubstanz der Ausläufer farblos erscheint, lassen sich die Verbindungen der Nervenzellen an den im Inneren der Dendriten befindlichen korn- oder stäbchenförmigen Nissl’schen Körperchen deutlich als solche erkennen (Fig. 21). Zu bemerken ist, dass die Anastomosen viel seltener an Längs- als an Querschnitten des Rückenmarkes zur Beobachtung gelangen; doch kann man sich bei einiger Geduld auch an den ersteren von der Existenz der Anastomosen überzeugen. Bis jetzt habe ich keine Verbindungen zwischen Zellen verschiedener Zellgruppen (z. B. zwischen Vorderhorn- und Com- missurenzellen, Vorderhorn- und Hinterhornzellen) konstatiren können. Die von mir gesehenen Anastomosen verbanden nur Zellen innerhalb derselben Gruppe. Es sind demgemäss die Protoplasmabrücken zumeist kurz, doch können auch ziemlich weit voneinander entfernte Zellen anastomosiren (Fig. 21). Nie habe ich am Rückenmarke gesehen, dass mehrere Zellen durch Ausläufer verbunden gewesen wären; stets fand ich nur zwei Zellen miteinander verbunden. Es fällt mir aber darum nicht bei, die Möglichkeit auch von complieirten Auastomosen nicht zuzugeben; denn ich habe im Gegentheil am Gehirne erwachsener Meer- schweinchen vielfache Anastomosen beobachten (Fig. 22) können. Man sieht also, dass es durchaus nicht den Thhatsachen ent- spricht, wenn behauptet wird, dass jede Nervenzelle ein voll- kommen selbständiges Individuum vorstellt. Im Gegentheile sieht man, dass Verbindungen zweier Nervenzellen untereinander zu keiner Seltenheit gehören (Stier- und Hunderückenmark), ja, dass auch mehrere Zellen anastomosiren können (Meerschweinchengehirn). Mag man gegen die Existenz der Anastomosen von Nerven- zellen welche Gründe immer anführen, bei mir steht es fest, dass dieselben thatsächlich bestehen. Darin stimme ich mit Dogiel (l. e.), der freilich ein anderes Objeet untersucht hat, völlig überein. Diese Uebereinstimmung ist um so wichtiger, als Dogiel mit einer anderen Methode gearbeitet hat. Die angeführten gröberen Verbindungen sind jedoch nicht die einzigen, welche die Nervenzellen des Rückenmarkes eingehen. Es finden sich noch andere vor, die ich im Nachfolgenden be- 504 Vladislav Rüzicka: schreiben werde. Als günstigstes Objeet empfehle ich die Vor- derhornzellen des Hunderückenmarkes. Zuerst habe ich die zu bespreehenden Verbindungen in Sublimatschnitten gesehen, die in der im I. Absatze angegebenen Weise mit Toluidinblau gefärbt und in Eosin nachgefärbt worden sind. Das Verfahren gestaltet sich folgendermaassen: 1°/, Toluidinblau erwärmt, einige Secunden, Wasser, 1°/, aleoholiseh-wässerige Lösung von Eosin, nur Durchziehen, Wasser, Aleohol, Oel, Balsam. Die Nissl’schen Körperchen erscheinen nach dieser Färbung blau, die Grundsubstanz der Zelle und der Dendriten, sowie auch das Gliagewebe rosa gefärbt. Sieht man derlei Präparate, die so dünn als möglich sein müssen, sorgfältig durch, so wird man unter den Nervenzellen stets einige Exemplare finden, die an der Peripherie ihres Zell- leibes eine äusserst feine, radiäre, dem Bürstenbesatze der Flimmerepithelien nicht unähnliche Streifung vorzeigen. Die Untersuchung mit starken Objeetiven (Reichert, homog. Immers. !/,s, bei Compens. Ocular Nr. 4) ergiebt, dass diese Streifung von einer grossen Anzahl äusserst dünner Aus- läufer des Nervenzellenleibes herrührt, welche sich aus dem Zellleibe oft — jedoch nicht immer — mit einem winzigen Hügelehen erheben. Dieses Hügelehen markirt auch abgerissene Zellfortsätze. Die Ausläufer endigen zumeist frei in dem sog. pericellulären Raume, doch kann man an geeigneten Stellen deutlich wahrnehmen, dass sie sich mit den Balken des umliegenden Ge- rüstes zu einem dichten Netzwerke vereinigen (Fig. 26, 28, 29). An etwas diekeren Schnitten, welche mittels Hämatoxylin!) gefärbt wurden, erscheinen die einzelnen Zellen wie von einem 1) Die Schnitte kominen in eine 1/,0/, wäss. Lösung von krystall. Hämatoxylin, werden dann in hypermangansaures Kali getaucht, bis sich schwarze Wolken erheben; dann werden sie in eine 1°/, Lösung von doppeltchromsaurem Kali gebracht, in der sie schwarz werden, gelangen noch einmal in die Hämatoxylinlösung, woselbst sie braunrothe Wolken ausscheiden, dann in Alcohol, Oel, Balsam oder Wasser, Glycerin. Die Hämatoxylinlösung soll stets möglichst frisch sein. a Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 505 aus den feinen Ausläufern gebildeten Spinngewebe umsponnen. An dünnen Schnitten beobachtet man dagegen den Bürstenbesatz auf der Peripherie des Zellleibes; an einzelnen Stellen — ganz besonders an den Abgangsgebieten der Dendriten — aber auch dunkle Punkte auf der Oberfläche desselben, welche für die optischen Querdurchschnitte der feinen Ausläufer zu halten sind und zwar umsomehr, als einzelne Punkte bei der Handhabung der Stellschraube mit dem die Zelle umgebenden Gewebe ver- bunden erscheinen (Fig. 30. An anderen Zellen kann man wiederum erblieken, wie sich die feinen Ausläufer entweder direet, oder erst nachdem sie sich getheilt haben, mit der um- gebenden Glia in Verbindung setzen. Dass dieselben wohl mit dem Gliagewebe identisch sind, zeigt auch ihr tinetorielles Ver- halten; sie färben sich nämlich ebenso wie die Glia lebhaft mit Eosin. Die Nervenzellen werden also hüllenförmig von dem wahr- scheinlich gliösen Retieulum umgeben, an dessen Aufbau die Verzweigungen der aus den Nervenzellen entspringenden feinsten Ausläufer Antheil nehmen. Die Nervenzellen des Rückenmarkes sind also auch mit dem Gliagewebe innigst verbunden. Der Umstand, dass nicht alle Zellen der Sublimatpräparate die feinen Ausläufer zeigen, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die von mir verwendete Fixirungs- und Härtungsmethode die- selben nicht gut zu conserviren vermag. Darauf weist der Um- stand hin, dass auch bei Zellen, welche die feinen Ausläufer in schöner Weise vorführen, dieselben zumeist in Folge der Re- traction des Gewebes abgerissen erscheinen und dass nur ein- zelne derselben unversehrt in der Glia endigen (Fig. 27, 28). Ausserdem sind die Ausläufer so zart, dass man den Schnitt überfärben muss, um sie gefärbt zu erhalten. Die besten Resultate werden erreicht, wenn man Schnitte vom in Flemming’schem Gemische fixirten, in Alcohol nach- gehärteten Rückenmarke des Hundes durch 5—17 Stunden mit Toluidinblau färbt (das Verfahren, wie im I. Absatze). Auf diese Weise erhält man prachtvolle Bilder (Fig. 31), bei denen freilich die feinere Structur der Zellleiber und des umgebenden Gewebes verwischt wird. Die feinen Ausläufer treten jedoch deutlich in dem breiten pericellulären Raume hervor. Dieselben sind auch 506 Vladislav RüZicka: an ungefärbten Präparaten schön zu sehen. Desgleichen sah ich auch nach Osmiumsäurefixirung am Froschrückenmarke sehr schöne Bilder der feinen Ausläufer (Fig. 26). Wie die feinen Ausläufer mit der inneren Structur der Nervenzelle zusammenhängen, vermag ich nicht anzugeben. Manchmal scheint es, als ob sie mit dem intracellulären Netz- werke in Verbindung stehen würden. In welchen Beziehungen die von mir beschriebenen feinen Ausläufer zu den von Held (1. e.) entdeckten pericellulären Concrescenzen, die er als Endi- gungen von Telodendrien fremder Axonen auffasst, stehen, vermag ich nieht anzugeben. So wie die Peripherie des Zellleibes erscheinen auch die starken Dendriten von den feinen Ausläufern besetzt (Fig. 27, 29, 30). Daselbst sind sie bereits mit Hilfe der Golgi'schen Methode von Ramön y Cajal!) in der Hirnrinde beobachtet worden. Einige Aufklärung über die physiologische Bedeutung der Anastomosen der Nervenzellen untereinander und jener zwischen den letzteren und der Neuroglia bieten die folgenden histolo- gischen Beobachtungen. Man kann zuweilen gewahr werden, wie ein Dendrit fein ausläuft und sich mit dem Ausläufer einer Gliazelle in direcete Ver- bindung setzt (Fig. 25). Weiterhin kann man beobachten, dass sich Gliafasern an die Wände der Blutgefässe anheften. Besonders schön ist dies an Präparaten aus Flemming’schem Gemisch, die durch 17 Stunden mit 1°/, Toluidinblaulösung gefärbt wurden, zu sehen (Fig. 24a). Die Beziehungen zwischen den Blutgefässen und Gliafasern wurden schon wiederholt studirt. So hat Lloyd Andriezen?) angegeben, dass eireulär und longitudinal laufende Ausläufer der um das Blutgefäss gelagerten Gliazellen dasselbe mit einem ge- schlossenen Geflechte umgeben. Nach von Lenhossek?°) sollen hingegen die Gliazellen- 1) Ramön y Cajal, Sur la structure de l’&eorce certbrale de quelques mammiferes. La Cellule. 1897. Fig. 7. 2) Lloyd Andriezen, On a system of fibre cells. Intern. Mo- natshefte. 1894. 3) Lenhossek, Der feinere Bau ete. S. 209. Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen ete. 507 ausläufer nahe an dem Gefässe mit Endverbreiterungen endigen, die sich so aneinander fügen, dass sie eine Outicularmembran bilden, in welchem das Blutgefäss — um die Worte Lenhos- sek’s zu gebrauchen — „wie ein Fremdkörper“ verläuft. Ich habe mich von der Richtigkeit dieser Angaben nicht überzeugen können. Ich bestreite zwar nicht, dass in der Nähe der Gefässe liegende Gliazellen ihre Ausläufer sowohl in longi- tudinaler, als auch in eirkulärer Richtung um das Gefäss schlingen können, aber von einer Grenzmembran, welche das Gefäss von dem übrigen Gewebe absondern würde, habe ich keine Andeutung gesehen. Noch viel weniger kann diese so gebildet sein, wie Len- hossek angiebt. Im Gegentheile muss ich darauf beharren, dass die in querer Richtung an das Blutgefäss herantretenden Glia- zellenfortsätze sich zumeist direct in die Wand desselben ein- senken und mit derselben verschmolzen sind. Des Weiteren kann man die Beobachtung machen, dass die Nervenzelle direct mittels eines stärkeren Dendriten mit dem Blutgefässe zusammenhängt (Fig. 24), während, wie aus dem früher Angeführten zu ersehen ist, dieselbe auf der andern Seite durch feinste Ausläufer mit dem Netzwerke des Gliagewebes verbunden ist. Ich zweifle auch an den Anastomosen der Neurogliazellen nicht im Geringsten. Auch dies ist vielfach bestritten worden, wiewohl es viele ältere positive Angaben giebt. So hat z.B. Rohon!) am Gehirne von Torpedo marmorata solche Verbin- dungen beschrieben und abgebildet. Es scheint also, dass sämmtliche zellige Elemente des Centralnervensystems durch Ausläufer untereinander verbunden sind und mit Hilfe derselben auch mit dem Blutgefässsysteme zusammenhängen. Ich glaube aus diesen Beobachtungen mit Recht auf die trophische Rolle der erwähnten Verbindungen schliessen zu dürfen, wie dies bereits Strieker?) auf Grund eigener Beobachtungen und jener von Gerlach, Deiters u. A. ausgesprochen hat. Sowohl die stärkeren Dendriten, als auch 1) J. V. Rohon, D. Centralorgan d. Nervensystems d. Selachier. Denkschriften d. math.-naturw. Klasse d. kais. Akad. Wien. 1877. Tafel IV, Fig. 33 u. 35. 2) Stricker, Vorlesungen etc. 32. Vorl. Wien 1885. 508 Vladislav Rü2icka: die feinen Gliaverbindungen der Nervenzellen sind demgemäss, wenn man den Thatsachen kei- nen Zwanganthun will, als Ernährungsapparate derselben aufzufassen. Golgi hat die Behauptung ausgesprochen, dass die Den- driten ausschliesslich nur diese nutritive Rolle besorgen. Zugleich gab er an, dass sich dieselben mit ihren Enden an die Blutge- fässe anlegen und so das ernährende Plasma aus denselben der Zelle zuführen. Die Richtigkeit dieser anatomischen Beobach- tungen wurde aber von Lenhossek in der heftigsten Weise bestritten. Er habe nie etwas derartiges finden können!), die Dendriten seien überall ausser aller Beziehung zu den Blutge- fässen. Dass diese Behauptung Lenhossek’s unrichtig ist, be- weisen meine oben eitirten Beobachtungen (Fig. 24), welche die Zuverlässigkeit der Angabe von Golgi in vollem Umfange be- stätigen. Ob freilich den Dendriten nur die Aufgabe zukommt die Ernährung der Nervenzellen zu besorgen, wie Golgi meint, kann ich nicht entscheiden. Bei den Gliaverbindungen scheint dies wirklich der Fall zu sein. Doch möchte ich es auch in Bezug auf diese nicht für ganz erwiesen halten. Ich habe näm- lich an einer Nervenzelle beobachtet, dass sich der Nervenfort- satz unweit von seinem Ursprunge in mehrere sehr feine Aeste auflöste, die in das Netzwerk der Glia eintraten und sich daselbst vollständig verloren (Dendraxon). Dieser Beobachtung zu Folge könnte möglicherweise auch das Gliagewebe nervöser Leitungen, wenigstens zum Theile, fähig sein. Doch will ich aus dieser einzelnen Beobachtung keine weitgehenden physiologischen Schlüsse dedueiren. So viel steht aber fest, dass Nerven- und Gliazellen durch Zellenausläufer miteinander und untereinander verbunden sind. In Kürze möchte ich noch auf die allgemein histologische Bedeutung dieser Erkenntniss hinweisen. Bekanntlich hat Heitzmann die Behauptung aufgestellt, dass das Protoplasma eine netzförmige Structur und Ausläufer besitzt, die mit den Fortsätzen benachbarter Protoplasmastücke 1) Lenhossek, Der feinere Bau etc. S$. 110. Untersuchungen über die feinere Structur der Nervenzellen etc. 509 zusammenhängend ein Netzwerk formiren. Für das Centralner- vensystem wurde dies in neuerer Zeit bestritten, doch fügt sich, wie meine Beobachtungen zeigen, auch die Nervenzelle in das von Heitzmann aufgestellte Schema. Die Hauptergebnisse der vorliegenden Arbeit sind also in Kürze die nachfolgenden: 1. Die Nissl’schen Körperchen sind in der lebenden Ner- venzelle nicht präformirt; sie sind Artefaete, die nicht durch die Einwirkung sauerer Fixirmittel, sondern erst bei der Entfärbung zu Stande kommen. 2. Die motorischen Vorderhornzellen des Stier- und auch des Hunderückenmarkes besitzen nicht durchwegs eine parallelstreifige Protoplasmastructur. Diese kann also nicht als charakteristisch für die motorische Function angesehen werden. 3. Die Nervenzellen des Rückenmarkes können durch Ana- stomosen untereinander verbunden sein. 4. Die Nervenzellen des Rückenmarkes senden von ihrer Oberfläche feinste Ausläufer, welche in die Fasern des umge- benden Gewebes übergehen. 5. Sowohl die stärkeren Dendriten, als wahrscheinlich auch die feinen Ausläufer der Nervenzellen stellen den Ernährungs- apparat der letzteren vor. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII. Fig. 1—12. Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes. Vergröss. Comp. Oc. Nr. 4, Obj. homog. Immers. 1/,>. Fig. 13—17. Vorderhornzellen des Hunderückenmarkes. Vergr. wie oben. Fig. 18. Vorderhornzellen aus dem Rückenmark eines fast ausgetra- genen Meerschweinchenembryos. Vergr. wie oben. Fig. 19, 20, 23. Anastomosen zwischen zwei Vorderhornzellen des Stier- rückenmarkes. Vergr. wie oben. Fig. 21. Anastomose zwischen zwei entfernteren Vorderhornzellen des Stierrückenmarkes. Vergr. wie oben. Fig. 22. Anastomosen zwischen Grosshirnrindenzellen des erwachsenen Meerschweinschens. Vergr. wie oben. Fig. 24. Anastomose zwischen einer Nervenzelle und einem Blutgefässe. Zusammenhang des Blutgefässes mit dem Gliagewebe (a). Stier- rückenmark. Vergr. wie oben. 510 Karl Herxheimer: Fig. 25. Anastomose der Nervenzelle mit einer Gliazelle. Stierrücken- mark. Vergr. wie oben. Fig. 26. Die feinen Ausläufer einer Vorderhornzelle des Froschrücken- markes. Osmiumsäurefixirung. Einbettung in Glycerin. Vergr. wie oben. Fig. 27, 28,29. Die feinen Ausläufer der Vorderhornzellen des Hunde- rückenmarkes. Sublimat-Alcohol. Toluidinblau-Eosinfärbung. Vergr. wie oben. Fig. 30. Die feinen Ausläufer einer Vorderhornzelle des Hunderücken- markes. Sublimat-Alcohol. Hämatoxylin nach meiner im Texte angeführten Methode. Vergr. wie oben. Fig. 31. Gruppe von Vorderhornzellen des Hunderückenmarkes. Flem- ming’sches Gemisch. Alcohol. In Toluidinblau durch 17 Stun- den gefärbt. Ueber die Structur des Protoplasmas der menschlichen Epidermiszelle. Von Dr. Karl Herxheimer, Oberarzt der dermatologischen Abtheilung des städtischen Kranken- hauses in Frankfurt a. M. Hierzu Tafel XXV. Einleitung. Die Frage nach der Structur des Protoplasmas der Zellen hat in dem letzten Jahrzehnt vielfache und ausgedehnte Erörte- rungen hervorgerufen, ohne dass bisher eine Einigung erzielt worden wäre. Nicht zuletzt aus diesem Grunde habe ich die menschliche Epidermis des Genaueren auf den Bau des Proto- plasmas ihrer Zellen studirt. Doch waren noch andere Gründe maassgebend. Einmal hatte ich im Jahre 1889 „eigenthümliche Fasern“ in der Epidermis des Menschen beschrieben, die, wie ich damals annahm, die Oberfläche der Zellen umspannten, von Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 511 denen ich aber mich später überzeugte, dass sie zum grössten Theile intracellulär gelagert waren und somit Fasern darstellten, die das Protoplasma durchsetzten. Es musste sich nun natur- gemäss die Frage erheben, in welchem Verhältniss diese übrigens schon von Ranvier beschriebenen Fasern zu dem färbbaren Theil des Protoplasmas standen. Wir werden auf diese Frage später zurückkommen. Des Weiteren veranlassten mich patho- logische Befunde, der Ergründung des normalen Baues des Pro- toplasmas der menschlichen Epidermiszellen näher zu treten. Es wurden denn auch mit geringen Ausnahmen nur menschliche Epidermis oder diejenigen von Säugern untersucht, obwohl der- artige Studien an Protozoen oder sonstigen niederen Thieren gemacht zu werden pflegen. Aus naheliegenden Gründen. Denn bei letzteren sind die bezüglichen Verhältnisse wegen der Grösse der Objeete leichter zu erkennen, liegen weniger complieirt und sind schon mit relativ einfachen Fixirungs- bez. Tinetionsme- thoden sichtbar zu machen, sogar am lebenden Objeet wahrzu- nehmen. Die vergleichend anatomische Untersuchung wird aber zu unseren Zwecken überflüssig, wenn es uns gelingt, die feinen Protoplasmastructuren am Menschen darzustellen. Letzteres glaube ich nun erreicht zu haben durch ein Verfahren, das ich weiter unten mittheilen werde. Die nachfolgenden Resultate sind mit diesem Verfahren zum grossen Theil gewonnen worden. Bevor wir uns der Beschreibung des Protoplasmas der menschlichen Epidermiszellen zuwenden, wollen wir einen Blick auf den derzeitigen Stand der Frage nach der Structur des Protoplasmas der Zellen überhaupt werfen. Wohl am wenigsten Anhänger hat die Lehre botanischer Forscher, wie Berthold, Frank Schwarz und früher auch Strasburger gefunden, dass dem Protoplasma keine besondere Struetur zukomme, oder höchstens, dass man nur eine gekörnte Binnenschicht anzunehmen habe, dass aber die Aussenschicht eine homogene Substanz sei. Die Annahme Künstler’s, dass das Protoplasma der Flagel- laten aus Kügelchen bestehe, die einen flüssigen Inhalt hätten, dürfte wohl mit der sogleich zu erörternden Bütschli’schen Wabentheorie zusammenfallen. Die Körnchenlehre wurde von Martin, Pfitzner, Wiesner u. A., sowie namentlich von Altmann vertreten. Letzterer nahm an, dass Granula, mit denen das Plasma so vollgepfropft sei, dass die Grundsubstanz 512 Karl Herxheimer: fast verschwinde, und die er Cytoblasten nannte, die eigentlichen lebenden Elemente in der Zelle seien. Mit dem Momente, da sich nachweisen liess, dass Altmann als Granula die ver- schiedensten Elemente, die im Protoplasma vorkommen, zusam- menfasste, erschien seine Auffassung unhaltbar. Dies ist auch deshalb der Fall, weil man von den Elementarorganismen im Sinne Altmann's verlangen müsste, dass sie entweder selbst frei leben oder dass ihnen analoge Organismen frei leben könnten. Neuerdings hat Max Münden freilich behauptet, dass die Granula auch als „Protocytoblasten“ z. B. als Bacterien, Coecen u.s. f. vorkämen. Eine Widerlegung dieser Anschauung ist über- flüssig. Eine weitere Theorie der Protoplasmastruetur ist von Schäffer und von Leydig aufgestellt worden, welche der Ansicht sind, dass das Protoplasma einen schwammigen Bau besitze, wobei das Gerüstwerk (Spongioplasma) von festerer Be- schaffenheit sei, in welchem eine flüssige Masse (Hyaloplasma) enthalten wäre. Die letztere sei als die eigentlich lebende Sub- stanz anzusehen. Wir haben im Vorhergehenden einige längst bekannte Theo- rien der Uebersichtlichkeit halber angeführt, bemerken aber, dass sich keine derselben allgemeine Geltung zu verschaffen im Stande war. Wenn wir jetzt auf die hauptsächlich in Betracht kommenden Anschauungen etwas ausführlicher eingehen, so rechtfertigt sich dies einmal durch die Bedeutung, welche denselben zukommt, und ferner dadurch, dass wir in unseren Beobachtungen öfters auf sie reeurriren müssen. Es handelt sich um die Theorien von der fibrillären Structur und von dem wabigen Bau des Proto- plasmas. Erstere wird besonders von Flemming, Ballo- witz, C. Schneider vertreten. Flemming’s „Faden- gerüstlehre*“ nimmt an, dass im Allgemeinen im Zellleib faden- förmige Gebilde (Mitom) verlaufen, zwischen denen eine sichtbar nicht geformte Substanz (Paramitom) sich befindet. Flem- ming läugnete schon 1893 nicht, dass es zwischen den Fäden Verbindungen gäbe derart, dass ein Gerüstwerk vorhanden wäre; bloss glaubte er damals, dass dies am lebenden Objeet nicht sicher zu erkennen sei und ein Gerüst am gefärbten Präparate durch Gerinnung oder Verklebung vorgetäuscht werden könne. Damals gab er zu, dass ein wabiger Bau möglich sei, voraus- gesetzt, dass von dem Vertreter der Wabentheorie, Bütschli, Ueber die Structur des Protoplasmas der menuschl. Epidermiszelle. 513 zugegeben werde, dass Fibrillen in den thierischen Zellen wenig- stens regelmässig vorkämen. Der Verlauf dieser Fäden sei inner- halb der Wände des Fachwerkes zu denken. Später, 1895, glaubte Flemming den Anschauungen Bütschlis sehr nahe zu stehen, wenn letzterer zugäbe, dass die Schaumstrueturen vielfach mittels Durchreissens der Wände sich in Netzwerke verwandeln können. Es kämen dann bez. der Fadenstructur nicht mehr Kantenbilder in Betracht noch die Ansicht, dass die Fäden gestreckte Wabenwände darstellten, sondern die Fibrillen seien „drehrunde Fäden von besonders beschaffener abgesonderter Zellsubstanz“. Flemming nahm somit für die Provenienz der Fäden in der thierischen Zelle im Allgemeinen einen ähnlichen Standpunkt ein, wie ich und Hugo Müller ihn bezüglich der Epidermiszellen des Menschen andeuteten, indem wir über die Fäden sagten: „Ob dieselben als differenzirtes Protoplasma an- gesehen werden müssen, etwa im gleichen Sinne, wie das Fett der Fettzelle oder das Pigment der Pigmentzelle, lassen wir dahingestellt.“ Neuerdings, 1897, betont Flemming den Un- terschied zwischen seinem Fadengerüst und dem wabigen Bau Bütschli's schärfer. Bütschli hat durch seine ausgezeichneten Untersuchungen den wabigen Bau der sichtbar geformten Theile des Protoplasmas in hohem Grade wahrscheinlich gemacht. Er hatte den Netzbau vielfach am lebenden Object unter dem Mikroskope studirt, unter dem man bei starken Vergrösserungen nur Flächen, aber keine Körper sehen kann. Denselben Bau konnte er durch künst- lich erzeugte Oelschäume gewinnen, ein Versuch, der jederzeit leicht gelingt. Nachdem Bütschli die Schaumstructur nun noch an einer ungemein grossen Zahl der verschiedensten Zell- formen nachgewiesen hatte, konnte der Annahme einer weiten Verbreitung derselben, wenigstens im Thierreiche, nichts mehr entgegenstehen, wenngleich für manche Zellarten eine besondere Structur nicht vorhanden ist, das Protoplasma vielmehr homogen erscheint. Man hat es bei den Wabenwänden mit einer dieker flüssigen Substanz zu thun, innerhalb deren sich eine dünnere Flüssigkeit befindet. Die Annahme der Waben- bez. Schaum- struetur schliesst selbstverständlich nicht aus, dass geformte Ele- mente, z. B. Granula, eingeschlossen sind, doch sind dies nicht Theile, die zur Grundsubstanz des Protoplasmas zu rechnen sind. 514 Karl Herxheimer: Auch viele andere Forscher sprechen sich in neuester Zeit für den wabigen resp. schaumigen Bau des Zellplasmas im Sinne Bütschlis aus. Mikosch allerdings beobachtete in den Epidermiszellen von Sedium telephium feine körnige Fädchen, die sich erst beim Absterben vacuolisiren, will diesen Bau aber durchaus nicht verallgemeinen. Trinchese fand in Epithel- zellen von Janus eristatus einen netzigen Bau, Lilian J. Gould bei Pelomyxa palustris eine feine Vacuolisirung, eben dieselbe, in deren centralem Protoplasma Israel. Schütt, der die Zellen der Peridineen studirte, lässt die Frage, ob Fäden oder Waben die Grundstructur des Plasmas bilden, offen, erhielt aber durch Fixirung Bilder, die sich von denjenigen Bütschli's durch die Grösse der Waben unterschieden, während Schau- dinn bei Caleituba eine stärker und eine schwächer lieht- brechende Substanz unterscheiden konnte, von denen die erstere ein Netzwerk bildete, dessen Maschen von der letzteren ausge- füllt wurden. von Lenhossek fand die Structur des Plasmas der Nervenzellen so fein, dass er sich darüber nicht auszusprechen wagte. Rhumbler erkennt die Wabenstruetur im Sinne Bütschli’s an, daneben komme aber auch wabenloses Plasma vor, während Crato für pflanzliche Zellen den Wabenbau annimmt. Für die letzteren ist nach Klemme ein homogenes Plasma mit körnigen Einlagerungen anzunehmen. Auch Galeotti glaubt, dass bei den meisten Zellarten das Plasma homogen sei, körnige Ein- lagerungen und Vacuolen enthaltend. Waldeyer spricht sich im Sinne Reinkes für Pseudowaben aus, d.h. es existire nicht ein gleichmässig vacuolärer Bau, sondern es kämen gröbere Granula vor, die sich weiter zu Fetttröpfchen ete. differenziren könn- ten, und daneben mehr flüssige Massen, während feinere Granula, die sich eventuell zu Fäden aneinanderreihen könnten, in den Wänden der Grundsubstanz eingelagert seien. H. Rabl findet in den Epithelzellen der Malpighi'schen Schieht nach Vorbehandlung sowie an frischer Haut Fasern, wie sie schon von Ranvier, Flemming,mir, Blaschko, Kromayer u. A. beschrieben waren. Von Erlanger endlich beschreibt den wabigen Bau in den Epithelien des Kiemenblattes der Salamanderlarve, ebenso in den Zellen des Ascariscies. In den Zellen der Diatomeen fand Lauterborn die Waben so geordnet, dass ihre Zwischen- ee Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 515 wände als ausgeprägte parallele Längsstreifen erscheinen, die gleichmässig durch Querwände verbunden sind. Während Held bezüglich der Structur der Nervenzellen einen wabigen Bau im Bütschlischen Sinne innerhalb des Lebens bezweifelt, meint Braus bezüglich der Leber, dass das im optischen Querschnitte fädige Plasma in Wirklichkeit Wabenwände vorstellen könne. Einen besonderen Standpunkt vertritt neuerdings W. His bezüglich der Keimzelle des Selachiereies: Um den Kern herum liegt „eine trübe, gerüstbildende Substanz“ (mit Leydig Spon- gioplasma genannt), welche eine helle, strueturlose Substanz ent- hält (Hyaloplasma). Die Peripherie der Zelle wird nach His von einer Zone gebildet, welche er als periphere Ausbreitung des Spongioplasmas auffasst. Die gerüstbildende Substanz sei viel gröber als die Fäden Flemming’s und die Waben Bütschli’s. Aus vorstehender kurzer Uebersicht aus der Literatur aus den Jahren 1894, 1895 und 1896 — zu einem Theile der Arbeit Flemming's in den „Ergebnissen der normalen Anatomie und Entwicklungsgeschichte* von Merkel-Bonnet entlehnt — er- hellt, dass von einer Einigung der Anhänger der „Fadengerüst- lehre* und des Wabenbaues bislang keine Rede sein kann. Unna studirte die Plasmastructur an den Zellen des Bindege- webes der menschlichen Haut und zwar, wie es scheint, vor- wiegend an pathologischem Material. Er konnte an gewissen Zellen einen netzförmigen, an anderen einen wabigen und wieder an anderen einen spongiösen Bau unterscheiden. Für letztere sieht er als Typen die von ihm beschriebenen Plattenzellen an, während seine „Korbzellen* geradezu „Schaumzellen“ genannt werden könnten. Wenn also Unna für einzelne Zellarten den wabigen, bez. schaumigen Bau des Protoplasmas zulässt, so ist er andererseits ein Gegner seiner Verallgemeinerung. Er meint, dass es unrichtig sei, von allen Einzelstructuren abzusehen und den Zellleib nur als Ganzes auf seine Structur hin zu betrachten. Wir werden im Folgenden sehen, ob die a priori ansprechendere, verallgemeinernde Anschauung Bütschlis oder die individua- lisirende Unna’ bez. der menschlichen Epidermis zu Recht besteht. Auch Unna’s mikroskopische Bilder sind Netze. Nun hat aber Bütschli nachgewiesen, dass die Annahme eines im gewöhnlichen Sinne netzförmigen oder schwammigen Baues nicht aufrecht erhalten werden kann. Dieser Beweis 516 Karl Herxheimer: stützt sich zunächst auf das Vorhandensein der Vacuolen, die im Entoplasma der Infusorien eine kugelige Gestalt haben. Va- cuolen besitzen die Fähigkeit zusammenzufliessen, und sie nehmen dann wieder eine kugelige Gestalt an. Von dem Inhalt gewisser Nahrungsvacuolen ferner ist es bekannt, dass er ein wässeriger ist. Auch das Verhalten bei den Strömungserscheinungen spricht gegen netzförmigen oder spongiösen Bau. Ferner erklärt die Wabentheorie zwanglos das Vorhandensein eines zusammenhän- senden Grenzsaumes, der bei vielen. Zellen in einer festen Zell- membran besteht, wie dies nachgewiesen ist. Ein wichtiges Moment endlich ist nach unserer Ansicht die Uebereinstimmung des Baues der künstlich erzeugten Schäume mit dem Protoplasma. Diese zeigt sich nicht nur in der allgemeinen Aehnlichkeit, sondern auch darin, dass die festen Körnchen immer nur in den Knotenpunkten des Wabenwerkes liegen und ferner in den Strahlungserscheinungen, die im künst- lichen Schaum, wie im Zellleib bedingt sind durch Hintereinan- derreihung der Waben. Nachdem wir also durch eine Reihe von theoretischen Erwägungen zur Annahme eines schaumig- wabigen Baues des Zellleibes gelangt sind, wenden wir uns zu unserem eigentlichen Thema. Bevor wir jedoch auf die Einzel- heiten in dem Baue des Protoplasmas der Epidermis eingehen, ist es nöthig, Einiges über die von uns angewandte Technik mitzutheilen. Specielle Untersuchungen. Technik. Wenn auch mit den Fortschritten der histologischen Färbe- technik überraschende Resultate auf den verschiedensten Gebieten zu Tage gefördert worden sind, so haben wir uns in einer so schwierigen Frage, wie sie diejenige nach dem Baue des Proto- plasmas darstellt, doch für verpflichtet gehalten, vielfach frische Schnitte zu untersuchen. Obwohl wir ferner die normalen Ver- hältnisse festzustellen bemüht waren, konnten wir nicht allzu häufig normale Haut exstirpiren. Es liegt auf der Hand, dass die Untersuchung der Haut von Leichen zwecklos ist. Zum Ueberfluss hatte ich solehe, nachdem ich sie der unten zu be- schreibenden Färbeprocedur unterworfen hatte, untersucht. Das Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 517 Resultat war, wie unten ausgeführt wird, ein von der Norm ab- weichendes, auch dann, wenn ich das als Fixirungsmittel ver- wendete Formol alkalisch gemacht hatte. Ich war somit auf frisch zu exstirpirendes Material beschränkt, das uns z.B. in den spitzen Condylomen reichlich zur Verfügung steht. Diese besitzen besonders grosse Epithelien, so dass sie sich zu unseren Zwecken vorzüglich eignen. Eine zweite Reihe von Untersuchungen betraf Schnitte von spitzen Condylomen, die kurze Zeit in 10°/,igem Formol gehärtet waren (12—24 Stunden), dann — wie bei der ersten Reihe — mit dem Gefriermikrotom geschnitten und in physiologischer Kochsalzlösung untersucht wurden. Die Schnitte waren von höchstens Su Dicke. Die Untersuchung geschah in allen Fällen mit Zeiss’schem Apochromat 2,0 und den Compensations-Ocu- laren 4, 6, 8. Weitaus die zahlreichsten Untersuchungen wurden an fixirtem und gefärbtem Material ausgeführt. Hierbei hatten wir öfters Gelegenheit, die normalen Verhältnisse zu beobachten. Die Fixi- rung geschah vorzugsweise Anfangs in Alcohol, später in Formol. Das letztere Mittel ist zum Zwecke der Fixation des Protoplas- mas wiederholt empfohlen worden, z.B. von Infante-Tor- tona in 5°/,iger Lösung. Es hat den Vorzug, gewisse Eiweiss- körper nicht zu fällen (Blum), was auch von Alfred Fischer bez. der sauren, wässerigen Lösung der käuflichen Albumose be- stätigt wird. Nach meinen Erfahrungen ist es dem Alcohol, der Pierinsäure, der Müller’schen und Flemming’schen Flüssigkeit sowie den wässerigen Sublimatlösungen zu unseren Zwecken überlegen, doch muss ich gestehen, dass mir bez. der Pierinsäure und dem Sublimat relativ geringe Erfahrungen zu Gebote stehen. Zur Anwendung gelangte die 10° ,ige Formol- ‘- Lösung. Die Hautstückehen müssen lebensfrisch in Formol ge- Er legt werden, worin sie 48 Stunden bleiben. Dann werden sie in fliessendem Wasser abgespült, um 24 Stunden in T70°/,igem Aleohol und weitere 24 Stunden in völlig absolutem Alcohol ge- härtet zu werden. Nachdem sie alsdann noch 2—3 Stunden in Alcohol und Aether zu gleichen Theilen verweilt haben, erfolgt ihre Einbettung in Celloidin, und zwar auf zwei Tage in dünn- flüssiges und dann einen halben Tag in diekflüssiges. Alsdann werden sie in bekannter Weise auf Korke aufgeklebt und ge- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 34 518 Karl Herxheimer: schnitten. Präparate, die lange Zeit aufgeklebt in Alcohol auf- bewahrt werden, scheinen ihre Färbbarkeit zu verlieren. Schnitte, die 8 u Dieke überschritten, waren zu unseren Zwecken un- brauchbar, da die Structur an ihnen nicht zu erkennen war, und es gelangten gewöhnlich Schnitte von weniger als etwa 8 u Dicke zur Verwendung. Man kann leicht ceonstatiren, ob die Dieke von S u überschritten ist, wenn nämlich das Protoplasma durch die unten zu erwähnende Tinetionsprocedur diffus blau gefärbt ist. Auch an Paraffinschnitten konnten, wenn auch selten, Un- tersuchungen vorgenommen werden. Im Allgemeinen dürften Paraffinschnitte zum Zwecke der Protoplasmastudien vorzuziehen sein, weil bei der Paraffineinbettung dünne Schnitte leichter gelingen, jedoch dürfte gerade die äussere Haut sich häufig für die Paraffineinbettung ungeeignet erweisen, weil sie sehr hart wird.. Immerhin gelingt es durch die Uebung auch die Paraffin- einbettung für Hautstückchen nutzbar zu machen. Das Celloidin steht aber dem Paraffın rücksichtlich der Feinheit der Schnitte wenig nach, und Schnitte des angegebenen Dickendurchmessers gelingen bei einiger Uebung leicht, so dass es schliesslich Ge- schmackssache der jeweiligen Untersucher ist, welcher Methode er den Vorzug giebt. Die Färbung der Schnitte geschah sowohl mit Nissl's Methylenblau als auch mit dessen Fuchsinmethode (Neurol. Cen- tralblatt, 1894, Nr. 19 ff.), als auch mit dem Unna’schen poly- chromen Methylenblau. In dem letzteren wurden die Schnitte '),—1 Stunde gefärbt, dann !/;—1 Minute in Glycerinäther entfärbt, in Alcohol abgespült, in Xylol aufgehellt und in Canadabalsam eingeschlossen; es wurde also das Verfahren (durchgeführt. welches von Unna für das „Spongioplasma* angegeben worden ist. Oder die Schnitte kamen nach der Färbung in polychromem Methylenblau in Xylol-Alcohol 10:40, dann in Xylol-Aleohol 20:30, worauf sie in Xylol auf- gehellt wurden. Letztere Methode wurde von Unna zur Dar- stellung des „Granoplasma“ angegeben. Endlich konnten auch leidliche Färbungen mit Thionin so- wie mit Methylviolett (aleohol. ges. Lösung mit Zusatz von 10°/, Oxalsäure) und Mentholvasogenentfärbung erzielt werden. Zur Darstellung des Protoplasmabaues bei Axolotl genügte die An- Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 519 wendung des Bismarckbrauns und des Delafield’schen Häma- toxylins; wie diese zur Kernfärbung benutzt zu werden pflegt. Ganz besonders eignet sich zur Demonstration der Structur- verhältnisse des Protoplasmas ein basischer Anilinfarbstoff, der mir von der ehemischen Fabrik von Leonhardt & Co. in Mül- heim a. M. gütigst zur Verfügung gestellt wurde, das Cresyl- echtviolett. Aus der Gruppe der Cresylfarbstoffe ist das Cresylecht- violett allein zu unseren Zwecken zu sebrauchen, während das Cresylblau das Plasma nur leicht anfärbt, etwa wie die Rosanı- line oder Pararosaniline.e Das erstere wird nach den Mitthei- lungen der Fabrik erhalten durch Einwirkung der Analogen von Dialkylmetaamidokresolen auf Nitrosoverbindungen. Lassen diesen Farbstoff in concentrirter wässeriger Lösung, welche von Zeit zu Zeit filtrirt werden muss, sich aber über 1 Jahr lang hält, etwa 10 Minuten auf entsprechend dünne Schnitte ein- wirken, seien diese nun von frischem Gewebe mit dem Ge- friermikrotom hergestellt oder von solchem, das in Alcohol fixirt wurde, so erhalten wir neben einer Blaufärbung der Kerne mit sehr deutlicher Darstellung des Kernnetzes eine röthliche aber schwache Tingirung des Protoplasmas, wenn wir nachher in Alcohol abspülen und in Nelkenöl aufhellen. Be- handelt man die mit Cresylechtviolett gefärbten Schnitte etwa 20 Secunden mit dem käuflichen Aceton und dann mit Alcohol und Nelkenöl, so erhält man eine absolute Kernfärbung, wobei die Kernnetze gewöhnlich erhalten bleiben, jedoch die Tinetion des Protoplasmas vollkommen ausgezogen wird. Die Behand- lung der Schnitte mit Wasser ist zu beiden Zwecken unzulässig. Das Celloidin braucht vor der Behandlung mit Cresylecht- violett nicht entfernt zu werden. Damit stimmt auch z. B. die Thatsache überein, dass sich die Hornschicht blau färbt. Ich möchte auf die Theorie der Protoplasmafärbung durch Cresyl- echtviolett nicht näher eingehen, sondern nur die Vermuthung aussprechen, dass die Rothfärbung bez. Blaufärbung auf den Lösliehkeitsverhältnissen des Farbstoffes beruhen, so dass, wenn die Säure überwiegt, eher Blaufärbung eintritt, in neutraleren Lösungen eher Rothfärbung. Eine ungleiche schärfere Darstellung des Protoplasmas er- hält man dureh längeres Verweilen der Schnitte in der Farb- 520 Karl Herxheimer: stofflösung bez. durch Färben über der Spiritusflamme. Bei frisch exeidirtem, mit dem Gefriermikrotom geschnittenen. Gewebe lässt sich dann der Bau des Protoplasmas schon deutlich erkennen, sowohl an Epidermiszellen, als auch an den Zellen des Binde- gewebes, wobei zu bemerken ist, dass nachherige Fixirung in Formol ohne Einfluss auf die Plasmadarstellung ist. Sehr vor- zuziehen ist jedoch vorherige Formolfixirung, so dass der Vor- gang ein sehr einfacher ist. Schnitte der in Formol, wie ange- geben, fixirten Haut werden auf dem Objeetträger mit concentrirtem wässerigem Cresylechtviolett so lange über der Spiritusflamme erhitzt, bis Dämpfe aufsteigen, sodann lässt man die Präparate erkalten, um sie in 96°/,igem Alcohol abzuspülen, in welchem Farbwolken abgegeben werden. Nach wenigen Minuten erfolgt Aufhellung in Nelkenöl und Einschliessung in Xylol-Canadabal- sam, Die ganze Procedur nimmt 5—10 Minuten in Anspruch. Bacterien (verschiedene Bacillenarten, Staphylococcen etc.) werden blau oder röthlich, Mastzellenkörner roth, rothe Blutkörper blau gefärbt. Die Bindegewebsbündel erscheinen fast immer electiv tingirt, ähnlich wie bei Mallory’s Färbung. Zusätze von Carbolwasser, Anilinwasser, Aethylendiamin, Alkalien, wie Kalilauge oder Borax, und ferner von Kresolen zu dem ÜCresylechtviolett waren von keinem besonderem Vortheil, die meisten Zusätze fällten sogar den Farbstoff aus. Ich habe nun auch den Bau des Protoplasmas auf physi- kalischem Wege darzustellen versucht, indem ich im Gewebe Kohlensäure zu erzeugen bemüht war. Zu diesem Zwecke wurden in spitze Condylome am Lebenden Salze injieirt, die eine Gas- bildung im Gewebe voraussetzen liessen. Obwohl die Möglich- keit, die Waben durch die Gase aufzutreiben, nicht zu läugnen ist, ist dieses Ziel trotz vielfacher Versuche nicht erreicht worden, wie die sofort darauf gefertigten Schnitte lehrten. Vielleicht wird man bei fortgesetzten Versuchen auch nach dieser Riehtung zu einem positiven Resultate gelangen. Eben so wenig waren Versuche zur Injeetion der Protoplasmaräume mit Asphalt-Chlo- roformlack erfolgreich, die unter möglichst hohem Druck vorge- nommen wurden. Die. schwärzliche Injeetionsmasse gelangte immer nur in die Intercellularräume, die in den unteren Epi- dermisschnitten an vielen Stellen vollkommen injieirt wurden, Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 521 niemals jedoch konnte sie im Innern der Zellen selbst nachge- wiesen werden. Endlich ist hervorzuheben, dass wohl alle bekannten früheren zur Darstellung der Protoplasmafasern angegebenen Methoden zur Anwendung gelangten. Structur des Protoplasmas der Epidermiszellen. Der Gang der Untersuchungen war naturgemäss der, dass zuerst normale und dann pathologisch veränderte Haut auf den Plasmabau nachgesehen wurde. Ueber die krankhaften Ver- änderungen des Plasmas zu berichten, ist hier nicht der Ort. Die Untersuchungen hatten sich zunächst auf die Stachelzellen- schicht zu erstrecken. Hier besitzen wir passende Studien- objeete, weil die Zellen von dem katabiotischen Process, der sich physiologisch in der Oberhaut abspielt, noch nicht betroffen sind. Naturgemäss hat das Studium bei der basalen Cylinder- zelle einzusetzen. Was wissen wir bislang von der Structur des Protoplasmas der Stachelzellen beim Menschen ? Die meisten Autoren haben set Ranviers Entdeckung der Epithelfasern in diesen das Strueturbild der Epidermiszellen sehen zu müssen geglaubt!), und dieser Meinung wurde neue Nahrung zugeführt, nachdem sich durch meine Untersuchungen herausgestellt hatte, dass die Fasern sich speeifisch färben liessen. Diesen Standpunkt vertritt Kro- mayer (Archiv für Dermatol. u. Syphilis, 1890) derart, dass er die Epithelfasern in den obersten Schichten der Epidermis zer- fallen lässt und das Keratohyalin als ihr Zerfallsprodukt ansieht. Während andere Autoren sich über das Verhältniss der Fasern zur Plasmastruetur nicht aussprechen, glaubt Unna (Monatshefte für pract. Dermatol., 1894 Nr. 6), dass die Fasern nicht das eigentliche Structurbild der Epidermiszelle ausmachen, sondern dass letzteres dargestellt werde von einer spongiösen Grundsub- stanz mit einer gekörnten Masse als Randbelag oder in deren Hohlräumen, während die Epithelfasern in den Balken des 1) Dieser Standpunkt findet sich auch in der jüngst erschienenen Anatomie der Haut des verstorbenen A. von Brunn vertreten. (Jena, G. Fischer, 1897.) 522 Karl Herxheimer: Schwammgewebes und zwar theils isolirt, theils netzartig verbunden verlaufen. Unna scheidet somit die sichtbaren Bestandtheile des Epithelplasmas in ein Schwammgerüst, von ihm Spongioplasma genannt, eine gekörnte Substanz, das soge- nannte Granoplasma, und die Fasern, welche er theilweise netz- artig verbunden gesehen hat. Ergänzt man dazu noch das zwi- schen den geschilderten sichtbaren Substanzen gelegene nicht sichtbare Medium, so erscheint das Epidermisplasma hiernach complieirter, als man bislang anzunehmen geneigt war. Denn es hatten weder Kupffer bei seiner Unterscheidung im „Pro- toplasma“ und „Paraplasma“, noch Flemming bei der seinigen in „Mitom* und „Paramitom“, noch Leydig bei seiner Ein- theilung in „Spongioplasma“ und „Hyaloplasma* eine derartige Polymorphie des sichtbaren Plasmas im Auge. Auch von der Ansicht, die Niss] 1894 für die Nervenzelle vertrat, dass der darstellbare Theil des Protoplasmas in verschiedenen Zellen eine verschiedene Anordnuug habe, dass z. B. in einer Zelle die Netz- structur, in einer anderen die körnige Anordnung vorhanden sei, weicht die Unna’sche Anschauung ab, wobei allerdings bemerkt werden muss, dass Niss| auch Combinationen, also eine Poly- morphie, zulässt, welche Unna, wie wir gesehen haben, als Regel annimmt. Es ist übrigens schon wegen der Verschieden- heit der Function nicht erlaubt, ohne weiteres auf die Nerven- zelle zu exemplifieiren. Untersucht man nun die Cylinderzelle in normaler mensch- licher Epidermis unter den im technischen Theile erörterten Be- dingungen mit Cresylechtviolett, so gelingt es, einen netzförmigen Bau!) der gefärbten Substanz nachzuweisen. Die Netze sind hier ausserordentlich klein, und ich habe gewöhnlich erst mit Zeiss- schem Apochromat und Compensations-Ocular 8 deutlich sehen können. Die Bestandtheile ihrer Wandung gleichen auf den ersten Blick bei schwächerer Vergrösserung Körnern, man kann Jedoch Strichform und das Mascheninnere bei genauerem Zu- sehen unterscheiden. Am besten eignet sich zur Untersuchung die Haut der Handflächen und Fusssohlen, deren Zellen grösser sind. Jedenfalls erreichten die Netze den Umfang von lu 1) Wenn ich im Folgenden von netzförmigem Bau spreche, so bezieht sich dieser Ausdruck lediglich auf das mikroskopische Bild. Br Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 523 nieht entfernt, selbst nicht an Handfläche und Fusssohle, so dass sie nicht gemessen werden können. Zur Untersuchung gelangte die Haut der Brust, des Rückens, der Fingerbeere, der Fussfläche, des Präputiums, der Leistengegend, und zwar von Individuen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahre. Auch die Chromatin- netze der Kerne waren meist sehr deutlich und eontrastirten durch ihre intensiv blaue Färbnng lebhaft gegenüber den rosarothen Plasmanetzen. Die Treffpunkte der Netze erschienen bei starker Vergrösserung verdickt, niemals waren in den Netz- maschen des Protoplasmas der basalen Cylinder- zellen freiliegende Körner nachzuweisen. Es ist hierbei ausdrücklich zu betonen, dass die Untersuchungen sich zunächst auf normale Verhältnisse erstreckten, weil Unna offen- bar seine Studien vorwiegend an pathologischer Epidermis gemacht hat. Er sagt nämlich: „Am raschesten orientirt man sich über die einzelnen Substanzen des Protoplasmas an abnorm grossen, im Uebrigen aber wenig veränderten Epithelien, beispielsweise an Schnitten kleiner spitzer Condylome etc.