WAR va NEUEN BR URN ulm An! ‚) MN RR “ Hi) an N“ ‘ TR. NUELOK eh Sy AR j coll N ER Y NER KAT SACK In Y) HRNONKI Yasyral ARE hr N IN je N n nn 'S EN ih j Y N 1, Or. ; N rm Bere), Au ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Ahteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererhungslehre herausgegeben von O0. Hertwig und W. Waldeyer in Berlin Fünfundachtzigster Band I. Abteilung Mit 29 Tafeln und 49 Textfiguren ————— BONN Verlag von Friedrich Cohen 1914 Bi lat | a BE Li) i nu 2 alnarlaue ie yREaDrne re a hear laasl” 2 | N IR Be RS | RAN UA N ee ; Kr .G ’k j W; u R BEN f vie \ H SR 1. een bi »arcunmek a r u ER Plz ecke # 5 EN Be, f a har U a EEE : (. Hi P ok % 2 7 - an D . brsk N NT SCI uirftee Bir ent A Kram N art Ware aha E rei 4 re. ar ıı {en .. Inhalt. Abteilung]. Erstes Heft. Ausgegeben am 22. Mai 1914. Die Entwicklung der Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. Von A.Goette. Hierzu Tafel I—X und 6 Textfiguren . Zweites Heft. Ausgegeben am 30. Juni 1914. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Streifen Z und M der quergestreiften Muskel- fasern. Von Dr. W. Pump. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XI und 2 Text- ER EI ne ael. e ln a re TE Re. Das Haar der Katze, seine Gruppenstellung und die Entwicklung der Beihaare. Von Dr. Hermann Hofer. (Aus dem Anatomischen Institut der Königl. Tierärztlichen Hochschule in München.) Hierzu Tafel XII und XIII BER AR n np Vertlen Bed 3 2 TR Was sind die Plastosomen? Antwort auf die Schrift gleichen Titels von G. Retzius. Von Friedrich Mevesin Kiel. Hierzu 17 Texttfiguren . Drittes Heft. Ausgegeben am 10. Juli 1914. Untersuchungen über den Glaskörper der Amphibien und Reptilien. Von Albert Szent-Györgyi in Budapest. (Aus dem I. Anat. Institut der Universität Budapest. Vorstand: Prof. Dr. M, v. Lenhossek.) Hierzu Tafel XIV—XVII und 6 Textfiguren Über die chemischen Bestandteile der Nisslkörner. Von M. Mühlmann, Prosektor am Krankenhause zu Baku-Balachany Viertes Heft. Ausgegeben am 25. September 1914. Über die Sinnesfelder und die Geschmacksknospen der Papilla foliata des Kaninchens. Beiträgd zur Teilkörpertheorie III. Von Martin Heidenhain, Tübingen. (Aus der Anatomischen Anstalt zu Tübingen.) Hierzu Tafel XIX—XXV und 16 Text- ELEND ER ALERT NE Au Ye Pie Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. Von Professor E. Neumann (Königsberg). Hierzu Tafel XXVI und XXVII. Veränderungen in der Entwicklung von Amphibienembryonen, die auf dem Stadium der Medullarplatte mit Radium bestrahlt wurden. Von Werner Stachowitz. (Aus dem Anatomisch-Biologischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXVIII und XXIX Über die beschleunigende Wirkung geringer Strahlendosierungen auf tierische Eier. Von V. Haecker und N. Lebedinsky, Zoologisches Institut der Universität Halle a.S. Hierzu 2 Text- figuren Seite 167 303 36l 365 4850 555 Die Entwicklung der Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. Von A. Goette. Hierzu Tafel I—-X und 6 Textfiguren. Inhalt. Seite I. Das Mesoderm des Kopfes . . . . BUNTEN PT En Hs 2 Das Ektomesoderm von Torpedo onen RE N EN 5 Das Ektomesoderm von Siredon piseiformis. . . . 2. 22.....%10 Das Ektomesoderm von Petromyzon fluviatilis . . . 2. 22..2..716 II. Die einzelnen Nerven des Kopfes . . . . ee Te Tl Die Nerven der drei höheren ee ee N ee Die Spinal-, Lateral- und oceipitalen Visceralnerven. .. ... 27 Bettomyzonstluviauelise.g ae a 9 MOrBeAN OCEAN ee 39 DIESdORIEIISCHOERTLSEN ar N 3, en AT DiesAggenmuskelnervent u wa Bi BEN NO SITE ENSPISCHLOLINI SGN u en EN ya ae 1 han re 8 BELLEOMNZON, MUyTatllisı Suse ne a RT ARENA N El ET ER NEAR ERBEN SO ERUN UNE orpedoroteHatas NE RA III. Das Kopfnervensystem im ganzen . . . . 94 Die Beziehungen des Ektomesoderms zu da Ne, and een ÜnGamennlesHtKoptesuee ir a2 ET a a ae TE 9 Die Histiorenese dern Kopfneryen |. u... u. u. re 100 IV. Über die Ursachen der Nervenbildung .......2...... ım Die Ursachen der Histiogenese der Nerven. ......... 118 Die Bestimmung des Nervenverlaufs . . . 2.2. 2 2222.2.2.192 Als ich vor einiger Zeit Veranlassung fand, den von mir vor beinahe 40 Jahren angegebenen ektodermalen Ursprung der Lateralnerven anurer Amphibien bei Siredon genauer zu prüfen, erkannte ich sehr bald die Notwendigkeit, zunächst das ganze Vagusgebiet in die Untersuchung einzubeziehen. Dies führte mich zu einer immer weiteren Ausdehnung der Aufgabe, die schliesslich das gesamte Kopfnervensystem nicht nur der Amphibien, sondern auch verschiedener Fische — Selachier, Ganoiden, Oyklo- stomen — umfasste. Dabei musste aber noch ein anderer Ent- Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. 1 2 A. Goette: wicklungsvorgang berücksichtigt werden, nämlich die Entstehung des Mesoderms des Kopfes. Denn seit etwa zwei Dezennien be- gannen und mehrten sich die Angaben. dass nicht nur die zerebralen Anlagen der Kopfnerven durch ektodermale Ein- wucherungen ergänzt würden, sondern auf demselben Weg zu- gleich das Mesoderm des Kopfes einen mehr oder weniger wichtigen Zuwachs erhielt. Dies alles wurde aber so verschieden beschrieben, dass eine eingehende Prüfung dieses nicht zerebralen Anteils an der Bildung der Kopfnerven gar nicht zu umgehen war. Deshalb schicke ich der Untersuchung über die Genese der Kopfnerven eine Darstellung meiner Befunde über jenes Mesoderm voraus. I. Das Mesoderm des Kopfes. Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass die ersten morpho- logischen Grundlagen in der ÖOntogenese der Bilateralien aus- schliesslich die drei altbekannten Keimschichten seien: das Ekto- derm, das Entoderm und das Mesoderm. Es kann auch heute nicht daran gezweifelt werden, dass das Ektoderm sowie das Entoderm überall homologe Bildungen bleiben, da sie sich stets durch den nach seinem Kausalzusammenhang identischen Gastrulationsprozess aus dem vorausgehenden einfachen Blastoderm sondern. Anders steht es mit dem Mesoderm, nachdem es sich gezeigt hat, dass es nicht, wie es früher angenommen wurde, nur aus dem Entoderm entspringt, sondern in verschiedenem Maß vom Ektoderm her ergänzt wird. Dadurch hört es aber auf, durchweg eine genetisch einheitliche Keimschicht wie das Ektoderm und Entoderm zu sein. Nachdem ein solcher doppelter Ursprung des Mesoderms schon bei gewissen niederen Tieren bekannt geworden war, worauf hier nicht weiter eingegangen werden soll, wurde dasselbe endlich auch bei den Wirbeltieren gefunden; und zwar sollte das ursprüngliche Mesoderm ihres Kopfes von zwei Seiten her ergänzt werden: 1. aus den Anlagen der Spinalganglien (Kastschenko, Gorono- witsch‘, - Platt,‘ Dohrn, Koltzoff,- Brauer, brachen} 3. von verschiedenen Stellen des Ektoderms her (Platt, Kupffer, Koltzoff). Diese Einschübe sollten sich ferner in Mesenchym verwandeln, das sich dem von den Somiten herrührenden Mesen- chym anschlösse. Um den grundsätzlich verschiedenen Ursprung dieser beiden Teile des Mesoderms, nämlich des entodermalen (Somiten) und des Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. > ektodermalen (Ganglien, Haut), gebührend hervorzuheben, führte Platt (1894) die Namen „Mesentoderm“ und „Mesektoderm“ ein. Diese Bezeichnung scheint mir aber insofern unzutreffend zu sein, als dadurch der Begriff des Mesoderms, wie es allerdings schon Kleinenberg nahelegte, überhaupt beseitigt würde, was aber kaum allgemein gebilligt werden dürfte. Denn unter „Mesoderm“ verstand man von Anfang an vor allem eine Embryonalschicht, die im Gegensatz zu den ursprünglichen Grenzschichten Ektoderm und Entoderm durch ihre Binnenlage zwischen diesen Schichten und ferner dadurch gekennzeichnet ist, dass sie die gemeinsame Grundlage verschiedener (Gewebe und Organe darstellt. Die Binnenlage allein genügt nicht zur Charakterisierung des Meso- derms, sonst müssten auch die aus den beiden anderen Schichten in den Binnenraum einwandernden Organanlagen (Zentralnerven- system, Sinnesorgane, Thymus, Thyreoidea und andere) zum Mesoderm gerechnet werden. Dies geschieht aber deswegen nicht, weil sie je zu einer Organbildung dienen und nicht gleich einer allgemeinen Embryonalschicht zu verschiedenen Einzelleistungen bestimmt sind. Diese beiden Merkmale des Mesoderms bestehen auch gegen- wärtig noch zu Recht, und es lässt sich keineswegs behaupten, dass sein Begriff dennoch hinfällig geworden sei, nachdem sein einheitlicher Ursprung aus dem Entoderm widerlegt ist. Denn dieser Ursprung galt niemals als ein unentbehrliches Merkmal für die Bedeutung des Mesoderms als einer allgemeinen und durch ihre Lage bestimmten Embryonalschicht, sondern nur als eine Tatsache, die nach den vollständigeren neuen Beobachtungen durch eine verbesserte Feststellung ersetzt werden kann, ohne dass dadurch der alte Begriff einfach über den Haufen geworfen würde. Wäre der Begriff einer Keimschicht ausschliesslich von ihrer ein- heitlichen Entstehung abhängig, dann könnte eine übereifrige Kritik in manchen Fällen auch die Existenzberechtigung des Ektoderms und des Entoderms bezweifeln, da diese nur in der Regel je aus einem bestimmten und zusammenhängenden Abschnitt des Blastoderms, gelegentlich aber, z. B. bei der allseitigen Ein- wanderung des Entoderms in das Blastocoel, aus getrennten Teilen der Keimhaut hervorgehen. Ist es daher unter allen Umständen misslich, Namen und Begriff des Mesoderms ganz aufzugeben, so können seine genetisch 1* 4 A. Goette: verschiedenen Teile schon aus sprachlichen Gründen nur als Ekto- mesoderm und Entomesoderm bezeichnet werden. Wenn auch gegenwärtig der zweifache Ursprung des Kopf- mesoderms der Wirbeltiere ziemlich allgemein anerkannt wird, so werden doch die Ursprungsstellen des Ektomesoderms sehr ver- schieden angegeben (Ganglienleiste, Ektoderm). Die entsprechenden Angaben bei Petromyzon zu prüfen, habe ich einem meiner Schüler überlassen: ich beschränke mich daher in der Untersuchung des Ektomesoderms wesentlich auf Torpedo und Siredon und werde von Petromvzon nur mehr das bereits hergestellte Ektomesoderm behandeln. Das Ektomesoderm hat, wie sich zeigen wird, insofern ganz direkte Beziehungen zum Kopfnervensystem, als neben anderen Geweben und Organen nachweislich auch gewisse Ganglien und Nerven aus ihm entstehen. Daneben sollen aber auch die zere- bralen Nervenanlagen einen Zuwachs aus dem Ektoderm erhalten, indem sie mit gewissen Ektodermverdickungen, den sogenannten Plakoden, verschmelzen und sie entweder ganz oder einige Zellmassen aus ihnen in sich aufnehmen. Platt (1394) rechnet nun auch diese Plakoden zu dem allgemeinen Ektomesoderm ; aber auf Grund dessen, was ich über die Definition des Mesoderms gesagt habe, kann ich mich Platt darin nicht anschliessen. Denn dda die Plakoden, sowohl nach der obigen Angabe, wie nach meinen eigenen abweichenden Beobachtungen, selbständige Nervenanlagen sind, so können sie auch, abgesehen von ihrem späteren Schicksal, zunächst nicht einen Teil des allgemeinen, den verschiedensten Gewebsbildungen dienenden Ektomesoderms darstellen, sondern gehören in die spezielle Entwicklungsgeschichte der Kopfnerven. Eine eingehende Übersicht über die älteren Untersuchungen unseres Gegenstandes findet sich schon bei Koltzoff (1902, 5. 459): ich wiederhole nur das Wichtigste. Das ursprüngliche Mesoderm, nämlich das Entomesoderm, wird später durch Einwucherungen, teils von der Ganglienleiste, teils von der Haut her, ergänzt. Kastschenko (1888) gab an, dass die Ganglienleiste am Vorder- kopfe der Selachier sich über das ganze Hirn bis an die Stelle der künftigen Nasengrube erstrecke (vergl. Dohrn, Gast, Brachet), später aber sich auflöse und in Mesenchym übergehe. Platt und Hoffmann lassen in derselben Region bei Selachiern und Amphibien bestimmte Nerven (Trochlearis, Thalamieus) hervor- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. ’ gehen, die sich bald auflösen, also sich wohl auch in Mesenchym verwandeln: endlich wird mehrfach von einer Auswanderung von Zellen aus anderen Nervenanlagen in das Mesenchym berichtet (Platt, Dohrn, Koltzoff). Goronowitsch ging sogar so weit, anzunehmen, dass bei Vögeln und Teleostiern die ganze (ranglienleiste sich in Mesenchym verwandle und die Kopfnerven nur mesodermalen Ursprungs seien. Der Ursprung und die Entwicklung des eigentlichen Ekto- mesoderms ist seltener verfolgt worden. Kupffer und Koltzoff beschreiben an Petromyzonembryonen eine subepidermoidale Zell- schicht, die in allen Visceralbogen als Produkt des ventralen Fktoderms entstehe (Branchiodermis — Kupffer). Platt (1894) bezeichnete dagegen ganz bestimmte dorsolaterale und epibranchiale Wucherungen des Ektoderms in den Embryonen von Necturus als die Hauptquelle des Ektomesoderms. Das Ektomesoderm von Torpedo ocellata. Die Anlagen des Ektomesoderms zeigen sich in ganz Jungen Embryonen als zackige Vorsprünge an der Innenfläche eines ver- diekten breiten Ektodermstreifens, der in der mittleren Höhe des Kopfes sich durch seine ganze Länge erstreckt (Fig. 39, 62, 69 und 74). Diese Verdickung entsteht dadurch, dass die durch Teilung vermehrten Zellen sich in zwei Lagen ordnen oder sich zwischeneinander einkeilen, wobei die tiefer liegenden Zellen meist einzeln, zuweilen aber auch in kleinen Gruppen, nach innen vor- springen, um schliesslich ganz aus dem Verbande des Epithels auszutreten (Fig. 40). Solange die Zellen einzeln einwandern, findet man naturgemäss keine so prägnanten Bilder dieses Vor- ganges, wie sich solche etwas später während der massenhaften Einwanderung zeigen. Anfangs scheinen die Anlagen des Ektomesoderms gar nicht lokalisiert zu sein; etwas später erkennt man aber doch gewisse Hauptherde der Zelleneinwanderung, besonders im Vorderkopf: unmittelbar vor dem 1. Ganglion (Ggl. Ophthalmieum, Fig. 50 bis 52), dicht unter dem 2. Ganglion (Ggl. mandibulare, Fig. 53—55), dann hinter dem Spritzloch (Fig. 62, 64, 67 und 65). Hinter der Anlage des Labyrinthbläschens habe ich weder massige noch streng lokalisierte Anlagen des Ektomesoderms gesehen; sie schienen vielmehr sich kontinuierlich von der Höhe der Chorda 6 A. Goette: bis an die untere Grenze des Darms, und von der Labyrinth- bläschen-Anlage bis an den Rumpf zu erstrecken (Fig. 69—71, 73—8S1, 83—8S6 und SS—91), so dass sie erst durch die Bildung der Kiementaschen in entsprechende quere Abschnitte zerlegt werden. In den jüngeren Embryonen ist das Ektomesoderm von der (ranglienleiste und den dorsalen Nervenanlagen völlig getrennt (Fig. 50— 52); es ist daher leicht festzustellen, dass das Mesen- chym, das die Anlage der Augenblase oben und vorn umkreist und später das ganze Vorder- und Mittelhirn überzieht, wirklich ein ektomesodermales ist (Fig. 94), was für die Deutung der Nerven dieser Region, wie sich zeigen wird, recht wichtig ist. Hinter dem Ganglion ophthalmieum und über dem Auge wird jenes Mesenchym an einer weiteren Ausdehnung dadurch ge- hindert, dass das von den Kopfhöhlen durchsetzte Entomesoderm sich dort an das Ektoderm anlegt (Fig. 53, 54 und 94), das freilich durch die Präparation oft abgehoben wird. Hinter den Kopfhöhlen verbindet sich eben dasselbe Mesenchym mit der zweiten Ektomesodermmasse, um sich in den Kieferbogen einzu- senken und dort die entomesodermale Einlage zu umwachsen (Fie. 55, 94 und 95). Hinter dem Spritzloch und unter dem Facialis erfolgt die Einwanderung von Fktomesoderm anfangs nur durch einzelne Zellen (Fig. 62): trotzdem entsteht dort ein ansehnliches ekto- mesodermales Polster, das sich unter der Epidermis in den Hyoid- bogen erstreckt und dort ebenso wie im Kieferbogen das wulstige Entomesoderm umwächst (Fig. 94 und 95). In Querdurchschnitten ist dieser hyoidale Ektomesodermstreifen nicht leicht gegen die darüber und davor hinabwachsende Facialis-Anlage abzugrenzen; in Sagittaldurchschnitten erkennt man aber deutlich, dass diese Anlage während der Entstehung jenes tiefer liegenden Ekto- mesoderms nur bis nahe an das Oberende des Spritzlochs reicht. und dass, wenn sich auch beide berühren, sie doch keineswegs ohne (Grenze miteinander verschmelzen. Im Bereich der hinter der Labyrinthanlage befindlichen Kiemenregion ist die kontinuierliche Ektomesodermbildung eben- falls zunächst auf die Einwanderung einzelner Zellen beschränkt (Fig. 69 und 74). Die dadurch entstehende subepidermoidale Schicht ist, soweit sie sich in die Kiemenbögen erstreckt, schon Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. durch ihre kleinen und dunkleren Zellen von dem mehr dotter- haltigen Entomesoderm (Seitenplatten) unterschieden ; epibranchial wächst sie etwas über die Somiten aufwärts, erreicht aber zu- nächst noch nicht die Anlage des Glossopharyngeus, Vagus und der dahinter befindlichen Ganglienleiste, so dass auch dort alle genannten Teile in jüngeren Embryonen deutlich getrennt bleiben (Fig. 75—77). Später treffen diese Nervenanlagen allerdings mit dem Ektomesoderm zusammen und greifen darauf ohne kenntliche Grenzen ineinander (Fig. 78, 80, 53 und 84): dies darf aber keineswegs so aufgefasst werden, als wenn dadurch die ursprüng- lichen morphologischen Anlager ihre selbständige Bedeutung ein- büssten. Die vorhin verzeichneten Angaben früherer Beobachter, dass ein Teil des Kopfmesoderms aus der Ganglienleiste oder den Nervenanlagen hervorgehe (siehe oben), sind zum Teil auf irrige Beobachtungen zurückzuführen. So kann ich die von Kast- schenko, Platt, Hoffmann, Dohrn, Gast aufgestellte Behauptung, dass das die Seiten des Vorderhirns überziehende Mesenchym von der Ganglienleiste oder gar von einem wirklichen Nerven, nämlich dem über dem Auge nach vorn ziehenden Thalamieus abstamme. keineswegs bestätigen. Dieses angebliche Stück der Ganglienleiste und der Thalamieus sind nach meimen Befunden der von der Ganglienleiste anfangs weit abstehende vorderste Abschnitt des Ektomesoderms (siehe oben und Fig. 94). Das wirkliche Vorderende der Granglienleiste befindet sich am Mittelhirn und der daraus hervorgehende „primäre Trochlearis“ löst sich allerdings sehr bald in Mesenchym auf (Fig. 95 —97), so wie es gewissen anderen Teilen der (ranglienleiste, namentlich den primären Wurzeln der Zerebralnerven und noch anderen Anlagen in gleicher Weise ergeht (siehe unten). In diesen Fällen besteht also eine Ergänzung des ursprünglichen entomesodermalen Mesenchyms durch Teile der Nervenanlagen und ähnlicher 3ildungen zu Recht; es fragt sich nur, in welchem Sinne sie zu deuten ist. Die Hypothese, dass das Mesenchym durch die Aufnahme der genannten aufgelösten Nerventeile nervöse Elemente zur Herstellung neuer Nerven gewinne (Brachet 1908), ist unhalt- bar. Denn erstens ist in den dorsalen Regionen, wo die genannte Metamorphose der zerebralen Nervenanlagen stattfindet, die Neu- S A. Goette: bildung oder Fortbildung von Nerven recht unbedeutend gegen- über den tieferen und ventralen Regionen, wo die gleichen Neu- bildungen in weit grösserem Umfang, aber ohne jeden Import von nervösen Elementen in das Mesenchym vor sich geht. Zweitens muss eine spezifische Vorbestimmung der Zellen in den Nerven- anlagen schon deswegen ausgeschlossen werden, weil, wie sich zeigen wird, zahlreiche Ganglien und Nerven nachweislich aus nicht nervösen Anlagen, z. B. dem Ektoderm und dem Ekto- mesoderm hervorgehen, so die Lateralnerven, die hinteren Visceral- nerven (siehe unten). Daraus folgt, dass der Import von Zellen aus den Nervenanlagen in das Mesenchym für seine späteren geweblichen Leistungen ganz gleichgültig ist und lediglich seine Masse indifferenter Zellen vermehrt. Diese geringe Massenzunahme des Mesenchyms kann aber um so weniger eine Rolle spielen, als der Zuwachs des ursprünglichen entomesodermalen Mesenchyms durch das indifferente Ektomesoderm so umfassend ist, dass er jeden Bedarf decken könnte. Kurz — die Bedeutung der be- sprochenen Metamorphose embryonaler Nerven besteht aus- schliesslich in dem Hinweis auf frühere phyletische Zustände, als die jetzt zurückgebildeten Teile der Nervenanlage dauernde Bildungen waren. Dies eilt nun auch für alle übrigen wirklichen oder angeb- lichen Beziehungen gleicher Art zwischen den Nervenanlagen und dem Mesenchym, mag es das ursprüngliche entomesodermale oder das ektomesodermale oder eine Mischung beider sein. So- bald die jüngsten Nervenanlagen während ihrer weiteren Ent- wicklung das Mesenchym berühren oder in dasselbe hineinwachsen, lässt es sich weder bestimmt bestreiten, noch beweisen, dass einzelne Zellen aus dem einen Teil in den anderen übertreten; da dies aber, wie ich eben zeigte, für die späteren Schicksale der Teile belanglos ist, so kann es auch auf sich beruhen bleiben, ob jener Zellenaustausch im einzelnen Falle wirklich vorliegt oder nicht. Ganz anders liegt die Sache, wenn man nach dem Vorgang von Goronowitsch annehmen wollte, dass die der Ganglien- leiste entstammenden Nervenanlagen völlig aufgelöst und durch mesodermale Neubildungen ersetzt würden. Denn dabei handelt es sich nicht mehr um eine besonders ansehnliche Vermehrung des Mesoderms durch zerebrale Teile, sondern darum, dass erblich Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 9 fixierte Nervenanlagen, nämlich die zerebralen Ganglien, ganz verschwinden und ähnliche Bildungen ganz anderen Ursprungs an ihre Stelle treten, mit denen sie keinen nachweisbaren Zu- sammenhang besitzen. Der angeblich vollständige Schwund der Ganglienleiste hätte natürlich zunächst dieselbe genetische Bedeutung wie der Schwund des primären Trochlearis. Ihr Ersatz durch die vermeintlichen mesodermalen Neubildungen führt uns aber zu einer weiteren nicht unwichtigen Überlegung. Wenn nach der vorausgeschickten Erörterung die spätere gewebliche Ausbildung der einzelnen Embrvonalzelle nicht ausschliesslich davon abhängt, aus welcher embryonalen Anlage sie herstammt, so darf daraus nicht etwa sefolgert werden, dass es ebenso gleichgültig ist, woher eine bestimmte morphologische Anlage im ganzen stammt. Denn von diesem ihrem Ursprung hängt ihre genetische Homologie ab, im vorliegenden Falle also, ob die mesodermale Ganglienanlage der vergänglichen zentrogenen (sanglienanlage gleichwertig ist, an deren Stelle sie tritt. Die Antwort ergibt sich ohne weiteres, wenn man die l'rage so ausdrückt, ob die mesodermale Ganglien- anlage im Sinne der phyletischen Wiederholung oder der Ver- erbung mit der zentrogenen Anlage identisch ist — vorausgesetzt. dass es sich nicht um die Regeneration eines zufälligen Verlustes handelt. Da nun eine solche Identität offenbar nicht besteht, so können die nach Goronowitsch im Mesoderm entstehenden (Granglien der Vögel und Teleostier mit den zweifellos zentrogenen Ganglien der übrigen Wirbeltiere genetisch überhaupt nicht ver- glichen werden, obgleich die beiderlei Organe nach Bau und Lage vollkommen übereinstimmen. Durch diese Schlussfolgerung wird die Angabe von Goronowitsch ganz unwahrscheinlich, auch ohne dass sie durch eine unmittelbare Nachuntersuchung wider- legt würde. Daraus ergibt sich der wesentliche Unterschied, der in den eben besprochenen Angaben von Goronowitsch und denen anderer Forscher besteht, wonach in die fortdauernden zentro- genen Ganglien mesenchymale Zellen des Ento- oder Ektomeso- derms eintreten. Solange diese Ganglien in ihrer morphologischen Einheit und sozusagen Individualität fortdauern, wird durch die Aufnahme einzelner Zellen aus ihrer Umgebung an ihrer genetischen Bedeutung nichts geändert, so dass nicht einmal die 10 AnGoethe: Wahrscheinlichkeit jenes Imports diskutiert zu werden braucht. Verschwinden sie aber als morphologisch -individuelle Gebilde vollständig, so kann keine heterogene Neubildung die Identität mit ihnen beanspruchen. Daher ist die Feststellung des Ursprungs morphologischer Anlagen oder der Ontogenese von ihrem wirklichen Anfang an von ungleich grösserer Bedeutung als jene belanglosen Beobachtungen von einer mehr oder weniger zufälligen Zellen- verschiebung aus einer Anlage in die andere. Über die spätere gewebliche Ausbildung des Ektomesoderms der Selachier (Torpedo, Mustelus) sei hier vor allem hervorgehoben, dass in seinem hinter dem Vagus liegenden Abschnitt mehrere Visceralganglien entstehen. Dass auch das gesamte Visceralskelett aus dem Ektomesoderm hervorgeht, habe ich nicht mit derselben Evidenz feststellen können. halte es aber auf Grund der ent- sprechenden Befunde bei Amphibien und Neunaugen für gesichert. Im übrigen verwandelt es sich in Mesenchym. Das Ektomesoderm von Siredon pisciformis. Den Begriff des Ektomesoderms hat Platt (1894) bekanntlich gerade der Untersuchung über die Entwicklung eines Urodels, des Necturus maculosus, entnommen, dessen relativ nahe Ver- wandtschaft mit dem von mir untersuchten Siredon pisciformis (Amblystoma mexicanum) es gestattet, eine sehr weitgehende Übereinstimmung der Embryonalentwieklung beider Tiere anzu- nehmen. Nach Platt soll sich das Ektoderm der Necturusembryonen an jeder Seite des Kopfes in einem breiten Streifen verdicken, „von dem sich besondere Erhebungen oder Leisten über der dorsalen Grenze des Mesentoderms und über den Kiemenspalten- anlagen entwickeln“. Dies sind offenbar Homologa der von Kupfter beschriebenen seitlichen und epibranchialen Plakoden der Neunaugenembryonen:; doch sollen die Plakoden von Necturus nicht nur die zerebralen Nervenanlagen verstärken, sondern eben auch das mesenchymatöse Ektomesoderm schaften, zu dem auch die Nervenanlagen beitragen. Welche Bedeutung die Kontinuität jener Leisten hat, in die auch die Anlagen des Labyrinthbläschens, der Linse und der Geruchsgrube fallen, wird nicht gesagt. Im übrigen beschränkt sich die Darstellung Platts über die Ent- wicklung des Ektomesoderms auf die kurze Angabe seines Ursprungs Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 11 und wirkt dadurch unklar, dass sie nicht durch Abbildungen von Durchschnitten im einzelnen erläutert, sondern eigentlich nur durch schematische. aber äusserst komplizierte Einzeichnungen in die Seitenansichten junger Embryonen angedeutet wird. Corning (1899) bestritt für die Anuren die Beteiligung der Ganglienleiste und des Ektoderms an mesodermalen Bildungen: die erstere liefere nur Nerven, und das Mesenchym der Visceral- bogen stamme von der Seitenplatte her. — Dagegen beschrieb Brauer (1904) die Bildung eines „sekundären Mesoderms“ im Vorderkopf von Hypogeophis folgendermassen. Im Gebiet des Ophthalmieus soll sich die Ganglienleiste, nachdem sie sich vom Hirn abgelöst hat, mit dem vorhandenen Mesenchym vermischen und im Gebiet des Mandibularis wenigstens teilweise in den Kieferbogen hinabwachsen und dort das ursprüngliche Mesoderm (Seitenplatte) umwachsen. — Ganz Ähnliches berichtet Brachet (1908) vom Frosch. Die Ganglienleiste des ganzen Kopfes wächst, soweit sie nicht zur (Granglienbildung dient, in die sämtlichen Visceralbogen ein und vermischt sich dort vollständig mit der Seitenplatte. Da jedoch die Zellen der Ganglienleiste ihren nervösen Charakter nicht verlieren können, so beteiligen sie sich auch in den Visceralbogen nur an Nervenbildungen. Es bestehen also gegenwärtig folgende verschiedene An- schauungen über die Entstehung des Kopfmesoderms der Amphibien: 1. Es setzt sich aus dem Entomesoderm, einem echten Ekto- mesoderm und einem Anteil der Ganglienleiste zusammen (Platt). 2. Ein Ektomesoderm existiert überhaupt nieht und das Ento- mesoderm wird bloss durch einen Teil der Ganglienleiste ergänzt (Brauer, Brachet). 3. Dieser Teil der Ganglienleiste liefert nur allgemeines mesodermales Gewebe (sekundäres Mesoderm — Brauer) oder nur Nervengewebe (Brachet), wodurch jede Art von sekundärem Mesoderm ausgeschlossen erscheint. 4. Corning leugnet jedwede Ergänzung des ursprünglichen Mesoderms. Meine Beobachtungen an Siredon bestätigen nur einen Teil der Plattschen Angaben, widersprechen aber grundsätzlich denen von Gorning, Brauer und Brachet. Die Entwicklung eines Ektomesoderms ist bei Siredon ganz evident und ebenso sicher die Nichtbeteiligung der Ganglienleiste an den mesenchymatösen Teilen der Visceralbogen. Allerdings verschwindet das vorderste Ende der Ganglienleiste auch bei Siredon, aber nur gelegentlich 2 AnGoette: durch Auflösen und Anschluss an das anstossende Mesenchym (siehe unten); dann ist dieser rudimentäre Teil der Ganglienleiste als Homologon des primären T'rochlearis der Selachier ebenso zu beurteilen wie der letztere (siehe oben). Die ganz gewöhnliche Auflösung eines Rudiments lässt sich eben überhaupt nicht als eine erwähnenswerte Ergänzung des umgebenden Gewebes be- zeichnen, und in dem vorliegenden Fall um so weniger, als das- selbe Rudiment, wie sich zeigen wird, oft in einer ganz anderen Weise verschwindet. Ebenso unwesentlich wäre die Möglichkeit, dass, sobald die bereits gesonderten Ganglienanlagen das Ektomesoderm berühren, einzelne Zellen aus ihnen in das letztere einwanderten. Es ist mir erstens unerfindlich, wie man dies einwandfrei feststellen könnte, und andererseits bliebe auch eine tatsächliche Einwanderung dieser Art, wie es schon für die Selachier erörtert wurde, ein durchaus irrelevanter Vorgang. Das Ektomesoderm von Siredon entsteht folgendermassen. An den Serien der Quer- und Frontaldurchschnitte der jüngsten von mir untersuchten Embryonen finde ich jederseits vier ge- trennte, nach innen eingewucherte Ektodermmassen, die anfangs sämtlich mit dem Aussenektoderm breit zusammenhängen. Nach ihrer Lage könnten sie als epibranchiale Anlagen des Ektomeso- derms bezeichnet werden (Platt), bis auf die erste im Vorder- kopf befindliche, für die jene Bezeichnung natürlich nicht zutrifft. Um sie bequemer voneinander zu unterscheiden. nenne ich sie kurz die Ektomesomeren. Das 1. Ektomesomer entspringt in Embryonen von 2—3 mm Länge vor und über dem Auge und tief unter der bis ans Vorderende kontinuierlichen Ganglienleiste (Fig. 100 und 101). Es ist also ganz ausgeschlossen, dass dieses Ektomesomer aus der Ganglienleiste hervorgeht. Seine Anlage besteht in einer platten- förmigen, aber nicht ganz regelmässigen Verdickung des Ektoderms, die bis zu einer gewissen Höhe der Seite des Vorderkopfes entlang zieht und stellenweise sich schon von den äusseren Ektoderm- schichten abzuspalten begonnen hat (Fig. 144). Nach dieser Ausdehnung zu schliessen, entspricht dieses 1. Ektomesomer von Siredon den beiden ersten Ursprungsstellen des Ektomesoderms bei Torpedo. Doch habe ich kein Anzeichen gefunden, dass jenes Ektomesomer aus zwei ursprünglich ge- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. [3 trennten Abschnitten zusammenfloss, so dass es unentschieden bleibt. ob der Befund bei Torpedo oder derjenige. bei Siredon das ältere Verhalten darstellt. — Bezeichnend für Siredon ist die kompakte Anlage aller seiner Ektomesomeren. Auf der nächsten Entwicklungsstufe ist die Abspaltung des I}. Ektomesomers beinahe beendet (Fig. 103—106). Vor dem Auge ist es aufgelockert und reicht bis an die rudimentäre (ranglienleiste, so dass man ohne die Kenntnis der vorausgegangenen Entwicklung an die Entstehung dieser ganzen Masse aus der (anglienleiste denken könnte. (rleich dahinter fehlt aber die (anglienleiste, und wo sie in der Trigeminusgegend wieder hervor- tritt, bleibt sie vom Ektomesomer weit getrennt, während dieses als dicke Platte teils die Seite des Vorderhirns und teils das Ento- mesoderm des Vorderkopfes überdeckt. — Etwas später (3. Ent- wicklungsstufe) ist die rudimentäre Ganglienleiste vor dem Auge verschwunden und das mesenchymatöse Ektomesoderm bereits schwer von dem dort ebenfalls aufgelockerten Entomesoderm zu trennen. Der hintere und untere solide Teil des Entomesoderms wird alsdann hinter der Augenblase, wie schon Platt richtig bemerkte, vom 1. Ektomesomer völlig umwachsen, wobei beide Teile auf das deutlichste getrennt bleiben und sich nicht im geringsten mit- einander vermischen (Fig. 112, 120, 121, 123 und 124). Der auf diese Weise aus zwei verschiedenen mesodermalen Anlagen her- gestellte, hinter dem Auge verlaufende Kieferbogen breitet sich abwärts und rückwärts bis unter die 1. Kiementasche aus. Ich kann ferner die Angabe Platts bestätigen, dass der innere entomesodermale Wulst des Kieferbogens die Kiefer- muskulatur liefert, und dass das knorpelige Kieferskelett aus dem umgebenden Ektomesoderm hervorgeht. Die entomesodermale Einlage des Kieferbogens erstreckt sich oben hinter dem Auge aufwärts bis an dessen Scheitel, so dass der grösste Teil der Augenmuskeln aus diesem (rewebe hervorzugehen scheint (Fig. 155). Aber die am vorderen Umfang des Auges auftretenden Muskeln (Mm. obliqui) dürften von dem dort befindlichen Ektomesoderm abstammen, das also, indem es das Kieferskelett, die schiefen Augenmuskeln und reichliches, zu den verschiedensten Differen- zierungen befähigtes Mesenchym herstellt, eine ebenso vielseitige Embryonalanlage ist, wie das ursprüngliche Entomesoderm. 14 A. Goette: 2. Ektomesomer. Es zeigt sich erst auf der 2. Ent- wieklungsstufe als ein Ektodermwulst über und hinter der 1. Kiemen- tasche, der vorn zwischen dem Entomesoderm und der Ganglien- leiste bis an Hirn reicht, dahinter aber unter der Leiste bis unter das Labyrinthbläschen vordringt (Fig. 106, 115 und 119). Nur diese hintere Hälfte des 2. Ektomesomers ist alsdann von der Haut getrennt und wahrscheinlich ein Auswuchs seiner über der Kiemen- tasche befindlichen, mit der Haut breit zusammenhängenden Wurzel. Auf der folgenden Stufe (Fig. 121, 122 und 124) ist diese Wurzel noch vorhanden, von der aus aber ausser der dorsalen Fortsetzung noch ein mächtiger Wulst in den Hyoidbogen hinabzieht. Ich wiederhole, dass das untere Ende der Ganglienleiste und das obere Ende des 2. Ektomesomers sich allerdings berühren können, aber dass ein Eindringen einzelner Zellen der Leiste in das Ektomesoderm weder nachweisbar ist, noch von Belang wäre. Die weiteren Schicksale des 2. Ektomesomers stimmen mit denen des 1. Ektomesomers wesentlich überein; der dorsale Ab- schnitt wird mesenchymatös, der ventrale umwächst die muskel- bildende Seitenplatte des Hyoidbogens und erzeugt dessen Skelett (Fig. 126, 127, 144 und 145). Das 5. Ektomesomer entspringt unmittelbar hinter und über der 2. Kiementasche und dringt dann in den 1. Kiemen- bogen (3. Visceralbogen) ein (Fig. 125— 1530, 144 und 145). Seine histiologische Differenzierung ist dieselbe wie im Hyoidbogen: ebenso überdeckt es aufwärts wachsend das ihm entgegenziehende Gel. glossopharyngeum. 4. Ektomesomer. Dieses in der Vagusregion befindliche Fktomesomer ist der umfassendste und vielseitigste Abschnitt des Ektomesoderms, über den aber so gut wie keine brauchbaren Angaben vorliegen. Platt berichtet über diesen Teil bei Neeturus nur, dass er so früh und so rasch in die Ganglienanlage des Vagus einwandere, dass die Grenzen dieser letzteren und der einzelnen Ektodermverdickungen gleich anfangs verwischt und unkenntlich würden. Dies berubt aber auf einer Verwechslung. Denn die mit. dem Ektoderm zusammenhängende Zellenmasse, die Platt als jene Verschmelzung von Vagus und Ektomesoderm bezeichnet (1894, Fig. 27), ist nach meinen Beobachtungen an Siredon die in Ablösung begriffene Anlage des hinteren Lateral- ganglions und des rückwärts und etwas tiefer »ihm eng ange- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 15 schlossenen 4. Ektomesomers (Fig. 134); und diese Masse ver- schmilzt niemals als Ganzes mit dem Vagusganglion im Sinne einer Vergrösserung seiner Anlage. Vielmehr gehen daraus recht verschiedene Gewebe und Organe hervor, die mit dem Vagus teils gar nichts zu tun haben (Bindegewebe, Visceralskelett, ge- wisse Muskeln, siehe unten), teils (Lateral-, Visceralganglien) mit ihm nur beschränkte Verbindungen eingehen, im übrigen aber wenigstens während der Entwicklungszeit selbständig bleiben. Allerdings ist es nicht immer leicht, das Vagusganglion und die genannten ektodermalen Anlagen des Lateralis und des 4. Ektomesomers schon in den jüngsten Embryonen sicher gegen- einander abzugrenzen, weil sie oft dicht aneinander gepresst sind. Diese gelegentliche Schwierigkeit hat aber insofern weniger zu bedeuten, als bei der fortschreitenden Differenzierung der Anlagen die einzelnen Teile deutlich getrennt hervortreten und lange Zeit getrennt bleiben. Namentlich ist die Unabhängigkeit des Vagus- ganglions von den ektodermalen Erzeugnissen ganz evident. Aber auch das 4. Ektomesomer und die darüber liegende Anlage des Lateralis lassen sich, wenn auch nicht immer leicht, schon in den jüngsten Embryonen als getrennte Ektodermprodukte voneinander unterscheiden (Fig. 137 und 138). Und dies ist des- halb wichtig, weil das Ektomesomer sich bald in Mesenchym ver- wandelt, das aufwärts das Lateralisganglion umwächst, und dann der Eindruck entsteht, dass sich dieses Ganglion innerhalb des- selben Mesenchyms, also als Erzeugnis des Ektomesoderms ent- wickelt (Fig. 139—141), gerade so wie dort auch noch andere selbständige Ganglien entstehen (Visceralganglien). Im übrigen wird der selbständige Ursprung des Lateralis bei Siredon dadurch bestätigt, dass die homologen Nervenanlagen von Petromyzon und Torpedo, sowie andere Lateralnerven von Siredon selbst durchaus selbständig und direkt aus dem Ektoderm hervorgehen. Das 4. Ektomesomer von Siredon zeigt sich anfangs, wenn erst die drei vordersten Kiementaschen die Haut erreicht haben, als ein teilweise noch mit dem Ektoderm zusammenhängendes Zellenpolster, das hinter der 3. Kiementasche sich über die noch ungeteilte Seitenplatte des Kiemendarmes einheitlich abwärts er- streckt (Fig. 144). Weiterhin breitet es sich rückwärts so weit aus, dass es durch die Entwicklung der 4. und 5. Kiementasche auf den 4. und 5. Visceralbogen und die Hinterwand der 5. Kiemen- 16 A. Goette: tasche verteilt wird (Fig. 145 und 155). In diesem letzteren Streifen der Kiemenwand erscheint aber noch eine, allerdings rudimentäre und kurzdauernde 6. Kiementasche: und im Hinblick auf die Selachier und Uyklostomen darf angenommen werden, dass diese Erscheinung nur den letzten Abschluss einer noch ausge- dehnteren Rückbildung hinterer Kiementaschen bildet. Daraus folgt aber, dass das 4. Ektomesomer den vorderen Ektomesomeren durchaus nicht vollkommen homolog ist, die nur für je einen Visceralbogen bestimmt sind, sondern eine Summe von mehreren derartigen Bildungen darstellt. Die weitere Differenzierung des 4. Ektomesomers ist sehr mannigfaltig. Ausser dem Skelett aller in seinen Bereich fallenden Visceralbogen erzeugt es in seiner dorsalen Hälfte die selbständigen Anlagen der hinteren Visceralnerven und in seiner oberflächlichen Schicht dorsale Muskelzüge, die für die. epibranchialen Kiemen von Siredon bestimmt sind. Endlich ist auch das Mesenchym, in das alle diese Teile eingebettet sind, ein Produkt desselben Ekto- mesomers. Das Ektomesoderm von Petromyzon fluviatilis. Wie ich schon bemerkte, hat einer meiner Schüler, Herr Schalk, das Ektomesoderm von Petromyzon untersucht und gefunden, dass es nicht sowohl an ventralen Stellen (Kupffer, Koltzoff), sondern in der epibranchialen Region. sich vom Ektoderm ablöst und in ebenso viele Portionen sondert, als Visceralbogen vorhanden sind. Die Branchiodermis (Kupffer) ist nur die ventrale Ausbreitung des Ektomesoderms in den Visceralbogen. Nun scheint mir die Beschränkung des Ekto- mesoderms auf die epibranchiale Region weniger wesentlich zu sein als ihre metamere Gliederung und die weitere Beobachtung Schalks, dass mit dem Ektomesoderm auch die ersten Anlagen des Visceralskelettes der Neunaugen unmittelbar dem Ektoderm entstammen. Ich füge nach eigenen Beobachtungen an Petromyzon fluviatilis folgendes hinzu. An 1,5 mm langen Embryonen zeigt sich die Einwanderung des Ektomesoderms im Bereich des Trigeminus beinahe in der ganzen Höhe des (@uerdurchschnittes, wodurch Mesenchym und die Branchiodermis entstehen (Fig. 16 und 17). Die nicht ganz regelmässige Ektodermverdickung, aus der das —I Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. j Ektomesoderm auswandert, läuft dorsal und rückwärts in einen starken Wulst aus (Fig. 17), der etwas später, in Embryonen von 2 mm Länge, sich soweit vom Ektoderm abspaltet, dass er mit ihm nur noch an der Ursprungsstelle der Augenlinse im Zusammen- hang bleibt (Fig. 18—20). Zweifellos ist dies eine Plakode im Sinne Kupffers; doch scheint sie stellenweise mit der Branchio- dermis zusammenzuhängen. Das epibranchiale Ektomesoderm der folgenden Visceralbogen setzt sich ebenfalls in die Branchiodermis fort, erhebt sich aber hinter dem Vagus nicht über die Aussen- seite der Somiten, sondern dringt von Anfang an unter die letzteren vor (siehe S. 36). Die obigen Befunde über das Ektomesoderm von Petromyzon, von Torpedo und Siredon zeigen eine wesentliche Übereinstimmung dieser Bildung in jenen drei weit auseinander stehenden Vertretern der Fische und Amphibien. Allerdings oftenbart Petromyzon eine weit vollkommenere, durch die Kiementaschen und -spalten be- stimmte Gliederung des Ektomesoderms als Torpedo und namentlich Siredon, wo die ektodermale Einwucherung in der hinteren Kiemen- region zweifellos einheitlich erfolgt und erst nachträglich durch die nachfolgende Entwicklung der Kiementaschen geteilt wird. Dies kann aber nur einer sekundären zeitlichen Verschiebung der verschiedenen Entwicklungsvorgänge zugeschrieben werden. Denn ganz offenbar sind die allen Chordaten gemeinsamen Kiemenspalten die ältesten Bildungen in der fraglichen Kopfregion der Wirbel- tiere, so dass die einzelnen Teile der metameren Visceralbogen, Skelett und Nerven, oder vielmehr das sie erzeugende Mesenchym, ursprünglich ebenfalls metamer angelegt sein müssten, wie es in den niedersten uns bekannten Wirbeltieren, den Uyclostomen, noch durchweg, in anderen Klassen (Torpedo, Siredon) wenigstens in den vorderen Visceralbogen sich erhalten hat. II. Die einzelnen Nerven des Kopfes. Von der Gesamtheit der Kopfnerven, die hier zur Sprache kommen sollen, schliesse ich aus äusseren Gründen den Sympathicus aus, was schon deshalb unbedenklich geschehen kann, weil er Archiv f.mikr. Anat. Bd.85. Abt. I. 2 [4 15 A. Goette: relativ spät im Kopf erscheint, wann die übrigen Kopfnerven wenigstens ihre morphologische Entwicklung beendet haben.!) Bezüglich der aus der Ganglienleiste hervorgehenden Kopf- nerven gilt gegenwärtig die Ansicht, die sich aus den Unter- suchungen von van Wijhe, Beard, Kupffer, Platt, Froriep, Dohrn, Hoffmann, Koltzoff u.a. bildete, dass nämlich jene Nerven im allgemeinen einen doppelten Ursprung hätten, indem die aus der Ganglienleiste entspringenden zentrogenen Anlagen durch peripherische. dem Ektoderm entstammende Teile ergänzt würden. Im einzelnen stimmen freilich die genannten Forscher nicht überein; aber wie die vergleichende Zusammenfassung ihrer Ergebnisse durch Neumavyer (1906) zeigt, lässt sich daraus im allgemeinen die folgende Auffassung als die massgebende ent- nehmen. ?) Die zentrogenen Nervenanlagen spalten sich in eine innere und eine äussere Portion. Die erstere entspricht dem Typus der echten Spinalnerven, da sie sich an die Innenseite der Somiten begibt: infolge der Rückbildung der aus diesen Kopfsomiten ursprünglich entstandenen Muskeln atrophieren aber jene Nerven frühzeitig, und es bleiben nur die äusseren gangliösen Partien zurück. Diese verbinden sich zunächst mit je einer dorsolateralen Ektodermverdickung (laterale Plakode), die nach ihrer Ab- lösung vom Ektoderm mit dem Spinalganglion verschmilzt. Eine ventrale Fortsetzung dieses Ganglions erreicht die tiefer liegende epibranchiale Plakode, auch Epibranchialganglion genannt, das sich später ebenfalls mit dem zuerst genannten Ganglion vereinigen soll; doch sind die bezüglichen Angaben sehr unbestimmt. — Die Augenmuskelnerven erscheinen den meisten Forschern als einfache zentrogene Nerven, und zwar als selbständige motorische Wurzeln anderer Kopfnerven. — Die Seitennerven gelten als ursprüngliche Äste der Spinalnerven, ob- wohl sie als eine besondere Kategorie von Nerven aufgefasst werden. Ebenso werden die hinter dem Vagus befindlichen Visceral- ', Die Entwicklungsgeschichte des sympathischen Nervensystems des Frosches hat auf meinen Vorschlag einer meiner Schüler, Herr R. Camus (1912), bearbeitet, und ist durch sehr exakte Untersuchungen zu dem Er- gebnis gekommen, dass jenes Nervensystem im Rumpfe selbständig aus dem Mesoderm hervorgeht und sich erst nachträglich in den Kopf fortsetzt. ?) Die abweichenden Befunde von Öorning, Brauer und Brachet über die Kopfnerven der Amphibien kommen später zur Sprache. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 19 nerven als Äste des Vagus behandelt. Eine irgendwie überein- stimmende Auffassung des Olfactorius und des Acustieus ist mir nicht bekannt. Die genaueren Daten aller dieser Beobachtungen und Deutungen sollen, soweit nötig, in meinen Beschreibungen und Vergleichen erwähnt werden, wo ich natürlich auch erst Stellung zu ihnen nehmen kann. Ich muss aber meine abweichende Ansicht schon hier wenigstens andeuten, da ich behufs einer besseren Übersicht des Stoffs die Kopfnerven der untersuchten Tiere nach ihrem Ursprung in mehrere einzeln zu behandelnde Gruppen einteile. Die Haupteinteilung ist diejenige in die zentrogenen und die peripherisch entstehenden Nerven. Die ersteren sind die nach dem Typus der dorsalen Rückenmarksnerven aus der tranglienleiste hervorgehenden Kopfnerven, die ich mit dem ge- bräuchlichen Namen der Spinalnerven des Kopfes bezeichne (Trigeminus, Facialis, (+lossopharvngeus, Vagus s. str.) Von den peripherisch, d. h. unabhängig vom Hirn entstehenden Kopfnerven trenne ich aus theoretischen und praktischen Gründen zwei be- sondere Gruppen ab: den Olfactorius und den Acusticus, denen man den isoliert dastehenden Opticus anreihen mag, und die Augenmuskelnerven. Die übrigen Nerven der zweiten Hauptkategorie, die hinteren Visceralnerven und die Seiten- nerven, sind füglich ebenfalls als zwei gesonderte Gruppen auf- zufassen, werden aber aus äusseren Gründen am besten in Ver- bindung mit den Spinalnerven des Kopfes behandelt. Die Nerven der drei höheren Sinnesorgane. Opticus. Der Sehnerv gehört eigentlich überhaupt nicht zu den dem nervösen Zentralorgan gegenüberstehenden peripheri- schen Nerven, sondern verhält sich genetisch genau so wie der Traetus olfactorius oder der Stiel der Epiphyse, d. h. er bleibt morphologisch wie diese ein Hirnteil. Seine besondere morpho- logische Entwicklung, die ja mit derjenigen der Augenblase zu- sammenfällt, habe ich daher keine Veranlassung hier zu wieder- holen. Wie weit er trotzdem mit den übrigen Sinnesnerven auch genetisch verglichen werden kann, wird im Schlusskapitel zur Sprache kommen. Olfactorius. Die Angaben über seinen Ursprung gehen ziemlich weit auseinander (vergl. die Übersicht von Neumayer 9% 20 A. Goette: 1906). Ich selbst habe einst angenommen, dass der Olfactorius von Bombinator aus dem zwischen Hirn und Riechsack einge- klemmten Mesenchym hervorgeht (1575); später wurde er als Produkt des Hirns, der Ganglienleiste oder des Riechsacks be- schrieben. Besonders häufig wurde die Entwicklung des Olfactorius aus Zellen des Riechsacks behauptet (Goronowitsch, Disse u. a.), aber nicht auf Grund einer direkten Beobachtung seiner ersten Anlage, sondern indem man aus der Wachstumsrichtung der ersten im embryonalen Riechnervenstrang auftretenden Nerven- fasern auf seinen peripherischen Ursprung schloss, weil man in diesem Vorgang schlechtweg die Entwicklung der Nerven erblickte. Dies beruht aber auf einer Verwechslung von Nerv und Nerven- faser, von morphologischer und histiologischer Entwicklung. Die Anlage eines Nerven besteht auch nach meinen neuesten Unter- suchungen niemals und am wenigsten gleich anfangs bloss aus Nervenfasern, sondern aus einem indifferenten Nervenstrang oder aus indifferenten Zellteilen:; sie ist also zunächst ein morpho- logisches Produkt, das erst sekundär zu histiogenetischen Bildungen (Nervenfasern usw.) führt, deren Verlauf nicht über jenen morpho- logischen Ursprung entscheiden kann. Wenn daher an dieser Stelle naturgemäss nur die erste morphologische Anlage des Olfactorius in Frage kommt, so finde ich über diesen seinen Ursprung keine bestimmten und über- zeugenden Angaben. Seine Ableitung von der Ganglienleiste. in (remeinschaft mit dem Thalamicus (Platt. 18391) hat keine Be- stätigung gefunden: vielmehr lauten die übrigen Beobachtungen dahin, dass der Olfactorius als unmittelbare Brücke zwischen Hirn und Riechsack entsteht, so dass nur die Art dieser Ent- stehung zweifelhaft blieb. Doch sei hier noch hervorgehoben, dass die Angabe Kupffers (1575) über die erste Erscheinung der paarigen Riechnerven bei Petromyzon auf einem Irrtum beruht. Die zwei Zipfel, die an 5 mm langen Ammocoeten von beiden Aussenkanten der unpaaren Riechgrube bis zur Aussenfläche des Lobus olfactorius hinziehen, sollen nach Kupffer die Anlagen der Riechnerven sein, die als- dann in die definitive Lage zwischen der Rückseite des Riech- sacks und der Innenseite des Lobus verschoben würden. Abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit einer solchen weitgehenden Ver- schiebung gibt eine nähere Untersuchung des genannten Befundes Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 21 einen ganz anderen Aufschluss. Jene Zipfel sind nach meinen Beobachtungen weder mit dem Hirn noch mit dem Riechsack verbunden, sondern Mesenchymmassen, in denen sich die erste Anlage der knorpeligen Geruchskapsel entwickelt, während gleich- zeitig die Riechnerven an ihrer definitiven Stelle als kurze Ver- bindungsbrücken zwischen Hirn und Riechsack erscheinen, deren Entstehung ich jedoch nicht festzustellen vermochte. Meine übrigen Untersuchungen über den Olfactorius brachten recht verschiedene Befunde. Mit einwandfreier Bestimmtheit und Deutlichkeit fand ich die erste Anlage dieses Nerven bei Embryonen von Torpedo ocellata von 7 mm Länge, deren in der Ein- senkung befindliches Riechepithel noch merklich vom Hirn ab- stand (Fig. 1). An der von dichtem Mesoderm begrenzten Innen- seite dieses Epithels wachsen solide und scharfbegrenzte Zellen- massen von knopfförmiger Gestalt hervor, die das Hirn zunächst noch nicht erreichen. An einem Embryo fand ich nur eine solche Knospe an jeder Riechgrube, an einem wenig älteren Embryo sah ich jederseits zwei Knospen, welche Zahl später noch zu- nimmt. Diese Auswüchse des Riechepithels sind die Anlagen des Olfactorius. In 10—12 mm langen Embryonen waren die Knospen zu einer nicht ganz regelmässigen, ganglienartigen Masse zusammen- geflossen, die mit dem Riechepithel durch mehrere Wurzeln zu- sammenhing und das Hirn eben berührte. In Embryonen von 16 mm Länge waren die Wurzeln über die konvexe Ober- und Hinterseite der Geruchsgrube verteilt und sammelten sich zu der davorliegenden Zellenmasse, die ziemlich breit mit dem Hirn verwachsen war, dort, wo es einen peripheren Kern von weisser Substanz bildete (Fig. 2). Noch ältere Embryonen von Mustelus vulgaris zeigten eine tief eingesenkte, breite Geruchsgrube mit leistenförmigen Falten an der medialen Seite (Fig. 3); die gangliöse Masse und die „Wurzeln“ des Olfactorius waren schon in geweblicher Difteren- zierung begriffen und die letzteren divergierten weit getrennt gegen den Scheitel und die genannten Leisten der Grubenwand. Diese Beobachtungen lehren also unzweideutig, dass der Olfactorius der Selachier aus mehreren knospen- förmigen Auswüchsen des Riechepithels und aus ihrer Vereinigung zu einem gangliösen Körper ent- 2» A. Goette: steht, der zentripetal wachsend sich mit dem Hirn verbindet. Ganz anders zeigt sich die Entwicklung des Olfactorius bei den Amphibien. Bei Siredon fand ich die allererste Anlage dieses Nerven nicht. wohl aber bei 3 mm langen Embryonen von Triton taeniatus, deren Augenlinse noch nicht abgeschnürt war. Das Hirn und das Vorderende der Riechgrube sind alsdann bis zur Berührung einander genähert, und dort verschmilzt an einer beschränkten Stelle das beiderseitige Plasma ganz unmittel- bar, so dass ein besonderes Verbindungsstück, das man als die Anlage des Olfactorius bezeichnen könnte, noch fehlt (Fig. 4). Erst bei Embryonen von 4,5 mm Länge sind beide Organe so- weit auseinandergerückt, dass die Verschmelzungsstelle in eine kurze Plasmabrücke verwandelt ist. Dasselbe fand ich bei Rana esculenta. Die etwas weiter entwickelten Brücken, die ich bei Siredon sah, zeigten an ihrer Oberfläche und in ihrem Innern bereits Kerne: es gelang mir aber nicht, festzustellen, ob sie aus dem Hirn, dem Riechepithel oder dem Mesenchym stammen. Dagegen beobachtete ich allerdings bei Triton, dass während die eben entstandene Verbindungsbrücke noch rein plasmatisch ist. der eine oder andere Zellkern des hiechepithels im Begriff war, in die Brücke vorzudringen. Beiden Amphibien gibt es also überhaupt keine irgendwie selbständig zu nennenden Anlagen des Olfactorius. Und da dies als eine ebenso einwandfreie Tat- sache bezeichnet werden kann, wie der gegenteilige Befund bei den Selachiern, so entsteht die Frage, wie dieser auffällige Gegen- satz sich ausgleichen lässt. Denn man kann kaum annehmen, dass eine so alte und allen Wirbeltieren zukommende Bildung wie der Olfactorius sich je nach den Klassen auf ganz ver- schiedenen und miteinander nicht zu vereinigenden Wegen ent- wickeln sollte. Das Wesentliche im Entwicklungsprozess des Olfactorius bei Torpedo besteht nicht in der besonderen Form der Knospen des Riechepithels, sondern darin, dass der Anstoss zu seiner Verbindung mit dem Hirn von dem ersteren ausgeht, was eben in den zentri- petalen Wucherungen zum Ausdruck kommt. Auf der anderen Seite ist es klar, dass sobald Hirn und Riechepithel, wie bei den Amphibien und vielleicht noch anderen Wirbeltieren, vor der Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 23 Entstehung des Olfactorius und an derselben Stelle, wo diese erfolgen soll, sich bereits berühren, der Ölfactorius nicht durch Auswüchse jenes Epithels entstehen kann. Dies schliesst aber nicht aus, dass auch dort der Impuls zur Verbindung beider Organe vom Riechepithel ausgeht und sich in einem zentripetalen Vordringen dieses Epithels betätigt, was nur wegen der schon bestehenden Berührung beider Teile nicht zum evidenten Aus- druck kommt. Immerhin kommt nun die eben mitgeteilte Be- obachtung zur Geltung, dass die Kerne und daher wohl auch die Zellen des Riechepithels der Amphibien gegen das Hirn vor- zurücken scheinen. Denn, wenn dies für sich allein nicht viel zu bedeuten hätte, so bestätigt es zweifellos die angesichts des völlig sicheren Befundes bei Torpedo bereits wahrscheinlich ge- wordene Bewegung der Riechepithelzellen gegen das Hirn hin. Ich schliesse daher diese Untersuchung mit dem Ergebnis, dass die Entwicklung des Olfactorius nicht nur ganz evident bei den Selachiern, sondern auch dort, wo es zunächst nicht den Anschein hat (Amphibien), vom Riechepithel her erfolgt. Acusticus. Die Entwicklung dieses Nerven wurde eben- falls recht verschieden geschildert. Bei den Neunaugen soll seine Anlage nach Kupffer (1895) von derjenigen des Facialis getrennt aus der Ganglienleiste hervorgehen und durch auswandernde Zellen des Ohrblasenepithels ergänzt werden, während Koltzoff (1902) diese Zellen in ein einheitliches zentrogenes Acustico-facialis- Ganglion eindringen lässt und folglich eine selbständige Anlage des Acusticus leugnet. Ähnlich spricht sich Platt (1894) über den Acusticus von Necturus aus, und Hoffmann (1899) hält den Acusticus der Selachier für einen blossen Seitenzweig des rein zentrogenen Facialisganglions, was von Cameron und Milligan (1910) ganz allgemein wiederholt wird. — Endlich hat Landacre (1910) bei einem Teleostier das Acusticeusganglion ganz selbständig aus der Ohrblase entstehen sehen. vielleicht unter Beteiligung einer vorderen Plakode — eine Angabe, die ich nach meinen Beobachtungen für die einzig richtige erklären muss. An Ammocoeten von 2 und 2,7 mm Länge fand ich die Wand der bereits geschlossenen Ohrblase vorn unten auffallend verdickt (Fig. 13); an wenig älteren Embryonen (3 mm Länge) 24 A. Goette: war die verdickte Partie abwärts in unregelmässige Fortsätze aus- gewachsen und bei 4 und 4,5 mm langen Embryonen bildeten diese Auswüchse eine kompakte Zellenmasse, die sich von der Ohrblase sondert, aber ihr eng angeschlossen bleibt (Fig. 14). Diese gangliöse Anlage des Acusticus, die anfangs ganz hinter dem Facialis lag, ist unterdessen gegen sein Ganglion vorgerückt und zwischen dieses und das Ektomesoderm des Hyoidbogens eingekeilt, aber von beiden deutlich geschieden. Nach einer letzten Beobachtung an 5—6 mm langen Embryonen von Petro- myzon ist endlich eine feste Verbindung der beiden Ganglien des Facialis und des Acusticus eingetreten (Fig. 15). Gleichzeitig zeigt das Ganglion des Acusticus mindestens an zwei Stellen eine Verschmelzung mit dem Labyrinthepithel. Wesentlich dieselben Ergebnisse lieferte die Untersuchung von Torpedo. Doch beginnt dort die Entwicklung des Acusticus schon an der jüngsten Anlage der Ohrblase, nämlich an dem eben eingesenkten Labyrinthepithel (Fig. 5 und 6). Hinter dem Facialis- ganglion treten an der unteren Hälfte jener Anlage einzelne Zellen und kleine Zellgruppen in Form von knospenförmigen Aus- wüchsen medianwärts hervor und vereinigen sich alsbald zu einer flachen Schicht oder Platte, die sich über den hinteren Rand des Facialisganglions vorschiebt, aber von ihm noch deutlich getrennt ist. Dieser Prozess dauert während der tieferen Einsenkung des Ohrblasenepithels unverändert fort, wodurch die Platte sich ver- dickt und in eine längliche gangliöse Masse verwandelt. Durch ihr vorderes Ende verbindet sie sich alsdann mit dem Facialis- ganglion, während ihr hinteres Ende mit der Öhrblase vorn und unten verschmilzt (Fig. 7). Am hintersten Ende dieser Verbindung, dort wo die Masse des Acusticus in eine flache Verdiekung des Labyrinthepithels ausläuft, zeigen sich mitten in der völlig indifferenten Zellen- masse die hellen, aber dunkel punktierten Durchschnitte von drei Strängen, die natürlich nichts anderes sind als die Anlagen von Acusticusästen, die aber noch in einer ungeteilten Zellenmasse eingeschlossen sind und proximalwärts über die nächste Nachbar- schaft des Labyrinthepithels nicht hinausgehen (Fig. 8). Diese innere Differenzierung der im übrigen noch durchaus embryonalen Acusticusanlage lässt es aber verstehen, dass diese bei ihrem weiteren Auswachsen sich an ihrem distalen Ende in drei Äste Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 25 spaltet, was ich aber erst bei Siredon beobachten konnte. ‚Jeden- falls geht die morphologische, wie die gewebliche Entwicklung des Acusticus von Torpedo ausschliesslich vom Labyrinthepithel aus. Die Verbindung des Acustieusganglions mit demjenigen des Facialis geht niemals so weit, dass beide zu einem einheitlichen (anglion verschmelzen (Fig. 94—98). Vielmehr verschiebt sich ihr Zusammenhang allmählich bis zu den beiderseitigen Wurzeln, so dass die Ganglien selbst getrennt bleiben; und auch die Wurzeln scheinen nur äusserlich vereinigt zu sein. Bei Siredon wiederholt sich im allgemeinen derselbe Ver- lauf der Entwicklung des Acusticus wie bei Torpedo. Seine erste sichtbare Anlage findet sich aber erst an dem schon geschlossenen und von der Haut abgelösten Labyrinthbläschen und besteht bei Embryonen von 5 mm Länge in einer knospenförmigen Wucherung des Epithels, dort, wo die Innenwand des Bläschens in seinen Boden umbiegt (Fig. 9). In Frontaldurehschnitten, die für die Untersuchung der Acusticusanlage am meisten geeignet sind, zeigt sie sich hinter dem Facialis und von ihm getrennt, mit einem Überwiegen des Durchmessers von hinten nach vorn (Fig. 10). Dies nimmt fortdauernd zu, indem das Vorderende der Anlage stetig vorrückt; doch habe ich nicht bemerkt, dass diese Verlängerung durch Anlagerung neuer Knospen an die erste Knospe erfolgte. Gleichzeitig beginnt die so entstandene längliche und wulst- förmige Anlage des Acusticus sich vom Labyrinthbläschen deutlich abzusetzen und stellenweise sich von ihm abzuspalten, während an anderen Stellen der Zusammenhang beider Teile erhalten bleibt (Fig. 11). Ich habe es aber nicht sicher bestimmen können, dass ihre gleich zu erwähnenden definitiven Verbindungen sämtlich auf jene ursprünglichen Zusammenhänge. zurückzuführen sind; es ist daher nicht unmöglich, dass die eine oder andere jener Ver- bindungen sekundär zwischen den getrennten Teilen entsteht. Diese Brücken oder die Anlagen der Acusticusäste zeigen sich schon zu der Zeit, in der die Einteilung des Bläschens in die einzelnen Abschnitte des Labyrinths noch nicht begonnen hat; folglich kann diese Einteilung auch nicht die äussere Ursache der Verästelung des Acusticus sein, die vielmehr darauf zurück- zuführen ist, dass seine gangliöse Anlage schon vor der Bildung der eigentlichen Hörnerven mit bestimmten Stellen des noch nicht differenzierten Labyrinthepithels verbunden war. 26 A. Goette: In Embryonen von 7--8 mm Länge umkreist die gangliöse Anlage des Acustieus die ganze Innenseite des Labvrinthbläschens in der Höhe seines Bodens und schiebt sich vorn zwischen diesen und das Ganglion faciale (Fig. 12). “Gleich darauf rücken beide Teile, das Bläschen und das Ganglion acustieum, infolge des all- gemeinen Wachstums auseinander, wobei die Zusammenhänge zwischen ihnen sich in kurze Brücken verwandeln, von denen ich am Boden des Bläschens drei zähle: eine vordere, eine hintere und eine mittlere.') In diesen Brücken oder den künftigen Acusticusästen bemerkte ich schon eine Streifung des Plasmas. so dass die bei Torpedo beobachtete frühe Differenzierung von getrennten distalen Nervensträngen in der noch kompakten Acusticusanlage auch für Siredon zutreffen mag. Das Acustieusganglion von Siredon verbindet sich mit demjenigen des Faeialis erst, nachdem die Äste des Acustieus in der angegebenen Weise angelegt sind (Fig. 157); als Merkmal ihrer genetischen Selbständigkeit ist aber noch längere Zeit eine untere Kerbe am gemeinsamen Ganglion sichtbar (Fig. 158). Die hier behandelten drei Typen, Petromyzon, Torpedo und Siredon, offenbaren eine so grosse Übereinstimmung in der Ent- wicklung des Acustieus, dass man sie wohl für alle Fische und Amphibien annehmen kann. Aus demselben Grunde darf ge- schlossen werden, dass diejenigen Einzelheiten, die sich nur in einem der drei Typen unzweideutig zu erkennen geben, auch für die anderen, also allgemein gelten. soweit nicht positiv gegen- teilige Beobachtungen entgegenstehen. Der Acusticus der Fische und Amphibien ent- steht ohne Beteiligung anderer Anlagen aus einer Wucherung des Labyrinthepithels. die ein dem letzteren angeschlossenes Ganglion bildet. Die vom Epithel ausgehende Differenzierung von getrennten, in das Ganglion vordringenden. Nervensträngen ist bei Torpedo sicher und bei Siredon höchst wahr- scheinlich die Veranlassung zur Bildung der ein- ') Der Abstand zwischen dem Labyrinthbläschen und dem Ganglion acusticum ist anfangs in der Regel kleiner als in dem hier abgebildeten besonders günstigen Präparat. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 7 zelnen Acusticusäste. Die Verbindung des Acusticus mit dem Bacialiseriolet erst-später und ‚ändert nichts an der genetischen Selbständigkeit beider Nerven. Der Unterschied dieser Befunde und der meisten bisherigen Angaben (siehe oben) besteht darin, dass der Acusticus nicht. wie man früher annahm, ein Ast des Ganglion faciale ist, dem sich eventuell einige Zellen der Ohrblase beimischen, sondern dass er ausschliesslich aus dem Labyrinthepithel hervorwächst und sich genetisch als ein durchaus selbständiges Ganglion darstellt. Die Spinal-, Lateral- und occipitalen Visceralnerven des Kopfes. Diese drei Gruppen von Nerven haben einen durchaus ver- schiedenen Ursprung, sind aber so früh und teilweise so innig miteinander verbunden, dass ihre getrennte Beschreibung nicht möglich ist. — Die Darstellung hat naturgemäss von den Spinal- nerven auszugehen, deren Anlagen und Verzweigungen durch alle Regionen des Kopfes hindurchgehen, und denen sich alsdann an gewissen Stellen die Nerven der zwei anderen Gruppen an- schliessen. Die Spinalnerven des Kopfes entspringen gleich den dorsalen Spinalnerven des Rumpfes aus Ganglien, die allmählich aus der Decke des zentralen Nervenrohres hervorwachsen. Seit Balfour jedoch bei den Selachiern fand, dass die Spinalganglien jeder Körperseite sich nicht von Anfang an getrennt entwickeln, sondern allmählich aus einer kontinuierlichen Leiste des Nervenrohres entstehen, wurde eine solche Nerven- oder Ganglienleiste für alle Wirbeltiere angenommen. Aber schon bei Torpedo fehlt eine vollkommene Kontinuität der Ganglienleiste im Kopfe, und bei anderen Wirbeltieren sind ihre Unterbrechungen noch zahl- reicher, so dass ihre Bedeutung als eine einheitliche Anlage der Spinalnerven recht problematisch wird. Eine solche einheitliche Anlage lässt sich auch vom phyleti- schen Standpunkt aus gar nicht vorstellen, da der Begriff der peripherischen Nerven unter allen Umständen von Anfang an getrennte Bildungen voraussetzt. Ich möchte daher die Erscheinung der Ganglienleiste darauf zurückführen, dass die getrennten Nerven- anlagen aus irgendwelchen Ursachen da oder dort mit ihren Basen 25 Ne@oretbe: vorübergehend zusammentliessen, was doch nur von untergeordneter 3edeutung wäre. Trotzdem braucht man das Wort „Ganglien- leiste“ nicht aufzugeben, da es eben auch den ersten indifferenten Zustand der Anlage bezeichnet, wobei Wurzel, Ganglion und Anfang des Nervenstammes noch nicht zu unterscheiden sind. So wie uns die einzelne Ganglienleiste eine ursprünglich einheitliche Anlage vortäuscht, geschieht es auch dort, wo, z. B. bei den Selachiern, die beiderseitigen Ganglienleisten aus einer einzigen, medianen Wucherung des Hirndaches hervorgehen, die erst allmählich sich auf die beiden Seiten verteilt (Dohrn, 1902). Auch in diesem Fall stellt die unpaare Wucherung nur die mehr zufällige und vergängliche Verbindung der getrennten beider- seitigen Anlagen dar; denn bei Torpedo, wo sie auch nach meinen Beobachtungen an dem eben geschlossenen Hirnrohr sehr deutlich hervortritt (Fig. 42 und 43), fand ich die ersten Spuren der Wucherung schon vorher an den beiden Rändern der noch offenen Medullarfurche, so wie bei anderen Wirbeltieren (Petromyzon — Koltzoff) nur eine paarige Anlage der Ganglienleiste bekannt ist. Es sind daher die beiderseitigen Ganglienleisten, wenn sie auch anfangs in der Medianebene zusammentliessen, grundsätzlich als schon ursprünglich bilaterale Bildungen aufzufassen, deren vergängliche mediane Verbindung ganz irrelevant ist. Jede Ganglienleiste erscheint anfangs als eine lappige Fort- setzung des Hirndaches, die an der Seite des Hirnes abwärts wachsend sich bis zu einer Kante verdünnt. Darauf treten in ihr die Ganglienanlagen dadurch hervor, dass die aus dem Hirndach ausgewanderten und abwärts vorrückenden Zellen sich in dem mittleren Hauptteil anstauen und so einen spindelförmigen Körper bilden, der durch eine dünnere Wurzel mit dem Hirn zusammen- hängt und auch am distalen Ende, dem Anfang des Nerven- stammes, mehr oder weniger verdünnt ist (Taf. I—IV, VIund VII). Die indifferenten Verbindungsstücke der Ganglienleiste zwischen den in gewissen Abständen aufeinander folgenden Ganglien ver- schwinden früher oder später, sei es, dass sie in die Ganglien einbezogen oder aufgelöst werden. Auch die primären Wurzeln der Spinalnerven des Kopfes lösen sich bald auf und werden durch neue ersetzt (siehe S. 44—47, 51, 55, 64, 70— 72). An genetisch echten und vollkommenen Spinalganglien des Kopfes’ habe ich bei Fischen und Amphibien fünf gefunden, die Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 29 ich nach ihren Hauptnerven bezeichne: 1. Ganglion ophthal- micum (Ganglion trigemini D), 2. Ganglion mandibulare a) (Ganglion trigemini II), 3. Ganglion faciale, 4. Gangliıon glossopharyngeum, 5. Ganglion vagi s. str. (Fig. 34, 37 und 94—-98, Taf. VII). Mit ihnen treten folgende nicht zentrogene, sondern peri- pherisch entstandene Nerven nebst ihren Ganglien in Verbindung: die vorderen und die hinteren Lateralnerven, der schon besprochene Acusticus, die hinter dem ursprünglichen Vagus befindlichen oceipitalen Visceralnerven. Petromyzon fluviatilis. Die Genese der Kopfnerven bei den Neunaugen wurde zuerst von Kupffer untersucht (1895). Die Ganglien des Trigeminus, Facialis, Acusticus, Glossopharyngeus, Vagus sollen in gleicher Weise aus Abschnitten der Ganglienleiste und je einer dorso- lateralen und einer epibranchialen Plakode (Epibranchialeanglion) entstehen. Die drei Lateralplakoden des Facialis, Acusticus und (Glossopharyngeus stammen aus dem Ohrblasenepithel; der Vagus bleibt vom Glossopharyngeus völlig getrennt und entsteht durch Vereinigung eines Abschnittes der Ganglienleiste und einer Lateral- plakode, deren hinteres Ende mit der Haut im Zusammenhang bleibt. um sich rückwärts fortschreitend von ihr abzuspalten und so den N. lateralis zu bilden. — Über allen hinter dem Glosso- pharyngeus liegenden Kiementaschen entwickeln sich epibranchiale Plakoden oder Epibranchialganglien, die sich miteinander und das vorderste mit dem unteren Ende des dorsal gelegenen Vagus ver- binden. Sie entsenden die gegabelten Visceralnerven, das letzte Ganglion noch einen unter den Kiementaschen nach vorn ver- laufenden R. recurrens. Endlich sollen von den zentrogenen (Ganglienwurzeln moto- rische Nerven entspringen und zwischen Myotomen und Hirn ver- laufen, um nach einiger Zeit wieder zu verschwinden. Das gleiche Schicksal hat eine Anzahl von anderen an verschiedenen Stellen beobachteten Nerven. Koltzoff akzeptiert im allgemeinen die Kupffersche Theorie von der Zusammensetzung der Spinalnerven des Kopfes, weicht aber in folgenden Punkten ab. Den beiden Trigeminus- ganglien fehlt ein Epibranchialganglion; das einheitliche Ganglion 30 ING Eorertrtier acustieo-faciale enthält alle typischen Bestandteile (Ganglienleiste, Lateralplakode, Epibranchialganglion), während das Ganglion glosso- pharyngeum, das mit dem Vagus dauernd verbunden ist, einer eigenen Lateralplakode entbehrt. Der 1. Spinalnerv des Rumpfes schliesst sich dem Vagus an. — Die von Kupffer beschriebenen, dem Hirn anliegenden motorischen Spinalnerven erkennt Koltzotf als solche nicht an. — Nach meinen Untersuchungen an Petromyzon tHuviatilis sind die fünf Spinalganglien des Kopfes erst bei 2 mm langen Embryonen deutlich gesondert. Sobald sie die Somiten oder die ihnen homo- logen Abschnitte des Entomesoderms erreicht haben, wachsen sie lateral von ihnen abwärts (Fig. 20—28). Das Ganglion ophthalmicum befindet sich hinter der Augenblase und über der Linse, etwas schräg nach vorn geneigt, in kurzem Abstand dahinter das stärker geneigte Ganglion mandibulare, dessen distales Ende gegen den Kieferbogen gerichtet ist (Fig. 18—20 und 34). Unmittelbar hinter und über der Linse schliesst sich ihr eine stark nach innen vorspringende und deutlich abgesetzte Ektodermverdickung an, die Plakode des Trigeminus. Indem sie sich schräg auf- und rückwärts erstreckt, bedeckt sie den hinteren unteren Rand des Ganglion ophthalmieum, füllt den /wischenraum zwischen beiden Trigeminusganglien aus und über- zieht weiter die ganze Aussenseite des Ganglion mandibulare (Fig. 22—24). Während dieser Ausdehnung löst sich die Plakode vom Ektoderm ab, bis auf ihr vorderes Ende über der Linse, das noch längere Zeit mit dem Ektoderm im Zusammenhang bleibt und als die Wurzel der Plakode bezeichnet werden kann. Das zwischen die Ganglien eingekeilte Mittelstück der Plakode ist dasselbe, das Kupffer als eine Kette von drei Epibranchial- eanglien bezeichnet; und allerdings kann dieses Mittelstück auf einzelnen Sagittaldurchschnitten als eine selbständige Bildung er- scheinen. Aus der Durchsicht ganzer Schnittserien in sagittaler und frontaler Richtung überzeugt man sich aber leicht von jener Ausdehnung des fraglichen Stückes über die Grenzen der beiden Ganglien. Sein vorderer Flügel, der den unteren Rand des (ranglion ophthalmicum überdeckt, zieht sich an 3—4 mm langen Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. Sl Embryonen zu einer dreieckigen Platte zusammen, deren untere Spitze mit der Wurzel der Plakode zusammenhängt (Fig. 35); weiterhin schrumpft diese Platte so zusammen, dass sie nur den engen Raum zwischen den beiden Ganglien und dem Auge aus- füllt (Fig. 37), und schwindet endlich ganz, indem sie sich in Mesenchym auflöst. Der hintere Flügel der Plakode, mit dem ihr Wurzelteil verbunden bleibt, wird zu einem gleichmässigen Überzug des Ganglion mandibulare (Fig. 24 und 35), der sich von dem letzteren dadurch deutlich abhebt, dass er aus indiffe- renten runden Zellen besteht, während die Zellen des Ganglions sich in der Richtung des künftigen Nerven strecken. Dieser Abschnitt der Plakode bleibt längere Zeit deutlich sichtbar, bis er sich an 6 mm langen Embryonen in eine lockere Mesenchym- schicht verwandelt. In der vorstehenden Darstellung lassen sich die Plakoden und Epibranchialganglien der Kupfferschen Beschreibung unschwer wiedererkennen. Die von mir bezeichneten beiden Plakodenflügel kennt Kupffer nur als zwei getrennte Lateralplakoden der beiden Trigeminusganglien, und das zwischen ihnen gelegene Mittelstück entspricht, wie gesagt, den Epibranchialganglien. Frontaldurch- schnitte dieser Region, die Kupffer anscheinend nicht benutzt hat, beweisen aber bestimmt die Kontinuität jener Teile; im Trigeminusgebiet gibt es nur eine Plakode, deren verschiedene Abschnitte mit den Lateralplakoden und Epibranchial- ganglien Kupffers identisch sind. Die weiteren Schicksale dieser Stücke hat Kupffer auch nicht genau verfolgt; denn an 4 mm langen und jüngeren Embryonen (1594, Fig. 31, 32 und 36) bezeichnet er die an der Aussenseite des (Granglion mandibulare liegende Zellenplatte als Epibranchialganglion, unter dem also die Lateralplakode mit dem Spinalganglion bereits verschmolzen wäre, während nach meinen Beobachtungen jene Platte der hintere Plakodentlügel ist. Im übrigen fehlt aber ein wirklicher Nachweis des angeblichen Über- ganges der Plakoden in die Trigeminusganglien, und so bleibe ich auf Grund meiner Befunde von der Rückbildung eben derselben ektodermalen Teile dabei, dass die einheitliche Plakode des Trigeminusgebietes eine vergängliche rudimentäre Bildung ist, ohne Anteil an den bleibenden aus- schliesslich zentrogenen Ganglien. — Es kann sich 32 NGolertbie: also nur noch darum handeln, eine Vorstellung zu gewinnen, zu welchen Leistungen sie einst diente. Nach dem ganzen Entwicklungsverlauf der Plakode ist es natürlich ausgeschlossen, dass sie jemals ein integrierender Teil der beiden Ganglienanlagen war; denn in diesem Fall müssten von Anfang an zwei getrennte Plakoden vorhanden sein, die nach ihrer Lage sich völlig mit den beiden Ganglien deckten, was eben nicht zutrifft. Auch dafür findet sich kein genügender Anhaltspunkt, dass unsere Plakode das Rudiment eines vom Trigeminus innervierten Sinnesorgans wäre. Dagegen gleicht sie zweifellos einem sich vom Ektoderm ablösenden Lateralganglion, das sich sekundär mit einem Spinalganglion verbinden mag (siehe unten). So gut Lateralganglien und -nerven während der Metamorphose der Amphibien sich zurückbilden und bei den Amnioten völlig verschwunden sind, können ähnliche Anlagen in der Trigeminusgegend der jungen Ammocoeten sich als onto- genetische Rudimente erhalten haben. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung in der von Kupffer (1900) untersuchten Entwicklung von Bdellostoma, die ich aller- - dings in anderen Punkten für die Entwicklungsgeschichte von Petromyzon nicht zu verwerten vermag. Kupffer fand bei Bdellostoma zwischen dem Ganglion mandibulare und dem Ganglion faciale ein accessorisches Ganglion mit Lateralästen, das bei Petro- myzon in das Facialisganglion aufgegangen sein soll. Da dieses unverkennbare Lateralganglion jedoch sich etwas über das Ganglion mandibulare vorschiebt, entspricht es durchaus der Trigeminus- plakode von Petromyzon, die sich also dadurch in der Tat als ein rudimentäres Lateralganglion erweist. Die distale Fortsetzung des Ggl. ophthalmieum verläuft als N. ophthalmicus ziemlich wagerecht über dem Auge nach vorn (Fig. 34, 35 und 37). Der Nervenstamm jedoch, der als die anfangs einzige und gerade Fortsetzung des Ganglion mandibulare hinter dem Auge schräg vor- und abwärts auswächst, ist keineswegs der N. mandibularis, sondern der N. maxillaris. Indem er das obere Ende des Entomesoderms des Vorderkopfes überschreitet, gelangt er an dessen Vorderseite und somit vor den ganzen Kieferbogen (Fig. 34 und 35). Da nun die Mundbucht unmittelbar hinter diesem Nervenstrang entsteht, so wird er zum präoralen Kiefernerv (Fig. 37). Der N. mandibularis zeigt sich erst . r a . ME .1. ID Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 90 an Ammocoeten von 4-5 mm Länge als postoraler Zweig des Ganglions, nachdem dessen Wurzel und der Maxillaris bereits faserig geworden sind. Ich fand den Mandibularis von Anfang an faserig und in unmittelbarer Fortsetzung des Faserstrangs des Maxillaris. Nach allem ist also der Maxillaris der früheste Nerven- stamm des Gel. mandibulare und der Mandibularis gewisser- massen ein Zweig des ersteren. Dies ist bei den übrigen Verte- braten gerade umgekehrt (siehe unten), weshalb auch der Name des Ganglion mandibulare durchaus entsprechend ist. Bei den Uyklostomen mag aber das entgegengesetzte Verhältnis sich daraus erklären. dass ihre maxillare Muskulatur sich früher differenziert als die mandibulare. Über die Anlage des Facialis habe ich sachlich nichts Besonderes zu bemerken. Sie besteht in einem einfachen Spinal- sanglion, das in merklichem Abstande vom Ggl. mandibulare und unter dem Vorderrande des Labyrinthbläschens wie alle Spinal- nerven des Kopfes auf der Aussenseite des Entomesoderms hinab- zieht (Fig. 25 und 34). Eine Verbindung des Gel. faciale mit dem epibranchialen Ektomesoderm (Epibranchialganglion aut.) des Hyoidbogens habe ich nicht gesehen, obgleich das distale Ende jenes Ganglions das genannte Ektomesoderm berührt. Es findet sich auch bei keinem Beobachter eine bestimmte Angabe dieser Verbindung. Die Beziehungen des Facialis zum Acusticus wurden schon erörtert (siehe oben). Während die früheren Beobachter von einer selbständigen zentrogenen Anlage des Acusticus oder eines Acustico- facialis ausgingen und die Einwanderung von Zellen der Ohrblase in diese Anlage als eine sekundäre Ergänzung der letzteren betrachteten, habe ich nachgewiesen, dass der ganze Acusticus, nämlich sein Ganglion und dessen peripherische Äste, aus der Ohrblase hervorgehen, so dass sein späterer Anschluss an den Facialis mit seiner Genese gar nichts zu tun hat. Diese letztere ist vielmehr bei allen untersuchten Tieren genau dieselbe wie beim Olfactorius, wo eine Verbindung der peripherischen Anlage mit einem zentrogenen Ganglion überhaupt nicht in Frage kommt, und wie bei den noch zu besprechenden Lateralganglien und -nerven, die ebenfalls erst sekundär und äusserlich sich einer zentrogenen 'Nervenbahn anschliessen (siehe unten). In allen Archiv f. mikr. Anat. Bd.8S5. Abt. 1. 3 34 A. Goette: diesen zweifellos allgemein homologen Nervenanlagen schafft die zentripetale Einwanderung von ektodermalen Zellen eigene, selb- ständige Ganglien, die erst durch ihre Verbindung mit spezifischen Sinneszellen oder -organen sich zu den entsprechenden Sinnes- nerven entwickeln. Diese Auffassung von einem epigenetischen Entwicklungsprozess steht demnach in Widerspruch mit der bis- herigen Hypothese, dass jene importierten Ektodermzellen „Sinnes- zellen“ seien, die einem bereits bestehenden Spinalganglion die spezifischen, also präformierten Anlagen für einen bestimmten Sinnesnerv zuführten. Auf Grund dieses Vergleichs lässt sich auch die Plakode des Trigeminusgebiets als eine ektodermale Ganglienbildung auf- fassen, die, wie gesagt, wahrscheinlich mit Lateralorganen in Beziehung stand, aber nach deren Schwund rudimentär wurde. Auch über den Glossopharyngeus der Ammocoeten ist nicht viel zu sagen. Koltzoff hat schon gegen Kupffer fest- gestellt, dass der Glossopharyngeus weder aus der Ohrblase, noch aus einer besonderen Lateralplakode einen Zuwachs erhält; ich füge aber hinzu, dass auch das epibranchiale Ektomesoderm zwischen der 2. und 3. Kiementasche (Epibranchialganglion aut.) zum Gel. glossopharyngeum nichts beiträgt (Fig. 26 und 27). Auf @Querdurchschnitten kann man die dicht aufeinander folgenden Anlagen des Glossopharyngeus und Vagus nicht unter- scheiden, wohl aber auf Sagittaldurchschnitten, wo sie voneinander getrennt in der typischen Spindelform erscheinen. Nach Ausweis der Querdurchschnitte von jüngsten Embryonen (1,5 mm Länge) liegt die hinter dem Labyrinthbläschen befindliche Ganglienmasse beider Nerven noch über dem Entomesoderm oder dem daraus hervorgehenden Somiten (Fig. 28). Bald darauf ändert sich aber das Bild dadurch, dass der fragliche muskelbildende Somit mit seiner hinteren oberen Kante sich an die Aussenseite der Ganglien vorschiebt (Fig. 29). Dies führt endlich zu einer vollständigen Spaltung desselben Somiten in zwei Hälften, eine niedere mediale und eine höhere laterale, worauf die aus der lateralen Hälfte hervorgehende Muskelplatte in der bekannten Weise unter der Haut immer weiter vorwächst (Fig. 26, 27 und 31— 33) und dabei noch in zwei übereinander liegende Streifen zerfällt. Während jener Spaltung dringen nun die Ganglien zwischen beiden Muskel- partien abwärts vor und überlagern die mediale Portion gerade Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 3 so wie die vorderen Spinalganglien das nach Lage und Form ähnliche ganze Entomesoderm ihrer Region überschreiten. Auf diese Weise gelangt das distale Ende des Glosso- pharyngeus an den 3. Visceralbogen und dessen Ektomesoderm, ohne eine Verbindung mit dem letzteren oder der Haut erkennen zu lassen (Fig. 26 und 27). Der aus dem Ganglion entspringende Nervenstamm durchzieht darauf den Visceralbogen (Fig. 34 und 36—38): seinen R. praetrematicus habe ich an meinen Objekten nicht gesehen. Das Ggl. vagi entsteht so dicht hinter dem Gel. glosso- pharvngeum, dass ihre Wurzeln miteinander verschmolzen zu sein scheinen (Fig. 34 und 36); sobald aber diese Region sich in longi- tudinaler Richtung ausdehnt, rücken beide Wurzeln auseinander und zeigen sich völlig getrennt (Fig. 37 und 38). Dadurch erklären sich die entgegengesetzten Behauptungen Kupffers und Koltzoffs über den Zusammenhang beider Ganglien. Die eben angegebene Verschiebung des Vagus nach hinten bis an das 3. Myomer ist natürlich ohne eine Änderung der vor- hin geschilderten Lageverhältnisse nicht möglich. Denn solange die beiden Spaltungshälften des 1. Myomers, zwischen denen der Vagus wie in einer Gabel liegt, an der Vordergrenze des 2. Myomers noch zusammenhängen, kann er nicht nach hinten vorrücken. Tatsächlich dehnt sich aber die Spaltung sehr bald vom 1. auf das 2. Myomer und später sogar auf das 3. Myomer aus, wodurch dem Vagus erst jene Verlagerung in kaudaler Richtung ermöglicht wird. Im übrigen kompliziert sich die Entwicklung des Vagus durch seine mehrfachen Verbindungen mit anderen Nerven. Schon bei Embryonen von 1,5 mm Länge fand ich neben dem hinteren Rand des Vagus eine dorsale Anschwellung bezw. Plakode des Ektoderms, die sich rückwärts über die folgenden Somiten fort- setzt und alsbald sich von vorn her von der Haut ablöst (Fig. 28 bis 33). Es ist die Anlage des einzigen Lateralganglions, deren verjüngtes hintere Ende dauernd mit der Haut im Zu- sammenhang bleibt und, indem es sich rückwärts fortschreitend von ihr ablöst, zum Lateralnerv auswächst (Kupffer). Das Vorderende des Lateralganglions legt sich an die Wurzel des Vagus eng an (Fig. 29. 34, 36 und 37), gewinnt aber später eine selbständige Wurzel am Hirn; für alle Einzelheiten einer Dr 7 36 A. Goette: solchen Verbindung, sowie für die Abspaltung des Lateralnerven von der Haut verweise ich auf meine Untersuchungen an Siredon (siehe unten). Ganz bestimmt beruht aber die Angabe Kupfters. dass das Ganglion vagi aus der Verschmelzung einer zentrogenen Anlage und der Lateralplakode entstehe, auf einem Irrtum, der noch andere nach sich zog. Das grosse dorsale Ganglion. aus dem der Lateralnerv entspringt, ist nicht das Ganglion vagi (Kupffer), sondern ausschliesslich das Lateralganglion, das an- fangs allerdings an die obere Hälfte des Ganglion vagi, später jedoch nur an dessen Wurzel grenzt, während das eigentliche Ganglion vagi hinabrückt und sich von dem ersteren beständig ent- fernt (Fig. 34 und 36—38). Die Hauptursache dieser von Kupffer übersehenen Lageveränderung ist die Erweiterung der Kiemen- taschen in der Längsrichtung; denn dadurch gerät das Ganglion vagi, dessen Nervenstamm bereits in den Visceralbogen einge- wachsen ist, allmählich in eine horizontale Lage unmittelbar über der 3. Kiementasche (Fig. 35) und erweckt so den Schein eines echten Epibranchialganglions, wofür es Kupffer auch gehalten hat. Die epibranchial entstehenden Ganglien sind aber nach ihrer (fenese etwas ganz anderes. Wir sahen, dass das Ektomesoderm der hinter dem Vagus gelegenen Kiemenregion von den epibranchialen Ursprungsstätten. die sich übrigens nicht scharf voneinander abgrenzen lassen, ein- mal unter die Somiten und andererseits in die Visceralbögen vordringt (Branchiodermis — Kupffer). Wenn daher in jenen seinen oberen Abschnitten unter den Somiten Ganglien entstehen. so sind diese nicht schlechtweg identisch mit ganzen epibranchialen Ektodermplakoden, sondern nur Neubildungen innerhalb eines bestimmten Abschnittes des Ektomesoderms, das ausserdem noch andere Gewebe und Organe, Visceralskelett und reichliches Mesenchym bildet. Epibranchialplakoden in demselben Sinn wie Lateralplakoden gibt es überhaupt nicht, sondern nur Ganglien im epibranchialen Ektomeso- derm, die ich, zur Vermeidung von Missverständnissen, Visceral- ganglien nenne. Wann sie entstehen, konnte ich deshalb nicht genau fest- stellen, weil sie in dichtes Mesenchym eingeschlossen sind und erst im Beginn der geweblichen Differenzierung kenntlich werden, was nicht früher als in 5—6 mm langen Embryonen von vorn Die Kopfnerven hei Fischen und Amphibien. 31 nach hinten fortschreitend geschieht (Fig. 37 und 35). Sie zeigen sich alsdann als spindelförmige und um je die hintere obere Ecke der Kiementaschen gebogene Zellenwülste, so dass die Hauptmasse über der Tasche liegt (Ganglion), und der hintere Zipfel sich in den entsprechenden Visceralbogen hinabbiegt (Visceralnerv). Auf diese Weise wiederholen sie die Form und Lage des abwärts ver- lagerten Ganglion vagi, was ihn irrtümlicherweise als ein eben- solches Visceralganglion erscheinen liess. Die echten Visceral- sanglien befinden sich also nur über und hinter der 4. bis Ss. Kiementasche. Anfangs sind sie nicht miteinander verbunden; bald aber erscheinen ihre Kommissuren, und zwar zunächst diejenige zwischen dem 1. Visceralganglion und dem davor liegenden Ganglion vagi. Diese Verbindung geht aber merkwürdigerweise von keinem der beiden Ganglien aus, sondern wird durch einen dritten Nerv ver- mittel. An 3 mm langen Embryonen sehe ich einen dünnen | zentrogenen Nervenstamm, also einen ganglienlosen Spinalnerven unter dem Lateralganglion hervortreten und schräg nach vorn an den Hinterrand des Ganglion vagi ziehen, dem er sich eng anlegt (Fig. 36). Fr verlässt ilın aber über dem 4. Visceral- bogen und verläuft dann horizontal über der 4. Kiementasche. um so das 1. Visceralganglion zu erreichen. Dieser Nerv ent- springt am Hirn um ein Segment weiter als der Vagus, liegt medial vom Somiten und stellt daher den 1. Spinalnerv des kumpfes dar. Nach dem, was über die Lagebeziehungen des Vagus gesagt wurde, versteht es sich, dass er und jener Spinal- nery durchaus in derselben Flucht liegen, so dass der letztere, sobald er beim Hinabwachsen eine Ausbiegung nach vorn erfährt, auf den Vagus stossen muss. Nachdem er sich mit diesem fest verbunden hat, bildet er dessen 2. Wurzel und weiter unten dessen Kommissur mit dem 1. Visceralganglion (Fig. 37). Die Kette der Visceralganglien tritt also nur mittelbar mit dem Vagus in Zusammenhang, was ich bei Siredon bestätigt fand. — Danach ist die Angabe Koltzoffs zu er- eänzen, der den 1. Spinalnerv von Petromyzon in dem Ganglion vagı aufgehen lässt. Aus den Fortsetzungen der Visceralganglien in die Visceral- bögen entstehen die von mir so genannten occipitalen Visceral- nerven, die durch ihren selbständigen Ursprung im epibranchialen 35 A. Goette: Ektomesoderm von den analogen aber zentrogenen Nerven Mandi- bularis, Facialis, Glossopharyngeus und Vagus, die man ja auch als spinale Visceralnerven bezeichnen kann, grundsätzlich verschieden sind. — Ein hinterer Zweig des letzten jener Visceral- nerven ist der R. intestinalis. Der ganze Vaguskomplex von Petromyzon ist eine ausser- ordentlich komplizierte Verbindung heterogener Nervenanlagen, die eine recht verschiedene Beurteilung gefunden hat. Kupffer (1895) sieht im Vaguskomplex einen einheitlichen Kopfnerven mit den typischen Ergänzungen durch eine Lateralplakode (Ganglion laterale) und eine Anzahl Epibranchialganglien, die daher als gewissermassen normale Bestandteile des Vagus, ihre Nerven als Vagusäste zu gelten haben. Gegenbaur (1898) hält dagegen den Vagus von Petromyzon für einen polymeren zentrogenen Nerven, dessen gleichwertige Komponenten die Ganglien und Nerven des 4. und aller folgenden Visceralbogen sind, während ihre zerebralen Wurzein nur durch ihre von Anfang an bestehende Verschmelzung den Schein einer einfachen Wurzel erwecken. Durch die Ontogenese, die in diesem Punkt auch bei Kupffer so gut wie gar nicht in Frage kam, werden aber beide Ansichten widerlegt. Da die Vaguswurzel sich mit der Wurzel des nächsten Spinal- nerven verbindet, so kann der fertige Vagus schon deshalb nicht als einfacher Nerv gelten. Dagegen lassen sich die Epibranchial- ganglien und ihre Nerven keineswegs als Bestandteile und Äste des Vagus auffassen. Wenn es nachgewiesen wäre, dass jedes Spinalganglion des Kopfes bei seiner Entstehung ein oder einige Epibranchialganglien in sich aufnähme, so könnte man allenfalls die beständige Trennung des Ganglion vagi und der ihm an- geblich zukommenden Epibranchialganglien als eine Rückbildungs- erscheinung bezeichnen. Da jedoch die einzigen epibranchial ge- legenen Ganglien, nämlich die Visceralganglien, hinter dem Vagus und von ihm getrennt entstehen und niemals mit ihm verschmelzen, so ist eben die ganze Theorie von der typischen Zusammensetzung der spinalen Kopfganglien hinfällig und jene tatsächliche Trennung ein hinreichender Grund gegen die Auffassung Kupffers von dem einheitlichen Vaguskomplex. Und dies um so mehr, als nicht einmal das vorderste Visceralganglion unmittelbar, sondern nur durch den 1. Spinalnerv des Rumpfes mit dem Vagus ver- bunden ist. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 39 Gegenbaurs Hypothese wird ebenfalls durch die onto- genetischen Befunde hinfällig. Die Visceralganglien als selb- ständige ektomesodermale Bildungen können natürlich nicht Be- standteile von zentrogenen Nerven sein; und die tatsächlich durch Vereinigung zweier Spinalnerven entstandene Vaguswurzel kann ebenso selbstverständlich nicht die Ursprünge der sechs hinter dem Glossopharyngeus befindlichen Visceralnerven enthalten. Die Polymerie des Vagus in diesem Sinne ist ebensowenig zutreffend wie die entgegengesetzte Deutung Kupffers. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen lauten ganz anders. In dem Vaguskomplex von Petromyzon, dem sich zuletzt noch der Glossopharyngeus anschliesst, sind dreierlei verschiedene Nervenanlagen vereinigt: drei zentrogene Spinalnerven (slossopharyngeus, Vagus, 1.Spinalnerv desRumpfes), eineektodermale Lateralnervenanlage und fünf ekto- mesodermale Visceralganglien. Die Verbindung aller dieser Teile zu einem Komplex ist ziemlich einfach und übersichtlich. Denn die verschiedenen Ganglien verschmelzen überhaupt nicht zu einer Masse, sondern bleiben lange Zeit, teilweise sogar ständig getrennt (vergl. Kupffer, 1895, Fig. 46), und ihre Verbindung beschränkt sich beinahe ausschliesslich auf einen Anschluss von Wurzeln und Nervenstämmen an die Ganglien. Torpedo ocellata. Der allgemeine Entwicklungstypus der segmentalen Kopf- nerven von Torpedo sollte nach Beard (1885) der folgende sein. Die Ganglienleiste verbände sich seitlich mit der Haut, die dort ansehnlich anschwelle; aus dieser Hautverdickung entstamme einerseits das Ganglion des Nerven, andererseits ein in der Haut zurückbleibendes Sinnesorgan, das mit ihm durch einen Nerven im Zusammenhang bliebe. Froriep (1891) berichtet dagegen von denselben Selachiern, dass die bereits gebildeten Spinalganglien des Kopfes sich an je zwei Stellen, dorsolateral und epibranchial, mit der Haut verbänden, woraus die Lateralorgane und die Kiemenspaltenorgane hervorgehen sollten. Die übrigen Forscher wiederholen solche Vorstellungen für einzelne Nerven, so dass also Wurzel, Ganglion und Stamm des Nerven aus der Ganglien- leiste hervorgingen (gegen Beard) und nur durch verschiedene Einwanderungen von Ektodermzellen ergänzt würden. Im übrigen 40 A. Goette: beschäftigte sich die Untersuchung vornehmlich mit der Deutung der verschiedenen Nerven als Homologa der dorsalen und ventralen Wurzeln der Spinalnerven des Rumpfes. Am ausführlichsten hat Hoffmann (1897, 1899) die Kopfnerven von Selachiern (Acanthias) behandelt, worauf ich bei der Beschreibung der einzelnen Nerven näher eingehen werde. Trigeminus. Schon vor dem Schluss der Medullarfurche gewahrt man an jedem ihrer Ränder eine gewisse Auflockerung der Zellenplatte und einzelne aus ihr hervortretende Zellen. Wenn also nach dem Schluss der Furche beide Ränder sich zu einem medianen lockeren Zellenpolster, der Anlage der Ganelien- leisten, verbinden, so muss doch aus dem früheren Befund geschlossen werden, dass diese Anlage eine ursprünglich paarige ist (siehe oben). Das Polster wächst dann jederseits am Hirn eine Strecke weit abwärts, wodurch sich die beiden Ganglien- leisten sondern (Fig. 42—48). Dies geschieht zuerst in der Trigeminusregion. Der ganze vor dem Facialis liegende Nervenkomplex des Trigeminus geht aus zwei anfangs getrennten Abschnitten der (ranglienleiste hervor. Der 1. Abschnitt entspringt an Embryonen, die noch kein Ektomesoderm besitzen, an der ganzen Oberseite des Mittelhirns und liegt mit seinen Seitenteilen wie ein flacher Zwerchsack dem Hirn an (Fig. 42 und 43). Eine kurze Strecke dahinter und von dem 1. Abschnitt völlig getrennt, beginnt der 2. Abschnitt der Ganglienleiste am Hinterhirn und erstreekt sich kontinuierlich bis in die Facialisgegend (Fig. 45—48); in dem Zwischenraum zwischen dem künftigen Trigeminus und Facialis ist die Leiste jedoch sehr schwach entwickelt (Fig. 47) und ver- schwindet auf der nächsten Entwicklungsstufe vollständig. Nachdem die Bildung des Ektomesoderms begonnen hat, ist die Unterbrechung der Ganglienleiste, die anfangs über dem Auge zu sehen war, spurlos verschwunden und durch den ganzen Vorderkopf verläuft alsdann eine kontinuierliche Ganglienleiste. aus der die gleich zu beschreibenden Nervenanlagen hervorgehen. Ich habe aber keine bestimmten Anhaltspunkte dafür gefunden, wie sich diese letzteren zu den zwei ursprünglichen Abschnitten der (ranglienleiste verhalten, und vermute nur, dass der 1. Ab- schnitt am Mittelhirn nur die vorderste Nervenanlage erzeugt, der 2. Abschnitt (Hinterhirn) dagegen die beiden folgenden. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 41 Übrigens wurde schon darauf hingewiesen, dass die Kontinuität der Ganglienleiste von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Die nächste Veränderung der Ganglienleiste des Vorder- kopfes ist ihre Sonderung in verschiedene Regionen. Die vordere Hälfte bleibt eine dünne und schmale Platte, die leicht gebogen über das Mittelhirn nach vorn zieht (Fig. 94). An ihrem hinteren Ende wird sie von dem aufwachsenden Ektomesoderm erreicht; und unmittelbar hinter dieser Stelle beginnt die viel dichtere und mächtigere zweite Hälfte der Ganglienleiste, die sich abwärts in zwei gangliöse Massen erstreckt. die Anlagen des Ophthalmiens profundus und das Maxillo-mandibularis. Sobald diese Anlagen an den 5—4 mm langen Embryonen hervorgetreten sind, beginnt die Ablösung der Ganglienleiste von der Hirndecke, was aber in den einzelnen Regionen zu verschiedenen Erfolgen führt. Der kümmerliche Mittelhirnabsehnitt der Ganglienleiste wächst überhaupt nicht wie andere dorsale Spinalnervenanlagen am Hirn abwärts in eine gangliöse Anlage aus, sondern behält seine ur- sprüngliche bandförmige Bildung, bis er sich vom Hirne ablöst (Fig. 95). An einer Stelle sah ich diese Ganglienleiste mit ihrem unteren Ende an die Haut befestigt, was ich gelegentlich auch an anderen Spinalnerven des Kopfes antraf (Fig. 49). Diese ganz schwache und kurz dauernde Verbindung mag einst zu dauernden Bildungen geführt haben, ist aber gegenwärtig für die Bildungs- geschichte der Spinalnerven völlig bedeutungslos. Mit den so- genannten lateralen Plakoden hat sie nichts zu tun. Die Ablösung dieser vordersten Ganglienleiste vom Hirn beginnt nicht am vorderen Ende, wo sie vielmehr noch einige Zeit mit dem Hirn verbunden bleibt, sondern im übrigen Verlauf; rückwärts bleibt sie auch mit den gangliösen Anlagen des Trige- minus noch im Zusammenhang. Allmählich zieht sie sich dann zu einem unregelmässigen Strang zusammen, der sich an Embryonen von 7 mm Länge vom Hirn ablöst (Fie. 96 und 97). Darauf beginnt auch seine rückwärtige Fortsetzung sich aufzulockern, so dass er an Embryonen von 10 mm Länge bereits vollständig frei zwischen Hirn und Haut liegt: in Embryonen von 12 mm Länge ist von ihm nichts mehr zu sehen. Dieser vorderste Abschnitt der Ganglienleiste ist also ein rudimentäres Gebilde, von dem kein bleibender Nerv abgeleitet werden kann, und das daher auf den Namen eines solchen eigentlich 49 Ar Goette: keinen Anspruch hat. Es wurde aber von Platt (1891) und Hoffmann (1897, 1899) als „primärer Trochlearis“ bezeichnet, weil angeblich wenigstens ein Teil davon sich in den richtigen Trochlearis verwandeln sollte. Auch Dohrn (1907) glaubte dies für Torpedo bestätigen zu können; nachdem er sich aber bei den Squaliden vom Gegenteil überzeugt hatte, gab er die Bedeutung der ersten Bestätigung preis. Ich konnte übrigens feststellen, dass auch bei Torpedo der richtige Trochlearis erst erscheint. nachdem der „primäre“ vollständig verschwunden ist. Die ursprünglichen Beziehungen der beiden Trigeminus- sanglien zueinander wären nach Dohrn und Gast recht un- gewöhnlich. Dohrn (1907) sieht im Trigeminus der Selachier einen polymeren Nerven mit einfacher Wurzel, während nach (rast (1909) das Ganglion ophthalmieum anfangs einer Wurzel ganz entbehrt und sich erst später durch eine Kommissur mit dem Ganglion mandibulare verbindet. Ich sehe dagegen beide (Ganglien zuerst mit getrennten Wurzeln an der Ganglienleiste hängen (Fig. 94) und die Ablösung des Ganglion ophthalmieum von der Ganglienleiste und seine Verbindung mit dem Ganglion mandibulare erst nachher eintreten, so dass die genetische Über- einstimmung beider mit anderen Spinalganglien in keiner Weise zu beanstanden ist. Das Ganglion ophthalmicum!) zeigt sich zuerst in einigem Abstande über dem Auge als spindelförmige Zellenmasse, die aus der Ganglienleiste gerade hinabwächst. Unmittelbar vor ihm liegt die vordere Ektomesodermplatte, hinter ihm grenzt das Entomesoderm mit den Kopfhöhlen an die Haut, worauf die hintere Ektomesodermplatte unter dem Ganglion mandibulare folgt. Die Hauptmasse des Ektomesoderms dieser beiden Stellen wächst abwärts, umkreist das Auge von vorn und oben und dringt ferner in den Unterkieferbogen, wo es das solide oder kaum gespaltene Entomesoderm, die Fortsetzung der „Kopfhöhlen“, umwächst. Aufwärts erstreckt sich das Ektomesoderm längs der beiden Trigeminusganglien und schliesst sich ihnen so dicht an, dass es schwer fällt, zu entscheiden, ob und inwieweit es sich an deren Bildung beteiligt. Doch kann man eine solche Beteiligung einzelner ') Seine Bezeichnung als Ganglion ceiliare ist schon von Beard (1887) als unpassend zurückgewiesen worden, weil es mit dem viel später auf- tretenden Ganglion eiliare des Oculomotorius nicht identisch ist. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 45 Zellen immerhin zugeben, ohne dass ihr dadurch irgendeine grund- sätzliche Bedeutung für die Nervenbildung zugewiesen würde; denn dagegen sprechen die schon früher erörterten Gründe (8. S). Ausser dieser Berührung von Ektomesoderm und Ganglien kommt aber noch eine andere Verbindung der letzteren mit dem Ektoderm in Frage. Sobald nämlich das Ganglion ophthalmieum bis nahe an die Augenblase vorgerückt ist, zeigt sich vor und seitlich von ihm eine nicht ganz scharf umschriebene Haut- verdickung, an die sich das Ganglion mit seiner lateralen Fläche zuerst dicht anlegt und dann sich mit ihr einigermassen fest verbindet (Fig. 51 und 59—61). Zweifellos ist diese Hautplatte identisch mit dem, was die früheren Beobachter eine laterale Plakode nannten. Sie wächst vor und über dem Ganglion ophthalmieum so nach innen vor, dass sie dessen obere Hälfte kappenförmig umkreist (Fig. 59 und 60). Aber schon an Embryonen von 5,5 mm Länge lockert sich der Zusammenhang beider Teile so sehr, dass das umgebende Mesenchym zwischen sie einwächst (Fig. 61). Gleichzeitig beginnt die von aussen her merklich ein- gebuchtete Plakode zu atrophieren, ohne dass ein Teil von ihr in das Ganglion übergegangen wäre; in noch älteren Embryonen (12 mm) ist an ihrer Stelle nur noch eine gleichmässige Haut- verdickung sichtbar. Allerdings zeigt sich unmittelbar hinter der genannten Plakode ein solider Zellenwulst (Fig. 97), der von ihr zu ent- springen scheint und noch in 12 mm langen Embryonen im Mesenchym und getrennt vom Ganglion anzutreffen ist, dann aber sich auflöst und verschwindet. Diese Erscheinungen stimmen, bis auf eine geringe Verschiedenheit der Lage, mit der Entwicklung der Trigeminusplakode von Petromyzon überein; nur tritt es bei Torpedo noch viel deutlicher hervor, dass die von der Plakode nach innen eingewucherte Zellenmasse keine dauernde Verbindung mit dem Ganglion ophthalmicum eingeht und als rudimentäre Bildung zugrunde geht. Ihre Entstehung aus dem Ektoderm und ihr Anschluss an ein Spinalganglion lassen mit grosser Wahr- scheinlichkeit annehmen, dass sie die rudimentäre Anlage eines Lateralganglions darstelle, wie solche als Ausgangspunkt von dauernden Lateralnerven anzutreffen sind (siehe S. 48 und 55).') !) Gast nennt die sich ablösende Plakode geradezu, aber so weit ich sehe ohne weitere Erklärung, ein Ganglion laterale (1909, S. 380). 44 AEG eier Während der Entstehung des Ganglion ophthalmiecum löst sich sein Zusammenhang mit der Hirndecke (Fig. 56); und bald darauf tritt eine weitere merkwürdige Veränderung an ihm ein. Nach den Sagittaldurchschnitten besteht es anfangs aus dem unteren spindelförmigen Hauptteil und dem oberen schmäleren Wurzelabschnitt, der sich verbreiternd mit dem primären Troch- learis und dem ziemlich hoch gelegenen Ganglion mandibulare zusammenhängt (Fig. 94). Während nun die Zellenmasse des Hauptteils sich immer fester zusammenschliesst, lockert sich das (refüge der Wurzel und zwar zuerst im stielförmigen unteren Teil und wird allmählich dem sie begrenzenden ektomesodermalen Mesenchym ganz gleich (Fig. 95). Dies wiederholt sich freilich an den übrigen Spinalganglien des Kopfes, doch mit der Folge. dass eine tiefer gelegene neue Hirnwurzel die verschwundene erste ersetzt (siehe unten). Das Ganglion ophthalmicum dagegen erhält über- haupt keine eigene Hirnwurzel mehr, sondern verbindet sich in Embryonen von 6-7 mm Länge mit dem Ganglion mandibulare vermittelst eines dünnen aber festen Zellenstranges, der von dem proximalen Ende des Ganglion ophthalmieum unmittelbar über der prämandibularen Kopfhöhle gegen das untere Ende des Ganglion mandibnulare zieht (Fig. 95). Anfangs verläuft dieser Verbindungs- strang so, als wenn er in den Mandibularnerv abwärts umbiegen ‚ wollte; allmählich verschiebt sich aber sein Anschluss an das Ganglion mandibulare aufwärts, so dass man ohne Kenntnis der eben be- schriebenen Wurzelbildung meinen könnte, dass die ursprünglichen Wurzeln des Ophthalmieus und Mandibularis einfach zusammen- gerückt wären und sich direkt verbunden hätten (Fig. 96 und 97). Aus dieser Metamorphose des embryonalen Ophthalmieus ist es zu verstehen, dass die bezügliche Darstellung von Dohrn und Gast überhaupt nicht die erste Anlage des Nerven. sondern nur seine späteren Bildungsstufen betraf. Durch die Rückbildung der primären Wurzel des Ganglion ophthalmieum büsst auch der primäre Trochlearis seine Verbindung mit dem Trigeminus ein und hängt nur noch mit der mesen- chymalen Platte zusammen, die sich über dem Ganglion ophthal- micum und vor dem Ganglion mandibulare entwickelt hat (Fig. 97). Erst während diese Platte sich immer mehr an den Wurzeln des Trigeminus zusammenzieht. erscheint auch das hintere Ende des primären Trochlearis ganz frei. Die Koptnerven bei Fischen und Amphibien. 45 Der Stamm des Ganglion ophthalmieum oder der Ophthal- mieus profundus wächst zuerst vor der Augenblase hinab (Fig. 96 und 97). gerät aber infolge der dauernden Vergrösserung der letzteren an ihre mediale Seite (Fig. 95). An Embryonen von 16 mm Länge sah ich zuerst den Ophthalmicus super- fieialis trigemini als Zweig des Ganglion ophthalmicum aus dessen Mitte entspringen und über dem Auge parallel zum 0. profundus nach vorn verlaufen (Fig. 95). Von der Gesamtanlage des Trigeminus verändert der Mandi- bularıs seine ursprüngliche Bildung am wenigsten. Die Ablösung seiner primären Wurzel vom Hirn und die Wiedervereinigung mit ihm an einer tieferen Stelle verläuft ebenso wie an allen Spinal- nerven des Kopfes (siehe S. 47.51 und 55). Es zeigte sich auch eine plakodenartige Ektodermeinwucherung, die mit dem Mandibularis in ähnliche Beziehungen tritt, wie sie der Ophthalmieus zu der vorhin beschriebenen Plakode offenbart (Fig. 41, 53 und 54). Anfangs ist das (ranglion mandibulare von der darunter liegenden zweiten Einwucherungsstelle des Ektomesoderms getrennt oder erreicht sie eben nur bis zur Berührung. Beim weiteren Hinabwachsen schmiegt es sich lateralwärts an die polsterförmige dichte Wurzel der Einwucherung dicht an, aber ohne mit diesem Polster zu verschmelzen (Fig. 57 und 55): von da ab reduziert sich aber das letztere zu einer dünnen Platte, die endlich ganz schwindet, d.h. sich in Mesenchym auflöst wie die ersten und tieferen Ab- schnitte der Einwucherung, die eben das bilden, was ich das Ektomesoderm nenne. | Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob in diesem Falle wirklich eine zweite Plakode derselben Art wie die Plakode des Ophthal- micus vorliegt oder nur eine kompakte Wurzel des Ektomeso- derms, wie solche noch in grösserer Zahl beschrieben werden sollen. Indem ich mir vorbehalte, die Beziehungen zwischen dem Ektomesoderm und einzelnen Organanlagen noch einer ein- gehenden Prüfung zu unterziehen, betone ich hier zunächst, dass die fragliche Plakode, wie man sie auch auffassen mag, an der Herstellung des Ganglion mandibulare nicht beteiligt ist. Am Mundwinkel wächst der untere Zipfel des Ganglion mandibulare in das Ektomesoderm hinein und folgt ihm in den Kieferbogen (Fig. 95—97). Aber erst nachdem der sich auf diese Weise entwickelnde N. mandibularis den Kieferbogen 46 A. Goette: in seiner ganzen Länge durchsetzt hat, salı ich unterhalb des Ganglions einen Seitenzweig des Stammes unter dem Auge in die Nasengegend verlaufen -- den Maxillaris (Fig. 98). Marshall und Spencer (1851) haben also Recht, wenn sie ‘den Maxillaris nicht als einen dem Mandibularis gleichwertigen Nerven, sondern nur als dessen Zweig betrachten. Die Entwicklung des Trigeminus ist von Platt (1891) ganz anders dargestellt worden. Während aus dem ‚schon be- sprochenen Trochleotrigeminus ein Fortsatz abwärts gegen das Auge wächst, zieht der gemeinsam mit dem Olfactorius vor dem Mittelhirn aus der Ganglienleiste entspringende „Thalamieus“ jenem entgegen, worauf der aus der Vereinigung beider ent- stehende Ophthalmieus profundus als Kommissuralstrang Trige- minus, Trochlearis, Oculomotorius, Thalamieus und Olfactorius miteinander verbindet. Der Thalamicus verschwindet aber bald. Hoffmann (1899) bestätigt diese Darstellung im wesentlichen. Auf Grund meiner Beobachtungen an Torpedo ist aber der Thalamicus aus der Zahl der Nervenanlagen zu streichen, da er nichts weiter ist als der am weitesten vorgerückte Teil des Ektomesoderms. Damit verschwinden auch die angeblichen Be- ziehungen zwischen Olfactorius. Trochlearis usw. — Es gibt im Vorderkopf nur eine selbständige rudimentäre Nervenanlage, den primären Trochlearis, der mit dem vordersten Ende der Ganglien- leiste identisch ist, und nur zwei dauernde Spinalnervenanlagen, das Ganglion ophthalmicum und das Ganglion mandibulare, mit denen der Olfactorius und die Augenmuskelnerven genetisch nichts zu tun haben. Auch die Ableitung des Ophthalmieus superfieialis trigemini aus dem primären Trochlearis (Platt) ist unzutreflend, da er, wie gesagt, aus dem Ganglion ophthalmieum hervorgeht. Facialis. Die Ganglienleiste setzt sich anfangs bis in die Gegend des lacialis ununterbrochen fort, bleibt aber auf dieser Strecke sehr schwach und verschwindet bald. Etwas vor und neben der plakodenartigen Anlage des Labyrinthbläschens wächst die Ganglienleiste zur Anlage des Facialis aus, die aus einer breiten, vom Hirndach absteigenden Wurzel und dem sich ıhr anschliessenden dicken Ganglion besteht (Fig. 62— 68). Die Wurzel ist vorn dünn, schwillt aber im Bereich des Labyrinthbläschens zu einer nach aussen vorspringenden Leiste an. Das untere Ende des Ganglions reicht anfangs nur bis an den Vorderrand Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 47T des Hyoidbogens, wo das Ektomesoderm über und hinter der ersten Kiemenspalte (Spritzloch) aus dem Ektoderm hervorwuchert (Fig. 64 und 94). Die Grenze zwischen dem Ganglion und dem sich darunter und dahinter anschliessenden Mesoderm ist jedoch nur an Sagittaldurchschnitten kenntlich, an Querdurchschnitten dagegen nicht, weil diese die Grenze schräg treffen. Das Über- sehen dieses Umstandes hat es zweifellos verschuldet, dass bei einer auf Querdurchschnitte beschränkten Untersuchung mancher Spinalnerv des Kopfes mit dem angeschlossenen Ektomesoderm irrtümlich für eine einheitliche Anlage gehalten wurde und dadurch störende Verwechslungen entstanden. An Embryonen von 5 mm Länge löst sich die primäre Hirn- wurzel des Facialis auf (Fig. 65), und das Ganglion zieht sich bis vor die Labyrinthgrube zusammen, um sich dort mit der Seite des Hinterhirns zu verbinden. Was aus den Zellen der aufgelösten primären Facialiswurzel wird, lässt sich ebensowenig sicher beantworten, wie hinsichtlich der Reste aller gleichen jildungen an anderen Spinalnerven. Das wahrscheinlichste ist, dass jene Zellen sich dem angrenzenden Mesenchym anschliessen. Dies hat aber natürlich so wenig eine spezifische Bedeutung wie der Übergang von einzelnen Zellen des Ektomesoderms in das allgemeine Mesenchym oder selbst in die Ganglien (siehe S. 8). Denn alle diese Vorgänge lehren übereinstimmend, dass die Embryonalzellen, woher sie auch stammen mögen, nicht geweblich vorgebildet sind, sondern sich als indifferente Bildungszellen den verschiedensten Geweben anzupassen vermögen. Im weiteren Verlauf der Ontogenese wächst das Ganglion faciale in den Hauptast, den Hyoideus, aus (Fig. 96), der den Hyoidbogen durchzieht und dabei einen Seitenzweig abgibt, der unter dem Spritzloch sich in den Kieferbogen begibt, um an dessen Vorderseite breit in die Haut auszustrahlen (Fig. 97 und 98). Es ist der als Seitennerv bekannte R.mandibularisexternus. Dort, wo das Ganglion dem oberen Rande des Spritzloches ganz nahe kommt, bleibt es durch das Ektomesoderm dauernd vom Epithel getrennt; nur darunter, im Hyoidbogen selbst, legt es sich der Hinterwand des Spritzloches eng an. Ob es aber dort zu einer Verschmelzung beider Teile kommt, wie ich es an den folgenden Kiemennerven beobachtet habe, habe ich nicht feststellen können. Sicher kommt es aber nie zu einer Ver- 48 A. Goette: schmelzung zwischen dem Ganglion und jenem ihm anliegenden epibranchialen Ektomesoderm, das vielmehr allmählich in das umgebende Mesenchym aufgeht (Fig. 65). Ferner sehe ich einen Zipfel des Ganglions unmittelbar über dem Spritzloeh sich an das Epithel anschmiegen und in einen Nerven auslaufen, der über das Spritzloch bis an seine Vorderwand hinzieht. Er entspricht einem R. praetrematicus der anderen Kiemennerven und ist entweder die Chorda tympanı oder der Palatinus (Fig. 97 und 98). Mit dem Faciaiis treten zwei Nerven in Verbindung, die einen ganz abweichenden Ursprung haben. der Acnsticus und ein selbständiger Lateralnerv. Die Genese des ersteren und seine Beziehungen zum Facialis sind schon ausführlich besprochen worden, es bleibt also nur die Entwicklung des anderen Nerven zu beschreiben übrig. Die Anlage des fraglichen Seitennerven, nämlich des Lateralis anterior, entsteht unmittelbar über dem Ektomesoderm (Epi- branchialganglion aut.) des Hvoidbogens und auswärts vom Facialis aus einer Einwucherung des Ektoderms, die auf Querdurchsennitten sich von den erstgenannten Teilen nicht leicht abgrenzen lässt und daher durchaus als eine Lateralplakode des Facialis imponiert (Fig. 63—68). Sehr bald wird aber namentlich auf Sagittal- und rontaldurchschnitten, dann aber auch auf (uerdurchschnitten die Sonderung jener drei Teile immer deutlicher, während sie nach der Plakodentheorie umgekehrt mit dem Facialis verschmelzen sollten (Fig. 95—98). Das angebliche Epibranchialganglion oder richtiger das Ektomesoderm trennt sich von den beiden Nerven- anlagen vollständig (Fig. 64—67); und wenn das Lateralganglion mit seinem mittleren Teil dem Facialis auch innig angeschlossen bleibt, so offenbart es seine Selbständigkeit schon dadurch, dass es sich mit den Grenzen des Facialis nicht deckt, und nachdem es vorübergehend in einen schräg aufsteigenden hinteren Zipfel ausgewachsen ist, über der sekundären Faecialiswurzel sich mit dem Hirn durch eine eigene Wurzel verbindet (Fig. 95 und 96). Sein Zusammenhang mit der verdickten Ektodermpartie, aus der es hervorgewachsen ist, löst sich, wie es scheint, nicht voll- ständig auf, bleibt aber doch zunächst sehr locker. Erst bei Embryonen von 7 mm Länge sehe ich den vorderen Rand des. Lateralgangliöons in einen oberen und einen unteren Lappen ge- spalten und diese mit dem Ektoderm fest verbunden (Fig. 68). Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 4% Diese beiden Lappen setzen sich in zwei Ektodermwülste fort, von denen der obere gerade nach vorn gegen den Trigeminus, der untere schräg abwärts gegen den Mundwinkel verläuft (Fig. 68, 95 und 96); und indem sich diese Wülste vom Ektoderm ab- spalten, stellen sie die zwei Hauptäste des vorderen Lateralis dar, die unter dem Namen eines R. ophthalmiecus superficialis und eines R. buccalis des Facialis bekannt sind. Sind einmal die drei Ganglien des Facialis, des Acusticus und des Lateralis anterior miteinander zu einer Masse verbunden, so kann diese, sobald ihre Genese unbekannt blieb, als eine ein- heitliche Spinalnervenanlage, nämlich als ein Ganglion faciale erscheinen, das in die vier Hauptäste des Acustieus, Hyoidenus, Ophthalmieus superficialis, Buccalis auswuchs. So fasste es auch Hoffmann (1599) auf, indem er zugleich nach der bekannten Theorie den Acusticus für das Produkt einer lateralen Plakoden- verbindung des Facialis und die beiden Lateralnerven für ein Produkt seiner epibranchialen Verbindung erklärte. Die Annahme eines einheitlichen Ursprungs dieser Nerven ist aber nicht nur entwicklungsgeschichtlich unrichtig, wie meine Beobachtungen zeigen, sondern auch anatomisch ungenügend be- gründet. Denn die Ganglien des Acusticus und Facialis bleiben gar nicht selten deutlich voneinander geschieden; und ferner steht der Lateralis anterior bei den Amphibien überhaupt nicht mit dem Facialis, sondern mit dem Trigeminus in Zusammenhang (siehe unten). Soll er also bei den Selachiern als Facialisast gelten, so müsste sein Homologon bei den Amphibien als Trige- minusast bezeichnet werden; Grund genug, um die bezeichnete Annahme zu beanstanden. Damit sind aber die Schwierigkeiten der Hoffmannschen Deutung nicht erledigt. Indem er die fraglichen Nerven als Spinalnervenäste betrachtete, erschienen sie ihm gleichzeitig als zwei Dorsaläste (Ophthalmicus superficialis und Acusticus) und zwei Ventraläste (Hyoideus und Buccalis). Der Charakter als Ventralast eines Spinalnerven stimmt aber wieder nicht mit der rein sensoriellen Funktion des Buccalis; daher sah sich Hoff- mann zu der Hypothese veranlasst, dass der Buccalis einem Funktionswechsel unterworfen gewesen sei, d. h. deutlicher gesagt. dass er ursprünglich mindestens ein gemischter Nerv war. der dann seine motorischen Zweige einbüsste. Diese Einbusse bedeutet Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. I. 4 50 ANGoette: aber einen gleichzeitigen Schwund der zugehörigen Muskulatur; wie und wo sollte man sich diese vorstellen ? Alle diese Schwierigkeiten fallen fort, nachdem es sich auf Grund der Ontogenese herausgestellt hat, dass es sich bei dem in Rede stehenden Nervenkomplex nicht um einen einfachen Spinal- nerv, sondern um eine dreiteilige Facialisgruppe handelt, deren einzelne Hauptnerven nicht Äste eines Stammes, sondern drei selbständige Stämme sind. Es muss ferner der Name des bisher sogenannten Ophthalmicus superficialis facialis ganz auf- gegeben werden, da er weder ein Facialisast, noch, wie wir sahen, dem Facialis ausnahmslos angeschlossen ist: ich schlage daher vor, ihn „Ophthalmico-lateralis“ zu nennen. — Die Facialisgruppe bestände demnach aus den drei Nervenanlagen Lateralis anterior, Facialis, Acusticus, und der Lateralis aus den zwei gleichgeordneten Ästen Ophthalmico-lateralis und Bucealis. richtiger als Hoffmann hat Wiedersheim (1902) den Ophthalmico-lateralis und den Buccalis als selbständige Lateral- nerven gedeutet: er irrt aber darin, dass er ihnen zwei getrennte (sanglien zuspricht und auch für den Mandibularis externus ein eigenes Ganglion neben den beiden anderen postuliert, weil er ebenfalls Seitenorgane innerviert. Nach Ausweis der Ontogenese gibt es in der Facialisgruppe nur ein Lateralganglion für den Ophthalmico-lateralis und den Buccalis, und der Mandibularis externus bleibt ein Zweig des Hyoideus, trotzdem er Seiten- organe versorgt. Denn es ist gar nicht einzusehen, warum Seitenorgane unter allen Umständen nur von selbständigen Seiten- nerven innerviert werden müssen. Der Glossopharyngeus von Torpedo entsteht aus der Ganglienleiste, ebenso wie die vorausgehenden Spinalnerven des Kopfes (Fig. 69 und 70). Die Leiste wächst in der hinteren Labyrinthregion lateral von den Somiten bis an das Niveau der Chorda hinab, wobei die Zellen sich in der unteren Hälfte der Anlage ansammeln und dadurch das spindelförmige Ganglion bilden. Aufwärts geht dieses Ganglion in eine dünne strang- förmige Wurzel über, deren oberstes Ende allmählich anschwillt. An Embryonen von 4—5 mm Länge ist die Ganglienleiste auf der Strecke zwischen Facialis und Glossopharyngeus ver- schwunden und die eben erwähnte verdickte Wurzel des Glosso- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 51 pharvngeus vom Hirn getrennt (Fig. 71). Die neue definitive Verbindung mit dem Hirn entsteht erst an 7 mm langen und älteren Embryonen (Fig. 75). Nachdem die Anschwellung der alten Wurzel sich an der seitlichen Hirnwand zu einem glatten kolbigen Ende zusammengezogen hat, wächst unmittelbar unter ihr ein kurzer konischer Fortsatz schräg aufwärts gegen das Hirn und verbindet sich mit ihm an seiner Spitze. Das Ganglion ist dann schon von einigen nicht ganz dünnen glasigen Proto- plasmasträngen durchzogen, die bis in die neue Wurzel reichen: und die Verbindung der letzteren besteht darin, dass ein solcher Protoplasmastrang an der Spitze des genannten Fortsatzes in die Hirnrinde eindringt und sich dort abwärts krümmt. Weiter habe ich ihn nicht verfolgen können: sicher stammt er aber nicht aus dem Hirn. sondern aus der Wurzel. Denn an der Stelle seines Eintritts in das Hirn ist eine weisse Substanz, aus der er ent- springen könnte, noch nicht entstanden, sondern ihre dünne Anlage beginnt erst unterhalb jener Stelle: und andererseits ist er eine direkte Fortsetzung der glasigen Protoplasmastränge des Ganglions. An dieser Entwicklung der definitiven Wurzel des Glosso- pharyngeus ist. also bemerkenswert: 1. dass das obere Ende der früheren Ganglienleiste teils schwindet, teils in die übrige Wurzel eingezogen wird; 2. dass die neue Verbindung mit dem Hirn von jener Wurzel ausgeht, und wenigstens die erste Phase der ge- weblichen Differenzierung, die Bildung der glasigen Protoplasma- stränge, vom Ganglion zentripetal fortschreitet. Wenden wir uns jetzt zu den unteren Abschnitten des Ganglion glossopharyngeum. Seine erste Anlage erfolgt zu der Zeit, wenn das Ektomesoderm des 1. Kiemenbogens oder 3. Visceral- bogens erst plakodenartig im Ektoderm angelegt ist, sich aber noch nicht abgelöst hat (Fig. 69); nach dessen Entstehung treffen das Ganglion von oben und das Ektomesoderm von unten her sehr bald zusammen (Fig. 70 und 71), worauf sie auf Querdurch- schnitten sich schwer voneinander abgrenzen lassen. Dagegen ist auf Sagittaldurchschnitten das dichtere Ganglion von dem mehr lockeren mesenchymatösen Ektomesoderm ganz gut zu unter- scheiden (Fig. 94—97 \. Das zugespitzte untere Ende des Ganglions befindet sich alsdann dicht hinter der hinteren oberen Ecke der 2. Kiemen- 4* 52 A. Goette: tasche, wo auch gerade der Ausgangspunkt des Ektomesoderms in Gestalt eines dichteren Polsters liegt, um sich von dort ab- wärts in den Visceralbogen fortzusetzen. So kommt es, dass das Ganglion, indem es in denselben Visceralbogen vordringt. sich an jenes epibranchiale Polster dicht anlegt. Dieses Aneinander- liegen beider Teile dauert eine nicht ganz kurze Zeit, worauf das Polster an Embrvonen von 16 mm Länge nicht mehr nach- weisbar ist. Diese Erscheinungen könnten in der bisher üblichen Weise so gedeutet werden, dass das epibranchiale Polster ein Epibranchial- ganglion sei, das sich mit dem Spinalganglion vereinige. Ich habe dies jedoch ebensowenig wie beim Facialis feststellen können und halte es schon deshalb für unwahrscheinlich. weil solche epibran- chialen Polster auch an der 4. und 5. Kiementasche vorkommen und sich an die dort befindlichen zweifellos ektomesodermalen Visceralganglien anschliessen, wie wir solche schon bei Petromyzon kennen lernten. Nun kann es doch keinen Sinn haben, dass an derselben Stelle und aus demselben Ektomesoderm sich zwei Epibranchialganglien nacheinander entwickeln, um dann sofort zu einem (Granglion zu verschmelzen. Wenn es also ausgeschlossen ist, dass die fraglichen epibranchialen Polster an der 4. und 5. Kiementasche Epibranchialganglien sind, können sie an den vorausgehenden Kiementaschen nicht die letztere Bedeutung haben. Epibranchialganglien zur Ergänzung der Spinalganglien gibt es bei den Selachiern über- “haupt nicht. Dagegen vollzieht sich eine wirkliche Verbindung zwischen dem Ganglion glossopharyngeum und dem Aussenepithel an der Hinterwand der 2. Kiementasche und dicht unter dem eben be- sprochenen Polster. Dort verschmelzen Ganglion und Haut an zwei bis vier Stellen, an denen sich alsbald kurze Brücken zwischen jenen Teilen ausspannen, in die von beiden Seiten Zellen eintreten (Fig. 97). Diese bemerkenswerte Verbindung beginnt bei Embryonen von 9 mm Länge, ist am vollkommensten ausgebildet an Embryonen von 13 mm Länge und löst sich dann allmählich auf. Ich sah sie auch bei gleich alten Embryonen von Pristinrus melanostomus und Mustelus vulgaris (15—20 mm Länge), aber nicht mehr an etwas älteren Mustelus vulgaris (25 mm Länge). ' Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 53 Nach dem ganzen Befund kann es sich dabei nicht um irgend eine neue Kategorie von Plakoden handeln. Denn ab- gesehen davon, dass vielleicht einzelne Zellen aus dem Epithel durch die genannten Verbindungsbrücken in das Ganglion ein- dringen, kommt es gar nicht zur Ablösung einer ganzen plakoden- artigen Masse vom Epithel. Die einzige Analogie zu der eben beschriebenen Verbindung sehe ich vielmehr in der Verschmelzung des Lateralis anterior mit der Haut (siehe oben), worauf aber nicht etwa nur vergängliche Brücken zwischen ihnen ausgezogen werden, sondern zwei bleibende Lateralnerven (Ophthalmico-lateralis und Buccalis) sich von der Haut abspalten. Ich glaube daher die im Anfang ähnliche Erscheinung am Glossopharyngeus so deuten zu dürfen, dass es die rudimentäre und erfolglose Einleitung zur Entwicklung eines besonderen Hautnervenastes von unbekannter Bedeutung ist. Während der Verbindung des Granglion glossopharyngeum mit dem Kiemenspaltenepithel wächst der Hauptstamm des Glossopharyngeus in den 3. Visceralbogen hinab; und einige Zeit darauf, nachdem das Polster des Ektomesoderms zwischen dem Ganglion und dem Epithel verschwunden ist. zeigt sich dort der R. praetrematicus (Fig. 98). Dabei veranlasst jene Ver- bindung eine Formveränderung am Ganglion, die irrtümliche Deutungen hervorrufen könnte. Indem der R. praetrematicus aus der vorderen an das Epithel angehefteten Hälfte des Ganglions gegen den Scheitel der Kiemenspalte vorwächst, der eigentliche Nervenstamm dagegen aus der hinteren Hälfte des Ganglions hinabzieht, wird das letztere so auseinander gezogen, dass man auf manchen Durchschnitten den Eindruck erhält, als sei es aus zwei vorher getrennten Teilen zusammengesetzt. Und da dies geeignet ist, die schon kritisierte Vorstellung von dem zweifachen Ursprunge unseres (ranglions wieder wachzurufen, betone ich 1., dass dessen vordere Hälfte, die eventuell an ein Epibranchialganglion erinnern könnte, mit dem ursprünglichen, an das Epithel gehefteten Ende des Ganglions identisch ist, und 2., dass das einzige epibranchiale und aus dem Ektomesoderm stammende Gebilde, nämlich das be- sprochene ektomesodermale Polster, anfangs über jener Anheftung liegt und in der kritischen Zeit bereits verschwunden ist. Vagus. Unter diesem Namen wird bei den Selachiern ganz allgemein nicht sowohl ein einzelner Nerv und zwar der 54 Ar Goette: 5. Spinalnerv des Kopfes, sondern der ganze Komplex jener mit- einander verbundenen Nerven verstanden, die sich zwischen dem Glossopharyngeus und dem 1. Spinalnerv des Rumpfes befinden (Fig. 98). Dieser Komplex gilt als ein polymerer Spinalnerv. d.h. als eine Anzahl homologer, aus der fortlaufenden einheitlichen (sanglienleiste hervorwachsender Nerven, die den 4. und die folgenden Visceralbogen innervieren Hoffmann, 1899, Dohrn, 1902). Infolge einer Verschmelzung jedes dieser Nerven mit dem von ihnen berührten Kiemenspaltenepithel würde aus seinem daran beteiligten Abschnitt das zugehörige Ganglion. Nach Froriep (1591) kommt es noch zu einer zweiten Verbindung dieser Nerven mit einer dorso-lateralen Plakode, woraus die Lateralnerven hervorgehen. Hoffmann, der an derselben Stelle vergängliche Sinnesorgane entstehen lässt, bezeichnet die Lateral- nerven als Dorsaläste des Vagus. Meine eigenen Befunde an den Selachiern lauten anders, und zwar stimmen sie in den Hauptpunkten damit überein, was ich über die Entwicklung des Vaguskomplexes bei Petromyzon festgestellt habe. Es handelt sich also auch beim Vaguskomplex der Selachier nicht um eine Verbindung gleichwertiger, sondern recht heterogener Nervenanlagen, die nach ihrer durchaus selb- ständigen Entstehung und Ausbildung nur in einen solchen Zusammenhang miteinander treten, wie die Komponenten anderer Nervengruppen, z. B. des Trigeminus und des Facialis. Jene heterogenen Nervenanlagen sind 1. die Erzeugnisse der Ganglien- leiste, 2. die schon von Petromyzon her bekannten oceipitalen Visceralnerven, 3. die Lateralnerven. Ich werde sie in dieser Reihenfolge beschreiben. Die Wurzel des Glossopharvngeus setzt sich rückwärts ohne Unterbrechung in die Ganglienleiste und diese in die Anlage des 5. Spinalnerven des Kopfes fort, die allein von allen Teilen des ganzen Komplexes die sämtlichen Merkmale eines solchen Nerven besitzt und daher auch allein den Namen Vagus zu führen hat. Die den Glossopharyngeus und den Vagus verbindende Ganglien- leiste schwindet nicht wie in den gleichen vorausgehenden Inter- stitien, sondern bleibt erhalten bis die beiden Ganglien in den älteren Embryonen zusammenrücken und ihre Wurzeln sich berühren. Mehr als einmal sah ich in den jüngsten Anlagen des Vagus das spitz auslaufende Ende des Ganglions ebenso mit der Haut oO [u | Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. verbunden, wie ich es vom rudimentären vordersten Abschnitt der Ganglienleiste, dem sogenannten primären Trochlearis, be- schrieb (Fig. 75). Dies hat aber mit einer Plakodenverbindung nichts zu tun. Einmal fehlt dort jede Hautverdickung oder Ein- wucherung, und ferner Kann die sehr bald gelöste Verbindung auch nicht die Entstehung des Lateralis posterior einleiten, da seine Anlage viel später hinter dem Vagus auftritt und sich erst sekundär bis an den letzteren vorschiebt. Ich kann daher für jene tlüchtige Hautverbindung des Vagus keine Erklärung finden, vermute aber, dass sie schon zu Verwechslungen mit einer wirk- lichen Plakode Veranlassung gegeben hat. Im übrigen gleicht die Anlage des Vagus vollständig der- -jenigen des Glossopharyngeus und entwickelt sich auch weiterhin in derselben Weise (Fig. 74—76, 78 und 79). Seine primäre Wurzel wird ebenfalls durch eine neue ersetzt, die unterhalb des etwas kolbig angeschwollenen obersten Endes hervorwächst und zentripetal ins Hirn eindringt (Fig. 79). Nachdem das Ganglion angeschwollen ist, erreicht sein distales Ende das epibranchiale Polster des Ektomesoderms an der 3. Kiemenspalte, gleitet hinter ihm an die Hinterwand derselben Spalte und verbindet sich in der früher geschilderten Weise vorübergehend mit ihrem Epithel (siehe S. 52 und Fig. 96 und 97). Der den 4. Visceralbogen durch- ziehende Stamm des Nerven ist wie gesagt der letzte zentrogene Visceralnerv. Der zugehörige R. praetrematicus entspringt aus dem Ganglion (Fig. 98). Die Wurzel des Vagus setzt sich rückwärts von Anfang an in eine ebensolche Ganglienleiste fort, wie sie im ganzen Kopf besteht (Fig. 76 und 77); und diese Leiste läuft nach einer Strecke von drei Somiten oder Myomeren in die Ganglienleiste des Rumpfes aus (Fig. 92). Wenn somit die Ganglienleiste beider Körper- regionen eine einheitliche Bildung ist, so lassen sich an ihr doch zwei nach ihren Lagebeziehungen und Verbindungen deutlich gesonderte Strecken unterscheiden. Anfangs liegt die (ranglienleiste sowohl im Kopf wie im twumpf dicht neben der oberen Hälfte des Medullarrohres und über dem dorsalen Entomesoderm. Während nun die Spinal- ganglien vom Vorderkopf an rückwärts fortschreitend sich aus der Ganglienleiste sondern und hinunterwachsen, bleibt jenes Entomesoderm im ganzen Kopf in seiner Entwicklung zurück, 56 A. Goette: indem es sich wenig über die anfängliche Höhe erhebt und grösstenteils keine Muskulatur liefert. So können die hinab- wachsenden Spinalganglien in einfachster Weise an die Aussen- seite des Entomesoderms gelangen, um dann auf kürzestem Wege ihren Verbreitungsbezirk, nämlich die Visceralbögen, zu erreichen (siehe oben). Auch hinter dem Vagus verhalten sich die ihn fortsetzende Ganglienleiste und das Entomesoderm eine Strecke weit ebenso, mit dem Unterschied. dass sich dort bereits Myo- meren vorfinden. Anfangs lassen sich auf Sagittal- und Frontaldurchschnitten nur drei Myomeren unterscheiden, die von der Ganglienleiste überwachsen werden, und deren erstes den Vagus nicht erreicht; in etwas älteren Embryonen finde ich aber vier solche Myomeren, - deren erstes gerade bis zum Vagus reicht, und es ist nicht un- möglich, dass die Spuren von Muskeln, die ich an noch älteren Embryonen unter dem Vagus antraf, einem weiteren Myomer angehören (Fig. 92 und 93). Dies würde heissen, dass die Zahl der bezeichneten Myomeren kranialwärts zunimmt. Doch kommt es auf ihre Zahl und kraniale Ausbreitung weniger an, als darauf, dass das hinterste von ihnen an seinem kaudalen Ende sich soweit erhebt und nach aussen ausbiegt, dass die Ganglienleiste zwischen: die Muskelplatten und das Medullarrohr gerät, um diese Lage im ganzen Rumpf beizubehalten (Fig. 80—S5). Dadurch sondert sich die ganze metotische Ganglienleiste von Torpedo trotz ihrer Kontinuität in zwei verschiedene Abschnitte, einen vorderen, wo sie lateral, und einen hinteren, wo sie medial von den Somiten und Myomeren liegt (Fig. 92 und 93). Der vordere Abschnitt oder die occipitale Ganglienleiste schliesst sich in jeder Hinsicht dem Kopfnervensystem an, während aus ihrer kaudalen Fortsetzung die Spinalnerven des Rumpfes mit ihrer charak- teristischen medialen Lage hervorgehen. Diese zwei Abschnitte der kontinuierlichen metotischen Ganglienleiste sind natürlich etwas ganz anderes als die zwei getrennten und teilweise nebeneinander verlaufenden Ganglien- leisten Frorieps (1901), deren Existenz ja schon Dohrn (1902) bestritten hat. Nach den Abbildungen Frorieps zu schliessen, gründete er seine Auffassung auf die häufige aber vorübergehende Spaltung des Vagus und der folgenden Ganglienleiste in zwei Blätter (vergl. Fig. 72). Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. By Einen ähnlichen wie den eben geschilderten Übergang aus der lateralen in die mediale Lage (oder umgekehrt) haben wir am 1. Spinalnerven des Rumpfes von Petromyzon gesehen: und wenn daher bei Petromyzon und den Selachiern gleicherweise ein ganz genau bestimmbarer Übergang der kontinuierlichen Ganglien- leiste aus den für den Kopf charakteristischen Lagebeziehungen in die abweichenden Lagebeziehungen des Rumpfes stattfindet, so bleibt doch der Unterschied, dass dieser Übergang bei Petromyzon unmittelbar hinter dem Vagus, bei Torpedo dagegen mehrere Segmente weiter rückwärts liegt. Und damit hängen noch andere Unterschiede der beteiligten Nervenbildungen zusammen. Die oceipitale Ganglienleiste von Torpedo wächst in ihrer vollen Länge ungeteilt und ungesondert bis an das epibranchiale Ektomesoderm hinab (Fig. 77, SO, 83 und S4). In dem letzteren entwickelt sich nun gerade so wie bei Petromyzon eine Anzahl von Visceralganglien. Sie treten erst verhältnismässig spät auf, zuerst eines über dem 5. Visceralbogen, dann zwei weitere über dem 6. und 7. Visceralbogen; zuletzt schliesst sich bei Embryonen von 12 mm Länge an die Innenseite des 3. Visceral- ganglions ein 4. an, das sich scheinbar von dem vorausgehenden abspaltet und etwas nach innen wendet (Fig. 96—98). Die drei vorderen dieser Ganglien verbinden sich erst nach einiger Zeit miteinander, das letzte behält aber seinen ursprünglichen Zu- sammenhang mit dem 3. Ganglion. Mit diesen vier Visceralganglien verbindet sich der untere hand der oceipitalen Ganglienleiste, so dass sie deren gemein- same ungeteilte zerebrale Wurzel darstellt (Fig. 30, 83, S4, 90 und 93). Und weil diese ganze Kiemengegend sich fortgesetzt und viel stärker als die dorsalen Teile nach hinten ausdehnt. wird der hintere Rand der gemeinsamen Wurzel von ihrem fixen dorsalen Grenzpunkt hinter den occeipitalen Myomeren an bogen- förmig nach unten und hinten ausgezogen. Dorsal geht derselbe Rand ebenfalls bogenförmig in den 1. Spinalnerv des Rumpfes über (Fig. 95—97). Die weitere Entwicklung der Visceralganglien der Selachier (Torpedo, Mustelus, Pristiurus) stimmt mit derjenigen des Glosso- pharyngeus und Vagus überein. Nachdem sie die beschriebene Verbindung mit dem Kiemenspaltenepithel eingegangen sind, ent- senden sie je einen Hauptnervenstamm in den zugehörigen Visceral- 55 A. Goette: bogen (occipitale Visceral- oder Kiemennerven) und später einen R. praetrematicus; aus dem 4. Visceralganglion geht der zum Herzen hinabziehende R. intestinalis hervor. Ich komme nunmehr zum letzten Komponenten des Vagus- komplexes, zum N. lateralis posterior. Seine Entstehung beginnt bei Torpedo in Embryonen von ca. 6 mm Länge hinter dem Vagus und lateral vom unteren Teil der oceipitalen Ganglien- leiste (Fig. 86). Diese erste Anlage des Lateralis posterior zeigt sich als eine lockere Einwucherung des Ektoderms, die sich von dem noch immer einwandernden Ektomesoderm nur durch ihre etwas höhere Lage unterscheidet. Aber schon sehr bald wird daraus eine wohlabgegrenzte wulstförmige Zellenmasse, die sich in der ganzen Länge der oceipitalen Ganglienleiste über den Visceralganglien hinzieht und vorn bis an den Vagus vorrückt (Fig. 92, 93, 96 und 97). Dieses Ganglionlaterale posterius erscheint kontinuierlich, aber nach einiger Zeit in drei hinter- einander liegende spindelförmige Abschnitte gesondert (Fig. 95). Sie setzen sich mit der Haut mehrfach in Verbindung, der vorderste seitlich vom Vagus, die anderen in der Occipitalgegend; aus diesen Verbindungen spinnen sich ein seitlicher und zwei dorsale hintere Lateralnerven aus. Die Art und Weise, wie dies geschieht, habe ich erst bei Siredon genauer verfolgen können, worauf ich also verweise. Die Verbindungen der Lateralis-Anlage mit dem Hirn- Rückenmark und mit anderen Nerven sind recht verschieden. Der vorderste Abschnitt verbindet sich zuerst mit der Wurzel des Vagus, wächst aber darüber hinaus bis an den Glosso- pharyngeus, wo er einen Anschluss an das Hirn gewinnt (Fig. 98). Die Verbindung mit der Ganglienleiste ist bis hinter das 1. Visceral- ganglion nur locker, und mit dem letzteren hängt der Lateralis zunächst nicht zusammen (Fig. 57 und 88). Dagegen beginnt dahinter eine innige Verbindung zwischen der Ganglienleiste und dem 2. bis 4. Visceralganglion einerseits und andererseits dem sich zu ihnen hinabsenkenden Lateralganglion. Während sich die dorsalen Lateraläste später von den Visceralganglien abheben, bleibt die untere Fortsetzung des Lateralganglions mit dem 2. und 3. Visceralganglion in Verbindung (Fig. 98); von ihrem hinteren Ende zieht ein Zweig rückwärts und auswärts zur Haut hinter der 6. Kiementasche, wo eine neue Anlage, offenbar diejenige des ventralen Lateralastes des Rumpfes, hervorsprosst. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 94 Die Verschmelzung aller Komponenten des Vagus-Komplexes zu einem Geflecht, in dem die einzelnen Ganglien nicht mehr zu unterscheiden sind, findet erst an viel älteren Embryonen statt als die mir von Torpedo, Mustelus und Pristiurus zu Gebot standen. Mögen aber die Lateralnerven zuletzt als Äste des Vagus er- scheinen, so können sie doch nach ihrer Genese nur als selbständige Erzeugnisse des Ektoderms oder der Haut bezeichnet werden. Die hier mitgeteilten Beobachtungen stehen in vollem Gegen- satz zu der bisherigen Auffassung dieses Nerven-Komplexes, dass er nämlich aus einer Anzahl homologer Spinalnerven bestände, die nur von einer Wurzel ausgingen (polymerer Nerv) und wie andere Spinalnerven des Kopfes durch eine laterale und eine epi- branchiale Plakode zum vollen Bestand ergänzt würden (Plakoden- Theorie). Diese Vorstellungen entsprangen, wie mir scheint, daraus, dass man die Beobachtung auf zu späte Entwicklungs- stufen und meist auf Querdurchschnitte beschränkte. Sobald man die Untersuchung auf alle Entwicklungsstufen und auf alle Arten von Durchschnitten ausdehnt, ergibt sich jene Auffassung als eine ganze Reihe von Missverständnissen. Im Vagus-Komplex sind tatsächlich folgende genetisch selb- ständige Anlagen vereinigt: 1.ein vollständiger mit einem eigenen Ganglion versehener Spinalnerv, der Vagus: 2. vier ektomesodermale Visceralganglien; 3. eine ungeteilte, sich über vier Segmente erstreckende und ganglienlose (occipitale) Ganglienleiste, die jene Visceralganglien und ihre Nerven mit dem Rückenmark ver- bindet; 4. ein durch die ganze Vagus- und Oceipital- region sich erstreckendes Lateralganglion (Fig. 93). Wollte man nun auch annehmen, dass die oceipitale Ganglien- leiste und ebenso das genetisch einheitliche Lateralganglion aus einer phyletisch sekundären Verschmelzung mehrerer diskreter Stücke hervorgehe, so ist damit für die bezeichnete Plakoden- Theorie nichts gewonnen. ‚Jede Plakode sollte doch eine gangliöse Masse sein, die zu einer integrierenden Ergänzung eines Spinal- sanglions dient und nicht eine selbständige Anlage mit eigenen Nerven darstellt. Untersucht man nun daraufhin die (renese des Vagus und der oceipitalen Visceralnerven, so ergibt sich, dass weder ihre Anlagen der Plakoden-Theorie entsprechen, noch alle genetisch miteinander übereinstimmen. 60 A. Goette: 1. Der Vagus besitzt ein Spinalganglion, das sich zunächst, d. h. vor der späteren allgemeinen Verschmelzung des ganzen Komplexes, mit keinerlei Plakoden vereinigt. Eine epibranchiale Plakode existiert dort. wie wir sahen, überhaupt nicht; und das nachträglich bis an den Vagus vorgewachsene Vorderende des Lateralganglions grenzt nur an die Wurzel des Vagus und ent- sendet seinen Hauptast. während es noch völlig gesondert besteht. Seine spätere Verschmelzung mit dem Vagus kann aber ebenso- wenig wie eine beliebige andere Verschmelzung von bereits gesonderten Nerven auf eine Plakodenbildung bezogen werden. Von einer für das Vagus-Ganglion bestimmten Lateralplakode in Gestalt des Vorderendes des Ganglion laterale posterius kann um so weniger die Rede sein, als das ebenso entstehende Ganglion laterale posterius von Petromyzon mit dem Vagus-Ganglion über- haupt niemals in einen direkten Zusammenhang tritt. Und ein weiterer Einspruch dagegen, dass das hintere Lateralganglion ein integrierender Bestandteil des Vagus sei, ergibt sich daraus, dass das homologe vordere Lateralganglion, wie schon erwähnt, sich bald mit dem Facialis (Selachier). bald mit dem Trigeminus (Amphibien) vereinigt. 2. Die oceipitalen Visceralnerven entstehen wiederum aus zwei heterogenen Anlagen, nämlich einer gemeinsamen und ganglienlosen zentrogenen Wurzel (oceipitale Ganglienleiste) und den vier ektomesodermalen Ganglien. Diese xorrespondieren nur durch ihre Lage auswärts von den Somiten und durch den Ver- lauf ihrer Nerven mit dem Vagus und anderen Spinalnerven des Kopfes, sind aber genetisch mit ihnen nicht vergleichbar. Sie lassen sich aber auch nicht als epibranchiale Plakoden im Sinne der bisherigen Theorie deuten, auch wenn man davon absieht, dass sie überhaupt keine unmittelbaren Ektodermprodukte sind. Denn es fehlen die Spinalganglien, denen sie als Ergänzung dienen sollen. Dem Vagus schliesst sich eben nur das 1. Visceralganglion an, und zwar nur in derselben Weise, wie der Vagus sich dem (rlossopharyngeus anschliesst, d. h. sehr spät und bloss an der Wurzel, ohne ein einheitliches Ganglion zu bilden. Und für die übrigen Visceralganglien fehlt selbst diese äusserliche unmittelbare Vereinigung mit dem Vagus. Damit sind aber für den ganzen Vaguskomplex die Plakoden- theorie und die genetische Homologie aller seiner Hauptnerven Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 61 gegenstandslos geworden. Insbesondere ergibt sich diese angeb- liche Gleichwertigkeit der oceipitalen und der spinalen Visceral- nerven als eine Konvergenzerscheinung oder Homoidie, die wegen der identischen Form- und Lagebeziehungen der fertigen Teile auch ferner als anatomische Übereinstimmung anerkannt werden mag, aber den Gegensatz einer solchen Übereinstimmung und einer genetisch begründeten Homologie im vorliegenden Fall deutlich hervortreten lässt. Und der weitere Verlauf unserer Untersuchung wird uns noch manche andere Belege für die Ver- wechslung jener beiden Erscheinungen bringen. Die Spinalnerven des Kopfes und die ihnen angeschlossenen Lateral- und Visceralnerven von Lepidosteus und Amia habe ich an 6—S mm langen Embryonen wesentlich in demselben Zu- stande wie bei Torpedo angetroffen (Fig. 99). Ganz deutlich waren die Ganglien des Trigeminus, Facialis und Lateralis anterior ge- trennt. Im Hinterkopf berührten sich die Wurzeln des Glosso- pharyngeus und des Lateralis posterior (mit dorsaler und ventraler Portion) an ihrem Ursprung; getrennt davon kreuzte der zwei- wurzelige Vagus (vergl. Petromyzon und die Amphibien) den Lateralis und hing unmittelbar ohne Kommissuren mit drei Visceralganglien für den 5.—7. Visceralbogen zusammen. Diese spindelförmigen Ganglien bilden keine langgezogene Kette wie bei Petromyzon und den Selachiern, sondern stossen mit ihren proxi- malen Enden zusammen und divergieren abwärts, weil die hinteren Visceralbogen infolge der Umwandlung der Kiementaschen in spaltförmige Räume zusammengerückt und unter den Kopf vor- geschoben sind. — Bei Amia-Larven von 8,5 mm Länge sah ich von der 2. Wurzel des Vagus (1. Spinalnerv des Rumpfes) eine horizontale Kommissur, also den Rest der kontinuierlichen (sanglienleiste, zur nächsten Spinalnervenwurzel ziehen. Siredon pisciformis. Die spinalen und die übrigen ihnen angeschlossenen Kopf- nerven des erwachsenen Tieres entspringen aus drei Ganglien, die als diejenigen des Trigeminus,. des Acustico-Facialis und des (slossopharyngeo-Vagus bezeichnet werden (Fischer, 1864). Die 62 AS GKo erben Verteilung jener Nerven auf die drei Ganglien ist aber, wie sich zeigen wird, eine andere als bei den Selachiern. Corning (1599) ist der einzige neuere Beobachter, der an der alten Vorstellung festhält, dass die embryonalen Spinal- nerven des Kopfes ausschliesslich aus der Ganglienleiste hervor- gehen. Dagegen behaupten Brauer (1904) für die Gymnophionen und Brachet (1908) für die Anuren, dass die Ganglienleiste im (sebiet des Ophthalmicus vollständig in das Mesenchym aufgehe und dass das Ganglion ophthalmieum ausschliesslich aus einer lateralen Plakode entstehe. Das Ganglion mandibulare soll wiederum nur der Ganglienleiste entstammen (Brauer) oder nebst allen anderen Spinalnerven des Kopfes den bekannten doppelten Ursprung haben (Brachet). Bezüglich der ursprünglichen Spinalnerven des Kopfes der Amphibien kann ich nur Corning bestätigen. Doch ist damit die Entwicklungsgeschichte der drei genannten Ganglien des erwachsenen Tieres keineswegs auch nur in der Hauptsache ab- getan. Denn jedes dieser Ganglien enthält ausser den Spinal- ganglien noch ganz andere Komponenten (Seitennerven, oceipitale Visceralnerven), die, wie es schon bei Petromyzon und Torpedo ersichtlich war, nicht zu den Anlagen der Spinalnerven gehören und wegen ihres sekundären Anschlusses an diese zu Unrecht als deren Ausläufer im Sinne von Spinalnerven galten. Trigeminus. Die Angabe Platts (1894), dass das Ganglion trigemini aus einer einheitlichen Anlage hervorgehe, trifft nach meinen Befunden bei Siredon, Triton, Rana und Bufo nicht zu und kann auch für den von Platt untersuchten Neeturus nicht richtig sein, da dessen fertig entwickelter Trigeminus im wesentlichen mit demjenigen von Siredon übereinstimmt (Fischer). Aber auch die Vorstellung, dass der Trigeminus der Amphibien sich nur aus den originalen Anlagen des Ophthalmicus und Mandibularis zusammensetze, ist unbegründet; denn in Wirklich- keit fliesst er aus drei teilweise heterogenen Ganglien zusammen, von denen die zwei bekannten Spinalganglien des Ophthalmicus und des Mandibularis vorangestellt werden sollen. Die Ganglienleiste meiner jüngsten Embryonen (2—3 mm) verläuft ganz kontinuierlich und ziemlich gleichmässig vom Vorderende des Kopfes ungefähr bis zu der Stelle, wo später das Labyrinthbläschen entsteht (Fig. 100—102). Diese junge Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 63 (ranglienleiste von Siredon zeigt dieselbe eigentümliche Bildung, die Kupffer (1900) von Bdellostoma-Embryonen beschrieb: sie stellt sich als sackförmige Ausstülpung des Hirndachs dar. Doch möchte ich dieser vorübergehenden Erscheinung, die sich ja auch bei Torpedo zeigt (Fig. 72), keine besondere Bedeutung zuschreiben. Auf der nächsten Entwicklungsstufe ist die Ganglienleiste des Kopfes solid, plattenförmig und in zwei Strecken geteilt, eine vordere, die nicht ganz bis zum Auge reicht, und eine hintere, die erst über dem Auge beginnt. Die vordere Strecke entspringt noch am Hirndach und verbindet sich an ihrem unteren Rande mit dem Ektoderm. Dieses isolierte vorderste Stück der Ganglien- leiste halte ich für gleichwertig mit dem primären Trochlearis der Selachier, sowohl wegen seiner Lage als auch wegen seines rudimentären Charakters, da es schon in wenig älteren Embryonen verschwindet. Dieser Schwund vollzieht sich nach meinen Befunden in recht verschiedener Weise. Einmal sah ich die bezeichnete Ganglien- leiste auf einer Körperseite stellenweise am unteren Ende mit der Haut verbunden, aber stark aufgelockert. so dass sie ver- mutlich im Begriff war, sich wie bei Torpedo aufzulösen: auf der anderen Körperseite war sie aber kompakter und der Haut so eng angeschmiegt, dass ihre Verschmelzung mit der letzteren bevorzustehen schien (Fig. 103). Und in der Tat konnte ich einen solchen Vorgang in einem anderen Embryo bestätigen (Fig. 107— 109). Auf der linken Seite des Mittelhirns war die Ganglienleiste verschwunden, aber keinesfalls in Mesenchym auf- gelöst, da die Haut das Hirn beinahe berührte (Fig. 107); und dies letztere rührte daher, dass dieselbe Hautstelle um so viel nach innen verdickt war, als die Ganglienleiste früher an Raum eingenommen haben musste. Auf der rechten Seite desselben Mittelhirns war die (Ganglienleiste vorn vorhanden, aber dem Hirn angelagert, rückwärts fortschreitend dagegen mit ihm ver- schmolzen (Fig. 108 und 109). Daraus schliesse ich, dass der vorderste Abschnitt der Ganglienleiste von Siredon sich nur ge- legentlich so auflöst wie bei Torpedo, häufiger jedoch sich der Haut oder dem Hirn anschliesst und in sie aufgeht. Möglicherweise haben ähnliche Befunde die irrige Annahme über den Schwund des zentrogenen Ophthalmicus veranlasst. Tatsächlich liegt aber die Anlage des ganzen Trigeminus, nämlich 64 A. Goette: die über der Mitte des Auges beginnende Strecke der Ganglien- leiste, merklich hinter jener rudimentären vorderen Strecke (Fig. 103 bis 106). An ihr sind übrigens zwei Portionen (Ophthalmieus, Mandibularis) noch nicht zu unterscheiden, und wo sie dorsal in der Nähe der Labyrinthanlage verstreicht, zeigt sich gleich dahinter schon die Anlage des Facialis. In Embryonen von 3,5 mm Länge sind die beschriebenen Anlagen des Vorderkopfes infolge seiner dauernden Streckung aus- einander gerückt und zeigen sich auf den uerdurchschnitten dünner (Fig. 110— 112). Die Ganglienleiste ist zwischen dem Trigeminus und Facialis vollständig geschwunden, und die Sonderung der beiden Trigeminusganglien hat begonnen. Nachdem ihre primäre Wurzel sich vom Hirndach abgelöst hat und die ganze Anlage an der Aussenseite des Entomesoderms hinabgerückt ist, erreicht sie mit ihrem unteren Rande das Ektomesoderm, lässt sich aber von ihm meistenteils, und von dem grobzelligen Entomesoderm durchweg unterscheiden. Weniger leicht sind die beiden gangliösen Anlagen des Ophthalmicus und des Mandibularis auseinander zu halten, da sie mit ihren breiten und dieken Wurzelenden dicht zusammenliegen und über und hinter dem Auge mit einem viel spitzeren Winkel als später abwärts divergieren (Fig. 154), so dass nur die unteren Enden der beiden Ganglienanlagen sich in den (Juerschnittserien hintereinander abheben. Zuerst erscheint der Ophthalmicus, der sich rückwärts höher hinaufzieht, dann unter ihm der Mandibularis mit der Richtung gegen den Kiefer- bogen (Fig. 110 und 111). Erst nachdem sie sich durch eine kurze neue Wurzel mit der Seite des Hinterhirns verbunden haben und durch Zusammenrücken ihrer dorsalen Zellenmasse gegen die Mitte merklich verdickt sind, treten beide Ganglien auch in Sagittaldurchschnitten deutlich hervor, das Ganglion ophthalmicum über dem Auge schräg nach vorn ziehend, das (ranglion mandibulare dagegen hinter dem Auge steil hinab- steigend. An Embryonen von 4 mm Länge, wo die Sonderung beider (ranglien ganz deutlich ist, erscheint auch die viel genannte Plakode des Trigeminus als eine bald tlache, bald vor- springende, aber nicht sehr umfängliche Ektodermverdickung, die abwechselnd unterhalb des Ganglion ophthalmieum oder neben Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 65 ihm wurzelt (Fig. 101, 102, 105 und 113). Sie spaltet sich von oben her von der Haut ab und rückt mit diesem oberen Zipfel mehr oder weniger dicht an das Ganglion heran, doch so. dass die Grenze zwischen ihnen vollkommen kenntlich bleibt. Rück- wärts kann sie sich bis an das Ganglion mandibulare erstrecken. In diesem Zustand erhält sich die Plakode noch einige Zeit (Fig. 116), worauf zuerst ihr freier Zipfel, dann die noch in der Haut zurückgebliebene Wurzel schwinden, ohne sich mit dem Ganglion vereinigt zu haben. Dass diese Plakode gar an die Stelle des Ganglion ophthalmiecum treten sollte, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil beide Teile bis zum Schwunde der ersteren stets nebeneinander sichtbar sind. Unsere Plakode ist also ebenso wie diejenige von Petromyzon und Torpedo unverkennbar ein Rudiment, das wegen seines Ursprungs und seiner Lagebeziehungen wohl nur auf ein Lateralganglion bezogen werden kann. Es fragt sich nunmehr, wie gegenüber diesem Befund die ganz abweichenden Befunde Brauers und Brachets bei anderen Amphibien zu beurteilen sind. Die Fortdauer der Plakode scheint mir nur bei den Gymnophionen sicher zu sein, für die Anuren ist sie jedoch keineswegs evident bewiesen. Im übrigen ist aber nicht ihre Fortdauer die Hauptsache, sondern ihre Verwandlung in das Ganglion ophthalmicum unter der Voraussetzung, dass seine ursprüngliche zentrogene Anlage sich auflöse und in die- jenige mesodermale Einlage des Kieferbogens verwandle, die ich nach dem Vorgange von Platt als ektomesodermales Erzeugnis beschrieb. Beides aber, jene Verwandlung und ihre Voraussetzung ist für Siredon zweifellos unzutreffend, und ich kann nicht an- nehmen, dass so bedeutsame Bildungen wie das Ektomesoderm und ein ganzes Spinalganglion bei anderen Amphibien in völlig heterogener Weise entstehen. Mag also bei den Gymnophionen die fragliche Plakode sich irgendwie an einer Granglienbildung beteiligen, so kann selbst dies für die übrigen Amphibien und die Fische nicht massgebend sein. Bei Siredon sind beide Ganglien des Trigeminusrein zentrogenen Ursprungs. Während der Embryonalzeit und bis in die Larvenzeit ver- ändern diese beiden Ganglien ihre Lage beständig, und zwar gemeinsam, weil sie sich von ihren Wurzeln an fortschreitend vereinigen, so dass an Larven von 1 cm Gesamtlänge nur noch ihre distalen Hälften divergieren (Fig. 154—157). Das auf diese Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. 1. 5 66 A. Goette: Weise entstandene Doppelganglion sinkt zuerst dicht hinter das Auge hinab und rückt dann successiv bis an das Labyrinthbläschen zurück (Fig. 157 und 158). Da jedoch die divergierenden Enden beider ursprünglichen Ganglien in derselben Zeit unverkennbar bleiben, ist die Zugehörigkeit jedes Nervenastes zu seinem be- sonderen Ganglion leicht festzustellen. Schon im Beginn der genannten Lageveränderung entsendet das Ganglion ophthalmicum einen horizontalen Ast nach vorn, der anfangs noch über dem Auge liegt, sich aber darauf bis auf den Optieus hinabsenkt (Fig. 156 und 157); es ist der Ophthalmicus profundus. Von seinen drei dorsalen Zweigen entspringen die zwei ersten noch vom Ganglion selbst und rücken erst während dessen Verlagerung auf den Hauptast vor (Fig. 157 und 158). Der erste durchbohrt den M. rectus oculi superior, der zweite gibt einen kleinen Seitenzweig an den Augapfel ab (N. ciliaris) und alle drei begeben sich schliesslich an die Haut (Fig. 177 bis 179). — Noch im Bereich des Auges spaltet sich der Ophthal- micus profundus in zwei Äste. Der obere zieht an die Innenseite des (reruchsorgans, liegt dort dem Olfactorius dicht an und tritt durch mehrere vordere Öffnungen aus der Nasenkapsel der heran- wachsenden Larve wieder aus; der untere Ast begibt sich unter die Nasenkapsel, auf welchem Wege er sich mit dem Palatinus des Facialis verbindet (Fig. 158). Als direkte Fortsetzung des gleichnamigen Ganglions ver- läuft der Mandibularis vor dem Quadratum abwärts und spaltet sich innerhalb der Kiefermuskulatur in zwei Äste (Fig. 158). Ziemlich spät entsteht am oberen Umfang des Doppelganglions ein dritter Ast, der durch ein besonderes Schädelloch nach aussen tritt, dann sich seitwärts und rückwärts wendet und noch an Larven von 6,5 cm Länge frei ausläuft. — Ein Ophthalmieus superficialis trigemini fehlt bei den Urodelen. Auch habe ich einen echten Maxillaris als originalen Zweig des Mandibularis vermisst; denn was Fischer als Maxillaris bei Siredon bezeichnet, ist, wie wir gleich sehen werden, etwas ganz anderes. Mit dem spinalen Doppelganglion des Trigeminus verbindet sich bei Siredon, freilich erst in der späteren Larvenzeit, eine genetisch ganz abweichende Nervenanlage, die bei Torpedo mit dem Facialis in Verbindung tritt, nämlich ein Lateralis anterior. Die Anlage seines Ganglions zeigt sich schon an den jüngeren Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 67 Embryonen als eine Anschwellung des Ektoderms, die nach be- sonnener Abspaltung des 2. Ektomesomers über ihm und neben der Anlage des Facialis zurückbleibt (Fig. 115 und 120). In den nächstälteren Embryonen ist diese Anschwellung bis auf das untere Ende vom Ektoderm abgespalten und zieht sich an der Aussen- seite des vor der Labyrinthgrube liegenden Vorderendes. vom Facialis in die Höhe (Fig. 125). Etwas später ist die abgespaltene Masse schon gangliös angeschwollen (Fig. 125), während ihre volle Ablösung von der Haut erst später erfolgt. Trotz seiner engen Anlagerung an den Facialis kommt doch eine Verschmelzung beider Ganglien nicht zustande: und selbst die Wurzel, durch die sich das Lateralganglion mit dem Hirn dicht neben der Wurzel des Facialis verbindet, ist noch bei Larven von 6—7 em Länge durchaus selbständig (Fig. 126). Wenn also Strong (1890) diese Wurzel für eine dorsale Wurzel des Facialis erklärt, so ist dies nicht mehr zulässig, nachdem der Lateralis anterior sich als ein ektodermales Erzeugnis erwiesen hat. Die Lage des Lateralganglions bleibt zunächst unverändert (Fig. 154—158); während aber anfangs das Trigeminusganglion sich in erheblichem Abstande gerade vor dem Lateralganglion befand, gerät es durch seine fortdauernde Verlagerung zuletzt unter das Lateralganglion. Die Verbindung beider Ganglien be- ginnt in Larven von 6 cm Länge, geht aber offenbar erst spät in eine vollständige Verschmelzung zu dem definitiven Trigeminus- ganglion über. Natürlich ist das letztere nicht mehr identisch mit dem rein spinalen Trigeminusganglion anderer Wirbeltiere, da es ausser den spinalen Nerven (Ophthalmieus, Mandibularis) noch die vorderen Lateralnerven (Ophthalmico-lateralis, Buccalis) entsendet, die ja sonst aus dem fertigen Facialisganglion ent- springen (vergl. Torpedo). Immerhin hat unser Lateralis auch bei Siredon die ursprüng- lichen Lagebeziehungen zum Facialis nicht ganz eingebüsst. Denn die Wurzel des Lateralganglions wird nicht in seine Verschmelzung mit dem Trigeminus mit hineingezogen, sondern bleibt getrennt von dem letzteren der Wurzel des Facialis angeschlossen, so dass Fischer sie als Verstärkungswurzel des „einfachen“ Trigeminus- ganglions vom Facialis bezeichnet. Die zwei Hauptäste des Lateralganglions haben denselben Verlauf wie bei Torpedo. Der N. ophthalmico-lateralis ent- * d zZ 65 Au 'Goeette: springt aus der vorderen oberen Ecke des Ganglions und verläuft im flachen Bogen über dem Auge nach vorn bis zur Schnauze (Fig. 157 und 158). Das Unzutreftende seines bisherigen Namens „Ophthal- mieus superfieialis“ liegt, wie ich schon ausführte, auf der Hand. Denn mit einem zentrogenen 0. superficialis trigemini hat er nichts zu tun und kann natürlich auch nicht als ©. superficialis facialis be- zeichnet werden, so dass die Änderung des Namens notwendig wurde. Der N. buccalis steigt als direkte Fortsetzung des Ganglions unter das Auge hinab und verzweigt sich an der Aussenseite des Riechorgans (Fig. 157 und 158). Der ihm von Fischer bei- gelegte Name „Maxillaris“ musste natürlich aufgegeben werden, wie denn überhaupt ein echter Maxillaris bei Siredon ganz fehlt. Diese beiden für die Seitenorgane des Vorderkopfes bestimmten Nerven entwickeln sich nun nicht so, wie man sich gemeinhin vorstellt, dass nämlich zuerst der Stamm aus dem Ganglion hervor- wächst und darauf die Seitenzweige zu den Seitenorganen ent- sendet, sondern in ganz anderer Weise. (Genau dort. wo das distale Ende der sich von der Haut ablösenden Ganglienanlage mit jener noch im Zusammenhang bleibt, sehe ich bald darauf dasselbe Ganglienende von der dort flach angeschwollenen Haut oder eben einem künftigen Seitenorgan ein wenig abgerückt, aber durch einen ganz kurzen Zellenstrang mit ihr verbunden (Fig. 117). Der aus demselben Ganglienende hervorgewachsene, noch ganz dünne Nervenstamm des Buccalis erstreckt sich bis zu einer zweiten derartigen Seitenorgananlage, mit der sein Ende ver- bunden ist. Am Öphthalmico-lateralis etwas älterer Larven fand ich dieselbe unmittelbare Verbindung des vorwachsenden Nerven mit mehreren Seitenorganen. Aus diesen Beobachtungen kann also folgendes festgestellt werden: 1. das Lateralganglion entsteht im Zusammenhang mit einem Lateralorgan. und der letzte Rest dieses Zusammenhanges zieht sich allmählich zu einem Seitenzweig aus; %. der an demselben Punkt aus dem Ganglion hervor- wachsende Nervenast befestigt sich mit seinem Ende an ein nächstes Seitenorgan, von wo aus die Fortsetzung in derselben Weise weitergeht, so dass der ganze Nerv sich zunächst als eine Reihe unmittelbarer Verbindungen von einem Seitenorgan zum nächsten darstellt; Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 6%) erst in zweiter Linie zieht er sich von der Haut soweit zurück, dass seine Verbindungen mit den Seitenorganen in Seitenzweige ausgezogen werden und ihr Zusammen- hang sich als der Stamm darstellt. Mit anderen Worten: der Lateralnervenstamm ent- wickelt sich nicht unabhängig von anderen Teilen, um sekundär Seitenzweige zu den Endorganen zu entsenden, sondern entsteht gewissermassen erst aus den die Lateralorgane schon vorher unter- einander verbindenden und von ihnen provozierten Kommissuren untereinander. Die Seitenzweige entstehen aber nur aus dem Abrücken des Nervenstammes von den Seiten- organen. Das vordere Lateralganglion entlässt noch einen schwachen dritten Ast, der sich nach aussen und hinten wendet: durch Anlagerung an den Ophthalmico-lateralis erscheint er später als dessen Zweig (Fig. 158). — Endlich wachsen aus dem obersten Abschnitt des Buccalis mehrere kleine Zweige hervor, die sich aufwärts wenden und über dem Schädel nach hinten ziehen. Sie haben dasselbe Verbreitungsgebiet wie der oben genannte dritte Ast des Lateralganglions: Verbindungen zwischen einem dieser Nerven und den dorsal und vorwärts ziebenden Zweigen des hinteren Lateralis habe ich aber nicht finden können. Bei seinem ersten Erscheinen kreuzt der Buccalis die Balın des Mandibularis. ohne ihn zu berühren. Sobald jedoch das (Granglion ophthalmico-mandibulare sich bis unter das Lateral- ganglion verlagert hat, entsendet die Mandibularportion des ersteren einen zarten Ausläufer nach aussen und vorn, der in den nahen Buccalis eintritt und sehr bald zu einem kurzen, aber kräftigen Nervenstrange wird (Fig. 155 x). Er ist noch an älteren Larven nachweisbar, am fertigen Tier aber nicht mehr sichtbar, weil er in die Verschmelzung aller Trigeminusganglien einbezogen wird. Bei Embryonen und jungen Larven von Rana fusca, Rana esculenta und Bufo calamita entspringt das Ganglion des Lateralis anterior ebenso wie bei Siredon im Ektoderm in der Nähe des Facialis und befestigt sich am Hirn ebenfalls dicht unter dessen Wurzel (Fig. 159). Wegen jenes Ursprungs kann also der Lateralis anterior der anuren Amphibien ebensowenig os 70 INS Gnorentibie: wie bei den Urodelen als ein Ast des Facialis bezeichnet werden. Die Verschmelzung seines Ganglions mit dem benachbarten Ganglion trigemini erfolgt sehr frühe, während seine Wurzel, die alsdann von diesem Ganglion zur Wurzel des Facialis zieht, durch die ganze Larvenzeit kenntlich bleibt. In der Metamorphose ver- schwinden bekanntlich seine Äste, angeblich nebst Ganglion und Wurzel (Gaupp, 1899). Doch habe ich diese Wurzel des Lateralis noch an frisch metamorphosierten Fröschen gesehen. Die Anuren besitzen einen Maxillaris, der, wie ich finde, aus dem Mandibularis entspringt, bevor noch die Ganeglien des Trigeminus und des Lateralis sich vereinigt haben, und der dann später dem larvalen Buccalis parallel verläuft (Goette, 1375). Der Mangel eines Maxillaris bei Siredon dürfte sich demnach so erklären, dass der vorhin beschriebene Verbindungsast vom Mandibularis zum Buccalis (Fig. 155 x) einen unvollkommenen und später völlig unkenntlichen Maxillaris darstellt. Mit andern Worten: bei Siredon wird der Maxillaris allmählich vollständig in den Buccalis einbezogen, wogegen bei den Anuren umgekehrt der Buccalis in der Metamorphose völlig verschwindet. Facialis. Sein Ganglion sah ich zuerst als einen dicken, in der Hirnrinde wurzelnden Zellenstrang teils vor der Labyrinth- anlage, teils zwischen ihr und dem Hirn hinabziehen und gegen das 2. Ektomesomer auslaufen (Fig. 115 und 119). Bald darauf löst sich seine Wurzel von der Hirndecke ab (Fig. 120 und 123) und heftet sich unterhalb der Lateraliswurzel wieder an das Hirn an (Fig. 125 und 126). Darauf wächst der Facialis einwärts vom 2. Ektomesomer zum Hyoidbogen hinab (Fig. 155); trotz der engen Aneinanderlagerung beider Teile lässt sich jedoch ein Übergang von ektomesodermalen Zellen in den Facialis nicht wahrscheinlich machen. Noch weniger kann von einer Aufnahme des ganzen 2. Ektomesomers, das ja dem Epibranchialganglion aut. der 1. Kiemenspalte oder des Hyoidbogens entspricht, in das Facialisganglion die Rede sein; denn dieses Ektomesomer ist viel später noch immer kenntlich, wenn das Facialisganglion sich schon scharf konturiert darüber darstellt (Fig. 127). Über die Verbindung des Facialis mit dem Acustieus wurde schon das Nötige gesagt. — Die eigentlichen Facialisäste ent- springen am unteren Ende seines Ganglions, das sich in eine dünne mediane und eine stärkere laterale Portion spaltet (Fig. 126 Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. aa und 127). Der mediale Strang wächst ım einen Nervenast aus, der sich einwärts wendet und in der Mundhöhlendecke bis an die Nasenkapsel verläuft, wo er den absteigenden Ast des Ophthalmieus profundus erreicht und mit ihm zusammentfliesst (Fig. 158). Es ist der schon erwähnte Palatinus. Unmittelbar vor der eben genannten Verbindung entsteht in seiner Substanz das kleine Ganglion spheno-palatinum, das also eine von den Hirnganglien unabhängige Neubildung ist. Die laterale Portion des Facialis, die dicht hinter dem ab- gelösten oberen Ende der 1. Kiementasche (Thymus) liegt (Fig. 127), spaltet sich wiederum in zwei Hauptäste (Fig. 157 und 158), den schwächeren hinteren Hyoideus mit Haut- und Muskelzweigen und den stärkeren vorderen Ast, dessen Hauptzweige sind: der hinter dem Quadratum hinabziehende Mandibularisn. facialis (Mandibularis externus) und der über das (uadratum verlaufende Mentalis (Fischer). Der Hyoideus verbindet sich später mit dem Glossopharyngeus (siehe unten). Glossopharyngeus. Seine primäre Wurzel liegt hinter der Labyrinthanlage, von wo er am Hirn entlang bis zum Ento- mesoderm und dann über dessen Aussenseite verläuft (Fig. 128 und 129). Eine laterale Plakode gibt es dort nicht, und das 3. Ektomesomer, das über die Aussenseite des Ganglion glosso- pharyngeum hinaufwächst (Fig. 129), verhält sich zu diesem gerade so wie das 2. Ektomesomer zum Facialis. Die sekundäre und dauernde Wurzel des Glossopharyngeus, wird, wie ich ganz deutlich sah, so angelegt, dass zuerst ein spitz auslaufender Zipfel des Ganglions sich mit dem noch ganz indifterenten Hirn verbindet (Fig.131). Da ich einen gleichen Befund auch am Lateralis posterior antraf (siehe unten und Fig. 147), dürfte er für die Bildung aller solcher Hirnwurzeln typisch sein. Der N. glossopharyngeus (1. Kiemenbogennerv) steigt im zugehörigen 3. Visceralbogen (1. Kiemenbogen) vor der Knorpel- spange hinab (Fig. 156—158) und entsendet in der heranwachsenden Larve (2,5 cm) einen Zweig in die epibranchiale Kieme. Der Ver- bindungszweig des Glossopharyngeus zum Hyoideus beginnt, wie seine erste Erscheinung zeigt, als Auswuchs des Ganglion vagi gegen den Glossopharyngeus, setzt sich aber nach der Verbindung mit dem letzteren in beinahe horizontaler Richtung gegen den Hyoidus fort, mit dessen Wurzel er zusammentliesst (Fig. 157). 72 A. Goette: Er ist also einR. cummunicans zwischenVagus, Glossopharyngeus und Facialis. Seine erste Strecke vom Vagus zum Glossopharyngeus wird nach der Verschmelzung ihrer Ganglien unkenntlich (Fig. 158). Vagus. Das, was man bei den Urodelen als Ganglion vagi bezeichnet, ist ebensowenig wie bei den Fischen ein genetisch einheitliches Gebilde, sondern das Produkt einer sekundären Ver- schmelzung von mehreren heterogenen Ganglien, die aber bei den Embryonen von Siredon leicht zu unterscheiden sind. Vor allem scheidet der eben beschriebene (ilossopharyngeus aus, dessen genetische Selbständigkeit überhaupt nicht beanstandet wird. Dann folgt der 5. Spinalnerv des Kopfes, dessen Anlage ebenfalls voll- kommen gesondert und vor den übrigen Komponenten des ganzen Komplexes entsteht (Fig. 133 und 134). Es ist eben der Vagus im engeren Sinne, wie wir ihn schon bei Petromyzon und Torpedo kennen lernten, und dem sich dann sekundär ebenfalls Lateral- nerven und oceipitale Visceralnerven anschliessen. Das Ganglion vagi s. str. zeigt sich zuerst in einigem Abstande vom Glossopharyngeus in denselben Lagebeziehungen wie dieser. Von der Hirndecke aus über die Aussenseite des Entomesoderms bezw. des ersten muskelbildenden Somiten hinab- ziehend wird es lateral und oben von der Anlage des Lateralis und darunter vom 4. Ektomesomer überlagert (Fig. 134). Dieses Bild ändert sich aber gleich darauf und nach der Ablösung des Vagus von der Hirndecke genau so, wie ich es von dem Vagus der Ammocoeten beschrieb. Der genannte Somit wächst auch bei Siredon hinter dem Vagus in die Höhe und überdeckt dessen obere Hälfte, während die untere Hälfte des Nerven vorher über dem ältesten Teil des Somiten nach aussen und gegen den 4. Visceralbogen vorgedrungen ist (Fig. 139. 142, 143, 146—148). Es ist klar, dass der Vagus von Siredon durch diese seine Lage- beziehungen gerade so wie der Vagus von Petromyzon bis zu einem gewissen Grade eine Mittelstellung zwischen den übrigen Spinalnerven des Kopfes und denen des humpfes einnimmt. Über dem 4. Visceralbogen erreicht der Vagus das auf- wachsende Ektomesoderm und zwar nicht nur das 4. Ektomesomer, sondern auch das von vornher bis an ihn vordringende 3. Ekto- mesomer (Fig. 155). Gerade das letztere, das zum 3. Visceral- bogen und gewissermassen zum Glossopharyngeus gehört, zieht in mesenchymatöser Auflösung über das Vagusganglion. während Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 13 das 4. Ektomesomer dem Nervenstamm anliegt. An keiner dieser Stellen habe ich mich davon überzeugen können, dass das ur- sprüngliche Vagusganglion aus einer Verschmelzung einer zentro- genen Anlage mit einer peripherischen dermatogenen entstehe. Vielmehr halte ich es auf Grund meiner Beobachtungen für sicher. dass es ebenso wie die embryonalen Ganglien des Glossopharyngeus, Facialis und Trigeminus nur aus zentrogenem Material hervorgeht. Nur in einer Hinsicht offenbart der Vagus von Siredon eine Besonderheit vor den übrigen Spinalnerven des Kopfes: er besitzt gleich dem Vagus von Petromyzon zwei metamer getrennte zentrogene Wurzeln (Fig. 153--158). Seine ursprüngliche Wurzel liegt auch nach ihrer Verlagerung an die Seite des Hirnes im bereich des 1. muskelbildenden Somiten (Fig. 146 und 154): über dem 2. dieser Somiten, bezw. dem 2. Muskelsegment, zeigt sich ebenfalls eine spinale Nervenanlage und bald darauf auch eine solche über dem 3. Muskelsegment. Im weiteren Verlauf der Entwicklung verwandelt sich die letztgenannte Anlage über dem 3. Muskelsegment in den Hypoglossus mit einem kümmer- lichen (ranglion (Fig. 157 und 158) ; die Nervenanlage des 2. Muskel- segments wird überhaupt nicht zu einem selbständigen Spinal- nerv, sondern erfährt eine ganz abweichende Verwandlung. Von Anfang an zieht der sie darstellende Zellenstrang beinahe horizontal längs des Hirns nach vorn, wobei er an der Innenseite des 2. Muskel- segments verbleibt (Fig. 146 und 154). So kommt er auch an die Innenseite des 1. Muskelsegments und erreicht dort die ursprüng- liche Vaguswurzel, verbindet sich mit ihr, während er seinen Zusammenhang mit dem Hirn behält, und differenziert sich als- dann zu einer zweiten, hinteren Vaguswurzel. Diese selbständige Entstehung der 2. Vaguswurzel tritt bei Embryonen von Rana noch deutlicher hervor, indem sie dort vor der Vereinigung mit der ursprünglichen Vaguswurzel sich gangliös und spindelförmig zeigt.') Nimmt man hinzu, dass das 1. Visceral- ganglion von Siredon ‚später mit seinen Fasern grösstenteils in die Bahn jener 2. Vaguswurzel einlenkt, so ist die Homologie der letzteren mit dem 1. Spinalnerv des Rumpfes von Petromyzon nicht zu bezweifeln. ', Sehr auffallend sah ich dies bei Rana fusca (9 mm), weniger bei Rana esculenta, deren Kopfnervensystem in Fig. 159 wiedergegeben ist. 74 A. Goette: In einem Punkt unterscheidet sich aber der Vagus von Siredon und, wie ich gleich hinzufügen will, auch der Frösche, von dem Vagus der Fische. Er entsendet nämlich ausser dem typischen, in den 4. Visceralbogen eintretenden Nervenast gleich- zeitig einen zweiten, der sich in den 5. Visceralbogen begibt und dort den Hauptast des 1. Visceralganglions der Fische vertritt (Taf. II, V, Fig. 156—159). Die beiden Vagusäste innervieren auch die drei Aussenkiemen von Siredon: der erste Ast die erste Kieme, der zweite Ast die beiden folgenden Kiemen. — Über den Verbindungszweig des Vagus zum Glossopharyngeus siehe S. 71. (ranz anders wie die eben besprochene Bimerie des Vagus stellen sich seine Verbindungen mit anderen Nervenanlagen dar, da es sich dabei um völlig heterogene Bildungen handelt, so dass die Verbindung nicht mehr unter den Begriff einer Polymerie fällt. Die nicht zentrogenen Nervenanlagen des Vaguskomplexes sind der Lateralis und die hinteren Visceralnerven. Wie bereits ausgeführt wurde (siehe S. 15), erscheint die Anlage der hinteren Lateralnerven von Siredon nicht immer deutlich vom 4. Ektomesomer gesondert, ist aber doch als eine selbständige Ektodermbildung aufzufassen. Noch evidenter ist ihre ursprüngliche Unabhängigkeit vom Vagus,') wie es sich aus der folgenden Beschreibung ergeben wird. Anfangs ist die mit dem Ektoderm zusammenhängende Anlage des Lateralis eine Platte, die über dem 4. Ektomesomer den mittleren Teil des Vagus breit überdeckt (Fig. 134 und 136). In dem Maße, als sie sich von vorn und oben vom Ektoderm ablöst, verwandelt sie sich in eine Masse, die auf Frontaldurch- schnitten (Fig. 133) birnförmig aussieht, mit einem schmäleren vorderen und einem diekeren hinteren Ende, das noch teilweise mit dem Ektoderm zusammenhängt. Da die drei ersten muskel- bildenden Somiten, neben denen sie liegt, rückwärts an Breite zunehmen, ist sie vorn nach innen und, wie die Sagittaldurch- schnitte beweisen, zugleich aufwärts gerichtet. Diese Masse ist die Anlage von zwei hinteren Lateralganglien. Nach der Aussonderung dieser Anlage bleibt von der ursprüng- lichen Ektodermverdiekung noch ein Rest in der Haut zurück, !) Harrison (1904) kennt das Ganglion laterale posterius von Siredon überhaupt nicht, sondern lässt die Lateralnerven aus dem Vagusganglion hervorwachsen. —\ Die Koptnerven bei Fischen und Amphibien. der anfangs ganz unbestimmt begrenzt ist. Nachdem er sich aber ebenfalls von der Haut abzuspalten begonnen hat (Fig. 145 und 149), nimmt er die Gestalt einer wohlabgesetzten Platte an, die hinter der Ganglienanlage sich neben dem 2. und 3. Somiten erstreckt und mit ihr durch einen kurzen Strang verbunden bleibt. An ihrem hinteren Ende hängt diese Platte mit dem Ektoderm zusammen. Es ist die Anlage der Seitennerven des Rumpfes. Von der hinteren und unteren Hälfte dieser Anlage sehe ich einen breiten Zipfel hinter der Kiemenregion abwärts ziehen, aus dem wahrscheinlich der ventrale Lateral- nerv des Rumpfes hervorgeht (Fig. 155), den ich bei der Unke zuerst als Erzeugnis des Ektoderms kennen lernte (Goette, 1575). Bei Siredon habe ich aber seine weitere Entwicklung nicht verfolgen können; dagegen zeigen Embryonen von Amia calva (6,5 und 8,5 mm) die Anlage des ventralen Seiten- nerven sehr deutlich als eine Fortsetzung des dorsalen Ganglions (Rice. 99). Die oben beschriebene Ganglienmasse des Lateralis liegt hauptsächlich neben dem 1. und teilweise neben dem 2. muskel- bildenden Somiten, und ihr Vorderende richtet sich. wie schon bemerkt wurde, schräg gegen das Hirn: doch verschiebt sie sich in der Folge ganz neben den 2. Somiten (Fig. 149 und 150). Frühzeitig schwillt ihr Vorderende so an, dass man zwei gangliöse Partien des Ganzen unterscheiden kann, deren Verbindungsstück auf dem hinabziehenden Vagus ruht und sich allmählich in einen einfachen Nervenstrang verwandelt (Fig. 145 und 155). Bevor dies eintritt, hat die kleinere vordere Ganglienmasse das Hirn dicht hinter dem Labyrinthbläschen und über der Wurzel des (Glossopharyngeus erreicht und sich mit ihm verbunden. Diese erste Verbindung bestand in einem Embryo von 5 mm Länge nur aus zwei spitz auslaufenden Zipfeln des Ganglions, geht also zweifellos von diesem aus (Fig. 147). Nach ihrer Vollendung zu einem Nervenstrang erscheint diese Wurzel als eine direkte Fortsetzung des hinteren grösseren Lateralganglions, der das kleinere Ganglion nur mehr angeschlossen ist (Fig. 155—157). Und da diese langausgezogene Wurzel des Lateralis später dort, wo sie den Vagus kreuzt, mit ihm ver- schmilzt (Fig. 158), könnte man sie alsdann für eine dritte Vagus- wurzel und das Lateralisganglion für eine Portion des Vagus- 76 A. Goette: ganglions halten. Tatsächlich hat aber der Lateralis ursprünglich eine eigene Hirnwurzel. Das kleine vordere Lateralisganglion bleibt nicht lange kenntlich, da es einerseits mit der Wurzel des Glossopharyngeus, andererseits mit dem grossen hinteren Ganglion zusammentliesst (Fig. 132, 153 und 155— 157). Immerhin verdient es deshalb beachtet zu werden, weil die Seitennerven des Hinterkopfes aus- schliesslich aus ihm entspringen (Fig. 158), während die Nerven des grossen Granglions sämtlich dem Rumpfe angehören. Über die Entstehung jener Seitennerven des Hinterkopfes vermag ich aber keine genügende Auskunft zu geben. Ich weiss nur, dass schon vorher zwei lokalisierte Hautverdickungen hinter jedem Labyrinthbläschen auftreten, die sich nicht ablösen, sondern sich unregelmässig ausbreiten und verteilen, und dass darauf an Larven von Ss mm Länge zarte Ausläufer des Ganglions an dieselben Hautstellen ansetzen, ohne dass eine Beteiligung der letzteren an der Nervenbildung nachweisbar wäre. Ganz anders verläuft die Entwicklung der Lateralnerven des Rumpfes, die, wie gesagt, eine eigene Anlage hinter dem grossen Lateralganglion haben (hintere Portion des Lateralis). Diese Anlage, die während ihrer Sonderung von der Haut etwa bis zum 4. Muskelsegment reicht, bleibt durch einen in ihrer Mitte wurzelnden Strang mit dem Ganglion und stellenweise mit der Haut im Zusammenhang (Fig. 148 und 149). Darauf dehnt sie sich successiv rückwärts aus, und nachdem sie bis zum 5. Somiten vorgerückt ist, beginnt sie sich in zwei ungleiche Hälften zu trennen, eine kleinere und etwas höher gelegene vordere Platte und eine längere und tiefer liegende hintere Platte (Fig. 155). Die erstere ist die Anlage des dorsalen Seitennerven des Rumpfes, die andere die Anlage des mittleren Seitennerven derselben Region. An dieser letzteren Platte befindet sich der ventrale Zipfel. den ich als die vermutliche Anlage des ventralen Seitennerven bezeichnete. Bei der Trennung beider Platten bleibt jede mit dem Ganglion .ım Zusammenhang. indem der ursprüngliche Verbindungsstrang sich emmal an die vordere Platte anheftet und ferner nach wie vor in die Rinde der hinteren Platte übergeht. Darauf spaltet er sich in zwei Stränge für die beiden Platten, die Anfangsstücke des dorsalen und des mittleren Lateralnerven (Fig. 151 und 152). Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 3eide Platten entwickeln sich in gleicher Weise weiter. Sie rücken kaudalwärts successiv vor, indem ihr hinterer, mit der Haut im Zusammenhang bleibender Abschnitt in derselben Richtung fortwächst. Dabei verkürzt sich jede Platte vorn ungefähr in demselben Maße, als sie hinten vorrückt; und da es eine Zeitlang ganz deutlich zu sehen ist, dass der fertige Nervenstrang stets in die Rinde der Platte ausläuft, so kann seine eigene fort- schreitende Verlängerung nur so erklärt werden, dass fortdauernd Zellen aus der Platte in ihn übergehen und diese folglich ent- sprechend verbraucht wird. Dieses Vorrücken der Platten erfolgt aber in beiden in verschiedenem Tempo, langsamer an der vorderen Platte (dorsaler Seitennerv), schneller an der hinteren Platte (mittlerer Seitennerv). So sehe ich an fünf Embryonen und jüngeren Larven den mittleren Seitennerv nacheinander die folgenden Somiten erreichen: 5, 7. S, 9, 15, während die entsprechenden Zahlen für den dorsalen Seitennerv lauten: 3, 3, 4, 5, 5. An der hinteren Platte (mittlerer Seitennerv) machte ich ferner folgende Beobachtungen. ‚Je weiter sie auswächst. desto dünner wird sie, und indem sie sich über eine Strecke von etwa drei Segmenten ausdehnt, erscheint sie gleichzeitig nicht ganz regelmässig segmental gegliedert. An S mm langen Larven ist diese Gliederung vollständiger geworden und die Plattenbildung bis zum 20. Segment durch flache segmentale Anschwellungen der Haut im selben Niveau ersetzt, die zweifellos die ersten Seitenorgane darstellen. Auch das Wachstum des Nerven hat sich unterdessen geändert. Solange die Platte über das 6. oder 7. Segment nicht hinausgeht, läuft der Nerv noch unverkennbar in ihre Rinde aus, entsteht also in Kontinuität mit ihr: an wenig älteren Larven ist dies nicht mehr nachweisbar, und sobald die segmentale Gliederung der Platte, bezw. ihrer Fortsetzung in der Haut, begonnen hat, sieht man den Nerv jeder Anlage eines Seitenorgans nur eng anliegen und an der hintersten von ihnen frei endigen. Darüber hinaus gehen meine Beobachtungen nicht; ich darf aber wohl annehmen, dass die Anlagerung des Nerven an jedes der Seitenorgane eine Verbindung beider, also auch die Bildung eines entsprechenden Nervenzweiges einleitet, und dass jede neue Anlage eines Seitenorgans das Fortwachsen des Nervenstammes. Ss A. Goette: provoziert, so wie es von den Seitennerven des Vorderkopfes be- schrieben wurde. Der Lateralis anterior und der Lateralis posterior von Siredon sind nicht zwei Teilstrecken einer durch Kopf und Rumpf kontinuierlich verlaufenden lateralen Plakode (Platt), sondern sie gehen einzeln aus lokalisierten ektodermalen Anlagen hervor. Ihre weitere Entwicklung geht ferner nicht überall nach dem- selben Typus vor sich, etwa durch die Abspaltung des Nerven- stammes von der Haut. Denn dies gilt selbst für die Lateral- nerven des Rumpfes, wie ich eben angab, nur bis zu einem gewissen Punkt, worauf der Nerv frei weiterwächst; und die Seitennerven des Hinterkopfes erhalten ihr Material überhaupt nicht aus der Haut, sondern nur aus dem Ganglion und dem Mesenchym. Ein näheres Eingehen auf diese 'Verschiedenheiten muss ich mir aber bis zu der Untersuchung der Histiogenese der Nerven vorbehalten. Die Entwicklung der im 4. Ektomesomer von Siredon ent- stehenden occipitalen Visceralnerven ist deshalb nicht ganz leicht zu verfolgen, weil infolge der tiefen Einschnürung zwischen der embryonalen Kiemenregion und dem Rumpf alle Nervenanlagen jener Region eng zusammengedrängt werden. Ich tinde übrigens bei Siredon nur zwei Visceralganglien. Das 1. Visceralganglion zeigt sich als kompakte spindel- förmige Masse innerhalb des mesenchymatösen Ektomesoderms und liegt in seiner ganzen Länge dicht an und unter dem Lateral- ganglion, also ebenfalls von hinten schräg zum Vagus aufsteigend (Fig. 154—156). Doch hängt es anfangs mit diesem nicht zu- sammen, sondern verbindet sich zuerst mit dem grossen Lateral- eanglion (Fig. 143). Sobald das proximale vordere Ende des 1. Visceralganglions etwas später mit dem Vagus verschmolzen ist und die gewebliche Differenzierung dieser Nervenanlagen begonnen hat, glaubte ich zu bemerken, dass die Fasern des Visceralganglions in die hintere Vaguswurzel, d.h. in den dem Vagus angeschlossenen 1. Spinalnerven des Rumpfes übergehen. Dies würde also eine Wiederholung dessen sein, was ich bei Petromyzon an denselben Nerven fand. Freilich stimmt damit die Verästelung des 1. Visceralganglions von Siredon nicht überein; denn soweit ich sehe, begibt sich der erste und eine Zeitlang einzige Ast jenes Ganglions nicht in den Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 5) 5. Visceralbogen wie bei Petromyzon, Torpedo, Amia und Lepi- dosteus, sondern in den 6. Visceralbogen (Fig. 156). Erst später entspringt aus demselben (Ganglion ein schwächerer vorderer Ast, der als R. praetrematicus in den 5. Visceralbogen eintritt (Fig. 158). Und zwar ist diese Abweichung von dem bei den Fischen typischen Verhalten der hinteren Visceralnerven nicht auf Siredon unter den Amphibien beschränkt, sondern wiederholt sich bei den Fröschen (Fig. 159). Es ergibt sich daraus, dass während bei den Fischen die auf den Glossopharyngeus folgenden Ganglien je einen Visceral- bogen versorgen — der Vagus den 4., das 1. Visceralganglion den 5.. das 2. Visceralganglion den 6. Visceralbogen usw. —, bei den Amphibien der Vagus zwei Visceralbögen, den 4. und den 5. innerviert, und dass diesem letzteren, dem 5. Visceralbogen, ein eigenes Visceralganglion fehlt. Bei den Amphibien ist also ein Visceralganglion ausgefallen. Vorweg muss ich die Annahme zurückweisen, dass dieser Ausfall nur ein scheinbarer und das fragliche Ganglion in das Vagusganglion aufgenommen sei, um dann durch seinen Stamm einen 2. Vagusast vorzutäuschen. Denn dafür habe ich im Ent- wicklungsverlauf des Vagus nicht den geringsten Anhaltspunkt gefunden. Dagegen ist es sicher, dass der bezeichnete Unter- schied zwischen Fischen und Amphibien schon in den topo- graphischen Verhältnissen ihrer Embryonen gegeben ist. Die hinabwachsende Spitze des 1. Visceralganglions der Fische befindet sich über dem 5. Visceralbogen und dringt dementsprechend in diesen ein: bei den Amphibien hat dagegen ihr wirkliches 1. Visceralganglion dieselben Lagebeziehungen zum 6. Visceral- bogen und innerviert ihn daher auch (Fig. 154—156). Ebenso verhält sich der Vagus der Fische zum 4. Visceralbogen, während der Vagus der Amphibien — was ich besonders deutlich bei Rana sehe — gerade über der 4. Kiemenspalte hinabsteigt und deshalb in beide sie begrenzenden Visceralbogen. den 4. und den 5., Äste entsendet. Dies alles lässt sich kaum anders erklären, als dass die infolge einer Verschiebung geänderten topo- graphischen Verhältnisse in der Kiemenregion der Amphibien die Ursache des abweichenden Ursprungs ihrer Kiemenbogennerven und des Ausfalls eines Visceralganglions sind. S0 A. Golette: Das 2. Visceralganglion von Siredon ist viel kleiner als das erste, entsteht hinter ihm und ist von Anfang an stark abwärts gebogen (Fig. 155—158). Von einer direkten Verbindung dieses Ganglions mit dem Vagus kann schon wegen ihres be- deutenden Abstandes voneinander nicht die Rede sein; bei seiner engen Anlagerung an das 1. Visceralganglion verbindet es sich aber mit diesem nicht durch eine Kommissur (Petromyzon), sondern durch unmittelbare Verschmelzung. Es entsendet einen Nervenast. der sich zunächst zum Herzbeutel begibt; es ist der bekannte R. intestinalis vagi. Die Augenmuskelnerven. (ranz allgemein wurde bisher angenommen und selbst durch ontogenetische Beobachtungen begründet, dass die drei Augen- muskelnerven der Wirbeltiere (Oculomotorius, Abducens, Troch- learis) aus dem Hirn hervorwüchsen, also zentrogene Nerven seien. Und da sie sich in der Regel als ganglienlose, motorische Nerven mit selbständigen Hirnwurzeln präsentieren, so lag es nahe, sie als „motorische Wurzeln“ von Spinalnerven aufzufassen, deren „dorsale Wurzeln“ in den zweifellos zentrogenen und mit (ranglien versehenen Kopfnerven vorlägen, wobei die spezielle Z/usammengehörigkeit der Paare von sekundärem Interesse ist. Nach meinen Beobachtungen kann ich aber den zentrogenen Ursprung der Augenmuskelnerven und ihre Deutung als motorische Wurzeln von Spinalnerven wenigstens bei Fischen und Amphibien nicht bestätigen. — Doch habe ich die Entstehung dieser Nerven nur bei Siredon vollständig verfolgen können, weshalb ich die bezüglichen Befunde voranstelle. Siredon piseiformis. Oceulomotorius. Über seinen Ursprung finde ich in der Literatur keine direkten Beobachtungen angegeben. Nur Held (1909) erwähnt den Oculomotorius des Frosches als zentrogenen Nerven. Er ist nach seiner Genese kein einfacher Nerv, sondern eine Verbindung von vier anfangs getrennten Nerven, die sämt- lich von verschiedenen Augenmuskeln entspringen und sich erst sekundär zu einem Ganzen vereinigen (vergl. Fig. 177—179). Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. s1 Die Augenmuskeln sind aber zur Zeit der Entstehung ihrer Nerven noch unvollkommen entwickelt. weshalb auch ihre Lagebeziehungen sich dann etwas anders zeigen als später. Am frühesten entsteht der zum Obliquus inferior gehörende Zweig des (Gresamtnerven (Öculomotorius 1). In Larven von 11.5 und 13 mm Länge,') wo ich ihn zuerst sah. besteht seine Anlage im einfachsten Fall in einem kernlosen, dünnen und homogenen Plasmafaden, dessen beide Enden in Zellen des Obli- quus inferior und des Rectus inferior übergehen (Fig. 160). Nach allen meinen Erfahrungen an den übrigen Augenmuskelnerven habe ich aber allen Grund anzunehmen, dass diese Verbindung des Nerven mit beiden Muskeln keine ursprüngliche ist, sondern dass er tatsächlich von einem von ihnen ausgeht. erst darauf den anderen Muskel erreicht und mit einer in ihm vorhandenen Zelle verschmilzt oder zwischen seinen Zellen ausläuft. Seine Ansatz- punkte an den beiden Muskeln befinden sich dort, wo diese unter dem Augapfel einander nahe kommen. Bei genauerer Untersuchung, namentlich mit Immersions- systemen, zeigt es sich, dass der beschriebene Plasmafaden bald an dem einen, bald an dem anderen Ende gabelig gespalten ist (Fig. 160 und 162). Dies erklärt sich ungezwungen aus der folgenden Beobachtung. In einer etwas älteren Anlage desselben Nerven fand ich neben einem dickeren ursprünglichen Plasma- faden einen zweiten dünneren und nur halb so langen Faden, der von einer Zelle des Rectus inferior ausging und mit seinem vorderen Ende sich dem älteren stärkeren Faden ungefähr in dessen Mitte anschloss (Fig. 163). Man braucht sich nur die damit eingeleitete Verschmelzung beider Fäden bis zum Reetus inferior fortgeschritten zu denken, um eines der beschriebenen gabeligen Enden der Nervenanlage vor sich zu haben. Diese dürfte also in der Regel aus zwei svncytial verbundenen Plasma- fäden hervorgehen. Früher oder später zeigen sich in den Plasmafäden der Nervenanlagen Kerne, die den Faden varikös auftreiben, weil sie dicker sind als seine kernlosen Strecken (Fig. 161 und 163). In der Regel sind es wohl Teilungsstücke der Kerne der Ursprungs- !, Die Entwicklung der Augenmuskelnerven kann bald früher, bald später beginnen. so dass die Grösse der Larven keineswegs bestimmten Entwicklungsstufen jener Nerven entspricht. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. 1. 