*,*No book or pamphlet is to be removed from the Lab- oratory without the permission of the Trustees, "Ar 3 F De BF Ps | Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v.la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Einundsechszigster Band. Mit 33 Tafeln und 79 Textfiguren. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1903. ’ ‘ ESSENER ls er ah AR HS a ji 1, RN 1 Di y ur ER Inhalt. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien und über ihre Entstehung, nach Beobachtungen an Paludina und Pygaera. Von Dr. Friedrich Meves. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel I—-VII und 30 Textfiguren.. . . Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. Von Dr. Richard Werner. (Aus dem Laboratorium der Heidel- berger chirurgischen Klinik. Direktor Geheimrat Prof. Dr. V. Czerny.) Hierzu Tafel IX .. Zur Geschichte der Metallimprägnationen, insbesondere meines Anteils an der Erfindung der Behandlung der Gewebe mit chromsaurem Quecksilber. Von Leonard Landois. Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens. Von Franz Cohn, cand. med. (Aus der entwicklungsgeschichtlichen Abteilung der anatomischen Anstalt der Universität Breslau.) Hierzu Tafel X und 5 Textfiguren . Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis und der Entwicklung des ligamentum caudale beim Menschen. Von Dr. med. Ernst Unger und cand. med. Theodor Brugsch. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin und aus der Privat- klinik Dr. Karewsky, Berlin.) Hierzu Tafel XI und XII Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. Von cand. med. Theodor Brugsch und Dr. med. E. Unger, Ass.-Arzt der Klinik Dr. Karewsky. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut Berlin.) Hierzu 8 Textfiguren RA, Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. Von Dr. A. Schmincke, I. Assistent am anatomischen Institut. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Würzburg.) Hierzu Tafel XIII : Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. Von Dr. Konrad Helly, Assistent. (Aus dem ersten anatomischen In- stitut zu Wien.) Hierzu Tafel XIV und 17 Textfiguren Die Entwicklung des Eies der Maus vom Schlusse der Furchungsperiode bis zum Auftreten der Amnoisfalten. Von J. Sobotta. Hierzu Tafel XV— XVII und 6 Textfiguren . N EN Er Malariastudien. Zweite Mitteilung: Zur Morphologie des Tertian- parasiten (Plasmodium vivax Gr. et Fel.) Von P.Argutinsky. Hierzu Tafel XVIII. - Zur Analysis der Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Frosch- eies. Von Dr. med. Max Moszkowski. Hierzu Tafel XIX und 1 Schema im Text. Seite 85 123 133 331 348 TV Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates, Von Dr. A. Peiser, Würzburg. (Aus dem anatomischen Institut der Universitat Würzburg.) Hierzu Tafel XX. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms und einiger angrenzenden Organe. Zweite Abteilung: Das Schicksal der zweiten Schlund- spalte. Zur vergleichenden Embryologie und Morphologie der Tonsille.e Von Prof. Dr. J. Aug. Hammar, Upsala. Hierzu Mate, ART u. KT 2,2 Rn 2.10 An ee Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. I. Form und Bau der roten Blutkörperchen. Von Dr. Franz Weidenreich, Privatdozent und I. Assistent am Institut. (Aus dem anatomischen Institut in Strassburg) Hierzn Tafel XXIII U RAY And ‚Texthoue „0. sr Ele. A | Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. IV. u. V.: Die Extremitätenscheitelleiste der Amnoiten und die Anlage der Mittel- darmdrüsen. VonKarl Peter. (Ausdem anatomischen Institut der Universität Breslau.) Hierzu Tafel XXV und 3 Textfiguren Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. Von Dr. Ludwig Talke, Volontärarzt der Klinik. (Aus der Chirur- gischen Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr. Direktor: Geheim- rat Prof. Gar &) : Hierzus Tatel 'ARaı. ee Beitrag zur Morphologie und Mikrophysiologie der Brunnerschen Drüsen. Von Stud. A.A.Bogomoletz in Odessa. Hierzu Tafel XXVII Beitrag zur Lehre von der Blutentwicklung des embryonalen Rindes und Schafes. Von Dr. Johannes Jost, Berlin. Hierzu Tafel XXVIII und eine lithographierte Tabelle” . .. . "2 nee Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates von Gryllus domesticus. Von Conrad Herbig aus Hannover. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) Hierzu Tafel XXIX u. XXX und 6 Textfiguren. . .. . Ueber die epidermoidalen Tastapparate in der Schnauze des Maulwurfs und anderer Säugetiere mit besonderer Berücksichtigung derselben für die Physiologie der Haare. Von Dr. Eugen Botezat. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Czernowitz.) Hierzu Tafel XXXI und XXXIH. Seite 391 404 459 509 730 (Aus dem anatomischen Institut in Kiel). Ueber oligopyrene und apyrene Spermien und über ihre Entstehung, nach Beobachtungen an Paludina und Pygaera. Von Dr. Friedrich Meves. Hierzu Tafel I-VIII und 30 Figuren im Text. Die Spermien sind bekanntlich umgewandelte Zellen. Im allgemeinen gilt von ihnen der Satz, dass sie als solche alle Be- standteile von Zellen ganz, wenn auch in veränderter Form, in sich enthalten. Von dieser Regel giebt es aber, wie ich zeigen werde, Aus- nahmen, und zwar besonders bei solchen Tieren, bei denen zwei von einander verschiedene Formen von Spermien nebeneinander vorkommen. Bis vor kurzem war ein Dimorphismus der Samenelemente nur bei Paludina vivipara und bei einer Anzahl verwandter Prosobranchier festgestellt. . Alle übrigen Angaben, welche;bis dahin über das Vorkommen zweier verschiedener Formen von Spermien bei einem und dem- selben Tier gemacht waren, haben sich als irrtümlich erwiesen, nicht nur die ältern, welche man bei M. v. Brunn (84, S. 473) zusammengestellt findet, sondern auch neuere von v. Barde- leben (97), welche die Beuteltiere und den Menschen betreffen.') 1) Nils Holmgren (01) glaubt in einer kürzlich erschienenen Mitteilung bei einem Käfer, Staphylinus, die Existenz von zwei in Aussehen und Genese verschiedenen Spermatogonienarten (er bezeichnet sie als „Ur- spermatogonien I und II“) konstatiert zu haben. Die Spermien von Staphylinus gleichen zwar einander gänzlich, jedoch ist nach Holmgren anzunehmen, dass sie auf Grund ihrer Abstammung von zwei verschiedenen Spermatogonienarten, auch „morphologisch und physiologisch ungleich- wertig* sind. Selbst wenn die Angabe Holmgrens von der Existenz zweier ver- schiedener Spermatogonienarten bei Staphylinus sich bestätigen sollte, was ich einstweilen noch stark bezweifle, so bleibt der Dimorphismus der Spermien doch bloss ein angenommener, so lange nicht zwei verschiedene Spermienformen wirklich nachgewiesen sind, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. il 2 Friedrich Meves: 1900 habe ich dann einen weitern unzweifelhaften Fall von Dimorphismus der Spermien bei einem Schmetterling Pygaera aufgefunden, wovon ich bereits in demselben Jahr kurz Mit- teilung gemacht habe. ; In der vorliegenden Arbeit habe ich die Spermatogenese von Paludina vollständig, diejenige von Pygaera teilweise dargestellt. Ich habe dabei folgende Einteilung zu Grunde gelegt. A. Paludina. I. Einleitung. II. Untersuchungsmethode. III. Ueber die Generationsfolge der Samenzellen IV. Vermehrungsperiode. | V. Entwicklung der eupyrenen Spermien. 1. Wachstumsperiode. 2. Reifungsperiode. a. Reifungsteilungen. b. Zur Frage nach dem Vorkommen von Sog. Reduktionsteilungen. ce Histogenese der eupyrenen Spermien. VI. Entwicklung der wurmförmigen Spermien. 1. Wachstumsperiode. 2. Reifungsperiode. a. Reifungsteilungen. b. Rückblick auf die Reifungsteilungen der oligopyrenen Spermien. Zur Nomen- clatur der cellulären Centren und der sie umgebenden Hüllen. c. Histogenese der oligopyrenen Spermien. B. Pygaera. I. Einleitung. IR II. Untersuchungsmethode. III. Ueber die Generationsfolge der Samenzellen. IV. Entwicklung der apyrenen Spermien (vom Beginn der ersten Reifungsteilung an). 1. Reifungsteilungen. 2, Histogenese der apyrenen Spermien. C. Zur Frage nach der physiologischen Bedeutung der oligopyrenen und apyrenen Spermien. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 3 A. Paludina. (Tafel I—V). Einleitung. Bei Paludina hat zuerst v. Siebold im Jahre 1337 kon- statiert, dass hier zwei verschiedene Arten von Samenfäden vor- kommen, welche er als haarföürmige und wurmförmige unter- schieden hat. Beide Arten von Samenfäden sind an Gestalt und Grösse sehr von einander verschieden (in Fig. 55 habe ich eine haarförmige, in Fig. 120 eine wurmförmige Spermie von Paludina abgebildet). Derjenige Punkt aber, in welchem sie sich prinzipiell unterscheiden, ist folgender. Die haarförmigen Samenfäden sind ganz nach dem gewöhn- lichen Spermientypus gebaut: vor allem sind sie mit einem Kopf versehen, in welchen das sämtliche Chromatin des Spermatiden- kerns übergegangen ist. Die wurmförmigen Samenfäden dagegen unterscheiden sich von den haarförmigen und den bei den übrigen Tieren in nur einer Form vorkommenden Spermien dadurch, dass sie nicht die sämtliche ihnen zukommende Kernsubstanz, sondern nur einen geringen Teil derselben besitzen. Auf Grund dieser Differenz kann man die haarförmigen Samenfäden auch als eupyrene, d. h. mit „ordentlichem“ Kern versehene (von ev und zuvor» Kern), die wurmförmigen dagegen als oligopyrene, mit wenig Kern versehene, bezeichnen. Diese Ausdrücke, welche Herr Geh. Rat Waldeyer die Güte hatte, mir an Stelle von gleichsinnigen aber weniger wohl- lautenden, die ich selbst gebildet hatte!), vorzuschlagen, sind den alten Namen „haarförmige“ und „wurmförmige“ Samenfäden aus folgenden Gründen vorzuziehen. Erstens wird durch die neuen Bezeichnungen sofort auf denjenigen Punkt hingewiesen, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach als der Hauptdifferenzpunkt zwischen beiden Arten von Spermien anzusehen ist. Die bisher gebräuchlichen Namen „haarförmige“ und „wurmförmige“ Sper- mien besagen in dieser Hinsicht nichts. Zweitens haben die !) Ich hatte gebildet: „karyoche* (von Ka’ovor und #40») und „oligo- karyoche“ Spermien; abgesehen davon, dass diese Bezeichnungen wenig wohllautend sind, war an ihnen auszusetzen, dass Ka’ovor im Neugriechischeu nicht Kern, sondern Nuss bedeutet. 1* 4 Friedrich Meves: oligopyrenen Spermien bei den Verwandten von Paludina der- artige Formen, wie ein Blick auf die Abbildungen von Brock (87) und Koehler (88) zeigt, dass man sie wenigstens von vornherein nicht als „wurmförmig“ bezeichnen würde (vergl. die Textfiguren Ia, b und e). Fig. I. Sog. wurmförmige Spermien a. von Strombus lentiginosus, b. von Cypraca caput serpentis, beide nach Brock; c. von Murex brandaris nach Koehler. Ich habe mich im Folgenden nicht darauf beschränkt, die Entwicklung der mich in erster Linie interessierenden oligo- pyrenen Samenfäden von Paludina zu schildern, sondern habe die gesamte Spermatogenese dieses Tieres im einzeinen dargestellt; erstens, weil es mir notwendig erschien, die von früheren Unter- suchern begangenen Irrtümer zu berichtigen und die von ihnen gelassenen Lücken auszufüllen; sodann, weil ich zeigen wollte, dass die eupyrenen Spermien durchaus auf derselben Stufe stehen wie die nur in einer Form vorhandenen Samenfäden der übrigen Tiere. ll. Untersuchungsmethode. Meine Untersuchung des Paludinahodens wurde hauptsächlich an Material angestellt, welches in Hermann’schem Gemisch Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 5 fixiert war. Zur Färbung benutzte ich vorwiegend Eisenhäma- toxylin.t) Fast sämtliche Figuren der Tafeln I—V sind nach Präpa- raten gezeichnet, die auf diese Weise hergestellt sind. Das Hermann’sche Gemisch leistet in Bezug auf die Er- haltung der chromatischen Strukturen bekanntlich nicht ganz so gutes, wie das Flemming’sche. Jedoch habe ich die Fixierung in Hermann’schem Gemisch in den meisten Fällen vorgezogen, weil man bei Anwendung des Flemming’schen und nach- folgender Tinktion mit Eisenhämatoxylin leicht die Mitochondrien mitgefärbt erhält. Letzteres suchte ich zu vermeiden, weil es mir bei der vorliegenden Arbeit besonders darauf ankam, die Centralkörper in ihrem höchst interessanten Verhalten bei den Reifungsteilungen der oligopyrenen Spermien zu verfolgen, was durch eine Mitfärbung der Mitochondrien unmöglich gemacht worden wäre. Von andern Fixierungsmitteln habe ich mit einigermassen gutem Erfolg Sublimat-Eisessig und Sublimat-Alkohol-Eisessig angewandt. Zur Tinktion der auf diese Weise vorbehandelten Präparate brauchte ich dieses Mal vorwiegend die Ehrlich- Biondische Dreifarbenmischung. Durch Eisenhämatoxylin er- hält man auch nach diesen Fixierungen leicht Färbungen der Mitochondrien?). Als gänzlich ungeeignet für die Fixierung hat sich mir reines Sublimat erwiesen, welches Auerbach (96) für seine Unter- suchung des Paludinahodens fast ausschliesslich angewandt hat. Auerbach sah sich, erst nachdem er seine Untersuchung an Sublimatmaterial durchgeführt hatte, mit Rücksicht auf einige Angaben von Platner (89. 1) veranlasst, auch Flemming’sche Mischung anzuwenden. Er giebt an, dass diese letztere einen „gewissen Grad von Aufquellung der Zellen“ verursache, die jedoch, da sie nicht mit eingreifenden Strukturveränderungen verbunden sei, nichts schade, sondern eher die Untersuchung !) Vor der Färbung wurden die Schnitte meistens mehrere (bis 24) Stunden in Terpentin aufgestellt. ?) Die Präparate, welche meiner vor zwei Jahren veröffentlichten Arbeit über die Mitochondrien des Paludinahodens zu Grunde liegen, waren mit Sublimat-Eisessig fixiert und mit Eisenhämatoxylin (nach Bordeaux- Vorfärbung) tingiert. 6 Friedrich Meves: erleichtere, freilich bei Messungen der Zellen in Rechnung zu ziehen sei. Die Wahrheit ist, dass reines Sublimat auf die Zellen des Paludinahodens stark schrumpfend wirkt. Auerbach giebt den Durchmesser der grössten hier vor- kommenden Zellen nach Messung an Sublimatpräparaten auf 13—14 « an. Thatsächlich aber beträgt ihre Grösse am frischen (gegen Druck geschützten) ‚Präparat gemessen c. 30 «. Genau die gleiche Grösse haben sie an Material, das in Flemming- schem oder Hermann’schem Gemisch fixiert ist. Die durch Sublimat herbeigeführte Schrumpfung ist also eine ganz enorme; während die Osmiumgemische eine nach- weisbare Aenderung der Zellengrösse nicht verursachen. Ill. Ueber die Generationsfolge der Samenzellen. Die Feststellung der Generationsfolge der Samenzellen bei Paludina wird durch die gleichzeitige Entwicklung der beiden Formen von Samenfäden in einen und denselben Hodenschläuchen ausserordentlich erschwert. Man erleichtert sich seine Aufgabe erheblich, wenn man von dem ausgeht, was Van Beneden und O. Hertwig zuerst an einem sehr günstigen Objekt, der Hodenröhre von Ascaris, ermittelt haben. Van Beneden und O. Hertwig fanden, dass die Ent- wicklung der Samenzellen in drei Perioden zerfällt. Die erste Periode ist die sog. Vermehrungsperiode, in welcher die aus den embryonalen Keimzellen hervorgegangenen Ursamenzellen sich durch häufig wiederholte Teilung vermehren. Auf diese Periode folgt eine zweite, die sog. Wachstumsperiode, in welcher keine Teilungen mehr stattfinden, sondern in. welcher die durch die zahlreichen Teilungen der Vermehrungsperiode klein gewordenen Zellen wieder zu mehr oder minder beträchtlicher Grösse heran- wachsen. Nach Ablauf der Wachstumsperiode treten die Zellen als sog. Spermatocyten in die dritte oder Reifungsperiode ein; hier machen sie zwei mitotische Teilungen durch, zwischen denen ein Ruhestadium des Kerns ausfällt. Nach Ablauf der zweiten Teilung (als sog. Spermatiden) erleiden sie komplizierte histo- logische Veränderungen, durch welche sie in Samenfäden umge- wandelt werden. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 7 / Diese Einteilung, deren Allgemeingültigkeit schon durch viele Untersuchungen festgestellt wurde, findet auch auf Paludina Anwendung. Und zwar ist bei Paludina die Vermehrungsperiode, während welcher die Ursamenzellen (Spermatogonien) sich durch wieder- holte Teilung vermehren, den Ahnenzellen beider Arten von Samenfäden gemeinschaftlich. Ascaris, Paludina. © f Ö IN PN Q ‚Vermehrungsperiode Stets Wachstumsperiode 2 b e 5 2, N | | \ / N\ 0% Reifungsperiode 00 00 :0000/ |. .|\ Erst mit dem Eintritt in die zweite oder Wachstumsperiode geht die Entwicklung auseinander. Von den Ursamenzellen der letzten Generation erfahren die einen während der Wachst- umsperiode eine verhältnismässig geringe, die andern dagegen eine ausserordentlich starke Grössenzunahme. Die Zellen beider Reihen treten darauf (als Spermatocyten) in die Reifungsperiode ein und teilen sich zweimal hintereinander. Die Spermatiden der einen Reihe, die Enkel derjenigen Zellen, welche sich während der Wachstumsperiode verhältnismässig wenig vergrössert haben, wandeln sich in eupyrene Samenfäden um, während die Spermatiden der andern Reihe zu oligopyrenen Samenfäden werden. Ich darf den Leser bitten, im Anschluss an obiges einen Blick auf die beigegebenen Tafeln zu werfen. te) Friedrich Meves: Fig. 1 (Taf. I) zeigt einen Hodenschlauch bei schwacher Vergrösserung; Fig. 2 und 3 sind Teile der Schlauchwandung ; bei stärkerer Vergrösserung abgebildet. Es bedeutet: s»g. = Spermatogonien; p i. T: = Spermatogonien in Teilung; spe. I. ee — Spermatocyten erster Generation, aus der Entwicklungsreihe der eupyrenen Spermien; spec. II. e = solche zweiter Generation ; spt. e — Spermatiden eupyrener Spermien; e. Sp. — eupyrene Spermien; spt.e.i. E.—= Spermatiden eupyrener Spermien in Entwicklung; aux. o = Auxocyten (d. h. Zellen der Wachstumsperiode) aus der Ent- wicklungsreihe der oligopyrenen Spermien; spec. I. 0. = Spermatocyten erster Generation aus der Entwicklungsreihe der oligopyrenen Spermien; spe. II. 0..—= solche zweiter Generation; spt. 0. — Spermatiden oligopyrener Spermien ; spt:0.i.E,—= Spermatiden oligopyrener Spermien in Entwicklungs 0. Sp. = oligopyrene Spermien; k. ba. — Basalzellenkern. In Fig. 4—15 ist die Vermehrungsperiode, in Fig. 16—55 die Entwicklung der eupyrenen Spermien, in Fig. 56—120 die- jenige der oligopyrenen Spermien darstellt. Den frühern Untersuchern des Prosobranchierhodens, Max v. Brunn,!) Koehler und Auerbach, ist es nicht gelungen, über die Aufeinanderfolge der Zellgenerationen auch nur annähernd ins Klare zu kommen. v. Brunn darf man dieses um so weniger verübeln, als er noch zu einer Zeit (1834) gearbeitet hat, wo die Generations- folge bei Ascaris noch nicht festgestellt war. Die Arbeiten von Koehler (85) und Auerbach (96) stellen gegenüber derjenigen v. Brunns kaum in irgend eine Beziehung einen Fortschritt dar. Auerbach hat seine Abhandlung erst im Jahre 1896 ver- öffentlicht. Trotzdem hat er es unterlassen, sich die Frage vor- zulegen, ob und in welcher Weise die von Van Beneden und O0. Hertwig bei Ascaris gewonnene Erkenntnis für die Sperma- togenese von Paludina verwertet werden könnte. Für sich selbst 1) Die ältere Litteratnr von v. Siebold bis Duval ist in der vor. liegenden Arbeit unberücksichtigt geblieben; sie findet sich beiM.v. Brunn in vortrefflicher Weise zusammengestellt und besprochen. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. I aber hat er ebenso wenig wie v. Brunn und Koehler ver- mocht zu einem auch nur einigermassen richtigen Resultat zu kommen. Die genannten drei Autoren, v. Brunn, Koehler, Auer- bach, beschreiben übereinstimmend als Ausgangsstadium der Entwicklung freie, im Cytoplasma der sog. Basalzellen gelegene Kerne, über deren Herkunft sie in unten zu besprechender Weise differieren. Diese Kerne wandern, nach v. Brunn, nachdem sie sich einmal oder zweimal geteilt haben, nach Koehler und Auer- bach ohne vorherige Teilung, aus dem Cytoplasma der Basal- zellen aus, wobei sie sich mit einem Mantel von Zellsubstanz umgeben!). Nach ihrer Entstehung sollen die Zellen sich nun folgender- massen weiter entwickeln. Die einen Zellen teilen sich nach v. Brunn noch einmal, nach Koehler wiederholt, nach Auelrbach viermal, und werden dann zu eupyrenen Samenfäden. Die andern Zellen dagegen wandeln sich direkt zu oligo- pyrenen Spermien um. Nach Auerbach wird diese Umwand- lung eingeleitet durch eine Mitose, die aber nicht zur Zellteilung führt, sondern kurz vor dem Dispiremstadium zum Stillstand kommt. Auerbach sucht seine Meinung, dass diejenigen Samen- zellen, welche zur Entwicklungsreihe der eupyrenen Spermien gehören, bis zum Spermatidenstadium vier mitotische Teilungen durchmachen, durch Messungen der Samenzellen zu begründen, Er fand an seinen Sublimatpräparaten einschliesslich der Sperma- togonien fünf Grössenstufen von folgenden Durchmessern: 1) 13—14 u 2) 10—11 u 3) 8—9 u 4) 6—7 u 5) 56 u. Berechnet man die Volumina, so ergiebt sich nach Auerbach, dass das Volumen jeder Tochterzelle der Hälfte des Volumens ihrer Mutterzelle gleich ist; wodurch sich die Annahme der fünf Zellgenerationen vollends bewähren soll. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass die Meinung Auerbachs, man könne durch Grössenmessung die Zahl der Zellgenerationen von der Spermatogonie bis zur Spermatide be- stimmen, durchaus irrtümlich ist. Im Hoden keines einzigen ı) Näheres hierüber im nächsten Kapitel (Vermehrungsperiode). 10 Friedrich Meves: Tieres liegt eine kontinuierliche Grössenabnahme vor; was damit zusammenhängt, dass zwischen dem Spermatogonien- und dem Spermatocytenstudium die Wachstumsperiode eingeschaltet ist. Die Spermatocyten ‚sind daher stets grösser als die letzte Gene- ration der Spermatogonien; dagegen sind sie bei einem Tier grösser, bei einem andern kleiner als die ersten (Generationen derselben Zellen. Deshalb muss man bei Bestimmung der Gene- rationsfolge yor allem die morphologischen Charaktere der Zellen berücksichtigen. Hinsichtlich der übrigen Angaben der Autoren beschränke ich mich darauf, auf meine oben gegebene Darstellung zu verweisen. IV. Vermehrungsperiode. Der Hoden von Paludina setzt sich aus einer grossen Anzahl von Blindschläuchen zusammen. Die zarte Bindegewebswand dieser Blindschläuche ist bedeckt von abgeplatteten riesigen Zellen, welche anscheinend ein Syncy- tium bilden. Diese Zellen sind die „Basalzellen“ von Platner, welche den Sertoli’schen oder Stützzellen des Säugetierhodens homolog sind. Entsprechend der Zellengrösse sind auch die Kerne sehr gross und dabei reich an Chromatin ; häufig sind sie eingeschnürt, sodass sie ein lappiges Aussehen haben. Das Cytoplasma enthält zahlreiche, im frischen Zustand stark gelbe Kügelchen, welche durch Osmiumsäure geschwärzt werden. Ausserdem finden sich in dem Cytoplasma der Basalzellen andere Zellen eingebettet, grössere mehr vereinzelt und kleinere in verschieden grossen Nestern zusammengelagert. Diese Zellen sind die Ursamenzellen oder Spermatogonien. Die vereinzelt liegenden grössten Zellen gehören der ersten (reneration der Spermatogonien an. Sie liegen mit Vorliebe m der Nähe des Kerns einer Basalzelle. Häufig sind sie ihm so dicht angelagert, dass sie einen Eindruck an ihm verursachen. Zuweilen findet man sie auch unter den Basalzellenkern, zwischen ihn und die Bindegewebswand des Hodenschlauchs, hineingeschoben. Diese Zellen der ersten Generation teilen sich nun zu wiederholten Malen auf dem Wege der Mitose. Sie gelangen dabei entweder aus dem Cytoplasma der Basalzelle heraus oder aber bleiben innerhalb desselben liegen. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 11 Im ersten Fall teilen sie sich an der mit den Basalzellen belegten Innenwand des Hodenschlauchs weiter und bilden hier einen Zellhaufen. Im zweiten Fall entstehen im Cytoplasma der Basalzelle die vorhin erwähnten Nester, deren Zellen um so zahlreicher und zugleich kleiner sind, je häufiger sie sich durch Teilung vermehrt haben. Die Nester drängen sich schliesslich ebenfalls nach innen aus dem Basalzellenplasma über die innere Peripherie desselben heraus. Das Cytoplasma der Spermatogonien ist nur sehr spärlich vorhanden, sodass man von den in den Basalzellen eingebetteten Spermatogonien, zumal bei schwächerer Vergrösserung, glauben kann, es handle sich um freie Kerne. Die Kerne sind bei den spätern Spermatogoniengenerationen meistens länglich und etwas eingeschnürt, bei den frühern da- gegen weisen sie stark zerklüftete Formen (Maulbeerformen) auf. Dieses zerklüftete Aussehen darf nicht auf Amitose bezogen werden ; denn man findet nichts davon, kann im Gegenteil leicht konstatieren, dass die Spermatogonien auch der frühern Gene- rationen sich durch Mitose teilen. Ebensowenig aber steht die Maulbeerform der Kerne zur Mitose in irgend einer Beziehung'). !) Ich erwähne dieses nur deswegen, weil Nussbaum (02) kürzlich die Behauptung aufgestellt hat, dass die maulbeerförmigen Kerne bei Amphibien in den Anfang einer Mitose hineingehören. Nussbaum stützt sich dabei auf Beobachtungen, die er am Bekenden Ei von Rhabditis nigrovenosa gemacht hat. Er will hier direkt wahrgenommen haben, dass die Kerne bei der Vorbereitung zur Mitose ein maulbeerförmiges Stadium durchlaufen. Was zunächst diese letztere Angabe anlangt, so möchte ich sie ent- schieden für irrtümlich halten. Die gelappten Kernformen, welche in den Furchungszellen von Rhabditis zu beobachten sind, stehen nicht am Anfang, sondern am Ende einer Mitose und gehören demnach in dieselbe Kategorie wie die maulbeerförmigen Kerne, welche in sich furchenden Eiern von Wirbellosen und Wirbeltieren vielfach beschrieben worden sind. Die ältere Litteratur dieses Gegenstandes bis 1896 findet sich bei Henneguy (Lecons sur la cellule, Paris 1896, S. 317 u. folg.) zusammengestellt. Soviel aber ist sicher: Die zerklüfteten Kerne der Furchungszellen sind wenigstens noch „in die Reihe der mitotischen Prozesse“ einzubeziehen. Von denjenigen der Spermatogonien dagegen kann dieses nicht gelten; sie haben zur Mitose absolut keine Beziehung. Im Salamanderhoden beginnen, wie auch Nussbaum bekannt sein 12 Friedrich Meves: Der Verlauf der Mitose bei den Spermatogonien zeigt durchaus keine Besonderheiten. Die Anzahl der Chromosomen beträgt 14. Die Zahl der auftretenden Generationen von Sperma- togonien lässt sich hier wie anderswo höchstens abschätzen. Möglicherweise ist sie überhaupt keine bestimmte. Jedenfalls treten nicht nur zwei oder drei, sondern häufig wiederholte Teilungen auf. Die bisherigen Untersucher des Prosobranchierhodens haben von den im Wandungsplasma liegenden Spermatogonien nur die Kerne gesehen. Die Kerne sollen ihrerseits nach v. Brunn nicht durch Teilung von ihresgleichen entstehen, sondern von den Basalzellen- kernen abstammen. Die Basalzellenkerne sollen durch direkte, multiple Teilung eine Anzahl Tochterkerne liefern, und zwar dadurch, dass sich Teile des Kerns einfach abschnüren, nachdem sie sich ein wenig vorgewölbt haben. Die abgeschnürten Tochterkerne von der Struktur ihres Mutterkerns, doch ihm gegenüber nur klein und rund, liegen in dessen Umgebung in das Protoplasma eingebettet. Die Kerne erfahren darauf innerhalb des Wandungs- plasma eine mitotischen Teilung, der sich wahrscheinlich noch eine zweite anschliesst, und ergänzen sich dann zu vollständigen Zellen, indem sie über die innere Peripherie des Basalzellen- plasmas hinausdrängen, welches sich jedem Kern in Gestalt eines Mantels anlegt. Von diesem Stadium an entwickeln sie sich nach v. Brunn in der im vorigen Kapitel referierten Weise weiter. muss, die grossen Spermatogonien mit maulbeerförmigen Kernen reichlich erst im Herbst, also nach der Periode der Zellvermehrung, aufzutreten. In den Winterhoden mit vollständiger Teilungsruhe haben fast alle grossen Spermatogonien maulbeerförmige Kerne. Im Frühjahr findet dann, vor Eintritt der Reproduktionsperiode, wieder eine Ausrundung der Kerne statt. Erst nachdem diese Ausrundung sich vollzogen hat, fangen die grossen Spermatogonien an sich zu teilen; ganz ausnahmsweise mag auch einmal eine Zelle mit noch nicht vollständig ausgerundetem Kern in Mitose treten. In den Spermatogonien des Salamanders hat demnach die Maulbeer- form mit der Mitose nichts zu thun; sie kennzeichnet vielmehr einen exquisiten Ruhezustand der Kerne. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 13 Gegen eine amitotische Teilung der Basalzellenkerne hat, sich dann Platner (85) auf Grund seiner Beobachtungen bei Lungenschnecken (Arion und Helix) ausgesprochen. Auch Koehler hat bei Murex nichts davon finden können. Er beschreibt unregelmässig im Basalzellenplasma verstreute Kerne, welche dann auswandern, wobei sie einen Teil des Basal- zellenplasmas mit sich nehmen. Auerbach trägt dagegen kein Bedenken, sich v. Brunn in der Annahme einer amitotischen Proliferation der Basalzellen- kerne anzuschliessen. Er hat ebenso wie v. Brunn „öfters tiefe und scharfe Einschnürungen gefunden, durch die der Kern ein gelapptes Aussehen erhält, ferner dicht an einen solchen an- schliessend einen kleinen runden Kern von sonst ähnlicher Be- schaffenheit, was ganz den Eindruck machte, als sei er ein ab- geschnürter Teil des grössern. Ferner kam es vor, dass eine Kette von drei bis vier ähnlichen Kernen von mittlerer Grösse die Stelle eines grossen vertrat“. Im Gegensatz zu v. Brunn behauptet Auerbach, dass an den Kernen, solange sie im Basalzellenplasma liegen, keine Mitosen vorkommen. ‘Zur Kritik der eben referierten Darstellungen bemerke ich folgendes. Zunächst liegen die sog. freien Kerne, die v. Brunn, Koehler und Auerbach beschreiben, nicht thatsächlich frei im Basalzellenplasma, sondern sind von einer zu ihnen gehörigen Zellsubstanz umgeben, die allerdings so schmal ist, dass sie mit schwächern Vergrösserungen schwer wahrzunehmen ist. Dass die Kerne dieser Zellen, wie v. Brunn und Auer- bach annehmen, durch Amitose aus den Basalzellenkernen ent- stehen sollten, halte ich für ausgeschlossen. Allerdings muss zu- gegeben werden, dass die Bilder, welche man bei Paludina findet, auf den ersten Blick eine solche Auffassung nahe legen. Man findet die Spermatogonien ältester Generation, wie ich oben ge- schildert habe, an die Kerne der Basalzellen fest angelagert oder sich unter diese hineinschiebend. Bei genauerm Zusehen aber sind für eine Amitose der Basalzellenkerne keine Beweise beizubringen. Auch die Spermatogonien selbst teilen sich, wie gesagt, nicht durch Amitose, sondern durch Mitose. 14 Friedrich Meves: Mitosen der Spermatogonien dürften bisher höchstens von Koehler bei Murex gesehen worden sein; bei Paludina dagegen sind sie, wie ich glauben möchte, noch nicht beobachtet. v. Brunn giebt zwar an, dass die frei im Wandungs- plasma liegenden Kerne sich auf mitotischem Wege teilen; was er aber als Mitosen dieser Kerne abbildet (die mit ce bezeichneten Gruppen von Kernknäueln auf seiner Taf. XXH, Fig. 11—14), sind anscheinend Knäuelstadien von Spermatocyten erster Ord- nung, welche zur Entwicklungsreihe der eupyrenen Spermien gehören. Auerbach lässt diejenigen Zellen, welche sich zu eupyrenen Spermien umwandeln, vorher noch vier Teilungen durchmachen. Die erste dieser Teilungen bezeichnet er als Spermatogonien- teilung und giebt von ihr die folgende von Anfang bis zu Ende irrtümliche Beschreibung. Im Beginn der Spermatogonienteilung soll sich nach Auer- bach ein „Nebenkern“ (Fig. Ill, a, b) bilden, welcher dem Kern an- fangs sichelförmig angelagert ist. Später zieht er sich unter fort- währender Verdichtung zu einem rundlichen Gebilde zusammen, wel- ches frei in der Zellsubstanz liegt (IlIe). Sobald seine Bildung beendet ist, beginnt die eigentliche Mitose mit einer mächtigen An- schwellung des Kernbläschens. Hierdurch wird der Nebenkern mehr und mehr peripheriewärts verdrängt, bis er schliesslich die Zellmembran berührt (III d). Weiterhin wird er sogar unter wachsen- dem Druck seitens des anschwellenden Kerns in eine andere Form gepresst, nämlich in diejenige eines plankonvexen oder konkavkonvexen Meniscus, der im optischen Querschnitt sichel- förmig erscheint und zwischen Kerngrenze und Zellmembran eingezwängt ist (IITe—g;). Dieser Meniscus erfährt dann später inder Zeit zwischen dem Schleifen- und dem Spindelstadium eine Teilung in zwei gleiche Portionen, die sich nach zwei gegen- überliegenden Polen der Zelle hinbegeben, von wo aus sie durch Ausstrahlungen ihrer Substanzen gemeinsam die Faserspindel formieren (III h).- Im Innern des Kernbläschens wandelt sich das vorhandene (rerüstwerk im Beginn der Mitose in einen Knäuel um, der an- scheinend aus einem „einzigen, ansehnlichen und durchweg gleichmässig dicken Faden“ besteht. Auf einem weiteren Stadium enthält der Kern vier hufeisenförmig gekrümmte Fadenstücke oder Schleifen, die mit ihren freien Enden an der Gegenpolseite, Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 15 an welcher der. Nebenkern liegt, auf der Kernmembran fussen (III e, Phase der geordneten Schleifen). Die Schleifen lösen sich als- bald von dem Boden, dem sie aufsassen, ab und nehmen andere Arten von Krümmungen und andere, sehr unregelmässige Lagen an (III f, Phase der abgelösten und verlagerten Schleifen). Sie spalten sich nun nicht der Länge nach, sondern zerfallen jede in vier, im ganzen also in sechszehn Stücke, die sich zu Kügelchen abrunden (III g). Diese sechszehn Kügelchen rücken in einer äqua- torischen Zone zusammen und verschmelzen wieder zu vier grösseren Körpern, „Karyosomen“ (IIIh, i). Die vier Karyosomen spalten sich schliesslich der Länge nach; die Tochterkaryosomen rücken nach den beiden Polen auseinander.') Ich habe schon in einer früheren. Arbeit gesagt, dass Auerbach zu diesem Bilde seiner „Spermatogonienteilung“ die Teilungsstadien der verschiedensten Zellgenerationen des Paludina- hodens vereinigt hat; nur ist leider nicht ein einziges Teilungs- stadium einer wirklichen Spermatogonie dabei. Die Figuren a—e von Auerbach (Textfig. III a—c hier) stellen Auxocyten d.h. Zellen der Wachstumsperiode (nach einem von Bolles Lee (97) vorgeschlagenen Terminus) aus der Ent- wicklungsreihe der wurmförmigen Spermien dar. Die Spermato- 23 h. Fig. III. a—k — Spermatogonienteilung von Paludina nach Auerbach (9%, Taf. XXI. !) Durch diese Folge von Vorgängen soll nach Auerbach Gelegen- heit gegeben sein, „dass Teilstücke aus mehreren Fäden zu einem neuen Karyosom zusammentreten; und im günstigsten Fall werden von den vier zu einer Einheit verschmelzenden auch nicht zwei aus einem und demselben Faden herstammen, sondern jedes aus einem andern, sodass der resultierende 16 Friedrich Meves: gonien von Paludina haben überhaupt kein so reichliches Cytoplasma und kein Idiozom („Nebenkern“ Auerbach). Fig. g—i von Auer- bach (Textfig. III eund f) sind wahrscheinlich Knäuelstadien der ersten Reifungsteilung der haarförmigen Spermien; Fig. k und I (HI g und h) scheinen Stadien der zweiten Reifungsteilung der wurmförmigen Spermien zu sein, was ich aus den in grösserer Zahl vorhandenen kugelförmigen Chromosomen schliessen möchte. Fig. m—q (III i und k) halte ich für Schlussstadien der ersten Reifungsteilung haarförmiger Spermien. Thatsächlich lässt die Teilung der Spermatogonien irgend- welche Besonderheiten nicht erkennen, nicht bei Paludina und, wie ich hinzusetzen möchte, auch nicht bei Helix. Von der Kernteilung der Spermatogonien von Helix hat Lee 1898 eine Beschreibung gegeben, nach welcher diese von einer gewöhnlichen Mitose sehr verschieden sein soll. Nach Lee bilden sich im Beginn der Teilung eine Anzahl (ec. 6—12) verschieden langer Chromatinfäden, welche zunächst keine bestimmte Anordnung haben (IVa). Diese segmentieren sich, bis 24 Stücke von annähernd gleicher Länge vorhanden sind. Fig. IV. a—h — Erste Teilungsstadien der Spermatogonien von Helix nach Bolles Lee (97, P1.I, Fig. 6, 8, 10, 11, 14, 16, 19) Körper Substanz aus allen vier Fäden in sich zusammenfasst. Darin wäre, indem bei der Verschmelzung die feinsten Teilchen der Einzelstücke durch- einander gemischt werden, ein Mittel gegeben, die Uebertragung etwaiger feinerer substanzieller Verschiedenheiten der vier Fäden auf die Karyosomen des Spindelstadiums zu verhindern, also diese qualitativ gleich zu machen.* Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 17 Die 24 Fäden nehmen die Form von Schleifen an, deren freie Enden sämtlich gegen ein und dasselbe Feld der Kernoberfläche ge- richtet sind (IVb). Darauf spalten sie sich der Länge nach (IV c). Die Spalthälften bleiben nicht parallel neben einander liegen, sondern trennen sich vollständig von einander (IV d) und verstreuen sich im Innern des Kernes (phase de l’eparpillement des segments secon- daires); dabei geben sie ihre Polfeldanordnung auf und „öffnen sich“, sodass sie mehr oder weniger gradlinig werden (IVe). Die „geöffneten“ Schleifen beginnen nunmehr an ihren Enden, welche an die Kernmembran anstossen, sich zu verdünnen, während die Schleifenmitten dicker werden. Auf diese Weise entstehen schliesslich Bilder wie dasjenige der Fig. IVf; von hier bis zu den fertigen Chromosomen (IV g) ist nur noch ein Schritt. Nach der Art und Weise, wie die Bildung der Chromo- somen sich vollzieht, sollte man erwarten, auf diesem letzteren Stadium, welches demjenigen der Aequatorialplatte vorangeht, 48 Chromosomen zählen zu können. Lee konnte aber nur „augenscheinlich viel mehr als 24 Chromosomen“ konstatieren. Aus dieser Thatsache kann man nach Lee keinen anderen Schluss ziehen als den, dass die 48 Chromosomen, die auf einem frühern Stadium (phase de l’&par- pillement) vorhanden waren, sich wieder zu je zweien vereinigen. Es erscheint ausgeschlossen, dass dabei die zu einander gehörigen Spalthälften, welche sich während der Verstreuungsphase getrennt hatten, wieder zusammenkommen ; die Doppelchromosomen der Aequatorialplatte müssen sich vielmehr, wenigstens zum Teil, aus „heterogenen“ Elementen zusammensetzen. Auf diese Weise soll nach Lee die Möglichkeit einer „qualitativen Reduktion“ im Sinne von Weissmann gegeben sein. Ich kann nicht umhin, zu erklären, dass ich — auf Grund eigener Kenntnis des Objekts — diese ganze Darstellung für irrtümlich halte. Ich bin der Ansicht, dass diejenigen Bilder, welche Lee als seiner Verstreuungsphase angehörig betrachtet, weiter nichts als Stadien des feinfädigen Knäuels sind, dessen Bildung hier wie anderswo der des dickfädigen vorangeht. Lee hat diese Stadien irrtümlicher Weise hinter den dickfädigen Knäuel, bezw. hinter die im Anschluss an den dickfädigen Knäuel erfolgende Längsspaltung eingereiht, während sie thatsächlich an den An- fang der Mitose zu setzen sind. Nach der Längsspaltung tritt Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 2 18 Friedrich Meves: in den Spermatogonien von Helix genau wie bei jeder anderen Zellart eine Verkürzung und Verdickung der Spalthälften ein; diese werden erst auf dem Stadium der Metakinese von- einander getrennt. V. Entwicklung der eupyrenen Spermien. 1. Wachstumsperiode. Diejenigen Spermatogonien, deren Enkelzellen bestimmt sind, sich in eupyrene Samenfäden umzuwandeln, erfahren, wie gesagt, in der Wachstumsperiode eine verhältnissmässig nur geringe Grössenzunahme. | Der Kern nimmt von Beginn dieser Periode an eine excen- trische Lage in der Zelle ein. In seinem Innern schwinden die gröbern Chromatinbrocken, um einem aus zahlreichen dünnen Bälkchen gebildeten Gerüstwerk Platz zu machen. In dem vom Kern freien Teil des Cytoplasmas sind zwei winzige Centralkörper nachweisbar. In ihrer Umgebung grenzt sich, allmählich immer deut- licher, eine aus spezifischer Substanz gebildete Hülle aus, für welche ich in frühern Arbeiten die Bezeichnung „Idiozom“ an- gewandt habe. In den Spermatogonien ist eine derartige „Eigen- hülle“ der Centralkörper nicht vorhanden, jedenfalls nicht in den Zellen der späteren, aber anscheinend auch nicht in denen der frühern Generationen.t) 2. Reifungsperiode. a. Die Reifungsteilungen. Die Zellen haben noch lange nicht zu wachsen aufgehört, wenn sie schon, wie die Veränderungen am Kern erkennen lassen, in die erste Reifungsteilung eintreten. Während sie noch weiter an Grösse zunehmen, entsteht im Kern zunächst ein enger, feinfädiger Knäuel, welcher sich immer mehr auflockert und schliesslich in einen dickfädigen übergeht 1) Dass ein „Idiozom“ in den Samenzellen erst mit dem Beginn der Wachs- tumsperiode auftritt, ist zuerst von Moore (95) bei Selachiern beobachtet worden. Ich selbst habe bei Salamandra gefunden, dass hier ein deutlich abgegrenztes Idiozom wohl bei den ersten, aber (wenigstens in Sommer- hoden) nicht bei den späteren Generationen der Spermatogonien vorhanden ist. Erst beim Uebertritt der Samenzellen in die Wachstumsperiode bildet sich in ihnen wieder eine scharf konturierte Eigenhülle um die Central- körper aus. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 19 Darauf tritt eine Längsspaltung der Knäuelfäden ein. Die Spalthälften werden durch einen verhältnismässig grossen Zwischen- raum von einander getrennt. Auf einem weitern Stadium ‚vermag man zuerst zu kon- statieren, dass getrennte Segmente vorhanden sind; und zwar sind es sieben, die jedes aus einem Doppelfaden bestehen, dessen Spalthälften häufig Ueberkreuzungen und Verschlingungen zeigen. Die Spalthälften verkleben nun an den Enden und erfahren dann eine immer weiter gehende Verkürzung und gleichzeitige Verdickung. Dabei weichen die Mitten der Spalthälften häufig mehr oder weniger weit auseinander, sodass Ringbildungen entstehen. Weiterhin verkleinert sich das Lumen der Ringe, meistens bis zum völligen Verschwinden. Schliesslich entstehen Chroma- tinblöcke vom mehr oder weniger irregulärer Form, welche die definitiven Chromosomen darstellen. Diese kommen nun nach Schwund der Kernmembran frei in der Zellsubstanz zu liegen. Auf einem darauffolgenden Stadium haben sie sich im Aequator einer Spindelfigur angeordnet. Die Chromosomen- figuren, die dabei beobachtet werden, erinnern ausserordentlich an diejenigen, welche bei der ersten Spermatocytenteilung von Salamandra auftreten; sodass ich mich für berechtigt halte an- zunehmen, dass auch bei Paludina die durch die Längsspaltung entstandenen beiden Schwesterfäden auf die Pole verteilt werden. Die zweite Reifungsteilung schliesst hier, wie überall, an die erste fast unmittelbar an, ohne dass ein Ruhestadium durch- laufen würde. Dass auch diese zweite Teilung eine „Aequationsteilung“ ist, kann nicht im geringsten bezweifelt werden; denn man kann mit Sicherheit konstatieren, dass in den Prophasen eine Längsspaltung der Chromosomen erfolgt, und dass die Spalt- hälften an die beiden Pole auseinanderweichen. Eine vorüber- gehende Verschmelzung der Chromosomenenden, wie bei der ersten Reifungsteilung, findet dabei nicht statt. Die zweite Reifungsteilung stimmt darin (sowie in ihrem ganzen Habitus) in überraschender Weise mit der zweiten „homoeotypisch“ ver- laufenden Reifungsteilung des Salamanders überein, bei welcher ebenfalls zusammenhängende Chromatinschleifen bez. Reifen nicht gebildet werden. I 20 Friedrich Meves: Die Beobachtungen, welche über die beiden Reifungsteilungen der eupyrenen Spermien in der Litteratur vorliegen, sind nur sehr lückenhaft. | v. Brunn giebt an, dass diejenigen Samenzellen, welche bestimmt sind, sich in eupyrene Spermien umzuwandeln, vorher noch eine Teilung durchmachen, von welcher er jedoch nur die ersten und letzten Phasen gesehen habe. Nach seinen Figuren (Taf. XXI, Fig. 3 «@) handelt es sich um Stadien der zweiten Reifungsteilung. Nach Koehler sollen die Samenzellen von Murex sich nach ihrer Entstehung noch wiederholt teilen, bevor sie sich in eupyrene Samenfäden umwandeln. In den diesbezüglichen Abbildungen vermag ich Spermatocytenteilungen nicht zu erkennen. Auerbach lässt auf die oben referierte sog. Spermato- gonienteilung noch drei Spermatocytenteilungen folgen, von denen die erste und letzte ebenso verlaufen sollen wie die Sperma- togonienteilung. Die vorletzte dagegen soll folgende Abweichung zeigen. Es soll dabei zur Bildung eines sog. Viererstadiums kommen, indem jedes der vier „Karyosomen“ an der Spindel, statt wie sonst in zwei, dieses Mal in vier Teilstücke zerfällt, sodass acht -Körperchen nach jedem Pol hinwandern. Ich für meinen Teil kann nur versichern, dass diese An- gaben Auerbachs den Thatsachen ebensowenig entsprechen wie diejenigen bezüglich der „Spermatogonienteilung“. b. Zur Frage nach dem Vorkommen von Sog. Reduktionsteilungen. Gemäss der Beschreibung, welche ich selbst von den beiden Reifungsteilungen gegeben habe, existiert die von Weissmann postulierte Reduktionsteilung bei Paludina ebensowenig wie beim Salamander. Dadurch, dass sie nicht allgemein vorkommt, ver- liert sie aber, wie schon Moore mit Recht betont hat, jede theoretische Bedeutung. Zugegeben dass bei diesem oder jenem Tier eine sog. Reduktionsteilung, d. h. eine Teilung mit Quertrennung der Chromosomen, wirklich vorkommt, so ist dadurch für die Reduk- tionslehre durchaus garnichts gewonnen. Wir würden nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nicht berechtigt sein, anzu- Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 21 nehmen, dass durch die Quertrennung etwas wesentlich anderes bezweckt wird als durch die gewöhnlich vorkommende Längs- spaltung ; die Begriffe Aequationsteilung bez. Reduktionsteilung sind den beiden Teilungsmodis mit Längsspaltung bez. Quer- trennung der Chromosomen bloss auf Grund einer Hypothese, die sich als falsch erwiesen hat, angehängt. Ich für meine Person halte es aber, heute mehr als je, für gerechtfertigt, das Vorkommen sogenannter Reduktions- teilungen überhaupt zu bezweifeln. Haecker hat 1899 im achten Band der Merkel-Bonnet- schen Ergebnisse einen zusammenfassenden Bericht über die Reifungserscheinungen geliefert, in welchem er die Existenz eines Weissmann’schen‘ Reduktionsmodus als erwiesen annimmt. Seine diesbezügliche Besprechung leitet er folgendermassen ein: „Nach den Ermittlungen von vom Rath, Rückert u. d. Ref. vollzieht sich bei verschiedenen Arthropoden (Gryllotalpa, Cope- poden), nach vom Rath auch bei Amphibien (Rana, Salamandra) die Reduktion der Chromosomenzahl in folgender, dem bekannten Weissmann’schen Postulat im grossen Ganzen ent- sprechender Weise.“ Es folgt die Auseinandersetzung des Schemas. Haecker erlaubt sich demnach noch 1899 unter den für die Reduktionsteilung grundlegenden Schriften die wertlose, mit stark schematisierten Figuren ausgestattete Amphibienabhandlung seines früheren Arbeitskollegen vom Rath (93) anzuführen. Er verschweigt seinen Lesern völlig, dass diese Arbeit schon 1896!) die vollständigste Widerlegung erfahren hat. Man darf darin wohl den Beweis erblicken, dass es Haecker selbst um die von ihm verteidigte Reduktionslehre bange geworden ist. Eine Thatsache, welche die zahlreichen Arbeiten über Reduktionsteilung festgestellt haben, ist meines Erachtens die, dass bei der ersten Reifungsteilung sog. Vierergruppen auftreten können. Hinsichtlich der Deutung derselben stimme ich mit vom Rath, Haecker und Rückert überein?). !) Der Band des Archivs für mikroskopische Anatomie, welcher meine Arbeit „Ueber die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen von Salamandra maculosa“ enthält, trägt die Jahreszahl 1897. ?) Die genannten Autoren stellen sich die Genese der Vierergruppen folgendermassen vor: Der einmal längsgespaltene Chromatinfaden des Knäuel- stadiums wird vor der Reifung durch Querteilung in nur halbsoviel Segmente 223 - Friedrich Meves: ‘Dass aber eine Verteilung der Einzelstücke dieser Vierer- gruppen in den beiden Reifungsteilungen stattfände, kann ich für keinen Fall als bewiesen anerkennen. Dass die erste Teilung eine sog. Aequationsteilung ist, erlaube ich mir auf Grund eigener Kenntnis zahlreicher Objekte auch für diejenigen Fälle anzunehmen, in denen wider- sprechende Angaben von Autoren vorliegen. Dass auch bei der zweiten Teilung eine Längsspaltung stattfindet, wird sich, wie ich glaube, trotz vieler anderslautenden Angaben in allen Fällen nachweisen lassen, in denen die Objekte nicht allzu kleinkernig sind und durch die Reagentien nicht allzu stark verklumpt werden. Man wolle bedenken, dass die meisten Be- schreibungen von Reduktionsteilungen von Autoren stammen, die niemals vorher auf dem Gebiet cellularer Forschung thätig ge- wesen sind, welche die Reagentienwirkung nicht zu beurteilen verstanden und ihre weitgehenden Schlüsse aus mangelhaft konservierten und verklumpten Chromatinfiguren kleinkerniger und daher ungeeigneter Objekte gezogen haben. Carnoy (85) ist bekanntlich einer der ersten gewesen, welcher bei Samenzellen von ÄArthropoden eine Teilung mit Quertrennung der Chromosomen angenommen hat; und daneben eine zweite Teilung (so recht nach dem Herzen der Reduktionsforscher), bei welcher die Chromosomen der Aequatorialplatte ohne Spaltung oder sonstige Teilung in zwei Gruppen gegen die Pole auseinander gehen sollten. Diesen Angaben von Carnoy hat Flemming 1857 eine längere Kritik angedeihen lassen, welche heute womöglich noch beachtenswerter ist als damals, weil sie auch auf fast sämtliche neuern Befunde von Reduktionsteilung Anwendung findet. Flemming findet den Gedanken sehr nahe liegend, dass alle die Eigentümlichkeiten, die Carnoy als fundamental abweichende ormen der Mitose im allgemeinen aufgefasst hat, nichts anderes seien als dieselben speziellen Eigentümlichkeiten der Mitose bei zerlegt als sonst. Dadurch entstehen Doppelfäden oder -stäbe, deren jeder sich aus je zweien, in der Kette hintereinander gelegenen Chromosomen zu- sammensetzt. Die Vierergruppe entsteht nun dadurch, dass jeder solcher Doppelfaden vor der Reifung durch eine Querteilung (die als eine verspätete Segmentierung aufzufassen ist) wieder in die ursprünglichen zwei Chromo- somen zerfällt. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 23 den Spermatocyten von Salamandra, welche er selbst beschrieben und von denen er gezeigt habe, dass sie keineswegs fundamental vom sonstigen Typus abweichen. Flemming erklärt, er habe einstweilen kein Recht, diesen (Gedanken als bestimmte Behauptung hinzustellen, da es ihm in der Zeit, die seit dem Erscheinen von Carnoys Buch vergangen wäre, nicht möglich gewesen wäre, Objekte von Arthropoden genau nachzuprüfen; jedoch habe er seine Vermutungen schon jetzt besonders aus folgendem Grunde äussern wollen. „Es ist sehr die Frage“, sagt Flemm.ıng, „ob überhaupt eine genaue Untersuchung von Carnoys Objekten über den wesentlichen Punkt Aufschluss wird geben können; denn diese Objekte sind eben relativ kleinkernig, und sind ferner gewiss ebenso sehr, vielleicht noch mehr als die von Amphibien, der Entstellung durch Reagentien ausgesetzt, wofür jeder Kenner der Kernteilung in Carnoys Abbildungen mannigfache Belege finden kann. Die Längsspaltung ist schon bei der zweiten Generation der Sperma- tocyten von Salamandra nur bei ausgesucht guter Fixierung und schärfster Tinktion deutlich zu sehen; wie viel schwerer muss dies bei den meisten, vielleicht allen Arthropoden zu sehen sein. Denn Carnoy selbst sagt wörtlich: „Das Studium der Karyo- kinese bei den Arthropoden ist mühsam und hat grosse Schwierig- keiten. Die Hodenzellen sind dort allgemein von kleinen Dimen- sionen. Die der Panorpen, Chilopoden etc. sind zwar gross, aber, unglücklicherweise, ausgenommen die der Scolopendren, arm an Chromatin etc.“ Ist es aber dann vom Standpunkt eines Naturforschers richtig, solche Objekte zu benutzen und zu Grunde zu legen, um so sehr weitgehende Schlüsse aufzubauen, wie es Carnoy jetzt gethan hat? Ich hielt es doch für nützlich, als- bald darauf hinzuweisen, wie wenig gesichert diese Schlüsse sind.“ Carnoy ist bekanntlich später aus einem Saulus ein Paulus geworden; und GCarnoys Schule ist am Werk, die Richtigkeit der Flemming’schen Kritik auch für neuere Reduktionsbefunde zu erweisen. ec) Histogenese der eupyrenen Spermien. Fig. 56 zeigt eine Spermatide kurz nach Ablauf der zweiten Reifungsteilung. Sämtliches Chromatin des Kerns ist unter der Membran angehäuft. An der Zellperipherie liegen an einer 24 Friedrich Meves: Stelle zwei rundliche Centralkörper. Von dem mehr peripher gelegenen, „distalen“, ist bereits ein feines Fädchen als erste Anlage des Schwanzes ausgewachsen. Fig. 37—39. Der Umwandlungsprozess der Spermatide in den Samenfäden beginnt nun damit, dass der bis dahin runde Kern sich etwas in die Länge streckt, und dass das Chromatin sich von dem einen, später hintern (in den Figuren obern) Pol desselben zurückzieht. An dem übrigen Teil der Kernoberfläche beginnt es eine gleichmässig dicke Schicht zu bilden, welche nach hinten zu plötzlich mit scharf abgestutztem Rand aufhört. Gleichzeitig wandern die Centralkörper von der Zell- peripherie auf den Kern zu. Der proximale bewegt sich dabei gewöhnlich etwas schneller und erreicht den Kern zuerst, dessen hinterem Pol er sich anlagert, während der distale Centralkörper, von welchem der junge Schwanzfaden ausgeht, häufig etwas zurückbleibt. Die grau gefärbten Ballen, welche in den Figuren 57—39 in der Umgebung der CGentralkörper am hintern Kernpol liegen, sind „Mitochondrienbläschen“; die Genese derselben habe ich in einer früheren Arbeit beschrieben. Fig. 40—42. Nach dem Stadium der Fig. 39 beginnt zu- nächst der Kern sich unter Verdichtung .(oder Ausstossung ?) des Kernsaftes zu verkleinern. Die hintern Ränder der Chromatin- blase kommen dabei einander immer näher, sodass sie eine immer kleinere Oeffnung umfassen. Vollständig schliesst sich diese Oeffnung aber niemals, sondern es bleibt stets ein Loch bestehen, welches zwischen den Rändern der Chromatinblase durch die Kernmembran hindurch aus der Zellsubstanz in die Kernhöhle hineinführt. Während diese Veränderungen mit dem Kern vor sich gehen, beginnt der distale Centralkörper nach hinten in der Richtung des Schwanzfadens in einen Stab auszuwachsen. Dieser Stab wird umlagert von den Mitocbondrienbläschen, deren Zahl sich mittlerweile auf vier reduziert hat. Der proximale Centralkörper dagegen plattet sich zunächst noch stärker an dem hintern Kernpol ab; dann aber wächst er, zwischen den Stadien der Figuren 41 und 42, unter plötzlicher Umformung seiner Masse in die Oeffnung hinein, welche von den inzwischen einander stark genäherten Rändern der Chromatin- Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 25 blase umschlossen wird. Er erscheint nunmehr als eine einfache Fortsetzung des von dem distalen Centralkörper gebildeten Stabes; meistens ist er von diesem sogar überhaupt nicht ab- zugrenzen. Fig. 43- 45. Auf den weiteren Stadien gehen zunächst mit dem, inzwischen wieder rund gewordenen, Kern folgende Veränderungen vor sich. :Die gleichmässig dicke Chromatin- schicht unter der Kernmembran lockert sich allmählich auf. Dadurch werden die Wände der Kernblase mehr und mehr ver- dickt, der Kerninnenraum mehr und mehr verkleinert. Infolge dieser Verdickung der Wände wird die vorhin er- wähnte Oeffnung am hintern Kernpol zu einem Kanal verlängert. Der aus dem proximalen Centralkörper hervorgegangene Teil des Centralkörperstabes, welcher in dieser Oefinung gelegen ist, wird dabei um so viel länger, dass er stets bis an die centrale Kernhöhle heranreicht. Gleichzeitig wächst auch der hintere Centralkörper stärker nach hinten aus. Die vier Mitochondrienbläschen schliessen sich ihm auf seiner ganzen Länge eng an, wobei sie sich mit ihren Wänden an einander legen und verschmelzen. Fig. 46. Vom Stadium der Fig. 46 an nimmt der ganze Kern eine gleichmässig diffuse Färbung an. Einzelne Chromatin- brocken sind nun nicht mehr nachweisbar; augenscheinlich hat eine Lösung des Chromatins im Kernsaft stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt tritt am vordern Kernpol mit be- sonderer Deutlichkeit ein kleines Knöpfchen hervor, in dessen Nähe im Cytoplasma ein homogen aussehender Ballen von Idiozomsubstanz gelegen ist. Auf Grund der bei anderen Tieren gemachten Feststellungen möchte ich glauben, dass das Knöpfchen diesem Idiozom seine Entstehung verdankt. Dadurch würde es sich dann auch erklären, dass das Idiozom auf den Stadien der Figuren 44—46 stets in der Nähe des vordern Kernpols ge- funden wird. Fig. 47—49. Im weitern Verlauf wird der auf dem Stadium der Fig. 46 runde Kopf zunächst eiförmig (Fig. 47) und zieht sich dann immer mehr in die Länge (Fig. 48, 49). Auch die im Innern des Kopfes gelegene Höhle erfährt eine 26 Friedrich Meves: Längsstreckung (Fig. 48), um bald darauf (Fig. 49) zu ver- schwinden. Der vom Chromatin umschlossene vordere Teil des Central- körperstabes bleibt ziemlich unverändert. Der hintere Teil: da- gegen, welcher aus dem distalen Centralkörper hervorgegangen ist, entfaltet nach dem Stadium der Fig. 46 ein kolossales Wachstum. In Fig. 47 ist er bereits mehr als dreimal, in Fig. 48 ungefähr siebenmal so lang als in Fig. 46. Auf dem Stadium der Fig. 49 hat er schon annähernd seine definitive Länge erreicht. Von diesem Stadium an beginnt er seine Färb- barkeit zu verlieren (in Fig. 49 ist nur noch das hinterste Ende gefärbt). Er bildet die Achse des von v. Brunn sogenannten Mittel- stücks der Spermie. Die Mitochondrienbläschen strecken sich mit dem Wachs- tum des Centralkörperstabes in gleichem Mass wie dieser zu immer dünner werdenden Röhren in die Länge. Diese Röhren lassen anfangs noch kurz vor dem hintern Ende eine Auftreibung erkennen, welche jedoch mehr und mehr verstreicht, je stärker der Centralkörperstab in die Länge wächst. Schliesslich sind die vier Bläschen in eine cylindrische, auf dem Querschnitt vier- geteilte Umhüllung des Centralkörperstabes umgewandelt. Auf dem Stadium der Fig. 48 sieht man dem hintern stumpfen Pol des Kopfes einen mit Eisenhaematoxylin schwarz färbbaren Ring aufliegen, der offenbar ein Centralkörperderivat darstellt. Derselbe präsentiert sich in Fig. 48 in Seitenansicht.!) Ueber seine Entstehung habe ich nichts ermitteln können: sie muss zwischen den Stadien der Figuren 47 und 48 liegen. Fig. 50—52. An das Stadium der Fig. 49 schliessen sich nun folgende weitere Veränderungen an. Der Kopf wächst zu einem spitz ausgezogenen Stäbchen aus. (Fig. 50, 51.) Auf dem Stadium der Fig. 50 zeigt er konstant eine mehr oder weniger starke Schlängelung; gleich darauf streckt er sich wieder gerade. Genau ebenso verhält sich auch das Mittelstück. In der Fig. 50 ist die Schlängelung beider verhältnissmässig wenig ausgesprochen. — Es ist mir un- klar geblieben, was diese Erscheinung zu bedeuten hat. ı), Fig 53 u 55 zeigen ihn im optischen Querschnitt. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. IT Der in der Achse des Mittelstücks liegende Teil des Centralkörperstabes hat, wie ich schon oben angab, vom Stadium der Fig. 49 an seine Färbbarkeit verloren. Der vordere vom Chromatin des Kopfes umschlossene Teil dagegen lässt sich nach wie vor tingieren; jedoch ist dieses in den Präparaten, welche den Figuren 50 und 51 zu Grunde liegen, nicht gelungen. Auf dem Stadium der Fig. 52 erkennt man, dass er sich zu einem kleinen Kügelchen abgerundet hat. Der dem hintern Kopfpol aufliegende Ring ist in allen drei Figuren 50, 51 und 52 in Seitenansicht zu sehen. Die Zellsubstanz hat sich in Fig 50 über den Kopf nach hinten zurückgezogen und sich am vordern Ende des Mittelstücks angehäuft. In Fig. 51 bildet sie eine grössere Ansammlung am vordern und eine kleinere am hintern Ende des Mittelstücks. Auf einem weiteren Stadium findet man ausschliesslich an letzterer Stelle einen kugeligen Cytoplasmaballen, in dessen Innerm „tingierbare Körnchen“ aufgetreten sind. Auf diesem letztern Stadium (Fig. 52) konstatiert man ferner am vordern Kopfende das Auftreten eines vorn offenen, röhrenförmigen Aufsatzes, welcher sich noch kurz vor Beendigung des Reifungsprozesses in eigentümlicher Weise weiter entwickelt. Fig. 55—55. Der Kopf beginnt nunmehr seine definitive Korkzieherform anzunehmen, indem er sich, zuerst in seiner vordern Hälfte, spiralig aufdreht. Auf dem Stadium der Fig. 53 steckt er in einer vorn offenen Röhre, die ich mir in der Weise entstanden denke, dass der Hohlspiess der Fig. 52 mit seiner Insertion von der Spitze auf die Seiten des Kopfes übergeht und dass diese seitliche Insertion sich dann, unter starkem Wachstum des Spiesses, immer weiter caudalwärts herunterzieht, bis sie schliesslich den hinterıf Kopfpol erreicht. Diese Röhre dürfte der Kopfkappe einer Säugetierspermie entsprechen. Auf dem Stadium der Fig. 54 ist der kugelige Cyto- plasmaballen am hintern Ende des Mittelstücks verschwunden: statt dessen ist hier eine sehr eigentümliche (einfache [Fig. 54] oder auch doppelte) Ringelung des Mittelstücks aufgetreten. An den abgestossenen Spermien (Fig. 55), welche man im Innern der Hodenschläuche findet, ist von dieser Ringelung der Mittelstücksenden nichts mehr zu sehen. Die Röhren, von welchen 28 Friedrich Meves: die Köpfe umgeben waren, sind abgestreift; wahrscheinlich sind sie beim Freiwerden der Spermien im Cytoplasma der Basalzellen stecken geblieben. Die Köpfe selbst sind durch Verdichtung des Chromatins etwas kleiner geworden. Die reifen Spermien (Fig. 55) setzen sich aus folgenden Teilen zusammen: aus einem in ca. sechs Windungen gedrehten, korkzieherförmigen Kopf, dessen vorderster, besonders färbbarer Teil den Wert eines „Spitzenstücks“ hat, aus einem „Mittelstück“, wel- ches fast dreimal so lang ist als der Kopf, und aus einem Schwanz (letzterer ist in Fig. 55 in ganzer Länge dargestellt). Zwischen Kopf und Mittelstück ist ein mit Eisenhaematoxylin schwarz färbbarer Ring eingeschaltet (in Fig. 55 im optischen Quer- schnitt zu sehen); vor der Oefinung des Ringes liegt im Kopf, vom Chromatin desselben umschlossen, ein ebenfalls durch Eisen- haematoxylin schwarz färbbares Kügelchen. Ring und Kügelchen stellen beide Centralkörperderivate dar. Von der Histogenese der eupyrenen Spermien habe ich selbst bereits früher den ersten Teil beschrieben, soweit er mit Bezug auf das Verhalten der Mitochondrien von Interesse war. Die Mitochondrien bezw. ihre Derivate habe ich in der vor- liegenden Arbeit nur soweit berücksichtigt, als die Abbildungen etwas davon erkennen lassen; dagegen habe ich meine früheren Angaben über das Verhalten des Kerns und der Centralkörper vervollständigt und den ganzen Entwicklungsprocess von Anfang bis zu Ende behandelt. Die bisherigen Untersucher haben die Histogenese der eupyrenen Spermien nur sehr unvollständig dargestellt. Bei weitem die beste von den älteren Beschreibungen ist diejenige von v. Brunn, welche nur wenig irrtümliches, da- gegen wohl annähernd alles enthält, was man bei dem damaligen Stand der Technik und bei 700facher Vergrösserung wahrnehmen konnte. Ich erlaube mir, sie als Anmerkung hierher zu setzen.") ") Nach v. Brunn „besteht das erste erkennbare Zeichen der Um- bildung der Samenzelle zum Samenkörper darin, dass der Kern homogen und stark glänzend wird. Er färbt sich sehr schön; doch ist ein Kern- körperchen nicht zu bemerken.“ „Im nächsten Stadium besitzt die Zelle schon einen ausserordentlich zarten Faden; zugleich zeigen sich an der Austrittsstelle desselben einige stark glänzende Körnchen, Sie bilden die vier Ecken eines winzigen Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 29 Platner, der sich (89. 1) in seinen Beiträgen zur Kenntnis der Zelle auch mit der Samenbildung von Paludina beschäftigt hat, bestätigt im allgemeinen die v. Brunn’sche Darstellung. Neu beschreibt er das Idiozom der Spermatiden, hält es aber für ein Centrosom und gibt von ihm an, dass es sich an den vordern Kernpol anlagert und einen Spitzenteil des Spermienkopfes bildet. Koehler lässt in seiner Arbeit über Murex die Entstehung der eupyrenen Spermien überhaupt unberücksichtigt. Die letzte Beschreibung hatte Auerbach gegeben. Von ihr kann man sagen, dass sie in allen Punkten unrichtig ist, in denen sie von derjenigen von v. Brunn abweicht oder über diese hinauszugehen scheint. Nach Auerbach zerfällt die Ent- wicklung der eupyrenen Spermien in zwei Perioden, von denen die erste etwa bis zum Stadium meiner Fig. 49 reicht. Ueber dieses Stadium sollen die haarförmigen Spermien „nicht ohne weiteres hinausgelangen,, sondern erst nachdem sie ihren bis- herigen Ort verlassen und die Zusammenlagerung mit ihres- gleichen aufgegeben haben“. Sie sollen sich im Innern der Höhlung des Hodenschlauchs verstreuen und dann eine Art von Quadrats, aus dessen Mitte der Faden hervortritt. Der ungemeinen Klein- heit des Objekts wegen ist es nicht möglich, über ihre Beziehungen zu einander, zu Faden und Kern, Näheres zu ermitteln. Jedenfalls liegen sie dem letzteren dicht an, ein trennender Zwischenraum zwischen ihnen und diesem ist nicht wahrnehmbar; im Innern desKerns liegen sie nicht, sondern an seiner Aussenfläche. und es zieht sich eine kaum siehtbare, dünne Decke des Zellprotoplasmas darüber hin, ohne dass dadurch die runde Form der Zelle, etwa durch Wölbung, beeinträchtigt würde. Sehr charakteristisch ist dass diese Körnchen sich nicht im geringsten färben, während der Kern nach wie vor eine intensive Färbung zulässt. Der Faden hat etwa die halbe Länge des fertigen Samenkörpers, er ist in allen Teilen, an der Insertion sowohl wie am freien Ende, gleich stark und bewegt sich schon jetzt langsam schlängelnd. Mit fortschreitender Entwicklung beginnen die Verhältnisse deutlicher zu werden. Die glänzenden Körnchen nehmen ein wenig an Grösse zu, und es scheint zwischen ihnen, wie auch mit dem Fusspunkte des Fadens, eine Verbindung zu bestehen. Gleichzeitig wird in der Peripherie des Kerns an der den Körnchen zugewendeten Stelle eine kleine Oeffnung sichtbar, deren Ränder gegenüber der etwas glänzender ge- wordenen übrigen Kernwand ungemein zart sind. Die Konturen der Körnchen sind gegen den Kern zu nicht so scharf wie an der Aussenseite, Schon jetzt lässt sich mit einiger Sicherheit vermuten, in welcher Be- ziehung dieKörnchen zum Kern stehen, wirklich erkennbar wird dies jedoch erst aus folgenden Bildern: Die Körnchen haben ihre scheinbar runde Form verloren und gehen mehr und mehr in kurze Stäbchen über, deren periphere, 30 Friedrich Meves: Symbiose mit den wurmförmigen Samenelementen eingehen, in- dem sie zwischen diese hineinschlüpfen. In den „Gemenge- bündeln“ sollen sie so liegen, dass jeder von ihnen ringsherum von einer Anzahl wurmförmiger Samenfäden eingeschlossen und auf allen Seiten mit solchen in Berührung ist. Sofort nachdem diese Einlagerung vor sich gegangen ist, sollen die haarförmigen Spermien eine zweite Periode ihrer Ent- wicklung beginnen, welche nach Auerbach folgendermassen verläuft: Der früher schon einmal gestreckte und cylindrisch gewordene Kopf zieht sich wieder zu einer Kugel zusammen. Die Kugel streckt darauf ein Spitzchen vor, welches, auf Kosten der Kugel, immer mehr in die Länge wächst. Schliesslich „würde der Kopf des Spermiums die Gestalt eines Pfriemens haben, wenn er inzwischen gerade gestreckt geblieben wäre. Dem ist jedoch nicht so. Schon während der schlanke Abschnitt hinten noch in eine kugelige Anschwellung übergeht, finden sich an seinem vordersten Teile flache, wellige Biegungen ein, erst eine nächst der Spitze, dann dahinter eine zweite, dritte u.s.w.“ Auf diese Weise soll die charakteristische Korkzieherform des Spermienkopfes hergestellt werden. Stärke wie Glanz allmählich ab. Zunächst scheint es, als ob zwischen den Rändern der Kernöffnung und den proximalen Enden der Stäbchen eine Lücke bestehe, d. h. sowohl die Ränder dieser Oeffnung als auch die Stäbehenenden sind so zart, dass sie sich nicht weiter verfolgen lassen. Währenddessen hat der Kern seine runde Gestalt beibehalten, das Zell- protoplasma jedoch ist an den distalen Enden der Stäbchen, von wo der Faden ausgeht, infolge des Wachstums der Körnchen etwas hervorgewölbt. Der Faden ist ein beträchtliches Stück länger geworden. Von nun an kann man bestimmt. wahrnehmen, dass die Ränder der Kernöffnung in Verbindung mit den Stäbchen stehen; diese sind am distalen Ende innig vereinigt, nach dem Kerne zu scheinen sie noch durch eine Spalte, die sich in die Kernöffnung fortsetzt, getrennt zu sein.“ „Alle diese Bilder stellen die Verhältnisse dar bei mittlerer Ein- stellung, also im optischen Darchschnitt, was besondere Berücksichtigung erfordert. Bei höherer oder tieferer Einstellung wurden die überaus zarten Einzelheiten sofort undeutlich. Von jetzt ab treten diese schärfer hervor, und so erscheinen die vorher als getrennt erscheinenden Stäbchen als ein rings geschlossener, nach aussen sich verbreiternder, sehr schmaler, um- gekehrt kegelförmiger Fortsatz des Kerns. Letzterer hat seine runde Form im allgemeinen noch beibehalten, doch die vorher ziemlich weite Oefinung darin hat sich wieder zusammengezogen, und es geht von dort mit einer feinen Spitze der noch sehr kurze Fortsatz aus. An dem äusseren ab- ae te Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 31 Nachdem dies geschehen ist, lockert. sich das Bündel der wurmförmigen Elemente. Die haarförmigen beginnen nach vorn zwischen den Köpfen der wurmförmigen hindurch aus dem Bündel auszuwandern, was nur dadurch möglich ist, dass die wurm- förmigen Elemente ihrerseits sich nach hinten zurückziehen und so die zwischen ihnen befindlichen haarförmigen Spermien ent- weichen lassen. Die wurmförmigen Samenfäden zerstreuen sich im Innern des Hodenschlauchs. Die haarförmigen dagegen bilden neue Bündel, indem sie sich mit den Köpfen dicht aneinander legen. In dieser Stellung verweilen sie längere Zeit, um schliesslich ebenfalls auseinanderzufahren. Ich kann zu dieser Schilderung nur bemerken, dass sie durchweg irrtümlich ist. Ich behaupte, dass weder die von Auerbach beschriebene zweite Periode der Kopfentwicklung noch auch die „Syntaxis“ der haarförmigen mit wurmförmigen Samenfäden in Wirklichkeit vorkommt. Ich vermag mir aber nicht zu erklären, auf welche Weise Auerbach in diese Irr- tümer verfallen sein mag. gerundeten Ende dieses geht der Faden hervor, der nun die definitive Länge des fertigen Samenkörpers minus Kopf erreicht hat; er ist noch ganz so beschaffen wie früher, äusserst dünn, gleich stark und bewegt sich langsam schlängelnd. Das Zellprotoplasma liegt dem Kern in seiner unteren Hälfte dicht an, zieht sich aber, durch den Fortsatz vorgetrieben, zu einer stumpfen Spitze aus. Bezüglich der Färbung zeigen sich dieselben Gegensätze wie früher; nur der runde Kern färbt sich, der Fortsatz samt Faden bleibt völlig farblos. Dagegen zeichnet sich derselbe, wie vorher die Körnchen und Stäbchen, dem Kern gegenüber durch etwas stärkeren Glanz aus.“ „Die weitere Entwicklung besteht nun im grossen Ganzen darin, dass der Kernfortsatz in der Richtung des Fadens sich verlängert, der Kern- körper aber sich gleichzeitig in der entgegengesetzten Richtung streckt und zu einem dünnen, cylindrischen, spitz ausgezogenen Stäbchen oder Röhrchen wird. Das Zellprotoplasma dehnt sich in dem doppelten Sinne mit aus und legt sich beiden Teilen allmählich dieht an; zu bemerken ist jedoch, dass ein ziemlich beträchtlicher Teil desselben beim Emporwachsen des Kernfortsatzes an dessen Ende stets eine besonders ansehnliche An- schwellung bildet.“ „Die Substanz des Kernfortsatzes zieht sich gleichmässig rings um den Faden bis über dessen grössere Hälfte empor, sodass dadurch dieser Teil von dem Endstück, das seine ursprüngliche Natur stets beibehält, durch grössere Dicke ausgezeichnet wird. Kern und Fortsatz nehmen dabei an Masse entschieden zu, nieht durch Anlagerung von aussen, sondern durch inneres Wachstum. Der vorher so dünne, vordere Teil des Fortsatzes wird 32 Friedrich Meves: VI. Entwicklung der oligopyrenen Spermien. 1. Wachstumsperiode, Eine Spermatogonie, welche zur Ahnenreihe der oligo- pyrenen oder wurmförmigen Spermien gehört, entfaltet vom Uebertritt in die Wachstumsperiode an ein ausserordentlich starkes Grössenwachstum, an welchem nicht nur die bei den Spermatogonien nur sehr spärlich vorhandene Zellsubstanz und der Kern, sondern auch die Centralkörper beteiligt sind. In der ersten Hälfte der Wachstumsperiode sind die Zellen in der Regel birn- oder keulenförmig (Fig. 56—59); das zu- gespitzte Ende ist dem Basalzellenplasma zugekehrt und an diesem befestigt. Später wird die Gestalt der Zelle kugelig (Fig. 61—63). Der heranwachsende Kern nimmt eine runde Form und excentrische Lagerung an. In seinem Innern treten einige Zeit nach Beginn der Wachstumsperiode gröbere Chromatinbalken auf, welche eine Art Polfeldanordnung zeigen (Fig. 57,58). Diese ‚schwindet wieder im weiteren Verlauf der Wachstumsperiode ; es entsteht ein Chromatingerüst, das sich aus unregelmässigen eckigen Knoten und dünneren Bälkchen zusammensetzt (Fig. 59 u. 60). Die letztere Anordnung des Chromatins erhält sich bis zum Beginn der ersten Reifungsteilung. In dem vom Kern freien Teil des Cytoplasmas bildet sich mit dem Beginn der Wachstumsperiode ebenso wie bei den etwas stärker; wenn endlich der letztere den Faden in einer bestimmten Länge umwachsen hat, was zeitlich ungefähr mit der vollendeten Längs- streckung des Kernkörpers zusammenfällt, dann hat der Fortsatz in seiner ganzen Länge eine gleichmässige Stärke angenommen.“ „Mit Berücksichtigung der früher gegebenen Schilderung des reifen Samenkörpers ist es nun sofort klar, welche Deutung den bisher als Kern- körper und Kernfortsatz bezeichneten Teilen zu geben ist; ersterer entspricht dem Kopfe, lezterer dem Mittelstück. Vergleichende Messungen ergeben, dass der Fortsatz den anfänglich so langen, dünnen, gleichförmigen Faden genau in der Länge des Mittelstücks umwachsen hat. — Mit wenig Worten will ich noch hinzufügen, dass die Gestaltung des Kopfendes zu seiner definitiven, bohrerartigen Form von der Spitze aus beginnt; hier zeigen sich die ersten Schraubenwindungen, und von da schreiten dieselben weiter nach dem Mittelstück zu fort. Sie besitzen bedeutend stärkeren Glanz als der noch gestreckte übrige Teil des Kopfes und erscheinen etwas dünner als dieser; beides weist vielleicht auf eine weitere Condensation der Substanz hin.* Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 33 Auxocyten der eupyrenen Spermien ein deutlich abgesetztes Idiozom in der Umgebung der Centralkörper aus. Das weitere Verhalten des Idiozoms ist aber ein ganz anderes als bei den Auxocyten der eupyrenen Spermien. Bei denjenigen der oligo- pyrenen Samenfäden tritt schon sehr früh ein Zerfall des Idiozoms ein. Derselbe vollzieht sich in der Weise, dass zuerst die peripheren Teile des Idiozoms abbröckeln (Fig. 60, 61). Die abgebröckelten Teile werden zugleich chemisch verändert; was ich daraus entnehme, dass sie eine andere färberische Reaction als der übrig bleibende Kern des Idiozoms zeigen (in Fig. 61 ist dies, wenn auch nicht deutlich, zu erkennen). Später erleiden die centralen Teile das gleiche Schicksal. Schliesslich ist das ganze Idiozom in zahlreiche grössere und kleinere Brocken fragmentiert. Die Gentralkörper sind kugelig, in den jüngsten Auxocyten nur klein und liegen nahe bei einander (Fig. 57). Im Laufe der Wachstumsperiode nehmen sie mehr und mehr an Grösse zu (Fig. 585—63); dabei rücken sie fast stets inner- halb des zerfallenden Idiozoms mehr oder weniger weit von- einander fort. Schliesslich sind sie zu relativ kolossalen Kugeln herangewachsen (Fig. 63 u. 64')); von der Oberfläche derselben sieht man nicht selten ein kurzes, mit Eisenhaematoxylin schwarz färbbares, anscheinend aus Centralkörpersubstanz selbst be- stehendes feines Fädchen abgehen. So riesige Üentralkörper wie diejenigen der Figur 63 und 64 sind meines Wissens bei Tieren bisher noch nicht be- obachtet worden. In der Zellsubstanz besonders der jüngeren Auxocyten beobachtet man häufig einen faserig beschaffenen, nicht deutlich abgegrenzten Körper, über dessen Bedeutung ich nichts an- zugeben weiss. Ich habe ihn in Figur 60, einer Auxocyte mittlerer Grösse, abgebildet. Er ist hier in dem obern (dem Basalzellenplasma zugekehrten) Teil der Zelle gelegen. An- scheinend der gleiche Körper findet sich in älteren Auxoeyten dem Kern angelagert. In diesen letzteren kommen ausserdem in der Zellsubstanz nicht selten vereinzelte dicke, mit Eisenhaematoxylin färbbare !) Letztere Figur gehört schon an den Anfang der ersten Reifungs- teilung. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 3 34 Friedrich Meves: Fäden vor (Fig. 63, 67). Ich glaube wahrgenommen zu haben, dass diese Fäden in zwei benachbarten Zellen zuweilen von. ein und demselben zwischen den Zellen gelegenen Körperchen aus- gehen, in welchem ich ein von der letzten Spermatogonien- teilung erhalten gebliebenes Zwischenkörperchen vermute. Ich bin daher geneigt anzunehmen, dass es sich bei den Fäden um erhalten gebliebene Spindelfasern der letzten Spermatogonien- teilung handelt, die im Laufe der Wachstumsperiode eine Art Riesenwachstum erfahren haben. 2. Reifungsperiode. a) Die Reifungsteilungen. Der Beginn der ersten Reifungsteilung giebt sich daran zu erkennen, dass sich das Chromatin unter der Kernperipherie zu Chromosomen sammelt. Gleichzeitig spitzt sich der bis dahin runde Kern an der dem Zellinnern zugekehrten Seite, an welcher ihm die fragmentierte Idiozomsubstanz anliegt, mehr oder weniger deutlich an, sodass er im ganzen eiförmig wird. Die Centralkörper, welche sich, wie beschrieben, während der Wachs- tumsperiode mehr oder weniger weit voneinander entfernt hatten, rücken inmitten der Idiozomsubstanz dicht zusammen und an den spitzen Pol des Kerns heran (Fig. 64). Auf einem folgenden Stadium spielt sich an den Central- körpern ein merkwürdiger . Vorgang ab. Die Centralkörper werden zunächst maulbeerförmig und zerfallen dann in eine Anzahl Körnchen, welche, wie es scheint, durch eine Zwischen- substanz untereinander vereinigt werden (Fig. 65). In Figur 66 sind. die beiden so entstandenen Gruppen von Üentralkörper- körnern zu einer einzigen vereinigt. Beide Gruppen von Centralkörperkörnern rücken dann an der Kernperipherie entlang voneinander fort, wobei sie sich mit Cytoplasmastrahlungen umgeben (Fig. 67, 68). Gleich darauf beginnt das Kernvolumen sich stark zu verkleinern, offenbar dadurch, dass Kernsaft in die Zellsubstanz übertritt (Fig. 68, 69). Alsdann schwindet die Kernmembran; die Chromosomen, welche häufig Längsspaltung erkennen lassen, kommen frei in der Zell- substanz zu liegen (Fig. 70). Auf einem weitern Stadium (Fig. 71) findet man sie un- regelmässig zwischen den beiden Gruppen von Centralkörper- körnern verteilt. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 35 An dieses Stadium schliesst sich dann unmittelbar das Dyaster- oder Doppelsternstadium (Fig. 72) an. Ein Mutter- sternstadium, wie es sonst stets vorhanden ist, d. h. ein Stadium, auf welchem die Chromosomen in der Aequatorialebene zwischen beiden Polen zusammengruppiert sind, fehlt; wenn es zur Aus- bildung käme, hätte es mir nicht entgehen können. Auf Dyasterstadien, auf denen die Chromosomen locker lagen, ist es mir gelungen, sie zu zählen. Es ergab sich die auffallende Thatsache, dass die Chromosomen bei der ersten Reifungsteilung nicht in- der auf die Hälfte reduzierten Zahl, sondern in der „Normalzahl“, welche bei Paludina 14- beträgt, auftreten. Die beiden Gruppen von ÜOentralkörperkörnern und die Tochterchromosomen weichen immer weiter auseinander (Fig. 73, 74) und stossen schliesslich (Fig. 74) an die Zellperipherie an. Damit haben sie aber noch keineswegs ihre grösste Entfernung voneinander erreicht, sondern sie rücken noch stärker von- einander fort, indem sich die bis dahin runde Zelle in der Richtung der Spindelachse in. die Länge streckt (Fig. 75). Dabei tritt folgende höchst eigentümliche Erscheinung auf. Bei der regulären Mitose schliesst sich ja an das Doppel- stern- oder Dyasterstadium die Bildung der Tochterkerne an. Hier dagegen lösen sich von den Tochtersternen einzelne Chromo- somen los und gelangen ins Innere der Zellsubstanz; es sieht so aus, als wenn sie von den Polen: abgestossen würden. Wenn die äquatoriale Einschnürung des Zellleibes auftritt (Fig. 76), sind nur noch etwa vier Chromosomen in der Nähe der beiden Pole liegen geblieben (in Fig. 76 sind nur drei davon an jedem Pol gezeichnet). Die Chromosomen wandeln sich darauf,‘ während die äquatoriale Einschnürung weiter fortschreitet, zu Bläschen um, in denen das Chromatin an der einen Seite eine kompakte, schalenförmige Masse bildet (Fig. 77, 78). Die meisten Chromosomen verharren auf diesem Stadium auch noch, nachdem die Durchschnürung des Zellleibes beendet ist (Fig. 79 u. folg... Nur vier von ihnen, anscheinend die- selben, welche zunächst in der Nähe der Pole liegen geblieben waren, bilden sich weiter unter Auflockerung des Chromatins und Volumzunahme zu wirklichen Kernen. um. 3*+ 36 Friedrich Meves: Die Umwandlung in Bläschen haben diese vier Chromo- somen nicht immer jedes einzeln erlitten, sondern häufig haben sich zwei oder drei zusammengethan oder es sind auch alle vier zu einem einzigen Bläschen vereinigt. Je nachdem ent- halten die Tochterzellen vier, drei, zwei oder nur einen einzigen Kern. In den Figuren 79—83 sind nur solche Kerne ab- gebildet, welche bei mittlerer Einstellung sichtbar waren. Während der oben beschriebenen Vorgänge geben die Gruppen von Centralkörperkörnern ihre periphere Lage auf und rücken zunächst langsam (Fig. 77—80), später schneller (Fig. 81—83) ins Innere der Tochterzellen hinein; wobei die einzelnen Körner sich voneinander entfernen und grösser werden. In den schon länger getrennten Tochterzellen bemerkt man um die Gruppen von Centralkörperkörnchen herum häufig Anhäufungen von Idiozombrocken (Fig. 82); in Figur 83 ausser- dem Strahlungen. An die erste Reifungsteilung schliesst sich unmittelbar die zweite an, welche nun noch viel eigentümlicher als die erste verläuft. Als Ausgangsstadium der zweiten Reifungsteilung (Fig. 54) haben wir, wie sich aus der obigen Schilderung ergiebt, rund- liche Zellen, welche vier kleinere oder weniger entsprechend grössere Kerne einschliessen, in denen das Chromatin nicht völlig zum Ruhezustand zurückgekehrt ist. Daneben enthalten die Zellen eine Anzahl (10)'!) bläschenförmig umgewandelter Chromosomen. Diese letzteren nehmen an dem folgenden Teilungs- vorgang keinen aktiven Anteil. An einer Stelle liegt ausserdem ein Haufen von Central- körperkörnern. Die Teilung beginnt nun damit, dass das Chromatin sich in den 1-—-4 Kernen wieder zu Chromosomen konzentriert; und zwar gehen aus jedem Kern soviel Chromosomen wieder hervor, wie gegen Schluss der ersten Teilung in ihn eingetreten waren. R Gleichzeitig beginnen die Centralkörperkörner höchst inter- essante Bewegungen auszuführen. Man erwartet vielleicht, dass ') In den Figuren nur zum Teil gezeichnet. a Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 37 der Haufen von Centralkörperkörnern sich in zwei teilen und dass beide Haufen auseinander rücken würden, um.an die Pole einer sich bildenden Spindelfigur zu treten. Das geschieht aber nicht. Die Centralkörperkörner weichen vielmehr nach allen Riehtungen auseinander und suchen meist einzeln die Zell- peripherie zu erreichen. Auf einem folgenden Stadium schwinden die Membranen der Kerne (Fig. 88). Die Chromosomen liegen nunmehr frei in der Zellsubstanz (Fig. 89); entweder mehr auf einem Haufen, nämlich dann, wenn sie aus einem einzigen Kern hervorgegangen sind, oder aber mehr oder weniger weit verstreut, wenn die Zelle zwei- oder mehrkernig war. Häufig kann man an den Chromosomen eine Längsspaltung wahrnehmen (Fig. 9). In der Nähe der Chromosomen findet man Gentralkörper- körner, die möglicherweise von vornherein neben den Kernen in der Zellsubstanz liegen geblieben sind. Diese Centralkörperkörner treten jetzt zu zweien oder mehreren an ein Chromosom heran, bemächtigen sich desselben und ziehen es in seine Spalthälften auseinander, wobei sie ‚die Zellperipherie zu gewinnen suchen (Fig. 90—92). Ob in der Regel mehr als eines der vier Chromosomen längsgeteilt wird, muss ich dahingestellt sein lassen. In diesem Fall werden die zwei oder drei oder vier Chromosomen jeden- falls nicht, wie bei der regulären Mitose, gemeinsam in der- selben Richtung, sondern jedes für sich und jedes in anderer Richtung in ihre Spalthälften auseinandergezogen. Es scheint mir aber, dass die übrigen Chromosomen, mit Ausnahme eben von einem, meistens ungespalten unter die Zell- peripherie zu liegen kommen. Auf einem folgenden Stadium ist die Form der Zelle aus- nahmslos kugelrund (Fig. 93—97). Sämtliche Centralkörperkörner liegen unter der Zell- peripherie. Von jedem derselben geht eine Strahlung in den Zellleib hinein ab. Die einzelnen Strahlen sind allerdings nur zart und werden leicht, besonders in den peripheren Partien der eingelegten Hoden, durch körnige Niederschläge, die sich haupt- sächlich infolge von Osmiumwirkung im Zellleib bilden, mehr oder weniger vollständig verdeckt, so in den Figuren 93 und 94; 38 Friedrich Meves: besser bekommt man die Strahlen in Zellen centraler Partien, wie in Figur 95, zu Gesicht. Einigen der Centralkörperkörner liegen schleifenförmige, teils gespaltene, teils ungespaltene Chromosomen gegenüber; die Scheitel der Schleifen sind den Centralkörperkörnern zu- gekehrt (Fig. 93, 94, 96, 97). Die Chromosomen der ersten Reifungsteilung, welche im Zustand der bläschenförmigen Umwandlung persistieren, haben sich während dessen in der Mitte der kugeligen Zelle an- gesammelt. Sie liegen hier in einer Substanz, die anders be- schaffen ist als der umgebende Zellleib (sie erscheint an meinen - Präparaten meistens entweder heller oder dunkler) und nach aussen durch eine Hüllmembran abgeschlossen ist. Es erweckt den Anschein, als ob durch eine Einkapselung ein Eingreifen der Kernchen in den Teilungsvorgang gehindert werden sollte. Jedoch kann die Vereinigung der Chromosomen zu einem einzigen Haufen auch ausbleiben; es können sich statt dessen mehrere Gruppen bilden, von denen jede durch eine Hüll- membran abgekapselt wird (man wolle im voraus’die Figuren 98, 100 und 101 vergleichen). Der Teilungsvorgang verläuft nun folgendermassen weiter: Die Zelle nimmt meistens zunächst ellipsoidische Gestalt an (Fig. 98).') Die Centralkörperkörner rücken unter der Zell- oberfläche entlang. nach den beiden Polen der ellipsoidischen Zelle hin. Dabei nehmen sie die Form von Stäbchen an, welche sich mit ihrer Längsachse senkrecht zur Zelloberfläche stellen. An den beiden Polen der Zelle sammeln sich die Stäbchen zu zwei Haufen; jeder Haufen setzt sich aus 12 Stäbchen zu- sammen, wie man konstatieren kann, wenn man bei einer sich teilenden Zelle dieses Stadiums auf einen Zellpol von oben dar- auf sieht. Durch Vereinigung der von den Centralkörperkörnern aus- gehenden Strahlenbündel wird eine zweipolige Spindel gebildet. Diejenigen Centralkörperkörner, denen Chromosomen gegen- überliegen, nehmen diese auf ihrer Wanderung gegen die Pole zunächst mit sich. 1) Zuweilen kann die kugelige Form noch längere Zeit beibehalten werden (vgl. Fig. 101). Ueber oligopyrene und apyrene Spermien ete. 39 Die meisten Chromosomen bleiben jedoch allmählich zurück und verlieren sich in der Zellsubstanz. Nur je ein Chromosom (wie ich glauben möchte, je eines von -zwei durch Längsspaltung eines mütterlichen entstandenen Tochterchromosomen) erreicht den Pol. . Dasselbe ‚ist niemals -mehr schleifen-, sondern stets stabförmig und kehrt den Gentral- körperstäbchen nicht seine Breitseite, sondern sein eines kurzes Ende zu. Auf einem folgenden Stadium (Fig. 100) findet man, dass dieses Chromosom mit seinem polaren, häufig etwas verdickten Ende an die Centralkörperstäbehen direkt anstösst ; die Central- körperstäbehen erscheinen auf diesem Stadium etwas schlanker- als vorher. Bald darauf beginnt der Zellleib sich im Aequator zwischen den beiden Haufen von Centralkörperstäbehen durchzuschnüren (Fig. 102, 103). Die Chromosomen rücken von den Centralkörperstäbchen wieder ab (Fig. 102—104) und bilden sich in den Tochterzellen zu Kernen um (Fig. 105), deren Volumen allmählich immer grösser wird (Fig. 106—108). Die bläschenförmig umgewandelten Chromosomen , welche von der ersten Reifungsteilung persistieren, werden bei der Durchschnürung nicht auf beide Tochterzellen verteilt, sondern geraten in eine von ihnen hinein. Dabei zerreisst die Membran, durch welche sie auf einem früheren Stadium abgekapselt waren, und geht anscheinend teilweise in Lösung. Ein Ueberrest der- selben findet sich als schwach färbbare, dicke, zuweilen ge- bogene Platte zwischen den Chromosomenbläschen in der einen der Tochterzellen. Diese Platte ist in den unteren Tochter- zellen der Figuren 104—108 in verschiedenen Ansichten zu sehen. Bald nach dem Auftreten der Zelleinschnürung (Fig. 104) sieht man von den an die Zellperipherie anstossenden Enden der Centralkörperstäbchen aus feine Fäden hervorsprossen, welche in den letzten Stadien der Teilung (Fig. 105—108) rasch länger werden. Diese Fäden bilden, wie wir sehen werden, das Wimperbüschel, welches an der reifen oligopyrenen Spermie vom hinteren Ende des sogen. Mittelstücks abgeht. 40 Friedrich Meves: Die früheren Untersucher haben von den beiden eben be- schriebenen Reifungsteilungen, welche zur Entwicklungsreihe der wurmförmigen Spermien gehören, nicht einmal die Existenz zu konstatieren vermocht. Wie ich bereits oben berichtet habe, soll sich nach v. Brunn und Koehler der eine Teil der Samenzellen nach seiner Entstehung direkt in wurmförmige Spermien umwandeln. Nach v. Brunn sind diese Zellen ansehnlich gross und besitzen einen ebenfalls grossen Kern, welcher homogener Natur ist und ein bis zwei Kernkörperchen zu besitzen scheint. An diesem Kern spielen sich nun folgende Veränderungen ab. Er bekommt zunächst ein runzliches Aussehen und be- ginnt darauf in Zerfall zu geraten; er löst sich in eine be- trächtliche Anzahl meist rundlicher Bruchstücke auf. Die Bruchstücke gehen allmählich unter bis auf ein einziges von ansehnlicher Grösse, welches schliesslich als das einzige ge- formte Element im Innern der Zelle erhalten bleibt. Dieses letztere wird zum Ausgangspunkt eines Faden- büschels, welcher unmittelbar nach oder selbst schon vor der völligen Auflösung der übrigen Kernteile auftritt. An dieses Stadium schliessen sich die weiteren Umwand- lungen an. Koehler giebt eine mit derjenigen von v. Brunn ganz übereinstimmende Darstellung. Die Zellen schliessen zunächst niemals mehr als einen einzigen Kern mit weitmaschigem Chromatinnetz ein. Später fragmentirt sich der Kern in drei oder vier, zuweilen auch noch in mehr rundliche Stücke. Die Teilkerne zeigen ein ver- ändertes Aussehen. Sie haben ihre Konturen verloren; das Chromatin hat sich zu gröbern Brocken vereinigt, welche von- einander isoliert sind. Noch später scheinen die Kerne sich kontrahiert zu haben, um ein kleineres Volumen einzunehmen. Sie sind dann vollständig homogen und färben sich gleich- mässig. Gleichzeitig gewinnt das Cytoplasma die Eigenschaft, sich ein wenig stärker als vorher zu tingieren. Auerbach fasst diejenigen Zellen, welche sich zu wurm- förmigen Spermien umwandeln, als Schwesterzellen seiner Spermatogonien auf. Die Umwandlung wird nach ihm ein- Ueber oligopyrene und apyrene Spermien ete. 4] geleitet durch eine Mitose, welche aber nicht zur Zellteilung führt. sondern kurz vor dem Dispiremstadium zum Stillstand kommt. Die Mitose verläuft bis zum Dyaster ganz wie eine Spermatogonienteilung. Nachdem dieses Stadium erreicht ist, weichen die vier Chromosomen jeder der beiden polaren Gruppen auseinander und runden sich zu kleinen Kugeln ab. Die Kugeln teilen sich eine jede in zwei Hälften; die Teilstücke zerstreuen sich im ganzen Zellraum und zerfallen nach und nach in immer feinere und feinere Stäubchen, die sich eine Zeit lang nur noch durch den dunkleren Farbenton der Zell- substanz verraten, bis auch dieser verschwindet. In dem Cytoplasma zeigt sich eine Anzahl verdichteter Stellen, die sich dann zu schärfer begrenzten Körpern ab- runden. Später treten diese Körper zu einer einzigen grösseren Masse zusammen, welche dem Nebenkern in anderen Samen- zellen analog ist. Da aber den in Rede stehenden Zellen ein eigentlicher oder Hauptkern fehlt, so würde die Bezeichnung „Nebenkern“ etwas Schiefes an sich haben; Auerbach be- zeichnet den Körper daher als Cytoplasmakern. Damit ist nach Auerbach das Ausgangsstadium für die Ausbildung der wurmförmigen Spermien erreicht. v. Erlanger (97) beschäftigt sich gelegentlich mit der Struk- tur der wurmförmigen Samenfäden und teilt dabei bezüglich ihrer Entwicklung folgendes mit: „Die Teilung der Mutterzellen“, sagt er, „welche den Zerfall der Kernsubstanz bedingt, vollzieht sich im wesentlichen so, wie sie Auerbach geschildert hat, doch tritt (was Auerbach entgangen ist) zwischen den beiden Tochterzellen, von welchen ‘jede sich in ein wurmförmiges Spermatozoon verwandelt, eine sehr deutliche Spindelbrücke mit einem typischen Zwischenkörper auf. An dem der Teilungs- ebene entgegengesetzten Pol jeder Tochterzelle liegt ein End- plättchen, von welchem der Wimperbüschel später ausgeht, so- dass das Endplättchen nicht etwa dem Zwischenkörper, sondern dem (wahrscheinlich doppelten) Centralkörper (Centrosoma) der Tochterzelle entspricht. Daher dürfte, meines Erachtens, das Endplättchen dem „Endknöpfchen“ anderer Spermatozoon homolog sein etc.“ 42 Friedrich Meves: Zu dieser Darstellung möchte ich nur bemerken, dass v. Erlanger die Beschreibung von Auerbach offenbar sehr wenig genau gelesen hat; denn nach Auerbach soll es über- haupt nicht zur Bildung zweier Tochterzellen kommen, sondern die in Mitose tretende Zelle soll sich, ohne sich geteilt zu haben, in eine wurmförmige Spermie umwandeln. b. Rückblick auf die beiden Reifungsteilungen der oligopyrenen Spermien; zur Nomenclatur der cellu- lären Centren und der sie umgebenden Hüllen. Ich glaube, man kann einen, wenn vielleicht auch nur kleinen, Teil der Abweichungen, welche die eben beschriebenen beiden Teilungen gegenüber der gewöhnlichen Mitose aufweisen, seinem Verständnis näher bringen, wenn man das zu erreichende Endresultat, welches in den Tochterzellen vorliegt, ins Auge fasst. Die Zelle tritt offenbar von vornherein in die Teilung mit der Absicht ein, nur ein einziges Chromosom in die Enkelzellen überzuführen. Da lässt es sich verstehen, wie z.B. bei der ersten Teilung das Muttersternstadium, obgleich es für eine genaue Halbierung der Chromatinsubstanz von grösster Wichtigkeit ist, mit einer gewissen Sorglosigkeit ausgelassen werden kann. Aus demselben Grunde kann ein Teil der Tochterchromo- somen gegen Ende der ersten Reifungsteilung aufgegeben werden. Mit Bezug auf den Endzweck würde es genügen, wenn ein einziges Chromosom für die Tochterkernbildung reserviert würde. Die Zelle sieht sich aber vor, dass sie nicht zu kurz kommt, indem sie am Ende der ersten Reifungsteilung noch mehr Chromosomen in den Ruhezustand überführt, als hinterher bei der zweiten Teilung Verwendung finden. Ebenso wie das Verhalten des Chromatins in Betrachtung des Endresultats unserm Verständnis wenigstens in etwas näher rückt, so auch dasjenige der Centralkörper. Die Zerlegung der Centralkörper in Körner, wie sie sich im Beginn der ersten Reifungsteilung vollzieht, bedeutet augenscheinlich eine Vor- bereitung für den Umwandlungsprozess der Spermatide in den Samenfaden, insofern als je ein CGentralkörperkorn einem Faden des Wimperbüschels der oligopyrenen Spermie zum Ursprung ca ce 9 Ueber oligopyrene und apyrene Spermien ete. 453 dient. Es ist offenbar eine verwandte Erscheinung, wenn bei Schmetterlingen, wie ich gefunden habe, die jungen Schwanz- fäden schon vor Beginn der ersten Reifungsteilung von den Centralkörpern auswachsen. In beiden Fällen wird ein Vorgang, der sich, anscheinend wenigstens, noch zeitig genug an den Spermatiden abspielen würde, in frühere Stadien zurückverlegt. Die Centralkörperzerlegung könnte aber noch über den speziellen Fall hinaus allgemeinere Bedeutung haben, indem sie auf eine Zusammensetzung der Centralkörper überhaupt aus einzelnen Körnern hinweist. Nach einer Mitteilung von (G. Niessing (00) bestehen die Centralkörper in den Spermatocyten von Salamandra aus einer Gruppe von Körnchen, die durch Substanzbrücken verbunden sind. Jedenfalls aber gelangen die Körnchen für gewöhnlich nicht zu physiologischer Selbständigkeit, wie sie es bei der zweiten Reifungsteilung der oligopyrenen Spermien von Paludina thun. Die Bilder, welche am Ende dieser zweiten Reifungs- teilung auftreten, wo von sämtlichen Centralkörperteilchen feine Fäden auswachsen, können als ein weiterer Beweis für die Richtigkeit der Hypothese dienen, nach welcher die Basalkörper der Flimmerzellen als Centralkörperderivate aufzu- fassen sind. Die Aufstellung dieser Hypothese von seiten Henne- geuy’s und v. Lenhosse&k’s wurde bekanntlich hauptsächlich durch meine Entdeckung veranlasst, dass die erste Anlage der Spermiengeissel als feines Fädchen von den unter der Zell- peripherie gelegenen Centralkörpern hervorsprosst. Meine jetzigen Beobachtungen zeigen, wie schon frühere von Benda, den Weg, „auf dem die normale Geringzahl der Centralkörper zu der Vielheit der Basalkörper gelangt.“') Was den Ablauf der zweiten Reifungsteilung anbelangt, so möchte ich vor allem noch das Interesse hervorheben, das ihm !) Benda (00) fand im menschlichen Rückenmark an den Epithelzellen von teilweise obliterierten Centralkanälen, „dass die stäbchenförmigen Centralkörper Einschnürungen tragen, sich in mehrere längliche Segmente zerlegen, die aus einander rücken. Vielfach findet sich zwischen dem Kern und der Zelloberfläche ein dichter Ballen von kleinsten, durch Färbung und häufige Doppelstellung gekennzeichneten Körnchen.*“ Ebensolche Central- körperballen beschreibt Benda in den Epithelien der vasa efferentia der menschlichen Epididymis, An diesem Objekt hat er ferner Uebergänge zwischen den Centralkörperballen und der Basalkörperphalanx der Flimmer- zellen aufgefunden. 44 Friedrich Meves: mit Bezug auf eine Frage der pflanzlichen Cytologie zukommt, nämlich mit Bezug auf die Frage, ob Cytocentren in den Zellen höherer Pflanzen existieren. Ein Bildungsmodus der Spindel, wie ich ihn bei der zweiten Reifungsteilung von Paludina beobachtet habe, steht auf tierischem Gebiet bisher einzig da; wohl aber ist ähnliches in pflanzlichen Zellen gesehen worden. Belajeff (94), Farmer (95), Strasburger (95) haben festgestellt, dass die Spindel in den Pollenmutterzellen höherer Fig. V,a.—c.: Pollenmutterzellen von Equisetum limosum. Spindelbildung. Nach Osterhout. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 45 Pflanzen zunächst mehrpolig angelegt und erst später zwei- polig wird. Osterhout, Mottier, Juel gelang es dann (97) zuerst, alle Phasen zu verfolgen, die durch die mehrpoligen Spindeln zu den zweipoligen führen. Die beistehenden Textfiguren V a—ec geben drei Stadien der Spindelbildung in den Pollenmutterzellen von Equisetum limosum nach Osterhout wieder. Dagegen vermochten weder diese noch die meisten neueren botanischen Autoren Cytocentren („Centrosomen“) an den Spindelspitzen aufzufinden. Sie leugneten daher das Vorkommen von „Centrosomen“ in den Zellen höherer Pflanzen überhaupt oder erklärten es jedenfalls schon auf Grund der multipolaren Anlage der Spindel übereinstimmend als unwahrscheinlich, indem sie argumentierten, man könne sich nicht gut vorstellen, dass der Mehrzahl der Spindelpole eine Mehrzahl von „Centrosomen“ entspräche, und dass diese sich später zu zwei Haufen ver- einigten. Nur Guignard, welcher zuerst (94) eine später als verfehlt erkannte Darstellung der cellulären Centren bei Lilium gegeben hatte, hält auch heute noch (98) daran fest, dass solche bei höhern Pflanzen vorkommen. Seine Abbildungen sind jedoch so wenig beweisend, dass sie die herrschende Anschauung nicht beein- tlussen konnten. Ebenso wenig vermochten die neuerdings ver- öffentlichten Untersuchungen von Bernard und Yamanouchi überzeugend zu wirken (vergl. Strasburger 1901, S. 457). Meine Beobachtungen über die zweite Reifungsteilung von Paludina sind nun insofern von grosser Bedeutung, als dadurch ein Hauptargument gegen die Existenz der cellulären Centren bei höheren Pflanzen, welches in dem Auftreten vielpoliger Spindelanlagen besteht, aus dem Wege geräumt wird. Ich für meine Person halte es nicht nur für möglich, sondern trotz der negativen Befunde der meisten Botaniker für wahrscheinlich, dass Cytocentren bei höheren Pflanzen überall vorkommen und dass sie sich bei der Mitose der Pollenmutter- zellen ähnlich verhalten wie bei derjenigen der Spermatocyten zweiter Ordnung von Paludina, welche zum Entwicklungseyelus der oligopyrenen Spermien gehören. Ich muss natürlich zugeben, dass diese meine Meinung einstweilen „nur den Wert einer persönlichen Ueberzeugung beanspruchen kann.“ 46 Friedrich Meves: Allerdings darf man meines Erachtens nicht erwarten, „Centrosomen“ in den Zellen der höheren Pflanzen auf- zufinden. Es führt mich dies dazu, der Frage nach der Nomenclatur der cellulären Centren einige Worte zu widmen, was ich um so lieber thue, als sich diese Frage augenblicklich in einem Zustand von starker Unsicherheit, „um nicht zu sagen Versumpfung“, befindet, aus dem sie auch durch eine im vorigen Jahr (1901) erschienene Abhandlung von Boveri nicht befreit ist. Boveri hat im Ascarisei als Centrosomen Gebilde be- schrieben, welche auf denjenigen Stadien, wo sie am grössten und am leichtesten zu analysieren sind, als blasse Kugeln er- scheinen, in deren Innerm ein winziges Centralkorn vorhanden ist. Fig. 153 (Taf. VOII) habe ich der erwähnten Arbeit von Boveri (1901) entnommen. In dieser Figur, welche ein Ascarisei auf dem Stadium der Aequatorialplatte dar- stellt, sind in jedem Üentrosom zwei Centralkörner zu sehen. Jedoch kommt dieser Befund nach Boveri nicht häufig zur Beobachtung; für gewöhnlich ist auf dem Stadium der Aequa- torialplatte nur ein einfaches Centralkorn vorhanden und eine Teilung desselben tritt erst im weiteren Verlauf der Mitose ein. Diesen Centralkörnern hat Boveri noch 1895 absolut keine Bedeutung beigelegt. Dagegen nimmt er von den Centro- somen ‚an, was Van Beneden zuerst mit Bezug auf seine „Attraktionssphären“ und „Centralkörperchen“ behauptet hat, dass sie als allgemeine und dauernde Zellorgane aufzufassen seien; er möchte ferner glauben, dass sie mit den von Flemming 1891 entdeckten Doppelkörnchen der tierischen Ge- webszellen identisch seien. Gegen beide Annahmen muss ich entschieden Einspruch erheben. Was zunächst die zweite Annahme anlangt, so behaupte ich: Wenn man die Boveri’sche Nomenclatur anwenden will, so muss man dieDoppelkörnchen, welche zuerst Flemming, dann M.Heiden- hain, ich selbst u. a. beschrieben haben, nicht als Centrosomen, sondern als Centralkörner oder. wie Boveri die Centralkörner neuerdings zu nennen vorschlägt, als Centriolen bezeichnen.!) ‘) Der Name Üentriol (centriolum) ist als Diminutivform von centrum gebildet. a Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 47 Der Beweis, dass es sich bei den Doppelkörnchen der Gewebszellen um die Homologa der Centralkörner handelt, lässt sich auf folgende Weise erbringen. In Figur 156 und 157 habe ich Spermatocyten eines Myriopoden, Lithobius foreipatus, bei der gleichen Vergrösserung abgebildet, weiche Boveri für seine Ascariseier gewählt hat. Die Spermatocyten erster Generation dieses Tieres sind so gross, dass sie ein Ascarisei noch erheblich an Durchmesser übertreffen. In einer Spermatocyte erster Generation, welche sich im Anfangsstadium der Teilung befindet (wie ich sie in Figur 156 abgebildet habe), gewahrt man im Cytoplasma an zwei einander segenüberliegenden Seiten des Kerns nahe der Zellperipherie zwei scharf abgegrenzte homogene Kugeln, die zwei durch Eisenhämatoxylin intensiv schwarz färbbare, rundliche oder etwas längliche Körnchen einschliessen. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass es sich hier um „Centrosomen“ und „Centriolen“ handelt. In Figur 157 habe ich das Muttersternstadium einer Spermatocyte zweiter Generation abgebildet. Hier liegen die Centrosomen stark abgeplattet unmittelbar unter der Zellperi- pherie; nicht an den Polen der achromatischen Spindel, sondern entfernt von ihnen auf der Spindelaxe, wie ich schon früher gefunden, 99, S. 469 zuerst mitgeteilt und dann zusammen mit v. Korff genauer beschrieben habe!). Eine entsprechende scheibenförmige Abplattung der Centrosomen kann auch im Ascarisei vom Stadium der Aequatorialplatte an zur Beobachtung kommen; man vergleiche die nach BoverireproduzierteFig. 154. Diejenige Beobachtung nun, welche beweist, dass die Doppelkörnchen der Samenzellen von Wirbellosen und Wirbel- tieren mit Centriolen identisch sind, ist folgende. - Wenn eine Spermatide von Lithobius sich zum Samenfaden umwandelt, so wachsen die Centralkörner, bez. das eine von ihnen, zu einem kolossal langen Faden aus, welcher die Axe des sogen. Mittelstückes der reifen Spermie bildet (Fig. 158— 160).) Die Centrosomen dagegen erleiden im Beginn dieses !) Gleichzeitig mit v..Korff’s und meiner Abhandlung erschien eine Arbeit von P. Bouin über denselben Gegenstand. ?) Auf die Einzelheiten des Vorgangs einzugeben, habe ich hier keine Veranlassung. Wie man aus Fig. 158 sieht, ist es bei Lithobius der distale 45 Friedrich Meves: Prozesses einen Zerfall und sind, soviel ich wenigstens bisher finde, bald nicht weiter nachweisbar. Die Centralkörner oder Üentriolen von Lithobius zeigen demnach das gleiche Verhalten bei der Histogenese der Spermien, wie es von den Doppelkörnchen bei Molluscen (gleichzeitig durch v. Korff und Benda) und bei Selachiern (durch Suzuki und Broman) konstatiert worden ist. Und die Doppelkörnchen dieser Tiere sind ihrerseits, wie wiederum die Vorgänge bei der Histo- genese der Spermien ergeben, mit denjenigen der Amphibien und Säugetiere identisch. Daraus geht hervor, zunächst, dass die Doppelkörnchen der Samenzellen überall als Centriolen anzusehen sind. Dass aber diese Doppelkörnchen der Samenzellen denjenigen der übrigen Gewebszeilen homolog sind, daran zu zweifeln ist nicht gut möglich. Es folgt also weiter, dass die Doppelkörnchen der sämtlichen Gewebszellen als Centriolen aufzu- fassen sind. Hüllen um die Doppelkörnchen, welche man als Centro- somen ansprechen könnte, sind bei den meisten Zellen überhaupt nicht vorhanden, weder zur Zeit der Teilungsruhe, noch auch während der Mitose. Solche Hüllen — Centrosomen — giebt es hauptsächlich in Ei- und Furchungszellen ; ausserdem noch in den Samenzellen einiger Tiere, wie z. B. in denen von Lithobius und ab und zu auch noch in andern Gewebszellen. Und auch da, wo Centrosomen vorkommen, finden sie sich im allgemeinen nur während der Mitose. Sie bestehen, wie ich glauben möchte, höchstens während der Teilungsintervalle in solchen Zellen fort, welche rasch auf einander folgende Teilungen durchmachen. Dagegen möchte ich bezweifeln, dass sie in einer völlig ruhen- den Zelle überhaupt schon gesehen sind. Nur von den Centriolen, nicht aber von den Centrosomen, kann daher gelten, dass sie allge- meine und dauernde Zellorgane sind.') Centralkörper, welcher zu einem in der Axe des spätern Mittelstückes ge- legenen Faden auswächst. Ein extracellularer Schwanzfaden, welcher von dem an die Zellperipherie anstossenden Ende des Centralkörperfadens aus- geht, kommt anscheinend erst sehr spät zur Ausbildung; wenigstens ver- mochte ich auch auf dem Stadium der Figur 159 noch nichts davon wahr- zunehmen. 1) Nach Morgan und Wilson soll man annehmen müssen, dass im Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 49 Theoretisierende Betrachtungen über die Cytocentren (über die Beziehungen derselben zur Kern- und Zellteilung etc.), wie Boveri sie zu geben sich bemüht hat, sind demnach nicht an die Centrosomen, sondern an die Centriolen anzuknüpfen. In einem Kapitel seiner im vorigen Jahre erschienenen Abhandlung „über die Natur der Centrosomen“ hat Boveri drei Punkte namhaft gemacht, welche für Entscheidung der Frage, ob es sich um Centrosomen oder Centriolen handelt, als Kriterien dienen sollen. Ich werde im folgenden zeigen, dass die Doppelkörnchen auch auf Grund dieser von Boveri selbst Cytoplasma von Seeigeleiern Centrosomen und Strahlungen unter dem Ein- fluss von Salzlösungen „de novo“ entstehen können. Nach meinen obigen Darlegungen kann es sich überhaupt nur um die Frage handeln, ob die in diesen Centrosomen enthaltenen Centriolen Neu- bildungen sind, Zu dieser Annahme liegt aber einstweilen absolut kein Grund vor. Denn das Auftreten zahlreicher Centrosomen und Strahlungen in einem mit Salzlösung behandelten Ei, wie es Morgan und Wilson beobachtet haben, ist möglicherweise und sogar wahrscheinlich so zu erklären, dass durch den Reiz der Salzlösung eine Vermehrung bezw. Zerlegung der beiden Centriolen, welche die Eizelle von der letzten Teilung der Vermehrungs- periode her übernommen hat, zu Stande kommt, und dass die zahlreichen auf diese Weise entstandenen Centriolen sich im Cytoplasma verteilen und sich mit Centrosomen und Strahlungen umgeben; vielleicht spielen sich hier unter der Wirkung der Salzlösung ähnliche Vorgänge an den Centriolen ab, wie sie normaler Weise im Hoden von Paludina bei den Reifungs teilungen der oligopyrenen Spermien zur Beobachtung kommen. Wenn ferner Centrosomen in einem kernlosen Fragment eines in Stücke geschüttelten Eies bei Behandlung mit Salzlösung auftreten, so ist durchaus nicht auszuschliessen, dass eben dieses Fragment die Centriolen des Eies enthalten hat. Der Versuch würde schon eher als beweisend geltend können, wenn gezeigt würde, dass Centrosomen in allen oder wenigstens in mehreren Fragmenten eines und desselben Eies auf- treten. Um aber auch das Vorhandensein von Centriolen in den verschiedenen Fragmenten eines und desselben Eies mit Sicherheit ausschliessen zu können. wäre eine Verfolgung der Centriolen von der letzten Teilung der Ver- mehrungsperiode bis zur Eireife nötig; eine Aufgabe, an die sich bisher noch niemand herangewagt hat. Die Beobachtungen von Morgan und Wilson sind demnach für eine Neubildung cellulärer Centren durchaus nicht beweisend; wahrscheinlich ist aus ihnen nur zu entnehmen, dass unter Umständen Centriolen durch Salzlösungen zur Bildung von Centrosomen und Strahlungen angeregt werden können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 4 50 Friedrich Meves: aufgestellten‘ Kriterien: nicht als Centrosomen in Anspruch zu nehmen sind, wobei ich ein. von diesem Autor citiertes Objekt, die Samenzellen des Salamanders, zu Grunde legen will. Ein erstes Kennzeichen der Centriolen besteht nach Boveri in ihrer Grösse im Verhältnis zu derjenigen der Zelle. „Die Centriolen“, sagt Boveri, „sind von so extremer Kleinheit, dass sie selbst in den grössten Zellen, wie in den Eiern, auch mit den stärksten Vergrösserungen nur als kleine, nicht weiter analysierbare Pünktchen erscheinen. In sehr kleinen Zellen lassen sie sich überhaupt nicht mehr nachweisen.“ Und an anderer Stelle fügt er hinzu: Die relativ grossen Doppelkörperchen der Wirbeltierzellen können daher nur Centro- somen sein; der Nachweis von Centriolen in ihnen kann gar nicht erwartet werden. Figur 161, eine Spermatogonie des Salamanders, ist bei der gleichen 2000 fachen Vergrösserung abgebildet, wie die Ascariseier, (Fig. 153—155), welche ich nach Boveri kopiert habe. Man sieht, dass diese Salamanderspermatogonie annähernd ebenso gross ist wie die Ascarisblastomere der Fig. 155 und ferner, dass die Doppelkörnchen der Spermatogonie nur unerheblich grösser sind als die Centriolen von Ascaris. Jedenfalls durfte Boveri die Doppelkörnchen der Sala- manderzellen auf Grund ihrer Grösse nicht als Centro- somen in Anspruch nehmen. Dass die Grösse der Centriolen sich nach der Grösse der Zellen richte, ist, nebenbei bemerkt, falsch. Die Centriolen sind vielmehr im allgemeinen in allen Zellen, grossen und kleinen, von gleicher Winzigkeit, sind aber keineswegs in kleinen Zellen winziger als in grossen. Ein zweites Kriterium, ob es sich um Centriolen oder Centrosomen handelt, betrifft den Zeitpunkt der Teilung. „Das Centriol“, sagt Boveri, „teilt sich beträchtlich früher als das Centrosom. Die Teilung des Centrosoms scheint normaler Weise nirgends früher als in der Metakinese zu beginnen, in den Ascaris-Blastomeren und so wahrscheinlich in vielen andern Objekten erfolgt sie erst im Ruhezustande der Zelle. Doppel- körner zur Zeit der Aequatorialplatte oder früher werden also mit grosser Sicherheit als Centriolen in Anspruch genommen werden dürfen.“ Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. D1l Ich häbe nun aber 1896 (8. .51, Anm. ) beschrieben, dass bei der ersten Reifungsteilung des Salamanderhodens eine V erdoppelung’ der Polkörperchen der Spindel gewöhnlich bereits im Tonnenstadium stattfindet. Dieses Tonnenstadium entspricht aber nach Boveri’s eigener (88, S. 118) und’ meiner Auffassung der Aequatorialplatte einer’gewöhnlichen Mitose. Also auch nach diesem Kennzeichen würde Boveri die Doppelkörnchen des Salamanderhodens als Centriolen haben auffassen müssen. Ein drittes Kriterium — nach Boveri das wichtigste — soll das Verhältnis zur Astrosphäre sein. Boveri behauptet: „Ein Körper, an den die Sphärenradien direkt herantreten, ist das Centrosoma.“ Wenn man die Spermatogonie des Sad (Fig. 161), auf welche ich schon vorher Bezug genommen habe, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, so ist es klar, dass Boveri auch auf Grund dieses seines dritten Kriteriums die Doppelkörnchen derselben nicht als Centrosomen ansprechen durfte. Denn die COytoplasmastrahlen gehen nicht bis an die Doppelkörnchen, sondern nur bis an die Peripherie der sie einschliessenden Hülle heran, für welche ich den Namen Idiozom vorgeschlagen habe. Dass die Idiozomen ihrerseits nicht mit Centrosomen iden- tisch sind, scheint mir aus ihren Schieksalen bei der Mitose bestimmt hervorzugehen. Die Centriolen machen sich im Beginn der Teilung von dem sie umgebenden Idiozom frei. Dies ge- schieht häufig dadurch, dass das Idiozom in 'Teilstücke zerlegt wird; oder aber, indem die Centriolen aus dem Idiozom aus- wandern; in letzterem Fall persistiert das Idiozom vielfach eine Zeitlang in ungeteiltem Zustand seitlich neben der Teilungsfigur. Im. übrigen ist der Boveri’sche Satz, dass die Cytoplasma- strahlen nur bis an das Üentrosom und nicht bis an die Cen- triolen herantreten, richtig, vorausgesetzt eben, dass Centro- somen überhaupt vorhanden sind. Entgegenstehende Angaben von v. Kostanecki und seinen Mitarbeitern, nach welchen die Strahlen der Polsonnen in den Eizellen von Ascaris und anderen Tieren sich direkt bis zu den Üentriolen fortsetzen sollten, habe ich selbst (97.4, S. 341) zuerst an der Hand von Beobachtungen von Griffin und Mac Farland zurückgewiesen. In den meisten Zellen aber fehlen Centrosomen und hier i inserieren die Strahlen direkt an den Centriolen. 4* 52 Friedrich Meves: In demselben Kapitel bespricht Boveri ein Moment, welches nach ihm mit Unrecht als entscheidendes angesehen worden ist, nämlich das Verhalten zum Eisenhämatoxylin. Boveri hat bei sämtlichen von ihm untersuchten Objekten (Spermatocyten von Ascaris, Ovocyten von Diaulula, Eiern von Echinus und Ascaris) gefunden, „dass je nach dem Grad der Entfärbung und nach gewissen in der Konservierung begründeten Unterschieden des Präparates in einem Fall das ganze Centrosom durch und durch schwarz gefärbt sein kann, während in einem andern in dem entfärbten Centrosom nur das oder die Centriolen schwarz bleiben.“ Er folgert daraus, dass die Schwarzfärbung in Eisenhämatoxylin im allgemeinen kein Kennzeichen sei, ob ein Centrosom oder Centriol vorliegt. Ich möchte nach meinen Erfahrungen glauben, dass die- jenigen Objekte, bei denen die Centrosomen sich mitfärben, in der Minderzahl sind. „Im allgemeinen“, behaupte ich, halten nur die Centriolen den Farbstoff fest. — Solche Zellen, bei denen eine Mitfärbung der Centrosomen zu Stande kommt, sind für das Studium der Centriolen mit der Eisenhämatoxylinmethode natür- lich ungeeignet. Die Ueberzeugung, dass die Doppelkörnchen der tierischen (Gewebszellen keine „Centrosomen“ sind, habe ich schon seit langem und deshalb diese Bezeichnung in meinen letzten Arbeiten streng vermieden. Ich habe den Van Beneden’schen Aus- druck „Centralkörper“ (oder „Centralkörperchen“) gebraucht, in der Annahme, dass corpuscule central von Van Beneden der Centriole von Boveri entspräche. In dieser Beziehung habe ich mich an v. Erlanger und an v. Kostanecki und v. Siedlecki angeschlossen, welche dazu auf Grund eigener Untersuchungen und durch den Ver- gleich der Figuren Van Beneden’s mit denen Boveri’s gekommen waren. Die Berechtigung zu dieser Annahme schien um so grösser, als Boveri selbst die Möglichkeit offen gelassen hatte, dass das, was Van Beneden und Neyt in einigen Figuren als corpus- cule central abbilden, seinem Centralkorn entsprechen könnte. Neuerdings erklärt nun aber Boveri, diese Möglichkeit auf Grund seiner neuen Befunde mit Sicherheit ausschliessen zu Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 53 können; das corpuscule central von Van Beneden sei überall das gleiche Gebilde, welches er Centrosom genannt habe; dasCentriol sei in keiner einzigen von Van Beneden’s Figuren zu sehen. Ich bin nach erneuter Prüfung der Sachlage geneigt, Boveri in diesem Punkte Recht zu geben, und daher für meine Person eventuell bereit, nachdem ich die Identität der Doppel- körnchen mit Centralkörnern erwiesen habe, diese letztere Be- zeichnung „Centralkörner“ oder „Centriolen“ in ferneren Arbeiten für die Doppelkörnchen in Anwendung zu bringen.!) Wenn diese Bezeichnung allgemein würde, so wäre dabei allerdings nicht zu vergessen, dass Boveri die Bedeutung der Centriolen nicht erkannt und ihre Kenntnis bisher nur wenig ge- fördert hat?). Was den Ausdruck Centrosom anlangt, so habe ich schon früher (99, S. 496) vorgeschlagen, ihn wegen der vielen Verwirrung, die durch Missbrauch desselben angerichtet ist, ganz zu vermeiden und die Hüllen, von welchen die Centriolen bei einigen Zell- arten (besonders Furchungszellen) während der Teilung um- geben sind, mit einem von Strasburger gebildeten Ausdruck als Centrosphären zu bezeichnen. Die von den Üentrosphären verschiedenen Hüllen, welche in ruhenden Samenzellen in der Umgebung der Üentriolen vor- handen sind, habe ich früher als Idiozomen bezeichnet. Dieser Ausdruck hat, wie ich seitdem gefunden habe, Missstände.?) Ich möchte daher einer Empfehlung von Boveri, alle auf die cellulären Centren und ihre Bestandteile bezüglichen Termini durch Zu- sammensetzung mit dem Worte „Centrum“ zu bilden, Folge leisten und statt Idiozom nunmehr „Centrotheca“ in Vorschlag bringen. Ich bin der Meinung, dass diese letztere Bezeichnung auch auf die Centriolenhüllen, ‘welche gelegentlich in „somatischen“ !) In der vorliegenden Arbeit habe ich mir erlaubt, noch meine alte Bezeichnung „Centralkörper“ beizubehalten. Ich konnte dies um so eher thun, als der Ausdruck Centralkörper ausser (nach Boveri) von Van Beneden von fast allen Autoren in dem gleichen Sinne wie von mir gebraucht wird. 2) Auch kann Boveri nicht beanspruchen, die Centriolen als erster gesehen zu haben. Sie sind von Flemming bereits 1882 in „Zellsubstanz, Kern und Zellteilung“) als „Polarkörperchen“ der Spindel bei Epithelien und Bindegewebszellen der Salamanderlarve beschrieben worden. 3) Unter anderen den, dass man im Französischen und Englischen viel- fach aus dem Idiozom ein „idiosome* gemacht hat. 54 - „Friedrich .Meves: Zellen (zZ. B..in:Leucoeyten oder in Drüsenzellen der mensch- lichen Hypophyse) vorkommen, Anwendung zu finden hätte. : e, Histogenese der oligopyrenen Spermien. Auf dem Schlussstadium der zweiten Reifungsteilung (Fig. 108) haben wir zwei Tochterzellen, welche jede einen Kern besitzen, . der aus einem Chromosom hervorgegangen ist. Unter der Oberfläche einer jeden Zelle liegen an einer Stelle 12 Centralkörperstäbchen, von deren an die Zellwand anstossen- den Enden feine Fäden ausgewachsen sind. Die eine (in Fig. 108 untere) Tochterzelle enthält ausser- dem die sämtlichen bläschenförmig umgewandelten Chromosomen, welche noch von der .ersten Reifungsteilung her persistieren, und die nicht zur Tochterkernbildung verwandten Chromosomen der zweiten Teilung; ferner eine mit Eisenhämatoxylin schwach färbbare (häufig gebogene) Platte (in Fig. 108 in Flächenansicht zu sehen), welche den Ueberrest der Membran darstellt, durch welche die Chromosomenbläschen der ersten Reitungsteilung auf einem frühern Stadium der zweiten (Fig. 96, 97) abgekapselt waren. Die nicht zur Verwendung gelangten Chromosomen, welche in die eine Tochterzelle hineingeraten sind, lassen sich in dieser meistens noch einige Zeit nachweisen, nachdem die Umwandlung zum Samenfaden begonnen hat; dann aber lösen sie sich auf, ohne eine Spur zu hinterlassen. Die oben erwähnte Platte dagegen geht erst viel später unter. Sie formt sich zunächst zu einem rundlichen Körper um, der diejenige Tochterzelle, welche die untergehenden Chromo- somen erhalten hat, noch lange Zeit hindurch als solche kenn- zeichnet. Auf meiner Tafel V ist dieser Körper nur in Fig. 113. sıchtbar; schliesslich schwindet auch er, ohne eine Rolle beim Aufbau der Samenfäden gespielt zu haben. Als Ausgangsstadium für die Umwandlung der Spermatide in den Samenfaden kann die Fig. 109 gelten. Die Umwandlung beginnt damit, dass der Kern unter Verkleinerung seines. Volumens dicht an die Centralkörperstäbchen beranrückt. Diese Stäbchen selbst nehmen etwas an Länge zu und werden bisquit- förmig (Fig. 110). Darauf werden ihre an die Zellwand anstossenden Enden’abgeschnürt. Diese erscheinen als kleine Knöpfchen, welche Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 55 an der Zellperipherie liegen bleiben (Fig. 111). Die übrigen Teile dagegen rücken auf den Kern zu und pflanzen sich, während der Kern sich wieder gegen die Zellmitte zu bewegt, mit ihren proximalen zugespitzten Enden auf der Membran desselben ein. Die Teilstücke der Centralkörperstäbchen bleiben dabei durch Fäden mit einander in Verbindung (Fig. 112). Der Kern rückt nun unter fortwährender Verlängerung dieser Fäden in der zuerst eingeschlagenen Richtung weiter, gelangt bald über die Zellmitte hinaus und stösst schliesslich an die Zellwand an (Fig.113—116). Dabei verkleinert er sich zunächst noch mehr und plattet sich dann in der Richtung der Längsaxe des ent- stehenden Samenfadens ab. Sein sämtliches Chromatin hat sich unter der Membran angehäuft. Hier bildet es eine gleichmässig dicke Schicht, welche nur die Insertionsstelle der Centralkörper- stäbchen frei lässt. Im Cytoplasma ist ein kleiner meist rundlicher, häufig aber auch unregelmässig gestalteter Körper aufgetreten, der sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färbt. Zuweilen ist er auch doppelt (Fig.113). Er erinnert an den „chromatoiden Nebenkörper“, welcher in den Spermatiden vieler Säugetiere vorkommt. Vom Stadium der Figur 116 an beginnt die ganze Zelle sich in die Länge zu strecken. Sie wird zunächst etwa spindelförmig (Fig. 117); beim weitern Wachstum des Faden- bündels streckt sie dann, wie Auerbach es ausdrückt, „vorn einen Hals aus“, der nun immer mehr an Länge zunimmt (Big. 713; 119). Der Kopf wird dabei über das Vorderende des Faden- bündels zuerst mützenförmig (Fig. 117), später fingerhutförmig (Fig. 118, 119) herübergestülpt. Das Cytoplasma scheint sich über ihn nach hinten zurückzuziehen. Die Centralkörperstäbchen, mit denen die Fäden vorn beginnen, sind in Figur 119 zu einer einzigen, in der Seiten- ansicht halbmondförmigen Masse verschmolzen. Auch die Fäden selbst sind auf diesem Stadium, jedenfalls bei der angewandten Behandlung, ‚nicht mehr deutlich unterscheidbar. Das Cytoplasma enthält in Fig. 119- eine grosse, und ihr anliegend noch eine kleinere, helle Vacuole, deren Innenwand von färbbaren Kügelchen in ziemlich gleichen Abständen bedeckt ist. 56 Friedrich Meves: Die. fernere Entwicklung vom Stadium der Fig. 119 an besteht in einer weiteren Längsstreckung der Spermatide, welche mit einer fortgesetzten Verlängerung des Fadenbündels Hand in Hand geht. Die Zellsubstanz wird dabei zu einer dünnen, das Fadenbündel umgebenden Hülle ausgezogen. Die oben be- schriebenen Einschlüsse der Zellsubstanz gehen unter, anscheinend ohne eine Verwendung beim Aufbau des Samenfadens gefunden zu haben. Folgender Punkt bleibt zu der eben gegebenen Darstellung noch nachzutragen. Die Abbildungen, welche ich von der Histo- genese der oligopyrenen Spermien gegeben habe, zeigen ausser in den Figuren 109 und 120 das extracelluläre Cilienbüschel nicht in seiner ganzen Länge und lassen daher nicht erkennen, | | Fig. VI, a.—c.: Drei Entwicklungsstadien der oligopyrenen Spermien, nach v. Brunn, " | was am besten an Zupfpräparaten zu sehen ist, dass die Cilien sich bis zum Stadium der Fig. 111 stark verlängern, von diesem Zeitpunkt an aber kontinuierlich kürzer werden (vergl. die Text- figuren VI, a—c, welche ich nach v. Brunn kopiert habe.) Zur Erklärung dieser Erscheinung nehme ich an, dass die Cilien die direkten Fortsetzungen der intracellulären Fäden Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. DW bilden. Die an der’ Zellperipherie liegen bleibenden Central- körperteile, welche als Knöpfe erscheinen, stellen, wie ich glauben möchte, in Wirklichkeit Ringe dar; die von den Üentralkörper- stäbchen ausgewachsenen Fäden (Fig. 109, 110) treten bei der Entstehung der Ringe (Fig. 111) durch das Lumen derselben hindurch mit den abgeschnürten Centralkörperteilen in Ver- bindung. Die Verkürzung der Cilien kommt dadurch zu Stande, dass die Zellsubstanz „nach dem freien Ende des Cilien- büschels zu rings um diesen entlang wächst, doch langsamer, als das entgegengesetzte Längswachstum der Fäden vor sich geht“ (v. Brunn). Die Fäden des Cilienbüschels werden also zum Teil in das Cytoplasma der Spermatide einbezogen. Die Struktur der reifen Spermien lässt sich kurz folgender- massen beschreiben. Die reifen Spermien bestehen aus einem kleinen Kopf und einem sehr langen sogen. Mittelstück, welches hinten mit einem Cilienbüschel endet. Die Anzahl der Cilien beträgt 12. Der Kopf ist fingerhutförmig über das vordere Ende eines Achsenstrangs herübergestülpt, welcher den Samenfaden bis zum hintern Ende des Mittelstücks durchzieht. Der Achsen- strang setzt sich aus 12 eng mit einander vereinigten Fäden zusammen. Er beginnt vorn am Boden des fingerhutförmigen Kopfes mit einer in der Seitenansicht halbmondförmigen, durch Eisenhämatoxylin schwarz färbbaren Masse, welche aus Central- körpersubstanz besteht. Hinten setzen sich seine Fäden unter Vermittlung je eines kleinen aus Oentralkörpersubstanz gebildeten Knöpfchens in die Cilien des Wimperbüschels fort. Dem Achsenstrang ist vom hintern Kopfrande an bis kurz vor seinem Hinterende ein in meiner Figur 120 nicht darge- stellter, quergestreifter Mitochondrienmantel aufgelagert, dessen Genese ich in einer früheren Arbeit beschrieben habe. Weiter nach aussen folgt eine cytoplasmatische Hülle, welche den Achsenstrang bis zum hintern Ende des Mittelstücks umgiebt. Der Kopf scheint davon frei zu sein. Struktur und Histogenese der oligopyrenen Spermien ist bereits in vortrefflicher Weise von v. Brunn geschildert worden. X. [0 9) Friedrich Meves; Nach v. Brunn tritt an der völlig runden -Spermatide im Beginn der Umwandlung ein Büschel feinster‘ ‚Fäden auf, .als deren Ausgangspunkt bei schärfster Beobachtung der' erhälten gebliebene runde Kernteil (vergl. oben S..40) sich erkennen lässt. „Dieser ist. der Zellwand sehr nahe gerückt und entsendet nun jenen Cilienbüschel, der ausserhalb der Zelle sich .lockert und ca. 8—12 Fäden von der dreifachen Länge des Zelldurch- messers zeigt.“ v. Brunn wagt nicht zu entscheiden, ob sie primär von dem Kernteile aus entstehen oder erst sekundär damit in Verbindung treten. Die weitere Bildung des Samenkörpers verläuft Felsen massen: „Der Cilienbüschel wächst in die Länge und zwar nach der seiner Austrittsstelle entgegengesetzten Seite der Zelle zu. In gleichem Maasse rückt der Kopf in gerader Richtung nach dem Innern derselben und berührt schliesslich die entgegengesetzte Zellwand. Er durchbricht diese jedoch nicht; sie legt sich ihm vielmehr ganz dicht an und wird bei der in derselben Richtung immer weiter fortschreitenden Verlängerung der Fäden mit vorwärts gezogen und in die Länge gedehnt. Die ganze Zelle ‚streckt sich bei diesem Wachstum zuerst spindelförmig und wächst dann ihrerseits nach dem freien Ende des Cilienbüschels zu rings um diesen entlang, doch langsamer als das entgegengesetzte Längs- wachstum der Fäden vor sich geht. Letztere legen sich bei diesen Vorgängen eng an einander und bilden nun einen schein- bar einheitlichen Faden, obne jedoch zu verschmelzen. Noch in schon ziemlich lang spindelförmigen Zellen kann man die ein- zelnen Cilien unterscheiden, besonders auch an frischen Ele- menten. Der anfangs runde Kopf besitzt schon bei dem Berühren der Zellwand eine längliche Gestalt und wird weiterhin zu einem leicht gekrümmten Stäbchen oder Röhrchen, das sich stets intensiv färbt. So wachsen nun sowohl Faden wie Zelle in der anfänglichen Richtung fort, indem ersterer immer länger, letztere aber immer dünner wird. Wenn endlich der Centralfaden nahe- zu seine definitive Länge erreicht hat, so hat die Zellsubstanz den Cilienbüschel bis an den scheinbaren Insertionspunkt der freien Wimpern am reifen Samenkörper umwachsen.“ Auch die durch den Mitochondrienmantel bedingte Quer- streifung des Mittelstücks ist bereits von v. Brunn (an. Sper- Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 59 mien, die mit Sublimat fixiert und mit wässrigem Hämatoxylin gefärbt waren) gesehen worden. Schliesslich sei noch auf die ausgezeichnete Darstellung hingewiesen, welche v. Brunn von der Bewegungsart der oli- gopyrenen Spermien gegeben hat. — Die oligopyrenen Samenfäden von Paludina sind bekanntlich der äussern Form nach von den entsprechenden Spermien von Murex sehr verschieden. Die (enese dieser letzteren beschreibt Koehler.folgendermassen. Einer der durch Fragmentierung entstandenen Tochterkerne (vergl. oben S. 40) formt sich in ein Fibrillenbündel um, dessen eines Ende als Cilienbüschel aus der Zelle hervorsprosst; der übrige Teil des Bündels wächst quer durch die Zelle hindurch, wobei die einzelnen Fäden sich zu einem dicken Strang ver- einigen. Gegen Ende der Reife sollen die Cilien abfallen;') von dem intracellularen Strang bleibt nur das vordere Ende erhalten, welches das „Kopfende“ der reifen Spermie bildet; der übrige Teil des Stranges zerlegt sich in seine Elemente, welche sich verteilen und eine Längsstreifung des Spermienkörpers bedingen. Diejenigen Kerne, welche nicht zur Bildung des Fibrillen- bündels verwandt worden sind, erhalten sichnach Koehler noch lange Zeit, um erst kurz vor Eintritt der Reife zu schwinden. Ueberbleibsel von ihnen bilden färbbare Körnchen, welche im Cytoplasma der reifen Spermien gelegen sind. Platner (89.1) giebt an, dass eine Spermatide von Palu- dina, welche sich zur oligopyrenen Spermie umwandelt, neben deru Kern noch einen „dunklen, rosettenförmig gestalteten Körper, den Nebenkern“, sowie ein „Centrosoma“ enthält, „das dem Kern dicht anliegt und bei seiner Streckung sich an die Spitze begiebt, während am entgegengesetzten Pol des Kerns der Achsenfaden sich ansetzt.““ „Der stäbchenförmige Kern rückt nun mehr und mehr gegen die Spitze der Zelle, die er schliesslich nach aussen vorstülpt. Das Protoplasma zieht sich dabei an dem Achsenfaden immer weiter herunter, ihn so mit einer Hülle umkleidend. In diesem Protoplasmarest gewahrt man noch lange !) Tch möchte glauben, dass sie in den Zellleib einbezogen werden. 60 Friedrich Meves: den rosettenförmigen Nebenkern, bis er sich schliesslich all- mählich auflöst.‘“ Ich bemerke hierzu: Ein ,„Centrosoma‘“, wie es Platner beschreibt und auf seiner Taf. 9, Fig. 10 a—d abbildet, existiert überhaupt nicht. Der ,„Nebenkern“ Platner’s aber verdient diese Bezeichnung nicht, da er mit dem hier in Figur 113 ab- gebildeten rundlichen Körper (rechts unten vom Kern) identisch ist (vergl. Meves 1900, S. 565). Nach Auerbach sind ‘die „Bildungszellen‘“ der wurm- förmigen Samenfäden, wenn sie ihre Umwandlung beginnen, „kernlos im weitesten Sinne des Wortes.“ Das Material für den Achsenstrang sowie für das dem wurmförmigen Spermium eigene hintere Wimperbüschel wird nicht von einem Kernfragment, sondern von dem „Cytoplasmakern‘‘ geliefert, der „ersichtlich durch Verdichtung eines Teiles des Cytoplasmas‘“ neu ent- standen ist (vergl. oben S. 41). Der Cytoplasmakern wird zunächst hohl „durch Differen- zierung in eine dunkle Rinde und einen blassen Centralraum, welcher letztere schliesslich so hell und scharf begrenzt erscheint, dass er wie eine grosse centrale Vakuole aussieht.“ Die Vakuole bekommt dann eine excentrische Lage, indem die Rindensubstanz sich mehr und mehr nach einer Seite herüberzieht. Schliesslich liegt die Rindensubstanz der Vakuole in Form eines konkav- konvexen Meniscus an. Auf einem folgenden Stadium zergeht die Vakuole ‚unter langsamen Eindringen lockerer Zellsubstanz von der Umgebung her.“ Die Rindensubstanz aber geht in die Form eines anfangs sekrümmten, sodann geraden Stäbchens über, welches sich so einstellt, dass es, von geringen Abweichungen abgesehen, in einem Durchmesser der Zellkugel liegt, und das eine etwas zu- gespitzte Ende nach dem nächstliegenden Punkte der Zell- peripherie hinsieht. Das Stäbchen streckt sich dann immer mehr in die Länge und zwar gleichzeitig nach beiden Richtungen hin, erreicht zu- erst den ihm näher liegenden Pol und wächst an dieser Stelle eine Strecke weit über die Zellgrenze hinaus ins Freie, in Form eines am freien Ende zugespitzten Schwanzanhanges der Zelle. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 61 Letzterer zerfällt dann sehr bald in eine grösser: Anzahl feiner Cilien. Der übrige Teil des Stäbchens dagegen wächst zum Achsenstrang der Spermie aus. Ich halte es für überflüssig, diese Darstellung im einzelnen zu kritisieren. — Der Cytoplasmakern, welcher nach Auerbach eine so wichtige Rolle spielt, ist offenbar (wenigstens derjenige der Figuren 13 a—d von Auerbach) mit dem in meiner Figur 113 abgebildeten rundlichen Körper, dem „Nebenkern‘ Platner’s identisch, welcher nach Platner und mir am Auf- bau der Spermien überhaupt nicht beteiligt ist. Wie ich oben beschrieben habe, ist er überhaupt nur in der Hälfte sämtlicher Spermatiden vorhanden. v. Erlanger (97) kann die Beschreibung Auerbachs „über das Zurückbilden und Verschwinden der Kernsubstanz‘‘ nur be- stätigen. Er will eine „ausgeprägte Wabenstruktur‘‘ der reifen Samenfäden (mit Ausschluss vom „Köpfchen“ und Wimperbüschel) gefunden haben. Das sogen. „Köpfchen“ soll nach seiner Meinung als Spitzenknopf aufzufassen sein, das Wimperbüschel von einem stark lichtbrechenden (und färbbaren) Plättchen, Endplättchen, ausgehen, welches einem (wahrscheinlich doppelten) Centralkörper (Centrosom) entspricht. ,‚Daher dürfte“, sagt v. Erlanger, ‚das Endplättchen dem Endknöpfchen anderer Spermatozoen homolog sein.“ Diese Homologisierung ist ebenso wie die übrigen An- gaben v. Erlanger’s unzutreffend; wenn man eine oligo- pyrene Spermie von Paludina und eine Säugetierspermie mit einander vergleichen will, so hat man das „Endplättchen‘“ (welches sich, wie v. Erlanger nicht erkannt hat, aus 12 Knöpfehen zusammensetzt) nicht dem „Endknöpfchen‘“ der Säugetierspermie, sondern der am hintern Ende des sogen. Verbindungsstücks liegenden ringförmigen Schlussscheibe parallel zu setzen. Ich selbst habe früher (00) die Entwicklung der wurm- förmigen Spermien besonders auf das Verhalten der Mitochon- drien!) hin untersucht. Ich beschrieb damals, dass die Mito- chondrien sich nach Ablauf der zweiten Reifungsteilung an einer Stelle in der Nähe der Centralkörperstäbchen zusammenhäufen. *) In der vorliegenden Arbeit sind die Mitochondrien unberücksichtigt gelassen. 62 "Friedrich Meves: Nachdem das intracellulare Fadenbündel aufgetreten ist, lagern sie. sich diesem auf und bilden Querbänder, deren Anzahl um so grösser wird, je mehr das Fadenbündel an’ Länge. zunimmt. Ob diese Querbänder sich. schliesslich, wie dies. bei Säugetieren der Fall ist, zu einer‘Spirale zusammenschliessen, darüber vermochte ich nichts anzugeben. i a HERE R | Von dem intracellularen Fadenbündel selbst habe ich früher angenommen, dass es sich aus der Substanz der Centralkörper- stäbehen ausspinnt; in dieser Beziehung habe ich meine Ansicht in der oben (S. 56) beschriebenen Weise geändert. B. Pygaera. (Tafel VI und VIL) I. Einleitung. Die beiden Arten von Spermien, welche nach meiner schon vor 2 Jahren mitgeteilten Entdeckung bei Pygaera bucephala vorkommen, unterscheiden sich in folgenden Punkten: Die Spermien der einen Art sind, ebenso wie bei Paludina, völlig dem gewöhnlichen Typus entsprechend gebaut. Diejenigen der zweiten Art dagegen sind nicht, wie bei diesem Tier, mit etwas Kernsubstanz ausgerüstet, sondern sind vollständig kernlos. Diese letzteren können daher, im Gegensatz zu den eupyrenen, als apyrene Spermien bezeichnet werden. Beide Arten von Samenfäden sind in Figur 151 und 152 nach Ausstrichpräparaten, die mit Sublimat-Eisessig fixiert und mit der Ehrlich-Biondi’schen Dreifarbenmischung tingiert sind, bei schwacher. Vergrösserung (Zeiss’ Apochromat 8 mm, Comp. Oc. 4, Projektion auf Objekttischhöhe) abgebildet. Die Figuren stellen Spermienbündel dar, die noch von ihrer Cysten- haut umschlossen sind, Figur 151 ein Bündel apyrener, Figur 152 ein solches eupyrener Spermien. Man sieht auf den ersten Blick, dass die eupyrenen Spermien sehr viel, etwa viermal, länger sind als die apyrenen. Die .eupyrenen Spermien (Fig. 152) zeigen vorne ein nadelförmiges Spitzenstück (das „segment proc&phalique‘‘ von Gilson),. welches .noch mehr als doppelt. so lang ist als der ebenfalls nadelförmige (in Fig. 152 grüngefärbte) Kopf. Hinter Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 63 dem Kopf folgt ein- durch kolossale Länge ausgezeichneter Schwanzfaden, an dem Strukturen nicht zu erkennen sind. Die apyrenen Spermien dagegen (Fig. 151) bestehen aus- schliesslich aus einem Schwanzfaden, welcher vorn (in Fig. 151 oben) mit einem kleinen Knöpfchen beginnt, das sich bei der angewandten Behandlung intensiv rot tingiert, also nicht aus Chromatin besteht; wie wir sehen werden, wird es von Central- körpersubstanz gebildet. Das hintere Ende der Cyste, welche das Spermienbündel umkleidet, zeigt (in Fig. 151 unten) eine kugelige Auftreibung, welche durch eine Anhäufung von Cyto- plasmaballen bedingt wird, die je ein meistens rotes, manchmal aber auch grünes Kügelchen einschliessen. | Um diese Cytoplasmaballen zu erkennen, ist eine stärkere Vergrösserung als die für Fig. 151 angewandte nötig. Man be- trachte daher die Fig. 150, welche mit Zeiss Apochromat 2 mm und Comp. Oc. 4 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet ist. Das Vorderende der Spermien ist in dieser Figur nach unten gekehrt. Nachdem ich den Dimorphismus der Spermien bei Pygaera entdeckt hatte, habe ich. auch einige andere a ie auf diesen Punkt hin untersucht. Pygaera gehört zur Familie der Spinner. Auch bei den übrigen untersuchten Spinnern, bei Gastropacha rubi, Bombyx mori und Harpyia vinula, habe ich dieselben beiden Arten von Samenfäden wie bei Pygaera aufgefunden, sodass ich glauben möchte, dass sie bei Spinnern überall vorkommen. Vermisst habe ich sie dagegen bei den untersuchten Tag- faltern (Pieris), bei den Schwärmern (Sphinx ligustri, Sphinx euphorbiae) und bei den Eulen (Mamestra brassicae). Bei den Spinnern werden beide Arten von Spermien in ein und denselben Hodenabteilungen gebildet ; die apyrenen mindestens in der gleichen, häufig aber sogar in grösserer Menge als die eupyrenen. Dass die apyrenen Spermien trotzdem bisher nicht gesehen worden sind, ist um so auffallender, als bereits eine grössere Reihe von Forschern, unter denen sich ausgezeichnete Beobachter finden, (v. la Valette St. George, Platner, Gilson, Verson, Toyama u. a.) sich eingehend und zum Teil in 64 Friedrich Meves: mehrfach wiederholten Publikationen mit dem Spinnerhoden beschäftigt haben. Im folgenden will ich zunächst über meine Untersuchungs- methode kurz berichten, dann einen Ueberblick über die Gene- rationsfolge der Samenzellen geben und schliesslich die Ent- wicklung der apyrenen Spermien von der @rsten Reifungsteilung an beschreiben. Dagegen sehe ich davon ab, die Vermehrungsperiode und die Entwicklung der eupyrenen Spermien zu schildern; obwohl die bisher eingehendste Darstellung, welche Toyama (94, nach Untersuchungen an Bombyx) gegeben hat, von Irrtümern durch- aus nicht frei ist. ll. Untersuchungsmethode. Die Entwicklung der apyrenen Spermien habe ich an Hoden untersucht, welche Puppen von Pygaera in der Zeit von Ende April bis Anfang Juni entnommen und meistens in Flemming’schem Gemisch fixiert worden waren. Die mit Eiweiss-Wasser aufgeklebten, ca. 7'/g u dicken Schnitte wurden vorwiegend mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Auf diese Weise sind die Präparate gewonnen, nach welchen die Figuren meiner vorigen Arbeit (00) und die Figuren 121—147 und Figur 149 hier gezeichnet sind. Reife und nahezu reife Spermien habe ich ausser an Schnitten noch an Ausstrichpräparaten studiert, die ich von dem Hodeninhalt von imagines angefertigt, mit Sublimat-Eisessig fixiert und hinterher der Ehrlich-Biondi’schen Dreifach- färbung unterworfen habe. Derartige Präparate liegen den Figuren 148, 150—152 zu Grunde. ll. Ueber die Generationsfolge der Samenzellen. Die Hoden von Pygaera bestehen aus einer grössern Anzahl konischer Abteilungen, welche ihr spitzes Ende dem Ausführungs- gang zukehren. Ein gutes Uebersichtsbild von einer Hodenabteilung des Seidenspinners (auf welches ich verweise) hat Toyama (94, Taf. III, Fig. 16) gegeben. Beim Seidenspinner sind nur vier derartige Abteilungen vorhanden. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 65 In der Nähe der basalen Wand einer jeden Abteilung liegt eine riesige Zelle, die sogen. Verson’sche Zelle, welche Aehnlichkeit hat mit einem „Cytophor“, wie es bei wirbellosen Tieren vielfach vorkommt. _ Von dieser Verson’schen Zelle schreiten die Entwicklungs- vorgänge der Samenzellen radiär, bezw. nach dem spitzen Ende des Hodenfachs zu, fort. In nächster Umgebung der Verson’schen Zelle liegen zahlreiche Spermatogonien, die sich in lebhafter mitotischer Vermehrung befinden. In einiger Entfernung von der Verson’schen Zelle, an derjenigen Seite derselben, welche der Spitze des Hodenfaches zugekehrt ist, trennen sich die Tochterzellen nicht mehr von einander, sondern beginnen Haufen zu bilden, welche sich mit einer von Follikelzellen gebildeten Umhüllung umgeben. Nachdem die Haufen, durch fortgesetzte Teilung der Spermatogonien, noch grösser geworden sind, tritt in ihrem Innern eine von Flüssigkeit erfüllte Höhle auf. Gleichzeitig hören die Spermatogonien auf, sich zu teilen, indem sie in die Wachstumsperiode übertreten. Dadurch, dass die von Flüssigkeit erfüllte Höhle immer grösser wird, entstehen Cysten, deren Wand nur von einer ein- fachen Lage von Samenzellen bedeckt wird. Die Samenzellen selbst nehmen nach dem Uebertritt in die Wachstumsperiode in verschiedenen Cysten eine verschiedene Entwicklung. Die Verschiedenheit besteht. im wesentlichen darin, dass sie in den einen Cysten eine starke, in den anderen dagegen nur eine sehr geringe Grössenzunahme erfahren. Dementsprechend sind auch die Cysten verschieden gross. Die Zellen der beiderlei Cysten treten darauf als Sperma- tocyten in die Reifungsperiode ein und teilen sich zweimal hintereinander. Die Reifungsteilungen der stark herangewachsenen Spermatocytengeneration bieten nichts ungewöhnliches, diejenigen der im Wachstum zurückgebliebenen dagegen zeigen einen Ver- lauf, der von demjenigen der regulären Mitose stark abweicht. Die aus den zweiten Reifungsteilungen hervorgegangenen Spermatiden wandeln sich dann in Spermien um; die Spermatiden der stark herangewachsenen Spermatocytengeneration werden zu eupyrenen, die der andern Generation zu apyrenen Spermien. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 5 66 Friedrich Meves: Im Beginn der Umwandlung der Spermatiden zu Spermien werden die Samencysten zunächst etwa birnförmig, um sich später mehr und mehr schlauchförmig in die Länge zu ziehen. Das Schema für die Generationsfolge der Samenzellen ist nach obigem für Pygaera das gleiche wie für Paludina. Das Studium der Spermatogenese wird aber bei Pygaera dadurch wesentlich erleichtert, dass die beiden Arten von Spermien sich in verschiedenen Cysten (wenn auch in denselben Hodenab- teilungen) entwickeln. IV. Entwicklung der apyrenen Spermien (vom Beginn der ersten Reifungsteilung an). l. Die Reifungsteilungen. Die Beschreibung der Reifungsteilungen, welche der Ent- stehung der apyrenen Spermien vorangehen, beginne ich mit dem Stadium der Figur 121, einer senkrecht zur Cystenwandung ab- geplatteten Zelle, welche an der dem Cysteninnern zugekehrten Seite zwei V-förmige Centralkörper aufweist, wie ich sie schon früher (97. 3) bei den Spermatocyten der grossen Generation be- schrieben habe. Die Oeffnungen der V sind der Zellwand zugekehrt. Von den an die Zellwand anstossenden Enden ihrer beiden Schenkel gehen in den Hohlraum der Cyste hinein Fäden aus, welche mit kolbigen Anschwellungen endigen. Auf das Aussehen des Kernes hin, welcher eine Anzahl unregelmässig gestalteter kleiner Chromatinkörper einschliesst, habe ich früher (ebenso wie z. B. Platner und Henneguy) Spermatocyten der grossen Generation, dem gleichen Stadium wie Figur 121 angehörig, als ruhende bezeichnet. Diese Be- zeichnung kann ich aber nicht mehr für zutreffend halten, nachdem ich gefunden habe, dass das Knäuelstadium des Kerns, welches die erste Reifungsteilung einleitet, bereits vorübergegangen ist (vergl. auch Toyama). Auf dem Stadium der Fig. 122 ist die Zelle höher, der vorher ovale Kern kugelig geworden; die im Kern enthaltenen Chromatinkörper, welche in ihrer Lage die Zellperipherie bevor- zugen, sind bereits die definitiven Chromosomen. Die von den Centralkörperenden ausgehenden Fäden nehmen von Anfang an kontinuierlich nicht nur an Länge, sondern auch an Dicke zu. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 67 Weder in Fig. 122 noch. in irgend einer der folgenden Figuren sind sie in ganzer Länge dargestellt. Alsbald beginnen die V- föürmigen Centralkörper auseinander zu rücken (Fig. 123). Im Kerninnern tritt ein Linienstrangwerk hervor, dessen Züge parallel der Verbindungslinie beider Central- körper verlaufen. Die Kernmembran schwindet, zuerst an der dem Cysteninnern zugekehrten Seite. An dieses Stadium schliesst sich das Stadium der Meta- kinese unmittelbar. an. Die Chromosomen sondern sich in zwei Gruppen nach den Centralkörpern hin auseinander, ohne dass ein Muttersternstadium (wie bei den Reifungsteilungen der eupyrenen Spermien) vorausginge. Dass eine Teilung der Chromosomen erfolgt wäre, habe ich nicht beobachtet, aber ich wage auch nicht, bei der Klein- zelligkeit des Objekts, es bestimmt auszuschliessen. Auskunft darüber müsste man durch Zählungen der Chromosomen er- halten. Die Tochtersterne (Figur 125—127) sind dadurch aus- gezeichnet, dass ihre Chromosomen relativ sehr locker gelagert „Dyaster“ einer Spermatocyte erster Ordnung der grosszelligen Generation von Pygaera. Chromosomen verklumpt. Mitochondrienketten, die Spindel um- gebend. Vergrösserte Kopie der Fig.57 Taf. XXVII meiner Nebenkernarbeit (00). HF 68 Friedrich Meves: sind. Dadurch unterscheiden sie sich in sehr charakteristischer- Weise von den Dyasteren der grosszelligen Spermatocytenreihe, bei denen die Chromosomen so eng zusammengerückt liegen, dass sie bei der Fixierung regelmässig zu einem Haufen ver- klumpen (vergl. die vorstehende Textfigur VII, welche ich aus einer frühern Arbeit kopiert und dabei auf die gleiche (stärkere) Vergrösserung gebracht habe, bei welcher die Figuren der Taf. VI gezeichnet sind). Auch auf den folgenden Stadien (Fig. 128, 129) kommt es. nicht zu einer stärkern Vereinigung der Chromosomen; im. Gegenteil: die Chromosomen rücker weiter auseinander und. bilden sich dann in den Tochterzellen jedes für sich oder zu zweien, ausnahmsweise auch zu mehreren, vereinigt zu kleinen Kernchen um. Bald nachdem die Einschnürung des Zellleibes begonnen hat, brechen die V-förmigen Centralkörper an den Knickungs- stellen durch.) Dadurch entstehen in jeder Tochterzelle zwei: Stäbchen, welche jedes mit einem Faden versehen sind. Diese: beiden Stäbchen weichen noch in den Anaphasen der ersten Reifungsteilung auseinander, um an die Spindelpole der sich unmittelbar anschliessenden zweiten Teilung zu treten. Im Beginn der zweiten Teilung gehen aus den in der Zellsubstanz verstreuten Kernchen von neuem Chromosomen hervor, welche wieder, ohne vorher zu einer äquatorialen Platte vereinigt gewesen zu sein, nach den beiden Polen auseinander- rücken (Fig. 132, 133). Auch der weitere Verlauf (Fig. 133, 134) ist genau der gleiche wie bei der ersten Teilung. Die auseinanderrückenden Chro- mosomen vereinigen sich in den Tochterzellen nicht zu je einem Tochterkern, sondern bilden wieder eine wechselnde Anzahl kleiner Kernchen. Die Tochterzellen der zweiten Teilung sind die Sperma- tiden, welche sich ihrerseits in apyrene Spermien umwandeln. Die Mitochondrien habe ich bei der obigen Schilderung unberücksichtigt gelassen. Ich bemerke, dass sie sich bei den Reifungsteilungen der apyrenen Spermien ebenso verhalten, wie !) Der Durchbruch erfolgt hier später als bei der grosszelligen Generation, wo er schon auf dem Stadium der Metakinese zur Beobachtung kommt. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 69 ich es in einer früheren Arbeit (00) für diejenigen der eupyrenen Spermien beschrieben habe. n 2. Histogenese der apyrenen Spermien, Eine Spermatide, wie sie aus der zweiten Reifungsteilung hervorgeht (Fig. 135) ist eine rundliche Zelle, welche eine grössere Anzahl kleiner Kerne und daneben einen durch Eisen- hämatoxylin schwarz färbbaren rundlichen Körper, Mitochondrien- körper, einschliesst, welcher von Vakuolen durchsetzt und an der Peripherie mit grössern ebensolchen bedeckt ist. Mit Bezug auf diesen Mitochondrienkörper, seine Entstehung und sein weiteres Verhalten bitte ich das früher (1900) über die Histogenese der eupyrenen Spermien mitgeteilte zu ver- gleichen. _ An einer Stelle liegt ausserdem inmitten einer Ansammlung von dichterem Cytoplasma ein kurz stäbchenförmiger Central- körper, von welchem ein kräftiger und langer Faden!) ausgeht. Der Umwandlungsprozess in den Samenfaden beginnt nun damit, dass die Zelle sich, senkrecht zur Cystenwand, in die Länge streckt. Der Mitochondrienkörper bezw. der schwarz färbbare, von Vakuolen frei gewordene Innenkörper desselben wächst gegen das ÜCentralkörperstäbchen in eine Spitze aus. Diese Spitze verbindet sich später mit dem Centralkörperstäbchen bezw. demjenigen Ende desselben, von welchem der Schwanz- faden entspringt. Das Centralkörperstäbchen selbst beginnt nunmehr inner- halb der Zelle gegen die Cystenwandung hin zu wandern (die- selbe befindet sich in den Figuren unten), wobei es nicht nur den Schwanzfaden, sondern auch den Mitochondrienkörper hinter sich her zieht. Der Mitochondrienkörper erfährt dabei eine Drehung um seine Anheftung am hintern Ende des Central- körperstäbchens (diese Drehung ist in Figur 137 bereits voll- zogen). Von diesem Stadium (Fig. 137) an beginnt das Cytoplasma am Schwanzfaden entlang nach hinten zu wachsen. Auf einem weitern Stadium (Fig. 138) hat der Mitochon- drienkörper sich spindelförmig verlängert. An seiner Peripherie !) In Fig. 135 (und auch in den folgenden Figuren) ist nur ein ganz kleines Stück desselben gezeichnet. 70 Friedrich Meves: wird -er von einer. schmalen Schicht hell aussehender Substanz umgeben, welche aus dem Inhalt der Vakuolen (Fig. 136, 137) hervorgegangen. und welche ihrerseits durch eine Membran gegen Fig. VII: In Umwandlung begriffene Spermatide einer eupyrenen Spermie von Pygaera; ver- grösserte Kopie der Fig. 68, Taf. XX VII meiner Neben- arbeit (00). das Cytoplasma abgegrenzt ist. Der Schwanzfaden verläuft über diese Mem- bran nach hinten bis zur hinteren Spitze des Mitochondrienkörpers, welche in den Schwanzfaden glecihsam ausgezogen zu sein scheint. In Figur 139 hat das Centralkörper- stäbchen .mit seinem vordern Ende den der Cystenwandung anliegenden Teil der Zellperipherie erreicht und damit die Spitze der sich bildenden Spermie einge- nommen, ohne zu den Kernchen oder zu einem derselben in Beziehung getreten zu sein. . Die Kernchen bleiben während der geschilderten Vorgänge teilnahmslos im Cytoplasma der Spermatide liegen Die Zellsubstanz und, im Innern der Zell- substanz, der Mitochondrienkörper wachsen immer weiter am Schwanzfaden entlang nach hinten (Fig. 139, 140). Vergleichshalber habe ich in neben- stehender Figur VIII eine Spermatide der eupyrenen Spermien (bei gleicher Ver- grösserung wie die Figuren der Tafel VI) abgebildet. Der Schwanzfaden inseriert hier durch Vermittlung des Oentralkörper- stabes an dem in der Einzahl vorhandenen Kern an derselben Stelle, an welcher auch der in eine Spitze ausgezogene Mitochon- drienkörper befestigt ist; die Verbindung zwischen Schwanzfaden und Kern ist schon auf dem Dispiremstadium der zweiten Reifungsteilung hergestellt. Bis zum Stadium der Figur 140 er- hält sich am vordern Ende der sich ent- wickelnden apyrenen Spermie eine kolbige Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 11 Cytoplasmaansammlung, welche die Kernchen enthält. In der Folge beginnt diese Ansammlung zu verstreichen, indem der Schwanzfaden auch nach vorn stark auswächst, wobei die Zell- substanz mit vorwärts gezogen wird. Zwei Anfangsstadien dieses Prozesses sind in Fig. 141 und 142 dargestellt. Die Kernchen kommen in der Folge immer weiter nach hinten zu liegen. Die Spermien sind nunmehr so lang geworden, dass sie bei der bisher angewandten Vergrösserung (auch ohne den Schwanzfaden) nicht mehr auf die Tafel zu bringen sind. Die Figuren, welche den Fortgang des Umwandlungsprozesses illustrieren, sind daher bei schwächerer Vergrösserung gezeichnet, und zwar habe ich ganze Samencysten abgebildet, da eine Ver- folgung einzelner Spermien auf den spätern Stadien der Ent- wicklung nicht mehr möglich ist. Der besseren Uebersicht und Vollständigkeit halber führe ich einige der schon beschriebenen Stadien des Umwandlungs- prozesses noch einmal bei schwächerer Vergrösserung an Ab- bildungen ganzer Cysten vor Augen (Fig. 143—146). 4 Man sieht (Fig. 143, 144), wie die anfangs runden Üysten sich schon sehr bald in die Länge strecken, indem gleichzeitig die Spermatiden eine parallele Lagerung einnehmen. Mit dem weitern Längenwachstum der Spermatiden werden dann die Cysten zunächst kegelförmig (Fig. 145). Die Vorderenden der sich entwickelnden Spermien liegen der Basis des Kegels an. Bald nach dem Stadium der Figur 145 beginnen die Schwanzfäden auch nach vorn auszuwachsen. Als Ausdruck davon wird die Basis der kegelförmigen Cyste immer weiter vorgebuchtet (Fig. 146), um schliesslich in einen zungenförmigen Fortsatz ausgezogen zu werden (Fig. 147). In Figur 147 konstatiert man, dass die hintern (in der Figur obern) Enden der Schwanzfäden mit kleinen Knöpfchen endigen. An Schnittpräparaten, die mit Flemming’schem Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt waren, habe ich das gleiche in spätern Entwicklungsstadien häufig zu beobachten Gelegenheit gehabt, nicht aber an den anders be- handelten Ausstrichpräparaten (Fig. 148, 150, 151). Die Central- körperstäbchen an den vordern (in den Figuren 145—147 untern) Enden der Schwanzfäden sind nicht zu erkennen. 72 Friedrich Meves: Auf dem Stadium der Figur 148 (nach einem Ausstrich- präparat, welches in der oben S. 64 angegebenen Weise behandelt ist) ist die ganze Cyste schlauchförmig geworden; die Spermien haben nunmehr ihre definitive Länge erreicht. Die Central- körperstäbchen an den Spitzen der Spermien sind intensiv rot gefärbt und daher sehr deutlich. Die weit nach hinten ver- lagerten Kernchen sind auf diesem Stadium chromatolytisch degeneriert. Statt ihrer finden sich kleine, stark färbbare Kügelchen von verschiedener Grösse. Figur 149 zeigt den die chromatolytisch veränderten Kernchen enthaltenden Abschnitt eines Spermienbündels, welches sich auf dem gleichen Ent- wicklungsstadium befindet, wie dasjenige der Figur 148, nach einem Schnittpräparat, welches mit Flemming’schem Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt ist. , In der Art und Weise, wie es Figur 148 darstellt, sind sehr viele Bündel apyrener Spermien beschaffen, welche man im Hoden von imagines antrifft. Andere dagegen zeigen das Bild der Figur 150, welches ich schon oben beschrieben habe. Die Spermien sind auf ihrer ganzen Länge von chromatischer Substanz völlig frei. Das hintere Ende der Cyste ist kugelig aufgetrieben und enthält eine Anhäufung von Cytoplasmaballen, die je ein, meistens rot, zuweilen aber auch grün gefärbtes Kügelchen einschliessen. Es liegt nahe, diese Kügelchen mit dem chromatolytisch veränderten Kernchen der Figuren 148, 149 in Beziehung zu bringen und anzunehmen, dass die letzteren mit etwas Cytoplasma aus- gestossen und in das hintere Ende der Cyste befördert worden sind, wobei sie sich teilweise zusammengeballt, jedenfalls aber, zum grössten Teil, eine chemische Umsetzung erlitten haben müssten. C. Zur Frage nach der physiologischen Bedeutung der oligopyrenen und apyrenen Spermien. Ueber die höchst interessante Frage, was das Vorkommen. der zweierlei Spermien bei Prosobranchiern und Spinnern zu bedeuten hat und wie sie sich zur Befruchtung verhalten, Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 13 darüber habe ich leider Untersuchungen bisher nicht anstellen können. | Mit Bezug auf Paludina hatte Leydig 1850 zuerst angegeben, dass in dem die Dotterkugel bezw. den jungen Embryo um- gebenden Eiweiss nicht selten beide Formen von Samenkörpern, teils abgestorben, teils noch in lebhafter Bewegung zu finden seien, und angenommen, dass beide Arten zur Befruchtung dienen. Gegen diese Annahme hat sich v. Brunn auf das be- stimmteste ausgesprochen. v. Brunn hat aus jedem Uterus eine grössere Anzahl jüngerer und älterer Eier und zwar in ver- schiedenen Jahreszeiten untersucht, hat aber in keinem Fall auch nur einen einzigen wurmförmigen Samenkörper im Ei - gesehen. Er sagt, dass ein solcher ihm sicherlich nicht entgangen wäre, da er verschiedene Hilfsmittel, Compressorium u.a. benutzte. Ebenso habe er stets die Möglichkeit im Auge gehabt, dass Veränderungen oder Tod die normale Form entstellt oder schwer erkennbar gemacht haben könnten. v. Brunn kommt demnach zu dem Resultat, dass die wurmförmigen Samenfäden bei der Befruchtung keine Rolle spielen. Eine Bekräftigung und zugleich eine befriedigende Er- klärung dieser Thatsache ergiebt sich nach ihm aus der Organi- sation der weiblichen Geschlechtsorgane. Letztere beginnen mit einer zapfenförmigen muskulösen Vagina, welche sich zu dem langen, schlauchförmigen Uterus erweitert, dessen letzter, nach unten umgeschlagener Teil die sogen. Samentasche (receptaculum, bursa seminis) ist. In diese mündet der Ovidukt auf einer kleinen stark muskulösen Papille. Wenn die Eier aus dem Ovidukt austreten, sind sie mit einer reichen Eiweisshülle versehen, welche von einer dichten strukturlosen Haut umschlossen ist. Diese macht den ferneren Zutritt körperlicher Elemente unmöglich, da eine Micropyle oder andere entsprechende Einrichtung nicht vorhanden ist. Der Zutritt der Samenkörper zum Ei muss demnach vor dem Aus- tritt desselben in das receptaculum seminis geschehen, in diesem selbst ist er nicht mehr möglich. Im Ovidukt findet man nun aber niemals auch nur einen einzigen wurmförmigen, hingegen stets eine gewisse Menge 14 Friedrich Meves: haarförmiger Samenkörper. Die wurmförmigen bleiben von der Ueberführung in den Ovidukt, wahrscheinlich ihrer ungeeigneten Gestalt und Bewegung wegen ausgeschlossen. Nur die haar- förmigen Samenfäden können ihren Weg durch die enge Mündung des Ovidukts fortsetzen und das Ei befruchten. Auch eine „Nebenfunktion“ der wurmförmigen Samenkörper ist nicht ersichtlich. v. Brunn glaubt daher annehmen zu dürfen, dass die wurmförmigen Spermien überhaupt funktionslos seien. Ihr Auf- treten erklärt er sich auf folgende Weise. Er stellt den Hoden von Paludina in Parallele mit der Zwitterdrüse bei Helix, in welcher Eier und Spermien neben einander gebildet werden, und glaubt, dass die wurmförmigen Samenfäden als rudimen- täre Eier aufzufassen seien, welche auf eine Abstammung der Prosobranchier von hermaphroditischen Formen hindeuten. Brock (87), dem wir die Kenntnis der zweierlei Spermien einiger exotischer Prosobranchier verdanken, sieht den Nachweis als durch v. Brunn erbracht an, dass die -wurmförmigen Samen- fäden bei der Befruchtung keine Rolle spielen, hält es aber für verfrüht, daraus zu schliessen, dass ihnen überhaupt keine Funktion zukommt. Die v. Brunn’sche Deutung, dass die wurmförmigen Samenfäden rudimentäre Eier seien, erklärt er aus folgenden Gründen für unannehmbar. Erstens sei es v. Brunn nicht gelungen, eine Aehnlichkeit in der Entwicklung zwischen Eiern und wurmförmigen Samenfäden wahrscheinlich zu machen. Ferner müssten die Prosobranchier nicht auf hermaphroditische, sondern auf getrennt geschlechtliche Stammformen zurückgeführt werden. Schliesslich „sollte man annehmen, dass, wenn die doppelten Samenkörper mit hermaphroditischen Vorfahren der Prosobranchier in Beziehung zu bringen wären, gerade die niedern Formen der Prosobranchier diese Eigentümlichkeit zeigen müssten.“ Gerade diesen fehlen aber die wurmförmigen Spermatozoen durchweg. Daraus lasse sich mit ziemlicher Sicherheit der für die v. Brunn’sche Theorie verhängnisvolle Schluss ziehen, dass der Besitz doppelter Spermatozoen eine Eigentümlichkeit sei, die sich erst innerhalb der Prosobranchier entwickelt habe. Koehler (88) giebt zwar zu, dass die Argumente, welche Brock vorbringt, grossen Wert haben, nimmt aber trotzdem u en Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 75 die v. Brunn’sche Hypothese von neuem auf, weil er glaubt, eine noch grössere Aehnlichkeit als v. Brunn in der Entwicklung von Eiern und wurmförmigen Samenfäden nachgewiesen zu haben. MeineobenbeschriebenenBeobachtungen zeigen nun aber, dass ein vollständiger Parallelismus in der Entwicklung der wurmförmigen mit andern Samenfäden besteht. Damit ist die Irrtümlichkeit der v. Brunn’schen Hypothese definitiv erwiesen. Auerbach hat bei dem Schwimmkäfer Dytiscus, wie schon vorher Ballowitz, beobachtet, dass je zwei Samenfäden sich mit den Köpfen zu Doppelspermien dicht aneinanderlegen ; er vermutet, dass während dieser Vereinigung „ein Stoffaus- tausch zum Zweck einer völligen Ausgleichung etwaiger feiner stofflicher Differenzen“ vor sich geht. Etwas ähnliches findet nun nach Auerbach auch bei Paludina statt. Auerbach glaubt (vergl. oben S. 29—31) gefunden zu haben, dass die haarförmigen Samenfäden, nachdem sie ein bestimmtes Stadium der Entwicklung erreicht haben, sich in ganz gesetzmässiger Weise zwischen die wurmförmigen einlagern. Die wurmförmigen Samenfäden sollen in dieser Zusammenlagerung (,„Syntaxis“, Auerbach) einen seiner Art nach rätselhaften Einfluss ausüben, durch welchen die Weiterentwicklung der haarförmigen ge- fördert wird. Zu dieser Darstellung habe ich schon oben bemerkt, dass sie in meinen Beobachtungen nicht die geringste Stütze findet. Ich bestreite entschieden, dass eine derartige „Syntaxis“ zwischen den sich entwickelnden Spermien stattfindet. Die Frage, welche Bedeutung den oligopyrenen Spermien von Paludina zukommt, ist demnach noch ungelöst. Auch ich vermag darauf keine Antwort zu geben; ebenso wenig wie ich über die Bedeutung der apyrenen Spermien von Pygaera etwas auszusagen vermag. Dass aber diese Spermien der zweiten Art funktionslos seien, vermag ich auf keinen Fall zu glauben. Die oligopyrenen Spermien von Paludina‘ und die apyrenen von Pygaera werden massenhaft, sicher in gleicher Menge, wie die eupyrenen Spermien, produziert; besonders die ersteren sind 76 Friedrich Meves: hoch und eigentümlich organisierte Gebilde, welche eine kom- plizierte Entwicklung durchlaufen. Von den oligopyrenen Spermien ist festgestellt, dass sie mit den eupyrenen Spermien zusammen in die weiblichen Ge- schlechtsorgane übertragen werden. Das gleiche kann man wohl ohne jedes Bedenken auch von den apyrenen Spermien von Pygaera annehmen. Es ist nun aber, wie Brock mit Bezug auf die oligopyrenen Spermien der Prosobranchier sagt, „ein so allgemeiner Erfahrungs- satz, dass jedes organische Produkt oft in der denkbar voll- kommensten Weise seinen speziellen Zwecken und Lebens- bedingungen angepasst ist, dass die daraus gezogenen Schlüsse fast die Gültigkeit mathematischer Sätze beanspruchen können.“ „So können wir überall, wo an einem Naturprodukt ein eigentümlicher und hoch specialisierter Bau wahrgenommen wird, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen, dass derselbe einem ganz besonderen Zweck dient, auch wenn wir zur Zeit nicht die geringste Vorstellung davon haben. Diese zum Allgemeingut der Wissenschaft gewordenen Sätze auf vor- liegenden Fall angewendet, ist es doch klar, dass, um behaupten zu können, die so hoch und eigentümlich organisierten wurm- förmigen Spermatozoen der Prosobranchfer wären funktionslose, rudimentäre Organe, dafür doch äusserst gewichtige positive Gründe vorgebracht werden müssten. Das ist aber nicht geschehen.“ „Zweitens hat in dem Falle, dass über die Funktion resp. die Funktionslosigkeit eines Organs Zweifel herrschen, der Nachweis, dass es ein rudimentäres Organ ist, auf vergleichend anatomischem oder embryologischem Wege, zu geschehen. Es muss der Nachweis einer kompleten Homologie mit einem noch funktionierenden Organ bei verwandten resp. ancestralen Formen geführt und zugleich gezeigt werden, dass die Abweichungen in Bau und Entwicklung bei dem supponierten rudimentären Organe als Rückbildungsvorgänge aufgefasst werden müssen. Auch dieser Nachweis ist von v. Brunn nicht erbracht worden, konnte auch der Lage der Dinge nach nicht einmal versucht werden“ u. Ss. w. Wenn ich nach einer Funktion dieser Spermien der zweiten Art suche, so erscheint es mir, trotzdem ich die gegenteilige, Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 17 die oligopyrenen Samenfäden von Paludina betreffende Angabe eines so gewissenhaften Forschers wie v. Brunn durchaus nicht gering anschlage, immer noch als das wahrscheinlichste, dass sie ebenfalls, wenn auch vielleicht nur zu bestimmten Zeiten und unter besonderen Umständen, zur Befruchtung gelangen. Es sei mir gestattet, mit wenigen Worten zu erörtern, wodurch eine durch einen Samenfaden der zweiten Art voll- zogene Befruchtung sich von der gewöhnlichen unterscheiden würde. Wir haben gesehen, dass zum Aufbau der oligopyrenen Spermie von Paludina nicht die ganze Kernmasse, sondern nur ein sehr geringer Bruchteil derselben (ein Chromosom von 14 in die erste Reifungsteilung eintretenden) herangezogen wird; dass bei Pygaera dagegen die Spermien der zweiten Art voll- ständig kern- bezw. kopflos sind. Es ist nun heutzutage eine verbreitete, wenn auch nicht völlig unbestrittene Annahme, dass der Kern und ausschliesslich dieser als Träger der Vererbung anzusehen ist. Wir müssen demnach bei Zugrundelegung dieser Hypothese annehmen, dass die Potenz der oligopyrenen Spermien in Bezug auf die Vererbung nur einen Bruchteil der Vererbungspotenz der eupyrenen beträgt; während bei Pygaera die Spermien der zweiten Art als Vererbungsträger überhaupt nicht in Betracht kommen würden. Vorausgesetzt, dass diese Samenfäden zur Befruchtung gelangen würden, so würde sich hier die Aussicht eröffnen, dass man die Hypothese, nach welcher der Sitz der Vererbung sich im Kern befindet, durch das Studium der Befruchtungs- und Entwicklungsvorgänge auf ihre Richtigkeit hin prüfen könnte. Wenn diese Hypothese richtig ist, so müssten durch eine Be- fruchtung mit diesen Samenfäden Organismen mit überwiegend!) bezw. ausschliesslich mütterlichen Eigenschaften entstehen. !) Es erscheint mir übrigens nicht unmöglich, dass die Kernsubstanz. der oligopyrenen Spermien im Ei überhaupt nicht zur Wirkung gelangt. Ich könnte mir vorstellen, dass diese geringe Kernmasse zum Aufbau des Samenfadens nur deshalb herangezogen wird, weil es die gewöhnliche Art und Weise ist, Spermien aufzubauen: vorne einen aus der Kernsubstanz gebildeten „Kopf“ hinzusetzen, mit welchem sich die Üentralkörper ver- binden, welche ihrerseits der Geissel als Ansatz dienen. Die oligopyrenen Spermien von Paludina könnten daher möglicherweise funktionell kernlos, apyren, sein. 78 Friedrich Meves: Die Samenfäden der zweiten Art würden dann in erster Linie oder allein die Aufgabe haben, das Ei zur Entwicklung, d. h. zur Teilung anzuregen; eine Anregung, welche nach Boveri an die Einführung eines Cytocentrums geknüpft ist.!) Sollte es sich aber zeigen, dass sie thatsächlich niemals zur Befruchtung gelangen, so würde ich es mit Brock für durchaus verfrüht halten, anzunehmen, dass sie überhaupt funktionslos sind. Verzeichnis der zitierten Litteratur. Auerbach, L. (96): Untersuchungen über die Spermatogenese von Paludina vivipara. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. 30. N, F. 23. Derselbe (97): Zur Entstehungsgeschichte der zweierlei Samenfäden von Paludina vivipara. Jahresbericht der Schlesischen Ges. f vater- ländische Kultur. Breslau. Ballowitz, E. (86): Zur Lehre von der Struktur der Spermatozoen. Anat. Anz., Bd. 1. | v. Bardeleben, K. (97): Dimorphismus der männlichen Geschlechtszellen bei Säugetieren. Anat. Anz. Bd. 13. Belajeff (94): Zur Kenntnis der Karyokinese bei den Pflanzen. Flora, Ergänzungsband. Benda, C. (98): Ueber die Spermatogenese der Vertebraten und höherer Evertebraten. Verh. der Physiol, Ges. zu Berlin, Jahrg. 1897—%8. Derselbe (00): Ueber neue Darstellungsmethoden der Centralkörperchen und die Verwandtschaft der Basalkörper der Cilien mit Central- körperchen. Verh. d. Physiol. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1900—01. Van Beneden, E. et Ch. Julin (84): La spermatogenese chez l’Ascaride megloc&phale. Bull. de l’Acad. de Belgique, ann. 53, ser. 3, t. 7. Van Beneden, E. et A. Neyt (87): Nouvelles recherches sur la f&con- dation et la division mitosique chez l’Ascaride megaloc£phale. Bull. de l’Acad. de Belgique, ser, 4, t. 14. !) Boveri hat den Satz aufgestellt, dass „das Spermatozoon ein Centrosoma ins Ei einführt.“ Von diesem Centrosom nahm er, früher wenigstens, an, dass es mit dem „Centrosom“ der Spermatide identisch sei. Wie ich finde, giebt es in der Spermatide meistens überhaupt kein Centro- som, sondern nur zwei Centriolen. Meine Untersuchungen haben ferner er- geben, dass das Cytocentrum des befruchteten Eies mit diesem Centriolen- paar nicht identisch sein, sondern höchstens einen Bruchteil desselben dar- stellen kann. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 19 Bernard (00): Recherches sur les sphöres attractives de Lilium candidum, Helosis guyanensis ete. Journ. de Botan. Bouin, P. (00): Mitoses spermatogenetiques chez Lithobius forcicatus L. Etude sur les variations du processus mitosique. XIII Congrös international de medeeine, Paris, 2—9 Aoüt 1900 Boveri, Th. (88): Zellen-Studien. Heft 2. Die Befruchtung und Teilung des Eies von Ascaris megalocephala. Derselbe (95): Ueber das Verhalten der Centrosomen bei der Befruchtung des Seeigel-Eies nebst allgemeinen Bemerkungen über Centrosomen und Verwandtes. Verh. der Phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg, N=F. Ba.20. Derselbe (01): Zellen-Studien IV. Ueber die Natur der Centrosomen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. Bd 35, N. F. 28. Brock (87): Ueber die doppelten Spermatozoen einiger exotischer Proso- branchier. Zool. Jahrb., Bd. 2, Broman, J. (02): Ueber gegetzmässige Bewegungs- und Wachstums- erscheinungen (Taxis- und Tropismenformen) der Spermatiden, ihrer Centralkörper, Idiozomen und Kerne. Arch. f mikr. Anat. Bd. 59. v. Brunu, M. (84): Untersuchungen über die doppelte Form der Samen- körper von Paludina vivipara. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 23. Carnoy, J. B (85): La cytodierese chez les Arthropodes. La Cellule, t.1, 1884— 85. v. Erlanger, R. (97): Bemerkungen über die wurmförmigen Spermatozoen von Paludina vivipara Anat. Anz., Bd. 14. Farmer, J. B. (95): Ueber Kernteilung in Lilium-Antheren, besonders in Bezug auf die Oentrosomenfrage. Flora. Flemming, W. (8%): Neue Beiträge zur Kenntnis der Zelle. Teil I. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 29. Derselbe (91): Attraktionssphären und Centralkörper in Gewebszellen und Wanderzellen. Anat. Anz., Jahrg. 6. Derselbe (91): Ueber Teilung und Kernformen bei Leucocyten und über deren Attraktionssphären. Archiv f. mikr. Anat,, Bd. 37, Gilson, G. (84): Etude comparee de la spermatogenese chez les Arthro- podes. La cellule, t.1. Guignard, L. (98): Les centres cinetiques chez les Vegetaux. Ann. des science. nat. Botan., ser. 8, t.5. Haecker, V. (99): Die Reifungserscheinungen. Ergebn. der Anat. u. Ent- wicklungsgesch , Bd. 8, 1898. Henneguy,L.F. (98): Sur les rapports des cils vibratiles avec les centro- somes. Archiv d’anat. microse., t. 1. Hertwig, O. (90). Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden Arch. f. mikr. Anat, Bd. 36. Holmgren, Nils (01): Ueber den Bau der Hoden und die Spermatogenese von Staphylinus. Anat. Anz., Jahrg. 19. 80 Friedrich Meves: Juel, H. O. (97): Die Kernteilungen in den Pollenmutterzellen von Heme- rocallis fulva und die bei denselben auftretenden Unregelmässig- keiten. Jahrk. f. wiss, Bot., Bd. 30. Koehler (88): Recherches sur la double forme des spermatozoides chez le Murex. Recueil zoologique Suisse, t. 5, 1892. v. Korff, K. (89): Zur Histogenese der Spermien von Helix pomatia. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 54. Lee, Bolles (97): Les cindses spermatogenetiques chez l’Helix pomatia. La cellule, t. 13. v. Lenhossek, M. (98):, Ueber Flimmerzellen. Verh. d. anat. Ges. auf d 12. Vers. in Kiel. Leydig (50): Ueber Paludina vivipara. Ein Beitrag zur fnähern Kenntnis des Tieres in embryologischer, auatomischer und histologischer Be- ziehung. Zeitschr. f, wissensch. Zoologie, Bd. 2. Meves, Fr. (96): Ueber die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen von Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungs- gesch. Bd. 48.') Derselbe (97. 1): Ueber Struktur und Histogenese der Samenfäden von Salamandra maculosa. (Vortrag, gehalten im physiologischen Verein zu Kiel am 8 Februar 1897. Mitteilungen f. d. Verein Schlesw.- Holst. Aerzte, Jahrg. V, Nr. 5, 1897. Derselbe (97. 2): Ueber Struktur und Histogenese der Samenfäden von Salamandra maculosa. Archiv f. mikrosk. Anat. und Entwicklungs- geschichte, Bd. 50. Derselbe (97. 3): Ueber Centralkörper in männlichen Geschlechtszellen von Schmetterlingen. Anat. Anz. Bd. 14. Derselbe (97. 4): Zellteilung. Ergebnisse der Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 6, 1896. Wiesbaden. Derselbe (99): Zellteilung. Ergebnisse der Anat. und Entwicklungsgesch., Bd. VIII, 1898. Wiesbaden. Derselbe (00): Ueber den von v. la Valette St. George entdeckten Nebenkern (Mitochondrienkörper) der Samenzellen. Archiv f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 56. Derselbe u. K. v. Korff (01): Zur Kenntnis der Zellteilung bei Myrio- poden. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 57. Derselbe (01): Ueber die sogen. wurmförmigen Samenfäden von Paludina und über ihre Entwicklung. Verhandlungen der anat. Ges. auf der 15. Vers. in Bonn. Derselbe (02): Ueber die Frage, ob die Centrosomen Boveri’s als all- gemeine und dauernde Zellorgane aufzufassen sind. Mitteilungen f. d. Ver. Schlesw.-Holst. Aerzte, Jahrg. 10, Nr. 6. !) Der Band 48 des Archivs für mikroskopische Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte trägt die Jahreszahl 1897. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 8l Moore, J. E.S. (9): On the Structural Changes in the Reproduetive Cells during the Spermatogenesis of Elasmobranchs. Quart. Journ. of mierose, sc., vol. 38. Morgan, T. H. (9): The Production of Artificial Astrosphaeres. Arch. f, Entwicklungsmechanik, Bd. 3. Derselbe (99): The Action of Salt-Solutions on the Unfertilized and Fertilezed Eggs of Arbacia and other Animals. Arch. f. Entwick- lungsmechanik, Bd. 8. Mottier, M. Dav. (97): Beiträge zur Kenntnis der Kernteilung in den Pollenmutterzellen einiger Dicotylen und Monocotylen. Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. 30. Niessing, G. (00): Zellenstudien. II. Archiv f. mikr. Anat. und Ent- wicklungsgesch., Bd. 55. Nussbaum, M. (02): Ueber Kern- und Zellteilung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 59. Osterhout, W. J. V. (97): Ueber Entstehung der karyokinetischen Spindel bei Equisetum. Jahrb, f. wiss. Bot., Bd. 30. Platner, G. (85): Ueber die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 25. Derselbe (86): Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zellteilung. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. 3. Derselbe (89. 1): Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Teilungs- erscheinungen. II Samenbildung und Zellteilung bei Paludina vivi- para und Helix pomatia. Arch. f. mikr. Anat,, Bd. 33. Derselbe (89. 2): Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Teilung. V. Samenbildung und Zellteilung im Hoden der Schmetterlinge. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 33. vom Rath, O. (93): Beiträge zur Kenntnis der Spermatogenese von Sala- mandra maculosa. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 57. v. Siebold (36): Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbel- losen Tiere. 2. Die Spermatozoen der Paludina vivipara. Müller’s Archiv für Anat., Physiol. und wissensch. Medizin. Strasburger, Ed. (95): Karyokinetische Probleme. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 28. Derselbe (01): Einige Bemerkungen zu der Pollenbildung bei Asclepias Ber. d. deutsch. bot. Ges., Jahrg. 19, Heft 7. Suzuki, B, (98): Notiz über die Entstehung des Mittelstückes der Samer- fäden von Selachiern. Anat. Anz., Bd. 15. Toyama,K. (94): On the Spermatogenesis of the Silk-Worm. Bull. of the Agricultural Coll., Imp. Univ., Tokyo, Japan. Vol. II. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 6 82 Friedrich Meves: v.la Valette St. George (97): Zur Samen- und Eibildung beim Seiden- spinner (Bombyx mori). Arch. f. mikr. Anat. u. Entwickiungsgesch., Bd. 50. Verson, E. (89): Zur Spermatogenesis. Zool. Anz., Jahrg. 12. Derselbe (94): Zur Spermatogenesis bei der Seidenraupe. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 58. Wilson, E. B. (01): Experimental Studies in Cytology. I. A Cytologica Study of Artificial Parthenogenesis in Sea-urchin Eggs. Arch. f£. Entwicklungsmechanik, Bd, 12. Yamanouchi (01): Beihefte zum Bot. Centralblatt, Bd. 10. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I-VII. Tafel I—V. Paludina vivipara, Fig. 1 ist mit Zeiss’ Obj. D,, Oc. 2, Fig. 2 und 3 sind mit Zeiss’ Aprochromat 2 mm (Apert. 1,30) und Comp. Oc. 4, sämtliche übrigen Figuren der ersten 5 Tafeln mit Zeiss’ Apochromat 2 mm (Apert. 1,50 bez. 1,40) und Comp. Oc. 18 unter Benutzung des Abbe’schen Zeichenapparates bei Projektion anf Objekttischhöhe entworfen. Die zu Grunde liegenden Präparate sind mit Hermann’schem Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Fig. 1. Uebersichtsbild, Schnitt durch einen Hodenschlauch. Fig. 2 und 3. Teile der Schlauchwandung bei etwas stärkerer Vergrösserung. Mit Bezug auf die Abkürzungen vergl. oben S. 8. Fig. 4. Ein Stück Cytoplasma einer Basalzelle mit dem zugehörigen Kern. Letzterem liegt eine Spermätogonie so dicht an, dass sie an ihm einen Eindruck verursacht. — Die im Cytoplasma der Basalzelle vorbandenen Dotterkügelehen sind durch Terpentin (vergl. oben S.5 Anm.') herausgelöst. Fig. 5—9. Spermatogonien verschiedener Generationen. In Fig. 5 schliesst das Cytoplasma (oben vom Kern) einen rundlichen Körper unbekannter Natur ein. Fig. 6 ein aus 3 Zellen gebildetes Spermatogoniennest. Fig. 10-15. Verschiedene Teilungsstadien von Spermatogonien verschiedener Generationen. Die Körnchen, welche in Fig. 10, 12 und 14 jm Cyto- plasma sichtbar sind, stellen Mitochondrien dar. Fig. 16—55. Entwicklung der eupyrenen Spermien. Fig. 16. Zelle der Wachstumsperiode. Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. 33 Fig. 17—29 Erste, Fig. 30—35 Zweite Reifungsteilung der eupyrenen Spermien Fig. 36—55 Histogenese der eupyrenen Spermien Fig. 57—120. Entwieklung der oligopyrenen Spermien. Fig. 56—63. Wachstumsperiode Fig. 64—83 Erste, Fig. 84—108 Zweite Reifungsteilung der oligopyrenen Spermien. Fig. 109—120. Histogenese der oligopyrenen Spermien. Tafel VI und VII. Pygaera bucephala. Tafel VI. Sämtliche Figuren der Taf. VI sind mit Zeiss’ Aprochromat 2 mm (Apert. 