“ Ferner ist hervorzu- heben, dass ich auch bez. dieses Punktes viel mit den von Unna für die Darstellung des Granoplasmas angegebenen Me- thoden gearbeitet habe, jedoch in der normalen Stachelschicht immer zu dem angegebenen Resultate gelangte. Die bei hyper- trophischen Processen in der Epidermis von Unna und vielen Anderen gesehenen Anhäufungen von Granula, welche proximal- wärts liegen, sind eben pathologische Produkte. Sie liegen übri- gens auch häufig zwischen den Zellen. Zum Theil sind diese „Körner“ in pathologischen Veränderungen der Epidermis nichts anderes als isolirte Netztheilchen, denn sie sind von unregel- mässiger Gestalt, oft — bei starker Vergrösserung wahrzuneh- men — linienförmig und meist von demselben Durchschnitt etwa wie die Netzwandung. Wie sich diese von dem Keratohyalin unterscheiden, werden wir später auszuführen haben. Andern- theils mögen sie in gewissen Fällen isolirten Tröpfehen dünn- flüssigen Plasmas entsprechen. Die beschriebene „Körnung“ in pathologischer Oberhaut ist somit etwa der „Körnung“ analog, die wir in vielen Fällen bei einer Zellart im Bindegewebe wahr- nehmen, die gleichfalls nur in (den verschiedensten) pathologi- schen Zuständen auftritt, nämlich bei den Unna’schen Plasma- zellen. Auch hier sind häufig noch die Netze zu erkennen, viel 524 Karl Herzheimer: fach jedoch sind sie überdeckt durch zahllose „Körner“. Abgesehen von den pathologischen Plasma„granulationen“ und denjenigen, die dureh den Stoffwechsel der Zelle hervorgebracht werden, kommt eine solehe noch nach dem Tode vor, wie sie Verworn für die einzelligen Organismen nachgewiesen hat. Auch hier handelt es sich, wie bei krankhaften Zuständen, um einen körnigen Zerfall. Der Tod des Protoplasmas erfolgt eben mit seiner Contraetion. Nach meinen an mehreren Leichen vorgenommenen Untersuchungen beginnt der körnige Zerfall in den Zellen der Epidermis 6—12 Stunden post mortem. Die dicksten Schollen und Körner von unregelmässiger Gestalt fanden sich 12 Stunden post mortem in der basalen Cylinderzellenschicht, dieht unter- halb derselben lag sogar eine Reihe davon ausserhalb der Zellen im Bindegewebe des Papillarkörpers, die später, etwa 24 Stunden post mortem vermehrt waren. Ein Theil von ihnen hatte die Richtung der Cylinderzellen eingehalten, sodass sie gewisser- maassen die Fortsetzung derselben bildeten. Die Körner der oberen Zellschichten waren feiner und zunächst vollständig gleich- mässig in dem Zellleib vertheilt. Hierdurch und durch die mattere mehr röthliche Färbung unterscheiden sie sich vom Keratohyalin. Eine Netzstructur habe ich mit der beschriebenen Methode an den Zellen der Leichenhaut nicht darstellen können. Schon am Plasmabau der basalen Cylinderzelle lässt sich erkennen, dass die kleinsten Maschen nach der Oberfläche der Zelle zu liegen, während diejenigen um den Kern herum grösser erscheinen. Diese Verhältnisse sind durch die Oberflächenspannung bedingt. Allerdings erscheint auch bei vielen Zellen nach der Oberfläche zu das Plasma diffus rosa gefärbt, und in diese Masse ragen dann gewöhnlich vereinzelte Fäden des centralen Netz- werkes hinein, die wie abgerissen scheinen. Vielleicht handelt es sich bei der gleiehmässig rosa gefärbten peripheren Masse um Stoffwechselprodukte der Zelle, jedenfalls ist nichts Sicheres darüber zu entscheiden gewesen. Nicht immer färbte sich die Peripherie, sondern bei manchen Zellen blieb sie, ähnlich wie (das Netzinnere, ungefärbt. Diese Verhältnisse scheinen mir die Ausnahme zu bilden, und wir sind daher nicht befugt, etwa ein Endoplasma und Exoplasma zu unterscheiden, wovon das erstere eine Structur zeige, das letztere aber homogen sei, wie die Bo- taniker es wollen. Sehr viel leichter als beim Menschen und ww Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 525 bei Säugern, z. B. bei der Maus, sind die Strueturverhältnisse bei Axolotl und beim Regenwurm zu sehen. Bei dem ersteren namentlich genügt Aleoholhärtung und Darstellung mit Bismarck- braun oder einem gut kernfärbenden Hämatoxylin, um dieselben darzulegen, während. Cresylechtviolett sie zu tingiren nicht im Stande war. Die Oberhaut wird hier, abgesehen von einer obersten Lage, welche der Hornschicht beim Menschen entspricht, aus zwei Reihen von Zellen, die besonders gross sind, gebildet. Wie aus der beigegebenen Fig. 2 ersichtlich, besteht das Pro- toplasma aus einem sehr deutlichen Netzwerk, welches gleich- mässig grosse Netzräume einschliesst, deren Grösse je etwa lu beträgt. Hier tritt die Erscheinung mehr in den Vordergrund, dass das Netzwerk nicht den ganzen für das Plasma bestimmten Raum einnimmt, jedoch ist keineswegs immer die Peripherie des Zellleibs frei und der centrale Theil structurirt, sondern man findet einmal, dass dies der Fall ist, ein anderes Mal, dass der der Oberfläche zugekehrte, wieder ein anderes Mal, dass der dem Körper zugekehrte Theil keine Structur aufweist. Ob diese Erscheinungen künstlich hervorgerufen sind, was bei Alkohol- härtung des zarten Protoplasmas leicht begreiflich wäre, sei da- hingestellt; ähnlichen Verhältnissen sind wir auch beim Menschen begegnet. Immerhin sind es weitaus die meisten Zellen, die das beschriebene Netzwerk im ganzen Leib aufweisen. Ferner ist hervorzuheben, dass die dem Körper zugekehrten Theile des Netzwerkes intensiver gefärbt sind, so dass die Netze mehr plastisch hervortreten (ef. Figur 2). Um nun den Einwand, dass die gefundenen Bilder künstlich erzeugt seien, zu entkräften, war es nöthig, die Bilder auch an frischen Präparaten zu demonstriren. In der That habe ieh an möglichst dünnen Schnitten vom spitzen Condylom, das vom Lebenden exeidirt und sofort mit dem Gefriermikrotom geschnitten wurde, in der Stachelzellenschicht den netzförmigen Bau gesehen (Fig. 3). Zu diesem Zwecke bedarf man grösserer Zellen, als diejenigen in normaler Oberhaut sind. Vielleicht wird man nun einwerfen, dass auch der Aether bei dem Gefrieren eine plasmaverändernde Wirkung ausüben könne. Es ist aber sehr auffallend, dass immer der netzförmige Bau resultirt, und kein anderer. Es sind zur Darstellung der erwähnten Bilder, a 526 Karl Herxheimer: wie erörtert, dünne Schnitte nöthig, und es ist deshalb nicht möglich, auf das Microtom zu verziehten. Das Rasirmesser würde selbst dem Geübteren viel zu dieke Schnitte ergeben. Die Figur 3 zeigt den beschriebenen Bau. Gleichzeitig sind hier deutlich die extracellulären Stacheln zu constatiren, die mit dem Netzwerke des Zellleibs am frischen Präparat in keiner Verbin- dung zu stehen scheinen. Auch ist zu bemerken, dass in diesen frischen Sehnitten Fasern nicht zu sehen sind. Freilich muss zugestanden werden, dass die Zelle den höheren Oberhautlagen entstammt und dass die Netze nicht mehr ven der Kleinheit derjenigen in den Cylinderzellen sind, sondern es hat hier eine gleichmässige Ausdehnung der Maschen (Waben) stattgefunden. Es besteht hiernach und nach dem, was bei der Formolfixirung des Plasmas gesagt wurde, für mich kein Zweifel mehr daran, dass im optischen Querschnitte die eigent- liche Structur des Leibes der basalen Cylinderzelle und der ge- sammten Zellen der Stachelschieht eine netzförmige ist. Im optischen Querschnitte stellt sich dieses von gleich- mässigen Vacuolen durchsetzte Plasma als ein Netzwerk dar. Körperlich betrachtet kann das. Netzwerk nur eine Schaumstruetur im Sinne Bütschli’s sen. Bütschli führt als Beweis dafür verschiedene Momente an. Zunächst ist es das Auftreten von Vacuolen bei den Infusorien, welche ersteren eine kugelige Ge- stalt haben, Wasser enthalten (wenigstens die Nahrungsvaeuolen) und zusammenfliessen können, wobei ihre Form wieder kugelig wird. Isolirte Plasmatheile nehmen stets Tropfengestalt an. Hält man dazu noch das Verhalten bei den Strömungserschei- nungen, so dürfte eine flüssige Beschaffenheit des Paraplasmas analog den Oelschäumen wahrscheinlich sein. Des Weiteren nimmt die Wabentheorie als Zellmembran einen pellieulaartigen Samen als Folge des Baues an. Eine Membran ist für viele Zellen nachgewiesen und von mir jüngst wieder an den Epidermiszellen mit der Weigert'schen Neuro- sliamethode dargestellt worden. Die Vertreter der Schwamm- theorie sind mit dieser nieht im Stande zu erklären, auf welche Weise der zusammenhängende Saum stets wieder an der Ober- fläche von solehen Zellen zu Stande kommt, von deren Zellleib einzelne Stückchen abgeschnitten worden sind. Auch die bereits erwähnte radiäre Stellung der Theile des Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 527 Zellleibes um den Kern, die in vielen Fällen statthat, und die That- sache, dass die körnigen Einschlüsse — vollkommen entsprechend unseren Beobachtungen — immer in den Knotenpunkten des Wabenwerkes liegen, wird durch Bütschli’s Theorie leicht erklärt. Die Strahlungserscheinungen im Protoplasma lässt Bütschli durch Diffusionsvorgänge, die Streifungserseheinungen der Epi- thelien theils durch diese, theils durch Druck oder Zug ent- stehen. Die besprochenen von Bütschli für die Existenz eines alveolären, honigwabenartigen Baues des Protoplasmas geltend gemachten Momente haben im Zusammenhang mit der diesem Autor gelungenen experimentellen Darstellung des alveolären Baues der Oelschäume, wie gesagt, die Erkenntniss des Plasma- baues wesentlich gefördert. Es erübrigt nur noch, mit einigen Worten auf die Ansicht derjenigen Autoren einzugehen, welehe ein Spongioplasma annehmen, d. h. welche sich vorstellen, dass das Plasma schwammartig gebaut sei, eine Structur, die neuer- dings Unna für die Epidermiszellen und eine grosse Zahl von Bindegewebszellen annimmt. Dieser Forscher stellt sich vor, dass das Gerüst der erwähnten Zellen aus einem soliden, weichen Körper bestehe, mit eingesprengten Flüssigkeitströpfehen. Einer solehen Annahme stehen jedoch, wie ich glaube, verschiedene Bedenken entgegen. Das ist einmal die ausserordentliche Fein- heit des Gerüstes, die am deutlichsten in den Epidermiszellen, aber auch in den Bindegewebs- und Endothelzellen hervortritt. Ebenso ist zu betonen, dass die Annahme einer „soliden, weichen“ Masse keine so gleichmässige Form des (Gerüstwerkes abgeben würde, wie wir sie thatsächlich immer und immer wieder wahr- nehmen. Vielleicht würde durch den Druck der innerhalb des Gerüstwerkes vorhandenen Flüssigkeit die Form häufiger ver- ändert werden, als dies thatsächlich der Fall ist. Eine Aus- nahme davon machen gewisse pathologische Zustände, in welchen die Netze sowohl bedeutend erweitert sein als auch eine andere Form annehmen können. Dies ist bei intensivem Oedem der Fall, wofern durch dasselbe die Plasmastruetur nieht gänzlich zerstört wird. Endlich duldet auch das Gesetz der Oberflächen- spannung die Zugrundelegung einer soliden Masse nicht. Nach diesem Gesetz müssen die der Oberfläche am nächsten liegenden 528 Karl Herxheimer: Waben die kleinsten sein. Dies ist nun thatsächlich der Fall, wie man es deutlich an den verschiedensten Zellarten demon- striren kann. Besonders mache ich in dieser Hinsicht auf die in der mittleren Stachelschicht liegenden Epithelien aufmerksam, aber auch auf Bindegewebszellen und Endothelien beim Kinde und beim erwachsenen Menschen, endlich auf Epithelien und Muskelzellen bei Axolotl, auf Epithelien des Regenwurms u. 8. f. Wie man hieraus sieht, hat das Gesetz der Oberflächen- spannung durchweg Geltung. Dies kann aber nur bei flüssigen und gewissen gasförmigen Körpern statthaben, niemals bei solchen, die im pbysicalischen Sinne fest sind. Für eine andere Art der Bindegewebszellen, die er „Korbzellen“ nennt, lässt Unna den schaumigen Bau zu. Er lässt den wabigen Körper sich weiter derart entwickeln, dass aus dem wabigen Baue durch Vergrösserung der Bläschen auf Kosten der Wabenwände ein sehaumiger und, „wenn schliesslich viele Wabenwände platzen“, ein netzförmiger Bau resultirt. Diese letztere Auffassung aber ist wohl nieht recht haltbar, da wir von „netzförmigem“ Bau nur beim optischen Querschnitt reden können, während es sich bei unseren Betrachtungen doch lediglich um Körper handeln kann. „Netzförmig“ sieht somit unter dem Mikroskope sowohl der pseudowabige als schwammige als wabige Bau aus. Will man aber den Ausdruck ‚„netzförmig“ körperlich aufgefasst wissen, so präjudieirt er zu wenig, denn man kann sich sowohl ein Netz aus weicher als aus harter Masse hergestellt denken. Ferner giebt es eng- und weitmaschige Netze, und es ist deshalb nicht einzusehen, warum man einen vacuolären Bau, weil dessen Maschen grösser geworden sind, einen „netzförmigen‘“ nennen soll. Entsprechend diesen Anschauungen sehen wir auch mittels unserer modernen Tinetionsmethoden nur Netze unter dem Mikroskop, und es ist somit durchaus unmöglich, den Bau des Protoplasmas anders als auf physiealischem Wege mit Sicherheit zu eruiren. Vorstehende kleine Abschweifung wurde für nöthig gehalten, um die Ansicht zu widerlegen, dass das Gerüst des Protoplas- mas aus einer soliden Masse bestehe. In der menschlichen Haut ist eine Verschiedenheit, wie sie Unna in dem pseudowabigen spongiösen, wabigen, schaumigen Kern erkennen will, nicht wahr- nehmbar: Epidermiszellen, Bindegewebszellen, Endothelien, Drü- senzellen, Zellen des subeutanen Fettgewebes weisen alle Netze Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 529 auf. Dass diese durch Grösse, Anordnung, Form etc. verschieden sind, soll keineswegs bestritten werden. Im Gegentheil sind diese Eigenschaften für die Differentialdiagnose in Anspruch zu nehmen, denn es lässt sich ohne weiteres demonstriren, dass 2. B. eine Endothelzelle unter normalen Verbältnissen, wenigstens in den centralen Parthien des Zellleibs, ein Netzwerk mit relativ grossen Maschen besitzt, dessen Anordnung derart eingerichtet ist, dass es zu beiden Seiten des Kernes in einer Linie mit dessen Längendurchmesser liegt, dass ferner auch die Bindegewebs- zellen, wie das beim neugeborenen Menschen mit der Cresylecht- violettfärbung besonders deutlich hervortritt, etwas grössere Maschen ihrer Netze aufweisen, als die Epidermiszellen'). 1) Die Uebereinstimmung, welche das Plasmanetz der Bindege- webszellen in der angegebenen Richtung mit demjenigen der Chroma- tophoren zeigt, war für mich einer der Gründe für die bindegewebige Natur dieser letzteren (K.Herxheimer: Ueber Pemphigus vegetans nebst Bemerkungen über die Natur der Langerhans'schen Zellen, Archiv für Dermatol. und Syph. 1896). Ich hatte damals die Langer- hans’schen Zellen und Chromatophoren für identisch erklärt, eine Behauptung, die ich auch heute vollkommen aufrecht erhalte. Als Gründe für meine Auffassung sind heute wie damals maassgebend ein- mal die Localisation der fraglichen Gebilde in den unteren Epider- misschichten, ferner ihre eigenthümliche Gestalt, sowie dass in den meisten Fällen bei den Gebilden von diesen Eigenschaften sich ein deutlicher Kern nachweisen lässt (Färbungen mit Bismarckbraun, Fuchsin ete.). Uebrigens spricht auch die Thatsache, dass bei der Silberreduktion häufig im centralen Theile der erwähnten Gebilde eine Höhle hellgelblich bleibt, also nicht mitredueirt wird, welche Höhle ihrer Lagerung und Gestalt nach offenbar dem Kern entspricht, für die Zellnatur der Reduktionsfiguren. Ich habe zufällig dieses Ver- halten nicht in dem Präparate constatirt, welches ich zur Zeichnung benutzte, habe es jedoch vielfach gefunden bei Untersuchungen mit der Cajal’schen Methode, die sich auf etwa 30 spitze Condylome er- streckten, welche serienweise geschnitten wurden. Ich erwähne dieses Verhalten deshalb, weil Kromayer neuerdings die Zellnatur der Langerhans’schen Zellen wiederum in Abrede stellt (Dermatolog. Zeitschrift, Berlin 1397). Dass nicht alle Fortsätze dieser Gebilde mit dem centralen Theile, welcher den Kern enthält, im Zusammenhang stehen, erklärt sich aus der Chromatophorennatur der Gebilde. Ich habe beobachtet, dass isolirte Fortsätze in Epidermiszellen geradezu invaginirt werden, ein Vorgang, der schon öfters beobachtet wurde, so von R. von Wild (Inaug.-Dissertat. aus dem von Reckling- hausen’schen Institute, Strassburg 1889). 530 Karl Herxheimer: Ueber die basalen Cylinderzellen der menschlichen Epi- dermis, zu deren Besprechung wir zurückkehren wollen, haben wir noch mehrere Bemerkungen anzufügen. Einmal nämlich sind ihre Netze seitlich von den Kernen, welche in der Breite den Raum des Cylinders meist fast für sich allein beanspruchen, sehr spärlich und mehr gestreckt. An den Polen der Kerne ist dann mehr Raum zur Entwickelung des Plasmas vorhanden. Kommt ferner die Zelle der Cylinderform sehr nahe, erreichen also hier die Netze eine grössere Ausdehnung, dann sind sie rundlicher, läuft aber die Zelle an ihren Polen spitzer zu, dann verlaufen sie gestreckter. Ferner finden wir durchaus nicht immer eine regelmässige Anordnung der Netze, sondern die Maschen werden nicht selten dureh grössere Vacuolen!) ersetzt, die sich hier, entsprechend der Form der Zelle, gewöhnlich um die Pole der Kerne befinden, und die ich speciell als Polvacuolen bezeichnen möchte deshalb, weil sie auch in der übrigen Stachelschicht so häufig wiederkehren, dass sie einen Typus repräsentiren?) (Fig.4). Sie kommen etwa gleich häufig an beiden Polenden der Kerne, aber auch nicht selten nur an dem einen vor. Anders gelagerte Vacuolen habe ich in nor- malen Cylinderzellen nicht gesehen. Eine eventuelle Ver- wechselung mit pathologischen Veränderungen am Kern ist schon deshalb ausgeschlossen, weil mit Cresylechtviolett sich die Kern- membran meist deutlich gegen den Kernleib absetzt. Die Kerne weisen ihre normale Grösse, die Kernkörperehen und Netze auf, in deren Knotenpunkten fast immer Körner eingelagert sind. Das Verhalten des Pigmentes zu den Netzen lässt sich mit wenigen Worten schildern. Sind die Pigmentkörner, die in der Cylinderzellenschieht häufig um einen oder beide Pole des Kernes gelagert sind, nieht in allzu grosser Menge vorhanden, so sieht man sie zumeist in den Netzen darin liegen, oft aber auch an den Netzwänden, namentlich in den Randschichten des Plasmas, ähnlich wie das Ribbert für die Chromatophoren feststellte 1) Wie sich des Weiteren ergeben wird, kommt den Vaeuolen, die ja ein integrirender Bestandtheil der Schäume sind, eine solche Bedeutung zu, dass ich auf sie später eingehen muss. 2) Dieselben kommen also auch in der normalen Haut vor, nicht bloss in der pathologischen, wieRille meint (68. Vers. Deutscher Natur- forscher, 1896, S. 444). Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 531 (Beitr. z. path. Anat. ete. Bd. XXD. Bei nicht zu starkem Ueberhandnehmen des Pigmentes bleiben in der Regel die Va- cuolen frei. Es gelingt jedoch nicht häufig, die Pigmentkörner und -schollen in dieser Lagerung zu beobachten (cf. Fig. 7), weil gewöhnlich ihre Zahl oder ihr Umfang so gross ist, dass sie die Netze mehr oder weniger vollständig verdeeken. Wir haben auf dieses Verhalten des Pigmentes später kurz zurückzukommen. Bevor ich mich zur Besprechung des Restes der Stachel- schieht wende, bemerke ich, dass mir der Nachweis einer netz- förmigen Structur des Epidermisplasmas an der Haut von Neu- geborenen nicht geglückt ist. Es konnten nur 4 Stückchen Haut von der Brust und dem Rücken zweier verschiedener Neugebo- rener untersucht werden, jedoch zeigte Formolfixirung und Cre- sylechtviolettfärbnng in der Cylinderzellen- und übrigen Stachel- zellenschieht nur matt gefärbtes Plasma, das structurlos war. Möglich also, dass man hier eine Art von Reifen anzunehmen berechtigt wäre, d. h. dass die Bildung der Wabenstructur erst in den ersten Lebensmonaten begänne. Doch gestehe ich zu, dass meine diesbezüglichen Untersuchungen an Zahl nieht hin- reichend sind, und es bleibt einer zukünftigen Bearbeitung des Themas vorbehalten, den Termin der Structurbildung im Plasma der Epidermiszellen festzustellen. In den nächsthöheren Schichten des Rete Malpighü nimmt mit der Grösse der Zellen und ihrer veränderten Form die Grösse der Netzmaschen zu, so dass es geradezu Gesetz zu sein scheint, dass in den Epidermiszellen die Netze in Bezug auf Ausdehnung ihrer Maschen und Dicke der Netzwandungen der Grösse der Zelle propor- tional sind. Ganz besonders findet diese Regel eine Be- stätigung durch pathologisch veränderte Epidermis. Die grossen Zellen des Cancroids der Haut, des spitzen Condyloms ete. haben relativ grobe Zellen, in atrophischer Epidermis dagegen ungemein schwer zu sehende Netze. Andererseits sind im Thierreiche analoge Beobachtungen leicht anzustellen. Man braucht nur die groben Netze der grossen Epidermiszellen der Siredonlarve oder des Regenwurms mit den schwerer darstellbaren und schwieriger zu sehenden Netzen der Meerschweinchen- oder Mausepidermis zu vergleichen. Auch in dem Rest der menschlichen Stachelschieht sind 532 Karl Herxheimer: die grossen Maschen mehr central, die kleineren mehr peripher gelegen. Die Grösse der Netze, welche nach dem Centrum der Zelle hin zu finden sind, ist in der zweiten und dritten Lage der Epidermis, je nach der Localisation verschieden, am grössten sind sie an Handfläche und Fusssohle. Wie schon erwähnt, findet sich die Vacuolenbildung hier nieht nur an den Polen der Kerne, sondern an verschiedenen Stellen im Protoplasma, in An- lehnung an den Kern mitunter an einer Seite, oft auf beiden Seiten, seltener mitten im Plasmanetze nnd am seltensten an der Oberfläche der Zelle. Sie findet sich unter normalen Verhält- nissen in der ganzen Stachelschicht. Um die Beschreibung der Vacuolenbildung zu vervollständigen, sei hinzugefügt, dass die Vacuole gelegentlich in den höheren Lagen der Stachelschicht rings um den Kern herum geht (Fig. 5). Diese perinucleäre Vaecuole braucht dann nieht die einzige in dem Plasma einer Zelle zu sein, sondern es kann noch, wie überhaupt im Plasma, eine zweite Vacuole auftreten. Auch in Zellen ohne perinucleäre Vacuolen können zwei oder mehrere Vacuolen vorkommen. Eine Bedeutung gewinnen Vacuolen für das mikroskopische Bild darum, weil man sie von den gleichmässig vergrösserten Maschen (d.h. Waben) des Netzwerkes zu unterscheiden hat. Der Unterscheidungsmerkmale sind verschiedene. Die Maschen- ausdehnungen kommen gleichmässig in der ganzen Zelle vor, und zwar halten sie das Gesetz der Oberflächenspannung ein, sie richten sich auch in ihrer Grösse nach derjenigen der Zelle und erreichen etwa in der Mitte der Epidermis den Höhepunkt ihrer Ausdehnung. In einigen pathologischen Fällen, z. B. im spitzen Condylom, liegen die Zellen mit den grössten Maschen dicht unter der Hornschicht. Ferner sind die regelmässigen Maschenaus- dehnungen von den unregelmässig auftretenden Vaeuolen auch dureh die Form unterschieden. Die Masche hat, wie man dies leicht an den grossen Zellen zu eonstatiren im Stande ist, im Allgemeinen eine mehr unregelmässige, die Vacuole eine abge- rundete Form, die deutlich in Folge der Formolfixirung erhalten bleibt. Ein weiterer Unterschied ist der, dass die Vacuole in der Regel bedeutend grösser ist als die Netzmasche. Besonders deutlich ist der Unterschied bei mässig ödematöser Haut, in welcher die Maschen durch das Oedem vergrössert sind und meist un- regelmässig gestaltet erscheinen, während die Vacuolen mitunter Ueber die Struetur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 533 mitten in diesem veränderten Netzwerk dasselbe Aussehen haben als in dem unveränderten. In einzelnen Fällen schien mir auch die Wandung der Vacuolen stärker als diejenige der Maschen, doch lässt sich das bei der Kleinheit der Objeete nicht messen. Endlich sind die Netzmaschen stark lichtbrechend, die Vacuolen dagegen weniger. Es erübrigt noch das Verhalten des Netzwerkes in der Keratohyalinschieht kurz zu erörtern. Die Körner derselben sind meist, wie längst bekannt, um den Kern herum gelagert. Oft liegen sie so dieht nebeneinander oder sind so diek, dass es ausserordentlich schwer hält, das dazwischen liegende geformte Plasma zu erkennen. Trotzdem gelingt es zuweilen. Besonders aber stehen uns zu diesem Zweck die peripheren Theile des Zellleibes in der Keratohyalinschicht zur Verfügung, in welchen sich zu wiederholten Malen deutlich das Netzwerk in normaler menschlicher Epidermis constatiren liess. Das Material lieferte Rückenhaut, Brusthaut, Penishaut, Haut der Fingerbeere und der Fusssohle Erwachsener. Ebenso lieferte pathologische Haut ein diesbezüglich positives Resultat. Die Körner liegen in diesem Falle durchaus unregelmässig in dem Netzwerk. Nicht in allen Fällen konnte auch in den körnerfreien Theilen der Zelle ein Netzwerk wahrgenommen werden, jedoch ist dies nicht etwa als Beweis anzusehen, dass die Körner gewissermaassen Zerfalls- produkte des Netzwerkes wären, wie dies Kromayer für das Keratohyalin gegenüber den „Protoplasmafasern“ annimmt. Im Gegentheil ist meines Erachtens durch die gleichzeitige Anwesen- heit des Netzes und der Körner erwiesen, dass die letzteren mit dem ersteren in einem genetischen Zusammenhange nicht stehen. Dafür sprechen noch andere Momente. Einmal die Form. Wir können uns bei dem krankhaften Zerfall des Netzwerkes davon überzeugen, dass dessen Produkt durchaus unregelmässig gestal- tete Theilchen sind; die Keratohyalinkörner sind zwar auch nieht regelmässig geformt, bieten aber doch nicht so zahlreiche Varietäten der Form. Die meisten der letzteren sind auch be- deutend grösser als die „Granula“ des Netzwerkes. Ferner ist die Topographie beider Arten von „Körnern“ in der Zelle eine ver- schiedene, ebenso ihre Anzahl, bezüglich welcher letzteren die Keratohyalinkörner hintanstehen. Ebenso sicher zur Differenzi- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 35 534 Karl Herxheimer: rung ist die mikrochemische Reaction zu verwerthen, weil das Keratohyalin sich färberisch wohl allen basischen Anilinfarben gegenüber wie die Chromatinsubstanz verhält, speciell auch gegenüber dem Cresylechtviolett, mit welchem das Keratohyalin sich wie das Chromatin bläulich färbt. Zum Nachweis dieser Reaction sind hinreichend dünne Schnitte erforderlich. Ob aus dem tinetoriellen Moment und aus der häufig perinucleären Lage- rung des Keratohyalins auf den Ursprung des letzteren aus der Kernsubstanz geschlossen werden darf, soll hier nieht untersucht werden; jedenfalls wird diese Annahme immer wahrscheinlicher, wie denn auch neuerdings einige Autoren, z.B. H. Rabl für die nucleäre Genese eintreten. Zweifellos ist, dass das Kerato- hyalin aus dem Plasmanetzwerk nicht hervorgeht, und wenn das letztere nicht immer in den keratohyalinhaltigen Zellen sichtbar war, so mag daran theils der Umstand die Schuld tragen, dass das feine Netzwerk durch die gröbere Keratohyalinsubstanz ver- deckt wird, vielleicht aber auch die Möglichkeit, dass hier dicht unter der Hornschicht das Netzwerk nicht mehr in allen Zellen vorhanden ist. Wo in dieser Schicht das letztere noch sichtbar war, verhielt es sich ebenso wie in den tieferen Schichten, auch bezüglich eventueller Vacuolen, die hier fast noch reichlicher sind, als in den tieferen Lagen. Ferner sei noch erwähnt dass es gar nicht selten in pathologischer Epidermis gelingt, nachzuweisen, dass die Keratohyalinschollen sich nach der An- ordnung der Waben richten, d. bh. also in mehr eylindrischen Zellen sowohl als in abgeplatteten etwa parallel der Zellachse verlaufen. Im ersteren Falle laufen nämlich die Waben mehr in der Längsrichtung, im letzteren mehr in der queren. Ich bin geneigt, diese Anordnung des Keratohyalins als einen Beweis mehr für den flüssigen Inhalt der Waben anzunehmen, da ich glaube, dass die Richtung der Keratohyalinschollen in den er- wähnten Fällen durch den Flüssigkeitsdruck verursacht wird. In den Zellen von normaler Hornschieht konnten Netzstruc- turen nicht sichtbar gemacht werden. Die Besprechung der Struetur der Hornzellen gehört nicht zu unserem Thema. Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 535 Wie verhalten sich die’ Protoplasmafasern zu der Wadenstruwetur der Epidermiszellen??). Wie schon kurz berührt worden ist, sind über das Ver- hältniss der Fasern zu der Grundsubstanz des Protoplasmas der Epithelien die Meinungen der Autoren getheilt. Denn während z.B. Kromayer die Fasern für die Grundsubstanz hält, unter- scheidet Unna von ihnen noch eine spongiöse Grundsubstanz mit randständigen Körnermassen. Aehnlich Rabl. Dieser Autor glaubt, dass die Fasern als im Protoplasma verlaufende Fäden anzusehen seien, giebt aber daneben noch eine Grundsubstanz ebenfalls streifiger Natur zu, so dass die Protoplasmafasern nur als eine besondere Art dieser Grundsubstanz zu betrachten wären. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt Flemming ein, während Bütschli es für zulässig hält, dass in den Wabenwänden noch Fasern verlaufen, das streifige Aussehen der Epithelien aber zurückführt auf eine Streckung der Waben. Diese kommt bei den Epithelien nach ihm durch Diffusionsströme zu Stande. Für andere Streifungen z. B. diejenigen der Pseudopodien der Rhi- zopoden, nimmt er Zug oder Dehnung in der Richtung der Streifung an. Alle diese streifigen Structuren nennt er faserig- wabig. In den Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Hugo Müller über die Lage der Fasern mit Hülfe der Weigert’schen Neurogliamethode anstellte, gelangten wir zu dem Ergebniss, dass es sich um Fasern handle, welche das Plasma durchziehen; die Frage aber, ob sie als Grundsubstanz oder als differenzirtes Plasma anzusehen seien, analog z. B. dem Pigment der Pigment- zelle, liessen wir offen. Ich sehe es heute nach langen Studien als wahrscheinlich an, dass die Fasern richtige Plasma-Grund- substanz in Kupffer’schen Sinne sind, mit anderen Worten: Die Protoplasmafasern der Epidermiszellen des Mensehen sind wahrscheinlich identisch mit dem Material der färbbaren Grundsubstanz, als deren Struetur wir im Obigen die wabige, im optischen Querschnitte netzförmige, angenom- men haben. 1) Auch der Ausdruck „Protoplasmafasern“ entspricht nicht exact der körperlichen Vorstellung, und ich verweise diesbezüglich auf den nachfolgenden Text. 536 Karl Herxheimer: Diese Annahme mag zunächst auffallend erscheinen, wenn man bedenkt, dass die Fasern eine gerade Richtung haben. Bei näherer Betrachtung jedoch klärt sich dieser scheinbare Widerspruch auf, und deshalb dürfte es von Interesse sein, einige Punkte aus der Geschichte der Fasern hervorzuheben, soweit sie zur Klärung der vorliegenden Frage beizutragen ge- eignet sind. Wiewohl durch Ranvier die fibrilläre Struetur der Epidermiszellen bekannt geworden war, so mussten doch die von mir gesehenen „Epidermisspiralen“ zunächst überraschen, einmal weil angenommen wurde, dass sie extracellulär gelagert seien, ferner aber auch wegen ihrer spiraligen Form. Der letzte Punkt dürfte durch die nachfolgenden Betrach- tungen seine Erledigung finden. Das erstere Moment, die extra- celluläre Lagerung, erwies sich für die „Büschelform“, d.h. die Bündel dieht nebeneinander gelagerter „Spiralen“, als irrig: es ist zweifellos, dass diese Fasern intracellulär liegen. Davon unterschieden sich aber, wie ich in der gemeinsamen Arbeit mit Hugo Müller feststellen konnte, diekere vereinzelte Fasern der Zellperipherie, welche wir als identisch wit den Zellmem- branen auffassten. (Ich will hier parenthetisch bemerken, dass diese unsere Auffassung verschieden ist von derjenigen von Ma- nille Ide, einem Autor, welcher in den Zellmembranen ver- laufende besondere Fasern annimmt, von deren Knotenpunkten sich die Intercellularbrücken erheben sollen.) Unsere Auffassung der Membrannatur der vereinzelten diekeren Fasern stützte sich besonders auch auf Präparate, die wir mit der Weigert’'schen Neurogliamethode erhielten, welche letztere eine eleetive Färbung der Cutieularbildungen der Epithelzellen abgiebt. Dieser Ansicht ist nın Kromayer entgegengetreten (Monatsheft für praet. Dermatol. Bd. XXIV, Nr. 9), und auch Rabl widerspricht ihr. Letzterer aus dem Grunde, weil er an den Zellen, deren Fasern ungefärbt bleiben, und deren Peripherie isolirt tingirt wird, neben dieser letzteren gelegentlich blaue Punkte findet, die er nur als Faserquerschnitte deuten kann. Die breitesten Fasern verlaufen nach Rabl peripher und sind diejenigen, die am stärksten gefärbt sind. Kromayer meint, dass der Zellumriss von uns in einen Gegensatz zu den Fasern gebracht worden sei, also faserlos sein müsse. Diese Folgerung ist eine durchaus nicht nothwendige, denn die Membran kann sehr wohl aus dem Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 537 Protoplasma hervorgegangen sein, ohne alle Eigenschaften des- selben zu theilen; sie kann dicker und intensiver färbbar sein, als die Plasmafaser, und sie ist es auch. Kromayer meint ferner, dass daraus, dass die Zellmembran isolirt gefärbt wäre, zu schliessen sei, dass sie kein mathematischer Begriff sein könne. Dieser letztere Satz ist wohl nicht aufreeht zu erhalten, da man sieh doch vorstellen kann, dass es möglich ist, die Oberfläche einer Kugel isolirt zu färben. Ich will hier de Kromayer- schen Ausstellungen an den Zeichnungen von Hugo Müller und mir nicht weiter berühren, um den Leser mit dieser mehr persönlichen Angelegenheit nicht zu behelligen!),., Wenn Kro- mayer behauptet, dass man die Membran immer nur seitlich gefärbt sähe, niemals aber in der Mitte der Cylinderzellen d. h. also an der Unterfläche der Cylinder, so kann ich auch vielfach an der Unterfläche der letzteren einen deutlichen Membranab- schluss sehen an mehreren Präparaten, deren Färbung (nach Weigert) sich noch bis heute erhalten hat. Die Kromayer’schen Einwendungen gegen unsere in unserer Arbeit vorgebrachte Abtrennung der Zellenmembran von den Protoplasmafasern sind nicht nur nicht stichhaltig, ‘sondern überflüssig, denn wir haben mit keinem Worte einen „Gegen- satz“ zwischen Membran und Fasern ausgesprochen, haben es sogar unentschieden gelassen, ob wir es mit einer eigentlichen ablösbaren Membran zu thun haben, betrachten die Membran vielmehr als physicalisch verändertes, d. h. verdichtetes und stärker tingirbares Protoplasma. Man ersieht hieraus auch, wie nahe unser Standpunkt demjenigen Rabl’s ist. Mit der An- nahme der Wabentheorie kommen wir auch zur Annahme einer Zellmembran, die wir durch die Weigert’sche Methode be- reits dargestellt haben. Wir befinden uns dabei in Ueberein- stimmung mit Bütschli (S. 155), welcher es für wahrschein- lich hält, dass die Alveolarschicht sich häufig durch Solidifieation zu einer festen Membran, der Zellmembran, entwickelt. 1) Nur die eine Verwunderung können wir nicht unterdrücken, dass Kromayer sich berechtigt glaubt, anzunehmen, dass wir die Membran einmal um die Zelle, in der zweiten Figur aber um den Kern herum gezeichnet hätten. Woraus dies Kromayer schliessen konnte, blieb uns unklar; ich verweise diesbezüglich insbesondere auch auf die Betrachtung der Fig. II der Kromayer’schen Arbeit. 538 Karl Herxheimer: Die in diesem Capitel berührten Fragen finden zum Theil ihre Beantwortung in den Gründen, durch welche ich bewogen wurde, die Identität des Materials der Netze des Protoplasmas der Epidermiszellen mit den Fasern als wahrscheinlich hinzu- stellen. Bezüglich des sichtbaren Plasmas nehmen die Epithelien der Oberhaut offenbar keine Sonderstellung ein, sondern ver- halten sich analog dem Bau der meisten Zellen. Beispielsweise ist auch im menschlichen Pancreas eine streifige Struetur der Epithelien beschrieben worden. Auf theoretische Erörterungen über die Unwahrschemlichkeit des streifigen Baues der Grund- substanz einzugehen, würde übrigens zu weit führen. Kurz ge- sagt: ich kann mir eine solche gegenüber dem eireulirenden Plasma schwer vorstellen. Es gilt vielmehr, die Punkte kurz zu besprechen, welche es mir wahrscheinlich machen, dass die Fasern veränderte Wabenwände sind. Ich glaube, oben nachgewiesen zu haben, dass die sicht- bare Plasmagrundsubstanz im Mikroskop einen netzförmigen Bau zeigt, und zwar durch die Bilder, welche die Gefrierschnitte liefern. Aber auch derjenige Skeptiker, welcher einen even- tuellen plasmaveränderlichen Einfluss des Aethers einwenden würde, ist zu widerlegen durch die Thatsache, dass die Netz- bilder immer und immer wieder bei Formolfixirung und Cresyl- echtviolettfärbung erhalten werden, mit derselben Methode, mit welcher ebenso häufig die gesicherten Bilder bei derKerntheilung inihren Einzelheiten mitten inihrer Thätigkeit „einer Momentphotographie gleich“ erhalten werden, insbesondere die Chromosomen, die achromatische Spindel und das Centrosom. Entspricht also der netzförmige Bau der natürlichen Plasmastructur, so bleiben bezüglich der Auffassung der Fasern nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie stellen veränderte Netze dar, oder es handelt sich um differeneirtes Plasma. Im Folgenden will ich darzuthun versuchen, dass die erstere Annahme wahrscheinlich ist, und damit wäre eine Besprechung der zweiten Möglichkeit überflüssig. Zunächst lag es nahe, das Verhalten des Protoplasmas gegenüber den verschiedenen Fixi- rungsflüssigkeiten zu studiren. Ich habe zu vielen Malen das gleiche Stück frisch exeidirte Haut z. B. vom spitzen Condylom, einmal auch von normaler Handfläche, in zwei Theile geschnitten Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 539 und das eine Stück in Formol, das andere in Alcohol gehärtet. Wurde dann die färberische Darstellung mit Cresylechtviolett vorgenonmen, so erhielt ich bei den Formolpräparaten immer Netze, bei den Alcoholpräparaten entweder Fasern oder auch manchmal, wenn auch selten, Körner. Die Bedingungen zum Zustandekommen der letzteren habe ich nicht eruiren können. Hierbei ist zu bemerken, dass bei Aleoholhärtung auch in nor- maler Haut wiederholt Körner in grosser Zahl allein im Plasma gefunden wurden. Nun bedienen sich die bisher bekannten Methoden zur Darstellung der Fasern zur Härtung des Alcohols oder der ebenfalls gewiss nicht indifferenten Chromsäure, ebenso solcher Differenzirungsmittel der gefärbten Fasern, welche für das Protoplasma nicht gleichgültig sind. Dies gilt sowohl für die Weigert’sche Differenzirung mit Jodjodkali und Anilinöl- Xylol als für die Reink e’sche mit Jodjodkali und alcoholischer Pierinsäure, für diejenige nach von der Stricht mit Holz- essig, nach Schütz mit Pierinsäure und schwefelsaurem Eisen- oxydul sowie nach meiner Angabe mit Mentholvasogen, ferner für Blaschko’s Behandlung mit Chromsäure und die Härtung Rabl’s in Müller’scher oder Flemmin g’scher Lösung. Es ist mir niemals, gleich Unna, gelungen, in demselben Präparate, das in einer bestimmten Fixirungsflüssigkeit conservirt war, Netze neben Fasern im Protoplasma zu erhalten. Es gelang mir dies auch dann nicht, wenn ich die von Unna empfohlenen Methoden anwendete. Im Gegentheil liess sich mitunter verfolgen, wie die „Stacheln* direet in das Netzgewirr im Inneren der Zelle fortsetzten (mit Cresylechtviolett, vgl. d. Figur 12), und es ist öfters geglückt, die direete Fortsetzung der „Stacheln“ in die Wabenwände zu beobachten, ein Umstand, der für die Ent- scheidnng unserer Frage hochbedeutsam erscheint. Für die Identität des Materials der Wabenwände mit den Fasern spricht nun noch eine Reihe von Gründen. Ich will gar nicht betonen, dass für die am besten zu sehenden Waben und Fäden die grossen Zellen der Handfläche und Fusssohle am geeignetsten sind, ebenso wie das Erforderlichsein gleich dünner Schnitte zur Darstellung der Fasern und Netze, denn beide Momente sind durch die Feinheit der Gebilde zu erklären. Eine ungleich grössere Bedeutung kommt ihrer Topographie in der Zelle selbst zu. Während Ranvier, Blaschko, Kromayer die Fasern durch 540 Karl Herxheimer: das ganze Plasma gehen lassen, sind Beneke, Schütz der An- sicht, dass sie nicht in das Innere des Zellleibes dringen, sondern immer nur an der Peripherie der Zelle verlaufen. Diese ent- gegengesetzte Auffassung würde uns ohne weiteres klar, wenn wir mit Kromayer annähmen, dass Beneke und Schütz nur Oberflächenbilder gesehen hätten, bez. dass die Dieke der von ihnen gefertigten Schnitte eine tincetorielle Darstellung der inneren Fasern nicht zugelassen habe. Es ist jedoch eine leicht festzu- stellende Thatsache, dass in vielen Zellen der normalen Cylinder- schicht, sowie der übrigen Stachelschicht die nächste Umgebung des Kernes auch bei vollkommen gelungener Färbung freibleibt. Ich eonstatire dies an Präparaten, die Herr Kromayer selbst gemacht und mir freundlichst zur Verfügung gestellt hat und bemerke dazu, dass es sich dabei keineswegs um Kernhöhlen handelt. Dieses Verhalten der Fasern entspricht demjenigen der Netze, wie aus der Beschreibung des Verhaltens der letzteren hervorgeht. Nebenbei bemerkt würde auch die Ausdehnung der Gebilde unserer Auffassnng entsprechen, da die Fasern etwa doppelt so breit sind, als die Wabenwände. Ist schon der beschriebene Parallelismus auffallend, so ist es nicht minder die Uebereinstimmung der Gebilde in ihren Ver- halten gegenüber dem Keratohyalin in der Körnerschieht. Denn hier, wo Kromayer die Fasern verschwinden und aus ihrem Material die Körner entstehen lässt, sind die Fasern — auch an der Planta pedis und Vola manus — vorhanden (Unna, Rab)). Dass hier die Fasern nicht so deutlich hervortreten, als in der Keimschicht, versteht sich von selbst. Dieselbe Undeutlichkeit macht sich ja auch bei Besichtigung der Netze störend bemerk- bar, und wenn der Zellleib mit Körnern vollgepfropft ist, so ist es oft unmöglich andere Structurbilder zu sehen, besteht aber diese Möglichkeit, dann ist auch hier der gewöhnliche Fundort der gleiche, nämlich die Zellperipherie. Und sollte wirklich in dieser Schicht, wo die Katabiose — darin stimmen alle Autoren überein, mögen sie auch über die Herkunft des Keratohyalin differirende Ansichten haben — deutlich zu Tage tritt, ein com- plieirterer Bau des sichtbaren Plasmas vorhanden sein? Eine weitere Handhabe für unsere Auffassung bildet die Analogie der fraglichen Gebilde in dem Verhältniss zu dem Pigment. Ist das Pigment in Körnchenform in der Basalschicht vorhanden, Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 541 so bevorzugt es bekanntlich die Gegend der Pole des Kerns. Schon bei so localisirtem Pigment verschwinden die Netztheile sehr häufig, namentlich ist dies aber der Fall, wenn der Pigment- gehalt grösser wird. Dementsprechend beobachtete in solchen Fällen Kromayer wenig gefärbte Fasern (Arch. für Mikrosk. Anatomie. Bd. 42), was ich durch eigene Untersuchungen bestätigen kann. Dieser Punkt in der Reihe der Analogieen soll deshalb nicht be- sonders betont werden, weil es nahe liegt, anzunehmen, dass durch das Pigment das Plasma verdeekt oder gar zum Theil zerstört wird. Dass es bei mässiger Anhäufung in der Peripherie der Zellen siehtbar ist, geht aus Fig. 7 hervor. Die Reihe der Analogieen der beiden in Frage stehenden Formen des sichtbaren Plasmas ist damit noch nicht erschöpft. Die Oberhaut der Vola manus und Planta pedis, sowie aus son- stigen Gründen verbreiterte Epidermis weist Verhältnisse auf, wie sie bereits von Kromayer geschildert sind. Es finden sich da fast regelmässig Epithelien, die durch die Schmalheit ihres Kernes und die Schlankheit ihrer Gestalt den Eindruck machen, als ob sie einem Seitendrucke ausgesetzt wären. Gleichzeitig sind in diesen Zellen, die Kromayer Stabzellen nennt, sowohl Kern als Plasma intensiver gefärbt, als in den sie umgebenden. Dadurch tritt eine deutliche Differenzirung ein. Verfolgt man nun die ersteren, so kann man vielfache Verbindungen derselben unter einander sehen, sodass hier ein stärker gefärbtes „Gewebe“ in einem schwächer gefärbten darin liegend wahrzunehmen ist. Diese Verbindungen werden hergestellt durch meist lang ausgezogene Zellfortsätze, und gerade diese sind es, an denen sich eine Streckung der Netze (i. e. Waben) demonstriren lässt (Fig. 8). Die Netze verlieren nämlich in den Fortsätzen ihre gewöhnliche Gestalt, indem sie länglich werden. Allmählich werden sie an Zahl geringer, um zum Schluss in eine Faser auszulaufen, welche definitive Verbindung herstellt, und die nicht selten einen welligen Verlauf nimmt. Die Uebereinstimmung dieser Zellen mit den Kromayer’schen liegt zu sehr auf der Hand, als dass man sich ihr verschliessen könnte. Auf die Netze in diesen Zellen muss ich noch mit einer kurzen Bemerkung zurückkommen. Nicht immer nämlich sind die Netze darin ganz gleichmässig stark ge- färbt, sondern es geschieht des öfteren, dass von zwei aufeinander folgenden Netzmaschen in der ersten die Wand einer Seite und 542 Karl Herxheimer: in der folgenden diejenigen der entgegengesetzten stärker her- vortritt, sodass eine Linie mit welligem (früher als spiralig be- zeichnetem) Verlaufe resultirt. Dies ist besonders in den geschil- derten Fortsätzen der Fall, sodass wellige Fasern vorgetäuscht werden. Ich erwähne diesen Umstand ausdrücklich, weil er zeigt, dass die frühere Annahme, welche den welligen Faserver- lauf als arteficiell bezeichnete, nicht immer unbedingt zu Recht besteht. Es liesse sich noch manche Analogie zwischen Fasern und Netzen aus der pathologischen Anatomie anziehen, worauf um so eher verzichtet werden kann, als unsere diesbezüglichen Kenntnisse erst im Entstehen sind. Eines physiologischen Vor- ganges jedoch soll noch nach dieser Richtung gedacht werden, nämlich der Kerntheilung. Bei der Kerntheilung geht die Faser- bildung nach Unna vorübergehend verloren. Dasselbe kann ich für das Netzwerk bestätigen. In einem tubereulösen Papillom des Stimmbandes des Menschen, sowie in Hautcareinomen war es mög- lich, das Verhalten der Netze in den verschiedenen Stadien der Theilung zu verfolgen (Formolpräparat, Cresylechtviolettfärbung; Fig. 9, 10, 11). Gewöhnlich — nieht immer —- bildet sich mit dem Beginn des Knäuelstadium um die Chromosomen eine homogene Zone, während peripher davon noch deutliches Netzwerk besteht, schr bald dehnt sich aber diese Zone zu einem weiten Hofe aus, während das siehtbare Plasma zerfällt und Detritus bildet, in welchem einzelne grössere Körner noch wahrzunehmen sind. Zuletzt lassen sich darin kaum noch feinste Fäserchen mit Hülfe stärkster Vergrösserungen unterscheiden (ef. Fig.), zur Zellperipherie gedrängt. Während der nun folgenden Stadien der Entwicke- lung der Chromosomen kann dieser Plasmarest vorhanden sein, oder er ist ganz verschwunden, während die achromatische Spindel violett gefärbt vorhanden ist. Erst nach vollkommener Zelltheilung sind dann die Netze wieder zu constatiren. Die vorstehenden kurz angeführten Analogieen zwischen Fasern und Netzen des Protoplasmas belehren uns, dass auch (die Uebereinstimmung bei den Mitosen vorhanden ist. Unna lässt nun bei Beschreibung des Hauteareinoms die faserige Structur in eine schaumige übergehen, ein Befund, zu dem übrigens auch sein Schüler Menahem Hodara gelangt ist (Mon. für pr. Dermat. 