6 32 A. Goette: zellen der Nervenanlage, die während des Wachstums des Plasma- fadens in ihn einwandern und sich dort durch Teilung weiter vermehren. Denn in Teilung begriftene Kerne sind in den jungen Nervenanlagen häufig zu sehen (vergl. Fig. 164). Es mag aber auch am ÖOculomotorius 1 das vorkommen, was ich an anderen Augenmuskelnerven beobachtete, dass nämlich Zellen des um- gebenden Mesenchyms sich an die Nervenanlage anlegen, mit ihr verschmelzen und so ihre Kerne vermehren. Sobald die Anlage des Oculomotorius 1 zu einem starken Strange mit einer grossen Zahl von langgestreckten Kernen heran- gewachsen ist, hören die äusserlichen Unregelmässigkeiten auf und der Strang gewinnt die Form eines gleichmässigen Zylinders. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wächst die Anlage des Oculomotorius 1 an der Innenseite des Rectus inferior bis unter den Opticus und das ihn begleitende Gefäss (Arteria ophthal- mica). An dieser Stelle verbindet er sich in Larven von 25 mm Länge mit den zwei anderen extrakranialen Anlagen des Oculo- motorius (Oculomotorius 2 und 5); seine dadurch fertiggestellte distale Strecke ist aber von der gleichzeitig entstehenden proxi- malen, Strecke (Oculomotorius 4) noch getrennt (Fig. 177). Den Oeulomotorius 2, der vom unteren Ende des Rectus internus entspringt, traf ich in 13 mm langen Larven als eine gestreckte Zelle, die durch einen dünnen Fortsatz mit der Muskel- anlage zusammenhing und mit dem freien Ende dem Reectus inferior nahe kam. Diese Nervenanlage gleicht im allgemeinen der noch zu beschreibenden ersten Anlage des Trochlearis (Fig. 174); doch muss ich angesichts des dünnen Fortsatzes und der Ent- fernung des eigentlichen kernhaltigen Zellenleibes vom Rectus internus die Möglichkeit zugeben, dass diese Nervenanlage aus einer Mesenchymzelle hervorging, die sich dem Muskel anschloss. Nachdem sie sich mit dem vom Obliquus inferior kommenden Oculomotorius verbunden hat, erfährt sie dieselben Wandlungen wie dieser. Von dem hinteren Ende des Rectus inferior entspringt der Oculomotorius 3, dessen Anlage sich in 20 mm langen Larven als ein kernhaltiger, rückwärts frei auslaufender Plasmafaden darstellt (Fig. 164). Sein Ursprung ist gabelig, verliert sich aber undeutlich zwischen den Muskelzellen: die zwei in seiner Mitte befindlichen Kerne sind vermutlich eingewandert. Der end- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 85 ständige Kern gehört aber zweifellos einer Mesenchymzelle an, die sich mit einem dünnen und gebogenen Fortsatz dem ursprüng- lichen freien Ende des dickeren Plasmafadens anschloss. Dieses neue Ende liegt unter dem ÖOphthalmicus profundus, ist aber ‘ deutlich von ihm getrennt. Die Verbindung beider Nerven erfolgt erst in Larven von 40 mm Länge (Fig. 165), indem sich das kernhaltige Ende des Oculomotorius 3 in zentripetaler Richtung an den Ophthalmieus anlegt und mit ihm verschmilzt. In der Mitte desselben Oculomotorius ist die Anlagerung einer Mesen- chymzelle ganz unverkennbar. Unterdessen ist das Ursprungsende des Oculomoterius 3 am Rectus inferior bis zur Verbindung der beiden anderen Zweige (Oeulomotorius I und 2) vorgerückt und in sie eingetreten (Larven von 25 mm Länge). Auf der nächsten von mir untersuchten Ent- wicklungsstufe (40 mm) ist der Oculomotorius 1 teilweise in den heetus inferior eingesenkt und dort, wo er unter dem Opticus aus dem Muskel wieder hervortritt, und wo die drei distalen Zweige zusammentreffen, auffällig verdickt (Fig. 175). In diesem länglichen, bis zwischen den Optieus und die Art. ophthalmica vordringenden Wulst sind die länglichen Kerne bedeutend ver- mehrt und angehäuft, aber noch nicht in gesonderte Zellenleiber eingeschlossen (Fig. 165), was erst viel später geschieht. Dies ist die Anlage des Ganglion ciliare, dessen genetische Zugehörig- keit zum Oeculomotorius Schwalbe (1871) bereits morphologisch erkannt hat. Der eben hervorgehobene Mangel an Zellen in dieser Ganglienanlage macht es vollends unmöglich, sie auf eine Einwanderung von Ganglienzellen aus dem Ganglion ophthalmicum zurückzuführen. Das Ganglion eiliare entsteht im Verlauf des Oeulomotorius aus nicht zelligen, syneytialen Teilen des Nerven und nicht aus eingewanderten Ganglienzellen. In denselben Larven (40 mm), in denen ich die Anlage des Ganglion eiliare fand, ist dieses zwischen dem Opticus und der Art. ophthalmica nach innen vorgedrungen und hat sich der proximalen Strecke des Oculomotorius (Öceulomotorius4) an- geschlossen (Fig. 175), die aber viel früher, in 25 mm langen Larven selbständig entsteht (Fig. 177). Etwas einwärts vom distalen Stämmchen zeigt sich dort über der hinter dem Opticus liegenden Art. ophthalmica ein zarter Nervenstrang von der Art 6* Ss4 A GIorenmbie:: der vorhin beschriebenen, der aus dem Rectus superior austretend sich dem Gefäss eng anlegt und mit ıhm quer nach innen die knorpelige Schädelwand durchsetzt, dann sich auf- und rückwärts wendet und zuletzt immer dünner werdend im Mesenchym über dem Hirntrichter verliert, ohne das Hirn zu erreichen. Nach seiner Verbindung mit dem Ganglion ciliare erscheint seine Ur- sprungsstrecke am heetus superior nur mehr als ein Seitenzweig des einheitlich gewordenen Oculomotorius (Fig. 178 und 179). Sein dünnes proximales Ende ist in denselben Larven (40 mm) schon bis zum Boden des Hirns vorgedrungen, mit dem sich der Nerv so in Verbindung setzt, dass sein Ende sich in mehrere /weige spaltet, von denen feinste Zellenausläufer an und in die Hirnrinde gelangen (Fig. 166). Nach allen diesen Befunden steht also für Siredon fest, dass sowohl die Kontinuität des ganzen Oculo- motorius als auch sein Zusammenhang mit dem Hirn sekundäre Erscheinungen sind. In den ältesten von mir untersuchten Larven von 65 mm Länge zeigen sich in der Anlage des Ganglion ciliare die ersten, aber noch nicht ganz deutlichen kleinen (Granglienzellen. Auch die Hirnwurzel des einheitlichen Oculomotorius hat sich unter- dessen geändert: er ist nicht mehr durch die beschriebenen’ fein verzweigten Fäden. sondern durch einen kompakten Strang mit dem Hirn verbunden, der freilich noch merklich dünner ist, als der übrige Stamm des Nerven. Abducens. Ich habe diesen Nerv bei Siredon gleichzeitig mit dem Oculomotorius sich entwickeln sehen. Seine erste Anlage zeigte sich bei einem Embryo von 15 mm Länge als ein unregel- mässig verlaufender Plasmastrang, der vom hinteren Ende des noch ganz embryonalen Retractor bulbi aus rückwärts bis unter das Ganglion ophthalmicum zog (Fig. 171 und 177). Er entsprang nicht aus einer Zelle der Muskelanlage, sondern berührte nur eine solche Zelle, enthielt an seinem entgegengesetzten völlig freien Zipfel einen länglichen Kern und entsandte einige feinste seitliche Ausläufer. So erscheint also der Abducens zuerst als eine lang ausgezogene und der Muskelanlage nur angeschlossene Zelle, die daher höchst wahrscheinlich nicht aus dieser Anlage, sondern aus dem umgebenden Mesenchym stanımt. Nachdem der Nerv in Larven von 25 mm Länge länger und dicker ge- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. SD worden ist, enthält er mehrere Kerne und läuft am hinteren Ende in einige feinste Fäden frei aus, zwischen denen eine viel- zackige Mesenchymzelle sich ihm anzuschliessen im Begriff steht (Fig. 172). In Larven von 40 mm Länge ist der Abducens ein ziemlich starker, von spindelförmigen Kernen dicht besetzter Strang (Fig. 173), der vorn bis an den Retractor bulbi und rückwärts bis an das Hirn reicht (Fig. 178). Mitten in seinem Verlauf nähert er sich dem Ganglion ophthalmicum von unten her bis zur Berührung und hängt durch einige Fäden mit ihm zusammen. ‚Jenseits dieser Verbindung zieht er unter dem sich aufbiegenden Ganglion gerade weiter, erhebt sich dahinter gegen die Hirnbasis und tritt dort in die lockere Hirnhülle ein. In ihr verläuft er noch eine Strecke rückwärts, um endlich durch eine oder zwei zarte und unregelmässige Zellenbrücken mit dem Hirn in Ver- bindung zu treten. Diese Anlage der Wurzel des Abducens gleicht also derjenigen des Oculomotorius. In noch älteren Larven (65 mm) ist endlich auch eine Ver- bindung zwischen dem Oculomotorius und dem Abducens unter dem Rectus inferior zustande gekommen (Fig. 179). Diese distale Strecke des Abducens kann übrigens ganz selbständig und unab- hängig von seiner proximalen Strecke und vom Oculomotorius entstehen. Denn an den jungen Larven (13 mm), deren linke Kopfhälfte nur die beschriebene erste Anlage der proximalen Strecke des Abducens enthielt, fand ich in der rechten Kopfhälfte statt dessen nur einen kernlosen Nervenstrang, der aus dem tectus externus entsprang und sich an die Unterseite des Recetus inferior begab, also genau so verlief wie die spätere distale Strecke des Abducens. Daraus folgt, dass der Abducens wenigstens bisweilen aus zwei getrennten Strecken entsteht und darin dem Oculomotorius gleicht. Infolge der Verbindung des Abducens mit dem Oculomotorius beteiligt sich der erstere, der zunächst nur für den Retractor bulbi und den Reetus externus bestimmt erscheint, auch an der Inner- vierung des Obliquus inferior, während der Oculomotorius dadurch gleichzeitig eine dritte Verbindung mit dem Hirn gewinnt. — Am Ganglion ophthalmieum ist der Abducens nunmehr auf einer grösseren Strecke von der Ganglienmasse so umwachsen, dass er mit einem gangliösen Zipfel aus ihr hervortritt: dahinter verlässt 56 A. Goette: er aber das Ganglion wieder, um selbständig in den Hirnboden einzumünden. Statt der oben beschriebenen geteilten Wurzel- anlage zeigt sich jetzt eine einheitliche strangförmige Wurzel von faserigem Bau. Trochlearis. Er entwickelt sich bei Siredon ungefähr zur selben Zeit und wesentlich in derselben Weise wie die anderen Augenmuskelnerven: er zeichnet sich aber durch einige auffallende Varianten aus. Auf der ersten Entwicklungsstufe (13 mm) zeigte er sich mir als ein aus dem Obliquus superior hervortretender einkerniger und kurzer Plasmastrang, der, wie sich aus den Präparaten der nächsten Stufe ganz deutlich ergibt, die Fortsetzung einer Zelle der Muskelanlage ist und am anderen Ende frei ausläuft (Fig. 174). Seine Ursprungsstelle liegt an der medialen Seite des Muskels und eine ansehnliche Strecke unter dessen oberem Ende.') Am freien Ende liegen zwei Kerne, die sich teilweise decken und proximalwärts vom Plasma, das dort in einen spitzen Zipfel ausläuft, gemeinsam umschlossen werden; distalwärts ist der Plasmastrang dicht an den Kernen gespalten. Da er aber von einer einzigen Zelle der Muskelanlage ausgeht, sehe ich in dem be- schriebenen Bilde nicht eine Verschmelzung zweier Stränge, sondern die beginnende Spaltung eines einfachen ursprünglichen Stranges. In etwas älteren Larven (20 mm) traf ich zwei recht ver- schiedene Zustände des Trochlearis. 1. (Fig. 176a—c). Er war nur mässig verlängert, bestand aber nicht aus einem, sondern aus mehreren kernhaltigen Plasma- fäden, die ich auf drei aufeinanderfolgende Durchschnitte verteilt fand und ganz deutlich als Fortsetzungen von Zellen der Muskel- anlage erkannte. Dieser lockere Nervenstrang kreuzte den ähnlich gebildeten 3. Ast des Ophthalmieus profundus an dessen Aussen- seite, berührte ihn und war mit ihm durch einige feinste Fäden verbunden. Über diese Verbindung hinaus sah ich nur einen kurzen Zipfel des Trochlearis, an den sich noch eine bis zwei Mesenchymzellen durch feinste Ausläufer anzuschliessen schienen. Eine weitere Ausbildung dieses Zustandes fand ich an älteren Larven (40 mm), indem der Trochlearis vor seinem Eintritt in !) In den meinen Bildern zugrunde liegenden Sagittaldurchschnitten ist der Muskel an der Austrittsstelle des Nerven stets schräg durchschnitten, so dass seine obere Hälfte nicht zu sehen ist. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 57 die Schädelhöhle an der bezeichneten Kreuzungsstelle mit dem 3. Ast des Ophthalmieus profundus vollständig verschmolzen war und mit ihm sogar ein wirkliches, von Ganglienzellen durch- setztes Ganglion bildete. Daneben fanden sich aber auch Larven, deren Trochlearis, ohne jenen Ophthalmieusast zu berühren, zum Hirn zog. In allen diesen Fällen habe ich übrigens das Ende seines Verlaufs und die Entstehung seiner Hirnwurzel wegen der ungewöhnlichen Schwierigkeiten der Untersuchung nicht beob- achten können. Nach Fischer (1864) besitzt der Trochlearis von Siredon regelmässig eine Hirnwurzel. 2. (Fig. 175). Der zweite Befund an den 20 mm langen Larven zeigte eine Verbindung der beiden genannten Nerven in ganz anderer Art: der Trochlearis erschien als ein Seitenzweig des Ophthalmicusastes. Er entsprang aus einem etwas umgebogenen und verdickten Zipfel des Ophthalmicusastes an derselben Stelle, wo sich beide sonst kreuzen, und verlief als kernhaltiger, aber sehr dünner Plasmafaden zum Obliquus superior, dem er sich mit spitzem Ende anschloss. Von einer Fortsetzung des Trochlearis über die vorhin bezeichnete Kreuzungsstelle hinaus, war nichts zu sehen; und daran, dass er in diesem Falle tatsächlich aus einer Abzweigung des Ophthalmicusastes hervorgegangen war, ist um so weniger zu zweifeln, als Schwalbe (1571) den Trochlearis von Salamandra maculosa bald als einen selbständigen, am Hirn wurzelnden Nerven, bald als einen Seitenzweig eines dorsalen Astes des Ophthalmicus profundus, der demjenigen von Siredon entspricht !), zum Obliquus superior verlaufen sah. Freilich glaubte Schwalbe das letztere Vorkommen so erklären zu sollen, dass der Trochlearis als selbständiger, zentro- gener Nerv nicht etwa durch einen wirklichen Zweig des Ophthalmicus ersetzt werde, sondern sich nur scheinbar als ein solcher darstelle, indem er in seiner grösseren proximalen Strecke dem Ophthalmicus angelagert sei. Mag nun diese Erklärung auch sachlich zulässig erscheinen, so bleibt sie doch eine lediglich dadurch provozierte Hypothese, dass der Trochlearis stets für einen selbständigen zentrogenen Nerv galt. Da dies jedoch nach meinen Befunden an Siredon weder für den Trochlearis noch für ') Die Wurzeln der drei dorsalen Äste des Ophthalmicus profundus können im Verlauf der Entwicklung sich in verschiedener Weise miteinander verbinden. Ss A, Goette:; einen anderen Augenmuskelnerv zutrifft, und von einer Anlagerung des embryonalen Trochlearis an den Ophthalmicus erst recht nichts zu sehen ist, so fehlt jener Hypothese nunmehr jede Begründung. Es bleibt also dabei, dass der Trochlearis von Siredon, ebensowenig wie dessen Oculomotorius und Abducens, aus dem Hirn, sondern entweder aus dem zugehörigen Muskel (Obliquus superior) oder als Seitenzweig aus dem Ophthalmicus entspringt, vor- behaltlich der Mitbeteiligung von Mesenchymzellen. Petromyzon fluviatilis. An Ammocoeten von 32 mm Länge habe ich die proximale Strecke des Oeulomotorius als einen Zellenstrang hinter dem Optieus auftauchen und bis gegen das Mittelhirn verlaufen sehen ; dort wurde er unkenntlich. Doch war dieser Befund nicht so unzweideutig. dass er den peripheren Ursprung dieses Nerven bestimmt beweisen könnte. Anders zeigte sich der Abducens in denselben Ammocoeten (Textfig. 1). Er entspringt an einer dichten Zellenmasse, die den Augapfel nebst der [ rückwärts gerichteten R ms Linse hinten und unten din N Kal umfasst, und die ich nur m Zt für eine ungesonderte an Muskelanlage halten Den : BEN. 8 kann. An ihrem unteren a ER Umfange tritt der Nerv Fig. 1. rückwärts hervor, er- Petromyzon fluviatilis (32 mm Länge) hebt sich ein wenig und verläuft dann ziemlich horizontal nach hinten. Es ist ein dichter, leicht gestreifter Zellenstrang mit scharf ge- zeichnetem Kontur, hat eine Länge von etwas mehr als dem Durchmesser des Auges und läuft mit einem verjüngten und etwas aufgelockerten Ende im Mesenchym aus. Einmal sah ich dieses Ende gespalten. Ich fand diese Nervenanlage auf zwei bis drei Durch- schnitten, nirgends aber eine Spur von einer Fortsetzung des freien Endes, das noch erheblich vom Hirn entfernt war. Der Sagittaldurchschnitt, a — Auge, 1 = Linse, ms Anlage der Augenmuskeln, ab Abducens. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 39 Abducens von Petromyzon entspringt also ebenso evident wie der Abducens von Siredon peripher von einem Augenmuskel und erreicht folglich das Hirn erst durch zentripetales Wachstum. Amia calva. Die erste Anlage des Oculomotorius dieses Ganoiden traf ich in Embryonen von 5 mm Länge (Textfig. 2). Es war ein spindelförmiger, scharf abgegrenzter Zellenstrang, der sich zwischen dem mh Auge und dem Hinterhirn ziemlich IT senkrecht erstreckte. Mit seinem h 7 unteren Ende berührte er von hinten Ah her den oberen Zipfel der Kopfhöhle,') ey NY er hh die sich aus der Tiefe hinter das a) N Auge hinaufbiegt; sein oberes, ganz ZARNN spitz auslaufendes Ende ist noch um Ge N oc d ; die Länge der ganzen Anlage vom % kh J Mittelhirn entfernt, und auf den an- EN Ir srenzenden Durchschnitten ist nichts Fio 9. von einer Fortsetzung dieses Endes „mia calva Embryo (5 mm zu sehen. Der Oculomotorius Länge), Sagittaldurchschnitt, von Amia hat ebenfalls einen a4 = Auge, mh — Mittelhirn, vom Hirn entfernten- peri- , }b— Hinterhirm, kh — Kopf- pheren Ursprung. höhle, oc — Oculomotorius. Man darf aber aus dieser Anlage des Oculomotorius nicht schliessen, dass sie auch zentrifugal zu den anderen Zweigen desselben Nerven auswächst. Denn in Embryonen von 6,5 und 8,5 mm Länge ist sie in einen gleichmässigen Nervenstrang ver- wandelt, der aufwärts mit dem Mittelhirn und in der Gegend des unteren Endes der früheren Anlage mit einem Ganglion ciliare zusammenhängt, während die distale vordere Strecke des Oculo- motorius unter rechtem Winkel in dasselbe Ganglion mündet. Schon diese scharfe Biegung im Verlaufe des kontinuierlichen Nerven, und noch mehr der Vergleich mit den homologen Teilen bei Siredon rechtfertigen die Annahme, dass der Oculomotorius von Amia aus mindestens zwei getrennten, im Ganglion zusammen- ') Diese Berührung ist auf dem nächsten Durchschnitt vollständiger zu sehen. 0 A. Goette: treffenden Strecken entsteht, wodurch sein veripherer Ursprung vollends bestätigt wird. Der Abducens von Amia zeigte sich in den Embryonen von 6,5 mm Länge wesentlich ebenso beschaften wie in den jüngeren Siredonlarven, nämlich als zarter, von Kernen durch- setzter Plasmastrang, der aus der Nähe des Rectus externus sich eine Strecke weit rückwärts zog und mit einem verjüngten Ende unter dem Hirn, aber mit merklichem Abstande von ihm auf- hörte. An seinem peripheren Ursprung ist also nicht zu zweifeln. Torpedo ocellata. An diesem Selachier habe ich die Augenmuskelnerven leider nur auf vorgerückten Entwicklungsstufen untersuchen können, so dass ich nur an einem dieser Nerven einen bestimmten Auf- schluss erhielt. Wie für alle Augenmuskelnerven der Selachier wurde auch für ihren Abducens ein zentrogener Ursprung angenommen (vergl. Neumavyer, 1906). Ich kann dies nach meinen Beob- achtungen an Torpedoembrvonen von 16 mm Länge nicht be- stätigen, aber auch nicht geradezu widerlegen. — Ich sah ihn von einem stärkeren distalen Stämmchen sich merklich verjüngend rückwärts bis unter das Hirn verlaufen und mit mehreren ganz dünnen Zweigen sich in der gefässreichen Hirnhülle verlieren. Es ist also möglich, dass ein Zusammenhang zwischen ihm und dem Hirn bereits bestand. Dies würde freilich den zentrogenen Ursprung des Abducens noch nicht beweisen, während seine gegen das Hirn auffallend abnehmende Stärke und die Verzweigung seines proximalen Endes in feine Ausläufer mit dem gleichen Verhalten des zentripetal wachsenden Abducens und Oeulomotorius von Siredon übereinstimmen. Ähnlich steht es mit meinen Befunden am Trochlearis von Torpedo. Nach Platt (1891) soll er bei Acanthias aus zwei Anlagen hervorgehen, einer zentrogenen und einer peripheren, die der ersteren entgegenwächst. Dohrn (1907) vertritt dagegen den einheitlichen zentrogenen Ursprung desselben Nerven, dem sich allenfalls bei Torpedo, aber nicht bei den Haien, einige Reste des primären Trochlearis anschliessen (siehe S. 42). Die zentrogene Grundlage des Trochlearis sollen kernlose und nackte Fortsätze von zerebralen Ganglienzellen bilden, wozu sich kernhaltige Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 91 Elemente von der Ganglienleiste des Ophthalmieus oder von einem seiner Äste gesellen, die für die Nervenscheiden bestimmt sind. Doch besteht der junge Trochlearis aus einigen getrennten Strängen, die sich später vereinigen. Den embryonalen Trochlearis von Torpedo habe ich aus Mangel an genügendem Material nur einmal gesehen, und zwar ungefähr in derselben Gestalt, wie ihn Froriep (1591) abge- bildet hat. Er verläuft von der Einbuchtung zwischen Mittel- und Hinterhirn gegen das Auge hin, nicht in gerader Linie. sondern mit den auch von Froriep und Dohrn angegebenen Knieckungen und seitlichen Fortsätzen (Fig. 98). Während aber diese Forscher den Nerv bereits mit dem Hirn und einem kleinen Ganglion in der Mitte seines Verlaufes verbunden antrafen und ihn daher für eine zentrogene Bildung hielten, habe ich in meinen Präparaten beides, die Hirnwurzel und das Ganglion, ver- misst. Bei mehrfachen Untersuchungen derselben Schnittserie konnte ich den zarten Nervenstrang nur bis nahe an das Mittel- hirn verfolgen. Darüber hinaus blieb er unsichtbar. Ich gebe zu, dass ein solcher negativer Befund kein ent- scheidender ist. Aber auch Dohrn hat trotz seines umfassenden Materials die tatsächlich erste Entwicklung des Trochlearis aus dem Hirn überhaupt nicht demonstriert, sondern erst an den mehr oder weniger vorgeschrittenen Anlagen nackte Primitiv- fasern und deren kernhaltige Scheiden zu sehen gemeint, woraus er den Ursprung der ersteren aus zerebralen Zellenfortsätzen und der Scheiden aus verschiedenen anderen (Quellen folgerte. Es bleibt also der Ursprung des Trochlearis der Selachier noch immer zweifelhaft, so lange man sich bloss an diese Fische hält. Ich komme nun zum Oculomotorius der Selachier. dessen Entwicklung bereits von mehreren Forschern geschildert wurde. Platt (1891) liess den Oculomotorius von Acanthias aus dem Ganglion ophthalmieum gegen das Hirn wachsen, Dohrn (1591), Hoffmann (1597), Neal (1898) bezeichnen ihn dagegen als Auswuchs des Mittelhirns, sei es, dass ganze austretende Zellen ein Netzwerk herstellen, aus dem der Nerv hervorwächst (D.), oder dass bloss Fortsätze von Hirnzellen diese Grundlage bilden (N.). Endlich hat neuerdings Gast (1909) den zentrogenen Ursprung des Oculomotorius von Torpedo wesentlich in derselben Weise beschrieben, wie es Dohrn für den Trochlearis angab. Doch 92 A. Goette: sollen die für die Nervenscheiden bestimmten Zellen teilweise ebenfalls aus dem Hirn stammen. In 7 mm langen Embryonen von Torpedo ocellata fand ich die proximale Strecke des Oculomotorius zwischen dem Hirn und ungefähr der Stelle. wo später das Ganglion ciliare auftritt, bereits angelegt, so dass die Entwicklung dieses Nerven ver- mutlich schon in etwas jüngeren Embryonen beginnt. Die von mir gesehene Anlage (Fig. 167) bestand aus mesenchymatösen Zellensträngen, die distalwärts straffer zusammenhingen und am verdickten distalen Ende nahe an das Ganglion ophthalmicum heranreichten, ohne mit ihm kontinuierlich zusammenzuhängen. Innerhalb der Hirnbeuge wurde der ganze Strang schwächer. lockerer und unregelmässiger und zeigte stellenweise Verbindungen mit dem umgebenden Mesenchym. In der Nähe der Hirnbasis lief er in ein zartes Netzwerk aus, dessen Endfäden allseitig ausstrahlten, aber nur vereinzelt die Oberfläche des Hirns er- reichten. An einem etwas älteren Embryo (8,5 mm Länge) war derselbe Strang bis an das proximale Ende aus einigen strafferen, neben- einander verlaufenden Zellenketten zusammengesetzt (Fig. 168): dieses Ende selbst war aber noch nicht netzförmig, sondern divergierte bloss in einige Fäden, die das Hirn nirgends berührten. Dies ist, wie auch die Folge zeigt, eine jüngere Entwicklungs- stufe der künftigen Wurzel des Oculomotorius, als die zuerst beschriebene. Denn die nächstfolgenden Stufen (10 und 12 mm Länge) zeigen wieder das Netzwerk mit reichlichen Kernen und zahlreichen, teils dünneren, teils stärkeren Verbindungen mit dem Hirn (Fig. 169). Durch fortschreitende Verschmelzung der Netzbälkchen entsteht endlich (16 mm Länge) die deltaföürmige Wurzel. während gleichzeitig das syneytial verschmolzene Plasma des Stranges schon deutlich faserig war (Fig. 170). In demselben Embryo sah ich die proximale Strecke des Oculomotorius in die distale Strecke fortgesetzt, über deren Entstehung ich jedoch so wenig zu sagen weiss wie meine Vorgänger. Auf Grund dieser Beobachtungen muss ich mich dahin ent- scheiden, dass der Oculomotorius von Torpedo weder in Gestalt von Zellensträngen und Zellenhaufen (Dohrn), noch von Zellen- ausläufern (Neal, Gast) aus dem Hirn herauswächst, sondern dass sein proximales Ende durch zentripetales Wachstum das Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 03 Hirn erreicht und sich mit ihm verbindet. Dieser Befund stimmt also im allgemeinen mit der entsprechenden Angabe von Platt (1891) überein. Nur kann ich den angeblichen Ursprung der proximalen Strecke des Oculomotorius im Ganglion ophthalmieum (Platt) nicht bestätigen. Sollte ferner das Ganglion ciliare der Selachier nicht innerhalb des Oculomotorius selbst entstehen (Beard, 1897), sondern aus dem Granglion ophthalmieum stammen (Gast, 1908), so wäre es dem (ranglion eiliare von Siredon nicht wohl gleich zu stellen. Wenn man alle Beobachtungen über die topographische Entstehung der Augenmuskelnerven bei Fischen und Amphibien zusammenfasst, so zeigt sich, dass diese Entstehung bisher fast ausschliesslich bei Selachiern verfolgt wurde. Dem Ergebnis dieser Untersuchung, dass nämlich jene Nerven durchaus zentro- genen Ursprungs sind, habe ich freilich nur meine abweichenden Beobachtungen am Oculomotorius von Torpedo entgegenzustellen. was für sich allein gewiss nicht entscheidend ist. Von ganz anderem Gewicht sind aber meine Befunde an anderen Fischen und den Amphibien. Denn wenn bei Siredon alle Augenmuskel- nerven, bei Petromyzon wenigstens der Abducens, bei Amia eben- falls der Abducens und ferner der Oculomotorius sich ganz evident als peripher entstehende Nerven erweisen, so genügt dies nicht nur, um meine gleichlautenden Ergebnisse über die Entwicklung des Oculomotorius bei Torpedo sicher zu stellen, sondern auch, um für die beiden anderen Augenmuskelnerven der Selachier dieselbe Entwicklung mindestens als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Trotzdem will ich es keineswegs für unmöglich erklären. dass irgend ein Augenmuskelnerv direkt aus dem Hirn entspringt: denn dies hat für mich, wie sich zeigen wird, keinerlei grund- sätzliche Bedeutung. Dagegen richtet sich mein hauptsächlichster Widerspruch gegen die neueren Angaben, dass der zentrogene Ursprung der Augenmuskelnerven und anderer Nerven in der besprochenen Weise durch spezifische Neuroblasten und ihre nervösen Ausläufer (Nervenfasern) sich vollziehe. Ohne .schon hier näher darauf einzugehen, was dem nächsten Kapitel vor- behalten bleibt, will ich vorläufig nur bemerken, dass gerade Sal A. Goette: die von mir untersuchte Histiogenese der Nerven für mich ein Hauptgrund ist, jenen durch zerebrale Neuroblasten vermittelten Ursprung der Augenmuskelnerven als unzutreffend abzulehnen. Die von den Autoren wiedergegebenen Bilder mögen an sich richtig sein, nur stellen sie nicht die entscheidenden ersten, sondern mehr oder weniger vorgerückte Entwicklungsstufen dar, die über das Vorausgegangene keinen Aufschluss geben können. Ich schliesse diese Untersuchung mit dem Satze ab: die Augenmuskelnerven entstehen. soweit ich ihre Ent- wicklung an Fischen und Amphibien (Petromyzon, Torpedo, Amia, Siredon) verfolgen konnte, nicht vom Hirn aus, mit dem sie erst sekundär in Ver- bindung treten, sondern in der Regel von ihren Muskeln oder dem benachbarten Mesenchym und in seltenen Fällen von anderen Nerven. III. Das Kopfnervensystem der Fische und Amphibien im ganzen. Solange für alle Kopfnerven derselbe einheitliche, zentrogene Ursprung wie für die typischen Spinalnerven des Rumpfes an- genommen wurde, bezog sich die vergleichende Untersuchung der ersteren auf die Feststellung der zu einem metameren zwei- wurzeligen Spinalnerven gehörigen Nervenäste des Kopfes. Als eine besondere Ergänzung kam die Lehre von der Mitbeteiligung des Ektomesoderms oder wenigstens gewisser ektodermaler Plakoden an der Herstellung der Spinalganglien des Kopfes hinzu. Nach meinen Beobachtungen, die ich in den vorausgehenden Kapiteln wiedergegeben habe, sind aber beide Annahmen, diejenige vom zentrogenen Ursprung aller Kopfnerven und die zweite Annahme von der Tätigkeit der Plakoden unzutreftend. Daher hat auch die folgende zusammenfassende Betrachtung der Genese der Kopf- nerven eine andere Richtung. Vor allem tritt uns dabei die Mannigfaltigkeit der embryo- nalen Grundlagen der Nervenbildung als neues Moment entgegen. Von diesen Grundlagen sind das Zentralnervenorgan, die Haut und das entomesodermale Mesenchym altererbte Quellen für Nervenbildungen verschiedener Art (Spinalnerven, Lateralnerven, Sympathicus usw.). Dazu kam aber schon bei den ältesten Wirbeltieren als eine neue derartige Grundlage das Ektomeso- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 95 derm. Da es sich in seiner mesenchymatösen Form und seinen Fähigkeiten vollständig neben das entomesodermale Mesenchym stellt. sich auch sehr bald mit ihm vermischt und in ihm un- kenntlich aufgeht, so liegt die Frage nahe, ob denn diese Er- gänzung des alten Mesenchyms nicht doch nur scheinbar indifterent und nicht vielmehr dadurch zu erklären sei, dass das Ektomeso- derm eine spezifische Bedeutung für bestimmte Gewebsbildungen und namentlich für gewisse Nervenbildungen, z. B. die Visceral- ganglien. habe. Dies soll hier zuerst erörtert werden. Die Beziehungen des Ektomesoderms zu den Nerven und anderen Organen des Kopfes. Bei der grossen Ähnlichkeit der verschiedenen ektodermalen Einwucherungen in den embryonalen Kopf ist es wohl zu ver- stehen, dass sie zu manchen Verwechslungen und Missverständ- nissen Anlass gaben. Auch mir ist es erst durch vergleichende Beobachtungen an verschiedenen Typen von Fischen und Amphibien gelungen, die zweierlei Arten jener Einwucherungen, das von mir so genannte Ektomesoderm und die Plakoden der früheren Be- obachter, die bisweilen zusammengeworfen wurden, nach ihren ganz divergenten Leistungen zu unterscheiden. Nach der ausserordentlich wichtigen Entdeckung jener Ein- wucherungen richtete sich die Aufmerksamkeit der Beobachter vor allem auf die Beziehung der fraglichen Neubildungen zu den Kopfnerven, nämlich auf die Verbindung der Plakoden mit den Spinaleanglien, während der Vermehrung des Mesenchyms vom Ektoderm her (Ektomesoderm) weniger Beachtung geschenkt wurde. Die Bedeutung der Plakoden sah man nun darin, dass jedes Spinalganglion erst durch die Vereinigung jener dermato- genen Anlage mit der zentrogenen, aus der Ganglienleiste stammenden Nervenanlage fertig hergestellt werde. Diese Auf- fassung ist aber, wie wir sahen, nicht richtig, und noch weniger natürlich die Ableitung des ganzen Ganglion ophthalmicum von einer Plakode. Das, was als Plakoden des Facialis, Glossopharyngeus und Vagus bezeichnet wurde, sind die von mir beschriebenen Anlagen der Lateralganglien, die mit der Genese jener Spinalganglien gar nichts zu tun haben. Allerdings verbinden sich die meisten Lateralganglien früher oder später mit den benachbarten Spinal- 96 A. Goette: ganglien, aber nicht anders als die verschiedenen Spinalganglien untereinander, so dass sie durchaus als selbständige Nerven- bildungen zu betrachten sind. Dies wird nicht nur dureh die eigenen, selbständigen Hirnwurzeln der Lateralganglien, sondern auch durch die Unvollständigkeit und Unbeständigkeit ihrer fraglichen Verbindungen bewiesen. So fehlen bei Petromyzon die sonst neben dem Facialis und dem Glossopharyngeus vorkommenden Lateralganglien, während das grosse, für die Lateralnerven des kumpfes bestimmte und neben dem Vagus entstehende Lateralganglion mit ebendemselben Spinalganglion in keine unmittelbare Verbindung tritt. Das vordere Lateralganglion der Selachier und Ganoiden verbindet sich mit dem Facialis, bei den Amphibien dagegen mit dem Trigeminus; im Rumpfe kommen Spinalganglien und Lateralnervenanlagen überhaupt nicht in Berührung miteinander, und bei den Amnioten fehlen sie sogar vollständig. Angesichts aller dieser Tatsachen ist es völlig ausgeschlossen. dass die Lateralganglien im Sinne der Plakodentheorie zu den grundsätzlich essentiellen Anlagen der Spinalganglien gehören könnten. Noch weniger spielen die Plakoden des Trigeminus eine solche Rolle, da sie sich als Rudimente darstellen, deren äusser- liche Verbindung mit dem Trigeminus nur von kurzer Dauer ist, indem sie sich alsbald im embryonalen Mesenchym auflösen. Wenn sie dabei nicht völlig verschwinden, so ist doch der Zuwachs des Ektomesoderms durch diese Reste von keiner grösseren Be- deutung als derjenige, der sich eventuell aus der Auflösung des primären Trochlearis und der primären Spinalnervenwurzeln ergibt. Im übrigen sind jene rudimentären Plakoden zweifellos Homologa der Lateralganglien und daher ein weiterer Beweis für die Ent- behrlichkeit dieser dermatogenen Nervenanlagen für die Herstellung vollgültiger Spinalganglien. Anders liegt die Sache bei der Entstehung der oceipitalen Visceralnerven, die nach meinen Beobachtungen innerhalb des Ektomesoderms erfolgt, so dass in diesem Punkt seine Beziehungen zu den Kopfnerven füglich nicht geleugnet werden können. Doch halte ich diese Beziehungen weder für spezifische noch für direkte. Das Ektomesoderm entsteht sozusagen in der ganzen Länge des Kopfes und dient zur Bildung des Visceralskeletts, gewisser äusserer Kiemenmuskeln, der fraglichen Visceralganglien, aber Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. a7 auch als Mesenchym zum Wachstum anderer Nerven, zur Her- stellung von Blutgefässen und verschiedenen Bindesubstanzen. Die Entwicklung der Visceralganglien ist also nur eine der zahl- reichen Aufgaben des Ektomesoderms und zudem auf die Region hinter dem Vagus beschränkt. Dazu kommt, dass die Visceral- nerven des humpfes, nämlich der Sympathicus und die Darm- nerven, zweifellos aus Teilen des Entomesoderms hervorgehen (Camus, 1912), das also darin, wie überhaupt in allen übrigen Leistungen, dem Ektomesoderm völlig gleich steht. Von einer spezifischen Aufgabe des letzteren zur Bildung von Visceralnerven und von Nerven überhaupt kann gar nicht die Rede sein. Und damit kommen wir zu der Frage, welche Stellung das Ektomesoderm zur Kopfbildung einnimmt. Denn da es keine andere Tätigkeit offenbart, als diejenige des mesenchymatösen Entomesoderms, so drängt die Tatsache, dass es trotzdem nur im Kopfe und der ganzen Kiemenregion, und zwar neben dem Entomesoderm vorkommt, zu irgend einer Erklärung. Obgleich nun eine solche nur eine mehr oder weniger hypothetische sein kann, halte ich sie doch nicht für überflüssig, weil sie das noch klarer darzulegen vermag, was ich über die Beziehung des Ektomesoderms zu den Visceralnerven sagte. Die angeregte Frage lautet eigentlich so: aus welchem (runde entstand das Ektomesoderm ? Da es, wie schon erläutert wurde, im Anschluss an die sämtlichen Visceralbögen entsteht, darf und muss sogar ange- nommen werden, dass seine Bildungsursachen anfangs keine all- gemeinen, auch für andere Körperregionen gültigen, sondern in der besonderen Ausbildung jener Bögen enthalten waren. Es wäre also zunächst festzustellen, welche Organe zugleich aus- schliesslich Erzeugnisse des Ektomesoderms und an die Visceral- bögen gebunden, also auch auf sie beschränkt waren und sind. Diesen Bedingungen entsprechen weder die Visceralganglien, die nur in den hinteren Bögen vorkommen, noch die Visceralbogen- gefässe, die weder für sich abgeschlossene Organe, noch aus- schliesslich ektomesodermalen Ursprungs sind, ja offenbar schon vor der Entstehung des Ektomesoderms vorhanden waren, gleich den Kiemengefässen von Amphioxus. Dagegen erfüllt das Visceral- skelett des Kopfes und der Kiemenregion jene Bedingungen voll- kommen (siehe oben); es bliebe also zu untersuchen übrig. in Archiv f, mikr. Anat. Bd.S5. Abt. 1. 7 95 A. Goette: welcher Weise seine Entstehung und diejenige des Ektomesoderms einst kausal zusammenhingen. Bevor die typische Organisation der Wirbeltiere auch in der Kiemenregion Platz gegriffen hatte, dürfte dort ein Zustand geherrscht haben, wie er durch die ursprüngliche, bei Amphioxus noch bestehende Atmung bedingt war. Das zur Atmung dienende Wasser wurde, in Ermangelung einer entsprechend wirkenden Kiefer- und Kiemenmuskulatur, durch den Wimperbesatz des ganzen Kiemendarms herangestrudelt und durch die Kiemen- spalten hinausgeleitet, und die primären Kiemen- oder Visceral- bögen enthielten wesentlich nur die Kiemengefässe ') Der Über- gang zur Atmung durch spontane Bewegungen des Kiefer- und INiemenapparats war natürlich bedingt durch die Entwicklung einer Muskulatur in diesem Apparat. Diese aus der entomeso- dermalen Seitenplatte entstandenen Muskeln provozierten wiederum die Herstellung eines ihnen dienlichen lokomotorischen Skeletts. Soweit lässt sich die phyletische Entwicklung des Visceralskeletts ohne Schwierigkeiten vorstellen; weniger einfach ist es zu ver- stehen, dass das für dieses Skelett notwendige Bildungsmaterial. nach dem Ausweise der uns vorliegenden Ontogenesen, von Anfang an durch eine Einwucherung des Ektoderms geliefert wurde. Nun lehrt uns die Ontogenese, dass die embrvonalen Visceral- bögen der Wirbeltiere vor der Einwanderung des Ektomesoderms ausschliesslich die festgefügte Seitenplatte enthalten, die sich in die Visceralmuskeln verwandelt, und dass sie niemals ein ento- mesodermales Mesenchym erhalten. Aus diesem ontogenetischen Befund darf geschlossen werden, dass auch in den Visceralbögen der ältesten Wirbeltiere zuerst bloss dieselben Muskeln enthalten waren, die daher nur an der Haut befestigt sein konnten. Dies mochte aber allmählich eine Wucherung der ektodermalen Be- festigungsstellen veranlassen; und indem diese Wucherungen zu- nahmen und aus der Haut hervortraten, bildeten sie zuerst ein straffes Stützgewebe, eine wenig differenzierte Bindesubstanz, worin später das eigentliche knorpelige Visceralskelett entstand. Ich erinnere dabei an die ähnliche ‚Entstehung der Wirbelsäule, der ein „häutiges“ Stützgewebe an den Befestigungsstellen der '!) Das Stützgewebe in den Kiemenbogen von Amphioxus kann als Kutikularbildung dem knorpeligen Visceralskelett nicht wohl gleich gestellt werden. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 99 Stammuskeln vorausgeht, innerhalb dessen sich die Wirbelelemente entwickeln, und zwar ontogenetisch ebenso wie phyletisch von den wirbellosen Uyklostomen aufwärts bis zu den höher differen- zierten Wirbeltieren (Goette, 1832). Diese hypothetische, aber m. E. nieht unbegründete Vor- stellung von der ersten Entstehung des Visceralskeletts erklärt gleichzeitig die ontogenetische Erscheinung des indifferenten Ektomesoderms als eines Vorläufers desselben Skeletts in den heutigen Wirbeltieren. Denn selbstverständlich ist jene oben beschriebene erste bindegewebige Stützsubstanz der Visceralbögen identisch mit dem, was wir heute Ektomesoderm nennen. Mit der eben gegebenen Erklärung stimmt es durchaus überein, dass das Ektomesoderm nicht auf die Visceralbögen beschränkt bleibt, sondern sich auch dorsalwärts von ihnen aus- breitet. Denn die Kiefer- und Kiemenmuskulatur, von denen der Anstoss für die Entwicklung des Visceralskeletts ausging, reichen ziemlich weit in jene dorsale Region hinauf. Steht nun das Ektomesoderm in seinem ganzen Umfange mit der Entwicklung des Visceralskeletts in ursächlicher Beziehung, so ist es irrelevant, dass es daneben an einzelnen Stellen auch anderen mesenchymalen (reweben zur Grundlage dient. Und da es in der genannten dorsalen Region sich endlich vollständig mit dem gleichartigen entomesodermalen Mesenchym vermischt, so ist es gleichgültig, -welches von beiden als Grundlage der fraglichen Gewebe dient. Es bleibt also dabei, dass das Ektomesoderm nur mit dem Visceral- skelett in einem ursprünglichen Kausalzusammenhange steht. Die phyletische Erklärung des Ektomesoderms kann nur in der allmählichen Ausbildung desknorpeligen Visceralskeletts gesucht werden, das nach seiner Genese in dem gesamten Skelett der Wirbeltiere seinesgleichen nicht hat. Jeder Versuch, das Visceral- skelett mit irgend welchen Skeletteilen des Stammes oder der Gliedmaßen zu vergleichen, muss an der Tatsache scheitern, dass das erstere aus dem Ektoderm, die anderen aus den entomesodermalen Somiten des Rumpfes stammen. Nach dieser Auseinandersetzung scheidet das Ektomesoderm aus der Reihe spezifischer, d. h. solcher Grundlagen der Nerven- bildung aus, die irgend welche Ursachen dieser Bildung in sich tragen. Es bietet nur als interstitielles Mesenchym die gewebliche 7* 100 A. Goette: Unterlage für gewisse Nervenbildungen, deren eigentliche Ver- anlassung in ganz anderen Körperteilen zu suchen ist. In diesem sozusagen passiven Verhalten schliesst sich ihm natürlich das entomesodermale Mesenchym an, was weiter unten noch ein- sehender erläutert und begründet werden soll. Zunächst folgt aber schon aus dem Gesagten, dass für die folgende Unter- suchung ganz andere Gesichtspunkte als bisher massgebend sein müssen. Die Histiogenese der Kopfnerven. Seit Jahrzehnten herrscht in der Lehre von der Histiogenese der Nerven bei den Wirbeltieren die Ansicht von His (1889), dass die Nervenfasern sämtlich Ausläufer von Ganglienzellen des Hirns und der Spinalganglien seien, während ihre Scheiden von anderen Embryonalteilen hergestellt werden. Selbst Dohrn, ein früherer Gegner dieser Theorie, hat sich ihr zuletzt (1907) eben- falls angeschlossen: und wenn sich wiederholt Einsprüche dagegen erhoben, so betrafen sie doch wesentlich mehr untergeordnete Punkte. In der Hauptsache wurde allgemein anerkannt, dass die eigentlichen Nervenbildner dem Zentralnervenorgan entstammende spezifische „Neuroblasten“ seien, die sich in je eine Ganglienzelle (Zellkörper) nebst einem langen Fortsatz (Nervenfaser) verwandelten. Auf eine Aufzählung und Kritik aller einzelnen Angaben glaube ich aber deswegen verzichten zu dürfen, weil ihr gemein- samer Ausgangspunkt, die Existenz zentrogener Neuroblasten für alle Nerven, für mich gar nicht diskutabel ist. Denn da nach meinen Beobachtungen die Mehrzahl aller Kopfnerven der Fische und Amphibien überhaupt nicht zentrogen, sondern peripher in den verschiedensten Organen und Anlagen entsteht, so ist der Neuroblastentheorie von vornherein der Boden entzogen, mit welchen Verbesserungen und Einschränkungen man sie auch ver- sehen mag. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass wenigstens die echten dorsalen Spinalganglien des Kopfes zentrogenen Ursprungs sind. Denn selbst wenn man für diese Minderzahl von Kopfnerven die Neuroblastentheorie in Anspruch nehmen wollte, fehlte ihr doch das wichtigste Attribut, ihre Allgemeingültigkeit und die spezifische Bedeutung der Neuroblasten, da diese doch nichts anderes leisteten als zahlreiche ganz andere Nervenbildner. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 101 Dieser Mangel eines spezifischen Charakters der zentrogenen Neuroblasten wird noch dadurch besonders illustriert, dass sehr oft physiologisch und topographisch gleiche Nerven bald zentrogen, bald peripher entspringen. Die nächsten Beispiele sind die spinalen und die ektomesodermalen (oceipitalen) Visceralnerven, ferner die ektodermalen Seitennerven und der aus dem spinalen Facialis entspringende Seitennerv Mandibularis externus: selbst ein und derselbe Nerv, nämlich der Trochlearis von Siredon, entsteht bald aus einem Augenmuskel, bald als Zweig des spinalen Ophthalmieus, also doch gewissermassen zentrogen. Aber nicht nur der topographisch wechselnde Ursprung der Kopfnerven spricht gegen die Berechtigung der bezeichneten Theorie, sondern auch der spezielle histiogenetische Vorgang bei der Entwicklung der einzelnen Nerven. Einige Hauptpunkte dieser Histiogenese habe ich schon vor langer Zeit bei den anuren Amphibien festgestellt («oette, 1575) und erwähne sie hier wieder, weil ich jetzt in der Lage bin, sie im wesentlichen zu bestätigen. Es betrifft dies erstens die Entstehung peripherer Nerven aus mesodermalen, syneytial ver- schmolzenen Zellensträngen,. in denen die Nervenfasern intra- zellulär entstehen. Ich glaubte ferner eine Bestätigung dafür in der Histiogenese der weissen Substanz des Medullarrohres zu finden: und endlich vermisste ich in den embrvonalen Ganglien, die schon von Nervenfasern durchsetzt sind, vielfach einen Zusammenhang dieser Fasern mit den Ganglienzellen. Aus diesen Tatsachen könnte schon mit grosser Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die Nervenfasern nicht als Ganglienzellfortsätze, sondern selbständig innerhalb der Bildungszellen entstehen. Diese Befunde kann ich jetzt ergänzen und bestimmter begründen. Dazu verweise ich zunächst auf die oben mitgeteilten Beobachtungen an den Augenmuskelnerven. Ihre ersten Anlagen bestehen bei Siredon im einfachsten Falle aus je einer mehr oder weniger gerade gestreckten Zelle, deren Plasma durch starkes Wachstum sich stetig zu einem gleichmässigen homogenen Strange verdickt. während der Kern sich durch rasche Teilungen vermehrt (Fig. 161—165 und 171—176). Die Kerne erscheinen in der Wachstumsrichtung gestreckt. Nicht selten wird der Strang durch Verschmelzung von zwei oder auch mehr nebeneinander aus- wachsenden Zellen hergestellt; auch schliessen sich bisweilen einzelne 102 A. Goette: Mesenchymzellen dem vorwachsenden Strange an, namentlich an seinem freien Ende (Fig. 161, 163—165 und 172). Die ersten Bildungszellen der Augenmuskelnerven treten bei Siredon in der Regel aus den Muskelanlagen hervor; dies ist aber von keiner irgendwie grundsätzlichen Bedeutung. Denn bei dem- selben Tier erscheinen einige der fraglichen Nervenanlagen, 2. B. des Abducens und des Oculomotorius 2, nur in der nächsten Nähe eines Augenmuskels, können also nur auf Zellen des Mesenchyms zurückgeführt werden (Fig. 171); und die erste Anlage des Oculo- motorius von Amia ist vollends unverkennbar eine rein mesen- chymale, da die benachbarte Wand der Kopfhöhle überhaupt noch keine Muskelanlage entwickelt hat (Textfig. 2). Dasselbe gilt vom Oeulomotorius von Torpedo. Die Entwicklung der Augen- muskelnerven geht von geweblich indifferenten Bildungszellen aus. Das zweite bemerkenswerte Moment dieser Entwicklung ist die syneytiale Verschmelzung aller beteiligten Bildungszellen zu den homogenen und gleichmässigen Strängen, in denen die eigentliche Gewebsbildung vor sich geht. Bevor aber diese ein- setzt, ist der Strang nach aussen so scharf abgesetzt (Fig. 166c—f), dass, ob man darin nun eine Cutieula sehen will oder nicht, jeden- falls die Aufnahme neuer Zellen in den Strang ausgeschlossen erscheint. Erst später lagert sich eine Bindegewebshülle auf seiner Oberfläche ab. Die wichtigste Erscheinung in der Histiogenese der Augen- muskelnerven ist die Entstehung der Nervenfasern in den ge- schilderten Strängen. Ich kann aber nicht genau angeben, wann diese Fasern zuerst auftreten; ich stelle nur fest, dass es jeden- falls vor der Verbindung der Stränge mit dem Hirn geschieht, und dass es ebenso wie die ganze übrige gewebliche Differen- zierung derselben Stränge peripher beginnt und zentripetal fort- schreitet. Dies lässt sich aber an ganzen Strängen oder an deren Längsdurchschnitten kaum verfolgen; dazu sind vielmehr (uer- durchschnitte der Nervenanlage unerlässlich, aber nur gelegentlich in genügenden Serien zu beschaffen. Eine solche Serie vom Oculomotorius 4 älterer Siredonlarven (40 mm) gibt ein an- schauliches Bild davon, wie die schon früher begonnene geweb- liche Differenzierung aus der distalen Hälfte des Nerven zentri- petal fortschreitet. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 103 Die eben in der Entwicklung begriffene Wurzel unseres Nerven (Fig. 166a und b) ist noch nicht strangförmig verwachsen, sondern ein deltaförmig ausstrahlendes Bündel von Plasma- fortsätzen (vergl. Fig. 167—170), an das sich erst distalwärts der solide Strang anschliesst. Dieser ist ferner in der Nähe der Wurzel viel dünner als distalwärts und noch nicht faserig wie die distalen Abschnitte (Fig. 166c—f). Dementsprechend ist die Faserbildung in den Querdurchschnitten von innen nach aussen zu verfolgen. An den Durchschnitten Fig. 166c und d zeigt sich die erste Veränderung in dem ursprünglich homogenen Strang (vergl. Fig. 183b und ec). Die sich noch immer vermehrenden, im (Juerdurchschnitt runden Kerne liegen unregelmässig verstreut. Das Plasma ist nicht mehr homogen, sondern in zwei verschiedene Substanzen gesondert, indem die gut färbbare (Grundmasse von hellen, nicht färbbaren und vakuolenartigen Körpern so durchsetzt ist, dass sie beinahe schaumig aussieht. — Beim Übergang der (Juerdurchschnitte des sich biegenden Nerven in schräge Durch- schnitte (Fig. 166e und f) zeigt sich, dass die vakuolenartigen Körper longitudinal ausgezogene, vielfach zusammenhängende Zwischenräume zwischen den dunkleren Partien sind, und dass diese ein Geflecht von Bälkchen bilden, die die Kerne enthalten und von ganz dünnen dunklen Fäden durchzogen werden. Diese Fäden sind die ersten Nervenfasern. Bestätigt wird dieser Anfang der Faserbildung in den distalen Abschnitten der Nervenanlage durch meine Beobachtungen an der in Entwicklung begriffenen Wurzel des Oculomotorius von Torpedo. Denn während das Plasma dieser Wurzel anfangs noch homogen erscheint, ist es distalwärts deutlich faserig: und diese Faserung schreitet alsdann bis in die Wurzel und zuletzt bis ins Hirn fort. Die Nervenfasern der Augenmuskelnerven ent- stehen zuerst in den distalen Abschnitten der An- lage und wachsen zentripal bis ins Hirn, wo sie sich zum Abschlussihrer Entwicklung mit Ganglienzellen verbinden. Über die Entwicklung dieser Nervenfasern lässt sich aber noch mehr sagen. Wie sie sich mit den Muskelfasern verbinden, d. h. wie die nervösen Endplatten sich an den Muskeln entwickeln, ist nicht bekannt. Nach allem muss es aber als feststehend an- 104 ArGoretkte: gesehen werden, dass die distalen Enden der Nervenfasern nicht als unmittelbare Fortsätze, d. h. als Wachstumsprodukte von neuro- blastenartigen Zellen entstehen, um etwa dann in die Substanz der Nervenstränge einzuwachsen. Denn in den Muskeln sind solche Neuroblasten unbekannt, und lassen sich nach den vor- liegenden Befunden nicht einmal vorstellen. Die distalen End- zellen, von denen die Nervenbildung ausgeht, setzen sich schon vor dem Auftreten der Nervenfasern in syneytiale Stränge fort. in deren kontinuierlichem Plasma die zahlreichen Fasern ent- stehen: es bleibt daher unerfindlich, wie diese die äusseren Fort- sätze desselben Plasmas sein sollten, innerhalb dessen sie sich befinden.) So kommt man zu dem Schluss, dass die Nervenfasern der Augenmuskelnerven unabhängig von irgend- welchen Neuroblasten sichinnerhalb dessyncytialen Plasmas der Gesamtanlage differenzieren. Durch die Aussonderung der Nervenfasern in den syneytialen Nervensträngen wird der Rest ihrer Substanz zu Hüllbildungen für die einzelnen Fasern bestimmt; das kernhaltige Zellplasma verwandelt sich in das Neurilemm, die helle Substanz in die Myelinscheiden. Die Einzelheiten dieses Vorganges habe ich nicht verfolgt. Im allgemeinen halte ich es aber für gesichert, dass die syneytialen Anlagen der Augenmuskelnerven die gemeinsame substantielle Unterlage sowohl für die Nervenfasern wie für ihre Hüllen liefern. Ich gehe nun zu den Sinnesnerven über. Das Bildungs- material für den Olfactorius, Acusticus und die Seitennerven stammt aus denselben Ektodermstellen, die die Endorgane jener Nerven bilden (Fig. 1, 5, 6, 9, 10, 66, 120 und 148—152). Da insbesondere der Olfactorius und der Acustieus geradezu aus dem (reruchsepithel und dem Labyrinthepithel hervorsprossen, könnte daran gedacht werden, dass ihre Bildungszellen mit den künftigen Sinneszellen identisch sind und daher die Ursachen !) Die Zellen des Ganglion ciliare kommen für die motorischen Nerven- fasern des Oculomotorius nicht weiter in Betracht, einmal weil sie sehr spät entstehen, vor allem aber, weil motorische Fasern in ihrem Verlauf über- haupt keine Ganglienzellen durchsetzen. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 105 zur Sinnesnervenbildung von Anfang an in sich trügen. d.h. spezifisch vorgebildete Neuroblasten seien. Diese schon von Kupffer u. A. ausgesprochene Ansicht lässt sich aber mit den tatsächlichen Befunden über die Ent- wieklung der Sinnesnerven nicht in Einklang bringen. Vor allem weise ich auf zwei Tatsachen hin, die für alle genannten Sinnes- nerven zutreffen, nämlich ihren heterogenen Ursprung und die Verwandlung ihrer Bildungszellen in Syneytien. Die Anlagen der Lateralnerven, besonders deutlich diejenigen des Lateralis posterior, bestehen in zusammenhängenden Ektoderm- massen, die sich allerdings auch von den Bildungsstätten der Seitenorgane, in den Zwischenräumen zwischen diesen jedoch vom indifferenten Ektoderm ablösen (Fig. 147 fig). Und für gewisse Seitenzweige des Lateralis posterior kommt ein ektodermaler Ursprung überhaupt nicht in Frage, indem sie unverkennbar aus dem Mesenchym hervorgehen (Fig. 185). Aber auch die Anlagen des Acusticus und des Olfaetorius können nicht schlechtweg von Sinneszellen abgeleitet werden, da weder die Sinnesepithelien nur aus Sinneszellen bestehen, noch jene Anlagen bloss nervöse Teile erzeugen. Selbst wenn man die Hypothese soweit beschränken wollte, dass nur die eigentlichen nervösen Teile (Nervenfasern, Ganglien- zellen) aller jener Nerven aus Sinneszellen,. die übrigen Teile (Neurilemm, Mvelinschichten und andere) aus indifferenten Bildungs- zellen hervorgingen, stösst sie auf die unüberwindliche Schwierig- keit, dass die Gesamtmasse der Bildungszellen jedes Nerven zu einem Syneytium verschmilzt, das, wie wir schon an den Augen- muskelnerven sahen, infolge der andauernden Vermehrung und Zerstreuung der Kerne im gemeinsamen Plasma jede Möglichkeit ausschliesst, dass die Individualität der früheren Bildungszellen irgendwie erhalten bleiben könnte. Damit fällt aber jene wenig begründete Hypothese von der Entstehung der Sinnesnerven aus Sinneszellen. Ich wende mich nun zu der speziellen Untersuchung der Sinnesnerven, bemerke aber im voraus, dass ich an keinem von ihnen alle Entwicklungserscheinungen, sondern bei jedem nur einen Teil dieser Erscheinung verfolgen konnte. Die meisten Ergebnisse erzielte ich an der gangliösen Anlage des Lateralis posterior von Siredon:; doch stimmen die übrigen Ganglien des 106 NGioleitibe: Vaguskomplexes in ihrer Histiogenese, soweit ich sie beobachtete, mit dem Lateralis völlig überein. Einzelne bestätigende Beob- achtungen machte ich auch an verschiedenen Spinalganglien von Ammocoeten. Sehr früh beginnen die Zellen der embryonalen Ganglien- anlagen des Lateralis posterior von Siredon sich in deren Längsrichtung zu strecken; dann sieht man sie in Larven von 6 mm Länge in derselben Richtung zu Strängen verschmelzen, die teilweise getrennt bleiben, aber beim Übergang in den Nerven- stamm zusammenfliessen ') (Fig. 158). Die Beschaffenheit dieser Syneytien ist zunächst im Nervenstamm und im Ganglion dieselbe; bemerkenswert sind nur die erheblichen Grössenunterschiede der Iierne innerhalb der Ganglien. — In den Larven von 8.5 mm Länge (Fig. 159) ist die Sonderung der zweierlei Kerne noch auffälliger; die grösseren neigen zu kugeliger Abrundung, die kleineren, zu denen auch diejenigen des Nervenstammes gehören, strecken sich und werden meist spindelförmig. Auch das Plasma differenziert sich bereits, indem es sich um die Grosskerne ver- dichtet,. dazwischen aber lockerer, heller wird; die Plasmazonen um die (rosskerne sind aber noch nirgends scharf konturiert und bedeuten noch keineswegs schon Zellbildungen, die erst auf der folgenden Stufe anfangen. Die Ganglien in den Larven von 11,5 mm Länge zeigen ein ganz anderes Bild (Fig. 190). Die Lücken zwischen den ursprünglichen Syneytien treten vorübergehend — vielleicht in- folge der Präparation — schärfer hervor, so dass die ganze Masse wie ein Balkenwerk mit dickeren und dünneren Strängen aussieht, in dem die Kerne liegen und aus dem die Nervenstränge distalwärts austreten. Das Plasma ist ziemlich gleichmässig hell: ebenso sind die vermehrten kugeligen Grosskerne klar und fein granuliert geworden, so dass auch die kleineren unter ihnen sich sehr deutlich von den vielgestaltigen und dunklen Kleinkernen unterscheiden, die sowohl das künftige Neurilemm der Nerven- stränge, wie das künftige Hüllgewebe der Ganglien durchsetzen. Richtige Zellen gibt es aber in diesem Hüllgewebe so wenig wie in den vorausgegangenen Synceytien. Dagegen beginnt gleich- ') Harrison (1904) hat solche syneytialen Stränge, ohne ihre weitere Entwicklung schrittweise zu verfolgen, schon für die ersten Ganglienzeilen mit Nervenausläufern gehalten. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 107 zeitig die Zellbildung um die Grosskerne, indem ihre Plasma- zonen sich scharf von ihrer Umgebung abgrenzen. Die feinen Ausläufer, die man nicht selten von solchen Zellen ausgehen sieht, gehen meist deutlich in das interstitielle Grundgewebe über und bezeichnen die Stellen, wo die Zellen noch nicht vollständig von den Strängen getrennt sind. Diese neugeschaffenen Zellen sind aber noch keineswegs die definitiven Ganglienzellen, sondern erst deren Vorläufer; ich nenne sie die Ganglienzellenbildner. Die gangliösen Anlagen des Lateralis, Vagusund der Visceralganglien verschmelzen zuerst syneytial. Ausdiesen Syncytiensondern sich einmaldie Nerven. dann die neugebildeten Ganglienzellenbildner, end- lich das interstitielle Hüllgewebe. Ich verfolge zunächst die weiteren Schicksale der Ganglien- zellenbildner. Sie liegen anfangs noch regellos zwischen den das (anglion durchziehenden Strängen; allmählich tritt aber eine be- stimmte Anordnung der Ganglienzellenbildner hervor. Dies hängt mit ihrer nunmehr eintretenden regen Vermehrung zusammen (Fig. 191—193). Zunächst wachsen und teilen sich die (G‚ross- kerne schneller als ihre Zelleiber, so dass sich vielkernige Zellen anhäufen. Sobald nun ihre Zerteilung erfolgt. finden die Tochter- zellen keinen Raum, sich frei abzurunden und auseinanderzurücken, sondern sie platten sich gegenseitig ab und bilden je eine fest zusammengefügte Zellengruppe (Fig. 194 und 195). (regeneinander sondern sich aber diese Gruppen dadurch ab, dass sie vom Hüll- gewebe umschlossen werden, das in die engen Fugen der einzelnen Gruppen nicht einzudringen vermag. Geschieht dies endlich doch, so beginnen auch schon die weiteren Teilungen der Tochterzellen. so dass namentlich an der Peripherie der Ganglien traubenförmige Anordnungen ganz gewöhnlich sind. So trennen sich die das (Ganglion durchsetzenden Nervenstränge und die Masse der Ganglien- zellenbildner immer schärfer in gesonderte Ganglienbezirke. In den grössten von mir untersuchten Larven von 65 mm Länge war jene Gruppenanordnung der Ganglienzellenbildner noch kennt- lich, aber die Grösse der letzteren hatte gegenüber den gleichen Zellen etwas jüngerer Larven ein wenig abgenommen, so dass das Wachstum und das Tempo der Teilungen sich offenbar verlang- samten. Eine Verbindung der Zellen mit Nervenfasern und somit die Herstellung von vollkommenen Ganglienzellen habe ich 105 A. Goette: nicht beobachtet. Sollte ich aber diesen Vorgang in den von mir untersuchten Larven übersehen haben, so steht nach den mit- geteilten Beobachtungen immerhin so viel fest, dass die fragliche Verbindung nicht von Anfang an, also im Sinne der Neuroblasten- theorie vorhanden sein kann. Denn die Ganglienzellenbildner sind eben nicht die ursprünglichen Bildungszellen der Ganglien, sondern entstehen erst sekundär aus den Syneytien, nachdem diese schon längst den einheitlichen Nervenstamm hergestellt haben, und der letztere in seinem Inneren schon Nervenfasern enthält. Auch ist es beinahe unmöglich, sich eine Vorstellung zu machen, wie die von mir so genannten Ganglienzellenbildner, wenn sie von Anfang an wirkliche Ganglienzellen mit Nervenausläufern wären, während der wiederholten Teilungen diesen ihren Charakter un- verändert behielten. Die Ganglienzellen sind sekundäre Bildungen indenembryonalen gangliösen Anlagen, und ihre Verbindung mit den teils schon vorher gebildeten Nervenfasern ist erst recht ein sekundärer Vorgang. Die vollkommenste Bestätigung dieses Befundes an den Lateralganglien und den übrigen grossen Ganglien des Kopfes liefert das von mir beschriebene kleine Ganglion eiliare des Oeulomotorius von Siredon (Fig. 165). Denn es hat überhaupt keine eigene zellige Anlage, sondern entwickelt sich erst im Ver- laufe eines svneytialen Nervenstranges und zwar so spät, dass die Ganglienzellen selbst in den 6,5 cm langen Larven noch nicht vollständig fertig waren, während die Nervenfasern des Oculo- motorius längst bestanden. — Das Ganglion sphenopalatinum verhält sich ebenso. An der nachträglichen Entstehung von Ganglienzellen in syneytialen Nervenanlagen kann daher gar nicht gezweifelt werden. Es darf also mit gutem Recht behauptet werden, dass die Bildung der Ganglienzellen aus syneytialen Anlagen für alle Ganglien gilt, die im Verlauf von sensiblen und motorischen Nerven angetroffen werden. Die Stämme des Lateralis entwickeln sich, wie ich schon beschrieb (siehe S. 75-77), vom Ganglion aus. Jeder Stamm ist ein einheitlicher syneytialer Strang, in dem sich die Nervenfasern zuerst im und am Ganglion zeigen, bevor auch nur die Ganglien- zellenbildner fertig sind (Fig. 190). Ich halte es daher für aus- geschlossen, dass jene Fasern Ausläufer der erst viel später her- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 10% gestellten Ganglienzellen sind. Und da sie als sensible Fasern sich im Hirn niemals als Ganelienzellenfortsätze darstellen, so verhalten sie sich genetisch so wie die Augenmuskelnerven. Die Nervenfasern der Lateralnerven entwickeln sich unabhängig von irgend welchen Neuroblasten inner- halb des syneytialen Plasmas der Anlage und treten erst nachträglich mit den Ganglienzellen in Verbindung. Endlich sei noch hervorgehoben, dass Seitenzweige des Lateralis so angelegt werden können, dass in dem Mesenchym, das sich an den Nerven anheftet, eine Nervenbahn zwischen ihm und der Haut dadurch hergestellt wird, dass die in dieser Richtung liegende Zellenkette sich in einen Strang verwandelt (Fig. 155). Das gesteigerte Wachstum des Plasmas zeigt sich alsdann zuerst unregelmässig, so dass neben stark verbreiterten Zellen ganz dünne Zwischenzellenbrücken je eine Strecke des ganzen zukünftigen Nerven darstellen, bis die Ausgleichung zu einem gleichmässigen Strange erfolgt. Ausser dem Lateralis hat auch der Acusticus eine gangliöse Anlage, die anfangs aus lauter gleichen geweblich indifferenten Zellen besteht (Petromyzon, Torpedo, Siredon). Innerhalb dieser Masse zeigen sich alsdann bei Torpedo drei in Myelin einge- schlossene Bündel von Nervenfasern, die peripher vom Labyrinth- epithel ausgehen und zentripetal vorrücken, bevor in der Gesamt- anlage irgend etwas von Ganglienzellen zu sehen ist (siehe S. 24). Die syneytiale Verschmelzung der ganzen zelligen Anlage des Acustieus ist namentlich bei Siredon an dem Schwinden der Zell- grenzen deutlich zu erkennen (Fig. 12), lässt sich aber auch ganz allgemein aus den Folgezuständen erweisen. Denn die Entstehung der zusammenhängenden Myelinmassen ist, wie wir schon an den Augenmuskelnerven sahen, und wie es am Opticus und am Hirn noch gezeigt werden soll, nur innerhalb eines Syneytiums möglich. Und andererseits setzt die Entwicklung von Ganglienzellen im Ganglion acusticum, die zweifellos nicht anders erfolgt als in den oben besprochenen Ganglien, ebenfalls eine syneytiale Unterlage voraus. In diesen Syneytien entwickeln sich die Nervenfasern im allgemeinen ebenso wie in den Lateralganglien, d. h. nicht als Zellenfortsätze, sondern durch Differenzierung innerhalb des Plasmas. Denn zur Zeit, wann sie entstehen, gibt es in der 110 A. Goette: Anlage des Acusticus noch keine Ganglienzellen, von denen sie ausgehen könnten (Fig. 7 und 8), und mit den akustischen Sinnes- zellen hängen sie nicht einmal nach dem Abschluss der Histio- genese so zusammen, dass man sie als deren Fortsätze bezeichnen könnte. Der Optieus ist allerdings kein eigentlicher peripherischer Nerv, sondern im Grunde genommen ein in einen Nervenstamm ver- wandeltes Stück Hirn: dies hindert aber doch nicht, seine Histio- genese mit derjenigen der übrigen Sinnesnerven zu vergleichen. (Juerdurchschnitte des Opticus von 25 mm langen Larven von Siredon (Fig. 183) zeigen in der Nähe des Hirns noch eine dentliche Lichtung innerhalb eines Syvneytiums, in dem noch hier und dort Spuren von Zellgrenzen um die kreisförmig angeordneten Kerne zu sehen sind (Fig. 153a). Es ist also die syneytial ver- schmolzene Röhre des Augenstiels. In der verdickten hinteren Wand des Kanals ist das Plasma färbbar, aber nicht mehr homogen, sondern unregelmässig und undeutlich granuliert. Weiter distal- wärts (Fig. 153b) schwindet die Liehtung in dem nunmehr voll- kommenen Syneytium, die Kerne verteilen sich unregelmässig im Innern, und im Plasma sondert sich eine tlockige dunklere und gut färbbare Masse von einer hellen, nicht färbbaren Zwischen- substanz. An dem glatten Kontur des ganzen Stranges ist eine kutikulare Begrenzung unverkennbar. Noch näher dem Auge (Fig. 183 c) ist das Plasma insofern verändert, als die helle Substanz, ähnlich wie ich es vom Oculomotorius beschrieb, vakuolenartig zusammengetlossen erscheint. Das Wesentliche dieser Entwicklungsstufe lässt sich also dahin zusammenfassen, dass die Syneytienbildung und die Sonderung des Plasmas in eine dunklere, die Kerne enthaltende Substanz und eine helle Masse sich ebenso wie beim Oculomotorius einstellen, und dass ferner diese histiogenetische Wandlung sich zuerst in der Nähe des Auges vollzieht, um zentripetal fortzuschreiten. In 40 mm langen Tieren (Fig. 154) ist der Opticus bereits viel weiter und in seiner ganzen Länge gleichmässig entwickelt: aussen umschliesst ihn eine lockere bindegewebige Hülle. Von den nahe der Mitte gelegenen Kernen zieht das dunklere, färb- bare Plasma unter dem Bilde eines feinmaschigen Netzes an die Peripherie, und die Maschen des Netzes sind von der völlig farb- losen Masse ausgefüllt. Aus den Längsdurchschnitten ergibt sich, Die Koptnerven bei Fischen und Amphibien. 111 dass dies nicht etwa einer wabigen Struktur des Plasmas ent- spricht, sondern dass der helle Mascheninhalt zu longitudinalen Strängen gehört, in deren Zwischenräumen sich das dunklere und kernhaltige Plasma befindet. Dazu kommt nun als neues Element eine noch mässige Zahl von dunklen Nervenfasern, die in den «Wuerdurchschnitten des Opticus als dunkle Punkte sichtbar sind. Sie liegen teils in der hellen Substanz, teils in und an dem dunklen Plasma, und entstehen zweifellos in und an der Netzhaut, um zentripetal gegen das Hirn vorzudringen. Diese allgemein anerkannte Tatsache finde ich auch dadurch bestätigt, dass die vorausgehende Histiogenese desselben Nerven ebenfalls distal beginnt und proximalwärts fortschreitet. Dass die helle Substanz zum Mvelin wird, ist wohl selbst- verständlich, ebenso die Deutung der dunkleren Plasmamasse als eines Stützgewebes. Die weitere Entwicklung dieser Teile habe ich jedoch nicht verfolgt. Über den Ursprung der Optieusfasern kann ich nichts Be- stimmtes mitteilen. Da sie im fertigen Auge keine Fortsätze der Sinneszellen, sondern der innersten Ganglienzellen der Retina sind, so erscheinen diese als Seitenstücke der fertigen Ganglien- zellen im Ganglion acusticum. Diese Ähnlichkeit wird noch dadurch gesteigert, dass die inneren Retinaschichten zur Zeit der Linsen- bildung syneytial verschmelzen und alsdann aus einer netzförmigen, aber ziemlich dichten Grundsubstanz und zahlreichen Kernen be- stehen, also den Zustand der embryonalen (Ganglien wiederholen. Daraus folgt aber noch nicht ohne weiteres, dass die Optieus- fasern und ihre Ganglienzellen in demselben genetischen Ver- hältnis zueinander stehen wie die Fasern und Zellen des Acusticus. Vielmehr halte ich es auf Grund eigener Beobachtungen wenigstens für möglich, dass die Verbindung zwischen den Opticusfasern und ihren Ganglienzellen sich so entwickelt, wie ich es von den zentro- genen motorischen Nervenfasern beschreiben werde. Die ausgebildeten Nervenfasern des Olfactorius sind bekanntlich unmittelbare Fortsetzungen der ebenso dünnen Basen der Riechzellen; dennoch scheint es mir zweifelhaft, dass sie bloss Wachstumsprodukte dieser Sinneszellen seien. Denn dies setzt voraus, dass die z. B. bei den Selachiern massige Anlage des Olfaetorius (Fig. 2) ausschliesslich für sein Hüllgewebe bestimmt sei, eine nicht gerade ansprechende Vorstellung. 111,9 A. Goette: Überzeugender ist der Vergleich der sensiblen spinalen und occeipitalen Visceralnerven mit den Lateralnerven. Vor allem haben die Visceralganglien einen gleichen peripherischen Ursprung wie die Lateralnerven ; und ihre syneytiale Verschmelzung, sowie die Entwicklung ihrer Ganglienzellen ist ebenfalls dieselbe (Fig. 191), so dass diese letzteren so wenig wie in den Lateral- ganglien als Neuroblasten der zentripetal und zentrifugal aus- wachsenden sensiblen Nervenfasern angesprochen werden können. Nicht anders steht es mit den sensiblen Fasern der Spinal- nerven, trotz des zentrogenen Ursprungs dieser Nerven. Denn da die Histiogenese aller Spinalganglien, soweit ich sehe, durchaus nach dem Vorbilde der Lateralganglien erfolgt und folglich ihre (ranglienzellen erst sekundär in ihnen entstehen (Fig. 193 und 194), so kommt in der uns beschäftigenden Hauptfrage nach etwaigen Neuroblasten jener zentrogene Ursprung der embryonalen Ganglien nicht weiter in Betracht. Aus diesen Vergleichen glaube ich schliessen zu dürfen, dass die sensiblen Nervenfasern aller spinalen und oceipitalen Visceralnerven unabhängig von Ganglienzellen oder sonstigen Neuroblasten im syneytialen Plasma ihrer Ganglien und Nervenstämme entstehen. Die den eben besprochenen sensiblen Nerven angeschlossenen motorischen Nerven nehmen eine ganz andere Stellung ein. Da die ihnen zugehörigen Ganglienzellen sich im Hirn befinden, so liegt von vornherein die Vermutung nahe, dass sie von diesen abstammen, d. h. als ihre Ausläufer entstehen. Dies lässt sich nicht einmal für die oceipitalen Visceralnerven ohne weiteres bestreiten, obwohl sie gleich den Augenmuskelnerven peripher entstehen und erst nachträglich mit dem Medullarrohr verbunden werden; denn diese Verbindung erfolgt immerhin früher als die Faserbildung im Ganglion und Stamm, so dass ein bestimmtes Merkmal eines zentripetalen Wachstums der fraglichen motorischen Fasern, wie bei den Augenmuskelnerven, durchaus fehlt. Ich kann daher nur ein Moment anführen, das die zerebralen (sanglienzellen, von denen jene motorischen Nervenfasern später ausgehen, den ausserhalb des Hirns in den Ganglien befindlichen (ranglienzellen der sensiblen Nerven dennoch nähert. Es ist ihre Entwicklung in einem Syneytium. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien 113 Wie gesagt, habe ich die syneytiale Verschmelzung, wenigstens eines Teils der embryonalen Hirnzellen, woraus eben die weisse Substanz hervorgeht, schon längst beschrieben (Goette, 1875). Seither habe ich diesen Vorgang an einer anderen Hirnstelle, nämlich an der hinteren Kommissur des Mittelhirns von Petromyzon fluviatilis noch evidenter beobachten können. Ich wählte dazu diejenigen Durchschnitte, auf denen die Nervenfasern quer getroffen werden, nämlich Mediandurch- schnitte des ganzen Hirns (Fig. 150—182). Die Hirndecke besteht dort, wo die genannte Kommissur sich in ihr entwickelt, anfangs aus einer einfachen Epithellage mit höheren Zellen in der Mitte der Platte (Fig. 180). In diesen Zellen liegen die Kerne an dem freien, die Hirnhöhle begrenzenden Zellenende. In Ammocoeten von S mm Länge (Fig. 181) ist die erste Sonderung eingetreten. Die ganze Platte ist merklich ver- dickt, und die Zellen sind entsprechend verlängert, ihre Grenzen teilweise verschwunden; ihre auf diese Weise begonnene syneytiale Verschmelzung vollzieht sich aber in der Querrichtung des Hirns schneller als in der Längsrichtung, die in den abgebildeten Mediandurchschnitten zur Ansicht kommt. Gleichzeitig erscheint eine auffällige Sonderung des Zellplasmas. Soweit es die nach innen gerückten und zusammengedrängten Kerne umschliesst, wird es dunkler, d. h. dichter und setzt sich scharf gegen die umfängliche äussere (basale) Plasmamasse ab, die hell und schwächer färbbar ist. Immerhin ist die helle Substanz nicht homogen, sondern flockig getrübt. Auf der folgenden Entwicklungsstufe (19 mm Länge) sind zahlreiche und dunkle Nervenfasern in der hellen Substanz hin- zugekommen (Fig. 152). Damit ist die Trennung des ursprüng- lichen Epithels in zwei Schichten vollendet, — die kernhaltige, aber dünne Innenschicht, die die Hirnhöhle begrenzt und aus- kleidet, und die dicke kernlose Aussenschicht mit ihrer hellen (rundsubstanz und den darin suspendierten Nervenfasern. Die kernhaltige Innenschicht geht am Rande der ganzen Platte in das Ependym dieser Region über und bildet folglich selbst einen Teil davon; die Aussenschicht ist aber die Kommissur oder ein Teil der weissen Hirnsubstanz. Ich brauche kaum hin- zuzufügen, dass aus der hellen Grundsubstanz sich später die Myelinscheiden der einzelnen Nervenfasern aussondern. Übrigens Archiv f. mikr. Anat. Bd.$5. Abt. 1. 8 114 A. Goette: verirrt sich gelegentlich ein freier Kern aus dem künftigen Ependym in jene Grundsubstanz (Fig. 182). Meine Untersuchungen über die Genese der weissen Substanz im Rückenmark der Neunaugen (1902 S. 67) und der Amphibien (1875) lieferten dieselben Befunde, mit der Massgabe. dass die Zellschicht, die nach ihrer Lage im embryonalen Rücken- mark dem Ependym entspricht. sich in die graue Substanz mit ihren Ganglienzellen und Gliazellen verwandelt. Bei dieser Syneytienbildung in der Rinde des Medullar- rohrs bleibt es aber nicht. Vielmehr dringt die beschriebene helle Grundsubstanz allmählich nach innen in die zentrale Zellen- masse vor, während dort die Zellengrenzen zwischen den eng- gedrängten Kernen schwinden, bis diese zuletzt scheinbar sämtlich frei in der gemeinsamen Grundsubstanz liegen. Allerdings kann dies infolge der dichten Zusammendrängung der Kerne zweifel- haft erscheinen; es wird aber dadurch bestätigt, dass an ver- schiedenen Stellen des Hirns vereinzelte freie Kerne in die weisse Substanz vordringen, wobei das Fehlen eines Zellkörpers ebenso deutlich ist wie in der hinteren Hirnkommissur. Diese synceytiale Verschmelzung der Embryonalzellen des Medullarrohrs und somit eine sekundäre Herstellung seiner Ganglienzellen kann ich im allgemeinen um so mehr für gesichert halten, als sie durchaus dem entspricht, was ich auch an den Spinalganglien beobachtet habe. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die fraglichen motorischen Nervenfasern sich unab- hängig von den neuentstandenen Ganglienzellen des Hirns ent- wickeln. Nach einigen, allerdings unvollständigen Beobachtungen hat es mir vielmehr geschienen, dass die im Hirn neuentstehenden motorischen Nervenfasern in nächster Nähe der Kerne ent- springen, während gleichzeitig ein zunächst dünner und in die Faser übergehender Plasmamantel sich um den Kern abhebt.') Damit ist freilich die Bedeutung dieser Fasern als echter Wachs- tumsprodukte der Zellen keineswegs entschieden. Denn jedenfalls wachsen sie nicht als nackte Fasern aus dem Medullarrohr her- ı) Es könnte dies sehr wohl damit zusammenfallen, was Held (1909) über die Entstehung der Nervenfibrillen angegeben hat. Da ich mich aber mit den Fibrillen überhaupt nicht abgegeben habe, kann ich über diese Andeutung nicht hinausgehen. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 115 vor, wie es für die Augenmuskelnerven angenommen wurde, sondern treten durch die Wurzeln in die Ganglien und Nerven- stämme ein, um dort neben sensiblen Nervenfasern zu verlaufen, die keine Zellfortsätze, sondern Differenzierungen in Syneytien sind. Ich halte es daher für das wahrscheinlichste, dass sie aller- dings im Zusammenhang mit ihren Ganglienzellen entstehen, aber in der Grundsubstanz des Hirns und der mit ihm zusammen- hängenden Ganglien und Nervenstämme sich gerade so fort- schreitend differenzieren, wie etwa die Geruchsnerven sich im unmittelbaren Anschluss an die Riechzellen in der Gesamtanlage differenzieren. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass motorische Seiten- zweige des 1. Visceralganglions von Siredon ebenso wie die Seitenzweige des Lateralis (Fig. 155) aus mesenchymalen Zellen- ketten hervorgehen, die einerseits an den Hauptnerv und anderer- seits an Muskeln angeheftet sind (Fig. 186 und 187). Denn indem diese Mesenchymzellen in den anfangs unregelmässigen Ver- breiterungen ihres Plasmas unverkennbare Merkmale einer be- sonnenen Differenzierung aufweisen, bevor noch Nervenfasern aus dem Stamm in sie eingedrungen sind, ist es klar, dass die Histiogenese dieser Nervenzweige nicht bloss in dem Vorwachsen nackter Nervenfasern, sondern in der Entwicklung einer für Fasern und deren Hüllen bestimmten zelligen Anlage besteht. Wenn ich alles zusammenfasse, was ich über die Histiogenese der Kopfnerven beobachtet und durch Vergleiche erschlossen habe. so ist das Hauptergebnis, dass eine sichtbare Über- einstimmung der einzelnen Vorgänge dieser Histio- genese keineswegs auch nur in den Hauptpunkten besteht. Schon der topographische Ursprung der Kopf- nerven ist so verschieden wie möglich. Man kann nicht einmal sagen, dass die Sinnesnerven peripher, die Muskelnerven zentrogen entspringen. Denn die Augenmuskelnerven entstehen ebenso sicher peripher an ihren Muskeln oder in deren Nähe, wie die Muskel- nerven der Spinalganglien zentrogenen Ursprungs sind. Und wenn ich als Gegensatz zu den dermatogenen Sinnesnerven (Olfactorius, Acustieus, Lateralnerven und sensible oceipitale Visceralnerven) fo 116 A. Goette: die zentrogenen Sinnesnerven der Spinalganglien und ausserdem den Opticus nenne, so darf man den letzteren gegenwärtig nicht mehr als Ausnahme bezeichnen, die die Regel nicht aufhebe, da eine Regel überhaupt nicht besteht. Genau dasselbe Bild präsentiert sich uns, wenn wir uns das Bildungsmaterial der einzelnen Kopfnerven vergegen- wärtigen: Zellen der Sinnesorgananlagen (Olfactorius, Acusticus, Lateralis), des einfachen Ektoderms (Lateralis), des Medullar- rohres (Opticus, spinale Sinnes- und Muskelnerven), des ekto- mesodermalen und des entomesodermalen Mesenchyms (Augen- muskelnerven, oceipitale Visceralnerven und andere). Und nicht anders steht es mit den Erzeugnissen dieser verschiedenen Bildungs- zellen; bald sind es nur Nerven (Olfactorius, Opticus, die meisten Augenmuskelnerven), bald Nerven und Ganglienzellen (Acusticus, Lateral-, Spinal- und Visceralganglien, Oculomotorius). Endlich entspringen die Nervenfasern der meisten Kopfnerven ganz be- stimmt nicht als Zellenfortsätze, sondern als Differenzierungen innerhalb der zelligen Anlage (intrazellulär), und nur wenige so, dass wahrscheinlich oder doch möglicherweise Ganglienzellen die Ausgangspunkte dieser Differenzierung sind (Optieus, spinale Muskelnerven). Angesichts dieser Befunde lässt sich die Annahme von be- sonders vorgebildeten und vorbestimmten Bildungszellen der Kopf- nerven oder eben der spezifischen Neuroblasten nicht aufrecht erhalten. Denn selbst wenn die Erscheinungen, die so gedeutet werden könnten, sich in weit grösserem Maße als ich angab, nachweisen liessen, so genügte die Tatsache, dass auch nur wenige andere Nerven, vor allem die Augenmuskelnerven, sich ganz anders entwickeln, um die Allgemeingültigkeit und somit die grundsätzliche Bedeutung jener Annahme zu widerlegen. Es gibt eben keine für die Kopfnerven bestimmten spezifischen Neuroblasten. Daher lässt sich aus der sichtbaren Histiogenese der Kopf- nerven der Fische und Amphibien so wenig wie aus ihrer all- gemeinen morphologischen Genese nach Ursprung und Verlauf eine einheitliche Auffassung dieser Vorgänge unmittelbar gewinnen. Dies berechtigt aber noch nicht zu dem Schluss, dass die Ent- wieklungsgeschichte sich in diesem Fall als unfähig erweise, das Verständnis der vergleichend-anatomischen und der histiologisch- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 11% physiologischen Erscheinungen über die genannten negativen Er- gebnisse hinaus zu fördern. Ihre Aufgabe und ihr Ziel sind eben andere als diejenigen der eben bezeichneten Wissensgebiete; und wenn sie zunächst die bisher gültige einheitliche Grundlage für eine Deutung der sichtbaren ontogenetischen Erscheinungen zerstörte, so tritt nunmehr der rein entwicklungsgeschichtliche (rundsatz in den Vordergrund, dass für die Erforschung einer Entwicklung vor allem der ursächliche Zusammenhang der wechselnden und sich ablösenden Erscheinungen massgebend ist, und nicht ihre etwaige systematisch zu verwertende Ähnlichkeit. IV. Über die Ursachen der Nervenbildung. Bei der herrschenden Ansicht und Darstellung von der Entwicklung der Nerven trat die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung ganz zurück, wenn man nicht etwa aus der Neuro- blastentheorie die Auffassung ableiten wollte, dass diese Nerven- bildner eben auch die fraglichen Ursachen enthielten. Damit wäre aber im besten Falle nur der Sitz, nicht das Wesen dieser Ursachen, und zwar nur der histiogenetischen bezeichnet, ohne Andeutung der den Verlauf und das Ziel des wachsenden Nerven bestimmenden Momente: Aber selbst dieses Minimum von Er- klärung fällt hinweg, nachdem die Neuroblastentheorie selbst sich als ein Irrtum erwiesen hat. Nach der vorausgeschickten Darstellung von der Histiogenese der Nerven und der Morphologie ihres Verlaufes ist es klar, dass der ursächliche Zusammenhang dieser beiderlei Vorgänge nur durch eine vergleichende Untersuchung ihrer zahlreichen Varianten festgestellt werden kann. Diese beiden Momente der Nerven- bildung hängen freilich aufs innigste zusammen; es empfiehlt sich aber, sie getrennt zu behandeln, da ihre Verschiedenheit mit einer ebenso grundsätzlichen Verschiedenheit ihrer Ursachen zusammenfällt. Wie dies zu verstehen ist, zeigt eine einfache Überlegung. Wo ein Nerv neu entsteht, da ist zweifellos die aktive Ursache des Entstehens vorhanden: und da das letztere in einer histio- genetischen Erscheinung sichtbar wird, so ist die Ursache der Histiogenese vor allem anderen zu bestimmen. Nun kann diese Ursache, die den Nerven zuerst entstehen liess, durch ihre Fort- dauer auch sein weiteres Wachstum veranlassen, soweit es eben 115 A. Goette: auf der fortgesetzten Gewebsbildung beruht; Richtung und Ziel dieses Wachstums haben aber mit der Gewebsbildung selbst nichts zu tun, sondern hängen nur von äusseren formalen Bedingungen ab. Dementsprechend soll die folgende Untersuchung mit der histiogenetischen Ursache der Nervenbildung beginnen, dann aber auf die formalen oder morphologischen Bedingungen des Nerven- verlaufes übergehen Die Ursachen der Histiogenese der Nerven. Jede (Gewebsbildung ist der sichtbare Ausdruck für die Ausbildung oder Organisation einer Funktion; daher stellt die Histiogenese die Entwicklung dieser Organisation dar. Die Funktion beginnt aber phyletisch früher, als ihr Substrat sich sichtbar ge- weblich differenziert; denn die allgemeinen und grundlegenden Lebenstätigkeiten existieren schon in den einfachsten Protozoen, ohne dass ihnen überall differenzierte und lokalisierte (rewebs- bildungen zugrunde liegen. Wenn man also solche Gewebs- bildungen in weiter vorgeschrittenen Organismen als Substrat derselben Tätigkeiten antrifft, so kann man sagen, dass diese die Gewebsbildung ins Leben riefen, und dass daher jede Gewebs- bildung im allgemeinen eine fortschreitende Lokalisation und Differenzierung der Funktion bedeutet. Dies lässt sich nun auch auf die Nervenbildung anwenden; ich bemerke aber ausdrücklich, dass meine Untersuchung sich auf Sinnesnerven und Muskelnerven und ihre Verbindung behufs reflektorischer Vorgänge beschränken wird. Die Funktion der Nerven besteht in der Reizleitung, die bei den reflektorischen Vorgängen in den Sinnesorganen oder Sinneszellen beginnt, wo die Empfindungsreize entstehen, und zentripetal vordringt, um in die Kontraktionen der Muskeln aus- zulaufen. Das wesentliche dieses Vorganges sind zweifellos der Empfindungsreiz und sei notwendiges Korrelat, die Kontraktion. während der Nerv als Reizleiter nur eine besondere Verbindung zwischen ihnen herstellt. Ihm fehlt also eine selbständige Be- deutung, was schon daraus hervorgeht, dass beides, Empfindungs- reiz und Kontraktion, in ihrer notwendigen Korrelation schon in niederen, nervenlosen Organismen tätig sind. Die Nerven- bildung ist also nur der sichtbare Ausdruck einer Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 119 fortgeschrittenen Lokalisation und Differenzierung jener von Anfang an bestandenen Korrelation von Empfindungsreiz und Kontraktion. Bevor diese Differenzierung eintrat, war der reflektorische Vorgang bei den nervenlosen Protozoen, Schwämmen und Mesozoen offenbar ein anderer. Und ähnliches treffen wir selbst bei höher organisierten nervenführenden Tieren an, indem z. B. die dureh Wimpern erzeugte Bewegung ihrer jungen, nervenlosen Larven zweifellos eine Folge eines in jeder Wimperzelle entstandenen Empfindungsreizes ist, der auf die kontraktilen Wimpern der- selben Zelle ebenso einwirkt wie in einem Infusor. Es ist gar nicht anzunehmen, dass in dem ungeteilten und nieht entsprechend differenzierten Protoplasma jener Wimperzellen und der Protozoen eine besondere, von dem Empfindungsreiz zu trennende Reiz- leitung bestehe. Die natürlichste Vorstellung ist vielmehr die, dass der Empfindungsreiz von der Stelle, wo er zuerst entstand und wo er natürlich nicht einfach verschwinden kann, statt in eine besondere Reizleitung überzugehen, sich durch die dazu passenden Plasmateile unmittelbar fortsetzt und ausbreitet, bis er zur Umsetzung in eine Kontraktion kommt. KEntstehung und Fortleitung eines Empfindungsreizes sind also dort nicht zwei verschiedene Akte, sondern, entsprechend dem ungeteilten und nicht differenzierten Substrat, eine und dieselbe lunktion. Anders verhält es sich bei den durch eine fortgeschrittene Ditferenzierung ihres Zellenstaates ausgezeichneten nervenbildenden Polyplastiden. In einem solehen Organismus ist die Herstellung von Empfindungsreizen auf gewisse Körperteile, Sinneszellen oder Sinnesorgane, beschränkt und den anderen Körperteilen versagt. Zugleich sind die Sinnesorgane von den kontraktilen Organen getrennt, so dass die unerlässliche Verbindung beider Teile durch andere Gewebe vermittelt werden muss. Bekanntlich besteht die einfachste derartige Nervenbaln bei den Seyphopolypen (Hertwig, 1879). Es ist eine Lage von dem Aussehen nach mesenchymatösen Zellen zwischen dem Ektoderm- epithel und der Muskulatur, mit langen, aber nach Zahl und tichtung unregelmässigen Ausläufern, die, wie man wohl mit vecht annimmt, mit den Sinneszellen und Muskelfasern zusammen- hängen, wenn dies vielleicht teilweise auch nur auf einen Kontakt hinausläuft. 120 A. Goette: Ein Vergleich dieser Zellen bezw. ihrer Zellkörper und Aus- läufer mit Ganglienzellen und Nervenfasern ist nach der voraus- geschickten Entwicklungsgeschichte der zuerst so genannten Nerven der Wirbeltiere natürlich ausgeschlossen : sie lassen sich vielmehr nur mit den gestreckten Zellen und Zellenketten in eine Reihe stellen, die wir bei den Wirbeltieren ais die ersten noch indifferenten Nervenanlagen kennen lernten, und worin weder Ganglienzellen noch Nervenfasern zu erblicken sind. Diese Anlagen entsprechen also in der Tat dem phyletischen Ausgangspunkt der Nervenbildung. Mit dem einfachen Zustand der Nervenbahnen bei den Scypho- polypen hängt es auch zusammen, dass ihnen jede Trennung in eine sensible, zentripetal leitende und eine umgekehrt zum Muskel führende Hälfte fehlt. Der von den Sinneszellen ausgehende Reiz verläuft ununterbrochen bis zu seinem Ziel, aber unter Bedingungen. die die Unvollkommenheit der Reizleitung und daher der von ihr abhängigen Histiogenese ohne weiteres erkennen lassen. Der völlig regellose Verlauf der genannten multiplen Zellen- ausläufer und ihre allseitigen Kreuzungen bezeugen sicher, dass dort keine irgendwie lokalisierten und fixierten Nervenbahnen existieren. Dies deckt sich wiederum vollständig mit der Tat- sache, dass die topographische Anordnung und Gliederung der zugehörigen Endorgane, der Sinneszellen und Muskeln, kaum be- gonnen hat. Es folgt daraus, dass dort gleichartige Reizleitungen von den verschiedensten Punkten ausgehen und die Muskeln auf verschiedenen Wegen erreichen, weshalb jeder einzelne Weg weder häufig noch regelmässig benutzt wird. Diese Hindernisse einer geregelten Reizleitung machen es verständlich, dass von einer geweblichen Differenzierung derselben Nervenbahnen eigentlich nichts zu sehen ist, obwohl die Existenz einer sie durchsetzenden Reizleitung überhaupt gar nicht bezweifelt werden kann. Ich bin nun nicht in der Lage, den weiteren phyletischen Fortschritt der Nervenbildung gradatim nachzuweisen; denn die 3efunde an den Nerven der Würmer und der übrigen Bilateralien zeigen vielfach schon ähnliche Verhältnisse, wie ich sie bei den Wirbeltieren fand. Der Abstand in der geweblichen Ausbildung der Nervenbahnen bei den Cnidariern und bei den höheren Bilateralien ist aber nur scheinbar ein sehr grosser. Im Grunde genommen besteht er darin, dass, während die Zellenbalın sich Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 121 syneytial ausgleicht. zum gleichmässigen Strang wird, die Reiz- leitung auf das Innere dieses Stranges beschränkt wird (intrazelluläre Nervenfasern) und die peripherischen Teile sich in isolierende, schützende Hüllen verwandeln. Diese Vervollkommnung der Reiz- leitung ging aber Hand in Hand mit der zunehmenden Regelung des Nervenverlaufs, d. h. mit der Einschränkung zahlreicher regel- loser Bahnen zugunsten einiger weniger, aber bestimmter und daher um so mehr benutzter Wege. Dabei wirken jedoch andere als die bisher besprochenen Ursachen, nämlich die morphologischen Bedingungen, wesentlich mit, auf die ich noch zurückkomme. Bei dieser Darstellung ist allerdings die Einschaltung eines echten Zentralnervenorgans zwischen die sensiblen und die motorischen Strecken der einzelnen reflektorischen Bahnen nicht berücksichtigt. Diese erst bei den Bilateralien eingetretene Neubildung ist aber für die Frage naclı den Ursachen der Histio- genese der Nerven von keiner unmittelbaren Bedeutung. Denn der Reflexvorgang existierte seinem Wesen nach vorher gerade so gut wie nachher. Die ihm zugrunde liegende Reizleitung förderte in den mit einem Zentralnervenorgan ausgestatteten Tieren die Histiogenese der Nerven nicht unter aktiver Mithülfe dieses Organs — wofür kein Anhaltspunkt vorhanden ist —., sondern deshalb, weil, wie schon bemerkt. mit der zunehmenden Lokalisation und Fixierung der Bahnen auch ihre Benutzung und die Wirkung der Reizleitung auf ihr Substrat zunahm. Wenn das Zentralnervenorgan sich an jener äusseren Lokalisation sehr wesentlich beteiligte, wie noch näher ausgeführt werden soll, so erscheint es doch lediglich als eine von den formalen äusseren Bedingungen des Nervenverlaufs. Nun scheinen allerdings viele Kopfnerven durch ihren Ursprung und ihr Wachstum der obigen Darstellung von dem Verlauf der Reizleitung zu widersprechen, indem namentlich manche Muskel- nerven, Z. B. die Augenmuskelnerven, sich nicht vom Hirn aus zentrifugal, sondern umgekehrt entwickeln. Indem ich mir die aus- führliche Erklärung dieses Widerspruchs für den nächsten Abschnitt vorbehalte, bemerke ich hier vorläufig, dass ich angesichts der vielen einander scheinbar widersprechenden Beobachtungen über die Entstehung der Kopfnerven die Untersuchung dort begann, wo sie mir am einfachsten und natürlichsten schien, nämlich an den Sinnesnerven, und dass die dabei gewonnenen Aufschlüsse 122 A. Goette: keineswegs dadurch entwertet werden, dass die sichtbaren Befunde an anderen Nerven sich ganz anders darstellen. Der angebliche Widerspruch beruht nämlich auf einer Ver- wechslung von Histiogenese und morphologischer Entwicklung. Hat sich die retlektorische Reizleitung einmal als Ursache der Histiogenese der Nerven ergeben, so wird daran nichts geändert durch die Beobachtung, dass die Histiogenese nicht immer an derselben Stelle beginnt, so wenig wie durch die Tatsache, dass auch der normale Verlauf und die gewöhnlichen Verbindungen der sich entwickelnden Nerven häufig wechseln. Denn alle diese Änderungen erfolgen, wie sich zeigen wird, unabhängig von der Histiogenese und ihrer grundsätzlichen Beziehung zur Reizleitung. bloss durch die schon angedeuteten, ebenfalls wechselnden formalen Bedingungen der Ontogenese. Zudem ist es für die Verursachung der Histiogenese an sich gleichgültig, in welcher Richtung die wirkende Reizleitung verläuft. Die Ergebnisse der voranstehenden Untersuchung wären also folgende. Die einzige aktive Ursache der Histiogenese der Nerven ist und bleibt die die Nervenbahnen durchsetzende Reizleitung und in letzter Linie der sie aussendende Empfindungsreiz. Die Reizleitung ist folglich keine in spezifischen Neuroblasten entstandene, sondern eine von aussen in indifterente Zellen eingeführte Funktion. Die Bildungszellen der Nerven haben überhaupt keine autogone Funktion. Die Wirkung der Reizleitung besteht ferner in nichts anderem als darin, dass sie in dem Maße, als sie selbst äusserlich lokalisiert wird, auch ihr unmittelbares Substrat innerlich lokalisiert, d.h. in die gleich- mässige Bahn der Nervenfasern und die sie nach aussen abschliessenden Hüllen verwandelt. Die Fibrillenbildung kommt hier nicht in Betracht. weil sie von den Ganglienzellen ausgeht, die mit der Genese der Nerven nichts zu tun haben, und deren Bildungsursachen ich aus dem- selben (runde hier nicht zu erörtern habe. Die Bestimmung des Nervenverlautes. Ich komme jetzt zu der zweiten Gruppe von Ursachen der Nervenbildung. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 123 Der vorhin geschilderte Übergang des Empfindungsreizes in die histiogenetisch wirkende Reizleitung ist ein phvsiologischer Vorgang, wie er sich in analoger Weise auch hei vielen anderen (ewebsbildungen wiederholt (Muskel, Sehne, Skelett usw.). Ich bezeichne ihn als histiogenetische Korrelation zwischen dem primären (Gewebe (Sinneszellen) und dem von ihm sekundär hervorgerufenen (sewebe (Nerv). (seht man nun dazu über, Richtung und Ziel des wachsenden Nerven zu erklären, so können die richtenden Ursachen nicht ebenfalls physiologischer Natur sein, da es sich dabei nicht um das Geschehen selbst, um die Nervenbildung an sich, handelt, sondern um deren Beziehungen zur Topographie des ganzen Organısmus, d. h. zu ausserhalb der Nerven liegenden Teilen. Diese topographischen Beziehungen des wachsenden Nerven oder seine morphologischen Korrelationen können allein die Ursachen des Nervenverlaufes bis zu seinem Endziel enthalten. Danach könnte es immerhin scheinen, als wenn bei der ganzen Nervenbildung die aktiv, histiogenetisch wirkende physio- logische Korrelation zuerst allein bestanden hätte, und die morpho- logische Korrelation erst später bei besonderen Regelungen des Nervenverlaufes zur Mitwirkung gekommen wäre. Denn, so könnte man meinen, da die Korrelation von Empfindungsreiz und Kon- traktion selbstverständlich schon von Anfang an, also vor der Entstehung von Nerven, existierte, so waren bei dem Erscheinen der ersten Nerven wenigstens Anfang und Ziel ihres Verlaufes unter allen Umständen bereits festgelegt, durchaus unabhängig von morphologischen Korrelationen. Diese Vorstellung beruht aber auf einem Missverständnis, dadurch hervorgerufen, dass man Empfindungsreiz und Kontraktion mit den entsprechenden konkreten Endorganen verwechselt. In der unbestreitbaren Tatsache der Korrelation von Empfindungsreiz und Kontraktion ist allerdings deren physio- logischer Zusammenhang unbedingt angegeben, aber über die Lage der beiderlei Endorgane nichts ausgesagt und nichts be- stimmt. Diese konkrete Lage von Sinneszellen und Muskeln wird vielmehr durch die morphologische Entwicklung des Embryo fixiert, bevor der Reflexvorgang in Tätigkeit tritt; und der letztere ent- wickelt sich lediglich im Rahmen der gegebenen Gesamtorganisation, wenngleich er die eigentliche notwendige Voraussetzung für die 124 A Goette: Entstehung der Nerven bleibt. Der physiologische Vorgang ist ohne eine solche Organisation seines Substrats, also ohne irgendwelche morphologischen Korrelationen ebensowenig denkbar, wie die Wand- lung einer sonstigen Energie des Organismus in eine geregelte Arbeitsleistung ohne irgendwelche formalen Bedingungen. Sind also die innerhalb eines Organismus wirkenden Kräfte und ihre irgend- wie geregelten Leistungen von Anfang an untrennbar verbunden, so kann von der Priorität oder dem Vorrang einer dieser beiden Grundursachen des Lebens überhaupt nicht gesprochen werden. Dennoch wird oft nur die physiologische Energie als die eigentliche oder einzige Ursache des Geschehens im Organismus anerkannt, und der Komplex von formalen Bedingungen, ohne die der konkrete Vorgang sich überhaupt nicht vollziehen kann, gilt im besten Fall als selbstverständlich und darum weniger beachtenswert. Infolgedessen wird der bestimmende Einfluss der morphologischen Korrelation auf die sichtbaren Entwicklungs- erscheinungen mehr und mehr übersehen und verkannt oder gar der physiologischen Energie zugerechnet, die nun in jedem Substrat, in jeder Zelle sich als spezifisch formbildend betätigen soll, wodurch man der Mühe überhoben wird, nach einem greifbaren Kausal- zusammenhang zu suchen. Diese Anschauung steht und fällt in der uns vorliegenden Frage mit der Lehre von den spezifisch wirksamen Neuroblasten ; und nachdem diese Lehre sich empirisch als unhaltbar erwiesen hat, soll im Gegensatz dazu im folgenden die Wirkung der morpho- logischen Korrelation bei der Nervenbildung im einzelnen verfolgt und geprüft werden. Ich komme zunächst noch einmal auf das einfache Nerven- system der Scyphopolypen zurück. Die morphologischen Lage- beziehungen des Ektoderms mit seinen Sinneszellen, der Muskulatur und der zwischen ihnen befindlichen primitiven Nervenbahnen sind von vornherein gegeben; und die Gründe, warum diese Nerven- bahnen noch völlig regellos verlaufen, wurden bereits hervor- gehoben (siehe S. 120). Das Ektoderm und die Muskulatur sind als ganze Schichten allerdings schon morphologisch bestimmt, es fehlt aber noch eine bestimmte Lokalisation der in ihnen ent- haltenen Sinneszellen und Muskeln. Dies liess es eben nicht zu fixierten Nervenbahnen kommen: und daher konnte die noch fehlende Differenzierung des Nervenverlaufes erst bei den Bilate- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 125 ralien im Zusammenhang damit erfolgen, dass die beiderlei End- organe, die Sinneszellen und die Muskeln, gesondert, getrennt und bestimmt lokalisiert wurden. Wie sich dies im einzelnen vollzog, wird sich bei der vergleichenden Untersuchung der verschiedenen Gruppen der Kopfnerven zeigen; doch lassen sich die Grundzüge jener fortschreitenden Differenzierung der Nerven schon durch eine allgemeine Überlegung erschliessen. Bei dem völlig ungeregelten Verlauf der genannten primitiven Nervenbahnen der Polypen führt jede von irgendeinem Punkt aus- gehende Reizleitung auf verschiedenen Wegen zu den verschiedensten: Zielen oder Stellen der einheitlichen Muskulatur. Mit dem Beginn einer bestimmten Gliederung dieser Muskulatur werden die in ihr enthaltenen Ziele durch ihre Lokalisation und Trennung an Zahl beschränkt; solange jedoch die gewebliche Indifferenz der Nerven- bahnen andauert, kann die Reizleitung bis zu jedem einzelnen der isolierten Ziele noch immer mehrere verschiedene Wege benutzen, die unter diesen Umständen gegen das Ziel konvergieren und sich in ihm vereinigen. Dieser Zustand kann aber nicht bestehen bleiben, weil die in dem einen Ziel zusammenlaufenden Wege kaum jemals einander völlig gleich sein werden. Im Verlauf der phyletischen Reihe wird vielmehr früher oder später einer von ihnen, sei es wegen seiner kürzeren Strecke oder wegen einer sonstigen passenderen Qualität seines Substrats, häufiger und intensiver benutzt und dadurch früher histiogenetisch vervollkommnet; und durch die fortdauernde Steigerung dieses Vorzugs werden die anderen Wege allmählich ausgeschaltet. So bedingt die morphologische Sonderung der Muskulatur eine bestimmte Fixierung des Verlaufs ihrer Nerven, und nicht etwa die in ihnen wirkende histiogenetische Korrelation an sich. Mit anderen _ Worten: die aktive Ursache der Nervengewebsbildung ist und bleibt die histiogenetische Korrelation, aber ihr Erfolg hängt von den morphologischen Bedingungen ab, zunächst formal in dem Nervenverlauf, dann aber auch, wie wir sehen werden, qualitativ in der Förderung der Histiogenese. Dieser Kausalzusammenhang bleibt natürlich auch bei allen phyletischen Veränderungen der morphologischen Ontogenese mass- 126 Hl A.i@oietite: gebend. Jede derartige Änderung, sei es eine Neubildung oder eine Rückbildung, muss die in ihren Bereich fallenden Nerven- verläufe entsprechend beeinflussen; und es ist geradezu über- raschend, wieviel Belege dafür sich aus der Entwicklungsgeschichte des Kopfnervensystems beibringen lassen. Doch ist an dieser Stelle vor allem derjenigen Neubildung zu gedenken, die uns schon bei den niedersten Bilateralien im engsten Zusammenhang mit den ältesten gesonderten und fixierten Nerven entgegentritt — ich meine das Zentralnervenorgan. Sobald man die primitiven Nervenbahnen der Polypen, die ununterbrochen von einem Endorgan zum anderen verlaufen, mit dem Nervensystem der Bilateralien vergleicht, das durch das Zentralnervenorgan in die sensiblen und die motorischen Strecken zerlegt wird, so gewinnt man ohne weiteres die Vorstellung, dass dieses Organ durch eine sekundäre Einschaltung im ursprüng- lichen Nervenverlauf entstand. Diese Vorstellung begegnet aber gewissen Schwierigkeiten. Besonders auffallend ist der Gegensatz der Ontogenese und jener Vorstellung bei den Chordaten, namentlich bei den Wirbel- tieren. Denn die Anlage des Hirnrückenmarks, das embryonale Medullarrohr, entsteht vor seinen Spinalnerven, und die letzteren erscheinen als sekundäre Produkte jenes Organs, so dass dieser Befund direkt der Ansicht widerspricht, dass das Hirnrückenmark als eine sekundäre Einlagerung in ein schon vorhandenes ein- faches Nervensystem angesprochen werden könne. Nun ist es allerdings nicht schwer festzustellen, dass der genannte Befund ein cänogenetischer und daher für phylogenetische Schlüsse gar nicht verwertbar ist. Denn erstens ist es rein logisch ausgeschlossen, dass ein Zentralnervenorgan ohne peripherische Nerven als Neu- bildung entstand, und ferner ist es eine Tatsache, dass in der aufsteigenden Tierreihe die Nerven allein früher auftreten als ein Zentralnervenorgan. Aber mit dieser wesentlich negativen Aus- kunft ist uns wenig gedient; wir haben uns daher nach anderen Urkunden über die Geschichte des Zentralnervenorgans umzusehen, vor allem bei den niederen Bilateralien. An den jüngsten Larven von Stylochus pilidium sah ich zuerst die beiden Augen im Ektoderm entstehen, und erst einige Zeit darnach tritt an derselben Stelle das Hirn im Zu- sammenhang mit den Augen aus dem Ektoderm hervor (Goette, Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 127 1882, S. 25, 1584, S. 95). Dies schien mir damals die Auffassung zu begründen, dass die Entstehung des Hirns der Strudelwürmer, das ja doch stets als eine Verbindung zweier Ganglien zu be- trachten ist. durch die beiden Augen veranlasst werde und ein Paar von „sensiblen Nervenzentren“ darstelle. Von ihnen wachsen alsbald zwei rückwärts gegen den Schlund gerichtete. wesentlich motorische Nervenstämme und darauf zwei vordere sensible Kopf- nerven aus (Bresslau, 1904). Das Turbellarienhirn erscheint also als eine durch Sinnesorgane hervor- gerufene Ganglienbildung, die sich in eine allgemeine, Sinnesorgane und Muskeln verbindende Nerven- bahn einschaltet. Ich brauche kaum hinzuzufügen, dass wenn dies anerkannt „wird, es auch für das Hirn aller übrigen Würmer und ferner der Arthropoden und Mollusken gelten muss. Und dass auch das zweite Zentralnervenorgan, das Bauchmark oder die ihm im allgemeinen homologen Ganglien, bei allen diesen Tieren oder den Hvpogastrica sich ähnlich verhält, lehrt ebenfalls deren Ontogenese. Ich kann mich nicht der Ansicht anschliessen, dass das Bauchmark der Anneliden einfach durch die Vereinigung der beiden vom Hirn ausgehenden Längsnervenstämme hinter dem Munde entstand. Denn das Wesen eines Zentralnervenorgans beruht nicht in der Form und Anordnung von Nervenbahnen, sondern im gangliösen Bau. Nun sehen wir in dem strickleiter- förmigen Nervengeflecht der niedersten Mollusken, nämlich der Chitonen, so wenig wie in dem gleichen Nervengeflecht mancher Turbellarien (Dendrocoelen) irgend eine Ganglienbildung, be- zeichnen es daher auch nicht als Bauchmark. Dagegen beginnt eine solche Ganglienbildung bei den Solenogastres, und zwar in gewissen Knotenpunkten des strickleiterförmigen Nervennetzes, und daraus ging das postorale Gangliensystem der übrigen Mollusken hervor. Mag nun dieses letztere mit dem Bauchmark der Anneliden nicht unbedingt vergleichbar sein, so sehen wir dieses Bauch- mark doch häufig ebenfalls aus zwei Ganglienreihen hervorgehen (Echiurus, Lopadorhynchus), die entweder dauernd diese Form eines gegliederten Bauchmarks behalten (Mehrzahl der Anneliden oder zu einem gleichmässig kontinuierlichen Strang verschmelzen (Echiurus). Und nach allgemeiner Annahme ist das Bauchmark der Arthropoden von demjenigen der Anneliden abzuleiten. 128 A. Goette: Im allgemeinen lässt sich also das ganze Zentral- nervensystem der drei Hauptstämme der niederen Bilateralien (Würmer, Arthropoden, Mollusken) auf eine Ganglienbildung zurückführen, die ent- weder im Zusammenhang mit Sinnesorganen und ihren Sinnes- nerven entstand (Hirn) oder sekundär in den Verlauf der peri- pherischen Nerven eingeschaltet wurde (postorale Ganglien. Bauchmark). Doch muss hervorgehoben werden, dass die Ver- schiedenheit der beiden Typen keine grundsätzliche ist, und die für das Hirn zutretfende Bildung eigentlich nur eine Modifikation des anderen Typus darstellt. Denn da eine von Nerven völlig unabhängige Neubildung eines Zentralnervenorgans, wie schon bemerkt, eigentlich ein Nonsens ist, so kann die Entstehung des Hirns bei den niedersten Bilateralien nur so aufgefasst werden, dass die Augen zunächst Sinnesnerven hervorriefen, die sich in motorische Nerven fortsetzten, und dass in zweiter Linie Ganglien sich innerhalb dieses Nervennetzes entwickelten. Es ist nun besonders interessant, dass wir eine Bestätigung des eben Gesagten bei den Wirbeltieren antreffen. Der Acusticus ist ein vollkommenes Seitenstück zum Hirn der Strudelwürmer, indem die aus dem Labyrinthepithel hervorwachsende Anlage sowohl das Ganglion acusticum wie den N. acusticus umfasst (Fig. 5—12). Und in der gleichen Anlage des Olfactorius von Torpedo (Fig. 1 und 2) kann man gewissermassen eine Vorstufe davon erblicken, da die kompakte Bildungsmasse, die sich doch nur in einen einfachen Nervenstrang verwandelt, gleichwohl zeigt, dass das Material zu einer Ganglienbildung in einem solchen Nerven vorhanden sein kann. — Die Lateralnerven mit ihren (ranglien sind richtige Seitenstücke des Acustieus (Fig. 147—152): und das Ganglion eiliare und Ganglion sphenopalatinum bezeugen vollends klar, dass Ganglienbildungen mitten in bereits bestehenden Nervenbahnen entstehen können (Fig. 165, 178 und 179). Auch die oceipitalen Visceral- und die Spinal- ganglien lassen sich, unbeschadet ihrer Besonderheiten, unter denselben Gesichtspunkt bringen. Aus allen diesen Vergleichen kann man folglich den Satz ableiten: die aus Ganglien hervorgegangenen Zentral- nervenorgane der Hypogastrica, sowie alle iso- lierten Ganglien der Wirbeltiere sind sekundäre Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 129 Einschaltungen in das sogenannte peripherische Nervensystem. Die Schlussfolgerungen, die sich daraus für das Hirnrücken- mark der Wirbeltiere ergeben, liegen eigentlich auf der Hand. Ist seine selbständige, von Nerven unabhängige erste Entstehung undenkbar, und muss folglich seine gegenwärtige embryonale Erscheinung als eine cänogenetische und deshalb irreführende bezeichnet werden, so hindert nichts die Annahme, dass dieses Hirnrückenmark ebenso wie die Zentralnervenorgane niederer Tiere aus einer gangliösen Bildung inner- halb eines vorher bestandenen Nervensystems, nämlich der Spinalnerven, hervorgingen. — Wie dies im Einzelnen geschehen sein mochte, ob ein Ganglion oder mehrere zugrunde lagen, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Es genügt, dass es im allgemeinen durchaus den Charakter eines sewöhnlichen Ganglions hat, indem in ihm ebenso wie in den isolierten Ganglien zuerst Nervenfasern, dann erst Granglienzellen entstehen. Unter diesen Umständen kann der in der Ontogenese sicht- bare zentrogene Ursprung aller Spinalnerven, also des ganzen primären Nervensystems, auch nur eine cänogenetische Erscheinung sein, wie die gegenwärtige Ontogenese des Medullarrohres. Denn bevor es ein solches gab, mussten die sensiblen Strecken des einfachen retlektorischen Nervensystems von der Haut und den in ihr befindlichen Sinnesorganen ausgehen, d. h. zentripetal wachsen, und konnten nur ihre Fortsetzungen, die motorischen Nerven, zentrifugal vorrücken. Wie jene cänogenetischen Er- scheinungen oder vielmehr der Gegensatz zwischen der sichtbaren Ontogenese und den ihr zugrunde liegenden nicht sichtbaren Vorgängen zu erklären ist, werden wir weiter unten sehen; zu- nächst soll nur festgestellt sein, dass der zentrogene Ur- sprung aller Spinalnerven keine ursprüngliche grundsätzliche Bedeutung hat. Die Ganglienbildung, worauf die Entstehung des Zentral- nervenorgans zurückzuführen ist, besteht wesentlich darin, dass von dem zelligen Bildungsmaterial der Nerven ein Teil zur Her- stellung neuer Zellen, eben der Ganglienzellen, dient, die darauf mit den Nervenfasern in Verbindung treten. In den selbständigen (Ganglien erfolgt diese Verbindung derart, dass jede Ganglien- Archiv f. mikr. Anat. Bd.8s5. Abt. 1. 9 130 A. Goette: zelle in den Verlauf einer sensiblen Nervenfaser eingeschaltet erscheint; und im Hirn entspringen die motorischen Fasern an unipolaren Ganglienzellen. Mit diesen letzteren verbinden sich die zerebralen Endbäumchen der sensiblen Nervenfasern, sei es durch Kontakt oder durch wirkliches Verwachsen, so dass die Kontinuität der Nervenbahn gewahrt bleibt. Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass die Ganglienzellen- bildung lediglich zur Herstellung oder Vervollkommnung der Retlexvorgänge dient. Denn diese bestanden schon, bevor es (ranglien gab; und selbst die Wahrscheinlichkeit, dass die Ganglien- zellen bei der Ernährung und dem ganzen Stoffwechsel ihrer Nervenfasern wesentlich mitwirken, erschöpft nicht die Bedeutung der Ganglien und Zentralnervenorgane. Massgebend ist vielmehr die Herstellung und Sicherung der Einheitlichkeit des ganzen jeweiligen Nervensystems, namentlich bei seiner fortschreitenden Ausbildung durch neuhinzutretende Nerven, wie es bei der Ent- stehung der Wirbeltiere so vielfach geschehen ist. Wenn es richtig ist, dass die Vorfahren der Wirbeltiere ein so einfaches Nervensystem besassen wie etwa Amphioxus, nämlich ein wenig difterenziertes Medullarrohr, das durchweg bis an das Vorderende des Körpers nur gleiche metamere Spinal- nerven entsandte, so hing dies natürlich damit zusammen, dass auch die übrige Organisation in derselben Weise uniform war. Dies änderte sich erst mit dem Übergang jener Tiere zu richtigen Wirbeltieren, d. h. vor allem durch die phyletische Entwicklung des Vorderendes zu einem Wirbeltierkopf (siehe S. 98). Der Erwerb neuer Sinnesorgane (Geruchsorgane, Augen, Labyrinthbläschen, Seitenorgane) und neuer Muskelgruppen (Visceral-, Augenmuskeln) konnte natürlich nur mit der Neubildung der zugehörigen Nerven Hand in Hand gehen. die aber, nach Ausweis der Ontogenese, zum grössten Teil nicht aus Fortsetzungen der früheren Spinal- nerven, sondern ausserhalb des Medullarrohres entstanden. Dennoch fand die Vereinigung der neuen Sinnesnerven und Muskelnerven zu vreflektorischen Bahnen nicht ausserhalb, sondern innerhalb des Medullarrohres statt, so dass dadurch die Einheitlichkeit des ganzen Nervensystems auf das vollkommenste gewahrt blieb. Verfolgt man nun die Entwicklung dieser neuen Nerven in der Ontogenese der niederen Wirbeltiere, der Fische und Amphibien, so fehlt jedes Merkmal einer allgemeinen cänogenetischen Er- wo Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 151 scheinung, wie sie beim ursprünglichen Spinalnervensystem vor- liegt. wogegen einzelne Abänderungen eines älteren Zustandes um so willkommenere Anhaltspunkte für eine einheitliche Auf- fassung des ganzen fortschreitenden Werdeprozesses darbieten. Und dabei erweist sich gerade das Medullarrohr als eines der wichtigsten Momente für die Bestimmung des Verlaufs der frag- lichen neuen Nerven und ihrer Einbeziehung in das einheitliche Organsystem. Ich gehe nunmehr zu der speziellen Untersuchung der morphologischen Bedingungen über, die den Verlauf der einzelnen Kopfnerven bestimmen, und beginne mit den Nerven der höheren Sinnesorgane. Nachdem diese aus den Anlagen der entsprechenden Sinnesorgane, der Geruchsgruben, der Labyrinth- bläschen und der Seitenorgane entstanden sind, ist ihr Anschluss an das Hirn ohne weiteres gegeben. Denn da beiderlei Teile einander unmittelbar benachbart sind, und die Histiogenese des Hirns zur selben Zeit bereits eingeleitet ist, so stellt die Ver- bindung der genannten Nervenanlagen mit ihm — gemäss der schon gekennzeichneten Erwägung (siehe S. 125) — für die sensible Reizleitung den passendsten Weg unter allen sonst noch möglichen Bahnen dar. Der topographische Einfluss des Hirns auf die Wachstumsrichtung jener Nerven ist also gar nicht zu bezweifeln. Nach dem peripherischen Ursprung der genannten Sinnes- nerven wäre es natürlich, dass auch ihre Histiogenese durchweg zentripetal verliefe. Der Acusticus zeigt dies auch in ausge- sprochener Weise (siehe S. 109), und der Olfactorius dürfte sich ihm anschliessen. Die Seitennerven bilden aber insofern eine Ausnahme, als ihre Ganglien nicht nur zentripetale Wurzeln gegen das Hirn (Fig. 147), sondern auch Äste zu den in der Haut befindlichen Seitenorganen aussenden, und diese Äste sich zweifellos zentrifugal differenzieren. Am klarsten tritt dies am jungen Lateralis des Hinterkopfes hervor (Fig. 155), dessen Seiten- zweig y unverkennbar durch Mesenchymzellen mit der Haut ver- bunden ist. Und obgleich gewisse noch zu erwähnende Muskel- nerven noch viel prägnantere Beispiele einer derartigen, scheinbar verkehrt gerichteten Histiogenese darbieten, soll schon hier eine Erklärung der letzteren versucht werden. Wollte man annehmen, dass der gesamte Vorgang der Nervenbildung unter allen Umständen nur in dem sichtbaren g# 132 Au@ofertibie: Fortschritt der Histiogenese zu erkennen sei, so müsste man aus dem geschilderten Befunde am Lateralis notwendig folgern, dass die mit dieser Histiogenese Hand in Hand gehende physiologische Funktion, nämlich die Reizleitung, in jenem Lateraliszweige an- fangs zentrifugal verlaufe, um erst im fertigen Nerv in die typische, aber umgekehrte Richtung umzuschlagen. Dies halte ich aber für ausgeschlossen, um so mehr, als sich an der Hand gewisser schon angeführten Beobachtungen eine andere, natür- lichere Erklärung darbietet. Die Tatsache, dass die reflektorische Reizleitung schon vor der Entstehung differenzierter Nerven in geweblich indifferenten Zellenbahnen verläuft, lehrt aufs klarste, dass die Existenz einer solchen Reizleitung sich nicht mit der Histio- genese der Nerven deckt, so wenig wie der unzweifelhafte Empfindungsreiz einer Wimperzelle mit einer sichtbaren geweb- lichen Differenzierung derselben zu einer Sinneszelle zusammen- fällt. Die durch die Reizleitung erzeugte Histiogenese tritt eben erst bei einer gewissen Intensität der ersteren ein. Es ist daher auch in bezug auf die geschilderte Erscheinung des Lateralis- zweiges anzunehmen, dass eine sensible. zentripetale Reizleitung in dem Mesenchymnetze zwischen Haut und Ganglion besteht, die aber erst in der Nähe des letzteren histiogenetisch zu wirken begonnen hat. Daher handelt es sich nicht darum, dass die Nervenbildung nach ihrem ganzen Kausalzusammenhang in zentri- tugaler Richtung vom Ganglion ausgeht, sondern bloss darum, dass die nervenbildende zentripetale Reizleitung zuerst am Ganglion eine histiogenetisch wirkende Intensität erreicht. Dies erklärt sich aber wiederum auf Grund einer schon erwähnten Überlegung. Der Weg der zentripetalen Reizleitung von der Haut bis zum Ganglion kann in dem indifferenten Mesenchym noch nicht festgelegt sein; sie kursiert dort vielmehr auf verschiedenen Bahnen, die sich aber am Ganglion vereinigen, weil in ihm und seinem distalen Ende ein durch die begonnene Histiogenese bevorzugter Leitungsweg vorliegt. Durch diese Vereinigung der regellosen Bahnen steigert sich nun an demselben Punkte die Intensität der Leitung, weshalb auch dort die Histiogenese zuerst auftritt, um zentrifugal fortzuschreiten. So bestimmt also das Lateralganglion nicht nur die Richtung des neuen Zweiges überhaupt, sondern auch den Gang Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 153 seiner Histiogenese, und zwar beides im Sinne einer topographischen Bedingung. Das, was hier von der zentrifugalen Entwicklung eines Lateralzweiges angeführt wurde, gilt natürlich auch für alle Sinnesnerven mit sichtbarem Ursprung aus dem Hirn, das alsdann genau dieselbe Rolle spielt wie ein beliebiges isoliertes Ganglion. In diesem Sinne ist der zentrogene Ursprung der sensiblen Spinalnerven zu beurteilen, den ich als einen cänogenetisch abgeänderten bezeichnete (siehe S. 126 und 129), was hier noch näher beleuchtet werden soll. Wenn man anerkennen muss, dass die Spinalnerven phyletisch älter sind als das Medullarrohr, so wird man nicht umhin können, anzunehmen, dass die dorsalen Spinalnerven vor der Entstehung des Medullarrohres normalerweise aus der Haut entsprangen. um durch zentripetales Wachstum in die motorischen Strecken über- zugehen. die sich in den gegenwärtigen ventralen Spinalnerven mit der ursprünglichen Wachstumsriehbtung unverändert erhalten haben. Durch die Einschaltung des Zentralnervenorgans zwischen die sensiblen und motorischen Strecken brauchte dieser Verlauf der Nervenbildung nicht ohne weiteres abgeändert zu werden. Dagegen trat allerdings eine Änderung ein, als die ontogenetische Anlage des Medullarrohres immer früher auftrat und alle noch regellosen sensiblen Reizleitungen in ihm oder an ihm (Spinal- ganglien) zusammenliefen, bevor ihre distalen Nervenbahnen lokalisiert und differenziert waren. Durch jene in den Ganglien metamer gegliederte Vereinigung der Reizleitungen im Medullar- rohr wurde ihre Intensität dort und in den Spinalganglien ge- steigert, die Histiogenese früher eingeleitet und genau derselbe Zustand hergestellt, wie ich ihn vom Lateralganglion des Hinter- kopfes und seinem Zweig schilderte. Daraus erklärt sich auch dieselbe Folge, dass nämlich die ontogenetische Lokalisation und Histiogenese der sensiblen Spinalnerven ebenfalls am zentralen Ende, an den Spinalganglien beginnt und zentrifugal fortschreitet. Die vollständige Illustration und Bestätigung dieser Aus- führungen liefern jedoch die Beobachtungen an den Muskelnerven des Kopfes. Ich beginne mit den Augenmuskelnerven und den ihren Verlauf richtenden topographischen Be- dingungen. Diese Nerven entstehen nach meinen vorherrschend an Siredon angestellten Beobachtungen in der Regel peripher an 134 A. Goette: den Augenmuskeln, um dann zentripetal zum Hirn zu wachsen (Taf. IX). Dies lässt aber ebensowenig wie in dem beschriebenen analogen Fall der Seitennerven darauf schliessen, dass die histio- genetisch wirkende Reizleitung jener Augenmuskelnerven zuerst dieselbe zentripetale Richtung habe, wie deren sichtbare Ent- wicklung, um später vollständig umzukehren. Die Reizleitung eines motorischen Nerven kann eben nur eine zentrifugale, auf den Muskel gerichtete sein; und wenn ihre histiogenetische Wirkung zuerst an ihrem distalen Ende, am Muskel, sichtbar wird, so kann dies nur auf ähnliche Weise erklärt werden, wie die analoge Erscheinung bei den Seitennerven. — Zunächst möchte ich aber die gesamten Befunde in der ontogenetischen Entwicklung der Augenmuskelnerven rekapitulieren. Der Trochlearis verläuft in der Ontogenese vom Musculus obliquus superior entweder gerade und ununterbrochen zum Hirn (Fig. 177—179), oder er verbindet sich unterwegs mit dem ihn kreuzenden 3. Zweig des Ophthalmieus profundus (Fig. 176), oder endlich er entspringt nur aus dem letzteren (Fig. 175). Dies beweist, dass die Bildung des Trochlearis auf recht verschiedenen Wegen zwischen Hirn und Muskel erfolgt; und zwar bezeugen die von mir als Variante 1 beschriebenen Fälle, dass gelegentlich beide Wege in demselben Individuum gleichzeitig benutzt werden. Ähnliches zeigt der Oculomotorius, der aus vier getrennten Strecken entsteht, von denen die drei distalen zu einem Stämmchen zusammenfliessen, das sich rückwärts mit dem Ophthalmieus profundus und einwärts mit der proximalen Strecke oder dem Oculomotorius 4 verbindet (Fig. 177—179). Diese Vereinigung der vier Strecken des Oculomotorius lässt sich leicht daraus er- klären, dass die in gleicher Richtung verlaufenden proximalen Abschnitte dieser Nerven zusammenfallen. Da jedoch die Strecke 3 schon vorher gegen den Ophthalmieus vorgewachsen war, so ist die daraus erfolgende ständige Verbindung offenbar keine zufällige, sondern das ganze distale Stämmchen das Erzeugnis von zwei verschiedenen in ihm zusammentreffenden Reizleitungen, durch den Ophthalmicus und den proximalen Oculomotorius 4. Es ist also Tatsache, dass sowohl der Trochlearis als auch der Oculomotorius nicht nur verschieden verlaufen, sondern dass die beiderlei Verläufe auch gleichzeitig entstehen können, und teilweise sogar bald zentrogen, bald von den Muskeln aus. Von Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 135 irgendeiner Vorbestimmung der Bildungszellen dieser Nerven kann also überhaupt keine Rede sein; vielmehr fragt es sich bloss, ob nach den angegebenen Befunden die einzige aktive Ursache jeder Nervenbildung, nämlich die Reizleitung, zur Erklärung der ge- samten Vorgänge ausreicht oder durch besondere Bedingungen ergänzt werden muss. So wie alle motorischen Reizleitungen nur als Fortsetzungen von sensiblen Leitungen denkbar sind, müssen auch die für die neuentstandenen Augenmuskeln bestimmten Reizleitungen an Sinnesnerven anknüpfen. Bevor überhaupt neue Muskeln am Kopf- ende der Wirbeltiere entstanden waren, konnten neuauftretende Sinnesnerven, wie der Acusticus und die Seitennerven, wenigstens anfangs nur reflektorische Fortsetzungen zu den allein vorhandenen Stammuskeln erhalten, so dass die entsprechenden motorischen Nervenfasern sich den bestehenden motorischen Spinalnerven an- schlossen. Diese und die zugehörigen Stammuskeln dirigierten also durch das Hirn hindurch den Verlauf der neuen Sinnesnerven, waren dessen formale Bildungsbedingungen. Umgekehrt konnten die neugebildeten Augenmuskeln die sie in Tätigkeit setzenden Reizleitungen nur als Fortsetzungen von sensiblen Leitungen der bereits bestehenden Sinnesnerven provozieren. Folglich mussten diese sensiblen Leitungen im Hirn, ohne ihre früheren Wege auf- zugeben, Abzweigungen zu den neuen Zielen entsenden. Und da diese neuen motorischen Reizleitungen eine Vorbedingung für die Entstehung von entsprechenden Nerven sind, so erscheinen die letzteren von vornherein an ein ausser ihnen liegendes bestimmtes Ziel gebunden, d. h. in ihrem Verlauf von einer topo- graphischen Bedingung abhängig. Damit allein ist aber der eigentliche Verlauf der motorischen Reizleitungen keineswegs festgelegt. Vielmehr geht aus dem ver- schiedenen Verlauf der Augenmuskelnerven hervor, dass auch die sie erzeugende Reizleitung schon im Hirn und dann ausserhalb desselben verschiedene Wege zu denselben Muskeln einschlägt. Diese Tatsache bestätigt die schon angestellte und verwertete Erwägung, dass die Reizleitungen vor der Entstehung der Nerven überhaupt nicht auf einer bestimmten Bahn, sondern auf ver- schiedenen Bahnen verlaufen, um dann an dem gemeinsamen Ziel konvergierend zusammenzutreffen. Dazu kommt, dass die für einen und denselben Muskel bestimmte reflektorische Leitung 136 A. Goette: ottenbar von verschiedenen sensiblen Ausgangspunkten in Bewegung gesetzt wird. Alles zusammen begründet daher folgende Schlüsse. l. Die für jeden Augenmuskelnerv bestimmten primären Reizleitungen zerstreuen sich von ihren mehrfachen Ausgangs- punkten im Hirn in verschiedenen Richtungen, die jedoch durch das bestimmte gemeinsame Endziel früher oder später wieder zusammengeführt werden. 2. An diesem Treftpunkt beginnt die sichtbare histiogenetische Nervenbildung, weil die Reizleitung dort am intensivsten ist und folglich zuerst histiogenetisch wirkt. 3. Sobald die motorischen Reizleitungen eines Augenmuskels das Hirn auf mehreren, erst ausserhalb desselben konvergierenden Wegen verlassen, zeigt sich ihr Treffpunkt mit dem Beginn der Histiogenese am Muskel. Kommt alsdann unter jenen Wegen nach dem Grundsatz der Auswahl des passendsten Weges ein einziger zur überwiegenden Geltung, so rückt die peripherische Nervenanlage aus demselben Grunde, warum sie am Muskel zuerst erschien, in der Richtung dieses bevorzugten Weges zentripetal gegen das Hirn oder den Ophthalmicus (Oculomotorius 3) vor. während die anderen in sie einlaufenden Wege verlassen werden. Sobald dagegen dieselben Reizleitungen oder ein Teil von ihnen schon im Hirn an der Wurzel des Ophthalmieus zusammen- treffen und ihre histiogenetische Tätigkeit beginnen, stellt dieser Spinalnerv von vornherein den bevorzugten Weg dar, dem die Histiogenese bis zu der Stelle folgt, wo sie zum Muskel ablenkt ( Trochlearis-Varianten). Eventuell können beide Wege gleichzeitig benutzt und aus- gebildet werden (Trochlearis- Variante 1, Fig. 176), so wie der zentripetale Fortschritt des distalen Oculomotorius in zwei Bahnen, durch den Oculomotorius 4 und durch den Ophthalmieus, aus- einander geht (Fig. 178 und 179). 4. Die variable Ontogenese der Augenmuskelnerven beweist zur Genüge, dass ihr Verlauf nicht von der sich stets gleich bleibenden aktiven Ursache der Nervenbildung, nämlich der Reiz- leitung, sondern nur von gewissen sie richtenden äusseren topo- graphischen Ursachen abhängen kann, mögen sie nun in der feineren Struktur des Hirns oder in den Lagebeziehungen der Muskeln, des Ophthalmieus und seiner Zweige beruhen. Indem aber die Fixierung des Verlaufs mit der Histio- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 197. genese der Nerven zusammenfällt, ist die sicht- bare Nervenbildung ebensosehr das Produkt der bezeichneten morphologischen Bedingungen wie der aktiven Ursache, der Reizleitung. Die sämtlichen Visceralnerven des Kopfes schliessen sich hinsichtlich der Ursachen ihres Verlaufs den Augenmuskel- nerven im allgemeinen an. Doch treten die dirigierenden morpho- logischen Bedingungen viel deutlicher hervor und können unmittel- bar in konkreten Körperteilen nachgewiesen werden. Die Visceralnerven des Kopfes zerfallen nach ihrer Genese in zwei Gruppen: die spinalen Visceralnerven (Mandi- bularis, Facialis. Glossopharvngeus, Vagus) und die hinter dem Vagus folgenden occipitalen Visceralnerven mit selb- ständigem peripherischem Ursprung. Demgemäss gestaltet sich auch ihre übrige Entwicklung recht verschieden. Beiden Gruppen gemeinsam ist aber die unverkennbare Anpassung an die Topo- graphie oder morphologische Organisation des ganzen von ihnen innervierten Körperteils. Diese Organisation bildet geradezu den Leitfaden für die vergleichende Untersuchung der beiderlei Gruppen im allgemeinen und im besonderen. Die genannten spinalen Visceralnerven unterscheiden sich von den Spinalnerven des Rumpfes durch zwei Merkmale (Textfig. 3 und 4). Sie entspringen nur aus dorsalen gangliösen Wurzeln und verlaufen an der Aussenseite ihrer Somiten, während die Spinalnerven des humpfes ausser den dorsalen noch ganglien- lose ventrale Wurzeln besitzen und an der Innenseite ihrer Somiten hinabziehen. Beide Unterschiede haben einen gemein- samen Grund, nämlich die Verschiedenheit der Somiten und ihrer Homologa in den beiden genannten Körperregionen. Und diese Verschiedenheit lässt sich nur aus der (reschichte des Wirbel- tierkopfes verstehen. Allerdings wissen wir von dem ursprünglichen Bau der Wirbeltiere oder vielmehr ihrer nächsten Vorfahren nichts weiter, als was ihre Ontogenese und der Vergleich mit Tieren des gleichen allgemeinen Typus (Chordaten) zu schliessen gestatten. Die onto- genetischen Befunde an den niedersten Wirbeltieren, den Neun- augen (Goette, 1890, Koltzoff, 1902), lehren nun, dass die 138 A. Goette: Is) Somiten anfangs, bevor die besondere Ausbildung des Kopfes beginnt, im ganzen Körper bis an sein Vorderende ganz gleich gebildet sind, so dass man annehmen darf, dass bei den nächsten Vorfahren der Wirbeltiere, denen die spezifische Kopfbildung noch fehlte, die Somiten sich wesentlich so verhielten, wie es gegen- wärtig noch Amphioxus zeigt. Denn mag man den letzteren auch Fig. 3. Fig. 4. Schematische Querdurchschnitte durch die Mitte des Kopfs (3) und durch den Rumpf (4) von Embryonen der Fische und Amphibien. c = Chorda, d — Darm, gl —= Spinalganglion, h —= Medullarrohr, m = Somit (4), bezw. dessen Homologon (3), o — Labyrinthbläschen, se = Seitenplatte (Visceral- muskeln 3 und Cölomwände 4). weder als wirklichen Vorfahren, noch als rückgebildeten Ab- kömmling der Wirbeltiere ansehen, so offenbart er doch in seiner Organisation unverkennbar eine frühere, indifferentere Bildungs- stufe des allen Chordaten gemeinsamen Typus. Die Somiten der Wirbeltiere waren also ursprünglich sämtlich muskelbildende Segmente und wuchsen im ganzen Körper bis an sein Vorderende frühzeitig in die Höhe, so dass auch die vordersten von ihnen, die künftigen Kopfsomiten. ebenso wie die gegen- wärtigen Rumpfsomiten, die Ganglienleiste und deren Spinalnerven von aussen überdeckten (Textfig. 4). Dies war aber nur möglich, solange die dem Wirbeltierkopf eigentümlichen Organe noch fehlten, weil deren Entwicklung, was namentlich in der Ontogenese der niederen Wirbeltiere deutlich zu erkennen ist, sich mit der normalen Bildung der Kopfsomiten nicht verträgt. Dadurch, dass die grossen paarigen Sinnesorgane (Geruchs- gruben, Augen, Labyrinthbläschen) auftraten, im Zusammenhang Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 139 damit das Hirn sich erweiterte und die ersten Schädelanlagen erschienen, wurden die in ihrem Bereich befindlichen Somiten in zweifacher Weise in Mitleidenschaft gezogen (Textfig. 3). Einmal wurde ihre Entwicklung örtlich eingeschränkt und dann ihre Muskulatur ausser Tätigkeit gesetzt, da der Kopf sich nicht mehr an der Lokomotion beteiligen konnte. Als Gegenstück der daraus folgenden Rückbildung des lokomotorischen Apparats im Kopf setzte zugleich mit der Änderung des Atmungsmechanismus (siehe S. 98) eine Ausstattung des Kiefer- und Kiemenapparats mit Muskeln und Skelett ein. Jene Rückbildung der Kopfsomiten führte dann zu dem Zustand, den wir noch heute in der Ontogenese sehen; sie bleiben ganz niedrig, ihre Grenzen werden undeutlich oder verschwinden ganz, und ihre Muskelbildung wird, mit Aus- nahme des hintersten Somiten, ganz unterdrückt. Damit gingen einmal der Schwund der zugehörigen motori- schen (ventralen) Spinalnerven und andererseits eine Lagever- änderung der dorsalen, ursprünglich sensiblen Spinalnerven Hand in Hand. Denn indem die Anlagen der letzteren, die Spinalganglien, sich über den niederen Somitenresten entwickeln, werden sie von diesen nicht überdeckt, sondern können über deren Aussenseite hinabwachsen. Kupffer will die motorischen Spinalnerven des Kopfes bei Petromyzon wenigstens vorübergehend gesehen haben; ich konnte jedoch ebenso wie Koltzoff ihre Existenz nicht bestätigen. Auch im Bereich des Vagus, wo die Somitenmuskeln, wenn auch sehr reduziert. vorkommen, habe ich in den von mir untersuchten Embryonen und jungen Larven keine ventralen motorischen Spinal- nerven gesehen. Falls sie auch später nicht entstehen sollten, so könnten sie leicht durch Seitenzweige des Vagus ersetzt werden, da nicht nur dieser Nerv, sondern überhaupt alle spinalen Visceral- nerven bei ihrem Eindringen in die entsprechenden Visceralbögen, in denen sie gleichzeitig Haut- und Visceralmuskeln versorgen sollen, statt des ursprünglich rein sensiblen Charakters dorsaler Spinalnerven einen gemischten sensibel-motorischen Charakter annehmen. Mit dieser Tatsache, dass die Neubildung der Visceralmuskeln und die Verwandlung der ursprünglich rein sensiblen Spinalnerven des Kopfes in sensibel-motorische Nerven Hand in Hand gehen, ist jedoch über den Kausalzusammenhang dieser Erscheinung 140 A. Goette: eigentlich nichts ausgesagt. Um ihn klar zu legen, haben wir vielmehr in gleicher Weise wie bezüglich der Augenmuskelnerven vorzugehen. Vor allem ist die Annahme ausgeschlossen, dass die früheren motorischen Spinalnerven des Kopfes infolge der Rückbildung ihrer Somitenmuskeln nicht schlechtweg verschwanden, sondern nur unkenntlich wurden, indem sie sich schon im Hirn mit den sensiblen Nerven verbinden, um mit ihnen gemeinsam auszu- treten und die neuen Visceralmuskeln zu versorgen. Denn die Identität der Nerven beruht weder in ihrem Ursprung noch in ihrer Qualität, sondern ausschliesslich in ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Endorgan, also im vorliegenden Fall zu einer bestimmten Muskulatur. Die spinalen Muskelnerven des Kopfes sind also nicht die früheren ventralen Muskelnerven dieser Region, sondern wirkliche Neubildungen, hervorgerufen durch die ncuen, auf die Visceralmuskeln gerichteten motorischen Reizleitungen. Der Verlauf dieser neuen Nerven ist aber wiederum nur von bestimmten topographischen Bedingungen abhängig, wie wir sie aus dem wechselnden Verlauf der Augenmuskelnerven kennen lernten. Der Ophthalmieus ist noch gegenwärtig in der Ontogenese. bevor die Augenmuskelnerven auftreten, mit allen seinen Zweigen ein rein sensibler Nerv, so wie es ursprünglich alle übrigen Spinalnerven des Kopfes waren; er verliert. diesen originalen Charakter erst dadurch, dass in der Folge der Oculomotorius 3 ständig und der Trochlearis gelegentlich sich ihm anschliessen und ihn dadurch in einen gemischten Spinalnerven verwandeln. Dasselbe geschieht nun auch an den folgenden spinalen Visceral- nerven, indem die neuen visceralen Muskelnerven sich dem alten sensiblen Spinalnerv anschliessen. Dies offenbart sich nur deshalb nicht ohne weiteres, weil der zentrogene Ursprung dieser Muskel- nerven und ihre Verbindung mit den Sinnesnerven keine Aus- nahme erleiden, und die Anlagen der beiderlei Nerven niemals getrennt sichtbar sind. Solche beweisenden Ausnahmen finden sich jedoch bei den oceipitalen Visceralnerven (siehe unten), so dass hier nur noch die topographischen Bedingungen des Verlaufs der spinalen Visceralnerven zu erörtern wären. Diese Bedingungen sind gewissermassen in der gesamten Organisation des Wirbeltierkopfes gegeben, deren Werden . vorhin Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 141 geschildert wurde. Ohne die Rückbildung des lokomotorischen Apparats am Vorderende des Körpers würde die Möglichkeit fehlen, dass seine Spinalganglien an die Aussenseite der Somiten kämen, und dass die neuen Muskelnerven gerade diesen für sie passendsten Weg zu den Visceralmuskeln benutzten. ‚Jene Rück- bildung ist aber die natürliche Folge aller Neubildungen und Metamorphosen, die das inditferente Vorderende des ursprüng- lichen Chordatenkörpers in den Wirbeltierkopf umwandelten. So erscheinen also Entstehung und Verlauf der gegen- wärtigen spinalen Visceralnerven des Kopfes in be- stimmtester Weise durch eine Reihetopographischer Momente, und im allgemeinen eigentlich durch die gesamte morphologische Entwicklung des Kopfes bedingt. Ich deutete vorhin an, dass die (renese der occeipitalen Visceralnerven der Fische und Amphibien für die eben ge- gebene Deutung der spinalen Visceralnerven die Probe auf das Exempel liefert. Dies geschieht dadurch, dass die oceipitalen Visceralnerven, obgleich sie anatomisch und physiologisch den spinalen Visceralnerven völlig gleich stehen, infolge von durchaus abweichenden topographischen Bedingungen Fig. 5. auch eine entsprechend abgeänderte Ent- stehung zeigen. Die Besonderheiten der Topographie des Vorderrumpfes und ihre Folgen für die Bildung seiner Nerven treten bei den Uyclo- stomen (Petromyzon) am klarsten her- vor. Sie bestehen darin, dass die Somiten dort sich allerdings wesentlich von denen des Kopfes unterscheiden, aber auch mit denen des übrigen Rumpfes nicht ganz übereinstimmen. Sie erzeugen nämlich hohe Myomeren, die Schematisch. Querdurch- schnitt durch den Vorder- rumpf von Embryonen der Öyelostomen, Ganoiden und Am- phibien. c= Chorda, d— Darm, gl = Spinal- ganglion, h — Medullar- rohr, m = Myomer, se — Seitenplatte — Visceral- muskeln, v = Visceral- ganglion. ebenso wie im eigentlichen Rumpf die Spinalnerven von aussen überdecken (Textfig. 5); dagegen bleiben diese Myomeren, anders wie im Rumpfe, auf die dorsale Körperhälfte beschränkt, während der darunter liegende Kiemenapparat wie im Kopf seine eigene 142 A. Goette: Muskulatur erzeugt (vgl. Textfig. 3 und 4). Im Zusammenhange damit sind die Spinalnerven des Vorderrumpfes normal entwickelt und durch die ganze Masse der Somiten von den Visceralbögen ge- trennt. Während also die von den Visceral- oder Kiemenmuskeln provozierten Reizleitungen im Kopf den passendsten Weg zu ihrem Ziel von vornherein durch die Spinalganglien finden, die gleich anfangs dicht an die Visceralmuskelanlagen (Seitenplatten) hinan- reichen, fehlt den gleichen Reizleitungen im Vorderrumpf dieselbe topographisch vorgezeichnete Bahn und daher auch eine ent- sprechende zentrifugale Nervenbildung. Statt dessen erscheinen die Anlagen der oceipitalen Visceral- nerven in Gestalt von fünf epibranchialen Ganglien (Fig. 37 und 38), entspringen also gleich den Augenmuskelnerven selbständig und peripher an ihren Endorganen, nämlich den getrennten Muskel- anlagen des 5.— 9. Visceralbogens, um durch zentripetales Wachstum mit dem Hirn in Verbindung zu treten. Und nachdem wir den Kausalzusammenhang eines solchen Vorganges durch die Varianten der Augenmuskelnerven kennen gelernt haben, dürfen wir die analoge Bildung der oceipitalen Visceralnerven in gleicher Weise erklären. Die durch eine neue Muskelbildung hervorgerufenen moto- rischen Reizleitungen konvergieren und vereinigen sich entweder schon im Hirn oder ausserhalb desselben. Das erstere geschieht dann, wenn zwischen dem Hirn und dem Endorgan durch irgend- welche topographischen Bedingungen von Anfang an ein bevor- zugter Weg besteht (spinale Visceralnerven). Sobald ein solcher jedoch fehlt, können die Reizleitungen das Hirn auf verschiedenen Wegen verlassen, um erst an ihrem gemeinsamen Ziel zusammen- zutreffen, wo dann die überwiegende Intensität der vereinigten Leitungen die Nervenbildung zuerst ins Leben ruft. Der zentri- petale Fortschritt dieser ersten peripherischen Nervenbildung ist nur ihre notwendige Fortsetzung, indem das proximale Ende der Anlage den Treffpunkt der Leitungen fortdauernd vorschiebt, bis das Zentralorgan :oder eine andere Nervenbahn erreicht ist (oceipitale Visceralnerven). Doch verläuft diese Entwicklung nicht an allen oceipitalen Visceralnerven von Petromyzon in gleicher Weise, sondern ver- schieden, entsprechend den wechselnden topographischen Be- dingungen. Das 2.—5. Visceralganglion verbinden sich nur unter- Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 145 einander, indem ihre Reizleitungen offenbar zusammenfallen und jedes Ganglion den nächsten und natürlichsten Anschluss am benachbarten Granglion findet. Das 1. Visceralganglion läuft dagegen in den 1. Spinalnerv des Rumpfes aus, der durch eine besondere, im beschreibenden Teil dargestellte Lageveränderung an die Aussenseite des 1.—2. Mvomers und neben den Vagus. dadurch aber auch in die Nähe des 1. Visceralganglions gerät. Man ersieht daraus, dass es nur die verschiedenen topographischen Bedingungen sind, die dem 1. Spinalganglion des Vorderrumpfes eine Verbindung mit den Visceralganglien gestatten, den folgenden Spinalganglien aber nicht. Dazu wäre noch zweierlei zu bemerken. Durch die eben genannte Verbindung wird der 1. dorsale Spinalnerv des Rumpfes selbst verändert, nämlich ebenso wie die homologen Spinalnerven des Kopfes in einen sensibel-motorischen Nerven verwandelt. — Zweitens fällt es bei Petromyzon auf, dass dieser 1. Spinalnerv weit hinabreicht, bevor die Visceralganglien sichtbar werden (Fig. 36), weshalb es möglich erscheint, dass er durch eigenes Auswachsen wenigstens den 1. oceipitalen Visceralnerv selbst her- stellt. Ich habe aber schon in der Beschreibung hervorgehoben, dass die erste Anlage der Visceralganglien von Petromyzon gar nicht sicher festzustellen ist, also ihre späte Erscheinung sehr wohl auf einer Täuschung beruhen kann: und in der Tat sehen wir bei Siredon (Fig. 154) das erste grosse Visceralganglion fertig angelegt, während der fragliche 1. Spinalnerv noch ganz dorsal an der Kante des 2. Myomers liegt.) Unter allen Umständen bleibt es aber zu Recht bestehen, dass das gesamte oceipitale Visceralnervensystem nur durch einen Nerv, der nicht der Vagus ist. mit dem Hirn in Zusammenhang tritt, und dass folglich von einer Polymerie dieses Nervenkomplexes nicht die Rede sein kann. Das oceipitale Nervensystem der Ganoiden kenne ich nur auf schon vorgerückten Entwicklungsstufen (Fig. 99). Da es aber dann in allen wesentlichen Punkten mit demjenigen von Petro- myzon übereinstimmt, so darf man wenigstens vorläufig annehmen, dass seine Entwicklung ebenso, d.h. mit gleichen Anlagen und folglich mit demselben Kausalzusammenhang wie bei Petromyzon verläuft. !) Übrigens würde auch der Nachweis, dass der 1. Spinalnerv und das 1. Visceralganglion einander gleichzeitig entgegenwachsen, den erörterten Kausalzusammenhang in keiner Weise grundsätzlich berühren. 144 A. Goette: Bei den Amphibien handelt es sich insofern grundsätzlich um dieselben genetischen Verhältnisse der oceipitalen Visceral- nerven wie bei Petromvzon, als selbständige Visceralganglien auftreten und ebenfalls durch Vermittlung der 2. Vaguswurzel (1. Spinalnerv des Rumpfes) sich mit dem Hirn verbinden. Der zugrunde liegende Kausalzusammenhang kann kein anderer sein, als der vorhin erörterte. Dagegen liegt bei den Amphibien die besondere Ausnahme vor, dass der 1. oceipitale Visceralnerv nicht von einem eigenen Visceralganglion, sondern vom Vagus entspringt. so dass auch statt dreier Visceralganglien für den 5.—7. Visceral- bogen nur zwei für den 6. und 7. Visceralbogen zur Entwicklung kommen (Fig. 156--159). Und als Grund für diese Abänderung gab ich bereits an (siehe S. 79), dass infolge einer frühzeitigen Verschiebung der hinteren Visceralbögen nach vorn der Vagus schon vor der Entstehung der visceralen Nervenstämme über der 4. Kiemenspalte liegt und die Muskelanlage des 5. Visceral- bogens beinahe erreicht, wodurch die Bildung eines besonderen epibranchialen Ganglions an derselben Stelle gewissermassen überholt wird. Durch diesen ontogenetischen Vorgang wird die Bedeutung der topographischen Bedingungen für den Verlauf der Nerven ganz besonders gut illustriert. Trotzdem die Bestimmung des Vagus nur für den 4. Visceralbogen und eines selbständigen Visceral- ganglions für den 5. Bogen durch die ganze Reihe der Fische völlig fixiert erscheinen sollte, genügt eine geringe Verschiebung der Lagebeziehungen derselben Körperteile, um die altererbte Nervenverteilung in dieser Region von Grund aus abzuändern. Dies führt aber noch zu weiteren Erwägungen. Da der 5. Visceralnerv, der bei den Fischen durchweg eine ektomesodermale Bildung ist, bei den Amphibien durch einen zentrogenen Vagusast ersetzt wird, so sind in diesem Fall die ontogenetische Homologie eines Organs beseitigt und seine Bildungs- ursachen geändert, ohne dass seine anatomische Gleichwertigkeit oder topographische Identität bei den genannten verschiedenen Tieren aufgehoben wäre. Angesichts dieser Veränderlichkeit der Bildungsursachen eines topographisch-identischen Organs verschiedener Tiere ist es ja selbstverständlich, dass die ontogenetische Entwicklung eines Organs, hier vor allem eines Nerven, bei höher stelienden Wirbeltieren nicht ohne weiteres Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. ; 145 zugunsten einer gleichen Entwicklung desselben Nerven bei den niedersten oder ältesten Wirbeltieren entscheidet. Dagegen often- baren in demselben Fall die formältesten Wirbeltiere eben auch die älteren und daher für die Geschichte eines Organs oder eines Organismus massgebenden ontogenetischen Erscheinungen. Diese Überlegung kommt sofort bei der Untersuchung des Visceralnervensystems der Selachier zur Nutzanwendung. Diese Tiere galten und gelten wohl noch in vielen Beziehungen, so auch hinsichtlich des Nervensystems, als Prototyp für die Organisation der Wirbeltiere. So glaubte man auch für die ganze Lehre von der Polymerie des Vagus bei den Selachiern den sichersten Aus- gangspunkt zu finden. Denn tatsächlich hängt ihr Vaguskomplex durch zahlreiche, über eine erhebliche Strecke verteilte gleiche Wurzeln mit dem Hirnrückenmark zusammen und lässt noch im nahezu fertigen Zustand den distalen Hauptästen entsprechende (ranglien unterscheiden, worin jene Polymerie leicht erblickt werden konnte (Fig. 95—98). Im beschreibenden Teil dieser Abhandlung wurde aber schon dargelegt, dass in dem angeblich polymeren Vagus der Selachier recht heterogene Anlagen vereinigt sind. Hier soll nur noch erörtert werden, welches die Ursachen für diese besondere Bildung des Vaguskomplexes der Selachier sind. Während bei allen übrigen Fischen und den Amphibien die Lagebeziehungen der occipitalen Somiten und ihrer Spinalnerven- anlagen dieselben sind wie im eigentlichen Rumpf, und infolge- dessen die occipitalen Visceralnerven dieser Tiere nur durch den ersten Spinalnerven des Rumpfes und den Vagus mit dem Hirn in Verbindung treten, trifft man bei den Selachiern ganz andere Verhältnisse an. Ihre oceipitalen Somiten bleiben so niedrig, dass sie die Spinalnervenanlagen oder die Ganglienleiste nicht überdecken, und diese an der Aussenseite der Somiten bis an die Visceralbögen hinabwachsen kann (Fig. 77 und 3S0—90, Text- figur 6). Diese Übereinstimmung der oceipitalen Ganglienleiste mit den Spinalnerven des Kopfes hat aber keineswegs denselben Erfolg in beiden Nervengruppen. Denn während die Spinalnerven des Kopfes sich im ganzen in Visceralnerven verwandeln, bildet die occipitale Ganglienleiste nur die Wurzeln der Spinalnerven ihrer Region, indes die zugehörigen Ganglien und Nervenstämme von den gleichen peripheren Anlagen wie bei den übrigen Anam- niern, nämlich von selbständigen Visceralganglien, ausgehen. In- Archiv f.mikr. Anat. Bd.85. Abt.I. 10 146 A. Goette: sofern sind die occipitalen Visceralnerven der Selachier nur durch die Art ihrer Verbindung mit dem Hirnrückenmark von den gleichen Nerven der anderen Anamnier verschieden. Diese besondere Wurzelbildung der oceipitalen Visceralnerven bei den Se- lachiern erscheint als eine einfache Fort- setzung der bei allen übrigen Anamniern vorkommenden Verbindung des 1. Spinal- nervs des Rumpfes mit dem 1. Visceral- ganglion. Dafür spricht vor allem der Umstand, dass das Homologon jenes 1. Spinalnerven bei den Selachiern zweifel- los in der oceipitalen Ganglienleiste mit enthalten ist, und dass diese Leiste eben- Fig. 6. falls ganglienlos bleibt und den Visceral- Schematischer Querdurch- nerven neben den sensiblen auch moto- schnitt durch den Vorder- R + 3 { rumpf von Selachier- Em- Yische Fasern zuführt. Denn da die 2.—4. bryonen. e—=Chorda, d—= dorsalen Spinalnerven des Rumpfes bei arm, | == oCcip] e en . . en. Dam inel oecipitale len übrigen hier behandelten Wirbel- Ganglienleiste, h — Medul- 2 i Mi ; larrohr, m — Myomer,se — tieren normalerweise ein Ganglion be- Seitenplatte —= Visceral- sitzen und rein sensibel sind, so kann muskeln, v — Visceral- ihr Ersatz durch die sensibel-motorische (ranglienleiste bei den Selachiern nur als eine sekundäre Metamorphose aufgefasst werden, die sich eben vom 1. Spinalnerv auf die folgenden Spinalnerven ausbreitete. Aber noch von einer andern Seite oftenbart sich das Ver- halten der oceipitalen Visceralnerven bei den Selachiern als ein sekundär abgeändertes, nämlich sobald wir seine Ursachen prüfen. Diese bestehen einmal in der beschriebenen Reduktion der occi- pitalen Somiten, wodurch allein die Ganglienleiste an die Aussen- seite der Somiten und bis an die Visceralganglien gelangt, und zweitens in der Entstehung dieser letzteren, wodurch die oceipitale Ganglienleiste an der Entwicklung zu vollständigen spinalen Visceralnerven gleich denen des Kopfes verhindert und zu der rückläufigen Verwandlung in einfache Hirnwurzeln gezwungen wird. In der Entwicklung der occipitalen Ganglien- leiste spielen also die Visceralganglien nicht weniger als die reduzierten Somiten die Rolle von formalen Bedingungen dieser Nervenbildung. ganglion. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 147 Nun könnte aber in dieser Erklärung ein Widerspruch da- zu gefunden werden, was über die Bildungsursachen der zweierlei Visceralnerven bei den übrigen Anamniern gesagt wurde. Danach erscheint die Rückbildung der Kopfsomiten als die hauptsächliche formale Bedingung für die Verwandlung ihrer ursprünglichen normalen Spinalnerven in Visceralnerven, und andererseits die voll- ständige Entwicklung der oceipitalen Somiten bei allen Anamniern mit Ausnahme der Selachier als die formale Ursache für die Neubildung der besonderen Visceralganglien, während die Spinal- nerven derselben Region unverändert bleiben. Nun sind aber die oceipitalen. Somiten der Selachier ähnlich reduziert wie deren Kopfsomiten und haben auch tatsächlich dieselbe nächste Folge, nämlich die laterale Lage der Ganglienleiste bis zu den Visceral- bögen hinab;- trotzdem wächst sie nicht zu Visceralnerven aus, sondern überlässt dies den neugebildeten selbständigen Visceral- ganglien, obgleich solche bei den übrigen Anamniern nur durch das entgegengesetzte Verhalten der Somiten und Spinalnerven hervorgerufen werden soll. Für diesen Widerspruch gibt es aber eine einfache Lösung. Wäre die Entwicklung der Visceralnerven bei den Selachiern eine originale, dann müssten die bezeichneten und alle ähnlichen Erklärungen als unbegründete zurückgewiesen werden; sie bleiben aber zu Recht bestehen, sobald man anerkennt, dass die originale Entwieklung der Visceralnerven vor allem bei den Cyelostomen erhalten blieb, bei den Selaehiern dagegen durch einen neuen . Erwerb, die Reduktion von mehreren Oceipitalsomiten, abgeändert wurde. Diese Reduktion konnte daher allerdings gerade so wie im Kopf die für Visceralnerven notwendige laterale Lage der oceipitalen Spinalnervenanlagen oder Ganglienleiste, aber nicht deren weiteres Auswachsen zu solchen Visceralnerven veranlassen, weil die altererbten Visceralganglien ihr dies gewissermassen vorwegnahmen. So erklärt der Kausalzusammenhang der ontogenetischen Erscheinung nicht nur die eingreifende Wirkung der formalen Bedingungen auf die Bildung und Wandlung des fertigen Kopf- nervensystems der Anamnier, sondern noch im besonderen, dass dieses Organsystem gerade bei den Selachiern den grössten Ab- änderungen unterworfen wurde. 10* 148 AGO ette: Das allgemeinste Ergebnis meiner Untersuchung über die Ursachen der Nervenbildung lautet: es gibt keine präfor- mierten Nervenbildner, sondern das Bildungs- material der Nerven wird erst durch äussere Ein- flüsse zu seiner Histiogenese und topographischen Änderung bestimmt. Gegen die bezeichnete Präformation spricht einmal die Ver- schiedenheit der Nervenbildner und der Wechsel im Ursprung identischer Nerven, ferner die einzig nachweisbare aktive Ursache der Histiogenese der Nerven, die Reizleitung. Denn diese entsteht und besteht nicht in den Nervenanlagen, sondern wird von aussen in sie eingeführt, und zwar direkt oder indirekt von den Sinneszellen her. Mit dieser aktiven Ursache sind aber von vornherein und notwendig die passiven Ursachen, die formalen morphologischen Bedingungen verbunden, da schon die erste Anlage eines Nerven von den beiden ausser ihr liegenden und topographisch bestimmten Endorganen, dem sensiblen und den kontraktilen, abhängig ist. Der Einwand, dass die Relation zwischen Nerv und End- organ eine selbstverständliche sei, die nichts erkläre, wäre hier nicht am Platz. Denn es handelt sich hier nicht bloss um die Tatsache jenes physiologisch-anatomischen Zusammenhangs, sondern um seine nachweisbaren Ursachen, die Reizleitung und die formalen Bedingungen ihres Verlaufs, deren Bedeutung bisher weder dar- gelegt, noch gar selbstverständlich war. Sonst wäre die zumal ungenügende Hypothese von den präformierten Neuroblasten gar nicht nötig gewesen. Solche spezifischen Nervenbilder könnten im besten Fall nur den lokalen Anfang eines Nerven erklären, aber nicht die „Zielstrebigkeit“ seines Verlaufs, zu deren Er- klärung überhaupt noch kein ernstlicher Versuch gemacht werden konnte. Die retlektorische Reizleitung erklärt dagegen beides, indem ihr Verlauf, wenigstens nach Anfang und Ziel, schon vor ihrer histiogenetischen Tätigkeit durch die topographisch be- stimmten Endorgane festgelegt ist. Denn eine Reizleitung, die nicht in eine Bewegung oder einen anderen, dem Leben und der Selbsterhaltung des Individuums dienenden Akt ausliefe, wäre überhaupt kein physiologischer Vorgang. Die Ursachen der Nervenbildung sind: 1. Die aktiv, histiogenetisch wirkende Reizleitung, 2. die Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 149 formal wirkenden morphologischen Bedingungen des Nervenverlaufs — beide von Anfang an untrennbar vereinigt. Der Nachweis dieses Kausalzusammenhangs der Nervenbildung wäre im einzelnen sehr schwierig und oft kaum möglich gewesen, wenn alle bezüglichen Entwicklungserscheinungen völlig fixiert wären. Erst die zahlreichen und sehr mannigfaltigen Varianten dieser Erscheinungen gestatten es, durch Vergleich und Aus- schluss anderer Erklärungsmöglichkeiten ein relativ sicheres Ergebnis zu gewinnen, während die einzelne ontogenetische Er- scheinung ebensooft täuschen als richtig leiten kann. Das volle Verständnis für das ontogenetische Werden liefert daher weniger die sichtbare Erscheinung als der daraus zu erschliessende wirk- liche Kausalzusammenhang, der allein das leitende Motiv in der ontogenetischen Untersuchung ist. Aber gerade der Hinweis auf jene Varianten und auf die schon hervorgehobene Veränderlichkeit der Bildungsursachen eines topographisch identischen Organs verschiedener Tiere lassen die Einheitlichkeit des ontogenetischen Kausalzusammenhangs nicht als ein starres Gesetz erscheinen. Indem sie sich immer nur auf die individuelle Organisation im ganzen bezieht, bedeutet sie nichts weniger als deren Unveränderlichkeit; die in der Reihe der Generationen und Arten fortdauernde relative Variabilität gehört aber schon in das Gebiet der Stammesentwicklung. in die jede vergleichende ontogenetische Untersuchung immer wieder ausläuft. Nachschrift. Nach dem Beginn des Druckes der voranstehenden Unter- suchung fand ich Gelegenheit, die Entwicklung namentlich der Augenmuskelnerven von Siredon auch an Gold- und Silber- präparaten (nach Apathy und Paton) zu verfolgen. Es zeigte sich dabei, dass eine solche Konservierung, die bekanntlich die fertigen Nervenfasern und ihre Fibrillen gut hervortreten lässt, die Bildungszellen jener Nerven ausserordentlich, oft bis zur Unkenntlichkeit verändert und daher für die von mir verfolgten Ziele keineswegs den älteren Präparationsmethoden vorzuziehen ist, die an dem vorher von mir bearbeiteten Material allein an- gewandt waren. 150 A. Goette: Literaturverzeichnis. Balfour: On the development of the spinal nerves in Elasmobranch fishes. Stud. Phys. Lab. Univ. Cambridge, 1877. Beard: The system of branchial sense organs and their associated ganglia in Ichthyopsida. Quart. Journ. mier. Sc. XXVI, 1885. 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Torpedo ocellata 16 mm, Sagittaldurchschnitt. — g —= Geruchsgrube; ol. = Olfactorius; h = Hirn. Mustelus vulgaris 20 mm. Frontaldurchschnitt. — g — Geruchsgrube mit Epithelleisten; ol — Olfactorius; h — Hirn. Triton taeniatus, Larve mit noch nicht abgeschnürter Augenlinse, Quer- durchschnitt. — g — Geruchsgrube; h = Hirn. Torpedo ocellata 4,5 mm, Querdurchschnitt. — 1 = Labyrinthepithel: ac — Anlage des Acusticus; h = Hirn; III = Facialis. Torpedo ocellata 3,7 mm, Querdurchschnitt. — 1 = Labyrinthepithel:: ac — Anlage des Acusticus; h = Hirn. Torpedo ocellata 7 mm, Querdurchschnitt. — 1 = rechtes Labyrinth- bläschen; ac — Acusticus; III = Facialis; h = Hirn; ep = Haut. Dasselbe einige Schnitte weiter rückwärts. — | —= linkes Labyrinth- bläschen; ac = erste Nervenstränge in der Anlage des Acusticus; h = Hirn;,ep = Haut. Siredon pisciformis 5 mm, Querdurchschnitt. — 1 — Labyrinthbläschen: ac — erste Anlage des Acusticus; ep — Haut. Siredon pisciformis 5 mm, Frontaldurchschnitt. — 1 = Labyrinthbläschen: ac — Anlage des Acusticus; III = Facialis; la = Lateralis anterior. Siredon pisciformis 6 mm, Frontaldurchschnitt. — 1 —= Labyrinthbläschen; ac — Anlage des Acusticus; III = Facialis; la —= Lateralis anterior. Siredon pisciformis 8 mm, Frontaldurchschnitt — 1 = Boden des Labyrinthbläschens; ac — Acustieus; III — Facialis. Petromyzon fluviatilis 2—3 mm, Querdurchschnitt. — 1 = Labyrinth- bläsehen;..hi= ‚Hirn ; „ep. —: Haut; «e; — Chordas0.d.—= Dann, ek Ektomesoderm; en — Entomesoderm. | Petromyzon fluviatilis 4—5 mm, Querdurchschnitt. — 1 = Labyrinth- bläschen ; ae; —='Acusticus;, Ur = Bacialis; /b = Hirn; ep. Haus c = Chorda: d = Darm; ek = Ektomesoderm ; ms = vorgewachsene Muskelplatten. Petromyzon fluviatilis 7 mm, Querdurchschnitt. — 1 == Labyrinthbläschen ; ac — Acustieus; III —Raeialis; bh Hirn; ep —= Haute Ohordse d = Darm; ms — vorgewachsene Muskelplatten. Tafel TI. Kopfnerven von Petromyzon fluviatilis. Länge 1,5 mm, Querdurchschnitt aus der Gegend des Auges. — h = Hirn; op = Opticus; ep = Haut: ek — Ektomesoderm. Dasselbe hinter dem Auge. — gl — Ganglienleiste (Trigeminus); h = Hirn: pl = Plakode,; ek = FEktomesoderm; en — Entomesoderm. 18. IV IV 29. ol. 32. 28 Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 153 Länge 2 mm, Querdurchschnitt. — h == Hirn; I — Ophthalmicus; ep = Haut: a = Augenblase; li = Linse; ek —= Ektomesoderm; en — Ento- mesoderm. Dasselbe. — h = Hirn; I — ÖOphthalmieus; ep Haut; li = Linse; pl = Plakode; ek — Ektomesoderm; en — Entomesoderm. Dasselbe. — h = Hirn; IT = Mandibularis; ep = Haut; pl = Plakode; ek — Ektomesoderm; en —= Entomesoderm (Kieferbogen): ce —= Ohorda: d = Darm; m = Mundbucht. Länge 3 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn: I —= Ophthalmiceus: ep = Haut; a = Auge; li = Linse; pl = Plakode; ek = Ektomesoderm ; en — Entomesoderm ; e = Chorda. Dasselbe. — h = Hirn; II = Mandibularis; ep — Haut; pl = Plakode; ek — Ektomesoderm aussen und innen im Kieferbogen; en — Ento- mesoderm des Kieferbogens; € — Chorda; m — Mundbucht. Länge 2—3 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; I = Ophthalmicus; II = Mandibularis; ep = Haut; pl = Plakode; en — Entomesoderm; er Chorda; d.— Darm. Länge 5 mm, Frontaldurcehschnitt. — h = Hirn; I = Ophthalmieus; II = Mandibularis; III — Facialis; ep —= Haut; pl = Plakode. Länge 2 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn; II = Faeialis; 1 = Anschnitt des Labyrinthbläschens; ep = Haut; ek = Ektomesoderm ; en — Entomesoderm, dorsal und ventral (Kieferbogen); ce — Chorda:; d = Darm; m = Mundbucht. Länge 2 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn; IV —= Glossopharyngeus; ep — Haut; ek = Ektomesoderm; en = Entomesoderm; ms = vor- geschobene Muskelplatte; e — Chorda; d = Darm. Länge 3 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn; IV = Glossopharyngeus ; ep = Haut; ek — Ektomesoderm; en = Entomesoderm; ms = vor- geschobene Muskelplatte; ce = Uhorda; d = Darm. Länge 1,5 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirm: V Vagus; ep — Haut; Ip = Lateralis; ek = Ektomesoderm ; en = Entomesoderm; se — Seitenplatte; c = Chorda; d = Darm. Länge 2 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn; V = Vagus; ep = Haut; lp = Lateralis; ek — Ektomesoderm; en =- Entomesoderm; ms — Muskelplatte: ce = Chorda; d = Darm. Dasselbe hinter dem Vagus. — h = Hirn: ep = Haut; Ip = Lateralis; ek — Ektomesoderm; so — muskelbildender Somit; se — Seitenplatte ; @— Chorda; de — Darm. Länge 3 mm, Querdurchschnitt. — h = Him: Ip = Lateralis; V = Vagus; ep = Haut; ek = Ektomesoderm; ‚so — Somit; ms = vor- seschobene Muskelplatte; ce = Chorda; k” — 2, Kiementasche. Dasselbe, einige Schnitte dahinter. — h = Hirn; Ip = Lateralis; V = Vagus; ep = Haut: ek = Ektomesoderm; so = Somit; ms = vor- geschobene Muskelplatte: ce — Chorda; k? = 2. Kiementasche. Dasselbe. einige Schnitte dahinter. — h = Hirn; Ip = Lateralis; V = Vagus; ep = Haut; so = Somit; ce = Chorda; k”’ = 2. Kiementasche. Os ot 36. A. Goette: Länge 25 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h —= Hirn: a — Auge; 1 — Labyrinthbläschen; my1-6 = Myomeren; ki - Kiefer- bogen: k!-6 — Kiementaschen; I = Ophthalmieus; II = Mandibularis: pl = Plakode; li — Linse; II = Faeialis; IV — Glossopharyngeus; V = Vagus; Ip = Lateralis. Länge 3 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — a — Auge: 1 — Labyrinthbläschen; ki = Kieferbogen; k!;? — Kiementaschen ; I —= Ophthalmieus; II = Mandibularis; pl — Plakode; li — Linse. Länge 3 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — 1 = Labyrinth- bläschen: my2-# = Myomeren; k2-4 — Kiementaschen; IV == Glosso- pharyngeus; V = Vagus:; sp’ = 1. Spinalnerv des Rumpfes; Ip = Lateralis. Länge 5,5 mm, Kombination von Sagitaldurchschnitten. — h = Hirn; g —= Geruchsgrube; a —= Auge; 1 = Labyrinthbläschen; myl-8 — Myomeren: m — Mundbucht: k1!-8 — Kiementaschen; hz — Herz- beutel; I = Ophthalmicus: pl — Plakode; II = Mandibularis; IIm — Maxillaris; III = Facialis; ac = Acusticus; IV = Glossopharyngeus; V — Vagus mit zwei Wurzeln; vil—4 — Visceralganglien ; Ip = Lateralis. Länge 6 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — 1 = Labyrinth- bläschen: my3—-9 — Myomeren; k2-8 — Kiementaschen: hz — Herz- beutel: TV — Glossopharyngeus: V = Vagus mit der zweiten Wurzel (sp); vil-5 = Visceralganglien; sp2-6 — Spinalnerven des Rumpfes. Tafel III. Kopfnerven von Torpedo ocellata. Länge 2,4 mm, Querdurchschnitt. — ep = Haut der Trigeminusgegend mit knospenförmigen Auswüchsen des Ektomesoderms. Länge 4 mm, Querdurchschnitt. — ep = Haut der Trigeminusgegend. ek — Ektomesoderm. Dasselbe. — ep = Haut: pl? = 2. Plakode; ek = Ektomesoderm; II — Mandibularis. Länge 2,25 mm, Querdurchschnitt. — h’ — Vorderhirn; gl = Ganglien- leiste. Dasselbe. — h‘ — Vorderhirn; a — Augenblase; gl = Ganglienleiste. Dasselbe. — h = Him: a = Augenblase; en = Entomesoderm. Dasselbe. — a = Augenblase; gl — Ganglienleiste des Trigeminus: en — Entomesoderm mit Kopfhöhlen. Dasselbe hinter der Augenblase — gl — Ganglienleiste des Trigeminus: en — Entomesoderm mit Kopfhöhlen und medianem Verbindungsstück: d = Darm; ht —= Hirntrichter. Dasselbe, Mundgegend. — gl = Spuren der Ganglienleiste; d—= Darm; en — Entomesoderm, dorsal und ventral (Kieferbogen). Dasselbe, Kiemengegend. — gl = Ganglienleiste; en = Entomesoderm; dezel)arın! Länge 3.5 mm, Querdurchschnitt. — gl = vorderste Ganglienleiste: hr—zHlien#zepe— Haut: Länge 4 mm, Querdurchschnitt. — h = Hirn; a = Augenblase; gl = Ganglienleiste des Trigeminus; ek — Ektomesoderm ; en = Entomesoderm. or 3) 62. 63. 64. 68. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 195 Dasselbe. — h - Hirn; a = Augenblase; gl = Ganglienleiste des Trige- minus (Ophthalmicus); pl! = 1. Plakode; ek — Ektomesodern, en = Entomesoderm. Dasselbe. — h = Hirn; a — Augenblase; I = Ophthalmicus; ek = Ektomesoderm; en — Entomesoderm mit Kopfhöhle. Dasselbe. — h = Hirn; II — Mandibularis; pl? = 2. Plakode; ek = Ektomesoderm; en — Entomesoderm mit Kopfhöhlen; ao — Aorta: ht — Hirntrichter. Dasselbe etwas dahinter. — II — Mandibularis;: pl? = 2. Plakode; ek — Ektomesoderm. Dasselbe, Gegend des Kieferbogens. — h — Hirn; II = Mandibularis; ek = Ektomesoderm; ao — Aorta: d = Darm. Länge 4,5 mm. Querdurchschnitt. — h — Hirn; I = Öphthalmicus: en — Entomesoderm mit Kopfhöhle. Dasselbe. — h = Hirn; a = Auge: II = Mandibularis; pl? = 2. Plakode; en — Entomesoderm mit Kopfhöhlen und Verbindungsstück ; ao = Aorta. Länge 6,5 mm, Querdurchschnitt — h = Hirn; a = Auge; II = Mandibnlaris; pl? = 2. Plakode: en — Entomesoderm mit Kopfhöhle und Verbindungsstück; ao — Aorta. Länge 7 mm, Querdurchschnitt. — I — Ganglion ophthalmicum: ep — Haut; pl! = 1. Plakode. Länge 7 mm, Frontaldurchschnitt. — I = Ganglion ophthalmicum; ep = Haut; pl! = 1. Plakode. Länge 8,5 mm, Querdurchschnitt. — I = Ganglion ophthalmicum ; ep = Haut; pl! = 1. Plakode. Tafel IV. Kopfnerven von Torpedo ocellata. Länge gegen 4 mm, Querdurchschnitt. — III = Faecialis; ek = Ekto- mesoderm links neben dem Facialis, rechts dahinter; en —= Entomeso- derm; k' = 1. Kiementasche. Länge gegen 4 mm, Querdurchschnitt. — h — Hirn; III = Facialis; ep — Haut im Übergang zur Labyrinthanlage:; la = Anlage des Lateralis anterior. Länge 3,7 mm, Querdurchschnitt. — III = Facialis; la — Lateralis anterior; ek —= Ektomesoderm: en = Entomesoderm: k! = 1. Kiemen- tasche; ki = Kieferbogen. Länge 5 mm, Querdurchschnitt. — III = Facialis; la — Lateralis anterior; en — Entomesoderm; kK' = 1. Kiementasche. Dasselbe stärker vergrössert. — 1Il = Facialis; la — Lateralis anterior. Dasselbe weiter rückwärts. — III = Faeialis; la = Lateralis anterior ; ek — Ektomesoderm:;: 1 — Anschnitt des Labyrinthbläschens; en = Entomesoderm; k! — 1. Kiementasche. Länge 7 mm, Querdurchschnitte von vorn nach hinten. — a — Fortsetzung des Ophthalmico-lateralis (ol) und des Buccalis (b) in der Haut; b — beide Äste in Berührung mit der Haut; e — Beginn der Spaltung des Lateralis anterior (la); d — der Lateralis anterior (la); III —= der zweiteilige Facialis; ek — Ektomesoderm; en — Entomesoderm ; d — Schlund. el: s0. &. A. Goette: Länge 3,5 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — IV = slossopharyngeus; ek — Anlage des Ektomesoderms; en — Entomeso- derm; hz — Anlage des Herzens: d —= Darm. Länge 3,7 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — IV = Glossopharyngeus; ek — Ektomesoderm: en = Entomesoderm; d = Kiemendarm. Länge 4-5 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — IV = Glossopharyngeus; ek — Ektomesoderm; en — Entomesoderm; d — Kiemendarm. Dasselbe, Querdurchschnitt durch die 3. Kiemenspalte. — gl = Ganglien- leiste zwischen Glossopharyngeus und Vagus; en = Entomesoderm. Länge 7 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — h = Hirn; de — Mündung des Duetus endolymphaticus; IV — Glossopharyngeus mit der neuen Wurzel; ek — Ektomesoderm; se — Seitenplatte. Länge gegen 4 mm, Querdurchschnitt. — V = Vagus: ek —= Ekto- mesoderm ; se — Seitenplatte des 4. Visceralbogens: hz — Herz. Dasselbe weiter rückwärts. — V = Vagus mit der Haut verbunden ; ek — Ektomesoderm. Länge 4 mm, Querdurchschnitt durch den 4. Visceralbogen. — V = Vagus; ek — Ektomesoderm; so — Somit: se — Seitenplatte. Dasselbe weiter rückwärts. — gl’ —= oceipitale Ganglienleiste; ek — Ektomesoderm; so — Somit. Länge 4,5 mm, Querdurchschnitt durch den 4. Visceralbogen. — V = Vagus; ek — Ektomesoderm; so — Somit; se — Seitenplatte. Länge 8 mm, Querdurchschnitt durch den 4. Visceralbogen. — V —= Vagus mit der neuen Wurzel: Ip = Lateralis posterior mit der Haut verbunden: ek — Ektomesoderm; se — Seitenplatte. Länge 3,7 mm, Querdurchschnitt hinter der 4. Kiemenspalte. — gl’ = oceipitale Ganglienleiste, verbunden mit dem 1. Visceralganglion (vi‘); ek — Ektomesoderm: so —= Somit; se — Seitenplatte. Dasselbe. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste im Übergange von der lateralen an die mediale Seite der Somiten (so); ek — Ektomesoderm ; se — Seitenplatte. Dasselbe. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste an der medialen Seite des 4. Myomers (my). Länge 4,5 mm, Querdurchschnitt. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste; vi! — 1. Visceralganglion; ek = Ektomesoderm; so — Somit; se = Seitenplatte des 3. Visceralbogens. Dasselbe. — Querdurchschnitt durch die 5. Kiementasche (k°); gl’ = oceipitale. Ganglienleiste; vi” —= 2. Visceralganglion, mit dem Ekto- mesoderm (ek) verbunden. Dasselbe einige Schnitte weiter. — gl’ = occipitale Ganglienleiste; so — Somit; vi = Visceralganglion mit Ektomesoderm (ek). Länge 6,5 mm, Querdurchschnitt durch den 5. Visceralbogen. — gl’ — occipitale Ganglienleiste; ek — Ektomesoderm ; se = Seitenplatte; Ip —= Lateralis posterior. 89. g0. 91. 92. 9. 9. 96. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 157 Länge ? mm, Querdurchschnitt durch den 4. Visceralbogen, aber hinter dem Vagus. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste ; Ip = Lateralis posterior. Dasselbe, Querdurchschnitt durch den 5. Visceralbogen. — gl’ — occi- pitale Ganglienleiste ; Ip — Lateralis posterior: vi! — 1. Visceralganglion ; ek — Ektomesoderm. Dasselbe, Querdurchschnitt durch den 6. Visceralbogen. — gl’ — occi- pitale Ganglienleiste: Ip — Lateralis posterior ; vi” — 2. Visceralganglion ; ek —= Ektomesoderm: se — Seitenplatte. Länge S mm, Querdurchschnitt durch den 5. Visceralbogen. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste: vi! — 1. Visceralganglion: Ip — Lateralis posterior mit der Haut verbunden: ek —= Ektomesoderm. Dasselbe, Querdurchschnitt durch den 6. Visceralbogen. — gl’ — oceci- pitale Ganglienleiste, dorsal einwärts vom 4. Myomer (my*), ventral auswärts von ihm; Ip — Lateralis posterior; vi? — 2, Visceralganglion ; ek — Ektomesoderm. Tafel V. Kopfnerven von Torpedo ocellata. Länge 5 mm, Kombination zweier Frontaldurchschnitte. — 1 — Labyrinth- grube; h — Medullarrohr:; my!—4 — Myomeren; gl = Ganglienleiste vom Glossopharyngeus an; lp — Lateralis posterior. Länge 9 mm, Kombination einiger Frontaldurchschnitte. — 1 — Labyrinth- bläschen ; ep = Haut; my !—4 = Myomeren; gl = Ganglienleiste; IV — Glossopharyngeus ; V — Vagus; vil-4— Visceralganglien:; Ip — Lateralis posterior; sp — Spinalnerven des Rumpfes. Länge 4,5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h’ — Vorder- hirn; h“ — Mittelhirn; a —= Auge; 1 = Labyrinthgrube; en = Ento- mesoderm des Vorderkopfes mit Kopfhöhlen; ek — Ektomesoderm des Vorderkopfes und der Visceralbögen neben den (längsgestreiften) Seiten- platten ; k1-4 — Kiementaschen ; gl — vorderster Abschnitt der Ganglien- leiste; I = Ophthalmicus; II = Mandibularis; III = Facialis; ac — Acusticus; IV = Glossopharyngeus; V — Vagus; gl’ — oceipitale (Ganglienleiste; sp — Spinalnerven des Rumpfes; my — Myomeren. Länge 6 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h‘ — Vorder- hirn; h“ — Mittelhirn; a — Auge; 1 — Labyrinthgrube; ek — Ekto- mesoderm des Vorderkopfes; k1-6 — Kiemenspalten: gl — Vorderende der Ganglienleiste (primärer Trochlearis); I — Ophthalmicus; pl! — Einsenkung der 1. Plakode ; II = Mandibularis; la — Lateralis anterior; III = Facialis; ac = Acusticus; IV = Glossopharyngeus; V — Vagus; gl’ — oceipitale Ganglienleiste mit den Anlagen der Visceralganglien und des Lateralis posterior, sp — Spinalnerven des Rumpfes. Länge 7 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h’ — Vorder- hirn; h‘' — Mittelhirn; a = Auge; 1 — Labyrinthbläschen; k1-6 — Kiemenspalten; ek — epibranchiale Wülste des Ektomesoderms; gl — Vorderende der Ganglienleiste (primärer Trochlearis) ; I — Ophthalmicus; pl! —= Einsenkung der 1. Plakode; II —= Mandibularis; la — Lateralis an ot Rn In 99. 100. 101. 102. 103. 104. A. Goette: anterior: III = Facialis; ac — Acusticus; IV. = Glossopharyngeus; V— Vagus; gl’ — oceipitale Ganglienleiste; vil,2 — Visceralganglien ; Ip = Lateralis posterior; sp — Spinalnerven des Rumpfes. Länge 10 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h‘ — Vorder- hirn; h“ — Mittelhirn; a — Auge; 1 — Labyrinthbläschen; k1-6 — Kiemenspalten; ek — epibranchiale Wülste des Ektomesoderms; gl — Vorderende der Ganglienleiste (primärer Trochlearis) ; I— Ophthalmieus; pl = 1. Plakode; II —= Mandibularis; la — Lateralis anterior; ol — Ophthalmico-lateralis; b — Buccalis; III — Faecialis; IIIh — Hyoideus; IIIm = Mandibularis externus; x — Ramus praetrematicus; ac — Acusticus; IV — Glossopharyngeus; V — Vagus; vil-3 — Visceral- ganglien; sp — Spinalnerven des Rumpfes; Ip — Lateralis posterior. Länge 16 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — & — Geruchs- grube;: a — Auge: 1 — Labyrinthbläschen: k1-6 — Kiemenspalten; t — Trochlearis: Ip — Ophthalmiecus profundus: Is — Ophthalmicus superficialis: II — Mandibularis; Ilm — Maxillaris; ol = Ophthalmico- lateralis; b —= Buccalis; III = Facialis; IIIh — Hyoideus; IIIm — Mandibularis externus: x — Ramus praetrematicus; IV — Glosso- pharyngeus; V = Vagus; vil—4 — occipitale Visceralnerven; xx — Rami praetrematiei; sp — Spinalnerven des Rumpfes:; Ip — Lateralis posterior. Kopfnerven von Amia calva. Länge 6,5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — n — Nase; a — Auge; 1] = Labyrinthbläschen; my?-4 — Myomeren; k2-6 — Kiemenspalten: Ip — Ophthalmicus profundus; IIm — Maxillaris; II — Mandibularis; ol = Ophthalmieco-lateralis; b — Buccalis, III — Facialis; ac — Acustieus; IV — Glossopharyngeus ; V = Vagus mit Ramus praetrematicus: sp! — 2. Vaguswurzel; sp” — Spinalnerv des Rumpfes; vil—-3 — Visceralganglien; lp — Lateralis posterior mit dorsaler und ventraler Portion. Tafel VI. Kopfnerven von Siredon pisciformis. Länge 2.5 mm, Querdurchschnitt. — h' — Vorderhirn: h‘‘ — Hinter- hirn; gl — Ganglienleiste; ek — Ektomesoderm. Dasselbe. — h‘ — Vorderhirn mit Augenanlage; h’' — Mittelhirn; gl — Ganglienleiste; ek — Ektomesoderm ; pl— Plakode; en — Ento- mesoderm. Dasselbe. — h‘' — Hinterhirn: a = Augenanlage: a] — Ganglienleiste ; pl = Plakode: en — Entomesoderm: d — Darm. Länge gegen 3 mm, Querdurchschnitt. — h — Hirn: gl — vorderste Ganglienleiste; ek! — 1. Kktomesoderm. Dasselbe. — a — Augenanlage; ek! — 1. Ektomesomer:; en — Ento- mesoderm. 105. 110. I 112. 113. 114. 115. 116. 118. 119: 122. 123. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 159 Dasselbe. — a — Augenanlage; gl — Ganglienleiste (Trigeminus); ek! — 1. Ektomesomer: pl — Plakode; en — Entomesoderm. Dasselbe. — a — Augenanlage: gl = Ganglienleiste (Trigeminus); ek! — 1. Ektomesomer; ek?’ —2. Ektomesomer (vergl. 118): en = Ento- mesoderm: k! — Vorderende der 1. Kiementasche. Länge 3 mm, Querdurchschnitt. — h‘ = Mittelhirn: gl = vorderste Ganglienleiste, rechts mit der Haut verschmolzen. Dasselbe. — gl — vorderste Ganglienleiste in Verschmelzung mit dem Hirn. Dasselbe. — Die Verschmelzung der Ganglienleiste mit dem Mittelhirn ist vollendet; ek — Ektomesoderm. Länge 3,5 mm, Querdurchschnitt. — h‘ — Vorderhirn mit Augenanlage; h‘' — Hinterhirn; I = Ophthalmieus: ek! —= 1. Ektomesomer: en — Entomesoderm. Dasselbe. — h’ — Vorderhirn; h‘' — Hinterhirn: I — Ophthalmicus: ]I —= Mandibularis: ek! — 1. Ektomesomer: en — Entomesoderm. Dasselbe. — h‘'“ = Hinterhirn; ht — Hirntrichter; ek! = 1. Ekto- mesomer: en — Entomesoderm, dorsal und im Kieferbogen (ki); d = Darm. Länge 4 mm, Querdurchschnitt. — h’ — Vorderhirn; h‘' — Hinterhirn: & — Geruchsplatte; I = Ophthalmieus; pl = Plakode; ek' — 1. Ekto- mesomer: en — Entomesoderm. Dasselbe. — a — Augenblase, I = Ophthalmieus, IT — Mandibularis: ek! — 1. Ektomesomer; en — Entomesoderm. Dasselbe. — a — Augenblase: ek' — 1. Ektomesomer; la — Vorder- ende des Lateralis anterior; en — Entomesoderm. Länge 4—5 mm, zwei in geringem Abstand aufeinander folgende Quer- durchschnitte des Ophthalmicus (I) und der Plakode (pl). Länge 6—7 mm, Querdurchschnitt. — h‘“ —= Hinterhirn; ht — Hirn- trichter; a — Hinterende der Augenblase: ms — Kiefermuskeln ; II — Mandibularis ; la — Lateralis anterior. Länge gegen 3 mn, Querdurchschnitt. — h‘‘ — Hinterhirn; a — An- schnitt der Augenblase ; III — Facialis; ek' — 1. Ektomesomer; ek? — 2. Ektomesomer; en — Entomesoderm; d — Darm: k! = 1. Kiemen- tasche. Dasselbe. — III = Facialis; 1 = Labyrinthanlage; ek? = 2. Ekto- mesomer über dem 2. Visceralbogen; en — Entomesoderm: d — Darm. Länge 35 mm, Querdurchschnitt. — III — Facialis: la — Lateralis anterior; en — Entomesoderm: k! — 1. Kiementasche: ki — Kiefer- bogen mit Ekto- und Entomesoderm. Dasselbe. — | — Labyrinthanlage: ek? — 2. Ektomesomer ; en — Ento- mesoderm; d = Darm; ki — Kieferbogen. Dasselbe. — 1 — Labyrinthanlage: ek —= 2. Ektomesomer: en — Ento- mesoderm ; se — Seitenplatte; d —= Darm. Länge 4 mm, Querdurchschnitt. — 1— Anschnitt der Labyrinthanlage: III — Facialis; la — Lateralis anterior (siehe 115); en — Entomeso- derm; ki — Kieferbogen; ek! — 1. Ektomesomer; ht — Hirntrichter. 126. 140. 141. A. Goette: Dasselbe. — 1 — Labyrinthanlage; gl = Ganglienleiste; ek? — 2, Ekto” d mesomer; en — Entomesoderm: — Darm; ki — Kieferbogen ; ek! — 1. Ektomesomer. Länge 4—5 mm, Querdurchschnitt. — III = Facialis; la — Lateralis anterior; ek® — 2. Ektomesomer; en — Entomesoderm, se — Seiten- platte; d— Darm. Länge 6-7 mm, Querdurchschnitt. — la — Wurzel des Lateralis anterior; III — Wurzel des Facialis; IIIp — Palatinus; ms — Kiefer- muskeln; ek — 1. und 2. Ektomesomer vereinigt; d— Darm; k'! — ah- gelöste 1. Kiementasche. Dasselbe. — de — Duetus endolymphaticus; I] — Labyrinthbläschen ; II — Facialis; IIIp — Palatinus; ms — Kiefermuskeln; ek — 1. und 2. Ektomesomer vereinigt; d— Darm; k' — abeelöste 1. Kiementasche. Tafel VII. Kopfnerven von Siredon pisciformis. Länge gegen 3 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — IV — Glossopharyngeus; ek? — 3. Ektomesomer. Länge 3,5 mm, Querdurchschnitt durch den 3. Visceralbogen. — IV — Glossopharyngeus: ek? — 3. Ektomesomer. Dasselbe, Übergang zum 4. Visceralbogen. — ek? — 3. Ektomesomer. Länge 5 mm, Querdurchschnitt. — h= Hirn; IV — Glossopharyngeus mit der Anlage seiner sekundären Wurzel. Länge 6-7 mm, Querdurchschnitt. — IV — Glossopharyngeus: 0: — vorderes Ganglion des Lateralis posterior mit Hautzweig; ms — vor- geschobene Muskelplatte; k* — 2. Kiementasche; hy — Hyoidbogen. Länge 2—3 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; ce — Chorda: myi-3 — Myomeren; V — Vagus; Ip = Lateralis posterior. Länge gegen 3 mm, Querdurchschnitt durch den 4. Visceralbogen. — V — Vagus; ek*— 4. Ektomesomer; Ip — Lateralis posterior. Dasselbe, Anfang des Rumpfes. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste. Länge 3,5 mm, Querdurchschnitt. — V — Vagus; Ip — Lateralis posterior: ek! — 4. Ektomesomer; en — Entomesoderm; se — Seiten- platte des 4. Visceralbogens. Dasselbe. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste; Ip — Lateralis posterior; ek* — 4. Ektomesomer; so — Somit. Dasselbe. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste; Ip — Lateralis posterior ; ek* — 4. Ektomesomer; so — Somit. Länge 5 mm, Querdurchschnitt. — V — Vagus; Ip— Lateralis posterior; ek* — 4. Ektomesomer ; my '—= 1. Myomer ; ms — vorgeschobene Muskel- platte: se — Seitenplatte. Dasselbe. — gl’ — occipitale Ganglienleiste; Ip — Lateralis posterior; vi’ — Vorderende des 1. Visceralganglions; ek* — 4. Ektomesomer: my — Myomer. Dasselbe. — gl’ — oceipitale Ganglienleiste ; Ip’ — Hauptganglion des Lateralis posterior; Ip® — seine hintere Portion (siehe 148 und 149): 143. 144. 148. 149. 150. ok 152. 153. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 161 vi! — 1. Visceralganglion ; ek* — 4. Ektomesomer: my” — 3. Myomer; se — Seitenplatte: kK* — zurückgeschobene 4. Kiementasche ; d — Darm. Länge 6 7 mm, Querdurchschnitt. — V — Vagus mit sekundärer Wurzel: Ip — Lateralis posterior; my! = äussere und innere Portion des 1. Myomers; k® = 3. Kiementasche. Dasselbe. — sp! = Wurzel des 1. Spinalnervs des Rumpfes; V — zwei Vagusäste: Ip = Lateralis posterior; vi! = 1. Visceralganglion; my' = 1. Myomer; t = Thymus. Länge 3 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; k1-3 — Kiementaschen; en — Entomesoderm des Vorderkopfes: ek! — 1. Ektomesomer (Kiefer- bogen); ek? — 2. Ektomesomer (Hyoidbogen); ek3 4 — 3. und 4. Ekto- mesomer (1. und 2. Kiemenbogen); ms — Kiefermuskeln ; se! — Seiten- platte (Muskeln) des Hyoidbogens; se2, 3 — Seitenplatten (Muskeln) der zwei ersten Kiemenbogen: so = Somit. Länge 4 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; e = Chorda; k' — Haut- leiste der 1. Kiementasche; pl = Plakode; I = Ophthalmieus; ek! — die vier Ektomesomeren: sei—-3 — die Seitenplatten (Muskeln) des Hyoidbogens und der zwei ersten Kiemenbogen. Länge gegen 5 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; my1-+ — Myo- meren: V = Vagus; sp', sp? — 1. und 2. Spinalnerv des Rumpfes. Dasselbe. — h = Hirn; ce = Chorda; 1 = Labyrinthbläschen ; my! = Myomeren; V = Vagus; Ip! = Wurzelbildung des Lateralis posterior; Ip? = sein mit der Haut verbundenes Hauptganglion. Dasselbe. — h = Hirn: e = Chorda, 1 — Labyrinthbläschen; Myomeren wie vorher; V — Vagus zwischen beiden Portionen des 1. Myomers; Ip! = vorderes und Ip? — hinteres (Haupt-) Ganglion des Lateralis posterior; Ip” seine hintere Portion. Länge etwas über 5 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn; ce = Chorda, 1 = Labyrinthbläschen ; my!—#+-- Myomeren; ge = Gefäss; IV — Glosso- pharyngeus; V = Vagus; Ip? = Hauptganglion des Lateralis posterior: Ip? = seine hintere Portion. Dasselbe. — ce — Chorda; 1 = Labyrinthbläschen ; my !-+= Myomeren; ge = Gefässe: IV = Glossopharyngeus; V = Vagus; Ip? = Haupt- sanglion des Lateralis posterior; 1p° = seine hintere Portion ; Iv = seine ventrale Portion; ek* = 4. Ektomesomer. Länge 6 mm, Frontaldurchschnitt. — h = Hirn: e = Chorda; |] = Labyrinthbläschen: my1—-6 — Myomeren; ge = Gefäss: IV = Glosso- pharyngeus; V — Vagus: Ip! = vorderes kleines Ganglion des Lateralis posterior: Ip? = sein Hauptganglion; ld = dessen dorsaler Ast; Ip” — seine hintere Portion (mittlerer Ast). Dasselbe. — h = Hirn; 1= Labyrinthbläschen;; ge = Gefäss; my! — Myomeren: IV = Glossopharyngeus: V = Vagus; Ip? = Hauptganglion des Lateralis posterior: Im — sein mittlerer Ast. Länge 8 mm, Kombination von drei Frontaldurchschnitten. — h = Hirn; 1 = Labyrinthbläschen; my2 3 = Myomeren; IV — Glossopharyngeus; V = Vagus; sp! = seine 2, Wurzel; Ip! = vorderes Lateralganglion mit Hautast; Ip? = Hauptganglion des Lateralis posterior. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. ja A. Goette: Tafel VIH. Kopfnerven von Siredon pisciformis. Länge 4—-5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h' — Vorderhirn; a = Auge; 1 = Labyrinthbläschen ; my2—+ — Myomeren:; k1-5 — Kiementaschen; I = Ophthalmicus; II = Mandibularis:;: la — Lateralis anterior; III = Facialis; ac = Acusticus; IV = Glosso- pharyngeus; V — Vagus; sph,2 — 1. und 2. Spinalnerv des Rumpfes; Ip — Lateralis posterior; vi' = 1. Visceralganglion. Länge 5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — g = Geruchs- grube; a—= Auge: 1 = Labyrinthbläschen; k1!-5 — Kiementaschen, der Kieferbogen (ki) und die folgenden Visceralbögen mit den Anlagen der Kiefer- und übrigen Visceralmuskeln (längsgestreift): ek1-4 — die vier Ektomesomeren; I — Ophthalmicus; II = Mandibularis; la = Lateralis anterior: III = Facialis: ac = Acusticus; IV = Glossopharyngeus; V = Vagus mit 2. Wurzel (1. Spinalnerv des Rumpfes); vih2 — 1. und 2. Visceralganglion: Ip! = vorderes Ganglion des Lateralis posterior: Ip? = sein Hauptganglion:; Id — sein dorsaler Ast; Im = der mittlere, lv = der ventrale Ast. Länge etwas über 5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h‘ = Vorderhirn; h‘ = Mittelhirn; ep = Epiphyse; pa = Paraphyse; & — Geruchsgrube: a = Auge; 1 — Labyrinthbläschen; my&3 — Myo- meren; k1-5 — Kiementaschen: hz = Herz: I = ÖOphthalmieus; II — Mandibularis; la — Lateralis anterior; III = Facialis; ac = Acusticus; IV = Glossopharyngeus; V = Vagus mit 2. Wurzel sp! (= 1. Spinal- nerv des Rumpfes) und zwei ventralen Zipfeln; sp? — 2. Spinalnerv des Rumpfes (Hypogelossus); vib2 — 1. und 2. Visceralganglion: Ip! = vorderes Ganglion des Lateralis posterior; Ip* — sein Hauptganglion.- Länge 10 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — h’ = Vorder- hirn; h“ — Mittelhirn; ep = Epiphyse; pa = Paraphyse; g = Geruchs- grube; a — Auge: 1 — Labyrinthbläschen; m — Mund: d = Darm mit 1.—5. Kiementasche; das knorpelige Visceralskelett ist schraffiert (4 = Quadratum, ma — Mandibula, hy = Hyoideum, 1.—3. Kiemenspange) ; hz = Herz; I = Ophthalmieus: II = Mandibularis; la — Lateralis anterior; ol — Öphthalmico-lateralis:;: b = Buccalis; III — Facialis; IIIh = Hyoideus: IIIm — Mandibularis externus: ac — Acusticus; IV — Glossopharyngeus mit Ast zum Hyoideus; V — Vagus mit 2. Wurzel (sp‘) und zwei Ästen für den 4. und 5. Visceralbogen; sp? — Hypo- glossus: sp? = 3. Spinalnerv des Rumpfes; vi, 2— 1. und 2. oceipitaler Visceralnerv; Ip! — Lateralis des Hinterkopfes; Ip? — Lateralis des Rumpfes. Länge 25 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — n = Nase; a — Auge; m = Mund; hz = Herz; der Schädel, die zwei ersten Wirbel- bögen und das Visceralskelett (siehe 157) sind schraffiert: op — Opticus; ao — Schädelloch für die A. ophthalmica und den Oculomotorius (siehe 177-179); Ip = Ophthalmieus profundus mit drei dorsalen, einem Nasal-, Gaumen- und einem Schädelast z (letzterer aus einem älteren Stadium 159. 160. 161. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 163 hinzugefügt); IT— Mandibularis; x = seine Kommissur zum Buccalis (b); ol = Ophthalmico-lateralis: III — Facialis; IIIp — Palatinus: IIIh — Hyoideus; IIIm = Mandibularis externus; IIIx = Mentalis: ac — Acusticus ; IV — Glossopharyngeus; y — seine Kommissur zum Hyoideus; V = Vagus mit 2. Wurzel (sp!) und zwei Ästen für den 4. und 5. Visceral- bogen; vn’ —1. oceipitaler Visceralnerv mit Ramus praetrematicus (vn): i — N. intestinalis; sp” — Hypoglossus: sp® = 3. Rumpfnerv; Ip', Ip? — Lateralnerv des Hinterkopfes und des Rumpfes, Die Kopfnerven von Rana esculenta. Länge 5 mm, Kombination von Sagittaldurchschnitten. — n — Nase; a — Auge; 1 — Labyrinthbläschen ; my 2-4 — Myomeren ; k1—-5 = Kiemen- taschen; hz — Herz: I = Ophthalmieus: IT — Mandibularis; IIm — Maxillaris;: la — Lateralis anterior: III = Facialis; ac = Acusticus; IV — Glossopharyngeus; V — Vagus mit zwei Kiemennerven; sp! — seine 2. Wurzel (1. Spinalnerv des Rumpfes); sp? — Hypoglossus; vil,2 — 1. und 2. Visceralganglion; Ip = Lateralis posterior. Tafel IX. Die Augenmuskelnerven. Siredon pisc., Länge 13 mm. — 0! = ÖOculomotorius 1: ei = M. obliquus inferior; r = M. rectus inferior. Siredon pisc., Länge 11,5 mm. — o! = ÖOculomotorius 1: oi = M. obliquus inferior; r = M. rectus inferior. Siredon pisc., Länge 20 mm. — 0! = Oeculomotorius 1: r = M. reetus inferior Siredon pisc., Länge 20 mm. — o!= Oculomotorius 1; oi = M. obliquus inferior; r — M. recetus inferior. Siredon pisc.. Länge 20 mm. — 0° = ÖOculomotorius 3: r = M. rectus inferior; Ip = Ophthalmicus profundus. Siredon pisc., Länge 40 mm, schwächer vergrössert als 164. — 0° — Oculomotorius 3; go — Ganglion ciliare: Ip = Ophthalmieus pro- fundus; ao — Art. ophthalmica. Siredon pisc., Länge 40 mm, Querdurchschnitte des Oculomotorius 4 (o*), von innen nach aussen aufeinander folgend und stärker ver- grössertt. — a, b = die in Entstehung begriffene Wurzel: ce = das dünne proximale Ende des Nervenstranges, der sich distalwärts ver- dickt (d); ‘e, f = schräge Schnitte; h = Hirn; ge = Gefäss. Torpedo ocellata, Länge 7 mm. — o*= Wurzel des Oculomotorius am Hirn (h). Torpedo ocellata, Länge 8,5 mm. — Ebenso. Torpedo ocellata, Länge 12 mm. -— Ebenso. Torpedo ocellata, Länge 16 mm. — Ebenso. Siredon pisc., Länge 13 mm. — ab = Abducens: x — sein freies hinteres Ende: ıt — M. retractor bulbi. Siredon pisc., Länge 25 mm. — ab = proximales Stück des Abducens mit einer Mesenchymzelle (me) am hinteren Ende (siehe 177). EI: IT), A, Goetitie: Siredon pise.. Länge 40 mm — Ein Stück des verdickten viel- kernigen Abducens. Siredon pise.,, Länge 13 mm. — t = erste Anlage des Trochlearis: os = M. obliquus superior. Siredon pisc., Länge 19 mm. — t = Trochlearis; os = M. obliquus superior: I?” — 3. dorsaler Ast des Ophthalmieus. Siredon pisc., Länge 20 mm. — t = Trochlearis aus drei unmittelbar aufeinander folgenden Sagittaldurchschnitten a, b, ec; os = M. obliquus superior; 1? = 3. dorsaler Ast des Ophthalmieus profundus. Siredon pisc., Länge 25 mm, Kombination von Saeittaldurch- schnitten. — h‘ = Vorderhirn; h’ = Mittelhirn: os = M. obliquus superior; oi — M. obliquus inferior; r = M. rectus inferior; rs = M. rectus superior; re = M. rectus externus; rt = M. retractor; op = Querdurchschnitt des Optieus; ao — Querdurchschnitt der Art. ophthal- mica: I = Ganglion ophthalmicum ; Ip = Ophthalmieus profundus, ein Mittelstück ausgeschnitten, mit drei dorsalen Ästen, einem vorderen Nasalast und einem unteren Gaumenast; II = Mandibularis; 01-3 — OÖculomotorius 1—3; 0 * = Oculomotorius 4: ab — Abducens (siehe 172): t = Trochlearis. Siredon pisc. Länge 40 mm, Kombination von Sagittaldurch- schnitten. — Bezeichnungen wie vorher; an der Stelle der Verbindung aller Oculomotoriusäste liegt das Ganglion ciliare. Siredon pise., Länge 65 mm, wie vorher. Tafel X. Zur Histiogenese der Kopfnerven. Petromyzon fluviatilis, Länge 7 mm, Mediandurchschnitt der hinteren Hirnkommissur. Petromyzon fluv., Länge 8 mm, dasselbe. Petromyzon fluv., Länge 19 mm, dasselbe. Siredon pisc., Länge 25 mm, Querdurchschnitte durch den Opticus, a — am Hirn, b, ce = weiter distalwärts. Siredon pisc., Länge 40 mm, Querdurchschnitt durch den Optieus. Siredon pisc., Länge 8 mm, Frontaldurchschnitt. — Entstehung von Ast und Zweigen des vorderen Ganglions vom Lateralis posterior, ep = Haut; Ip! = Ganglion; x = Hauptnerv: y = Seitenzweig: me = Mesenchymzellen (vergl. 153). Siredon pisc. Länge 11,5 mm, Sagittaldurchsehnitt. — vn! = 1. oceipitaler Visceralnerv ; y = Seitenzweige aus Mesenchymzellen ent- stehend ; ms = Kiemenmuskel. Dasselbe. — vn' = 1. oceipitaler Visceralnerv; y = Seitenzweige aus Mesenchymzellen entstehend. Siredon pisc., Länge 6—7 mm, Frontaldurchschnitt. — Ip? = Haupt- ganglion des Lateralis posterior und seine Fortsetzung in den Nerven- stamm. Siredon pisc. Länge 85 mm, Frontaldurchschnitt. — Ip* Haupt- ganglion des Lateralis posterior und sein Nervenstamm. 190. 191. 192 195. 194. 193. Die Kopfnerven bei Fischen und Amphibien. 