1,30) und Comp. Oe. 18 unter Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet!); nach Präparaten, die mit Flemming’schem Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt waren, % Fig. 121—129 Erste, Fig. 130—134 Zweite Reifungsteilung der apyrenen Spermien. Fig. 135—142 Erste Stadien der Histogenese der apyrenen Spermien. Taf. VII. Fig. 143—150 sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm und Comp. Oc. 4 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet, Fig. 143—147 und 149 nach Schnittpräparaten (Flemming’sches Gemisch, Eisenhämatoxylin), Fig. 148 und 150 nach Ausstrichpräparaten (letztere vom Hoden eines imago, Fixierung mit Sublimat - Eisessig, Tinktion mit dem Ehrlich-Biondi- schem Dreifarbengemisch); geben die Entwicklung der apyrenen Spermien an Abbildungen ganzer Cysten wieder. Fig. 149. Das die Kernchen enthaltene Stück einer Samencyste von dem Entwicklungsstadium der Fig. 148. = ur, .151 Bündel apyrener, Fig. 152 Bündel eupyrener Spermien, mit Zeiss’ Apochromat, 8mm und Comp: Oe. 4 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet; nach Ausstrich- präparaten vom Hoden eines imago (Fixierung mit Sublimat-Eisessig. Tinktion mit dem Ehrlich-Biondi’schen Dreifarbengemisch. Tafel VIII. (Text S. 46—54). Fig. 153, 154 Eier, Fig. 155 primäre Blastomere von Ascaris megalocephala bivalens, Kopien der Figg. 102, 104 und 106 (Taf. VIII) von Boveri (01). Vergrösserung ca. 2000. Sie sind daher stärker vergrössert als die Figuren der Taf. XXVII meiner Nebenkernarbeit (00), welche mit Zeiss’ Apochromat 2 mm und Comp. Oe. 12 bei Projektion auf halbe Objekttischhöhe gezeichnet sind. 6* 84 Friedrich Meves: Ueber oligopyrene und apyrene Spermien etc. Die übrigen Figuren der Tafel, Fig. 156—161, sind bei der gleichen Vergrösserung (Zeiss’ Apochromat 2 mm, Oe. 12, Bildabstand 250 mm) gezeichnet. Fig. 156—160 Samenzellen von Lithobius foreipatus. Fixierung mit Sublimat- Eisessig, Färbung mit Eisenhämatoxylin. Fig. 156. Spermatocyte erster Ordnung im Beginn der Teilung Fig. 157. „Mutterstern“ einer Spermatocyte zweiter Ordnung. Fig. 158—160. Umwandlungsstadien der Spermatiden zu Spermien Der Fig. 160 fehlt das hintere Ende. Fig. 161. Grosse Spermatogonie von Salamandra maculosa. Hermann- sches Gemisch, Eisenhämatoxylin. 8 Aus dem Laboratorium der Heidelberger chirurgischen Klinik. Direktor Geheimrat Prof. Dr. V. Czerny. Ueber einige experimentell erzeugte Zell- teilungsanomalieen. Von Dr. Richard Werner. Hierzu Tafel IX. Seitdem Remak (1841) und Virchow (1847) dargethan haben, dass jede Zelle einer anderen entstammt, ist der Akt der Zellvermehrung in den Vordergrund des wissenschaftlichen In- teresses getreten. Mit allen Mitteln, welche die rasch empor- blühende histologische Technik gewährte, wurde der Teilungs- vorgang an den verschiedensten pflanzlichen und tierischen Ge- weben, namentlich auch an den einzelligen Organismen in allen seinen Phasen studiert und seine mannigfachen Formen, sowie deren pathologische Variationen festgestellt, in der Hoffnung, den rätselhaften Prozess näher verstehen zu lernen. Diese Erwartung hat sich bisher nur teilweise erfüllt, indem noch zahlreiche, wichtige Fragen der Lösung harren. Und auch einen grossen Teil der erreichten Erfolge verdanken wir nur einem mühevollen Umwege, der in den letzten 10—15 Jahren von zahlreichen Forschern eingeschlagen wurde, nämlich den Ver- suchen der experimentellen Analyse des Zellteilungs- vorganges. Es wurde hierbei die naheliegende Idee verfolgt, aus der Wirkung selbstgewählter, möglichst einfacher Eingriffe auch den Verlauf des Zellteilungsaktes die Bedeutung der einzelnen Er- scheinungen desselben zu erschliessen. Die im folgenden be- sprochenen Versuche gehören strenggenommen nicht in diese Kategorie, denn es handelt sich nicht um absichtlich zu dem erwähnten Zwecke unternommene Eingriffe, sondern um zufällige Beobachtungen an Geweben, die in bekannter Weise verändert wurden. Gelegentlich experimenteller Untersuchungen über das Wachstum des Epithels, die ich auf Anregung des Herrn Pro- fessor Petersen anstellte, bemerkte ich, dass sowohl beim 56 Richard Werner: Regenerationsvorgange an der Haut, wie bei arteficieller, ent- zündlicher Wucherung im Epithele und im Bindegewebe ver- schiedener Organe atypische Teilungsfiguren auftraten, die meist nicht unwesentlich von dem normalen, mitotischen Prozesse abwichen. Wohl wurden diese Beobachtungen schon an anderer Stelle (cf. R. Werner, Experimentelle Epithelstudien, Bruns Beiträge, Bd. XXXIV, 1, 1902) in allgemeinen Umrissen erörtert, doch fügte sich die genauere Darstellung nicht in den Rahmen jener Arbeit, weshalb ich nun Gelegenheit nehme, meine früheren Mitteilungen zu ergänzen. Die erwähnten arteficiellen Wucherungen wurden nach einem von E. Fuerst angegebenen Verfahren hervorgerufen. Dieses besteht darin, dass man das Gewebe mit Hilfe eines Aethersprays gefrieren lässt. Je nach dem, wie oft und in welchen Intervallen man den Gefrierungsakt wiederholt, und, wie rasch man das Ge- webe wieder aufthauen lässt, treten Entzündungserscheinungen verschiedenen Grades auf, die von lebhafter Proliferation, nament- des Epithels begleitet sind. Dieses Wachstum ist mit starken Degenerationserscheinungen verbunden, die mitunter zur völligen Nekrose einzelner Zellen oder Gewebsstücke führen, dabei aber die Umgebung keineswegs an einem ausserordentlich schnellen Ersatze hindern. Die Volumszunahme des Gewebes ist teils auf- Hypertrophie der einzelnen Zellen, teils auf Vermehrung ihrer Zahl zurückzuführen. Es zeigen sich jedoch hierbei auffallender Weise nur wenige Mitosen und diese sind meist atypisch. Weit- aus überwiegend sieht man amitotische Bilder, die sich häufig in (Gestalt vielkerniger Riesenzellen repräsentieren. Besonders in- struktiv war die gelegentlich der Behandlung von Unterschenkel- geschwüren durchgeführte Isolierung der Kältewirkung, welche in der Weise erzielt wurde, dass ich die Aetherdämpfe durch Fettschichten abzuhalten suchte. Die Folgen dieser Variation des Versuches zeigten sich sehr deutlich in der Aenderung der Zahl und des Charakters der Zellteilungsanomalieen. Ein besonderes Augen- merk wurde dem Verhalten verschiedener Gewebe im selben Organe und gleichartiger Gewebe in verschiedenen Organen gewidmet. Als Testobjekte dienten: 1. Ohren von Meerschweinchen, 2. Ohren, Leber, Magen und Niere von Kaninchen, Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 87 3. Epidermis (Transplantationsläppchen) und in Ueber- häutung begriffene Granulationen (Ulcera eruris) vom Menschen. Die Meerschweinchen wurden auch zu Regenerationsver- suchen verwendet, bei denen der normale Heilverlauf mit dem durch Kältebehandlung beeinflussten verglichen wurde. Der Aetherspray wurde appliciert: 1. Bei Meerschweinchen- und Kaninchenohren entweder 10 Tage hindurch, täglich früh, mittags und abends je einmal, wobei Probeläppchen nach 1, 2, 3, 4, 5, 6, 10 und 13 Tagen entnommen wurden, oder an einem Tage achtmal in halbstündigen, resp. einstündigen Pausen, wobei nach 1, 2 und 3 Tagen excidiert wurde; 2. bei Leber, Magen und Niere von Kaninchen 5malin '!/stündigen Intervallen, wobei die Excision nach 3 Tagen vorgenommen wurde; 3. bei Transplantationsläppchen vom Menschen an 3—4 Tagen, einmal täglich, mit Excision am 5. Tage, oder an 2 Tagen 3—4mal täglich mit Exeision nach 14 Tagen; 3. bei Granulationen mit epidermalem Rande (Behand- lung teils mit, teils ohne Fettschutz) 1—2 mal täglich meist durch 5—10 Tage, Exeision nach S—14 Tagen; 5. bei den Regenerationsversuchen 3-8mal in !/estündigen Pausen, dann sofortige Setzung der Wunde und Probeexeisionen alle 12—24 Stunden bis zur Heilung, dann noch eine letzte nach weiteren 7 Tagen. Parallele Versuche an nor- malen Ohren. Die excidierten Stückchen wurden stets zur Hälfte in Formol, oder Formol-Zenker fixiert, in Alkohol von steigender Concentration gehärtet und mit Hämalaun-Eosin, oder Van Giesons Pikrinsäurelösung gefärbt, die andere Hälfte aber in Flemming’schen Säuregemisch fixiert und in 1°/o wässeriger Saffraninlösung gefärbt. Es ist klar, dass bei den auf \ilieser Weise gewonnenen Präparaten, deren durchschnittliche Dicke 10 « betrug, weder Centrosomen, noch feinste Strahlungen sicht- bar waren, zu deren spezieller Darstellung mir die Zeit fehlte. Ich muss mich daher im Nachstehenden darauf beschränken, nur die gröberen Strukturverhältnisse der Zellen während desTeilungs- aktes zu berücksichtigen, doch scheint mir bei der reichen Fülle 88 Richard Werner: der beobachteten Abnormitäten auch unter diesen Umständen das Ergebnis der Untersuchungen einer genaueren Erörterung wert zu sein, zumal die verschiedenen Entstehungsarten der Anomalieen auf manche interessante physiologische Eigenschaft der Zellen hindeutete. Die beigefügten Zeichnungen sollen nur einige bisher selten oder gar nicht beschriebene Typen festhalten, während die übrigen, die schon häufig dargestellt wurden und zur Genüge bekannt sind, wohl nur im Texte mit einigen Schlagworten charakterisiert zu werden brauchen. Die Vergrösserung ist eine 600—900 fache, was bei dem Verzichte auf die Darstellung der Centrosomen vollkommen genügen dürfte. Atypische Mitosen. Mitosen waren an der mit Aetherspray gefrorenen Haut bei allen Versuchsobjekten relativ selten und traten nur dort etwas zahlreicher auf, wo ein Ersatz für nekrotisch gewordene Bezirke notwendig war. Auch in den untersuchten inneren Organen liess sich dieses Verhältnis konstatieren, doch zeigten sich nicht so auffallende Differenzen. Bei den Regenerationsver- suchen an gefroren gewesenen Meerschweinchenohren traten in der Nähe des Wundrandes ebenfalls mehr Mitosen auf, als in der übrigen Epidermis, aber wegen des Prävalierens der Amitose, doch nicht so reichlich, wie normaler Weise. Atypische Mitosen finden sich nicht nur an den ätherisierten Geweben, sondern, wie bekannt, mitunter auch beim gewöhnlichen Regenerations- prozesse, insbesondere, wenn die begleitenden Entzündungser- scheinungen etwas stärker hervortreten. Ich sah sie im letzteren Falle besonders reichlich im Granulationsgewebe. Die Anomalieen können dreifacher Art sein, indem sie entweder die Grösse der Kerne und Zellen oder die Symmetrie der Struktur, oder auch die Tinctionsfähigkeit des Chromatins betreffen. 1. Abnormitäten in Bezug auf die Grösse. Es zeigten sich sowohl aussergewöhnlich grosse, wie auf- fallend kleine karyokinetische Figuren und zwar aus den ver- schiedensten Stadien’ des Teilungsprozesses. Riesenmitosen waren dort vorhanden, wo die Degeneration der Zellen ihren Höhepunkt überschritten hatten und das Protoplasma weniger empfindlich ge- Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 89 worden war, z. B. im Epithele der Meerschweinchen- und Kaninchen- ohren nach zehntägiger Behandlung, in der Niere und Leber von ‚Kaninehen drei Tage nach der Aetherisierung ete. — Es waren dann auch stets grosse uninucleäre Zellen vorhanden, welche ebenfalls eine geringfügige Degeneration des Protoplasmas zeigten. Im Ganzen liessen sich zwei Arten an Riesenmitosen unter- scheiden, solche, bei denen Kern- und Zellkörper in gleichem Masse gewachsen waren (karyokinetische Figuren sehr grosser Zellen), und andere, bei denen nur der Kern abnorm voluminös erschien (Teilungsfiguren von Riesenkernen). Beide Formen kamen gelegentlich nebeneinander vor. Es verdient übrigens bemerkt zu werden, dass auch bei den nicht in Teilung be- griffenen einkernigen Riesenzellen das Grössenverhältnis zwischen Kern und Zelle sehr schwankte. » Im Gegensatze zu diesen oft auf das 6—Sfache der Norm vergrösserten Exemplaren fanden sich auch ungewöhnlich kleine im Ruhe-, wie im Teilungszustande. Sie traten am häufigsten dann auf, wenn nach energischer Behandlung mit dem Aether- spray rapide Wucherungen einsetzten. Diese Zwergzellen und Mikromitosen dürften wohl nur entweder aus den kleineren Spalthälften asymmetrischer Zellteilungen her- vorgegangen sein, oder die Produkte rasch hintereinander wieder- holter symmetrischer Teilungen repräsentieren, bei denen die Zellen zwischen den einzelnen Teilungsakten keine Zeit fanden, zu normaler Grösse anzuwachsen. 2. Asymmetrischer Mitosen. Die Abweichungen in Bezug auf die Symmetrie betrafen alle Stadien der Karyokinese vom Monospirem bis zum Dispirem. Bei ersterem kam es vor, dass unregelmässig geformte Chromatin- häufchen, die jedoch normale Tinction zeigten, seitwärts ver- sprengt erschienen. Bei vereinzelten Monasteren sah ich un- gleiche Grösse der Chromosomen und ausserdem auch periphere Verlagerungen der letzteren. Es muss hervorgehoben werden, dass nur solche Figuren in Betracht gezogen wurden, bei denen die Hansemann’schen Bedingungen erfüllt waren, welche also über und unter sich noch eine Zellschicht erkennen liessen. Während der Metakinese waren die Abnormitäten schon reich- 90 Richard Werner: licher. Es kam zu ungleich rascher Wanderung der Chromo- somen und infolgedessen zu höchst ungleichmässiger Verteilung derselben im Kernraume. Ganz ähnliche Veränderungen hat Häcker als erstes Zeichen der Aethereinwirkung auf in Ent- wicklung begriffene Oyclopseier beschrieben. Eine Spaltung der Chromosomen vor der Monasterbildung, die er ebenfalls be- obachtete, konnte ich nie konstatieren. Ein seltenes, aber in- teressantes Vorkommnis war die ungleiche Grösse der Chromo- somen, welche während der Metakinese deutlicher ausgeprägt war, als im Monasterstadium. Endlich zeigten sich auch Mitosen, . bei denen sich in beiden Kernhälften eine verschiedene Anzahl von Chromosomen befand, so dass z. B. auf einer Seite um 2—3 mehr waren, als auf der anderen. Die Differenz war in manchen Fällen auch bedeutend grösser, so dass auf der einen Seite nur ein Viertel, ja nur em Achtel aller Chromosomen lag. Dabei differierten die letzteren an Grösse entweder gar nicht, oder doch nur unbeträchtlich. Ein einziges Mal sah ich dies- bezüglich auffallende ° Unterschiede (cf. Fig. U u.). In diese Gruppe gehörten auch die von Hansemann als Specifica für das Carcinom in Anspruch genommenen asymmetri- schen Mitosen. Ein Vergleich mit den trefflichen Abbil- dungen in Hansemanns „Studien über die Specifieität, den Altruismus und die Anaplasie der Zellen“ überzeugte mich von der Identität der Gebilde. Da es nun erwiesen ist, dass derartige Asymmetrieen auf traumatischer Basis zustande kommen können, ist wohl, wie ich bereits in meiner früheren Arbeit ausführte, anzunehmen, dass sie auch im Carcinome nicht Zeichen einer grossen biologischen Umwälzung in den Zellen sind, was Hansemann behauptete, sondern auch hier nur Folgen einer erlittenen Schädigung dar- stellen. Man könnte sogar die Analogie mit unserem Falle noch weiter ausdehnen und vermuten, dass das schädigende Agens, dem die Teilungsanomalieen im Careinome ihre Entstehung ver- danken, auch die Ursache der Wucherungen sei. Im Diasterstadium zeigte sich nicht selten eine ungleiche Grösse der Tochterkerne, entweder infolge entsprechender Grössen- differenzen der Chromosomen, oder in Folge ungleicher Anzahl derselben, oder in Folge Combination beider Faktoren. Ausser- dem fanden sich ab und zu kleine Versprengungen normalge- Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 91 formter, oder verklumpter ‚Chromosomen. Endlich sah ich zwei- mal die merkwürdige Erscheinung, dass die Tochterkerne sich nicht zueinander parallel, sondern schief stellten, wodurch die Kernteilungsachse wie geknickt erschien. Im Dispiremstadium traten ausser ungleicher Grösse der Chromatinmassen und Ver- lagerungen einzelner Chromatinklümpchen auch Formverschieden- heiten der Spireme auf, die auf aussergewöhnlich unregelmässiger (Gestaltung eines derselben, oder beider beruhte. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass die Botaniker ebenfalls auf die Unregelmässigkeiten der Zellteilung nach Temperaturschwan- kungen aufmerksam geworden sind und in der Lage waren, be- deutende Aenderungen in der Zahl und Grösse der Chromosomen zu konstatieren! Diese Mitteilungen verdanke ich vor allem der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. G. Tischler. In der Litte- ratur ist bisher noch wenig über diese Verhältnisse verzeichnet. (Strasburger, ‚Gwignard, ‚Dixon,. Meottier,Miss Sargant, G. Tischler). Atypieen in bezug auf die Tinction. Die Färbung des Chromatins wich in einigen Fällen nach zwei Richtungen hin ab. Entweder wurde die Farbe dunkler, als normalerweise, indem das Hämalaun dunkelbau bis schwarz, das Saffranin braungelb erschien, oder es traten Metachro- masieen ein, indem das Hämalaun gelbgrau, das Saffranin rot- braun erschien. Dies war meist bei versprengten und ver- klumpten Chromatinballen der Fall, kam aber auch an abnorm verdichteten Stellen der Spireme zur Beobachtung. Während die Metachromasieen wohl sicher als Degenerationserscheinungen auf- zufassen sind, konnte bei dem einfachen Dunklerwerden der Färbung des Chromatins auch an eine blosse „Verdichtung“ dieses Stoffes gedacht werden. Pluripolare Mitosen. Eine mehrfache mitotische Teilung konnte ich selten fest- stellen und stets waren es nur Dreiteilungen im Stadium der Metakinese, oder Triasteren. Relativ am häufigsten fanden sich diese Bilder im Epithele der ätherisierten Magenschleimhaut, so- wie in gefrorenen Wundrändern. Dabei waren fast alle Exemplare atypisch. Abgesehen von einem Falle mit Versprengung, Verklumpung und Metachromasie 92 Richard Werner: bestanden die Abweichungen entweder in unregelmässiger An- ordnung (insbesondere bei der Metakinese), oder in ungleicher Grösse, respektive verschiedener Zahl der Chromosomen, wodurch namentlich die Triasteren ein höchst mannigfaltiges Gepräge erhielten. Amitosen. Das Missverhältnis zwischen der Zahl der Mitosen und jener der neugebildeten Zellen war in den meisten Geweben, vor allem aber in der Epidermis, nach Behandlung mit dem Aetherspray so auffallend, dass es nicht anging, eine Beschleunigung des Teilungsvorganges als alleinige Ursache dieser Erscheinung heran- zuziehen. Thatsächlich fanden sich auch Zellteilungsbilder jener Art, die wir nach Flemmings Vorgange als Amitosen be- zeichnen, in grosser Menge, so dass wir diesem Teilungsmodus geradezu den Löwenanteil an der Neubildung der Zellen zu- sprechen müssen. Die Amitosen zeigten im Wesentlichen einen durchaus ein- heitlichen Charakter. Der grösste Teil liess sich ohne weiteres in ein Schema einreihen, nur einzelne Formen wichen hiervon in manchen Punkten ab. Die ersteren konnte man unschwer als verschiedene Stadien eines Teilungsvorganges erkennen, nicht unähnlich jenem, den His an Periblaste der Selachier während einer gewissen Entwicklungsperiode dieser Tiere fand und auch beschrieb. Durch die Güte des Herrn Prof. Klaatsch, dem ich hierfür meinen wärmsten Dank ausspreche, erhielt ich Gelegenheit einige Präparate von Selachier- und Salmoniden- keimscheiben zu besichtigen. So konnte ich mich überzeugen, dass trotz mancher Abweichungen im Detail der Kernstruktur die amitotischen Teilungsfiguren bei meinen Objekten mit jenen im Selachier- und Salmonidenperiblaste im Prinzipe überein- stimmten. Hier, wie dort bestehen die Kerne im ruhenden Zu- stande aus eiförmigen oder kugeligen Bläschen, in denen das Chromatin zu einem grösseren, mehr oder weniger central ge- legenen Nucleolus und mehreren kleinen, randständigen Kern- körperchen vereinigt, ausserdem aber in Form kleiner Stäbchen und Kügelchen über den ganzen Kern zerstreut ist. Stets erscheint es in ein Netz feiner, achromatischer Fäden eingebettet. Am Rande tritt ein von regelmässigen Zwischenräumen unterbrochener Saum von Chromatinstäbchen ziemlich scharf hervor. Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 93 Als die erste Stufe der Abweichung von der Norm fand ich an den Kernen eine feinere Verteilung des Chromatins unter Schwund des Kernwandsaumes, der kleineren Nucleolen und mit- unter geradezu sternförmiger Auszackung des noch gewachsenen grössten Kernkörpers. In manchen Fällen ist dabei bereits eine Einschnürung des Kernes vorhanden, die entweder circulär, oder nur auf einer Seite sichtbar ist und entweder in einer schmalen, spitzen Einkerbung, oder in einer flachen, breiten Einziehung der Kernwand besteht. Ab und zu konnte ich sogar flache Ein- buchtungen der Zellwand wahrnehmen, die ich aber nur bei den sehr regelmässig geformten Cylinderzellen der Epidermis als Zeichen einer beginnenden Zellteilung zu deuten wage. Ein fort- geschrittenes Stadium repräsentieren augenscheinlich jene Figuren, bei denen der Nucleolus bisquitförmig ausgezogen, oder bereits gespalten ist, wobei die beiden oft an Grösse differierenden Hälften in der Regel noch mit chromatinhaltigen Plasmafäden zusammenhängen. Die Einbuchtung der Kernwand kommt hier schon häufiger vor, sowohl in Gestalt flacher Dellen, wie tiefer, schmaler Kerben und erfolgt meist senkrecht zur Teilungsachse des Nucleolus, der Mitte derselben entsprechend, aber mitunter auch unter anderen Winkeln zu jener, ja selbst an anderen Stellen. Die beginnende Zellteilung ist auch in dieser Phase noch selten angedeutet. Der weitere Verlauf gestaltet sich sehr mannigfaltig. Zu- meist kommt es zur völligen Durchtrennung der Kerne, deren Teilstücke dann entweder dicht beieinander liegen und sich in weiter Ausdehnung abplatten, oder durch einen etwas breiteren Kanal getrennt sind, oder endlich — jeder mit einem keilförmig zugespitzten Zipfel — aneinander heranreichen. Dabei können die Nucleolen in der Nähe der Trennungswände, oder schon mehr central liegen, eventuell sogar noch weiter, d. h. nach den ent- gegengesetzten Kernpolen auseinandergerückt sein. Sodann jbe- ginnt die Restitution der normalen Kernstruktur. Dieselbe wird durch eine Concentration des Chromatins zu chromosomartigen Gebilden eingeleitet, welche eine mehr oder weniger ausgeprägte, radiäre Stellung gegen den Nucleolus einnehmen, um schliehslich einer gleichmässigeren Verteilung zu weichen, wobei der Kern- wandsaum wieder deutlich hervortritt. Hiermit ist der Wieder- aufbau der Struktur beendet. Es kommt vor, dass derselbe in 94 Richard Werner: beiden Tochterkernen verschieden weit fortgeschritten erscheint. Auch ist die Teilung nicht immer eine genaue Halbierung, es finden sich vielmehr recht häufig bedeutende Grössendifferenzen zwischen den beiden neuentstandenen Kernbläschen. Auch in Bezug auf die Form zeigen sich Abweichungen, doch scheinen sie nur vorübergehender Art zu sein, da sie stets mit unvollen- deter Restitution der Struktur einhergehen. Besonders auffallend sind jene Bilder, bei denen der eine Kern eine konkave Höhlung trägt, in welche die Convexität eines zweiten, normal oder auch abnorm konfigurierten hineinpasst. Sehr merkwürdig waren in dieser Beziehung die extremsten Exemplare, bei denen es vor- kam, dass der eine Kern den anderen bogenförmig umschloss, (ef. Fig. U. d, p, t, v.). Was die Zellteilung anbelangt, so kann sie bis zu den verschiedensten Graden fortgesetzt sein, oder ganz fehlen. Die Regel ist die, dass sich die Einbuchtung der Zell- wand in der senkrecht zur Mitte der Kernteilungsachse liegenden Ebene bildet, doch giebt es auch Ausnahmen. Eine völlige Durch- trennung scheint allerdings immer nur so zustande zu kommen, dass auf jedes der beiden Teilstücke ein Kern entfällt; wenigstens konnte ich eine Abschnürung kernloser Partien nie nachweisen. In manchen Fällen spaltet sich die Zelle parallel zur Kern- teilungsachse ziemlich tief. Wenn sich der Kern nicht völlig teilt, sondern zwei mehr oder minder breit zusammenhängende Lappen bildet, in deren jedem es zu einer annähernd normalen Restitution kommt, wobei sich selbst der Chromatinsaum an der Kernwand erneuert, dann entsteht eine sogenannte Syncaryose (His). In ihr bleiben die Nucleolen oft' durch deutlich ausgeprägte Fäden in Verbindung. Die rudimentärste Form aber ist jene, bei der nur der Nucleolus sich teilt und jede seiner Hälften für sich das Struk- turcentrum für einen Kernbezirk wird. In beiden Fällen kommt es nur zu unvollkommenen Ein- schnürungen des Zellenleibes, wenn dieser nicht überhaupt un- verändert bleibt. Diese amitotischen Bilder fanden sich am häufigsten in der gefrorenen Epidermis, insbesondere des Meerschweinchenohres; dann aber auch in den Epithelien der inneren Organe, seltener hingegen im Bindegewebe und in normalen epidermalen Wund- rändern. Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 95 Wir können im Sinne der Ausführungen His darthun, dass zwischen diesen Amitosen und den Mitosen in allen Stadien Analogieen bestehen. Bei beiden finden sich zwei Hauptstadien, eines der Dissociation des Kerngerüstes und eines der Rekon- struktion desselben. Die Zerstäubung des Chromatins entspricht etwa dem Monospiremstadium, wo ja auch ein grosser Teil des Kernes scheinbar regellos mit kleinen Chromatinbröckchen und welligen Plasmafäden erfüllt erscheint: die oft geradezu stern- förmige Auszackung des Nucleolus vertritt den Monaster; die Metakinese wird vor allem durch das Auseinanderweichen der Hälften des Kernkörperchens angedeutet, wobei langgestreckte Plasmafäden, namentlich zwischen den Nucleolen die Rolle der Spindelfasern übernehmen. Mit dem Diasterstadium wären etwa die radiär gestellten chromosomenartigen Gebilde in den Doppelkernen zu vergleichen, mit denen die Rekonstruktion der letzteren beginnt. His machte seine Studien an amitotisch entstandenen poly- nucleären Zellen und meinte, dass infolge der hier stattfindenden, abnorm raschen Zerspaltung der Centren die nachfolgenden Glieder des Gesamtprozesses (speziell Teilung uud Umlagerung des Kern- gerüstes) zu ihrer Entfaltung zu wenig Zeit fänden, ferner, dass durch die zahlreichen, auf beschränktem Raume entstehenden Centren die lebende Substanz in kleine, vielfach ineinander- greifende Gebiete zerlegt werde, was eine Zerstäubung und diffuse Verbreitung der Chromatinsubstanz hervorrufe. Er setzt mit einem Worte an Stelle des Begriffes der Amitose jenen der Hyper- mitose infolge ungewöhnlicher Vervielfältigung und Ueberstürzung des Teilungsprozesses. In unserem Falle traten aber ganz ähn- liche Erscheinungen schon bei der Entstehung von Doppelkernen, also ohne stärkere Zerspaltung der Centren auf. Hier kann die feinere Zerstäubung der Substanz nicht auf den angegebenen Grunde beruhen. Andererseits macht nicht jede vermehrte Spaltung der Centren die beschriebenen Erscheinungen; man denke nur an die pluripolaren Mitosen! Es erübrigt somit allein die Annahme einer Ueberstürzung des Vorganges. Bei den arteficiellen Amitosen kann aber die Beschleunigung nicht hoch eingeschätzt werden. Da Häcker und Nathanson, die nach Einwirkung bestimmter Aether- lösungen ähnliche Abnormitäten erzeugten, nur von einem „etwas rascheren“ Verlaufe berichteten. 96 Richard Werner: Trotzdem könnte eine relative Erleichterung und Beschleu- nigung oder Hemmung und Verzögerung gewisser Phasen ohne Acceleration des Gesamtverlaufes stattgefunden haben. Wir werden später sehen, dass sich diese Annahme zur Erklärung der beobachteten Thatsachen auf das Beste verwerten lässt. Von diesem Schema weichen nun einzelne Teilungsfiguren insofern ab, indem sich der Nucleolus in diesen Fällen nicht teilt, sondern in toto dem einen der Tochterkerne zufällt. Die Einschnürung ist dann nicht genau gegen den Nucleolus gerichtet, sondern zielt an diesem vorbei (Fig. II, b, ec, f, i). Der nucle- olenlose Tochterkern hat meist nur spärliches feinverteiltes Chromatin. Eine analoge Inäqualität der Tochterkerne hat unter anderem auch Regaud bei der Amitose sertolischer Zellen beschrieben und dargethan, dass es sich hier nicht um einen degenerativen Kernzerfall handeln könne. Wir sind daher wohl berechtigt, auch in unserem Falle dieses Vorkommnis als einen eigenartigen Teilungsmodus, nicht als blosse Degenerations- erscheinung anzusprechen. Als Uebergangsform zu den letzterwähnten Anomalieen kann man jene nach dem Schema von His verlaufenden Ami- tosen betrachten, bei denen eine einseitige, oder circuläre Ein- schnürung fast bis an den Nucleolus heranreicht, ehe sich dieser zu Teilung anschickt (Fig. I. n, o). Ueber die Bedeutung der Amitosen für die Neubildung von Zellen wurde in den letzten zwei Jahrzehnten viel gestritten. Die einen, vor allem Flemming, Ziegler und vom Rath, meinten in der Amitose einen pathologischen, degenerativen, für die Fortpflanzung der Zellen unfruchtbaren Akt erblicken zu müssen, während andere, insbesondere Arnold, sie für eine der Mitose prinzipiell gleichwertige Teilungsform erklärten, welche vicariierend eintrete, wenn die Caryokinese aus irgend einem Grunde unmöglich sei. Seitdem Nathanson undHäcker ge- zeigt haben, dass sich Zellen, die arteficiell (z. B. durch Behand- lung mit Aetherlösungen) zur Amitose gezwungen wurden, nach der Rückkehr in normale Verhältnisse sich wieder mitotisch teilen, erscheint die letztere Ansicht als weit wahrscheinlicher. Für sie spricht auch die in unserem Falle gemachte Erfahrung, dass ein grösstenteils auf amitotischem Wege entstandenes Gewebe voll- kommen lebensfähig sein kann, dass es sogar andauernd auf das De un Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 3 Lebhafteste zu wuchern vermag. Auch die Beobachtung, dass amitotische Bilder in den obersten Schichten des sich regenerieren den Hautepithels auftreten, die sich, wie ich in meiner früheren Arbeit ausführte, sehr lebhaft an der Epidermisierung beteiligen, kann diese Anschauung nur befestigen. Des Weiteren ist die Analogie, welche zwischen den Vorgängen bei der Mitose und Amitose besteht, ein Fingerzeig dafür, dass wir es bei letzterer mit einem von ersterer nicht fundamental verschiedenen Vor- gange zu thun haben. Völlig gleichwertig allerdings sind beide Prozesse sicher nicht, da die Amitose stets nur nach Läsion der Zellen an Stelle der Mitose auftritt. Die Versuche Galeottis, der nach Einwirkung angeblich nur „funktionell“, also nicht zer- setzend wirkender elektrischer Ströme Amitosen erzeugte und diese Erscheinung auf die Schwankungen des Elektrotonus im Protoplasma zurückführte, beweisen nichts dagegen. Die elektro- tonischen Schwankungen vermögen sicherlich feine histologisch nicht nachweisbare Verletzungen zu setzen, welche den Zell- teilungsakt einige Zeit hindurch beeinträchtigen. Andernfalls wäre es nicht einzusehen, warum nicht nach Aufhören der Strom- wirkung der mitotische Prozess sofort wieder zurückkehren sollte. Wir müssen also die Amitose als eine in Folge einer ge- wissen Schädigung der Zelle veränderte Mitose betrachten, wobei jedoch festzuhalten ist, dass diese Läsion nicht den Untergang der Zelle bedingt und auch die Vermehrungsfähigkeit derselben nicht merklich beeinträchtigt. Grundverschieden von ihr ist der degenerative Zerfall der Kerne unter teilungs- ähnlichen Bildern, der beim Beginne der Nekrosierung und in der Umgebung völlig abgestorbener Gewebsteile nicht selten vorkommt. Stets fanden sich dann deutliche Degenerations- erscheinungen der chromatischen wie der achromatischen Substanz (Metachromasie, körniger Zerfall, oder Schrumpfung, Vacuoli- sierung, Granulierung oder ausgedehnter homogene Nekrose des Zellkörpers, kombiniert mit Tinctonsveränderung, oder Auf- lösung und Ausschwemmung, oder auch Verklumpung des Chro- matins, sowie mit unregelmässiger Begrenzung der Kernfrag- mente.) Eine Unterscheidung von jenen Bildern, welche die während der Teilung degenerierten Kerne bieten, ist jedoch nur dann möglich, wenn die Fragmente sehr klein und unregelmässig sind und dabei so aneinander liegen, dass ihre äussere Be- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 7 98 Richard Werner: grenzung noch die Form und Lage der ehemaligen Kernwand erkennen lässt. Multinucleäre Zellen. Die Mehrkernigkeit der Zellen war bei meinen Versuchen ein ungemein häufiges Ereignis und es erschien diese von His als Synceytienbildung bezeichnete Abnormität in den manigfachsten Formen. Fast alle von Krompecher zusammengestellten Möglichkeiten für das Zustandekommen multinucleären Zellen waren in meinen Präparaten exemplifiziert. 1. Aus einer Zelle durch mehrfache amitotische Teilung des Kernes ohne Zerspaltung des übrigen Zellkörpers entstandenen Riesenzellen. E. Fuerst berichtet, dass er nach Gefrierenlassen der Epidermis mit Hilfe des Aethersprays zahlreiche mehrkernige Epithelzellen erhielt, die je nach der Art der Behandlung und nach der Disposition des Versuchsobjektes verschieden viele (bis zu 100) Kerne umfassten. | Der Nachweis der verschiedensten Einschnürungsgrade und die ausnahmslos zentrale, gruppenförmige Anordnung der Kerne bewiesen zur Genüge die unicellare (Genese dieser Gebilde. Fuerst beobachtete ferner, dass stets in den basalen Schichten minder kernreiche Exemplare vorherrschten, als in den höheren, woraus er mit Recht schloss, dass nicht ein einziger vielfältiger Teilungsakt zur Hervorbringung der grösseren Riesenzellen ge- nüge, sondern dass diese durch wiederholte, allerdings vielleicht jedesmal pluripolare Teilungen entstehen. Die Kerne waren meist von normalem oder übernormalem Volumen, doch bemerkte er, dass nach starken Einwirkungen des Aethersprays auffallend kleinkernige Epithelien auftraten. In allen Fällen bildete das Protoplasma nur einen schmalen, oft zackigen Saum um die maulbeer- oder perlschnurartigen Kern- haufen, meist zeigte es Degenerationserscheinungen in Gestalt von Pigmentierungen, Granulierungen, Vacuolen, circumscripten, homogenen, nekrotischen Bezirken und enthielt Einschlüsse von fremden Zellen, oder Zellresten. Form und Grösse der Kerne fand er innerhalb der einzelnen Zellen meist gleich; oder nur wenig verschieden. Einen nachträglichen Zerfall der Riesenzellen in einkernige Individuen konnte er nie konstatieren, er sah sie vielmehr im Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 39 stratum granulosum und corneum allmählich verhornen und verschwinden. Zu diesen Beobachtungen möchte ich Folgendes hinzufügen: a. An den Kernen der Riesenzellen konnte ich die ver- schiedenen Stadien der Amitose nach dem Schema von His und in manchen Fällen auch die eben beschriebenen Abweichungen von demselben nachweisen; b. es bildeten sich häufig nicht echte Syneytien, sondern nur Syncaryosen; oft waren Mischformen beider vorhanden; c. die Gestalt Grösse und Struktur der Kerne innerhalb der einzelnen Zellen wies mitunter bedeutende Diffe- renzen auf (cf. Fig. II r.); d. das Epithel der inneren Organe, sowie jenes der sich regenerierenden Epidermis zu Beginn der Wundheilung besass eine geringere Tendenz zur Riesenzellenbildung, als die intakte Epidermis; e. bei entsprechend energischer Behandlung und günstiger Disposition des Individuums traten auch im Bindegewebe multinucleäre Zellen, wenn auch in geringerer Anzahl, auf; f. nach Ausschaltung der chemischen Wirkung des Aethers (Fettschutz) wurde die Tendenz zur Riesenzellenbildung geringer; g. die Möglichkeit, dass einzelne Riesenzellen auch auf mitotischem Wege entstanden, ist in Anbetracht der Befunde von Triasteren nicht völlig von der Hand zu weisen. Ausser nach Aetherspraywirkung sah ich auch beim nor- malen Regenerationsvorgang der Fpidermis unzweifelhafte Syn- eytienbildung. In den obern Schichten des Epithels des alten Wundrandes, sowie nach mehreren Tagen im neugebildeten Epithelhäutchen selbst fanden sich einzelne 3—4kernige Zellen, welche stets den eben geschilderten Charakter hatten. Im scheinbaren Gegensatz hierzu stehen die zum ersten Male von L. Loeb beschriebenen epithelialen Syneytien, welche den provisorischen Verschluss der Wunde durch Besiedlung des Schorfes einleiten; sie nehmen jedoch faktisch keine Sonderstellung ein. Dicht hinter dem nekrotisch gewordenen Teile des Randepithels entsteht, vorwiegend aus den obersten Schichten der Rete Mal- 7*+ 100 Richard Werner: pighii, eine umfangreiche, fast homogene, helle Protoplasma- masse (Loeb’s obere Protoplasmaschichte), die ziemlich gleich- mässig von kleinen, stäbchenförmigen, chromatinreichen Kernchen durchsetzt ist. Letztere liegen dichter bei einander als die ge- wöhnlichen Epithelkerne, so dass ihnen, entsprechend ihrem be- deutend geringeren Volumen, auch ein kleinerer Protoplasma- bezirk zukommt. Zellgrenzen sind nirgends zu erkennen. Die Entstehung dieses merkwürdigen Gebildes scheint derart vorsichzugehen, dass sich die Kerne der obersten Malpighischen Zellen unter dem Einfluss eines mächtigen Teilungsantriebes auf dem Wege einer meist asymmetrischen Amitose zu teilen be- ginnen, wobei die jungen Stäbchenkerne eine zarte Protoplasma- hülle erhalten. Ehe es noch zu einem Wachstum der Zellchen oder zur Ausbildung von Zellwänden kommt, wird dieWanderung in den benachbarten Schorf angetreten, wobei das Syncytium bandförmig ausgedehnt oder eventuell sogar einzelne Zellen oder Zellgruppen losgelöst werden. 2. Confluenzriesenzellen. Im wirklichen Gegensatz zu den bisher besprochenen Formen stehen jene Syneytien, welche durch Confluenz ein- oder mehr- kerniger, ursprünglich getrennt gewesener Zellen zustande kamen. Derartige Gebilde wies vor allem das Schleimhautepithel des Magens auf. Daselbst waren die Mündungen der Drüsenschläuche von mächtigen Kernhaufen eingenommen, zwischen denen sich stark degenerierte Protoplasmamassen ohne Andeutung einer zelligen Differenzierung erstreckten. In kleinerem Massstabe und viel seltener konnte man Aehnliches im Epithele der Leber, ganz vereinzelt auch in den Nierentubulis, konstatieren, woselbst jedoch meist die Zellgrenzen noch spurenweise zu sehen waren. In der Epidermis schwanden letztere nur dann, wenn völlige Nekrose des Protoplasmas eintrat. Hier kamen Üonfluenzriesen- zellen mit teilweiser Erhaltung der Zellsubstanz nicht zur Be- obachtung. 3. Riesenzellenbildung durch Einschluss fremder Zellen. In der Epidermis kam es hier und da zur Invagination ein- gewanderter Leukocyten durch mächtig hypertrophierte Epithelien. War der Zellkörper bei ersteren noch erhalten, so konnte man Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 101 allerdings die Aehnlichkeit mit einer multinucleären Zelle keines- wegs eine täuschende nennen, da man in den Epithelien die Grenzen der fremden Zellen um deren Kerne herum verlaufen sah. Wo aber nur noch der Kern des Blutkörperchens sichtbar war, schien thatsächlich eine Art Syneytium entstanden zu sein. Immerhin bot der Unterschied in der Form und: die periphere Lage des fremden Kernes genügend Anhaltspunkte für eine Differentialdiagnose. Weniger einfach war diese Unterscheidung an den Endothelien mancher Blutgefässe, namentlich an den Wänden der stark erweiterten und verdickten Venen des Kaninchenmagens. Hier waren die Endothelzellen gequollen, ihre Grenzen infolgedessen undeutlich, so dass namentlich an jenen Stellen, wo sich Leukocyten durchzwängten, Kernhaufen entstanden. welche das Bild einer Riesenzelle nachahmten. 4. Auch durch Schiefschnitte wurden nicht nur an Gefässwänden, sondern auch an Gallengängen, sowie in den Njerentubulis riesenzellenähnliche Bilder erzeugt, indem die Kerne dicht aneinandergerückt erschienen. Es waren somit mit Ausnahme der Täuschungen durch amoeboide Kernlappungen alle von Krompecher zusammen- gestellten Möglichkeiten für die Entstehung wirklicher oder scheinbarer Syneytien gegeben. Ich halte es für wichtig, dies zu erwähnen, da es nicht undenkbar erscheint, dass man aus Be- sorgnis, Scheinriesenzellen für echte zu halten, manche der letzteren verkennt. Ich muss es daher in suspenso lassen, ob nicht in den Gallengangs- und Gefässendothelien mitunter echte Syneytien auftraten, die jedoch aus den angeführten Gründen nicht sicher diagnostiziert werden konnten. Ueber die Entstehung der Zellteilungsanomalieen. In meiner früheren Arbeit habe ich darauf hingewiesen, dass wir aus mehrfachen Gründen gezwungen sind, die Ursache der Gewebswucherung bei der Regeneration, wie bei der Proli- feration nach Einwirkung des Aethersprays vor allem den in beiden Fällen vorliegenden äusseren Schädlichkeiten (Traumen) zuzuschreiben und den Einfluss der Hyperaemie erst in zweiter Linie gelten zu lassen. Diese Anschauung wird namentlich durch die Versuche von Sacerdotti, Bizzozero und Penzo gestützt, welche zeigten, dass eine reine Hyperaemie nur ein 102 Richard Werner: langsames, allmähliches, nicht aber ein rapides Wachstum der (rewebe erzeugen könne. Wenn nun eine traumatische Aetiologie schon für die Er- regung der Zellteilungen m hohem Masse in Betracht kommt, so möchte ich behaupten, dass dies bezüglich der Veränderung des Zellteilungstypus geradezu ausschliesslich der Fall ist. Da- für spricht die Beobachtung, dass bei der Regeneration der Haut mit dem Fortschreiten der Epithelisierung und der Verhornung, also mit zunehmendem Schutze gegen die äusseren Schädlich- keiten, die Amitose zu Gunsten der Mitose zurücktritt und auch die asymmetrische Teilung seltener wird. Dasselbe findet nach dem Aussetzen der Aetherspraybehandlung statt. Der Umstand, dass nach Ausschaltung der chemischen Aetherwirkung die Tendenz zur Riesenzellen-. vielleicht auch zur Amitosenbildung sank, ohne dass die Wucherung merklich geringer wurde, deutet darauf hin, dass jene Art der Läsionen, welche die Zellteilungen erregt, mit jener, welche die Anomalieen der letzteren herbeiführt, nicht identisch ist. Allerdings dürften die meisten Traumen Schädigungen beider Art zu bewirken vermögen. Auf welche Weise wir uns die traumatische Entstehung der Abnormitäten aus der typischen Mitose vorzustellen haben, kann nur auf Grund gewisser allgemeiner Erfahrungen und Annahmen über die Organisation der Zelle und die Vorgänge bei der Teilung erörtert werden. Das Mikroskop lehrt uns, dass die Zelle eine bestimmte, in gewissen Grenzen stabile Struktur be- sitzt. Die Meinungen über die Beschaffenheit der letzteren gehen weit auseinander, nur soviel scheint festzustehen, dass eine kontinuierliche Substanz vorhanden ist, welche eine dis- kontinuierliche einschliesst. Letztere ist teils flüssig, teils aus festen Partikelchen zusammengesetzt, ersterer dagegen wird ein einheitlicher Aggregatzustand zugeschrieben. Das Verhalten des Protoplasmas vieler einzelliger Organismen (Abkugelung nach Verletzung mit Austritt von Zellsubstanz, Ausziehbarkeit zu dünnen Fäden. die sich energisch retrahieren etc.) spricht für einen zähflüssigen Zustand der kontinuierlichen Substanz. Wie dieselbe jedoch im Zellkörper verteilt ist, ob sie ihn in ein System verschieden grosser Waben zerlegt oder als ein verschieden dichtes Flechtwerk von Fäden resp. Hohlröhren eh Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 103 durchzieht, ist noch unentschieden. Nur soviel können wir, wie Hofmeister neuerdings ausführte, sagen, dass die Zelle aus mehreren Hohlräumen bestehen muss, deren Wandungen wenigstens für gewisse, in ihnen isoliert zur Wirkung gelangende Agentien undurchlässig sind. Sonst könnten sich nämlich nicht, wie dies oft der Fall ist, mehrere entgegengesetzte chemische Prozesse innerhalb einer Zelle abspielen. Die Wandungen jener Hohl- räume bilden die kontinuierliche Substanz. Diese ist es, welche bei der Zellteilung aktiv erscheint, indem sie sich nach gewissen Punkten (Centren) retrahiert und daselbst Verdichtungsherde bildet, die sich samt den Üentren teilen, um die neuen Teil- centren in typischer Weise gruppieren, mit ihnen auseinander weichen und die übrigen Substanzen in bestimmter Ordnung umlagern. Welcher Vorgang der Retraktion zu Grunde liegt, darüber herrscht noch völlige Ungewissheit. Die einen halten ihn für eine zunächst nicht weiter analysierbare „Funktion“ des „kontraktilen“ Protoplasmas, andere vermuten, dass letzteres in- folge eines chemischen Prozesses elastischer werde, andere wiederum meinen, dass sich die kontinuierliche Substanz durch Wasserabgabe verdichte und gemäss den für zähflüssige Substanzen geltenden physikalischen (Gesetzen nach den Orten der grössten Dichtigkeit abfliesse.. Rhumbler hat auf dieser Grundlage eine sehr interessante Theorie aufgebaut, welche eine recht plausible mechanische Erklärung für alle bisher bekannten Teilungsarten abgiebt. Die mitotische Teilung, wie sie für die hier in Betracht kommenden Gewebe die Regel ist, würde sich im Sinne dieser Hypothese, die ich jedoch mit einigen Modifikationen und ver- einfacht citiere, etwa folgendermassen gestalten. Das in der Zelle stets vorhandene und meist auch als „Centrosom“ nachweisbare Teilungsorgan beginnt den Wänden der benachbarten Hohlräume Flüssigkeit zu entziehen, wodurch ein lokaler Verdichtungsherd in der kontinuierlichen Substanz entsteht, nach welchem sich dieselbe zu retrahieren sucht. Dabei wird der in den Hohlräumen befindliche dünnflüssige Inhalt nach der Peripherie und in den Kern hinein ausgepresst. Es ent- stehen Verdichtungsradien von bestimmtem, auf den Struktur- verhältnissen beruhendem Verlaufe. Im selben Masse, in welchem die Flüssigkeitsmenge in den einzelnen Hohlräumen abnimmt, 104 Richard Werner: steigt das Abkugelungsbedürfnis des Inhaltes; die Radien be- ginnen sich zu verkürzen; jene Strahlen, welche die längsten sind und, den Kern umgreifend, in sich zurückkehren, vermögen dies natürlich am stärksten zu thun. Durch sie wird der Ver- dichtungsherd um das Centrosom mit diesem selbst zerrissen. Die Thätigkeit der Radien wird noch durch Quellung des Kernes unterstützt, der übrigens auch organisch zu wachsen scheint (Chromatinvermehrung!). Meist findet nur eine Zerteilung des Centrums statt, einmal deswegen, weil sie den geringsten Kraft- aufwand erfordert, dann aber auch aus dem Grunde, weil die Zugwirkung gewöhnlich nach einer Richtung am meisten be- günstigt ist, mag dies nun auf der Ueberlegenheit einer Strahlen- gruppe oder auf äusseren Druckverhältnissen beruhen. Dass letztere eine Rolle spielen, scheint mir nicht unwahrscheinlich, da ich häufig genug beobachten konnte, dass die Teilungsachse in der Richtung des geringsten Widerstandes lag (z. B. im Sinne der Wanderung eines Zellenstromes), wie ich dies in meiner früheren Arbeit bereits bemerkt habe. Zwischen den auseinander- weichenden Teilzentren sammelt sich durch seitliches Zuströmen wiederum kontinuierliche Substanz in Form gekreuzter Radien an (Spindelbildung). Die Teilcentren wandern nun längs der Kernperipherie polarwärts, bis die einander entgegenwirkenden Radiensysteme gleich stark ziehen. Indessen hat auch das Kernplasma begonnen, sich zu kon- trahieren, wodurch das Chromatin zu einem dichten Knäuel von Strängen (Spirem) zusammengeballt wird. Die Chromatinfäden werden an bestimmten Punkten, offenbar ebenfalls durch Kon- traktion der Plasmawände, zerschnürt, die entstandenen Segmente (Chromosomen) schliesslich in die Aequatorialebene zurückgestossen und daselbst, wenn dies nicht früher geschehen ist, nun der Länge nach gespalten. Die Kernwand ist zu diesem Zeitpunkte von zahlreichen, zu den Chromosomen ziehenden Strahlen durch- setzt und von ihnen fast völlig verdeckt (scheinbare Auflösung der Kernwand). Diese Strahlen, welche streifenförmige Kern- plasmaanhäufungen darstellen, zerreissen zwischen den Spalt- hälften der einzelnen Chromosomen, verkürzen sich und ziehen letztere in die Nähe der Centren. Diese werden jezt haupt- sächlich durch die im Aequatorialraum des Kernes eingeschlossene Flüssigkeit auseinandergehalten, welche demgemäss unter relativ Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 105 hohem Druck stehen muss. Daher kann auch die Bildung der neuen Kernzwischenwände wohl nur durch eine aktive Ein- schnürung, nicht durch ein passives Einbrechen, der bestehenden Wandungen erklärt werden. Auch die Zellwandbildung beruht wenigstens teilweise auf einem derartigen Vorgange. Hierbei ist keineswegs an einen Zug der Protoplasma strahlen zu denken, wie dies von vielen Autoren angenommen wurde; dagegen spricht nämlich die Beobachtung Zieglers, dass bei asymmetrischer Lage der Spindel die Ein- schnürung nicht dort beginnt, wo die längsten, sondern dort, wo die kürzesten Strahlen ansetzen. Der Vorgang scheint sich nun derart abzuspielen, dass die Verdichtung von den Radien auf die Wände übergreift und infolgedessen in diesen das Protoplasma nach den Ansatzstellen der Strahlen zusammenströmt. Dort, wo die meisten Radien münden, wie am Aequator der Zelle, woselbst sie sich, von zwei Seiten herkommend, in grosser Zahl kreuzen, findet auch die stärkste Protaplasmaansammlung statt. Natürlich werden die kürzeren Strahlen früher zur Wirkung gelangen, wie Ziegler dies beobachtete. Es ist auch begreiflich, dass unter abnormen Verhältnissen gelegentlich die Anhäufung an anderen Stellen, d. h. ausserhalb der Aequatorialebene, überwiegen kann. Bei den Kernen scheint nun die äquatoriale Verdichtung der Wand wie ein elastischer Ring zu wirken und die Ein- buchtung durch sein Kontraktionsbestreben zu veranlassen. Bei der Amitose kann gelegentlich nur ein Teil jenes Ringes ent- stehen und eine einseitige Einschnürung bewirken, indem er sich vom Bogen zur Sehne verkürzt. Bei der Zellwandbildung scheint noch ein anderes Moment mitzuspielen. Die Strahlen retrahieren sich im Protoplasmaleibe gewisser Zellarten, namentlich der epidermalen Epithelien, nicht so vollkommen wie im Kern. Sie werden aber bei der Einbuchtung der Zellwand nicht durchtrennt, sondern nur aneinandergepresst. Auf diese Weise ist die Gelegenheit zur Entstehung einer kon- tinuierlichen Grenzmembran gegeben. Während manche Befunde, insbesondere die durch mehrere Zellen hindurch kontinuierlich verlaufenden Protoplasmafibrillen der Epidermis, hierauf hin- deuten und die Annahme einer einfachen mechanischen Durch- 106 Richard Werner: schnürung nicht gestatten, ist mir bei der Kernwandbildung ein ähnliches Gegenargument nicht bekannt. Die Rekonstruktion der Strukturen geschieht nach Rhumbler durch Zurückfliessen der kontinuierlichen Substanz in ihre normale Verteilung, sobald die altrahierende Wirkung der Centren nachlässt. Auch dieser Vorgang scheint für die Zellwandbildung von Bedeutung zu sein, indem das peripher abtliessende Protoplasma das Material zum Aufbau der neuen Zwischenmembran liefert. Die äquatoriale Verdickung der kinoplasmatischen Fasern, welche namentlich bei manchen Pflanzenzellen deutlich ausgeprägt ist, und die zur membranösen Verschmelzung derselben führt, lässt sich auf die erwähnte Art ganz zwanglos erklären. Ferner stimmt damit die von.His gemachte Beobachtung, dass die aussergewöhnlich rasche Aufeinanderfolge von Centrenspaltungen die Zellwandbildung verzögert, völlig überein, da in diesem Falle die Zelleentren ununterbrochen aktiv bleiben und das Abfliessen der kontinuierlichen Substanz hierdurch verhindert wird. Steht man auf dem Boden der eben skizzierten, natürlich nur als Hypothese zu bewertenden Anschauung über den Zell- teilungsvorgang, so ist es nicht allzuschwer, sich vorzustellen, wie die einzelnen Anomalien durch verschiedenartige Läsionen zu Stande gekommen sein können. I. Asymmetrische Mitosen. a. Asymmetrische Teilung des Kerne und des Zellkörpers. In diesem Falle kann es sich wohl nur um eine inaequale Zerlegung der Zentren handeln, in dem die Zugkraft der distra- hierenden Radien zur Zeit der Öentrenspaltung nicht beider- seits gleich gross war. Die verschieden starken Teil- zentren gruppieren ‚natürlich entsprechend differierende Proto- plasmamengen um sich herum, was zu verschiedener Grösse der Tochterzellen Veranlassung giebt. b. Asymmetrien, welche nur Zellteile betrefien. Wenn nur gewisse Zellteile, wie z. B. Kernsubstanz, oder Chromatin asymmetrisch, andere aber normal verteilt werden, so liegt es am nächsten, anzunehmen, dass die Zentren sich gleichmässig geteilt haben, aber in Folge verschiedener Läsion der von ihnen beherrschten Zellbezirke, ihren Einfluss nicht an allen Punkten in gleicher Weise zu bethätigen vermögen. Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 107 c. Bei Asymmetrien ganz lokaler Natur, z. B. abnormer Grösse, oder Lage einzelner Chromosomen wäre an eine ent- sprechend circumeripte Schädigung zu denken, durch welche die Umlagerung der Substanz eben nur von jener Stelle geändert wurde. Wenn z. B. die Konzentration und Segmentierung des Chro- matins (Chromosomenbildung) als ein mechanischer Akt des Kern- plasmas aufgefasst wird, dann unterliegt es keinen Schwierig- keiten, die Anomalieen in Bezug auf Grösse und Zahl der Chromosomen als Konsequenzen einer asymmetrischen, respektive lokalverstärkten, oder verminderten Kontraktion der kontinuier- lichen Kernsubstanz zu betrachten. lI. Amitosen. Die Amitose lässt sich mit folgenden Schlagworten als „atypische“ Mitose charakterisieren: Die Konzentration des Chromatins ist teilweise eine inten- sivere, da ein abnorm grosses Klümpchen um den Nucleolus entsteht (Pyknose); aber sie bleibt unvollkommen, denn schon vor ihrer Beendigung beginnt das Kernplasma auseinander zu weichen. Letzteres geschieht ohne deutliche Strahlenbildung, weshalb die Kernwand gut sichtbar bleibt. Die abnorme Verteilung des Chromatins hat unter den Asymmetrien der Mitose ihr Analogon in der Schwankung der Chromosomenzahl und -Grösse. Letztere findet hier gewisser- massen ihren extremsten Ausdruck, indem neben einem grossen Klumpen, sehr viele aussergewöhnlich feine Partikelchen existieren. Erst im Diasterstadium kommt es zu einer etwas gleichmässigeren Segmentation. Da die Kernstrahlung stets in der direkten Verbindungslinie zwischen Chromosomen und Zell- zentren zu Stande kommt, scheint der Ausfall der Chromosomen- bildung auch jenen der Strahlung mit sich zu bringen. Im Sinne der citierten mechanischen Zelltheilungstheorie wäre eine difiuse Läsion des Kernplasmas die Ursache der ab- normen Concentration des Chromatins und diese wiederum der (rund des Ausbleibens der Stahlenbildung. Die Retraction des Kernplasmas ist dabei — wenigstens relativ — beschleunigt, indem sie vor Beendigung der Chromatinumordnung einsetzt. In meiner früheren Arbeit liess ich es noch unentschieden, ob es sich hier „um eine Lähmung der an der Umordnung des Chromatins be- 108 Richard Werner: theiligten, oder um eine stärkere Reizung und raschere Action der die Spaltung und Metakinese durchführenden Strukturbestand- teile handelt“. Auf Grund der voranstehenden Erwägungen halte ich es nun für wahrscheinlicher, dass bei der Amitose eine asymmetrische und verminderte Umordnung des Chromatins infolge diffuser Kernplasmaläsionen das Primäre ist, aus dem sich das sonstige Verhalten des Kernes unschwer ergibt. Ich glaube dass auch der amitotische Charakter der Riesen- zellen im Selachierperiblaste, den His auf eine überschnelle Centrenspaltung zurückführt, auf einer Schädigung der Kerne beruhen dürfte, die allerdings vielleicht dieselbe Ursache hat, wie die beschleunigte Teilung der Uentren in jenen Zellen. Gegen die Anschauung, welche His äusserte, liesse sich nämlich ein- wenden, dass die Hypermitose wohl die feine Verteilung des Chromatins in der Peripherie, nicht aber dessen Anhäufung um die Nucleolen der Kerne zu erklären vermag. Die Amitose scheint mir, mit wenigen Worten gesagt, stets eine traumatisch veränderte, unvolikommene Mitose zu sein. Finden sich zu den Läsionen, welche eine derartige Aenderung bewirken, noch jene, welche wir früher bei den asymetrischen Mitosen kennen gelernt haben, so entsteht eine asymmetrische Amitose, die somit den höchsten Grad der Irregularität repräsentirt. 3. Fallen im Teilungszustande mit abnormen Volumen. Nach Verworu teilt sich jede Zelle, sobald sie ein gewisses Volumen erreicht hat. Die Maximalgrösse ist für die einzelnen Zellarten desselben Individuums ziemlich konstant. Aussergewöhn- lich grosse Zellen sind daher immer abnorm, auffallend kleine Zellen aber wenigstens dann, wenn sie in Teilung begriffen sind. Die Frage nach der Entstehung der Volumsanomalien coin- cidiert im einzelnen Falle mit jener, warum sich die Zelle noch nicht, erst jetzt, oder schon wieder teilt. Um dies zu entscheiden, wäre es aber nötig, zu wissen, warum und wann die Teilung überhaupt eintritt. Hierüber lassen sich jedoch vorderhand nur einige Vermutungen, aufstellen. Nach dem Ergebnisse der neuesten Forschungen kann man sagen, dass eine centrosomenlose Zelle (z. B. ein reifes Ei). 7 Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 109 1. durch Einführung eines Centrosoms (Befruchtung nach Boveri), oder 2. durch Erzeugung neuer Uentrosomen mit Hilfe chemischer Agentien (Wilson) zur Teilung gebracht werden kann. Letztere Thatsache spricht dafür, dass das Centrosom kein compliciertes Organ, sondern nur ein Prädilektionsort für die Ausscheidung teilungserregender (nach der Meinung Rhumblers ‚wasserent- ziehender“) Substanzen ist. Da solche Punkte durch ent- sprechende Eingriffe an verschiedenen Orten der Zelle geschaffen werden können, scheint die Erzeugung jener Substanzen eine allgemeine Eigenschaft des Protoplasmas zu sein. In den weit- aus meisten Zellen ist jedoch ein konstanter Prädilecetionsort im Centrosom bereits vorhanden und vererbt sich bei der Teilung auf die Tochterzellen. Daher wird in der Regel der Anstoss zur Teilung aufder Activierungdesbestehenden Oentrums beruhen. Die einzige bisher ersichtliche Art, wie dies geschehen könnte, scheinen mir Intoxikationen mit Stoffwechsel, oder Zerfallsprodukten desZellkörpers oder fremden Agentien zu sein. Bei allen Formen des Wachstums und der Wucherung ist nämlich die Anwesenheit eines dieser Reize nachweisbar und es ist daher naheliegend, sie mit der Vermehrnng der Zusammenhang zu bringen. Dass die Zelle sich in der Regel teilt, sobald sie ein ge- wisses Volumen überschritten hat, könnte man unter diesen Voraussetzungen dahin erklären, dass dann der Rauminhalt im Verhältnisse zur Oberfläche zu gross geworden ist und der Stoffwechsel hierunter leidet. Beim reaktiven Wachstum, wie es unter dem Einflusse von Toxinen, bei Blut- oder Lymphstauung etc. stattfindet, wäre überdies den Degenerationsprodukten der geschädigten Zellen, vielleicht bei manchen Agentien, auch deren direktem Einflusse eine ähnliche Rolle zuzuschreiben. Letztere würde in der Ausfällung teilungerregender Substanzen am Prädilektionsorte bestehen. Die Teilungsfähigkeit der einzelnen Zellarten ist jedoch eine sehr verschiedene. Zunächst hypertrophieren manche schwerer als andere, und bleiben dementsprechend weit unter ihrer für die Teilung kritischen Grösse stabil. Ausserdem sind nicht alle gegen Schädlichkeiten gleich empfindlich. 110 Richard Werner: Man ersielit dies: 1. Aus dem Verhalten der Gewebe alter uud junger Indi- viduen, indem das Protoplasma ersterer infolge zu- nehmender Degeneration schwerer hypertrophiert und minder empfindlich ist. Dies trat auch bei meinen Ver- suchen an der Haut verschieden alter Individuen sehr deutlich hervor. 2. Aus dem Unterschiede im Verhalten zwischensubstanz- reicher- und armer Gewebe. Man beachte die Differenzen zwischen epidermalem Epithel- oder Granulationsgewebe einerseits und derbem Bindegewebe, respektive Knorpel andererseits. Die Zwischensubstanzen erschweren die Hypertrophie und schützen die Zellen gegen äussere Schädlichkeiten. (Ein Ge- webe, das an Zwischensubstanz reich ist, kann nach Auf- lösung derselben wucherungsfähig werden, und umgekehrt durch Anhäufung derselben sich stabilisieren, wie z. B. bei der Umwandlung von Granulationen in Bindegewebe.) . Aus dem Verhalten der complizierten spezifischen Funk- tionen angepassten Zellen; z. B. Nerven- Muskelzellen, in gewissem Grade auch der Drüsenepithelien der inneren Organe. Diese hypertrophieren und degenerieren leicht, teilen sich aber schwer. Hier hat sich offenbar der grösste Teil des Protoplasmas im Dienste der spezi- fischen Funktion so stark verändert, dass er von den teilungserregenden Substanzen nur wenig, oder gar nicht mehr beeinflusst wird. Eine Hypertrophie über den für die betreffende Zellart kriti- schen Grad hinaus ohne Teilung ist nur dann möglich, wenn die Zellsubstanz gegen den Teilungsreiz unempfindlich, oder doch minder empfindlich geworden ist. Fuerst berichtet, dass er nach besonders energischen Einwirkungen in der Epidermis starke Degenerationen und eine mässige Hypertrophie der Zellen auf- treten sah. Dieser Zustand währte mehrere Tage (bis über eine Woche), dann begann plötzlich eine lebhafte Wucherung mit Bildung zahlreicher mehrkerniger Zellen von enormem Umfange. Ich habe derartige Erfahrungen nie gemacht; die Epithelien meiner Versuchstiere erwiesen sich als sehr resistent, und degenerierten überhaupt weniger stark; ja sie wucherten sogar um o Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 111 so früher und lebhafter, je länger ich sie im Erstarrungszustande beliess. Abnorme Hypertrophie als direkte Folge einer Lähmung des Protoplasmas beobachtete ich daher eigentlich nie. Die degenerative Parese des Protoplasmas nach Kältewirkung führt wohl kaum jemals zu einfachem Riesenwuchse. Die Zelle kann nämlich ım Zustande schwerer Schädigung nur wenig assimilieren. Erholt sie sich, so wächst zunächst der anscheinend resistenteste Teil, der Kern. Dieser wird dann von den Zellzentren rasch zerlegt, ohne dass die Peripherie sich zerspaltet. Charakteristisch für die aus der Lähmung erwachende Zelle ist die Tendenz zur Bildung riesiger Syneytien mit vielen grossen Kernen und schmalen Protoplasmasaume. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass derartige Syncytien nur diese Aetiologie haben können. Dagegen geht daraus hervor, dass einkernige Riesenzellen, oder Riesenmitosen, insbesondere jene, bei denen das Volums- verhältnis zwischen Kern une Zelle nicht abnorm, ist, auf einem anderen Wege entstanden sein müssen. Da sie zur Zeit der Anpassung der Zellen an den Kältereiz am weitaus häufigsten auftreten und nur schwache Degenerationserscheinungen zeigen, so liegt es nahe, in ihnen die Konsequenzen einer erwor- benen allgemeinen Unterempfindlichkeit des Proto- plasmas zu erblicken, die sich auch dem Teilungsreize gegen- über geltend macht. Komplizierter scheint die Sache in jenen Fällen zu liegen in denen der Kern relativ zu gross ist. Hier dürfte thatsächlich ein Stadium stärkerer Degeneration vorausgegangen sein, welches jedoch sofort in jenes der Anpassung überging. Im Gegensatze zu diesen Formen, welche eine verminderte Disposition zur Teilung verraten, ist letztere bei den Mikro- mitosen entschieden vermehrt. Die deutlichen Degenerations- erscheinungen im Protoplasma deuten wohl darauf hin, dass es sich hiebei um eine Reizung durch Zerfallsprodukte des Zell- körpers handelt. Es ist dies eben eine Art von der Läsion, bei welcher die Lähmungserscheinungen in den Hintergrund treten. Multinucleäre Zellen. Die unicellär entstandenen Syneytien zerfallen ebenso wie die einkernigen Riesenzellen in gross- und kleinkernige Formen. 112 Richard Werner: Es ist nicht nötig, dass ihrer Entstehung ein Stadium gänz- licher Lähmung vorausgeht; ich konnte nie ein solches kon- statieren. Es genügt vielmehr, dass die Peripherie gelähmt wird. (Weigert.) Der Kern hypertrophiert dann allein, sein Wachs- tum, sowie wahrscheinlich auch der Reiz der Degenerations- produkte des peripheren Protoplasmas (0. Hertwig) bringen die Zentren zur Teilung, die wohl den Kern, aber nicht den übrigen Zellkörper zu zerspalten vermögen. Bei den klein- kernigen Syneytien kommt nur der Reiz der Degenerationspro- dukte in Betracht, der so stark ist, dass die Teilung dem Wachstume voraneilt. Die Zellwandbildung wird hiebei im Sinne von His vorwiegend durch die abnorm rasche Aufeinander- folge der Teilungsakte verhindert. Diese Art von Anomalieen kann nur nach besonders energischen Einwirkungen des Aether- sprays (8 mal in !/g — Istündigen Pausen) zustande. Es scheint folgende Gesetzmässigkeit zu bestehen: Die Reize wirken stets schädigend auf den Zellkörper (Weigert). Das Protoplasma zeigt meist dementsprechend degenerative Veränderungen. Ist die Zellperipherie für das Trauma empfindlicher als die zentralen Partien, wie dies z. B. gegenüber dem Gefrieren der Fall ist, so gilt fol- sende Stufenleiter der Wirkungen: 1. Grad: Schwächster Reiz; geringfügige periphere De- generation; Konsequenz: Vermehrte Imbibition mit Nähr- eubstanzen, Hypertrophie, eventuell Funktionssteigerung. 2. Grad: Etwas stärkere periphere Degeneration; Kon- sequenz; Teilungsreiz auf die Zentren durch die Zerfalls- produkte ohne Lähmung der Peripherie, oder Aenderung des Teilungsmodus (Mikromitosen). 3. Grad: Gesteigerte periphere Degeneration, mässige zentrale Läsionen; Konsequenz: Teilungsreiz auf die Zentren ohne Lähmung der Peripherie mit Aenderung des Teilungsmodus (Asymmetrien, Amitosen, Kleinkernige Syneytien, letztere vielleicht teilweise mit Lähmungs- erscheinungen). 4. Grad: Sehr starke periphere Degeneration, gesteigerte zentrale Läsionen; Konsequenz: Teilungsreiz auf die Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 115 Zentren mit Aenderung des Teilungsmodus und Lähmung der Peripherie (gross- und vielkernige Syneytien). 5. Grad: Stärkste periphere und zentrale Degeneration: Konsequenz: Vorübergehende, oder dauernde Lähmung der ganzen Zelle (Scheintod, oder Untergang der Zelle). Ist die Zelle in allen ihren Teilen für den betreffenden Reiz (Aether galvanischer Strom etc.) ziemlich gleichmässig em- pfindlich, so erleidet diese Stufenleiter insoferne eine Vor- schiebung, als die Aenderung des Teilungsmodus viel früher, eventuell vor der Hypertrophie eintritt (F.Häcker, Nathanson, Galeotti). In beiden Fällen aber würde sich das Reizwirkungsschema Virehow’s mit den Auschauungen Weigerts in eine gewisse Uebereinstimmung bringen lassen. Endlich seı noch auf einen schon von Fuerst konstatierten, scheinbaren Widerspruch aufmerksam gemacht. In gewissen Grenzen wird nämlich bei rascher Aufeinanderfolge der Reize ein geringerer Effekt erzielt, als bei einer solchen in grösseren Pausen. So zeigt sich, dass achtmaliges Gefrieren in einstündigen Intervallen mächtiger wirkt, als in halbstündigen. Die Ursache liegt offenbar darin, dass die Zellen sich in einer Stunde kaum mehr erholen, als in einer halben, so dass. der Zustand schwerer Schädigung im ersteren Falle doppelt so lange dauert, als im letzten. Werden die Pausen genügend gross (z. B. 6—12 Stunden), dann kummuliert sich die Wirkung schon erheblich weniger. Die Art der Degeneration und damit auch jene der Zell- teilungsanomalie hängt aber nicht allein von der Stärke des Reizes, sondern auch — und zwar in sehr hohem Masse — von der Disposition der Zelle ab. Dieselbe ist nicht nur, wie erwähnt, nach der Art und nach dem Alter des Versuchsobjektes, sowie nach der Gattung und Funktion des (rewebes verschieden, sondern es weisen auch gleichartige Zellen desselben Organes diesbezüglich bemerkens- werte Differenzen auf. So sehen wir normale Mitosen und viel- kernige Riesenzellen, sowie die manigfachsten Asymmetrien dicht nebeneinander vorkommen. Ja selbst die einzelnen Bezirke derselben Zelle können nicht immer gleich resistent sein, sonst wären die lokalen Lä- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 8 114 - Richard Werner: sionen (z. B. bei den Asymmetrien) unverständlich. Die einzige Erklärung, die ich bisher für diese Thatsache gefunden habe, lautet dahin, dass der dünnflüssige Inhalt der Zellen offenbar je nach den in ihm gelösten Bestandteilen verschieden schwer gefriert. So könnte sich bei den einzelnen Zellen schon eine zu- fällige Differenz in Bezug auf den momentanen Gehalt an Nähr- material und Stoffwechselprodukten gewaltig bemerkbar machen. Die besondere Neigung der Epidermis zur Bildung vielkerniger Syneytien scheint auch durch den Umstand begünstigt zu werden, dass sich hier die Epithelien niemals gänzlich voneinander trennen, sondern durch ausgedehnte Fasernetze miteinander in Verbindung bleiben. Dagegen dürfte es weniger für die Ver- änderung des Zellteilungstypus als für die Auslösung des Aktes überhaupt von Bedeutung sein, ob sich eine Zelle zur Zeit der Aetherisierung schon spontan zur Teilung vorbereitete, oder noch in völligem Ruhezustande verharrte.e Nach Häckers Erfah- rungen freilich wäre es möglich, dass die Zellen um so mehr zum Uebergange in die Amitose neigen, je weiter bei ihnen im Momente des Traumas die Vorbereitung zur Mitose gediehen war. Die unberechenbaren Schwankungen in der Disposition der Zellen bringen es auch mit sich, dass man nie mit Sicherheit darauf rechnen kann, an einem Objekte alle nach der Art der Behandlung möglichen Abnormitäten gleichzeitig zu erhalten. Fassen wir die Resultate dieser Untersuchungen in einigen Schlagworten zusammen, so können wir sagen: 1. Das Aetherkältetrauma, wie die Setzung einer Wunde, bringen die Gewebe nach Massgabe der diesen eigen- tümlichen Disposition zum Wachstume zur Wucherung. 2. Dies geschieht in erster Linie durch Läsion der Zellen. 3. Die Konsequenz ist das Auftreten abnormer Zellteilungs- formen, welche durch verschiedenartige Läsionen des Zellkörpers zu Stande kommen. 4. Bei einem Teile dieser Abnormitäten ist der Charakter der Mitose deutlich zu erkennen, bei den meisten nicht (Amitosen). 5. Die Amitose ist eine traumatisch veränderte (in ge- wissem Sinne vereinfachte) Mitose. Das Primäre ist bei ihr eine asymmetrische und unvollkommene Umordnung Ueber einige experimenteil erzeugte Zellteilungsanomalieen. 115 (Konzentration) des Chromatins vor der Metakinese. Die übrigen Erscheinungen lassen sich daraus ableiten. 6. Die Amitose ist wohl nicht gleichwertig mit der Mitose, führt aber doch zur Bildung lebensfähiger Zellen. 7. Riesenzellen mit unjcellärer Genese entstehen entweder durch Reizung der Zentren und Lähmung der Peripherie (Weigert), oder nur durch ersteres, wobei die Zell- wandbildung anscheinend durch die dauernde Aktivität der Centren verhindert wird (His). Es ist mir eine angenehme Pflicht, Hern Geheimrat Czerny für die Ueberlassung des klinischen Materiales, Herrn Prof. Petersen für die freundliche Anregung zu dieser Arbeit und die stete Fördernng während derselben, Herrn Dr. vonEicken für die Unterstützung beim Anfertigen der Präparate meinen verbindlichsteu Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Fig. 1. Einige Abnormitäten an Kernen aus der Epidermis des Meer- schweinchenohres nach Einwirkung des Aethersprays (am zehnten Tage nach dreimaliger Behandlung pro die) a. Zelle mit zwei Kernen, von denen der eine viel Chromatin mit einem Nucleolus, der andere wenig Chromatin und keinen Nucleolus enthält. b. Beginnende Dreiteilunug des Kernkörperchens fast ohne Struktur- verändernng. ec. Zweiteilung des Nucleolus; Teilstücke durch chromatinhaltige Fäden verbunden; bei @« und ? flache Einschnürung des Kernes parallel zur Teilungsachse des Kernkörpers. d. Häufige Form der Doppelkerne; Trennungswände in ausgedehnter Berührung miteinander; Nucleolen in Oppositionsstellung. . Riesenkern ohne Strukturveränderung. + . Multicentrischer Riesenkern mlt zahlreichen Nucleolen. . Asymmetrische Mitose im Monasterstadium. . Vierkernige Zelle mit verschiedener Grösse der Kerne. . Riesenkerne in Amitose begriffen; Nucleolen in Oppositions- stellung; in der Mitte zwischen ihnen beginnende flache Ein- schnürung, k. Riesenkern beinahe ohne Strukturänderung; mit beginnender Einschnürung (bei «). En ro gr 116 n und .o. Richard Werner: . Riesenkern mit strahlig ausgezacktem Nucleolus; beginnende Concentration des Uhromatins; Einschnürung bei « und ?. . Riesenmitose im Diasterstadium; Chromosomen ungewöhnlich eross und vermehrt; beginnende Zelleinschnürung bei «. Erwas vergrösserte, chrematinarme Kerne; Chiıomatin auf- fallend blass tingiert. . Vergrösserter Kern von normaler Struktur. . Chromatinarmer Kern von normaler Grösse. ', Kern mit asymmetrischer Teilung des Nucleolus mit ganz flacher Einschnürung der Wand. . Asymmetrische Mitose im Monasterstadium; vom Kerne nur die eine Hälfte ausgebildet.*) Dreikernige Zelle; ein Kern gross, chromatinarm, die beiden anderen kleiner, normal; letztere anscheinend durch weitere Teilung eines mit dem ersteren gleichgrossen Kernes ent- standen. Fig. 2. Abnormitäten an Epithelkernen des Meerschweinchenohres nach Einwirkung des Aethersprays (achtmal in einstündigen Pausen). 4. Einseitige Einschnürung der Kernwand in Form Duplicatur (bei ). . Asymmetrische, einseitige, trichterförwige Kernwandeinschnürung Nucleolus ungeteilt. . Duplicaturenförmige, einseitige, asymmetrische Kernwandein- schnürung (bei -); Nucleolus ungeteilt. . Zweikernige Riesenzelle; der eine Kern («) bogenförmig ge- krümmt, bicentrisch (mit 2 Nucleolen); der andere in dessen Concavität liegend, bedeutend kleiner. . Zweikernige Riesenzelle; der grössere sich etwas asymmetrisch eirculär durchschnürend; Nucleolen in Opposition; Kernkörper des kleineren auffallend voluminös. . Hochgradig asymmetrische circuläre Durchschnürung eines Kernes; Nucleolus bleibt ungeteilt. . Annäbernd symmetrische, trichterförmige, einseitige Ein- schnürung der Kernwand; Nucleolus noch nicht geteilt. . Fast symmetrische, tiefe, eirculäre Einschnürung der Kern- wand, Spaltung des Nucleolus, dessen Hälften noch durch Plasmastränge verbunden sind. Asyınmetrische, halb duplicaturen-, halb trichterförmige, ein- seitige Einschnürung der Kernwand (bei «); Nucleolus ungeteilt. Kern auffallend gestreckt *) Die grosse Aehnlichkeit mit einer Schrägschnittfigur durch die Zelle könnte den Verdacht erwecken, es handle sich um den erwähnten Artefact. Die Erfüllung der Hansemann’schen Bedingungen lässt aber diese Möglichkeit ausschliessen. Denkbar wäre höchstens noch, dass es sich um eine Zerquetschung der Kernteilungsfigur durch das Mikrotommesser handelt. Ueber einige experimentell erzeugte Zellteilungsanomalieen. 117 K. Altmann: Einseitige, flache, SE ae a Nucleolus mehrfach gezackt (zerklüftet). . Stark asymmetrische, eirculäre Kernwand Durchschnürung ohne Teilung des Nucleolus. . Leicht asymmetrische, eirculäre Kernwandeinschnürung; Oppo- sition der Nucleolen. . Hochgradig asymmetrische, tiefe, halb trichter-, halb duplica- turenförmige, eireuläre Kernwandeinschnürung, die den Nucleolus fast. erreicht, der sich zur Sanduhrgestalt gestreckt hat. . Annähernd symmetrische, eirculäre, tiefe trichterförmige Ein- schnürung des Kernes, die fast den Nucleolus erreicht, welcher sich nur ein wenig gestreckt hat, . Zweikernige Zelle; der kleinere, chromatinreichere Kern in einer Concavität des grösseren liegend; grosse Inäqualität der Tochterkerne in Bezug auf Grösse, Chromatingehalt und Form, . Geschrumpfter und daher merkwürdig gezackter Kern; vom Chromatin diffus tingiert, letzteres nur um den Nucleolus herum zu einem kleinen Klümpchen concentriert, . Sechskernige Riesenzelle mit grosser Inäqualität der Kerne in Bezug auf Form und Struktur. . Fast symmetrische, einseitige, trichterförmige Kernwandein- schnürung; Nucleolus ungeteilt. .. Zweikernige Riesenzelle; Kerne in Bezug auf Grösse und Form auffallend differierend ; der kleinere Kern einer Concavität des grösseren, aussergewöhnlich langgestreckten angepasst. . Asymmetrische Mitose im Diasterstadium; der eine Kern («e) aus zahlreicheren und grösseren Chromosomen bestehend, als der andere, . Zweikernige Riesenzelle; hochgradige Asymmetrie der Kerne in ‚Bezug auf Grösse und Gestalt: ein sehr kleiner, kugeliger, in der Concavität eines grossen, halbmondförmigen. Literatur. Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen’ zu den Zellen. Leipzig 18%. Arnold: Ueber Kernteilungen in den Zellen der Geschwülste. Virchows Archiv. Bd. 78. 1879. — Beiträge zur Anatomie des miliaren Tuberkels. II. Ueber Nieren- tuberkulose (Teilung an den Epithelien der Harnkanälchen). Virchows Archiv. Bd. 83. 1881. — : Beiträge zur Anatomie des miliaren Tuberkels. Ueber die Tuber- kulose der Lymphdrüsen und Milz, Virchows Archiv. 1882. Richard Werner: Arnold: Beobachtungen über Kerne und Kernteilungen in den Zellen des Knochenmarkes. Virchows Archiv. Bd. 9. 1883. Ueber Kern- und Zellteilung bei acuter Hyperplasie der Lymph- drüsen und Milz. Virchows Archiv. Bd. 95. 1884. 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Entw. Mech. Bd. VI. 1898. 123 Zur Geschichte der Metallimprägnationen, insbesondere meines Anteils an der Er- findung der Behandlung der Gewebe mit chromsaurem Quecksilber. Von Leonard Landois. Coceius und Flinzer (1) sahen zuerst, als sie Horn- häute lebender oder frisch getödteter Tiere mit salpeter- saurem Silber teils in Substanz, teils in gesättigten oder verdünnten Lösungen betupften, die mikroskopisch auffällige Wirkung dieser Behandlung, über welche sich Letzterer also ausspricht: Ex his observationibus plura usui et physiologico et practico utilissima exstiterunt. Primum enim corpuscula corneae et singula et inter se cohaerentia perbene colore obscuro cognosei possunt, demonstrarique potest, haec corpuscula revera esse corpuscula per se, quia membranam praebent ..... Zwei Jahre darnach (1856) stellte Wilhelm His (2) fest, dass Höllensteinlösungen einen körnigen Niederschlag von Silber bald nur in den Hornhautkanälchen (intracellulär), bald nur in der Grundsubstanz (extracellulär), endlich Mischformen dieser erzeugten. Weiterhin hat dann äber W. His (3) direkt von Reck- linghausen das Verdienst zugesprochen, die Silberbehandlung der Gewebe zu einer allgemeinen histologischen Methode erhoben zu haben. Es hatte nämlich von Recklinghausen (4) im Jahre 1560 „eine Methode, mikroskopische hohle und solide Gebilde von einander zu unterscheiden“ veröffentlicht, welche darin be- steht, dass er die Teile zuerst in schwache Höllensteinlösung bringt und sodann einen Niederschlag in ihnen durch Kochsalz- lösung hervorruft. Später hat von Recklinghausen (5) (1863) seine Autorschaft für die Erfindung „der Versilberungsmethode“ bekräftigt und verteidigt. Im folgenden Jahre (1864) hatte Max Schultze (6) die Ueberosmiumsäure zur Behandlung der Leuchtorgane des, Glühwürmchens und sodann auch der Nervenfasern empfohlen 124 . Leonard Landois: über welche er des Weiteren (7) (1867) in seiner Arbeit zur Anatomie und Physiölogie der Retina berichtete. Hieran schliesst sich -meine Veröffentlichung über die Imprägnation der Gewebe mit Schwefelmetallen, ein Beitrag zur mikroskopischen Technik vom 26. November 1565. Mein Plan ging darauf hinaus, innerhalb der Gewebe Nieder- schläge unlöslicher gefärbter Metallsalze zu erzeugen, um auf diese Weise diejenigen Teile, welche eine besondere Anziehungs- kraft für einzelne Metallsalze haben, dadurch in scharfer Färbung hervortreten zu lassen. Zunächst wandte ich mich der Erzeugung von Schwefelmetallen zu. Stücke frischer Gewebe wurden zu diesem Behufe eingelegt in verschieden starke Lösungen :von Metallsalzen, z. B. von ‚Blei, Eisen, Kupfer, Platin, Queck- silber u. s. w. - Nachdem. dieselben sich hinreichend mit diesen Lösungen imbibiert hatten, wurden nach oberflächlicher Ab- spülung durch, nachträgliches Einlegen in Schwefelwasserstoff- - wasser oder Schwefelammoniumlösung Niederschläge erzeugt, je nachdem das Salz der Metalle mit saurer oder mit alkalischer. Lösung gefüllt werden kann. Ich fand für viele Gewebselemente die Wirkung eine vorzügliche: so z. B. für das Gerüst der ver- knöchernden Knorpel und für die Hornhautlamellen, Bei den zahlreichen verwendbaren Metallen, welche eine , verschieden- artige Anziehungskraft für die Gewebe kundgaben, eröffnete sich so ein weites Feld für die mikroskopische Technik. Carl Hüter, damals mein Greifswalder Kollege, hat sodann nicht lange nach meiner Veröffentlichung nach meiner Methode die Unter- suchung der inneren Gelenkflächen, welche er bis dahin. ver- silbert hatte, mit Schwefelblei vorgenommen. Er berichtet dar- über folgendes: „Ferner ergibt die. Tinetion der Intercellular- substanz durch Schwefelblei nach der Methode von Landois (Eintauchen in Lösung von essigsaurem Blei und Abspülen mit Schwefelwasserstoffwasser) ganz dieselben Bilder, wie die durch Silberpräparation entstandenen.“ Es lag nun nahe, neben der Imprägnation mit Schwefel- metallen auch andere Metallsalzniederschläge in den Geweben zu erzeugen, die ich dann weiter ansführte. Auch mein Kollege Hüter liess, hierdurch veranlasst, durch seinen Privatassistenten Dr. Gerlach (10) hier in Greifswald die inneren Gelenk- flächen durch Niederschläge von Berliner-Blau behandeln. In. Zur Geschichte der Metallimprägnationen etc. 125 analoger Weise hatte dann 1868 Leber (11) die Hornhaut untersucht, indem er in derselben durch nach einander erfolgtes Einlegen in Lösungen von schwefelsaurem Eisenoxydul und so- dann von rotem Blutlaugensalz einen blauen Niederschlag von Ferrideyaneisen hervorrief. Auch viele andere Metallsalze waren von ihm versucht worden. Hieran schliesst sich dann weiter die Vergoldung der Nervenendigungen, welche 1566 Cohnheim {12) eingeführt hat, — ferner die Anwendung von Chlorpalladium durch Franz Eilhard Schulze (13) (1867), wodurch ausser einer Härtung glatte Muskelfasern eine braune und quer gestreifte eine stroh- gelbe Färbung erhalten. Das sind nun wohl die wichtigsten älteren Arbeiten auf dem Gebiete der Metallfärbungen. Man sieht, es handelt sich hier zum Teil um Tinctionen der Gewebe, wie Gold, Osmium, Palladium und zumeist auch Silber sie bewirken; zum Teil ging aber die Absicht dahin, direkt Niederschläge sich neu bildender Metallsalze innerhalb der Gewebe zu erzeugen. Für letztere Methode habe ich den Namen „Metallimpräg- nationen eingeführt, welcher auch allgemein zur Annahme ge- kommen ist. Ich habe das Vorstehende in geschichtlicher Reihenfolge deshalb hier angeführt, um meine Thätigkeit inmitten dieser Bestrebungen festzustellen, welche allein das Folgende in das rechte Licht zu setzen vermag. Damals wurde in Greifswald das Fach der Histologie und mikroskopischen Anatomie von mir vertreten; zugleich las ich über das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Da ich bei Gelegenheit meiner Ver- öffentlichung mitgeteilt hatte, ich würde später ausführlich über «ie Metaliimprägnationen berichten, so war mir das Versprechen Anlass, neben der Färbung mit Schwefelmetallen noch weitere Arten der Metallimprägnationen bei meinen histologischen und vergleichend anatomischen Arbeiten zu versuchen. Manche Funde waren mir dadurch gelungen z. B. der Nachweis eines gitter- törmigen Belages quergestreifter Muskelfasern am Magen der Pedieulinen und verschiedenes Andere. Zweierlei erschien mir bei jenen weiteren Untersuchungen alsbald von hervorstehender Wichtigkeit zu sein. Erstens näm- lich, solche Metallverbindungen ausfindig zu machen, welche echt 126 Leonard Landois: waren, d. h. welche sich im eingeschlossenen Präparate unver- ändert erhielten. Manche Imprägnationen wurden nämlich nach Verlauf kürzerer oder längerer Zeit unscheinbar, oder schwanden dem Auge mehr und mehr. In dieser Beziehung fand ich namentlich Salze von Quecksilber dauerhaft, welches ich zunächst in Form von essigsaurer Quecksilberlösung eindringen liess und es sodann als Schwefelquecksilber, oder durch Behandlung mit Chromsäurelösungen oder von Kalibichromat in Form von chrom- saurem Quecksilber zur Imprägnation niederschlug. Ein anderer wichtiger Gesichtspunkt schien mir aber der zu sein, die Metallsalzlösungen auf die Gewebe zunächst in einer Form und Konzentration einwirken zu lassen, welche sich bereits als vortreffliche Konservierungsmittel derselben er- wiesen hatten, und nachher die Metallniederschläge durch solche Reagentien zu erzeugen, die gleichfalls erprobte konser- vierende Wirkung besitzen. So erzielte ich Konser-- vierung und eventuell auch Härtung neben der färbenden Imprägnation. Dies brachte mich auf den Ge- danken, ganz frische Gewebsstücke in die als Konservierungs- mittel der roten Blutkörperchen rühmlichst bekannte Pacini’sche Flüssigkeit zu legen, in welcher das Quecksilber als Chlorid die Hauptrolle spielt: (Hydrargyrum bichloratum corrosivum 2, Natrium chloratum 4, Glycerin 26, Aqua destillata 226 Teile. Vor der Anwendung verdünnt man mit zwei Teilen Wasser, oder je nachdem verschiedene Gewebe eine andere Diluirung erwünscht erscheinen lassen, noch stärker, oder weniger stark.) Zur Erzeugung des definitiven Niederschlages legte ich darauf, nach oberflächlicher Abspülung, das Gewebe in „Müller ’sche Augenflüssigkeit“ (Kaliumbichromat 2, Natriumsulfat 1, destil- liertes Wasser 100 Teile). Es geschah dieses einmal aus dem Grunde, um die Stücke schnittreif' zu machen; sodann aber sollte sich so dunkles chromsaures Quecksilber bilden als Impräg- nation in den Gewebeteilen. | Diese meine Versuche beschäftigten mich gerade in jener Zeit, in der ich mit meinem Kollegen, dem damaligen Prosektor Professor Dr. Ferdinand Sommer, neben welchem ich an dem damals noch ungeteilten anatomisch-physiologischen Institute als Assistent angestellt war, gemeinsam die Anatomie und Histo- logie des Bothriocephalus latus monographisch bearbeitete. Zur Geschichte der Metallimprägnationen etc. 127 Neben vielfachen anderen Methoden, wie sie die moderne Unter- suchung vorschrieb, und die wirgemeinsam anwendeten, hatte ich besonders auch frisches Proglottiden-Material wie vorstehend behandelt. Unseren beiderseitigen Bemühungen gelang es nun, wichtige Aufdeckungen über das Verhalten des Nervensystems bei den Cestoden zu machen. In unserer gemeinsamen Arbeit (14): „Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer, 1. Heft: Über den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus iatus (Bremser), Leipzig 1872 haben wir nämlich besondere zellige Gebilde aufdecken können, welche wir zu einem plasmatischen Kanalsystem gehörend gedeutet haben. Ueber die zur Sichtbar- machung der betreffenden Gebilde unbedingt notwendige Be- handlung schrieben wir: „Andere Glieder hatten längere Zeit in Pacini’scher Flüssigkeit gelegen, bevor Müller’sche Flüssig- keit zur Anwendung kam“, — und „diese Zellen beobachteten wir an Schnitten solcher Glieder, welche in ganz frischem Zu- stande zunächst mit Pacini’scher Konservierungsflüssigkeit oder stark verdünnter Lösung von Hydrargyrum aceticum concentratum (1 Teil auf 100 Teile Wasser) behandelt und später in Müller- scher Augenflüssigkeit gehärtet waren“ (Seite 10). Dreiundzwanzig Jahre nach dieser unserer gemeinsamen Veröffentlichung hat nun F.Blochmann (15) durch die „Golgi- sche Methode“ diese von uns entdeckten Gebilde wiedergefunden und hat zu unserer Ehre diese bezeichneten multipolaren Zellen „Ssommer-Landois’schen Zellen“ genannt. Und er fügt hinzu: „Es gereicht mir zur grossen Freude, dass ich auch in diesem Falle, wie früher bei den plasmatischen Längsgefässen der Tänien die so lange bezweifelte Beobachtung der verdienten Forscher in ihr Recht einsetzen konnte. Warum haben aber nun die zahlreichen späteren Beobachter, welche die Bandwürmer mit allen Hülfsmitteln der modernen Technik bearbeiteten, keine Spur von dem gefunden, was Sommer und Landois schon vor mehr als zwanzig Jahren gesehen haben? Aus dem einfachen Grunde, weil keiner auf den Gedanken kam, seine Präparate so zu behandeln, wie sie es gethan haben.“ „Es ergiebt sich ganz klar, dass sie ihr plasmatisches Ge- fässsystem an Präparaten beobachteten, die zuerst mit Quecksilber- ° salzen und dann mit doppelt chromsaurem Kali behandelt waren. Sie haben also ihre Resultate einfach durch die Golgi’sche 128 Leonard Landois: Chromquecksilbermethode, — und zwar mit umgekehrter Reihen- folge der Lösungen — erlangt, und waren so — allerdings unbewusst, — die Entdecker dieser Methode.“ Ich bin Blochmann für diese Darlegung zu grossem Danke verpflichtet, da er unsere Entdeckung der multipolaren zelligen Gebilde sichergestellt und nunmehr als „Sommer- Landois’sche Zellen“ in der Anatomie der Cestoden einen sicheren und ehrenvollen Platz eingeräumt hat. Ich für meine Person nehme auch keinen Anstand, der Deutung Blochmann’s für diese Gebilde als nervöse Organe nunmehr beizustimmen. Eine Bemerkung muss ich mir aber hinzuzufügen gestatten ; Diese betrifft nämlich die angeblich „unbewusste“ Entdeckung der Chromsäure-Quecksilbermethode. Ich bemerke jedoch aus- drücklich, dass es mir durchaus fern liegt und fern liegen muss, Blochmann wegen dieser Auffassung einen Vorwurf zu machen, da er mit den eigentlichen Vorgängen betreffs meiner Metall- behandlungen nicht vertraut sein konnte. Und gerade eben diese klar zu legen und mir die Erfindung dieser Methode zu sichern, ist der vornehmlichste Zweck dieser Zeilen. Ein besonderer Anlass zu dieser Darlegung wurde mir erst kürzlich geboten durch besondere Anfragen von verschiedener Seite mit Bezug auf den Artikel in J. Pagels Biographischem Lexikon hervorragender Aerzte des 19. Jahrhunderts, Berlin und Wien 1901, Seite 948, woselbst nur ganz kurz das hier zu- treffende Thatsächliche erwähnt ist. Wie bekannt behandelte Golgi Nervenpräparate seit dem Jahre 1873 gleichfalls mit Metallimpregnationen. Die Objekte gelangten zuerst in Lösungen, welche Kaliumbichromat enthielten, und sodann in Höllensteinlösungen; es wurde so ein Niederschlag von chromsaurem Silber erzielt. Auf die Einzelheiten dieser Methode hier näher einzugehen, liegt völlig ausserhalb des Rahmens dieser Mitteilung. Ich kann in dieser Beziehung ver- weisen auf die betreffende Zusammenstellung in „Merkel’s und 3onnet’s Ergebnissen der Anatomie und Entwickelungsge- schichte“ (16). Die Durchsicht der Geschichte der Golgi’schen Methoden ergiebt, dass seine Chromsäure-Silbermethode ein Jahr nach unserer Mitteilung veröffentlicht worden ist, die Chromsäure - Quecksilber - Methode noch später. Zur Geschichte der Metallimprägnationen etc. 129 Meine Methode weicht insofern von der Golgi’schen Be- handlung ab, als ich die Gewebsstücke zuerst in die Sublimat- lösung legte, und sodann die Chromsäure nachwirken liess. Es entsprach das durchaus dem von mir im Allgemeinen fest- gehaltenen Gesichtspunkte, nämlich zuerst die Metalllösung in die Gewebe einziehen zu lassen, und sodann aus derselben un- lösliche gefärbte Metallsalze innerhalb der Gewebe nieder- zuschlagen. Man sieht, dass Sommer und mir hierdurch nun auch thatsächlich die Entdeckung der zartesten Nervenapparate bei den Cestoden gelungen ist. Ich glaube im Vorstehenden den strengen Nachweis ge- liefert zu haben, dass die Erfindung der Quecksilber-Chromsäure- Methode unzweifelhaft mir gebührt. Sie ist planmässig im An- schlusse an meine ersten Arbeiten über die Metallimprägnationen ersonnen und nicht etwa bloss durch Zufall gelungen. Dass in unserer gemeinsamen’Arbeit über den Grubenkopf nicht umständ- lich die Methode angegeben worden ist, erklärt sich daraus, dass in diese gemeinsame Veröffentlichung eine Darlegung dieser speziellen Erfindung, die nur dem einen von uns Beiden gehörte, nicht hineinpasste. Es schien nicht angebracht in dem Rahmen der gemeinschaftlichen Veröffentlichung darauf hinzuweisen, was durch eine besondere Methode, die nur dem Einen oder Andern von uns zugesprochen werden muss, gemeinsam von uns Beiden Neues zu Tage gefördert wurde. Das lief offenbar dem Charakter der gemeinsamen Publikation zuwider. Allein Jeder, welcher weiss, dass ich die Metallimprägnationen seit 1865 auf breiter Basis in die histologische Technik eingeführt habe, wird es, — wie aus dem Vorstehenden unzweifelhaft erhellen muss — nun- mehr sofort verstehen, dass die Methode, Stücke zuerst in un- gefärbte Quecksilbersalzlösungen zu legen und hierauf in Chromat- lösung, die Imprägnation der Teile mit chromsaurem Quecksilber zum Zwecke hat. Ein einziger Blick auf Tafel IV, Figur 1 unserer gemeinsamen Arbeit muss Jeden überzeugen, dass die tiefdunklen, fast schwarz gezeichneten multipolaren zelligen Ge- bilde thatsächlich auch absolut durch garnichts anderes, als durch Metallimprägnierung hervorgebracht sein können, und wofür wir sie ganz selbstverständlich auch gehalten haben. Ich will bemerken, dass wir uns in unserer Arbeit auch noch anderer Metallimprägnationen bedient haben, z. B. des Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 9 130 Leonard Landois: chromsauren Bleis (erzeugt durch Einlegen in Bleiessig- oder Bleizucker -Solution und nachherige Fällung mittelst Kalium- bichromatlösung, fernerauch der Schwefelquecksilber-Niederschläge. Ueber letztere schrieben wir: „Bemerken wollen wir indess, dass wir bei Taenia mediocanellata analoge Verhältnisse (nämlich die multipolaren Zellgebilde) fanden, und dass es durch Be- handlung der Proglottiden mit Hydrargyrum aceticum, Schwefel- ammonium und nachheriger starker Aufhellung des Präparats mittelst Canadabalsam gelang, die Kanälchen über kleine Zonen hin auch von der Fläche des Gliedes her sichtbar zu machen“, (Seite 10). Wolite vielleicht Jemand dennoch zaudern und denken, das Einlegen in Pacini’sche Flüssigkeit sei lediglich zur Kon- servierung vorgenommen und darauf das Einbringen in Müller- scher Flüssigkeit zum Behufe der Härtung bis zur Schnittfähig- keit, der wird sicherlich von dieser vor&efassten skeptischen - Meinung abstehen müssen, wenn er liest, dass die Gewebsstücke statt in Pacini’scher Flüssigkeit auch in dünne Lösungen von essigsaurem Quecksilber gelegt waren. Letzteres Salz ist nirgends als ein Reagsenz in der mikroskopischen Technik empfohlen, sondern einzig und allein von mir angewendet behufs späterer (uecksilberimprägnation. Dass Sommer und ich die beobachteten nervösen Gebilde für ein plasmatisches Kanalsystem angesprochen haben, ändert an dem thatsächlichen Befunde offenbar garnichts. Merkwürdig ist es immerhin, dass es mit derselben Methode auch gelingt. feine Kanalsysteme sichtbar zu machen, wie die feinsten Gallen- gänge, die Hornhautlakunen und Anderes. Nichts liegt mir ferner, als das Verdienst Golgi’s, welches er sich durch die Einführung seiner Behandlungsarten für das Studium der Nervensubstanz erworben hat, zu schmälern. Selten hat eine Methode so grosse Fortschritte gezeitigt, wie diese. Allein was dem Einen recht ist, soll dem Andern billig sein. Meine voraufgehende Auseinandersetzung legt es zweifellos klar, dass die Imprägnation der Gewebe und der nervösen Gebilde der Cestoden mittelst Sublimat und nachfolgender Durchtränkung mit chromsaurer Salzlösung von mir erfunden ist, und zwar nicht durch Zufall, sondern planmässig er- Zur Geschichte der Metallimprägnationen ete. 131 sonnen im Rahmen der von mir eingeführten Im- prägnationen von gefärbten Metallsalzen. Wenn man daher mit Recht die Silber-Chromsäure-Methode als Golgi’sche Methode bezeichnet, so scheint es mir lediglich dem Gesetzte der Billigkeit zu entsprechen, wenn man die Quecksilber -Chromsäure -Methode fortan nach meinem Namen, oder, da die Publikation derseiben in der von Sommer und mir gemeinsam verfassten Schrift zuerst stattfand, nach meinem und dem meines Mitarbeiters benennen wollte. Literatur. 1. A. Flinzer, De argenti nitriei usu et effectu, praesertim in oculorum morbis sanandis. Dissertatio Lipsiae 1854, mit Abbildungen. 2. W.His, Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie der Cornea. Basel 1856. — Virchow’s Archiv 1861. Bd.20 S. 207: „Ueber das Verhalten des salpetersauren Silberoxyds zu tierischen Gewebsteilen“, 3. W. His, Ueber das Epithel der Lymphgefässwurzeln und über die v. Recklinghausen’schen Saftkanälchen; Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie, Bd. 13, 1863. S. 472. 4. Virchow’s Archiv. Bd. 19. 1860. S. 451. Mircho ws Archiv. Bd. 27.1863: 28..419. 6. Sitzungsberichte der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde, inden Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der Preussischen Rheinlande und Westfalenss. Bonn 1864. S. 61. — Archiv für mikro- skopische Anatomie. Bd.I. 1865. S. 125 und 299, 7. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. II. 1867. 8. Centralblatt für die medizinischen Wissenschaften. 3. Jahrgang. 1865. S. 867. 9. Hüter, Carl, Klinik der Gelenkkrankheiten. Leipzig 1870. 2. Aufl. 1876..59.32: 19. Soweit mir bekannt geworden ist, sind die Resultate dieser Unter- suchungen nicht veröffentlicht worden. 11. Leber, Archiv für Ophthalmologie. 1868. Bd. 14. 12, Virchow's Archiv. 1866. Bd. 38. 8. 343. 13. Centralblatt für die medizinischen Wissenschaften, 1867, 5. Jahrgang. 14. Die Arbeit erschien auch in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band des Jahres 1872. 15. Biologisches Centralblatt, Bd. 15. No. 1. 1. Januar 189. 16. Merkel und Bonnet, Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- geschichte. Wiesbaden 1896. Bd. 5. Seite 7, „Die Golgi’sche Methode, Bericht von ©. Weigert, x Aus der entwicklungsgeschichtlichen Abteilung der anatomischen Anstalt der Universität Breslau. Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchs- organs des Hühnchens. Von Franz Cohn, cand. med. Hierzu Tafel X und 5 Textfiguren. Die Entwicklung des Geruchsorgans der Vögel ist bisher nur beim Huhne genau beschrieben worden. Für andere Vögel liegen nur vereinzelte, gelegentliche Angaben vor; indessen berechtigen diese zu der Annahme, dass auch hier die Bildung des Riech- organs mit dem Entwicklungsgange beim Huhne im wesentlichen übereinstimmt. Eine zusammenhängende Darstellung der Nasenentwicklung des Hühnchens haben, abgesehen von älteren Autoren, Kölliker und Born gegeben. Später veröffentlichte Preobraschensky Beiträge zur Lehre über die Entwicklung des Geruchsorgans des Huhns. v. Mihalkovies berichtet in seiner morphologischen Studie „Nasenhöhle und Jacobson’sches Organ“ über Unter- suchungen beim Huhne und anderen Vögeln. Endlich ist noch die Arbeit von Ganin „Einige Thatsachen in Betreffdes Jacobson- schen Organs der Vögel“ zu erwähnen. Eine zusammenhängende Schilderung der Nasenentwicklung beim Huhne ist nach den bisherigen Untersuchungen unnötig; da aber die Darstellungen der genannten Autoren noch an mehreren Punkten Lücken und Ungenauigkeiten aufweisen, so sollen im folgenden einige ergänzende und berichtigende Beiträge zur Entwicklung des Riechorgans beim Huhne gegeben werden. Die Anregung zu meinen Untersuchungen gab mir Herr Privatdocent Dr. K. Peter; ihm spreche ich für die vielfache Förderung meiner Arbeit meinen herzlichsten Dank aus. Ebenso bin ich Herrn Geheimrat Prof. Dr. Hasse und Herrn Prof. Dr. Schaper für die Erlaubnis zu Danke verpflichtet, die Arbeit in der entwicklungsgeschichtlichen Abteilung des anatomischen Institutes ausführen zu dürfen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 10 134 Franz Cohn: Das Material, über das ich verfügte, bestand aus einer Anzahl noch von Born herrührender Serien von Hühnerembryonen mit 1,3—18 mm Kopflänge, mehreren Serien, die mir Herr Prof. Schaper gütigst zur Verfügung stellte, und einigen von mir selbst angefertigten Schnittreihen. Da die meisten meiner Serien nur die Schnitte durch den Kopf und die Angabe der Kopflänge enthalten, so ist hier eine genaue Bestimmung nach Urwirbelzahl oder Bebrütungszeit unmöglich gewesen. 1. Erste Anlage des Riechorgans. Einer ergänzenden Beschreibung bedarf zunächst die allererste Entwicklung des@Geruchsorgans. Die erste Anlage dieses Sinneswerk- zeugs tritt beim Hühnchen später ein als bei fast allen anderen Wirbeltieren, nämlich in Stadien mit 233—24 Urwirbeln, während sie z. B. bei der Eidechse schon bei Embryonen mit 10 Urwirbeln ein- setzt. Nur bei den Säugetieren beginnt die Bildung der Riechplatte noch später, z. B. beim Schweine in einem Stadium von 33 Ur- wirbeln (Keibel), beim Kaninchen bei Embryonen mit 30 Ur- wirbeln. Besonders augenfällig wird aber die Verspätung in der Bildung des Riechorgans beim Huhne gegenüber anderen Tier- klassen, wenn man dessen erste Anlage mit der des Gehörorgans und der Linse zeitlich vergleicht. Von den genannten drei Sinnesorganen bildet sich nämlich bei allen Wirbeltierklassen, mit Ausnahme der Vögel, zuerst das Ohrgrübehen, auf dieses folgt dann, wie bei Fischen, Amphibien, Reptilien, Säugern festgestellt ist, die Bildung des Geruchsorgans, während erst zuletzt die über der primären Augenblase gelegenen Zellen sich zur Linsenanlage ver- dicken. Nur bei den Vögeln verschiebt sich dieses zeitliche Verhältnis im Sinne einer Verzögerung in der Anlage der Riech- grube, so dass hier die Entstehung der drei Sinnesorgane in der xeihenfolge: Ohrgrübchen, Linse, Riechgrübchen vor sich geht. Jedoch ist diese Verschiebung wohl nicht allein auf eine Verspätung in der Anlage des Riechorgans, sondern auch auf eine Verfrühung in der des Auges zurückzuführen, da dieses Organ in der Entwicklung der Vögel so sehr hervortritt und deshalb auch ontogenetisch früher angelegt wird. Ich finde die erste Anlage des Riechorgans bei einem Embryo von 1,3 mm Kopflänge und bei einem Stadium mit 23 abgegrenzten Urwirbeln und einer Bebrütungszeit von 72 Stunden. Diese Urwirbel- Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens, 135 zahl entspricht allerdings nach Keibels Normentafeln einer Bebrütungsdauer von 44—48 Stunden. Hier sind die Ohrenlagen grosse, noch ziemlich weit offene Blasen, die Linsengrube bildet eine auf dem Durchnitte schon recht tiefe, fast halb- kreisförmige Einsenkung. Die Nasenanlage selbst ist eine flache, aus etwas verdicktem Epithel bestehende Platte, die noch keine Spur einer Einsenkung aufweist (Tafelfigur 1). Eine solche Riechplatte ist bisher nicht beobachtet worden, da sowohl Kölliker als Born und Preobraschensky berichten, dass die erste Anlage des Geruchsorgans am dritten Tage in Form eines flachen, rundlichen Grübchens auftrete. Eine derartige Dellenbildung zeigt unter meinen Serien erst ein weiter entwickeltes Stadium von 1,9 mm Kopflänge, bei dem die Einsenkung des Riechfeldes die Form eines flachen Kreisbogens angenommen hat. Nur Keibel scheint eine noch nicht vertiefte Riechplatte gesehen zu haben, da er die erste Andeutung der Nasenbildung als ganz flaches Riechfeld mit noch wenig verdicktem Epithel beschreibt. Das betreffende Stadium in Keibels Normen- tafeln zur Entwicklungsgeschichte des Huhns (Stadium 39e) besitzt 24 Urwirbel und ist 51 Stunden bebrütet. Eine genaue Abgrenzung des flachen Riechfeldes von seiner Umgebung ist bei dem oben genannten Stadium von 23 Urwirbeln nicht möglich. Die Epithelzellen werden am Rande der Riechplatte allmählich niedriger und gehen ohne scharfe Grenze in das be- nachbarte einschichtige Ektoderm über. Es scheidet sich also hier noch nicht, wie dies bei späteren Entwicklungsstadien beschrieben werden wird, das Sinnesepithel durch einen deutlich vorspringenden Wulst von dem umgebenden indifferenten Epithel. Auch die Möglichkeit, das Sinnesepithel durch seine Einschichtigkeit von der zweischichtigen Epidermis abzugrenzen, ist im Beginne der Nasenentwicklung noch nicht vorhanden. Es lässt sich bei so jungen Embryonen die Existenz eines Teloderms (Mehnert), einer Supraepithelialschiceht (Kerbert) noch nicht nachweisen, die Epidermis ist also ebenso wie das Riechepithel einschichtig. - Diesem Befunde von der Unmöglichkeit, das Riechfeld scharf abzugrenzen, widerspricht die Angabe Preobraschenskys, der das Geruchsgrübchen aus einer „genau begrenzten Stelle“ hervor- gehen lässt. Born berichtet zwar, dass das Sinnesepithel an den Rändern der Delle kontinuierlich in die Epidermis übergehe, 10* 136 Franz Cohn: bezeichnet diese aber als zweischichtig. Diese Angabe ist wohl darauf zurückzuführen, dass Born die frühesten Stadien nicht vor sich hatte und so nur spätere Verhältnisse auffand. Nach seiner histologischen Zusammensetzung besteht das Riechfeld, wie auch Bornund Preobraschensky bemerken, aus einem erhöhten, einschichtigen Cylinderepithel, dessen Kerne basal liegen, so dass man nach aussen eine Schicht von kernlosem Protoplasma sieht. Sogenanntes Leiterepithel (Mehnert), wie es sich an den Seiten des Gehörfeldes findet, ist an der Anlage des Riechorgans nicht aufzufinden. Es ist dies ein Epithel, dessen Kerne in zwei verschiedenen Höhen angeordnet sind, das also den Anblick eines mit Vakuolen durchsetzten zweizeiligen Epithels gewährt. Das Wachstum des Geruchsorgans erfolgt also nicht, wie das der Gehöranlage, durch Zusammenschieben der beiden Zellreihen, sondern in der gewöhnlichen Weise durch Vertiefung der Zellenschicht. II. Lage- und Formveränderungen des wachsenden Riechgrübchens. Das Geruchsorgan, das als flaches Riechfeld und noch später als wenig vertieftes Riechgrübchen lateral am Kopfe gelegen ist, beginnt bald mehr und mehr nach ventralwärts zu rücken, um schliesslich seine definitive Lage an der Ventralseite des Kopfes einzunehmen. Es ist diese Verlagerung wohl auf ein stärkeres Wachstum der seitlichen Partien des Kopfes zu be- ziehen. Bei einem Embryo von 1,3 mm Kopflänge mit eben sich abschnürender Linse und noch weit offenem Gehörbläschen und bei einem 72 Stunden bebrüteten Stadium auf ungefähr gleicher Entwicklungsstufe liegt die Anlage des Riechorgans, die hier noch die Form der flachen Riechplatte hat, völlig lateral (vergl. Tafelfıgur 1). Dieselbe Lage hat das, hier bereits eingesenkte, Riechgrübchen bei einem Embryo von 1,9 mm Kopflänge. Die tiefste Stelle der Grube sieht genau nach medianwärts. Bei einem Stadium von 2,0 mm Kopflänge (Textfigur 1) findet sich das Riechgrübchen, dessen Einsenkung nicht tiefer als im vorigen Stadium ist, etwas weiter ventral, fast an der Stelle, an der die Seitenfläche des Kopfes in scharfem Bogen in dessen Ventralseite übergeht. Das Grübchen sieht nach ventral und aussen. a Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens. 137 Ein Embryo von 2,3 mm Kopflänge (Textfigur 2) zeigt das Riechorgan genau an der Uebergangsstelle der lateralen zur ventralen Kopfseite. Da nun hier das Geruchsgrübchen nicht mehr halbkreisförmig vertieft ist, sondern die Form eines Drei- ecks mit dorsalwärts zeigender Spitze angenommen hat, so wird auch dadurch die Oeffnung der Grube mehr nach ventral ge- richtet. Das Riechepithel kleidet in diesem Stadium nicht nur die Riechgrube aus, sondern erstreckt sich auch noch etwas über deren Rand hinaus, so dass es also medial von der Riechgrube schon auf der ventralen Kopfseite liegt. In diesem Stadium zeigt die Linse eine deutliche Verdickung ihrer inneren Wand mit Faserbildung, der Augenstiel ist eng, das Gehörbläschen ab- geschnürt. Fig. 1 Fig. 2. Fig. 3. Querscehnitte durch den Kopf von Hühnerembryonen mit 2,0, 2,8 und 3,0 mm Kopflänge. 50fache Vergrösserung. Das Riechgrübehen rückt von der lateralen nach der ventralen Kopfseite. Bei einem Embryo von 3,0 mm Kopflänge (Textfigur 3) liegt das Riechgrübchen schon völlig auf der Ventralseite des Kopfes, jedoch noch ‚ganz an deren Rand. Der innere Stirn- fortsatz nimmt also hier die ganze Breite der ventralen Kopf- seite ein. Im Laufe der weiteren Entwicklung rücken die Geruchs- organe der Medianlinie zu, nähern sich also einander. Die Einsenkung der Riechplatte zu einer Grube geht durch aktives Wachstum des Sinnesepithels vor sich und nicht durch 138 Franz Cohn: passive Verlagerung, indem das umgebende Gewebe das Riech- feld überwuchert und so in die Tiefe drängt. Erst wenn das Riechgrübchen selbständig, durch Proliferation der Sinneszellen eine ziemlich bedeutende Tiefe erreicht hat, beginnt eine Wuche- rung der benachbarten Teile, vielleicht hauptsächlich des Meso- derms, und erzeugt so eine weitere, jetzt passive Vertiefung der Grube. Born, Minot, Goette und Preobraschensky lassen die Vertiefung des Riechorgans noch durch Aufwulstung des Mesoderms und Ektoderms entstehen und sprechen nicht von einem aktiven Wachstum des Riechepithels. Dagegen hat Peter bei der Eidechse nachgewiesen, dass die Geruchsgrube „durch Wachstum der Riechplatte selbst entsteht und nicht durch Auf- wulstung der Ränder.“ Dasselbe konnte ich auch für das Hühnchen feststellen. Das Wachstum des Sinnesepithels durch Zählung der Mitosen in dessen Bereich zu erweisen, war hier unnötig, da eine scharfe Abgrenzung des Sinnesepithels von seiner Umgebung besteht und dadurch ein genauer Beweis für die aktive Vertiefung der Geruchsgrube möglich wird. Während nämlich bei der ersten Anlage des Riechorgans das Sinnesepithel kontinuierlich in die Epidermis übergeht, setzt sich in weiter entwickelten Stadien, zuerst bei einem Embryo von 3,5 mm Kopflänge, das Riechepithel von der benachbarten, hier schon zweischichtigen Körperdecke durch einen stark prominierenden, von Sinneszellen gebildeten Wulst ab (vergl. Tafelfıgur 2 und Textfigur 4). Man kann dadurch mit Sicherheit entscheiden, ob die Riechgrube allein von Sinnesepithel ausgekleidet ist, oder ob noch eine Wucherung des umgebenden Gewebes an ihrer Vertiefung beteiligt ist. Bei dem Embryo von 3,5 mm Kopflänge, der zuerst den Randwulst des Riechepithels zeigt, wird die gesamte Auskleidung des Geruchsorgans nur von Sinneszellen bewirkt; diese reichen sogar noch über den Rand der Grube hinaus. Eine Beteiligung des indifferenten Ektoderms an der Einsenkung des Grübchens und damit eine passive Tieferlagerung desselben ist also hier ausgeschlossen; mithin ist die Vertiefung der Riechgrube allein dem aktiven Wachstum des Sinnesepithels zuzuschreiben. Zugleich tritt bei diesem Embryo zuerst die Bildung des Teloderms auf, das an der medialen Seite der Riechgrube deut- u Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens,. 139 lich, an der lateralen weniger gut sichtbar ist und an der lateralen Kopfseite etwa bis zu deren Mitte heraufreicht. Ueber dem Gehirn findet sich kein Teloderm. Bei einem Stadium von 3,7 mm Kopflänge hört das Riech- epithel gerade am Rande des Grübchens mit einem Wulste auf, bildet also auch hier noch allein die Auskleidung des Geruchs- organs. Das Teloderm ist medial und lateral von der Riechgrube deutlich sichtbar und endet dicht vor dem Randwulste des Epithels. Von hier an bilden also Randwulst und Telodermgrenze gemeinsam ein Kriterium für die Ausdehnung des Sinnesepithels. Ein Embryo von 4,0 mm Kopflänge zeigt das Riechgrüäbchen ‚ebenfalls noch ganz von Sinnesepithel ausgekleidet. In einem Stadium von 4,1 mm Kopflänge beginnt die zweischichtige Epidermis sich an der Auskleidung der Riechgrube zu beteiligen. Fpithelwulst und Telodermgrenze liegen, deutlich sichtbar, etwas nach innen vom Rande der Riechgrube (Tafel- figur 2 links). In diesem Entwicklungsstadium setzt also die Wucherung des dem Geruchsorgan benachbarten Gewebes ein, die das bisher aktiv in die Tiefe gewachsene Riechgrübchen auch noch passiv tiefer lagert Erst hier also, wo sich die umgebenden Teile durch selbständige Wucherung zu beiden Seiten der Riech- grube über deren Niveau erheben, kann man von der Existenz eines äusseren und inneren Nasenfortsatzes sprechen. Ein Embryo von 4,7 mm Kopflänge zeigt das Wachstum der Nasenfortsätze und damit die passive Versenkung der Riech- grube schon etwas weiter vorgeschritten. Epithelwulst und Telodermgrenze liegen im Innern der Vertiefung, um mehrere Zellbreiten von der Oeffnung des Riechgrübehens entfernt. Das Teloderm zieht in diesem Stadium lateral vom Geruchsorgan etwas am Kopfe in die Höhe, ist aber in den oberen seitlichen Partieen des Kopfes und über dem Gehirn nicht mehr nach- weisbar. Die Wucherung der Nasenfortsätze und damit die Ent- fernung des Sinnesepithels vom Rande der Riechgrube nimmt in den folgenden Entwicklungsstadien allmählich zu, allerdings vorzugsweise in den caudal gelegenen Teilen des Riechorgans. Bei einem Embryo von 4,9 mm Kopflänge kleidet die zweischichtige Epidermis im caudalen Teile der Riechgrube fast den vierten bis dritten Teil ihrer Wandung aus, während im 140 Franz Cohn: apikalen Teil die Telodermgrenze nur um wenige Zellbreiten vom Rande des Grübchens entfernt ist. Noch deutlicher ist dieses Verhalten bei einem Exemplar von 5,0 mm Kopflänge. Hier kleidet das Riechepithel in caudal gelegenen Schnitten ca. °/a der Riechgrübe aus, reicht dagegen apikal bis zu deren Rande herauf, bildet also hier allein, ohne Beteiligung der Epidermis, die Wand des Riechorgans. Der Gegensatz zwischen apikalem und caudalem Abschnitt der Riech- grube wird am besten durch die beigefügten Textzeichnungen 4 und 5 veranschaulicht. Fig. 4. Fig. 5. Querschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryos von 5,0 mm Kopflänge. 50fache Vergrösserung. Textfig. 4 geht durch den apikalen, Fig. 5 durch den caudalen Teil der Riechgrube. Beide Schnitte liegen 120 « auseinander. Der apikale Schnitt (4) zeigt die Riechgrube ganz, der caudale (5) nur teilweise von Sinnesepithel ausgekleidet. Während ein Stadium von 5,53 mm Kopflänge (4. 11. 83) einen geringen Rückschritt gegen das vorhergehende aufweist, ist ein anderer Embryo von ebenfalls 5,3 mm Kopflänge (13.10. 88) der erste, bei dem auch im apikalen Teil der Riechgrube das Sinnesepithel durch die Wucherung der Umgebung passiv in die Tiefe verlagert wird. Hier nimmt die Epidermis caudal den vierten, apikal ungefähr den achten Teil der Wandung ein. Bei zwei Exemplaren mit 5,6 mm Kopflänge kleidet die Epidermis caudal ca. '/s, apikal '/s der Grube aus. Bei einem Stadium von 5,7 mm Kopflänge erreicht die zweischichtige Epidermis apikal dieselbe Tiefe wie caudal und: füllt in allen Teilen der Riechgrube ungefähr den vierten Teil der Wandung aus. Das ist das Maximum in der Beteiligung der Epidermis an m ym Be a Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens,. 141 der Auskleidung der Riechgrube, das sich verfolgen lässt. Doch finden sich hier individuelle Schwankungen, indem ein Embryo von 5,9 mm Kopflänge apikal wie caudal nur 's, ein Stadium mit 6.0 mm Kopflänge wieder '/ der Riechgrube von zwei- schichtigem FEktoderm ausgekleidet zeigt. In weiter entwickelten Stadien macht es die beginnende Muschelbildung unmöglich, das Wachstum der Nasenfortsätze nach der Ausbreitung der zwei- schichtigen Epidermis im Inneren der Riechgrube zu -vestimmen. Aus diesen speziellen Angaben ergiebt sich, dass die Ein- beziehung des indifferenten Epithels in die Riechgrube und damit auch das Wachstum der Nasenfortsätze am caudalen Ende des Geruchsorgans beginnt und von da nach apikal fortschreitet. Dieses Verhältnis ist auch in späteren Stadien dadurch sichtbar, dass die einbezogenen Fpidermispartieen am hinteren Ende des Grübchens bedeutender sind (!/ı) als an der Spitze (!/s—!/s). In noch späteren Stadien ist das zweischichtige Ektoderm apikal ebenso tief in die Grube hineingewachsen als caudal. Eine Erwähnung verdient auch die Art und Weise, wie die Ränder der Riechgrube mit einander verkdeben. Die Ränder legen sich am caudalen Ende des Geruchsorgans mit ihren Telo- derm-tragenden Partieen an einander, so dass also die Ver- schmelzung im Bereich der Fortsätze vor sich geht; und zwar verklebt der innere Nasenfortsatz caudal mit dem Oberkiefer- fortsatz, apikal mit dem äusseren Nasenfortsatz. Die Verklebung der Fortsätze findet sich unter meinen Serien zuerst bei einem Embryo von 6,5 mm Kopflänge. Man kann hier, noch deutlicher bei einem Stadium von 7,5 mm Kopf- länge, die vier Schichten der Epidermis d. h., je zwei Supra- epithel- und Epithelschichten, durch die Verklebungsstelle hindurch verfolgen. Das Teloderm setzt sich auch nach innen von der Verschmelzung ein Stück weiter in die Riechgrube fort; erst dann beginnt das Sinnesepithel. Die beigefügte Tafelfigur 5 von dem Embryo mit 7,5 mm Kopflänge wird dieses Verhältnis am besten klarlegen. Die Fortsätze liegen durch 200 « aneinander; in den mittelsten Schnitten macht die Verklebung schon einer -Verwachsung Platz. Die Verwachsungsstelle ist in manchen Schnitten nicht mehr angedeutet, in manchen in Form faden- artiger Reste sichtbar. Ein anderer Embryo mit 7,5 mm Kopf- länge zeigt dasselbe Bild; hier persistiert die Verklebung durch 240 4. 142 Franz Cohn: Es ergiebt sich also, dass die Verklebung im Bereich des inneren und äusseren Nasenfortsatzes und des Oberkieferfortsatzes vor sich geht, und zwar nicht im Bereich des Sinnesepithels, sondern im Bereich des eingestülpten indifferenten. zweischichtigen Epithels. III. Das Jacobson’sche Organ des Hühnchens. Eine Anlage des Jacobson’schen Organs, die der bei anderen Tierklassen beobachteten analog wäre, ist bisher bei den Vögeln nicht beschrieben worden. Bei Reptilien und Sauriern und ebenso bei Säugetieren findet sich die Anlage des Jacob- son’schen Organs als eine mit Riechepithel ausgekleidete Ein- senkung an der medialen Wand des Riechgrübchens. So ist es bisher bei Schlangen, bei der Eidechse, beim Krokodil, neuerdings bei Fledermäusen (Hufeisennase), bei den übrigen Säugern, auch beim Menschen nachgewiesen. Bei den Vögeln nehmen die meisten Autoren an, dass das Jacobson’sche Organ, auch in der Entwicklung, vollkommen fehle. Es ist nun Sonderbar, dass ein Organ, welches bei allen anderen Klassen der Amnioten vorhanden, bei manchen sogar sehr hoch ausgebildet ist, bei den Vögeln selbst in der Entwicklung vollständig verschwunden sein sollte. Aus diesem Grunde haben Ganin und Mihalkovics den Ausführungsgang der lateralen Nasendrüse als Anlage des Jacobson’schen Organs zu deuten gesucht Ganin lässt allerdings die Frage offen, ob dieser Aus- führungsgang dem Jacobson’schen Organ oder der septalen Nasendrüse entspricht. Mihalkovics hält nur den distalen, sogenannten vertikalen Teil des Ganges für das Rudiment eines Jacobson’schen Organs, während er den proximalen Abschnitt als den eigentlichen Ausführungsgang der lateralen Nasendrüse bezeichnet, der sich mit dem vertikalen Teile erst sekundär ver- einigt hat. Gegenüber dieser Annahme konnte ich an meinen Serien von Hühner-Embryonen eine Anlage des Jacobson ’schen Organs nachweisen, die dessen Entwicklung bei anderen Tierklassen voll- kommen analog ist und nur, entsprechend der rudimentären Bildung dieses Organs bei den Vögeln, bald wieder verschwindet. Am ausgeprägtesten findet sich diese Anlage bei zwei Embryonen von 5,6 mm Kopflänge. Hier zeigt sich an der Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens, 143 medialen Wand des Geruchsgrübchens nahe dessen Oefinung zur Gesichtsoberfläche eine flache, von Sinnesepithel ausgekleidete Einsenkung, die durch 160 « persistiert (Tafelfigur 4). Sie entspricht in ihrer Lage und Form durchaus der Anlage des Jacobson’schen Organs bei einem Eidechsenembryo mit 47 Ur- wirbeln (Tafelfigur 5). Die Zellen, die diese Anlage des Jacobson- schen Organs beim Huhne auskleiden, charakterisieren sich durch ihre eylindrische Gestalt mit basal gestelltem Kern deutlich als Sinneszellen. Sie sind zwar’etwa halb so hoch als die Fpithel- zellen im übrigen Teil der Riechgrube, aber immerhin noch doppelt so hoch als die Zellen der äusseren Hautbekleidung. Ausserdem lässt das Teloderm, das dicht am äusseren, also ventral gelegenen Rande der Einsenkung Halt macht, erkennen, dass deren Auskleidung vom Sinnesepithel der Riechgrube her- stammt. In der Vertiefung finden sich, allerdings nicht auffallend zahlreiche Mitosen. Von einem der beiden Embryonen mit 5,6 mm Kopflänge stellte ich nach der Born’schen Plattenmodelliermethode unter 50facher Vergrösserung ein Modell her, das in Figur 6 der bei- gefügten Figurentafel abgebildet ist. Die Riechgruben erscheinen, von vorn gesehen, als aufrecht stehende Ovale, deren Höhe etwa das vierfache ihrer Breite beträgt. Die grossen Achsen stehen fast parallel. An ihrem caudalen Eude laufen die Riechgruben in eine ziemlich seiehte Rinne zwischen Oberkiefer- und innerem Nasenfortsatz aus Das Jacobson’sche Organ zeigt sich als eine flache Rinne, deren Achse ungefähr in der Längsrichtung der Nasenöffnung liegt. Das caudale Ende der Rinne liegt dem Verlauf der inneren Riechgrubenwand gemäss mehr nach lateral als das apikale. Beim Anblick von ventral überblickt man das Organ in seiner ganzen Ausdehnung. Es liegt an der medialen Wand des Riechgrübchens fast an dessen Apertur; sein äusserer (medialer und ventraler) Rand hilft die Begrenzung des mit Sinnesepithel bekleideten Teils der Nasengrube gegen die Epidermis bilden. In der Höhenausdehnung, d. h. der apikal- caudalen Richtung, nimmt das Jacobson’sche Organ das mittelste Drittel der Riechgrube ein und reicht noch etwas in deren unteres Drittel. Seine quere Ausdehnung ist viel geringer, ungefähr '/ı der Höhenausdehnung, so dass es, von vorn gesehen, als langgestreckte Ellipse mit apikal-caudal gerichteter grösster Achse erscheint, 144 Franz Cohn: Entsprechend der rudimentären Ausbildung des Jacob- son’schen Organs beim Huhne finde ich eine der beschriebenen ähnliche Anlage nur bei Embryonen, die wenig jünger oder älter sind als die Exemplare von 5,6 mm Kopflänge. Bei einem Embryo von 5,3 mm Kopflänge ist eine leichte Einbuchtung der medialen Nasenwand ungefähr im mittleren Teil des Riechgrübchens vielleicht als Andeutung des Jacob- son’schen Organs aufzufassen. Jedoch persistiert diese Bildung nur durch 80 « und findet sich nuf in dem Riechgrübchen der einen Seite, während sie auf der anderen fehlt. Sie liegt im Bereiche des Sinnesepithels, das hier die gleiche Höhe wie in den übrigen Teilen der Riechgrube besitzt. Ein anderes Stadium von ebenfalls 5,3 mm Kopflänge zeigt gar keine Andeutungen eines Jacobson’schen Organs, eben- sowenig noch jüngere Stadien. Von Embryonen, die älter als die anfangs beschriebenen von 5,6 mm Kopflänge sind, bei denen also die Anlage des Jacobson’schen Organs ihren Höhepunkt überschritten hat, weist zunächst ein Exemplar von 5,7 mm Kopflänge eine ähn- liche, nur schon etwas reducierteBildung auf. Hier zeigt das Riech- grübchen ungefähr in der Mitte seiner Höhe an seiner medialen Wand nahe der Oeffnung an die Gesichtsfläche eine leichte Ein- buchtung, die von niedrigem Sinnesepithel ausgekleidet wird und durch 80 « sichtbar ist. Nach aussen von dieser Einsenkung beginnt das Teloderm. Fine ähnliche, gleichfalls durch SO « persistierende Bildung zeigt ein Embryo mit 5,9 mm Kopflänge. Spätere Stadien zeigen keine Spur eines Jacobson’schen Organs mehr. Die von mir als Jacobson’sches Organ beschriebene Ein- buchtung ist durch aktives Wachstum des Sinnesepithels entstanden und nicht etwa durch einen Druck, den das Gehirn auf die Riechgrube ausübt. Lezteres ist ausgeschlossen, da die mediale Wand des Geruchsorgans, an der die Bildung liegt, nicht parallel zum Gehirn steht. Wir kommen somit zu dem Resultate, dass den Vögeln ein rudimentäres Jacobson’sches Organ zukommt, wie dies ja auch bei ihrer nahen Verwandtschaft zu den Reptilien zu ver- muten war. Diese Anlage findet sich allerdings nur embryonal und gewinnt keine weitere Ausbildung. Die Entwicklungsstadien, Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens. 145 in denen sie auftritt, entsprechen ungefähr denselben Stadien (offene Nasenrinne), bei denen das Jacobson'sche Organ auch bei anderen Amnioten sich bildet. Damit fällt auch das Bedenken weg, das man schon wegen der zeitlichen Ungleichheit der Anlage bei der Mihalkovies-Ganin’schen Deutung haben muss. Die laterale Nasendrüse legt sich nämlich nach Born am 8. Be- brütungstage an, zu einer Zeit, wo die Muschelbildung bereits im vollsten Gange ist. Es wäre dies eine zeitliche Divergenz des Auftretens, die schwer zu erklären wäre Kurzum das Stadium von Mihalko vies und Ganin ist zu weit vorgeschritten, als dass es das Auftreten des Jacobson schen Organs denkbar machte. IV. Die Bildung der Nasenmuscheln. Von der Bildung der Nasenmuscheln sind einige bisher noch nicht beschriebene Einzelheiten erwähnenswert. Bekanntlich bildet das Sinnesepithel des Riechgrübchens beim Huhne zwei seitliche Muscheln, die als primäre oder mittlere und sekundäre, obere oder Riechmuschel bezeichnet werden. Die Vorhofsmuschel (vordere Muschel) dagegen nimmt vom Vestibulum, d.h. dem ein- gestülpten indifferenten Epithel ihren Ursprung. Die obere Muschel, die, wie schon Born angab, von der lateralen Seite der Riechgrube entspringt, ist von einigen Autoren dem Ethmoturbinale der Säuger gleichgestellt worden. Nun ist durch Untersuchungen von Peter festgestellt, dass die Ethmoturbinalia der Säugetiere durch Abspaltung von der medialen Nasenwand entstehen, während über der unteren Muschel, dem Maxilloturbinale, an der lateralen Wand sich das Nasoturbinale anlegt. Man kann also bei Säugetieren von medialen Muscheln (Ethmoturbinalia) und lateralen Muscheln (Maxillo- und Nasotur- binale) sprechen. Es wäre demnach interessant und für die Homologie der Nasenmuscheln wichtig, nachzusehen, ob die erste Anlage der oberen Muschel beim Huhne von der medialen oder lateralen Nasenwand ausgeht, ob diese also dem Ethmoturbinale oder dem Nasoturbinale der Säuger entspricht. Unter meinen Serien ist eine Anlage der oberen Muschel zuerst bei einem Embryo von 6,5 mm Kopflänge nachzuweisen. Sie beschränkt sich auf den apikalsten Teil der Riechgrube und ist von deren apikalen Ende um 100 « entfernt. Erst in ihrer weiteren Entwicklung breitet sie sich weiter abwärts in die Nasen- 146 Franz Cohn: höhle aus. Die Anlage selbst erstreckt sich bei dem genannten Stadium durch 120 « und erscheint als leichte Vorragung im dorsalen Teile der lateralen Riechgrubenwand (Tafelfigur 7). Mithin ist die obere Muschel des Huhnes dem Nasoturbinale und nicht dem Ethmoturbinale der Säuger homolog zu setzen. Zur Veranschaulichung der weiteren Entwicklung der oberen Muschel stellte ich ein Plattenmodell unter 8Ofacher Vergrösserung von einem Embryo her, der der Figur 30, also dem Stadium 80 in Keibels Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte des Hubns entspricht. Das Modell ist in Fig. 8 der beigefügten Tafel von der lateralen Seite aus gezeichnet. Von dieser Seite gesehen, erscheint die obere Muschel als eine schon recht bedeutende Einbuchtung der lateralen Wand in das Nasenhöhlenlumen. Die Vorwölbung beginnt wenige Schnitte vom apikalen Ende des Riechorgans entfernt und hat eine elliptische Form; ihre grösste Achse liegt in der Längsrichtung und hat eine. Ausdehnung von 440 «. Caudal von der oberen Muschel liegt, durch eine Ausbuchtung des Lumens, die sich im Modell als Wulst ausspricht, von dieser geschieden die mittlere Muschel. Sie zeigt eine rhombische Gestalt und ist nach ventral gegen die Vorhofsmuschel ebenfalls durch eine Aussackung des Lumens abgegrenzt. Zwischen oberer und mittlerer Muschel und zwar an deren dorsaler Begrenzung bildet das Lumen des Riechorgans eine nach caudal gerichtete Ausstülpung, die die Anlage des Sinus orbitalis darstellt. Caudal von der mittleren Muschel setzt sich die Nasenhöhle in einen schräg nach medial und hinten ge- richteten Gang fort, der in die Choanen ausmündet. Im Bereich der Vorhofsmuschel existiert kein Lumen, da sich die Muschel eng an die mediale Wand des Riechorgans anlegt und kein Zwischen- raum zwischen ihnen übrig bleibt. Auch im Bereich der apertura externa sind die beiden Wände verklebt, sodass das Modell von vorn gesehen an der Stelle einer äusseren Oeffnung nur eine flache Einsenkung von Halbmondform mit nach medial gerichteter Convexität zeigt. In diesem Stadium liegt, wie das Modell zeigt, die obere Muschel apikal über der mittleren Muschel. Da nun beim er- wachsenen Tiere die erstere dorsal von der letzteren liegt, so müssen innerhalb der weiteren Entwicklung erhebliche Lagever- änderungen stattfinden, indem nämlich die sekundäre Muschel Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hühnchens. 147 von apikal nach dorsal um die primäre Muschel herum rückt. Für das Verständnis der Muschelbildung ist auch ein Ver- gleich unseres Modells mit dem im dritten Kapitel beschriebenen und in Figur 6 der beigefügten Tafel abgebildeten Modelle eines Embryos von 5,6 mm Kopflänge von Wichtigkeit. Dieses jüngere Stadium zeigt am apikalen Ende des Riechorgans einen kleinen, scheitelwärts gerichteten Blindsack, der in der Abbildung durch Fortnahme der Gesichtsoberfläche sichtbar gemacht ist. In unserem zweiten, in der Entwicklung weiter fortgeschrittenen Modell ist der Blindsack bedeutend in die Länge gewachsen. In ihm liegt der grösste Teil der sekundären Nasenmuschel. Da nun in späteren Stadien der vorderste Teil des Geruchsorgans durch das Vestibulum gebildet wird, so verschiebt sich beim Auswachsen des Schnabels und damit auch der Nase der ur- sprünglich apikal gelegene Blindsack mehr nach dorsal; es müssen also die oben beschriebenen Lageveränderungen vor sich gehen. Zusammenfassung der Resultate. 1. Die erste Anlage des Geruchsorgans tritt beim Hühnchen nach der Bildung des Ohrgrübchens und der Linse in Form eines flachen, nicht eingesenkten Riechfeldes auf. . Die anfangs lateral am Kopfe gelegene Nasenanlage wandert nach der ventralen Kopfseite. 3. Das Riechfeld vertieft sich durch aktives Wachstum zu einer Grube, die erst später durch Wucherung der Um- sebung passiv tiefer gelagert wird. Diese Ueberwuche- rung, d.i. die Bildung der Nasenfortsätze, schreitet von caudal nach apikal fort. 4. Die Ränder der Riechgrube verkleben im Bereich des Teloderms, nicht des Sinnesepithels, und zwar unter Beteiligung des inneren und äusseren Nasenfortsatzes und des Oberkieferfortsatzes. 5. Das Hühnchen besitzt ein embryonal angelegtes, rudi- mentäres Jacobson’sches Organ. 6. Die sekundäre Nasenmuschel des Huhnes entsteht an der lateralen Wand der Riechgrube und ist dem Nasotur- binale, nicht dem Ethmoturbinale der Säuger gleichzu- setzen. 10) 148 Franz Cohn: 10. 7. Die sekundäre Muschel liegt zuerst apikal von der primären und wird später nach dorsal von dieser ver- lagert. Literatur - Verzeichnis. . Born, & : Die Nasenhöhlen und der T'hränennasengang der amnivten Wirbeltiere. II. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1879. . Ganin, M.: Einige Thatsachen in Betreff des Jacobson’schen Organs der Vögel. Arbeiten der naturf. Gesellschaft zu Charkow. 1891. Grosser, ©.: Zur Anatomie der Nasenhöhle und des Rachens der einheimischen Chiropteren. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIX. 1900. . Kölliker, A. v.: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. . Kölliker, A v.: Ueber die Entwicklung des Geruchsorganes beim Menschen und beim Hühnchen Würzburger medizinische Zeitschrift. Bd. I. 1860. . Mihalkovies, V. v.: Nasenhöhle und Jacobson’sches Organ. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIV./XXXV.Heft. Bd. XI. 1898. . Peter, K: Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. I. Das Wachstum des Riechgrübehens, Archiv f. mikr. Anat. Bd. LV. 1900. . Peter, K.: Zur Bildung des primitiven Gaumens bei Mensch und Säugetieren. Anat. Anz. Bd. XX. 1902. . Peter, K.: Anlage und Homologie der Muscheln bei Mensch und Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. LX. 1902. Preobraschensky, S.: Beiträge zur Lehre über die Entwicklung des Geruchsorganes des Huhnes. Mitteil. aus d. embryol. Inst. d. k. k. Universität Wien. Heft 189. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. .1. Querschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryos mit 72 Stunden Bebrütungszeit und 23 Urwirbeln. (100fache Vergrösserung). Das flache, noch nicht eingesenkte Riechfeld liegt lateral am Kopfe und ist von der Umgebung nicht scharf getrennt. Die Linse ist schon fast halbkreisförmig eingesenkt. . 2. Querschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryos von 4,1 mm Kopflänge. (50 fache Vergrösserung.) Zur Entwicklungsgeschiehte des Geruchsorgans des Hühnchens. 149 Das Riechepithel ist, namentlich medial, durch einen Wulst scharf von der Epidermis getrennt. Rechts wird das Geruchs- grübchen nur von Riechepithel ausgekleidet, links reicht die Epidermis schon ein klein wenig in die Riechgrube hinein. Fig. 3. Querschnitt durch das Geruchsorgan eines Hühnerembryos von 7,5 mm Kopflänge. ‘(100fache Vergrösserung.) Die Verklebungsstelle der Nasenfortsätze zeigt die zwei Epithel- und jzwei Telodermreihen erhalten. Das Teloderm reicht jenseits der Verklebungsstelle bis zur Höhe der primären Muschel. Die Figur ist ein wenig schematisiert, doch ist die Telodermgrenze genau angegeben. Fig. 4. Querschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryos von 5,6 mm Kopf- länge. (50fache Vergrösserung.) An der medialen Wand der Riechgrube ist das Jacobson- sche Organ sichtbar. Fig. 5. Querschnitt durch den Kopf eines Eidechsenembryos mit 47 Ur- wirbeln. (60fache Vergrösserung.) Die Figur zeigt denselben Entwicklungsgrad des Jacobson- schen Organs wie Figur 4 beim Hühnchen. Fig. 6. Modell des Kopfes eines Hühnerembryos von 5,6 mm Kopflänge. Linke Hälfte, (50fache Vergrösserung.) Das Riechgrübchen zeigt an seiner medialen Wand die rinnen- förmige Einsenkung des Jacobson’schen Organs (rot umrandet). Spitzenwärts ragt ein kurzer Blindsack des Geruchsgrübchens hervor. -] Fig. Querschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryos von 6,5mm Kopf- länge. (50fache Vergrösserung.) An der lateralen Wand findet sich die erste Anlage der sekundären Muschel. Fig. 8. Modell des Kopfes eines Hühnerembryos, entsprechend Fig. 30 in Keibels Normentafeln. Ansicht von lateral. Modelliert sind nur die Epithelschichten des Riechorgans, so dass die Muscheln, von lateral gesehen, vertieft erscheinen, Buchstabenerklärung. a. e. = Äpertura externa, a.n. = Aeusserer Nasenfortsatz. au. = Augenblase. c. p. = Primäre Muschel. ce. s. = Sekundäre Muschei. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 11 Franz Cohn: Zur Entwicklungsgeschichte etc. c. v., — Vorhofsmuschel. 9: = Gehirn. i.n. == Innerer Nasenfortsatz. J.O. = Jacobson’sches Organ. l. = Linse. ok. == Oberkieferfortsatz. T. = Riechgrube. rf. = Riechfeld. rw. = Randwulst des Riechepithels. s.0. — Sinus orbitalis. t.g. = Telodermgrenze. Verklebungsstelle der Nasenfortsätze. 151 Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin und aus der Privatklinik Dr. Karewski, Berlin. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea S. caudalis und der Entwicklung des ligamentum caudale beim Menschen. Von Dr. med. Ernst Unger und cand. med. Theodor Brugsch. Hierzu Tafel XI und XII und 2 Textfiguren. Die Veranlassung zu vorliegender Arbeit boten mehrere Fälle angeborener Fisteln der Kreuz-Steissbein-Gegend, die im Laufe der letzten Jahre von Herrn Dr. Karewski operiert wurden. Im Folgenden soll kurz der Krankheitsverlauf dieser Fälle und ihre pathologische Anatomie mitgeteilt werden, und im Anschluss daran über entwicklungsgeschichtliche Unter- suchungen berichtet werden, die zur Aufklärung des klinischen Befundes angestellt wurden. Disposition. Eigene Beobachtungen von Sacro-coccygealfisteln, deren Ent- wicklung im Zusammenhang mit dem ligamentum caudale stehen soll. II. Entwicklungsgeschichte des lig. caudale auf Grund eigenen Materials. 1. Das Material im Allgemeinen. Im Besonderen. 2. Zusammenfassung der Litteratur über den Schwanz und Schwanzfaden des Menschen, a. Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz’? und die Definition des menschlichen Schwanzes. b. Seine Grössen- und Formverhältnisse. c. Seine Anlage und morphologischer Bau. 3. Die Reduktion des Schwanzes und Bildung des Schwanz- fadens. 4. Die Umwandlung des Schwanzes in den Steisshöcker. rI* 152 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: 5. Die Bildung des lig. caudale und sein Verhalten zur Art. sacralis media und dem Sympathicus, zu den kau- dalen Rückenmarksresten, zur Haut. (fovea coccygea, glabella coccygea, vertex. IIE a. Die fovea coccygea, b. Die fistula coceygea und c. Die sacrococeygealenTumoren in klinischerHinsicht. d. Schwanzartige Bildungen. I. Die angeborenen Fisteln und Cysten der regio SAcr0coccygea. a. Eigene Beobachtungen. l. Gustav S., 24 Jahre alt, sonst stets gesund, klagt seit einiger Zeit über Schmerzen im Kreuz, bemerkt daselbst eine langsam wachsende Anschwellung, auf den Höhe sich in der Mittellinie schliesslich 2 Fistelöffnungen bildeten. Status: Schwellung der Haut in der Höhe der unteren Kreuzbeinwirbel mit zwei Fisteln, die miteinander kommunizieren, klargelbe Flüssigkeit entleerend, die Sonde dringt in annähernd gerader Richtung 3 cm tief bis auf den Knochen. Durch Operation wird eine über kirschgrosse Bindegewebs- Geschwulst entfernt, in deren Mitte ein Fistelgang verläuft, der in einer erbsengrossen Höhle mit ulcerierten Wänden endet: Heilung. Mikr. Untersuchung: Die Haut aus der Umgebung der Fistelöffnung trägt mittelhohe Papillen, reichlich Talgdrüsen, Schweissdrüsen und Haare, deren Richtung zur Fistelöffnung nicht auffallend konvergiert. Der oberflächliche Teil der Fistel- wand zeigt sämtliche Bestandteile der äusseren Haut, der tiefere verschwindet im Granulationsgewebe, das auch die Wand jener kleinen Höhle ausmacht. In der Umgebung der Fistel verlaufen zahlreiche Kapillaren; überall in der Umgebung kleinzellige Infiltration. 2. Dr. Hans E., 30 Jahre alt, bemerkt seit mehreren Monaten in der unteren Kreuzbeingegend eine Anschwellung von wechseln- der Grösse, in der letzten Zeit stetig wachsend; die Geschwulst entleert durch eine feine Oeffnung eiterähnliches Sekret. Status: Hühnereigrosse Geschwulst, der unteren Kreuzbein- gegend entsprechend, Haut darüber leicht gerötet; am unteren Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 153 Umfange der Geschwulst, etwa 4 cm vom Anus entfernt, mündet in der Mittellinie eine Fistel, durch die die Sonde erst 1 cm tief in direkter Richtung auf den Knochen, dann aber aufwärts 7cm weit gelangt. Exstirpation der Geschwulst, die dem Kreuz- bein aufsitzt, ohne mit ihm verwachsen zu sein. Heilung. Mikr. Untersuchung: Die Geschwulst besteht aus derben, narbig veränderten Bindegewebszügen, die meist parallel in die Tiefe ziehen und ausser zahlreichen Gefässen kleine Reste quer- gestreifter Muskulatur zwischen sich fassen. Die Fistel zieht durch diese Massen hindurch, hat meist 1 mm Durchmesser, ist mit abgestossenen verhornten Epithelien ausgefüllt und zeigt schon makroskopisch in der Wand Haare. Auf dem Querschnitt zeigt die Wand Pflasterepithel, bis zu 12 Lagen Epithelzellen; die Fistel endet blind. 3. Eduard P., 26 Jahre. Angeborene Sacralfistel: es sei hier nur hervorgehoben, dass die Umgebung der Fistelöffnung reichlich Haarwuchs zeigt und sich kraterförmig vertieft. Die Sonde dringt 1!/2 cm tief direkt auf rauhen Knochen. Die Fistel ist in Geschwulstmassen eingebettet, die in der Nähe der Haut aus derbem, fibrösem Gewebe bestehen, in der Tiefe meist nur aus Granulationsgewebe. Mit dem Knochen (Kreuzbein) ist das Ge- webe so eng verschmolzen, dass derselbe (unteres Ende des Sacrum) oberflächlich mit entfernt werden musste. Im Uebrigen bietet der Fall weder mikr. noch makr. Besonderheiten. Interessant ist, dass zwei Brüder dieses Kranken dasselbe Leiden aufweisen. 4. Heinrich Ha. (vergl. über diesen Fall, Therapie der Gegenwart, November 1900, M. Cohn.), 32 jähriger Kaufmann, 1894 Malaria, bemerkt 1899 eine schmerzhafte Schwellung auf dem Kreuzbein; die Haut darüber rötete sich allmählich, es bildete sich eine feineFistel, die auffallend viel klare Flüssigkeit entleerte. St. pr.: Etwa der Grenze von Kreuzbein und Steissbein entsprechend, befindet sich eine fast hühnereigrosse, flache, weiche Geschwulst, die sich von der Unterlage nicht deutlich trennen lässt. Auf der Höhe der Schwellung ist eine kleine Fistelöffnung, durch die die Sonde direkt bis auf den Knochen dringt. In der umgebenden Haut sind die Haare sämtlich kaudalwärts gerichtet. Diagnose: kongenitale Sakralfistel. Operation den 12. Ok- tober 1899. Man findet auf dem Kreuzbein aufsitzend eine 154 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: wallnussgrosse Höhle, aus der gleichsam als Fortsetzung der äusseren Fistel ein Gang bis auf den Knochen zu führen scheint und aus der sich plötzlich in starkem Strahl klare Flüssigkeit entleert. Der Sack wird ausgeschält, tamponiert. Nach 24 Stunden starke Nachblutung; T. 39°, P. 140, gleichzeitig Auf- treten cerebraler Störungen: Silbenstolpern, das in Monophasie übergeht, Delirien besonders heiterer Natur. Endlich völlige Bewusstlosigkeit und komplete rechtsseitige Lähmung des Facialis und oberer und unterer Extremitäten rechts. Während die Lähmungserscheinungen im Laufe der nächsten 48 Stunden zu- rückgehen, wechseln sich Schreidelirien mit Monolalieen ab; Patient singt in richtiger Melodie stets dasselbe Wort. Die. Wunde ist reizlos, auffallend nur beim Verbandwechsel eine stark seröse Durchtränkung der Verbandstoffe. Am 17. X. Besserung des Bewustseins, die Lähmungen schwinden mehr und mehr; 18. X. Vorübergehende Verschlechterung: Delirien, klonische | Krämpfe in den Beinen, daran anschliessend mehrtägige komplete Blasenlähmung. 4 Wochen nach Beginn der Erkrankung kann der Kranke das Bett verlassen, die Lähmungserscheinungen sind völlig geschwunden. Während des sonst normalen Wundver- laufes wurde eine punktförmige Oeffnung bemerkt, etwa der Stelle entsprechend, wo die Flüssigkeit sich früher entleerte, die Sonde dringt in das perirektale Gewebe (vielleicht zurückge- bliebene Cysten ?) Epikritisch bemerkt Cohn, dass die cerebralen Erschein- ungen nicht durch den Wundverlauf bedingt waren, auch nicht. durch eine Jodoformintoxikation, sondern voraussichtlich lag eine Embolie der art. fossae Sylvii vor, infolge marantischer Herz- thrombose. Wir werden später sehen, dass man möglicherweise auch zu einer anderen Auffassung dieser Krankheitserscheinungen kommen kann. Mikr. Präparat: Die '/s cm lange Fistel führt in eine kirschgrosse, ulcerierte Höhle, deren Wände von Fettgewebe um- seben sind. Die äussere Haut in der Umgebung der Fistelöffnung trägt auffallend hohe Papillen, zahlreiche Haarbälge mit Schweiss- und Talgdrüsen. Von der Cutis gehen zahlreiche parallele Binde- gewebsfasern in die Tiefe auf jenen Hohlraum zu, dessen Wände von Granulationsgewebe gebildet werden. In dem weitmaschigen Fettgewebe der Umgebung und der Bindegewebsstränge findet man Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 195 eine grössere Cyste von 2 mm Durchmesser mit 10 schichtigem Plattenepithel, das durch papillenartige Vorsprünge des perifistu- lösen Gewebes eingebuchtet wird; daneben 4—6 kleinere Cysten mit niedrigem Plattenepithel bedeckt und etwa ebenso viel schlauchartige Gänge mit einschichtigem Cylinderepithel. Es ist ferner das Vorhandensein von 6 kleineren erweiterten Venen her- vorzuheben, die parallel nebeneinander herziehend, die Fistel be- gleiten, ferner Reste quergestreifter Muskulatur und endlich zahlreiche Kapillaren. 5. Paul A., 20 Jahre alt, ist bereits zweimal wegen eines Abcesses dicht oberhalb der Steissgegend operiert worden; kommt wegen eines Recidives, das durch Exstirpation der in- filtrierten Partien beseitigt wird (Operat. Dr. Unger). Heilung. Soviel über unsere Beobachtungen, bei denen es sich nach dem Befunde um Fisteln und kleinere Cysten der regio sacro- coccygea handelt, die nach unseren heutigen Kenntnissen als an- geborene und in der |Entwickelungsgeschichte begründete anzu- sehen sind. Fast alle Autoren, die sich mit demselben Thema be- schäftigten, greifen zur Erklärung auf eine Arbeit vonHerrmann und Tourneux aus dem Jahre 1887 zurück. Diese erklären die Cysten aus den „vestiges coccygiens“ und schreiben die Ent- stehung der fovea wie fistula coccygea hauptsächlich der Wirkung des lig. caudale zu: Les vestiges coccygiens de la moelle &piniere qui se dirigent de bas en haut et d’avant en arrriere de la derniere vertebre coccygienne ä la peau, sont accompagn6s par des faisceaux lami- neux qui leur constituent une sorte d’enveloppe, et qui unissent l’extr&mit& inferieure de la colonne vertebrale ä& la face profonde du derme. Il resulte de cette disposition que dans le redresse- ment de l’extremite inferieure du corps et dans le d&veloppement des parties molles (pannicule, muscles etc.) la peau qui se trouve en regard des vestiges et qui r&pond & l’emplacement de l’ancienne eminence coceygienne, se trouve debordee progressivement par les partiees voisines et pourra tapisser une depression infundibuli- forme, la fovea coccygea. Luschka et Ecker ont design les faisceaux lamineux unissant le coccyx au fond de la depression sous le nom de liga- ment caudal, et ce ligament caudal a pu ötre constate par nombre d’observateurs ...... 156 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: le ligament caudal accompagnant les vestiges zoceygiens nous parait ainsi jouer le röle preponderant dans la formation de la fossette coccygienne. Wir möchten hier nur noch kurz erwähnen, dass Ecker jenes Steissbeingrübchen zusammen mit dem Steisshaarwirbel und und der Steissbeinglatze „als wahrscheinliche Ueberbleibsel em- bryonaler Formen in der Steissbeingegend“ bezeichnet. Fragen wir uns nun, was hat das lig. caudale für eine Bedeutung? Luschka, der Entdecker desselben sagt von ihm aus: „Die Steissbeininsertion des Afterschliessers überdeckt teil- weise den an der Rückenfläche des letzten Steissbeinstückes ge- schehenden Ursprung eines fibrösen, bandartigen Streifens — lig. apicis coceygis —, welcher da in das Gewebe der Cutis austrahlt, wo die Crena clunium ihren Anfang nimmt. Dieses Gebilde stellt gleichsam eine fibröse Fortsetzung der Steisswirbelsäule, gewisser- massen einen subcutanen Schweif dar, wonach es wohl auch lig. ° caudale genannt werden könnte.“ Nur aus den anatomischen Verhältnissen ohne Berücksich- tigung der Entwickelungsgeschichte hat also Luschka die Be- zeichnung lig. caudale abgeleitet. Ecker geht schon einen Schritt weiter, er leitet die Form der Haut der Steissgegend noch von der embryonalen Entwick- lung eines Schwanzes her; für seine Deduktionen jedoch fehlt es noch an der Grundlage exakter embryologischer Untersuchungen. Tourneux und Herrmann endlich leiten diese Unter- suchungen ein, beginnen allerdings erst bei einem Embryo von 2) cm Länge das lig. caudäle zu berücksichtigen. Da wir den Höhepunkt einer Schwanzentwicklung aber schon bei 4—6 Wochen alten Föten finden, sind ihre Studien nicht ganz beweis- kräftig. So schien es uns eine dankbare Aufgabe, die Entwick- lungsgeschichte der regio sacrococcygea genau zu studieren, zu- mal da wir jetzt über feinere Untersuchungsmethoden verfügen und uns ein grösseres Material zu Gebote stand. Weiterhin hofften wir, dass sich für die Beurteilung der angeborenen Fisteln und Oysten dieser Gegend einige neue Gesichtspunkte ergeben werden. II. Eigenes Material. Wir werden nur Studien verwenden, die uns Uebergänge vom Schwanz bis zur Bildung der fovea coccygea bieten, d. h. Föten von über 1,5 cm Länge; unsere Studien von 1,5 cm Länge abwärts Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 157 ergaben nichts, was den vollkommenen Untersuchungen Keibels in dieser Hinsicht hinzuzufügen wäre. Das Material zu dieser Arbeit haben wir zum Teil selbst gesammelt, zum Teil verdanken wir es der Güte folgender Herren: Abel, Benda, Blumreich, Dührssen, Michaelis, Müllerheim, Opitz, Philipps- thal, Pick, Wiesenthal, Zondek. Zu ganz besonderem Danke sind wir Herrn Professor Keibel verpflichtet, der in der entgegenkommensten Weise uns seine Präparate zur Durchsicht überliess. Angaben über die Herkunft der Embryonen unterlassen wir. da wir nur über den kleinsten Teil derselben genauere Auskunft zu geben imstande sind. In Folgendem geben wir eine Uebersicht, der von uns untersuchten Stadien, indem wir dabei bemerken, dass uns noch ein grösseres Material zur Verfügung gestanden hat, aus dem wir nur die nachfolgenden Embryonen ausgewählt haben, da sie sich besser erhalten zeigten. Die Embryonen sind durchweg so gemessen, dass ihre Scheitel-Steisslänge am Rücken entlang be- stimmt wurde. Bei einigen Embryonen geben wir ausserdem die Länge der Nackenlinie d.h. die Grade vom Nacken zum Steiss an. Uebersichtstabelle. una. Bezeichnung No. | ru Ns No. Steisslänge 1 B° II. 15 mm 14 mm 2 AB. VI. 2,5 cm 18,10% 3 Dü. IV Moe. a2 chi 4 ES. V EN al RR a 5) Fr. X DD 6 | Da. xI Grpaiag, 7 Mü XI. ie > SI XII. la, g. RU XIV. Ko 10. Op. XV. Ban.) Die Embryonen waren meist in 10°/o Formalin konserviert, ferner in Müller’sche Flüssigkeit, Sublimat, selten in Alkohol. Die Einbettung geschah durchweg in Paraffin, die Färbung im Stück meist mit Boraxkarmin ev. Nachfärbung mit Bleu de Lyon 158 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: und Bismarckbraun. Die Schnittdicke betrug durchgehends 15 «.. nur bei den zwei grössten Embryonen 25 «. Untersuchungen der einzelnen Embryonen. 1. Embryo TB No. H Scheitelsteisslänge 18 mm, NL 16mm in Paraffin eingebettet, aus der Anzahl der Schnitte bestimmt ergiebt seine Länge 14 mm. Wir erhielten den Embryo noch von seinem Amnion einge- hüllt. Mit dem Chorion stand er durch eine etwa 1 cm lange Nabelschnur in Verbindung. Die Fxtremitäten sind gebildet. Die untere Rumpfhälfte endigt in Form eines nach abwärts stehen- den, umgeknickten Zäpfchens, dessen Basis sich deutlich von dem unteren Rumpfende abhebt. Dieses Zäpfchen (Schwanzfaden) besitzt eine Länge von 0,2 mm. Der Embryo wurde von dem Amnios befreit, in Formalin fixiert, mit Boraxkarmin durchge- färbt und in Paraffin eingebettet. Leider haben wir ihn in eine Serie von Querschnitten zerlegt, was der Untersuchung für unsere - Zwecke nicht allzu günstig war, wir müssen deshalb zu einer Profilrekonstruktion greifen, um die Verhältnisse des unteren Rumpfendes deutlich zu machen. An dieser Profilrekonstruktion (Fig. 1, Taf. XI, vergleiche: auch das Modell No. 1 in Fig. 24, Taf. XII) erkennt man deutlich, dass das untere Rumpfende sich in den grossen basalen Abschnitt. gliedert, aus dem der Steisshöcker hervorgehen soll, und einen kurzen Faden, den wir Schwanzfaden nennen wollen. Kurz. charakterisiert enthält der basale Teil ausser dem Rückenmark noch Wirbelanlagen, während solche dem Schwanzfaden fehlen. Hingegen erstreckt sich das Rückenmark auch noch in den Schwanzfaden hinein, um sich an dessen Spitze in ein Zellen- blastem aufzulösen. Man erkennt hier sehr gut, dass am Schwanze bereits regressive Prozesse eingesetzt haben, denn wir finden, dass die vier letzten Kaudalsegmente die in früheren Studien getrennt waren, zu einem einzigen verschmolzen sind. Wir finden in dem Schwanzfaden auch keine Chorda mehr, sie endigt bei unserem Embryo in dem letzten bereits ver- schmolzenen Kaudalsegment. Der Schwanzfaden enthält in seinem Innern neben der Medulla spinalis noch Mesoderm, das mit dem letzten Kaudal- segment in Verbindung steht. Dieses Mesoderm können wir als Rest der Schwanzknospe ansprechen. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 159 Aus der Zählung der Segmente ergeben sich uns 8 kaudale Segmente, wobei allerdings die vier letzten bereits verschmolzenen einzeln gezählt sind. Auf den Schnitten lassen sich die Grenzen der vier Segmente, die im übrigen konfluiert sind, doch noch als getrennt erkennen. Vom 9, letzten Segment an aufwärts lassen sich Nerven für die untere Extremität auffinden, während abwärts den nächsten vier Segmenten Nerven zukommen, die nur kaudal- wärts ziehen, also reine Kaudalnerven sind. In Uebereinstimmung hiermit dürfen wir schliessen, dass das achtletzte Segment, das hier sakralen Charakter besitzt, später sich in einen kaudalen Wirbel umbilden wird, cefr. Rosenberg (s. Litt. No. 29) und Petersen (s. Litt. No. 26), mithin also schon jetzt als erster Kaudalwirbel gezählt werden darf, sodass wir also hier 8 Kaudal- segmente mit 4 Kaudalnerven haben. An der ventralen Fläche des Schwanzendes verläurt das impare Ende der Aorta mit einer Vene und lässt sich bis in den Schwanzfaden hinein verfolgen. Wir geben in unserer Fig. 2, Taf. XI die Abbildung eines Quer- schnittes wieder, der dem in unserer Profilrekonstruktion durch einen Strich angedeuteten Schnitt entspricht. Auf demselben ist das Rückenmark zweimal getroffen, oben und unten. Auf der unteren Seite sehen wir gerade die Uebergangsstelle des Rücken- marks in den Schwanzfaden. Man erkennt auf dem Schnitte ferner die 4 letzten verschmolzenen Kaudalsegmente, denen cranialwärts 5 weitere, von einander aber getrennte Segmente vorangehen. An den Seiten der Segmente erkennt man Nerven, die teils der Länge nach, teils quer getroffen sind; die zwei oberen sind Sacral-, die übrigen Kaudalnerven. 2. Embryo AB. No VII. Scheitel-Steisslänge 2'/2 cm. Der Embryo AB war in Müller’scher Flüssigkeit konser- viert. Bei der Uebernahme war er noch mit dem Chorion durch die Nabelschnur verbunden, doch war das Amnion bereits eröffnet. Der Embryo zeigte an seiner oberen Rumpfhälfte zwei Abnormitäten. Einmal befand sich in der Gegend der Dorsal- wirbelsäule eine etwa 4 mm lange Rhachischisis, während sich an der Mittelhirnbeuge ein etwa 3 mm langer median ver- laufender Spalt fand, den wir, allerdings nicht mit Sicherheit, als Kranioschisis ansprachen. Da die untere Rumpfhälfte durch- aus normale Verhältnisse darbot, so konnte sie für unsere Unter- 160 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: suchungen Verwertung finden. Dieselbe wurde in Paraffin ein- gebettet und in 15 « dicke Sagittalserienschnitte zerlegt, die dann mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt wurden. Das untere Rumpfende unseres Embryo befindet sich auf einem Uebergangsstadium. Zwar imponiert dasselbe makro- skopisch bereits als Steisshöcker, doch müssen wir ihm nach mikroskopischer Untersuchung dieses Recht absprechen. Das konisch zulaufende untere Rumpfende überragt nämlich noch die Afteröffnung um die Länge seiner letzten 3 bis 4 Segmente, s0- dass wir nach Keibel’s Definition (s.u.) hier noch von einem Aussenschwanz reden müssen, der sich in der Achsenrichtung der letzten Kaudalsegmente in ein quastenartiges Gebilde, das der Segmente entbehrt, fortsetzt und dem wir auf letzters Kriterium hin gleich jetzt den Namen Schwanzfaden geben. Und doch haben wir trotz des Aussenschwanzes ein Recht, hier von einem Uebergang zur Steisshöckerbildung zu reden, da die Segmente der Kaudalregion, die in ihrem kaudalsten Abschnitte bereits reduziert sind, durch eine leise angedeutete ventral gerichtete Achenkrümmung die spätere Eminentia cocceygealis zu bilden beginnen. Zwei Momente nämlich sind wichtig zur Bildung des Steisshöckers: 1. Die Verschmelzung (Reduktion) der kaudalsten Segmente, 2. Die Achsenkrümmung der Kaudalwirbel. Aus dem kaudalsten Ende des Embryo geht, wie wir auch bereits an unserem Embryo TB gesehen haben, der Schwanzfaden hervor. Während wir an unserem vorigen Stadium bereits eine Verschmelzung der vier letzten Kaudalwirbel konstatieren konnten, beginnen hier erst die drei letzten Kaudalwirbel zu ver- schmelzen. Wir müssen daher den Zeitpunkt . dieser Ver- schmelzung als in gewissen Grenzen variabel ansehen. — In der Schwanzquaste können wir auch hier wieder den nicht differen- zierten Rest der Schwanzknospe feststellen, der noch mit dem letzten Kaudalsegment in Verbindung steht (efr. Fig. 9, 10, 11, Taf. XI.) Das kaudale Ende des Medullarrohres ist noch nicht wesentlich reduziert, nimmt infolgedessen auch die ganze dorsale Seite der unteren Rumpfhälfte ein. Das Rückenmark endet erst in der Schwanzfadenquaste, wo es kein Lumen mehr besitzt; dies Lumen ist aber in dem übrigen Schwanzteile des Rückenmarkes deutlich zu erkennen. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 161 Im Conus medullaris geht die einfache glatte Höhlung des Centralkanals in einen stark und unregelmässig, besonders an seiner hinteren Wand ausgebuchteten Hohlraum über, der be- deutend weiter als der Centralkanal ist (s. Fig. 3, Taf. XI). Das anscheinend nur aus Epithelien bestehende Rohr des kaudalen Teiles der Medulla enthält bei genauerer Untersuchung auch noch Nervenfasern, von denen Faserbündel zu den letzten Segmenten sich abzweigen. Wenn wir versuchen, die der kaudalen Region angehören- den Segmente abzugrenzen, so müssen wir — die bereits ver- schmolzenen Kaudalsegmente einzeln gezählt — hier wiederum 8 Kaudalsegmente annehmen, indem nämlich der letzte Sacralnerv dem neuntletzten Segmente zukommt. Analog mit dem Embryo TB zeigt der erste Kaudalwirbel auch hier sacralen Charakter. Dem 1., 2. und 3. Kaudalsegment oder Kaudalwirbel kommt je ein Kaudalnerv mit Ganglion zu, die an der ventralen Seite der Wirbel umbiegen und, sich zu einem Nerven vereinigend, kaudal- wärts ziehen. Diesem letzteren Nervenstamme gesellt sich ein Ast vom letzten Sacralnerv zu (s. Fig. 13a, Taf. XI). Wie schon erwähnt, besteht der wesentlichste Teil des Schwanz- fadens bei dem Embryo AB aus dem Ende des Medullarrohres. Neben dem Medullarrohr findet sich dann das Mesenchym, das wir als Rest der Schwanzknospe aufgefasst haben. Dass wir dazu im phylogenetischen Sinne Berechtigung haben, das lehrt uns, dass in ihm sich die Endäste der Arteria sacralis media verzweigen (s. Fig. 14). Bekanntlich bildet diese Arterie bei erwachsenen Menschen eine die Aorta in der Medianlinie fort- setzende, stark verkümmerte Arterie, deren kaudales Ende sich in der glandula coceygea zu verlieren scheint (s. Waldeyer- Joessel Bd. II, S. 533). Regelmässig zu den Wirbeln abgehende Seitenzweige deuten noch darauf hin, dass sich diese Arterie zu der Metamerie des Schwanzes ebenso verhält, wie Brust- und Bauchaorta zu der Metamerie des Rumpfes. Geschwänzte Tiere besitzen eine stark ausgebildete Aorta caudalis. Auch an den beiden menschlichen Embryonen (1,7 cm und 2,5 cm) dürften wir mit gutem Recht von einer Art. caudalis sprechen, denn die ziemlich grosse Arterie, die hier die Fort- setzung der Aorta vorstellt, hat die ganze schwanzartige untere Rumpfhälfte unterhalb des Ursprungs der unteren Extremitäten 162 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: zu versorgen; sie verläuft unmittelbar an der ventralen Seite der Segmente in Begleitung einer Vene und entsendet zwischen die einzelnen Segmente Seiten-Aeste, die sich wieder an der dorsalen Seite der Segmente verästeln. Das Ende der Art. caudalis liegt in Form vieler Endäste in dem Mesenchym des Schwanz- fadens, der dadurch, wie schon gesagt, seine phylogenetische Bedeutung empfängt (s. Fig. 14). Einzelne Aeste der Arterie treten in die verschmolzenen Segmente ein, da wo sie aneinander grenzen. Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass die Chorda gestreckten Verlaufes in der Achse der Wirbelsäule verläuft, um in dem letzten Segment da zu enden, wo das Mesenchym des Schwanzfadens seinen Ursprung nimmt. Die Zeichnungen 2—12 Taf. XI sind 10 dicht beisammen- liegende Schnitte aus der Serie, die die Form des unteren Rumpf- endes und des Schwanzfadens, dazu die gröberen Verhältnisse von Rückenmark und Segmenten demonstrieren sollen. Figur 13a und 13b sind schematische Zeichnungen der Gefässverteilung und der Nervenverteilung des unteren Rumpfendes. 3. Embryo Dü. No. IV. Scheitel-Steisslänge 4'!/s cm, fixiert in Formalin. Durchfärbung in Boraxkarmin. Die in Paraffın eingebettete untere Rumpthälfte ist in eine Sagittalschnittreihe von 15 4 Dicke zerlegt. Vergleicht man die Schnitte dieses Embryo mit denen des 2!/s cm Stadiums, so spricht auf den ersten Blick sein caudales Ende als Steisshöcker an. Wir sehen an den Kaudalwirbeln — denn inzwischen haben sich die Kaudalsegmente zu Wirbeln mit knorpligem Bau differenziert — nichts mehr von einer Reduktion wie an vorigem Embryo; ja wir müssen sogar zugestehen, dass diese Wirbel ein starkes Wachstum durchgemacht haben, was sich am besten in der rechtwinkeligen Knickung der letzten 4 Kaudalwirbel zur gesamten übrigen Wirbelsäule ausspricht. Das Rückenmark nahm im vorigen Stadium die ganze Länge des Rumpfes ein und reichte bis zur Spitze des Schwanzfadens. In diesem Stadium ist durch das Längenwachstum der Wirbel- säule ein Unterschied eingetreten; das Rückenmark überragt nicht mehr die Wirbelsäule an Länge und reicht auch nicht mehr bis zur Spitze des Schwanzfadens. Das Stück Rückenmaık, das ursprünglich in dem Schwanzfaden sich befand, liegt jetzt unter- Zur Kenntnis der foxea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 163 halb des Niveaus der Haut, der Basis des Schwanzfadens dicht an. Der Schwanzfaden hat also seinen Halt verloren und er besteht jetzt nur noch aus Bindegewebszügen, die sich senkrecht an .die untere Fläche des letzten Kaudalwirbels begeben, wo sie mit dem Perichondrium sich verbinden (s. Fig. 14, Taf. XI). Der Schwanz- faden hat jetzt die Form eines Daumens, dessen Nagelphalanx proximalwärts gebogen ist. An seiner Spitze findet sich ein zelliges Blastem, in welchem früher das Rückenmark endete. Was sind nun die Bindegewebszüge? Da sie von dem letzten Kaudalwirbel zu dem Schwanzfaden ziehen, sind wir berechtigt, sie ohne weiteres von den Mesenchymresten, die wir an unseren vorigen Embryonen gefunden haben, abzuleiten; dass sie statt der Richtung der Achse der letzten Wirbel eine dazu recht- winklige einnehmen, darf uns bei der veränderten Lage des Schwanzfadens und der Wirbelsäule nicht verwundern. Wir haben aber noch andere Gründe, die uns gestatten, sie als aus den Mesenchymresten hervorgegangen zu bezeichnen, das ist das Verhalten der Art. sacralis media. Betrachten wir nämlich den Schwanzfaden auf seine Struktur bin, so sehen wir, dass Gefässe in ihn hineintreten, die dem Verlaufe der Bindegewebszüge gefolgt sind und die dem Ende der Art. sacralis media zugehören. Diese Arterie zieht auch hier an der ventralen Seite der Kaudalwirbel in der Medianlinie entlang, um schliesslich um den letzten Kaudalwirbel herum dorsalwärts in die besprochenen Bindegewebszüge hineinzubiegen und sich hier resp. in dem Schwanzfaden in ihre Endäste auf- zulösen. Einige Aeste gehen auch noch zu dem kaudalen Rücken- marksende. Unsere Untersuchung bestätigt also entwicklungsgeschichtlich die Ansicht von Luschka, dass es sich um eine schwanzartige Bildung handelt, und zeigt, wie das lig. caudale als ein Rest des menschlichen Schwanzes aufzufassen ist. Wir finden übrigens die Art. sacralis media hier in ihrer Entwicklung gegenüber der unseres 2!/. cm und 1,7 cm Embryo stark reduziert, und das hat seinen Grund in der Steisshöcker- bildung des unteren Rumpfendes. Das Gebiet, das sie versorgt, fällt jetzt schon stärkeren Nebenästen der Aorta zu. Während sie früher gestreckt verlief, macht die Arterie jetzt an der Grenze des vierten und fünften Kaudalwirbels einen Knick, 164 Ernst Un’ger u. Theodor Brugsch: Was die Chorda dorsualis anbetrifft, so verläuft diese ge- streckt in der Längsachse der Wirbelsäule, um schliesslich in dem letzten Kaudalwirbel aufgeknäult zu enden. Eine Gabelung, wie Keibel sie in der Figur 17, (Jahrgang 1896) bezeichnet, haben wir nicht gesehen. Das Ende tritt in dem Wirbel dicht an die Stelle heran, wo das lig. caudale seinen Ursprung nimmt Dass sich die Chorda in einem Wirbel aufknäult, können wir. worauf schon Rosenberg hingewiesen hat, vielleicht als Beweis, dafür ansehen, dass dieser letzte Kaudalwirbel seine Entstehung einerVerschmelzung mehrerer Segmente zu einem einzigen verdankt. Dem kaudalen Rückenmarksende müssen wir an unserem Embryo ein ganz besonderes Interesse zuwenden. Das Rücken- mark geht unter starker Abnahme seines Volumens in ein epitheliales Rohr über, dessen Lumen die Fortsetzung des Centralkanals ist. Diese Uebergangsstelle bezeichnen wir mit conus medullaris und bemerken an ihr dieselbe Thatsache wie an unserem 2!/s cm Embryo, dass das Lumen des Centralkanales hier sehr stark ausgebuchtet ist, indem speziell die Ausbuchtung an der hinteren Wand desselben stark hervortritt. Ehe wir nun auf die Verhältnisse des Epithelrohres ein- gehen, wollen wir kurz die Befunde referieren, die Tourneux und Herrman an einem Embryo von 37 mm erhoben, der ob- gleich etwas kleiner als der Embryo Dü. doch Verhältnisse dar- bietet, die auf ein grösseres Alter schliessen lassen. Tourneux und Herrmann fanden, dass die letzten 3 Wirbel einen rechten Winkel mit dem oberen Teil der Wirbelsäule bilden, (eminentia coccygea) und dass das eigentliche Rückenmark in der Mitte des drittletzten Kaudalwirbels mit einem aufgefaserten Ende endigt und: „A ce niveau le canal de l’&pendyme disparait et la moelle se continue inferieurement par un tractus fibrillaire parsem6 ca et lä groupes de cellules &chelonndes sans ordre apparent, de- pourvu de lumiere centrale et ne mesurant pas plus de 20 « de diametre.“ „Vers le bord superieur de la derniere vertebre caudal le cordon medullaire se renfle subitement et present une cavite assez spacieuse et la moelle se termine ainsi par une portion ampullaire de forme allongee coupant toute la hauteur de la derniere vertebre.“ Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 165 Haben wir auch an der rechtwinkelig gebogenen Form des untersten Teiles der Wirbelsäule ähnliche Befunde (abgesehen davon, dass wir den letzten Kaudalwirbel von Tourneux und Herrmann aus der Verschmelzung unserer beiden letzten Wirbel hervorgegangen denken müssen), so weichen doch unsere Befunde in Bezug auf das Epithelrohr erheblich von den ihrigen ab. Wir finden von dem viertletzten Kaudalwirbel his herunter zum unteren Rand des letzten ein medullares Epithelrohr mit relativ weitem und an manchen Stellen wechselndem Lumen. Es besteht dieses Rohr aber nicht allein aus Epithelien, sondern wir finden in seiner Peripherie auch längsverlaufende Fasern, die wir bereits an unserem vorigen Stadium konstatieren konnten. Der allerletzte Teil dieses Rohres ist nun zu einem fast voll- ständigen Bläschen abgeschnürt, dessen Lumen kaum noch mit dem des Epithelrohres kommuniziert. Was nun diesem Bläschen aber eine besondere Wichtigkeit verleiht, ist das, dass es an das lig. caudale befestigt ist und dass es Gefässe von den Endästen der Art. sacralis media empfängt (s. Fig. 14, Taf. XI). Dieser Teil, der den Ausgangspunkt für die vestiges coceygiens von Tourneux und Herrmann darstellt, ist derjenige des kaudalen Rücken- marksendes, der früher seine Behausung in dem Schwanzfaden hatte. Bringen wir ihn zusammen mit dem lig. caudale und seinen Gefässen, so können wir diesen Rückenmarksteil als das kaudale Rückenmarksrudiment bezeichnen, oder kurz „kaudaler Rückenmarksrest“ nennen.!) Untersuchungen über die morphologische Stellung der letzten Wirbel ergeben uns folgende Befunde. Das Sacrum wird von dem sechst- bis elftletzten Wirbeln gebildet. Da der Mensch nur 5 sakrale Wirbel besitzt, so dürfen wir nach Rosenbergs Untersuchungen annehmen, dass der letzte Sakralwirbel zum ersten Kaudalwirbel wird, so dass auf diese Weise das Sacrum nur 5 Wirbel behält. Es stimmen hiermit auch die Unter- suchungen der Nerven überein, indem sich nämlich ergiebt, dass dem letzten Sakralwirbel ein Kaudalnerv zukommt, was schon an und für sich für die kaudale Natur dieses Wirbels spricht. Wir finden dann noch für den nächsten Kaudalwirbel einen ı) Dieses Bläschen findet sich bei fast allen Embryonen der Vertebraten- Reihe am Ende des kaudalen Rückenmarks (Kupfer’sches Bläschen) efr. auch Harrison, S. 196 Anmerk. 1 dieser Arbeit. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 12 166 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Kaudalnerven, welche sich beide unter Vereinigung mit einem Aste des letzten Sakralnerven zu einem Stamme zusammenfügen, der an der ventralen Seite des Kaudalwirbels kaudalwärts zieht (Fig. 16, Taf. XII). — Wir haben somit 6 Kaudalwirbel und da der Mensch gewöhnlich nicht mehr Kaudalwirbel wie 5 besitzt (efr. Steinbach) so müssen wir annehmen, dass in der Fötalperiode noch eine Verschmelzung der beiden letzten Kaudalwirbel ein- tritt, oder dass es sich hier um einen zufälligen Befund handelt. Fig. 14 und Fig. 15, Taf. XI stellen zwei Schnitte aus der | Serie vor. Fig. 15 lässt deutlich die winkelige Knickung der unteren Wirbelsäule, Schwanzfaden und lig. caudale erkennen; das kleine Bläschen (k. R) stellt den kaudalen Rückenmarksrest vor. Fig. 15 zeigt in schöner Weise Conus medullaris (ce. m.) und Epithelrohr der Medulla (E.). Fig. 16 gibt die schematische Zeichnung des Nervenverlaufes der beiden Kaudalnerven und des letzten Sakralnerven. 4. Embryo 5 und 6. Unser nächstes Stadium, das durch zwei Embryonen von 5!/s cm repräsentiert wird, von denen der eine sagittale der zweite transversal geschnitten ist, ergibt Befunde. die etwa den bereits angeführten Befunden von Tourneux und Herrmann entsprechen, das heisst, das kaudale Epithelrohr zer- fällt in eine pars superior (faseriger Teil) und eine pars inferior (vestiges coccygiens). Ueber das lig. caudale ergibt uns das Stadium sehr interessante Beobachtungen. A. EmbryoV. E.S. Scheitel-Steisslänge 5!/s cm in Alkohol fixiert, in Boraxkarmin durchgefärbt und in Paraffin geschnitten. Das untere Rumpfende desselben wurde in 15 « dicke Serien- schnitte quer zur Längsachse zerlegt. B. Embryo X. Fr. Scheitel-Steisslänge 5?/s cm in Formalin fixiert, in Boraxkarmin durchgefärbt. Einbettung in Paraffın, die untere Rumpfhälfte wurde in 15 « dicke Serienschnitte zerlegt, die dann mit Bismarckbraun (wässrige Lösung) und Bleu de Lyon (alkoholische Lösung) nachgefärbt wurden. Die Haut ist an der Eminentia coccygea etwas lädiert, was aber die uns interessieren- den Befunde wenig beeinflusst. (Untersuchung B.) Die äussere Form imponiert stark als Eminentia coceygea, bedingt durch das starke Prominieren der drei letzten fast rechtwinkelig zur übrigen Wirbelsäule gebogenen Kaudalwirbel. An dem letzten Kaudalwirbel können wir noch Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 167 eine Verschmelzung aus zwei Kaudalwirbeln konstatieren. Dem- gemäss liegt auch die Biegungsstelle der Kaudalwirbelsäule wie beim vorigen Stadium nicht am viertletzten, sondern am dritt- letzen Kaudalwirbel. Forschen wir nach der Stellung der letzten Wirbelpartie zur Wirbelsäule, so ergiebt sich, dass das Sacrum aus den 5—9 letzten Wirbeln besteht. Der zehntletzte oder erste präsacrale Wirbel zeigt aber bereits einen Bau, der auf eine nahe bevor- stehende Adaption dieses Wirbels mit dem Sacrum hinweist, also auf einen Zustand, wie wir ihn bereits an dem vorigen Embryo ausgebildet gesehen hatten. Dafür beginnt der letzte Sacralwirbel sich aus dem Verband der Sacralwirbel zu lösen, sodass wir auch schon jetzt den letzten Sacralwirbel als ersten Kaudalwirbel zählen dürfen. Wir haben somit 5 Kaudalwirbel, eine Zahl, die dem Erwachsenen (Manne) und Neugeborenen gewöhnlich zukommt (s. Steinbach). Der Conus medullaris liegt in diesem Stadium in der Höhe des ersten und zweiten Kaudalwirbels.. An unserem vorigen Embryo lag er in der Höhe des zweiten und dritten Kaudalwirbels. Wir können daher hier- aus einen weiteren Aufstieg oder Ascensus medullae entnehmen; gleichwohl bleibt aber, wie wir noch weiter unten entnehmen werden, das kaudale Ende des Rückenmarks an das lig. caudale fixiert. Es zieht sich infolgedessen das Epithelrohr zu einem fadenartigem Gebilde aus, das wir filum terminale nennen. Im Conus medullaris erweitert sich die Höhlung des Central- kanales unregelmässig, doch sehen wir auch hier eine stärkere Ausbuchtung der hinteren Wand und der beiden Seitenwände wiederkehren, wie wir sie schon an jüngeren Stadien zu kon- statieren Gelegenheit hatten. Am unteren Rand des zweiten Kaudalwirbels geht dann der Conus medullaris in das filum terminale über, in dem sich die Höhlung des Centralkanals noch auf das oberste Stück des filum terminale fortsetzt. Dieses läuft alsdann an der dorsalen Seite des dritten und vierten Kaudalwirbels abwärts, nur aus Fasern bestehend „parseme ca et lä de groupes de cellules“ (T.u.H.) und geht an der dorsalen Fläche des fünften Kaudalwirbels in die kaudalen Rückenmarks- reste oder vestiges coccygiens über. Sie stellen hier einen epithelialen Hohlraum dar von etwas unregelmässiger Form, dessen Längsache die Achse des filum terminale fortsetzt. Diese 12* 168 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: kaudalen Rückenmarksreste sind, wie schon oben angedeutet wurde, durch das lig. caudale fixiert, das hier seinen Ursprung von der unteren Fläche des letzten Kaudalwirbels nimmt und dorsal- wärts (etwa senkrecht zur Richtung des letzten Kaudalwirbel) zur Haut zieht, um sich in dieselbe zu verlieren. Der Schwanz- faden — seines Rückenmarkes beraubt — ist verloren gegangen, aber die zu Bindegewebe umgewandelten Mesenchymreste, die die Verbindung zwischen letztem Kaudalwirbel und dem Schwanz- faden hergestellt haben, sind erhalten geblieben und ihr Ansatz entspricht der Stelle, wo der Schwanzfaden ursprünglich gesessen hat. Die Stelle, wo das lig. caudale die äussere Haut erreicht (d. i. die spätere fovea coccygea) ist doppeltem Zuge ausgesetzt: einmal von der Steissbeinspitze her (lieg caudale), zweitens dem Zuge des Duralsackes und filum terminale, die cranialwärts steigen. Neu ist das Verhalten des Sympathicus: Bekanntlich besteht das distale Ende der beiderseitigen Grenzstränge in einem auf dem ersten Kaudalwirbel liegenden Ganglion, dem sogenannten Ganglion impar s coccygeum, oder es verbinden sich die Enden beider Grenzstränge zu einer Schleife. Luschka (das Becken S. 194.) findet aus dem Ganglion impar resp. aus der durch den Zusammenfluss der beiden Sym- pathicusenden gebildeten Schlinge „ausser den hinteren Rami- communicantes zu dem vorderen Aste des Steissnerven 2 bis 3 zarte Fädchen hervorgehen, welche die sehr verjüngte Fort- setzung des Stammes der Arteria sacralis media begleiten und nur dann in ihrem weiteren Verhalten geprüft werden können, wenn der aus ihnen, aus dem genannten Gefässe und dem diese Teile verbindenden Zeilstoffe bestehende Stiel der Steissdrüse: nach Behandlung mit Essigsäure der mikroskopischen Unter- suchung unterworfen wird.“ Ein Teil dieser Nervenfasern lässt Luschka nun in sehr kleinen Vaterschen Körperchen endigen, den anderen Teil dagegen in dem Drüsenparenchym der Steiss- drüse verschwinden. An einigen will er sogar eine Endigungs- weise in Gebilden konstatieren, denen er die Eigenschaften einer unipolaren terminalen Ganglienzelle zuerkennt. Wir haben diese Befunde von Luschka bereits hier zitiert, weil wir nämlich an jüngeren Stadien, an denen sich eine Bildung oder Anlage der Steissdrüse noch nicht findet, eher in der Lage sind, über das Verhalten des Sympathicus sichere Auf- Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 169 schlüsse und ein sicheres Urteil zu gewinnen und weil, wie wir noch sehen werden, selbst an viel älteren Stadien, an denen sich bereits die ausgesprochene Anlage der Steissdrüse findet, die Verhältnisse des Sympathicusendes sich wenig verändern. An unserem Stadium endigen die beiden Grenzstränge jederseits in einem Ganglion auf dem ersten Kaudalwirbel, Aus diesen beiden Ganglien kommen zwei Nerven hervor, die abwärts konvergieren und sich in einem Ganglion vereinigen, das auf dem zweiten Kaudalwirbel liegt. Damit ist aber noch nicht das Ende des Sympathicus erreicht, sondern aus diesem ganglion impar geht ein Nervenstrang von etwa gleicher Grösse wie die Art. sacr. media hervor, indem 'sich auf dem dritten und letzten Wirbel noch Ganglien-Zellen finden, und der schliesslich in Be- gleitung der Endäste der Art. sacralis media sich zu dem lig. caudale begiebt, wo er sein Ende findet. Die Verhältnisse der peripheren Kaudalnerven sind dieselben geblieben wie an unserem vorigen Stadium, das heisst, wir finden zwei Kaudalnerven, denen sich ein Ast vom letzten Sakralnerv zugesellt. Die vereinigten Nerven ziehen kaudalwärts zur Spitze des letzten Kaudalwirbels. Wir wollen an diesem Stadium hier genauer auf die Hüllen des Rückenmarks in der Gegend der Kaudalwirbelsäule eingehen. zumal da die Querschnitte (A.) uns gestatten, die Untersuchungen an den Sagittalschnitten zu ergänzen (B). Das Rückenmark wird in seiner ganzen Continuität von einer feinen dicht anliegenden, Gefässe führenden Zellschicht überkleidet, die die Anlage der Pia mater vorstellt. Nach aussen von der Pia mater folgt dann die Dura mater, die oberhalb des zweiten Kaudalwirbels die ganze Innenfläche des Wirbelkanals auskleidet, indem sie von dem Periost der Wirbelkörper nur durch eine geringe Lage eines grossmaschigen Gewebes getrennt wird, während sie an den Seiten und Rückteilen des Kanales, wo Bögen, Muskeln und Bänder nebst Periost erst in statu nascendi begriffen sind, dicht anliegt. Unterhalb des zweiten Kaudalwirbels schlägt sich dann die ganze Dura unmittelbar auf das Filum terminale über, indem sie sich allseitig trennt von dem Periost und der fibrösen Fortsetzung des Wirbelkanales und bildet — durch einen Zwischenraum noch von dem filum ter- minale getrennt — gleichsam ein filum terminale externum im Gegensatz zum internum. Das Ende der Dura mater an den kaudalen Rückenmarksresten liegt in dem lig. caudale. 170 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Fig. 17, Taf. XII giebt eine schematische Abbildung des sagittal geschnittenen Embryo E. S. V. wieder. In das lig. caudale (lig. ce.) sieht man die Arterie (A. s. m.) und das Ende des Sym- pathicus (Sy.) hineinziehen, deren Endäste sich in demselben auflösen. Die kaudalen Rückenmarksreste (k. R.) sind dorsal- wärts vom letzten Wirbel an das lig. caudale fixiert; proximal- wärts setzen sich die vestiges coccygiens in das filum internum (f. 1.) fort, das von dem filum externum (f. e.) umkleidet wird. Conus medullaris (c. m.) mit dem Ventriculus terminalis (V. t.) ist leicht zu erkennen. Fig. 18, Taf. XII stellt einen Querschnitt vor, der etwa durch den dritten nnd vierten Kaudalwirbel hindurchgeht. Dorsalwärts ist das fil. terminale (ohne Lumen!) (f.i.) quergetroffen, das von einem Ring (f. e.) der Dura mater umgeben wird. Von einem erossmaschigen Gewebe getrennt folgt alsdann das Periost (P.), das die kaudale Fortsetzung des Rückgratkanales darstellt und für das filum terminale einen vollständigen Kanal bildet. 5. Embryo Da. No. XI. Scheitel-Steisslänge 9 cm. Fixation in Müller’scher Flüssigkeit. Paraffineinbettung nach vorheriger Durchfärbung in Boraxkarmin. Das untere Rumpfende wurde abgetrennt und in 15 « dicke Sagittalserienschnitte zerlegt, die auf dem Öbjektträger mit Bismarckbraun und Bleu de Lyon nach- gefärbt wurden. | ‚ An diesem Embryo war makroskopisch kein Steisshöcker mehr vorhanden. Diesen Umstand verdankt der Embryo der starken Ausbildung seiner Glutealmuskulatur, die mit der Ent- wicklung des Beckens Hand in Hand geht. Es will uns aber scheinen, als ob nicht allein die Weichteile die Ursache des Verschwindens der Eminentia coccygea sind, sondern, dass auch die Kaudalwirbel selbst ein aktives Moment bei dieser Metamor- phose bilden. Wenn man nämlich dieses Stadium mit unserm vorigen vergleicht, wo die Eminentia coccygea auf der Höhe stand, so fällt einem sofort auf, dass die Umbiegungsstelle der Kaudalwirbelsäule nicht wie am vorigen Stadium am dritten Kaudalwirbel liegt, sondern höher steht und zwar an der Grenze des ersten und zweiten Kaudalwirbels. Damit ist nicht nur eine Verkürzung der Wirbelsäule um die Länge eines Kaudalwirbels erreicht, sondern es wird vor allem auch eine grössere Rundung dieses Teiles der Wirbelsäule erzielt. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis ete. 171 Was die morphologische Stellung der Wirbel der unteren Rumpfhälfte anbetriftt, so wird das Sacrum von dem sechst- bis zehntletzten Wirbel gebildet, sodass wir jetzt 5 Kaudalwirbel besitzen, von denen der erste bereits eine Metamorphose vom Sakralwirbel zum Kaudalwirbel durchgemacht hat. Die sehr stark ausgeprägte Anlage seiner cornua coccygea, dazu die gut entwickelten Seitenfortsätze geben Zeugnis von seiner früheren sakralen Stellung in der Wirbelsäule. Anlagen von Wirbelbögen finden sich in geringem Masse auch an dem zweiten und dritten Kaudalwirbel. Der letzte Kaudalwirbel lässt auch hier noch seine Verschmelzung aus zwei Kaudalwirbeln erkennen, und in dem Teil, der dem allerletzten Kaudalwirbel vor seiner Verschmelzung entsprach, findet sich auch noch ein Chordaknäuel, der im Wirbel dort sein Ende erreicht, wo der Ursprung des lig. cau- dale ist. Die Verhältnisse des Rückenmarkendes gestalten sich an diesem Stadium folgendermassen: Das eigentliche Rückenmarksende, der Conus medullaris, liegt in der Höhe des ersten und zweiten Sakralwirbels und geht dann an der oberen Grenze des dritten Sakralwirbels in das filum terminale über, das an der dorsalen Seite der Wirbel entlang kaudalwärts zieht, und in der Höhe des vierten Kaudalwirbels in den kaudalen Rückenmarksresten endet (vgl. später). Im Conus medullaris erweitert sich das Lumen des Centralkanals zu dem Ventriculus terminalis, in dem wir auch hier wieder die typische Ausbuchtung an der dorsalen Wand finden. Eigentümlich ist hier eine an der ventralen Seite gelegene Ausbuchtung, die am unteren Ende des Öentralkanales im Conus medullaris beginnt und ein sehr erhebliches Stück aufwärts zieht. Das Ende des Centralkanales hat .trichterförmige Gestalt und liegt noch im Conus medullaris an der Stelle, wo das filum terminale beginnt. Unmittelbar dem Rückenmark an liegt die gefässführende Pia mater, die auch das filum terminale in seinem ganzen Ver- laufe hegleitet, indem sie untrennbar mit seinen Fasern ver- schmolzen ist. Die Dura mater kleidet oberhalb des unteren Endes des Conus medullaris (dritten Sakralwirbels) die ganze Innenfläche des Wirbelkanals aus, indem sie mit dem Periost der Seiten- und Rückteile des Kanals eng verschmolzen ist, während sie von dem Periost der Wirbelkörper noch durch eine ganz 172 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: ansehnliche Lage grossmaschigen Gewebes getrennt wird. Un- gefähr am unteren Rande des dritten Sakralwirbels schlägt sich dann die Dura mater von der Peripherie des Rückgratskanals auf das centrale filum terminale über und bildet für dieses eine rohrartige Hülle, die sich bis zum lig. caudale mit dem filum terminale verfolgen lässt. (Filum externum und internum der Autoren). Betrachten wir die Verhältnisse des filum terminale externum zu seiner Umgebung, so finden wir, dass dasselbe vom dritten Sakralwirbel bis zum ersten Kaudalwirbel von einem grossmaschigen Gewebe eingebettet in dem Wirbelkanal liegt; weiter abwärts setzen sich aber die lateralen und dorsalen Teile des Wirbelkanals (die aus Wirbelbögen, Muskulatur und Periost resp. erst aus den Anlagen dieser Gebilde bestehen) in Gestalt eines fibrösen Kanales fort, der sich mit dem Periost des Kaudal- wirbelkörpers verbindet. Dieser fibröse Kanal in seiner Ver- bindung mit den Kaudalwirbeln wird einfach Periost genannt, es ist aber nicht zu vergessen, dass er phylogenetisch denselben Wert wie die Bogenplatte der mehr caudalen Wirbelsäule be- sitzt. Jene Hülle schliesst das filum externum eng ein, es ist aber immer noch ein Zwischenraum zwischen beiden Gebilden zu konstatieren. Die Verhältnisse des filum terminale finden wir also unserem vorigem Stadium gegenüber nur insofern geändert, als durch den weiteren Ascensus medullae, dasselbe sich um die Länge dreier Wirbel ausgezogen hat, dagegen bieten die kaudalen Rückenmarksreste mit dem lig. caudale ein anderes Bild dar. Bei unserem vorigen Stadium befand sich der Ansatzpunkt des lig. kaudale senkrecht über dem letzten Kaudalwirbel, also ungefähr an der Stelle, die der Radix des später verloren gegangenen Schwanzfadens an unseren 4!