1897, Nr. 5). So bei der Abschnürung der Epithelnester Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 543 vom Deckepithel: „Man kann ziemlich sicher sein, dass an dieser Stelle die allgemeine Epithelfaserung wie abgeschnitten aufhört. Die jungen Epithelien haben dann eine neue eigene Structur gewonnen; statt des eirceulären, schlingenförmig ge- bogenen und des radiär ausstrahlenden Fasersystems zeigen sie ein einheitliches feineres oder gröberes Netz von Protoplasma- fasern, in dessen Mitte der Kern aufgehängt ist. Sie gleichen in Bezug auf die netzförmige, schaumige (sie!) Struetur der Protoplasmafaserung den grossen Spinnenzellen des Binde- gewebes oder besser noch vielen einfachen Drüsenepithelien“* (Histopathologie der Hautkrankheiten, S. 684). Hier wäre also die auffallende Thatsache des Uebergangs der einen Form des sichtbaren Plasmas in die andere zu registriren. Unna erklärt diesen Vorgang durch den pathologischen Process, wodurch die Epithelien zu einer grösseren Selbständigkeit gelangen sollen. Es stand mir freilich nur eine geringe Anzahl von Haut- carcinomen zur Verfügung. Es ist mir nun gerade in einem solchen Falle möglich gewesen, den Uebergang der „Stacheln“ in die Netze im Innern der Epithelzelle zu verfolgen. Vor allem aber gelang es, sowohl im Deckepithel, als in den alveolären Parthien der Geschwulst die Netze färberisch darzustellen. Die . Verschiedenheit der Befunde Unna’s und der meinigen gründet sich offenbar auf die Methode. Es scheint mir, dass je dureh die Fixirung und Färbung das eine Mal Netze, das andere Mal Fasern zur Darstellung gelangen. Welches diejenige Methode ist, welche die eigentliche Plasma- struetur wiedergibt, glaube ich in meinen Ausführungen dargethan zu haben. Schlussfolgerungen. 1. Die Struetur der normalen menschlichen Epidermiszelle ist eine wabige, im mikroskopischen Bilde netzförmige. Diese Structur ist eine einheitliche. 2. Es ist als wahrscheinlich anzusehen, dass die „Proto- plasmafasern* aus dem Material der Wabenwände gebildet werden. 544 20. Karl Herxheimer: Literatur-Verzeichniss. . O0. Bütschli, Ueber die Structur des Protoplasmas. Verhand. der deutsch-zoolog. Ges. 1891. Derselbe, Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma. Leipzig, W. Engelmann, 1892. Max Münden, Archiv für Anat. u. Physiol. 1896, Nr. 3 u. 4. Waldeyer, Dieneueren Ansichten über den Bau und das Wesen der Zelle. Deutsch. med. Wochenschr., 1895, Nr. 43 ff. Flemming, Morphologie der Zelle und ihrer Theilungserschei- nungen. Ergebn. der Anatomie und Entwicklungsgesch. Heraus- gegeben von Merkel u. Bonnet, 1893, 1894, 1895, 1896. M. Ide, La membrane des cellules du corps muqueux de Mal- pighii. La cellule, tome IV. F. Kromayer, Zur pathologischen Anat. der Psoriasis nebst einigen Bemerkungen über den normalen Verhornungsprocess und d. Struetur d. Stachelzellen. Archiv für Dermat. u. Syph., 1890. Derselbe, Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. Archiv für mikrosk. Anat., 39. Bd. Derselbe, Ueber dieDeutungdervonHerxheimer im Epithel beschriebenen Fasern. Arch. für Dermat. u. Syph., 18%. Ranvier, Nouvelles recherches sur le mode d’union des cellules du corps muqueux de Malpighii. Comptes rendus de l’acad&mie des sciences, tome 89. . Derselbe, Sur la structure des cellules du corps muqueux de Malpighii. Compt. rend. de l’acad. des sciences, tome 9. . Reinke, Zellstudien. Arch. für mikrosk. Anat., 43. Bd. G. Retzius und Axel Key, Zur Kenntniss der Saftbahnen in der Haut des Menschen. Biolog. Unters., 1881. . Unna, Entwickelungsgesch. und Anatomie der Haut. v. Ziems- sen’s Handbuch der Hautkrankheiten, Leipzig, Vogel, 1883. Derselbe, Ueber die neueren Protoplasmatheorien u. das Spongio- plasma. Deutsch. Medizinalzeitung, 1896. . Derselbe, Ueber Protoplasmafärbung nebst Bemerkungen über die Bindegewebszellen der Cutis. Monatsheft für prakt. Dermat., 1894. . Derselbe,' Die spezifische Färbung des Epithelprotoplasmas. Ebenda. . Derselbe, Die Färbung der Epithelfasern. Ebenda. H. Rabl, Ueber Verhornung. Anat. Anzeiger, Sep.-Heft z. 12. Bd., 1896. Derselbe, Bleiben die Protoplasmafasern in der Körnerschicht der Oberhaut erhalten? Arch. für Dermat. u. Syph., 41. Bd. . Infante-Tortona, La Riforma medica, 1896, Nr. 155. . F. Blum, Ueber Wesen und Werth der Formolhärtung. Anatom. Anz., XI. Bad. Ueber die Structur des Protoplasmas der menschl. Epidermiszelle. 545 23. 24. A. Fischer, Neue Beiträge zur Kenntniss der Fixirungsmethoden. Anat. Anz., X. Bd. F. Nissl, Ueber die sogenannten Granula der Nervenzellen. Neur. Centralblatt, 1894, Nr. 19, 21, 22. . M. Verworn, Ein Beitrag zur Physiologie des Todes. Arch. für drzes.- Phys.,: EL. XIII, 1896. . P. Ernst, Ueber pathologische Verhornungen. Verh. der Ges. deutsch. Naturforscher u. Aerzte, Leipzig, Vogel, 189%. Blaschko, Ueber den Verhornungsprocess mit Demonstration von Präparaten. Verh. d. deutsch. dermatol. Gesellsch., 1889. Schütz, Ueber den Nachweis eines Zusammenhangs der Epi- thelien mit dem darunter liegenden Bindegewebe in der Haut des Menschen. Arch. für Dermatol. u. Syph., 1896. . K. Herxheimer u. H. Müller, Ueber die Deutung der sogen. Epidermisspiralen. Ebenda. K. Herxheimer, Demonstration eigenthümlicher Fasern in der Epidermis des Menschen. Verh. d. deutsch. dermat. Ges., 1889. . Beneke, Verh. d. Ges. deutsch. Naturf. u. Aerzte. Leipzig, Vogel, 1394. v. Erlanger, Neuere Ansichten über die Structur des Protoplas- mas, die karyokinetische Spindel und das Centrosom. Leipzig, Engelmann, 1896. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. . 1. „Netz“werk einer basalen Cylinderzelle von normaler Oberhaut des Rückens. Zeiss’ Aprochromat. Comp. Oe. 4. .2. „Netz“werk aus dem Deckepithal des Axolotl. Apochrom. wie bei Fig. 1. Färbung mit Bismarckbraun. . 3. Weite „Netz“maschen einer Zelle aus den höheren Schichten der Epidermis des spitzen Condyloms. Gefrierschnitt. Apochrom. Comp. Oe. 8. Schematisch. -, 4. Polvacuolen einer Zelle aus den unteren Schichten der Ober- haut der normalen Handfläche. Apochrom. Comp. Oe. 6. '. 5. Perinucleäre Vacuole aus den mittleren Lagen der Epidermis vom spitzen Condylom. Apochrom. wie bei Fig. 4. . 6. Vacuolen zerstreut im Plasma einer Epidermiszelle bei syphil. Wucherung der Kopfhaut. Apochrom. wie bei Fig. 1. ". 7. Pigment in dem „Netz“werk einer basalen Cylinderzelle von normaler Epidermis des Penis eines Erwachsenen. Apochrom. wie bei Fig. 1. .8. Normale Vorhaut eines Erwachsenen. Basale Cylinderzellen der Epidermis. Auf der Seite der Cutis „Netze“, auf der- 546 J. Sobotta: jenigen der Epidermis langgestreckte, „faserige* Netze. Apo- chrom. wie bei Fig. 1. Fig. 9, 10, 11. Verhalten des Protoplasmas bei der Kerntheilung bei einem Tuberkelknötchen vom Stimmband. Apochrom. wie bei Fig. 1. Fig. 12. Normale Epidermis der Handfläche. „Fasern“ in „Netz“wände übergehend. Apochrom. Comp. Oe. 6. Wo die Darstellungsweise nicht besonders angegeben ist, kam Formolhärtung und Cresylechtviolettfärbung zur Anwendung. ° Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. Von J. Sobotta. Ein im Archiv für Anatomie und Physiologie (Anatomische Abtheilung) soeben erschienener Aufsatz von J. G. Clark!) ver- anlasst mich zur Frage nach der Herkunft der Elemente des Corpus luteum der Säugethiere nochmals Stellung zu nehmen. Wenn ich dies thue, so geschieht es nicht, weil ich glaube, dass durch die Veröffentlichung Clark ’s das Ergebniss meiner Unter- suchungen zweifelhaft geworden wäre, sondern ich entschliesse mich dazu, weil die dieser Frage ferner stehenden Fachgenossen nicht ohne weiteres die in der Veröffentlichung Clark’s ent- haltenen Versehen sofort zu erkennen im Stande sein dürften. Es sei mir daher gestattet, mit wenigen Worten eine An- zahl von Punkten aus der Veröffentlichung Clark’s zu beleuchten. Bevor ieh damit beginne, muss ich kurz das präeisiren, was ich ein Corpus luteum nenne und was man meiner Ansicht nach 1) Clark, J. G., Ursprung, Wachsthum und Ende des Corpus luteum nach Beobachtungen am Ovarium des Schweines und des Menschen. Arch. f. Anat. u. Phys., Anat. Abth. 1898. Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 547 allein ein Corpus luteum zu nennen hat. So überflüssig das im ersten Augenblick erscheinen mag, so nothwendig ist eine klare Begriffsbestimmung, wenn man die durchaus verworrene Nomen- elatur gerade der letzten Veröffentliehungen berücksichtigt. Es werden da Dinge mit dem Namen „Corpus luteum“ belegt, die in der Wirklichkeit mit einem solchen absolut nichts zu thun haben. Ich bezeichne als Corpus luteum (Corpus luteum verum der Autoren) das Umbildungsproduet eines normal gereiften und normal geplatzten Graaf’schen Follikels. Wenn einige Au- toren dieses Umbildungsproduect nur dann ein Corpus luteum verum nennen, wenn das entleerte Ei auch wirklich befruchtet wird (wenn nicht, Corpus luteum spurium), so habe ich gegen eine solche Unterscheidung nichts einzuwenden, möchte aber be- tonen, dass vorläufig ein Beweis für die Verschiedenheit der Um- bildung des Graaf’schen Follikels im Falle der Befruchtung oder Nichtbefruchtung des Eies noch nicht erbracht ist. Bei der Maus, wo ich die Verhältnisse recbt genau zu untersuchen Gelegenheit hatte, giebt es einen solehen Unterschied nicht. Vielleicht wäre es also besser, überhaupt nicht von einem Corpus luteum spurium zu sprechen, zumal die verschiedenen Autoren ganz grundver- schiedene Dinge mit diesem Namen belegen, worauf ich bereits in meinen Veröffentlichungen über diesen Gegenstand hingewiesen habe. Ich veröffentlichte im Jahre 1896 eine ausführliche Arbeit über die Bildung des Corpus luteum der Maus). Es stand mir dazu ein Material von ca. 1500 in Bildung begriffener Cor- pora lutea zur Verfügung, d. h. es waren die Umbildungsproducte von ca. 1500 Graaf’schen Follikeln in den ersten 3—4 Tagen nach dem Follikelsprung in lückenlose Schnittserien zerlegt, ebenso wie die aus diesen Follikeln entleerten, befruchteten oder befruch- tungsfähigen Eier. Ein solches Material nannte ich eine Serie zum Studium der Bildung des Corpus luteum und nenne sie auch heute noch so. Dieses Material ergab und ergiebt auch heute noch, dass die landläufige und bis dahin auch von mir getheilte Ansicht der Entstehung der grossen für das Corpus luteum charakteristischen Zellen aus der innern Thecaschicht der 1) Ueber die Bildung des Corpus luteum bei der Maus. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. XLVII. 1896. 548 J.ISob ottL.a: Follikel unriehtig ist, dass diese Zellen vielmehr vom Follikel- epithel stammen. Später?) hatte ich Gelegenheit, die Identität einiger Entwick- lungsstadien des Corpus luteum des Kaninchens mit den früher beschriebenen der Maus zu zeigen. Vor mir hatten nur 2 Autoren wirklich nachweisbare ?) Ent- wieklungsstadien des Corpus luteum von Säugern gesehen; es waren Bischoff) und Pflüger‘). Von allen anderen Autoren, die über das Corpus luteum vorher und nachher geschrieben haben, hat zum mindesten keiner den Nachweis zu bringen vermocht, überhaupt ein wirkliches Entwicklungsstadium gesehen, geschweige denn eine Reihe soleher beobachtet zu haben. Ich glaube auch, dass es nicht zuviel gesagt war und gesagt ist, wenn ich behaupte, dass in der That auch von Niemanden derartige allein entschei- dende Präparate gesehen worden sind. Wie verwerthet nun Clark?) in seiner Veröffentlichung die vor dieser erschienene Literatur? Er zählt so ziemlich alle Autoren zusammen, die jemals irgend eine meist gänzlich unbe- gründete Ansicht über das Corpus luteum geäussert haben, ganz gleichgiltig, ob dieselben wenige Beobachtungen oder durchgrei- fende Untersuchungen über den betreffenden Gegenstand gemacht hatten, ganz gleichgiltig ob sie Entwicklungsstadien oder bereits ausgebildete gelbe Körper vor sich hatten. Dabei kommt Clark natürlich zu dem Resultat, dass sich die überwiegende Mehrheit der Forscher im gegentheiligen Sinne ausgesprochen haben, wie Bischoff, Pflüger und ich. Stellt man nun aber die Zählung anders an, als Clark, und zählt man diejenigen Autoren, welche bestimmt in Entwick- lung begriffene Corpora lutea gesehen haben, so haben die wenigen drei Autoren die richtige Anschauung gewonnen, und zu einer 1) Ueber die Bildung des Corpus luteum beim Kaninchen etc. Anat. Hefte Bd. VIII. H. 3. 1897. 2) Als einzig zulässigen Nachweis erachte ich den, dass die aus dem Follikel entleerten Eier bekannt sind. Sonst sind die betreffenden Gebilde mindestens sehr zweifelhafter Natur. 3) Bischoff, Th. C. W., Entwicklungsgeschichte des Kaninchen- eies. Braunschweig 1842. 4) Pflüger, Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1863. D) UT: Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 549 falschen sind nur diejenigen gekommen, welchen ein geeignetes Beobachtungsmaterial nicht zur Verfügung stand. Dass letztere in der Mehrzahl waren, ist ja nicht wunderbar. Was nun speciell die Berücksichtigung meiner beiden Ver- öffentlichungen von Seiten Clark’s betrifft, so schweigt Clark über meine auf ein wohl mehr als beweisendes Material gestützte Arbeit über die Entwicklung des Corpus luteum der Maus bis auf die pure Titelangabe gänzlich, eitirt dagegen eine Anzahl von Stellen aus meiner zweiten Arbeit über das Corpus luteum des Kaninchens, die ich übrigens selbst als lücken- haft bezeichnet habe und die doch auch nur auf der früheren Publikation basirte. Sie sollte, wie schon oben angegeben, nur die Gleichheit der beobachteten Entwicklungsstadien des Corpus Juteum des Kaninchens mit denen der Maus zeigen. Wenn Clark also meine Untersuchungen hätte berück- sichtigen wollen — und dazu lag meiner Ansicht nach einfach die Verpflichtung vor, — so hätte doch in erster Linie diejenige Arbeit berücksichtigt werden müssen, auf deren Resultat meine Anschauung sich stützt und die für alle Einzelheiten der- selben den Nachweis an der Hand maassgebender Präparate ent- hält. Dem Leser der Arbeit Clark’s, welcher meine Publika- tionen nicht kennt, wird dadurch die Anschauung erweckt, als stützten sich meine Behauptungen allein auf das von Clark Ci- tirte. Dies zwingt mich, dagegen Einspruch zu erheben, und ich kann Clark den Vorwurf nicht ersparen, die einschlägige Lite- ratur mindestens ungenügend berücksichtigt zu haben, da von dem Inhalt der bei weitem ausführlichsten Arbeit über den in Clark’s Veröffentlichung behandelten Gegenstand auch nicht ein Wort erwähnt wird. Sein Citat meiner zweiten Ar- beit wirkt infolgedessen geradezu sinnentstellend. Nun zu den Untersuchungen Clark's. Die Arbeit ist be- ‚titelt: Ursprung, Wachsthum und Ende des Corpus luteum nach Beobachtungen am Ovarium des Schweines und des Menschen. In derselben gelangt der Autor „zuResultaten, die über die Entstehung des Corpus luteum beim Mensch und höheren Thieren keinen Zweifel lassen“. Mit anderen Worten: Clark behauptet u. a., dass meine Behaup- tungen über die Entstehung des Corpus luteum bei der Maus Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 53 36 550 J. Sobotta: falsch seien, denn zu den höheren Thieren dürfte doch auch diese immerhin gezählt werden; jedenfalls steht sie höher als das Schwein. Um nun zu sehen, womit Clark gegen meine Behaup- tungen ankämpft, muss ich kurz sein Material etwas näher be- leuchten. Es stammt hauptsächlich vom Schwein und wurde im Schlachthaus gewonnen, wobei ausser den Eierstöcken auch der Uterus der Thiere mit herausgeschnitten wurde. Auf diese Weise verschaffte sich Clark eine Serie von „Normalstadien“ zur Entwicklnng des Corpus luteum des Schweines. Leider wird nicht mitgetheilt, wieman solche „Normalstadien* gewinnen kann. Wenn es sich bei dem Material, das sich Clark auf dem Schlacht- hof verschaffte, wirklich um Corpora lutea (vera — s. ob. p. 547) gehandelt hätte, so hätte man doch auch die betreffenden Eier bezw. Embryonen finden müssen. Wäre das geschehen, dann wäre es wohl nicht verschwiegen worden. Ich gehe also wohl nicht fehl, wenn ich behaupte, dass Clark’s Schweine nicht begattet waren, bezw. keine befruchteten Eier besassen, mit anderen Worten, dass es sich sicher nicht um echte Corpora lutea gehandelt hat und dass es mindestens zweifelhaft ist, ob über- haupt von Clark irgendwelche Umbildungsstufen des Graaf schen Follikels beobachtet wurden. Jedenfalls ist dafür von Seiten Clark’s auch nicht der Schatten eines Beweises gebracht worden. Und dabei behauptet Clark (S. 124 seiner Publikation) „an derHandvollständiger Serien der Corporalutea vom Schwein“ nachgewiesen zu haben, dass ich Unrecht hätte u. s. w. Ich habe meine Entwicklungsstadien des Corpus luteum auf andere Weise gewonnen als Clark. Bei den ca. 1500 in Ent- wicklung begriffenen gelben Körpern der Maus geschah das in der gleichen Weise wie auch später bei der kleinen Anzahl von Stadien vom Kaninchen. Ich benutzte ausschliesslich die Eier- stöcke frisch begatteter Thiere und nahm die Anwesenheit und den Entwieklungsgrad der befruchteten Eier als Anhaltspunkt für das Alter des Corpus luteum. Diese Art und Weise zu ver- fahren, halte ich für die einzig richtige, und mit dieser meiner Ansicht stehe ich wohl auch nicht allein. Dass meine Entwieklungsstadien zur Entscheidung der Frage nach der Abstammung der Elemente des Corpus luteum Las ey Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 551 geeigneter waren als die „Normalstadien“!) Clark’s, ist mir keinen Augenblick zweifelhaft. Obwohl das Erwähnte eigentlich schon genügt, um die Be- weiskräftigkeit der Angaben Clark’s zu beleuchten, möchte ich doch noch eimige Punkte aus der Veröffentlichung des Autors hervorheben. Clark beginnt seine Untersuchungen mit einem Entwicklungsstadium des Corpus luteum, welches ein „zweifellos soeben geplatzter Follikel“ war. So kategorisch wie dieses „zweifellos“ auch klingt, ich gestatte mir mehr als einen Zweifel gegen diese Behauptung, ja ich mache mich anheischig zu be- haupten, dass das von Clark beobachtete Gebilde zweifellos kein frisch geplatzter (sc. normaler) Follikel war (das entnehme ich nicht nur aus der Beschreibung, sondern insbesondere auch aus der Abbildung 6, Tafel VI. Clark bringt für seine Behaup- tung keine Spur eines Beweises; ein aus dem Follikel entleertes Ei wurde nicht beobachtet. Damit ist natürlich das Gegentheil noch nicht bewiesen, es kann ja sein, dass das Ei Clark ent- gangen ist; leicht zu finden wird es beim Schwein gewiss nicht sein. (Allerdings ist es überhaupt nicht so bequem, sich Ent- wicklungsstadien vom Corpus luteum zu verschaffen. Wenn ich 10000 Mäuse aufs Gerathewohl getödtet hätte, so hätte ich immer noch nicht Material für diesen Zweck gehabt.) Der angeblich soeben geplatzte Follikel des Schweines weicht nämlich in allen Hauptpunkten so völlig von den entsprechenden nachweislich frisch geplatzten Follikeln anderer Thiere ab, dass ich es zu verantworten wage, das Gegentheil von Clark’s Angaben zu behaupten. - Daranf komme ich unten noch zurück. Clark behauptet S. 115/116, dass die Thatsache absolut feststände, dass das Follikelepithel zur Zeit des Follikelsprunges oder bald nachher völlig verschwindet, wobei sich Clark auch auf Angaben einiger älterer Autoren beruft. Wer hat nun wirk- lich frisch geplatzte Follikel von Säugethieren, d. h. solche, für die auch der Nachweis in Gestalt der entleerten Eier gebracht werden konnte, beobachtet und beschrieben? Ausser mir meines Wissens Niemand. Weit über 100 solcher sah ich von der Maus, fast 20 vom Kaninchen. Alle diese Follikel haben aber ihr völlig 1) Was Normalstadien eigentlich heissen soll, weiss ich nicht. Solche Bezeichnungen bedürfen einer genauen Erklärung. 552 ).1So.hbpottar intactes Epithel, nicht „degenerirendes“!), ein so intaetes, dass selbst nach dem Follikelsprung noch Vermehrung der Zellen durch Mitose statt hat. Diese an einem reichhaltigen und geeigneten und systematisch gewonnenen Material (nicht an beliebig aus dem Schlachtbaus entnommenen Organen) gemachten Beobachtungen gelten Clark gleich Null. Hätte selbst Clark seine Behauptungen auch nur auf ein einziges der Art gewonnenes Stadium wie ich gestützt, so würde man diesen einzigen Fall dann noch für patho- logisch halten müssen angesichts der Constanz des gegentheiligen Verhaltens. Aber auch nicht eine einzige Beobachtung der Art stand Clark zur Verfügung! Seine Behauptungen, die sich auf nichts stützen, sind schlankweg „Thatsache“. Diese „Thatsache* ist ein Gegenstück zu der vorhin eitirten Zweifel- losigkeit! Aber es giebt noch mehr sehr lehrreicher Beispiele dieser Artin Clark’s Arbeit. So spricht S. 114 Clark von „rapider Vermehrung der Luteinzellen“. Ich erlaube mir die Frage, wie geschieht diese rapide Vermehrung? Das könnte doch nur durch Mitose (höchstens vielleicht Amitose, was aber sehr unwahrschein- lich) geschehen. Davon erfährt man aber nichts bei Clark, ebensowenig zeigen seine Abbildungen davon eine Spur. Wenn man eine solehe Behauptung aufstellt, so sollte man doch wenig- stens versuchen, sie zu beweisen. Angesichts des völligen Mangels eines Beweises gestatte ich mir, die mehrfach wiederkehrende Behauptung Clark’s von der Vermehrung?) oder gar „rapiden“ Vermehrung der „Luteinzellen“ zu bestreiten. Was bedeutet denn nun aber überhaupt Luteinzellen ? Ich möchte auf die durchaus verwirrende Unzulässigkeit dieses Ausdruckes auch angesichts einer soeben erschienenen Veröffent- liehung Kölliker’s®) hinweisen. Lutein ist bekanntlich eine eigenthümliche in Alkohol, Aether, Cloroform ete. lösliche ge- färbte (meist gelbe), wahrscheinlich ölähnliche Substanz, die sich in den Zellen des ausgebildeten Corpus luteum findet, ausserdem 1) Reife der Zellen und Degeneration scheint nach Clark (S. 112) zusammenzufallen. 2) Diese Vermehrung der „Luteinzellen“ soll sogar noch zu einer Zeit erfolgen, wo schon die Degeneration der Zelleu beginnt!! 3) v. Kölliker, A., Ueber die Entwicklung der Graaf'schen Follikel. Sitzungsber. der physik.-medie. Gesellsch. zu Würzburg. 1898. Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 553 aber bei vielen T'hieren auch in anderen Zellen des Eierstocks, in den Zellen der innern Theeasehicht, den Stromazellen (inter- stitiellen Zellen) ete., vielleicht auch sonst im Organismus (Nebennierenrinde). Darf man alle diese Zellen wegen dieser gemeinsamen Eigenschaften mit dem Namen der Luteinzellen belegen? Meiner Ansicht entspräche das nicht der sonst geübten Bezeichnungsweise. Ein Paradigma: Es giebt im thierischen Körper sog. Fettzellen, d.h. Bindegewebszellen, deren Zellleib mit einem meist sehr grossen Fetttropfen erfüllt ist. Gelegentlich finden sich Fetttropfen grösserer oder kleinerer Art auch in Epithelzellen, z. B. denen der Leber. Dadurch können derartige Epithelzellen sogar äusserlich fast vollständig das Aussehen einer bindegewebigen Fettzelle annehmen (Fettinfiltration).. Darf man deswegen aber die fettinfiltrirten Epithelzellen Fettzellen nennen oder gar mit den Fettzellen identifieiren oder selbst den Schluss ziehen, dass eine dieser Zellformen aus der anderen hervorgehe ? Das wird doch jeder Histologe für unstatthaft erklären. Aber was anderwärts unstatthaft wäre, soll im Eierstock und im Corpus luteum speeiell erlaubt und geboten sein! Weil die Zellen der inneren Thecaschicht reifer oder namentlich atretischer Follikel bei manchen Thieren Lutein enthalten können wie die Epithel- zellen des ausgebildeten (wohlgemerkt des ausgebildeten, nicht des reifenden!) Corpus luteum, weil dieselben einander bei manchen Thieren auch sonst noch in einigen Punkten ähneln, deswegen sind diese Zellen nieht nur gleichen Ursprungs, sondern die eine seht aus der anderen hervor. Ich möchte die Autoren, welche trotz meiner Veröffent- liehungen noch immer so denken, doch bitten, sich einmal ihre „Luteinzellen“ an wachsenden Corporibus luteis anzusehen. Da haben die Luteinzellen weder Lutein noch ähneln sie in Be- zug auf Grösse ete. den Zellen der inneren Theeaschicht. Auch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es Thiere giebt, bei denen auch im ausgebildeten Zustand die „Luteinzellen‘“‘ des Corpus luteum den Zellen der innern Theeaschicht der Graaf’schen Follikel absolut nicht: ähneln. Ich möchte also auch davor warnen, einige wenige vielleicht an ungünstigem Material gemachte Beobachtungen für die Norm zu halten. Das sollte man am allerwenigsten, wenn zahlreiche systematische Untersuchungen an günstigem Material das Gegentheil beweisen. 554 J.Sobotta: Ich brauche wohl nicht nochmals darauf aufmerksam zu machen, wie wenig man berechtigt ist, aus der Aehnlichkeit irgendwelcher Zellen Schlüsse auf gleiche Abstammung zu machen. Ebenso wie es epithelähnliche Bindegewebszellen giebt, giebt es auch Bindegewebszellen völlig gleichende Epithelzellen. Man wird nun wohl von mir wissen wollen, für was ich den zweifellos frisch geplatzten Follikel Clark’s halte. Der Umstand, dass kein Epithel vorhanden war, sondern nur die (veränderte) innere Thecaschicht, macht es mir nach meinen Er- fahrungen sicher, dass es sich um einen Fall von Atresie ge- handelt hat!). In gewissen Fällen findet man z. B. auch beim Kaninchen neben den normalen sprungreifen Follikeln fast gleich- grosse atretische ohne oder nur noch mit - Resten von Epithel, dagegen mit einer scheinbar wuchernden (siehe darüber meine zweite Publikation S. 180/181 Anmerkung) inneren Thecaschicht. Dass solche Bildungen mitunter namentlich nach Anwendung gewisser wenig geeigneter Conservirungsmittel eine entfernte Aehnliehkeit mit echten Corpora lutea haben, darauf habe ich an der gleichen Stelle hingewiesen. Kürzlich hat auch Kölliker (l. e.) derartige Bildungen beschrieben, die er ebenfalls Corpora lutea nennt. Diese Bezeichnung scheint mir aus oben ange- führten Gründen durchaus verwerflich, da sie jeden Unbefangenen im ersten Augenblick zu der Vermuthung verleiten muss, es handele sich wirklich um Corpora Iutea, was aber Kölliker selbst gar nieht behauptet. Auch constatirt Kölliker nur eine Aehnlichkeit der Zellen dieser atretischen Follikel mit denen des (ausgebildeten) Corpus luteum. Seine Beobachtungen kommen also für die Frage der Abstammung der Elemente des Corpus luteum garnicht in Betracht ?). 1) Die angebliche Rissöffnung, die Clark beobachtete, scheint meine Behauptung absurd zu machen. Aber es kommt thatsächlich vor, dass atretische Follikel, d. h. solche, die zur Zeit ihrer Reife nicht geplatzt waren und deswegen schon die für die Atresie charakteristi- schen Veränderungen zeigten, zur Zeit der Reifung anderer Follikel noch mit von den Erscheinungen ergriffen werden, welche die nor- malen Follikel befallen, d. h. dass sich Blut in sie ergiesst, oder dass sie sogar noch platzen. Letzteres kommt jedoch nach meinen Erfah- rungen nur an Thieren vor, die nicht unter günstigen Lebensbedin- gungen gehalten werden. 2) v. Kölliker (l. c.) bezeichnet es als auffallend, dass Niemand Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 555 Ich möchte auch nicht unterlassen darauf hinzuweisen, wie verschieden die Epithelzellen des Corpus luteum und die Zellen der innern Thecaschicht je nach der Conserviruug des betreffen- den Objeetes erscheinen. Wenn man in Lösungen fixirt, die das Lutein, Fett ete. nicht binden, so dass die Stoffe in Alkohol und Oel nachher völlig gelöst werden, dann schrumpfen die Epithelzellen des Corpus luteum ganz wesentlich zusammen. Färbt man nun, wie dies meist geschieht, lediglich die Kerne, so sind die Epithelzellen des ausgebildeten Corpus luteum, z. B. auch des Kaninchens, von den Zellen der innern Thecaschicht kaum zu unterscheiden. Conservirt man aber mit Lösungen, welche derartige Zelleinschlüsse so fixiren, dass sie auch nach Paraffineinbettung erkennbar bleiben, die ferner auch das Proto- plasma an und für sich schon mehr färben, wie Flemming’sche oder vielleicht noch besser Hermann’sche Lösung, so stellen sich insbesondere die Epithelzellen des Corpus luteum ganz anders dar. Indessen halte ich solche Vergleiche über Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit der beiden Zellformen für völlig belanglos, wenn es sich um die Abstammung der Zellen handelt. Jedenfalls darf man nicht aus dem Aussehen atretischer Follikel auf die Abstammung der Elemente des Corpus luteum Rückschlüsse machen. Um auf die Clark’sche Arbeit zurückzukommen: das erste „Normalstadium* Clark’s zur Bildung des Corpus luteum waren atretische, jedenfalls nicht normale Follikel, soweit sich aus dem Mangel sicherer Anhaltspunkte schliessen lässt. Das zweite Normalstadium betitelt der Autor: „Das Corpus luteum in der Mitte seiner Entwicklung.“ Wie alt dieses ist, wo das zugehörige Ei sich befindet (Uterus wurde mit heraus- geschnitten!), warum es die Mitte der Entwicklung darstellt, darüber lässt der Autor im Unklaren. Es ist eben ein „Normal- stadium‘! Diesmal handelt es sich nun nach der Beschreibung die von ihm gesehenen Bildungen beschrieben habe, die bei der typi- schen Atresie der Follikel sich bilden. Dazu möchte ich bemerken, dass diese Art der Atresie mindestens nicht für alle Säugethiereier- stöcke typisch ist, sogar bei manchen (Maus) nie vorkommt. Die Atresie macht sich hier ganz andere Effecte. Zweitens habe ich in meiner zweiten Publikation (l. e.) dieser Bildungen, soweit sie beim Kaninchen vorkommen, ziemlich ausführlich gedacht (S. 180/81, Anmerkung). 556 J: Soboita:r Clark’s vielleicht wirklich um ein Corpus luteum, aber wenn, dann um ein längst ausgebildetes. Wer einmal in Bildung begriffene Corpora lutea gesehen hat, für den ist das ausser allem Zweifel. Das hätte Clark übrigens selbst nach der von mir gegebenen Darstellung von Bildungsstadien des Corpus luteum sehen können. Vielleicht ist aber auch dieses Stadium Clark’s gar kein ‚frisches‘ Corpus luteum. Da die „Luteinzellen“ theil- weise schon degeneriren (auf einem „Normalstadium“ zur Entwicklung des Corpus luteum!!), handelt es sich um ein bereits in rückschreitender Metamorphose befindliches Gebilde. War es wirklich ein Corpus luteum, so stammte es vielleicht von einer früheren Trächtigkeit des Schweines, da das Schwein wohl nicht mehr trächtig gewesen zu sein scheint. Ich darf mir wohl eine Beleuchtung des dritten Clark’schen Normalstadiums: Corpus luteum auf der Höhe seiner Entwick- lung ersparen. Den Leser, der sich hierfür interessirt, bitte ich nun einmal in meinen früheren Publikationen, namentlich in der über das Corpus Juteum der Maus die von mir beschriebenen Stadien der Entwicklung des Corpus luteum, die von mir ge- gebene Altersbestimmung, die Sichtung meines Materials mit den Normalstadien Clark’s zu vergleichen. Wenn ich das thue, dann verstehe ich offen gestanden nicht, wie es Clark hat unternehmen können, sein Material gegen das meinige ins Feld zu führen. Die Erkenntniss aber, dass ich Recht habe mit meinen Behauptungen, ist insbesondere an dem sehr vollständigen und reichlichen Material, das mir von der Entwicklung des Corpus luteum der Maus auch jetzt noch zur Verfügung steht, ohne Mühe leicht zu gewinnen. Ich stelle Material dazu allen Fachgenossen hiermit zur Verfügung und hoffe, dass recht viele derselben, soweit sie noch nicht überzeugt sind, sich selbst die Ueberzeugung ver- schaffen. Zum Schluss handelt noch Clark von der Rückbildung der Corpora lutea, wobei die altbekannten Thatsachen bestätigt werden. Diese, dass nämlich die Epithelzellen des Corpus luteum dabei zu Grunde gehen, während das persistirende bindegewebige Gerüst zur Narbe schrumpft, deuten übrigens auch schon darauf hin, dass es sich um Epitheizellen, nicht um Zellen der inneren Theeaschicht handelt. Diese letzteren sind ja, wie die Entwick- Noch einmal zur Frage der Bildung des Corpus luteum. 557 lung des Graaf’schen Follikels lehrt, aus spindelförmigen Binde- gewebszellen hervorgegangen. Warum sollten sie sich nicht in solche zurückverwandeln. Bei der Rückbildung der Corpora lutea zeigt sich eben dieselbe Erscheinung wie bei der Rückbildung epithelialer Organe ete. überhaupt. Das Epithel geht zu Grunde, das Bindegewebe schrumpft. Dafür liefert die pathologische Anatomie zahllose Beispiele. Die atretischen Follikel der Art, wiesieKölliker beschrieben hat, erfahren ebenfalls eine Art von Rückbildung, wie es scheint, aber ohne dass die „Lutemzellen“ dieser Gebilde zerfallen, sondern indem sie sich zu Spindelzellen umbilden. Das einzige, was Clark Neues zur Anwendung gebracht hat, war die Verdauungsmethode seiner Präparate. Der damit nochmals gelieferte Nachweis eines feineren Gerüstes im aus- gebildeten Corpus luteum, war früher schon bekannt. Seine Ent- stehung habe ich genau beschrieben. Clark’s Arbeit hätte also, selbst wenn sie vor meinen Publikationen erschienen wäre, keinen sonderlichen Fortschritt bedeutet; jetzt, wo sie nach denselben erscheint, bedeutet sie nur einen Rückschritt. Sie ändert nichts an dem, was durch wirkliche systematische Beobachtungen festgestellt ist. Würzburg, im Juli 1898. Nach Abschluss des Manuseripts erschienen die Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft von der 12. Versammlung in Kiel. In einem Bericht über seinen Vortrag hat von Kölliker dort ungefähr dasselbe zu Protokoll gegeben, was in der oben eitirten Abhandlung bereits beschrieben wurde. Zum Schlusse bemerkt der Autor: „und ich bin daher der Meinung, dass in den Unter- suchungen Sobotta’s.. . ein schwacher weiter aufzuklären- der Punkt enthalten ist.“ von Kölliker spricht sich also in dieser Publikation ziemlich entschieden gegen die von mir ver- tretene Ansicht aus. Ich habe oben (p. 554) schon hervorgehoben, dass das von von Kölliker benutzte Material für die von mir behandelte Frage ja nicht ins Gewicht fällt, dass es sich bei den Untersuchungsobjeeten von Kölliker’s gar nicht um Corpora lutea handelt, geschweige denn von Entwickelungsstadien 558 R. Eschweiler: der Gebilde. Ich erachte es deswegen für vollständig überflüssig, auf diese Veröffentlichung von Kölliker’s einzugehen, da unsere Untersuchungen sich auf ganz verschiedene Dinge be- ziehen. Ich sehe in der Veröffentlichung von Kölliker’s nur eine Bestätigung der von mir gelegentlich meiner zweiten Publi- kation über das Corpus luteum (l. e.) S. 180/181 Anmerk. ge- machten Bemerkungen, nicht aber einen Beitrag zur Entstehung des Corpus luteum. (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn.) Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln und der Topographie des Mittelohres ver- schiedener Säugethiere. Von Dr. R. Eschweiler, Privatdocent und Assistenzarzt der Universitäts-Poliklinik für Ohren- und Nasenkranke zu Bonn. Hierzu Tafel XXV—XXVII und 4 Figuren im Text. Die vergleichende Anatomie des innern Ohrs ist fast er- schöpfend bearbeitet. Der schallzuleitende Apparat mit seinen Adnexen ist dagegen selten Gegenstand der vergleichend-anato- mischen Untersuchung gewesen, und wo das Mittelohr der Thiere mit seinem Inhalt und die Tube eine Besprechung erfahren haben, da handelt es sich weniger um vergleichende, als viel- mehr um deskriptive Thieranatomie. Ganz besonders geringe Beachtung haben die Muskeln der Gehörknöchelehen erfahren, obschon doch gerade sie ein interessantes Objekt der vergleichend anatomischen Untersuchung sind, zumal, da ihre Funktion noch sehr strittig ist, und vielleicht auf dem Wege der vergleichenden Anatomie eine Lösung der Frage gefunden werden kann. ee ee E Po Yo Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 559 Von den älteren Anatomen, welche genaue Untersuchungen auch bei Thieren gemacht haben, ist besonders E. Hagenbach!) zu nennen. Er beschreibt indessen nur die betreffenden Muskeln bei verschiedenen Säugethieren. Die ersten wirklich vergleichend anatomischen Untersuchungen sind von Zuekerkandl?) aus- gegangen. Er sowohl, wie Hagenbach legen hauptsächlich Werth auf die Structurverhältnisse des Muskelbauchs. Zuck er- kandl hat neben diesen zum ersten Mal auch auf die Ver- schiedenheiten aufmerksam gemacht, welche der Tensor tympani der Thiere in seinem Zusammenhang mit der Tuba Eustachii besitzt, und daraus eine vergleichend anatomische Deutung für den Tensor des Menschen herzuleiten versucht. Während er zum Studium der Structur des Muskelbauchs das Mikroskop herange- zogen hat, sucht er den Zusammenhang des Muskels mit der Tube makroskopisch zu demonstriren. Die nachfolgende Dar- stellung wird aber zeigen können, dass die Analyse von dinnen Serienschnitten noch eine Reihe von Eigenthümlichkeiten zu Tage fördert, die bei makroskopischen Präparationen verborgen bleiben müssen. Diese Untersuchung muss nämlich umsomehr auf grosse Genauigkeit Anspruch machen dürfen, als gerade im Zusammen- hang mit der Tuba Eustachii und in etwaigen Lageänderungen des Muskelbauchs der Schwerpunkt der vergleichend anatomischen Untersuchung des Tensor tympani zu suchen ist; es ist ja die Zugehörigkeit des Tensors zur Tube viel inniger, als zum Mittel- ohr, weil der Muskel erst sekundär in den Dienst des Gehör- organs gestellt ist. Es wurde daher in den folgenden Unter- suchungen besonders auf diesen Punkt die Aufmerksamkeit ge- lenkt und damit eine Betrachtung der Tuba Eustachii verknüpft. Da die Gehörorgane in Serienschnitte zerlegt wurden, konnten nieht nur die Structurverhältnisse des Muskelbauchs, sondern auch andere wichtige Verhältnisse der Paukenhöhle und ihres Inhalts studirt werden, z. B. die Gehörknöchelchen, der Musculus stape- dius, vor allem aber die wechselnde Gestaltung der Trommel- höhle. 1) E. Hagenbach, Disquisitiones anatomicae eirca musculos auris internae. Basileae 1833. 2) E. Zuekerkandl, Zur Morphologie des Musculus tensor tym- pani. Archiv f. Ohrenheilkunde Bd. 20, S. 104. 560 R. Esehweiler: Ehe zur Beschreibung der makroskopischen und mikrosko- pischen Untersuchung übergegangen wird, mögen einige Bemer- kungen über die Technik einen Platz finden. Nach Durchsägung des betreffenden Thierschädels in sagit- taler Richtung wurde das Gehirn herausgenommen. Darauf wurde der äussere Gehörgang nahe dem Trommelfell abgeschnitten und letzteres in der unteren Hälfte mit einem Messerchen per- forirt, um der Härtungsflüssigkeit den Eintritt in die Paukenhöhle zu gestatten. Wie sich nachher noch ergeben wird, war es oft nicht möglich, die Luft völlig aus dem Mittelohr zu entfernen, obgleich das Präparat stets mit der Trommelfellperforation nach oben gerichtet in der Härteflüssigkeit lag. Zu Anfang habe ich versucht, durch Ausspritzen der Tuba vom Rachen her die Luft aus der Pauke durch die Trommelfellöffnung hinauszudrängen. Es gelang das zwar, aber die Tubenschleimhaut wurde dabei so stark. verletzt, dass späterhin von dem Verfahren Abstand ge- nommen wurde. Augenblicklich mache ich den Versuch, durch Auspumpen die Luft zu entfernen: ich stelle das Präparat mit durchstochenem Trommelfell, völlig bedeckt von 80°%/, Alcohol, unter den Reeipienten einer Luftpumpe. Man sieht dann deutlich bei der Vacuumbildung die Luftblasen entweichen. Ob man mit diesem Verfahren wirklich zum Ziele kommt, und ob nichts da- bei zerrissen wird, muss sich noch herausstellen, wenn die be- treffenden Präparate geschnitten werden. Als Härtungsflüssigkeit diente der Alcohol in steigender Concentration. Die Präparate — bei kleinen Thieren der halbe Kopf, bei grössern das in weiterem Umkreis ausgesägte Gehör- organ — wurden am ersten Tag in 50 und 70°/, Alcohol, am zweiten Tag in 80°/,, am dritten und vierten in 96°/, Alcohol gebracht. Der Alcohol hat sich uns ausserordentlich gut bewährt: ein mit Zenker’scher Flüssigkeit fixirtes Präparat gab weniger schöne Bilder. Nach der Härtung wurde die Entkalkung in einer Mischung von 4 Theilen Salpetersäure v. spec. Gew. 1,33 und 100 Theilen Aqua destillata vorgenommen. Die Entkalkung dauerte verschieden lange. Eine Norm lässt sich auch für gleiche Thierspecies nicht aufstellen, da Alters- und individuelle Unterschiede in der Knochenhärte vor- Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. S6l kommen. Es muss eben für jedes Präparat durch Anstechen mit einer spitzen Nadel und Anschneiden mit dem Rasirmesser der richtige Zeitpunkt zur Herausnahme aus der Säure gesucht werden. Es ist zweckmässig, die Präparate noch 48 Stunden in der Säure zu belassen, selbst wenn sie schon gut schneidbar sind, weil nämlich kleine nicht ganz und gar entkalkte Stellen nach der späteren Aleoholbehandlung einen viel höheren Härte- grad annehmen, als man an dem eben der Säure entnommenen Präparat nachweisen konnte. Nach vollendeter Entkalkung wurde 24 Stunden lang in fliessendem Wasser ausgewaschen und dann wieder in stei- gendem Alcohol gehärtet. Jetzt erfolgte das Zurechtschneiden des Präparates und das Anlegen der Schnittebene. Die Lage der letzteren soll noch bei Beschreibung jeder Serie später genauer erörtert werden. Ich will hier nur bemerken, dass es zu Anfang beabsichtigt wurde, die Tubenlängsaxe, die Anhef- tungsstelle des Musculus tensor tympani am Felsenbein, und die Insertion seiner Sehne am Hammer möglichst in eine Ebene, d. h. in die Schnittebene zu bringen. Später habe ich auf den Rath des Herrn Prof. Nussbaum die Schnittebene frontal ge- legt. Beide Methoden haben ihre Vorzüge. Die letztere gewährt den grossen Vortheil, dass sie eine für alle Thiere konstante Lage behält und dass somit ein Vergleich zwischen den einzelnen Thierarten erleichtert wird. Erst nach Anlegung der Schnitt- ebene und Behandlung mit Alcohol absol. und Aether-Alcohol erfolgte die Einbettung in Celloidin. Ueber die Herstellung der beigegebenen Tafeln sei Fol- gendes bemerkt. Es war zunächst beabsichtigt, alle Präparate und Schnitte zu photographiren. Bei der verschieden starken Blaufärbung (Hämalaun) der verschiedenen Gewebsarten wurden jedoch stellenweise die Contraste zu stark und andrerseits die Details zu wenig ausgeprägt, so dass die meisten Präparate doch nachträglich gezeichnet wurden. Die Aufnahmen von Figur 2 und 3 wurden nach Art von Mikrophotographien, aber bei auffallendem Sonnenlicht und bei vierfacher Lupenvergrösserung gemacht. Das Präparat — der Recessus tympanieus pharyngis — war ein ausserordentlich ungünstiges Objekt für die photographische Aufnahme, denn ein- mal war es sehr schwer, die Tiefe des Recessus genügend zu 562 R. Eschweiler: erleuchten, zweitens konnte bei dem grossen Niveauunterschied zwischen den Theilen des Präparats immer nur auf einen kleinen Bezirk scharf eingestellt werden. Eine genügende Beleuchtung wurde dadurch erzielt, dass mit einem auf Stativ befestigten grossen Refleetor, wie er zum Kehlkopfspiegeln benutzt wird, ein Streifen intensiven Sonnenlichts in die Tiefe des Recessus tympanieus geworfen wurde. Auf der Mattscheibe der Camera wurde dann bei der ersten Aufnahme das Trommelfell, bei der zweiten das Ostium attiei tympaniei eingestellt. Die Expositions- dauer war eine sehr kurze. Sie betrug drei bis vier Sekunden. Die photographische Aufnahme der Serienschnitte wurde folgendermaassen vorgenommen. Als Lichtquelle diente der von der Sonne hell beleuchtete Horizont. Mit diesem Licht wurde das Bild zunächst auf der Mattscheibe der Leitz’schen Camera, dann mit der Lupe scharf auf der hellen Glasscheibe eingestellt. Darauf wurde auf die Irisblende eine Gelbscheibe gelegt und nun ohne weitere Abblendung des durchfallenden Lichtes zehn Sekunden lang exponirt. Bei Ausführung der Zeichnungen wurden die Umrisse theils nach den Photogramnten durehgepaust, theils mit dem Zeiss’schen Prisma entworfen. Während der Durchsicht einer Serie wurde der Befund zunächst in ein Schema eingetragen, welches die Uebersicht ausserordentlich erleichtert. Statt der näheren Beschreibung lasse ich hier einen Theil des Schemas, wie es bei Durchsicht der Schnittserie vom Gehörorgan des Schuppenthieres sich ergab, folgen. Auf Grund solcher Tabellen wurde dann unter Erweite- rung der Details die genauere Beschreibung der Serie geliefert. 