165 r 1 Siredon pisc., Länge 11,5 mm, Sagittaldurchschnitt. — Ip? = Haupt- ganglion des Lateralis posterior und sein Nervenstamm; Differenzierung der Ganglienzellenbildner (z) mit grossen hellen Kernen und des Hüll- gewebes (x) mit kleinen dunklen Kernen; nv = Nervenstrang. Siredon pisc., Länge 25 mm, Frontaldurchschnitt. — vi! = Teil des 1. oceipitalen Visceralganglions mit Ganglienzellenbildnern (z) und Hüll- gewebe (x); kt = Kernteilung. Dasselbe von der Peripherie des Ganglions. — z = vielkernige Ganglien- zellenbildner; x — Hüllgewebe. Siredonpisc., Länge 40 mm, Sagittaldurchschnitt. — Teil des Vagus- ganglions mit ein- und vielkernigen Ganglienzellenbildnern (z); x = Hüllgewebe. Dasselbe. — Aus Teilungen hervorgegangene Gruppen von Ganglien- zellenbildnern des Vagus (z); x = Hüllgewebe. Dasselbe. — Eine in Trennung begriffene Gruppe von Ganglienzellen- bildhern aus dem Hauptganglion des Lateralis posterior ; x = Hüllgewebe. Y 2 1°, Fur; D Een “ ie OR 10} an; NT, EFF A; { a #7 PEYS { 2 ER N ER iv BANTA i Fi Y x f bp 7ER \ RER 167 Aus dem Anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Streifen Z und M der quer- gestreiiten Muskelfasern. Hierzu Tafel XI und 2 Textfiguren. Bei der Untersuchung der Darmmuskulatur der Arthropoden, insbesondere der Urustaceen, mit Hilfe der neueren Muskelmethoden wurde meine Aufmerksamkeit auf die zierlichen Muskelnetze der Mitteldarmdrüse der Crustaceen gelenkt. Da sich kein Forscher seit Max Weber (1880) eingehend mit diesen in vieler Hinsicht merkwürdigen Muskelnetzen befasst hat, stellte ich mir die Aufgabe, ihre eigenartigen Strukturverhältnisse klarzulegen. Ich zögere nicht, die Ergebnisse dieser Unter- suchungen der Öffentlichkeit zu unterbreiten, während bis zur Beendigung der ursprünglich geplanten Arbeit noch einige Zeit verstreichen dürfte. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, der angenehmen Pflicht zu genügen, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Oscar Hertwig, für das mir bewiesene Wohlwollen meinen ergebensten Dank auszusprechen. Auch dem ersten Assistenten des Anatomisch-biologischen Instituts, Herrn Prof. Dr. Poll, sage ich für das meinen Arbeiten entgegengebrachte Interesse meinen besten Dank. Historisches. 1. Die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse. H. Karsten (62) hat die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Iso- poden und von Potamobius astacus (Astacus fluviatilis) zuerst gesehen (1845) und auch abgebildet. In seinen Figuren ist zum Teil die Querstreifung der Ringfasern angedeutet. Auch die vielfache Verästelung der Längsverbindungen Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt I. 12 168 W. Pump: hat er bereits dargestellt. Aber die Netze selbst deutet er falsch, wenn er glaubt, „Kapillarnetze*“ vor sich zu haben. Frey und Leuckart (37) haben einen wichtigen Schritt in der Erkenntnis der in Frage stehenden Muskelnetze vorwärts getan. Sie schreiben von den Schläuchen der Mittel- darmdrüse: „Überall findet man als das Gerüst eine deutliche strukturlose membrana propria, an deren Aussenseite gewöhnlich noch Muskelfasern an- getroffen werden. Diese sind niemals so zahlreich vorhanden, dass sie eine bestimmte kontinuierliche Schichte bildeten. Man findet vielmehr, dass sie in beträchtlichen Abständen voneinander wie Leisten der membrana propria aufliegen“ (37, S. 222). Die Autoren täuschen sich jedoch in bezug auf die Muskelnetze bei den Isopoden, wenn sie fortfahren: „Beinahe alle (Muskel- fasern) haiten einen transversalen Verlauf ein, während nur selten longitudinale, die ersteren miteinander verbindende Fasern angetroffen werden“ (37, S. 222). Leydig (71, 72) hat den Aufbau der Muskelnetze richtig erkannt. Er fand um die Tunica propria der „Leberschläuche“ von Oniscus und Gammarus herum Muskelfasern. Sie sind „im Einklang mit der Darm- muskulatur zirkulär angeordnet, verlaufen auch wohl nach der Länge und verbinden sich zu Netzen“ (72, S. 363). v. La Valette St. George (135) hat nicht nur die Ringmuskelfasern (bei Gammarus puteanus) als quergestreifte Fasern abgebildet und beschrieben, sondern ebenso deren Längsverbindungen, von denen er folgendes berichtet: „(tractus appendices) musculis instructi sunt fortioribus, annulos in retis formam coniunctos efficientibus. Quorum musculorum contractione organa illa con- strietam accipiunt speciem“ (135, S. 9). In seiner Fig. 5, Taf. II, verlaufen die Anastomosen durchweg genau senkrecht zu den Ringfasern, selten schräg. Auch die Vereinigung zweier Anastomosen in der Mitte zwischen zwei Ring- fasern hat er dargestellt. E. Haeckel (42) ist die Muskulatur der Mitteldarmdrüse bei seinen Untersuchungen „über die Gewebe des Flusskrebses“ völlig entgangen. G.O.Sars (113) schildert die Muskelnetze der Malacostraca des Süss- wassers von Norwegen. Die Ringfasern bildet er allerdings ohne Querstreifen ab. Aber das häufig zu beobachtende Zusammentreffen je zweier Längs- verbindungen vor Eintritt in die Ringfasern hat er in seine Fig. 28, Taf. IV, richtig eingezeichnet. Spangenberg (130) sagt in seinem Beitrag „zur Kenntnis von Branchipus stagnalis“ (S. 35): „Die Leberausstülpungen zeigen den nämlichen Bau wie der Mitteldarm, nur sind ihre Muskeln etwas anders angeordnet und zahlreicher verzweigt. Soweit ich sehen konnte, strahlen dieselben vom Scheitel der Blase aus und stellen so, indem sie sich seitlich miteinander verbinden, ein enges Muskelnetz her.“ Gerstaecker (40) begnügt sich inBronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches mit einem Hinweis auf die Untersuchungen Leydigs (71, 72). Max Weber (142) hat eine vortreffliche Schilderung der in Frage stehenden Muskelnetze gegeben. Was den gröberen Bau der Muskelnetze betrifft, kommt er im wesentlichen zu den gleichen Resultaten wie Leydig, v. La Valette St.George und G. O.Sars. Aber über den feineren Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 169 Bau der Netze macht er mehr Angaben als die genannten Forscher. Er spricht sich über den feineren Bau der quergestreiften Muskelnetze dahin aus, „dass die zirkulären Muskelfasern einer grossen, ringförmig ausge- wachsenen Zelle entsprechen und dass die longitudinalen Verbindungsfasern nicht einem zweiten der Länge nach verlaufenden System von Fasern an- gehören, sondern Ausläufer der Muskelzellen sind, die sich mehr oder weniger regelmässig bald untereinander, bald mit den benachbarten Ringfasern ver- banden. Zur Stütze dieser Ansicht lässt sich zu jeder Ringfaser je ein zugehöriger Kern nachweisen. Diese Kerne haben das Eigentümliche, dass sie sämtlich nahezu in einer Richtung auf einer Seite des Drüsenschlauches liegen, was sich wieder durch das Studium der Embryonen — mir standen nur Embryonen von Asellus aquaticus zu Gebote, doch dürften sich wohl die dort gefundenen Verhältnisse auch auf die Landasseln ausdehnen lassen — dahin erklärt, dass ursprünglich einer Seite des Schlauches grosse Zellen auf- lagen, welche sich spindelförmig auszogen, daraufhin den Schlauch umgreifend, einen geschlossenen Ring, den zirkulären Muskelfaden, bildeten und endlich durch seitliche Ausläufer die longitudinalen Fasern entstehen liessen“ (142, S. 396 f.). „Wir haben demgemäss hier wahre quergestreifte Muskelzellen vor uns“ (142, S. 411). Da die Untersuchungen M. Webers noch heute von grundlegender Bedeutung sind, werde ich später bei der Beschreibung der einzelnen Muskel- netze wiederholt auf sie zurückkommen. P. Mayer (81) befindet sich in bezug auf das Muskelnetz in völliger Übereinstimmung mit Max Weber (142). Auch J. Frenzel (34—36) knüpft an Max Weber (142) an. Aber seine Arbeiten haben ausschliesslich physiologischen Charakter. Die Muskulatur lässt er völlig ausser acht. Huet (55) stellt nur in kurzen Worten die Existenz der Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Isopoden fest. Aber seine Fig. 6, Taf. XIV, die das Muskelnetz von Porcellio scaber zur Darstellung bringt, lässt eine Deutung zu, die im wesentlichen mit meinen Ergebnissen übereinstimmt. C. Claus (19) kommt auf Grund seiner Untersuchungen „über Abseudes Latreilii Edw.“ zu folgendem Ergebnis: „Dem feineren Bau nach schliesst sich die Mitteldarmdrüse eng an die der Isopoden an. Auf eine äussere bindegewebige, mit Fettkugeln erfüllte Serosa folgt eine Lage von Ringmuskeln. durch deren Kontraktionen die Schläuche ein perlschnurähnliches Aussehen haben. Es sind bandförmige Muskelzellen, welche in ziemlich regelmässigen, etwa der Länge einer Leberzelle entsprechenden Intervallen ringförmig über die Tunica propria ausgespannt sind und untereinander durch zarte longitudinale Ausläufer in Verbindung stehen“ (19, S. 44). Wie diese Arbeit, so geht auch die aus dem Jahre 1889 (20) nicht über Max Weber (142) hinaus, soweit die Muskelnetze in Frage kommen. Während Claus, Max Weber und die andern in Betracht kommenden Forscher bis zurück zu Frey und Leuckart der Meinung sind, dass die Muskelfasern der Tunica propria aufgelagert sind, vertreten Vogt und Yung (137) die gegenteilige Ansicht. 12* 170 W. Pump: Nach Vogt und Yung wird jede „Leberröhre“ der Crustaceen „durch eine feine Membran gebildet, welche Muskelfäserchen und grosse durchsichtige, auf solche Weise angelegte Zellen enthält, dass sie, von der Fläche gesehen, das Aussehen eines Fadennetzes mit rechtwinkligen Maschen bieten“ (137, S.39). Danach sind die Muskelfasern der Tunica propria eingelagert. In den beiden letzten Jahrzehnten ist die Mitteldarmdrüse der Crustaceen fast ausschliesslich von Physiologen auf ihren Bau hin untersucht worden. Manche berücksichtigten dabei die Muskulatur überhaupt nicht. Hier sind folgende Autoren zu nennen: St. Hilaire (48; 1892 und 49; 1893) und Cuenot (22; 1893). Andere erwähnen nur kurz das Muskelnetz und weisen meist dabei in charakteristischer Weise auf die grundlegende Arbeit Max Webers (142) aus dem Jahre 1580 zurück. Hier müssen genannt werden: Bruntz (13; 1903), Jordan (59, 60; 1904 und 61; 1913) und Bieder- mann (9: 1911) — ausserdem findet sich beiM. Heidenhain (47, S. 559; 1911) ein kurzer Hinweis auf Max Webers Arbeit (142). In neuerer Zeit ist, soweit mir nach gründlichster Einsicht aller ein- schlägigen Literatur bekannt ist, nur eine einzige Arbeit erschienen, die die sich näher mit dem in Frage stehenden Muskelnetz beschäftigt. Apathy und B. Farkas (5; 1906) kommen in ihren „Beiträgen zur Kenntnis der Darmdrüsen des Flusskrebses“ zu folgendem Ergebnis: „Die zirkulären Muskeln, welche die ringförmigen Einschnürungen der Drüsen- schläuche verursachen, bestehen nicht aus je einer Zelle, wie man bisher angegeben hat, sondern entstehen aus der Vereinigung von je zwei bis drei Muskelfasern, wenigstens ist es leicht nachzuweisen, dass jeder Muskel mehrere Zellkerne enthält. Diese sind in der Richtung der Faser mehr oder weniger gestreckt, etwas unregelmässig geformt und schon dadurch gut von denen anderer Zellen, namentlich von den mehr rundlichen Kernen der Zellen der Serosa zu unterscheiden. Die Muskelfasern besitzen ein recht auffälliges Sarkolemma, welches in Form eines weiten Röhrchens die kontraktile Substanz als Achse in sich einschliesst. Letztere gibt in regelmässigen Abständen vertikale Seitenäste ab, welche auch das Sarkolemma begleiten, und welche die zirkulären Fasern miteinander verbinden. Die so entstehende Längs- muskulatur verursacht an den Drüsenschläuchen mit der Achse derselben parallele regelmässige Längsfurchen. Die Längsäste der zirkulären Muskel- fasern sind auch miteinander durch feine Äste in querer Richtung verbunden. Indessen verbinden gewisse Längsäste nicht nur benachbarte zirkuläre Fasern, sondern auch entferntere miteinander, indem sie gelegentlich mehrere solche kreuzen. Auf diese Weise entsteht ein zierliches Muskelnetz, welches aber natürlich nicht leicht im Zusammenhang im Präparat darzustellen ist“ (5, S. 124). Leider haben die Autoren keine Abbildung dieses Muskelnetzes hinzugefügt. Ich habe Apathy und Farkas’ Ausführungen über das Muskelnetz auf Grund ihrer eigenen Untersuchungen hier wörtlich angeführt, um in unzweideutiger Weise zu zeigen, dass diese neuere Arbeit keineswegs unsere Kenntnis der Muskelnetze im Hinblick auf M. Webers Arbeit (142) wesentlich m; ern Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 17 erweitert, nur die Verteilung der Kerne ausgenommen. Die beiden Klausen- burger Autoren berichten, dass ihnen die Darstellung des Muskelnetzes nach Fixierung in Apathys Formol-Salpetersäure, nach der Apathy schen Dreifachfärbung und vorsichtigem Zerdrücken der Drüsenschläuche in Gummi- syrup am besten gelang. Aber diese Methoden scheinen doch zur Darstellung der Muskulatur wenig geeignet zu sein, namentlich was die feinere Struktur betrifft, z. B. die wichtigen Querstreifungsverhältnisse, über die Apathy und Farkas kein Wort verlieren. Der weite Abstand des Sarkolems von der fibrillären Masse ist wohl auf das Konto der angewandten Methoden zu setzen. — In den obigen Ausführungen habe ich den Standpunkt der Forschung in bezug auf die in Frage stehenden Muskelnetze klargelegt. Vergeblich habe ich in der Literatur nach näheren Angaben über die Querstreifung der Ringfasern gesucht. Umsonst suchte ich ferner nach Auskunft über die Art des Zusammenhanges der Längsverbindungen mit den Ringfasern. Nun bin ich in der glücklichen Lage, beide Fragen auf Grund meiner Untersuchungen beantworten zu können. Bevor ich jedoch hierzu übergehe, werde ich eine historische Übersicht über die Streifen Z und M der quer- sestreiften Muskelfasern aus folgenden Gründen geben. Die den beiden Streifen entsprechenden Membranen, die Grundmembranen oder Telephragmen (Z) und die Mittelmembranen oder Mesophragmen (M) spielen einmal eine sehr be- deutungsvolle Rolle im Bau der in Rede stehenden Muskelnetze. sodann geben meine Untersuchungen Aufschluss über die Aufgaben und Eigenschaften der beiden „Quermembranellen“, 2. Der Streifen 2. Bowman (11; 1840/41) hat vielleicht schon an eine Querverbindung der Muskelfibrillen gedacht. Bei Goodfellow (41; 1844), Sharpey (129; 1846), Carpenter (18; 1846), Wilson (145) und Queckett (94; 1848) finden sich, wenn auch zum Teil unbestimmte, Andeutungen über eine quere Differenzierung der Muskeln (vergl. v. Kölliker (64, S. 188) und W. Krause (67, S. 34f). Dobie (23) hat den Z-Streifen als erster gesehen und beschrieben (1849). Er bezeichnet ihn als eine dunkle Linie, die den hellen Streifen (clear space) durchquert und in zwei gleiche Teile teilt. Er untersuchte die Muskeln von Mensch, Rind, Frosch, Lachs, Rochen und Hummer. Erst 9 Jahre später tritt uns der Z-Streifen zum zweiten Mal in der Literatur entgegen und zwar in den Untersuchungen Brückes (12) mit Hilfe des polarisierten Lichtes. In seinen Figuren findet man den Streifen Z als eine querverlaufende Linie von Körnern dargestellt. Jedes Körnchen entspricht einer „Fibrille“. Eine histologische Erklärung dieser Befunde hat der Autor allerdings nicht gegeben. Amici (1) bringt mehr Einzelheiten. Er zeichnet vom Fliegenmuskel her Z ebenfalls punktiert. Diese Punktierung hat ihre Ursache in der An- heftung der „Fibrillen“ an die Zwischenscheibe, wie Z von den älteren Im2 W. Pump: Autoren gern genannt wird. Er kommt hierin also zu demselben Ergebnis wie Brücke. Ferner fand Amici, dass die Zwischenscheibe mit dem Sarkolem (oder der äusseren Scheide nach seiner Ausdrucksweise) in Ver- bindung steht. Er beobachtete nämlich, dass bei starker Kontraktion das Sarkolem eingeschnürt wurde. Die Anfangspunkte dieser Einschnürungen sah er auf der Höhe von Z. Seine Untersuchungen der Thoraxmuskeln der Insekten und der Muskeln des Lammes bestätigten seine Ergebnisse. Hensen (44) stellt das Vorhandensein von Z bei den Muskeln des Meerschweinchens und bei den Flügelmuskeln der Insekten fest. Allerdings verwechselt er sonst vielfach die Zwischenscheiben mit den von ihm ent- deckten und benannten Mittelscheiben (Streifen M) Heidenhain [45]). Durch systematische Untersuchung des Z-Streifens und durch Seine, wenn auch in anderen Punkten verfehlte, Muskelkästchentheorie hat W.Krause (65-68) die Erkenntnis der wahren Natur der Zwischenscheiben („Querlinien*“ nach seiner Nomenklatur) sehr gefördert. Er stellte fest, dass die Zwischen- scheibe, „da sie zwar in jeder Längsansicht, nicht aber im Querschnitt der Muskelfaser erscheint, der optische Ausdruck einer flach ausgebreiteten. in festem Aggregatzustande befindlichen Substanz, mithin einer Membran“ ist (65, 8. 265). Er bezeichnet sie als Grundmembran. Der verdienstvolle Forscher konstatiert ferner, dass verdünnte Essigsäure diese Grundmembran nicht zersetzt, sondern im Gegenteil deutlicher hervorhebt. Bei längerer Ein- wirkung zerfielen die Muskeln in Scheiben und zwar wurden die „dunklen Querbänder*“ (Streifen @ der heutigen Benennung) gelöst; nur die Z-Streifen blieben erhalten. Das „feste Verwachsensein des peripherischen Randes der Grundmembranen“* mit dem Sarkolem sieht er wie Amici als bewiesen an, da das Sarkolem an den Ansatzstellen der Grundmembranen „Einkerbungen im Profil, Querrunzeln auf der Fläche“ bei der Kontraktion der lebenden Muskelfasern zeigt. Auf diese und andere Ergebnisse seiner Untersuchungen gründet W. Krause seine bereits erwähnte „Muskelkästchentheorie‘, auf die ich hier nur, soweit es sich beim heutigen Stande der Muskelforschung verlohnt, eingehen werde. Abgesehen vom Sarkolem besteht jede Muskelfaser aus einer grossen Anzahl von sogenannten „Muskelkästchen“. In jedem dieser „Muskel- kästchen“ ist ein mehrkantiges „Muskelprisma“ enthalten. Die Grundmembran trennt die Kästchen voneinander und zwar ist sie immer je zwei benach- barten Kästchen gemeinsam. Entsprechend der Basis des „Muskelprismas“ hat die Membran eine polygonale Form. Nach W. Krause sind also die „Muskelkästchen“ die „primitiven Elementarteile, aus denen die ganze Muskelfaser aufgebaut wird“ (65, 8. 267 f.). Auf Grund seiner Untersuchungen der Thoraxfibrillen der Insekten und der Scheren- und Schwanzmuskeln des Flusskrebses kommt Merkel (82—84) sowohl in bezug auf den Inhalt des „Muskelkästchens“ als auch in bezug auf die Z-Streifen zu anderen Ergebnissen als W. Krause. Die in 50 proz. Alkohol konservierten Muskeln zerfallen nach einigen Tagen innerhalb des Streifens Z in einzelne Stückchen. Hieraus ergibt sich für Merkel, dass Z zusammengesetzt ist aus „zwei zusammengehörigen Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Ürustaceen. 1.7, Endscheiben“ und der zwischen diesen liegenden Kittsubstanz. Als weiteren Beweis für die Richtigkeit seiner Anschauung gibt Merkel an, dass nach Anwendung von Essigsäure jede Rissfläche von einer deutlich sichtbaren Membran geschlossen ist, dass demnach also die sogenannten „Endscheiben“ doppelt sind. Durch Mazeration von quergestreiften Muskeln in konz. Cuprum sulf. und in verdünnter Essigsäure wies er die geringere Elastizität der Zwischenscheiben im Vergleich zu den Querscheiben (Q) nach. Sachs (112) hat Vertebraten- und Arthropodenmuskeln, deren analoge Zusammensetzung ihm sicher erscheint, untersucht. Er schliesst sich Merkel, was die Auffassung von Z betrifft, voll und ganz an. Er betont besonders die zähe Beschaffenheit der Kittsubstanz zwischen den benachbarten End- flächen der Muskelkästchen. Flögel (31) untersuchte die Muskeln von Vertretern der Milben- gattung Trombidium. Infolge der ungewöhnlichen Grösse der Elementarteile einerseits und der Kleinheit des ganzen Muskels andererseits hatte er sehr günstige Studienobjekte. Flögel stimmt mit W. Krause darin überein, dass er die Z-Streifen als wirkliche Membranen ansieht, die gleich Quer- wänden die Muskelbündel durchsetzen und mit dem Sarkolem (an den Ein- schnürungsstellen) verbunden sind. Bei Risspräparaten glaubte er, die Membram aus Körnern zusammengesetzt zu sehen, die den durchtretenden Fibrillen entsprechen. Die einzelnen Körnchen sind in den meisten Fällen isodiametrisch. Er hat aber auch Fälle beobachtet, wo sie in der Längs- richtung des Muskels die zweifache Ausdehnung gegen die Querrichtung hatten. Wie der vorige Autor, deutet auch Th. W. Engelmann (28) den Z-Streifen als eine Membran (Grundmembran Krauses) Bei plötzlichem Absterben, bei Einwirkung von Wasser, 1proz. Kochsalzlösung und 60 proz. Alkohol sah er eine Differenzierung der Grundmembran in regelmässig ab- wechselnde dunklere und hellere Stellen eintreten. Die Membran erschien ihm dann wie eine einfache Körnerschicht. Die Anzahl der Körner entsprach der Zahl der möglichen „Fibrillen“. Die mechanischen Eigenschaften der Grundmembran bezeichnet Engelmann als charakteristisch und bedeutungs- voll. Ihre relativ geringe Dehnbarkeit und Zusammendrückbarkeit wird be- wiesen durch ihr Verhalten während der Kontraktion und während der Dehnung des Muskels. Der Rand kontrahierter Muskeln erscheint, im Profil gesehen, regelmässig eingekerbt, um so tiefer, je mehr die Faser verkürzt ist. Dies „festonartige* Aussehen der kontrahierten Muskelfasern führt er, ebenso wie Amici, W. Krause und Flögel, auf die Verknüpfung der Grundmembranen mit dem Sarkolem zurück. Bei übermässig gedehnten, dünnen Fasern falten sich die sonst planparallelen Grundmembranen (vergl. seine Fig. 4). Bei Herzmuskeln hat Langerhans (69) als erster das Vorkommen des Streifens Z festgestellt. Er hat ihn als „dunkle, scharfe“ Linie be- obachtet. Bei seinen Studien über die Muskelkontraktion kommt auch Fredericgq (35) zu dem Schluss, dass der Z-Streifen dem Sarkolem angeheftet ist. 174 W. Pump: Nasse (87, 88) begnügt sich ebenso wie Langerhans in der Haupt- sache mit der blossen Angabe der Tatsachen. Er hat Z bei starker Dehnung und guter Vergrösserung als „zarte Linien“ gesehen: bei den Scherenmuskeln des Flusskrebses, ferner bei den Muskeln von Ratten, Tauben, Fröschen, Fischen, Kellerasseln und Salpen. Die Auffassung Merkels (82—84), der für eine Zusammensetzung des Z-Streifens aus drei Teilen eintritt, erkennt er nicht als richtig an. Auch wendet er sich gegen die Deutung des Z- Streifens als eine Membran (Grundmembran Krauses, 69—69). Ranvier (9, 96) weist darauf hin, dass die Z-Streifen (disques minces) keinen aktiven Anteil an der Kontraktion und an der Retraktion der Muskelfaser haben. Vielmehr haben sie nur eine ausschliesslich mechanische Funktion (une fonction purement mecanique) (96, S. 395). Ferner bemerkt er sehr richtig, dass der Zusammenhang der Muskelelemente in longitudinaler Richtung stärker ist als in transversaler Richtung Schipiloft und Danilevsky (124) stehen auf seiten Krauses (65—68) und erkennen seine Muskelkästchen-Theorie in allen Punkten an. Ebenso wie der genannte Forscher, heben sie die grosse Resistenz der Grund- membranen hervor, die nur durch sehr lang fortgesetzte Säurewirkung zer- stört werden. Ihre Zerstörung wird auch nicht von einer starken Quellung begleitet, wie dies von den anderen Schichten gilt. Obwohl Retzius (100, 101) den Z-Streifen anerkennt, will er jedoch von einer Membran im Sinne Krauses (69—68) nichts wissen. Vielmehr scheinen ihm „die Fibrillen, obwohl gegliedert, in ihrer ganzen Länge ein- heitliche Gebilde zu sein“ (100, S. 85). Rollet (102—108) stellt ebenfalls die Existenz der Krauseschen Grundmembranen in Abrede. M. Heidenhain (45) hat dagegen in über- zeugender Weise die irrigen Ausführungen Rollets richtiggestellt; sogar die eigenen Abbildungen widerlegen den Verfasser, da sie vielfach für das Vorhandensein der Grundmembranen sprechen, z. B. seine Figuren 4, 9, 10 in der Abhandlung von 1895 I (103), die die leeren Sarkolemma von in Scheiben zerfallenen Käfermuskeln darstellen. Nur die Grundmembranen sind gut er- halten und sind deutlich mit dem Sarkolem verbunden, und zwar an den Fusspunkten des Tonnengewölbes, zu dem das Sarkolem aufgetrieben ist. Sogar das Schema einer vergoldeten, sich kontrahierenden Muskelfaser (103, Fig. 8) zeigt dies Verhalten von Z. Van Gehuchten (38, 39) findet zwar in seinen Präparaten den 7-Streifen als feine „Querlinie“. Auch hat er ‚ebenso wie Th. W. Engel- mann (28), seine Körnelung und seine Anheftung ans Sarkolem gesehen. Aber er hat ihn von der Fläche her nicht als Membran wahrnehmen können. Infolgedessen leugnet er die Krausesche Grundmembran und hält den Z- Streifen nicht für ihren optischen Querschnitt. Nach ihm wären die Z-Streifen die sogenannten sarkoplasmatischen Querfadennetze erster Ordnung Die Tatsache, dass diese Fadennetze bei der Kontraktion und bei Anwendung von Goldchlorid sich Z anlagern und so in Profilansicht eine „Querlinie“ bilden, scheint Van Gehuchten recht zu geben. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 105 Ramöny Cajal (16), der sich in überzeugender Weise für die Existenz der Grundmembranen ausspricht, tritt den Anschauungen Van Gehuchtens mit schwerwiegenden Gründen entgegen (Heidenhain [45]). Wenn sich die zwischen den Muskelsäulchen ausgebreiteten Quer- fadennetze auch in Querebenen befinden und wenn sie auch bei kontrahierten und mit quellenden Mitteln behandelten Muskeln in die Z-Streifen aufgehen, bilden sie aber dabei keine kontinuierlich verlaufenden Linien. Cajal (16) hat nämlich nachgewiesen, dass die feinen Verbindungsstreifen zwischen den Querschnitten der Fäden des fraglichen Netzes sich in anderer Weise färben, als die Querschnitte der Fäden selbst. Demnach bilden die Querschnitte der sarkoplasmatischen Fadennetze keine kontinuierlich fort- laufende Linie, sondern eine Reihe, die aus Punkten und Stückchen von Fäden zusammengesetzt ist. Die oben erwähnten kleinen Verbindungsstreifen sind mit den Grundmembranen identischh RamönyCajal gelang es auch, im Gegensatz zu Van Gehuchten, bei vergoldeten Muskeln die Grund- membran von der Fläche her vermöge ihrer Färbung zu beobachten. v.Kölliker (63, 64) zeichnet zwar den Z-Streifen in seinen Figuren (63, Taf. XLIV, 2a, 2b, 2c, 2d, 3). Aber er hält ihn nicht für den optischen Ausdruck einer Membran. Vielmehr bestreitet er die Existenz der Krause- schen Grundmembran. Haswells Arbeit (43) ist voller Irrtümer, da er keinen Unterschied zwischen den Grundmembranen Krauses und den oben erwähnten Quer- fadennetzen (Van Gehuchten und Cajal) zu machen weiss. Schäfer (114) tritt 1873 in seinen Untersuchungen über die „minute structure of the legmuscles of the water-beetle* als Gegner jeder Quer- verbindung innerhalb der Muskelfasern auf. Er stützte sich dabei auf die schon damals allgemein anerkannte Tatsache der „Parallelverschiebung der Muskelfibrillen“ gegeneinander. M. Heidenhain (45) nennt dies „den einzigen plausiblen Gegengrund, der ihm in der Literatur aufgestossen ist und der auch sicher einiges Gewicht haben würde, wenn nicht die geradezu unendliche Reihe der positiven Daten dagegen stünde“ (45, 8.55). Heiden- hain (45) entkräftigt diesen Gegengrund, indem er die Relativität der Widerstandsfähigkeit der Grundmembran betont und darauf hinweist, dass „absolut genommen, der Streifen Z eine weiche protoplasmatische und als solche auch leicht dehnbare Masse vorstellt“ (45, S.55). Auch kann die erwähnte Verschiebung der „Fibrillen“ gegeneinander nur bei gewaltsam behandelten, z. B. vor der Fixierung übermässig stark gedehnter Muskeln beobachtet werden. Es ıst daher gewiss nicht zu verwundern, dass solche misshandelten Muskeln nur abnorme Bilder der Querstreifung zeigen (Heiden- hain [45]) Spätere eingehende Muskeluntersuchungen haben auch Schäfer (115) von dem Vorhandensein der Grundmembran überzeugt. In einer 1891 er- schienenen Abhandlung bekennt er sich als entschiedener Anhänger der Krauseschen Grundmembran, der er den Namen „Quermembran“ (trans- verse membrane) beilest. In ausführlicher Weise verteidigt er sie gegen die Retikulumtheoretiker (Van Gehuchten u.a.) und sieht die Z-Streifen 176 W. Pump: nicht als „actual filaments“ wie jene an, sondern als den optischen Ausdruck „of planes of separation between the muscle-colomns“ (115). Mac Callum (17) hat bei menschlichen Herzmuskeln auf der Höhe von Z durchlaufende Membranen (Grundmembranen Krauses) gesehen. Dieser Forscher hat beobachtet, wie die Grundmembranen sogar durch sarkoplasmatische Zwischenräume hindurch bis ans Sarkolem sich kontinuierlich fortsetzen. Rutherford (110, 111) hält ähnlich wie Merkel (82—84) den 7-Streifen für eine Vereinigung verschiedener Substanzen. Nach ihm sind alle körnerartigen Teile der Z-Streifen auf der Höhe der „Fibrillen* (Zf) dreiteilig: zwei Streifen färbbare Substanz, dazwischen ein mittleres feines Band anders beschaffener Materie. Nach dem heutigen Standpunkt der Muskelforschung muss der mittlere Teil als der eigentliche Z-Streifen ge- deutet werden und die beiden äusseren Streifen als verdichtete Teile des Streifens J. Mit Heidenhain (45) bin ich auf Grund ähnlicher Be- obachtungen der Ansicht, dass die Figuren Rutherfords nur auf diese Weise richtig ausgelegt werden. Hoche (50) weiss von Z nur zu berichten, dass er ihn als fein- gekörnelte Linie auf seinen Schnitten durch Herzmuskelfasern gesehen hat. Seine Fig. 2 zeigt ausserdem die Bildung von sogenannten „Festons* auf der Höhe von Z, wie sie von anderen Autoren (Amici [1], W. Krause [65—68], Flögel [31], Engelmann [28], Rollet [102—108]) bereits wiederholt dargestellt wurde. M. Heidenhain (45) führt in seiner vortrefflichen Arbeit aus dem Jahre 1899 physiologische, morphologische, mechanische und genetische Wahrscheinlichkeitseründe ins Feld, die von vornherein auf die Existenz von Querverbindungen der Muskelfasern schliessen lassen. Dieser um die Muskelforschung sehr verdiente Gelehrte stellt die wichtige Tatsache, dass der Z-Streifen nicht allein eine Eigenschaft der Fibrillen ist, sondern auch die sarkoplasmatischen Interstitien kontinuierlich durchsetzt (47, S. 610), durch Beibringung aller in Betracht kommenden Literaturnachrichten als unzweifelhaft sicher hin. Er unterscheidet an der Grundmembran zweierlei Abschnitte: einmal die Körner (Zf), die als Glieder den Fibrillen zuzurechnen sind, sodann die sarkoplasmatischen Differentiationen (Zs) auf der Höhe von Zf. Den Grundmembranen spricht er eine grosse Resistenz zu. Von weiteren Untersuchungen erwartet er in bezug auf Z vorläufig keine neuen Daten, bezeichnet aber die erneute Darstellung von Z an den Muskeln der bevor- zugten Untersuchungsobjekte als wünschenswert. Während der drei Jahrzehnte von Krauses grundlegender Arbeit (67) aus dem Jahre 1869 bis zu Heidenhains bahnbrechender Arbeit (45) aus dem Jahre 1899 haben nur wenige Forscher: Flögel (1872), Engelmann (1873 ff.), Schipiloff und Danilevsky (1881), Cajal (1888), Schäfer (1891) und Mac Callum (1897) den Z-Streifen als den optischen Ausdruck einer Membran angesehen, die die ganze Muskelfaser durchquert. Heiden- hain (47) begründet diese doch immerhin merkwürdige Tatsache damit, dass die anerkannten Autoritäten v. Kölliker, Rollet und Retzius prinzipiell —ı Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 17 gegen die Existenz von Querverbindungen in den Muskelfasern waren, um, wie er glaubt, ihre Lehre von der fibrillären Struktur des Muskels nicht zu erschüttern. Seit 1899 aber haben sich fast alle Muskelforscher für die Grundmembran ausgesprochen, die infolge der durch Heidenhain (46) vervollkommneten Färbetechnik (kombinierte Anilinfarben und Vanadium- hämatoxylin) ohne Schwierigkeit bei allen quergestreiften Muskeln nach- gewiesen wurde (47). Enderlein (27) nennt das wesentlichste seiner Beobachtungen an der Muskulatur von Oestridenlarven „die Existenz der Krauseschen Quer- scheiben (Grundmembranen) als Querwände unabhängig von den Fibrillen“ (8.148). Er betont ferner die feste Verbindung der Grundmembranen mit dem Sarkolem. Er sagt hierüber: „Sie (die Grundmembranen und das Sarkolem) gehen völlig ineinander über, so dass ihre Substanz die gleiche zu sein scheint“ (S. 146). Diesen innigen Zusammenhang konstatiert er auch bei solchen Muskeln, bei denen sich zwischen Sarkelem und Fibrillen- bündeln starke Sarkoplasmaschichten ausbreiten. Auf Längsschnitten der- artiger Muskeln sah er die Grundmembranen in einigermassen paralleler Richtung die ganze Muskelfaser kontinuierlich durchqueren. Auch an Muskel- fasern mit dicht anliegendem Sarkolem hat er deutlich den Übergang der Grundmembranen im Sarkolemm erkennen können. Weiter heisst es auf S.147: „Noch schärfer tritt dieser feste Zusammenhang (zwischen Grund- membranen und Sarkolem) vor Augen an Stellen, wo sich die Fibrillen mechanisch vom Sarkolem abgelöst haben. In den meisten Fällen hat dann der Zusammenhang der Querwände mit dem Sarkolemma dem mechanischen Zuge widerstanden und sich erhalten.“ An anderen Stellen fand er das Sarkolem auf der Höhe der Grundmembranen tief eingeschnürt und die Grundmembranen selbst, wie es ihm schien, kürzer gespannt. Prenant (91--93) hat sich durch seine Untersuchungen von dem Vorhandensein der Grundmembranen (membrane transversale Z) überzeugen können, die er als das Produkt einer besonderen Differenzierung des Sarko- plasmas (ä l’interieure de l’Ccorse musculaire) ansieht (92, S. 1043/44). Marceau (75-78) folgt den Anschauungen M. Heidenhains be- züglich der Grundmembranen. Er berichtet auf Grund seiner Untersuchungen an Herzmuskeln, dass „Les series transversales de disques minces (Z) situes au möme niveau sont mis entre eux, soit dans toute la largeur de la fibre, soit dans les portions comprises entre sa surface et une fente longitudinale, par de minces membranes derivdes du sarcoplasme, lesquelles presentent, vis-A-vis de certaines matiöres colorantes comme le sarcolemme qui en derive egalement, lesm&mes reactions que ces disques minces* (77, 8. 307). Aber er bemerkt dann, dass die Grundmembranen und das Sarkolem nicht völlig identische Gebilde (formations identiques) sind, da andere Färbungsmethoden als Vanadiumhämatoxylin nicht genau dieselben Resultate ergeben. An Muskelfasern, die durch Fettinfiltration degeneriert waren, kon- statiert Schiefferdecker (119—123), dass die Grundmembranen ziemlich widerstandsfähige, dehnbare und elastische Gebilde sind (123, Fig. 19). Er ) 17 [0 6) We Biumpe: überschätzt offenbar die Elastizität der Grundmembranen, wenn er die Hypo- these aufstellt, dass diese dazu dienen, „nach dem Aufhören der Kontraktion die verdickten Fasern schnell wieder auf ihren alten Durchmesser zu bringen und damit auch die Längenausdehnung des Muskels zu beschleunigen, so dass sie möglichst schnell die dem ruhenden Muskel eigene Grösse erreicht“ (123, 8. 209). Renaut (98, 99) spricht von einer „Verlötung* (soudure) der Zwischen- scheiben (Z) zu transversalen Reihen (series transversales) durch eine be- sondere, von den Zwischenscheiben selbst etwas abweichende Substanz. Diese Substanz ist zähe, jedoch ein wenig elastischer als die Zwischenscheibe. Aber diese Rlastizität ist ziemlich begrenzt, z. B. reissen sich in mit Pikrin- säure fixierten Muskelfasern die Zwischenscheiben voneinander los. Holmeren (51-54), der die Existenz der Grundmembranen ebenfalls bejaht, gibt (ähnlich Enderlein [27]) in seiner Fig. 14 („Längsschnitt durch eine Skelettmuskelfaser von Dytiscus marginalis“) ein schönes Beispiel (52), wie die Grundmembranen durch breite, mit Sarkoplasma erfüllte Innen- räume kontinuierlich verlaufen. Ferner tritt Holmgren für die Anheftung der Grundmembranen am Sarkolem ein. Trotz der zahlreichen überzeugenden Beweise für das Vorhandensein der Grundmembranen sind dennoch Hürthle (56—58) „durchgehende, Fibrillen und Sarkoplasma in gleicher Weise durch- setzende Querverbindungen in hohem Grade unwahrscheinlich“ (57, S. 159), da Beweise, die für die Existenz der Grundmembranen sprechen, nur für fixierte, nicht aber für frische Muskeln Geltung hätten. Dafür scheint ihm die durchaus unbewiesene Annahme siebförmiger Querverbindungen innerhalb des Sarkoplasmas, „welche die Fibrillen durch ihre Maschen hindurchtreten lassen und sich nur an ihrer Aussenfläche ansetzen“ (57, S. 159) mit den Tatsachen vereinbar. An isolierten Muskelsegmenten beobachtete Arnold (6-8), dass Z zuweilen entsprechend der Trennungslinie kurze, quere Fortsätze zeigte. Da Z in seinen Glykogenpräparaten auch bei intensiver Tinktion der be- nachbarten transversalen Granula J ungefärbt blieb, glaubt er, dass Z eine vom Sarkoplasma abweichende Zusammensetzung besitzt. K.W. Zimmermann (146) hat in Gemeinschaft mit J.v. Palezewska und M. Werner das Herz des Menschen und der Säugetiere untersucht. Er konnte den Zusammenhang des Sarkolems mit den Grundmembranen regel- mässig konstatieren. „Dieser Zusammenhang“, führt er auf 8. 92 aus, „ist ein so inniger. dass, selbst wenn das Sarkolemma an der Oberfläche des Herzens infolge von Wassereinwirkung beim Abwaschen während der Sektion auf kleinere oder grössere Strecken, wie beim willkürlichen Muskel, buckel- artig abgehoben ist (siehe seine Fig. 14 und 16), die Z-Linien (Grund- membranen) durch den mehr oder weniger grossen Zwischenraum zu dem Sarkolemma hinziehen können, was auch für die grosse Dehnbarkeit der Grundmembranen spricht“. Wurde jedoch der Raum zwischen der kontrak- tilen Substanz und dem Sarkolem vom Sarkoplasma eingenommen, so sahen die Züricher Autoren die Grundmembranen niemals bis zum Sarkolem sich hinziehen (vergl. Enderlein [27)). Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 179 Nach M. Heidenhains (47) Ausführungen in „Plasma und Zelle“ (1911) stehen die Inophragmen, wie er die Grundmembranen oder Telo- phragmen und die Mittelmembranen oder Mesophragmen kurz nennt, mit den Kontraktionsvorgängen in keinem direkten Zusammenhang. Unter den Inophragmen oder Quermembranellen ist „die Krausesche Grundmembran oder das Telophragma (Z) sicherlich das Hauptobjekt, während das Meso- phragma (M) nur eine zweite Rolle spielt“ (47, S. 608. „Die Telophragmen sind Membranen oder Häutchen von sich gleich bleibender Stärke (ca. 0,2 «) ohne knotenartige Verdickungen im Körper der Fibrillen“ (47, S. 610). Dass die Telophragmen am Sarkolem fixiert sind, erscheint ihm naturgemäss, „denn einerseits ist das Sarkolem eine oberflächliche Verdichtungsschicht des Sarkoplasmas, andererseits stellen sich die Telephragmen als eine Querdifferenzierung des gesamten Primitiv- bündelinhaltes heraus und so versteht sich die organische Kontinuität beider Teile gleichsam von selbst (47, S. 613). Auf diese wichtige Arbeit Heidenhains (47) werde ich im Laufe meiner Ausführungen wiederholt zurückkommen. 3. Der Streifen M. Zur selben Zeit, als W. Krause den Streifen Z als den optischen Ausdruck der Grundmembran richtig deutete, konnte Hensen (44) eine neue Querlinie in der Muskelfaser feststellen: die Mittelscheibe oder den Streifen M. Merkel (82) hat das Verhalten des M-Streifens zuerst genauer studiert. Nach ihm entspricht der Streifen M einer Membran, die „genau in der Mitte eines Muskelelementes ausgespannt ist“ (82, S. 251). In seine Fig. 2, 6, 7. 5, 9, 11 und 18 hat er die Mittelscheibe eingezeichnet, die genau mitten zwischen je 2 Z-Streifen verläuft. Nasse (87, 88) hat die Hensensche Mittelscheibe ausser bei Verte- braten und Arthropoden auch bei Sagitta gesehen. Im lebenden Muskel hat er den Streifen M allerdings im Gegensatz zu Merkel nicht gefunden. Deutlich wurde die Mittelscheibe erst nach Erwärmen, nach Anwendung von Alkohol, Salieylsäure, Benzoösäure, Metallsalzen und Salzsäure. Bei Gebrauch von starker Essigsäure verschwand der M-Streifen. Schiefferdecker (118) betont wie die vorigen Autoren die überaus grosse Zartheit der „Hensenschen Linie“. Bei Behandlung mit sehr schwacher Essigsäure zeigt die Muskelfaser den M-Streifen, der, da er schwerer als Q verquillt, eine Einschnürung in der Mitte zwischen den beiden @ bildet. Im kontrahierten Muskel war M am deutlichsten sichtbar. Schiefferdecker glaubt, dass der M-Streifen stets vorhanden ist, aber wegen seiner Zartheit und seiner Lage zwischen den beiden Q nicht immer zu erkennen ist. M. Heidenhain (45) fasst die sehr spärlichen Nachrichten über M in folgender Weise zusammen: „l. Nach meiner Beobachtung entspricht die Linie M einer durch- laufenden Membran, analog der Krauseschen Membran (Z), doch ist sie um ein erhebliches feiner und zarter als diese.“ 150 W. Pump: 2. An dieser „Mittelmembran“ kann man die Glieder oder Teilabschnitte Ms und Mf unterscheiden. Erstere sind ohne Frage leicht zerstörbar, da sie auch an hinreichend gefärbten Präparaten oft nicht zum Vorschein kommen. Die Glieder Mf der Fibrillen, wo sie ihrer Art nach richtig erkannt und nicht mit Erscheinungen anderer Art verwechselt wurden, verhielten sich in allen Beziehungen sehr ähnlich den Gliedern Zf der Grundmembranen‘“ (45, 8. 66). Demnach ist (nach Heidendain) die Mittelmembran eine genaue Wiederholung der Grundmembran, aber in feinerer Art, jedoch mit denselben Eigenschaften. Holmgren (52) bestätigt die Existenz der Mittelmembranen bei Insekten. Ebenso wie dieser Autor begnügt sich K.W. Zimmermann (146) mit dem blossen Nachweis der Mittelmembranen, ohne weitere Betrachtungen daran zu knüpfen. M. Heidenhain (47) hält in seinem Buch „Plasma und Zelle“ (1911) an seinen früheren Anschauungen (45) über M fest, da er sie durch seine weiteren Forschungen bestätigt sieht. Ohne Zweifel ist die Mittelmembran zarter als die Grundmembran, durchsetzt wie diese die mit Sarkoplasma erfüllten Innenräume der Muskelfasern. Auch ist M mit dem Sarkolem verbunden, was aber schwerer nachzuweisen geht. M ist häufig mit der Aufhellungszone Qh zu beiden Seiten der Mittel- membran verwechselt worden, so von den älteren Autoren: Flögel (31), Th. W.Engelmann (28), Ranvier (95/96), Retzius (100, 101), Rollet (102—108) und in neuerer Zeit von den französischen Autoren Marceau (75—78) und Renaut (98, 99). Die deutschen Forscher Merkel (8), Schiefferdecker (118) und namentlich M. Heidenhain (45, 47) sind diesen Verwechslungen entgegengetreten und haben sie richtiggestellt. Methoden und Material der Untersuchungen. Was die Fixierung betrifit, habe ich eine Reihe Methoden auf ihre besondere Brauchbarkeit für meine Untersuchungsobjekte hin geprüft. Ich nenne hier nur Carnoys Gemisch, Müllersche Flüssigkeit, konz. Sublimat und Salpetersäure + Alcohol abs. Von den zahlreichen Färbungsmethoden habe ich zur Kontrollierung der Ergebnisse meiner Untersuchungen solche mit verschiedenen, zum Teil entgegengesetzten Färbungs- effekten gewählt: 1. Das altbewährte Böhmersche Hämatoxylin, meist in Ver- bindung mit Eosin, das die Streifen Q und Z dunkel färbt. 2. Die neutralen Anilinfarben, und zwar Thiazinrot R+ Toluidin- blau, die von M. Heidenhain (46) im Jahre 1902 in die mikro- skopische Färbetechnik eingeführt und seitdem durch die Mehrzahl Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Ürustaceen. 11 der neueren Muskelarbeiten erprobt wurden. Über ihre Wirkungs- weise spricht Heidenhain (46) sich folgendermassen aus: „Die Anilinfarben tingieren gemeinhin den Streifen Q nicht, wohl aber den Streifen Z und den Streifen M. Wenn die Extraktion nicht zu stark war, färben sie auch den Streifen J, und zwar sehr dunkel, ferner den Streifen Qh in mitteldunkler Farbe. Alsdann hat man im mikroskopischen Bilde den Eindruck einer mehr oder weniger vollständigen Umkehr des bisher bekannten Färbungs- bildes der Querstreifung: was sich bisher mit allen bekannten Mitteln dunkel färbte, färbt sich jetzt hell, und umgekehrt“ (S. 37). Auch verweise ich auf (46) seine Fig. 4, die ein „konstruktives Schema der am quergestreiften Muskel produzierten Färbungs- bilder“ gibt. Ich bemerke noch, dass die Fixierung in konz. Sublimat für die Anwendung dieser Neutralfarben nicht unerlässliche Bedingung ist (im Gegensatz zu Heidenhain [46, S. 36). 3. Das Vanadiumhämatoxylin, das nur die Streifen Z und M deutlich macht, die anderen Fibrilienabschnitte aber gleichmässig darstellt. In solchen Präparaten erscheinen Z und M dunkel auf hellerem Grunde. Die unter 2. und 3. genannten Färbungsmethoden tingieren den fibrillären Teil der Fasern nur unvollkommen (vergl. meine Fig. I—-3 und 5—8 auf Taf. XI, sowie die Textfigur 1). Neben konz. Sublimat zeigte sich das Salpetersäure + Alkohol abs.- Gemisch als Konservierungsmittel für meine Zwecke sehr geeignet. K. W. Zimmermann (146) hat es bei seinen Herz- muskeluntersuchungen ebenfalls mit gutem Erfolge angewandt. Auch ich mischte neun Teile Alcohol abs. mit einem Teil sehr stark verdünnter Salpetersäure. In diesem stets frisch bereiteten Salpetersäure-Alkohol blieben die Drüsenschläuche 24 Stunden liegen. Um eine gute Fixierung zu erreichen, muss man darauf achten, dass die Schläuche sich nicht aneinander anlagern und so miteinander verkleben, wozu sie bei Beginn der Fixierung. leicht neigen. Die besten Resultate erzielte ich bei solchen Drüsenschläuchen, die ich während der ersten Minuten der Fixierung mit Präpariernadeln genügend auseinandergezerrt und dadurch isoliert hatte. Durch die etwa dabei entstandenen Bruch- stellen hatte der Salpetersäure-Alkohol ausserdem schneller ein- dringen und so noch besser wirken können. 182 W. Pump: Viele Muskelforscher haben den hochprozentigen Alkohol als Fixierungsmittel gebraucht, allerdings ohne Salpetersäurezusatz. Bereits Bowman (11) rühmt 1540 seine ausgezeichneten Eigen- schaften bei der Konservierung von Muskeln, deren Querstreifung völlig unversehrt erhalten bleibt. Auch Brücke (12) hat bei seinen Muskeluntersuchungen den Alkohol abs. erfolgreich be- nutzt. Merkel (82) stellt sogar den Alkohol von 50—100 °/o als das „weitaus schonendste“* Härtungsmittel für quergestreifte Muskeln hin. Aus dem Salpetersäure-Alkohol kamen die Drüsenschläuche auf mindestens 24 Stunden in 95proz. Alkohol, der nach 1 bis 2 Stunden wenigstens einmal erneuert wurde. Nachdem die Schläuche die Alkoholreihe stufenweise abwärts gebracht waren, färbte ich sie 24 Stunden und länger mit Böhmerschem Hämatoxylin, dann auf 3—5 Minuten mit Eosin. Nach der Ditffe- renzierung in sehr stark verdünntem Salz- säure - Alkohol wurden die Drüsenschläuche in einen auf dem Objekt- träger ausgebreiteten Tropfen Glycerin getan. Unter Zuhilfenahme von Präpariernadeln drückte ich den Inhalt aus den Schläuchen vorsichtig heraus. Bei einiger Übung war es nicht schwer (im Gegensatz zu Apathy und Farkas .|5)), die Muskelnetze zu isolieren, immer ge- meinsam mit der glas- Textfig. 1. hellen Tunica propria. Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Bevor ich zur Gammarus locusta. Färbung mit Anilin- Alcohol abs. -+ Salpetersäure, Vanadium- farben schritt, legte ich hämatoxylin. Vergr.1:940. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Ürustaceen. 153 die Schläuche aus 95 proz. Alkohol auf kurze Zeit (5—-10 Minuten) in 100 proz. Alkohol. Von den sauren Neutralfarben benutzte ich 1 proz. Thiazinrot R in Verbindung mit dem basischen Toluidin- blau (1:1000 Wasser). Vor dem Gebrauch säuerte ich die Farb- stoffe durch einen Tropfen Essigsäure etwas an. Im Thiazinrot liess ich die Schläuche 4—10 Minuten lang, bis sie kräftig, aber nicht übermässig gefärbt waren. Hierauf blieben sie im Toluidinblau 12—24 Stunden. Darauf erfolgte die Differenzierung in 100 proz. Alkohol. Um die Drüsenzellen aus dem Muskelnetz zu entfernen und dieses so (gemeinsam mit der Tunica propria) zu isolieren, legte ich die Drüsenschläuche auf 2—5, höchstens 5 Minuten in ein Osmiumessigsäuregemisch (ein Teil Iproz. Osmiumsäure, fünf Teile 3proz. Essigsäure, vier Teile dest. Wasser). Nach dem hierauf vorgenommenen Einbetten in Glycerin zerzupfte ich vor- sichtig die Drüsenschläuche auf dem Öbjektträger. Infolge der Anwendung von Osmiumessigsäure gelingt auch bei dieser Färbungs- methode die Isolierung des Muskelnetzes (mit der durchsichtigen Tunica propria) stets ohne grössere Schwierigkeiten nach längerem Aufbewahren im Glycerin. Ich konstatiere also, dass für den Gebrauch von neutralen Anilinfarben die Fixierung mit konz. Sublimat nicht das einzig mögliche Konservierungsmittel ist, sondern dass das Salpetersäure- Alkoholgemisch dem konz. Sublimat in dieser Hinsicht völlig gleichkommt, wenn nicht sogar überlegen ist. Mit Vanadiumhämatoxylin färbte ich das dem absoluten Alkohol entnommene Material 24 Stunden lang. Die weitere Behandlung war die gleiche wie bei Gebrauch der Neutralfarben. Was die Anwendung von Osmiumessigsäure betrifft, so betone ich ausdrücklich, dass ich sowohl mit Vanadiumhämatoxylin als auch mit den neutralen Anilinfarben ohne das genannte Gemisch ebenfalls gute Bilder der Muskelnetze.bekam. Aber die Isolierung war dann mit sehr grossen Schwierigkeiten verknüpft und gelang stets nur stellenweise. Die Osmiumessigsäure fand demnach nur als Isolierungsmittel Verwendung. Untersuchungsmaterial. Von den Amphipoden habe ich Gammarus locusta L. untersucht, der aus dem Brackwasser der Trave stammte. Als Vertreter der Isopoden: Asellus aquaticus L., Porcellio scaber Archiv f.mikr. Anat. Bd.s5. Abt. 1. 13 154 W. Pump: Latr. und Oniscus asellus L. (murarius Cuv.). Von den Decapoden: Potamobius astacus L. (Astacus fluviatilis Rond.), ferner Carcinus maenas Leach., Cancer pagurus L., Hyas arenaria und Eupagurus Bernhardus L. Die letzten vier entstammten der Nordsee. Eigene Untersuchungen. l. Gammarus locusta L. (Taf. XI, Fig. 1—4 und Textfigur 1.) Wie aus der Literaturübersicht hervorgeht, haben zuerst Frey und Leuckart (1847), darauf Leydig (1557), v. La Valette (1857), Sars (1867) und Max Weber (1880) sich mit der Muskulatur der Mitteldarmdrüse von Gammariden befasst. Alle Autoren erkannten richtig die netzartige Anlage dieser Muskulatur. Alle kamen im wesentlichen zu folgendem Resultat: Breite trans- versale Fasern werden durch feine, longitudinale Ausläufer ver- bunden und bilden so ein Muskelnetz. Frey und Leuckart (37) sahen dies Muskelnetz einer glashellen, strukturlosen Membran, der sogenannten Tunica propria, aufgelagert. Auch die anderen oben genannten Forscher machen hierauf aufmerksam. Auch ich sah stets Muskelnetz und Tunica propria zusammen, nie getrennt voneinander. Die Tunica propria hob sich immer trotz ihrer Durchsichtigkeit und Strukturlosigkeit deutlich von den gefärbten Muskelfasern ab. Selbst nach längerer Einwirkung von Isolierungsmitteln, z. B. des Osmiumessigsäuregemisches, lösten sie sich nicht voneinander, auch dann nicht, wenn die Muskel- fasern bereits in Scheiben zerfallen waren. Infolgedessen liegt der Schluss nahe, dass Tunica propria und Muskelnetz in sehr inniger Verbindung miteinander stehen. Neuere Untersuchungen haben in mir den Eindruck erweckt, dass dieser enge Zusammen- hang dahin zu deuten ist, dass das Muskelnetz der Tunica propria eingelagert ist. (Vergl. auch Vogt und Yung, 137,5. 39.) Wie meine Figuren 1, 3, 4 auf Tafel XI und Textfigur 1 zeigen, verlaufen die breiten, quergestreiften Transversalfasern ziemlich gleichmässig und annähernd parallel zueinander. Die feinen Longitudinalverbindungen hingegen sind sehr unregel- mässig angeordnet. Bald stehen sie senkrecht zu den radialen Fasern, bald nehmen sie einen schrägen Verlauf. Auch ver- zweigen sie sich vielfach, sowohl an den Einmündungsstellen in Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 155 die Ringfasern, als auch mitten zwischen diesen. Eine Quer- streifung findet sich bei den Längsverbindungen in relativ wenigen Fällen. Keiner der oben genannten Autoren hat diese Verhältnisse beschrieben. Sie lassen sich aber ohne Schwierigkeit aus ihren Figuren herauslesen. Leydig (72) hat in seinem Lehrbuch aller- dings nur die Ringmuskeln (von Gammarus spec.) gezeichnet (siehe seine Fig. 194). Die Anastomosen fehlen. Diese finden sich zuerst bei v. La Valette (135) von Gammarus puteanus her ab- gebildet. Sie verlaufen senkrecht oder schräg zu den Ringfasern. Auch die Verzweigung der Längsverbindungen hat er bereits dar- gestellt. Die Vereinigung zweier Längsverbindungen vor dem Eintritt in die Ringmuskelfaser hat ferner Sars (113) von Gammarus neglectus her richtig in seine Fig. 28, Taf. V, ein- gezeichnet. Auch bei Max Weber (142) sieht man im Muskel- netz von Gammarus marinus (vergl. seine Fig. 1, Taf. 37) die Verzweigung der Längsverbindungen sowohl an den Vereinigungs- stellen mit den zirkulären Fasern, als auch in der Mitte zwischen diesen. Bei nur sehr wenigen Längsverbindungen hat er die (uerstreifung angedeutet, während die Ringfasern alle als deutlich quergestreifte Muskelfasern abgebildet sind. Wie ich schon am Schluss der Literaturübersicht über die Muskelnetze bemerkte, fehlen nähere Angaben über die Art dieserQuerstreifung gänzlich. Meine Untersuchungen suchen hierüber Aufschluss zu geben. Da sie namentlich das in vieler Hinsicht eigentümliche Verhalten der Grundmembranen (Z) und der Mittelmembranen (M) beleuchten, dürften sie auch für die Muskelforschung im allgemeinen von Interesse sein. Zwecks näherer Erläuterung habe ich in den Fig. 2—4 einige besonders typische Ringmuskelfasern mit ihren Längsverbindungen dar- gestellt. In Fig. 2 erscheinen alle Grundmembranen auffallend breit. Dies beruht zum geringeren Teil darauf, dass die Muskelfaser in gedehntem Zustand fixiert wurde, was auch den gebogenen Verlauf der Grundmembranen erklärt. Die Ursache der schein- baren Breite der Grundmembranen ist aber hauptsächlich die Anwendung von Thiazinrot + Toluidinblau, das bekanntlich (vergl. Heidenhain (47), Plasma und Zelle, 1911, S. 626) auch die den Grundmembranen beiderseits angelagerten Streifen J färbt. 13* 156 W. Pump: In Präparaten, die nach Behandlung mit diesen Neutralfarben nur wenig differenziert waren, konnte ich eine stärkere Färbung von J im Vergleich zu der von Z feststellen. In solchen Fällen erschienen die Telophragmen (Z) infolgedessen gleichsam hell auf dunklem Grunde. Bei stärkerer Differenzierung entfärben sich, wie auch Heidenhain in seinen Präparaten vom menschlichen Herzmuskel fand (47, Fig. 349 und 362), die isotropen Scheiben (J) allmählich bis auf die den Z-Streifen dicht angelagerten Partien, die dann fast denselben Färbungseffekt zeigen wie die Grund- membranen und demnach leicht mit diesen zusammen einheitlich gebaute Streifen vortäuschen können. Dies ist der Fall in Fig. 2: Die Grundmembranen sind scheinbar infolge der ebenso ge- färbten benachbarten Teile der isotropen Scheiben (J) verbreitert. Ich bemerke noch, dass nach langem Differenzieren in abs. Alkohol J schliesslich völlig entfärbt wird, und die Grund- membranen dann allein deutlich hervortreten. Bemerkenswert in Fig. 2 sind ferner die zarten Ausläufer zu beiden Seiten der Muskelfaser. Ich konnte deutlich im Präparat beobachten, dass die Grundmembranen sich in diese seitlichen Ausläufer kontinuierlich fortsetzen. Einige Grundmembranen verlängern sich nämlich seitlich über die übrigen Teile der Muskelfaser hinaus, entweder auf beiden Seiten oder nur auf einer Seite. Die Scheide, die die übrigen Teile der Muskelfaser begrenzt, setzt sich ohne Unterbrechung in die Scheide fort, die die Fortsätze der Grundmembranen umgibt. Demnach sind die Scheide der Muskelfaser und die Scheide der seitlichen Ausläufer als eine einzige Hülle anzusprechen, die die Muskelfaser samt deren seitlichen Ausläufern begrenzt. Die unverlängerten Grundmembranen zeigen normales Verhalten und sind mit der Scheide verknüpft. Dass die Fortsätze der Grundmembranen scheinbar zarter als diese selbst sind, hängt, wie ich bereits weiter oben ausführte, mit der Stärke der Differenzierung zusammen. In der eigentlichen Muskelfaser sehen wir nämlich nicht die Grundmembranen allein gefärbt, sondern zugleich auch die benachbarten Partien von J. Hingegen tritt uns in den Ausläufern die Fortsetzung von Z als die feine Linie entgegen, wie Z von den Muskelforschern stets gesehen wurde. Die Aufgabe dieser seitlichen Ausläufer der Ringfasern wird durch die Fig. 1, 3, 4 und Textfig. 1 klargelegt. Deutlich sehen wir, Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 187 wie diese Ausläufer von Ringfaser zu Ringfaser kontinuierlich verlaufen. Sie haben offenbar die Aufgabe, die Ringfasern mit- einander zu verbinden. Ich werde sie daher von jetzt ab kurz Bindefäden nennen. Wie aus den obigen Ausführungen hervor- geht, haben die Bindefäden in vieler Hinsicht mit den eigent- lichen Grundmembranen naturgemäss grosse Ähnlichkeit. In Textfig. 1, die nach einem mit Vanadiumhämatoxylin be- handelten Präparat angefertigt ist, weisen die Grundmembranen und Bindefäden denselben Färbungseffekt auf, der auf ihre Gleich- artigkeit im Bau schliessen lässt. Auch die Neutralfarben (Fig. 2 und 3) und Böhmersches Hämatoxylin mit Eosin (Fig. 4) wirken in derselben Weise auf Grundmembranen und Bindefäden ein. Aber. in folgenden Punkten weichen sie voneinander ab: Die eigentliche Grundmembran durchquert die fibrilläre Masse nur einer Muskelfaser und ist an den Enden mit der Scheide dieser Faser verknüpft. Die Bindefäden durchsetzen nicht nur die fibrilläre Masse mehrerer Muskelfasern, sondern auch die zwischen diesen befindlichen Räume. Die Bindefäden werden von der Scheide umhüllt. Bei der Kontraktion der Ringfasern werden an die Bindefäden selbstredend höhere Anforderungen als an die Grundmembranen selbst gestellt. Die Bindefäden müssen daher in besonders hohem Maße folgende physikalische Eigenschaften der Grundmembranen besitzen: Elastizität, Dehnbarkeit und Festigkeit. Die Existenz der Bindefäden setzt die Existenz der Grund- membranen voraus. Diese Tatsache stellt die Behauptung, dass der Z-Streifen der optische Ausdruck einer Membran (Krause- sche Grundmembran) ist, als absolut sicher hin. Diese von W. Krause (65, 67) zuerst (1869) vertretene Anschauung ist jahrzehntelang von den meisten Muskelforschern, unter ihnen gerade die bedeutendsten, bekämpft worden. Durch M. Heiden- hains (45) Bemühungen haben sich allerdings in den letzten Jahren die Stimmen vermehrt, die für die Deutung des Z-Streifens als Membran von gleichmässigem Bau eintreten. Der von mir erbrachte Nachweis der sogenannten Bindefäden wird wohl die wenigen heutigen Gegner der Krauseschen Ansicht von der Existenz der Grundmembranen überzeugen. Eine häufig zu beobachtende Eigentümlichkeit der Binde- fäden ist ihre Verzweigung in zwei und mehr Arme. Textfig. 1 gibt 185 Wi. Biemipe einige typische Beispiele hierzu. Die Bindefäden verzweigen sich häufig in der Nähe der Ringfasern, aber auch an jeder beliebigen Stelle zwischen ihnen. Die verzweigten Bindefäden lassen keine Unterschiede in ihren einzelnen Armen erkennen. Sie zeigen vielmehr in ihrer ganzen Ausdehnung einen durchaus gleich- mässigen Verlauf. An dieser Stelle möchte ich auf eine Eigentümlichkeit der (Grundmembranen hinweisen. Einige „Grundmembranen“ durch- queren nämlich die Ringfaser nur etwa bis zur Hälfte. wo sie plötzlich aufhören (Fig. 3 und Textfig. 1). Sie finden sich meist da, wo die Bindefäden in schräger Richtung zu den Ringfasern verlaufen. Infolge dieses schrägen Verlaufes der Bindefäden und der ihnen parallelen Grundmembranen sind an bestimmten Stellen zwei be- nachbarte Grundmembranen an der einen Seite der Faser be- deutend weiter voneinander entfernt als an der anderen Seite. Zwischen ihnen sind nun die oben erwähnten „verkürzten Grund- membranen“ eingeschaltet, die nur die eine Hälfte der Faser durchsetzen. Ich lege daher diesen Membranen den Namen Schaltmembranen bei. Sie haben ohne Zweifel ebenso wie die unverkürzten Grundmembranen die Aufgabe, die fibrilläre Masse in querer Richtung zusammenzuhalten. Die Schaltmembranen unterstützen die benachbarten Grundmembranen, die allein nicht imstande wären, ihre oben bezeichnete Aufgabe zu erfüllen, da sie auf der einen Seite der Faser zu weit auseinanderliegen. Die Schaltmembranen sind zum Unterschied von den Grundmembranen nur an ihrem einen Ende mit der Scheide direkt verbunden. Das andere Ende, das sich ungefähr in der Mitte der Faser be- findet, kann naturgemäss nicht ohne weiteres mit der Scheide verknüpft sein. In bemerkenswerter Weise vermitteln hier die Mittelmembranen den Zusammenhang zwischen diesem Ende der Schaltmembranen und der Scheide. Bei Besprechung der Mittel- membranen werde ich auf dieses Verhältnis von Schaltmembran und Mittelmembran zurückkommen. Die Schaltmembranen erinnern entfernt an die sogenannten Noniusperioden. Dies sind Strukturverschiebungen der von den Grundmembranen eingeschlossenen Kommata, die vor allem beim menschlichen Herzmuskel, ferner beim Transversus linguae des Hundes und bei anderen Muskeln häufig beobachtet wurden (Heidenhain [47], Schäfer [115]). Aber um Noniusperioden Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Ürustaceen. 189 kann es sich bei den Schaltmembranen nicht handeln. Einmal hat man die Noniusperioden nur auf Muskellängsschnitten wahrnehmen können. Sodann geben sie auch ein wesentlich anderes Bild als meine Schaltmembranen. Nach Heidenhain (47, S. 615) handelt es sich bei den Noniusperioden immer darum, „dass im Langschnitt der Faser die Kommata zweier parallel liegender Faserabschnitte nach Art der Konstruktion des Nonius nebeneinandergesetzt sind, so dass eine Zahl von n Kommata der einen Seite einer Zahl von n--1 Kommata der anderen Seite entspricht (siehe das Schema Fig. 355C). Es laufen in diesem Falle die Telophragmen (oder Grundmembranen) von beiden Seiten her gegeneinander und heften sich schliesslich an emem gemein- samen Plasmahäutchen fest, welches den herrschenden Zugwirkungen entsprechend wechselweise nach rechts und links eingeknickt ist.“ Diese Beschreibung der Noniusperioden weicht von der obigen Darstellung der Schaltmembranen ab. Beide sind also nicht identisch. Was die Erklärung der Noniusperioden anlangt, so sind mehr oder weniger einleuchtende Theorien aufgestellt worden, unter denen die Heidenhainsche Theorie „der Schraubengänge“ am meisten für sich hat (Heidenhain [47]). Die oben beschriebenen Bindefäden sind nicht die einzige Art der Längsverbindungen der Ringfasern miteinander. In den Fig. 3 und 4 sind Längsverbindungen dargestellt, die einen wesentlich anderen Bau zeigen als die Bindefäden. Einige longi- tudinale Verbindungen zeigen nämlich eine feine (uerstreifung. Wir haben also quergestreifte Muskelfasern vor uns, die analog den Bindefäden die Ringfasern miteinander in Längsrichtung verbinden. Besonders interessant ist, in welcher Weise diese quergestreiften Bindefasern mit den quergestreiften Ringfasern zusammenhängen. Stets treffen die Bindefasern mit den Ringfasern auf der Höhe der Grundmembranen der letzteren zusammen. Die Grund- membranen sind es auch, die die direkte Verbindung der Binde- fasern mit den Ringfasern bewerkstelligen: eine Grundmembran der letzteren setzt sich eine kurze Strecke geradlinig in die zugehörige Bindefaser hinein fort und heftet sich dort an diejenige Grundmembran der Bindefaser, die der Ringfaser am nächsten liegt. Da die Verknüpfungsstelle der beiden Grundmembranen sich in der Mitte der der Bindefaser zugehörenden Grundmembran befindet, entsteht eine T-förmige Figur. In den Fällen, wo sich 190 W. Pump: eine Grundmembran der Ringfaser mit den Grundmembranen zweier Bindefasern (an jeder Seite der Ringfaser eine) verknüpft, sehen wir dementsprechend eine L-förmige Figur. Die Scheide der Ringfasern setzt sich ununterbrochen in die Scheide der Bindefasern fort, die sich in nichts von der ersteren unterscheidet. Manchmal verlängern sich die Grundmembranen der Ring- fasern sehr weit in die Bindefasern hinein, die dann nur zum geringeren Teil Querstreifung zeigen, zum grösseren Teil jedoch den Charakter von Bindefäden haben. Ausser Bindefäden und quergestreiften Bindefasern gibt es noch eine dritte Art der Längsverbindung von Ringfasern untereinander. Fig. 1 und Fig. 4 geben hierfür Belege. In einige Longitudinal- verbindungen setzen sich die Grundmembranen nicht geradlinig fort, sondern biegen gleich nach ihrem Eintritt in mehr oder weniger scharfem Bogen um und heften sich an die Scheide. Die Grundmembranen der Längsfaser halten annähernd dieselbe Richtung inne, wie der zugehörige Teil der gleichsam umgebogenen Grundmembran der radialen Hauptfaser. Es ist eine Eigentümlich- keit dieser Art von quergestreiften Längsfasern, dass sie selten in genau senkrechter Richtung zu den Ringfasern verlaufen, sondern meist in mehr oder minder schräger Richtung. Infolge- dessen machen sie den Eindruck von abgespaltenen Teilen der zirkulären Hauptmuskelfasern. Diese sogenannten Spaltfasern, wie ich sie benenne, bilden den Übergang zu anderen Gabelungen der Ringfasern. Diese und jene Ringfaser gabelt sich nämlich in zwei oder mehr Äste, die sich mit denen der benachbarten Ring- fasern vereinigen. Beachtenswert ist das Verhalten der Grund- membranen kurz vor der Aufteilung der Ringfasern in diese Gabeläste. Die Grundmembranen und ebenso die Mittel- membranen erscheinen hier nach den Gabelästen hin stark ge- wölbt, manchmal sogar in der Mitte wie eingeknickt. So zeigen sie dann ungefähr dieselbe Richtung, wie sie die Membranen der Gabeläste einschlagen. Da die Gabeläste sehr spitze Winkel mit den Ringfasern bilden, verlaufen sie wie diese mehr oder weniger radial. Sie bilden mit den Ringfasern Maschen, die in trans- versaler Richtung die grösste Ausdehnung haben. Deshalb nenne ich sie kurz Transversalmaschen. Von den Transversalmaschen unterscheiden sich die Longitudinalmaschen, die von den Binde- Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 191 fäden, Bindefasern und Spaltfasern zusammen mit den Ringfasern gebildet werden und ihre grösste Ausdehnung in longitudinaler Richtung haben. Das Muskelnetz von Gammarus lässt also Longitudinalmaschen und Transversalmaschen erkennen. Durch die Ringfasern werden Transversal- und Longitudinalmaschen zu einem einzigen Netz innig verbunden, bei dem die Anzahl der Longitudinalmaschen bei weitem die der Transversalmaschen über- trifft. Die Ringfasern samt den Gabelästen sind die Quer- verbindungen, hingegen die Bindefäden, Bindefasern und Spalt- fasern die Längsverbindungen dieses Muskelnetzes. Auf die Bedeutung der soeben klargelegten Strukturverhältnisse für die allgemeine Muskelhistologie werde ich bei Oniscus asellus L. (murarius Uuv.) wieder zurückkommen, da sie dort in extremer Weise zutage treten. Der Streifen M. (senau in der Mitte zwischen den Grundmembranen ver- laufen die Mittelmembranen (M). Sie sind viel zarter als Z. Mit Hilfe des vorzüglichen Zeissschen Mikroskopes, das mir Herr Geheimrat Hertwig in liebenswürdiger Weise zur Ver- fügung gestellt hatte, konnte ich trotzdem die feinen Mittel- membranen deutlich erkennen. Dass sie ähnlich wie die Grund- membranen mit der Scheide verbunden sind, trat fast immer deutlich hervor (Fig. 1—3 und Textfig. 1). Die sogenannten Schaltmembranen (Fig. 3 und Textfig. 1), wie ich bestimmte Grundmembranen nannte, die die Ringfasern nur ungefähr zur Hälfte durchqueren (siehe S. 15), stehen mit den Mittelmembranen in direktem Zusammenhang. Hierdurch wird vermieden, dass die Spaltmembranen mitten in der Ring- faser frei enden. Zugleich zeugt diese Verknüpfung von Mittel- membranen und Schaltmembranen (,„verkürzten“ Grundmembranen) von der gemeinsamen Aufgabe der beiden Quermembranellen:: die fibrilläre Substanz in der Querrichtung zusammenzuhalten. Im Gegensatz zu M. Weber (142), der in jeder Ringfaser nur einen Kern fand, beobachtete ich fast stets mehrere Kerne in einer Ringfaser. Die Behauptung M. Webers, dass jede Ring- faser infolge des Vorkommens von nur einem Kern als eine Zelle anzusehen ist, wird durch die Vielkernigkeit der Ringfaser hinfällig. Zugleich wird die Frage, was denn nun vom Muskelnetz als Zelle 292 W. Pump: anzusprechen ist, recht kompliziert. Hierauf könnten wohl nur embryologische Untersuchungen hinreichende Antwort geben. 2. Asellus aquaticus L. (Taf. XI, Fie. 5). G. 0. Sars (113) und etwas eingehender Max Weber (142) haben sich mit dem Bau der Mitteldarmdrüse von Asellus aquaticus befasst. Übereinstimmend mit M. Weber (142), der zuerst eine Abbildung des Muskelnetzes bringt, sah auch ich bei den Drüsen- schläuchen von Asellus aquaticus, dass die „Muskelringe parallel untereinander laufend und senkrecht zur Längsachse den Blind- schlauch“ umkreisen (142, S. 409). Die Längsfasern sind eben- falls regelmässig angeordnet. In meinen Präparaten konnte ich von den Längsverbindungen ausschliesslich Bindefasern und Spaltfasern feststellen (Fig. 5). Bindefäden habe ich bei Asellus nicht wahrgenommen. Die quer- gestreiften Bindefasern verzweigen sich in der Regel nur einmal, selten mehrere Male wie bei Gammarus. Die Zahl der Längsverbindungen im Muskelnetz von Asellus ist verhältnismässig bedeutend kleiner als bei Gammarus. Infolgedessen ist das Muskelnetz von Asellus weitmaschiger als das von Gammarus her beschriebene Netz. 3ei der Verknüpfung der Ringfasern und Längsfasern spielt wiederum Z eine sehr wichtige Rolle. Die Bindefasern münden alle auf der Höhe von Z in die Ringfasern, und zwar sind die Grundmembranen der Ringfasern in die Bindefasern hinein- verlängert, um sich dort mit der zunächst befindlichen Grund- membran der Bindefasern zu verknüpfen. Der Zusammenhang der Ringfasern mit den Spaltfasern wird ebenfalls in der bei Gammarus beschriebenen Weise durch Vermittlung der Grundmembranen hergestellt. (rabeläste sind relativ spärlich vorhanden, wodurch die Transversalmaschen des Muskelnetzes sehr gross bleiben. Die Mittelmembranen zeigen dasselbe Verhalten wie bei Gammarus. Auch bei Asellus heften sich die äusserst feinen Mittelmembranen an die Scheide der Ringfasern. In den Binde- fasern und Spaltfasern nahm ich (wohl infolge ihrer geringen Breite) keine Mittelmembranen wahr, sondern nur Grundmembranen. 3. Oniscus asellus L. (murarius Cuv.) (Taf. XI, Fig 6). Das Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Oniscus asellus (murarius) haben Karsten (62), Frey und Leuckart (37), Uber die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Urustaceen. 193 Leydig (71) und Max Weber (142) zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht. Der zuletzt genannte Autor war zu der richtigen Erkenntnis gelangt, dass die zirkulären Muskel- fasern bei den Landasseln (Porcellio und Onisceus) „nicht senk- recht (wie bei Asellus und Gammarus), sondern schräg zur Längsachse des Drüsenschlauches dessen Peripherie umkreisen und an gewissen Stellen, die nach dem blinden Ende des Schlauches zu allmählich näher aneinanderrücken, zu dreien oder vieren nebeneinander liegen“ (142, S. 395). Dies engmaschige Muskel- netz aus breiteren Ringfasern und feinen Längsfasern schnürt den Drüsenschlauch infolgedessen spiralig ein, nicht fischreusen- artig wie bei Gammarus und Asellus. In Fig. 6 sind die drei oberen Ringfasern einander zum Teil sehr genähert, während die folgenden weiter auseinander liegen. Nicht nur die Longitudinalfasern sind vielfach ver- zweigt, sondern auch die Transversalfasern sind wiederholt gegabelt. Diese Gabeläste der Ringfasern bleiben zwischen den dicht beieinander liegenden Ringfasern nur kurz, während sie zwischen den in grösseren Abständen aufeinander folgenden Ringfasern naturgemäss bedeutend länger sind. Da die Gabel- äste wiederum durch Längsverbindungen miteinander ver- knüpft sind, ist das Muskelnetz an solchen Stellen besonders engmaschig. Auf der Höhe fast aller Grundmembranen der Ringfasern inserieren Längsverbindungen, die meist senkrecht zu den schräg liegenden Ringfasern verlaufen und relativ regelmässig verteilt sind. Sie sind in überwiegender Mehrzahl quergestreift. Meist handelt es sich um die bei Gammarus und Asellus bereits beschriebenen Bindefasern. Sie stehen vermittels der Grund- membranen in direktem Zusammenhang mit den zirkulären Fasern. Die Richtung, in der die Grundmembranen die Ringfasern durch- queren, ist abhängig von der Richtung der zugehörigen Binde- fasern. Wo diese genau senkrecht zu den Ringfasern verlaufen, stehen die entsprechenden Grundmembranen senkrecht zur Längs- achse der Ringfasern. Wo aber die Bindefasern schräg ansetzen, bilden die Grundmembranen mit der Längsachse der Ringfasern einen mehr oder weniger spitzen Winkel und durchsetzen so die Ringfasern in schräger Richtung. Wenn sich die Bindefasern am (runde der Ringfasern verzweigen, sind vielfach dementsprechend 194 W. Pump: auch die zugehörigen Grundmembranen gabelartig verlängert (vergl. Enderlein [27)]). Die Bindefasern sind die häufigsten Längsverbindungen in dem Muskelnetz von Oniscus. Andere longitudinale Verbindungen sind in der Minderheit. Bindefäden treten hin und wieder zwischen sehr nahe nebeneinander verlaufenden Ringfasern auf, namentlich zwischen den oben erwähnten Gabelästen der Ring- fasern. Aber auch in solchen Fällen sind nur die Längsverbindungen in der Nähe der (rabelpunkte Bindefäden. Bei grösserer Entfernung der Gabeläste voneinander treten quergestreifte Bindefasern an die Stelle der Bindefäden. An manchen Stellen des Muskelnetzes von Oniscus fand ich quergestreifte Spaltfasern vor, wie ich sie bei Gammarus näher beschrieben habe. Auch bei diesen Spaltfasern zeigt Z dasselbe Verhalten wie bei denen von Gammarus. Die verlängerten Grund- membranen der Ringfasern biegen auch hier in scharfem Bogen in die Spaltfasern ein und heften sich dort bald an die Scheide. Die Grundmembranen der Spaltfasern sind parallel zu dem um- gebogenen Teil der Grundmembranen der Ringfasern. Wo ich Mittelmembranen in den Spaltfasern wahrnehmen konnte, hatten sie naturgemäss dieselbe Richtung wie die Grundmembranen der Spaltfasern. Die Gabeläste der Ringfasern bilden mit diesen zusammen Transversalmaschen, die an die besonders vom Herzen der Menschen und Wirbeltiere her bekannt gewordenen Muskelnetze erinnern. ‘Auch die Netzbildungen anderer Muskeln müssen hier genannt werden, wie sie z. B. Biesiadecki und Herzig (10) nach Isolationspräparaten aus der Stammuskulatur des Pferdes ab- gebildet haben. Ausser in der Stamm-, Herz- und Zungen- muskulatur des Pferdes haben sie auch in den Zungenmuskeln von Mensch, Kalb, Kaninchen, Meerschweinchen, Hund, Frosch und Schildkröte gesehen, dass „zwei aus der dichotomischen Teilung einer Muskelfaser hervorgegangene Aste durch eine Brücke miteinander in Verbindung traten und so eine wirkliche Anastomose zustande kam“ (10, S. 148). Tergast (131) bestätigt die Angaben von Biesiadecki und Herzig (10). Er hat in den Augenmuskeln des Schafes dicho- tomische Teilungen der Fasern beobachten können und stellt einige „schöne, unzweifelhafte Anastomosen“ in seinen Fig. 5 und 6 dar. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 195 Felix (30) berichtet über Anastomosenbildung der Extre- mitätenmuskulatur des Menschen, S. Phelps (89, 90), nach Isolationspräparaten aus dem Pectoralis und Biceps femoris der Hausmaus, Durante (26) in verschiedenen Fällen von Atrophie und Hypertrophie von menschlichen Muskelfasern und von Muskeln im Recetus abdominis von schwangeren Frauen, endlich Schieffer- decker (123) in dem Deltoides, Pectoralis maior, Biceps humeri, Serratus ant. maior, Rectus oculi lateralis, internus, inferior und Obliquus inferior des Menschen, ferner in den roten und weissen Muskeln des Kaninchens, in dem Sartorius des Hundes. Auf Grund seiner eigenen zahlreichen Untersuchungen und derer der vor ihm genannten Forscher kommt Schiefferdeeker (123) als erster zu einem Ergebnis, das für den Muskelaufbau von hoher Bedeutung ist. Nach ihm baut sich der Muskel nicht nur aus einzelnen, eventuell sich verästelnden Fasern, wie bis dahin angenommen wurde, sondern auch aus Fasernetzen auf. Ausser- dem schien es ihm beachtenswert, dass die Verbindungen „der Fasern so häufig in Reihen liegen, welche etwas schräg zur Längsachse den Muskel durchziehen. Es entstehen so treppen- artige Bildungen, welche in etwas an die Lageverhältnisse der Kittstreifen oder Schaltstücke im Herzen erinnern“ (123, S. 286). Die Zusammensetzung des Muskels aus einzelnen Fasern und aus Fasernetzen scheint ihm zweifellos sicher für die Muskeln der Wirbeltiere, wahrscheinlich auch für die Muskeln der Wirbel- losen. Das letztere glaube ich auf Grund meiner Untersuchungen der Darmmuskulatur der Decapoden vollauf bestätigen zu können. Jedoch kann ich heute hierüber noch kein endgültiges Urteil abgeben. Ich werde die Darmmuskulatur der Crustaceen weiter daraufhin prüfen und behalte mir vor, die Ergebnisse dann in einer besonderen Abhandlung zu veröffentlichen. Auf Grund obiger Ausführungen sehe ich das Muskelnetz der Mitteldarmdrüse als einen netzartig gebauten Muskel an, der aus quergestreiften transversalen Muskelfasern, den Ringfasern, mit ihren schräg verlaufenden Gabelästen und aus den Längs- verbindungen: Bindefäden, Bindefasern, Spaltfasern, die seitliche Fortsätze der Ringfasern sind, besteht. Es ist eine Besonderheit dieses Muskels, dass seine Hauptfasern, die Ringfasern, verhältnis- mässig breite Zwischenräume zwischen sich lassen. Aber durch zahlreiche Längsverbindungen, wie Bindefäden, Bindefasern, Spalt- 196 W. Pump: fasern, ausserdem auch durch Gabeläste stehen die transversal verlaufenden Ringfasern in Zusammenhang miteinander. Dabei stehen die Längsverbindungen ungefähr in demselben Verhältnis zu den Ringfasern wie die Grund- und Mittelmembranen zu den Fibrillen der einzelnen Ringfasern. Die Grund- und Mittelmembranen durchsetzen recht- winklig zu den Fibrillen die Muskelfasern.. Die Längs- verbindungen: Bindefäden, Bindefasern und Spaltfasern verlaufen durchweg rechtwinklig zu den Ringfasern. Durch ihr rechtwinkliges Überkreuzen der Fibrillen sind die Grund- und Mittelmembranen imstande, etwaige seitliche Verschiebungen der Fibrillen gegeneinander auszugleichen, und können so eine einheitliche Gesamtwirkung aller Fibrillen einer Faser garantieren (Heidenhain, 47). Infolge ihres durchweg senkrechten Verlaufes zu den Ring- fasern können die Längsverbindungen seitliche Verschiebungen der Ringfasern gegeneinander ausgleichen und so ein Zusammen- wirken aller Ringfasern eines Muskelnetzes herbeiführen. Die Frage, ob das Fadennetz eines Drüsenschlauches allein oder die Fadennetze aller Drüsenschläuche zusammen einen Muskel darstellen, möchte ich dahin entscheiden, dass die Fadennetze aller Schläuche einer Mitteldarmdrüse als einen einzigen Muskel bildend anzusehen sind. Zu dieser Annahme bestimmt mich die Tatsache, dass die Muskelnetze an der Basis der Drüsenschläuche miteinander in inniger Verbindung stehen. Demnach liegt ein Muskel vor, der ausschliesslich aus Fasernetzen aufgebaut ist. Dies alles gilt auch für die Netze von Gammarus und Asellus. Die Ringfasern sind nicht, wie M. Weber (142) will, als einzelne Muskelzellen anzusehen, da ich im Gegensatz zu ihm mehrere Kerne in jeder Ringfaser fand. Bereits Huet (55) hat in seiner Fig. 6, Taf. XIV, die eine Ringfaser mit zwei Kernen abgebildet. Die Mittelmembranen verhalten sich ebenso wie bei Gammarus und Asellus. 4. Porcellio scaber Latr. Ausser Karsten (62) und Frey und Leuckart (37), die zwischen den Muskelnetzen von Isopoden keinen Unterschied machen, haben sich Max Weber (142) und Huet (55) mit dem in Rede stehenden Muskelnetz von Porcellio scaber befasst. Uber die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Urustaceen. 197 M. Weber (142) hat keine Abweichungen der Muskelnetze von Porcellio und Oniscus gefunden. Was die schräg zur Längsachse des Drüsenschlauches verlaufenden Ringfasern und das dadurch verursachte spiralige Aussehen der Schläuche betrifft, stimme ich ihm bei. Ferner liegen an bestimmten, regelmässig abwechselnden Stellen die Ringfasern von Porcellio näher beieinander. Auch sonst zeigen die Muskelnetze von Porcellio und Oniscus grosse Übereinstimmung. Aber sie unterscheiden sich in folgenden Punkten: l. Die dicht nebeneinander verlaufenden Ringfasern sind bei Porcellio bedeutend breiter als diejenigen Ringfasern, die grössere Zwischenräume zwischen sich lassen. Bei Oniscus herrscht in diesem Punkt kein grosser Unterschied. 2. Die Ringfasern der Kellerassel sind weniger gegabelt als die der Mauerassel. 3. Die Längsverbindungen bei Porcellio verlaufen nicht so dicht nebeneinander und sind infolgedessen nicht so zahlreich als bei Oniscus. 4. Bei Porcellio finden sich weit häufiger Bindefäden, wenn auch die quergestreiften Fasern, unter diesen besonders die Binde- fasern, in überwiegender Mehrzahl vorhanden sind. 5. Trotzdem sich die Bindefäden, Bindefasern und Spalt- fasern von Porcellio im Vergleich zu denen von Oniscus relativ häufiger verzweigen, ist das Muskelnetz von Porcellio dennoch weitmaschiger als das von Oniscus. Dieser Unterschied wird durch die unter 1. bis 3. genannten Abweichungen erklärt. Über das sonstige Verhalten von Z und M gilt alles bei Oniscus über sie Gesagte, ebenso was die Kernverhältnisse der Ringfasern angeht. Aus denselben Gründen wie bei Oniscus ist die Gesamtheit der Fadennetze aller Schläuche der Mitteldarmdrüse von Porcellio als ein Muskel von netzförmigem Bau anzusprechen. 5. Potamobius astacus L. (Astacus fluviatilis Rond.) (Taf.XI, Fig. 7). Frey und Leuckart (37) sind die ersten, die das fragliche Muskelnetz beim Flusskrebs als solches erwähnen, nachdem 2 Jahre vorher Karsten (62) wohl die quergestreiften Ringfasern samt ihren Längsverbindungen gesehen, aber als „Kapillargefässe“ ge- dentet hatte. 198 W. Pump: In seiner Fig. €, Taf. XXI, hat Karsten (62) von den Längsverbindungen nur die Scheide gezeichnet, in seiner Fig. 9, Taf. XXI, dagegen die Bindefäden selbst, aber ohne ihre Scheide. Die vielfache Verästelung der Bindemembranen tritt namentlich in seiner Fig. 6, Taf. XXI, hervor. Leydig (72) vermutet, gestützt auf seine Untersuchungen der Mitteldarmdrüse von Gammarus pulex, dass die quergestreiften zirkulären „Muskeln“ vielleicht auch den Schläuchen der Mittel- darmdrüse des Flusskrebses nicht fehlen. Max Weber (142) ist der Meinung, dass das in Frage stehende Muskelnetz von Astacus mit dem von Gammarus über- einstimmt und gibt daher keine besondere Beschreibung des ersteren. In einer neueren Arbeit (1906) bemerken Apäthy und Farkas (5), dass die zirkulären „Muskeln“ aus mehreren Fasern bestehen. Auch behaupten, sie dass jeder zirkuläre „Muskel“ mehrere Zellkerne hat und demnach nicht einer Zelle gleich- zusetzen ist, wie Max Weber (142) wollte. Das „Sarkolem“ der Ringfasern sahen sie sich deutlich in das „Sarkolem“ der „Längsäste“ der Ringfasern fortsetzen. Aber Angaben über die feinere Anordnung der (Querstreifung finden sich auch bei diesen Autoren nicht. Die Worte Max Webers (142) aus dem Jahre 1580, mit denen er seiner Verwunderung Ausdruck gibt, „dass unsere Kenntnis über die feinere Struktur dieses Organs (Mitteldarmdrüse) des Flusskrebses, eines Tieres, das doch leicht in jedermanns Händen ist“ (S. 436). noch so wenig „eindringend“ ist, hatten noch bis jetzt ihre Berechtigung, soweit das Muskel- netz in Frage kommt. Im folgenden werde ich versuchen, diese Lücke unserer Erkenntnis auszufüllen. Das Muskelnetz vom Flusskrebs ist auffallend engmaschig, wie ein Blick auf Fig. 7 zeigt. Es erinnert in vieler Hinsicht an das von Gammarus her beschriebene Netz, was bereits Max Weber (142) richtig erkannt hatte. Ebenso wie bei Gammarus verlaufen auch hier die breiten Ringfasern senkrecht zu der Längsachse des Drüsenschlauches und ziemlich parallel zueinander. Die Abstände zwischen den einzelnen Ringfasern nehmen nach der Spitze des Schlauches hin ab, in demselben Maße auch ihre Breite. Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 199 Dass die transversalen Muskelfasern sich gabeln, und dass die (rabeläste der einen Ringfaser sich mit denen der anderen verbinden, habe ich auch hier konstatieren können. Aber sie sind im Muskelnetz nicht gleichmässig verteilt. Namentlich in der das basale Ende des Drüsenschlauches umhüllenden Partie sind sie am häufigsten. Die verhältnismässig grosse Zahl der Längsverbindungen und ihre vielfache Verästelung verursacht die Engmaschigkeit des Muskelnetzes. Mit sehr wenigen Ausnahmen vermitteln fast alle Grundmembranen der Ringfasern die Verbindung zwischen den letzteren. Entweder setzen sich die Grundmembranen einer Ringfaser ohne Unterbrechung in die Längsverbindungen hinein bis zu den benachbarten Ringfasern fort. In diesem Falle handelt es sich um Bindefäden, wie ich sie bei allen oben behandelten Crustaceen beschrieben habe. Oder aber die Grundmembranen der Ringfasern verlängern sich nur eine kurze Strecke in die Längsverbindungen hinein und heften sich dort an die nächst- liegenden Grundmembranen der quergestreiften Längsverbindungen unter einem Winkel von nahezu 90° Hier haben wir quer- gestreifte Bindefasern vor uns, die ich ebenfalls bei den Muskel- netzen von Amphipoden und Isopoden beschrieben habe. Die dritte Art der Längsverbindungen, die Spaltfasern, habe ich seltener angetroffen. Was die Mittelmembranen betrifft, so sind sie auch bei Potamobius (Astacus) als äusserst feine Linien sichtbar, die konti- nuierlich die Ringfasern durchziehen und mit der Scheide innig verknüpft sind. Die wenigen unverlängerten Grundmembranen der Ring- fasern stehen selbstverständlich mit deren Scheide in Verbindung. Fast jede Ringfaser weist mehrere Kerne auf. Dies steht in Widerspruch mit dem Befund M. Webers (142), aber stimmt mit dem von Apathy und Farkas (5) überein. Damit fällt zugleich die Behauptung Webers, dass jede Ringfaser einer Muskelzelle entspräche. Ich sehe die (resamtheit aller Fadennetze (mit ihren Ring- fasern und Gabelästen, ihren Bindefäden, Bindefasern und Spalt- fasern) der Mitteldarmdrüsenschläuche des Flusskrebses als einen Muskel an, aus denselben Gründen, wie bei den von mir be- sprochenen Fadennetzen von Isopoden und Amphipoden. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. 14 200 W. Pump: Die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Carcinus maenas Leach stimmen im wesentlichen mit denen des Fluss- krebses überein. 6. Cancer pagurus. L. Das Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Cancer pagurus ist bis jetzt nicht Gegenstand einer besonderen Untersuchung gewesen. Dem aufmerksamen Beobachter entgeht nicht, dass die Drüsenschläuche von Cancer in ihrer äusseren Form etwas ab- weichend von denen von Uareinus gestaltet sind. Die ringförmigen Einschnürungen, die auch hier durch Radialfasern bedinet sind, liegen einander viel näher als bei Carcinus. Dementsprechend sehen wir beim isolierten Muskelnetz, das gleichfalls mit der Tunica propria innig verbunden ist, die Ringfasern weniger weit voneinander entfernt, als dies bei Carcinus der Fall ist. Trotz- dem ist das Muskelnetz von Cancer weitmaschiger, da die Längs- verbindungen nicht so dicht wie die des Netzes von Careinus beieinander liegen. Zwischen je zwei verlängerten Grundmembranen befinden sich nämlich ein, zwei, seltener sogar drei Grund- membranen in den Ringfasern. Selten setzen sich zwei benach- barte Grundmembranen in Längsverbindungen fort. Das Muskel- netz von Cancer ist im Vergleich zu allen bisher besprochenen Netzen relativ am gleichmässigsten gebaut. Die Mehrzahl der Maschen erscheint von rechteckiger, manchmal sogar quadratischer Gestalt, die durch die regelmässige Anordnung der Längsver- bindungen bedingt ist, die nieist genau senkrecht zu den radialen Fasern verlaufen und sich verlältnismässig wenig verzweigen. In den meisten Punkten stimmt das Muskelnetz von Hyas arenaria mit dem von Cancer völlig überein. Um unnötige Wieder- holungen zu vermeiden, verweise ich daher auf meine obigen Ausführungen über das Fadennetz von Üancer. 7. Eupagurus Bernhardus. L. (Taf. XI, Fig. 8 und Textfig. 2). Über das Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Eupagurus Bernhardus habe ich bei Durchsicht der einschlägigen Literatur nichts Näheres gefunden. Die Einschnürungen der Drüsenschläuche, auch hier durch zivkuläre Muskelfasern verursacht, zeigen ebenfalls verhältnis- mässig geringe Abstände wie die der Schläuche von Hyas und Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von ÜUrustaceen. 201 Cancer. Aber das gemeinsam mit der glashellen Tunica propria isolierte Muskelnetz ist engmaschiger als das der beiden genannten Crustaceen. Diese Engmaschigkeit rührt von der grösseren An- zahl der Längsverbindungen und von ihrer häufiger anzutreffenden Verästelung her. Auch sind die Ringfasern dieses engmaschigen Netzes durchweg breiter als die aller oben beschriebenen Faden- netze der Decapoden. Die Grundmembranen der Ringfasern ver- längern sich fast alle in die Längsverbindungen hinein, die grösstenteils Bindefäden sind. Quergestreifte Bindefasern sind relativ spärlich. Fig. S und Textfig. 2 legen von der Beschaffenheit der Grundmembranen und der Bindemembranen ein be- merkenswertes Zeugnis ab. Die Präparate, nach denen diese beiden Figuren an- gefertigt sind, waren be- deutend länger als sonst üblich in Osmiumessigsäure gewesen und zeigten in- folgedessen beachtenswerte Unterschiede zu den in normaler Weise behandelten Präparaten. Was Fig.S be- trifft, so sind die Grund- membranen und Bindefäden dunkelrot gefärbt. Ausser- dem sind sie relativ breit. Textfig. 2. Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Eupagurus Bernhardus L. E : i Alcohol abs. + Salpetersäure; Thiazin- Bei n 8 Bee i eide Abweichungen sind rot 4 Toluidinblau. Stärker „osmiert“; eine Kolge der längeren Ein- nit gänzlich zerfallenen Ringfasern. wirkung des Osmiumessig- Vergr. 1:390. | säuregemisches. Die mittlere Ringfaser der Fig. 5 scheint unterbrochen. Die Lücke wird links und rechts von einer Grundmembran be- erenzt. Dieser Teil der Faser ist in Scheiben zerfallen. Nur die äussere Hülle, die Scheide, und die Grundmembranen und die Bindefäden sind an dieser Stelle übrig geblieben. Die fibrilläre Masse hingegen ist mazeriert. 14* 202 W. Pump: Die erhaltenen Grundmembranen und Bindefäden treten sogar deutlicher hervor als in den nicht zum Teil zerfallenen Netzen. Sie sind gleichmässig etwas verquollen, eine Folge der intensiveren Einwirkung der Osmiumessigsäure. Aus demselben Grunde zeigen sie in diesem Teil des Netzes einen unregelmässig gebogenen Verlauf. Mittelmembranen habe ich in Muskelnetzen, die so stark mit Osmiumessigsäure behandelt waren, nicht wahrgenommen. Das oben beschriebene Verhalten der Grundmembranen und Bindefäden bei stärkerer Einwirkung des Osmiumessigsäure- gemisches spricht einmal für eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen jenes Säuregemisch. Sodann beweist dies auffällige Ver- halten in völlig einwandfreier Weise, dass die Bindefäden Ver- längerungen der Grundmembranen sind, die ebenso kontinuierlich verlaufen wie die Grundmembranen selbst. Die Präparate, die der Textfig. 2 entsprechen, wurden mir erst dann unzweifelhaft klar, nachdem ich Präparate, wie ich sie in Fig. 8 dargestellt habe, vor Augen gehabt hatte. Die mich beim ersten Anblick recht merkwürdig anmutenden Bilder jener Präparate (Textfig. 2) lassen nur die sehr deutlich gefärbten (rundmembranen und Bindefäden, ausserdem noch die Scheide erkennen. Der fibrilläre Teil der Ringfasern (und Bindefasern) ist gänzlich in Scheiben zerfallen. Diese verquollenen, intensiv rot tingierten Scheiben sah ich in grosser Zahl im Glycerin, worin ich die Präparate eingeschlossen hatte, frei umherschwimmen. Die Grundmembranen und die Bindefäden haben infolge der längeren Einwirkung von Osmiumessigsäure an Breite gleich- mässig zugenommen. Sie sind von dunkelroter Farbe, während der normale Färbungseffekt des Thiazinrots (in Gemeinschaft mit Toluidinblau) das Hellrot ist. Von einigen Längsverbindungen ist (ähnlich wie bei den Ringfasern) nur die leere Scheide übrig geblieben. In diesen Fällen wird es sich um quergestreifte Bindefasern, resp. Spaltfasern handeln, die in Scheiben zerfallen sind. Aber die Grundmembranen dieser Bindefasern resp. Spalt- fasern konnte ich nicht wahrnehmen. Da sie zarter sind als die Grundmembranen der Ringfasern, sind sie ebenso wie die feinen Mittelmembranen der Ringfasern durch das Osmium- essigsäuregemisch zerstört worden. Textfig.2 zeugt in stärkerem Maße als Fig.S von der relativ grossen Widerstandsfähigkeit und, was das Wichtigste ist, von Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 205 der unzweifelhaften Identität (im Aufbau) der Grundmembranen und der Bindefäden, denn beide reagieren in derselben Weise auf jenes Säuregemisch. Bei übermässig langer Anwendung dieses (remisches werden schliesslich auch die Grundmembranen und die Bindefäden vernichtet, so dass nur die leere Scheide des Muskel- netzes übrig bleibt. Bei ihrer Zerstörung zeigen sie ebenfalls keine Abweichungen voneinander. Das Verhalten der Grundmembranen und Bindefäden in der Fig.8 und Textfig.2 hat nicht nur seine besondere, oben klargelegte Bedeutung für die Kenntnis der in Frage stehenden Muskelnetze der Crustaceen, sondern ist ebenso wichtig für die Muskelforschung im allgemeinen. Bis jetzt war es nämlich keinem Muskelforscher gelungen, bei den in Scheiben zerfallenen Muskelfasern die Grund- membranen zu isolieren und im sonst leeren Sarkolem färberisch darzustellen (vergl. auch Heidenhain [45]). Zum Schluss mache ich darauf aufmerksam, dass auch die in Scheiben zerfallenen Muskelnetze der Tunica propria eingelagert schienen. Vergleichende Übersicht über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. Die oben besprochenen Muskelnetze lassen ohne Schwierig- keit zwei verschiedene Typen erkennen. Zu dem einen Typus sind die Muskelnetze von Wasserasseln, Amphipoden und Deca- poden zu rechnen. Zu dem anderen Typus zählen die Fadennetze der Landasseln (Porcellio und Oniscus). Beim ersten Typus ver- laufen die Ringfasern senkrecht, beim zweiten Typus hingegen schräg zur Längsachse der Drüsenschläuche. Bereits M. Weber (142) sind diese Unterschiede, die geradezu zum Vergleich heraus- fordern, nicht entgangen. Dieser verdiente Forscher sucht die Strukturabweichungen der Muskelnetze auf Eintlüsse der Aussen- welt zurückzuführen, ein Unternehmen, das mir aussichtsreich erscheint. So bringt er die abweichende Form der Muskelnetze der landbewohnenden Asseln mit ihrem Landaufenthalt in Zusammen- hang. In seiner wiederholt erwähnten Arbeit (142) aus dem Jahre 1350 heisst es: „Derselbe (nämlich der Landaufenthalt) bringt eine wasserärmere Nahrung (die Oniseiden sind ebenso wie Asellus herbivor und leben vorzugsweise von vermodernden pflanzlichen Teilen) und verlangt demgemäss einen reichlichen 204 W. Pump: Zufluss von Sekret; im Zusammenhang hiermit steht dann die unzweifelhaft stärkere Entwicklung der Mitteldarmdrüse der Land- isopoden gegenüber der des Asellus und vielleicht auch die andere Form des Muskelnetzes. Dass nämlich dieses kräftiger und aus- giebiger wirken wird als das Muskelnetz des Asellus, darf wohl nicht bezweifelt werden“ (142, S. 109f.). Es ist engmaschiger und wirkt dadurch allseitiger auf die zu entleerenden Schläuche ein. Auch die spiralige Form des Netzes ist hierbei von nicht zu unterschätzendem Einfluss. Dies ist im wesentlichen M. Webers Deutung der Unterschiede der beiden Typen der Muskelnetze. Kein anderer Forscher hat sich wieder damit befasst. Da die heutigen Anschauungen der Physiologen (siehe Jordan [61], I, 1913, S. 432) über die Bedeutung der Muskelnetze der Drüsen- schläuche im Prinzip nicht dagegen sprechen, habe ich den obigen Erläuterungen nichts hinzuzufügen, weil sie mir auch einleuchtend zu sein scheinen. Die Muskelnetze des ersten Typus zeigen wiederum manche Abweichungen voneinander. Die Abstände der Ringfasern sind verschieden gross. Bei Asellus sind die Ringfasern im allgemeinen am weitesten voneinander entfernt, etwas weniger weit bei Potamobius (Astacus), Careinus und Gammarus. Verhältnismässig dicht liegen sie bei Cancer, Hyas und Eupagurus. Bei den Muskelnetzen aller genannten Urustaceen folgen die Ringfasern an der Spitze der Drüsenschläuche dichter aufeinander als im mittleren und basalen Teil der Schläuche. Beachtenswert ist ferner die verschiedene Breite der Ring- fasern. Die breitesten Ringfasern fand ich bei Eupagurus. Ziemlich breit sind auch die Ringfasern bei Gammarus, Potamobius (Astacus) und Careinus, während sie bei Cancer und besonders bei Hyas relativ schmal sind. Mehr als die Entfernungen der Ringfasern voneinander bedingt das Verhalten der Längsverbindungen die Eng-, resp. Weitmaschigkeit der Muskelnetze. Das weitmaschigste Netz findet sich demnach bei Asellus. Hier sind nämlich die Abstände der Ringfasern und die der Bindefasern am grössten. Auch sind die letzteren relativ selten verzweigt. Eupagurus hat das engmaschigste Netz, da Ringfasern und Bindefäden recht nahe beieinander liegen. Durch die grosse Breite der Ringfasern und die häufige Verzweigung Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 205 der Bindefäden wird die Engmaschigkeit des Netzes noch erhöht. Die übrigen Muskelnetze des ersten Typus zeigen alle Über- gänge von dem weitmaschigen Netz der Wasserassel bis zu dem engmaschigen des Einsiedlerkrebses. Die Längsverbindungen spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Aktivität der Muskelnetze. Bei den spiraligen Muskelnetzen des zweiten Typus sind die quergestreiften Binde- fasern in überwiegender Mehrzahl vorhanden, im Vergleich zu den Bindefäden. Die fischreusenartigen Muskelnetze des ersten Typus zeigen hierin bemerkenswerte Unterschiede voneinander. Asellus hat fast ausschliesslich quergestreifte Binderasern, resp. Spaltfasern. Bindefäden scheinen ihm zu fehlen. Bei Cancer haben die quergestreiften Längsverbindungen ebenfalls die Mehr- heit. Bei den Netzen von Potamobius (Astacus), Careinus, Hyas und Eupagurus überwiegt umgekehrt die Zahl der Bindefäden die der Binde-, resp. Spaltfasern. Je mehr quergestreifte Längs- verbindungen ein Muskelnetz im Vergleich zu den Bindefäden hat, desto schneller kann es sich naturgemäss in der Richtung der Längsachse zusammenziehen. Und umgekehrt, je mehr Binde- fäden im Vergleich zu den Binde-, resp. Spaltfasern in einem Fadennetz vorhanden sind, um so längere Zeit wird es dazu brauchen. Demnach dürfte es dem spiraligen Netz der Landasseln am schnellsten gelingen, sich in der Längsrichtung der Drüsenschläuche zusammenzuziehen. Den Netzen von Asellus und Cancer wird es fast ebenso schnell gelingen. Hingegen werden die Netze von Potamobius (Astacus), Careinus, Hyas und Eupagurus bedeutend mehr Zeit dazu gebrauchen, entsprechend der verhältnismässig kleinen Anzahl ihrer quergestreiften Längsverbindungen. — Bei der Kontraktion der Drüsenschläuche in der Längsrichtung muss selbstverständlich ausserdem die Retraktion der kontrahierten Ringfasern in Betracht gezogen werden. Die Ringfasern und ihre Längsverbindungen wirken nämlich antagonistisch zueinander, d. h. in rechtwinklig sich überkreuzenden Richtungen. Bei Kontraktion der Ringfasern wird die Wand der Drüsenschläuche in transversaler Richtung zusammengezogen. Die Masse weicht entgegengesetzt, also in der Längsrichtung aus. Die Schläuche verengern sich und werden zugleich länger. Die 206 W. Pump: Längsverbindungen (unter ihnen namentlich die quergestreiften), wesentlich von der Retraktion der kontrahierten Ringfasern unter- stützt, zeigen eine entsprechend umgekehrte Wirkungsweise, wie ich weiter oben ausführte. Ein ähnliches Beispiel der antagonistischen Wirkungsweise bietet bekanntlich die Darmwand mit ihrer Ring- und Längs- muskulatur. Aufgaben und Eigenschaften der Grundmembranen und Mittelmembranen. Die Grundmembranen trennen die Kommata, die Muskel- kästehen Krauses, voneinander und zerlegen so jede Muskelfaser in eine Unmenge hintereinander liegender genau gleichgebauter Teile. Die Natur leistet in dieser exakten Wiederholung der Kommata eine Präzisionsarbeit, „welche alles, was menschliche Hände zu schaffen vermögen, übertrifft, und welche so merk- würdig ist, weil gerade im übrigen bei den protoplasmatischen Strukturen der Mangel einer an mathematische Formen er- innernden Ordnung das Gewöhnliche ist“ (Heidenhain (47, S. 610). Th. W. Engelmann (28, S. 164) beobachtete, dass ein einzelnes Muskelfach imstande ist, sich allein zu kontrahieren. Damit hatte er zuerst den Nachweis geführt, dass die Muskel- fächer oder Kommata die physiologischen Muskelelemente sind. Die Mittelmembranen zerlegen die Muskelfächer genau in zwei Hälften. Die Grundmembranen und Mittelmembranen durchsetzen den Muskel rechtwinklig zu den Fibrillen. Dadurch ist er im- stande, seitliche Verschiebungen der Fibrillen gegeneinander aus- zugleichen und so ihre normale Lage zu bewahren. Diese Bedeutung der Grund- und Mittelmembranen tritt bei den Vor- gängen der Kontraktion besonders klar hervor (Heidenhain [47 ]). Die sogenannten Schaltmembranen (Fig. 3 und Textfig. 