/s cm Stadium ent- sprach. Hier an diesem Stadium setzt das ligament sich etwa in der Höhe des vierten Kaudalwirbels also des zweitletzten Wirbels an, sodass also das ligamentum caudale nunmehr schräg aufwärts zieht. Worauf beruht diese Veränderung’? Tourneux und Herrmann haben bereits ein Höherrücken der Haut gegen die Wirbelsäule bei ihren vestiges coccygiens angenommen. Wir müssen auch dasselbe annehmen, indem wir eine Wachstumsdifferenz zwischen Haut und Wirbelsäule zu Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 173 Gunsten der letzteren substituieren, was sich unserer Meinung nach auch in dem bereits oben dargelegten Verhalten der Kaudalwirbelsäule aussprichtt. Tourneux und Herrmann glaubten nur, dass die vestiges coccygiens an die Haut befestigt wären und dem Zuge der Haut folgten Wir können ihnen aber nur sehr bedingt zustimmen; denn diese vest. cocc. sind an das lie. caudale befestigt und wenn dieses erst infolge des Zuges der - Haut nach aufwärts strebt, dann nimmt sie die kaudalen Rücken- marksreste mit aufwärts, sodass also das kaudale Ende derselben nunmehr proximalwärts gerichtet ist. Unser Stadium veran- schaulicht in hübscher Weise gerade wie die kaudalen Rücken- marksreste infolge ihrer Fixierung an die Fasern des lig. caudale dem Zuge dieses Bandes folgen: ein Teil läuft bereits mit dem Bande und in demselben während die proximale Hälfte der kaudalen Rückenmarksreste noch die Richtung des filum termi- nale in dessen letztem Abschnitt besitzt (vgl. Fig. 19, Taf. XII, KR und lig. c.). Die kaudalen Rückenmarksreste sind daher in sich spitzwinklig geknickt. Rückt das lig. caudale noch weiter höher, so wird auch noch der proximale Teil der Rückenmarksreste in das Band hineingezogen werden. In das lig. caudale schickt die Art. sacralis media (Fig. 19) (A.s. m.) wieder ihre Endäste hinein, indem sie hier begleitet ist von dem unpaaren Ende des Grenzstranges des Sympathicus (Fig. 19 Sy.). Als letztes Ganglienpaar des Grenzstranges können wir zwei Ganglien vor dem fünften Sakralnerven erkennen, aus denen zwei Nerven hervorgehen, die zu einem unpaaren Ganglion vor dem ersten und zweiten Kaudalnerven konvergieren. Das ganglion impar entsendet daun einen ebenfalls unpaaren Stamm mit der Arterie zum lig. caudale, der vor dem letzten Kaudal- wirbel noch eine Anhäufung von Ganglien trägt. Untersuchungen des peripheren Nervensystems der Kaudal- gegend ergeben nur einen einzigen Kaudalnerven, der durch einen Ast vom letzten Sakralnerven verstärkt wird. Figur 19 stellt die schematische Zeichnung eines Median- schnittes durch das untere Rumpfende des Embryo vor. 6. Embryo Mü. No. XII Scheitel-Steisslänge 11 cm. Fixation in Formalin. Die untere Rumpfhälfte wurde in Boraxkarmin durchgefärbt und in Paraffin eingebettet. Sagittalschnittserie von 15 « Dicke; die Schnitte wurden mit Bismarckbraun und Bleu de Lyon nachgefärbt. 174 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Die Untersuchung der Wirbel der unteren Rumpfhälfte er- gibt, dass der fünft- bis neuntletzte Wirbel das Sakrum bildet. Wir besitzen daher hier nur 4 Kaudalwirbel. Den ersten 4 Sacralwirbeln kommen bereits geschlossene Bögen zu; der fünfte Sakralwirbel bildet den Hiatus canalis sacralis. Der erste Kaudalwirbel trägt ausgesprochene Cornua coccygea und Processus transversi, wir müssen für diesen eine über- standene Metamorphose aus einem Sakralwirbel annehmen. - Der zweite wie dritte Kaudalwirbel trägt Bögenanlagen, wenn auch nur sehr gering ausgesprochen. Fragen wir nach der Ur- sache, warum wir hier nur 4 Kaudalwirbel statt 5 unseres vorigen Stadiums haben, so finden wir nur zwei Möglichkeiten zur Erklärung dieses Umstandes. (Die Möglichkeit, dass durch sakrale Umbildung die Zahl der Kaudalwirbel noch vermehrt wurde, ist ebenso gut an unserem vorigen, wie an diesem Stadium auszuschliessen, da bei beiden der erste Kaudalwirbel eine solche Umbildung bereits hinter sich hat.) Erstens kann es sich über- haupt um eine um eins verminderte Wirbelanlage in früherer Periode handeln, oder es ist hier eine Verschmelzung zweier Kaudalwirbel eingetreten. Für Letzteres möchten wir uns ent- scheiden; wir finden nämlich den letzten Kaudalwirbel unseres Stadiums grösser als den vierten und fünften Kaudalwirbel des vorigen Stadiums zusammengenommen, sodass wir also gut auf eine Verschmelzung dieser beiden Kaudalwirbel schliessen können, zumal da man aus der längsovoiden Form dieses Wirbels sich zwei Wirbel herauskonstruieren kann. Die Verhältnisse des Rückenmarkendes sind die gleichen wie an unserem vorigen Embryo, d. h. der Conus medullaris liegt in der Höhe des ersten und zweiten Sakralwirbels und geht dann etwas unterhalb der oberen Grenze des dritten Sakralwirbels in das filum terminale über. Ein Ventriculus terminalis im Conus findet sich auch hier wieder und lässt auch deutlich eine Ausbuchtung an seiner hinteren Wand erkennen. Das filum terminale verläuft dann an der dorsalen Seite der Wirbelkörper, eng von der Dura mater umschlossen abwärts bis zum Kaudalwirbel, biegt hier senk- recht dorsalwärts um und zieht zu den kaudalen Rückenmarksresten. Wo das filum terminale zusammen mit der Dura (filum terminale externum) die Kaudalwirbel herabläuft, biegt es in den Kanal, der von der Fortsetzung des Periostes gebildet wird. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis ete. 175 Einen Fortschritt gegen das vorige Stadium zeigt dieses in dem Verhalten des lig. caudale. Es verläuft dieses Band von der Spitze des letzten Kaudalwirbels schräg aufwärts zur Haut, um etwa in der Höhe des dritten Kaudalwirbels in die Haut einzustrahlen. Es hat sich also die Haut bereits einen Kaudal- wirbel in dieser Gegend höher aufwärts verschoben und diesem Zuge der Haut ist auch das an die Haut fixierte lig. caudale gefolgt und als wesentlicher Fortschritt dokumentiert sich, dass die ganzen kaudalen Rückenmarksreste nunmehr ganz und gar von dem lig. caudale umfasst werden. Hiermit im Zusammen- hange erklärt sich auch das rechtwinklige Verbindungsstück des filum terminale, das weiter nichts als das kranialwärts gezogene Ende des filum terminale vorstellt. Die kaudalen Rückenmarksreste stellen einen von Epithel ausgekleideten Hohlraum dar von der halben Länge des dritten Kaudalwirbels. In ihre ventrale Fläche strahlen die Fasern des filum terminale hinein, die hier an einigen Stellen Zeilen mit sehr grossen Kernen aufweisen, und die vielleicht als Ganglien- zellen zu deuten sind. An dem proximalen und kaudalen Ende der Rückenmarks- reste befinden sich kleinere Hohlräume, Aussackungen des grossen schachtelartigen Hohlraums, die unserer Meinung nach der Aus- druck von selbständigem Wachstum der kaudalen Rückenmarks- reste sind, insofern sich nämlich mit dem Epithel dieser Neben- räume keine Endfasern des filum terminale mehr in Verbindung setzen. Auch hier gesellen sich dem lig. caudale noch die End- äste der Arteria sacralis media und des Sympathicus zu, indem beide um die Spitze des letzten Kaudalwirbels herum in das Ligament einbiegen. Von den Endästen der Arterie ziehen auch hier wieder einige Zweige in dem lig. caudale speziell zu den Rückenmarksresten. Der Sympathicus zeigt in seinem Ende dasselbe Verhalten wie an dem vorigen Stadium, d.h. ein unpaares Ganglion vor dem ersten Kaudalnerv, aus dem ein mit der Arterie verlaufen- der unpaarer Nervenstamm hervorgeht, der aber weiter keine Ganglien besitzt. Gleich unserem vorigen Stadium haben wir hier einen Kaudalnerven, der einen Ast von dem letzten Sakralnerven empfängt. 176 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Fig. 20, Taf. XII gibt einen schematischen Medianschnitt wieder, während Figur 21 das Verhältnis des Sympathicusendes zu dem Sakrum und den Kaudalwirbeln zeigen soll. Embryo S.J. XIII. Scheitel-Steisslänge 15 cm. _Fixation in Formalin, die untere Rumpfhälfte wurde in Boraxkarmin durch- gefärbt und in eine Serie von 15 « dicken Sagittalschnitten zerlegt. Die Zahl der Kaudalwirbel dieses Embryo beträgt 5. Der erste trägt wieder stark ausgesprochene Cornua coccygea und Processus transversi. Der zweite und dritte Kaudalwirbel zeigen leichte Andeutungen von Bögenanlagen. Knochenkerne trifft man vom dritten Sakralwirbel inklusive an aufwärts. Das Ende des Conus medullaris und damit der Beginn des filum terminale liegt in der Höhe des ersten Sakralwirbels; Untersuchungen über den Ventriculus terminalis konnten an diesen wie den noch folgenden Embryonen nicht mehr angestellt werden, da die Gegend des Steisses unterhalb des Conus medullaris aus dem Embryo herausgeschnitten worden war. Das filum terminale lässt sich umschlossen von der Dura mater in dem Rückgrats- kanal, bis zum Ende des Sakrums und dann weiter abwärts in dem Kanal des Periosts bis in die Gegend des vierten Kaudal- wirbels verfolgen, wo noch ein Zusammenhang des filum mit den kaudalen Rückenmarksresten konstatiert werden kann. ‚Das lig. caudale, das an diesem Embryo sich keiner allzu- grossen Deutlichkeit ebenso wie die kaudalen Rückenmarksreste erfreut, zieht von der Spitze des fünften Kaudalwirbels zur Haut in der Gegend des vierten Kaudalwirbels. Nur aus einem Vergleich mit dem vorigen Stadium ist dasselbe als solches zu erkennen. In seinem Verlaufe beherbergt es in der Höhe des vierten Kaudalwirbels die Rückenmarksreste, die eine zellige Masse vorstellen von der Länge des vierten Kaudalwirbels etwa, ohne Regelmässigkeit der Form. Nur ab und zu findet man in den Zellmassen ein Lumen; der Verbindung dieser kaudalen Rückenmarksreste mit dem Ende des filum terminale ist bereits gedacht worden. Im lig. caudale findet man dann weiter die Endäste der Arteria sacralis media, und das Ende des Sympathicus. In der Höhe des letzten Kaudalwirbels bemerkt man hier an dem Stamme der Art. sacr. med. zum erstenmale Bildungen, Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 177 die später den wesentlichen Bestandteil des Glandula coccygea ausmachen. Man sieht nämlich an dem Stamme der Arterie kleine Gebilde, die Zweige der Arterie vorstellen und die an manchen Stelien divertikelartig ausgebuchtet sind; Luschka, der Entdecker dieser Drüse sah sie als schlauchartige Hohlgebilde an mit überaus wandelbaren Formverhältnissen. „Die wenigsten haben eine gleichmässige Weite; die meisten sind vielmehr nach Art aneurysmatisch veränderter kleiner Blut- gefässe mannigfaltig ausgebuchtet, ... . .“ Gegenbauer (1896) sagt in seinem Lehrbuch der Anatomie des Menschen von der Drüse aus: „Grösseres Interesse, als die Struktur des Organs begründet, empfängt dasselbe durch die Vergleichung. Gleiche Knötchen erweisen sich nämlich bei geschwänzten Säugetieren als Um- bildungen der Rami spinales der Kaudalarterien an jener Strecke des Schwanzes, welche keinen Rückgratskanal mehr führt. Danach stehen sie mit der Rückbildung des Schwanzes, vor- nehmlich des kaudalen Abschnittes des Rückenmarks, im Zu- sammenhang, und auch beim Menschen wird das Organ so gedeutet werden dürfen.“!) Wir finden diese Divertikel der Arterie nur an der Steiss- beinspitze, im lig caudale verästelt sich dann die Arterie ohne diese Erweiterung ihrer Endäste. Das Verhalten des Sympathicusendes ist hier folgendes. Die Vereinigung der beiden Grenzstränge findet sich erst auf dem dritten Kaudalwirbel in einem ganglion impar; bis dahin besitzen die beiden Grenzstrangenden noch je ein Ganglion auf dem ersten Kaudalwirbel und letzten Sakralwirbel. Aus dem Ganglion impar geht der unpaare Nervenstamm hervor, der noch ein Ganglion vor dem vierten Kaudalwirbel und ein kleines Ganglion an der Steissbeinspitze trägt. Die Auflösung des Nerven findet mit den Endästen der Arteria sacralis media in dem lig. caudale statt. 7. Embryo R. U. No. XIV. Scheitel-Steisslänge 18 cm. Fixation in Formalin; die untere Rumpfhälfte wurde in Borax- karmin durchgefärbt, in Paraffin eingebettet und in eine Sagittal- schnittserie von 25 « Dicke zerlegt. !) Vergl. auch Jacobsohn (No. 18). Unsere Untersuchungen stehen im Gegensatz dazu. 178 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: . Der Embryo besitzt 5 Kaudalwirbel, von denen der erste wieder Processus transversi und cornua coccygea besitzt. Der letzte Steisswirbel ist im Begriff, mit dem vorletzten eine Ver- schmelzung einzugehen. Die Kaudalwirbelsäule bildet mit dem unteren Teil des Sakrum zusammen eine starke dorsalwärts gerichtete Konvexität. An diesem Stadium findet man bereits im vierten Sakralwirbel einen Knochenkern. Das lig. caudale (s. Fig. 22, Taf. XII lig. c.) entspringt von der Spitze des letzten Kaudalwirbels und zieht schräg aufwärts zur Haut, wo es in der Höhe des dritten Kaudalwirbels endigt. Es umschliesst die kaudalen Rückenmarksreste und trägt die Endäste der Art sacralis media und in deren Verlauf den Grenz- strang des Sympathicus. Die kaudalen Rückenmarksreste stellen hier im Wesent- lichen ein langes Epithelrohr vor (die Länge ist etwa gleich der Länge des vierten Kaudalwirbels), das an seinem kaudalen Ende noch einige unregelmässige Hohlräume trägt. An der ventralen Seite bemerkt man einige Fasern, die im lig. caudale abwärts ziehen und sich mit dem in dem dorsalen Periost der Kaudal- wirbel liegenden filum terminale verbinden. Das filum terminale verschmilzt gewissermassen jetzt mit dem Periost der Kaudal- wirbel, da dieses das filum so eng umschliesst, dass es sich nur mit sehr grosser Mühe aus dem Periost herausfinden lässt. Die Art. sacralis media zieht um die Steissbeinspitze herum in das lig. caudale, wo ihre Endäste sich auflösen. An der Steissbeinspitze findet sich dann ein kleines, in ein grossmaschiges Gewebe eingebettetes Paket von Divertikeln der Arterie, die mit dem Stroma zusammen die Anlage der glandula coccygea bilden. Die Arterie wird von dem ganglienlosen unpaaren Ende des Sympathicus begleitet, das dem ganzen Verlauf des Gefässes und seiner Endäste folgt. Das unpaare Ende geht aus der Ver- bindung der beiden aus dem letzten Sakralganglienpaar hervor- sehenden Nerven hervor, die auf dem ersten bis zweiten Kaudal- wirbel liegt. Wir haben hier an der Rückenhaut noch die Bildung von Haarfollikeln zu verzeichnen, die für uns ein ganz besonderes Interesse in der Gegend des Steissbeins beanspruchen, insofern wir nämlich an diesem Embryo an dem Ansatzpunkt des lig. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 179 caudale an die Haut die kleine Glatze finden, auf die Ecker hingewiesen hat. In der Umgebung dieser Glatze konvergieren die Follikel, wodurch aussen auf der Haut später ein Haarwirbel entsteht (s. d. Fig. 22). Wir fanden auch schon an unserem vorigen Stadium die Anlage von Haarfollikeln, allein hier war die Bildung der glabella und des vertex coceygeus noch nicht so deutlich ausgesprochen. Wird dann, wie wir noch sehen werden, die Ansatzstelle des lig. caudale an die Haut grübchenförmig eingezogen, so haben wir statt der glabella coceygea eine fovea coccygea, in deren Umgebung sich die Verhältnisse der Haare ebenso ge- stalten würden, nur dass der Haarwirbel durch den Zug des Bandes noch verstärkt wird. Figur 22 stellt einen schematischen Medianschnitt durch die Gegend des Steissbeines unseres Embryos vor. 8. Embryo Op. No. XV. Scheitel-Steisslänge 25 cm. Alter des Embryo 7. Mondsmonate. Die Gegend des Steisses ist aus dem in Formalin fixierten Embryo herausgeschnitten, entkalkt und nach Durchfärbung in Boraxkarmin und Einbettung in Paraffin in eine Serie von 25 « dicken Sagittalschnitten zerlegt. Der Embryo zeigt äusserlich in der Steissbeingegend folgende Eigentümlichkeit der Haut: man bemerkt in der Median- linie in der Höhe der letzten Steisswirbel (Beginn der crenia elunium) eine längliche Einziehung der Haut, welche- dadurch hervorgerufen zu sein scheint, dass die Haut an dieser Stelle an die Wirbelsäule fixiert ist, während die Umgebung in Folge eines reichlichen Fettpolsters höher liegt (fovea coccygea). Dieses Grübchen stellt zugleich das Haarzentrum der Steissgegend vor, indem alle Haare der näheren und entfernteren Umgebung (regio glutaea, Kreuz- und Steissbeingegend) mit den Haarschäften nach diesem Zentrum hin konvergieren und an der fovea coccygea selbst dadurch einen Wirbel (vertex coccygeus) erzeugen. Dieses Verhalten der Haare und die Bildung des Steiss- grübchens haben wir bisher an allen Stadien dieses Alters beobachtet, und wir sprechen darum die Vermutung aus, dass auch der grösste Teil aller Embryonen dieser Altersklasse einen vertex und eine fovea in der Steissbeingegend besitzt. Die mikroskopische Untersuchung lieferte uns folgende Befunde. Dem Embryo kommen nur 4 Kaudalwirbel zu, dem 180 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: ersten mit cornua coccygea und processus transversi. Die Krümmung der Kaudalwirbel mit dem Sakrum in Form eines starken, nach hinten konvexen Bogens ist ähnlich wie an dem vorigen Stadium. Knochenkerne finden sich in den Wirbelkörpern erst vom vierten Sakralwirbel ab aufwärts. Das lig. caudale entspringt von der Spitze des Steissbeins und inseriert sich in der Höhe des dritten Kaudalwirbels an die Haut genau an der Stelle, wo die fovea coccygea sitzt. Das Band umgibt eine grosse Uyste, fast von der Länge des letzten Kaudalwirbels, welche dicht unter der Haut des Grübchens liegt. Von der ventralen Seite dieser Cyste sieht man eine Schleife von Fasern zu dem Periost der Kaudalwirbel umbiegen, in das sie sich ver- lieren. Wir deuten sie als die Verbindung mit dem filum ter- minale der Kaudalwirbel. Dieses lässt sich nur noch an einzelnen Stellen im Periost nachweisen, aber nicht als ein kontinuier- licher mit dem filum terminale des Rückenmarks im Zusammen- hang stehender Faserstrang. In das lig. caudale biegen die Endäste der Art. sacralis media hinein, die von dem unpaaren Ende des Sympathicus be- gleitet wird. Dieser unpaare Stamm kommt aus dem Ganglion impar her und trägt auf dem zweiten und dritten Kaudalwirbel je eine gangliöse Anschwellung. Das letztere Ganglion ist zusammen mit den Divertikeln der Art. sacralis media, die rudimentäre Spinalzweige der Arterie vorstellen und scheinbar ein kommuni- zierendes Gefässnetz bilden, in einen aus maschigem Gewebe bestehendem Mantel eingehüllt und stellt solcher Gestalt die Anlage der Steissdrüse vor. Diese liegt hier ventralwärts in dem Raum zwischen dritten und vierten Kaudalwirbel; durch die Steissdrüse tritt der Stamm der Arterie und des Sympathicus. Am meisten interessieren uns hier die Befunde der Haar- follikel und ihr Verhalten zum lig. caudale. Es stellt sich nämlich heraus, dass die Ansatzstelle des lig. caudale an die Haut frei von Haarfollikeln ist; die Haare der Umgebung kon- vergieren zu diesem Ansatzpunkt. So sehen wir die Thatsache, dass der Steisshaar- wirbel und das Steissgrübchen bedingt werden durch das lig. caudale. - Kö) ar Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 181 Fig. 23, Taf. XII stellt einen schematischen Medianschnitt durch die Steissbeingegend des Embryo vor. Wir wenden uns jetzt zur Besprechung des menschlichen Schwanzes. 2. Schwanz und Schwanzfaden des Menschen. a. Durch die Untersuchungen von Keibel über den Schwanz menschlicher Embryonen ist dieses Gebiet bereits so geklärt worden, dass wir davon Abstand genommen haben, unsere Unter- suchungen über die Entwicklung des Schwanzes anzuführen. Wir haben uns deshalb begnügt, die Ergebnisse über Form, Entstehung und Bau des menschlichen Embryonenschwanzes aus der Literatur zusammenzutragen, um alsdann mit Verwertung unserer Untersuchungen die weiteren Schicksale des Schwanzes weiter zu verfolgen. Zu allererst wollen wir aber die Frage „besitzt der Mensch in seinem Fötalleben einen Schwanz?“ im historischen Zusammenhang beantworten. Denn gerade diese Frage hat den Forschern viel zu schaffen gemacht, zumal da seit Aufstellung des biogenetischen Grundgesetzes (Häckel) dem embryonalen menschlichen Schwanz ein besonderes Gewicht bei- gelegt wurde, um die nahe Beziehung des Menschen zum Tier in der Phylogenie zu beweisen. Zu der Entscheidung der Frage konnte natürlich nur der morphologische Aufbau herangezogen werden, insofern tragen auch die ersten allein auf die äussere Form bezüglichen Beobachtungen nichts zur definitiven Lösung der Frage bei; nichtsdestoweniger ist aber diesen Beobachtungen der historische Wert nicht abzusprechen, und aus diesem Grunde führen wir sie auch auf (zitiert aus der Rosenberg’schen Arbeit, B#1u1:29)): „So bezeichnet Wyman (s. Lit. No. 39) denselben als „rudimentary tail“ — „extending considerably, beyond the rudi- mentary legs“. Darwin (s. Lit. No. 3) bezeichnet den in Rede stehenden Teil, der den von Ecker (lIcones physiologicae, Leipzig 1851—59) Tafel 30, Figur 2 abgebildete Embryo zeigt als „tail“ or os coccyx, der „like a true tail“ vorspringe. Dieselbe Deutung giebt Canestrini (s. Lit. No. 2) dem Vorsprung, in- dem er sagt, der konstant vorhandene, rudimentäre Kaudal- wirbelabschnitt besässe -eine grössere Länge beim Embryo, und Quaterfagges (27) vertritt dieselbe Ansicht. Kölliker (22) macht über das Verhalten des Skeletts zu dem Vorsprung keine Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 13 132 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Angabe und bezeichnet ihn, den von Coste beobachteten Embryo von 25—28 Tagen beschreibend, als eine „spitze schwanzartige Verlängerung“, die an die Verhältnisse der Tierembryonen erinnere und sagt in betreff eines späteren Stadiums, das hintere Leibesende trete nicht mehr säugetierartig hervor. Ecker (4), der von den älteren die meisten Beobachtungen über das in Rede stehende Gebilde besitzt, sich jedoch hinsichtlich der Deutung desselben nicht mit Bestimmtheit ausspricht, konstatiert inbetreff des Tafel 30, Figur 2 abgebildeten Embryo, dass das sehr voluminöse Rückenmark bis zum Schwanzende gehe, und dass das „schwanzförmige Körperende“ in späteren Stadien sich zu einem rundlichen Höcker, dem „Steisshöcker“ verkürze; dass das Skelett ebenfalls zu dem Vorsprung in Beziehung stände, deutet Ecker dadurch an, dass er in der Erklärung zu Fig. 6 der Tafel 29 sagt, „das Steissbein rage noch schwanzförmig hervor.“ Rosenberg (29) ist dann der Erste gewesen, bei dem sich Untersuchungen über die Morphologie des Schwanzes mensch- licher Embryonen finden. Er versteht dabei unter Schwanz einen mit Achsenskelett versehenen Vorsprung des hinteren Körper- endes. Seine Untersuchungen erstrecken sich auf Embryonen von 165 mm Länge an aufwärts, und als Resultat erfahren wir, dass bei keinem derselben der schwanzförmige Vorsprung bedingt war durch einen wirbelreicheren Abschnitt der Wirbelsäule. Er spricht deshalb auch diesem Vorsprung das Recht ab, mit einem „true tail“ verglichen zu werden. Als Ursache dieses Vorsprungs sieht er das Verhalten des Medullarrohres an; dasselbe reicht bis zur äussersten Spitze des Vorsprunges und bildet, auch wo durch Reduktion seines distalen Endes das spätere filum ter- minale schon angedeutet ist, fast ausschliesslich den dorsalen Abschnitt des Vorsprunges und muss deshalb in früherer Embryonalzeit einen noch bedeutenderen Anteil zunächst an der Zusammensetzung des Vorsprunges gehabt haben. Wie exakt die Rosenberg’schen Untersuchungen auch gewesen sein mögen, so war er doch nicht berechtigt, dem Schwanze die Existenz abzusprechen, denn die Stadien. die er untersucht hat, boten nicht das Bild des Schwanzes auf der Höhe, sondern in seiner Reduktion dar; mit anderen Worten also, er hat zu späte Stadien für die Untersuchungen eines Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis etc. 133 Schwanzes verwandt und infolgedessen sind seine Untersuchungen hierüber nicht entscheidend. Um so grösseres Interesse bean- spruchen dafür seine Untersuchungen über die genealogische Stellung der Wirbelsäule des Menschen für uns in Bezug auf die Kaudalwirbel. Seine, auf vergleichend anatomischem Wege gefundenen Resultate sucht er dabei aus der Embryologie im Sinne der Descendenztheorie zu interpretieren; „denn da letztere (Öntogenie) als eine kurze Rekapitulation der Geschichte der Art angesehen werden darf, so ist die aus der Vergleichung gewonnene Anschauung über die Geschichte des untersuchten Teils aus den Tatsachen der embryonalen Entwicklung zu bestätigen und sicherer zu begründen“ ... Und so hat denn seine vergleichend anatomische Studie über die Kaudalwirbel ergeben, dass dieselben beim Menschen eine dreifache Metamorphose durchgemacht haben; ursprünglich waren sie Dorsalwirbel, dann wurden sie Lumbalwirbel und später bekamen sie sakralen Charakter, bis schliesslich auch dieser durch ein proximales Aufwärtsrücken des Sacrums ihnen genommen wurde und sie zu ihrer jetzigen Stellung reduziert wurden. Der Schluss hieraus für die menschliche Embryologie des Schwanzes liegt nahe: es ist alsdann ein durch Kaudalwirbel bedingter Vorsprung des Körpers nicht als ein wirklicher (genealogischer) Schwanz zu betrachten. Eine Bestätigung glaubt Rosenberg auch aus der Embryologie gefunden zu haben, wir wollen im Einzelnen nicht näher darauf eingehen, sondern nur kurz die äusserst treffende Widerlegung Keibels (s. Lit. 19) hier anführen, welcher meint, dass man beim Menschen dann ebensowenig von einem wahren Sacrum reden dürfe. Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass dann auch wohl für die wenigsten Kaudalwirbel von Tierschwänzen sich der wahre Kaudalcharakter in Rosenbergs Sinne nachweisen liesse. War somit aufGrund der ersten morphologischen Untersuchung dem Schwanz menschlicher Föten die Bedeutung eines wahren, echten Schwanzes aberkannt worden, so ist Ecker (1880, s. Lit. 5.) der Erste, der für die Annahme der Bezeichnung Schwanz wiedereintritt: „In der That ist ja auch der menschliche Embryo ge- schwänzt, das heisst, er besitzt einen schwanzförmigen 13* 184 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Anhang am unteren Ende des Leibes, den ich, ich mag mich noch so zurückhaltend als möglich ausdrücken, nun eben doch einmal nach aller Analogie einen Schwanz nennen muss. Wenn Rosenberg diese Benennung tadelt, weil dieser Fortsatz nur in seiner Basis Wirbelsegmente ent- hält, so ist doch daran zu erinnern, dass solche Bezeich- nungen zunächst immer von der äusseren Form hergenommen sind und dass wir diese Bezeichnungen nicht entbehren können. Verbindet nachträglich die Lehre vom inneren Bau einen anderen Begriff damit, so muss sie sich eben einen anderen Namen suchen (........ ). Ob dieser schwanzförmige Anhang ein phylogenetisches Erbstück sei, ob er einem Affenschwanz entspreche, diese Frage zu be- antworten, muss man vorest dem Glauben eines jeden über- lassen.“ Zwischen diesen Zeilen lässt sich wohl herauslesen, wie wenig Rosenbergs Resultate mit den Ansichten von Ecker übereinstimmen. Ecker ist doch der Meinung, dass der mensch- liche Embryo einen echten Schwanz besitzt, nur muss er sie den Untersuchungen von Rosenberg gegenüber in eine bessere Form kleiden: „Ob man aus der Abwesenheit von Wirbelsegmenten in dieser (gemeint ist Schwanzspitze; d. V.) schliessen dürfe; der Anhang sei einfach hinteres Rumpfende aber nicht Schwanz, lasse ich vorläufig dahingestellt. Dass der schwanzförmige Anhang sich allmählich zu einem blossen : Höcker, dem von mir sogenannten Steisshöcker zurück- bildet, ist keinem Zweifel unterworfen.“ Diese Auslassungen Eckers haben die Anregung gegeben, dass His ein Kapitel seiner Anatomie menschlicher Embryonen der Frage widmet: „Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz?“ Die Untersuchungen von His bilden eigentlich die notwendige Ergänzung zu dem was Ecker gesagt hat, und es kann uns auch nicht verwundern, wenn beide Forscher nach Ausgleich kleinerer Differenzen später zu demselben Resultat kommen. His stellt seinen Untersuchungen die Determination des Schwanzes voran: Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis etc. 185 „Dem üblichen Wortgebrauch entspricht es, wenn man unter Schwanz einen gegliederten von der Fortsetzung der Wirbelsäule durchzogenen und nur aus Bestandteilen der animalen Leibeswand bestehenden Körperanhang versteht, der den After überragt. .... Einigt man sich über die eben gegebene Definition, so wird man bei einem Embryo einen frei nach vorn sich er- hebenden Körperfortsatz nur insoweit als Schwanz an- sprechen, als er den After oder die Kloakenöffnung über- ragt.“ . His hebt also den After als Determinante für die Be- stimmung des Schwanzes hervor und hat den Schwanz an Stadien studiert, die bedeutend jünger als die von Rosenberg unter- suchten waren. Das Resultat seiner Untersuchungen an zwei Embryonen A und B (7 und 7,5 mm) ist dann folgendes: „Bei den zwei Embryonen mit bereits verknorpelter Wirbelsäule, deren ich oben gedachte, befindet sich die Afteröffnung in der Höhe des vorletzten Steisswirbels, und es führen diese verschiedenen Erfahrungen in überein- stimmender Weise zum Schluss, dass der menschliche Embryo allerdings einen ächten Schwanzstummel besitzt; derselbe ist aber sehr kurz und umfasst höchstens zwei Wirbellängen, auch ist er nicht zur Rückbildung be- stimmt, sondern er geht unreduziert in den bekannten Steissköcker über.“ So kommt His zu der Annahme eines wenn auch sehr rudimentären Schwanzes für den menschlichen Embryo. Allerdings geht er aber, wie uns Keibel (19) nachweist, fehl, wenn er die Lage des Afters in der Höhe des zweiten Coccygealwirbels annimmt. Nach Keibels Untersuchungen liegt der After bedeutend weiter kranialwärts. Das Gebiet des Schwanzes ist also grösser als His annimmt. Ecker und His legen schliesslich ihre Ansicht in den 5 bekannten Kompromissätzen nieder: 1. „Die Benennung Schwanz kann nur dem die Kloake überragenden Teil des hinteren Körperendes gegeben werden.“ 2. „Bei den Embryonen der zweiten Altersklasse, d. h. bei Embryonen von ca. 8—15 mm Körperlänge, sieht der die Kloake 156 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: überragende Schwanz als freier, zugespitzter Vorsprung nach nben und vorn.“ 3. „Dieser Schwanz besteht aus einem wirbelhaltigen und aus einem wirbelfreien Abschnitt. Der letztere enthält nur Chorda und Medullarrohr.“ 4. „Nur das letztgenannte Stück fällt der Reduktion an- heim, indem die Chorda dorsalis sich meist zu einem Knötchen entwickelt, während der Rest schwindet.“ 5. „Der wirbelhaltige Teil steht noch längere Zeit als so- genannter * Steisshöcker vor. Dieser verschwindet allmählich unter der Oberfläche, teils und ganz vorzugsweise in Folge der allmählich eintretenden stärkeren Krümmung des Kreuz- und Steissbeines, teils wohl auch infolge der mächtigeren Entwicklung des Beckengürtels und seiner Muskulatur.“ Eine grosse Bedeutung für die Schwanzfrage haben un- streitig die Untersuchungen von Braun gehabt. Braun stützt sich dabei nicht auf Untersuchungen menschlicher Föten, sondern beurteilt die ganze Schwanzfrage und die Art ihrer bisherigen Behandlung von einer breiteren Basis aus: „Ohne Zweifel wäre man auf einem leichteren Wege zur befriedigenden Lösung dieser im Ganzen einfachen Frage gekommen, wenn man bei Beurteilung derselben sich nicht zu einseitig auf den Standpunkt des Menschen gestellt hätte; viel leichter würde man sich an den Gedanken, dass auch der Mensch eine Zeit lang geschwänzt ist, gewöhnt haben, wenn die Nomenklatur der in Frage kommenden Teile richtig wäre; bei allen Säugetieren heissen die hinter den Kreuzbeinwirbeln liegenden Wirbel Schwanzwirbel -- beim Menschen aber Steissbeinwirbel, und wenn nun auch alle, wie garnicht zu zweifeln ist, die Steissbeinwirbel des Menschen mit den Schwanzwirbeln der Säuger homologisiert haben, ein Teil der Autoren sogar von Schwanz- oder Kaudalwirbeln auch beim Menschen mit vollem Recht spricht, so scheint es doch nötig, davon allgemeineren (rebrauch zu machen und die Bezeichnung Kukuksbein oder Steissbein, bei der man sich gewöhnlich garnichts denkt, aufzugeben. Sagen wir Schwanzwirbel und sehen wir, dass einige derselben — gleichviel wie viel — beim Embryo über den Körper hinausragen, so ergiebt sich von selbst, Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 187 dass damit auch dem menschlichen Embryo ein Schwanz zukommt, mag er noch so klein sein. Nicht zu billigen ist es, wenn in alter Reminiscenz an eine besondere Benennung der Teile beim Menschen für diesen echten Schwanz, wie er wiederholt von His genannt wird, wieder ein eigener Name, Steisshöcker, gebraucht wird. Durch besondere Wachstumsverhältnisse wird dieser ursprüngliche Aussen- schwanz des menschlichen Embryo von den Nachbar- teilen überholt, er verwandelt sich sekundär in einen „Innenschwanz.“ Nunmehr ist der Bann von den Kaudalwirbeln des Menschen, der seit Rosenberg auf ihnen gleichsam lastete, genommen und jetzt ist der Boden für; Keibel (19) geebnet, um- in unangreifbarer Weise die Definition des Schwanzes aufzubauen, und die Schwanzfrage auf Grund genauester Untersuchungen zu lösen, nachdem er Rosenbergs Genealogie der Kaudalwirbel des Menschen auf einfache Weise von der Hand gewiesen hat. Keibels Definition des Schwanzes stützt sich auf folgende Punkte: Alles, was caudal von der Anheftungsstelle des Becken- gürtels liegt, ist Schwanzgebiet. „Ganz passend wird man hier- bei mit Braun einen inneren und äusseren Schwanz unter- scheiden können.“ In früheren Stadien, in denen der Becken- gürtel noch keine Beziehungen zum Achsenskelett hat, geht Keibel von den Verhältnissen der ausgebildeten Wirbelsäule aus und bezeichnet die ersten 8 Segmente des Rumpfes als Cervikalsegmente, die 12 folgenden als Dorsal, — je 5 als Lumbal- und Sakral — und den Rest als Kaudalsegmente. Da das Medullarrohr durch seine Neuromerie in enger Beziehung zu den Myomeren steht, so ist zur präzisen Abgrenzung nur noch die Beziehung zum Darmrohr notwendig, welcher Forderung Keibel dadurch nachkommt, dass er die kraniale Grenze des Gesamtschwanzes durch eine Ebene bestimmt, welche durch die Mitte der beiden letzten sakralen Segmente — beim Menschen des 30. Segment — und den hinteren Rand der Aftermembran, resp. des Afters, gelegt wird. Dass Keibel infolge seiner Abgrenzung des Schwanzes die weitgehendsten Resultate von allen Forschern erzielt, erhellt schon aus dem einfachen Grunde, dass His den Ort des Afters zu weit kaudalwärts verlegt hat. 188 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Neuerdings hat Waldeyer (35), der sich im Uebrigen mit Keibels Bestimmungsweise des Schwanzes einverstanden erklärt, opponiert gegen die Einteilung in Aussenschwanz und Innenschwanz. Nach seiner Meinung ist ein Innenschwanz kein Schwanz mehr, denn er hat das eingebüsst, was ihn am meisten charakterisiert, nämlich seine Beziehung zur Haut; daraus folgt dann, dass man nur das Gebilde einen Schwanz nennen darf, das ein sogenannter Aussenschwanz ist. Mit dieser Bestimmungs- weise ist aber die Schwanzfrage auf den status quo ante von His gerückt, und es hiesse sich eines guten Teiles der schon gewonnenen Kenntnis begeben, wollte man Waldeyers Forderung ohne Weiteres nachkommen. Vielleicht ist die Forderung Waldeyers für den Menschen wenigstens entbehrlich. Wo ein Aussenschwanz existiert, darf man ohne Missverständnis wohl von einem Innenschwanz — vorausgesetzt, dass ein solcher vor- handen ist — reden. Ist aber kein Aussenschwanz beim Menschen mehr vorhanden, so lehren doch unsere Untersuch- ungen, dass das Achsenskelett mit den dazu gehörigen Organen (Gefässe etc.) die Beziehungen zur Haut in jedem Stadium der Entwicklung und selbst bei Erwachsenen (Luschka) bei- behält, und dass es an der Haut einen bestimmten Punkt giebt, .der zur Zeit eines Aussenschwanzes die Spitze desselben vor- stellt. Es ist der Punkt der Haut, wo das lig. caudale inseriert, das äusserlich eine fovea coccygea, oder eine glabella, oder noch einen vertex coccygeus an älteren Embryonen zeigt. Rodenacker (28) schlägt später noch vor, um Waldeyer gerecht zu werden, die Bezeichnungen Aussen- und Innenschwanz durch die Ausdrücke Cauda aperta und Cauda occulta zu er- setzen. Wir sehen keinen sachlichen Grund ein, die klassischen Ausdrücke Aussenschwanz und Innenschwanz durch andere zu ersetzen. b. Ueber die Grössenverhältnisse und Form des Schwanzes finden wir folgende zu verwertende Befunde, zunächst von Ecker (6): „Embryo von 8 mm Länge; der in seinem frei vor- vorstehenden Teil 1 mm lange Schwanz ist (..... ) zwei- mal, besonders gegen die Spitze hin stark umgebogen, Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 189 sodass gerade gestreckt, derselbe das angegebene Längen- mass jedenfalls überschreiten würde. Embryo von 9 mm Länge, mit sehr deutlich ausgebildeten, etwa 2,5 mm langen, schwanzförmigen Anhang; dieser hatte ungefähr in der Mitte einen Durchmesser von 0,70 mm, nahe dem Ende von 0,50 mm. Embryo von 12,5 mm Länge; das untere Körperende läuft in einen nach vorn und aufwärts gekrümmten, mit einer ziemlich feinen Spitze endigenden, schwanzförmigen Anhang aus. Dieser hat in seinem vollkommen freien, d.h. von Bauch und Extremitäten abhebbaren Teile eine Länge von 1!/2 mm. Embryo von 13 mm Länge. — Der schwanzförmige Anhang in seinem freien Teil etwa 0,6 mm lang, bedeckt mit seiner konkaven vorderen Fläche Genitalhöcker und Kloakenöffnung.“ Bei der Beschreibung eines Embryo von 4 mm sagt Ecker (6): „Das hintere Körperende bildet einen stumpfen, finger- förmigen, etwa !/s mm langen Vorsprung, der nach links und aufwärts gekrümmt ist.“ Ecker sieht diesen Vorsprung als Schwanzknospe an. Auch His konstatiert‘ bei seinem Embryo (4 mm) den nach vorn umgeschlagenen Teil des unteren Rumpfendes als frei in einer Ausdehnung von über !/s mm; nur lässt er ihn zu °/ı seiner Länge von der Kloake durchzogen sein und verlegt die Afteröffuung (nach Keibel giebt es hier noch keine!) unterhalb des Steissendes. His kannte den postanalen Darm nicht und verlegte den After an das Ende des Darms. Ueberblicken wir kurz diese Angaben, so geht daraus her- vor, dass die grösste Entwicklung des sogenannten Aussen- schwanzes bei einem 9 mm Stadium sich befindet; es beträgt seine Länge über ein Viertel der Körperlänge. Wir können hier auch die Abbildung eines 9 mm Embryo beibringen (Fig. 26, Taf. XI), dessen Schwanzlänge über 2 mm beträgt. Dieser Embryo freilich, der der Sammlung des anatomisch-biologischen Instituts angehört, besitzt als eine merkwürdige Missbildung am Kopfe eine Meningo- und Encephalocele und ist auch sonst nicht normal gestaltet (cfr. Abb. 26.). 190 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Keibel (20), der die unteren Rumpfenden seiner Embryonen nach Born’s Plattenmodelliermethode rekonstruiert hat, giebt. uns natürlich die zuverlässigsten Resultate über die Form des Schwanzes, die sich aber mit den oben angeführten vollständig decken: „Embryo E.B. (3 mm), das Kaudalende des Embryo tritt nicht schwanzartig aus einer Rumpfanlage hervor. Beim Embryo H. s. for (6,5 mm), in natura 8 mm, finden wir den Schwanz morphologisch in der Nähe seines Kul- minationspunktes. Embryo H. s. (11,6 mm). Im Uebrigen imponiert das Kaudalende des Embryo durchaus als äusserer Schwanz, Ja, der Schwanzcharakter dieses Kaudalendes tritt äusser- licher hervor, als bei dem Embryo H.s. for., weil der Rumpfabschnitt und die Extremitäten weiter ausgebildet sind und so der Unterschied zwischen Rumpf und Schwanz deutlich hervortreten kann. Embryo Hg. (14 mm) zeigt die deutlichsten Spuren der Rückbildung .. .. der Schwanz zerfällt in einen kurzen, dicken Basalteil und in eine ebenso kurze Spitze.“ Fassen wir alles zusammen, so beginnt die Bildung des Schwanzes bei Embryonen von 3 mm, der Schwanz erreicht bei 9 mm Embryonen etwa seine höchste Entwicklung, um allmählich wieder abzunehmen. Bei Embryonen von 14 mm Länge zerfällt er in einen wirbelhaltigen und einen unsegmentierten Teil, letzterer wird in der Literatur als Schwanzfaden bezeichnet. Stieda (34) ist wohl als der erste zu bezeichnen, der die Vermutung ausgesprochen hat, dass die unsegmentierte Schwanz- spitze bei menschlichen Embryonalschwänzen den Schwanzfäden der Säugetierembryonen gleichzustellen sei. Nach ihm hat His und später Braun den Ausdruck für diese Gebilde an mensch- lichen Schwänzen gebraucht. Von Ecker rühren 4 Beobachtungen über jene Gebilde her, die sich über Embryonen zwischen 11 und 14 mm erstrecken. Hieraus schliesst Ecker: „In den meisten Fällen ist die Zuspitzung des konischen Fortsatzes eine ganz allmähliche, in einzelnen Fällen dagegen ist das Endstück abgebogen und dadurch erscheint allerdings las Endstück von dem Rest etwas verschieden; niemals habe ich Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis ete, 19H jedoch beim Menschen bis jetzt ein Endstück gesehen, welches durch plötzliche Verdünnung so von dem Rest abgesetzt war, dass man dasselbe schon nach der äusseren Form als ein be- sonderes Gebilde (Schwanzfaden) bezeichnen könnte. wie das bei Säugetierembryonen vollkommen gerechtfertigt ist. His giebt ebenfalls vier Beobachtungen über jene Gebilde, bei Embryonen zwischen 12—14 mm, also derselben Altersklasse an, wendet aber ungeniert den Ausdruck „Schwanzfaden“ an; um den Gebrauch dieses Ausdruckes Ecker gegenüber zu recht- fertigen, sagt er dann (17): „Ich gebe gerne zu, dass so bedeutende Einziehungen an der Grenze des Wirbelschwanzes und des Schwanzes, wie Sie von Katzen- und Ratten-Embryonen zeichnen, bei menschlichen Embryonen nicht vorkommen, immer scheint doch auch bei letz- teren ein äusserlicher Absatz konstant zu sein.“ Auch Braun, der die meisten Erfahrungen über dieses Gebilde bei Säugetier- embryonen besitzt, wendet sich gegen Ecker. „Bei diesem Vergleich wird übersehen, dass die Säugetier- embryonen bedeutend älter waren, als die mit ihnen verglichenen menschlichen; in jüngeren Stadien sind die Differenzen viel geringer.“ Keibel (20) spricht von einem Schwanzfaden nur bei Stadien, die älter als 15 mm sind (bis 25 mm!) wo der Schwanz in einen basalen Abschnitt (späteren Steisshöcker) und in den Schwanzfaden umgewandelt ist. Er ist aber nicht zufrieden mit dem Ausdruck Schwanzfaden für diesen Teil: „Wir werden in älteren Stadien sehen, dass gerade für den Menschen die Bezeichnung Schwanzfaden als nicht sehr treffend erscheint, da beim Menschen das der Rückbildung bestimmte kaudalste Ende des Schwanzes keineswegs die Gestalt eines Fadens, sondern die eines Knöpfchens oder einer Quaste hat, sodass man von einem embryonalen Schwanzknöpfchen oder von einer embryonalen Schwanzquaste reden könnte.“ Verwenden wir hier noch unsere Schwanzfäden an dem 15 mm Embryo T. B. und dem 2,5 fin Embryo Ab, so können wir nur die Erfahrung Keibels bestätigen (Fig. 24 und Fig. 25 stellen Rekonstruktionen des unteren Rumpfendes mit den Schwanz- fäden vor), wir glauben aber, dass sowohl Keibel wie wir den 192 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Schwanzfaden — in wechselnder Gestalt — so getroffen haben, wie Braun an seinen Säugetierembryonen; und Braun sagt selbst von seinen Schwanzfäden aus, dass die Form derselben eine sehr variierende sei, was uns aber nicht berechtige, für jede derselben eine.neue Bezeichnung einzuführen. c. Anlage und Bau des Schwanzes. Graf Spee (s. 33) gibt uns an einem Embryo, bei dem Urwirbel fehlen (die Länge der Keimscheibe vom vorderen Amnios- umschlag bis zum Ende der Primitivrinne betrug 1,54 mm), fol- gende Beschreibung von dem kaudalen Ende desselben: „Das kaudale Ende der Keimscheibe ist fast rechtwinklig ventralwärts umgebogen und deswegen von oben nur in starker Verkürzung sichtbar, Etwas kranial vor dieser um- gebogenen Partie erhebt sich ein ringförmiger Wulst, der seiner Lage nach dem Hensenschen Knoten entspricht, wie ein niedriger Wall um ein dreieckiges weites Loch, den Canalis neurentericus, welcher hier zwischen zwei völlig different gebauten Abteilungen der Medianlinie die Keim- scheibe durchbohrt. Hinter ihm, auf dem ventral um- biegenden Teil der letzteren läuft als sehr feine, nur bei intensiver durchfallender Beleuchtung bemerkbare Kerbe, die Primitivrinne; seinen vorderen und seitlichen Umfang um- zieht die flache Vertiefung, in welche das Hinterende der Medullarfurche ausläuft. Will man den zwischen Canalis neurentericus und dem hintersten Ende des Primitivstreifens, der Stelle des Afters ge- legenen Teil schon jetzt als Schwanzknospe bezeichnen, so muss man bedenken, dass in dem kaudalen Teile eines solchen Sta- diums nicht nur die Anlage des Schwanzes sondern die des grössten Teiles des Rumpfes steckt. OÖ. Hertwig (14) sagt von der Entwicklung des Afters und der Schwanzknospe bei amnioten Wirbeltieren: „Wir können daher auch auf die Amnioten den Lehrsatz ausdehnen, dass sich bei ihnen der After aus einer kleinen hinteren Strecke des Urmunds herleitet, und dass der Schwanz aus der vor dem After gelegenen Region des Urmundgebietes, nachdem in ihm eine Verschmelzung der Urmundlippen (Ränder der Primitivrinne) erfolgt ist, seinen Ursprung nimmt.“ Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 193 Da nun der Schwanz aus der Verschmelzung des hin- tersten Abschnittes des linken und rechten Urmundrandes entsteht, so geht er aus einer paarigen Anlage hervor (0. Hertwig.) ; „Da am Urmundrand äusseres, mittleres und inneres Keimblatt zusammentreffen und die mediangelegenen Organe, Nervenrohr, Chorda, Ursegmente erzeugen, werden auch der Schwanzknospe die Anlagen von allen diesen Organen zuge- teilt. Wenn dann die Schwanzknospe sich verlängert und als Fortsatz über den Rumpf nach hinten hervortritt, ge- schieht dies in derselben Weise, wie der ganze Körper in die Länge gewachsen ist. Von der Wachstumszone aus, die auf die Schwanzspitze gerückt ist, setzt sich Ursegment an Ur- segment an und kann so einen in Metameren gegliederten Auhang des Körpers zuweilen von sehr beträchtlicher Länge liefern.“ Während sich Hertwigs Ausführungen über die Ent- wicklung der Schwanzknospe nach unserer Meinung im allgemeinen auf die menschliche Embryologie übertragen lassen, glauben wir doch, dass seine Ansicht, der Schwanz sei nicht als direkte Ver- längerung des ganzen Körpers, sondern nur der Rückenfläche anzusehen, modifiziert werden muss, seitdem Keibel für Mensch wie Tier einen Schwanzdarm zur Evidenz nachgewiesen hat. Die Schwanzknospe ist wohl als eine indifferente Wachstumszone zu betrachten!). Das Medullarrohr umwächst schliesslich den vorderen Teil der Primitivrinne mit der Oeffnung des Canalis neurentericus, sodass es dann ein Stadium giebt, wo das Lumen des Medullarrohres mit dem des Darmrohres kommuniziert. Dieser Verbindungskanal obliteriert beim Menschen. An einem 3 mm Stadium (das Keibel untersucht und als Stadium der Schwanzknospe bezeichnet hat) ist der dorsale Rest !) Rodenacker sucht der Ansicht Hertwigs, dass die Schwanz- knospe ein Wachstumszentrum sei, und dass sie nur die Rückenfläche des Körpers fortsetze, entgegenzutreten, wobei er auf die folgenden beiden Ar- beiten verweist: 1) Kästner: Allgemeine Entwicklung der Rumpf- muskulatur 1892 s. L. 2) Kopsch: Bildung und Bedeutung des canalis . neurentericus 1896. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturf. Freunde zu Berlin. Jahrg. 1896, No. 10; 1897, No. 2. 194. Ernst Unger u. Theodor Brugsck (des canalis neurentericus verschwunden, der ventrale Teil bildet dagegen als Fortsetzung der Kloake den postanalen Darm. Seg- mente kommen diesem Stadium der Schwanzknospe noch nicht zu. Hingegen zeigen Stadien von 4—6 mm (Keibel) bereits 3—4 Kaudalsegmente bei 33—34 Rumpfsegmenten, wobei als ein Segment der letzte Mesodermrest gezählt ist, in dem noch die Bildung mehrerer Segmente enthalten ist. Diesen Schwänzen kommen ausser den Segmenten Chorda und Medullarrohr zu, welche beide ganz kaudal unter sich und mit dem Mesodermrest verschmelzen. Einem Embryo von 8 mm kommen (bei Keibel) 5 Seg- mente und 1 als Segment zu zählender Mesodermrest zu, der die Länge von 2 Segmenten aufzuweisen hat. Medullarrohr und Chorda durchziehen den ganzen Schwanz, um wieder am Ende .desselben unter sich und mit dem Mesodermrest zu einer Zell- masse zu verschmelzen. Die Kloake ist ventral durch die After- membran geschlossen. Der Schwanzdarm (postanale Darm) hat hier sein Maximum von Bildung erreicht, er durchzieht die ganze Länge des Schwanzes. Das Maximum von Segmentbildung erreicht ein 9 mm Sta- dium (Fol, 11) und (Physalix 25). Ein solches besitzt 8 Kaudal- ‚segmente (38 Wirbelanlagen, von denen die erste wohl der Oceipitalregion angehört). Hiermit stimmt überein, dass Ecker den (Aussen-) Schwanz am längsten (2,5 mm) bei einem 9 mm ‚Stadium gesehen hat. * Ueber die Wirbelanlagen und das Schwanzende sagt Fol (11): A l’exception des deux dernieres, toutes les vertebres caudales ont un blast&eme de corps cartilagineuse semblable, sauf pour les dimensions, & celui de toute autre vertebre de la serie. Les deux dernieres ne sont plus indiquees que par des myomeres, parfaitement distincts du reste. L’extremite möme de la queue est formee par la termi- naison du tube medullaire recouverte seulement par la peau. La corde dorsale s’etend aussi jusque tout pres de cette extremite.“ Hat somit der Schwanz in der Form und seinem morpho- logischen Aufbau seinen Höhepunkt an dem 9 mm Stadium er- reicht, so beginnt jetzt seine Reduktion, mit der die Bildung ‚des Schwanzfadens einhergeht. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis ete. 195 d. Reduktion des Schwanzes und Bildung des Schwanzfadens. Fol (s.o.) verlegt auf ein 12 mm Stadium die Verschmel- zung der drei letzten Kaudalwirbel.e Damit ist die Reduktion des Schwanzes eingeleitet. Keibel (20) hat ein 11,5 mm Stadium untersucht. Die Zählung der Segmente ergiebt 36 Seg- mente, wovon auf den Schwanz 6 fallen, von denen das letzte nur ein „Mesodermrest“ ist, aber dieser letztere in der Schwanz- spitze überragt die Grenze des 35. Segmentes um die Länge der vier letzten Urwirbel! Wir können also nur annehmen, dass dieser Mesodermrest mehreren Segmenten entspricht. Mit der Rückbildung des Schwanzes geht die Bildung des Schwanzfadens einher. Nach Ecker besteht derselbe nur aus Chorda dorsalis und einem diese umgebenden Zellenblastem und dem Homblatt. His meint, in demselben noch Medullarrohr unterscheiden zu können. Das Auftreten desselben verlegen beide Forscher auf Stadium zwischen 11 (resp. 12) und 14 (resp. 15) mm. Es fragt sich nun, ist das, was Ecker und His an ihren Embryonen so bezeichnet haben, wirklich Schwanzfaden ? Zur Beantwortung dieser Frage gehen wir am besten von der Beur- teilung des 11,5 mm Stadium Keibels aus. Hier findet sich eine lange Schwanzspitze, die aber von dem Mesodermrest aus- gefüllt ist. Wie aber schon gesagt wurde, ist dieser Mesoderm- rest als mehreren Kaudalsegmenten gleichwertig zu denken und unsere eigenen Untersuchungen haben gezeigt, dass sich wahr- scheinlich noch nicht nur Segmente, sondern sogar Wirbelanlagen bilden werden. Es ist daher diese Schwanzspitze nicht als un- segmentiert im Sinne von Stieda zu bezeichnen, und man darf sie noch nicht als Schwanzfaden entsprechen. Wann tritt nun der Schwanzfaden auf und welchen Vorgängen innerhalb des Schwanzes ver- dankt er seine Entstehung? Die Einleitung: der Reduktion des Schwanzes wurde, wie schon erwähnt, gegeben durch eine Verschmelzung der letzten Segmente zu einem einzigen. Die nächste Stufe der Reduktion stellt dann nach unseren Untersuchungen eine erhebliche Ver- kürzung der kaudalen Urwirbel vor, die wohl am meisten die 196 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: letzten verschmolzenen Segmente betrifft. In Folge dessen wird die ganze Länge des Schwanzes nicht mehr durch die Wirbel- anlagen eingenommen, wohl aber reicht das nicht verkürzte Rückenmark noch bis zum Ende des Schwanzes und so kommt es, dass der extremste Teil des Schwanzes, der keine Wirbel- anlagen mehr enthält, nur aus Haut mit Medulla und einem Zellenrest besteht, den wir wohl als Mesodermrest bezeichnen können. Dazu kann vorübergehend auch noch das kaudale Ende der Chorda kommen (cfr. Mall, eitiert in Harrison!). Dieser Mesodermrest hat aber niemals eine Rückbildung aus Segmenten durchgemacht, demgemäss enthält er auch keine Chorda mehr, sondern er ist als eine rudimentäre Knospe für Segmente zu betrachten, die beim Menschen niemals in der Öntogenie an- gelegt werden, in seiner Phylogenie dagegen wohl eine grosse Rolle gespielt haben mögen. Demgemäss können wir diesen Mesodermrest als rudimentäre (phylogenetische) Schwanzknospe bezeichnen. Dieser extremste Teil des Schwanzes, der ohne Segmente — unsegmentiert — ist, der nur die Medulla und ein Zellenblastem und nur vorübergehend eine Chorda (diese findet sich nur in den Wirbelanlagen und endet in dem letzten Segment!) ent- hält, ist der Schwanzfaden des Menschen, der also, kurz gesagt, nur regressiven Prozessen am Schwanz seine Ent- stehung verdankt. Keibel (20) hat an seinen Embryonen den Schwanz- faden von gleicher Beschaffenheit gesehen wie wir, und er wendet auch nur für ‘solche Gebilde den Namen Schwanzfaden an; so erfahren wir von seinem Embryo O. B. (15,8 mm): „Die Glie- derung der Schwanzanlage in Steisshöcker und Schwanzfaden- abschnitt ist hier gut erkennbar.“ „Der Schwanz ist entschieden in Rückbildung begriffen, doch kann man das Medullarrohr bis in seine Spitze (hier Schwanzfäden) verfolgen, und man kann sehen, wie das Ge- webe des äussersten Endes des Medullarrohres noch in das undifferenzierte Gewebe der ganz rudimentären Schwanzknospe übergeht.“ ı) Harrison: On the oceurrence of tails in man, with A description of the Case. Reported by Dr. Watson. Hopkins Hospital Bull. 1901, eine Angabe, die wir der Freundlichkeit des Herrn Prof. Keibel verdanken. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 197 Wir haben an einem 18 mm Embryo und an einem 24 mm Embryo Schwanzfäden beobachtet; Keibelan Embryonen zwischen 14mm und 25 mm; also unsere Befunde decken sich auch hierin vollständig mit denen Keibels. Wir haben hier noch zu erwähnen, dass mit der Verkürzung der kaudalen Wirbelanlagen ein starkes Breitenwachstum derselben einhergeht. Daher kommt es denn, dass bei einem Ss mm Embryo der 2!/; mm lange Schwanz in der Mitte etwa 0,7 mm und nahe am Ende 0,3 mm breit ist, während Keibel von einem 14 mm langen Embryo Hg. Folgendes angiebt: „Wir sehen, wie der Schwanz zerfällt in einen kurzen, dicken Basalteil und in eine ebenso kurze Spitze . Immerhin kann man beim Embryo Hg zweifellos noch von einem äusseren Schwanz reden, aber dieser Schwanz ist im Begriff in zwei Abschnitte zu zerfallen, in den Steisshöcker, der definitiv als innerer Schwanz des Menschen erhalten bleibt, wenn er auch unter die Körperoberfläche des Men- schen untertaucht, verschwindet, und in den Schwanzfaden, der gänzlich zu Grunde geht, abgestossen, teilweise auch resorbiert wird.“ Damit ist das weitere Verhalten des Schwanzes und das Schicksal des Schwanzfadens schon angedeutet. 4. Bildung des Steisshöckers. Wir wollen über die Bildung des Steisshöckers zuerst Keibel das Wort lassen: „Nachdem in den jüngeren Stadien bis zu einer Ent- wicklungsstufe, wie sie der Embryo H. s. Bel. I (der Embryo ist 11,5 mm lang. d. Verf.) aufweist, die Schwanz- anlage frei hinausragt, finden wir bei älteren Embryoneu den Schwanz mit seiner Wurzel der ventralen Rumpfwand hinter dem After so fest angepresst, dass sich hier zwischen After und Schwanzwurzel nur eine Epithellamelle befindet, deren Zusammensetzung aus zwei Blättern an günstigen Schnitten zu erkennen ist. Aehnliche Verhältnisse sind von Tourneux am Schafe gesehen worden. Tourneux bezeichnet diese Epitheleinsenkung unter der Schwanz- wurzel als „depression sous caudale de l’integument externe“. Archiv f. mikrosk. Anat. Ba. 61. 14 198 dale Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Man sieht sie auch an den von mir gegebenen Textfiguren 61—69 deutlich genug. Diese Epithelleiste, welche in den zitierten Bildern hervortritt, ist nur eine vorübergehende Bildung und ihr Verschwinden hängt mit dem Verschwinden des Steisshöckers unter der Körperoberfläche eng zusammen. Das Bindegewebe nämlich zwischen dem hinteren Rande des primitiven Afters und Schwanzwurzel beginnt zu wuchern und bildet einen Wulst, den ich als postanalen Wulst be- zeichnen will. — — — Dagegen ist es sehr wichtig, die Folgen des Auswachsens des Mesodermwulstes auf die Umbildung der subkaudalen Epidermisplatte und auf den Steisshöcker ins Auge zu fassen. Die subkaudale Epidermisplatte wird nämlich bei der Vorwucherung des postanalen Mesodermwulstes einfach zur FEpithelbedeckung dieses Wulstes aufgebraucht, und so wird durch das Vorwachsen des postanalen Mesoderm- wulstes auch die ventrale Seite des Steisshöckers ihres epithelialen Ueberzugs beraubt; der Steisshöcker tritt gegenüber dem postanalen Wulst, den er anfangs mächtig überragte, mehr und mehr zurück und verschwindet so unter die Oberftäche.“ Sind auch die Beobachtungen Keibels über die subkau- Epidermisplatte und das Verschwinden desselben durch den postanalen Mesodermwulst vollständig richtig, so können wir doch, wie unsere Untersuchungen lehren, damit nicht die Ent- stehung des Steisshöckers erklären. Wir geben hier im Text s. E. Erklärung der Abkürzungen der Textfiguren 1 u. 2: W. = Wirbel, Aft. = After, f. c. = Schwanzfaden, M. — Rückenmark, — subkaudale Epithelplatte, p. a. M. — postanaler Mesodermwulst, Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 199 zwei Skizzen, von denen die eine dem unteren Rumpfende unseres 2,5 am Embryo und die andere dem unseres 4,5 min Embryo entspricht. Bei der ersten Figur kann man sofort erkennen, dass hier der Schwanz in seiner Reduktionsperiode sieh befindet; die Kaudalsegmente verlaufen gestreckt in der Achse der Wirbel, die subkaudale Epithelplatte ist deutlich zu erkennen. Den basalen Teil des Schwanzes würden wir passend mit Schwanz- höcker bezeichnen können. Anders mit Figur 2; wir nennen diese Bildung Steisshöcker, weil hier die Kaudalwirbelsäule sich mit den vier letzten Wirbeln umgebogen hat. Das Charakte- ristische an diesem Steisshöcker ist, dass der Vorsprung nicht an dem letzten Wirbel liegt, sondern an dem viertletzten, wo der Scheitelpunkt des rechten Winkels sich findet. Ob die Bildung des Steisshöckers eine Beziehung zum Becken, resp. zu deren Muskulatur (Glutaealmuskulatur) ‚hat, ist schwer zu entscheiden, jedenfalls ist das Verschwinden des Steiss- höckers von der Ausbildung der Weichteile des Beckens (zum grossen Teil, wie wir einschränkend sagen möchten) abhängig, woraus denn Keibel den Schluss für die Phylogenie gezogen hat, dass das Verschwinden des Steisshöckers die Folge des auf- rechten Ganges des Menschen gewesen ist. 5. Das Schicksal des Schwanzfadens: lig. caudale. Der durch regressive Prozesse am Schwanzende entstandene Schwanzfaden enthält, wie unsere Untersuchungen lehren, ausser der Medulla den Mesodermrest. Dieser Mesodermrest liegt zur Zeit des Kaudalhöckers in der verlängerten Achse der Kaudal- wirbel und empfängt die Endäste der Arteria sacralis media s. caudalis. Wandelt sich dann durch stärkeres Wachstum der Kaudalwirbelsäule der Schwanzhöcker in den Steisshöcker um, so wird durch den Zug der Haut, deren Wachstumsrichtung der der Steisswirbel entgegengesetzt ist, der Schwanzfaden von der Achse der Kaudalwirbel entfernt und mit der Haut aufwärts mit- genommen (cfr. Embryo Dü. 4!/. cm). Durch dieses Aufwärts- rücken des Schwanzfadens wird aber dieser seines Rückenmarks beraubt, d. h. er ist reduziert. Seinen Inhalt stellt nun ein Gewebe vor, das inForm von Bindegewebszügen mit der kaudalen Fläche des letzten Kaudalwirbels verbunden ist, und das aus 14* 200 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: dem Mesodermrest des früheren Schwanzfadens hervorgegangen ist. Da auch hier diesen Bindegewebszügen und dem Schwanz- fadenrest die Endäste der inzwischen durch Bildung des Steiss- höckers sehr reduzierten Arteria sacralis media zukommen, so können wir sie als einen immerhin wesentlichen Rest derursprünglichen Schwanzanlage bezeichnen. Diese Bindegewebszüge sind das lig. caudale; sie schliessen auch den ursprünglich im Schwanz- faden sich befindlichen kandalsten Teildes Rücken- marks ein, indem sich später die „vestiges coccy- giens“ von Tourneux und Hermann (s. 0.) oder „kau- dalen Rückenmarksreste* entwickeln. Der durch Verlust des Rückenmarks seiner Stütze beraubte Schwanzfaden geht verloren, die Stelle seines Ansatzes bleibt aber erkennbar, es ist der Ansatzpunkt des lig. caudale an die Haut. Dieser Ansatzpunkt an die Haut liegt bei einem 51/. cm Embryo (Sch. St. L.) senkrecht üb. d. letzt. (5.) Kaudalwirb. gr 5 R 3 „ d. vorl. (4.) ii PEN t: $ h yd. vorl2@.) 2 I © L ; R „.d. vorl. (4.) y ie 2 R R 3 „ d.drittl. (3.) n 23: K “ ä . „.d. vorl. (4.) : Der Ursprungsort des lig. caudale bleibt überall der gleiche, das heisst, die kaudale Fläche des letzten Kaudalwirbels (die sog. Steissbeinspitze) an der Stelle, wo die Chorda in dem Wirbel (geknäuelt) endet. Das Höherrücken des Ansatzpunktes des lig. caudale haben bereits Tourneux und Hermann auf ein ungleichmässiges Wachstum der Haut gegenüber der Wirbelsäule zu Gunsten der letzteren verschoben. In das lig. caudale strahlen an allen Stadien die Endäste der Arteria sacralis media hinein, in dem dieselbe, an der ven- tralen Fläche der Kaudalwirbel herablaufend, um die Steissbeine herum ins lig. caudale umbiegt. Das Ende der Art. sacralis media zeigt ungefähr vom 1. Kaudalwirbel an einen Begleiter, der allerdings erst von einem 51/s cm Stadium aufwärts sich zeigt, nämlich das unpaare Ende Bir Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 201 des Sympathicus. Es fragt sich nun, was hat der Sympathicus für das lig. caudale, dessen Endstation dieses Band darstellt, zu bedeuten? Spricht er mit für die Bezeichnung dieses Bandes als phylogenetische Schwanzknospe? Auf den ersten Blick wohl nicht, da sich dieses unpaare Ende erst relativ spät zeigt. (Unter- suchungen über den Sympathiecus an dem 2!/s cm Stadium er- geben sympathische Ganglien je durch Verbindungsnerven ver- bunden bis herab zum 8. letzten Segment; für den 4!/s em Embryo solche bis herab zum 6. letzten Segment.) Und doch glauben wir, dass dieses unpaare Ende eine ge- wisse phylogenetische Bedeutung hat. Denn würde der ge- schwänzte Zustand des Menschen länger anhalten, würde statt des lig. caudale ein Mehr von Kaudalwirbeln beim Menschen vorhanden sein, so würde entschieden das Sympathicusende die Art. caudalis bis zur Spitze des Schwanzes begleiten; und wenn, soweit uns bekannt ist, das Ende des Sympathieus bei ge- schwänzten Säugetieren auch gewöhnlich als das ganglion impar ev. die entsprechende Schleife angegeben wird, so sind wir doch der Ueberzeugung, dass auch bei diesen, genau wie beim Menschen, ein dicker Nervenstamm aus dem unpaaren Ende, resp. der Schleife hervorgeht, der die Art. caudalis in ihrem ganzen Ver- laufe begleitet und dazu an mehreren Stellen noch Ganglien trägt. Die Entdecker der kaudalen Rückenmarksreste sind Tour- neux und Hermann, die dieselben vestiges coceygiens be- nannten; sie sahen sie zuerst an einem 37 mm Stadium, indem sie richtig ihre Entstehung aus dem kaudalen Rückenmarksrest herleiteten, das im Gegensatz zu dem höher gelegenen Teile (filum terminale) ein abgeschlossener epithelialer Hohlraum bleibt, der an die Haut befestigt ist und bei Wachstumsveränderungen der Haut mit dieser in die Höhe genommen wird. Wie die vestiges coccygiens an die Haut befestigt sind, darüber geben die Entdecker keine Auskunft. Nach ihnen erreichen die vestiges coceygiens oder kaudalen Rückenmarksreste das Maximum von Entwicklung bei einem Fötus von 20 em (ganze Länge; Alter: Anfang des 5. Monats) indem sie ungefähr 2 mm lang werden, nehmen allmählich an Länge ab, um schliesslich zu atrophieren (Fötus 35 cm, Ende des 6. Monats), obgleich sich ihre Reste in Begleitung des lig. caudale auch noch an den älteren Embryonen und zur Zeit der Geburt nachweisen lassen. 202 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Unsere Untersuchungen haben über die kaudalen Rücken- marksreste (vestiges coceygiens) Folgendes ergeben: l. Sie entstehen aus dem dem Schwanzfaden zukommenden Rückenmarksabschnitt und stellen das Rückenmark des kaudalen Endes der Schwanzknospe vor, sie sind fest mit dem Mesoderm- rest (späteren lig. caudale) verbunden und empfangen ihre Gefässe aus der Art. sacralis media (von ihren Endästen aus). 2. Die kaudalen Rückenmarksreste befinden sich stets in dem lig. caudale, ihre Lagerung wird durch dasselbe bestimmt, dagegen zeigen sie selbständiges Wachstum. 3. Die kaudalen Rückenmarksreste lassen noch bei den ältesten von uns untersuchten Stadien eine Verbindung erkennen mit dem filum terminale innerhalb des Periosts der Kaudal- Wirbelkörper. 4 Den Höhepunkt der Entwicklung erreichen dieselben in Bezug auf die Länge im Anfang des 5. Monats (Embryo 18 cm Sch. St. L.), in Bezug auf Rauminhalt im 7. Monat. (25 cm Sch. St. L.) Im Anschluss hieran möchten wir einige Betrachtungen anfügen, die in Bezug auf Rückenmark und Wirbelsäule interessante Vergleichspunkte ergeben. Im allerersten Stadium der Schwanz- entwicklung bis zu seinem Höhepunkt halten Rückenmark, Chorda, Darm und Mesoderm gleichen Schritt. In dem Reduktions- stadium des Schwanzes tritt zuerst eine Reduktion des kaudalen Mesoderms auf; die Medulla überwiegt dabei von Anfang an die Wirbelsäule. Das Steisshöckerstadium zeichnet sich wieder durch überwiegendes Wachstum der Wirbelsäule aus: Die Wirbelsäule überwiegt die Medulla an Länge. Später finden wir eine Re- duktion in dem kaudalen Rückenmarksabschnitt, dabei bleibt aber merkwürdiger Weise das kaudalste Ende des Rückenmarks und auch des Mesodermrestes erhalten: das eine als „vestiges. coccygiens“, das andere als ligamentum caudale. Beide zeigen, trotzdem sie rudimentäre Organe sind, noch eine erhebliche Wachstumsenergie, indem sie beim Menschen, wie wir noch sehen werden, recht erhebliche Spuren hinterlassen können. Dass gerade die kaudalsten Teile des Rückenmarks eine solche viel weiter cranial- wärts gelegene überwiegende Wachstumsenergie zeigen, wird viel- leicht darauf zurückzuführen sein, dass wir in ihnen den letzten Rest des alten Wachstumszentrums der Schwanzknospe vor uns haben. Zur Kenntnis der fovea und fistula. sacrococeygea s. candalis etc. 203 Wichtig ist das lig. caudale in seinen Beziehungen zur Haut der Steissgegend. 6. fovea caudalis (coccygea) und die Haarbildungen (vertex coccygeus und glabella coccygea) in der Gegend des Steisses. Nachdem wir gesehen haben, dass das konstant auftretende lig. caudale auch eine konstante Verbindung mit der Haut hat, ist zu untersuchen, .ob man äusserlich diesen Ansatz- punkt an die Haut nach Verlust des Schwanzfadenrestes erkennen kann. Solange ein Steisshöcker sichtbar ist, können wir es nicht erwarten, da das Band nur durch Zug wirken kann und so durch das Vordringen der Haut unmittelbar durch die Wirbel in seiner Wirkung behindert wird. Anders dagegen, wenn der Steisshöcker verschwunden ist. (4. Monat). Aber auch hier kann erst äusserlich eine Erkennung in Form einer Depression oder Einsenkung der Haut zustande- kommen, wenn die umgebenden Weichteile sich stärker ent- wickeln, und das tritt nach unseren Untersuchungen erst ein bei Föten im 7. Monat. Die entstehende Depression heisst nach Ecker fovea coccygea. Die Ansatzstelle des lig. caudale bleibt frei von Haaran- lagen und solange dieselbe noch nicht ein Grübchen bildet, zeigt sie eine kleine Glatze (glabella coccygea), wobei die Haarschafte alle nach dem Ansatzpunkte des lig. caudale konvergieren. Wird später die Stelle zum Grübchen vertieft, so tritt eine stärkere Konvergenz der Haare ein, sodass ein wirklicher Wirbel bei der fovea coceygea zustande kommt (vertex cocceygeus). III, a. Die klinische Bedeutung der fovea coccygea. Im Vorstehenden haben wir ausgeführt, was die Ent- wicklungsgeschichte über die Entstehung der fovea coccygea lehrt. Im Folgenden soll der Standpunkt der Kliniker dargelegt werden, die sich mit der fovea cocc. als der Vorstufe der ange- borenen kaudalen Fistelöffnungen befassten. Insbesondere waren es französische Autoren, die in früheren Jahren, weniger deutsche, die mehr in den letzten 10 Jahren, ihre Aufmerksamkeit der Anatomie der regio sacrococc. schenkten. In Frankreich haben 204 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: vor allem Lannelongue, Despr£&z u.a. bereits vor 20 Jahren darauf aufmerksam gemacht, durch welche bunte Mannigfaltig- keit sich der feinere Bau jener Körpergegend beim Neugeborenen auszeichnet. Eine glatte gleichmässige Hautdecke wird nur bei wenigen beobachtet. Meist findet man 1 cm vom anus entfernt nach der Rückenfläche zu eine Art feiner glattliniger Narbe, meist in der Mittellinie, öfter nach der Seite abweichend. In dieser, dem Anschein nach narbigen Hautstelle, bemerkt man eine kleine Vertiefung oder tiefere Falte („soit une petite fente, soit un repli*). Die tiefste Stelle entspricht gewöhnlich der Grenze zwischen Kreuz- und Steissbein, sitzt dem Knochen fest auf, kaum auf ihm verschieblich. Wenn ein grösseres Fettpolster vorhanden, so fühlt man deutlich die Grube durch derbere Bindegewebs- stränge mit den Knochen eng: verbunden. Lannelongue fand unter 130 Kindern 95mal jene Grube: 29 mal in der Höhe des Kreuzbeins, 2Smal in der Höhe des Steissbeins, und 58 in der Höhe der Grenze beider Knochen. Terrillon sah solche Grube bis zur Höhe des fünften Lumbalwirbels; sie war nach oben gerichtet und adhärierte am Periost. Wir selbst beobachteten sie, unter 500 Fällen etwa fast nie auf der Steissbeinspitze, sondern meist entsprechend jener Knochengrenze und wir können hinzufügen, dass wie auch Heurteux und Stolper hervorheben, oft zwei übereinanderliegende Grübehen vorhanden sind. Ferner sahen wir wiederholt von der Grube, resp. Narbe aus zwei „Y“-förmig sich trennende Streifen kranialwärts weiter ziehen (0),5—1 cm lang). Die Narbe in der Mittellinie ist gewöhnlich 1 cm lang, doch beobachteten wir bei Kindern von 4-6 Monaten bereits 3 cm lange narbenähnliche Streifen. Die Haut scheint in diesen Narben glatt und glänzend gespannt, leicht gerötet; die in der Umgebung deutliche Zeichnung (Haare und Drüsen) sind makroskopisch nicht sichtbar. Die Grube kann bis 1 cm Tiefe erreichen, der Rand leicht überhängen, von einem Haarkranz umgeben. Diese Gruben und Spalten nun sollen nach den über- einstimmenden Berichten die Vorstufen sein für die angeborene Sacrococc. Fisteln; die Fistel sei nichts weiter als eine vertiefte Fovea. Wie hat man sich nun diese Gebilde zu erklären versucht ? Fere& betrachtet sie als „ombilic posterieur“, Terillon als Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 205 Reste einer spina bifida occulta, Herrmann und Tourneux führen sie auf die vestiges coceyg. und das lig. caudale zurück, ähnlich Ecker und neuerdings Stolper, was Lannelongue schon vorher dahin erweitert hatte, dass bei Verkürzung der lig. caud. besonders die fovea sich ausbilden soll. Lawson Tait erinnert an die Schwanzbildung, Desprez hält die Grube für „le vertige de l’ouverture inferieure de la lame dorsale“. Kirmisson beschreibt einen Fall (weiblich) wo bereits 20 Tage nach der Geburt, in der Umgebung einer solchen Fistel eine grössere Ulceration bestand, die nach Aussage der Mutter bereits bei der Geburt vorhanden war; zur Erklärung denkt Kirmisson an Verwachsungen zwischen dem Fötus und seinen Hüllen End- lich betrachtete man sie als Reste von Lymphangiomen, ähnlich denen des Halses, insbesondere wenn neben den Fisteln ceystische - Erweiterungen bestanden. Man sieht: reichlich Theorien und Hypothesen, keine entscheidend, keine einwandsfrei und folge- richtig ontogenetisch entwickelt. Aus unsern Untersuchungen, glauben wir, geht einwands- frei hervor, dass für die Bildung der fovea coceygea in erster Linie das ligamentum caudale heranzuziehen ist: die Bildung jener längeren Narbenstreifen wird ebenfalls durch die Endaus- breitung des lig. caudale bewirkt, ihre Fixierung und Zu- sammenhang mit dem Knochen nach oben erinnert an das Verbindungsstück des filum terminale, nach unten an das lig. caudale Ein weiterer Punkt, der Beachtung verdient, ist der Haar- kranz, der die fovea coccygea, resp. die Mündung der Fisteln häufig umgiebt. Nun kommt es zwar an anderen Körperstellen vor, dass bei vernarbenden Fisteln, die Haut mit den Haaren ringsherum eingezogen wird, dass ein Haarwirbel sich bilden kann; immerhin aber ist die Haarbildung um die fovea bezw. fistula caudalis eine auffallend regelmässige. So erwähnt Mus- catello besonders einen Fall (l. ec. Fall XVI, Kind von 3 Monaten) einer spina bifida occulta lumbalis, unterhalb deren 2 cm vom anus entfernt eine fovea coce., von einem dichten Haarkranz um- geben lag; ferner Fall XXIII, 5 Monate alt: „3 cm oberhalb des anus findet sich eine stark eingezogene mit einem Kranze von 1 cm langen Haaren versehene fovea coce., in deren Tiefe die Haut mit dem anscheinend intakten Knochen verwachsen ist“, 206 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Für diese Hypertrichose nimmt Virchow einen chronischen Entzündungsprozess an; Recklinghausen zählt sie zu den Hyperplasien, Muscatello selbst macht aufmerksam auf das Haarwachstum, das man sonst nach Nervenresektion beobachtet. So sollte auch hier ein Reiz der häufig miterkrankten Nerven- stämme eine Haarvermehrung bedingen. Uebrigens hat man (vgl. Borst) nach Operation einer spina bifida oceulta in den versorgten Nervenbezirk ein vermehrtes Haarwachstum beobachtet. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass sich auf diese Weise das Haarwachstum bei spina bifida erklären lässt. Für den Haar- kranz der fovea coccygea, den wir auch an unseren Embryonen zeigen konnten, wollen wir versuchen einen anderen Gesichts- punkt zu gewinnen: die fovea coceygea, bedingt durch das liga- mentum caudale, ist der Ueberrest eines Säugetierschwanzes. Wenn wir ferner an Fälle denken, wie Geyl sie beschrieben hat, wo drei Generationen hindurch diese Affektion beobachtet wurde, so deutet dies auf einen ererbten Zustand, auf einen Atavismus hin. Vergegenwärtigen wir uns weiter, dass dort, wo im Laufe der Phylogenie Organe zu Grunde gegangen sind, als letzte Spur eine Narbe oder ein behaartes Muttermal ge- funden wurde (es sei an die naevi pilosi der vorderen Brust- und Bauchwand als Reste der embryonalen Milchleiste erinnert), so ist genug Ursache, daran zu denken, ob nicht diese Haar- gebilde der Sakralregion als letztes Wahrzeichen eines zu Grunde gegangenen Organes, des Schwanzes, aufzufassen sind; Diese Folgerung ergab sich uns aus einem Vergleich der entwicklungs- geschichtlichen und klinischen Untersuchungen und wir dürfen als letzte Bekräftigung wohl an Virchows Worte (1884) er- innern: „man kann sich wohl vorstellen, dass die umschriebene Haarbildung der Sakralgegend als letzter Rückstand einer ur- sprünglich kaudalen Anlage zu betrachten ist.“ Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich eine tief ausgeprägte fovea coccygea bei Individuen findet, die auch sonst ausgeprägte Degenerationszeichen aufweisen; so konnten wir an 2 Kindern mit angeborener Idiotie eine tiefe fovea konstatieren, (efr. Wendelstadt). Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 207 b. Die klinische Bedeutung der fistula caudalis (s. sacrococcygea). Für die Betrachtung der Fisteln am unteren Rumpfende ist es wichtig, von vornherein streng zu unterscheiden a) solche, die sich in sagittaler Richtung direkt durch die Wirbel hindurch in den Wirbelkanal fortsetzen; solche Gebilde gehören in das Gebiet der spina bifida, sind also häufig mit pathologischen Ver- änderungen der knöchernen Wirbelsäule combiniert. b) Fisteln, die zum lig. caudale in Beziehung zu setzen sind — Kaudalfısteln. Beide Arten Fisteln können mit Cysten kombiniert sein; bei jenen ersteren kommen dann die verschiedenen Grade der Meningeal und Myelocysten in Betracht. Für die Beurteilung der Kaudalfisteln ist ihre mikroskopische Struktur wichtig: entweder hat ihre Wand die Bildung der äusseren Haut, so handelt es sich um direkte Vertiefung der fovea coccygea, oder die Wand trägt Cylinderepithel, so sind die Fisteln und auch zugehörigen Cysten aus den kaudalen Rückenmarksresten zu erklären. Wenn auch das Interesse für diese Gebilde mehr ein theoretisches wie praktisches ist, so kann doch ihre Kenntnis auch für den Kliniker von Vorteil sein. Wir wollen hier ganz absehen von dem Kuriosum, das Lannelongue erwähnt: Eine Frau steckt ihrem kranken Mann das Fieberthermometer in solch’ eine Fistel statt in den Mastdarm. Aber schon 1875 weist Gussenbauer darauf hin, wie oft bei Phlegmonen und Entzündungen der regio sacrococcygea die eigentliche Ur- sache, ein Tumor übersehen wird. Daraus resultiert 1. eine falsche Behandlung, eine Ineision, während zur Heilung eine Fxstirpation erforderlich ist. Wiederholt sind im Anschluss an längere Krankheiten, insbesondere Typhus, Abcesse hier incidiert worden, die sich bei weiterer Behandlung als Fistelbildung er- wiesen; 2. muss man auch bei der einfachen Incision dieser Gebilde vorsichtig sein. Wenn auch, wie Stolper und Borst in ihren umfassenden Mitteilungen hervorheben, die einfachen Fisteln und Cysten oft keinen Zusammenhang mit dem Wirbel- kanal haben, so kommen doch Fälle vor, bei denen diese Ver- bindung existiert; bei den grösseren Dermoideysten zwar in der Lumbalgegend, d. bh. bei allen mit spina bifida combinierten Bildungen ist es die Regel, dass sie mit dem Wirbelkanal 208 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: communizieren und man wird bei ihrer Operation besonders vor- sichtig sein. Aber auch die kaudalen Fisteln und Cysten können solche Ueberraschungen geben. Wette beobachtete nach einer solchen Operation eine zwei Tage lang anhaltende tetanische Steifheit der Beine, und Bill- roth beschreibt einen Fall (ähnlich unserem Fall IV) der nach der Operation auffallend somnolent wurde und beginnende, aber schnell verschwindende Lähmungserscheinungen bot, so dass er ein noli me tangere für diese Tumoren aussprach. In unserem Falle IV wurde eine Embolie der arteria fossae Sylvii bei marantischer Herzthrombose angenommen: wir halten es nicht für ausgeschlossen, dass es sich bei der entleerten Flüssigkeits- menge um Jiquor cerebrospinalis handelt, dessen Verlust in grösserer Menge dergl. Krankheitszustände hervorrufen kann. Die kleinen Oysten, die in diesem Falle nachzuweisen waren, sind bei der Operation eröffnet worden; nach unseren früheren Auseinandersetzungen können diese Cysten kommunizieren mit dem Öentralkanal. Auch ist es denkbar, dass das Ende des Duralsackes im lig. caudale liegt und noch mit diesen Üysten kommuniziert; auf solche Möglichkeiten muss man bei Operationen dieser Fisteln gefasst sein. | Es mag hier noch angefügt werden, dass die Autoren wiederholt darauf hinweisen, dass in der Umgebung solcher Fisteln oft 6—8 erweiterte parallele Venen zu finden sind, die parallel mit den Bindegewebszügen des lig. caud. in die Tiefe treten. Ecker beschreibt als auffallendes Charakteristikum seines lig. caudale das Vorhandensein solcher Venen. c. Die Sakrococcygealen Cysten. 1. Eigene Beobachtung. Lucie L., 6 Monate alt, ist das erste Kind einer 10 jährigen Ehe (keine Fehlgeburt). Seit der Geburt bemerken die Eltern am Steiss eine kleine Schwellung, die allmählich wachsend jetzt Folgendes konstatieren lässt: Man sieht in der Medianlinie etwa zwei Fingerbreit oberhalb der Analöffnung eine kirschgrosse Geschwulst von unveränderter Haut bedeckt. Am obern Umfang derselben ein kleiner Schopf Haare, und eine dreieckige Ein- senkung der Haut. Nach rechts davon ist die Glutäalgegend stark aufgetrieben; diese Auftreibung wird beim Schreien des Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 209 Kindes, bei der Aktion der Bauchpresse ausserordentlich grösser, so dass eine kuglige Geschwulst entsteht, die von dem vorher beschriebenen Tumor durch eine schmale Einsenkung getrennt ist. Bei der Palpation fühlt man, dass die kleinere Geschwulst (in der Mittellinie) aus härteren und weichern Teilen zusammenge- setzt ist, während die grosse Geschwulst Fluktuation darbietet. Bei der Rektaluntersuchung fühlt man, dass der grössere Tumor (des Gefässes) auch retrorektal entwickelt ist und dass man ihn durch Druck von aussen in die Beckenhöhle hineindrücken kann. Es besteht ein Zusammenhang zwischen beiden Geschwulsten durch einen derben Strang. Im übrigen zeigt das etwas schwächliche Kind keine Ab- normitäten. keine Lähmungserscheinungen. 9. 11. 01. Operation (Dr. Karewski): Schnitt in der Mittellinie über die Höhe der Geschwulst. Die unterhalb der Steissbeinspitze gelegene Geschwulst zeigt sich mit dem Knochen so verwachsen. dass die äusserste Spitze mit entfernt werden muss. Die grössere CUyste des Gefässes ist in die Muskeln so eingelagert, dass deren Ansatzpunkte mit der Cystenwand im Zusammenhang losgeschält werden. Der Mastdarm wird durch einen eingeführten Finger vorgewölbt, und der ventrale Teil der Cyste, der sich nach oben bis vor die ventrale Fläche des Steiss- beins entwickelt hat, freigelegt; die Cyste hängt zuletzt nur noch an einem feinen Strang, der sich bis auf die ventrale Fläche des Kreuzbeines verfolgen lässt und hier hoch oben angebunden wird. Die Naht, durch die die Wunde geschlossen wird, muss infolge dauernder Verunreinigung wieder geöffnet werden; das Kind wird 14 Tage nach der Operation mit granulierender Wunde entlassen; nach 2 Wochen wird das Kind von einem Erysipel befallen, das sich über die ganze untere Rumpfhälfte ausdehnt; Tod infolge hinzutretender Pneumonie. Das Präparat besteht aus einer etwa wallnussgrossen Cyste (in der Gefässmuskulatur), deren Inhalt eine trübe, zähe, eiweisshaltige Flüssigkeit bildet. Die Innenwand ist im allge- meinen glatt, hin und wieder ausgebuchtet; sie trägt eine etwa bohnengrosse Cyste. Die Aussenwand ist ebenfalls glatt und trägt die Reste der sich dort ansetzenden Gefässmuskeln. Neben dieser Öyste bemerkt man eine kleinere, etwa kirschgrosse, deren Innenwand einer Trabekelblase ähnelt; dieser sitzen schleim- 210 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: cystenähnliche Gebilde und ein hornförmig gebogenes Gewebs- stück auf. Auf der anderen Seite, da wo das Steissbein mit der Cyste verwachsen ist, liegt ein Tumor von Haselnussgrösse; auf dem Durchschnitt glatt glänzend, er enthält 3—5 kleinere Cysten, aus deren Wand einige knopfartige Wucherungen hervorgehen. Diesem bunten makroskopischen Bild entspricht der mikr. Bau. Der Inhalt der grossen Cyste besteht aus Cylinderzellen (ohne Flimmerhaare); auf Schnitten konstatiert man, dass die Wand der grossen COyste aus einer Lage einfach glatten Epithels gebildet wird, die der kleineren Cyste entweder aus sehr schön geformtem Flimmerepithel, Cylinderepithelien, stellenweise aus geschichtetem Plattenepithel. In dem Bindegewebe rings um die Cyste liegen Bündel quergestreifter Muskulatur (nicht nur da, wo die Reste der Gefässmuskeln getroffen sind), markhaltige Nervenfasern. In dem Tumor am Steissbein ist embryonales Keimgewebe vorwiegend, in dem sich Nester von faserknorpligem und osteoidem Gewebe zeigen; dicht daneben die Wand einer Cyste auskleidendes schlauchartig augeordnetes Cylinderepithel (ähnlich den Brunner’schen Drüsengängen gebaut). Epikrise: In diesem congenitalen Sakraltumor sehen wir eine grosse Zahl der verschiedenartigsten Gewebsarten neben- einander; aber er erscheint uns unmöglich, ihre Herkunft von einem einzelnen Organe herzuleiten; andererseits wäre eine Hypothese zu kühn, die auf ein unvollkommenes System eines zweiten Fötus schliessen wollte. Ribbert sagt: „die Tumoren der regio sacroceygea bilden ein histologisches Potpourri“ ; und er hat Recht. Wenn wir von den Mischgeschwülsten der Speichel- drüsen und der Ovarien absehen, so finden wir kaum ein Gebiet des menschlichen Körpers in dem pathologische Neubildungen einen so mannigfachen Bau bieten. Die Geschwülste dieser Gegend können sämtliche Gewebs- und Zellarten enthalten, ja man hat die Bildung der verschiedenartigsten Organsysteme nebeinander beobachtet. Oft allerdings hat die Phantasie der Autoren bei der Bedeutung der Gewebsarten sich keine Schranke auferlegt. Im Flimmerepithel sah man einen Centralkanal, im Öylinderepithel Darmschleimhaut, in Knorpelzellen die Anlage der knorpligen Wirbelsäule oder auch eines Bronchialbaumes und und in Gysten mit niedrigem Epithel die Anlage der Ventrikel des Gehirns; kurz es fehlt nicht viel um einen neuen Fötus Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 211 aufzubauen. Demgemäss resultieren zwei Theorien zur Er- klärung jener Tumoren: 1. Viele Autoren vertreten die An- nahme, dass es sich um einen zweiten Fötus handelt (foetus in foetu, foetale Inclusion, Theorie des bigerminalen Ursprunges). Man muss zugeben, dass diese Theorie hier am Rumpfende dicht unter der Haut jedenfalls noch annehmbarer ist, als z. B. bei den Mischgeschwülsten der Hoden und Ovarien (Embryoide Ge- schwülste im Sinne Wilms). Anm.: Eine Theorie französischer Forscher gipfelt in der Erklärung, dass das untere Rumpfende gleichsam um sich ein Aequivalent für das Gehirn des oberen Rumpfendes zu schaften, an seinem Ende solche Tumoren produziere; Rindfleisch wollte der Steissdrüse eine gleiche Rolle wie der Hypothese als „Vorratsmagazin“ für die Weiterbildung des Schwanzes vindi- zieren. Von diesem Gesichtspunkte aus wird unser Gebiet auch als „Wachstumszentrum“ bezeichnet. 2. Diese zweite Theorie bemüht sich, zur Erklärung mit den von der Natur gegebenen Organen auszukommen und greift nur auf die beim Embryo vorhandenen Anlagen zurück: canalis neurenticus, postanalen Darm, vestiges coceygiens, ligam. caudale ; aber da hat wohl Stolper Recht; die Möglichkeit des Zu- sammenhanges ist vorhanden, erwiesen ist er noch nicht. Jeden- falls ist es aber unserer Meinung nach richtiger, Neubildungen von Keimen ausgehend zu erklären, die uns die normale Ent- wicklung schon zeigt und darum möchten wir auch daran fest- halten, die Neubildungen (Cysten, Carcinome) die ventral vom Steiss und Kreuzbein liegen, als die Auswüchse des postanalen Darmes (cf. Keibel, Schwanz des Menschen, nach welchem Autor Keime sehr weit an der ventralen Fläche des Kreuzbeins hinaufsteigen können) anzusehen. Neoplastische Gebilde da- gegen die an der Steissbeinspitze und rückwärts von dem Knochen liegen aus den vestiges coccygiens, aus dem lig. caudale und ihren Adnexen (Gefäss und Sympathicus) zu erklären; falls nicht eine Entstehung aus spina bifida etc. vorliegt. Ganz neuerdings hat Katsurada versucht, Bonnets Lehre zur Erklärung heranzuziehen: Es sind zwei Möglich- keiten gegeben: Solche Tumoren entstehen aus einzelnen Blasto- meren oder Gruppen von solchen, getrennt von den übrigen Embryonalanlagen. Oder es handelt sich um eine verzögerte 212 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Entwicklung einer Blastomere, deren Organanlagen dann schon von den weiter fortgeschrittenen eingeschlossen wäre. Ziehen wir das Faecit aller jener mühevollen Untersuchungen und Hypothesen, so ist das Resultat: Ignoramus. Nur vielfache Beobachtungen pathologischer Embryologie werden uns Auf- klärung schaffen können. Es soll aber hier im Sinne von Wiedersheim darauf hingewiesen werden, dass überall da, wo Organe sich im Stadium der Involution, phylogenetischen Rückentwickelung befinden, solche Körperstellen leicht zu Erkrankungen und Neubildungen neigen: der Wurmfortsatz, der beim Menschen nur noch ein Rudiment seiner einstigen Grösse, jetzt in seiner Involutions- periode zu so häufiger Erkrankung führt; die Milchdrüse; diese, die unter den Säugetieren beim Menschen, der Zahl nach, am wenigsten entwickelt, zu den bösartigsten Tumoren neigt; end- lich die Körperregion des unteren Stammendes, der postanale Darm, die letzten Wirbelknochen, das filum terminale und ligam. caudale, Organe, die beim Menschen nur noch rudimentär aus- gebildet sind, produzieren verhältnismässig oft excessive patho- logische Bildungen. Anm. Man glaubte früher, dass das weibliche Geschlecht mehr zu solchen Missbildungen neige wie das männliche; Merkel meint, dass das männliche Geschlecht nur eine höhere Ent- wicklung des weiblichen darstelle und darum müssten alle früh entstandenen Missbildungen in das Stadium des weiblichen Ge- schlechts fallen (Jordan). d. Schwanzartige Bildungen. (Eigene Beobachtungen.) 1. 12 jähriges Mädchen, das seit der Geburt eine Hervorragung am Ende der Wirbelsäule hat. Man sieht 2—3 cm oberhalb des anus die Haut in der Medianlinie spitz vorspringend ; der Vorsprung hat eine Länge von etwa 11/’a—2 cm. Die Haut ist sonst nicht verändert, zeigt auch keine auffallende fovea.. Man fühlt, dass der Vorsprung vom Steissbein gebildet wird, das, wie auch die Rektaluntersuchung erkennen lässt, gegen die übrige Wirbelsäule rechtwinklich ab- geknickt ist; eine abnorme Beweglichkeit des Knochens ist nicht zu konstatieren ; die Röntgenuntersuchung (Dr. Levy-Dorn) zeigt Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 213 5 durch hellere Streifen von einander getrennte Steisswirbelknochen deren kleinster kaum erbsengross ist. Diese Bildung war anderwärts als wahre Schwanzbildung aufgefasst worden. Wir glauben aber, dass es sich lediglich um eine abnorme Verlaufsrichtung des Steissbeines handelt, eine Beobachtung ähnlich der von Braun (Zoolog. Anzeiger Bd. IV.) als „Schwanzähnliche Bildung“ beschriebene; wir erinnern an Poirier (Traite d’Anatomie humaine), der solche Abknickungen des Steissbeines als traumatische auffasst. Jedenfalls ist keine Vermehrung der Wirbel vorhanden. 2. 60jährige Dame, die von Kindheit an in der Kreuzbein- gegend eine Geschwulst trägt, die langsam ihre jetzige Grösse er- reicht hat: Es handelt sich um eine 12 cm lange, in ihrem oberen Teil 4 cm, im unteren 2 cm breite Geschwulst, die der Länge nach in der Medianlinie auf einem schmäleren Stiele der Unter- lage pilzförmig aufsitzt, sich nach unten zu spitz verschmälernd. Bei einer unvorsichtigen Bewegung im Bett war der Stiel ein- gerissen, blutete heftig, so dass die Kranke sofort in die Klinik gebracht wurde. Operation (Dr. Karewski): Entfernung der Geschwulst durch Ovalärschnitt; es zeigt sich, dass der Tumor der Fäscie nur locker aufsitzt, sich ohne Schwierigkeit von ihr trennen lässt; es besteht keine Verbindung mit der Tiefe. Präparat: Die Haut der Geschwulst nicht auf- fallend haarreich, zeigt keine Besonderheiten. Der Tumor besteht aus etwa 6 Knollen von je etwa Wallnussgrösse, derber Konsistenz, auf dem Durchschnitt gleichmässig weiss: dieselben sind fest mit einander verwachsen, jedoch durch cirkuläre Bindegewebszüge gut gegen einander abgegrenzt; mehrere grössere Gefässe vorhanden. Im miskroskopischen Bilde sind zwei Beobachtungen auffallend. Das Bindegewebe ist in rosenkranzähnlich an- und abschwellenden Bändern angeordnet; an anderen Stellen ist es knäuelartig oder regellos verflochten. Wir heben dies |letztere hervor, weil Borst in einem Falle von „weichem Schwanz“ die gleiche Beobachtung hervorhebt. Zweitens sind kleine cystische Bildungen zu erwähnen, die von mehr- schichtigem Plattenepithel ausgekleidet sind; in ihrer nächsten Umgebung findet sich Gliagewebe mit Zellen, die Ganglien- zellen gleichen; über ihre Herkunft lässt sich nichts sicheres sagen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 15 214 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Unser Fall gehört zu den „weichen Schwänzen“: seine äussere Form, seine Lokalisation und sein histologischer Bau lassen ihn jenen Beobachtungen anreihen, über die Borst im Zusammenhang berichtet hat, wie denn überhaupt hier auf Borsts ausgezeichetes Sammelreferat ausdrücklich verwiesen sei (vgl. auch Bartels und Virchow) Wir wollen hier nicht weiter untersuchen, ob wirklich echte Schwanzbildungen beim Menschen schon beobachtet sind; der menschliche Embryo hat einen Schwanz, also könnte sich auch post partum ein solcher finden; nun ist aber der embryonaleSchwanz des Menschen selbst nur noch ein Rudiment des ursprünglichen Säugetierschwanzes: die Aussichten, dass er sich weiterentwickelt, sind also gering. Anders steht es mit Organen, die wenigstens beim Embrvo vielleicht sogar funktionell noch eine grössere Rolle spielen, z. B. Nebennieren, Vornieren, ferner ist die Milchleiste noch gut nachweisbar, aus den Milch- punkten kann sich noch Milchdrüsengewebe entwickeln: Hyper- mastie beim Lebenden. Auch die Kiemengänge sind Bildungen die beim Embryo deutlich nachweisbar, auch im postembryonalen Leben eine grosse Rolle spielen können. Dass aus rudimentären Organen sich Neubildungen entwickeln können, ist eine be- kannte Thatsache. Es fragt sich nun, ob sich vielleicht hier eine Gesetzmässigkeit erkennen lässt, das heisst ob gewisse rudimentäre Organe häufiger befallen werden als andere. Es liegt der Gedanke nahe, dass der höhere oder der geringere Grad der Entwicklung, den ein rudimentäres Organ während der Embryonalzeit erreicht oder auch der Grad der Funktion, die ihm während jener Zeit zukommt, einen Einfluss hat auf die Häufig- keit des Auftretens von Geschwülsten. Die Reste in solchen Or- ganen, welche noch eine grössere Bedeutung für die embryonale Entwicklung haben, vor allem von solchen, welche dann atrophieren, sind hier zweifellos bedeutender als die Reste solcher Organe, die eben nur angelegt, alsbald wieder verschwinden. Vielleicht kommt auch noch ein anderer Gesichtspunkt hinzu, der diese Organe geeigneter macht als Grundlage für Neubildungen zu dienen; bei einem funktionierenden Organ ist ein gewisser Gleichgewichtszustand zwischen den verschiedenen Geweben, die das Organ aufbauen, gegeben; dadurch wird die Funktion garan- tiert. Hört die Funktion auf, so wird dieser Gleichgewichtszu- stand geändert und es muss sich ein neuer :herausbilden: in Ki Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis etc. 215 diesen Verhältnissen könnte der Grund für Neubildungen liegen ; analog z. B. der Careinomentwicklung bei Altersatrophie. Schlussfolgerungen betr. das ligam. caudale. 1. Der am Schwanzende der Menschen auftretende Schwanz- faden verdankt nur regressiven Prozessen seine Ent- stehung; in ihm findet sich Medulla und ein unsegmen- tierter Mesodermrest. Der Schwanzfaden stellt den Rest einer Schwanzknospe dar und enthält als solcher die Endäste der arteria sacralis media. 2. In der Reduktion des Schwanzes beim Menschen sind zwei Prozesse auseinander zu halten. a) die Bildung des Caudalhöckers, d. h. die eigentliche Reduktion des Schwanzes, die mit einer Verschmelzung der letzten Segmente einhergeht und b) die Bildung des Steisshöckers. 3. Die Bildung des Schwanzfadens tritt in dem ersten Sta- dium des Kaudalhöckers auf infolge der sub 2a er- wähnten Verkürzung der letzten verschmolzenen Seg- mente. 4. Die Entstehung des Steisshöckers ist durch eine recht- winklige Knickung der drei letzten Wirbel gegen die obere Wirbelsäule zu erklären. Die Ursache für diese Knickung liegt in einem stärkeren Wachstum der Kaudal- wirbelsäule gegenüber der Haut und dem Rückenmark. Dieses Wachstum lediglich bedingt das Verschwinden der subkaudalen Epithelplatte, und nicht der postanale Meso- dermwulst. 5. Schwanzfadenreste lassen sich auf dem Stadium des Steisshöckers finden, sie sind durch Bindegewebszüge mit der Steissbeinspitze verbunden. Diese Bindegewebszüge leiten sich aus dem sub 1. erwähnten Mesodermrest her; auch sie enthalten die Endäste der arteria sacralis media. 6. Diese Bindegewebszüge sind das ligamentum caudale; sie schliessen auch den ursprünglich im Schwanzfaden befindlichen Teil des Rückenmarkes ein, aus dem sich 15* 216 Ernst Unger u. Theodor Brugsch: Sm Co m später die vestiges coccygiens oder kaudalen Rücken- marksreste entwickeln. Die Stelle des Ansatzpunktes des Schwanzfadens wird bezeichnet durch die Anheftung des ligamentum caudale an die Haut. 7. Die dem ligam. caud. zukommenden Endäste der arteria sacralis med. empfangen bei Stadien von 5!/e cm ab als Begleiter das Ende des Sympathicus. I. Litteraturverzeichnis zu „Entwicklung des ligamentum caudale.“') . Braun, M.: Entwicklungsvorgänge am Schwanzende bei einigen Säuge- tieren mit Berücksichtigung der Verhältnisse beim Menschen. Archiv f. Anat. u. Physiologie; Anat. Abth. 1882. . Canestrini: Origine del’uomo. Sec. ediz. Milano 1870. Darwin: The Descent of man etc. Vol. I, London 1871. . Ecker, A.: Icones physiologieae 1850—59, Leipzig. . Derselbe: Ueber gewisse Ueberbleibsel embryonaler Formen in der Steissbeingegend beim ungeborenen und erwachsenen Menschen. Archiv f. Anthropologie. Bd. 1879, No. 11. . Derselbe: Der Steisshaarwirbel, die Steissbeinglatze und das Steiss- beingrübchen als wahrscheinliche Ueberbleibsel embryonaler Formen etc. Archiv f. Anthropologie. Bd. 1880, No. 12. . Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der äusseren Formen jüngster menschlicher Embryonen. Arch. f. Anat. und Physiol. Anat. Abt. 1880. Derselbe: Besitzt der menschliche Embryo einen Schwanz? ebda. wie 7. Derselbe: Replik und Compromissätze nebst Schlusserklärung von W. His ebda. wie 7. Flesch: Ueber das Schwanzende der Wirbelsäule. Physik. med. Ges. in Würzburg. 1. VI. 1878. . Fol: Sur la queue de l’embryon humain. Acad. des Sciences. Paris 8. Juin 1885. . Gegenbauer. C.: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1896, Bd. II. . Derselbe: Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Hertwig, O.: Urmund und spina bifida. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XXXIX. 1892. . Derselbe: Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. VI. Aufl., Jena 1898. !) S, auch S$. 194 Anmerk. 2 u. $S. 196 Anmerk. 1 unserer Arbeit. 16, 17. 18. 19. 20. al. 22. 23. 24, 25. 26. 27. 28. 29. ‚30. 31. 32. ‚33. 34. 3. 36. a7, 38. 39. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococcygea s. caudalis etc. 217 His, W.: Anatomie menschlicher Embryonen. I, Embryonen des ersten Monats, Leipzig 1880. Derselbe: Ueber den Schwanzteil des menschlichen Embryo. Archiv f. Anat. u. Physiol. Anat, Abt. 1880. Jacobson: Beiträge zur Kenntnis der fötalen Entwicklung der Steiss” drüse. Archiv f. mikr. Anat. Bd. LIII. Keibel, F.: Ueber den Schwanz des menschl. Embryo. Anat. Anzeiger. 1891, u. Archiv f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1891. Derselbe: Ueber die Entwicklung des Urogenitalapparates beim Menschen. Archiv f. Anat. u. Phys. 1896. Anat. Abteil. Kästner: Allgem. Entwicklung der Rumpfmuskulatur, Archiv f£, Anat. und Phys. 1892. Anat. Abt. Kölliker, A. v.: Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Wirbeltiere. Leipzig 1884. Luschka: Das Becken u, (1861. s. Borst.) P. Mall: the development of coelon humain. Journal of Morphology, vols. 12 and 14. Phisalix: 1887. s. Borst. Petersen: Archiv f. Anat, u. Phys. 1893. Anat. Abteil. Quaterfages: Rev. des cours scient. V. ann. No.39. Paris. 1868. Rodenacker: Diss. Freiburg. 1898. Rosenberg: Morpholog. Jahrb. 1875. Derselbe: ; "1899, Steinbach: Die Kaudalwirbel des Menschen. Diss. Berol, 1889. Spee, Graf v.: Archiv f. Anat. und Physiol. 1889. Anat. Abteil. Stieda: Stenogr. Bericht über die Versammlung der Deutsch. anthropol. Gesellschaft in Berlin, August 1880. Tourneux u.Herrmann: Archiv de l’anatomie et de Physiologie. 1887 Waldeyer: Sitzungsbericht der Kgl. Preuss. Akad. der Wiss. 34/1896, Wiedersheim: Lehrbuch der vgl. Anatomie. 1893, Derselbe: Anatom. Anzeiger. 1889, No. 14, S. 428. Derselbe: Bau des Menschen. 189. Wyman: Proced. Americ. Acad. of Arts and Sciences. Vol, IV. Boston and Cambridge. 1860. Betreffend die Litteratur der klinischen Beobachtungen sei auf das ‚genaue Verzeichnis von Borst, Centralblatt für allgemeine Pathologie, 1898, ‘verwiesen. Erklärung der Abkürzungen. A.s. m, = Arteria sacralis media, ARTE: —= A. caudalis. Ch. — chorda dorsalis. D. m. —= Dura mater., filum extern. f. e. 218 Frnst Unger u. Theodor Brugsch: Se le — filum intern. gl. c. — ganglion caudale. k.R(c.R.) = caudale Rückenmarksreste. ig. caud. = ligamentum caudales, M. sp. — medulla spinalis. N.n.c. = nervi caudales. N.n.s. = nervi sacrales, = — Periost. Sy. — Sympathicus. 0% — ventriculus terminalis. S. — Sacral- : C. = Caudal- INERel: HT EE: — filamentum caudale. ER. i. — extremitas inferior. C. m. = conus medullaris. S.c.f. = verschmolzene Kaudalsegmente. E. = Epithelrohr. gl. € = glandula coceygea. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI und XII. Fig. 1 stellt die Profilrekonstruktion des Schwanzendes des Embryo TB. No. II. 1,8 mm Sch. St. L. vor. cfr. Modell No.1. 20fache Ver- grösserung, Fig. 2 stellt einen Querschnitt dar, in der Höhe des schraffierten Striches bei Fig. 1. 24fache Vergrösserung. Fig. 3—12 stellen dicht zusammenliegende Sagittalschnitte vor, durch das Rumpfende des Embryo. A. B. No. VII. Sch. St. L. 2!/2 cm. cfr., hierzu Modell Il. Vergrösserung 40 fach. Fig. 13a stellt eine schematische Zeichnung des Verlaufes der Kaudalnerven und des letzten Sakralnerven des vorigen Embryo. A.B. No. VII, Fig. 13b des Verlaufes der Art, sacralis media und ihre Endausbreitung im Schwanzfaden vor. (Vergrösserung 40 fach.) Fig. 14 u. 15 geben zwei Sagittalschnitte durch das untere Rumpfende des Embryo. Dü, No. IV. 4,5 cm Sch. St. L. wieder (Vergrösserung 40 fach). Fig. 16 giebt eine schematische Zeichnung des Verlaufes der Nerven der Kaudalregion dieses Embryo. Da, No. IV. Fig. 17 giebt einen schematischen Medianschnitt durch das untere Rumpf- ende des Embryo. Er.X. Sch. St. L. = 5,5 em. Fig. 18 stellt einen Horizontalschnitt durch die Gegend des Kaudalwirbel des Embryo E.S. V. Sch. St. L. = 5,5 vor (Vergrösserung 40 fach). Fig. 19, Schematischer Medianschnitt durch das untere Rumpfende der Embryo. Da, XI. Sch. St. L.= 9 cm. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Zur Kenntnis der fovea und fistula sacrococeygea s. caudalis ete. 219 20. 21. 22. 23. 24 25 26. Schematischer Medianschnitt durch das untere Rumpfende des Embryo. Mü. No. VIL Sch. St. L.= 11 em. Verlauf des Grenzstranges des Sympathicus auf dem Sacrum und den Kaudalwirbeln des Embryo. Mü. No. XII. Schematischer Medianschnitt durch die Steissgegend des Embryo. Rü. No. XIV.7 SchySt2%, — 18 em. Schematischer Medianschnitt durch die Steissgegend des Embryo. Op. No. XV. SchtSerk 2 =25.'em. giebt das Modell des unteren Rumpfstandes des Embryos T. B. No. II Sch. St. L. 18 mm wieder. Dasselbe ist nach der Plattenmodellier- methode von Born konstruiert. Die Ansicht giebt das Dorsum des unteren Rumpfendes und den Ansatz der rechten unteren Extremität wieder, In der Zeichnung unten erkennt man einen kleinen Wulst, den Schwanzfaden (f. c.),. Die nicht gezeichnete Innenseite des Modelles lässt den Uebergang des Rückenmarkes in den Schwanzfaden erkennen. zeigt die Ansicht eines Rekonstruktionsmodells der unteren Rumpf- hälfte des Embryos AB. No. VII. 2,5 cm Sch. St. L. Es setzt sich deutlich von einem basalen Abschnitt der Schwanzfaden ab; in diesen setzt sich, auf der Zeichnung nicht ersichtlich, das Rückenmark fort. Photographische Abbildung eines menschlichen Embryo von 9 mm Länge, mit ausgebildetem Schwanz. 220 (Aus dem anatomisch-biologischen Institut Berlin). Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. Von cand. med. Theodor Brugsch und Dr. med. E. Unger, Ass. Arzt der Klinik Dr. Karewski. Mit 8 Textfiguren. In einer gemeinsam unternommenen Arbeit über die Ent- wicklung des lig. caudale beim Menschen hatten wir an einer Reihe menschlicher Embryonen von verschiedenen Altersstufen Untersuchungen über die Regio sacrococcygea angestellt. Hierbei mussten wir auch den Entwicklungsgang des kaudalen Rücken- marksendes verfolgen, was uns Gelegenheit bot, die Entstehung des Ventriculus terminalis kennen zu lernen. Unsere Resultate hierüber weichen erheblich von denen der Autoren ab, was uns veranlasst, sie an dieser Stelle zu veröffentlichen. Ehe wir aber auf unsere eigenen Untersuchungen eingehen, mag es gestattet sein, in Kürze die Litteratur über den Ventriculus terminalis und seine Entwicklung beim Menschen zu referieren. Der Entdecker des V.t. beim Menschen ist Krause!), der ihn bei Erwachsenen als eine Erweiterung des Centralkanals am unteren Ende des conus medullaris auffand. Argutinsky?) hat dann seinen Bau an Neugeborenen und älteren Foeten (aus dem 7. u. 8. Schwangerschaftsmonat) unter- sucht und die Form des Ventriculus bei Neugeborenen typisch befunden. Argutinsky teilt den Ventrikel in drei Teile ein, einen oberen, mittleren und unteren: „Der obere Teil des V. t. — der am meisten typische stellt im Querschnitt in den allermeisten Fällen eine T.-Figur dar, die aus einem frontal verlaufenden hinteren (dorsalen) und einem sagittalen, genau durch die mediane Ebene von demselben nach vorne abgehenden Teile gebildet wird, welch’ letzterer an seinem vorderen Ende lanzenförmig !) Krause, der Ventriculus terminalis des Rückenmarks; Archiv. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XI, 1875. ?) Argutinsky: Ueber die Gestalt und über die Entstehungs- weise des Ventriculus terminalis und über das filum terminalis des Rücken- marks bei Neugeborenen. Arch. f. mikr. Anat. u. Entw., Bd. LII, 1898. Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. 221 zugespitzt ist. Nur der vordere (ventrale) Abschnitt geht hinauf (kopfwärts) in den Centralkanal über, während deren hinterer (dorsale) Abschnitt in seiner ganzen Ausdehnung in eine blinde, nach oben gerichtete Ausbuchtung des Ventriculus terminalis übergeht. Der mittlere Teil zeigt zweierlei Verhalten; in der Mehrzahl der Fälle stellt er einen dünnwandigen, offenen oder abgeplatteten oder in Längsfalten gelegten Sack dar, oder, in der Minderzahl der Fälle, liegt er noch ebenfalls innerhalb des Conus medullaris, hat dickere Wände (am dicksten ventralwärts), ist der ventralen Conusfläche gewöhn- lich näher gelegen als der dorsalen, besitzt meist ge- ringeren Durchmesser als die sackartige Höhle und hat eine dreieckige Gestalt, mit der breiten nach vorn gerich- teten Basis. Der in der Richtung von oben nach unten allerlängste untere Teil des Ventriculus terminalis, dessen Länge ge- wöhnlich die des oberen und mittleren zusammengenommen erheblich übertrifft, zeigt sich in der Regel zu einer fron- talen von links nach rechts gerichteten Spalte in gehärteten Präparaten abgeplattet, welche Spalte nach unten hin ganz allmählich, aber kontinuierlich sich verschmälert und ohne scharfe Grenze distalwärts in den Centralkanal des filum übergeht.“ Für die Entstehungsweise des V. t. sind, abgesehen von der irrigen Auffassung Krause’s, dass der V. t. als der persistierende Rest des Sinus rhomboidalis der Säugetierembryonen zu betrachten sei, zwei Auffassungen vorhanden. Die ältere Ansicht wird vor allenvon Loewe,Saint-Remy und Charpy') vertreten, die den Ventric. termin. für‘ den nicht obliterierten Rest des ursprünglich im ganzen Rückenmark sehr weiten Lumens des Centralkanals halten und nicht als das Resultat „d’une dilatation de croissance“ ansehen. Alle drei Forscher schlagen daher auch als Bezeichnung für den Krause’schen Ventrikel den Namen Sinus terminalis vor. Im völligen Gegensatz hierzu steht Argutinsky. Wir geben im folgenden das Resultat seiner Untersuchungen mit seinen eigenen Worten wieder: ‘) Ueber die Literatur s. b. Argutinsky S. 220 Anm. 2. 222 Theodor Brugsch u. Ernst Unger: „Aus alledem folgt, dass die Höhle des Ventriculus terminalis durch eine am Ende des Conus medullaris und im Anfang des filum terminale in bestimmter Ausdehnung stattfindende nachträgliche bedeutendere Wucherung der dorsalen Wand und der seitlichen Wände des Centralkanals entstanden ist, und bei solcher Sachlage müssen wir den Vorgang als eine (spät vor sich gehende) echte Ventrikel- bildung, analog der Ventrikelbildung am Kopfende des Medullarrohres betrachten.“ Mit dem Worte nachträglich verbindet Argutinsky die Vorstellung, dass der Ventrikel sich erst in der zweiten Hälfte der menschlichen Ontogenie entwickelt. Argutinsky hat seine Untersuchungen nur auf Embryonen von 32 em Länge an aufwärts ausgedehnt. Für die Beurteilung der Entwicklung des V. t. fehlen daher noch die jüngeren Stadien und diese Lücke sind die von uns untersuchten Stadien im Stande auszufüllen. Nach unseren Untersuchungen beginnt die Anlage des Ventriculus term. erst dann, wenn sich das Medullarrohr am Kaudalende in das Rückenmark zu differenzieren beginnt, das durch den Conus medullaris in das kaudale Epithelrohr übergeht. Fs kann sich daher der Ventriculus terminalis, wie es Krause will, auch nicht vom persistierenden Sinus rhomboidalis herleiten, wenn das Medullarrohr nach Verschwinden des Sinus rhomboi- dalis keine Erweiterung an seinem kaudalen Ende zeigt, die die terminale Ventrikelanlage bildet. Eine Anlage des Ventriculus terminalis finden wir erst bei einem Embryo mit einer Scheitel-Steisslänge von 2,5 cm. Dieses Stadium zeigt durch eine erhebliche Entwicklung von Rücken- mark, einen scharfen Gegensatz zwischen Rückenmark und kau- dalem Epithelrohr, der durch den Conus medullaris vermittelt wird. Aeusserlich erkennt man am Conus medullaris nichts, was auf eine stärkere Erweiterung des inneren Hohlraums schliessen lässt; dagegen zeigt sich auf Medianschnitten, dass sich der Centralkanal des Conus gegenüber dem Centralkanal im Rücken- mark und im kaudalen Epithelrohr erweitert hat. Wenngleich die Erweiterung der Lichtung dieses Ventrikelhohlraums haupt- sächlich durch eine kanalartige kaudalwärts gerichtete blinde Aussackung der Dorsalwand des Centralkanales bedingt zu sein Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. 223 scheint, so messen wir gerade diesem Umstand keine Bedeutung bei, insofern dieser blinde Kanal durch eine Faltenbildung der Wand im Lumen des Centralkanals vorgetäuscht sein kann. Wir möchten hier noch einen Punkt besonders hervorheben ; der Ventricul. terminalis legt sich nicht am kaudalsten Ende des ganzen Rückenmarks an. Wir finden zwar beim Menschen an dem kaudalen Ende des Epithelrohres eine kleine ampulläre Erweiterung, ähnlich wie sie von Kupfer u. a. bei Amphibien, Reptilien, Selachiern etc. ete., kurz so ziemlich in der ganzen Vertebratenreihe beobachtet wurde. (Näheres findet sich über dieses Bläschen beim Menschen in unserer Arbeit über das lig. caudale. D. V.) Aber diese Enderweiterung des Rückenmarks hat nichts mit einer terminalen Ventrikelanlage zu thun; sie stellt den Ausgangspunkt für die vestiges coccygiens von Hermann und Tourneux vor und ist somit ein mit besonderer Wachstums- energie behafteter Teil des Rückenmarks, der einer Schwanzknospe zukommt. Es kann sich daher der Ventric. term. nicht am kaudalsten Ende des Rückenmarks angelegt haben und dann kranialwärts aufgerückt sein, indem er dabei durch Einschmelzung des Conus medullaris das filum terminale aus diesem hervorgehen liesse! Letzteres schliesst schon allein der Umstand aus, dass das kaudale Epithelrohr früher auftritt als die Ventrikelanlage. Wir müssen also den von Argutinsky angenommenen Modus der Verlängerung des filum terminale durch kraniales Emporrücken des V. t. und dadurch Einschmelzung des Conus medullaris zum filum terminale für die erste Bildung des filum ganz und gar in Abrede stellen. Dann ist es aber anzunehmen, dass das spätere Wachstum des filum terminale aus sich heraus stattfindet und nicht nach dem von Argutinsky angenommenen Modus, denn sonst herrschte für die Bildung des filum terminale ein merk- würdiger Dualismus. Es sprechen aber gegen Argutinsky’s Anschauung noch viel triftigere Gründe, die erst später angeführt werden sollen. Wir lassen nunmehr die Beschreibung eines nach der Born’schen Plattenmodellierungsmethode hergestellten Modells eines V. t. folgen, das einem Embryo von 5,5 em Sch.-St.-L. angehört. 224 Theodor Brugsch u. Ernst Unger: Betrachtet man sich den obersten Querschnitt (Centra: kanal) dieses Modells (cfr. Fig. 4) auf seine Weite hin und ver- gleicht diese mit dem Umfange des Ventrikels, so fällt sofort die grosse Ausdehnung dieses gegenüber dem Lumen des Oentral- kanals im Rückenmark auf. Der Ventrikel selbst zeigt sodann drei durch ihre Grösse scharf gesonderte Abschnitte, einen oberen, mittleren und unteren, deren Grössenverhältnisse — damit der Leser sich eine Vorstellung verschaffe — sich durch die Zahlen 4:2:1 ausdrücken lassen. Der oberste Abschnitt verdankt seine ‘Grösse vor allem drei gewaltigen Ausbuchtungen, von denen wieder eine ventrale das gröste Volumen für sich beansprucht. Es befindet sich übrigens unter dieser Ausbuchtung eine starke Ineisur, die dann horizontal um den ganzen Ventrikel herum läuft und den obersten Abschnitt von dem mittleren scheidet. Oberhalb der ventralen Ausbuchtung, aber sonst sich dorsal- wärts neigend, liegen zwei taschenförmige Aus- buchtungen, rechts wie links an den Seiten, die in eine kleine weniger auffallende dorsale Ausbuchtung zusammenfliessen. Der mittlere wie der untere Abschnitt, die sich übrigens auch wieder beide gegeneinander durch eine Ringfurche absetzen, haben annähernd eine ähnliche Gestalt, abgesehen von der Grössen- .differenz — nämlich die eines abgeplatteten Sackes, dessen trans- versaler Durchmesser zu Gunsten des dorsoventralen etwas ver- kürzt ist. Was die Länge der Vertikalachse der drei Abschnitte be- trifft, so ist der oberste der längste, der unterste der kürzeste. Es ist durch dieses Stadium erwiesen, dass ein Ventriculus terminalis bereits verhältnismässig früh existiert und dass er nicht, wie Argutinsky es behauptet, ein Entwicklungs- produkt der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist. Es fragt sich nun, ist der Ventriculus terminalis eine echte Ventrikel- bildung wie Argutinsky annimmt, oder resultiert er durch Offenbleiben des ursprünglich sehr weiten Lumens des Central- kanals im Conus medullaris; ev. ist eine andere Art der Ent- wicklung möglich? Um diese Frage zu entscheiden, führen wir hier die Untersuchungen eines Embryo an, den uns Professor Fig. 1. Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. 225 Keibel in liebenswürdigster Weise zu diesem Zwecke über- lassen hat. Embryo H. 5. Wiedersheim-Killian — ohne Kopf — (die Länge war nicht bestimmt, doch schätzen wir der ganzen Entwicklung nach seine. N. Länge auf etwa 4—5 cm,) war in eine Reihe von 15 « dicken Querschnitten zerlegt worden, die mit Haematoxylin gefärbt waren. Ehe wir nun mit Hilfe dieses Embryo die Bildung des V. t. besprechen, möchten wir uns einige Vorbemerkungen gestatten, die zum Verständnisse dieser Bildung unerläss- lich sind. Wenn sich das Rückenmark aus dem primitiven Medullar- rohre zu bilden beginnt, so hat sein Centralkanal anfangs einen ovalen Querschnitt, dessen längste Achse dorsoventralwärts liegt. (efr. Fig. 1). Das kaudale Epithelrohr — dieAnlage des filum terminale — hat dagegen einen mehr runden Querschnitt des Oentralkanal- lumens, und dieser runde Querschnitt erhält sich im obersten Teile des filum und auch noch z. T. im untersten Ende des Conus medullaris, während der kaudale Teil des Centralkanals im kaudalen Epithelrohr unter Bildung des filum terminale obliteriert. Verfolgt man alsdann den Centralkanal des Rückenmarks in der Entwicklung weiter, so wandelt sich der ovale Quer- schnitt des Centralkanals infolge der Entwicklung von Flügel und Grundplatte (His) in einem annähernd kreuzförmigen um Fig. 3, (Fig. 2). Dabei ist aber das Lumen des Centralkanales in dorsal- ventraler Ausdehnung unverändert gross geblieben. *) Erklärung der Abkürzuugen zu Fig.2: dp = Deckplatte, fp = Flügelplatte, gp = Grundplatte. 226 Theodor Brugsch u. Ernst Unger: In dem nächsten Stadium engt sich der Centralkanal in dorsoventraler Richtung und zwar dadurch, dass das Lumen des dorsalen Teiles des Centralkanales, also ungefähr entsprechend dem Bereich der Flügelplatten, obliteriert, so dass dann eine Naht sichtbar ist, längs deren eine starke Entwicklung von Rückenmark-Stützsubstanz stattfindet. Es ist die Obliteration dieses Teiles des Centralkanales, hauptsächlich von der Deckplatte aus, vor sich gegangen (Fig. 3). Querschnitt des Centralkanals — laterale Aus- buchtung oberer Ventrikel- abschnitt | dorsale Aus- buchtung a 9jeaJuaa laterale Aus- buchtung mittlerer und unterer Ventrikel- abschnitt Figur 4. Mit Hilfe dieser Gesichtspunkte wollen wir nun an unserm vorliegenden Embryo die Bildung des Ventriculus terminalis verfolgen, wobei wir erst einmal kurz erwähnen, dass der V. t. an diesem Embryo in zwei Hauptteile zerfällt; einen oberen, dessen Hauptausdehnung nach den beiden Seiten zu (also in trans- versaler Richtung) liegt und einen unteren, den obersten Teil des filum terminale einnehmenden, der ungefähr sackartig ist. Der Querschnitt dieses unteren Teiles ist mehr rundlich, anders hingegen der obere Abschnitt. Besass der Centralkanal oberhalb des Ventriculus term. einen kreuzförmigen Querschnitt (Fig. 5), so bietet der Ventrikel in seinem oberen Abschnitte auf einmal einen Querschnitt, wie ihn Fig. 6 wiedergibt. Die Hauptausdehnung des Ventrikels 4 Die Entwicklung des Ventriculus terminalis beim Menschen. 227 liegt ventral und sein Lumen wird durch zwei starke laterale Ausbuchtungen bedeutend vermehrt. Der dorsale Abschnitt dieses Querschnittes ist unverändert geblieben gegenüber dem in Fig. 5; das heisst sowohl auf dem Teile des Rückenmarks oberhalb des Fig. 6. EN V. t. und in dem oberen Abschnitt des Ventriculus } ; terminalis V. t. hat sich der dorsale Teil des Centralkanals noch nicht geschlossen ; dagegen finden wir im unteren Teil des V.t., eine geräumige Höhle (Fig. 7), die aber nicht mehr den dorsalen Ab- schnitt, wie Fig. 6 und Fig. 5 zeigt, erkennen lässt. Es fragt sich nun, hat sich dieser Teil im unteren Ventrikel- abschnitt etwa schon geschlossen, oder war er überhaupt nicht vorhanden. Letzteres müssen wir annehmen, denn wir erkennen in dem unteren Ventrikelabschnitt weder eine Naht, noch irgend eine Andeutung, dass hier einmal ein solcher Teil bestanden haben könnte: andererseits erklärt die Erwägung, dass dieser Teil des Ventrikels aus dem ÜCentralkanals- Lumen des kaudalen Epithelrohrs hervorgegangen ist, sofort das Fehlen dieses dor- salen Teiles. Fragen wir uns nun weiter, ob sich der dorsale Teil des Centralkanales (Fig. 6) im oberen Abschnitt des V. t. im weiteren Verlauf der Entwicklung schliesst, so können wir hierauf leicht eine Antwort geben, wenn wir die Querschnitte unseres vorigen Embryo (4,5 cm Sch.-St. Länge) in Betracht ziehen. Hier zeigt sich nämlich, dass im ganzen Verlauf des Rückenmarks sich der dorsale Teil des Centralkanals geschlossen hat und auch im 228 Theodor Brugsch u. Ernst Unger: obersten Abschnitt des Ventriculus terminalis ist dieser ursprüng- lich offene Teil in eine Naht umgewandelt worden. Kommen wir noch einmal auf das Modell (cfr. Fig. 4) zurück, so sieht man an seinem obersten Querschnitt, dass er nicht mehr eine vollständige Kreuzform vorstellt; ein Schenkel, und zwar der dorsale, ist fortgefallen, er ist obliteriert; und in dem obersten Abschnitt des Ventriculus terminalis vermissen wir ebenfalls den dorsalen Abschnitt des Centralkanales, wie er noch bei dem Embryo H. 5. (v. Wiedersheim-Kilian) besteht; er ist eben auch obliteriert. Die kleine dorsale Ausbuchtung, welche wir beschrieben haben, hat nichts mit diesem dorsalen Teil des Centralkanals zu thun; er gehört dem untersten sack- förmigen Teil des V. t. an, der aus dem Üentralkanal des filum terminale (kaudalen Epithelrohr) seinen Ursprung nimmt; das. ist leicht aus den Querschnitten zu entnehmen. Nehmen wir das Resum6 über die Bildungsweise des Ventriculus terminalis, so kommen wir zu dem Schlusse, dass der Ventrikel nicht als. „une persistance simple de l’&tat foetal“ (Charpy) aufzufassen ist, sondern als ein wirkliches „r&sultat d’une dilatation de crois- sance.“ Demgemäss ist die von den Autoren vorgeschlagene Be- zeichnung „sinus terminalis“ zu verwerfen. Gebührt aber andrerseits diesem Ventrikel die Bezeichnung eines echten Ventrikels wie es Argutinsky behauptet? Ehe wir diese Frage beantworten, müssen wir eines be- denken: Der Ventricul. term. zeichnet sich vor dem aus den Hirnblasen resultierenden Ventrikeln vor allem dadurch aus, dass- er nicht das Produkt des primären Medullarrohres ist. Sein Auftreten ist abhängig von dem des Conus medullaris; insofern ist er etwas sekundäres. Wenn wir aber das Typische der Hirnventrikel mit dem Typus des Ventriculus terminalis ver- gleichen, so tritt ein auffallender Gegensatz zwischen beiden auf. Die Hirnventrikel haben den Zweck, die Hirnoberfläche zu ver- grössern, der’ terminale Ventrikel sucht dagegen nicht die: Conusoberfläche durch Ausbuchtungen auszudehnen; ja er be- wirkt sogar das Gegenteil: während nämlich äusserlich der Conus- medullaris glattwandig bleibt, zehrt im Innern der Ventriculus. terminalis durch seine Ausbuchtungen von der Conussubstanz. Diese Unterscheidungen genügen unserer Meinung nach, um dem Ventriculus terminalis eine besondere Stellung einzuräumen ;, Die Entwicklung des Ventrieulus terminalis beim Menschen. 229 da aber der Name sinus ebenso unberechtigt ist, wie es ven- trieulus der Sache nach ist, so scheint es uns vorteilhafter zu sein, den Namen diesem Gebilde zu belassen, den ihm sein Entdecker gegeben hat; man muss natürlich hierbei seine Sonderstellung gegenüber den sogenannten echten Ventrikeln im Auge behalten. Haben wir so die Bildungsgeschichte des V. t. genauer studiert, so wollen wir jetzt an einigen älteren Stadien uns darüber orientieren, ob die Form des embryonalen Ventrie. term. irgend etwas typisches besitzt. Embryo 6. 9cm Sch. St. .L. (efr. Fig, 8). Die Form dieses V. ist eine sehr un- regelmässige. Ueberall finden sich im Gegen- satz zu dem glattwandigen Uentralkanal Aus- sackungen, die sich regellos im engen Conus medullaris, d. h. in seinem unteren Teil aus- breiten. Demgemäss ist die Grundform des Ventrikels auch der des Conus medullaris angepasst; mit einem Wort, sie ist trichter- förmig, ihr oberer Teil weitbauchig, ihr unterer sich allmählich verjüngend. Wollte SITLUTWI9F SNNOLIJU9A Conus a man bestimmte Ausbuchtungen an dem oberen Teile fixieren, so müsste man einer stärkeren dorsalen, zweier lateralen und einer ventralen a Erwähnung thun; jedenfalls gewinnt man von ter- diesen den Eindruck, dass sie dadurch be- minale (ingt sind, dass der Ventrikel hier oben im Conus am meisten Raum zur Ausdehnung gefunden hat. Den unteren Teil des Ventrikels kann man wieder in einen mittleren und untersten Abschnitt zerlegen, alsdann würde dem untersten Abschnitt des Ventrikels der Teil entsprechen, der in dem Anfangsteil des filum terminale sich befindet. Das Lumen dieses untersten Teiles des Ven- trikels ist natürlich, dem Umfange des filum terminale gemäss, sehr eng. / Fig. 8. An der Grenze zwischen dem mittleren und unteren Teil des V. t. findet sich eine merkwürdige Ausbuchtung, die wir an der Stelle sonst nicht wieder beobachtet haben. Es sprosst nämlich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 16 230 Theodor Brugsch u. Ernst Unger: hier an der ventralen Seite ein dünner, langer Kanal kranial- wärts, parallel dem mittleren Abschnitt des Ventrikels. Dieser Nebenkanal reicht mit seinem blinden Ende bis dicht an die ventrale Ausbuchtung des obersten Ventrikelabschnittes; er trägt auch wieder, namentlich ventral, zahlreiche kleine Aus- buchtungen. Der mittlere Abschnitt, der etwa die Gestalt einer Röhre hat, wenn er auch nicht ganz und gar glattwandig ist, zeigt vornehmlich auf seiner ventralen Seite kleinere Ausbuchtungen. Dagegen ist die dorsale Seite glatt, ein Umstand, der leicht da- durch seine Erklärung findet, als der ganze Ventrikel der dor- salen Conusseite näher liegt als der ventralen. Um hier noch Einiges über das Epithel des Ventrikels hinzuzufügen, so konnten wir feststellen, dass das prismatische Flimmerepithel des Centralkanals mit dem basalen Kern und den basalen Fortsätzen, die als Stützsubstanz funktionieren, be- reits im oberen Teil des Ventrikels in ein Epithel übergeht, dessen mehr rundlicher Zellkörper gegen die sehr starken tingierbaren Kerne zurücktritt. Dichte Zellanhäufungen finden wir in dem oberen Abschnitt dieses Ventrikels und zwar, wo die grösseren Ausbuchtungen sich befinden; aber auch an kleineren Ausbuchtungen finden sich die Kerne dicht gedrängt. Sonst ist im Ventrikel der sich gut abhebbare Epithelsaum vielleicht 3—5 Zellen breit. Argutinsky sagt: „Der merkwürdige Erfolg dieser in der zweiten Hälfte des embryonalen Lebens lange Zeit hindurch vor sich gehenden Ventrikelbildung scheint die langsame Einschmelzung des Conus zu sein. Während vom unteren (distalen) Ende des Ventrieulus terminalis, wie wir später sehen werden, der Prozess der Verengerung, Verschmälerung desselben, des Eingehens derselben bis zum engen Lumen des Centralkanals langsam proximalwärts fortschreitet, erweist sich der obere Abschnitt und namentlich die obere Abgrenzung des Ven- trieulus terminalis in Jangsamem, aber stetigen Weiterwachsen nach oben (proximalwärts) hin, begleitet zugleich von der langsamen Vergrösserung des oberen und mittleren Abschnittes des Ventrieulus. Die Entwicklung des Ventrieulus terminalis bei Menschen. 231 Aus dem Zusammenspiel dieser beiden Momente wäh- rend einer langen Zeitperiode — des stetigen Eingehens des unteren Endes und des stetigen Weiterwachsens der oberen Begrenzung — muss wohl das langsame Hinaufrücken des Ventriculus terminalis am Rückenmark erfolgen, so dass es anzunehmen ist, dass der Ventrieulus terminalis eines jüngeren Embryo nach einiger Zeit sich in den mittleren und unteren Abschnitt des Ventriculus terminalis desselben nun älter ge- wordenen Embryo umwandelt, während der obere Teil dieses späteren Ventriculus terminalis neugebildet ist. Von diesem Vorgang wird wahrscheinlich auch die weitere Verlängerung des filum terminale nach oben (proximalwärts) hin bedingt.“ Wir finden bei Argutinsky keinen Beweis dafür, dass das untere Ventrikelende eingeht und dass der obere Ventrikel- abschnitt kranialwärts weiter wächst. Wir haben auch nach unseren Untersuchungen keinen Anhaltspunkt gefunden, ein sol- ches Höherrücken anzunehmen; wie wenig es aber begründet ist, von diesem hypothetischen Höherrücken des Ventrikels eine Ein- schmelzung des Conus und damit eine Verlängerung des filum terminale herzuleiten, das beweist folgende Ueberlegung. Unser Embryo 5 (Sch. St. L. = 5,5 cm) besitzt einen Ventriceulus terminalis und ein filum terminale. Sein Conus medullaris liegt in der Höhe des I. und II. Kaudalwirbels. Bei unserem Embryo von 9 cm Sch. St. Länge liegt der Conus medullaris in der Höhe des I. und II. Sacralwirbels. Es hat sich demnach das filum terminale des letzteren Embryo dem ersten gegenüber um die Länge von 5 Wirbeln vermehrt. Sollte nun wirklich, wie Argutinsky es will, diese Verlängerung durch den Prozess der Einschmelzung zu Stande gekommen sein, dann müsste das ganze Stück Rückenmark unseres 5,5 cm Embryo etwa vom Kaudalwirbel bis zum I. Sacralwirbel bei dem 9 cm Embryo eingeschmolzen sein; dann müssten aber auch sämtliche Nerven, die diesem Rückenmarkstück entspringen, also die ganzen Kaudal- und ein Teil der Sacralnerven mit einge- schmolzen sein. Embryo von 11 cm Sch. St. Länge. Der Ventriculus terminalis dieses Embryo besitzt konische Form. Mit relativ weitem Lumen da beginnend, wo kranialwärts der Centralkanal in ihn hinein mündet, geht er unter stetiger 16* 232 Th. Brugsch u. E. Unger: Die Entwicklung des Ventriculus ete. gleichmässiger Abnahme seines Volumens in einen Kanal über, der im obersten Teile des filum terminale blind endigt. Die oberste Partie des V. t. besitzt dorsalwärts eine kleine Aus- buchtung, desgleichen befinden sich solche in gleicher Höhe an den beiden Seiten. Die dorsale Ausbuchtung tritt ganz dicht an die dorsale Conusseite heran, so dass es den Anschein erweckt, als ob das Epithel des Ventrikels und das Piagewebe des Conus an jener Stelle sich berührten. Im Uebrigen besitzt der Ventrikel keine Ausbuchtungen weiter, seine Wände sind glatt. Das Epithel dieses Ventrikels verhält sich folgendermassen: Das prismatische Flimmerepithel des Centralkanals geht an dem Ventrikel unter allmählicher Höhenabnahme des Zellkörpers in ein niedriges Epithel über, wie wir es bereits an unserem 9 cm- Embryo beschrieben haben. Es besteht so ein niedriger Epithel- saum (etwa 3—4 Zellen breit), der aber durch die starke Tinktion der Kerne sich deutlich abhebt. Dichtere Zellanhäufungen finden sich auch hier an den Ausbuchtungen im oberen Abschnitt und an dem Fundus im untersten Abschnitt des Ventrikels. Nehmen wir aus unsern Untersuchungen über die embryo- nale Form des Ventriculus terminalis in der ersten Hälfte der Schwangerschaft das Typische heraus, so finden wir Fol- gendes: Der Ventriculus term. zerfällt in zwei Abschnitte, einen oberen, der sich aus dem Centralkanal des Conus medullaris her- ‚leitet und in einen unteren, der dem Centralkanal des einstigen kau- dalen Epithelrohres des Rückenmarkendes, späteren filum’s ter- minale entstammt. Die Grundform des Ventrikels ist der Gestalt des Conus medullaris angepasst, d. h. sie ist auch konisch. Der weitbauchige obere Abschnitt des V.t. trägt gewöhnlich 2 laterale Ausbuchtungen, denen sich eine dorsale und ventrale Ausbuchtung zugesellen können. Der unterste Abschnitt des Vent. term. ist sackförmig und meist glattwandig. Kurz gesagt stellt der V.t. also eine konische Erweiterung des Centralkanals im unteren Ende des Conus medullaris und im Anfange des filum terminale vor, dessen oberer weiter Abschnitt meistens Ausbuchtungen besitzt. Der untere Abschnitt endigt blind im filum terminale. DD RU n Aus dem anatomischen Institut der Universität Würzkurg. Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. Von Dr. A. Schmincke, I. Assistent am anatomischen Institut. Hierzu Tafel XIII. Die Auffassung der Drüsen der regio respiratoria der menschlichen Nase ist noch immer keine einheitliche. Es stehen sich im Wesentlichen zwei Anschauungen gegenüber, die eine betont die Auffassung der Drüsen als Schleimdrüsen, die andere als gemischter Drüsen, die aus Schleim produzierenden und Eiweiss produzierenden Zellen zusammengesetzt sind. Kölliker (7) beschrieb zuerst in der regio respiratoria des Menschen reine Schleimdrüsen, und seine Angabe fand allgemeine Anerkennung [so Leydig (9)| bis zum Jahre 1870. In diesem Jahre erschien die Arbeit von A. Heidenhain (4), der die Existenz von Schleimdrüsen negirte und für das Vor- kommen seröser Drüsen eintrat. j Im Gegensatz zu seinen Untersuchungen steht die Angabe des Strieker’schen Lehrbuches (18) aus dem Jahre 1871, nach der die Drüsen der regio respiratoria Schleim produzieren. Auch Paulsen (13) fand bei der Untersuchung der mitt- leren Nasenmuschel eines erwachsenen Menschen ausschliesslich Schleimdrüsen. Stöhr (17) vertrat als erster den Standpunkt, dass die Zusammensetzung der Drüsen durch zweierlei von einander ver- schiedene Zelltypen erfolge, durch Schleimzellen und Eiweiss- drüsenzellen. | Die in den folgenden Jahren erschienenen Lehrbücher von Fränkel, (2) Schwalbe (15) und Toldt (20) schliessen sich wiederum der Heidenhain’schen (4) Anschauung an und stellen die Drüsen den serösen Drüsen zur Seite. Im Toldt’schen (20) Lehrbuch findet sich allerdings auch die Beobachtung Stöhrs (17) der gemischt zusammengesetzten Drüsen erwähnt. Schiefferdecker (14) weist das Vorkommen von Schleim- drüsen nach, stellt jedoch das Vorkommen der serösen und ge- mischten Drüsen als zweifelhaft hin. 234 A. Schmincke: Eine Arbeit von Neumayer (12) beschreibt wiederum das Vorkommen gemischter Drüsen. Die neueren Lehrbücher der Histologie von Klein!) (6) Böhm-Davidoff (1), Szymonovicz (19), Stöhr (17), Sobotta (16), stehen nun alle auf dem Standpunkt, dass die Drüsen gemischter Natur sind. Die oben angeführten Literaturangaben beziehen sich alle auf den Menschen (bei einigen Autoren ist es nicht ersichtlich, ob sie ihre Angaben nur für den Menschen machen, oder ob sie auch Tiere in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen haben); Beobachtungen an Tieren finden sich angeführt bei Heiden- hain (4), der bei Hunden und Kaninchen seröse Drüsen, beim Kalb nur Schleimdrüsen fand; die Natur der Drüsen beim Schaf lässt er unentschieden, ist jedoch geneigt, sie mehr auf die Seite der Eiweissdrüsen zu stellen. Klein (6) erwähnt beim Meerschweinchen das Vorkommen rein seröser Drüsen. Goerke (3) beschreibt in seiner Arbeit über die respira- torische Nasenschleimhaut des Hundes nur seröse Drüsen, es gelang ihm nicht, Schleimdrüsen nachzuweisen. In den sämtlichen, oben eitirten Publikationen finden wir keine feinere histologische Details und es ist die Mikrophysiologie der Drüsen nirgends einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Es ergab sich somit die interessante Aufgabe, mit Hülfe der neueren Methoden, speziell der spezifisch granulafixierenden, die Drüsen der regio respiratoria nochmals eingehend zu untersuchen. Als Material standen mir Stücke der regio respiratoria eines 20 jährigen Hingerichteten zur Verfügung, die unmittelbar post mortem fixiert waren. Als Fixierungsflüssigkeiten wurden benützt, Zenker’sche Flüssigkeit mit Essigsäurezusatz, und Kal. Bichromat-Formol; letzteres speziell zur Fixierung der Granula. Es zeigte sich nun an den Präparaten, die histologisch ausgezeichnet erhalten waren, dass die in Zenker’scher Flüssigkeit fixierten den mit Kal. bichromat behandelten in Bezug auf Deutlichkeit der Granula in Nichts nachstanden; es scheint mir so erstere dem letzteren in Bezug auf Granulaerhaltung gleichwertig zu sein. !) Es ist somit dieser Autor von seiner 1880 in seinem Atlas der Histologie vertretenen Ansicht der Schleimdrüsen abgekommen, . fr . . . . E Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. 235 Gefärbt wurde mit Hämatoxylin-Eosin, Heidenhain’scher Eisenhämatoxylinmethode mit Nachfärbung mit Fuchsin. Als Nachteil der Präparate muss angeführt werden, dass die Nasenschleimhaut bei der Sektion nicht ganz normales Aussehen zeigte, sondern geringe Entzündungserscheinungen katarrhalischer Natur bot. Es fand sich dies auch im mikro- skopischen Bild wieder, indem hier Dilatation der Gefässe und reichliche Vermehrung der Lymphkörperchen in der dicht unter der Basalmembran gelegenen Iymphatischen Schicht statthat. Auch ist der Durchtritt der Leukocyten durch das im übrigen voll- kommen erhaltene und intakte Epithel deutlich vermehrt zu be- obachten. Nach meinen Untersuchungen nun finden sich in den Drüsen der regio respiratoria sowohl Schleim- wie Eiweiss produzierende Zellen, und es sind die Drüsen somit als gemischte aufzufassen. Es kommen vor: 1. Endstücke, die nur Eiweisszellen enthalten; in allen diesen Endstücken finden sich reichliche zwischenzellige Sekret- kapillaren. Figur 1. . Endstücke, die nur Schleimzellen enthalten; in diesen End- stücken finden sich nie Sekretkapillaren. 3. Endstücke, in denen Eiweisszellen und Schleimzellen neben- einander vorkommen. Figur 2. Das Mengenverhältnis ist für die sub 1 und 2 angeführten Endstücke ungefähr gleich, die gemischt zusammengesetzten treten an Häufigkeit des Vorkommens hinter den ersteren zurück. Die Sekretbildung verläuft im Wesentlichen in den Eiweisszellen sowie in den Schleimzellen in der Weise, wie es E. Müller (11) für die Speicheldrüsen beschrieben hat. Auch bei den Nasendrüsen ist die Bildung des Sekrets ein granulärer Prozess. Es entsteht bei den Fiweissdrüsenzellen das Sekret in Form kleinster Granula in dem zentralen, dem Lumen des End- stückes zugekehrten Abschnitt der Zelle. (Eine Abhängigkeit der ersten Entstehung der Granula von der Kernlage, sowie überhaupt eine aktive Beteiligung des Kernes bei der Sekretion, wie sie an einigen Drüsen bekannt ist und besonders von Maxi- mow (10) für die serösen Drüsen der Retrolingualis des Hundes [0} 236 A. Schmincke: beschrieben wird, konnte ich an meinen Präparaten nicht beobachten). Die Körnchen erscheinen alsbald vermehrt und zeigen (srössenunterschiede, Zustände, die auf verschiedene Alters- und Reifezustände der Zelle zurückzuführen sind. Die im. übrigen homogene Grundsubstanz der Zelle zeigt sich je nach Menge und Zahl der eingelagerten Granula mehr weniger deutlich. Schliesslich ist die ganze Zelle mit Granula erfüllt, und in diesem Stadium ist eine Verlagerung des Kerns zu konstatieren, indem derselbe von der Mitte aus mehr nach der Basis der Zelle zurückt und dabei aus seiner runden, mehr zu einer zur Längsachse der Zelle quergestellten Form übergeht. Figur 2a. Die Zelle giebt häufig ihre kegelförmige Gestalt auf und nimmt eine mehr cylindrische an. Figur 1a. Als End- stadium der Sekretion beobachtet man die von E. Müller (11) beschriebenen Sekretvaceuolen !), Figur 2v, jedoch ist es mir nie gelungen, das Hervorgehen dieser Sekretvacuolen aus ungefärbten Körnern, die sich nach Müllers (11) Untersuchungen wieder aus grossen färbbaren durch Metamorphose bilden, nachzuweisen. Neben dieser Bildung von Sekretvacuolen, also neben der Aus- stossung des Sekrets in Tropfenform ist ein Ausstossen des Sekrets in Form von grossen, färbbaren Körnern zu konstatieren, und zwar ist dies bei der überwiegenden Mehrzahl der Zellen der Fall. Es wäre somit entgegen Müller (11) und Zimmer- mann (21), die das Sekret nur in Gestalt typischer Sekret- vacuolen bilden lassen, die Anschauung Langleys und Alt- manns?), die das Sekret in Körnern austreten lassen, als ebenfalls zutreffend zu betonen. Die Sekretausstossung in Körner- form ist wohl zurückzuführen auf die Fälle von foreirter oder überstürzter Sekretion bei starker Reizung der Drüsen, indem hier Sekret zur Ausstossung gebracht wird, das, unfertig, den normalen Reifegang nicht vollständig bis zu Ende durchgemacht hat. Dieselbe Erklärung giebt Müller (11) für die Fälle, m denen er ungefärbte Körner direkt zur Ausstossung gebracht sah. Daneben erscheint mir auch die Erklärung Maximows (10) für derartige Sekretionszustände zuzutreffen. Maximow (10) führt das Variieren des Exkretionsmodus auf den wechselnden '!) Mit R. Krause (8) halte ich den Ausdruck „Vacuole“ für schlecht gewählt; es handelt sich um Tropfen. ?) Citiert nach Müller (11). Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. 237 Wassergehalt des von der Zelle ausgearbeiteten Sekret- materials zurück, indem bei geringem Wassergehalt der Austritt der Granula in wohlumschriebener Körnerform, bei reichlichkem Wassergehalt nach vorheriger Umwand- lung in Form grösserer zusammenfliessender Tropfen erfolgt. Ich bin in der Lage, jene: eigentümliche Vacuolisierung des Protoplasmas, die er für die serösen Zellen der Hunderetro- lingualis beschreibt, an meinen Präparaten zu bestätigen. Die Figur 7 zeigt eine derartige vacuoläre Beschaffenheit des Proto- plasma und gleicht im Wesentlichen der Figur 12 der Maxi- mow’schen Arbeit. Gleich ihm glaube ich, dass diese Vacuoli- sierung an Stellen entsteht, wo das Sekretmaterial vor der Aus- stossung aus den Zellen stärker verflüssigt wird. Von grosser Wichtigkeit ist nun, dass die Eiweisszellen neben der Sekretion ins Lumen des Endstückes stets auf dem Wege der Sekretkapillaren secernieren. Man kann in fast allen Endstücken die zwischenzellig gelegenen Sekretkapillaren nach- weisen. Als Kriterium für ihre intercelluläre Lage finden sich überall die Kittleisten in Gestalt von Strichen und Punkten. ') Häufig sieht man die Sekretkapillaren mit den Sekretvacuolen in Verbindung. Als Inhalt finden sich sowohl Granula als auch flüssige, durch die Behandlung der Präparate geronnene Sekret- massen. Binnenzellige Sekretkapillaren sah ich nie. E. Müller (11) ist der Ansicht, dass die Sekretkapillaren auch in ruhender Drüse vorkommen, dass sie also konstante (Gebilde sind, und die Häufigkeit des Vorkommens in den Eiweiss- zellen lässt wohl diese Annahme berechtigt erscheinen. Dem- gegenüber muss jedoch angeführt werden, dass man oft zweifel- lose Eiweissdrüsenzellen zu Gesichte bekommt, die von Granula ganz vollgestopft sind, und die keine Kapillaren zeigen. Es lässt dies dem Gedanken Raum, dass erst im Moment der Sekretausstossung sich die Kapillaren als Abflussbahnen bilden. !) Das Vorhandensein von Kittleisten bei den intercellulär gelegenen Sekretkapillaren und das Fehlen derselben bei den intracellulär gelegenen ist von Braus (22) zuerst erwähnt und in der Zimmermann’schen (21) Arbeit als differentialdiagnostisches Entscheidungsmittel aufgestellt und ausführlich begründet worden; es sei mir gestattet, auf die Bedeutung dieser Angaben und auf die absolute Sicherheit hinzuweisen, mit der es uns jetzt möglich ist, inter- und intracellulär gelegene Gebilde zu unterscheiden. 238 k A. Schmincke: ” Die Ausstossung des Sekrets bei den Eiweisszellen ist eine vollkommene, das Zellprotoplasma erscheint dann homogen, von einem feinen Netzwerk durchzogen. In den Knotenpunkten erscheint ab und zu das Netzwerk in Form feinster Körnchen verdickt. In vielen Endstücken bekommt man Gianuzzi’sche Halb- monde zu Gesicht; der Gehalt an Eiweissgranula sowie das Vor- kommen von Sekretkapillaren charakterisieren sie als Zellen seröser Natur. Auch das Sekret der Schleimdrüsenzellen geht aus Granula hervor, wie man an den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten verfolgen kann. Es treten zunächst in dem, dem Lumen des Endstückes anliegenden Teil der Zelle Körnchen auf, die bald ihre scharfe Contour verlieren und zu einer undeutlichen, aus nicht mehr scharf difterenzierbaren Teilchen bestehenden Masse zusammenfliessen. Durch Hinzutritt immer neuer Granula dehnt sich diese Masse immer mehr peripherwärts aus, bis sie schliess- lich den ganzen Zellleib erfüllt. Der Kern wird dann ganz an die Basis der Zelle herangedrängt und zeigt eine glatte, zur Längsachse der Zelle quergestellte Form. Die Zelle selbst ist gross und ballonartig ausgedehnt und ganz mit der nunmehr durch Hämatoxylin intensiv sich blaufärbenden Masse, Schleim, ausgefüllt. An den Eisenhämatoxylinpräparaten — es färben sich be- kanntlich nach der Heidenhain'’schen Methode die Schleim- granula nicht — zeigt sich der Beginn der Sekretion in Gestalt einer hellen, dem zentralen Zellteil aufsitzenden Vertiefung. Diese Sekretsammelstelle vergrössert sich immer mehr und nimmt schliesslich den ganzen Zellkörper ein. Die Grenze zwischen dem zu Schleim umgewandelten Teil und dem protoplasmatischen Teil der Zelle ist keine scharfe; das der Sekretsammelstelle an- liegende Protoplasma erscheint durch einzelne Tröpfehen und Tropfen aufgelockert und erst der mehr peripherwärts gelagerte Teil der Zelle zeigt ein wieder festeres Gefüge der protoplasma- tischen Grundsubstanz Figur 2, Schz. Wichtig ist nun, dass man bei den Schleimdrüsenzellen nie Sekretkapillaren beobachtet, und es kann somit der Satz, dass die Schleimdrüsenzellen keine Sekretkapillaren zeigen, auch auf die Drüsen der Nase ausgedehnt werden. Es geschieht die Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. 539 Schleimentleerung durch Ausstossung in das Hauptlumen. Die Zelle nimmt dann wesentlich an Volumen ab, wird hocheylindrisch bis annähernd eubisch, was wohl je nach dem Drucke, den das in das Lumen das Tubulus entleerte Sekret ausübt, verschieden ist. Der Kern giebt seine glatte Form auf, wird rundlich und wandert zentralwärts (Fig. 8, 9, 10). Das Zellprotoplasma er- scheint homogen mit eingelagertem feinen Netzwerk. In diesem sekretleeren Zustand ist die Schleimzelle von der Eiweisszelle nicht mehr zu unterscheiden. Ein derartiges, vollständiges Verschwinden der charakteristischen Unterschiede zwischen Schleimzellen und Eiweisszellen ist bis jetzt nur bei hochgradig (durch Pilocarpinwirkung) gereizten Drüsen beobachtet, - und E. Müller (11) führt für die Speicheldrüsen an, dass ein solcher maximaler Erschöpfungszustand die Kriterien der Klassi-. fizierung verschwinden lasse. Bei normaler Sekretion entleert nach seinen Angaben die Zelle nie vollständig ihr Sekret, die Zelle ist fortwährend thätig, und so wird die differentielle Diagnose durch das Vorhandensein spezifisch gefärbtes Eiweiss-, resp. Schleimgranula, gesichert. Es wäre somit in unserem Falle zweierlei möglich. Entweder bringen die Nasendrüsenzellen auch bei normaler Sekretion ihr Sekret vollständig zur Ausstossung, dass einmal ein Ruhezustand der Zelle eintritt, in dem das Protoplasma homogen und nicht morphologisch differenziert er- scheint, es würde also ein Stadium der Sekretion mit einem Stadium der Funktionsruhe abwechseln. Oder man muss die Annahme machen, dass der akute Reizzustand, der sich bei der Sektion an der Nasenschleimhaut konstatieren liess und den das mikroskopische Bild bestätigt (s. o.), im Sinne einer maximalen Reizung auf den Sekretionsmodus eingewirkt hat. Letzteres scheint mir unwahrscheinlich, indem meiner Meinung nach der Reiz eines Catarrhs nicht äquivalent ist dem Reize, den eine Pilocarpineinspritzung setzt; vielmehr stehe ich auf dem Standpunkt, däss hier ein Unterschied zwischen den Drüsen der respiratorischen Nasenschleimhaut des Menschen und den an anderen Stellen gelegenen Drüsen obwaltet. Es secerniert bei den Nasendrüsen jeder Zelltyp nach seinem spezifischen Charakter, das Sekret wird vollständig zur Ausstossung gebracht, und die Zelle macht ein Ruhestadium durch, ehe die neue Sekretion beginnt. In diesem Ruhezustand sind, nachdem die 240 A. Schmincke: charakteristischen morphologischen Unterschiede geschwunden, Eiweisszellen und Schleimzellen vollkommen gleich. Figur 3 gibt ein Endstück wieder, das aus derartigen, sekretleeren Zellen zusammengesetzt ist. Die Zellen zeigen einen indifferenten Typus, und man kann weder an Kerne noch an Protoplasma Kriterien erkennen, die eine Einreihung in eine der beiden Drüsenspezies rechtfertigen. Und doch ist man in fast allen ‚diesen Fällen in der Lage zu sagen, ob es sich um Eiweisszellen oder Schleim- zellen handelt, und zwar verhilft zur Diagnose das Vorhanden- sein von Sekretkapillaren. Es sind somit in Figur 3 alle Zellen, zwischen denen Sekretkapillaren sichtbar, als sekretleere Eiweiss- zellen aufzufassen. Die Natur der anderen ist nicht zu ent- scheiden, sie hönnen sowohl sekretleere Schleimzellen, als sekret- leere Eiweisszellen, zwischen denen nach Sekretabfluss die Kapillaren geschwunden sind, vorstellen. Die Schleimzelle der Nasendrüsen bietet in den ver- schiedenen Stadien der Sekretion ein äusserst wechselndes Bild. Im sekretgefüllten Zustand zeigt sie das typische Aussehen einer Schleimzelle mit allen Charakteristica einer solchen, Figur 2, Schz. Mit der Ausstossung des Sekrets geht auch eine Veränderung der Gestalt der Zelle einher, indem sie ihre breite, bauchige Gestalt aufgiebt und in eine schlanke ceylindrische Form über- geht, Figur 8, 9, 10. Es scheint so die Form der Zelle durch die Menge des in ihr vorhandenen Sekrets bestimmt, indem die nachgiebige Wandschicht der Zelle dem jeweiligen Innendruck entsprechend mehr weniger ausgedehnt wird. Maximow (10) erwähnt für die Schleimzellen der Hunderetrolingualis einen ähnlichen ‚Wechsel des Zellbildes bei den verschiedenen Funktions- zuständen und ist der Ansicht, dass eine derartige Gestaltsver- änderung einen weniger spezifisch und weniger hoch differenzierten Entwicklungsmodus repräsentiere im Vergleich zu jenen Schleim- zellen, die während aller Funktionszustände im Allgemeinen ihr spezifisches Aussehen behalten. Mir scheint das Variieren der Zellform in Gründen mechanischer Natur gegeben, und zwar glaube ich eine verschiedene Beschaffenheit der Zellwand an- nehmen zu müssen. An einer Zelle mit nachgiebiger Wandung wird, nachdem sie ihr Sekret ausgestossen hat, der Druck der Nachbarzellen mehr zum Ausdruck kommen, als an einer mit starrer unnachgiebiger ektoplasmatischer Schicht, die, einmal in Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. 241 vollkommen ausgebildetem Zustand, eben wegen der Starrheit ihrer Wandung viel eher in der Lage ist, ihre einmal ange- nommene Form zu bewahren. Ich glaube, hierdurch lassen sich die Unterschiede im Aussehen der Schleimzellen verschiedener Drüsen während der gleichen Funktionszustände erklären; es geht jedoch aus dem oben Angeführten hervor, dass die Schleim- zellen der verschiedenen Drüsen bestimmte charakterische Eigen- tümlichkeiten haben, und dass man nicht in der Lage ist, einen für alle giltigen Typus als zu Recht bestehend anzunehmen, um- somehr als noch andere Unterschiede, wie die Grösse und Aus- dehnung der Sekretsammelstelle an den einzelnen Drüsen existieren. Öfters ist eine Durchwanderung von Leukocyten durch das Epithel der Endstücke zu konstatieren und zwar scheinen Eiweiss- zellen und Scheimzellen in gleicher Weise davon befallen. Man findet die Leukocyten, gewöhnlich handelt es sich um einkernige, auf den verschiedenen Stadien der Wanderschaft, bald mehr dem Tubuluslumen benachbart, bald mehr entfernt von ihm. Von Interesse scheint mir eine Beobachtung zu sein, die man in vielen Drüsenzellen machen kann. Es zeigen sich näm- lich hier im Protoplasma des Zellkörpers feinste Kanälchen oder Hohlräume, die nur bei einer gewissen Einstellung sichtbar sind und bei der geringsten Drehung der Mikrometerschraube wieder verschwinden. Figur 4, 5, 6,.x. Man findet sie nur in den peripheren Teilen der Zelle und kann sie hier teils als runde Gebilde (auf dem Querschnitt) teils als mehr elliptische (Schräg- schnitte) teils als feine in Schlangenwindungen verlaufende Ge- bilde erkennen. Sie erstrecken sich bis in die Nähe des Kerns, wo sie mitunter unter gabliger Teilung endigen. Figur 4. » Eine besondere Wandung scheint ihnen zu fehlen und sie öffnen sich frei auf der basalen Seite der Zellen. Die Bilder, die ich gesehen, ähneln den von Krause (8) beschriebenen, und solche Kanälchen, wie die in Figur 11 seiner Arbeit, fand ich auch in meinen Präparaten; jedoch wie ich ausdrücklich be- merke, nur in den peripheren Zellzonen. R. Krause (8) deutet diese Gebilde als die intracellulären Endigungen von intercellu- lären Sekretkapillaren, die in ihren feinen Verzweigungen sich in den Zellleib hineinsenken, und ihr Vorhandensein bestimmt ihn, mit aller Bestimmtheit das Vorkommen von intracellulären 242 A. Schmincke: Sekretkanälchen entgegen Müllers (11) und Zimmermanns (21) Untersuchungen zu betonen. Ich stimme nun mit Krause überein, dass diese Gebilde intracellulär gelegen sind (und es sind alle Kriterien ihrer intracellulären Lage vorhanden), jedoch glaube ich nicht, dass es sich hier um intracelluläre Sekret- kapillaren im Krause’schen Sinne handelt. Gegen die Krause’sche Deutung spricht, dass man nie im Stande ist, sie bis zu den deutlich sichtbaren extracellulär gelegenen Sekret- kanälen zu verfolgen und jemals den Übergang des einen in das andere, der doch vorhanden sein müsste, zu sehen. Auch betone ich nochmals, dass sich ihr Vorkommen auf die basale Zellzone beschränkt. Ich stelle vielmehr diese Gebilde den intracellulären Kanälchen Holmgreens (5), die er bei den Ganglienzellen be- schrieben hat, zur Seite und halte sie für etwas seinem Tropho- spongium Identisches. Ich bin somit geneigt, sie als Bahnen aufzufassen, in denen die zur Sekretbildung bestimmten Stoffe von den Lymphbahnen des interstitiellen Gewebes her in die Zellen hineingelangen, um hier in Gestalt der charakteristischen Granula ausgefällt zu werden. Es liegt der Gedanke nahe, dass es sich um vergängliche, vom jeweiligen Sekretionszustand der Zelle abhängige Gebilde handelt, und mit dem würde überein- stimmen, dass man nicht in der Lage ist, sie in jeder Zelle zu finden. Zusammenfassung. 1. Die Drüsen der menschlichen regio respiratoria sind ge- mischter Natur. 2. Die Sekretion beider Zellarten ist ein granulärer Prozess. Man kann unterscheiden die Phasen der Sekretbildung, der Sekretreife und der Sekretausstossung. Die Sekret- ausstossung geschieht bei den Eiweisszellen ausser ins Hauptlumen in zwischenzellige Sekretkapillaren; bei den Schleimzellen nur ins Hauptlumen. 3. Es existiert auch bei normaler Sekretion ein Ruhezustand der Zellen; während dieser Sekretionspause sind die sekretleeren Eiweisszellen und Schleimzellen morphologisch vollkommen gleich. 4. Es bestehen Wege, auf denen die zur Sekretbildung be- stimmten Stoffe in die Zelle hineingelangen, um hier in Gestalt der Granula ausgefällt zu werden; sie sind auf- Zur Kenntnis der Drüsen der menschlichen regio respiratoria. 243 zufassen als Fortsätze der Lymphbahnen des interstitiellen (rewebes in die Zelle. Zum Schlusse gestatte ich mir, Herrn Professor Stöhr für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für die liebenswürdige Unterstützung bei Abfassung’ derselben meinen herzlichsten Dank zu sagen. je 13. 14. 15. 16. AT: 18, Literaturverzeichnis. Böhm-Davidoff: Lehrbuch der Histologie des Menschen. 189. Fränkel: Die Krankheiten der Nase. Ziemsens Handbuch 1876. Bd. 4. Goerke, M.: Beiträge zur Kenntnis der Drüsen in der Nasenschleim- haut. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 50. i Heidenhain, A.: Ueber die acinösen Drüsen der Schleimhäute, speziell der Nasenschleimhaut. Inaug. Diss. Breslau 1870. Holmgreen, E.: Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Zelle. I. Nervenzellen. Anat. Hefte. Heft 59. . Klein, E.: Grundzüge der Histologie. Deutsche Ausgabe von Dr. A. Kollmann, 2. Aufl. 1890. . Kölliker, A. von: Mikroskopische Anatomie. 1852. . Krause, R.: Beiträge zur Histologie der Speicheldrüsen. Archiv für mikr. Anat. Bd. 49 u. 59. . Leydig, Lehrbuch der Histologie der Menschen und der Tiere. 1857, . Maximow, A.: Beiträge zur Histologie und Physiologie der Speichel- drüsen, Arch. f. mikr. Anat, Bd. 58. . Müller, E.: Drüsenstudien. Archiv für Anat. u. Physiol. 1896, Drüsenstudien II. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. LXIV. . Neumayer, L.: Zur Histologie der Nasenschleimhaut. Sitzungsbe- richte der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München. 1898. Heft 1. Paulsen: Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bowmann’schen Drüsen. Archiv für mikr. Anat. Bd. 26, Schiefferdecker, P.: Histologie der Schleimhaut der Nase und ihrer Nebenhöhlen. Handbuch der Laryngologie u. Rhinologie von Heymann. 1896. Schwalbe: Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. 1887, Sobotta, J.: Atlas und Grundriss der Histologie ete. 1901. Stöhr, Ph.: Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des menschlichen Körpers. Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg. 1886. Lehrbuch der Histologie etc. 1901. Strieker: Handbuch der Lehre von den Geweben der Menschen und der Tiere. 1871. 244 A. Schmincke: Zur Kenntnis der Drüsen ete. 19. Szymonowicz: Lehrbuch der Histologie 1901. 20. Toldt: Lehrbuch der Gewebelehre. 1888. 2l. Zimmermann, W.: Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und Epithelien. Archiv für mikr. Anat. Bd. 32. 22. Braus, H. Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbeltiere. Aus Semon, Zool. Forschungsreisen II. Figurenerklärung auf Tafel XIL. Sämtliche Figuren sind nach Präparaten, die nach den oben ange- gebenen Methoden behandelt waren, gezeichnet. Fig. 1. Endstücke, aus Eiweisszellen zusammengesetzt. a. cylindrische, sekretgefüllte Eiweisszelle. Vergröss. L. Ocul. 1. Z Obj. Hom, Imm. 2.00 mm. T. 160. ‘Fig. 2. Endstück, aus Eiweisszellen und ‚Schleimzellen zusammengesetzt. Sz. Eiweisszellen.. Schz. Schleimzellen. v. Sekretvacuolen. a. platter Kern einer Eiweisszelle. Vergröss. L. Ocul. 1. Z. Obj. Hom. Imm. 2.00 mm. T. 160. Fig. 3. Endstück, aus sekretleeren Zellen zusammengesetzt. Lkz. Leucocyt. Vergröss,. L. Ocul. 1. Obj. Hom. Imm. 2.00 mm. T. 160. Fig. 4. Fiweisszelle; bei x Trophospongiumkanälchen, . Vergröss. Z. C. 0. 6 ÖObj. Hom. Imm. 2.00 mm T. 160. Fig. 5. Schleimzelle; bei x Trophospongiumkanälchen. Vergröss. L. Ocul. 3. Hom. Imm., 9. T. 160. Fig. 6 Eiweisszelle; bei x Trophospongiumkanälchen. Vergröss. Z. C. 0.6. Hom. Imm. 2.00 mm. T. 160. Fig. 7. Eiweisszellen mit Vacuolisierung des Protoplasma. Vergröss. Z. C. 0. 6. Hom. Imm. 2.00 mm. T. 160. ie. 8, 9, 10. Schleimzellen in verschiedenen Stadien der Sekretentleerung. Vergröss. L. Ocul. 1. Hom. Imm. 9. 245 Aus dem ersten anatomischen Institut zu Wien. Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. Von Dr. Konrad Helly, Assistent. Hierzu Tafel XIV und 17 Textfiguren. Als ich im vergangenen Jahre mich mit der Frage be- schäftigte, ob das Blutgefässsystem der Milz als offenes oder als geschlossenes zu bezeichnen sei, glaubte ich einen, wenn auch nicht vollständig unwiderleglichen, so doch ziemlich kräftigen Beweis für die erstere Auffassung darin zu finden, dass es möglich ist, an den venösen Capillaren den Durchtritt roter und weisser Blutzellen zu beobachten. Vermittels dieser Erscheinung fand ich die bekannte Thatsache erklärt, dass sich ausserhalb der Gefässe in der Pulpa freie rote Blutkörperchen finden. sowie dass die Zahl der weissen in den abführenden Venen bedeutend grösser ist, als in den zuführenden Arterien. Während der Drucklegung meiner Abhandlung!) erschien eine grössere Arbeit von Weidenreich,?) worin derselbe ebenfalls den Nachweis lieferte, dass weisse Blutkörperchen durch die Gefässwände hin- durchtreten und auch für die roten diese Erscheinung als möglich und sogar wahrscheinlich hinstellte, ohne jedoch selbst hierfür beweiskräftige Bilder an seinen Präparaten gesehen zu haben; „doch glaube ich immerhin“, fährt er an der betreffenden Stelle fort (Pag. 279), „dass unter normalen Bedingungen die Dia- pedese sich in recht mässigen Grenzen hält und jeden- falls, wofür ich zwingende Beweise bringen werde, die An- wesenheit farbiger Blutelemente im Parenchym in der Hauptsache nicht auf ihr Konto zu setzen ist.“ Als diese Beweise führt er freie Gefässendigungen und -anfänge an, die in den Randzonen der Milzknötchen und sogenannten Lymphscheiden zu finden seien und von denen die ersteren den !) Helly, Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 59. 1901. ?) Weidenreich, Das Gefässsystem der menschlichen Milz. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 58. 1901. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. iM 246 Konrad Helly: arteriellen, die letzteren den venösen Capillaren angehören sollten; in diese sollten übrigens auch frei beginnende „Lymph- röhrchen“* einmünden, welche vornehmlich die Leukocyten ins Blut zu leiten hätten. Ich hielt es demnach für notwendig, meine diesbezüglichen Untersuchungen weiter fortzuführen, teil- weise natürlich unter Zugrundelegung jener Methoden, deren sich Weidenreich bedient hatte. Ich will, bevor ich auf die hierbei gewonnenen Ergebnisse eingehe, bemerken, dass ich nach meinen früheren und jetzigen Untersuchungen mit denen Weidenreichs bezüglich der histologischen Elemente der Milz in den meisten Punkten so vollständig übereinstimme, dass es wohl genügen dürfte, in den folgenden Ausführungen nur jene hervorzuheben, in welchen unsere beiderseitigen Ansichten sich gegenwärtig noch nicht decken. Bezüglich der in Betracht kommenden Literatur habe ich dem in meiner oben erwähnten Arbeit bereits Gesagten nur wenige Bemerkungen hinzuzufügen, was im Folgenden an ge- eigneter Stelle geschehen soll. Ein ausführliches Verzeichnis der hierher gehörigen Arbeiten findet sich übrigens bei Weiden- reichNl.e.). Gehen wir nun zum Gegenstande selbst über, so wird es wohl zweckdienlich sein, in Bezug auf das Gefässsystem der Milz des Menschen und der höheren Säugetiere zunächst die wichtigsten von jenen Ansichten vorauszuschicken, welche gegen- wärtig als feststehend und allgemein anerkannt betrachtet werden. Darnach verteilen sich die in die Milz eingetretenen Arterien- zweige pinselförmig nach dem Typus sogenannter Endarterien. Ein Teil von ihnen erschöpft sich durch Bildung eines arteriellen Capillarnetzes in der weissen Pulpa. Die Venen sammeln sich aus eigentümlich gebauten Capillaren, welche eine je nach den verschiedenen Tiertypen verschiedene Anordnung zeigen. Beim Menschen besonders bilden sie ein dichtes, mit zahlreichen Ana- stomosen versehenes Geflecht. Ganz ähnlich verhalten sie sich bei Nagern, sodass es bis zu einem gewissen Grade berechtigt und möglich ist, die Milzen dieser Tiere, in erster Linie die von Kaninchen und Ratten, als Ergänzungsmaterial der menschlichen Milz zu verwenden. Was insbesondere die Ergebnisse der vor- liegenden Arbeit anlangt, wurden sie grösstenteils an Milzen dieser beiden Tiere gewonnen, fanden aber nach Massgabe des Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 247 mir zur Verfügung gestandenen Materials ihre Bestätigung auch an solchen anderer Tiere und vor allem des Menschen. Arterielle und venöse Capillaren sind nun, worüber gar kein Zweifel mehr bestehen kann, derart mit einander in Ver- bindung gebracht, dass erstere unter spitzem oder rechtem Winkel in letztere einmünden, nachdem ihre Wandung zuerst eine Strecke weit von der, nach ihrem Entdecker -enannten, Schweigger-Seidl’schen Capillarhülse begleitet war. Eine besondere Eigentümlichkeit der Milzgefässe liegt in der bedeutenden Durchlässigkeit ihrer Wandungen, die bereits früher von mehreren Seiten vermutet und angenommen wurde und die, von einander unabhängig, Weidenreich und ich auch tatsächlich nachweisen konnten. Wie sieht es nun mit den in den Knötchenrandzonen an- geblich vorhandenen freien Arterienenden und Venenanfängen, bezw. Lymphröhrchen, aus. Weidenreich will deren Vorhandensein durch unmittelbare Beobachtung an seinen Präparaten erschlossen haben. Da es nun zur Beurteilung der Beweismittel vor allem wichtig ist, festzustellen, wer für den positiven Begriff ficht: derjenige, welcher für diese Bildungen eintritt, oder derjenige, welcher dieselben leugnet, sei zunächst eine Begriffsbestimmung derselben versucht. Sie sind demnach Gefässe, die sich von anderen Gefässen in erster Linie dadurch unterscheiden, dass es nicht gelingt, sie an Serienschnitten bis zum Uebergang in einen anderen Gefässabschnitt zu verfolgen. Das wäre also ein nega- tives Merkmal. Das zweite, nicht minder wichtige, bestünde darin, dass an Schnitten, welche den Uebergang der Gefässe in die Lücken des Reticulum betreffen sollten, man sehen könne, wie sich die Gefässwand sozusagen aufsplittere, indem angeblich Reticulumfasern ihre Fortsetzung bilden. Bei näherer Betrach- tung stellt sich dieses scheinbar positive Merkmal jedoch auch als ein negatives heraus. KReticulumfasern müssen sich nämlich an jedem capillaren Milzgefäss allenthalben ansetzen und tun dies auch. Für gewöhnlich vermag man nun die Umrisse der Gefässe, namentlich wenn dieselben nicht allzuschräge vom Schnitt getroffen wurden, vollständig zu erkennen und eine Ver- wechslung von Gefässwand mit daran ansetzenden Reticulum- fasern ist ausgeschlossen. Bei schräge abgeschnittenen Gefässen ist es hingegen oft sehr schwer, die Umrisslinie dort mit Sicher- 17* 248 . Konrad Helly: heit zu erkennen, wo die Schnittebene die Gefässwand am schrägsten getroffen hat und wenn sich an dieser Stelle noch überdies Reticulumfasern an das Gefäss- ansetzen, dann ist die Täuschung vollkommen, als wäre dasselbe offen und würden jene dessen Fortsetzung bilden: es ist also das zweite Merkmal auch ein negatives, da es auf dem teilweisen Nichterkennen der Um- risse beruht. Infolgedessen gelingt es denn auch bei einigem Suchen, schräge abgeschnittene Gefässstückchen zu finden, die scheinbar nach beiden Seiten hin offen sind. Die Täuschung widerfährt natürlich auch umso leichter, je dünner die Schnitte sind. Ich war nicht nur an meinen eigenen Präparaten oftmals in der Lage, die Richtigkeit des soeben Gesagten zu erfahren; auch an einem mir freundlichst zur Ansicht vorgelegten Original- präparate Weidenreichs über ein „Lymphröhrchen“, welches frei beginnend in eine venöse Capillare münden sollte, gewann ich die Ueberzeugung, dass dieses nicht offen, sondern geschlossen sei, während Reticulumfasern, allerdings ungemein täuschend, die scheinbare Fortsetzung eines sehr schräg abgeschnittenen Endes bildeten. Alle anderen Merkmale, die man sonst noch an diesen (Gefässstücken finden mag, sind von nebensächlicher und nach keiner Richtung hin beweisender Natur. Auf das eine oder andere derselben soll übrigens im Folgenden noch Bezug ge- nommen werden. Man sieht also, dass freie Arterienenden und Venenanfänge, beziehungsweise Lymphröhrchen, Gebilde sind, die vorwiegend nach negativen Merkmalen erkannt werden müssen und die Gefahr einer Täuschung ist umso grösser, als der Untersucher in hohem Masse Zufälligkeiten und Fehlerquellen ausgesetzt ist, deren Vermeidung er nicht in der Hand hat und die teils in Eigentümlichkeiten des Materiales, teils in nicht zu umgehenden Ungenauigkeiten der Technik liegen. Zu ersteren müssen vor allem gänzlich leere und daher scheinbar jeder Lichtung ent- behrende Capillaren gerechnet werden. Sie werden bei der Verfolgung durch die Schnittreihen nur zu leicht plötzlich voll- ständig vermisst und man gewinnt den Eindruck, als hätten sie ein Ende erreicht, während ihre Fortsetzung erst durch ange- strengtestes Suchen in der scheinbaren Form einer stärker gefärbten Zelle oder einer dickeren Reticulumfaser auffindbar ist. Dazu gesellen sich noch die gedachten Ungenauigkeiten der Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 249 Technik, so vor allem sehr dünne Paraffinschnitte — die Schnitt- dicke schwankt um 3 « herum — an denen einzelne Zellen, in erster Linie die roten Blutkörperchen infolge ihrer durch die Fixierung in Zenker’scher Fiüssigkeit hervorgerufenen Härte, nicht glattweg durchgeschnitten, sondern vom Messer oft ein Stück- chen weitergeschleift werden und dabei ihnen in den Wegkommende zarte Gebilde beschädigen oder verdecken. Diese Fehlerquelle macht sich gerade wieder in den Knötchenrandzonen am meisten fühlbar, weil hier verhältnismässig viele rote Blutkörperchen zu finden sind, während mit stärkerer Wandung versehene Gefässe, welche eine Art Widerlager gegen solche Verschiebungen bilden könnten, hier bekanntlich fehlen. Allen diesen Umständen ent- spricht es natürlich auch, dass sich an nur sehr wenige Mikro- millimeter dickeren Schnitten schon bedeutend weniger Gefäss- stellen finden lassen, wo die Entscheidung, ob offen oder ge- schlossen, nicht schon auf den ersten Blick in letzterem Sinne ausfällt. Es gäbe allerdings auch einen positiven Beweis für die in Rede stehenden Gefässbildungen; derselbe müsste sich aus dem Wege ergeben, den ihr Inhalt nimmt, möge dieser durch das Blut oder durch eine Injectionsmasse gebildet werden. Allein gerade dieser Beweis lässt, wie wir später sehen werden, voll- ständig im Stiche. Wohl hat Weidenreich einen derartigen Beweis versucht, indem er Transfusionen mit verschiedenen Stoffen an lebenden Tieren vornahm. Daraus, dass sich diese Stoffe schon nach kurzer Zeit in der Milzpulpa ausserhalb der (Gefässe nachweisen liessen, wohin sie jedenfalls nur durch die Kraft des Blutes gebracht werden konnten, schloss er nun auf das Vorhandensein freier Arterienenden sowie andererseits auch der Lymphröhrchen, die es neben den direkten Einmündungen von Arterien in Venen ermöglicht haben soilten, dass sich in letzteren gleichfalls ein Teil des Transfusionsmateriales fand. Bevor nun eine Kritik dieser Schlussfolgerung vorgenommen wird, soll erst festgestellt werden, welche Erscheinungen sich darbieten müssten, wenn Weidenreichs Ansicht die richtige wäre und welche, wenn meine zu Recht besteht. In ersterem Falle müsste man in der Lage sein, durch Verfolgung der arteriellen Capillaren, namentlich jener, in welchen sich Blut- körperchen finden, die Austrittsstellen dieser aus dem 250 Konrad Helly: Capillargefäss, mithin also dessen Ende nachzuweisen. Anderer- seits müsste es gelingen, an Stellen, wo nicht viel Transfusions- material in der Pulpa liegt, den Weg, welchen dasselbe ge- nommen hat, bis zu einem Gefässende zurück zu verfolgen. In ganz derselben Richtung muss sich die Untersuchung aber auch dann bewegen, wenn in Uebereinstimmung mit meiner Ansicht die Milzgefässe eine zwar vollständig geschlossene Bahn darstellen, jedoch mit sehr durchlässigen Wandungen versehen sind. Man müsste dann Stellen nachweisen können, wo das Transfusionsmaterial die Gefässe verlässt, indem es durch deren Wandungen durchtritt und zwar müssten sich solche Stellen in ge- nügender Zahl vorfinden, um mit ihrer Hilfe die Menge des in der Pulpa liegenden Materiales zu erklären. Umgekehrt müssten dessen Wegspuren sich gelegentlich bis zu einer Durch- trittstelle in der Gefässwand verfolgen lassen. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend unternahm ich eine Nachuntersuchung der Transfusionsversuche zunächst genau in der von Weidenreich angegebenen Weise und zwar benutzte ich Kaninchen, denen defibriniertes Hühnerblut in eine Vena jugularis langsam eingespritzt wurde. Von der Verwendung der Tusche und des Zinnobers nahm ich im Gegensatze zu Weiden- reich deshalb Abstand, weil diese kleinen Körnchen, wie sich in einer Arbeit Engelmanns!) angeführt findet, das Innere der Mesenterialgefässe auf dem Wege zwischen den Eindothelien der Gefässwände hindurch verlassen können, mithin für die ungleich zarter gebauten Milzgefässe kein einwandfreies Untersuchsmaterial abgeben. Die Transfusion von Hühnerblut geschah das erstemal in der Menge von 15 cem. Das Tier starb drei Minuten nach, Beginn der Transfusion, welche etwa 1'/g Minuten gedauert hatte, wie bei Weidenreichs Versuch gleichfalls unter Krämpfen. Um die Milz möglichst rasch herausschneiden zu können, war die Bauchhöhle des Kaninchens gleich nach voll- endeter Transfusion geöffnet worden und das Organ nach Ablauf der Versuchszeit teils sofort für die Dauer von 6 Stunden in Zenker’sche Flüssigkeit eingelegt, teils nach vorhergehendem ') Engelmann, Ueber das Verhalten des Blutgefässendothels bei der Auswanderung der weissen Blutkörperchen. Zieglers Beitr. z. path. An. u. allg. Path. Bd. 13. 1893. Die Blutbahnen der Milz' und deren funktionelle Bedeutung. 251 ein- bis zweistündigem Verweilenlassen in einer Zenker-Formol- mischung (9:1), wodurch eine bessere Schnittfähigkeit erzielt wurde, ohne dass eine wesentliche Verschiedenheit in der feineren histologischen Struktur kenntlich gewesen wäre. Später wieder- holte ich diesen Versuch mit Hühnerblut zunächst noch zweimal mit der geringfügigen Abänderung, dass nur 12, beziehungsweise 10 ccm eingespritzt wurden, wobei die Tiere noch lebten, als ihnen die Milz entnommen wurde. Die in Paraffin eingebetteten Stücke der so vorbehandelten Milzen wurden in lückenlose Schnittreihen zerlegt unter Beibe- haltung einer gleichmässigen Schnittdicke von 3 «, beziehungs- weise 3!/s oder 4 «. Die Färbung der mit Wasser aufgeklebten Schnitte geschah mit Hämalaun — Orange G — Rubin S. Die Vornahme der Transfusionen erfolgte im hiesigen Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie des Herrn Professor Paltauf, wobei ich von Herrn Professor Biedl mit Rat und Tat auf das ausgiebigste geleitet und unterstützt wurde, wofür ich an dieser Stelle den wärmsten Dank aus- spreche. Die genaue mit Hilfe eines Immersionssystems durchgeführte Untersuchung der Präparate ergab nun keinerlei Anhaltspunkte für eine intermediäre Blutbahn. Die Verfolgung der Arterien führte mich nie zu Stellen, welche für Weidenreichs Ansicht gesprochen hätten. Wenn ich auch häufig die Spur einer Capillare in dem Gewirre von Zellen und Fasern verlor, so betraf das doch immer nur vollständig leere Capillaren, die zu verfolgen, wie oben angedeutet, oft tatsächlich unmöglich ist. Keinesfalls aber geriet ich hierbei je an ein treies Ende ‚mit Uebergang der Gefässlichtung in die Lücken des Reticulum. Auch der umgekehrte Weg, die Verfolgung der durch die Hühnerblutkörperchen gegebenen Spuren, die übrigens nur in den seltensten Fällen ziemlich unzweifelhaft möglich ist, führte mich nie zu einem freien Gefässende oder -anfang. Wohl aber konnte ich, welchen Weg auch immer ich einschlug, zahlreiche Stellen finden, wo sich der Durchtritt sowohl der eigenen roten und weissen Blutkörperchen des Versuchstieres wie der zu- geführten Hühnerblutkörperchen durch die Ge- fässwand hindurch in verschieden weit vorge- 252 Konrad Helly: schrittenem Grade erblicken liess. Da zur Beurteilung der Menge, in welcher sich diese Durchtritte vollziehen können, eine genaue Schilderung derselben nötig ist, seien einige Zeilen den hierbei in Betracht kommenden Umständen gewidmet. Was zunächst den Widerstand anlangt, welchen die Gefäss- wand dem Durchtritte fester und flüssiger Bestandteile ent- gegenzusetzen vermag, so ist ersichtlich, dass derselbe bei den venösen Capillaren nur sehr gering, an gewissen Stellen der Wand überhaupt fast gleich null ist; gleicht sie doch, von der Fläche betrachtet, sehr einem Gitter, dessen Lücken vielfach gross genug sind, um ein rotes Blutkörperchen ohne jede merk- liche Formveränderung durchtreten zu lassen. Dem zwischen beiden Bestandteilen des Gitters, — den inneren, parallel zur Längs- achse des Gefässes angeordneten, stabförmigen Endothelzellen und den äusseren, quer um dasselbe verlaufenden Kreisfasern, — befindliche unmessbar dünnen strukturlose Häutchen kann wohl kein irgend nennenswerter Einfluss im Sinne einer Behinderung der Diapedese zugeschrieben werden und dies umso weniger, als das gedachte Häutchen sehr hinfällig ist und ungemein leicht zerstört wird. So vermochte ich an einer Rattenmilz, in welche ich von der Arterie aus sehr wenig Zenkersche Flüssig- keit unter ganz geringem Druck eingespritzt hatte, vielfach Stellen zu finden, wo ich dasselbe gänzlich vermisste. Auch an menschlichen Milzen, die erst mehrere Stunden nach dem Tode fixiert wurden, sah ich, obgleich die Endothelzellen im allgemeinen noch nicht aus ihrem Verbande gelöst waren, fast nirgends mehr eine Andeutung desselben, wodurch der Eindruck des Gitters nur umsodeutlicher wurde. Es unterliegt daher für mich kaum einem Zweifel, dass die roten Blutkörperchen und ähnlich kleine Fremdkörper stellenweise mechanisch durch den Blutstrom aus den venösen Capillaren in die Pulpa hinausgeschwemmt werden können. In diesem Sinne möchte ich vollends Bilder deuten wie die in Figur 1 und 5 wiedergegebenen; die betreffenden Kaninchenblutkörperchen lassen gar keine Formveränderung während des Durchtrittes erkennen. Dies wird wohl immer dann der Fall sein können, wenn sie mit ihrer Breitenachse parallel zur Längsachse der Endothelzellen gestellt sind, die ja einander mit ihren Rändern nicht zu berühren scheinen, und an der Durchtrittsstelle der Abstand der Kreisfasern von einander so Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 253 gross oder grösser als der Durchmesser eines roten Blutkörper- chens ist. Unter anderen Bedingungen wird es natürlich zu einer mehr oder minder starken Einschnürung des durchtreten- den roten Blutkörperchens kommen, wie in Figur 2 zu sehen ist. Das eilt vor allem für die weissen Blutkörperchen, an welchen eine Einschnürung sich immer erkennen lässt. Nie ist aber das Hindernis so gross, dass es zur Ausbildung jener stark eingeschnürten Zellformen käme, deren beide Teile nur durch einen dünnen Protoplasmafaden zusammenhängen, wie man bei Diapedese an anderen, etwa mesenterialen Gefässen, beobachten kann. In jedem Falle muss man jedoch bei der Aufsuchung von Diapedesen den Irrtum vermeiden, der Gefässwand auf einer Schnittseite aufliegende Zellen mit durchtretenden zu verwechseln. Es ist deshalb nötig, namentlich wenn es sich um ein rotes Blut- körperchen handelt, zu schauen, ob bei schärfster Einstellung auf dasselbe auch noch andere Zellen, vor allem aber die zunächst liegenden Anteile der Gefässwand deutlich zu sehen sind. Ist dies der Fall, dann liegt das betreffende Blutkörperchen in und nicht auf dem Schnitt. In der Regel kann man bei geänderter Einstellung ober oder unter jenem noch einen mitabgeschnittenen Rest der Gefässwand bemerken, der es als feine Linie kreuzt, beioben gedachter scharfer Einstellung aber wieder verschwindet. Aus letzterem Grunde, sowie zur Erzielung einer grösseren Deutlich- keit, habe ich in den beigegebenen Abbildungen solche etwa vor- handene Reste nicht eingezeichnet. Eine weitere Frage ist die, ob die roten Blutkörperchen bei ihrem Austritt in das Pulpagewebe einen bedeutenderen Widerstand desselben zu überwinden haben oder nicht. Wenn wir in Erwägung ziehen, wie es unter verschiedenen Umständen zur Bildung von Ekchymosen oder kleinsten capillären Blutungen in umgebendes Gewebe kommen kann, das viel widerstands- kräftiger ist, als die Milzpulpa mit ihren leicht gegeneinander verschieblichen Zellen — ich verweise da vor allem auf Engel- mann (l.c.) und die von ihm zitierten Arbeiten Anderer — werden wir wohl annehmen dürfen, dass sich in der Milz der- artige Vorgänge nicht minder leicht abspielen können. Wir werden in dieser Annahme dadurch bestärkt werden, dass in diesem Organe ja auch der Durchtritt weisser Blutkörperchen durch die Gefässwandungen ungleich häufiger zu beobachten ist, 254 Konrad Helly: als an irgend einer anderen Stelle des Gefässsystems. Doch soll nun die Reihe der theoretischen Erwägungen abgebrochen und der deutlichen Sprache der Präparate ein wenig Gehör geschenkt werden. Fig. 3 entstammt einer Kaninchenmilz nach vorgenommener Hühnerbluttransfusion. An einer Stelle passieren soeben drei Hühnerblutkörperchen (Hb) neben einander die Gefässwand, während andere ihnen offenbar schon früher vorausgegangen sind. Daneben sieht man auch Leukocyten (l) und ein rotes Blutkörper- chen des Kaninchens (K b) im Durchtritte begriffen. Ich habe schon in meiner oben erwähnten ersten Arbeit über diesen Gegenstand auseinandergesetzt, dass es ohne weiteres wohl nicht möglich ist zu sagen, in welcher Richtung sich ein solcher Vorgang abspielt, dass man aber auf Grund einer gewissermassen mathematischen Schlussfolgerung für die weissen Blutkörperchen in der Mehrzahl der Fälle die Einwanderung in die Gefässe, für die roten hin- gegen das umgekehrte Verhalten annehmen müsse. In diesem besonderen Falle hier kann man aber auch aus dem Anblick des Präparates einen annähernd richtigen Schluss ziehen. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass sich gerade an dieser Stelle, wo ich überdies keine arterielle Capillare in der Nähe finden kann, die wegen eines etwa vorhandenen freien Endes in Be- tracht käme, eine so grosse Menge von Hühnerblutkörperchen so dicht nebeneinander im Pulpagewebe angesammelt hätte. Ebenso ist es auch beim Mangel einer Eigenbewegung derselben unverständlich, welche Kraft sie von aussen in das Gefäss hinein- treiben sollte, entgegen der Wirkung des Blutdruckes. Wohl aber erklärt sich ihre Anordnung ganz ungezwungen unter der Annahme, dass sie sich im Austritt aus dem Gefässe befinden. Auch die Form des roten Kaninchenblutkörperchens lässt es viel wahrscheinlicher erscheinen, dass dasselbe soeben hinausschlüpfe, als dass es in das Gefäss eindringe. Dieses Präparat ist noch in einer zweiten Beziehung bemerkenswert; es zeigt nämlich deutlich, dass dem Vordringen selbst grösserer Zellmassen, die aus den Gefässen austreten, in der Pulpa kein nennenswerter Widerstand begegnet. Dieser Umstand ist aber von besonderer Wichtigkeit, weil er es ganz unerklärlich erscheinen lässt, warum nicht die ganze Pulpa ununterbrochen von roten Blut- Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 255 körperchen überschwemmt ist, wenn sich tatsächlich beständig offene Verbindungen derselben mit den Arterien vorfinden sollten, in denen der Druck, wie klein er auch sein mag, immer noch grösser ist, als in den Venen. Dieser Einwurf, der den An- hängern einer intermediären Blutbahn immer gemacht werden muss und wohl nicht widerlegt werden kann, da sich für dessen Richtigkeit genügend anatomische Belege finden, soll übrigens später noch eingehendere Berücksichtigung erfahren. Es ist nun auffallend, dass man in den Milzen von mittelst Hühnerbluttransfusion vorbehandelten Tieren schon nach so kurzer Zeit verhältnismässig viel fremde Blutkörperchen in der Pulpa finden kann. Es ist dies um so auffallender, als das Zahlenverhältnis der ausgetretenen eigenen Blutkörperchen des Versuchstieres zu den fremden an vielen Stellen entschieden un- günstiger ist, als dem Verhältnis zwischen Eigenblut und Hühner- blut in dem betreffenden Falle entspräche. Eine Erklärungs- möglichkeit liegt darin, dass die zugeführten Blutkörperchen infolge ihrer bedeutenderen Grösse sich langsamer durch die Capillaren bewegen als die anderen, und daher für sie die Durch- trittsbedingungen günstiger sind. Es lässt uns aber auch daran denken, dass unter dem Reiz der stattgefundenen Transfusion an den Milzgefässen selbst sich Einflüsse biomechanischer Natur geltend machen, die, in ihrem eigentlichen Wesen wohl noch unbekannt, sich darin äussern, dass die Durchlässigkeit gegen- über diesen fremden Zellen erhöht ist. Auch die Annahme offener Gefässenden würde ohne Zuhilfenahme derartiger Einflüsse den gedachten Widerspruch im Zahlenverhältnis nicht erklären können. | Ich habe nun noch von derselben Milz einige andere Schnitte abgebildet, um zu zeigen, wie gross die Durchlässigkeit der venösen Capillaren ist. Es sei vorausgeschickt, dass ich den etwaigen Einwand, es handle sich da eben nicht um eine normal durchblutete Milz und es sei daher die Durchlässigkeit gesteigert, mit Freuden annehme: umsomehr wäre dann auch die grosse Zahl der ausserhalb der Gefässe befindlichen Hühnerblutkörper- chen als Folge der gesteigerten Durchlässigkeit anzusehen und umso überflüssiger die Annahme freier Gefässenden. Uebrigens kann ich auf Grund von entsprechenden Präparaten die be- stimmte Behauptung aufstellen, dass auch an normal durch- 256 Konrad Helly: bluteten Milzen die Durchlässigkeit der Gefässe eine sehr grosse ist. In Figur 1 sind neben zwei weissen auch drei rote Blut- körperchen des Kaninchens dargestellt, von denen eines in der Gefässwand steckt, während je ein anderes sich ausserhalb, beziehungsweise innerhalb derselben befindet. Dieses Präparat lässt zudem auch in ähnlicher Weise, wie das in Figur 3 dar- gestellte, mit grosser Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass diese drei Blutkörperchen zufolge ihrer gegenseitigen Anordnung im Austritt aus dem Gefässe begriffen seien. In Figur 2 erkennt man ein rotes Kaninchenblutkörperchen (b), welches in der Gefässwand steckt und in der Mitte eingeschnürt ist. Auch ein durchtretender Leukocyt (l) ist zu bemerken. Bei weitem am interessantesten und für die unvergleich- lich grosse Durchlässigkeit der capillaren Wandungen so recht beweisend ist aber Figur 4. Sie zeigt eine lange im Bogen um ein Milzknötchen verlaufende venöse Capillare.. An der der Knötchenrandzone (Kr) zugewendeten Seite derselben bemerkt man an nicht weniger als sieben Stellen weisse und an zweien rote Blutkörperchen, die im Durchtritt begriffen sind. Andere an der Aussenseite des Gefässes liegende Leukoecyten lassen feine gegen die Gefässwand gerichtete Fortsätze erkennen. Dieses Präparat ist aber nicht nur deswegen von Wichtigkeit, weil es einen schlagenden Beweis dafür liefert, dass die Durchlässigkeit der Capillarwandungen gross genug ist, um die gesamte Menge der in der Pulpa frei befindlichen roten Blutkörperchen sowie den Ueberschuss an Leukocyten zu erklären, welchen das Milz- venenblut gegenüber dem der Arterien aufweist. Seine Bedeutung liegt vielmehr auch darin, dass man sehen kann, wie gerade gegen die Knötchenrandzonen hin die Durchtrittserscheinungen sich in überaus reichlichem Masse abspielen. Da ähnliche Bilder, wie das zur Ansicht gebrachte, sich an vielen anderen Stellen wiederfinden lassen, unterliegt es demnach wohl keinem Zweifel, dass diese Vorgänge sich am leichtesten und in stärkstem Masse eben hier abspielen. Es darf daher auch nicht im mindesten Wunder nehmen, wenn infolgedessen die Randzonen der Milz- knötchen im Verhältnis zu den übrigen Teilen der Milz den grössten Gehalt an frei im Gewebe liegenden roten Blutkörper- chen zeigen. Die Erklärung für diese Erscheinung ist übrigens, Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 257 wie es scheint, recht nahe liegend. Die Milzknötchen — gleiches gilt wohl auch von den Lymphscheiden der Arterien — bilden, ähnlich wie in den Lymphknoten die Follikel den organischen Mittelpunkt, von wo aus die neugebildeten Leukocyten ihre Wanderung beginnen, um schliesslich in die Blutbahn zu ge- langen. In der Milz geschieht dies durch direkte Einwanderung in das Capillarnetz und da ist es nun ganz selbstverständlich, dass die diesem Mittelpunkte am nächsten gelegenen Gefässe am stärksten von der Einwanderung, beziehungsweise vielleicht auch von einer etwa stattfindenden Auswanderung, der Lymphzellen betroffen werden. Die erhöhte Durchlässigkeit für die roten Blutkörperchen ist dann natürlich [siehe Engelmann (l. e.)| nur eine notwendige Folge der reichlichen Durchwanderung jener Zellen. Alle diese bisher gemachten Beobachtungen liessen es wünschenswert erscheinen, eine weitere Stichprobe auf die Durchlässigkeit der Milzgefässe in dem Sinne anzustellen, dass sehr grosse Zellen angewendet werden sollten. Fänden sich dieselben ebenfalls ausserhalb der Gefässe, so müssten sich noch viel leichter, als in den früheren Versuchen, Stellen finden lassen, wo der Uebertritt dieser Zellen in die Pulpa zu beobachten wäre. Ich wählte daher als Transfusionsmateriale defibriniertes “Froschblut, das etwa zur Hälfte mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt wurde, um das defibrinieren desselben zu erleichtern. Der Vorgang war dabei derart, dass ich in ein 20 ccm fassendes Gläschen nach Eingiessen von 10 ccm Kochsalzlösung das Blut der Frösche, denen der Kopf abgeschnitten wurde, hineintropfen liess. Ich verwendete soviele Tiere, bis das Gläschen gefüllt war, wozu im allgemeinen zehn grosse Frösche genügten. Das defibrinierte Blut wurde dann durch ein Tuch filtriert, wobei je nach der Grösse des Verlustes an Flüssigkeit ungefähr 12—15 cem Blut erübrigten. Dieses wurde das erstemal, ähn- lich wie in den früheren Versuchen das Hühnerblut, einem Ka- ninchen durch die Vene jugularis dextra langsam eingespritzt. Drei Minuten nach Beginn der Transfusion wurde die Milz herausgeschnitten, in kleine Stückchen zerteilt und wie oben weiterbehandelt. Die mikroskopische Untersuchung zeigte nun das merk- würdige Ergebnis, dass sich in den Milzgefässen nur sehr ver- einzelte Froschblutkörperchen fanden. Die Erklärung für dieses 258 Konrad Helly: sonderbare Verhalten ergaben Schnitte durch Lungenstückchen. Es zeigte sich nämlich an denselben, dass der grösste Teil des transfundierten Froschblutes im kleinen Kreislauf liegen geblieben war. Auffallend musste es aber immerhin sein, dass die wenigen in die Milz gelangten fremden Blutkörperchen fast nur in den Gefässen zu finden waren — ein Umstand, der nicht zu Gunsten offener Gefässenden spricht. Ich änderte nun die Versuchsan- ' ordnung, indem ich an einem zweiten Tiere die Transfusion von einer Arteria carotis aus gegen das Herz hin vornahm. Das Einspritzen geschah wieder sehr langsam, wobei der Druck, der angewendet wurde, nur so gross war, dass er gerade den ent- gegenwirkenden Blutdruck zu überwinden vermochte. Das Er- gebnis war nun ein sehr befriedigendes, indem sich in der Milz reichlich Froschblutkörperchen fanden. Es zeigte sich dabei noch deutlicher als im ersten Falle, dass sie in der Mehrzahl inner- halb der Gefässe lagen und zwar sowohl innerhalb der arteriellen wie der venösen Capillaren. Daneben fanden sich aber auch viele, die zweifellos ausserhalb derselben frei in der roten Pulpa!) und in den Knötchenrandzonen lagen. Wie waren nun diese dahin gelangt? Die Antwort auf diese Frage ergab sich bald, indem es mir möglich war, auch hier wieder die fremden Blut- körperchen im Durchtritt durch die Gefässwand zu beobachten» wenn es auch nötig war, etwas länger nach solchen Bildern zu suchen, wie in den Fällen nach Hühnerbluttransfusion. Das ist übrigens ohne weiteres erklärlich, wenn man die bedeutend ge- ringere Zahl der in die Milz eingedrungenen Froschblutkörperchen gegenüber jenen des Hühnerblutes in Erwägung zieht. Hingegen gelang es mir auch diesmal nie, ein Froschblutkörperchen zu finden, das etwa aus dem freien Ende einer arteriellen Capillare auszutreten im Begriffe gewesen wäre. Eine Wiederholung des Versuches an einem dritten Kaninchen brachte dasselbe Ergebnis. Hingegen scheiterte ein Versuch mit Salamanderblut vollständig an dem Umstande, dass ich aus den mir zur Verfügung ge- ) Weidenreich (l. ec.) bezeichnet als Parenchym der Milz die rote Pulpa nach Abzug der Gefässe. Ich halte dafür, dass man in der Milz ebenso wie in anderen parenchymatösen Organen als Parenchym das Gewebe nach Abzug der Kapsel, des gröberen Bindegewebes (also auch der Trabekel) und der Gefässe zu bezeichnen hat, wie es dem Sprachgebrauche der Ana- tomen und Pathologen entspricht. Das Milzparenchym ist dann weiter zu teilen in rote und weisse Pulpa. Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 259 standenen Tieren viel zu wenig Blut gewann, und dasselbe deshalb durch den Zusatz von Kochsalzlösung zu sehr ver- dünnt war. Was lehren uns nun die Transfusionen mit Froschblut? Augenscheinlich zweierlei: zunächst geht aus ihrem Ergebnisse hervor, dass die fremden Blutkörperchen den Weg in die venösen Capillaren nur durch Vermittelung arterieller genommen haben konnten; denn wofern sie nicht innerhalb der Gefässe lagen, konnte man sie entweder im Durchtritt durch deren Wandungen beobachten oder sie lagen diesen von aussen so dicht an, dass kein Zweifel darüber bestand, dass sie eben erst durchgetreten sein mussten. Infolge ihrer Grösse, die ihnen ihre Fortbewegung in der Pulpa sehr erschwerte, lagen sie, als die Milz dem Tiere entnommen wurde, noch knapp neben dem Gefässe, das sie ver- lassen hatten. Die zweite wichtige Tatsache, die wir aus diesem Versuche erfahren, ist die, dass es selbst so grossen Zellen mög- lich ist, durch die Wandungen der Milzgefässe hindurchzutreten. Wie gross die dabei entstehenden Oefinungen sein können, sieht man deutlich aus den Fig. 5 und 6. Es wird uns daher nicht Wunder nehmen, wenn man, wie dies in ersterer Abbildung (Kb) dargestellt ist, gelegentlich ein rotes Blutkörperchen ohne jede Formveränderung in der Gefässwand stecken sieht. Anderer- seits ist angesichts des Durchtrittes so grosser fremder Zellen eine neue Stütze für die Vermutung gewonnen, dass die Durch- lässigkeit der Milzgefässe bis zu einem gewissen Grade eine Steigerungsfähigkeit besitze, die in physiologischen Eigenschaften der Gefässwände begründet sein müsse. An dieser Stelle seien einige Bemerkungen eingefügt, die sich auf die Auffindung von in Diapedese begriffenen roten Blut- körperchen beziehen. Bekanntlich vollzieht sich dieser Vorgang nicht so langsam, wie an den weissen Blutkörperchen, sondern oft sogar fast plötzlich, ruckweise. Es ist daher nur bei sehr rasch wirkender Fixierung wahrscheinlich, davon geeignete Bilder zur Ansicht zu bekommen. Je langsamer die Fixierungsflüssig- keit eindringt, je grösser die zu fixierenden Stücke sind und je längere Zeit nach dem Tode verstrichen ist, bis sie der Ein- wirkung der Fixierung ausgesetzt wurden, um so weniger deut- lich beweisende Stellen wird man finden, um so häufiger scheinen die roten Blutkörperchen nur „in verdächtiger Wandungsnähe“ 260 Konrad Helly: [Weidenreich (l. e.)] zu liegen. Gleichen Gründen ent- spricht es auch, dass man in der Nähe der Präparatränder ent- schieden mehr Diapedesen zu finden vermag, als weiter gegen die Mitte hin. Aus dem bisher Angeführten geht wohl zur Genüge hervor, dass die Durchlässigkeit der venösen Milzcapillaren Zellen gegen- über tatsächlich so gross ist, dass aus ihr allein schon die Menge der frei in der Pulpa liegenden eigenen roten Blutkörperchen des Tieres, sowie der durch Transfusion ihm zugeführten fremden eine vollkommen ausreichende Erklärung finden kann. Doch bleibt noch ein Einwand zu berücksichtigen, dass nämlich bei Injectionen der Milzgefässe mit so grosser Regelmässigkeit Injeetionsmasse in dem Maschenwerke der Pulpa angetroffen wird. Die Antwort hierauf ist nicht schwer und muss sich aus geeigneten Präparaten ohne weiteres ergeben. Es müssen sich genau so wie für die verschiedenen Blutzellen auch für die Injectionsmasse Durchtrittsstellen durch Capillarwandungen nach- weisen lassen. Besonders leicht und überzeugend gelingt dies an Milzen, die mit einer Leimmasse injiciert wurden (Fig. 7). Man sieht in solchen die Masse an vielen Stellen in Form feinster Strömchen aus den Gefässen austreten und jenes bekannte zier- liche Netzwerk in der Pulpa bilden, welches von manchen Seiten als Beweis der intermediären Blutbahn angesehen wurde. Das ist zugleich ein neuerlicher Beweis dafür, dass Leimmassen als Injectionsmateriale zum Studium des Verlaufes der Milzgefässe gänzlich ungeeignet sind, eine Tatsache, die von jenen For- schern, welche das geschlossene Gefässsystem in der Milz zu erweisen suchten, ausführlich hervorgehoben und insofern berück- sichtigt wurde, als sie andere Massen in Anwendung brachten. Wie man sieht, lässt sich aber auch mit Hilfe von Leimmassen dieser Beweis, allerdings auf indirektem Wege erbringen, indem man sich überzeugen kann, dass die Masse nicht durch freie (refässenden in die Pulpa abfliesst, sondern in der vorhin geschil- derten Weise durch die Capillarwandungen hindurchtritt. Bis zu diesem Punkte waren meine Untersuchungen ge- diehen, als ich sie abschliessen und veröffentlichen wollte; doch durch einige Bemerkungen veranlasst, welche in der Diskussion derin Halle veranstalteten XVI. Versammlung der anatomischen Ge- Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 261 sellschaft!) fielen, woselbst ich einen Teil meiner Präparate zeigte, beschloss ich, noch einmal ein besonderes Augenmerk den arteri- ellen Capillaren und den Randzonen der Knötchen und Lymph- scheiden zuzuwenden. Was zunächst eine Prüfung auf die Durchlässigkeit der arteriellen Capillaren Zellen gegenüber anlangt, so ergibt dieselbe ganz entsprechend den Befunden verschiedener Forscher (siehe Weidenreich, |. c., S. 307, 309), dass die Schweigger- Seidel’schen Capillarhülsen durchlässig sind. Es war demnach zu erwarten, dass die arteriellen Endcapillaren mit ihren ungleich zarteren Wandungen mit Bezug auf die Nachweisbarkeit von Diapedesen ein ähnliches Verhalten zeigen würden. Tatsächlich liessen sich entsprechende Gefässstellen finden, wie in Fig. 8 und 9 zu sehen ist. Allerdings unterliegt ihr Nachweis viel grösseren Schwierigkeiten, als bei den venösen Capillaren, was seinen Grund wohl hauptsächlich darin haben dürfte, dass die Zahl der letzteren eine viel grössere und der Blutstrom in den- selben, infolge ihrer Weite, sehr verlangsamt ist, wodurch gün- stigere Bedingungen für die Diapedese geschaffen sind. Ueber- dies sind die venösen Capillaren beständig mehr oder minder stark mit Blut gefüllt, während die arteriellen vielfach leer und zusammengefallen angetroffen werden. Es ist aber jedenfalls ein wenn auch geringer Teil des aus den Gefässen ausgetretenen Blutes sicher auf Rechnung der Durchlässigkeit der arteriellen Capillaren zu setzen. Was insbesondere die Verhältnisse in den Knötchenrand- zonen und Lymphscheiden anlangt, sei es mir gestattet, eine nicht ganz unwichtige Ergänzung des bisher über die Verteilung der Gefässe daselbst Bekannten vorzunehmen. Weidenreich (l. c.) beschreibt unter dem Namen „Lymphröhrchen“ feine Seitenzweigchen der venösen Capillaren, die man in diesen Teilen des Parenchyms finden könne. Dieselben seien dadurch ausge- zeichnet, dass sie in nächster Nähe der Capillare, von welcher sie abzweigen, noch deren typischen Bau zeigen, vor allem auch noch Kreisfasern erkennen lassen. :Diese verschwinden aber als- bald und die Wand des Zweigchens spalte sich in einzelne Fibrillen auf, so dass ein Uebergang desselben in das Reticulum !) Weidenreich, Die Blutlymphdrüsen und ihre Beziehung zu Milz und Lymphdrüsen. Verh. d. anat. Ges. 1902. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 18 262 Konrad Helly: zustande komme. Bis auf letztere Ansicht kann ich der ge- ‚gebenen Beschreibung beistimmen; der angeblichen Aufspaltung hingegen muss ich widersprechen. Ich sah mehrfach solche Zweigchen, an denen ich unzweifelhaft fesstellen konnte, dass sie nichts anderes darstellten, als Aeste des arteriellen Milzknötchen- Capillarnetzes, welche in venöse Capillaren einmündeten. Diese Mündung findet auch immer, wie sonst in der Milz, unter mehr minder spitzem Winkel statt. Auffallend ist nur, dass, wie schon aus der Anwesenheit der Kreisfasern hervorgeht, das letzte Stück der betreffenden arteriellen Capillare den für die venösen Capil- laren charakteristischen Bau zeigt. Es folgt daraus, dass ein kleiner Unterschied besteht, je nachdem es sich um eine in der roten Pulpa oder im Randgebiete der weissen gelegene Ver- bindung zwischen den beiden Capillarsystemen handelt; denn in ersterem Falle behält ja die arterielle Capillare bis zu ihrer Mündung den ihr Endstück als solches kenntlich machenden Bau. Jedenfalls ist aber ein derartiges Hinübergreifen der histo- logischen Struktur einer Capillargattung auf die andere immer noch weniger auffallend, als es die besprochene Aufspaltung wäre. In Fig. 10 ist ein Plattenmodell abgebildet, das nach 3 « dünnen Serienschnitten bei 667facher Vergrösserung von einer derartigen Knötchencapillare hergestellt wurde. Dieselbe giebt an einer Stelle drei Aeste ab, einer davon mündet selbständig in eine, die beiden anderen gemeinschaftlich in eine zweite, das Knötchen umkreisende venöse Capillare. Von diesen beiden ist die eine (a!) so vollständig leer und zusammengepresst, dass ich sie lange Zeit für eine starke Reticulumfaser hielt; erst durch die mit der Herstellung des Modells verbunden gewesene wieder- holte genaue Durchsicht der Schnittreihe war es möglich, den wahren Sachverhalt aufzuklären. Dass es sich hier wirklich um eine Abzweigung von der arteriellen Capillare Ka und nicht etwa um ein blosses Vorüber- ziehen von Lymphröhrchen an derselben handelt, geht wohl aus Text-Fig. 1—10 deutlich hervor, welche die Umrisszeichnungen der in Betracht kommenden Schnittstellen wiedergeben. Bezüg- lich einer derartigen Einmündungsstelle aus einer anderen Kaninchenmilz begnüge ich mich, beistehend ebenfalls die be- treffenden Umrisszeichnungen abzubilden (Text-Fig. 11—17). Wir können demnach das eingangs gegebene Schema der Ver- Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 263 Textfig. 1—10: Umrisszeichnungen der zum Plattenmodell in Fig. 10 gehörigen Schnitte bei 667facher Vergrösserung. Schnittdicke = 3 u. v = venöse Capillare, Ka = starkwandige (arterielle) Knötchencapillare, a, a', a f Aeste derselben. Die Zusammengehörigkeit der Teile jeder Figur ist durch punktierte Linien bezeichnet. 264 Konrad Helly: v °O & ® ® Textfig. 11—17: Umrisszeichnungen der Einmündung eines Astes einer Knötchencapillare (a) in eine venöse Capillare (v) bei 667 facher Vergrösserung nach 3 « dicken Serienschnitten. zweigung der Milzarterien dahin ergänzen, dass auch von dem Capillarnetz der weissen Pulpa direkte Verbindungen zu den Venen führen. Durch den Nachweis dieser direkten Verbindungen erhält die Ansicht von den freien Arterienenden einen neuerlichen heftigen Stoss. Vollends zu Falle gebracht wird sie aber durch die Injectionsergebnisse. Es lässt sich an Injecetionspräparaten nämlich der Nachweis erbringen, dass die Masse nicht aus freien Enden abfliesst, sondern sich allenthalben zwischen den Endothel- zellen hindurch drängt. Damit ist auch der Beweis erbracht, dass man wirklich im Rechte ist, diesen Austritt der Masse als Extravasat zu bezeichnen. Hat man möglichst vorsichtig injiciert, so sieht man, dass diese Extravasate keineswegs weit in die Rand- zonen der Milzknötchen hineinragen, sondern dass sie sich enge an die bekannten, im Bogen verlaufenden, starkwandigen Knötchen- capillaren halten. Unter Anwendung starker Vergrösserung sieht man dann, wie diese namentlich an ihrer gegen die Randzone gelegenen Seite an vielen Stellen die Injectionsmasse in feinsten Strömchen austreten lassen, wobei es sich, wie in Fig. 11 dar- gestellt, ereignen kann, dass dieselbe durch Lücken der Gefäss- wand, welche von in Diapedese begriffenen Zellen erzeugt wer- den, ihren Weg nimmt. Nirgends aber findet sich ein wirkliches Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 265 Capillarende, aus dem die Masse abflöüsse. Dabei ist es wieder nicht belanglos, ob man Leimmasse oder eine andere Flüssigkeit injiciert, da erstere, einmal aus einem Gefässe ausgetreten, sich ungemein rasch in der Pulpa ausbreitet und deshalb von ihrer Anwendung Abstand genommen werden muss. Immerhin ist es verhältnismässig leicht, die Milzvenen auf direktem Wege von den Arterien aus zu injicieren, ohne dass sich auf längeren Schnittreihen das Vordringen der genannten Extravasate bis in eine venöse Capillare hinein an irgend einer Stelle nachweisen liesse. Eine bequem zu handhabende Methode der Milz- injection bei gänzlicher Vermeidung von Extravasaten ausfindig zu machen, bildet gegenwärtig noch einen Gegenstand meiner Bemühungen. Das geschilderte Verhalten der bogenförmig verlaufenden Knötchencapillaren gegen Injectionsmassen giebt im Zusammen- halt mit ihrer auffallenden Wandungsstärke vielleicht einige Be- rechtigung, sie den Schweigger-Seidel’schen Capillaren der roten Pulpa als gleichwertig an die Seite zu stellen, von denen ja schon der Entdecker Schweigger-Seidel') berichtet, dass Injectionsmasse zwischen die Hülsenzellen einzudringen ver- mag. Die betreffenden Knötchencapillaren hätten mit den Hülsen- arterien auch die Durchlässigkeit gegenüber den verschiedenen Blutzellen gemein sowie den Umstand, dass zwischen ihnen und den venösen Capillaren noch ein einfachst gebautes arterielles Endstück folgt. Mit dem Nachweise, dass auch dem arteriellen Capillarsystem ein gewisser Grad von Durchlässigkeit der Gefässwandungen zu- kommt, verliert auch der letzte und nachdrücklichste Einwand, der gemacht werden kann und der mir auch von Weidenreich in der erwähnten Discussion vorgehalten wurde, seine Bedeutung: dass es nicht anzunehmen sei, dass schon in so kurzer Zeit nach der vollzogenen Transfusion die zugeführten Hühnerblutkörperchen sich in den Randzonen von den aussen anlagernden venösen Capillaren soweit gegen die Mitte des Milzknötchens fortbewegt hätten. Ich halte zwar nach wie vor daran fest, dass, wie ich auf den Einwand hin sofort bemerkte, in Hinsicht auf die un- gemein grosse Geschwindigkeit, mit welcher das Blut den ganzen ) Schweigger-Seidel, Untersuchungen über die Milz. Virchows Archiv, Bd. 27, 1863. 266 Konrad Helly: Körperkreislauf durcheilt, diese Annahme sehr wohl gemacht werden kann. Es ist aber auch sicher möglich, dass einzelne von den in den Randzonen liegenden roten Blutkörperchen und dementsprechend auch einige von den Hühnerblutkörperchen durch Diapedese aus den Knötchencapillaren dahin gelangt sind, so besonders die am meisten gegen das Knötcheninnere vorgeschobenen. Unter der Annahme, dass eine entsprechend kurz gewählte Versuchszeit jedenfalls einige nähere Aufschlüsse geben dürfte, liess ich in Beachtung dieses Gesichtspunktes noch einige Trans- fusionsversuche folgen. Es musste sich dann zeigen, dass das Einlangen der fremden Blutkörperchen in den venösen Capillaren deutlich früher stattfände, als ihr Erscheinen in der Pulpa ausser- halb der Gefässe. Es wurde nun einem Kaninchen in Aether- narkose vor Beginn eines neuerlichen Transfusionsversuchs mit Hühnerblut die Bauchhöhle eröffnet und die Aorta vor Abgang der Arteria lienalis abgeklemmt. Dann wurden 15 cem defi- briniertes Hühnerblut in die rechte Vena jugularis eingespritzt. Hierauf schnitt ich zunächst ein Stückchen der Milz ab, um ein Controlpräparat in Bezug auf die Vollkommenheit der Abklemmung zu haben und nahm dann die Sperrpinzette ab. Nach 15 Se- kunden wurde die ganze übrige Milz herausgeschnitten und sofort fixiert. Die Besichtigung des Controlstückes ergab, dass die Abklemmung vollkommen gewirkt hatte. Der Versuch zeigte insofern ein meinen Erwartungen entsprechendes Ergebnis, als ich wohl in einigen Gefässen, nicht aber ausserhalb derselben Hühnerblutkörperchen nachweisen konnte. Allein die in die Milz eingedrungene Menge derselben war so gering, dass man daraus immerhin einen Nachteil für die Stichhaltigkeit des Ver- suches hätte erblicken können. Ich wiederholte deshalb den Versuch an einem anderen Tiere, wobei statt der Aorta die Arteria }lienalis abgeklemmt wurde. Da, wie das wieder abge- trennte Controlstück ergab, die Abklemmung nicht hinreichend gewesen war, wurde der Versuch ein drittesmal wiederholt. Obgleich auch diesmal die Absperrung der Blutzufuhr keine ganz vollständige war, so förderten doch die beiden letzten Ver- suche, namentlich im Zusammenbalt mit dem vorigen, ein Ergebnis zutage, das weitere Versuche beinahe überflüssig erscheinen liess. Um nämlich den Fortschritt der Cirkulation an einer und der- Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 267 selben Milz beobachten zu können, hatte ich in beiden Fällen nach Ablauf von 15, 30, 60 und 90 Sekunden, beziehungsweise 15, 45 und 90 Sekunden immer je ein Stückchen der Milz ab- geschnitten, und da zeigte sich an den wie sonst hergestellten Präparaten mit vollster Deutlichkeit, dass schon an den ersten Stückchen, welche die kürzeste Zeit von dem Transfusionsblute durchspült worden waren, reichlich Hühnerblutkörperchen in den venösen Capillaren lagen, während ich ausserhalb derselben davon verhältnismässig viel weniger antraf, als in den anderen Stückchen, in welchen sie bereits Zeit gefunden hatten, in grossen Mengen die Gefässe zu verlassen. Da ich jedoch die Bemerkung gemacht zu haben glaubte, dass Milzen narkotisierter Tiere auch für deren eigene rote Blutkörperchen durchlässiger seien, als solche nicht narkotisierter, wiederholte ich die Transfusion an noch zwei Kaninchen derart, dass unter Verzicht auf jegliche Narkose die gesamten 15 ccm Hühnerblut in etwa 5 Sekunden eingespritzt wurden, worauf ich die ganze Milz der schnell eröffneten Bauch- höhle 30, beziehungsweise 15 Sekunden nach Beginn der Injektion entnahm. Das Ergebnis war ähnlich wie in den vorigen Ver- suchen: zahlreiche Hühnerblutkörperchen in den arteriellen und venösen Capillaren, ein Teil bereits ausserhalb derselben, viele in Diapedese begriffen. Es ist also demnach gar keine Frage, dass der normale Blutweg in der Milz nicht durch intermediäre Blutbahnen, sondern durch ununterbrochen zusammenhängende Gefässe führt, dass aber der Austritt verschiedener Bestandteile des Inhaltes aus demselben sich leicht und rasch vollziehen kann, wie eben gezeigt, nicht durch freie Gefässenden, sondern auf dem Wege der Dia- pedese. Mit den bisherigen Auseinandersetzungen glaube ich den Beweis erbracht zu haben, dass sämtliche Methoden, die man zur Untersuchung der Milzgefässe anwenden mag, zu Ergebnissen führen, welche direkt oder indirekt dartun, dass die Annahme eines geschlossenen, das heisst überall von einer regelmässigen En- dothelschicht ausgekleideten Gefässsystems mit sehr durchlässigen Wandungen nicht nur eine ausreichende Erklärung der Cirkulations- verhältnisse in diesem Organe abgiebt, sondern dass sich auch 268 Konrad Helly: anatomische Belege für dieselbe in genügender Zahl finden lassen. Sollen wir trotzdem noch an intermediäre, endothellose Blutbahnen freie Gefässanfänge und -endigungen glauben, dann müssen uns dieselben unwiderleglich bewiesen sein, was aber bisher noch nicht geschehen ist, wie ich schon oben eingehend erörtert habe. Dass derartige Gefässbildungen anzunehmen nicht nur augenscheinlich überflüssig ist, sondern auch zu manchen unlöslichen Widersprüchen führen muss, soll im Folgenden gezeigt werden. Zunächst müssten offene Arterienenden unbedingt zu einer vollständigen Ueberschwemmung der Milz, in erster Linie der roten Pulpa, mit Blut führen ; denn die daselbst in den Lücken des Reticulum liegenden weissen Blutkörperchen sind so leicht beweglich, dass sie dem Blutstrome keinen Widerstand entgegen- zustellen vermögen. Diese Behauptung stützt sich nicht auf eine willkürliche Annahme, sondern findet ihren besten Beleg in Fällen hochgradiger Stauung oder bei hämorrhagischen Infarkten der Milz. In diesen Fällen ragen die Milzknötchen und Lymphscheiden aus dem sie umgebenden Meere roter Blut- körperchen, gewissermassen Inseln gleich, hervor. Ja an jeder gewöhnlichen Milz, noch schöner an mit fremdem Blute behan- delten (Fig. 3), kann man Stellen finden. wo aus einer und der- selben Capillare mehrere rote Blutkörperchen unmittelbar nach- einander durchgetreten sind, offenbar ohne einen nennenswerten Widersand der aussenliegenden Zellen gefunden zu haben. Man könnte sagen, es kommt in der Milz vielfach physiologischer Weise zur Bildung kleinster Ekchymosen und die Leichtigkeit, mit der sie entstehen, beweist ebenfalls, wie wenig Widerstand die Pulpa dem Blutaustritte aus beständig offenen Arterien entgegenzusetzen vermöchte. Auch die „Lymphröhrchen®* und „Venenanfänge“ leiden an einer grossen Unwahrscheinlichkeit. Da in denselben die Stromrichtung gegen die venösen Capillaren gerichtet sein soll, muss der Druck in ihnen kleiner sein als in der umgebenden Pulpa, aus welcher sie ja ihren Inhalt ableiten sollen. Nun ist aber nicht nur kein Schutz dagegen vorhanden, dass der höhere Aussendruck etwa den Anfangsteil dieser Röhrchen zusammen- presse, sondern sie müssten vielleicht sogar den Blutstrom aus den venösen Capillaren, trotz ihrer spitzwinkligen Einmündung in dieselben, abfliessen lassen, da sie ja gerade an dieser Stelle Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 269 im Bau jenen gleichen und durch den Besitz von Kreisfasern Jaselbst immer ein wenig offen gehalten werden müssten. Wie man sieht, führt also die Funktionsprüfung dieser Gefässbildungen, im Sinne der von Weidenreich gegebenen Beschreibung folgerichtig durchgedacht, zum Ergebnis, dass sie unmöglich in der Lage wären, ihren Zweck zu erfüllen. Vollends deutlich wird dies aber, wenn man einer derartigen Prüfung iene Ver- hältnisse zugrunde legt, die sich tatsächlich vorfinden und nachweisen lassen. Demnach darf man zunächst nicht annehmen, dass die Kreisfasern imstande seien, die venösen Capillaren ständig offen zu halten, da man letztere unter entsprechenden Verhältnissen bis zum völligen Verschlusse verengt finden kann. Deshalb ist es wohl auch besser, an dem anatomisch und physio- logisch mehr besagenden Ausdruck „venöse Capillaren“ oder „eavernöse Milzvenen“ gegenüber dem Worte „Milzsinus“ festzu- halten. Die Kreisfasern werden also einen durch den Innendruck dieser Capillaren bewirkten klappenartigen Verschluss der ge- nannten spitzwinkligen Einmündungen nicht verhindern können. Weiter muss der Druck innerhalb der Milzgefässe überall grösser sein, als in der umgebenden Pulpa, da sie ja sonst zusammen- gepresst würden. Es kann daher auch kein Abströmen von flüssigen oder zelligen Blutbestandteilen in diese von aussen er- folgen und die Lymphröhrchen .und Venenanfänge kämen so nach allem nie in die Lage, den ihnen zugedachten Zweck zu erfüllen. Wir werden daher gut tun, dieselben, da sie physiologisch nicht nötig, anatomisch nicht nachweisbar, entwicklungsgeschicht- lich, wie noch gezeigt werden wird, kaum erklärlich und funktionell nicht möglich sind, fernerhin ebenso als nicht vorhanden zu be- trachten, wie die angeblichen freien Arterienenden. Weidenreich hat ferner den Versuch unternommen, die schon seit langem bekannten roten Lymphdrüsen, denen von englischen Untersuchern der unrichtige Name Haemolymph Glands, also Blutlymphdrüsen beigelegt wurde, als Beweis für die teil- weise offene Blutbahn der Milz heranzuziehen. Ueber die ana- tomische Grundlage dieser Organe werde ich an anderer Stelle berichten; hier sei nur bemerkt, dass sich in diesen Organen nirgends Blutbahnen ohne endotheliale Auskleidung finden, mit- hin von offenen Blutgefässen daselbst keine Rede sein kann. Wie es sich mit dem des weiteren für sie behaupteten Mangel von 270 Konrad Helly: zu- und ableitenden Lymphgefässen verhält, soll hier nicht unter- sucht werden, jedenfalls aber muss es als ganz unvermittelt be- trachtet werden, wenn das Fehlen von Lymphgefässen in einem Organe als Beweis hingestellt wird für das Vorhandensein von freien Gefässendigungen und -anfängen in einem anderen. Aus dem gleichen Grunde kann auch keine entwicklungs- geschichtlich fortschreitende Stufenfolge von den roten Lymph- drüsen über die Milz zu den gewöhnlichen Lymphdrüsen aufge- stellt werden. Man darf wohl sagen, dass sich die Entwicklungs- geschichte nach dem bisher aus derselben Bekannten überhaupt in gar keiner Weise für eine nur zum Teil offene, zum Teil aber geschlossene Blutbahn eines Organes verwerten lässt. So- weit man bis jetzt in der Lage war, die Entwicklung von Ge- fässen im embryonalen oder postembryonalen Leben irgend eines Wirbeltieres zu beobachten, zeigte sich immer derselbe hinläng- lich bekannte typische Vorgang der vorausgehenden Anlage solider Zellstränge, welche von schon bestehenden Gefässen ab- zweigen und nachträglich eine Lichtung erhalten, womit das neue Gefäss gegeben ist. Man könnte sich nun allenfalls vorstellen, dass in einem ganzen Organ eine Abweichung von diesem typischen Verhalten stattfindet, indem die Capillaren auf der arteriellen wie auf der venösen Seite sämtlich von Anfang an frei endigen, oder dass die schon hergestellten Verbindungen beider wieder gelöst würden. Es muss aber immer unerklärlich bleiben, wie es möglich wäre, dass sich ein derartiger Vorgang, er möge primär oder sekundär sein, in einem und demselben Organ nur an gewissen Stellen abspiele, während an anderen der allgemeine Typus der Gefässentwicklung gewahrt wäre. Der letzte Abschnitt dieser Betrachtungen sei der Funktion der Milz gewidmet, soweit sich dieselbe nach dem oben mitge- teilten beurteilen lässt. Jedes Organ unseres Körpers verfügt über ihm zugehörige sogenannte regionäre Lymphdrüsen, die man, soweit ihre Funktion bisher bekannt ist, als Schutzapparate des Organismus auffasst. Da müsste es doch sehr auffallend erscheinen, dass gerade eines der lebenswichtigsten Organe, das Blut, des nötigen Schutzes solcher Lymphdrüsen bar sein sollte. Zwar findet man schon seit langem in den verschiedenen Lehr- büchern der Anatomie und der Physiologie in mannigfacher Weise den Satz ausgesprochen: Die Milz ist eine Lymphdrüse Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 271 und hat daneben wohl auch blutzerstörende Eigenschaften. Ja sogar als blutbildendes Organ hat man sie schon betrachtet, was sie unter normalen Verhältnissen bei den höheren Wirbel- tieren im späteren postembryonalen Leben sicher nicht ist. Den- noch findet sich die entscheidende Beziehung zwischen Milz und Blut nirgends deutlich ausgesprochen. Wenn uns die Aufgabe gestellt würde, sozusagen eine regionäre Lymphdrüse für das Blut in ihren Grundzügen theo- retisch aufzubauen, müssten wir zunächst die Möglichkeit schaffen, dass derselben Teile des Blutes ununterbrochen zugeführt werden. Zu diesem Zwecke das Lymphgewebe innerhalb der Blutgefässe anzuordnen, wäre, sofern es, wie in der Milz, auch noch Leuko- cyten erzeugen sollte, bei seinem lockeren Bau wohl ebenso un- denkbar, wie etwa aus ihnen ableitende Lymphgefässe. Wir kämen bald auf das Auskunftsmittel, einen Teil der Blutgefässe mitten durch das Lymphgewebe zu führen und daselbst mit durchlässigen Wandungen zu versehen. Der Grad der Durch- lässigkeit könnte noch in gewissen Grenzen einer physiologisch erfolgenden Regelung unterworfen sein; mit einem Worte, wir würden ein Organ ähnlich der Milz herstellen. Selbstverständlich würde dieses Organ dann trotz des Mangels an Lymphgefässen befähigt sein, dem Blute beigemengte Fremdkörper aus dem- selben abzufangen, Leukocyten in dasselbe zu entsenden und schliesslich auch rote Blutkörperchen zu vernichten, welche durch die Gefässwände hindurchgetreten sind, sei es infolge eines Zufalles, sei es, weil sie, funktionsuntüchtig geworden, dem Blute gegenüber dieselbe Rolle spielen, wie tote Zellen oder Fremd- körper. Von diesen Betrachtungen ausgehend, können wir wohl unbedenklich die Milz für eine regionäre Lymphdrüse des Blutes erklären und werden damit dem Verständnis dieses Organes wesentlich näher gerückt sein, da sich auf Grund dieser Auf- fassung alle Lebenserscheinungen desselben ohne weiteres be- greifen lassen. Wie weitgehend die anatomische und physio- logische Uebereinstimmung der Milz mit anderen Lymphdrüsen des Körpers ist, habe ich an anderer Stelle!) auseinander gesetzt. Selbstverständlich steht diese Auffassung nicht der Möglichkeit im Wege, für jene ebenso wie für diese auch noch andere, einst- weilen unbekannte, Funktionen zu finden. !, Helly, Wechselbeziehungen zwischen Bau und Funktion der Milz. Wiener klinische Wochenschrift, 1902. 272 Konrad Helly: Am Schlusse meiner Ausführungen angelangt, kann ich, wie ich glaube, mit voller Berechtigung sagen, dass es mir ge- lungen ist, zu zeigen, dass eine intermediäre Blutbahn in der Milz zur Erklärung für die Cirkulationsverhältnisse der Blut- bestandteile daselbst anzunehmen nicht nötig ist. Ich habe aber auch weiter gezeigt, dass solche Blutbahnen bisher weder ein- wandsfrei bewiesen wurden, noch auch, von welchem Gesichts- punkte immer betrachtet, wahrscheinlich sind ; ja dass sogar manche sehr gewichtige Bedenken dagegen sprechen. Es giebt in der Milz eben in Wahrheit weder freie Arterienenden noch Venen- anfänge oder gar Lymphröhrchen. Von Lymphgefässen wurden bisher überhaupt nur spärliche oberflächliche und in den Tra- bekeln gelegene mit Sicherheit nachgewiesen, dagegen keine im eigentlichen Parenchym der Milz. Soll übrigens in diesen Fragen nach irgend einer Richtung hin noch ein weiterer Fortschritt erzielt werden, so ist dies nur durch neue Tatsachen mög- lich, welche an der Milz selbst gewonnen werden; keineswegs aber lassen sich Analogieschlüsse auf eine gänzlich oder teilweise inter- mediäre Blutbahn dieses Organes von anderen Organen aus ziehen ; am allerwenigsten dann, wenn eine Analogieder zum Beweise heran- gezogenen Eigenschaften dieser und jenes gar nicht vorhanden ist. Nach dem jetzigen Stande der Untersuchungen bat als richtig zu gelten: 1. Die Milz hat ein, überall von einer regel- mässigen Entothelschichte ausgekleidetes, daher geschlossenes Gefässsystem mit sehr durchlässigen Wandungen; 2. Der Grad der Durchlässigkeit unterliegt höchst wahrscheinlich physiologischen Ein- flüssen; 3. Lymphgefässe des Milzparenchyms sind in keiner Form nachweisbar; 4. Die Milz ist zufolge ihrer anatomischen und physiologischen Eigenschaften eine regeionäre Lymphdrüse für das Blut. Wien, Juni 1902. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Sämtliche Figuren sind nach 3 „ dünnen Schnitten mit Zeiss-. Apochrom. Immers, 20 mm und Leitz’ schem Zeichenoeular auf Arbeitstisch- Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. 273 höhe in den Umrissen gezeichnet und mit Zeiss: comp. Oc. No. 6 in den feineren Einzelheiten ausgeführt. Färbung: Haematoxylin—Orange G. —Rubin 1 b. Kb. Hb. Kreisfasern, Endothelzellen u. s. w. wurden nicht besonders bezeichnet. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. S. » = Leukocyt Fb. = Froschblutkörperchen = rotes Blutkörperchen Kr. — Knötchenrandzone — Kaninchenblutkörperchen Mk. — Milzknötchen. = Hühnerblutkörperchen. Fig. 1—6, 8—10 sind nach Präparaten von Kaninchenmilzen nach Transfusionsversuchen, Fig. 7 und 11 nach solchen von Ratten dargestellt. 1: 10. 1b Venöse Capillare mit hintereinander ohne Formveränderung aus- tretenden roten (Siehe Text Seite 252) und durchtretenden weissen Blutkörperchen. Rotes, deutlich eingeschnürtes Blutkörperchen und Leukocyt in Diapedese durch die Wand einer venösen Capillare; Nach einer Transfusion mit Hühnerblut; sowohl die fremden als auch eigenen roten und weissen Blutkörperchen sind im Durchtritt durch die Wand einer venösen Capillare begriffen. Langgestreckte venöse Capillare am Rande eines Milzknötchens gegen die Knötchenrandzone hin zeigt sich eine überaus starke Durchlässigkeit der Gefässwand im Durchtritt vieler weisser und roter Blutkörperchen. Nach einer Transfusion mit Froschblut; ähnliche Erscheinungen wie in Fig 3. Ganzes Froschblutkörperchen nebst Trümmern anderer Blutkörperchen aus einer venösen Capillare austretend;; in diesem und im vorigen Bilde bemerkenswert die Weite der unter dem Einflusse der Diapedese entstehenden Wandungslücken. Injektion mit Berlinerblau-Gelatinemasse; reichlicher Austritt der- selben in Form feiner Fäden aus einer venösen Capillare. Arterielle Capillare (a) in der Knötchenrandzone mit an der Seite des Milzknötchens durchtretendem Leukocyten. Schräge angeschnittene Teilungsstelle einer arteriellen Capillare (a. k.) eines Milzknötchens; in einem durch die Anwesenheit von Hühnerblutkörperchen ausgedehnten Aste ein solches im Durchtritt gegen die Knötchenrandzone. An deren Aussenseite ein Stück einer venösen Capillare mit durchtretendem Leukocyten. Bei 667facher Vergrösserung angefertigtes Plattenmodell der Ein- mündung dreier Aeste (a, a!, a?) einer (arteriellen) Knötchencapillare (K. a.) in zwei capillare Randvenen (v, v!) eines Milzknötchens; die Ausbuchtung der Knötchencapillare ist nur eine scheinbare und durch ihre Dickwandigkeit gegenüber den zarten Aesten bedingt. Wiedergabe des Modells im Verhältnis 1:3. Injection mit löslichem Berlinerblau (modifieiert nach Beale); in der Wand einer bogenförmig verlaufenden Knötchencapillare steckt ein Leukocyt; neben diesem durch ein- und dieselbe Lücke sowie an anderen Stellen findet ein Austritt der Injectionsmasse gegen die Knötchenrandzonedel hin statt, 274 Die Entwicklung des Eies der Maus vom Schlusse der. Furchungsperiode bis zum Auftreten der Amniosfalten. Von J. Sobotta. Hierzu Tafel XV—XVIT und 6 Textfiguren. Die folgenden Mitteilungen über die Entwicklung des Fies der Maus von den späteren Stadien der Furchung an bis zum Auftreten der Amniosfalten schliessen sich unmittelbar an an die in diesem Archiv, Bd. 45, 1895 publizierten Thatsachen über Befruchtung und FurchungdesEiesder Maus (15) und können als deren direkte Fortsetzung betrachtet werden. Schon bei meinen damaligen Untersuchungen kamen mir gelegentlich einige der hier beschriebenen Stadien zu Gesicht. Später habe ich dann, um Demonstrationsobjekte für embryologische Vorlesungen zu gewinnen, mehr Material verarbeitet, zunächst ohne die Absicht, dasselbe für eine Publikation zu verwerten. Allerdings fielen mir damals schon verschiedentlich Unterschiede in meinen Präparaten gegenüber den Abbildungen von Selenka (12) und Duval (7) auf. Als ich allmählich ein grösseres Material gewonnen hatte, sah ich die Notwendigkeit ein, die hier in Frage kommenden Entwicklungsstadien einer neuen gründ- lichen Untersuchung zu unterziehen und zwar unter Anwendung eines möglichst grossen Materials. Soweit es sich um die Ausbildung der Decidua und um den eigentlichen Implantationsvorgang handelt, hat Burckhard (4) bereits auf meine Veranlassung Untersuchungen angestellt und über dieselben ausführlich berichtet, so dass ich hier auf die Deciduabildung garnicht einzugehen brauche und auf die Art der Festsetzung des Eies nur insofern, als dabei der Bau der Eiwand selbst in Betracht kommt. Material und Methode. Das Material, welches für die Zwecke dieser Untersuchungen verarbeitet wurde, stammt ausschliesslich von der weissen Hausmaus (Mus musculus Var. alba). Es wurde in einer be- reits früher (15) ausführlich beschriebenen Weise gewonnnen Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 275 {s. & Burckhard [4]). Für die Zwecke dieser Arbeit wurden Tiere, die unmittelbar post partum begattet worden waren, so gut wie garnicht benutzt.') Bei weitem die meisten Tiere, welche getötet wurden, waren während der zweiten Ovulation post partum (21 Tage) begattet worden. Ausserdem wurden spontan begattet getroffene Tiere benutzt. Die Altersbestimmung ist jedoch bei letzteren, ebenso wie der Erfolg, bis zu einem ge- wissen Grade unsicher. Es empfiehlt sich am meisten, die Tiere so zu töten, dass sie kein Blut verlieren, also etwa mit Chloroform, weil nament- lich in den später hier zu besprechenden Stadien das Ei innige Beziehungen zu erweiterten mütterlichen Blutbahnen, be- ziehungsweise Blutergüssen, besitzt. Zur Konservierung wurden im Laufe der langen Zeit, in welcher das Material gesammelt wurde, nahezu alle gebräuch- licheren Konservierungsmittel benutzt (Sublimat, Formol, Pikrin- schwefelsäure, Pikrin-Sublimat, Flemming’sche Lösung, Her- mann’sche Lösung, Zenker’sche Lösung u. a... Am besten, wenigstens zur Konservierung der für diese Veröffentlichung in Betracht kommenden Stadien, hat sich die Zenker’sche Lösung bewährt, welche ich in letzter Zeit allein angewandt habe. Da die hier in Frage kommenden Entwicklungsstadien der Maus sich im Uterushorn vollziehen, so wurden die letzteren in toto nach Abtrennung der Ovarien und Eileiter konserviert. Waren die Implantationsstellen der Eier bereits äusserlich durch Anschwellungen erkennbar, so wurden zwischen je zwei An- schwellungen tiefe Einschnitte geführt. Nach meist 24 stündiger Konservierung wurde gründlich gewaschen und mit Alkohol steigender Konzentration nachbehandelt. Die Einbettung geschah mittels Paraffin, die Schnittdicke schwankte zwischen 5 und 10 «, ‚betrug meist 7 oder 8 «. Die Objekte lassen sich — geeignete !) Ich kann daher auch die von Duval (7) zitierten Angaben Latastes, dass die Entwicklung des Mäuseeies während der Säugeperiode, d. h. also bei Begattung post partum langsamer erfolgen soll, als zu anderer Zeit, nicht bestätigen. Jedenfalls dürfte eine wesentliche Verlangsamung ‚der Entwicklung während der Befruchtung und Furchung nicht zu konsta- tieren sein, da mir eine solche während meiner früheren Untersuchungen (15) nicht aufgefallen ist. Uebrigens muss ich aus verschiedenen Gründen die Genauigkeit der Altersangaben, welche Duval (-Lataste) machen, bezweifeln (s. auch unten p. 279). 276 J. Sobotta: Behandlung vorausgesetzt — auch ohne Entfernung der Uterus- muskulatur sehr gut schneiden. Es wurden stets ununterbrochene Serienschnitte ange- fertigt: da wo es möglich war nur vom Ei und seiner nächsten Umgebung. Das ist der Fall, wenn die Implantationsstelle äusserlich schon als Uterusanschwellung sichtbar ist. Man be- kommt dann kurze Serien und die relativ geringe Arbeitszeit für die Herstellung solcher ist nicht vergeblich. Viel mühsamer ist es, Präparate von Keimblasen zu bekommen, welche noch nicht an der Uteruswand fixiert sind. Unter diesen Schwierig- keiten haben schon meine Voruntersucher, namentlich Duval (7) gelitten. Es bleibt in der That für gewisse Stadien nichts anderes übrig als die ganzen Uterushörner in fortlaufender Serie zu schneiden, eine zeitraubende Arbeit, die oft damit endigt, dass die wenigen Eier, die man findet, schlecht orientiert durch- schnitten werden oder auch an Konservierung zu wünschen übrig lassen. Man braucht indessen nicht so weit zu gehen, wie dies Duval gethan hat und auch am sechsten Tage nach der Be- fruchtung noch das ganze Uterushorn in eine ununterbrochene Schnittreihe zu zerlegen. Die Eier haben um diese Zeit längst ihre definitive Einbettungsstelle im Uterus eingenommen, und die Uterusschleimhaut zeigt schon deutliche Veränderungen, ohne dass äusserlich zunächst am Uterushorn eine Anschwellung zu sehen ist. Man braucht nun in diesen Stadien bloss von Zeit zu Zeit einige Schnitte unter dem Mikroskop zu kontrollieren, ob schon eine Umwandlung der Uterusschleimhaut zur Decidua zu sehen ist. Ist eine solche nicht zu erkennen, so kann man ge- trost weiter schneiden, ohne die Schnitte aufzuheben. Hat man eine decidual veränderte Stelle mit dem Ei getroffen, so folgt die nächste erst nach einem längeren Zwischenraum. Man darf also dann eine Strecke von etwa 50 4 ohne weiteres fort- schneiden und muss dann wieder von Zeit zu Zeit kontrollieren. So spart man viel Mühe und Zeit und verliert bei einiger Vor- sicht dennoch kein Ei. In den älteren der hier zu besprechenden Entwicklungs- stadien liegen die Eier (Keimblasen) der Maus stets in einer bestimmten Richtung zum Uterushorn orientiert, nämlich fast genau mit ihrer Längsachse senkrecht zur Achse des Uterushorns. Man bekommt daher bei Querschnitten des Hornes meist genaue Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 271 Längsschnitte, ebenso bei Längsschnitten parallel zum Meso- metrium; Querschnitte der Keimblasen dagegen bei Längs- schniten senkrecht zum Mesometrium, wie dies insbesondere Duval (7) schon richtig angegeben hat. In den früheren Stadien dagegen (Mitte des vierten bis Ende des fünften Tages) liegen die Keimblasen noch nicht zur Längsachse des Uterus orientiert und man bekommt in der Regel Schrägschnitte (gleichgiltig wie. man schneidet), Längs- schnitte nur durch Zufall. Es ist daher ungleich viel schwerer, gute Präparate von noch nicht fixierten Keimblasen zu ge- winnen, zumal diese sich sehr viel schlechter konservieren lassen als die späteren Stadien. Da es zur Untersuchung aller Stadien am vorteilhaftesten ist, genaue Längsschnitte zu benutzen, so wurden in der grossen Mehrzahl der Fälle Querschnitte der Uterushörner bezw. der Anschwellungen dieser angefertigt. Was die Methoden der Färbung anbetrifft, so wurde in der Regel Schnittfärbung mit Boehmer’schem Hämatoxylin, bezw. Hämalaun und Eosin (langsame Färbung in dünner, wässeriger Lösung) angewandt. Die Nachfärbung mit Eosin hat insbesondere den Vorteil, die roten Blutkörperchen und Hämoglobin über- haupt intensiv zu färben, was, wie wir unten sehen werden, zum Verständnis einiger wichtiger Entwicklungsvorgänge sehr wesent- lich ist. Das Material, welches mir für diese Untersuchungen zur Verfügung stand, war ein recht beträchtliches. Es betrug fast 400 Keimblasen. (Ein Teil derselben war von Burckhard (4) für Zwecke seiner Veröffentlichung geschnitten und gefärbt worden.) Von diesem reichen Material habe ich nur relativ wenige Präparate abgebildet, zu den Abbildungen aber möglichst nur ganz genaue Längsschnitte gewählt. Nur eine einzige der auf Tafel XV— XVII abgebildeten Figuren ist aus zwei Schnitten kombiniert worden. Bis auf die Abbildungen 16 und 17 sind alle Figuren der Tafeln XV—XVI bei der angegebenen Ver- grösserung mikrophotographiert worden. Die Abbildungen wurden dann möglichst in den ‚natürlichen Farben nach Pausen der Mikrophotographien ausgeführt, ich sage möglichst, weil ich wohl bewusst bin, dass auch die besten Zeichnungen mikro- skopischer Präparate nicht wirklich naturgetreu, sondern immer Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 19 278 J»Sobotta: bis zu einem gewissen Grade schematisiert sind. Immerhin glaube ich behaupten zu dürfen, dass meine Abbildungen ganz wesent- lich naturgetreuer sind, als die meiner Voruntersucher (das bezieht sich auf die Originale). Die Methode, Zeichnungen mikroskopischer Präparate an- statt mit dem Zeichenapparat zu entwerfen, mittels der Mikro- photographie herzustellen, hat den grossen Vorzug, dass man ein viel genaueres Umriss-Bild, namentlich in den Einzelheiten, erhält, als bei dem stets unsicheren Nachzeichnen des mit dem Zeichenapparat projieierten Bildes?). Was die Altersbestimmung der Eier betrifft, so wurde, da der Coitus selbst nur schwer zu beobachten ist (er wird meist Nachts vollzogen), die Thatsache der vollzogenen Begattung an dem Vorhandensein eines Vaginalpropfes (s. No. 15) konstatiert. Man muss also die Tiere mehrmals täglich darauf- hin durchsehen. Bei Übung erkennt man den Vaginalpropf leicht von aussen. Waren die Tiere sicher brünstig zur Zeit der Begattung, beziehungsweise waren sie auf der Höhe der Brunst, dann wird man nur in wenigen Prozent der Fälle Miss- erfolge treffen. Ich rechne nun — das ist natürlich willkürlich, aber die Vergleichung eines grossen Materials giebt mir dazu ein gewisses Recht — dass bei solchen Tieren die Befruchtung (oder das Eintreten der Spermatosoma ins Ei) in den Morgen- stunden erfolgt, etwa zwischen 4 und 6 Uhr, wenn die Begattung Nachts stattfand. Das ist natürlich, obwohl sich die Rechnung auf frühere Beobachtungen (siehe No. 15) stützt, bis zu einem hohen Grade unsicher, denn bald dürfte bei gleichzeitig erfolgtem Coitus die Befruchtung erst beträchtlich später, bald wohl schon früher erfolgen. Bei Tieren, die man spontan begattet trifft, ohne dass es bekannt war, ob oder wie stark sie brünstig waren, findet anscheinend die Befruchtung durchschnittlich später statt. Daher kommt es, dass mehrere meiner Voruntersucher gelegent- lich ein wesentlich höheres Alter angaben als ich. Die Angabe !) Man mache bloss einmal die Probe und zeichne ein Präparat mehr- mals mit dem Zeichenapparat unter ganz gleichen Bedingungen und zwar ein Präparat mit nicht zu grossen Kernen. Vergleicht man dann die Zeich- nungen, so wird man sich wundern, wie verschieden gross und gestaltet. die Kerne ausgefallen sind. Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 279 > kann trotzdem auf genauer Beobachtung, z. B. des Coitus beruhen. ') Literatur. Die Literatur über die ersten Entwicklungsvorgänge am Ei der Maus, soweit sie hier abgehandelt werden, ist nicht gross. Es kommen hier folgende Arbeiten in Betracht: Der erste, der die einschlägigen Verhältnisse untersuchte, war Selenka (12). Seine Arbeit stammt aus dem Jahre 1883. Ihm standen bereits eine Reihe von Entwicklungsstadien der Maus zur Verfügung, wenn auch nicht genügend viele und nicht genügend gut konservirte. Immerhin ist seine Beschreibung als solche eine im wesentlichen richtige gewesen, soweit sie sich auf das ihm vorliegende Material stützte. Zweitens beschreibt Duval (7) in seinem grossen Werke über die Placenta der Nager 1892 eine Reihe von Entwicklungs- stadien der Maus, von denen viele gut beobachtet sind. In manchen Beziehungen bedeuten die Untersuchungen von Duval einen entschiedenen Fortschritt gegenüber denen von Selenka. Aber der Schematismus, der seine Abbildungen beherrscht, macht sich in der Deutung der Befunde vielfach unangenehm bemerk- bar. Übrigens war auch das Material von Duval kein sehr grosses, soweit es sich auf die hier beschriebenen Stadien bezieht. Kurze Zeit nach Duval hat Robinson (11) einige der hier in Frage kommenden Stadien beschrieben, die aber keine auch nur annähernd vollständige Reihe bildeten. Seine sämt- lichen Abbildungen lassen aufs deutlichste erkennen, dass sein Material die allergrössten Artefakte durch mangelhafte Konser- vierung erlitten hat. Ferner sind ihm auch schwere Irrtümer anderer Art unterlaufen. (s. a. p. 311). Seitdem sind noch zwei Veröffentlichungen über unseren Gegenstand erschienen von Jenkinson (8) und von d’Erchia (6). Der erstere untersuchte fast genau die gleichen Stadien, wie sie !) Das gleiche gilt ja für andere Säugetiere. Man sehe sich z. B. in der Literatur an, was dort vom Kaninchen als 8 Tage altes Ei beschrieben ist. Bald ist kaum der Primitivstreif angelegt, bald finden sich schon eine ganze Anzahl Urwirbel. 137 280 J. Sobotta: unten beschrieben werden. Nach seinen Abbildungen zu urteilen, war sein Material weit besser konserviert als das von Robin- son. Doch stimmt weder seine Beschreibung noch seine Deutung der Verhältnisse mit dem unten auseinanderzusetzenden überein; übrigens ist der beschreibende Teil seiner Arbeit nur sehr kurz. D’Erchia berührt nur wenige Punkte, die in unser Gebiet, gehören. Obwohl es besser gewesen wäre, die Veröffentlichung von d’Erchia wäre überhaupt unterblieben, so ist doch nicht zu befürchten, dass dieselbe Unheil anrichten wird. Ein derartiger Mangel an Kenntnissen über die Grundzüge der Embryologie, eine so vollständige Verkennung der einfachsten Thatsachen, eine geradezu auffällige Unkenntnis der hauptsächlichsten Literatur beurteilen den Wert der Arbeit d’Erchias auf den ersten Blick. Und doch hindert das den Autor nicht, die grossartigsten Hypothesen aufzustellen. Ausser dieser engeren Literatur über die Entwicklungsvor- gänge der Maus, müssen wir gelegentlich auf die der nächsten Verwandten, namentlich Ratte, Feldmaus, Waldmaus, eingehen. Es kommen dann die Arbeiten von Kupffer (10) Selenka (13). Duval (7), Robinson (11) Christiani (5) in Betracht. Die Entwicklung des Meerschweinchens steht schon zu weit abwärts, als dass wir die darauf bezügliche Literatur hier zu- sammenzustellen brauchten. IeAbschnitt: Rein systematische Darstellung der eigenen Beobachtungen. Aus unten zu erörternden Gründen möchte ich zunächst die Resultate meiner eigenen Untersuchungen rein descriptiv hier mitteilen. Im zweiten Abschnitt werde ich dann meine Er- gebnisse mit denen früherer Untersucher vergleichen und auf die Deutung, die ich den einzelnen Erscheinungen der Ent- wicklungsvorgänge an der Keimblase der Maus gebe, näher ein- gehen. Ich lasse daher in diesem ersten Abschnitt die Be- sprechung der Literatur so gut wie ganz ausser Acht; es ge- schieht dies schon wegen der Verworrenheit der Nomenclatur, welche die Klarheit der Darstellung wesentlich beeinflussen würde. Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 281 In meiner früheren Veröffentlichung (15) hatte ich die Entwicklung des Eies der Maus soweit verfolgt, wie dieselbe sich im Eileiter vollzieht, d. h. bis in die späteren Stadien der Furchung. Das in der Entwicklung am weitesten vorgeschrittene Ei, welches ich damals beschrieb, hatte 25 Furchungskugeln. Es lag ohne Umhüllung von der zona pellucida (Oolemma) im untersten Abschnitt der Tube kurz vor deren Mündung in den Üterus. Dieses Entwicklungsstadium wird in der ersten Hälfte des vierten Tages post fecondationem erreicht. Die kleinzellig gefurchten Eier — denn bei der geringen Grösse des Eies der Maus sind die Zellen um diese Zeit bereits relativ klein — liegen, in Gestalt unregelmässiger Morulae um diese Zeit dicht benachbart, soweit sie natürlich aus dem- selben Ovarium stammen. So erreichen sie auch die Spitze des Uterushornes. Anscheinend treten die Eier der Maus nicht immer im gleichen Entwicklungsstadium in den Uterus ein. Während ich im Eileiter Morulae von 25 Zellen gefunden habe, konnte ich bereits im Uterus liegende von nur 16—18 Zellen beobachten. Letzteres dürfte jedoch die Ausnahme sein; in der Regel scheint der Eintritt in den Uterus erst später zu erfolgen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Frage der ehälkng des Oolemma, der sog. zona pellueida berühren. Ich habe in meiner früheren Veröffentlichung (15, p. 33) angegeben, dass dieselbe im Stadium von etwa 8 Zellen oder wenig später schon verloren geht. Das ist in der That nicht für alle Fälle richtig. Häufig erhält sich das Oolemma etwas länger, so dass man es gelegentlich noch an Eiern trifft, die sich schon im Uterus be- finden, d. h. wenn letztere nicht zu weit in der Entwicklung vorgeschritten sind (ca. 16—13 Zellen). Graf Spee (16) hat kürzlich bei Gelegenheit der Implan- tation des Meerschweinchens darauf aufmerksam gemacht, dass nach van Beneden sich das Oolemma durch Säuren löst, so dass man über An- oder Abwesenheit desselben nur an Präparaten ein Urteil fällen kann, die nicht mit einer sauren Konservierungs- lösung behandelt waren, also z. B. mit Sublimatlösung, Formol. Für das Ei der Maus kann ich dem nicht beipflichten. Ganz gleich welche Konservierungsflüssigkeiten ich anwandte, ob säure- haltige (Flemming ’sche Lösung, Zenkers Gemisch etc.) oder [&6) je 6) [89 J. Sobotta: säurefreie (Sublimat, Formol), ich habe die zona pellucida stets in gleicher Weise anwesend oder fehlend gefunden. Saure Konservierungsmittel lösen das Oolemma jedenfalls nicht völlig auf. Dagegen könnte man daran denken, dass zur Zeit, wo die zona pellucida normaler Weise zu schwinden beginnt, sie sich etwa schon stark verdünnt hat, wie sie das ja schon während der Furehung deutlich thut, und dass dann ein saures Fixierungs- mittel die völlige Auflösung befördert. Da ich in den für diese Frage entscheidenden Stadien meist ein saures Konservierungs- mittel anwandte, lässt sich dieselbe in Bezug auf die eine er- wähnte Möglichkeit an der Hand meines Materials nicht ganz einwandfrei beantworten. Ich kann jedoch mit Bestimmtheit behaupten, dass im Stadium, wo die Keimhöhle auftritt, auch wenn das Ei noch völlig rund ist (s. u.), das Oolemma stets völlig verloren gegangen ist, da es schon nicht mehr, auch bei Sublimatkonservierung, erscheint. Wahrscheinlich aber geht die zona pellueida schon wesentlich früher verloren. Wodurch das Oolemma spontan verloren geht, ob durch Dehnung oder durch chemische Einflüsse, habe ich nicht er- mitteln können. Eine Dehnung ist während der Furchung sicher vorhanden, wenn auch das Ei nur wenig an Grösse zu- nimmt. Das Uterus-Secret ist jedenfalls auch nicht die Ursache, denn auch im Uterus werden noch Eier mit Oolemma getroffen, vorausgesetzt, dass sie den Uterus auf relativ früher Entwick- lungsstufe erreichen. Bald nachdem die Eier der Maus den Uterus erreicht haben, vollziehen sich zwei Veränderungen. Erstlich es tritt eine Furchungshöhle auf, zweitens die anfangs dicht be- nachbart gelegenen Fier zerstreuen sich über eine grössere Strecke des Uterushorns und ich glaube annehmen zu dürfen der Art, dass sie dabei sehr schnell den Ort ihrer definitiven Implantation erreichen. Was das Auftreten der Furchungshöhle betrifft, so erfolgt dieselbe nach dem Aussehen dreier Eier desselben Tieres, von denen das einzige im Längsschnitt getroffene auf Fig. 1, Tafel XV abgebildet ist, zu urteilen, der Art, dass nicht eine einzige Höhle sich ‘zeigt, sondern dass mehrere sehr unregelmässige Höhlungen zwischen den Furchungskugeln auftreten, die später zu einer einzigen konfluieren. Obwohl das Aussehen der Figur 1, Die Entwicklnng des Eies der Maus etc. 283 Tafel XV ein etwas eigentümliches ist, so glaube ich doch nicht, dass man es mit einem schlecht konservierten Ei zu thun hat, vor allem weil die beiden anderen Eier desselben Tieres die gleichen Eigentümlichkeiten zeigten und man nicht gut an- nehmen kann, dass ein Fehler der Konservierung dreimal die genaue gleiche Verunstaltung hervorrufen kann. Ich glaube mich auch deswegen zu der Annahme berechtigt, dass das Bild der Figur 1 ein normales ist, als auch van Beneden (1) beim Ei der Fledermaus das Auftreten mehrerer getrennter Furchungs- höhlen beobachtet hat. Die Furchungshöhle der Maus tritt demnach erstlich multipel auf, zweitens stark exzentrisch und in unregelmässiger Form. Das ganze Ei ändert seine äussere Form insofern als es den Charakter der Morula verliert. Seine bisher starkhöckrige Oberfläche glättet sich. Die Zahl der Furchungskugeln des Mäuseeies beträgt zur Zeit, wo die erste Furchungshöhle sicht- bar wird, ungefähr 32, sogar, wenn die ersten Höhlungen auf- treten, meist etwas weniger (im Präparat der Figur 1, Tafel XV kann ich nur 29 Kerne zählen). Was die einzelnen Zellen des Eies um diese Zeit betrifft, so sehen dieselben ziemlich gleichartig aus; es sind unregelmässig rundlich-polygonale Zellen mit meist kreisrunden Kernen. Jeder Kern enthält meist ein grosses Kernkörperchen. Eine kompaktere Masse solcher Zellen wird durch den grössten Raum der Furchungs- höhle von einigen weniger regelmässig gestalteten Zellen abge- grenzt. Besondere Unterschiede in der Färbung etc. der Zellen lassen sich in diesem Stadium mit Sicherheit nicht Kkonstatieren, abgesehen von einer schon während der Furchung deutlichen Differenz zwischen sich teilenden und eben geteilten Zellen (siehe Ne7154pr 82): Was die Lagerung der Eier dieses Stadiums im. Uterus anlangt, so werden dieselben sowohl völlig frei im Lumen ge- troffen, als auch in Berührung mit dem Uterusepithel (Figur 1, Tafel XV). Es handelt sich jedoch hier lediglich um eine innige Berührung, nicht um eine Verwachsung. Bereits um diese Zeit scheinen die Eier sich voneinander zu trennen. Das eine Uterus- horn der Maus, dem das Präparat der Fig. 1, Tafel XV ent- stammt, enthielt nur ein Ei, das andere deren zwei. Letztere lagen jedoch nicht mehr kenachbart, wie wenig jüngere Eier 284 J. Sobotta: zu thun pflegen, sondern bereits durch einen grösseren Zwischen- raum getrennt. Leider wurde nicht festgestellt, wie gross der- selbe war und ob man annehmen dürfe, dass derselbe schon der Entfernung zwischen den späteren Implantationsstellen ent- sprechen dürfe. Das betreffende Tier war wegen der sehr ge- ringen Zahl von Eiern dazu auch ungeeignet. Das Entwicklungsstadium, welches ich im obigen beschrieben habe, gehört der zweiten Hälfte des vierten Tages nach der Befruchtung an. Die unregelmässige Form der Furchungshöhlen des Eies der Maus macht gegen Ende des vierten, Anfang des fünften Tages nach der Befruchtung einer regelmässigen, gut begrenzten Furchungshöhle, oder, wie wir auch sagen dürfen, Keimhöhle Platz. Das Ei oder die Keimblase — denn das Ei ist nun vom Morulastadium in ein typisches Blastulastadium getreten — ist jetzt kugelrund. Wenigstens erscheint es in gut konser- vierten Präparaten in dieser Form; allerdings gelingt es nur in einem Bruchteil der Fälle völlig ungeschrumpfte Keimblasen zu erhalten. So zeigt auch das Präparat der Figur 2, Tafel XV eine deutliche wenn auch geringfügige Schrumpfung am Dach der Keimhöhle. Sieht man von der Abrundung und Ausgestaltung der Keimhöhle ab, so hat das Ei der Figur 2, Tafel XV sich nicht wesentlich gegenüber dem oben beschriebenen Stadium verändert. Figur 2 stellt einen Längsschnitt dar. Man kann das aus einer einfachen Lage ziemlich platter Zellen gebildete Dach der Keim- höhle!) von dem aus 3—4 Zellenlagen gebildeten Boden unter- scheiden. Die Zellgrenzen sind jetzt namentlich am Boden der Keimblase wieder sehr deutlich, die Zahl der Zellen dagegen hat wenig zugenommen und nimmt auch zunächst wenig zu, so dass man Mitosen nur in geringer Zahl beobachtet. Daraus erklärt es sich, dass bei weiterer Ausbildung der Keimhöhle nicht nur eine Abplattung der Zellen des Keimblasendaches erfolgt, sondern auch eine Dehnung der entgegengesetzten Wand der Art, dass der von rundlich-polygonalen Zellen gebildete Boden ’) Ich besitze ein sehr gut konserviertes und völlig ungeschrumpftes Ei dieses Stadiums, bei welchem auf den beiden mittelsten Schnitten das dünne Dach der Keimblase völlig kernfrei ist. Erst in den seitlichen Ab- schnitten finden sich Kerne. Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 285 der Keimhöhle statt 3—4schichtig nur 1—2schichtig wird (Figur 3, Tafel XV). Die Eier der Figur 2 wie Figur 3, (Ende des vierten und Anfang des fünften Tages nach der Befruchtung), die in der Entwicklung nur wenig verschieden sind, stammen von verschiedenen Tieren. Beide Keimblasen lagen frei im Uteruslumen und da dieses an der Stelle der Keimblasen ziemlich weit war, so hatten sie keine Beziehungen zum Uterusepithel, nicht einmal nachbarliche. Stets liegen im Entwicklungsstadium der Figg. 2 und 3 die einzelnen Keimblasen desselben Uterus- horns in grösseren Abständen voneinander wahrscheinlich schon an den späteren Implantationsstellen. Bei weiterer Dehnung der Keimblase kommt dieselbe gewöhnlich mit dem Uterusepithel in Berührung. Ich muss in dieser Beziehung auf die Mitteilungen Burckhards (4) verweisen, wo die verschiedenen Möglichkeiten und Modalitäten näher erörtert sind. Für meine Darstellung gehe ich von der Figur 4, Tafel XV aus. Eine fast kugelige Keimblase liegt mit dem grössten Teil ihrer Wandung dem Uterusepithel dicht an und vor dem Ende einer antimesometralen Bucht (siehe Burck- hard [4, pag. 17]), so aber dass das Uterusepithel durchaus scharf von den Zellen der Keimblase zu trennen ist. Irgend eine Verwachsung des Uterusepithels mit der Keimblase hat hier nicht stattgefunden, dagegen lässt sich schon eine durch den Druck der Keimblase bedingte Abplattung des Uterus- epithels nachweisen (siehe Burckhard, p. 14). Das Ei stammt aus der ersten Hälfte des fünften Tages nach der Befruchtung. Die platten Zellen des Keimhöhlendaches liegen den eylin- drischen Uterusepithelien dicht an. Der Boden der Keimhöhle besteht aus ungefähr drei Lagen rundlich-polygonaler Zellen; von diesen zeigen die direkt an die Keimhöhle grenzenden Zellen (oft schon in diesem Stadium) eine etwas dunklere Färbung ihres Protoplasmas, unterscheiden sich aber im übrigen nur wenig oder garnicht von den anderen Zellen. Auch jetzt geht das Wachstum des Eies noch sehr langsam vorwärts und besteht im wesentlichen in einer Dehnung der Keimblase durch Vergrösserung der Keimhöhle. So besitzt das Ei der Maus am Ende des fünften Tages nach der Befruchtung meist schon eine sehr ansehnliche Keim- höhle. Die Keimblase ist um diese Zeit im grossen und ganzen 286 J-Sobotta: noch kuglig und ähnelt den früher beschriebenen Stadien 'inso- fern, als der grösste Teil der Kugel von ganz platten Zellen begrenzt wird, während nur etwa ein Fünftel der Keimblasen- wand mehrschichtig ist. Hier liegen drei Lagen rundlich-poly- gonaler Zellen, deren innerste, d. h. der Keimhöhle zuge- kehrte, sich insbesondere durch die dunklere Färbung, welche diese Zellen annehmen, von den übrigen Zellen unter- scheidet. Vom Ende des fünften Tages an kann man diese Erscheinung wohl stets feststellen. Figur 5, Tafel XV zeigt uns ein solches Stadium von ungefähr 5 mal 24 Stunden Alter. Die Keimblase ist deutlich geschrumpft; das ersieht man namentlich am Dache der Keim- höhle, wo sich die Wand der Keimblase ziemlich stark gefaltet hat Die Keimblase der Figur 5 hat sich infolgedessen vom Uterusepithel, das sie wahrscheinlich dicht berührt hat, zurück- gezogen. Das Uteruslumen giebt in Gestalt einer Ausweitung genau das Relief der nicht retrahierten Keimblase wieder. Das Epithei ist im Bereich dieser Ausweitung deutlich abgeplattet. Wie die Figur 5 zeigt, ist die Keimblase im Begriff, sich nahe dem Ende einer (antimesometralen) Uterusbucht festzusetzen. Die Retraction der Keimblase vom Uterusepithel zeigt am besten, dass um diese Zeit noch keinerlei Verbindungen der Keimblasenwand mit dem Uterusepithel oder der Wand der Gebärmutter überhaupt statt hat. Dagegen liegen jetzt bereits alle Keimblasen im Uterus orientiert der Art, dass die dünne plattzellige Wand der Keimblase mit ihrer Kuppe antimesometral- wärts gerichtet ist, die Verdickung in der Wand der Keimblase mesometralwärts. Die Längsachse der Keimblase, denn diese geht, wie wir sehen werden, durch die genannten Punkte, liegt also quer zur Achse des Uterushorns (s. 0. p. 277). Was den Bau der Keimblase der Figur 5, Tafel XV be- trifit, so sehen wir, dass der grösste Teil der Keimblasenwand von platten Zellen begrenzt wird, an denen besondere Eigen- tümlichkeiten nicht nachweisbar sind. Die mesometrale Wand der Keimblase dagegen wird von einer 3schichtigen (seitlich nur 2schichtigen) Lage nicht abgeplatteter Zellen gebildet. Die der Keimhöhle zugewandten Zellen — 6 an der Zahl — zeigen in Figur 5 eine sehr deutlich dunklere Färbung des Protonlasmas und auch etwas geringere Grösse, wodurch sie sich von. den Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 287 übrigen Zellen unterscheiden. Diese sechs in einfacher Schicht angeordneten Zellen springen ein wenig in den Raum der Keimhöhle vor (Figur 5, Tafel XV den ). Die bis um diese Zeit kuglige Keimblase nimmt nun all- mählich eine längliche ellipsoide Gestalt an. Sehr schön zeigt Figur 6, Tafel XV dieses Verhalten. Die Form, welche die Keimblase im ungeschrumpften Zustande hatte, zeigt am deut- lichsten die Ausbuchtung des Uteruslumens, denn die Keimblase selbst hat sich, wenn auch nicht erheblich, von dem bereits deutlich abgeplatteten Uterusepithel abgehoben. Betrachten wir nun zunächst den mesometralen Teil der Keimblase: Derselbe besteht an der höchsten Stelle aus 4 Zelllagen; er hat die Form eines niedrigen Kegels, dessen Basis gegen die Keimhöhle sieht, dessen Spitze gegen den Hauptteil des Uteruslumens (ul) ge- richtet ist. Die Hauptmasse dieser Verdickung der Keimblasen- wand besteht aus grosskernigen, rundlich-polygonalen Zellen, nur die äusseren Zellen sind mitunter leicht abgeplattet. Die innerste gegen die Keimhöhle grenzende Lage (den' Figur 6) von Zellen zeichnet sich durch wesentlich kleinere Kerne und dunkle Färbung des Protoplasmas aus. Speziell nehmen diese Zellen stärker Eosin an oder halten das Eosin länger fest als die übrigen Zellen der Keimblase. In Figur 5 Tafel XV habe ich den mesometralen Abschnitt der Keimblase bei stärkerer Ver- grösserung abgebildet. Man erkennt dann die Charaktere der beschriebenen Zellen, von denen sich eine in der Mitose befindet, deutlicher als auf Figur 6. Aus diesen Zellen geht später ein beträchtlicher Teil des Entoderms des Eies hervor, insbesondere das ganze Dottersackepithel. Ich bezeichne deswegen diese Zellen gleich jetzt als Dotterentoderm (s. u. p. 312). Das Dotterentoderm der Keimblase 6, 7, der Teil der Keimblase der Maus, der sich am frühesten differenziert, erstreckt sich nun mit einigen platteren Zellen auch auf die Innentläche der plattzelligen seitlichen Begrenzung der Keimblase und zwar links mit einer, rechts mit zwei Zellen. Darin unterscheidet sich das Dotterentoderm der Keimblase, Figur 6/8, von dem der Figur 5. Wir sehen aber an unserem Objekt noch eine weitere Veränderung. Am antimesometralen Teil des Eies finden wir an Stelle der abgeplatteten Zellen, welche an den übrigen Stellen die Wand der Keimblase bilden, einige grosskernige 288 J. Sobotta: aber plasmaarme Zellen, die von nun an eine konstante Eigen- tümlichkeit der Keimblase der Maus werden (rz). Die platten Zellen der seitlichen Keimblasenwand gehen ohne Grenze in die äusseren Zellen des mesometralen Eipols über und zwar soweit solche abgrenzbar sind — in die platteren äusseren Zellen. Die Beschreibung dieses Stadiums, einer junger ellipsoiden Keimblase habe ich an der Hand der Figuren 6/8 vorgenommen. Dabei möchte ich jedoch gleich hier erwähnen, dass andere Keimblasen gleichen Alters äusserlich häufig wesentlich anders aussehen, so dass man auf den ersten Blick ganz verschiedene Stadien vor sich zu haben glaubt. Die individuellen Verschieden- heiten, die, wie wir unten sehen werden, in den folgenden Ent- wicklungsstadien eine grosse Rolle spielen, treten bereits jetzt in die Erscheinung. Das Präparat der Figur 6/8 war bis auf die geringe, meist kaum vermeidliche Schrumpfung ein sehr gut konserviertes Objekt und die Keimblase war ganz genau längs getroffen. Trotzdem darf man die Figur 6/8 nicht ohne weiteres als Typus hinstellen. Vor allem ist in der Regel die Keimhöhle und damit die Keimblase um diese Zeit kleiner, oft erheblich kleiner, gelegentlich aber noch grösser als in Figur 6. Was das Alter des Präparats der Figur 6 anlangt, so lässt sich dasselbe auf ca. 5!/ı Tage (erste Hälfte des 6. Tages nach der Befruchtung) bestimmen. Die folgenden Entwicklungsstadien, die wir hier besprechen, zeichnen sich durch zwei in enger ursächlicher Verbindung stehende Eigentümlichkeiten von den früheren aus. Es findet nämlich jetzt eine viel stärkere Zellvermehrung in der Keimblase statt und der grösste Teil der Wand derselben grenzt nicht mehr an das Uterusepithel, sondern direkt an die zur Decidua sich umbildende Uterusschleimhaut.!) Wahrscheinlich erhält das !) Burekhard (4) und ich stimmen in Bezug auf die Thatsache der Erhaltung des Uterusepithel der Maus mit den Angaben von Spee (16) für das Meerschweinchen völlig überein. Das Uterusepithel der Maus zeigt ebensowenig Mitosen wie das des Meerschweins und ist auch anscheinend nicht im Stande sich mitotisch oder auf andere Weise zu vermehren. Wird dasselbe nun durch den Druck seitens der im Uteruslumen eingekeilten Keimblase einerseits und den der wachsenden Decidua andererseits immer mehr abgeplattet, so muss schliesslich die Continuität des Epithels sowohl rein mechanisch zerrissen werden, andrerseits das gedehnte Epitel allmählich atrophieren, ohne dass man andere Einflüsse von Seiten des Eies anzunehmen rs Die Entwicklang des Eies der Maus etc. 289 Ei jetzt vom mütterlichen Gewebe aus direkt Nahrungsstoffe auf dem Wege der Diffusion und es erklärt sich daraus die nun plötzlich viel schneller einsetzende Entwicklung. Das Ei der Maus ist ja äusserst dotterarm und es ist eines der kleinsten der bis jetzt untersuchten Säugetiereier. Von sich selbst bringt es also auch nur verschwindend wenig Nährmaterial mit und ist daher auf fremde Nahrung sehr bald angewiesen. Da es die letztere erst nach längerem Aufenthalte im Uterus und nach entsprechenden Veränderungen der Uterus- wand erhalten kann, so vermehrt sich die Zahl seiner Zellen in den ersten Tagen der Entwicklung nur wenig. Wenn man be- denkt, dass die Maus nur 20 Tage trägt und dass das Ei mehr als 5, ja fast 6 Tage völlig auf sich allein angewiesen ist!), so kann man sich erklären, wie es kommt, dass die Entwicklung des Mausembryo erst ausserordentlich langsam, dann aber geradezu rapid vor sich geht. Fast die Hälfte der gesamten Ent- wicklungszeit verstreicht, ehe die Keimblätterbildung beginnt, dann aber vollzieht sich schon in 24 Stunden ein ungeheuer grosser Abschnitt der gesamten Entwicklung. Figur 7, Tafel XV und Figur 9, Tafel XVI stellen Längs- schnitte durch Keimblasen dar, welche bereits mit ihren seitlichen Wänden grösstenteils direkt an die Decidua grenzen. Obwohl die beiden Keimblasen ihrem Alter nach kaum verschieden sind, sehen sie sich auf den ersten Blick kaum ähnlich. Es handelt sich jedoch nur um Unterschiede der Grösse und der äusseren Form nicht um Differenzen im Bau. Das Alter der Keim- brauchte. Nach Spee dagegen würde das Uterusepithel beim Meer- schweinchen nicht auf diese Weise, sondern nach Art einer Phagocytose seitens der Zellen der Keimblase schwinden. Allerdings befindet sich das Ei des Meerschweinchens um die Zeit, wo es sich in die Uterusschleimhaut ein- senkt, nach v. Spee auf einem ganz anderen Entwicklungsstadium als das der Maus. !) Es scheint nicht, dass das Ei der Maus während seines Aufenthaltes in der Tube oder im Uterus vor seiner Implantation durch besondere Embryo- trophe (Bonnet [3]) ernährt würde. Die Uterindrüsen der Maus ent- halten zwar um diese Zeit eine färbbare sekretähnliche Masse, doch ist die Zahl der Drüsen überhaupt gering und in der Umgebung des Eies werden ihre Mündungen durch die Deeiduabildung verlegt (siehe Burekhard [4]) Eine Durchwanderung von Leukocyten durch das Drüsen- und ÖOberflächen- epithel, wie sie in ausgedehntem Maasse bei Wiederkäuern vorkommt, fehlt. bei der Maus völlig. 290 J. Sobotta: blasen dürfte in die zweite Hälfte des sechsten Tages nach der Befruchtung zu legen sein. Vergleicht man die Bilder der Figur 7 und 9 mit der Figur 7, so sieht man, dass die relativ schwache mesometrale Verdickung der Keimblasenwand der Figur 6 eine erhebliche Verstärkung erfährt. Die Vermehrung der Zellen kann nun der Art erfolgen, dass die Keimblasenwand gegen den Hauptteil des Uteruslumens (ul) hin auswächst, wie bei Figur 7 oder in umgekehrter Richtung ins Innere der Keimhöhle hinein wie bei Figur 9. In der Regel erfolgt beides zugleich, hauptsächlich aber das letztere. Damit beginnt in ihren ersten Anfängen eine Erscheinung, die seit Bischoffs Untersuchungen am Meer- schweinchenei unter dem Namen der Keimblätterumkehr bekannt ist und unter diesem Namen lange Zeit gegangen ist. Neuer- dings hat Selenka (14) an Stelle der Bezeichnung Keim- blätterumkehr den Namen Entypie des Keimfeldes vorgeschlagen, wobei man unter diesem Namen auch weniger aus- gesprochene Fälle von Verlagerung des Keimfeldes ins Eiinnere versteht, die ohne eigentliche „Blattinversion“ verlaufen. Der Bau der Keimblase hat sich gegenüber dem Stadium der Figur 6 nicht wesentlich geändert. Gehen wir vom meso- metralen Pol aus, so sehen wir, dass die Wand der Keimblase hier zu einer Masse von 6—8 Zelllagen verdickt ist, die ge- wöhnlich schon jetzt (Figur 9) zapfenartig ins Innere der Keimhöhle vorspringt. Die innerste, direkt an die Keimhöhle grenzende Lage dieses Zapfens bildet auch jetzt die schon früher als Dotterentoderm bezeichnete Schicht (den). Ihre Zellen sind auf der Höhe der Zapfenkuppe cylindrisch gegen die Seitenfläche des Zapfens mehr platt. Sie erstrecken sich zum Teil auf die Innenfläche der seitlichen plattzelligen Begrenzung der Keimblase und zwar in Gestalt platter, häufig unregelmässig gestalteter, auch mit Ausläufern versehener Zellen, die entweder, wie in Figur 9 ihren Zusammenhang mit den zylindrischen Zellen be- wahren, oder auch ohne Zusammenhang mit diesen zerstreut an der Innenwand der Keimblase sich finden (Figur 7 den‘). . Die zylindrischen oder kubischen Dotterentodermzellen auf der Kuppe des zelligen Eizapfens — so können wir die Zell- verdickung an der mesometralen Seite der Keimblase nennen — zeigen im allgemeinen die gleichen Charaktere wie früher be- Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 291 schrieben; relativ kleine Kerne, dunkle Färbung des Protoplasmas. Jedoch zeigt sich jetzt schon dicht unter der freien Oberfläche der Zellen ein hellerer Streifen im Protoplasma. Das Dotter- entoderm ist stets sehr deutlich an den seitlichen Abschnitten, (gelegentlich sogar [Figur 9] durch Spalten) von den übrigen Zellen des mesometralen Zapfens abgegrenzt, bildet also nun eine in jeder Beziehung wohl begrenzte und charakterisierte Zelllage. Die übrigen Zellen des Zapfens bilden im allgemeinen eine ungeordnete Masse ziemlich gleichartiger Zellen. Die dem Dotterentoderm zunächst gelegenen zeichnen sich durch grosse, häufig sehr unregelmässig geformte Kerne aus; die äusseren an das Uteruslumen grenzenden Zellen sind platter (Zellen sowohl wie Kerne) und gehen ohne Grenze in die plattzellige seitliche Keimblasenwand über. Zwischen den platten äusseren und gross- kernigen inneren Zellen giebt es alle Übergänge. Auch bilden die platten Zellen aussen nicht immer eine kontinuirliche Lage. Jedenfalls besteht keine scharfe Abgrenzung der platten Zellen gegen die übrigen. Eine Einschnürung des mesometralen Ei- zapfens (Figur 9 links) deutet bereits einen in den folgenden Stadien zu besprechenden Vorgang an. Die übrige Wand der Keimblase sowohl an ihren seitlichen Abschnitten wie am antimesometralen Ende wird, abgesehen von den zerstreuten Dotterentodermzellen (den‘) von platten Zellen gebildet, zwischen denen Zellgrenzen nur undeutlich oder gar- nicht sichtbar sind. In stärkerem Maasse als im vorigen Stadium und namentlich am antimesometralen Pol der Keimblase finden sich grosskernige Riesenzellen (tz). Was die Lagerung der Keimblasen dieses Stadiums zur Uteruswand betrifft, so wurde schon erwähnt, dass das Uterusepithel an den Seitenflächen schon geschwunden ist, wenigstens da, wo die Keimblasenwand direkt die Uteruswand berührt. Am mesometralen Pol der Keimblase, wo das meso- metrale Ende des Eizapfens mehr oder weniger stark ins Uterus- lumen vordringt, ist nur eine, wenn auch sehr starke Abplattung des Epithels zunächst bemerkbar. Jenseits des antimesometralen Pols der Keimblase ist das Uterusepithel in Desquamation be- griffen (uer, vergl. Burckhard [4, p. 24]). Die Keimblasen scheinen jetzt viel fester an der Uterusschleimhaut beziehungs- 292 J. Sobotta: weise Decidua zu haften, als vorher am Uterusepithel, denn die Konservierung bedingt jetzt relativ selten eine Retraction der Keimblasenwand. Übrigens erhält sich auch nach Verlust des Epithels eine Art Basalmembran, die eine Abgrenzung der Keim- blasenwand auch dann stets leicht möglich macht, wenn letztere der Decidua unmittelbar anliegt. | Auffällig klein ist die Keimblase der Figur 9, Tafel XVI, wenn man bedenkt, dass sie wesentlich älter ist als die der Figur 6, Tafel XV. Allerdings ist letztere auch extrem gross für ihr Alter. Die ellipsoide Form der Keimblase ist im Stadium der Figg. 8 und 9 mehr in eine unregelmässig eylindrische mit einem abgestumpften Kegelansatz am mesometralen Ende übergegangen. Gegen Ende des sechsten Tages nach der Befruchtung erfährt die Keimblase der Maus Veränderungen, die im wesent- lichen von dem Ei-Zapfen des mesometralen Keimblasenpols aus- gehen. Wie wir sehen werden, ist dies eigentlich die einzige Stelle der Keimblase, an der Entwicklungsvorgänge überhaupt sich vollziehen und von wo aus nicht nur der Embryo sondern auch die gesamten Eihäute ihre Entstehung nehmen. Der Zapfen wird nämlich länger und dringt mit seiner Kuppe mehr und mehr in die ursprüngliche Keimhöhle vor, während daneben meist auch ein weiteres Vorwachsen in die Uterushöhle zu bemerken ist. Fig. 10 zeigt uns ein solches Stadium. Die in die Keimhöhle ragende Kuppe des Zapfens wird auch jetzt von einer einfachen Lage von Dotterentoderm- zellen gebildet, welche wesentlich platter erscheinen als im Stadium der Figg. 8 und 9, im Uebrigen aber ein ähnliches Ver- halten zeigen. Auffällig sind zwei Zellen des Dotterentoderms (den‘), welche ohne jeden Zusammenhang mit den übrigen Zellen des Blattes in Gestalt langgestreckter unregelmässig gestalteter Zellen anscheinend frei in der antimesometralen Hälfte der Keimhöhle liegen, wahrscheinlich aber durch dünne Ausläufer mit benachbarten Zellen des Präparates, die im selben Schnitte nicht getroffen sind, und indirekt auch mit der Hauptmasse der Dotter- entodermzellen zusammenhängen. Die übrige Masse des Eizapfens besteht aus ziemlich gleich- artigen und gleichgrossen Zellen. Besonders grosse und unregel- mässige Kerne, wie sie in Fig. 9 deutlich dicht unterhalb des Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 293 Dotterentoderms zu sehen waren, lassen sich jetzt nicht mehr unterscheiden. Höchstens sind die äusseren Zellen, welche an das Uteruslumen (ul) grenzen und in welche die platten Zellen der seitlichen Keimblasenwand übergehen, etwas platter. Jedoch ist auch dieses jetzt weniger deutlich ais vorher (Fig. 8 und 9). Dagegen lässt sich jetzt deutlicher als früher der Beginn einer Zweiteilung des jetzt nahezu cylinderischen Zapfens durch eine quere Furche erkennen, wodurch ein antimesometraler Abschnitt mit annähernd radiärer Stellung der Kerne und ein mesometraler mit sehr unregelmässig angeordneten Kernen entsteht. Im Uebrigen zeigt das Präparat der Fig. 10 keine weiteren Ab- weichungen gegenüber den früher bezeichneten Stadien. Ein wenig älter als die Keimblase der Fig. 10 war das in Fig. 11. Tafel XVI abgebildete Präparat. Es handelt sich um eine individuell sehr kleine Keimblase von der Grenze des 6. und 7. Tages nach der Befruchtung. Sie ähnelt in vieler Beziehung der Fig. 10. Besonders auffällig sind zwei anschei- nend ganz isolierte verzweigte Dotterentodermzellen (den’, Fig. 11) die frei in der Keimhöhle liegen, und grosse Riesenkerne in der Nähe des antimesometralen Pols der Keimblase. Da sich das Dotterentoderm dieser Keimblase fast genau so verhält wie das der Figur 10, so brauche ich nur auf die Veränderungen des Hauptteiles des oben erwähnten in die Keimhöhle vorspringenden Eizapfens oder Eicylinders, wie wir ihn jetzt auch in Ueberein- stimmung mit einer bereits früher von anderen Autoren ange- wandten Nomenklatur bezeichnen können, einzugehen. Wir sehen hier die in Fig. 10 angedeutete ringförmige Furche stärker ausgebildet, so dass der Eieylinder in einen antimesome- tralen fast kugeligen und einen mesomentralen cylindrischen Abschnitt zerfällt. Der letztere nun enthält eine, wenn auch nur kleine Lichtung, zu der die umgebenden Zellen radıär gestellt sind. Der antimesometrale Abschnitt hat zwar kein Lumen, jedoch ist die Mehrzahl seiner ungefähr cubischen Zellen eben- falls radiär auf zwei mittlere Zellen gestellt. Die Keimblase sitzt fest im ehemaligen Uteruslumen ; jetzt beginnt nicht bloss das Epithel antimesometralwärts der Keim- blase, sondern auch mesometralwärts zu degenerieren, es bahnt sich das an, was bei der Implantation des Mäuseeies sich in Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 61. 20 294 I. So botta: typischer Weise vollzieht, die Oblitteration einer ganzen Uterus- bucht (vergl. Burekhard [4]). An die Figur 11 schliesst sich unmittelbar die Figur 12 an. Die Keimblase der letzteren ist aus der ersten Hälfte des 7. Tages nach der Befruchtung. Es hat sich, wie der erste Blick zeigt, die Masse der Zellen des mesometralen Eieylinders wesentlich vermehrt und zwar unter starker Einwachsung in die (ehemalige) Keimhöhle, die zum grössten Teil dadurch verdrängt wird. Es fällt auf den ersten Blick auf, dass die Keimblase viel mehr Mitosen zeigt als früher und in der That setzt eigentlich erst jetzt am 7. Tag nach der Befruchtung bei der Maus ein stärkeres Wachstum ein. Am meisten betroffen vom Wachstum, das das Päparat der Fig. 12 erfahren hat, ist der kuglige vom Dotterentoderm be- kleidete antimesometrale Abschnitt des in die Keimhöhle stark hervorragenden Eicylinders. Eines Lumens entbehrt dieser Teil auch jetzt noch, doch ist die Mitte fast kernfrei und steht un- mittelbar vor der Aushöhlung. Die Anordnung der Zellen ist eine äusgesprochen radiäre. Eine deutliche Furche treunt diesen Abschnitt von dem mehr cylindrisch - conischen mesometralen, in dem eine unregelmässige Lichtung erkennbar ist. Die Zellen desDotterentoderms überziehen in cubischer Gestalt die Oberfläche des antimesometralen kugligen Abschnitts des Eieylinders, zeigen in der Furche zwischen beiden Abteilungen ebenfalls eine Einschnürung und platten sich dann allmählich ab, ohne sich in Fig. 12 direkt auf die Innenfläche der seitlichen Keimblasenwand fortzusetzen. Die Fig. 12, Tafel XVI zeigt nämlich zufälliger Weise auffällig wenige der zerstreuten, die Innenfläche der einschichtigen Keimblasenwand in Zwischen- räumen austapezierenden unregelmässig gestalteten peripherischen Dotterentodermzellen (den’), die gleichsam ein parietales Blatt bilden gegenüber der als viscerales Blatt zu bezeichnenden geschlossenen Lage von Zellen. Die Form der Keimblase der Fig. 12 Tafel XVI ist nament- lich im antimesometralen Abschnitt eine unregelmässige, was wohl auf die Abhebung eines Teils der Keimblasenwand von der Decidua zurückzuführen ist. An beiden Polen der Keimblase finden sich nur noch Reste von (in Degeneration begriffenen) Uterusepithelien. (uer). Die Fntwicklung des Eies der Maus etc. 295 Um die Mitte des 7. Tages vollziehen sich weitere Ver- änderungen, welche wir an der in Fig. 13 abgebildeten Keim- blase studieren können. Eine besondere Besprechung erfordert hier insbesondere wieder der cylindrische, den Raum der ehe- maligen Keimhöhle nun fast ausfüllende Eicylinder. Sehen wir von dem die (der Keimhöhle zugekehrte) Oberfläche des Cylinders überziehenden Dotterentoderm zunächst ab, so sieht man, dass die Furche, welche die oben erwähnten mesometralen und anti- mesometralen Abschnitte im Stadium der Fig. 11 u. 12 trennte, jetzt wieder wenig deutlich ist. Es bahnt sich eine Verschmelzung beider Abschnitte wiederum an, was man am leichtesten daraus ersieht, dass bald (Fig. 14) beide Abschnitte ein gemeinsames Lumen erhalten. Die meist später auftretende Aushöhlung des antimesome- tralen Teils des Eieylinders nimmt an Weite so zu, dass sie grösser wird als die meist früher aufgetretene Höhlung im meso- metralen Teil. Allerdings giebt es auch Fälle, in denen letzterer überhaupt keine Lichtung zeigt (siehe Textfigur ec) und vielleicht auch vorher nicht gezeigt hat. Auch in Fig. 13, Tafel XVI ist die Höhlung nur spaltförmig. Die Mannigfaltigkeiten der Ge- stalt der Keimblase sind überhaupt jetzt ganz enorm. Selbst die Grösse ist eine im gleichen Entwicklungsstadium ausser- ordentlich schwankende und, da die Grösse der Zellen kaum in nennenswerter Weise schwanken dürfte, so muss man wohl an- nehmen, dass das gleiche Entwicklungsstadium bei verschieden grosser (resamtzellenzahl erreicht werden kann. Ich habe im Ganzen 9 Keimblasen vom 7. Tag (Anfang bis Schluss desselben) abgebildet und zwar in den Figg. 12—14 Tafel XII und Textfigur a—f. Alle Abbildungen sind in gleicher Weise so gestellt, dass der mesometrale Pol unten, der anti- mesometrale oben steht. Die Textfiguren sind 150 mal ver- grössert!). Alle stellen mediane Längsschnitte dar. Die Abbil- dungen sprechen wohl am besten für sich selbst. Die individu- ellen Verschiedenheiten betreffen sowohl die ganze Form der Keimblase, die Form des in die Keimblase „eingestülpten“ ?) Auf den Textfiguren ist das Dotterentoderm schraffiert gehalten, der übrige Teil bis auf die plattzellig begrenzten Teile der Keim- blasenwand punktiert (letztere einfach schwarz bis auf die Riesenzellen [punktiert)). 20 * 296 I. Soootta: Eieylinders, die Form, Grösse und das Auftreten der Lichtung in letzterem, die Stärke der ringförmigen Furche desselben und vor allem auch die Gestalt des am mesometralen Pol der Keim- blase zur Ausbildung kommenden sog. Trägers oder Ecto- placentarconus. Es ist also schwer, hier eine allgemeine Beschreibung zu geben, und eine solche einer einzelnen der hier abgebildeten Keimblasen würde nicht auf die Mehrzahl der anderen passen. Das wesentliche an den Veränderungen, welche die Keim- blase der Maus am 7. Tage ihrer Entwicklung erfährt, ist fol- sendes: Der mesometrale Pol der Keimblase wird von einer zelligen Masse gebildet, welche den Raum des ehemaligen Uterus- lumens, der von der eigentlichen Implantationsstelle des Eies mesometralwärts gelegen war und dessen Epithel nach voraus- gegangener Abplattung desquamiert war (Fig. 12, Tafel XVI ul.), srösstenteils ausfüllt. Die Gestalt dieser Zellmasse ist eine äusserst wechselnde; bald kegelförmig und solid (Fig. e), wird Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 297 sie mitunter durch einen schmalen Spalt oder durch eine weite Bucht von der Gegend des Uteruslumens her ausgehöhlt (Fig. b, d). In anderen Fällen ist die Form eine ganz unregelmässige, so in Fig. ce und Fig. 13, Tafel XVI. Mitunter trennt ein schmaler Spalt zwei Lippen voneinander, die sehr ungleich hoch stehen, so dass die Keimblase auf der einen Seite viel länger ist wie auf der anderen (Fig. a). Diese Masse geht an ihrem anti- mesometralen Ende ohne jede Grenze in den Eicylinder über. Es handelt sich hier um das von Bischoff als Zapfen, von Selenka (12) als Träger, von Duval (7) als Ecto- placentarconus beschriebene Gebilde, wenigstens um seine mesometrale Spitze. Die Zellen der Spitze des späteren Eetoplacentarconus sind vorläufig durch besondere Grösse ausgezeichnet, namentlich diejenigen, welche am weitesten mesometralwärts vordringen und dann den Platz der degenerierenden Uterusepithelien einnehmen. Derartige Zellen liegen häufig fast ganz isoliert (siehe Fig. 13, Tafel XVI) und hängen nur durch schmale Zellbrücken mit den übrigen Zellen des Eetoplacentarconus zusammen. In dem Eiceylinder, welcher die Hauptmasse des Eies ausmacht und einerseits zunächst ohne scharfe Abgrenzung an seinem mesometralen Ende den späteren Ectoplacentarconus bildet, andererseits weit in die ehemalige Keimhöhle bis fast an deren antimesometralen Pol vorspringt, tritt eine Höhlung auf, welche entweder von vornherein einheitlich ist und dann in dem anti- mesometralen Teil des Oylinders zuerst auftritt, oder aus zwei ursprünglich getrennten Höhlungen entsteht, von denen die zuerst gebildete im mesometralen Abschnitt des Oylinders zu finden ist. Nach Confluenz beider Höhlungen ist der weiteste Abschnitt der Höhlung antimesometralwärts gelegen. Das Dotterentoderm überzieht in einfacher Lage mit cubischen oder platten Zellen den gesamten Umfang des er- wähnten Cylinders. In sehr wechselnder Zahl liegen zerstreute Zellen dieser Schicht von unregelmässiger Form der gesamten Innenfläche der äusseren plattzelligen Keimblasenwand an, nicht blos an den Seitenteilen, sondern auch bis in die Gegend des antimesometralen Poles hin. Die plattzellige Begrenzung der Keimblase geht in der Nähe des antimesometralen Pols ohne Grenze in die seitlichen 298 J. Sobotta: Zellen des Eetoplacentarconus über: Ausser den platten Zellen findet man noch in wechselnder Zahl an den Seitenteilen und namentlich (hier constant) am antimesometralen Ende gross- kernige Riesenzellen die zumeist über das Niveau der Keimblase nach aussen vorragen, namentlich am antimesometralen: Pol in die Region des Gipfels der ehemaligen Uterusbucht, in welche die Keimblase sich festsetzte. So zeigt dieser Teil der Keimblase der Fig. 13, Tafel XVI eine stärkere protoplasmatische Masse mit einzelnen Lacunen und grösseren Riesenkernen, an welche die Reste des desqua- mierten Uterusepithels (uer) grenzen. Damit sind im wesentlichen die Erscheinungen beschrieben, welche sich in äusserlich sehr wechselvoller Weise an der Keim- blase der Maus im Laufe des 7. Entwicklungstages vollziehen. Auf ihre Deutung kommen wir erst im zweiten Abschnitt der Arbeit zu sprechen. Kurz wollen wir noch beim Bilde der Fig. 14, Tafel XVI verweilen, weil dieses erstlich den Uebergang zum letzten der hier zu beschreibenden Entwicklungsstadien bildet, ferner weil jetzt eigentümliche Beziehungen zu den mütterlichen Geweben hinzutreten, die in der Folgezeit für die Ernährung der Keimblase von grösster Bedeutung sind. Im Allgemeinen wird nach dem oben mitgeteilten die Fig. 14 in ihren Hauptpunkten ohne weiteres verständlich sein. Der in die ehemalige Keimhöhle vorspringende und diese bis auf einen schmalen Raum ausfüllende Eicylinder besitzt eine den grössten Theil seiner Länge einnehmende am antimesome- tralen Pole wieder gegen das mesometrale Ende sich stark ver- schmälernde Höhlung. Diese wird von cylindrischen Zellen be- grenzt, die in einfacher Lage stehen, allerdings mit stark alternierenden Kernen. Unter diesen Zellen bemerkt man viele Mitosen, die dann dem Lumen zugekehrt getroffen werden. Aussen wird der Cylinder von Dotterentoderm umgeben, das also den Mantel des Cylinders bildet, soweit derselbe in die Keimhöhle hineinragt. Es zeigt sich aber im Verhalten des Dotterentoderms jetzt eine typische Abweichung von dem früheren Stadium. Gerade am antimesometralen Pol, wo anfangs die Zellen des Dotterentoderms am höchsten waren, sind dieselben jetzt abgeplattet und zwar stark abgeplattet; erst an den "1 Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 299 Seitenflächen des Cylinders werden sie allmählich höher. Nun folgt entsprechend der Verengerung des Lumens des Cylinders eine deutliche Einschnürung der inneren Zellage des Cylinders, welche der Rest der ursprünglichen ringförmigen Furche der Fig. 11 u. 12 ist (vergl. oben p. 295) und erst von dieser Stelle an erreicht das Dotterentoderm seine grösste Höhe und seinen typischen Charakter. Die Zellen werden cylindrisch und bilden eine deutliche pallisadenartige Anordnung. Die Aussenfläche des Zellprotoplasmas färbt sich aber intensiv mit Eosin. Dann folgt bis in die Gegend des Kerns eine hellere, gleichsam vacuolisierte Zone und neben und unterhalb des Kernes wird das Protoplasma wieder etwas dunkler. Also gerade an den Seitenflächen des Cylinders erreichen die Dotterentodermzellen ihre grösste Höhe und Ausbildung. Auf die Innenfläche der seitlichen Keimblasenwand erstrecken sich jetzt in individuell wechselnder Zahl stets zerstreute höch- stens ganz kleine Gruppen bildende, platte oder platteubische Zellen des Dotterentoderms von unregelmässiger Begrenzung, welche sich mit Eosin intensiv färben. Das nähere über diese, sowie das gesamte Verhalten des Dotterentoderms, wird unten bei Besprechung des letzten Entwicklungsstadiums mitgeteilt werden. Betrachtet man die Zellmasse des in die Keimhöhle ein- gewachsenen Cylinders ohne Rücksicht auf das Dotterentoderm, so sieht man, dass an der Aussenfläche drei deutliche Einschnürungen zu erkennen sind, welche durch den Ueberzug des Dotterentoderms fast ausgeglichen werden: Erstlich die bereits erwähnte Furche, welche den Rest der ehemaligen Trennung der gesamten Zellmasse (siehe ob. p. 295 und Fig. 11 u. 12, Tafel XVI) darstellt. Zweitens findet sich eine deutliche Einschnürung da, wo die Höhlung des Cylinders aufhört und eine dritte, mesometralwärts von dieser, da wo die (ehemalige) Keimhöhle ihr mesometrales Ende erreicht. Letztere trennt eine stumpf kegelförmige Masse, welche mit ihrer Spitze in das (ehemalige) Uteruslumen (ul) hineinragt, vom übrigen Teil der Keimblase ab, die über das Niveau der ehemaligen Keimblase hinausgewachsene Spitze des späteren Ectoplacentarconus. In seiner Nähe liegen abgestossene, aufge- quollene, in Degeneration begriffene Uterusepithelien und kleine Blutextravasate. 300 J. Sobotta: Zwischen diesen Zellen des späteren Eetoplacentarconus, namentlich in seinem äusseren Bereich, finden sich kleinere Höhlungen, welche mitunter mütterliche Blutkörperchen enthalten, während der mehr antimesometralwärts gelegene Teil des Ecto- placentarconus, welcher unmittelbar in den Eicylinder übergeht, ein mehr festeres Gefüge zeigt. | Die äussere Begrenzung der Keimblase wird jetzt ringsum von derselben Lage platter Zellen (unter Beimischung von Riesen- zellen) gebildet wie früher, stellenweise bilden die zerstreuten Dotterentodermzellen, die gleichsam ein unvollständiges parietales Blatt darstellen, eine zweite Schicht. Vorkommen und Zahl der Riesenzellen sowohl wie der parietalen Dotterentodermzellen ist starken individuellen Schwankungen unterworfen (s. auch. 0. p. 294 u. die Textfiguren a—f). Wichtig nun für die Auffassung der Schichten der Keim- blase ist es, einen Blick auf die Umgebung der Keimblase zu werfen. Der Nachbarschaft der Spitze des (späteren) Ecto- placentarconus war früher schon gedacht worden. Während hier das Uteruslumen noch als solches erkennbar ist (trotz Abstossung des Epithels), ist am antimesometralen Ende der Keimblase, als Rest der oblitterierenden Uterusbucht nur noch ein kugeliger Haufe völlig zerfallener Epithelien (uer) vorhanden. Während nun schon im früheren Stadium (cf. Fig. 12) gelegentlich an dieser Stelle einzelne extravasierte mütterliche Blutkörperchen zu treffen waren, finden sich von nun an ganz constant bald stärkere bald schwächere Blutungen in der ganzen Umgebung der Keimblase, soweit dieselbe von platten Zellen begrenzt wird, ferner gelegentlich auch jetzt schon — ausnahmslos aber später — im ehemaligen Uteruslumen gegen die Spitze des Placentarconus hin, ja selbst zwischen dessen Zellen. Die Keimblase der Maus liest jetzt innerhalb eines grossen Blutergusses von oft ganz gewaltiger Dimension. Bei Beschreibung des nächsten Stadiums wird dieser Erscheinung und ihrer Bedeutung noch ausführlich gedacht werden. Ich wende mich nun zum letzten Stadium, das in dieser Veröffentlichung beschrieben werden soll, es stammt aus den ersten Stunden des 8. Tages nach der Befruchtung. Der mediane Längsschnitt einer sehr schönen und regelmässigen Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 501 Keimblase dieses Alters stellt Fig. 15, Tafel XVII dar.!) Sie ähnelt sehr der der Fig. 14, nur bemerkt man zwei Einfaltungen in der die Höhlung des Cylinders oder die Proamnioshöhle — so möchte ich sie nennen weil sie später vor allem die Amnioshöhle bildet — begrenzenden Zellschicht, in welche (rechts Fig. 15) Einbuchtungen der Höhle sich hineiverstrecken. Es handelt sich um die ersten Andeutungen der Amniosfalten. (Da wir hier uns mit der Amniosbildung noch nicht zu beschäf- tigen haben, so sehe ich von der Anlage der Amniosfalten bei der Beschreibung ganz ab.) Im Uebrigen hat eine starke Ver- mehrung der Zellen stattgefunden und die Keimblase bezw. der Eieylinder ist dementsprechend stark gewachsen. Auch jetzt ist die Zahl der Mitosen eine grosse, denn vom Anfang des 8. Tages an beginnt die zweite Wachstumsperiode in der Entwicklung der Maus, welche weit stärker ist als die erste. Die Proamnioshöhle ist ungefähr in derselben Aus- dehnung entwickelt wie wir sie in Fig. 14, Tafel XVI trafen. Ihre Begrenzung bildet auch jetzt eine einschichtige Lage von cylindrischen Zellen mit alternierenden Kernen und der Höhle benachbarten Mitosen. Die regelmässige Anordnung der Zellen hört gleichzeitig mit der Höhlung gegen den mesometralen Pol des Eies hin auf, ist aber, während an Stelle der Höhlung in der Achse des Cylinders unregelmässig angeordnete Zellen auf- treten, an den Seitenflächen noch eine Strecke weit erkennbar. Da, wo die platten Zellen der äusseren Keimblasenwand in die Zellmasse des Cylinders übergehen, nehmen alle Zellen des letz- teren die unregelmässige Form und Anordnung der vorher ge- nannten centralen Zellen an. Wir befinden uns hier im Bereiche des Ectoplacentarconus. Letzterer ragt mit seiner Spitze als sehr unbestimmt be- srenzter stumpfer Kegel in das ehemalige, seines Epithels in diesem Abschnitt (siehe darüber Burekhard [4]) beraubte Lumen des Uterus vor, in dem wir vom Eetoplacentar- conus durch einen (vielleicht künstlichen) Spalt (ul) getrennt ein grosses Blutextravasat finden. Gelegentlich nehmen die !) Auch jetzt kommen noch grosse individuelle Verschiedenheiten, namentlich in Bezug auf Länge und Breite des Eicylinders vor. Oft ist derselbe auch jetzt schon am freien (antimesometralen) Ende um- gebogen. 302 J. Sobotta: Extravasate an dieser Stelle g riesige Dimensionen an (vergl. Burckhard [4] Fig. 6). Die Spitze und der ganze mesometrale Abschnitt des Ecto- placentarconus ist mannigfach von Höhlungen (I) kleinerer oder grösserer Form durchsetzt, die z. T. mit mütterlichen Blut- körperchen gefüllt sind. An den Seitenflächen des Eetoplacentar- conus ist seine Abgrenzung von der Decidua äusserst schwierig. Es giebt hier Zellen, von denen es mitunter häufig schwer zu sagen ist, ob sie zum Ei oder zu den mütterlichen Geweben gehören. Eine besondere Besprechung erfordert das Dotterento- derm und die äussere Begrenzung der Keimblase. Ersteres zeigt im grossen und ganzen dasselbe Verhalten wie in Fig. 14, Tafel XVI. Man kann ein gleichsam viscerales (denv) und parietales (denp) Blatt unterscheiden. Das viscerale Blatt ist auf der antimesometralen Kuppe des Eicylinders stark abge- plattet, wird seitlich allmählich ceubisch, cylindrisch, ja hoch- eylindrisch, schliesslich an der Basis des Cylinders wieder in umgekehrter Reihenfolge ziemlich plötzlich platt. Die Cylinder- zellen sind deutlich pallisadenartig angeordnet in typisch ein- facher Lage. Ihre Aussenfläche färbt sich mit Eosin sehr stark und ist meist wie mit einem feinkörnigen Belag intensiv rot (mit Eosin) gefärbter Körnchen besetzt. Dann folgt eine vacuolisierte, helle Schicht der Zelle, während die Zellbasis und die Umgebung des Kerns wieder dunkler erscheint (Fig. 17, Tafel XVI)). Noch eigentümlicher verhält sich nun das parietale Blatt. Es besteht auch jetzt noch nicht aus einer continuierlichen Lage, sondern aus zerstreuten Zellen, die höchstens auf kurze Strecken zu 2 oder 3 benachbart liegen. Ihre Form ist eine ungefähr platteubische, im allgemeinen aber schwer zu definierende, denn zahlreiche feine, kurze oder längere Fortsätze ragen in die (ehemalige) Keimhöhle hinein (Fig. 17 u. 18, Tafel XVII: denp). Die Zeilen erscheinen bei schwacher Vergrösserung intensiv rot mit Eosin gefärbt. Betrachtet man sie jedoch bei stärkeren Ver- grösserungen, so sieht man, dass sowohl innerhalb der Zelle wie namentlich an der der (ehemaligen) Keimhöhle zugekehrten Fläche zahlreiche feine, rote punktförmige Körperchen sich finden, welche wie feine Fortsätze von den Zellen aus in die Keimhöhle Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 303 hineinragen und zerstreut in Gruppen, oder auch Fäden bildend, im Innern der Keimhöhle sich finden. Oft bilden Reihen und Fädchen dieser Körnchen einen direkten Zusammenhang zwischen den jetzt ja nur mehr durch einen schmalen Zwischenraum getrennten parietalen und visceralen Blatt des Dotterentoderms. Es kann nun kaum einem Zweifel unterliegen, -dass diese mit Eosin sich intensiv rot färbenden Körnchen aus Haemo- globin bestehen und von zerfallenen mütterlichen roten Blut- körperchen stammen. Man kann mit Eosin gefärbte Schnitte leicht so stark entfärben, dass nur noch die roten Blutkörperchen die Eosinfarbe festhalten. Dieselben erscheinen dann leuchtend rot gefärbt und ebenso die Körnchen in den parietalen Zellen des Dotterentoderms, im Innern der ehemaligen Keimblase und in der Oberfläche des Cylinderepithels der visceralen Dotter- entodermzellen. Zuletzt sei der äusseren Lage der Keimblase gedacht, welche die ehemalige Keimhöhle nach aussen hin begrenzt und aus der ursprünglich plattzelligen seitlichen und antimesometralen Begrenzung der Keimblase hervorgeht. Dieselbe besteht jetzt aus einer membranartigen inneren Schicht, die continuierlich ist, stellenweise längliche Kerne (siehe Fig. 17, Tafel XVII te) ent- hält, auf längere Strecken aber auch kernfrei (siehe Fig. 16 te) erscheint. Sie färbt sich vielfach ebenfalls intensiv rot mit Eosin ohne aber Haemoglobinschollen zu enthalten. Es scheint der Farbstoff in den Zellen der Membran (es ist fraglich, ob man noch von einzelnen Zellen reden kann, da man keine Zellgrenzen wahrnimmt) vielmehr in gelöster Form vorzukommen. Nach aussen von dieser von platten Zellen gebildeten oder aus platten Zellen verschmolzenen Membran (s. auch u. p. 316) finden wir wiederum grosskernige Riesenzellen in wechselnder Zahl und Form. Eine sehr typische in ihrer natürlichen Lage am antimesometralen Pol der Keimblase zeigt Fig. 16, Tafel XVII. Mit einem relativ schmalen Fuss ruht diese Zelle auf der hier kernfreien äusseren Lage der Keimblase. Die Seitenteile der Zelle sind dicht von mütterlichen Blutkörperchen umgeben, das andere Ende der Zelle haftet wiederum verschmälert an der Decidua. Die Riesenzelle verbindet also die äussere Wand der Keimblase mit der Decidua und liegt in dem grossen Blutraum bezw. Blutextravasat, welches fast die ganze Keimblase umgiebt. 304 J..Sobotta:: Nicht jede Riesenzelle zeigt genau das gleiche Verhalten und genau die gleiche Lagerung. Doch dürfte das beschriebene Verhalten den Typus darstellen. Die Decidua in der nächsten Umgebung hes Eies ist bis auf die Zone um die Spitze des Eetoplacentarconus relativ kleinzellig. Grosse Zellen beginnen jetzt erst in einiger Entfernung von der Keimblase. Die der Wand der letzteren zunächst gelegenen Zellen sind sogar deut- lich abgeplattet. Damit schliesse ich den ersten rein descriptiven Teil dieser Veröffentlichung. IH. Abschnitt. Besprechung der Litteratur. Vergleichung und Deutung der, Befunde. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die gesammte Litteratur über die ersten Entwicklungsvorgänge der Säugetiere zu berücksichtigen, zumal die Entwicklung der meisten sich wesentlich anders vollzieht als bei der Maus. In erster Linie werden wir zunächst die Befunde derjenigen Autoren mit den unseren zu vergleichen haben, welche das gleiche Objekt unter- sucht haben. Erst später bei den Deutungsversuchen der im obigen beschriebenen Vorgänge werden wir teilweise etwas weiter ausgreifen müssen. Vergleicht man die Abbildungen, welche Selenka (12), Duval (7), Robinson (11), Jenkinson (8) und ich (d’Erchia’s spärliche Bilder, an denen kaum etwas zu er- kennen ist, lasse ich zunächst ganz ausser Acht) von den glei- chen Entwicklungsstadien der Maus gegeben haben, so wird man staunen müssen, wie es möglich sein konnte, derartig grund- verschiedene Abbildungen vom selben Object zu geben. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass keiner der Autoren vor .mir seine Abbildungen in den natürlichen Farben des Präparats geliefert hat, dass manche Abbildungen direkt den Stempel des Schematismus tragen!). Aber trotzdem muss man !) Das gilt namentlich von den Bildern Duvals, z. T. aber auch von denen Selenkas. Be Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 305 sagen, sind viele der entsprechenden Bilder so grundverschieden, dass hier unbedingt noch andere Ursachen mitgespielt haben müssen. Ich glaube, dass es hauptsächlich zwei Gründe gewesen sind, die in Betracht gezogen werden müssen: erstlich die in hohem Grade individuellen Verschiedenheiten während der ein- zelnen Entwicklungsphasen (s. ob. p. 295), zweitens die Conser- vierungsartefacte. Fast alle meine Voruntersucher haben Pikrinschwefelsäure allein oder vorzugsweise benutzt. Diese Conservierungsflüssigkeit muss ich nun nach meinen Erfahrungen als durchaus ungeeignet namentlich für die Conservierung der noch frei im Uteruslumen liegenden Stadien erachten ; später leistet sie etwas mehr. Am meisten tritt an den Abbildungen Robinson’s (11) der deletäre Einfluss der Pikrinschwefelsäure zu Tage, am wenigsten wohl bei Duval (7). Die von Jenkinson (8) angewandte Flem- ming’sche Lösung, mit der ich bei der Untersuchung der Befruchtung und Furchung der Maus die letzten Resultate erhalten habe, hat sich für die folgenden Entwicklungsstadien wenig bewährt! Eine ganze Reihe der oben im ersten Abschnitt beschrie- benen Stadien ist von meinen Voruntersuchern ebenfalls be- schrieben worden. Das Stadium der Fig. 1, Tafel XV dürfte bisher noch nicht beobachtet worden sein. Zwar müsste man der Abbildung nach annehmen, dass Jenkinson in Fig. 1 ebenfalls ein Stadium darstellt, in dem die Furchungshöhle eben erst auftritt. Da jedoch nach eigener Angabe des Autors sein jüngstes Stadium 55 Kerne, das abgebildete sogar 95 hatte, so kann es sich nur um ein geschrumpftes, wesentlich älteres Sta- dium mit bereits stark ausgebildeter Keimhöhle handeln, denn die Furchungshöhle tritt in ihrer ersten Anlage schon im Sta- dium von etwa 32 Zellen auf (siehe ob. p. 283). Uebrigens stellt die Fig. 1 von Jenkinson auch keinen genauen Längs- schnitt dar. Meiner Figur 2 entsprechen (wahrscheinlich) die Abbildungen 73 und 74 von Duval (7), ferner vielleicht Figur 4 von Robinson (11). Duval verlegt das Stadium auf den 5. Tag (ohne Angabe, aus welcher Zeit des 5. Tages). Jedenfalls ist das Stadium meiner Figur 2 nicht älter als Anfang des 5. Tages. 306 Ja Sioib.oititiax Das Präparat von Robinson’s Figur 4 soll vom Ende des 5., anfangs des 6. Tages stammen. Ist diese Altersbestimmung richtig (siehe auch oben p. 278), so wäre die Keimblase viel älter und nur stark geschrumpft, was allerdings für fast sämt- liche von Robinson abgebildete Präparate gilt. Nun besteht eine wesentliche Differenz zwischen meiner Beschreibung und der von Duval (7). Letzterer unterscheidet nämlich jetzt schon Eetoderm und Entoderm an der jungen Keim- blase der Maus. Es sollen nämlich an der dickeren Seite der Keimblase schon jetzt einzelne Zellen durch dunkel gekörntes Protoplasma und unregelmässige Form ausgezeichnet sein, die Duval als Entoderm bezeichnet; was dann übrig bleibt ist Ecetoderm. Wir werden unten sehen, wie wenig diese Deutung Duvals durch Tatsachen belegt wird. Zunächst möchte ich hier konstatieren, dass im Stadium meiner Figur 2 und auch Figur 3 erstlich Zellen durch besondere Färbung an der Keimblase nicht zu unterscheiden sind. Es könnte ja sein, dass Duval der- artige Keimblasen beobachtet hat und ich nicht. Aber mein Untersuchungsmaterial war ein ausserordentlich viel grösseres, und es müsste doch schon ein merkwürdiger Zufall sein, wenn uns diese Erscheinung ganz entgangen wäre, zumal ich auf dieselbe durch Duvals und auch Selenkas (12) (siehe unten) Angaben aufmerksam gemacht war und ich in späteren Stadien diese Differenzierung sehr wohl beobachtet habe. Auch haben weder Robinson (11) noch Jenkinson (8) selbst in etwas älteren Stadien die von Duval (7) beschriebene Erscheinung beobachtet. Ich kann mir nur denken, dass Duval durch Zufälligkeiten in einem seiner Präparate dazu geführt worden ist, Verhältnisse bei der Maus anzunehmen, wie sie seiner Theorie der Furchung des Fledermauseies (s. u. p. 322) ent- sprechen würden. Übrigens sind ja auch die Abbildungen von Duvalnur wenigmehralsaus den Präparaten gewonnene Sch emata So wie sie Duval abbildet, sehen die Präparate schlechter- dings eben nicht aus. Die Zellen, welche Duval als Ektoderm- zellen bezeichnet, sind trotz relativ starker Vergrösserung ein- fach durch Ausführung starker Zellgrenzen dargestellt unter Ein- zeichnung eines Kernes. Die Stelle des Protoplasmas ist weiss gelassen, höchstens an den Grenzen der ganzen Schicht etwas SE Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 307 abschattiert. Die von Duval als Entoderm bezeichneten Zellen dagegen sind stark punktiert gehalten und heben sich natürlich sehr intensiv von den weissen Ektodermzellen ab. Dadurch wird allerdings die Ansicht des Verfassers und Zeichners (die Figuren sind von Duval selbst gezeichnet) unterstützt, aber auch nur annähernd naturgetreu sind solche Bilder eben nicht. Ferner habe ich auch an Duvals Figuren auszusetzen, dass an guten Präparaten bald nach Auftreten der Furchungs- höhle die Wände derselben an ihrer Innenfläche durchaus glatt sind. Derartige zackige Zellvorsprünge, wie sie Duval ın Fig. 73, 74 u. ff. an seinen Entodermzellen abbildet, existieren an meinen Präparaten nirgends. Duval (7) hält daher auch die „Entodermzellen“ ihrer unregelmässigen Form wegen für amoeboid. Bemerkenswert ist die Angabe von Duval (7), dass die Eier seiner Figuren 73 und 74 (im ganzen 4 an Zahl) in kurzen Intervallen im tubaren Anfangsteil des Uterushorns gefunden wurden. Ich habe stets nur die Eier, so lange sie noch keine Furchungshöhle hatten, dicht benachbart (in der Tuba oder im tubaren Ende des Uterus) gefunden sonst weit von einander ge- trennt. Nur im Falle der Figur 1, Tafel XV, den ich nur bei einem Tiere beobachtet habe, könnte der Fall vorgelegen haben, dass die Eier auf dem Wege zu ihren Implantationsstellen sich befunden haben. Natürlich muss man ein solches Zwischen- stadium, wo die Eier noch nicht weit voneinander entfernt, aber auch nicht mehr auf einem Haufen zusammenliegen, gelegentlich antreffen, aber da dies selten geschieht, muss man wiederum an- nehmen, dass dieses Stadium ein sehr vorübergehendes_ ist. Duval (7) hätte ein solches nach seiner Angabe beobachtet. In der Regel aber wird nach meinem an Zahl überlegenen Material zu schliessen, die Trennung der Eier voneinander schon weiter vorgeschritten sein. !) Die ersten Stadien, die Selenka (12) vom Ei der Maus beobachtet hat, dürften vielleicht meinen Figuren 3 und 4, 1) Leider habe ich in einigen Fällen die Entfernungen, in denen die Eier im Uterus gefunden wurden, nicht notirt. Hätte ich sie jedoch in ge- ringen Entfernungen von einander angetroffen, so hätte ich nicht vergessen, das anzumerken. [0 >] 30 J. Sobotta: vielleicht aber erst 5 entsprechen. Selenkas Figur 1 erweckt allerdings den Anschein, als sei sie noch etwas jünger (etwa meiner Figur 2) entsprechend. Jedoch ist der Vergleich ein unsicherer, da die noch frei im Lumen des Uterus gelegenen Keimblasen, die Selenka beobachtete, stark von der Uterus- wand retrahiert und geschrumpft sind, während die festsitzenden Keimblasen, nach Selenkas Abbildungen zu schliessen, durch- weg viel besser konserviert waren. Bei Duval (7) dürfte Figur 77 ungefähr meiner Figur 5 entsprechen. Duval hält das Präparat seiner Figur 76 für älter als das der Figuren 73 und 74, was ein entschiedener Irrtum ist (die Altersangabe, nach dem Coitus bestimmt, ist zur Bestimmung des Alters zu unsicher s. 0. p. 278). Duvals Figur 76 steht entschieden — abgesehen von den fälschlich durch Punktierung hervor- gehobenen Entodermzellen — zwischen meinen Figuren 1 und 2; Figur 75 steht etwa zwischen meinen Figuren 2 und 3. Robinson (11) hat kein einschlägiges Stadium beobachtet, wohl aber dürften die Figuren 1—3 von Jenkinson (8) hierhin gehören (Fig. 3 = meiner Fig. 4—5). Die Abbildungen von Selenka (12) sind denen von Duval (7) in einigen Beziehungen sehr ähnlich, d. h. sie sind in hohem Grade schematisiert (namentlich die der freien Keim- blasen), wenn sie vielleicht auch auf den Blick durch ihre Grösse u. a. bestechen mögen. Um die schematische Art der Abbildungen Selenkas zu zeigen, mache ich nur auf eines aufmerksam. Selenka (laut Angabe unter den Tafeln vom Autor selbst gezeichnet) bildet natürlich auch Mitosen in den Zellen seiner Keimblasen ab, aber die Mitosen liegen innerhalb der Kerne, d. h. die Zellkerne sind bei Selenka als rote, schwarz konturierte Kreise oder Flecken dargestellt (im Gegensatz zu den Zellen, die gelblich getont und schwarz umrandet sind), die einzelne graue Fleckchen enthalten, wenn es sich um ruhende Kerne handelt, schwarze oder graue Chromosomen, wenn die Zellen Mitosen enthalten. Dass die Mitose nicht in geschlossener Kernmembran oder gar im Innern eines Kernes verläuft, weiss jeder. Derartige Abbildungen, wie sie Selenka giebt, sind eben nur dazu angethan, zu täuschen. Was macht man mit farbigen Bildern, die in den Farben nicht dem Präparat entsprechen, Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 309 und an denen auch sonstige (s. u.) Kunstmittel angewandt sind. — Hauptsächlich äussert sich aber der Schematismus der Ab- bildungen von Selenka (12, 13) in einer Darstellung mittels deren der Autor eine ganze Reihe von Behauptungen aufstellen zu können glaubt. Selenka geht nämlich bei der Betrachtung der Entwicklungsvorgänge der Keimblase der Maus von der Idee aus, dass sich die verdickte Stelle der Keimblasenwand nicht bloss in 2 Zelllagen differenziert, wie es Duval angiebt, sondern sogar in drei, in die gegen die Keimhöhle grenzenden dunkler gezeichneten, unregelmässig begrenzten Entodermzellen (Grundschicht des Ektoderms) in die mittleren Ektodermzellen und eine äussere platte Lage von Zellen, welche auch die ganze dünnwandige Begrenzung der Keimhöhle bildet, die Deckzellen. Um nun die in Wirklichkeit nicht vorhandene Abgrenzung der „Deckzellen“ gegen die „Grundschicht des Ektoderms“ dem Betrachter seiner Abbildungen recht klar zu machen, zeichnet Selenka zwischen beiden eine dunkle schwarze Linie. Was soll diese Linie vorstellen? Im allgemeinen zeichnet Selenka Zellkonturen schwarz. Diese Linie ist aber doppelt, später sogar dreifach so dick wie wie Zellkonturen. Was soll sich der Leser nun dabei denken? Dass hier vielleicht eine besondere Masse Kittsubstanz liegt? Eine stärkere Abgrenzung der fraglichen Zelleruppen könnte doch höchstens durch einen Spalt erfolgen oder eben nur dadurch, dass die fraglichen Zelllagen als ge- schlossene Reihen sich gegeneinander abgrenzen. Aber gerade davon ist bei Selenka nichts zu sehen. Die Zelllagen greifen mannigfach ineinander über und nur der dicke schwarze Strich macht dem gläubigen Leser die Ansicht Selenkas wahr- scheinlich. Nun ist aber eine solche Trennung in Wirklichkeit durch nichts auch durch keine schwarze Linie angedeutet; auch Duval (7) hat davon nichts gesehen und beschrieben. Nur an Jenkinsons (8) Figuren kehrt aber erst in späterem Stadium etwas ähnliches wieder, aber die Trennung wird hier durch einen Spalt bewirkt. In Selenkas Figuren 1—4, die wir hier zunächst zu berücksichtigen haben, sind die von Duval als Entoderm Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 21 310 So hotta: beschriebenen Zellen ebenfalls schon in ähnlicher Weise differen- ziert. Nur Figur 4, anscheinend das bestkonservierte Präparat Selenkas darstellend, lässt das beim besten Willen nur eben ganz schwach erkennen. Vielleicht zeigte das Präparat garnichts davon. Ich kann hier nur dasselbe sagen, was ich in Bezug auf die gleiche Darstellung von Duval mitgeteilt habe: meine Präparate zeigen in der Regel eine Differenzierung der von Selenka (11) und Duval (4) als Entoderm bezeichneten Zellen erst etwas später als sie ersterer, wesentlich später als sie letzterer beschreibt. Die unregelmässige Oberfläche der Zellen ist an gut konservierten Präparaten nicht vorhanden; ich halte sie daher für ein Kunstprodukt. Jenkinson (8) unterscheidet in der Keimblase der Maus von anfang an zwei Lagen, eine äussere plattzellige, die er Trophoblast nennt und eine innere Zellmasse, die von der äusseren durch einen Spalt getrennte innere Zellmasse, die sich erst später in „embryonalen Epiblast“ und Hypoblast sondert. Der Spalt in Jenkinson’s Abbildungen ist mir recht verdächtigt. Mehrere seiner Bilder machen durchaus den Eindruck, dass sie von leicht geschrumpften Präparaten stammen, obwohl die Abbildungen ganz naturgetreu erscheinen, Ich selbst habe Spalten an weniger gut konservierten Präparaten dieses Stadiums gesehen, solche aber sofort von der Beurteilung ausgeschaltet. Uebrigens sind die Mehrzahl der Abbildungen Jenkinsons früherer Stadien keine genauen Längsschnitte sondern Schrägschnitte. Bei Vergleichung der späteren Stadien meiner Abhandlung mit den Angaben meiner Voruntersucher kann ich mich jetzt kürzer fassen. Einen derselben (von d’Erchia sehe ich vor- läufig ganz ab) kann ich von nun an ganz bei Seite lassen. Es ist Robinson (11). Seine Angaben haben schon von ver- schiedenen Seiten eine berechtigte Kritik erfahren und erst kürz- lich hat Jenkinson (8) mit Recht auf einige fundamentale Fehler in der Beobachtung und Deutung von Robinson auf- merksam gemacht. Ich kann Jenkinson nur beistimmen, wenn er den Hauptfehler Robinsons darin erblickt, dass letzterer in der völlig zusammengeschrumpften Keimblase seiner Figur 5 mesometralen und antimesometralen Pol verwechselt hat. Er identifiziert dann den einen Pol dieser mit dem entgegen- 4, SER Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 511 &esetzten der anderen Keimblase (Fig. 6) und damit ist, indem Robinson zugleich den Schrägschnitt der Keimblasenwand völlig verkennt, das Verhängnis fertig. Es wäre verlorene Liebesmüh, Robinson auf dem so beschrittenen verkehrtem Wege folgen zu wollen, zumal das schon andere von mir gethan haben. Meinen Figuren 5 und 6 entsprechen bei Selenka (12) Figur 3 (vielleicht so Figur 5 von mir), vor allem Fig. 5, 6 und 7, von denen 5 und 6 eine gewaltig zusammengeschrumpfte Keim- blase darstellt. Durch so starke Schrumpfungen und teilweise Retraktionen von der Uteruswand — an anderen Stellen bleibt aber die Keimblasenwand am Uterusepithel kleben (Fig. 6 und 7 von Selenka) — kommen Bilder zu Stande, welche eine Ver- klebung der Keimblase mit dem Uterusepithel vortäuschen. Recht klar ist sich Selenka selbst über seine Präparate nicht geworden, denn bald sollen es besonders grosse Zellen der „Deckschicht“, d.h. der einschichtigen Keimblasenwand sein, welche Selenka sogar an Stelle von Uterusepithelien zeichnet (eine solche Figur ist mir unverständlich), bald aber (Figur 4) sollen es Leukocyten sein, die die Verbindung zwischen Keim- blase und Uterusepithel herstellen (!.,. Duval (7) hat in seiner Figur 77 etwas ähnliches insofern abgebildet, als zwei Zellen der Keimblasenwand sich etwas in das Uterusepithel, das hier typisch im Schrägschnitt getroffen ist, einsenken. Duval ver- kennt hier übrigens den Schrägschnitt völlig [vergl. Burck- hard (4) p. 22]. Ausser Duvals Figur 77 gehören hierhin Figur 80. Ab- gesehen von der schematischen Darstellung habe ich an diesen Abbildungen nur die unregelmässige Begrenzung der Entoderm- zellen Duvals (meiner Dotterentodermzellen) gegen die Keim- höhle zu rügen. Von Jenkinsons (8) Abbildungen gehört Figur 6 und 7 in dieses Stadium. Namentlich die Keimblase der Figur 6 zeigt schwere Konservierungsfehler selbst abgesehen von der Schrumpfung. Figur 7 erscheint besser konserviert. Es handelt sich hier um eine ganz ungewöhnlich grosse Keimblase (noch grösser als die meiner Figur 6); ich möchte aber bezweifeln, ob es sich um den Medianschnitt handelt. 21* [1 312 J. Soboötta: In den folgenden Entwicklungsstadien beginnen die unge- mein zahlreichen individuellen Variationen der Keimblase (siehe oben p. 295) und damit ist eine unmittelbare Vergleichung der einzelnen Befunde ungeheuer schwierig. Bei dem relativ geringen Material, mit dem meine Voruntersucher gearbeitet haben, ist es erklärlich, dass ihnen mancherlei entgangen ist, was typisch ist, oder dass sie atypisches womöglich mehrmals getroffen und für typisch gehalten und beschrieben haben. Es ist daher schwer, direkte Vergleichspunkte zwischen meinen Beobachtungen und Abbildungen und denen meiner Voruntersucher zu geben. Deswegen will ich einige Differenzpunkte aus der Summe der folgenden Entwicklungsstadien herausgreifen. Zunächst das Dotterentoderm. Duval (7) bezeichnet es als Entoderm kurz- weg (proximales = meinem visceralen, distales = meinem parie- talen.. Selenka (12) unterscheidet Entoderm (= meinem visceralen) und Entodermzellen, welche den Dottersack formieren = meinem parietalen).. Jenkinson (8) nennt die Schicht einfach Hypoblast. Wie oben auseinandergesetzt, kommt es im Laufe der hier berücksichtigten Entwicklungsvorgänge der Maus zu einer Aus- breitung der ursprünglich nur die Oberfläche des Eizylinders bedeckenden Zellen auf die ganze Innenwand der Keimblase, so- dass ein kompaktes viscerales aber aus zerstreuten parietalen Zellen gebildetes Blatt entsteht. Im Resultat dieser Erscheinung stimmen meine Angaben mit denen von Selenka sowohl wie von Duval überein. Jedoch sind die Abbildungen von Selenka (Figur 18—20) in diesem Punkte entschieden besser und weniger schematisch als diejenigen von Duval. Eine etwas abweichende Darstellung giebt Jenkinson (8) insofern, als er mein parietales Blatt als eine geschlossene Lage platter mit Ausläufern zu- sammenhängender Zellen darstellt. Das wäre mindestens ein sehr ungewöhnlicher Fall. Uebrigens ist bei ihm die Zelllage sehr stark von der Aussenwand der Keimblase abgehoben und zusammengeschrumpft. Besteht nun in Bezug auf das Resultat der Bildung des parietalen Dotterentoderms Uebereinstimmung zwischen Selenka, Duval und mir, so weichen wir doch in Bezug auf den Modus der Bildung dieser Schicht wesentlich voneinander ab, abgesehen von der Deutung dieser Lage. Selenka und Duval halten Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 315 die Dotterentodermzellen schon gleich nach ihrer Differenzierung für amöboid beweglich. Diese Behauptung stützt sich nicht auf direkte Beobachtung, sondern auf das angeblich unregelmässige Aussehen der Zellen, welches ich für das viscerale Blatt in allen Stadien bestreiten muss, es sei denn, dass die Voruntersucher durch die ihnen in ihrer Bedeutung entgangenen Haemoglobin- körnerreihen und -fädchen (siehe oben p. 302) getäuscht worden sind. Es sollen die Zellen sich nun auf die gegenüberliegende Keimblasenwand derart begeben, dass sie durch den Raum der ehemaligen Keimhöhle hindurchwandern. Wiederum stehen hier beiden Autoren keine direkten Beobachtungen zur Verfügung, wohl aber Bilder, die ihre Ansicht stützen könnten (Figur 9—12, 15, 17 Selenka und Figur 83, 90, 93 Duval). Diese Abbildungen halte ich jedoch nicht für einwandsfrei. An gut konservierten Präparaten ist, wie schon mehrfach angegeben, die Oberfläche der Zellen des visceralen Blattes stets glatt (siehe auch oben). Die parietalen Zellen liegen ebenfalls normaler- weise der äusseren Keimblasenwand an, lösen sich aber leicht namentlich bei durch Schrumpfung hervorgerufenen Faltungen der äussern Wand von dieser ab (siehe auch meine Figuren 10 und 11). Etwas Phantasie — und von solcher sind ja weder Selenkas noch Duvals Abbildungen auch in anderer Be- ziehung ganz frei — und es entstehen die beweisenden Bilder. Ich habe eine ganz andere Vorstellung von der Bildung des parietalen Blattes gewonnen. Anfangs liegen die ersten dieser Zellen stets dicht neben den lateralen Zellen des visceralen Blattes und stehen mit diesen noch in direktem Zusammen- hang (Fig. 9, Tafel XV). Später geben sie zwar häufig diesen Zusammenhang auf und kommen in relativ weite Entfernung vom Mutterboden zu liegen. Man braucht aber nur anzunehmen, dass die ersten parietalen mit dem visceralen Blatt in direktem Zusammenhang stehenden Zellen mit den äusseren Zellen der Keimblase fest verbunden sind. Letztere aber entfernen sich teils durch Wachstum, teils durch fortschreitende Dehnung der Keimblasenwand bald von ihrem ursprünglichen Platze und nehmen so die Dotterentodermzellen mit. Diese wiederum teilen sich ebenfalls und auch dadurch kommt eine weitere Verschiebung zu Stande. So braucht man nicht zu der durch nichts be- wiesenen und durchaus unwahrscheinlichen Art der Ausbreitung 314 J. Sobotta: auf dem Wege amöboider Bewegung zu greifen. Es scheint übrigens, dass sich Jenkinson (8) den Vorgang ähnlich denkt wie ich, wenn er sich auch nicht bestimmt in diesem Sinne ausspricht. In einer weiteren Frage stehe ich auf anderem Standpunkte als Selenka (12) und Jenkinson (8), dagegen auf ungefähr demselben wie Duval (7). Es betrifft das den oben schon er- wähnten Abgrenzungsversuch Selenkas einer platten äussern Zelllage an den jüngsten von ihm beobachteten Keimblasen von den übrigen Zellen (siehe oben p. 309). Der dicke schwarze Strich, dessen wir schon oben gedachten, kehrt in Selenkas Abbildungen eine beträchtliche Zeit lang wieder. Selenka be- zeichnet nämlich die platten Zellen, welche die Keimhöhle begrenzen und sich durch den schwarzen Strich getrennt auf den mesometralen Pol des Eies fortsetzen, als Deckschicht des Ektoderms (Reichert’sche Zellen und Rauber’sche Zellen). Die übrigen Zellen, soweit sie nicht „Entodermzellen“ sind, als (srundschicht des Ektoderms. Nun geht Selenka von der Vorstellung aus, dass der sogenannte Träger oder Ecetoplacentarconus lediglich von den Rauber’schen Deckzellen am mesometralen Eipol gebildet wird, nicht von der Grundschicht des Ektoderms.. Um diese seine Anschauung zu unterstützen, rückt Selenka den schwarzen Strich in die entsprechende Lage und punktiert das Protoplasma der den „Träger“ bildenden Zellen. Welche Berechtigung hat nun Selenka zu dieser Auf- fassung? Ich finde keine einzige wirkliche Rechtfertigung bei ihm, denn die Art seiner Abbildungen ist doch höchstens im Stande über den Mangel an Beobachtungen hinwegzuhelfen. In Wirklichkeit ist der Sachverhalt folgender: Wenn die äussere Begrenzung der Keimblase bis auf die mesometrale Seite aus stark abgeplatteten Zellen besteht, so gehen diese Zellen all- mählich in die äusseren Zellen des mesometralen Zellzapfens, aus dem später der Eieylinder wird, über. Hier bilden sie ge- legentlich eine Art äusserster platter Zellen, die aber weder von den übrigen Zellen irgendwie scharf abgegrenzt wären, noch über- haupt konstant so sich zeigten oder eine geschlossene Lage darstellten. Aber selbst angenommen, diese Zellen seien als etwas besonders von darunter gelegenen Zellen zu trennendes, wie es Selenka ce m Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 315 will, so müsste man in ihnen, sollten sie die ganze Masse des Ecetoplacentarconus zu bilden im Stande sein, reichliche Mitosen zeigen. Von dem ist aber nichts zu sehen (auch in Selenkas eigenen Abbildungen nicht); im Gegenteil, hier finden sich recht wenig Mitosen und wenn schon die Bildung des Eetoplacentarconus im Gange ist, erfolgt ein Nachschub der Zellen von den inneren (centralen) Zellen des Eicylinders her; die mesometrale Spitze des „Trägers Selenkas“ ist, wie auch Duval (7) richtig be- merkt, sogar ganz auffällig arm an Mitosen. Das genügt wohl, um die Auffassung von Selenka zu widerlegen. Wenden wir uns nun dem übrigen Teil der Schicht, die Selenka als Rau ber’sche Deckschicht bezeichnet, zu, so liegen auch über diese und ihr Verhalten viele abweichende Angaben der verschiedenen Autoren vor. j Selenka (12) bezeichnet diese Zellen als Reichert’sche (Deck-) Zellen. Er berichtet von ihnen, dass sich mit dem Längenwachstum der Keimblase auch der „Mantel der Reichert’schen Zellen“ vergrössert, dann aber bald zu einer resistenten Membran zusammenschrumpft. „Die Kerne lassen sich noch auffinden zu einer Zeit, wo längst die Urwirbel auf- getreten sind.“ Die „Reichert ’sche Membran“ wird in ihrer ganzen Ausdehnung direkt vom mütterlichen Blut umspült. „Durch ziemlich zahlreiche vereinzelte riesige Bindegewebszellen (und einzelne vergrösserte Uterusepithelzellen) wird die Membran in ihnen erhalten.“ Vergleicht man diese Darstellung von Selenka mit dem, was wir oben auseinandergesetzt haben, so ergiebt sich ohne weiteres, dass Selenka die Riesenzellen (siehe oben p. 291) verkannt und für Deciduazellen oder Uterusepithelien gehalten hat. Infolgedessen fehlen diese Zellen auch auf seinen Abbildungen aus späteren Perioden (7. Tag), während seine „Reichert’schen Deckzellen“ in den früheren Stadien auffällig gross und voluminös gequollen ?) erscheinen. Ganz anders erscheinen dagegen in diesem Punkte die Ab- bildungen von Duval (7). Man sollte wirklich wiederum nicht glauben können, dass beide Untersucher dasselbe Objekt darstellen. Jedenfalls sind die Darstellungen Duvals, abgesehen von dem all seine Abbildungen beherrschenden Schematismus in diesem Punkte besser als die von Selenka, namentlich in den mittleren 316 eSo:brot ta: Stadien (6. Tag). Duval stellt den Vorgang so dar, dass er am „distalen Ektoderm“, wie er die Reichert’schen Zellen Selenkas nennt, abgeplattete und Riesenzellen schon frühzeitig unterscheidet. Die ersteren sollen nun in späteren Stadien nicht mehr zu finden sein, sondern an ihrer Stelle entsteht eine Membranbildung, die „euticule ectodermique“, der die ectodermalen Riesenzellen aussen anliegen. Duval äussert sich auch, wenn auch unbestimmt, über den Modus der Bildung dieser Membran. Es sollen die abgeplatteten Zellen sich entweder in die Cuticula umbilden oder nur ihre inneren Hälften, während die äusseren zu Riesenzellen werden. Wie ich aber auseinandergesetzt habe, ist zwar häufig streckenweise eine kernfreie Membran vorhanden, an anderen Stellen äber enthält dieselbe platte Kerne, wie auch Selenka (12) und Jenkinson (8) angeben. Darin weiche ich also von Duval ab. Jenkinsons (8) Angaben sind sehr kurz. Er nennt diese Zellen mit dem Eetoplacentarconus zusammen Trophoblast und giebt nur an, dass sie dünner werden aber niemals völlig verschwinden. Auf der einzigen Abbildung eines älteren Stadiums, die Jenkinson giebt, ist die Abgrenzung des Eies von der Decidua kaum zu erkennen. Man kann daher auch aus seiner Abbildung nicht sicheres ersehen. Schliesslich kommen wir zur Vergleichung unserer Befunde über den wichtigsten Teil des Eies, den Eieylinder, mit denen unserer Voruntersucher. Eine Vergleichung ist hier besonders schwer, weil eigentlich jeder der Voruntersucher nur wenige Individuen untersucht und beschrieben hat. Die individuellen Verschiedenheiten sind aber (siehe oben p. 295 und die Textfigur) so ungemein grosse, dass eben nur ganz allgemeine Vergleichs- punkte in den hauptsächlichsten Erscheinungen bleiben. Selenka (12) nennt die Höhlung des Eicylinders Ektoderm- höhle, denn er nimmt ja an, dass die Wände der Höhlung Ektoderm (Grundschicht des Ektoderms) sind. Richtig beschreibt er die radiäre Stellung der Zellen nach Ausbildung der Höhlung und die streng einschichtige Begrenzung mit alternierenden Kernen in den Zellen. Duval (7) nennt mit Selenka die Höhle cavit&e ecto- dermique. Er beschreibt richtig ihre Entstehung in der Mitte Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 37 des Eicylinders als einheitliche Höhle oder durch Contluenz ‘zweier ursprünglich getrennter Höhlen. Dagegen tritt der Schematismus seiner Abbildung wiederum darin zu Tage, dass er die („ectodermale“) Wand der Höhle von 2—3, später sogar 3—4 Zelllagen gebildet darstellt. Darin sind Selenkas Ab- bildungen trotz ihrer Mängel noch viel besser. Jenkinsons (8) Mitteilungen bestätigen im aligemeinen Selenka und sind ganz kurz gehalten. Seine einzige hier in Frage kommende Abbildung macht in Bezug auf den Eicylinder einen durchaus vertrauenerweckenden Eindruck. Auffällig ist es, dass Duval die in meinen Abbildungen 11 und 12, Tafel XVI so deutliche Querteilung des Eicylinders garnicht beobachtet hat. Dieselbe ist zwar häufig nicht sehr deutlich, in einem gewissen Entwicklungsstadium aber doch fast stets erkennbar. Duval sind die entsprechenden Stadien wohl entgangen. Selenka hat ähnliches beobachtet, wie seine Ab- bildungen 11 und 12 zeigen, doch ist seine Deutung keines- wegs richtig. Zum Schluss will ich mit wenigen Worten der Arbeit d’Erchias (6) gedenken. Sie betitelt sich „Ueber die Ein- bettung des Eies und die Entwicklung und den Bau der Allantois- und Dottersackplacenta bei der weissen Maus“, enthält aber auch Angaben über Furchung und die folgenden Entwicklungszustände. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die zahllosen Irrtümer dieser denkbar schlechten Arbeit aufzudecken. Ich erwähne nur folgendes: In einer Zusammenfassung am Schlusse der Arbeit steht als erster Satz categorisch: „Die Furchung des Mauseies ist inaequal.“ D’Erchia scheint nämlich anzunehmen, dass er die Furchung des Mauseies zuerst und allein untersucht hat. Er ignoriert nicht nur die Untersuchungen seines verstorbenen Landsmannes Tafani, sondern auch meine ausführliche Publi- kation (15). Dabei stützt sich d’Erchia nur auf einige im Uterus getroffene Eier aus der späteren Furchung kurz vor oder auch schon nach Auftreten der Furchungshöhle. Denn die zwar sehr schlecht reproducierte und vielleicht auch schlecht ausgeführte Mikrophotographie der Figur 10 d’Erchias zeigt ja aufs klarste eine Höhlung und entspricht etwa meiner Figur 2 oder 3, Tafel XVI. 318 J. Sobotta: Dann beschreibt d’Erchia eine „Blastula“. Das Ei der Maus soll sich im Statium der Morula einbetten und in der Ei- kammer zur Blastula verändern. Was aber d’Erchia als Blastula abbildet, ist auch nach seiner eigenen Angabe eine aus einer ziemlich platten Zelllage gebildete Blase. Für jeden Kenner der Verhältnisse ist es klar, dass d’Erchia höchstens eine Keimblase etwa aus dem Stadium meiner Figur 9 im antimeso- metralen Teile quer durchschnitten gesehen hat. Aus dem Stadium der Blastula geht dann das Ei in das „didermische“ Stadium über. (Figur 12 — Querschnitt durch einen Eicylinder vom Stadium meiner Figur 14, Tafel XVI etwa). Nun will ich nur noch drei Sätze, aus den Schlüssen, er- wähnen, zu denen d’Erchia kommt. „2. Während der Furchung findet eine progressive Epibolie statt: ein aus blasseren Blastomeren gebildetes Käppchen (calotte) strebt eine Gruppe ventraler, gefärbter Blastomeren einzu- hüllen. 3. Von der aus einer äusseren Schicht und einem inneren Zellhaufen gebildeten Morula entspringt die aus einer Zellwand gebildete Blastula, deren Elemente ein wenig ungeordnet lagern. 4. Von der Blastula geht das Ei in den didermischen Zu- stand über infolge einer wahrscheinlichen Differenzierung der einschichtigen Zellwand in zwei sekundäre Schichten.“ Diese Sätze bedürfen wohl keines Kommentars. Uebrigens kennt d’Erchia auch die Arbeit von Duval (7) nicht, hat also den grössten und wichtigsten Teil der Litteratur vollständig übersehen. Das ist umso unverantwortlicher, als sich d’Erehia auf eine Abbildung von Meerschweinchen von Duval beruft, die bei Schultze (Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte) abgebildet ist. Im selben Buche sind aber auch 3 Eier von der Maus nach Duval abgebildet. D’Erchia ist Gynaekologe. Man wird also von ihm nicht verlangen können, dass er in allen Abschnitten der speziellen Entwicklungsgeschichte bewandert ist. Aber wenn man eine Arbeit abfassen will wie die seine, so kann man doch verlangen, dass man sich wenigstens über allgemein-embryologische Begriffe etwas orientiert und auch wenigstens die hauptsächlichste Litteratur berücksichtigt. Dass ersteres von d’Erchia nicht geschehen Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 319 ist, das beweisen auch die verschiedenen naiven Vergleiche seiner „Beobachtungen“ mit denen anderer. Ich wende mich nun zuletzt zur Darlegung meiner Auf- fassung der von mir im ersten Abschnitt der Arbeit be- schriebenen Entwiceklungsvorgänge am Ei der Maus. Ich will mich hier relativ kurz fassen und vor allem in keine ausführliche Besprechung der Gastrulation und Keimblätterbildung der Säugetiere eingehen. Da diese Prozesse erst in späteren Stadien als der von mir hier beschriebenen vor sich gehen (s. u.), so wird es im wesentlichen in der folgenden, die späteren Ent- wicklungsstadien des Eies der Maus berücksichtigenden Arbeit meine Aufgabe sein, ausführlich auf diesen Gegenstand einzu- gehen. Da jedoch einige Autoren die Gastrulation der Säuger in ein früheres Stadium verlegen, so kann ich auch hier nicht um- hin, meinen Standpunkt wenigstens in einer Beziehung schon jetzt klarzulegen und zu verteidigen, soweit das mit Hilfe der bis jetzt beschriebenen Entwicklungsstadien möglich ist. Dass ich das Stadium meiner Figur 1, Tafel XV als be- ginnendes Blastulastadium des Eies der Maus auffasse, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Auch in Figur 2 und 3 haben wir typische Blastulae vor uns. Die Keimhöhle wird jetzt sogar von noch durchaus gleichartigen Zellen begrenzt. Aber auch dann, wenn sich allmählich, wie in Fig. 4 und 5, Tafel XV, die von uns später als Dotterentoderm bezeichneten Zellen durch besonders dunkle Färbung differenzieren, haben wir noch keinen Grund, dies Stadium der betreffenden Eier anders als Blastula- stadium zu bezeichnen. Ebensowenig wie man ein Recht hat, an der Keimblase des Amphioxus oder der Amphibien, die Makromeren als Entoderm zu bezeichnen, weil dieselben später bei gewissen Umlagerungen das Entoderm liefern, ebensowenig darf man die jetzt lediglich durch einen allmählich sich bemerk- bar machenden Unterschied in der Färbbarkeit ausgezeichneten Zellen der Keimblase ohne weiteres als Entoderm bezeichnen, weil dieselben später das Entoderm (und zwar nur einen Teil desselben) liefern. Ebensowenig wie diese von den übrigen Zellen der Keim- blase der Maus noch garnicht einmal abgegrenzten Zellen ohne weiteres als Entoderm zu bezeichnen sind, ist das zugehörige 320 J. Sobotta: Entwicklungsstadium etwa eine Gastrula. Mit viel grösserem Rechte könnte man die Keimblase des Amphioxus dann eine (Gastrula nennen, denn an ihr erkennt man das zukünftige Ento- derm schon viel besser als an der beschriebenen Keimblase der Maus, und zwar das gesamte. Allmählich im Laufe der weiteren Entwicklung sondern sich die dunkler sich färbenden Zellen des Eizapfens stärker von den übrigen Zellen der Keimblase ab; so im Stadium der Fig. 5, Tafel XV. Noch deutlicher ist das im Stadium der Fig. 6 und 8. Vom Stadium der Figuren 7 und 9 an bilden die als Dotter- entoderm von uns bezeichneten Zellen eine durch ihr Aussehen und ihre Lagerung, sowie durch eine scharfe Abgrenzung deut- lich von den übrigen Zellen der Keimblase isolierbare Lage. Dieselbe ist also durch eine Art allmählicher Abspaltung von den Zellen des Eizapfens entstanden. Je weiter die Entwicklung vorschreitet, um so mehr nimmt diese Schicht einen selbständigen Charakter an. Sie breitet sich, wie oben beschrieben, auf die Seitenteile der Keimblase, schliess- lich bis an den antimesometralen Pol hin aus, so dass man zu- letzt (Figur 12, Tatel XVI und folgende) ein viscerales, die Ober- fläche des Eicylinders überziehendes Blatt unterscheiden kann, das grösstenteils von cylindrischen Zellen gebildet wird und selbst durch feine Spalten sich von den übrigen Zellen des Eicylinders abgegrenzt, und ein unvollständiges parietales aus mehr platten, unregelmässig gestalteten Zellen gebildetes. Es zeigt sich dann ferner, dass vom Stadium der Figur 14 an diejenigen Zellen des visceralen Blattes, welche die (antimeso- metrale) Kuppe des Eicylinders bedecken, abgeplattet, die Zellen aber, welche die Seitenteile des Eicylinders bedecken, hoch- eylindrisch sind. Meine Voruntersucher, (Robinson schliesse ich aus oben bereits angegebenen Gründen aus) haben diese Zelllage entweder in ihrer Gesamtheit als Entoderm bezeichnet (Duval (7) distales — parietales, proximales — viscerales, Jenkinson (8) oder nur das viscerale Blatt [Selenka (12, 13)]. Das parietale Blatt nennt Selenka Zellen, die den Dottersack formieren. Duval vollends unterscheidet schon an den jüngsten von ihm beobachteten Keimblasen einzelne Zellen als Entoderm (siehe oben p. 306) Dementsprechend betrachten auch meine Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 321 Voruntersucher die von mir hier besprochenen Stadien der Ent- wicklung der Maus mehr oder weniger direkt als Gastrulations- stadien, nur Jenkinson nimmt in dieser Beziehung eine sehr reservierte Stellung ein und glaubt, dass ein direkter Vergleich der betreffenden Entwicklungsvorgänge der Säugetiere mit denen niederer Vertebraten erst möglich sei, wenn deutlich erkennbare Vergleichspunkte, wie etwa das Amnios, fertig gebildet vorliegen. Haben nun meine Voruntersucher mit ihrer Auffassung Recht? Ich glaube nein. Natürlich lehrt die weitere Entwicklung der (in den von uns hier besprochenen Stadien) erkennbaren Differenzierungen erst die definitive Bestimmung erkennen. Aber ‚auch diese gerade zeigt, dass die Auffassung von Selenka so- wohl wie von Duval eine irrige ist. Deswegen muss ich hier ein wenig auf ältere Entwicklungsstadien vorgreifen. Betrachtet man die von mir oben Dotterentoderm genannte Schicht als Entoderm, so ist alles andere im Ei notwendiger Weise Eetoderm sowie es auch Duval (7) annimmt. Auch Selenka (12, 13) rechnet alles zum Ektoderm, unterscheidet aber Deckschicht und Grundschicht des Ektoderms. Jenkinson (8) nennt die Deckschicht Selenkasmit Hubrecht Trophoblast. Nun lehrt aber die weitere Entwicklung des Eies der Maus, dass aus dem „Ektoderm“ der Autoren eine grosse Anzahl von Bildungen hervorgehen, unter anderen auch solche, die sicher nicht ektodermaler Abkunft sind, wie das gesamte embryonale und ausserembryonale Mesoderm, die Chorda und wahrscheinlich auch Teile des Darmepithels selbst. Will man also nicht annehmen, dass typisch entodermale Bildungen wie die Chorda (vom Darmepithel sehe ich zunächst ganz ab) aus dem Ektoderm entstehen statt aus dem Entoderm, will man aber auch bei Säugern das Mesoderm für eine vom (primären) Entoderm stammende Bildung auffassen, dann muss man zugeben, dass das Ektoderm der Autoren in der Mäuse- keimblase nicht Ektoderm allein ist, sondern dass es Teilen alle drei Keimblätter den Ursprung giebt, dem gesamten Ektoderm und Mesoderm und Teilen des Entoderms. Die Widersprüche, welche in der gesamten Auffassung der Hauptmasse des Eies als Ektoderm liegen, sind auch in letzter Zeit von verschiedenen Autoren, die sich mit der ersten Ent- wicklung der Säugetiere vom vergleichend entwicklungsgeschicht- 322 J. Sobotta: lichen Standpunkt aus beschäftigt haben, nicht verkannt worden. Es wäre doch wohl nun die einfachste Lösung der Schwierig- keiten, wenn man annimmt, dass der Vorgang, welcher zur Bildung derjenigen Schicht, die ich bisher bei der Maus als Dotterentoderm bezeichnet habe, und die sich durch eine Art allmählicher Differenzierung aus einer im übrigen indifferenten Zellmasse herausbildet, dass dieser Vorgang gar keine Gastrulation ist, da er nicht das Resultat einer Gastrulation hat und auch nicht in der Weise verläuft, wie wir eine Gastrulation bei den Amnioten erfolgen sehen. Es haben dann auch einige der neueren Forscher!) endlich mit der alteingewurzelten Vorstellung gebrochen, als müsse die Gastrulation des Säugetiereies etwa ähnlich wie die des Am- phioxuseies auf einer ganz frühen Entwicklungsstufe erfolgen, womöglich das spätere Entoderm und Ektoderm schon während der Furchung erkennbar sein; Vorstellungen, wie sie namentlich Duval beim Fledermausei vertritt. Ich nenne hier nur van Beneden (1) und Bonnet (2). Es hat jedoch auch an Autoren nicht gefehlt, welche die Gebrechlichkeit der früheren Auffassung wohl einsahen, aber vor einem solchen Radikalmittel die Gastrulation der Säugetiere voll- ständig auf ein viel späteres Entwicklungsstadium zu verlegen, anscheinend zurückgescheut sind. So hat Keibel (9), dem wir aus letzter Zeit ausführliche Untersuchungen, namentlich über die erste Entwicklung des Schweines und Rehes verdanken, die Theorie ausgesprochen : die Gastrulation bei den Säugetieren verläuft in zwei Phasen; die erste führt zur Bildung des Darm-Entoderms, die zweite zur Bildung des Chordaentoderms und des Mesoderms. Ich kann mich mit dieser Auffassung von Keibel nicht befreunden. Ganz abgesehen davon, ob man sich überhaupt vorstellen kann, dass ein Prozess, wie es die Gastrulation ist, in zwei durch eine lange Spanne Zeit getrennten Abschnitten ver- laufen kann — ist die erste Phase Keibels überhaupt keine Phase. Erstlich ist der Zeitpunkt garnicht zu definieren, wenn das (von mir als Dotterentoderm bezeichnete) Entoderm ent- steht. Soll man seine Existenz von dem Zeitpunkt an rechnen, !) Ich bemerke nochmals, dass ich hier nicht auf die gesamte Litteratur der ersten Entwicklung der Säugetiere eingehen kann. a U .- er Die Entwicklung des Eies der Maus ete. 323 wo die ersten Zellen der Blastula eine dunklere Färbung an- nehmen oder wenn eine grössere Anzahl Zellen differenziert ist, oder wenn die Zellen sich epithelartig zusammenlegen oder wann ? Zeitlich also lässt sich die erste Gastrulationsphase Keibels bei der Maus schon garnicht bestimmen, angenommen selbst, es seien die Zellen, welche sich differenzieren, Entoderm. Ferner aber verläuft der Prozess der Differenzierung der (Dotter-) Entodermzellen auf eine ganz andere Art und Weise, wie es sonst im Gastrulationsvorgang zu geschehen pflegt. Es kommt weder zu einer Invagination von Zellen noch zu einem ähnlichen, von einer Invagination nur abzuleitendem Vorgange. Demgegenüber macht Keibel zwar darauf aufmerksam, dass es auch bei manchen Wirbellosen eine Gastrulation durch Delamination giebt. Eine solche Delamination sieht dann aber doch immer noch wesentlich anders aus als der geschilderte Vorgang bei der Maus, und es würde die eigentümliche Thatsache vorliegen, dass die erste Gastru- lationsphase in Gestalt eines unbestimmten Delaminationsvorganges sich vollzieht, wie wir ihn sonst nirgends bei Wirbeltieren finden, die zweite in Gestalt einer deutlich erkennbaren Invagination. Dabei habe ich angenommen, dass die fragliche Schicht der Mäusekeimblase das Darmentoderm ist, wie es Keibels Theorie verlangt. Nun sehe man sich z. B. meine Figur 15, Tafel XV an. Die fragliche Schicht (in Betracht kommt zunächst nur das viscerale. Blatt) ist an den Seitenflächen des Eicylinders hoch- cylindrischh am antimesometralen Pole aber stark abgeplattet. Die Stelle der Embryonalbildung ist nun aber der letztere Punkt; im ganzen Bereiche des hohen (Dotter-) Entoderms bildet der Eieylinder Eihäute. Wenn also die Schicht, welche sich in der beschriebenen Weise frühzeitig vom übrigen Teil des Eies diffe- renziert, das Darmentoderm wäre, so wäre es doch wunderbar, warum es an der Stelle des späteren Darms nur ganz rudimentär, an den anderen Stellen hochentwickelt sich fände. Diese Er- wägungen sind es, welche mich verhindern, mich der Keibel’schen Hypothese von einer in zwei Phasen verlaufenden Gastrulation anzuschliessen. Ich betrachte die Ausbildung des Dotterektoderms auf dem Stadium der Blastula des Mäuseeies für eine starke caenogene- tische Verschiebung, welche in der Reihe der Wirbeltiere durch- aus nicht ohne gleichen ist. Sowohl bei Reptilien wie bei 294 J.So-botta! Vögeln findet sich unter der Zellschicht, in der und von der aus die Gastrulationsvorgänge erfolgen, bereits vor Eintritt der Gastrulation eine Zelllage differenziert, welche Teile des Entoderms jedenfalls des Dotterentoderms liefert. Ob aus diesen nicht durch einen typischen Gastrulationsvorgang entstandenen Zellen auch Darmepithel bei den Reptilien wird, ist jedenfalls noch nicht sicher entschieden. Keibel (9) ist deswegen auch geneigt, die Lehre von der Gastrulation in zwei Phasen auch auf die Reptilien zu übertragen. Aber nicht bloss bei Sauropoiden sehen wir vor Eintritt der Gastrulation einen Teil des Entoderm auf einen caenogene- tischen Wege differenziert, sondern auch bei so sehr primitiven Wirbeltieren, wie es die Selachier sind. Der Gastrulationsvorgang derSelachier ist ja ein durchaus klarer und unbestrittener. Wir sehen, dass er das ganze embryonale (Darm-) Entoderm liefert. Trotzdem entsteht ein Teil des Entoderms und zwar des Dotter- sackentoderms oder -epithels durch einen ganz ähnlichen Vorgang wie bei Sauropoiden vor Eintritt der Gastrulation, eine Erschei- nung, die jedem bekannt ist, der die Selachiergastrulation kennt. Besonders deutlich ist die Erscheinung bei Torpedo. Es würde mich hier weit vom Ziele meiner Darstellung abführen, wollte ich auf die Einzelheiten des Vorgangs eingehen. Ich will nur kurz andeuten, dass es nichts ungewöhnliches ist, dass ein Teil des Entoderms auch unabhängig vom Vorgang der Gastrulation selbst bei primitiven Vertebraten entsteht. Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass bei den durch phylogenetische Vorgänge (Dottererwerb und -Verlust) und äussere Umstände stark abgeänderten Gastrulationserscheinungen des Säugetiereies, die Bildung des Entoderms noch stärker abgeändert erscheint als bei tiefer stehenden Vertebraten. Ich glaube den richtigen Weg in dieser Frage zu gehen — und ich werde den- selben in einer späteren Veröffentlichung noch weiter verteidigen — wenn ich den überaus klaren Darstellungen von Bonnet (2) für das Hundeei folge. Bonnet unterscheidet das durch Gastrulation entstehende Protentoderm von dem caenogene- tischen Dotterblatt. In den oben beschriebenen Stadien der Entwicklung des Eies der Maus wird also nach meiner Auffassung kein Protento- derm, sondern nur das Dotterblatt gebildet, Verhältnisse, auf Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 325 die ich, wie gesagt, in einer späteren Publikation zurückzukommen haben werde. Man wird natürlich die Frage stellen, warum differenziert sich dann das Dotterblatt oder -entoderm schon vor der Gastru- lation? Für diese an und für sich ja auffällige Erscheinung giebt es nun auch eine durchaus befriedigende Erklärung. Es ist das eine Erscheinung, die allen meinen Voruntersuchern ent- gangen ist und die doch eine wichtige Rolle nicht bloss für die Ernährung des Eies spielt, sondern auch indirekt auf den Aufbau des Eies zurückwirkt. Es handelt sich um die im obigen (p. 303) beschriebene Thatsache der Blutresorption, der Aufnahme mütterlichen Haemo- globins durch die Zellen des Dotterentoderms. Wie schon Jenkinson (8) richtig angiebt, bilden die beiden Lagen des Dotterentoderms (parietales und viscerales) die Wandung des Dottersackes der Maus, der keine Kugelform hat, sondern von dem Eieylinder eingestülpt wird. Die ehemalige Keimhöhle des Eies wird also durch die allmähliche Ausbreitung der parietalen Dotterentodermzellen zur Dottersackhöhle. Die- selbe enthält zwar keinen Dotter, wohl aber eine andere Nahrungssubstanz, welche das Ei in Ermangelung von Dotter den mütterlichen Geweben entnimmt, nämlich Blutkörperchen, beziehungsweise Haemoglobin. Die Zellen des visceralen Blattes haben alle Charaktere der Dottersackepithelien der Selachier, Reptilien und Vögel, nur dass sie an Stelle des Dotters Vacuolen im Protoplasma haben. | Erst nach „Verdauung“ mütterlichen Blutes durch den Dottersack erhält das Ei der Maus die nötige Nahrungszufuhr, um stärker und schneller wachsen zu können. Es steht das Mauseei in dieser Beziehung nicht allein da; kürzlich erst hat Selenka (14) das gleiche von Affenkeimblasen beschrieben. Schon länger bekannt ist das gleiche Verhalten bei anderen Säugern [vergl. Bonnet (3) p. 6 und 7). Bei der Maus hat Selenka ebenso wie meine anderen Voruntersucher die Blut- resorption übersehen (nur Duval sah miütterliche rote Blut- körperchen in den Lacunen des Ectoplacentarconus). Die Thatsache, dass die Keimhöhle des Säugetiereies direkt zur Dottersackhöhle wird, kann nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass das Säugetierei ein ursprünglich dottereiches Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 22} 326 J. Sobotta: meroblastisches Ei war, wie es noch heute die Eier der niederen Säugetiere sind. Führt man z. B. die Blastula eines Mäuseeies auf die eines Monotremen zurück, so ist die mesometrale Zell- verdickung der gefurchten „Keimscheibe“ des Monotremeneies gleich, der dünnwandige einzellige Teil der Keimblase dagegen dem ungefurchten Dotter. Man muss sich also den grössten Teil der Keimhöhle des Eies der Maus hypothetisch mit Dotter erfüllt denken und nur einen kleinen Teil als wirkliche Keim- höhle. Wie ich schon oben angab, muss man nach der Auffassung der Keimblase der Maus — denn alle hier beschriebenen Stadien fallen alsdann noch unter den Begriff der Blastula — alle andern Teile der Keimblase als eine noch indifierente Zellmasse auffassen, nicht als Ektoderm. Denn aus ihr gehen das em- bryonale und ausserembryonale Ektoderm und das Protentoderm, also insbesondere Mesoderm und Chorda hervor. Es besteht also aus dieser indifferenten Zellmasse der ganze Eicylinder (bis auf das Dotterentoderm, aber mit dem Ectoplacen- tarconus) und die äussere Begrenzungshaut der Keimblase mit den Riesenzellen. Es ist also ganz unrichtig zu sagen, die letzteren seien Ektoderm.. Sie stellen nach Eintritt und nach Ablauf der Gastrulation und Bildung des Protentoderms (Meso- derms und der Chorda) eine durchaus indifferente Zellmasse dar, welche von den Vorgängen der Gastrulation durchaus unberührt bleibt. Hubrecht hat vorgeschlagen, diesen Zellen den Namen Trophoblast zu geben, der auch von anderer Seite, u. a. neuerdings auch von Selenka (14), acceptiert worden ist. Ich fürchte, dass man durch Einführung zu vieler „Blasten“, deren es schon genug giebt, mehr Verwirrung anrichtet als Klarheit schafft. Die Bildung des Ecetoplacentarconus ist eine den höheren Säugetieren eigene, und seine Entstehung wird durch Anpassungsverhältnisse des Eies an die Uteruswand bedingt. Er ist also eine durchaus caenogenetische Bildung, für die wir kein Homologon bei Sauropsiden oder niederen Vertebraten finden. Die übrigen indifferent bleibenden Teile der Keimblase der Maus, die äussere Begrenzungshaut (mit den Riesenzellen) bilden ja anfänglich die (zellige) Wand der Blastula. Vergleicht man sie dem Sauropsiden-, speziell Reptilienei, so wird sie der Um- Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 327 wachsungshaut dieser vergleichbar, mit dem Unterschied, dass wegen Mangels an Dotter der vegetative (antimesometrale bei der Maus) Pol zellig begrenzt ist. Die Umwachsungshaut des Sauropoideneies hat denselben indifferenten Charakter und ist nicht etwa, wie Keibel (9) behauptet, ein Teil des Urmundes. Die Riesenzellen der Mäusekeimblase sind eigentümliche Bildungen, deren Funktion wohl in zwei Richtungen zu suchen ist. Frstlich scheinen sich diese Zellen der äusseren Begrenzungs- haut der Keimblase zu ihrer starken Grösse auszubilden, um als Haftorgane der Keimblase zu dienen (siehe oben p. 303 und Figur 16, Tafel XVII) und diese in situ zu erhalten, ferner darf man ihnen wohl (das ist aber nur eine Vermutung von mir, die sich nicht auf direkte Beobachtungen stützt) die Funktion zu- schreiben, dass sie die mütterlichen Capillaren arrodieren und so die Blutextravasate erzeugen, welche für die Ernährung des Eies bis zum Eintritt einer noch vollkommeneren Ernährungsweise durch die Placenta eine so grosse Rolle spielen. Uebrigens wird auch vom Ende des siebenten Tages nach der Befruchtung an. mütterliches Gewebe eingeschmolzen. Der Platz, den die Keimblase durch ihre Dehnung dem wachsenden Eieylinder gleichsam reserviert hatte, reicht nun nicht mehr aus und es setzt ein eigentümlicher Auflösungsprozess der Decidua namentlich am antimesometralen Eipol ein, wo man nicht nur stark abge- plattete relativ kleine Deciduazellen findet, sondern auch direkt in Degeneration begriffene Kerne. Ich habe noch die Bedeutung einer Erscheinung am Ei- cylinder der Maus hier zu besprechen. Es handelt sich um die eine Zeit lang (6. und 7. Tag, Figur 10—13, Tafel XV) sicht- bare Zweiteilung des Eieylinders und um das dementsprechend häufig getrennte Auftreten der später gemeinsamen Proamnios- höhle. Es ist dies Verhalten zwar nicht immer sehr ausgeprägt, aber meist doch recht deutlich erkennbar, so dass von Zufällig- keiten hier keine Rede sein kann. Wie hat man aber die Er- scheinung zu deuten, wie kommt es, dass sich eine solche Trennung anbahnt, um nachher wieder zu verschwinden ? Ich glaube, dass hier nur die Entwicklungsvorgänge des Meerschweincheneies im Stande sind, Aufklärung zu geben. Die dem Eicylinder der Maus entsprechenden Teile des Meer- schweincheneies (vergl. Selenka [13] und Duval [7]) werden 22 328 i J. Sobotta: durch einen weiten Zwischenraum getrennt; der eine Teil liegt am mesometralen, der andere am antimesometralen Ende der Keimblase. Beide sind zunächst solide Zellhaufen. In beiden tritt dann gesondert eine Höhlung auf, im mesometralen die sogenannte Ectoplacentarhöhle, im antimesometralen die Amnios- höhle. Beim Ei der Maus kommt es nun bloss zu einer vorüber- gehenden Trennung beider Höhlen (bevor die definitive Trennung erfolgt), und die beiden Hälften des Eicylinders trennen sich nie ganz voneinander wie beim Meerschweinchen. Damit ist die grosse Kluft zwischen den ersten Entwicklungvorgängen der Keimblase des Meerschweinchens und denen der Maus über- brückt. Es wäre nun zum Schluss möglich, auf die Vergleichung der verschiedenen Vorgänge der Keimblattinversion, des Modus der Amniosbildung etc. bei den der Maus nahestehenden Säugern einzugehen. Das Wesen der sogenannten Blattinversion ist ja wohl als bekannt vorauszusetzen. Dass es keine für die Entwick- lung gewisser Säuger besonders auffällige Erscheinung ist, wie man früher annahm, sondern dass alle Uebergänge zu der flachen blattartigen Ausbreitung des Keimfeldes, wie wir sie beim Kaninchen sehen, vorkommen, ja dass sogar die „Blattinversion“ vielleicht der primäre Vorgang ist, das hat van Beneden (Il) kürzlich in einer sehr klaren Weise auseinandergesetzt. Ich gehe deswegen auf diesen Punkt ebenso wenig wie auf die Ur- sachen der Blattinversion jetzt ein und werde in einer späteren Veröffentlichung Gelegenheit haben, auf diese Verhältnisse zurück- zukommen. Litteraturverzeichnis. 1. van Beneden, E., Recherches sur les premieres stades du d&veloppe- ment du Murin (Vespertilio murinus). Anat. Anzeiger. Bd. XVI. 1899. 2. Bonnet, R., Beiträge zur Embryologie des Hundes. Erste Fort- setzung. Anat. Hefte. H. 51. (Bd. XVI, H. 2) 1901. 3. Derselbe, Ueber Embryotrophe. Deutsch. Medizin. Wochenschrift. No. 45. 1899. 4. Burckhard, G. Die Implantation des Eies der Maus in die Uterus- schleimhaut etc. Archiv f. mikr. Anat. Bd. LVII. 1901. 5. Christiani. H., L’inversion des feuillets blastodermiques chez le rat albinos. Archiv de phys, normal et path. Ser. V. T. IV. No.1. 189. Die Entwicklung des Eies der Maus etc. 329 6. d’Erchia, F., Ueber die Einbettung des Eies und die Entwicklung und den Bau der Allentois- und Dottersackplacenta bei der weissen Maus. Zeitschr. f. Geburtshilfe und Gynaecologie. Bd. XLIV. H.3. 1901. 7. Duval, M., Le Placenta des Rongeurs. Paris. 1892. (In einzelnen Abteilungen von 1889 an erschienen.) 8. Jenkinson, J. W., A Re-investigation of the Early Stages of the Development of the Mouse. Quart. journ. of mier. science. Vol. XLIH. 1900. 9. Keibel, F., Die Gastrulation und die Keimblattbildung der Wirbel- tiere. Ergebn. d. Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. X. 1901. 10. Kupffer, C., Das Ei von Arvicola arvalis und die vermeintliche Um- kehr der Keimblätter an demselben. Sitzungsber. d. k. bair. Akad. der Wissensch. H. V. 1882. 11. Robinson, A., Observations upon the Development of the Segmen- tation Cavity, the Archenteron, the Germinal Layers and the Amnion in Mammals. Quart. journ. of mier. sc. Vol. XXXIII. 1892. 12. Selenka, E., Studien über Entwicklungsgeschichte der Tiere. H. 1, Keimblätter und Primitivorgane der Maus. Wiesbaden. 1883. 13. Derselbe, dasselbe. H. 3. Die Blätterumkehr im Ei der Nagetiere. Wiesbaden. 1884. 14. Derselbe, Die Placentaranlage des Lutung. Sitzber. d. path. phys. Classe d. kgl. bair. Akademie d. Wissensch. H.1. 1901. 15. Sobotta, J., Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XLV. 189. 16. Graf Spee, F., Die Implantation des Meerschweincheneies in die Uteruswand. Zeitschrift für Morphol. und Anthropol. Bd. III. H. 1. 1901. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV— XV. Die Figuren 1—15 stellen mediane Längsschnitte von Keimblasen der Maus dar. Alle sind so orientiert, dass der mesometrale Pol unten, der antimesometrale Pol eben steht. Bis auf die Figuren 2, 3 und 8 sind alle Keimblasen in situ nebst angrenzender Uteruswand dargestellt. Für alle Figuren giltige Bezeichnungen: bl = Blutkörperchen, bl’ = Bluterguss, dee — Decidua, deck = zer- fallende Deceiduakerne, den —= Dotterentodermzellen, den = zerstrente Dotter- entodermzellen, denp — Dotterentoderm parietales Blatt, denv — Dotter- entoderm viscerales Blatt, dh — Dottersackhöhle, kh — Keimhöhle, rz = Riesenzellen, ten = äussere Lage der Keimblase, ue — Uterusepithel, uer — Reste vom Uterusepithel, ul = Uteruslumen. Fig. 1. Ei der Maus aus der zweiten Hälfte des vierten Tages nach der t Befruchtung. 450:1. Fig. 2. Keimblase der Maus vom Ende des vierten Tages nach der Be- fruchtung. 450:1. 330 Fig. 3 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. oO 16. 47. J. Sobotta: Die Entwicklung des Eies der Maus etc. Keimblase der Maus vom Anfang des fünften Tages nach der Be- fruchtung. 450:1. Keimblase der Maus aus der ersten Hälfte des fünften Tages nach der Befruchtung. 450:1. Keimblase der Maus vom Ende des fünften Tages nach der Be- fruchtung. 300:1. Keimblase der Maus aus der ersten Hälfte des sechsten Tages nach der Befruchtung. 300:1. Keimblase der Maus aus der zweiten Hälfte des sechsten Tages nach der Befruchtung. 300:1. Teil der Keimblase der Figur 6. 450:1. Keimblase der Maus aus der zweiten Hälfte des sechsten Tages nach der Befruchtung. 300:1. . Keimblase der Maus vom Ende des sechsten Tages nach der Be- fruchtung. 300 :1. . Keimblase der Maus vom Anfang des siebenten Tages nach der Be- fruchtung. 300:1. . Keimblase der Maus aus der ersten Hälfte des siebenten Tages nach der Befruchtung. 300:1. . Keimblase der Maus aus der Mitte des siebenten Tages nach der Befruchtung. 300:1. . Keimblase der Maus vom Ende des siebenten Tages nach der Be- fruchtung. 225:1. . Keimblase der Maus vom Anfang des achten Tages nach der Be- fruchtung. 225:1. Teil des antimesometralen Endes einer Keiee der Maus vom Anfang des achten Tages nach der Befruchtung. 750:1. Teil der seitlichen Wand einer Keimblase der Maus vom Anfang des achten Tages nach der Befruchtung. 750:1. Malariastudien. Zweite Mitteilung: Zur Morphologie des Tertianparasiten (Plasmodium vivax Gr. et Fel.) Von P. Argutinsky. Hierzu Tafel XVII. Untersuchungsmethode. Vergleicht man die allbekannten Darstellungen der Dauer- präparate von Malariaparasiten mit den Abbildungen, welche die nahe verwandten Coceidien unter möglichster Erhaltung der Lebensform und Struktur darstellen, so ist man geradezu erstaunt über die bei der üblichen Untersuchungsmethode an den Malaria- parasiten hervorgerufenen Schädigungen. Diese letzteren werden ohne Frage durch zwei Umstände bedingt: hauptsächlich durch die der Fixierung vorhergehende Eintrocknung der Blutausstriche und zum Teil auch durch die Fixierung in Alkohol-Aether, resp. in Alkohol. Schon vor einer Reihe von Jahren hat Richard Pfeiffer (1) bei einem den Malariaparasiten verwandten Zellschmarotzer — dem Coceidium euniculi Riv — nachdrücklich vor Eintrock- nung der noch nicht fixierten Objekte gewarnt und auf die dadurch hervorgerufenen bedeutenden Schädigungen hin- gewiesen. Mit Recht betonte er, dass hierbei nur „Karrikaturen der natürlichen Verhältnisse“ erhalten werden. Ganz derselben Ansicht waren auch alle späteren Coceidien- forscher. So sagt z.B. M. Siedlecki (2): „La structure des coceidies est profond&ement modifice quand ces organismes ont et& dessöches avant d’etre fixes, il faut done eviter avec soin cette grande cause d’erreur.“ Beim Studium der Malariaparasiten hat man aber diese nachdrücklichen Warnungen nur selten. beachtet und die Dauer- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 23 334 P. Argutinsky: präparate derselben sind, soweit mir bekannt, nur in den wenig- sten Fällen und zwar von einigen Zoologen durch Fixierung des flüssigen nicht eingetrockneten Blutes, von den Medizinern dagegen fast stets nach Eintrocknung des Blutausstriches ge- wonnen worden. Wir werden im Folgenden sehen, dass gerade diesem Um- stande — der Fixierung des Malariablutes erst nach dessen Eintroecknung — manche irrige Ansichten über die Malariapara- siten ihre Entstehung verdanken. Da die Schädigungen der Malariaparasiten um so beträcht- licher sind, je langsamer die Eintrocknung der Blutausstriche vor sich geht, so bedeutet die in letzter Zeit in Aufnahme gekommene Methode der Gewinnung möglichst dünner trockener Ausstriche nach Janczo und Rosenberger (3) bereits einen Fortschritt, denn bei dieser trocknet das Blut bei Zimmer- temperatur in wenigen Sekunden; aber auch dieser Methode haften natürlich die Nachteile der Eintrocknung des Blutes vor der Fixierung an. Ganz abgesehen von Schädigungen durch Eintrocknung ist auch die übliche Fixierung des Malariablutes in Alkohol resp. in Alkohol-Aether als wenig geeignet zu bezeichnen, weil, wie be- reits mehrfach hervorgehoben wurde |so z. B. von Tellyes- niczky (4).|, der Alkohol ein schlechtes Fixierungsmittel für Zellkerne ist. Deshalb ist die Fixierung der trockenen Malariablutaus- striche in wässriger Sublimatlösung [Kruse (5)] und die Fixierung des nach Janczo und Rosenberger ausgestrichenen und getrockneten Malariablutes in Sublimatalkohol [Argutinsky (6)] dem üblichen Verfahren überlegen. So erlaubte die Sublimat- alkoholmethode manche feinere Vorgänge in den Parasitenzellen zur Darstellung zu bringen, die nach der Alkoholfixierung nicht beobachtet werden konnten. Zwar ist bei Sublimatalkohol die Fixierung der Malariaparasiten und die elective Färbbarkeit ihrer Zellelemente eine vorzügliche, aber dass dabei bereits ein- getrocknetes Blut fixiert wird, das ist das Mangelhafte auch bei diesem Verfahren. Will man Lebensform und Struktur im Kern und Proto- plasma der Malariaparasiten erhalten und zur Darstellung bringen, Malariastudien. 333 so ist das somit nur durch Fixierung ganz frischen flüssigen Blutes möglich. Die Erreichung dieses Zieles aber — was Blutaus- striche betrifft -—— ist mit nicht wenigen Schwierigkeiten ver- knüpft, namentlich wenn man eine einfache leicht anwendbare Methode im Auge hat. Eine gute Fixierung der Ausstriche von flüssigem, nicht eingetrocknetem (Malaria-) Blut in einer Flüssigkeit ist über- haupt weit schwieriger, als z. B. die Fixierung der nicht einge- trockneten Ausstriche einer Aufschwemmung von beliebigen (wewebszellen; vor Allem wegen der grossen Elastizität der Erythrocyten, dann aber wegen der an frischen, feuchten, nicht angetrockneten roten Blutzellen so leicht durch Ein- wirkung anisotonischer Lösungen eintretenden Formveränderung (Schrumpfung resp. Aufquellung). Dieser letzte Umstand hat zur Folge, dass Flüssigkeiten, die sich vortrefflich zur Fixierung des trockenen Malariablutes eignen, so wenig für frische flüssige Blutausstriche taugen. Dazu kommen noch die bedeutenden Adhaesionserscheinungen, die bei Fixierung der flüssigen Blutausstriche stets beobachtet werden und sehr störend sind. Wenn nämlich beim vorsichtigen Eintauchen oder Einfallenlassen des horizontal gehaltenen flüssigen Malariablutausstrichpräparates in die Fixierflüssig- keit zuerst, wie es gewöhnlich der Fall und nur schwer zu vermeiden ist, eine Stelle dieses Ausstriches mit der Fixier- flüssigkeit in Berührung kommt, so entsteht, von hier ausgehend, ein in einem Ruck erfolgender Anprall, Anschlag der oberen Schicht der Fixierflüssigkeit längs der ganzen unteren mit Blut bestrichenen Fläche des Deckglases. Hierbei zeigt sich der dem Glase anhaftende dünne flüssige Blutausstrich so wenig verschiebbar, so wenig beweglich, dass die elastischen roten Blutkörperchen, noch ehe sie fixiert sind, durch den Anprall der Fixierungsflüssig- keit, dem sie nicht folgen können, gedehnt, ausgezogen und verunstaltet und so in abenteuerlichen Gestalten fixiert werden. Sie werden dadurch wenig brauchbar zum Studium der sie be- wohnenden Parasiten. Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, alle diese Schwierig- keiten ganz zu umgehen‘; es ist mir weder mit der kalten noch mit der heissen alkoholischen oder wässerigen Sublimatlösung möglich gewesen, eine handliche, zuverlässige Methode der 23% 334 P. Argutinsky: Fixierung für nicht eingetrocknete flüssige Ausstriche des mensch- lichen Malariablutes zu gewinnen, wenn ich auch hie und da manches taugliche Präparat erhalten habe. Ich bedaure das umsomehr, als die Färbbarkeit der mit Sublimat, resp. mit Sublimatalkohol fixierten Malariaparasiten, besonders ihrer Kerne eine ganz vortreffliche ist, vor allem weil die Sublimatfixierung bei denjenigen Sporozoa, bei denen sie sich überhaupt anwendbar erweist, eine vorzügliche Erhaltung nicht allein der Lebensform, sondern auch der Struktur bewirkt |Schaudinn (7)]. Nach fast vergeblichen Bemühungen mit sublimathaltigen Flüssigkeiten habe ich versucht, die frischen flüssigen Malaria- ausstriche mit einem dampfförmigen Medium zu fixieren. Das. in letzter Zeit so vielfach zur Fixierung des Blutes gebrauchte Formalin giebt auf ganz frische flüssige Malaria- blutausstriche, in Dampfform angewandt, zwar eine vorzügliche Fixierung der Blutelemente, aber ich konnte danach auf keine Weise mit Eosinsodamethylenblaugemischen schöne elective Färbungen der Parasiten (namentlich nicht ihrer Kerne) erhalten; deshalb habe ich alle weiteren Versuche nur mit Osmiumsäure- dämpfen angestellt. Schon die ersten Versuche lehrten, dass Osmiumsäuredämpfe ausser den Blutelementen auch Malariaparasiten sehr gut fixieren; letztere zeigen aber hiernach eine ganz geringe Tinc- tionsfähigkeit ihrer Kerne. Um diesem Uebelstande zu begegnen, war es durchaus not- wendig, die so fixierten Malariablutausstriche vor der Färbung mit einem sauerstoffabgebenden Mittel, am besten mit einer wässerigen Wasserstoffsuperoxydlösung, zu behandeln und hiernach sorg- fältig mit Wasser auszuwaschen. Das blosse Auswaschen mit Wasser (ohne Wasserstoffsuperoxydbehandlung), wie es für in Osmiumdämpfen fixierte Objekte allgemein empfohlen wird, genügt hierzu nicht. Auch habe ich es vorteilhaft gefunden, der zur Räucherung dienenden Osmiumsäurelösung eine Spur Essigsäure hinzuzu- setzen.!) 2) Unumgänglich notwendig ist der Zusatz der Essigsäure nicht. Die einzige Angabe, die ich in der mir zugänglichen Literatur über eine Ver- Malariastudien. 335 Für eine erfolgreiche Fixierung und gute nachträgliche Färbung der Plasmodien ist es ausserdem vorteilhaft, dass die Räucherung nur kurze Zeit dauert und in einem abgeschlossenen Raume vorgenommen wird, und dass der flüssige Blutausstrich nahe an die Oberfläche des Osmiumessigsäuregemisches zu liegen kommt. Unter Einhaltung aller dieser Bedingungen kann- man die (Juantität des Osmiumessigsäuregemisches und auch die Stärke der Osmiumlösung und sogar die geringe Menge der zur Osmiumsäure zugesetzten Essigsäure etwas variieren ohne irgend welchen Schaden für die Resultate. Die Fixierung wird folgendermassen vorgenommen: In eine Petrischale (9 em im Durchmesser und 1 cm Höhe) wird ein kleines niedriges Uhrglas (Durchmesser 5- 6 cm) gestellt, das etwa 6 bis 10 Tropfen des Osmiumessigsäurege- misches enthält. Dieses wird bereitet, indem man zu 2 ccm einer vorrätig gehaltenen 4 prozentigen wässerigen Osmiumsäure- lösung 1 Tropfen 50 prozentiger Essigsäure unmittelbar vor dem Gebrauch zusetzt und gut mischt. Auf das Uhrgläschen kommt der eben nach Janczo und Rosenberger mit Malariablut bestrichene Objektträger (mit der noch flüssigen Blutschicht nach unten) zu liegen und zwar möglichst schnell. Gleich darauf wird eine andere etwas grössere Petrischale über die erste ge- deckt, und so der Räucherungsraum abgeschlossen. Der Blutausstrich bleibt eine halbe Minute auf dem Uhr- gläschen den Dämpfen des Osmiumessigsäuregemisches ausgesetzt. Bei der Herausnahme ist er noch flüssig; nur an seinen Rändern zeigt sich manchmal ein schmaler bereits trockener Saum. Man lässt nun den flüssigen aber bereits fixierten Blutausstrich an der Luft bei Zimmertemperatur in wenigen Sekunden trocken werden. Erst nach der Herausnahme des ersten Objektträgers aus der Glasdose wird ein zweiter mit Blut ausgestrichen und so- wendung von Osmiumessigsäuregemisch gefunden habe, stammt von Gilson. In der im Jahre 1885 in der Cellule, Tome I, erschienenen Arbeit (9) sagt er auf Seite 96: „La membrane de ces colonies (de cellules spermatiques) est toujours extr&mement mince. Il est utile pour la mettre en &vidence de faire agir sur la preparation les vapeurs degagees d’un melange d’acide osmique et d’acide acötique glacial, pendant une minute.