3 SE = ® Mm. E ae Pauken- | 5= r ar Verschie- > ube Mr Ss ’ven mpani 7 höhle = = yıp denes E 5.2 und x = stapedius 2 „A 5 Ost. pharyng. Is facialis Cavernöses Lumen mehr- im Quer- Gewebe und mals ange- schnitt. Drüsen i. der schnitten. Ein Gan- Grehörgangs- glion nahe gegend. d. Schädel- höhle. Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 563 a © je $ ‚o Mm. E Tub Pauken- SS K- tensor | Verschie- B) ube 5 E= rve 7 Zi höhle o= Rn Kynpanı denes = er und = f- stapedius S E tapediu 6|Tubenlumen in fibröses Gewebe eingelagert. 12 Tube ampullen- artig erwei- tert. 13 Tube Beginn der in ganzer | Paukenh. Länge. Ost. tymp. Knorpel üb.ltubae erfüllt dem Ost. mit abge- phar. tubae.| stossenem Epithel. 15 Die Pauken- Ceruminal- höhle grenzt drüsen im unmittelbar äusseren an caver- Gehörgang. nöses Ge- webe. 17 M. stape- dius. 18 Die Pauke buchtet sich nach dem Labyrinth hin aus. 21] Knorpel Ganglion in auch unter Schnitt 5 dem Ost. giebt einen phar. tubae Nerv ab. 25 Fenestra ro- Gehör- tunda. gangslumen. 28 Von der Schädel- höhle her er- streckt sich eine Aus- buchtung nach der Pauke hin. 564 R. Eschweiler: = - — _ - - — - 3 ‚© Mm. = Pauken- S2 tensor Ver- 3 Tube höhle = Nerven tympani | schie- e 52 und denes © = stapedius z 2 33] Von der Tuba ent- springt ein rachenwärts verlaufen- der Muskel. 35 Stärkere Ab- schnürung der Aus- buchtung. 36 Ganglion am N. acu- stieus. 41 Nur noch Spitze des M. stap. sichtbar. 42 Der Durch- Ganglion bruch der aus Schnitt Schädel- 5 ver- höhle in die schwunden. Pauke berei- Nur noch tet sich vor. Nerv vor- handen. 43 Die Spitze des M. stape- dius verlässt die Knochen- höhle., 47|Oberer und Stapes- unterer Ab- platte. schnitt des Tubenknor- pels vereint. 48 Drei | Eigenthüm- Knochen-Jliche Anord- kernei.d.| nung der Stapes- | Acustiens- platte. fasern. 49| Tubenknor- Stapes- pel stark ge- kopf. rollt u. dem Rachenepi- thel anlie- gend. ER Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 565 Die Reihe der untersuchten Thiere möge mit der untersten Species der Säugethiere eröffnet werden: mit dem Ornithorhyn- chus paradoxus. Vom Gehörorgan des Schnabelthiers hat bis jetzt nur die Tuba Eustachii eine Beschreibung erfahren. Zuerst seitens R ü- dinger's!), Später hat Zuckerkandl?) die Ergebnisse der Rüdin- ger'schen Untersuchung nachgeprüft und ist dabei, von einigen unwesentlichen Berichtigungen abgesehen, zu demselben Ergebniss gekommen, welches dahin lautet, dass dem Schnabelthier die Ohrtrompete gänzlich fehlt. „Statt eines solehen Rohrs findet man eine etwa kleinlinsengrosse Oeffnung an der Seitenwand des Rachens, beziehungsweise an der innern untern Partie des de- fekten Paukenhöhlenbodens, welche die Aufgabe der Tuba über- nelmend für die Ventilation der Paukenhöhle Sorge trägt, und an welcher die Rachenschleimhaut dünner werdend in die Pau- kenhöhlenschleimhaut übergeht. Ein Verschluss dieser Oeffnung (welche man Ostium pharyngo-tympanicum nennen könnte), etwa in Form einer Falte oder Klappe existirt nicht, und somit ist der Zugang von der Rachenhöhle zur Paukenhöhle ein ganz freier, mag sich der Pharynx verhalten, wie er wolle. .. .* „Von Innen her untersucht, sieht man, wie der Rachenraum gegen das Ostium pharyngo-tympanicum sich ein wenig trichter- förmig zuspitzt, und durch die Oeffnung gewahrt man deutlich den Hammer. Siehe Tafel XXV, Figur 1 (O Nasenhöhle, N Choanenrohr, PH Pharynx, X Schädelhöhle). Als ich nun das Gehörorgan des Schnabelthiers behufs Untersuchung des Musculus tensor tympani zum Serienschnitt vorbereitete, diente mir die Beschreibung Zuckerkandl's zur Grundlage der Präparation. Es musste danach angenommen werden, dass bei der weiten Communication des Mittelohrs mit dem Pharynx eine Durchtränkung der ganzen Paukenhöhle mit Alcohol und ein völliges Eindringen des Celloidins ohne Weiteres stattfinden würde. Es war daher eine unangenehme Ueber- raschung, dass beim Schneiden des grossen Präparats ein Theil 1) Rüdinger, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histo- logie der Ohrtrompete. München 1870. 2) Zuckerkandl, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Öhrtrompete. Archiv f. Ohrenheilk. Bd. 23, S. 201. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 37 566 R. Eschweiler: der Paukenhöhle sich als leer erwies, und dass in Folge dessen die Schnitte von einer grossen Brüchigkeit waren. Dieser Um- stand liess es als unwahrscheinlich vermuthen, dass eine weite, dem „Ostium pharyngo-tympaniecum® Zucekerkandl’s ent- sprechende Communication zwischen dem Rachen und der Panu- kenhöhle bestände. Es wurde deshalb die andere Kopfhälfte des Ornithorhynchus einer genauen makroskopischen Uutersuchung und Präparation unterworfen. Dabei ergab sich nun Folgendes: Wie Zucekerkandl |.ce. bemerkt, ist die Nasenhöhle des Ornithorhynchus jederseits in ein langes hinteres Ansatzrohr aus- gezogen, welches einer Choane gleichzusetzen ist und oberhalb des weichen Gaumens in den Pharynx mündet. Dicht hinter dem hintern Ende dieser lang ausgezogenen Choane befindet sich an der Seitenwand des Rachens eine kleinlinsengrosse, etwa zwei Millimeter tiefe runde Nische. Sie wird lateralwärts vom Trom- melfell abgeschlossen, welch letzteres sammt dem Hammerstiel deutlich vom Rachen her zu sehen ist. Zuekerkandl nennt den Zugang zu dieser Nische Ostium pharyngo-tympanicum. Die Nische selbst wird am besten mit dem Namen Reces- sus tympanicus pharyngis belegt. Dieser Recessus ist als ein Theil der Paukenhöhle aufzufassen, welcher mit dem Rachen durch das weite Ostium pharyngo-tympaniecum eommunizirt. Der Recessus tympaniceus (r ? der Figur 2) mit dem Trommelfell und Hammergriff (der kleine schwarze Strich im hellen Trommelfell) ist in Figur 1, die der Zuckerkandl'schen Arbeit entnommen ist, zu sehen. Wenn die Beschreibung Zuckerkandl's voll- ständig wäre, so müsste der Recessus tympanicus pharyngis un- mittelbar in den Theil der Paukenhöble übergehen, welcher den Rest des Hammers und die iibrigen Gehörknöchelchen enthält. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern es sind beide Abschnitte der Paukenhöhle von einander geschieden und communiziren nur durch eine kleine Oeffnung miteinander, welche in der Tiefe des Recessus tympanieus pharyngis und zwar nahe dem Rande des vorderen oberen Trommelfellquadranten liegt. Da sich hier der die Gehörknöchelehen bergende Raum, den ich dem Kuppelraum des Menschen gleichsetze, in den Recessus tympaniecus öffnet, so soll diese Communication mit dem Namen Ostium attiei tympa- nici belegt werden. Das Ostium attiei tympaniei ist für ein kleines Stecknadel- Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 567 köpfehen durchgängig. Zur Erklärung möge Tafel XXV, Figur 2 und 3 dienen. Figur 2 giebt die linke hintere Rachengegend des Ornitho- rhynchus wieder. Man sieht bei r ? den Recessus tympanieus pharyngis, dessen Boden — das Trommelfell — in eine dunkle und eine. helle Partie zerfällt. Die helle Partie ist ein Lichtkegel, hervorgerufen dureh die künstliche Beleuchtung. Die Spitze dieses Liehtkegels entspricht dem Umbo des Trommelfells. z ist die mediane Durchschnittsfläche der Zunge. oe ist der losgelöste An- fangstheil des Oesophagus. Bei ch beginnt das lange Ansatzrohr der Choane. Der dunkle Theil des Recessus tympanieus ist nach oben hin von einem hellen Saum umgeben, welcher im Niveau der Rachenwand liegt. Unter diesem Saum liegt das Ostium attici tympaniei versteckt und wird erst dann sichtbar, wenn man das Präparat so um eine horizontale, zum Beschauer trans- versal stehende Axe dreht, dass man unter dem Rand des Re- cessus tympanicus in die Tiefe sieht. Das ist für die Aufnahme, welehe in Figur 3 abgebildet ist, geschehen. In diesem Bild ist gemäss der oben angegebenen Drehung mehr vom oberen, als vom unteren Theil des Trommelfells zu sehen. Nach oben vorne erscheint als dunkler Fleck nahe dem Rand des Recessus tympanicus das Ostium attiei tympanici. Es liegt nicht im Trommel- fell, sondern nahe seinem Rande in der Rachenschleimhaut. Vom Lichtkegel des Trommelfells ist nur die Spitze zu sehen. Auf beiden Bildern fällt der helle, dem Sonnenreflex entsprechende Streifen auf. Bei der makroskopischen Präparation wurde zunächst die Rachenschleimhaut in der Umgebung des Recessus tympani- eus abpräparirt. Es zeigte sich, dass zwischen dem Rande des hinteren Choanenendes, also der in Figur 2 mit ch bezeichneten Stelle und zwischen der Circumfererenz des Ostium attiei tym- paniei zwei Muskelbäuche ausgespannt sind, deren pharyngealer Ursprung genau zu begrenzen war, deren tympanales Ende sich jedoch in die Paukenhöhle hinein verlor. Diese Muskelbäuche liegen fast transversal, verlaufen demgemäss mediolateral. Der mediale Ursprung am Choanenrande liegt etwas mehr oralwärts, als das Sehnenende. Nun wurde unter Schonung des Hammers das Trommelfell und der das Ostium pharyngo-tympanicum begrenzende Theil der Rachenhaut abgetragen, und somit ein weiter Zugang zur 568 R. Eschweiler: Paukenhöhle geschaffen, wo sich jetzt die Insertion der eben erwähnten Muskelbäuche am Hammer zeigte. Dieses Präparat ist in Figur 4 wiedergegeben. Da die starke Niveaudifferenz zwischen dem Boden des Recessus tympanicus und der Rachen- wand nicht mehr vorhanden war infolge Abtragung der benach- barten Schleimhaut, so brauchte keine Beleuchtung mit dem Re- flektor zu erfolgen. Das Präparat wurde vielmehr dem direeten Sonnenlicht ausgesetzt und ebenfalls mit sehr kurzer Expositions- dauer photographirt. Man sieht in Figur 4 die beiden Muskelbäuche bei m und m’. Besonders deutlich ist der Ursprung des oberen an der hinteren Umrandung des Choanenrohres (ch). Beide Muskel- bäuche spitzen sich tympanalwärts zu. Der obere entwickelt eine blinkende Sehne. Beide verschwinden dann unter dem Trommelfellrest £. Vor letzterem und über dem Sehnenende des Muskels liegt eine dunkle Stelle. Hier befindet sich der nun breite Zugang zur Paukenhöhle, die eine besondere Besprechung verlangt. Die Paukenhöhle zerfällt in zwei Theile. Der eine davon ist der Recessus tympanicus pharyngis, dessen Lage vorher beschrieben wurde. In ihm befindet sich von den Gehör- knöchelehen nur der Hammerstiel, soweit er in das Trommelfell verwebt ist. Der andere Theil der Paukenhöhle, welcher den Kopf des Hammers nebst Amboss und Steigbügel enthält, liegt höher, als der Recessus tympanicus, so dass sein Boden im Niveau des oberen Trommelfellrandes liegt. Gleichzeitig liegt er auch lateral vom Recessus tympanieus und erstreckt sich weiter nach vorn, als dieser. Nach vorne hin senkt sich der Boden dieses Paukenhöhlenabschnitts wieder etwas. Denkt man sich den Recesssus tympanieus pharyngis als geschlossenen Raum, so würde die gesammte Paukenhöhle einem Doppelsack ähnlich sein, von dem der untere mediale Theil dem Recessus tympanieus pharyngis, der obere laterale dagegen dem die Gehörknöchelehen bergenden Kuppelraum entspräche. Dieser dem Kuppelraum des Menschen verglichene Theil enthält aber beim Schnabelthier weit mehr wichtige Theile, als beim Menschen, denn seine mediale Wand wird von der das ovale und runde Fenster enthaltenden Felsenbeinfläche gebildet. An der Stelle, wo der Doppelsack eingeschnürt ist, liegt auch die Communikationsöffnung beider, nämlich das Ostium attiei Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 569 tympanici. Diese Verhältnisse werden am besten durch die Figur 9, Tafel XXVI illustrirt. Nur ist zu bemerken, dass die auf den Abbildungen der Schnabelthierserie rechts befindlichen Theile höher liegen, ais die linke Seite. Es ist deshalb nöthig, die Bilder um 45° in entgegengesetztem Sinne des Uhrzeigers zu drehen, um eine der normalen entsprechende Stellung zu er- halten. Man sieht deutlich, wie die Paukenhöhle im engern Sinne P zum Recessus tympanieus pharyngis resp. zur Rachenhöhle PH und zum Trommelfell 7 gelegen ist. Ehe zur Beschreibung der Serienschnitte übergegangen wird, sind einige Vorbemerkungen nöthig. Nach sagittaler Durchsägung des Schnabelthierkopfes wurde zunächst die Mündung des äussern Gehörgangs aufgesucht. Die- selbe ist spaltförmig und liegt, da eine Ohrmuschel fehlt, im Pelz verborgen, zwei em von der Mittellinie und 2,2 cm von der Haar- grenze am hintern Schnabelende des Thieres. Der äussere Gehör- gang umzieht als platte Röhre von dünner, aber derber fibröser Wan- dung dieht unter der Haut die Seitenfläche des Kopfes. Er verläuft um die hintere Kante des Unterkiefergelenkfortsatzes herum median und senkt sich dabei zwischen den Weichtheilen in die Tiefe. Das Präparat befand sich zur Zeit der Verwendung schon seit lange in mittelstarkem Alkohol. So kommt es, dass das Epithel durch- weg infolge von Maceration verschwunden und auch der Zusammen- hang der Schleimhaut mit der Unterlage an einzelnen Stellen auf- gehoben ist. Nach Einbettung in Celloidin geschah die Zerle- gung in Schnitte von 0,04 mm Dieke. Dünnere Schnitte durften nicht gemacht werden, weil infolge Leerseins der Paukenhöhle eine grosse Brüchigkeit der Schnitte bestand. Zur Färbung wurde Hämalaun genommen. Es zeigte sich, dass die Weichtheile den Farbstoff nur sehr langsam aufnahmen, während der Knochen sich rasch intensiv färbte. Die Schnittebene verläuft von vorne oben nach hinten unten und ist gegen die Horizontale um etwa 45° geneigt. Sie ist also eine Tangentialebene am Mittelpunkt des Kreisbogens, welcher den untern vorderen Quadranten des Trommelfells begrenzt. Die Serie beginnt mit Schnitten, welche das Trommelfell nahe seinem vordern Falz getroffen haben. Die Membran ist hier sehr diek. Auf der einen Seite liegt die Rachenhöhle resp. der Re- 570 R. Eschweiler: cessus tympanieus, auf der andern der äussere Gehörgang. Die Paukenhöhle im engeren Sinne, d. h. der die Ossieula grössten- theils bergende Raum ist in den ersten Schnitten noch nicht er- öffnet. Der erste Schnitt, welcher ein diesem Paukentheil zuge- höriges Lumen zeigt, ist Schnitt 5. Dasselbe ist zunächst durch eine membranöse Scheidewand getheilt, wird jedoch von Schnitt 8 an einheitlich. Schnitt 16 (Figur 5, Tafel XXVI) möge zur Orientierung dienen. Zu den Seiten des Trommelfells 7’p liegt einwärts der Recessus tympanicus pharyngis /H, auswärts der äussere Gehörgang M. A. E. Der Zugang des Recessus vom Rachen her ist dadurch verengt, dass sich ein breites Gewebspolster, bestehend aus Drüsen D und Muskelfasern m von der Unterlage abgehoben hat. Da- durch ist ein Kunstprodukt, der hohle Raum a entstanden, der von ziemlich grosser Ausdehnung und daher in fast allen Schnitten sichtbar ist. Ausser der mächtigen Drüsenschicht D liegt im Recessus tympanicus pharyngis noch die Drüsenmasse D‘, deren beider Zusammenhang in den vorhergehenden Schnitten sichtbar ist. Die Drüsen bilden einen Doppelwulst, dessen grösserer Absehnitt im Recessus tympanicus pharyngis, dessen kleinerer im Attieus tympanicus liegt, beide sind durch einen schma- leren über den Rand des Ostium attiei tympanici verlaufenden Streifen von Drüsengewebe verbunden. F' ist das Felsenbein, C' die Schädelhöhle, P der vorher erwähnte, die Hauptmasse der Ossieula enthaltende Paukenhöhlenabschnitt. Er soll der Kürze halber im Folgenden nur mit dem Ausdruck „Paukenhöhle“ be- zeichnet werden. Das Lumen 7? ist wie ersichtlich, von zwei Schenkeln eingefasst, von denen der eine dem äusseren Gehör- gang, der andere dem Recessus tymp. phar. anliegt. Die solitären Muskelfasern bei f£, welche der Muskelmasse m angehören, sind die ersten unmittelbar als Muskelfasern des m. tensor tympani zu bezeichnenden Muskelelemente. In den fol- genden Schnitten wird nun der Raum 7’ immer grösser; dabei verdünnen sich die beiden ihn abgrenzenden Schenkel, welche sammt dem Trommelfell stark in die Länge gezogen werden. Die Zahl und die Länge der Tensorfasern wird grösser. Zugleich bereitet sich ein Uebergang derselben in das Gros der Rachen- muskulatur vor. In Schnitt 19 ist der Zusammenhang des Tensor tympani Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 571 mit der Rachenmuskulatur sehr deutlich. Am unteren Trommelfell- rand ist der im Querschnitt getroffene Knochenfalz desselben sicht- bar. In Sehnitt 21 tritt im Trommelfell nahe seinem oberen Ende eine spindelförmige Verdiekung auf, welehe Knorpelzellen erkennen lässt. Es ist dies die erste Andeutung des Hammers. Die Drüsen D’ sondern sich immer deutlicher von dem Drüsen- complex D, indem zwischen beide der Tensor mit seiner Sehne und Schleimhautbekleidung allmählich sich einschiebt und auf den Hammer losrückt. Vorgreifend soll hier schon bemerkt werden, dass diese Verbindung des Muskels mit dem Hammer in Fig. 7 Schnitt 25 vollzogen, und damit der langgestreckte Raum PH der Fig. 5 in zwei Abtheilungen zerlegt ist, von denen die eine den in Figur 6 mit 5b bezeichneten Raum repräsentirt. Später wird dieser den Drüsen D‘ anliegende Raum 5b unter Schwund der pharyngealen Paukenhöhlenwand in das Paukenhöhlenlumen 7? einbezogen, und somit eine Ver- bindung des Pharynx mit der Paukenhöhle durch Vermittlung des Raumes b erzielt. Der Musculus tensor tympani ist im Schnitt 21 schon ziemlich ansehnlich. Der Muskelbauch enthält an seinem der Schleimhaut anliegenden Rande Sehnenfasern. In Sehnitt 25 (Figur 6 Tafel XXVTI) sind die vorher beschriebenen Verhältnisse am Uebergang des Pharynx in die Paukenhöhle illustrirt. Man sieht, wie die den Muse. tensor bedeckende Schleimhautfalte schon den Hammer M erreicht hat. Letzterer ist in grosser Ausdehnung sichtbar. Der Raum Db ist noch von der Paukenhöhle getrennt. In den folgenden Schnitten rückt das stumpfe Ende des Tensor tympani immer näher an den Hammer heran. Der Raum b vergrössert sich, so dass die den Muskel mit dem Hammer verbindende Schleimhautbrücke immer schmäler wird. Späterhin wird diese Brücke nur noch von der Sehne des Tensor tympani gebildet. Die Sehne s tritt in Schnitt 28 Figur 7 in grösserer Ausdehnung auf. Längs des der Schleim- haut zugekehrten Muskelrandes gehen die deutlich quergestreiften Muskelfasern in wellige Sehnenfaserbündel über. Letztere sind tingirt, während die Muskelfasern nicht gefärbt sind. Bei Z ist das Labyrinth angeschnitten. Im Schnitt 31 liegen auch an dem dem Knochen zugekehrten Muskelrand und zwar nahe seinem Abgang aus der Muskulatur im Rachen wellige Sehnen- fasern. Die Endsehne des Tensor tympani ist hier sehr lang 572 R. Eschweiler: und schlank. Auch der Raum 5 ist in die Paukenhöhle 7 über- gegangen. Mithin liegt hier der Anfang des Ostium attiei tympanici. Die Drüsen D‘ liegen nun ganz in der Paukenhöhle. In den folgenden Schnitten wird die Paukenhöhle immer ge- räumiger. Der Hammer wird in seinem untern Theil dünner, am Kopfende dieker. Auch im Innern vom Muskelbauch des Tensor tympani treten Sehnenfasern auf. In den nächsten Schnitten verändert sich das Bild nieht wesentlich. Nur wird der anfangs einheitliche Muskelbauch des Tensor in mehrere Muskelpartien von gleicher Verlaufsrichtung zerlegt. In Schnitt 56 erscheint die erste Andeutung der Stapesplatte. Die Muskulatur des Pharynx ist erheblich verdünnt, nur wenige Fasern sind mehr davon zu sehen. Der pharyngealwärts ziehende Ursprung des Museulus tensor tympani ist hier in eine fibröse Scheide eingebettet. Im Schnitt 58 (Fig. 8, Tafel XXVI) ist dies besonders deutlich. Es sind hier zwei Abschnitte des Tensor tympani zu sehen. Der eine mit ?, der andere mit t‘ bezeichnet. t ist der in die Muskulatur m des Pharynx übergehende lange und schmale Bauch, welcher in den vorhergehenden Schnitten als einheitlicher Muskel von grosser Länge zu sehen war. t‘ ist ein kurzer, aber diekerer Muskel, weleher sich immer mehr entwickelt, je mehr der Bauch ? an Volum abnimmt. Er entspringt an der Labyrinthwand und geht in dieselbe Endsehne über, wie der Bauch f. Unter Einschrumpfen des Bauchs £ wächst der Bauch ?‘ bis in Nr. 66 Figur 9 ein Schnitt durch die grösste Ausdehnung dieses Muskelabschnitts erreicht ist. In diesem Präparat sind alle Gehörknöchelehen im Durchschnitt enthalten. M Hammer, 7 Amboss, St Steigbügel. Es fällt die relativ mächtige Entwicklung des Steigbügels auf, der, wie auch makroskopisch nachweisbar ist, Stäbehenform besitzt. Die Stapes- platte ist durch straffes Bindegewebe an den Rand des Vorhof- fensters geheftet. Von einer Stapediussehne ist nichts zu sehen. Ebensowenig liegt auch in den folgenden und vorhergehenden Schnitten etwas, was als Musculus stapedius angesprochen werden könnte. Der Bauch des Tensor tympani hat hier Retortenform. Er entspringt theils von der Labyrinthwand, theils von dem nahen Bindegewebe. Bei D’ ist in dünner Schicht der Rest der Paukenhöhlendrüsen zu sehen. Ohne eine Besonderheit zu Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 913 bieten, verkleinert sich der Muskelbauch allmählich in den folgenden Sehnitten, bis er in Schnitt 87 geschwunden ist. Wenn man das Gesagte zusammenfasst, so ergibt sich Folgendes: Der Museulus tensor tympani des Schnabeltbiers besteht aus zwei Theilen. Der eine von diesen geht unmittelbar aus der Muskulatur hervor, welehe am hintern lateralen Choanenrand entspringt. Der zweite Bauch hat sein Wurzelgebiet an der Labyrinthwand. Er ist kürzer, dieker als der Rachenbauch und am Ursprung abgerundet. Mit dem Rachenbauch steht er insoweit in naher Verbindung, als er sich unmittelbar neben ihn legt und seine Fasern in gleicher Richtung verlaufen lässt. Es muss Jedoch ausdrücklich bemerkt werden, dass sein Ursprung ein selbstständiger ist. Beide Theile des Museulus tensor tympani gehen in dieselbe Endsehne über, welche sehr lang und schlank ist und unter spitzem Winkel am Hammer inserirt. Die Lage der Paukenhöhle wurde schon vorher besprochen. Interessant ist der unmittelbare Uebergang der Rachendrüsen in die Pauken- höhle. Diese Drüsen (D’ der Abbildungen) liegen der Labyrinth- wand an und bilden nahe dem Ostium attiei tympaniei eine dieke Schicht, welche nach oben hin immer mehr an Mächtigkeit ab- nimmt. Da mit wachsender Entfernung vom Rachen die Drüsen- sehieht dünner wird, ist es erklärlich, dass die Paukenhöhle der höheren Säugethiere, welehe eine lange Tube und damit eine grosse Entfernung der Pauke vom Rachen besitzen, nur spärliche oder keine Drüsen enthält. Wie aus den Ergebnissen der makroskopischen Präparation hervorgeht, ist für die Ventilation der Paukenhöhle in doppelter Weise gesorgt. Die Gleichgewichtslage des Trommelfells wird dadurch erzielt, dass der Lufteintritt zu dem Recessus tympanicus pharyngis durch das Ostium pharyngotympanicum ein ganz freier ist. Der andere Abschnitt der Paukenhöhle, welcher Amboss und Steigbügel enthält, wird durch das Ostium attiei tympanici mit dem Recessus und so mit der Rachenhöhle in Communikation gebracht. Es erfüllt demgemäss auch das Ostium attiei die Funktion der Tuba Eustachii der höhern Thiere. Morphologisch kann dasselbe jedoch nicht mit dieser identifizirt werden, weil es eine Communikation von zwei Paukenhöhlenabschnitten bildet. Das Ostium pharyngo - tympanicum dagegen entspricht als Ver- 574 R. Eschweiler: bindung zwischen Pauke und Rachenhöhle der Tube des Menschen. Da das Ostium pharyngo -tympanicum aber keine Röhre, sondern nur eine Oeffnung darstellt, so ist es gerechtfertigt, zu sagen, dass dem Sehnabelthier die Tuba Eustachii fehlt. Aus ‚diesem Grunde kann von einem Zusammenhang des Musculus tensor tympani mit der Tuba Eustachii keine Rede sein. Dagegen besteben nähere Beziehungeu zwischen dem Ostium attiei tympaniei und der Sehne des Muskels. Die Sehne des Tensor tympani verläuft an der untern Peripherie des Ostium attiei und ist in der Schleimhaut eingebettet, welche den Recessus tympanicus von dem zweiten Paukenabschnitt trennt. Die Sehne ist dem- gemäss in gewissem Grade fixirt. Sie verläuft nicht frei in der Paukenhöhle, sondern in der Duplikatur der Schleimhaut, welche sich an der eingeschnürten Stelle des Doppelsacks gebildet hat. Wenn man sich das Ostium pharyngo - tympanicum zu einer Röhre, d. h. zu einer wirklichen Tube ausgezogen denkt, so kommt der Rachenbauch des Muse. tensor tympani in unmittel- bare Nachbarschaft der Tuba Eustachii und wird mit ihr in Ver- bindung treten müssen. Es besteht dann ein Tubenantheil des Tensor tympani — der Rachenbauch —, und ein Paukenhöhlen- antheil — der Felsenbeinbauch. — Wenn man die Verhältnisse beim Schnabelthier als Grundform des Muse. tensor tympani betrachtet und die obenerwähnte Ausbildung des Tubenrohrs in Betracht zieht, so können folgende Schemata für den verschiedenen Bau des Muse. tensor tympani aufgestellt werden. 1. Der Muskel besitzt einen Tubenbauch und einen Felsenbein- bauch, welehe beide gleichwerthig sind. 2, Diese Muskelabschnitte können sieh in verschiedener Weise zurückbilden, so dass a) nur noch ein Felsenbeinbauch, b) nur noch ein Tubenbauch, c) eine Combination des einen mit Rudimenten des andern bestehen bleibt. Ns; Eehidna hystrix, Der knorplige, fibröse äussere Gehörgang ist sehr lang, einer abgeplatteten Röhre ähnlich, und 'schlingt sich wie bei Ornithorhynchus um die Seitenwand des Schädels herum. An seinem medialen Ende, wo er sich an die Cirkumferenz des stark Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 575 gegen die Horizontale geneigten Trommelfells ansetzt, entspricht der obere Insertionsrand des Gehörgangs nicht dem oberen Trommelfellrand, sondern es wird das Trommelfell durch die über dasselbe hinwegziehende Insertionslinie der oberen Gehör- gangswand in einen kleineren oberen Theil, welcher nicht straff gespannt ist — pars flaceida — und einen grösseren unteren gespannten Theil — pars tensa — zerlegt. Der Hammergriff ist im Trommelfell deutlich zu sehen und verläuft abweicheud vom Verhalten beim Menschen von oben hinten nach unten vorne. Zuekerkandl widmet in der zu Anfang eitirten Arbeit auch dem Gehörorgan von Echidna seine Betrachtung nnd beschreibt auf Grund makroskopischer Präparation und mikroskopischer Querschnitte den Verlauf und Bau der Tube dieses Thhieres. Die der Zuckerkandl’schen Arbeit entnommene vorzügliche Ab- bildung der Rachenwand mit dem Ostium pharyngeum tubae findet sich auf Tafel XXVI, Figur 10. „Am Sagittalschnitt des Kopfes sieht man an der Seitenwand des Pharynx eine kleine, im Ruhe- zustand geschlossene Lücke — das Ostium pharyngeum tubae — welche wie bei vielen anderen Säugethieren von einem wulstigen Ringe umgeben ist. Dieser Wulst beginnt schon an der vorderen Peripherie der Oeffnung, schlägt sich oben um letztere herum uud setzt sich hinten als leistenartiger Vorsprung weit an der seit- lichen Rachenwand nach unten fort.“ Da das pharyngeale Tubenostium zum Trommelfell so zu liegen schien, dass eine Verbindungslinie beider fast in der Frontalebene verlief, so erwartete ich, auf den Frontalschnitten der Serie vertikale Längsschnitte des Tubenlumens zu erhalten. Diese Annahme erwies sich als unrichtig. Die Tube verläuft so stark von hinten innen nach vorne aussen, dass bei der ange- sebenen Schnittebene Schrägschnitte der Tube geliefert wurden. Die Nummerierung der Serie beginnt mit dem am meisten caudalwärts gelegenen Sehnitt. Die Schnittdicke beträgt 0,05 mm. Der Macerationszustand des Präparats von Echidna ist der wenigst gute von allen bearbeiteten T'hieren, das Epithel infolgedessen nieht zu untersuchen. Die Serie ergiebt Folgendes: Der erste Schnitt durch das pharyngeale Ostium der Tube ist in Nr. 6 enthalten. Hier ist sonst nichts von der Pauken- höhle sichtbar. Da die Schnittebene eine Frontalebene ist, so geht aus dem Gesagten hervor, dass entgegengesetzt dem Ver- 576 R. Eschweiler: halten beim Menschen das pharyngeale Tubenostium caudalwärts von dem hintersten Ende der Pauke liegt. Bei allen höheren Säugethieren würde das’Umgekehrte der Fall sein, indem bei der angegebenen Schnittführung zuerst die Paukenhöhle und zu- letzt erst das pharygeale Tubenostium getroffen werden würde. Das Epithel des Tubenlumens ist, wie eben bemerkt, nicht er- halten. In den folgenden Schnitten rückt das nunmehr allseitig umwandete Tubenlumen von der Rachenwand ab. Die Form des Tubenquersehnitts ist höchst unregelmässig, im Ganzen ebenso hoch wie breit und erst in der Nähe der Pauke in die Form eines hohen schmalen Parallelogramms übergehend, wie Zucker- kandl bei Untersuchung der Tube von Echidna fand. Die Drüsen in der Umgebung der Tube zeichnen sich durch ihre Menge und ihre Anordnung aus. Die Drüsenschläuche liegen in breiten Spalten eines dichten diekfaserigen Bindegewebspolsters, welches die mediale und obere Wand der Tube begleitet und am stärksten nahe dem pharyngealen Ostium ist. Die laterale und untere Wand der Tuba ist von Muskeln umgeben, welche einerseits bis dicht an den Sehleimhautüberzug des Rachens reichen, andererseits über dem Tubenlumen hinweg medialwärts in das erwähnte Drüsen bergende Bindegewebe eindringen. Figur 11, TafelXXVI, eine Abbildung aus Schnitt 13 der Serie, bringt dies zur An- schauung. Bei 7’ liegt das unregelmässig gestaltete Tubenlumen. D sind die in derbes fibröses Gewebe f eingelagerten Drüsen, m sind Muskelfasern, welehe über dem Tubenlumen in das Bindegewebe hinein sich erstrecken, sodass Gruppen von Muskel- fasern m entstehen, welche durch Bindegewebssepta voneinander getrennt werden. Zwischen dem beschriebenen drüsenhaltigen Bindegewebs- zug, welcher die Tube begleitet, und der Schädelbasis liegt von Schnitt 25 ab ein schmaler Knorpelstreifen, der, wenn man ihn auf die Tube beziehen könnte, ihrer oberen Wand angehören würde. Er ist jedoch offenbar nicht als Tubenbestandtheil auf- zufassen, weil einmal seine Entfernung vom Tubenlumen beträcht- lich ist und zweitens, weil er nur eine beschränkte Ausdehnung besitzt und nieht mit dem nachher zu beschreibenden wahren Tubenknorpel in Verbindung steht. In den folgenden Schnitten entfernt sich der Tubenquerschnitt von der Rachenhöhle. Das 4 u 5 er ee ee Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 577 Bindegewebe medial von der Tube nimmt an Stärke ab und ent- hält weniger Drüsen. In Schnitt 39 tritt auch lateral vom Tubenlumen eine Knorpelinsel auf, von der Muskelfasern ausgehen. Dies ist der erste Schnitt durch den Tubenknorpel. Von ihm aus verlaufen schmale Streifen von Muskelfasern nach unten, nach aussen und über dem Tubenlumen hinweg medialwärts. Diese Muskelgruppen sind die vorderen Ausläufer der in Figur 11 zum Theil wieder- gegebenen grossen Muskelmasse. In Sehnitt 47 sind ausser dieser einen Knorpelinsel noch mehrere andere zu sehen, welche sich in einer von der oberen Tubenwand ausgehenden und nach aussen oben verlaufenden Reihe gruppieren. Sie zeigen den Weg an, den das Tubenlumen in den folgenden Schnitten nimmt. Diese Knorpelinseln werden immer mächtiger, bleiben aber von einander ge- trennt. In Sehnitt 55 beginnt die Tube in die Paukenhöhle einzu- münden. In der Abtheilung des Tubenknorpels, welche am meisten paukenwärts liegt, tritt eine längliche Ossifikation auf. Dieser Knochenkern bildet die Grundlage für den hin- teren Rand des Trommelfellfalzes. In Schnitt 56 ist das Ostium tympanicum tubae zu sehen. In Sehnitt 59 sind die ersten Muskelfasern enthalten, welche dem M. tensor tympani angehören. Sie liegen in einer Nische, welche sich an der unteren äusseren Seite des Felsenbeins gebildet hat. Schon in Schnitt 50 trat in der Nachbarschaft des medialen Felsenbeinendes (in Figur 12) und nach unten von demselben eine Knocheninsel im Bindegewebe auf. Dieselbe hat sich mit dem Felsenbein vereinigt, sodass eine Nische in letzterem entstanden ist, welche sich lateralwärts öffnet. Schnitt 59, Figur 12, Tafel XXVI zeigt diese Verhältnisse. Bei PH ist die Rachenhöhle sichtbar; ihre offenbar macerierte Schleimhaut zeigt ein gefranztes Aussehen; # ist das Felsenbein, in dem Theile des Laby- rinths sichtbar sind. Bei N liegt die Nische des Tensor. Sie ist theils mit Muskelfasern, theils mit Bindegewebe gefüllt. Letzteres zeigt grösstentheils den Typus eines weitmaschigen lockeren Bindegewebes, wie wir es aus dem subkutanen Gewebe kennen. Nach aussen von diesem letzteren liegt ein Lumen !. Dasselbe steht, wie sich in den späteren Schnitten zeigt, mit der Pauken- 578 R. Eschweiler: höhle in direkter Verbindung. Es muss eben die Nische des Tensors als eine Ausbuchtung der Paukenhöhle angesehen werden. Bei 7 sieht man das aus Figur 11 bekannte Tubenlumen in et- was veränderter Form, mehr hoch als breit. Von seiner oberen äusseren Ecke zieht sich der tympanale Theil des Tubenlumens zur Paukenhöhle ? hin, ümgeben von den Tubenknorpeln 7”. Deutlich ist der grosse Knochenkern in dem am meisten der Pauke genäherten Tubenknorpel. Der in diesem Schnitt sicht- bare Theil der Paukenhöhle ist klein. Ihre mediale Wand ist hier vom Felsenbein, ihre laterale von Biudegewebe und Mus- kulatur gebildet. Das in die äussere Wand eingelagerte dreieckige Knochenstück ist ein Theil des Felsenbeins. Es verschmilzt nach- her mit dem Gros des Os petrosum und bildet dann einen kuppel- ähnlichen Abschluss der Paukenhöhle nach oben. Nahe der lateralen Paukenwand ist der Nervus facialis (n. f.) in grösserer Aus- dehnung sichtbar. In Sehnitt 61 ist die Mündung der Tube in die Paukenhöhle deutlich zu beobachten. Von dem in Figur 12 sichtbaren Lumen T aus verläuft ein kurzer relativ weiter Kanal bis zur Paukenhöhle. Der Uebergang des Tubenlumens in diese geschieht plötzlich und ist dem bei Manis später zu beschreibenden Verhalten durchaus ähnlich. Der untere Abschnitt der Paukenhöhle, in welchen die Tube mündet, ist gegen den oberen Trommelhöhlenraum durch einen bindegewebigen Streifen abgeschlossen, welcher in Schnitt 59 und den folgenden vom Felsenbein bis zum hinteren Trommel- fellfalz quer ausgespannt ist. Die nun folgende Vergrösserung der Paukenhöhle geschieht vorwiegend durch Ausdehnung dieses unteren Abschnittes, während der obere Paukenraum seine Grösse ziemlich konstant bewahrt und die Gehörknöchelchen birgt. Da- durch, dass der untere Trommelhöhlenabschnitt sich stark nach unten ausdehnt, rückt in der fortschreitenden Serie der Trommel- fellfalz nach unten. Er entfernt sich dabei von dem seine Lage bewahrenden Bindegewebs streifen, welcher die Paukenhöhle theilt; diese Scheidewand inserirt sich späterhin an dem Hammer, dessen erste Andeutung in Schnitt 62 erscheint als länglicher Knochen- schnitt. Der Muskulus tensor tympani entwickelt sich in seiner Nische immer stärker und nimmt eine kolbige Form an, indem er in der Tiefe der Nische ziemlich diek ist und gegen die Pauken- u 1 Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 579 höhle hin einen sich verjüngenden Streifen von Muskelfasern entsendet, welcher längs des Felsenbeins verläuft. Die Nische des Tensor erscheint vorläufig noch gegen die Pauke durch eine breite Bindgewebslage abgeschlossen. Unter allmählicher Re- duktion letzterer geht jedoch in Schnitt 66 die Tensornische in die Paukenhöhle über, dicht neben der Einmündung der Tube in diese. In Sehnitt 70 ist der Trommelfellfalz schon in einige Ent- fernung von dem jetzt breiter im Schnitt getroffenen Hammer gerückt. Es beginnen die ersten Schnitte durch das Trommel- fell in Erscheinung zu treten, welches nach ohen hin am unteren Ende des sichbaren Hammertheils seinen Abschluss findet. In Schnitt 72 ist der hintere Rand des Ligamentum annulare stapedis sichtbar. In den folgenden Schnitten wird die Stapes- platte im Querschnitt sichbar. Zugleich verlängert sich der Hammer nach oben hin und verbreitert sich an seinem unteren Ende, wo er an der dem Trommelfell zugewendeten Seite einen knieartigen Vorsprung zeigt, der dem Processus brevis mallei hominis entspricht. Nach aussen vom Trommelfell ist das Ge- hörgangslumen angeschnitten. Ein Schnitt durch den Trommel- fellfalz ist nur am unteren Rand des Trommelfells zu sehen. Es besteht also kein geschlossener Paukenring bei Echidna. Die Nische des Tensor tympani ist jetzt nicht mehr vom Pauken- höhlenlumen abgeschnürt, sondern geht breit in dasselbe über und bildet gewissermassen den Boden derselben. In Sehnitt 78 (Figur 13, Tafel XXVI) präsentirt sich folgendes Bild: Die Paukenhöhle zerfällt in einen grösseren untern Abschnitt P und einen kleineren oberen 7. Ersterer enthält den Museulus ten- sor tympani £, die Tubenmündung 7’ und das Trommelfell 7’p, an dessen unterem Ende der Trommelfellfalz im Querschnitt sichtbar ist. Das Trommelfell als solches reicht hier nur bis an den mit dem Proc. brevis hominis verglichenen Hammertheil. Nach oben von letzterem wird die Wand des Raumes P’‘ von einer dieken theils fibrösen, theils muskulären Schicht m gebildet. Das Vorkommen von Muskelfasern an dieser Stelle scheint mir besonders bemerkenswerth. Es soll später noch darauf zurück- gekommen werden. Der Tensor tympani ist hier ein schmaler, langgestreckter Muskel, der entlang der Labyrinthwand liegt und an seinem 580 R. Eschweiler: Ursprung eine leichte, kolbige Verdickung zeigt. In der Um- gebung des Muskelursprungs befindet sich lockeres Bindegewebe. Wie ersichtlich, besteht mit der Tuba Eustachii gar kein Zu- sammenhang. Nach oben hin geht der Muskel in seine Endsehne über, welche indess keine deutlich sehnige Struktur zeigt, sondern aus eng zusammengeschlossenen Bindegewebsfasern besteht, wie sie auch schon in der vorher erwähnten Scheidewand zwischen den beiden Paukenabschnitten zu sehen waren. Die Sehne s des Tensor tympani inseriert am Körper des Hammers M, d.h. an seinem dicksten Theil. Nach dem äusseren Gehörgang (M. A. E.) hin erstreckt sich der erwähnte Fortsatz. Nach oben hin geht der Hammerkörper in einen langen schmalen Processus superior über, der seinerseits mit einem im Querschnitt sichtbaren hinteren Fortsatz des Ambosses J, dessen Hauptmasse viel weiter nach vorne hin liegt, artikuliert. Zwischen beiden Knochen liegt eine deutliche Gelenkspalte.e An den Amboss schliesst sich der Steig- bügel an, der gleich wie bei Ornithorhynchus Columellaform besitzt und verhältnissmässig sehr stark entwickelt ist. Am Dach dieses oberen Paukenraums 7° liegt der Nervus facialis, zu- sammen mit einem grösseren Gefäss in eine Knochennische ein- gelagert. Die kolbige Anschwellung des unteren Tensorendes ist hier schon weniger stark, als in den vorhergehenden Schnitten. In den folgenden Präparaten nimmt dieselbe noch mehr ab, während sich die Breite des auf dem Felsenbein liegenden Muskeltheils etwas vergrössert. Auf diese Weise erscheint der Muskel dann bis dicht an seine Sehne heran von gleichmässigerm Kaliber. Der Hammer verändert nunmehr seine Gestalt. Der bis Jetzt einer hohen schlanken Pyramide ähnliche Hammertheil ent- sendet unter bedeutender Reduktion seines unteren breiten Theils einen Fortsatz nach vorne und unten in das Trommelfell hinein; es ist dies der bei Beschreibung des makroskopischen Befundes erwähnte Hammergriff, welcher von oben hinten nach vorme unten verläuft. Da die Längsrichtung seines Verlaufs viel weniger als beim Menschen von der horizontalen abweicht, erscheint der Hammergriff in der Schnittserie fast im Querschnitt. Das Manubrium gleicht weniger einem Stäbchen, als einer schmalen langen Platte, welche kammartig ins Innere der Paukenhöhle vorspringt. rn u u ai N u a Be it 5 re ee ee Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 581 Der Processus superior des Hammers, der mit dem Amboss artikulirt, behält vorläufig seine Grösse bei, steht aber scheinbar nicht mehr mit dem Manubriam in Verbindung. Neben der in Figur 13, Tafel XXVI sichtbaren Nische für den Nervus facialis bildet sich eine zweite Bucht im knöchernen Dach der Paukenhöhle. Zwischen ihr und der Nische des N. facialis bleibt ein dünner Knochenkamm stehen, welcher späterhin (Schnitt 99) ligamentös mit dem oberen Ende des Hammers und Ambosses verschmilzt und somit den Abschluss eines Raumes bildet, der zwischen den Gehörknöchelehen, dem oberen Theil des Trommelfells und dem Paukenhöhlendach liegt. Die laterale Wand des oberen Pauken- höhlenraums, in der eben das Vorherrschen muskulärer Bestandtheile hervorgehoben wurde, ist in Schnitt 88 erheblich verdünnt, aber noch immer viel dicker als die untere Trommelfellpartie. Es entspricht diese Wand, welche sich nach unten hin in das Trommelfell fortsetzt, der pars flaceida und ossea vom Trommel- fell des Menschen. Nach oben hin setzt sie sich an eine Crista des Felsenbeins an. In demselben Schnitt befinden sich nur noch vereinzelte Muskelfasern an dieser Stelle. In Schnitt 99 ist, wie vorher erwähnt, eine neue Abtheilung der Pauke geschaffen durch Syndesmose des oberen Hammer- und Ambossendes mit dem Paukendach. Der Amboss ist jetzt nicht mehr als kubischer Querschnitt, wie in Figur 15 vorhanden, sondern als längliches Stäbchen, welches parallel mit dem jetzt sehr dünnen, am oberen Ende keulenförmig verdiekten Processus superior mallei verläuft. Das Manubrium mallei ist jetzt tiefer nach unten gerückt und ungefähr in der Mitte, nicht mehr am oberen Rande der unteren Trommelfellpartie zu sehen. Noch immer ist der ganze obere Trommelhöhlenraum nach unten durch eine von der Labyrinthwand zum Hammer ziehende Binde- gewebsplatte abgeschlossen. In Schnitt 104 ist der Ambosskörper getroffen. Er über- ragt den sichtbaren Hammertheil bedeutend. Der medial gelegene Theil des oberen Paukenabschnitts hat sich bedeutend verkleinert und verschwindet in den nächsten Schnitten ganz, und zwar ist das dadurch geschehen, dass der Amboss und der noch sichtbare Theil des Hammers — Processus anterior s. longus — sich stark der Felsenbeinwand nähern. Der laterale zwischen Gehörknöchelchen, Paukendach und Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 53 38 583 R. Eschweiler: pars flaeccida des Trommelfells liegende Raum bewahrt indessen noch länger seine Grösse. Er verkleinert sich langsam nach vorne hin und geht an seinem vordersten Ende in den unteren Paukenabschnitt (?P der Figur 13) über. Wir haben es hier mit zwei durch eine enge Communikation in Verbindung stehenden Paukenabschnitten zu thun, von denen der obere die Gehör- knöchelehen enthält. Es besteht also eine Analogie mit den Verhältnissen bei Ornithorhynchus. Bei Beschreibung von Schnitt 78 wurde der Muskelfasern in der Membrana flaceida Erwähnung gethan. Es waren längs- geschnittene Fasern. Sie wurden immer mehr reduzirt und waren in Schnitt 89 verschwunden. In Schnitt 93 tritt nun am oberen Rande der Pars flaceida, dort, wo sich diese amı Felsen- bein inserirt, eine neue Muskelgruppe auf und zwar im Quer- schnitt. Zunächst nur vereinzelte Fasern zwischen diekeu Bindegewebsbalken zerstreut, fernerhin sich vergrössernd und einen ziemlich starken Muskel bildend, der, immer im Querschnitt sichtbar, einen grossen Theil der Pars flaceida bildet. In Schnitt 105 zeigt sich die erste Andeutung des oberen Trommelfellfalzes.. Dicht unter dem unteren Hammerrande ist ein kleiner Knochenschnitt im Trommelfell sichtbar. Er bleibt längere Zeit hindurch sehr klein; erst in Schnitt 118 erhält er charakteristische Form, d. h. es wird an seinem unteren Rand eine Einkerbung sichtbar, aus der die Trommelfellfasern ent- springen. In Schnitt 115 schliesst sich die Nische des N. facialis zu einem Facialkanal ab, an dessen laterale Wand sich die nun verschmälerten Reste von Hammer und Amboss anlegen. Hier befinden sich auch die letzten Reste des Musculus tensor tympani in Gestalt einer ganz dünnen Schicht von Muskelfasern auf der Labyrinthwand. In Schnitt 120 entsteht innerhalb des Processus longus mallei ein Markraum, der Amboss verschwindet, und der Hammer- fortsatz entfernt sich wieder von der Wand des Facialkanals, bleibt aber noch ligamentös mit derselben verbunden. Der obere Paukenhöhlenraum verkleinert sich jetzt und geht unter Schwund der Bandverbindung zwischen Hammerfortsatz und Felsenbein in den unteren Paukenabschnitt über. Der obere Theil des Trommelfells — die Pars flaceida ist Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete 583 Jetzt stark verkürzt und zum grösseren Theil lateralwärts von dem vorher erwähnten sehr umfangreichen, quergeschnittenen Muskel (m‘) bedeckt (efr. Selnitt 129, Figur 