1), die mit den Mittelmembranen verknüpft sind, zeugen von der gemein- samen Aufgabe der Quermembranellen, die Fibrillen zusammen- zuhalten. Namentlich bei den sogenannten seitlichen Kontraktions- wellen, die die nebeneinander verlaufenden Fibrillen zeitlich nacheinander in Erregung versetzen, spielen die Grund- membranellen eine wichtige Rolle. Sie haben hier die dabei Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 207 entstehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Fibrillen einer Muskelfaser auszugleichen und somit ein Zusammenwirken der- selben herbeizuführen (Heidenhain [45]). Da die Grundmembranen und Mittelmembranen mit dem Sarkolem verbunden sind, können sie ihre Aufgabe um so besser erfüllen. Häufig sah ich in meinen Präparaten, dass die (@uer- membranellen der Ringfasern wellig oder sonst unregelmässig gebogen verliefen. In solchen Fällen waren nämlich nur einige Partien der Ringfasern im kontrahierten Zustande fixiert, die anderen Partien hingegen in untätigem Zustande. Die Grund- und Mittelmembranen der kontrahierten Partien hatten das be- kannte normale Aussehen. Sie verliefen geradlinig und senkrecht zu den Fibrillen. Aber die QWuermembranellen der erschlatiten Partien waren nach den kontrahierten Partien hin mehr oder weniger regelmässig gekrümmt. Dadurch, dass die @Quermembranellen senkrecht zu den Fibrillen resp. Säulchen verlaufen, folgen sie einem allgemeinen (Gesetz der Protoplasmaarchitektur. Bütschli (14) hat dies (Gesetz, dass parallel verlaufende Fäserchen durch Querver- bindungen zusammengehalten werden, aufgestellt und begründet. In der Tat erinnert die Muskelstruktur an die Spongiosa mit ihren senkrecht sich überschneidenden Knochenbälkchen, worauf M. Heidenhain (45) in seiner 1899 erschienenen Arbeit hinweist. Die Grundmembranen „entsprechen den Kurven der stärksten Zugwirkungen der Spongiosastruktur“* (Heidenhain [45], S. 64). Dieser Forscher hat auch (47, S. 621) auf die antagonistische Wirkungsweise der Grund- und Mittelmembranen zu der kontrak- tilen Substanz aufmerksam gemacht (vergl. hiermit den Schluss des vorigen Kapitels über die Muskelnetze!). Schiefferdecker (120, 8.41. 123,8. 209%.) hat auf Grund der Tatsache, dass die Quermembranellen die Muskelfaser ihrer ganzen Dicke nach durchsetzen und so die Fibrillen unter- einander verbinden, die Hypothese aufgestellt, dass die Quer- membranellen zur Retraktion der kontrahierten Faser dienen. Er vergleicht sie mit elastischen Gummifäden, die „das Bestreben haben, sobald die dehnende Kraft zu wirken aufhört, ihre alte Länge wieder anzunehmen“ (123, S. 210). 208 W. Pump: Dass die Quermembranellen relativ elastisch sind, wird all- gemein anerkannt. Aber Schiefferdecker betont ihre Elastizität offenbar zu stark. Heidenhain (47) bemerkt in zutretfender Weise, dass der Muskel dann gegen sehr grosse innere Wider- stände zu arbeiten hätte, wodurch wiederum ein dementsprechender Kraftverlust entstände, falls die Zusammenziehung der Quer- membranellen vermöge ihrer Elastizität von praktischer Be- deutung wäre. Meine Befunde über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse stehen mit der Hypothese Schiefferdeckers in Widerspruch. Die Muskelnetze der Landasseln haben fast ausschliesslich quer- gestreifte Längsverbindungen, die weniger aktiven Netze der im Wasser lebenden Urustaceen hingegen vielfach Bindefäden. Diese zeigen in ihrem ganzen Verhalten, dass sie Verlängerungen der (Grundmembranen sind. Wären diese imstande, die kontrahierten Ringfasern wieder auszudehnen und so zugleich die in die Länge gezogenen Drüsenschläuche wieder auf ihre ursprüngliche Dicke zu bringen, so würden die gleichfalls, aber meist in geringerer Anzalıl vorhandenen quergestreiften Längsverbindungen über- flüssig sein. Ich verweise diesbezüglich auch auf meine Aus- führungen über das Verhältnis von PBindefäden und quer- gestreiften Längsverbindungen im vorigen Kapitel (S. 32 ff.), wo ich nachwies, dass die quergestreiften Längsverbindungen der wesentlichste Faktor bei der Zusammenziehung der Muskelnetze in der Richtung der Längsachse der Drüsenschläuche sind. Die Bindefäden spielen hierbei keine aktive, sondern lediglich eine passive Rolle. Neben ihrer Elastizität zeigen die Quermembranellen eine ausserordentlich grosse Dehnbarkeit. Diese Eigenschaft tritt namentlich bei der Kontraktion der Ringfasern hervor. Bei der durch die kontrahierten Ringfasern verursachten Streckung der Drüsenschläuche werden zugleich auch die Längsverbindungen gedehnt, da die Zwischenräume zwischen den einzelnen Ring- fasern vergrössert werden. Hier sind es vor allem die Binde- fäden, an deren Dehnbarkeit erhöhte Anforderungen gestellt werden. Das Verhalten der Grundmembranen und Bindefäden bei längerer Einwirkung von Osmiumessigsäure spricht ebenfalls für ihre Identität im Aufbau. Beide zeigen hierbei einen hohen Uber die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Crustaceen. 209 Grad von Festigkeit, da nur sie allein in den zerfallenen Muskel- netzen erhalten bleiben (vergl. Fig. 8 und Textfig. 2). Die Mittelmembranen zeigen einen ihrer Zartheit und ihrer Bedeutung entsprechenden, geringeren Grad von Festigkeit. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchungen. 1. Das Muskelnetz der Schläuche der Mitteldarmdrüse von Urustaceen besteht aus quergestreiften Ringfasern und deren Längsverbindungen. 2. Dies Muskelnetz erscheint einer strukturlosen, glashellen Schicht, der sogenannten Tunica propria, eingelagert. Muskelnetz und Tunica propria stehen in innigem Zusammenhang miteinander. 3. Die Ringfasern verlaufen ziemlich parallel zueinander. Meist umkreisen sie die Schläuche genau senkrecht zur Längs- achse derselben. In einigen Fällen (Landasseln !) liegen sie hin- gegen schräg zu ihr. In bezug auf die Breite der Ringfasern und den Abstand voneinander herrscht grosse Mannigfaltigkeit. Aber stets sind die Ringfasern an der Spitze der Drüsenschläuche einander ge- nähert im Vergleich zu den Ringfasern um den übrigen Teil der Schläuche. 4. Wo sich die Ringfasern gabeln, entstehen die sogenannten Gabeläste, die mehr oder weniger senkrecht zur Längsachse der Drüsenschläuche verlaufen. Die Gabeläste der benachbarten Ring- fasern verbinden sich miteinander und bilden so gemeinsam mit den Ringfasern die Transversalmaschen, die in transversaler Richtung die grösste Ausdehnung haben. 5. Die Längsverbindungen sind seitliche Ausläufer der Ring- fasern. Im Gegensatz zu den (rabelästen verlaufen sie durchweg longitudinal, also mehr oder minder parallel zur Längsachse der Drüsenschläuche. In manchen Fällen verästeln sich die Längs- verbindungen und treten miteinander in Zusammenhang. 6. Mit den Ringfasern zusammen bilden die Längsverbindungen Longitudinalmaschen, die in longitudinaler Richtung die grösste Ausdehnung zeigen. In jedem Muskelnetz der Drüsenschläuche lassen sich demnach weite Transversal- und engere Longitudinal- maschen unterscheiden, die durch die gemeinsamen Ringfasern in innigstem Zusammenhang miteinander stehen. Auf keinen Fall 210 W. Pump: dürfen jedoch diesen Maschen entsprechende besondere Transversal- und Longitudinalnetze unterschieden werden. 7. Drei Arten von Längsverbindungen konnte ich feststellen, die in charakteristischer Weise voneinander abweichen: a) Die Bindefäden, b) die Bindefasern, c) die Spaltfasern. 8. Die Bindefäden sind Verlängerungen der Grundmembranen über die Breite der Ringfasern hinaus. Dementsprechend zeigen die Bindefäden im aligemeinen ein ähnliches Verhalten wie die Grundmembranen (z. B. denselben Färbungseftekt). Während aber diese nur innerhalb der Ringfasern liegen, mit deren Scheide sie verknüpft sind, durchlaufen die Bindefäden kontinuierlich relativ weite Strecken, die nicht mit fibrillärer Substanz erfüllt sind. 9. Die Bindefasern sind quergestreifte Längsverbindungen der Ringfasern. Sie hängen mit den letzteren durch Vermittlung der Grundmembranen zusammen: Eine Grundmembran der Ring- faser setzt sich nämlich geradlinig in die zugehörige Bindefaser fort und haftet dort an derjenigen Grundmembran der Bindefaser, die der Ringfaser am nächsten liegt. Diese Ansatzstelle liegt ungefähr in der Mitte der Grundmembran der Bindefaser. — Die Scheide der Ringfasern setzt sich ununterbrochen in die Scheide der Bindefasern fort. 10. Die Spaltfasern sind ebenfalls quergestreifte Längs- verbindungen. Sie unterscheiden sich von den quergestreiften 3indefasern durch die Art ihres Zusammenhanges mit den Ring- fasern: die Grundmembran der Ringfasern setzt sich in die zu- gehörige Spaltfaser nicht geradlinig fort, sondern macht beim Eintritt in die Spaltfaser: eine Kurve und heftet sich an die Scheide (der Spaltfaser). Die zarten Grundmembranen der Spaltfasern verlaufen ziemlich parallel zu diesem umgebogenen Teil der Grundmembran der Ringfasern. — Die Scheide der Spaltfasern steht gleichfalls mit der Scheide der Ringfasern in kontinuierlichem Zusammenhang. 11. Die (Gesamtheit der Muskelnetze der Mitteldarmdrüse ist als ein Muskelsyneytium anzusehen. Seine Hauptfasern, die transversal verlaufenden Ring- fasern, liegen verhältnismässig weit auseinander. Durch seitliche Ausläufer, wie Bindefäden, Bindefasern, Spaltfasern und ausser- Über die Muskelnetze der Mitteldarmdrüse von Ürustaceen. 2113 dem noch durch die Gabeläste stehen sie miteinander in Verbindung. Was die Grund- und Mittelmembranen für die Fibrillen der einzelnen Ringfaser bedeuten, das bedeuten die seitlichen Aus- läufer für die Ringfasern des netzförmig gestalteten Muskels. 12. Die Anzahl der Bindefäden einerseits und der quer- gestreiften Längsverbindungen, Bindefasern und Spaltfasern, andererseits spielt eine wichtige Rolle bei der Zusammenziehung der Drüsenschläuche in der Richtung ihrer Längsachse. Die Bindefäden nehmen hieran nicht aktiv teil, wohl aber die quer- gestreiften Binde- und Spaltfasern, wesentlich von der Retraktion der kontrahierten Ringfasern unterstützt. Je grösser also die Zahl der quergestreiften Binde- und Spaltfasern eines Muskel- netzes ist, desto schneller wird dieses sich in der Richtung der Längsachse der Drüsenschläuche zusammenziehen können. 13. Die Ringfasern und ihre Längsverbindungen wirken in antagonistischer Weise zueinander, d. h. in rechtwinklig sich überschneidenden Richtungen. 14. Die Bindefäden, Grundmembranen und Mittelmembranen zeigen einen gewissen Grad von Elastizität. Die ersten beiden sind in hohem Maße dehnbar und lassen einen hohen Grad von Festigkeit erkennen. Die Mittelmembranen weisen ihrer Zartheit entsprechend diese beiden Eigenschaften in geringerem Maße auf. 15. Die Schaltmembranen sind „verkürzte“ Grundmembranen. Sie stehen mit den Mittelmembranen in Verbindung und zeugen so von der gemeinsamen Aufgabe der Grund- und Mittelmembranen, die Fibrillen in querer Richtung zusammenzuhalten. Literaturverzeichnis. 1. Amici, J. Bapt.: Über die Muskelfaser. Virchows Arch., 16. Bd., 1859. 2. Apathy, St.: Kontraktile und leitende Primitivfibrillen. Mitteil. a. d. Zool. Station Neapel, Bd. 10, 1892. 3. Derselbe: Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 43, 1894. [50) m —D 10. 1a 12. W. Pump: Derselbe: M. Heidenhains und meine Auffassung der kontraktilen und leitenden Substanz und über die Grenze der Sichtbarkeit. Anat. 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Alcohol abs. -+- Salpetersäure; Thiazinrot —+- Toluidinblau., (Schwach differenziert!) Vergr. 1:3%. Fig. 3. Muskelnetz von Gammarus locusta (Mitteldarmdrüse). Alcohol abs. + Salpetersäure; Thiazinrot — Toluidinblau. Vergr. 1:390. Fig. 4. Dasselbe. Sublimat konz.; Böhmersches Hämatoxylin und Eosin. Vergr. 1: 940. Fig. 5. Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Asellus aquaticus L. Alcohol abs. + Salpetersäure; Thiazinrot + Toluidinblau. Vergr. 1:390. Fig. 6. Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Oniscus asellus L. (murarius Cuv.). Alcohol abs. —+- Salpetersäure; Vanadiumhämatoxylin. Vergr. 1:390. Fig. 7. Muskelnetz (Nähe der Spitze des Drüsenschlauches) der Mitteldarm- drüse von Potamobius astacus L. (Astacus fluviatilis Rond.). Alcohol abs. — Salpetersäure; Thiazinrot + Toluidinblau. Vergr. 1:390. Fig. 8. Muskelnetz der Mitteldarmdrüse von Eupagurus Bernhardus L. Behandlung wie vorher. Vergr. 1:390. Stärker „osmiert“, mit zum Teil zerfallenen Ringfasern. >) bie 2) DD 220 Aus dem Anatomischen Institut der Königl. Tierärztlichen Hochschule in München. = Das Haar der Katze, seine Gruppenstellung und die Entwicklung der Beihaare. Von Dr. Hermann Hofer. Hierzu Tafel XII und XII. Über das Haar im allgemeinen, namentlich aber über die Haarwurzel und deren Scheiden wurde schon sehr viel gearbeitet; dagegen fand das ausgewachsene Haar für sich, besonders hin- sichtlich der einzelnen Tierarten, noch wenig Berücksichtigung. Und doch wäre es sehr oft von grösster Bedeutung, typische Merkmale der verschiedenen Haare zu besitzen, um an der Hand derselben die Herkunft vorgelegter Haare sicher feststellen zu können, so in der Pelzindustrie, ganz besonders aber in foren- sischer Hinsicht, wo es sich sehr häufig darum handelt, an auf- gefundenen Haaren zu bestimmen, ob sie von Mensch oder Tier und von welcher Tierart stammen. Deshalb hielt ich es für angezeigt, bei meiner Bearbeitung der Katzenhaut zunächst im I. Kapitel: das Haar der Katze in seinen einzelnen Bestand- teilen einer genaueren Untersuchung zu unter- ziehen. Daraus ergab sich II. Kapitel: die Bestimmung der Haargruppierung auf embryo- logischer Grundlage; dies führte schliesslich noch im III. Kapitel: zur Untersuchung der Entwicklung der seitlichen Stamm- und Beihaare bei der Katze. I. Das Haar der Katze. Von den drei Haarschichten Mark, Rinde und Oberhäutchen ist letzteres am wenigsten genau untersucht, so dass bei der grossen Gleichartigkeit der Rindenschicht aller Haare im Mark die Unterscheidungsmerkmale der Haare zu suchen sind. Bei Das Haar der Katze. 22} der grossen Schwierigkeit, welche in manchen Fällen die Be- stimmung der Provenienz von Haaren bietet, lag der Gedanke nahe, das Oberhäutchen einer genauen Untersuchung zu unter- ziehen, um eventuell hier weitere charakteristische Eigentümlich- keiten feststellen zu können. Zunächst möchte ich die einschlägige Literatur über das Haar im allgemeinen vorausschicken. Bezüglich des Katzenhaares ist sie sehr spärlich. Auch eine Zusammenstellung der Haar- charakteristika der übrigen Haustiere gegenüber der Katze dürfte hier am Platze sein. Literatur. l. Das Haar im allgemeinen. Schon im Jahre 1831 erschien ein für die damalige Zeit ganz bedeutendes Spezialwerk: Eble, „Die Lehre von den Haaren“. Wenn auch sehr vieles darin nach den heutigen Kenntnissen nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, so finden sich doch manche Bemerkungen, die auch jetzt noch Geltung haben. Schon Eble fand, dass sich die Haare durch eine solche Mannigfaltigkeit auszeichnen, dass es eine schwierige Sache ist, sie nach ihrer Textur streng zu klassifizieren; selbst in gleichen Gruppen, wie z. B. bei der Gattung Felis, sind die Haare äusserst verschieden, ja selbst die Haare vom gleichen Indi- viduum können sehr variieren. Doch ist er überzeugt, dass man bei einer weiteren Verfolgung und besonders bei aufmerksamer Vergleichung der Haare von den einzelnen Arten der verschiedenen Tiergeschlechter noch auf sehr interessante Verschiedenheiten kommen würde. Eine solche Arbeit fordere aber ebensoviel Zeit als Material und Sachkenntnis. Im übrigen bestehen bereits bei Eble die Haare aus Mark und Rinde, die in Ausdehnung und Aussehen sehr schwanken, wie ja überhaupt der verschiedenartige Bau der Haare fast immer auf die Struktur des Haarschaftes zu beziehen ist; nicht allen Haaren jedoch schreibt Eble eine äusserste Rinde, wie aus dicht aufeinander gelegenen oder gleichsam zusammengebackenen Schüppchen be- stehend, zu. Interessant ist die Beobachtung, dass die Haare nicht immer gleichmässig dick sind den ganzen Schaft entlang, sondern es gibt platt- gedrückte, mit Ringen versehene usw. So sind die Wollhaare nicht nur abwechselnd rechts und links gebogen, sondern auch an den Biegungsstellen regelmässig verdünnt. Gurlt unterscheidet beim Haar nur eine Rindensubstanz, die faserig, und eine Marksubstanz, die zellig ist. Im Haarschaft ist die Rinde dicker als an der Haarzwiebel und das Mark undeutlicher, meist von in der Quere liegenden Zellen gebildet; an der Spitze fehlt das Mark. Von einem Ober- häutchen erwähnt Gurlt nichts. Dies sind wohl die ersten erwähnenswerten Autoren. Von da an verstreicht ein grosser Zeitraum, in dem wohl über Entwicklung, Wurzel, Wechsel usw. des Haares viel gearbeitet wurde, wenig dagegen über den Bau des ausgewachsenen Haares. Dann aber kommen wir zu der bedeutendsten 222 Hermann Hofer: Arbeit auf diesem Gebiet, dem „Atlas der menschlichen und tierischen Haare“ von Waldeyer, in dem uns die damaligen Kenntnisse des Haares in umfassendster Weise wiedergegeben werden und insbesondere in vergleichender Hinsicht die Merkmale der Haare von den verschiedensten Menschen- und Tierrassen zu ethnologischen und forensischen Zwecken einander gegenüber- gestellt werden, weshalb es nötig ist, darauf etwas näher einzugehen: Jedes, auch das längste, Haar besitzt Spindelform, die durch ver- schiedene Länge, Stärke, Kräuselung, Querschnittsform variiert sein kann. Das Haar selbst besteht aus Mark, Rinde und Oberhäutchen. Das Mark zeigt nach Waldeyer die bedeutendsten Unterschiede, so dass die Unterscheidung der Haare der einzelnen Tierspezies grösstenteils auf der Struktur des Markes beruht. Die Spitze jedes Haares ist marklos, nachdem sich der Markzylinder gegen dieselbe allmählich verjüngte, schliesslich nur mehr aus einer Zellreihe bestehend; ebenso marklos ist die Wurzel des völlig reifen Haares, weil in der letzten Wachstumsperiode kein Mark, sondern nur mehr Rindensubstanz gebildet wird. Schliesslich gibt es noch völlig marklose Haare: Die Flaumhaare des Fetus und des erwachsenen Menschen, viele menschliche Kopfhaare, die feinere Schafwolle, die Schweinsborsten in ihrem basalen Teile und die sogenannten Vogelhaare. Bei den markhaltigen Haaren ist der Markzylinder teils ver- hältnismässig schwach: Mensch, Affe, Pferd, Rind, Lama usw., bei anderen nimmt er fast die ganze Haardicke ein: manche Ungulaten (Reh, Hirsch, Gemse usw.), viele Nager (Hase, Kaninchen usw.), manche Raubtiere (Fuchs, Wolf usw.); dann gibt es noch Mittelformen: Lemuriden, Hund, Katze usw. Im allgemeinen nimmt mit der Stärke des Haares auch der Markzylinder zu, doch finden sich auch sehr starke Haare mit schwachem und noch mehr dünne Haare mit breitem Mark vor. Je stärker der Markstrang, desto brüchiger das Haar. I. Unterschied hinsichtlich der Markdicke: Der Markstrang erscheint unter dem Mikroskop als schwarzer Streifen, in welchem die einzelnen Zellen teils gar nicht, teils mehr oder weniger deutlich zu unterscheiden sind. Die schwarze Färbung beruht meist auf Anwesenheit von Luft, teilweise auch von Pigmentkörnchen. Dies trägt sehr zur Charakterisierung der verschiedenen Haare bei. II. Unterschied hinsichtlich des Luftgehaltes: Bei den meisten Haaren findet sich die Luft zwischen den Markzellen (intercellulär) in einem System zusammenhängender feinster Kanälchen und enger Spalträume, hervor- gerufen durch Vertrocknung der Markzellen und Verdunstung der Flüssigkeit in den Zwischenriffelspalten. — Bei einzelnen Tierspezies liegt jedoch die Luft im Innern der Markzellen (intracellulär), so bei Gemse, Hirsch, Reh, Steinbock. Diese Markzellen bekommen nämlich verdickte, starre Wände, durch starke Riffelfortsätze verbunden, der Inhalt verflüssigt sich, verdunstet und die Luft dringt dann auf dem Wege der Intercellularräume durch feine Poren in die Zellen ein, die sich durch gegenseitigen Druck abplatten. III. Ferner ergeben sich nach Grösse und Anordnung der Zwischen- riffelspalten, nach Grösse der Markzellen, deren Anordnung in einer oder Das Haar der Katze. 223 mehreren Reihen, nach dem Grade der Schrumpfung erhebliche Unterschiede. Waldeyer schlägt da ein System von Hauptformen des Haarmarkes vor: I. Mark mit intracellulärem Luftgehalte, und zwar in kleinzelliger und grosszelliger Form. II. Mark mit intercellulärem Luftgehalte 1. fein- und grobkörniges Mark, 2. maschiges (netzförmiges) Mark, und zwar: regelmässig, unregel- mässig, feinmaschig und grob-(breit-)maschig netzförmiges Mark, 3. wechselspaltiges Mark, und zwar regelmässig und unregelmässig wechselspaltiges Mark. Besondere Modifikationen sind sowohl bei I. und II. möglich, z. B.: schmaler, einfacher, doppelter, stetiger, unterbrochener usw. Markzylinder. Was die Form der einzelnen Markzellen anbelangt, so sind die jungen Markzellen rundliche oder ovale, kernhaltige, oft abgeplattete, mitunter pigmentierte Zellen. Alle Markzellen hängen durch Riffelfortsätze zusammen, so dass sie isoliert die Gestalt von Riffel- oder Stachelzellen haben. Sie sind sehr fest, elastisch, hygroskopisch und doch schwer quellbar, in Wasser gar nicht, nur in Alkalien und Essigsäure; beim Vertrocknen verlieren sie meist den Kern. Ihre Gestalt zeigt eine grosse Verschiedenheit, je nachdem die Luft intracellulär (blasenförmig, kernlos, polyedrisch) oder intercellulär (un- regelmässig verschrumpfte Zellen mit den verschiedensten Zacken und Ecken) sich findet, so dass also deren Form eine äusserst wechselnde ist. Die Rindensubstanz besteht aus gänzlich verhornten, bandartig ab- geplatteten, spindelförmigen Zellen mit stark verlängertem, geschrumpften Kern in der Haarwurzel, der aber gegen die Spitze hin verloren geht. Jede Rindenfaser (Rindenzelle) lässt sich wieder in zahlreiche feine Fibrillen (von Kölliker als Faserplättchen bezeichnet) zerlegen, welche als Differen- zierung des Inhaltes der Rindenzellen erscheinen. Auch die Rindenzellen sind durch Riffelfortsätze verbunden, die aber viel kürzer und dichter sind, so dass die Spalten unmessbar klein werden. Einer der wichtigsten Bestand- teile der Haarrinde ist das Pigment, das gelöst und in körniger Form fein zerteilt ist, keinem Haar ausser dem ergrauten oder rein weissen Tierhaar fehlt und zumeist die Haarfarbe bedingt. Diese ist nämlich ein Produkt von vier Faktoren: 1. des gelösten Pigments, 2. des körnigen Pigments, 3. des Luftgehaltes, 4. der Oberflächenbeschaffenheit des Haares, ob glatt oder rauh. In der Menge, Farbe und Verteilung des körnigen Pigmentes liegt ein ausserordentlich wichtiges Unterscheidungsmerkmal für gerichtlich- medizinische Zwecke, zur Bestimmung, ob aufgefundene Haare mit denen bestimmter Personen identisch sind. Die Rindensubstanz enthält auch Luft in Form kleinster, bei durchfallendem Licht schwarz erscheinender Bläschen in den engen Zwischenriffelspalten. Von der Menge der Rindensubstanz ist besonders die Widerstandsfähigkeit der Haare und ihre Dehnbarkeit und Elastizität abhängig. Haare mit wenig Rindensubstanz sind brüchig. Nicht so eingehend behandelt Waldeyer das Oberhäutchen (Outicula). Dieses besteht aus verhornten, abgeplatteten, schuppenartigen, kernlosen Zellen, deren Umrisse als ein System feiner, dunkler Linien bemerkbar sind. 224 Hermann Hofer: Von der Fläche aus bekommt man den Eindruck einer dachziegelähnlichen Aufeinanderlagerung der Schüppchen, am Rande bemerkt man sie als eine feine gezähnelte Zeichnung. Auch diese Schuppenzeichnung ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Haare der einzelnen Spezies. Differenzen ergeben sich hier aus der verschiedenen Grösse, Form und Stellung der Schuppen. Dem grössten Teil des Haarschaftes älterer Haare fehlt die Cuticula. Bezüglich des Unterschiedes zwischen Menschen- und Tierhaaren geben nach Waldeyer sowohl das Mark wie die ÖOberhautschuppen wertvolle diagnostische Merkmale. Unterscheidungsmerkmale sind: 1. Verhältnis der Breite des Markes zur Breite des ganzen Haares: bei den Tieren ist der Mark- zylinder im Verhältnis zum Schaft breiter als beim Menschen. 2. Oft sprung- weise Änderung der Farbe bei den Haaren vieler Haustiere (gefleckte Haare). Diese Angaben Waldeyers sind so umfassend, dass man bei den späteren Autoren nur wenige Abweichungen bezw. Ergänzungen findet. So bemerkte Ranvier bei manchen Tieren, z. B. beim Maulwurf, dass die Haare abwechselnd dickere und dünnere Partieen zeigen, eine Folge korrespondierender Zu- und Abnahme der Papille — beim Menschen sei dies nicht der Fall —, während Waldeyer allen Haaren spindelförmige Gestalt zusprach. Kölliker geht auf die isolierten Markzellen näher ein und beschreibt sie als rechteckige oder viereckige, seltener mehr rundliche oder spindel- förmige Zellen, hie und da mit dunklen Körnchen, wie Fett, und einem rundlichen, in vielen Fällen deutlich sichtbaren hellen Fleck von 3,5—4,5 a, welcher wahrscheinlich einen Zellkern darstellt und durch Natron selbst. etwas aufzuquellen scheint. Die in den Markzellen weisser Haare bei durch- fallendem Licht schwarz erscheinenden rundlich eckigen Körnchen hielt Kölliker für Luftbläschen, nicht für Fett oder Pigment, wie man früher angenommen habe. So konnte er sich also nicht der Ansicht Waldeyers anschliessen, die Luft finde sich intercellulär; sonst müsste jede Markzelle wie von einem Mantel umgeben sein und dazwischen müsste ein heller Fleck zu sehen sein, was nie der Fall sei. Die Luft ist vielmehr in vielen kleinen Räumen im Innern der Markzelle enthalten, sie kann auch eine grosse Blase bilden. — Die übrigen Angaben stimmen mit denen Waldeyers überein. Nach Maurer ist der Bau der ausgebildeten Haare im wesentlichen ganz gleichartig; Unterschiede walten nur hinsichtlich der relativen Stärke der einzelnen Bestandteile. Während im typischen Haar, das eine drehrunde Beschaffenheit zeigt, die Rinde den voluminösesten Bestandteil bildet, führen bei gewissen Formen die stärkere Ausbildung des Markes oder des Ober- häutchens zu modifizierten Haargebilden, wodurch aber der Grundplan im Bau des Organs nicht beeinflusst wird. Gegenbaur unterscheidet die Haare sowohl hinsichtlich der Stärke und formalen Beschaffenheit als auch in der Zusammensetzung. Nach Stärke und formaler Beschaffenheit kennt er feinere und meist auch kürzere Woll- haare und stärkere und längere Kontur- oder Stichelhaare (Grannen). Die letzteren führen vorzugsweise Pigment und bedingen die Farbe des Haar- kleides. Hinsichtlich der Zusammensetzung schliesst er sich den anderen. Das Haar der Katze. 225 Autoren an, 'nur hält er die Markzellen nicht selten für den ausschliesslichen Sitz des Pigments, im Gegensatz zu Waldeyer, die übrigens auch Luft führen können. Sie ordnen sich in Querreihen oder schieben sich stark abgeplattet gegeneinander, oder es kommt eine Mehrzahl von mit ihren Enden ineinander greifenden Längsreihen von Zellen vor. Martin differenziert nach Grösse und Form, Zweck und Ort: a) Deck- haare: sind kurze, über den ganzen Körper verbreitete Haare; b) Tasthaare: sind lang und stark; ce) Flaumhaare: sind feine, dicht zwischen den Deck- haaren stehende Haare. Während meiner Untersuchungen über das Katzenhaar bekam ich die neueste Arbeit: „Über eine beachtenswerte Haarsorte und über das Haar- formensystem der Säugetiere* von Dr. K. Toldt jun. in die Hände, mit dessen Angaben sich meine Resultate, was die Katze anbelangt, so ziemlich decken; Toldt bringt in seinen Untersuchungen ein ganz neues Moment in die Beurteilung und Einteilung der Haare, indem er seiner Betrachtung die äussere Form der Haare zugrunde legte; deshalb muss ich auf diese Arbeit noch etwas näher eingehen. Während man bisher nach der äusseren Form nur Grannen- und Wollhaare unterschied, fand Toldt eine neue Haarsorte, der er den Namen „Leithaare“ gab, da sie gewissermassen als Stützpfeiler des Haarkleides fungieren. Im allgemeinen haben diese Leithaare folgende Eigenschaften: sie stehen spärlich, daher in weiten Abständen, sind besonders lang und kräftig, in der Regel gleichmässig stark, am stärksten im mittleren Teil oder in der ganzen apikalen Hälfte, relativ steif und nur schwach gebogen bis gerade, an der Spitze lang und fein ausgezogen, Markstrang zumeist durchgehends kräftig, oft besonders stark pigmentiert: Rindenpigment hauptsächlich im mittleren Teil der Schaftlänge; Markpigment oft durchaus oder in gewissen Strecken sehr reichlich, treten zumeist isoliert aus der Haut hervor, werden frühzeitig angelegt, besitzen ein rasches Wachstum und verbleiben relativ lange in der Haut. Durch ihre Länge sieht man sie meist über das übrige Haarkleid hervorstehen. Diesen Leithaaren stellt Toldt die Grannen- und Wollhaare gegenüber: Die Grannenhaare sind zahlreicher, aber schwächer und kürzer, im apikalen Drittel oder Viertel mehr oder weniger verstärkt, aber nicht so lang ausgezogen, weniger steif, mit Ausnahme des ziemlich geraden apikalen Endes mehr oder weniger gewellt, am Übergange zur Granne oft abgebogen oder geknickt. Der Markstrang ist zumeist apikal kräftig, basal schwächer, das Rindenpigment vielfach im apikalen Teil reichlich, das Markpigment dagegen im mittleren Teil der Schaftlänge. Sie erscheinen später als die Leithaare und sind mit den Wollhaaren vielfach zu Bündeln gruppiert. Die Wollhaare sind am zahlreichsten und kürzesten, durchweg annähernd gleichmässig zart, sehr biegsam, mehrfach stark gewellt und auch nicht so lang spitzenwärts ausgezogen. Der Markstrang ist zumeist sehr zart, Pigment meist spärlich; sie werden am spätesten angelegt zu Bündeln mit den Grannenhaaren. 226 Hermann Hofer: Diese drei Haartypen kommen bei vielen Tieren vor, insbesondere bei Marsupialiern, Insektivoren, Chiropteren und Rodentiern, ferner bei manchen -Carnivoren und Prosimiern, weshalb Toldt ein sogenanntes Dreihaarformen- :system aufstellte. Natürlich gibt es bei den verschiedenen Tiergattungen charakteristische Modifikationen, besonders der Leithaare, denen sich dann auch die anderen Haartypen in bestimmter Weise anschliessen: Es können die Leithaare auch in der apikalen Hälfte etwas verstärkt sein, aber nicht grannenartig, sondern langgestreckt und relativ schwach; oder sie sind relativ „stark pigmentiert, zeigen aber unter der apikalen Verdickung einen leichten Ring, ähnlich vielen Grannenhaaren, doch sind die verschiedenen Farben- zonen länger. Sehr häufig erleidet der Haarschaft im Laufe seiner Ontogenese eine Umformung. So findet sich vielfach unterhalb der apikalen Verdickung eine Verjüngung, indem der apikale als auch der basale Teil des Schaftes be- deutend kräftiger ist als der mittlere. Knapp an der Basis sind übrigens viele ausgewachsene Haare etwas verstärkt (z. B. Vulpes vulpes). Jene Einschnürung kann sich im unteren Schaftteil in ziemlich regelmässigen Abständen einige Male wiederholen. Diese von früheren Autoren als Ver- engerung betrachteten Stellen erklärt Waldeyer für eine scheinbare, „bedingt durch eine Drehung des Haares“, während Toldt die Ursache in einer abwechselnden Kompression der verschiedenen Seiten sucht, so dass das Haar ein ziemlich gleich breites (schmales) Band darstellt, welches in der Richtung zur Fläche mehrmals abgeknickt und zwischen den einzelnen Knickungsstellen relativ stark von rückwärts nach vorne verdickt ist. Die Verstärkung des Schaftes beruht hauptsächlich auf einer besonders kräftigen Ausbildung des Markes, mitunter nehmen Mark und Rinde gleichmässig teil, in manchen Fällen ist es auch fast ausschliesslich die Rindensubstanz. So gehen häufig die Eigenschaften der verschiedenen Haarformen ineinander über, wodurch Übergangsformen entstehen, die nach ihrem Aussehen zwischen den Leit- und Grannenhaaren bezw. zwischen Grannen- und Wollhaaren stehen. n 2 2. Das Haar unserer Haustiere im speziellen. Vom Pferd schreibt schon Gurlt, dass die Tast- und Schutzhaare desselben ein allerdings sehr feinzelliges Mark, dagegen eine sehr dicke Rinde besitzen. Ferner sah Gurlt besonders an weissen Pferdehaaren äusserlich sehr feine wellenförmige Querstreifen, die vielleicht von einem sehr dünnen Überzug des unten eingestülpten Haarsäckchens herrühren; auch bei dunkelfarbigen Haaren kämen sie vor. Nach Waldeyer ähneln die Körperhaare des Pferdes nicht wenig den dickeren Menschenhaaren, namentlich den Bart- und Schamhaaren und den markhaltigen Kopfhaaren. Der Markzylinder des Pferdehaares ist schmal, ungefähr ein Sechstel, besteht aus kleinen quadratischen, rechteckigen oder rhombischen Felderchen, die dicht zusammenliegen und exquisit fein- körnig erscheinen. Die Rinde ist kompakt, fest, glänzend und enthält bei den farbigen Haaren das ähnlich wie beim Menschen verteilte körnige Pigment. -Schuppenzeichnung deutlich, gross, ziemlich regelmässig. Waldeyer Das Haar der Katze. . DIT geht dann auf die Merkmale der am schwierigsten zu unterscheidenden feinen Pferdehaare und der starken markhaltigen geraden menschlichen Haare ein. Schliesslich geht noch Stoss näher auf die Pferdehaare ein: die einen flachen Bogen bildenden Haare haben eine Dicke von 0,2—0,008 mm. Im Gegensatz zu den vorausgehenden Schilderungen fehlt nach Stoss das Mark den meisten Langhaaren und zarten Härchen von den dünnbehaarten: Körperteilen; an anderen Haaren kann es vier Fünftel des Haardurchmessers betragen und ein- bis acht- oder zehnzeilig erscheinen. — Die Ränder der Cutieulazellen sind bei hoher Einstellung als zarte, schwach wellig ver- laufende Querlinien sichtbar, die Cuticulazähnchen am optischen Seitenrand des Haares sind sehr zart und nur bei starker Vergrösserung sichtbar und treten in Abständen von 6—12 „ auf. — Bei den Haaren des Rindes fand Gurlt keinen Unterschied gegenüber dem Pferde, weder bezüglich der langen Schweifhaare noch der Deckhaare. Eine genauere Darstellung gibt wiederum Waldeyer: Bei den ver- schiedenen Rinderrassen findet man sehr verschiedene Haare: kurze, glänzende, straffe, dicht anliegende, lange, zottige, fast wollige; zwischen den längeren finden sich feinere Haare, immerhin stärker als die eigentlichen Flaumhaare der Pelztiere. Das Schwanzhaar ist bei allen durch seine Länge und Stärke, sowie durch seine Festigkeit ausgezeichnet. Die Färbung variiert sehr stark und wechselt selbst an den einzelnen Haaren. Mark ein Drittel, feinkörnig maschig; Rinde kompakt, stark, mit nicht selten länglich spindelförmigen Luftspalten. Die Schuppen eng anliegend. Das feinere Unterhaar mancher Rassen ist marklos. Hinsichtlich der äusseren Gestalt erwähnt Marks, die ausgebildeten Haare seien meist vollkommen gestreckt, nur wenige hätten eine einfache, ganz schwache Krümmung. Als Unterschied gegenüber dem Pferdehaar erwähnt Stoss, dass das Rinderhaar durchschnittlich mehr Mark besitzt und die Cuticulazähnchen deutlicher sind. Das Haar des Schafes hat wegen seiner Bedeutung und weitgehenden Verwendung wohl das grösste Interesse und wurde ihm daher auch stets die grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Ich kann hier natürlich nur die haupt- sächlichsten Momente herausgreifen. Schon Eble beschäftigte sich damit: Die Wollhaare seien abwechselnd rechts und links gebogen und ihr Schaft halte nicht immer den gleichen Durchmesser, sondern scheine da und dort verdickt. Die Merinowolle zeige die Querblättchen nicht immer in gleichen Entfernungen. Die Wolle des Schafes und die Flaumhaare der Ziege findet Gurlt ebenso wie Eble: Das Mark bildet wie in den Körperhaaren eines neugeborenen Kindes gleichartige regelmässige Zellen; die Deckhaare gleichen denen der übrigen Tiere. Mit Rücksicht auf die Untersuchungsergebnisse bei den Katzenhaaren sind die Angaben Waldeyers über die Cuticula des Schafhaares be- sonders interessant: Die einzelnen Schuppen haben bei den groben wie feinen Haaren dieselben Dimensionen und Formen. Die Folge davon ist, dass sie sich bei den letzteren viel mehr decken müssen als bei den ersteren, wo IS Hermann Hofer: jede Schuppe mit einem grösseren Teil ihrer Fläche der. Haarrinde anliegt. Aus diesem Grunde erscheinen die Schuppen der feinen Wollhaare immer etwas mehr abstehend, mit stets scharfen Rändern, die der gröberen dichter anliegend und breiter. — Zweifellos dient ein dicht geschlossenes gut er- haltenes Schuppenkleid zum Schutze des Haares. — Die Rindensubstanz ist kompakt und homogen, besteht aber trotzdem aus Hornfasern und Horn- zellen, die nur hier sehr fein und sehr dicht zusammengeschlossen sind, so dass die Längsstreifung sehr fein ausfällt. Der Marksubstanz schreibt Waldeyer wie bei allen Haaren die wichtigsten Eigentümlichkeiten zu: den Wollhaaren edler Vliesse, auch den feineren Unterhaaren wilder Schafe fehlt sie, wogegen die langen Überhaare und dickeren Wollhaare markhaltig sind. Es gehört also das Schaf zu den wenigen Arten von Geschöpfen, deren feine Flaumhaare marklos sind, wie sie sich nur noch bei der Ziege und als Lanugo beim Menschen finden. Die Form der feinen Wollhaare ist mässig abgeplattet, so dass der Querschnitt nicht kreisförmig ist; doch wechselt Form wie Durch- messer beim gleichen Haar, wenn auch in geringen Grenzen. Die Angaben von Stoss decken sich im grossen und ganzen mit denen Waldeyers; er gibt noch das Dickenausmass des Wollhaares an mit 15—30 „, doch kommen auch Haare von 5 „ und 0,2 mm vor. Die Cuticulazellen sind scharflinig abgegrenzt und bedingen eine mehr oder weniger deutliche Zähnelung der mikroskopischen Konturlinie; an feinen Wollhaaren umfassen — entsprechend den Ausführungen Waldeyers — die Cuticulazellen die ganze Peripherie, an dickeren nur einen Teil der- selben. — Die Marklosigkeit wird nach Stoss hie und da durch Spuren von Mark in Form einzelner Inseln unterbrochen. Die Markzellen sind gross, rundlich, bei der Heidschnucke ein- bis fünfzeilig angeordnet. Der äusseren Form nach unterscheidet Martin: a) gewöhnliche Deckhaare, sind kurz, straff, markhaltig, und kommen am Nasenrücken, Backen, Lippen, Ohren, hinter dem Ellbogengelenk, am Mittelfuss und an den Zehen vor. b) Die Grannenhaare finden sich bei einzelnen Schafrassen (Heidschnucke. Zackelschaf, Bergschaf) als Nebenhaare über den ganzen Körper; sie sind lange, nur wenig gekrümmte und starke Haare, die gleich- mässig verteilt tief in der Cutis stecken. c) Die feinen Wollhaare sitzen weniger tief in der Haut. Von den Haaren der Ziege gibt Waldeyer an: neben Oberhaaren im Winter ein spärliches, feines, markloses Flaumhaar (nach Nathusius). Im Sommer soll letzteres fehlen. Markrohr im oberen Teil am stärksten, verschmälert sich zur Basis hin, wo es bei vielen ganz aufhört. Querschnitt oben stark abgeplattet, unten mehr rundlich. In den gut markhaltigen Partien Markzylinder über ein Drittel; Habitus maschig, körnig; die Luft- spalten unter einem Winkel zur Achse des Markkanals gegeneinander geneigt. ‘Grosse, wenig deckende Schuppen. Auch diese Angaben decken sich mit denen von Stoss, der ausserdem noch die Mabe angibt: die geraden, ziemlich langen Haare haben eine durch- ‚schnittliche Dicke von 60—80 u, die Flaumhaare von 6—20 « (zum Teil feiner als Schafwolle). Die kräftigen Barthaare und die Lanugo sind marklos. Das Haar der Katze. 229 Einen besonderen Haartypus stellt wiederum die Schweinsborste dar, die infolgedessen auch eine öftere und intensivere Bearbeitung fand. So finden sich in der Literatur die bedeutendsten Angaben von Eble, Gurlt, Waldeyer, Flatten, Stoss, die folgende Merkmale dieser Haarart hervorheben: Die Borste ist gerade, teils auch gebogen oder spiralig gedreht. Die Spitzen sind in zwei bis fünf und mehr Äste geteilt, die wiederum gespalten sein können. Jeder Ast besteht, wie die Borste selbst, aus Mark und Rinde. Auf dem Querschnitt der Borste, der rundlich oder abgerundet kantig (Wild- schwein) ist, erscheint das Mark sternförmig und besteht aus mehreren Reihen unregelmässig zackiger Zellen; die Luft enthält es interzellulär. Die einzelnen Markzellstränge scheinen auf Grund der Spitzenteilung allseits von Rindensubstanz umgeben zu sein und erklärt sich dies aus der eigen- tümlichen Form der Papille, die mit sekundären Papillen besetzt ist. — Die Rinde ist dicker als an den meisten anderen Haaren, was die Festigkeit und Elastizität der Borste bedingt. — Die Cuticula erscheint sehr breit und die seitliche Begrenzungslinie sehr fein gezähnt, da sie sich bis auf eine schmale Randzone überdecken. — Bei den Wild- und kraushaarigen ungarischen Schweinen findet sich neben den Deckborsten ein feines ge- kräuseltes markloses oder markhaltiges Unterhaar (Flaumhaar). Die Deckhaare der Fleischfresser sind nach Gurlt in Hinsicht auf das Verhalten der Rinden- zur Marksubstanz von den Deckhaaren anderer Tiere nicht verschieden. Waldeyer bringt das Hundehaar in Vergleich zum Katzenhaar, es ist weit stärker als dieses, die Schuppen springen nicht so vor, die Rinde ist mächtiger als bei der Katze. Das Mark ist in den starken Haaren unten und in der Mitte von feinkörnigem Habitus, weiter oben unregelmässig maschig. Ebenso kurz wird das Hundehaar bei Stoss behandelt: Stamm- und Beihaare sind markhaltig; das Mark kann ein- oder mehrzeilig sein und ein Drittel bis fünf Sechstel und mehr des Haarquerschnittes betragen. Die Cuticularänder stehen deutlich, oft splittrig vor; das Pigment scheint immer körnig zu sein. Fast noch stiefmütterlicher wie der Hund wurde in dieser Beziehung die Katze behandelt. Die älteren Autoren geben sich überhaupt nicht damit ab, nur Eble findet es schon interessant, dass in der gleichen Gruppe wie z. B. der Gattung Felis die Haare äusserst verschieden sind, ja selbst die Haare vom gleichen Körper sehr variieren können (er meint damit die verschiedenen Haarformen). Gewöhnlich sind die Spitzen ohne Mark, aber oft gerade hier dasselbe sehr ausgeprägt (gemeint sind wohl die Grannenhaare). Waldeyer kennt erst zwei Haarformen bei der Katze: das stärkere Haar hat einen sehr beträchtlichen Markzylinder, von ziemlich regelmässiger, maschiger und dabei grobkörniger Form, die Rindensubstanz ist schwach entwickelt, die Schuppen deutlich. Am Flaumhaar tritt eine sehr regel- mässige Markzeichnung hervor; an den dünnsten Haarstellen ist sie rosen- 230 Hermann Hofer: kranzförmig, an den dickeren mehr leitersprossenähnlich. Wenn Pigment vorhanden, so trifft man dieses sowohl in der Rinde wie in den Markzellen. An den Flaumhaaren ein gezähneltes Schuppenprofil. Nach Toldt gehört die Katze zu jener Tiergruppe, bei welchen die von ihm aufgestellten oben erwähnten drei Haartypen am besten ausgebildet sind. Die Grannenhaare besitzen eine ziemlich deutliche, relativ kurze apikale Verstärkung (Granne) und sind unterhalb derselben oft abgebogen oder abgeknickt. Die mehr oder weniger geraden Leithaare sind dagegen gleichmässig oder in der apikalen Hälfte nur schwach verstärkt. Der Unter- schied wird ausserdem oft durch eine grössere Länge, verschiedene Färbung und dergleichen erhöht. Von diesen beiden Haarsorten sind die Wollhaare vornehmlich durch ihre Zartheit und starke Wellung deutlich verschieden. Diese Angaben Toldts beziehen sich also auf die ganze Gruppe, nicht auf die Katze speziell. Eigene Untersuchungen. Im Gegensatz zu Toldt, der seine Untersuchungen lediglich: der äusseren Haarform zuwandte, lege ich meinen Betrachtungen hauptsächlich den mikroskopischen Bau zugrunde. Doch als not- wendige Voraussetzung dazu muss auch ich zunächst die äussere Form berücksichtigen. Diese suche ich durch eine Abbildung (Fig. 1) klar zu machen, zu der ich einige Worte vorausschicken muss: Toldt sucht die charakteristischen Diekenunterschiede an den einzelnen Haartypen durch einfache Strichverdickungen kenntlich zu machen. Dies dürfte aber keineswegs den natürlichen Verhältnissen ent- sprechen; denn es ist wohl nicht gut möglich, auf diese Weise das richtige Verhältnis zwischen den dicken und dünnen Stellen zu treffen. Ich wählte nun eine stärkere (50fache) Vergrösserung des Dickendurchmessers, da hierdurch die Unterschiede dem Auge deutlich sichtbar werden und doch im richtigen Verhältnis zum Ausdruck kommen. Eine gleichstarke Vergrösserung der Längsachse würde aber eine zeichnerische Unmöglichkeit be- deuten, so dass diese auf eine 5fache Vergrösserung reduziert werden musste. Es verhält sich also Länge zur Dicke des Haares wie 1:10. A. Aussere Form der Katzenhaare. Ebenso wie Toldt konnte auch ich im Haarkleid der Katze drei Haartypen unterscheiden: 1. Ein Haar, das sich durch seine Stärke und Länge aus- zeichnet und infolgedessen im Katzenfell, besonders an einigen Das Haar der Katze. 231 Körperstellen (Rücken, Schenkel, Weichen), über die anderen Haare hervorragt. Da Toldt diesem Haartypus im allgemeinen den Namen Leithaar gegeben hat, will ich ihn auch für die Katze beibehalten. Dieses Leithaar (Fig. 1 A) zeigt eine grosse Rigidität, so dass es im Gegensatz zu den beiden anderen Haarformen keinerlei Wellenform (Kräuselung) aufweist, sondern höchstens im ganzen einen schwachen Bogen beschreibt. Dieses Haar ist aber nicht von der Wurzel bis zur Spitze gleichmässig stark, sondern zeigt einige Dickenunterschiede in seinem Verlaufe: wie bei allen ausgewachsenen Haaren ist der Diekendurchmesser an der Wurzel (Fig. 1A, a) geringer als in einiger Entfernung davon, da im letzten Stadium der Entwicklung kein Mark mehr gebildet wird. Mit Beginn der Marksäule (Fig. 1A, b) nimmt der Dicken- durchmesser eine grössere Breite an, die sich ungefähr etwas über die Hälfte des Haares gleichmässig erhält. Hier geht sie in eine kurze Einschnürung über (Fig. 1A, d), die oft schon mit blossem Auge sichtbar ist, um bald wieder mit einer grannen- artigen Verdickung (Fig. 1 A,e) zu wechseln, die einen etwas grösseren Durchmesser aufweist, wie der untere Teil des Haar- schaftes: doch ist die Differenz meist nicht sehr gross, wodurch sie sich von einer Granne unterscheidet. Nur bei vielen pigmen- tierten Leithaaren tritt sie stärker hervor, einmal dadurch, dass sie dunkler gefärbt ist und dann noch, was auch Toldt von vielen Haaren anderer Tiere erwähnt, dadurch, dass die dünnere mittlere Haarstelle heller pigmentiert ist als die proximale und distale, so dass die beiden letzteren stärker als in Wirklichkeit zu sein scheinen. Demnach besteht also das Leithaar aus zwei dickeren Stellen, unterbrochen durch einen Schnürring, der sich oft bei pigmentierten Haaren durch helle Farbe noch besonders abhebt. Ein weiterer Unterschied gegenüber dem Grannenhaar besteht noch darin, dass sich die distale Verdickung des Leit- haares in eine lange, sich allmählich verjüngende, feine Spitze auszieht (Fig. 1A, fi). Der 2. Haartypus ist ein sogenanntes Grannenhaar (Fig. 1C). Dieses ist kürzer wie das vorige und zeichnet sich durch be- deutendere Dickenunterschiede aus. An der Wurzel (Fig. 10, a) verhält es sich wie das Leithaar; mit Beginn der Marksäule (Fig. 1C, b) wird auch hier der Durchmesser stärker, aber bei weitem bekommt er nicht die Dimension wie beim ersten Haar- Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. 1. 16 232 Hermann Hofer: typus; und so erhält dieser Haarteil auch nicht die Festigkeit wie beim Leithaar, er ist mehr oder weniger gewellt; dabei bleibt er nicht gleichmässig stark, sondern es wechseln dickere und dünnere Stellen (Fig. 10, e 1 und e 2) regelmässig ab. Viel- leicht sind die beiden letzteren Momente in gegenseitige Beziehung zu bringen, so dass die Kräuselung durch den wechselnden Durch- messer bedingt ist. Die so gestalteten unteren Zweidrittel des Haares gehen mit einer Verjüngung (Fig. 1C, d) in die Granne (Fig. 10, e) des distalen Drittels über, die sich dadurch sehr scharf abhebt. Der Durchmesser derselben ist sehr gross, wes- haib sie sich auch durch grössere Festigkeit auszeichnet. Noch mehr hebt sie sich ab bei pigmentierten Haaren, da dann immer nur die Granne stark pigmentiert ist, während der dünnere Teil des Schaftes gar nicht oder höchstens minimale Mengen von Pigment enthält. Die Granne zieht sich oben in eine Spitze (Fig. 1C, f) aus, die bei weitem nicht so lang und scharf ist wie beim Leithaar. 3. Das Flaumhaar (Wollhaar) (Fig. 1E) ist unter den drei Haarformen weitaus in der Mehrzahl vertreten, ist aber am kürzesten; es ist ein weiches, feines Haar und in seinem ganzen Verlaufe gewellt. Dadurch und dass auch hier der Durchmesser regelmässig wechselt, ähnelt dieses Haar sehr dem proximalen Teil des Grannenhaares. Im distalen Teil findet sich auch hier eine grannenartige Verbreiterung (Fig. 1E, e), allerdings so minimal, dass es mit blossem Auge nicht zw erkennen ist und daher auch in der Abbildung fast nicht zum Ausdruck kommt, dass diese Stelle aber als solche anzusprechen ist, ergibt sich aus den Ausführungen weiter unten. Diese Flaumhaare sind auch bei farbigen Tieren nur minimal pigmentiert. Ausser diesen drei Haartypen gibt es auch bei der Katze, — wie es Toldt im allgemeinen angibt — eine Menge Übergangs- formen, so dass man oft im Zweifel ist, ob man es mit einem Leit- oder Grannenhaar bezw. mit einem Grannen- oder Flaum- haar zu tun hat. So finden sich Grannenhaare mit einem festeren, nicht gewellten Schaft, aber deutlich ausgeprägter Granne (Fig. 1 B), doch kann letztere auch schon ihre Charaktere mehr oder weniger verlieren. Fbenso gibt es Flaumhaare, die an der Spitze eine deutliche Granne besitzen (Fig. 1D), die aber ihrem ganzen Aus- sehen nach doch nicht zu den Grannenhaaren zu zählen sind. Das Haar der Katze. 233 Es dürfte diese Form vielleicht als Grannenwollhaar und das obige Übergangsstadium als Grannenleithaar zu bezeichnen sein. B. Der feinere Bau. I. Das Mark. Technik. Der Markzylinder tritt schon bei blossem Wasserzusatz zutage in den feineren Haarpartien, die nur eine dünne Rindenschicht aufweisen, also in den unteren Partien der Grannenhaare und in den Wollhaaren, nicht aber in den starken Teilen, den Grannen und in den Leithaaren. Bei weitem schöner tritt das Mark bei Anwendung von Aufhellungsmitteln hervor, wie z. B. Glycerin, oder am besten Canadabalsam, in denen man ‘es auch konservieren kann. Allerdings waren auch hier in den starken Partien die einzelnen Zellen nicht besonders differenziert. Eine vorherige Behandlung mit 7Oproz. und absolutem Alkohol und Toluol hatte keine weitere Wirkung. Erst durch konzentrierte Salpetersäure, die allerdings die Haare nach einiger Zeit auf- löst, gelang mir auch die Differenzierung der Markzellen in den Leithaaren. Zur Isolierung der Markzellen benutzte ich 4Oproz. Natron- lauge, wodurch sich auch die übrigen Elemente des Haares (Rinde und Oberhäutchen) einzeln zeigen. Diese lässt man einige, Zeit unter dem Deckglas einwirken und verreibt dann das Haar durch Verschieben des Deckglases unter etwas Druck. Macht man dies unter dem Mikroskop, so kann man die Markzellen ganz schön ‚herauskollern sehen. Befund. Sämtliche Katzenhaare sind markhaltig. Bei aus- gewachsenen Haaren beginnt der Markzylinder, wie bereits er- wähnt, nicht an der Wurzel, sondern ein geraumes Stück über derselben, da in der letzten Zeit kein Mark mehr gebildet wird. Hier beginnt es dann in einem spitzen Winkel, d.h. die untersten Zellen sind ganz klein und verbreitern sich dann sukzessive nach aufwärts bis zu einem bestimmten Grade. Die verschiedenen Diekenschwankungen der Haare, die ich oben anführte, macht auch der Markraum mit, indem die Verdickungen und Ver- dünnungen nicht nur durch Zu- bezw. Abnahme der Rinden- schicht, sondern hauptsächlich auch durch Erweiterung bezw. Verengerung des Markraumes bedingt sind. Nach oben setzt er sich nicht fort bis zur Haarspitze, sondern endigt bereits unter- 16* 234 Hermann Hofer: halb derselben in Spitzenform, indem die Markzellen immer kleiner werden. Im Katzenhaar ist das Mark einzeilig angeordnet. In den Wollhaaren und den schwächeren proximalen Teilen der Grannenhaare ist dies ohne weiteres eklatant. Nicht so in den Grannen selbst und in den Leithaaren; hier sind eben die Zellen nicht durch die regelmässigen Zwischenräume voneinander ge- trennt, sondern es legen sich oft zwei übereinander liegende Zellen mit dem einen Teil ihrer Fläche ganz zusammen, während sie zwischen dem anderen Teil einen Zwischenraum lassen; sie liegen also nicht gerade, sondern entweder schief oder gebogen. Infolgedessen hat es oft den Anschein, als ob mehrere Zellen nebeneinander lägen (Fig. 2B). Wenn ich auch auf Haut- Längsschnitten von Embryonen mehrreihige Markzylinder sah, so halte ich doch das Mark in ausgewachsenen Katzenhaaren für einreihig; denn diese jungen Markzellen schieben sich bei weiterer Entwicklung allmählich zwischen einander; auch fand ich, dass der Durchmesser der isolierten Markzellen ebenso gross ist, wie der des Markraumes. Was das Aussehen des Markstranges anbelangt, so treten durch die Aufhellungsmittel weniger die Zellen selbst, als viel- mehr die mit Luft angefüllten schwarz erscheinenden Zwischen- räume hervor. Diese zeigen bei den regelmässig angeordneten Markreihen eine Konvexlinsengestalt; dementsprechend sind die dazwischen befindlichen hellen, den Markzellen entsprechenden Räume konkavlinsenförmig. Die schwarzen Lufträume reihen sich aneinander wie eine Perlschnurkette. Je dünner das Haar, desto schmäler und höher werden diese Perlen und damit auch die Markzellen und umgekehrt je dicker das Haar, desto breiter und niederer werden sie und desto näher rücken sie zusammen, so dass hier das Mark mehr die Form einer Geldrolle annimmt. Verdrängt man die Luft durch eine wässerige Zusatzflüssigkeit, so treten die Zellen selbst stärker hervor, getrennt durch leere Zwischenräume (siehe Fig. 3A). Damit ist schon erwiesen, dass beim Katzenhaar die Luft nicht intracellulär, sondern intercellulär enthalten ist. Noch deutlicher tritt dies hervor, wenn man den Vorgang der Luft- verdrängung unter dem Mikroskop verfolgt, wies es bereits Waldeyer gemacht hat: bringt man ein Haar unter das Deck- 0) © [bi | Das Haar der Katze. glas und setzt eine wässerige Flüssigkeit hinzu, so sieht man, wie allmählich die Luft aus den Hohlräumen verschwindet, und wie dadurch die Zellkontouren und dann die leeren Zwischen- räume immer mehr zutage treten. Umgekehrt, wenn man Haare längere Zeit in wässerige Flüssigkeit, z. B. verdünnte Salpeter- säure, legt, und dann trocken unter das Deckglas bringt, so kann man deutlich das Eindringen der Luft zwischen die Zellen beob- achten, wie sie fortschreitend von einem Zwischenraum in den andern über die Zellen hinwegspringt, nicht nur an den beiden Enden des Haares, sondern auch in mittleren Partien beginnend, bis man schliesslich wieder die ganze Perlkette vor sich hat. Dieser Vorgang, wie die Luft über die Zellen hinwegspringt, zeigt an, dass die Markzellen nicht den ganzen Querschnitt des Markraumes ausfüllen, und infolgedessen die Lufträume mit- einander in Verbindung stehen; die Zellen sind eben durch das Austrocknen geschrumpft. Zur Feststellung der Gestalt der einzelnen Mark- zellen ist es nötig, dieselben zu isolieren, also das Haar in seine Bestandteile zu zerlegen. Es treten dann die Markzellen zutage bei den Wollhaaren und den dünneren Stellen der Grannenhaare als runde, scheibenförmige, abgeplattete Zellen, .die im Innern granuliert sind und an der Peripherie eine radiäre Streifung aufweisen. Ungefähr in der Mitte sah ich bei diesen Zellen oft einen hellen glänzenden Fleck, der wohl nicht als Kern, vielmehr als Kernhöhle anzusprechen ist (Fig.3 D). Die Markzellen der Leithaare und Grannen sind natürlich bedeutend grösser und ebenfalls abgeplattete Scheiben, nicht aber kreisrund, sondern haben verschiedene Formen, teils elliptische. teils nieren- förmige, teils haben sie abgerundete Dreiecksform. An der Peripherie sind sie ebenfalls radiär gestreift, im Innern aber zeigen sie weniger eine Granulierung als vielmehr eine Striche- lung, die in einzelnen netzförmigen Zügen besonders hervortritt, so dass die dazwischenliegenden Räume heller erscheinen; ich halte dies für Unebenheiten durch Eintrocknung und eventuelle Aneinanderlagerung. Bei pigmentierten Haaren findet sich in diesen Markzellen das Pigment auch in feinen Strichelchen verteilt, die besonders auch den netzförmigen Zügen folgen, und am Rande auch radiär gestellt sind. Kerne oder Kernfragmente konnte ich nicht finden (Fig. 2 A). 236 Hermann Hofer: II. Die Rindensubstanz. Die Rinde präsentiert sich bei Haaren, die man mit Wasser unter das Deckglas bringt, als ein schwarzer Streifen zu beiden Seiten des Haares gleichmässig nach oben verlaufend. Die Rinde des Katzenhaares ist verhältnismässig schmal. An den verdickten Stellen nimmt sie etwas an Breite zu, aber ganz wenig; den Hauptanteil an der Verbreiterung hat das Mark. Bei Behandlung mit Canadabalsam wird diese Haarschicht ganz durchsichtig, aber ebensowenig differenziert wie mit Wasser. Bei Zerlegung des Haares mit NaOll dagegen zeigt sich die Rindensubstanz be- stehend aus ganz feinen mehr oder weniger parallel angeordneten Fasern (Fig. 3C), in welche bei pigmentierten Haaren das Pigment in Form kleiner Strichelchen ebenso wie in den Markzellen, jedoch parallel zu den Fasern zerstreut ist (Fig. 20). Dass die Rinde mit feinen Kanälchen oder Poren durchsetzt ist, wie bereits- Waldeyer angibt, erhellt daraus, dass das Eindringen der Luft nicht nur an den Haarenden beginnt, sondern auch an zahlreichen anderen unbeschädigten Stellen im mittleren Teile. — Im übrigen hat die Rinde wenig Bedeutung für die Charakterisierung eines Haares, sie zeigt die grösste Übereinstimmung bei allen Haaren. III. Das Oberhäutchen (Cuticula), Diesem Haarbestandteil wendete ich besondere Aufmerksam- keit zu, da ich in ihm für die einzelnen Tierspezies charakte- ristische Merkmale vermutete. Für die eingehende Untersuchung dieses feinen durchsichtigen Oberhäutchens reichen aber die gewöhnlichen Haaruntersuchungs- mittel, wie Wasser, Glycerin, Canadabalsam usw. nicht aus; denn in diesen sieht man es immer nur unvollständig, meist nur feine Querlinien und die Zähnung an den beiden Seitenrändern. Mir war es aber darum zu tun, die Form und Anordnung der Cuticula- bestandteile deutlich darzustellen; und so versuchte ich zahlreiche Mittel und Verfahren, bis es mir schliesslich gelang, eine Methode ausfindig zu machen, die meist zum Ziele führte. Technik. Ein Haar ohne jede Behandlung unter das Mikroskop gebracht, zeigt an den stärkeren Stellen, besonders wenn pigmentiert, einen einfachen schwarzen Strich. An feineren Stellen, wo das Licht etwas durch- dringen kann, zeigen sich in der Mitte die Markzellen und darüber, also bei oberflächlicher Einstellung, ein Netz mit ganz feinen Konturen, die den Cuticulazellen entsprechen. Eine deutliche Form derselben ist natürlich Das Haar der Katze. DT] nicht wahrzunehmen wegen des dunklen Untergrundes seitens der Markzellen bezw. des Luftgehaltes. Bringt man ein flüssiges Medium, z. B. Wasser, dazu, so verschwindet durch die allgemeine Aufhellung das Gitternetz etwas; ganz verschwindet es durch eigentliche Aufhellungsmittel wie Canadabalsam, Glycerin usw. Es ist daher eine Substanz nötig, die einerseits den dunklen Untergrund beseitigt, andererseits aber die Konturen nicht verwischt, sondern im Gegenteil noch deutlicher hervortreten lässt. Auf der Suche nach einem solchen kam ich zunächst auf einige, die teilweise Erfolg hatten: In Alkohol tritt das Gitternetz vorübergehend etwas deutlicher zutage als in Wasser. Kochen mit Wasser 5—10 Minuten lang, hierauf mit etwas Wasser unter das Deckglas gebracht, lässt die Cuticulazellen klarer hervor- treten, wenigstens an den dünneren Partien, indem sie weiter abstehen vom Haare und in ihrer ganzen Form sichtbar werden, da jetzt auch die Luft verschwunden ist. Es empfiehlt sich, vor dem Kochen die Haare etwas in absol. Alkohol zu legen. Lässt man nun die gekochten Haare ungefähr 1—2 Tage unter dem Deckglas liegen und das Wasser allmählich ein- trocknen, so sieht man an manchen Stellen, dass die Luft vollständig ver- schwunden bleibt und auch von den Markzellen nichts mehr sichtbar ist. um so mehr macht sich das Oberhäutchen geltend, dessen Zellen hier sehr schön zutage treten; man sieht ihre Grenzlinien sehr deutlich und kann so ihre Form und Anordnung genau betrachten. Diese Behandlung gelang mir jedoch nur an einzelnen Haaren und auch hier nur stellenweise, so dass diese Methode ganz unsicher ist. Kochen in .absol. Alkohol hatte keinen besonderen Erfolg, ebensowenig Behandlung mit Eisessig. Lässt man aber die Haare in diesen Flüssigkeiten 1 Tag unter dem Deckglas liegen, so dass es auch hier zur Verdunstung kommt, so sind ähnliche Stellen zu finden wie nach Kochen mit Wasser. Das luftleere Mark ist unsichtbar, die Cuticula tritt sehr schön zutage, jedoch nur stellenweise und nicht konstant, so dass auch dieses Verfahren wenig brauchbar ist. Nun machte ich den Versuch, die Cuticulazellen bezw. deren Grenz- linien zu versilbern. Ich legte die Haare in Arg. nitric. (lproz.), setzte sie dann in destilliertem Wasser dem Sonnenlichte bezw. Tageslichte aus. Die Zeit, während ich die Haare in diese Reagentien brachte, war verschieden. Der Erfolg war negativ: entweder wurde das Haar gleichmässig rostbraun gefärbt, so dass keine Differenzierung entstand, oder es färbten sich nur vereinzelte Schuppen vollständig oder deren Grenzen, aber sehr mangelhaft. Salpetersäure in verschiedenen Konzentrationen: 25proz. und stärkere Säure löst nach längerer Einwirkung das Haar vollständig auf. Ich benutzte daher zunächst 2—5proz. Salpetersäure als Zusatzflüssigkeit unter dem Deckglase und liess sie wieder vollständig verdunsten. Dabei traten die gelbgefärbten Cuticulazellen wunderschön hervor; sie waren scharf umschrieben, auch an dickeren Haarstellen, Mark und Rinde traten zurück. Nimmt man aber das Haar aus dieser verdünnten Säure und legt es sofort trocken unter das Deckglas, so bekommt man keinen Erfolg, da 238 Hermann Hofer: sogleich die Luft wieder einströmt und das Haar ganz unverändert ist. Es wird also anscheinend durch das langsame Eintrocknen das Haar mit einer feinen durchsichtigen Schichte überzogen, die die Konturen der Cuticulazellen besonders hervortreten lässt, das Einströmen der Luft dagegen hintanhält; vielleicht beruht darauf auch das Verschwinden bezw. Unsichtbarwerden der Mark- und Rindensubstanz. Um diese Schichte noch stärker und haltbarer und dadurch die Schattierungen noch deutlicher zu machen, benutzte ich weiterhin meist konzentrierte (7Oproz.) Salpetersäure, die sich sehr gut bewährte: unter das Deckglas gebracht, trat allerdings allmählich Auflösung des Haares ein, weil sie zu langsam verdunstete. Ich verfuhr daher so: ich brachte die Haare in ein Schälchen, gab einige Tropfen konzentrierte Salpetersäure zu, so dass die Haare gut benetzt waren (das Überflüssige liess ich wieder ab- laufen), und liess sie eintrocknen. Hier war der Erfolg noch besser als mit verdünnter Salpetersäure. Man darf aber die Haare nicht zu früh heraus- nehmen, solange sie auch nur wenig mehr feucht sind, da sofort wieder Luft eindringt, sondern sie müssen ganz an das Schälchen angetrocknet sein, von dem man sie dann mit einem feinen Instrument abschiebt und unter das Deckglas bringt. Besser ist es vielleicht, die Haare gleich auf dem Objekt- träger antrocknen zu lassen. Wenn auch hier ab und zu lufthaltige Stellen zurückbleiben, so ist dies doch als die beste Methode, die ich zur Darstellung der Cuticulazellen fand, zu empfehlen: Vollständiges Eintrocknenlassen des Haares mit ver- dünnter bezw. konzentrierter Salpetersäure. Dieses Verfahren hat noch den Vorzug, dass die so behandelten Haare auch konserviert‘ werden können; doch nicht wie gewöhnlich durch Einbetten in Canadabalsam, wodurch infolge der Aufhellung die Zellkonturen sofort wieder verschwinden; über- haupt ist jedes flüssige Medium hier unbrauchbar; man muss sie trocken einbetten. Auch das Einrahmen der Deckgläschen mit Maskenlack und dergleichen ist nicht anwendbar, da auch dieser in den leeren Raum ein- dringt und das Präparat vernichtet. Es bewährte sich vielmehr dabei folgendes Verfahren: Ich betupfte das Deckglas an den vier Ecken mit ganz wenig Canadabalsam und legte es auf das Präparat. Bei piegmentierten Haaren müsste man natürlich vorerst das Pigment durch die verschiedenen Bleichungsverfahren wenigstens zum grössten Teile entfernen. Zur Isolierung der Cuticulazellen benutzte ich wieder 40 proz. NaOH, die das Haar vollständig zerlegt und schliesslich auch auflöst. Befund. An der Wurzel der ausgewachsenen Haare be- kommt man die Outiculazellen nicht zu Gesicht, da sie stets von der inneren Wurzelscheide umkleidet ist; es ist dies wohl auch bei Untersuchung des Haares als solches nicht erforderlich. Erst von der Stelle ab, wo das Haar aus der Epidermis heraustritt, werden sie sichtbar als feine gezähnte Querlinien, die teils parallel, teils schräg, nicht gleich weit voneinander entfernt verlaufen; Das Haar der Katze. 239 dabei macht es den Eindruck, als ob die Zellen den ganzen Schaft umfassten, wie ein an seinem oberen Rand ausge- zackter Ring. Diese Erscheinung reicht bis zum Beginn des Markraumes, wo sich das ganze Haar etwas verbreitert und ist bei allen Haaren gleich. Von hier ab aber tritt eine Verschiedenheit in Form und Anordnung ein und sind daher auch in dieser Hinsicht die drei Haartypen zu trennen: 1. Leithaar (Fig. 4): Die Cuticulazellen nehmen bei Beginn des Markraumes ziemlich plötzlich Schuppenform an. Diese Schuppen, die wie Fischschuppen übereinander lagern und auch eine diesen ähnliche Form haben, sind an der unteren Hälfte des Haares breit und verhältnismässig nieder und haben ungleich- mässige Gestalt und Grösse. Die Zellen umfassen hier nicht den ganzen Schaft, sondern ein Ring setzt sich aus mehreren solcher Plättchen zusammen (Fig. 40). Am Übergang zu der Einschnürung werden die Schuppen allmählich höher und schmäler, sie haben dann eine breitere Basis und verjüngen sich nach oben allmählich zu einer mehr oder weniger abgerundeten Spitze (Fig. 4B). Am Übergang zu der grannenförmigen oberen Haarhälfte ändern sie abermals ihre Form. Wie sie eben höher und schmäler wurden, werden sie jetzt wieder niederer und breiter und un- gleichmässiger, bis wieder ein Stadium kommt, das der proximalen Hälfte des Haares gleicht. Auf diesem bleiben aber die Zellen hier nicht stehen, sondern je dicker das Haar wird, desto mehr nehmen sie ab an Höhe und zu an Breite und rücken immer näher aufeinander, bis sie schliesslich, ähnlich wie am untersten marklosen Haarteil, feine, ganz nahe aneinander liegende (Quer- linien darstellen, die aber nicht gerade, sondern unregelmässig wellenförmig verlaufen, wobei der Rand nicht glatt, sondern fein gezähnt ist (Fig. A). Mit Verjüngung des Haares gegen die Spitze zu treten die Querlinien wieder weiter auseinander, die Wellenform flacht sich allmählich ab, die Grenzen verlaufen immer mehr gerade und die Zähnung verliert sich allmählich, ohne dass jedoch die Zellen wieder in Schuppenbildung übergehen. Sie haben vielmehr einen ebenen glatten oberen Rand. der etwas absteht, und umfassen ‚den ganzen Haarschaft. Sie stehen in gleichen Abständen, ähnlich 240 Hermann Hofer: ineinander gesteckten Bechern, so dass der Spitzenteil des Haares aussieht wie der Stengel eines Schachtelhalmes. 2. Grannenhaar (Fig.5). Hier beginnt mit dem Mark- raum sofort die ausgeprägte Schuppenbildung, aber nicht die breite, niedere Schuppenform, sondern die hohen, schmalen, oben spitz abgerundeten Zacken (Fig. 5E und F). Da sieht man, dass vielfach die beiden seitlichen Grenzlinien der Zacke gegen die Basis zu etwas seitlich ausbiegen, um sogleich ohne Unter- brechung in eine andere Zacke überzugehen, so dass also hier nicht immer eine Zacke einer Zelle entspricht, sondern oft eine Zelle mehrere Zacken besitzt (Fig. 5Ea und Fa). Demnach würde eine solche Zelle aus einem Basalstück bestehen, dem die Zacken aufgesetzt sind. Die Schuppen überdecken sich so, dass nur die Zacken hervorstehen, während der basale Teil von denselben überdeckt wird. Diese Zeichnung geht vom Beginn des Mark- raumes gleichmässig bis zum Übergang in die Granne, nur an den Verdiekungen werden die Zacken etwas niederer und breiter, was aber meist ganz minimal ausgeprägt ist. In der Nähe der Granne rundet sich die Spitze der Zacken allmählich ab; infolge- dessen nehmen dieselben immer mehr an Breite zu, an Höhe ab (Fig. 5D). Dies setzt sich sukzessive fort im Verhältnis zur Zunahme des (uerdurchmessers, bis sich die Zacken gänzlich verlieren und der obere Rand der Üuticulazellen sich ganz ab- flacht, so dass er nur mehr eine Wellenlinie darstellt (Fig. 5C); dies bildet also die Übergangsform zur Granne. Es rücken nun diese (Querlinien mit der Verbreiterung des Schaftes immer näher aneinander, so dass schliesslich der Zwischenraum sehr klein wird; vielfach weisen sie eine Zähnung auf. Dies ist der Typus der Granne (Fig. 5B), die sich demnach ganz ähnlich verhält, wie die obere Hälfte des Leithaares: Ebenso wie dort rücken dann wiederum jene Querlinien mit der Abnahme des (uerdurch- messers auseinander und gehen schliesslich auch in die Form in- einander gesteckter Becher über, die immer kleiner werden bis zur Spitze (Fig. 5A). 3. Wollhaar (Flaumhaar) (Fig. 6 und ‘). Auch hier findet sich in den unteren Zweidritteln des Haares die ausge- sprochene Zackenbildung; doch sind hier die Zacken schmäler, verhältnismässig höher und spitziger und stehen im allgemeinen vom Haarschaft mehr ab als beim Grannenhaar; auch die basale Das Haar der Katze. 241 Ausbiegung, da, wo die Zacke in den Basalteil übergeht, ist stärker (Fig. 7D und Ea). Des weiteren treten die abwechselnden dickeren und dünneren Partien am Schafte stärker hervor: die dickeren Stellen (Fig. 6E und 7D) sehen mit den eben angeführten Unter- schieden ähnlich aus wie der proximale Teil des Grannenhaares; an den dünneren Stellen (Fig. 6D und 7E) dagegen sieht man, wie die einzelnen Schuppen mit ihrem Basalteile den ganzen Schaft umfassen, was mit dem oberen Teil, der Zacke, nicht mehr der Fall ist, indem dieser ziemlich vom Schaft absteht (Fig. 7E); darauf beruht auch die stark ausgeprägte Zähnung im optischen Längsschnitt des Katzenhaares. In dem Zwischen- raum, den also die Zacke lässt, dieser gegenüberliegend, setzt sich der Basalteil der nächst höher stehenden Schuppe an. Diese Anordnung wechselt regelmässig ab bis zur nächsten Verdickung, so dass hier ein Bild entsteht, ähnlich den wechselständigen Blättern bei den Pflanzen. Mit dem Übergang zum oberen Drittel des Flaumhaares (Fig. 6 und 70) tritt eine interessante Abänderung in Erscheinung; die Zacken werden auch hier immer niederer und breiter und verlieren sich allmählich, wie bei den beiden anderen Haarformen, so dass auch hier schliesslich am distalen Haarteil (Fig. 6 und ?B) die oberen Grenzlinien der Cuticulazellen Querlinien bilden, die teils parallel, teils schräge, aber mehr gerade und eben, nicht so stark wellenförmig und nicht gezähnt und nicht so nahe aneinander gerückt verlaufen. Aus dieser Form der Cuticula- zellen geht hervor, dass auch hier beim Flaumhaar eine Haar- stelle, eine Verdiekung, sich findet, die der Granne beim Grannen- haar entsprechen muss, so dass man hier von einer mikro- skopischen Granne sprechen kann. — Gegen die Spitze zu (Fig. 6 und 7A) rücken die Zellen immer weiter auseinander, so dass wir hier auch das Bild der beiden anderen Haarformen be- kommen, mit dem kleinen Unterschied, dass auch hier wie an allen Stellen des Flaumhaares die obere Begrenzungslinie der Cuticulazellen weiter absteht vom Schafte, was wohl darin seinen Grund hat, dass hier die Zellen weiter auseinander ge- rückt sind und sich daher nicht so weit überdecken, wie bei den anderen Haaren; daher haben auch die feinen Haare eine viel stärker ausgeprägte Zähnung an beiden Seitenrändern als starke Haare. 242 Hermann Hofer: Die Cutieulazellen isoliert zu erhalten, ist sehr schwierig; “bei Auflösung eines Haares falten sie sich meist zusammen oder legen sich übereinander, und es ist eine Seltenheit, ausgebreitete Blättehen zu sehen. Nur einige Male bekam ich solche zu Gesicht bei Zerlegung eines Wollhaares, deren Form in der Abbildung 3B dargestellt ist; demnach bestehen sie aus einem Basalstück, aus dem eine mittlere grössere und zwei kleinere seitliche Zacken . aufsteigen. Aus obiger Darstellung sieht man also, dass die Form und Anordnung der Cuticulazellen sich bei der Katze ganz nach der Haardicke bezw. Haarstärke richtet; je dünner das Haar, desto ‚ausgeprägter die Zackenbildung, je dicker das Haar, desto grösser die Abnahme der Höhe und Zunahme der Breite der Schuppen, so dass sie als eng zusammengedrängte (@uerlinien erscheinen. Man kann also aus der Gestalt und Anordnung der Cuticulazellen auf den Grad der Verdickung bezw. Stärke des Haares schliessen. Infolgedessen kann man daraus selbst die drei Haarformen, wie sie Toldt aus der äusseren Form differenziert hat, unterscheiden: Leithaar: Cuticulazellen proximal nieder und breit; in der Mitte an der Einschnürung etwas höher und schmäler; distal -eng aneinander liegende, wellenförmige, teilweise gezähnte Quer- linien; Spitze Schachtelhalmform. Grannenhaar: proximal Zackenform mit abgerundeter Spitze; Übergang zur Granne: Zacken niederer und breiter, allmählich Verlust derselben; Granne und Spitze ähnlich wie beim Leithaar. Wollhaar: proximal ausgesprochene Zacken und zwar höher, schmäler und spitziger, an den dünnen Haarstellen wechselständig; Übergang zum distalen Haarteil (mikroskopische Granne), Zacken niederer und breiter bis zu gänzlichem Verlust derselben; distale Quer- linien, mehr gerade und eben, nicht so stark wellenförmig, nicht gezähnt und nicht so nahe aneinander gerückt wie bei den ersten zwei Haarformen. Jedoch ein charakteristisches Merkmal des Katzenhaares anderen Tierarten gegenüber bildet die Gestalt der Cuticulazellen nicht, da dieselben eine derartige Variabilität an ein und dem- ‚selben Haare zeigen; es müsste denn sein, dass die Art ihrer Anordnung an den verschiedenen Haarteilen ein Charakteristikum bedeutet. Das Haar der Katze. 243 II. Haargruppierung bei der Katze. Aus der näheren Untersuchung der einzelnen Katzenhaare und besonders aus der Einteilung derselben in Leit-, Grannen-- und Wollhaare entsteht von selbst die Frage, wie diese Haar- typen in der Haut verteilt und gegenseitig angeordnet sind. Literatur. Die Literatur über Haargruppenstellung der Katze ist sehr spärlich, . dagegen liegen über die Anordnung der Haare im allgemeinen zahlreiche Untersuchungen vor, von denen die von de Meijere als die grundlegenden zu betrachten sind. — Er beginnt mit den einfachsten Verhältnissen und schreitet fort bis zu den kompliziertesten ; dabei unterscheidet er hauptsächlich folgende Arten von Haargruppierungen: I. Bei Tieren, wo noch Schuppen vorhanden sind, liegen die Verhältnisse am einfachsten: hinter jeder Schuppe liegen dann ein oder mehrere Haare: 1. Hinter jeder Schuppe ein Haar, ist eine Seltenheit; 2. hinter jeder Schuppe drei Haare, kommt viel allgemeiner vor; das Mittelhaar ist viel stärker als die seitlichen ; 3. die Zahl der Haare ist grösser als drei und dann meist nicht konstant, die Haare haben in der Regel gleiche Dicke. II. Bei Tieren ohne Schuppen zeigt sich in der Regel ein komplizierteres Verhalten, nur alternieren auch hier regelmässig die Gruppen wie hinter den Schuppen. a) Die 1% DD Sb) b) Die Haare sind alle gleich. Gruppen von je zwei Haaren kommen selten vor; . wichtiger sind Gruppen von drei Haaren (Dreihaargruppen); . in Gruppen von mehr als drei Haaren sind sie auch so ziemlich gleich, oder ein Haar in der Mitte ist stärker entwickelt. (Mittelhaar). Gruppen bestehen aus zwei deutlich verschiedenen Haararten: aus dickeren, meist viel Mark enthaltenden und sehr feinen marklosen. ie In jeder Gruppe finden sich drei starke Haare und zwischen diesen je ein feineres Haar. Hier kann das Mittelhaar wieder etwas stärker sein als die beiden seitlichen; . die Zahl der stärkeren Haare und damit auch der feineren ist grösser als drei; . die Zahl der feineren Haare zwischen zwei stärkeren nimmt : zu, so dass sie kleine Haufen bilden; . es finden sich weit voneinander getrennte Gruppen von je drei Borsten, zwischen denen das Wollhaar ohne erkennbare Regel- mässigkeit zerstreut ist; . die Gruppen bestehen aus mehreren borstigen Haaren, von denen das mittelste wieder das stärkste ist; zwischen diesen und um sie herum sind dünnere Haare gruppiert; . Gruppen, deren Haare wohl von verschiedenem Kaliber, unter-- einander aber nicht so regelmässig gestellt sind. 244 Hermann Hofer: Ill. Haarbündel. Während in den bisherigen Fällen jedes Haar für sich in der Haut steckte, ragen hier mehrere Haare aus einer gemeinschaftlichen Öffnung hervor, zu echten oder falschen Bündeln zusammengeschlossen ; zu echten, wenn sich die Beihaare aus dem Stammhaarbalge ausstülpen und einen verhältnismässig langen gemeinschaftlichen Haarbalg auf- weisen; falsch, wenn sich die Bündelhaare zu einem nur ganz ober- lächlich vereinigten Balge zusammenschliessen. 1. Jedes Bündel repräsentiert gleichzeitig eine Haargruppe. 2. Innerhalb jeder Gruppe sind eine gewisse Zahl von Haaren zu Bündeln vereinigt. a) Die Gruppen bestehen aus drei bezw. vier gleichen Stamm- haaren, deren jedes eine Anzahl von bedeutend schwächeren Beihaaren neben sich entwickelt hat (Haushund). b) Die Gruppen enthalten drei oder mehr Stammhaare, von denen das mittlere stärker ist und weniger Beihaare besitzt als die lateralen. c) Die Gruppen werden aus drei oder mehr Stammhaaren gebildet, von denen das Mittelhaar stärker ist und isoliert bleibt. 3. Mehrere echte Bündel einer Gruppe vereinigen sich noch zu einem falschen Bündel. IV. Schliesslich gibt es noch Fälle, wo keine bestimmte Anordnung zu erkennen ist. Was die von de Meijere gebrauchten Bezeichnungen anbelangt, so hat er sie mit Rücksicht auf die Entwicklung der Haargruppen aufgestellt: es entwickeln sich zunächst einzelne Haare der Gruppe, die Stammhaare, und von diesen wiederum das mittlere zuerst, das Mittelhaar, von diesen ‚Stammhaaren gehen dann erst später die Beihaare aus. So hat also de Meijere ein System aufgestellt, in das sich wohl ‚die Haargruppierungen der meisten Tiere einreihen lassen, das also eine grundlegende Bedeutung erhielt. Darauf kommt auch Maurer zurück, wenn er schreibt: „Die Haare sind teils einzeln gestellt, teils bilden sie Gruppen. Einzeln stehende Haare kommen allen Säugetieren zu, so die Sinushaare. Am Körper sind sie bald einzelnstehend, meist lassen sie aber eine Gruppenstellung erkennen. Die Haargruppen sind teils wieder aus nebeneinander gestellten einzelnen Haaren gebildet, oder aus Haarbündeln, die man als echte und unechte unterschieden hat... Den einfachsten Zustand bildet eine Haargruppe aus drei Haaren bestehend, einem Mittel- und zwei Nebenhaaren. Letztere allein oder alle drei können später zu Büscheln auswachsen (de Meijere).“ Auch Gegenbaur beruft sich auf de Meijere in seinen Angaben, wonach sich die zuerst angelegten Haarreihen Maurers in Gruppen auf- lösen. Weiterhin sagt er: „Eine nähere Beziehung gewinnen die Haare zueinander durch Vereinigung der Haarfollikel. So zeigt sich dem Balg eines Konturhaares eine Anzahl von Follikeln kleiner Haare angeschlossen und denselben rings umgebend durch eine gemeinsame Faserhülle verbunden (Lepus). Endlich gibt es Haare, welche in Büscheln aus einem distal mehr- Das Haar der Katze. 245 fach geteilten Follikel entspringen“. Diesen Tatsachen schreibt Gegenbaur eine hervorragende Bedeutung für die Phylogenese des Haarkleides, für die Vermehrung der Haare durch Vermehrung ihrer Follikel zu, die nicht eine Follikelkonkreszenz, sondern eine Follikelsonderung darstellt, welche weiter fortschreitend zu einem näheren Zusammenschluss einer Anzahl diskret gewordener Follikel und damit zur gruppenweisen Anordnung der Haare selbst führt. In Kürze kommt auch Martin darauf zurück: „dass durch Auf- lösung der Längsreihen Haargruppen entstehen; meist steht ein stärkeres Haar in der Mitte mehrerer schwacher. Auch können mehrere Haare, von einer gemeinschaftlichen Bindegewebstasche umschlossen, gemeinsame Talg- drüsen besitzen. Soweit die Angaben über die Anordnung der Haare überhaupt. Die- selben sind in bezug auf die Katze sehr spärlich, etwas mehr findet sich über die Pelztiere im allgemeinen. Leydig fand (im Kapitel: „Stichelhaare als Zentren für die Woll- haare“), dass bei Säugetieren, bei denen die Haarbedeckung aus zarten Wollhaaren und diekeren Stamm- oder Stichelhaaren besteht, je ein Stamm- haar von einer Anzahl von Wollhaaren büschel- oder truppweise umstellt werden; er zählt zahlreiche Pelztiere auf, wo teils vier bis fünf, dann wieder acht bis neun Wollhaare ein Stammhaar umgeben. Er vermutete weiterhin, dass auch diese Haarbüschel selbst wieder gewisse Linien am Körper beschreiben. Die bedeutendsten Angaben über die Katze finden sich wiederum bei de Meijere, weshalb ich die betreffende Stelle selbst anführe: „Bei Felis setzen sich die Gruppen am Rücken, bisweilen auch am Schwanze aus einem isolierten, diekeren Mittelhaar und zu beiden Seiten desselben aus einem oder mehreren echten Bündeln zusammen, die meistens aus viel dünneren Haaren gebildet sind; bisweilen sind in einigen die Stammhaare durch grössere Stärke ausgezeichnet, aber dies braucht keineswegs immer der Fall zu sein.“ An der Katze verfolgte de Meijere auch die Entwicklung der Gruppen: „An einer neugeborenen Katze fand er alle Haare isoliert und zerstreut: die Mittelhaare, denen sich bei einem etwas älteren Individuum je zwei seitliche Haare zugesellten. Ein drittes Individuum zeigte dann die Mittelhaare bereits als Kolbenhaare, während bei einzelnen Gruppen bereits ein viertes, auch ein fünftes Haar entwickelt war. Diese Gruppen von vier oder fünf Haaren des jungen Tieres repräsentieren die Stammhaare des alten; an den seitlichen brauchen sich dann nur noch die Beihaare zu entwickeln, um die Haarstellung des alten Tieres zum Vorschein zu bringen.“ In seinen speziellen Zusammenstellungen bestätigte de Meijere seine Angaben von der Gruppenstellung der Katze durch einzelne Beispiele. So fand er bei einer erwachsenen Angorakatze am Rücken Gruppen mit einem Mittelhaar und jederseits desselben ein bis drei Bündel, von denen jedes vier bis acht Bündelhaare enthält. Am Schwanz sind die Gruppen viel weniger deutlich getrennt. Im allgemeinen sind die Mittelhaare von zwei bis fünf Bündeln umgeben, von denen einige bis zu zehn Haaren enthalten. Bei einer erwachsenen Hauskatze fand er das gleiche Verhalten. 246 Hermann Hofer: Maurer schreibt im Kapitel über die Katze bezüglich der Haaranlage, dass bei den Säugetieren die embryonal angelegten Längsreihen der Haar- anlagen durch ungleichmässiges Wachstum der Haut in Längsgruppen ge- spalten und diese dann wiederum zu Einzelhaaranlagen zerteilt werden. Dadurch, dass von diesen Seitenfollikel aussprossen, Bilden sich erst die späteren Haargruppen, die also nicht in den Längsgruppen, sondern in den Einzelhaaren vorgebildet sind. Nach Stoss verhält sich die Gruppen- und Bündelstellung der Katze äbnlich wie beim Hunde, nur sind die Bündel der einzelnen Gruppenhaare mehr isoliert. Die neueste Arbeit von Toldt jun. bringt durch die Einführung der Leithaare ein neues Moment auch in die Haargruppierung jener Tiere, die mit solchen versehen sind, wozu auch die Katze gehört, die er allerdings speziell in dieser Hinsicht nicht behandelt, sondern hauptsächlich den Fuchs als Beispiel hinstellt. Woll- und Grannenhaare stehen in Dreibündelgruppen in alternierenden Reihen; jedes Bündel besteht aus einem Grannenhaar, dem Stammhaar de Meijeres und Wollhaaren (Beihaaren). Das Stammhaar des mittleren Bündels ist in der Regel etwas stärker als die beiden Seitenhaare. Die Leithaare stehen dagegen einzeln in dieser Behaarung zerstreut und sind jedesmal von drei bis fünf Haarbündeln, welche gleichfalls aus einem stärkeren Stammhaar und einer Anzahl von Beihaaren bestehen, regellos umgeben; so beim Fuchs. Diese Leithaare des Fuchses, die auch isoliert stehen, entsprechen nicht ganz den Mittelhaaren de Meijeres, wo das von Beihaaren umgebene mittlere Haar der Dreibündelgruppen das Mittelhaar darstellt und hier aus einem Grannenhaar besteht. Die Leithaare sind also als eine besondere Art von Mittelhaaren anzusehen, so dass hier eine kom- binierte Anordnung besteht: Leithaarbereiche und Dreibündelgruppen. Bei anderen Tieren jedoch können die Leithaare den Mittelhaaren de Meijeres entsprechen. Aus diesen Angaben ergibt sich demnach für die Katze Bündelbildung: Mittelhaar isoliert und am stärksten, umlagert von zahlreichen Bündeln, deren Stammhaare nicht immer durch grössere Stärke kenntlich sind. Zu der Haarverteilung gehört wohl auch die Drüsenanordnung, und möchte ich da kurz auf einige Angaben hinweisen. Nach de Meijere kann bei den Gruppen von drei Haaren jedes Haar eine tubulöse Drüse besitzen. In grösseren Gruppen kann jedes gröbere Haar eine solche besitzen. In den Gruppen, welche ein stärkeres isoliertes Mittelhaar und einige Bündel dünnerer Haare enthalten, besitzt in der Regel bloss ersteres eine solche Drüse. Wo aber die Stammhaare alle gleich sind, wird jedes Haarbündel von einer Schweissdrüse begleitet. Bezüglich der Talgdrüsen schreibt Chodakowski: Die Zahl der Talgdrüsen ist von der Zahl der Haarbälge abhängig. Bei Pferd, Rind, Schaf, Schwein und Maulwurf hat jedes Haar seinen besonderen Haarbalg, so dass hier die Zahl der Talgdrüsen grösser ist als die Zahl der Haarbälge. Bei Hund und Katze dagegen, wo meist drei bis vier Haarbälge sich ver-- Das Haar der Katze. 247 einigen, gehört meist je ein Komplex von Talgdrüsen zu einem Komplex von Haarbälgen, und demnach ist die Zahl der Talgdrüsen annähernd mit der Zahl der Haare übereinstimmend. Eigene Untersuchungen. Technik. Zur Untersuchung der Haargruppierung ver- wendete ich zwei alte Katzen, dann eine im Alter von 2 Monaten, ferner noch einige neugeborene bezw. kurze Zeit geborene und einige Embryonen, die teils in Alkohol, teils in Formolalkohol bezw. Formalin 4proz. fixiert und in Alkohol gehärtet wurden. Diesen entnahm ich kleine Hautstückchen aus den verschiedensten Körperstellen, so vom Nacken, Rücken, Seitenbrust, ventralen Schwanzansatz, Bauch, teils auch vom Hals, Vorderpfote dorsal, Achselgegend, Flanke. Diese Stückchen wurden nach den all- gemeinen Regeln der mikroskopischen Technik in Paraffın ein- gebettet und in Schnittserien in der Richtung senkrecht zum Haarverlaufe zerlegt, so dass die Haare quer getroffen wurden. Die Schnittdicke betrug teils 15—20 «, meist genügten aber Schnitte von 50 «, die mit Eiweiss-Glycerin aufgeklebt wurden. Mit wenigen Ausnahmen der Stückfärbung wurden regelmässig Schnittfärbungen angewandt und zwar mit Mayers Hämalaun und Eosin bezw. van Giesons Pikrofuchsin. Schnittserien machte ich zu dem Zwecke, um den Haar- verlauf bezw. die Haargruppierung in allen Schichten der Cutis, von der Papille bis zum Austritt aus der Epidermis, zu ver- folgen. Es schwebte mir dabei stets die eingangs erwähnte Frage „Gruppierung der einzelnen Haartypen (Leit-, Grannen- und Wollhaare) zueinander“ vor Augen. Da nach diesem Ge- sichtspunkt die erwachsenen Tiere kein einwandfreies Resultat ergaben, weil man an dem Querschnitt nicht immer erkennen kann, welcher Haartypus vorliegt, versuchte ich es auch auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage. Befund. Beim jüngsten Embryo (Fig. S), den ich zur Ver- fügung hatte (die Haare waren am Rücken durchgebrochen und bereits I—2 mm lang, an den Füssen erst angelegt), traf ich auf dem @uerschnitt schon sehr stark entwickelte Haare unregel- mässig zerstreut, die bis zur Subcutis herabreichen. Diese entsprechen den späteren Mittelhaaren Meijeres. Ihr Quer- schnitt ist am Bulbus sehr viel grösser und verjüngt sich Archiv f.mikr. Anat. Bd.85. Abt.I. 17 248 Hermann Hofer: allmählich nach aufwärts. Ungefähr in der Mitte des Coriums erscheint zu beiden Seiten des Mittelhaares je eine weitere Haar- anlage, die das Mittelhaar bis zur Epidermis begleitet und noch nicht differenziert ist (Fig. 8s). Diese sind identisch mit den seitlichen Stammhaaren Meijeres, so dass wir hier eine Drei- haargruppe haben. Um die Gruppen scheinen sich bereits zarte Bindegewebszüge anzuordnen (Fig. Sr). Nahe der Epidermis be- merkte ich allerdings bei ganz vereinzelten Gruppen bereits eine oder zwei weitere Haaranlagen, die weiteren Stammhaaren ent- sprechen würden, so dass hier die Dreihaargruppe bereits wieder verwischt ist. Damit kann ich den Befund de Meijeres, bestätigen mit Ausnahme der Zeit der Anlage, indem ich in einem verhältnis- mässig frühen Embryonalstadium die gleichen Ergebnisse bekam wie Meijere erst geraume Zeit nach der Geburt; der Grund mag darin zu suchen sein, dass dieser nur die ausgebildeten Haare berücksichtigte. Zu erwähnen wäre hier noch, dass sich in halber Höhe des Coriums beginnend, ventral vom Mittelhaare, eine Anlage findet, die als Schweissdrüsenanlage anzusprechen ist (Fig. 8sch). Lumen zeigt sie noch nicht, doch verringert sich nach aufwärts ihr Querdurchmesser bedeutend, was dem Ausführungsgang gleich- bedeutend ist. Beim nächsten Stadıum waren die Haare am Rücken ca. '/; cm, an den Füssen ca. 2 mm lang. Der Querdurchschnitt zeigt in den untersten Schichten des Coriums das gleiche Bild wie das erste Stadium: zerstreute Mittelhaare, entsprechend stärker ausgebildet. In einer weiteren Zone, natürlich ent- sprechend tiefer als beim vorigen Embryo, beginnen wieder die beiden seitlichen Stammhaare, die das Mittelhaar begleiten, um sich allmählich nach aufwärts ein wenig davon zu entfernen. Während diese schon vielfach differenziert sind, bleiben die weiteren Anlagen seitlicher Stammhaare immer noch vereinzelt, so dass auch hier noch die Dreihaargruppe vorherrscht. Dagegen macht sich ein weiterer Unterschied geltend: Neben den ersten beiden seitlichen Stammhaaren treten hie und da kleine Zell- haufen auf, junge Anlagen, die unterhalb der Epidermis wieder verschwinden, d. h. mit den betreffenden seitlichen Stammhaaren verschmelzen: es sind die ersten Beihaaranlagen. Das Haar der Katze. 249 Wie ungleichzeitig sich die Haare entwickeln, sieht man so recht bei diesem Stadium: die einen Mittelhaare erhalten erst die ersten beiden seitlichen Stammhaare, andere dazu noch Beihaaranlagen, wieder andere bereits weitere Stammhaare. Man hat also drei Stadien nebeneinander, doch alles in einem früheren Entwicklungsalter als de Meijere es beschreibt. Es ist aber anzunehmen, dass auch in dem Alter, das Meijere angibt, alle drei Stadien noch nebeneinander bestehen. Die Schweissdrüsen haben sich weiter entwickelt, der Sekretionsgang zeigt vielfach bereits ein Lumen, noch nicht aber der Exkretionsgang, der in einer bestimmten Zone vom M. arrect. pil. begleitet wird, um unterhalb der Epidermis in den Balg des Mittelhaares zu münden. Die Lage der Schweissdrüse ist unter dem Mittelhaar getrennt von den Stamm- und Beihaaranlagen, die zu beiden Seiten des Mittelhaares angeordnet sind. Die Haare des letzten Embryo, der anscheinend schon nahe der Geburt stand, massen am Rücken ungefähr 1 cm. Die Verhältnisse in diesem dritten Stadium haben sich wenig geändert, die vorhandenen Anlagen sind nur in der Entwicklung weiter vorgeschritten: die beiden seitlichen Stammhaare haben sich weiter differenziert, ohne dass das Scheidenhaar die Epidermis schon erreicht hätte. Die Beihaaranlagen haben sich vermehrt und verlängert, so dass sie ein gutes Stück unter die sich eben bildende Talg- drüse des Mittelhaares reichen. Die Schweissdrüse und ihr Aus- führungsgang ist sehr weit entwickelt, im Ausführungsgang beginnt sich ein Lumen zu bilden. Wir finden also auf dem Querschnitt in der Mitte des Coriums folgende Gruppierung: Mittelhaar, zu jeder Seite das differenzierte Stammhaar, umgeben von zwei bis vier Beihaar- anlagen; unter dem Mittelhaar die Schweissdrüse. Das erste Stadium nach der Geburt (Fig. 9) liefert ein ungefähr 3 Tage altes Kätzchen. Es zeigt kein anderes (Gruppenbild als das vorige, nur sind die seitlichen Stammhaare bis nahe an die Epidermis differenziert, ohne schon durchgebrochen zu sein. Das neugeborene Kätzchen besitzt demnach ein Fell, das nur aus Mittelhaaren besteht. Ob unter den weiteren neu angelegten nicht differenzierten Haaranlagen ausser Beihaaren auch weitere seitliche Stammhaare sich finden, lässt sich nur entscheiden 17% 250 Hermann Hofer: durch Verfolgen der Schnittserien, indem letztere isoliert bis zur Epidermis reichen. In diesem Stadium sind bereits weitere Stamm- haaranlagen zu verzeichnen. Es scheint überhaupt hinsichtlich der Zeit und Schnelligkeit der Haarbildung sehr auf die Katzen- rasse anzukommen. Dies zeigt besonders das nächste Stadium, das ich zur Ver- fügung hatte, eine Angorakatze im Alter von 8 Tagen, die mehrere Eigentümlichkeiten aufweist. Zu beiden Seiten des Mittelhaares. das hier bereits im Zustande des Kolbenhaares ist, finden sich mehrere vollständig ausgebildete Haare, die ich zu- nächst für seitliche Stammhaare hielt, bis ich die Beobachtung machte, dass sie sich distal unter der Epidermis zu meist je einem, oft auch mehreren seitlichen Bündeln vereinigten, wes- halb ich also einige davon als Beihaare ansprechen musste. Unter- halb der Vereinigungsstelle befanden sich noch einige nicht diffe- renzierte und nicht scharf umschriebene Zellkomplexe, die jüngere Beihaaranlagen darstellten. Die Gruppen sind hier schon scharf getrennt durch Bindegewebszüge, die um sie herum und zwischen die Mittelhaare und seitlichen Bündel hineinziehen; auch die Talgdrüsen und die M. arrect. pil. sind schon vollständig ent- wickelt. Das weitere Stadium (Fig. 10) nähert sich schon sehr der ausgewachsenen Katze; das zur Verfügung stehende Objekt war 3 Wochen alt. Die untersuchten Schnitte stammten hier ventral vom Schwanzansatz, während die der vorausgehenden Stadien dem Rücken und der Seitenbrustwandung entnommen waren. Es sind hier die Gruppen auffallend in die Länge ge- zogen: die seitlichen Haare ordnen sich nicht in grossenteils runden Komplexen an wie gewöhnlich, sondern mehr neben- einander und zwar so, dass meist die ganze Gruppe zu beiden Seiten spitz ausläuft, also spindelförmige Gestalt hat. Mit der Ausnahme, dass zwischen den seitlichen ausgebildeten Haaren noch junge undifferenzierte Beihaaranlagen vorkommen, liegen hier die Verhältnisse so wie beim erwachsenen Tier, weshalb ich sie unten bei diesen schildern will. Nun die Gruppierung beim erwachsenen Tier (Fig. 11 und 12). Auch hier fällt in der Regel in jeder Gruppe während des ganzen Verlaufes von der Subeutis bis zur Epidermis ein Haar durch seine Stärke auf, das isoliert in der Mitte steht. Von den Das Haar der Katze. 