“ Weiteres darüber wird nicht erwähnt. 336 P. Argutinsky: gleich in derselben Weise, wie der erste, behandelt. Ganz ebenso verfährt man mit den folgenden Objektträgern, sodass mit den wenigen Tropfen des Osmiumessigsäuregemisches etwa 20 und mehr Präparate fixiert werden können, was bei einiger Uebung weniger als eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Zum Zweck der Oxydierung und Wegschaffung des Osmiums aus dem fixierten Blutausstrich wird, womöglich noch an dem- selben Tage (oder auch am folgenden) auf die Blutschicht des Objektglases eine offizinelle (einige prozent starke) wässerige Wasserstoffsuperoxydlösung aufgeträufelt, bis die Blutschicht ganz bedeckt ist. Nach 5—10 Minuten lässt man die Lösung ablaufen und stellt das Objektglas auf etwa 15 Minuten in ein Glas mit destilliertem Wasser, das einmal erneuert wird. Darauf wird das Objektglas zwischen Filtrirpapier abgetrocknet und gefärbt. Die Färbung wurde ausschliesslich mit einem Gemische von l prozentigem Sodamethylenblau und 1 prozentigem Fosin unter nachfolgender Differenzierung mit angesäuertem Alkohol vor- genommen. Indem ich für die Vornahme der Färbung auf meine „Malariastudien“ im 59. Bande dieses Archives verweise, muss ich erwähnen, dass wegen der geringen Tinctionsfähigkeit des Chromatins der in Osmiumdämpfen fixierten Malariapräparate es durchaus notwendig ist, zu den Farbmischungen nur eine sehr stark färbende ältere, d. h. lange bei Zimmertemperatur im diffusen Tageslichte gereifte 1 prozentige Sodamethylenblau- lösung — mindestens über 3 Monate alt — zu gebrauchen und ebenso auch die Färbung selbst bedeutend länger, als bei Suplimatfixierung, dauern zu lassen. Solches Sodamethylenblau ist während vieler Monate zur Färbung brauchbar und ich habe vorzügliche Resultate sogar mit Sodamethylenblaulösungen erhalten, die gegen ein Jahr im Zimmer gestanden hatten.') Die Färbung dauert etwa eine halbe bis 1 Stunde und darüber, je nach der Färbkraft des Eosinsodamethylenblauge- misches. Darauf folgt die Differenzierung, von deren richtiger :) Nur unter genauer Einhaltung bestimmter Bedingungen können, statt der alten, auch die ein paar Tage im Wärmeschrank oder direkt in der Sonne gereiften Sodamethylenblaulösungen dazu verwendet werden, Aber diese sind nur während weniger Tage brauchbar und dann wieder von neuem zu bereiten. Genauere Angaben darüber behalte ich mir für später vor, wenn die betreffenden Versuche abgeschlossen sein werden. Malariastudien. 337 Handhabung (bei guter Farbflüssigkeit und richtiger Färbdauer) das ganze Gelingen der Färbung abhängt. So bedeutend auch die Vorteile der Fixierung lebender Malariaparasiten durch Osmiumdämpfe sind, weil hierbei die Er- haltung der Lebensform des Protoplasmas und des Kernes er- möglicht wird, so vortreffliich auch diese Methode für die Jüngsten und für alle amöboiden Stadien der Plasmodien ist, so muss man bei ihr gegenüber der Sublimatfixierung doch einstweilen einen empfindlichen Nachteil verzeichnen, den zu beseitigen mir später hoffentlich gelingen wird. Die Fixierung der Malariaparasiten in Osmiumdämpfen giebt nämlich einen ganz ungenügenden Aufschluss über die Kernstruktur. In den Stadien des Tertianparasiten, in denen die Kernstruktur manifest wird und durch Sublimatfixierung so- gar getrockneter Blutausstriche zur Darstellung gebracht werden kann (so z. B. bei erwachsenen Parasiten und in gewissen Stadien der Schizogonie), wird sie durch die oben beschriebene Osmium- methode meist ganz unvollkommen oder gar nicht sichtbar. Zwar werden auch bei der Osmiummethode die charakte- ristischen strahligen Kerne der sich teilenden Schizonten gut wiedergegeben, hie und da auch das Karyosom einigermassen zur Darstellung gebracht, aber von der mitotischen Struktur gewisser Stadien der Schizogonie ist gar nichts zu sehen.') Wo es sich also um das Studium der Kernstruktur des Malaria- parasiten handelt, da ist, wie schon gesagt, die Sublimatfixierung der trockenen Blutausstriche dieser Methode überlegen, sonst aber bietet die einfache und bequeme Osmiummethode für die Erhaltung der Lebensform des Parasiten in Kern und Proto- plasma Vorzügliches und ist nicht allein für morphologische Studien, sondern gewiss auch für klinische Zwecke mit grossem Vorteil zu verwenden. Im folgenden werde ich erst die unpigmentirten jüngsten Stadien, dann die pigmentirten amöboiden unreifen Parasiten, endlich die reifen Gameten besprechen ») Es wäre noch zu versuchen, ob durch Abänderung der Osmium- methode und mit der Benda-Heidenhain’schen Färbung oder mit verdünnter Hämatoxylinlösung nicht auch die Kernstruktur zur Darstellung gebracht werden könnte. 338 P. Argutinsky: I. Jüngste unpigmentierte Stadien des Tertianparasiten. Behandelt man mit Osmiumdämpfen flüssige Blutausstriche, welche einem Kranken mit typischem Tertianfieber während oder bald nach dem Anfall entnommen sind, so bekommt man ein klares Bild von der Form, dem Aussehen und den tinctoriellen Eigentümlichkeiten der im lebenden Zustande fixierten jüngsten unpigmentierten Parasiten, ein Bild das recht verschieden ist von dem, welches erst nach nach der Eintrocknung fixiertes Malariablut giebt. Die jüngsten Stadien treten in zwei Hauptformen auf: 1. als mehr oder weniger runde kleine Gebilde, 2. als allerver- schiedenste kleine amöboide Formen, manchmal von bizarrer Gestalt. Beide besitzen, abgesehen von ihrer Form, gleiche Charaktere in Kern und Protoplasma. Der Kern ist auffallend gross, meist ganz kreisrund, gleich- mässig rot gefärbt, aber etwas blasser, als in pigmentirten Para- siten. Das Protoplasma ist in verhältnismässig viel geringerer Menge als in späteren Stadien vorhanden und erscheint bedeutend blasser gefärbt, wohl zum Teil deshalb, weil es eine viel dünnere Schicht bildet. i 1. Runde (resp. abgerundete) unpigmentierte jüngste Parasiten. Sie erreichen eine Grösse von ein wenig über ein Drittel des normalen roten Blutkörperchens, während die von ibnen be- fallenen Erythrocyten nicht selten bereits blasser und etwas grösser erscheinen, als die nicht infizierten. Der grosse runde Kern nimmt fast die Hälfte des Durchmessers des ganzen Jüng- sten Parasiten ein. Er ist gleichmässig gefärbt, hat eine scharfe Begrenzung, aber ohne Doppelkontouren und zeigt keine Struktur. Das Protoplasma besitzt eine helle himmelblaue Härkang, die an der Peripherie manchmal etwas gesättigter erscheint, und schliesst sich dem grossen Kern ringsum unwittelbar (ganz ohne jeglichen ungefärbten Zwischenraum) als ein dünner oder dickerer Reifen an, manchmal von gleichmässiger, öfter von ungleich- mässiger Stärke. Die Aussenbegrenzung des Protoplasma ist scharf und bildet annähernd einen Kreis. Der Kern nimmt somit manchmal eine centrale Lage in der Zelle ein, meist liegt er excentrisch, seltener randständig. Malariastudien. 339 Von diesen mehr oder weniger runden Zellen findet man alle möglichen Uebergänge zu den 2. Amöboiden unpigmentierten jüngsten Parasiten. Hier bietet der grosse runde Kern ganz dasselbe Bild, wie in den eben beschriebenen, dar. Das hellblau gefärbte Protoplasma liegt ihm unmittelbar an und zeigt die allerverschiedensten Formen. Einmal umgiebt es den Kern ungleichmässig, oder breitet sich vorwiegend auf einer Seite desselben aus; ein anderes Mal entsendet es einen oder mehrere Fortsätze, die kurz oder lang, schmal oder breit sein können; bisweilen dehnt es sich ganz nach einer Richtung, als ein langer Streifen aus. Die Zahl der Formen, welche die geringe Menge.von Protoplasma annehmen kann, ist fast unbegrenzt. Man mag es mit runden oder amöboiden unpigmentierten jüngsten Parasiten zu thun haben, immer ist der gleichmässig rot gefärbte Kern, wie erwähnt, gross und rund oder annähernd rund. Auch ist nie in gut fixierten Präparaten um den Kern oder sonstwo im Protoplasma ein achromatischer Bezirk, eine achromatische Zone zu sehen. Man ersieht aus dieser Beschreibung und aus den bei- gegebenen Figuren, wie verschieden die Bilder der lebend durch Osmiumdämpfe fixierten jüngsten Parasitenstadien von denen sind, die durch Alkoholfixierung des getrockneten Malariablutes gewonnen werden und so bekannt unter dem Namen „Ringe“ sind. Die Ringform wird bekanntlich als charakteristisch für jüngste unpigmentirte Stadien der verschiedenen Malariaparasiten angesehen, und diese Stadien werden, dem entsprechend, als „lertianringe“, „Quartanringe‘“, „Tropenringe“ be- zeichnet. Dass diese sogenannten Ringe mit ihrer „achromatischen Zone“ und ihrem winzigen „Chromatinkorn“ den natürlichen Verhältnissen nicht entsprechen und daher bei der Fixierung des Hüssigen Blutes gar nicht beobachtet werden, das zeigen die oben beschriebenen Bilder. Man kann aber diese Ringe ganz nach Willkür auch bei der Fixierung mit Osmiumdämpfen erhalten und zwar durchgehend an allen jüngsten Parasiten, wenn man den flüssigen Malariablutausstrich erst eintrocknen lässt und dann fixiert. Ebenso wenn man flüssige Malariablutausstriche erst ein 340 P. Argutinsky: wenig stehen lässt — ohne dieselben ganz eintrocknen zu lassen — und dann fixiert, so kann man alle Uebergänge von den oben beschriebenen in ihren natürlichen Verhältnissen erhaltenen jüngsten Parasiten zu den „Ringen“ hervorrufen und beobachten.') II. Pigmentierte amöboide Stadien des Tertianparasiten. Wenn flüssige Blutausstriche mit Osmiumdämpfen fixiert und dann. wie oben angegeben, gefärbt werden, so erscheinen die pigmentierten amöboiden Parasiten in überaus plastischer Gestalt. Dieselben machen ganz den Eindruck, als ob sie bei ihren mannigfachen Gestaltsänderungen plötzlich in Erstarrung gebracht und dann electiv gefärbt wären. Ja, man kann verschiedene Phasen und Bilder ihrer amöboider Bewegungen wohl kaum augenscheinlicher zur Darstellung bringen. | Alle diese pigmentierten Parasiten haben ohne Ausnahme einen grossen intensiv gefärbten leuchtenden rotvioletten Kern. Ihr blau gefärbtes Protoplasma grenzt unmittelbar an den Kern und zeigt nirdends eine achromatische Zone. Das Pigment ist in diesen Zellen nicht sehr reichlich und mehr oder weniger gleichmässig im Protoplasma verteilt. Es ist kaum möglich und hätte auch keinen Zweck, alle die Gestalten zu beschreiben, in welchen diese Stadien der Malariaparasiten auftreten. Ich werde nur einige der vorkomınen- den Formen kurz erwähnen. Nur wenige Zellen dieser Stadien zeigen eine abgerundete Gestalt ohne Hervorragungen resp. Einbuchtungen. Der Kern nimmt hier nur selten eine centrale Lage ein; in den meisten Fällen findet er sich nahe der Zellperipherie oder ist rand- ständig in der Zelle gelegen, in letzterem Falle gewöhnlich noch von einem dünnen Protoplasmasaum bedeckt. Man sieht auch ähnliche abgerundete Zellen, aber mit bereits beginnender Fortsatz- resp. Lappenbildung, an der einen Zelle !) Somit besitzt der unpigmentierte jüngste Malariaparasit weder eine centrale „achromatische Zone“ noch ein winziges „Uhromatinkorn‘*. Die Ringbildung ist ein am gefärbten Präparat zur Erscheinung tretende durch Eintrocknen des noch nicht fixierten jüngsten Malariapara- siten bedingtes Kunstprodukt. Hiermit will ich selbstverständlich nicht in Abrede stellen‘, dass unter den verschiedenen amöboiden unpigmentierten und pigmentierten jungen Parasiten auch solche beobachtet werden, bei denen im Zellprotoplasma eine rundliche Lücke entstanden ist. Man findet solche Zellen zuweilen schon beim Untersuchen des frischen unfixierten Malariablutes. Malariastudien. 34] nur erst angedeutet, an der anderen die runde Zellform schon verändernd. In anderen Fällen hat der Parasit mehr oder weniger eine wurmförmig langgezogene Gestalt, und da seine Länge zweimal und noch mehr den Durchmesser des Eıry- throceyten übertrifft, so liegt er gewöhnlich schleifenförmig umgebogen auf dem Erythrocyten Der Kern liegt meist nahe dem einen Ende der ausgezogenen Zelle, hier eine Verdiekung bildend und von einer dünnen oder diekeren Protoplasmaschicht bedeckt. Liegt aber der Kern nicht endständig, so nimmt er merkwürdigerweise gerade die Umbiegungsstelle der Schleife ein und erfährt eine durch solch’ eine Lage bedingte eigentümliche Gestaltsveränderung, die wohl auf seine grosse Plastizität zurück- zuführen ist. Er zeigt sich nämlich etwas in die Länge gezogen und dabei umgebogen, wie man es an der Figur 60 sieht. (Noch viel ausgesprochener ist eine solche Formveränderung des Kernes an dem einen Plasmodium der Figur 38). . Bei Weitem am zahlreichsten sind solche amöboide Para- sitenformen, die in kein einheitliches Schema, in keine Rubrik unterzubringen sind, und zum Teil die sonderbarsten und eigentümlichsten Gestalten bilden. Ein Blick auf die bei- folgende Tafel giebt hier mehr, als eine langatmige Beschreibung. Wir finden an ihnen kleine Erhebungen oder grössere knospen- artige Hervorragungen, lappige und langgezogene, auch sich teilende Fortsätze, mit allen möglichen Zwischenformen ; manch- mal ist das ganze Zellprotoplasma in Lappen und Fort- sätze aufgelöst, meist aber bildet es noch einen mehr oder minder massigen Körper, von dem diese Fortsätze ausgehen. Nicht selten ist der Kern in einem Fortsatze zu finden, eine kolbenförmige Verdiekung desselben bildend, meist aber liegt er randständig in der Hauptmasse des Protoplasmas. Der Kern zeigt häufig eine mehr oder weniger ausgesprochene Abweichung von der runden Gestalt, was gewöhnlich mit der Formgestaltung des Protoplasmas im Zusammenhang zu stehen scheint. ' So z. B., wenn die den peripher gelegenen Kern bedeckende dünne Protoplasmaschicht sich zu einem Fortsatze auszieht, findet man nicht selten, dass auch der angrenzende Teil des Kernes sich ebenfalls mit auszieht und zum Basalteil dieses Protoplasmafortsatzes wird (siehe Figur 51). 342 P. Argutinsky: Oder wenn ein Kern durch einen vorspringenden Fortsatz seiner eigenen oder (bei Doppelinfektion) der benachbarten Para- sitenzelle eingeengt wird, so sieht man ihn entsprechend sich einbuchten oder einsenken (z. B. Figur 37). Aber auch ganz unabhängig von mechanischen Einflüssen oder von Einwirkungen der amöboiden Protoplasmabewegungen, sehen wir hie und da den freien Rand eines randständigen Kernes kurze lappige Hervorwölbungen bilden (Fig. 40); in diesem Falle können wir die Ursache nur in dem Kern selbst suchen und müssen damit ihm selbst die Fähigkeit der Gestaltsveränderung zuschreiben. Recht oft findet man in manchen Fällen von Tertianfieber einzelne Erythrocyten von zwei Parasiten befallen. In ihren pigmentierten amöboiden Stadien sind diese beiden Parasiten immer zu gewöhnlicher Grösse entwickelt, was nur durch eine besonders starke Vergrösserung der doppelt infiecierten Erythro- cyten ermöglicht wird, wie solche an einfach inficierten Blut- körperchen nicht zu beobachten ist (Fig. 38, 39). Man findet merkwürderweise, dass diese amöboiden zu zweit den Erythroeyten bewohnenden Parasiten in vielen Fällen auf einer Seite des Blutkörperchens liegen, ohne auf die andere überzugreifen (Fig. 35, 38), sodass der nach aussen gerichtete Rand der Parasiten meist abgerundet ist und keine Fortsätze besitzt. Noch auffallender ist es, dass diese Parasiten in ihrer amöboiden Ausbreitung auf dem Erythrocyten, in der Gestaltung und Lagerung ihrer Fortsätze sich wegen der Raumbeschränkung zwar gegenseitig adaptieren; dass die ausgeschweiften Ränder und Fortsätze des einen Parasiten denen des anderen sehr nahe kommen, aber nicht bis zur gegenseitigen Berührung. Infolge- dessen bleibt zwischen ihnen fast immer ein ziemlich gleich- mässig enger Spalt bestehen. Es macht den Eindruck, als ob eine die Parasiten umkleidende dünne gelatinöse gewöhnlich sich nicht färbende Hülle die unmittelbare Berührung des 'gefärbten Protoplasma beider Zellen hindere, ähnlich der Erythrocyten- hülle, die auf Grund zum Teil analoger Erscheinungen von Deetjen (9) nachgewiesen ist. TE Ir Malariastudien. 343 Hier muss ich noch auf eine Erscheinung hinweisen, die man nicht selten an amöboiden Parasiten beobachtet. Man findet nämlich hie und da im Bereiche des inficierten Erythrocyten neben dem pigmentierten amöboiden Parasiten und ganz ausser Zusammenhang mit ihm ein kleines Klümpchen, Streifen oder unregelmässiges Häufchen liegen, welches ganz das Aus- sehen des Parasitenprotoplasmas besitzt und auch durchaus den Eindruck des Körperlichen macht. Dass man,es in diesen Fällen nicht etwa mit sogenannten basophilen Flecken der Erythrocyten zu thun hat, die ja bei der Malaria auch zu beobachten sind, das ist nach dem ganzen Aussehen, Habitus, Färbung dieser Klümp- chen sicher anzunehmen und wird noch dadurch ganz ausser Zweifel gestellt, dass man in diesen Klümpchen, wenn sie nicht allzuklein sind, auch das Melanin nachweisen kann. Sie sind nichts anderes, als abgelöste Teilchen des Parasitenprotoplasmas. Man findet nämlich bei einer Anzahl von amöboiden Parasiten ausser den dicken, lappigen Fortsätzen auch dünne, fadenförmige, die nicht selten am freien Ende noch kolbenförmig angeschwollen sind. An ihnen kann man alle Uebergänge bis zur vollständigen Abschnürung des dünnen Fadens und Freiwerden des abgetrennten Protoplasmahäufchens beobachten, das in der Umgebung des amö- boiden Parasiten im Bereiche des inficierten Erythrocyten liegen bleibt (Fig. 17, 23—26, 33). Wie weit solche Abschnürungen im kreisenden Blute des Malariakranken geschehen, wie weit sie durch den starken Reiz der Entnahme, des Ausstreichens und der Fixierung des Blutes in den dazu geeigneten amöboiden Parasiten entstehen, vermag ich nicht zu sagen. Man findet sie, wenn auch nicht oft, doch bei jeder Behandlungsmethode des Malariablutes.. Bei der Ein- trocknung der Malariablutausstriche vor deren Fixierung schrumpfen diese Protoplasmaklümpchen sehr stark. III. Gameten. Während an den in Alkohol fixierten Präparaten die Unter- scheidungsmerkmale der beiden Gameten nicht selten nur wenig prägnant zu Tage treten, sind die reifen Gameten nach der Ösmiumfixierung des frischen flüssigen Blutes, ebenso wie bei der Sublimatfixierung des trockenen, scharf von einander zu unterscheiden. 344 P. Argutinsky: Die lebend in Osmiumdämpfen fixierten reifen Parasitenzellen bieten ein anderes Bild dar, als die nach ihrer Eintrocknung in Sublimat fixierten. Die Abweichungen betreffen vor Allem das Aussehen ihrer Kerne und das Verhalten der letzteren zur Protoplasmamasse und bestehen hauptsächlich darin, dass der Kern als ein mehr oder weniger gleichmässig intensiv rot gefärbter Körper erscheint, der stets unmittelbar an das Zellprotoplasma grenzt, ohne dass .dazwischen eine ungefärbte Zone, eine farblose Lücke zu beobachten wäre Die Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Arten reifer Parasitenzellen sind im grossen und ganzen denen der in Sub- limat fixierten analog, namentlich was das Protoplasma betrifft. Auch bei der Osmiummethode besitzt der Makrogamet ein ge- sättigt blau gefärbtes Protoplasma, dagegen ist das Aussehen des Mikrogametocyten ein sehr eigenartiges und sofort in die Augen fallend. Die Makrogameten sind grosse Zellen (die grössten unter den Parasiten) von annähernd runder, selten ganz kreis- runder Gestalt und werden öfter als andere reife Parasitenzellen ohne Erythrocytensaum angetroffen. Das Pigment ist in ihrem Protoplasma in etwas grösserer Menge und in sichtlich grösserem Korn enthalten als in den Schizonten. Charakteristisch für diese Zellart bei Osmiumsäurefixierung ist der homogene kleine rand- ständige Kern. (Er ist aber nicht so klein, wie bei der Sublimat- fixierung des eingetrockneten Blutes.) Nicht selten sieht man am Makrogameten an der einen oder anderen Stelle seiner Peripherie leichte amöboide Gestalts- veränderungen des Protoplasmas, das lokalisierte Entstehen von kleinen Auswüchsen, kurzen Fortsätzen etc, was man beim Mikrogametocyten nicht beobachtet. Diese Erscheinung ist weiter nicht merkwürdig, da wir wissen, welche lebhafte Gestalts- veränderungen, welche intensive amöboide Bewegungen an Makrogameten nach der Befruchtung auftreten (Ookinet!) Der Mikrogametocyt erscheint bei der Osmium- fixierung des frischen flüssigen Malariablutes merkwürdigerweise von derselben Grösse wie der Schizont. Sein Aussehen ist ein sehr auffallendes. Er ist immer mehr oder weniger kreis- rund, und ich erinnere mich nicht an ihm irgend eine An- deutung von amöboiden Fortsätzen gesehen zu haben. Fast immer ist er vom Erythrocytensaum umgeben. a Malariastudien 345 Der intensiv rotviolett gefärbte sehr grosse Kern nimmt gewöhnlich eine centrale Lage in der Zelle ein, seltener liegt er peripher, ist oft von ungefähr kKreisförmiger, hie und da aber auch ganz unregelmässiger Gestalt. Eine Struktur dieses Kernes ist nach der Osmiumfixierung nicht nachzuweisen. Die Kern- begrenzung ist ohne Doppelkontouren, und das Protoplasma liegt dem Kern unmittelbar — ohne jeglichen ungefärbten Zwischen- raum — an. Das Protoplasma des Mikrogametocyten bildet nur einen Saum um den grossen Kern, ist auffallend blass gefärbt und zwar nicht blau sondern bläulichgrau und nur ganz wenig verschieden von der Farbe des Erythrocyten in diesen Osmium- präparaten. Was aber diesem blass gefärbten Protoplasmasaum ein ganz eigenartiges Aussehen giebt, das ist das reichlich in ihm ver- teilte grobkörnige ganz braunschwarz aussehende Pigment, durch welches er wie ein dunkler Reifen um den Kern erscheint. Ausser diesen zwei Arten von reifen einkernigen Zellen, den Makrogameten und Mikrogametocyten, finde ich in manchen mit Osmiumdämpfen fixierten Präparaten von flüssigem Malariablut nicht selten noch eine wohl charakterisierte Art von einkernigen Parasitenzellen, (von etwas geringerer Grösse, als die Makroga- meten) die man beim ersten Anblick ebenfalls für reife Zellen halten könnte (Fig. 27 und 28). Sollten dieselben reife Zellen sein, so wären sie, da sie sich von reifen Gameten scharf unterscheiden, als Schizonten an- zusehen, weil sonst keine andere Art von reifen Parasitenzellen im menschlichen Malariablute vorkommt. Gegen die Auffassung derselben als reife Schizonten, oder überhaupt als Schizonten, spricht aber Vieles. Sie sind immer kreisrund. Man beobachtet an ihnen keine amöboide Bewegungen und sie besitzen auffallend viel, wenn auch feinkörniges Pigment; dann sind ihre Kerne unverhältnismässig gross, während die Grösse der Zellen eine nur mässige ist und z. B. derjenigen der Makrogameten nachsteht. Sind aber diese Zellen keine Schizonten, so können sie auch keine reifen Zellen sein, denn, wie wir schon erwähnt haben. 346 P. Argutinsky: unterscheiden sie sich scharf von reifen Gameten; sie müssen daher einem Entwicklungsstadium eines der beiden Gameten entsprechen. Wenn auch diese Zellen (Fig. 27 und 28) ein blau tingiertes Protoplasma besitzen, so stehe ich nicht an, die- selben für Vorstufen der reifen Mikrogametocyten zu halten, vor Allem, weil in denselben Präparaten sich alle Uebergangsstufen zwischen ihnen und den reifen Mikrogametocyten finden. Unter allmäligem starken Abblassen des Protoplasmas, unter gröber und noch reichlicher Werden des Pigments und unter weiterer Ver- grösserung des Kerns werden sie zu den typischen, so überaus eigenartigen reifen Mikrogametocyten, wodurch sie sich hiermit als unreife Mikrogametocyten erweisen. Die im Texte eitierte Literatur: 1. Pfeiffer, R., Beiträge zur Protozoenforschung 1. Die Coceidienkrank- heit der Kaninchen. Berlin 1892. 2. Siedlecki, M., Reproduction sexu6& et cycle evolutif de la collidie de la seiche (Klassia aetopiana Schn) Annales de l’Inst. Past. T. XII. 1898. 3. Janczo und Rosenberger, Blutuntersuchungen der im Jahre 1894 vorgekommenen Malariafälle ete. Deutsches Arch. f. klinische Medizin, Bd. 57. 1896. 4. Tellyesniezky, K., Ueber Fixierungs- (Härtungs-) Flüssigkeiten. Arch. f, mikrosk. Anat. Bd. 52. 1898. 5. Kruse, W., Ueber Blutparasiten. Virchows Archiv. Bd. 120 und 121. 1890. 6. Argutinsky, P., Malariastudien. Archiv für mikroskopische Anat. Bd. 59. 1901. 7. Schaudinn, F., Untersuchungen über den Generationswechsel der Coceidien. Zool. Jahrb. Abteilung f. Anat. und Ontog. Bd. 13. 1900. 8. Gilson, @., Etude comparde de la Spermatogenese chez les Arthro- podes. La Cellule. T.I. 1885. 9. Deetjen, H., Die Hülle der roten Blutzellen. Virchows Archiv, Bd. 165. 1901. Erklärung der Figurentafel XV. Tertianparasiten. Fixierung des flüssigen Blutes in Osmiumdämpfen, Färbung mit Eosinsodamethylenblau. Alle Figuren sind mit Abb&’schem Zeichenapparat bei einer Ver- grösserung von ca. 1500: 1 gezeichnet (Zeiss, Apochr. homog. Imm. 2 mm, Comp. Oeul. 12). Malariastudien. 347 Figur 1—8 und 14—16. Jüngste unpigmentierte Parasiten. Figur 9—13. Makrogameten. Figur 18—22. Mikrogametocyten. Figur 27 und 28. Unreife Mikrogametocyten.') Figur 29 und 30. Zwei- resp. dreikerniger Schizont. Figur 31 und 32. Vielkernige Schizonten. Figur 17, 23—26 und 33. Siehe Text-Seite 342 und 343. Figur 34. Ein Erythroeyt von annähernd normaler Grösse. Figur 35—39. Doppelte Infektion der Erythrocyten. Figur 40. Pigmentiertes amöboides Plasmodium mit Hervorwölbungen am freien Rande des (randständigen) Kernes. Figur 41. Ein amöboides Plasmodium mit Kern und Karyosom. Figur 42. Abgerundeter unreifer pigmentierter Pärasit. Figur 43—64. Verschiedene Formen der pigmentierten amöboiden Parasiten. !) Die blaue Farbe des Protoplasmas dieser Zellen ist in der Zeichnung viel zu dunkel ausgefallen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 24 348 Zur Analysis der Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. Von Dr. med. Max Moszkowski. Hierzu Tafel XIX und ein Schema im Text. In meiner Arbeit über den Einfluss der Schwerkraft ete. (37) hatte ich rein descriptiv festgestellt, dass die Schwerkraft insofern als eine für die Entwicklung des Froscheies notwendige, gestaltende Ursache zu bezeichnen ist, als sie dem Ei eine Symmetrieebene schafit und so die Medianebene des künftigen Embryos bestimmt. Es handelt sich jetzt darum, diese Wirkungs- weise der Schwerkraft einer tieferen, causal-analytischen Betrach- tung zu unterziehen. Die Frage lautet, welcher Categorie von Reizen ist die Wirkung der Schwerkraft auf die Entwicklung des Froscheies zu subsummieren ? Handelt es sich, wie Ö.Schultze meint, um einen die gesamte Zellteilung und Organbildung des Froscheies beherrschenden Reiz (47, 48), oder um einen onto- morphogenen Reiz im Sinne von Herbst (23, pag. 522) und zwar um welchen: um einen nur lokalisierenden, um einen „Auslösungs- reiz“, einen „Umschaltungsreiz“, einen „struckturellen“ Reiz, oder liegt etwa gar nur eine einfache hydrostatische Erscheinung vor, bedingt durch die ordnende Wirkung der Schwerkraft auf die verschieden schweren Substanzen des Eidotters? Nun hat meine Auffassung über die Rolle, welche die Schwer- kraft in der Ontogenese des Froscheies spielt, auf verschiedenen Seiten lebhaften Widerspruch hervorgerufen. Kaum zwei Monate nach der Veröffentlichung meiner Arbeit sind schon drei Aufsätze erschienen, welche meine Ansicht zu widerlegen suchen, zwei sachliche von Morgan (56) und Kathariner (54) und eine von Roux, (57) die in dem Tone gehalten ist, der aus den Polemiken dieses Autors mit M. Verworn, OÖ. Hertwig, O. Schultze, Hans Driesch hinlänglich bekannt ist. Mein hochverehrter Lehrer Prof. Keibel (55) hat bereits Gelegenheit genommen auf die Angriffe Roux’s zu antworten und die zahlreichen Irr- tümer zu berichtigen, die Roux beim Zitieren eigner und Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 349 fremder Arbeiten in der Eile unterlaufen sind. Ich bin daher in der angenehmen Lage auf jede weitere persönliche Polemik verzichten und mich ausschliesslich den rein sachlichen Einwänden meiner Gegner widmen zu können. In erster Linie kann ich zu meiner Genugthuung con- statieren, dass sowohl Morgan, wie Kathariner, wie Roux nicht bestreiten, dass unter gewissen Bedingungen die Median- ebene des künftigen Embryos durch die Schwerkraft bestimmt werden kann: „It should be earefully noted that I do not claim that gravity may not under certain conditions produce this result“ (56, pag. 314). „Dass die Schwerkraft in der von ihm be- schriebenen Weise beim Zustandekommen der bilateralen Sym- metrie beteiligt sein kann, will ich keineswegs bestreiten“ (54, pag. 292). „Die Bestimmungen 2 u. 4.“ (i. e. Bestimmung der Medianebene und Lokalisation des Embryos ) „können auch durch entsprechende künstlich veranlasste Anordnung der Dottersub- stanz (durch schiefe Zwangslage) bewirkt werden. In der That giebt es ja auch für die Möglichkeit der Bestimmung der Median- ebene durch Schwerkraftswirkung unwiderlegliche Beweise: 1. Born (2) fand bei seinen Versuchen mit in schiefer /wangslage fixierten Eiern, ‚dass zwar die erste Furche nicht immer, wohl aber die Medianebene stets durch den Strömungs- meridian, i. e, die durch die Schwerkraft geschaffene Symmetrie- ebene ging. 2. O. Schultze (45a) gelang es durch Umdrehen auf dem Zweizellenstadium durch die Schwerkraftswirkung derartige Umlagerungen im Froschei hervorzurufen, dass statt eines Embryos zwei aus einem Ei entstanden. Desgleichen ist es Morgan geglückt aus einem auf dem Zweizellenstadium an- gestochenen Ei einen Ganzembryo zu züchten, wenn er das Ei nach dem Anstich mit dem weissen Pol nach oben orientierte, während aus angestochenen Eiern, die mit dem weissen Pol nach unten gerichtet waren, ein Halbembryo entstand (34a). Diese beiden Fälle sind besonders beweisend dafür, dass durch Schwer- kraftswirkung die Medianebene des Embryos bestimmt werden kann, weil es sich hier offenbar um eine reine Schwerkrafts- wirkung handelt und die von Roux behauptete Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung der Vorkerne bei 24* 350 Max Moszkowski: diesen, erst auf dem Zweizellenstadium gedrehten Eiern ganz sicher ausgeschlossen werden muss. Ich bin also berechtigt folgenden Satz als sicher feststehend auszusprechen: Die Medianebene deskünftigen Embryos kann durch Schwerkraftswirkung bestimmt werden. Mit der Konstatierung dieser von Roux ausdrücklich zugegebenen Thatsache scheint mir aber die Auffassung dieses Autors dass die Medianebene unter normalen Verhältnissen durch die Copulations- richtung der Vorkerne bestimmt wird, bereits widerlegt zu sein, und zwar aus folgenden Gründen: Wenn man mit Roux annimmt, dass das eindringende Spermatozoon die Fähigkeit besitze das Dottermaterial so umzuordnen, dass aus dem bis dahin radiär gebauten, nach allen Richtungen isotropen Ei ein bilateral-sym- metrisches, anisotropes Grebilde wird, so liegt hier offenbar ein sehr complieiertes Geschehen vor, dem ein sehr feiner bis ins Einzelne specialisierter Mechanismus zu Grunde liegen müsste. Ja man muss eigentlich in dieser Thätigkeit des Spermatozoons den Dotter so umzuorden, dass „zum richigen Idioplasson des Kernes das richtige Protoplasma kommt“ — um eınen Ausspruch von Roux umzudrehen — einen specifisch vitalen Vorgang erblicken, obwohl Roux diesen Ausdruck sorgfältig vermeidet. Ebenso muss die Fähigkeit des Protoplasmas drehend auf die Kern- spindel zu wirken, damit in den Fällen, wo durch die Schwere — bei schiefer Zwangslage — eine symmetrische Anordnung des Dotters geschaffen ist gleich qualifiziertes Material in Zellleib und Zellkern auf derselben Seite zu liegen kommen, eine typisch vitale Eigenschaft erblickt werden. Im Falle der Umordnung des Dotters aber durch die Schwerkraft liegt eine einfache hydrostatische Erscheinung vor, durch welche zwar eine Ungleichheit in der Verteilung des Dotters, aber doch nimmer- mehr eine richtige qualitative Materialscheidung bewirkt werden kann. Eins von beiden kann nur der Fall sein. Entweder handelt es sich um ein ausserordentlich compliziertes Geschehen, das nach der Definition des Wortes als exquisit vitales bezeichnet werden muss, oder um einen rein mechanischen Vorgang. Es ist unmöglich, dass dieser für jenes gleichsam vikarierend ein- treten kann. Es ist ja auch von Roux für seine Behauptung. dass die Medianebene des Embryo durch die Uopulationsrichtung der Vorkerne bestimmt würde nicht ein einziger Einwands freier Br Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 351 Beweis erbracht worden. Seine Versuche mit lokalisierter Be- fruchtung sind derartig, dass ich sie mit viel mehr Recht als Stütze für meine Auffassung ansehen kann (vergl. 55). Die Eier wurden (44, pag. 359) ohne Wasserzusatz gerade aufgesetzt und von einer Seite her, nach Anschneiden der Gallerthülle, be- fruchtet. Es ist klar, dass die Eier sich nach der Seite neigen mussten. von welcher der Samen zugesetzt wurde (es ist ja allgemein bekannt, dass die Eier sich immer nach der Seite des Wasserzutritts neigen). Da nun die Eier erst 30 Minuten nach der Besamung mit reichlichem Wasser versehen wurden, also im Ganzen mindestens eine Stunde in schiefer Zwangslage waren, so musste sich an ihnen eine Symmetrieebene durch Schwer- kraftswirkung ausbilden, die bei der ganzen Versuchsanordnung mit dem Befruchtung smeridian übereinstimmte. So oft Roux versuchte, schräg zur Symmetrieebene der Einstellung zu be- fruchten, hatte er eingestandenermaassen eclatante Misserfolge (44. pag. 599 — 405). Es berührt merkwürdig, dass Roux. der bei seinen lokalisierten Befruchtungsversuchen die Eier so lange in Zwangslage hielt, und der schon selbst angegeben hat (44, pag. 968), dass die Eier auch normaler Weise sich 30—45 Minuten nach der Besamung in Zwangslage befinden, — es berührt merkwürdig, dass derselbe Autor denjenigen Forschern, welche die von ihm postulierte Uebereinstimmung der Pigmentstrasse mit der Ebene der ersten Furche nicht be- stätigen konnten, vorwirft, sie hätten ihre Eier in Zwangslage gehalten. (Gegen van Bambecke, pag. 369, und gegen R. Fick, pag. 376) [vergl. 55]. Mit dem Nachweis, dass bei Roux’s Fundamentalversuchen, auf welchen seine ganze Theorie basiert, die Medianebene durch die Schwere bestimmt worden ist, schwebt Roux’s Meinung von der Bestimmung der Median- ebene durch die Kopulationsrichtung völlig in der Luft. In zweiter Linie handelt es sich um Beantwortung der Frage, ob unter ‚normalen Verhältnissen die Medianebene gleich- falls dureh” Schwerkraftswirkung bestimmt wird. Einige Zeit nach der Befruchtung wird die weisse Hemisphäre der Eier von R. fusca durch einen Halbmond von grauer Farbe vergrössert, wie übereinstimmend von Roux (44, p. 355), O. Schultze (45, 47, 48, 49) und Morgan (32) berichtet wird und wovon sich zum Ueberfluss jedermann leicht überzeugen kann. Auf 352 Max Moszkowski: diese Weise erhält das bis dahin radiär gebaute Ei eine Symmetrieebene und wird bilateral symmetrisch. Diese Symmetrie- ebene wird nun, wie ich weiter unten erweisen werde (ich be- finde mich hierbei in völliger Uebereinstimmung mit Roux [44], OÖ. Schultze [45, 47, 48, 49], O0. Hertwig [26, 27], und Morgan und Tsuda [32]) zur Medianebene des Embryos. Gelingt es also zu zeigen, dass das graue Feld durch Schwer- kraftswirkung entsteht, so ist die oben aufgeworfene Frage in positivem Sinne erledigt. Kurz nach der Besamung befinden sich die Eier, wie ich in meiner vorigen Arbeit des Näheren ausgeführt habe in physio- logischer Zwangslage.!) Diese Zwangslage ist bei der ungeheuren Mehrzahl der Eier eine schiefe. Die Wahrscheinlichkeit nämlich, dass ein Ei bei der Eiablage genau „normal“ i. e. mit dem weissen Pol genau nach unten zu liegen kommt, ist wielzu &. Ich verstehe nicht recht, was Kathariner an dieser Behauptung auszusetzen hat. (Grewiss ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ei genau lotrecht orientiert ist, durchaus keine geringere als die jeder anderen Lage. Da aber das Ei als kugelförmiger Körper unendlich viele Achsen besitzt, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gerade in eine ganz bestimmte Achse fällt wie 1: (vergl. Keibel 55). Davon kann vollends keine Rede sein, dass der exzentrische Schwerpunkt des Eies grade die Stellung mit lotrechter primärer Achse begünstigen könnte, da ja die Eier nicht einzeln sondern in ganzen Ballen abgelegt werden, die Lage ihres eigenen Schwerpunktes also gar nicht in Betracht kommt. Ich kann also durchaus nicht zugeben, dass aus meiner Aufstellung Consequenzen folgen, „deren Unnatürlichkeit allein letztere schon erschüttern dürfte“ (54, pag. 293). Nun werden sich natürlich auch die Eier, deren primäre Achse von der verti- kalen Stellung nur um wenige Grade abweicht, hinsichtlich der Erhaltung einer Symmetrieebene in ungünstiger Lage be- !) Roux hat freilich schon im Jahre 1894 (pag. 968) darauf hinge- wiesen, dass die Eier sich die ersten 30—45 Minuten nach der Besamung in Zwangslage befinden. Die daraus folgenden CÖonsequenzen, dass nämlich die Eier dann unter denselben Bedingungen sich befinden, wie Borns Zwangslageneier, also dieselben Umordnungen in ihnen zu Stande kommen müssen, hat er aber nicht gezogen. Auf diese Consequenzen habe, meines Wissens, ich, als erster, hingewiesen, I R e B 1 . OREC Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 353 finden. Es ist ja aber allen Experimentatoren bekannt, dass von einem Laichballen, sowohl bei künstlicher Befruchtung als auch in der Natur stets eine Anzahl Eier unentwickelt bleibt, respektive während der ersten Furchungsstadien abstirbt. Jeden- falls ergiebt eine einfache Ueberlegung, dass der bei Weitem grösste Teil der Eier bei der Ablage nicht genau oder an- nähernd senkrecht, sondern mit schiefer primärer Achse orientiert werden muss. Bei Eiern aber, die sich eine halbe Stunde oder länger in schiefer Zwangslage befinden, sinkt, wie wir aus den Versuchen von Born (2) wissen, der weisse Dotter, an der Stelle wo er am höchsten steht, längs der Peripherie ab unter Hinterlassung einer weissen peripheren Platte, die vom auf- steigenden braunen Dotter unterlagert wird. Diese Stelle hat äusserlich die charakteristische graue Farbe. Da nun, wie ich noch einmal ausdrücklich betone, eben befruchtete Eier sich auch normaler Weise unter denselben Bedingungen befinden wie künstlich in Zwangslage gehaltene, so haben wir nicht die geringste Veranlassung das normaler Weise auftretende graue Feld anders zu deuten als das, welches in Borns Experimenten auftrat. Nun ist von Morgan die Frage aufgeworfen worden, ob nicht vielleicht das graue Feld sich an einer präformierten Stelle entwickelt und das Ei dann nach der Befruchtung sich so dreht, dass diese Stelle den höchsten Punkt der weissen Hemisphäre einnimmt? („Does the grey crescent develop in a pre-organized part of the egg, and if so, does the egg rotate after fertilization so that this part turns uppermost ?* (56, pag. 315). Demgegenüber ist folgendes zu erwidern: 1. Das graue Feld erscheint auch bei unbefruchteten Eiern, an der Stelle, wo der weisse Dotter am höchsten heraufreicht, allerdings viel später. Morgan hat das selbst beobachtet: „The latter appears, however, in the unfertilized egg after 24 hours!), if the eggs are allowed to stand quietly. The grey area appears on that part of the egg that stands uppermost. Usually it appears in the region between the black and the white area, but I have seen it appear even at the white pole if this happened to be the highest point of the egg“ (pag. 315). !) Bei R. fusca erscheint das graue Feld am unbefruchteten Ei schon nach 5—6 Stunden. 394 Max Moszkowski: Hier kann doch wohl von einer durch die Befruchtung prä- formierten Stelle nicht gesprochen werden. Grade das von Morgan beobachtete Erscheinen des grauen Feldes direkt am weissen Pol in den Fällen, dass derselbe direkt nach oben ge- richtet war, spricht ganz besonders dafür, dass das graue Feld durch Schwerkraftswirkung entsteht. Wir wissen durch Born, dass in diesem Fall der weisse Dotter nicht längs eines Meridians, sondern nach allen Seiten hin abfliesst. Der braune Dotter steigt dann in der Mitte des Eies auf und unterlagert die auf der Höhe des weissen Poles stehen gebliebene weisse Platte, wodurch das graue Feld am weissen Pole in Erscheinung tritt. - Figur 22 von Born, die ich auf pag. 37 meiner Arbeit (37) reproduziert habe, zeigt wie ein solches Ei im Durchschnitt aussieht. 2. Bei in schiefer Zwangslage fixierten Eiern erscheint das graue Feld nach etwa dreiviertel Stunden, also fast zur selben Zeit, wie normal und ist dann auch ebenso gross wie das normale graue Feld, vergrössert sich dann aber allmählig in der Richtung der Schwerkraftswirkung. Ein Rotieren des Eies ist bei diesen in vollkommener Zwangslage befindlichen Eiern natürlich unmöglich. Wir sind also abermals berechtigt Folgendes zu behaupten: Das normaler Weise auftretende graue Feld entsteht durch Schwerkraftswirkung. Die dritte Frage lautet: Besitzen alle Eier ein graues Feld? Morgan giebt an, dass er in manchen Bruten ein graues Feld nicht habe finden können. Ich kann das für R. fusca be- stätigen. Jedoch habe ich jedesmal schon vor der Befruchtung gesehen, ob sich bei den Eiern der betreffenden Brut ein graues Feld entwickeln wird, oder nicht. Bei Eiern nämlich, die be- sonders stark pigmentiert sind, tritt infolge der dann sehr dicken Pigmentrinde das graue Feld äusserlich nicht in Erscheinung. Jedenfalls ist auch die Zahl der Bruten, bei denen es infolge der sehr starken Pigmentierung zu einer äusserlichen - Entwick- lung des grauen Feldes nicht kommt, verhältnismässig sehr klein gegen die, bei denen ein wohl ausgebildetes graues Feld in Er- scheinung tritt. Da nun das Fehlen des grauen Feldes bei den stark pigmentierten Eiern sich sehr einfach erklärt, so scheint mir auch unsere dritte Frage in positivem Sinne beantwortet werden zu müssen: Die normale Entwicklung der Eier En a Mi E -- f 9AR Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 999 vonR.fusca vollzieht sich unter Bildung eines grauen Feldes. Mit anderen Worten: Unter normalen Ver- hälnissen wird die Medianebene des Embryos von R. fusca durch die Schwerkraft bestimmt. Ich glaube nicht, dass sich angesichts des von mir erbrachten Thatsachen- materials gegen diese These irgend etwas einwenden lässt. Wir kommen nun zu der vierten Frage. Dieselbe lautet: Kann sich das Froschei auch bei Fehlen jeglicher Schwerkrafts- wirkung entwickeln? Oder anders formuliert: Sind im be- fruchteten Froschei Kräfte vorhanden, die ihm auch bei Fehlen der Schwerkraftswirkung eine Medianebene schaffen können’? Der erste, der das Nichtnötigsein der Schwerkraft für die Ent- wicklung des Froscheies experimentel zu beweisen suchte, war Roux (44, pag. 256-276). Seine Versuche sind aber, abge- sehen von allen anderen Einwänden, schon aus dem Grunde nicht stichhaltig, weil er die Eier stets erst eine halbe Stunde nach der Besamung dem Einfluss der Schwerkraft zu entziehen ver- suchte, also zu einer Zeit, wo die Arbeit der Schwerkraft schon gethan war. Dasselbe gilt von den ersten Versuchen Kathariners. Angeregt durch meine Ausführungen haben nun Morgan (56) und Kathariner (54) während der dies- jährigen Laichperiode versucht, die Eier dem Einfluss der Schwerkraft zu entziehen bevor dieselbe ihre gestaltende Wirk- samkeit, i. e. die Anordnung des Eimaterials symmetrisch zu nur einer Symmetrieebene, auszuüben vermochte. Ob der von Kathariner ersonnene Apparat in der Tat geeignet ist, die richtende Wirksamkeit der Schwerkraft auszuschalten, lasse ich dahingestellt. Aber selbst wenn er es ist, so ist Katlhariners Beweis darum nicht minder misslungen. Denn da ich nicht, wie O. Schultze, glaube, dass die Schwerkraft beständig die Zellteilung und Organbildung beherrscht, so verträgt es sieh vollkommen mit meinen Anschauungen, dass Eier, „die niemals solange in abnormer Lage bleiben konnten, dass ihre Massen Zeit gehabt hätten sich gegeneinander zu verschieben“ (37, pag. 44) sich normal entwickelten, wenn nur, bevor sie dem Einfluss der Schwerkraft entzogen wurden, die von der Schwer- kraft veranlasste symmetrische Verteilung des Dotters schon erfolgt war. Nun hat Kathariner bei seinen diesjährigen Ver- - suchen die Eier im Minimum 7 Minuten nach der Befruchtung 356 Max Moszkowski: auf seinen Apparat gebracht. Auch diese Eier entwickelten sich normal und damit glaubt Kathariner das Nichtnötigsein der Schwerkraft für die Entwicklung des Froscheies definitiv nach- gewiesen zu haben. Ich kann ihm hierin durchaus nicht zu- stimmen. Freilich das äussere Zeichen für die im Innern des Eies stattfindenden Dotterumlagerungen (das graue Feld) er- scheint im Mittel erst eine halbe bis dreiviertel Stunden nach der Besamung, aber Born hat schon in seiner Arbeit darauf hingewiesen (2, pag. 295), dass man auf Schnitten innere Um- lagerungen schon nachweisen kann, zu einer Zeit. wo von aussen noch nicht das Geringste sichtbar ist. Und es ist doch selbst- verständlich, dass diese inneren Umlagerungen noch früher beginnen als sie nachzuweisen sind. Bei meiner Auffassung von der Wirksamkeit der Schwerkraft, die ich in vorliegender Arbeit näher ausführen werde, handelt es sich nur darum, dass durch Schwerkraftswirkung der ursprünglich radiare Bau des Froscheies zerstört und durch einen bilateral-symmetrischen ersetzt wird. Das radiär gebaute Ei ist isotrop. Der Embryo kann sich auf jedem Meridian entwickeln, wie aus Borns Ver- suchen mit in schiefer Zwangslage fixierten Eiern und aus Roux’s lokalisierten Befruchtungsversuchen hervorgeht, das bilateral-symmetrische Ei ist anisotrop, der Embryo kann sich nur auf dem Meridian der Symmetrieebene und sogar nur auf einer ganz bestimmten Stelle dieses Meridians entwickeln. Es liegt auf der Hand, dass die Verschiebungen der beiden Dotter- arten gegen einander bei der grossen Kleinheit des Froscheies relativ gar nicht bedeutend zu sein brauchen, um dieses Resultat, Zerstörung des radiären Baues des Eies, hervorzurufen. Dafür aber, dass derartige Verschiebungen des Dotters während der 7 Minuten, in denen das Ei im Minimum der Wirkung der Schwerkraft ausgesetzt war, nicht erfolgt sind, hat Kathariner keine Beweise erbracht. Ich weiss daher nicht, woher er die Berechtigung nimmt zu sagen, „dass die Eier zu einer Zeit unter jene Bedingungen kamen, wo sie noch die ihnen an- geborene Struktur hatten“. Ich könnte mit dem gleichen Rechte behaupten, dass durch Kathariners Versuche grade bewiesen ist, dass die Eier nicht mehr die ihnen angeborene Struktur hatten. Die Versuche Kathariners zeigen, dass ich Unrecht hatte, als ich in der Ausscheidung des Perivitellins den einzigen Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 357 Faktor erblickte, durch welchen die Abnahme der Cohäsion des Dotters nach der Befruchtung bedingt wird. Es ist dies sicher- lich ein Faktor, wie aus dem Verhalten unbefruchteter Eier hervorgeht, aber eben nur einer. Dies wird einmal durch die Kathariner’schen Versuche bewiesen, dann aber hauptsächlich durch die Ueberlegung, dass Zwangslageneier, bei denen doch nur sehr wenig Perivitellin austreten kann, in beinahe der gleichen Zeit auf den Einfluss der Schwerkraft reagieren, wie normale Eier, bei denen das Perivitellin ganz austreten kann. Ich ziehe daher einen Einwand, den ich Born gegenüber er- hoben habe, in gewisser Weise zurück. Born spricht von einer consistenzverändernden Wirkung des Spermatozoon. Eine solche liegt nun meiner Ansicht nach nicht vor. Wohl aber halte ich es für denkbar, dass am unbefruchteten Ei der Zellinhalt fester an der Pigmentrinde haftet, als am befruchteten, und dass diese Lockerung durch eine chemische Beeinflussung von Seiten des Spermatozoon im Momente der Berührung mit der Eirinde er- folgt. Derartige chemische Beeinflussung des Spermatozoen im Moment der Berührung mit dem Ei sind ja uns länest vertraute Erscheinungen. Ich erinnere an die Bildung des Empfängnis- hügels bei Seeigeleiern, an die Entstehung der Dotterhaut. an die von Born entdeckte Tatsache, der Dellenbildung, die an Eiern von R. esculenta eine halbe Stunde nach der Besamung mit Samen von R. fusca auftritt (2a), sowie an die Erörterungen die Born an diesen Befund knüpft. Ob, wie dieser Autor und nach ihm Roux (44, pag. 293/295) behaupten, der Unterschied der beiden Dotterarten im spezifischen Gewicht unmittelbar nach der Befruchtung (also infolge der unmittelbaren Contakt- wirkung des Spermatozoon) wirklich grösser wird wie vorher, kann ich nicht entscheiden. Hierin aber stimme ich mit diesen Forschern überein, dass im Momente der Berührung des Samens mit dem Ei Veränderungen wahrscheinlich chemischer Art in demselben vor sich gehen, welche der Schwerkraft das Ueber- gewicht über die Cohäsion des Dotters verschaffen. Roux be- hauptet selber, dass das Ei seine definitive Stellung schon 15 Minuten nach der Befruchtung einnimmt, allerdings auf Grund von Versuchen, deren Unzulänglichkeit Keibel (55) in seiner Entgegnung im anat. Anzeiger ins hellste Licht gesetzt hat. Aber gesetzt, diese Behauptung Roux's wäre besser 358 Max Moszkowski: fundiert als sie es ist, so wäre damit klipp und klar bewiesen, dass die Medianebene des Embryos jedenfalls viel früher normiert wird, als die Pigmentstrasse des Spermatozoon. entsteht. denn die Symmetrieebene der Einstellung wird ja, wie houx, wenigstens für R. esculenta, selber angiebt, zur Medianebene des Embryos. Es sind also auch die neuen Versuche Kathariners nicht im Stande zu beweisen, das eventuell die Medianebene des Embryos auch durch innere Kräfte bei Ausschluss der Schwere entstehen kann, Kathariner hat eben die Schwerkraft gar nicht vom Moment ihrer Wirksamkeit an ausgeschlossen, sondern erst zu einer Zeit. wo innere Umordnungen des Eiinhaltes durch Schwerewirkung schon haben erfolgen können. Noch weniger ist der von Morgan angestellte Versuch (56) im Stande dies zu beweisen. Morgan liess die Eier einer Kröte nach der Befruchtung eine halbe Stunde lang von einem seiner Assistenten herumbewegen, in welcher Weise wird nicht näher angegeben. „Ihe toad was killed and the long strings of eggs were removed from the uterus and put at once into a small jar of water which was kept constantly whirling around by my assıstant. Sperm was added and for half an hour the eggs were kept constantly turning over and over with great irregularity and with considerable rapidity“ (56, pag. 314). Es ist im höchsten Maasse zweifelhaft und zum Mindesten gänzlich unbewiesen, dass bei dieser Versuchsanordnung das gewünschte Resultat auch wirklich erreicht wird, nämlich dass der Effekt, den eine richtende Kraft in einem Momente setzen will im nächsten Moment durch eine in anderer Richtung wirkende Kraft wieder aufgehoben wird. Eine halbe Stunde später brachte Morgan die Eier auf einen Apparat, in welchem sie durch einen Wasser- strom in beständige, ungeordnete Bewegung versetzt wurden, hier wird der gewollte Effekt eventuell erreicht, dafür aber, dass die Eier sich auch in der ersten halben Stunde nach der Besamung unter solchen die Wirkung der Schwere aus- schliessenden Bedingungen befunden haben, vermisse ich einen strikten Beweis. Die vierte Frage also, ob das Ei sich unter Ausschluss der Schwere entwickeln kann, ist meines Erachtens noch ungelöst. Zahlreiche systematisch angestellte Versuche werden darüber Aufschluss geben müssen. Freilich scheint es mir höchst unwahrscheinlich. dass eine normale Ent- x PR Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 2359 wicklung des Froscheies bei Ausschluss der Schwere erfolgen kann, da ja das Froschei seinem ganzen Bau nach der Ein- wirkung der Schwerkraft angepasst erscheint, und ich einwand- frei bewiesen zu haben glaube, dass unter normalen Verhältnissen die Medianebene des Embryo durch die Schwere bestimmt wird. Damit erledigen sich auch die drei Punkte, die Morgan am Schluss seiner Arbeit als zu ermitteln hinstellt: „The eritical points that now remain to be determined are: First, does tbe point of entrance of the Spermatozoon determine the bilaterality of the egg, as claimed by Roux; or Second, does the grey erescent develop in a pre-organized part of the egg and if so does the egg rotate after fertilization so that this part turns uppermost; or, Third, does the grey crescent appear at any point on the egg that happens to lie uppermost?“ Ich habe erstens gezeigt, dass von einer Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung der Vorkerne keine Rede sein kann, da Roux für diese Behauptung so kümmerliche Beweise erbracht hat, dass sie völlig in der Luft schwebt. Nur viermal von fünfzehn Fällen ist es ihm gelungen erste Furche und Pigmentstrasse durch den von ihm schräg zur Symmetrieebene der Einstellung gewählten Be- fruchtungsmeridian gehen zu lassen (?); in allen übrigen Fällen ist bei Roux’s lokalisierten Befruchtungsversuchen die Versuchsanordnung, wie ich oben gezeigt habe, derartig, dass nicht durch die Befruchtungsrichtung, sondern durch die Schwere die Medianebene bestimmt wurde. Ich habe zweitens gezeigt, dass das graue Feld nicht an präformierter Stelle entsteht, sondern an der Stelle, wo das weisse Feld am höchsten herauf- ragt. Beweis: Borns Versuche an in schiefer Zwanglage fixierten Eiern, bei denen eine nachträgliche Rotation des Eies ausge- schlossen ist, sowie der Umstand, dass auch bei unbefruchteten Eiern an der Stelle, wo das weisse Feld am höchsten steht, ein sraues Feld erscheint. Hier kann doch wohl von einer durch die Befruchtung präformierten Stelle nicht die Rede sein. Damit ist auch Punkt drei erledigt. Nachdem so der Einfluss der Schwere auf die Entwicklung des Froscheies. für das normale Verhalten wenigstens, sicher erwiesen ist, kommen wir dazu diese Wirksamkeit der Schwer- kraft näher zu analysieren. 360 Max Moszkowski: Der erste, der dieses Problem in Angriff genommen hat, Pflüger, hat, wie Herbst ganz richtig bemerkt (23, pag. 735, 24, pag. 28), die Frage nicht scharf und präzis genug gestellt und kommt demgemäss auch zu keiner ganz klaren Beantwortung derselben. Er stellte sich vor, dass sowohl die gesamte Zell- teilung als auch die spätere Organbildung dauernd nach einem unbekannten (resetz von der Schwerkraft „beherrscht“ würden. Es lässt sich, wie auch Herbst meint, herauslesen, dass 'er sich wohl die betreffenden Entwicklungsprozesse als Barymorphosen, wie wir heute sagen würden, gedacht hat (40, 41, 42). Pflüger hatte ferner angenommen, dass normaler Weise kausale Be- ziehungen zwischen den Richtungen der ersten Furchen und den späteren Achsen des Embryos bestünden. Roux hat fast zur selben Zeit die gleiche Behauptung aufgestellt. Doch hat sich diese Meinung in der Folgezeit als irrtümlich erwiesen. Es wird überhaupt. um Verwirrungen zu vermeiden, gut sein, scharf zwischen Wirkung der Schwerkraft auf die Furchung und Wirkung der Schwerkraft auf die Organbildung zu unterscheiden. I. Kapitel. Einfluss der Schwerkraft auf die Zeilteilung. Was den Einfluss der Schwerkraft auf die Zellteilung be- trifft, so hat schon Born durch seine fundamentalen Unter- suchungen an in schiefer Zwangslage fixierten Eiern nachgewiesen, dass ein direckt richtender Einfluss der Schwerkraft auf die Teilung nicht besteht, sondern nur ein indirekter. Bei schiefer /wangslage wird der Nahrungsdotter unten und der Bildungs- dotter oben angesammelt. Die Kerne folgen dem Bildungsdotter, vermutlich weil zwischen Kern und Bildungsdotter feste Be- ziehungen bestehen. Hier liegt zweifellos nichts weiter als eine einfache hydrostatische Erscheinung vor. „Die Schwerkraft wirkt ordnend auf die verschieden spezifisch schweren Substanzen des dickflüssigen Eiinhalts; das ist alles.“ (24, pag. 29.) Diesem Urteil scheinen nun aber — worauf Herbst meiner Meinung nach viel zu wenig Gewicht legt — die that- sächlich von Pflüger gemachten Befunde zu widersprechen. Pflüger fand, dass stets die obere Hemisphäre in kleinere, die untere in grössere Zellen zerlegt wurde, gleichgiltig Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 361 welche die weisse oder schwarze war. Ja er fand sogar, dass Eier, die sich mit dauernd nach oben gerichtetem weissen Pol entwickelt hatten, eine weisse Medullarrinne bildeten, dass also infolge der richtenden Schwerkraftswirkung weisses statt schwarzes Material zur Bildung des Centralnervensystems verwendet worden war. Diese vor nunmehr fast zwanzig Jahren erhobenen Befunde hat bis jetzt niemand systematisch nachgeprüft. Born hat seine Analyse nur auf das Verhalten der anormal fixierten Eier bis zum Auftreten der ersten Furche ausgedehnt. Er fand, dass in derartig behandelten Eiern eine Umlagerung des Dottermaterials eintrat, die die ursprüngliche Struktur annähernd wieder her- stellte. Damit war nun zwar allen weiteren Hypothesen, die Pflüger an seine Befunde geknüpft hatte, der Boden entzogen worden, aber die von Pflüger festgestellte Thatsache der völligen Umkehr des Furchungsmodus — weisse Zellen klein, braune gross — blieb nichtsdestoweniger bestehen und harrte ihrer Erklärung. OÖ. Schultze berichtet (45) zwar auch, dass er in (om- pression befindliche Froscheier im Stadium der ersten Furchen (die infolge der Compression alle Meridionalfurchen waren) ge- dreht, und dass dann diese Eier nach 10 Stunden nach dem aequalen Typus gefurcht gewesen wären. Er hat indessen keine Schnittserien von den so veränderten Eiern angelegt und kann daher über die inneren Vorgänge in diesen Eiern nichts aus- sagen. Darauf aber kommt es allein an, wenn wir entscheiden wollen, ob eine Induction durch Schwerkraft, oder ein einfacher hydrostatischer Vorgang vorliegt. Aber man kann ihm doch eine ge- wisse Berechtigung nicht absprechen, wenn er (45, 47, 49), solange diese vonP flüger gemachten Befunde nicht erklärt sind, den Stand- punkt vertritt, dass die Schwerkraft auf die Furchung des Froscheies in ganz bestimmter Weise richtend einwirke. Freilich darf er diese Einwirkung nicht Geotropismus nennen (vergl. 24, pag. 31). Tro- pismus nennt man in der Reizphysiologie das Wachstum eines Organismus zu einem Reiz hin oder von einem Reiz fort. Das Froschei wächst aber überhaupt nicht während der Furchung. Wenn von irgend einem Reiz die Rede ist, so kann es sich nur um eine Barymorphose, d. h. „durch die Schwerkraft ausgelöste, formative Wirkungen“ handeln (24, pag. 32), die darin bestehen 362 Max Moszkowski: würde, dass die Teilungsenergie der jeweils oberen Zellen erhöht, die der jeweils unteren erniedrigt werden würde. Liegt nun eine solche Barymorphose in der That bei den von Pflüger gemachten Befunden vor? A. Der makroskopische Befund. lch hatte schon in meiner ersten Arbeit (37) die Vermutung ausgesprochen, dass auf dem Vierzellenstadium gedrehte Eier deshalb Tagelang unveränderlich in dieser Lage blieben, weil durch die neu auftretenden Zellwände der Druck und der Reibungswiderstand zu gross würden, als dass eine Umlagerung der Dottersubstanzen vor Auftreten der dritten Furche statt- finden könnte. Diese Vermutung versuchte ich experimentell folgendermaassen zu prüfen. Durch die Untersuchungen von O0. Hertwig (29) und ©. Schultze (46) ist bekannt, dass niedere Temperaturen die Entwicklung des Froscheies in beträcht- licher Weise aufhalten, ohne dass die Eier irgendwelchen bemerkenswerten Schaden nehmen. Ich legte also auf dem Vier- zellenstadium gedrehte, in Plattenzwangslage befindliche Eier in Wasser von 1—2 Grad Wärme. Ich hoffte, dass hier durch die Kälte das Auftreten weiterer Furchen so lange aufgehalten werden würde, dass der Inhalt der vier Zellen Zeit haben würde, sich seinem spezifischen Gewicht nach zu orientieren. Diese Erwartung ist denn auch in allen Fällen bestätigt worden. Sowohl diejenigen Eier, die sich in Plattencompression be- fanden und auf dem Vierzellenstadium gedreht worden waren, als auch diejenigen Eier, die in Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht und dem Einfluss niederer Tem- peraturen ausgesetzt worden waren, zeigten nach etwa zwanzig- stündigem Verweilen im Eisschrank vollständig den von Pflüger geschilderten Furchungsmodus: Die weissen Hemisphären waren in viele kleine, die schwarzen in wenige grosse Zellen zerlegt worden, wie es Figur 1 und 1a, Tafel XIX zeigt. Ich hatte also eine direkte Bestätigung der Pflüger’schen Befunde vor .mir, und zwar ist es, so weit mir bekannt, das erste Mal, dass nach Pflüger derartige Befunde in solch prägnanter Weise erhoben worden sind. Ich modifizierte den Versuch nun so, dass ich einen Teil der Eier, die auf dem Vierzellenstadium gedreht worden waren, bei 1—2 Grad, einen anderen bei 10 Grad und Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 363 eine dritten bei 20 Grad züchtete. Die Resultate waren folgende: Die in der Kälte gezüchteten Eier hatten sich nach etwa zwanzig Stunden nach dem schon oben beschriebenen Furchungsmodus, oben kleine helle, unten grosse dunkle Zellen, geteilt. Die bei 20 Grad gezüchteten Eier, ebenso wie die bei 10 Grad gezüch- teten, unterschieden sich nach 11 Stunden in nichts von den bei gleicher Temperatur gezüchteten Kontrolleiern (Fig. 2 und 2a, Tafel XIX). Die dunkle Hemisphäre weist bei beiden kleine, dunkle, die helle grosse, helle Zellen auf. Die Furchen auf der hellen Hemisphäre sind fast nur Meridionalfurchen, die vom dunklen Pol aus durchgeschnitten haben, latitudinale Furchen sind auf der weissen Hemisphäre nur ganz wenige vorhanden (auf unserer Abbildung sogar nur eine). In klassischer Weise den umgekehrten Furchungsmodus zeigt ein auf dem Zweizellen- stadium gedrehtes, in Platteneompression bei 10 Grad gezüchtetes Ei (Fig. 3 und 3a). Die hellen Zellen sind klein, die dunkelen gross. Am dunkelen Pol überwiegen die von der hellen Hemi- sphäre aus durchgeschnittenen Meridionalfurchen, Latitudinal- furchen sind in der Umgebung des dunkelen Poles nur spärlich vorhanden. Verschiedene Eier, die m Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht und bei 1—2 Grad gezüchtet worden waren, lieferten Embryonen mit hellem Medullarrohr, wie sie entsprechend auch von Pflüger beschrieben worden sind (Fig. 4). Wenn man nun in umgekehrter Zwangslage befindliche Eier, die nach dem normalen Furchungsschema gefurcht sind — braune Zellen klem, helle gross — durch Zufuhr von Wasser, respektive Aufheben der Compression, vom Drucke befreit, so sieht man, dass sie nach einiger Zeit wieder in die für das Froschei typische Stellung — braune Hemisphäre nach oben, helle nach unten — zurückrotieren. Setzt man aber Eier, die nach dem umgekehrten Furchungsschema gefurcht sind, in Frei- heit, so tritt nichts dergleichen ein. Sie bleiben unverrückt in ihrer alten Lage. Bilden solche Eier einen Urmund, so ereignet es sich oft, dass ihr Dotterpfropf ganz oder doch zum Teil braun ist. Es hat also bei letzterer Kategorie von Eiern eine Umlagerung des Dottermateriales stattgefunden, die allerdings von aussen nicht kenntlich ist, bei ersterer Kategorie nicht. Archiv f. mikrosk, Anat. Bad. 61. 25 364 Max Moszkowski: B. Der mikroskopische Befund. Fertigt man von normalen, etwa 11 Stunden nach der Be- fruchtung fixierten Morulis vom weissen zum schwarzen Pol gehende Schnitte an, so erhält man folgendes Bild, das als typisch zu betrachten ist (Fig. 5). Die um den braunen Pol herum gelegenen Zellen, sowie die seitlichen sind in ganzer Ausdehnung von braunem Pigment erfüllt. Am hellen Pol sieht man auf dem Schnitt zwei grosse, helle Zellen, die im Durch- schnitt etwa 2—3 mal so gross sind als die kleinsten Zellen des dunklen Poles. Eine Furchungshöhle ist vorhanden. Die schwarz- braune Pigmentrinde ist am dunklen Pol am stärksten, wird seitlich immer schmäler, um am weissen Pol ganz zu verschwinden, wie das schon von Born (2) gezeigt worden ist. Untersucht man nun Durchschnitte von Eiern, die vor Auftreten der ersten Furche in schiefer Zwangslage fixiert worden sind, so sieht man nach Born, wie der herabfliessende weisse Dotter die Pigment- rinde zusammengeschoben und auf grössere Strecken von dem Ei abgelöst hat. Die Folge davon ist, dass Teile der weissen, peripheren Platte, die beim Absinken des weissen Dotters infolge ihrer zäheren Gonsistenz stehen geblieben ist, sichtbar werden, die weisse Hemisphäre also scheinbar vergrössert erscheint (vgl. 2). Indem der aufsteigende braune Dotter diese periphere, weisse Platte unterlagert, entsteht der charakteristische, graue Fleck. Betrachten wir jetzt einen Schnitt durch ein Ei, das auf dem Zweizellenstadium in Pflüger’scher Zwangslage gedreht und 20 Stunden lang bei 2 Grad gezüchtet worden ist. Das be- treffende Ei (Fig. 6) entspricht etwa dem Stadium der Figur 3. Die am oberen Pol gelegenen Zellen sind klein. Während aber bei normalen Morulis die Zellen an den Polen nur eine Art Dotter enthalten, weisen die Zellen hier am oberen Pol beide Dotterarten auf. Nach der Peripherie hin sieht man in jeder der fünf Zellen ein schmales Band von weissem, grobkörnigem Nahrungsdotter. Der Rest ist von feinkörnigem braunen Bildungsdotter erfüllt. An einer Stelle in jeder Zelle ist es zu grösseren Anhäufungen braunen Dotters gekommen, so dass eigenartige Zeichnungen in Form von Sternen, Bändern, Haken zu Stande gekommen sind. Durch die Mitte des ganzen Bies zieht sich ein Streifen braunen Dotters von Pol zu Pol. Dieser Streifen besteht aus fünf kleinen Zellen, von denen die unterste Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung, des Froscheies. 365 am unteren Pol liegt. Daneben liegt eine grosse, weisse Zelle. An die oberen kleinen Zellen stossen jederseits vier grosse, weisse Zellen, die somit die Flanken des Eies einnehmen. Die Pigmentrinde ist am unteren Pol am dicksten, nimmt nach beiden Seiten allmählich ab, um am oberen Pol fast ganz zu ver- schwinden. Die Deutung des Präparates ist nicht schwer. In dem auf dem Zweizellenstadium gedrehten und bei 2 Grad gezüchteten Ei ist der weisse Dotter in jeder Zelle längs der äusseren Wand abgesunken, der braune längs der Scheidewand der beiden Zellen aufgestiegen. Die Bahn des braunen Dotters ist noch deutlich zu erkennen. Am oberen Pol hat er sich unter der beim Ab- sinken des weissen Dotters stehen gebliebenen peripheren Platte ausgebreitet. Infolge des grossen Widerstandes der dem Ab- sinken des weissen Dotters m dem in Pflüger’scher Zwangs- lage befindlichen Ei entgegensteht, geht dieses Absinken sehr langsam vor sich; es gelingt ja überhaupt nur dann dieses Phänomen bei Pflügereiern nach der ersten Furche hervorzurufen, wenn man durch Kältewirkung den Ablauf der Furchung erheblich verzögert. Sei es nun, dass hierdurch die Wucht des abströmen- den Dotters eine geringere wird, sei es, dass die Pigmentrinde Zeit hat auszuweichen, auf jeden Fall findet das bei Zwangs- lageneiern vor der ersten Furche von Born konstatierte Zu- sammenschieben der Pigmentrinde nicht statt, dieselbe bleibt vielmehr an ihrem Platze. So sind die jetzt unten befindlichen, weissen Zellen von einer dicken, braunen Pigmentrinde bedeckt, während die oberen, bis auf die weisse periphere Platte, ganz aus braunem Bildungsdotter bestehenden Zellen keine Pigment- rinde besitzen. Es wird also bei makroskopischer Betrachtung der Anschein hervorgerufen, als ob oben weisse Zellen lägen und unten braune. In Wahrheit liegen aber, wie beim normalen Verhalten, oben braune Zellen, die nur durch die beschriebene, weisse Schicht verdeckt sind, und unten weisse, die aber durch die dicke, braune Pigmentrind verborgen werden. Die Umkehr des Furchungsmodus, wie ihn Pflüger beschreibt und auf die sich ©. Schultze (45, 47, 59) verschiedentlich ausdrücklich beruft, allerdings nicht auf Grund systematischer, durch Unter- suchungen von Schnittserien gestützter Experimente, ist also nur eine scheinbare. Auch hier, wie bei normaler Furchung, befindet 25* 366 „Max Moszkowski: sich im Grossen und Ganzen da, wo die kleinsten Zellen sind der braune Bildungsdotter und da, wo die grossen Zellen sind der weisse Nahrungsdotter. Auch die Erscheinung der weissen Medullarwülste ist nicht etwa die Folge davon, dass durch den richtenden Einfluss der Schwerkraft in diesem Falle ausnahmsweise die Medullarwülste sich aus dem Material der weissen Hemisphäre gebildet haben, statt wie gewöhnlich aus dem der schwarzen. Fig. 7 zeigt einen Querschnitt durch einen Embryo, dessen einer Medullarwulst braun, dessen anderer Medullarwulst aber weiss oder vielmehr grau war. Der Embryo stammte von einem Ei, das in Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht und bei 2 Grad gezüchtet worden war. Aus diesem Ei entstand keine Doppelbildung, sondern ein fast normaler Embryo. Auf die Analyse dieses Falles will ich hier nicht eingehen. Der Schnitt zeigt sehr schön, dass der linke Medullarwulst von einer dicken, braunen Pigmentrinde bedeckt ist, während sie auf der rechten Seite vollständig fehlt. Dagegen ist in der Grösse der Zellen rechts und links kein Unterschied wahrzunehmen, ebenso- wenig wie in ihrem Dottergehalt. C. Theoretische Schlussfolgerungen. Die eben mitgeteilten Befunde bestätigen also die von Pflüger 1853 veröffentlichten Thatsachen. Freilich werden wir sie anders deuten müssen, als es Pflüger seiner Zeit gethan hat. Born hat sein Hauptaugenmerk auf die Richtung der ersten Furchen, respektive auf die Lage der Kernspindeln gerichtet (l. c. 1 und 2). Er zeigte, dass die stete Coincidenz der ersten beiden Furchen mit der Richtung der Schwerkraft nicht die Folge eines von dieser ausgeübten Reizes, sondern die Folge einer Umlagerung des Dottermaterials auf rein physikalischer Grundlage ist. Mit der von Pflüger mitgeteilten Thatsache der Umkehr des Furchungsmodus hat er sich nicht weiter be- schäftigt. Und doch hat Pflüger grad auf diesen Punkt grossen Wert gelegt, wie aus einer Bemerkung in seiner dritten Schrift (42, pag. 9), die nach Borns vorläufiger Mitteilung (1) erschien, und die sich offenbar auf Born bezieht, hervorgeht. Auch OÖ. Schultze hat diese Beobachtung Pflügers öfter zur Stütze der von ihm vertretenen Ansicht, dass die Schwerkraft richtend Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 367 und regulierend auf die Zellteilung einwirke, herangezogen, ohne freilich, wie bereits gesagt, dieselben einer kritischen Nach- prüfung unterzogen zu haben. Freilich das makroskopische Bild ist sehr bestechend, so bestechend, dass Pflüger sich angesichts dieses Phänomens zu dem Ausspruch veranlasst sah: „Niemand kann die Ür- sache dieser merkwürdigen Erscheinung sagen. Niemand hat hier die Berechtigung von primären und sekundären Wirkungen der Schwerkraft zu sprechen“ (42, pag. 9). Das überaus klare mikroskopische Bild giebt uns denn doch wohl die Berechtigung, hier von durchaus sekundären Wirkungen der Schwerkraft zu sprechen. II. Kapitel. Einfluss der Schwerkraft auf die Organbildung. In dem kurz nach der Befruchtung sich in physiologischer Zwangslage befindlichem Froschei findet, wie wir oben gesehen haben, durch Schwerkraftswirkung eine Dotterumlagerung statt, durch welche das Eimaterial symmetrisch zu nur einer Symmetrie- ebene orientiert und so die Medianebene des künftigen Embryos bestimmt wird. Aber nicht nur die Bilaterialität des Embryos wird durch diesen Vorgang festgelegt, sondern auch seine genaue Lokalisation und seine Polarität. Der Embryo liegt stets auf der Seite, auf der der weisse Dotter abgesunken ist, niemals auf der gegenüberliegenden, auf der der braune Dotter aufgestiegen ist (Roux [44], Born [1, 2], O. Schultze [45, 47, 48, 49], Hertwig [26, 27], Morgan [32] u. a.). Der Kopf des Embryos liegt etwa 15 Grad nördlich des Aequators, der Schwanz 105 Grad südlich davon (Wilson [52], Moszkowski [38]'). Es wird also, worauf ich noch einmal ausdrücklich hinweisen will, durch einen äusseren Faktor, Schwerkraftswirkung, die Bilatera- lität, Polarität und Lokalisation des Embryos festgelegt. Der virtuelle Embryo ist am befruchteten, aber ungefurchten Froschei vollständig zu bestimmen, wovon ich mich auch durch zahlreiche !) Diese Arbeit war schon abgeschlossen, als mir die Arbeiten von Helen Dean King: Experimental Studies of the Formation of the Embryo of Bufo lentiginosus Arch. f. E.M. Bd. XIII, «, und von Albert ©. Eylosh- ymer: The Formation of the Embryo of Neeturus, with Remarks on the Theory of Conereseence, Anat. Anz. 21, in die Hände kamen. Diese beiden Autoren machen für Bufo und Neeturnus ungefähr dieselben Angaben, wie Wilson für Chlorophilus und ich für Rana fusca. 368 Max Moszkowski: Anstichversuche überzeugt habe. Sticht man mit der heissen Nadel das Ei kurz vor oder nach den ersten Furchen direkt am schwarzen Pol an, zerstört also das dort gelegene Material, so liegt der Defekt, wenn er nicht überhaupt verheilt, was ziemlich häufig vorkommt, an der Bauchseite des Embryos. Sticht man an der oberen Grenze des grauen Feldes direkt in der Mitte an, so findet sehr häufig eine Differenzierung im Organe überhaupt nicht statt. und man erhält Bilder, die völlig der Figur 6 von Kopsch (30, p. 118) gleichen (Fig. 8). Die Urmundränder haben sich längs einer sagittalen Linie zusammengelegt. Die drei Keimblätter sind vorhanden, von einer Differenzierung in Medullarplatte, Urwirbel Chorda ete. ist keine Spur zu erblicken. Sticht man etwas weiter seitlich an der oberen Grenze des grauen Feldes an, so erhält man Halbbildungen, die jedoch eine ganze (rehirnplatte besitzen (Fig. 9). Sticht man noch weiter seitlich an, so sind die Organe auf der operierten Seite zwar vollständig vorhanden, aber schwächer entwickelt wie auf der anderen Seite. Ein interessantes Beispiel dafür liefern Fig. 10, 10a, 10b und 10e. Figur 10 stellt einen Embryo dar, der im Achtzellenstadium seitlich von der oberen Grenze des grauen Feldes angestochen worden war. Man sieht, besonders auch auf dem Querschnittbild 10a, dass der linke Medullarwulst bis auf die hintersten Partien ebenso gut entwickelt ist als der rechte. Nach hinten zu wird er jedoch bedeutend schwächer, was namentlich auf dem Querschnitt (10b) sehr gut zu sehen ist. Am caudalen Ende des Embryos befindet sich auf der linken Seite ein Defekt, der fast wie ein Urmund aussieht; wie der (Querschnitt (Fig. 10°c) lehrt, betrifft dieser Defekt nicht mehr den linken Medullarwulst, sondern liegt ausserhalb desselben. Wir werden diesen Befund sofort im Zusammenhang mit den übrigen analysieren, fahren vor der Hand aber in der Beschreibung des rein Thatsächlichen fort. Sticht man an der unteren Grenze des grauen Feldes an, so erhält man ausnahmslos Embryonen mit Spina bifida, bei denen sowohl die Gehirnplatte als auch die Aftergegend wohl entwickelt sind (Fig. 11). Der Defekt kann übrigens nachträglien überwachsen werden, wie das auch von Hertwig beschrieben worden ist (Urmund und Spina bifida). Sticht man endlich an der dem grauen Felde gegenüberliegenden (srenze von weisser und schwarzer Hemisphäre an, so erhält man Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 369 einen Defekt in der Aftergegend des Embryos. der gleichfalls nachträglich überwachsen werden kann (Fig. 12). Diese Befunde zeigen also. dass der Embryo am befruchteten aber ungefurchten resp. in den ersten Furchungsstadien befindlichen Ei bereits völlig lokalisiert ist, und bilden zugleich eine völlige Bestätigung der von Kopsch vertretenen Ansicht über die Bildung der Embryonalanlage bei den anamnioten Wirbeltieren (30, pag. 125, 31, pag. 76). Die untere Grenze des grauen Feldes entspricht der Stelle, wo die erste Anlage des Urmundes stattfinden wird. Sticht man hier an, so entsteht eine Spina bifida oder Anento- blastia (Ronx). weil an dieser Stelle das abgetötete Material ein Hindernis für die Einstülpung der dorsalen Urmundlippe bildet. Die Herausdifferenzierung des Embryos wird aber hierdurch nicht betroffen. Dieselbe ‘geht von einem Bezirk: nördlich von der ersten Urmundanlge aus, die der oberen Grenze des grauen Feldes entspricht. Aus der Mitte dieses Bezirkes entsteht der Kopf, während die seitlichen Partien dem Wachstumszentrum von Rumpf und Schwanz entsprechen. Es findet daher bei Zer- störung der mittleren Partie des grauen Feldes überhaupt keine Differenzierung statt, bei Zerstörung der seitlichen Partien eine Halbbildung mit ganzem Kopf. Der gesamte Rest des Eies beteiligt sich nur insofern an der Bildung des Embryos, als Zellen, die nicht zum Embryobildenden Bezirk gehören, bei der Zusammenziehung der seitlichen Urmundränder in denselben gelangen und dann zum Aufbau des Embryos verwandt werden. Daher kommt es, dass, wie das schon Kopsch durch Anstieh- versuche nach Auftreten des Urmunds festgestellt hat, die Medullarwülste auf der operierten Seite zwar gebildet werden aber schwächer ausfallen als auf der intakten Seite. Der Defekt neben dem eaudalen Ende des Medullarrohres, wie ihn Figur 10 und 10c zeigen, ist dadurch entstanden. dass durch das abge- tötete Material die Bewegung der linken Urmundlippe hier in ähnlicher Weise aufgehalten worden ist, wie wir das bei Fig. 11 für die Bewegung der dorsalen Urmundlippe konstatierten'). Da !) Zur Methodik der Anstichversuche mache ich noch einmal aus- drücklich darauf aufmerksam, dass man unbedingt auf die Lage der ange- stochenen Eier achten muss, weil durch das auftretende Extraovat die Eier oft in schiefer Zwangslage fixiert werden, wodurch natürlich das Resultat erheblich modifiziert wird. Am besten ist es erst auf dem Vierzellenstadium 370 Max Moszkowski: das graue Feld, wie als bewiesen anzusehen ist, durch Schwer- kraftswirkung entsteht, so ist an einer Lokalisation morphogenetischer Vorgänge durch Schwerkrafts- wirkung wohl nicht mehr zu zweifeln. Es fragt sich nun, wie diese Wirkung zu Stande kommt. Sehen wir uns zu- nächst nach analogen Fällen in der Ontogenese anderer Tiere und Pflanzen um, so kommen allein die Beobachtungen Leit- gebs (32) in Betracht, auf die auch schon Pflüger verwiesen hat. Leitgeb hat gefunden, dass die Richtung der ersten Teilung der keimenden Spore von Marsilia, durch welche die stammbildenden Teile von den Wurzel bildenden geschieden werden von der Schwerkraft bestimmt wird. Allen Herbst (23, pag. 736) bemerkt ganz richtig, dass es sich hier um eine reine Induktion durch Schwerkraft nicht handeln könne, da, wie Leitgeb selbst angiebt, die erste Teilung auf jeden Fall durch die Archegonachse hindurchgehen muss, in einer Richtung also schon a priori fixiert ist. Von anderen äusseren Reizen, die, im Beginn der ÖOnto- senese wirkend, bestimmt lokalisierenden Einfluss ausüben, ist die von Stahl aufgefundene Wirkung des Lichtes auf die Teilung von Equisetumsporen zu nennen (50). Stahl fand, dass die Kernspindeln einseitig belichteter Equisetumsporen sich parallel zur Richtung der Lichtstrahlen stellten. Von den durch die Teilung hervorgehenden beiden Zellen wird die dem Licht ab- gewandte zur Rhizoidenzelle.e Winkler fand, dass die Eier von Uystosira barbata, einer Alge, in gleicher Weise auf die Licht- wirkung reagierten (53), und berichtet, dass Rosenvinge, sowie Farmer und Williams das gleiche Verhalten bei einigen Fucaceeneiern fanden. Bei tierischen Eiern ist eine ähnliche Wirkung des Lichtes, soweit daraufhin untersucht worden ist, bis jetzt nicht nachgewiesen worden. Da nun die Eier der oben anzustechen, weil dann die Struktur des Eies soweit fixiert ist, dass ein Ab- sinken des weissen Dotters nicht mehr zu befürchten ist. Den Unterschied zwischen den Anstichversuchen von Roux und den meinen besteht darin, dass Roux die Kerne tötete und so bewirkte, dass die Hälfte, resp. ein Viertel des Eies sich überhaupt nicht entwickelten; während ich unter möglichster Schonung der Kerne nur verhältnismässig geringe Mengen Protoplasma abtötete. Da nun diese toten Massen in loco blieben, so verhinderten sie, dass die normaler Weise an diesen Stellen vor sich gehenden Differenzierungen erfolgen konnten. Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 371 genannten Pflanzen zahlreiche Chromatophoren besitzen, so glaube ich mit Herbst (23, pag. 732), dass in ihrem Verhalten bei der ersten Teilung keine Photomorphose zu erblieken ist — d.h. keine morphologische Reizwirkung des Lichtes — sondern, dass es sich um eine heliotaetische Erscheinung handelt. Analog, wie durch Schwerkraftswirkung beim Froschei eine Scheidung der verschieden spezifisch schweren Substanzen erfolgt, so werden durch Lichtwirkung die verschieden Licht empfindlichen Substanzen der betreffenden Pflanzeneier in chlorophyllhalt'ge, positiv helio- taetische und chlorophyllarme, negativ heliotactische, geschieden. In letzter Linie sind noch die ausserordentlich wichtigen Veränderungen in der Entwicklung der Seeigeleier zu berück- sichtigen, dieÜ. Herbst durch Zusatz geringer Dosen von Li Cl zum Meerwasser hervorgerufen hat (19, 20, 21). Normaler Weise geht die Urdarmbildung der Seeigeleier von einem nur kleinen Bezirk der Blastula aus. Bei Anwesenheit von Li Cl im Meerwasser vergrössert sich dieser Bezirk proportional dem Prozentgehalt an Lithium, den das Wasser enthält, so dass in dem extremsten Fällen die gesamte Blastula Urdarm bildend wird, das Ektoderm also völlig unterdrückt wird. In diesen Fällen kommt es natürlich zu keiner Einstülpung. Aber auch in den in schwächeren Lithiumlösungen gezüch- teten Eiern findet keine Einstülpung statt, sondern es kommt zu einem Wachstum in entgegengesetzter Richtung, zur Bildung der von Herbst recht treffend so genannten Exogastrula. Herbst und Driesch erklären diese Frscheinung so, dass — kurz zu- sammengefasst — nicht etwa das Lithium einen direkt formverändernden Reiz auf den Echinidenkeim aus- zuüben vermag, sondern dass durch die Lithium- wirkung primär die Struktur des Eies geändert wird und dass der so veränderte Keim auf den sonst die Bildung des Entoderms auslösenden innern Reiz in anderer Weise reagiert als normal. Diese Erklärung scheint mir auch auf die ‘anderen oben beschriebenen Fälle durchaus zuzutreffen. Durch einseitige Be- lichtung wird z. B., wie wir sahen. erst die Struktur der Equisetumsporen modifiziert, die so veränderte Struktur bedingt aus innern Gründen eine bestimmte Stellung der Kern- spindeln u. s. f. Wir werden sehen, dass sich auch die Wirkung 372 ‚Max Moszkowski: der Schwerkraft auf die Entstehung der bilateralen Symmetrie des Froscheies nur unter diesem Gesichtspunkte begreifen lässt. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen der Wirkung des Lithiums einerseits und der Wirkung des Lichtes auf die Equisetumsporen andererseits. Die Anwesenheit von Lithium nämlich im Seewasser ist zur Erzielung von Lithiumlarven ab- solut notwendig; nicht aber die einseitige Belichtung für die Entwicklung der Equisetumsporen. Dieselben entwickeln sich auch bei allseitiger Belichtung oder im Dunkeln, allerdings etwas langsamer. Diese Reize fallen, nach der Einteilung von C. Herbst, die ich als eine ausserordentlich glückliche ansehe, unter die Kategorie I, bloss lokalisierende, nicht notwendige. Jene dagegen fallen unter die Kategorie Ily, strukturelle Reize, welche sich dadurch charakterisieren, dass sie „das Ursachen- getriebe in seinem Zusammenhang affıcieren“ (23, pag. 822). Um welche von diesen beiden Reizkategorien handelt es sich nun in unserem Falle? Die beiden anderen Herbst’schen Kategorien, II«, „Auslösungsreiz“, und II, „Umschaltungsreiz“ können wir als selbstverständlich nicht in Betracht kommend übergehen. Nur ad vocem (reotropismus möchte ich noch einige Worte sagen, weil OÖ. Schultze (47) „die Sorge“ des Frosch- eies sich durch die Perivitellinausscheidung seine Stellung zur Gravitation zu sichern als eine Fähigkeit ansieht, die man seiner Meinung nach als Geotropismus bezeichnen könnte. Unter (reotropismus versteht man einen komplizierten Reizvorgang, dessen (Greschehen an die Anwesenheit gewisser speziell differen- zierter Organe gebunden ist. Das noch undifferenzierte Ei be- sitzt aber naturgemäss derartige Organe noch nicht, kann infolge dessen also auch auf äussere Reize nicht in spezifischer Weise reagieren. Die einzige Form, in welcher lebendes Protoplasma auf der niedersten Differenzierungsstufe auf äussere Reize zu reagieren vermag, mögen es nun elektrische oder chemische, oder sunst welche Reize sein, ist durch Ausdehnung oder Zusammenziehung. In dieser Beziehung, wohlgemerkt nur in dieser, steht das tierische oder pflanzliche Ei auf keiner höheren Stufe als die niederste Amöbe. Die Struktur eines Vertebraten Eies ist natürlich unendlich komplizierter als die einer Amöbe — enthält es doch potentia den gesamten zukünftigen Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 373 Organismus in sich —. Aber eine Differenzierung in Organe und damit die Möglichkeit in spezifischer Weise auf äussere Reize zu reagieren, können wir dem Ei ebensowenig zuschreiben, wie der Amöbe. Während der Furchung aber findet keine Differenzierung statt. Der abgefurchte Keim ist darum als System genau dasselbe wie das befruchtete Fi. Hier einige Beispiele, um diese Behauptung zu erhärten: Bringt man Froscheier nach der dritten Furche, welche den Bewegungen des Eidotters innerhalb des Eies ein defmitives Ziel setzt. in irgend eine beliebige Lage zur Richtung der Schwerkraft und fixiert sie in derselben, so geht die Entwicklung ungestört weiter, ohne dass irgend welche Veränderungen auftreten. Der- artige Eier bilden auch noch den Urmund in normaler Weise und entwickeln sich, wenn man sie jetzt, d. h. nach Bildung der ventralen Urmundlippe. in Freiheit setzt, zu ganz normalen Embryonen. Lässt man die Zwangslage aber auch jetzt noch bestehen, so sterben sie ab, falls die Kopfanlage nach abwärts orientiert ist, entwickeln sich aber zu völlig normalen Larven, wenn das nicht der Fall ist. Grade auf letzteren Punkt lege “ich ganz besonderes Gewicht namentlich gegenüber O. Schultze. Ich habe wenigstens 50 Embryonen, deren totale Zwangslage ich genau nach den von O. Schultze angegebenen Cautelen geprüft habe, und die sich trotzdem ganz normal entwickelt haben. Nur, wie gesagt, wenn die Kopfanlage nach abwärts orientiert ist, sterben die Eier auf dem Stadium des kreis- förmigen Urmunds ab, also zu einer Zeit, wo die ersten Differenzierungen schon vor sich gegangen sind und sich auch speziell die nervösen Zentralorgane schon in situ befinden. Auch das Verhalten der Eier auf dem Zentrifugalapparat gehört hierher. Die Furchung stockt auf dem Zentrifugalapparat selbst bei einer Beschleunigung nicht, die 10 mal so gross ist als die Beschleunigung durch Schwerkraftswirkung. Das Ungeteiltbleiben des weissen Dotters ist natürlich auch keine Folge irgend einer Reizwirkung, sondern auch nur eines rein mechanischen Vor- gangs. Die Dotterelemente werden eben aus dem Protoplasma heraus an die Peripherie geschleudert, grade wie beim Zentri- fugieren von Milch die Fettkügelchen aus der Flüssiekeit sedimentiert werden. Ueber die ersten Anfänge der Gastrulation vermögen aber die Eier nicht herauszukonimen, so lange sie 374 Max Moszkowski: sich in Rotation befinden. Auch die Herbst’schen Lithiumeier weisen bis zum Blastulastadium keinerlei Störungen auf. Erst mit beginnender Gastrulation machen sich die formverändernden Wirkungen des Lithiums geltend. Ich glaube, diese Beispiele, die sich leicht noch vermehren liessen, genügen, um unsere Behauptung zu erhärten, dass während der Furchung äussere Reize irgend welche spezifische Wirkungen nicht aus- üben können, da zur spezifischen Reaktion speziell differenzierte Organe gehören, die dem sich furchenden Ei noch mangeln. Dass aber in Sonderheit zur Perception des Schwerkraftreizes nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Pflanzen ganz bestimmt gebaute Organe nötig sind, geht aus den neuesten Arbeiten auf botanischem Gebiet hervor. Nemee (39) und Haberlandt (17) haben unabhängig von einander die Behauptung aufgestellt, dass die Perception des Schwerkraftreizes durch analog den Oto- resp. Statocysten gebaute Organe vermittelt würde. Als diese Organe sind von beiden übereinstimmend die Stärkescheiden bezeichnet worden, wobei den Stärkekörnern die Rolle der Oto- resp. Statolithen zugeschrieben wurde. Diese Behauptung ist nun durch Haberlands letzte Publikation (18) in meiner Meinung nach einwandfreier Weise, durch das Experiment bestätigt worden. Es gelang ihm nämlich zu zeigen, dass Teile von Pflanzen, die sonst kräftig geotropisch reagierten (linum perenne), im Winter, wenn ihre Stärke völlig ver- schwunden war, den Schwerkraftsreiz nicht mehr zu perzi- pieren vermochten, diese Fähigkeit aber sofort wieder erlangten, wenn sie nach mehrstündigem Aufenthalt im warmen Zimmer die Stärke neu gebildet hatten. Auf Grund dieser Ueber- legungen wird es uns auch sofort klar, warum die äusseren Reize, die während der späteren Entwicklung der Organismen, speziell der Pflanzen, eine so grosse Rolle spielen, während der ersten Entwicklungsstadien ganz in den Hintergrund treten. Wir können also nicht sagen die Schwerkraft induziert die Bilateralität des Embryo. Die Schwerkraft kann direkt nur rein physikalisch auf das Ei wirken, durch Umlagerung seiner Dottersubstanzen. Durch diese Einwirkung auf das eben befruchtete Ei wird die Struktur desselben verändert. War es vorher radiär gebaut und isotrop, so erhält es jetzt einen ani- sotropen, bilateralen Bau. Dieser bilaterale Bau wird während Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 375 der Furchung nicht nur festgehalten, sondern auch fixiert. Hierin scheint mir überhaupt neben der Zerkleinerung des Eı- dotters und Vermehrung der Kerne der Wert der Furchung zu bestehen. Die Struktur des befruchteten. ungefurchten Eies ist eine labile. Dieser labile Zustand wird durch die Furchung in einen stabilen übergeführt. Dies ist der wesentliche Unter- schied zwischen dem befruchteten, ungefurchten Ei und dem abgefurchten Keim. Daher müssen Struktur verändernde Reize vor oder im Beginn der Furchung angreifen. Nachher lässt sich die Struktur des Eies nicht mehr verändern. Herbst erzielte nur dann Lithiumlarven, wenn er die Seeigeleier kurz nach der Befruchtung oder während der ersten Furchungen in Lithiumwasser brachte, spätere Einwirkung des Lithiums hatte keinen Frfolg. „Die morphologische Wirkung des Lithiums kann sich an befruchteten Seeigeleiern um so weniger geltend machen, je weiter sie in der normalen Entwicklung fortgeschritten sind“ (20, pag. 177). Wir haben gesehen, dass ebenso die Schwer- kraft nur so lange verändernd auf die Entwicklung des Frosch- eies einwirken kann, als sie im Stande ist die Struktur des Eies zu verändern, also spätestens bis zum Auftreten der dritten Furche. Aus unseren Ausführungen geht also hervor, dass wir die Wirkung der Schwerkraft auf die Entwicklung des Froscheies als strukturellen Reiz auffassen müssen. Das unbefruchtete Froschei besitzt eine gewisse Struktur. Diese Struktur wird kurz nach der Befruchtung durch Schwerkraftswirkung geändert. Die so veränderte Struktur ist derartig, dass sie auf den (innern) Organbildung auslösenden Faktor in der typischen Weise reagiert. Das unbefruchtete Ei ist radiär gebaut und ist völlig isotrop. Jeder Meridian ist jedem anderen gleichwertig. Dieser radiäre Bau wird durch die Wirkung der Schwerkraft bald nach der Befruchtung in einen bilateralen verwandelt. Dadurch wird die Isotropie des Eies zerstört. Das befruchtete Froschei besitzt einen anisotropen Bau. Es ist nun sehr interessant, dass ebenso, wie das unbefruchtete Froschei gegen den struktur- verändernden Einfluss der Schwerkraft bis zu einem gewissen Grade gefeit ist, auch das unbefruchtete Seeigelei auf den strukturverändernden Einfluss des Lithiums nicht zu reagieren vermag. Herbst hat unbefruchtete Seeigeleier bis 31/2 Stunde 376 Max Moszkowski: im Lithium liegen lassen; brachte er sie dann in reines See- wasser und befruchtete sie dort, so entstanden stets völlig nor- male Plutei aus ihnen. Es ist also wohl die Anisotropie des befruchteten Echinodermenkeimes gleichfalls keine präformierte, sondern erst nach der Befruchtung erworben. Angesichts der formativen Wirkung des Lithiums liegt der Schluss sehr nahe, dass die diese Anisotropie schaffende, äussere Kraft, nicht wie beim Froschei physikalischer, sondern chemischer Natur ist. Es bleibt uns jetzt noch übrig, festzustellen, auf welchem Wege nun die Bilateralität des Keimes die Bilateralität des Embryos zur Folge hat. Vorher aber müssen wir noch einige ‘kurze Worte über den Grundcharakter der Entwicklung sagen. Ich stehe in dieser Beziehung voll und ganz auf dem Boden der von Hans Driesch in seinen ersten Schriften (3, 6, 7, 8, 11) aufgestellten Theorie. Dieselbe lässt sich kurz folgendermassen zusammenfassen: „Die Summe der ontogenetischen Möglich- keiten, gleichsam das die Summe der Speziescharaktere repräsen- tierende Magazin: kurz die wahre Anlagesubstanz, wenn man das Wort recht verstehen will, muss als im Kern der Eizelle liegend angenommen werden“ (11, p. 105). Dass also aus einem Froschei ein Frosch, aus einer Eichel ein Eichbaum wird, dafür liegen die Gründe im Kern. Die Vorbedingungen aber für die Realisierung dieser Möglichkeiten liegen in der Organisation des Eies „indem in ihr die Ursachen gegeben sind, welche die sich als erste entfaltenden Möglichkeiten auslösen und damit erst den sich ferner entfaltenden die Vorbedingungen ihrer Realisierung schaffen.“ (ibid.) Das heisst mit anderen Worten: Jeder Kern besitzt potentia die Fähigkeit in sich, den gesamten Organismus aus sich hervorgehen zu lassen. Die Organisation des befruchteten Eies aber ist eine anisotrope. Dieser anisotrope Bau des Eiprotoplasmas wirkt als Reiz auslösende Ursache bestimmend auf die Entfaltung der ersten Organe — wir werden gleich sehen in welcher Weise — (primärer Elementar- vorgang nach Driesch, 8, pag. 71). Diese primären Organe wiederum lösen die Entwicklung sekundärer Organe aus u. 8. f. Es hängt also die Lokalisation der Organe sowie der Rythmus ihrer Entwicklung vom Bau des Eies ab. Es liegt in den uns verborgenen Qualitäten des Kernes begründet, Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. Bl dass die einzelnen Organe des Frosches ihren spezifischen nur dem Frosche zukommenden Charakter besitzen, in der des Ei- protoplasmas aber liegt der Grund davon, dass aus dieser Zelle eine Sinneszelle und keine Drüsenzelle, aus jener eine Ganglien- und keine Bindegewebszelle geworden ist. „Die prospective Bedeutung der einzelnen Blastomeren ist eine Funktion ihrer relativen Lage.“ (6, pag. 243). Nachdem wir uns über diese allgemeinen Gesichtspunkte klar geworden sind, kehren wir wieder zu unserem eigentlichen Problem zurück: auf welche Weise bestimmt die Schwerkraft die Bilateralität, Polarität und Lokalisation des Embryos? Rekapi- tulieren wir noch einmal, was bis jetzt feststeht: Das unbe- fruchtete Ei ist isotrop, durch Schwerkraftswirkung erhält es kurz nach der Befruchtung die Symmetrieebene und wird auf diese Weise anisotrop. Inwiefern bewirkt nun diese Anisotropie die Entfaltung der primären Organe — denn um diese kann es sich nach obigen Ausführungen allein handeln — an ganz bestimmt lokalisierter Stelle? Betrachten wir einmal einen schematischen, medianen Sagittalschnitt durch ein Froschei kurz vor Auftreten der dritten Furche. Wir sehen, dass durch die zweite Furche das Ei in zwei ungleiche Hälften geteilt worden ist, indem in den hinteren (h) Zellen der weisse Nahrungsdotter höher hinaufreicht als in den vorderen (v). Wie werden sich in diesem Ei die Kernspindeln zur nächsten Teilung einstellen müssen? In jeder der beiden 378 Max Moszkowski: vorderen Zellen müssen sich die Kernspindeln, um in der Richtung der grössten Protoplasmamenge zu stehen, parallel zur zweiten Furche stellen und näher dem schwarzen Pol. Es resultiert aus dieser Stellung der Kernspindeln eine näher dem schwarzen Pol liegende Latitudinalfurche, welche senkrecht auf erster und zweiter Furche steht. Anders liegen die Verhältnisse in den hinteren Zellen. Hier ist die Richtung der grössten Protoplasmamenge durch die periphere weisse Platte, die bei Absinken des weissen Dotters stehen geblieben ist, verändert worden. Infolgedessen stellt sich die Kernspindel nicht parallel sondern schräg zu der zweiten Furche ein, wie das Schema zeigt. Die Zellteilung verläuft also schräg zur zweiten Furche, ein Factum, von dessen Richtigkeit man sich leicht durch den Augenschein überzeugen kann. Diese schräge Stellung der dritten Furche, verbunden mit dem Auftreten des grauen Feldes, haben zu der irrtümlichen Ansicht geführt, als ob die Eier von R. fusca und R. esceulenta schräg zur Verticalen orientiert wären. Die Eier sind in Wahrheit vollständig senkrecht gestellt, wie das ja auch a priori selbstverständlich ist. Man darf eben nicht übersehen, dass das graue Feld zur schwarzen und nicht zur weissen Hemisphäre gehört, und dass die dritte Furche keine Latitudinalfurche, sondern eine Schrägfurche ist. Man kann sich von dieser Thatsache schon dadurch überzeugen, dass die hinteren oberen Zellen immer kleiner sind als die vorderen oberen Zellen, worauf schon Roux!) (44, pag. 112/113) aufmerksam gemacht hat, ohne freilich dieser Sache irgend welchen Wert beizulegen. Und doch ist meines Erachtens, der kleinere Umfang der hinteren oberen Zellen eine Thatsache von fundamentaler Wichtigkeit. Wenn wir die Gleichwertigkeit aller Furchungskerne, woran wohl nicht mehr zu zweifeln ist, zugeben, so müssen wir auch annehmen, dass ihre Teilungskraft eine gleiche ist. Bei gleicher Teilungskraft werden aber diejenigen Zellen sich am schnellsten teilen, bei denen der zu überwindende Widerstand, d. h. die zu bewältigende Protoplasmamenge am geringsten ist. In der That ') Roux giebt diese Thatsache nur für R. esculenta an. Wenn er sagt, dass bei R. fusca das Furchungsbild einerseits zu regelmässig, andrer- seits zu unregelmässig ist, um ein Schema aufzustellen, so trifft das, wie sehon O0. Sehultze (48) gezeigt hat, nicht zu. Das Furchungsbild von R. fusca ist dem von R. esculenta durchaus identisch. Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 319 sehen wir, dass die Furchen 4. Ordnung unter normalen Ver- hältnissen stets zuerst in den hinteren, oberen Zellen auftreten — es sind Meridionalfurchen, — erst fünf bis zehn Minuten später erscheinen sie in den vorderen, oberen Zellen. Dieser Vor- sprung wird natürlich bei jeder folgenden Teilung immer grösser, so dass wir im Blastulastadium an dieser Stelle des Eies, die äusserlich der Stelle des grauen Feldes entspricht, die kleinsten Zellen vorfinden, was schon von OÖ. Schultze kon- statiert worden ist, der indessen irgend eine Erklärung für diesen Umstand nicht zu geben vermochte. (48) Ein zweiter Grund dafür, dass an dieser Stelle die Furchung ganz besonders schnell vor sich geht, ist folgender. Während sonst im ganzen Ei weisser und brauner Dotter ohne scharfe Grenze in einander übergehen, stossen an dieser Stelle des Eies reiner Bildungsdotter und reiner Nahrungsdotter unmittelbar an einander. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieser letztere während der Furchung assimiliert wird. Man kann sich durch direkte Beobachtung davon überzeugen, dass die graue Stelle während der Furchung immer dunkler wird, bis sie im Blastulastadium restlos in die braune Hemisphäre übergeht. Nun haben Driesch am Seeigel- und Ascidien-Ei (9, 15), Herlitzka am Ei von Triton (25) Morgan bei Amphioxus (35) nachgewiesen, dass die Grösse der Zellen einzelner spezifischer Organe eine fest fixierte ist. Ich stelle mir deshalb die ersten Differenzierungsvorgänge beim Froschei folgendermassen vor. Die in der Umgebung des grauen Feldes gelegenen Zellen ge- langen infolge ihrer rascheren Teilungen früher: als alle anderen Zellen an die Grenze ihrer Teilbarkeit, unter die sie infolge ihrer Struktur nicht heruntergehen können. Durch dieses „Fertigsein“ in quantitativer Beziehung werden Wachstumsvor- gänge ausgelöst. Während bis dahin jede Zellteilung stets eine Verkleinerung der einzelnen Zellen zur Folge hatte, ein Wachs- tum des Eies während der Furchung also nicht stattfindet, so muss jetzt jede Tochterzelle erst zur Grösse der Mutterzelle heranwachsen, bevor sie sich ihrerseits teilt. Die Folge davon ist, dass von nun an — d.h. vom Ende des Blastulastadium an — eine Vergrösserung des Keimes stattfindet. Dieses un- gleiche — weil nur an einem kleinen Bezirk des Fies erfolgende — Wachstum des Eies bedingt eine Einfaltung — die Gastru- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 26 380 Max Moszkowski: lation.!) Dass der Vorgang der Gastrulation wirklich auf dieses rein mechanische Moment zurückzuführen ist, geht aus dem Verhalten der Lythiumlarven klar hervor. Durch die Einwirkung dieses Salzes wird ja bewirkt, dass kein ungleiches Wachstum der Blastulazellen des Seeigeleies stattfindet. Im Lithium teilen sich alle Zellen gleich schnell, sodass alle Zellen zur gleichen Zeit an die Grenze ihrer Teilbarkeit gelangen. Fängt der Keim jetz an zu wachsen, so findet bei dem gleichmässigen Wachstum der Zellen keinerlei Einfaltung, sondern eine gleichmässige Ver- grösserung der Blastula nach allen Seiten hin statt, sodass ein kugelförmiges Gebilde zu Stande kommt, das fast doppelt so gross ist, wie eine gleichaltrige normale Gastrula. Ausser diesen Wachstumsvorgängen, wird zu gleicher Zeit an denselben Zellen, die im Blastulastadium die kleinsten des gesamten Keimes sind, noch anderes Difterenzierungsgeschehen ausgelöst. Nördlich von der ersten Urmundeinfaltung legt sich der Embryo bildende Bezirk an, aus dessen mittleren Partien der Kopf entsteht, während die seitlichen das Wachstumszentrum von Rumpf und Schwanz bilden. (Kopsch). Beide Vorgänge — Gastrulation und Herausdifterenzierung des Embryo bildenden Bezirkes — sind völlig unabhängig von einander, wie Figur 8 und Figur 11 lehren. Figur 8 stellt ein Ei dar, das zwar gastruliert hat, an dem eine Differenzierung im Organe aber nicht vor sich gegangen ist, Figur 11 em Ei, an dem zwar die nervösen Zentralorgane gebildet sind, eine Einstülpung aber nur in sehr beschränktem Maasse ?) stattgefunden hat. (Mir scheint aus diesem Grunde die von Roux gewählte Bezeichnung „Anentoblastia“ trefftender für diese Art Missbildungen zu sein !) Roux erklärt (44, pag. 342) die Gastrulation in ganz ähnlicher Weise durch ungleiches Wachstum. Nur nimmt Roux an, dass um diese Stelle eben besonders qualifiziertes Material schon während der Furchung angehäuft worden sei „welches zufolge dieser Qualitäten sowohl am frühesten zu wachsen, wie auch das Medullarrohr mit seinen spezifischen, histologischen und chemischen Qualitäten zu bilden vermag“ Ich glaube dagegen, dass dieses erste Wachstum nicht die Folge von an dieser Stelle angehäuften be- stimmt qualifizierten Materiales ist, sondern dadurch ausgelöst wird, ‚dass eben an dieser Stelle die Zellen zuerst die Grenze ihrer Teilbarkeit er- reichen. 2) Eventuell vielleicht gar keine, wenn man annimmt, dass die Kopf- darmhöhle durch Dehiscenz entsteht, Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 381 als die von Hertwig vorgeschlagene „Spina bifida“, weil erstere der Aetiologie derselben — Unterbleiben der Einstülpung — mehr Rechnung trägt.) Wir werden also sowohl die Gastrulation als auch die Herausdifferenzierung des embryobildenden Bezirkes als primäre Flementarvorgänge im Sinne von Driesch be- zeichnen, Urmund und Embryo bildenden Bezirk aber als primäre Organe. Von diesen primären Organen wird die Bildung sekundärer, von den sekundären die tertiärer Organe ausgelöst u. s. f. Noch einige Worte über den (inneren) Faktor, durch welchen die Herausdifferenzierung des embryobildenden Bezirkes ausgelöst wird. Über seine Natur können wir natürlich nur Vermutungen hegen. Wir werden uns erinnern, dass diese An- lage des Embryo bildenden Bezirkes Hand in Hand mit Wachs- tumsvorgängen geht, und können dann vielleicht die durch das Wachstum hervorgerufenen chemischen Veränderungen der Zellen als Reiz auslösende Ursache betrachten. Vom Standpunkte der Weismann'schen Keimplasmalehre aus liesse sich die Sache vielleicht so erklären: Während der gesamten Furchung findet nur quantitative Teilung der Kerne statt. Wenn nun die Kern- masse soweit verkleinert ist, das eine Teilung der Masse nach nicht mehr möglich ist, so wird dadurch die qualitative Teilung, i. e. die Zerlegung des Keimplasınas eingeleitet. Wie dem auch sei, so viel steht jedenfalls fest, dass dadurch, dass die Zellen an der betreffenden Stelle zuerst die Grenze ihrer Teilbarkeit erreichen, unter die sie nicht herunter gehen können, Wachs- tums- und Differenzierungsvorgänge an ihnen ausgelöst werden. Auf dem Boden der von uns mit obigen Zeilen vertretenen Ansicht über die Bildung der primären Organe wird uns auch das Verständnis der Schultze’schen Doppelmissbildungen leicht werden. Durch die in beiden Zellen stattfindenden Um- lagerungen des Dottermateriales werden an dem einen Ei zwei Punkte präformirt, an denen die Zellverkleinerung früher als am Rest des Eies sistiert. Es werden also an zwei Punkten zugleich primäre Elementarvorgänge ausgelöst. Sehr gut stimmt dazu die Thatsache, dass aus auf dem Zweizellenstadium ge- drehten Eiern nur Janusartige Missbildungen entstehen. Dupli- eitas posterior ist an diesen Eiern noch nie beobachtet worden, wie denn überhaupt eine reine Duplicitas posterior bis jetzt in der gesamten Teratologie der Wirbeltiere meines Wissens 26* 382 Max Moszkowski: noch in keinem Falle konstatiert worden ist. Eine solche würde sich allerdings schleht mit unserer Theorie vertragen. Es ist ja sehr wohl denkbar, dass zwei von zwei verschiedenen Bildungszentren ausgehende Individuen zu einem einzigen mit einander verschmelzen. Die Versuche von Driesch (14) und Morgan (33) am Seeigelei geben dieser Annahme eine wohl fundierte Grundlage. Es ist aber undenkbar, dass ein ein- heitliches, ungeteiltes Bildungszentrum zwei Individuen erzeugt. Sehr interessant ist der Vergleich der Morgan’schen und Driesch’schen Verschmelzungsversuche mit den Beobach- tungen zur Strassens. Zur Strassen berichtet von Rieseneibildungen bei Ascaris megalocephala, die dadurch ent- standen sind, dass zwei Eier kurz vor oder kurz nach der Be- fruchtung miteinander verschmolzen (53). Aus solchen Eiern entstanden einfache Embryonen von doppelter Grösse. In den Fällen von Morgan und Driesch aber ist die Verschmelzung offenbar erst im Blastulastadium erfolgt (14, pag. 416). Aus solchen Verschmelzungsprodukten entstanden stets primär Zwillinge. Es kommt für uns dabei nicht in Betracht, dass durch sekundäre Regulationen aus primär doppelten Anlagen oft einfache Embryonen wurden. Der Hauptpunkt ist der, dass aus vor Stabilierung ihrer Struktur verschmolzenen Eiern ein- fache Embryonen wurden (zur Strassen), aus nach dieser Stabilierung (infolge Furchung) verschmolzenen aber solche, die wenigstens ihrer primären Anlage nach Zwillinge waren. (Driesch, Morgan). Es ist dies ein weiterer und wie mir scheint zwingender Beweis gegen die Annahme, dass der zu- künftige Embryo irgendwie im Ei präformiert wäre, und für die Driesch’sche Theorie, dass die Entfaltung der im Kern ge- legenen ontogenetischen Möglichkeiten von Reizauslösungen ab- hängt, die im protoplasmatischen Bau des Eies gelegen sind. Zusammenfassung und Schluss. Fassen wir nunmehr die Ergebnisse unserer Beobachtungen und Überlegungen zusammen: 1. Das unbefruchtete Froschei ist völlig isotrop, sein Bau. ist radiär. 2. Kurz nach der Befruchtung erleidet es durch Schwer- kraftswirkung eine Umlagerung seines Dottermateriales, PR“ Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 383 durch welches es einen anisotropen, bilateral-symmetrischen Bau erhält. 3. An dem derartig veränderten, befruchteten aber unge- furchten Ei ist der zukünftige Embryo genau lokalisiert, seine Bilateralität und Polarität festgelegt. 4. Diese Struktur des eben befruchteten Eies kann jedoch immer noch verändert werden. Sie ist labil. Erst durch die Furchung wird sie stabilisiert. Strukturverändernde Reize können daher nur kurz nach der Befruchtung oder ganz im Beginn der Furchung angreifen, später sind sie wirkungslos. 5. Ditferenzierungsgeschehen findet beim Froschei während der Furchung nicht statt. Das abgefurchte Ei ist daher als System genau dasselbe wie das befruchtete, aber ungefurchte Ei. Daher ist das sich furchende Fi nicht im Stande auf äussere Reize in spezifischer Weise zu reagieren, denn zur spezifischen Reaktion gehören speziell differenzierte Organe, die dem abge- fürchten Froschkeim noch fehlen. 6. Die ersten Wachstums- und Differenzierungsvorgänge werden an einer Stelle ausgelöst, an welcher vom Beginn der Furchung an sich die kleinsten Zellen befinden. 7. Als auslösenden Faktor haben wir das Fertigsein der Zellen in quantitativer Beziehung angesehen. Das heisst: Die Grösse der Zellen kann unter eine bestimmte Grenze nicht ‚heruntergehen. Dadurch dass die in der Umgebung des grauen arm Feldes befindlichen Zellen, aus pag. 377 näher beschriebenen Gründen, diese Grenze vor allen anderen Zellen erreichen, werden zuerst an ihnen Wachstumsvorgänge ausgelöst. Infolge dieses ungleichen Wachstumes kommt es zu einer Einfaltung des Keimes, der Gastrulation. Zur selben Zeit findet an demselben Zell- complex die Herausdifferenzierung des Embryo bildenden Be- zirkes statt, so dass ein kaudaler Zusammenhang zwischen dem Fertigsein der Zellen in quantitativer Beziehung und der Aus- lösung dieses Differenzierungsgeschehens vermutet werden darf, ohne dass indessen über die spezielle Natur dieses Reiz aus- lösenden Faktors etwas Näheres ausgesagt werden kann. 8. Die Bildung des Urmundes und die Herausdifferenzierung des Embryo bildenden Bezirkes sind völlig unabhängig von einander. Diese beiden Vorgänge sind daher als primäre Elementarvorgänge im engsten Sinne zu bezeichnen. 384 Max Moszkowski: Damit ist also unsere Aufgabe, den Einfluss der Schwer- kraft auf die Entwicklung des Froscheies zu analisieren, gelöst. Wir sehen dass von einer nach unbekannten Gesetzen statt- findenden Beherrschung der Furchung und Organbildung durch die Schwerkraft nicht gesprochen werden kann. Der von der Schwerkraft auf die Entwicklung des Froscheies ausgeübte Reiz muss vielmehr unter die von Herbst in Kategorie Ily zusammen- gefassten strukturellen Reize subsummiert werden. Dass ein Frosch aus dem Froschei entsteht, davon liegen die Ursachen im Kern, dass aber diese potentielle Energie des Kernes in aktuelle verwandelt wird, das liegt an der durch die Schwerkraft geschaffenen Organisation des Eies. Es ist uns also zum ersten Male gelungen, die gestaltende Wirkung einer normaler Weise angreifenden äusseren Kralt auf die Entwicklung eines Organismus nicht nur zu konstatieren, sondern auch zu analysieren. Diese Analyse liesse sich vielleicht noch weiter ausdehnen, es könnten noch die feineren Strukturveränderungen speziell der Kerne erforscht werden. Auch die Natur des inneren die Organbildung auslösenden Reizes liesse sich eventuell noch tiefer ergründen. Nie aber kann es uns gelingen zu erfahren, warum denn nun das sich entwickelnde Ei so und nicht anders auf den betreffenden Reiz reagiert, mit anderen Worten, warum aus dem Froschei ein Frosch wird. Denn das liegt in der Qualität des Eies begründet. Hier aber ist aller kausalen Forschung ihre Grenze gesetzt. Unsere nur auf Zeit und Raum gehende Vernunft vermag Quali- täten nicht zu ergründen, sondern nur rein empirisch zu kon- statieren. Die kausale Forschung hat sich also nur mit dem (wuantitativen zu befassen. Ihre Aufgabe ist gelöst, wenn sie alles Quantitative auf reine (Qualität zurückgeführt hat. Diese muss sie als Letztes, Gegebenes hinnehmen. Es geht aus dieser Auffassung hervor, dass die Probleme der kausalen Forschung stets nur rein mechanische sein können. Dabei darf aber nie vergessen werden, dass alles Mechanische, was wir aufzudecken vermögen, sich an Objekten abspielt, die ausser ihrer Quantität, untrennbar mit ihr verbunden, auch Qualitäten besitzen, die etwas prinzipiell anderes, für unsere Vernunft niemals zu Be- re r* Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 385 greifendes sind. Es heisst die Quadratur des Kreises versuchen, wenn man Qualitäten auf Quantitäten, also etwa auf „Atombe- wegung“, zurückführen will. Qualitäten lassen sich nur empirisch konstatieren, aber nicht kausal verstehen. Die vitalistische Schule ist vollständig im Recht, wenn sie dies für unmöglich erklärt. Mechanische Prozesse sind dem Satz vom Grunde unter- worfen. Da der Satz vom Grunde die Quintessenz unserer Er- kenntnis ist, so können wir bei Kenntnis der Ursache die Wirkung a priori voraussagen. Veränderungen der Qualität aber lassen sich nicht a priori vorhersagen, sie müssen empirisch ermittelt werden (vergl. 7, pag. 20—23). In einem anderen Punkte aber stehe ich in einem gewissen Gregensatze zu dem Standpunkt, den Driesch in seinen letzten Schriften einnimmt (12, 13, 16). Ich vermag einen prinzipiellen Unterschied zwischen organischer und anorganischer Qualität nicht zu erblieken. Dass aus einer Eichel ein Eichbaum wird, scheint mir kein grösseres „Wunder“ zu sein, als dass ein Lichtstrahl beim Übertritt in ein anderes Medium nun grade so gebrochen wird, dass er in einem Minimum der Zeit zu seinem Ziele gelangt, oder dass zwei Atome Wasser- stoff und ein Atom Sauerstoff sich zu Wasser verbinden. Mir scheint eins so wenig „erklärbar“ zu sein, wie das andere. Die Struktur der lebenden Substanz ist offenbar viel komplizierter als die der toten, aber der Unterschied scheint mir kein prin- zipieller, sondern nur ein gradueller zu sein (vergl. 43, pag. 264— 280). In seinen ersten Schriften hat auch Driesch, wenn ich ihn recht verstehe, diesen Standpunkt eingenommen. Ich müss daher durchaus bestreiten, dass wir das Recht haben, eine eigene, vitale Kausalität zu konstruieren. Ich erblicke in der finalen Betrachtungsweise eine schätzenswerte Bereicherung unserer Methodik, die neben der kausalen Betrachtungsweise uns wertvolle Dienste in der Erkenntnis von Naturgesetzen leisten kann. Aber wir dürfen doch nie vergessen, dass es sich bei Aufstellung des Zweckmässigkeitsprinzip eben um eine sub- jektive Betrachtungsweise, nicht aber um etwas objek- tiv Vorhandenes handelt. Drieschs Autonomie der Lebens- vorgänge involviert aber eine solche objektiv vorhandene Zweck- mässigkeit. Er sagt ja selber: „Das Teleologische tritt also hier nicht bloss als formale Betrachtungsweise auf, sondern ganz unmittelbar Spezifitäts- im Besonderen ortsbestimmend“ (16, 386 Max Moszkowski: pag. 179). Es würde den Rahmen dieser Arbeit weit über- schreiten, wollte ich mich auf eine Kritik der von Driesch in seinen letzten theoretischen Schriften (2, 13, 16) niedergelegten, diesbezüglichen Ansichten einlassen. Aber sollte die Objektivierung einer subjektiven Betrachtungsweise — i. e. der Zweckmässig- keit — nicht auch „auf einer Verwechslung der Verständlichkeit mit der empirischen Wirklichkeit des Geschehens“ beruhen, (13, pag. 38)? Ich glaube den Geltungsbereich der finalen Be- trachtungsweise nicht ‚besser charakterisieren zu können als mit folgenden Worten Kants. „...... ‚ nur wird behauptet, dass die menschliche Vernunft in Befolgung derselben“ (i. e. der finalen Betrachtungsweise) „und auf diese Art niemals von dem, was das Spezifische eines Naturzweckes') ausmacht, den mindesten Grund, wohl aber andere Erkenntnisse von Naturge- gesetzen wird auffinden können; wobei es als unausgemacht dahingestellt wird, ob nicht in dem uns unbekannten inneren Grunde der Natur selbst die physisch-mechanische und die Zweck- verbindung an denselben Dingen ineinem Prinzip zusammen- hängen mögen, nur dass unsere Vernunft sie in einem solchen zu vereinigen nicht im Stande ist, und die Urteilskraft also, als (aus einem subjektiven Grunde) reflektierende, nicht als (einem objektiven Prinzip der Möglichkeit der Dinge an sich zur Folge) bestimmende Urteilskraft, genötigt ist für gewisse Formen in der Natur ein anderes Prinzip als das der Naturmechanismen zum Grunde ihrer Möglichkeit zu denken“. (29, 8 69). Freiburg i. B., 7. Juli 1902. Literaturverzeichnis. 1. G. Born, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf das Froschei. Verh. der schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, April 1884. 2. Derselbe: Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf das Froschei. Arch f. mikr. Anat., Bd. 24, 1884, 2a.Derselbe: Beiträge zur Bastardierung der einheimischen Anuren. Pflügers Arch. f. die ges. Physiol., Bd. 32, 1883. 3. Hans Driesch: Die mathematisch-mechanische Betrachtungsweise morpholog. Probleme der Biologie, Jena 1891, G. Fischer. !) Der gesperrte Druck rührt meistens von mir her. Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung des Froscheies. 387 Derselbe: Entwiekl. mech. Studien 1 u. 2. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 53, 1891. Derselbe: Entwiekl. mech. Studien 3—6, Zeitschr. f. wissenschaft]. Zoologie, Bd. 55. Derselbe: Entwickl. mech. Studien 7—10, Mitteilungen aus der zool. Stat. zu Neapel 1893. Derselbe: Die Biologie, eine selbständige Grundwissenschaft, Leip- zig 1893, W. Engelmann. 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Wilhelm Roux: Das Nichtnötigsein der Schwerkraft für die Ent- wicklung des Froscheies, Arch. f. Entwickl-Mech. Bd. 14, 1902. Erklärung der Abhildung auf Tafel XIX. .1. Morula eines Eies von Rana fusca, das auf dem Vierzellenstadium in Plattencompression gedreht worden und 20 Stunden lang bei 1—-2Grad Wärme gezüchtet worden war. Vom primär dunklen Pol aus gesehen, . la. Dasselbe vom primär hellen Pol aus. . 2. Morula eines,Eies, das in Plattencompression auf demVierzellenstadium gedreht und bei 20 Grad Wärme 11 Stunden lang gezüchtet worden ist. Vom dunklen Pol aus. 2a. Dasselbe vom hellen Pol. .3. Morula eines Eies. das auf dem Zweizellenstadium in Plattencom- pression gedreht und bei 10Grad 11 Stunden lang gezüchtet worden ist. Vom primär dunklen Pol aus. 3a. Dasselbe vom primär hellen Pol. 4. Embryo mit hellen Medullarwülsten, einen Ei enstammend. das in Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht, 24 Stunden bei I—2 Grad, dann unter Befreiung vom Zwange bei ca. 15 Grad gezüchtet worden war. 390 Max Moszkowski: Schwerkraftswirkung auf die Entwicklung ete. Fig. Fig. Fig. Fig. 12. Durchschnitt durch normale Morula von 11 Stunden (bei 15°) Durchschnitt durch ein Ei, das in Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht und bei 2 Grad 20 Stunden lang gezüchtet worden war. Querschnitt durch einen Embryo, mit linkem schwarzen und rechtem grauem Medullarwulst, einem Ei entstammend, das in Pflüger’scher Zwangslage auf dem Zweizellenstadium gedreht und bei 2 Grad 14 Stunden lang, dann unter Befreiung vom Zwange bei ca. 15 Grad gezüchtet worden war. Auf dem Vierzellenstadium an der oberen Grenze des grauen Feldes mit der heissen Nadel angestochenes Ei, 4 Tage nach der Operation. Auf dem Achtzellenstadium am seitlichen Rande des grauen Feldes angestochenes Ei, 4 Tage nach der Operation. . Auf dem Achtzellenstadium seitlich vom grauen Felde angestochenes Ei. + Tage nach der Operation. . Querschnitt dnrch dieses Ei in der Höhe der Kopfdarmböle. . Querschnitt durch dasselbe Ei im Anfang des hinteren Drittels der Medullarwülste. . Querschnitt durch dasselbe Ei in der Höhe des Defectes. . Embryo mit Anentoblastia, aus einem Ei, das vor der ersten Furche an der unteren Grenze des grauen Feldes angestochen wurde, 4 Tage nach der Operation. Embryo mit Defekt am hinteren Ende aus einem Ei, das vor der ersten Furche an der dem grauen Felde grade gegenüberliegenden Grenze von Schwarz und Weiss angestochen wurde, 4 Tage nach der Operation. 391 Aus dem anatomischen Institut der Universität Würzburg. Ueber die Form der Drüsen des mensch- lichen Verdauungsapparates. Von Dr. A. Peiser, Würzburg. Hierzu Tafel XX. Wenn man die heutige Literatur über die Form der Drüsen einer Durchsicht unterzieht, so findet man die wider- sprechendsten Angaben. Man findet die gleichen Drüsen als tubulös, als alveolär und schliesslich als tubuloalveolär beschrieben. Daneben liest man, besonders bei älteren Autoren, vielfach für die Bezeichnung alveolus noch das Wort acinus. Die mannig- fachen Widersprüche in der Beschreibung und Bezeichnung der Drüsen sind schliesslich nicht wunderbar, wenn man bedenkt, dass von den Autoren die einen das Lumen der secernierenden Drüsenteile, die andern die äussere Form derselben als Grund- lage für ihre Darstellung annahmen, dass aber beide trotzdem die gleichen Bezeichnungen alveolus, tubulus, acinus für doch völlig verschiedene Dinge benutzten. Physiologisch bleibt ja die äussere Form ziemlich gleich- gültig, da spricht in erster Linie die Beschaffenheit des secer- nierenden Epithels mit. Die Anatomie und Histologie verlangt aber eine morphologische Beschreibung, selbst wenn aus derselben eine bequeme Einteilung der Drüsen nach bestimmten Formen nicht leicht herzuleiten ist. Flemming baute seine Einteilung auf der Form des Drüsenlumens, Koelliker und Renaut auf der Form der secernierenden Drüsenteille auf. Dementsprechend sind nach Flemming die meisten Drüsen tubulös, nur vier Arten — Talgdrüsen, Milchdrüsen, Lungen, Eierstöcke — alveolär. Aber _äiese Einteilung, die den Vorzug grosser Einfachheit hätte, lässt uns über die äussere Form der secernierenden Teile völlig im Unklaren. Benutzen wir, wie Koelliker und Renaut, die äussere Form dieser Teile als Grundlage unserer Einteilung, so sehen wir, dass nur einige wenige Drüsen einen rein tubulösen 392 IAREPIEHESTERTE: oder rein alveolären Charakter haben. Die grosse Mehrzahl zeigt Uebergangsformen. Die einen sind, wenn ich mich so aus- drücken darf, alveolärtubulös, die anderen tubuloalveolär, d.h. in der einen sind vorwiegend mehr oder weniger lange, in mannig- facher Richtung gerade oder gewunden verlaufende Schläuche mit zahlreichen sack- oder bläschenförmigen Ausbuchtungen in der Wandung, die das Bild beherrschen (vgl. Abbildung 3 und 4); in den anderen sind es meistens an einem sich verjüngenden Stiel hängende, runde bis längsovale Bläschen, neben welchen sich besonders oft am Ende der Hauptachse des betreffenden Drüsen- läppchens deutliche lange Schläuche finden (vgl. Abbild. 16, 17). Mit der Feststellung der Bilder dieser Uebergangsformen bei den einzelnen Drüsen müssen wir uns begnügen, und es liegt mir völlig fern, hier den Versuch einer neuen Einteilung zu machen. Es ist ein Verdienst Maziarskis für einen Teil der Drüsen, welche noch nicht durch Rekonstruktion modelliert waren, solche Modelle hergestellt zu haben. Er bediente sich der Born’schen Rekonstruktionsmethode. Die Modelle wurden mit Richtungslinien ausgeführt, welche teils ausserhalb, teils innerhalb des Präparates lagen. „Im letzten Falle“, schreibt Maziarski, „dienten mir gewöhnlich als Richtungslinien die querdurchschnittenen Blutgefässe, die äussere (Gestalt des Präparates, endlich gewisse charakteristische Formen der neben- liegenden Drüsenläppehen. Obwohl die ausserhalb des Präparates liegenden Richtungslinien weit genauer sind und einen grösseren Orientierungswert haben, musste ich jedoch diese Verfahrungs- methode wegen der technisch unüberwindlichen Schwierigkeiten modifizieren. Die erste wichtige Ursache war einerseits der Umstand, dass ich ziemlich bedeutende Stücke des Organs zur Verfertigung der Schnitte nehmen musste, indem ich ein Modell der Drüse, die z. B. in der Schleimhaut oder selbst in der Submucosa eines Organs gelegen war, ausführen wollte, anderer- seits aber, um das Modell leichter bearbeiten zu können, musste ich bedeutende Vergrösserungen anwenden. Die möglichst nahe dem Präparate liegenden Richtungslinien konnten aber bei be- deutenderer Vergrösserung im Gesichtsfelde des Mikroskopes nicht gesehen werden.“ „Diese Modifikation hatte jedoch‘, so schliesst Maziarski, ‚keinen Einfluss weder auf die Genauigkeit Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 393 noch auf die Treue der Modelle; diese stellen gänzlich die wirk- liche Gestalt der Drüsen in unserm Körper dar.“ Ich habe diese Angaben Maziarskis vornehmlich deshalb so eingehend eitiert, weil ich mit den technischen Schwierigkeiten der Anbringung von Richtungslinien die gleichen Erfahrungen machte, wie er. Es war mir bei meinen Schnittserien nicht möglich, die Richtungslinien bei stärkerer Vergrösserung in das Gesichtsfeld des Mikroskopes zu bringen. Da aber andererseits die Richtungslinien die einzige Möglichkeit bieten, wirklich völlig einwandfreie Modelle zu lietern, so gab ich die Rekonstruktions- versuche auf, zumal mir ein Projektionsapparnt, der vielleicht die Hindernisse ausgeschaltet hätte, nicht zur Verfügung stand. Born sagt zwar selbst, dass man in vielen Fällen ohne Richtebenen und Richtungslinien rekonstruieren kann und Hülts- mittel, wie Profilkontour, Blutgefässe u. s. w. meist vor falschen seitlichen Verschiebungen bei dem Aufeinanderpassen der Aus- schnitte schützen. Aber er meint schliesslich doch: „In vielen Fällen freilich sind Definierebene und Definierlinien unentbehrlich. Jedenfalls bieten sie einen „moralischen Anhalt“, den die Meisten nicht missen mögen.“ Nun zeigt schon die Durchsicht nur einiger Präparate einer Schnittserie von Drüsen, wie schwer die oben angegebenen und von Maziarski benutzten Hülfsmittel zur Orientierung zu verwenden sind, und es war daher wohl angebracht, seine Ergebnisse einer Nachprüfung zu unterziehen. Die Born’sche Rekonstruktionsmethode. die ich, wie schon vorher erwähnt, anfangs versuchte, hätte mir die gleiche Unsicher- heit gebracht. und so war ich gezwungen, mich der alten Methode der Maceration der Drüsen zu bedienen, mit welcher ich jedoch recht brauchbare Resultate erzielt zu haben glaube. Waren Maziarskis Modelle richtig, so mussten gut hergestellte Isolationspräparate das gleiche Bild geben. Ich benutzte als Macerationsmittel reine Salzsäure, in welche die möglichst frischen Leichen entnommenen Drüsen sofort ge- bracht wurden. Hier blieben sie verschieden lange Zeit, die grossen, leicht isolierbaren Drüsen, wie Parotis, Pankreas, Sub- maxillaris, Sublingualis 1—2 Tage, die kleineren, wie Pylorus- drüsen, Brunner’sche Drüsen 4 Tage und wurden dann in Wasser übergeführt. Aus der weichen Masse wurden dann nach einigen Tagen mit einer Feder einige Stückchen entnommen, auf 394 AmBreiis’eir!: einen mit Eiweissglycerin leicht eingestrichenen Objektträger gebracht und durch Auftropfen von Wasser ausgebreitet. Wenn man jetzt das reichlich mit Wasser versehene Präparat unter dem Mikroskop betrachtet und die eine Seite des Objektträgers etwas hebt, so dass das Wasser in Bewegung gerät, so drehen sich die isolierten Drüsenstückchen nach allen Richtungen um ihre Achse, und man kann deutlich ihre äussere Form erkennen. Die Abbildungen, die ich auf beiliegenden Tafeln gebe, entstammen solchen Präparaten, die als Dauerpräparate auf folgende Weise hergestellt wurden. Ich liess das auf dem Objektträger befindliche Wasser verdunsten, bis nur noch ein feuchter Schimmer zu sehen war. Dann wurde das Präparat vorsichtig in üblicher Weise mit Hämatoxylin gefärbt, mit Alkohol und Xylol behandelt und in Xylolbalsam eingeschlossen. Um dem etwaigen Einwurf zu begegnen, es könnte sich während des Verdunsten des Wassers die Form der isolierten Stückchen ge- ändert haben, habe ich an zahlreichen Präparaten einzelne im Wasser befindliche Stückchen mit dem Zeiss’schen Zeichen- apparate gezeichnet und dann den Vorgang der Verdunstung des Wassers unter dem Mikroskop beobachtet. Es ergab sich, dass bis zu dem Zeitpunkte, wo das Präparat noch einen feuchten Schimmer behielt, keinerlei Veränderung in der Form eintrat. Erst wenn man das Präparat völlig eintrocknen liess, zogen sich die Ränder der einzelnen Stückchen etwas ein. Die Abbildungen, die ich auf den beiliegenden Tafeln gebe, entstprechen natürlich nur ausgewählten, zur Zeichnung besonders geeigneten Stückchen. Weitaus den besten Begriff von der Form der secernierenden Drüsenteile bekommt man, wenn man die isolierten Teile im Wasser oder das ganze Präparat gefärbt betrachtet, und bei der ausserordentlichen Einfachheit der Technik ist es ja jedem möglich, sich derartige Präparate schnell herzustellen. In einer grösseren Zahl von Präparaten wird man stets zahlreiche zur Beobachtung geeignete Stellen finden. In dieser Weise habe ich die wichtigeren Drüsen des Verdauungspräparates untersucht und will schon hier bemerken, dass meine Resultate nur unwesentlich von denen Maziarskis abweichen. Von den Drüsen, welche ihr Sekret in die Mundhöhle ergiessen, habe ich untersucht die Lippendrüsen, die serösen Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 395 Zungendrüsen (Ebner’sche Drüsen) und die grossen Speichel- drüsen Parotis, Submaxillaris und Sublingualis. Figur 1 giebt uns ein Bild der äusseren Form, welche die secernierenden Teile der Lippendrüsen zeigen. Die Lippen- drüsen umgeben annähernd ringförmig die Mundöffnung und sind etwa linsengross deutlich unter der Mundschleimhaut zu fühlen. Ihr Ausführungsgang geht ohne Vermittelung eines Schaltstückes unmittelbar in die secernierenden Teile über. Diese bestehen aus mehr oder weniger langen, sich verästelnden, leicht ge- wundenen Schläuchen, deren Wände bläschen- und sackförmige Ausbuchtungen tragen. Diese Ausbuchtungen sitzen an vielen Stellen so dicht und zahlreich den Schläuchen auf, dass sie diese fast völlig verdecken. Demnach zeigen die Lippendrüsen eine Übergangsform zwischen alveolärem und tubulösem Typus. Ein anderes Bild geben uns die reinen Eiweissdrüsen der Zunge (Ebner’sche Drüsen), welche sich aus- schliesslich unter den umwallten Papillen finden. Sie bilden im Bereiche der letzteren ein kontinuierliches Lager von etwa zwei Centimeter Länge und einem Centimeter Breite und finden sich bis zu einer Tiefe von einem halben Centimeter unter der Zungenoberfläche zwischen den Muskeln (Ebner). Der Aus- führungsgang der Drüsen geht nach mehrfacher Teilung unmittel- bar in die secernierenden Teile über. Diese bestehen, wie Figur 2 uns zeigt, aus mehr oder weniger langen, leicht ge- wundenen Schläuchen, welche sich teilweise verzweigen. Einige Schläuchen zeigen an ihrem Ende eine leichte Auftreibung. Die Ebner’schen Drüsen stellen also den rein tubulösen Typus dar. Mehr an den Bau der Lippendrüsen erinnert wieder die Sublingualis. Der Ausführungsgang geht nach mehrfacher Verästelung in ganz kurze Schleimröhren über, denen sich die secernierenden Endstücke ohne Schaltstück anschliessen. Figur 3 und 4 zeigen uns die äussere Form derselben. Wir sehen sich teilende, gewundene Schläuche von verschiedener Länge, deren Wandungen teilweise mit bläschen- oder sackförmigen Aus- stülpungen besetzt sind, die mit breiter Basis aufsitzen. Das Kaliber der Schläuche und Bläschen ist, wie Präparate zeigen, sehr verschieden. Es finden sich solche, die an Grösse andere 5) um das zwej- und dreifache übertreffen. Figur 3 und 4 zeigen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 927 396 A. Peiser: beide Stücke kleinen Kalibers. Wie bei den Lippendrüsen finden wir also bei der Sublingualis in der äusseren Form der secer- nierenden Teile die Übergangsform zwischen tubulösem und alveolärem Typus. Von der Submaxillarıs hat Maziarski zwei Modelle hergestellt, das eine vom mucösen, das andere vom serösen Teil der Drüse. Die beiden Modelle zeigen eine durchaus verschiedene Form, und ich habe in meinen Präparaten auch beide Formen vertreten gefunden, ohne jedoch bei der Art, wie meine Präparate hergestellt wurden, sicher entscheiden zu können, ob die be- treffenden Abschnitte mucös oder serös waren. Ich darf aber mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass bei der Über- einstimmung in der Form mit den Modellen Maziarskis es sich auch um entsprechend gleiche mucöse oder seröse Teile handelt, Was den allgemeinen Bau der Submaxillaris anlangt, so gehen die Äste eines Ausführungsganges in die Sekretröhren über, welche durch ausserordentlich kurze, sich teilweise ver- zweigende Schaltstücke mit den Endstücken in Verbindung stehen. Figur 5 giebt die Abbildung eines Endstückes aus dem, wie ich annehme, mucösen Teil der Drüse. Wir sehen einen in zwei Äste sich teilenden Schlauch, dessen Wandung mit bläschen- förmigen, breit aufsitzenden Ausbuchtungen versehen sind. Diese Schläuche sind oft sehr stark gewunden. Figur 6 zeigt uns ein Stück des, wie ich annehme, serösen Teils der Drüse. Wir sehen ein Schaltstück, welches mehrere Seitenzweige abgiebt. Diese verästeln sich zum Teil wieder und gehen allmählich in die Endstücke über. Die Endstücke haben in der Mehrzahl die Form kugeliger bis längsovaler Bläschen. Doch fand ich an zahlreichen, der Figur 6 entsprechenden Stellen meiner Präparate, besonders an den Endstücken in der Hauptachse des Schaltstückes deutliche längere Schläuche und es wird schon mancher geneigt sein, die in der Haupt- achse liegenden vier Endstücke der Figur 6 als Schläuche zu bezeichnen. Im ganzen genommen zeigt also auch die Sub- maxillaris in ihren Endstücken die Übergangsform zwischen tubu- lösem und alveolärem Charakter. Im übrigen war mir, ebenso wie bei der Sublingualis, die teilweise bedeutende Differenz in der Grösse des Kalibers der j PN Be Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 397 Endstücke auffallend. Die Endstücke der Figur 6 haben etwa mittlere Grösse. Wildt weist in seiner Arbeit über die Speicheldrüsen auf den ganz auffallenden Formenreichtum in der Submaxillaris hin. Alle die Übergänge von der rein tubulösen Form bis zu der fast alveolär zu nennenden, mit Buckeln versehenen, könnten in ein und demselben Läppchen vereinigt gefunden werden. Die letzte der grossen Speicheldrüsen, die Parotis, erinnert in ihrem Bau an den serösen Teil der Submaxillaris. Die Ausführungsgänge gehen sich teilend in die Speichelröhren über, die, wie meine einem Isolationspräparat entnommene Fig. 7 zeigt, sich verjüngen und in ein oder mehrere Schaltstücke über- gehen. Die Schaltstücke, die zum Teil auch von den Seiten der Speichelröhren ausgehen, verzweigen sich ihrerseits wieder sehr reichlich und gehen dann in die Endstücke über. Diese sind leider an meinem Präparat in Figur 7 abge- rissen, doch zeigt Figur 8 ein sich verzweigendes Schalt- stück mit runden bis längsovalen Alveolen. Wie bei der Sub- maxillaris fand ich an vielen Stellen meiner Präparate, besonders in der Hauptachse des Schaltstückes, neben den runden und längsovalen Alveolen auch deutliche längere Schläuche. Auch in Figur 8 wird schon mancher das letzte Endstück als Schlauch ansehen. Wir finden also auch bei der Parotis nicht, wie Maziarski meint, einen rein alveolären Typus, sondern die Übergangsform zwischen alveolärem und tubulösem Charakter. Den Abgang von Schaltstücken auch von den Seiten der Speichelröhren finde ich, wie ich der Arbeit von Wildt ent- nehme, auch von Chievitz bestätigt. Er giebt an, er habe beim erwachsenen Menschen beobachtet, dass die feinsten Schalt- stücke bald aus Teilungen grösserer solcher hervorgingen, bald ganz dünne Kanäle direkt aus den mit Stäbchenepithel bekleideten Speichelröhren hervorgingen. Wildt, der nur die Parotis von Tieren untersuchte, konnte bei diesen einen seitlichen Abgang von Schaltstücken aus den Speichelröhren nicht feststellen. Über den Bau der Fundusdrüsen des Magens besteht kein Zweifel. Es sind typisch tubulöse Drüsen, zum grossen Teil Einzeldrüsen, viele auch mehrfach geteilt. Seitliche Anastomosen, wie sie Zimmermann für die Fundusdrüsen des ON 398 A. Peiser: Pferdemagens beschrieben hat, vermochte ich, in meinen Präparaten nicht zu finden. Von den Pylorusdrüsen hat Maziarski kein Modell hergestellt. Er spricht nur die Vermutung aus, dass es alveolär- tubulöse Drüsen sind, und ich kann nach meinen Präparaten diese Vermutung bestätigen. In der Gegend des Überganges der Fundusregion in die Pylorusregion findet man verästelte und unverästelte Drüsen, die stark gewunden und geschlängelt sind, wie Figur 9 und 10 sehr deutlich zeigen. In der Pylorusregion selbst finden wir dann fast nur verzweigte Drüsen, deren Wandungen im unteren Abschnitt mehr oder weniger lange Ausbuchtungen von bläschen- oder sackförmiger Art mit breit aufsitzender Basis tragen. Die Figuren 11, 12 und 13 geben uns ein Bild davon. Bei den einzelnen Tierarten weist nach Hock der Bau der Drüsenschläuche von einander abweichende Formen auf. Die Pylorusdrüsen des Hundes stellen leicht gewundene oder mehrfach geknickte Schläuche dar, die in ihrem Verlauf, be- sonders an den Knickungsstellen birnförmige Bläschen tragen und deren blindes Ende sich gewöhnlich in zwei derartige Bläs- chen teilt. Die Pylorusdrüsen des Hundes stimmen demnach im Bau der Drüsenschläuche fast vollkommen mit denen des Menschen über- ein. Etwas abweichend, mehr dem rein tubulösen Typus ent- sprechend, ist die Form bei den anderen Haustieren. Den Pylorusdrüsen schliessen sich die Brunner’schen Drüsen an, welche mehrere Autoren als unmittelbare Fort- setzung der ersteren bezeichnen. Sie liegen in zwei Gruppen, die eine in der Tiefe in der Mucosa, die andere in der Submu- cosa des Duodenums, am dichtesten im Anfangsteil desselben und nehmen dann schnell nach abwärts ab. Die Form der beiden Gruppen ist durchaus gleich. Der Ausführungsgang geht in eine Anzahl stark gewundener und verästelter Schläuche über, die besonders in ihren oberen Abschnitten und an den Um- biegungsstellen zahlreiche bläschen- und sackförmige Ausbuchtungen tragen. Die Schläuche enden blind, zum Teil einfach, zum Teil in 2—3 sackförmige Endausbuchtungen, wie dies Figur 14 in der Mitte deutlich zeigt. In ihrer Form unterscheiden sich die Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 399 Brunner’schen Drüsen von den Pylorusdrüsen nur durch ihre Grösse und reichere Verästelung. Eine eingehende und durchaus zutreffende Beschreibung der Brunner'schen Drüsen giebt Schwalbe. Ich gebe seine diesbezüglichen Angaben hier auszugsweise wieder. „Eine jede Drüse zeigt zunächst eine Sonderung in eine je nach ihrer Grösse verschieden grosse Zahl von Drüsenläppchen, deren jedes wieder eine Zusammensetzung aus sekundären und tertiären Läppcben erkennen lässt. Einem jeden der letzteren gehört ein Ast des Ausführungsganges an, der nun innerhalb eines jeden Läppchens einen äusserst komplieirten Verlauf besitzt, indem er in zahlreichen Windungen das Innere desselben durchsetzt. Schwalbe schildert dann diese Windungen und beschreibt buckelförmige Ausbuchtungen, welche sich in vielen Fällen als kurze Seitenäste präsentieren und in diesem Falle als Seitenblasen bezeichnet werden können. Abgesehen von den Seitenblasen geben die Schläuche noch längere und kürzere Seitenzweige ab, deren Durchmesser dem des ersten Schlauches vollkommen gleich ist und die nun ganz ähnliche Windungen machen. Bezüglich näherer Angaben verweise ich auf die Originalarbeit Schwalbes. Sollen wir nun, fragt Schwalbe schliesslich, die Brunner’- schen Drüsen, einfach als tubulöse Drüsen bezeichnen, wie dies Schlemmer vorschlägt? „Wir können dies thun, uns be- rufend auf die Schlauchstruktur derselben, dürfen uns aber dabei nicht verhehlen, dass die genannten Drüsen manche Eigentümlich- keiten zeigen, welche sie den acinösen Drüsen wieder näher bringen. So kann man die End- und Seitenblasen recht wohl den Alveolen der letzteren an die Seite stellen...... Nach allem können wir sagen, dass die Brunner’schen Drüsen einen Bau besitzen, welcher Charaktere der acinösen und tubulösen Drüsen vereinigt zeigt, sie gewissermassen als Zwischenformen zwischen beiden Drüsengruppen erscheinen lässt.“ Diesen trefien- den Ausführungen Schwalbes kann ich mich nur anschliessen. Es erübrigt noch, die Form der Bauchspeicheldrüse zu erörtern. Die Ausführungsgänge gehen unmittelbar in die Schaltstücke über, die sehr lang und schmal sind und sich in eine grosse Zahl von Zweigen teilen, an denen die Endstücke sitzen. Die Form dieser Endstücke ist sehr verschieden. Neben kugel- 400 A. Peiser. runden, eiförmigen und längsovalen Bläschen finden sich deutliche lange Schläuche. Die Abbildungen 15, 16 und 17 zeigen uns dies. Ich befinde mich hier, wie bei dem serösen Teile der Submaxillaris und bei der Parotis, in einem gewissen Wider- spruche mit Maziarski, der die Endstücke dieser Drüsen als kugelig, ei- oder kolbenförmig nach seinen Modellen beschreibt, von längeren, schlauchförmigen Endstücken aber nichts erwähnt. Ich gebe nun zu, dass sich in den Drüsen zahlreiche Stellen finden, welche der Beschreibung Maziarskis entsprechen (Fig. 15). Daneben aber findet man oft Bilder, wie sie meine Figuren 16 und 17 zeigen. Und darum stelle ich das Pankreas, wie Submaxillaris und Parotis, zu den Drüsen, welche die Uebergangsform zwischen tubulösem und alveolären Typus zeigen. Auch Latschenberger sagt in einer Beschreibung des Pankreas: „Die letzten Enden haben sehr verschiedene Formen. Die meisten Enden sind kurze, am Ende etwas ver- verdickte Kolben, andere sind im Gegensatz zu diesen am Ende zugespitzt. Noch andere sind lange Schläuche, die bald gerade verlaufen, bald Krümmungen, mehrmalige Knickungen, machen, wie ich dergleichen bei Kaninchen, Rind, Menschen beobachtete“. In einer Arbeit über die Speicheldrüsen beschäftigt sich Maxi- mow kurz mit den Modellen Marziarskis und seinen Angaben. Er sagt zunächst, dass die weitaus grösste Mehrzahl der Autoren jetzt annimmt, dass sich die secernierende Drüsenräume, obwohl sie auch buckelförmige Ausbuchtungen besitzen können, doch in ihrer Form mehr oder weniger Schläuchen nähern, somit also nicht eigentlich Drüsenalveolen, sondern Drüsentubuli genannt werden müssen. Und später meint er, was eigentlich eine echt acinöse Drüse charakterisieren müsste, das wäre eine konstante, nicht bloss etwa durch zeitweilige Sekretstauuung bedingte Er- weiterung des Lumens im Hauptstück im Vergleich mit dem Lumen des Ausführungsganges. Maximow stellt sich mit seiner Kritik wieder auf den Standpunkt Flemmings, der die Drüsen nach der Beschaffen- heit ihres Lumens benennen wollte. Aber diese Benennung gäbe uns, wie ich schon im Anfange der Arbeit erwähnte, kein Bild über die äussere Form der Drüsenteile. Wenn man aber diese berücksichtigt und die bläschen- und sackförmigen Ausbuchtungen beachtet, die in ihrer grossen Zahl und Grösse den Schlauch, Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 401 dem sie angehören, oft fast völlig verdecken, so kann man, meine ich, eine solche Drüse nicht als tubulös bezeichnen, sondern muss sagen, dass sie die Uebergangsform zwischen tubulösem und alveolären Charakter besitzt. Ich fasse die Ergebnisse meiner Arbeit, die sich übrigens durch mikroskopische Schnittpräparate bestätigen lassen, kurz zu- sammen. Wenn wir zwei Grundformen der Drüsen, die tubulöse und alveoläre, unterscheiden, so gehören von den Drüsen des Verdauungsappa- rates, die ich untersucht habe, nur die Fundus- drüsen des Magens und die serösen Zungendrüsen (Ebner’sche Drüsen) einer Grundform, nämlich der tubulösen Grundform an. Alle übrigen zeigen eine Uebergangesform zwischen den beiden genannten Grundformen, und zwar stehen die Lippendrüsen, Sublingualis, mucöser Teil der Submaxillaris, Pylorusdrüsen und Brunner’sche Drüsen der tubu- lösen Grundform, Parotis, seröser Teil der Sub- maxillaris und Pankreas der alveolären Grundform näher. Die Einzelbeschreibung der Drüsen ergiebt dann die genaue Form. Zum Schlusse gestatte ich mir, meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor Stöhr für die Anregung zu dieser Arbeit und seine liebenswürdige Unterstützung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Litieratur-Verzeichnis. 1. Born, G. und K. Peter: Zur Herstellung von Richtebenen und Richt- linien. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. XV, 1898. 2. Ebner, V. v.: Die acinösen Drüsen der Zunge und ihre Beziehungen zu den Geschmacksorganen. Graz 1873, 3. Flemming, W.: Ueber den Bau und Einteilung der Drüsen. Archiv für Anat. und Physiol. Anat. Abt. 1888. 4. Hock, J.: Untersuchungen über den Uebergang der Magen- in die Darmschleimhaut. Vet. med. Inaug. Dissert. Giessen 1899. 5. Koelliker, A. v.: Handbuch der Gewebelehre des Menschen. VI. Auf- lage. 1899. 6, Latschenberger, J.: Ueber den Bau des Pankreas, Sitzungsbericht der k. Akademie der Wissenschaft in Wien. Bd. LXV, III. Abteilung. 402 A. Peiser: 7. Maximow, A.: Beiträge zur Histologie und Physiologie der Speichel- drüsen. Archiv für mikrosk. Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. 58, Heft 1. 1901. 8. Maziarski, 8.: Ueber den Bau der Speicheldrüsen. Bullet. intern. de l’Acad. de Scienc. d. Cracovie. 1900. 9. Derselbe: Ueber den Bau und Einteilung der Drüsen. Anat. Hefte, Heft LVIII. 1901. 10. Renaut, J.: Trait& d’histologie pratique. Paris 1897. 1l. Schwalbe, G.: Beiträge zur Kenntnis der Drüsen in den Darmwand- ungen, insbesondere der Brunner’schen Drüsen. Archiv für mikr. Anat. Bad. VEIT, 1872. 12. Wildt, A.: Ein Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der Speichel- drüsen. Inaug. Dissert. Bonn. 1894. 13. Zimmermann, K. W.: Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und Epithelien. Archiv für mikr. Anat. Bd. 52. Figurenerklärung der Tafel XX. Die Figuren sind sämtlich mit dem Zeiss’schen Zeichenapparat angefertigt. Fig. 1. Lippendrüsen. Vergr. 300. Man sieht einen sich verzweigen- den, leicht gewundenen Schlauch mit bläschen- und sackförmigen Ausbuchtungen. Fig. 2. Seröse Zungendrüsen (Ebner’sche Drüsen). Vergr. 300. Der Ausführungsgang geht in eine Anzahl kürzerer und längerer Schläuche über, die teilweise an den Enden ein wenig ausgebuchtet sind. Fig. 3 und 4. Gl. sublingualis. Vergr.600. Sich verästelnde, gewundene Schläuche mit breit aufsitzenden, bläschen- und sackförmigen Aus- buchtungen. Fig. 5. Gl. submaxillaris (mucöser Teil). Vergr. 460. Leicht ge- wundener Schlauch mit Ausbuchtungen wie bei Gl. sublingualis. Fig. 6. Gl. submaxillaris (seröser Teil). Vergr. 460. Man sieht ein Schaltstück mit seinen seitlichen Zweigen, denen die Endstücke aufsitzen. Fig. 7. Gl. Parotis. Vergr. 300. Die Sekretröhren gehen sich verjüngend in die Schaltstücke über, die sich wıeder reichlich verzweigen, und geben auch seitliche Schaltstücke ab. Die Endstücke sind abgerissen. Fig. 8. Gl. Parotis. Vergr. 300. Schaltstück mit Verzweigungen und Endstücken. Fig. 9 und 10. Korkziehartig gewundene, zum Teil geteilte Drüsen aus dem VUebergang der Fundusregion in diePylorusregion des Magens. Vergr. 300. Fig. 11 und 12. Pylorusdrüsen. Vergr. 300. Leicht gewundene Schläuche mit kurzen Verzweigungen und Ausbuchtungen. Kr Fig. Fig. Fig. Ueber die Form der Drüsen des menschlichen Verdauungsapparates. 403 13. 14. 15. ig. 16 Pylorusdrüsen. Vergr. 300. Man sieht die unteren Enden, die reichlich kürzere und längere Zweige abgeben. Brunner’sche Drüsen. Vergr. 300. Stark gewundene, sich teilende Schläuche, die einfach oder in mehrere sackförmige Aus- buchtungen enden. An den Wänden der Schläuche grössere und kleinere Ausbuchtungen. In der Mitte oben ist ein kleines Stück herausgerissen. Pankreas. Vergr. 300. Schaltstück mit grösstenteils rechtwinklig abgehenden Zweigen denen die Endstücke aufsitzen. Die gerade Verlängerung des Schaltstückes nach abwärts ist abgerissen. und 17. Pankreas. Vergr. 300. Schaltstücke mit Verzweigungen und schlauchförmigen Endstücken. 404 Studien über die Entwicklung des Vorder- darms und einiger angrenzenden Organe. II. Abteilung: Das Schicksal der zweiten Schlund- spalte. Zur vergleichenden Embryologie und Morphologie der Tonsille. Von Prof. Dr. J. Aug. Hammar, Upsala. Hierzu Tafel XXI und XXI. Kap. I: Die Rückbildung der zweiten Schlundspalte beim Menschen. Über das Schicksal der zweiten Schlundspalte finden sich in der Literatur mehrere mit einander nicht übereinstimmende Angaben. Born (1883), dessen Ergebnisse betreffs des früheren Stadiums der betreffenden Schlundspalte sich mit den meinigen gut vertragen (vergl. Hammar 1902, pag. 492) äussert in betreff des von ihm untersuchten nächst älteren Schweinsfötus (von 11 mm, Ni): „Die zweite Kiemen- tasche öffnet sich fast nur mehr in der Seitenwand der Mund- höhle ; — beinahe der ganze horizontale Schenkel derselben (siehe oben) und mit ihm die in denselben führende Spalte am Mundhöhlenboden zeigen sich verlegt; nur am lateralen Rande des Mundhöhlenbodens vertieft sich die zweite innere Kiemenfurche noch, wie früher, zu einer kleinen horizontalen Fortsetzung der eigentlichen Kiementasche. Der jetzt noch bestehende Rest der Kiemen- tasche ist ein wesentlich sagittaler (kaum in den Mundhöhlenboden umge- bogener), der Oberfläche des Kiemenbogens parallel abgeplatteter, enger Spalt, der nach wie vor mit einer blinden Ausstülpung dorsalwärts über die Decke der Mundhöhle hinausragt. Die Einmündung in die Mundhöhle liegt an seinem vorderen Ende, wo derselbe in dorso-ventraler Richtung am höchsten ist; nach hinten zieht er sich niedriger werdend lang aus (!!/4 gegen 4 mm bei dem vorigen nach Schnittdicken gemessen) und erreicht die zweite äussere Kiemenfurche nur noch an einer sehr eircumscripten Stelle. Zweiter und dritter Kiemenbogen sind also jetzt neben dem medianen Kamme am Mundhöhlenboden solid verbunden“. In betreff des Fötus von 13 mm N] heisst es bei demselben Forscher: „In der niedrigen Seitenwand der Rachenhöhle findet man am Hinterrande des zweiten Kiemenbogens die sehr verkleinerte innere Öffnung der zweiten Schlundspalte. Der Anfang der letzteren zeigt einen unbedeutenden Rest der blinden, dorsalwärts gerichteten Ausstülpung; im Uebrigen ist der früher ausgedehnte Raum in einen engen Kanal und weiter nach rückwärts in einen - Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 405 soliden Epithelstrang verwandelt, der schliesslich aber noch die Epidermis erreicht, 4... nahe dem dorsalen Ende des scharfen Hinterrandes des zweiten Kiemenbogens. “ Aeltere Stadien anbelangend, setzt er fort: „Bei Embryonen von 14 mm NL und 15 cm SS. existiert noch die innere Mündung der zweiten Kiementasche in der Seitenwand der Mundhöhle und von hier aus zieht sich ... ein Rest der Spalte selbst als ein enger Kanal in ab- nehmender Höhe nach hinten. Das Hautende der Kiemenspalte ist vollständig geschwunden. Bei Schweinsembryonen, die nur 1 mm länger, waren die Reste der zweiten Kiemenspalte nur noch durch zwei Schnitte zu verfolgen; bei etwas grösseren ist auch diese letzte Spur vollkommen verschwunden.“ His (1885) giebt kürzlich an, dass die Rosenmüller’sche Grube und die Anlage der Tonsille, die Tonsillenbucht, Reste der zweiten (in! eren) Schlundfurche seien, während er die entsprechende äussere Furche in den Sinus praecervicalis aufgehen (und somit nach seiner älteren Anschauungs- weise an der Thymusbildung teilnehmen) lässt. Rabl (1886) äussert in der fraglichen Hinsicht: „Die zweite äussere Kiemenfurche folgt anfangs genau dem hinteren Rande des Hyoidbogens; bei dem weiteren Wachstume dieses Bogens rückt sie allmählich nach hinten und wird zugleich vom Kiemendeckelfortsatz überlagert; die zweite innere Kiemenfurche, welcher später, wie His richtig angiebt, die Rosenmüller’sche Grube an der seitlichen Pharynxwand entspricht, führt anfangs in ähnlicher Weise wie die erste, zunächst in einem etwas geräumigeren Abschnitte. .... Von dieser erweiterten Partie geht als Fortsetzung der Kiemenfurche ein auf dem Querschnitte kreisrunder Gang aus, der gegen jene Stelle der zweiten äusseren Kiemenfurche zieht, welche vom Kiemendeckelfortsatz überlagert wird. Mit dem weiteren Wachstume des Hyoidbogens nach rückwärts muss natürlich dieser Gang immer mehr in die Länge gezogen und in seiner Richtung etwas alteriert werden. Der Hauptsache nach zieht er aber stets von innen und vorne nach aussen und hinten, um an seinem Ende mit demjenigen Teile der äusseren Kiemenfurche in Verbindung zu treten, welcher vom Kiemendeckelfortsatz überlagert wird. Er tritt also mit der vorderen Wand des Sinus cervicalis in Verbindung.“ Diesen Gang nennt Ra bl Kiemengang. Piersol (1887) findet, dass sich der ventrale Flügel der zweiten Schlundtasche beim Kaninchenembryo von 11 Tagen 17 Stunden (7,00 mm Länge) durch das Wachstum der angrenzenden Bogen und durch den so hervorgerufenen Druck stark verkleinert habe und bei Embryonen von 9,7 mm Länge, die etwa um einen Tag älter sind, vollkommen verschwunden sei. Die übrigen Teile des früheren ausgedehnten Raumes sind derart in der von ihm beschriebenen an der Paukenhöhlenbildung beteiligten seitlichen Erweiterung des Schlundes aufgegangen, dass nur ein dorsaler Rest als eine kleine, mit der Schlunderweiterung verbundene Ecke übrig bleibt. Dieser Rest nimmt an der Paukenhöhlenbildung Teil. Mit dieser im Anschluss zu der Darlegung der Mittelohrentwicklung gegebenen Schilderung Piersols scheint mit die angesichts der Thymus- bildung gelieferte Darstellung desselben Autors nicht ganz im Einklange zu 406 J. Aug. Hammar: stehen. Hier sagt er (pag. 197): „Bei Embryonen vom Ende des 11. Tages (7,6 mm Länge) liegen die innere Seite des breiten Flügels der zweiten Schlundtasche und die in den Sinus praecervicalis mündende zweite äussere Furche dicht aneinander, nichtsdestoweniger kommt es nicht zu einer freien Kommunikation; später werden die innere und die äussere Tasche, obgleich sie immer noch in naher Beziehung bleiben, durch eine einwachsende, zwischenliegende Schicht des Mesoderms getrennt.“ Bei etwas älteren Embryonen findet er, dass die ventrolaterale Ecke der inneren Tasche sich in einen blind endenden, von dichtem Bindegewebe umhüllten Schlauch fortsetzt. Derselbe hat einen knieförmigen Verlauf, zuerst nach aussen, dann nach unten, und endet blind. Während des zwölften Tages schnürt sich dieser Schlauch von der Schlundtasche ab, und es finden an ihm Veränderungen statt, die an die Vorgänge der Thymusbildung erinnern. Gleichzeitig wird auch die zweite äussere Furche verändert: sie sinkt tiefer hinein und bildet ein langes epitheliales Rohr, dessen Mündungs- stelle in dem Sinus praecervicalis liegt und dessen Spitze nach der zweiten inneren Schlundtasche gerichtet ist. Später wird dieser Gang solid und schwindet um den vierzehnten Tag spurlos. Ein ähnliches nur etwas später eintretendes Schicksal hat der von der inneren Tasche stammende Schlauch. In demselben Jahre gab Kastschenko (1837) von den beim Schweine stattfindenden bezüglichen Veränderungen folgende Darstellung „Mit dem Hereinwachsen der hinteren Hälfte des zweiten Schlundbogens gegen die Schlundhöhle verändert die zweite epitheliale Tasche ihre Lage vollständig, indem dieselbe von der entsprechenden epidermoidalen Tasche getrennt und nach innen und nach vorn versetzt wird. Jetzt findet man dieselbe neben dem unteren und hinteren Rande der Tuba Eustachii in Form einer schmalen, lumenlosen, mit dem Epithel des Schlundes zusammen- hängenden Epithelleiste. ... . Später schwindet auch jener Rest spurlos, Inzwischen erscheint an dem inneren Rande des dritten Bogens ein longi- tudinal verlaufender Wulst. Der Raum zwischen diesem und dem inneren Rande des zweiten Bogens wird somit in eine vertikale Grube umgewandelt. Die letztere stellt augenscheinlich die Rosenmüller’sche Grube dar.“ Im Jahre 1886 hat His seine Ansicht über die Beteiligung der zweiten Schlundspalte an der Thymusbildung aufgegeben; die zweite Schlundfurche nehme nicht an der Bildung des Fundus praecervicalis Teil, sondern münde in das vorläufig offen bleibende, später durch das Zusammen- wachsen des zweiten Bogens mit der seitlichen Halswand sich schliessende Infundibulum praecervicale. Derselbe Forscher hat neuerdings (1901) seine Meinung über das Schicksal der inneren Tasche derart modifiziert, dass er dieselbe nunmehr nicht in die Rosenmüller’sche Grube, sondern also wohl lediglich in die Tonsillenbucht aufgehen lässt. Diese Herleitung der Tonsille aus der zweiten Schlundtasche findet man nach den Untersuchungen von Stöhr (1891:2) (siehe unter pag. 415) in mehreren neueren embryologischen Lehrbüchern, während andere dieselbe mehr als eine an der Stelle der zweiten Tasche entstehende Neubildung aufzufassen geneigt sind. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 407 Fast nur in Einem stimmen die oben angeführten Schilder- ungen völlig überein; darin nämlich, dass die betreffenden inneren und äusseren Schlundtaschen hauptsächlich eingehen. Dass dabei ein rohr-, strang- oder leistenförmiges Gebilde entsteht, geben Born, Rabl und Kastschenko an. Da aber Rabl diesen Gang aus der inneren Schlundtasche herleitet, und Kastschenko seine lumenlose Epithelleiste gleichfalls aus der „epithelialen Furche“ hervorgehen lässt, spricht sich Born über den Ur- sprung derselben nicht direkt aus. Piersol endlich findet zwei epitheliale Schläuche, der eine ektodermaler, der andere ento- dermaler Herkunft. Auch in betreff des definitiven Schicksals der 2. Schlund- tasche gehen die Ansichten der Forscher auseinander. Born und Kastschenko lassen sie gänzlich schwinden, dieser unter Hinzufügung, dass die Rosenmüller’sche Grube als eine Neubildung an der Stelle derselben entstehe. His und Rabl wiederum waren darin einig, diese Grube als einen Rest der zweiten Tasche zu bezeichnen. Auch die Tonsillenbucht soll nach His einen solchen Rest ausmachen. Nach Piersol hingegen soll das Ueberbleibsel derselben einerseits an der Bildung des Mittelohrraums beteiligt sein, andererseits eine accessorische, der Atrophie.bald anheimfallende Thymusanlage bilden. Eigene Untersuchungen. Wie schon in der I. Abteilung dieser Studien hervorgehoben wurde, ist die 2. Schlundspalte diejenige, wo die direkte Be- rührung zwischen der äusseren Schlundfurche und der inneren Schlundtasche in der grössten Ausdehnung stattfindet. Bei dem ungefähr 3 mm langen Embryo, wo eine dorsale Verlängerung der 2. Schlundtasche noch nicht entstanden ist, umfasst diese Berührung den ganzen Seitenrand des lateralen Abschnittes und den der ventralen Verlängerung der Tasche. Nur ihr am meisten ventralwärts reichendes Ende ist vorläufig frei. Beim 5 mmigen Embryo ist der Zusammenhang gleichfalls vorhanden, so dass nur die jetzt entstandene dorsale Verlänger- ung der Tasche vom direkten Zusammenhang mit der Furche ausgeschlossen ist. Bei beiden diesen Embryonen ist die dünne 405 J. Aug. Hammar: epitheliale Verschlussmembran auf beiden Seiten, aber nicht sym- metrisch, durchbrochen. Beim S mm langen Embryo ist die ventrale Verlängerung der Tasche bedeutend an Tiefe (d. h. in ventraler Richtung) gewachsen, hat aber ihre seitliche Anlagerung an der Schlundfurche bewahrt, so dass die Verschlussmembran hierdurch nicht un- wesentlich verlängert worden ist. Diese Verschlussmembran ist hier zwar ganz dünn, aber undurchbrochen. Sie steht nunmehr fast im Transversalplan, was dadurch bewirkt worden ist, dass die Schlundtasche, deren medialer Abschnitt fast transversal geht, mit ihrem lateralen Teil (der laterale Teil ihrer ventralen Ver- längerung darin mitberechnet) sich unter dem Druck der be- deutend verbreiterten beiden ersten Schlundbogen aboralwärts umgebogen hat und sich von der oralen Seite an die orale Wand der Schlundfurche legt. Sowohl die Schlundfurche, wie die Schlundtasche laufen dorsalwärts in je ein kurzes freies Blind- säckchen aus. Dasjenige der Schlundtasche ist ihre dorsale Ver- längerung, welche sich deutlich vergrössert hat und eine fast halbsphärische Ausbuchtung bildet. Das ungefähr gleichgeformte Blindsäckchen der Schlundfurche wiederum liegt etwas dorso- aboralwärts von der Furche. Es ist das zweite Schlundspalten- organ, von dem in einem folgenden Kapitel mehr gesprochen wird. Die Blindsäckchen werden durch Mesenchymgewebe von einander getrennt. Schon das nächste Embryo (von 8,3 mm NI., Vorder- darmmodell V, Fig. 1) zeigt die hier geschilderten Verhältnisse in Umgestaltung begriffen. Auch hier zeigt sich die Schlund- tasche (Schl. t. H.), gleich wie im vorigen Stadium durch eine rundlich winklige Abbiegung in einem mehr medialwärts ge- legenen frontalgestellten und einen lateralen etwa sagittalgestellten Abschnitt geteilt. Ersterer ist etwas vertieft worden und ist von dem gegenseitigen durch die Zungenwurzelanlage getrennt, welche etwa dieselbe Breite wie im vorigen Stadium besitzt und ungefähr den mittleren Dritteil des Schlundbodens in Anspruch nimmt. Der sagittale Abschnitt ist etwa von derselben Breite und Tiefe wie vorher, nur ist die an der Grenze zwischen beiden Abschnitten liegende dorsale Schlundtaschen-Verlängerung (dors.ll) etwas abgeflacht und undeutlicher geworden. 78 Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 409 Die Ausdehnung, in welcher die Schlundtasche mit der Schlundfurche zusammenhängt, ist aber bis auf die Hälfte reduziert worden. Während der Zusammenhang ungefähr in der ventralen Hälfte ihrer früheren Ausdehnung bestehen geblieben ist, ist er in der dorsalen Hälfte gelöst worden, und zwar dadurch dass sich Mesenchymgewebe zwischen die beiden Blindsäckchen ein- geschoben hat. Hierdurch hat einerseits die 2. Schlundtasche einen freien aboralen Rand bekommen ; andererseits ist das das Schlundspaltenorgan darstellende Blindsäckchen (Org. II) in einen kurzen, dorsalwärts blind endenden Schlauch verlängert worden. Diese Verlängerung entspricht aber kaum mehr als der Hälfte der Ausdehnung, in welcher die Schlundtasche von der Schlund- furche losgetrennt worden ist. Gleichzeitig mit dieser Lostrennung ist der auf der lateralen Körperwand befindliche Abschnitt der 2. Schlundfurche grösstenteils verwischt worden. so dass dieselbe nunmehr hauptsächlich aus einer ventralwärts gerichteten und in den sulcus praecervicalis (Sul. praec.)' mündenden kurzen Spalte besteht. Dieser Verlagerung in ventraler Richtung des dorsalen Endes der Schlundfurche ist nun das Schlundspaltenorgan offen- bar gefolgt, so dass seine Basis jetzt weit mehr ventralwärts als die dorsale Verlängerung der Schlundtasche, etwa an der halben Höhe des (latero-) aboralen Schlundtaschenrandes steht. Endlich ist die bisher unscheinbare Mesenchymschicht, welche das frag- liche Organ von der Schlundfurche trennte, vermehrt worden, wodurch der Einschnitt, der von diesem Gewebe eingenommen wird, nicht nur vertieft, sondern auch verbreitert worden ist. Embryo von 11,7 mm Nl., Vorderdarmmodell VI, Fig. 2. Während die 2 Schlundtaschen sich bisher von jeder Seite mit ihren ventralen Verlängerungen auf die ventrale Schlundwand erstreckten, so dass sie hier nur durch die etwa den mittleren Dritteil der Schlundbreite einnehmende Zungen- wurzelanlage von einander in der Mittellinie getrennt wurden, ist im vorliegendem Stadium hierin eine Veränderung eingetreten. Ohne nennenswert auf den Schlundboden überzugreifen, bildet die Schlundtasche nunmehr eine, hauptsächlich in der Transversal- !) Als Suleus praecervicalis bezeichne ich eine oralwärts von der Herzprominenz an die Körperoberfläche des Embryos verlaufende Furche, in welcher die Schlundfurchen ventralwärts auslaufen. Hierüber mehr in einem folgenden Kapitel. 410 J. Aug. Hammar: ebene gelegene, von der lateralen Schlundwand ventrolateral ausgehende, platte, dreiseitige Spalte (Schl. I, II). Diese Aender- ung scheint dadurch bedingt zu sein, dass die medialen Enden der ventralen Verlängerung auf beiden Seiten fast ausgeglichen worden sind, so dass sie sich nur als ein Paar medianwärts immer seichter werdende schwache Furchen wiederfinden lassen. Die dreiseitige Schlundtasche mündet dorsomedianwärts breit in den Schlund hinein; sie hat einen freien ventralen und einen ebenfalls in seiner grössten Ausdehnung freien lateralen Rand. Wo beide etwas spitzwinklig zusammenstossen, ist die Tasche als Rest ihres früheren sagittalen Abschnittes derart umgebogen, dass ihr lateraler Rand aboralwärts sieht. Hier hängt der fragliche Rand mit der Furche oder richtiger mit dem Rest der Furche etwa in derselben Länge wie im vorigen Stadium zusammen. Die schon vorher verengte Mündung der Schlundfurche in den Sulcus praecervicalis (Sul. praec.) ist nun zu einem ganz kleinen, rundlichen Loch umgestaltet worden. Von hier aus steigt ein gerades schmales Rohr (Kg.) fast rein dorsalwärts in die Höhe; dasselbe ist an der Mitte am dünnsten und entbehrt hier an einer kurzen Strecke gänzlich einem Lumen, so dass es hier lediglich als ein dünner Epithelstrang zu be- zeichnen ist. Dieses Gebilde ist offenbar der von Rabl sogen. Kiemengang, ein Name, den ich in Folgendem für ihn behalte. Gleich oberhalb der Mitte des Kiemenganges hängt sein oraler Rand mit der Schlundtasche zusammen; das dorsale blinde Ende des Rohres ist wiederum frei; in ihm lässt sich das Schlund- spaltenorgan (Org. II) mit demselben Charakter wie im vorigen Stadium erkennen. Die Lichtung des Kiemenganges ist überall gegen die Schlundtasche abgeschlossen ; nach unten mündet der Gang aber frei in den Sulcus praecervicalis, nach oben geht er in das Schlundspaltenorgan kontinuirlich über. Dies sein Ver- hältnis lässt keinem Zweifel unterliegen, dass es sich hier um eine ectodermale Bildung, einen Rest der Kiemenfurche, handelt; die gegenteilige Ansicht von Rabl und Kastschenko wird hierdurch widerlegt. Der nächst ältere, fast gleichlange Embryo von 11,8 mm, Vorderdarmmodell VI bis, zeigt schon eine be- deutende Reduction des Kiemenganges. Das ganze untere Ende desselben, das im vorigen Stadium mit dem Sulcus praecervicalis a Fu Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 411 zusammenhing, ist nun verschwunden; erst dicht unter der An- schlussstelle an der 2. Schlundtasche lässt sich ein solider Zellen- strang, rundlichen Querschnittes wiederfinden, der sich dem hinteren Rande der Tasche entlang eine kurze Strecke verfolgen lässt; mit voller Deutlichkeit hebt sich derselbe nicht länger scharf von der Entodermbekleidung der Tasche ab, sondern tritt mehr als eine Verdieckung des hinteren Randes derselben hervor. Dorsalwärts läuft der fragliche Strang immer noch in das Schlund- spaltenorgan aus. Dasselbe hat die Schlauchform und ein offenes Lumen recht wohl bewahrt und steigt unter knieförmiger Biegung aboral- und dorsalwärts hinauf. Die innere Schlundtasche hat unter Bewahrung ihrer drei- seitigen Form in dorsoventraler Richtung etwas abgenommen. Beim 13,4 mm langen Embryo, Vorderdarmmodell VII, ist von dem ganzen ectodermalen Komplex der 2. Spalte, dem Kiemenstrange und dem Schlundspaltenorgan, überhaupt nur ein kleines, jederseits nur an drei Schnitten (jede ä 12 «) sicht- bares Bläschen unmittelbar aboralwärts von der Schlundtasche nachweisbar. Seine Lage macht es wahrscheinlich, dass es am ehesten dem Schlundspaltenorgan entspricht. Auch die Schlundtasche ist in der Reduktion fortgeschritten. Ihre Höhe (ventrodorsaler Durchmesser) ist fast bis zur Hälfte vermindert worden. Der Rest ihrer ventralen Verlängerung stösst medialwärts mit der in Anlegung begriffenen Alveolo- lingualrinne in rechtem Winkel zusammen und läuft in die- selbe aus. Embryo von 17 mm NL, Vorderdarmmodell VII. Hier ist der letzte Rest des 2. Schlundfurchenkomplexes ver- schwunden. Auch die 2. Schlundtasche ist grösstenteils einer völligen Atrophie anheimgefallen. Nur ihre dorsale Verlängerung ist bestehen geblieben und tritt sogar mit etwas grösserer Deutlichkeit als in den nächst vorigen Stadien, wo sie recht schwach markiert war, hervor. (Vergl. Fig. 11 dors. II in der I Abt. dieser Studien.) Sie bilden immer noch eine schwache Ausbuchtung in dorsaler und aboraler Richtung, unmittelbar aboralwärts von der primären Paukenhöhle dicht an der Seiten- wand des Schlundes. Diese Wand ist durch das Wegfallen sowohl des ursprüng- lich lateralgerichteten Abschnittes der 2. Schlundtasche als Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 28 412 J. Aug. Hammar: durch das der lateralen Schlundtaschenverlängerung ganz niedrig geworden. (Vergl. Fig. 3.) Unweit medialwärts von derselben zieht die nunmehr gut ausgeprägte Alveolo-lingualrinne (vergl. Fig. 3, s. al.) in oral-aboraler Richtung vorbei. Indem diese Rinne auch der primären Paukenhöhle eine mediane Begrenzung bildet, kommt es dahin, dass der Rest der 2. Schlundtasche mit der primären Paukenhöhle gleichsam ein zusammenhängendes Ganze bildet, weshalb die beiden Gebilde von Kastschenko unter dem Namen der primären Paukenhöhle zusammengeführt wurden. Dicht lateralwärts vom Hinterende der Alveolo-lingualrinne hat sich an der ventralen Wand des Schlundes ein vorläufig ganz unscheinbarer Höcker gebildet; ich nenne ihn den Ton- sillenhöcker, Tuberculum tonsillare (vergl. Fig. 3 tub. tons.) Es befindet sich dieses Gebilde der an der dorsalen Wand als Rest der 2. Schlundtasche befindlichen Ausbuchtung genau gegenüber und dringt bei der Spaltform der Darm- lichtung sogar in dieselbe hinein. Die in diesem Stadium bemerk- bare Vergrösserung genannter Ausbuchtung scheint darauf zurück- zuführen zu sein. Auch beim 18,5 mm langen Embryo, Vorderdarm- modell IX (Fig. 3, vergl. auch Abt. I, Fig. 14) zeigt der Rest der 2. Schlundtasche fast das soeben beschriebene Verhalten. Nur ist er hier auffallend vergrössert, fast blasig aufgetrieben (s. tons.), was mit einer eingetretenen entsprechenden Vergrösserung des Tonsillenhöckers (tub. tons.) in Zusammenhang zu bringen ist. Mit dem 20,5 mm langen Embryo, Vorderdarm- modell X, nimmt die Abtrennung der primären Paukenhöhle von dem Schlunde als tubo-tympanales Rohr ihren Anfang. Diese Abtrennung setzt, wie in der ersten Abteilung dieser Studien näher angegeben ist, an der durch eine schwache Ein- buchtung markierten Grenze zwischen der hinteren tympanalen Rinne und dem aus der dorsalen Verlängerung der 2. Schlund- tasche bestehenden Rest dieser Tasche ein. Hierbei wird der Schlundtaschenrest oralwärts verlagert, so dass sie sich in der ganzen Abtrennungsperiode der Paukenhöhle als eine schwache Ausbuchtung unmittelbar aboralwärts und etwas ventralwärts von der Schlundmündung der Tube wiederfinden lässt. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 413 Diese Ausbuchtung charakterisiert sich schon beim 21 mm langen Embryo, VorderdarmmodellXI, und in den nächst tolgenden dadurch, dass das auskleidende Epithel in Falten ge-- legt ist, in welche, wie es scheint, das Bindegewebe nur teil- weise eindringt; teilweise sind sie also reine Epithelduplicaturen. Beim 24,4 mm Embryo, Vorderdarmmodell XII (Fig. 4, vergl. auch Abt. I, Fig. 20), ist die Gaumenbildung schon ziemlich weit vorgeschritten. Ohne einander noch zu er- reichen, haben sich die Gaumenplatten (Gpl.) bis in die Gegend der Tubenmündung gegen einander geschoben. Diese ist natür- lich dabei dorsalwärts (nach oben) von der Basis der Platten liegen geblieben. Der Rest der 2. Schlundtasche (s. tons.) wiederum liegt gänzlich ventralwärts (nach unten) von denselben. Die obere oder Schlundetage entbehrt jeder Ausbuchtung, die als ein Teil der Schlundtasche zu deuten wäre; eine Rosen- müller’sche Grube ist in diesem und in den nächst folgenden Stadien überhaupt nicht vorhanden. Die dorsale Ver- längerung der 2. Schlundtasche geht ungeteilt in die abwärts vom Gaumen gelegene Tonsillenanlage — die Tonsillenbucht, Sinus tonsillaris, über. Kapitel II: Die Entwicklung der Tonsille beim Menschen. Ehe ich die Darlegung meiner Befunde weiter führe, em- pfiehlt es sich, einen Blick auf unsere bisherigen Kenntnisse über die Tonsillen-Entwicklung beim Menschen zu werfen. Was sich in den Beschreibungen der Autoren auf die Histogenese bezieht, bin ich hier übergegangen, um weiter unten darauf etwas zurück zu kommen. In der ersten Linie ist dann die Darstellung Kölliker’s (1861 1879) anzuführen, welche der Ausgangspunkt mehrerer von den späteren Unter- suchungen über den Gegenstand zu sein scheint. Er sagt wörtlich: „Die Tonsillen treten im vierten Monate auf in Gestalt einer einfachen Spalte oder spaltenförmigen Ausbuchtung der Schleimhaut jeder Seite, die in einer, Linie mit der Ausmündung der Eustachischen Trompete oder eher noch etwas weiter dorsalwärts (über derselben) liegt als diese. Im fünften Monate ist jede Tonsille ein plattes Säckchen mit spaltenförmiger Oeffnung und einigen kleinen Nebenhöhlen, dessen mediale Wand fast wie eine Klappe erscheint. Die laterale Wand und der Grund des Säckchens sind schon bedeutend ver- diekt und zeigt die mikroskopische Untersuchung, dass hier im Bindegewebe der Schleimhaut eine reichliche Ablagerung von zelligen Elementen statt- gefunden hat, welche jedoch um diese Zeit noch als eine ganz kontinuirliche 28* 414 J. Aug. Hammar: erscheint und nicht in besonderen Follikeln enthalten ist. Auch im sechsten Monate sieht man von Follikeln noch nichts Bestimmtes, dagegen sind dieselben bei Neugeborenen und ausgetragenen Früchten in der Regel sehr deutlich.“ Schmidt (1863), der zwei Menschenembryonen von ungefähr 5 und 5%/s Monate untersuchte, bestätigt hauptsächlich die Angaben Kölliker’s. Bickel (1884), dessen Untersuchungen über die fötale Entwicklung der menschlichen Tonsillen indessen nur die 3 letzten Fötalmonate umfassen, ist zu folgenden Resultaten gekommen (p. 357). „Die Rachen- oder Gaumen- tonsille wird im fötalen Zustande und auch noch im ersten Lebensjahr nur als eine Einstülpung der Schleimhaut wahrgenommen. Allmählich erhebt sich auf dem Grunde dieser Vertiefung eine Hervorwulstung und wächst aus der Oeffnung dieser Ausstülpung heraus. Der scharfe schmale Saum der letzteren liegt der Tonsille nunmehr ringsum eng an, bildet einen Hof um dieselbe. Dieser Saum verstreicht im späteren Lebensalter, kann aber auch dann zuweilen noch bruchstückweise wahrgenommen werden “ Er beleuchtet diese seine Ansicht durch übersichtliche schematische Figuren, Wie schon oben angeführt wurde, stellte His (1885) sowohl die Rosenmüller’sche Grube wie die Tonsillenbucht als Reste der 2. Schlund- tasche dar, was er später (1901) für jene Bildung nicht mehr für zu- treffend hielt. Diesem Forscher verdanken wir den einzigen bisherigen Versuch, die wechselnden Formen der erwachsenen Menschentonsille auf die embryonalen Verhältnisse zurückzuführen. Die von Kölliker beschriebene klappen- artige mediale Wand des Tonsillensäckchens wird von His als Plica triangularis bezeichnet, deren Spitze in das Velum ausläuft, während die Basis sich breit in den Seitenrand der Zunge inserirt. Die Schleimhaut- auskleidung der von dieser Falte überragten Bucht, Sinus tonsillaris, „schwillt in der Folge (nach dem 4.—5. Monate) an und gestaltet sich durch Auf treten von adenoidem Gewebe zur Tonsille um, ein Vorgang, der schon von der Geburt eingeleitet erscheint.“ In einem späteren Aufsatz (1895) präcisiert er den dabei auftreten- Variationen folgendermassen : „Je nach Grad und Ausdehnung der adenoiden Wucherungen können nun folgende Möglichkeiten eintreten: 1. Die Tonsille hebt sich als scharf umgrenzter Wulst von der übrigen Bucht ab und über ihr liegt eine hoch hinauf sich erstreckende Fossa supratonsillaris. 2. Die Tonsille füllt die Bucht beinahe vollständig aus, wobei die Fossa supratonsillaris noch offen sein kann. Die Plica triangularis liegt dem unteren Teil der Tonsille lach auf und verwächst mit ihr, ohne indessen ihre scharfe Abgrenzung einzubüssen. 3. Es kommt auch an der freien Oberfläche der Plica triangularis zur Entwicklung von Lymphknötchen und in extremen Fällen verliert sich deren Abgrenzung gegen die übrige Tonsille.“ His geht bei dieser Erklärung der Tonsillenformen der Erwachsenen von derselben Vorstellung wie früher Bickel aus, nämlich, dass sich die Tonsille von dem Grunde des Sinus tonsillaris aus entwickelt und ihn dabei mehr oder weniger ausfüllt. Retterer (1888) hat die Veränderungen der Tonsille des Menschen in verschiedenen Altern, vom Anfange des 4. Fötalmonates an bis zum Greisen- a Studien über die Entwicklung des. Vorderdarms etc. 415 alter, untersucht. Den Ausgangspunkt seiner Untersuchung bildet ein Embryo von 7/9 em Länge. Hier findet sich zwischen den rudimentären Gaumen- bogen eine „fossette amygdalienne“ von der Grösse eines Stecknadelknopfes. Es heisst ferner bei ihm (pag. 49): „L’&volution des tonsilles chez l’homme se laisse..... subdiviser en plusieurs p6riodes: la premiere periode est caracte- risce par la formation des invaginations Epitheliales dans la region de l’isthme du gosier et par la production dans leur intervalle de nodules conjonctifs embryonnaires et tres vasculaires. Bientöt on voit apparaitre des bourgeons epitheliaux secondaires sur les involutions qui sont devenues creuses La seconde p£eriode pr&sente des phenom£nes de divers ordres: l’augmentation des nodules conjonctifs am&ne peu & peu la separation de la portion termi- nale des bourgeons d’avec l’involution originelle, qui persiste sous forme de diverticules ereux * Das menschliche Untersuchungsmaterial Gulland’s (1890) beginnt mit einem Fötus von 76,2 mm („3 inches“) Länge. Hier findet er eine Haupt- krypte mit davon ausgehenden Aesten. In den späteren Fötalstadien bildet das Epithel ein immer mehr verzweigtes System von Krypten; neue solche Krypten entstehen auch an der Oberfläche. Nach Stöhr (1891:2) entsteht die menschliche Tonsille aus einer zwischen zweitem und drittem Schlundbogen gelegenen Vertiefung. Die ver- ästelten Hohlräume bilden sich dadurch, dass vom Epithel zuerst hohle, später (Ende des 4. Monats) auch solide Sprossen in die "Tiefe der binde- gewebigen Schleimhaut wachsen. Die Bildung dieser soliden Sprossen dauert nicht nur in der ganzen Embryonalzeit fort, sondern findet auch noch während des ersten Lebensjahres statt; im Verlauf dieser Zeit werden die Sprossen allmählich hohl und zwar in der Weise, dass die am blinden Ende der Sprossen befindlichen axialen Epithelzellen verhornen; anfangs liegen diese verhorneten Massen zu Kugeln zusammengeballt im Grunde der Sprossen, später werden sie, wenn der obere Teil der Sprossen vom Hauptlumer aus hobl geworden ist, ausgestossen. Das System verzweigter Spalten ist dann fertig. i Die jüngste Veröffentlichung über den betreffenden Gegenstand, die mir bekannt ist, diejenige von Kollmann {1900), behandelt die Tonsillen- entwicklung eigentlich bloss vom histogenetischen Gesichtspunkte aus und führt die Frage über die Entstehung der eröberen Formenverhältnisse der menschlichen Tonsille nicht weiter gegen ihre Lösung. Es geht aus dieser Uebersicht hervor, dass sämtliche Autoren darin einig sind, dass die Tonsille aus einer besonderen Vertief- ung der Rachenenge hervorgeht, wenngleich sich die Ansichten in Bezug auf die Herstammung, Lage und Begrenzung dieser Ver- tiefung nicht in allen Einzelheiten decken. Wenn man von der Beschreibung der Bildüng epithelialer Sprossen absieht, sind die Forscher auf die Frage, wie diese grubenförmige Tonsillenanlage in die mannigfachen definitiven Tonsillenformen umgewandelt wird, im Allgemeinen gar nicht eingegangen. 416 J. Aug. Hammar: Nur His hat die Frage berührt; es wird sich aber aus dem Folgenden herausstellen, dass der Ausgangspunkt seiner Dar- stellung — die Annahme eines Emporwachsens der Tonsille aus dem Boden der Tonsillenbueht — nicht stichhaltig ist. Es kann. unter solchen Verhältnissen nicht Wunder erwecken, dass ein einigender Gesichtspunkt bei der Auffassung der verschiedenen Formenverhältnisse der erwachsenen Tonsille noch aussteht. Eigene Untersuchungen. Ich knüpfe meine Darstellung dort wiederum an, wo ich sie unterbrach, d. h. in dem Stadium, wo beim 24.4 mm langen Menschenfötus (Fig. 4) der Gaumen noch in Anlegung be- griffen ist, wobei die dorsale Verlängerung der 2. Schlundtasche gänzlich ihre Lage nach unten von den Gaumenplatten er- halten hat. Diese untere oder Mund-Rachenetage hat die Spaltenform der primitiven Mundhöhle verloren und eine geräumigere Lich- tung erhalten. Bei der also erfolgten Erweiterung der Kavität hat ihre Seitenwand und mit ihr die Tonsillenbucht an Höhe nicht unbedeutend zugenommen. Gleichzeitig ist die Bucht schärfer abgegrenzt als bisher. Es sind nämlich vorn und hinten von ihr die beiden Gaumenbogen in der Form zweier einschneiden- der Falten unter Ausbildung. Die hintere Bogen stellt eine Verlängerung der Gaumenplatten nach hinten und unten dar; der vordere geht von ihm in beinahe rechtem Winkel aus. Die zwischen diesen Falten gelegene Tonsillenbucht (s. tons.) nun, ist von etwa dreiseitiger Form; ihre vordere und hintere Begrenzung bilden wie gesagt die respectiven Gaumenbogen ; ihre untere Wand liegt nicht weit vom Körper der Submaxillaris- drüse (submax.) entfernt und ist durch den Tonsillenhöcker (tub. tons.) deutlich eingebuchtet. Der lateralen Wand der Tonsillenbucht entlang läuft eine in diesem Stadium nur ganz schwach angedeutete Falte (pl. itt.), welche an der höchsten Wölbung des Tonsillenhöckers ausgehend, fast in der ganzen Höhe der Tonsillenbucht in dieselbe ein- schneidet. Ihre Richtung ist eine solche, dass sie, in gedachter Verlängerung, mit dem Gaumen einen ziemlich grossen, spitzen Winkel bilden würde. Diese für die folgende Tonsillenentwick- lung wichtige Bildung nenne ich die Intratonsillarfalte, Plica intratonsillaris. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 417 Die Tonsillenbucht hat beim 31 mm langen Embryo, Vorderdarmmodell XIV, an Umfang gewonnen. Insbe- sondere hat sie sich nach vorn und nach unten ausgeweitet. In der erstgenannten Richtung hat sie sich nach aussen vom vorderen Gaumenbogen vorgedrängt, so dass der untere Ab- schnitt desselben gleichsam unterminiert worden ist und sich als eine dünne mit scharfem hinteren Rande versehene Falte rück- wärts verlängert. Die Erweiterung der Tonsillenbucht nach unten hat lateral- wärts vom Tonsillenhöcker stattgefunden und hat eine Umge- staltung dieser Bildung mitgeführt. Sie ist in der Richtung von aussen nach innen abgeplattet und dadurch in eine ziemlich dünne Falte umgewandelt worden. Diese Falte geht nach vorn ohne jedwelche Grenze in die soeben geschilderte, welche aus dem vorderen Gaumenbogen hervorgegangen ist, über, und bildet mit ihr eine einheitliche Duplikatur, welche für die bisher nach der Rachenhöhle zu grubenförmig offene Tonsillenbucht und zwar für vorderen und unteren Abschnitt eine mediale Wand aus- macht. Es ist dies die zuerst von Kölliker beschriebene klappenförmige Falte, welche von His Plica triangularis ge- nannt wurde. Sie ist der gegebenen Schilderung gemäss in der Hauptsache durch eine Umgestaltung des Tonsillenhöckers her- vorgegangen. Der obere Abschnitt des vorderen, sowie der ganze hintere Gaumenbogen hat eine weit weniger einspringende scharfrandige Beschaffenheit, so dass die Tonsillenbucht nach oben und nach hinten ohne schärfere Grenze in die Rachenwand übergeht. Die Intratonsillarfalte ist auch hier nur andeutungsweise vorhanden. Nur ihr unterster Teil, wo sie fast rechtwinklig von der Plica triangularis ausgeht, ist schon etwas mehr ausgebildet; indem sie in die untere Wand der Tonsillenbucht einschneidet, verleiht sie der Bucht hier eine zweizipfelige Beschaffenheit. Die nächst folgenden beiden Stadien Fötus von 36 mm Nl. und Fötus von 50 mm NI1., Vorderdarmmodelle XIV und XV, zeigen bei sonst ziemlich gleichartigen Verhältnissen, wie die eben geschilderten, die Intratonsillarfalte immer deut- licher hervortretend. Beim 70 mmigen Fötus, Vorderdarmmodell XVI (Fig. 5), ist die Entwicklung dieser Falte so weit gediehen, dass 418 J. Aug. Hammar: sie eine deutliche Aufteilung der Tonsillenbucht in zwei Ab- teilungen bewirkt. Die Falte geht in etwas aufwärts-rückwärts aufsteigender Richtung, etwa von der Mitte der Plica triangularis (pl. tr.) aus und durchschneidet die Tonsillenbucht fast in ihrer ganzen Länge; nur ihr oberster Abschnitt bleibt ungeteilt. Es entstehen also zwei Tonsillenrecesse, ein (vorderer) oberer Re- cessus tonsillaris superior (r. t. sup.), welcher der grössere von beiden ist und fast allseitig von scharfen Falten umgrenzt wird; ein (hinterer) unterer Recessus tonsillaris inferior (r. t. inf.), welcher von der hinteren Hälfte des vorderen über- ragt wird und nach hinten vorläufig einer scharfen Abgrenzung entbehrt. Nach oben-hinten, wo die Intratonsillarfalte aufhört, gehen die beiden Recesse kontinuirlich in einander über. Die Wände der Recesse, insbesondere diejenigen des oberen, sind unregelmässig gestaltet, hie und da mit in die Tiefe dringen- den, schwachen Epithelverdickungen. Das umgebende Binde- gewebe ist etwas, aber nicht auffallend, zellenreicher als sonst. Leukocyten habe ich unter diesen Zellen nicht angetroffen. Die Tonsillenrecesse lassen sich im folgenden Stadium, Fötus von 110 mm St. Sch. L., Tonsillenmodelll (Fig. 6 und 7), fast mit unveränderter Totalform wiederfinden. Der obere Recess (r. t. sup.) ist auch hier der grössere und allseitig recht wohl umgrenzt, während die Wände des kleineren, unteren (r. t. inf.) nach hinten ohne scharfe Grenze in die umgebende Schleim- haut übergehen. Der obere Recess hat sich nun derart über den unteren gelegt, dass dieser durch ihn von oben und aussen teil- weise überdeckt wird. Im Zusammenhange hiermit hat die Intratonsillarfalte (pl. itt.) eine schief aufsteigende Stellung mit freiem oberen-inneren Rande erhalten. Vom unteren, ziemlich scharfen Rande des oberen Recesses (Fig. 7) sind einige (fünf) solide, strangförmige Epithelprolifera- tionen in die Tiefe gedrungen. Unter diesen sind die (drei) vorderen die längsten und an ihrem freien Ende schwach kolbig angeschwollen; die zwei hinteren sind kürzer und enden zugespitzt. Solche solide und meistens ganz kurze, fast zackenähnliche Fortsätze gehen in etwas grösserer Zahl von der Aussenwand des oberen Recesses ab, um sich ebenfalls in das umgebende Bindegewebe einzusenken. Studien über die Entwicklung des. Vorderdarms etc. 419 Der untere Recess hat mehr ebene Wandflächen. Mit der Ausnahme einer, von seiner medialen Wand ausgehenden, wohl- markierten, soliden Epithelleiste, welche vertikal in das Binde- gewebe eindringt, fehlt ihm gänzlich an jeglicher Epithelproliferation. Im Anschluss an die randständigen Stränge des Rec. sup. nun ist eine Zellenanhäufung im Bindegewebe entstanden. Die- selbe entbehrt jeder scharfen Grenze gegen das umgebende Bindegewebe und geht allmählich in dieses über. Bei schwacher Vergrösserung ähnelt sie einem Iymphoiden Gewebe, bei stärkerer zeigt sie sich fast ausschliesslich durch eine Vermehrung der ästigen, freien Bindegewebszellen bedingt. Leukocyten sind ihr nicht mit einiger Sicherheit nachweisbar. Die zwei vorderen der randständigen Epithelstränge, werden von dieser Zellenanhäufung fast in ihrer ganzen Länge allseitig umschlossen, so jedoch, dass ihr tiefstes Ende gar nicht oder wenigstens von einer recht unscheinbaren Schicht des zellenreichen Gewebes umhüllt wird. Die drei hinteren der randständigen Stränge legen sich nur mit ihrer Aussenseite der Zellenanhäufung von innen an, ragen aber nicht in sie hinein. In der Umgebung des Recessus inf. fehlt vorläufig jegliche mehr augenfällige Zellenanhäufung. Fötus von 145 mm St. Sch. L., Tonsillenmodell Ila und b (Fig. S und 9). Von den sich schief nach oben öffnenden Tonsillenrecessen wird der untere, immer noch in seiner vorderen Hälfte durch den hinteren Abschnitt desoberen überdeckt. Rückwärts hat der untere Recess nunmehr einen Abschluss erhalten, so dass er jetzt gleich wie der obere, eine allseitig wohl umgrenzte Tasche darstellt. Zwischen beiden schiebt sich die nach vorn dünnere und niedrigere, nach hinten breitere und höhere Intratonsillar- falte (pl. itt.) schief hinein. Der Boden des oberen Recesses ist gegen das Lumen etwas eingedrückt, sonst zeigt dieser Recess fast dieselbe Allgemein- gestalt, wie im vorigen Stadium. Vom unteren Rande (Boden) und von der Aussenwand nicht nur des oberen, sondern nunmehr auch des unteren Recesses gehen zahlreiche längere und kürzere, fingerförmige Stränge in die Tiefe. An vielen dieser Stränge ist das etwas dickere End- stück durch eine tiefe Einschnürung von dem übrigen Teil als ein rundlicher Zellenball abgesetzt. An fast gleich vielen Stellen 420 IA Hammair: findet man in der unmittelbaren Nähe vom Ende des Stranges solche rundliche Epithelanhäufungen, die jedem Zusammenhange mit dem Strange entbebren und vom Bindegewebe allseitig um- schlossen sind. Auch an den Seitenflächen der Stränge sitzen mancherorts knospenförmige Zweige oder kleinere pedunculirte berlockenähnliche Anhängsel ; andererseits findet man entsprechende abgeschnürte Epithelmassen. Die Zahl der grösseren, gänzlich oder beinahe abgeschnürten Massen ist an beiden Recessen zusammen etwa S—10; die der kleineren dürfte etwas geringer sein. Im Inneren der meisten von den grösseren Epithelmassen ist eine oder ein paar verhornte Epithelperlen entstanden. In ein paar anderen Fällen sind die Massen danebst durch Leuko- cyten reichlich einfiltriert. Die kleineren Ballen sind unverhornt. Sämtliche sind gegen das Bindegewebe scharf abgegrenzt. Wie im vorigen Stadium zeigt das Bindegewebe in der Umgebung von den tieferen Abschnitten der Stränge einen ver- mehrten Zellenhalt. Es hat sich also um sämtliche Stränge jedes Recesses eine Zellenanhäufung, die Anlage eines Tonsillenlobus, gebildet. Jeder der beiden Loben geht ohne scharfe Grenze in das umgebende Bindegewebe über. Gleich wie der betreffende Recess, überdeckt der obere Lobus den vorderen Teil des unteren. An der Berührungsstelle konfluiren sie in breiter Ausdehnung mit einander. Sie strecken sich in die die Recesse trennende Intratonsillarfalte nicht hinein. Der Zellenreichtum der Loben scheint bei schwacher Ver- grösserung vorzugsweise durch Lymphocyten bedingt zu sein; stärkere |Systeme legen aber dar, dass auch hier die meisten Zellen verästelt und mit einander anastomosierend sind. Es kommen aber neben grösseren Formen solcher Zellen auch der- artige vor, die lediglich den Umfang der Lymphocyten besitzen und auch durch die Spärlichkeit ihres Protoplasmas und der Chromatinreichtum ihres kleinen, rundlichen Kerns dieser Zellen- form ähnlich sind. Es ist hauptsächlich das Vorhandensein zahl- reicher solcher Zellen, das dem Gewebe das Aussehen eines lymphoiden Gewebes verleiht. Danebst kommen auch, aber in geringerer Zahl wirkliche freie Leukocyten rundlicher Form — insbesondere Lymphocyten — vor. In der Umgebung gewisser, von den kleineren Gefässe Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 421 des peritonsillaren Bindegewebes erscheinen sie übrigens zahl- reicher als im Tonsillargewebe selbst. Auch im Innern von ge- wissen dieser Blutgefässe sind sie bemerkenswert häufig vorhanden. Ein 190 mm langer Embryo, Tonsillenmodell Illa und b (Fig. 10 und 11), zeigt in der Hauptsache gleich- artige Verhältnisse. Es sind auch hier zwei deutliche taschen- ähnliche, schief abwärts-auswärts gehende Tonsillenrecesse vor- handen, welche gleichfalls derart einander gegenüber orientiert sind, dass der obere (r. t. sup.) mit seiner hinteren Hälfte die vordere Hälfte des unteren (r. t. inf.) überdeckt, der obere Recess also nach vorn, der untere nach hinten überragend ist. Die Intratonsillarfalte (pl. itt.) wird in ihrem vorderen Teil von einer Rinne durchschnitten, welche die beiden Recesse mit einander in Verbindung bringen, ein Verhältnis, das von Interesse ist, da es über gewisse der späterern Stadien, wo die Taschen fast verschmolzen erscheinen, Licht zu werfen vermag. Die äussere Wand und der untere Rand (der Boden) jedes Recesses sind mit zahlreichen, meistens finger- oder schwach kolbenförmigen Hervorragungen besetzt. Diese sind fast alle hohl und von verhornten Epithelmassen mehr oder weniger er- füllt. Einzelne laterale oder endständige Knospen dieser Wucher- ungen sind abgeschnürt oder in Abschnürung begriffen. Im Grossen und Ganzen sind solche isolierte Abschnitte hier spär- licher als im vorigen Stadium. Es sind nun sämtliche dieser Wucherungen durch ein zellen- reiches Gewebe desselben Gefüges wie beim 145 mm Embryo eingebettet. Dieses Gewebe bildet, jedem Recess entsprechend, einen Lobus, welcher sich die Aussenwand und der Boden des Recesses anlehnt, seine ebenere Innenwand aber fast gänzlich frei lässt. Wo die beiden Loben sich begegnen, schmelzen sie mit einander teilweise zusammen; in die Intratonsillarfalte dringt dieses junge Adenoidgewebe nicht ein. Es hat sich hier nach hinten-oben von der Tonsille eine neue Aussackung (Fig. 11, s. rt.) gebildet, welche, ohne an der Tonsillenbildung direkt beteiligt zu sein, die Iymphoiden Forma- tionen etwas überlagert und im vorliegenden Modell an der Grenze beider Loben liegt. Die hierdurch entstandene Falte nenne ich die Retrotonsillarfalte (pl. rt.); die Aussackung selbst bezeichne ich als Retrotonsillarrinne. Sie sind 422 J.Aug«-Hammiar: inkonstant, spielen aber in der Charakterisierung gewisser, der definitiven Tonsillenformen eine auffallende Rolle. Menschenfötus von 235 mm St. Sch. L, Ton- sillenmodell IVa und b (Fig. 12—14). Hier scheint beim ersten Anblicke nur ein Tonsillenrecess vorhanden zu sein. Der- selbe bildet eine nach vorn-unten tiefe, nach hinten-oben seichter werdende, platte Tasche, welche schief nach abwärts-auswärts in die Tiefe zieht und nicht nur an ihrer lateralen, sondern teil- weise auch an ihrer medialen Wand vom Iymphoiden Gewebe eingebettet wird. Wenn man aber die Formenverhältnisse der umgebenden, eigentlichen Tonsille im Betracht zieht (Tonsillenmodell IV b, Fig. 14), lassen sich auch diese Verhältnisse unter denselben zweitaschigen Typus, wie er in den vorigen Stadien vorhanden war, zurückführen. Es finden sich nämlich auch hier zwei Ton- sillenloben, die durch einen recht tiefen Einschnitt von einander getrennt werden. Der hintere-untere dieser Loben (l. i.) ist klein und wird durch den mehr als doppelt umfangreicheren vor- deren-oberen (l. s.) etwas überlagert. Dieser wiederum wird durch eine. gut markierte Horizontalfurche seinerseits zweiteilig gemacht. Es dringt nun in den vorderen-oberen Lobus der tiefste Abschnitt der scheinbar einfachen Tonsillentasche hinein, während ihr seichterer hinterer Abschnitt sich in den hinteren-unteren Lobus hineinschiebt. Zwischen beiden Abschnitten liegt an der Grenze beider Loben eine Strecke, wo die Tasche nur ange- deutet ist (Fig. 12, pl. itt.). Einmal auf diesen Ort aufmerksam gemacht, erkennt man denselben unschwer als die rudimentäre Intratonsillarfalte. Von der scheinbar einfachen Tonsillentasche ist offenbar der grössere nach vorn von dieser Stelle gelegene Abschnitt aus dem vorderen- oberen, der kleinere hintere Abschnitt aus dem hinteren-unteren Tonsillenrecess hervorgegangen. Das vorliegende Objekt zeichnet sich ferner durch die relative Spärlichkeit der aus den Recessen hervorgesprossenen Wucherungen aus (Fig. 13). Es kommt somit neben einigen recht unscheinbaren Knospen eigentlich nur ein grösserer abge- platteter Schlauch am hinteren Recesse w. zw. an dem freien Rande desselben vor. Um den Boden dieses Schlauches gruppieren Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 423 sich teils einige (4) stark pedunculierte Knospen, teils ein paar schon ganz abgeschnürte epitheliale Bläschen mit verhorntem Inhalte. Auch der Boden des vorderen Recesses ist in einigen (3) derartigen Schläuchen wechselnder Stärke aufgeteilt. Andere gehen in der Nähe des Bodens aus der Aussenwand des Recesses hervor; darunter befindet sich wiederum ein Schlauch mit Auf- teilung in endständigen Bläschen — drei gestielten, einem schon abgeschnürten. Vom obersten Abschnitte der Aussenwand des oberen Re- cesses geht ein besonders mächtiger, platter Schlauch hervor, dicht neben welchem sich ein schon etwas grösseres Epithelbläs- chen befindet. Um diesen Schlauch hat sich nun das Iymphoide Gewebe des vorderen-oberen Lobus derart zentriert, dass derselbe dadurch unvollständig in zwei Abteilungen getrennt worden ist, so dass man hier sogar von drei Loben sprechen könnte. Die nach innen sehende freie Schleimhautfläche der Tonsille (Fig. 12) zeigt sich schwach gewölbt. Der Grenze zwischen den beiden Abschnitten des oberen Lobes ungefähr entsprechend wird sie von einer seichten Furche schief durchkreuzt. Die Fläche gewinnt ein recht besonderes Aussehen dadurch, dass sie fast ringsum von Schleimhautfalten eingefasst wird. Von oben und von hinten legt sich die Schleimhaut in der Form einer wohl ausgeprägten Retrotonsillarfalte (pl. rt.) über die benachbarte Tonsillenfläche. Die Falte verlängert sich nach von direct in die Plica triangularis (pl. tr.), welche die genannte Tonsillenfläche nach vorn, teilweise auch nach unten begrenzt. Der tiefste, obere Abschnitt der also entstandenen mehr als sichelförmigen Tasche ist die Fossa supratonsillaris (. st.) (His). Durch das Zusammentreten der primär gebildeten Tonsillen- recessen mit der durch die Retrotonsillarfalte abgegrenzten Tasche sind also recht komplizierte Verhältnisse entstanden, welche sich erst unter Berücksichtigung des Entwicklungsvorganges deuten lassen. Im Iymphoiden Gewebe ist die Zahl der Leukocyten erheb- lich vergrössert worden. An einigen Stellen kommt mitten in diesem Gewebe eine rundliche, unscharf begrenzte Partie vor, welche sich durch eine etwas dichtere Anhäufung der Zellen- kerne und durch eine Andeutung konzentrischer Schichtung aus- zeichnet. Diese Partien bieten eine unverkennbare Aehnlichkeit 424 J: Aug. Hammar: mit Sekundärknötchen dar und dürften auch als die ersten An- lagen zu solchen Bildungen angesehen werden. Uebergänge zwischen diesen Bildern und den von den abgeschnürten Epithel- bläschen bedingten habe ich nirgends nachweisen können. Auch bei einem 260 mm langen Menschenfötus (Ton- sillenmodell Va und b, Fig. 15—17), stellen sich die Ver- hältnisse vielfach prinzipiell gleichartig dar, wie im eben be- schriebenen Stadium. Es stülpt sich also auch hier eine schein- bar einbeitliche Tonsillentasche hinaus. Das adenoide Gewebe, das hauptsächlich den Boden und die Aussenwand der Tasche umfasst, bildet auch hier zwei deutliche Loben (Fig. 17); die- selben sind von platter Mandelform, der grössere vordere-obere (1. s.) überlagert in recht grossem Umfange den kleineren hinteren- unteren (l. i.), Vermittels des durch die Lobirung gegebenen Fingerzeigs lässt sich auch hier die Intratonsillarfalte (pl. itt.) als eine dünne, in den Boden der Tasche schief einschneidende Falte wiederfinden. Es ist also auch hier die einheitliche Tasche durch ein partielles Verwischen der Intratonsillarfalte und ein dadurch bedingtes Verschmelzen der Tonsillarrecesse entstanden. Die Einzelheiten betreffend, treten einige Verschiedenheiten den vorigen Stadien gegenüber hervor. Es gehen also hohle fingerähnliche Auswüchse nicht nur vom Boden und der Aussenwand der Tasche hervor, sondern solche Auswüchse kleineren Umfanges gehen von der Innenwand derselben aus, was ein Ausnahmeverhältnis repräsentiert (Fig. 15). Die isolierten Epithelbläschen sind recht klein und spärlich. Die durch das Konfluieren der Recesse bedingte Tasche hat eine lange, spaltähnliche nach oben-hinten etwas konkave Münd- ung. Indem diese weit nach unten-vorn verlagert ist, ist die innere Wand der Tasche, die Plica triangularis (Fig. 15, pl. tr.), ganz niedrig, die Tasche selbst ganz seicht geworden; nur der Abschnitt der Tasche (Fig. 15, f. st.), welcher sich als Blind- sack nach vorn-oben von der Taschenmündung erstreckt — die Supratonsillargrube — hat seine ursprüngliche Tiefe erhalten. Die laterale Wand der Tasche liegt dadurch, von innen gesehen, in relativ grosser Ausdehnung bloss und unbedeckt, so dass die sich dort in reichlicher Menge öffnenden Schläuche nicht mehr in die Tasche, sondern frei in die Rachenhöhle münden. Dies ist ein interessantes Verhältnis, da es darum Andeutung giebt, in welcher x Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 425 Weise diese Tasche am Ende der Entwicklung zum (partiellen oder totalen) Verschwinden gelangt. Die Retrotonsillarfalte fehlt völlig, was wohl mit der platten, wenig prominenten Beschaffenheit der Tonsille wesentlich zu- sammenhängt. Im feineren Bau schliesst sich dieses Stadium dem vorigen recht genau an. Bei dem untersuchten reifen Menschenfötus (Ton- sillenmodell Vla und b, Fig. 15 und 19) haben die Ton- sillenrecesse ihre Individualität besser erhalten, als es in den zuletzt beschriebenen beiden Stadien der Fall ist. Es findet sich also eine gut ausgeprägte Intratonsillarfalte (Fig. 18, pl. itt.), welche sich zwischen die Oefinungen der Recesse schief ein- schiebt. Diese Falte ist indessen recht kurz, so dass der hintere Recess vom vorderen recht wenig überlagert wird (Fig. 19), und auch die die bezüglichen Recesse umlagernden Loben, ohne ein- ander zu überlappen, neben einander liegen. Es lässt sich un- schwer ersehen, wie auch hier, wenn eine Reduktion der Intra- tonsillarfalte erfolgte, die beiden Recesse zu einer einheitlichen Tasche zusammenfliessen würden. Ein solches Zusammenfliessen scheint sogar durch die Niedrigkeit des vorderen Faltenendes vorbereitet zu sein. Die beiden Tonsillenrecesse (r. t. sup. und r. t. inf.) sind ungefähr gleich gross; von den Loben übertrifft der vordere den hinteren etwas an Umfang. Das Verhalten der sekundären Auswüchse ähnelt recht nahe dem für die letzten Stadien geschilderten. Es gehen zahl- reiche platte oder fingerförmige, teils ungeteilte, teils an den Enden ein oder ein paar mal zerklüftete Sprossen, sowohl vom Boden, als von der Aussenwand der Recesse aus. Mehrere (5) relativ umfangreiche Bläschen (etwa 0,4—0,9 mm Durchmesser) kommen, frei oder im Zusammenhange mit den Sprossen, vor. Die Recesse sind hier recht tief; nur recht wenige der Hohlsprossen öffnen sich selbständig jenseits ihrer Mündungen. Eine Retrotonsillarfalte ist nicht vorhanden. Das histologische Bild ist fast dasselbe geblieben; zahlreiche Leukocyten füllen die Maschen des zelligen Reticulums aus und infiltrieren auch gewisse Abschnitte der Auswüchse. Sekundär- knötchen treten mit etwas grösserer Deutlichkeit hervor, sind 426 J. Aug. Hammar: indessen entschieden spärlicher und unschärfer als beim Er- wachsenen. Uebergänge zwischen den Epithelialgebilden und den Sekundärknötchen sind auch hier nicht nachweisbar. In den zahlreichen, das Iymphoide Gewebe umgebenden Lymphgefässen sind Leukocyten — hauptsächlich Lymphocyten — massenweise angehäuft; die Zahl der weissen Blutkörperchen scheint in den in oder um den Tonsillenloben liegenden Blutgefässen nicht erhöht. Die Tonsille eines Sjährigen Mädchens, Tonsillen- modell VIIa und b, zeigt auch zwei Loben, von denen der vordere der grössere ist und den hinteren teilweise überlagert. Die Tonsillenrecesse sind fast völlig verschwunden. Es ist nur der oberste Teil des vorderen Recesses in der Form eines platten Blindsackes übrig geblieben. Dieser Blindsack verlängert sich an dem hinteren Rande der Tonsille entlang in eine Retro- tonsillarrinne, welche durch eine wohl markierte, die Tonsille von hinten und oben überdeckende Retrotonsillarfalte gebildet wird. Eine Plica triangularis ist nicht vorhanden. Die vordersten-obersten der epithelialen Sprossen gehen von dem Ueberreste des oberen Recesses aus, die übrigen stehen mit dem die freie Tonsillenoberfläche deckenden Epithel in direkter Verbindung. Alle diese Sprossen bilden zusammen ein wahrhaftes Labyrinth dicht zwischen einander geflochtener, ein- facher oder verzweigter Stränge. Indem sie meistens durch die sie dicht umgebenden, zahlreichen Sekundärfollikeln gleichsam komprimiert werden, haben sie in manchen Fällen ihre Lichtung eingebüsst und bilden platte Lamellen mit grubig eingebuchteten Flächen und dazwischen ausgehenden spitzen Ecken und Leisten — recht abenteuerliche Formen. In anderen Fällen ist die Lichtung durch abgestossene Epithelien und eingewanderte Leuko- cyten fast bis zur Unkenntlichkeit ausgestopft. In jedem Lobus kommt ein abgeschlossenes Epithelbläschen von 5, bezw. 2 mm grösstem Durchmesser vor, welches auch durch derartigen Inhalt ausgespannt ist. Das Iymphoide Gewebe hat typisches Aussehen; die Sekundärfollikeln sind zahlreich, heben sich aber noch nicht mit voller Deutlichkeit hervor. Die Tonsille des Erwachsenen, Tonsillenmodell VIHla und b (Fig. 20 und 21), steht in gewissen allgemeinen Zügen der soeben beschriebenen nahe. Es ist also in die Supra- tonsillargrube (f. st.) das einzige Ueberbleibsel der Tonsillen- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 427 recesse aufgegangen, welcher man sonst nur in der den vorderen- unteren Tonsillenrand von der Zunge trennenden Furche spüren kann. Die Plica triangularis (pl. tr.) ist also nur fast rudimentär. An einer Stelle unfern der Oefinung der Supratonsillargrube ist sie mit der lateralen Tonsillenwand gleichsam verwachsen. Hier liegt offenbar das unscheinbare Ueberbleibsel der Intra- tonsillarfalte (pl. itt.) vor. Die Innenfläche der früheren lateralen Wand der Tonsillen- bucht mit den Mündungen der Sekundärsprossen liegt also nunmehr in ihrer grösseren Ausdehnung frei; nur an dem oberen-hinteren Rand entlang wird sie von der auch hier vorhandenen Retrotonsillar- falte überdeckt. Das Tonsillenparenchym hat seinen bilobären Charakter behalten (Fig. 21). Der vordere-obere Lobus (l. s.) ist auch hier der grössere, überdeckt den hinteren-unteren (l. 1.) nur wenig. Beide Lappen sind durch einschneidende Bindegewebs- septen in kleinere Abteilungen, Lobuli, zerklüftet worden. (Andeutungen hierzu sind schon bei den Tonsillenmodellen VILb und VIIIb vorhanden.) ‚Jeder Lobulus enthält in seiner Mitte eine oder mehrere Sekundärsprossen, um welche die in die Augen fallenden Sekundärknötchen in einfacher Reihe sich gruppieren. Ein Rückblick auf die hier geschilderten Entwicklungs- stadien der menschlichen Tonsille lehrt also inbetreff der Ent- stehung ihrer gröberen Formenverhältnisse Folgendes (vergl. das Schema Fig. 41): Die Tonsille des Menschen entsteht im Anfange des dritten Embryonalmonats aus einer primären Tonsillenbucht, Sinus tonsillaris (His), welehe mit der Bildung der Gaumenbogen schärfer abgegrenzt wird und das Ueberbleibsel der 2. inneren Schlundtasche — ihre dorsale Verlängerung — in sich auf- nimmt. Durch einen vom Mundboden her in sie hineinbuchten- den Höcker, den Tonsillenhöcker, wird die Bucht schon von vornherein verengt. Dieser Höcker nimmt beim Menschen an der Tonsillenbildung keinen direkten Anteil. Er wird bald ab- geplattet und in eine Falte, Plica triangularis (His), um- gewandelt. Schon in der Mitte des 3. Monats wird die Tonsillenbucht durch eine hineinwachsende Falte, Intratonsillarfalte, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 61, 29 428 J. Aug. Hammar: in zwei Abschnitten aufgeteilt. Von diesen Abschnitten, den Tonsillenrecessen, liegt der eine nach oben und vorn, der andere nach unten und hinten. Es wachsen aus dem Boden und der Aussenwand jeden Recesses anfangs solide, später durch zentrale Verhornung hohl werdende Epithelsprossen in das umgebende Bindegewebe hin- ein. Indem um diese Epithelwucherungen herum eine Zellen- vermehrung eintritt, welche allmählich zur Bildung vom Iympho- iden Gewebe führt, wird jeder Tonsillenrecess zum Ausgangs- punkt der Bildung eines Tonsillenlobus. Es entstehen also ein vorderer-oberer Lappen und ein hinterer-unterer. Jener scheint etwas früher angelegt zu werden als dieser. Die Tonsillenloben schliessen sich somit hauptsächlich dem Boden und der Aussenwand der betreffenden Recesse an, greifen meistens gar nicht auf die Innenwand derselben über. Die Intra- tonsillarfalte wird wenigstens primär in den Iymphoiden Um- bildungsprozess nicht einbezogen. In den späteren Fötalmonaten wird diese Intratonsillarfalte einer mehr oder weniger vollständigen Rückbildung unterworfen (Fig. 41, A—D), wodurch die Tonsillenrecesse wieder gänzlich verschmelzen können und ein einheitlicher Tonsillenbucht sekundär wieder zu stande kommt. Schon in derselben Zeit kann ein Re- duktionsprozess der medialen Wand der Tonsillenbucht eingeleitet werden. Die Plica triangularis, welche diese mediale Wand aus- macht, wird immer niedriger und lässt also die laterale Wand mit den Mündungen der bei dieser Zeit schon hohlen Sekundärsprossen in immer grösserer Ausdehnung frei hervortreten. Dieses Niedrigerwerden der Plica triangularis geht nach der (Geburt fort; möglicherweise trägt der Zuwachs der Zunge zum Verstreichen der Falte bei. Es kann dahin führen, dass die ganze Falte und mit ihr der grösste Teil der Tonsillenbucht ver- schwindet. Von dieser bleibt dann nur ihr nach oben von der Mündung gelegener Abschnitt in der Supratonsillargrube (His) bestehen. Die Falte kann aber auch in mehr oder weniger reduziertem Zustande bestehen bleiben und in solchem Falle ist die Tonsillen- bucht als eine längs dem Vorderrande der Tonsille verlaufende Rinne fürs ganze Leben erkenntlich. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 429 Es kann in den späteren Entwicklungstadien von der Supra- tonsillargrube ausgehend eine Rinne auch an dem Hinterrande der Tonsille entlang ziehen. Diese — die Retrotonsillar- rinne — wird durch eine Falte, die Retrotonsillarfalte, bedingt, welche nicht konstant ist, nicht selten aber den hinteren oberen Tonsillenrand überlagert. Sie ist eine gänzlich sekundäre Bildung ohne jede Beziehung zu der Tonsillenbucht. Indem sie sich mit den dieser Bucht angehörigen primären Gebilden kom- binirt, trägt sie dazu bei, die verschiedenen Tonsillentypen des Erwachsenen hervorzurufen. Es lassen sich vier solche Haupttypen aufstellen. A) wo eine Plica triangularis bestehen geblieben ist, eine Plica retro- tonsillaris aber nicht vorhanden (Fig. 41 A); B) wo die beiden genannten Falten vorhanden sind, so dass die Tonsille durch eine mehr oder weniger ringformige Falte gleichsam eingerahmt ist (Fig. 41 B). Solche Fälle sind besonders geeignet der His’- schen Ansicht von einem Hervorwachsen aus dem Boden der Tonsillenbucht, eine scheinbare Stütze zu gewähren ; U) wo die Plieca retrotonsillaris aber vorhanden (Fig. 41 C); D) endlich, wo beide Falten fehlen und die mediale Tonsillenfläche mit der Um- sebung gänzlich in derselben Flucht liegt (Fig. 41 D). Das letzte Moment in der Ausbildung der gröberen Formen- verhältnisse der Menschentonsille ist die durch einschneidende Bindegewebssepten bedingte Aufteilung in Lobuli um die einzelnen Epithelsprossen. Der komplizierte Entwicklungsvorgang der menschlichen Tonsille, insbesondere das Auftreten eines bald zur Umbildung kommenden Tonsillenhöckers und das zeitweilige Aufteilen der Tonsillarbucht durch eine Intratonsillarfalte, welche wieder ver- schwindet, ohne anders als durch den das ganze Leben hindurch dauernden bilobären Charakter des Organs Spur zu hinterlassen, wird erst im Lichte der Entwicklung gewisser Tiertonsillen ver- ständlich und ich gehe deshalb jetzt zu diesem Teil meines Themas über. Was ich zur Frage über die Histogenese des Organes anzuführen habe, wird besser im Zusammenhange mit den am Tiermateriale gewonnenen Erfahrungen erörtert. 29* 430 J. Aug. Hammar: Kap. II. Die Entwicklung der Tonsillen bei einigen Säugern. Die bisherigen vergleichend-embryologischen Untersuchungen über die Tonsillen sind recht spärlich; es lässt sich auch kaum behaupten, dass die bisherigen Versuche auf diesem Wege, die verschiedenen Tonsillenformen der Säuger unter einen gemein- samen Gesichtspunkt zu bringen, zur Vertiefung unserer Auf- fassung der Morphologie der Tonsillen besonders beigetragen haben. Schmidt (1863) giebt eine genaue Beschreibung von einer Zahl verschiedener Tiertonsillen, schildert auch einige Entwicklungsstadien der Tonsille des Rinds, ohne aber, insofern ich finden kann, einige allgemeinere Gesichtspunkte über die gröbere Morphologie des Organs irgendwo an- zulegen. Dasselbe gilt auch Gulland (1891). Er giebt nur eine Darstellung der Entwicklung der Kaninchentonsille, berührt etwas die Verhältnisse beim Schwein. Retterer (1888, der eine grosse Menge von Tiertonsillen ent- wieklungsgeschichtlich untersucht hat, giebt folgende Zusammenfassung seiner hierauf bezüglichen Ergebnisse (p. 357): „Les amygdales ont chez tous les mammiferes un d&veloppement semblable, mais s&lon la taille et le groupe animal l’involution est unique et reste simple ou bien se divise. D’autres fois les involutions sont multiples et se produisent soit sur un espace eireonscrit soit sur une grande &tendue*. Wie man sieht, werden hier zwei Typen der Torsillen, nämlich die durch eine einfache Ausstülpung, bezw. die durch multiplen Ausstülpungen zu Stande kommenden, aufgestellt. Es wird in Uebereinstimmung hiermit die einfach gebaute Tonsille des Kaninchens oder des Hasens einem um einen nicht ramificierten Divertikel centrierten Lobulus der Menschentonsille gleichgestellt. Andere Klassifikationen sind von gewissen älteren Forschern auf Grundlage vergleichend-anatomischer Untersuchungen ge- macht worden. Da es von einem gewissen Interesse ist, die also gewonnenen Ergebnisse mit denjenigen der Entwicklungs- geschichte, welcher man immerhin in einer solchen Frage das letzte Wort zumuten muss, zu vergleichen, gehe ich etwas auf die Ergebnisse von v. Rapp und Asverus ein, welche beide mit einem grossen, teilweise auch seltenen Materiale gearbeitet haben. v. Rapp (1839) führt die Formen, unter welchen die Tonsillen er- scheinen, auf folgende Haupttypen zurück: 1) Ein einfacher, mehr oder weniger geräumiger Sack, der mit einer einfachen Oeffnung sich mündet und dessen blindes Ende vorwärts gerichtet ist gegen die Mundhöhle oder abwärts, So findet man die Tonsillen bei Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 431 den Affen, bei dem Löwen, Leopard, Jaguar (ohne Zweifel auch bei den verwandten Arten) bei Oryeteropus, bei Hyrax, 2) Die Tonsillen bestehen aus dieken, horizontalen Blättern mit sehr kleinen Oeffnungen, so bei dem Bären, bei der Hyäne, die jedoch zu der vorhergehenden Bildung den Uebergang macht. 3) Die Tonsillen erscheinen als eine einfache, längliche Hervorragung, 2. B. bei Procyon lotor, beim Marder, Herpestes, bei einigen Fledermäusen, beim Maulwurf, Igel, bei Didelphis. 4) Viele etwas verästelte, kurze Kanäle öffnen sich entweder in mehrere elliptische Platten (beim gewöhnlichen Delphin), oder mit zerstreuten Löchern, so bei Cystophora, beim Walross, bei den Wiederkäuern, beim Schwein, bei Dieotyles, beim Pferd, beim Menschen‘. Asverus (1861) unterscheidet einfache Tonsillen, welche aus einer einzigen kontinuierlichen Lymphknötchenrplatte, und zusammen- gesetzte, welche aus mehreren solcher Platten bestehen. „Um die Menge der an der berührten Lokalität angehäuften Lymphknötchen in ein- sehichtiger Anordnung unterbringen zu können, war bei den mit Tonsillen versehenen Tieren eine Vergrösserung der Oberfläche notwendig, welche ent- weder in der Richtung der freien Oberfläche, also nach dem Cavum oris (nach innen), oder in der Richtung der angewachsenen Fläche (nach aussen) oder in beiden Richtungen zu Stande kam.“ Die rein, oder doch vorwiegend nach innen entwickelten Tonsillen stellen Vorragungen in den Isthmus faucium vor und sind sämtlich einfache Tonsillen. Diese Vorragung erscheint knopfartig (Sciurus, Dasyphus, Phoca) oder als längliche, horizontale Bildung (Erinaceus, Talpa, Mustelao, Canis, Meles, Lutra). Die in der Richtung nach aussen entwickelten Tonsillen stellen Ein- senkungen in die Tiefe des Gaumengewebes vor und sind teils einfache (Felis, Cercopithecus, Lepus) teils zusammengesetzte. Die zusammengesetzten Tonsillen können eben (Equus) oder kryptenförmig (Bos) sein. Uebergangs- formen mit seichteren Schleimhauteinsenkungen finden sich beim Cervus und Homo. Eigene Untersuchungen, 1. Kaninchen. Bei einem Kaninchenfötus von 9 mm NI., Vorder- darmmodell XVII, stehen die Verhältnisse in betreff der zweiten Schlundtasche etwa wie die, welche für den 8,3 mm langen Menschenfötus (Vorderdarmmodell V) geschildert wurden, d. h. die Lostrennung der Tasche von der Furche ist eben be- gonnen und letztere mündet noch ziemlich breit in den Suleus praecervicalis ein. Diese Lostrennung ist beim Il mm langen Kaninchen- fötus, Vorderdarmmodell XVIII, schon vollzogen und die zweite Schlundtasche ist dabei schon atrophisch geworden, so dass von ihr nur die dorsale Verlängerung übrig geblieben ist. 432 J. Aug. Hammar: Diese bildet der primären Paukenhöhle eine Verlängerung und gleichsam einen Abschluss in aboraler Richtung. Am Schlund- boden ist die Alveololingualfurche in Ausbildung begriffen Auswärts von ihr buchtet der Tonsillenhöcker in die Lichtung hinein. Er bildet aber vorläufig einen schmalen, nicht besonders scharf hervorgehobenen Wulst. Es lässt sich dies Stadium in betreff der Entwicklung der ersten und der zweiten Schlund- tasche am nächsten mit den 18,5 und 20,5 mm langen Menschen- embryonen (Vorderdarmmodell IX u. X) vergleichen. Bei einem 15 mm langen Kaninchenfötus, Vor- derdarmmodell XIX, hat sich die Bildung des tubo- tympanalen Rohrs schon vollzogen. Die Alveololingualfurche sowie der Tonsillenhöcker ist nun deutlich ausgeprägt. Im Zu- sammenhange damit, dass sich der Tonsillenhöcker vom Schlund- boden als eine fast halbsphärische Bildung erhebt, ist an der segenüberliegenden Stelle des Schlunddaches, wo der Rest der zweiten Tasche im vorigen Stadium zu finden war, eine rundliche Tonsillenbucht zu sehen, welche durch den Höcker teilweise eingenommen ist. Die Gaumenbildung, welche in diesem Stadium eben ein- geleitet ist, hat sich beim nächsten Kaninchenfötus (23 mm St. Sch. 1, Vorderdarmmodell XX) so weit rückwärts erstreckt, dass sich die Gaumenfortsätze, wenngleich durch ein epitheliales Septum von einander getrennt, in der Mittellinie begegnet sind. Hierbei ist die Tonsillengrube gänzlich als der Mundhöhle angehörig abwärts vom Gaumen geblieben. Eine Abtrennung eines oberen Abschnitts, der dem Schlunde zufallen würde, ist weder hier noch bei den übrigen untersuchten Säugern wahrzunehmen. Der hinterste Teil. der Alveololingualrinne hat sich derart in lateraler Richtung erweitert, dass ihr Boden nunmehr die schmale Seitenwand des Rachens ausmacht. Dies hat auf die Lage der Tonsille einen merkbaren Einfluss ausgeübt. Der Tonsillenhöcker, welcher bisher der unteren Rachenwand ange- hörte, ist nunmehr an die Randpartie der oberen Wand, also an. die Unterseite des Gaumens, verlagert. worden. Er drängt sich nun von der lateralen Seite in die Tonsillenbucht hinein, welche letztere dadurch die Gestalt einer löffelförmigen Tasche erhält und ihn medialwärts und etwas von ‚oben. überlagert. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 433 Die gegenseitige Lage der Tonsillenbucht und des Tonsillen- höckers ist hierdurch gewissermassen eine gegen die beim Menschen herrschende entgegengesetzte geworden: beim Kaninchen liegt die Bucht medialwärts vom Höcker und kehrt sein Fundus nach oben; beim Menschen liegt sie lateralwärts vom Höcker, und ihr Boden sieht hier nach unten. Die Tonsillenbucht ist: beim 40 mm Kaninchenfötus, Vorderdarmmodell XXI (Fig. 22), vertieft worden; der Tonsillenhöcker ist prominenter geworden, sonst sind die Ver- hältnisse fast dieselben geblieben. Hier, sowie im vorigen Stadium ist das Innere des Tonsillenhöckers von einem Binde- gewebe eingenommen, welches sich durch eine mässige Anhäufung der fixen Zellenelemente auszeichnet und in welchem verhältnis- mässig viele Mitosen vorhanden sind. Leukocyten kommen ın bemerkenswerter Zahl nicht vor; von einem Iymphoiden Gewebe lässt sich vorläufig nicht reden. Ein SO mm langer Kaninchenfötus (nieht rekon- struiert) zeigt eine Vertiefung der Tonsillenbucht; sonst ist diese Bucht derselben Gestalt und Lage wie vorher. In ihrer Umgebung ist die Zahl der fixen Bindegewebselemente auffallend vermehrt. Bei einem 95 mm langen Kaninchenfötus, Ton- sillenmodell IX, welcher der Reife nahe steht, ist das Iymphoide Gewebe unter Ausbildung. Die Vertiefung des platten, taschenförmigen Sinus tonsillaris ist noch weiter fortgeschritten und damit ist der Tonsillenhöcker an Höhe gewachsen, sonst liegen fast dieselben äusseren Formenverhältnisse als vorher, wenngleich natürlich in vergrössertem Massstabe, vor. Rings um den Boden der Tonsillenbucht und den Wänden derselben entlang erstreckt sich etwa in ihrer halben Höhe ein Iymphoides (Gewebe mit zahlreichen Lymphocyten, aber ohne schärfere Begrenzung gegen die Umgebung. Diese Verhältnisse walten in der Hauptsache noch beim erwachsenen Tier, TonsillenmodellX, ob, nur erstreckt sich das Iymphoide Gewebe nun ais eine dicke Scheide um die Tonsillenbucht in ihrer ganzen Tiefe vom Boden bis zur Mündung. Der Tonsillenhöcker wird aber weder beim Fötus, noch beim erwachsenen Kaninchen in seiner ganzen Dicke durch Iymphoides Gewebe ausgefüllt (Fig. 40A). Es nimmt nur etwas mehr als 434 J. Aug. Hammar: seine mediale-obere, dem Sinus nächstliegende Hälfte ein. Seine laterale - untere Hälfte besteht lediglich aus fibrillärem Bindegewebe. — Sekundärknötchen wechselnder Stärke sind nun im Iymphoiden Gewebe vorhanden. Die Entwicklungsgeschichte der Kaninchen- tonsille gestaltet sich demnach ganz einfach: die aus dem unscheinbaren Rest der dorsalen Ver- längerungder zweiten Schlundtasche hervorgehende Tonsillenbucht wird durch das Einwachsen des Tonsillarhöckers in eine platte Tasche umgewandelt. Um die Tonsillenbucht centriert sich das spät auf- tretende Iymphoide Gewebe derart, dass es eine die Tasche allseitigumschliessende Scheide bildet. Der Tonsillenhöcker wird nur teilweise für die Ton- sillenbildung in Anspruch genommen. 24er ei; Prinzipiell gleichartige Verhältnisse habe ich beim er- wachsenen Igel, Tonsillenmodell XI, gefunden. Die Tonsillengrube ist deutlich seichter, der Tonsillenhöcker etwas dicker und niedriger, das Iymphoide Gewebe etwas voluminöser: sowohl was die Relation zwischen dem Iymphoiden Gewebe und der Tonsillenbucht anbetrifft, als darin, dass auch hier der unterste Abschnitt des Tonsillenhöckers vom Iymphoiden Gewebe frei bleibt, ist der ganze Typus derselbe. 3. Eichhörnchen. Das erwachsene Tier (Tonsille nicht rekonstruiert) steht gleichfalls in Bezug auf die Morphologie des fraglichen Organs dem Kaninchen nahe. Nur fehlt hier auf einer kürzeren Strecke an dem Boden der Tonsillenbucht entlang das Iymphoide Gewebe. Hier liegt die die Tonsille reichlich ein- bettende Drüsenschicht dicht an dem Epithel der Bucht. Ein Teil der Drüsen mündet sogar in sie ein. Ein solches Verhältnis, das ich beim Menschen und Kaninchen niemals gefunden habe, kommt unter den übrigen untersuchten Tieren nur beim Rind vor. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 435 Es lässt sich also mit Fug vermuten, dass auch der Entwieklungsverlaufder Igel- und Eichhörnchen- tonsillen in der Hauptsache derselbe als beim Kaninchen ist. Auch bei der Katze und beim Hunde führt die Entwicklung zu Verhältnissen, die sich nur in Einzelheiten von denen des Kaninchens unterscheiden. 4.-Räatze. Das jüngste der von mir untersuchten Stadien, Katzen- fötus von 20 mm N]., Tonsillenmodell XII, (Fig. 23), ähnelt in Betreff der Tonsille fast in allem dem oben geschilderten Kaninchenfötus von 40 mm Länge, Vorderdarmmodell XXI. Es findet sich also auch hier am Seitenrande des Gaumens eine Tonsillenbucht, welche durch einen rundlichen Tonsillenhöcker derart von aussen eingeengt wird, dass sie in eine platte Tasche umgewandelt worden ist. Nur ist die Lage dieser Tasche im Verhältnis zu der durch die Kopfkrümmung bedingten Biegung des Darmrohrs insofern eine andere, als sie hier nicht wie beim Kaninchen, die höchste Wölbung einnimmt, sondern am Anfange ihres oralen Schenkels ihren Platz findet. Bei einem 61,5 mm langen Katzenfötus, Tonsillen- modell XIII (Fig. 24), ist in der Form dieser Bucht (s. tons.) eine Änderung eingetreten. Sie ist in die Länge gewachsen und gleichzeitig hat sie an ihrem Vorderende eine Abschnürung in der Richtung von vorn nach hinten erfahren, wodurch dieses Vorderende in einem nach vorn gerichteten Blindsack (bei ”) umgestaltet worden ist. Mit der Tonsillenbucht selbst ist auch der Tonsillenhöcker (tub. tons.) in die Länge gewachsen, so dass er nur einen von der Aussenseite in sie eindringenden, länglichen Wulst, halbrunden Durchschnittes ausmacht. Fast denselben allgemeinen Charakter haben die Tonsillen- bucht und der Tonsillenhöcker im folgenden der untersuchten Stadien (Katzenfötus von 82,9 mmLänge, Tonsillen- modell XIV), nur ist die Länge beider Gebilde nicht ganz so gross wie im vorigen Stadium, und auch der Blindsack ist etwas kürzer, was indessen wohl nur eine individuelle Variation bedeutet. 436 J. Aug. Hammar: Es ist nun eine Zeilenvermehrung im Bindegewebe, und zwar wiederum durch die fixen Elemente desselben bedingt, ent- standen. Das zellenreiche Bindegewebe umfasst den Blindsack und den Boden des vorderen Abschnitts der 'Tonsillenbucht als eine vorläufig recht unscheinbare, im Querschnitte sichelförmige Partie. Bei einem reifen Katzenfötus, Tonsillenmodell XV, entspricht die Länge der einzelnen Teile (Tonsillenbucht, Blind- sack und Tonsillenhöcker) wiederum recht nahe den bezüglichen im vornächsten Stadium befindlichen Gebilden. Es hat sich hier ein wahres Iymphoides Gewebe entwickelt, das den Blindsack ringsum, den taschenförmigen Teil der Tonsillenbucht an drei Seiten umfasst. Wenn man von dem Blindsack absieht, stellen sich die Verhältnisse hier genau so wie beim erwachsenen Kaninchen. Beidererwachsenen Katze, TonsillenmodellXVI, (Fig. 25) ist der Blindsack in einen langen, schmalen, fast lumenlosen Epithelstrang umgewandelt worden (bei *). Dieser Strang durch- zieht fast die ganze Vorderhälfte der fast spindelförmigen Ton- sille (Fig. 40, B rechts). Die untere Hälfte wird grösstenteils in dem Tonsillenhöcker eingeräumt und zwar auch hier ohne sie gänzlich zu füllen. Auch hier wird an seiner Unterfläche ent- lang ein dünner Streifen von fibrillärem Bindegewebe gebildet. Nur dicht an der Ansatzstelle (Fig. B, Mittelbild) des strang- förmig umgewandelten Blindsackes an die Tonsillenbucht, wird der Boden der letztgenannten vom Iymphoiden Gewebe ein wenig umgriffen. Es schliesst die Tonsille mit einem freien rundlichen Ende nach hinten ab: dies steckt in einer durch die Tonsillen- bucht gebildeten Nische (Fig. 40 B links). Hierdurch, sowie durch die Lokalisation dieses Hinterendes der Tonsille aus- schliesslich im Tonsillenhöcker, leiten die Verhältnisse bei der erwachsenen Katze zu den beim Hunde obwaltenden über. 5.. Hund. Hier besitze ich leider keine zusammenhängende Ent- wicklungsserie. Es lässt sich aber, auf Basis der vorhandenen Stadien, der. Entwicklungsvorgang mit ziemlicher Sicherheit konstruieren. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 457 Bei einem 22 mm langen Hundefötus, Tonsillen- modell XVII (Fig. 26), finden sich auch fast ähnliche Ver- hältnisse wie beim 40 millimetrigen Kaninchenfötus. An der höchsten Wölbung der durch die Kopfkrümmung bedingten Biegung befindet sich also eine Tonsillenbucht (s. tons.), welche auf dieselbe Weise wie beim Kaninchen und bei der Katze durch einen. Tonsillenhöcker (tub. tons.) eingeengt wird. Dieser Höcker ist aber .schon in diesem Stadium verhältnismässig gross und dringt in die Bucht tief hinein. Es besteht aus dichtzelligem, nicht Iymphoidem Bindegewebe. Ein 110 mm langer Hundefötus (nicht modelliert) zeigt schon Verhältnisse, welche denen des erwachsenen Tieres nahe stehen. Ich fasse deshalb die Beschreibung dieses Stadiums mit derjenigen einesneugeborenen, Tonsillenmodell XVII, und der des erwachsenen Hundes zusammen. Es ist hier, wie schon von Asverus (1861) richtig be- schrieben wurde, das Iymphoide Gewebe vorzugsweise im Tonsillen- höcker lokalisiert und zwar so, dass etwa in der hinteren Hälfte die beiden Gebilde einander genau entsprechen (Fig. 40e links), d. h. einerseits die Tonsille nicht über das Gebiet des Höckers übergreift, dieser letztere andererseits in toto in die Tonsille aufgegangen ist. In der vorderen Hälfte (Fig. 40 e links) greift einerseits das Iymphoide Gewebe um den Boden der Tonsillen- bucht auf die obere mediale Wand derselben über, andererseits ist ein kleiner Teil des Höckers, welcher an seiner Unterseite. nahe an seiner Basis liegt, von der Iymphoiden Umwandlung frei und rein bindegewebiger Natur. Der Tonsillenhöcker hat eine etwas langgezogene Eiform angenommen und ist nur mittels eines schmalen, etwas spiralig verlaufenden, mesenterienartigen Bindegewebsstreifens am Boden der Tonsillenbucht befestigt. Von hier aus dringt das fibrilläre Bindegewebe in die Achse des Gebildes derart ein, dass das Iymphoide Gewebe gleichsam in zwei Blätter oder Lamellen ge- spalten wird, welche an der freien antimesenterialen Seite des Organs kontinuierlich in einander übergehen. Der schon ge- gebenen Schilderung gemäss reicht das untere Blatt in der vorderen Tonsillenhälfte nicht bis an die Anheftungsstelle, während sich das obere um die Tonsillenbucht schlägt. 438 J. Aug. Hammar: In der Vorderhälfte des Organs ist die Tonsillenbucht am Boden in drei gesonderte platte Taschen aufgeteilt. Dieselben stehen etwas schief und decken einander dachziegelartig. Sie werden vom Iymphoiden Gewebe allseitig umschlossen; das ge- nannte Gewebe füllt auch die Interstitien zwischen denselben völlig aus. Bis zum freien Rand der Falte, welche die obere Begrenzung der Tonsillengrube ausmacht, dringt das Iymphoide Gewebe nicht hervor. Diese Falte hat sich derart vergrössert, dass sie nicht nur die ganze obere Fläche des Tonsillenhöckers überlagert, sondern auch über die mediale Fläche desselben etwas auf die untere übergreift. Es hat sich also aus der Tonsillenbucht eine Art „Tonsillenkammer“ herausgebildet, welche mit fast spaltenförmiger Öffnung nach der Mundhöhle mündet und den Tonsillenhöcker in seinem Innern beherbergt. Dieser sieht aus der Mündung etwa derart hervor, wie ein Same aus der halb- geöffneten Hülse. An der Oberfläche des Tonsillenhöckers sind, gleichfalls in Übereinstimmung mit der Schilderung Asverus’, Faltungen entstanden. Einmal ist der Höcker in seiner ganzen Länge derweise nach innen und unten umgekrämpelt worden, dass der Querschnitt die Form eines nach unten gebogenen Hakens besitzt. Ferner sind durch die Vergrösserung einzelner von den zahl- reichen Follikeln, bezw. Follikelgruppen, Furchen an der Ober- fläche entstanden, wo im Fötalstadium epitheliale Duplicaturen, postfötal aber solide Epithelleisten mehr oder weniger tief in das Parenchym einschneiden. Durch das Vorhandensein solcher Furchen bekommt die Oberfläche ein höckeriges Aussehen. Es bilden die bisher beschriebenen Tier- tonsillen eine besondere Gruppe, welche durch die starke Entwicklung des Tonsillenhöckers gekennzeichnet wird. 6. Schwein. Einen anderen Tonsillentypus vertritt das Schwein. Es giebt bekanntlich bei diesem Tiere in der Rachenenge zwei wohl charak- terisierte Paar Tonsillen. Das eine Paar nimmt den grössten Teil der Unterfläche des Gaumensegels ein und bildet hier eine unregelmässig viereckige Platte, welche sich jederseits unfern der A: Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 439 Mittellinie plateauartig erhebt, und durch die Mündungen zahl- reicher Schleimhautausstülpungen durchlöchert erscheint. Ich nenne diese die obere Gaumentonsille. Das andere, weniger umfangreiche Tonsillenpaar liegt an jeder Seite dicht neben der Basis des Kehldeckels und unmittelbar rückwärts von der hinteren lateralen Ecke der oberen Gaumentonsille. Diese untere Gaumentonsille!) ist länglich ovaler Form und bildet eine längsgerichtete seichte Tasche, in deren Grund die Mündungen einiger Epithelschläuche sichtbar sind. Das Studium der Entwicklung lehrt nun, dass nur die letztgenannten Tonsillen mit den allgemein vorkommenden, hier an anderen Säugern entwicklungsgeschichtlich verfolgten, homolog sind. Bei einem 27,3 mm langen Schweinsfötus, Vorder- darmmodelIXXI (Fig. 28), findet sich dicht an der Basis des Kehldeckels eine nach oben gerichtete platte Tasche (s. tons), deren Lage sie als die Tonsillenbucht angiebt. Ihre laterale Wand ist durch einen ganz flachen und niedrigen Tonsillenhöcker (tub. tons.), eingebuchtet. Die Bucht liegt in der hinteren Verlängerung der Buccalfurche (s. buce.), an welcher sie eine ganz allmähliche Ver- tiefung bewirkt. Daher kommt, dass sie sich an den Schnitt- präparaten fast gar nicht geltend macht, sondern erst an der Rekonstruktion hervortritt. Mit fast derselben Form und Lage lässt sich die Tonsillen- bucht noch bei einem 60 mm langen Schweinsfötus, Vorderdarmmodell XXIII, wiederfinden. Nur ist der Tonsillenhöcker hier gänzlich verschwunden, und, statt einge- buchtet zu sein, ist die laterale Wand der Bucht schwach aus- gehöhlt. Gleich am vorderen Ende der Tonsillenbucht beginnt hier an der Randpartie der Unterfläche des Gaumens ein unregel- mässiges, viereckiges Feld mit einer hinteren spitzen Ecke. Von !) Die von BNA acceptierte Bezeichnung der im Isthmus faucium vorfindlichen Tonsille als „Tonsilla palatina* ist schon für die an der Seiten- wand der Rachenenge vorhandene Tonsille des Menschen wenig zutreffend; für die am Boden desselben liegende homologe Schweinstonsille lässt sich diese Benennung streng genommen mit noch weniger Fug brauchen. (Stöhr, 1884 nennt dieselbe „Kehldeckeltonsille“, wodurch die Homologie gar nicht berücksichtigt wird). 440 J. Aug. Hammar: hier aus zieht es, breiter werdend, nach vorn, wo seine Ab- srenzung undeutlicher wird. Er ist dies, wie das folgende Stadium, Schweinsfötus von 102 mm Länge, Tonsillenmodell XIX, lehrt, der Bezirk, wo obere die Gaumentonsille sich bildet. Es haben sich nämlich im letztgenannten Stadium bier kleine, eircumscripte, linsen- bis knospenförmige Verdiekungen des Oberflächenepithels in multipler Zahl (9) gebildet. In der nächsten Umgebung dieser Epithelverdickungen ist der Zellenreichtum des Binde- gewebes augenfällig, so dass die zahlreichen kleinen Kerne der fixen Zellen an diesen Stellen ganz kleine Iymphoide Follikeln vortäuschen. !) Eine diffuse, weit weniger augenfällige Zellen- vermehrung tritt übrigens im ganzen fraglichen Bezirke hervor. Im Vergleich mit den früheren Stadien ist die Tonsillen- bucht nicht deutlicher geworden, eher das Gegenteil. Ihre Um- gebung zeigt keine Zellenvermehrung. Fast dieselben Verhältnisse finden sich bei einem Sch weins- fötus von 120 mm NI. (nicht rekonstruiert) vor, nur ist die im Bezirke der oberen Tonsille stattgefundene Zellenvermehrung mehr diffus; die untere Tonsille befindet sich in demselben unentwickelten Zustande wie vorher. Trotz vielfacher Bemühungen ist es mir leider bisher nicht möglich gewesen, ältere Entwicklungsstufen des Schweins zu be- kommen. Bei einem erwachsenen Schwein, Tonsillen- modell XX (vergl. das Schema, Fig. 40 D), findet sich neben dem Kehldeckel eine seichte Tasche aus deren beiden Wänden, der mediaien und der lateralen, zahlreiche Hohlsprossen ausgehen. Sie sind bedeutend wechselnder Form, oftmals an dem freien Ende kolbig angeschwollen und meistens unregelmässig verzweigt. Um jeden solchen Spross ist nun ein Läppchen des Iymphoiden Gewebes mit einer einfachen Schicht von Sekundär- follikeln centriert. Eine Aufteilung des Parenchyms in Lappen scheint hingegen nicht vorhanden zu sein. Ich glaube kaum, dass ich mich irre, wenn ich annehme, dass die hier in der unteren Tonsille des erwachsenen Schweins vorhandene seichte Tasche die persistierende Tonsillenbucht ist, aus welcher die Epithelschläuche sekundär ausgesprossen sind. *) Jch komme auf diese Bilder im Kapitei über die Histogenese der Tonsille nochmals zurück. JR 2E Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 441 Wenn es aber so ist, so haben wir in der unteren Tonsille des Schweins das Beispiel eines besonderen Tonsillentypusvoruns. Vonden bisher beschriebenen unterscheidet sich dieser Typus einerseits dadurch, dass der Tonsillenhöcker schon frühzeitigschwindet, andererseits auch dadurch, dass eine Intratonsillar- falte nicht ausgebildet wird, sondern die Tonsillen- bucht ungeteilt in die Tonsillenbildung einbezogen wird, was aus dem einlappigen Charakter des er- wachsenen Organs zu erschliessen ist. TolWwend. Noch ein anderer Typus wird vom Rind und vom Schaf vertreten. 3ei einem Rindsfötus von 21 mm NI., Vorder- darmmodell XXIV (Fig. 29), findet man an jeder Seite dicht aboralwärts von der primären Paukenhöhle eine recht gut aus- geprägte Tonsillenbucht (s. tons.), in welche sich vom Schlund- boden ein flacher, aber deutlicher Tonsillenhöcker (tub. tons.), hineindrängt. Die Tonsillenbucht nimmt in der Folgezeit bedeutend an Tiefe zu, so dass sie bei einem Rindsfötus von 37 mm Nl., Vorderdarmmodell XXV (Fig. 30), an jeder Seite eine kräftige Ausbuchtung bildet. Dieselbe ist von oben nach unten (d. h. in dorsoventraler Richtung) etwas plattgedrückt. An ihrer unteren (dem Mundboden parallelen) Wand ist der Ton- sillenhöcker als ein flacher Hügel noch wahrzunehmen. An ihrem lateralwärts gerichteten Boden ist die Bucht durch eine fast frontale, recht tiet einschneidende Intratonsillarfalte (pl. itt.) in zwei Recesse aufgeteilt: den hintere Tonsillenrecess ist der grössere von beiden. Die Wände dieser Recesse (r. t. ant. und r. t. post.) sind beim 56 mm langen Fötus, VorderdarmmodelIXXVI (Fig. 31), der Ausgangspunkt einer reichlichen Knospenbildung geworden. Die Epithelknospen sind solid und besetzen die Recesse dicht ringsum. Diese sind durch die Intratonsillarfalte (pl. itt.) immer noch getrennt und treten nunmehr als zwei kurze Äste (r. t. ant. und r. t. post.) der kurz schlauchförmigen Tonsillenbucht (s. tons.) hervor, der hintere Ast ist gröber als 442 J. Aug. Hammar: der vordere. Das umgebende Bindegewebe hat etwas, aber nicht besonders an Zellenreichtum zugenommen. Der Tonsillenhöcker ist gänzlich verschwunden. Bei einer Länge des Rindsfötns von 155 mm, Vorder- darmmodell XXVI (Fig. 32), ist der erste epitheliale Ent- wurf der Tonsille schon hergestellt: die kurz schlauchförmige Tonsillenbucht (s. tons.) teilt sich gabelig in zwei gleichfalls kurze Äste (r. t. ant. und r. t. post.), von welchen jeder für sich eine dichte, baumartige Verästelung solider Epithelstränge trägt und somit die Grundlage je eines Tonsillenlobus bildet. (In der Rekonstruktion (Fig. 32) sind die letzten Verästelungen des oberen Recesses nicht wiedergegeben worden.) Dies wird auch im Ver- halten des umgebenden Bindegewebes abgespiegelt. Es grenzt sich nämlich um die Verästelungen jedes der beiden Hauptzweige (Recesse) ein rundlicher Bezirk recht scharf ab, wo die fixen Bindegewebszellen deutlich vermehrt sind, und in deren Peripherie eine konzentrische Zellenanordnung eine Kapsel präformiert. Lymphzellen sind nicht zu finden. Von den Enden und Seitenflächen der eigentlichen epithelialen Tonsillenverästelungen gehen schmälere cylindrische Stränge aus, welche sich durch dunklere Färbung (kleinere Zellen und dichtere. Kerne) von jenen unterscheiden. Es sind Drüsenanlagen. Bei einem Kalbe (nicht rekonstruiert; Alter nicht anzu- geben) tritt die bilobäre Beschaffenheit der Tonsille immer noch vor. Es finden sich ein vorderer-oberer Lobus geringeren Um- fangs und ein grösserer hinterer-unterer. Das Centrum jedes Lobus wird nur von epithelialen Verästelungen mit dazwischen reichlich eingesprengten Schleimdrüschen eingenommen. Die Verästelungen sind hohl und die Drüsen münden in grosser Zahl in sie hinein. Nur in der Peripherie der Lappen ist Iymphoides Gewebe vorhanden. Dasselbe bildet hier um jeden Endzweig des epithelialen Baumes einen schalenförmigen Belag, einen diskreten, endständigen Follikel. Beim erwachsenen Rind (nicht rekonstruiert) hat sich das Iymphoide Gewebe bis an das Centrum des Lobus ausgedehnt. Die epithelialen Verzweigungen und die Drüsen liegen von ihm dicht eingebettet. Sekundärknötchen typischen Aussehens haben sich nun herausgebildet. Studien über die Entwicklung des -Vorderdarms etc. 445 8. Schaf. Meine Serie von Schafsföten beginnt mit einem von 25 mm Nl., Vorderdarmmodell XXVIII (Fig. 35). Es sind hier Verhältnisse vorhanden, welche denjenigen des 37 millimetrigen Kalbsfötus (Fig. 30) recht nahe stehen. Neben der Zungenwurzel findet sich also an jeder Seite eine wohl markierte Tonsillenbucht, die durch eine Intratonsillarfalte (pl. itt.) in einen vorderen (rt. t. ant.) und einen hinteren (r. t. post.) Recess geteilt wird. Hier ist indessen der vordere der grössere von beiden ; ein Tonsillen- höcker lässt sich nicht wahrnehmen. Bei einem 38,3 mm langen Schafsfötus, Vorder- darmmodell XXIX (Fig. 34), ist die Tonsillenbucht mehr platt und taschenförmig, dabei auch mehr eircumseript geworden als vorher. Die Intratonsillarfalte (pl. itt.) schneidet in sie zwischen den ebenfalls platten Recessen schief ein, so dass der hintere (r. t. post.) Recess vom vorderen (r. t. ant.) etwas über- lagert wird. Bei einem 75 mm langen Schafsfötus, Tonsillen- modell XXI (Fig. 35), ist eine Aufteilung des Bodens der Recesse, insbesondere des hinteren, in abgeplattet knospen- förmige Proliferationen eingeleitet. Der ganze Komplex hat im Umfange gewonnen, verhält sich aber sonst in der Hauptsache wie vorher. Bei einem fast reifen Schafsfötus, Tonsillen- modell XXII (Fig. 36), sind die beiden Tonsillenrecesse zu zwei bedeutenden Säcken ausgewachsen, welche mit etwas ver- engter Mündung jeder für sich münden. Der hintere ist hier fast doppelt so gross als der vordere; beide stehen schief lateralwärts und nach hinten geneigt. Dicht an seiner Mündung giebt jeder Recess eine kleinere Nebentasche ab, !) sonst sind sie unverzweigt; durch zahlreiche Einbuchtungen sind aber ihre Wände unregel- mässig und tief gefaltet. ı) Wo die Schaftstonsille mehr als zwei Oeffnungen an der Schleim- hautoberfläche zeigt, ein Verhältnis, das in meinem Materiale nicht vor- handen war, aber in den Schilderungen gewisser früherer Forscher Er- wähnung findet, dürften es solche Nebentaschen sein, welche im Laufe der späteren Entwicklung sekundär eine selbständige Mündung erreicht haben. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 61. 30 444 J,. Aug. Hammar: Jeder Recess ist das Centrum eines Tonsillenlobus von schon ausgeprägt lIymphoider Beschaffenheit. Sekundärknötchen kommen im Iymphoiden Gewebe nur andeutungsweise vor. Die erwachsene Tonsille des Schafes, Ton- sillenmodell XXIII (Fig. 37), zeigt in der Hauptsache nahe- stehende Verhältnisse, Die Nebentaschen sind weniger ausge- prägt, die Recesse noch mehr schiefstehend, so dass ihr Boden nunmehr tiefer als ihre Mündung liegt, typische Sekundärfollikeln reichlich vorhanden, sonst findet man ähnliche Formen- und Bau- verhältnisse, wie sie schon am Ende des Fötallebens obwalten, wieder. Die Rinds- und Schafstonsillen zeichnen sich also dadurch aus, dass der Tonsillenhöcker zwar (wenigstens beim erstgenannten) angelegt, aber frühzeitig, und ohne die beim Menschen stattzu- findende Entwicklung zu erreichen, schwindet, während die etwas später als der Höcker auf- tretende Intratonsillarfalte eine Aufteilung der Tonsillenbucht in zwei Recesse einleitet und zeitlebens als Septum zwischen den um diese Recesse entstehenden beiden Loben bestehen bleibt. Beim Rind (Fig. 40E) bleibt die Bucht ihrer Mündung zunächst ungeteilt, beim Schaf (Fig. 40F) aber mündet jeder Recess für sich frei an der Schleimhautoberfläche Die Ausbildung sekundärer epithelialer Verästelungen kommt beim Rinde in grossem Umfange, beim Schaf nur in sehr beschränktem Maasse vor. I Ratbe. Seit den Untersuchungen von v. Rapp (1839) ist es be- kannt, dass es unter den Nagern Spezies giebt, welchen es an Tonsillen mangelt. So ist es u. A. mit dem Meerschweinchen und der Ratte der Fall. Eine interessante Frage ist nun, wie sich der Entwicklungs- vorgang des Tonsillengebiets bei solchen Tieren gestaltet. Hin- sichtlich derselben habe ich eine Reihe von Rattenembryonen von resp. 8, 11,5), 13,5, 18, 24 und 30 mm’Länge — die !) Der 11,5 mm lange Rattenfötus stammte von einer gewöhnlichen braunen Ratte, die übrigen von der weissen Varietät derselben her. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 445 meisten rekonstruktiv — untersucht. Ich kann die Beschreibung der also gewonnenen Vorderdarmmodelle (AXX—XXXIV), unter denen das jüngste Stadium die primäre Paukenhöhle noch zeigt, die zwei folgenden in die Periode vor der Gaumenbildung fallen, die zwei letzten den Gaumen fertig gebracht zeigen, recht kurz fassen. In keinem der untersuchten Stadien war eine Anlage der Tonsille vorhanden (vergl. Fig. 38, 39). Weder eine Tonsillenbucht noch ein Tonsillenhöcker scheint angelegt zu werden. Der Mangel an einer (saumentonsille bei diesem Tiere ist also ein primärer, durch ausgebliebene Anlegung bedingter. Es verdient bemerkt zu werden, dass sich in den späteren Stadien zahlreiche Drüsenanlagen (Dr. a) eben am Ort der Tonsille angehäuft finden. Es geht aus dem oben Angeführten hervor, dass die Gaumentonsille, überall wo eine solche gebildet wird, aus einer einheitlichen Anlage, einer Tonsillenbucht, hervorgeht. Die u. A. von Retterer vertretene Ansicht, dass die mehr kompliziert gebauten Tonsillen einen Komplex von Bildungen ausmachen. von denen jede einer einfach gebauten Tonsille entspräche, lässt sich vom entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkte aus nicht behaupten. | Auch die von Asverus getroffene Einteilung der Tonsillen in nach aussen und nach innen entwickelten entbehrt entwick- lungsgeschichtlicher Begründung: sämtliche Tonsillen sind ja ursprünglich als Ausstülpungen angelegt. Wenn man die oben geschilderten Formen der Tonsillenentwicklung überblickt, sondern sie sich natürlich in zwei Gruppen: 1. solche, wo der Ton- sillenhöcker bei der Entwicklung des Organs Ver- wendung findet, indem in seinem Inneren ein wesentlicher Teil der rings um die Tonsillengrube sich entwickelnden Tonsille angelegt wird (Kanin- chen, Igel, Eichhorn, Katze, Hund). 2. solche Formen, wo der Tonsillenhöcker, ohne in der Tonsillenbildung Verwendung zu finden, mehr oder weniger früh während der Entwicklung schwin- det. (Schwein, Rind, Schaf und Mensch). 30* 446 J. Aug. Hammar: Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass von diesen beiden Formen die erstgenannte die ursprünglichere, die primäre ist. Dies wird vor Allem eben dadurch bewiesen, dass der Tonsillenhöcker auch bei der zweiten Form angelegt wird, und dass also auch bei dieser die erste Entwicklung denselben Ver- lauf wie bei jener inne hält, um erst sekundär auf andere Bahnen einzulenken, womit dann das Schwinden des Tonsillen- höckers verknüpft ist. Es scheint mir also dies ein recht hübsches Beispiel des biogenetischen Grundgesetzes zu bilden. Da die zweite Form als eine Abänderung der erstgenannten zu betrachten ist, nenne ich sie im Folgenden kurzweg die sekundäre. Die einfachste Abart dieser sekundären Entwicklungsform ist diejenige, welche beim Schwein vorkommt. Hier scheint die Tonsillenbucht, ohne eine andere Umgestaltung zu erfahren, als die durch das Hervorwachsen epithelialer Sprossen bedingte, das Centrum der Tonsillenbildung zu werden. In den übrigen der untersuchten Fälle dieser Form (Rind, Schaf und Mensch) tritt als eine Neubildung die die Tonsillen- bucht aufteilende Intratonsillarfalte auf, welche die partielle oder totale) Umwandlung der Bucht in zwei Recesse bewirkt, von welchen jeder für sich zu dem Ausgangspunkt eines selbständigen Tonsillenlobus wird. Ziemlich rein hervortretend in der Ent- wicklung des Rinds und des Schafs, ist der Verlauf beim Menschen einer hochgradigen Abänderung unterworfen, indem hier schon im späteren Teil des Embryonallebens sowohl die Intratonsillarfalte als die Tonsillengrube eine mehr oder weniger vollständige Rückbildung erleiden, so dass in gewöhnlichen Fällen nur der bilobäre Charakter des Organs von dem Entwicklungs- modus desselben zeugt. Es tritt, wenigstens bei den von mir untersuchten Tier- spezies noch ein anderer Unterschied zwischen der primären und der sekundären Tonsillenentwicklung hervor; bei der letztge- nannten spriessen nämlich aus dem Epithel der Tonsillenbucht (bezw. den aus ihr hervorgehenden Recessen) solide, später hohl werdende Epithelstränge aus, welche besonders beim Rind durch baumartige Verzweigung eine hochgradige Entfaltung erreichen; solche Epithelwucherungen fehlen in sämtlichen untersuchten Fällen primärer Tonsillenentwicklung. Inwiefern dieser Unter- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etec. 447 schied ein durchgehender ist, lässt sich vorläufig nicht sagen; das Vorkommen von epithelialen Einfaltungen beim Hunde und von einem strangförmig umgestalteten Blindsäckchen bei der Katze sind möglicherweise im Sinne vorhandener Übergangsformen zu deuten. Wie oben hervorgehoben wurde, scheint mir die bei der sekundären Tonsillenentwicklung ontogenetisch stattfindende Um- änderung des Entwicklungsvorgangs als eine Wiederholung eines phylogenetischen Verlaufs zu deuten. Verhält es sich aber so, stellt sich zunächst die Frage hervor, durch welchen Faktor eine solche Umänderung bewirkt worden ist. Es hängt die Antwort dieser Frage mit der Frage nach der funktionellen und morphologischen Bedeutung unseres Organes nahe zusammen. Bei der unklaren Lage dieser letzteren kann die Erörterung der erstgenannten einzig und allein in Hypothesen ausmünden. Ich sehe deshalb von einer Darstellung der Möglichkeiten vorläufig ab, welche scheinen mir, zunächst zu liegen, in der Hoffnung, einmal auf das Thema auf der breiteren Basis eines grösseren vergleichenden Materiales zurückkommen zu können. Vom Gesichtspunkte dieser und naheliegender phylo- genetischer Fragen aus ist es gewiss nicht ohne Belang zu kennen, dass bei der Ratte, also bei einem Glied einer der Ordnungen, wo eine primäre Tonsillenbildung zu finden ist, ein solches Organ überhaupt nicht angelegt wird; aber auch hier gilt es, dass die gegenwärtig vorliegende, faktische Unterlage für weitere Besprechungen zu schmal ist. Kap. IV: Zur llistogenese der Tonsille. Ehe ich die Erörterung der Tonsillenentwicklung beende, möchte ich es nicht unterlassen, die histogenetische Seite der Frage mit einigen Worten zu berühren. Auch von diesem (Gesichtspunkte aus habe ich meine Präparate recht genau durch- prüft; da meine Ergebnisse aber hier recht wenig Neues dar- bieten, kann ich mich diesbezüglich kurz fassen. Die Frage über die Genese des Tonsillengewebes bezieht sich bekannt- lich vor Allem auf die der Beteiligung, bezw. Nichtbeteiligung des Epithels an der Bildung des Iymphoiden Gewebes. Eine solche Beteiligung ist schon lange von Retterer in einer grossen Reihe von Veröffentlichungen urgiert worden, Seine Ansichten haben aber meistens Ablehnung gefunden. 448 J. Aug Hammar: Dieselben haben auch im Laufe der Zeit eine Abänderung erfahren und zwar in der Richtung, dass dem Epithel eine grössere Rolle eingeräumt worden ist. Während er also in seiner 1888 erschienenen Arbeit nur den Leuko- cyten einen epithelialen Ursprung erteilt, lässt er 9 Jahre später die Sekundärknötchen („follicules elos“) in toto durch Umwandlung epithelialer Sprossen hervorgehen, Retterer hat für seine Darstellung in Ergebnissen, welche von v. Kölliker, v. Dayidofi, 'Büdinger, Klaatsch, Navıle u. A. am Iymphoiden Gewebe andersartiger Lokalisation veröffentlicht worden sind, eine Stütze gesucht. Gegen dieselbe ist aber von einer Reihe von Autoren vor Allem von Stöhr, von Gulland (1891) und in letzterer Zeit von Kollmann (1900) Einspruch erhoben. Nach Stöhr (1891:2) wandern, wahrscheinlich im 3, Fötalmonat des Menschen, in die bindegewebige Schleimhaut Leukocyten aus den Blut- gefässen and wandeln das junge fibrilläre Bindegewebe in adenoides Gewehe um. Bis um die Zeit der Geburt erscheint dieses Gewebe noch im Zustande der diffusen Infiltration; durch immer weiteren Zuwachs aus den Blutge- fässen, sowie durch Teilung der ausgetretenen Leukocyten vermehrt sich die Masse derselben; dabei wird die Infiltration eine ungleichmässigere; dichtere, unregelmässig geformte Anhäufungen wechseln mit lichteren, weniger eng gedrängten Ansammlungen von Leukocyten ab. Erst später im Verlaufe des 1. Lebensjahres kommt es in diesen dichten Anhäufungen zur Sonderung wahrer Sekundärknötchen („Follikel‘) mit Keimzentren. Kollmann pflichtet dieser Ansicht in allem Wesentlichen neuer- dings bei. Durch meine Rekonstruktionen ist nun die Vorbedingung der jüngeren Ansicht Retterer’s, das Vorkommen eines Ab- schnürens epithelialer Knospen in allen späteren Entwicklungs- stufen der Menschentonsille als faktisch vorhanden nachgewiesen worden. Es hat sich deshalb empfohlen, das Schicksal dieser abgeschnürten Epithelballen einer vorurteilslosen Prüfung zu unterwerfen. Es hat sich dabei erwiesen, dass diese Epithelballen manch- mal nur wenig Leukocyten enthalten und dann leicht erkenntlich sind. Manchmal aber sind sie von Leukocyten so massenhaft durchsetzt, dass ihre Grenzen schwer festzustellen sind und die Ähnlichkeit mit Sekundärfollikeln nicht unbedeutend ist. Man versteht leicht, wie auf Grund solcher Bilder Retterer zu seiner späteren Ansicht gekommen ist. Die gewissenhafte Prüfung einer grösseren Menge von solchen Bildern lässt aber bald einen deutlichen Unterschied zwischen denselben und den in der That im Fötalleben nur BEN Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 449 andeutungsweise vorhandenen Sekundärknötchen hervortreten ; bei genauerer Betrachtung treten zwischen den Leukocyten immer die Epithelien mit grösseren und blasseren Kernen hervor und auch die äussere Grenzlinie des Epithelialgebildes lässt sich nachweisen. In den Knötchen aber vermisst man beiderlei; Übergangsbilder zwischen den beiden fraglichen Gebilden ver- misst man gänzlich. Ich bin also zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Retterer’sche Ansicht über die Ab- stammung der Sekundärknötchen aus abge- schnürten epithelialen Sprossen nicht einmal für die Menschentonsille behaupten lässt. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird noch mehr be- kräftigt, wenn man die zahlreichen Tonsillenformen unter die Betrachtung zieht, wo epitheliale Sprossen überhaupt nicht ge- bildet werden, und in welchen Sekundärknötchen nichtsdesto- weniger vorhanden sind. Die abgeschnürten Epithelballen der Menschentonsille dürften zum Teil unter dem Einflusse der Leukocyteninvasion atrophieren und dem Untergange anheimfallen, zum Teil aber können sie, wie die zur Untersuchung gekommenen späteren Stadien lehren, in durch Zellendetritus stark ausgedehnten Bläschen umgewandelt worden. | Auf diesem prinzipiellen Punkte bin ich also mit Stöhr einverstanden. In Betreff ein paar anderer Punkte möchte ich mir einige Bemerkungen der von ihm gegebenen und seitdem geläufig gewordenen Schilderung gegenüber gestatten.!) Die Zellenanhäufung, welche die Tonsillenbucht und die von ihr ausgehenden sekundären Epithelknospen einbettet, be- steht, wie aus meiner oben gegebenen Schilderung der einzelnen Entwicklungsstadien zur Genüge hervorgeht, relativ lange Zeit lediglich aus fixen Bindegewebszellen, nicht aus Iymphoidem (rewebe. Zwar bietet diese Zellenanhäufung durch die Klein- heit und dichte Anlagerung der meisten vorhandenen ‚Zellen- kerne bei schwacher Vergrösserung oder am nur kerngefärbten Präparate eine auffallende Ähnlichkeit mit einem solchen Gewebe. ) Ich gehe dabei von seinem im Anat, Anz. gelieferten Selbstreferate 1891:2 aus, da mir seine ausführlichen Darstellungen (1890 u. 1891:1) nicht zugängig sind. 450 J. Aug. Hammar: Eine eingehendere Analyse mit stärkeren Systemen und unter Be- nutzung dünner, protoplasmagefärbter Schnitte lehrt aber, dass in jüngeren Stadien sämmtliche, in etwas mehr vorgeschrittenen die Mehrzahl der Zellen verzweigt und unter sich anastomo- sierend sind. Die erste Stufe der Bildung des Iymphoiden Gewebes bestehtalsoin einer meistens hochgradigen Vermehrung der fixen Zellenelemente des jungen Bindegewebes. Dies ist übrigens nicht etwas nur für das Tonsillengewebe, wo es schon von Gulland (1891) hervorge- hoben wurde, gültiges; dasselbe Verhalten lässt sich auch für andere Örtlichkeiten, so vor Allem bei der Lymphdrüsenbildung feststellen. Ganz unabhängig von den epithelialen Veränderungen scheinen übrigens diese Bindegewebsveränderungen nicht immer zu sein. Besonders fällt dies in die Augen bei der Entwicklung der oberen Gaumentonsille des Schweins, wie diese Entwicklung beim 102 mm langen Fötus hervortritt. Es sind hier, wie erwähnt, an mehreren Punkten schwache linsen- bis knospenförmige Verdiekungen des Oberflächenepithels entstanden, und zwar scheinen dieselben weniger durch Ver- mehrung der Epithelzellen als dadurch, dass dieselben unter Ausbildung verzweigter Formen von einander gelockert sind, be- dingt zu sein. Gerade unter jeder solchen Verdickung des Epi- thels zeigt das Bindegewebe eine kleinzellige und zellenreichere Beschaffenheit, welche bei niedriger Vergrösserung das Bild einer „Iymphoiden Infiltration‘ gewährt, bei näherer Untersuchung aber sich als durch Vermehrung der fixen Zellen bedingt her- ausstellt. Es ähneln diese Anlagen recht genau den Haarkeimen mit ihren Papillen auf der frühesten Entwicklungsstufe. In beiden der genannten Fälle (Tonsillensprossen, Haarkeimen) so- wie in anderen ähnlicher Art, z. B. bei der ersten Bildung der Zahnpapille, muss es dahingestellt werden, wie der Connex zwischen den Veränderungen der beiden Gewebe stattfindet: durch ein auf den einen oder den anderen, oder durch ein auf beiden simultan einwirkendes Ursachenmoment.?) ») Gulla nd (1891)spricht sich entschieden dafür aus, dass die Epithel- wucherungen, etwa wie Fremdkörper wirkend, die Bindegewebsveränderungen sekundär hervorrufen. Der Parallelismus der Prozesse in beiden Geweben Ber Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 451 Die Leukocyten treten also in dem Mesenchymgewebe der Tonsille relativ spät auf. Stöhr fasst ihr Auftreten als durch eine Emigration weisser Blutkörperchen bedingt auf. Indessen bietet das zellenreiche Mesenchym bei diesem Zeitpunkte nebst grösseren Zellenformen zahlreiche kleine dar, welche sowohl durch die Beschaffenheit ihres Kerns, als durch die Spärlichkeit ihres Plasmakörpers den Lymphocyten so nahe ähneln, dass eine Unterscheidung besonders schwierig ist, und überhaupt nur dann möglich wird, wo das Vorhandensein von Zellenfortsätzen, die sie mit anderen Zellen verbinden, nachweisbar ist. Hierzu kommt, dass in meinen Präparaten ein grösserer Leukocyten- reichtum eigentlich nur in den die Tonsillen umgebenden Venen und Lymphgefässen nachweisbar ist, für die Arterien aber kaum zu behaupten ist. Es scheint mir deshalb wenigstens sehr fraglich ob die Iymphoiden Zellen wirklich eingewandert und nicht — was mir vorläufig wahrscheinlicher scheint — autochthon entstanden sind. Diese Frage hat aber eine weit über die Tonsille gehende Tragweite; im Kapitel über die Histogenese des Thymus komme ich auf sie zurück. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Die dorsale Hälfte der zweiten Schlundfurche des Menschen wird im Zusammenhange damit, dass das zweite Schlundspaltenorgan durch Abschnürung aus einer Rinne in einen kurzen, dorsal- wärts gerichteten Blindschlauch umgewandelt wird, von der zweiten Schlundtasche losgetrennt und gleichzeitig verwischt. 2. Die ventrale Hälfte der betreffenden Furche wird etwas später eingeengt, so dasssie bei einem 11,7 mm langen Menschen- embryo in eine ganz kleine lochförmige Öffnung, welche in das dorsale Ende des Suleus praecervicalis mündet, umgewandelt wird. Gleichzeitig ist durch den Dickenzuwachs der umgebenden Schlundbogen die Furche derart vertieft worden, dass sie in einen langen, schmalen Epithelgang, den Kiemengang (Rab) umgestaltet worden ist. Dieser steigt, sich dem kaudalen Rand der zweiten Schlundtasche an einer Strecke anschliessend, dorsal- bei den von mir eben geschilderten Bildern redet nicht besonders zu Gunsten dieser Annahme. 452 J. Aug. Hammar: wärts und geht hier in das das Schlundspaltenorgan darstellende freie Blindsäckchen kontinuierlich über. Der ganze aus der zweiten Schlundfurche stammende Komplex, der Kiemengang und seine Verlängerung, das Schlund- spaltenorgan, schwindet bald durch Atrophie gänzlich, der erstere etwas früher als das letztere. 3. Die zweite Schlundtasche atrophiert gleichfalls allmählich in ihrer grössten Ausdehnung, so dass von ihr nur die dorsale Verlängerung übrig bleibt. 4. In diese schwache dorsale Ausbuchtung wächst ein vom Schlundhoden sich entwickelnder Höcker, der Tonsillenhöcker, hinein. Die dorsale Taschenverlängerung wird hierdurch erweitert Bei dem im Zusammenhange mit der Gaumenbildung er- folgenden Entstehen der beiden Gaumenbogen erfährt dieselbe eine weitere Vergrösserung und eine schärfere Abgrenzung. Also entsteht die Tonsillenbucht. Die Tonsillenbucht und der Tonsillenhöcker sind die bei der Tonsillenbildung grundlegenden Gebilde. Ihr Verhalten ist bei verschiedenen Tierspecies verschieden. 5. Bei der Ratte, wo eine Gaumentonsille nicht vorkommt, werden die fraglichen Tonsillenanlagen überhaupt nicht gebildet. 6. Bei einer Form der Tonsillenbildung, welche ich die primäre nenne, bleibt nebst der Tonsillenbucht auch der Tonsillenhöcker bestehen und nimmt an der Tonsillenbildung teil. Um die Tonsillenbucht bildet sich Iymphoides Gewebe. das die Bucht ringsum einbettet und hierbei das Innere des Tonsillenhöckers in grösserem oder geringerem Umfange ein- nimmt (Kaninchen, Eichhörnchen, Igel, Katze, Hund). Die Ton- sillenbucht selbst kann gleichzeitig eine mehr oder weniger eingreifende Umgestaltung erfahren: bei der Katze wird sie teilweise in ein nach vorn gerichtetes Blindsäckchen, bezw. in einen soliden Epithelstrang umgewandelt; beim Hunde bildet sie eine den Tonsillenhöcker umschliessende „Tonsillenkammer“. 7. Bei einer anderen Form der Tonsilienentwicklung — der sekundären — wird ein Tonsillenhöcker zwar angelegt, nimmt aber an der Tonsillenbildung keinen Anteil, sondern atrophiert in der Regel früher oder später (Schwein, Rind, Schaf und Mensch). Es wachsen in sämtlichen näher untersuchten Fällen dieser Art aus der Bucht Epithelsprossen in die Tiefe, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 453 welche mit eintretender Verhornung später hohl werden und um welche sich das Iymphoide Gewebe herausdifferenziert. Beim Schwein scheint die Tonsillenbucht ungeteilt in die Tonsillenbildung eingezogen zu werden. Die (untere) Tonsille bildet hier demgemäss eine einheitliche Masse. Bei dem Rinde, dem Schafe und dem Menschen wird die Bucht durch eine in sie einschneidende Intratonsillarfalte m zwei Recesse aufgeteilt. Aus den Tonsillenrecessen sprossen Epithelstränge heraus, welche beim Rinde eine reichliche baum- artige Verzweigung zeigen, beim Menschen ebenfalls reichlich aber regellos verteilt sind, beim Schaf endlich spärlich sind und in Faltungen der Wände oder aus ihnen ausgehenden Blind- säckchen resultieren: indem sich im Anschlusse an jedem Re- cesse für sich Iymphoides Gewebe herausbildet, erhalten diese Tonsillen einen zweilappigen Charakter. 8. Die Intratonsillarfalte lässt beim Rinde einen ober- tlächlichen Abschnitt der Tonsillenbucht ungeteilt; die lecesse gehen davon als Zweige eines gemeinsamen Stammes aus. Beim Schafe wird die Tonsillenbucht durch die Falte gänz- lich aufgeteilt, so dass jeder Recess für sich an die freie Ober- fläche mündet. Beim Menschen schwindet die Intratonsillarfalte in den spätereren Entwicklungsstadien mehr oder weniger vollständig, wodurch die Recesse wiederum konfluieren; die bilobäre Be- schaffenheit des Organs bleibt aber bestehen und zeugt immer fortwährend von seiner Entstehungsweise. 9. Es kann beim Menschen der Tonsillenhöcker als eine dem vorderen Tonsillenrande entlang verlaufende Falte, die Plica triangularis (His) bestehen bleiben; an der Tonsillen- bildung nimmt er aber auch dann keinen direkten Anteil. Oft- mals verschwindet er aber gänzlich. Längs des hinteren Randes der Tonsille des Menschen kann in den späteren Fötalmonaten eine inkonstante Falte, die Retro- tonsillarfalte, sekundär entstehen. Diese inkonstanten Falten, die Plica triangularis und die Plica retrotonsillaris, be- dingen beim erwachsenen Menschen vier verschiedene, wenngleich durch Zwischenformen in einander übergehende Tonsillen- typen: 454 J. Aug. Hammar: A) wo eine Plica triangularis bestehen geblieben ist, eine Plieca retrotonsillaris aber nicht vorhanden ist; B) wo die beiden genannten Falten gleichzeitig vorkommen, so dass die Tonsille in eine mehr oder weniger ringförmige Falte gleichsam eingerahmt ist; C) wo die Plica triangularis ausgeglichen worden ist, ‚die Plica retrotonsillaris aber vorhanden; D) endlich, wo beide Falten fehlen und die mediale Ton- sillenfläche mit der Umgebung in derselben Flucht liegt. 10. Beim Menschen findet im Fötalleben ein Abschnüren von Epithelknospen in der Tonsille statt ; diese können als durch Zellendetritus ausgedehnte Cysten bestehen bleiben ; meistens fallen sie der Atrophie anheim; an der Bildung der Sekundär- knötchen sind sie nicht beteiligt. Die Bildung des Iymphoiden Gewebes der Tonsille wird durch eine starke Vermehrung der fixen Bindegewebszellen ein- geleitet. Die Lymphocyten, welche erst relativ spät im Fötal- leben etwas massenhafter in das Gewebe auftreten, stammen wahrscheinlich der Hauptsache nach nicht aus den Gefässen, sondern sind wahrscheinlich Derivate der fixen Zellen. Upsala, den 4. September 1902. Literatur. Asverus, H. 1861: Ueber die verschiedenen Tonsillenformen und das Vorkommen der Tonsillen im Tierreiche. Nov. Act. Leopold. Carol. Bd. 29. Derselbe 1859: De tonsillis Diss. Jena (mir nicht zugängig). Bickel, G. 1884: Ueber die Ausdehnung und den Zusammenhang des lymphatischen Gewebes in der Rachengegend. Virchow’s Archiv. Bd. 97. Born, @. 1883: Ueber die Derivate der embryonalen Schlundbögen und Schlundspalten bei Säugetieren. Dies Archiv Bd. 22. Gulland, G. L. 1891: The Development of Adenoid Tissue with special reference to the Tonsil and Thymus. Reports from the laborat. of the R. College of Phys. Edinburgh Vol. III Hammar, J. A. 1902: Studien über die Entwicklung des Vorder- darms und einiger angrenzender Organe. I. Abth.: Allgemeine Morpho- logie der Schlundspalten beim Menschen. Entwicklung des Mittelohr- raumes und des äusseren Gehörganges. Dies Archiv Bd. 59. Be ai! Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 45: His, W. 1885: Anatomie menschlicher Embryonen III Leipzig. Derselbe 1886: Ueber den Sinus praecerviealis und die 'TThymus- anlage. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. Derselbe 189: Die Anatomische Nomenclatur, Leipzig. Derselbe 1901: Beobachtungen zur Geschichte! der Nasen- und Gaumenbildung beim menschlichen Embryo. Abh. d. K. sächs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Classe Bd. XXVII. Kastschenko, N. 1887: Das Schicksal der embryonalen Schlund- spalten bei Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. Kölliker, A. 1879: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere 2. Aufl. Leipzig. (1. Aufl. 1861). Kollmann, J. 1900: Die Entwicklung der Lymphknötchen in dem Blinddarm und in dem Proe. vermif. Die Entwicklung der Tonsillen und die Entwicklung der Milz. Arch. f. Anat. u Phys. Anat. Abt. Piersol, G. A. 1888: Ueber die Entwicklung der embryonalen Schlundspalten und ihre Derivate bei Säugetieren. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 47. Rabl, ©. 1886: Zur Bildungsgeschichte des Halses. Prager mediz Wochenschr. Jahrg. 11 u. 12. Rapp, W. v. 1839: Ueber die Tonsillen. Müllers Archiv. Retterer, Ed. 1888: ÖOrigine et Evolution des Amygdales chez les Mammiferes. Journ. de l’anat. et de la physiol. Vol. 24. Derselbe 1897: Epithelium et tissu r&tieul& (Sabot, Amygdales) Ibidem Vol. 38. Schmidt, F. Th. 1863: Das follieuläre Drüsengewebe der Schleim- haut der Mundhöhle und des Schlundes bei den Menschen und den Säugetieren. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 13. Stöhr, Ph. 1884: Ueber Mandeln und Balgdrüsen. Virchow’s Archiv Bd. 97. Derselbe 1890: Ueber die Mandeln und deren Entwicklung. Corre- spondenzblatt f. Schweizer Aerzte Jahrg. 20. Derselbe 1891: Die Entwicklung des adenoiden Gewebes, der Zungen- bälge und der Mandeln des Menschen. Festschr. zur Feier des 50}jähr. Doktorjubiläums der Herren v. Nägeli und v. Kölliker, Zürich. (Die beiden Obigen mir nicht zugängig). Derselbe 1891.92: Selbstbericht über die beiden vorigen. Anat. Anz. Jahrg. 6. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI und XXN. Buchstabenerklärung. ch. — Chorda dorsalis. dors. I. II. = dorsale Verlängerung der 1. u. 2. Schlundtasche. Dr. a. — Drüsenanlagen, duct. praec. = Ductus praecervicalis. f- st. — fossa supratonsillaris. Ggl.X. = Vagusganglion. 456 J. Aug. Hammar: Gpl. —= Gaumenplatte, hyp. c. — Hpypophysis cerebri. Kg. —= Kiemengang. kas! 1. % N oberer vorderer Tonsillenlobus. 1 unterer hinterer Tonsillenlobus. org. BL, I11.—= 2. resp. 3. Schlundspaltenorgan. Par. — Glandula Parotis. ph. —= Pharynx. pl. itt — Plica intratonsillaris. pl. rt Plica retrotonsillaris. pl. tr. = Plica triangularis. pr. P. primäre Paukenhöhle, BL hinterer unterer Tonsillenrecess. r. t. post. “ Mn Ir vorderer oberer Tonsillenrecess. 8..al. — Suleus alveolo - lingualis,. s. bucc. — Suleus bucealis. schl. f.I — 1. Schlundfurche. schl. t. I, II = 1. resp. 2. Schlundtasche. s..rt. — Suleus retrotonsillaris. s. tons. — Sinus tonsillaris. submax. = Glandula submaxillaris. sule.praec. — Suleus praecervicalis. thym. — Thymus. Thyr. I. — laterale Schilddrüsenanlage. Thyr. m. — mediane Schilddrüsenanlage. tr. — Trachea. tr. art. — Truncus arteriosus. Tub. — Tuba Eustachii. tub. tons. —= Tubereulum tonsillare. V. praec. == Vesicula praecervicalis. Figurenerklärung. Bei jeder der Fig. 1—39 ist die Nummer des betreffenden Modells angegeben. Der nebenstehende Bruch giebt den verkleinerten Maassstab an, in welchem das Modell in der Abbildung wiedergegeben ist. Die beige- fügte Zahlenrelation drückt das Grössenverhältnis zwischen der Abbildung und dem abgebildeten embryonalen Organe aus. Fig. 1. Schlunddarm u. A. eines Menschenembryos von 8,3 mm N]. Ansicht von der dorso-lateralen Seite. Vorderdarmmodell V. !/ı. 21:1. Schlunddarm u. A. eines Menschenembryos von 11,7 mm Nl. Ansicht von der dorso-lateralen Seite. Vorderdarmmodell VI. ’/.. 21:1. Fig. DO Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 457 Schlunddarm eines Menschenembryos von 15,5 mm Nl Ansicht von der linken Seite. Vorderdarmmodell IX. !/ı. 21:1. Schlunddarm u. A. eines Menschenfötus von 24,4 mm St. Sch. 1. von der linken Seite gesehen. Vorderdarmmodell XIII. !/s. 15:1. Schlunddarm eines Menschenfötus von 70 mm St. Sch 1. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XVI, !/s. 14:1. Linke Tonsillenanlage eines Menschenfötus von 110 mm St. Sch. 1., von der inneren (Schleimhaut-) Seite gesehen. ; Tonsillenmodell I. '/s. 14 : 1. Ditto von der äusseren (tiefen) Seite gesehen. Tonsillenmodeli ], 1/3. 14:1. Linke Tonsillenanlage eines Menschenfötus von 145 mm. St. Sch. L Von der inneren Seite. Tonsillenmodell IIa. '/. 10,5: 1. Ditto von der lateralen Seite. Tonsillenmodell IIa. !/. 10,5 :1. . Linke Tonsillenanlage eines Menschenfötus von 190 em St. Schl. 1., von der inneren Seite. Tonsillenmodell IIIa !/s. 14:1. . Ditto von der Aussenseite. Tonsillenmodell Illa. "/s. 14:1, . Linke Tonsillenanlage eines Menschenfötus von 235 mm St. Sch. 1.; von der Innenseite. Tonsillenmodell IV a. !/s. 14:1, . Ditto von der Aussenseite. Tonsillenmodell IVa. !/s. 14:1. . Ditto von der Aussenseite; die Iymphoiden Tonsillenloben darge- stellt. Tonsillenmodell IV. !/ı. 14:1. . Linke Tonsillenanlage eines Menschenfötus von 260 mm. St Sch. 1. Ansicht von innen. Tonsillenmodell Va. !/». 14:1. . Ditto Ansicht von aussen. Tonsillenmodell Va. ’/s. 14:1. . Ditto Ansicht von aussen; die Iymphoiden Tonsillenloben dargestellt, Tonsillenmodell Vb. *ı. 14:1. . Linke Tonsillenanlage eines reifen Menschenfötus. Ansicht von innen. Tonsillenmodell VIa. !/s, 14:1. . Ditto. Ansicht von aussen. Tonsillenmodell VIa. '/s. 14:1. . Rechte Tonsille eines erwachsenen (etwa vierzigjährigen) Mannes, Ansicht von der Innenseite. Die Iymphoiden Tonsillenloben darge- stellt. Tonsillenmodell VIIIb. tiı. 14:1. . Ditto von der Aussenseite. Tonsillenmodell VIIIb. %ı. 14:1. . Schlunddarm eines Kaninchenfötus von 40 mm Schwanzwurzel- Scheitel-l. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXI. ”/s, 14:1. 23. Schlunddarm eines Katzenfötus von 20 mm Schwanzwurzel-Scheitel-], Ansicht von links. Tonsillenmodell XII. !/s. 14:1. . Ditto eines Katzenfötus vou 61,5 mm Schwanzwurzel-Scheitel-l Ansicht von links Tonsillenmodell XIII. !/s, 14:1. . Rechte Tonsillenbucht einer erwachsenen Katze von der lateralen Seite gesehen. Tonsillenmodell XVI. 1/3. 5:1. . Schlunddarm eines Hundefötus von 22 mm Schwanzwurzel-Scheitel-]. Ansicht von links. Tonsillenmodell XVII. ?/s. 14:1. . Schlunddarm eines Menschenembryos von 21,1 mm Nl. Ansicht von links. Das Modell, das im Text nicht angeführt wird, ist hier ab- gebildet worden, um eine direkte Vergleichung der Verhältnisse des Menschen mit denjenigen der Tiere zu erleichtern. !/s. 7:1. 455 J. Aug. Hammar: Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. ig. 29, Fig. Fig. 38. Fig. Fig. Fig. ig. 28. . 30, .31. . 32. ‚38. . 96. eh, 39. 40. 41. Schlunddarm eines 27,3 mm langen Schweinsfötus; Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXII. !/s. 14:1. Schlunddarm eines Rindsfötus von 21 mm NI.; Ansicht von links unten. Vorderdarmmodell XXIV. !/s. 14:1. Schlunddarm eines Rindsfötus von 37 mm NI.; Ansicht von links und etwas von vorn. Vorderdarmmodell XXV. ?/s. 14:1. Schlunddarm eines 56 mm langen Rindsfötus; Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXVI. !/s. 14:1. - Seblunddarm eines 155 mm langen Rindsfötus. Ansicht von vorn und etwas von links. Die äussersten Verzweigungen des Rec. ant. sind im Modell weggelassen. Vorderdarmmodell XXVII. ’/s. 14:1. Schlunddarm eines Schafsfötus von 22 mm NI. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXVIII. !s. 14:1. . Schlunddarm eines Schafsfötus von 38,3 mm Nl. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXIX, 2/3. 14:1. . Linke Tonsillenanlage eines Schafsfötus von 75 mm Schwanzwurzel- Scheitel-l. Ansicht von links. Tonsillenmodell XXI !/s. 14:1]. Ditto von einem fast reifen Schafsfötus. Ansicht von links (von der Aussenseite) Tonsillenmodell XXII. "/s. 14:1. Tonsillenrecesse von der linken Körperhälfte eines erwachsenen Schafs; Ansicht von links (von der Innenseite). Tonsillenmodell XXIII. Ua Del. Schlunddarm eines Rattenfötus von 11,5 mm Nl. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXXLI. !/s. 14:1. Schlunddarm eines 30 mm langen Rattenfötus. Ansicht von links. Vorderdarmmodell XXXIV. %s. 14:1. Schemata des Tonsillenbaus in frontalen Durchschnitten gedacht, in B. und C. entspricht das linke Bild dem am meisten rückwärts gelegenen Schnitt, das rechte dem am meisten vorwärts gelegenen. Die Sekundärsprossen sind als solid, nur im Bild F. als hohle Aus- sackungen dargestellt. Schemata der Tonsillenformen beim Menschen, A’) Die mehr ur- sprünglichen Verhältnisse. A—D) Verschiedene definitive Formen- varianten, 459 Aus dem anatomischen Instistut in Strassburg. Studien über das Blut und die blut- bildenden und -zerstörenden Organe. Von Dr. Franz Weidenreich, Privatdozent und 1. Assistent am Institut. Hierzu Tafel XXIII u. XXIV und 1 Textfigur. Mit dem erhöhten Interesse, das in den letzten Jahren dem Studium der Eigentümlichkeiten der Blutsäfte entgegen gebracht wurde, hat auch die weitere Erforschung der körper- lichen Elemente des Blutes in nicht zu verkennender Weise besondere Anregung erfahren. Ja es scheint so, als wenn viel- fach der Ansicht gehuldigt würde, dass eine Reihe von Fragen entgiltig gelöst seien, und manche aufgestellte Hypothese auf unum- stösslichen Thatsachen beruhe. Das gilt besonders in Bezug auf die Leukocyten, die in erster Linie Ehrlich und seine Schule zum Gegenstand so eingehender Untersuchungen machten, dass deren Resultate, wenigstens in klinischen Kreisen, wohl allgemein als grundlegend anerkannt und als Normalschema für Diagnostik und Wesen der Blutkrankheiten angesehen werden. Thatsäch- lich ist es das unstreitige Verdienst Ehrlichs durch die Ein- führung der Blut-Trockenmethode, die übrigens schon M uys und Andere zu Anfang des 18. Jahrhunderts allerdings in recht primitiver Weise anzuwenden verstanden, und durch die Behand- lung derartiger Präparate mit Anilinfarben gerade die Morpho- logie der Leukocyten wesentlich gefördert und eine wertvolle Untersuchungsmethode für diagnostische Zwecke geschaffen zu haben. Allein diese Methode hat das Schicksal so mancher an- deren geteilt, dass sie nämlich in ihrer Bedeutung überschätzt und darum als ausreichend erachtet wurde, um auch dort einen Aufschluss herbeizuführen, wo ihr Wert in Wirklichkeit nur ein beschränkter sein konnte. Die Beziehungen der verschiedenen Leukocytenformen zu einander oder gar die Funktion eines be- stimmten Organes mehr oder weniger ausschliesslich an der Hand von Ausstrich-Trockenpräparaten studieren zu wollen, wie es in zahlreichen grossen und kleinen Arbeiten versucht wurde, Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 61. 31 460 Franz Weidenreich: ist ein ähnliches Beginnen, als wenn man lediglich aus den einzelnen in dem Bette eines Gebirgsflusses aufgelesenen Kieseln zwingende Schlussfolgerungen auf den Aufbau und die Lagerung der Gesteinsschichten des Gebirges ziehen wollte. Mit anderen Worten auch eingehendes Studium der Morphologie gibt nicht das Recht, Topographie und Genese unberücksichtigt zu lassen, namentlich aber dann nicht, wenn der Methode zur Untersuchung der Form selbst nicht unwesentliche Mängel anhaften. Das trifit aber gerade für die Blut-Trockenmethode zu, die in Folge un- “ genügender Fixation der Leukocytenkerne uns les Mittels be- raubt, eben deren oft doch ausschlaggebende Besonderheiten in der Beurteilung der Befunde mit zu verwerten. Dabei ist aber bei diesen Untersuchungen noch vielfach darin gefehlt worden, dass man aus rein klinischen Beobachtungen unberechtigte und zu wenig begründete Schlussfolgerungen auf die normalen Verhältnisse zog, oft sogar unter direkter Nichtachtung älterer einwandsfreier nor- mal-histologischer Erfahrungen. Die Methode also, die lange Zeit durch die Bequemlichkeit ihrer Handhabung die Bluthistologie beherrscht hat, gestattet zwar — und das ist ihr grosses Verdienst — eine rasche Orien- tierung über die im Blut enthaltenen zelligen Elemente, sie ver- sagt aber gänzlich, wenn wir dem Wesen derselben auf den Grund gehen wollen. Hier bedarf es ihre Ergänzung durch andere Hilfsmittel, besonders durch die Untersuchung des lebenden Ob- jekts und die Verfolgung der im Blut kreisenden Zellen bis zu den Organen ihrer Geburt und ihres Todes; mit welchem Er- folge aber gerade die erstere Methode angewandt werden kann, zeigen die Untersuchungen Deetjens und Dekhuyzens über die Blutplättchen, die zu ganz unerwarteten, aber darum an- scheinend nicht minder richtigen Resultaten geführt haben. Mit dieser Kritik glaube ich zu gleicher Zeit ein Programm dessen gegeben zu haben, was unter dem obenstehenden Titel zu erwarten sein wird — kurz eine Neubearbeitung der Histolo- gie des Blutes ohne einseitige Bevorzugung einer bestimmten Technik. Meine Untersuchungen werden sich aber nicht nur erstrecken auf die Morphologie der fertigen Elemente, sondern sie werden weitere Aufschlüsse zu bringen suchen über die Beziehungen der einzelnen Blutelemente zu einander, über ihre Entstehung und über die Artihres Untergangs. Soweit sich aber das Leben der Zellen Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 461 in bestimmten Organen abspielt, werden auch diese in den Rahmen dieser Betrachtung aufgenommen werden müssen. Vielfach — das liegt ja in der Natur des Gegenstandes — werden dabei alte Streitfragen wieder aufgerührt werden und es wird an der Hand neuer Versuche und einer verbesserten Technik zu prüfen sein, wo da die Wahrheit liegt; das aber glaube ich jetzt schon sagen zu dürfen, dass ältere Anschauungen, die im Laufe der Zeit durch andere verdrängt wurden, nicht immer die irrigen gewesen sind. Eine bestimmte Reihenfolge bei diesen Studien einzuhalten liegt nicht in meiner Absicht; ich werde vielmehr bald dieses, bald jenes Kapitel herausgreifen hoffend. dass in diesem Vor- gehen ein Nachteil nicht erblickt werden möge. Ein allgemeiner Überblick am Schlusse wird sich dann ja wohl von selbst ergeben. I. Form und Bau der roten Blutkörperchen. „Aber nie dürfen wir das vergessen, was wir am le- benden Blutkörperchen sehen können, und die Rück- sicht darauf muss immer bestimmend bleiben, wenn wir nicht zu unberechtigten Annahmen gelangen wollen.“ Rollett, Elektrische und thermische Einwirkungen auf das Blut ete. Dekhuyzen hat in einem Vortrage über die Blutplätt- chen auf der Bonner Anatomenversammlung den klassischen Ausruf gethan: „Es gibt nichts, was den Mikroskopiker mehr düpieren kann, als das Blut!“ Der Ausspruch wurde damals viel belacht, aber er scheint ein Körnchen Wahrheit zu ent- halten. Kein Gewebe ist in frischem Zustande leichter einer Untersuchung zugänglich, und die Zahl derer, die sich im Laufe der Jahre durch Arbeiten oder durch belehrende Betrachtung über die Form der roten Blutkörperchen der Säugetiere unter- richtet haben, geht in die Tausende — trotzdem entspricht die Vorstellung von der Form der roten Blutkörper- chen, wie sie heute wohl allgemein besteht, nicht den that- sächlichen Verhältnissen. Bekanntlich stellen wir uns jetzt die Säugetier-Erythrocyten als Scheiben vor, die auf beiden Flächen eine kleine Delle tragen, also als eine Bikonkav-Linse mit Bisquitform im Durchschnitt. Das ist nicht zu allen Zeiten so gewesen! 3% 462 Franz Weidenreich: Leeuwenhoek, (1719) dem wir die Entdeckung oder viel- mehr die richtige Würdigung der roten Blutkörperchen verdanken, schildert die des Menschen folgendermaassen : „Istud vero memora - bile mihi videbatur, quod plerique globuli curvamen quoddam sive sinum intus recedentem haberent, veluti si vesiculam aqua plenam habeamus et medium vesiculae, per impressionem digiti, quasi fovea vel scrobiculo quodam excavemus“. Er nannte sie also globuli sanguinis — Blutkügelchen — und erkannte ganz richtig, dass die der Vögel, Amphibien und Fische oval und -plattgedrückt wären — particulae planovales. Diese Angaben wurden von späteren Autoren, so von Muys (1741) und Fontana (1787) im wesentlichen bestätigt, zu gleicher Zeit aber begann eine andere Auffassung Platz zu greifen, nämlich die, dass die Blut- körperchen der Säugetiere gleichfalls abgeplattet wären. Senac (1749) sieht sie „plus approchantes d’une sphere applatie ou veritablement lenticulaires‘ ; besonders aber istes Hewson (1777), der sich gegen Leeuwenhoek’s Beschreibung wendet: „These particles of the blood are in reality flat bodies‘‘; mit Serum verdünnt erscheinen sie ihm „as flat as a guinea“, bei Wasser- zusatz runden sie sich ab zur Kugel, wobei ihr Durchmesser geringer wird als der breiteste der Blase im platten Zustand. Gegen Leeuwenhoek'’s Darstellung erhebt Hewson insbe- sondere den Vorwurf, dass er nur durch Spekulation zu der Be- hauptung der runden Form gekommen sei, da er ja in seinen Abbildungen im Profil die Blutkörperchen platt darstelle. Nun ist das interessante an diesem Einwand, dass Leeuwenhoek’s Bilder vom Frosch und von Fischen stammen und er ganz richtig den Unterschied in der Form betont hat, dass aber gerade dieser Unterschied in Vergessenheit geriet. Veranlassung dazu gab die falsche Deutung des bei den Säugetieren gesehenen „dunkleren Flecks“‘, der damals fast allgemein als Kern und als Hervor- wölbung betrachtet wurde, entsprechend den Bildern, den die übrigen Vertebraten boten. Diese irrtümliche Auffassung vertritt sogar noch Joh. Müller (1832); er erkennt zwar richtig, dass die roten Blutkörperchen bei den Säugetieren rund, bei Amphibien etc. elliptisch sind, über die Seitenansicht aber äussert er sich folgendermaassen: „Wenn die Blutkörperchen des Menschen auf dem Rande stehend gesehen werden, erscheinen sie wie ein kurzer, gleich dicker dunkler Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 463 Strich, der an beiden Enden nicht abzerundet, sondern scharf aufhört, ähnlich einer Münze“; den mittleren Fleck hält er nicht für eine Aushöhlung, sondern für einen sehr kleinen Kern. In ähnlichem Sinne äussern sich Schultz (1836), Prevost und Dumas (1821) und andere gleichzeitige Autoren, Meinungsver- schiedenheiten bestehen im wesentlichen nur darüber. ob die Ränder schart oder abgerundet sind. Besonders interessant sind die Angaben Schmidts (1822): „Die Blutkörner des Menschen und der Säugetiere sind zusammengedrückte Kugeln, von zwei Seiten flach mit einem wulstig-erhabenen Rand... Giesst man eine saturierte Kochsalz-Auflösung zu, so werden die Körner so flach wie beim Frosche.* Erst von R. Wagner datiert untere heutige Auffassung; zwar schreibt er noch 1833: „Ob die menschlichen Blutkörnchen auf beiden Flächen platt oder konvex oder gar konkav sind, oder konvex-konkav, wie wohl behauptet wird, lässt sich schwer ausmitteln“, in seinen „Nachträgen“ (1835) spricht er sich aber ganz entschieden aus: „Es sind kleine, weiche, mehr oder weniger kreisrunde, platte, ganz seicht bikonkave Körperchen, mit etwas wulstigen, wenigstens nicht münzenartig scharfen, sondern sanft abgerundeten Rändern.“ In ähnlicher Weise äussert sich Henle (1341) und die Atlanten Funke (1858), Ecker (1851— 1859) stellen sie von nun ab in der bekannten, bikonkaven Form dar. Es war nun gelegentlich der Untersuchung von frischem, unverdünntem Herzblut des Igels meinem hochverehrten Chef Herrn Prof. Schwalbe aufgefallen, dass die roten Blutkörperchen dieses Tieres einen von diesem Schema abweichenden Anblick boten; sie erschienen hier nicht als Scheiben, sondern mehr oder weniger glockenförmig, also nur auf einer Seite eingedellt, oder wenn man sie mit einer Linse vergleichen will, als konvex-konkave Linsen. Gelegentlich der Herstellung von Blutplättchen-Trocken- präparaten war mir an einzelnen dieser so bezeichneten Gebilde die gleiche Form, nur in verkleinertem Maassstab, begegnet, und so lag es denn nahe zu untersuchen, auf welche Ursachen diese Erscheinung zurückzuführen wäre; dabei konnte Herr Prof. Schwalbe feststellen, dass das Phänomen bei jedem Igel und auch beim Menschen mit Leichtigkeit zu konstatieren war. Ich habe die Angelegenheit dann weiter verfolgt und zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gemacht, es hat sich dabei das 464 Franz Weidenreich: gewiss etwas überraschende Resultat ergeben. dass beim Menschen und den übrigen untersuchten Säugetieren die roten Blutkörperchen keine bikonkave Scheiben sind, sondern in der That glockenförmige Gebilde. Über die Technik ist nur wenig zu sagen. Ich wandte den heizbaren Objekttisch von L. Pfeiffer an und um Verdunstung zu vermeiden — die Untersuchung im hängenden Tropfen ist für diese Zwecke ungeeignet —, liess ich mir eine nach meinen Angaben konstruierte, einfache gläserne „feuchte Kammer“ an- fertigen, die an jedem Mikroskop und Objektiv anzubringen ist und stets ohne weiteres gestattet, entsprechende Flüssigkeiten dem Objekte zuzusetzen.') Bringt man nun einen Tropfen Blut, den man wie gewöhnlich durch Einstich in die Fingerspitze gewinnt, so rasch wie irgend möglich durch Abtupfen mit dem auf mittlere Körpertemperatur erwärmten Deckgläschen auf den gleichfalls 37,5° warmen Objekttisch, so herrscht einen Augenblick in dem zu dünner Schicht ausgebreiteten Tropfen eine lebhafte Bewegung, die roten Blutkörperchen strömen so rasch hin und her, dass man ihre Form nicht recht erkennen kann. Tritt dann etwas mehr Ruhe ein, so’ beginnen sie sich zu Geldrollen an- einanderzulegen, dabei fällt auf, dass weitaus die meisten isoliert erscheinenden Körperchen folgenden Anblick (Fig. 1) zeigen: Im Profil betrachtet, erscheinen sie zunächst als stark gebogene wurstförmige Körper (a, b, c), deren Konkavität aber durch eine viel heller gefärbte, äusserst durchsichtige und nach aussen mit schwach konvexer Begrenzung abschliessende Wand erfüllt wird; drehen sich die Körperchen, so wird vom Rande her eine scharf begrenzte, helle Stelle sichtbar (d, e), die der Rotation ent- sprechend aus einer elliptischen Form in einen mit dem Rande konzentrischen Kreis (f) übergeht, das Körperchen selbst ist dann kreisrund; bei Drehung im entgegengesetzten Sinne bietet es gleichfalls schliesslich die Kreisform (Fig. 2a), aber der konzen- trische Kreis erscheint nur bei tieferer Einstellung scharf um- grenzt. Darnach ist also die wahre Gestalt der roten Blutkörperchen die einer Glocke mit ziemlich dicken Wandungen; sie besitzen eine Kuppe, entgegengesetzt davon einen kreisförmigen abgerundeten Rand und dem Glocken- !) Eine genaue Beschreibung der Vorrichtung wird späterhin an anderer Stelle erfolgen. Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe- 465 innern entsprechend eine deutliche Höhlung; sie lassen sich also auch passend mit einem Becher oder Napf vergleichen, oder, um aus der organischen Natur ein Objekt heranzuziehen, mit einer Meduse oder einer Gastrula. Neben dieser Form sieht man nun auch verschiedene andere; besonders fällt auf, dass beim Aneinanderstossen der Körperchen oder auch durch lebhaftere Strömung verursacht, Dellen auftreten, die zwei ja auch drei an der Zahl oft nur durch eine schmale Leiste von einander getrennt erscheinen (Fig. 1 g, h, Fig. 3a); oft liegt eine derartige Delle der Glockenhöhle gegen- über (Fig. li), ohne aber immer so tief wie diese zu sein, das sind dann thatsächlich) bikonkave Scheiben. Auch die Glockenform selbst zeigt nicht immer das gleiche Bild; sie kann stärker oder schwächer ausgeprägt sein, im ersteren Falle wird die Form des Körperchens mehr kugelig (Fig. 2 b, c), im letzteren mehr flach (Fig. 1 c, Fig. 2 d, e); dementsprechend ist natürlich auch die Glockenöffnung enger (Fig. 2 f) oder weiter (Fig. 2 g). Weiter- hin können sich auch Verschiedenheiten in der Symmetrie der Glocke zeigen (Fig. 1:k), die Glockenkuppe kann ferner mehr zugespitzt (Fig. 3 b) oder auch abgeflacht sein (Fig.3 c). Kurz also, von der als typisch geschilderten Form gibt es mehr oder weniger grössere Abweichungen. Es ist ja schon längst hinlänglich bekannt und an den nach der obigen Angabe angefertigten Präparaten kann man sich immer wieder davon überzeugen, in welch ausserordentlichem Grade elastisch die Blutkörperchen sind, und diese Eigenschaft bietet zunächst auch die Erklärung für den Wechsel der Formen. Die Blutkörperchen gleichen eben dünnwandigen Gummibällen, aber nicht kugeligen, sondern solchen mit Dellen, aus denen die Luft zum Teil nach aussen entwichen ist. - Wird auf einen solchen Ball ein Druck ausgeübt, so erhält er an dieser Stelle eine Delle, die bleiben oder wieder herausspringen kann, stets aber wird die durch den Luftaustritt verursachte eine Delle bleiben. Am besten kann man diese Verhältnisse übersehen, wenn man das Blut sofort nach seinem Austritte mit einer die Form gut erhaltenden Flüssigkeit fixiert; dazu bedient man sich am besten einer 1°o Osmiumsäurelösung oder auch einer kon- zentrierten Kochsalz-Sublimatlösung. Bringt man einen Tropfen hiervon auf die Fingerspitze und sticht durch den Tropfen durch, 466 Franz Weidenreich: so gelangt das Blut sofort in die Härtungsflüssigkeit hinein. So gewonnene Präparate (Fig. 4 und 5) zeigen genau dieselben Bilder wie das in Bewegung befindliche Blut, weil die Blut- körperchen eben sofort in ihrer jeweiligen Lage erstarren; besonders schön tritt dabei die Mannigfaltigkeit in der Ein- dellung hervor (Fig. 4 a, b, ce und Fig.5 a, b), die nach dem oben Gesagten leicht verständlich ist. Die Glockenform zeigt sich aber auch stets bei den so fixierten Objekten (Fig. 4); schon daraus dürfte man also schliessen, wenn die Untersuchung des Blutes ‚ohne jeden Zusatz nicht schon beweisend genug wäre, dass die Glocke auch im Körper die normale Form darstellt. Aus der Beobachtung nun, dass die im bewegten Blut sich aneinander vorbeidrängenden Körperchen alle möglichen Ein- dellungen und Gestaltveränderungen zeigen, die völlig isolierten dagegen stets Glockenform annehmen, folgt, dass diese Form den Ruhe- oder Gleichgewichtszustand darstellt, in den das Körperchen stets wieder kraft der ihm eigentümlichen Elastizität und Eindrückbarkeit zurückkehrt. Verlangsamt sich die Strömung in dem ohne Zusatzflüssig- keit untersuchten Blute, so legen sich die Körperchen sofort zu den bekannten Geldrollen aneinander, eine Neigung, die auch bei der Verdünnung des Blutes mit menschlichem Serum (Fig. 3) noch eine grosse bleibt. Diese Aneinanderlagerung geschieht vielfach in der Weise, dass der konvexe Teil der Glocke in den konkaven zu liegen kommt (Fig. 3 d, e), also wie wenn man tiefe Teller oder Untertassen aufeinanderstellt; in der Profil- ansicht zeigt dann das an einem Ende der Rolle gelegene Körperchen deutlich die Glockenform (Fig. 3 e, f u. Fig.6 a, c), während das am entgegengesetzten Ende befindliche nur die Kuppe nach aussen kehrt. Die mittleren Körperchen erscheinen etwas zusammengedrückt und abgeplattet, was besonders in der Zunahme ihrer Breite gegenüber den endständigen zum Ausdruck kommt (Fig. 3 e). Nicht immer findet aber die Aneinander- lagerung in der eben skizzierten Weise statt, häufig stossen die Körperchen auch mit den Kuppen aneinander (Fig. 1c); besteht die Rolle aus mehreren, so können beide endständigen ihre Konkavität nach aussen kehren (Fig. 6b). Daraus darf man also wohl schliessen, dass nicht die Glockenform für die Geldrollen- bildung bestimmend ist; bei dem Druck, dem dabei die Körperchen Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 467 ausgesetzt sind, tritt für die mittleren Abplattung ein, wobei bei den gegebenen Elasticitätsverhältnissen wohl eine Eindellung der Kuppe stattfindet; sehen lässt sich dies allerdings nicht, da die Lagerung so dicht ist, dass die Höhlungen vollständig von den Nachbarkörpereben ausgefüllt sind. Daher kommt es auch, dass bei der Ansicht mehr von oben die Konturen der einzelnen Körperchen deutlich durchscheinen (Fig. 6 d, e, f), ohne dass sich aber ihre Form genauer feststellen liesse. Bilder von Geldrollen, wo zwischen den einzelnen Körperchen in der Profilansicht kleine Lücken bestehen, wie sie seit Rollett (71) in manchen Lehrbüchern anzutreffen sind, habe ich nie zu Gesicht be- kommen. Was nun die Ursache der Geldrollenbildung angeht, so habe ich gefunden, dass sie sich stets einstellt, wenn viele Blut- körperchen sich in wenig dickflüssiger und nicht bewegter Flüssigkeit befinden; daher lässt sie sich völlig vermeiden bei reichlichem Zusatz von Kochsalzlösungen, wenn man den Blut- tropfen darinnen sofort zerteilt; hat sie bereits bestanden, so lassen sich die Körperchen durch das gleiche Mittel leicht isolieren. Bei Serumzusatz tritt sie auch auf, allerdings nicht stark, wohl deshalb weil das Serum etwas zähflüssiger ist als Kochsalzlösung; am stärksten zeigt sie sich in unverdünntem Blute, sobald es zur Ruhe kommt — sie fehlt daher bei sofortiger Fixation in Osmium —, oder bei nur spärlichem Zusatz von Kochsalzlösung. Ob als Unterstützungsmittel bei der Bildung noch eine vielleicht durch den Austritt äus den Gefässen erhöhte Klebrigkeit der Oberflächen der Körperchen eine Rolle spielt, erscheint mir nicht unwahrscheinlich, da ich bei der Untersuchung des Blutes in den Kapillaren des lebenden Tieres auch im Falle von Stagnation keine ausgesprochene Neigung zur Geldrollen- bildung geseben habe. Trotzdem ja durch die Beobachtung des unverdünnten Blutes bei Körpertemperatur, sowie durch das Ergebnis sofortiger Fixirung die Glockenform als der normale Ruhezustand des roten Blutkörperchens erwiesen ist, habe ich natürlich nicht versäumt, auch am lebenden Tiere mich davon zu überzeugen, dass die in den Gefässen strömenden Körperchen die gleiche Gestalt besitzen. Die Untersuchung des Blutes einer Reihe von Säugetieren, darunter auch eines Macacus rhesus, hatte ergeben, dass die Blutkörperchen, 468 Franz Weidenreich: unter denselben Bedingungen wie beim Menschen untersucht, in ihrer Form nicht differiren. Ich wählte zur Prüfung am lebenden Tier ein Kaninchen; man zieht eine Darmschlinge hervor, breitet ihr Mesenterium auf dem heizbaren Objekttisch aus und kann dann unschwer das Blut in den Kapillaren eirculiren sehen. Wenn die Strömung recht lebhaft ist, gelingt es allerdings nur schwer, ein einzelnes Körperchen schärfer in’s Auge zu fassen, bei Ver- langsamung des Stromes aber oder bei eingetretener Stagnation erkennt man dagegen leicht, dass auch hier im Profil die Körperchen die schönste Glockenform zeigen. Damit dürfte also wohl die Beobachtung gegen jeden Einwand gesichert sein. Wie kommt es aber nun, dass man sich bisher über die wahre Form so täuschen konnte? Wenn man das Blut mit der früher als „physiologischen“ kurzweg bezeichneten ?/s°/o Koch- salzlösung verdünnt und dabei, wie das ja so üblich ist, etwas Zeit vergehen lässt, bis man den austretenden Tropfen mit der Lösung gemischt hat, so erscheinen in der That fast alle Blutkörperchen in der Profilansicht in der bekannten Biscuitform, sie sind also wirklich bikonkave Scheiben; dem aufmerksamen Beobachter wird aber nicht entgehen, dass auch hier einzelne Glockenformen nach- weisbar sind. Manipulirt man nun so rasch wie irgend möglich, so wirdman staunen zu sehen, dass jetzt viel mehr Glocken da sind und wenige Scheiben; bedient man sich nun der neuerdings für „physiologisch“ ausgegebenen Kochsalzlösung von 0,9 °/o, so wird man nach Glockenformen vergeblich Ausschau halten, überall zeigen die Profil- oder Enface-Ansichten, und zwar sehr stark markirt, die typischen Scheibenbilder (Fig. 7). Nimmt man da- gegen eine nur 0,6°/o Lösung, so sieht man wieder fast aus- schliesslich Glocken (Fig. 2). Aus dieser einfachen Beobachtung ergiebt sich also, dass bei stärkerer Concentration der Koch- salzlösung die Glockenform in die Scheibenform übergeht; be- kanntlich handelt es sich bei der Wirkung der Salzlösungen auf die roten Blutkörperchen um rein osmotische Vorgänge, beim Uebergang von der Glocken- in die Scheibenform ist demnach infolge des erhöhten Salzgehaltes der Lösung Wasser aus dem Blut- körperchen ausgetreten, sein Inhalt nimmt also an Masse ab. Darauf reagirt es in seiner Gestalt ähnlich wie ein eingedellter Gummiball, aus dem man die Luft noch weiter herauspresst; es erfolgt zunächst eine Abflachung (Fig. 7a), dann springt auf der MR Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 469 convexen Seite eine zuerst nur seichte Delle ein (Fig. li, Fig. 38), die sich so weit vertieft, bis sie mit der Glockenhöhlung an Grösse übereinstimmt. Warum die Volumenabnahme gerade nur zu einer Scheibenform führt, darauf werde ich noch bei der Besprechung des Baues der roten Blutkörperchen zurück- zukommen haben. Nun wird aber auch verständlich, wie die Täuschung über die wahre Form möglich ist. Operirt man nicht sehr rasch bei der Untersuchung des unverdünnten Blutes und benutzt man namentlich kältere Objektträger und Deckgläser, so genügt die erhöhte Verdunstung der warmen Blutflüssigkeit, um eine stärkere Konzentration des Serums herbeizuführen; aber schon eine Schwankung des Kochsalzgehaltes um 10/oo reicht wiederum hin, um eine Gestaltsveränderung der Blutkörperchen auszulösen. Verhindert man also die Wasserabgabe des Blutes durch Ver- dunstung in der oben geschilderten Weise, dann erhält man auch die richtige Glockenform. Die Kochsalzlösungnun, in der dieKörperchen ihrenormale Gestaitbehalten,ist eine 0,65°/o. Diese ist für das Blut der Säugetiere und Menschen isotonisch; schon eine °/ı°/o Lösung zeigt Erscheinungen der Hyperisotonie, bes. wenn die Blutflüssigkeit vor ihrer Verdünnung abdunsten kann; ganz besonders gilt dies aber für die von Hamburger (95a) empfohlene 0,9°/o. Was nun die Erscheinungen der Hypisotonie betrifft, so weiss man schon längst, dass diese durch eine Annäherung der Blutkörperchen an die Kugelgestalt zum Ausdruck kommt. Die Umformung der Glocke geht ein- fach in der Weise vor sich, dass sie aus der zu dünnen Salz- lösung Wasser aufnimmt; dabei wird natürlich die Delle immer kleiner und kleiner (Fig. Sa,b, ce, d), bis das Körperchen zur voll- ständigen Kugel (Fig. Se) aufgebläht ist; der Vorgang ist also genau derselbe, als wenn man in einen eingedellten Gummiball wieder Luft bis zur vollständigen Füllung hineinbläst. Diese Erscheinungen lassen sich am besten in einer 0,3 °/o Lösung verfolgen. Nimmt man die Kochsalzlösung konzentrirter als 1,00/0, so treten allenthalben Maulbeerformen auf. Der anfänglich runde Contour der Scheiben wird unregelmässig,; allmählich erscheint die Oberfläche mit kleinen Höckern besetzt; dabei sieht 470 Franz Weidenreich: man deutlich, wie das Blutkörperchen sich zusammenzieht und aus der Scheibenform in eine Kugel übergeht. Die Maulbeer- form kommt also durch Schrumpfung des Körperchens zu Stande, sobald seinem Inhalt eine bestimmte Menge Wasser entzogen worden ist; es erklärt sich daher auch leicht, warum diese Form so häufig in den Präparaten auftritt, eben dann, wenn man die Verdunstung und damit die stärkere Konzentration der Lösung nicht verhindert. Setzt man dagegen dem Blute eine 0,2°/o Kochsalzlösung zu, so beobachtet man, wie aus einer ganzen Reihe der kugelig gewordenen Körperchen das Hämoglobin austritt; wie es sich im ersten Falle um eine Schrumpfung handelt, so hier um eine Quellung infolge der ge- steigerten Wasseraufnahme; was den Austritt des Farbstofis veranlasst, darauf werde ich weiter unten zu sprechen kommen. Wir sehen also, dass ein Schwanken der Kon- zentration der Salzlösung von 0,3—1.0° im all- gemeinen keine zerstörende Wirkung auf die Mehr- zahl der Blutkörperchen ausübt, dass sie dagegen bei einer grösseren Verdünnung ihren Farbstoff abgeben, bei einer stärkeren Konzentration schrumpfen; dazwischen aber schwankt die Form zwischen Kugel und Scheibe, dem mittleren Grade entspricht die Glocke. Es stellt sich nun heraus, dass man in diesen Grenzen die Form des roten Blutkörperchens willkürlich ändern kann, indem man die Salzlösung mehr ver- dünnt oder mehr konzentriert nimmt. Dagegen gelingt es nicht mehr, einerseits aus der Kugelform, andrerseits aus der Maul- beerform die Glocke hervorzurufen; kugelige Blutkörperchen werden vielmehr durch Zusatz konzentrirterer Lösung in Morgen- sterne oder Stechäpfel übergeführt, Maulbeeren durch verdünnte Lösungen in Kugeln. Die Gründe hierfür sind gleichfalls in Besonderheiten des Baues zu suchen, wovon später. Nun fällt auf, das man im Blut, das man unter allen Cautelen ohne Zu- satz oder in isotonischer, d. h. 0,65°/o Kochsalzlösung unter- sucht, sowohl bikonkave Scheiben als Kugeln, allerdings nicht sehr häufig, finden wird und dass auch, wie bereits erwähnt, in der Form der Glocke bei einzelnen Blutkörperchen Verschieden- heiten bestehen, insofern man mehr kugelige und mehr flache Glocken antrifft; daraus darf man wohl ohne weiteres folgern, Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 471 dass die Isotonie nicht für sämtliche roteBlutkörper- chen die gleiche ist, d. h. die 0,65°/o Lösung ist für manche hypo- und für manche hyperisotonisch und da man gleiches auch ohne Zusatz beobachten kann, so gilt dasselbe auch für die Isotonie des Blutserums. Bekannt ist ja, dass kugelige Blutkörperchen von Max Schultze (65) zuerst beobachtet worden sind; ihr Vor- kommen in normalem Blut ist nach dem Gesagten erklärlich. Da wir nun wohl auch annehmen können, dass der Salzgehalt des Serums Schwankungen unterliegen wird, in den Extremen bei Hydrämien und Anhydrämien, so können wir in der Möglichkeit der Formveränderung der Blutkörperchen eine Anpassung an den jeweiligen Salzgehalt der Flüssigkeit sehen; da nun aber infolge der festgestellten Verschiedenheiten in der Isotonie einzelner Blutkörperchen die äusserste Anpassungsgrenze verschieden liegt, so können ‘Aenderungen des Serumsalzgehaltes bei manchen Körperchen ‘zu Hämoglobinaustritt oder zur Schrumpfung führen und damit, da eine Restitutio in diesem Falle nicht mehr möglich erscheint, zum Untergange des roten Blutkörperchens. Aus dieser Betrachtung folgt aber auch, dass eine 0,65 °/, Kochsalzlösung nicht immer für das Blut ein und desselben oder auch anderer Individuen isotonisch zu sein braucht; thatsächlich scheinen auch bei den einzelnen Menschen geringe Verschieden- heiten zu bestehen. Da wir in der Glockenform ein so genaues und ausgezeichnetes Reagens haben für die Bestimmung einer Hypo- oder Hyperisotonie, so wären entsprechende Versuche be- sonders in pathologischen Fällen mit Leichtigkeit anzustellen. Interessant ist nun noch besonders, dass Hamburger (98), der bereits ähnliche Betrachtungen nur von irrtümlicher Form und Isotoniebestimmung ausgehend angestellt hat, einen Zusammenhang zwischen der Gestalt der Blutkörperchen und dem Sauerstoff bezw. Koblensäuregehalt des Blutes konstatieren konnte; mit Sauerstoff beladenes Blut soll scheibenförmige, mit Kohlensäure beladenes kugelige Blutkörperchen zeigen; diese Formverschiedenheit wäre aber nur eine Folge des verschiedenen Salzgehaltes, da im ersteren Falle das Serum an Salzen reicher, im letzteren ärmer würde. Die Gestaltänderung würde sich demnach nur als eine indirekte Folge der Atemwirkung ergeben. Da nun bei Schwankungen des Salzgehaltes auch andere Ursachen mitsprechen, lassen sich 472 Franz Weidenreich: Schlüsse von der Form auf den Gasgehalt wohl nicht mit Sicher- heit ziehen. Nach meinen Beobachtungen ist also eine Kochsalzlösung von 0,65°/o im allgemeinen isoton mit dem Serum des mensch- lichen Blutes; mit dieser Zahl komme ich nun in Widerspruch mit den Angaben Hamburgers (95a), nach dem die Isotonie erst bei einer 0,9°/o Lösung erreicht wäre. Dieser Unterschied wird erklärlich, wenn wir prüfen, wie Hamburger die Isotonie fest- gestellt hat; er sagt darüber folgendes: „In einer derartigen Grenzlösung (etwa 0,58 für das Rind) quellen die Blutkörperchen auf, aber nicht dermassen, dass sie gesprengt werden und Hämoglobin abgeben. Demnach giebt es eine Lösung in der die Blutkörperchen weder quellen noch schrumpfen!) Diese NaCl-Lösung ist für die meisten Säugetiere (Mensch, Pferd, Rind u. s. w.) eine 0,9°0.“ Da hier aber als Maassstab zur Beurteilung der Quellung und Schrumpfung die Scheiben- form angenommen wurde, musste eine Lösung, die in Wirklich- keit hyperisotonisch ist, als isotonisch befunden werden. Nun hat Hamburger weiterhin eine zweite Methode zur Bestimmung der Isotonie angewandt; er setzte mit Wasser verdünntem Pferdeblutserum und andrerseits Kochsalzlösungen von ver- schiedenem Prozentgehalt Blut zu und sah nun, bei wie grossem Wasserzusatz und bei welcher Verdünnung der Salzlösung das Blut lackfarben zu werden begann; darnach fand er eine 0,92°o Kochsalzlösung als isotonisch. Nun liegt aber der Fehler dieser Berechnung darin, dass Hamburger schon bei einer NaCl- Lösung von 0,58°/o Hämoglobinaustritt annimmt. Diese Zahl ist entschieden viel zu hoch, sicher für das menschliche Blut, wie man sich unter dem Mikroskop leicht überzeugen kann, in einer 0,58°/o NaCl-Lösung wird kein intactes menschliches Blut lackfarben. Erst bei c. 0,3°/, beginnen die Schatten aufzutreten und da, wie oben hervorgehoben, die einzelnen Blutkörperchen auch noch nicht unbeträchtliche Verschieden- heiten gegenüber ein und derselben Kochsalzlösung zeigen, dürfen wir zur Bestimmnng der osmotischen Spannkraft nicht die Zahl wählen, bei der vielleicht das eine oder andere unter unzähligen Blutkörperchen sein Hämoglobin abgiebt, sondern die, bei der die Mehrzahl davon betroffen wird. Natürlich ist !) Im Original nicht gesperrt. Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 473 aus diesem Grunde in der Hamburger’schen Berechnung auch die Zahl, die die Höhe des möglichen Wasser-Zu- satzes zum Serum angiebt, etwas zu niedrig genommen; so wird erklärlich, wie er zu einem solch hohen Werte kommen konnte. Ausserdem aber wurde die Prüfung an defibriniertem Blut vorgenommen, also mit Blutkörperchen, die doch schon durch die vorausgegangene Behandlung etwas gelitten haben dürften und damit sehr möglicher Weise eher ihr Hämoglobin austreten lassen als völlig intacte Blutkörperchen. Was nun die Grössenverhältnisse angeht, so sind diese nicht nur für die einzelnen Blutkörperchen verschieden, d. h. es giebt grössere und kleinere Glocken, sondern die Maasse variieren auch für das gleiche Körperchen, je nachdem es sich mehr der Kugel- oder der Scheibenform nähert. Aus einer Reihe von Messungen will ich nun die mittleren Werte in runden Zahlen zusammenstellen: ich fand den grössten Durch- messer des Glockenumrisses 7 « gross, die Höhe der Glocke 40 u, die Weite der Oefinung 3,0 « und die Tiefe der Höhlung 2,5 «; es bleiben also als Dicke der Glockenwand an der Kuppe 1,5 « und an den Seiten 2«. Beim Uebergang in die Scheibenform nimmt der grösste Durchmesser etwas zu und die Dicke ab; man erhält dann als ersteres Maass in Mittel 75-8 «, für letzteres bekomme ich bei deutlich bikonkaven Scheiben etwa 1 u, also weniger als Welker (64) angiebt. Die Kugeln messen im Durchmesser 5u; dies Maass stimmt also voll- ständig mit dem, das Max Schultze (65) für die von ihm gefundenen kugeligen Blutkörperchen ermittelt hat. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nun noch auf eine Ungenauigkeit aufmerksam machen, die sich in weitaus den meisten Lehr- und Handbüchern der Histologie findet und ganz traditionell geworden zu sein scheint. Es handelt sich um die Wiedergabe der bikonkaven Scheiben von der Seite gesehen; diese werden fast durchweg als Hanteln dargestellt, dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass so doch nur ein Durchschnitt aussehen kann, dass dagegen beim Anblick von der Kante der Scheibenrand mit sichtbar ist; in Wirklichkeit erscheint also das Körperchen elliptisch und die Konkavität der beiden Flächen äussert sich nur in der grösseren Dichte des mittleren Teiles. Ein Blick auf die Fig. 7b und e wird besser als jede 5 Beschreibung zeigen, was ich meine. Mit Rücksicht hierauf richtig wiedergegeben sind die Blutkörperchen in den Atlanten von Brass (97, Taf. J 1, Fig. 33) und Sobotta (02, Fig. 12es). Es muss nun im höchsten Grade auffallend erscheinen, dass man in denüblichen Handbüchern der Histologie, die sich mit dem Blut etwas eingehender befassen, auch nicht einmal eine An- deutung über das normale Vorkommen von Glockenformen findet; weder Rollett (71) noch Koelliker (67) oder Ranvier (75) machen eine entsprechende Bemerkung, auch Hayem (89) scheint diese Form völlig entgangen zu sein. Immerhin findet sich aber in der Literatur doch Angaben, die darauf hinweisen, dass sie schon beobachtet worden ist. Rind- fleisch (80) beschreibt die roten kernlosen Blutkörperchen im Knochenmarkparenchym folgendermaassen: „Die Blutkörperchen lassen zum grossen Teil die wohlbekannte Doppelnapfform vermissen; auch die Maulbeerform ist nicht gewöhnlich. Sie erscheinen wie durch äussere Druck- und Zugwirkung entstellt, im allgemeinen glockenförmig, oder verdrückt in allen möglichen gar nicht zu beschreibenden Conturen und daher denn auch bald dünn ausgewalzt, blass und gross, fast fetzen- artig, bald mehr geknittert, aber mit zahlreichen Falten, Dellen und Höckern versehen“. Die glockenförmige Gestalt hält Rindfleisch jedoch für eine Eigentümlichkeit der jungen Blutkörperchen und macht dabei folgende Bemerkung: „Man kann übrigens durch eine Reihe von Reagentien an seinen eigenen aus der Ader gelassenen roten Blutkörperchen die Glockenform wieder hervortreten lassen; dieselbe ist inzwischen durch die „Rollung etwas umgemodelt worden.“ Es sollen also die ursprünglichen glockenförmigen Körperchen in der Cirkulation durch Anprall und Rollung zu Scheiben werden. Thatsächlich liegt nun die Sache so, dass die Glockenform für alle Blut- körperchen die normale ist und die Scheibenform nur der Aus- druck einer Hyperisotonie. Glockenförmige Blutkörperchen sind ferner von Dekhuyzen (99) bei Petromyzon fluviatilis beschrieben worden; er schlägt zu ihrer Benennung den Ausdruck „Chromokrateren“ vor, eine Bezeichnung, deren Einführung mir, abgesehen von dem geringen Wohlklang des Wortes, nicht gerade nötig erscheint; Giglio-Tos (99) hat diese Form dem- entgegen für Kunstprodukte erklärt; Dekhuyzen (Ol) hält sie AT4 Franz Weidenreich: Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 475 jedoch nach wie vor aufreeht. Interessant wäre dabei jedenfalls, dass es auch kernhaltige rote Blutkörperchen gäbe, die die Glockenform aufweisen, möglicherweise sie also keine Folge des Kernverlustes zu sein braucht; selbstverständlich bedarf dies aber noch besonderer Untersuchung. Auch Ranvier (75) hat im menschlichen Blut Glockenformen gesehen, allerdings, wie er angiebt, bei Erhitzung des Blutes; in Fig. 46g bildet er ein derartiges Blutkörperehen ab und beschreibt es auch entsprechend: „is ont l’aspect en cupule“; es wird sich bei Erörterung des Baues Gelegenheit geben, auf diese Beobachtung Ranviers zurückzukommen. Auch noch an anderen Stellen ist mir die Wiedergabe derartig geformter Körperchen aufgefallen. Sehr schön hat sie Brass (97) dargestellt (Taf. J 1, Fig. 1), aller- dings in fixirtem Zustande und in embryonalem Blute; dann aber findet man sie nicht selten mehr oder weniger ausgebildet neben den Scheibenformen wiedergegeben, so bei Henle (41) auf Taf. IV, 1Ab, bei Funke (58) !auf Taf. XI, Fig. 1 und 3 und auch bei Berres (37) auf Taf. IV, Fig. 4. Das hier Mit- geteilte ist aber auch Alles, was ich gefunden habe; möglich, dass mir die eine oder die andere versteckte Angabe noch entgangen ist. Es liegt nun noch nahe zu prüfen, wie eigentlich die Blut- körperchen auf Schnittpräparaten aussehen; selbstverständlich sind hierfür nur solche geeignet, bei denen die Körperchen durch die Fixation und die weitere Behandlung nicht zu sehr verändert sind. Untersucht man derartige Präparate, so ist man erstaunt über die ausserordentliche Menge der Glocken, die man findet, allerdings darf man aus dem fixierten Objekt allein die wahre Form nicht feststellen wollen, weil man nie sicher ist, ob durch die angewandten Reagentien der Fixation nicht eine Quellung oder Schrumpfung vorangegangen ist. In der Fig. 9 habe ich rote Blutkörperchen in der Profilansicht aus verschiedenen Or- ganen verschiedener Säugetiere zusammengestellt; besonders schön zeigt hier a die Glockenform (Querschnitt einer Vene aus einer Lymphdrüse der Ratte). Somit glaube ich nun festgestellt zu haben, dass die Form des roten Blutkörperchen der Säugetiere eine Glocke ist, die durch Wasseraufnahme bei verringertem Salzgehalt des Serums zur Kugel anschwillt, durch Wasserabgabe bei Archiv f. mikrosk. Anät. Bd. 61. 32 476 Franz Weidenreich: erhöhtem Salzgehalt zur Scheibe sich abplattet; warum dies geschieht, darauf werde ich bei der Besprechung des Baues der Körperchen einzugehen haben. Aus dem geschicht- lichen Überblick, den ich eingangs gab, geht somit hervor, dass Leeuwenhoek die Form richtig geschildert hat und dass auch einzelne spätere Autoren wohl die wahre Gestalt erkannt haben mögen, wenn siesich dagegen aussprachen, dass die Körperchen platte Scheiben wären. Wie die Erkenntnis der falschen Form erst eine Errungen- schaft späterer Zeit darstellt, so ist es auch mit den Vor- stellungen von dem Bau der roten Blutkörperchen ge- gangen. Wenn auch schon Leeuwenhoek sie mit von Wasser erfüllten Blasen vergleicht, so sind sie doch erst später, so be- sonders von Rudolphi (21) und Schultz (36) von dem auch die Bezeichnung Blutbläschen herrührt, wirklich für solche Blasen erklärt worden mit Schale, Kern und flüssigem Inhalt. Man stellte sich also vor, dass sie nach aussen durch eine Membran abgegrenzt wären, die den Blutfarbstoff als Flüssig- keit einschliessen würde, und erklärte so ungezwungen ihre Elastizität und ihr Verhalten gegenüber dem Wasser oder an- deren Reagentien. Auf dieser Vorstellung fussend konnte dann auch Schwann (39) die Blutkörperchen mit heranziehen, um an ihnen die morphologische Gleichheit zwischen Tier- und Pflanzenzellen zu erweisen. Dadurch schien der Glaube an das Vorhandensein einer Membran nur noch mehr gefestigt. Aber bald kam der Rückschlag, man bemühte sich nachzuweisen, dass der Tierzelle keine Membran als notwendiger Zellbestand- teil zukomme und so war es denn vor allem Brücke (6l), der ihr Vorhandensein bei den Blutkörperchen leugnete. Eine Reihe von merkwürdigen Veränderungen, die in den folgenden Jahren Max Schultze (65), Rollett (63) und Beale (64) bei Einwirkung von Wärme, Druck oder chemischen Reagentien an den Blutkörperchen feststellen konnten und die sie nicht mit der Anwesenheit einer Membran in Einklang zu bringen ver- mochten, führten dann dazu, eine besondere Umhüllung zu leugnen. Brücke (67) dachte sich dafür den Bau derart, dass in einem wabigen Gehäuse mit glatter Oberfläche, dem Oikoid, eine lebende, das Hämoglobin und den Kern enthaltende Substanz, das Zooid, darin steckt. Rollett (71) sprach von einem Stroma, EM Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 477 das er sich wie einen Schwamm vorstellte, in dessen Poren das Hämoglobin sich fände, ganz neuerdings (O0) bezeichnet er die in den Maschen des Stromas gelegene Masse als Endosoma, die das Hämoglobin in amorphem Zustand enthalte. Diese Ansichten haben denn auch die alten völlig verdrängt und erst in der neueren Zeit mehrten sich wieder die Stimmen, die vor allem zur einfachen Erklärung der osmotischen Vorgänge trotz- dem die Anwesenheit einer Membran behaupteten (so besonders Hamburger, 02); der erste Versuch, sie wieder anatomisch nachzuweisen, rührt von Deetjen (Ol) her. Um es kurz zu rekapitulieren, die allgemein herrschende Ansicht ist also zur Zeit die, dass das Hämoglobin der roten Blutkörperchen in den Maschen des Stromas steckt und dass bei dem einfachsten Ver- such der Trennung, d. h. bei Wasserzusatz, das Hämoglobin in Lösung geht und das Stroma übrig bleibt. Nun scheint zunächst durch die neue Modifikation Rollett’s die Sache noch kom- plizierter geworden zu sein, denn er stellt sich doch das Hämo- globin im Endosoma und dieses wieder im Stroma vor; bei Wasserzusatz wird nach seiner Ansicht dabei durch Quellung des Stromas das feste Endosoma mitsamt dem Hämoglobin herausgedrängt, darnach würde man also in der Lösung beide Substanzen finden müssen, nachgewiesen ist aber doch nur das Hämoglobin und so wird nicht recht klar, was eigentlich mit dem festen |Endosoma geschieht; denn selbst wenn es in Lösung geht, müsste es doch chemisch nachweisbar sein oder aber in dem, was wir unter Hämoglobin verstehen, steckt das Endosoma mit darin, dann wäre es doch unzweckmässig zu sagen, dass das Hämoglobin im Endosoma enthalten ist. Auf die Ursachen dieses Wirrwarrs werde ich am Schlusse zu sprechen kommen. Das älteste und einfachste Experiment, um die in dem roten Blutkörperchen enthaltenen Substanzen zu sondern, ist bekannt- lich der Wasserzusatz; dabei quellen die Körperchen zunächst auf, wobei sie etwas in der Farbe abblassen, und gehen, wie oben erwähnt, so aus der Glockenform in die Kugelform über. Haben sie diese erreicht, so sieht man, wie sie anfangen blasser zu werden, während die umgebende Flüssigkeit sich färbt und schliesslich sind sie nur noch als runde ungefärbte Gebilde zu erkennen, die man nun als „Schatten“ bezeichnet. Der Farb- stoff, das Hämoglobin, ist also in Lösung gegangen, und was 32+ 478 Franz Weidenreich: zurück bleibt, stellt das „Stroma“ dar, in dessen Maschen jener gesteckt haben sollte. Untersucht man solche „Schatten“ näher, was bei möglichster Abblendung, schiefer Beleuchtung und starken Vergrösserungen, drei Dinge, deren Anwendung ich überhaupt für derartige Untersuchungen an frischen und ungefärbten Ob- jekten nur dringend empfehlen kann, mit Leichtigkeit gelingt, so sieht man, dass diese „Schatten“ nicht etwa eine Kugel oder überhaupt eine grössere Masse darstellen, sondern dass sie ausserordentlich dünne und vollständig durch- sichtige Scheiben mit absolut glatter Oberfläche sind. Will man sie besser sichtbar machen, so lässt man etwas Osmiumsäurelösung oder konzentrierte Sublimat-Kochsalzlösung zu- fliessen; sie verändern sich dabei nur insofern etwas, als nun ihre Umgrenzung mehr ringförmig erscheint (Fig. 10). Wenn man durch Zusatz von viel Flüssigkeit sie in Bewegung versetzt, so dass sie sich überschlagen und ihre Kantenansicht dabei dem beschauer zuwenden, so erscheinen sie als ein äusserst dünnes Häutchen (Fig. 10a) mit etwas wulstigem Rand oder wie ein Ring mit dazwischen ausgespannter dünner Membran oder wie ein Condom. Die mittlere Partie ist jedoch stets mehr oder weniger halbkugelig vorgebuchtet (Fig. 10a, 13a). Häufig klappt auch ein Teil des Häutchens um und fällt über den anderen herüber (Fig. 10b). In Wirklichkeit gleichen sie also flachen Schalen und das ringförmige Aussehen ist auf die- selbe Ursache zurück zu führen, warum die Glocken der intakten Blutkörperchen als Ringe erscheinen (cf. Fig. 1a und fl. Ob man es nun unfixiert oder nach Behandlung mit den oben angegebenen Reagentien untersucht, nie wird irgend eine besondere Struktur deutlich, das Häutchen behält durchaus seine homogene, durchsichtige Beschaffenheit. Der Durchmesser beträgt 4 «, die Höhe der Schale c. 0,5 «; die Dicke war nicht festzustellen. Von dem ganzen Blutkörperchen bleibt also nach Austritt des Hämoglobins nichts übrig als ein derartig dünnes Gebilde, das keine Spur von Maschenbildung zeigt, oder auch nur durch seine Masse den Eindruck eines ausgepressten Schwammes machen würde. Bedient man sich nun zur Fixation des „Schattens“ einer 10/0 Chromsäurelösung, indem man diese Flüssigkeit, nachdem das Blut durch Wasserzusatz lackfarbig geworden ist, unter dem Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 479 Deckglas zu laufen lässt, so tritt an jedem Schatten ein kleines scharf umschriebenes, stark lichtbrechendes homogenes und gelb gefärbtes Körperchen hervor (Fig. 11), das am häufigsten am Rande sitzt und dann deutlich vorgebuchtet erscheint (a, b, c), sich aber auch an jeder beliebigen Stelle der Oberfläche finden kann (d,e)und dann wie ein aufsitzendes Knöpfchen aussieht. Hat man nun die Chromsäure nicht gleich, nachdem das Blut lackfarben wurde, zugesetzt, sondern längere Zeit gewartet und vielleicht noch vorher etwas mit frischem Wasser nachgespült, so zeigt sich keine Spur mehr von diesen Körperchen;; lässt man dagegen sehr rasch nach dem Wasserzusatz die Chromsäure zufliessen, so erscheinen die Körperchen um so grösser (Fig. 11 f). Mischt man das Blut nun direkt mit Chromsäure (Fig. 12), so treten ganz grosse gelb gefärbte Körperchen auf, bald nur ein einzelnes (a), bald zwei (b), bald drei (c) oder auch gar keines (d). Diese Tropfen buchten sich sehr stark über die Oberfläche vor und haben ein völlig homogenes Aussehen, während der übrige Teil des Blutkörperchens eine eigentümliche chagrinierte Zeich- nung erkennen lässt, die auch die tropfenfreien Körperchen aufweisen. Die Körperchen mit Tropfen sind kleiner wie die ohne diese, alle aber sind nicht flach, sondern sehen so wie dünne Kuchen aus. Die Deutung dieser Gebilde ist nach diesen Versuchen nicht schwierig ; die Körperchen sind nichts anders als ein Rest von Hämoglobin, der noch in dem „Schatten“ zurück ge- blieben ist; wartet man einige Zeit mit dem Zusatz der Chrom- säure, bis es völlig ausgelaugt ist, so treten sie nicht auf, sind aber um so grösser, je rascher man die Säure nach dem Wasser- zusatz hinzufügt, wenn also noch mehr Hämoglobin in den Blutkörperchen steckt. Die Erscheinung beim direkten Zusatz der Chromsäure zum Blut wird erst verständlich werden, wenn ich noch über einige Versuche berichtet habe. Dass es sich nur um einen Hämoglobinrest handelt, wird noch weiter durch folgen- des Experiment bewiesen. Wenn man zu den „Schatten“ des lackfarbigen Blutes konzentrierte Kochsalzlösung zufliessen lässt, so treten Maulbeerformen auf (Fig. 13) und zwar um so deut- licher ausgeprägt, je rascher dies nach dem Wasserzusatz geschieht; wartet man dagegen längere Zeit, so bleiben die Schatten unverändert, nur sieht man dann häufig eine oder mehrere sehr 480 Franz Weidenreich: starke Falten sich über die Oberfläche hinziehen, auf deren Be- deutung noch zurückzukommen sein wird. Man erkennt nun auch, dass die, welche die Maulbeerform am deutlichsten zeigen, noch etwas gelb gefärbt sind und dass diese Tinktion in demselben Maasse wie die Ausprägung der Höcker abnimmt. Nun habe ich bereits bei der Besprechung der Form gezeigt, dass die Maulbeerform ein Schrumpfungsbild ist, hervorgebracht durch die Wasserab- gabe des Hämoglobins. Daraus folgt also gleichfalls, dass das Hämoglobin bei Wasserzusatz aus den Blutkörperchen austritt und je nach der Zeit noch ein grösserer oder kleinerer Rest in dem „Schatten“ bleibt, bis auch dieser völlig verschwunden ist. Die Chromsäure fällt nun diesen Rest in den oben geschilderten Formen. Legen wir uns nun die Frage vor, in welcher Weise ist dieses Hämoglobin nun noch in dem „Schatten“ enthalten, so ist die einzige plausible Erklärung die, dass der „Schatten“ die zusammengefallene Membran des Blutkörper- chens ist, die fest an .den Hämoglobinrest sich anschmiegt und ihn als ein vorgebuchtetes Körperchen erscheinen lässt. Nun stellt es sich heraus, dass dieser Hämoglobinrest, sich mit einer ganzen Reihe von Reagentien nachweisen lässt, mit Pikrinsäure, mit Gerbsäure, mit Sublimat u. s. w., ja noch mehr, er ist auch Färbungen zugänglich : mit Eosin, Orange, Magenta, Anilinblau, ameisensaurem Carmin lässt er sich nach entsprechender Behandlung unschwer hervorheben. Er ist also ein alter Bekannter aller derer, die in der Geschichte der Blut- histologie bewandert sind; so ist er besonders von Roberts (63) und Hensen (62) beschrieben worden, auf deren Deutung noch zurückzukommen sein wird. Hier will ich nur die An- gaben Petrones (97, 98) anführen. Dieser Autor hat in einer Reihe von Abhandlungen den Nachweis zu bringen versucht, dass den kernlosen roten Blutkörperchen doch noch ein Kern- rest in Gestalt eines kleinen, meistens an der Peripherie sitzenden Körperchens zukomme. Zu seiner Darstellung bedient er sich besonders stark verdünnter Osmium- und Pikrinsäure- lösung (1:4000) und färbt dann mit ameisensaurem Carmin; das Wesentliche bei dieser Methode ist also, dass die Fixations- flüssigkeit so verdünnt genommen wird, dass man die Wasser- wirkung nicht aufhebt und die Wirkung des Fällungsmittels verlangsamt ; das heisst die Blutkörperchen quellen zunächst auf Ta Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 481 und geben ihr Hämoglobin ab, unterdessen beginnt das Fixations- mittel zu wirken und fällt den Hämoglobinrest, der sich dann leicht färben lässt. Hebt man also die Wasserwirkung durch Zusatz von Kochsalz zu den Fixationsflüssigkeiten auf, so gelingt die Darstellung des „Kernrestes“ nicht mehr. Ein Kernrest existiert also in den kernlosen roten Blutkörper- chen nicht; was Petrone dafür hält, ist vielmehr ein Hämoglobinrest; übrigens hat schon Negri (99) gezeigt, dass die Deutung |Petrones schon deswegen nicht zutreffen kann, weil sich derartige Gebilde neben dem Kern auch in kern- haltigen roten Blutkörperchen finden, was nach der von mir gegebenen Erklärung ganz natürlich ist. Die besten Bilder, um über den Bau der Blutkörperchen ins Klare zu kommen, erhält man, wenn man zu dem Blute, das man vorher mit einer isotonischen Kochsalzlösung verdünnt hat, unter dem Deckglas eine °/ı 0/o Gerbsäurelösung zufliessen lässt und deren Wirkung mit dem Mikroskope genau kontrolliert. Sobald dieses Reagens an die Blutkörperchen herankommt, schwellen sie zu Kugeln an, plötzlich sieht man sie platzen und dann fallen sie sofort zusammen; an einer Stelle hängt nun ein bald kleineres, bald grösseres, gelb gefärbtes, bald mehr homogen glasartig, bald mehr gekörnelt aussehendes Gebilde von Kuchenform (Fig. 14 und 15). Je kleiner dieses Anhängsel ist, um so grösser und kompakter erscheint noch das Blutkörperchen und umgekehrt. Nach kurzer Zeit weist dieses dieselbe Zeichnung auf, wie bei Chromsäureeinwirkung (ef. Fig. 12 und 14), die dann oft auch das Anhängsel erkennen lässt. Es fällt nun sofort auf, dass stets nur an einer einzigen Stelle sich dieser Austritt der Masse, denn nur um einen der- artigen Vorgang kann es sich dabei handeln, vollzieht und dass das Blutkörperchen eben dort eine kleine hügelartige Her- vorwölbung zeigt ähnlich den oben beschriebenen Körperchen (ef. Fig. 11 und 14). Ist nun diese ausgetretene Masse recht beträchtlich (Fig. 15), so bleibt von dem Blutkörperchen nichts mehr übrig, als jenes dünne Häutchen, das wir sonst als „Schatten‘“ bezeichnen und von dem ich schon behauptet habe, dass es die Membran sei (cf. Fig. 10 und 15). Die anhängende Masse stellt also das ausgetretene und von der Gerbsäure ge- fällte Hämoglobin dar. Wir hätten uns also, wenn diese Vor- 482 Franz Weidenreich: aussetzungen richtig sind, die Wirkung dieses Reagens so vorzustellen, dass zunächst infolge der Wasserwirkung das Blut- körperchen aufquillt und seine Membran dadurch platzt; an der vorgebuchteten Rissstelle tritt nun der Inhalt des Blutkörperchens, das Hämoglobin, heraus und wird von der Gerbsäure gefällt; je nach der Konzentration, die ja bei dem Zufliessen vom Rande her eine verschiedene ist, tritt nun dieses Ereignis einige Augenblicke früher oder später ein und je nach- dem finden wir auch die herausgetretene Masse grösser oder kleiner; war sie eben ganz herausgetreten, so bekommt man Bilder wie in Fig. 15; war noch etwas in der Membran zurück geblieben, wie in Fig. 14. Die Sprungstelle derMembran markiert sich als hügelige Hervorwölbung (Fig. 14). Dass die Wirkung der Gerbsäure nun thatsächlich in der geschilderten Weise vor sich geht, erhellt aus folgenden Versuchen. Macht man das Blut zuerst lackfarben, das heisst also, lässt man durch Wasser- zusatz das Hämoglobin austreten und gibt dann erst Gerbsäure zu, so entstehen Bilder wie in Fig. 16. Die Membran wird in der Form des bekannten „Schattens‘ deutlich (cf. Fig. 16 mit Fig. 10) und um sie herum liegen zahlreiche gelb gefärbte Ge- rinnsel, die also nichts anderes sind als das Hämoglobin, das hier nun erst durch die Gerbsäure gefällt wurde, nachdem es aus dem Blutkörperchen heraus und in dem Wasser gelöst war. Die Sprungstelle der geplatzten Membran ist auch in diesem Falle noch in einer kleinen Hervorragung am Rande zu er- kennen; setzt man die Gerbsäure etwas rascher nach dem Lack- farbigwerden zu, so treten dieselben Körperchen auf wie bei der Chromsäureeinwirkung. Also es geht auch hieraus hervor, dass zunächst durch das Wasser in der Gerbsäurelösung die Membran zum Platzen gebracht und dann erst das austretende Hämo- globin gefällt wird. Man müsste danach das Phänomen hintan- halten können, wenn man die Wasserwirkung aufhebt; das ge- lingt nun thatsächlich sehr gut und zwar wenn man die Gerb- säure in einer isotonischen Kochsalzlösung auflöst, dann springen die Blutkörperchen nicht auf, es tritt nichts heraus und das Hämoglobin wird erst nach längerer Einwirkung des Reagens im Körperchen selbst verändert. Setzt man nach kurzer Zeit der- artig behandelten Blutkörperchen wieder Wasser zu, so kann es eben noch zum Austritt von Hämoglobin kommen, wenn die - Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 483 Fixation nicht schon zu weit vorgeschritten ist; man erhält dann Bilder wie in Fig. 17a. Das Hämoglobin zieht sich an einzelnen Stellen etwas von dem äusseren Rande des Körperchens zurück und bildet dann innerhalb desselben eine sternförmige Figur, während das schon ausgetretene Hämoglobin dann wie ein Kometenschweif erscheint. Das Phänomen erklärt sich ein- fach dadurch, dass durch die vorhergehende Gerbsäureeinwirkung die Membran ihre Elastizität eingebüsst hat und das Hämoglobin gleichfalls schon angegriffen ist; dass dieses nicht körnig aus- fällt, daran trägt die durch den nachträglichen Wasserzusatz bedingte Verdünnung der Lösung schuld, wodurch es mehr wie ein gefärbter Nebel aussieht. Nicht selten erhält man bei längerer Dauer der Tannin- wirkung ohne nachträglichen Wasserzusatz auch Bilder wie Fig. 17b, die sich in der gleichen Weise deuten lassen; das Hämoglobin schrumpft maulbeerartig zusammen, die Membran bleibt durch ihre Härtung oder ihren Elastizitätsverlust in ihrer ursprünglichen Form fixiert, folgt also nicht wie sonst dem schrumpfenden Hämoglobin. Es wäre nun noch die Frage zu erörtern, wieso es kommt, dass bei der Fixation des Hämoglobins es einmal sein gleich- mässiges homogenes Aussehen behält, das andere Mal dagegen grob gekörnelt oder mehr chagriniert aussieht. Das hängt zu- sammen mit dem Wasserverlust; das völlig ausgetretene und fixierte Hämoglobin, das also ohne weiteres sein Wasser abgeben kann, ist stark körnig (Fig. 15 und 16); wirkt das Fixations- mittel sehr rasch, so bleibt auch in dem ausgetretenen Hämo- globin noch etwas Wasser zurück, es erscheint dann mehr chagriniert (Fig. 14) und behält es sein Wasser vollständig, so bleibt es homogen (Fig. 17b). Daraus erklärt sich nun auch das eigentümliche Aussehen der roten Blutkörperchen bei direkter Einwirkung der Chromsäure, das ich oben bereits erwähnt habe (Fig. 12); hat das Hämoglobin noch Zeit Wasser abzugeben — das ist natürlich auch bei intaktem Blutkörperchen durch die Membran hindurch möglich — so sieht es aus wie bei a; behält es dagegen seinen Wassergehalt zum Teil, so erscheint es in Tropfenform und erhält dort bei der Fixation die Membran gespannt, während sie über dem entwässerten Teil zusammen- fällt (a, b, c). 4854 Franz Weidenreich: Bei hämoglobinfällenden Reagentien, die ein Platzen des Körperchens herbeiführen, erscheint das Hämoglobin daher stets körnig. Sehr schön zeigt dies eine konzentrierte wässerige Pikrin- säurelösung, die so intensiv wirkt, dass das Blutkörperchen mit breitem Riss aufspringt und das Hämoglobin in situ fixiert wird, wobei natürlich zuvor die Körperchen kugelig werden (Fig. 18). Es ist selbstverständlich, dass eine derartige Wirkung nur hervorgebracht werden kann, wenn eine Membran vorhanden ist, die bei plötzlicher Ausdehnung des Inhaltes zu einer Sprengung und Zerreissung der Körperchen führen muss, wie es bei in der Schale gedämpften Kartoffeln der Fall ist, oder beim Aufplatzen der Fruchthülle von Kastanien oder Nüssen. Wer die Art des Hämoglobinaustritts aus dem Blutkörper- chen studieren und sich vor allem von dem Platzen der Membran und überhaupt dem Vorhandensein einer solchen überzeugen will, kann wohl kein besseres Reagens wählen, als die °/sproz. Tannin- lösung. Sie ist zuerst von Roberts (65) angewandt und dann auch von Laptschinsky (73) benutzt worden, die aber beide hauptsächlich damit nur an den kernhaltigen Blutkörperchen der Amphibien etc. gearbeitet haben und auf das Wesen ihrer Wirkung nicht eingegangen sind. Der erstere beschreibt ihre Wirkung folgendermaassen: „As the blood flowed in and mingled with the tannin, the capsules were observed gradually to enlarge, and then suddenly, without previous warning, to shoot out the projection“. Die Natur dieser „projection“ oder „pullulation“, wie sie Roberts nennt, ist von ihm nicht recht erkannt worden; aber er sah ganz richtig, dass eine derartige Wirkung nur eine Membran hervorbringen konnte. Er stellte sich demnach den Bau der Blutkörperchen so vor, dass der ge- färbte Inhalt von einer Hülle umschlossen ist, um die noch eine äussere Membran liegt; platzt diese, so wird jene herausgeschleudert. Dieser Irrtum erklärt sich daher, dass Roberts übersah, dass das ausgetretene Hämoglobin durch das. Tannin gefällt wird, es imponierte ihm dieses seiner ziemlich regelmässigen Form wegen (Fig. 14 und 15) als eine von einer Hülle umschlossene Masse. In dieser Annahme wurde er noch bestärkt durch Beobachtungen, die er bei Behandlung der roten Blutkörperchen mit Magenta machte; die Bilder, die er dabei bekam, sind genau wie die von mir bei der Chromsäurewirkung Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 485 eingehend beschriebenen und erläuterten (Fig. 11); Roberts deutete die dabei entstandenen Körperchen als mit dem Blut- farbstoff gefüllte Blasen, die wieder von einer äusseren Membran umgeben wären. In einen ähnlichen Irrtum ist Hünefeld (40) verfallen, der bei Anwendung von kohlensaurem Ammoniak den Inhalt der Blutkörperchen sich zu einer Kugel zurückziehen sah, die er als eine von einer zweiten Membran umhüllte Blase deutete. Die Roberts’schen Angaben fanden dann eine Bestätigung durch Kollmann (74) und Laptschinsky (75). Während ersterer Autor sich energisch für eine Membran ausspricht und der Stromatheorie auf den Leib rückt (s. u.), geht letzterer einer Deutung der Befunde sorgfältig aus dem Wege. „In welchen Beziehungen die beiden sich sondernden Substanzen vor der Fällung und dem Quellen der einen Substanz zu einander stehen“, heisst es bei Laptschinsky: „ist vorläufig nicht zu ermitteln.“ Sehr hübsch ist auch, wie er sich über die nach dem Hämoglobin- austritt zurückbleibende Membran äussert: „Die eine, welche im Text als Rest des Blutkörperchens bezeichnet wurde, erscheint glatt, weich, dehnbar, häufig an Tropfen gemahnend durch ihre runde Form, durch Beibehaltung derselben nach dem Austritt von Einschlüssen, die früher in derselben sich befanden. Alle diese Eigenschaften zusammen sind wohl der Grund, warum wir sie als Rest des Blutkörperchens ansehen. Sie trägt die Eigen- schaften, wenn nicht ganz, so doch teilweise und hauptsächlich an sich, welche in Bezug auf Aggregatzustand dem Stroma der ursprünglichen Blutkörperchen zugeschrieben werden.“ Das Zitierte ist so ziemlich alles, was Laptschinsky aus seinen sehr zahlreichen Versuchen folgert; dabei wartet man jeden Augenblick, dass das Wort Membran kommt, aber es wird sehr sorgfältig vermieden; das wird verständlich, wenn man bedenkt, dass die Arbeit unter Rollett ausgeführt wurde und man muss sich nur wundern, dass nirgends der Versuch gemacht ist, an der Hand der geschilderten Experimente wenigstens die Unmög- lichkeit einer Membranannahme darzuthun, wie man doch wohl erwarten dürfte, nachdem andere aus denselben Versuchen ihre Anwesenheit erschlossen. Das dürfte allerdings sehr schwer gefallen sein. Ähnliche Vorgänge, wie die, welche man nach der Ein- wirkung von Gerbsäure beobachten kann, sind nun mit Hilfe der 486 Franz Weidenreich: verschiedensten Reagentien noch von einer Reihe anderer Autoren gemacht worden. Es handelt sich dabei immer nur um eine Sonderung der Membran vom Inhalt, entweder in der Weise, dass nach Platzen der Hülle der Inhalt heraustritt und dann gefällt und gefärbt wird, oder aber, dass sich unter Er- haltung der Membranform der Inhalt von ihr nach dem Zentrum oder nach einer Seite hin zurückzieht. Zu ersterer Kategorie gehören die Beobachtungen Rindfleischs (63) bei Behandlung des Blutes mit Anilinblau, Laptschinskys (73) mit Rosanilin und Karmin-Ammoniaklösung mit Kohlensäure, die Brückes (67) mit Borsäure, sowie zum Teil auch die Lavdowskys (63) mit Alkohol und Methylgrün, zu letzterer die Befunde Hensens (62) bei Einwirkung von kohlensaurem Ammoniak oder Zucker. Je nach der Art der Anwendung des Mittels können dabei auch beide Möglichkeiten erreicht werden. Ich glaube an den oben gegebenen Beispielen hinlänglich gezeigt zu haben, wie man sich die Vorgänge in einfacher Weise zu erklären hat. Dass der nach dem Austritt des Inhalts bleibende Rest nur als eine Membran gedeutet werden kann, steht fest; dafür spricht die ganze Beschaffenheit und das ganze Verhalten dieses Restes, wie ich gleich im Anfange gezeigt habe. Aber ich will nun auch einmal annehmen, es sei wirklich ein Maschenwerk, aus dessen Poren der Inhalt herausgetreten ist, wie kommt es denn, dass dieser Austritt nur an einer einzigen Stelle und mit einer Plötzlich- keit geschieht, dass man beim Zusehen unwillkürlich einen kleinen Knall zu hören erwartet; wie wäre es denn zu verstehen, dass man diese Sprungstelle noch sieht und ein Rest des Inhaltes sich dort noch ausfällen lässt? Man müsste doch bei einem schwamm- artigen Gebilde erwarten, dass der Inhalt an verschiedenen Stellen, eben aus den verschiedenen Poren, zum Austritt kommt, namentlich dann, wenn man wie Rollett (O0) annimmt, dass dieser Austritt durch Quellen des Schwammgerüstes, also durch ein Hinausdrängen, erfolgt. Man denke sich, dieses kleine, unscheinbare, strukturlose Häutchen soll das ge- quollene Schwammgerüst sein! Sehr merkwürdige Bilder hat noch Lavdowsky (9) nach Einwirkung von Jodsäure und Anilinfarbe auf die roten Blutkörperchen beobachtet; er hat dabei gesehen, dass die Körperchen platzen und ihren Inhalt abgeben; bei einigen treten dabei zentrale Flecke auf, die Lavdowsky für Kernreste hält, Es Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 487 ohne aber irgend einen stichhaltigen Beweis für diese Ansicht beibringen zu können. Nach der ganzen Art der Bilder und der Methode der Herstellung erscheint es mir nicht zweifelhaft, dass es sich bei diesen „Nucleoiden“, ähnlich wie bei den Petrone- schen Körperchen, um Reste von Hämoglobin handelt, die, innerhalb der Membran zurückgeblieben, der Färbung mit Anilinfarben zugänglich werden. Ich habe Wert darauf gelegt, alle meine Untersuchungen am menschlichen Blut vorzunehmen und alle Angaben, soweit ich es nicht ausdrücklich bemerkt habe, beziehen sich auch darauf; immerhin erschien es mir auch notwendig, vor allem wegen des Vergleiches mit den Beobachtungen früherer Autoren, das Ver- halten der roten Blutkörperchen einer anderen Vertebratengruppe zu studieren. Der Bequemlichkeit halber wählte ich dazu das Froschblut. Setzt man den roten Blutkörperchen dieses Tieres Wasser zu, so quellen sie auf, dabei gehen die ovalen Scheiben in völlige Kugeln über, die gelbe Farbe blasst etwas ab und der Kern erscheint noch mehr verschwommen; dann aber fällt die Kugel plötzlich zusammen und es resultiert ein wieder ovales, aber farbloses, ausserordentlich dünnes und durchsichtiges Häutchen, in dessen Mitte nun der Kern scharf und deutlich die Oberfläche bedeutend überragend sichtbar ist. In Fig. 19 a, b und c habe ich dasselbe Körperchen in den geschilderten drei Stadien wiedergegeben. Die Erklärung für diesen Wechsel der Erscheinung ist die alt gegebene: durch die Wasserauf- nahme quillt das Hämoglobin, das Körperchen nimmt dadurch Kugelform an und die Membran dehnt sich aus: schliesslich wird die Quellung so stark, dass sie platzt, der Inhalt, das Hämoglobin, tritt heraus und die dünne Membran fällt über den Kern zu- sammen unter Wiederannahme der ursprünglichen ovalen Form ; dadurch wird der Kern nun deutlich herausgehoben. Eine be- sondere Struktur an diesem Rest, dem sog. Stroma, habe ich mit keinem Mittel entdecken können, er gleicht hierin vielmehr ganz, den „Schatten“ der menschlichen Blutkörperchen. Je nach der Art der Wassereinwirkung kann es auch passieren, dass mit dem Hämoglobin auch der Kern hinausgeschleudert wird, ein Ereignis, das jedoch nicht immer eintritt. Setzt man statt Wasser eine >/aproz. Tanninlösung zu, so vollzieht sich der Vorgang in der- selben Weise, nur wird das Hämoglobin jetzt gefällt und gibt dann die gleichen oder ähnliche Bilder wie bei den menschlichen 488 Franz Weidenreich: Blutkörperchen (cf. Fig. 20a mit Fig. 15); auch hierbei sieht man deutlich das Platzen der Membran, die aber hier, wie ich im Einklang mit Roberts feststellen konnte, oft auch an zwei, oder in sehr seltenen Fällen auch an drei Stellen auf- bricht; die Membran nimmt aber zum Unterschied von der reinen Wasserwirkung jetzt nicht: mehr die ovale Form, sondern eine kreisrunde an (Fig. 20a). Untersucht man die Austritts- stelle des Hämoglobins näher, so sieht man gar nicht selten dort einen deutlichen Riss, an dessen Rand die Membran etwas aufgeworfen ist (Fig. 20a). Wartet man nun einige Zeit, so sieht man, wie die Membran anfängt, sich zu falten; erst treten nur kleinere Fältchen auf, dann aber immer grössere und grössere, dabei zieht sich die Membran um den Kern mehr und mehr zusammen und schliesslich erscheint dieser in die Membran wie in ein Tuch eingewickelt, um mich drastisch auszudrücken, als wenn man einen viel zu weit gewordenen Rock anlegen würde (Fig. 20b, ce). Eine ähnliche Faltung der Membran lässt sich auch ab und zu bei den Blutkörperchen beobachten, die sich in isotonischer Kochsalzlösung befinden, aber aus irgend welchem Grunde etwas geschrumpft sind (Fig. 20. d); die Falten ziehen dabei stets radiär von der Kerngegend nach der Peripherie hin, ganz natürlich, weil dort, wo der Kern liegt, die erhabenste Stelle ist und bei allmählichem Einsinken der zwischen Kern und Rand gelegenen Partie die Falten so verlaufen müssen. Solche Faltungen der Oberfläche sind nun schon vielfach beobachtet worden, für «die Gegner der Membran scheint diese Thatsache allerdings nicht zu existieren; Rollett (71) spricht wenigstens nur von „lokalen Verdickungen, die meist radienartig nach dem Kern hin zusammenlaufen“ und Brücke (61) in seiner Kritik der Schwann’schen Argumente (39) hebt nur hervor, dass das Kugeligwerden nach Wasserzusatz nicht unbedingt für eine Membran spreche, die Faltenbildung ignoriert er aber völlig. Die Versuche am Amphibienblut bestätigen also die "alte Annahme, dass auch hier den roten Blutkörperchen eine Hülle zukommt, und sie beweisen das so klar, dass ich meine Verwunderung darüber aussprechen muss, wie man nur einen Augenblick sich darüber täuschen konnte. Sehr vieles von dem, was ich hier berichte, ist nun schon längst von Kollmann (74) gleichfalls gesehen und in demselben Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 439 Sinne gedeutet worden; merkwürdiger Weise haben aber trotz seiner klaren Angaben und trotz der vernichtenden Kritik, die er an der Rollett’schen und Brücke’schen Theorie geübt hat, seine Anschauungen keinen Boden gefunden, ja noch mehr in den späteren Arbeiten der Gegner werden seine Unter- suchungen überhaupt gar nicht erwähnt obwohl demnach seine Beweisführung nie widerlegt wurde, blieb die Stromatheorie die herrschende. Vor allem hat Kollmann sich mit Schärfe gegen die Annahme gewandt, dass die mit bestimmten Reagentien nachweisbare Membran ein Kunstprodukt wäre, veranlasst eben durch die Wirkung dieser Mittel, die durch oberflächliche Härtung die Trennung einer Rindenschicht von der übrigen, weicheren, unfixierten Protoplasmamasse herbeiführen würden. Ich glaube, dass der letzte etwaige Einwand der Art nun vollends durch meine Untersuchungen hinfällig wird, nachdem ich gezeigt habe, dass bei diesen Reagentien, besonders beim Tannin, die Trennung von Membran und Inhalt ausschliesslich Wasserwirkung ist — also die gleiche Wirkung, deren sich auch die Membrangegner zur Trennung des „Stromas“ vom Hämoglobin bedienen — und dass eben dieses „Stroma“ völlig identisch ist mit der Membran. Nun liegt es nahe, zu versuchen, ob man nicht färberisch die Membran differenzieren, oder wenigstens im Innern des Blutkörperchens auf dieselbe Weise ein Maschennetz, wie es die Theorie vom Stroma verlegt, nachweisen kann. Ich habe mich nun thatsächlich davon überzeugen können, dass eine Sichtbarmachung der Membran durch Färbung möglich ist. Allerdings gelingt es nicht, die „Schatten“ zu tingieren. Ich habe mit Tannin behandeltes Blut nachträglich mit Sublimat noch besonders fixiert und dann nach gehöriger Spülung in Wasser gefärbt. Dabei stellt sich nun heraus, dass die Membran keine der angewandten Farben annimmt, wenn alles Hämoglobin aus ihr entfernt ist, dass dagegen dieses bei Behandlung mit den üblichen Blutfarben (Eosin, Orange, Methylviolett) sich intensiv färbt. Was also bei der Färbung der Bluttrockenpräparate einer solchen zu- gänglich ist, ist nicht, wie man bisher wohl angenommen hat, das „Stroma“*, sondern der Inhalt der Membran, eben das Hämoglobin; Glücklicher bin ich dagegen bei der Färbung von Schnitten gewesen; wenn man blutreiches Gewebe — jch verwandte dazu menschliche Milz — gut fixiert, so dass 490 Franz Weidenreich: vor allem die roten Blutkörperchen ihre Form nicht zu sehr ändern — ich benutzte Zenker’sche Flüssigkeit — und dann möglichst dünne Schnitte, etwa von 3 « Dicke mit Heiden- hain’schem Eisenhämatoxylin behandelt, so tritt bei fast allen roten Blutkörperchen deutlich eine blauschwarze Linie hervor, die den Kontour des Körperchens bildet (Fig. 21); der Inhalt erscheint demgegenüber ganz homogen (a, b), oder undeutlich gekörnt (c), zeigt aber keine Spur irgend eines Fadenwerkes. Hat sich an der einen oder der anderen Stelle der Inhalt etwas zurückgezogen (c), dann erscheint der Kontour besonders scharf. Es ist nun klar, dass es sich bei diesem Befund nur um die ge- färbte Membran handeln kann, die hier in den ange- schnittenen Blutkörperchen der Färbung zugänglich wurde; dass dabei nicht eine einfache Abgrenzung im Spiele ist, geht daraus hervor, dass die Linie sehr scharf von: dem Inhalt sich abhebt und nicht in ihn übergeht, besonders aber auch daraus, dass das Protoplasma danebenliegender Leukocyten trotz der durchaus gleichen Behandlung eine solche Umrandung vermissen lässt (Fig. 21d). Das Bestehen der Membran wird aber weiterhin noch mehr zur Sicherheit durch folgenden Befund, den ich an den gleichen Präparaten erheben konnte. In sehr vielen roten Blutkörperchen sieht man nämlich Kristalle; längliche rhombisch gebaute Prismen von etwas opacem Aus- sehen und anscheinend farblos (Fig. 22). Dass es sich hierbei thatsächlich um Kristalle handelt, beweist die Untersuchung im polarisierten Licht (Fig. 23); die Körper erscheinen bei unge- kreuzten Nicols dunkel im hellen (a) und bei gekreuzten hell aufleuchtend im dunklen Gesichtsfeld (b), sie sind also stark doppelt lichtbrechend. Dabei kann man aber nun weiterhin feststellen, dass diese Kristalle eingeschlossen sind von einer dünnen, durch Eisenhämatoxylin gefärbten Hülle, deren Kontour unregelmässig ist, die aber den Ecken der Kristalle überall unmittelbar anliegt, während sie von den Seiten etwas absteht; der Raum dazwischen ist jedoch völlig leer und ungefärbt. Was nun die Natur dieser Kristalle angeht, so spricht ihre Form ganz für ihre Hämoglobinnatur; sie ent- behren jedoch der gelben Färbung, sind aber einer Tinction mit Eosin und Orange wie das unkristallisierte Hb. zugänglich; es könnten also sehr wohl Blutfarbstoffkristalle sein, die infolge der Behandlung (Fixation, Härtung und Färbung) ihre Farbe verloren, Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 491 d.h. sich zersetzt haben; es wäre aber auch denkbar, dass sie nur ihres geringen Volumens wegen farblos scheinen. Wie dem auch sei, jedenfalls liegt hier eine Kristallation des Inhaltes der roten Blutkörperchen vor, der dabei ganz in den Kristall aufgenommen wurde und den nun die Membran des Blutkörperchens noch umschliesst. Dass es sich um Niederschläge aus den Fixationsmitteln handelt, ist bei der Lage und bei der Beschränkung auf die roten Blutkörperchen natürlich vollständig ausgeschlossen. Soweit ich die Literatur übersehen kann, finden sich über die färberische Darstellung der Membran auf Schnitten keine An- gaben, auch sind Kristalle in den Blutkörperchen vom Menschen bisher nicht beobachtet worden. Die Behauptung Funkes (63), dass er bei Fischen welche gesehen habe, ist anscheinend nicht recht geglaubt worden, fand aber von Landois (93) für das Kaninchenblut Bestätigung, während neuerdings H&nocque (99) ihr Vorkommen leugnet. Auch farblose Kristalle wurden schon beschrieben, ihre Natur konnte aber nicht mit Sicherheit fest- gestellt werden. Die Konstatierung der Kristallbildung ist hier um deswillen noch von Wichtigkeit, weil Beale (64) diese Frage als Argument gegen das Vorhandensein einer Membran benutzt; wenn Beale eine Membran um die Kristalle nicht gesehen hat, so kann der Grund dafür einmal darin liegen, dass die Membran sich eng anschmiegte oder aber dass sie vorher zerstört war; seine Methode der Darstellung bestand nämlich darin, dass er Meerschweinchenblut ganz einfach eintrocknen liess; dabei scheint es mir noch mehr wie fraglich, ob sich mit Sicherheit so die Zugehörigkeit eines Kristalls zu nur einem Blutkörperchen bestimmen lässt. Ich möchte nicht versäumen, in diesem Zusammenhange noch darauf hinzuweisen, dass Deetjen (O1) Inhalt und Membran insofern färberisch unterscheiden lehrte, als bei der üblichen Trockenmethode die gefärbten Blutkörperchen, wenn sie auch noch so eng aneinanderliegen, stets eine schmale farblose Zone zwischen sich lassen, die ungefärbte Membran; thatsächlich lässt sich dieses Verhalten überall unschwer feststellen, sowie die weitere in gleichem Sinne verwertete Angabe desselben Autors, dass bei dem Aneinanderstossen der roten Blutkörperchen im frischen Blut niemals eine völlige Berührung der beiderseitigen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 33 492 Franz Weidenreich: gelb gefärbten Teile erfolgt, also eine farblose Membran dazwischen liegen müsse. Um mich nun dem Haupteinwand gegen eine Membran zuzuwenden, so ist vor allem als dagegensprechend das Verhalten der roten Blutkörperchen bei erhöhter Tempera- tur und Druck hervorgehoben worden. Beale (64) hatte zuerst beobachtet, dass bei Erwärmung des Blutes die Blut- körperchen eigentümliche Formenveränderungen zeigen, sie lassen kleine Gebilde hervorsprossen, die sich dann zu Kugeln abschnüren, eine zeitlang noch den Zusammenhang wahren, dann aber sich völlig loslösen; oft auch ziehen sich die Körperchen zu langen Fäden aus, die dann Verdickungen tragen, so dass perlschnurartige Formen entstehen. Diese Beobachtungen sind von Max Schultze (65) bestätigt worden, er konnte zunächst feststellen, dass die Veränderungen bei 52° ein- setzen und dass bei 60° das Hämoglobin austritt; er sagt darüber wörtlich: „Es entsteht eine lackfarbene Lösung von Hämoglobin von bekanntem Aussehen. In dieser Lösung schwimmen die entfärbten und daher schwer sichtbaren Reste des Stroma der Blutkügelchen, wie bei einer wässerigen Lösung die sogenannten „Membranen der Blutzellen.“ ... Und dass das Hämoglobin in Lösung gegangen ist, ohne zersetzt zu sein, beweist seine noch erhaltene Krystallisationsfähigkeit.“ Was die Veränderungen angeht, so schildert sie M. Schultze ähnlich wie Beale; über das Resultat der Abschnürungsprozesse sagt er, dass in der Blutflüssigkeit nur noch kleine Kügelchen von ziemlich dunkler Blutkörperchenfarbe übrig sind. Die Froschblutkörperchen sah er bei Erwärmung über 43° „Löffel- biscuit oder Dumbbellform annehmen, so zwar, dass die an- geschwollenen Enden dunkel gefärbt, die mittlere schmale Brücke fast farblos erschien. Ein Abschnüren grösserer Tropfen oder Kugeln beobachtete ich beim Frosch auch dann nicht, wenn die Temperatur bis 60° gesteigert wurde.