14, Taf. XXVI). Die Paukenhöhle verkleinert sich allmählich, ohne besonders Be- merkenswerthes mehr darzubieten. Zusammenfassune. Die Paukenhöhle von Echidna hystrix ist ein theils von knöcherner, theils von bindegewebiger Wand begrenzter Raum von verhältnissmässig grosser Ausdehnung und unregelmässiger Gestalt. Die obere und mediale, zum Theil auch die untere Wand derselben wird vom Felsenbein gebildet, während nach hinten, vorne und aussen der Abschluss durch Bindegewebe und stark entwickelte Muskulatur erfolgt. Den grössten Theil der lateralen Paukenhöhlenwand bildet das Trommelfell, welches aus zwei Abtheilungen besteht — wie bei Beschreibung des medialen Gehörgangsendes angegeben wurde — einer Pars tensa und einer Pars flaceida. Die erstere ist in einem spangenartigen Knochen- rahmen ausgespannt, dem Annulus tympanicus, welcher nach oben hin nicht geschlossen ist. Sein oberes hinteres Ende — der Spina tymp. post. hominis entsprechend — geht unmittelbar aus dem Tubenknorpel hervor. Sein oberes vorderes Ende (Spina tymp. ant. hominis) schliesst sich an das vordere Ende des pro- cessus longus mallei an. Sonst ist das Os tympanicum mit keinem Knochen der Nachbarschaft verbunden. Die Pars tensa zeigt keine bemerkenswerthen Unterschiede von der des Menschen. Der abweichende Verlauf des Hammergriffs in derselben wurde schon erwähnt. Die Membrana flaceida dagegen enthält mächtige muskuläre Elemente und zwar im hinteren Abschnitt solche, welche eine ungefähr radiäre Faserordnung zum Trommelfell besitzen, während in den vorderen Partien die Muskelfasern eirculär verlaufen. Die Paukenhöhle ist in ganzer Ausdehnung durch eine von der medialen zur lateralen Wand hinziehende bindegewebige Scheidewand in zwei Etagen getheilt, eine obere und eine untere. Die Insertionslinie dieses Septums an der lateralen Wand beginnt rückwärts dieht über der Tubenmündung, verläuft zur oberen Cireumferenz des Pars tensa des Trommelfells und endigt 584 R. Eschweiler: dann am Hammerkörper und am Processus folianus des Hammers. Die trennende Schicht zwischen den Paukenhöhlenetagen besteht demgemäss in den hinteren Abschnitten aus diesem Bindegewebs- septum, nach vorne hin aus diesem und dem unteren Rande der Gehörknöchelehen. Die beiden Abschnitte der Pauke kommuni- ziren durch eine kleine, am vorderen Ende der Trommelhöhle liegende Oeffnung miteinander. Der untere Abschnitt enthält: die Pars tensa des Trommel- fells mit dem Hammergriff, die Tubenmündung und den Mus- eulus tensor tympani. Der obere Paukenraum enthält: den Hammer mit Ausnahme des Manubriums, den Amboss, den Steig- bügel, die Pars flaceida des Trommelfells, den Nervus facialis, die Fenestra ovalis und die Fenestra rotunda. Die tympanale Tubenmündung liegt am hinteren Ende der Paukenhöhle, dort, wo die laterale Wand in die untere übergeht in unmittelbarer Nachbarschaft des Annulus tympanieus. Die Tube selbst ist eine fibröse Röhre, welche nur in ihrer distalen Hälfte von Knorpel umgeben ist. Der Tubenknorpel besteht aus mehreren Stücken und ist auf der lateralen Seite der Tube stärker ausgebildet, als auf der medialen. Die dem Rachen näher liegende mediale Tubenhälfte tritt in nahe Beziehung zu mächtig entwickelten Muskeln, welche unmittelbar aus der Rachenmuseulatur hervorgehen. An dem Tubenknorpel ist dagegen nur in einer ganz beschränkten Ausdehnung eine Muskelinsertion nachzuweisen. Der Musculus tensor tympani entspringt am Felsenbein und zwar am Boden der Pauke, wo deren mediale und untere Wand zusammentreffen. Der Muskelbauch stellt eine dünne, aber aus- gedehnte Muskelplatte dar, welche die mediale Paukenhöhlen- wand zum Theil bedeckt. Am unteren Rande, d. h. an ihrem Ursprungsrande, zeigt diese Muskelplatte eine Verdiekung, welehe am stärksten am hinteren Ende desselben ist. Hier reicht der Muskelursprung in eine Nische der Paukenhöhle hinein, welche an deren hinterem Ende von unten her in sie einmündet. Nach oben hin geht der Muskelbauch in eine ebenfalls breite platte Selme über, welehe in das erwähnte Septum der Paukenhöhle verwebt ist, sich von diesem nieht deutlich abgrenzen lässt und mit ihm am Hammerkörper inserirt. Die Faserrichtung ist eine von unten und hinten nach oben und vorne verlaufende. Ein ee ni Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 585 Zusammenhang des Muskels mit der Tube besteht nicht, ebenso wenig ein solcher mit der Rachenmuskulatur. Ein Museulus stapedius ist nicht vorhanden. Auch sind keine Theile als Rückbildungsprodukte eines solchen anzusprechen. Es fehlt z. B. jede Andeutung eines Sehnenan- satzes am Stapes. Der Steigbügel hat, wie bei Ornithorhynchus die Form einer Columella. Er ist im Verhältniss zu den andern Gehör- knöchelchen sehr stark entwickelt. Seine Fussplatte ist liga- mentös mit der Fenestra ovalis verbunden. Zwischen dem Stapes- köpfehen und dem in Figur 13 sichtbaren Querschnitt durch einen Ambossfortsatz ist keine Gelenkspalte zu sehen. Letztere ist dagegen zwischen Hammer und Amboss sehr deutlich. Der Amboss vermittelt die Verbindung zwischen Hammer und Steig- bügel durch einen Processus posterior ineudis, welcher da eine kolbige Verdiekung zeigt, wo er zwischen beiden Knochen liegt; der relativ kleine Ambosskörper liegt vor der Gelenkverbindung mit dem Stapes und ist sammt dem anliegenden Theil des Hammers fest am Felsenbein ligamentös befestigt. Der Hammer besitzt einen ziemlich ansehnlichen Körper, von dem aus drei gut ausgebildete und ein kleiner stumpfer Fortsatz nach oben, vorne, unten und lateral verlaufen. Nach oben der Processus superior, welcher sich mit dem Processus posterior ineudis und durch ihn mit dem Stapes ver- bindet. Nach vorne der mit dem Processus superior gemeinsam entspringende und von ihm ausgehende Processus longus, der in seinem proximalen Theil die Verbindung mit dem Ambosskörper, in seinem distalen diejenige mit dem vorderen Trommelfellfalz eingeht. Nach unten (und stark nach vorne) das Manubrium mallei. Nach lateralwärts der Processus brevis. Il. Manis javanica. Beim Schuppenthier ist ähnlich wie bei Ornithorhynchus die Choanenöffnung zu einem langen Rohr ausgezogen. Das Ostium pharyngeum der Tube liegt amı hintern Ende dieses Rohrs in der seitlichen Rachenwand oberhalb des Uebergangs vom harten in den weichen Gaumen und hat die Form eines 8b R. Eschweiler: horizontal gestellten Spaltes. Figur 15, Tafel XXVII giebt die Ansicht von der seitlichen Rachengegend wieder. F ist die Felsenbeinkante; N das Choanenrohr, an dessen hinterem Ende das pharyngeale Tubenostium als dunkler Spalt sichtbar ist; p d ist der harte, p m der weiche Gaumen; tons die Tonsille; z die Zunge. An dem Kopf von Manis, dem das vorliegende Präparat entstammt, war behufs anderer Zwecke die knöcherne Sehädel- kappe abgesägt worden. Durch diesen Sägeschnitt war ein System von Hohlräumen in der seitlichen Schädelwand freigelegt. Gelbliche Bröckel in diesen Knochenzellen erwiesen sich als Blutgerinnsel des in Alkohol autbewahrten Präparates. Die rothen Blutkörperchen waren rund und hatten Grösse und Form wie bei den höheren Säugethieren. Der Boden einer Knochenzelle bestand aus einem durchscheinend dünnen Knochenblatt, welches abgetragen wurde; es zeigte sich nun in der Tiefe dieses zweiten Faches ein kleines rundes auf Druck nachgebendes glattes Kno- chenstückehen, der Amboss. Auch bei Manis wurde die Schnittebene für die Serie des in Celloidin eingebetteten Präparats frontal angelegt; es erfüllte sich hier die bei Echidna getäuschte Hoffnung, die Tube im frontalen Längsschnitt zu treffen. Wie bei Echidna verläuft auch bei Manis die Tuba von innen hinten nach aussen vorne, jedoch wie bemerkt fast in der Frontalebene. Die tympanale Tubenmündung liegt auch beim Schuppenthier am hinteren Ende der Paukenhöhle, so dass in den von hinten nach vorne fortlaufend nummerirten Schnitten zuerst das pharyngeale Tubenostium, dann erst die ganze Tube und das hintere Paukenhöhlenlumen erscheint. Die Schnittdicke der Serie beträgt 0,05 mm, ihre Untersuchung ergiebt Folgendes: In Schnitt 1 ist das pharyngeale Tubenostium zum ersten Male angeschnitten. Es erscheint als kurze Einsenkung der Rachenwand ohne knorplige Begrenzung. Von der Paukenhöhle ist noch nichts zu sehen, dagegen zeigt sich die bei der makro- skopischen Präparation erwähnte Knochenzelle in der Schädel- wand, welche den Amboss enthält und nach oben durch ein dünnes Knochenplättchen abgeschlossen ist; es ist der in Figur 15, Tafel XXVII mit € bezeichnete Raum, welcher nach oben noch theilweise durch die Knochenspange a gedeckt ist. Das Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 587 Centrum dieses Schnittes ist knöchern und birgt einen eben an- geschnittenen Schwellkörper. Nach aussen von dem den Schwell- körper umgebenden Knochen sind Drüsen sichtbar, welche den hintersten blinden Enden von Ceruminaldrüsen des äusseren Gehörganges angehören. In Schnitt 5 ist das Tubenlumen inselweise angeschnitten. Es ist mit hohem Cylinder-Flimmerepithel ausgekleidet. In Sehnitt 15 ist die Tube in ganzer Länge getroffen. Ihr Lumen weist nahe dem pharyngealen Ende eine Erweiterung auf. Am oberen Rande des Ostium pharyngeum liegt ein länglieher Streif des angeschnittenen Tubenknorpels. Nach der Mitte des Sehnittes hin erweitert sich die Tube zu einen mit Flimmer- epithel bekleideten Raum. Dies ist die am meisten kaudalwärts gelegene Ecke der Paukenhöhle. Die Erhaltung des Präparates war derart, dass wohl die Flimmerzellen deutlich als solehe zu erkennen, oft aber von der Stelle, wo sie im Leben gesessen hatten, abgelöst waren. Von der Paukenhöhle ist der erwähnte Schwellkörper durch eine dünne Knochenschicht getrennt. Nach Schwund derselben zeigt sich in Schnitt 16, Figur 16, Tafel XXVII folgendes Bild. Bei o phist das Ostium pharyngeum tubae mit dem an seiner oberen Wand getroffenen Knorpel sichtbar. Lateralwärts ver- läuft die Tuba etwas nach unten ausgebogen und auf kurzer Strecke eine Erweiterung ihres Lumens zeigend. Das Tuben- lumen ist nach oben und unten von einer fibrösen Schicht um- geben und sammt dieser in einen knöchernen Kanal eingefügt. Weiter nach aussen und oben geht die Tube in die Paukenhöhle über und zwar erweitert sich das Tuberlumen ziemlich plötzlich bei o £. Der hintere mediane Paukenhöhlenwinkel 7 hat hier die in der Abbildung ersichtliche Form. Er ist fast nach allen Seiten von knöcherner Wand umgeben. Nur lateralwärts ist die Pauke bindegewebig getrennt von dem vorher erwähnten Schwell- körper $. Ty ist das später zu beschreibende Os tympanicum. Der Schwellkörper besteht aus einem grobmaschigen Gewebe, welches unvermittelt vom Knochen entspringt; seine Maschen sind reichlieh mit rothen Blutkörperchen gefüllt. Dieser Schwellkörper hat eine recht beträchtliche Grösse. Lateralwärts von seiner äusseren knöchernen Umrahmung sind die Drüsen D sichtbar. Am oberen Rande des Schnittes zeigt sich als tiefe Mulde der 588 R. Eschweiler: Raun ©, der Eingangs erwähnt wurde; er verschmilzt späterhin mit der Pauke. Nahe seinem Boden liegt bei n. f der Nervus facialis, und bei g ein Ganglion. In Schnitt 17 ist zum ersten Male der Bauch des Musculus stapedius angeschnitten nahe dem Nervus faeialis. In Schnitt 21 zeigt sich auch an der unteren Begrenzung des Ost. pharyng. tubae ein runder Schnitt durch den Tuben- knorpel. Die Paukenhöhle vergrössert sich suecessive. Während in Schnitt 16 Figur 16 ihre laterale Wand theils bindegewebig, theils knöchern gegen den Schwellkörper abgesetzt war, schwindet nun mehr und mehr die knöcherne Scheidewand, so dass schliesslich die ganze laterale Wand der Pauke nur von einer dünnen Membran gebildet wird, aus der die Septa des Schwell- körpers unmittelbar hervorgehen. In Sehnitt 25 ist die Fenestra eochleae angeschnitten. In der bindegewebigen Scheidewand zwischen dem Schwellkörper und der Paukenhöhle tritt ein spaltförmiges Lumen auf: Der erste Anschnitt des äusseren Gehörgangs. Die dünne Leiste zwischen ihm und der Paukenhöhle ist die hintere Cirkumferenz des Trommelfells. In den folgenden Schnitten wird die Scheidewand zwischen dem Raum € und der Paukenhöhle verdünnt. In Schnitt 35 setzt sich an den unteren Schnitt durch den Tubenknorpel ein Muskel an. Der Bauch des Museulus stapedius verkleinert sich und nähert sich mit der Spitze der Paukenhöhle. Er ist jedoch noch immer ringsum von Knochen umgeben. In Sehnitt 41 buchtet sich der Raum C’noch weiter nach unten, die Paukenhöhle noch weiter nach oben aus, und es bereitet sich so eine Verschmelzung von P und (€ vor. Gleichzeitig tritt die Spitze resp. Sehne des Musculus stapedius aus ihrem Knochen- rahmen heraus. Es repräsentirt sich in Schnitt 45, Figur 17 folgendes Bild: Die beiden Theile des Tubenknorpels (TAX und 7X!) am pharyngealen Ostium fangen an, miteinander zu verschmelzen. Bei m sieht man den Ansatz eines Muskels am unteren Rande des Tubenknorpels.. Trommelfell 7p und Paukenhöhle P haben sich stark vergrössert. Letztere geht nach oben in den Raum € über. Zwischen ? und ( liegt eine schmalere Verbindungsstrecke | | Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete 589 beider. In dieser ist bei f. o. der Beginn der Fenestra ovalis, bei stp die Sehne des Musculus stapedius zu sehen. n. f. ist der Nervus facialis, der nun viel näher dem Lumen der Pauke liegt, als in Figur 16. Man sieht, wie die laterale Paukenwand fast in ganzer Ausdehnung bindegewebig ist, und wie das Trommel- fell 7» keinen knöchernen Falz besitzt, sondern oben und unten aus dieser Bindegewebswand hervorgeht, welche auch die Wand des nun sehr ausgedehnten Schwellkörpers $ ist. Dieser hat, wie aus der Abbildung ersichtlich, nieht nur zur Paukenhöhle, son- dern auch zum äusseren Gehörgang und zum Trommelfell Be- ziehungen. In den folgenden Präparaten vereinigen sich die Tuben- knorpelabschnitte zu einem einheitlichen Knorpel, der das pha- ryngeale Tubenende umfasst und seine Gestalt fast bis zum Ende beibehält, während er vom Rachen ab- und der Paukenhöhle näherrückt. Es ist dieses Verhalten dadurch zu erklären, dass die Schnittebene mit der Tubenaxe einen kleinen, nach aussen offenen Winkel bildet. Da die Tube sehr breit ist, so erscheint ein Theil ihres Lumens in ganzer Ausdehnung in den Schnitten; der die vordere Wand umsäumende Knorpel ist indess in Schräg- schnitten getroffen, von denen die zuerst erscheinenden am Pha- rynx, die zuletzt geschnittenen an der Paukenhöhle liegen. Die Sehne des Musculus stapedius rückt immer mehr in die Pauken- höhle hinein. Die Fenestra ovalis ist deutlich sichtbar; sie ist von der Platte des kolumellaähnlich geformten Steigbügels ver- schlossen. In Sehnitt 54 gewährt die Umgebung des ovalen Fensters den in Figur 18, Tafel XXVII wiedergegebenen Anblick. Stp ist der Stapes, welcher das im einer Einsenkung der Labyrinth- wand # gelegene Vorhoffenster verschliesst. Diese Einsenkung entspricht der Pelvis ovalis beim Menschen. T ist der Amboss, der am unteren Ende seines langen Fort- satzes getroffen ist. Zwischen ihm und dem Stapes liegt ein Os lentieulare (o.2.); bei n. f. ist der Nervus facialis sichtbar. Die übrigen Bezeichnungen entsprechen denjenigen auf Figur 17. Man sieht hier, wie eine Trennung der Paukenhöhle ? vom Raum (€ dadureh eingeleitet wird, dass von der knöchernen Um- gebung des Schwellkörpers S aus ein spitzer Fortsatz sich gegen den untern Rand der Pelvis ovalis erstreckt. 590 R. Eschweiler: Schon in Schnitt 56 ist diese Trennung herbeigeführt, in- dem von dem äussersten Ende des spitzen Knochenfortsatzes bis zum unteren Rande der Pelvis ovalis hin ein Bindegewebszug sich ausspannt, auf welchem ein vom Ganglion g ausgehender Nerv verläuft. Von hier an bis zum Ende der Serie bleibt diese Bindegewebsmembran bestehen. Sie zerlegt somit die Pauken- höhle in zwei Abschnitte, einen oberen und einen unteren. Der untere enthält wie bei Echidna das Trommelfell und den Ham- mergriff, der obere die anderen Theile der Gehörknöchelehen- kette. In den folgenden Schnitten verschwindet das Stäbehen des Steigbügels, während der Amboss sich bedeutend vergrössert. Der Körper desselben trägt einen nach oben verlaufenden Fort- satz, weleher ligamentös an die Wand des oberen Theils der Paukenhöhle (C') angeheftet ist. Das. Septum der Paukenhöhle ist straff bindegewebig; in dasselbe sind Knorpelzüge eingewebt. Oben und unten ist es mit Epithel bekleidet. In Sehnitt 69 ist zum ersten Mal der Hammer angeschnitten und zwar am untersten Ende des Griffs, der in das Trommelfell verwebt ist. Der Tubenknorpel liegt jetzt nahe der Paukenhöhle; eine breite Knochenschicht trennt ihn vom Pharynx. Schnitt 77: Während bis jetzt die Labyrinthwand mit einer dünnen epithel- bedeckten Bindegewebsschicht bedeckt war, zeigt sich hier, an der Stelle, wo man den Muskelbauch des Muse. tensor tympani er- warten könnte, eine dickere Bindegewebslage aus ziemlich breiten Fasern bestehend, welche parallel dem Knochen verlaufen. Ein Theil dieser Fasern geht in die Scheidewand der Paukenhöhle über. Das im Trommelfell sichtbare Stück des Hammers vergrössert sich und rückt nach oben, wo nun der Körper des Hammers er- scheint, der einen dem Processus brevis hominis entsprechenden kurzen stumpfen Fortsatz am oberen Rande des Trommelfells in dieses hinein erstreckt. In Schnitt 84, Figur 19, Tafel XXVII kommt folgendes Bild zu Stande: Der Tubenknorpel TX mit dem von ihm nach unten verlaufenden Muskel m liegt ganz nahe der Paukenhöhle ?P. Von dem die Tube umgebenden Bindege- webe geht eine Parthie auf die Labyrinthwand über und bildet bei n den vorher erwähnten flachen Wulst derberer Bindegewebs- fasern, der jedoch keine Muskelfasern enthält. LU 2 Le Li ab un uae Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 591 Nach oben von diesem Wulst beginnt mit breiter Basis das Sep- tum der Paukenhöhle. Dasselbe verschmälert sich rasch und inserirtt am Hammer M, der hier mit seinem das Trommelfell vorwölbenden kurzen Fortsatz sichtbar ist. An ihn reiht sich der Ambosskörper J. In den folgenden Schnitten nimmt die Ausdehnung des Hammers nach oben hin zu, während sich der Amboss verkleinert. Zwischen beiden liegt eine deutlich sichtbare Gelenkspalte. In Schnitt 88 ist das Bindegewebspolster n verschwunden. ' Der obere Abschnitt der Paukenhöhle (C) schliesst sich nach oben hin ab. Der Tubenknorpel nähert sich seinem Ende: der Querschnitt wird kleiner. Von dem an ihm entspringenden Muskel m und vom Knorpel selbst aus verlaufen Bindegewebszüge in das sub- epitheliale Gewebe der Pankenauskleidung hinein. Gegen das vordere Ende der Paukenhöhle hin nähert sich der Muskel m sehr dem Lumen der Pauke, erreicht dieselbe aber nicht. Die Paukenhöhle bleibt bis an ihr vorderes Ende durch das Septum getrennt. Zusammenfassung. Die Paukenhöhle des Schuppenthieres ist begrenzt von den drei das Schläfenbein zusammensetzenden Knochen, nämlich vom Felsenbein nach innen, vom Schuppentheil nach oben und vom Paukentheil nach aussen. Pars squamosa, tympanica und petrosa des Schläfenbeins sind nur bindegewebig miteinander verbunden und zwar ist diese Verbindung bald fester und inniger, bald loser, sodass im letzteren Fall der Abschluss der Paukenhöhle an den Verbindungsstellen durch Bindegewebe erfolgt. Das Os tympa- nieum zeigt besonders bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Das- selbe ist ein relativ sehr grosser, massiver und dieker Knochen- ring, welcher nach oben offen ist. Das der Spina tympanica posterior des Menschen entsprechende Ende des Ringes ist rund und plump geformt; das der Spina tymp. anterior gleichwerthige Ringende ist zugeschärft, springt leistenartig oberhalb des Trommel- fells in die Paukenhöhle hinein vor und giebt die Grundlage ab für einen Theil des Septums der Paukenhöhle. Das Centrum des Paukenrings passirt den äusseren Gehörgang, dessen proxi- 592 R. Eschweiler: males Ende innerhalb des Annulus tympanicus von einem grossen ringförmigen Schwellkörper umgeben ist. Dieser Schwellkörper hat eine grössere Cireumferenz, als das Trommelfell, und so kommt es, dass letzteres nicht vermittelst eines Knochenfalzes vom Annulus tympanicus entspringt, sondern von der Bindegewebsmembran, welehe den Schwellkörper nach der Paukenhöhle hin abschliesst. Es muss also der verschiedenartige Füllungsgrad dieses Schwell- körpers einen Einfluss ausüben: 1. auf die Spannung des Trommelfells, 2. auf das Volum des proximalen Gehörgangsendes, 3. auf das Volum der Paukenhöhle. Das Trommelfell stellt eine dünne Membran dar, welche, wie bemerkt, von der Umhüllung des Schwellkörpers ihren Aus- gang nimmt. Eine Trennung in Pars tensa und Pars flaceida ist nicht durchzuführen, da oberhalb des kurzen Hammerfortsatzes kein Trommelfell mehr liegt, sondern cavernöses, dem Schwell- körper angehörendes Gewebe. Im Trommelfell ist das Manubrium des Hammers verwebt. Die Paukenhöhle zerfällt in zwei Abschnitte: einen oberen und einen unteren. Die Paukenhöhle ist nämlich durch eine hori- zontal ausgespannte Scheidewand in zwei Etagen zerlegt. Dieses Septum nimmt von der Labyrinthwand seinen Ursprung, verläuft bis zum oberen vorderen Ende des Annulus tympanicus, der ihm eine schmale breite Crista entgegensendet, geht mehr nach vorn auf den Hammerhals über und inserirt endlich in dem vordersten Theil der Trommelhöhle an dem unteren Rande der vom Schuppen- theil gebildeten äusseren Wand des oberen Paukenabschnitts. Der obere Paukenhöhlenraum enthält die Gehörknöchelehen mit Ausnahme des Manubrium mallei, den Musculus stapedius und die Paukenfenster. Der untere Trommelhöhlenabschnitt enthält die Tubenmün- dung, das Trommelfell und den Hammergriff. Die Gehörknöchelehen weisen weniger grosse Abweichungen von denen des Menschen auf. Imsbesondere besteht ein nach unten gerichteter Fortsatz des Ambosses, welcher mit dem Stapes artieulirt. Es ist demgemäss bei Manis nicht wie bei Ormitho- vhynchus und Eehidna der Stapeskopf der höchst gelegene Punkt der Gehörknöchelchenkette. Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 593 Während der Musculus stapedius gut ausgebildet ist, fehlt ein Musculus tensor tympani. Weder im Zusammenhang mit der Tube, noch auf der medialen Paukenhöhlenwand sind Muskelfasern nachzuweisen. Nach den Ergebnissen der Schnittserie von Echidna und nach der aus Vergleichung von einzelnen Schnitten von Manis und Echidna sich ergebenden Aehnlichkeit in der Anordnung der Paukenhöhlenabschnitte erwartete ich zwischen Tube und Septum der Paukenhöhle den Muskelbauch eines Tensor tympani und im Septum selbst dessen Sehne zu finden. Es zeigte sich indessen nur eine Verdickung des subepithelialen Bindegewebes (n der Figur 19), und es gelang nicht, innerhalb dieses Bindegewebs- polsters Muskelfasern nachzuweisen. Da sonst nirgendwo Muskelfasern anzutreffen sind, welche als ein verlagerter oder reduzirter Tensor tympani angesprochen werden könnten, so glaube ich das erwähnte Bindegewebspolster n als degenerirten Musculus tensor tympani deuten zu dürfen. Am Boden der Paukenhöhle mündet die Tube. Dieselbe stellt eine breite, von oben nach unten abgeplattete Röhre dar, deren vordere Wand knorplig ist. Der Knorpelrahmen umgiebt in gleichbleibender Stärke die vordere (mediale) Tubenwand, so- dass auf dem Querschnitt sich schematisch folgendes Bild von der Tube ergeben würde: IK. —' T. K. bedeutet den Tubenknorpel, 7’ das Tubenlumen. Wie ersichtlich, ist das Tubenlumen sehr breit; demzufolge bildet das Ostium tympanicum eine lange Spalte im Paukenhöhlenboden. Fast in ganzer Länge der Tube inserirt an dem uuteren Rand des Tubenknorpels ein starker Muskel, welcher rachenwärts verläuft. Die Tube nimmt ihren Weg zwischen Os tympanicum und Felsen- bein. Nahe dem pharyngealen Ostium ist sie in ihrem Verlauf etwas nach unten ausgebogen und zeigt an dieser Stelle eine Erweiterung ihres Lumens. Die Verlaufsrichtung der Tubenaxe wurde schon vorher beschrieben. Dem oberen Paukenhöhlenabschnitt kommt nicht nur durch die Trennung vom unteren vermittelst des Septum der Pauke 594 R. Eschweiler: eine Sonderstellung zu, sondern er ist auch betreffs seiner knö- chernen Begrenzung von dem anderen Theil der Trommelhöhle verschieden. Der mit (© bezeichnete Raum liegt innerhalb des Schuppentheils vom Schläfenbein und kommuni- zirt mit dem unteren Theil der Paukenhöhle an der Stelle, wo die Gehörknöchelehen im Schnitt erscheinen. Diese Communika- tionsöffnung ist enger, als die grösste Weite des Raumes ©. Auf diese Weise ist der obere Paukenabschnitt nur durch eine kleine Oeffnung zugänglich, die ich Ostium attiei tympaniei nennen möchte. IV. Mus museulus. Die Schnittebene des von der Hausmaus gewonnenen Prä- parats liegt parallel der Tubenlängsaxe und annähernd horizontal. Es wurde nach dem zu Anfang angegebenen Prineip versucht, in einem Schnitte gleichzeitig die Tube in ihrer ganzen Länge, den grössten Durchmesser des Bauchs vom Musculus tensor tympani und den Ansatz der Sehne vom Tensor tymp. am Hammer zu treffen. Die Tubenlängsaxe und die grösste Cireumferenz des Tensorbauchs liegen auch in einer Ebene; der Sehnenansatz am Hammer liegt dagegen etwas tiefer, sodass in den Sehnitten zunächst Muskelbauch und Tube, dann die Sehne des Tensor tympani in Schrägschnitten und dann der Sehnenansatz am Hammer erscheint. Die Serienschnitte vom Gehörorgan der Maus sind 0,03 mm diek. Sie wurden mit Hämalaun gefärbt. Alle Gewebe zeigen einen grossen Kernreichthum. Die Serie ergiebt Folgendes: In Schnitt 7 ist der erste Querschnitt durch das Lumen der Paukenhöhle enthalten, und zwar ist die höchste Stelle des Kuppelraums getroffen, wo noch keine Gehörknöchelehen zu sehen sind. Neben dem Kuppelraum liegt der Durchschnitt durch eine Ampulle nebst Bogengang des Labyrinths. Im folgenden Schnitt sind die Gehörknöchelchen sichtbar, welche in Sehnitt 9 den Anhang des Processus folianus mallei zeigen. Letzterer befestigt sich in Schnitt 12, Figur 20, Tafel XXVIl an der vorderen äussern Ecke des Kuppelraumlumens, indem sein Perichondrium mit dem der Wand des Kuppelraums ver- schmilzt. Ausser dem Kuppelraum A erscheint auch bei P ein knöchern umrandetes Lumen. Dies ist der erste Ansehnitt des ES REGEN Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 595 in der Bulla ossea gelegenen Paukenhöhlentheils. Die Pauken- höhle ? vergrössert sich in den folgenden Schnitten immer mehr auf Kosten des Raumes Cr, welcher die mittlere Schädelgrube darstellt, medial begrenzt durch die Kante des Felsenbeins F'. ‘ Bei U ist der Gelenkkopf des Unterkiefers angeschnitten. Die obere Seite der Bilder ist pharyngealwärts, die linke ist lateral und die rechte medial gelegen. In Schnitt 15 ist zum ersten Mal Tubenknorpel angeschnitten. Der lateral vom Tubenknorpel liegende Knochen gehört der Bulla ossea an. In dem länglichen Zwischenraum zwischen Tubenknorpel und Bulla ossea entspringt pharyngealwärts gelegen ein Muskel von der Tube und der Bulla. Der Muskel geht tympanalwärts in ziemlieh derbes Bindegewebe über. Sowohl aus diesem Bindegewebe, als auch vom Tuben- knorpel und von der Bulla ossea entspringen späterhin die ersten Fasern des Musculus tensor tympani. In den folgenden Schnitten werden die Ursprungsverhält- nisse des Tensor tympani noch viel deutlicher. In Schnitt 17 hat das Paukenhöhlenlumen ? die gegenüberliegende Wand des Kuppelraums erreicht. Die Schnitte nähern sich dem Boden der mittleren Schädelgrube Cr. In Schnitt 18, Figur 21, Tafel XXVII ist deutlich zu sehen, wie von der Bulla und dem Dach des tympanalen Tubenendes die Fasern des Musculus tensor ihren Ursprung nehmen. In diesem Schnitt ist die Tube so getroffen, dass der knorpelige Theil derselben als ein Rahmen erscheint, welcher das im Flächenschnitt getroffene Epithel des Tubendachs umgiebt. In der Mitte des Epithels liegt das grade angeschnittene Lumen der Tube. Der Tubenknorpel endet tympanalwärts breit abge- stumpft. Die Fasern des Tensor tympani entspringen nieht nur von der Längsseite der Tube, sondern auch von diesem abge- stumpften Ende. Der Bauch des Tensor tympani ? füllt den Raum zwischen Tubenende, Bulle und einer Nische des Felsen- beins aus. Zwischen dem Tensor tymp. ? und der Rachen- muskulatur m liest eine ganz schmale Zone von Bindegewebe b. In den folgenden Präparaten verengert sich der Raum, welcher diese Fasern enthält, entsprechend der Grössenzunahme des Tuben- lumens. Letzteres wird von hinten nach vorne hin immer weiter eröffnet. Bei 7'p erscheint das Trommelfell. In Schnitt 20, Figur 22 bereitet sich eine Vereinigung des Raumes ? mit dem Kuppelraum X vor. Das weite Tubenlumen 596 R. Esehweiler: T hat sich dem Raum P stark genähert. . Es geht pharyngeal- wärts plötzlich in einen engen Kanal über, welcher etwa ein Drittel der ganzen Tubenlänge ausmacht. Ausser den von der Tube entspringenden Fasern des Museulus tensor tympani liegt mehr nach dem Kuppelraum hin ein Muskelkomplex #. Diese Muskelfasern gehören auch zum Tensor tympani; in Schnitt 20 sind sie zwar noch von dem Muskeltheil £ durch eine schmale Knochenbrücke getrennt. Letztere schwindet jedoch in den nächstfolgenden Schnitten, und die Muskelabschnitte ? und # bilden dann einen einheitlichen Muskelbauch. Die trennende Knochenleiste rührt daher, dass hier das den Muskelbauch deekende Gewölbe nieht glatt ist, sondern eine nach unten ge- richtete lange und schmale Convexität aufweist. Neben dem Muskelkomplex £° und nur durch ein dünnes Knochenblatt von ihm getrennt liegt das Ganglion genieuli des Nervus facialis mit dem Nervus petrosus superficialis maior (g. g.). In dem mit ? “ bezeichneten Theil des Tensor tympani ist die Verzweigung eines Nervs zu beobachten, welcher längs der die beiden Muskelkom- plexe trennenden Knochenleiste verläuft und mehrere Zweige an den Muskel t abgiebt. Centripetal ist er nur bis an den Rand des Lumens Pxu verfolgen. In Schnitt 21 sind die beiden Muskeltheile zu einem einzigen Muskelbauch verschmolzen, der zum kleineren Theil von der knorpeligen Tuba, der Bulla ossea und dem Bindegewebe zwischen dieser und der Bulle, zum grössten Theil aber aus einer grossen Nische des Felsenbeins entspringt. In Schnitt 23, Figur 23 bereitet sich der Durchbruch des Tubenlumens 7 in die Paukenhöhle vor. Der Musculus tensor tympani zeigt hier keine Ursprungsfasern vom Bindegewebe b mehr. Der Muskelbauch ist von der Paukenhöhle durch einen Knochenstreifen % getrennt. Der Muskelbauch liegt in weiter Ausdehnung dem Felsenbein an, ist aber von dem Knochen durch eine schmale Zone hellen zarten Bindegewebes geschieden, so dass hier keine Fasern mehr vom Felsenbein entspringen. Das Wurzelgebiet des Muskelbauchs ist hier vielmehr das dünne straffe Periost des Deckknochens %k, welcher der Bulla ossea angehört. In Schnitt 24 ist das Tubenlumen nach der Pauke hin geöffnet. Der lateral gelegene Knorpel ist geschwunden. Die knöcherne Bedeckung % des Muskelbauchs verkleinert sich vom oralen und aboralen Pol des Muskels her, so dass dieser | | | | | Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 597 in den folgenden Schnitten nur an Stelle seiner stärksten Prominenz gegen die Paukenhöhle hin mit Knochen bedeckt ist. Die Räume P und X bilden jetzt einen einzigen Raum, welcher am pharyngealen Ende den Tubeneingang zeigt und hinten an seiner lateralen Wand durch das Trommelfell gegen den äusseren Gehör- gang abgeschlossen ist. Medial vom Musculus tensor tympani tritt die Schnecke in Erscheinung. Der Muskelbauch des Tensor tympani nimmt an Dicke ab und entwickelt an der dem Felsen- bein anliegenden Seite seine Sehne. Die Sehnenfasern beginnen schon nahe dem oralen Muskelpol und verlaufen bis zum ent- gegengesetzten Muskelende, wo sie nach unten umbiegen. Die der Pauke zugekehrte Seite des Muskelbauchs ist noch mit Knochen bedeckt, von dem die Muskelfasern entspringen. In Schnitt 26, Figur 24 ist die längs des Felsenbeins ver- laufende Sehnenparthie schon ziemlich stark entwickelt. Auclı am tympanalen Muskelrand beginnt die Sehnenbildung. Durch Vereinigung beider Sehnenanfänge ist der aborale Pol des Muskels zu einem abgestumpften Sehnenkonus geworden (s). Man sieht in Figur 24 ausserdem das Ostium pharyngeum tubae und die durch Oeffnung des Lumens entstandene Tubennische 7. Bei Ol liegt die Schnecke, bei V das Vestibulum. Während nun in den nächsten Schnitten der muskuläre Theil des Tensor tympani immer mehr abnimmt, entwickelt sich die Sehne stärker. Das Knochenblatt & wird immer dünner, bis sein unterster Rand in Schnitt 29 erreicht ist. In Schnitt 31, Figur 25 ist nur noch die Endsehne des Tensor tympani sichtbar. Sie erstreckt sich längs der Schneckenkapsel nach hinten und unten und inserirt in Schnitt 35 an einem langen knöchernen Fortsatz des Hammers. Sie behält die im Figur 25 ersichtliche Verlaufs- richtung bei. In demselben Schnitt ist der Steigbügel in der Ebene seiner Schenkel getroffen. Zwischen den Schenkeln ver- läuft die Arteria stapedis. Auf Grund der vorhergehenden Beschreibung lässt sich un- schwer eine Anschauung von der Tuba Eustachii und dem Museulus tensor tympani der Maus gewinnen. Die Tube der Maus ist eine knorplighäutige Röhre, deren Knorpelwand ähnlich der des Menschen wie eine nach unten offene Rinne gestaltet ist. An derselben ist eine mediale, eine laterale und eine obere Wand zu wnterscheiden. Die laterale Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53 39 598 R. Eschweiler: Wand reicht weniger tief nach unten, als die mediale, und beide Wände nehmen tympanalwärts gleichmässig an Höhe zu. Der Tubenknorpel ist bedeutend länger als das Tubenrohr; er setzt sich noch weit in die Paukenhöhle hinein fort und bildet hier eine rinnenartige Fortsetzung der Tube. Diese Fortsetzung stellt eine von knorpligem Dach bedekte Nische an der medialen Paukenhöhlenwand dar, welche von unten aussen her zugänglich ist. So kommt es, dass in der vorher beschriebenen Schnittserie die enge Tubenröhre zunächst in ein weites, von Knorpel um- gebenes Lumen mündet, dessen laterale Wand immer mehr schwindet, bis in den tieferen Schnitten nur noch die mediale Knorpelwand zu sehen ist. Vom Dach dieser knorpelwandigen Nische, also vom tyımpanalen Ende des Tubenknorpels, entspringt theilweise der Musculus tensor tympani. Für die oberen Parthien des Muskels ist hier und in dem Bindegewebe zwischen Tube und Bulle, also im knöchernen Canalis tubarius das alleinige Wurzelgebiet. Je mehr die Schnitte nach abwärts vorrücken, um so mehr werden diese Ursprungsfasern reduzirt, und um so mehr geht der Ursprung auf das Felsenbein über; aber auch hier bleibt die Ursprungszone immer auf den tubenwärts gelegenen Theil der Muskelgrube im Felsenbein beschränkt, während das aborale Ende des Muskelbauchs nur lose dem Felsenbein anliegt und schon frühzeitig eine Sehne an dem dem Knochen anliegen- den Muskelrand entwickelt. Der ganze Muskel hat eine Dicke von etwa 0,5 mm (Schnitt 15—30 = 15—0,03). Davon ent- fallen auf den Theil, welcher von Tube und Felsenbein entspringt, etwa 0,74 mm, der Rest auf den Felsenbeinbauch. Bemerkens- werth ist der Ursprung des Muskels von dem Deckknochen k der Muskelgrube. Dieser Deckknochen gehört der Bulla ossea an, welche bei ihrer Adaption an die Facies externa der Felsen- beinpyramide mit dem umgebogenen vorderen Rand die Fossa museularis maior deckt. Der obere Theil der Muskelgrube wird dadurch völlig abgeschlossen. Nach unten hin verjüngt sich diese Deekplatte zu einem schmalen Knochenblatt, so dass aus der kontinuirlicehen Knochendeeke, welche in Figur 22 mit der Bulla B in Verbindung steht, der isolirte Knochen k von Figur 24 wird. Die Endsehne des Museulus tensor tympani ist lang, schlank und rund. Es muss besonders betont werden, dass bei der Maus ein ee ST ie eier ii fee ee Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 599 Zusammenhang zwischen dem Tensor tympani und der Pharynx- muskulatur besteht. Der Zusammenhang wird durch eine schmale Zone von Bindegewebe vermittelt und findet sich nahe dem Dach der knorpligen Tube (b der Abbildungen). Es ist nach dem Gesagten ersichtlich, dass insofern von einer Zweibäuchigkeit des Museulus tensor tympani geredet werden kann, als der Muskel zwei verschiedene Ursprungsgebiete besitzt. Sämmtliche Fasern verschmelzen jedoch innig miteinander und bilden den an der Labyrinthwand liegenden einheitlichen Muskel- bauch. Die Muskelgrube für den Tensor tympani ist sehr flach. Trotz ihrer geringen Tiefe wird der Muskelbauch fest in ihr fixirt durch den oben erwähnten Decekknochen der Bulla, von dem ein grosser Theil des Muskels entspringt. Das Knochenblatt bildet keine trochleaartige Vorrichtung für die Sehne des Muskels, denn diese weicht von der Zugrichtung der Muskelfasern nicht ab. Entsprechend dem baldigen Verschmelzen der Muskelur- sprünge zu einem Bauch entwickelt sich auch nur eine Sehne, im Gegensatz zum Tensor tympani des Schnabelthiers, der bei zwei gesonderten Bäuchen auch eine aus zwei Componenten sich zusammensetzende Sehne hat. Am Ursprungsgebiet des Tensor tympani besteht indessen eine gewisse Homologie mit dem Ver- halten des Muskels beim Ornithorhynchus, und anderseits eine Ueberleitung zu dem Bau des Tensor tympani bei andern Säugern, denen der Zusammenhang des Muskels mit der Tube fehlt, und bei denen nur ein Felsenbeinbauch vorhanden ist. V. Felis domestiea. Diesen Typus zeigt die Katze sehr deutlich. Das Präparat wurde in derselben Weise hergerichtet, wie oben bei Beschreibung der Maus erwähnt wurde. Nur genügt es nicht, die Bulla von unten her zu eröffnen, weil der Raum der Bulla in zwei Abtheilungen zerfällt, welche nur in der Gegend des runden Fensters miteinander kommuniziren. Es wurde dem- gemäss das Trommelfell mit seinem Rahmen abgetragen. Infolge dessen sind in den später zu beschreibenden Schnitten Trommel- fell und Sehnenansatz des Muskels am Hammer nicht zu demon- striren. Das Präparat wurde einer elf Tage alten Katze ent- nommen. Ein so junges Thier wurde gewählt, um nicht zu lange entkalken zu müssen. Die Entkalkung dauerte 4 Tage. Härtung 600 R. Eschweiler: und Färbung waren dieselben wie bei den vorher beschriebenen Schnittserien. Bevor zur Durchsicht letzterer geschritten wird, möge kurz die osteologische Beschreibung der für das Verständ- niss der Serie wichtigen Theile gegeben werden. Die Facies externa der Felsenbeinpyramide bildet die me- diale Wand der Paukenhöhle. Ungefähr im Centrum derselben liegt eine kleine ovale scharfrandige Oeffnung; die Fenestra vestibuli s. ovalis. Unter ihr erhebt sich ein glatter Knochen- wulst, das Promontorium, welches aus zwei durch eine seichte Furche getrennten Erhebungen besteht. Von diesen liegt die grössere direkt unter der Fenestra vestibuli und trägt die Fenestra cochleae s. rotunda. Die andere kleinere ist vor die grössere gelagert. Ueber dem Promontorium und vor und über der Fenestra vestibuli liegt eine tiefe Grube für den Muskelbauch des Mus- eulus tensor tympani: die Fossa musecularis maior. Sie wird überdacht von einem Theil der Facies superior pyramidis, welche hier aus einer dünnen Knochenplatte besteht. Diese Platte kann als Tegmen tympani bezeichnet werden. Das Tegmen tympani trägt einen kurzen Fortsatz: den Processus tegminis tympani. Am hintern untern Rande der Fossa museularis maior, dieht über der Fenestra vestibuli mündet ein Kanal -- der Canalis facialis — mit einer kleinen, unter einem dünnen Knochenblätt- chen fast verborgenen Oeffnung. Von diesem Knochenblättchen lateralwärts verdeckt verläuft der Suleus facialis als Fortsetzung des Canalis facialis hinter dem Promontorium her nach abwärts. In seinem Verlauf vertieft er sich zu einem Grübehen, welches den Musculus stapedius aufnimmt: Fossa muscularis minor. Die Knochenlamelle, welehe den Suleus facialis deckt, verschmilzt mit einer von der Pars mastoidea entspringenden etwas stärkeren Knochenlamelle. Beide vereint verwachsen mit der Bulla ossea und umgrenzen mit ihr das Foramen stylomastoideum. Die Pars tympanica vom Schläfenbein der Hauskatze wird durch die mehr erwähnte Bulla ossea repräsentirt. Im Gegen- satz zu vielen andern Säugethieren ist der knöcherne Gehörgang nicht ein der Bulla ansitzendes Rohr, sondern er wird dureh eine in der Aussenwand der Bulla liegende von gewulsteten Rändern umgebene ovale Oeffnung gebildet. Die Gestalt der Bulla ist ungefähr halbkuglig, doch ist ihr Durchmesser von vorne nach hinten grösser, als der von oben nach unten. Nach vorne und u ‚re Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 601 unten geht von der Bulla ein kleiner spitzer Fortsatz aus: Pro- cessus bullae spinosus anterior. Am hintern Ende ist die Bulla abgestumpft und mit einer rauhen Fläche zur Verbindung mit dem Os oceipitale versehen. Man kann eine äussere und eine innere Wand der Bulla unterscheiden. Die äussere, laterale Wand ist stark vorgewölbt und zeigt den Porus acustieus ex- ternus, dessen obere Umrandung sieh spangenartig über die Bulla erhebt und fest mit der Schuppe verschmilzt. Unterhalb des Porus acustieus externus verläuft vom Processus bullae spi- nosus anterior bis zum oberen hintern Ende der Bulla eine rauhe Linie. Die mediale Wand der Bulla zeigt in der Mitte eine sehr grosse, unregelmässig umrandete Oeffnung, durch welche man in das Innere der Bulla hineinsieht: Foramen bullae magnum. Dieser Innenraum zerfällt in zwei Abtheilungen, welche durch eine dünne knöcherne Scheidewand — das Septum bullae — getrennt werden. Das Septum bullae endigt frei mit scharfem Rand, der nach oben umgebogen ist. An dem umgebogenen Theil befindet sich ein seichter Eindruck, welcher durch Anlagerung des Pro- montoriums hervorgerufen ist — Impressio promontorii. Das Foramen bullae magnum ist von einem fast gleichmässig breiten Knochensaum umgeben, dessen Rand ungleichmässig gezackt ist. Nach oben geht er in die mit der Schuppe verwachsene Um- randung des Porus acustieus externus über. Vor dem vorderen Ursprung der Gehörgangsspange liegt eine hinten schmale, nach vorne breiter werdende flache Furche. Sie wird von dem untern umgebogenen Theil der Squama temporalis gedeckt und so zur Fissura Glaseri für die Chorda tympani abgeschlossen. Unterhalb des Eingangs in die Fissura Glaseri befindet sich am Rande des Foranıen bullae magnum ein sichelartig gekrümmter Fortsatz: Processus bullae faleiformis. Dort, wo der Processus bullae spinosus anterior entspringt, liegt auf der medialen Bulla- wand eine grössere Furche: der Suleus tubarius. Nach innen wird derselbe zunächst von der Ursprungsleiste des Processus spinosus bullae, dann von einer scharfen Knochenkante der Bulla- wand begrenzt. Am untern Rande des Foramen bullae magnum liegt eine kleine vertikal verlaufende Gefässfurche. Die beiden Abtheilungen der Bulla ossea sind ungleich gross. Die kleinere liegt oben und vorn, die grössere unten und hinten. 