251 seitlichen Haaren reichen mehrere bis zum Bulbus des Mittelhaares hinab und bilden schon hier Gruppen, die allerdings weniger regelmässig und begrenzt sind, vielmehr noch teilweise ineinander übergehen (Fig. 10 und 11). Weiter nach aufwärts rücken dann die zusammengehörigen Haare näher zusammen, so dass man nun die einzelnen Gruppen, von starken Bindegewebszügen um- säumt, die auch das Mittelhaar von den beiden Haarbalgterritorien, wie sie Jess bezeichnet, scharf trennen, deutlich unterscheiden kann (Fig. 11g). An der unteren, der Epidermis abgekehrten Seite des Mittelhaares findet sich stets seine Schweissdrüse und eventuell kann man solche auch in den Haarbalgterritorien treffen, dann auch hier in der Regel mehr an der Unterseite der Gruppe. Allmählich nach aufwärts rückend, vermehrt sich die Zahl der Haarbälge in den Territorien. Ungefähr in der Mitte des Coriums sind die Gruppen am abgeschlossensten (Fig. I11g2); die Haarbälge sind am nächsten beieinander und die Gruppen am schärfsten umschrieben. Dabei sieht man bereits von dem umgrenzenden Bindegewebe feine Züge zwischen die seitlichen Haarbalgterritorien durchziehen, so dass man hier schon im grossen und ganzen erkennen kann, wie viele Bündel sich daraus bilden (Fig. 10). Diese Zerklüftung nimmt nach oben immer mehr zu, unterstützt durch das Er- scheinen der Talgdrüsen. Die Talgdrüsen liegen alle in gleicher Höhe, d.h. gleich weit von der Epidermis entfernt. Infolgedessen erscheinen sie auf den (Querschnitten immer zuerst bei den der Epidermis zunächst liegenden Haaren. Die einzelnen Gruppen sind ziemlich gut mit Talgdrüsen versehen, sie treten weniger zwischen die Haare, umsäumen vielmehr in der Regel die einzelnen durch die Zerklüftung entstandenen Haarkomplexe. Ihre Grösse wechselt in einem ziemlich weiten Rahmen. Ob zu jedem Haar eine Talgdrüse gehört, ist sehr schwer festzustellen; aber jeder Haarbalgkomplex hat auch seinen Drüsenkomplex bei der Katze, im Gegensatz zum Hund, bei dem Jess das Gegen- teil feststellte. Unmittelbar über den Talgdrüsen vereinigen sich die Haar- balgkomplexe zu den typischen Haarbündeln, die immer als Nester, in denen die Haarquerschnitte und dazwischen die Überreste der inneren Wurzelscheiden eingebettet sind, beschrieben wurden. 252 Hermann Hofer: Hier kann man sehen, dass aus den geschlossenen Haarbalg- territorien nicht immer nur ein Bündel, sondern oft viel mehr hervorgehen, und dass sie sich, je näher sie der Epidermis kommen, immer weiter voneinander und vom Mittelhaar ent- fernen, so dass man oft, wenn man nur die aus der Epidermis austretenden Bündel betrachtet, nicht mehr erkennen kann, zu welcher Gruppe sie gehören, zumal nun auch die scharfe Um- grenzung der ganzen Gruppe durch die Bindegewebszüge auf- gehört hat (Fig. I11g, 12). Wie den Verlauf der Haare, so kann man auf den Serien- querschnitten auch den Verlauf der Schweissdrüsen — jedes Mittelhaar besitzt eine solche — verfolgen. Diese beginnen oft schon in der Tiefe mit den Mittelhaaren, oft auch erst weiter oben und stellen sich als einen durch eine Zellschicht gebildeten Ring mit bald grösserem, bald kleinerem Lumen dar. In dieser Gestalt lässt sie sich ungefähr bis zur Mitte des Coriums, wo die Abgrenzung der Haarbalgterritorien besonders hervortritt, verfolgen, um nun ziemlich plötzlich in den Ausführungsgang überzugehen. Dieser bildet einen ganz dünnen Zellstrang, indem kein oder höchstens ein ganz kleines Lumen wahrzunehmen ist. Dieser Ausführungsgang durchbohrt den M. arrect. pili, wobei er sich oft ziemlich weit vom Haarbalg entfernt, um im Bogen um die Talgdrüsen herumzukommen und unmittelbar oberhalb der- selben unter geringer Zunahme seines Durchmessers dem Haar-: balg zuzustreben und sich mit ihm zu vereinigen. Bei der Angora- und bei der eben erwähnten Katze konnte ich ausser der Schweissdrüsenanlage am Mittelhaare meist noch je eine bei den seitlichen Gruppen wahrnehmen, aber nur je eine auf jeder Seite, wenn auch die Gruppen in mehr Bündel sich auflösten. Diese hatten das gleiche Aussehen wie die mittlere; der stärkere Sekretionsgang mit einem Lumen geht bald in einen dünnen Ausführungsgang über. Es ist nicht ausgeschlossen, dass unter den jungen Beihaaranlagen auch noch jüngere Schweiss- drüsenanlagen sich fanden, so dass schliesslich wenigstens jedes Stammhaar seine Schweissdrüse besitzt, auf dem Querschnitt ist eben, solange auch die Schweissdrüsenanlage einen soliden Zell- strang bildet, dieselbe nicht zu unterscheiden von einer Beihaar- anlage. Auch Meijere lässt die Frage offen; doch meint er, dass in Gruppen mit einem isolierten Mittelhaare in der Regel Das Haar der Katze. 255 nur dieses seine tubulöse Drüse hat. Aber ich fand die gegen- teilige Tatsache auch beim erwachsenen Tier bestätigt, ganz besonders an der Dorsalfläche der Vorderpfote, wo ich oft fünf bis sechs Schweissdrüsen in einer Gruppe auf dem Querschnitt traf. So kann man wohl annehmen, dass in den Haargruppen der Katze nicht nur das Mittelhaar, sondern auch die seitlichen Stammhaare ihre Schweissdrüsen haben. Was die Stellung der Haarbündel bezw. Haarbalg- territorien zum Mittelhaare betrifft, so wurde bereits erwähnt, dass sie sich in der Regel seitlich davon gruppieren (Fig. 11), so dass über und unter dem Mittelhaare ein haarfreier Platz entsteht, in welch letzterem sich die Schweissdrüse findet. Diese Stellung bildet die Regel; nur an einigen Körperstellen fand ich Abweichungen. An der dorsalen Fläche des Carpus und Metacarpus, sowie teilweise am Bauch (Fig. 12) verlassen die Bündel mehr die Seite des Mittelhaares und lagern sich mehr oder weniger rings um das ganze Mittelhaar herum, so dass wir hier die Rosettenstellung haben. Demgegenüber sind ventral vom Schwanzansatz die seitlichen Haarbalgterritorien häufig spitz aus- gezogen, so dass die ganze Gruppe eine Spindelform annimmt (Fig. 10). Regelmässig ist aber eine solche Anordnung nicht an diese Körperstelle gebunden: denn bei einer Katze fand ich ventral vom Schwanzansatz dieselbe Gruppierung wie am übrigen Körper, sogar mehr die Rosettenform. Andererseits war bei einer Katze am hücken eine Anordnung zu treffen, die mehr der Spindelform zuneigte. Damit ist gesagt, dass die einzelnen Körperstellen keine charakteristische Gruppierung haben; es ist vielmehr bei der Katze ähnlich wie es bei dem Hunde auch Siegel gefunden hat: wir haben mit wenigen Abweichungen, die auch nicht konstant sind, fast überall die gleiche Gruppenstellung; die Art derselben weicht wesentlich vom Hunde ab, wo die drei Stamm- haare der Gruppe je im Halb- oder Dreiviertelkreis von den Beihaaren umgeben werden. Ein weiterer Unterschied gegenüber dem Hund besteht in der Stellung der einzelnen Gruppen zueinander. An manchen Stellen scheinen wohl die Gruppenreihen zu alternieren, doch so eklatant, wie es Siegel vom Hund beschreibt und ab- bildet, kann man es bei der Katze nicht beobachten. Dagegen ist eine Anordnung in Längsreihen unverkennbar, so dass man 254 Hermann Hofer: auf den Querschnitten immer mehrere Etagen unterscheiden kann (Fig. 10). Meist sind es ziemlich wenige solcher Etagen über- einander, fünf bis sechs, ein Zeichen, dass die Haare sehr schief eingepflanzt sind; an der Vorderpfote konnte ich zehn bis zwölf solcher Längsreihen übereinander zählen, da hier die Haare ver- hältnismässig gerade aus der Cutis kommen. Die Grösse der einzelnen Gruppen wechselt ganz bedeutend und zwar nicht hinsichtlich der Körperregion, sondern auch an ein und derselben Körperstelle. Dies ergibt sich natürlich aus der Zahl der Haarbündel, woraus die Gruppe zusammen- gesetzt ist, sowie aus der Menge der Haare, die in einem Bündel vereinigt sind. Diese beiden Punkte schwanken nämlich in sehr weiten Grenzen; so gruppieren sich um ein Mittelhaar oft nur zwei Haarbündel, oft aber drei und vier bis neun und zehn. Ebenso können die Bündel aus nur zwei Haaren bestehen, dann wieder aus zehn bis zwölf und mehr, so dass sich in einer Gruppe oft 60 und noch mehr Haare vereinigen. Es besteht also ein sehr grosser Spielraum und lässt sich daher keinerlei Norm aufstellen. Ähnlich wie die Zahl der Haare, differiert auch ihre Stärke. Nur das Mittelhaar zeichnet sich in der Regel als das stärkste in der Gruppe aus, während die übrigen ganz regellos im Durch- messer abwechseln; dabei sind die einen markhaltig, die anderen marklos, weil sich ständig Kolbenhaare darunter befinden. Auch die seitlichen Stammhaare sind nicht durch grösseres Kaliber ausgezeichnet, was schon de Meijere angibt. Aus all dem ist ersichtlich, einmal, dass wir bei der Katze nur in einem bestimmten Stadium der Entwicklung das Dreihaar- gruppensystem haben, und dass dies nur in wenigen Fällen be- stehen bleibt, vielmehr sich meist weiter entwickelt; ferner dass wir durch die angewandte Methode nicht zu dem Ziele kommen, die Stellung der Leit-, Grannen- und Wollhaare zueinander zu ermitteln; denn es ist nicht möglich, diese Haartypen, die sich aus der Gestalt der ganzen Haare ergeben, aus den Querschnitten der Wurzeln zu erkennen. Ich versuchte es also zunächst auf dem Wege der Gruppenentwicklung bei den Embryonen und neugeborenen Tieren, deren Verhältnisse oben geschildert wurden. Aber der Erfolg war ebenso negativ; denn man kann in diesem Stadium noch nicht erkennen, aus welchen Haaren Leithaare und aus welchen Grannenhaare werden. Das Haar der Katze. 25 Keine besseren Resultate bekam ich mit Hilfe des Brandt- schen Verfahrens der Epidermisisolierung: ich legte kleine Haut- stücke in !/s- und °/ıproz. Essigsäure, um die Epidermis abzu- ziehen. Dies gelang sehr schwer, es löste sich vielmehr zumeist ein gutes Stück des Coriums mit sämtlichen Haarbälgen ab, die sich wie Zapfen aus dem zurückbleibenden Coriumrest auszogen. Die abgezogenen Stücke wurden nun gefärbt mit Hämalaun oder Boraxkarmin und in Diaphragmagläser eingebettet. Auf diese Weise kann man die Haarbälge von unten betrachten: man sieht auch die Gruppierung ganz ‚deutlich, doch Leit-, Grannen- und Wollhaare kann man auch hier nieht unterscheiden. Es ergab sich daraus die Notwendigkeit, die einzelnen Haartvpen vor dem Einbetten und Schneiden der Haut zu kennzeichnen: ich unterzog mich infolgedessen der äusserst mühsamen und Geduld erforderlichen Arbeit, die einzelnen Haar- typen auszuziehen, wodurch auf dem @uerschnitte die leeren Bälge als dem betreffenden Haartypus zugehörig zu erachten waren. Ich zog aus verschiedenen Hautstücken, sowohl lebens- warm, als auch im Alkohol gehärtet und wieder mit Wasser erweicht, zunächst sämtliche Leithaare und in anderen Stücken sämtliche Grannenhaare, auch Leit- und Grannenhaare zusammen aus. Doch da stiess ich auf verschiedene Schwierigkeiten: bei dem Ausziehen reissen viele Haare ab, namentlich mittels der Pinzette, so dass man nur die Finger benützen kann; dann sind viele Haare eben im Haarwechsel begriffen und zeigen erst die Spitze über der Epidermis, so dass man noch nicht erkennen kann, ob ein Leit- oder Grannenhaar daraus wird; endlich spielen auch die Über- sangsformen hier eine Rolle, indem man oft im Zweifel ist, ob ein Leit- oder Grannenhaar, bezw. ein Grannen- oder Wollhaar vorliegt. Dementsprechend war auch der Erfolg nicht äquivalent der Arbeit, das Resultat war nicht so klar, wie es sich hätte erwarten lassen; doch im grossen und ganzen konnte man sich wohl ein Bild machen. Bei Ausziehen der Leithaare zeigten sich die meisten Haarbälge der Mittelhaare leer. Verwischter war das Bild in den Präpa- raten, wo die Grannenhaare ausgezogen waren; denn nach dem ersten Ergebnis waren diese in den Haarbüscheln zu suchen und hier tritt der Verlust eines Haares nicht besonders hervor. Da also auch dieses Ergebnis nicht ganz befriedigte, unter- suchte ich schliesslich die Hautstücke als solche mit den Haaren 256 Hermann Hofer: mittels der Lupe. Zu diesem Zwecke brachte ich dieselben in Alkohol und dann in Toluol, um sie etwas aufzuhellen und die Haarbüschel genauer unterscheiden zu können. Hier fand ich die obigen Ergebnisse bestätigt: Alle isolierten Haare waren Leithaare während die herumgruppierten Bündel je ein Grannen- haar beherbergten. Demnach entsprechen also die Leithaare den Mittelhaaren und die Grannenhaare sind wohl als die seitlichen Stammhaare anzusehen. Somit zeigt die Katze einen Unterschied gegenüber dem Fuchs, bei welchem nach Toldt nicht alle Mittelhaare isoliert sind, sondern nur einzelne und diese isolierten Mittelhaare entsprechen dort den Leithaaren. Bei der Katze sind alle Mittelhaare isoliert und entsprechen hier auch alle Mittelhaare den Leithaaren. Insofern besteht zwischen diesen beiden Tieren eine Analogie. Eine interessante Erscheinung, die ich bei meinen Unter- suchungen beobachtete, möchte ich hier noch erwähnen, wenn sie auch nicht in dieses Kapitel einschlägt. Bei den Essigsäure- abzügen gelang es mir wiederholt, die ganz eminent feine Epi- dermis allein in kleinen Stückchen abzuziehen. Diese färbte ich dann wieder mit Hämalaun bezw. Boraxkarmin und bettete sie in Diaphragmagläser ein. Da zeigte sich unter dem Mikroskop nicht eine gleichmässige Zellverteilung in der Epidermis, wie man erwarten sollte, sondern in ganz regelmässiger Verteilung in kleinen Abständen fanden sich dunklere Stellen, die sich bei starker Vergrösserung als übereinander liegende Zellkern- komplexe darstellten. Dies wiederholte sich mit einer ganz exakten Gleichmässigkeit, so dass wohl nicht an ein Artefakt zu denken ist, zumal es nicht in einem, sondern in sämt- lichen Präparaten der Fall war. Ich konnte diese Erscheinung nicht weiter verfolgen, ob diese Komplexe besondere Keimzentren darstellen. von denen aus die Epidermis sich hauptsächlich regeneriert, oder ob eine andere Ursache zugrunde liegt. Viel- leicht entsprechen sie den konstanten Zapfenformen, wie sie Dr. Demmel beim Schweine fand. Ill. Entwicklung der seitlichen Stammhaare und der Beihaare. Literatur. Wie aus der Literatur über die Haargruppenstellung bei der Katze zu ersehen war, ist die Tatsache längst bekannt, dass bei zahlreichen Tieren, Das Haar der Katze. DM, insbesondere auch bei den Öarnivoren, nicht jedem Haarbalge ein besonderes Haar entspricht, dass vielmehr aus einem Haarbalge eine kleinere oder grössere Anzahl von Haaren auf die Oberfläche der Haut hervorkommt. Aber merkwürdigerweise sind bisher nur wenige der Frage näher getreten, auf welche Weise dieser eigentümliche Zustand im Haarkleid so mancher Tiere zustande kommt. Gurlt in seinen „Vergleichenden Untersuchungen über die Haut des Menschen und der Haussäugetiere*“ hat zwar von Büschelhaaren nichts erwähnt; aber in einer Abbildung von der Haut des Hundes (Taf. III, Fig. 2) sind zwei Haarbälge dicht nebeneinander gezeichnet, die sich nach oben vereinigen. Er hat also wohl diese Haarbildung gesehen, sie aber, wie es scheint, nicht weiter beachtet. Als erster hat wohl Leydig in seiner Abhandlung „Über die äusseren Bedeckungen der Säugetiere“ Beobachtungen darüber angestellt, indem er schreibt: „dass in den Haarfollikeln der Säugetiere sehr häufig nicht bloss ein einziges, sondern mehrere Haare zugleich wurzeln, ... so z.B. bei Hippopotamus, bei Fleischfressern Hund, Wiesel, Fischotter usw.). Es kommen bei diesen Säugern aus einer Hautöffnung vier bis sechs Haare hervor, wovon immer eines an Stärke und dunkler Färbung die übrigen übertrifft, anders zu sagen, ein Stichelhaar vorstellt“. Die Erklärung dafür gibt er mit folgenden Worten: „Der Boden des gemeinsamen Haarfollikels ist aber keineswegs ein einfacher Blindsack, sondern er stülpt sich in gerade so viele kleinere Follikel aus, als eben Haare aus der Balgöffnung hervor- stehen, wobei dann wieder konstant ist, dass das Wurzelsäckchen des Stichel- haares tiefer sich hinabsenkt als die der feineren Haare. Man kann daher das mikroskopische Bild so auslegen: jedes Haar wurzelt zwar in einem eigenen Balg, aber eine Anzahl solcher Bälge vereinigt sich, gleichwie Acini einer Drüse sich zu einem Ausführungsgang zusammentun, hier zu einem gemeinsamen Follikel, aus dessen Öffnung dann der Haarbüschel hervorsieht.“ Besondere Aufmerksamkeit schenkt diesen Verhältnissen de Meijere in seiner Arbeit: „Uber die Haare der Säugetiere, besonders über ihre Anordnung“. Er unterscheidet zwei Arten von Haarbündeln. „Bisweilen nämlich entstehen diese lediglich dadurch, dass mehrere Haare sehr dicht nebeneinander eingepflanzt sind und überdies zusammen in einer schüssel- förmigsen Einsenkung der Haut stecken. Ein solcher Befund ergibt sich z. B. am Rücken von Rhizomys sumatrensis, von Dipus aegyptius und Alactaga jaculus. Bei den beiden letztgenannten Formen kommt es schon vor, dass an einigen Haaren die oberen Enden der Follikel an einer kurzen Strecke ver- einigt sind: dieses Stück möchten wir den gemeinsamen oder allgemeinen Follikel nennen. Auch bei mehreren Lemuriden sind solche kurze gemeinsame Follikel entwickelt ... Länger sind sie schon an den Extremitäten und am Rücken von Rupicapra tragus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in all diesen Fällen die Bündel durch Verschmelzung von Follikeln entstanden sind; dass also auf einem beschränkten Raume verhältnismässig zu viel Haare angelegt wurden und infolgedessen 258 Hermann Hofer: im erwachsenen Zustand die einzelnen Follikel nicht mehr scharf gesondert bleiben konnten, oder dass in einem phylogenetisch älteren Stadium an Stelle der Bündel noch Haare mit isolierten Follikeln vorkamen. Erstens fand ich nämlich diese Bündel beim jungen Tiere zuweilen viel weniger ausgesprochen ; bei einem halberwachsenen Exemplare von Dipus aegyptius z. B. ist an Flächenschnitten noch deutlich zu sehen, dass jedes Haar seinen eigenen Follikel besitzt. Bei anderen Tieren sind die Bündel nicht an allen Stellen vorhanden: so hat z. B. Propithecus Bündel am Rücken und aus ebenso vielen Haaren bestehende Gruppen am Schwanze. Bündel, welche also durch Vereinigung von Follikeln entstanden sind, möchte ich unechte oder falsche Bündel nennen.“ Die andere Art von Bündeln traf Meijere vorzüglich bei den Carni- voren entwickelt: „Der allgemeine Follikel streckt sich hier viel weiter aus, hat meist eine Länge von 0,2 mm. Öfters fällt eines der Haare durch grössere Stärke auf: dieses ist dann das zuerst angelegte des ganzen Bündels; auch in vielen Fällen, wo später alle Haare eines Bündels einander gleich sind, ergab sich, dass beim jungen Tiere jedes Bündel nur von einem Haar repräsentiert wurde“. Dieses Haar nennt Meijere das Stammhaar, das also nicht durch grösseres Kaliber ausgezeichnet zu sein braucht. Die übrigen später erscheinenden Haare nennt Meijere Beihaare. Von diesen sagt er: „Es sieht aus, als ob die Follikel derselben wie eine Art Knospen am Follikel des Stammhaares entstanden sind“. Meijere sucht dies damit zu beweisen, dass bereits in einem Stadium, in dem allein das Stammhaar gebildet ist, die Schweissdrüsen in auffallend grosser Entfernung vom Niveau der Haut in den Follikel einmünden. Ungefähr an derselben Stelle treffen später die Follikel der Beihaare mit dem Hauptfollikel zusammen, und es müssen sich daher diese von Anfang an als Anhänge des Hauptfollikels entwickelt haben. „Auch in wenig älteren Stadien, wenn erst ein oder zwei Beihaare sich ent- wickelt haben, hat der allgemeine Follikel schon ungefähr dieselbe Länge erreicht als beim erwachsenen Tier.“ Meijere ist also der Ansicht, dass die Entwicklungsart der Beihaare in der Weise vor sich geht, dass sie sich sekundär aus dem Stammhaar ausstülpen. Gleicher Ansicht ist Maurer, der auch als Ausgangspunkt einer Haargruppe ein Einzelhaar annimmt, von dessen Follikel aus nahe an der Stelle. wo er mit der Oberhaut zusammenhängt, weitere Seitenfollikel aus- sprossen. Dies sind die einzigen Angaben über die Entwicklungsart der Beihaare, die ich bei Durchsicht der Literatur fand, und auch dies sind nur unbewiesene Behauptungen, wenn auch Meijere einen Beweis dafür zu bringen sucht. Der einwandfreie Beweis dürfte wohl nur in der Beobachtung der embryologischen Anlage der Beihaare liegen. Den Versuch hierzu habe ich unternommen und glaube ich, dass meine Feststellungen genügen, um die Vermutungen der oben zitierten Autoren zu beweisen. Das Haar der Katze. 259 Eigene Untersuchungen. Zur Beschaffung des Materials war es zunächst notwendig, die Zeit zu bestimmen, in der sich die Beihaare anlegen. Dazu konnte ich einige in der Sammlung des hiesigen anatomischen Instituts vorhandene Katzenfeten benützen, die dem äusseren Ansehen nach ziemlich nahe der Geburt standen. An diesen konnte ich auch wirklich junge Anlagen entdecken, wodurch ich einen Anhaltspunkt für die Beschaffung der weiteren Stadien hatte. Es gelang mir auch, noch Embryonen unmittelbar vor der (reburt, dann junge Katzen kurze Zeit nach der Geburt, ferner im Alter von 4 Tagen, 8 Tagen, 14 Tagen, 3, 4 und 5 Wochen zu bekommen. Durch die Feststellung der ersten Beihaaranlagen bereits vor der Geburt muss ich mich in Widerspruch stellen zu de Meijere, der bei einer neugeborenen Katze die Haare alle isoliert und zerstreut, also nur die Mittelhaare der Gruppen fand. Bei einem etwas älteren Individuum ergaben sich zahl- reiche Gruppen von drei Haaren, und bei einem dritten Individuum traf er in einzelnen dieser Gruppen noch ein viertes und fünftes Haar. Diese besassen isolierte Follikel, waren also seitliche Stamm- haare. „Beihaare fehlen in diesem Stadium noch ganz und gar.“ Also würden nach de Meijere die Beihaare sich erst geraume Zeit nach der Geburt anlegen. Dieser Widerspruch lässt sich vielleicht daraus erklären, dass de Meijere wahrscheinlich das ausgebildete Haar im Auge hatte; diese sind allerdings erst einige Wochen nach der Geburt zu sehen. Technik. Die Embryonen kamen lebenswarm in Formol- alkohol bezw. in Müllersche Flüssigkeit, welch letztere häufig gewechselt wurde. Hier blieben sie einige Wochen liegen, um dann in Alkohol übergeführt zu werden. Die jungen Kätzchen wurden zumeist lebenswarm, teils in Alkohol, teils in 4proz. Formalin und eines in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert. Bei den Objekten in Alkohol wurde die Konzentration desselben all- mählich gesteigert bis zu 90°%o, wo sie dann aufbewahrt wurden. Das 4proz. Formalin liess man einige Tage einwirken, worauf eine 24 stündige Wässerung mit Überführung in steigenden Alkohol folgte. Ausserdem wurden von einigen Objekten lebenswarm einzelne Hautstücke ausgeschnitten und teils in ÖOarnoysche 260 Hermann Hofer: Mischung mit darauffolgender Überführung in 96proz. Alkohol, teils in Rablsche Flüssigkeit bezw. Sublimat-Eisessig eingelegt, was nach 12—24 Stunden ebenfalls mit steigendem Alkohol mit Jodzusatz gewechselt wurde. Von all diesen Objekten wurden nach Bedarf Hautstückchen von Rücken, Seitenbrust, Bauch, Oberschenkel, medial und lateral, und Vorderpfote dorsal in Paraffin eingebettet. Davon wurden Schnittserien gemacht und zwar teils Querschnitte, also senkrecht zur Haarrichtung, um die Stellung der Beihaare zu eruieren, teils Längsschnitte senkrecht zur Haut und parallel zur Haarrichtung. Doch erwiesen sich diese nicht als genügend; denn die Beilıaare stehen, wie auch die Gruppenstellung zeigt, hauptsächlich zu beiden Seiten der Stammhaare, so dass man auf dem Längs- schnitte die meisten Anlagen quer abschneidet. Ferner kann man sich nicht orientieren, ob man es wirklich mit einem Bei- haar bezw. einem seitlichen Stammhaar oder einem Mittelhaar zu tun hat, da nicht alle drei gleichzeitig, sondern nacheinander getroffen werden. Es waren daher Schiefschnitte notwendig, die senkrecht zur vorerwähnten Schnittrichtung und parallel zur Haar- richtung orientiert waren, in denen man die Mittelhaare und seit- lichen Stammhaare nebeneinander in einem Schnitte bekommt. Dies bereitete allerdings ungeahnte Schwierigkeiten; denn einmal ist die Orientierung in dieser Richtung äusserst schwierig, dann zeigt die Katze bereits in diesem Entwicklungsstadium einen enormen Haarreichtum, der bei dieser Schnittrichtung dem Messer einen grossen Widerstand entgegensetzt; zudem durften die Schnitte nicht dicker als 5, 7,5 oder 10 « werden, so dass es nur zu oft vorkommt, dass die Schnitte in der Längsrichtung der Haare ausfasern, was bei Anfertigung der Schnittserien doppelt unangenehm ist. Die Schnitte wurden mit Eiweiss-Glycerin aufgeklebt und, soweit nicht bereits Stückfärbung stattgefunden, mit Hämalaun und Eosin bezw. van Giesons Pikrofuchsin gefärbt. Befund. Wie oben erwähnt, legen sich die Beihaare an die seitlichen Stammhaare an. Baeckmund hat die „Entwicklung der Haare und Schweiss- drüsen der Katze“ eingehend behandelt; die seiner Untersuchung unterstellten Haare waren aber nach meiner Ansicht ausschliesslich Mittelhaare; denn er hatte nur Embryonen zur Verfügung, bei Das Haar der Katze. 261 denen sich nur die Mittelhaare vollständig entwickeln, während die seitlichen Stammhaare sich zwar ziemlich früh vor der Geburt anlegen, aber erst nach der Geburt völlig ausbilden; und dann lassen auch die unten aufgeführten Abweichungen darauf schliessen. So sind also anscheinend die seitlichen Stammhaare nicht in den Bereich seiner Untersuchungen einbezogen. Man möchte aller- dings nicht annehmen, dass Haare der gleichen Tierart, die sich ebenfalls von der Epidermis einstülpen, sich im Entwicklungs- modus wesentlich unterscheiden sollen, aber trotzdem lassen sich Abweichungen beobachten. Daher dürfte es nicht überflüssig erscheinen, wenn ich die Wahrnehmungen an den seitlichen Stammhaaren, die ich neben dem Studium der Beihaaranlagen zu machen Gelegenheit hatte, zunächst kurz darlege und mit dem Entwicklungsmodus der Mittelhaare vergleiche, wobei ich natürlich besonders die Arbeit Backmunds berücksichtigen muss, da sonst keine Bearbeitung vorliegt. Es ist wohl nicht vorteilhaft, die einzelnen Entwicklungs- stadien nach dem Alter der Tiere einzuteilen, da bekanntermassen auch die gleichartigen Haare sich nicht alle zu gleicher Zeit an- legen, was bei den seitlichen Stammhaaren und Beihaaren noch weit mehr der Fall ist; dann ist es auch zum Vergleiche mit den Entwicklungsstadien der Mittelhaare notwendig, der von Stöhr eingeführten Einteilung in die „Stadien des Haarkeimes, des Haarzapfens, des Bulbuszapfens und des Scheidenhaares“ sich anzuschliessen. A. Seitliches Stammohaar. Die Untersuchung des Haarkeimstadiums des seitlichen Stammhaares ist immer mit etwas Unsicherheit verbunden; denn wenn hier auch die zahlreichen Mittelhaare bereits ziemlich weit vorgeschritten sind, so ist man dennoch hinsichtlich der jüngsten Anlagen fast immer im Zweifel, ob es sich wirklich um seitliche Stammhaare handelt, da sich beim fortschreitenden Wachstum des Tieres auch noch neue Mittelhaare anlegen. Bei den Anlagen, die ich infolge ihrer Lage neben einem vorgeschrittenen Mittelhaare für ein seitliches Stammhaar an- sprechen durfte, konnte ich keine wesentlichen Unterschiede gegenüber den Angaben Backmunds wahrnehmen. Die Zell- kerne der untersten Epidermisschicht werden länglich unter ge- 26: Hermann Hofer: ringer Vorbuchtung gegen das Corium; darüber entsteht die „subintermediäre Schicht“ Backmunds, die aus der Zylinder- zellenschicht hervorgeht, wie mir eine Mitose anzeigte; nur das kleine Bläschen kam mir nicht zu Gesicht. Dagegen die Asymmetrie der Kernstellung trat wieder in Erscheinung, soweit es sich um Längsschnitte handelte, da ja die seitlichen Stammhaare die gleiche schiefe Richtung einschlagen wie die Mittelhaare. Auf Schiefschnitten (parallel zur Haarrichtung und senkrecht zur Längsrichtung) kam sie natürlich nicht zur Beobachtung, da ja diese Schnitte in der Haarrichtung gemacht waren, so dass diese zur Epidermisschnittlinie senkrecht steht. Auch die erste Papillen- anlage zeigt sich durch Anhäufung kleiner, jedoch nicht immer runder Bindegewebskerne. Demnach sind also die Verschiedenheiten gegenüber der Schilderung Backmunds nur minimal; es sind ja auch die Vorbedingungen für die beiden Haartypen die gleichen, sie ent- stammen dem gleichen Mutterboden. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dass Backmund für das Haarkeimstadium nicht nur Mittelhaar-, sondern auch seitliche Stammhaaranlagen in das Bereich seiner Untersuchungen zog, indem er in seiner Fussnote S. 352 die Bemerkung macht, dass behufs besserer Orientierung zur Erhaltung brauchbarer senkrechter Schnitte die zum Zeichnen bestimmten Haaranlagen nicht aus Serienschnitten der jüngsten Stadien entnommen seien, sondern nur aus solchen älteren, welche die Entwicklungsstufen einwandfrei wiedergaben. Es können also bier sehr leicht bereits Anlagen seitlicher Stammhaare darunter gewesen sein. Beim Haarzapfenstadium ergeben sich weitergehende Unter- schiede. Die ganze Form der seitlichen Stammhaaranlagen ist viel mehr in die Länge gestreckt, so dass sie auffallend lang er- scheinen im Verhältnis zum Dickendurchmesser; es macht den Eindruck, wie wenn am Grund des Haares eine Zugkraft angreifen würde, wobei die Anlage hart am Mitteihaare sich in die Tiefe schlängelt; dementsprechend ist auch der ganze Typus, so vor allem die Stellung der Zellkerne: der Haarzapfen besteht aus zwei bis drei, nur in einzelnen Fällen auch mehr Reihen länglicher Kerne, die alle, auch an der Peripherie, parallel zur Achse des Zapfens stehen (Fig. 13, 15, 17 und 18s); nur bei ganz starken seitlichen Stammhaaren fand ich an der Peripherie runde Zell- Das Haar der Katze. 263 kerne, während sie im Innern auch wieder deutlich in der Längs- achse verliefen. Diese Anordnung in der Längsrichtung macht sich besonders im oberen Teil am Übergange in die Epidermis geltend; hier entsprechen eben die Zellkerne den Haarkanalzellen Backmunds. In dieser Kernstellung besteht also ein Unter- schied gegenüber dem Mittelhaare, wo nach Backmund „die grossen ovalen Kerne in der basalen Schicht des Haarzapfens mit ihrer Längsachse eine schräg nach ein- und aufwärts ge- richtete Stellung haben, während nach innen von dieser Rand- zone kleinere runde unı ovale Kerne in ein bis drei Lagen liegen, die bereits eine bestimmte Anordnung in der Längsrichtung des Haarzapfens eingenommen haben“. Am Grunde des seitlichen Stammhaarkeimes haben wir entsprechend dem Mittelhaare auch eine kolbige Auftreibung, die sich durch grossen Kernreichtum auszeichnet, wobei die Färbungsfähigkeit bedeutend zunimmt. Interessant ist hier noch eine Erscheinung: wie hart sich die seitlichen Stammhaare an die Mittelbaare anschmiegen, geht daraus hervor, dass in zahlreichen Fällen die kolbige Verdickung nur einseitig zustande kommt bezw. nach der vom Mittelhaare abgewendeten Seite gedrängt wird. Es muss also doch das Mittelhaar einen gewissen Einfluss auf das Wachstum des seit- lichen Stammhaares ausüben (Fig 18 und 19k). Ein ganz charakteristischer Unterschied ist hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Papillenanlage zu verzeichnen. Zu Beginn dieses Stadiums scheinen auch die Bindegewebskerne dem Zuge nach abwärts zu folgen: sie stellen sich mit Aus- nahme von wenigen, direkt am Scheitel des Haarzapfengrundes befindlichen, in die Längsachse des Haares und zwar so, dass sie in ihrer (Gesamtheit ein gleichschenkliges Dreieck mit der Basis am Grunde des Haarzapfens, mit der Spitze nach abwärts bilden (Fig. 19p). Dabei strecken sich die einzelnen Kerne selbst in die Länge, sie werden kommaförmig und färben sich ganz intensiv. Die Spitze des Dreieckes ist oft enorm lang und fein ausgezogen, in manchen Fällen kann man noch auf einige Ent- fernung nach abwärts vereinzelte intensiv gefärbte Kerne ent- lang des Mittelhaares wahrnehmen, die im Zusammenhang stehen mit der Papillenanlage, gleichsam als Vorläufer für dieselbe, wie überhaupt die spitze Anlage den Eindruck macht, als wollte sie sich an der Seite des Mittelhaares durch die Bindegewebs- Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.]. 18 264 Hermann Hofer: züge und zwischen die oft enggestellten Haare hindurch einen Weg bahnen. Von den beiden Seiten des Dreieckes aus ziehen feine Bindegewebsfasern mit ebenfalls länglich ausgezogenen stark färbbaren Kernen zu beiden Seiten des Haarzapfens nach auf- wärts, die als Anlage des bindegewebigen Haarbalges aufzu- fassen sind. In den Fällen der oben erwähnten einseitigen kolbigen Auftreibung richtet sich auch die Papillenanlage nach dieser Stellung. Das Dreieck wird hier ungleichseitig, indem sich die Spitze an den Haarbalg des Mittelhaares anlegt und die eine Seite an demselben entlang, die andere schief aufwärts zum äusseren Rande des Bulbus verläuft (Fig. 18p). Es sind dies ganz charakteristische Erscheinungen, wie ich sie noch bei keiner Haarentwicklung beschrieben fand. In diesem Stadium zeigen die seitlichen Stammhaare eine auffallende Ähn- lichkeit mit den entsprechenden Beihaaranlagen, wie weiter unten zu ersehen ist. Das Hauptcharakteristikum des Bulbuszapfenstadiums ist die Einstülpung der Papille. Ebenso typisch wie die Papillen- anlage beim Haarzapfenstadium ist, ist auch die Art und Weise der Einstülpung beim seitlichen Stammhaar (Fig. 19pı), auf die Backmund beim Mittelhaare nicht näher eingeht. Der erste Antrieb geht von der Mitte der Basis aus. Hier schieben sich die Zellkerne zuerst etwas nach aufwärts, stellen sich immer schräger gegen die Mittellinie des Dreiecks, wobei sie ihre Form abermals verändern: die langausgezogene kommaförmige Gestalt schiebt sich wieder zusammen, der Dickendurchmesser wird grösser auf Kosten des Längendurchmessers. Durch die Schräg- stellung müssen sich die Kerne natürlich teilweise zwischen- einander drängen und zwar geschieht dies ganz regelmässig, in- dem sich abwechselnd ein Kern von der einen, dann wieder von der anderen Seite hereinschiebt. Hierbei werden sie nicht gleichmässig oval, sondern sie bekommen gern von dem je darüberliegenden Kern eine leichte Finbuchtung. Auf diesen Vorgang dürfte vielleicht die Bemerkung Stöhrs in seiner „Entwicklungsgeschichte des menschlichen Wollhaares“ S. 25, dass die dicht gedrängten Zellen mit ihrer quergestellten Längs- achse nach oben hin eine leichte Konkavität besitzen, zurück- zuführen sein. Diese Ineinanderschachtelung der Zellen beginnt Das Haar der Katze. 265 in der Mitte der Dreiecksbasis, worauf die Zellen der seitlichen Ecken hereindrängen: sie schreitet immer weiter vorwärts gegen die Spitze des Dreiecks zu, wobei diese immer kürzer wird, da sich die ganze Papillenanlage mehr und mehr nach aufwärts schiebt, die Zellen des Bulbus allmählich nach oben und seit- wärts verdrängend, bis diese schliesslich die ganze Papille bis auf einen engen Kanal umfassen, wobei die Anlage bereits in das Stadium des Scheidenhaares eingetreten ist. Die Haarkanalzellen haben im Bulbuszapfenstadium die Epidermisoberfläche erreicht, eine hakenförmige Umbiegung konnte ich aber nicht wahrnehmen. Die Schnitte, die ich untersuchte, waren allerdings Schiefschnitte, aber ich konnte doch den Ver- lauf der Kanalzellen durch die ganze Epidermis hin wahrnehmen und konnte andererseits keinen (Querschnitt des schräg ver- laufenden Haarkanalstranges, wie ihn Stöhr abbildet (Fig. 15), finden. Eine Talgdrüsenanlage konnte ich im Bulbuszapfenstadium bei keinem seitlichen Stammhaar entdecken, wohl aber die von Stöhr (S. 30) angegebenen auffallend grossen Kerne über dem Haarkegel. Schon während der Papilleneinstülpung tritt die Haaranlage in das Scheidenhaarstadium. Auch hier war ich nur auf die vor- erwähnte Schnittrichtung angewiesen, die das Haar meist nach unten gegen die Papille zu schräg abschneidet, da auch die seitlichen Stammhaare oberhalb derselben eine Knickung erleiden. Längsschnitte sind aber nicht verwendbar, da man immer im Zweifel ist, ob man ein Mittelhaar oder seitliches Stammhaar vor sich hat. Diesem Umstande ist es vielleicht auch zuzu- schreiben, dass ich als Zeichen des beginnenden Durchbruches die verhornte Kappe am Zusammentreffen der Kanalzellen mit der Epidermisoberfläche nieht wahrnehmen konnte; im übrigen geht der Haardurchbruch in der gleichen Weise wie beim Mittel- haare vor sich. Eine Besonderheit, die wiederum mit dem eigentümlichen Verhalten im Haarzapfenstadium zusammenhängt, zeigen die peripheren Zellen des Haarstranges; die oben als ebenfalls in die Länge gezogen geschilderten Kerne nehmen nun von unten beginnend eine rundliche Gestalt an. Dieser Formveränderung folgt eine Aufhellung der Zellen, wie sie Backmund auch von 15* 266 Hermann Hofer: den Mittelhaaren beschreibt. Die Kerne im Innern des Haar- stranges dagegen behalten ihre ursprüngliche längliche Form. Diese Differenzierung deutet darauf hin, dass die periphere Kern- lage im Haarzapfenstadium, trotz der früheren Gleichheit mit den übrigen Kernen hinsichtlich der Form und Stellung. der Anlage der äusseren Wurzelscheide entspricht. . .. Bezüglich der Ditferenzierung der anderen Schichten kann ich keine vom Mittel- haar abweichenden Angaben machen. Die erste Anlage der Talgdrüse erscheint im Gegensatz zum Mittelhaare erst im Scheidenhaarstadium und zwar sah ich neben einer schwachen seitlichen Ausbuchtung, dass die peripheren Zellen mit den rundlichen Kernen des Stranges, also die der äusseren Wurzelscheide, zu charakteristischen Talgdrüsenzellen sich umwandeln durch Erfüllung mit Sekrettröpfehen und Ver- grösserung des Kernes, während die inneren länglichen Kerne sich nicht beteiligen (Fig. 20). Durch die Weiterentwicklung werden auch hier die Talgdrüsen zu halbkugeligen Anhängseln. Bezüglich des Markes weichen meine Beobachtungen von denen Backmunds ab. Wenn er nämlich behauptet, dass nach oben fortschreitend der Querdurchmesser der Markzellen zu- gunsten des senkrechten stetig abnimmt, so muss ich gerade das Gegenteil annehmen; die rundlichen Zellen über der Papillen- spitze schieben sich zu einer Reihe zwischeneinander, und dabei entfernen sie sich etwas voneinander. Die nun allmählich ab- gegrenzten Zellen werden nach aufwärts immer breiter und niederer, wobei ich mit Backmund auch eine Konvexität der unteren und eine Konkavität der oberen Zellseite beobachtete. Der Kern aber bleibt rundlich, färbt sich immer intensiver, indem er immer kleiner wird, schliesslich punktförmig und zuletzt ganz verschwindet. Es sind dann die Zellen an allen vier Seiten konkav geworden, dabei aber die Zwischenräume zwischen den Zellen im Gegensatz zu Backmund grösser geworden Es ent- spricht dies auch der bekannten Tatsache, dass die Markzellen allmählich vertrocknen; daher auch die allseitigen konkaven Einziehungen. B. Beihaare. l. Stadium: Haarkeim. Über die Zeit der ersten Beihaaranlage habe ich bereits oben Erwähnung getan und möchte hier nur nachtragen, Das Haar der Katze, 267 dass sich die zahlreichen Beihaare, die zu einem Stammhaar gehören, nie gleichzeitig, sondern erst allmählich nacheinander anlegen, so dass auch noch nach der Geburt solche Anlagen zu treffen sind. Die ersten Haarkeime findet man in der Regel, wenn das seitliche Stammhaar in das Stadium des Haarzapfens eingetreten ist. Bezüglich des Ortes der Beihaaranlage ist zu er- wähnen, dass sie sich ungefähr in der Höhe des oberen Randes der Talgdrüse des Mittelhaares ausstülpt, also nicht direkt unter- halb der Epidermis (Fig. 13, 15 und 17). An dieser Stelle sieht man als erstes Anzeichen eine sachte Hervorwölbung der seitlichen Stammhaaranlage (Fig. 13b), in welcher sich die länglichen Kerne der Randzellenschicht, die, wie oben erwähnt, der Länge nach gestellt sind, entweder abrunden oder mit ihrer Längsachse senkrecht zum Rand stellen. Sonst ist hier noch kein weiteres Merkmal zu sehen, auch nicht im Corium hinsichtlich einer Papillenanlage. Eine Entwicklungsstufe weiter treten hinter den runden bezw. quergestellten Kernen kleinere runde Kerne auf, wobei die Hervor- wölbung ein wenig zunimmt (Fig. 14b). Ich vermute, dass diese Kerne von der Randzellenschicht ausgehen, obwohl ich erst in einer weiteren Entwicklungsstufe eine Mitose wahrnehmen konnte; die innere Zellschicht des seitlichen Stammhaares beteiligt sich eben in keiner Weise an der Bildung der Beihaare (Fig. 14b). Beim seitlichen Stammhaar kann man natürlich nicht drei Schichten unterscheiden, wie bei der Epidermis: die unterste Zylinderzellenschicht, die intermediäre und die obere Verhornungs- schicht, so dass man auch nicht von einer subintermediären Zell- schicht sprechen kann. Da aber die Randzellenschicht, wie oben dargetan, der Ausgangspunkt der äusseren Wurzelscheide ist und die Beihaare aus dieser Zellschicht hervorzugehen scheinen. so haben wir es hier, wenn auch nicht mit einem gleichen, so doch analogen Fall wie bei der Entwicklung des Mittel- bezw. seitlichen Stammhaares zu tun. Nun beginnt auch schon die Papillenanlage, das charakte- ristische Zeichen, dass wir es wirklich mit einem Haarkeim zu tun haben, sich bemerkbar zu machen (Fig. I4p). Durch die Hervorwölbung des Keimes werden die Bindegewebsfasern und Kerne etwas zur Seite und dadurch zusammengedrängt, so dass 268 Hermann Hofer: dies den Eindruck einer Vermehrung von Bindegewebszellen macht; es ist aber wohl anzunehmen, dass dies die erste An- regung zur weiteren Anhäufung von Bindegewebskernen bedeutet. Wir finden also hier die erste Papillenanlage früher vor als bei den von der Epidermis ausgehenden Haarkeimen, wo bei diesem Grade der Hervorbuchtung noch nichts von einer Bindegewebs- kernvermehrung zu bemerken ist. Es hängt dies wahrscheinlich mit der späteren so stark ausgeprägten Papillenanlage zusammen. Mit der Zunahme der Hervorwölbung nimmt auch die Anhäufung der Bindegewebskerne zu; dabei ist erwähnenswert, dass dies nicht am Scheitel der Ausbuchtung stattfindet, sondern am unteren Drittel, am Übergang in den Haarstrang des Stammhaares (Fig. 15p). Wenn man die spätere Richtung des Beihaares betrachtet, so ist daraus zu schliessen, dass die Papillenanlage einen Einfluss auf die Wachstumsrichtung des Beihaares haben muss. Denn die weitere Folge ist eine Asymmetrie des Haarkeimes, ähnlich wie beim Mittelhaar: es senkt sich der Keim etwas nach abwärts, so dass er mit dem unteren Teil des Stammhaarstranges einen Winkel bildet, während die andere Seite des Haarkeimes allmählich in den von der Epidermis ausgehenden Teil des Stammhaares übergeht (Fig. 15 und 16b). Damit geht natürlich auch eine Änderung in der Kernstellung einher; am oberen Rand ordnen sich die ovalen Kerne mit der Längsachse nach ab- und auswärts, während am Grund der Aus- buchtung die Kerne dichter gedrängt nach abwärts schauen. Die rundlichen Kerne im Innern haben sich auch etwas vermehrt. Die Papillenanlage schreitet sehr rasch vorwärts, und man kann bald erkennen, dass sie hier die gleiche Gestalt annehmen wird, wie am seitlichen Stammhaare (Fig. 16p). Die Bindegewebskerne, die auch hier kommaförmiges Aussehen haben, stellen sich nach abwärts, die äusseren davon nach abwärts und einwärts, die Zahl der nebeneinander stehenden Kerne vermindert sich nach unten zu, bis schliesslich die Anlage mit einer Spitze endet; und so haben wir auch hier ein gleichschenkliges Dreieck mit der Basis gegenüber dem Grund der Ausbuchtung und der Spitze nach abwärts gekehrt. 2, Stadium: Haarzapfen, Mit fortschreitendem Wachstum wölbt sich die Ausbuchtung allmählich säckchenartig nach abwärts (Fig. 17b 1 und b 2). Dabei Das Haar der Katze. 269. stellen sich nun auch die Kerne der dem Stammhaar zugekehrten Seite schräg nach ab- und auswärts. Durch diese Massenzunahme wird der Stammhaarbalg auf die Seite gedrängt, so dass er an dieser Stelle in der Regel eine Krümmung erfährt, dabei verjüngt er sich auch etwas. Nun bekommt man auch an der Beihaaranlage den Eindruck einer Zugwirkung (Fig. 17bı), es streckt sich die ganze Anlage in die Länge; die Papillenanlage wird immer spitzer und schickt auch oft Ausläufer ziemlich weit voraus, wie beim seitlichen Stammhaar; das Säckchen wird immer länger und schmäler, oft nur zwei Kerne stark; die seitlichen Kerne stellen sich ganz gerade nach abwärts, die inneren Kerne, die anfangs rundlich werden, bekommen eine längliche Gestalt und reihen sich parallel neben die äusseren. Am unteren Ende findet sich wiederum eine kolbige Verdickung mit grösserem Zellreichtum, die auch eine stärkere Tinktionsfähigkeit besitzt. Die Beihaaranlage schmiegt sich ganz an das Stammhaar an und sucht sich entlang demselben den Weg, der oft von benachbarten Haaren und besonders zwischen Mittel- und seitlichem Stammhaar sehr beengt ist, in die Tiefe. Der Strang verlängert sich immer mehr, so dass er schliesslich gleich dem Stammhaar eine sehr grosse Länge im Verhältnis zu seinem Dickendurchmesser aufweist. Die ganze Anlage wird, von der Papillenanlage ausgehend, von feinen Bindegewebsfasern und -kernen umgeben (Fig. 20). Es besteht also eine auffallende Ähnlichkeit der Beihaar- anlagen mit denen der seitlichen Stammhaare gerade in diesem Stadium, und daraus ergeben sich die gleichen Unterschiede gegenüber den Mittelhaaren. 3. Stadium: Bulbuszapfen. Die grosse Ähnlichkeit mit dem seitlichen Stammhaar in der Papillenanlage lässt voraussehen, dass sie sich fortsetzt bei dem Vorgang der Einstülpung. Die Präparate, die ich hierfür zur Verfügung hatte, ent- stammen Angorakatzen; sie zeigen zwar auch die Dreiecksgestalt der Papillenanlage, doch sind die einzelnen Kerne nicht in der kommaförmigen Weise in die Länge gezogen wie in den früheren Präparaten. (Es scheint hier die Katzenrasse eine Rolle zu spielen.) 270 Hermann Hofer: Der Vorgang ist aber so ziemlich gleich: die mittleren Kerne der Papillenanlage rücken nach aufwärts, eine Delle am Grund des Beihaares hervorrufend. Die seitlichen Kerne folgen nach, bewegen sich von der Seite schräg herein und schieben sich abwechselnd zwischeneinander. Beim Eindringen zwischen die aufwärts und seitwärts auseinander gedrängten Kerne der Haaranlage verlieren die Bindegewebskerne ihre ovale Form und nehmen eine mehr eckige Gestalt an durch den Druck der be- nachbarten Kerne, besonders am oberen Rand, wo meist eine mehr oder weniger ausgeprägte Konkavität zu beobachten ist. Im Innern des Bulbus veranlassen sie dann wieder die durch das Ineinanderschieben gewonnene regelmässige Stellung, wobei sie sich etwas abrunden. Zu dieser Zeit beginnt auch der Haarkegel über der Papille sich zu differenzieren. Des weiteren muss ich hier noch erwähnen, dass sich die Talgdrüse des seitlichen Stammhaares stets unterhalb des Aus- ganges der Beihaaranlage ansetzt, die durch die Ausbuchtung zur Seite gedrängt wird, unterhalb der Hervorwölbung aber sofort wieder an das Stammhaar herantritt, also einen halbkreisförmigen Bogen um die Talgdrüse beschreibt (Fig. 20). Dadurch ist die bei der Gruppierung erwähnte Tatsache, dass die Beihaare erst oberhalb der Talgdrüsen in den Haarbalg der seitlichen Stamm- haare einmünden, auch entwicklungsgeschichtlich bewiesen. 1. Scheidenhaar-Stadium. Für dieses Stadium kann ich erwähnen, dass der Kanal des Beihaares in ähnlicher Weise von oben her wie bei den anderen Haaren beginnt. Es zeigen sich zunächst von der äusseren Wurzelscheide des seitlichen Stammhaares her Keratohyalinkörner, worauf der Zerfall der mittleren Zellenreihen bis auf die beiden Randschichten beginnt, so dass dann die äussere Wurzelscheide des Stammhaares in diese Randschicht, die wohl auch als äussere Wurzelscheide des Beihaares aufzufassen ist, unter einem spitzen Winkel übergeht. Damit muss ich leider die Schilderung der Beihaarentwicklung abbrechen ; denn es ist mir nicht gelungen, für den Rest derselben geeignete Präparate zu bekommen. Einmal waren die Katzen im Alter von 8 und 14 Tagen, bei welchen ich das Stadium ver- mutete, Angorakatzen, die sich zum Studium dieser Verhältnisse Das Haar der Katze. Du nicht eignen; der Haarreichtum besonders der Beihaare ist bei diesen noch weit grösser als bei den gewöhnlichen Katzen, weshalb man bei ihnen die Details unschwer unterscheiden kann. So war also dieses Material zu erwähntem Zwecke unbrauchbar, worauf ich natürlich erst bei der Bearbeitung desselben kam. Dann bei den weiteren Katzen im Alter von 4 und 5 Wochen, die übrigens auch Angorakreuzungen zu sein schienen, waren bereits eine grosse Zahl von Beihaaren ganz ausgebildet, wodurch der Haarreichtum wiederum zunahm und die jüngeren Anlagen, die noch darunter waren, mehr oder weniger verwischt wurden. Übrigens glaube ich, dass sich keine besonderen Unterschiede mehr ergeben würden und dass die Hauptmerkmale der Beihaar- anlagen in den vorausgehenden Stadien enthalten sind; auch fällt hier der Ausfall des letzten Stadiums nicht besonders ins Gewicht, da dies zu dem Zweck, der mich zu dieser Arbeit veranlasste, nicht mehr notwendig ist; die Tatsache, dass die Entstehung der Beihaare durch Ausstülpung aus dem Balge des Stammhaares erfolgt, ist durch das Vorausgehende vollständig bewiesen. Zusammenfassung. I. Das Haar der Katze. 1. Das Katzenfell enthält drei Haartypen: Leithaare, Grannen- haare und Wollhaare. 2. Das Mark der Katzenhaare ist einreilhig, hat Perlschnur- oder Geldrollenform, der Luftgehalt ist intercellulär. Die Gestalt der Markzellen in den dicken Haarpartien (Leithaar und Granne) ist etwas verschieden von jenen in den dünnen Partien (Woll- haare und proximaler Haarschaft der Grannenhaare). 3. Die Rinde des Katzenhaares ist verhältnismässig schmal und zeigt keine besonderen Merkmale anderen Haaren gegenüber. 4. Die Cutieulazellen konnten nicht nur als Querlinien, sondern in ihrer ganzen Form und Anordnung dargestellt werden. Methode zur Darstellung der Üuticulazellen: Eintrocknenlassen in Salpetersäure; zur Herstellung von Dauerpräparaten: Auflegen eines an den vier Ecken mit Oanadabalsam bestrichenen Deckglases. 5. Die Gestalt und Anordnung der Cuticulazellen an den Katzenhaaren ist einer ausserordentlichen Variabilität unterworfen und richtet sich nach dem Dickendurchmesser des Haarteiles: je dicker das Haar, desto niederer und breiter sind sie. Das bildet a2 Hermann Hofer: ein typisches Merkmal der drei Haarformen bei der Katze, so dass man sie daran erkennen kann. Als Charakteristikum der Katzenhaare anderen Tierhaaren gegenüber wird sich dagegen die Form der Üuticulazellen nicht verwenden lassen. II. Haargruppierung bei der Katze. 1. Die Haargruppen bei der Katze bestehen aus einem isolierten Mittelhaar und mehreren seitlichen Stammhaaren, deren edes eine Anzahl Beihaare besitzt, zu Gruppen bezw. Bündeln geordnet. 2. Zuerst legen sich die Mittelhaare an, denen bald zu beiden Seiten je ein seitliches Stammhaar folgt, so dass in einem gewissen Stadium, vor und während der Geburt, die Dreihaar- gruppe vorherrscht. 5. Die Zahl der seitlichen Stammhaare vermehrt sich all- mählich, gleichzeitig bekommen sie ihre Beihaare. 4. Bei der ausgewachsenen Katze sind die Gruppen in der Höhe der Haarwurzeln noch etwas verwischt, in der Mitte des Coriums durch Bindegewebszüge scharf umschrieben (Haarbalg- territorien), um weiter gegen die Epidermis zu durch herein- ziehendes Bindegewebe zerklüftet und auseinander geschoben zu werden, bis sie in gemeinsamen Haarbälgen die Haarbündel (Haarnester) darstellen und so die Epidermis verlassen. 5. Die Talgdrüsen liegen alle in gleicher Höhe; jeder Haarbalgkomplex hat seinen Drüsenkomplex. 6. Jedes Mittelhaar besitzt seine Schweissdrüse, auch in den seitlichen Gruppen finden sich solche, so dass wahrscheinlich auch jedes seitliche Stammhaar eine Schweissdrüse hat. 7. Die Haarbalgterritorien gruppieren sich in der Regel seitlich vom Mittelhaar in runden Gruppen, die teilweise auch spindelförmig ausgezogen sind, öfters findet sich auch die Rosettenform. 8. Die Haargruppen sind in Längsreihen angeordnet. 9. Die Grösse der Gruppen wechselt in weiten Grenzen, ebenso die Stärke der Haare; die Stammhaare zeichnen sich nicht immer durch besondere Stärke aus. 10. Die Mittelhaare entsprechen bei der Katze den Leit- haaren, die seitlichen Stammhaare den Grannenhaaren und die Beihaare den Wollhaaren. Das Haar der Katze. 273 III. Entwicklung der seitlichen Stamm- und der Beihaare. a) Seitliches Stammhaar. 1. Im Haarkeimstadium besteht kein Unterschied gegen- über dem Mittelhaar. 2. Im Haarzapfenstadium finden sich charakteristische Unter- schiede: die Haaranlage ist mehr in die Länge gestreckt, schmiegt sich hart an das Mittelhaar an. Die Kerne stehen alle in der Längsachse, die Papille hat die Form eines gleich- schenkligen Dreiecks mit lang ausgezogener Spitze. 3. Das Bulbuszapfenstadium zeigt eine charakteristische Papilleneinstülpung. 4. Scheidenhaarstadium: Der Durchbruch erfolgt von oben her wie beim Mittelhaar, die peripheren Zellkerne werden rund und aufgehellt (äussere Wurzelscheide), die Differenzierung der übrigen Schichten geht wie beim Mittelhaar vor sich. Die erste Anlage der Talgdrüse macht sich an den peripheren Zellen be- merkbar. Die Markzellen schieben sich zwischeneinander, werden immer breiter und niedriger und schliesslich an allen vier Seiten konkav, der Kern verschwindet. b) Beihaar. 1. Der erste Beihaarkeim entsteht im Haarzapfenstadium des seitlichen Stammhaares in der Höhe vom oberen Rande der Talgdrüse des Mittelhaares: eine Hervorwölbung der Randzellen- schicht mit Querstellung der Kerne, hinter denen sich kleine runde Kerne anhäufen. Die Papillenanlage erscheint früher als beim Mittelhaar und seitlichen Stammhaar am unteren Über- gang der Hervorwölbung in das Stammhaar, in welcher Richtung der Keim weiterwächst. Die Papille nimmt bald Dreiecks- gestalt an. . 2. Das Haarzapfenstadium weist eine ausserordentliche Ähnlichkeit mit dem seitlichen Stammhaar auf. 3. Auch das Bulbuszapfenstadium stimmt ganz mit dem seitlichen Stammhaar überein: Die Papilleneinstülpung geht in der gleichen Weise vor sich, während sich der Haarkegel diffe- renziert; die Beihaaranlagen entspringen immer unmittelbar über der Talgdrüsenanlage des seitlichen Stammhaares und be- schreiben um dieselbe einen halbkreisförmigen Bogen. 274 Hermann Hofer: 4. Der Durchbruch des Beihaares erfolgt auch von oben, ausgehend von der äusseren Wurzelscheide des seitlichen Stamm- haares, die mittleren Zellreihen der Beihaarkeime zerfallen, die peripheren Zellen werden zur äusseren Wurzelscheide. Literaturverzeichnis. Backmund, Karl: Entwicklung der Haare und Schweissdrüsen der Katze. Anat. Hefte v. Merkel u. Bonnet, Bd. 26, H. 2/3, 1907. Bonnet: Integumentum commune in Ellenbergers vergleichender mikro- skopischer Anatomie, I. Auflage, 1881. Böhm und v. 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Die Zeichnungen und Photographien sind mit dem grossen Projektions-, Zeichen- und Photographierapparat nach Prof. Edinger hergestellt. Die Cuticulazellen lassen sich sehr schwer photographieren, da das Haar mit den Zellen einen Körper darstellt, von dem man immer nur eine Ebene festhalten kann. Ich versuchte sie daher durch einige Zeichnungen zu ersetzen. Im Druck mussten die Zeichnungen auf °/s, die Photographien auf ca. °/s verkleinert werden, was bei den Vergrösserungen zu berücksichtigen ist, die nach den Originalen angegeben sind. Fig. 1. Die Haartypen der Katze. Vergr.: Länge 5: Breite 50. Kenisse E Wurzel; b BLEI nu ce untere Ver- ; diekung;; d mittlere Einschnürung; e/8Yaunenz J artige obere Verdickung; f Spitze. a Wurzel; b Markbeginn:; c dickere und c, dünnere Stelle des unteren Haarschaftes; d Einschnürung unterhalb der Granne; e Granne; f Spitze. Fig. 2. Isolierte Bestandteile eines pigmentierten Leithaares. Vergr. 1: 850 (Immersion). A Markzellen, Flächenansicht } B Markzellen, Seitenansicht C ein Stück Rinde J NB. Die verschiedenen Durchmesser der Markzellen rühren daher, dass sie verschiedenen Haarstellen entnommen sind. Ü Grannenhaar D Grannenwollhaar \ E Wollhaar - a Pigmentkörnchen. Fig. 3. Bestandteile eines Wollhaares. Vergr, 1: 850 (Immersion). A Ein Stück des Haares: a Cuticula; b Rinde; c Mark (Seiten- ansicht); d Luftreste. B Isolierte Cuticulazellen: a Flächenansicht; b Seiten- (Kanten-) ansicht. C Ein Stück Rinde. D Isolierte Markzellen (Flächenansicht): a Kernhöhle. Fig. 4. Cuticula eines Leithaares. Vergr. 1: 200. A Proximale Haarhälfte (grannenartige Verdickung). B Mittlere Einschnürung | € Distale Haag ne Fig. 5. Cutieula eines Grannenhaares. Vergr. 1: 200. A Spitze. B Granne. © Übergang von der Granne zum unteren Schaftteil, noch in der Nähe der Granne. D Übergang zu Zackenform. E \ Distaler Haarteil: a Cuticulazellen mit mehreren Zacken; Fj b Luft. Fig. Fig. Fig. SQ 10: 1a 13: 14. DD —ı —] Das Haar der Katze. Cuticula eines Wollhaares. Vergr. 1: 200. A Spitze. B Grannenähnlicher Haarteil (Mikroskopische Granne). C Übergang zum distalen Schaftteil. - a Bi des distalen Haarschaftes. Cuticula eines Wollhaares. Vergr. ca. 1: 400. A Spitze. B Grannenähnlicher Haarteil (Mikroskopische Granne). C Übergang zum distalen Haarteil. D dicke Partie des distalen Haarschaftes: a Basale Ausbiegung E dünne J der Cuticulazellen. Entwicklung der Haargruppierung bei der Katze: 1. Stadium. Vergr. 1:200. 50 „ dicker Schnitt. ep Epidermis: co Corium; sbe Subeutis; m Mittelhaar ; s seitliches Stammhaar; sch Schweissdrüsenanlage; r ringförmig um die Gruppe sich anlegende Bindegewebszüge. Entwicklung der Haargruppierung: 4. Stadium (1. Stadium nach der Geburt). Vergr. 1:200. Schnittdicke 50 u. ep Epidermis; co Corium; sbe Subeutis; m Mittelhaar; s seitliches Stammhaar; b Beihaaranlage; sch Schweissdrüse; map M. arrect. pil.; f Fettzellen; t Talgdrüsenanlage. Haargruppierung, spindelförmig, ventral vom Schwanzansatz; drei Wochen alte Katze. Vergr. 1: 200. ep Epidermis; co Korium; sbe Subeutis; f Fett; r Bindegewebs- züge: sch Schweissdrüse; t Talgdrüse; b junge Beihaar- anlage. Haargruppierung einer ausgewachsenen Katze: Unterbrust;; Schnitt- dicke 50 „. Vergr.1: 100. ep Epidermis; r Bindegewebe; g Haarbündel (Haarnest); gı Haar- gruppe, noch nicht scharf umschrieben; g» Haargruppe, scharf umschrieben (Haarbalgterritorium). Haargruppierung einer ausgewachsenen Katze, Rosettenform ; Bauch ; Schnittdicke 50 „. Vergr. 1:200. ep Epidermis; r Bindegewebe: t Talgdrüse; m Mittelhaar; g Haar- bündel (Haarnest); sch Schweissdrüsenausführungsgang. Erste Anlage des Beihaares: Haarkeim; Schnittdicke 5 «. Vergr. 1: 400. m Mittelhaar; s seitliches Stammhaar; b Beihaaranlage; r Binde- gewebe; ep Epidermis; t Talgdrüse. Beihaaranlage: Haarkeim; erste Papillenanlage: Schnittdicke 7,5 w. Vergr.1:400. m Mittelhaar: s seitliches Stammhaar: b Beihaaranlage; r Binde- gewebe; p Papillenanlage; ep Epidermis; t Talgdrüse. Beihaaranlage; Haarkeim: weitere Papillenentwicklung ; Schnitt- dicke 5 a. Vergr.1:400. Bezeichnungen wie bei Fig. 14. Fig. Fig. ig. 19. Hermann Hofer: Das Haar der Katze. Weiter vorgeschrittene Beihaaranlage; Haarkeim; die Papille nimmt Dreiecksgestalt an. Bezeichnungen wie Fig. 14. Beihaaranlagen; Bulbuszapfenstadium. Schnittdicke 10 „. Vergr. 1:5300. m Mittelhaar; s seitliches Stammhaar; bı Beihaaranlage von der Fläche gesehen; b» Beihaaranlage, Medianschnitt, etwas schräg getroffen; ep Epidermis; p Papillenanlage; t Talg- drüse. Seitliches Stammhaar; Papille. Schnittdicke 5 «. Vergr.1:400. k Kolbenförmig aufgetriebener Bulbus, hier einseitig verdrängt; m Mittelhaar; s seitliches Stammhaar; p dreieckige Papillen- anlage an das Mittelhaar angeschmiegt; r Bindegewebe. Seitliches Stammhaar; Papilleneinstülpung. Schnittdicke 5 «. Vergr.1:400. m Mittelhaar:; s seitliches Stammhaar; k kolbenförmig auf- getriebener Bulbus; p dreieckige Papillenanlage; pı sich einstülpende Papille; r Bindegewebe. Beihaaranlagen vorgeschritten. Schnittdicke 10 „. Vergr.1:400. m Mittelhaar; s seitliches Stammhaar: b Beihaaranlagen; t erste Talgdrüsenanlage; ep Epidermis; r Bindegewebe. 279 Was sind die Plastosomen ? Antwort auf die Schrift gleichen Titels von G. Retzius. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 17 Textfiguren. G. Retzius führt seit dem Jahre 1910 gegen die Chondrio- somen oder Plastosomen eine ebenso scharfe wie bisher erfolglose Polemik. Er führt sie, wie er 1911. S. 40 schreibt, teils, um die Priorität meines „grossen, echt kritischen Kieler Lehrers“ auf- recht zu erhalten (für deren Wahrung ich, nebenbei bemerkt, alles, was getan werden konnte, schon längst vorher selbst getan hatte), „teils und besonders auch deshalb, weil in der späteren Zeit, wesentlich auf der Autorität von Benda und Meves fussend, eine Schule von jüngeren Forschern entstanden ist, welche die „Mitochondrienlehre“ mehr oder weniger unkritisch weiter führt und unreife Forschungsfrüchte einsammelt und verbreitet.“ „Es ist dies“, fährt er fort, „meiner Ansicht nach eine Gefahr für die Wissenschaft, weil die betreffende Erforschung eines so hochwichtigen Gebietes von vorausgefassten Theorien und Meinungen frei sein muss, wenn man zu gesicherten Ergebnissen gelangen will. Hier ist gewiss eine ganz vorurteilslose Forschung nötig.“ Dass Retzius mit seiner Warnung vor der Plastosomen- forschung Glück gehabt habe, kann man im Hinblick auf die umfangreiche Literatur, welche in den letzten Jahren über diese Gebilde entstanden ist, wirklich nicht sagen; allein seitdem Retzius im Jahre 1911 die zitierte Äusserung getan und die Plastosomen als „unreife Forschungsfrüchte“ hinzustellen versucht hat (an einer anderen Stelle derselben Abhandlung nennt er sie ein „warnendes Beispiel“), sind mehrere hundert Arbeiten erschienen, welche die Plastosomen zum fast ausschliesslichen (Gegenstand haben. Retzius motiviert seinen völlig ablehnenden Standpunkt gegenüber den Plastosomen damit, dass sie mit den vom Zyto- Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. I. 19 250 Friedrich Meves: zentrum ausgehenden Strahlungen oder den feinen gleich oder ähnlich beschaffenen Faden- oder Netzwerken, welche in den meisten ruhenden Zellen statt der Strahlungen bei stärker saurer Fixierung sichtbar sind, eins seien. Für die Strahlungen und Fadenwerke hätten wir die Bezeichnung Mitom; alle weiteren Namen seien ganz überflüssig und verwirrten nur die Dar- stellungen (1910, S. 50). Diese Behauptung war schon 1910, als Retzius sie zuerst aufstellte, nach dem damaligen Standpunkt unseres Wissens so in die Augen fallend irrtümlich, dass sie einer Widerlegung nicht bedurfte. Nichtsdestoweniger habe ich ihr (weil sie von Retzius stammte) eine solche zu Teil werden lassen (1912, 5. 92—99) und von neuem darauf hingewiesen, dass die Strahlungen sowie die ihnen möglicherweise gleichwertigen, hinsichtlich ihrer Vitalität anfecht- baren Fadengerüste einerseits und andererseits die Plastosomen, welche bald in Form von Körnern (Plastochondrien), bald in der- jenigen von Fäden (Plastokonten !) vorkommen, Seite an Seite nebeneinander in der Zelle vorhanden sind; ich habe aus- geführt, dass Retzius im wesentlichen die seit langem bekannten Strahlungen und Fadengerüste, von denen ich in Fig. 1—3 und Fig. 9 einige Beispiele aus eigenen Arbeiten gebe (man vergleiche ausserdem Fig. 15 nach Van der Stricht), von unseren Plasto- somen aber wegen Anwendung ganz ungeeigneter Methoden in den meisten Fällen so gut wie nichts wahrgenommen hat. Retzius glaubt nun aber auch noch in seiner letzten im Titel angeführten Schrift (1914) bei seiner früheren Meinung verharren zu dürfen, indem er auch weiterhin die Strahlungen und Fadenwerke mit den Plastosomen zusammenwirft, von denen er zwar auch noch neuerdings so gut wie nichts gesehen hat, welche er aber nichtsdestoweniger schon lange zu kennen glaubt. Um der Verwirrung zu begegnen, die durch die genannte Schrift von Retzius angerichtet werden könnte, habe ich eine sich später bietende (relegenheit zur Beantwortung derselben nicht erst abwarten wollen. Retzius huldigt, wie wir aus dieser Schrift zunächst wieder erfahren, seit langem der Ansicht, zu der er „eine Reihe ') Von zorros, lat. contus, Stange, Stab. Was sind die Plastosomen ? 281 Fig. 1—3. Beispiele des „jüngeren oder späteren Mitoms“ von Flemming; vergl. auch Fig.9 und 15. Fig.1. Spermatogonie von Salamandra maculosa. Oberhalb des Kernes die Zentriolen innerhalb einer grossen Zentrotheka, von deren Oberfläche eine Strah- lung ausgeht. Hermann- sches Gemisch, Eisen- hämatoxylin. Nach Meves, 1896, Fig. 4. Fig. 2. Spermatozyt erster Ordnung von Salamandra maculosa. Faden- werk des Protoplasmas konzentrisch zur Kernoberfläche angeordnet. Am Polfeld des Kernes die in Zerfall begriffene Zentrotheka, deren Substanz sich der Kernoberfläche dicht angeschmiegt hat. Hermannsches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1896, Fig. 49. Fig. 3. Spermatide von Salamandra maculosa, mit Fadengerüst, dessen Balken gekörnt erscheinen. Zentriolen unter der Zelloberfläche; die Zentro- theka bildet einen Ballen für sich, welcher zwischen den Zentriolen und dem Kern gelegen ist. Hermannsches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1897, Fig. 2. 192 989 Friedrich Meves: stützender und vielleicht auch weiter führender Beweise gefügt“ zu haben glaubt, dass das Protoplasma aus „gekörnten Fäden“ besteht. Diese Anschauung will er die „alte oder Flemmingsche Mitomlehre“ nennen, was ich nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse als unglücklich bezeichnen muss, da Flemming nach meiner unumstösslichen Feststellung (1907, 2 und 3, 1908) zwei Arten von Mitomen im Protoplasma beschrieben hat. Flemming ist bei seinen Untersuchungen (1882 und zum Teil schon früher) von der lebenden Zelle ausgegangen. Er be- obachtete in lebenden Knorpel-, Bindegewebs- und Epithelzellen der Salamanderlarve Fäden, welche in ganzer Länge solide (homogen) sind, welche nicht netzförmig zusammenhängen, sondern isoliert verlaufen. Bei diesen Fäden handelt es sich um dieselben Gebilde, welche ich heute als Plastokonten (früher Chondriokonten) bezeichne ; sie stellen das „ältere oder frühere Mitom“ von Flemming dar. Später hat dann Flemming geglaubt, die Strahlungen und die gleich oder ähnlich beschaffenen feinen Faden- oder Netz- werke, die man ziemlich allgemein bei stärker sauren Fixierungen in den Zellen antrifft, mit diesen Fila, welche er am lebenden Objekt beobachtet hatte, identifizieren zu dürfen. Wir wissen heute mit völliger Sicherheit, dass diese Identifizierung irrtümlich war. Die Strahlungen und die ihnen vielleicht gleichwertigen Faden- oder Netzwerke (Fig. 1—3, 9, 15) sind von ganz anderer Art als die Flemmingschen Fila von 1582; man kann daher die letzteren als „älteres oder früheres Mitom“ von Flemming den ersteren als dem „jüngeren oder späteren“ gegenüber stellen. Flemming hat übrigens auch die Strahlungen und Faden- gerüste im allgemeinen nicht als gekörnt bezeichnet, was sie auch nach meinen Beobachtungen keineswegs immer sind. Solche „gekörnten Fäden“, wie sie nach Retzius die Strahlungen und Gerüste aufbauen, sind dagegen an Reagenzienpräparaten schon vor vielen Jahren von Van Beneden, M. Heidenhain, His und zahlreichen anderen (mehrfach auch von mir, z.B. 1897 in Spermatiden des Salamanders, 1900 in den Samenzellen eines Schmetterlings Pygaera, 1907 in denjenigen der Honigbiene) beschrieben worden. Nach der Schilderung seiner eigenen Ansicht geht Retzius zur Darstellung der „neuen Lehre“ über. Ich bedaure sagen zu Was sind die Plastosomen ? 283 müssen, dass der Anfang dieser Darstellung mir den Eindruck erweckt, als wenn er aus dem Gedächtnis, d. h. ohne Kontrolle durch die bezügliche Literatur, niedergeschrieben wäre. „Die neue Lehre“, sagt Retzius (S. 179), „ist von einigen Befunden ausgegangen, welche ©. Benda mittels seiner eigenen Methode in den männlichen Sexualzellen gemacht hatte. In diesen Zellen fand nämlich Benda (vom Jahre 1897 an) Körner, welche er als für diese Zellen spezifisch betrachtete und mit den neuen Namen Mitochondrien und Chondriomiten (Fadenkörner und Körnerfäden) bezeichnete. Später fand er aber mit derselben Methode gleichartige Körner in manchen anderen Zellarten (Eiern, Nierenepithel usw.). Also waren diese Körner nicht für die männlichen Sexualzellen spezifisch und bald zeigte es sich auch, dass seine neue Methode nicht spezifisch wirkt, indem diese Körner sich im Protoplasma der verschiedenen Zellarten mit anderen Methoden nachweisen lassen. Benda selbst und seine Anhänger glaubten aber noch immer, dass die von ihm gefundenen Körner, die „Mitochondrien“ und „Chondriomiten“, ein neu entdecktes Zellelement seien. Mir, wie wahr- scheinlich auch manchen anderen Histologen, welche schon seit langem das Flemmingsche Mitom mehr oder weniger genau kannten, war es aber von Anfang an offenbar, dass diese von Benda gefärbten Körner in der Tat schon lange vorher von einer Reihe von anderen Zytologen gesehen und beschrieben worden waren. Und man wunderte sich, wie es möglich sei, dass dies nicht von den meisten Fachmännern eingesehen wurde.“ Gegenüber diesem Passus möchte ich konstatieren, dass ich meinerseits nirgends einen Punkt sehe, wo von einem Früher- oder Besserwissen von Retzius die Rede sein könnte. Benda ist, wie er selbst (1898, 1, S. 264) mitteilt, schon durch Ballowitz 1898 auf der Versammlung der Anatomischen Gesellschaft in Kiel darauf aufmerksam gemacht worden, dass v. Brunn die gleichen Protoplasmakörner, die wir heute als Mitochondrien oder Plastochondrien bezeichnen, schon 1884 in den Samenzellen der Maus beschrieben habe. Ich selbst habe in einer 1900 erschienenen, bei Retzius nicht erwähnten Arbeit eine Literaturbesprechung gegeben, welcher später von verschiedenen Seiten Vollständigkeit nachgerühmt worden ist. Ich habe darin besonders auf v. la Valette St. seorge hingewiesen, der 1886 284 Friedrich Meves: unzweifelhafte Mitochondrien in den Samenzellen von Insekten beobachtet hat. Schon im Jahre 1900 (8. 554), und seitdem wiederholt, habe ich ferner betont und möchte an dieser Stelle von neuem daran erinnern, dass ich selbst die „Mitochondrien“ der Samenzellen unabhängig von Benda und gleichzeitig mit diesem im Jahre 1897 aufgefunden habe,!) ebenfalls, ohne zunächst noch die bereits vor- liegenden Beobachtungen von v. Brunn (1884), v. la Valette St. George (1886), L. und R. Zoja?) (1891) und anderen zu kennen. Es trifft demnach nicht zu, was man übrigens nicht bloss bei Retzius, sondern in der neueren Literatur ziemlich allgemein liest, dass ich von Benda „ausgegangen“ wäre. Trotzdem ich die Literatur (die Abhandlung der (rebrüder Zoja ausgenommen) alsbald kennen lernte, habe ich in meiner 1900 erschienenen Arbeit die von Benda vorgeschlagene Be- zeichnung Mitochondrien akzeptiert; die von v. Brunn und v. la Valette St. George gebrauchten Bezeichnungen „Proto- plasmakörner“ und „Zytomikrosomen“ schienen mir deshalb nicht geeignet, weil neben den Mitochondrien auch noch andere Sorten von „Protoplasmakörnern“ oder „Zytomikrosomen“ in der Zelle existieren können. Dieser Name „Mitochondrien“ ist das einzige gewesen, was ich 1900 von Benda übernommen habe. Denn auch in der Methode, die ich damals zur Darstellung der Mitochondrien in Schmetterlingshoden und später vielfach angewandt habe (Fixierung mit Flemmingschem (Gemisch?) und Färbung mit Eisen- ', Im Frühjahr 1897 habe ich angefangen, mich mit den Hodenzellen von Schmetterlingen zu beschäftigen ; die in diesen Zellen vorkommenden häkchenförmigen Centriolen habe ich in der am 29. September 1897 aus- gegebenen Nr. 1 von Band 14 des Anatomischen Anzeigers beschrieben ; damals habe ich auch die später (1900) von mir geschilderten grossen „Mitochondrien“ dieser Zellen zuerst gesehen. ?2) Die Gebrüder L und R. Zoja sind die ersten gewesen, welche, schon im Jahre 1891, an Schnittpräparaten von Hoden mit Hilfe der Altmannschen Methode „Mitochondrien“, von ihnen als „Plastidulen“ be- zeichnet, dargestellt haben. Auf die völlig in Vergessenheit geratene Arbeit der beiden italienischen Autoren habe ich 1910, 2, S. 650 Anm. zuerst auf- merksam gemacht. ») Ich habe damals sog. starkes Flemmingsches Gemisch gebraucht, welches ich mit dem gleichen oder mehrfachen Volumen destillierten Wassers verdünnt hatte. Was sind die Plastosomen ? 255 hämatoxylin) bin ich von Benda völlig unabhängig gewesen; letzterer hat seine „Hauptmethode“* überhaupt erst 1901 auf der Anatomenversammlung in Bonn publiziert. Dass die Uhondriosomen oder Plastosomen die Bezeichnung als spezifischer Bestandteile der Zelle verdienen, ist eine Auffassung, an der ich von Anfang an bis heute mit absoluter Be- stimmtheit festgehalten habe. Dass sie dagegen nur für die Samen- zellen spezifisch sein sollten, habe ich jedenfalls niemals und Benda, wenn überhaupt, sicher auch nur kurze Zeit angenommen ; denn Benda hat schon 1899, 1 und 2 Mitochondrien in ver- schiedenen somatischen Zellen aufgefunden: ich selbst habe 1900 (S. 595) ihr Vorkommen ausser in Samenzellen in den Sertoli- schen Zellen des Hodens bei Wirbeltieren sowie bei Wirbellosen (wie übrigens auch Benda) beobachtet. Dagegen hat Retzius noch 1911 die Meinung vertreten, dass die Körner der Samenzellen nicht von einem allgemeinen Standpunkt aufzufassen seien. „Wenn der Name „Mitochondrien“ wirklich aufrecht erhalten werden soll“, schreibt er 1911, S. 34, „sollte er jedenfalls nicht mit den Körnchen Flemmings (und Van Benedens) in dem Fadenwerk des Protoplasmas im all- gemeinen identifiziert, sondern als eine Art höher differen- zierte oder spezifizierte Körner in den männlichen Sexualzellen aufgeführt werden,') obwohl man in dieser Hinsicht, da man ihre wirkliche Spezifität noch so wenig kennt, sehr vorsichtig sein muss“. Die Beziehung der Mitochondrien zu den Strahlungen und Fadengerüsten ist von Benda (1899, 1) und mir (1900) zuerst und schon gleich im Anfang erörtert worden (s. unten), was Retzius anscheinend völlig unbekannt geblieben ist. Retzius kommt alsdann auf mich zu sprechen und teilt einen „Auszug“ mit aus einer „von ihm verfassten geschichtlichen Zusammenstellung der Äusserungen von Meves, welche im Manuskript vorliegt“. Ich habe gegen zahlreiche Behauptungen dieses „Auszuges“ entschiedensten Protest einzulegen. Retzius erklärt zunächst, dass „die von Benda inaugurierte Mitochondrienlehre“ „vom Jahre 1907 an, also ein Dezennium nach !) Von mir gesperrt. 286 Friedrich Meves: der „Entdeckung“ Bendas, von Meves und seinen Schülern akzeptiert und in derselben Richtung weiter geführt und aus- gebildet wurde;“ daran schliesst er die Bemerkung, ihm sei es „von Anfang an unbegreiflich gewesen, dass der so erfahrene Kieler Histologe nicht sofort erkannte, dass diese Mitochondrien grössten- oder wenigstens grossenteils mit den Flemmingschen Fila oder dem Mitom identisch sind“. Was nun die Jahreszahl 1907 anlangt, welche Retzius für mein Eintreten in die Mitochondrienforschung angibt, so möchte ich vermuten, dass es sich hier um einen Lapsus memoriae handelt; denn sonst müsste man annehmen, dass Retzius meine oben erwähnte, im Jahre 1900 erschienene Abhandlung „über den von v. la Valette St. George entdeckten Nebenkern (Mitochondrienkörper) der Samenzellen“ überhaupt nicht kennt. Die Frage, wie die Mitochondrien sich zu dem („jüngeren“) Mitom Flemmings (d.h. zu den Strahlungen und Fadengerüsten) verhalten, hatte Benda 1899, 1 dahin beantwortet, dass diese Körner teils deutlich den „Plasmafäden eingefügt“ sind, teils durch ihre Anordnung ihre Zugehörigkeit zu diesen erkennen lassen. Sie seien „mit den bisher als Zellmierosomen bezeichneten Bildungen identisch“, von denen nach den früher gebräuchlichen Methoden nur sehr unsichere Darstellungen zu erreichen gewesen wären. „Die Fadenkörner“, sagt Benda (1899, 1, 5.7), „entsprechen den Microsomen, soweit diese bisher durch irgendwelche Methoden deutlicher zur Anschauung gebracht wurden.“ Dies war also eine Auffassung, welche derjenigen entspricht, die heute von Retzius vertreten wird. Ich habe demgegenüber schon 1900 für meine damaligen Untersuchungsobjekte, Spermatozyten von Paludina und Pygaera, betont, dass die Mitochondrien während der Mitose, bei welcher sie sich in diesen Zellen zu Fäden (Chondriokonten oder Plasto- konten) zusammenschliessen, sicher „interfilar“, sowohl ausser- halb der Spindelfasern (was auch Benda bereits festgestellt hatte), als auch ausserhalb der Polstrahlen liegen (vergl. Fig. 5, 7, 8). Dagegen glaubte ich damals konstatieren zu können, dass die Körner in der ruhenden Samenzelle von Pvgaera (Fig. 4) in der Tat eine intrafilare Lage haben, fand aber 1907, 2, S. 404, bei erneuter Prüfung, dass die bezüglichen Beobachtungen unsicher seien. Später bin ich dann immer mehr zu der Überzeugung Was sind die Plastosomen ? 287 Fig. 4. Spermatozyt erster Ordnung der eupyrenen Generation von Pygaera. Der Zelleib zeigt zahlreiche grosse Plastochondrien (ein Fadenwerk im Proto- plasma, „jüngeres oder späteres Mitom“ von Flemming, war nicht deutlich erkennbar). Unter der Zelloberfläche zwei hakenförmige Zentriolen: von den Enden der beiden Hakenschenkel geht BE | je ein feiner Faden aus. Verdünntes L ' ve Flemmingsches Gemisch. Eisen- hämatoxylin. Nach Meves, 1900, Fig.53. Fig.5. Spermatozyt der eupyrenen Generation erster Ordnung von Pygaera, gegen Ende der Teilung. Uhromosomen der beiden Tochterkerne verklumpt. Die hakenförmigen Zentriolen sind an der Knickungsstelle durch- gebrochen; dadurch sind zwei Stäbchen entstanden, welche jedes mit einem Faden versehen sind; beide Stäbchen sind nur am rechten Spindelpol sichtbar. Die Fäden der von den Spindelpolen ausgehenden Strahlungen sind deutlich und haben ein gekörntes Aussehen. Verdünntes Flemmingsches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1900, Fig. 57. Fig.6. Spermatide von Pygaera im Beginn der Umwandlung zum Samenfaden. Die Plastochondrien haben sich zu einem „Nebenkern“ vereinigt. Gerüst körniger Fäden im Protoplasma. Verdünntes Flemmingsches (Gemisch. Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1900, Fig. 67. 285 Friedrich Meves: gekommen, für welche ich heute mit grösster Entschiedenheit ein- trete, dass die Mitochondrien oder ‚Plastochondrien auch in der ruhenden Zelle ausserhalb der Fäden der Strahlungen und der Gerüste gelegen sind. Die Art und Weise, wie die Körner im Protoplasma vieler Zellen verteilt sind, ihre häufig zu be- obachtende starke lokale Anhäufung (z. B. in der Umgebung des /ytozentrums, wobei sie die peripheren Teile einer eventuell vorhandenen Strahlung ganz oder nahezu ganz frei lassen können, oder |Fig. 6] in den Spermatiden Wirbelloser bei der „Neben- kern“bildung), die weitgehenden Verlagerungen, welche sie z. B. bei der Befruchtung des Askariseies zeigen, lassen mir eine andere Annahme ausgeschlossen erscheinen. Ferner sind ja viel- fach schon in der ruhenden Zelle anstatt der Körner, Mitochondrien oder Plastochondrien, zum Teil sehr lange, aus Mitochondrien- substanz bestehende Fäden, Chondriokonten oder Plastokonten, vorhanden, von welchen es nicht wahrscheinlich genannt werden kann, dass sie ihrerseits noch wieder „Plasmafäden eingefügt“ sein könnten. Dies letztere muss man sogar, bei der regellosen Lagerung der Plastokonten innerhalb des Protoplasmas, als ein- fach unmöglich bezeichnen, wenn die „Plasmafäden“ radiär zum /ytozentrum angeordnet sind, wie es im Leukozyten oder auch (nach Van der Stricht) in der embryonalen Knorpelzelle der Fall ıst (Pig.12, 16). Retzius berichtet weiter (8. 152), dass „im Jahre 1907/08 Meves eine gewiss auch für ihn selbst unerwartete „Entdeckung“, wie er sie nennt“, gemacht habe. „Er hatte nämlich nun entdeckt, was wir anderen — als Anhänger der alten Mitomlehre — schon lange wussten,?) dass seine Chondriokonten wenigstens zum grossen Teil mit den Fila Flemmings identisch sind“. Weiter heisst es auf der folgenden Seite mit ähnlichen Worten: Meves „war von einem überzeugten Anhänger der Bendaschen Mitochondrienlehre, nach welcher die Mitochondrien neu entdeckte, spezifische Zellelemente!) seien, zu der Über- !) Von mir gesperrt. ?) Dass die Mitochondrien nicht von Benda neu entdeckt sind, habe ich neben Ballowitz als erster gezeigt. Ich habe ferner niemals an- genommen, dass sie nur für die Samenzellen spezifisch seien; dagegen behaupte ich noch heute, dass sie spezifische Elemente der Zelle darstellen; siehe oben. Was sind die Plastosomen ? 289 zeugung gelangt, dass dieselben sowie seine eigenen „Chondriokonten“ mit den Flemmingschen Fäden (den Fila oder dem Mitom) identisch sind!“ Ich konstatiere demgegenüber, dass Retzius immer wieder ein Opfer desselben bedauerlichen Missverständnisses ist. Ich bestreite ja gerade mit vollster Bestimmtheit, dass die Chondrio- konten mit den gekörnten Fäden, welche Retzius im Proto- plasma wahrnimmt, zu identifizieren sind ; sie entsprechen vielmehr ausschliesslich den alten Fila Flemmings, welche Retzius aus seinen eigenen fixierten Präparaten überhaupt gar nicht kennt. Sollte Retzius aber sagen wollen, dass er eine Identität auch zwischen den alten Fila Flemmings und meinen Chondrio- konten schon vor mir erkannt hätte, so würde ich meinerseits jede Möglichkeit dieser Art auf Grund des Folgenden auf das entschiedenste bestreiten müssen. Ich habe zuerst im Laufe des Jahres 1599 die später von mir als Chondriokonten oder Plastokonten bezeichneten Fäden in sich teilenden { Spermatozyten von Paludina und Pygaera Fig. 7. Fig. 8. Fig.7. Spermatozyt erster Ordnung der eupyrenen Generation von Paludina, „Mutterstern“-Stadium. Plastokonten in unregelmässiger Anordnung die Teilungsfigur umgebend. Nach Meves, 1900, Fig. 14. Fig. 8. Spermatozyt erster Ordnung der eupyrenen (Generation von Paludina, gegen Ende der Teilung (Stadium der Zelldurchschnürung). Plasto- konten zwischen den Tochterkernen gelegen, der Hauptsache nach parallel zur Spindelachse angeordnet. Nach Meves, 1900, Fig. 18. In beiden Figuren zeigen die Plastokonten infolge einer nicht ein- wandfreien Fixierung (mit einem Sublimat-Alkohol-Eisessig-Gemisch) ein variköses Aussehen. Färbung mit Eisenhämatoxylin. 290 Friedrich Meves: aufgefunden. Dei Paludina liegen sie in den Spermatozyten erster Ordnung derjenigen Zellgeneration, welche die eupyrenen Spermien liefert, nach meiner Beschreibung (1900) auf dem Stadium des „Muttersternes“ in Gestalt von Doppelfäden in unregel- mässiger Anordnung um die Teilungsfigur herum (Fig. 7); sie geben, nachdem die Tochterchromosomen auseinander gerückt sind, ıhre periphere Lage auf und schieben sich zwischen die Tochterchromosomen ein, wobei sie bestrebt sind, sich parallel der Spindelachse anzuordnen; bei der Zelldurchschnürung werden sie zu gleichen oder annähernd gleichen Anteilen auf die beiden Tochterzellen verteilt (Fig. 8). Diese Befunde habe ich noch mit meinem lieben Lehrer Flemming, der grosses Interesse daran nahm, diskutieren können. Die Idee, dass die Plastokonten der sich teilenden Samenzellen mit den Fila Flemmings von 1882 identisch sein könnten, lag uns beiden damals schon deshalb völlig fern, weil Flemming die Vorstellung hatte, welche auf mich und die meisten damaligen Anhänger der „Filartheorie“* übergegangen war und welche von Retzius noch heute vertreten wird, dass das Faden- werk des Protoplasmas bei der Zellteilung ganz oder grössten- teils in die von den Teilungspolen ausgehenden Strahlungen umgewandelt werde. Nachdem ich sodann 1906 ebensolche Plastokonten wie in den Spermatozyten von Paludina und Pygaera auch noch in denjenigen der Honigbiene kennen gelernt hatte (Fig. 10, 11), traf ich weiter 1907 in den Zellen des Hühnerembryos und unmittelbar darauf in denjenigen der Salamanderlarve, als ich sie mit Hilfe der Plastosomenmethoden studierte, die gleichen durch intensive Färbung hervorgehobenen Fäden an (Fig. 12—14). Sie waren auch in den Zellen der embryonalen Gewebe ganz anderer Natur als die Fäden der Strahlungen, welche bei der Teilung von den Spindelpolen ausgehen und welche nach unserer damaligen Ansicht das Mitom repräsentierten, und waren zwischen diesen Fäden gelegen. Im allgemeinen bleiben sie in den embryonalen Zellen während des ganzen Ablaufs der Mitose unregelmässig durch den Zelleib ver- teilt; jedoch konnten Duesberg (1910) und ich (1910, 1), unabhängig voneinander, konstatieren, dass sie in den Mesenchym- zellen älterer Hühnerembryonen in der Anaphase zwischen den Tochterkernen angehäuft sind (Fig. 14). Was sind die Plastosomen ? 291 Fig. 9. Spermatozyt erster a) Ordnung der Honigbiene, vor Be- BR ginn der ersten Reifungsteilung. Im Protoplasma körnig aussehende Fäden („jüngeres oder späteres Mitom“ von Flemming). Plastosomen nicht dargestellt. Unter der Zelloberfläche (rechts) zwei hantelförmige Zentriolen, von denen feine Fäden extrazellulär ausgehen, welche mit kleinen Bläs- chen endigen. Rechts unten ein ring- förmiges „Zwischenkörperchen“ mit „Spindelrestkörper“. Hermann- sches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1907, Fig. 17. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 10. Spermatozyt erster Ordnung der Honigbiene. Plastokonten in Form einer den Kern umgebenden Hohlkugel angeordnet. Starkes Flemmingsches Gemisch, welches mit dem gleichen Quantum destillierten Wassers verdünnt war; Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1907, Fig. 113. Fig. 11. Zweite Spermatozytenteilung der Honigbiene, hat zur Bildung einer kernhaltigen Knospe geführt. Die Plastokonten bilden ein Bündel paralleler Stäbe, welches sich zwischen die beiden Tochterkerne eingeschoben hat. Nach Benda modifiziertes Flemmingsches Gemisch, Bendasche Eisenalizarin-Kristallviolettmethode. Nach Meves, 1907, Fig. 105. 292 Friedrich Meves: Fig. 12. Knorpelzelle eines achttägigen Hühnerembryos. Der Zelleib zeigt unregel- mässig verteilte Plastokonten. Oberhalb des Kernes eine Zentrotheka (Zentriolen nicht herausgefärbt. Modifiziertes Flemming- sches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Nach Meves, 1910, 1, Fig. 13. Fig. 13 und 14. Bindegewebszellen aus dem Corium des Mittelfusses eines zehntägigen Hühnerembryos. Fig. 15. Muttersternstadium. Plastokonten im Umkreis der Teilungsfigur verstreut. Fig. 14. Beginn der Zelldurch- schnürung. Die Plastokonten haben sich in dem Raum zwischen den beiden Tochterkernen angesammelt. Modifiziertes Flemmingsches (remisch, Eisen- hämatoxylin. Nach Meves, 1910, 1, Fig.5a und e. Fig. 15. Knorpelzelle einer Salamanderlarve. Oberhalb des Kernes eine Zentrotheka (Zentriolen nicht herausgefärbt), von deren Oberfläche eine Strahlung ausgeht („jüngeres oder späteres Mitom“ von Flemming). Osmiumsäure-Platinchlorid, Safranin. Nach Van der Stricht, 1892, Fig. 20. Was sind die Plastosomen ? 293 Die durch die Plastosomenmethoden färbbaren Fäden in den Zellen der Salamanderlarve erwiesen sich nun als identisch mit denjenigen, welche Flemming 1882 (und zum Teil schon früher) am lebenden Objekt beobachtet hatte. Die Plastokonten in den Zellen der Embryonen habe ich am 14. November 1907 in Bd. 31 des Anatomischen Anzeigers (Nr. 15/16, S. 399) beschrieben und ebenda genau einen Monat später, am 14. Dezember 1907 (Nr. 21/22, S. 561), ihre Identität mit den alten Fila Flemmings proklamiert. Wann wollte dem- nach Retzius eigentlich diese Identität schon vor mir gewusst haben? Die Antwort darauf dürfte ihm schwer falten! Ich habe die Erkenntnis dieser Identität eine Entdeckung genannt, welche geeignet ist, eine höchst erwünschte Klärung in unseren Anschauungen über die Struktur der Zellsubstanz herbei- zuführen. Retzius spricht von einer „Entdeckung“ (in Anführungs- zeichen), „wie er (Meves) sie nennt“! Ich halte demgegenüber noch heute mit aller Entschiedenheit daran fest, dass es sich hier um eine Entdeckung von grösstem Interesse und hervorragender Bedeutung handelt. Nachdem Retzius mitgeteilt hat, dass ich später auch die „Altmannschen Bioblastenkörner“ mit Mitochondrien identifiziert habe, fährt er (S. 183) folgendermassen fort: „Was war nun von der von verschiedenen Seiten her so vielfach ausposaunten!) Mitochondrienlehre übrig geblieben? Eigentlich nur die neuen Namen! Dies hatten wir anderen, die Anhänger der alten Protoplasmalehre, schon lange gewusst!), und wir erwarteten also, dass auch die neuen Namen, „die Mito- chondrien“, die „Chondriomiten“ von Benda, die „Chondriokonten“, das „Chondriom“ usw. von Meves, welche von Anfang an für ganz andere Begriffe, für neue Zell- elemente geschaffen waren, ausgemerzt, und die alten, für die echten, längst bekannten Zellelemente geltenden Bezeichnungen zu ihrem Recht kommen würden. Dies wollte man aber offenbar nicht.!) Man versuchte nicht nur dieneuen Namen auf die alten Begriffe zu überführen, indem man die alten Be- zeichnungen, welche das Prioritätsrecht hatten, ganz überging, sondern man schuf bald noch mehr solche neuen Namen.“ ') Von mir gesperrt. 294 Friedrich Meves: „Weil ich diese Behandlung sowohl der hervorragenden Vor- gänger als der Geschichte der Wissenschaft nicht billigen kann, habe ich gegen dieselbe mehrmals protestiert. Daun bekam ich aber die Antwort, dass ich die Sache nicht richtig aufgefasst habe.“ Dass Retzius die Sache nicht richtig aufgefasst hat, geht allerdings auch aus dem eben zitierten völlig irrtümlichen Passus deutlich hervor. Ein Blick auf die beiden nebenstehenden Figuren (16 und 17), welche ich Retzius schon einmal (1912) vorgelegt habe, dürfte genügen, um dem Leser zu zeigen, dass zweierlei Arten von Fäden in der Zelle vorhanden sein können. Zwei ver- schiedene Bezeichnungen sind daher „nicht nur nicht über- flüssig, sondern absolut notwendig; es ist unmöglich, ohne sie auszukommen“ (Meves, 1912, S. 95). Wenn man die Namen Chondriokonten oder Plastokonten hätte „ausmerzen“ wollen, so würde man andere dafür (oder für die Fäden der Strahlungen oder Gerüste) haben schaffen müssen. Ferner kann ich meinerseits, wenn ich mich der Worte von Retzius bedienen darf, f Fig. 16. Fig. 16. Weisse Blutzelle aus der lymphatischen N N Y Randschicht der Leber der Salamanderlarve. Plasto- / ‚eN\ \ konten zwischen den Fäden der von der Zentrotheka /IN % ausgehenden Strahlung. Schematisiert unter Zugrunde- \ / legung von Fig.3 von Meves, 1910, 2. | | Fig. 17. Bindegewebszelle von einem vierzehn- ı tägigen Hühnerembryo, in Mitose (Stadium des Mutter- A sterns). Plastokonten zwischen den Fäden der Pol- \ strahlungen. Schematisiert unter Zugrundelegung von Fig. 10 von Meves, 1910, 1. Fig. 17. Was sind die Plastosomen ? 295 „die Behandlung nicht billigen“, welche Retzius meinem Lehrer Flemming zuteil werden lässt, indem er dessen alte Fila von 18582 mit seinen eigenen „gekörnten“, bezüglich ihrer Vitalität so angreifbaren Fäden oder Fasern identifiziert; damit erweist er Flemming keinen Gefallen, ganz abgesehen davon, dass eine solche Gleichstellung, wie gesagt, falsch ist. Auf Seite 184 seiner Schrift macht Retzius mir folgenden Vorwurf: „Die Äusserungen Meves’“, sagt er, „hinsichtlich des Verhaltens der Flemmingschen Filarmasse oder des Mitoms zu den mitochondrialen Elementen sind übrigens so eigentümlich, dass ich gestehen muss, dass ich seine Meinung nicht sicher verstehe“. Retzius schreibt, dass er eine Anzahl solcher Äusserungen von mir zusammengestellt habe, sie aber des Platzes wegen nicht sämtlich wiedergeben, sondern als Beispiel nur eine solche Äusserung anführen wolle: Ich habe 1908, S. 845 (und schon früher 1907, 3, S.568) gesagt, die Entwicklung, welche unsere Kenntnis der Plasmastruktur in den letzten Jahren genommen hätte, liesse es vielleicht gerechtfertigt erscheinen, wenn wir die Flemmingschen Bezeichnungen Filarmasse oder Mitom auf die Strahlungen und die bezüglich ihrer vitalen Existenz noch zweifel- haften, ihnen eventuell gleichwertigen feinen Faden- oder Netz- werke beschränkten !); der Filarmasse oder dem Mitom in diesem Sinne schlug ich vor, die „mitochondrialen Elemente“ (Retzius) als Chondriosomen (eventuell als Chondriom) gegenüber zu stellen. Wenn Retzius erklärt, dies nicht sicher verstehen zu können, so vermag ich darin nur einen weiteren Beweis zu sehen, dass er den Kernpunkt der ganzen Frage noch nicht erfasst hat. Retzius kommt schliesslich auf die Bezeichnung Plasto- somen zu sprechen, die ihm „als gar zu verfrüht“ erscheint, weswegen ’er „nur vor ihrer Anwendung warnen kann“. Zur Rechtfertigung dieses Ausdrucks möchte ich folgendes bemerken. Mitochondrien oder Fadenkörner sind nach Benda (1898, 2, S. 11) Körner, welche „innerhalb eines Teiles der Protoplasma- !, „Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen“, schrieb ich schon 1907, 3. S. 568, „dass Flemming seine Fadenbaulehre auf die in den lebenden Zellen bereits sichtbaren Chondriokonten gegründet hat.“ Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. 20 296 Friedrich Meves: fäden, bisweilen zu besonderen Körpern angehäuft, liegen“.') 3enda war, wie ich schon oben bemerkt habe, der Meinung, dass sie mit den bereits bekannten Zellmikrosomen identisch, aber verschieden von den Altmannschen Körnern seien. Er sagt (1899, 1, S.6—7): „Was die Altmannschen Körnungen betrifft, so unterscheiden sich diese durch ihre Be- ziehungen zu dem Mitom ruhender und sich teilender Zellen handgreiflich von den meinigen. Bekanntlich umlagern die Altmannschen Körner die Protoplasmafäden allseitig in der- artiger Anhäufung, dass Altmann die Fäden nur als Negativ der Körnungen ansah. Allerdings halte ich es nicht für aus- geschlossen, dass Altmann auch bisweilen meine Körner vor Augen hatte; so erinnern die von ihm beschriebenen Körner- anordnungen der Leberzellen offenbar an die Fadenkörner. Die scharfe Unterscheidung der von mir gesehenen Körner liegt eben in ihren Beziehungen zu dem Fadenwerk des Zelleibes, welches auch nach meiner Auffassung (in Übereinstimmung mit Flemming) die Grundlage der Zelleibstruktur bildet. Ich sehe meine Körner teils deutlich den Plasmafäden eingefügt, teils ergibt sich aus der Anordnung der Körner ihre Zugehörigkeit zu den Plasma- fäden, die in denselben Präparaten nach Auswaschung der Körner- färbung in voller Deutlichkeit erscheinen.“ Diese Auffassungen Bendas kann ich nun meinerseits durchaus nicht teilen. Ich muss auf der einen Seite die „intrafilare* Lage der „Mitochondrien“ und die Identität der „Mitochondrien“ mit den „Mikrosomen“, welche in den Fäden der Strahlungen und Gerüste gelegen sind, auf das aller- entschiedenste bestreiten und andererseits für die völlige Gleich- heit der von Benda dargestellten Körner mit den Altmannschen eintreten.?) Dies sind in erster Linie die Gründe, weshalb ich die Bendasche Bezeichnung „Mitochondrien“ oder „Fadenkörner“ (sowie meine eigenen Weiterbildungen dieses Ausdrucks „Uhondrio- ') Ich selbst habe 1900, 8. 