“ Dagegen sah er molekulär kleine Körnchen austreten, die lebhafte Molekular- bewegung zeigten. Die Veränderungen, die Beale durch Druck hervorbringen konnte, sind ganz ähnlicher Natur; die Blut- körperchen werden dabei in kleine Stücke zersprengt, die alle Kugelform annehmen, aber noch untereinander oder mit den Blutkörperchen in Zusammenhang angetroffen werden können Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 493 (Taf. VII, Fig. 9). Ausserordentliche Gestaltsveränderungen hat nun auch noch Rollett (65) beobachtet, wenn er Blut in eine Leimmasse brachte und die Blutkörperchen so zwang, sich durch die engen Strässchen und Rinnen in diesem Medium hindurch zu winden. Wie ist es möglich, so frug man sich, dass eine mit einer Membran umhüllte, und am Ende gar noch mit einer Flüssigkeit gefüllte Blase derartige Formveränderungen und Abschnürungen zeigen kann, ohne zu platzen oder ihren Inhalt ausfliessen zu lassen? Ich werde zeigen, dass diese eigentümlichen Form- veränderungen sich sehr wohl mit der Anwesenheit einer Membran vereinigen lassen, ja sogar, dass sie direkt als weitere Beweise dafür in Anspruch genommen werden können. Zunächst sind nämlich Beale, Schultze und Rollett eine Reihe von Besonderheiten bei der Gestaltsveränderung entgangen, dann aber hat niemand die Frage zu beantworten gesucht oder nur aufgeworfen, worauf denn die gesehenen Er- scheinungen beruhen. Wenn man das Blut auf ca. 52° erhitzt, so sieht man zuerst kleine Unregelmässigkeiten an der Oberfläche auftreten, die zu Höcker werden, dann zu kleinen Kugeln sich abrunden und schliesslich nur noch durch einen dünnen Stiel mit den Blutkörperchen in Zusammenhang bleiben ; war die abgeschnürte Partie grösser, so kann sich von dieser wieder eine kleinere Stelle abschnüren, die aber auch zunächst durch einen ebenso dünnen Stiel noch mit dem Mutterkügelchen verbunden bleibt (Fig. 24). Oft sicht man so Blutkörperchen, die fast in der ganzen Peripherie mit solchen grösseren und kleineren Kugeln besetzt sind. Wird in das Blut Strömung gebracht, so sieht man, wie durch die Rollung sich die Kügelchen loslösen und dann frei in der Flüssigkeit schwimmen. Im Aussehen, vor allem in der Farbe und Lichtbrechung, zeigen sie alle Eigen- tümlichkeiten der roten Blutkörperchen (Fig. 25). Dabei fällt nun auf, dass .nicht alle Blutkörperchen sich gleich verhalten, trotzdem ja natürlich die Temperatur für alle dieselbe ist. Sehr viele zeigen überhaupt fast keine Veränderung, manche verlieren nur etwas ihre abgerundete Konturen; alle aber zeigen die Glockenhöhlung ganz eigentümlich scharf ausgeprägt, oft dabei verzerrt (Fig. 25); es entsteht so der Eindruck, 33% 494 Franz Weidenreich: als wenn mit einem scharfen Instrument aus der Kugel Gruben ausgebohrt worden wären, so scharf markiert sind die Ränder. Die Grösse der Gruben variiert, nicht selten erscheinen sie winzig, klein (Fig. 26), dann oft auch zwei, drei oder mehr dicht nebeneinander. Ranvier (75) hat diese Eigentümlich- keit gesehen und auch in Fig. 45a, b abgebildet. Lässt man nun abkühlen, so sieht man, wie sämtliche, auch die verzerrtesten Formen der Kugelgestalt zustreben; dabei kann man unschwer konstatieren, dass die abgeschnürten aber noch durch einen Stiel mit der Mutterkugel in Verbindung gebliebenen Tochter- kügelchen wieder allmählich aufgenommen werden (Fig. 27). Setzt man eine konzentriertere Kochsalzlösung zu, so tritt Schrumpfung ein und es entstehen höckerige, der Maulbeerform ähnliche Gebilde (Fig. 25). Hat man durch Zusatz von Wasser in dem Stadium, das die Fig. 24, 25 und 26 darstellen, das Blut lackfarben gemacht, also das Hämoglobin austreten lassen, so erhält man „Schatten“ wie beim unerhitzten Blut; aber nicht nur die ursprünglichen Blutkörperchen hinterlassen diesen Rest, sondern auch die abgeschnürt gewesenen Kügelchen (Fig. 29), er lässt dabei besonders nach Fixation mit Osmium oder Sublimat die gleiche Form erkennen, wie ich sie oben als charakte- ristisch beschrieben habe (cf. Fig. 10). Waren die Kügelchen noch durch dünne Stiele mit der Mutterkugel in Zusammenhang, wie in Fig. 24, so lassen nun auch die „Schatten“ ihre Zu- gehörigkeit zueinander erkennen (Fig. 30); bei günstiger Lagerung sieht man deutlich den Verbindungsstiel (a). Wir haben aber nun schon oben den „Schatten“ oder den nach dem Hämoglobinaustritt bleibenden Rest als Membran erkannt, aus diesen Beobachtungen folgt also, dassauch den abgeschnürten Teilchen ein Membranüberzug zukommt oder besser ausgedrückt bleibt; dass sie in gleicher Weise Hämo- globin enthalten, darauf weist ohnedies ihr ganzes Aussehen hin. Setzt man nun zu den Blutkörperchen mit ihren anhängenden Sprossen (wie Fig. 24) eine °/ı prozentige Tanninlösung zu, so sieht man, wie jedes einzelne Kügelchen erst etwas aufquillt, dann plötzlich platzt und an einer einzigen Stelle seinen Inhalt hinauslässt, der sofort durch das Tannin ausgefällt wird (Fig. 31); es spielen also an den Teilstücken sich genau die gleichen Vorgänge ab, wie wir sie bei intakten Blutkörperchen kennen gelernt haben (cf. Fig. 31 mit Fig. 14 und ıö), auch an den Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 495 „Schatten“ jedes einzelnen Kügelchens lässt sich bei nachträglicher Tanninbehandlung die Sprungstelle noch erkennen (Fig. 30). Alle Teilstücke bestehen also gleichfalls aus Membran und Inhalt. Wie lässt sich dies erklären? Zu diesem Zwecke müssen wir nach den Ursachen der Gestalts- veränderung suchen Eine Lebensthätigkeit ähnlich der amö- boiden Bewegung ist ausgeschlossen, sie ist ernstlich nur von Klebs (65) behauptet, aber bereits von Max Schultze (65) und Rollett (71) entgiltie widerlegt worden; es kann sich also dabei nur um rein physikalische Erscheinungen handeln, die von der Membran oder vom Inhalt ausgehen können. Für das Hämoglobin kommen dabei nur Aenderungen des Aggregat- zustandes in Betracht, die in Verflüssigung oder Festwerden bestehen könnten. Beides dürfen wir aber für ausgeschlossen erklären, da das Hämoglobin nach wie vor die gleichen Eigen- schaften zeigt wie in intakten Blutkörperchen, es quillt ja durch Wasseraufnahme und verursacht dabei schliesslich das Platzen der Membran (Fig. 30), durch Wasserabgabe schrumpft es zur Maulbeerform zusammen (Fig. 25). Ja, sogar beim Erhitzen auf 60° gerinnt es nicht und tritt, wie wenn man Wasser zu intakten Blutkörperchen zusetzt, aus; wie Max Schultze gezeigt hat (s. Citat), behält es auch vollständig seine Kristallisationsfähigkeit. Die Ursachen für die Gestalt- veränderungen können also nur in der Membran liegen. Dabei möchte ich besonders auf zwei Punkte aufmerksam machen, einmal auf die Thatsache, dass durch Hitzewirkung und ohne vorangegangenes Aufquellen ein Hämoglobinaustritt erfolgt, und dann auf die Veränderungen, die die roten Blutkörperchen des Frosches durch Wärmewirkung erleiden. Wie schon Max Schultze gesehen hat, kommt es in letzterem Falle nicht zur Abschnürung grösserer Tropfen; was man zunächst beobachten kann, ist, dass sich das Blutkörperchen an einem Ende zuspitzt (Fig. 32a), das Ende erscheint dabei etwas gebläht gegenüber dem übrigen mehr abgeflachten Teil, und das Hämoglobin zeigt dort ein dichteres und mehr opakes Aussehen; dann vollzieht sich derselbe Prozess am anderen Ende (b). Allmählich schwellen diese Partien mehr an, während die Mitte mehr eingeschnürt wird (Biseuit- oder Dumbbellform Max Schultzes s. o.); endlich ziehen sich die beiden Kolben nach der Mitte zusammen 496 Franz Weidenreich: und es resultiert eine Kugel (c) mit dunklem opaken Aussehen und einem bedeutend kleineren Durchmesser als die, welche bei Wasserzusatz zu intakten Blutkörperchen zu entstehen pflegt (ef. Fig. 32c mit Fig. 19b). Der Kern verhält sich bei dem ganzen Vorgang passiv; meistens kommt er mehr excentrisch zu liegen, kann aber auch seine centrale Lage beibehalten. Wird die Temperatur gesteigert, so platzt die Kugel, das Körperchen wird farblos, erscheint etwas gekörnelt und nimmt mehr oder weniger ausgesprochen seine ursprüngliche ovale Form wieder an (Fig. 32d); der Kern tritt dabei deutlich hervor. Bedenkt man nun, dass man ähnliche Bilder wie durch die Hitzewirkung durch Druck auf die Blutkörperchen erzielen kann (Beale 64), so unterliegt es keinem Zweifel, dass wir es bei der Gestaltsveränderung mit der Wirkung einer durch die Wärme bedingten Kontraktion der Membran zu thun haben. Damit lassen sich alle Erscheinungen in Einklang bringen. Die Membran übt also zunächst auf den Inhalt einen starken Druck aus, daher erscheint die Glocken- höhlung scharf umgrenzt, wie ausgestochen (Fig. 25 und 26); da nun bei vielen Blutkörperchen die Membran sich nicht gleichmässig zusammenzieht, (Fig. 32a), werden die Blut- körperchen öfter wie in die Länge gezogen erscheinen. An dünneren Stellen, vielleicht auch durch eine Schädigung infolge der Hitzeeinwirkung bedingt, wird sie durch den Gegendruck des Hämoglobins stärker gedehnt und zur Bildung von Höckern und weiterhin von Abschnürungen Anlass geben. Dass es dabei zum Austritt des Inhaltes kommen muss, ist absolut nicht nötig; ich erinnere nur daran, dass man Glaskugeln und Glasröhren mit Inhalt sehr wohl durch Erhitzen ausziehen und in kleinere Stücke zerlegen kann, ohne dass es dabei zu einem Ausfliessen des Inhalts zu kommen braucht; die Wandungen der Glasröhre legen sich. beim Ausziehen aneinander, verschmelzen unter einander und führen dadurch einen sofortigen Verschluss herbei; auch bei den Blutkörperchen sehen wir ja die Abschnürung in ganz analoger Weise vor sich gehen, indem die Teilstücke noch durch einen dünnen Stiel — die ausgezogene Membran (cf. Fig. 24 und 30a) — mit der Mutter-Kugel in Zusammenhang bleiben. Es ist aber ein Irrtum, anzunehmen, dass bei den roten Blut- körperchen die Sprossung stets ohne Hämoglobinaustritt vor sich geht; thatsächlich sieht man immer in den Hitze- Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 497 präparaten viele „Schatten“ mit oder ohne „Tochterschatten‘“, denen also das Experiment nicht geglückt ist. Haben sich alle verdünnten Partien der Membran abgeschnürt, dann bleibt eine kleine Kugel zurück; geht nun die Erhitzung weiter, so platzen diese Kugeln (bei ca. 60°) und das Hämoglobin tritt aus, d. h. also, der Druck der Membran ist jetzt so stark geworden, dass sie durch den Widerstand des Inhalts zum Pl’atzen gebracht wird. Sehr schön tritt dies an den Froschblutkörperchen hervor, durch die Kontraktion werden sie schliesslich zu Kugeln (Fig. 32c), aber natürlich mit viel kleinerem Durchmesser als die durch Quellung entstandenen (Fig. 19c); —das gepressteHämoglobin scheint dunkler und opaker; — endlich platzen sie, der Inhalt tritt aus (Fig. 32d). So wird denn auch ohne weiteres verständlich, wieso abgeschnürte Stücke, die noch durch einen Stiel mit ihrer Mutter- kugel in Zusammenhang blieben, wieder beim Erkalten aufge- nommen werden können (cf. Fig. 24 und 27); die Membran erschlafft wieder, die aufeinander gepressten und verklebten Wände der Brücke lösen sich und die gedehnte Partie mitsamt dem abgeschnürten Hämoglobin wird wieder eingezogen. Ganz ohne nachteilige Folgen gehen übrigens diese Prozesse nicht vor sich, die Membran leidet in ihrer Elastizität, was schon daraus hervorgeht, dass eine vollständige Rundung der Kontouren nicht mehr erreicht wird; besonders wird sie durchlässiger, denn wie Rollett (00) schon beobachtet hat, blassen die Kugeln nach einiger Zeit ab, d. h. sie verlieren ihr Hämoglobin. Damit habe ich also eine vollständige und, wie ich glaube, ausreichende und befriedigende, Erklärung für die Formver- änderungen der roten Blutkörperchen durch Hitze und Druckwirkung gegeben und zu gleicher Zeit gezeigt, dass die Erscheinungen nicht nur gegen das Vorhanden- sein einer Membran sprechen, sondern sogar dafür. Nur so lassen sich überhaupt die verschiedenen Bilder ver- stehen, die mit ihrer Theorie zu erklären, die Anhänger der Stromalehre überhaupt keinen Versuch gemacht haben. Damit habe ich aber auch sämtliche Einwände, die gegen die Membran vorgebracht wurden, widerlegt. Das rote Blutkörperchen sowohl der Amphibien etc. als auch der Säuge- tiere besteht aus einer strukturlosen, elastischen, 498 Franz Weidenreich: dünnen Membran, die als Inhalt das Hämoglobin einschliesst. Die eigentümlichen Veränderungen, welche die roten Blut- körperchen beim Erhitzen eingehen, können leicht zu Täuschungen und Missdeutungen Anlass geben. So sind z. B. die Zeichnungen, welche Foä (89) für Strukturen hält, zweifelsohne durch die Hitzewirkung bedingt. Ich habe oben darauf hingewiesen, dass dabei die Glockenhöhlung merkwürdige Formveränderungen ein- gehen kann und dass diese Höhlungen dann sehr scharf markiert erscheinen; werden nun derartig veränderte Blutkörperchen fixiert und gefärbt, so erhält man die absonderlichsten Bilder. Foä bediente sich zur Färbung Methylenblau und liess nach- her Chromsäure einwirken, es entsteht so ein blauer Nieder- schlag, der sich auf die Körperchen absetzt, besonders natürlich da, wo Vertiefungen vorhanden sind, also in den skizzierten Aushöhlungen; so erklären sich ohne weiteres z. B. die von Foa auf Taf. VIII, Fig. 6 wiedergegebenen Bilder. Es bleibt nun noch die Frage zu erörtern, ob dem Hämo- globin selbst vielleicht eine morphologische Structur zukommt und welches sein Aggregatzustand ist. Ich betone dabei ausdrücklich, dass ich hier unter Hämoglobin nach der alteingebürgerten Bezeichnung stets die Substanz verstehe, die bei Wasserzusatz und Lackfarbenwerden des Blutes aus den Blutkörperchen heraustritt und in Lösung geht. Da habe ich bereits hervorgehoben, dass ich weder in frischem Zustande, noch bei Behandlung mit einer Reihe von Reagentien, noch auf gefärbten Schnitten durch Blutkörperchen irgend etwas gesehen habe, was auf eine besondere Struktur hinweisen könnte; es bot immer den gleichen homogenen Anblick und erschien nur körnig, wenn es mit Wasserabgabe fixirt, also gefällt war. Besonders aber scheint mir der Umstand gegen eine Struktur zu sprechen, dass sich das Hämoglobin ohne weiteres vollständig und ohne sichtbaren Rest in Wasser auflöst; wenigstens ist mir ein derartiges Verhalten sonst bei keinem irgendwie strukturierten Zellbestandteil bekannt. Was nun den Aggregatzustand an- geht, so ist von vornherein ausgeschlossen, dass das Hämoglobin fest ist; dagegen spricht schon die ausserordentliche Elastizität und Fähigkeit der roten Blutkörperchen, die Form zu ändern; Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 499 ausserdem aber kann man z. B. durch längerdauernde Tanninein- wirkung das Hämoglobin so fest machen, dass es spontan Sprünge bekommt, dabeiaber noch zerdrückt werden kann; es kann also nicht schon vorher fest gewesen sein. Es muss also wohl eine Flüssigkeit sein; dabei scheint mir besonders der Umstand schwer ins Gewicht zu fallen, dass es sich so ausserordentlich leicht mit Wasser mischt, nicht nur beim Austritt. sondern auch innerhalb der Membran, wenn die Körperchen, in hypisotonische Lösung gebracht, anschwellen; dafür spricht ferner die Tropfen- bildung bei Behandlung mit bestimmten Reagentien und die Leichtigkeit, mit der es kristallisiert. Ich glaube aus diesen Gründen, dass das Hämoglobin etwa die Konsistenz einer Gelatinelösung von mittlerer Konzentration hat. Stellen wir uns also die roten Blutkörperchen als Bläschen mit Membran und halbflüssigem Inhalt vor, so bleibt un- verständlich, wie der Kern. bei Amphibien u. s. w. in seiner zentralen Lage fixiert ist. Nun haben die älteren Autoren an- genommen, dass er an der Membran irgendwie befestigt sei; ich habe mich davon jedoch nicht überzeugen können. Wohl sieht man bei Behandlung mit manchen Reagentien den Kern eine exzentrische Lage einnehmen, aber das ist durchaus nicht regel- mässig der Fall. Besonders aber scheint mir für seine zentrale Lage der Umstand zu sprechen, dass er beim Aufquellen der Blutkörperchen zur Kugelform nach Behandlung mit Wasser undeutlich und fast unsichtbar wird (Fig. 19b); das lässt sich nur so erklären, dass durch die Formänderung und die Quellung des Hämoglobins die Membran ringsherum von ihm mehr abgehoben wird. Liegt der Kern aber zentral, so muss er notwendiger Weise fixiert sein; dass die Befestigung jedoch nur eine äusserst schwache sein kann, geht aus der Leichtigkeit hervor, mit der er mit dem Hämoglobin aus der Zelle heraustreten kann; dass er aber beim Hämoglobinaustritt auch an Ort und Stelle bleiben kann, spricht wieder für seine Fixation. Wir dürfen also wohl annehmen, dass vereinzelte Protoplasma- fäden von der Zell- zur Kernmembran ziehen und diese Funktion erfüllen. Am ungehärteten und ungefärbten Blutkörperchen lässt sich allerdings von derartigen Aufhänge- fäden nichts sehen, möglich, dass sie sich auf Schnitten nach- weisen lassen. Bei den kernlosen roten Blutkörperchen der 500 Franz Weidenreich: Säugetiere sind sie nicht vorhanden, ihre Existenz aber auch nicht erforderlich, wohl aber werden sie bei embryonalen, kernhaltigen Blutzellen aufzufinden sein. Vielleicht lassen sich, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, die Bilder verstehen, die Negri (02) ganz neuerdings bei Behandlung von roten Blutkörperchen mit Neutralrot erhalten hat; es gelang ihm damit eigentümliche, farbige, oft knäuelartige Zeichnungen darzustellen, die allerdings keinen Zusammenhang mit Zell- und Kernmembran erkennen lassen und auch sonst nicht überall an Zahl und Stärke gleichmässig angeordnet erscheinen; auffallend muss aber immerhin bleiben, dass sie sich nur in kernhaltigen Blut- körperchen finden, gleichviel, ob bei Amphibien etc. oder bei Säugetierembryonen, das würde eben doch nach der oben ge- gebenen Auseinandersetzung im angedeuteten Sinne sprechen. Darüber kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, dass die ur- sprüngliche embryonale, kernhaltige rote Blutzelle auch in ihrem Bau, abgesehen von dem Kernverlust, Verschiedenheiten gegen- über dem fertigen Zustand aufweisen wird. Ohne eine besonders darauf gerichtete neue Untersuchung lässt sich aber natürlich hierüber nichts Bestimmtes sagen. Wir können uns jedoch auch so sehr wohl vorstellen, dass die embryonale Zelle eine weniger differenzierte Membran und ein deutlicheres Protoplasmanetz zeigen wird und dass die Ausbildung jener und die Rückbildung dieses eine ähnliche Erscheinung ist, wie sie sich auch an anderen Zellen konstatieren lässt; ich denke dabei besonders an die kernlosen, mit einer wohlausgebildeten Membran versehenen Hornzellen, die, wie ich (00) näher nachweisen konnte, sich aus den rein protoplasmatischen, fibrillär gebauten Zellen des Stratum germinativum umbilden. Es bliebe nun noch die Frage zu erörten, wie aus den ge- schilderten Strukturverhältnissen die Form der roten Blut- körperchen der Säugetiere sich erklären lässt. Rollett (00) vermag gerade diese nicht mit einer Membran in Einklang zu bringen und meint, dass schon diese Unmöglichkeit niemals den Gedanken an eine Membran hätte aufkommen lassen dürfen. Wie sei es denkbar, dass eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase mit bikonkaver Scheibenform wieder in einer Flüssigkeit schwimmt ? Nun scheint mir im Allgemeinen eine solche Fragestellung bei biologischen Problemen nicht besonders geeignet zu sein; es Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 501 gibt eine ganze Reihe von Dingen in der Biologie, deren Wesen wir nicht zu erkennen vermögen, die also nicht „denkbar“ sind, die aber trotzdem bestehen. In Wirklichkeit ist es hier aber gar nicht so schwer, eine Deutung zu finden. Ich habe bereits oben öfter zum Vergleiche einen dünnwandigen Gummiball herangezogen und möchte dieses Vergleichsobjekt beibehalten. Machen wir diesen völlig luftleer und füllen ihn zur Hälfte mit Wasser, so nimmt er die Form einer halbkugeligen Glocke an, genau wie die Blutkörperchen. Füllen wir nun den Ball ganz mit Wasser an, so wird seine Eindellung immer kleiner und kleiner und schliesslich wird er zur Kugel; pressen wir nun mit Gewalt noch mehr Wasser hinein, so wird er schliesslich platzen und das Wasser herausfliessen, genau wie das rote Blut- körperchen bei Wasserzusatz. Lassen wir dagegen aus dem halbgefüllten Ball das Wasser heraus, so sinkt die Delle weiter ein und der Ball flacht sich etwas ab; allerdings eine bikon- kave Form nimmt er dabei nur dann an, wenn er vor dem Vulkanisieren entsprechend behandelt worden ist. Dass aber die roten Blutkörperchen eine so gestaltete Scheibe bilden, liegt an den besonderen Elastizitätsverhältnissen der Membran. Um diese näher kennen zu lernen, müssen wir von der Art ihres Zusammenfallens nach dem Hämoglobinaustritt bei Wasserzusatz ausgehen. Wir haben gesehen, dass die Membran, übertrieben gespannt, an einer Stelle platzt, nun aber nicht sich kon- zentrisch von allen Seiten aus zusammen zieht, wie ich das in No. 1 der Textfigur durch die Pfeilrichtung dargestellt habe, sondern zusammenfällt (No. 2). Dadurch kommen schliesslich 1 2 5 4 h Sa, __ Schema zur Erläuterung des Zusammenfallens der Blutkörperchenmembran. die Wände fest aufeinander zu liegen, so dass eine flache Schale entsteht (No. 3), deren Rand, von oben gesehen, wegen der Wölbung des Ganzen als Ring erscheint, namentlich wenn die mittlere Partie sich einbuchtet (cf. Textfig. 4 mit Fig. 10); eben 502 Franz Weidenreich: so zeigen ja auch die Glocken des intakten Blutkörperchen von oben Ringform (Fig. 1f.). Der „Schatten“ ist also die zusammen- gefallene Membran und sein Aussehen ist auf die Form zurück- zuführen, die sie dabei annimmt; es entsteht eine flach gewölbte Schale. Die Glockenform wird also bei- behalten, nur erscheint die Wand ausserordentlich dünn, da die Membran ja keinen Inhalt mehr umschliesst (ef. Fig. 10a und 13a). Ganz charakteristisch ist dabei, dass die .‚Schatten“ bei Zusatz von konzentrierter Kochsalzlösung, wenn sie ihr Hämoglobin ganz herausgelassen haben, die oben beschriebenen starken Falten zeigen; man nehme einen völlig luftleeren, also schalenförmigen Gummiball mit dünner Wandung und versuche die Wände von einander abzuziehen, man wird dann Falten bekommen, die jenen der „Schatten“ aufs Haar gleichen. Ähnlich dürfen wir uns auch nun das Auftreten der bikonkaven Scheibenform erklären. Durch den Wasserverlust in hyperisotonischen Lösungen sinkt mit dem Hämoglobin die Membran zusammen. Die so entstehende dünnwandige Glocke plattet sich ab; indem nun auch auf der konvexen Seite eine Delle einspringt, wird die Aushöhlung auf beiden Seiten gleich; es resultiert so eine bikonkave Scheibe, deren Form der Ausdruck eines Gleich- gewichtszustandes ist. Auf die gleichen Ursachen, wie hier ge- schildert, lassen sich auch die Ringe bei den durch die Hitze- einwirkung abgeschnürten Kügelchen erklären, auch hier fällt nach dem Platzen die Membran in der angedeuteten Weise zusammen. Was nun die Maulbeerform angeht, so ist sie, wie wir oben schon gesehen haben, eine Folge des Wasserverlustes des Hämoglobins, also eine Schrumpfungserscheinung. Die Membran umschliesst überall das Hämoglobin, fällt somit mit diesem ein und zieht sich zuletzt mit ihm zur Kugelform zusammen; wird es durch Wasserzusatz wieder ausgedehnt, so folgt auch die Membran. Warum dabei aber nicht wieder die Glockenform erreicht wird, sondern stets nur eine ausgeglättete Kugel und warum nun bei Zusatz einer konzentrierten Kochsalzlösung nicht mehr Maulbeerformen, sondern Morgensterne und Stechäpfel ent- stehen, darauf muss ich die Antwort schuldig bleiben. Die roten Blutkörperchen sind doch eben keine Bälle und die Membran ist nicht von Gummi; alles lässt sich also so rein physikalisch noch nicht erklären, wir müssen diese Besonderheiten in einstweilen unbekannten Eigentümlichkeiten der betreffenden Stoffe suchen. Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 503 Soviel steht aber fest, dass die roten Blutkörperchen der Säugetiere die Form von Glocken haben, aus denen sie in hypisotonischen Lösungen zu Kugeln und in hyperisotonischen zu bikonkaven Scheiben werden, dass sie ferner von einer struktur- und farblosen elastischen Membran umhüllt sind, die eine nicht strukturierte, kern- und kernrestlose, Hüssige und gelbgefärbte Masse einschliesst, und dass endlich ein „Stroms nicht existiert. Ich habe bisher mit Absicht den Inhalt des roten Blutkörperchen mit Hämoglobin bezeichnet, weil in den Kreisen der Anatomen das Körperchen aus „Stroma‘“ und „Hämo- globin‘‘ zusammengesetzt betrachtet wurde; man stellte sich ja vor, dass die Wasserwirkung darin bestände, dass das Hämoglobin in Lösung geht, also heraustritt und das „Stroma“, der „Schatten“, zurück bleibt. Nachdem aber die Physiologen nachgewiesen hatten, dass eine Reihe von Eiweisskörpern und Salzen in den roten Blutkörperchen in Lösung enthalten ist, verstanden diese nun- mehr unter Hämoglobin nur noch den kristallisierbaren Blut- farbstoff, wählten also die Bezeichnung des ursprünglich Ganzen für einen Teil desselben; so kam es, dass anatomisch und physiologisch unter Hämoglobin etwas verschiedenes verstanden wurde. Da ich nun nachweisen konnte, dass bei der Einwirkung von Wasser auf die roten Blutkörperchen nur die Membran zurück bleibt, der gesamte Inhalt aber in Lösung geht, von dem nach der physiologischen Nomenclatur der Blutfarbstoff, also das Hämoglobin, nur einen Teil ausmacht, so dürfte es sich nunmehr empfehlen, für den gesamten von der Membran um- schlossenen und oben näher skizzierten Inhalt eine neue Bezeichnung zu wählen, für die ich das Rollett’sche Endosoma (00) acceptieren möchte. Darunter wäre dann allerdings etwas anderes zu verstehen, als Rollett wollte; ich finde aber keine passendere Bezeichnung Hämoglobin heisst dann nur der Blutfarbstoff, derin dem Endo- soma mit anderen Substanzen enthalten ist. Wenn also Lieeuwenhoek bereits vor 200 Jahren die roten Blutkörperchen der Säugetiere mit wassergefüllten Blasen verglich, in die man mit dem Finger eine Delle hineingedrückt hat, so ist er in der Hauptsache gut unterrichtet gewesen. 504 Franz Weidenreich: Literaturverzeichnis. Beale, Lionel S. 64: ÖObservations upon the nature of the red blood- corpuscels. Transact. of the Mier. Soc. London. Berres, 37: Anatomia microsc. corporis humani. Brass A. 97: Atlas der normalen Gewebelehre des Menschen. Brücke E., 61: Die Elementarorganismen. Sitzungsber, d. Wiener Akad. Math. nat. Kl. Bd. 44. 2 Abth. Derselbe, 67: Ueber den Bau der roten Blutkörperchen. Ebenda, Bd. 56. 2. Abt. Deetjen H. 01: Die Hülle der roten Blutzellen. Virch. Arch. Bd. 165. Dekhuyzen M. 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Wagner R., 33: Zur vergleichenden Physiologie des Blutes. Derselbe, 38: Nachträge zur vergl. Physiologie des Blutes. Weidenreich F, 00: Ueber Bau und Verhornung der menschlichen Oberhaut. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 56. Welker H., 64: Grösse, Zahl, Volumen, Oberfläche und Farbe der Blut- körperchen. Zeitschr. f. rat. Mediz. Bd. 20, III. R. Erklärungen der Figuren auf Tafel XXIll u. XXIV. [Mit Ausnahme der Fig. 9, 19, 20 und 32 stellen sämtliche Figuren menschliche Blutkörperchen dar, ausser Fig. 21—23 aus dem Blute des Verfassers. Wo nichts anders bemerkt, sind sie mit Seiberts Obj.6 und Zeiss Oc. 6 aufgenommen, (Zeiss- Stativ)]. Fig. 1. Blutkörperchen ohne Zusatz bei 37,5°. Fig. 2. Blutkörperchen in 0,6°/o Kochsalzlösung bei 375°. (Oec. 8). Fig. 3. Blutkörperchen im menschl. Serum bei 37,5°. Fig. 4. Blutkörperchen direkt in 1°) Osmiumlösung fixiert. Fig. 5. Blutkörperchen direkt in Hayem’scher Lösung fixiert. Fig. 6. Blutkörperchen in 0,6°o Kochsalzlösung bei 37,5° Geldrollen- bildung. Fig. 7. Blutkörperchen in hyperisotonischer 0,9°/o Kochsalzlösung bei 37,5°. Fig. 8 Blutkörperchen in hyperisotonischer 0,4°/o Kochsalzlösung bei 37,5°. Fig. 9. Blutkörperchen aus Schnittpräparaten in Zenker’scher Flüssig- keit fixiert und mit Orange G. gefärbt. a. Ratte (Querschnitt durch eine Vene); b. Schwein; ce, Igel; d. Hund; e Schaf; f. Kaninchen. Fig. 10. Blutkörperchen-„Schatten“ (Membran) von oben und von der Seite gesehen. In 1°/ Osmiumlösung fixiert. Fig. 11. „Schatten“ (Membran) nach Behandlung mit 1°/o Chromsäurelösung. Fig. 12. Blutkörperchen bei direktem Zusatz von 1°/o Chromsäurelösung. Fig. 13. Geschrumpfte „Schatten“ von oben und der Seite. Fig. 14 u. 15. Blutkörperchen bei Behandlung mit 34°) Gerbsäurelösung. Austritt des Hämoglobins aus der Membran. Fig. 16. „Schatten“ (Membran) nach Behandlung mit derselben Lösung. Fig. 17. Blutkörperchen nach Behandlung mit ?/«°/o Gerbsäure-Kochsalz- lösung. Fig. 18. Blutkörperchen durch Behandlung mit konzentr. wässeriger Pikrin- säurelösung aufgesprungen. Fig. 19. Blutkörperchen vom Frosch vor, während und nach Wasserzusatz. Fig. Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe. 507 20. Blutkörperchen vom Frosch. (Oec. 4). al. a. Geplatzte Membran und Hämoglobinaustritt bei Behandlung mit °/4°/o Gerbsäurelösung; b. u. ce. Faltung der Membran nach Behandlung mit demselben Reagens, d. Geschrumpftes Körperchen in isotonischer Lösung, Rote und weisse Blutkörperchen aus einem Schnittpräparat der menschlichen Milz. Fixation mit Zenker’scher Flüssigkeit. Membran der roten Blutkörperchen durch Färbung mit Heiden- hain’schem Eisenhämatoxylin dargestellt. Zeiss Ap. 2 u. Oe. 6. . Kristalle in den roten Blutkörperchen und Membran; aus einem Schnittpräparate der menschlichen Milz. Fixation und Färbung wie bei Fig. 21. Zeiss’Ap. 2.u20e, 6. 23. Dasselbe im polarisierten Licht. . 31. . 32. . 25, 26. Blutkörperchen beim Erhitzen auf 52°. . Blutkörperchen beim Erkalten nach Erhitzung auf 52°. ig. 28. g. 20 und 30. „Schatten“ (Membran) von erhitzten Blutkörperchen nach Dieselben geschrumpft nach Zusatz konzentrierterer Kochsalzlösung. Wasserzusatz. Blutkörperchen beim Erhitzen auf 52° und Zusatz von °/s°/o Gerb- säurelösung. Blutkörperchen vom Frosch beim Erhitzen über 52°. (Oe. 4) a L Ars 47 N 17 vous) KB TSdHinNe DL NER s Fe 17 Arie Sad I et dm ee aut lDsiiPlen j P ö ! EM ’ . } x ullumslagkriaih, 125 10a along u.a Me ia AR Mn aut ri. fein rin, j ae II 2 ? X j4siV a Ar WA hısah N l aaa ir "as « i f 17 IKT "An ra rer DEREN N n 77 STOREEATERER ar BALıT ta EI DRBE B idx3% RE ne hr k Klein ren . rl, OEREN Immer Rn | f It N 5 3 ut, Bi ati rer ee KO 2 > ’ NT An... Be WR a lie MESANT, hir Ö 6 a E Er rrsaur Baia, Aus dem anatomischen Institut der Universität Breslau. Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. IV und V. Die Extremitätenscheitelleiste der Amnioten und die Anlage der Mitteldarmdrüsen. ‚Von Karl Peter. Hierzu Tafel XXV und 3 Figuren im Text. I, Die Extremitätenscheitelleiste der Amnioten. Die Entwicklung der Gliedmassen ist ein viel behandeltes Kapitel, seitdem man das Dunkel, welches über ihrer Herkunft schwebt, durch Untersuchung der Ontogenese zu erhellen suchte. Doch beschränkte die Frage, ob die Fxtremitäten aus umge- wandelten Kiemenbogen und -strahlen (Gegenbaur) oder aus seitlichen Flossensäumen (Thacher-Mivart) hervorgegangen seien, die Forscher mehr auf das Studium des inneren Baues, der Bildung von Muskeln, Skelett und Nerven; die Entwicklung der äusseren Form trat in den Hintergrund und wurde, wenn überhaupt, nur kurz berücksichtigt. Daher erstaunte ich nicht, als ich vor mehreren Jahren bei näherer Betrachtung von Eidechsenembryonen eine scharfe, deutlich sichtbare Leiste über die Extremitätenstummel ziehen sah, von welcher die Literatur fast völlig schweigt, so auf- dringlich das Gebilde auch schien. Dies veranlasste mich Anlage und Weiterbildung dieser Leiste bei Lacerta zu verfolgen und auch die beiden anderen Amniotenklassen auf das Vorhanden- sein einer solchen Bildung zu prüfen. Ich hoffte dadurch einen Einblick in ihre Bedeutung zu gewinnen, eine Erwartung, die sich allerdings nur zur Hälfte erfüllt hat. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 34 510 KarlPeter: I. Beschreibung der Befunde. I batertararilis: Im Lupenbild fand ich die erste Andeutung der Extre- mitätenleiste bei einem Embryo von etwa 40 Ursegmenten (Std.I). Die stummelförmige Hervorragung der vorderen Gliedmasse ist bei demselben bereits durch eine seichte dorsoventral gerichtete Einkerbung in einen frei abgehobenen distalen Teil und eine “ weniger vorspringende Basis geschieden, welcher letzteren die noch deutlich durchscheinenden Muskelknospen des 6. und 7. Myotoms zustreben. Der freiabgeschnürte Endabschnitt steht fast recht- winkelig vom Rumpf ab und zeigt eine dorsale und ventrale Fläche. Über die Kante dieses distalen Teils läuft nun eine un- scharfe Leiste, welche an der genannten Einsenkung ziemlich plötzlich abschneidet, also die Basis nicht mit überzieht, dagegen den Endabschnitt, den wir schon hier als Anlage der Hand bezeichnen wollen, in ganzer Ausdehnung bedeckt. Die Leiste liegt etwas näher der Ventralseite zu und teilt daher an der Handanlage eine umfangreichere und stärker konvex gebogene dorsale und eine kleinere flachere ventrale Fläche ab; an der abgeschnittenen Gliedmasse ist sie also in der Ansicht von ventral in ihrem ganzen Verlaufe sichtbar. Dass man es hier in der That mit einem Öberflächenrelief und nicht mit einem durchscheinenden Gebilde zu thun hat, das beweisen neben den Schnittbildern durchgefärbte, also undurchsichtige Embryonen, bei welchen die Leiste schärfer hervortritt ; doch ist sie bei entsprechender Be- leuchtung auch an den Extremitäten ungefärbter Exemplare gut zu sehen. Die untere Gliedmasse lässt in diesem Stadium noch kein ähnliches Relief erkennen; der flache Stummel ist von völlig glatter Oberfläche. Doch tritt auch hier bald die gleiche Er- hebung auf. Je weiter die Extremitäten hervorwachsen (Std. II), desto schärfer und höher wird die Leiste und stellt damit eine sehr auffallende Bildung dar (s. Fig. 1). Doch bleibt ihre Ausdehnung die gleiche: sie beschränkt sich auf das ursprüngliche Gebiet von Hand resp. Fuss, greift also nicht auf den hervorsprossenden Arm oder das Bein über; die abgeschnittene Anlage zeigt rings- herum die Basis frei von diesem Aufsatz. u. Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 5ll Mit der Drehung von Arm und Bein, welche die Ventral- _ fläche den Rumpfseiten nähert, gelangt die Leiste an den Kontur der Gliedmasse und verschwindet daher in der Aufsicht, des Embryo dem Blick fast völlig; die Schnittserie oder die Be- trachtung abgeschnittener Extremitäten tritt hier ergänzend ein und zeigt, dass sie noch ziemlich lange persistiert, und zwar‘ stets nur Hand, resp. Fuss, überziehend. Erst wenn der Teil, welcher den Fingern den Ursprung geben soll, sich plattentörmig aus diesem Vorderabschnitt sondert, verliert unser Gebilde an Schärfe und Deutlichkeit und ist mit dem ersten Auftreten der Fingerstrahlen verschwunden. Auch an abgeschnittenen und durch- gefärbten Extremitäten älterer Eidechsenembryonen vermochte ich, wenn ich sie von der Kante betrachtete, nie mehr eine An- deutung der Leiste zu erkennen ; Ventral- und Dorsalfläche gingen abgerundet in einander über, soweit es sich nicht um den zuge- schärften mesodermhaltigen west der Schwimmhaut zwischen den Fingerstrahlen handelte. Die Schnittserie zeigt die erste Anlage der Leiste schon früher, als sie im Lupenbild kenntlich wird, bereits bei einem Embryo von 33 Ursegmenten (Std. III. An der Spitze der quergetroffenen vorderen Extremität, welche noch mit breiter Basis dem Rumpf aufsitzt, verdickt sich die innere Lage des zweischichtigen Epithels innerhalb eines ziemlich scharf um- srenzten Bezirks (s. Fig. 2a). Das Ektoderm ist hier 20 « hoch gegen 10 « in der Umgebung. Die Kerne, welche sonst in einer Reihe nebeneinander lagern, drängen sich in mehreren Schichten übereinander, und das dichte Protoplasma der gehäuften Zellen gibt dieser Stelle ein dunkleres Ansehen. Die spärlichen flachen Elemente der Supraepithelialschicht zeigen keine Beteiligung an diesem Wucherungsprozess, und auch das Mesoderm bleibt ohne Veränderungen. An der hinteren Gliedmasse lässt sich in diesem Stadium noch keine ähnliche Verdickung nachweisen: sie tritt aber in völlig gleicher Weise auch dort bald auf und unterscheidet sich in nichts von der der vorderen Extremität, so dass ich meine Beschreibung auf die letztere beschränken kann. Im Laufe der weiteren Entwicklung erhebt sich die Ver- diekung immer schärfer heraus; die länglichen Kerne ordnen sich radiär, nach dem Mesoderm zu konvergierend an. 34* 512 Karl Peter: Sehr bald faltet sich nun diese Erhabenbheit ein, so dass dem Mesenchym eine rein epitheliale Falte aufsitzt (s. Fig. 2b, Std. IV). Die beiden Wände derselben liegen dicht aneinander; ein Hohlraum ist kaum wahrzunehmen. Lange Zellen, deren längliche Kerne radiär zum Lumen angeordnet dichtgedrängt in mehreren Reihen stehen, bilden die Falte. Dies fällt um so mehr auf, als schon in nächster Umgebung das unveränderte Sinnesblatt nur eine’ Lage rundkerniger Ele- mente trägt. Die Supraepithelialschicht zieht nach wie vor unbeteiligt über die Erhöhung hinweg, wie auch das Bindege- webe sich durchaus passiv verhält; ein Einwandern von Mesen- chymzellen in den schmalen Hohlraum der Falte ist nie zur Beobachtung gekommen, trotz eigens daraufhin gerichteter Auf- merksamkeit. Noch nach der Ablage des Eies tritt diese Falte im Ober- flächenbild als Leiste imponierend in aller Schärfe in Erscheinung. Indes lässt schon ein Embryo mit 63 Ursegmenten (8 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen, Std. V), deutliche Rückbildungs- erscheinungen erkennen. Von einer Falte kann man hier eigent- lich nicht mehr sprechen ; die Stellung der Kerne ist zwar noch die gleiche, aber die beiden Wände sind zusammengeflossen und bilden eine solide, noch ziemlich hohe Verdickung mit radiär angeordneten Zellen. Figur 2c zeigt ein weiteres Stadium der Degeneration (Std.VI). Der Kante der Hand eines 13 Tage nach Eiablage fixierten Embryos sitzt hier nur noch eine niedrige Verdickung auf, die keine Andeutung einer Faltenbildung mehr erkennen lässt. Die radiäre Stellung der Kerne ist nicht mehr von der Regelmässig- keit, wie sie sich in früheren Stadien fand; oft liegen diese Körper recht ungeordnet nebeneinander, doch zeigen sie keinerlei Degenerationserscheinungen. Da nun ein Einwandern von Mesen- chymzellen in die epitheliale Falte, ein „Sprengen“ derselben ausgeschlossen werden konnte — die äussere Grenze des binde- gewebigen Grundstocks der Extremität bildet immer eine flache rundliche Linie — so ist nur ein Ausgleichen derselben mit allmählichem Niedrigerwerden anzunehmen. Wie auch anderswo bei sich rückbildenden Zellmassen beobachtet (vergleiche das Schwinden der Neuroporusverdickung in der III. Mitteilung), geht die Degeneration nicht in gleichem Schritt auf der ganzen Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 513 Strecke vor; in anderen nahe gelegenen Schnitten ist die Ver- dickung viel bedeutender reduziert, zeigt bald eine spitzige, bald mehr abgerundete Form, kurz eine grosse Unregelmässigkeit.- Diese findet einen weiteren Ausdruck darin, dass die einzelnen Stadien in dem Grad der Rückbildung sich sehr verschieden verhalten. Ein wenig weiter entwickelter Embryo zeigte z. B. die Falte noch ziemlich deutlich. Dagegen waren alle Spuren derselben verwischt bei einem älteren Embryo (Std. VII); der First der Hand besitzt in reinen Querschnitten einen durchaus gleichmässigen Epithelbelag. Hier stimmen Betrachtung des Oberflächenbildes und der Schnittserie völlig überein. 2.VoOBeL. Auch bei Vogelembryonen gelang es mir ohne Schwierigkeit, die Falte auf der Anlage der Gliedmassen zu sehen. Doch ver- schwindet dieselbe in der Aufsicht eher als bei Reptilien, da die flachere Extremität sich sehr bald dem Körper anschmiegt und die Leiste an den Kontur gelangt. Ein Entenembryo vom Stadium 16 (die Zahlen ent- sprechen den Figuren in Keibel und Abrahams Normentafel des Huhnes) besass noch glatte Fxtremitätenhöcker, doch zeigte ein solcher vom Stadium 25 an den freien Endabschnitten von Arm und Bein eine scharfe Leiste, welche der bei der Eidechse beschriebenen völlig glich. Auch Hühnerembryonen vom selben Entwicklungsgrad besitzen diese interessante Bildung, die sich in gleicher Weise auf den First der Hand resp. des Fusses beschränkt. Ich ver- mochte sie noch bei Embryonen zu erkennen, welche die erste Anlage von Federn zeigten; dagegen liess sich etwa vom Stadium 35 an nichts mehr nachweisen. Auch das Schnittbild ist dem bei Lacerta beschriebenen so ähnlich, dass ich, um nicht in blosse Wiederholungen zu fallen, mich in seiner Beschreibung kurz fassen werde. Die Falte ist zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung sogar noch auffälliger, als bei der Fidechse (s. Fig. 3, Stad. von 3,6 mm Kopflänge). An den Seitenflächen des Extremitätenstummels ist die Sinneslage des Epithels — das etwas dichtere Teloderm nimmt auch hier keinen Anteil an der Wucherung — einschichtig und besteht aus kubischen Zellen. Plötzlich, auf dem Scheitel, verlängern diese sich ausser- 514 Karl Peter: ordentlich und schlagen eine hohe scharf abgesetzte Falte. Der enge Hohlraum, welcher zwischen den beiden "Blättern liegt, birgt keine Mesodermzellen. Die Falte flacht sich eleichfalls zu einer soliden Verdickung ab und sinkt zusammen (K-L 6 mm), erhält sich aber in dieser Gestalt noch ziemlich lange. Die dorsale und ventrale Fläche der Hand gehen dann mit scharfer, wenig verdickter Kante in einander über (K-L 8.7 mm). Frst bei Embryonen von 10 mm K-L fand ich den Wulst vollständig ausgeglichen. 3.1 SAL Ber, Eine genaue Zeitangabe der Entstehung der Extremitäten- falte lag auch für die Säugetiere nicht in meiner Absicht: ich beenügte mich mit der Konstatiernng des Vorkommens der gleichen Bildung bei einem Eiehhörnchenembrvo von b mm Länge, Kaninchen von 6,5 mm Länge, und bei Schweins- embryonen im Stadium 21 und 26 der Keibel’schen Normen- tafel. Fienr 4 zeigt die vordere Extremität des erstzenannten Schweinsembryos von der Ventralseite. Ziemlich scharf hebt sich dieht am Rand — wie bei der Fidechse überragt die stark geborene Dorsalseite die Bauchfläche — die Scheitelleiste her- vor. Auch hier überzieht sie nicht den ganzen Stumpf, sondern lässt die Basis frei. Doch bildet der Handabschnitt, welcher den Wulst trägt, den grössten Teil der Gliedmasse. Alles dies sind Angaben, die bei der Fidechse in gleicher Weise gemacht wurden. Sobald die Finger deutlich werden (Maus 1 cm Länge), hat sich die Leiste völlig ausgeglichen, stellt also auch bei den Säugetieren eine vorübergehende Bildung dar. Im Schnitt lässt sich eine interessante Abweichung von dem bei den Sauropsiden beschriebenen Verhalten erkennen. Zwar ist die Entstehung der Verdickung, die schon beim Kanin- chenembryo von 3,2 mm K-L eine ziemlich beträchtliche Höhe besitzt, die gleiche, doch ist das Aussehen der entwickelten Bildung (3,6 mm Kopflänge, 7,3 mm Steiss-Scheitellänge: hier, wie später, handelt es sich um Kaninchenembryonen) ein ziemlich anderes, wie Figur 5 lehrt. Die Extremität ist in reinem Längs- schnitt getroffen, das seitliche, doppelschichtige Ektoderm zeigt deutlich, dass es sich nicht um einen Schrägschnitt handelt. An der Spitze erhebt sich das Epithel zu einem soliden hohen Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 515 dreieckigen Höcker, welcher sich gegen das Mesoderm in einer leicht konvex vorspringenden Linie abgrenzt. Eine Ein- faltung unterbleibt und tritt auch später nicht in die Er- scheinung. Bei Embryonen von 6,5 mm K-L ist der Wulst bereits erheblich reduziert und zeigt kaum mehr die doppelte Höhe des umgebenden Hornblatts. Als letzten Rest konnte ich bei Exem- plaren von 7,8 mm K-L eine schwache Epithelerhöhung mit dichter und unregelmässig gestellten Kernen entdecken. An dem Rand der Fingerstrahlen eines Embryo von 9 mm K-L zeigte das Epithel dagegen keinerlei Differenzierung mehr. Ein menschlicher Embryo, bei welchem ich die Leiste in der Aufsicht hätte studieren können, stand mir’ leider nicht zu Verfügung. Doch konnte ich einige Schnittserien durch- mustern und fand eine ganz ähnliche Bildung wie beim Kaninchen. Jüngere Stadien zeigen mehr eine diffuse Verdickung auf dem Scheitel der Extremität. Bei älteren Exemplaren findet sich ein scharf umschriebener Wulst der Sinnesschicht (s. Fig. 6 von einem Embryo von 11'/s mm Länge), über welche die Supra- epithelialschicht unbeteiligt hinweg zieht. Eine eigentliche Leiste oder gar Falte bildet sich nicht; die Verdickung ragt kaum merkbar über das Niveau der Extremität hinaus; sie greift da- gegen in den Bereich des Mesoderms ein, welches an dieser Stelle eine seichte Delle trägt. Spätere Stadien scheinen, nach den Abbildungen von Lewis zu schliessen, eine etwas spitzere Verdickung zu besitzen. Bei Eidechsenembryonen findet sich also auf dem Scheitel des Extremitätenstummels eine Epi- thelverdickung, welche sich auf die Gegend von Hand und Fuss beschränkt und an der vorderen Gliedmasse früher in Erscheinung tritt alsan der hinteren. Dieser Wulst, im Oberflächenbild als scharf begrenzte Leiste deutlich sichtbar, erhebt sich zur Falte, bildet sich aber in späteren Stadien völlig wieder zurück. Vogelembryonen zeigen ein ganzgleiches Verhalten. Auch bei Säugetieren,inkl. Mensch,trifft man eine homologe Bildung, die hier aber auf dem Stadium der Verdickung verharrt, 516 KarlPeter: also keine Falte schlägt, und welche auch spurlos verschwindet, ohne einem bleibenden Organ zur Anlage zu dienen. Bei Amphibien konnte ich dagegen keine Scheitelleiste auf den Extremitätenstummeln nachweisen, obgleich mir ein be- weiskräftiges Material von Nekturusembryonen, welches ich der Güte des Herrn Prof. Minot verdanke, zur Verfügung stand. II. Literatur. In der Literatur hat die Extremitätenleiste, wie oben be- merkt, wenig Beachtung gefunden, zumal was Vögel und Säuger betrifft. Der erste, dem sie daselbst nicht entging, ist natürlich Kölliker, welcher in seinem Lehrbuche an einem Schnitt durch einen 5 Tage alten Hühnerembryo eine „stark verdickte Stelle des Hornblatts an der Spitze der Extremitätenstummel“ zeichnet und von einem 10—11tägigen Kaninchen bemerkt, dass es „an der freien Spitze der Extremität, gerade wie beim Hühnchen, eine Verdickung zeigte.“ His spricht beim Hühnchen nur von einer „scharfen Kante, in welcher Dorsal- und Ventralfläche des Extremitätenstummels in einander übergehen.“ In der Aufsicht finde ich die Leiste nirgends scharf abgebildet; undeutlich ist sie wohl als Linie auf den Gliedmassenstümpfen des Hühnchens in Figur 20 und 36 von Keibels und Abrahams Normentafel erkennbar. Für menschliche Embryonen bemerkt His bei der Besprechung seiner Stadien A und B: „der Hornblattüberzug ist am freien Rand der letzteren (Extremitäten) nicht unerheblich verdickt.“ Gut kenntlich ist die Leiste in den neuesten Arbeiten über die Gliedmassenentwicklung des Menschen von Bardeen und Lewis und von Lewis. Ich sehe sie auf der Kante der hinteren Extremität in Figur 8 der ersten Arbeit (Embryo von 9 mm Länge) und in Schnittzeichnungen des zweiten Aufsatzes als deutliche Verdickung (Fig. 3, 4, 5; Embryonen von 4,5, 5 resp. 7” mm Länge). Doch erwähnt der Text, welcher andere Zwecke verfolgt, nichts von dieser Bildung. Etwas genauer sind die Angaben für die Reptilien; be- greiflicherweise, da die Falte hier im Oberflächenbild so auffallend vorspringt. Mollier erkennt schon an den Extremitäten eines 37 Myotome besitzenden Embryos der Mauereidechse „auf Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 517 dem Scheitel derselben eine knopfförmige Verdickung. welche den Beginn einer eigentlichen Faltenbildung darstellt.“ In der Aufsicht bildet er die Leiste nicht ab. Weiterhin beschreibt und zeichnet Voeltzkow die Glied- massenanlagen seiner Krokodilembryonen „linsenförmig mit scharfem Rand“ (Fig. 46, 69, 119). Wenn er aber den meso- dermhaltigen Saum, der später die hervorsprossenden Finger verbindet, mit unserer Falte in Zusammenhang bringt (er will die erste Anlage des Saumes im Stadium der Linsenform finden), so kann ich ihm hierin nicht folgen: ich konnte bei Lacerta, sobnld die Strahlen sich zu sondern beginnen, weder in der Aufsicht noch im mikroskopischen Bild einen Rest der rein ektodermalen Leiste mehr entdecken; die Schwimmhäute zwischen den Fingern sind mesodermhaltig und eine ganz differente Bildung. Endlich sehe ich bei einem Schauinsland’schen Hat- teriaembryo, den Keibel in Hertwigs Handbuch der Ent- wicklungslehre in Bd. II, 1 Fig. 28 abbildet, die Scheitelfalte angedeutet. III. Bedeutung der Scheitelleiste. Die phylogenetische Bedeutung der Falte hat Mol- lier bereits erkannt: in dem eben erwähnten Zitat spricht er von dem „Beginn einer eigentlichen Faltenbildung, wie wir sie aus der Entwicklung der Selachierflossen kennen.“ Da diesem Gebilde bei den Fischen ein hoher Wert zuerkannt wurde, sei es gestattet, einen Augenblick bei seiner Entstehung zu verweilen. Balfour fand bei Torpedo — ich folge hierin Molliers Schilderungen — als erste Andeutung der Extremitäten eine ektodermale Leiste an den Seiten des Körpers. wie sie auch die Bildung der unpaaren Flossen einleitet. Bekanntlich stüzt sich auf diesen Saum die „Seitenfaltentheorie“ der. Gliedmassenent- stehung, welche eingangs Erwähnung fand. An den Stellen der Extremitäten wird die Leiste zur Falte erhoben und durch Meso- blastanhäufung nach aussen vorgedrängt: die Zwischenstrecke bildet sich schnell zurück. Mollier vermochte allerdings die ektodermale Leiste erst zu entdecken, nachdem „schon eine starke Verdickung der Somatopleura im Brustflossenbezirke zu sehen“ war. In gleicher Weise entwickelt sich eine ektodermale Falte bei der Entstehung der paarigen und unpaaren Flossen der 518 Karl Peter: Teleostier und zwar allein von der Sinnesschicht des Epithels aus. Harrison beschreibt dies vom Lachs und ’Swirski vom Hecht. Diese Falten erreichen auch hier eine ziemlich be- trächtliche Höhe. Über ihre weitere Entwicklung berichtet Harrison für die unpaaren Flossen: „Der Saum bildet sich bald zu einer scharf ausgeprägten Leiste aus, welche beträcht- lich über die Konturen des Körpers hervorragt. Zuerst ist er mit einer einfachen Flüssiekeit oder Gallerte gefüllt. aber bald darauf wandern Mesenchvmzellen in ihn hinein und bilden mit ihren verzweigten Fortsätzen ein loses Netzwerk.“ Nach "Swirski findet dieselbe Sprengung der epithelialen alte durch Bindegewebe bei den paarigen Flossen des Hechtes statt, und es bildet sich daselbst das „sekundäre Flossenskelett.“ Somit haben wir in dieser Falte bei den Fischen eine eigenartige Bildung vor uns, welche einem wichtigen bleibenden Teil zum Ursprung dient. Dass nun die Scheitelfalte an den Extremitätenstummeln der Amnioten dieser Falte gleichzustellen sei, darüber kann bei einem Vergleich der betreffenden Figuren gar kein Zweifel obwalten. Zumal die Figuren 1,2 und 3Harrisons gleichen so genau meinen Figuren 2a und b. dass man sie fast vertauschen könnte. Die Bildung der Falte erfolgt demnach bei Fischen wie Amnioten in völlig übereinstimmender Weise, bei beiden auch ohne Beteiligung der Deckschicht des Ektoderms. Die spätere Ausgestaltung weist allerdings nicht unbeträchtliche Unterschiede auf. Finmal entsteht die Leiste bei der Eidechse erst nachdem dıe Extremitäten sich bereits ziemlich weit abgehoben haben: eine Verbindung der vorderen mit der hinteren Gliedmasse durch einen epithelialen Saum findet daher, wie ja auch bei Knochenfischen, nicht statt. Sodann erreicht sie nicht die Höhe, welche Mollier bei Selachiern und Harrison und ’Swirski bei Teleostiern, zeichnen. Endlich, und das ist das wichtigste, wird sie nicht durch einwucherndes Mesoderm gesprengt; das Bindegewebe zieht stets in flachem Bogen unter ihr hindurch, und wenn ein enger Hohlraum zwischen den beiden Faltenblättern bleibt, so ist er stets frei von Mesenchymzellen. Die Leiste bildet sich bei den Amnioten völlig zurück, indem ihre Elemente sich unregelmässig Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 519 aneinanderlegen und die Erhöhung allmählich ausgleichen. In- teressant war es zu verfolgen, dass die Bildung bei den Säugern in völlig gleicher Weise einsetzt, ihre Existenz aber insotern abgekürzt wird, als gar keine Falte mehr aufgeworfen wird, sondern nur eine Verdickung entsteht, welche ebenfalls spurlos verschwindet Bei Amnioten dient die Scheitelleiste also keinem bleibenden Organ zur Anlage, und daraus ergiebt sich, dass die Frage nach ihrer biologischen Be- deutung ungleich schwieriger ist als die nach ihrem phylo- genetischen Werte. Dass die Entwicklung der schmalen Fischflossen sich durch eine Falte des deckenden FEpithels einleitet, ist unschwer mechanisch zu verstehen. Bei den rundlichen Gliedmassenstummeln der Am- nioten fällt dieser Grund aber vollkommen weg. Es wiederholt sich trotzdem die Anlage der ektodermalen Leiste, bei Sauropsiden in höherer Vollendung als bei Säugetieren, ohne dass eine bio- logische Ursache für dieses auffällige und durchaus gesetzmässig geregelte Vorkommnis ersichtlich wäre. So sehr ich nun davon überzeugt bin, dass dieses Gebilde auch für die Entwicklung des Amniotenembryos von Wert ist, so muss ich doch gestehen, dass ich zur Zeit die Bedeutung dieser Falte nicht enträtseln kann. IV. Bemerkungen zum Wachstum der Extremitäten. Anhangsweise seien noch einige kurze Bemerkungen über das Wachstum der Gliedmassen angeführt, welche sich aus den vorstehenden Zeilen ergeben. Die bereits in so frühen Stadien in die Erscheinung tre- tende Scheitelfalte gibt uns zur Beurteilung des Wachstums eine gute Handhabe Da sie ja in ganzer Länge erscheint und währen ihrer weiteren Entwicklung an den Enden keinerlei Degeneration erkennen lässt, so vermag man bereits bei Em- bryonen, deren Extremitäten noch nicht weit, gegliedert sind, den leistentragenden Bezirk von Hand und Fuss genau abzugrenzen. Die Leiste wird, wie oben berichtet, sichtbar. wenn die Erbebung der vorderen Extremität bereits durch eine seichte Abknickung in einen distalen und proximalen Teil zerfällt. Da die Zellenwucherung sich über die ganze Länge des ersteren Abschnitts erstreckt, so wird man bei der Gliedmassenbildung erst von einer Scheidung in Hand und Arm reden müssen. 520 KarlPeter: Diese ersteKnickung liegtdemnachnicht im Ellen- bogengelenk. Die Trennung von Ober- und Unterarm er- folgt erst später. Weiterhin ist das Längenverhältnis der einzelnen Teile der Gliedmasse während des Wachstums nicht ohne Interesse. Mehnert hat schon in seiner Kainogenesis auf die Kürze der sich knorpelig anlagernden Arm- resp. Schenkelskelette hingewiesen; er zitiert Götte, welcher diese Knorpel bei Am- phibienlarven ‚bisweilen kanm länger als ein Carpale oder Tarsale“ fand Das Missverhältnis in der Länge der einzelnen Gliederab- schnitte tritt noch mehr in früheren Stadien vor Anlage eines Skeletts bei Oberflächenbetrachtung hervor. Anfangs bildet der leistentragende Handbezirk fast allein den freien Teil der Extre- mität und noch lange Zeit hört die Scheitelfalte nur eine kurze Strecke vor der Insertion. des Stummels auf, — Arm und Bein treten dagegen vollständig zurück. Noch wenn die Fingerstrahlen deutlich zu werden beginnen, besitzen Ober- und Unterarm zu- sammen erst die Länge der Hand. Ziemlich spät gleicht sich dieses eigentümliche Verhältnis aus. Man ist geradezu versucht, die distalen Abschnitte der Extremitäten, Hand und Fuss, welche während der Entwicklung ein derartiges Übergewicht be- kunden, für die ursprünglichsten und wichtigsten Teile der Glied- massen anzusprechen, welche durch die spätere proximale Stütze von Arm und Bein grössere Wirksamkeit gewinnen sollten. Verzeichnis der zitierten Literatur. Bardeen, ©. R. und Lewis, W. H.: Development of the Limbs, Body- wall and Back in Man. The Americ. Journ. of Anat. I. 1902, Götte, A.: Über Entwicklung und Regeneration des Gliedmassenskeletts der Molche. Leipzig 1879. Harrison, R G.: Die Entwicklung der unpaaren und paarigen Flossen der Teleostier. Arch. mikr, Anat. XLVI. 1895. His, W.: Die erste Entwicklung des Hühnchens im Ei. Leipzig 1868 Derselbe: Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880—85. Keibel, Fr.: Normentafel zur Entwicklungsgeschichte des Schweins. Jena 1897. Derselbe: Entwicklung der äusseren Körperform der Wirbeltierembryonen. Handbuch d. vergl. Entwicklungslebre v Hertwig, Bd. II. Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 521 Keibel und Abraham, R.: Normentafel zur Entwicklungsgeschichte des Huhnes. Jena 1900. Kölliker, A.: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Wirbeltiere. Leipzig 1879. Lewis, W. H.: The Development of Arm in Man. The Americ. Journ, of Anat. I. 1902. Mehnert, E.: Kainogenesis als Ausdruck differenter phylogenetischer Energieen, Morphol. Arb. VII. 1897. Mollier, S.: Die paarigen Extremitäten der Wirbeltiere. I. Das Ichty- opterygium. Anat. Hefte III. 1893. Derselb.e: Il. Das Cheiropterygium. Ibid. V. 189. 'Swirski, G.: Untersuchungen über die Entwicklung des Schultergürtels und des Skeletts der Brustflosse des Hechtes. Inaug.-Diss. Dorpat 1880. Voeltzkow, A.: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Biologie und Entwicklung der äusseren Körperform von Crocodilus madagascariensis. Abh. Senckenb. naturf. Ges. XXVI. 1899. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV. (Fig. 1—6). Fig. 1. Nicht völlig ausgeführte Kopie einer Zeichnung von Herrn Seiffert für die Normentafel der Eidechse. Embryo von etwa 46 Ursegmenten (ist noch nicht geschnitten worden). Zeigt deutlich die Scheitelleiste der Extremitäten. Vergr. 20x. Fig. 2a-b. Schnitte durch den Scheitel der vorderen Extremitäten von Eidechsenembryonen der Stadien 2—4. Vergr. 200xX. a Beginn der Verdickung. b Höchste Entwicklung der Falte. e Rückbildung. Fig. 3. Schnitt durch die Spitze der Gliedmasse eines Hühnchenembryos von 3,6 mm Kopflänge. Starke Faltenbildung. 150xX. Fig. 4 Vordere Extremität eines Schweinsembryos, ventral und von der Kante gesehen. Keibels N-T., Stad. 21. Verer. 10x. Fig. 5. Schnitt durch den Scheitel des Extremitätenstummels eines Kanin- chenembryos von 3,6 mm Kopflänge, 7,3 mm Steiss-Scheitellänge. 150%X Fig. 6. Dasselbe von einem menschlichen Embryo von 11,5 mm Länge. 200xX OL [6) DD ReartiPeter: V. Die Anlage der Mitteldarmdrüsen. Im Gegensatz zu der im vorigen Kapitel beschriebenen Entwicklung der Extremitätenscheitelleiste, welche in der Literatur kaum Berücksichtigung gefunden hat, ist die Anlage der Leber- und Pankreasgänge bei den Reptilien gerade in neuester Zeit sehr eingehend besprochen worden, ohne dass indes eine Einigung zwischen den Autoren erzielt worden wäre Piper hat sich kürzlich der dankenswerten Aufgabe unterzogen, an der Hand der einschlägigen Literatur unsere Kenntnisse von der Entwicklung der Mitteldarmdrüsen bei den Wirbeltieren zusammenzustellen und die strittigen Punkte zu präzisieren. Dies überhebt mich eines vollständigen Referates der unseren (regenstand berühren- den Arbeiten und ich brauche nur die noch schwebenden Fragen, zu deren Aufklärung die folgenden Zeilen beitragen sollen, hervorzuheben. Auf die erste Anlage der Leber und der dorsalen Pan- kreasausstülpung brauche ich dabei nicht einzugehen; die ab- weichenden Angaben beziehen sich auf spätere Stadien. Bekanntlich findet man bei Eidechsenembryonen von etwa 50 Ursegmenten 5 Gänge ziemlich benachbart in den Mitteldarm einmünden, wie in Fig. 7 dargestellt ist. Dorsal stülpt sich ein ductus pancreaticus heraus, welcher distal die Drüsen- schläuche des Pankreas dorsale aussprossen lässt; ferner ein ductus hepato-entericus, welcher in zwei Aeste geteilt, Tubuli der Leber aufnimmt; ventral findet sich der in die Gallenblase einmündende und ebenfalls mit Lebergewebe in Ver- bindung stehende ductus cysticus und endlich zwischen letzteren beiden an der rechten und linken Seite des Darmes je eine Ausstülpung, deren Schicksal und Bedeutung den Haupt- streitpunkt der Autoren ausmacht: sie werden gewöhnlich als „rentrale Pankreasanlagen“ gedeutet. Nach Brachet atrophiert bei Lacerta muralis das linke dieser Divertikel, während das rechte das ventrale Pankreas bildet; Völker lässt beide Gänge (Lac. agilis) sekundär mit Lebergewebe in Verbindung treten und ein „proximales“ Pan- kreas mit JanoSik vom Mündungsteil des dorsalen Pankreas- gangs seinen Ursprung nehmen; der ductus hepato - entericus soll zu Grunde gehen. Glas (Tropidonotus), Gianllie (Seps) Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 523 und Choronshitzki (Anguis) geben nichts von einem Ver- schwinden eines dieser Divertikel an. Choronshitzki lässt weiterhin bei Anguis den duetus cysticus obliterieren, welchen Brachet als bleibend beschreibt. Hauptsächlich gilt es, die allen bisherigen Befunden wider- sprechenden Angaben Völkers nachzuprüfen. Während ich meine Resultate bereits niederschrieb, erschien die Mitteilung von Tecqmenne, welcher die genannte Arbeit in einwands- freier Weise bespricht, die Irrtümer zurückweist und zugiebt, dass auch bei der Mauereidechse ein proximales Pankreas neben dem ventralen sich entwickele — in völlig derselben Weise, wie ich es bei der Zauneidechse gefunden hatte, sodass ich auf eine genauere Ausführung dieses Punktes verzichten kann. Doch hat Teeqmenne frühere Stadien nicht selbst untersucht, sondern baut hier auf den Befunden Brachets weiter. Da übrigens das Hauptinteresse der neueren Arbeiten sich auf die Anlage der ventralen Bauchspeicheldrüsen konzentrierte, so ist die Ausbildung der Lebergänge etwas in den Hintergrund getreten; gerade deren Studium lässt aber einen Teil der vorliegenden Irrtümer erklärlich erscheinen, und sollen - auch diese Verhältnisse hier Erwähnung finden. Zum Teil mögen die unvereinbaren Angaben auch auf der Benutzung ver- schiedener Reptilienarten beruhen. Hammar, Brachet und Völker sind durch Modelle zu ihren widersprechenden Befunden geführt worden. Dies wies mich schon auf die Schwierigkeit der Untersuchung hin. In der That war es mir unmöglich, nach den Serien allein ein klares Bild von den verwickelten Gangsystemen auch nur zum Zwecke der Nachprüfung zu erhalten; ich musste dazu als vierter die Born’sche Methode zu Hülfe rufen. Doch glaube ich, dass es mir gelungen ist, die bestehenden Widersprüche zum grössten Teil aufzulösen. Allerdings studierte ich zahlreiche Serien, oft unter Zu- hülfenahme von Immersionssystemen, da, zumal in älteren Stadien, die engen Gänge ausserordentlich schwierig zu verfolgen sind. Da ich fast von jeder Altersstufe mehrere Schnittreihen besitze, so bin ich sicher, keine ausnahmsweise vorkommenden Varietäten, sondern normale Verhältnisse beschreiben zu können. Nur verlangt ein einwandsfreier Beweis neben der Wieder- gabe von Modellen eine solche von vollständigen Schnitt- 524 Karl Peter: reihen. Von letzterem glaubte ich in einzelnen Fällen auch nicht absehen zu dürfen, habe aber die Zeichnungen, deren Um- risse mit dem Projektionsapparat entworfen wurden, aus prakti- schen Rücksichten möglichst einfach gehalten. Wie üblich, ist an denselben der Rücken oben, die linke Seite des Embryos rechts gelegen. Damit ergab sich die unvermeidbare Notwendigkeit, eine Folge von Schnitten kurz zu beschreiben, - was ich sonst im Interesse der Darstellung stets zu umgehen gesucht hatte. I. Die Entwicklung des Pankreas. Den besten Ausgangspunkt bildet das bereits erwähnte Stadium, bei welchem alle Ausführgänge von Leber- und Bauch- speicheldrüse angelegt sind: ein Embryo von 5l Urseg- menten (St 1), dem eben abgelegten Ei entnommen. Der Mitteldarm mit seinen Ausstülpungen wurde modelliert und ist in Fig. 7a von ventral und links, in Fig. 7b von dorsal und rechts dargestellt. Brachets Stadium E steht etwa auf gleicher Entwicklungsstufe. Man erkennt von der Dorsalseite des Darmes mit schon dünnem Stiel das dorsale Pankreas (d. p.), einen ziemlich gewaltigen Körper, entspringen. Ventral stülpt sich ein kom- plizierterer Komplex vor, mit breiter Basis dem Darmrohr auf- sitzend. Innerhalb dieses Gangsystemes erhebt sich, am weitesten der rechten Seite und dem Rücken zu gelagert, ein weiter Kanal (d. h. e.); dieser teilt sich in zwei enge Gänge, welche nach rechts gewendet in die Leberbalken übergehen; es ist dies der ductus hepato-entericus, welcher das Sekret des kranialen Leberabschnittes aufnimmt. Ventral, ebenfalls nach rechts schauend, springt die kugelige Gallenblase (v. f.) vor, die mittels eines kurzen, weit offenen ductus eysticus ins Intestinalrohr mündet. Ihr kaudaler Pol ist blind geschlossen, am kranialen nimmt sie aber einige Lebergänge auf, die ductus hepato-cystici, und zwar zwei von rechts und einen ganz an der Spitze von der linken Seite. Zwischen den letztgenannten Ausstülpungen, dem ductus hepato -entericus und der Vesica fellea, finden sich zwei hohle Divertikel, die von Brachet u. a. beschriebenen ventralen Pankreasanlagen. Sie entspringen, wie bekannt, an einander gegenüberliegenden Stellen des Darmrohrs. Die rechte Knospe Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 525 (p. v. d.) ist kurz und hat die Gestalt eines kleinen knopf- förmigen Vorsprungs, die linke (p. v. s) dagegen bildet einen etwas längeren abgeschnürten Schlauch, der nach der Bauchseite des Embryo herabzieht und dort blind endet. Diese Anlage liegt dicht der linken Seite der Gallenblase an, dem von ihrem oberen Pol entspringenden ductus hepato-cysticus sinister benach- bart, — letzteres eine Lagebeziehung, welche [stets beibehalten wird und für die weitere Entwicklung von Bedeutung ist. Das Studium der Schnittserie, von welcher in Fig. 1 13 aufeinander folgende Bilder wiedergegeben sind, vervoll- ständigt den Einblick in den Entwicklungsgrad dieses Stadiums. Fig. 1H* dient zur Orientierung der Umrissskizzen. And N IS de 2) | N ur me? Fi N — = B. & - O er Ss h IR W) N N ), = K \( (L un N ) DE Bw $ 2 2 Ger g5 Bu B Es, D E. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 61, : 35 526 Karl Peter: Figur 1. 13 kranio-kaudal aufeinanderfolgende Schnitte von 10 „ Dieke durch den Mitteldarm des Eidechsenembryos Std. 1. 100x vergr. Zeichenerklärung zu Textfiguren 1—3. — Ausbuchtung des Darmes zwischen Gallenblase und linkem _ ventralen Pankreas. . — ductus hepato- eysticus. .—= ductus hepato-entericus. —= ductus pancreat. dorsalis. — Intestinum. — pancreas dorsale. . = pancreas dorsale dextrum. . = pancreas dorsale sinistrum. —= vesica fellea. — Stellen, an welchen die Gänge in Lebergewebe übergehen. Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 527 — Von kranial nach kaudal fort- schreitend, begegnet uns zuerst der Querschnitt des Darmrohrs (i) und des ductus hepato -entericus (d. h. e.) [A]. An der rechten x /// Seite des letzteren, welche sich / Mn \ etwas nach ventral auszieht, er- Är / scheinen die Lebergänge (d.h. c.), en AL, \ welche in den oberen Scheitel der an Iv% Gallenblase einmünden (C). Das N nn 7 ventrale Anhängsel des kranialen a Lebergangs entpuppt sich als Fig. 1 H*: Umrisszeichnung von Schnitt ein Anschnitt der linken ventralen °1H zur Orientierung. 50x vergr. Pankreasanlage (p. v. s.), die sich aushöhlt [DJ] und von ihrem Mutterboden abschnürt [F]. Sehr nahe legt sich diesem Blind- sack die allmählich mit dem Darmrohr in Verbindung tretende und bei * verschiedene Lebergänge aufnehmende Gallenblase (v.f.) an. Eigentümlich ist eine kleine Ausbuchtung, welche sich in diesen Winkel einkeilt (b. in E-H); da sie in späteren Stadien nicht mehr in Erscheinung tritt, möchte ich ihr indessen keine Bedeutung beimessen. Viel kürzer und spitzer als die linke ist die rechte ventrale Pankreasausstülpung (p. v. d.), welche sich, wie Fig. 1H* zeigt, in die Vena omphalo - mesenterica dextra vorbuchtet. Der ductus hepato-entericus setzt sich kaudal [FG] noch ein Stück blindsackartig fort. Ohne weiteres zu verstehen ist die Einmündung der (rallenblase und des dorsalen Pankreas, das schon in Fig. 1C sichtbar wurde und in weiter kaudal ge- legenen Schnitten die ersten Wucherungen des Wandepithels aufweist, welche aber stets in Verbindung mit dem Mutterboden verbleiben. Ein Uebergang von abgeschnürten Zellen ins um- liegende Bindegewebe, wie ihn Choronshitzky bei Anguis beschreibt, ist mir, wie Tonkoff, nie vorgekommen, was gleich hier bemerkt sein soll. Es kam mir bei der Darstellung der Schnittfolge darauf an, einen Vergleich. mit den von anderen Autoren gegebenen Abbildungen zu ermöglichen. In der That ähnelt Fig. 1F so auffallend der Fig. XIX Brachets und der Fig. 64 von Choron- shitzky, welche einen ähnlichen Schnitt durch einen Hühner- 35* 528 »:iuKvamkipet er: embryo darstellt, dass sich die Deutung der einzelnen Gebilde von selbst ergiebt. Dagegen kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass für spätere Stadien Verwechselungen der schwer zu verfolgenden Gänge und falsche Benennungen vorgekommen seien. Schreiten wir jetzt zurück zu einem dem Uterus ent- nommenen Embryo von 47 Urwirbeln (Std. 2), so stossen wir auf einfachere Verhältnisse, wie sie Fig. 2 in zehn auf- einander folgenden Bildern zur Anschauung bringt. Figur 2.: 10 kranio-kaudal aufeinanderfolgende Schnitte, & 10 « diek, durch den Eidechsenembryo Std. 2. 100xX vergr. Bezeichnungen wie bei Fig. 1. A. (am weitesten kopfwärts gelegen) zeigt dorsal das Pankreas dorsale, das bereits in 21 Schnitten & 10 « sichtbar war, mit seinem stark erweiterten Hohlraum. Auch hier treten schon Zellwucherungen auf, ventral, durch den Querschnitt des Darmes (i) getrennt, liegt der aus der Vereinigung von zwei Kanälen entstandene ductus hepato-enterieus (d. h. e.). Diese drei Gänge verschmelzen mit einander |C, D| Gleichzeitig biegt sich die linke ventrale Ecke des Epithelschlauches vor und ent- wickelt sich zu einer hohlen Ausbuchtung (p. v. s.) — der Anlage des linken ventralen Pankreas. Ihr gegenüber scheint sich ein Pankreas ventrale dextrum hervorzustülpen, doch giebt sich im Verlauf der Serie diese Ausbuchtung als Rinne zu erkennen, welche kranial den ductus hepato-entericus aufnimmt [C] und kaudal den ductus cysticus bildet. Die Gallenblase ist noch a AIE ae Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 529 nicht weit abgeschnürt [K] und empfängt am kranialen Pol einige Lebergänge (*), während sie kaudal blind geschlossen ist. Von den beiden ventralen Bauchspeicheldrüsenanlagen ist also in diesem Stadium erst die linksseitige entwickelt und zwar in Form von einer wenig ausspringenden auf vier Schnitten verfolebaren Knospe. Rechts scheint sich ein entsprechender Blindsack vorzubuchten, doch erwies sich dies bei der Betrachtung der Serie als irrig. Ein distinktes Divertikel rechterseits zwischen ductus hepato-entericus und eystieus ist nicht zu erkennen. Das Pankreas ventrale dextrum entwickelt sich demnach später als das lünksseitige und führt auch eıne kürzere Bxistenz. @) {5} N, de Ä. E. Figur 3. 10 kranio -kaudal aufeinanderfolgende Schnitte (10 „ dick) durch den Eidechsenembryo Std. 3. 100% vergr. Bezeichnungen wie bei Fig. 1. Durchmustern wir nämlich eine Schnittserie von einem dem Uterus entnommenen Embryo von 53 Ursegmenten (Std.3), so tritt uns auch hier (Fig. 5) zuerst die Schnittfläche des ductus hepato-entericus, des Darms und des ventralen Pankreas entgegen [A]. Ventral von ersterem wird bald |B] ein Zellhaufen angeschnitten, der Verbindung mit dem Lumen desselben gewinnt 930 KarlPeter: [D und I] blind ventral endet und ziemlich weit ausgezogen ist: die Anlage des linken ventralen Pankreas hat sich weiter entwickelt, stellt aber noch einen einfachen Schlauch dar. Sehr nahe liegt ihm wieder [G] der ductus hepato-cysticus sinister. Eine gegenüberliegende rechte Anlage ist ebenso wenig wahr- zunehmen, wie das im Stad. 1 links von der Gallenblase gelegene mit b bezeichnete Divertikel. Die beiden rechtsseitigen Aus- stülpungen, welche sich in die rechte Vena omphalo-mesenterica einbuchten und so das Vorhandensein einer rechten Pankreas- knospe vortäuschen, ergeben sich bei Betrachtung der Serie auch hier als Gänge von anderer Bedeutung, nämlich als ductus hepato- entericus resp. pancreatis dorsalis. Schon ein Embryo von 53 Urwirbeln zeigt daher keine Andeutung eines Pancreas ventrale dextrum mehr, und ebenso- wenig findet es sich in älteren Stadien!), während das linke sich immer mehr vertieft und sich an ihm Wucherungsprozesse abspielen, welche zur Bildung von sekundären Divertikeln führen. Dabei bettet sich dies Gebilde eug in das Lebergewebe ein, endet aber stets blind, ohne sich mit Leberbalken zu verbinden. Stets lassen sich, eventuell allerdings erst bei starker Ver- srösserung, die dunkel gefärbten Elemente des Pankreas von den helleren Leberzellen trennen. Ueber die weitere Entwicklung der Bauchspeicheldrüse brauche ich mich, wie gesagt, nicht weiter auszulassen und ver- weise nur noch auf Fig. 8, welche das Modell der Mitteldarm- drüsen eines zehn Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommenen Embryos (Std.4) darstellt. Alle die verschiedenen Ausführungsgänge haben sich, wie die Autoren ausführlich be- schrieben haben, genähert und münden in einen kurzen gemein- samen ductus choledochus. Das ventrale (linke) Pankreas bildet einen ventral gerichteten langen Schlauch ; dieser spaltet sich in zwei noch unverzweigte !) Nur ausnahmsweise scheint sich die unbedeutende Anlage des rechten Pankreas etwas länger erhalten zu können. Ein einziges Mal unter vielen untersuchten Serien (Stad. 4) fand sich zwischen ductus hepato- entericus und cysticus rechterseits ein kleiner Vorsprung, der sich in die Vena omphalo - mesenterica in typischer Weise einbuchtete. Seine offenbar atrophierenden Zellen unterscheiden sich beträchtlich von dem Epithel der Umgebung. Das Modell II konnte diese kleine Ausbuchtung nicht wieder- geben. ERW Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 531 Gänge, die blind in Lebergewebe eingebettet enden. Sehr nahe und in der Serie schon schwer unterscheidbar verläuft der linke ductus hepato - cysticus, der gerade über das blinde Ende des Pankreasschlauches hinweg seine Verbindung mit den Leber- balken besitzt. Dorsal. durch den duetus hepato-entericus vom ventralen Pankreas getrennt, mündet der ductus pancreaticus dorsalis in die gemeinsame Ampulla — die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse haben sich gegen das erste Modell nicht verschoben —, welcher zu dem kugelförmigen stark gewachsenen distalen dorsalen Pankreas führt und auch schon in seinem Verlaufe Zellwucherungen zeigt, die schon von Janosik bei Lacerta agilis entdeckten proximalen Bauchspeicheldrüsen- anlagen, welche Teceqmenne bei der Mauereidechse wieder- fand. Diese sowohl wie die ventralen Partien vergrössern sich bald. Das Pankreas bildet sich also bei der Zaun- eidechse aus drei verschiedenen Anlagen: einen vom blinden Ende des ductus pancreaticus dorsalis sich früh ent- wickelnden distalen Teil, einen aus spät erscheinenden Wucherungen im Verlauf dieses Ganges proximalen und endlich aus einem ventralen Abschnitt. Die ventralen Aus- stülpungen sind ursprünglich doppelseitig und entwickeln sich zwischen dem ductus hepato - entericus und ceysticus. Das linke Divertikel entsteht früher als das rechte und wächst zu langem Schlauche aus, das rechtsseitige legt sich erst später an und atrophiert sehr bald. Ich würde ihm auch den Namen einer Pankreasanlage nicht gegeben haben, zumal ähnliche vergäng- liche Ausstülpungen auch neben dem linken bleibenden Pankreas sichtbar sind, wenn nicht ein unzweifelhaft homologes Gebilde bei Vögeln einen Teil der Bauchspeicheldrüse hervorgehen liesse. Der letzte Befund steht mit den Angaben in der Literatur nicht in Uebereinstimmung. Zwei ventrale Anlagen werden überall angegeben, aber meist beide als bleibend beschrieben (Laguesse, Choronshitzky, Gianelli, Glas). , Bei der Blindschleiche entsteht sogar nach Choronshitzky das rechte ventrale Pankreas früher als das linke, auch bei Seps soll nach Gianelli das letztere erst erscheinen, wenn das Pankreas ventrale dextrum bereits in zwei Schläuche gespalten ist. Legros fand bei der Mauereidechse sogar eine Atrophie der 532 Karl Peter: linken Knospe, während die rechte persistiert. Sollten hier keine Verwechselungen von Gängen vorgekommen sein (wie für Völkers Angaben sicher anzunehmen ist, s. u.), so muss eine eingreifende Verschiedenheit zwischen den Reptilien, speziell den Eidechsen- arten, verzeichnet werden. Allein Hammar hat das linke Divertikel an seinem Modell, das einem Embryo von Lacerta agilis, der etwas älter als mein Stad. I ist, entnommen ist, wohl gesehen, konnte aber nichts von dessen Bedeutung angeben. Seine Figur 2' ähnelt sehr der Ventralansicht meines ersten Modells und zeigt dicht neben der Gallenblase die Hervorragung der linken ventralen Pankreas- anlage. Die Dorsalseite desselben Modells (Fig. 2") lässt von einem entsprechenden rechten Blindsack nichts (mehr?) erkennen. (Gegen Völker möchte ich noch in Uebereinstimmung mit Teeqmenne wiederholen, dass die blinden Endigungen der Pankreasgänge stets nachweisbar sind und dass seine Angaben von ihrer Verbindung mit Leberbalken auf einem Beobachtungs- fehler beruht, zu dessen Erklärung noch kurz die Genese der Lebergänge berührt werden muss. H. Die Entwicklung der kaudalen Lebergänge. Das erste Modell zeigte in den kranialen Pol der Gallen- blase 3 Lebergänge einmündend, einen von der linken und zwei von der rechten Seite kommend. Ein eigentlicher duetus eystieus ist hier noch nicht ausgebildet; die Blase öffnet sich noch weit ins Darmrohr; daher sind die genannten Gänge eben in ihren Bereich einbezogen und führen mit Recht die Namen duetus hepato-eystici. Im Stadium 3 (Fig. III) ist der ductus cystieus schon zu einem engen Kanal umgewandelt, dessen Zellbelag sich wohl von dem hohen Epithel der Blase unterscheidet. Bevor dieses im Schnitt sichtbar wird |K], nimmt der Verbindungsgang bereits sowohl von links wie von rechts Lebergänge auf [F—H]. Der linke ductus hepato-cysticus hat sich am meisten von der Blase emanzipiert, auch der rechte kraniale hat keine Beziehungen mehr zu ihr, während der kaudale rechtsseitige noch seine ursprüngliche Mündung behalten hat. Mit anderen Worten, die Gallenblase hat sich weiter vom ductus cysticus abgeschnürt, auf welchem Wege die in sie, früher mündenden Lebergänge in Mitteilungen zur Entwicklüngsgeschichte der Eidechse. 53 jenen einbezogen wurden. Dies betrifft zuerst den linken, dann den rechten kranialen Gange. Endlich nimmt auch der rechte kaudale Gang daran Teil, wie an geeigneten Serien Schritt für Sehritt zu verfolgen ist. Die Abschnürung der Blase geht dabei in eigentümlicher Weise vor sich, so dass der ductus eysticus nicht von links her in sie einmündet, sondern den oberen Pol umgreift und in die rechte Seite sich öffnet. Das Resultat dieses Vorgangs illustriert das zweite Modell, Fig. 8. Die Vesica fellea - hängt als kugelförmige Ausstülpung an einem Stiel, welcher an ihrer distalen Seite (vom Darm aus gerechnet) mündet. Sofort ergiessen sich in den ductus cysticus von rechts her in zwei Partien Lebergänge (ductus hepato-eystici dextri). Zwischen Blase und rechter Vena omphalo-mesenterica eingepresst, wendet sich der Gallengang nach links und entsendet zwischen Gallen- blase und ventralem Pankreas den ventral gerichteten ductus hepato-eystieus sinister. Endlich ergiesst er sich in den kurzen duetus choledochus. Als Varietät kann die Einmündung eines Lebergangs (von rechts herkommend) in die Blase auch in späteren Stadien be- stehen bleiben. Ich selbst fand dies bei Lacerta agilis. Choronshitzky erwähnt dasselbe für Anguis, Gianelli für Seps. Doch stellt dies nicht die Regel dar. Nun zu Völkers Angaben! Die enge Nachbarschaft, in welcher jede ventrale Pankreasanlage mit einem Lebergang steht, hat diesen zu einer Verwechselung der Gänge geführt. Dicht neben der rechtsseitigen Knospe entspringt der kraniale ductus hepato-entericus. Da in späteren Stadien nur ein Gang sichtbar war, so kam Völker zu der Ansicht, das rechte Pankreas ventrale sei sekundär mit Lebergewebe in Verbindung getreten und der ductus hepato-enterieus sei obliteriert. Die Sache liest aber viel einfacher. Das blinde Divertikel schwindet und der von Anfang an Lebergewebe produzierende ductus hepato-entericus bleibt bestehen. Ebenso ist diesem“ Autor eine Verwechselung des linken Pankreasgangs mit dem linken ductus hepato-cysticus passiert. Stets wurde die dichte Aneinanderlagerung dieser beiden Gebilde betont, welche selbst beim Modellieren eine stete Kontrolle durch das Mikroskop erforderlich macht. Ein Ueberspringen vom Querschnitt des Pankreasgangs in einen Schnitt zum Lebergang im anderen konnte leicht zu diesem Irrtum führen. 534 KamlnPreter: Auch Choronshitzky kann ich nicht folgen, wenn er eine Obliteration des ductus hepato-eysticus angiebt. Obgleich ich hierfür jeden Beweis in Abbildung und Beschreibung ver- misse, baut der Autor doch weiter hierauf: bei Reptilien sollen die Ausführgänge des rechten und linken Lappens „höchstwahr- scheinlich“ dem linken und rechten Ast des vorderen resp. dorsalen Leberdivertikels entsprechen. Die Abschnürung der Blase von ihrem Gang ist dem Autor jedenfalls entgangen, So dass er das Einbezogenwerden der ductus hepato-cystiei in den ductus eysticus nicht erkannte und eine Obliteration derselben annehmen zu können glaubte. Als Resultate dieser Zeilen ergeben sich folgende Sätze: 1. Das Pankreas entsteht bei der Zauneidechse aus 3 Anlagen: zwei dorsalen vom Ende (distales) oder Verlaufe (proximales) des duetus pancreaticus dorsalis ausgehenden und einer ventralen, welche auf der linken Seite zwischen ductus hepato-entericus und cysticus entsteht, während die rechte entsprechende Ausstülpung atrophiert. 2. Die Leber mündet mittels des persistierenden ductus hepato-entericus in den Darm und kaudal mittels der ebenfalls bleibenden ductus hepatocystiei zunächst in die Gallenblase. Mit der weiteren Abschnürung der letzteren werden die Lebergänge aber ganz oder teil- weise in den ductus eysticus einbezogen. 3. Es findet demnach weder eine Öbliteration eines Leber- ganges, noch eine sekundäre Verbindung blinder Darm- ausstülpungen mit Lebergewebe statt. Breslau, Anfang Oktober 1902. Verzeichnis der zitierten Literatur. Brachet, A.: Recherches sur le d&veloppement du pancreas et du foie. Journ. de l’Anat. et de la Phys. 1896. Choronshitzky, B.: Die Entstehung der Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und des Pfortadersysiems bei den verschiedenen Abteilungen der Wirbeltiere, Anat. Hefte XIII, 189. #) Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 535 Gianelli, L. Sullo sviluppo del Pancreas nella Seps chalcides con qualche accenno allo sviluppo del Fegato e della Milza. Ricerche f.n. Labor. di Anat. norm. Roma, VII., 1899. Glas, E. Ueber die Entwicklung der Milz bei Tropidonotus natrix. Sitz.- Ber Akad. Wien. Math phys Klasse CIX, Abt. III. 1900. Hammar, J. A.: Einige Plattenmodelle zur Beleuchtung der früheren embryonalen Leberentwicklung, Arch Anat. u. Phys. Anat. Abt. 189. 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Modell der Mitteldarmgegend des Eidechsenembryo Std. 4, von rechts und dorsal gesehen. Alle Gänge münden in den gemeinsamen ductus choledochus. Die Grenzen der Zellwucherungen des dorsalen Pankreas sind punktiert angegeben, ebenso das blinde Ende des linken ventralen Pankreasschlauches, welches durch den ductus hepato-ceysticus sinister verdeckt wird. Bedeutung der Abkürzungen: d. h. ce. d. = ductus hepato-cysticus dexter. d. h. ec. s. — ductus hepato-cysticus sinister. d. h. ee = ducetus hepato-entericus. i. — intestinum. P. d. — pancreas dorsale. p: d. d. = pancreas dorsale distale. p. d. p — pancreas dorsale proximale. p. v. d. = pancreas ventrale dextrum. Po. S — pancreas ventrale sinistrum. SER — vesica fellea. 536 Karl Peter:- Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. Charakterisierung der beschriebenen Embryonen. Die eingeklammerte römische Ziffer bezeichnet die Nummer der betreffenden Mitteilung. Stad. III- (IV) (Lac: agil. 24. VL. 99. 2) 33 Urwirbel = Stad. 17 (I). Stad. I (IV) (Lae. agilis 21. VI. 99. B. 1.) ungefähr 40 Urwirbel. noch nicht Stad. Stad Stad Stad Stad geschnitten. Grösste Länge 3.8 mm, nicht sehr stark gebogen. Allantois deckt noch nieht den Embryo, kein falsches Amnion ge- bildet. Darmpforte ziemlich weit offen. Tiefe Nasengerube. Epiphyse deutlich sichtbar. Dach des IV Ventrikels dünn, Neuromeren nicht mehr deutlich durchscheinend. Trigeminusganeglion durchscheinend, Schlundtasche I, II offen. III und IV durchscheinend. Oberkiefer- fortsatz nicht hervortretend. Myotomfortsätze zur Zuneen- und Extremitätenmuskelbildung sichtbar. Fxtremitäten ungeeliedert, auf der vorderen erste Andentung der Scheitelleiste. 2 (V) (Lae. agil. 18. VI. 98. A.) 47 Urwirbel = Stadium 10 (II). II (IV) (Lae. agil. 18. VI. 98 E), etwa 47 Urwirbel, noch nicht ge- schnitten; demselben Uterus entnommen wie Stad. 10 (I). .1 (V) (Lae. agil. 24. VI. 99. B. 1) etwa 51 Urwirbel: demselben Gelege entnommen wie Stad. 18 (II). .3 (V) (Lac. agil. 22. VI. 99. 1) 51 resp. 53 Urwirbel, demselben Uterus entnommen wie Stad. 3 (I) .IV (IV) (Lac. agil. 13. VII. 99. 2) Grösste Länge 4,2 mm. Extremitäten mit pattenförmigen Enden. 60—63 Ursegmente. Canalis neurentericus geschlossen. Opticus fast ohne Lumen. Primitive Nasenerube mit tiefem Jakobson- schen Organ. Bogengänge tiefe Taschen. Parietalauge mit erster Linsenbildung, Hypophyse geren Darm noch weit offen. Kopfhöhle mit'Lumenresten. Aortenbogen III und IV dorsal verbunden, V kaum noeh nachweisbar, VI kräftig, Schlundtasche I noch auf kurzer Strecke offen, II und III weit offen, IV kaum geöffnet, V berührt Ektoderm. Postbranchialer Körper links gut entwickelt, rechts kaum ange- deutet. 'Thyroidea abgeschnürt. Oesophagus mit Lumen. Gallen- blase kontrahiert, rechtes ventrales Pankreas geschwunden. : Stad. V (IV) (Lac. agil. 4 (12) VII. 98. B. 1) 63 Urwirbel, — Stad. 12 (IT). Stad. 4 (V) = Stad. VL(IV) (Lac, agil. 21. VII .(s. VIIT). 99, 1.) — Stad. Io Stad. VII (IV) (Lae. agil. A. II) Grösste Länge 7,1 mm, Schwanz stark aufgerollt. Extremitäten geeliedert, Fingerstrahlen angelegt. Sinus cervicalis geschlossen. Skelett knorpelig. Optikus aus Fasern bestehend, ohne Lumen. Aeussere Nasenöffnung verklebt, ebenso die Mündung des Jakob- son’schen Organs in die Mundhöhle. Hypophyse hängt durch dünnen Strang mit Darm noch zusammen. Drei Aortenbogen, III und IV dorsal noch durch dünnes Gefäss in Kommunikation. Lungen- blasen sehr weit mit ersten Ausbuchtungen. ÖOesophagus solid. Gallenblase sehr gedehnt, enger ductus choledochus. Nierengang mit Seitensprossen, medial dichtes nephrogenes Gewebe ohne deut- liche Harnkanälchen. Aus der Chirurgischen Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr. Direktor: Geheimrat Prof. Garre. Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlen- haut des Menschen. Von Dr. Ludwig Talke, Volontärarzt der Klinik. Hierzu Tafel XXVI. Die heute allgemein bekannten grossen Drüsen der Achsel- höhlenhaut wurden durch die Anatomie erst entdeckt, nachdem schon seit einer ganzen Reihe von Jahren durch einen eigen- artigen Verlauf ausgezeichnete Entzündungen der Achselhöhle bekannt waren. So hat Velpeau!) zuerst auf eine besondere Art von umschriebenen Entzündungen und oberflächlichen Abs- zessen in der Achselhöhlenhaut hingewiesen (phlegmons super- ficiels ou tuberiforms). Die einzelnen Stadien des Verlaufs waren Velpeau auch nicht bekannt. In einer weiteren Publikation zieht Velpeau zur näheren Erklärung, sowie Begründung der Besonderheiten des Sitzes, der Form und Ausbreitung dieser Affektionen anatomische Verhält- nisse heran. Er legte das Hauptgewicht auf die Beschaffenheit des Unterhautzellgewebes, das in der Achselhöhe eine ganz besondere Struktur zeigen und straff, derbfaserig gebaut sein sollte. Dieses umliegende Gewebe sollte die Form der Ent- zündung resp. des Abszesses bestimmen. Erst die Forschungs- resultate auf histologischem Gebiete konnten die genannte Affektion genauer erklären. Schon im Jahre 1349 waren von Rubin ausserordentlich grosse Schweissdrüsen in der Achselhöhle beschrieben worden, welche eine dicke zusammhängende Lage bildeten. Kölliker’), der um 1850 schon eine detaillierte Beschreibung der Haut- schweissdrüsen, sowie ihrer Modifikationen in der Achselhöhle u. 8. w. gegeben hatte, führt an, dass man über die pathologi- schen Veränderungen dieser Drüsen noch wenig wisse. ', Velpeau, Dietionnaire en 30 vols.; articles Aisselle Anus Mamelle. 1829. Clinique chirurgical. Tom. II, pag. 133. E Traite des maladies du sein ete. 1940. °) Kölliker, Histologie des Menschen. 1850. 538 Ludwig Talke: Der erste, welcher in dem Vorhandensein der Drüsen und den dadurch an der Achselhöhle besonders entwickelten anatomi- schen Verhältnissen die Erklärung für diese nun schon wieder- holt angeführten Entzündungen suchte und auch thatsächlich fand, war Verneuil'). Er liess 1864 seiner ersten Mitteilung weitere folgen. Er entwirft zunächst ein genaues Bild der Schweissdrüsenentzündungen im Allgemeinen und bespricht dann im Besonderen die von ihnen ausgehenden Entzündungen und Abszesse an denjenigen Bezirken der Körperhaut, die durch besonderen Reichtum und Struktur der Drüsen ausgezeichnet sind. So zeigten die Achselschweissdrüsen Entzündungen (Hydrosadenitis axillaris) und Abszesse eine kugelige Form, erheblichere Grösse, als die sonst in der Körperhaut im allge- meinen auftretenden, und eine besonders scharfe Begrenzung. Hier in der Achselhöhle nämlich ist die Haut sehr dünn und dehnbar, die Drüsen dagegen durch eine feste fihröse Membran an das Corium geheftet, wodurch sie von dem mehr einwärts liegenden Pannieulus adiposus getrennt sind. Es ist also leicht verständlich, wenn sich die Schwellungen nach unten hin begrenzen und nur nach der Oberfläche der Haut zu sich kugelig oder halbkugelig vorbuckeln. Das Circumscriptbleiben dieser Abszesse führt er auf eine in den Achseldrüsen von ihm zuerst gefundene stark entwickelte fibröse Kapsel zurück. Dieselbe widerstehe einem Durchbruch des Abszesses nach aussen ziemlich lange, wenn sie auch, bei dem Vorhandensein chronischer Reizzustände in der Umgebung und der Kapsel selbst, denselben nicht ganz ver- hindern könne. Die Heilung dieser Abszesse und Entzündungen sei relativ schwer zu erreichen, weil die Eiterung lange unter- halten würde. In den meisten chirurgischen Lehrbüchern wird die eben in ihren Umrissen skizzierte Krankheit nur kurz erwähnt und der Schwierigkeit der Therapie gedacht. König?) hebt hervor, dass der Beginn dieses Leidens meist ein multiples Auftreten kleiner harter Knötchen sei, die in der Tiefe der Haut lägen. Ein Teil komme allerdings nicht zur Eiterung, sondern bleibe als mehr oder weniger circumscripte, harte, knotige Verdickung ') Verneuil, De !’hidrosadenite phlegmoneuse et des abces sudoripares. Archives generales de Medicine. 1864 Novembre et 1865 Mars. ”) König, Lehrbuch der speziellen Chirurgie, III. 1895, Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 539 bestehen. Schliesslich könne so nach und nach die ganze Haut der Achselhöhle knotig verdickt werden. Diese in der Achselhöhlenhaut oder, richtiger gesagt, unter- halb derselben gelegenen grossen Schweissdrüsen bieten schon makroskopisch manche Besonderheiten und unterscheiden sich wesentlich von den kleineren, in der übrigen Haut belegenen Schweiss- oder Knäueldrüsen; während letztere in den Maschen der Pars reticularis corii gelegen sind, aber nur ganz selten in das Unterhautbindewebe reichen, sind die grossen Achselschweiss- drüsen ausschliesslich in dem Unterhautbindegewebe gelegen. Zwar gilt dies auch in beschränktem Maasse für die Drüsen der Vola manus und planta pedis, sowie des Scerotums, doch ist dieses Verhalten — Lage im subeutanen Fettgewebe — nirgends so deutlich ausgeprägt wie gerade bei den axillaren Schweiss- drüsen. Sie bilden hier eine fast zusammenhängende Platte, die vollkommen in der eigentlichen Subeutis gelegen, nach oben an die Cutis, nach der Tiefe zu an die Achselhöhlenfascie stösst. Die Grösse dieser zusammenhängenden Schicht variiert etwas, stellt ein Oval dar von ungefährem Längsdurchmesser eines Hühner- eies, bei einer Dicke von 2—8 mm; die Verbindung mit den benachbarten Schichten ist in der Weise hergestellt, dass die Drüsenplatte der Cutis fest adherent ist, mit dem subeutanen Fettgewebe, in das sie vollkommen eingebettet ist, nur locker, mit der darunter liegenden Fascie durch etwas dickere von der bindegewebigen Drüsenhülle abgehende Faserbündel etwas fester verbunden ist. Ab und zu findet sich auch Iymphoides Gewebe, wie einzelne deutliche circumseripte Lymphknötchen in dem die Drüsenpackete umgebenden Bindegewebe. — An frischem Material fallen die grossen Schweissdrüsen zunächst durch ihre etwas festere Konsistenz in dem umgebenden, mehr oder weniger fettreichen Bindegewebe auf, sodann durch die Farbe; dieselbe ist in frischem Zustande eine opak-weissliche oder rötliche mit braun-gelblicher Beimischung,') sodass sie in dem weissen Bindegewebe, dem gelben Fettgewebe ohne weiteres auch mit blossem Auge er- kennbar sind. ‘), Bardeleben, Anatomie des Menschen, Sinnesorgane, Haut. 540 Ludwig Talke: v Ueber die Entwicklung der Knäueldrüsen in der Achsel- höhle giebt die unlängst erschienene, lesenswerte Arbeit Lüne- burgs') Aufschluss. t Die Drüsenplatte zeigt, wenn man sich die Mühe macht, sie an der unteren Fläche sorgfältig frei zu präparieren, Vor- sprünge und Einziehungen, die eine Trennung in einzelne Drüsen- läppchen anzeigen. Man kann die einzelnen Läppchen nun, freilich etwas willkürlich, noch weiter trennen und erhält darin Drüsenkörper von Erbsen- bis Kleinbohnengrösse; die einzelnen Abmessungen betragen bis 4 mm Dicke, 3—8 mm (Kölliker 2—T mm) Breite. Bei einem Durchschnitt der Achselhöhlenhaut in Verbindung mit den tieferen grossen Drüsen fällt auf, dass oberhalb der grossen Drüsen, Talg- und kleinere Schweissdrüsen von gewöhn- licher Grösse sich finden. Die letzteren sind zum Teil in fast zusammenhängender Schicht den grösseren Drüsen vorgelagert; oder aber sie schieben sich bis zu einer gewissen Tiefe, mannig- fach abgeplattet und zugespitzt, keilföürmig zwischen die grösseren Drüsenläppchen hinein, noch weiter nach unten zu fehlen die kleineren Schweissdrüsen ganz; ganz besonders hervorgehoben sei hier, dass irgend welche Ueber gänge zwischen den kleinen und den grossen Achseldrüsen nirgends sich finden ; jedesmal findet sich eine besondere Kapsel, die die Knäueldrüsen für sich abschliesst, während andererseits auch die grossen Drüsen von einer eigenen Kapsel umgeben sind. Nirgends laufen Knäuel- drüsengänge zwischen den grossen Drüsengängen hin, sodass ein Uebergang ineinander und eine Vermischung beider Arten sicher nicht statt hat. Von diesen grossen Achselhöhlenschweissdrüsen ist im folgenden ausschliesslich die Rede. Der Drüsenkörper zerfällt nun wieder in kleinere Abteilungen, deren Grösse von Stecknadelkopfgrösse bis Hirsekorngrösse schwankt. Jedes dieser kleineren Läppchen ist von seinen Nachbarläppchen durch eine besondere bindegewebige Hülle getrennt. 10-380 solcher kleineren Läppchen bilden einen grösseren Drüsenkörper, wie er sich bei der Präparation, die allerdings zum Teil eme etwas künstliche Trennung bewirkt, darstellt. Diese an Dicke etwas ’) Lüneburg, Beiträge z. Entwicklung der Knäueldrüsen etc. Inaug.- Dissert. Rostock 1902. Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 541 schwankende äussere Kapsel ist eine den ganzen Knäuel ein- schliessende Faserhülle von fibrillärem Bindegewebe, das noch relativ kernreich ist. Sie enthält zahlreiche elastische Fasern, Nerven, die sich aber nirgends weiter in das die Drüsengänge von einander trennende Bindegewebe ‚hinein verfolgen lassen, und vor allem äusserst zahlreiche grosskalibrige Gefässe. Von den innern Schichten der bindegewebigen Umhüllung zweigen sieh, in das Innere der Läppchen hineinziehend, bindegewebige Faserzüge ab, welche alle Drüsengänge von einander trennen, hier und da etwas Fettgewebe enthalten und sich in den den Drüsengang unmittelbar umgebenden Lagen zu einer Membrana propria verdichten Vor allem dient es dazu, die Gefässe zu leiten, die — in ausserordentlich reichlicher Verzweigung in dem ganzen Zwischengewebe, vielfach anastomosierend — in der Nähe jeden Drüsenganges zu finden sind. An der Innenfläche der Kapsel verlaufen besonders grosse Gefässe, bald im Quer-, bald im Längs- oder Schrägschnitt zu sehen, von denen aus die feineren Verzweigungen ihren Ausgang nehmen. Bei der Art der Verzweigung ist das eine auffallend, dass nie Blutgefäss und Membrana propria in direkte Berührung treten, sondern dazwischen immer noch einzelne feine Lagen. Bindegewebe vor- handen sind, die hier und da mit flachen Endothelzellen besetzt sind, wodurch eine Art perivaskulärer Lymphscheide hergestellt wird. Wenn auch dieses Verhalten nicht an allen Drüsengangs- durehschnitten zu Tage tritt, so ist es doch an Querschnitten derselben oft so einwandsfrei zu sehen, dass über die Existenz dieser Lymphscheiden um die Gefässe kein Zweifel obwalten kann. Es ist dies ein analoges Verhalten wie im Gehirn, wo auch die Blutgefässe von lymphatischen Scheiden umhüllt sind. — An der Basis treten von der Kapsel der Drüsenläppchen einzelne Faserbündel zur Fascie. Eine durch besondere Merkmale ausgestattete Kapsel um alle die Drüsenläppchen, deren Gesamtheit einen Drüsen- körper darstellen, existiert nicht. — Kölliker') hebt hervor, dass die Gefässe der Drüsenknäuel von selbständigen Zweigen der Hautarterien stammen und ein Kapillarnetz für 'sich ') Kölliker, Mikroskopische Anatomie. Leipzig 1850. ; Handbuch der Gewebelehre des Menschen. II. Auflage. Leipzig 1889. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 36 542 Ludwig Talke: bilden sollen. das mit dem der Oberfläche der Cutis nicht in Verbindung steht, so dass das Blut, welches der Schweiss- sekretion gedient hat, nicht erst noch einmal in der Haut zur Verwendung kommt. Die einzelnen Tubuli besitzen, wie Köl- liker!) schon vor Jahren auch für die Achselhöhlendrüsen nach- gewiesen hat, ohne Ausnahme drei besondere Schichten: zu äusserst eine bindegewebige Hülle, dann eine Lage glatter Mus- kelfasern, sowie ein Epithel. Die bindegewebige Membrana pro- pria zeigt ab und zu sich aus zwei Lagen zusammengesetzt, einer äusseren mit vorwiegend longitudinalem Faserverlauf, sowie einer zarten innern mit quer verlaufenden Elementen. Nach Kölliker soll nur die äussere Zellen führen. — Ich habe nur immer eine einfache Membrana propria beobachtet, deren Kerne in ziemlich regelmässigen Abständen gelagert waren, ohne dass eine besondere Trennung in äussere und innere Lage möglich ge- wesen wäre; allerdings schwankte die Dicke etwas, mitunter war die Membrana propria nur dünn, in andern Fällen ziemlich dick. Die nach innen zu folgende Muskelhaut ist auch vor Jahren von Kölliker entdeckt worden, seine Schilderung hat sich bei sorgfältiger Nachprüfung auch für die in Rede stehenden Achsel- höhlendrüsen als völlig zutreffend und geltend herausgestellt, so dass es genügt einige Punkte hervorzuheben. Sie besteht aus langen einkernigen Muskelzellen, die normaliter lückenlos an einanderschliessen. Der Kern ist länglich und sitzt etwas exzen- trisch und seitlich. Auf dem Querschnitt zeigen sich «die Muskel- fasern gleichfalls als geschlossener Ring; er setzt sich aus kleinen kreisrunden oder abgeplatteten, und aus in etwas unregelmässigen Abständen verteilten, grösseren, fast dreieckigen nach innen zu mehr oder weniger vorspringenden Elementen zusammen. Dies Bild ist so aufzufassen, dass im ersten Fall die nicht kernhaltigen. im zweiten die kernhaltigen Bestandteile der Muskelfasern im Querschnitte getroffen sind. Ranvier’) hat für die Knäueldrüsen angegeben, dass hier und dazwischen den Muskelfasern grössere Lücken sich fänden, in denen Fpithelzellen stecken; Kölliker konnte dies Verhalten nicht bestätigen; sowohl an den gewöhn- lichen Knäueldrüsen wie an den grossen Achselhöhlendrüsen fand ıKöllikerı.c. ß 2) Ranvier. Technisches Lehrbuch der Histologie. Übers. von Nieaty und Wyss. Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 543 er, dass eine Muskelzelle dicht an die andere gereiht und die Grenze nur durch eine schmale Linie angedeutet ist. — An normalen sezernierenden Tubuli der Achseldrüsen konnte ich keine Lücken wahrnehmen; dagegen waren an den grösseren ektatischen, also schon in den Bereich des pathologischen fallenden Lumina, hier und da die Muskelfasern dehisziert, so dass die Membrana propria in direkte Verbindung mit den Epithel- zellen trat. An Querschnitten ist die Dichtigkeit der Lagerung beson- ders deutlich zu sehen, doch ist natürlich der jeweilige Sekretions-, resp. Kontraktionszustand des betreffenden Tubulus von Einfluss auf die Dichte der Zusammenlagerung. Durch die nach innen zu vorspringenden Zacken wird auch die Form der Epithelzelle an der Basis beeinflusst, dahingehend, dass hier eine tiefe Kerbe vorhanden ist. Der Muskellage sitzt das Drüsenepithel unmittelbar auf. Es ist immer — jedenfalls unter normalen Verhältnissen — (Ausnahme unten) einschichtig vorhanden, und wechselt etwas an Gestalt, die bald grossceylindrisch, bald kubisch ist, aber auch sehr niedrig, in Form platter Schüppchen auftreten kann. An der Basis findet sich zuweilen eine Einkerbung, die dadurch zu stande kommt, dass die nach einwärts gerichtete, durch das Vorhandensein der Muskelquerschnitte bedingte Vorragung mit kleinen Zacken umfasst wird. Wie zahlreiche Durchschnitts- zählungen ergeben haben, sind in einem solchen Drüsenlappen 135—40 einzelne Tubuli auf dem grössten Querschnitt zu sehen. Die innerhalb eines Drüsenläppchens sichtbaren quer, oder längs und schräg getroffenen Tubuli zeigen nun vorwiegend hinsicht- lich des Epithels, aber auch in Bezug auf die andern Schichten, ein sehr verschiedenes Verhalten, das bisher noch nicht genügend beschrieben und in seinen Ursachen erkannt ist. Im grossen und ganzen lassen sich folgende Hauptformen unterscheiden. l. Sämtliche Drüsenkanälchen tragen ein gleichmässig hohes, eylindrisches Epithel; die Wandung ist leicht gefältelt. Das Lumen ist infolge dessen, auch auf idealen Querschnitten, nicht kreisrund, sondern etwas unregelmässig, im übrigen ist es eng, und übertrifft der Durchmesser die doppelte Wanddicke nur wenig. Die Muskelzellen bilden auf dem Querschnitt einen aus kleineren und grösseren Zacken zusammengesetzten Ring. In 36* “We 544 Ludwig Talke: vielen Lumina ist ausgeschiedenes Sekret zu sehen. Die Epithel- zellen enthalten gelbliches, körniges Pigment und zeigen deutliche Abgrenzung gegen einander. Der rundliche mit 1—2 Nucleolen versehene Kern liegt an der Basis der Zelle. Ein besonders zierliches Bild. geben Tangentialschnitte: man sieht die mittleren Zellen von der Fläche her als unregel- mässige polygonale (Gebilde, bald fünf-, bald sechseckig, zum Teil auch mit runden Begrenzungslinien. Sie stossen nicht lückenlos aneinander, sondern es erscheinen zwischen ihnen schmale, regel- mässige Spalten, die durch zahlreiche allerfeinste Fäserchen, die von einem Zellrande zum andern verlaufen, ähnlich wie bei den Riffzellen in der Haut, überbrückt sind. Hier und da sind auch in ihnen Pigmentkörnchen enthalten. Bei etwas anderer Ein- stellung erscheinen quer darüber hinwegziehend die Muskelfasern mit ihren länglichen Kernen. In einer Ecke des Drüsenläppchens finden sich meist einige Kanäle mit etwas niedrigerem Epithel, die zum ausführenden Systeme zu gehören scheinen. Das intertubuläre Gewebe ist nicht vermehrt. 2. Ausserdem finden sich noch kleinere, vielleicht ge- schrumpfte Drüsenläppchen. Die das Läppchen umgebende Binde- gewebskapsel ist stark entwickelt und, verglichen mit der um normale Läppchen vorhandenen, um das Doppelte verdickt; sie besteht aus kernarmen, derbfaserigem Bindegewebe, das nur spärliche Gefässe aufweist; auch in dem die Drüsengänge tren- nenden Bindegewebe, das vermehrt ist, sind nur wenige Blut- und Lymphgefässe vorhanden; die meisten sind verödet. Die Membrana propria der Drüsengänge ist gleichfalls verdickt, die Muskelhaut dagegen unverändert; erheblichere Veränderungen zeigt das Epithel: die einzelnen Zellen sind flach, kubisch oder fast platt; sie schliessen lückenlos aneinander, Zellgrenzen sind nicht wahrzunehmen. Das Protoplasma ist hell, homogen ; Sekret- körnchen, Sekretvacuolen fehlen. Einige Drüsenlumina sind verödet durch Epithelwucherungen, meist ist dasselbe noch vor- handen und enthält einen blassen, in der Mitte liegenden blassrot gefärbten Sekretrest in dem keine weiteren Strukturen zu er- kennen sind. — Ausführungsgänge liessen sich auch an Serien- schnitten nicht nachweisen. — Dass es sich bei den eben be- schriebenen Formen etwa um tangential angeschnittene grössere Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 545 Drüsenläppchen, die, im Centrum noch normal, nur in den Rand- partien obige Veränderungen erkennen liessen, gehandelt hat, ist deshalb auszuschliessen, weil an Serienschnitten durch eine ganze Reihe von Präparaten sich dasselbe Bild verfolgen liess. 3. Als dritte Grundform konnte diejenige gelten, bei der alle in einem Drüsenläppchen vorhandenen Tubuli erweitert sind. Die Wand sämtlicher ist prall ausgedehnt, nicht gefaltet. Die Membrana propria ist sehr fein; die Muskelzellen flach, auch auf dem Querschnitt, nicht als dreieckige Fortsätze nach innen zu vorspringend; die Epithelzellen sind flach kubisch, mit glatter Basis der Unterlage aufsitzend, oder ganz platt, die Zellgrenzen nicht deutlich sichtbar. Das Protoplasma der Epithelien ist hell, Pigmentkörnchen sind in ihnen nur vereinzelt vorhanden. Das in einzelnen Lumina noch vorhandene Sekret bietet ein fädiges Aussehen ; zellige Bestandteile oder Pigmentkörnchen fehlen. Das zwischen den einzelnen Tubuli vorhandene Bindegewebe enthält relativ spärliche Gefässverzweigungen und führt reichliches Fettgewebe. 4. Zwischen diesen Grundformen, die als solche nicht sehr häufig sind, stehen nun Mischformen, welche den einen der sub 1 bis 3 näher geschilderten Typen als vorwiegender Bestandteil neben einzelnen Tubuli der den übrigen Typen zuzuzählender Form enthalten. Diese Mischformenin vielfachen Varia- tionen sindes, diedas gewöhnliche Bild der Achsel- drüsen ausmachen und am häufigsten angetroffen werden. Die Verschiedenheit der anatomischen Form er- klärt sich zwanglos aus den verschiedenen Sekretionsphasen, in welchen sich die einzelnen Drüsenabschnitte befinden. Auf die verschiedenen Sekretionsvorgänge, deren Einzelheiten ich unten noch kurz zu besprechen haben werde, deuten die Form des Sekretes, das Aussehen der Epithelien und das Verhalten der übrigen Wandelemente (Muskelhaut, Membrana propria). Wir wissen, dass bei Kontraktion der Muskelzellen die Wand gefaltet wird, das Drüsenlumen sich verkleinert, ja sogar bis zum Verschwinden gebracht werden kann, während die Zellen nun höher werden und bei der Beschränkung des Raumes zum Teil sich aneinander lang drücken müssen, und dass umgekehrt bei Erschlaffen des Tonus der Muskularis, das Lumen sich erweitert, 546 Ludwig Talke: so dass die Epithelzellen auf dem Querschnitt nur noch einen schmalen Wandsaum bilden. Diese Vorgänge stehen natürlich mit der Sekretion, wie an andern Drüsen schon längst experi- mentell und anatomisch erwiesen, so auch hier in innerem Zu- sammenhang. — Die bisherigen Untersucher konstatierten zwar das Neben- einandervorkommen enger und weiter Drüsenkanäle mit höherem und niedrigerem Epithel, ich finde jedoch nirgends für diese anatomischen Variationen eine Erklärung vom physiologischen Standpunkt aus. Mit den bisher betrachteten Formen ist jedoch die Reihe der verschiedenen Bilder, die die Achseldrüsen darbieten, noch keineswegs erschöpft. Es finden sich noch eine gewisse Zahl von Modifikationen, welche durch bereits abgelaufene oder noch im Gange befindliche pathologische Prozesse erklärt werden. Dieselben gestalten das Gesamtbild noch bunter, als es schon ohnehin ist; sie gehören zwar streng genommen nicht in eine histologische Studie, müssen aber, weil sie sich häufig finden und zwar in anscheinend durchaus gesunder Achselhaut, der Voll- ständigkeit halber doch ihre Erwähnung finden. Zunächst sind die mehr oder weniger hochgradigen Ektasien zu nennen die bald an einer Stelle der Wand, bald an vielen zugleich auf- treten und zu den absonderlichsten Formen führen. Das um- gebende Bindegewebe ist atrophisch, kernarm. Es lässt sich die Bildung derselben mitunter verfolgen: in der Wand treten mul- tiple kleine Falten mit Ausbuchtungen hervor, die an Grösse zunehmen, durch deren Weiterwachsen eben jene Formen ent- stehen, die oft die Grösse eines Hanfkornes erreichen. Die Wand der Ektasie weist stellenweise Veränderungen auf: zunächst ist manchmal die Muskelhaut unterbrochen, sodass bindege- webige Membrana propria direkt an’s Epithel stösst. Dann findet sich an einzelnen Mehrschichtigkeit des Epithels, die allerdings bei der Schwierigkeit scharfe Querschnittsbilder zu erhalten, nicht immer mit Sicherheit auf aktive Wucherung des Epithels zu beziehen sein dürfte. Im Lumen dieser Ektasie ist nur stellenweise etwas ge- ronnenes Sekret vorhanden. In manchen Drüsenläppchen fernerhin begegnet man in den Randpartien, da wo sich auch die grösseren Gefässe zeigen, Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 547 einer geringen Anhäufung von Rundzellen mit Ver- mehrung des Bindegewebes. Wie weit diese zum Verschluss von Drüsenausführgängen beitragen könnte, und so eine Ektasie durch Sekretdruck von innen her bedingt werden könnte, lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. Während die Schweissdrüsen der übrigen Haut zu den einfach tubulösen Drüsen gehören, sind die grossen Drüsen der Achselhöhle zusammengesetzt tubulös. Ich habe an Serienschnitten die Teilung des ausführenden Ganges beim Ueber- tritt in die secernierenden Teile in 2 bis 3 Aeste nachweisen können — das Verhalten zeigten die meisten untersuchten Achsel- drüsen — aber auch noch im Verlauf der secernierenden Gänge, die nach der Teilung keine weitere Verzweigung mehr eingingen, waren noch, wenn auch sehr selten nochmalige Teilungen in zwei Aeste vorhanden. Wie gesagt, lässt sich dieses Verhalten nur mit Hülfe von Serienschnitten feststellen. — Aehnliches konnte Kölliker!) schon vor Jahren feststellen: er äussert sich darüber: „bei den grossen Drüsen der Achselhöhle war das Drüsen- rohr meist mehrfach gabelig in Aeste geteilt, die wiederum sich spalteten und dann, nachdem sie oft noch kleine Blind- säcke abgegeben hatten, endeten.“ Wiedervereinigungen der einmal geteilten Gänge unter- einander, wie sie Kölliker, wenn auch selten, beobachtet hat, sind mir nicht zu Gesicht gekommen. Die Ausführungsgänge der Achseldrüsen bieten wenig Besonderes. Ein solcher nimmt von einer Ecke des Drüsenläppchens aus, nachdem die absondernden Kanäle (meist 2—5) zusammengemündet sind, seinen Anfang und steigt fast grade empor, wodurch er sich von einem Ausführungsgang der kleinen vorgelagerten Knäueldrüsen unterscheidet. Er übertrifft letzteren etwas an Durchmesser; ausserdem ist seine Wand einfacher gebaut; während nämlich der Ductus sudoriferus ausser der bindegewebigen Hülle eine doppelte Epithellage hat, besitzt der Ausführungsgang einer grossen Achseldrüse ausser einer Membrana propria, die allerdings ziemlich dick ist, nur eine Schicht heller Epithelien ohne Cuticularbildung. — Von Kölliker’) Nk.,ölliker, le. 2. Kölliker, 1% 948 . Ludwig Talke: sowie Heynold!) ist bei den grossen Drüsen der Achselhöhle eine Einmündung des Ausführungsganges in die Haarbälge, allerdings nicht konstant, beobachtet, wie sie öfters bei den Öhrenschmalzdrüsen und regelmässig bei den Moll’schen Drüsen sich findet. Mir ist, so viele Schnitte ich auch durchsucht habe, ein derartiges Verhalten nie aufgestossen. 1. Feinerer Bau der Epithelzelle. An in ÖOsmiumgemischen fixierten Präparaten fallen am Drüsenepithel noch einige mit dem Sekretionsprozess zusammen- hängende Besonderheiten auf. Es lassen sich nämlich zwei verschiedene Zellarten nachweisen, von denen die einen dunkel, dieandern dagegen hell erscheinen. Beiden gemein- schaftlich ist die ausserordentlich feine Körnelung der proto- plasmatischen Substanz. Die dunkleren sind anfangs schmal und haben dieselbe Höhe wie die hellen, später nehmen sie an Breite, besonders aber an Höhe zu und ragen über die hellen hervor; der überstehende Teil verdickt sich etwas, wird kolbig mit ge- wölbter Oberfläche. Diese Zellen sind secernierende, die Menge des Sekretes nimmt, der Volumsvermehrung entsprechend, zu; die hellen Elemente sind ruhende Drüsenzellen und solche, die soeben ihr Sekret entleert haben. Das gegenseitige Verhältnis ist ein verschiedenes. Nachdem oberhalb des Kernes die Sekretanhäufung in dem nach dem Lumen zu belegenen Teile der Zelle ihre Grenze erreicht hat, erfolgt die Sekretentleerung so, dass sich aus der Kuppe der Zelle ein verschmälerter Fortsatz entwickelt, und so allmählich die ganze Sekretmasse herausquillt. Der Kern er- scheint noch scharf kontouriert mit deutlichem Chromatingerüst, das Protoplasma ist heller geworden, gleichwohl noch granuliert. Die Zelle kann nun in den Ruhezustand zurückkehren, meist thut sie es nicht, sondern geht zu Grunde und zwar unter folgenden Erscheinungen. Die Zellkontouren sind verwischt, während die im Ruhezustand befindliche Zelle eine überall scharfe Begrenzung hat; die Zellsubstanz ist an den Rändern wie ausgenagt; die zarte Körnelung verschwindet, statt deren treten gröbere Granula auf, von etwas dunklerer Färbung. Hand in Hand damit gehen Zerfallserscheinungen am Zellkern; am ’) Heynold, Virchows Archiv, Bd. 61. ae Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 549 längsten scheinen noch die Nucleolen sichtbar zu bleiben, bis auch sie, wie vorher die übrigen Kernbestandteile, im Zelldetritus verschwinden. Letzterer mischt sich dem Sekret bei, das viel- fach eine ähnliche granulierte Beschaffenheit zeigt. — Betont sei hier noch, dass in den meisten Tubuli dunklere (thätige) und hellere Zellen (secernierende und untergehende) neben einander in verschiedenem Verhältnis zu finden sind. — Gleichzeitig erfolgt auch die sekretorische Aus- scheidung der Pigmentkörnchen, deren chemische Natur noch strittig ist und der Fettkörnchen. Sie liegen vorzugs- weise in den dunklen vergrösserten Zellen und zwar in dem kolbig angeschwollenen Endabschnitt derselben; die ruhenden Zellen enthalten die Körnchen weit spärlicher. Ueber die Abscheidung des Sekretes in den grossen Achsel- drüsen sind bisher noch keine Beobachtungen mitgeteilt. Kölliker erörtert nur die Frage des Ueberganges der körnchenartigen Teile aus den Zellen in das Sekret, und meint, dass dieselben entweder durch die poröse Cuticula hindurch träten oder nach Ablösung der Cuticula, die die Zellen vorüber- gehend verlieren könnten, direkt ins Sekret gelangen könnten. Neben diesen zwei Zellarten fallen noch kleinere scharf kontourierte Zellen im Drüsenepithel auf, die allerdings nur selten angetroffen werden; sie liegen oft teilweise unter grösseren Epithelzellen verborgen: es sind dies wohl junge, zum Ersatz der Verlorengegangenen bestimmte Zellen. War somit der Untergang einzelner zelliger Elemente im Drüsenepithel festgestellt, musste auch eine Neubildung notgedrungen stattfinden. Bilder, welche für eine direkte Zellteilung sprachen, fand ich nicht; die Regeneration erfolgte vielmehr, wie die mehrfach gefundenen Mitosen zeigten, ausschliesslich auf? dem Wege der indirekten Kern- teilung. An den zahlreichen kleinen Schweissdrüsen die um die grossen Drüsen lagen, waren — wie hier nebenbei bemerkt werden soll — keine Kernteilungen im Epithel auffindbar. Joseph,') der auch danach gesucht hat, vermisste sie sogar an gereizten Drüsen. ') Joseph: Ueber Schweiss- und Talgdrüsensekretion. Archiv für Anat. und Physiol. Physiol. Abteilung 1891. 550 Ludwig Talke: I. Körnchenpigmente. In den Zellen vieler Drüsenlumina fallen gelbe Körn- chen auf, die, hinsichtlich ihrer Farbe, Grösse und Lagerung, ein etwas verschiedenes Verhalten zeigen. Die Färbung ist bald hellgelblich, bald etwas dunkler, ins orange und bräunliche spielend. Die kleinsten unter ihnen sind eben noch mit starken Trockensystemen sichtbar, die grösseren erreichen die Grösse des Zellkerns; sie treten als feine Körnelung oder unregelmässige Scheibchen, aber auch als grössere Kongregationen auf, die sich als aus vielen einzelnen Bröckeln zusammengesetzt erweisen. Die kleineren liegen seitlich neben dem Zellkerne, die grösseren vorzugsweise oberhalb des letzteren, in dem nach dem Lumen zu gerichteten Zellteile, diesen oft prall erfüllend; der basale Abschnitt der Zelle, der den Kern mit enthält, ist dann frei. — An ungefärbten Präparaten, besonders an in Alkohol, besser noch in Formalin fixierten, zeichnen sich die zentralen Teile, der Epithelien, die die gelben Pigmentkörnchen enthalten, als gelber Ring deutlich ab. Manchmal ist ein Hervorquellen der Körnchen aus dem Zellleibe in das Lumen zu sehen, oder aber eine chmale Protoplasmazone umgiebt den von Sekret erfüllten, kolbig verdickten, inneren Zellabschnitt; es kommt auf diese Weise bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck einer Cuticularbildung zustande (s. u.). Hinsichtlich der Menge dieser Körnchen wäre zu sagen, dass einige Drüsenläppchen in fast sämtlichen Lumina die Körnchen enthalten, in anderen sind sie spärlich; in manchen Drüsenläppchen werden sie überhaupt vermisst. Die Menge innerhalb der einzelnen Zelle kann so gross werden, dass der Kern durch Atrophie zu Grunde geht. Besonders deutlich sieht man an tangential gefallenen Schnitten der Drüsen- gänge einzelne Epithelzellen, die von der Fläche betrachtet, eine unregelmässig polygonale Gestalt mit scharfen Ecken und Kanten besitzen, dicht erfüllt von den Körnchen, während vom Kern nichts mehr, von dem übrigen Teil der Zelle oft nur ein schmaler heller Protoplasmasaum, der die Körnchen noch zu- sammenhält, sichtbar ist. Was die chemische Natur dieser Körnchen anlangt, so lässt sich darüber nichts bestimmtes angeben, ihr tinetorielles Verhalten ist etwas eigentümlich und auch nicht Su ed Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. > eindeutig. — Die Eigenfarbe der Körnelung ähnelt noch am ehesten der Farbe von Blutpigment resp. Hämoglobinum- setzungsprodukten. Die Scheibehen- wie Körnchenform wider- spricht dieser Annahme keineswegs, wohl aber das Verhalten der Körnchen gegenüber der Eisenreaktion die ich mit Präparaten anstellte, sowie der Eosintinktion. — Handelte es sich nämlich um noch eisenhaltiges Blutpigment, so wäre doch wohl die Ferro- cyankali-Salzsäureprobe und noch mehr die Schwefelammonium- probe von Erfolg gewesen; beide sind mir, wie gesagt nicht gelungen. — An mit Hämatoxylin und Eosin tingierten Präparaten hatte die Eigenfärbung dieser Körnchen, wie ungefärbte Kontroll- präparate vom selben Stück oder Block zeigten, nichts eingebüsst; eine rosarote bis kupferrote Färbung, wie sie in Umwandlung beeriffene Erythrocyten noch anzunehmen pflegen, trat nie ein. Um einen noch sichereren Anhalt zu gewinnen, wurde das von Wiscozky als Reagens auf Hämoglobin empfohlene Eosin- gemisch zur Anwendung herangezogen (Eosin 1, Alaun 1, Alko- hol 200). Auch dabei liess sich keine Färbung der gelben Körnchen erzielen, die dieselben als abgelagertes und in Um- wandlung begriffenes Hämoglobin einwandsfrei zu deuten gestattet hätte. Hämatoxylin, sowohl das Böhmer’sche Alaunhämatoxylin, wie das von Heidenhain angegebene Eisenhämatoxylin liess die gelblichen Körner ungefärbt. Durch verschiedene Anilinfarben wurden sie dagegen intensiv tingiert: Gentiana violett, Saffranin, Carbolfuchsin, Lichtgrün; in Biondi-Heidenhain’scher Lösung wurden sie intensiv grasgrün. In Osmiumgemischen fixierte Präparate zeigten gleichfalls die Körnelung;; jedoch war mehr oder weniger intensive Bräunung, seltener Schwärzung, eingetreten; daneben fanden sich im Zell- leib feinste intensiv geschwärzte Körnchen, die aber feiner waren als die oben geschilderten Pigmentkörnchen und wohl einwands- frei als kleinste Fetttröpfchen zu deuten waren. Aus der durch die Osmierung eingetretenen Braunfärbung der inLagerung, Gsrösse und Auftreten völlig der oben beschrie- benen Körnelung gleichenden Partikelchen auf ı) Wiscozky: Ueber das Eosin als Reagens auf Hämoglobin. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 13, 1877. [wb} | Ott [660] Ludwig Talke: die chemische Zusammensetzung aus Fett, schliessen zu wollen, ist nicht ohne weiteres angängig. Bekanntlich hat nicht alles, was sich nach ÖOsmierung schwärzt, als Fett zu gelten. Unna!) wies des näheren nach. dass die OÖsmierung durch reine Osmiumsäure oder Flemming- sche Flüssigkeit nicht allen Fettbefund der Haut darstelle, und sich durch sekundäre Osmierung von in bestimmter Weise vor- fixierten Präparaten (Pikrin-, Gerb-, Salpetersäure) noch mehr als Fett herausstelle, wie andererseits gewisse andere Stoffe auch durch Osmium geschwärzt werden. Kallies?) hat besonders betont, dass bei Anwendung der ÖOsmiumsäure nicht nur Fett, sondern fast alle denkbaren Gewebe sich schwärzen können. Sata°), der über das Vorkommen von Fett in der Haut und einigen Drüsen gearbeitet hat, kommt zu folgenden Resultaten: Den von mehreren Voruntersuchern entdeckten Fettgehalt der Schweissdrüsen bestätigend, konnte auch er in diesen, wie ihren Modifikationen (Achselhöhlen-, Anal-drüsen) das Fett in Form kleinster Körnchen in den Epithelzellen nachweisen, während dasselbe in den Ausführungsgängen fehlte. Oft fand er Fett- zellen und kleine feine Fetttröpfehen in der Umgebung der Drüsen, sodass an eine Aus- oder Einwanderung von Fett zu denken sei. — Nach den mir vorliegenden Präparaten habe ich diese Verhältnisse nicht feststellen können; für die Achsel- drüsen gelten sie sicher nicht. Der Fettgehalt dieser letzteren ist vielmehr, wie frische und mit Sudan III gefärbte Präparate ergeben haben, ein geringer; jedenfalls liegen die durch Sudan gefärbten Körn- chen, die als Fett zu gelten hätten, ganz anders im Zellleib als die, gelbe Eigenfarbe zeigenden, des näheren oben beschriebenen Zelleinschlüsse, sind auch viel spärlicher vorhanden. Auch Sata hat, wie er in einem Nachtrag zu seiner Arbeit berichtet, die Färbung mit Sudan III zur Kontrolle für dieselben Objekte, an ® Unna, Fettfunktion der Knäueldrüsen und die Durchsetzung der Haut ete. Deutsche Mediz. Zeitung No. 43. Monatsschrift für prakt. Dematologie, Bd. 26. „ In: Verhandlungen der anat. Gesellsch. 12. Versammlung 16/17. ®) Kallies, ebenda. *) Sata, Ueber das Vorkommen von Fett in der Haut und in einigen Drüsen, sogenannten Eiweissdrüsen. Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie etc. Bd. 27, 559. 2) St 8%) Ueber die grossen Drüsen der Achselhöhlenhaut des Menschen. 5% denen er obige Untersuchung machte, herangezogen; da sich hierbei das Fett in Drüsenzellen in anderer Form und öfters in geringerer Menge darstellte, als nach Einwirkung von Osmium- säure, scheint ihm die Annahme naheliegend, dass Osmium ausser dem Fett noch andere Bestandteile, vielleicht modifiziertes Eiweiss schwärzt. Nach an meinen Osmiumgemischpräparaten, wie an den mit Sudan gefärbten Schnitten, sind die Befunde bezüglich des Fett- gehaltes nicht die gleichen in den Achseldrüsen. Die sonst in bezug auf Grösse, Form und Lagerung mit den eingangs er- wähnten gelben Zelleinschlüssen, die sich auch dem Sekret bei- mischen, übereinstimmenden, durch Osmium braungefärbten Massen, lassen sich mit Sudan III nicht färben; mit letzterem Farbstoff tingieren sich vielmehr feinste Tüpfel im Zellleib, die den durch Osmium geschwärzten oben erwähnten Partikelchen gleichen. Nach alledem erscheint es zum mindesten fraglich, ob diese: Zelleinschlüsse, die sich mit Osmium bräunen, auch Fett sind; vielleicht handelt es sich um durch besondere Färbung ausgezeichnete, durch vitale Thätigkeit der Zelle entstandene Sekretionsprodukte; was dann noch dagegen spricht, dass es sich um Fett handelt, ist der Umstand, dass die gelber Zelleinschlüsse durch Alkohol, Aether, Xylol nicht ausgezogen wurden, sondern in ihrer Eigenfärbung erhalten blieben. Glykogen stellten diese nicht dar; a priori sprach ja schon die Form derselben dagegen; auch die färberische Reaktion derselben liess dieses ausschliessen. Ill. Zellmembran und Cuticula. Kölliker fand an den Drüsenzellen an der freien Fläche eine zarte aber scharfe Begrenzung, die gewissermassen den Eindruck einer festeren Hülle machte. In den grossen Drüsen der Achselhöhle sollten die Epithelien an dieser Stelle, eine wirkliche Cuticula besitzen, wie Heynold') an Osmium- präparaten fand; Kölliker glaubte diesen Fund bestätigen zu können; freilich schien ihm diese Auflagerung nicht so dick zu sein, wie sie Heynold gezeichnet hatte. In dieser Cuticular- bildung hat Kölliker eine deutliche Längsstreifung oder ') Heynold, Virchows Archiv. Bd. 61. 954: Ludwig Talke: Kerbung wahrgenommen, gleichsam als wenn sie von Poren- kanälchen durchzogen wäre. Joseph!) konnte in den grossen Schweissdrüsen der Achsel- höhle keine Cutikularbildungen an den Zellen konstatieren, welch’ letztere nur an den OÖhrenschmalzdrüsen vorhanden war. Kölliker legte dieser noch insofern eine grössere Bedeutung bei, als sie vermittels ihrer Porenkanäle Sekretstoffe in das Lumen über- treten lassen könne. Ich habe echte Cutieularbildungen nicht beobachtet. Vor- getäuscht wird eine solche oft dadurch, dass an stark mit Sekret gefüllten Zellen der innerste Protoplasmateil als heller Saum scharf gegen das übrige absticht. Eine weitere Quelle der Täuschung ist vielleicht darin zu suchen, dass an der freien Ober- fläche der Zellen ein schmaler Saum aufsitzt, der an Dicke wechselt. Sehr häufig fehlt diese Bildung ganz, vor allem ist sie nie an frischen Präparaten sichtbar gewesen. Aus alledem erhellt, dass hier keine echte Cuticularbildung vorliegt, sondern dass es sich um spärliche Mengen gewonnenes Sekret handelt, das in schmaler Schicht die Wand bedeckt. Das Sekret der Achseldrüsen ist in seinen äusseren Eigen- schaften und einigen seiner chemischen Bestandteile zur Genüge bekannt. Es ist vorwiegend breiartig, jedoch können nach Kölliker auch wässerige Absonderungen von den Achseldrüsen geliefert werden, und zwar besonders von den erweiterten Teilen der Drüsengänge, deren Epithel aus mehr oder weniger abge- platteten Pflasterzellen besteht. Mikroskopisch stellt sich das in den Drüsengängen liegende Sekret recht verschieden dar, was wohl durch die Fixierung und Färbung bedingt ist. Es kann vollkommen homogen sein oder gekörnelte Beschaffenheit haben; oft tritt es als fädige Masse mit einem feinen Gitterwerk und Lücken auf. Ganze Zellen, Lymphkörperchen, wie Kölliker sie beschreibt, habe ich nie beobachtet, dagegen finden sich oft gröbere und feinere gelbliche Körnchenmassen in ihm, bald vereinzelt, bald in bedeutenderer Menge. Fettkörnchen sind selten zu finden. Oder aber das Sekret besteht aus konzentrisch geschichteten kugeligen Bildungen, ®) Joseph: Ueber Schweiss- und Talgdrüsensekretion. Archiv für Anatomie und Physiologie. Phys. 1891. l >, | o© = | Ueber die grossen Drüsen der Achseihöhlenhaut des Menschen. die in leicht erweiterten Drüsengängen mit atrophischem Epithel liegen; zuweilen wechseln auch hellere mit dunkleren Ringen ab. Die Färbung schwankt bei Hämatoxylin Eosintinktion von zartrosa oder blassbläulich bis dunkelviolett; an Osmiumgemisch- präparaten erschien es bräunlich oder gelblich und tingierte sich mit verschiedenen Anilinfarbstoffen; bei Eisenlack-Hämatoxvlin- färbung nahm es graugelbliche bis hellschwarze Färbung an. Manche Drüsenläppchen sind völlig frei von Sekret, meist sind immer nur einige mit Sekret gefüllte Lumina vorhanden. Erklärung der Figuren auf Tafel XXVI. Sämtliche Figuren sind mit Verwendung des Abb&6- Zeiss’schen Zeichenapparates auf die Höhe des Objekttisches projieiert und gezeichnet bei eingeschobenem Tubus. Fig. 1. Obj. A Oc. O (Zeiss). Ein Läppchen einer Achseldrüse mit normal weiten Drüsengängen. Fig. 2. Obi. A 0Oc. OÖ (Zeiss): Achseldrüseuläppchen mit erweiterten Drüsengängen. Die meisten enthalten etwas Sekret von fädig- körniger Beschaffenheit. Fig. 3. Obj. D Oe. 2 (Zeiss). Ein tangential angeschnittener Drüsen gang Helle und dunkle Zellen. Gelbliches, körniges Pigment in Körnchen und Schollen angeordnet. Einige Zellen sind ganz damit gefüllt Formalinpräparat. Fig. 4. Dieselbe Vergrösserung wie in 3. Drüsengang im Querschnitt. Pigment. Obj. DD Oe. 2 (Zeiss). Hermann’sche Lösung. Eisenlack- hämatoxylinfärbung. Helle — ruhende Zellen (deutliche Begrenzung) und untergehende Zellen (unscharfe Kontourierung, grobe Körnelung); dunkle — secernierende Zellen mit körnigem und scholligem Pigment. Die letzteren sind länger, höher, am freien Ende kolbig angeschwollen und zeigen hin und wieder einen Fortsatz, der sich in das innerhalb des Lumens liegende Sekret erstreckt. = En = ou 656 Beitrag zur Morphologie und Mikrophysio- logie der Brunnerschen Drüsen. Von Stud. A. A. Bogomoletz in Odessa. Hierzu Tafel XXVIl. Die Struktur und Funktion der Brunnerschen Drüsen kann heute noch nicht für vollständig geklärt angesehen werden- Während Stöhr z. B. in seinem Lehrbuche der Histologie diese Drüsen als zweigig - röhrenförmige darstellt, zählen Böhm und Davidoff sie zum Typus der zweigig-alveolaren Drüsen, nm deren Säcken, und insbesondere auf deren Boden, man häufig Alveolen finden könne. In der speziellen Literatur über die Morphologie der Drüsen des Duodenums finden sich derartige Widersprüche noch häufiger. Die Untersuchungen über das Drüsensekret sind noch unklarer; hiervon kann man sich sehr leicht überzeugen, wenn man nur die Ansichten, die in zweien angesehenen Lehrbüchern der Physiologie (Landois, Frederick und Nuel) dargelegt sind, vergleicht. Landois vertritt die Ansicht, dass der Inhalt der Ab- sonderungszellen ausser Eiweiss, noch Mucin und Ferment- Stoffe unbekannter Natur enthält. Er fügt hinzu, dass diese Drüsen höchstwahrscheinlich dem Pankreas nahe stehen. Frederick und Nuel schreiben den Brunnerschen Drüsen die Aussonderung von Pepsin zu. Die eben angeführte Verschiedenheit der Ansichten hat mich veranlasst, die Struktur der Brunnerschen Drüsen im Zusammenhange mit ihren physiologischen Funktionen näher zu untersuchen. Geschichtlicher Ueberblick. „In duodeno plurimas insignes glandulas ultra palmi latitudinem a pyloro deorsum sparsas inveni, quae detracta tunica fibrosa quasi conglomeratae apparuerunt, dimidiati seminis cannabini magnitudine, quae aqua maceratae mucum stillabant copiose etiam octavo adhuc post mortem die.“ So beschreibt im Jahre 1679 Wepfer die von ihm entdeckten Drüsen des Duodenums. Im Jahre 1688 untersuchte Brunner diese Drüsen ausführlicher und nannte sie neues Pankreas oder Pancreas secundarium. Beitrag zur Morphologie etc. der Brunnerschen Drüsen. 657 Etwa 150 Jahre verflossen von da an, ohne dass Jemand weitere Mit- teilungen über die Drüsen des Duodenums machte. Erst im Jahre 1535 kommen Böhm und 11 Jahre später Middel- dorpf, nachdem er eine ganze Reihe von Untersuchungen über diese Drüsen bei verschiedenen Tieren gemacht hatte, zu der Ansicht, dass es alveoläre Drüsen sind; er verwirft die Identität der Aussonderung der- selben mit derjenigen des Pankreas und bezeichnet zum erstenmal die Drüsen als „Brunnersche‘“. Seit dieser Zeit hat sich eine grosse Zahl von Forschern mit den Brunnerschen Drüsen beschäftigt. Da jüngst A. Oppel') eine ausführliche historische Uebersicht gegeben hat, so kann ich mich auf diese beziehen. Jedoch möchte ich bei Schwalbes Darstellung verweilen. Er betrachtet die Brunnerschen Drüsen als eine Uebergangsform zwischen röhrenförmigen und acinösen Formen und weist zugleich auch auf ihre Aehnlichkeit mit den Schweissdrüsen hin. Das Epithel der Brunnerschen Drüsen und ihrer Aus- führgänge besteht, seiner Ansicht nach, aus kegelförmigen Zellen, deren Kerne am peripherischen Ende liegen. In jeder Zelle unterscheidet er, ausser dem Kern und der homogenen Grundsubstanz, zweierlei Art Körner: 1. Fett- körnchen und 2. eine grosse Zahl anderer Körner, die den in Speichel- und Schleimdrüsen vorkommenden ähnlich sind; letzteren ist er geneigt, eine fermentative Wirkung zuzuschreiben. Auf dem basalen Ende der Zelle sind seitliche Auswüchse vorhanden, die senkrecht zu der Längenachse stehen und an die Membrana propria grenzen. Diese Auswüchse geben ihrer Lagerung nach dasselbe Bild, wie die Schuppen bei den Fischen. Gegenüber der Meinung Middeldorpfs, dass die Brunnerschen Drüsen, besonders bei den Grasfressern verbreitet sind, ist Schwalbe der Ansicht, dass die Zahl der Brunnerschen Drüsen durchaus nicht von der Art der Nahrung abhängig ist. Indem er eine grosse Aehnlichkeit zwischen den Zellen der Brunner- schen Drüsen und den Elementen der Schleim- und etlichen Speicheldrüsen konstatiert, giebt er zugleich eine nahe Verwandtschaft ihres Epithels mit demjenigen der Pylorusdrüsen zu. Ganz anders ist, nach Schwalbe, die Struktur der Drüsen, die beim Kaninchen in der Darmwand eingebettet liegen. Unmittelbar am Magen, 1—1'!/s cm von dem Pylorus entfernt, sind diese Drüsen, dem Bau nach, den Brunnerschen Drüsen anderer Tiere ähnlich; weiter den Darm hinab auf einer Strecke von 50 cm zeigen die Drüsen ganz den Bau des Pankreas. Wir gestatteten uns, etwas weiter auf Schwalbes Arbeit einzugehen, weil dieselbe eine der ausführlichsten Forschungen auf dem Ge- biete der Brunnerschen Drüsen ist und der Verfasser in seinen Schluss- folgerungen die entgegengesetzten Anschauungen anderer Forscher mitein- ander zu vereinigen sucht. Eine ganze Reihe von Autoren, wie z.B. Renaut, Bentkowsky, Kuczynski, Schlemmer, Brücke, Schaffer und viele andere, schreiben den Brunnerschen Drüsen einen tubulösen Bau zu, ähnlich dem ") A. Oppel, Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 37 658 A. Bogomoletz: der pylorischen Drüsen, während andere, z, B. Heidenhain, -Toldt, Gegenbaur, diese Drüsen für acinöse halten. Was die Funktion der Drüse betrifft, so finden wir ebensolche Wider- sprüche. Einige Forscher halten sie für Schleimdrüsen, andere schreiben ihrem Sekret die Eigenschaften des Pepsins und sogar des diastatischen Ferments zu (Budge und Krolow). Glaessner erkennt in seiner Arbeit (1901) die Identität des Ferments der Brunnerschen mit dem der pylorischen Drüsen an, indem er sagt: „Jedenfalls ist bemerkenswert, dass das proteolytische Ferment des Pylorus und der Brunnerschen Drüsen gewisse Eigenschaften beider in gleicher Richtung wirksamen Nachbarfermente, des Pepsins und des Trypsins, vereinigt.“ Untersuchungsverfahren. Beim Studium der uns interessierenden Frage bedienten wir uns zweierlei Methoden, der vergleichend-anatomischen und der physiologischen. Wir untersuchten den Bau der Brunnerschen Drüsen bei verschiedenen Tieren, unabhängig von ihrem Funktionszustande; ferner bemühten wir uns die morphologischen Veränderungen in dem Gewebe der normalen Brunnerschen Drüsen zu verschiedenen Zeiten, und unter verschiedenen Bedingungen ihrer Thätigkeit zu erforschen. Einzelne Stücke des Dünndarms, bei lebendigen Tieren unter Chloro- form-Narkose, oder sofort nach dem Tode ausgeschnitten, fixierten wir teils in Flemming'’scher Flüssigkeit, teils in gesättigter Sublimat - Lösung, welche mit physiologischer Kochsalzlösung zubereitet worden war, teils in Alkohol, betteten in Paraffin ein, was wir, der topographischen Verhältnisse wegen, für notwendig erachteten. Die Mikrotom - Schnitte wurden teils mit Wasser, meist aber mit 30°/o Alkohol aufgeklebt. Die n Flemming- scher Flüssigkeit fixierten Präparate färbten wir mit Safranin und Pikro- Indigo-Karmin, die in Alkohol und Sublimat fixierten mit Böhm er’schem ‘Hämatoxylin und Van-Gieson’scher Flüssigkeit oder mit Pikrinsäure. Die Sublimat - Präparate färbten wir auch in Thionin, wobei wir zuweilen als Ergänzungsfarbe Eosin gebrauchten. Für die Verteilung der Blutgefässe injizierten wir mit formalin-karmin-gelatinöser Masse nach T. Lomynski, oder wir injizierten den Tieren bei Lebzeiten Indigo-Karmin. Wir untersuchten die Brunnerschen Drüsen von Pferden, Ochsen, Schweinen, Schafen, Hunden, Katzen, Kaninchen, Ratten und Mäusen. Bei allen diesen Tieren bilden die terminalen Ver- zweigungen der Drüsenschläuche kegelförmige Ausbuchtungen, so dass man diese für Alveolen halten und die Drüsen selbst zum Typus der alveolären rechnen kann. Die Ausbuchtungen sind bei verschiedenen Tieren nicht gleich gut ausgebildet, worauf wahrscheinlich auch die Verschiedenheit der Ansichten Beitrag zur Morphologie etc. der Brunnerschen Drüsen. 659 der Forscher beruht. So sind beim Schafe die Ausbuchtungen sehr unbedeutend; erst nachdem die Schnitte durch den Darm nach den verschiedensten Richtungen gemacht worden waren, konnten wir uns überzeugen, dass die Ausbreitungen an den Enden der Schläuche beständig vorhanden sind und erkannten darin die echten Alveolen. Bei der Katze kommen die Alveolen in den Drüsen bedeutend klarer zum Vorscheine. Jede Drüse mit allen ihren Verzweigungen hat bei diesen Tieren im Ganzen die Form eines Ovoids (Fig. 1), das mit seinem verjüngten Ende zur Muscularis mucosae gerichtet ist. Die terminalen Aus- buehtungen werden in der Richtung zu dem Ausführgange enger, indem sie hier ein „Collum alveolae“ bilden, das bei der Mündung in den Ausführgang wiederum etwas breiter wird. In den Drüsen des Kaninchens sind diese Alveolen noch klarer ausgebildet. Nach Schwalbe und Kuczynski ist ihr ;jau dem des Pankreas ähnlich. Die Brunnerschen Drüsen befinden sich in der Submucosa des Duodenums, insofern überhaupt von einem solchen Darm bei verschiedenen Tieren die Rede sein kann. Jedenfalls fangen diese Drüsen bei den meisten Tieren sofort hinter dem Pylorus an und erstrecken sich im Darme abwärts in verschiedenen Dimensionen. Auf der Grenze zwischen der Pyloruszone und den Darmdrüsen liegt gewöhnlich der von den Autoren be- schriebene solitäre Follikel. Auf Längsschnitten durch den Pylorus und den Anfang des Darms konnten wir niemals einen unmittelbaren Uebergang von den tubulösen Drüsen des Pylorus zu den Brunnerschen konstatieren und der Unterschied in Bezug auf die Reaktion und Morphologie der Zellenelemente brachte uns noch mehr zu der Ueberzeugung, dass diese beiden Arten von Drüsen verschieden sein müssten. Während die Brunner- schen Drüsen des Kaninchens bei der Färbung mit Safranin und Pikro - Indigo - Karmin eine deutliche Schleimmetachromasie erzeugten, färbten sich die Drüsen des Pylorus normal, gleich den Lieberkühnschen Drüsen; das Zellenplasma hat bei ihnen eine grünlich - gelbe Farbe, die Zellenkerne eine rote, während von einer violetten Zone der Drüsen der Submucosa keine Rede sein kann. Das submucose Bindegewebe, in welchem sich die Brunnerschen Drüsen befinden, strahlt Fasern aus, welche die Membrana propria der Drüsen bilden. Einzelne Fasern dieser Silk: 660 A. Bogomoletz: Membran dringen zwischen die Lobuli ein und bilden für jede Alveole eine Art von Kapsel. Blutgefässe begleiten diese Fasern. Die Ausführgänge durchbrechen, begleitet von Bindegewebs- fasern, die Muscularis mucosae und, zwischen den Lieberkühn- schen Drüsen liegend, öffnen sie sich in der Darmlıchtung an der Grundfläche der Zotten. . Darauf, dass die Ausführgänge in die Lieberkühnschen Krypten münden, wie es Renaut. Kuczynski u..a. beschreiben, sind wir bei unseren Beobachtungen nicht gestossen. Zuweilen, wenn die betreffende Lieberkühnsche Drüse und der Ausführgang der Brunnerschen schräg abgeschnitten waren, stellten sie bei oberflächlicher Betrachtung des Präparats ein Bild solcher Vereinigung dar, während die aufmerksamere Untersuchung ihrer Verhältnisse zu einander sofort das Unzu- treffende dieser Darstellung bewies. Das niedrige Zylinder- epithel der Brunnerschen Drüsen, der Form eines Stumpfkegels ähnlich, geht ohne Veränderung in das Epithel der Ausführ- gänge über. Die Zellkerne liegen immer am basalen Ende der Zelle, dicht an der Membrana propria der Drüse. Der Bau des Protoplasmas ist verschieden, und dabei abhängig vom Funktions- zustande der Drüse; ausführlicher werden wir diesen Bau im 2. Teile unserer Arbeit betrachten. Zugleich mit den Lobuli, deren Protroplasma in gewöhnlicher Weise erscheint, kommen gewöhnlich auch andere vor, deren Zellen von Körnern überfüllt sind, die sich mit Safranin rotbraun färben und an das pankrea- tische Zymogen erinnern. Diese Körnelung ist wahrscheinlich auch teilweise die Ursache dessen gewesen, dass die Autoren eine Aehnlichkeit der Brunnerschen Drüsen mit dem Pankreas konstatiert haben. Indessen ist im letzteren das Epithel bedeutend schmalzelliger, weshalb auch die Zellen mehr in die Länge gezogen erscheinen; der Kern braucht auch nicht immer an der Membrana propria zu liegen. Zum Schlusse des vergleichend-anatomischen Teils unserer Arbeit gestatten wir uns, bezüglich der Drüsen des Kaninchens, die sich in der Submucosa des Dünndarms befinden, noch einige Worte hinzuzufügen. Da wir die physiologischen Versuche speziell am Kaninchen ausgeführt haben, ist es für uns sehr wichtig, die Identität ihrer Drüsen mit den Brunnerschen anderer Tiere festzustellen. es Beitrag zur Morphologie etc. der Brunner’schen Drüsen. 661 Wir können uns mit Schwalbes Ansicht, dass die wahren 3runnerschen Drüsen sich beim Kaninchen auf 1!/s cm unmittelbar hinter dem Pylorus nach abwärts erstrecken und als Fortsetzung der Pylorusdrüsen erscheinen, nicht einverstanden erklären. Desgleichen können wir auch das nicht zugeben, dass die weiteren Drüsenbildungen in der Kaninchen - Submucosa im Baue dem Pankreas sehr nahe stehen sollen. Breite Lumina, der Drüsen- lobuli, die Abwesenheit der Langerhans’schen Inseln brachten uns zur Ueberzeugung, dass von einer Aehnlichkeit mit dem Pankreas keine Rede sein kann. Die Drüsen sind ganz identisch mit denen, die Schwalbe als eine besondere Schicht abteilt und die unmittelbar am Pylorus liegen. Sie reagieren beim Färben mit Thionin und Safranin in gleicher Weise und weisen dieselben obenerwähnten Kennzeichen auf, welche sie von den Pylorusdrüsen unterscheiden. Als Grundlage unserer experimentalen Forschungen diente die von Prof. Pawloff bewiesene These, dass die hauptsäch- lichen Verdauungsdrüsen die Fähigkeit besitzen, sich nach den Anforderungen der Speisestoffe zu richten, indem sie durch die Sekretion der entsprechenden Fermente reagieren. Wir über- trugen diese Regel auf die Brunnerschen Drüsen, unterwarfen während längerer Zeit die Tiere verschiedenen spezifischen Fütterungen und hofften dabei morphologische Veränderungen im Gewebe der Brunnerschen Drüsen hervorzurufen, um danach über diese oder jene Eigenschaften ihres Sekrets zu urteilen. Diese Experimente schienen uns besonders deshalb wünschens- wert, weil, soweit uns bekannt, noch Niemand nach denselben Versuche über die Brunnerschen Drüsen angestellt hat. Die Erfolge aber, die A. Mankowski beim Studium des Pankreas mit dieser Methode erzielt hat, liessen uns hoffen, dass auch unsere Experimente nicht fruchtlos bleiben würden. Unsere Experimente teilten wir in zwei Serien. Zu der ersten nahmen wir vier ganz gesunde Kaninchen, die eine zeitlang im Laboratorium dieselbe Fütterung erhielten. Drei von ihnen bekamen ausser der normalen Speise (Hafer und Heu): das erste frisches, rohes Eiweiss, das zweite Runkelrübenzucker und das dritte oleum amygdalarum duleium. Diese Stoffe führten 662 A. Bogomoletz: wir den Tieren mittels eines weichen Nelatonschen Katheters in den Magen ein. Demnach bekam im Verlauf von 20 Tagen das erste 500,0 rohes Eiweiss, das zweite 300,0 Zucker und das dritte 150,0 Mandelöl. Die letzte Portion bekamen sie vier Stunden vor der Operation, welche an den noch am Leben be- findlichen Tieren unter Chloroformnarkose ausgeführt wurde. Dabei wurden unmittelbar vom Pylorus angefangen, 10—15 Centi- meter lange Stücke des Dünndarms ausgeschnitten und sofort fixiert. Nach unserer Berechnung hatte die vor vier Stunden gegebene Speise diese Strecke bereits passiert und die Brunner- schen Drüsen mussten ihr Sekret ausgesondert haben. Das vierte Kaninchen hungerte vier Tage und bekam nur Wasser (unvoll- ständiges Hungern). Bei der zweiten Serie wurde vier anderen Kaninchen der Ausführgang des Pankreas abgebunden, was von Dr. A. Man- kowski ausgeführt wurde. Der Ausführgang wurde hierbei an zwei Stellen abgebunden und zwischen den Ligaturen durch- schnitten. Dadurch dass wir das Pankreas ausschalteten, hofiten wir eine verstärkte Thätigkeit der Brunnerschen Drüsen her- vorzurufen, sofern die Ansichten einzelner Autoren von der Funktionsähnlichkeit dieser Drüsen mit den Pankreasdrüsen auf Richtigkeit beruhten. Die ersten drei Kaninchen der zweiten Serie bekamen die ersten zwei Wochen dieselbe Speise, nachdem hungerten sie vier Tage lang und erhielten nur grössere Portionen von Eiweiss, Zucker und Fett. Zum letzten Mal wurden ihnen diese Stoffe 1'/e Stunden vor der Operation gereicht. Die: Quantität der verabfolgten Nahrungsgrundlagen blieb dieselbe. Das vierte Kaninchen der zweiten Serie hungerte absolut vier Tage. Die Resultate unserer Forschungen ordnen wir: I. Die Fütterung mit Eiweiss. Erste Serie. Auf den in Flemming’scher Flüssigkeit fixierten und mit Safranin und Pikro - Indigo - Karmin gefärbten Präparaten sind die Lobuli intensiv rosa-violett gefärbt. Die Lumina der Lobuli sind häufig mit amorpher Masse von dunkel- violetter Farbe, wahrscheinlich Schleim, gefüllt. Die Zellkerne, reich an Chromatin, sind hellroth. Vergleichsweise selten (1 bis 2 Lobuli im Gesichtsfelde bei 600facher Vergrösserung) begegnet Beitrag zur Morphologie etc. der Brunnerschen Drüsen. 663 man Lobulis, deren Zellen grün-gelb gefärbt sind und dunkel- braun-rote Körner enthalten, die unserer Meinung nach mit zymogenen Körnern identisch sind. Durch die Körnelung, weiche diese Zellen überfüllt, sind die Zellkerne verdeckt. Es kommen auch Lobuli vor, in denen zugleich mit den Zymogen enthalten- den Zellen auch andere rosa-violett gefärbte und nicht körnige vorhanden sind (Fig. 3). Zweite Serie. Dieselbe Fixierung und Tinktion. Das- selbe Bild, nur der Schleim kommt viel seltener vor. Bedeutend mehr Lobuli enthalten Zymogen (Fig. 2). I. Die Fütterung mit Zucker. Fixierung und Tinktion dieselben, wie auch bei Fütterung mit Eiweiss. Erste Serie. Es finden sich keine zymogene Körner. Es kommen Lobuli in gleicher Zahl vor, welche rosa-violett ge- färbt und trüber als im vorigen Falle bei der Fütterung mit Eiweiss sind, und Lobuli, die ein grünlich-dunkelbraunes, gleich- sam verhärtetes Zellenplasma aufweisen. Dieses Zellenplasma wird zur Peripherie hin dunkler und enthält keine differenzierte Zymogenkörner. Die Zellkerne sind unsichtbar. Der Schleim kommt seltener und ausnahmsweise in den Lobuli erster Art vor. (Fig. 4). Zweite Serie. Das Bild ist ganz dasselbe. 1ll. Die Fütterung mit Fett. Fixierung und Tinktion wie früher. Erste Serie. Die Lobuli haben grösstenteils eine trübrot- violette Farbe. Man kann oft die einzelnen Zellen nicht unter- scheiden. Es kommen vor Lobuli, die an sich eine dichte homogene violette Schleimmasse vorstellen, stellenweise sieht man Reste der zerstörten Drüsenzellen. Die Zellkerne sind nicht gefärbt. In anderen Lobulis trifft man zugleich mit schleimig- degenerierten Zellen scheinbar vollständig gesunde. Die Mitosen in den Zellkernen deuten auf eine Regeneration des Drüsen- epithels. Neben solchen Lobuli sind auch Zymogen enthaltende, den in der ersten Gruppe beschriebenen ganz ähnliche, vorhanden, aber ihre Zahl ist viel geringer (Fig. 5). 664 A. Bogomoletz: Zweite Serie. Dasselbe Bild der Zerstörung, nur schärfer ausgebildet. Es finden sich keine Zymogen enthaltende Zellen, hingegen kommen dunkelbraun-grüne Lobuli, ganz ähnlich den in der zweiten Gruppe beschriebenen, vor. Zwischen den Lobulis, in den Lymphgefässen zeigt sich Fett, schwarz in Folge von Osmiumwirkung. 1V. Das Hungern. Die Hunger-Experimente können wir nicht für gelungen erachten, weil das Darmrohr ( Magen und Darm) eine ziemlich grosse Menge von Magenbrei enthielt. Die Erklärung dieses Factums finden wir bei Dr. A. Mankowski in seiner Disser- tation „Die Bedeutung der Langerhans’schen Inseln“. In diesem Falle entsprechen die Bilder völlig der normalen Struktur der Drüsen, die im ersten Teile unserer Arbeit be- schrieben ist. Wenn wir das Ergebnis unserer Untersuchungen ziehen wollen, die allerdings noch nicht vollständig sind, so kommen wir zu folgenden Resultaten: 1. Die Brunnerschen Drüsen sind alveolare Drüsen und erscheinen durchaus nicht als Fortsetzung der tubulösen Drüsen des Pylorus. 2. Die Ausführgänge der Brunnerschen Drüsen münden direkt in die Darmlichtung an der Grundfläche der Zotten ein, niemals in eine Lieberkühn’sche Drüse. 3. Im normalen Zustande der Drüsen kommen verschiedene Lobuli vor, und zwar einerseits solche, deren Zellen eine Körnelung besitzen, anderseits solche, die ihr Sekret, scheinbar, ausgeschieden haben. 4. Das gleichzeitige Vorhandensein zweier Typen von Lobulis deutet auf die Verschiedenheit des Funktionszustandes, in dem sich diese Lobuli befinden, hin. 5. Die Zellen, mit in denselben eingebetteten Körnern, ent- halten einen Fermentvorrat — Zymogen; die Zellen ohne Zy- mogen zeigen Reaktion auf Schleim (Metachromasie). Also sondern die Brunnerschen Drüsen sowohl Eiweisssekret, wie auch Schleim aus. Wie es scheint, ist die Schleimabsonderung ein sekundäres Moment in der Thätigkeit der Drüsen. en Beitrag zur Morphologie etc. der Brunnerschen Drüsen. 665 6. Das Vorhandensein von zymogenen Körnern in grösster Menge steht mit der Eiweissfütterung im Zusammenhange. 7. Bei der Fettfütterung kommen die zymogenen Körner in geringer Zahl vor. 8. Die Kohlenhydratfütterung hat eine Aussonderung von grosser Schleimmenge zur Folge. Ich erachte es für eine angenehme Pflicht, meinen hoch- geehrten Lehrern den Herren W. W. Podwyssotski und A. T. Mankowski für die wertvollen Hinweise, die sie mir bei dieser Arbeit zu Teil werden liessen, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Erklärung der Figuren auf Tafel XXV1l. Fig. 1. Brunnersche Drüsen der Katze. a) Submucoses Bindegewebe; b) Brunnersche Drüse; c) Ausführgang der Brunnerschen Drüse; d) Lieberkühn’sche Drüsen; e) Mus cularis muscosae. Färbung mit Böhmer’schen Hämatoxylin und Pikrinsäure. Fig. 2. Brunnersche Drüsen des Kaninchens. Eiweissfütterung, zweite Serie. Färbung: Safranin und Pikro-Indigo-Karmin. Fig. 3. Brunnersche Drüsen des Kaninchens, Eiweissfütterung, erste Serie. a) Brunnersche Drüsen; b) Submucoses Bindegewebe. c) Muscularis mucosae; d) Lieberkühn’sche Drüsen. Vergrösserung 600-fach Färbung: Safranin und Pikro-Indigo-Karmin. Fig. 4. Brunnersche Drüsen des Kaninchens. Kohlenhydratfütterung. Fär- bung: Safranin und Pikro-Indigo-Karmin. Fig. 5. Brunnersche Drüsen des Kaninchens. Fettfütterung. Färbung: Safranin und Pikro-Indigo-Karmin. Literaturverzeichnis.') 1. Böhm, A. und v. Davidoff, M.: Lehrbuch der Histologie des Menschen. Russ. Uebersetzung 1899. 2. Glässner, K.: Ueber die Funktion der Brunnerschen Drüsen. — Bei- trag zur chemischen Physiologie und Pathologie. 1901. !) Wir bezeichnen hier nur die Werke, deren Inhalt wir mehr oder weniger ausführlich in dieser Arbeit referiert haben. 666 A.Bogomoletz: Beitrag zur Morphologie ete. d. Br. Drüsen. 3. 1 12. 13. Kuezynsky, A.: Beitrag zur Histologie der Brunnerschen Drüsen. — Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 1890. Landois, L.: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Uebersetzt in's Russische. 1898. Mankowsky, A.: Beitrag der Mikrophysiologie des Pancreas. Die Bedeutung der Langerhans’schen Inseln. Kiew. 1900. Diss. Oppel, A.: Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere. T. II. Jena, 1897. Pawlow, J.: Vorlesungen über die Thätigkeit der hauptsächlichen Ver- dauungs-Drüsen. St. Pet. 1897. Podwyssotski, W.: Neue Daten über den feinsten Bau des Pancreas. Kiew. 1882. Renaut, J.: Note sur la structure des glandes a mucus du duodenum (glandes de Brunner). — Progres medical. 1873. Renaut, J.: Traite d’histologie pratique. T. II. Paris 1899. Schwalbe, G.: Beitrag zur Kenntnis der Drüsen in den Darmwandungen, insbesondere der Brunnerschen Drüsen. — Arch. f. mikrosk. Anat. 1872. Frederick und Nuel.: Grundriss der Physiologie des Menschen. Russ. Uebersetzung. 1897. St. Petersburg. Stöhr.: Lehrbuch der Histologie. Russ. Uebersetzung. 1901. St. Pet. F 667 Beitrag zur Lehre von der Blutentwicklung des embryonalen Rindes und Schafes. Von Dr. Johannes Jost, Berlin. Hierzu Tafel XXVII. 1. Einleitung. Die roten Blutkörperchen der Säugetiere sind im Gegen- satz zu denen der übrigen Wirbeltiere kernlos. Sie sind die Sauerstoffträger des Blutes; neben ihnen zirkulieren in der Blut- flüssigkeit noch hämoglobinfreie, mit Kern und Protoplasma versehene Blutkörperchen, die Leukocyten. Diese im normalen Blute aller Säugetiere stets vorhandene Differenzierung der Blutkörperchen in kernlose rote und kern- haltige weisse ist bei den übrigen 4 Wirbeltierklassen, den Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen, nicht mehr durchge- führt, denn bei ihnen besitzen sowohl die hämoglobinhaltigen als auch die hämoglobinfreien Zellen Kerne. Wenn wir weiter zu den Wirbellosen hinuntergehen, so sehen wir, wie das Blutgefässsystem sich progressiv vereinfacht; mit dieser Vereinfachung geht eine Veränderung der Blutflüssig- keit Hand in Hand. Amöboide Zellen, welche unseren Leukocyten entsprechen, treffen wir’ noch bei den Würmern an, während hämoglobinhaltige Zellen bei den wirbellosen Tieren nicht mehr gefunden werden, ausser bei einer Klasse der Würmer, nämlich bei den Nemertinen. Als Ersatz dafür enthält zuweilen das Blutplasma der niederen Tiere Hämoglobin oder ähnliche Substanzen in Lösung, die im Stande sind, Sauerstoff zu binden. So hat der Regenwurm rotes, hämoglobinhaltiges Blutplasma, während Tintenfische und Krebse blaues, sogenanntes Hämocyanin enthaltendes Blut besitzen. Was nun die Entwicklung der kernlosen roten Blutkörperchen (Erythrocyten) bei den Säugetieren betrifft, so sind die Ansichten der Autoren hierüber sehr verschieden. Man ist sich jedoch bis auf Hayem darüber einig, dass die kernlosen, roten Blut- körperchen, welche im Blute der Säugetiere zirkulieren, au kernhaltigen, roten hervorgegangen sind, während Hayem der Meinung ist, dass sie aus gleichfalls kernlosen Gebilden (Hämato- blasten) entstanden sind. Diese werden jedoch von den Blut- 668 Jrohtanınves ro. sin: histologen als identisch mit den Bizzozero’schen Blutplättchen angesehen und dürften bei der Bildung von roten Blutkörperchen nicht in Betracht kommen. Gegen die Annahme Hayems, dass die roten Blutkörperchen von kernlosen Gebilden ihren Ursprung nehmen sollen, spricht auch schon die Thatsache, dass im Organis- mus jede Zelle ursprünglich einen Kern besitzt, und es ist nicht verständlich, dass gerade die roten Blutkörperchen, welche im tierischen Organismus eine so grosse Rolle spielen, eine Ausnahme machen sollten. Die Frage nach dem Orte der Bildung dieser kernhaltigen, roten Blutkörperchen, sowie nach der Art, wie dieselben kernlos werden, ist noch nicht einheitlich gelöst. Auch unter denjenigen Autoren, welche die kernlosen Blut- körperchen aus kernhaltigen Zellen hervorgehen lassen, besteht noch keine einheitliche Auffassung über die Entwicklung der Blutkörperchen. Namentlich sind die Ansichten noch sehr darüber geteilt, ob die ersten Blutkörperchen hämoglobinhaltige rote oder hämoglobinfreie weisse sind. Für die Auffassung, dass die ersten Blutkörperchen als Leukocyten anzusehen sind, ist zuerst Kölliker, und zwar bereits im Jahre 1846, eingetreten, dem sich eine Reihe anderer Autoren, wie Löwit, Müller, Wertheim, Pappenheim und andere angeschlossen hatten, während Bizzozero, Robin, Ehrlich, van der Stricht und Engel den entgegengesetzten Standpunkt vertreten. Ich werde in Folgendem versuchen, zur Klärung dieser Fragen beizutragen. Wenn wir uns mit der Entwicklung der roten Blutkörper- chen beschäftigen, so haben wir zwei Punkte streng auseinander- zuhalten: Einmal handelt es sich um die Entstehung (Genese) der roten Blutkörperchen im Embryo und zweitens ist die Weiterentwicklung (Regeneration) der: roten Blutkörperchen im postembryonalen Leben klarzulegen. Diese Unterscheidung ist deshalb notwendig, weil die hauptsächlichsten Blutbildungsorgane des erwachsenen Tieres, in erster Linie das Knochenmark, noch garnicht gebildet sind, wenn bereits Gefässe mit Blutkörperchen beim Embryo gefunden werden. Die Beziehungen zwischen den Blutbildungsorganen und den roten Blutkörperchen des strömenden Blutes sind seit den Beitrag z.Lehre v.d.Blutentwickelung d. embryonalen Rindes u.Schafes. 664 grundlegenden Arbeiten von Neumann und Bizzozero ın vielen Punkten geklärt. Anders verhält es sich, wie wir gesehen haben, mit der Zusammensetzung des jüngsten embryonalen Blutes. In meiner Arbeit habe ich deshalb mein Augenmerk darauf gerichtet, die Blutentwicklung des embryonalen Lebens zu studieren, und zwar habe ich meine Untersuchungen an dem Blute von Rinder- und Schafembryonen angestellt, von denen mir reichliches Material auf dem städtischen Schlachthofe zu Berlin zur Verfügung stand. 2. Material und Methode. Der Gang meiner Untersuchung war folgender: Es wurden unmittelbar nach der Tötung der Muttertiere ca. 90 Rinder- und Schafembryonen — von der Grösse von 4 mm an bis zur Scheitel- Steissbeinlänge von 100 cm beim Rinde und 50 cm beim Schafe — in der Weise verarbeitet, dass aus dem Herzen, aus der Leber, aus der Milz und dem Knochenmark (wenn die beiden letzteren schon gebildet waren) Saug-, Ausstrich- oder Quetschpräparate zwischen Deckgläschen gemacht und nach verschiedenen Methoden fixiert und gefärbt wurden. Ferner wurden Paraffin- schnitte von möglichst jungen Schafembryonen angefertigt, um die Anordnung der Blutkörperchen in situ zu studieren. Ganz besonderer Wert wurde bei den Deckglastrockenpräparaten auf die verschiedenen Fixierungsmethoden gelegt, um nach Möglichkeit Kunstprodukte ausschliessen zu können. Aus demselben Grunde wurde auch bei jeder Altersstufe Blut frisch einer ein- gehenden Untersuchung unterzogen. Fixiert wurden die lufttrockenen Prä- parate nach folgenden 4 Methoden: 1. auf der Ehrlichschen Kupferplatte, 2. in Alkohol absol., 3. in Alkoholäther, 4. in Formalindämpfen. Gefärbt wurde mit Triacid-Ehrlich, Eosin-Methylenblau,Eosin-Haematoxylin und Rubeosin-Methylenblau, und zwar wurde das erstere zur Färbung von Präparaten verwendet, die !/» Stunde lang auf der Ehrlichschen Kupferplatte einer Temperatur von ca. 135° ausgesetzt worden waren, während die Prä- parate, welche mit den übrigen Farbgemischen behandelt werden sollten, in Alkohol absol., bezw. Alkoholäther, oder in Formalindämpfen fixiert wurden. Was letztere Fixierung betrifft, so wurde dieselbe — wie es im Engel- schen Laboratorium üblich ist — in der Weise ausgeführt, dass die Deck- gläschen ca. 10 Minuten lang in ein Petrischälchen gelegt wurden, in welchem sich ein mit Formalin getränkter Wattebausch befand (Modifizierte Eding- tonsche Methode.) Bevor ich in die Beschreibung der von mir bei den Embryonen ver- schiedener Altersstufen gefundenen Blutzellen eintrete, möge es mir, um Wiederholungen zu vermeiden, gestattet sein, mit kurzen Worten diejenigen roten und weissen Blutkörperchen aufzuzählen, denen man bei Embryonen 670 Johannes Jost: sowie im postembryonalen normalen und pathologischen Blute begegnet, wobei ich mich an die von Engel aufgestellten Tabellen für rote und weisse Blutkörperchen anlehne. Engel teilt die roten Blutkörperchen in folgende Gruppen: a) Kernlose rote Blutkörperchen. «) orthochromatische: 1. normale Erythrocyten (Normocyten), 2. chlorotische Erythrocyten, 3. Mikrocyten und Poikilocyten, 4. Makrocyten. ?) polychromatische: 1. polychromatische Erythrocyten, 2. polychromatische Makrocyten. b) Kernhaltige rote Blutkörperchen. (Erythroblasten.) «) orthochromatische: 1. orthochromatische Normoblasten, 2. Metrocyten. 5) polychromatische: 1. polychromatische Normoblasten, 2. polychromatische Megaloblasten. Anmerkung: Rote Blutkörperchen mit basophiler Granulation. Von allen diesen roten Blutkörperchen besitzt das Säugetier nach der Geburt nur eine einzige Form, und zwar nur normale orthochromatische Erythrocyten. Alle anderen Blutkörperchen, sowohl diejenigen, welche in Form und Grösse von den normalen Erythrocyten abweichen — Mikrocyten, Poikilocyten, Makrocyten — als auch die polychromatischen — siehe Seite 673 — sowie die kernhaltigen Roten, befinden sich nur im embryonalen bezw. patho- logischen Blute. Die weissen Blutkörperchen werden folgendermassen gruppiert: a) Leukocyten mit Granulation. «) neutrophile: 1. mehrkernige, 2. einkernige. #) acidophile: 1. mehrkernige, 2. einkernige. y) basophile Mastzellen. b) Leukocyten ohne Granulation. Lymphkörperchen, . Grosse Lymphocyten, Grosse mononucleäre Zellen, Reizungsformen, . Riesenzellen, Makrophagen. 2apwmw- Beitrag z.Lehre v.d.Blutentwickelung d. embryonalen Rindes u.Schafes. 671 Anmerkung: Riesenzellen sind äusserst selten im Blute; sie sind, wie die Makrophagen, keine direkten Blutzellen, sondern Zellen der Blut- bildungsorgane. Von diesen Leukocyten besitzt der normale Mensch etwa 75°/o mehr- kerniger neutrophiler, ca. 3°o mehrkerniger eosinophiler und den Rest Lymphkörperchen. Bei einer Reihe anderer Säugetiere können neutrophil granulierte Zellen durch granulationslose ersetzt werden. 3. Erste Embryonalstadien. (sehen wir nach diesen zum Verständnis meines Befundes notwendigen Vorbemerkungen auf das Ergebnis meiner Untersuchungen näher ein, so hatte das Blut eines Rinder- embryos von 4 mm Grösse — ca. 16 Tage alt — folgende Zu- sammensetzung: Es fand sich nur eine Zellform, und zwar waren es grosse, kugelige Gebilde mit grossem Kern und hämoglobinreichem Protoplasma, welches einen Durchmesser von 16—18 u besass, während der des Kernes 7—10 u betrug. Der Kern nahm in der Regel etwa die Hälfte des Protoplasmaleibes ein und hatte eine wohlausgebildete Struktur. Im frischen Präparat zeigten diese kugeligen, stellenweise ovalen oder ellipsoiden Gebilde eine ausgesprochene Gelbfärbung des Protoplasmaleibes. Der Kern erschien dann farblos. Im Färbepräparat mit Triacid bei Fixierung auf der Kupferplatte färbt sich das Protoplasma orange mit einem mehr oder weniger ausgesprochenen Stich ins Rote, der Kern bläulich- grün mit deutlicher Netzstruktur. Bei der Färbung mit Eosin- Methylenblau färbt sich das Protoplasma leuchtend rot, der Kern gesättigt blau. Das ganze Gesichtsfeld war in diesem Stadium voll von grosskernigen Zellen dieser Art, welche ver- einzelte Mitosen zeigten; kernlose Blutkörperchen oder Zellen mit ungefärbtem Protoplasma, die man als Leukocyten hätte ansprechen können, sowie polychromatische Rote fanden sich nicht. Wenn wir das Blut eines Schafembryos derselben Grösse, welche jedoch bei diesem schon am 12. Tage erreicht ist, neben dem des Rinderembryos betrachten, so finden wir ein sehr ähnliches Blutbild. Auch hier sehen wir nur eine einzige Zell- form und diese ist hämoglobinhaltig. Dabei zeigt der Kern, ‚etwas häufiger als beim Rind Mitosen, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass sich das embryonale Schaf in diesem [or] —1 N Johannes Jost: Stadium schneller entwickelt, als der Rinderembryo. Auch hier war von polychromatischen Roten, kernlosen Roten und Weissen nichts zu erkennen. Diese hämoglobinreichen, kernhaltigen Zellen wurden be- reits von einer Reihe anderer Untersucher beschrieben. Howel nennt sie „Ahnenblutkörperchen,“ weil auch die roten Blut- körperchen der niederen Wirbeltiere grosse, hämoglobinhaltige Zellen mit Kern darstellen. Ehrlich bezeichnet sie als Megaloblasten und ist der Ansicht, dass sie mit den grossen, kernhaltigen Blutkörperchen, wie sie bei der pernieiösen Anämie gefunden werden, übereinstimmen, während Engel behauptet, dass sie von den pathologischen Megaloblasten zu unterscheiden sind, und sie als Mutterzellen (Metrocyten) bezeichnet. Auch van der Stricht wies als erste Blutkörperchen bei der Fledermaus grosskernige, hämoglobinhaltige Zellen nach. Wie wir später sehen werden, besitzen einige dieser Metrocyten einen bedeutend kleineren Kern. Diese letzteren Zellen, welche in der etwas späteren Embryonalzeit vorherrschen, bezeichnen wir mit Engel als Metrocyten II. Generation, während die jüngsten grosskernigen Zellen, die wir bei dem 4 mm langen Embryo gefunden haben, Metrocyten I. Generation genannt werden. Das Leberblut eines 4 mm langen Rinderembryos habe ich auf zwei Arten untersucht. Erstens wurde, um möglichst wenig Körperbestandteile der zu dieser Zeit noch ausser- ordentlich weichen Lebersubstanz zu erhalten, m der Weise verfahren, dass ich durch zwei aufeinander gelegte Deckgläschen das Blut in den zwischen ihnen entstandenen Kapillarraum auf- saugen liess. Ich erhielt auf diese Weise ein Bild, welches gleichwie beim Herzblut, nur eine Form grosser, kernhaltiger, hämoglobinreicher Zellen zeigte. Zum Unterschiede vom Herz- blute fanden sich jedoch neben den grosskernigen etwa 20°/o kleinkernige Zellen mit grossem Protoplasmaleib vor, wie sie erst bei älteren Embryonen im Herzblut gefunden werden. Ein anderes mikroskopisches Bild erzielte ich, wenn ich das Präparat in folgender Weise herstellte: Ich brachte ein kleines, man könnte sagen „Tröpfehen“ von der zerfliessenden Leber auf ein Deckgläschen und machte mittels eines zweiten Deckgläschens einen Ausstrich. Dieses Präparat, welches & Beitrag z. Lehre v. d. Blutentwieklungd. embryonalen Rindes u. Schafes. 673 sicherlich auch fixe Gewebszellen aus der Leber enthielt, zeigte uns neben den Metrocyten noch eine andere Form kernhaltiger, blutzellenähnlicher Gebilde (etwa 2°/o), welche wir als poly- chromatische Megaloblasten Ehrlichs ansprechen mussten, denn ihr Protoplasma färbte sich mit Eosin-Methylenblau mehr oder weniger rotviolett, das allmählich in ein reines Blau überging. Was die Grösse dieser Zellen betrifft, so besitzen sie einen Protoplasmadurchmesser von 16—20 « und einen Kern von 10—12 u. Man findet Zellformen, wie sie Grawitz auf Tafel II, Figur 3 der jüngst erschienenen zweiten Auflage seiner „klinischen Pathologie des Blutes“ dargestellt hat; freilich rechnet er diese zu den Leukocyten, und zwar zu den basophil granulierten Einkernigen. Der Grund, dass ich mich dieser Ansicht nicht anschliessen kann, besteht darin, dass von diesen Zellen alle möglichen Uebergänge zu Zellformen vorhanden sind, deren Protoplasma sich intensiv mit dem sauren Farbstoff tingiert. Auch als Leberzellen sind diese nicht anzusehen, weil letztere, wie wir sehen werden, erst später auftreten und sich durch ihre Form und andere Eigenschaften von den be- schriebenen Zellen unterscheiden. Bei der grossen Menge polychromatischer Zellen, die in der Leber dieses Alters gefunden werden, möge es mir gestattet sein, mit wenigen Worten auf diese Färbungseigentümlichkeit einiger roter Blutkörperchen näher einzugehen. Bekanntlich nehmen die gewöhnlichen roten Blutkörperchen bei Färbung mit Eosin-Methylenblau ein reines Rot an. Im anämischen Blute, sowie ausserordentlich häufig im embryonalen findet man jedoch Blutkörperchen, teils mit, teils ohne Kern, deren Protoplasma violett gefärbt ist. Bei Benutzung des Triacidfarbstoffes, welcher als Protoplasmafarbe einerseits das Orange, andrerseits das Säurefuchsin enthält, nehmen die ge- wöhnlichen roten Blutkörperchen den ersteren Farbstoff an. Sie sind nach Engel orangeophil oder orthochromatisch, während die polychromatischen sich mehr mit Fuchsin färben und deshalb fuchsinophil genannt werden. Bezüglich der Bedeutung der polychromatischen Färbung hat Ehrlich, der sie zuerst ent- deckt hat, die Ansicht ausgesprochen, dass es sich um eine Degenerationserscheinung normaler Blutkörperchen handelt, und er hat diesen Zustand als anämische Degeneration bezeichnet. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 38 674 Johannes Jost: Gabritschewsky hat die polychromatischen Blutkörper- chen im Gegensatz dazu als Vorstufen oder Jugendformen ange- sehen. Dieser Ansicht ist auch Askanazy, der im Knochen- mark einer frisch resezirten Rippe alle kernhaltigen Roten poly- chromatisch fand. Entgegen der Behauptung von Grawitz, dass Engel auch jetzt noch an der degenerativen Natur der Polychromasie festhält, ist zu betonen, dass dieser sich gerade stets gegen die Annahme ausgesprochen hat, dass die polychro- matischen roten Blutkörperchen degenerierte orthochromatische sejen. Auch ich habe mich bei meinen Untersuchungen davon überzeugt, dass orthochromatische Erythrocyten niemals in poly- chromatische übergehen und dass eine Verwandtschaft zwischen diesen beiden Zellformen nur so lange besteht, als sie kernhaltig sind. Es ist daraus zu schliessen, dass die orthochromatischen und polychromatischen Erythrocyten keine direkte Beziehung zu einander haben, und dass in denjenigen Fällen, wo beim Embryo oder im anämischen Blute polychromatische Zellformen gefunden werden, diese entweder als Ersatz für normale rote Blutkörperchen zu gelten haben oder eine andere, bis jetzt noch nicht bekannte Entwicklung durchmachen. Bei der Besprechung des Leberblutpräparates dieses 4 mm langen Embryos ist noch zu erwähnen, dass die einkernigen Zellen mit stark blauem Protoplasma, deren Zusammenhang wir mit den polychromatischen kernhaltigen Roten dargethan haben, eine grosse Aehnlichkeit mit den später auftretenden grossen Lymphoeyten zeigen, zu denen sie auch. wie wir gesehen haben, von Grawitz gerechnet werden. Es ist deshalb der Gedanke nicht ohne Weiteres abzuweisen, dass eine Verwandtschaft zwischen den grossen Lymphocyten und den hämoglobinarmen Megaloblasten bestehen könnte. Nicht minder beachtenswert ist, dass die eben besprochene Zellform mit der von Türck bezeichneten Reizungsform in vielen Punkten übereinstimmt, sodass ich der Ansicht derjenigen Autoren mich anschliesse, welche die Reizungsform für Verwandte der kernhaltigen Roten halten. Das Leberblut des Schafembryos von 4 mm Grösse hat ein dem Rinderleberblut sehr ähnliches Aussehen. Kernlose Rote finden sich auch hier nicht: die weitaus grösste Menge der Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u. Schafes. 675 Zellformen besteht aus gross- und kleinkernigen Metrocyten ; ausserdem finden sich etwa in demselben Verhältnis wie beim gleichlangen Rinderembryo polychromatische Megaloblasten. Zu- weilen treffen wir Zellen an, welche Leukocyten ganz und gar gleichen und welche ausserdem die Eigentümlichkeit besitzen, dass der Protoplasmasaum an einer Seite breiter und an der anderen sehr schmal ist, so dass das Protoplasma den Kern sichelförmig zu umgeben scheint. Da es von Wichtigkeit erschien, festzustellen, ob wirklich die Metrocyten die einzige Zellform sind, die sich in diesem Stadium im Herzblute findet, wurden Serienschnitte durch das Herz 4 mm langer Schafembryonen angefertigt und einer systematischen Durchforschung unterzogen. Es ergab sich, dass auch bei dieser Untersuchungsart nur grosskernige, hämoglobin- haltige Zellen zu erkennen waren, welche sich mit denjenigen deckten, die frisch sowohl, wie im Deckglastrockenpräparat ge- funden worden waren. Die Serienschnitte durch die embryonale Leber dieses Alters, auf die wir jetzt näher eingehen wollen, sollten nach Möglichkeit die Frage klären, wo die grossen einkernigen Zellen mit poiy- chromatischem Protoplasma, welche im Leberausstrichpräparat im Gegensatz zum Herzblut regelmässig gefunden wurden, ihren Ursprung nehmen. Es ergab sich, dass das Leberparenchym eine Anhäufung von Zellen bildet, welche eine ausserordentlich grosse Menge Kapillarräume zwischen sich lassen. Die einzelnen Leberzellen unterscheiden sich noch sehr wesentlich von den definitiven, insbesondere dadurch, dass sie einen verhältnismässig grossen Kern und nicht sehr breites Protoplasma besitzen. Ein Lumen zwischen ihnen ist noch nicht zu erkennen; ebenso sind die Bindegewebsstränge, welche später die Leberzellen zu Acinis gruppieren, noch nicht vorhanden. Die Kapillarräume sind angefüllt mit einer einzigen Art von Blutkörperchen, und zwar denselben, denen wir im Herzblut begegneten, und die wir dort als Metrocyten erkannt haben. DBegrenzt werden die Kapillarräume durch Endothelzellen, welche dadurch bemerkens- wert sind, dass sie sich zum Teil ziemlich intensiv mit dem sauren Farbstoff tingiert haben. Auf diese Weise erlangen diese Endothelien grosse Aehnlichkeit mit den von uns oben be- schriebenen polychromatischen Zellen, um so mehr, als sie sich 676 Johannes Jost: zuweilen von der Kapillarwand lösen und mehr oder weniger frei in das Gefässlumen hineinragen. Dadurch erklärt es sich, dass diese polychromatischen Zellen, welche wir als Endothelzellen der Leberkapillaren aufzufassen haben, im Saugpräparat der Leber dieses Alters nicht gefunden zu werden brauchen, während sie im Ausstrichpräparat regelmässig angetroffen werden. Später jedoch begegnet man auch im Saugpräparat stets diesen poly- chromatischen Zellen, sodass sie in der späteren embryonalen Entwicklung zu den ständigen Leberblutzellen gehören. Diese Entstehung von freien Blutzellen aus fixen Zellen eines Blutbildungsorgans findet eine Analogie in der Entstehung der Blutzellen während der postembryonalen Zeit im Knochen- mark; hier entwickeln sich die Blutkörperchen aus ursprünglich fixen Zellen, die, wenn sie reif geworden sind, frei in die Blut- bahn übertreten. In ähnlicher Weise entstehen bekanntlich die granulationslosen weissen Blutkörperchen in der Milz und in den Lymphdrüsen. — 4. Spätere Embryonalstadien. In den späteren Entwicklungsstadien ist die Blutzusammen- setzung sowohl im Herzen als auch in der Leber beim embryonalen Rind und Schaf eine kompliziertere Dies zeigt uns schon das nächste Präparat, welches das Blut eines 20 Tage alten Rinderembryos von 6 mm Länge dar- stellt. Der leichteren Uebersichtlichkeit wegen besprechen wir gleichzeitig das Blut eines gleichlangen Schafembryos, der diese Länge jedoch schon in einer Entwicklungszeit von 14 Tagen erreicht hat. Das Herzblut des Rinderembryos enthält bei dieser Körper- länge ca. 75°/o Metrocyten I. und 25°/o II. Generation, das des Schafembryos ca. 60°/o I. und 40°/o Il. Generation. Es wurden bei beiden Embryonen Metrocyten mit 2 Kernen angetroffen, doch gelang es nicht, eine prägnante Karyokinese zu beobachten, wie man sie im jüngsten embryonalen Mäuseblut so ausserordentlich reichlich antrifft. Ausserdem befinden sich in dem Schafblutpräparat einige Exemplare grosser, kernloser, roter Blutkörperchen — Ehrlichs Makrocyten. In dem Entwicklungsstadium von 6 mm Embryolänge treten also beim Schaf zum ersten Male kernlose Blutkörperchen, wenn auch in ganz geringer Menge, auf; auch vereinzelte kernhaltige Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u. Schafes. 677 Blutkörperchen von geringerem Protoplasma- und Kerndurch- messer, in denen wir die Ehrlich’schen Normoblasten erkennen, fand ich in diesem Präparate. Das Auftreten der letzteren Zellformen zeigt, dass sich in diesem Lebensabschnitt das Blut des Schafembryos erheblich schneller entwickelt, als das des gleichlangen embryonalen Rindes. Fin Blutsaugpräparat, welches ich von der Leber des Rinderembryos anfertigte, zeigte mir dieses Mal schon !poly- chromatische Megaloblasten (etwa 5°/o), welche wohl zu dieser Zeit ihren fixen Charakter verlieren und in die Blutbahn gelangen: ausserdem zählte ich in dem Gesichtsfelde 60°/o Metrocyten 1. und etwa 35°/o II. Generation. Das Leberblutpräparat des Schafembryos fertigte ich da- gegen wieder in der Weise an, dass ich eine geringe Menge zerfliessender Lebermasse auf dem Deckgläschen ausstrich. Der Befund liess sofort erkennen, dass dem Blute eine grössere Anzahl Zellen aus der Wand der Kapillaren beigemischt war: denn ich traf bei der Zählung die Megaloblasten in emer Menge von 20°, an, und zwar zeigte ihr Protoplasma alle Uebergänge vom Violett bis zum intensiven Blau. Die S0°/o Metrocyten setzten sich aus 45°/o I. und aus 35°o Il. Generation zusammen. Makrocyten und Normoblasten traten so vereinzelt auf, dass sie die prozentweisen Angaben über die anderen Blutkörperchen nicht beeinträchtigen. Wir wenden uns nunmehr als nächstem Untersuchungs- objekt einem Rinderembryo von l cm Länge zu, welcher ein Alter von etwa vier Wochen hatte. Sein Herzblut "zeigt schon ein erheblich anderes Bild. Die Zahl der Metrocyten ist geringer geworden, Normoblasten und kernlose Rote sind in einigen Prozenten, wie aus der beigefügten Tabelle II hervorgeht. auf- getreten. Selbst innerhalb der Metrocyten hat eine Verschiebung in der Weise stattgefunden, dass diejenigen I. (seneration zu (Gunsten derjenigen II. an Zahl bedeutend abgenommen haben. -Unter den Metrocyten finden sich in unserem Präparat einige, deren Kern den Farbstoff nicht so intensiv angenommen hat, wie es die übrigen thun: einzelne Kerne zeigen fast gar kein Blau, sondern sind nur noch mit Mühe als solche zu erkennen. Besonders eigentümlich erscheint ein Metrocyt, der zwei gleich grosse Kerne hat, von denen der eine den Farbstoff intensiv 678 Johannes Jost: angenommen hat, während der zweite die beschriebene Eigen- tümlichkeit zeigt. Da die Präparate mit derselben Sorgfalt angefertigt wurden, wie die übrigen, müssen wir diese Blutkörperchen als Zellformen ansehen, welche eben im Begriff sind, ihren Kern zu verlieren. Bei der Wichtigkeit, welche der Entstehung der kernlosen Roten aus kernhaltigen zukommt, halte ich es für erforderlich, mich mit einigen Worten darüber zu verbreiten, auf welche Weise die kernhaltigen roten Blutkörperchen ihren Kern verlieren. Ueber den Verlust des Kernes stehen sich zwei Ansichten gegenüber, von denen die eine zuerst von Neumann und Bizzozero, dann von Pappenheim vertreten worden ist. Nach dem Befunde dieser Autoren löst sich der Kern innerhalb der Zelle entweder in feine Körnchen auf oder er verschwindet aus derselben, ohne eine sichtbare Spur zu hinterlassen. Dieser Ansicht steht eine andere gegenüber, die vornehm- lich von Rindfleisch vertreten wird, der ein Austreten des Kernes aus dem kernhaltigen roten Blutkörperchen beschrieben hat. Einen vermittelnden Standpunkt nimmt Engel ein, der sowohl den Kernschwund, als auch den Kernaustritt beobachtet hat. Beim Kernaustritt findet man jedoch keinen freien Kern, sondern es ist um den Kern herum noch etwas Protoplasma vorhanden. das in einigen Fällen sogar hämoglobinhaltig sein kann. Diese „freien“ Kerne habe auch ich im Herzblute dieses Stadiums vereinzelt gefunden; sie entsprachen in der Grösse den Kernen der Metrocyten II. Generation — 3—5 «u — und waren diesen auch im Aussehen sehr ähnlich. Es geht also auch aus meinen Untersuchungen hervor, dass die kernhaltigen Roten ihren Kern sowohl durch Karyolyse (Kernschwund), als auch durch Kernaustritt- verlieren können. Ueber die dritte Art des Kernverlustes, i. e. die Auflösung des Kernes in feine Körnchen, werden wir noch späterhin zu sprechen Gelegenheit nehmen. ; Wir haben also im Herzblut des 1 cm langen Rinder- embryos sowohl Metrocyten, als auch Makrocyten, als endlich kernhaltige Rote kleinerer Form (Normoblasten). Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u. Schafes 67% Bezüglich der kernlosen Roten ist noch zu erwähnen, dass einzelne bereits bedeutend kleiner sind, als die Makrocyten, sodass sie sich in der Grösse den postembryonalen normalen roten Blutkörperchen nähern. In der Färbung unterschieden sich die kleineren Formen — Erythrocyten — von den grösseren Zellformen — Makro- und Metrocyten — häufig dadurch, dass letztere, namentlich bei Eosin - Methylenblau, sich ziegelrot tingierten, während die benachbarten Erythrocyten einen mehr weinroten Farbenton annalımen. Das Herzblut des 1 cm langen, etwa 15 Tage alten Schaf- embryos ist erheblich weiter in seiner Entwicklung vorgeschritten als das des eben geschilderten gleich langen Rinderembryos. Es ist überhaupt eine auffällige Thatsache, dass das embryonale Rind in den ersten sieben Wochen sich so langsam entwickelt. Diese langsame Entwicklung zeigt der Rinderembryo in dieser Zeit nicht nur makroskopisch. was im Besonderen seine Länge anbetrifft. sondern auch die Blutbildungsprozesse spielen sich während dieses Zeitraumes bei dem Schafe bedentend schneller ab als beim Rinde. Bei dem 1 cm langen Schafembryo finden wir 30°/o Metro- eyten I., 40°/o II. Generation, 10°/o Normoblasten, 10°/o Makro- eyten, 5% Uebergänge von diesen zu den Erythrocyten und 50% mit einem schmalen Protoplasmasaume versehene Kerne. Von Polychromatophilie ist in dem Alter im Herzblut beider Embryonen nichts zu sehen. wohl aber wieder im Leber- blut. Dieses lässt beim Rind im Vergleich mit dem Leberblut des 6 mm langen Embryos eine relativ noch höhere Abnahme der Metrocyten den anderen Blutelementen gegenüber erkennen, als es beim Herzblut der Fall ist. Es fanden sich in den Leberblutpräparaten, welche von jetzt ab nur noch durch Auf- saugen gewonnen werden, die polychromatischen Megaloblasten in bedeutend grösserer Anzahl, als in den früheren Stadien, und zwar konnten 25°/o gezählt werden, während die Metrocyten nur noch 40%, die Normoblasten, von denen ?/3 polychromatisch waren, 25°/o. und schliesslich als Rest die Makrocyten und Ery- throeyten je 5°/o ausmachten. Im Leberblut des Schafes sind die Verhältnisse denen des Rindes sehr ähnlich; doch sehen wir auch hier, dass die Blut- entwicklung schneller von statten gegangen ist, als in der Leber 38 * 680 Johannes Jost: des gleich langen Rinderembryos, wie es sich auch aus der Tabelle II ergiebt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die gewöhnlichen kernlosen Roten des embryonalen Blutes doch noch etwas grösser sind als die definitiven. Werfen wir nunmehr zur Uebersicht einen kurzen Rück- blick auf unsere Befunde, so stellen wir fest, dass bei den Rinderembryonen in den beschriebenen Grössen sich folgendes Verhältnis der kernhaltigen Blutkörperchen zu den kernlosen feststellen lässt: Rind. | Herzblut | Leberblut Länge NER, a - 4 | kernhaltige | kernlose na u | kernlose s a eo'r | | cm | Oo | %o | 0% | Oo 0,4 100 | 0 | 100 0 0,6 100 | 0 | 100 ) 1,0 Da 7 90,15] Dal Das Schafblut ergiebt dagegen nachstehende Zusammen- setzung: Schaf. - —— nn Herzblut | De Ber Länge PerAASEre DM an R kernhaltige | ernlbee kesihaigg kernlose cm | 0/0 0/0 0/0 0/0 0,4 100 | 0 100 | 0 0,6 100 | 0 100 0 1,0 I 85 15 82 18 Der 0,4 cm lange Rinderembryo ist 16 Tage alt und hat bis zu einem Alter von 28 Tagen, also in 12 Tagen, 0,6 cm an Grösse zugenommen und in dieser Zeit 7 bezw. 13°/o kernlose Blutkörperchen bekommen. Der 0,4 cm lange Schafembryo ist 12 Tage alt und hat bis zu einem Alter von 18 Tagen, also in 6 Tagen, 0,6 cm an Grösse zugenommen und in derselben Zeit 15—18°/o kernlose Rlutkörperchen erhalten. Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u. Schafes. 681 Es wird also auch durch unsere Tabelle bestätigt, dass sich der Rinderembryo, wie die Embryologen schon immer betonten, in seiner ersten Existenzzeit sehr langsam entwickelt, und zwar in dem beschriebenen Zeitabschnitt gerade halb so schnell als der Schafembryo. Der nächstgrosse Rinderembryo, der zur Untersuchung gekommen ist, war 1!/s cm lang, was einem Alter von 42 Tagen entspricht. In seinem Herzblut ist die absolute Zahl der kern- haltigen Roten etwa dieselbe, wie in dem des 1 em langen Rinderembryos, doch hat sich das Verhältnis der Metrocyten II. Generation zu den Metrocyten I. Generation insofern ver- schoben, als die Zahl der Ersteren bereits grösser ist, als die Zahl der Letzteren. Betrefis der kernlosen Roten ist bemerkens- wert, dass wir in diesem Herzblut zum erstenmale polychroma- tische Erythrocyten antreffen. Der gleichlange, 20 Tage alte Schafembryo hat dagegen bereits zur Hälfte kernlose rote Blutkörperchen, von denen die normalen Erythrocyten überwiegen; doch auch Makrocyten finden sich in erheblicher Anzahl vor; daneben sind die Metroeyten I. auf Kosten der Metrocyten I. Generation vermehrt. Ein anderes körperliches Element finden wir zu dieser Zeit des beginnenden Kernschwundes zum ersten Male in unserem Präparat, welches wir zu einer Zeit, in der nur kernhaltige Blutkörperchen vorhanden sind, niemals feststellen konnten. Es sind dies die Blutplättchen, welche von Bizzozero und Hayem zuerst beschrieben wurden. Es dürfte angebracht sein, an dieser Stelle mit wenigen Worten auf die Ansichten näher einzugehen, welche über das Wesen der Blutplättchen in der Literatur herrschen. Löwit und Gibson behaupten, dass die Blutplättchen Zerfallsprodukte der Leukocyten, Mosso dagegen, dass sie Reste von roten Blutkörperchen sind. Nach Oslar wieder sollen sie einen Kern besitzen und daher nicht als Zerfallsprodukte aufzufassen sein. Das Vorkommen dieser Blutplättchen im Gefässblut hat Schimmelbusch mit Sicherheit beobachtet, während Löwit und Andere bestreiten, dass die Blutplättchen im Blute der Gefässe ent- stehen. Hayem sieht in ihnen die Ursprungszellen der kernlosen roten Blutkörperchen, seine Hämatoblasten, Bizzozero hält sie für wichtige Fak- toren bei der Blutgerinnung. Engel spricht sich dahin aus, dass die Blut- plättchen zu den Kernen der roten Blutkörperchen in Beziehung stehen. Arnold und Dettermann lassen die Blutplättchen aus dem hämoglobin- reichen Protoplasma hervorgehen. Die chemische Untersuchung der Blut- 682 Johannes. Jost; plättchen durch Lilienfeld hat ergeben, dass dieselben ebenso wie die Kerne der roten Blutkörperchen Nuklein und Albumin enthalten. Löwit’s Behauptung, dass die Blutplättchen Zerfallsprodukte der Leukocyten seien, ist damit hinfällig, da sie zu einer Zeit im Herzblut beobachtet werden, in der überhaupt noch keine weissen Blutkörperchen dort festgesteilt werden können. Was das Aussehen der Blutplättchen anbetrifft, so sind sie von vier- ecekiger oder runder Form, farblos und liegen meist zu grösseren Haufen zu- sammen. Ihre Grösse beträgt etwa '/s des Durchmessers eines normalen roten Blutkörperchens, also 2—2!/» «. Bei der Färbung mit Eosin-Methylen- blau nehmen die Blutplättchen eine hellblaue Färbung an, welche im Zentrum einen dunkleren Farbenton erkennen lässt. Mit Ausnahme des Methylgrüns sind die Blutplättchen mit sämtlichen basischen Farbstoffen färbbar; bei Triacid-Färbung erscheinen sie schwach rosa gefärbt. Nach meinen Beobachtungen muss ich mich dafür ent- scheiden, die Blutplättchen als Derivate der Kerne der roten Blutkörperchen aufzufassen, denn ich fand im Herzblute des 3 em langen Rinderembryos rote Blutkörperchen, aus deren Innerem mit Deutlichkeit Blutplättchenhaufen herausragten. ' Im Leberblut der 1!/g em langen Embryonen, sowohl vom Rind als vom Schaf, ist beachtenswert, dass hier die Zahl der polychromatischen kernhaltigen Roten im Verhältnis zu den jüngeren Stadien noch bedeutend zugenommen und beim Schaf ihren Höhepunkt mit 45°. aller Blutkörperchen erreicht hat. Es würde zu weit führen, wenn ich der Reihenfolge nach die in derselben Weise angefertigten Präparate von 2 cm Em- bryolänge an eingehend besprechen würde. Die genauen Zahlen- verhältnisse sind in der Tabelle II vermerkt. Es möge mir jedoch gestattet sein, darauf hinzuweisen. dass bei einer Embryogrösse von 4 cm die Metroeyten I. Generation beim Rind bis auf 1o heruntergegangen sind und dass diese Zelle, welche bei einer Embryogrösse von 0,4 cm 100°/o aller roten Blutkörperchen be- tragen hatte, bei 6 cm nicht mehr anzutreffen ist. Es ist ferner von Interesse, dass die kleinkernigen Metrocyten II. Generation beim Rinde von 4 cm Länge noch 8°/o betragen. bei einer Grösse von 6 cm nur noch zu 4°/o anzutreffen sind und von da ab aus dem Blute verschwinden. Sie kehren später beim normalen Tiere ebenso wie die Metrocyten I. Generation nie wieder. Es haben die Metrocyten II. Generation, welche beim Rind zuerst mit 25°/o bei einer Grösse von 0,6 cm aufgetreten sind, bis zu 5 . . N > aD Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u. Schafes. 