602 R. Eschweiler: Beide sind glattwandig. Die vordere obere Kammer ist die Ca- vitas tympani propria. Sie enthält den Trommelfellfalz, der in seiner Peripherie ganz geschlossen ist. Die Trommelfellebene ist nur wenig grösser, als der Porus acusticus externus und liegt von ihm nur zwei Millimeter entfernt. Der knöcherne äussere Gehörgang ist demgemäss sehr kurz. Die Verbindung der Schläfenbeintheile mit einander bedarf noch einer kurzen Besprechung. Die Squama temporalis und die Pars petromastoidea sind nur dort fest mit einander verbunden, wo der Warzentheil mit dem hintern Rande der Schuppe verwachsen ist. Im übrigen befindet sich zwischen Felsenbein und Schuppe eine Sutura petroso-squa- mosa, welche sowohl vom Schädelinnern her an der Grenze zwischen Facies superior pyramidis und der Squama, als auch von der Paukenhöhle her im Dach der letzteren (Antrum tym- panicum) sichtbar ist. Die Verbindung der Pars tympanica mit dem Schuppentheil ist, wie erwähnt, sehr fest au der oberen Begrenzung des Porus acusticus externus. Nahe der Stelle, wo die Verschmelzung intritt, liegt die Fissura Glaseri. Der Rand des Foramen bullae magnum adaptirt sich ziemlich genau der Facies externa pyramidis. Nur zwischen dem vorderen Rand dieser Pyramidenfläche und der Bulla bleibt ein breiter Spalt offen, welcher von einem zwischen Felsenbein und Schuppe sich einschiebenden Fortsatz des Keil- beins gedeckt wird. Der so entstehende knöcherne Kanal ist der Canalis tubarius. Der Canalis tubarius liegt demgemäss zwischen Bulla ossea, Os petrosum und Os sphenoidale. Seine laterale und untere Wand wird von ersterer gebildet. Das Felsenbein bildet die mediale, das Keilbein die obere und theilweise die mediale Wand. Eine bemerkenswerthe Abweichung vom Verhalten beim Menschen weist die Stellung der Facies externa pyramidis, d.h. die mediale Paukenhöhlenwand auf. Während dieselbe beim Menschen fast vertikal gestellt ist, ist sie bei der Katze stark mit dem oberen Rande gegen die Horizontale geneigt. Die beiderseitigen Facies externae pyramidum schneiden sich nach unten verlängert in einem Winkel von etwa 135° Dadurch kommt die Fossa muscularis maior in eine solehe Lage, dass sie weniger eine Muskelgrube, als vielmehr ein Gewölbe dar- | Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 603 stellt, dessen Kuppel (bei der natürlichen Stellung des Kopfes) der Boden der Fossa museularis maior ist. In dieser Grube liegt der von der Paukenhöhlenschleimhaut bedeekte Musculus tensor tympani' und entsendet eine kurze, kegelförmige Sehne von star- kem Glanz in der Richtung nach aussen hinten und unten. Die Sehne inserirt an einem langen Knochenvorsprung des Hammers, unterhalb dessen die Chorda tympani verläuft. Die Muskelsehne verläuft rechtwinklig zur Längsaxe des Hammerstiels, aber spitz- winklig zur Trommelfellebene.. Sehne und Trommelfellebene bilden einen nach vorne offenen Winkel von etwa 40° miteinander- Der Angriffspunkt der Sehne am Hammer liegt ausserhalb der Längsaxe des Manubriums und zwar mehr nach‘dem Innern der Pauke hin. Dadurch wird bei der Contraction des Muskels nicht nur eine Einwärtsbewegung des Umbo, sondern auch eine Rotation des Hammers um die Längsaxe des Manubriums erzeugt, so dass das Trommelfell dann in seiner hinteren Hälfte stärker gespannt wird, als in der vordern. Diese Wirkung des Tensor tympani ist deutlich zu beobachten, wenn man durch Eindrücken des Muskelbauchs in seine Grube hinein die Sehne anspannt. Entsprechend der starken Neigung der Facies externa py- ramidis ist auch das Tronmelfell stärker, als beim Menschen im Sinne der Inclination geneigt, aber in geringerem Grade, als die mediale Paukenhöhlenwand. So kommt es, dass beide nach unten hin divergiren, und somit die obern Trommelfellparthien der Labyrinthwand näher liegen, als die untern. Das tympanale Tubenostium liegt am vorderen Ende des Paukenhöhlendachs. Es bildet einen relativ breiten Spalt, von dessen oberem Rand ein glänzender derber Strang nach dem Muskel hin sich erstreckt. Zwischen jenem und dem Muskel scheint bei makroskopischer Betrachtung eine Verbindung zu be- stehen. Die nun folgenden Ergebnisse der mikroskopischen Un- tersuchung zeigen andere Verhältnisse. Die Schnittebene ist ent- sprechend derjenigen der Maus angelegt. Die Schnittdicke beträgt 0,03 mm. Die Numerirung schreitet von oben nach unten fort. Schon im ersten Präparat ist der Hammerkopf im Quer- schnitt sichtbar. Er liegt rings von Knochen umgeben im Kuppelraum. Der Kuppelraum geht bald in den übrigen Theil der Paukenhöhle über, wo oralwärts im Bindegewebe kleine 604 R. Esehweiler: Drüsen auftreten. Diese bilden ein immer stärker werdendes Convolut und sind um ein in ihrer Mitte gelegenes Lumen grup- piert. Das letztere ist mit hohem Cylinderepithel ausgekleidet. Von Schnitt 23 ab werden die Drüsenträubehen und -Schläuche spärlicher, während sich das Lumen weiter vergrössert. Die ersten Spuren vom Muskelbauch des Tensor tympani finden sich in Schnitt 30. Es liegen hier einige Muskelfasern in dem Bindegewebe, welches eine Bucht des Felsenbeins ausfüllt. In Schnitt 31, Figur 26, Tafel XXVIIT ist dies noch deutlicher. Die Fasern ? sind in der Längsrichtung geschnitten. Sie liegen frei im Bindegewebe, welches die bei F im Felsenbein befindliche Bucht ausfüllt. ° Die Paukenhöhle P enthält Gallertgewebe. Bei JM ist der Querschnitt des Hammerkopfs sichtbar. 7 ist das von Drüsen umgebene Lumen. Der Muskelbauch vergrössert sich nun successive und nähert sich dem Knochen. Ein Theil seiner Fasern ist im Querschnitt sichtbar. In Schnitt 40 verlaufen zwischen den Muskelbündeln Gefässschlingen und Nervenveräste- lungen. Letztere liegen nahe der Basis des Muskelbauchs, wäh- rend die grösseren Gefässstämme nahe der Spitze des Muskel- kegels eintreten. In Schnitt 45, Figur 27 ist der Eintritt des Nervs in den Muskel besonders deutlich. Der Nerv zerfällt gleich nach dem Eintritt in zahlreiche Aeste, welche noch ziem- lich weit zwischen den Muskelfasern zu verfolgen sind. £ ist eine schon recht ansehnliche Muskelmasse. Bei © verläuft em srösseres Gefässstämmehen. Von den Gehörknöchelchen ist jetzt Hammer (M) und Amboss /zu sehen. Das Lumen / von Figur 26 hat sich in die Paukenhöhle geöffnet und stellt hier die Bucht ! dar. F ist das Felsenbein; Sph das Keilbein. In Schnitt 48 tritt oralwärts vom grossen Bauch ? des Tensor tympani parallel verlaufend mit seinen Randfasern ein gesonderter Muskeleomplex auf, in Gestalt von zwei Bündelehen längsgeschnittener Muskel- fasern. Die beiden Bündelehen vereinigen sich und es bietet dann Schnitt 51, Figur 28 folgendes Bild: Die Paukenhöhle ist in der Umgebung der Gehörknöchelehen und des Tensor tym- pani noch von Gallertgewebe erfüllt. Die Gelenkspalte zwischen Hammer und Amboss ist sehr deutlich. Die grössere Abtheilung t des Tensor tympani zeigt einen hellen Fleck in der Mitte, welcher aus Bindegewebe besteht. Bei #! liegen die gesonderten Muskelfasern. g ist ein langovales Ganglion, in welches der | En Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 605 Tensornerv übergeht. Zwischen diesem Ganglion und der Bucht ! liegt das stumpfe Ende eines dieken Bindegewebsstreifens S, der sich pharyngealwärts verbreitet und den kegelförmigen Längsschnitt eines Rachenmuskels mm umgiebt. Dieser Sehnen- streifen liegt zwischen dem Keilbein Sph und dem Rest der Bulla ossea 5. f ist der Querschnitt des Processus bullae falei- formis. Die Faserriehtung in den Durchschnitten des grossen Ten- sorbauchs ist einem starken Wechsel unterworfen. In Figur 26 sind nahe dem Sehnenende des Muskels die Fasern quergetroffen, während sie am Knochenende im Längschnitt erscheinen. Am oralen Ende der Muskelbasis streben die Fasern nach dem Keil- bein hin. Gleichzeitig treten zwischen dem gesonderten Muskel- komplex * und dem Gros des Muskels immer neue Muskelfasern in Erscheinnng, so dass eine Vereinigung beider Muskelabsehnitte vorbereitet wird. In Schnitt 54 ist diese Verschmelzung voll- zogen. In demselben Präparat tritt das pharyngeale Tubenende auf und zwar ganz am oralen (in den Abbildungen rechts gele- genen) Ende des Schnittes. Es stellt eine Einsenkung der Rachenschleimhaut dar, welche scheinbar blind endigt. Die Sehnittebene liegt nämlich nicht genau parallel, sondern leicht geneigt zur Tubenaxe, und zwar pharyngeal tiefer, als tympanal- wärts. Es wurde beim Schneiden des Präparats also zuerst das Pharyngealostium der Tuba getroffen. Medial von der Mündung der Tube liegt ein breiter Streifen zellenreichen Knorpels. Lateral von dem Tubenostium befindet sich der in Figur 28 mit mm bezeichnete Muskel. Der Bindegewebsrahmen, welcher von 5 ausgehend diesen Muskel umfasst, ist auf der lateralen Seite stärker entwickelt, als auf der medialen und zeigt hier eine wellige Faserung. In Schnitt 57 ist die pharyngeale Tubenein- stülpung durch den Schnitt in der Weise getroffen, dass eine Zunge von Knorpelgewebe halbinselartig von einem mit Epithel bekleideten Lumen umgeben wird. Dies Bild kommt dadurch zu Stande, dass das Tubenlumen, wie auch makroskopisch zu sehen ist, einen sichelförmigen Querschnitt besitzt. Es müssen demgemäss auf dem Längsschnitt zwei Lumina entstehen, sobald der Boden der Tube, d. h. die konkave Schneide der Sichel ge- troffen wird. Nur das eine Ende des sichelförmigen Lumens wird von Knorpel umfasst. Der Musculus tensor tympani stellt 606 R. Esehweiler: jetzt einen grossen, seine Knochenbucht völlig ausfüllenden Bauch dar, in dessen Inneres hinein breite Züge von Sehnengewebe sich erstrecken. Tubenwärts ist der Muskelbauch in eine Spitze ausgezogen. Die Fasern verlassen hier die Fossa muscularis maior und greifen auf das Keilbein über. Es bestehen jedoch keine Beziehungen zwischen dem Muskel und der Tube, oder deren Nachbarschaft. Die Bucht 2 ist sehr flach geworden. Der Sehnenstreifen 5 hat sich sammt seinem. Muskel mm verkürzt und ist breiter und plumper geworden. In Schnitt 61 und den folgenden ist innerhalb des Muskels parallel dem Knochenrand der Muskelgrube verlaufend ein band- artiger Streifen zu verfolgen, welcher zum grössten Theil aus Nervendurchsehnitten besteht, in dem aber auch einzelne Gefässe zu sehen sind. Hier bildet der Nerv offenbar einen Grundplexus, der quer zu seiner Fläche angeschnitten ist. Der knieförmig erscheinende Durebschnitt des Tubenlumens erstreckt sich immer mehr nach der Paukenböhle hin. Nur der blind endigende me- diale Schenkel des Lumens ist von Knorpel umrahmt. Zahl- reiche Drüsen liegen in der Nähe des pharyngealen Ostiums. In Schnitt 69 ist der Zusammenhang der Tube mit der Paukenhöhle deutlich geworden. Das Knie des Tubenlumens hat den Rand der Bucht 7 erreicht. Das laterale Lumen der Tube vermittelt die Communikation mit dem Pharynx. Das mediale Tubenlumen endigt oralwärts blind. Zwischen dem Musculus tensor tympani und dem tympanalen Tubenostium liegt an der Paukenhöhlenwand eine Knorpelinsel, welche in den folgenden Schnitten mit dem Tubenknorpel verschmilzt. So entsteht das in Figur 29 (Schnitt 75) wiedergegebene Bild: Vom aboralen Ende des einheitlichen Tubenknorpels kA’ geht ein dünner Bindegewebszug s bis in die Nähe der ersten Muskelfasern des Tensor tympani, aber ohne mit denselben in Verbindung zu treten. Der breite Sehnenstreifen S ist ge- schwunden. Der zugehörige Muskel liegt noch immer der late- ralen Tubenwand enge an. Der Muskelbauch des Tensor tym- pani ist in seinem oralen Ursprungsgebiet durch eine helle Zone von Bindegewebe vom Knochen geschieden, während am aboralen Ende der Muskelbasis der Ursprung am Knochen immer fester wird unter gleichzeitiger Verdünnung des Bodens der Fossa muscularis maior, j { k ü $ Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 607 In den folgenden Schnitten wird das mediale Tubenlumen allmählich reduzirt, während das laterale Lumen immer mehr klafft. Lateral von dem nun weiten Ostium tympanicum tubae treten in Schnitt 81 mehrere Knorpelinselehen auf, die zu einem dicken, zwischen Bulla ZB und dem tympanalen Tubenostium liegenden Polster werden. Dieses Knorpelstück steht aber mit dem Tubenknorpel nicht in Verbindung. Der Musculus tensor tympani entwickelt seine Endsehne. Der knöcherne Boden der Muskelgrube weist am hintern Ende eine Lücke auf. Hier be- steht eine nur bindegewebige Scheidewand gegen den Nervus facialis. An dieser Stelle ist der Nervus facialis bis zu seinem Knie zu verfolgen. Das Ganglion genieuli und der Nervus pe- trosus superficialis maior liegen in diesem und den folgenden Präparaten (Figur 30, Schnitt 83 nf). Vom Tubenknorpel ist nur noch der Rest %‘ erhalten. Der sehnige Theil des Tensor tympani nimmt eine von der Kegelform abweichende Gestalt an, indem die den Gehörknöchelchen zugekehrte Seite des Sehnen- kegels eingedrückt erscheint. Am pharyngealen Tubenende liegt der Boden der Tuba im Schnitt vor, während das tympanale Ostium noch sehr weit klafft. Zahlreiche Drüsen mit ihren Aus- führungsgängen befinden sich in der Umgebung der Tube. Der Muskelbauch des Tensor tympani verkleinert sich rasch. In Sehnitt 95 sind seine letzten Spuren geschwunden. Wenn man die Ergebnisse der mikroskopischen und ma- kroskopischen Untersuchung zusammenfasst, so zeigt sich Fol- gendes: Der Musculus tensor tympani der Katze entspringt aus der Fossa muscularis maior des Felsenbeins und von dem benach- barten Theil des Keilbeins, wo dieses den Canalis tubarius nach oben abschliesst. Der Ursprung des Tensor tympani ist somit ein anderer, als er von Mivart!) beschrieben ist. Mivart erwähnt die Fossa muscularis maior gar nicht und nimmt als Ursprungsgebiet des Tensor tympani den umgebogenen Rand des Septum bullae an: The tensor tympani muscle arises from a poinited process which projeets from the free margin of the septum of the bulla as it eurves upwards at the posterior wall of the tympanum. 1) Mivart, The Cat. London 1881, 608 R. Eschweiler: Der Muskel ist stumpf kegelförmig. Der Muskelkegel ist auf dem Querschnitt elliptisch entsprechend der Form der Fossa museularis maior, deren einer Durchmesser länger als der andere ist. Die Muskelfasern entspringen im grössten Theil der Muskel- grube und am Keilbein von dem lockeren Periost, welches den Knochen überzieht. Nur an dem aboralen Theil der Fossa mus- eularis maior gehen die Muskelfasern direkt vom Knochen resp. von dem hier sehr dünnen und straffen Periost aus. Einen Zu- sammenhang mit der Tuba besitzt der Muskel nicht. Zwischen dem tympanalen Tubenende und dem Anfang des Muskels be- findet sich überall noch eine längere Strecke von Schleimhaut und lockerem Bindegewebe resp. Periost, und nur der ganz schmale Streifen s in Figur 27 scheint auf verloren gegangene Beziehungen zwischen Tube und Muskel hinzudeuten. Im Ein- klang damit steht auch der Umstand, dass die Basis des Muskel- kegels tubenwärts gleichsam ausgezogen scheint. Die Faserrichtung des Muskels ist durchweg eine radiäre, indem die Spitze des Sehnenkegels als etwas excentrisch gele- gener Mittelpunkt angenommen werden kann, von dem die Fa- sern ausstrahlen. Sehr deutlich ist dies nur in den Schnitten, welche den Muskel in seiner grössten Ausdehnung getroffen haben, z. B. in Figur 27. In den andern Schnitten sind die nicht in der Schnittebene verlaufenden Fasern mehr oder weniger schräge getroffen. Ueberall aber wird von den Fasern ein direk- ter Weg vom Knochen zur Sehne eingeschlagen und nirgends findet sich, wie bei der Maus, eine Parallelität der Fasernrieh- tung zum Knochen. Da die Spitze des Muskels nicht gleichweit von der Randzone des Muskelursprungs entfernt ist, sondern näher dem aboralen Rand der Fossa museularis maior liegt, so ist die Länge und Riehtung der Muskelfasern eine verschiedene. Die tubenwärts verlaufenden Fasern sind viel länger, als die zu dem aboralen Rand der Muskelgrube ziehenden. Erstere bilden mit dem Knochen einen spitzen, letztere einen rechten Winkel, so dass die Kraft, welehe die Sehne des Muskels bewegt, in viele Componenten zerfällt, von denen die extremsten in der Hypotenuse einerseits und in der kurzen Kathete eines rechtwink- ligen Dreiecks andrerseits wirken. Die Wirkung der kurzen Fasern muss dabei verstärkt werden Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 609 durch die innige Fixation am Knochen, welche den langen tubar- wärts verlaufenden Fasern fehlt. Da mit der weit in die Paukenhöhle vorgeschobenen Tube resp. deren Korpel keine Verbindung besteht, so ist noch weniger ein Zusammenhang des Muskels mit der Rachenmusku- latur nachzuweisen. Bei der Durchsicht der Serie schien der Sehnenzug S in Figur 26 eine Verbindung des Muskeltheils # mit der Rachenmuskulatur mm anzubahnen. Es wären dann Ver- hältnisse eingetreten, wie sie ähnlich bei der Maus vorhanden sind. Das trat jedoch nicht ein, sondern mit dem Vordringen der Tube wird der Sehnenzug S vom Tensorbauch gänzlich ge- schieden. Der Eintritt des Nervs in den Musculus tensor tympani ist in der beschriebenen Serie deutlich. Ebenso die Verbindung derselben mit einem grossen Ganglion, welches wohl als Gang- lion oticum anzusehen ist. Die Zubereitung sowohl dieses, wie der vorher beschriebenen Präparate ist indessen wenig ge- eignet die Details des Nervenverlaufs zur Anschauung zu bringen. Es wird vielmehr zu diesem Zweck eine Untersuchung mit der von M. Nussbaum angegebenen Essigsäure-Osmiummethode nöthig sein, welche unter Aufhellung und Maceration des Binde- gewebes und gleichzeitiger Erhaltung und Färbung der Nerven, letztere bis in ihre feinsten Verzweigungen zu verfolgen gestattet. Diese Untersuchung wird von grosser Wichtigkeit sein, weil wir durchM. Nussbaum wissen, dass die Stelle des Nerveneintritts in einen Muskel und der centrale Ursprung der Nerven wichtige Kriterien für eine stattgefundene Verlagerung des Muskels abgeben. Die Tuba Eustachii der Katze ist eine knorplig-häutige Röhre, welche mit spaltförmiger Oeffnung in den Nasenrachen- raum mündet. Das Ostium pharyngeum tubae ist medial von einer knorpligen, lateral von einer häutigen Lefze begrenzt, von denen die erstere stärker prominirt.. Das Lumen der Tube ist, wie oben bemerkt, einer stark gekrümmten Sichel zu vergleichen, deren Conkavität nach innen gerichtet ist. Die mediale Spitze der Sichel, ist von einem Knorpelrahmen umgeben, welcher einen medialen höheren und einen lateralen niedrigeren Schenkel besitzt. Der mediale Schenkel reicht bedeutend weiter in die Paukenhöhle hinein, als das Tubenlumen. (Siehe Abbildung 30 A“.) 610 R. Eschweiler: Um das Gesagte zusammen zu fassen, sei noch einmal auf das Schnabelthier zurückgegriffen. Bei Ornithorhynehus stellt die Paukenhöhle einen eingeschnür- ten Sack dar, der unten und medial von der Einschnürung sich breit in den Rachen öffnet. Die Gegend der Rachenmündung wurde von uns Recessus tympanicus pharyngis genannt. Die ganze laterale Wand dieses Nische ist durch das Trommelfell gebildet. Die Gehörknöchelehen liegen mit Ausnahme des im Trommelfell ver- webten Manubrium mallei im oberen blinden Theile des Sackes. Die Theilung der Paukenhöhle in einen unteren, dem Rachen angehörenden, und einen oberen, funktionell dem Gehörsinn dienen- den Raum ist besonders bemerkenswerth. Beide kommuniziren nur durch eine kleine Oeffnung miteinander. Eine ähnliche Zweitheilung besteht anch bei Echidna hystrix und Manis javanica, doch ist hier der Ausdruck Doppel- sack weniger angebracht, weil beide Abschnitte nicht an der engen Communikationsstelle auch eine Abschnürung wie beim Schnabelthier aufweisen, sondern durch eine grössere horizontale Scheidewand von einander getrennt sind. Die untere Paukenhöhlenetage entspricht dem Recessus tym- paniecus pharyngis des Ormithorhynchus; sie enthält Trommelfell nebst Manubrium des Hammers und kommunizirt mit dem Pharynx. Nur hat sie sich vom Rachen entfernt, wobei der breite Zugang zum Recessus tymp. phar. des Schnabelthiers zur mehr oder weniger langen Tuba der anderen Thiere ausgezogen worden ist. Die obere Paukenhöhle enthält bei Echidna und Manis wie beim Schnabelthier die für den Gehörsinn wichtigsten Theile: Steigbügel und Labyrinthfenster. Sie ist durch eine bindegewe- bige Scheidewand vom unteren Theil der Paukenhöhle getrennt und kommunizirt mit diesem nur durch eine bei Echidna sehr enge am vorderen Pol der Paukenhöhle gelegene Oeffnung, welche dem Ostium attiei tympanici des Ornithorhynchus entspricht. Bei Manis ist diese Communikationsöffnung grösser, als bei Echidna und nahe dem hinteren Pol der Trommelhöhle gelegen. Mit der Vergrösserung des Ostium attiei tympanici bei Manis geht eine Reduktion des Septum der Paukenhöhle Hand in Hand und wir nähern uns schon dem Befund bei den höheren Säugethieren und beim Menschen, wo der obere, das Gros der Gehörknöchelchen ent- haltende Abschnitt der Paukenhöhle, der Kuppelraum, ‘zwar Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 611 noch etwas abgesetzt gegen die untere Paukenhöhle, aber nicht mehr von ihr getrennt erscheint. Ganz schematisch sind diese Verhältnisse in den nebenste- henden Figuren dargestellt. Es geht aus diesen auch hervor, dass die räumliche Ausdehnung beider Paukenhöhlenabschnitte zu- genommen hat im Verhältniss zur Grösse des Trommelfells, nnd dass dieses bei Echidna und Manis, abweichend von dem Ver- Schema der rechten Pauken- höhle von Echidna hystrix. Seitenansicht von Aussen. a.t. Atticus tymp. resp. obere Schema der rechten Pauken- Paukenhöhlenetage, o Gehör- knöchelchenkette, s Septum der Paukenhöhle, unterer Theil der Paukenhöhle, {p Trommelfell (pars tensa). Schema der rechten Pauken- höhle des Menschen. Seitenansicht von Aussen. a.t. Atticus tymp., o Gehörknö- chelchenkette, ? unterer Theil der Paukenhöhle, {p Trommel- i fell (pars tensa). höhle von Ornithorhynchus. Seitenansicht von Aussen. a.t. Atticus tymp., o Kette der Gehörknöchelchen,o. a.t. Ostium attici tymp., r. t. Recessus tymp. phar. Schema der rechten Pauken- höhle von Manis jav. Seitenansicht von Aussen. a.t. Attic. tymp., o Kette der Gehörknöchelchen, s Septum der Paukenhöhle, ? unterer Theil der Paukenhöhle, {p Trommel- fell (pars tensa). halten bei Orithorhynchus nicht mehr die ganze laterale Wand der unteren Pankenhöhlenetage darstellt. Dabei ist jedoch nur der gespannte Trommelfelltheil berücksichtigt. Mit dem oberen Rand der Pars tensa, d. h. des dünnen, den Hammergriff ber- senden Theils der Membran, welcher beim Schnabelthier und bei Echidna in einem wirklichen Paukenring ausgespannt ist, schneidet nach oben hin die untere Paukenhöblenetage ab. Von hier ab wird die laterale Wand des oberen Paukenhöhlentheils von 612 R. Eschweiler: einer viel diekeren, nicht gespannten Bindegewebsschicht gebildet. Sehon bei Beschreibung der Serien wurde dieser Theil der late- ralen Paukenhöhlenwand als Pars flaceida gedeutet, was dahin erweitert werden muss, dass er nicht nur der Membrana Shrap- nelli des Menschen, sondern bei Ornithorhynehus und Eehidna auch noch der Pars ossea (Walb) des Trommelfells entspricht. Manis dagegen hat schon einen knöchernen Abschluss des oberen Paukenhöhlenraumes. Bei Eehidna befinden sich in dieser lateralen Wand des Attieus Muskeln, und zwar in den hinteren Partien solehe mit von oben nach unten verlaufenden Fasern. In den vorderen Partien dagegen ist die Faserrichtung eirkulär. Bekanntlich haben die älteren Anatomen die Pars flaceida des menschlichen Trommelfells mit muskulären Elementen durchsetzt geglaubt. Die von Kessel!) ansgesprochene Vermuthung, dass es sich beim Nachweis von Muskeln in der Pars flaceida niederer Säuge- thiere annehmen lasse, die Pars fl. hominis verdanke einem reduzirten Muskel ihre besondere Struktur, kann sich also be- stätigen, wenn wir eben diesen Theil der lateralen Paukenhöhlen- wand bei Echidna als Aequivalent der Shrapnell'schen Mem- bran ansehen dürfen. Dazu sind wir meiner Ansicht nach be- rechtigt. Zwar ist diese Muskelpartie nicht dem äusseren Gehörgang zugewandt, sondern es zieht (siehe die makroskopische Präparation von Eehidna) die obere Cirkumferenz der Gehör- gangsinsertion an der Grenze zwischen dem eigentlichen ge- spannten Trommelfell und der Pars flaceida einher; aber nicht die Beziehungen zum äusseren Gehörgang, sondern die zur Paukenhöhle charakterisiren die einzelnen Abschnitte der Paukenhöhlenwand und aus ihnen geht die Analogie des in Frage stehenden Theiles mit der Pars ossea und flaceida des menschlichen Trommelfells hervor. Was die Funktion der beiden Muskeln, ihre Zugehörigkeit zu andern Gruppen und ihre Inner- vation angeht, so konnte es bei der vorwiegend auf andere Ziele gerichteten Zubereitung der Präparate nicht gelingen, darüber ein Urtheil zu gewinnen. Soviel ist jedoch als sicher anzunehmen, dass sie auf die Spannung des Trommelfells inso- fern einen Einfluss ausüben, als die ganze laterale Pauken- 1) Kessel, Die Histologie der Ohrmuschel ete. In Schwartze's Handbuch der Öhrenheilk. I. S. 56. - 7. Ku 0 re ee Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 613 höblenwand durch eine Contraktion dieser Muskeln beeinflusst werden muss. Der rückwärts gelegene Muskel, dessen Fasern von oben nach unten verlaufen, ist am ehesten geeignet, eine Spannung des Trommelfells ins Werk zu setzen, während der eirkulärfaserige Muskel über der oberen Spange des Pauken- rings verläuft (s. Figur 14) und somit erst uach Dehnung des letzteren die Trommelfellspannung beeinflussen könnte. Zu dem die Paukenhöhle in zwei Theile trennenden Septum steht bei den drei niederen Säugethieren die Sehne des Musculus tensor tympani in naher Beziehung; sie ist völlig in dasselbe eingewebt und bildet bei Echidna, dessen Tensor tympani breit und platt ist, sogar einen sehr grossen Theil des Septums, oune dass eine Trennung von sehnigen und bindegewebigen Elementen von einander möglich wäre. Wenn die beiden Abschnitte der Paukenhöhle sich ver- einigen, so kommt, wie es bei Manis schon eingeleitet ist, eine Reduktion des Septums zu Stande. Die Sehne des Tensor tympani bleibt dann allein zurück und wird eventuell von Binde- gewebszügen, welche in ihrer Umgebung von der medialen zur lateralen Labyrinthwand verlaufen, begleitet. So glaube ich das Tensor ligament (Toynbee) und Zanfal-Schwalbe’s Tensorfalte erklären zu dürfen. Mit der besprochenen Zweitheilung der Paukenhöhle darf nicht die Zweikammerigkeit der Bulla ossea bei der Katze verglichen werden. Bei der Katze sind diese zwei getrennten Abtheilungen dadurch gebildet, dass im Os tympanicum, welches zu einem mächtigen Knochen ausgebildet ist, eine knöcherne horizontale Scheidewand besteht. In der oberen Etage der Bulla befindet sich das Trommelfell. Sie ent- spricht demgemäss der unteren Abtheilung bei den drei niederen Säugern und die untere Kammer der Bulla ist einer grossen pneumatischen Zelle am Boden der Paukenhöhle gleich zu er- achten, wie sie in wechselnder Ausbildung auch in dem Keller der menschlichen Trommelhöhle vorkommen. An den bei den Raub- und Nagethieren zur Bulla ent- wiekelten Paukenring erinnert das Os tympanicum des Schuppen- thiers. Ganz kurz wird von Kopetsch!) erwähnt, dass das 1) Kopetsch, Ueber das Foramen iugulare spurium und den Canalis (meatus) temporalis am Schädel der Säugethiere. Inaug.-Diss. Königsberg 1896. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 53, 40 614 R. Eschweiler: Os tympanicum bei Manis aufgetrieben sei. Ich brauche hier nur auf das beim Resume der Serie von Manis Gesagte zu ver- weisen. Im Gegensatz zu dem Verhalten bei der Katze ist jedoch das so ausgedehnte Os tympanicum nicht zur Vergrösserung des pneumatischen Raums der Paukenhöhle verwandt, sondern es birgt in seiner Höhlung ein merkwürdiges Organ, den mit 8 bezeichneten Schwellkörper der Abbildungen. Es wurde schon vorher darauf hingewiesen, dass sein Füllungszustand sowohl das Lumen des äussern Gehörgangs, wie das der Paukenhöhle beeinflussen muss. Ganz besonders bemerkenswerth ist aber sein Einfluss auf die Spannung des Trommeltells. Wenn wir uns den Schwellkörper als geschlossenen Hohl- ring vorstellen, der die proximale Cirkumferenz des Gehörgangs umgiebt, so inserirt das Trommelfell an der der Paukenhöhle zugewendeten Seite dieses Hohlrings.. Durch die Füllung des Schwellkörpers wird nun in folgender Weise die Spannung des Trommelfells verändert. Wenn der Schwellkörper sich mit Blut füllt, so kann er sich nur nach zwei Seiten hin ausdehnen und zwar nach dem Centrum des Gehörgangslumens hin und in die Paukenhöhle hinein ; nach allen andern Seiten hin ist er von Os tympanicum umgeben. Es wird also der Insertionsring des Trommelfells in die Paukenhöhle hinein verschoben und zugleich eoncentrisch verengt, somit das Trommelfell entspannt. Während die Bewegung in die Paukenhöhle hinein zweifellos erfolgen muss, bin ich mir wohl bewusst, dass der Einfluss auf die Spannung der Membran ein unberechenbarer sein wird, wenn die Füllung des Schwellgewebes ungleichmässig erfolgte, oder letzteres in seinen verschiedenen Abschnitten verschieden dehnbar wäre. Am wahrscheinlichsten ist jedoch die Erschlaffung des Trommel- fells bei Erektion des Schwellkörpers. Jedenfalls haben wir in ihm einen Apparat, welcher die Spannung des Trommelfells beeinflusst und in gewissem Sinne einen Tensor tympani ersetzen kann. Nun fehlt aber bei Manis der Musculus tensor tympani, und das verdickte Bindegewebs- polster auf der medialen Labyrinthwand scheint darauf hinzu- weisen, dass ein Muskel hier verloren gegangen ist. Die Stelle, wo sich das Bindegewebe befindet, entspricht der Lage nach genau dem Ursprungsgebiet des Tensor tymp. von Echidna. Aber ein hier befindlicher Muskel würde eine ganz perverse ER Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 615 Funktion ausüben, wie aus den nachfolgenden Betrachtungen hervor- gehen soll. Zur Erläuterung mögen Figur 9, Tafel XXVI, Figur 15, Tafel XXVI, und Figur 18 und 19, Tafel XXVII dienen. Wenn sich der Tensor tympani kontrahiert, so wird bei Ornithorhynchus und Eehidna der Stapes in erster Linie eine Hebelbewegung machen in dem Sinne, dass sein Köpfchen nach unten rückt. Der Drehpunkt liegt dort, wo die Fussplatte den unteren Rand der Fenestra ovalis berührt. Gleichzeitig wird der Steigbügel auch etwas in das ovale Fenster hineingedrängt aus drei Gründen: Erstens liegt der Ursprung des Muskels mehr medial, als die Insertion am Hammer. Zweitens wirkt der Zug des Muskels an einem einarmigen Hebel, an dessen einem Ende der Stapes befestigt ist, und dessen anderes Ende, das Hypomochlion, dort liegt, wo die Pars tensa des Trommelfells in die Pars flaceida übergeht. Dieser einarmige Hebel wird gebildet von dem bis zur Artikulation mit Ambossfortsatz und Stapes gradlinigen Hammer. Der Amboss spielt bei der Con- struktion der Gehörknöchelchenkette eine sehr unwesentliche Rolle, da er nur das hinterste Ende seines Processus posterior nach Art eines Os lentieulare zwischen Steigbügel nnd Hammer einschiebt. Bei der Gradlinigkeit der Kette wird die den Stapes ins Fenster drückende Wirkung des Muskels dadurch gewahrt, dass die Kette als einarmiger Hebel wirkt, dass also Stapes- ansatz und Muskelinsertion über der Drehungsaxe des Hammers liegen. Wenn die Insertion des Tensor tympani unter letzterer stattfindet, so wird der Stapes aus seinem Fenster heraus- gerissen, wenn nicht besondere Vorkehrungen getroffen sind, um das zu verhindern. Beim Menschen liegt der Ansatz des Tensors unter der Drehungsaxe des Hammers, aber der Steigbügelansatz an der Gehörknöchelchenkette liegt noch tiefer, weil letztere geknickt ist. Demnach ist, da die Gehörknöchelehen in toto schwingen, auch beim Menschen ein einarmiger Hebel in Wirkung, dessen Drehpunkt zu oberst liest, dann folgt nach unten von ihm die Insertion des Museulus tensor tympani und noch mehr nach unten der Endpunkt des langen Ambossfortsatzes. Bei Manis nun läge der Ansatz des Tensor tympani dicht unter der Drehaxe des Hammers (Figur 19), also ein Verhalten, welches dem bei höheren Thieren ähnlich ist. Auch die Kette 616 R. Esehweiler: der Gehörknöchelehen ist gekniekt, wobei der Amboss schon eine wesentliche Rolle spielt; aber der Steigbügel ist nicht tief genug gerückt, d.h. der absteigende Schenkel der Gehörknöchelchen- kette ist nicht lang genug, dass Stapes und Muskelinsertion auf dieselbe Seite des Hebels kämen. So würde ein funktions- tüchtiger Muskel bei Manis den Steigbügel aus dem ovalen Fenster herausziehen. Bei Manis sind die bei höheren Säuge- thieren bestehenden Verhältnisse angebahnt, aber nicht zur Durchführung gelangt; die Umbiegung der Gehörknöchelchenkette hat nicht Sehritt gehalten mit dem Herabrücken der Muskelin- sertion, und dem ist der Muskel zum Opfer gefallen. Ob nun die Adduktion des Steigbügels durch das Funktioniren des Schwell- körpers gewahrt ist, konnte auf Grund der Schnittserie nicht ermittelt werden. Die Hebelbewegung des Stapes dagegen, welche als vorzugsweise Wirkung des Tensor bei Ornithorhyn- chus und Eehidna angesehen werden muss, ist garantirt durch den gut entwickelten Musculus stapedius, welcher bei Schnabelthier und Eehidna fehlt. Auf Tafel XXVII ist nur die Sehne des Musculus stapedias in Figur 17 sichtbar. Der Muskel selbst befindet sich iv den rückwärts gelegenen Sehnitten nahe benachbart dem Querschnitt des Nervus facialis. Bei Ornithorhynehus und Echidna ist offenbar der Mus- culus stapedius gar nicht angelegt worden, denn es befindet sich nichts, was als degenerirter Muskel aufgefasst werden könnte. Der Musculus tensor tympani zeigt bei den beschriebenen Thierspecies ein sehr verschiedenes Verhalten. Alle zu Anfang dieser Arbeit als möglich genannten Typen finden sich und zwar: Bei Ornithorhynehus ein zweibäuchiger unmittelbar auch dem Rachen angehöriger Muskel. Bei Echidna der auf einen Felsenbeinbauch beschränkte Muskel. Bei Manis gar kein Tensor resp. ein degenerirter Felsen- beinbauch desselben. Bei Mus ein Tensor tympani, der theils vom Felsenbein, theils von der Tuba entspringt. Bei Felis dom. ein nicht mit der Tuba zusammenhängender Muskel. Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln etc. 61T Ausserdem endlich beim Menschen ein vorwiegend von der Tuba entspringender Tensor tympani. Den Befund beim Schnabelthier darf man wohl als den ursprünglichen ansehen, da sich ja die Paukenhöhle durch Aus- stülpung des Rachenlumens bildet und somit bei Ormnithorhynchus gewissermaassen die unterste Stufe dieser Ausbildung vorhanden ist. Es ist ersichtlich, dass in aufsteigender Entwicklungsreihe — soweit wenigstens die untersuchten Thiere erkennen lassen — keine in einer bestimmten Richtung fortschreitende Entwick- lung des Musculus tensor tympani vor sich gegangen ist. Der Muskel ist sowohl seiner Lage wie seiner Verlaufs- richtung nach in wechselnder Form ausgebildet und zwar werden die Varietäten erstens unter Einwirkung der Trennung von Paukenhöhle und Rachen, zweitens unter Einwirkung der Lage- veränderungen ausgebildet, welche das Gehörorgan zum Rachen und welche die einzelnen Theile des Gehörorgans zu einander erleiden. Wir sehen, wie auf der untersten Stufe ein Theil des Muskels auf das Felsenbein beschränkt ist, ein anderer direkt in den Rachen hineinreicht und mit der Muskulatur, welche an der hinteren Choanenöffnung den Rachen auskleiden hilft, unzer- trennlich zusammenhängt. Der sog. Felsenbeinbauch und der Rachenbauch sind aber nicht differente Theile, von denen der eine dem Rachen, der andere dem Gehörorgan zugetheilt ist, sondern bei der sehr unvollständigen Trennung von Rachen- und Paukenhöhle sind beide als Rachenmuskeln anzusehen, von denen der eine am Felsenbein entspringt, weil dieses unmittelbar an die Rachenwand heranreicht. Wenn sich nun im Lauf der phylogenetischen Entwieklung das Gehörorgan und damit das Felsenbein vom Rachen entfernt, so macht der Felsenbeinbauch die Wanderung mit und wird ganz ins Mittelohr verlegt, wo er nun auf der Labyrinthwand seinen Platz findet; der Rachenbauch dagegen wird in die Länge gezogen, kommt, wie früher bemerkt, in nahe Beziehung zur Tube, welche dem zum Kanal ausgezogenen Eingang in den Re- eessus tympanicus pharyngis entspricht. Diese Beziehung zur Tuba wird der Rachenbauch des Tensor tympani behalten, so lange die Lage der Tuba derart ist, dass ein mit ihr zusammen- hängender Muskel unbeschadet seiner Funktion mit dem am Hammer befindlichen Insertionspunkt verbunden bleiben kann. 618 R. Eschweiler: Bis zu einem gewissen Grade macht also dieser Bauch eine Wanderung der Tuba mit. Wenn aber die Verbindung mit dem Hammer nicht gewahrt werden kann, so degenerirt der Rachen- bauch, der nunmehr Tubenbauch zu nennen ist, und der Felsen- beinbauch tritt an seine Stelle; dieser ist ja von der Lage der Tuba unabhängig. Ein prägnantes Beispiel hierfür scheint mir Echidna darzu- bieten. Hier liegt die Tubenmündung an der lateralen Paukenhöhlenwand nahe dem Trommelfellrande Ein mit der Tube zusammenhängender Muskel müsste demgemäss quer durch die Paukenhöhle, oder über die innere Trommelfellfläche hinweg verlaufen, um seine Insertion am Hammer zu bewerkstelligen. Demgemäss finden wir hier nur den Felsenbeinbauch. Wenn Tuben- und Felsenbeinbauch in Konkurrenz treten, so kommt es zu Verhältnissen, wie sie bei der Maus gefunden werden: ein Felsenbeinbauch empfängt Verstärkungsfasern von der Tuba her. Bei der Katze ist der Zusammenhang mit der Tuba vollständig verloren gegangen. Der Felsenbeinbauch ist ausserordentlich mächtig entwickelt, greift aber noch auf den Theil des Keilbeins über, welcher den Canalis tubarius abschliesst (siehe die osteologische Beschreibung) und verräth somit noch seine verloren gegangenen Beziehungen zum Rachen. Ob die im beschreibenden Theil besprochene Andeutung einer Zwei- bauchigkeit auf eine Vereinigung zweier Muskelbäuche hinweist, glaube ich nicht annehmen zu können. Beim Menschen ist der Felsenbeinbauch fast völlig unter- drückt. Ich sage fast völlig, denn ich halte mit Zucker- kandl!) die Fossa ceochlearis für ein Aequivalent der bei Felis dom. beschriebenen Fossa muscularis maior und die in der Fossa cochlearis entspringenden Fasern für den Rest eines Felsenbein- bauchs. Der Tubenbauch dagegen ist sehr gut ausgebildet und reicht besonders weit nach dem Rachen hin, ja es ist sogar in vielen Fällen nicht nur eine Verbindung des Tensor tympani mit dem Tensor veli palatini durch eine Art Zwischensehne vor- handen, sondern es gehen sogar Muskelfasern aus dem einen Muskel in den anderen über. Es ist das ein Zurückgreifen auf ursprüngliche Verhältnisse, wie es von den untersuchten Thieren 1) Zuckerkandl, Archiv f. Ohrenheilk. Bd. 20, S. 119. Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 619 nur noch bei der Maus gefunden wurde. Auch bei Mus ist zwischen dem von der Tube rachenwärts verlaufenden Muskel (m der Figur21, Tafel XXVII)und dem Tensor tympani (t derselben Figur) ein schmales Bindegewebsbündel D eingeschaltet. Der bei der Katze mit S bezeichnete breite Bindegewebsstreifen entspricht offenbar dem Faserbündel 5 bei Mus; indess findet eine Verbin- dung des ersteren mit dem Tensor tympani nicht statt, indem sich zwischen beide die Tubenmündung einschiebt. Wir sehen demgemäss wie die Lage der Tube, besonders der Tubenmündung zur Paukenhöhle auf die verschiedenartige Ausbildung des Tubenbauchs vom Tensor tympani einen Einfluss ausübt; die Varietäten in der Lage der Tubenmündung aber hängen zweifellos mit den Lage-Veränderungen zusammen, welche die einzelnen Theile der Paukenhöhle erleiden. Die wichtigste dieser Lage-Veränderungen ist die Veschmelzung beider Pauken- abschnitte unter gleichzeitigem Herabrücken der oberen Trommel- höhlenetage. Die Richtung, in welcher diese Verschiebung erfolgt, ist zunächst von oben nach unten. Dadurch rückt der Steig- bügel sammt den Paukenfenstern herab in die Höhe des Trommel- fell. Die Kette der Gehörknöchelchen wird dabei umgeknickt und eventuell so in ihrer mechanischen Funktion verändert, dass die Zugwirkung eines Tensors verändert werden muss, falls nicht eine peverse Aktion derselben zustande kommen soll. Ausser der Verschiebung von oben nach unten hat auch eine solche von vorne nach hinten stattgefunden. Der Steigbügel ist dadurch nicht nur nach unten, sondern auch nach hinten ge- rückt und der ursprünglich nach vorn gelegene Amboss ist mit seinem Körper zwischen Hammer und Steigbügel interponirt. Bei diesen Veschiebungen, zu deren besserer Erkenntniss noch ein genaueres Studium der osteologischen Verhältnisse bei niederen Säugethierspezies nöthig ist, wurde auch im selben Sinne die Tubenmündung verschoben und zwar von unten nach oben und von hinten nach vorne. Aus der Serienbeschreibung ist bekannt, dass bei Manis und Echidna die Tuba am hinteren (kaudalwärts gelegenen) Pol der Paukenhöhle und am Boden derselben einmündet. Bei den höheren Säugethieren und beim Menschen liegt das Ostium tympanieum tubae am vorderen Winkel des Mittelohrs und hoch über dem Boden desselben. Mit dieser Verlagerung des Tubenostiums wird auch innerhalb der 620 R. Eschweiler: vorher normirten Grenzen der Tubenbauch des Tensor tympani verlegt. Als Punetum fixum erscheint stets der Ansatz des Mus- kels am Hammer, wenn auch geringe Verschiebungen der Inser- tion bei der eventuell veränderten Mechanik der Gehörknöchel- chen eintreten. Auch der Felsenbeinbauch kann natürlich Lageverände- rungen unterliegen. Dabei ist er von der Einmündungsstelle der Tuba unabhängig und folgt vielmehr nur etwaigen Drehungen des Felsenbeines, dem er zugehört. Ich glaube indess, dass derartige Vorgänge eine nebensäch- liche Rolle spielen bei der Gestaltung des Musculus tensor tym- pani und dass im wesentlichen zwei Faktoren den Muskel mor- phologisch beeinflussen, nämlich erstens die Coneurrenz von Tuben- und Felsenbeinbauch und zweitens die Dislokation des ersteren, beide bedingt durch osteologische Verschiebungen der einzelnen Abschnitte des Mittelohrs. In einer späteren Arbeit hoffe ich näher darauf eingehen zu können, wie diese Verschiebungen durch die mächtige Entwicklung der Gross- und Kleinhirnhemi- sphären herbeigeführt werden. Die vorliegende Arbeit ist im anatomischen Institut zu Bonn ausgeführt. Herr Geheimrath von la Valette St. George stellte mir in liberalster Weise einen Arbeitsplatz zur Verfügung. Herrn Professor Nussbaum bin ich für seine Anregung und Unterstützung verpflichtet, zugleich auch Herrn eand. med. Schorlemmer für die Anfertigung der beigegebenen mikrophotographischen Abbildungen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVY—XXVII. Tafel XXV. Fig. 1. Nach Zuckerkandl aus dem Archiv für Ohrenheilkunde Bd. XXIII, rechte Kopfhälfte von Ornithorhynchus paradoxus, me- diale Seite. X Schädelhöhle, N Choanenrohr, O Nasenhöhle, PH Pharynx. Fig. 2. Recessus tympanicus pharyngis des Schnabelthiers mit Um- gebung. *ı. ch Choane, oe Oesophagus (losgelöst), r. £. Re- cessus tympanicus pharyngis, z Zunge. Fig. 3. Dasselbe, um eine horizontal-transversale Axe gedreht, um das Ostium attiei zu zeigen. Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. 621 Fig. 4. Dasselbe nach Entfernung der Schleimhaut in der Umgebung des Recessus tympanieus. £ Trommelfellrest, m, m’ Muskel- bäuche. Tafel XXV1. Schnittserie von Ornithorhynchus paradoxus (Fig. 5—9), und Echidna Fig Fig. Fig. Fig. Fig. 0, 11. 13. 14. hystrix (Fig. 10—14). Schnitt 16. a ein durch Abhebung der Drüsen- und Muskel- schicht von der Unterlage entstandener Hohlraum (Kunst- produkt). © Schädelhöhle, D, D’ Drüsen, F' Felsenbein, M. A. E. äusserer Gehörgang, m Muskelfasern, P Paukenhöhle, Ph Pha- rynx, 7Tp Trommelfell, £ erste Fasern des Musculus tensor tym- pani. Schnitt 25. 5b der Raum, welcher die Communikation von Pharynx und Paukenhöhle vermittelt. Sonst dieselben Bezeich- nungen wie vorher. ZL Labyrinth, M Hammer. Schnitt 28. s Sehne des Musculus tensor tympani. Sonst wie oben. Schnitt 58. { Felsenbeinbauch des Tensor tympani. Sonst wie oben. Schnitt 66. J Amboss, St Steigbügel. Sonst wie oben. . Nach Zuckerkandl aus dem Archiv für Ohrenheilkunde Bd. XXIII; linke Koptfhälfte von Echidna hystrix, mediale Seite. X Schädelhöhle, @ Gaumen, 5 Septum nasale, N hinterer Nasenraum, Ph Pharynx, o. ph. t. Ostium pharyngeum tubae. Querschnitt durch die Umgebung der Tuba nahe dem pharyn- gealen Ostium. D Drüsen, f derbes Bindegewebe, m Muskel- bündel, 7’ Tubenlumen. . Schnitt 59 der Serie. F. F. Felsenbein, Z Labyrinth, 2 Lumen, welches dem unteren Abschnitt der Paukenhöhle angehört, m Muskulatur (Längsschnitt), n. f. nervus facialis, N Nische für den Ursprung des Musculus tensor tympani, P/ oberer Absehnitt der Paukenhöhle, PH Pharynx, s Septum der Pau- kenhöhle, T Tuba, 7’ Tubenknorpel, ? erste Fasern des Mus- eulus tensor tympanl. Schnitt 78. J Ambossfortsatz, M Hammer, M. 4. E. äusserer Gehörgang, P unterer Abschnitt der Paukenhöhle, s Sehne des Musculus tensor tympani und Septum der Paukenhöhle, Tp Trommelfell. Sonst dieselben Bezeichnungen wie bei Fig. 12. Schnitt 129. m’ Muskel im Querschnitt. Sonst dieselben Be- zeichnungen wie bei Fig. 12. Tafel XXVI. Manis javanica (Fig. 15—19) und Mus museulus (Fig. 20—25). 15. Gaumenregion eines sagittalen Schädeldurchschnittes !/,. F Felsenbeinkante an der Innenfläche der Schädelbasis, N Cho- »x6, AT. 18; a9. ID | 1O [0 ©) 2, . 80. Eschweiler: Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln ete. anenrohr, o. ph. t. Ostium pharyngeum tubae, p. d. harter Gaumen, p. m. weicher Gaumen, Zons. Tonsille, Z Zunge. Schnitt 16 der Serie. € Raum innerhalb der vom Os squamo- sum gebildeten Schädelwand, D Ceruminaldrüsen, F Felsen- bein, g ein Ganglion, n. f. Nervus facialis, o. ph. Ostium pha- ryngeum (tubae), o. £. Ostinm tympanicum (tubae), P Pauken- höhle, S Schwellkörper, Sq Os squamosum, T Tuba, TK Tuben- knorpel, Ty Os tympanicum. Schnitt 45. f. o. Fenestra ovalis, Z Labyrinth, m Tuben- muskulatur, M. A. E. äusserer Gehörgang, stp Sehne des Musculus stapedius, 7’p Trommelfell. Die sonstigen Bezeich- nungen wie bei Fig. 16. Ansicht von der Umgebung des ovalen Fensters in Schnitt 54 (stärker vergrössert). J Amboss, o. !. Os lenticulare, $Stp. Steigbügel. Die sonstigen Bezeichnungen wie bei Fig. 16 u. 17. Schnitt 84. Cl Schnecke, M Hammer, n Bindegewebslage auf der medialen Paukenhöhlenwand, s Septum der Paukenhöhle. . Schnitt 12 der Serie. B Bulla ossea, Cr Schädelgrund, F Felsenbein(-kante), X Kuppelraum der Paukenhöhle, Z Laby- rinth, M Hammer, P Paukenhöhle, U Unterkieferkopf. . Schnitt 18. 5b Bindegewebe, m Tubenmuskulatur, £ Musculus tensor tympani, 7 Tube, 7p Trommelfell. Die sonstigen Be- zeichnungen wie in Fig. 20. . Schnitt 20. gg Ganglion genieuli, rn. f. Nervus facialis. Sonst wie vorher. . Schnitt 23. k Deckknochen, M. A. E. äusserer Gehörgang. . Schnitt 26. CT Schnecke, s Beginn der Sehne des Musculus tensor t., V Vestibulum. Sonst wie vorher. Schnitt 31. s Sehne des Musculus tensor t.,, Stp Steigbügel. Sonst wie oben. Tafel XXVIII. Felis domestica. . Schnitt 31. F Felsenbein, Z von Drüsen umgebenes Lumen, M Hammer, ? Musculus tensor tympani, P Paukenhöhle. . Schnitt 45. I Amboss, n Nerv des Musculus tensor tympani, Sph Os sphenoidale, © Gefäss. Sonst wie oben. . Schnitt 51. B Bulla ossea, f Processus bullae faleiformis, g Ganglion, mm Rachenmuskulatur, S Sehnenstreifen, 2 geson- derte Muskelportion von Musculus tensor tympani. Schnitt 75. 