6953 einer Embryogrösse von 1'/s cm eine Steigerung auf 45°/o er- fahren, um alsdann allmählich wieder zu verschwinden. Was die Blutentwicklung des Schafembryos bei einer Grösse von 2-—-6 cm anbetriftt, so eilt sie der Entwicklung des Rinder- blutes auch in diesem Zeitabschnitt in der Weise voran, dass die spezifisch embryonalen kernhaltigen roten Blutkörperchen, d.h. die Metrocyten, beim Schaf schneller verschwinden, als beim Rind. Während wir beim Rind von 4 cm Grösse noch hin und wieder einen Metrocyten I. Generation gefunden hatten, liess sich diese Zellform beim gleichlangen Schafembryo nicht mehr an- treffen. Noch deutlicher ist das Voraneilen der Blutentwicklung beim letzteren zu erkennen, wenn wir die gefundenen Zahlen der Metrocyten II. Generation miteinander vergleichen. Der 4 cm lange Rinderembryo zeigt noch 8°/o von diesen embryonalen Zellen, während der gleich grosse Schafembryo nur noch 1°/o davon erkennen lässt. Bei einer Embryogrösse von 6 cm. wo das Rind noch 4°/o Metrocyten im Herzblute besass, war diese Zelle beim Schaf nicht mehr anzutreffen. Die Zahl der Normo- blasten war bei beiden Tieren fast stets gleich gross, Megalo- blasten wurden im Herzblute des Rindes in einigen Exemplaren gefunden, beim Schafe nicht. Entsprechend dem schnelleren Verschwinden der kernhaltigen Roten aus dem Herzblute nimmt die Zahl der kernlosen Roten beim Schaf naturgemäss schneller zu, als beim Rind, wobei zu beachten ist, dass die grossen kernlosen Roten. die Makrocyten, die zuerst bei einer Embryogrösse von 1 cm bei beiden Tieren aufgetreten waren, bei einer Länge von 6 cm, also etwa zur selben Zeit wie die Metrocyten beim embryonalen Rind und Schaf aus dem Blute verschwunden sind. Es ist ferner nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass unter Erythrocyten fast regelmässig etwa !/s polychromatisch sind. Von weissen Blutkörperchen befinden sich in dieser Zeit im Herzblut nur ausserordentlich wenig den Lymphkörperchen ähnliche Zellen, und zwar treten sie beim Rind vereinzelt bei einer Grösse von 4cm, beim Schaf in geringer Anzahl schon bei 2,5 cm Embryolänge zuerst auf. Von granulirten Leukocyten konnte ich nichts erkennen. Bevor wir nun die Blutkörperchen des Leberblutes bei einer Embryolänge von 2—6 cm einer kurzen Besprechung 684 Johannes Jost: unterziehen, wollen wir noch einer Eigentümlichkeit in den Kernen einiger grosser, kernhaltiger Roter Erwähnung thun, welche besonders häufig beim Rinde von 2 cm Länge angetroffen wurde. Es befand sich auf dieser Entwicklungsstufe ein grosser Teil der Kerne der Metrocyten II. Generation im Zustande der direkten Teilung, ja selbst der Knospung. Es konnten dabei die verschiedenartigsten Kernformen beobachtet werden. Kerne mit einem und mehreren Sprossen, sowie solche in Kleeblatt- bezw. Maul- beerform machten das Bild recht mannigfaltig, zumal da die sich teilenden Kerne so stark vertreten waren, dass in einzelnen Präparaten mehr als der dritte Teil derselben in Teilung be- griffen war. Im Leberblut der Embryonen von 2—6 cm Grösse ist es besonders auffällig, dass Metrocyten I. Generation nur noch bei einer Grösse von 2 cm, sowohl beim Rind als beim Schaf, anzu- treffen sind; von da ab verschwinden sie aus der Leber für immer. Die kleinkernigen Metrocyten II. Generation sind auch auf dieser Entwicklungsstufe bei beiden Tieren nur in sehr geringer Menge vorhanden. Auch sie verschwinden bei einer Embryogrösse von 6 cm. Ausserordentlich zahlreich sind dafür die Normoblasten und Megalolasten, von denen die ersteren, sowohl beim Rind als beim Schaf. durchschnittlich halb so zahlreich sind als die letzteren. Es ist ferner zu bemerken, dass sowohl die Normoblasten als auch die Megaloblasten in diesem Zeitabschnitt nur ganz allmählich an Zahl abnehmen, sodass ihre Menge bei einer Embryogrösse von 6 em noch über die Hälfte derjenigen betrifft, welche ich bei einer Embryogrösse von 2 cm zählen konnte. Von kernlosen Blutkörperchen finden sich Makrocyten nur bis zu einer Embryogrösse von 3 cm. Von da ab sind nur noch Erythrocyten festzustellen, die jedoch immer noch etwas grösser sind als die postembryonalen. Sie besitzen nur zum Teil eine Delle; ein grosser Teil von ihnen zeigt unregelmässige kugelige Form, in ähnlicher Weise, wie wir es auch im Herzblut finden konnten. Während in Bezug auf die Delle sich die roten Blut- körperchen des Herzblutes und des Leberblutes ähnlich verhielten, bestand ein erheblicher Unterschied in einer anderen Eigentüm- lichkeit der Herzblutkörperchen im Vergleich zu denen der Leber. Beitrag z Lehre v.d. Blutentwicklung d.embryonalen Rindes u.Schafes. 685 Eine grosse Zahl der roten Blutkörperchen des Schafes von 4 cm Länge und des Rindes von 6 cm Grösse liess bei Färbung mit Eosin-Methylenblau deutliche blaue Punkte verschiedener Grösse und Anordnung innerhalb der roten Blutkörperchen er- kennen. Es war dies also zu einer Zeit, wo der grösste Teil der kernhaltigen roten Blutkörperchen die Kerne eben verloren hatte. Derartige Blutkörperchen mit basophiler Granulation konnte ich im Leberblut beider Embryonen nicht finden, und es dürfte an dieser Stelle angebracht sein, mit wenigen Worten auf die Beurteilung der basophilen Granulation in den roten Blut- körperchen einzugehen. DBasophile Granulation wurde im embryonalen Blute der Maus von Pappenheim und Engel festgestellt; im anämischen Blute von Askanazy und Lazarus; Plehn hält sie im Blute an Malaria Erkrankter für Sporen der Malariaplasmodien. Grawitz, Strauss und einige Andere haben sie neuerdings ebenfalls bei schweren Anämien festgestellt. Was ihre Bedeutung betrifft, so halten sie Pappenheim und Engel für die Reste karyolytisch veränderter Kerne, während Grawitz sie für Gebilde protoplasmatischen Ursprunges hält, welche durch eine Degeneration des Protoplasmas entstanden sind. Ich bin durch meine Untersuchungen zu der Ueberzeugung gekommen, dass diese basophile Granulation, wenigstens beim Embryo, sich hauptsächlich da findet, wo die kernhaltigen Roten ihren Kern zu verlieren im Begriff sind, und sehe mich aus diesem Grund veranlasst, auch meinerseits die basophile Granu- lation für eine Form des Kernzerfalles anzusehen. Der Einwand, dass es kernhaltige Rote mit basophiler Granulation giebt, dass also der Kern nicht zerfallen sein kann, wird leicht dadurch widerlegt, dass, wie wir gesehen haben, eine grosse Zahl kern- haltiger Roter während der Embryonalzeit mehrkernig ist. Es ist ferner nötig, zu erwähnen, dass von einer Embryo- grösse von 3 cm an den Lymphkörperchen ähnliche weisse Blut- zellen in der Leber des Rindes und des Schafes in geringer Anzahl gefunden werden. Auch hier konnte ich granulierte Zellen nicht beobachten. Bevor wir die Embryogrösse von 6 cm verlassen, müssen wir eines Blutbildungsorganes Erwähnung thun, welches von einer Grösse von 6 cm an neben der Leber sich an der Blutbildung zu beteiligen beginnt. Es ist die Milz, welche beim Schaf 686 Johannes Jost: bereits bei 4 cm Embryolänge als ungefärbte, punktförmige Ver- dickung im Bindegewebe in der Magengegend gefunden wird. Bei einer Embryogrösse von 6 em konnte ich mir bereits beim Schaf am Ausstrichpräparat ein Urteil über die Zusammensetzung der Blutelemente bilden. Wir finden, dass um diese Zeit fast drei Viertel aller Zellen aus kernhaltigen Roten, und zwar Normo- blasten und Megaloblasten bestehen. Doch müssen wir auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in ähnlicher Weise, wie wir das früher bei der Leber be- sprochen haben, ein grosser Prozentsatz von Megaloblasten ein so hämoglobinarmes, polychromatisches Protoplasma besitzt, dass vielfach Zellen angetroffen werden, bei denen es schwer anzu- geben ist, ob sie den roten oder den weissen Blutkörperchen zuzuzählen sind. Ausser diesen einkernigen Zellen mit stark basophilem Protoplasma waren von leukocytenähnlichen Zellen nur einige Exemplare anzutreffen. In ähnlicher Weise, wie die Entwicklung der Milz beim Schaf derjenigen beim Rind voraneilt, finden wir, dass auch das Knochenmark beim Rinderembryo etwas später seine erste An- deutung zeigt, als beim Schaffötus. Bei letzterem beobachten wir bei einer Körperlänge von 6 cm am femur in der Mitte der Diaphyse einen dünnen roten Strich, welcher L zur Knochenachse gestellt ist. Dieser Strich wird später breiter und teilt sich in zwei Teile, welche sich allmählich in centrifugaler Richtung den Epiphysenenden nähern. Untersuchte ich diese rote Linie, welche als erste Andeutung des Knochenmarks auf- zufassen ist, genauer, so fand ich, dass sie hervorgerufen wird durch das Vorhandensein eines hellroten Saftes, der sich mikros- kopisch aus kernlosen roten Blutkörperchen bestehend erweist. Irgend welche spezifische Zellformen, wie wir sie später im Knochenmark, wenn es Blutbildungsorgan ist, antreffen, sind nicht zu finden. In diesem Alter ist das Knochenmark also noch nicht als Blutbildungsorgan anzusehen. 5. Fötalstadien bis zur Geburt. In ähnlicher Weise, wie wir, um Wiederholungen zu ver- meiden, die Embryonen von einer Grösse von 2—6 cm gemein- schaftlich abgehandelt haben, empfiehlt es sich, den Blutbefund bei den Embryonen von 10 cm bis zur Geburt — welche beim Schaf bei einer Grösse von etwa 50 cm, beim Rinderfötus bei Beitrag z. Lehre v.d. Blutentwicklung d..embryonalen Rindes u. Schafes. 687 etwa 100 em Scheitelsteissbeinlänge eintritt — zusammen zu besprechen, umsomehr, als von einer Embryogrösse von 10 em an die Blutbildung sich in etwas anderer Weise abspielt, als in der früheren Embryonalzeit. Wie wir gesehen haben, verschwinden um die Grösse von 6 cm herum die embryonalen Metrocyten völlig aus dem Blute. Von einer Embryogrösse von etwa 10 cm an finden sich in denjenigen Organen, welche auch in der post- embryonalen Zeit als Blutbildungsorgane angesehen werden — Milz und Knochenmark — diejenigen Zellformen, die als Ursprungszellen der roten und weissen Blutkörperchen gelten. Aus diesem Grunde teilen auch wir die Blut- entwicklung in eine prämedulläre und medulläre Periode ein. Die prämedulläre Periode reicht von der Bildung der ersten Blutkörperchen bis zu der Zeit, wo das Knochenmark als Blut- bildungsorgan auftritt und ist charakterisiert durch grosse kern- haltıge oder kernlose rote Blutkörperchen, wie sie in der medullären Zeit nicht mehr gefunden werden. Diese letztere beginnt mit der Entwicklung des Knochenmarkes und reicht bis zum Tode. Innerhalb dieser Zeit, welche etwa die letzten zwei Drittel der Embryonalentwicklung sowie das ganze extrauterine Leben um- fasst, ist das Knochenmark das hauptsächlichste Blutbildungs- organ, sowohl für die weissen, als auch für die roten Blutkörperchen. Auf unsere Untersuchung angewendet, würde die prämedulläre Blutentwicklung beim Rinderembryo von 10—20 em Länge ihr Ende erreicht haben, während der Beginn der medullären Ent- wicklung beim Schaf bereits bei einer Grösse von 10 cm ihren Anfang nimmt. Wie wir aus der Tabelle IV auf Seite 691 sehen, braucht das Rind zu seiner Entwicklung etwa 270 Tage, das Schaf etwa 150 Tage. Bei einer Grösse von 10—20 cm ist das Rind etwa 90 Tage, bei einer Länge von 10 cm der Schafembryo etwa 70 Tage alt. Wir sehen also, dass die prämedulläre Blut- entwicklung beim Rind etwa während des ersten Drittels des embryonalen Lebens, beim Schaf fast während der ganzen ersten Hälfte der Embryonalzeit besteht. Bezeichnen wir demnach die Blutentwicklung von einer Embryogrösse von etwa 10 cm an als die medulläre, so- finden wir im Herzblut in dieser Periode von roten Blutkörperchen fast nur kernlose, freilich noch ziemlich viel polychromatische. Nur hin und wieder sehen wir einen Normoblasten; Leukocyten 688 Johannes Jost: sind vorhanden, und zwar in geringer Anzahl; sie besitzen keine Granulation ; auch Eosinophile konnte ich nicht erkennen. Auch das Leberblut verliert in diesem Zeitabschnitt sowohl beim Rind wie beim Schaf allmählich seine kernhaltigen Roten. Es herrschen auch hier mit zunehmender Embryogrösse immer mehr die gewöhnlichen Erythrocyten vor. Von weissen Blutkörperchen finden sich auch in der Leber nur vereinzelte ohne Granulation vor. Hierbei will ich darauf hinweisen, dass wir diejenigen einkernigen Zellen von Megalo- blastengrösse mit intensiv blau gefärbtem Protoplasma, deren Zusammenhang mit polychromatischen, kernhaltigen Roten wir oben entwickelt haben, in der Tabelle bis zu einer Embryo- grösse von etwa 10 cm zu den kernhaltigen Roten, und zwar den Megaloblasten, gerechnet haben. Da jedoch diese Zellen mit stark basophilem Protoplasma in der späteren embryonalen Entwicklungszeit von dem Aussehen kernhaltiger Roter immer mehr abweichen, so sind wir gezwungen, dieselben in der weiteren Entwicklung den lymphocytenähnlichen Zellen hinzuzurechnen, umsomehr, als auch beim erwachsenen Tiere die Lymphoeyten sich durch eine starke Basophilie des Protoplasmas auszeichnen. Wir haben deshalb auch in unserer Tabelle von der medullären Entwicklungszeit an die grosskernigen Zellen mit stark baso- philem Protoplasma den Lymphocyten hinzugezählt. Ich bin mir freilich bewusst, dass eine gewisse Willkürlichkeit darin liegt, dass ich dieselbe Zellform während der prämedullären Zeit den polychromatischen kernhaltigen Roten, später jedoch den Lym- phocyten zurechne; es gibt mir aber das mikroskopische Aus- sehen dieser Zellen in der medullären Zeit nach meiner Ueber- zeugung eine Berechtigung dazu. Besonders in der neueren Literatur werden diese Zellen mit stark basophilem Protoplasma als Ursprungszellen kernhaltiger Roter angesehen, und zwar deshalb, weil man, namentlich in früheren Entwicklungsstadien, wie wir gesehen haben, alle möglichen Uebergänge von diesen Zellen zu polychromatischen kernhaltigen Roten antreffen kann. Entgegen unserer Auffassung, dass die polychromatischen kern- haltigen Roten durch Verlust des Hämoglobins allmählich zu Iymphocytenähnlichen Zellen mit stark basophilem Protoplasma werden, wird noch mehrfach behauptet, dass gerade umgekehrt diese Lymphocyten die Ursprungszellen kernhaltiger Roter seien Beitrag z.Lehre v. d.Blutentwicklung d. embryonalen Rindes u.Schafes. 689 und dass der Entwicklungsgang ein von dem von uns besprochenen gerade entgegengesetzter sei. Wenn man in der systematischen Weise, wie wir es in Vorhergehendem geschildert haben, das Blut der Embryonen zu verschiedenen Zeiten der Entwicklung nach stets derselben Methode untersucht, dann überzeugt man sich mit Leichtigkeit, dass erst diejenigen Zellen vorhanden sind, die Hämoglobin enthalten, und dass ihnen die hämoglobinfreien folgen. Unter- sucht man jedoch das Blut nur in einem Stadium der Entwick- lung, in welchem die verschiedenen Uebergänge von hämo- globinhaltigen zu hämoglobinfreien Zellen nebeneinander vor- handen sind, dann hängt es zum grössten Teile von der Willkür des Beobachters ab, anzunehmen, dass die hämoglobinhaltige Zelle aus der hämoglobinfreien oder umgekehrt hervorgegangen ist. Die Milz ist von einer Embryogrösse von etwa 10 cm an sowohl beim Rind, als auch beim Schaf sehr reich an kerm- haltigen roten Blutkörperchen (Normoblasten). Allmählich nimmt die Zahl der kernhaltigen Roten ab, und zwar viel schneller beim Schaf, als beim Rind, sodass der Rinderfötus von 50 cm Länge noch etwa 20°/, kernhaltiger Roter besitzt, während die Milz des gleichlangen Schafes — welches bei dieser Grösse bereits geboren wird — nur ca. 10°/o kernhaltiger Roter ent- hält, ‘Etwa die Hälfte aller Zellen in den Milzpräparaten von einer Embryogrösse von 10 cm an bis zur Geburt, besteht aus kernlosen Roten, die zum Teil polychromatisch sind. Ausser diesen Erythrocyten wird das Milzblut in der ganzen medullären Entwicklungsperiode allmählich immer mehr von einkernigen, Ivmphoeytenähnlichen Zellen beherrscht. Weisse Blutkörperchen mit Granulation wurden nicht angetroffen. Es enthält also die } Milz schon vor der Geburt dieselben Leukocytenformen, welche _ auch im postembryonalen Leben aus ihr hervorgehen. In vielen Punkten der Milz ähnlich ist das Knochenmark bei den untersuchten beiden Tiergattungen, doch ist hier die - Zahl der kernhaltigen Roten geringer, als in der Milz. Als be- - sonders wichtig glaube ich hervorheben zu sollen, dass die kern- - haltigen Roten des Knochenmarkes im Gegensatz zu denen der ; Leber und der Milz:zum grössten Teile orthochrömatisch waren, -d. h. bei. der Färbung den Farbenton annahmen, den auch die nalen Erythrocyten besitzen. Es spricht dies dafür, dass die Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 39 2 690 Johannes Jost: kernlosen Roten im zirkulierenden Blute die nächsten Ver- wandten derjenigen kernhaltigen Roten sind, die sich im Knochenmark befinden, und sieh von denjenigen unterscheiden, welche in Leber und Milz gebildet werden. Kernlose Rote waren bei sämtlichen Knochenmarkpräparaten zahlreich, den Lymphocyten ähnliche Zellen mit stark basophilem Protoplasma, über deren Zusammenhang mit den polychromatischen kern- haltigen Roten wir uns oben eingehender geäussert haben, waren ebenfalls vorhanden, doch weniger zahlreich, als in der Milz. Als dem Knochenmark eigentümliche Zellen begegneten uns sowohl beim Rind wie beim Schaf einige wenige Leukocyten, die dadurch besonders auffielen, dass sie im Protoplasma eine Granulation zeigten, und zwar fanden wir Zellen mit neutrophiler, aber auch solche mit eosinophiler Granulation. Diese Zellform wurde während der ganzen embryonalen Entwicklung nirgends anders, als im Knochenmark, und auch hier sehr selten, jedoch sicher angetroffen. Es möge erwähnt werden, dass diese granu- lierten, ein- oder mehrkernigen Zellen beim Menschen im Knochenmark äusserst zahlreich gefunden werden. Endlich muss noch einer Zellform Erwähnung geschehen, welche dem Knochenmark charakteristisch ist; es sind dies grosse, teils kugelige, teils ellipsoide Zellen, deren Protoplasma sich bei Triaeidfärbung gleichmässig rosa, bei Eosin-Methylenblau- färbung hellblau tingiert. Sie sind granulationsfrei; ihr Kern, welcher etwa den zweiten bis dritten Teil des Zelldurchmessers beträgt, hat meist die Eigentümlichkeit, dem einen Pol der Zelle anzuliegen. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich diese Zelle denjenigen Formen zurechne, welche als Fresszellen (Makro- phagen) während der postembryonalen Zeit in der Leber und im Knochenmark gefunden werden; freilich enthalten sie hier in dem embryonalen Knochenmark in ihrem Zellleibe keinerlei Kernreste, die sie in sich aufgenommen haben könnten. Nachdem wir in dieser Weise die Zusammensetzung des Blutes und der Blutbildungsorgane bei Rind und Schaf in den verschiedenen Zeiten ihrer embryonalen Entwicklung besprochen haben, dürfte es im Interesse der Uebersichtlichkeit liegen, in einer Skala die Zusammensetzung des Herzblutes während der verschiedenen Entwicklungsstadien graphisch darzustellen. Diesem Zwecke dient die folgende Tab. I. Tabl Zusammensetzung des .embryonalen Blutes von Rind. und Schaf. 0.4 cm 0,6 4,0 4,5 23,0 2,5 50 40 60 10,0 20,0 550 50,0 75,0 100,0 R Sch ER s R Ss R Ss R S R $ R Ss R Ss R Ss R Ss R 5 R Ss R Ss R Ss R Ss 100 % T 7 1 7 T =r { ! = | \ | - | | = L 4 1 Je t 1 —ı 1 [os 4 N | 1 | Al A | | | | R | | Il | ı 90 en le al Ale AL 2, | | | Ale | | | | =: 4 .n \ 1 _ . — - - (RN 1 | 1 = 4 A nn IL IE | + Te == Le so ! | | | + + 4 - [ - + + 7 | 1 are ie BEER E 7 ro in —1e Et 1 7 | Zır 2 am Zi T enges a a T 1 T 70 + + - Di —- + _ 1 nen 1 H 1 + =! | — | m 1 AN Bellyey 60 Praemedulläre Blutentwickelungsperiode. Medulläre B. Metrocytennla@s een Metrocyten Il. G. Macrocyten —— — -— _ _ Normablasten —— _ Erythrocyten Tabelle 1. A. Herzblut B. Leber C. Milz D. Knochenmark Grösse BIER 2. a 1 2 BE zlen ra =: 2 2: 8 1% 2. ıE 2 i Rote Blutkörperchen Weisse Blutkörperchen Rote Blutkörperche isse Te Rote Blut- 'Weisse Blut-| Rote Blut- i in utkörperchen Weisse Blutkörperchen er | DUaD UL i ö aan Freie | — —— ee £ . a REDEN körperchen | körperchen | körperchen Weisse Blutkörperchen cm a) kernhaltig b) kernlos og || DEREN a) kernhalti b) ker eo) mit | d) ohne ig |b)kern- h E F2 (uanakanee|| (€ lat x altig ») kernlos ee Mi A ; a) kernhalt n. ce) ohne a) |b)kern- : r Alan ee —__—__[Keme ENT aE im - = = e sen Ba Rene Ber Granulation | ° \8 los Granulation kernh.| los e) mit Granulation es ‚IM. NEE Ara Irene .|Eosin,| Lymaph-|“ Gr. |M.TI|Norm.| enlmryehr Bosin.| Lymph-' Gr. N TER E = ; ö u esse | je Ery M | Neutır use | körp. | Lymph. Seen Meg.\|Makr.| Erythr. Neun noeian| Inn. | Lyanph. [4-11 Norm | Meg.| Erythr.| Lymphoeyten |Norm.|Erythr.| Neutroph. | Eosinoph. |Lymph. en T = Se een) Vs mE T Z Bess Fr ee Fe en We oe 7 == ir ae | " rs oe | ee here 04 R [100 | (Mitosen) | 80 20 | (Saugepr.) | | | | ein- | mehr-| ein- | mehr- ’° 5 1100 | (Mitosen) | | | 80 20 | (Saugepr.) | | | a 3 | | | | | | 06 R! 75| 25 | | | 60 | 3 5 (Saugepr.) | | ) | | | 5] 60| 40) | Dee] | | 45 | 35 | 20 a | | | | | s ag | einz. N präparate | | | | | | | 1 RI 50| 35 | 8 | Da 2 ver I | 20 1201| 25 Ph) | 5 5 Ver- Enesen BEnpaIEt wie alle N lee | | & »inz. | | | | einz. olg : Saugepr.) | SI 30| 40| 10 | ko) I 5) 5 | 15.1.2020 2105916502 | 21021228 22 Se | 15 RI35|45 10 Wi 8 Ser (Erste Blutplättehen) 15.118 | 26 | 30 7 3 1 | | ” 815) 2) 10 | 20 | 23 7 | | | 5055| 6| 5 i | | = | £ | | | | „rs so| 12 | le 5 u.) | Eu Heu ei | Sy ce a Sun a 5) 8 6 | | 3. 6 ao le 4 | | | | DE 2/)20| 13 | 10 50 4 | | | Eallsooes. | | 26 D 78 215) 13 | 14 53 3 |Vereinz. 2) | 251029 | 6 | 30 >) (Erstes Auftreten der | | 5 | N RS ' | | | | Dellenbildung) | 3 a zul ala) ale) 2 | 74 (Blutplättehen) | 27 Glossar | il In | Vereinz.| | x Eu | | | | | | | s[ ı| 5| 10 Inh! | |Verein. Iıaol2|2| a er | | | ei Mer | | | | 3 | | | | | 4 Röfeeieler8 | Del 2) 83 aan, | & | 1 15 | 32 | 52 | | (Erste Andeutung der Milz) | S 11 De a ne al @Basophile | „ | | | 55 | | | | I { Granulation) | | R 1 | else Gramafatlon)) ° | ee N | | F ü | | ae al | | Iren: 97 he | | zn | 96 | 7 - b Ver 3 | Ver | 97 |. Makrophagen ;‘..: . Tu u. 18—24 8—12 16—22 8—12 Riesenzelle ae 24 4Kerneädu = 22 FreieKerne mit Protoplasmasaum 3—5 — 3—4 Bintplättchen. 7 re _ 2— 21/2 _ 2— 21/2 Endlich erschien es angebracht, unter Anlehnung an Gerlach und Bonnet das den verschiedenen Grössen der Embryonen ent- sprechende Alter in einer besonderen Tabelle IV an dieser Stelle aufzuführen. Tabelle IV, Länge in cm 0,4 0,6 1,0. 1,5 2.0 2,5 3,0 40 6,0 10 |20 | 35 | 50 | 75 1100 Rind... .. Te.|16|20|28|42|45 |47|49 | 52 | 56 | 70 | 98 |150 1802401270 Schaf . . : . Te.|12|14 18 20|22 23 | 24 |28| 40 | 70 | 90 12011501 — | — 39* 692' Johannes Jost: Die wichtigsten Punkte meiner Untersuchungen fasse ich dahin zusammen: 1: DD Die Blutkörperchen im Herzblut der jüngsten mir zu Gebote stehenden 0,4 cm langen Rinder- und Schaf- embryonen sind sämtlich hämoglobin- und kernhaltig. Auch im gleichalterigen Leberblut finden sich bei beiden Untersuchungstieren hauptsächlich dieselben Zellformen. . Die ersten Leukocyten treten im Herzblute später auf, als die kernhaltigen Roten und zwar etwa bei einer Embryogrösse von 3 cm. . Von Blutbildungsorganen existiert bis zu einer Embryo- grösse von ca. 6 cm weder Milz noch Knochenmark, sondern nur die Leber. . Bei einer Embryogrösse von 10—20 cm tritt das Knochenmark — neben der weniger wichtigen Milz — als hauptsächlichstes Blutbildungsorgan auf. . Nach Eintritt des Knochenmarkes in die Reihe der Blutbildungsorgane geht die Bedeutung der Leber als solches zurück. Die Milz enthält hauptsächlich den Lymphoecyten ähnliche Zellen. Allein im Knochenmark finden sich diejenigen kernhaltigen Roten, aus denen durch Kernverlust die normalen kernlosen Roten ent- stehen. . Die embryonale Blutentwicklung des Rindes und Schafes ist zum grossen Teil bei beiden Tieren eine ähnliche ; doch läuft die Entwicklung beim Schaf entsprechend der früheren Reifung desselben im allgemeinen schneller ab als beim Rinde, was besonders in den ersten Wochen zu erkennen ist. Zum Schlusse möge es mir gestattet sein, Herrn Dr. Engel für das Interesse und die Förderung, welche derselbe meiner Arbeit entgegengebracht hat, meinen besten Dank auszusprechen. Beitrag z.Lehre v.d. Blutentwicklung d. embryonalen Rindes u. Schafes. 693 Literatur. Bizzozero, G.: Ueber einen neuen Formbestandteil des Säugetierblutes und die Bedeutung desselben zur Thrombose und Gerinnung überhaupt. Centralblatt f. d. medizin. 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Virchow, Archiv, Band 109. | Müller, H. F.: Zur Frage der Blutbildung. Sitzungsbericht der k.k. Akademie der Wissenschaften. Wien 1889. Neumann: Archiv der Heilkunde. Bd. XV. 1874. Pappenheim: Entkernung der Blutscheiben. 1894. Rindfleisch, G.: Ueber Knochenmark und Blutbildung. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XVII. 1880. Schimmelbusch: Blutplättchen und Blutgerinnung. Fortschritte der Medizin, Bd. II. 1885. van der Stricht, O.: Nouvelles recherches sur la genese des globules rouges et des globules blancs du sang. Me&moire couronne par l’acad&mie royale de medecine de Belgique. Archives de Biologie. Tome XIII. 1892. — De la premiere Origine du sang et des Capillaires sanguines dans l’aire vasculaire du Lapin (Societe de Biologie 1895). — Lorigine de premieres cellules sanguines et des premiers vaisseaux sanguins dans l’aire vasculaire de chauves-souris. Bruxelles 1899. — Le developpement du sang dans le foie embryonnaire.. Me&moire couronne. 1891. Wertheim, E.: Zur Frage der Blutbildung. Zeitschrift für Heilkunde. Bd. XII. 1891. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIHl. Die Blutbilder entsprechen sämtlich eigenen Präparaten und sind mit Ausnahme des Präparates No. 2 bei einer Vergrösserung von 664 (8X 83), Zeiss’scher Apochromat, 3 mm Brennweite, Apertur 1,40, Kompensations- Okulars 8, gezeichnet. Bei der Wiedergabe des Serienschnittes bediente ich mich des Kom- pensations-Okulars 4. Figur 1. Blut eines Schafembryos von 4 mm Länge. Das Bild zeigt als einzige auftretende Zellform a) Metrocyten I, Generation. Beitrag z. Lehre v. d.Blutentwicklung d. embryonalen Rindes u.Schafes. 695 Figur 2. Querschnitt durch die Leber desselben Embryos. In den Kapillarräumen der Leber gleichfalls nur Metrocyten a) als alleiniges Blutelement, b) embryonales Lebergewebe, c) Riesenzelle. Figur 3. Leberblutpräparat eines 1!/s cm langen Schafembryos a) Metrocyten II. Generation, b) Makrocyt, c) Erythrocyt, d) Orthochromatische Normoblasten, e) Polychromatischer Normoblast, f) Polychromatischer Megaloblast, g) Grosser Lymphocyt, bei g') mit zwei Kernen. Figur 4. Herzblut eines 4!/ em langen Rinderembryos 1. Metrocyten II. Generation, bei 1!. mit einem Doppelkern, 2. Makrocyt, 3. Erythrocyt, 4. Erythrocyt mit basophiler Granulation, 5. Orthochromatischer Normoblast, 6. Polychromatischer Normoblast, 7. Polychromatischer Megaloblast, 8. Blutplättchen. Figur 5. Milzblutpräparat eines 7 cm langen Rinderembryos 1. Orthochromatischer Erythrocyt, . Polychromatischer Erythrocyt, . Orthochromatischer Normoblast, . Polychromatischer Normoblast, . Polychromatischer Megaloblast mit zwei Kernen, . Lymphkörperchen, 19 pP wm . Grosser Lymphocyt. 696 Johannes Jost: Figur 6. Knochenmark eines 100 cm langen Rinderfötus. 1. Erythrocyt ohne Delle (vereinzelt), 2. Erythrocyt mit Delle, 2!. Polychromatischer Erythrocyt mit Delle, 3. Orthochromatischer Normoblast, 4. Polychromatischer Normoblast, 5. Polychromatischer Megaloblast, 6. Grosser Lymphoecyt, 7. Lymphkörperchen, 8. Einkernige Eosinophile, 9. Makrophagen, 10. Riesenzelle. »4 NE 697 Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock, Anatomie und Histologie des tibialen Gehör- apparates von Gryllus domesticus. Von Conrad Herbig aus Hannover... Hierzu Tafel XXIX u. XXX und 6 Textfiguren. 7 nr } Obwohl der Gehörapparat der Locustiden, wie Gryllodeen, schon mehrfach das Objekt eingehendster, mühevoller Untersuch- ungen war, ist doch bisher das tympanale Organ gerade der Hausgrille, trotzdem dieses Material verhältnismässig viel leichter und zu jeder Jahreszeit zu beschaffen ist, soweit meine Literatur- kenntnis reicht, nicht bearbeitet worden. Den steten Anregungen meines hochverehrten Lehrers; Herrn Professor Dr. Seeliger, auf dessen Wunsch ich, unter Hinweis auf die aus bekannten Gründen stiefmütterliche Be- handlung der Arthropoden-Histologie, dieses Thema bearbeitete, verdanke ich vorliegende Untersuchungen. Es sei mir gleich an dieser Stelle gestattet, für das meiner Arbeit entgegen- gebrachte Interesse und die jederzeit gewährte. freundlichste Unterstützung meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Zu gleichem Danke bin ich auch Herrn Prof. Dr. Will verpflichtet. Wegen der Jahreszeit, in welche meine Untersuchungen fallen, musste ich mich auf die eine Species Gryllus domesticus L. beschränken. Im Uebrigen werde ich auch die Verhältnisse: bei Locustiden und Gryllus campestris, soweit sie zum Vergleiche erforderlich sind, in meiner Abhandlung zur Sprache bringen. Die verschiedenen Methoden, die ich zur Herstellung von Total- oder Situspräparaten und Schnittserien anwandte, sollen erst weiter unten für jeden speziellen Fall besonders erwähnt werden. Ebenso wird dort über die Färbung der Objekte be- richtet werden. Vorausbemerkt sei nur, dass ich zur Fixierung meist steigenden Alkohol, Sublimat - Flemming’sche Lösung (Chrom-Osmium-Essigsäure) oder 1°/o Osmiumsäure gebrauchte. Als Farbstoffe dienten mir Alaunkarmin, Haemalaun, Haemat- oxylin und Methylenblau. Doch ergab letzteres (Ehrlich sche Methode) keine besseren Resultate wie die zuerstgenannten Tinktionsmittel. 698 Conrad Herbig: Der Gehörapparat der Grillen liegt in der Tibia der Vorderbeine und ist äusserlich schon mit unbewaffnetem Auge kenntlich durch zwei metallisch glänzende Trommelfelle. Um die Lagebeziehungen der einzelnen Teile des Gehör- apparates zu einander und zu den verschiedenen Abschnitten der Vorderextremitäten klar und verständlich auseinandersetzen zu können, erscheint es notwendig, wie schon die früheren Autoren empfunden haben, für die verschiedenen Regionen der Extremität bestimmte Bezeichnungen einzuführen. Ich schliesse mich denen vonGraber an, welche mir am besten zusagen, und werde also von einer äusseren, inneren, vorderen und hinteren Fläche, ferner von einem proximalen und distalen (oberen und unteren) Ende der Tibia spreehen. Ausserdem die ganze Tibia einteilen in zwei Abschnitte, einen supra- und intratympanalen, letzterer umfasst die im Bereiche der Trommelfelle liegenden Teile des Beines. Durch Verbindung des proximalen und distalen Endes desselben entstehen Längs- und senkrecht zu dieser die Querachse. Schmidt und v. Adelung denken sich das Bein seitlich gestreckt, also senkrecht zur Längsachse des Insektenkörpers, und unterscheiden dann eine obere, untere (d. i. bei uns äussere und innere), ferner eine vordere und hintere Seite. 1. Trommelfelle. Die besten Erfolge, die beiden Trommelfelle und die Tracheenverzweigungen dieser Beinregion klar zur Anschauung zu bringen, erzielte ich, indem ich die aus der Vorderextremität herausgeschnittenen Tibien in Eau de Labarraque bis zur voll- ständigen Durchsichtigkeit macerierte, mit destilliertem Wasser gut auswusch und leicht in Alaunkarmin färbte. Derartige Präparate wurden dann in Glycerin untersucht. Ueberdies wurde frisches, ebenfalls mit Alaunkarmin gefärbtes Material verwendet. Der starke Chitinpanzer der Tibia ist an den Trommel- fellen, welche sich scharf von ersterem absetzen, zu einer ver- hältnismässig dünnen Membran geworden. Wie schon oben erwähnt, besitzt die Hausgrille zwei Tympana, und zwar ein kleines an der vorderen und ein grösseres an der hinteren Seite der Tibia gelegen. Beide, wenn auch das Erstere etwas schwerer, sind mit blossem Auge deutlich kenntlich durch den metallisch schimmernden Glanz (Graber Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 099 vergleicht sie sehr zutreffend mit feinen Glimmerplättchen), welcher am besten hervortritt beim Hin- und Herbewegen des Beines bei auffallendem Sonnenlichte. Ihre Oberfläche ist ziem- lich dicht und gleichmässig besetzt mit kleinsten Dörnchen, die nur mit stärkerer Vergrösserung als solche wahrzunehmen sind, bei schwächerer dagegen nur als kleine Punkte oder Poren erscheinen. Die Tympana erreichen in der Hauptachse der Tibia ihre grösste Ausdehnung. Die Längsachse des hinteren Tympanums steht genau senkrecht zur Querachse des Beines, während die des vorderen mit letzterer einen Winkel von ungefähr 105° ein- schliesst und schräg von innen und oben nach aussen und unten verläuft. Fig. 1 (das Präparat ist durch Maceration gewonnen) lässt die Formen und gleichzeitig die gegenseitige Lagerung der beiden Trommelfelle zu einander erkennen. Denken wir uns nämlich das grosse Tympanum durch Längs- und Querachse in vier gleiche Teile zerlegt, so ist der grösste Teil des kleinen Tympanums gegenüber dem oberen äusseren Quadranten gelegen, also ungefähr um ein Viertel seines Flächeninhaltes aus der Mitte herausgerückt. Das kleine Trommeltell ist (vergl. Zeichnung 2) distal vom Kniegelenke gelegen, hat die Gestalt einer nach dem proximalen Ende in einen Zipfel ausgezogenen, länglichrunden Fläche und misst in der grössten Ausdehnung 0,37 mm und in der Quer- achse 0,198 mm. Es ist ausgespannt in einen Chitinrahmen, dessen Verlauf weiter unten bei der Betrachtung des kleinen Tympanums von dem Beinlumen aus beschrieben werden soll. An der äusseren und inneren Beinseite des ebenerwähnten Rahmens setzt sich eine zunächst sehr schmale, dünne Haut- duplikatur an, die sich ganz allmählich nach dem proximalen Ende zu verbreitert und schliesslich in Gestalt einer schmalen, sichelförmigen Platte das obere Ende des Tympanums überbrückt. Ich erblicke hierin gewissermassen den letzten Rest der für Orocharis Uhl. von Graber (5, p. 16) beschriebenen sichel- förmigen Hautplatte (da) und des schalenförmigen Deckels (di). Das Tympanum selbst erscheint dadurch an seinem proximalen Ende etwas in das Beinlumen eingedrückt. 700 Conrad Herbig: Figur 2 klärt hierüber auf. An der äusseren und inneren Beinseite des Tympanums sieht man den allmählich beginnenden Ansatz der sichelförmigen Platte, welche das obere Ende des- selben überbrückt (dai). Die Dörnchen sind auf diesem Bilde als kleine Punkte, in Figur 5 aber als deutliche Erhebungen zu erkennen. Wenden wir uns zur Betrachtung des Trommelfelles von der dem .Beinlumen zugekehrten Seite aus, so bemerken wir eine chitinöse Lamelle, welche schalenartig vom distalen Ende des Tympanums nach dem proximalen zu sich verschiebt und der vorderen Trachea dicht. anlegt. Sie ist konzentrisch gestreift und geht distal und seitlich in den. Trommelfellrahmen über. Der Trommelfellrahmen ist an verschiedenen Stellen ver- schieden geformt. Seine Aussenseite ist rings um das Trommel- fell herum wulstig verdickt, während der, der inneren Beinseite zugekehrte Teil, gleichsam wie eine Wand, tief in das Beinlumen vorspringt, um proximal und distal, unter allmählichem Aus- gleiche der Verschiedenheiten, wieder in den Wulst überzugehen. Eine gute Uebersicht über zuletzt beschriebene Verhält- nisse gibt die Figur 3, welche genau nach der Natur gezeichnet und mit der Camera luc. entworfen ist. Das betreffende Präparat wurde hergestellt durch Spaltung der Tibia zwischen beiden Tympanis und sorgfältiges Herauspräparieren der das Beinlumen erfüllenden Gewebe. Es wurde mit Haemalaun gefärbt und in (Glycerin untersucht. Wir sehen in der Tiefe gelegen das kleine Tympanum (v.T.). An seinem distalen Ende die schalenartige Lamelle (Pl... Der inneren Beinseite zugekehrt die chitinöse Wand (W), welche proximal und distal in den wulstig verdickten Teil des Rahmens übergeht. Um den ‚Verlauf des Trommelfellrahmens noch besser zu erkennen und gleichzeitig zu sehen, wie weit er in das Bein- lumen hineinragt, halte ich es für angebracht, einige Quer- schnitte einer Tibia abzubilden. ‚Der erste am weitesten nach oben zu geführte Schnitt A zeigt eine beginnende Chitinverdickung, das proximale Stück des Wulstes, welche in den nächsten Schnitten B und C in einen längeren und kürzeren zahnartigen Fortsatz ausgezogen ist. Es entspricht der Schnitt B ungefähr der Stelle, an welcher Wand | Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. ol und ‚wulstartige Verdickung ineinander übergehen. Weiter distal, in Schnitt C, erkennt man wieder die 0,15 mm weit ins Lumen vorragende Wand (W), im einiger Entfernung davon den Rahmen (Tfr), und noch weiter unten endlich, Schnitt E, den Quer- schnitt der schalenartigen Lamelle (Pl). Das auf der hinteren Fläche der Tibia, gleichfalls in einem Chitinrahmen ausgespannte Tympanum zeichnet sich durch ganz besondere (Grösse aus, indem der Längendurchmesser 1,03 mm, der @Querdurchmesser 0,55 mm beträgt. ‘Es hat nahezu die Gestalt einer Ellipse, nur verläuft der nach der Aussenseite ge- richtete Rand des Rahmens mehr gerade; oft ist er leicht nach innen zu eingebuchtet (vergl. Fig. 1, 4, 8 und 9). Das Trommelfell ist muldenartig in das Beinlumen eingedrückt. be- sonders die dem äusseren Rande naheliegenden Teile, sodass die ganze Fläche des Tympanums schräg zur Oberfläche der Tibia ausgespannt ist, derart, dass es am inneren Rande der Ober- fläche nahe liegt, nach 'dem äusseren Rande zu immer tiefer in 702 Conrad Herbig: das Beinlumen sich einsenkt. Die Oberfläche, straff ausgespannt, ist mit Dörnchen besetzt. Aehnlich wie am kleinen Trommelfellrahmen, so springt auch hier eine chitinöse Leiste, oder mehr eine Wand, nach dem Lumen des Beines zu vor. Sie liegt an der Innenseite der Tibia, beginnt, als Fortsetzung des Trommelfellrahmens, am proximalen Ende desselben, nimmt nach unten an Höhe rasch zu, um sich erst am distalen Ende wieder abzuflachen. Der Trommelfellrahmen zeigt an der äusseren Beinseite eine vorn eingekrümmte Verdickung, während er an der inneren in eine scharfe Kante ausläuft. In Fig. 4 erkennt man ausser dem Tympanum (h. T.) sowohl den Trommelfellrahmen, als auch die dem Beinlumen zugekehrte chitinöse Wand (Wı). Das hierzu gehörige Präparat ist analog dem von No. 3 hergestellt. Besseren Aufschluss über den Trommelfellrahmen und die genauere Lage seiner chitinösen Wand gibt ein Querschnittbild. Man sieht an Textfigur D zunächst, wie sich von dem zahnartig zugespitzten inneren Rande des Rahmens (Tfr.) das Tympanum von der Oberfläche der Tibia schräg nach der äusseren ein- sekrümmten Verdickung zum Beinlumen hin ausspannt. Ferner die im Querschnitte getroffene Wand (Wı), welche an ihrer breitesten Stelle 0,08 mm misst. Sie ragt 0,23 mm in das Beinlumen vor und bildet mit dem Trommelfelle einen Winkel, in welchen sich die hintere Trachee hineinerstreckt. Es erübrigt noch, den Bau der Trommelfelle selbst zu be- schreiben. Betrachten wir Figur 5, welche einen Querschnitt durch den vorderen Teil der Tibia im Bereiche des kleinen Tympanums darstellt, so erblicken wir, dass das Trommelfell aus zwei Schichten, und zwar einer oberflächlichen cuticularen (Cutt.) und einer tieferen epithelialen (Tm.) besteht. Die cuticulare hat eine Dicke von 0,00705 mm und erscheint im Durchschnitte parallel zur Oberfläche fein gestreift. Ich erblicke hierin die Thätigkeit der Matrixschicht, welche durch periodische Aus- scheidungen von Cuticularsubstanz ebenerwähnte Streifung oder den „lamellösen Bau“ des Trommelfelles bedingt. Die äusserste Schicht (s) der Cuticula setzt sich direkt in die oberflächliche Lage der Beincuticula (Cut) fort und trägt kleinste Dörnchen (D). Sie ist stärker lichtbrechend und homogen, während die darunter Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 703 liegende geschichtet und durch eine scharfe Grenzlinie (l) von jener und der Beincuticula getrennt ist. Die ephitheliale Schicht (Tm) ist infolge des Schneidens mehr oder weniger von der cutieularen losgelöst und lässt eine Reihe ovaler bis runder Kerne (k) erkennen. Dieselben sind intensiv gefärbt und enthalten eine grosse Anzahl von chromatischen Körnern. Zellgrenzen konnte ich, abgesehen von den grossen, spindelförmigen Elementen (sp. K), auf keinem Schnitte wahrnehmen, wohl aber eine feine Faserung in der Umgebung der Kerne und hauptsächlich an der der Cuticula zunächst gelegenen Seite derselben. Das grosse Tympanum unterscheidet sich von dem Eben- erwähnten durch die geringe Dicke seiner Cuticula, welche nur 0,0016 mm beträgt. 2. Tracheensystem. Die Tracheen entstehen aus Einstülpungen der Haut und besitzen daher auch wie diese ein Epithel und eine von denselben ausgeschiedene Chitinschicht. Letztere kleidet als „Tracheen- intima“ das Kanallumen aus und bedingt das Klaffen der Wandung. Ihre Festigkeit wird durch Chitinleisten, Spiralfäden, verstärkt, welche in flachen Windungen aufsteigen. Die Tracheen verästeln sich, bis sie in den Geweben mit dünnwandigen Tracheencapillaren endigen (8, p. 403). Figur 6 stellt eine Flächenansicht einer Tracheenwand dar und zeigt ein einschichtiges Plattenepithel mit den darunter- liegenden Chitinleisten (Spiralfäden). Das Tracheensystem der Tibia ist, da es in inniger Be- ziehung zum @Gehörapparate steht, für uns von Wichtigkeit. Es sind zwei Hauptstämme vorhanden, von denen der eine längs der vorderen, der andere längs der hinteren Beinseite verläuft. Diese beiden Stämme, die uns besonders interessieren, füllen den grössten Teil des Beinlumens aus, nur an der äusseren und inneren Seite der Tibia einen Kanal, den „Blut- und Muskel- kanal“ (5, p. 37), freilassend. Sie nehmen also hauptsächlich den mittleren Raum ein und reichen direkt bis an die vordere und hintere Fläche der Tibia, resp. das vordere und hintere Tympanum. Von Muskeln umgeben, zieht sich ein 0,19 mm breiter Tracheenstamm durch den Femur, ohne auf dem ganzen Ver- 704 Conrad Herbig: laufe sein Lumen besonders zu ändern; er passiert dann das Kniegelenk, um sich distal von diesem ganz bedeutend zu er- weitern (Fig. 7 h Tr.), sodass die vorher erwähnten Kanäle, speziell der Muskelkanal. sehr stark eingeengt werden. Die srösste Ausdehnung dieses Stammes, der vom Kniegelenke an den hinteren grösseren Tracheenast vorstellt, liegt in der Ver- bindungslinie der vorderen und hinteren Beinseite. In der ent- gegengesetzten Richtung ist er abgeplattet und zeigt auf der dem Blutkanale zugewendeten Seite eine muldenartige Ver- tiefung: (Textfig. F.M. V.). Nach der hinteren Seite der Tibia zu stülpt sich die Trachee vor (Fig. 8 bei p. E. und d. E.), um sich hart an das Tympanum anzuschmiegen. Am proximalen und distalen Ende der Tympanalregion ist sie durch je eine tiefe Einschnürung eingeengt (Fig. Ss und 9 p. E., d. E.): Im Querschnitte ist die grösste Ausdehnung des Tympanalabschnittes der hinteren Trachee in der Querachse des benachbarten Trommeltelles gelegen (Textfig. D. h. Tr.). In der Region der oberen Hälfte des grossen Tympanums, ungefähr am Ende des ersten Drittels, steht die hintere Trachee mit dem als „vordere kleine Trachee“ bezeichneten Stamme (in Fig. 8 und 9 durch einen Kreis gekennzeichnet Vı) durch eine Querbrücke in Verbindung. Sie behält von hier an bis zum unteren tympanalen Ende, nachdem sie vorher die kleine Trachee in sich aufgenommen hat, ihr gleiches Kaliber. Die vordere kleine Trachee entspringt mit einem dünnen, schlauchförmigen Aste direkt unter dem Kniegelenke aus der grösseren (Fig. 7 U), verläuft neben dieser an deren Innenseite herab, erweitert sich, leicht nach vorne ausbiegend, um wie schon hervorgehoben, an einer bestimmten Stelle wieder mit ihr zu kommunizieren (Fig. 7 Vı). Distal von dieser Verbindungsstelle erweitert sich das Lumen beträchtlich, um dann allmählich wieder abzunehmen und, nach Abgabe eines nach der Innenseite zu verlaufenden, sich in zwei bis drei Äste verzweigenden Seiten- armes (Fig. 7 u. Textfig. F Sa), selbst nach hinten und aussen umzubiegen und in die hintere Trachee einzumünden. Betrachtet man den tympanalen Abschnitt der kleinen Trachee von der äusseren Seite, so hat er die Gestalt einer auf dem Kopfe stehenden Flasche (Fig. 7 v. Tr. zw. Vı u. Ve), während er von der hinteren Seite gesehen mehrfach ausgebaucht erscheint und Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 705 sich nach innen zu fast an die ganze Breite der vorspringenden Wand des Trommelfellrahmens anlegt (Fig. 13: v, Tr, Textfig. B, Cu.D,=W), Graber (5, p. 31) lässt die kleine Trachee aus dem tympanalen Abschnitte der grösseren entspringen und bezeichnet den zum Knie aufsteigenden dünnen Arm als Abzweiger. ü Die Herstellung der in Fig. 7, 8u. 9 abgebildeten Präparate bietet ziemlich grosse Schwierigkeiten, und ich möchte die Methode mitteilen, nach welcher es möglich ist, wenn auch erst nach einiger Übung, zum Ziele zu gelangen. Die in steigendem Alkohol gehärteten Tibien wurden zur besseren Handhabung und Fixierung mit einer konzentrierten Celloidinlösung (absol. Alkohol und Äther z. gl. T.), welche neben leichter Erhärtung in 70°/o Alkohol den Vorteil der vollständigen Durchsichtigkeit bietet, auf Kork so aufgeklebt, dass das ge- wünschte Tympanum mit Trachee der Fläche des Korkes aufliegt. Die entsprechende andere Hälfte wird nun mit einem Rasiermesser abgetragen. Hierbei kommt es darauf an, durch einen einzigen, in der richtigen Höhe geführten Schnitt, das Gewünschte frei zu legen, da beim Weiterschneiden stets Zerreissungen und Ver- schiebungen vorkommen. Um ein Bild von der gegenseitigen Verbindung der Tracheen (Fig. 7) zu bekommen, ist zunächst die äussere Beinseite abgetragen worden. Die Tibia wird hier- auf schnell umgedreht und die abgetragene Fläche, der Fläche des Korkes zugewendet, wieder aufgeklebt, darauf die innere Beinseite entfernt. Bei der Anfertigung des letzten Präparates ist es ratsam, gleich eine ganze Anzahl von Tibien aufzukleben, da man erst durch vieles Schneiden und gleichzeitiges Besehen unter dem Mikroskope erfährt, wie weit das Chitin entfernt werden darf und es ausserdem sehr selten gelingt, sowohl äussere wie innere Chitinschicht an ein und derselben Tibia richtig ab- zutragen. Die Verschiedenheit der Dicke der Tracheenwandungen, welche bei der Untersuchung der Querschnittserien sofort in’s Auge fällt, und mit der Lage des Sinnesapparates zusammenhängt, soll erst später erörtert werden. Die kleine Trachee ist um ein bedeutendes Stück von dem zugehörigen Tympanum entfernt. Was das Zwischengewebe, also Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 40 706 Conrad Herbig: die Verbindung der Tracheen- und Integumentmatrix, anlangt, so verweise ich auf die genaue Darstellung Grabers (5,p. 31—36). Erwähnen möchte ich nur, dass ich von einer epithelialen Matrix des grossen Tympanums und ebenfalls von der grossen Trachee im Bereiche der fraglichen Regionen, bei vollständig ausgewachsenen und dunkelbraun gefärbten Tieren, nichts mehr entdecken konnte. Das Tracheenepithel lässt sich auf Quer- schnitten nur bis zu der Stelle verfolgen, wo die Tracheenwand umbiegt, um sich an die, dem Beinlumen zugekehrten Fläche des Tympanums anzulegen, von hier an liegen die Spiralfäden direct an der dünnen Trommelfelleutieula (Fig. 10 Sp. an Cutt). Bei solchen Tieren hingegen, welche sofort nach der Häutung konserviert wurden, war immer noch neben dem Tracheenepithel eine ziemlich dicke Trommelfellmatrix zu konstatieren (Fig. 11 Cutt mit Tm, Trm). Erheischte schon die Anfertigung der bisher beschriebenen Präparate die grösste Sorgfalt und Ausdauer, so ist dies ganz besonders der Fall, wenn über die gegenseitige Lage der Tra- cheen, Nerven und des ganzen Sinnesapparates auf einmal eine klare Übersicht gewonnen werden soll. Man darf sich nicht verdriessen lassen, tagelang nach obiger Methode zu verfahren, bis man endlich das richtige Stück in horizontaler Ebene und in richtiger Höhe abgetragen hat. Mir ist dies vollendet schön nur zweimal gelungen. Fig. 12 und 13 sind die getreuen Abbildungen eines derartigen Präparates. Da es sich in den noch folgenden Kapiteln ausserdem sehr oft um dünne Längs- und Querschnittserien (10—15 4) der Tibia handelt, deren Gelingen überhaupt die genaueren histolo- gischen Untersuchungen voraussetzen, so möchte ich gleich an dieser Stelle die Herstellungsweise der Serien beschreiben. Nach vielen vergeblichen Versuchen kam ich auf den Gedanken, zu- nächst auf bekannte Weise fast die ganze hintere Hälfte, also grosses Trommelfell und den grössten Teil der zugehörigen Trachee, mit dem Rasiermesser abzutragen und das übrige Stück, . das den Sinnesapparat, kleines Trommelfell, kleine Trachee und Nerven enthält, mit Alaunkarmin oder Hämalaun durchzufärben und in Paraffin einzubetten. Auf diese Weise wurden alle Ge- webe gut durchtränkt, was man beim Einlegen ganzer Tibien, wegen der mit Luft gefüllten Tracheen, niemals erreicht. Aus . im Muskelkanal eingeschlossenen Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 707 derartig vorbereiteten Tibien liessen sich ganz gut Serien- schnitte von 10—15 u anfertigen. Beim Schneiden muss man, um ein Zerreissen zu ver- meiden, darauf achten, dass das Messer der Chitinseite (d.i.d. vord. Fl. d. Tibia) zugewendet ist. Die Schnitte, welche sich immer ziemlich stark krümmen, müssen auf viel Wasser schwim- mend über der Flamme gut gestreckt werden. Nach dem Auf- kleben ist es unbedingt erforderlich, die Paraffinschnitte durch ein einmaliges schnelles Üeberstreichen einer dünnen konzentrierten Celloidinlösung vor Zerstörung zu schützen. Durch diese Mani- pulation nämlich wird ein Abbröckeln und Abfallen von Schnitt- teilchen verhütet. Da das Chitin beim Schneiden immer mehr oder weniger beschädigt wird, tritt ein Zerfall stets ein wenn man die Schnitte direkt in Xylol bringt. Das Paraffın lässt sich auch trotz des Celloidinüberzuges gut in 1—1'/s Tagen auf- lösen. In Canadabalsam eingelegt stört die geringe Celloidin- schicht nicht. 3. Die Hauptnervenstränge der Tibia und ihreVerzweigung. Die von Graber (5, p. 37) gemachten Angaben über den Verlauf des Tibial- und Tar- salnerven bedürfen nur noch weniger Ergänzungen. Graber schreibt „ver- folgen wir, an der Hand der Fig. 43 (vergl. meine Fig. 12 od. Textfig. F) den Verlauf der Hauptnervenstränge: Unterhalb des Knies ziehen. und zwar bis in die Tympanalgegend hart nebeneinander und nahe dem Luftrohre (tr) zwei Nervenäste in den unteren Teil der Tibia herab. Der dickere davon (ti.N.) bis 0.08 mm breit, löst sich in der Trommelfellregion in zwei Äste (1 und 4) auf, um dann 708 ‘ Conrad Herbig: im mittleren Tibialabschnitte, resp. im unteren Tibialteile, sein Ende zu erreichen“. Nach meinen Befunden sind die Verhältnisse bei der Haus- grille insofern etwas andere, als die beiden Nervenäste neben dem dünnen, schlauchförmigen Aste der vorderen Trachee herab- laufen. Der dickere von ihnen löst sich dann direkt über der Vereinigung Va der beiden Tracheenstämme in zwei Äste (Text- figur Fı u. 2) auf, die, an der äusseren und inneren Seite des fortlaufenden Rohres herabsteigend, in obengenannten Regionen enden. Der zweite, anfänglich, wie bemerkt, neben dem ge- nannten Nerven herablaufende Ast (ta. N.) geht unverzweigt in den Tarsus über, weshalb ihn Graber unter dem Namen Tarsal- nerv aufführt. Der dritte Hauptnervenstamm,, der Tympanalnerv, oder auch nach Graber tympanaler Sinnesnerv genannt, entspringt dicht unter dem Knie an der inneren Beinseite, verläuft, sich eng an die vordere Seite der grossen Trachee anlegend, schräg nach aussen über dieser hinweg, um sich gegenüber der ersten Vereinigung der beiden Luftrohre, nachdem er vorher noch etwas angeschwollen ist, in zwei Ganglienarme aufzulösen. Von einer Spaltung des Sinnesnerven in zwei Äste, einer baldigen Wiedervereinigung dieser vor der endgültigen Auflösung in die Ganglienarme und von einem Verlaufe desselben längs der Knie- stückstrachea, wie es Graber (5,p.46 u.53) für Gryllus cam- pestris beschreibt, konnte ich nichts bemerken. Die Nervenstränge setzen sich zusammen aus einem Bündel von „Axonen“. Jedes einzelne Axon wird von einer kernhaltigen Scheide umgeben. Die Kerne sind ziemlich platt, langgestreckt und enthalten ausser einer grossen Anzahl verschieden grosser, stark gefärbter Körnchen, noch einen meist wandständigen Nu- cleolus. Das Bündel von Axonen wird von einer gemeinsamen Hülle „Neurallamelle“ eingeschlossen, welche ebenfalls lang- gestreckte, doch kleinere Kerne in sich birgt. Letztere besitzen keinen Nucleolus, doch auch eine grosse Anzahl dunkler gefärbter Körnchen. Die Neurallamelle (Nervenscheide) des Tympanal- “nerven setzt sich fort auf den proximalen und distalen Gang- lienarm. Jeder der beiden Ganglienarme zieht sich, wie es auch Graber für sein vorderes und hinteres Horn angibt, bandförmig Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 709 in die Länge. Auch sind die Ganglienzellen zunächst an dem Scheitelpunkte der Arme dicht und regellos gelagert, rücken aber am bandförmigen Teile etwas auseinander, um sich am untersten Ende desselben ebenfalls nahezu in eine Reihe zu stellen. Der obere am weitesten nach vorn, in der Höhe der ersten Vereinigung (Vı) der beiden Tracheen gelegene, verläuft, sich allmählich verjüngend, ziemlich genau quer von der vorderen Beinseite bis ungefähr zur Mitte der äusseren, längs des Inte- gumentes (Textfig. F [Fig. 15| pr. Ggla.). Der andere Arm macht einen leichten Bogen von vorn nach hinten und aussen, um dann, längs der Aussenwand der kleinen Tympanaltrachea verlaufend, sich nach unten allmählich zu verschmälern, und etwas oberhalb der Mitte der Tympanalregion sein Ende zu erreichen. (Fig. 14, Textfig. F. Fig. 17 dist. Ggla.) (Graber spricht von einer Auflösung des Sinnesnerven in ein vorderes und hinteres Horn (verel. Fig. 83 og und hg), gibt aber eine genaue Lagerung dieser für Gryllus campestris nicht an, denn er sagt nur „sie ziehen sich beide seitwärts bandförmig in die Länge“ und fügt später noch hinzu, „dass der vordere dem Integumente anliegende Ganglienabschnitt durch die Ver- teilung der Ganglienzellen ungefähr den Umriss einer Retorte bekommt“. Letzteres bildet er auch richtig ab in seiner Fig. 60. Wie es eigentlich mit dem hinteren Horne bestellt sei, ist ihm nicht ganz klar geworden, denn er erwähnt nur, „aus der in Fig. 59 gegebenen Ansicht des Endorganes hat es ganz den Anschein, als ob die Verbindungsfasern des hinteren Endorgan- abschnittes mit denen des vorderen zu einem gemeinsamen Strange sich vereinigen, ein Verhalten, das sich aber mit dem in Fig. S3 Dargestellten nicht zusammenreimt. Hier glauben wir nämlich ganz deutlich zusehen, dass die Fasersysteme der beider- seitigen Hörner des Endorganes gabelig auseinandertreten und auch jedes von ihnen einen besonderen Anheftungspunkt hat.“ Der hintere Abschnitt soll nach Fig. 59 der Aussenwand der Vordertrachee anliegen und mit dem vorderen Horne einen Winkel bilden, an dessen Scheitel die gemeinsame Wurzel des Tympanalnerven liegt. Ich glaube in Folgendem Aufschluss darüber geben zu können, und mich in Rücksicht auf Text und Figuren Grabers und meiner bisherigen Darstellung zu der Annahme berechtigt, 710 Conrad Herbig: dass der in der Fig. 83 Grabers als hinteres Horn bezeichnete Ganglienkomplex meinem proximalen und der als vorderes Horn angegebene meinem distalen Ganglienarme zu vergleichen ist, wir es also bei der Feld- und Hausgrille mit vollständig homo- logen Gebilden zu thun haben. Das Wenige, was Graber über die Lage der beiden Hörner angibt, ist direkt auf unseren proximalen und distalen Ganglien- arm zu übertragen. Wenn es ihm nicht gelang, volle Klarheit über die Sachlage zu verschaffen, so ist dies eine Folge davon, das er durch die Tibia nicht Längsschnitte anfertigte; wenigstens bildet er solche nie ab. Wie leicht es möglich ist, durch Querschnitte irre geführt zu werden, zeigen meine Figuren 15 und 17. Die erste enthält den proximalen, die letzte den distalen Ganglienarm, beide stammen also aus verschiedener Höhe. Fehlen nun als Ergänzung die Längsschnitte, und ist die Region, aus welcher die Quer- schnitte stammen, nicht genau durch vollständige Serien zu bestimmen, so ist es leicht erklärlich, dass Unklarheiten ent- stehen können. Hierin ist auch der Irrtum Grabers zu suchen, wie seine Figuren 59 und 60 lehren. In Figur 59 hat die vordere Trachee schon ein ganz bedeutendes Lumen, die beiden Tracheenäste sind also unterhalb ihrer Vereinigung getroffen; sie enthält daher den an der Aussenwand der vorderen Trachee verlaufenden distalen Ganglienarm im Querschnitte getroffen (vergl. meine Figuren 17 dist. Ggla.). In Fig. 60 dagegen ist die Vereinigungsstelle zu schage dieses Querschnittsbild kann also nur den proximalen Ganglien- arm wiedergeben (vergl. meine Fig. 15 pr. Ggla... Graber hat also einmal meinen vorderen proximalen Ganglienarm und den Anheftungspunkt der Endschläuche dieses an der hinteren, das andere Mal den distalen hinteren Ganglienarm und dessen Verbindung mit der äusseren Beinseite gezeichnet. Fig. 83, auf Grund welcher Graber sowohl für die proxi- malen als distalen Endschläuche besondere Anheftungspunkte an der Hypodermis behauptete, entspricht meiner Fig. 14 insofern, als auch hier die Teilung des Nerven in einen oberen und unteren Ganglienarm zu sehen ist, nur ist in meinem Präparate der obere im Querschnitte getroffen, während er in Fig. 83 sich mit seinen Endschläuchen, des Anheftungspunktes beraubt, nach Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 7ıı unten umgelegt hat. Eine Herauspräparation des ‘Nerven mit Ganglienarmen würde genau das Bild Grabers wiedergeben. Endlich stimmen die von Graber angegebenen Zahlen der beiden Endschlauchgruppen 20 und 35 auch mit meinen Befunden überein. Eine gute Anschauung über die Konfiguration der beiden Ganglienarme kann man sich also nur durch Kombination eines Quer- und Längsschnittes verschaffen, deren genaue Abbildungen die Figuren 15 und 14 sind. Erstere zeigt den Verlauf des oberen vorderen, letztere den des unteren hinteren Armes. Unsere Zeichnungen lassen ausserdem erkennen, wie von den Ganglien- zellen zwei völlig von einander getrennte Komplexe von langen Endschläuchen (Fig. 15 Eschl., Fig. 14 Eschl.ı) entspringen, die beide getrennt an der hinteren, resp. äusseren Beinseite in die Hypodermis übergehen (d. Fig. Bst., Bst.ı). Oberhalb der proxi- malen und an der dem vorderen Tympanum zugekehrten Seite der distalen Endschläuche liegen noch Zellkomplexe, welche v. Adelung als accessorische bezeichnet. Auf diese werde ich später noch zurückzukommen haben. Beide Systeme von Ganglien- zellen, Endschläuchen und accessorischen Zellen sind vollständig intratympanal gelegen. 4. Die proximalen Endschläuche und ihr Nebenorgan. Aus dem bandstreifig angeordneten Komplexe von Ganglien- zellen treten, und zwaranallen Stellen der Unterseite (d. i. d. distale) zahlreiche eng aneinander liegenden Endschläuche (Fig. 15 Eschl.) hervor, welche an der hinteren Beinseite vereinigt in die Hypo- dermis des Integumentes übergehen (Fig. 15 Bst.). Ihre Anzahl beträgt ungefähr 20 und sie füllen den Raum zwischen grosser Trachee und äusseren Beinseite (d.i. der Blutkanal) fast voll- ständig aus, nur eine kleine dreiseitige Pyramide zwischen der Tracheenwandung und einem Teile der Hypodermis freilasssend (Fig. 15 Dr.). Die Anordnung der Ganglienzellen bedingt eine bestimmte Anordnung und Länge der Endschläuche. Die mittleren Schläuche sind am längsten und in der Richtung von vorn nach hinten ausgespannt, während die anderen fächerartig sich an- reihend nach aussen und innen an Grösse abnehmen. Sie ver- laufen sämtlich horizontal und ihre Grösse schwankt zwischen 0,114 und 0,227 mm; die kürzesten Endschläuche liegen der 712 Conrad Herbig: äusseren -Beinseite an. Ausserdem sind alle in ihrem ganzen Verlaufe, besonders da, wo sie an die Ganglienzellen herantreten, gebogen und an ihrer Befestigungsstelle in verschiedener Höhe gelegen. Der grösste Teil tritt an diese von unten heran, einige der Inneren drehen, um sich zu befestigen, nach oben und aussen (Fig. 15 Bst.). Fig. 16 ist eine getreue Wiedergabe eines einzelnen, bei homog. Oel-Immersion 2,0 und Comp.-Ocular 12 gezeichneten Endschlauches, und lässt den feineren Bau deutlich erkennen. Alle Endschläuche haben eine lange, schwach gebogene Stäbchen- form und schwellen unweit der Ganglienzellen bedeutend an, um sich nach der entgegengesetzten Richtung ganz allmählich zu verjüngen und mit einer ziemlich dünnen Spitze in die Hypo- dermis überzugehen (d. i. bei Bst.). „In seinem Verlaufe“, schreibt Graber, „fällt einem zunächst am unteren Ende .desselben ein grosser kreisförmiger Kern auf, den er Basal- oder Wurzelkern (Fig. S4 W.K.)nennt und der ausser verschiedenen Körnchen auch ein, namentlich nach Karmintinktion sehr distinktes Körnkörperchen unterscheiden lässt. Ausser diesem Nucleus glaubt er bei einigen Endschläuchen, noch einen zweiten Kern, und zwar in der Nähe des peripheren Endes: gesehen zu haben, den er als Gipfelkern (Fig. 84 g. K.) bezeichnet. Für Locustiden bemerkt er dann noch (5. p. 58) als eine nicht unbe- deutende Abweichung, dass die Endfasern ungefähr in der Mitte spindelförmig angeschwollen seien und diese Anschwellung das Aussehen eines kernartigen Gebildes habe, und in der Regel noch ein nucleoartiges Körperchen besitze.“ Auch v. Adelung (7, p. 342, 344) bestätigt das Vorhandensein dieser drei Kerne bei Locustiden, bildet aber den in seiner Figur 7 des Totalpräparates mit K bezeichneten Kern, bei der Abbildung eines einzelnen Endschlauches (s. Fig. 18, Taf. XV) nicht ab. Nach meinen Beobachtungen zeigen die proximalen End- schläuche von Gryllus domesticus einen ähnlichen Bau wie die der Locustiden, und stimmen mit diesen selbst in gewissen feinsten Einzelheiten überein. Ein jeder Schlauch setzt sich aus mehreren Zellen zusammen, doch lässt sich die Zahl dieser, da Zellgrenzen fehlen, nur aus den vorhandenen Kernen er- schliessen. RP: Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 1.3 Unser Endschlauch Fig. 16 besitzt zunächst einen runden bläschenförmigen Kern innerhalb der keulenförmigen Anschwellung. Ausser 2—3 stark färbbarer Körnchen, welche sich durch besondere Grösse auszeichnen, ist auch ein Nucleolus deutlich wahrzunehmen. Dieser Kern entspricht dem Graber'schen Wurzelkern, und ich werde diese Bezeichnung (Fig. 16 W.K.) beibehalten. Was Grabers Gipfelkerne (Fig. 84 und 87 g.K.) anlangt, so konnte ich dieselben in jedem Falle deutlich auf- finden (vergl. m. Fig. 16 und 15 g.K.). Es sind dies lang- gestreckte Kerne, welche ziemlich gleichmässig und dicht mit stark färbbaren Körnchen erfüllt sind. In der Mitte der End- schläuche liegt dann ein dritter, etwas grösserer und an beiden Enden mehr zugespitzter Kern, der, was Lage und Gestalt an- betrifft, der spindelförmigen Anschwellung der Locustiden - End- fasern Grabers zu vergleichen wäre, und ich will auch die von ihm gewählte Bezeichnung (Fig. 16 und 15 fa. K.) belassen. Endlich liegt nahe der Verbindungsstelle der Endfasern mit der Hypodermis ein vierter langgestreckter ovaler Kern, der denen der Hypodermiszellen vollständig identisch ist. Sonach hätten auch wir, abgesehen von dem letzteren, die für die Endschläuche der Locustiden angeführten drei Kerne aufgefunden. Die Verbindung der Endschläuche mit den über ihnen proximal zu gelegenen Ganglienzellen ist in meiner Abbildung nicht zu sehen. da die Enden der ersteren nahezu senkrecht nach oben umbiegen müssen, um an die Ganglienzellen heran- treten zu können. Die dem Ganglion benachbarten Teile der Endschläuche werden von einer Achsenfaser durchsetzt (Fig. 16, 16a), welche sich nach der Ganglienzelle zu allmählich ver- breitert und mit dieser in Verbindung steht. In meinen Präparaten (Fig. 15, 16, 16a) ist die Achsen- faser nicht immer gerade ausgespannt. sondern macht meistens in dem verbreiterten Teile des Endschlauches einen mehr oder weniger scharfen Knick. Das andere Ende derselben geht, dünner werdend, in ein stiftartiges Gebilde über, welchem Graber den Namen stiftartiges Körperchen oder Nervenende gegeben hat und welches, wie aus einem Endschlauchquerschnitt (Fig. 21a BBl.) hervorgeht, in einer Binnenblase gelegen ist. Um das Köpfchen des Stiftes herum sieht man einen hellen Hof. welcher nach der Stiftspitze zu von einem dunklen Kontur 714 Conrad Herbig: begrenzt wird. Es macht auf mich ganz den Eindruck, als wenn letzterer die Grenze zwischen zwei Zellen angibt. Graber meint auch, einen hellen Hof, welchen er Fig. 84 abbildet, gesehen zu haben; ebenerwähnter Kontur jedoch ist in keiner Figur eingezeichnet worden. Eine Aufklärung glaube ich geben zu können, wenn ich den von v. Adelung (7, p. 325—327) beschriebenen Bau der Endblasen mit meinen Endschläuchen vergleiche. v. Adelung schreibt: „Jede Endblase besteht wesentlich aus zwei Zellen, der Umhüllungszelle (Taf. XIV, Fig. 1, 2,3 UZ.; Taf. XV, Fig. 13 UZ) und der Deckzelle (ebendas. DZ.). Die Umhüllungszelle umgibt einen, sich mit der Ganglienzelle verbindenden nervösen Faden (Achsencylinder), welcher in ein unter dem Namen Gehör- stift bekanntes Gebilde übergeht. Der Raum um diese Faser ist von Protoplasma ausgefüllt. Das Vorhandensein dieses, sowie das Vorkommen eines Kernes (Fig. 1, 3 bK) berechtigen zu der Annahme, dass die Nervenfaser von ihrer Umbiegungsstelle an von einer grossen Zelle umgeben wird. Diese Zelle habe ich unter dem Namen Umhüllungszelle eingeführt. Der Umhüllungs- zelle liegt eine Deckzelle auf, welche sich auch durch die dunklere Färbung von ersterer abhebt und stets einen grossen Kern einhüllt. Der später zu besprechende Gehörstift ragt mit seinem distalen Ende (oft nur mit dem abgerundeten Teile) meistens in die Deckzelle hinein, wobei jedoch keine Durch- brechung ihrer Hülle stattfindet.“ Betrachten wir nun meine Fig. 16 und 16a, so finden wir dieselben Verhältnisse wieder. Vorn die helle, Achsencylinder und Gehörstift umgebende Umhüllungszelle mit ihrem Kern W.K., den ich oben bereits als den ersten bläschenförmigen Nucleus des Endschlauches beschrieben habe. Diese Basalzelle wird durch einen scharfen Kontur von der sie mützenartig bedeckenden, dunkler gefärbten Deckzelle, die den länglichen Kern g.K. führt, abgegrenzt. Die Endschläuche sind somit nach meiner Ansicht als nichts weiter aufzufassen, als phylogenetisch ursprünglichere Stadien solcher nervöser Bildungen, wie sie sich in der Crista der Locu- stiden finden. Wir haben uns nur vorzustellen, dass die Ver- bindung der Endschläuche mit der Hypodermis bei der Locustiden- Crista aufgegeben wird. Die einzelnen Endblasen dieser ragen ee 2 Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 715 also frei in das Lumen des Beines hinein, während die Deck- zellen der Gryllodeen-Endschläuche verlängert und noch mit der Hypodermis des Integumentes in Verbindung stehen. In der nächsten Nachbarschaft der Endschläuche, diesen eng verbunden, liegen noch andere eigenartige Elemente. Schon Graber erwähnt bei der Beschreibung der Hüllmembran des Endorganes (5, p. 52, 53) „kernartige Gebilde“, welche mit dieser innerhalb der Faserzone im Zusammenhange stehen sollen. Er nennt sie kreisrunde Bläschen mit deutlicher Membran und einem fast homogen erscheinenden Inhalte, nebst einem grossen, kreis- runden Nucleolus, der abermals ein kleines Körperchen in sich bergen soll. Es scheint ihm am plausibelsten, diese Kerne als „Formbestandteile einer Art Matrixlage zu nehmen, als deren Absonderungsprodukt die cuticulare Hüllmembran gedacht werden muss.“ v. Adelung (7, p. 344) rechnet diese Kerne, wie auch ich, verhältnismässig grossen Zellen zu, welche fast die ganze proximale Fläche der Endschlauchgruppe einnehmen und sich direkt an diese anschliessen. An meiner Fig. 15 sieht man sie durch eine scharfe Grenzlinie abgegrenzt, bis hart an das basale, keulenförmig angeschwollene Ende der Endschläuche heranreichen. Ihre ovalen bis kreisrunden grossen Kerne K bergen einen auch von Graber richtig erkannten Nucleolus, welcher wiederum ein kleines Körperchen enthält, und führen überdies eine Anzahl stark färbbarer Körnchen. Diese Zellen, welche v. Adelung als accessorische oder Begleitzellen bezeichnet, sind sehr langgestreckt und verlaufen den Endschläuchen fast parallel. Auch gibt v. Adelung richtig an, dass die einzelnen Begleitzellen ineinander verflochten sind und ihr protoplasmatischer Inhalt retieulären Bau zeigt. In Fig. 14 (Nbg.) sind die accessorischen Zellen im Quer- schnitte getroffen, man sieht, wie sie proximal von den End- schläuchen in einer Schicht angeordnet sind und sich dachziegel- artig überdecken. Die Figur ist aus mehreren Schnitten kom- biniert, denn sie gibt gleichzeitig noch die distal in einer anderen Ebene gelegenen Querschnitte der angeschwollenen End- schläuche mit ihren Kernen und Gehörstiften wieder. Proximal 716 Conrad Herbig: und vorn erkennt man die Fortsetzung der Nervenscheide (Nsch), die die unter den accessorischen Zellen gelegenen Ganglienzellen umschliesst und nach hinten als chitinöse Membran das ganze System von Endschläuchen und accessorischen Zellen, diesen sich dicht anschmiegend, so überdeckt, dass zwischen ersteren und der Membran ein Zwischenraum übrig bleibt. Von den accessorischen Zellen sagt v. Adelung, „dass sie gewissermassen ein Gerüst bilden, welches vielleicht dem Systeme der Endschläuche zur Stütze dient. Dies würde aber den saitenartigen Charakter derselben sehr ungünstig beeinflussen.“ Da die accessorischen Zellen immer nur von da ihren Anfang nehmen, wo die Endschläuche sich eng aneinander zu fügen beginnen, so wird der freie Teil derselben nicht ungünstig dadurch beeinflusst. Meiner Ansicht nach haben sie den Zweck, die durch Schallwellen in Schwingung versetzten Endschläuche wieder in die Ruhelage zurückzubringen, und zwar dadurch, dass dieselben an die darübergelegenen accessorischen Zellen anschlagen. So in das Ruhestadinm versetzt, sind sie wieder imstande, durch neue Wellen erregt zu werden. Den von v. Adelung eingeführten Ausdruck „Begleit- oder accessorische Zellen‘ möchte ich infolgedessen nicht mehr beibehalten, sondern diesen ganzen Komplex von Zellen als „Nebenorgan“ bezeichnen. Das ganze proximale System von Endschläuchen mit seinem Nebenorgan ist mit Graber (6, p. 109) ein „‚hämales Nerven- endorgan zu nennen, da es ganz innerhalb eines tropfbar- flüssigen Mediums“, nämlich der Blutflüssigkeit des äusseren Hämalkanales, liegt. 5. Die distalen Endschläuche und ihr Nebenorgan. Obwohl beide Endschlauchgruppen vollständig intratympanal gelegen sind, möchte ich doch die distale scharf von der oberen trennen, da sie mit ihrem Nebenorgane von einer Membran nach allen Seiten abgegrenzt, ein völlig abgeschlossenes Ganzes bildet. Diese Membran (in Fig. 14 Hmbr im Längsschnitte ge- troffen) ist die Fortsetzung der Hülle des proximalen Ganglien- armes und überzieht zunächst die obere Fläche des Neben- organes (d. Fig. Nbgı), um dann umzuschlagen und in Grabers „‚strukturlose Glashaut‘‘ (membrana basilaris) der Hypodermis Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates et. 717 'überzugehen. Nachdem sie noch (Fig. 17 Hmbr) die vordere und hintere Fläche desselben eingehüllt hat, geht sie von der kleinen Trachee, auch die untere Seite (Fig. 14 Hmbr) über- ziehend, dicht unterhalb des vorher erwähnten Umschlages wiederum in die Membrana basilaris über. Sie umgibt also einen auf dem Querschnitte dreieckig erscheinenden Raum (Fig. 17), der zum grössten Teile von dem Nebenorgan, den Endschläuchen, und von einer Flüssigkeit, welche wir als Endolymphe be- zeichnen wollen, ausgefüllt wird. Die Basis dieses Raumes grenzt an die Aussenwand der vorderen Trachee. Wir haben es also in dem distalen Endorgane wiederum mit einem ganz in einem „tropfbar-flüssigen Medium“ gelegenen Organe zu thun. Es unterscheidet sich aber von dem proximalen dadurch, dass es in einem besonderen abgeschlossenen Raume liegt, welchen man vielleicht mit einem aus einer ectodermalen Einstülpung hervorgegangenen Sacculus vergleichen könnte. Setzen wir, unter Zugrundelegung des von Graber (6, p. 105) gezogenen Vergleiches, den lufterfüllten Hohlraum der vorderen Trachee dem Cavum tympani des Vertebraten- ohres analog, und ebenso den vollständig abgeschlossenen endo- Iymphatischen Raum, der die Nervenenden birgt, dem Labyrinth, so entspricht offenbar der von *—* Fig. 17 sich erstreckende Teil der Tracheenwand einer das ovale Fenster des Labyrinthes verschliessenden Membran. Die Behauptung Grabers (6, p. 109), dass das supra- tympanale Organ der Locustiden und Gryllodeen das einzige von allen tympanalen Nervenendorganen ist, das, ähnlich den Acusticus-Enden der Vertebraten, ganz innerhalb eines tropfbar- flüssigen Mediums liegt, ist hiermit hinfällig. Wenn wir auf unser distales Endorgan die Graber’schen Bezeichnungen (er unterscheidet nämlich ein tympanales, tracheales und hämales Organ) anwenden wollten, so müssten wir es, da es sowohl an der Wand der Tympanal-Trachee, als auch in einem tropfbar-flüssigen Medium gelegen ist, tracheo-hämales Endorgan nennen. Ich halte aber die Bezeichnung endolympha- tisches Organ für angebrachter. Die Endschläuche des endolymphatischen Organes sind, dem unteren Ganglienarme entsprechend, ebenfalls in der Längs- achse der Tibia fächerförmig ausgespannt. Sie sind, so wie die 18 Conrad Herbig: des’ hämalen, verschieden lang, gleichfalls zu einem Strange ver- einigt und an der Hypodermis der Aussenseite befestigt. Je höher nach oben, desto mehr sind die einzelnen Endfasern gekrümmt, indem sie alle von jeder Ganglienzelle aus einer trichterartigen Durchbrechung des Nebenorganes (Fig. 14 *—*) zustreben. Innerhalb dieser legen sich die Endfasern immer enger aneinander, um schliesslich strangartig in die Hypodermis überzugehen. Der Bau eines einzelnen Endschlauches (Fig. 19) gleicht im Wesentlichen dem des proximalen Organes. Mit einer Ganglien- zelle verbunden, läuft der Anfangsteil zunächst längs der vorderen Trachee, um ungefähr in der Mitte derselben rechtwinklig um- zubiegen (Fig. 13 Eschlı). Nach kurzem weiteren Verlaufe schwillt er ebenfalls an und birgt in diesem Teile den Wurzel- kern WKı und auch, wie auf den Endschlauchquerschnitten (Fig. 20a, b u. c) zu sehen ist, in einer Binnenblase (BBlı) den Gehörstift (Stı). Hierauf folgt der scharfe Kontur, der den Beginn der Deckzelle andeutet, und dann um den Stift herum der helle Hof. Ein Unterschied besteht darin, dass der vorhin für die Endschläuche des hämalen Organes als gK bezeichnete Kern fehlt und nur weiter unten ein grosser, spindelförmiger, grob gekörnter Kern sich findet (Fig. 19 faKı). Es folgt dann gleichfalls noch ein langgestreckter ovaler Kern, der wieder denen der Hypodermiszellen gleicht. Die Achsenfaser, am unteren Ende des Stiftes beginnend, macht auch meistens einen kleinen Knick und verbreitert sich nach ihrem An- fangsteil zu (Fig. 19 Ac.). Die Membran des Endschlauches geht in die gemeinsame Hülle der Ganglienzellen über (Fig. 18). 6. Gehörstifte. Die Gehörstifte, welche als die peripheren Sinnesfortsätze der Ganglienzellen aufzufassen sind, sind, wie schon oben dar- gethan, in einer in der Anschwellung der Endschläuche ge- legenen Binnenblase eingebettet. Was den Bau der Stifte an- langt, so weichen, trotz mancher Uebereinstimmungen in den Abbildungen, die einzelnen Forscher in der Deutung der einzelnen Teile oft ganz erheblich von einander ab. Q x PA . Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates ete. 719 Siebold (1, p. 76) schildert sie bei Locustiden und Acri- diern als birnförmige Körperchen mit einem stumpf abgerundeten Ende und einem von der Spitze ausgehenden Faden. Leydig (2,p. 405) bezeichnet sie, auch für die Feldgrille, als leuchtende, keulenförmige, vierkantige Stäbchen, welche noch von einem hellen Raume umschlossen sind. Bei der Betrachtung dieser Stäbchen von der Fläche soll das mützenartige Ende im Einklange mit den Seitenkanten regelmässig vierlappig sein. v. Hensen (3, p. 198) sagt, die Stifte sind nicht vier- kantige, sondern drehrunde, unten zugespitzte hohle Gebilde, an denen wir einen Kopf und eine Spitze unterscheiden. An die Spitze heftet sich ein feiner Faden, welcher, als dunkler Strich in der Mitte des Stiftes verlaufend, in einer im Kopfe an- gehäuften, kugligen, feinkörnigen Masse endigt. An der Spitze des Stiftes soll dieser Faden sehr scharf und dunkel erscheinen und scharf hervortreten. Die Spitze ist verdickt, weil hier die äussere Membran sich nach innen umschlägt und wieder zurück- läuft. Die zurücklaufende innere Membran bezeichnet Hensen als Tubus, und dieser geht mit der Chorda zur körnigen Masse im Kopfe des Stiftes. Schmidt (4, p. 208, 209) bestätigt das Vorhandensein eines solchen Tubus. Die Stifte sind nach seinen Angaben vierkantig. Graber (5, p. 49, 67—69) lässt die Chorda (Achsenfaden) ebenfalls in den Stift eindringen, vermutlich sogar sich bis in den Kopf desselben erstrecken. Für Gryllodeen stellt er das Vorhandensein einer den Achsenfaden umgebenden Hülle als zweifelhaft hin und deutet die im Innern des Stiftes verlaufenden Linien als ‚Schatten‘, während er für Locustiden eine Hülle mit Bestimmtheit annimmt. v. Adelung endlich (7, p. 329—334) nimmt mit seiner nach meiner Ansicht etwas gewagten Deutung seiner Bilder (Locustiden) eine ganz besondere Stellung ein. Nach seinen Beobachtungen geht der Achsenzylinder an der Spitze des Stiftes in dessen Wand über, tritt also nicht in den Stift ein, um den- selben zu durchsetzen. Er findet es leicht begreiflich, dass, da nach seiner Ansicht die Stifte mit ihrer Längsachse gewöhnlich etwas schief zur Horizontalebene liegen sollen, der Anschein ent- stehen kann, als zöge ein dunkler Faden durch die Achse. 720 Conrad Herbig: Diesen vermeintlichen Faden hält er für eine „Längsrippe“, über deren Verlauf und Bedeutung nähere Angaben (7,p.331—332) gemacht werden. Ausserdem erwähnt er eine axiale Durch- bohrung des Kopfteiles und eine Linie innerhalb des Achsen- zylinders, welche sich durch die Spitze des Stiftes fortsetzt und hier' oft gegabelt ist. Meine Untersuchungen nahm ich vor sowohl an isolierten ganzen, als auch an quergeschnittenen Stiften. Die Isolierung der Stifte, eine äusserst mühsame und sehr oft unbelohnte Arbeit, erreichte ich, indem ich nach Entfernung des Chitins der inneren Beinseite zunächst das ganze das Bein- lumen erfüllende Gewebe mit einer feinen Pincette herausnahm, dann alle anderen Teile (unter dem Mikroskope) bis auf das hämal- beziehungsweise endolymphatische Organ entfernte. Diese wurden hierauf auf dem Objektträger mit 1°/o Osmiumsäure ziemlich stark gebräunt, in Wasser ausgewaschen und in Holz- essig unter steter Beobachtung differenziert. Nach möglichster Zerkleinerung der betreffenden Organe mittelst feinster Präparier- nadeln folgte Einschliessung in mit Wasser verdünntem Glycerin. Die Isolierung der Stifte wurde hier und da vervollständigt durch Druck oder Klopfen auf das Deckglas. Derartige Präparate sind mir öfters sehr gut gelungen. Ebenfalls gute Bilder von Stiften erhält man, wenn man die Tibia in toto mit Flemming- scher Lösung (Chrom-Osmium-Essigsäure) behandelt. In diesem Falle lässt man die Flüssigkeit 5—6 Tage einwirken; eine Differenzierung mit Holzessig ist ebenfalls angezeigt. Die Querschnitte durch die Stifte des hämalen Organes fanden sich in den, in Flemming’scher Lösung fixierten und differenzierten, oder in Hämalaun oder Alaunkarmin gefärbten, oben bereits erwähnten Längsschnitten der Tibia. Querschnitte durch die Stifte des endolymphatischen Organes erhielt ich auf folgende Weise. Mit dem Rasiermesser wurde die Tibia in dicke Längsstreifen zerlegt und diejenigen Schnitte, die das endolymphatische Organ im Zusammenhange mit der Hypodermis und Cuticula der äusseren Beinseite enthielten, wurden — nach- dem zuvor noch die noch anhaftenden Teile der vorderen Trachee abpräpariert worden waren — in Paraffin eingebettet und parallel zur Cuticula geschnitten. Die Verbindung des Gehörorganes mit der Haut beliess ich, um einen genauen Anhalt “ nen Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 721 für die Beurteilung der Schnittrichtung zu haben. Diese Prä- paration ist nicht ganz leicht auszuführen und gelingt erst bei einiger Uebung. Meine Befunde an den Stiften beider Endschlauchgruppen sind nun folgende: Die Stifte sind langgestreckte, schlanke, an einem Ende zu- gespitzte, kegelförmige Gebilde, welche einen abgerundeten, durch eine geringe Einschnürung gekennzeichneten, nach oben sich verschmälernden Kopf erkennen lassen. Ein querelliptischer Kontur, welcher an der Einschnürung die Grenze zwischen Kopf und Körper des Stiftes angibt, lässt ersteren mützenartig auf- gesetzt erscheinen. Ueber den feineren Bau schreibt Graber sehr richtig: „Betrachtet man den Körper des Stiftes im optischen Längs- schnitte, so erscheinen seine Ränder als zwei stark lichtbrechende, bläulich glänzende homogene Streifen, welche einen Mittelraum begrenzen, der dem Lichte ungehinderten Durchgang gestattet, d. h. die Farbe des übrigen Gesichtsfeldes erkennen lässt. Darum darf man schliessen, dass der Körper des Stiftes hohl, respective von einer Substanz erfüllt ist, die sich hinsichtlich ihrer licht- brechenden Eigenschaft nicht, oder nur unmerklich, von jener einer wässerigen Zusatzflüssigkeit unterscheidet.“ Mit dem Achsenzylinder, welcher nach einigen Forschern nur an die Spitze des Stiftes herantritt, nach anderen den ganzen Stift durchsetzt, oder in die Wandung desselben geht, verhält es sich nun so: Der Achsenzylinder, die Fortsetzung der Ganglienzelle. be- steht aus einem Bündel von Nervenfibrillen, von denen die peri- pheren und besonders die zentrale stark hervortreten. Die zentralgelegene, welche vielleicht durch Verschmelzung mehrerer primären Fibrillen entstanden und als eine starke „Achsenfibrille“ aufzufassen ist, ist stellenweise leicht gekörnt. Sie dringt in den Stift ein, um sich nach kurzem Verlaufe etwas zu verdicken und dann in feinste Fibrillen pinselförmig aufzulösen. Diese Fäser- chen sind durch eine Interfibrillärsubstanz mit einander verbunden und bilden den „Tubus“, der sowohl den ganzen Körper, als auch den Kopf des Stiftes durchsetzt. Bei den Stiften des endo- jymphatischen Organes hat es zuweilen den Anschein, als ob die Fäserchen bis zu ihrem Endpunkte umeinander gedreht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 41 722 Conrad Herbig: wären (Fig. 20), während in weitaus den meisten Stiften und stets in denen des hämalen Organes die primären Neurofibrillen gerade verlaufen. Der von dem Tubus eingeschlossene Raum ist etwas dunkler als der peripher zwischen Stiftwand und ersterem gelegene. Die Kopfmasse dagegen, welche ein Maschennetz dar- stellt, erscheint bedeutend dunkler als der axiale stärker licht- brechende Teil. Ebengenanntes Gebilde halte ich nun für den auch von Hensen, Schmidt und Graber beschriebenen Tubus und für die von v. Adelung als Längsrippen bezeichneten dunklen Streifen. Zur Erklärung hierzu diene folgendes: In meinen Zeichnungen gleicht die, im optischen Längs- schnitte in zwei Linien erscheinende Tubuswand, den von Hensen (Fig. 9 A und 11), Schmidt (Fig. 26 E, F.) und Graber (Fig. 85, 90, 91, 92 und 93) beschriebenen „beiden Linien“. Sowohl Hensen wie Schmidt geben nun an, dass der „Subus“ die Nervenfaser umhüllen soll, bemerken aber, dass das Aussehen der letzteren, da sie beim Präparieren herausgerissen wäre, „schleierhaft“ sei. Sie bilden deshalb in den erwähnten Figuren die Nervenfaser nicht ab. Ich glaube infolgedessen an- nehmen zu dürfen, dass eine solche Faser innerhalb des Tubus überhaupt nicht vorhanden war und nicht immer abgebildet wurde, da man den Verlauf der Chorda nicht genau kannte. Der v. Adelung’schen Zeichnung (Taf. XV Fig. 12 u. 20 au. b) gleicht die meinige insofern, als auf beiden ein im Achsen- zylinder gelegener Faden in der Stiftspitze scheinbar sich gabelt und dann in zwei Linien durch den Stift selbst fortsetzt. Dass dieses zentrale Gebilde einen „Tubus“ vorstellt und in diesem keine Chorda gelegen ist, lässt sich erst mit voller Sicherheit auf Stift-Querschnitten entscheiden. Es sind also diese „beiden Linien“ niemals sich jederseits um- schlagende Stiftwände, welche als ein Tubus axial die Chorda in sich bergen, sondern die starke „Achsenfibrille“ tritt in den Stift ein, löst sich bald darauf pinselförmig in feinste Fäserchen auf und diese stellen dann, durch eine Interfibrillärsubstanz mit- einander verbunden, den „Tubus“ selbst dar. Fig. 20 abe sind Querschnittsbilder von Stiften des endo- Iymphatischen Organes und lassen folgendes erkennen. Der äussere Kontur A stellt den Querschnitt durch die Hülle des Pe 172 Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 723 Endschlauches dar. Hierauf folgt eine zarte Membran B Bl der Querschnitt der Binnenblase, in welcher dann als dunkler Kreis der Stift zu sehen ist, dessen äussere Wandung ziemlich dick erscheint. In der Mitte des Stiftes liegt dann weiter ein kleiner, wiederum dunkel aussehender Kreis, welcher dem Querschnitte des Tubus entspricht. Von diesem sieht man vier Streifen radiär die sonst homogene Stiftmasse durchsetzen. Innerhalb des zuletzt erwähnten Kreises ist von dem Querschnitte einer Chorda niemals etwas zu erkennen. Der Inhalt des Tubus er- scheint stets homogen und etwas heller als die Wandung. Schnitt a ist am weitesten der Spitze, Schnitt e dem Kopf- ende des Stiftes zu gelegen. Schnitt b geht gleichzeitig durch den Wurzelkern W.K. Für die Stifte des hämalen Organes wäre nur hinzuzu- fügen, dass sie bedeutend kleiner, nach dem Kopfende zu aber etwas breiter und nach unten spitzer sind als die vorigen. Ausserdem kann man im Stiftinhalte zwei abwechselnd helle, lichtbrechende und dunkle Zonen unterscheiden. Von einer oben bemerkten Drehung ist hier nichts zu erkennen. Der Querschnitt zeigt vollständige Übereinstimmung mit dem der anderen Stifte (Fig. 21a). 7. Die Funktion der tympanalen Organe. Ich möchte gleich vorweg bemerken, dass das kleine Trommelfell für die Übertragung von Schallwellen wegen seiner Entfernung von der zugehörigen Trachee und der Mächtigkeit des dazwischen gelegenen Gewebes, vor allem aber durch seine Lagerung zu den nervösen Organen kaum in Betracht kommen dürfte, vielmehr dies lediglich die Bedeutung des grossen Tym- panums ist. Ja, das kleine Trommelfeil wird sogar, wenn es wirklich mit dem in Verbindung stehenden Gewebe in Schwing- ungen versetzt würde, durch später zu erörternde Einrichtungen unfähig gemacht, die Wellen auf andere Teile zu übertragen. Um die Schallwellen möglichst auf die schallempfindlichen Teile überzuleiten, sind verschiedene eigenartige Einrichtungen getroffen. Sehen wir uns hierauf die Textfig. D (p. 701) an, so bemerken wir, wie der äussere Muskelkanal vollständig von dicken Chitinleisten abgeschlossen ist und daher nicht in Mit- schwingung versetzt werden kann. Der Abschluss wird her- 41* 724 Conrad Herbig: gestellt durch die beiden schon oben beschriebenen Chitinwände (W und W'!) und durch die innere Wandung beider Tracheen- stämme. Letztere sind speziell an der zwischen beiden Wandenden gelegenen Stelle, wie auch Textfig. D zeigt (zum Teil auch auf Textfig. Bund ©) und zwar auf ihrem ganzen intratympanalen Ver- laufe bedeutend verdickt. Der inneren Wand. der vorderen Trachee liegt dann noch der Tibialnerv hart an (Textfig. B, C,D u.E, Tib. N). Es sind somit die ebengenannten Tracheenwandungen und alle ausserhalb derselben gelegenen Teile der Tibia schon aus: geschaltet, d. h. sie werden durch Schallwellen nicht in Mit- schwingung versetzt. Ebenso verhält es sich mit der vorderen Wand der kleinen Trachee, denn auch diese wird durch ihre Befestigung an Tympanum, Beincuticula und an einer noch zu besprechenden Chitinplatte, für die Erregung durch Schallwellen ungeeignet, so dass nur die beiden äusseren Tracheen- wandungen übrig bleiben, welche von dem in Schwingung ver- setzten Trommelfelle aus in Mitschwingung geraten können. Die drei anderen Tracheenwände verhalten sich also gewissermassen wie starre Platten, sind infolgedessen sowohl von günstigem Einflusse auf die Stärke als auch auf die Konzentrierung der Schallwellen. Eine bedeutende Abschwächung der letzteren wie man sie eigentlich infolge des langen Weges bis zum endolymphatischen Organe erwarten sollte, wird dadurch vermieden, dass erst eine grosse Luftsäule, (Textfig. Dh Tr) und dann eine ungefähr drei mal kleinere (Textfig. D v. Tr) in Vibration versetzt wird. Die völlige Nutzlosigkeit des kleinen Trommelfelles wird bei der Untersuchung einer (@uerschnittserie klar. Würde es wirklich, was oben schon als nicht zutreffend hingestellt ıst, in Schwingungen versetzt, so könnte es diese nur auf das untere Drittel des endolymphatischen Organes übertragen, da mit dem Beginn der untersten Endschläuche schon das proximale Ende des Tympanums zusammenfällt. Doch ist auch eine derartig be- schränkte Übertragung der Schallwellen dadurch ausgeschlossen, dass sich eine Chitinwand zwischen kleines Tympanum und die vordere Fläche des endolymphatischen Organes einschiebt. Diese Chitinleiste erscheint auf dem Querschnitte (Textfig. D We) als Zapfen, welcher an die untere Hälfte der Vorderwand der kleinen ET * ke We Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 125 Trachee sich anlegt und schräg nach vorn zum äusseren Rande des Trommelfellrahmens hinüberzieht. Wird das grosse Tympanum in Schwingungen versetzt, so teilt es diese der hart anliegenden Tracheenwand und somit der in der Trachee befindlichen Luftsäule mit. Die schwingende Luftsäule ihrerseits pflanzt die Wellen weiter fort, einerseits auf die äussere Hintertrachealwand und mit dieser auf die im äusseren Blutkanale befindliche Blutflüssigkeit und der darüber ausgespannten Endschlauchgruppe. Anderseits auf die vordere Luftsäule; diese endlich erschüttert die äussere Wand der vor- deren Trachee und dadurch die dieselbe umspülende Endolymphe mit ihrem Endschlauchsysteme. Über die Schwingungen der Endschläuche und der von ihnen eingeschlossenen Stifte schreibt G raber (6, Bd. XXI p 109): „Auf Grund gewisser von mir angestellter Experimente halte ich es für wahrscheinlich, dass, wenn die Nervenröhren in toto die angegebene Bewegung machen, die darin befindlichen Stifte samt den Chorden selbständige feinere Vibrationen (innerhalb des Lumens der Röhre) ausführen, und dürfte hierbei der Stift, als ein relativ schwerer Körper, vielleicht eine ähnliche Rolle spielen, wie die Bleikugel an einem schwingenden Pendel.“ Sollen die hier behandelten Organe in der That Gehör- empfindungen vermitteln, so müssen die in den Endschläuchen ruhenden Gehörstifte durch die Schallwellen getroffen und gereizt werden. Ich denke mir, dass die Erregung dieser Endorgane in folgender Weise hervorgerufen wird. Auf die ebengeschilderte Weise schwingt die Tracheenwand und die auf ihr befestigten Enden der Endschläuche. Durch abwechselnde Verkürzung dieser, die vom basalen Ende ausgeht und jedesmal eintritt, wenn sich die Tracheenwand vorstülpt, werden die Stifte gegen die Deckzellen, welche die Stelle einer „Membrana tectoria“ versehen, vorgestossen und dadurch die Nervenendigungen gereizt. Die Möglichkeit einer klanganalyse wäre denkbar, wenn durch ver- schiedene Tonhöhen verschiedene Teile der Tracheenwand stärker oder schwächer erschüttert würden. Es würden dann nicht alle Endschläuche gleichmässig und immer nur diejenigen erregt werden, welche gerade an dem zur Zeit schwingenden Teile der Tracheenwand befestigt sind. Im Hämalorgan kann die Erregung 726 Conrad Herbig: der Nervenendigungen nur von der die Endschläuche umspülenden Blutflüssigkeit ausgehen. In welcher Weise, unterlasse ich an- zuführen, da eine Erklärung auf zu viel hypothetischen Voraus- setzungen beruhen würde. Ebensowenig vermag ich klar zu bestimmen, in welcher Weise die Schwingungen der Flüssigkeit um die Endschläuche des endolymphatischen Organes dieses beeinflusst. Literaturverzeichnis. 1. v. Siebold: „Über das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren“ in: Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1844. 10 Jahrg. Bd. I. 2. Fr. Leidig: ‚Zum feineren Bau der Artbropoden“ in: Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1855. 3. V. Hensen: „Über das Gehörorgan von Locusta“. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie 1866. Bd. XVI. 2. Heft. 4. ©. Schmidt: ‚Die Gehörorgane der Heuschrecken“. Diese Zeitschr. 1875. Bd. XI. 2. Heft. 5. V. Graber: ‚Die tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren“. Denk- schrift der k. Akademie der Wissensch. Wien 1875. 76. 35. 36. 6. Derselbe: Die chordotonalen Sinnesorgane und das Gehör der In- sekten.“ Diese Zeitschr. Bd. XX. u. XXI. v. Adelung: „Beiträge zur Kenntnis des tibialen Gehörapparates der Locustiden.‘“ Zeitschr. für wissensch. Zoologie 1892. Bd. 54. 8. R. Hertwig: „Lehrbuch der Zoologie.“ 1900. | Erklärung der Abbildungen. Durchgehende Bezeichnungen: Ac. — Achsenzylinder der Endschläuche; Ach. — Achsenfibrille ; Ble. — Blutkanal ; Bst. — Befestigungsstelle der proximalen Endfasern ; Bst.ı — Befestigungsstelle der distalen Endfasern; Cut. — Cuticula des Beinintegumentes; Cuttı == Trommelfelleuticula; d. @gla = distaler Ganglienarm; E.F. == Endfasern der proximalen Endschläuche ; E. F.ı == Endfasern der distalen Endschläuche; Eschl. == proximale Endschläuche ; Eschl.ı = distale Endschläuche: fa. K. Faserkern der proximalen Endschläuche ; ep < — eat Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. Gr. ZIR Hmbr. Hyp. EIKE HR dl nel IE K.ı Nbg. Nbg.ı Nsch. pr. Ggla. Sa. sp. K. Sp. St. St.ı TERN! Tars. N. Fre: Tib. N. Tm. Trm. U. V.ı 2 a v. Tr: W. W.ı W.a W.K. W.K.ı I er elle Delle Faserkern der distalen Endfasern ; Gipfelkern der proximalen Endschläuche ; Gipfelkern der distalen Endschläuche: Ganglienzelle; Ganglienzellkern ; Hüllmembran ; Hypodermis; Hyp.-Kern der proximalen Endfasern ; Hyp.-Kern der distalen Endfasern; hinteres Trommelfell ; hintere Trachee; Kerne des proximalen Nebenorganes ; Kerne des distalen Nebenorganes; _ proximales Nebenorgan ; distales Nebenorgan ; Nervenscheide ; proximaler Ganglienarm ; Seitenarm der vorderen Trachee ; spindelförmige Kerne ; Cuticula der Tracheenwand ; Gehörstifte der proximalen Endschläuche ; Gehörstifte der distalen Endschläuche; Tympanalnerv ; Tarsalnerv; Trommelfellrahmen; Tibialnerv ; Hypodermis des Trommelfelles ; Hypodermis der Tracheenwand ; Ursprung der vorderen Trachee ; erste Vereinigung beider Tracheen ; zweite Vereinigung beider Tracheen; vorderes Trommelfell; vordere Trachee:; chitinöser Wulst; chitinöse Wand; chitinöse Wand zwischen v. T. u. v. Tr.: 727 Basal- oder Wurzelkern der proximalen Endschläuche : Basal- oder Wurzelkern der distalen Endschläuche. Tafel XXIX. Linke Tibia von hinten gesehen. Längsachse des vorderen Tym- panums (v. T.) mit v.L., Längsachse des hinteren Tympanums (h. T.) mit h. L., Querachse des h. T. mit Q bezeichnet. Vergr. 1/43, Linke Tibia mit vorderem Tympanum und vorderem Tracheenast von vorn gesehen; (dai.) sichelförmige Platte. Vergr. 1/43. Fig. Fig. Fig. ig. 13. Fig. „19. REN 14. Conrad Herbig: Rechte Tibia von hinten gesehen, nach Spaltung derselben; vorderes Tympanum in der Tiefe liegend ; distal die schalenartige Lamelle (Pl.), nach innen die chitinöse Wand (W.). Vergr. 1/43. Rechte Tibia von hinten gesehen. Hinteres Tympanum (h. T.) oben, darunter die chitinöse Wand (Wı); aussen der Trommelfell- rahmen (Tfr.). Vergr. 1/43. Querschnitt durch den vorderen Teil einer Tibia im Bereiche des vorderen Tympanums. Der äusserste Teil (s) der Cuticula des v.T. Cutt. ist mit Dörnchen (D.) besetzt, der gestreifte Teil (gestr.) durch eine Grenzlinie (e) von der Beincuticula (Cut.) getrennt. Vergr. 1/780. Trachee von aussen gesehen. Oben die Tracheenmatrix (Trm.) gelegen, darunter die Spiralfäden (Sp.) Vergr. 1/730. Rechte Tibia von aussen gesehen. U. —= Ursprung der vorderen Trachee (v. Tr.) aus der hinteren (h. Tr.); Vı erste, Va zweite Ver- einigung beider Tracheenstämme. Vergr. 1/43. Linke Tibia von vorn gesehen, nach Spaltung derselben. Hintere Trachee stülpt sich bei pr.E. und d.E. (proximale und distale Einschnürung) nach hinten vor, um sich hart ans Trommelfell zu legen. Vergr. 1/43. Linke Tibia von hinten gesehen mit Tfr. und pr. E. und d.E. Aeussere Seite des h. T. etwas nach hinten eingezogen. Vergr. 1/43. Querschnitt durch das hintere Tympanum eines ausgewachsenen Tieres. Der Tracheencuticula (Sp.), direkt die Trommelfellcuticula (Cutt.) anliegend. Vergr. 1/960. Querschnitt durch dasselbe Tympanum eines frisch gehäuteten Tieres. Hier ist noch die Tracheen- (Trm.) und Trommelfellmatrix (Tm.) zu erkennen. Vergr. 1/960. Linke Tibia von hinten gesehen. Ein Teil der vorderen Trachee ist entfernt, um den distalen Ganglienarm (d. Ggla.) besser über- sehen zu können. Ausserdem ist der Seitenarm (Sa.) der vorderen Trachee, die Verzweigung des Tibialnerven (Tib. N.) und ein Teil des proximalen Ganglienarmes ‘pr. Ggla.) zu erkennen (Situspräparat). Vergr. 1/43. Rechte Tibia von hinten gesehen; d. Ggla. unter der unverletzten vorderen Trachee gelegen. Vergr. 1/43. Tafel XXX. Längsschnitt durch den distalen und Querschnitt durch den proximalen Ganglienarm der linken Tibia. Die Figur wurde, um sowohl das Nebenorgan als auch Endschlauch- und Stiftquerschnitte und Wurzelkerne des Hämalorganes in eine Ebene zu bringen, aus verschiedenen guten Schnitten kombiniert und alle einzelnen Teile mit der Kam. luc. entworfen und eingezeichnet. Der proximale Ganglienarm ist nur an seinem Anfangsteile zu sehen, da der übrige Teil durch die Querschnitte des Nebenorganes und der Endschläuche verdeckt wird. Vergr. 1/310. Fig. Fig. Anatomie und Histologie des tibialen Gehörapparates etc. 729 15. Querschnitt durch die linke Tibia im Bereiche der ersten Vereini- gung der beiden Tracheen-Endschläuche fächerförmig ausgebreitet. Ganglienzellen bandstreifig angeordnet. Dr. = dreieckiger Raum zwischen Endschläuchen, Trachee und Hypodermis. Vergr. 1/230; mit Vergr. 1/1280 kontroliert. . 16. Proximaler Endschlauch der linken Tibia aus einer Schnittserie kombiniert. Die Vereinigung mit einer Ganglienzelle ist nicht zu erkennen, da alle Endschläuche von unten, sich stark krümmend, an dieselben herantreten. Vergr. 1/1280; mit Vergr. 1/1780 kontroliert. . 16a. Totalbild eines Endschlauches mit Grenzkontur zwischen Um- hüllungs- und Deckzelle. Vergr. 1/1280. . 17. Querschnitt durch die linke Tibia im Bereiche der distalen End- schläuche und deren Befestigungsstelle (Bstı). Tibialnerv (Tib. N.) und Tarsalnerv (Tars. N.) im Muskelkanale (Mle.) gelegen. End: schläuche (Eschlı) an der vorderen Trachee rechtwinklig zum distalen Ganglienarme (d. Ggla.) umbiegend. Vergr. 1/230. . 18. Querschnitt durch den distalen Ganglienarm (d. Ggla.) der linken Tibia. In der Mitte der Endschlauchstümpfe (Eschlı) die Achsen- zylinder (Ac.) gelegen. Nsch. = Fortsetzung der Nervenscheide und gemeinsame Hülle der Ganglienzellen Vergr. 1/1280. 19. Distaler Endschlauch der linken Tibia aus einer Schnittserie kombiniert. Vereinigung mit einer Ganglienzelle nicht zu sehen, da die Endschläuche, um zu ihnen zu gelangen, rechtwinklig umbiegen. Vergr. 1/1680; mit Vergr. 1/1780 kontroliert. . 20 u. 21. Isolierte Gehörstifte der distalen und proximalen Endschlauch- gruppe. Vergr. für 20 — 1/1680, für 21 = 1/1780. Fig. 20 ist mit Vergr. 1/1780 kontroliert. . 20a, b, ce und 21a. Querschnitte durch Stifte der distalen und proxi- malen Endschläuche;; B. Bl. = Binnenblasen, in welchen die Stifte gelegen sind. Vergr. 1/1780. Vergr. 1/1780 = Homog. Oel-Immersion und Comp. Ocular 15 (Zeiss). 130 Aus dem zoologischen Institut der Universität Czernowitz. Ueber die epidermoidalen Tastapparate in der Schnauze des Maulwurfs und anderer Säugetiere mit besonderer Berücksichtigung derselben für die Phylogenie der Haare.') Von Dr. Eugen Botezat. Hierzu Tafel XXXI und XXXI. Maurer (19) gelangte bekanntlich auf Grund ausgedehnter embryologischer Untersuchungen an Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen über die erste Entwicklung der Haare, beziehungsweise Federn, Schuppen und Hautsinnesorgane (Becher- organe oder auch Hautsinnesknospen) zu dem Ergebnisse, dass die Reptilienschuppen und Vogelfedern unter einander wohl. nicht aber mit den Säugetierhaaren gleichwertige Bildungen seien, dass vielmehr die Säugetierhaare, in ihrer Bildungweise von den ersteren verschieden, mit den Hautsinnesorganen der Amphibien in nahen Beziehungen stehen, so zwar, dass Letztere den Boden abgaben, auf dem sich die Säugetierhaare phylogenetisch ent- wickelt haben. Dieser Auffassung trat namentlich Leydig (17), der ausgezeichnete Untersucher und Kenner der Hautsinnesorgane von Wirbeltieren, scharf entgegen, und so entspann sich zwischen den beiden Forschern ein heftiger wissenschaftlicher Kampf, welcher zu einer Reihe von Arbeiten von beiden Seiten her führte, ohne dass eigentlich die Frage entschieden worden wäre. Neuerdings (1898) veröffentlichte Leydig (18) eine Schrift über die „Deutung der epidermoidalen Organe im Integument von Säugetieren“, in welcher er darauf hinweist, dass er besondere epidermoidale Bildungen in der Haut des Walfisches (Balaena mysticetus) sowie in der Schnauze des Rindes schon seit langer Zeit aus eigener Anschauung kenne, welche Organe er nicht !) Eine zusammenfassende Darstellung derhierniedergelegten Thatsachen habe ich zum Gegenstande eines Vortrages bei der 74. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Karlsbad gemacht und wird ein kurzer Auszug derselben in den „Verhandlungen‘ abgedruckt werden. BER: Ueber die epidermoidalen Tastapparate ete. Tor nur den im Schnabel von Ornythorhynchus bekannten Tast- apparaten und namentlich auch den Eimer’schen Organen in der Schnauze des Maulwurfs zur Seite stellt, sondern auch vor- schlägt — was übrigens er selbst, sowie auch andere Forscher schon früher getan haben — sie den Becherorganen oder Haut- sınnesknospen niederer Wirbeltiere anzureihen. Auf Grundlage einer neueren Arbeit von Weber (27) über die Entstehung der Cetaceen, in welcher den Leydig’schen ähnliche Organe in der Haut des Mundwinkels von Balaena Sibbaldii be- schrieben werden, über welche Leydig (18) sagt, dass sie zu den von.ihm in der Haut von B. mysticetus beschriebenen sich so verhalten „wie etwa ein gewöhnliches Haar zu einem Schnurr- oder Tasthaar“, welche Organe von Weber mit den Eimer’schen Organen zusammengestellt werden, bei welcher Gelegenheit auch eine Leydig „nicht zugängige Schrift zweier englischer Autoren: G. und F.E. Hoggan herangezogen wird, in der die Verwandtschaft der Epithelzapfen mit „rudimen- tären Haarfollikeln“ ausgesprochen wurde“, schliesst sich auch Leydig dieser Meinung an und ist gesonnen, diese Bildungen als unentwickelte Haare anzusehen, worin er eine Stütze für die Lehre Maurers von der Phylogenie der Haare sehen möchte. Hierdurch aber hat er seinen alten Standpunkt verlassen und sich der Anschauung Maurers genähert. In der vergleichenden Betrachtung der verschiedenen epidermoidalen Bildungen knüpft Leydig hauptsächlich an die Eimer’schen Organe an und schlägt vor, „bei einer erneuten Untersuchung ganz besonders den Punkt zu prüfen, ob nicht doch von der Lederhaut her etwas Papillenartiges in die Basis der Zellstränge eindringe“, da unter anderen auch an der Figur bei Huss (12) die Wurzel des Eimer’schen Organs anders gehalten ist, als der obere deutlich zellige Abschnitt. Seit mehreren Jahren mit der Untersuchung von Nerven- endigungen in den verschiedenen Hautgebilden von Säugetieren beschäftigt, ist mir auch von dieser Seite her die Maurer’sche Lehre so gut wie gewiss geworden, zumal Maurer selbst seine Betrachtungen auch von Seiten der Innervation seiner Gebilde anstellt. Daher begrüsste ich mit Freuden den erwähnten Vor- schlag Leydigs, und untersuchte die Maulwurfschnauze auf ihre Tastapparate hin, wozu ich übrigens auch noch durch andere 192 Eugen Botezat: Umstände veranlasst wurde: Es liegt noch keine Arbeit vor, welche Ergebnisse zur Darstellung bringt, die mit dem Methylen- blau als Nervenuntersuchungsmittel erzielt worden wären, obzwar Huss (12), der neueste Forscher auf diesem Gebiete, erwähnt, dass er sich auch der Methylenblaumethode zum Nachweise des Nervenverlaufes bedient hätte; doch führt er keine Abbildungen vor und bezieht sich im besonderen überhaupt nicht auf solche Präparate. Von der Chlorgoldmethode aber, welche er als „von unschätzbarem Werte“ erklärt, sagt er im Weiteren trotzdem: „Berücksichtige ich aber, dass selbst bei gewissen- haftester und genauester Durchführung der Färbungsmethode feinste Niederschläge oft nicht hintanzuhalten und dadurch Täuschungen möglich sind, ferner, dass nur in seltenen Fällen solche Verbindungsfäden zu sehen waren, so darf ich meinen Befund in diesem Punkte nicht für einwandfrei erklären“. Schon aus diesem Grunde war eine erneute Untersuchung mit Hilfe der Methylenblaumethode, welche nicht nur eine hübsche und elegante Darstellung der Nerven ermöglicht, sondern noch den Vorteil hat, dass das zur Fixierung des Methylenblau angewandte molybdäusauere Ammonium zugleich ein sehr gutes Fixationsmittel des Epithelgewebes ist wodurch in dünnen Schnitten die Riffen der Zellen zur Darstellung kom- men, wünschenswert. Ferner weist die Arbeit von Huss einzelne Unklarheiten auf, und was seine Figuren betrifft, so erscheinen sie mir zu sehr schematisiert zu sein. Im Folgenden sollen die Tastorgane der Maulwurfschnauze auf Grund der Ergebnisse meiner Untersuchungen beschrieben und, insoweit es für den zweiten Teil dieser Schrift nötig ist, mit anderen epithelialen Organen verglichen werden. Bevor ich jedoch dies tue, scheint mir eine kurze historische Skizze unerlässlich zu sein. Der erste, der sich mit diesem Gegenstande beschäftigt hat, ist Eimer (11), welcher auf der nackten Schnauze des Maulwurfs die äusserst zahlreichen Punkte fand, welche mittelst des Mikroskopes als kuppenförmige Erhebungen zu erkennen sind, deren jeder nach innen zu eine eigentümlich gestaltete, in die Cutis vorragende Papille („pufferförmiger Fortsatz‘“) entspricht. Zwischen diesen Bildungen liegen Cutispapillen, über welchen die Epidermis nur eine dünne Lage bildet. In einer ur R 5 $ x 1 Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 133 jeden der genannten Bildungen liegt senkrecht gegen die Ober- fläche ein „sanduhrförmiger oder zylindrischer Raum“, dessen untere d. i. gegen die Cutis gerichtete Hälfte keine Wandung besitzt und mit einer strukturlosen Masse gefüllt ist, dessen obere Hälfte hingegen von aus spindelförmigen, eingerollten Epithelzellen eingenommen ist, die einen Hohlraum einschliessen, welcher nach aussen am Scheitel der Kuppe offen ausmündet. In diese Papillen dringen die aus dickeren Stämmchen ab- gezweigten dünneren Nervenbündel, indem sie sich vorher in einzelne Fasern auflösen und ihr Mark verlieren, ein. Alle steigen fast durch die ganze Epidermis empor. Durch die Achse des sand- uhrförmigen Gebildes steigen 2—3 Fasern; die meisten aber liegen dem Mantel desselben an. Im Tastkegel bilden die letzteren in der Höhe einer jeden Wandzelle desselben knopt- fürmige Verdickungen, welche, an der Peripherie einer auf die Achse des Gebildes senkrecht stehenden Kreisfläche gelegen, intracelluläre Endigungen darstellen. Jobert (13) bestätigt die Angaben Eimers und führt für die von diesem entdeckten Tastwerkzeuge, ihrem Entdecker zu Ehren, die Bezeichnung „Eimer ’sche Organe“ ein. Mojsisovies (20) bestätigt die Angaben Eimers bis auf die intracelluläre Endigungsweise der Randfasern des sand- uhrförmigen Gebildes, von denen er annimmt, dass die erwähnten Knöpfehen intercellulär gelegen sind. Ferner findet er. dass der sanduhrförmige Raum nicht hohl oder mit einer strukturlosen Bindegewebsmasse erfüllt sei, sondern dass der- selbe aus „speziell modifizierten“ Epithelzellen bestehe. Im Weiteren findet er „Eimer’sche Organe“ auch beiCondy- lura eristata und Chrysochloris inaurata, und ist der Meinung, dass solche Gebilde bei allen Talpiden vorkommen dürften. Arnsteint) findet Eimer’sche Organe bei Myogale moschata. Ranvier (22) bestätigt in Bezug auf die Randnerven- fasern die Befunde Eimers, findet jedoch, dass weiter nach oben die Knöpfchen kurzen Stillen aufsitzen. Er findet die Achsenfaser zickzackförmig und sieht an den Ecken terminale ') Briefliche Mitteilung an Huss (12, pag. 16). 734 Eugen Botezat: Knöpfehen. An der Basis des Organs findet er 5—6 runde, nicht näher bestimmte Körperchen. In der Cutis unterhalb der- selben findet er kleine Pacini’sche Körperchen. Krause (15) äussert sich in seiner — übrigens nur ganz kurzen — Arbeit über die Nerven der Maulwurfschnauze, dass diese in Tastkörperchen, nicht aber im Epithel endigen. Huss (12) beschreibt eingehend das aus regelmässig an- geordneten Zellen bestehende, sanduhrförmige Gebilde, in welches sich die aus einem an den pufferförmigen Fortsatz ge- langenden markhaltigen Nervenbündel bei gleichzeitigem Verlust der Markscheiden hervorgehenden Nervenfasern hineinbegeben, um als marklose Achsenfasern durch das sanduhrförmige Gebilde bis zur dritten oder vierten obersten Zellschichte emporzusteigen, wobei die einen als Randfasern längs der Wandung desselben, die anderen aber in geringer Anzahl (1-—3) als Zentralfasern zwischen zwei Zellen, respektive über die Zellen hinweg, ver- laufen. Diese Fasern senden feinste Lateralfasern, welche alle in der Höhe je einer Zelle gelegen, mit Endknöpfchen im Proto- plasma und zwar in den Einbuchtungen des eigentümlich gestalteten Zellkernes endigen, wodurch die Zellen des genannten Gebildes zu besonderen Tastzellen werden. Am Grunde der Eimer- schen Organe beschreibt er mehrere Tastmenisken, welche sich an die Tastzellen von unten anlegen. Ferner findet er regel- mässig unterhalb der Eimer’schen Organe zwischen den Bifur- kationen der Nervenbündel ein bis zwei Vater-Pacini’sche Körperchen. Auch im Epithelgewebe, welches die sanduhrförmigen Gebilde umgibt, verlaufen Nervenfasern in wechselnder Anzahl und bilden ebenfalls kurze Lateralfasern, welche mit Endknöpfchen in den Epithelzellen endigen. Zum Schlusse glaubt Huss in der Schnauze von Spitzmäusen einen Uebergang zu den Eimer- schen Organen gefunden zu haben, da auch hier die Epithel- zellen eine regelmässige Anordnung aufweisen, da Nervenfasern durch die Epithelzylinder emporsteigen und seitliche Fäserchen mit intracellulären Endknöpfchen bilden, da sich am Grunde der Epithelzylinder Tastzellen mit Tastmenisken und sich unterhalb des Epithels zwischen den Nervenbündeln Vater-Pacini’sche Körperchen befinden. Ich schreite nun zur Darstellung der eigenen Unter- suchungen. u Fr me SE er Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 135 Die äusserst zahlreichen Nervenbündel der Cutis gelangen indem sie wiederholte Teilungen eingehen, zu den puffer- förmigen Fortsätzen, um welche sie oft ein recht dichtes Geflecht bilden, und begeben sich hier zu den Endapparaten. Einzelne Fasern dieser Bündel finden noch innerhalb der Outis in Terminal- köperchen, welche von den Autoren als 1. Vater-Pacini’sche Körperchen gedeutet werden, ihr Ende. Ich erwähne diese Körperchen, welche zwischen den Bifurkationen der .Nervenbündel unterhalb der Epithelfortsätze in der Einzahl oder auch zu zweien zu finden sind und auf die ich nicht speziell mein Augenmerk ge- richtet habe, nur, weil ich im Innenkolben eines solchen zwischen den auseinandergetretenen Fasern eines Nervenbündels gelegenen, quer durchschnittenen Körperchens mehrere blaue Pünktchen beobachtet habe. Sei es nun, dass es sich hier um mehrere durchgeschnittene Achsenfibrillen oder um kurze Terminalfasern handelt, welche in ähnlicher Weise in das Innere der Zellen des Innenkolbens eindringen und daselbst mit Knöpfchen endigen, wie dies Dogiel (9) in den Herbst’schen Körperchen im Gaumen der Ente nachgewiesen hat, oder aber, was wahrschein- licher zu sein scheint, um eine Axialfaser und um durchschnittene Fasern eines perigemmalen Geflechtes, wie ebenfalls bei den Herbst’schen Körperchen, das kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden, bin aber überzeugt, dass es sich auch hier wie auch in den Herbst’schen Körperchen um eine zweifache Art von Innervation handeln wird. '2. Endbäumcehen. Diese liegen wie anderwärts so auch hier an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis und sind mit jenen zu identifizieren, welche Szymonovicz (26) in der Schnauze des Schweines be- schrieben undals „Endbäumchen an der Basalmembran“ bezeichnet hat. Ich habe schon zu wiederholten Malen Gelegen- heit gehabt, auf diese Art von Nervenendigungen hinzuweisen, indem ich solche im harten Gaumen verschiedener Säugetiere, in der Schnauze des Hundes (6), wie auch an der Unterseite der Säugetierzunge (7) beschrieb und sie den in der Schnauze des Schweines von Szymonovicz entdeckten zur Seite stellte. 736 BRugen Botezat: Diese Nervenendigungen gehen aus den Nervenbündeln mark- haltiger Fasern hervor, welche zu einem jeden „pufferföürmigen Epithelfortsatz“ treten. Wenn behauptet wird, dass ein solches Bündel vor seinem Eintritt ins Epithel sich in zwei Hälften teilt, so muss ich dem entgegenstellen, dass dies durchaus nicht Regel ist, sondern es macht das Verhalten derselben auf mich jenen Eindruck, wie ich ihn schon in der Schnauze des Hundes be- schrieben habe. Die markhaltigen Nerven treten auseinander und, indem sie ihr Mark verlieren, begeben sich einige direkt, andere nachdem sie eine grössere oder geringere Strecke an der Basis des „pufferförmigen Fortsatzes“ verlaufen sind, in das Epithel. Einige aber zerfallen schon an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis in Achsenfasern, welche sich durch Feinheit, reichliche Varicosität und bedeutende Verzweigung auszeichnen, und bilden hier dendritische Endverzweigungen, welche, so ziem- lich die ganze Basis der Epitheleinsenkung umgebend, sich kaum über die erste Zellreihe in das Epithel erstrecken. Dass einzelne Ausläufer derselben weiter in das Epithel vordringen, scheint mir sehr wahrscheinlich (Figg. 2, 5, 7 nd) zu sein. Ich möchte nicht behaupten, dass diese Nervenendigungen in manchen Fällen stärker, in anderen schwächer ausgebildet wären, nachdem es bekannt ist, dass die Darstellung der Nerven und insbesondere ihrer Endigungen nicht in allen Fällen gut gelingt, sondern, dass erstere Erscheinung infolge des letzteren Umstandes eintritt. In Bezug auf diese Art der Nervenendigungen hätte ich noch zu bemerken, dass dieselben an unserem Objekte noch von keinem Untersucher beobachtet wurden, dass aber solche an an- deren Objekten und Orten, jedoch an analogen Stellen sowohl von mir, wie auch von anderen beschrieben und auch abgebildet worden sind. Übrigens ist an den von den Autoren gegebenen Ab- bildungen ein bemerkenswerter Mangel von Epithelialnerven in Bezug auf die grosse Menge markhaltiger Nervenfasern in der Cutis zu beobachten, was darauf hindeutet, dass die Endigungen nicht vollständig, beziehungsweise nicht alle zur Darstellung ge- langt sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch noch eines, ich möchte sagen spezifischen Verhaltens der cutanen Nerven gedenken, auf welches übrigens schon Huss (12) hingewiesen hat, nämlich, dass sich sonst die cutanen Nerven, wie ich in der Hundeschnauze gezeigt habe, teils durch die Cutispapillen ins ER Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. Tau Epithel, teils direkt in dessen Einsenkungen begeben, während dies in der Schnauze des Maulwurfes und nach Huss wohl auch in jener der Spitzmäuse, wiewohl ich letzteres zu be- streiten geneigt bin, durchaus nicht der Fall ist, da bisher durch die Cutispapillen zwischen den ‚„pufferförmigen Fortsätzen“ keine Nerven in das über diesen gelegene Epithel eindringen gesehen, wenigstens nicht beschrieben und abgebildet wurden, was wegen der durch die eigentümliche kuppenartige Beschaffenheit der Hautoberfläche bedingten Tiefenlage dieses Epithelteiles aus physiologischen Gründen auch einleuchtend ist. 3. Tastmenisken. Einige Achsenfasern, die, aus den cutanen markhaltigen Bündeln hervorgehend, in das Epithel eindringen, erreichen bald ihr Ende, indem sie sich an der Bildung von Tastmenisken be- teiligen. Diese wurden an unserem Objekte zuerst von Ranvier (22) beobachtet, aber ihrer wahren Bedeutung nach nicht erkannt, da dieser Forscher sich über dieselben nicht näher ausspricht. Hingegen hat sie Huss (12) mit Chlorgold dargestellt und ein- gehend beschrieben. Ihre Zahl gibt Huss auf 2—5 an, was den thatsächlichen Verhältnissen wirklich entspricht; hingegen ist es nicht sehr zutreffend, wenn Huss der Meinung ist, dass die Tastmenisken sich bloss an der Basis des Eimer’schen Tastzylinders vorfinden, und für ebenso unzutreffend halte ich seine Meinung, dass jeder Tastmeniskus aus ,je einem fast senkrecht aus der Tiefe der Epidermis emporsteigenden Nerven- faden‘‘ hervorgeht. Die Tastmenisken liegen allerdings am er- wähnten Orte, jedoch findet man wenigstens einzelne auch ausser- halb des axialen Tastzylinders im mehr peripherisch gelegenen Teil der pufferförmigen Epitheleinsenkungen. Ferner liegen die Tastmenisken den Zellen nicht, wie Huss meint, nur von unten an, sondern sie verhalten sich hier ebenso wie auch an anderen Orten, d. i. sie legen sich den Zellen von unten (Fig. 5, mt), oder von oben (Fig. 2mt, 3) an, oder bestehen aus einem recht lockeren Geflecht und umgeben die Zellen allseitig. Allerdings ist die von Huss beobachtete Lage in der Regel zu beobachten. Was die Beschaffenheit der Tastmenisken in den Eimer ’schen Organen betrifit, so weichen sie von jenen an anderen Orten durchaus nicht ab. Den eigentümlichen retikulären Bau kann Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 42 738 Eugen Botezat: man wie anderwärts so auch hier namentlich an nicht gruppen- weise auftretenden Menisken, insbesondere bei starken Ver- grösserungen erkennen (Fig. 3). Die Tastmenisken stehen unter- einander durch feine Fibrillen in Zusammenhang und habe ich nicht beobachtet, dass von ihnen — wenigstens nicht von den im Eimer’schen Epithelzylinder gelegenen — Fasern aus- gingen, welche sich zwischen den weiter oben, gegen die Haut- oberfläche gelegenen Epithelzellen verlieren, beziehungsweise in diesen intracelluläre Endigungen bilden, glaube aber trotzdem, dass dies hier ebenso der Fall sein wird, wie an anderen Orten. Was schliesslich die Tastzellen betrifft, so unterscheiden sie sich, wie ich an anderen Orten nachgewiesen habe (4, 5), in ihrer Beschaffenheit von den übrigen Epidermiszellen der Reihe durch nichts, höchstens dass sie, wie auch anderorts, etwas Methylenblau aufnehmen und sich teilweise mit demselben färben, was wohl am meisten auf ihre innige Berührung mit der Nervensubstanz zurückzuführen ist, und dass sie, wie anderwärts, grösser sind und eine mehr ellipsoidische Gestalt zeigen. Auch meiner Ueberzeugung, dass diese Zellen, wie die anderen der Reihe, Riff- oder Stachel- zellen sind, glaube ich hier Ausdruck geben zu müssen, wiewohl ich dies an diesem Objekte eigentlich nicht beobachtet habe; hingegen habe ich solches zwar auch bei Talpa sehr deutlich beobachtet, jedoch im harten Gaumen. Zum Schlusse möchte ich noch die Meinung erwähnen, welche ich schon in den Arbeiten über die Tastmenisken ge- äussert habe, nämlich, dass die Tastmenisken jenen pericellu- lären Nervenenden als äquivalent aufzufassen wären, welche Dogiel (10) an den Grandry’schen Körperchen beschrieben hat, und dass in diesem Sinne die Tastmenisken auch mit jenen Telodendrien in Parallele zu stellen wären, welche die Ganglien- zellen umschliessen, dass somit die Tastmenisken eine Art Telodendrien sind. Ob auch die Tastscheibe der Grandry- schen Körperchen in den Tastmenisken ihr Aequivalent hat, ist sehr wahrscheinlich. Dies kann nur dann behauptet werden, wenn beiderlei Endigungen neben einander an derselben Tast- zelle zum Vorschein treten. Weitere Untersuchungen sollen mich darüber genau belehren. Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 739 4. Einfache Nervenendigungen. Wie sonst an nackten Hautstellen von Säugetieren, so be- geben sich auch an unserem Objekte noch eine Menge Nerven- fasern, vom cutanen Geflechte ausgehend, indem sie ihr Mark verlieren, als nackte Achsenfasern in die Epitheleinsenkungen, um "hier intraepitheliale Endverzweigungen zu bilden. Zum Unterschiede von sonstigen Objekten aber ist in der Schnauze des Maulwurfs die Eigentümlickeit zu beobachten, dass diese Nerven ihren Weg in die Epidermis immer durch die Epithei- einsenkungen nehmen, jedoch niemals durch die Cutispapillen dahin gelangen. Der Fall ist aber auch leicht erklärlich, da die Epithellage über den Cutispapillen infolge der oberflächlichen tiefen Einschnitte recht dünn ist und aus demselben Grunde an dieser Hautstelle Nervenendigungen auch zwecklos wären, ähnlich wie es sich oft auch an der Säugetierzunge verhält, wo im Epithel, welches unterhalb der zwischen den dicht nebeneinander liegenden Papillen befindlichen Einschnitte liegt, entweder nur spärliche und auch da horizontal oder in schräger Richtung ver- laufende oder aber überhaupt keine Nervenfasern vorhanden sind. Ueber die Menge dieser Nerven äussert sich Huss (12) folgender- massen: „In geringerer Weise wird hier das Epithel mit Nerven von der Cutis aus versorgt, ein Beweis dafür, dass die sanduhr- förmigen Gebilde zu ganz spezifischen Tastorganen umgebildet sind.“ Ich glaube Huss widersprechen zu müssen, da ein einziger Blick auf Fig. 1 genügt, um eine grosse Menge dieser Nerven zu sehen. Freilich sind die „spezifischen Tastorgane“ hier nicht sichtbar. Andererseits aber lässt sich die Wahr- nehmung machen, dass dort, wo dieEimer’schen Tastorgane zur Darstellung gelangen, diese intraepithelialen Nerven nur in ganz geringer Anzahl zu sehen sind, wie dies etwa Figg. 6, 7 ver- anschaulichen. Daraus ist zu ersehen, dass oft in jenen Prä- paraten, wo die Nervenendigungen der einen Art in grosser Zahl zur Darstellung gelangen, jene der anderen Art nur wenig hervortreten und umgekehrt. Aus diesen Thatsachen geht aber, entgegengesetzt der von Huss geäusserten Meinung, hervor, dass neben den sich hier wie anderwärts in grosser Anzahl vor- findenden intraepithelialen Nerven auch noch eine besondere Art von Nervenendausbreitungen, nämlich die Eimer’schen Tast- organe, zur Entwicklung gelangt sind, wodurch nachgewiesen ist, 42* 740 Eugen Botezat: dass diese „spezifischen Tastorgane‘‘ neben den gewöhnlich vor- handenen Nervenendigungen als ein Plus anzusehen sind, welcher Umstand die Bedeutung der Maulwurfschnauze als Tastwerkzeug in entsprechender Weise erhöht. Dazu kommt noch die dicke Epithellage, wodurch mehr intracelluläre Endigungen auftreten. Was den Verlauf dieser Nerven betrifft, so ist derselbe von Huss beleuchtet worden, welcher sagt: „Als marklose Fasern treten sie gleichfalls aus der Cutis in die Epidermis ein, verlaufen aber dort nicht in der mehr oder weniger geraden Richtung, wie die Achsenzylinder im Tastkegel, sondern gehen vorerst im Epithel meist eine nochmalige Verästelung ein, treten alsdann mit ihren Verzweigungen auseinander und erhalten, während sie gegen die Oberfläche hinstreben, die gleichen End- knöpfchen, wie sie von den Achsenzylindern des Tastkegels her bekannt sind.“ Aus dem eben Zitierten geht hervor, dass diese Nervenfasern mit jenen zu identifizieren sind, welche ich (6) in der Schnauze des Hundes (sub. 3 b) beschrieben habe. Ich möchte noch hinzufügen, dass dieselben häufig nach einem mehr oder minder ziekzackförmigen oder spiraligen Verlauf in den höheren Lagen der Malpigi’schen Schleimschicht knotenartige Verdiekungen bilden, aus welchen dann zahlreiche, nach ver- schiedenen Richtungen hin laufende Fasern treten, ähnlich jenem Verhalten, welches in der Zunge von Rosenberg (25) und mir, in der Schweineschnauze von Szymonovicz (26) und in der Hundeschnauze von mir beschrieben wurde. Sie dringen tief in das Epithel bis über das Stratum granulosum (s.g.) desselben ein, und was ihre Endigungsweise betrifft, so ist diese eine intra- celluläre, wie dies von Huss deutlich erkannt wurde. Huss beschreibt nämlich diese als mit Endknöpfchen, welche bald den Fasern unmittelbar anliegen, bald aber feinsten kurzen Lateral- fasern aufsitzen. Zu diesem Punkte möchte ich bemerken, dass diese intraepithelialen Nerven in ihrem unteren Verlaufe Terminal- knöpfchen (c.t.) bilden. welche, den Fasern dicht anliegend (Fig. 6), intracellulär endigen, hingegen in den der Haut- oberfläche näher liegenden Schichten feinsten Lateralästchen auf- sitzen und ebenfalls eine intracelluläre Lage haben (Fig. 6). Gehen wir aber auf die nähere Beschaffenheit der Terminal- knöpfchen ein, so ist diese nicht so einfach, wie sie von Huss angegeben wird. Schon in der Arbeit über die Nerven der = le Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 741 Hundeschnauze habe ich der Thatsache Erwähnung gethan, dass an den eigentlichen Endknöpfchen, beziehungsweise auch an den dieselben mit der Nervenfaser in Verbindung bringenden kurzen Lateralfäserchen, derart viel Interfibrillärsubstanz angehäuft er- scheint, dass es den Eindruck macht, als ob die Knöpfenen den Fasern direkt aufsitzen würden und dass die Knöpfchen selbst bei starker Vergrösserung als aus zwei oder wohl auch mehreren kurzen varicösen Fäserchen bestehend erkannt werden. Diese Verhältnisse lassen sich auch in der Schnauze des Maulwurfs erkennen. Man sieht häufig die Terminalknöpfehen nicht intensiv getärbt, sondern derart erscheinen, wie es sich auch — wenn der Vergleich gestattet ist — bei den Tastmenisken verhält. Sie zeigen ein granulöses Aussehen, und, wenn man besser zu- sieht, kann man blaue Pünktchen abwechselnd mit unregelmässigen, feinsten, kurzen Fäserchen erkennen. Daraus geht hervor, dass die intraepithelialen Nerven aus den Ecken ihres ziekzackförmigen Verlaufes feinste unregelmässige Büschelehen hervorgehen lassen, welche oft einem kurzen Lateralfäserchen aufsitzen und, wie in der Hundeschnauze, im Protoplasma der Zellen endigen (Taf. I, Figg. 1, 6), ähnlich, wie dies von Dogiel in den Kolbenzellen der Herbst- schen oder den Tastzellen der Grandry schen Körperchen beschrieben worden ist. 5. Eimer’sche Tastorgane. Schliesslich gehen von den erwähnten Cutisästen Nerven- fasern ab, welche sich zum mittleren Basalteile der sanduhr- förmigen Gebilde begeben und ihre Markscheiden verlierend, in das Epithel eindringen, um hier einen besonderen, im Weiteren näher zu beschreibenden Verlauf zu nehmen, wodurch im Verein mit der eigentümlichen Ausbildung der Zellen, zu denen diese Nerven in nähere Beziehung treten, die für die Maulwurfschnauze spezifischen, von Eimer (11) entdeckten und, wie bereits oben erwähnt wurde, von Jobert ihrem Entdecker zu Ehren als „Eimer’sche Organe‘ bezeichneten Tastwerkzeuge, welche seither in der Literatur unter diesem Namen gehen, gebildet werden. Dem Vorgange der früheren Untersucher dieses Objektes folgend, beginne ich die Betrachtung der Gebilde, indem ich mich zunächst der Beschaffenheit des zelligen Baues derEimer- schen „sanduhrförmigen oder zylindrischen Zellstränge‘“ zuwende. 742, Eugen Botezat: Die aufeinanderfolgenden Anschauungen von Eimer, Mojsisovics und Huss wurden bereits oben in der Literatur- übersicht im Allgemeinen berührt. Hier möchte ich zunächst hervorheben, dass Huss der Meinung ist (12, pag. 4), „an der Basis des unteren Kegels befänden sich nur zwei grosse Zellen mit grossen, runden Kernen, welche zu beiden Seiten des Zentral- achsenzylinders‘“‘ liegen, welchen TeilLeydig als etwas Papillen- artiges ansehen möchte. Huss verweist uns auch auf seine Fig. 1, in welcher wirklich zwei Räume (Zellen?) rechts und links von der axialen Faser gelegen, zu sehen sind, in deren rechtem sich jedoch eine Tastzelle mit Tastmeniskus vorfindet. Von den letzteren aber erwähnt Huss, dass sie im Tastkegel gelegen sind, woraus hervorgehen müsste, dass die Tastzellen in anderen Zellen liegen, was nicht möglich ist; und was seine Fig. 4 betrifft, so ist es ausgeschlossen, dass diese einen in der Nähe der Basis des Tastkegels geführten Schnitt darstellt, da ja, wie wir später sehen werden, und Huss selbst angibt, weder die axialen noch die Randnervenfasern an dieser Stelle End- knöpfchen bilden, was in seiner Figur dennoch auftritt, woraus zu entnehmen ist, dass dieser Schnitt einer weiter oben oder gar im eigentlichen Tastkegel gelegenen Partie des sanduhrförmigen Raumes entstammt. Ich habe an meinen Präparaten eine der- artige Beschaffenheit des basalen Teiles nicht beobachtet. Uebrigens widerspricht sich Huss selbst, indem er in seiner Figurenerklärung von der erwähnten Fig. 4 sagt, sie stelle einen „Querschnitt durch ein Eimer’sches Organ, auf halber Höhe der Epidermis“ dar. Nach meinen Beobachtungen besteht die Basis des Eimer ’schen Organs aus mehreren Zellen, welche sich von den gewöhnlichen Epithelzellen nicht oder höchstens durch eine verhältnismässig bedeutendere Grösse auszeichnen. Dass hier eine Abgrenzung zwischen den letzteren und den gewöhnlichen die Basis des Organes umgebenden Zellen zu beobachten ist, scheint durch die hier verlaufenden Randnervenfasern verursacht zu sein (Figg. 5, 7). Will man ausserdem noch als besonderes Unterscheidungsmerkmal mit Huss die Beschaffenheit und Lage der Kerne dieser das Organ in seinen unteren Teilen umgebenden Zellen, welche er als Stiftzellen so wie auch die weiter nach oben folgenden Epidermiszellen als ebensolche (Rift- oder Stachelzellen) erkannt hat, hinstellen, so trifft dies wohl zu. Indem sich nach oben Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 745 zu das Organ etwas verschmälert, nimmt auch die Anzahl der das- selbe bildenden Zellen alsbald ab, sodass es schliesslich nur aus je zwei schichtenweise übereinander gelagerten Zellen besteht. Diese liegen anfangs nebeneinander und, indem sich ihre Enden nach oben zu immer mehr und mehr ausziehen, kommen sie schliesslich derart übereinander zu liegen, wie sie Huss be- schrieben und so vortrefflich mit den ineinander gesteckten Fingern der beiden Hände verglichen hat (siehe auch Figg. 6, 7). An diesen Stellen ist das Organ dementsprechend sehr leicht vom umgebenden Gewebe zu unterscheiden. Während nun Eimer den zelligen Aufbau der sanduhrförmigen Gebilde nicht voll- ständig erkannt hat, indem er der Meinung war, dass der untere Teil desselben aus einer strukturlosen Masse und der obere Teil (Tastkegel) aus epithelialen, eingerollten, spindelförmigen Wand- zellen bestehe, welch letztere ein Rohr einschliessen, erkannte Mojsisovics, dass der ganze Zylinderraum von „speziell modi- fizierten Epithelzellen“ erfüllt sei, welche eine charakteristische Lagerungsweise zeigen, und Huss diese Verhältnisse in der er- wähnten Weise beobachtete und beschrieb, konnte ich, ausser des schon berührten Falles von den Zellen an der Basis des Organes, bei starker Vergrösserung und entsprechender Be- leuchtung die Beobachtung machen, dass die den ganzen sanduhr- förmigen Raum in der geschilderten charakterischen Art erfüllen- den Zellen, ebenso wie alle Epithelzellen, echte Riff- oder Stachelzellen sind (Fig. 7), welche Struktur durch die be- sondere Fixationsfähigkeit des molybdäusauren Ammoniums zum Vorschein gebracht wird, eine Eigenschaft, deren ich schon oben gedacht habe. Erst durch den Nachweis, dass die in Rede stehenden Zellen „Riffzellen‘‘ sind, ist, wieich glaube, dargethan, dass sie echte Epithelzellen sind, welche freilich im eigentlichen Tastkegel Eimer’s „speziell modifiziert‘, abgeplattet sind, wo- durch eine bedeutende Anzahl derselben auf einem kleinen Raume angehäuft erscheint. Diese Art der Anhäufung tritt besonders dort (im Tastkegel) auf, wo, wie wir weiter unten sehen werden, die eigentümlichen Terminalknöpfchen an den Nerven des Eimer ’schen Organes in dichter Anordnung auftreten (Figg. 6,7). Noch einer Merkwürdigkeit, nämlich der Kerne dieser Zellen, muss gedacht werden; denn auch diese zeigen in unserem Organe eine besondere Ausbildung. Huss hat sich mit ihnen ganz be- 744 Eugen Botezat: sonders beschäftigt und sie mit folgenden Worten geschildert : „Diese Kerne haben ihre runde Form ganz verloren; sie sind langgestreckt und zeigen gegen die Aussenfläche mehrfache deutliche Einbuchtungen ; gegen die Innenseite ist meist nur eine ausgesprochene Einbuchtung zu erkennen“. Ich komme nun auf die Nerven, beziehungsweise deren Endigungen im Eimer’schen Organe zu sprechen. Wie es schon durch Eimer bekannt geworden ist, sind hier in Bezug auf die Lage zwei Arten von Nervenfasern zu unterscheiden, nämlich 1—3 sogenannte Zentralachsenzylinder, die, wie ich glaube, gleich von vornherein richtiger als Axialfasern zu bezeichnen wären, da es sich hier nicht um ein Zentrum, sondern um eine Achse des Organs handelt, und etwa 17—19 als Rand- achsenzylinder bezeichnete Nervenfasern. Diese Nerven nehmen ebenso wie die bisher betrachteten ihren Ursprung von den Cutisästen und dringen, indem sie auseinandertreten und ihr Mark verlieren, in bestimmter Anordnung in das Epithel, und zwar speziell in den Eimer’schen Kegel, ein. a. Axialfasern. Die Axialfasern, welche gewöhnlich in der Zwei- bis Dreizahl vorhanden, häufig aber auch in der Einzahl beobachtet werden, durchsetzen in axialem Verlauf das sanduhrförmige Organ in seiner ganzen Höhe. Sie zeigen im unteren Teile einen nur wenig im oberen (dem Eimer’schen Tastkegel) aber einen aus- gesprochenen zickzackförmigen oder spiraligen Verlauf. In ihrem unteren Teile erscheinen diese Axialfasern recht dick, was schon Mojsisovics und auch Huss erkannt haben. Letzterer war lange Zeit der Meinung, dass es sich hier um markhaltige Fasern handle, überzeugte sich aber, wie er sagt, durch „spezielle Untersuchungen und Prüfungen mit entsprechenden Färbe- methoden“, dass diese Nerven ebenso wie alle übrigen nackte Achsenfasern sind, welche sich jedoeh durch eine besondere Dicke auszeichnen. Was mich betrifft, so hielt ich gerade die Methylen- blaumethode für sehr geeignet, einen gehörigen Aufschluss in dieser Richtung zu geben. In der That ist aus dem Präparate, welchem die Fig. 6 entnommen wurde, genau zu ersehen, dass der untere dicke Teil der Faser aus zwei Elementen; einer intensiv gefärbten, dünnen, axialen Faser Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 745 und einem in hellerer Färbung erscheinenden Mantel, besteht. Die erstere setzt sich nach oben fort und nimmt einen ausgeprägten zickzackförmigen Verlauf, während der letztere etwa in der halben Höhe des Organs aufhört (Fig. 6, na). Es handelt sich nun darum, die Natur dieser Elemente zu bestimmen. Huss und Mojsisovics konnten sich über diese Frage nicht weiter auslassen, da sie mit Hilfe der Chlorgoldmethode die Axialfasern bloss als besonders dicke Achsenfasern erkannten, indem der Erstere bloss sagt, „dass man es hier nur mit nackten, wenn auch dickeren Achsen- zylindern zu thun habe“. Wie wir sehen, ermöglicht uns die Methylenblaumethode einen tieferen Einblick in diese Verhältnisse. Betrachten wir auf der einen Seite die regelmässige Anordnung der abgeplatteten Zellen des Eimer’schen Organs und die durch den zwischen ihnen gelegenen, in axialer Richtung sich erstrecken- den Raum laufenden Nervenfasern, welche, wie wir weiter unten sehen werden, zu den Zellen in nähere Beziehung treten, auf der anderen Seite aber den Innenkolben sowie die ihn durchziehende Achsenfaser der Herbst’schen Körperchen, wie letzteres von Dogiel (9) dargethan und abgebildet wurde, so finden wir zwischen diesen beiden, freilich sonst wegen der Lage ver- schiedenen Organen, die grösste Aehnlichkeit. Um mich kurz zu fassen, möge es genügen zu erwähnen, dass Dogiel in jenen Organen das axiale Element als intensiv gefärbte Achsenfaser, welche als aus vielen Primitivfibrillen bestehend erkannt wurde, beschrieben, den aus einer weniger intensiv gefärbten, struktur- losen und nur bei ausgiebigster Färbung gekörnelt erscheinenden Masse bestehenden Mantel aber als Interfibrillärsubstanz erklärt hat, welche sowohl die einzelnen Fibrillen als auch die ganze aus ihnen bestehende Achsenfaser umgibt, und bei dieser Gelegenheit darauf hinweist, dass der Fall durchaus nicht etwa vereinzelt dastehe, sondern, dass ähnliche Befunde in der Literatur bereits verzeichnet seien, indem er folgendes anführt: „Eine derartige Verteilung der Fibrillen und der interfibrillären Substanz ist bereits längst von vielen Autoren, unter anderen auch von mir beschriehen worden und wird in verschiedenen Endapparaten, z. B. in den motorischen Nervenapparaten, in den Genitalnerven- körperchen etc. beobachtet.“ Aus dem Gesagten ist es nun klar, dass auch unsere Axialfasern in ihrem dicken unteren Teile aus einer grossen Menge Interfibrillärsubstanz bestehen, welche die 746 Eugen Botezat: zu einer Achsenfaser vereinigten Primitivfibrillen umgibt. Die früher angedeutete Aehnlichkeit wird noch durch den Umstand bestärkt, dass die Achsenfaser in den Ecken ihres zickzackförmigen Verlaufes kleinere oder grössere Knöpfchen, welche je weiter nach oben, desto längeren Stielchen aufsitzen, bilden, ein Ver- halten, welches auch Dogiel an der Achsenfaser der Herbst- schen Körperchen beobachtet hat, wonach die seitlich ab- ziehenden Aestchen mit kleinen Knöpfchen im Protoplasma der Kolbenzellen enden; und was das Eimer’sche Organ betrifft, so ist durch Huss bereits nachgewiesen worden, dass die erwähnten, im eigentlichen Tastkegel seitlichen Stielchen aufsitzenden Knöpfchen in das Protoplasma der „speziell modifizierten Zellen “ eintreten und in den Einbuchtungen des Kernes aufhören (Fig. 6). Es ist somit in Bezug auf die Endigungsweise der Axialfasern des Eimer’schen Organs die Thatsache zu beobachten, dass die die Achsenfasern zusammensetzenden Primitiv- fibrillen in verschiedenen Höhen des Organsintra- cellulär endigen; jedes dabei auftretende Knöpfchen ist Interfibrillärsubstanz, welche das Ende der Fibrille umgibt. Mit den verhornenden Zellen der obersten Schichten — denn diese Terminalknöpfehenbildung reicht über das Stratum granulosum hinaus — proliferieren auch die Nervenendknöpfchen — eine Thatsache, welche bereits von anderen Objekten her sehr bekannt ist. Auch an diesen mit Methylenblau gefärbten Terminal- knöpfchen konnte ich ähnliche Strukturverhältnisse beobachten, wie an den Knöpfchen der einfachen intraepithelialen Nerven, von welchen oben die Rede war. Während nun Huss dieselben als einfache homogen gefärbte Punkte gesehen und deswegen auch so abgebildet hat, liess an meinen Präparaten das Methylen- blau Strukturen zum Vorschein treten, welche auf mich den Ein- druck von kurzen, allerfeinsten, varicösen Fäserchen, die sich unregelmässig verflechten und die bald von mehr, bald von weniger Interfibrillärsubstanz umgeben werden, machen. Dies mag auch die Ursache sein, weswegen die seitlichen Stielchen, denen sie aufsitzen, nicht immer deutlich zu erkennen sind (Taf. XXXI, Figg. 6, 7, 8). Es stellen somit diese Knöpfchen keine Knöpfchen im eigentlichen Sinne dar, sondern dieselben sind vielmehr kleine Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 747 Büschelehen unregelmässig ’verlaufender, der, oder verworrener Terminalfäserchen, welche von Interfibrillärsubstanz umgeben erscheinen. Diese endigen intracellulär, was am besten an Querschnitten zu sehen ist (Fig. 8), worauf sich auch Huss berufen hat. b. Randfasern. Die Randfasern des Eimer’schen Organs, deren es, wie erwähnt, 17—19 gibt, laufen über den das Organ bildenden Zellen untereinander parallel in gerader Richtung nach aufwärts. Sie sind insgesamt dünner als die Axialfasern, namentlich im unteren Teile des Eimer’schen Organs, denn jene ausgesprochene merkwürdige Zusammensetzung von Achsenfaser und einem diese umgebenden Mantel von Interfibrillärsubstanz, welche bei den Axialfasern zu beobachten ist, kommt bei den Randfasern nicht vor. Dass aber auch ohne Hervortreten des Interfibrilärsubstanz- mantels die Axialfasern dicker als die Randfasern und einmal deshalb von den letzteren zu unterscheiden sind, davon über- zeugt uns ein Blick auf die Fig. 2. Aber auch noch in einem zweiten Merkmal sind diese Fasern von den Axialfasern ver- schieden. Sie zeigen nicht, wie dies schon angedeutet wurde, jenen ausgeprägten zickzackförmigen Verlauf wie die letzteren und zwar am allerwenigsten im oberen (eigentlichen) Tastkegel, wo die Axialfasern dieses Verhalten gerade am deutlichsten zum Vorschein treten lassen. Dies ist auch aus zwei Gründen sehr natürlich und erklärlich: Da die Zellen des Eimer’schen Organs, zu denen allein die in Rede stehenden Nerven _in nähere Beziehung treten, gegen einander abgeplattet sind und zwar je weiter nach oben desto stärker und ausgeprägter, so bilden sie an den Seiten eine fast gerade Begrenzungsfläche, längs welcher die Nerven nach aufwärts ziehen. Ferner bilden die Nerven, da sie nur zu den Zellen des Eimer’schen Organs in Beziehung treten, Terminalknöpfehen, welche alle nur an der diesen Zellen gegenüberstehenden Seite auftreten. Es ist dieses Verhalten aber durchaus nicht ausnahmslos, denn gerade aus einem Präparate, in welchem einerseits das geschilderte Verhalten sehr schön zu sehen war, konnte auf der anderen Seite eine dieser Fasern beobachtet werden, welche einen zickzackförmigen Verlauf zeigte (Fig. 7). Freilich sind die Knöpfchen auch in 748 Eugen Botezat: diesem Falle bloss nach einer und derselben Seite (gegen den Tast- kegel) gerichtet. Was die Knöpfchen selbst betrifft, so verhalten sie sich so wie jene der Axialfasern: im unteren Teile, wo sie jedoch deutlicher zu erkennen sind als jene, sitzen sie den Fasern an, im eigentlichen Tastkegel aber sind, wenn auch kurze Stielchen zu erkennen, welchen sie aufsitzen. Auch hier bestehen sie ausInterfibrillärsubstanz, welche kurze,allerfeinste Aestchen umgibt, was man an der weniger intensiven Färbung, als es jene der Fasern ist, beobachten kann. Denn auch hier scheinen mehrere solcher Aestchen von der knopfförmigen Masse von Interfibrillärsubstanz umgeben zu sein. Mit ausgesprochener Deutlichkeit habe ich solche zwei Fäserchen in der Schnauze des Hundes (6) gesehen und in der darüber handelnden Arbeit auch beschrieben und abgebildet, was ich schon oben erwähnt habe. Das erwähnte Verhalten dieser Nerven ist so charakteristisch, dass, wenn man ein Präparat bei geringer Vergrösserung be- trachtet, die Fasern als parallele Linien, die Endknöpfchen der- selben aber quer gegen die Fasern gelegene, untereinander eben- falls parallele, Punktreihen bilden (Fig. 7). Die Endknöpfchen bilden nur deshalb Reihen, weil von jeder Faser je ein Knöpfchen oder eigentlich Büschel, in eine abgeflachte Zelle des Tastkegels eindringt, um in derselben, wie dies Huss nachgewiesen hat, in den Einbuchtungen des Kernes zu endigen. Dies ersieht man auch aus Fig. 8, welche einen in etwas schräger Richtung er- folgten Schnitt darstellt. Rechts sieht man 9 Terminalfäserchen mit Endknöpfchen (e.t.) im Protoplasma der Zelle endigen. Links ist nur eine quer durchschnittene Randfaser (n.m.) zu sehen (die andern 9 sind ungefärbt geblieben, daher auch nicht sichtbar). Ein von der letzteren abgehendes seitliches Aestchen, wie rechts, ist nicht zu sehen, da die Faser in einer anderen Höhe vom Schnitt getroffen wurde. Aus diesen Umständen ist zu ersehen, dass die Terminalknöpfchen dieser Fasern (wenigstens im Tastkegel) alle in einer zur Achse des Organs senkrechten Ebene und zwar in der Peripherie eines Kreises liegen. Die Kerne dieser Zellen sind, wenn keine besonderen Kernfärbemittel angewendet werden, nur sehr undeutlich zu erkennen. Die schiefe Schnittlage ist auch aus der elliptischen Schnittfigur erkenntlich. Dieses eigen- tümliche Verhalten der Nerven und ihrer Endigungen ist so charakteristisch, dass, wenn man es zum erstenmale, bei schwacher Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 749 Vergrösserung, sieht, man den Eindruck hat, als hätte man eine schematische Zeichnung vor sich. Auch das Verhalten dieser Nerven erinnert, freilich nur in einer Beziehung, an die oben erwähnten Herbst’schen Körperchen. Sie sind dünner als die Axialfasern und gehen auch aus dünnen markhaltigen Fasern ausserhalb des Organs als die Axialfasern hervor (Figg. 2, 6). Zum Innenkolben der Herbst’schen Körperchen gelangt nämlich nach Dogiel (9) noch eine zweite dünne Nervenfaser, welche sich in viele varicöse Aestchen teilt, wodurch ein den Innenkolben umgebendes Netz entsteht. Aehnliche Bildungen fand er auch in den Grandy- schen Körperchen (10). Vielleicht könnten die Terminalknöpfchen mit den Varicosi- täten dieser Fasern verglichen werden, ebenso wie andererseits auch mit den Varicositäten der als Tastmenisken bezeichneten Terminalgeflechte. Dies könnte wohl der Fall sein, sobald man nachweisen würde, dass die Varicositäten an den Pericellulär- geflechten der Tastmenisken bezw. der Pericellulärgeflechte der Herbst’schen Körperchen intracellulär liegen. Was mich betrifft, so vermute ich dies und glaube, dass sich gerade deswegen die mit solcherlei Nervenendigungen in Verbindung stehenden Zellen mit Methylenblau — wenigstens teilweise — färben (siehe auch Figg. 3, 9), ohne jedoch diese Zellen für terminale Ganglien- zellen zu halten, da sie ja, wie anderwärts bewiesen wurde, echte Riffzellen sind (4, 5). Schliesslich kommt in der Schnauze des Maulwurfs, wie dies auch bei anderen Säugetieren der Fall ist, noch eine Art von epidermoidalen Tastwerkzeugen vor, nämlich die 6. Tasthaare, an welche sich die sogenannten Haare von der Uebergangsform, sowie die gewöhnlichen Haare anschliessen. Da nun im Weiteren vom Ursprunge dieser Gebilde die Rede sein soll, ist es geboten, nicht nur die Haare des Maul- wurfs, sondern auch jene anderer Säugetiere in Bezug auf ihre Innervierung zu betrachten und benütze ich diese Gelegenheit dazu, um die Resultate meiner erneuten Untersuchungen über die Innervation der Säugetierhaare in Kürze niederzulegen. 750 Eugen Botezat: Seit dem Erscheinen meiner Tasthaararbeit (3) fuhr ich fort, mich mit diesem Gegenstande zu beschäftigen, wodurch es mir möglich ward, einige Unrichtigkeiten zu entdecken. Da erschien eine Arbeit von Ksjunin (16), in welcher meime in. der genannten Arbeit enthaltenen Befunde im allgemeinen bestätigt wurden. Was in dieser Arbeit von meinen gemachten Angaben verschieden ist, soll im Weiteren, bei: der Bespr erhnng, der einzelnen Nervenendigungen hervor en werden. Im äusseren und inneren Haarbalg, sowie in den Balken des kavernösen Körpers der Sinushaare liegt das von Ostroumow (21) entdeckte und beschriebene „zierliche Nervengeflecht“, das aus sehr feinen, stark varicösen Fasern besteht und verhältnis- mässig schwer zur Darstellung zu bringen ist. Es reicht bis zum Haartaschenhals und nimmt hier Anteil an der Bildung des denselben umgebenden, superfiziell gelegenen, ringförmigen Nervenplexus. Diese Nerven sind entschieden Vasomotoren, da ich beobachtet habe, dass Nerven, welche unterhalb des Haar- follikels Arterien innervierten, mit dem genannten Plexus im Haarbalg in Zusammenhang standen (Taf. XXXL, Fig. 10). Das ringförmige Nervengeflecht, über welches Ksjunin berichtet, dass es nicht nur, wie man früher der Meinung war, bei Tieren mit nächtlicher Lebensweise, sondern auch bei sonstigen vorkomme, und ich dies nun vollauf bestätige, reicht von den Talgdrüsen bis in die Nähe des Ringwulstes im Venensinus, setzt sich zusammen, wie ich dies schon in der Tasthaararbeit bemerkt habe, aus Nerven, welche dem oberfläch- lichen Geflechte der Haut entstammen. Doch nehmen an seiner Bildung auch Nerven Anteil, die von der Tiefe zum Haartaschen- hals emporsteigen (Figg. 11, 13). Die Fasern dieses Geflechtes scheinen frei ausserhalb der Glashaut, welche Membran den epidermoidalen Teil des Haarfollikels, die äussere und innere Wurzelscheide, vom bindegewebigen Haarbalg trennt und in der nackten Haut der idealen Basalmembran entspricht. zu endigen (Fig. 13). Nach innen von diesem Geflecht sind an der Glashaut longitudinal gelegene, abgeplattete oder keulenförmig verdickte, einfache Endigungen von Nerven vorhanden, die zum geringen Teil aus Hautnerven hervorgehen, hauptsächlich aber von aus der Tiefe kommenden Nerven gebildet werden. Auch Ueber die epidermoidalen Tastapparate etec. 51 diese Endigungen finden sich sowohl bei Tast- als auch bei gewöhnlichen Haaren (Figg. 12, 15). An mehreren Haaren (Felis, Talpa) habe ich die Wahrnehmung gemacht, dass einzelne dieser longitudinalen Endplättchen in der Höhe des Haartaschen- halses, andere hinwieder tiefer, also noch unterhalb des Follikel- halses, liegen (Fig. 13) und zwar glaube ich, dass die unteren von Haut-, die letzteren von aus der Tiefe kommenden Nerven stammen.') Die Endbäumchen, welche im Bereiche zwischen der Haarpapille und der oberen Anschwellung der äusseren Wurzel- scheide entweder knapp an oder in der Nähe der Glashaut gelegen sind, entstammen, wie alle im weiteren zu betrachten- den Endigungen, Nerven, welche von der Tiefe kommend, an den Haarfollikel treten und zwar dem tiefen Geflecht. Denn die Nerven bilden eine tiefe, hauptsächlich die unteren Teile des Follikels umgebende und eine über diese verlaufende, bis zum Haartaschenhals reichende und namentlich die obere Anschwellung der Wurzelscheide mit Endigungen versehene Lage. Diese Art von Nervenendigungen wurde von Ostroumow wie oben benannt und eingehend beschrieben, war aber auch anderen Forschern, wie Szymonowicz, bekannt. Auch ich fand diese Gebilde, hielt sie jedoch für unvollständig gefärbte Achsenfasern des tiefen Geflechtes, da ich die Entdeckung gemacht hatte, dass auch das tiefliegende Geflecht Achsenfasern durch die Glashaut in die äussere Wurzelscheide entsendet, welche in der Region vom Ringsinus bis etwa in die Nähe der Papille. Tastmenisken bilden. Ksjunin (16) bestätigte diese meine Entdeckung, hielt aber trotzdem an der Existenz der Endbäumchen ausserhalb der Glashaut fest, was übrigens auch ich nach der Veröffentlichung meiner Tasthaararbeit und noch vor dem Erscheinen der Arbeit Ksjunins erkannt hatte, jedoch bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt habe, dies bekannt zu machen. Diese Endbäumchen habe '!, Dies ist bei den gewöhnlichen Haaren der Fall. An den Tasthaaren finden sich diese Nervenenden nur beim Schwein regelmässig und woll- ausgebildet vor und endigen auch da in verschiedenen Höhen. Ueberhaupt sind die Tasthaare der Schweineschnauze mehr oder minder Uebergangs- formen (geringe Entwicklung der äusseren Wurzelscheide, mangelhafte Aus- bildung des Ringwulstes sowie eines eigentlichen Blutsinus!). 152 Eugen Botezat: ich an den Tasthaaren verschiedener Säugetiere: Maulwurf, Igel, Katze, Kaninchen und Maus mit Methylenblau sehr gut dar- gestellt und fand oft, dass in derselben Höhe, in der End- bäumchen ausserhalb der Glashaut zu sehen sind, auch Tast- menisken innerhalb derselben in der äusseren Wurzelscheide vorkommen (Figg. 14, 15, 16). Die Tastmenisken, welche aus den sowohl dem tiefen als auch dem oberflächlich verlaufenden Nervengeflecht ent- stammenden, durch die Glashaut in die äussere Wurzelscheide hineindringenden, feinen Achsenfasern entstehen, liegen Zellen an, welche zu der eine einschichtige, unmittelbar an der Glas- haut gelegene Lage bildenden Reihe gehören. Während ich nun früher der Meinung war, dass die Tast- menisken noch nicht das Ende der genannten Nerven darstellen, weil ich gefunden hatte, dass sich von den Tastmenisken feine Fasern in das Innere der Wurzelscheide begeben, welche ich als Terminalfasern bezeichnete, verliess ich auf Grund weiterer Untersuchungen diesen Standpunkt und erklärte die Tastmenisken für Nervenendapparate, von denen häufig feine Fasern in die Epidermis abgehen, welche mit Terminalknöpfchen, wie die ein- fachen Epidermisnerven, endigen (Fig. 17). Dies ist der Fall sowohl in der äusseren Wurzelscheide der Tasthaare als auch in den gewöhnlichen Epitheleinsenkungen, wie nicht minder in den besonderen epidermoidalen Bildungen der nackten Säugetier- schnauze. Wie ich schon des öfteren mitgeteilt habe, mag auch hier noch erwähnt sein, dass die Tastmenisken die Zellen, denen sie anliegen, entweder von einer, von mehreren oder von allen Seiten umgeben, je nachdem sie in dichten oder lockeren Gruppen, oder aber mehr vereinzelt auftreten. Und was ihre Struktur betrifft, so bilden sie im letzteren Falle ein recht lockeres, netz- artiges Geflecht von varicösen Fasern, welches die Zellen umgibt (Taf. XXXI, Fig. 9), im ersteren Falle jedoch ist die Struktur nicht, wenigstens nicht deutlich zu erkennen, da die Fibrillen sehr dicht aneinander liegen. Danach werden die Zellen von der zutretenden Nervenfaser bald in dichten, bald in lockeren, unregelmässigen Windungen umsponnen.') Ob die Varicositäten UER !) Es scheint, dass es sich hier um zweierlei Endigungen handelt: Ein Tastmeniskus (Tastscheibe) und ein pericelluläres, den eigentlichen Meniskus umgebendes Geflecht. Dies kann ich jedoch nicht behaupten, da ich bisher beiderlei Endigungen an einer und derselben Zelle nicht beobachtet habe. Ueber die epidermoidalen Tastapparate ete. 755 intracelluläre Endknöpfchen sind, ist mir zwar wahrscheinlich. behaupten kann ich dies aber allerdings nicht. Zu dieser Meinung drängt mich der Umstand, dass sich die Tastzellen regelmässig, jedoch nicht so intensiv wie Nervensubstanz mit Methylenblau färben. Eines allerdings unwesentlichen, jedoch an den Tasthaaren des Maulwurfs wiederholt beobachteten Verhaltens möchte ich noch gedenken, worüber Szymonowicz (26) sagt: „Manchmal (Maulwurf) sind die Tastmenisci an einer Nervenfaser, welche Aestchen beiderseits abgibt, so angeordnet, wie die Blätter an einem Stengel“ Er bekräftigt diesen Ausspruch durch Vor- führung einer Abbildung. Auch ich habe ähnliches und ebenfalls an einem Tasthaare des Maulwurfes beobachtet, doch lassen in meinem Präparate die Tastmenisken eine deutlich netzartige Struktur erkennen (Taf. XXXI, Fig. 9). Als neu fand Ksjunin freie intraepitheliale Nervenendigungen, welche unseren besprochenen „ein- fachen Endigungen“ vollkommen gleichwertig sind, in der äusseren Wurzelscheide der Tasthaare.. Sie sind nach ihm vorzugsweise in den unteren Partien der Anschwellung zu finden. Ich fand sie im oberen Teile derselben und zwar an einem Tast- haare des Kaninchens in ziemlicher Menge. Ich glaube, dass diese Art von Nervenendigungen nicht immer vorhanden, da sonst nicht anzunehmen ist, dass sie sich schwerer als andere darstellen liessen und dass sie somit keine regelmässige Er- scheinung darstellen. Auch Retzius (23) hat derlei Nerven- enden beobachtet und zwar an einem Tasthaar sowohl als auch einmal an einem Haar von der Uebergangs- oder Zwischenform, was er freilich für ein anomales Verhalten ansah. Was die Papille der Haare betriftt, so galt sie haupt- sächlich auf Grund der Untersuchungen von Bonnet (2) als nervenlos, worauf basierend auch der eingangs genannte Forscher Maurer diese für nervenlos hielt. Die neueren Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Papille sehr reich an Nerven ist. Östroumow hält letztere eher für vasomotorisch als sensibel. Auch ich habe dieser meiner Meinung bereits Ausdruck gegeben. Ksjunin erklärte sie direkt als vasomotorische Nerven, weil aus seinem Präparate neben den bündelförmigen Nerven auch Blutgefässe zu sehen sind. Ich habe in neuerer Zeit an Tast- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 61. 43 754 Eugen Botezat: haaren des Kaninchens und der Maus diese Nerven mit Methylen- blau zur Anschauung gebracht. Aus einem dieser Präparate ist ersichtlich, dass diese Nerven ein sehr dichtes Geflecht bilden, welches bis tief in die Papille oder in das Haarmark hineindringt. Die Blutgefässe waren dabei nicht zu sehen. Wiewohl ich an Vasomotoren der Papille absolut nicht zweifle, da ja die Blut- gefässe mit solchen unbedingt versehen sind, glaube ich dennoch diese Nerven nicht gesehen zu haben, denn wenn ich die von mir dargestellten mit den schon erwähnten Vasomotoren des Haarbalges und der kleinen Arterien des Tasthaarfollikels, oder mit den Nerven der Mesenterialarterien, welche ich ebenfalls gelegentlich dargestellt und beobachtet habe, so finde ich, dass die Nerven des Haarbalges und der Arterien sehr fein und varicös sind, beziehungsweise feinen Punktreihen gleichen, ist dies bei den Nerven der Papille nicht der Fall. Vielmehr erinnern sie mich, bei starker Vergrösserung betrachtet, eher an das Verhalten der intragemmalen Nerven, welche in den Geschmacksknospen der Säugetierzunge die axialen Geschmacks- zellen umspinnen, über welche ich in der Arbeit über die Nerven der Zunge berichtet habe. Mit dem Immersionssystem beobachtet man auch an ihnen von Stelle zu Stelle Verdickungen, die den Terminalknöpfehen der intraepithelialer Nerven nicht unähnlich’ sind, haben aber auch eine gewisse Aehnlichkeit mit den End- bäumchen (vergl. Figg. 16 u. 20). Aus diesen Gründen glaube ich, dass die Papille der Tasthaare neben den Vasomotoren ganz wohl auch sensible Nerven enthält. Auch in der Papille eines gewöhnlichen Haares vom Maulwurf habe ich mit Methylen- blau sichtbar gemachte Nerven gesehen (Fig. 18). Rechnen wir noch die von Retzius (23, 24) beobachteten Fälle hinzu, so ergibt sich, dass die gewöhnlichen Haare neben den zwei oben erwähnten Arten von Nervenendigungen am Follikelhals noch Endigungen in der Papille und unter Umständen auch einfache Endigungen in der äusseren Wurzelscheide besitzen. Ich vermute ausserdem, dass sich in den sogenannten Haaren von der Uebergangs- oder Zwischenform auch noch andere Endigungen, die an den gewöhnlichen Haaren nicht ge- funden wurden, vorfinden werden, so Tastmenisken ') und vielleicht j !) Solche habe ich in letzterer Zeit in der stark entwickelten Wurzel- scheidenanschwellung eines gewöhnlichen Haares aus dem nackten Schnauzen- teil von Vesperugo serotinus beobachtet. Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 755 auch im bindegewebigen Haarbalg gelegene Endbäumchen. Ich kann es nicht unterlassen, einer Merkwürdigkeit noch hier zu gedenken. An einem gewöhnlichen Schnauzenhaar der Katze bemerkte ich am Haarfollikel in der Höhe der Einmündungs- stelle der Talgdrüsen eigentümliche Niederschläge von Methylen- blau, welche mich an die zierlichen Endbäumchen in den Balken des kavernösen Körpers der Sinushaare erinnerten, und dies um so mehr, als an dieser Stelle in der That feine Hautnerven in unregelmässigem Verlaufe ab- und aufziehen. Es ist sehr leicht möglich und wohl auch wahrscheinlich, dass es sich auch an dieser Stelle um welche nervösen Endgebilde handeln kann (Fig 15). Wegen der einzigen und überdies nicht deutlichen Erscheinung kann ich demselben keine weitere Bedeutung bei- messen, sondern will vielmehr dadurch spätere Untersucher auf diese Stelle aufmerksam gemacht haben. In Bezug auf die zeitliche Entwicklungsfolge erachte ich die Tasthaare als primäre, während die gewöhnlichen Haare infolge ihrer sehr dichten Anordnung in Hinsicht der starken Ausbildung der äusseren Wurzelscheide und infolge dessen auch ihrer Innervation zurückgegangen sind, während der Blutsinus und der Ringwulst von den Tast- oder Sinushaaren später erworben wurde. Für diese Anschauung sprechen die Haare von der Zwischenform mit gut ausgebildeter äusserer Wurzel- scheide, aber ohne Blutsinus, bezw. auch die Haare mit Blutsinus jedoch ohne Ringwulst, wie dies oft beim Schwein und den Wieder- käuern der Fall ist. Mithin wäre der erste Teil dieser Betrachtungen erschöpft, und ich wende mich nun dem zweiten Teile derselben zu, nämlich der Vergleichung der Eimer’schen Organe des Maulwurfs mit anderen epidermoidalen Bildungen, beziehungsweise mit solchen anderer Säugetiere, namentlich in Bezug auf ihre Innervation, und der Schlussfolgerung mit Rücksicht auf die eingangs besprochene Streitfrage über die Phylogenie der Säugetierhaare. Huss, der Untersucher der Eimer’schen Organe des Maulwurfs, hat auch die Schnauze von Spitzmäusen (Crocidura leucodon) in dieser Richtung untersucht und glaubt in derselben einen Uebergang zu den Eimer’schen Organen gefunden zu haben, indem er sich auf Untersuchungen der Schnauzen anderer Säugetiere stützt, in denen er gefunden hat, dass die Nerven 43* 756 Eugen Botezat: bloss durch die Cutispapillen in das Epithel eintraten, während dies bei den Spitzmäusen nicht der Fall war, da er bei letzteren die Nerven direkt in die Epitheleinsenkungen hat eintreten sehen. Im ersteren Punkte muss man Huss ganz entschieden widersprechen, da es ja auch schon die Untersuchungen von Szymonowicz an der Schweineschnauze und durch meine Untersuchungen an der Schnauze des Hundes erwiesen ist, dass die Cutisnerven wenigstens zum grossen, wenn nicht zum grössten Teile, sich direkt zu und iin die Epitheleinsenkungen begeben und bier folgende Endigungen bilden, die sich auch in den Epithel- einsenkungen der Maulwurfschnauze, den „pufferförmigen Fort- sätzen“, in jenen der Spitzmäuse, der Schweine und auch an den Tasthaaren der Säugetiere vorfinden und zwar: End- bäumchen an der Basalmembran, Tastmenisken am Grunde der Fpitheleinsenkungen, von welcher häufig Fasern tiefer in das Epithel eindringen und einfache, sogenannte „freie intra- epitheliale Endigungen“, welche einen ebensolchen zick- zackförmigen oder gewundenen Verlauf haben und ebenso mit Terminalknöpfchen oder kleinen Dendriten intracellulär endigen, wie wir dies im Epithel, beziehungsweise den Eimer- schen Organen in den pufferförmigen Fortsätzen der Maulwurf- schnauze kennen gelernt haben. Die Aehnlichkeit zwischen der Innervation der Epithel- einsenkungen nackter Hautstellen und jener der Tasthaare ist so auffallend, dass ich mich schon in meiner Tasthaararbeit zu folgen- dem Ausspruche veranlasst sah: „Diese beiden nebeneinander vorkommenden sensorischen Apparate sind einander so ähnlich, dass man sich in so eine Epitheleinsenkung nur ein Haar hinein- zudenken braucht, um, von den Haarwurzelhüllen abgesehen, den- selben Tastapparat vor sich zu haben. Nun zeigen aber die ent- wicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Szymonowicz, dass die Tastmenisken und damit auch die Tastzellen anfänglich in einer horizontalen Fläche an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis gleichmässig verteilt sind Zur Zeit der Papillen- bildung gelangen sie durch Einsenkung des Epithels in die tiefer gelegenen Teile der Epidermis und erscheinen schliesslich beim erwachsenen Tiere in mehreren Etagen übereinander gelagert.“ Daraus geht hervor, dass die Tastmenisken der Epitheleinsenk- ungen ursprünglich ebenso, wie dauernd bei den Tasthaaren, an den die Grenzschicht bildenden Zellen auftreten und in den fertig I U — Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. ausgebildeten Epitheleinsenkungen nur das Haar fehlt, um den nämlichen Tastapparat vor sich zu haben. Bei den Eimer’schen Organen aber ist letzteres so ziemlich verwirklicht, da das Haar durch den eigentümlichen axialen Zellenstrang gewissermas-en gegeben ist Etwas „Papillenartiges“, wie dies Leydig er- wartet, ist aber an der Basis des Stranges nicht vorhanden oder wenigstens keine regelmässige Erscheinung. Dies alteriert aber unsere Sache nicht, da ja die Haarpapille ein später er- worbenes, sekundäres Organ ist. Und was die Nerven der Zell- stränge betrifft, so glaube ich denn doch, dass sie den Papillen- nerven der Haare homologe Bildungen seien, wenn anders die- selben in der Haarpapiile überhaupt sensibel sind. Berücksichtigt man noch, dass die den Eimer’schen Zylinder umgebenden Zellen eine im Verhältnis zu ihren Schwesterzellen abweichende Gestalt und Stellung haben, wie dies von Huss erörtert worden ist, so können diese den Haarwurzelhüllen wenigstens annähernd zur Seite gestellt werden, wodurch sich. auch nach dieser Richtung hin eine gewisse Aehnlichkeit der fraglichen epider- moidalen Gebilde mit den Haaren ergibt. Nun wollen wir sehen, ob und inwieweit die Eimer’schen Organe zu den Hautsinnesknospen oder Becherorganen in Be- ziehung zu bringen sind und wenden uns zunächst den Becher- organen der Säugetiere zu, welche hier in der Zunge und den diversen Teilen des Rachens als Geschmacksknospen oder Schmeck- becher bekannt sind. Auch diese Gebilde kenne ich aus eigener Anschauung (7). Dieselben setzen sich zusammen aus axialen, schlanken Sinnes- oder @eschmackszellen, den sogenannten „Axial- zellen“, und aus diese umgebenden, ebenfalls schlanken, jedoch abgeplatteten Stütz- und Deckzellen. Die genannten Zellen be- sitzen nach den Untersuchungen von Kolossow (14) Inter- cellularbrücken und sind daher als „Riff- oder Stachelzellen“ echte Epidermiszellen, wie auch jene der Eimer schen Organe. Sie lassen einen besonderen axialen und einen davon abweichen- den lateralen Teil erkennen. Und was nun ferner, wie ich glaube, von Wichtigkeit ist, besitzen die Knospen am proximalen Pol, ebenso wie die kuppenförmigen Erhebungen der Maulwurf- schnauze, einen nach aussen gerichteten Porus. Diese äusserliche Aehnlichkeit könnte, meiner Meinung nach, ihre volle Begründung erst durch entwicklungsgeschichtliche Studien der Eimer schen Organe finden, aus welchem Grunde es vorläufig sehr zu be- 758 Eugen Botezat: dauern bleibt, dass dies nicht schon Maurer gethan hat, zumal dies bei der Untersuchung der Entwicklung der Haare in der Schnauze des Maulwurfes sehr leicht durchführbar gewesen wäre. Die Innervation der Knospen anlangend, kann hervorgehoben werden, dass sich auch in dieser Richtung Anklänge an jene der Eimer’schen Organe finden. Am Grunde der Knospen ist durch Arnstein und Ploschko (1) beim Hund, durch mich bei der Katze, ein subgemmales Geflecht (Cupula nach v. Lenhossek) bekannt geworden, welches nach meinem Dafürhalten vollkommen den Endbäumchen an der Basalmembran, beziehungsweise Glas- haut äquivalent ist. Die Nerven der Geschmackszellen habe ich bereits in der Zungenarbeit mit den Tastmenisken verglichen, da diese wie jene pericelluläre Telodendrien sind. Es heisst dort (p. 223): „Wir haben es hier somit mit ähnlichen Inner- vationsverhältnissen zu thun, wie dies bei den Grandry’schen Körperchen, beziehungsweise den Tastmenisken der Fall ist. Es sind Telodendrien, welche die Tast-, beziehungsweise Ge- schmackszellen, umgeben. Aehnlich verhält es sich mit den Nerven der Deckzellen. Die Becherorgane der Fische stimmen nach den Unter- suchungen von Dogiel (8) bei Ganoiden mit den oben be- sprochenen vollkommen überein, sodass es nicht nötig ist, auf diese speziell einzugehen. Jene der Amphibien sind allerdings in Bezug auf ihre Innervierung mit den neuen Hilfsmitteln nicht untersucht worden, es liegt jedoch gar kein Grund vor, anderes anzunehmen, als dass sie ebenso beschaffen sind, wie die erwähnten, zumal jene der Fische denen der Säugetiere vollkommen gleichen. Nach den Zeichnungen von Maurer ist in histologischer Beziehung hier einerseits der Porus zu unterscheiden, welcher neben den anderen Elementen zu den Eimer’schen Organen hinüberführt, andererseits sind um den Porus und um die ganze Knospe herum jene zelligen Bildungen zu bemerken, welche Maurer in so treffender Weise als Aequivalente der Hüllen der Haarwurzeln gedeutet hat. | Auf Grund des Gesagten ergibt sich fast unwillkürlich die Richtigkeit der am Anfang erwähnten Theorie Maurers von der phylogenetischen Entstehung der Säugetierhaare und ist daher vom Standpunkte der epidermoidalen Tastapparate (Innervations- > Be a een EM... u SM ern ee ae A u; Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 759 verhältnisse) von Wirbeltieren kein Grund vorhanden gegen die- selbe aufzutreten. Was mich betrifft, so bin ich davon so gut wie überzeugt. Deshalb kann ich mich mit der neuerlich auf- gestellten Lehre Brandt’s (8), nach welcher die Säugetierhaare aus Plakoidzähnchen entstanden sein sollten, nicht einerstanden erklären. Denn alle Säugetierhaare sind in erster Linie und da- her wol auch ursprünglich Sinnesorgane, welche diese Eigen- schaft beibehaltend erst secundär zu besonderen Schutzorganen wurden. Die Frage erscheint aber eigentlich auch so noch nicht erledigt, da erst die vergleichende Entwicklungsgeschichte der fraglichen epidermoidalen Gebilde inhistologischer und zugleich neurologischer Beziehung das meiste Licht in diese Verhältnisse wird bringen können. Doch auch so wie sich die Sache bis nun verhält, wird es wohl vieles für sich haben, wenn sich Leydig, der langjährige Gegner der Maurer’schen Lehre, in Erwägung der hier teils bloss gestreiften, teils besprochenen Verhältnisse derselben genähert hat. Dem hochverehrten Institutsvorstande Herrn Prof. Dr. Karl Zelinka, welcher mir bei meinen Arbeiten in liebenswürdigster Weise stets das grösste Entgegenkommen zeigt, erlaube ich mir, hiefür auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank aus- zusprechen. lm Text berücksichtigte Literatur. 1. Arnstein-Ploschko: Die Nerven der Respirationsorgane. Anat. Anz. Bd. XII, 1897. 2. Bonnet, R.: Studien über die Innervation der Haarbälge der Haus- säugetiere. Morph. Jahrb. Bd. IV, 1878. 3. Botezat, E.: Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säuge- tieren. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 50, 1897. 4. Derselbe: Ueber die Nervenendigung in Tastmenisken. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 70, 1901. 5. Derselbe: Despre structura meniscilor tactilc din pielea mamiferelor. Bul. soc. d. sci. d. Bucuresci, an. X, 1901. 6. Derselbe: Die Nervenendigungen in der Schnauze des Hundes. Morph. Jahrb., Bd. 29, 1902. 7. Derselbe. Ueber das Verhalten der Nerven im Epithel der Säuge- tierzunge. Zeitschr. f. wiss. 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SGntis; d. = Talgdrüsen, ck. — kavernöser Körper, ct. = intracelluläre Terminalknöpfchen (Bäumchen), E. = Eimer ’sches Organ, 9. = Glashaut, nr Sutlaar, ib. = innerer Haarbalg, mt. — Tastmeniscus, n. = Nervenstämmchen, ". = dicke Nervenfaser, welche zur Axialfaser des Eimer- schen Organs wird, na. = Axialfaser des Eimer’schen Organs, nd.:= dendritische Nervenendigungen (Endbäumchen), nh. = Hautnerven. nie. = intraepitheliale Nerven, nl. — longitudinale Nervenfasern im inneren Haarbalg, nm. — Randnerven des Eimer’schen Zylinders, n2. = zierliches Nervengeflecht im Haarbalg und an den Ge- fässen desselben, P. = Haarpapille. sc. = Stratum corneum der Epidermis, sg. — Stratum granulosum der Epidermis, sm. = Stratum Malpighii der Epidermis, tf. = Von den Tastmenisken abgehende Terminalfaser. Tafel XXXL Schräger Schnitt durch die Haut der Maulwurfschnauze. Man sieht aus dem Nervenstämmchen hervorgehende Fasern, die in fast parallelem Verlaufe durch die Epidermis, beziehungsweise einen pufferförmigen Fortsatz derselben ziehend, der Hautoberfläche zu- streben. Vergr. Zeiss D, Oc. 3. Vertikalschnitt durch die Schnauzenhaut des Maulwurfs. Die Figur veranschaulicht eine pufferföürmige Epitheleinsenkung, in welcher das Eimer’sche Organ (Tastzylinder) teilweise erkennbar ist. aa 0% Fig. 4. 15 = os Sr Pi. %7. Fig. 8. Fig. 9. Eugen Botezat: Durch die Achse desselben sieht man die aus dem Nervenstämmchen (n) hervorgehende Axialfaser (na.) ziehen, während der Rand durch zwei Randfasern (n m.) begrenzt erscheint. Ferner sind dendritische Nervenenden (Endbäumchen) (n d.) an der Grenze zwischen Cutis (ec) und dem pufferförmigen Fortsatz angeordnet zu sehen. Auch ein ausserhalb des Tastkegels (links) gelegener Tastmeniscus (m t.) ist erkennbar. Vergr. Winkel, Fluor. Syst. 8.5 mm. Compens. Oc. 3. Der Tastmeniscus von Fig. 2 (mt.) bei stärkerer Vergrösserung. Der Meniscus ist als Telodendrion, welches die elliptische Tastzelle von oben umfasst, erkennbar. Winkel, Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Ok. 6. Ein zwischen den auseinandertretenden Nerven unterhalb des Eimer’schen Organs gelegenes Vater-Pacini’sches Körperchen quer durchschnitten. Vergr. Winkel, Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Compens. Oc. 1. Vertikaler Längsschnitt durch einen pufferförmigen Epithelfortsatz und dem Eimer’schen Tastkegel. Vergr. Winkel, Fluor. Syst. 8.5 mm, Comp. Oc. 3. Eine pufferförmige Epitheleinsenkung und darin der Eimer’sche Tastkegel in etwas schräger Richtung durchschnitten. Das Ver- halten der wohl imprägnierten axial durch den Tastkegel ziehenden Nervenfasern ist aufs deutlichste zu sehen. Vergr. Winkel Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Comp. Oc. 1. Optischer Längsschnitt durch den Eimer’schen Tastkegel. Der Verlauf der Randnerven und Bildung der Terminalknöpfchen, sowie deren Beziehungen zu den Zellen des Tastkegels treten mit grosser Deutlichkeit hervor. Die Zellen des Tastkegels sind als „Riffzellen“ zu erkennen. Auch einzelne dendritische Nervenverzweigungen an der Basalmembran sind zu sehen. Vergr. Winkel, Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Comp. Oc. 1. Querschnittt in etwas schräger Richtung durch den Eimer’schen Tastkegel der Maulwurfschnauze. Der Tastkegel ist deutlich vom umgebenden Epithelgewebe abgehoben. Durch seine Achse zieht eine (oder zwei) Nervenfaser (na.); an seiner Peripherie ist nur links eine Randfaser zu sehen, dagegen sieht man rechts neun Fäserchen von der Peripherie her in das Innere der Zellen eindringen und hier in der Nähe des Kernes mit Terminalknöpfchen endigen. Vergr. Winkel, Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Comp. Oc. 3. Längsschnitt durch eine Tasthaartasche des Maulwurfs. Im inneren Haarbalg (i b.) sieht man eine markhaltige Longitudinalfaser mit Ranvier’schen Einschnürungen. Nach rechts zweigt eine Faser ab, welche ihr Mark verlierend und die Glashaut (g) durchsetzend, sich in das Innere der oberen Wurzelscheidenanschwellung (a w.). begibt und drei nicht in einer Ebene liegende Tastmenisci, deren faserige varicöse Struktur wohl zu erkennen ist, bildet. Vergr. Winkel, Apochrom. Homog. Immers. 2 mm, Compens. Oec. 1. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ig. 19. 10. HH. 12. 13. . 14. 16. ET. GAB. Ueber die epidermoidalen Tastapparate etc. 763 Tafel XXXILH. Teil des Haarbalges eines Tasthaares der Katze in der Flächen- ansicht. Man sieht, dass das zierliche Nervengeflecht desselben mit Vasomotoren der kleinen Gefässe (bl.) im Zusammenhang steht. Vergr. Winkel, Fl. Syst. 8.5 mm, Oc. 3. Haartaschenhals eines Tasthaares der Katze, Das vingförmige Nervengeflecht desselben setzt sich zusammen aus von unten kommenden den longitudinalen Nerven angehörenden Fasern, aus Fasern, die von Hautnerven (n h.) stammen und aus Fasern, die dem zierlichen Geflecht des Haarbalges angehören. Vergr. Zeiss B, Oc. 3. Längsschnitt durch einen Tasthaarfollikel der Katze. Man sieht das abgeflachte Ende einer longitudinalen Faser in einer Furche der Glashaut liegen. Die darüber verlaufenden Fasern des ringförmigen Geflechtes sind quer durchschnitten und erscheinen daher als Punkte, Sie treten nicht durch die Glashaut, endigen daher nach aussen von dieser im inneren Haarbalg (vielleicht mit kleinen Bäumchen ?), Vergr. Winkel, Obj. 3 mm, Oe. 1. Optischer Längsschnitt durch ein gewöhnliches Schnauzhaar der Katze. Man sieht beide Arten der Nervenendigungen Haut- und auch Follikelnerven hervorgehen. Die abgeplatteten Endigungen liegen nicht nur am Haartaschenhals, sondern auch tiefer. Vergr. Winkel, Obj. 3 mm, Oe. 1. Längsschnitt durch den Tasthaarfollikel einer Katze. Ein vom tiefen Nervenplexus gebildetes an der Glashaut endigendes Teloden- drium (Endbäumchen). Vergr. Zeiss B., Oc. 3. Wie Fig. 14, vom Igel. Gegenüber den Endbäumchen an der Glashaut sieht man in der äusseren Wurzelscheide (a w.) Tast- menisken (m t.). Vergr. Winkel, 8.5 mm, Oc.5. Wie Fig. 14, vom weissen Kaninchen. Tastmenisken und Telo- dendrien wie in Fig. 15. Vergr. Winkel 3 mm, Oe. 3. Längsschnitt durch den Follikel eines Tasthaares vom Igel. Von einem Tastmeniscus (mt.) sieht man sehr deutlich eine Terminal- faser tiefer in das Epithel eindringen, mehrere Windungen machen und mit einem Knöpfchen aufhören, sodass an der Existenz solcher Fasern kein Zweifel bestehen kann. Längsschnitt durch ein Schnauzhaar des Maulwurfs. Man sieht eine Nervenfaser in die Papille des Haares eintreten und sich hier gabelig teilen. Vergr. Winkel, 8.5 mm, Oc. 3. Papille eines Tasthaares vom Kaninchen längs durchschnitten. Eine von oben kommende Nervenfaser dringt durch den Mund der Papille in diese ein und bildet in derselben ein sehr dichtes, bis tief in das Haar zu verfolgendes Geflecht oder Büschel. Vergr. Winkel, 8.5, Oc. 1. 764 Eugen Botazet: Ueber die- epidermoidalen Tastapparate ete. Fig. 20. Ein Teil des Nervenendbüschels in der Papille eines Tasthaares vom Kaninchen bei starker Vergrösserung. Man sieht die stark variköse Faser sehr viele unregelmässige Windungen bilden, sich wiederholt teilen, stellenweise förmliche Netze bilden und eigen- tümliche, unregelmässige Knöpfchen, Plättehen und Dendriten bilden, welche die Endigungen darstellen. Vergr. Winkel, Apochrom. Homog. Oel-Immersion 2 mm, Oc. 3. Ich bemerke, dass die Untersuchungen, deren Ergebnisse hier niedergelegt sind, noch vor einem (Eimer’sche Organe) beziehungsweise zwei Jahren (Innervation der Haare) gemacht worden sind, doch konnten die Ergebnisse hauptsächlich wegen anderer Arbeiten bis jetzt nicht veröffentlicht werden. Berichtigung. In Band LX, Seite 516, Zeile 6 und 7 von oben, fallen die Worte „am meisten vertreten“ weg. ee- Durch Versehen der Druckerei wurde von Seite 555 mit Seite 656 fortgefahren, statt mit Seite 556. a Druck von Aug. Weisbrod, Frankfurt a M. Archiv £ mukroskon. Anatomie BA.LM. sntoLE. sptei.E . rs = 2: we Pr u + MM re TE a le ee ° Taf: I. Archiv £mikroskon. Anatomie Bd. EM. | | | Archiv FÜ mikroskon. Anatomie ba. LAT. Taf. u an nn nn ya u ——— nn - or mE ER ER SCREEN u = „nm p2 j TG ü 3 Zu >. Be se . i a ER ! - : E4 ' L2 n . ” an en SZ ME , ES A u, = MP > u 7 > a SER | E _ er » ’“ .. u my 5 TE 4 © Sy De 2 REN P in & _ \? S - * u in h . Br ” in ni Taf IV. 0) . Po s 2 LT so ” ® , r . .. c ) & Ma Archiv £mikroskon. Anatomie BA.LM. 111 110 w - + 24 Bir Re 5 re = «> 2 ee ” ae Ta IE Archiv £ mikroskon. Anatomie Bd.LXl 07 24 / In = nl " “ M f r > Fr A - > f 27 4 E Ei i Mo \ i nf 7 ‘ nm Taf: VI. Archiv f mikroskon. Anatomie Ba. LAT. ’ \ ı j \ r “ w ni i - = . D ö “ ‚ . II - nn \ Fr I - TE; - ” RZEN 7; x ? u Br 2 ß > . I er . x Br - # Archiv £ mikroskon. Anatomie BAM. 155 (nach Boverü) ES Bez ZERE > ae ER EZ NURTEETEHETE * x Ä L [“ Pe“ Fi { x Br l Ä \ e 5 { DL Ä . [> De [ Archiv £mikroskon. Anatomie Bd.LAT. Taf IX: Archiv Ümikroskon. Anatomie BALM. su » “ * Ni (A 17 F ee: N 3 : r 4 R E = > a > z Ss Den = a a 1 eh a DD DE | u", 2 Taf xt. Archiv £ mikroskop. Anatomie BAd.IM. Archiv Emikroskon. Anatomie Bd.LM. 20 RER AuLuerreere ei Letzter Sakralwirbel -1 Kaudalwirbel. Km > 2.Kaudalwirbel 1.ch" Ph | FR; | A.sım —lig.c | 2 eh Anstin. Werner «Winter, Frankfurt "7M. Archiv £Emikroskon. Anatomie Bd.LM. Taf. XII. TR, 9 0 1 Archiv f£mikroskon. Anatomie Ba.LM. H b H b m. en Yıßl ame Tuf XIV 2 .. 4 Be. ze nn 3 * +#R ag Pr ı Zr U E nn re. Re: e ER» : - £ z us as Hr 5 e =” E ni = e = Balp u. Archiv f mikroskon. Anatomie Bd.LX ’i Archiv £ mikroskon. Anatomie Bad.LM. . WR » "en den = ® > 22 Fa ar I ® & 6: ® > Taf: XVI. 1 ac ® & r ®. FR 8, 5 ade, Taf! 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Be >: m: Sa Ti EXK. =) Ebner'sche Drüse E 6 Gl.sublingwalls ıanraiıe r oh. labralıs Gl. submaxillaris ImweöserTeil) (seröser Teil) IS NS 300,, 1 6l. narotis Pankreas f9) 10 Drüsen aus d.Übergang d Fundus- in die Pylorusregion 300/, Pankreas E 300 Pylorusdrüse = ’ \ > Gungsystem von Gl.marotis Pylorusdrüse Pankreas 300/ 94 300, Brunner'sche Drüse 309/, Pylorusdrüsen ER Anıa v Werner Binter, Brarkfare YM Archir in yuracc GqENX hsup rtınf. F mikroskon. Anatomne. Bd.LM. Schlun ders zn hyuc Org. 2 Org.r Sul.nracc Trart Dust. praec Organ Schlatl e--dors.I UM Duct. nracc . thurm. tıyrl thym. "Sulpraec W _.senurı >, luyp.c s.tons tub.tons s.tons (rtsun.) S.tons. (rt inf an -tub. tons rtsun litt -Submax nltr rtınt,- rhsun pl. itt-- rt. nf pltr. rtsun rt.ınf- Taf. XM. Archiv Kmikroskon. Anatomie BA. raw BE. = = u B 2 Tank X. m 710 | plitt. nit. 19 4 stons tab ton.s A. Kaninchen | Korıs tons tahtons | tub.tons | B. Katze | rt sup | | s.lmns.- -stons | tubitons. tubtons €. 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Anatomie. ba.ıN. & Taf XXIX. | 1 a | gestr — HUN | VI | hl. | k.; IL | (d.Im) RR w N f Trm S hili: i Tpr AT hTr —nögla. d.agla Pr = { “ — k . 4 z . n 3 . - . ” E _ E [ . u . - ro . . n + , * D . . . “ * Ri) D n G - = . * * -. 8 „= 3 ‘ D D “ . « 2 r PAR, FE ““ ur % . Au “ * « x * ’ . “ 4 “ fi ” Archiv fmikroskon. Anatomie. Bd.LM. Eschl---- ZN. Taf: XXX. d.oglaf- Eschl, I Cut deshT. Eschl, BB. Jich. Anst v. Werner &Winter Frankfurt M. { f ni \ . 5 \ Den “ ‚ ö Ü B j [F ‚ De “ ‘ i R \ Eu ‚ul ” \ N Y H Pr ” ’ x h am [! 4 ‘ ’ A ” * - 7 | ’ r - Archiv £mikroskon. Anatomie. BAM. = Er Eu Wernens Winter, Frankfurt WM Th. | | | 22 j) u - > a en j MU ö 5 By [2 5 ‚ f E j F “ ” e u . r DR > Irchtv Eimikroskop. Anatomie. bad. ahlı am fl un” nn nn nt me Be RT 2 er BR, x “ s Br ee “= pt DEN