5 laterales Tubenlumen, %. k Tubenknorpel, wel- cher das mediale Tubenlumen umgiebt, s Bindegewebsstreifen von k k‘ ausgehend. Schnitt 83. %’ Rest des Tubenknorpels, n. f. Nervus facialis, s Sehne des Musculus tensor tympani, 2 Bauch des Musculus tensor tympani, ph Ostium pharyngeum tubae. 623 (Aus dem pathologischen Laboratorium der Universität Turin. Director: Prof. G. Bizzozero.) Ueber die Blutbildung bei der Pricke. Von Maurizio Ascoli. Hierzu Tafel XXIX. Die Ansichten über den Ursprung der rothen Blutkörper- chen (von den frühesten Embryonalperioden abgesehen) sind ge- theilt; zwei Meinungen sind besonders vertreten: auf der einen Seite wird ihre Entstehung durch Umwandlung von Leucoeyten behauptet, auf der anderen ihre Abstammung von anderen, prä- existirenden rothen Blutkörperchen angenommen. Eine feste Grundlage erhielt letztere Ansicht durch den für mehrere Klassen der Wirbelthiere geführten Nachweis einer Ver- mehrung der Erythroeythen durch Mitose, und diese Thatsache giebt uns das Recht jede andere Annahme zurückzuweisen, sofern sie nicht durch ganz unanfechtbare Belege gestützt erscheint. Neumann und Bizzozero gebührt das Verdienst, diesen Nachweis, was die Säugethiere anbelangt — unabhängig von einander —, geliefert zu haben; sie stellten fest, dass sich, beim erwachsenen Individuum, die Vermehrung der rothen Blutkörper- chen im Knochenmark localisirt, und dass man in diesem junge, gekernte Erythrocythen, sowie Bilder indirecter Theilung der- selben vorfindet. Im Laufe weiterer Untersuchungen kamen Bizzozero und Torre!) zu folgenden Ergebnissen: „a) Bei allen erwachsenen Wirbelthieren findet eine fort- währende Neubildung rother Blutkörperchen durch indireete 1) Bizzozero und Torre, Ueber die Entstehung der rothen Blutkörperchen bei den verschiedenen Wirbelthierklassen. Virchow’s Arch. f. path. Anatomie Bd. 95. 1884. 624 Maurizio Asecoli: Theilung der vorhandenen jugendlichen Formen rother Blutkör- perchen statt. b) Bei allen erwachsenen Wirbelthieren sind specielle Or- gane vorhanden, welche als Herde zu betrachten sind, in welchen die Bildung neuer rother Blutkörperchen vorzugsweise von statten geht. Als solche Organe fungiren: bei den Säugern, den Vögeln, den Reptilien und den schwanzlosen Amphibien das Knochen- mark, bei den geschwänzten Amphibien die Milz; bei den Fischen ausser der Milz auch noch jenes Iymphoide Parenchym, welches bei ihnen einen mehr oder weniger grossen Theil der Niere einnimmt. c) Bei den niederen Wirbelthieren (Reptilien, Amphibien und Fischen) zeigt das eireulirende Blut diejenige Eigenthümlich- keit, die es im embryonalen Zustande bei allen Wirbelthieren aufweist: es enthält nämlich eine grössere oder geringere An- zahl junger rother Blutkörperchen und in indireeter Theilung begriffener Formen; aber beiderlei Elemente finden sich stets in bedeutend kleinerer Menge als in den Organen, welche bei den betreffenden Thierordnungen als Bildungsstätte der rothen Blut- körperchen dienen. d) Dieser Nachklang sozusagen des Embryonalzustandes des Blutes wird viel mehr ausgesprochen bei Thieren, welehe wiederholten Blutentziehungen unterworfen wurden, und wird da- gegen undeutlicher oder schwindet gänzlich unter denjenigen Be- dingungen (Mangel oder Unzulänglichkeit der Nahrung, Gefangen- schaft u. dgl.), welche eine Abnahme der allgemeinen Thätig- keit des Organismus mit sich bringen.“ Ueber die Blutbildung bei den Cyelostomen standen —- meines Wissens — bis vor kurzer Zeit Beobachtungen aus, bis auf eine Mittheilung von Bizzozerot), welche feststellte, dass bei der Larve von Petromyzon im Iymphoiden Gewebe der Spiral- falte des Darmes beständig Leucocyten in den verschiedenen Stadien der Karyokinese anzutreffen sind, weshalb die genannte Spiralfalte als hämatopoetisches Organ aufzufassen ist. Neuerdings hat sich Dr. E. Giglio-Tos mit diesem Gegenstande ausführlich in zwei Arbeiten „Ueber die Blutzellen 1) Bizzozero, G., Sulle glirand. tubul. del tubo gastro-euter. Nota V, Atti R. Accad. Sceiense Torino. 1892, Ueber die Blutbildung bei der Pricke. 625 der Prieke“!) und „Ueber die Blutbilduug bei der Pricke*?) — welch’ letztere sich jedoch auf ihr Studium bei der Larve (ammocoetes branchialis-Querder) beschränkt — beschäftigt. Auf Grund dieser Untersuchungen behauptet Verf. die Abstammung der rothen Blutkörperchen von einer speciellen Art Leucoeyten (Erythroblasten) und giebt eine Beschreibung ihrer Umwandlung in Erythrocythen im Iymphoiden Gewebe der Spiralfalte; des weiteren giebt er an, in den zahlreichen beobachteten Präparaten keine Mitose rother Blutkörperchen getroffen zu haben und schliesst daraufhin geradewegs eine Vermehrung derselben aus. Er äussert sich diesbezüglich wie folgt!) (S. 13): „Die eireulirenden Erythroblasten vermehren sich nie durch indireete Theilung; viel- leicht, aber selten durch direete Theilung. Die Erythrocythen vermehren sich nie.“ Betreffs der Leucocyten kommt Dr. Giglio- Tos, unter anderen, zu diesem Schlusse!) (S. 22): „Die Leuco- blasten (farblose Zellen, von welchen nach seiner Meinung die Leucocyten abstammen) vermehren sich (im Kreislaufe) durch direete Theilung, nie durch indireete.“ Später in der zweiten Arbeit?) (S. 16) sagt er: „Diese Elemente (Mutterzellen, hämo- eytogene Zellen, Erythroblasten und Leucoblasten) theilen sich durch Mitose, solange sie sich im Strome der Spiralfalte befinden.“ Dar- aus geht hervor, dass sich die Leucoblasten nach dem V. in verschiedener Weise vermehren, je nachdem sie noch in den Maschen des Parenchyms liegen oder frei im Blute eireuliren. — In den Leucoeyten findet er nur eine amitotische Theilung des Kernes, ohne darauffolgende Theilung des Zellleibes. Der Umstand, dass nach Giglio-Tos bei den Neunaugen die Blutbildung in einer Weise von Statten geht, welche von der bei den anderen Wirbelthieren nachgewiesenen abweicht, liess eine Nachprüfung seiner Befunde wünschenswerth erscheinen. Thatsächlich haben seine Angaben die Aufmerksamkeit des Zoolog. Centralblattes auf sich gelenkt, welches in dem Referate über die erstgenannte Arbeit!) keinem besonders günstigen Urtheile zuzuneigen scheint. Auf Anregung des Herrn Prof. Bizzozero — welchem 1) Giglio-Tos E., Sulle cellule del saupre della lampreda. Accad. Reale d. Science di Torino. 1895/96. 2) Giglio-TosE., L’ematopoesi nella lJampreda. Accad. Reale d. Scienee di Torino. 1896/97. 626 Maurizio Aseoli: ich sowie auch seinem Assistenten Dr. Sacerdotti für ihre wohlwollenden Rathschläge meinen herzlichen Dank ausspreche — habe ich das Studium der Herkunft der Blutelemente von Petro- myzon Planeri wieder aufgenommen. Ich muss an dieser Stelle hervorheben, dass ich bei diesen Untersuchungen die Vorsicht gebrauchte, mich nieht auf das Studium von Präparaten zu beschränken, die von Thieren stammten, die, wie die gewöhnlich auf dem Markte vorkommenden, schon seit einigen Tagen gefischt, darauf kürzere oder längere Zeit in der Gefangenschaft verweilt hatten; es ist unter solchen, von ihrer gewöhnlichen Lebensweise wesentlich abweichenden Verhältnissen anzunehmen, dass der Stoffwechsel so zarter Thiere herabgesetzt und die an diesen gebundenen Processe nicht mehr so leicht zu studiren sind. Ich dehnte deshalb meine Nachfor- schungen auch aufsolche Thiere aus, die ich soeben eingefangen hatte und fixirte auf der Stelle das ihnen entzogene Blut oder Gewebsstücke, oder ich brachte das ganze Thier in die Fixations- flüssigkeit. Meine Nachforschungen bezogen sich zu allererst auf die Larve und waren zunächst auf das interstitielle Gewebe der Niere gerichtet. Die mit Hämatoxylin gefärbten Präparate des in Zenker’scher Flüssigkeit fixirten Organs zeigen uns — wie aus der Figur 1 der Tafel XXIX hervorgeht — Bilder in- direeter Theilung in den Leucoeyten, welche in grosser Anzahl in den Maschen des zwischen den Nierenkanälchen eingeschaltenen Iymphoiden Gewebes eingeschlossen sind. Diese Verschmelzung eines secernirenden Organs mit einem Iymphoiden umgiebt huf- eisenförmig den Darm. Die angedeuteten Formen sind an den freien Enden dieses Hufeisens besonders zahlreich; je mehr wir uns dem Mittelstücke nähern, um so spärlicher werden Iymphoide Substanz und Nierenkanälchen, indem sie allmählich durch Fett und ge- wöhnliche Blutgefässe ersetzt werden. Das Vorkommen dieser Theilungsvorgänge ist constant; sie werden manchmal in so grosser Zahl angetroffen, dass ich his 4 in einem Beobachtungs- felde (homog. Imm. Reichert !/,,, Oc. 4) zählen konnte. Dar- aus können wir also den Schluss ziehen, dass dieses Iymphoide Gewebe an der Produktion der Leucocyten betheiligt ist. Nach Feststellung dieser Thatsache wandte ich mich dem Studium des eireulirenden Blutes zu. Ich fertigte nach der ge- Ueber die Blutbildung bei der Pricke. 627 bräuchlichen Methode Deckglastrockenpräparate an, die ich nach Nikiforoff in einer Mischung von Alkohol und Aether zu gleichen Theilen fixirte; die Färbung geschah durch Hämato- xylin. Auch eine oberflächliche Besichtigung dieser unter den oben erwähnten günstigen Verhältnissen erhaltenen Präparate lehrt, dass die Blutzellen der Gegenstand einer lebhaften Regene- ration sein müssen; dies beweisen : der verschiedene Hämoglobin- gehalt der einzelnen Blutkörperchen; das Vorkommen einer an- sehnlichen Zahl junger Erythrocythen (die man daran erkennt, dass sie aus einem verhältnissmässig grossen Kerne bestehen, den eine dünne Zone hämoglobinhaltigen Protoplasmas umgiebt); endlich das constante Vorkommen in Mitose begriffener Formen. Da es sich um junge Erythrocythen handelt, deren Hämo- globingehalt manchmal spärlich ist, bediente ich mich, um ihre Verschiedenheit von den Leucoeyten besser hervortreten zu lassen, der Doppelfärbungen mit Hämatoxylin-Eosin, Hämatoxylin-Pikrin- säure, der Methode von Foä und der dreifachen Färbung mit Hämatoxylin, Rubin und Helianthin nach Kultschitzky. Bei der grösseren Affinität der rothen Blutkörperchen zu Eosin und Pikrinsäure kann man sie bei diesem Vorgehen mit Leucocyten _ keineswegs verwechseln; mit der Methode von Foäa (Fixirung in 1°/, Osmiumsäure, Färbung in verdünnter Methylenblaulösung (3°—4‘) — darauf 5° in einer 1°/, Chromsäurelösung) nehmen die Erythroceythen einen smaragdgrünen Ton an, ihre Kerne sind blau, jene der ungefärbt bleibenden Leucocyten violett. Auch mit der Methode von Kultscehitzky erhielt ich gute Resul- tate; die Erythrocythen treten in ihrer rothen Färbung deutlich hervor; die Leucoeyten sind gelb oder orange gefärbt. In der Figur 2, 3, 4 sind einige in indireeter Theilung begriffene rothe Blutkörperchen aus nach den eben erwähnten Methoden erhaltenen Präparaten wiedergegeben; die Art ihrer Färbung stellt die Eigenthümlichkeiten der Erythrocythen in ein klares Licht. Um mich bei der Art und Weise der bei den Neunaugen gebräuchlichen Blutentnahme zu vergewissern, dass diese Theilungsbilder sicher aus dem eireulirenden Blute stammen und nicht irgendwie aus den Gewebsmaschen herausgetreten sind, bediente ich mich feiner, nach den erwähnten Methoden gefärbter 628 Maurizio Aseoli: Querschnitte des in Zenker’scher Flüssigkeit oder ın Sublimat- Kochsalzlösungen fixirten Thieres; ihr Studium zeigte mir eben- falls rothe Blutkörperchen in den verschiedenen Stadien der Karyokinese; die Figur 5 und 6 stellen ihrer zwei, im Lumen von Kiemengefässen sich befindend, dar. Aber nicht nur die rothen, auch die weissen Blutkörperchen vermehren sich im Kreislaufe durch indirecete Theilung, eine Eigenschaft, welche die Neunaugen mit anderen Klassen der Wirbelthiere gemeinsam haben; dafür liefern die Bilder sich mitotisch theilender Leucocyten Belege, denen ich im Studium verschiedener Präparate begegnet bin, und deren eine die Figur 7 darstellt; auch hier bestätigte die Controlle an Querschnitten ihre Anwesenheit im Innern der Blutgefässe. Diesen im Frühjahr und Sommer ausgeführten Unter- suchungen, in welchen Jahreszeiten im Koth der Gewässer, wo die Neunaugen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nur Querder zu finden sind, liess ich im Winter solche über das erwachsene Thier folgen, um zu prüfen, ob bei diesem die Blutbildung in derselben Weise vor sich geht. In den untersuchten Exemplaren fand ich — in Ueberein- stimmung mit der Zeit meiner Beobachtungen und dem Ent- wickelungseyclus dieser Art — die Bauchhöhle von Eiern, | respective Samen erfüllt, mit einer entsprechend allmählich fort- schreitenden Reduktion des Darmes und der Niere, in denen der Iymphoide Theil bis zum gänzlichen Schwunde atrophirt. Nun geht, nach der Meinung der Mehrzahl der Autoren, Petromyzon Plaueri nach vollendetem Fortpflanzungsgeschäfte unter, und man darf wohl die erwähnten Atrophien, sowie die von mir in anderen Organen beobachteten regressiven Ver- änderungen mit dieser Aufopferung des Individuums zur Erhaltung der Art in Zusammenhang bringen. Obwohl nun die Intensität des Stoffwechsels durch die auseinandergesetzten Bedingungen bedeutend beeinträchtigt sein muss, gelang es mir nichtsdestoweniger, wiewohl freilich nur selten, Karyokinesen (auch im Lumen der Blutgefässe) sowohl an rothen als an weissen Blutkörperchen aufzufinden. Einige derselben habe ich aufgenommen und sind dieselben in der Tafel wiedergegeben. Ich muss jedoch bemerken, dass ich in einem Falle einer massenhaften Anzahl in indireeter Theilung u PU ee u Ueber die Blutbildung bei der Pricke. 629 begriffener Leucoeyten begegnete; dieser Befund, den ich als Leukämie zu bezeichnen mich versucht fühle, war so auffallend, dass man ohne Mühe Gesichtsfelder mit 10—15 Mitosen auf- finden Konnte. Daraus geht also hervor, dass beim erwachsenen Thiere die Blutbildung auf derselben Weise wie bei der Larve erfolgt. Sie vollzieht sich in einer Weise, die sich nicht wesentlich von der bei anderen Wirbelthieren beobachteten unterscheidet und kann als die niedrigste Stufe der verschiedenen bei der Evolution der Blutbildung beobachteten und sich allmählich eomplieirenden Processe angesehen werden. Eine Localisation in besonderen Organen hat nur für die Leucocyten statt. Das eirculirende Blut, dessen Bedeutung bei der Bildung der rothen Blutkörper- chen bis zum völligen Verschwinden abnimmt, je mehr wir uns den höheren Wirbelthieren nähern, ist bei den Neunaugen die wichtigste Bildungsstätte der Erythrocythen. Da nun jedoch von mehreren Seiten noch an den Theorien festgehalten wird, nach welchen die rothen Blutkörperchen von Leucocyten abstammen, sei es mir im Anschluss an obige Unter- suchungen erlaubt, an die Schlussworte des Prof. Bizzozero im Anhange zur angeführten Arbeit zu erinnern, umsomehr als sie den oben ausgeführten Verhältnissen ganz angepasst er- scheinen. Nachdem er die verschiedenen Hypothesen über die Herkunft der rothen Blutkörperchen geprüft und einer eingehenden Kritik unterzogen, drückt er sich folgendermaassen aus: „So lauten die Ergebnisse der direeten Beobachtung, und sie scheinen mir den Schluss zu rechtfertigen, dass bisher keine andere Vermehrungsweise der rothen Blutkörperchen, als nur die dureh indireete Theilung, mit der in der Wissenschaft erforder- liehen Strenge erwiesen worden ist. Was man sonst über andere Entstehungsweisen schreibt, sind blosse Hypothesen; zu solchen würde man nur dann seine Zuflucht nehmen müssen, wenn das Produkt der Theilung ungenügend erschiene die täg- liehen Verluste zu decken, welche das Blut an rothen körperlichen Elementen erfährt. Indessen sind wir zur Zeit ausser Stande, dieses Verhältniss zwischen Produktion und Verbrauch der rothen Blutkörperchen zu prüfen, indem wir keine Mittel besitzen, die Zahl der täglich untergehenden und die der täglich produeirten Blutkörperehen zu bestimmen. In dieser Hinsicht liegen jedoch Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 53, 41 630 Maurizio Aseoli: einige Thatsachen vor, welche die Richtigkeit der indirecten Theilung beweisen.“ Diese Thatsachen, die ich mich hier kurz zusammenzufassen beschränke, sind: „Die bedeutende Zahl, in welcher die karyokinetischen Formen auch unter normalen Bedingungen angetroffen werden; die Geschwindigkeit, mit welcher die Theilung erfolgt: der constante Wechsel der Zahl der karyokinetischen Ele- mente, je nach dem grösseren oder geringeren Bedarf des Orga- nismus nach rothen Blutkörperchen ; der Umstand, dass von den ersten Phasen des Embryonal- lebens an es keine Lebensperiode giebt, wo die Karyokinesis der rothen Blutkörperchen fehlt.“ Und schliesst folgendermaassen: „Nachdem ich auf diese Weise die Intensität und Con- tinuität des Theilungsprocesses der rothen Blutkörperchen beim erwachsenen Thiere festgestellt habe, kann und will ich — das mag hier wiederholt werden — keineswegs ausdrücklich die Möglichkeit ausschliessen, dass die genannten Elemente, den oben besprochenen Hypothesen gemäss, vielleicht auch noch auf anderen Wegen entständen. Ich weiss nur zu gut, dass in den Beobachtungswissenschaften die strenge Begründnng einer Negation unmöglich ist. Indessen glaube ich, dass es zu nichts führt, weiter von diesen Hypothesen zu reden, so lange ihre Vertreter nicht die Nothwendigkeit derselben erwiesen, oder doch besser überzeugende Gründe zu dessen Gunsten vorgebracht haben werden, als sie es bisher gethan haben.“ Jetzt, wo der Beweis des beständigen Vorkommens der indireeten Theilung bei den rothen Blutkörperchen der Neun- augen geliefert ist, sind die angeführten Worte auch für sie vollständig giltig. Die Hypothese von Giglio-Tos über die Abstammung der Erythroeythen von farblosen Erythroblasten ist nicht nöthig; seine Behauptungen, dass sich die Erythroeythen nie und die weissen Blutzellen nieht im Kreislauf durch indireete Theilung vermehren, sind nicht bestätigt. Die auseinandergesetzten Untersuchnngen rasch übersehend, gehen aus denselben folgende Schlüsse hervor: „Bei der Prieke findet die Bildung sowohl der weissen, als auch der rothen Blutkörperchen durch indireete Theilung a Ueber die Blutbildung bei der Pricke. 631 entsprechender Formen junger, weisser und rother Blutkörper- chen statt; ausser der schon von Bizzozero in der Spiralfalte er- wiesenen Vermehrung der Leucocyten ist eine solche durch Mitose im Iymphoiden Gewebe der Niere und im Kreislaufe anzutreffen ; die Formen indirecter Theilung rother Blutkörperehen habe ich nur im eirculirenden Blute angetroffen.“ Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX. Die Fig. 1, 3, 6, 7, 3 sind mit der homog. Imm. Reichert Y/ıs, Oeul. Nr. 2 beobachtet; die Fig. 2 u.5 mit demselben Obj., Ocul. Nr. 4. Fig. 1. Querschnitt aus Petromyzon-Niere. Zenker’sche Fixirungs- flüssigkeit; a rothes Blutkörperchen, b Leucocyt in Mitose begriffen, «€ Nierenkanälchen. Fig. 2, 3, 4. Deckglastrocken-Präparate von Blut von Petromyzon- Larven; a rothes Blutkörperchen sich durch Mitose theilend, b weisse Blutkörperchen. ‚6. Querschnitte von Petromyzonlarven aus der Gegend der Kiemengefässe; a Endothel der Kiemengefässe, b sich thei- lende rothe Blutkörperchen. Deckglastrocken-Präparat von Blut einer Petromyzonlarve; a rothes Blutkörperchen, b Karyokinese eines Leucocytes. Fig. 8. Erwachsenes Petromyzon; a rothes Blutkörperchen, b und e Leucocyten, alle 3 in Mitose begriffen, aus Deckglastrocken- Präparaten; d rothes Blutkörperchen, in einem weiten Kiemen- gefässe beobachtet, sich durch Mitose thbeilend (aus einem Schnitte aus einem in Zenker'’scher Flüssigkeit fixirten Stücke). Ei gg [S}1 = (7 -] 632 (Aus dem I]. anatom. Institut zu Berlin.) Die obere Trigeminuswurzel. Von Dr. Michael Terterjanz. Hierzu Tafel XXX. In der Anatomie des Centralnervensystems knüpft sich an dieobere Trigeminuswurzel, Radix descendens der Autoren, eine vielfach erörterte und verschieden beantwortete Frage betreffend sowohl die Ursprungszellen dieser Wurzel als auch die peripherische Verbindung derselben. Es erschien demnach angezeigt, mittelst neuer Untersuchungen diese Frage einer befriedigenden Lösung entgegenzuführen, und übernahm ich es auf Anregung von Prof. Waldeyer, dem ich an dieser Stelle verbindlichsten Dank sage, diese Untersu- chungen anzustellen. Ich zerlege das zu behandelnde Thema in zwei Theile: I. Die Ursprungszellen der absteigenden Quintus- wurzel; wir fragen hier nach der morphologischen Bedeutung und dem Typus der so charakteristischen „blasigen“ Zellen. II. Die bislang nur auf Vermuthung sich stützende periphe- rische Verbindung der oberen Trigeminuswurzel im Gaumen mit dem Musculus tensor veli palatini (vielleicht auch mit dem Mus- eulus tensor tympani). Wir werfen hier die Frage auf, ob dieser Muskel von den genannten oberen Quintusfasern thatsächlich innervirt wird, und welche Beweise wir eventuell dafür haben. I. Ueber die morphologische Beschaffenheit der Ursprungszellen der &beren Trigeminuswurzel. Wir kennen heute sicher den centralen Verlauf der abstei- senden Trigeminuswurzel im Mittelhirn, ihre topographischen Lagebeziehungen zu den benachbarten Organen und schliesslich ihre Verbindung mit den bekannten „vesienlösen* Ursprungszellen, Die obere Trigeminuswurzel. 633 welche im centralen Höhlengrau, an dessen lateralem Rande, ihren Sitz haben. Die vordere (kleinere, motorische) Quintuswurzel, Portio minor, indem sie zusammen mit der grossen sensiblen Wurzel, Portio major, in die Brückenmasse von unten dorsal-median- und rückwärts ein- tritt, beschreibt anfangs einen unbedeutenden Bogen, mit der Con- vexität nach vorne gewandt. Man sieht sie in dieser Lage in mehrere Fascikel ausstrahlen, welche aisbald zu ihrem motorischen Zellterrito- rium sich begeben. Es ist das der untere motorische Quintuskern !), der unter dem lateralen Winkel des vierten Ventrikels tief vom Locus eoeruleus ventralwärts eingelagert ist. Eine nähere Besprechung dieses motorischen Hauptkernes und der mit ihm in Beziehung stehenden Faserbündel liegt nicht in unserer Absicht. Aus dem Innern der Varol’s-Brücke, da, wo gerade die moto- rischen Bündel mit der breiten Fasermasse der sensiblen Trigeminus- wurzel zusammenkommen, treten Faserzüge hervor, welche, von unten nach oben und vorn und ein klein wenig lateralwärts durchziehend, umbiegen, wobei sie in diesem Verlaufe einen nahezu ellipsoiden Bogen beschreiben. Diese Faserzüge, indem sie unterhalb des Klein- hirnschenkels durchpassiren, kreuzen sich spitzwinklig mit der von oben herabkommenden Faserausstrahlung des Corpus restiforme und begeben sich so nach vorn in den Winkel des vierten Ventrikels, zu der oberhalb vom Locus coeruleus liegenden Substantia ferruginea. Es ist dies der untere Abschnitt der absteigenden Quin- tuswurzel?), welche hier in dem genannten lateralen Winkel zu einem starken kompakten Faserbündel sich zusammenschliesst, beziehentlich von hier aus distalwärts in Zügen ausstrahlt. Diese Verhältnisse kann man in den gewöhnlichen Schnitt-Präparaten leicht finden. Henle (13) und Forel (8) kommt das Verdienst zu, diesen Verlauf der oberen Quintuswurzel auf der eben geschilderten Strecke klargelegt zu haben. Henle (13) liess aus dem lateralen Winkel der grauen Substanz, wo die Substantia ferruginea liegt, drei Faserzüge ausstrahlen, von denen der eine, äussere, nach distaler Umbiegung oberhalb des motorischen Hauptkernes (Nucl. masticatorius) direkt in die motorische Wurzel, Portio minor, eintritt; der zweite, mittlere, 1) Motorischer Trigeminuskern, oberer Trigeminuskern von Stilling (26), Trigeminuskern von Stieda (23), Nucleus trigemini von Henie (13), Noyau moteur ou masticateur von Duval (4), moto- rischer Trigeminuskern von W. Krause (14). 2) Aeussere Quintuswurzei yon Meynert (17), aufsteigende oder obere sensible Trigeminuswurzel von W. Krause (14), untere Ab- theilung der centralen Bahn des Trochlearis von Stilling (26), Troch- learis von Deiters (6) und Stieda (24), trophische Wurzel des Trige- minus von Merkel (19), vordere oder obere Trigeminuswurzel von Henle (13). 634 Michael Terterjanz: Faserzug zieht bogenförmig zum motorischen Hauptkern, wo er sich zum Theil in den Kern selbst einsenkt, zum Theil jedoch wieder in die motorische Wurzel, Portio minor, übergeht. Was das dritte, innere Faserbündel anbelangt, so sah er dies merkwürdiger Weise nach hinten durchziehen, gradlinig unter dem Boden des vierten Ventrikels; wohin, blieb unbekannt. Auch eine weitere Frage wurde lange Zeit discutirt, nämlich die, ob die gesammten oberen Wurzelfasern des Quintus sich ausschliess- lich in die kleinere motorische Wurzel fortsetzen, oder ob sie auch noch Faserzüge in die sensible Wurzel schicken. Diese Frage war offenbar von principieller Wichtigkeit, sowohl in anatomischer als auch in physio- logischer Beziehung; es haben auch fast alle Forscher bei der Unter- suchung der Verhältnisse des Trigeminus ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt. Indessen sind die Meinungen über diese Streitfrage noch ausserordentlich verschieden. Henle (13), der sich zuerst mit der alten Stilling’schen Darstellung (untere Abtheilung der centralen Bahn des Trochlearis von Stilling (26)) vertraut gemacht hatte, liess die fraglichen centralen Wurzelfasern sammt den kugelförmig aussehenden Ursprungszellen mit den Nerven des vierten Paares zusammenhängen und bezeichnete sie als „hintere Trochleariswurzel“; er hat sich aber später in der zweiten Auflage seiner AnatomieMeynert(17, 18) angeschlossen und die Zugehörigkeit dieser Wurzelfasern zum Trigeminus anerkannt. Er beobachtete, wie bereits erwähnt, zwar den Uebergang der abstei- senden Quintuswurzel in den motorischen Wurzelstamm, äusserte sich aber nicht bestimmt in Betreff einer partiellen Verbindung mit der sensiblen Trigeminuswurzel, während die meisten Autoren — Forel (8), von Kölliker (15), Ramön y Cajal (21), van Gehuchten (10), Obersteiner (20), Schwalbe (22), Lugaro (16) — eine vollständige Verbindung der absteigenden Trigeminuswurzel mit der motorischen Wurzel des Quintus, Portio minor, behaupten, wenn auch die Ansichten der genannten Forscher über die Natur der Axeneylinderfortsätze, so- wie über die Gestaltung der Ursprungszellen des hier in Frage ste- henden Nervenstranges nicht dieselben sind. Anderer Ansicht sind Mey .nert (17,18), Merkel ({19), W. Krause (14) und Bechterew (2). So zum Beispiel sind Krause’s Beobach- tungen mit denen der oben angeführten Forscher zwar insofern über- einstimmend, als sie die Art und Weise des centralen Faserverlaufes betreffen; auch der histologische Bau der nervösen Fortsätze ist von ihm richtig gesehen worden: sie sind dick und doppelcontourirt. Allein er lässt die starken, doppelteontourirten Axencylinder aus bipolaren Zellen abstaımmen, also aus Zellelementen, welche ihrer Form nach sensiblen entsprechen. So heisst es nach ihm: „aufsteigende oder obere sensible Trigeminuswurzel, welche in den sensiblen Hauptstamm des Quintus eintritt.“ Merkel’s (19) Angaben über die morphologischen Verhältnisse { Die obere Trigeminuswurzel. 635 der absteigenden Quintuswurzel stimmen im allgemeinen mit denen Krause'’s (14) überein. Die eigenthümlich blasigen Zellen sind nach ihm bipolar, die absteigenden Nervenfasern hielt er für sensorisch und liess sie insgesammt der sensiblen Trigeminuswurzel sich bei- mischen. Merkel (19) ging aber noch weiter, und glaubte selbst eine peripherische Verbindung der oberen Quintuswurzel mit dem Ram. ophthalmieus auf physiologischem Wege nachweisen zu können. Er stellte auf Grund seiner Versuche!) eine eigene Theorie auf und reclamirte die absteigenden Quintusfasern als „die trophische Wurzel des Trigeminus“, eine Auffassung, welche alsbald von Eckhard (7) und zuletzt von von Kölliker (15) in Zweifel gezogen wurde. Ins- besondere aber widersprachen dieser Erklärung die physiologischen Versuche von Duval und Laborde (Journ. de l’Anat. et de la Phys. 1879, S. 512) (5). Meynert (17, 18) ist von den älteren Autoren derjenige ge- wesen, welcher die obere Quintuswurzel in ihrer wahren Zugehörig- keit entdeckte und somit die ferneren Beobachtungen in die richtige Bahn leitete. In der That liessen sich ja alle Forscher bis dahin von der Stilling'schen Auffassung führen, indem sie diesen Faserstrang als dem Trochlearis zugehörig ansahen (untere Abtheilung der centralen Bahn des Trochlearis von Stilling (26), Trochleariskern und -Wurzel von Stieda (23,24) und von Deiters (6); auchvon Kölliker und Henle?), waren bis zu Meynert’s Entdeckung derselben Ansicht, haben aber nachher sich Meynert angeschlossen). Heute, nachdem die wiederholten Untersuchungen von Forel (8, Huguenin (12), vonKölliker (15), Henle (13), van Gehuchten(10,Ramön y Cajal (21), Seh walbe (22), Krause (14, Obersteiner (20), Merkel (19) und anderer zu Gunsten von Meynert’s Angaben aus- gefallen sind, kann man die Frage nach der Zugehörigkeit der oberen Quintuswurzel als erledigt ansehen. Einen besonderen Nachdruck verliehen noch dieser Thatsache die interessanten an Maulwürfen vorgenommenen Versuche von M. Duval (4), welcher experimentell nachwies, dass der Patheticuskern in keiner Weise mit dem des oberen Trigeminus zusammenhängt, wenigstens bei diesen Thieren nicht, welche nur rudimentäre Augen besitzen: das Trochlearisgebiet ist bei diesen Geschöpfen klein, mit spärlichen Zellen versehen und für sich vollständig abgeschlossen, während der obere Trigeminuskern gut entwickelt hervortrat. Gegen- wärtig besteht unter den Autoren fast kein Bedenken mit einziger Ausnahme von Golgi (9), der die alte Stilling sche Ansicht noch 1) Unvollständige Durchschneidung der sensiblen Trigeminus- wurzel bei Kaninchen, welche Ernährungszerstörungen im Bulbus zur Folge hatte [Merkel (19). 2) Anmerkung: Stieda (23). 636 Michael Terterjanz: auf das entschiedenste vertheidigt; von dieser Sonderstellung Golgi’s wird weiter unten noch die Rede sein. In Bezug auf die Herkunft der absteigenden Trige- minuswurzel giebt Meynert (17) folgende treffliche Darstel- lung: „Schon in dem oberen Zweihügel schliesst das centrale Höhlen- grau, ausser der medial gelegenen Ursprungsmasse motorischer Nervenwurzeln, auch eine lateral gelegene sensoriscehe Bahn ein, nämlich Quintuswurzeln. Diese entspringen hier am äussersten Saum des Grau um den Aquaeducetus Sylvii von Häufchen grosser blasenförmiger Zellen von 60 u Länge und 45—50 u Breite (Figur 249 V) und formiren nach und nach eine Kette von Bündel- querschnitten, welche der Aussenseite des diekwandigen Rohres der Wasserleitung in einen flachen Bogen geordnet, anliegen (Figur 250 und 251,99: So hat Meynert (17) die Herleitung der absteigenden Quintus- fasern in ihrer wahren Situtation richtig erkannt; er stellte aber, wie man sieht, fälschlich die Vermuthung auf, dass die Ursprungszellen des oberen Quintusnerven sensorisch seien und dass die sämmt- lichen absteigenden Wurzelfasern, in drei Faserausstrahlungen herab- ziehend, in die sensible Trigeminuswurzel eintreten sollten. Er betrachtete somit die absteigenden Wurzelfasern als einen Bestandtheil seiner äusseren, grossen, sensorischenQuin- tuswurzel und unterschied dieselben im unteren Abschnitte des intracerebralen Verlaufes folgendermassen in drei Faserabtheilungen: 1) Die äussere, absteigende Quintuswurzel, welche aus den blasenförmigen Ursprungszellen des oberen Zweihügels ent- springt. 2) Die mittlere, absteigende Quintuswurzel; diese leitete er aus der Substantia ferruginea her, und es sollten diese Fasern einwärts zur Raphe unter Kreuzung durchziehen und in die Portio major Trigemini der entgegengesetzten Seite übertreten. 3) Die innere Faserformation sollte nach Meynert’s Vermuthung aus den Längsbündeln der vorderen Brückenabtheilung (in Form von Fibrae rectae) hervorgehen. Die beiden letzten Fasersysteme sind durch die Untersuchungen von Forel (8) und Huguänin (I2) in Abrede gestellt worden. Dass aber Faserzüge aus der Substantia ferruginea dem absteigenden Quintus sich zugesellen, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Meynert (17,18) hat den Verlauf seiner äusseren, ab- steigenden Faserabtheilung richtig beschrieben. Sie steigt in der That, wenn man eine Reihe von frontal gelegten Schnitten be- trachtet, im vorderen Vierhügel in ventral verlaufenden Bogenbündeln zur Mittellinie unterhalb des Fasciculus longitudinalis posterior, die untere Peripherie des rothen Haubenkernes durchziehend, herab und begiebt sich hinter der fontainenartigen Kreuzung nach jenem seit- lichen Winkel des Aquaeductus, wo sie in Q@uerschnittsebenen eine u a Gl ee ee Die obere Trigeminuswurzel. 637 Kette von bogenförmig angeordneten Querbündeln darstellt. Weiter medullarwärts formirt sich dieser Querbündelschnitt anfangs halbmond- förmig und schliesslich in der unteren Gegend, wo die Substantia ferruginea liegt, zu einem runden kompakten Faserbündel, welches alsbald, nach einer kleinen Umbiegung, in breiter Form zur Austritts- ebene hinströmt. Meynert (17) behauptete, wie bereits erwähnt, eine Ver- bindung der absteigenden Quintuswurzel mit der sensiblen Trigeminus- wurzel. Diese Vermuthung Meynert' beruht, wie gesagt, auf Irrthum; er ging offenbar von dem Gedanken aus, wie er in seiner Abhandlung „Ueber die Bestandtheile der Vierhügel ete.* ausdrücklich hervorhob, dass diese Ursprungszellen des Quintus denen der Spinal- ganglien ihrer Form nach nahe stehen. Meynert sagt: „Da die Grösse der Zellen ihre motorische Natur nicht erweist, wie schon das bekannte Beispiel vom Acusticus- kern und nieht minder die Grösse der Zellen in den Spinalganglien darthut, so wird auch Gewicht auf ihre sonstige Gestaltung zu legen sein. Die Zellen, von denen die Rede ist, unterscheiden sich sehr von der Gestalt, der man in den Vorderhörnern des Rückenmarkes und z. B. im Hypoglossuskerne begegnet. Dort ist der Körper der Zelle verhältnissmässig klein, und seine Oberfläche geht in eine sich nicht plötzlich verdünnende Basis der Fortsätze über.“ „Anders bei den Spinalganglienzellen, wo die Fortsätze in so unvermitteltem Uebergang an die Zellenkörper stossen, wie der Stroh- halm an die Seifenblase. Mit diesem Verhältnisse der Theile stimmen nun die grossen Zellen überein, von denen aus der seitlichen Ecke des grauen Bodens Quintusfasern entstehen, und welche in Häufchen den inneren Rand der hinteren Trochleariswurzel Stilling’s in deren Verlaufe begleiten. Ein drittes Moment, das sie von den als motorisch festgestellten Zellen unterscheidet, ist ihre Armuth an Fortsätzen, sie nähern sich demnach durch Grösse, Gestalt und Zahl der Fortsätze den sensorischen Zellen der Spinalganglien.“ So gestalten sich aber die Verhältnisse der Zellen, wie wir sehen werden, durchaus nicht. Auch liessen meine Untersuchungen, wie ich schon kurz hier angeben will, keinerlei Verbindung der oberen Quintuswurzel mit der grossen sensiblen Quintuswurzel wahrnehmen und stimme ich hierin mit Ramön y Cajal (21), von Kölliker (15), van Gehuchten (10), Forel (8) und Lugaro (16) überein. Es existirt also weder eine vollständige Verbindung des absteigenden Quintusnerven mit der grossen sensiblen Trige- minuswurzel, wie Meynert (17, 18), Merkel (19), Krause (14) und Andere annahmen, noch eine partielle, wie Bech- 638 Michael Terterjanz: terew (2) es will; gegen die Anschauung Bechterew’ er- klärt sich neuerdings auch Dr. Bregmann (1), ein Schüler von Obersteiner, in einer Ärbeit, wo der Verfasser Beweise liefert, welche auch eine partielle Verbindung entschieden wider- legen. Kein Anderer aber hat so präeise die richtige Natnr der absteigenden Quintusfasern klargelegt wie Ramön y Cajal (21), dessen Angaben ich deshalb nicht ohne Erwähnung vor- übergehen lassen darf: schon aus dem Grunde nicht, weil seine Beobachtungen uns auf Eigenthümlichkeiten der absteigenden (Quintusfasern aufmerksam machen, welche ein Interesse für die physiologische Beziehung erwecken. Nach der Beobachtung des spanischen Forschers nimmt die Zahl der Axencylinderfortsätze des oberen Quintus in ab- steigender Richtung zu; sie sind anfangs diek, werden aber nachher etwas dünner. Während ihres Verlaufes geben diese Axencylinder eine oder zwei feine Collateralen ab, welche zwi- schen den Ursprungszellen sich verzweigen. Der ganze ab- steigende Faserstrang mischt sich schliesslich in Bündeln mit dem motorischen Trigeminuskern (Nuel. masticatorius), unter Abgabe von zahlreichen Collateralen, welche daselbst zwischen den Zellen endigen und somit eime wichtige Verbindung her- stellen. Auch Lugaro (16) beobachtete dasselbe Verhältniss. Die meisten Axeneylinder senden nach Ramön y Cajal (21) zwei bis vier sich wiederholt verzweigende Collateralen aus, während andere sich nur in zwei nahezu gleiche Aeste theilen, sobald sie das Zellenterritorium des Kaukernes erreichen; der eine Ast tritt in den Kaukern ein und der andere geht in die motorische Trigeminuswurzel über. Diese Collateralen verlassen niemals das Gebiet des betreffenden Kaukemes, erfahren also keine Kreuzung in der Raphe. Ramön y Cajal (21) misst dieser morphologisehen Thatsache grosse Bedeutung bei, indem er sagt: „Nach unserer Meinung hat diese im ihrer Art einzige Stellung der motorischen Collateralen, die wir in den Facialis-, Oculomotorius- und Hypo- glossuswurzeln nicht gefunden haben und die man sehr selten in den vorderen Rückenmarkswurzeln findet, eine sehr grosse Bedeutung für die Erklärung der Rolle der Collateralen in der nervösen Leitung. Könnte man nicht die vollkommene Gleich- N Die obere Trigeminuswurzel. 639 zeitigkeit der Bewegungen der vier Kaumuskeln dadurch erklären, dass die anfängliche Willenserregung, welche der Kern der ab- steigenden Wurzel aufnimmt, sich unvermeidlich sowohl in die Zellen dieses Kernes als auch in die des Hauptkernes fortpflanzt, und zwar vermöge dieser Collateralen? Diese und andere Bei- spiele bringen uns zu der Ueberzeugung, dass die motorischen Collateralen und vielleicht diejenigen aller Axencylinder die Auf- gabe haben, die von einer Zelle oder von einer kleinen Zellen- gruppe empfangene Erregung allen den anderen Elementen des- selben Kernes oder einer grösseren Gruppe derselben Art, in einem anderen Theile der grauen Substanz gelegen, zu über- mitteln. Demzufolge würde die nervöse cellulifuge Bewegung, die anfangs nur schwach ist, lawinenartig wachsen, je nach der Anzahl von Neuronen, die berührt werden und ihr Maximum beim Austreten der motorischen Wurzel erreichen. Wenn die Willenserregung nur auf einen bestimmten Muskel oder Nerven sich zu übertragen hat, so sind die Collateralen sehr spärlich oder bleiben ganz aus; dies ist der Fall in den Kernen des Hypoglossus und des Ocumolotorius. In solchen Fällen wird die Zahl der bei der Erregung in Thätigkeit gesetzten Zellen von der Anzahl der Fasern, welche der motorische Kern vom Pyra- midenbündel empfängt, oder von der Ausdehnung ihrer Veräste- lungen abhängig sein.“ Wenn ich nun zu meinen eigenen Untersuchungen übergehe, so komme ich, dem vorhin aufgestellten Plane gemäss, zuerst zu der Frage nach der morphologischen Beschaffenheit der Ursprungszellen desoberen Quintuskernes, welehe ihrer Form nach von den Autoren als „vesieulös“, „blasig aufgetrieben“ gekennzeichnet worden sind. Bezüglich dieser Frage sind die Ansichten der Autoren getheilt: Während Deiters (6), Stieda (23, 24, 25) und Golgi (9) diese Zellen fürmonopolarhalten, behaupten andere (Merkel (19), Krause (14)), dass die fraglichen Zellen bipolar seien, wobei einer von den zwei Fortsätzen den nervösen Axencylinder darstellen solle. Auch nach den Angaben von Lugaro (16) und Ramön y Cajal (21) sollen die Zellen des oberen Quintuskernes bald mit einem, bald mit zwei Fort- sätzen versehen sein. Gegen diese Ansichten erklärt sich nun neuer- dings entschieden von Kölliker (15), indem er diese Zellen als poly- 640 Michael Terterjanz: polare ansieht. Er stützt sich auf ein Carminpräparat vom Menschen, welches grosse polypolare Ganglienzellen an der betreffenden Stelle zeigt. Hierzu bemerkt er, dass „die Grösse der Zellen, die Dicke der Axeneylinderfortsätze, der Anschluss an die Portio minor und die Un- möglichkeit einer andern Deutung“ für seine Ansicht sprächen. Die Grösse der Zellen hält er allerdings für wenig massgebend. In kurzen Worten ausgedrückt, sind diese polypolaren nervösen Elemente nach Kölliker’s Meinung motorische Zellen, von denen die abstei- senden Wurzelfasern des Quintus entspringen. Der Darstellung Kölliker’s schloss sich van Gehuchten (ll) an. Dieser Forscher fand bei 1 Tag alten Forellen, „que les cellules globuleuses de&cerites dans le cerveau moyen des mammiferes existent aussi dans le systeme nerveux central des poissons osseux. Elles y sont situces dans l’extr&mite anterieure du lobe optique.“ Weiter unten sagt van Gehuchten (11): „Les cellules globuleuses voisines de la racine superieure du trijumeau sont done, chez la truite, monopolaires ou bipolaires. Elles sont pourvues de prolongement eylindraxile. L’existence de prolongements protoplasmatiques A ces cellules vesieuleuses me£rite d’etre relevee d’une facon sp£ciale. Elle enleve toute valeur a l’ob- jeetion formulee par Golgi contre la theorie de la polarisation dyna- mique des el&ments nerveux.“ Ferner verfolgte er den Verlauf der Axencylinder, welche, unter Abgabe von kurzen Collateralen, nach aussen sich biegen und in die peripherische Wurzel des Trigeminus übergehen. Mit wenigen Worten sagt van Gehuchten (11) in seiner Schlussbetrachtung: „Le faisceau de fibres nerveuses appel&@ par les auteurs „racine superieure du nerf trijumeau“, appartient done en realite, au moins chez la truite, au nerf de la einquieme paire. Cette racine superieure constitue une racine motrice. Cette conclusion importante est en pleine concordance avec les previsions de Kölliker.“ Seit dieser Zeit hat sich Niemand weiter mit dieser Frage be- schäftigt. Ich nahm die Untersuchungen in weiterem Umfange an höheren Säugethieren wieder auf, zunächst an Kaninchen, Ratten, Katzen, Mäusen, Meerschweinchen und Hunden, schliesslich auch am Menschen. Dabei bediente ich mich folgender Methoden: 1. Der Chrom-Silberbehandlung (langsame Methode Golgi’s). Hierauf kam es hauptsächlich an, weil keine andere, als die Silberfärbung in günstigen Fällen die Ausläufer der Nerven- zellen in so eklatanter Weise hervorbringt. 2. Der Weigert-Pal’schen Hämatoxylinfärbung. 3. Der üblichen Carminfärbung. ke A Die obere Trigeminuswurzel. 641 4. Der Methylenblaufärbemethode nach Nissl. 9. Der Chrom-Osmiumbehandlung nach Marchi. Die Thiere, an denen ich meine Untersuchungen anstellte, waren verschiedenen Alters. Ich wählte besonders jüngere Objekte, weil die Silberimprägnation gerade an solchen am besten gelingt. Die vorzüglichsten Silberpräparate lieferten mir drei Hunde, vier Tage alt, eine neugeborene Katze und ein erwach- senes Meerschweinchen, zwölf Monate alt. Bei einer weit grösseren Anzahl von embryonalen sowie erwachsenen Thieren, inclusive acht menschlichen Embryonen, gab mir das zu behandelnde Gehirnstück, die Vierhügelregion mit der Medulla oblongata, kein günstiges Resultat. Nur dieser Theil des Gehirns scheint gegen die Silberfärbung sich so spröde zu verhalten, ein Umstand, welcher auch von Kölliker und Golgi aufgefallen ist. Das Verfahren der mit gutem Erfolge behandelten Objekte war in der üblichen Weise durchgeführt worden. Von den drei erwähnten Thieren — Hunden, Katze und Meerschweinchen — war bei dem letzteren die Silberimprägnation am besten gelungen, so dass sie nichts zu wünschen übrig liess. In der That waren die sämmtlichen Zellengruppen des Mittel- hirnes vom oberen Ende der Vierhügelregion an medullarwärts bis an das verlängerte Mark von der Silberlösung getroffen. Da aber nicht immer alle Zellen einer und derselben Gruppe sich imprägniren, was häufig zu beobachten ist, so vermochte ich auch nicht schwarz gefärbte Nervenzellen im oberen Quintuskerne zu sehen, wo sie als grosse kugelige Zellen neben den gut imprägnirten am Rande des dieken Mittelhirnrohres hervortraten. Diese Eigenthümlichkeit hielt ich der Erwähnung für werth. Bei dem Studium meiner Präparate suchte ich mir nun be- züglich des Verhaltens der oberen Quintuszellen folgende Fragen zu beantworten: l. Wie sind die blasigen Ursprungszellen der absteigenden Quintuswurzel in Wirklichkeit beschaffen, und wie ist die allge- meine Situation derselben in ihrem Kerne? 2. Besitzen die sämmtlichen blasenförmigen Zellen der ab- steigenden Quintuswurzel Protoplasmafortsätze, und wie gestalten sich dieselben ? 3. Wie verhalten sich die Axencylinder dieser Elemente 642 Michael Terterjanz: anfangs im Gebiete ihres Kernes, d.h. welche Richtungen neh- men die Axeneylinder, gemäss der zerstreuten Anordnung der Zellen, im Ursprungsniveau, bevor sie die longitudinale Bahn nach hinten einschlagen ? 4. Welches sind die weiteren morphologischen Eigenthüm- lichkeiten dieser Zellen in Betreff ihrer Gestalt, Grösse und in- neren Structur? 5. Wie stellen sich die Ansichten der Autoren über die Mono- und Bipolarität der fraglichen Zellen in Anbetracht dieser Ergebnisse ? Wie die Ergebnisse meiner Golgi- und sonstigen Präpa- rate auf das Klarste zeigen, sind die Ursprungszellen der Radix descendens sammt und sonders polypolar. Eine An- zahl von 43 gut imprägnirten Schnitten, welche sieh auf die Gegend zwischen der Austrittsebene des Quintus bis tief in die vorderen Erhebungen der Corpora quadrigemina hin erstrecken, überzeugen uns von der Richtigkeit dieser Thatsache. Hierzu gebe ieh zwei Schnitte, aus verschiedenen Theilen ent- nommen, naturgetreu abgebildet, in Figuren 1 und 4 wieder. Figur 1 stellt einen Frontalschnitt aus dem hinteren Zwei- hügel dar. Die Sylvische Wasserleitung, Ag, ist vom centralen Höhlengrau umrahmt, welches hier in grosser Ausdehnung mehr auf der basalen Seite des Kanales gelagert ist. Es treten, be- reits in Bündel formirt, die hinteren Längsbündel, Flp, auf. Die Bindearme, Brcj, liegen an diesem Präparate ventral vom Quin- tus, sieh: einwärts in der Brücke zur Mittellinie hin schiebend. Ihre Fasermasse ist bereits hier in Entbündlung begriffen. In der Mitte der beiden Erhebungen sind die Kerne der hinteren Zweihügel, NQp, deutlich zu sehen, an deren Aussenseite die Bündel der lateralen Schleife, Zml, verlaufen; ein Faserzug der Schleife umfasst jeden Kern von unten und innen, so dass die beiden Nuclei, N@Qp, in ihrer Lage vollständig eingekapselt er- scheinen. Die absteigenden Faserbündel des Quintus, Vd, befinden sich, hier annähernd halbmondförmig geordnet, an dem bekannten seitlichen Winkel, lateral vom Aquaeduetus Sylvii und unter- halb der oben erwähnten Kerne des hinteren Vierhügelpaares. Ein ziemlich rundliches Querschnittsfeld, ventral und ein klein wenig einwärts von den Quintusfasern gelegen, stellt die centralen Die obere Trigeminuswurzel. 645 Trochlearisfasern, /V, dar, welche hier quer getroffen erscheinen. Es ist dies in dieser Querschnittsebene diejenige Stelle, wo die Faserbündel des vierten Paares mit denen der absteigenden Trigeminuswurzel sich kreuzen; sie erfahren hier eine Krüm- mung nach unten, um dann parallel mit dem Aquaeduetus sylvii weiter zu verlaufen. Man kann beobachten, wie gewisse Faserzüge des Quintus aus der unteren Partie umbiegen und um das Querschnittsfeld des vierten Nerven herum nach unten in der Brücke zur Austrittsebene ausstrahlen. Wir sehen ferner in Figur 1 die Zellen der substantia ferruginea abgebildet, sf; sie liegen dicht oberhalb des Bindearmes und zum Theil ziemlich weit lateral von den oberen Quintusfasern, wenigstens in diesem Schnitte und bei diesem Thiere (Meerschweinchen), weil die Bindearme hier bedeutend rascher vorrücken. Da ich auch an den Zellen der Substantia ferruginea einige neue Beobachtungen zu machen in der Lage war, und da diese Zellen zu der absteigenden Quintuswurzel in Beziehung treten, wie es von Meynert (17), Cramer (3) und Ober- steiner (20) richtig dargestellt ist, so muss ich auf diese Formation näher eingehen. Um aber den Gang der Betrachtung nicht zu unterbrechen, gebe ich dies Kapitel erst nach Abschluss der Darstellung über die absteigende Quintuswurzel. Verfolgen wir nun die Ursprungszellen der Radix descendens welche wir als polypolar bezeichnet hatten, weiter, und be- sprechen ihre Lagerung im Bereiche des Kernes. Diese Zellen begleiten den absteigenden Quintusstrang fast ununterbrochen in seinem intracerebralen Verlaufe vom vorderen Vierhügel an bis zum unteren motorischen Trigeminuskerne; sie bilden in ihrer Gesammtausdehnung kein abgeschlossenes einheit- liches Zellenterritorium, sondern zerfallen vielmehr in zahlreiche kleme Heerde, wenn ich mich so ausdrücken darf. Doch halten wir in unserer Betrachtung daran fest, dass wir ein gemeinsames Ursprungsgebiet vor uns haben. Die Zahl der Zellen nimmt in caudaler Richtung zu. Die Zellen liegen an den absteigenden Fasern zerstreut, bald lateral, bald medial von ihnen; sie treten in Nestern von 3 bis 5 Zellen oder ganz vereinsamt auf; so ist 644 Michael Terterjanz: das allgemeine Bild dieser Zellensäule, wie wir es an Frontal- sehnitten kennen lernen. Die Anordnung der Zellen auf einem Querschnitte lässt sich bei näherer Betrachtung als eine dreifache Lagerung auf- fassen, welchem Umstande ich grosse Bedeutung beilege. Wir haben einmal die innere, mediane Zellenlage am äusseren Rande des centralen Graues einwärts von den queren Durch- schnitten der Faserbündel der absteigenden V-Wurzel („Quer- bündelsehnitt“ wollen wir dies kurz nennen); dann diejenigen Zellen, welche mitten zwischen den Fasern im Querbündel- schnitte selbst eingestreut liegen, und endlich eine äussere Schicht von Zellen, welehe lateral vom Q@uerbündelschnitte angeordnet sind. Ich hebe die drei Lagerungsstätten der Zellen aus dem Grunde hervor, weil von ihnen auch die anfängliche Richtung der Axeneylinder abhängig ist. Auf dieses Verhalten werden wir noch zurückkommen. Was die weitere Situtation dieses Ursprungsgebietes anbe- langt, so können wir noch folgendes angeben: Die Zellen sind in der Mehrzahl dieht am medialen Rande des Querbündels gelagert; einzelne liegen auch in der grauen Masse zerstreut. Man beobachtet diese Erscheinung noch auffälliger in den Präparaten aus der vorderen Region, wo die Zellen am äusseren Rande des Grau median vom Bündelquer- schnitte in einer bogenförmigen Reihe nahezu gleichmässig sich ordnen. Je weiter man zur Thalamusregion kommt, desto weiter dorsalwärts rücken die Zellen ; sie erreichen ihren höchsten Punkt im Niveau der hinteren Commissur, wann das centrale Höhlen- grau bereits die Sylvische Wasserleitung vollständig einge- schlossen hat. Auch hier in dieser Höhe findet man die Ur- sprungszellen einzeln liegen. Es ist dies in der Gegend der vorderen Corpora quadrigemina, wo das centrale Höhlengrau seine grösste Ausdehnung erreicht. Wir wenden uns zu der zweiten Frage. „Besitzen sämmtliche blasige Zellen Protoplasmafortsätze und wie gestalten sich diese ?* Die Zellen des absteigenden Quintuskernes sind an den nach Golgi behandelten Meerschweinchenpräparaten mit zahl- reichen Protoplasmafortsätzen versehen; nur sehr wenige Zellen machten an diesen Präparaten eine Ausnahme: sie blieben über- Die obere Trigeminuswurzel. 645 haupt ganz ungefärbt zwischen den gut imprägnirten Elementen, und man konnte dann sehr deutlich ihre kugelige und blasig aufgetriebene Gestalt erkennen. Die nach Niss| und mit Alauncarınin gefärbten Präpa- rate von einem Kaninchen, einer Katze und Maus zeigten ab und zu ebenfalls grosse polypolare (multipolare) Ganglien- zellen; sie waren jedoch an den Carminpräparaten in grösserer Zahl als an den Nissl’schen sichtbar. In Figur 53 gebe ich einen nach Niss]l behandelten Schnitt. Carminpräparate wurden von mir nicht abgebildet, weil Kölliker (15) bereits ein solches vom Menschen gegeben hat. Die Figur 3 stellt einen Querschnitt aus der vorderen Vierhügel- region von einer erwachsenen Katze dar. Es ist gerade die Gegend, wo die beiden Oculomotoriuskerne auf dem ganzen Schnitte getroffen waren. In der Abbildung sind sie, da nur ein kleines Stück gegeben wurde, nicht zu sehen. Die Ursprungszellen der Radix descendens befinden sich dicht an dem quergetroffenen V-Faserbündel und zum Theil etwas einwärts im centralen Grau. Unter den vielen kugeligen Zellen sehen wir einige mit deutlich ausgeprägten protoplasmatischen Ausläufern, die bald, etwas weiter von den Zellen entfernt, sehr blass wurden; doch beweisen sie uns trotzdem nicht minder überzeugend die Multipolaritä. Einige Zellen zeigen sich in der blasenförmigen Gestalt. Es ist ja auch klar, dass die Zellen, wenn sie im Schnitte so gefasst werden, dass gerade kein Fort- satz mit getroffen ist, rundlich erscheinen müssen. Somit dürfen wir wohl behaupten, dass fast die sämmtlichen Ursprungs- zellen der Radix descendens protoplasmatische Aus- läufer besitzen, wenigstens bei reifen Individuen. Anders ist es bei den jüngeren Thhieren und solchen im embryonalen Zustande; es dürfte hier eine Abweichung bestehen, wie die Untersuchungen von Ramon y Cajal (21) und Lugaro (16) lehren; auch meine Silberpräparate von drei viertägigen Hunden weisen den Unterschied auf. Ueber die Art der Gestaltung der protoplasmatischen An- hänge kann man noch folgendes hinzufügen. Während die Fortsätze der Zellen bei den jüngeren Ob- jeeten im wesentlichen kurz und grob erscheinen, treten dieselben beim erwachsenen Thiere vollständig entwickelt hervor. Bezüg- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 53 42 646 Michael Terterjanz: lich dieser Verhältnisse können uns die in Figur 1 mit a und a‘ bezeichneten Zellen zur Genüge überzeugen und ebenso diejenigen, welche in Figur 4 mit db und 5b‘ markirt sind. Die Zellen der Figur 4, von denen hier die Rede ist, liegen meist am Rande des centralen Grau; sie setzen sich bogenförmig dorsalwärts bis zur hinteren Commissur der Corpora quadrigemina fort. Der in Figur 4 abgebildete Schnitt stammt aus dem vor- deren Vierhügelpaare eines Meerschweinchens.. Unterhalb der Sylvi’schen Wasserleitung, an den hinteren Längsbündeln Flp, liegen die Zellen des Ocolomotoriuskernes, N/II. Die Wurzel- fasern des Oculomotorius, //Z, treten bereits in Zügen nach aussen aus. Ventral kommen die rothen Kerne der Haube zum Vorschein; an der dorsolateralen Seite der grauen Substanz ist der linke Kern der vorderen Vierhügel, N@a, angegeben. Es finden sich noch im Grau selbst, ziemlich einwärts, nahe der Innenfläche des Aquaeductus Sylvii, grosse multipolare Ganglienzellen, welche in mehreren Schnitten zu beobachten waren. Hier sind sie mit %& bezeichnet; diese Zellen dürfen nicht zu den Ursprungszellen der Radix descendens mitgerechnet werden, sie stehen höchst wahrscheinlich mit den Zellen des centralen Höhlengraukernes im Zusammenhange, welcher sich weiter cerebralwärts fortsetzt. Die eigentlichen Zellen des absteigenden Quintus sind hier in Figur 4 am Rande, etwas nach innen und mehr lateral von ihm und zwischen den Fasern eingelagert. Berücksichtigen wir nun besonders die protoplasmatischen Anhänge der fraglichen Zellen, so finden wir folgendes: sie sind bald diek, bald äusserst fein; sie verlaufen in der Umgebung der Zellkörper ganz unregelmässig nach verschiedenen Richtungen hin, wenigstens bei den meisten, wie man es sonst an typischen motorischen Zellen zu beobachten gewohnt ist. Diese Fortsätze verzweigen sich wiederholt. Oft sieht man mächtige Aeste nach der Peripherie hin zwischen den Zellen des Kemes der Zwei- hügel eingehen, nicht selten aber auch nach innen in die graue Substanz verlaufen. Bei der genaueren Beurtheilung der Ausläufer und der Zellgestalt dürfen wir auf zwei Formen dieser Elemente aufmerksam machen: die eine Form stellen Zellen dar von grossem, mehr oder wenig rundlichem Zellleibe mit zahlreichen, Die obere Trigeminuswurzel. 647 langen, sich wiederholt verästelnden Anhängen; sie sind in allen Schnitten in der Mehrzahl vorhanden. Die zweite Zellform, der man in den Schnitten hier und da begegnet, unterscheidet sich durch einen auffallend kleineren Zellkörper, der vollständig kugelig erscheint; ihre Fortsätze sind nicht zahlreich, verhältnissmässig kürzer und am Zellleibe nahezu radiär angeordnet. Die beiden Zellformen sind in Figur 2 natur- getreu und vergrössert abgebildet. Die Zelle (A) stellt die erste Form dar; sie stammt aus der Figur 1 und ist die daselbst links mit a. bezeichnete Zelle, welche sich durch ihre Grösse und Gestalt von den übrigen unterscheidet. Die zweite Form (B) stellt eine Zelle aus Figur 4 dar, welche im Grau, ziemlich nahe am Rande, mit bx gekennzeichnet ist. Der Axeneylinder- fortsatz der Zellen erster Art ist sehr leicht zu finden, und ich habe ihn in mehreren Schnitten an vielen Zellen beobachtet, während er bei den Zellen zweiter Art in keinem Falle zu sehen war; er schien mir vermutblich noch zu fehlen, wie bei solchen Zellen, welehe noch nicht vollkommen entwickelt sind. Als besondere Merkmale möchte ich hervorheben: die Anhänge sind bei diesen Zellen entweder einfach oder in zwei — drei feine Aestchen getheilt; sie sind anfangs eine Strecke lang diek und am Zellleibe radiär geordnet, bevor die feineren Aestehen von den diekeren Ausläufern abgehen. Mit Bezug auf die weitere Frage, „welche Richtungen die Axencylinder des absteigenden Quintus im Niveau ihres Ursprungsgebietes nehmen“, lässt sich folgendes aussagen: Bis jetzt nahm man an, dass die Axeneylinder sich zum Aquaeductus Sylvii hin wendeten; sie sollten dann umbiegen und sich den longitudinal verlaufenden Fasern zugesellen; so hiess es wenigstens für die bipolaren Zellen im Sinne Merkel’s und Wikrause’s. Meine Beobachtungen bringen mich jedoch zu der Ueber- zeugung, dass die anfänglichen Richtungen der Axen- eylinder von der topographischen Lagerung der Nervenzellen selbst abhängen; und dem entsprechend lassen sich dreierlei Richtungen erkennen. Wenn die Zellen der Radix descendens am Rande des centralen Grau angeordnet sind, so nehmen die Axeneylinder 648 Michael Terterjanz: derselben eine peripherische Richtung: sie verlaufen nur eine kurze Strecke bis zum Bündelquerschnitte und überschreiten niemals dessen Rand nach der Peripherie hin, sondern biegen sofort in die longitudinale Bahn der Gesammtfasern um. Liegen die Zellen aber zwischen den Fasern des Wurzel- bündels selbst, so findet man ihre Axeneylinder sofort distal, gleichsinnig mit dem Verlaufe der Wurzelfasern gerichtet. Anders wieder ist es bei den Zellen, welche sich auf der peripherischen Seite des Bündelquerschnittes befinden; hier be- obachten wir in der That die Richtung der Axeneylinder median- wärts zum Wurzelbündel, bezw. zum Aquaeductus Sylvii hin. In diesem Falle durchsetzen ab und zu die Axeneylinder den Querschnitt der V-Wurzel; sie wenden sich aber bald nach hinten und vereinigen sich mit den übrigen Fasern. In den Figg. 1 und 4 kann man sich über das Gesagte zur Genüge orientiren. Als vierte Frage waren die weiteren Eigenthümlichkeiten, die Grösse und die innere Structur der Ursprungszellen der Radix descendens Quinti zur Discussion gestellt worden. Die Grösse dieser Nervenzellen schwankt zwischen 40—80 u. Ihrer Gestalt nach kann man zwei Formen unterscheiden, wie wir bereits besprochen und in Figur 2 dargestellt haben. Was die innere Structur anbelangt, so sieht man zunächst im Proto- plasma um den grossen hellen Kern die groben Nissl'schen Schollen; dann kann man dazwischen noch äusserst feine Körn- chen wahrnehmen. Wie die Hämatoxylinpräparate nach Weigert und auch die Osmiumpräparate deutlich zeigen, ist das Proto- plasma der Ursprungszellen der oberen Quintuswurzel sowie das der Zellen der substantia ferruginea fein pigmentirt. Bei jüngeren Thieren ist das Pigment schwachgelb und meist nur spärlich ; dunkler nüaneirt und reichlicher ist es bei Erwachsenen. Die inenschlichen Zellen scheinen überhaupt auffallend stärker pig- mentirtzu sein; das Pigment war in den Zellen eines erwachsenen Menschen fast dunkelbraun. Ich bemerkte ferner eine Eigenthümlichkeit an einem Hä- matoxylinpräparate (Weigert) eines Hundes: in den hier blasig aussehenden Nervenzellen war das gelbbraune Pigment fast bei sämmtlichen Zellen an einem und denselben, nach der Peripherie zu gewandten Pole gelagert. Die Zellen waren am äusseren Die obere Trigeminuswurzel. 649 Saume des centralen Grau angeordnet. Obwohl dies nur in einem Schnitte zu sehen war, so glaube ich doch nicht, dass diese Erscheinung auf pathologische Ursachen zurückzuführen sei. Vielleicht wäre diese Pigmentlage bei normalen Nervenzellen mit den Axeneylinder-Ursprüngen in Zusammenhang zu bringen, d. h. an der Stelle, wo die Axeneylinder von den Zellen aus- gehen, würde sich vielleicht auch das Pigment ansammeln und eventuell auch eine funktionelle Bedeutung haben. Doch, wie gesagt, war dies Verhalten nur in einem Präparate zu sehen; in den übrigen Fällen habe ich das Pigment bald an dem einen, bald an dem anderen Zellpole vorgefunden. Am Schlusse dieses anatomischen Absehnittes meiner Arbeit sehe ich mich veranlasst noch einmal auf Golgi’s abweichende Ansicht zurückzukommen, denn bei der grossen Bedeutung der Golgi’schen Arbeiten ziemt es sich, sobald man eine abweichende Ansicht zu vertreten hat, dieselbe nach allen Riehtungen hin wohl zu begründen. Wir haben gesehen, dass Golgi (9) behauptet, die soge- nannte obere Quintuswurzel gehöre in keiner Weise dem Trige- minus an, sondern dem Trochlearis, wie es Stilling (26) zu- erst dargestellt hatte. Golgi (9) beruft sich einerseits auf seine speciellen Untersuchungen und andererseits auf die Angaben hauptsächlich von Deiters (6), welcher schon im Jahre 1865 diese Zellen genau studirt hat. Aus der ganzen Darstellung Golgi’s kommen hier drei Hauptpunkte in Betracht: a) Die Zugehörigkeit der Radix descendens quinti zum Trochlearis, b) der monopolare Charakter der Ursprungszellen, c) der Einwand, welchen Golgi (9), gestützt auf das scheinbare Fehlen der protoplasmatischen Fortsätze, gegen die dynamische Polarisationstheorie von Ramön y Cajal und van Gehuchten erhebt. Den ersten Punkt anlangend, darf ich dem Gesagten nur so viel hinzufügen, dass keiner, der den intracerebralen Faser- verlauf unseres Nervenstranges an lückenlosen Reihenschnitten verfolgt hat, eine andere Einsicht gewinnen wird, als ich sie hier vertreten habe. Auf Grund meiner Untersuchungen kann ich nur auf dem bestehen, was bereits von Kölliker (15), Lugaro(16), van Gehucehten (Il)undRamön y Cajal 650 Michael Terterjanz: (21) sicher festgestellt haben, dass nämlich diein Rede stehende Nervenwurzel dem Trigeminus an- gehört. Treffend sagt vonKölliker(15): „Nur beiläufig erwähne ich, dass Golgi die Zellen, die durch Meynert zuerst mit Recht als der Radix descendens quinti angehörig er- kannt wurden, dem Trochlearis zuschreibt, eine Ansicht, von deren Unriehtigkeit Serienschnitte ihn bald überzeugen werden.“ Der zweite Punkt, worauf es uns hauptsächlich ankommt, ist die Monopolarität der blasig aussehenden Nervenzellen. Golgi begeht meines Erachtens einen Irrthum, indem er das isolirte Vorkommen einer Zellenkategorie im Centralorgane des Nerven- systems behauptet, das Vorkommen von Zellen mit nur einem einzigen Fortsatze; es soll dieses, ihm zufolge, grosse Bedeu- tung haben. Golgi stützt sich vorzugsweise auf Zerzupfungs- präparate und glaubt den monopolaren Charakter dieser Zellen als sieber festgestellt zu haben; es gelang ihm zwar nicht, bessere Resultate durch seine Silbermethode zu erzielen, doch meinte er auch hier in wenigen Fällen den einen Fortsatz nachgewiesen zu haben. Gegen die Beweiskraft der Nachweise Golgi’s erklärten sich von Kölliker (15) und van Gehuchten (11) und, wie wir sahen, bin ich in der Lage ihnen beipflicehten zu müssen, vgl. das vorhin eingehend Gegebene sowie die Abbildungen. Mit der monopolaren Beschaffenheit dieser Zellen fällt nun auch die an dieselbe geknüpfte theoretische Erläuterung Golgi’s (9), so dass ich nieht nöthig habe, dieselbe noch eingehender zu diseutiren. Nach Abschluss unserer Besprechung der cerebralen Theile der absteigenden V-Wurzel dürfte noch zu untersuchen sein, wel- cher von den motorischen Zellensäulen des Rückenmarkes die Ursprungszellen der genannten V-Wurzel entsprechen. Darf man annehmen, dass die Zellen des mastikatorischen Kernes den grossen motorischen Vorderhornzellen homolog und analog sind, so kann man vielleicht die Ursprungszellen der Radix descendens Quinti mit den seitlichen und mittleren motorischen Rückenmarks- zellen in Beziehung bringen. Für diese Annahme sprechen Ge- stalt, Grössenverhältnisse und Lagebeziehung der Zellen zum unteren motorischen Kerne (Nucleus masticatorius). Die obere Trigeiminuswurzel. 651 Auch die Strangfasern der Radix descendens so wie die des Trochlearis unterliegen erheblichen Veränderungen in ihrer centralen Bahn durch Wachsthumsverhältnisse der Corpora quadri- gemina. Sie erleiden ungefähr dasselbe Schicksal, wie der Faci- alis, nur in umgekehrter Lage. Der letztere verlässt seinen Kern tief und spinalwärts, verläuft dann dorsal und nach vorn und wendet sich abseits zur Austrittsebene erst nach einer Kniekung und Umpbiegung unter dem Boden der Rautengrube, während die Wurzelbündel des absteigenden Quintus und die des Troch- learis weit cerebralwärts entspringen und nach nahezu gleichem Verlaufe nach hinten sich richten. Eine ähnliche Parallele in ihrem gegenseitigen Verhalten stellen der Abducens und Oeulo- motorius dar. Wir kommen nunmehr, in einem Anhange zu der vorstehen- den Besprechung der absteigenden V-Wurzel, auf diesubstantia ferruginea zurück (s. S. 643). Von besonderem Interesse erscheint, dass sich die kugeligen oder ovoiden Zellen der Substantia ferruginea durch die Silbermethode ebenso gut färben, wie die der absteigenden Trigeminuswurzel: sie sind vielstrahlig, mit einem Axeneylinder- fortsatze versehen und dürfen somit als echte multipolare Zellen angesehen werden. Erhebliche Unterschiede zwischen ihnen und den bekannteu typischen motorischen Zellen liegen nicht vor. Im allgemeinen sind diese Zellen mittleren Kalibers; ihr Zellleib ist rundlich gestaltet, bei vielen langgestreckt, spindel- förmig und auch ovoid. Diese Verhältnisse erklären sich meines Ermessens durch die localen Veränderungen dieses Gebietes, also durch Verschiebungen und Heranwachsen benachbarter Theile, welche eine derartige Gestaltung nur bei bestimmten Zellen und an bestimmten Stellen im Bereiche der Substantia ferruginea zur Folge haben können. Denn nicht alle Zellen sind hier langge- streckt, spindel- oder birnförmig gestaltet, sondern nur diejenigen, wie man an Silberpräparaten von Meerschweinchen deutlich sieht, welche durch das Heranwachsen der Bindearme aus ihrem Ur- sprungsgebiete dorsalwärts, zur Innenfläche des seitlichen Winkels des Aquaeductus, verschoben sind. Hier und auf der dorsalen Seite der Bindearme sehen wir in einem engen Raume eine An- zahl von Zellen der Substantia ferruginea in einfacher oder 692 Michael Terterjanz: doppelter Reihe geordnet, und diese sind in der That auffallend langgestreckt, birn- und spindelförmig gestaltet, während die anderen, von diesem Engpasse bereits seitwärts liegenden als aequidimensionale multipolare Zellen hervortreten; selten beob- achtet man freilich auch solche von kugeligem Zellleibe; aber die Fortsätze fehlen durchaus nicht: sie sind bei den Zellen dieser Art in einer Zahl von zwei bis vier immer festzustellen; wenigstens war es so bei dem untersuchten erwachsenen Meer- schweinchen. Merkwürdig ist ferner, dass diese protoplasmatischen Anhänge, welche verhältnissmässig kurz und grob erscheinen, an dem kugeligen Zellkörper nahezu radiär geordnet sind, eine Eigenthümlichkeit, welche ich auch an gewissen Zellen im Ur- sprungskerne des absteigenden Quintus zu beobachten in der Lage war. Einiges hierüber habe ich bereits bei Besprechung der Ursprungszellen der Radix descendens quinti mitgetheilt und diese Zellform in Figur 2 B dargestellt (s. S. 646). Zellen dieser Art sind in der Substantia ferruginea und im oberen Quintuskerne jedoch nur spärlich vorhanden und von den übrigen vollkommen entwickelten Elementen dadurch unter- scheidbar, dass ihre Zellkörper kleiner und mehr kugelig sind. Die radiär gerichteten Ausläufer theilen sich in kurzer Ent- fernung vom Zellleibe in zwei oder drei Aestehen. Der Axen- eylinder scheint bei den Zellen dieser Art vollständig zu fehlen, oder er ist noch nicht zur Entwickelung gekommen, wenn wir uns dabei an die Annahme halten, dass die Protoplasmafortsätze vielleicht früher als der Axeneylinder sich entwickeln. Es ist ja auch denkbar, dass alle Anhänge der Zellen nicht mit einmal entstehen, sondern nach und nach, wobei gewisse Fortsätze den übrigen einer und derselben Zelle folgen, je nach der zeitigen funktionellen Bestimmung des Gesammtkernes. Diese Vermutbung scheint mir noch wahrscheinlicher in Anbetracht der vergleichenden Untersuchungen, welche Ramön y Cajal (21) an Mäuseem- bryonen und Mäusen angestellt hat. Dieser Forscher untersuchte nämlich die Ursprungszellen der Radix descendens quinti bei den genannten Thieren und glaubt den Nachweis führen zu können, dass die Zahl der protoplasmatischen Ausläufer der Zellen von den Entwickelungsstadien der Geschöpfe abhängig ist. Für die Richtigkeit dieser Ansicht von Ramön y Cajal (21) sprechen ohne Zweifel meine Silberpräparate von viertägigen Die obere Trigeminuswurzel. 653 Hunden: bei diesen jüngeren, unreifen Individuen sind die Zellen der Substantia ferruginea und die des oberen Quintuskernes mit einem, zwei mitunter drei kurzen und groben Fortsätzen ver- sehen; oft fehlen letztere auch gänzlich. Dass dieser Befund auf einen Misserfolg der Schwarzfärbung zurückzuführen sei, kann man schwer annehmen, da diese Resultate mit denen von Ramön y Cajal (21) übereinstimmten. Anders lagen die Verhältnisse der Zellen der Substantia ferruginea bei dem er- wachsenen Meerschweinchen, wie wir bereits ausgeführt haben. Wie die Silberpräparate vom Meerschweinchen lehren, lassen die Zellen der Substantia ferruginea keinen Zweifel mehr über ihren morphologischen Charakter bestehen: sie sind multi- polar, wie die Golgi’sche Chromsilbermethode unzweifelhaft lehrte. Ihr Axeneylinder ist sehr leicht zu erkennen; man sieht ihn als einen äusserst feinen und glatten Fortsatz vom Zellleibe ausgehen; er stellt einen kurzen zugespitzten Stachel dar, wenig- stens in den Fällen, wo er vom Schnitte getroffen erscheint. Wo er aber sich eine Strecke lang verfolgen lässt, sieht man, dass der anfangs dünne Axeneylinder allmählich in eine diekere Faser übergeht. Ob er weiter wieder dünner wird, habe ich nicht beobachten können. Die Axeneylinder richten sich in breitem Faserstrome oberhalb des hinteren Längsbündels zur Raphe und begeben sich so unter Kreuzung in der Mittellinie nach der entgegengesetzten Seite, wie Meynert (17) ganz richtig dargestellt hat; sie verlaufen hier anfangs zwischen den hinteren Längsbündeln immer abseits und dorsal gerichtet und strahlen dann bogenförmig in deutlichen Zügen mit den ab- steigenden Quintusfasern zusammen in das Gebiet des Kaukernes aus. Ich glaube, Meynert (17) hatte vollständig Recht, seine „mittlere“ Faserabtheilung der oberen Trigeminuswurzel aus den Zellen der Substantia ferruginea herzuleiten. Diese Ansicht Meynert’s wurde von Huguenin (12) und Forel (9) be- stritten.. Gegen den Einwand dieser beiden Autoren und für die Richtigkeit der Meynert'schen Ansicht sprechen: 1. der richtig dargestellte Verlauf der Faserzüge; 2. der Anschluss derselben an die Radix descendens quinti auf der entgegengesetzten Seite und 3. die Multipolarität der Zellen der Substantia ferruginea, die ich festzustellen vermochte. Auch nach den Angaben von 654 Michael Terterjanz: Cramer (3) und Obersteiner (20) soll die absteigende V- Wurzel Faserbündel empfangen, welche aus den Zellen der Substantia ferruginea der entgegengesetzten Seite entspringen. II. Ueber die peripherische Verbindung des oberen Quintusnerven mit dem Musculus tensor veli palatini. Nachdem von Kölliker (15) auf die Gründe aufmerksam gemacht hatte, welche für die motorische Natur der Radix des- cendens quinti sprechen, sagt er bezüglich ihrer peripherischen Verbindung Folgendes: „Welche Muskeln dieser Wurzel unter- stehen, ist freilich nicht von ferne zu errathen; doch darf man vielleicht an den Tensor veli palatini und den Tensor tympani denken, schwerlich an den Mylohyoideus und Biventer anterior.“ Um die Vermuthung Kölliker’s wenigstens für einen Muskel zu prüfen, suchten wir durch die Exstirpation des Mus- eulus tensor veli palatini eine aufsteigende Degeneration des betreffenden Nervenstranges zu erzielen und mit Hilfe der Marchi’schen Methode in den Centralorganen zu verfolgen, wohin dort diese Degeneration führt. Am geeignetsten schienen mir für diese Versuche junge Katzen zu sein, weil bei ihnen die Mundhöhle weit geöffnet werden kann, und weil sie operative Eingriffe gut vertragen. Nach vorheriger ÖOrientirung über die Lage des Muskels im Gaumen einer erwachsenen Katze, wurde die Operation an 9 Katzen sorgfältig vorgenommen. Das Herausschneiden des Musculus tensor veli palatini beim aetherisirten Thiere bot keine be- sondere Schwierigkeit, da der Hamulus pterygoideus, dem der Musculus tensor veli palatini anliegt, mit dem Finger leicht zu fühlen ist. Der weiche Gaumen wurde in der Gegend am Hamulus mit einem scharfen Messer eingeschnitten; die Blutung ist dabei un- bedeutend. So bald der Hamulus frei entgegentrat, wurde unter seiner Leitung der Muskel aufgesucht, dann mit einer starken Pincette gefasst und ausgerissen, wobei auch der Hamulus durch Scheerenschnitt mit entfernt wurde. Von der quergestreiften Natur des betreffenden Muskels haben wir uns an einem frischen Zerzupfungspräparate über- zeugt. Alle Thiere waren an der linken Seite operirt. Nach der Operation befanden sich die Thiere munter. Nach 4—5 Tagen fingen bei einigen Thieren die Augen an, schwach zu eitern; entweder litten beide Augen oder nur das eine, und zwar bald das linke, bald das rechte. Die Eiterung war im allgemeinen uner- Die obere Trigeminuswurzel. 655 heblich und nicht andauernd. Sonstige abnorme Zustände waren an den Augen nicht zu beobachten. Bei einigen Thieren stellte sich, wohl in Folge pyogener Infektion, auch ein eitriger Katarrh der Nasen- und Paukenhöhle ein. Die Thiere wurden nach verschiedenen Fristen getödtet. Nach vorsichtiger Herausnahme des Gehirnes trennte ich das Mittelhirn und die beiden Trigemini mit Ganglion Gasseri ab und behandelte dies Stück nach Marchi’s Vorschrift. Von den 9 Katzen gaben nur die ersten beiden keine günstigen Resultate; diese Thiere blieben nach der Operation nur 15 Tage am Leben. Die anderen wurden nach 20, 25, 26 und spätestens 38 Tagen getödtet. Wie die Präparate von diesen Thieren zeigten, gab die Ausreissung des Musculus tensor veli palatini die Veranlassung zu einer aufsteigenden Degeneration im Trigeminusgebiete; ausgesprochene Veränderungen sahen wir schon an Schnitten vom Ganglion Gasseri im motorischen Trigeminusgebiete (Figur 5, mW); ferner waren die Faserzüge der Radix descendens quinti in ihrer Austrittsebene in der Brücke deutlich degenerirt. Endlich beobachteten wir an den Schnitten die charakteristischen Veränderungen der Wurzelfasern des ab- steigenden Quintus auf ihrer ganzen intracerebralen Bahn bis zu den vorderen Vierhügeln. Allein die Degeneration war, wie ich bemerken will, nicht bei allen Katzen die gleiche, und dieser Umstand hing durchaus nicht von der längeren oder kürzeren Zeit vor dem Tode ab. Es war zum Beispiel bei zwei Thieren, welche nur 20 und 25 Tage am Leben blieben, eine starke, fast totale Degeneration eingetreten; der ganze motorische Trigeminus, selbst die Nervi Facialis, Trochlearis und Oeculomotorius waren auf beiden Seiten erheblich degenerirt. Selbstverständlich sind diese Fälle, als für die Entscheidung der Frage unbrauchbar, zu verwerfen. Hier müssen Nebenver- letzungen vorgekommen sein, vgl. auch die erwähnten Eiterungen. Anders war es bei den übrigen fünf Katzen, welche 20, 26 und 38 Tage operirt lebten. Die sämmtlichen Schnitte von diesen Thieren wiesen eine nur mässige, auf den Trigeminus be- schränkte Degeneration auf. Zur Information über diese Ergebnisse sind zwei Abbildungen gegeben. Figur 5 stellt einen Längsschnitt durch das Ganglion Gasseri der operirten Seite dar. Hier sehen wir die moto- 656 Michael Terterjanz: rische Trigeminuswurzel, mW, etwas schräg getroffen. Die eharakteristischen schwarzen Schollen oder Kügelchen sind auf der Sehnittfläche in mässiger Menge zu sehen, etwas stärker an der Peripherie angehäuft. Wir sind freilich noch nicht in der Lage, schon allein daraus eine direkte Beziehung der Radix des- cendens quinti zum Musculus tensor veli palatini zu constatiren. Betrachtet man jedoch die frontal gelegten Schnitte des Mittelhirns in den genannten Fällen cerebralwärts, so kann man an denselben mit besonderer Klarheit die Wurzelfasern des oberen Trigeminus verfolgen, bei denen in grosser Zahl die Degenera- tion eingetreten ist. Ein Schnitt durch die Region des vorderen Zweihügels von demselben Thiere, zu dem Figur 5 gehört, ist in Figur 6 abgebildet. Die querverlaufenden Fasern am Rande des centralen Höhlengraues stellen die Meynert'schen oberen Quintusfasern dar; sie ziehen zum Theil bogenförmig nach unten, durch das Gebiet der rothen Haubenkerne zur Mittellinie, wo die fontainenartige Kreuzung stattfindet. Wir sehen deutliche degenerative Veränderungen dieser Fasern, die im Bilde schwarz punktirt gezeichnet sind. An den Schnitten aus der höheren Region beobachtet man ab und zu noch degenerirte Fasern auch auf der rechten Seite, hier jedoch mindergradig. Dies wäre nicht auffällig, da die Radix descendens nicht alle ihre Fasern aus einer und derselben Seite bezieht. Auf Grund dieser Ergebnisse dürfen wir die Verbindung der Radix deseendens quinti mit dem Musculus ten- sor veli palatinialsim hohen Grade wahrschein- lich ansehen. Wir sind jedenfalls in der Lage, durch diesen Nachweis die Kölliker'sche Vermuthung, betreffend die peri- phere Verbindung der oberen Quintuswurzel, wenigstens für den Musculus tensor veli palatini wohl unterstützen zu können. Literatur-Verzeichniss. 1. Bregmann, E., Ueber experimentelle aufsteigende Degeneration motorischer und sensibler Hirnnerven. Arbeiten aus dem Institut für Anatomie und Physiologie des Centralnervensystems an der Wiener Universität. Herausg. v. Prof. H. Obersteiner. Leipzig und Wien, 1892. S. 73. 189) 18. Die obere Trigeminuswurzel. 657 VonBechterew, W., Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rücken- mark. Leipzig, 189. Cramer, A., Citat nach Merkel-Bonnet, Ergebnisse der Ana- tomie und Entwickelungsgesch., IV. Bd. 1894. p. 254. Duval, M., Recherches sur l’origine r&elle des nerfs eraniens. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie, 1878. Duval et Laborde, Journal de l’Anatomie et de la Physiologie, 1879. S. 512. Deiters, O., Untersuchungen über das Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere. Braunschweig 1865. Eckhard, eitirt nach Schwalbe’s Lehrbuch der Neurologie, S. 680. 1881. Forel, eitirt nach Schwalbe’s Lehrbuch der Neurologie, S. 680, 1881. Golgi, C., Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und peripherischen Nervensystems. Jena, 1894. S. 261. . Van Gehuchten, Anatomie du Systeme Nerveux de l’homme 1897. II. Edit. Derselbe, De l’origine du pathetique et de la racine superieure du trijumeau. Bruxelles 1895. Huguenin, eitirt nach van Gehuchten, De l’origine du pathe- tique et de la racine superieure du trijumeau. Bruxelles 18%. . Henle, Handbuch der systematischen Anatomie, Bd. III, 2te Auflage 1879. Krause, W., Anatomie des Menschen. 1876. . von Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leip- zig, 1896. S. 286. Lugaro, E., Citat: Merkel-Bonnet, Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte, IV. Bd. 1894. p. 254. Meynert, Th., vom Gehirne der Säugethiere. Stricker’s Hand- buch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere. II. Bd. Leipzig 1872. Derselbe, Studien über die Bestandtheile der Vierhügel, soweit sie in den nächst unterhalb gelegenen Querschnitten der Brücke gegeben sind. Zeitschrift f. wiss. Zoologie, 17. Bd. 1867. . Merkel, Fr., Die trophische Wurzel des Trigeminus. Unter- suchungen aus dem anatom. Institut zu Rostock. 1874. . Obersteiner, H., Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane. 2. Auflage. Leipzig und Wien 189. Ramön y Cajal, Apuntes para el estudio del Bulbo raquideo, cerebelo y origen de los nervios encefalicos. Madrid, 1895. Schwalbe, G., Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. Stieda, L., Ueber den Ursprung der spinalartigen Hirn-Nerven. 2. Aufl. Separatabdr. Dorpat, 1873. Derselbe, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbel- thiere. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 19. Bd. 1869. Fig. Fig. Michael Terterjanz: Derselbe, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbel- thiere. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 20. 1870. Stilling, Untersuchungen über den Bau des Hirnknotens. Jena, 1846. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX. Querschnitt durch das hintere Vierhügelpaar von einem ein- jährigen Meerschweinchen. — Ag Aquaeductus Sylvii, dessen Innenraum am dorsalen Spitzwinkel angesaınmeltes Blut ein- schliesst und ventral Kleinhirnwindungen durchsehen lässt. Die helle breite Zone um Ag ist die centrale graue Masse, in deren seitlichen Winkeln die quergetroffenen absteigenden Quintusfasern, V d, mit ihren multipolaren Zellen (a, a, a und a, a, a, gezeichnet sind. Abseits und ventral von den Elementen der Radix descendens sind die Zellen der Substantia ferruginea, sf, eingelagert. Ventral und ein klein wenig nach innen von diesen erscheinen die quergetroffenen Trochlea- risfasern, IV. Unterhalb des Aquaeductus, in der grauen Masse, befinden sich die Kerne des centralen Grau, Neg (Krause). Flp hintere Längsbündel. Brej Bindearme. An der dorsalen Hälfte der Figur sind zu sehen: Sgs Suleus corpor. quadrig. sagittalis, Qp hinteres Vierhügelpaar, N Qp Kern der hinteren Vierhügel, Zmi laterale Schleife. — Behand- lung nach Golgi. Vergrösserung des Schnittes 1:60, der ner- vösen Elemente 1:120. (Zeiss achrom.) zeigt zwei typische Zellformen, welche im Ursprungsgebiete des absteigenden Quintus vorkommen. Die grosse Ganglien- zelle, A, ist aus der Fig. 1 entnommen, und sie stellt daselbst die mit ax bezeichnete Zelle dar. Die zweite Zellform, B, stammt aus der Fig. 4, und ist links mit bx angegeben; ihre Fortsätze sind relativ kürzer und am runden Zellleibe nahezu radiär geordnet. Bei den Zellen dieser Art war der Axeneylinder nicht zu beobachten, während er bei der ersten Zellform sehr deutlich zu erkennen ist. Beide Zellformen sind naturgetreu bei 420facher Vergrösserung abgebildet. (Zeiss: Objeet D, Ocul. 4, Tubus 16.) Ein Theil eines Querschnittes aus dem vorderen Vierhügel- paare einer erwachsenen Katze. Behandlung nach Nissl. — Man sieht hier die blasenförmigen Ursprungszellen des Nerven- stranges, Vd, von denen die einen mit Protoplasmafortsätzen versehen sind. Die Zellen liegen medianwärts von den abstei- genden Quintusfasern, Vd, welche hier quergetroffen erscheinen Fig. Die obere Trigeminuswurzel. 659 und den äusseren lateralen Rand des centralen Graues bilden. Die Zellen mit protoplasmatischen Anhängen in diesem Bilde sind von den kugeligen sehr leicht zu unterscheiden; die Fort- sätze sind anfangs deutlich erkennbar; sie werden aber nach kurzem Verlaufe äusserst blass (a). Vergrösserung: 420. (Zeiss, Object. D D, Ocul. 4, Tub. 16.) Querschnitt durch den vorderen Vierhügel. Aq Aquaeductus Sylvii, mit der breiten centralen grauen Masse umrahmt. Am lateralen Rande des Grau sitzen die mit b und b, bezeich- neten multipolaren Zellen der absteigenden Quintuswurzel, ’d. Die im Grau zerstreut liegenden Zellen, k k k, gehören wahrscheinlich dem Kerne der centralen Substanz an. NIII, Kern des Oculomotorius. Austretende Oculomotoriusfasern III. — Flip, hintere Längsbündel. Brcj, rother Kern der Haube. Lm, mittlere Schleife. N@a, Kern des vorderen Vierhügel- paares. @a, vorderer Vierhügel. Sqgt, Suleus corp. quadrigem. transversus. ‚Sgs, Suleus corp. quadrig. sagittalis. Cga, hintere Kreuzungscommissur der vorderen Vierhügel. Vergrösserung 1:60; Vergröss. der nervösen Elemente 1:120. Längsschnitt durch das Ganglion Gasseri. Wm, motorische Trigeminuswurzel, etwas schräg getroffen. Schnitt durch das vordere Vierhügelpaar einer Katze. Ag Aquaeductus. Sgs, Sulcus corporum quadrig. sagittalis. NIIT Nucleus des /II-Nerven. III, Oculomotoriusfasern. F, Forels ventrale Haubenkreuzung. M, Meynerts fontänenartige Haubenkreuzung. N. ig. Rother Haubenkern. Lm, mediale Schleife. Pp, Pes peduneuli. Flp, Fascieulus longitudinalis posterior. Vd, Degenerirte Fasern der absteigenden Quintus- wurzel theils quer getroffen, theils im Längsverlaufe. Behand- lung nach Marchi. Vergrösserung 1:60. (Zeiss.) De ” E Pe Pr 2, u z Fi: e% STE TE en vr. ar IrAre Hui Has 7: f - . er. Y . si}! = r ER TEL TR ca F ’ » \* 3 ı “li = * 2 a 22 u. = £ 14 P P; « P . R L re R 5 Pi - a £ . Re m-i % 5 Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. N ;i e — - = Pr: 41% r x 4 Da ’ = r i1T WELErN - ’ Jar b a ) 7 f r „J M i ß n zu E ’ Juri £ j i 7 Er n rn ) r N .ı i ’ a Bier, 4 . 2 1° i 2 % . . P” . # * e & 18 ee rn A en ne er on ie Me Zn te En nn = Tafl. Archiv £ mıkroskon. Anatomie Ba.LH. . e ‘ f i ww a “ { } f 7 a . N j r >> # + i Kn # { { > N Fr eK y - # \ - & f = Een es L ; E f ) E \ . j \ 0 \ f £ D ° J i % A, N = - nu I ' r? m + h= ’ = R = h _ Pa - E | E N { , . w u: = - [ = L 2 x > # a 8 x 4 y > R 3 fi ” 5 = z [rt je R P . f } N u { # >» \ 1 r J n ‚ A j L y , \ ’ - f j \ £ - y \ f s Iz 5 E | L 2 “ > , - ur = ie = x = X Tu 1 i r a3 4 * . x pe { . Fr —_ * Fe ” f = „ * \ \ } ne £ t o y \ . | - Tafn. Oje ee x17 f 28 Bo EN r | Archiv Kmikroskon. Anatomie Dd.L. En KL ö F -} m: y ” ET EBENE, IEGERELTEUE DDR “. a ® Nr . & B » ee. Archiv Emikroskon. Anatomie Bam. - Taf. re Ben » fi r 4 J Anst vWerner&Hihter, Franklart®M mE er u vg - es, er - a ur ui - He —. A au A a nn Fa a u ur .. . == a GE EEE HE I" WA EC A GE mu CE WE © 3 u u Mn Archiv Fmikroskon. Anatomie Ba. LM. NE » x e ‘ | =} y r Le r + D pn, ” ee. 1 f = \ x ‘ . 4 N L l { ei N ' = A 4 . » , ‚ = ” ei - j . [) Im a Fe Y ” > N « rn u i vr ,w .. = T a ER Nu 2 Archiv Emikroskon. Anatomie Bd.LIM. ar kans. HEERES E ka /LS. Sulz 7 Ta: DH = >>> g ss de ® % d 2. r [ R ' 1 E Pi Fi ” \ » $ 7 N F' £ y r a z R \ y B = 3 P N & . = n [rn - " nz‘ r = 2 > f : . ° ü ie, 3 u . ”» - BE. EN - ’ 5 % ” P =, x ' 3 ” £ w 2 & y * - “ N R ‘ ö e a“ - BT A er , 3 2 + Ri f ö N \ S R ö N -; - b 3 ee % _ \ \ _ “ .. { x J u 2 - 22 j ey R EEE ‚ Pr } 5 % „ r x‘ + ° N ” \ ' x in“ ’ - 2 v e > { ' \ 4 e £ . — = * 3 a Eu Pr A e - u ’ 5 3 = re ” « e . — j - \ Bee . % - ns > “ - Ur z - u s - FRRP- a. Archiv f mikroskon. Anatomie Bd.Lm F Taf vr. $2 ——— — EEE ——z ER RN 77 % NR al \ nr N — _ > a (X = 1257 Zith. Änst. wWerner «Winter, HranklurtM u N 2 ‚ » 3 r a , - A.» I: = I i ) 3 ‘ & > - . kr E . 5 }3 r- . u A ’ in ’ ’ = 7 a I ’ e - a { 7 z Re _ i > N 5 . -} = “ - z Pd D- e - er . = Es .r = 8 DE # { . . A ? \ | = ‚ z r } \ c \ . de ‘ { D » f N z } > r = i Es L_ > u \ x & We f nn - x A| en Dame PL; ns Dr ar 2 wi Archiv £ mikroskop. Anatomie Ba.L. NHLKISRRSEDT I IR ATI EWN | lulheht] | | ll «Winter Frankfare®M. u Werner. Jith. Anst ’ E} { r Ad j N j \ - | F ' A i r 4 v % v f D ! # ı L 4 j ’ { Br h ‚ « ch D r 1‘ e ı De " > y a . » 1, j ) ' { Pr 5 \ a e, ne \ | r P Sr | “ f j \# . A ‘ 7 + | 1 j h ’ . r . f { J 1 . l k ' - 1) L 5 ! Tr . Be ) - e u h . 4 D = { { # | - b, $- q \ ’ i . er „ Ko a > f, D . 2 | \ + Fa - x a R w ) : b) y "A B } Ber \ E h } \ : jr “ } f N R M Bin Er - E . u‘ r \ - | \ " e l 5 ) v — B In ER « = E ““ Br: \ i = 1 5 r - ı ni Arm | N 5 ; - ; r R 2 r (Sy . % Du ” - R « > Archiv £ mikroskon. Anatomie Ba.Lin, v. Zinstow gez. Jüh. Instov Werner «Winter, Frankfurt ®M. Archiv £mikroskon. Anatomie Ba.Lar. Taf IX. ie =; E 7 TI 7 1 Ku \= &N ! j „ss s ” kon. Anatomie Ba.liM. a « Fr .s Arch ‚nhlrı 0S, wi 1 == er en Jh. Anst.uWerner & Winter, Frankfurt ®M. Archir f mikroskon. Anatomie Da. LIT. NCERT. n: Archiv Emikroskon. Anatomie Ba.ım. “ & _ Archir Kmikroskon. Anatomie Ba.La. ze RR Antw Werner Winter, Frankfurt”), ” vu. Archiv Emikroskop. Anatomie Ba.Lil. Taf-XIV. Werner alinter, Frankfure®M. Jh, Anstv Archiv £mikroskon. Anatomie Ba.ufm. I eye - N 7 “a a Archiv Emikroskon. Anatomie Bd. Ll. Taf: XVT i0h. Anstv Werner & Winter Frankfart"M. Archiv f.mikroskon. Anatomie Bd.uil. Taf. XxVu Juh.Änst.v. Werner Winter, Frankfurt “M . ee Archiv fmikroskon.: Anatomie Bd. LH. Taf: X: ‚Lith. Anstı v. Werner aWinter, Frankfiurb®M. £mikroskon. Anatomie Ba.Lil. zn Bi x = Arc Hertwig del. | I I. ee A ee P: ee Wear a De Se u | a in Du nn 0 nn = 21m? Zu Aal DD 2 2 1 SS a u ne de u Bk - Archiv £ mikroskon. Anatomie Ba. er Lith. Anst.v. Werner «Winter Frankfurt”. 3 Archiv f-mikroskon. Anatomıe _Ba.LM. Taf XXI. K.W Zimmermann, del Ih. Ansb.vWerner & Winter, Frankfar®M. uf \ [4 I __ or d N N) Nu .. ALLA, ar AAN DE TE Archiv Fmikroskon. Anatomie Ba.Li. Taf XV. 5 2 S % En Er a, N . . E Dax Zen * Pi ” = Br { | J Fa / \ ER A © Er * * u s , % f} ” a % „Zi 3 Ts „ * ae 2 Fr EZ & yon * “ Pa Er ws ni Pr vH. ._ m. ; Archiv f.mikroskon. Anatomie Ba. L. Taf xXV. IQ t mm 4 an MAE 29] Tin. AnserWerner «Winter: Frankfurt «M. 2 * N Be a ER | | a e: | | u Archür Emikroskop. Anatomie Ba.LH. Zub. Anstı vWerneraliinter Franktert®M. Archiv f.mikroskon. Anatomie Bd. LU. Taf xxvin. i Be 210 Eh ee N ai“ Tafı XXX. m Lith. Salus solia - Turin . Archiv f mikros kon.Anatomie Bd. LIH. 2. Axencyl.---— 2 IMFED.O,8.C- Frankfurt? M a Liüh.Änsb.v.Werrer&W BL Il] “ mn il WHSE 02632 ER Dr er EFT = nn er