554 den Ausdruck Mitochondrien damit begründet, dass „die Körner sich mit Vorliebe zu Fäden aneinander reihen,“ finde aber nachträglich, dass dieses nicht der Sinn ist, welchen Benda ihm beigelegt hat. 2) Die völlige Gleichheit der „Mitochondrien“ -mit den Altmann- schen Körnern habe ich 1908, S. 842—843 zuerst vermutet und 1910, 2 im Verein mit Samssonow (1910) nachgewiesen. Was sind die Plastosomen ? 297 konten“, „Chondriosomen“) fallen lassen möchte. Altmann, welcher das Hauptgewicht auf das Vorkommen von Körnern legte, hat uns eine geeignete Nomenklatur nicht hinterlassen. So bin ich dazu gekommen, in neueren Arbeiten die Namen „Plasto- chondrien“, „Plastokonten“, „Plastosomen“ anzuwenden, an welche ich zuerst 1910, 1, S. 150 gedacht habe. Es sind dies Ausdrücke, welche stark an die Bezeichnung „Plastidulen“ anklingen, welche LE. und R. Zoja, wie ich erst hinterher. (1910, 2, S. 650 Anm.) eefunden habe, bereits 1591 im Anschluss an Maggi für die gleichen (rebilde gebraucht haben, welche sie mit der Altmann- schen Methode dargestellt hatten. Retzius glaubt nun, vor der Bezeichnung Plastosomen warnen zu sollen, weil sie „präsumierend“ sei. Demgegenüber könnte ich mich darauf berufen, dass meine Anschauung, nach welcher die so benannten Zellbestandteile das Ausgangsmaterial für die verschiedensten protoplasmatischen Differenzierungen abgeben, von der überwiegenden Mehrzahl der Forscher in Histologie, Zoologie und Botanik geteilt wird. Die Verwendung des Aus- drucks Plastidulen durch L. und R. Zoja scheint mir aber ferner zu beweisen, dass man auch mit der Bezeichnung Plastosomen nicht notwendigerweise so bestimmte Vorstellungen über die Bedeutung der in Rede stehenden Gebilde zu verknüpfen braucht. wie ich und zahlreiche andere es allerdings tun; nach L. und R. Zoja sollen die Plastidulen lediglich dem Stoffwechsel dienen („nutritive“ Funktion haben). „Nach dieser Durchmusterung der wichtigsten Äusserungen und Angaben von Meves“ stellt Retzius sich die Aufgabe. ein „Fazit“ daraus zu ziehen, wobei er einen Teil derselben Be- hauptungen, die ich eben bereits als irrtümlich zurückgewiesen habe, wiederholt. Er vermisst bei dieser Gelegenheit, dass weder Duesberg noch ich eine Definition der Plastosomen gegeben haben. Duesberg hat sich in seinem umfassenden Bericht (1912, S. 76S—769) dahin ausgesprochen, dass eine absolut sichere Definition in der Praxis grossen Schwierigkeiten begegnet. Auch ich habe schon früher (1912, S. 99) die Möglichkeit, dass man Plastochondrien z. B. mit ebenso ge- färbten Sekret- oder Dotterkörnchen verwechseln könnte, bereit- willigst zugegeben. Wenn demnach auch die Ditferentialdiagnose 20* 298 Friedrich Meves: in einzelnen Fällen schwierig sein kann, so kennen wir doch heute ausserordentlich zahlreiche Merkmale, welche wir für eine Definition der Plastosomen verwenden können: Die Plastosomen sind Körner oder Fäden spezifischer Natur, welche vielfach schon intra vitam sichtbar sind; sie sind in allen Zellen des embryonalen und in zahlreichen des ausgewachsenen Körpers vorhanden; sie liegen zwischen den Strahlungen oder zwischen den an Stelle der Strahlungen eventuell vor- handenen Fadengerüsten, welche letzteren hinsichtlich ihrer Vitalität zweifelhaft sind; sie werden durch stärkere Säuren oder stärker saure Fixierungsmittel') gelöst; sie können durch ge- eignete Methoden (Altmann, Benda, Meves, Regaudu.a.) im mikroskopischen Bilde (völlig oder nahezu völlig) für sich allein dargestellt werden; sie gehen bei der Teilung von der Mutterzelle in die Tochterzellen über; sie bilden nach einer grossen Anzahl von Autoren das Anlagematerial für die ver- schiedensten Differenzierungen, welche im Lauf der Ontogenese auftreten:”) männliche Plastosomen werden bei der Befruchtung mit dem Spermium in das Ei übertragen usw. Nachdem Retzius seine „übersichtliche Revue“ über meine Arbeiten beendet hat, bleibt ihm dieses Mal, wie er sagt, noch übrig, die Bemerkungen zu behandeln, welche ich gegen seine eigenen Darstellungen der Protoplasmastruktur veröffentlicht habe. Meves, sagt er, „scheint alle diese meine Ergebnisse als sehr geringwertig und nicht beweiskräftig be- trachtet zu haben“. Ich bin allerdings der Meinung, dass zunächst einmal alle die die Plastosomen betreffenden Resultate von Retzius in der von ihm selbst genannten Weise zu beurteilen sind, und zwar aus folgendem Grunde. hetzius hat zur Herstellung seiner Präparate Methoden gebraucht, bei deren Anwendung es im allgemeinen so gut wie ausgeschlossen ist, dass man von den Plastosomen irgend etwas ; ') Retzius (1914, S. 209) macht mich darauf aufmerksam, dass ich von sauren Fıxierungsmitteln spreche, welche die Plastosomen lösen, dass aber meine eigene Modifikation des Flemmingschen Gemisches ebenfalls sauer sei, nämlich Chromsäure und Essigsäure enthaltend. In diesem Punkt hat Retzius völlig recht; ich hätte „stärker saure Mittel“ schreiben sollen. » °’) Sie stellen also eine „primitive* oder „indifferente, neutrale“ Substanz dar (Meves, 1913, S. 247). Was sind die Plastosomen ? 299 zu Gesicht bekommt. Wenn es möglich wäre, mit diesen Methoden, welche seit vielen Jahren in den histologischen und zoologischen Laboratorien angewandt werden, von den in Rede stehenden Strukturen etwas anderes als Trümmer wahrzunehmen, so wäre unsere Bekanntschaft mit den Plastosomen schon längst eine viel bessere, und ich hätte nicht nötig gehabt, diese Diskussion mit hetzius zu führen. Nichtsdestoweniger hat Retzius, unter ausschliesslicher Anwendung einer für das Plastosomenstudium ganz ungeeigneten Technik, jahrelang in einer Weise, von welcher ich oben Beispiele gegeben habe, gegen die Plastosomen polemisiert. Erst „während des letzten Frühlings und Sommers“ hat er sich, nach seiner eigenen Aussage (S. 195), dazu bereit finden lassen, „die von Meves hervorgehobenen Methoden genauer zu prüfen“, hat dabei aber, wie jeder, welcher in der Plastosomenforschung bewandert ist, bei einem Blick auf die seinem letzten Artikel beigegebene Tafel sofort erkennt, einen (ich kann nicht anders sagen) völligen Misserfolg zu verzeichnen gehabt. Retzius möge mir daher verzeihen, wenn ich zunächst einmal abwarten möchte, bevor ich in eine Erörterung seiner neuen Befunde mit ihm eintrete, ob es ihm nicht gelingen wird, andere Präparate zu erzielen, als wie er an der genannten Stelle abgebildet hat. Nun kann man aber selbstverständlich auch andere Dinge als die Plastosomen in der Zellsubstanz studieren; z. B. die alt- bekannten Strahlungen und die fast ebenso lange bekannten, ihnen vielleicht gleichwertigen Faden- und Netzwerke. Bei diesem Studium ist aber doch wohl ebenfalls, um wiederum mit Retzius zu reden, „eine ganz vorurteilsfreie Forschung nötig“. Die vitale Existenz der vom Zytozentrum ausgehenden Strahlungen wird niemand leugnen wollen; bei sich teilenden Eizellen sind sie ja vielfach schon am lebenden Objekt sichtbar. Etwas anderes ist es dagegen mit den Faden- und Netzwerken, von denen ich meinerseits (entgegen der Annahme von Retzius) zwar niemals bestritten habe, dass sie in irgend einer Form intra vitam existieren könnten; wenn ich auch einmal erklärt habe (1908, S. 844), ich hielte es für möglich, dass „in vielen embryonalen Zellen alle Plasmastruktur des Ruhezustandes durch die Chondriosomen repräsentiert“ würde. Zu der Meinung, dass diese Faden- und Netzwerke möglicherweise nicht vital präformiert 300 Friedrich Meves: sind. muss man bekanntlich deshalb kommen, weil sie erst bei der Fixierung, und zwar bei verschiedener Fixierung vielfach unter verschiedenen Bildern, in die Erscheinung treten. Aus diesem Grunde hat Flemming stets empfohlen, bei ihrer Beurteilung Vorsicht walten zu lassen; ich selbst habe michı häufig im selben Sinne ausgesprochen. Was nun die Fadenwerke anlangt, welche Retzius auf den zahlreichen Tafeln seiner biologischen Untersuchungen ab- bildet, so bin ich gleichfalls der Ansicht, dass die meisten von ihnen gegen den Verdacht, Artefakte zu sein, nicht im geringsten geschützt sind. Retzius sucht sie auf folgende Weise dagegen zu verteidigen. „Forscher“, sagt er $S.211, „die eine lange Übung auf solehen Gebieten und ihre Kritik „bis nahe zur Skepsis“ ausgebildet!) haben, sind wohl doch ziemlich be- fähigt, die echten Strukturen von den falschen, die natürlichen von den artefiziellen zu unterscheiden“! Ich muss leider gestehen, dass meine Zweifel auch jetzt noch keineswegs behoben sind: ich bin und bleibe dessen eingedenk, dass mein Lehrer Flemming nicht müde wurde, zu betonen, man könne einer Zellstruktur „nur da ganz sicher sein, wo an der lebenden oder frischen Zelle sich ein deutlicher Ausdruck des durch Reagenzien dargestellten ergibt“ : im übrigen dürfe man „höchstens nach Analogie schliessen“ 1395, 8. 361). Literaturverzeichnis. Altmann, R, 1890: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Benda, ©., 1897: Neuere Mitteilungen über die Histogenese der Säugetier- spermatozoen. Verh. d. Phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1896/97. Derselbe, 1898, 1: Über die Entstehung der Spiralfaser des Verbindungs- stückes der Säugetierspermien. Verh. d. Anat. Ges. in Kiel. Derselbe, 1898, 2: Über die Spermatogenese der Vertebraten und höherer Evertebraten. Verh. d. Phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1897/98. Derselbe, 1899, 1: Weitere Mitteilungen über die Mitochondria. Verh. d. Phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1898 99. !) Von mir gesperrt. Was sind die Plastosomen ? 301 Benda, Ü., 1899, 2: Weitere Beobachtungen über die Mitochondria und ihr Verhältnis zu Sekretgranulationen nebst kritischen Bemerkungen. Verh. d. Phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1899/1900. Derselbe, 1901: Die Mitochondriafärbung und andere Methoden zur Unter- suchung der Zellsubstanzen. Verh. d. Anat. Ges. in Bonn. v. Brunn, A., 1884: Beiträge zur Kenntnis der Samenkörper und ihrer Entwicklung bei den Säugetieren und Vögeln. Arch. f. mikr. Anat., Bd.23. Duesberg, J., 1910: Les chondriosomes des cellules embryonnaires du Poulet et leur röle dans la g@nese des myofibrilles, avec quelques observations sur le developpement des fibres musculaires strides. Arch. f. Zellforsch., Bd. 4. Derselbe, 1912: Plastosomen, „apparato reticulare interno“ und Chromidial- apparat. Erg. d. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 20, 1912. Flemming, W., 1882: Zellsubstanz, Kern und Zellteilung. Derselbe, 1895: Zelle. Erg.d. Anat. u. 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Retzius, @., 1910: Biologische Untersuchungen, N. F. XV. Derselbe, 1911: Biologische Untersuchungen, N. F. XVI. Derselbe, 1914: Was sind die Plastosomen? Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84, Abt. 1. Samssonow, N, 1910: Über die Beziehungen der Filarmasse Flemmings zu den Fäden und Körnern Altmanns, nach Beobachtungen an Knorpel-, Bindegewebs- und Epidermiszellen. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 75. v. la Valette St. George, 1886: Spermatologische Beiträge Zweite Mitteilung. Arch. f. mikr. Anat, Bd. 27. Van Beneden, E. und Neyt, A., 1887: Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride m&galocephale. Bull. de l’Acad. R. des Sciences de Belgique, ann. 57, ser. 4, t. 14. Van der Stricht, O©.. 1892: Contribution a l’&tude de la sphere «ttrac- tive. Archives de Biologie, t. 12. Zoja, L. und R, 1891: Intorno ai plastiduli (bioblasti dell’ Altmann). Mem. Ist. Lomb., Sc. Lett., Milano, vol. 16. Aus dem I. Anatomischen Institut der Universität Budapest. Vorstand: Prof. Dr. M. v. Lenhosseck. Untersuchungen über den Glaskörper der Amphibien und Reptilien. Von Albert Szent-Györgyi in Budapest. Hierzu Tafel XIV—XVIII und 6 Textfiguren. Während die Genese des Glaskörpers bei den verschiedenen Wirbeltieren im letzten Jahrzehnt (regenstand zahlreicher Unter- suchungen und Diskussionen gewesen ist, ist der Bau des fertigen Glaskörpers und besonders die vergleichende Histologie und Histo- topographie der Glaskörperfibrillen weniger berücksichtigt worden. Selbst über die Frage, ob dieses fibrilläre Gerüstwerk überhaupt typische Verschiedenheiten im Auge verschiedener Wirbeltiere zeige, waren wir bisher nicht genügend unterrichtet. Die Ursache, warum diese Seite der Forschung, die ja sozusagen ein ganzes Kapitel der vergleichenden Histologie des Auges ausmacht, bisher so gut wie ganz unbeachtet geblieben ist, liegt an den technischen Schwierigkeiten des Gegenstandes. Die bisherigen histologischen Methoden sind nicht geeignet, den Glaskörper in situ, ohne Schrumpfungen und Verzerrungen zur Darstellung zu bringen. Mit einer besonderen, von der bisherigen ganz abweichenden Methodik (Silberimprägnation, Gelatinedurchtränkung, Gefrier- sehnitte), die ich an anderer Stelle gleichzeitig mit dieser Arbeit veröffentliche, ist es mir gelungen, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden und Präparate aus dem Auge verschiedener Wirbel- tiere zu erhalten, die den Glaskörper in seiner natürlichen Aus- dehnung, die Fibrillen des Glaskörpergerüstes in ihrer typischen, normalen Anordnung erkennen lassen. Von den noch nicht ganz abgeschlossenen Untersuchungen sollen hier die auf Amphibien und Reptilien bezüglichen mit- geteilt werden. 3ei den meisten Tieren steht die Zonula nicht nur genetisch, sondern auch morphologisch in so innigem Verhältnis zum Glas- Archiv f. mikr. Anat. Bd.S5. Abt.I. za 304 Albert Szent-Györgyi: körper, dass ihre Darstellung schon zur Ergänzung des Glaskörper- bildes mit herangezogen werden musste. Die Besprechung der Zonula schien auch deshalb nicht überflüssig, weil auch bezüglich dieser die vergleichend-histologische Literatur noch eine sehr dürftige genannt werden kann, wie dies unter anderem aus der kürzlich erschienenen zusammenfassenden Darstellung des Wirbel- tierauges von V. Franz!) ersichtlich ist. Bezüglich der Art der Darstellung habe ich mich an das Beispiel von Retzius?) gehalten und mir besonders folgenden Satz dieses Forschers zur Maxime gemacht: „Um sie (die Be- schreibung) aber so kurz wie möglich zu machen, werde ich mich vor allem an die Abbildungen halten, die besser als jede Be- schreibung geeignet sind, die Bauverhältnisse zu demonstrieren“. Der Text soll zur Erklärung der Abbildungen dienen und nicht umgekehrt. Nur jene Punkte sollen etwas ausführlicher erörtert werden, die an den Abbildungen nicht sichtbar sind. Der Kürze zulieb habe ich auch von einer Darstellung der (seschichte unserer Kenntnisse vom Bau des Glaskörpers Abstand genommen. Es genüge ein Hinweis auf die ausführlichen historischen Darstellungen von G. Retzius und H. Virchow.?) — Über den speziellen Gegenstand vorliegender Mitteilung, nämlich über die Histotopographie der Glaskörperfibrillen bei Amphibien und Reptilien, liegt ohnehin bisher fast gar keine Literatur vor; die kurzen gelegentlichen Äusserungen von Retzius und Tretjakoff über das Froschauge sind das einzige, was ich in der Literatur finden konnte. Bevor ich auf die Darstellung meiner Befunde eingehe, erfülle ich eine angenehme Pflicht, indem ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. M.v. Lenhossek, für das andauernde Interesse, das er diesen Untersuchungen von Anfang an entgegen- gebracht hat, meinen verbindlichsten Dank sage. !) V. Franz: Sehorgan, in Oppel, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere, 1913. 2) G. Retzius: Über den Bau des Glaskörpers und der Zonula Zinnii in dem Auge des Menschen und einiger Tiere. Biologische Untersuchungen, N. F.6, 1894. ») H. Virchow: Fächer, Zapfen, Leiste, Polster, Gefässe im Glas- körperraum von Wirbeltieren, sowie damit in Verbindung stehende Fragen. Erg. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. 10, 1901, S. 742. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien 305 Bekanntlich besteht der Glaskörper bei allen Wirbeltieren aus zwei Bestandteilen: einem feinen fibrillären Gerüstwerk und einer flüssigen farblosen homogenen Interfibrillärsubstanz: als unwesentliche Bestandteile kommen dann noch einzelne isoliert im Gerüstwerk liegende zelluläre Elemente hinzu. Es scheint heute nicht mehr notwendig, auf den einstmals erhobenen Ein- wand einzugehen, dass das fibrilläre Gerüst ein Kunstprodukt, das Resultat einer Gerinnung sei. Schon die typische Anordnung dieses Gerüstwerkes schliesst diesen Verdacht vollkommen aus.!) Dagegen scheint es mir nötig, an der bisherigen Auffassung dieses Fibrillenwerkes eine Korrektur anzubringen. Im allgemeinen werden diese Fibrillen als starre, unveränderliche Gebilde, als Bestandteile eines passiven, sich an den aktiven Lebensvorgängen kaum mehr beteiligenden (rerüstwerkes aufgefasst, als Bildungen, die einmal in eine bestimmte Form geprägt, diese nicht mehr verändern, sich nicht mehr weiter differenzieren können. "Demgegenüber möchte ich zunächst auf jene pathologischen Beobachtungen hinweisen, aus denen hervorgeht, dass der Glas- !, Zu den Skeptikern gehört bis zu einem gewissen Grade auch M. Salzmann, der sich nach H. Virchow „von einer gewissen Bangigkeit beschlichen fühlt“, was aus folgendem Satz seiner Abhandlung: Die Zonula eiliaris und ihr Verhältnis zur Umgebung, 1900, S. 40, hervorgeht: „In der Deutung des mikroskopischen Bildes müssen wir beim Glaskörper vielleicht vorsichtiger sein als bei anderen Geweben. Seine halbflüssige Beschaffenheit im Leben, die geringe Menge fester Substanz, die er auf dem Filter zurück- lässt, lassen es begreiflich erscheinen, dass es Skeptiker gibt, die das histo- logische Bild mehr oder weniger für ein Kunstprodukt erklären“. Vielleicht trägt zur endgültigen Beseitigung dieser Skepsis folgender, von mir vor- genommener Versuch bei: Ich gab den Glaskörper eines Kalbes auf einen Papierfilter und fing die ablaufende Glaskörperflüssigkeit in einer Papierschachtel auf, die ich dann in das von mir gewöhnlich angewandte Fixiermittel (Sublimat-Formalin- Aceton) gab. so aber, dass dieses auf die Glaskörperflüssigkeit bloss durch - die Wand der Schachtel einwirken konnte, also bloss durch Diffusion, ähnlich wie dies auch bei der Fixierung des ganzen, uneröffneten Auges der Fall ist, wo die äusseren Augenhäute die Papierschachtel vertreten. Nun hatte sich aber nach 24 Stunden immer noch kein fibrillärer Niederschlag gebildet, sondern es fand sich in der Schachtel eine vollkommen klare Flüssigkeit und am Boden ein körniger Niederschlag, der sich bei der mikroskopischen Unter- suchung als aus zahllosen sehr feinen Körnern und aus einer Anzahl etwas gröberer Schollen bestehend ergab. Diese Beobachtung wirft auch auf die Entstehung der Varikositäten der Fibrillen einiges Licht. 21* 306 Albert Szent-Györgyi: körper des Menschen auf die meisten Erkrankungen des Auges mit lebhaften Veränderungen reagiert, unter denen nicht nur Störungen in der Durchsichtigkeit, sondern auch eine vollkommene Verflüssigung, d. h. ein Schwund der Fibrillen eine Rolle spielt. Dies weist darauf hin, dass der Glaskörper einem lebhaften Stoff- wechsel unterworfen ist, der sich gewiss nicht nur auf die Inter- fibrillärsubstanz beschränkt, sondern auch die Fibrillen umfasst. Noch mehr aber ergeben die morphologischen Verhältnisse eine grosse Plastizität der Fibrillen; sie zeigen uns, dass sich diese nach ihrer ersten Anlage nachträglich noch in sehr komplizierter Weise differenzieren, sich in bestimmter Weise gruppieren, an einzelnen Stellen verdichten, an anderen auflockern können usw. So finden wir, dass die Fibrillen im allgemeinen die Tendenz haben, sich an alle Gebilde, die sich innerhalb des Glaskörpers befinden oder den Glaskörper unmittelbar von aussen umgeben, sekundär anzuheften, womit dann auch gewöhnlich eine bestimmte Gruppierung der benachbarten Fibrillen einhergeht. Solche An- heftungspunkte stellen die am Sehnervenkopf befindlichen Zapfen, Polster, das Pecten, die im Glaskörper befindlichen Gefässe, die Linsenkapsel, vor allem aber die Grenze zwischen Pars optica und coeca retinae dar. Alles das sind aber sekundäre Verhältnisse, Resultate einer nachträglichen Gruppierung des fibrillären Bestand- teiles des Glaskörpergewebes, aus der in keiner Weise Schlüsse auf die (renese der Glaskörperfibrillen gezogen werden dürfen. Dies besonders hervorzuheben, ist nicht überflüssig, weil uns die Literatur verschiedentlich kritiklose Versuche dieser Art zeigt. So ist z. B. die sekundäre Verbindung der Glaskörperfibrillen mit der Gegend der Ora serrata mehrfach als Beweis dafür ausgelegt worden, dass diese (regend der Netzhaut für die Bildung und Neubildung des Glaskörpers von besonderer Bedeutung sei. Wenn man im Laufe vergleichender Studien sieht, an welch verschiedenen Stellen sich solche bündelartige Anheftungen herausbilden können, erscheint uns das Unmotivierte eines solchen Schlusses im rechten Lichte. Wahrscheinlich ist der Glaskörper auch im vollentwickelten Tier einem ständigen Schwund und Hand in Hand damit einer Regeneration unterworfen, welche Neubildung aber keineswegs von einem ausserhalb des Glaskörpers befindlichen Gewebsbestandteil, sei es die Netzhaut, der Zapfen, das Pecten, die Blutgefässe usw., ihren Ausgang nimmt, sondern nur in einer selbständigen Ver- Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 307 mehrung und Differenzierung des Glaskörpergewebes begründet sein kann. Auch bei dem Glaskörper ist es, wie bei der Muskelfaser, schwer, den morphologischen Begriff der „Fibrille* als einer letzten Struktureinheit festzustellen. Alle Übergänge von un- messbar feinen, an der Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit stehenden Fädchen zu mehreren Mikren dicken fibrillären Gebilden kommen vor und es ist sehr fraglich, ob nicht auch noch die allerfeinsten Fasern Multipla der letzten elementaren Einheit sind. Besonders war es H. Virchow (a.a. 0.), der auf die Frage hingewiesen hat, ob das Gerüstwerk des Glaskörpers ein zusammen- hängendes Gitter oder nur eine Verfilzung selbständiger Fasern sei. Retzius spricht sich mehr im letzteren Sinne aus, indem er zwischen den Fibrillen keine richtige Verschmelzung nachweisen zu können glaubte — „Es sind bei stärkerer Vergrösserung deutlich sichtbare, feine, gekörnte Fasern, welche sich in den verschiedensten Richtungen kreuzen und hie und da zu Knoten- punkten zusammenlaufen; es ist zwar schwer zu eruieren, ob hier Verbindungen vorkommen; da solche aber beim Fötus aus- zuschliessen waren, so ist wohl kaum anzunehmen, dass sie sich beim Erwachsenen finden“ (a. a. Ö., S. 52). Hingegen sagt Virchowt): „Der Glaskörper des Igelauges enthält keine Häute, sondern nur Fasern, welche sich teilend und verbindend, ein nach allen Seiten gleichartiges, an verschiedenen Stellen verschieden dichtes Netz bilden.“ Auf Grund meiner Präparate kann ich mich mit Sicherheit im Sinne der letzteren Beschreibung, d.h. für das Bestehen eines wirklichen anastomotischen Netzes aus- sprechen. Allerdings ist dieser Charakter nicht an allen Stellen und nicht bei jedem Tier in gleicher Deutlichkeit ausgeprägt. Am deutlichsten ist derselbe bei Tieren mit verhältnismässig lockerem (Glaskörpergerüst, so beim Frosch und den Urodelen. Bei den Ophidiern und Cheloniern ist derselbe besonders im Bereich der Zonula zu erkennen (siehe z. B. Fig. 3). Oft findet man, dass die Fibrillen in der Weise miteinander in Verbindung treten, dass sie sich schief aneinander legen und der Länge nach mit- einander verschmelzen, wodurch dicke, oft ausserordentlich kräftige !) H. Virchow: Demonstration von Augenpräparaten. Sitzungsber. d. Physik.-med. Ges. z. Würzburg, 1884, S. 54—55. 308 Albert Szent-Györgyi: Fasern zustande kommen.!) Die Differenzierungen, die sich im Fibrillengerüst abspielen, das sekundäre Hervortreten besonderer Bündel und Faserströme usw. sprieht von vornherein mehr für ein anastomotisches Gitter als für ein Geflecht isolierter Fäden. Dass das Gewebe des Glaskörpers in der Form einer fibrillären Struktur erscheint, dürfte wohl seinen mechanischen Grund haben. Ein ins einzelne gehendes näheres Verständnis für diese mechanische Bestimmung haben wir aber nur bezüglich der Fasern, die sich zwischen Linse und Ciliarkörper ausspannen, d.h. bezüglich der Zonulafasern, von denen wir wissen, dass sie im Dienste der Accomodation stehen. Sie sind als das Ergebnis einer Differenzierung von Glaskörperfibrillen aufzufassen, wenn sie auch in ihrer vollen Entwicklung beträchtlich verschieden von diesen zarten Fibrillen erscheinen und bei manchen Tieren von dem Gebiet des eigentlichen Glaskörpers durch eine membran- artige Verdichtung des Glaskörpergewebes, eine „vordere Grenz- schichte“, getrennt sein können. Dass aber auch das eigentliche Fibrillengewebe des Glaskörpers unter den (Gesichtspunkt einer mechanischen Struktur fällt, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Anordnung der Fibrillen charakteristische, konstante Ver- schiedenheiten bei den einzelnen Tieren aufweist, dass bei jedem Tier gewisse regelmässige Züge im Fibrillengewirr des Glaskörpers hervortreten. Diese typische, für die einzelnen Gattungen be- zeichnende Struktur ist kaum anders zu deuten, als dass sie in ihrer Mannigfaltigkeit im Sinne einer funktionellen Anpassung an die gegebenen anatomischen und physiologischen Verhältnisse des Bulbus und der Orbita und den Bewegungsmechanismus des Auges bei dem betreffenden Tier aufzufassen ist. Sonst wäre es in der Tat nicht zu verstehen, weshalb das fibrilläre Gerüst des Glaskörpers seine gleichmässige primäre Anordnung nicht auch später beibehält. Wir dürfen demgemäss die sich in der Anordnung der Glaskörperfibrillen aussprechenden Regelmässigkeiten im Sinne einer funktionellen Struktur, eines trajektoriellen Systems, in Beziehung stehend zu dem Innendruck des Auges und den auf ') Natürlich sind bei der Beurteilung dieser Frage nur solche Präparate brauchbar, an welchen die gegenseitige Lage der Fibrillen nicht gestört ist. Paraffinschnitte und Zelloidinschnitte mit nachträglicher Entfernung des Zelloidins kommen daher nicht in Betracht. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 509 das Auge von aussen einwirkenden Kräften, deuten. Allerdings nur im allgemeinen, denn eine ins einzelne gehende Erklärung in diesem Sinne ist einstweilen noch nicht möglich.') Daneben spielen offenbar auch die Verhältnisse des Flüssigkeitskreislaufes im Innern des Auges eine gewisse Rolle, worauf aber hier ein- zugehen nicht der Platz ist. Nicht nur in der Anordnung des Gerüstwerkes, auch in der Beschaffenheit der Fibrillen selbst ergeben sich charakteristische Unterschiede bei den einzelnen Tiergattungen. Ja sogar in dem Verhalten der interfibrillären Flüssigkeit gegenüber der koagu- lierenden Wirkung der Reagentien lassen sich gewisse, für die einzelnen Tiergattungen typische Verschiedenheiten nachweisen. Bald erscheinen die sich aus dieser Flüssigkeit bildenden Nieder- schläge in Form unregelmässiger, den Fibrillen regellos anhaftender Schollen, bald wieder in Form regelmässiger Tröpfchen, die den Fibrillen ein variköses Aussehen verleihen ; Unterschiede, die sich angesichts der Gleichartigkeit der angewendeten Technik und angesichts der Konstanz ihres Auftretens bei den einzelnen Tier- gattungen wohl am zutreffendsten aus der verschiedenen Dichtig- keit und chemischen Zusammensetzung der Interfibrillärtlüssigkeit, nebst der verschiedenen Zahl und Stärke der Fibrillen, erklären lassen. Die stärksten Niederschläge findet man gewöhnlich an den Kreuzungs- oder Verästelungsstellen der Fibrillen. Hier nehmen die Niederschläge, besonders beim Menschen, oft die Form !) H. Virchow hat bereits die mechanische Zweckmässigkeit der An- ordnung der Glaskörperfibrillen betont. „Die Gesichtspunkte“ — sagt er in seinem zitierten Referate über Fächer, Zapfen usw. — „unter welchen wir die im Glaskörperraum vorhandenen bisher bekannt gewordenen Strukturen bringen können, sind folgende drei: mechanisch zweckmässige Anordnung, Reste fötaler Bildungen, Alters- und Degenerationserscheinungen. Für be- stimmte Stellen im Glaskörper, für bestimmte Modifikationen der Struktur, wird bald der eine, bald der andere der drei Gesichtspunkte lichtgebend. Bei den Resten fötaler Bildungen denken wir in erster Linie an den sogenannten Glaskörperkanal ete.“ Von den von Virchow hier namhaft gemachten Momenten halte ich nur das erste, nämlich die „mechanisch zweck- mässige Anordnung“ für wichtig. Alters- und Degenerationserscheinungen spielen, von den höchst stehenden Säugetieren (Mensch usw.) abgesehen, keine wesentlichere Rolle und auch der Glaskörperkanal greift im allge- meinen nicht bestimmend in die Architektur des Glaskörpers ein. Siehe auch A.v.Szent-Györgyi: Der Canalis hyaloideus im Auge des Schweines. v.Graefes Arch, Bd 8, 8. 137, 1913: 310 Albert Szent-Györgyi: von kleinen Tröpfehen an; es sind das offenbar die Bildungen, die schon Bowman (18485) als „nuclear granules“ beschreibt. Die nuclear granules von Bowman sind also meines Erachtens nicht „optische Querschnitte von Fasern“, wie dies von H. Virchow angenommen wurde, sondern Fällungsprodukte. Die Niederschlagströpfehen und -schollen nehmen bei allen von mir angewandten Methoden dieselbe Färbung wie die Fibrillen selbst an, so dass sie objektiv betrachtet als Verdiekungen der Fibrillen erscheinen. In dieser Weise sind sie auch tatsächlich von Retzius ausgelegt worden, nach dessen Meinung die körnigen Bildungen an den Fäden nicht als Niederschläge aus der Inter- tibrillärtlüssigkeit aufzufassen sind, in welchem Falle sich solche Körner auch zwischen den Fibrillen, unabhängig von ihnen, finden müssten, sondern als Varikositäten der Fibrillen selbst, die sich infolge der Wirkung der Reagentien direkt aus der Substanz der Fibrillen heraus gebildet haben. Mir scheint, ebenso wie H.Virchow, die Beweisführung von Retzius nicht zwingend. Man kann sich recht gut vorstellen, dass sich bei Gegenwart eines innerhalb einer Flüssigkeit ausgespannten Gitterwerkes die Niederschläge aus der Flüssigkeit aus physikalischen Gründen ausschliesslich im Anschluss an die Fäden und Stäbe des Gitters bilden. Mir scheint es nicht fraglich, dass es sich hier um Koagulationsbildungen des Humor vitreus handelt, der, wie es aus den oben beschriebenen Versuchen hervorgeht, einen ziemlich reichlichen Niederschlag gibt. Wären die an den Fasern sitzenden Klümpchen nichts als Varikositäten, so könnten wir fragen, wo denn der vom Humor vitreus gegebene Niederschlag ist? Doch kommt dieser Frage meiner Ansicht nach überhaupt keine grössere Bedeutung zu, wohl aber der anderen damit zusammenhängenden Frage, wie die Fibrillen tatsächlich beschatten sind: glatt oder mit Verdickungen versehen. Nach meiner Ansicht trifft ersteres zu. Hierfür spricht, dass man manchmal Präparate erhält, an denen die Fibrillen stellenweise wirklich ganz glatt, ohne Varikositäten und hauhigkeiten der Oberfläche erscheinen, und nichts liegt näher, als anzunehmen, dass gerade dieses Bild das von allen Kunstprodukten unbeein- flusste Verhalten wiedergibt. Bezüglich der Frage nach der histogenetischen Bedeutung und Herkunft der Glaskörperfibrillen möchte ich in vorliegender Arbeit keine Stellung nehmen, da meine Untersuchungen aus- Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. all schliesslich an völlig entwickeltem Material angestellt sind und es meiner Ansicht nach absolut verfehlt ist, aus dem Bau des fertigen Glaskörpers einen Rückschluss auf seine Entwicklung zu ziehen. Salamandra. Von geschwänzten Amphibien wurde Salamandra macu- losa untersucht. Ich benutze die Gelegenheit. um hervorzuheben, dass als Grundlage der Beschreibung nur tadellose Schnitte benutzt wurden, an denen der Glaskörper keine Schrumpfung oder sonstige Veränderungen erkennen lässt. Das Auge des Salamanders (Taf. XIV) kann als annähernd kugelförmig bezeichnet werden. Die Hornhaut ist breit und nimmt den grössten Teil der vorderen Fläche des Auges in An- spruch, ist aber nicht sehr hervorspringend, so dass das Auge vorn nur in geringem Maße von der Kugelform abweicht. Die vordere Kammer ist breit, aber nicht besonders tief. Die Iris ist lang und dünn, in ihrer Pupillarzone verdickt, durch und durch mit Pigment beladen, so dass sie am Durchschnitt als einheitlich schwarzer Streifen erscheint. Die Linse ist gross, elliptisch, von vorn nach hinten etwas zusammengedrückt, hinten ein wenig gewölbter als vorn. Der Sehnerv betritt das Auge unweit vom hinteren Pol. und zwar nicht wie bei den Säugetieren nasal, sondern temporal von diesem. Die Zonula hebt sich ziemlich scharf vom Glaskörper ab, weniger durch das deutliche Hervortreten einer besonderen Grenz- schichte als vielmehr durch ihre strukturelle Verschiedenheit und den Mangel eines allmählichen Überganges zwischen den beider- seitigen Strukturen. Von einer vorderen Grenzschichte des (Glaskörpers kann im Sinne einer ausgesprochenen, gegen die Umgebung abgegrenzten Membran, wie etwa bei Säugetieren, nicht die Rede sein, es liegt nur eine gewisse Verdichtung des Glaskörpergewebes nach seiner vorderen Grenze hin vor, die aber nach hinten zu allmählich in das gewöhnliche Glaskörpergewebe übergeht. Die Verdichtung beruht sowohl auf einer etwas gedrängteren Lagerung der Fibrillen, wie auch auf einer mässigen Konsolidierung der da- zwischen gelegenen Interfibrillärsubstanz; letzterem Moment kommt meiner Ansicht nach bei allen Tieren eine nicht unbe- deutende Rolle in der Bildung dieser vorderen Grenzlage zu. 12 Albert Szent-Györgyi: Die beschriebene Grenzschichte ist noch am ausgesprochensten im Mittelgebiet zwischen Linse und Netzhaut. Sowohl nach der ersteren, wie nach der letzteren hin hellt sie sich etwas auf. Die Linse scheinen die fibrillären Elemente gar nicht zu erreichen, indem sie sich schon früher verlieren. Deutlicher sind die Beziehungen zur Netzhaut, an die man ab und zu die oft in feine Äste auf- gelösten Fibrillen direkt herantreten sieht, und zwar gerade an der Grenze zwischen Pars optica und coeca, oft sogar schon etwas auf den Bereich der Pars optica gerückt. Auf der temporalen Seite schien mir diese Grenzbildung um ein geringes stärker entwickelt zu sein als nasal. Auf beiden Seiten zeigt die Schichte unmittelbaren Anschluss an die Zonula. Auch ist zu bemerken, dass an der Bildung der Grenzschichte ausser den von der Ora terminalis (serrata) zur, Linse ver- laufenden Fasern auch zirkulär verlaufende Elemente beteiligt sind. Hier möchte ich die Beschreibung der Zonula des Salamander- auges einschalten. Wir sehen einen ziemlich weiten Zonularaum. Das Fasersystem dieses Raumes weist ebenso wie beim Frosche gegenüber den höheren Vertebraten einen sehr wesentlichen, prinzipiell wichtigen Unterschied auf. Die eigentlichen starren Zonulafasern bilden nicht den einzigen Bestandteil des Zonula- raumes, sondern zwischen ihnen ist noch ein feineres, den Glas- körperfibrillen ähnliches Fasergeflecht nachzuweisen, dessen Elemente sowohl unter sich, wie mit den eigentlichen Zonulaelementen in veichlicher anastomotischer Verbindung stehen. In beistehender Fig. 1 ist eine kleine Partie eines Meridionalschnittes der Zonula on Fig. 1. Partie aus der Zonula des Salamanders Immersion. wiedergegeben. Die schwarzen Punkte sind Querschnitte zirkulärer und schiefer Zonulafasern, auf die später eingegangen werden soll. Man sieht, wie reichlich die Fasern durch ein dazwischen gelegenes WS) Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. al: zartes Netz in anastomotischer Verbindung miteinander stehen. Besonders dicht ist dieses Geflecht in der Gegend der Ora terminalis. Die eigentlichen Zonulafasern nehmen von der ganzen Aus- dehnung des Corpus ciliare ihren Ursprung. Dieser lässt sich hier ziemlich ausgesprochen in einen hinteren flachen, dem Orbiculus eiliaris entsprechenden, und einen vorderen, leicht ge- wölbten, die Corona ciliaris repräsentierenden Teil sondern. Besondere Processus eiliares sind nicht vorhanden, die ganze Bildung ist durch einen niedrigen, zusammenhängenden zirkulären Wulst vertreten, der bis zur Wurzel der Iris reicht. An der Linse ist der Ansatz der Zonulafasern nicht sym- metrisch auf den vor und hinter dem Äquator gelegenen Teil des seitlichen Linsenabschnittes verteilt, sondern es entfallen viel mehr Fasern auf das schon der vorderen Fläche angehörende (rebiet. Die vordersten Fasern, die unmittelbar hinter der Wurzel der Iris entspringen, sind am zartesten und dichtesten; sie ver- teilen sich, leicht divergierend, an der seitlichen Partie der Vorder- fläche der Linse. Dahinter folgen etwas stärkere und in weiteren Abständen stehende Fasern, von der Konvexität des Ciliarwulstes entspringend. Sie zeigen starke Divergenz, so dass sie nicht nur am Äquator inserieren, sondern auch an der hinter dem Äquator gelegenen Linsenfläche. Dabei zeigen sie in ihren eiliaren Wurzel- teilen vielfach Kreuzungen. indem die nach hinten ziehenden Fasern oft weiter vorn entspringen als die mehr nach vorn gehenden. Die hintersten Fasern haben den glatten, flachen Orbikular- teil des Ciliarkörpers zum Ursprunge. Sie stehen in weiten Ab- ständen und verteilen sich unter divergierendem Verlauf am Linsenäquator und dahinter, wobei sie sich vielfach mit den vom Ciliarwulst entspringenden Fasern kreuzen. Abweichend vom Frosche, zeigen die Zonulafasern hier nicht in der Nähe der Linse, sondern mehr in der Nähe des Ciliarepithels pinselförmige Aufsplitterungen. An Schnitten, die mit der Linse parallel, d. h. äquatorial angefertigt sind, erkennt man deutlich, dass einerseits die Zonula- fasern vielfach von der rein radiären Richtung abweichen, wobei sie sich schief durchkreuzen, anderseits aber auch ausgesprochen 314 Albert Szent-Györgyi. zirkuläre Fasern vorhanden sind, die, am Ciliarkörper entspringend, in die kreisförmige Richtung einlenken. Ihr endliches Schicksal konnte nicht festgestellt werden, doch scheinen sie mir nicht, wie die entsprechend verlaufenden Fasern beim Frosche, ver- schiedene Stellen des Corpus ciliare miteinander zu verbinden, sondern eine anderweitige Endigung zu haben. An den Meridional- schnitten werden natürlich die an erster Stelle erwähnten schiefen Fasern in Form kurzer Faserfragmente, die zirkulär verlaufenden als punktförmige Querschnitte erscheinen. (Gehen wir zum eigentlichen Glaskörper über, so ist hier als auffallendste Erscheinung an erster Stelle ein stärkeres Faser- bündel zu erwähnen, das von der hier flachen „Papilla“ nervi optici ausgehend, mit divergierenden Fasern nach der Hinter- fläche der Linse zieht. Dieser „Tractus centralis corporis vitrei“ ist eine weitverbreitete Erscheinung im Auge sämtlicher Amphibien, Schlangen und wahrscheinlich auch bei allen Sauriern.') Überall bildet dieser Tractus sozusagen den Mittelpunkt der ganzen Architektur des Glaskörpers. Bei Salamandra nimmt dieser Tractus mit seinem Ursprung die ganze Breite der wie gesagt hier flachen Papille in Anspruch. Wir haben zuerst ein aus parallelen, ziemlich starken und dicht angeordneten Fasern bestehendes Bündel. Weiter nach vorn sehen wir aber, dass die Elemente des Bündels allmählich auseinander- weichen, und zwar mit nach aussen konkaver Divergenz. Selbst die zentralsten Fasern zeigen die Tendenz des Auseinander- weichens, bei vielfach gewundenem, etwas unregelmässigem Ver- lauf und mehrfachen Teilungen; auch sie erreichen die Linse nicht gerade entsprechend dem vorderen Ende der Achse des Tractus centralis, sondern in dessen Nachbarschaft. Bezüglich der seitlich gelegenen Fasern ergibt sich eine Differenz zwischen nasaler und temporalier Seite. Nasal ist die Ausbiegung der Rand- fasern eine gleichmässige: die Fasern erreichen noch die Linse, um an deren Kapsel zu endigen; temporal scheint die Biegung der Fasern von vornherein etwas stärker zu sein; deshalb und da das ganze Bündel infolge der temporalen Lagerung der Papille etwas temporalwärts verschoben ist, erreichen die Fasern zum !) Das Auge der Krokodilier stand mir bisher noch nicht zur Ver- fügung, hierüber kann ich mich daher nicht äussern. Bei Cheloniern fehlt der Tractus centralis. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 315 grössten Teil nicht mehr die Linse, sondern verlieren sich, indem sie in den äusseren Glaskörper hinausbiegen, schon in ziemlicher Entfernung davon zwischen den übrigen Elementen des Glaskörpers. Zwischen den Fasern des Tractus spinnt sich ein zartes Fibrillengerüst aus, ähnlich dem ausserhalb des Tractus gelegenen, nur ist es etwas lockerer gesponnen, daher die zentralen Teile des Tracetus bei schwacher Vergrösserung eher als ein helles Gebiet des Glaskörpers hervortreten. Der Unterschied zwischen den zentralen und peripheren Teilen des Bündels wird auch noch dadurch schärfer, dass in der Peripherie des Tractus die inter- fibrilläre Substanz an Dichtigkeit zunimmt. Das feine interstitielle Gerüstwerk hängt unmittelbar mit den stärkeren Tractusfasern zusammen. Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit dem ausserhalb des Tractus gelegenen Teile des Glaskörpers zu, so ergeben sich, ähnlich wie bei den meisten von mir untersuchten Tieren, Differenzen zwischen den beiden Seiten, nasal und temporal, die eine gesonderte Beschreibung beider Seiten nötig machen. Im allgemeinen ist das Bild nasal viel regelmässiger, wenn wir absehen von dem vorderen Winkel des Glaskörpers, d. h. dem sich nach vorn zuspitzenden (Gebiet zwischen Netzhaut und vorderer Grenzschichte. Hier liegt eine reichliche Durchkreuzung und Verflechtung der Fasern vor. Verfolgen wir aber von hier aus die Faserung des Glas- körpers nach hinten, so sehen wir, dass sich sehr bald eine regel- mässige Anordnung der stärkeren Fibrillen einleitet. Alle Fasern ziehen nach hinten, aber nicht parallel miteinander, sondern die mehr nach vorn gelegenen entsprechend der Verlaufsrichtung der (Grenzschichte, d. h. nach hinten und etwas nach der Mitte zu, die mehr nach hinten befindlichen im Anschluss an die innere Fläche der Netzhaut direkt nach hinten; die dazwischen gelegenen Fasern nehmen in ihrer Verlaufsrichtung eine Mittelstellung ein. Im ganzen lässt sich also ein nach hinten gerichteter, leicht divergierender Verlauf der Fasern nachweisen. Innerhalb dieses zusammenhängenden Fasersystems tritt aber ein Teil beinahe als selbständiges Bündel hervor: es ist dies der Abschnitt der Faserung, der sich unmittelbar an die vordere Grenzschichte anschliesst: dieser Faserzug lässt sich in ziemlich gestrecktem Verlauf hinter der Grenzschichte und der Linse bis an den 316 Albert Szent-Györgyi: Tractus centralis verfolgen, mit dessen äussersten Fasern die Elemente dieser Fasergruppe zu verschmelzen scheinen. In dem Gebiet hinter dieser Fasergruppe kann von einem so ausge- sprochenen regelmässigen Fasersystem nicht die Rede sein; mit schwacher Vergrösserung betrachtet, zeigt sich als dominierende Richtung allerdings die mit der Netzhaut halb und halb parallele Anordnung der Fasern, wodurch eine unverkennbare Regelmässig- keit des ganzen Bildes bedingt wird, bei Anwendung mittelstarker und starker Linsen dagegen verliert sich diese Anordnung, an den einzelnen Fasern lässt sich der geschilderte Verlauf nur mehr ab und zu konstatieren. Die fibrillären Elemente des ausserhalb des Tractus centralis gelegenen Glaskörpergebietes sind nicht überall von gleicher Stärke. Am stärksten sind sie vorn in dem Winkel zwischen Netzhaut und vorderer Grenzschichte: hier kommen sie an Stärke den kräftigen Glaskörperfibrillen des Lacertilienauges gleich; weiter nach hinten und besonders gegen die Mitte zu werden sie aber allmählich feiner und auch dichter, und in der Nähe des Tractus centralis haben wir ein Fibrillennetz, das in bezug auf Feinheit seiner Elemente selbst das Froschauge übertrifft und vielleicht das diehteste Glaskörperfibrillenwerk im Tierreich repräsentiert. Die Fibrillen sind hier so zart, dass dieses ganze Mittelgebiet — bei schwachen Vergrösserungen — als helle Strasse im Glaskörper hervortritt. Am Tractus lenken die Fasern allmählich in die Richtung der peripherischen Traetusfasern ein und vereinigen sich mit ihnen wahrscheinlich in der Weise, dass sie sich mit ihnen direkt verbinden. In der Nähe der Netzhaut herrscht die konzentrische An- ordnung der Fasern vor; auch mit starken Vergrösserungen betrachtet, gewinnt sie nunmehr die Oberhand, besonders in den hinteren Teilen des Auges, während gegen die Ora terminalis zu das Bild nicht so regelmässig, mehr geflechtartig ist. Aber auch diese konzentrische Gruppierung ist im Sinne eines (Greflechtes zu verstehen, da man bei genauerer Betrachtung schiefe und sogar — ab und zu — senkrecht auf den vorherrschenden Faserverlauf gerichtete kurze Fibrillen wahrnimmt, durch die die konzentrischen Fasern miteinander und mit der Netzhaut verbunden werden. Temporal erkennen wir ein wesentlich verschiedenes Bild des Glaskörpers. Das Fibrillenwerk erscheint im ganzen nicht I Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. al so dicht und nicht so regelmässig gebaut wie nasal. Obgleich auch hier im allgemeinen die Faserrichtung eine ähnliche ist wie nasal, so ist das Bild doch sehr verschieden, da die kräftigen Fasern, die den Typus der Fibrillenanordnung in erster Linie bedingen, viel lockerer angeordnet und nicht von so gestrecktem, sondern mehr welligem Verlauf erscheinen. Auch fehlt das nasal so ausgesprochene vordere Faserbündel und ebenso ist auch das feine, lockere Mittelgebiet zwischen diesem und dem der Netz- haut anliegenden konzentrischen Fasersystem in der Nähe des Traetus nicht nachzuweisen. Als neue Erscheinung treten hier radiäre Fasern auf, die die vorherrschende, der Netzhaut parallele, konzentrische, von aussen gegen den Tractus centralis hinziehende Faserrichtung durchkreuzen. Es sind dies ziemlich kräftige, in verschiedenen Abständen verlaufende, von der Netzhaut zur hinteren Linsen- fläche und zur vorderen Grenzschichte des Glaskörpers ziehende l’asern. Ein Teil davon ergibt sich bei genauerer Untersuchung als ein Komplex feinerer Fibrillen, andere sind aber entschieden selbständige, starke, dicke Fasern von rundem (uerschnitt und homogener innerer Beschaffenheit: letztere Fasern machen die Mehrheit aus. Ein Teil von ihnen hängt nur stellenweise mit den benachbarten Fibrillen zusammen; ein grosser Teil aber zeigt ziemlich reichliche Verbindungen mit den umgebenden Fasern, die sie sozusagen strangartig mit sich ziehen. Ob die Anordnung auch dem lebenden Tiere eigentümlich ist, oder nur nach dem Tode entsteht, konnte nicht festgestellt werden. Nicht alle sind gestreckt; einige zeigen wellige Krümmungen und zackige Knickungen, doch liegt der Verdacht nahe, dass diese Unregel- mässigkeiten postmortale Erscheinungen oder Kunstprodukte sind. Die Fasern lassen oft spitzwinklige, gabelförmige Teilungen in zwei oder drei Fasern erkennen. sie erreichen weder die Netz- haut, noch die Linse unverändert. Schon in einiger Entfernung vor der Netzhaut erfolgt eine Aufsplitterung der Fasern, entweder in regelmässig kegelförmiger Gestalt oder ganz unregelmässig; erst die zarten Teilungsäste erreichen die Membrana limitans der Netzhaut. Nach vorne erfolgt die Auflösung der Fasern nicht erst unmittelbar an der Linse oder der Grenzschichte, sondern vielfach schon etwas früher. Die Auflösung der Fasern ist hier eine pinselförmige oder eine unregelmässige. Die einzelnen Zweige 318 Albert Szent-Györgyi: des Pinsels sind nicht so zart, wie die Teilungsäste der Fasern an ihrer hinteren Aufsplitterung; ihr grösserer Teil verliert sich im umgebenden Glaskörper. Nur die vordersten Faserpinsel finden — auch nur zum Teile — ihre Anheftung an der Linsen- kapsel oder an der Grenzschichte. In der Fig. 1, Taf. XIV, treten diese nur temporal vor- handenen charakteristischen radiären Fasern in ihrer typischen Eigenart hervor; leider hat der Schnitt die Richtung ihres Verlaufes nicht ganz getroffen, so dass sie nur in Bruchstücken vorliegen. Als Grenze zwischen Netzhaut und Glaskörper erscheint einzig und allein die Membrana limitans interna retinae, die an Aa den Silberpräparaten stellen- ze pp weise — wo zufällig eine NUR de VIER Flächenbetrachtung derselben N vorliegt — selır deutlich das N von G. Retzius beschriebene, aus den Füssen der Müller- schen Stützzellen gebildete Mosaik erkennen lässt. Sonst ist bestimmt keine Grenz- schichte zwischen Netzhaut und Glaskörper vorhanden: die Fibrillen dieses letzteren setzen sich unmittelbar an der Limitans retinae an. (Ein solcher Schnitt ist von Tropi- donotus natrix in der bei- stehenden Textfig. 2 darge- stellt.) Ich schliesse mich in Fig. 2. Aus dem Auge von Tropidonotus dieser Beziehung. Schulze, natrix. Immersionsvergrösserung. Das von v, Lenhossek und von den den Füssen der Müllerschen u neueren Autoren Mawas und gebildete fosaik auf Rn INDEESN re, eitot!) an. Wieso die der Netzhaut, mit anhaftenden Glaskörper- __, 6 fibrillen. Vorstellung einer Membrana hyaloidea entstehen konnte, wäre unverständlich, wenn wir nicht wüssten, dass bei der Ablösung vitr& et de la zonule chez ’homme. Archives d’anat. mieroscopique, 14, S. 41 Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 349 der Netzhaut sehr oft von der Netzhaut abreisst und dem Glas- körper anhaftet, wodurch sie eine besondere Membrana hyaloidea vortäuschen kann. Hierin liegt die Erklärung eines so lange Zeit hindurch in der Literatur festgehaltenen Irrtums. Frosch. Untersucht wurde das Auge von Rana esculenta (Fig. 2, Taf. XV) und zwar an zahlreichen Exemplaren. Das Auge des Frosches stellt ein fast kugelförmiges, nur etwas in der Richtung von oben nach unten und etwas stärker von vorn nach hinten, d. h. in der Richtung seiner Achse abgeplattetes Gebilde dar. Fast die ganze vordere Fläche des Auges wird von der umfangreichen, aber in ihrer Krümmung nur wenig von der des ganzen Auges ab- weichenden Hornhaut gebildet. Letztere zeigt übrigens nicht wie bei Salamandra eine gleichmässige Krümmung, sondern spitzt sich ein wenig nach ihrem vorderen Pol zu. Die Linse ist gross, elliptisch, hinten stärker gekrümmt als vorn und reicht mit ihrer hinteren Fläche etwas über die Äquatorialebene des Auges hinaus. Bevor ich auf den eigentlichen Glaskörper eingehe, möchte ich die Zonula des Froschauges betrachten. Der diese in sich schliessende Zonularaum ist ziemlich ausgedehnt, von der Form eines niedrigen Dreieckes, mit breiter, durch die Linse ge- bildeter Basis. Eine „vordere Grenzschichte“ des Glaskörpers als Grenzlage zwischen diesem und der Zonula ist nur andeutungsweise vor- handen, als eine geringe Verdichtung der vordersten Glaskörper- fibrillen.. Tretjakoff!) bezweifelt das Vorhandensein einer solchen Grenzschichte beim Frosch. Ich habe sie immer nach- weisen können, allerdings manchmal nur in geringen Spuren. Sie zieht in gestrecktem Lauf von einer etwas vor der Ora terminalis retinae und dem vor diesem verlaufenden Ringgefäss gelegenen Stelle des Corpus ciliare zur hinteren Linsenfläche. In der Nähe ihres ciliaren Ursprunges hat man Mühe, überhaupt etwas von ihr zu sehen, erst gegen die Linse hin tritt sie etwas selbständiger hervor. Sie besteht nicht nur aus radiären, sondern auch aus mit dem Linsenäquator parallelen, d. h. zirkulär verlaufenden Fasern. Einige starke radiäre Fasern, die teilweise schon dem N) Tretjakoff: Die vordere Augenhälfte des Frosches. Zeitschr. f. wiss. Zool., 80, 1906. Archiv f. mikr. Anat. Bd.8s5. Abt. I. 22 320 Albert Szent-Györgyi: später zu beschreibenden Retziusschen Fasersystem angehören, nehmen ihren Ursprung von dem Ringgefäss. Bei der Beschreibung der Zonula müssen wir auch hier, wie bei Salamandra, zwei Bestandteile: die eigentlichen Zonula- fasern und das zwischen ihnen gelegene interstitielle Fibrillennetz. auseinanderhalten. Die eigentlichen Zonulafasern sind straffe, geradlinig ver- laufende, ziemlich starke Fasern, die in ziemlich regelmässiger Anordnung vom Ciliarkörper entspringen und ohne Kreuzungen oder Verflechtungen fächerförmig divergierend nach der Linse ziehen, um sich an ihrer Kapsel entsprechend dem Äquator und dem vor und hinter diesem gelegenen Gebiet anzusetzen. Sie ziehen in ziemlich weiten Abständen voneinander, so dass das Bild ziemlich durchsichtig und übersichtlich ist. Gegen ihr lenti- kuläres Ende zu biegen sich die seitlichen Fasern regelmässig etwas nach vorn resp. nach hinten um, wie ich es in Überein- stimmung mit Retzius finde (a. a. O., S. 84). Es ist aber frag- lich, ob dies nicht als ein Kunstprodukt zu betrachten ist. Auch unterliegt hier eine jede Faser einer pinselförmigen Auflösung in feinere Äste. An der hinteren Grenze des Zonularaumes finden wir einen unmittelbaren Anschluss der hintersten Zonulafasern an die Grenzschichte (A. Angelucei)!) und in der Nähe der Netzhaut, wo eine solche Grenzschichte kaum ausgesprochen ist, an den Glaskörper und besonders an die später zu beschreibenden kräftigen Glaskörperfibrillen des „Retziusschen Fasersystems“. Nach vorn reichen die Zonulafasern nicht bis zur Iris, sondern lassen einen schmalen, sich gegen die Linse erweiternden Raum frei: die hintere Augenkammer. Von besonderem Interesse ist der zweite Bestandteil des Zonularaumes: jenes feine Fibrillennetz, das sich zwischen den Zonulafasern ausspannt. Schon Retzius tut dieses Bestandteiles Erwähnung, scheint ihn aber nicht ganz richtig aufgefasst zu haben, indem er angibt, dass sich der Glaskörper mit seinen Fibrillen auch zwischen die Zonulafasern hineinerstreckt. Es handelt sich um ein sehr zartes Fibrillengeflecht, das sich in der Tat nicht wesentlich von dem Fibrillenwerk des Glas- körpers unterscheidet, höchstens dadurch, dass es noch etwas ) A. Angelucei: Histologische Untersuchungen über das retinale Pigmentepithel der Wirbeltiere. Arch. f. Anat. u. Physiol, Phys. Abt., 1878: Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. >21 zarter und lockerer ist als dieses. Die Fibrillen hängen netz- förmig unter sich zusammen und zeigen auch mit den eigentlichen Zonulafasern reichliche anastomische Verbindungen. Das Netz- werk ist im ganzen Umfange des Zonularaumes nachzuweisen; nicht nur in dem von den Zonulafasern in Anspruch genommenen Teil desselben, sondern auch im Bereich der sogenannten „hinteren Kammer“. Allerdings gelingt ihr Nachweis hier nur an einzelnen Präparaten, da das zarte Netz offenbar durch Einwirkung der technischen Verfahren sehr leicht einer Zerstörung anheimfällt, womit dann scheinbar ein ganz leerer Raum an der betreftenden Stelle zustande kommt. Das Interesse, das sich an die Gegenwart dieses interstitiellen Netzes knüpft, besteht darin, dass wir hier ein Stadium der Ent- wicklung der Zonula dauernd festgehalten sehen, das bei höheren Vertebraten nur als vorübergehende Erscheinung auftritt. Es wird sich noch Gelegenheit bieten, auf dieses interessante Ver- halten einzugehen. Ausser den radiären Zonulafasern lassen sich auch zirkulär verlaufende Elemente nachweisen, die verschiedene Punkte des Ciliarkörpers miteinander verbinden. Tretjakoff hat als erster dieses „intereiliare“* Fasersystem beschrieben. Die Anordnung der Glaskörperfibrillen weist beim Frosch ausserordentlich charakteristische Verhältnisse auf, von denen man schon in einer Abbildung von Retzius aus dem Jahre 1594 eine Andeutung findet (a. a. O., Fig. 10, Taf. 32). Der ganze Glas- körper scheint gleichsam aus drei Abschnitten zu bestehen: einem zentralen diehteren Teil, dem Tractus centralis, einem diesen ring- förmig umgebenden auffallend lockeren intermediären Abschnitt und einer wieder etwas dichteren peripherischen, der Netzhaut näher gelegenen Abteilung. Fin Meridionalschnitt des fast kugelförmigen Auges bringt diese drei Teile übersichtlich zur Anschauung. Vordere Kammer und Linse nehmen auf dem Durchschnitt ein sehr grosses Gebiet ein, so dass dem Glaskörper im Verhältnis zum Gesamtdurchschnitt ein verhältnismässig geringer Raum zur Verfügung steht. Zunächst fällt im Glaskörper der starke Tractus centralis auf, der aus einer Anzahl kräftiger, nach vorn divergierender Fasern und Faserbündel besteht, die teils an der breiten, leicht ausgehöhlten Sehnervenpapille,. teils auch von deren unmittelbarer 22 322 Albert Szent-Györgyi: Umgebung entspringen. Das Bündel ist stärker entwickelt als bei Salamandra. Nach vorn wird das Bündel beträchtlich lockerer, besonders in seiner hinter dem Linsenpol gelegenen axialen Abteilung. Der grösste Teil der divergierenden Fasern scheint sich an der Linsen- kapsel anzusetzen, die seitlichen Fasern erreichen aber die Linse nicht mehr, sondern laufen, tangential an der Linse vorbeiziehend, im Glaskörper aus. Zwischen den stärkeren Fasern des Tractus findet sich ein sehr zartes, lockeres Fibrillenwerk, das mit den Fasern des Tractus unmittelbar zusammenhängt. Ausserhalb des Tractus finden wir, auf dem Meridionalschnitt, ein besonders lockeres, den Traetus ringförmig umgebendes (rebiet, gewöhnlich in Form von zwei ovalen Feldern erscheinend, das durch seine helle Beschaffenheit ziemlich auffallend aus dem Durchschnitt hervortritt. Selten nur kreuzen einige stärkere. von der Umgebung der Papille entspringende Fasern, gleichsam aberrierende seitliche Elemente des Tractus centralis, dieses (rebiet, das nach vorn durch die seitwärts ausbiegenden Fasern des Traetus centralis begrenzt wird. Fig. 3. Aus dem peripherischen Teil des Glaskörpers des Frosches. Immersion. Fibrillenwerk des Glaskörpers mit Varikositäten (Niederschläge aus der Inter- fıbrillärsubstanz). Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 323 Der peripherste Teil des Glaskörpers baut sich aus einem mässig dichten, fein gesponnenen Fibrillennetz auf (Textfig. 3), dessen Maschenwerk keine Orientierung erkennen lässt; selbst dicht an der Netzhaut vermissen wir die sonst so häufige kon- zentrische Anordnung der Fibrillen. Auf der Unterlage dieses feinen peripherischen Geflechtes hebt sich aber sehr auffallend eine aus gröberen Elementen be- stehende Fasergruppe hervor, das Retziussche Fasersystem, zuerst von diesem Forscher erwähnt und abgebildet. Schon bei Salamandra sahen wir etwas Ähnliches, doch ist beim Frosch dieses Bündel viel ausgesprochener und erscheint überall, temporal wie nasal, oben wie unten, gleichmässig entwickelt. Retzius belegte es mit keinem besonderen Namen, während Tretjakoff die betreffenden Fasern „retrozonuläre Fasern“ nennt. Ich halte diesen Namen für nicht genug charakteristisch. Betrachten wir zuerst die Bilder, die man mit schwacher Vergrösserung von dem Bündel erhält. Wir sehen eine Anzahl auffallend kräftiger, selbst die Fasern des Tractus centralis an Stärke übertreffender Fasern von der Gegend der Ora terminalis und zum Teile von der hinteren Oberfläche des Corpus ciliare ausgehen und divergierend nach hinten ziehen. Tretjakoft beschreibt dies folgendermassen: „Diese sozusagen retrozonulären Fasern habe ich beim Frosch und der Kröte gesehen. Sie ent- stehen hauptsächlich auf der hinteren Oberfläche der mittleren Ciliarfalten und verlaufen divergierend nach allen Richtungen.“ Ein Teil schlägt die Richtung des vorhin beschriebenen lockeren Mittelgebietes ein, hört aber schon an dessen vorderer Grenze auf. Die meisten gehen peripherisch davon in starrem, ziemlich geradlinigem Verlauf an die seitlichen Teile der Netz- haut hin, ohne aber die Netzhaut selbst zu erreichen. Hie und da kann man an ihnen auch Knickungen wahrnehmen. Sie sind von verschiedener Stärke und auch ihre Abstände voneinander sind verschieden. Der korkzieherartige Verlauf, den an manchen Präparaten einzelne von ihnen erkennen lassen, stellt wohl ein Kunstprodukt dar. Mit stärkeren Linsen untersucht, erscheinen die meisten Fasern als selbständige, einheitliche Bildungen, andere aber — die allerdieksten — manchmal als dichte Bündel feinerer Fasern, ein Umstand, der auf ihre Entstehung ein Licht werfen könnte. 324 Albert Szent-Györgyi: Ihr Verhältnis zu dem zarten fibrillären Grundnetz ist verschieden: einzelne scheinen von diesem unabhängig, mehr oder weniger isoliert zu verlaufen, andere stehen mit den benachbarten Fibrillen in innigster Verbindung. Die zarten Fibrillen heften sich oft schief, federstrahlenartig an die Faser an, was schon Retzius hervorhebt und mit dem Ausdruck kennzeichnet, dass die starken Fasern die zarteren Fibrillen „strangartig mit sich ziehen“. Doch kann diese Anordnung eventuell auch eine künstlich bedingte sein. Einzelne Fasern teilen sich unterwegs in zwei bis drei Äste oder geben unter rechtem Winkel Seitenzweige ab. Wie gesagt, erreichen sie die Netzhaut in der Regel nicht, sondern lösen sich schon früher gleichsam unmerklich in dem feinen Glaskörpernetz auf, indem sie in zartere Äste zerfallen, die in das Netz über- gehen. Nur in seltenen Fällen scheinen einzelne der gröberen Teilungsäste die Membrana limitans der Netzhaut zu erreichen. vetzius sagt folgendes: „An der Hyaloidea angelangt, inserieren sie sich an ihr vermittelst dreieckiger Ansätze, und zwar bald an Stellen, wo Blutgefässe in der Membran liegen. bald an Stellen zwischen solchen.“ Die von Retzius hier er- wähnten „dreieckigen“ Ansätze kann ich auch bestätigen, und zwar nicht nur für den Frosch, sondern auch für andere Tiere. Man findet sie hauptsächlich bei gröberen Fasern, aber durchaus nicht konstant; dagegen fehlen sie in der Regel bei feineren Fasern. Ich möchte aber diesen dreieckigen Ansatzkegeln keine grössere Bedeutung beimessen, und glaube, dass sie überhaupt nicht der Faser selbst angehören, sondern durch den Zug der Fasern hervorgerufene Vorsprünge des betreffenden Gebildes, an dem sich die Fasern ansetzen, sei es nun die Membrana limitans oder ein Blutgefäss, darstellen. Damit sei nicht gesagt, dass sie immer postmortale Kunstprodukte sind; eventuell können sie teilweise schon intra vitam vorhanden sein. Der Ursprung der Elemente des geschilderten Fasersystems an der Ora terminalis ist nicht buchstäblich zu nehmen. Bis unmittelbar an die Netzhaut selbst lassen sich die Fasern an dieser scheinbaren Ursprungsstelle kaum je verfolgen, erst in einiger Entfernung von ihr tritt das Bündel in die Erscheinung. Dagegen lässt sich wenigstens für einen Teil der Fasern eine direkte Verbindung mit dem vor der Ora terminalis verlaufenden Ringgefäss nachweisen. An dem Gefäss haften übrigens auch Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 325 noch andere Fasern, solche, die gegen die Linse und gegen die vordere Verdichtungsschichte ausstrahlen. Bei den Ansätzen der gröberen Fasern an der Ader lassen sich ebenfalls stellenweise kleine dreieckige Erhebungen der Gefässwand nachweisen. Die Anordnung der Glaskörperfibrillen in der Gegend der Ora terminalis ist von Retzius in einer schönen Abbildung dargestellt worden (Fig. 11, Taf. 32). Leider konnten alle Details an der Taf. XV der vorliegenden Arbeit, wegen der schwachen Ver- grösserung nicht gut zur Ansicht gebracht werden. Der Umstand, dass dem Glaskörper von der p. coeca retinae nur ein sehr schmaler Streifen entspricht und dass auch dieser Streifen der p. coeca retinae zum grössten Teil vom Ringgefäss bedeckt liegt, zeigt, wie wenig begründet es ist, dieser Übergangs- stelle auf Grund des scheinbaren Zusammenhanges dieser Gegend mit den stärkeren Fibrillen des Glaskörpers eine besondere Be- deutung für die Genese und Neubildung des Glaskörpers zu- zuschreiben. Von einer Membrana hyaloidea kann auch beim Frosch keine Rede sein. Man sieht die Fibrillen des zarten Glaskörper- seflechtes allenthalben direkt an der Oberfläche der Netzhaut sich inserieren. Ebenso stehen sie in inniger Verbindung mit den Blutgefässen, die beim Frosch an der Oberfläche der Netz- haut liegen. Schlangen. Bei den Schlangen kommt man mit einer einheitlichen Be- schreibung nicht mehr aus. Es gibt vielleicht keine Ordnung der Wirbeltiere, bei der in bezug auf die Gruppierung der Glas- körperfibrillen so verschiedene Typen obwalteten wie bei ihnen. Ich vermute, dass noch manche Besonderheiten vorhanden sind, die erst bei einer umfassenden, an einem grösseren Material an- gestellten Untersuchung zutage treten werden. Mir stand leider nur ein geringes Material zur Verfügung, aber auch dieses ge- stattet schon die Aufstellung von drei Typen. 1. Bei dem ersten Typus besteht weder ein Zapfen, noch ein Tractus hyaloideus; bei dem zweiten haben wir schon einen Zapfen, aber noch keinen entwickelten Kanal; bei dem dritten fehlt der Zapfen, doch liegt ein voll- kommen entwickelter Tractus hyaloideus vor. Zapfen 5) © 326 Albert Szent-Györgyi: und wohlentwickelter Kanal zusammen wurden an keiner der von mir untersuchten Spezies beobachtet. Als Ver- treter der ersten Gruppe liegt der nachfolgenden Be- schreibung Tropidonotus natrix, als der der zweiten Coluber caspius und als der der dritten Coluber vivax zugrunde. Das Auge von Tropidonotus natrix (Fig. 3) erscheint von vorn nach hinten zusammengedrückt, die auffallend dicke, gleichmässig gewölbte Hornhaut umfasst beinahe die ganze vordere Fläche des Auges. Die grosse kugelige Linse wölbt sich tief in das Gebiet des Glaskörperraumes hinein. Auch hier erfolgt der Eintritt des Sehnerven asymmetrisch, und zwar auch hier temporal- wärts vom hinteren Pol, wodurch die Orientierung darüber, was im Auge temporal und nasal ist, wesentlich erleichtert wird. Die Abgrenzung des Glaskörpers gegen den Zonularaum erscheint verschieden auf beiden Seiten. Temporal sehen wir vom hinteren Abhang des Uiliarkörpers, unweit schon von der Ora terminalis, ein Faserbündel nach der hinteren Linsenfläche ziehen, die erste Andeutung der bei den Säugetieren so scharf ausgesprochenen „vorderen Grenzschichte des Glaskörpers“. Das Bündel weist zwar eine etwas gedrängtere Anordnung der Fasern und vielleicht auch eine etwas dichtere Beschaffenheit der Inter- fibrillärsubstanz als das davor gelegene Zonulagebiet und ebenso das dahinter befindliche Glaskörpergebiet auf, doch ist es weder nach vorn, noch nach hinten scharf abgegrenzt und lässt sich in keiner Weise als richtige Membran auffassen. Die Fasern des Bündels konvergieren von der ciliaren Ursprungsstelle linsenwärts; nach der Linse hin nimmt die ganze Bildung an Dichte etwas zu; ein Teil scheint sich bei unverändert dichter Interfibrillär- substanz und einer geringen Auflockerung der Fasern tangential an der Linse anzuheften, ein anderer löst sich hinter der Linse im Glaskörper auf (in der Figur ist diese Schichte etwas zu scharf differenziert dargestellt). Auf der nasalen Seite ist die Abgrenzung der beiden Ge- biete — Zonula und Glaskörper — viel verschwommener, undeut- licher. Ein ähnliches Bündel, wie es temporal beschrieben wurde, ist hier nur andeutungsweise vorhanden; es verdient hier aber nicht den Namen eines Grenzbündels, da es keine Abgrenzung bewirkt, vielmehr im Gegenteil eher den Übergang zwischen Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 327 Zonula und Glaskörper vermittelt, indem es sich ohne jede Grenze und ohne jede Verschiedenheit seiner Elemente einerseits an die Zonula, anderseits an den Glaskörper anschliesst. Eine verdichtete Interfibrillärsubstanz lässt sich nur in der Nähe der Linse nach- weisen. An der Wurzel der Iris, von dieser durch einen scharfen Winkel deutlich abgegrenzt. erkennt man den ziemlich stark hervorspringenden Ciliarkörper, in Form eines einheitlichen glatten Yingförmigen Wulstes, ohne besondere Processus ciliares.!) Die Iris zieht schief nach vorn gerichtet in gestrecktem Lauf nach der vorderen Linsenfläche hin, um erst unweit vom pupillaren Rand, an der Stelle, wo sie sich ganz wenig verdickt, leicht nach vorne umzubiegen. Hier mag die Beschreibung der Zonulafasern eingeschaltet werden. Wohl kein Wirbeltier ist zur Demonstration der Tat- sache, dass Zonula und Glaskörper genetisch und histologisch eng zusammengehören, geeigneter als Tropidonotus. Die Zonula- tfasern erscheinen hier als nur um ein geringes verdickte Glas- körperfibrillen, von letzteren hauptsächlich nur durch eine bestimmte Anordnung und durch bündelartige Gruppierung unter- schieden. Ich bemerke, dass in der Tafel die Zonulaelemente zu kräftig, ihre Anordnung zu regelmässig. das ganze Bild der Zonula zu sehr schematisiert dargestellt ist. Die Zonulafasern nehmen das ganze (rebiet zwischen Iris, Linse und Glaskörper ein; eine zonulafreie sogenannte hintere Kammer besteht nicht. Die Fasern zeigen vorn, dicht hinter der Iris, eine gedrängtere Anordnung als hinten. Ihr Ursprung er- folgt am Corpus ciliare, mit Ausnahme seines hintersten Teiles, der, wie oben geschildert, dem Grenzbündel zum Ursprunge dient. Das Zonulabündel zieht parallelfaserig oder nur leicht divergierend ungefähr bis zur Stelle, wo sich die Iris schief nach vorn auszubiegen beginnt, von hier ab leitet sich eine stärkere Divergenz der Fasern ein. Die Anordnung der Fasern ist aber von hier ab nicht regelmässig, sondern geflechtartig zu nennen, !) Ciliarfortsätze sind weder bei den Ophidiern, noch bei den Sauriern vorhanden. Siehe diesbezüglich des Näheren: F. Kopsch, Iris und Corpus ciliare des Reptilienauges, nebst Bemerkungen über andere Augenteile. serlin 1892, und V. Franz, Sehorgan, in Oppels Lehrb. d. vergl. mikr. Anat. d. Wirbeltiere 1913. 328 Albert Szent-Györgyi: indem sie sich häufig schief überkreuzen, vorn entspringende Fasern mehr nach hinten ziehen und umgekehrt. Besonders häufig sind die Kreuzungen entsprechend dem Äquatorialgebiet der Linse. Mit schwachen Linsen betrachtet, ist die Zonula hier einem der Länge nach stark ausgezogenen Netze ähnlich. Teilungen der einzelnen Fasern sind sehr oft zu sehen, daneben geben die Fasern vielfach zarte Nebenäste ab, durch die sie sich mit den benachbarten Elementen netzförmig verbinden. Diese feinen Neben- äste der Fasern entsprechen wahrscheinlich dem zarten inter- mediären Fibrillengeflecht der Zonula des Frosches und des Salamanders. Im allgemeinen ist der netzförmige Zusammenhang der Fasern in der Zonula von Tropidonotus ziemlich stark aus- gesprochen. Ich möchte auf diese netzförmige Anordnung der Zonula als auf eine prinzipiell wichtige Tatsache besonderen Nachdruck legen. Wir sehen darin, ebenso wie im beschriebenen intermediären Fibrillengeflechte der Zonula des Frosch- und Salamanderauges. eine histogenetisch frühere Entwicklungsstufe der Zonula fest- gehalten. Aus den Untersuchungen von Retzius, Lenhossck u.a. wissen wir, dass sich die Zonula aus einem typischen netz- förmigen (laskörpergewebe herausbildet unter Hervortreten stärkerer cilio-lentikulärer Züge und unter allmählichem Schwund der Verbindungsfibrillen zwischen den stärkeren Zügen. Hier ist nun das primitive netzförmige Stadium, wenn auch nicht in seiner vollen Ausprägung, aber doch in einzelnen Resten erhalten. Das phylogenetisch tiefer stehende Verhalten deckt sich also hier mit einem histogenetisch primitiveren Bild. ein Verhalten, dem wir beim Studium der Zonula und des Glaskörpers sehr oft begegnen. Der Ansatz der Zonulafasern an der Linse umfasst den Äquator sowie das davor und dahinter befindliche Gebiet. In der Regel zerfallen die Fasern, bevor sie an der Linse ihre An- heftungsstelle erreichen, pinselförmig noch in feinere Zweige. Wie gesagt, erscheint das Zonulabündel vorn am dichtesten und stellt sich nach hinten beträchtlich lockerer dar. Besonders locker erscheint die Anordnung der Fasern vor der sogenannten Grenzschichte. Unmittelbar vor dieser liegt eine Faserpartie, die schon ganz dieselbe Struktur aufweist wie der Glaskörper. (Gehen wir zur Beschreibung‘ des Glaskörpers über, so ist hervorzuheben, dass auch hier die Sehnervenpapille den Zentral- Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 329 punkt für die Anordnung der im Glaskörper hervortretenden besonderen Fibrillenbündel darstellt. Die Vertiefung an der Ein- trittsstelle des Sehnerven wird durch einen ziemlich starken Glia- wulst ausgefüllt, von H. Virchow treffend als „Polster“ be- zeichnet. In diesem Polster erfolgt die Verästelung der durch den Sehnerven in das Auge tretenden Arteria centralis retinae, und zwar in vier divergierende Äste, die sich sofort an die innere Fläche der Netzhaut anlegen, um unter reichlicher Ver- ästelung nach der Gegend der Ora terminalis zu ziehen, immer in engem Kontakt mit der Netzhaut. Von den vier Ästen ist einer stärker als die anderen, nämlich der temporate. Von der leicht ausgehöhlten Fläche des Polsters sehen wir ein Bündel stärkerer Glaskörperfasern entspringen und diver- gierend fächerförmig nach allen Richtungen, vorzugsweise aber nach vorne ziehen. Die Anordnung der Fasern ist etwas dichter in den axialen Teilen des Bündels, nach der Seite hin wird sie allmählich lockerer. Die axial gelegenen Fasern lassen sich zum grössten Teil vorn bis zur Linse verfolgen; sie setzen sich an der hinteren Oberfläche der Linsenkapsel an. Die seitlichen Fasern strahlen in den peripherer gelegenen Glaskörper aus, wo sie eine Strecke weit zu verfolgen sind. Dieses Fasersystem entspricht dem beim Frosche beschriebenen Papillenbündel (Traectus centralis), nur sind die Fasern schwächer als die entsprechenden Elemente im Auge des Frosches. Hier verdient diese Bildung den Namen „Bündel“ nicht, da sie neben ihrer lockeren Beschaffen- heit mit dem Glaskörper verfilzt ist. Zwischen diesen stärkeren Fasern befindet sich ein aus zarten Fasern bestehendes Fibrillen- netz, das mit den groben Fasern ebenso wie beim Frosch viel- fach zusammenhängt. Von den Zweigen der Arteria centralis retinae üben drei keinen besonderen Einfluss auf die Anordnung der Glaskörper- fibrillen aus. Sie hängen zwar mit den Fasern zusammen, aber nicht mehr, als die sonstigen Bildungen, die mit dem Glaskörper in Berührung stehen. Nur der vorhin als besonders stark charakterisierte temporale Ast der Zentralarterie bildet bald nachdem er im Bereich des Polsters an die Oberfläche gelangt ist, den Ausgangspunkt eines besonders kräftigen selbständigen Faserbündels, das im Anschluss an das beschriebene Papillen- bündel ebenfalls in der Richtung der Linse zieht, und zwar zu 330 Albert Szent-Györgyi: einer vom hinteren Pol etwas temporalwärts gelegenen Stelle derselben. Eigentlich haben wir es hier gar nicht mit einem Bündel, sondern mehr mit einem trichterähnlichen Hohlgebilde zu tun, das wir Tractus hyaloideus nennen wollen, ohne hier zunächst auf eine Beweisführung für die Richtigkeit des Namens einzugehen. An einem horizontalen Schnitte sehen wir, dass die Wände des Tractus ebenfalls nach vorne divergieren. Die Wandung des Tractus wird von einer etwas dichteren Interfibrillärsubstanz, von einem ungemein feinen Fibrillennetz und von stärkeren, von der Oberfläche des Gefässes entspringenden Fasern gebildet, die den Fasern des Tractus centralis ähneln. Ein Teil dieser Fasern zweigt vereinzelt oder in Form sich bald auflösender lockerer Membranen in den Glaskörper ab. Im Hintergrunde des Auges erscheint die Wandung des Traetus mit schwacher Vergrösserung betrachtet als selbständige, ziemlich starke Membran, während sie sich vorne, gegen die Linse zu, beinahe ganz auflöst, indem nur ein geringer Teil ihrer Fasern an der Capsula lentis haftet, während der grösste Teil sich im übrigen Glaskörper verliert. Im Inneren des Tractus findet sich ein lockeres, aus zarten Fasern bestehendes Fibrillennetz, das mit den groben Fasern, die es durchziehen, ebenfalls vielfach zusammenhängt. Besonders weitmaschig und locker ist dieses Grundgewebe in den hinteren Teilen des Bündels, wo es den Anschein haben kann, als würden die nach vorne strebenden stärkeren Bündel in einem förmlichen Kanal des Glaskörpers verlaufen. Bei näherem Zusehen erkennt man aber, dass von einem wirklichen Kanal auch hier nicht die tede sein kann, indem das feine Glaskörpergerüst nirgends voll- kommen fehlt. Ein richtiger Kanal ist im Glaskörper überhaupt bei keinem von mir untersuchten Tier — die Säugetiere mit in- begriffen — vorhanden, sondern höchstens ein lockerer gewebter „Iraetus“, der allerdings gegen die dichtere Umgebung mehr oder weniger scharf durch eine membranartige Verdichtung des Glaskörpergewebes abgegrenzt sein kann. Über diese Frage habe ich mich bereits eingehender in meiner schon zitierten Arbeit über den Canalis hyaloideus des Schweines ausgesprochen. Die die Wandung des Tractus bildenden Fibrillen gehen von den seitlichen Teilen des freiliegenden Stückes des tempo- ralen Gefässastes ab, während der höchste Punkt der Konvexität Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 391 desselben schon frei innerhalb des Tractus liegt. Die Basis des Traetus, die zum Teil schon ausserhalb des Bereiches der Papille liegt, ist in der Verlaufsrichtung des (refässes verzogen, wodurch der Querschnitt des Traetus hyaloideus vor der Netzhaut zu einem elliptischen wird. Nach vorn wird aber der @uerschnitt mehr und mehr zu einem kreisförmigen. In einiger Entfernung von der Papille hört das Gefäss auf, einem besonderen „Tracetus“ zum Ursprunge zu dienen, dagegen behält es nach wie vor seinen engen Zusammenhang mit den Glaskörperfibrillen. Wenn wir an einer, schon in einer gewissen Entfernung von der Papille befindlichen Stelle einen Querschnitt des Gefässes und des benachbarten Glaskörpergebietes ins Auge fassen, so sehen wir ein Bild, das an die aufgehende Sonne erinnert (Textfig. 4). Die zarten Fibrillen scheinen wie diver- gierende Strahlen von der Gefässwandung nach allen Richtungen — Fig. 4 Aus dem Auge von Tropidonotus natrix. Immersion. Querschnitt eines Astes der Arteria centralis retinae, strahlenförmiger Ansatz der Glas- körperfibrillen am Gefäss. natürlich mit Ausnahme der der Netzhaut zugekehrten — auszu- gehen. Die in der Richtung des Tractus hyaloideus ziehenden Fasern sind etwas dichter angeordnet. Sie gesellen sich zum Teil zu den Fasern, die die Wandung des Tractus bilden. Hinten, in der Nähe des Tractus, ist hier ein ganzes Bündel wahrzu- nehmen. Die Verbindung der Fibrillen mit der Gefässwand scheint eine richtige Anheftung, nicht nur ein oberflächlicher Kontakt 882 Albert Szent-Györgyi: zu sein; die vorher beschriebenen kegelförmigen Verdickungen an den Ansatzstellen der Fibrillen sind auch hier vielfach nach- zuweisen. Die beiden von der Sehnervenpapille und vom Gefäss ent- springenden Bündel halte ich trotz ihres engen Anschlusses an- einander und trotz der Vermischung ihrer Fasern für besondere Bildungen, die eine besondere Beurteilung erheischen. Das Papillen- bündel entspricht dem vorhin beschriebenen Tractus centralis im Auge des Frosches und des Salamanders, während wir im „Gefäss- bündel“ die ersten Spuren einer neuen Bildung, die bei den nächstfolgenden Reptilien in stärkerer Ausprägung als Tractus hyaloideus erscheinen wird, erkennen. Besondere Beachtung verdienen die Verhältnisse des (Glas- körpers in der segend der Ora terminalis. Hier findet man zunächst dicht an dem Beginn der Pars coeca den Querschnitt eines Gefässes — es ist dies die Ringvene des Glaskörpers, das zirkuläre Sammel- gefäss der an der Innenfläche der Netzhaut von der Papille peri- pherisch ausstrahlenden Gefässe. Der Gefässquerschnitt ist aber nur auf der einen Seite, und zwar auf der temporalen, gut sichtbar, auf der anderen kaum zu erkennen. Dicht vor dem (Grefäss fängt dann gleich das beschriebene Grenzbündel zwischen Glaskörper und Zonula an. Innerhalb des eigentlichen Glaskörpergebietes liegt also die Pars coeca retinae nirgends frei; die kleine, dem (laskörpergebiet entsprechende Stelle desselben wird vom Ring- gefäss bedeckt. Unter solchen Umständen kann es natürlich auch nicht zur Bildung eines Retziusschen Bündels kommen. Hier liegt es mithin klar zutage, dass die Übergangsstelle zwischen Pars optica und coeca retinae unmöglich von besonderer Bedeutung für die Genese des Glaskörpers sein kann. Was den ausserhalb des Tractus befindlichen Teil des Glas- körpers betrifft, so ist zunächst hervorzuheben, dass das Fibrillen- werk desselben in seiner Beschaffenheit eine grosse Ähnlichkeit mit dem der Eidechsen erkennen lässt. Wie bei diesen sind die Fibrillen verhältnismässig grob, mit wenig ausgesprochenem netz- förmigen, anastomotischen Charakter. Lokale Unterschiede treten relativ wenig hervor, so dass das Übersichtsbild des Glaskörpers ein gleichmässiges, klares, einfaches Bild darbietet. Etwas stärker ist das Faserwerk in der unmittelbaren Umgebung des Tractus hyaloideus, innerhalb des zu beschreibenden etwas lockeren Ge- Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 333 bietes und ebenso vorn in dem Winkel zwischen vorderem Grenz- bündel und Ora terminalis. Wie bei den anderen Tieren, . setzt sich das Fibrillenwerk des Glaskörpers auch hier aus zwei Fasergattungen zusammen: aus regelmässig, gestreckt oder leicht bogenförmig, in mehr oder weniger gleichen Abständen und oft ganz parallel verlaufenden Fibrillen und aus einem dazwischen liegenden völlig unregel- mässigen, wirren, einem Wattebausch gleichenden (Salzmanns Vergleich) Faserwerk. Bei Tropidonotus ist das erstere, regel- mässigere Fasersystem verhältnismässig sehr gut entwickelt und lässt sich mit Sicherheit unter dem Mikroskop von letzterem trennen, wodurch eine gewisse Regelmässigkeit des Bildes bedingt wird, doch wird die Regelmässigkeit der Anordnung gerade nur an einigen Schnitten in ihrer charakteristischen Eigenart zum Vorschein kommen können, an den Schnitten nämlich, die in die Axialebene des gewöhnlich von einem Punkt oder einer um- schriebenen Stelle ausstrahlenden Fasersystems fallen, da alle anderen Schnitte die Fasersysteme in schiefen oder queren Durch- schnitten zur Schau tragen und daher keinen Einblick in deren Anordnung gewähren. Auch hier ergeben sich Unterschiede in der Anordnung der Fibrillen auf den beiden Seiten, temporal und nasal. Temporal erkennen wir zunächst dicht hinter dem be- schriebenen vorderen Grenzbündel einen Strom dichterer Fasern, der parallel mit dem genannten Grenzbündel die Richtung der Linse einschlägt, ohne letztere aber zu erreichen; schon früher löst sich das Fasersystem auf. In dem Bündel finden wir auch besonders starke Fasern, die ihren Ursprung teils von dem an der Übergangsstelle von Pars optica und coeca retinae gelegenen Ringgefäss, teils dahinter, an der Ora terminalis nehmen. Weiter papillarwärts, immer noch im Bereich der Ora terminalis, folgt ein dichteres, aus unregelmässig vertlochtenen Fasern bestehendes Gebiet. Eine bestimmte Faserrichtung lässt sich darin zunächst nicht feststellen. Etwas weiter nach hinten prägt sich wieder mehr eine bestimmte Direktion der Faser- strömung aus. Immer noch handelt es sich um Fibrillengruppen, die von der Gegend der Ora terminalis ihren Ursprung nehmen. Die Richtung ist zunächst eine gegen die mittleren Teile des Traetus hyaloideus orientierte; weiter nach hinten lenkt aber der 334 Albert Szent-Györgyi: Verlauf der Fibrillen mehr in eine tangentiale, der Netzhaut- obertläche parallele ein. In solchem Verlauf lässt sich ein Teil der Fasern bis in die Nähe des Tractus hyaloideus verfolgen. Ein Teil verlässt aber schon früher die der Netzhautoberfläche parallele Verlaufsrichtung, um bogenförmig in die inneren Teile des (Glaskörpers einzubiegen. Diese Fasern stehen in gleichen Abständen voneinander und zeigen einen ziemlich streng parallelen Verlauf. Sie kreuzen im Innern des Glaskörpers ein anderes Fasersystem, das aus Fasern besteht, die von der (regend der Ora terminalis direkt gegen den Traetus verlaufen und ebenfalls aus Fasern besteht, die in parallelem Verlauf in gleichen Ab- ständen voneinander stehen. Die sich kreuzenden Fasern der beiden letztgenannten Systeme umfassen miteinander kleine regel- mässige rautenförmige Zwischenräume. Ein weiteres System von Fibrillen kommt nur an Äquatorial- schnitten des Auges zur Anschauung. Es sind dies zirkuläre Fasern, am besten entwickelt in der (Gegend der vorderen Grenz- schichte, an deren Bildung sie Anteil nehmen. Zwischen den Fasern der beschriebenen Fibrillensysteme liegt die zweite Faser- gattung. die aus unregelmässigen, wattebauschähnlichen Fasern besteht, die gar keine Orientierung erkennen lassen. Nasal liegen die Verhältnisse im wesentlichen ebenso wie auf der temporalen Seite, immerhin aber mit einigen geringeren Unterschieden. Eine besondere Grenzschichte kommt hier, wie schon beschrieben, nicht zur Entwicklung. Die von der Gegend der Ora terminalis ausstrahlenden Faserströme sind zwar auch hier vorhanden, unterscheiden sich aber durch ihre Kürze von den analogen Bündeln der temporalen Seite; schon unweit ihres Ursprunges verlieren sie sich, und so lässt der grösste Teil des (Glaskörpers in dieser Augenhälfte jene für die andere Seite so charakteristische Regelmässigkeit der Anordnung der Fibrillen vermissen. Da hier das Ringgefäss sehr schwach entwickelt ist, lassen sich die Fibrillen bis zur Netzhaut, in ihrem Übergangs- gebiet zwischen Pars optica und coeca, verfolgen. Hier ist der Platz, um ein bisher noch nicht erwähntes Fibrillensystem zu beschreiben, das, wenn auch temporal in Spuren vorhanden, erst nasal mit Deutlichkeit hervortritt. Es sind das radiäre Fasern, die, von der Innenfläche der Netzhaut ausgehend, in ziemlich weiten, ungefähr gleichen Abständen voneinander die Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 335 anderen Fasersysteme durchkreuzen, indem sie von der Netzhaut aus in der Richtung der Linse und der vorderen Grenzschichte ausstrahlen. Die Fasern sind verhältnismässig stark. Sie ver- laufen nicht immer ganz geradlinig; sowohl nach der Netzhaut wie nach der Linse hin splittern sie sich in feinere Fibrillen auf. Ich bemerke, dass dieses Fasersystem in der Zeichnung (Taf. XV]) etwas zu stark hervortretend und zu regelmässig dargestellt ist, besonders temporal, wo es, wie erwähnt, nur in Spuren vorhanden ist. Dieses Fasersystem können wir als eine bald vergehende Bildung im Säugetierembryo wiederfinden. Eine Besonderheit der nasalen Seite gegenüber der temporalen ist, dass hier in der Nachbarschaft des Tractus hyaloideus eine lockerer gefügte Partie im Glaskörper nachzuweisen ist, ähnlich derjenigen, die beim Frosch an derselben Stelle beschrieben wurde, und derjenigen, die bei den Lacertiden — wie dies beschrieben werden soll — in Erscheinung tritt. Bei Tropidenotus lässt sich ebenso wie bei den anderen Tieren vielfach ein direkter Ansatz der Glaskörperfasern sowohl an der Netzhaut, wie an der Linsenkapsel beobachten, wobei die Fasern in der Regel vor ihrer Anheftung in feinere Fibrillen zerfallen. Eine besondere Membrana hyaloidea besteht auch bei diesem Tier bestimmt nicht; die Insertion der Fibrillen erfolgt unmittelbar an der Membrana limitans interna der Netzhaut. Die bei Salamandra beschriebene, mit der Netzhaut parallele, ihr unmittelbar anliegende Fibrillenschichte fehlt hier. Goluber caspius. Das Auge weicht in seiner Form und inneren Beschaffenheit nicht wesentlich von dem des Tropido- notus natrix ab. Als Novum erscheint nur an der Papilla nervi optiei statt des flachen Polsters ein kleines keilförmig hervor- tretendes Gebilde, der von H. Virchow als „Zapfen“ bezeichnete Vorsprung. An den von mir untersuchten nicht sehr alten Exemplaren von Coluber erschien das Gebilde als ein nur 0,2 bis 0,25 mm langes, an dem verdünnten Ende abgerundetes Gebilde. Bezüglich der genaueren Beschreibung des Zapfens und der verwandten im Glaskörper vorkommenden Gebilde verweise ich auf die zitierte Abhandlung von H. Virchow und auf die von D. Tretjakoff: Das Auge vom Renntier. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., 29, S. 150, 1912. Den Hauptbestandteil des Zapfens bildet ein reicher Gefässplexus, den pigmentierte Zellen Archiv f. mikr. Anat. Bd. 85. Abt. 1. 23 336 Albert Szent-Györgyi: umhüllen und durchdringen. Der histologische Charakter des Grundgewebes des Zapfens und seiner Zellen ist noch nicht auf- geklärt; hier sind embryologische Untersuchungen nötig. Einst- weilen kann man nur mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es sich um eine Gliawucherung handelt. An der Basis des Zapfens treten die inneren Glaskörper- gefässe aus dem Sehnerven hervor, und zwar drei bis vier ungefähr rechtwinklig divergierende Äste. Die Zonula unterscheidet sich nicht von der des Tropidonotus. Die „Grenzschichte des Glaskörpers“ scheint mir hier dagegen um ein geringes schärfer ausgeprägt zu sein. Auch in der Struktur des Glaskörpers liegt eine Überein- stimmung vor, bis auf den Ursprung und die Verlaufsverhältnisse des Traetus centralis, die durch die Gegenwart des Zapfens beeintlusst werden. Während bei Tropidonotus diese Fasergruppe an der flachen Papille entspringt, nimmt sie hier an der ganzen Ausdehnung des Zapfens ihren Ausgang, am dichtesten aber von deren Spitze. Auch ist der ganze Tractus centralis bedeutend stärker entwickelt als bei Tropidonotus und nimmt daher an der Architektur des Glaskörpers einen wesentlicheren Anteil, mit dem er hier noch inniger verfilzt ist. Innerhalb dieser Faser- ausstrahlung tritt ein starkes zentrales Bündel selbständig hervor: der Tractus hyaloideus. Er entspringt nicht an der Spitze des Zapfens, sondern von der einen Seite desselben, seltener von dessen Basis, ja gelegentlich zum Teil sogar neben der Basis an einem Ast der Zentralarterie. Dieser Ast nimmt gegenüber den übrigen Ästen des genannten Gefässes vermöge seiner ein- dringlicheren Beziehungen zum Glaskörper eine besondere Stellung ein. Auch bei Tropidonotus begegneten wir diesem Ast; während er aber dort die anderen Äste an Stärke übertraf, ist er bei Coluber gerade am schwächsten. Ich halte es nicht für unmöglich, dass die Bildung des Zapfens mit der Reduktion dieses Astes bei Coluber irgendwie zusammenhängt: doch geben meine Präparate, die nur vollkommen entwickeltes Material betreffen, hierüber keine befriedigende Aufklärung; spezielle Untersuchungen haben hier einzusetzen. Das vom Zapfen entspringende Fasersystem des Tractus hyaloideus bildet auch hier einen sich gegen die Linse er- weiternden Zylinder, der durch die starken peripherischen Fasern —I Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 33 - und eine etwas verdichtete Interfibrillärsubstanz gegen die Um- gebung ziemlich scharf abgegrenzt ist. Im Innern des Tractus findet sich auch hier ein besonders lockeres Fibrillennetz, das sich schon dem Bilde eines „Canalis“ hyaloideus sehr nähert. Die sonstigen Verhältnisse des Glaskörpers schliessen sich an die bei T'ropidonotus an. Coluber vivax (Textfig. 5). Das Auge ist bedeutend kleiner als das der beiden bisher abgehandelten Schlangen. Der besonders schmale Orbieularteil des Ciliarkörpers wird durch das Ringgefäss vollkommen verdeckt. Ein „Zapfen“ fehlt; besonders Fig.5. Auge von Coluber vivax. Schwache Vergrösserung. hervorzuheben ist die auffallend starke Entwicklung jenes Astes der A. centralis retinae, der — wie dies auch bei den bisher betrachteten Formen der Fall war — einem besonderen Faser- bündel des Glaskörpers, dem Tractus hyaloideus, zum Ursprunge dient. Die Zonula zeichnet sich durch feine Beschaffenheit und dichte Anordnung ihrer Elemente aus. Als neue Erscheinung tritt hier die Trennung des Glas- körpers in zwei Abschnitte: einen schmalen peripherischen und einen zentraleren Abschnitt auf. Die Grenze zwischen beiden ist in Form einer zarten Verdichtungsmembran des Glaskörper- 23* 338 Albert Szent-Györgyi: gewebes erkennbar, die hinten, im Umkreis der Papille ent- springend, unter Abgrenzung eines von ihr umfassten weiten trichterförmigen Raumes ringsum in der Nähe des Ciliarkörpers ihr Ende findet. Innerhalb dieses inneren Glaskörpergebietes fällt zunächst ein besonderer exzentrisch gelegener Teil auf, den wir nunmehr schon als Canalis hyaloideus bezeichnen können. Allerdings handelt es sich nicht um einen wirklichen offenen Kanal, sondern nur um einen schmalen röhrenförmigen Abschnitt des (Glaskörpers, der sich durch besonders zarte und lockere Beschaffenheit seines Fibrillennetzes auszeichnet und nach aussen einigermassen durch ein membranartiges Verdichtungsgewebe ab- geschlossen ist. Dieses Grenzgewebe besteht hauptsächlich aus Längsfasern und verdichteter Interfibrillärsubstanz. Der Kanal selbst ist ein schmaler, langer, gestreckter Gang, der sich nur hinten in der Nähe der Papille etwas erweitert. Seine Endigung erfolgt nicht in der Mitte der hinteren Linsenfläche, sondern beträchtlich seitlich davon, schon nahe zur Ansatzstelle der Grenz- schichte. Beobachtet man genauer den Ursprung der Grenz- membran dieses Kanals an der Papille, so sieht man, dass der- selbe an dem schon oben erwähnten Ast der A. centralis retinae erfolgt, und zwar an der Stelle, wo er auf die Oberfläche der Papille tritt. In dem Abschnitt des inneren Glaskörpergebietes, der sich zwischen dem Canalis hyaloideus und der äusseren Grenzmembran des inneren Glaskörperabschnittes befindet erkennt man eine Anzahl stärkerer Längsfasern (in der Textfigur nicht dargestellt), die von der Papille entspringend, divergierend nach vorne ziehen, um sich teils in der Nähe der Linse, teils in der Gegend des Zwischenraumes zwischen Linse und Ciliarkörper zu verlieren. Allem Anschein nach entsprechen diese Fasern wie überhaupt der ganze trichterförmige innere Glaskörperabschnitt mit Abrechnung des darin befindlichen Canalis hyaloideus dem Tractus centralis der Amphibien und Schlangen. Eidechsen. Untersucht wurden Lacerta viridis (Fig. 4) und muralis. letztere an wenigen Exemplaren. Ein grösserer Unterschied zwischen den Augen der beiden Formen liess sich nicht fest- stellen, weder in der inneren und äusseren Gesamtgestaltung des Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 339 Auges, noch im speziellen in den Verhältnissen des Glaskörpers und der Zonula. Das Auge weist eine recht eigenartige Form auf; es ist, als ob die ganze vordere Hälfte des kugelförmigen Auges durch einen Schnitt abgetragen wäre. In dem Mittelgebiet dieser vorderen flachen Fläche erhebt sich die sich mässig hervor- wölbende Hornhaut. Die im Verhältnis zu den Amphibien und auch zu den Schlangen eher kleine Linse weist eine elliptische, vorne flachere, hinten gewölbtere Form auf. Auffallend ist die grosse Ausdehnung der Pars ciliaris retinae; der Ciliarkörper geht ohne scharfe Grenze in die hintere Fläche der Iris über, er selbst ist kaum in einen Orbiculus ciliaris und eine Corona ciliaris zu trennen, da Ciliarfortsätze nicht vorhanden sind und die Verdiekung des Ciliarkörpers von der Ora terminalis nach der Iris hin allmählich erfolgt. Ein mächtiger „Zapfen“ tritt hier in Erscheinung, von der ganzen Breite der leicht napfförmig vertieften Papille des Seh- nerven mit einer etwas verbreiterten Basis ausgehend. Das Gebilde richtet sich genau nach dem hinteren Pol der Linse hin, erreicht ihn aber nicht, sondern endigt an der Grenze des vordersten Fünftels des lenticulo-papillären Abstandes etwas ver- schmälert und abgerundet. Wie schon Kessler richtig angibt, beträgt seine Dicke ein Viertel seiner Länge. Die Zonula nimmt im Verhältnis zur (Gesamtausdehnung des Auges ein auffallend kleines Gebiet ein, was sich daraus erklärt, dass der Ursprung der Zonulafasern ausschliesslich von einer eng umgrenzten an den Linsenäquator nahe herangerückten Stelle der Corona ciliaris erfolgt. unter Ausschluss des gesamten weit ausgedehnten Orbicularteiles des Ciliarkörpers. Eine besondere hintere Kammer scheint im lebenden Tier nicht zu bestehen; an den Schnitten kann sie durch Zugrunde- gehen der starken vordersten Zonulafasern vorgetäuscht werden. Auf den ersten Blick erkennt man eine gewisse Differenz in dem Verhalten der Zonula auf der temporalen und nasalen Seite: temporal sind die Fasern kräftiger, nasal feiner, jedoch etwas dichter angeordnet, was schon bei schwacher Vergrösserung deutlich hervortritt. Am stärksten sind auf beiden Seiten die vordersten Zonula- fasern; sie weisen eine ungemein grobe Beschaffenheit auf und 340 Albert Szent-Györgyi: verlaufen in weiteren Abständen voneinander als die weiter hinten folgenden. Sie entspringen am medialen Abhang des leicht wulstig hervorspringenden Corona ciliaris-Gebietes und gehen als starke. glatt konturierte, straffe Fasern zu der Gegend der Linse, die sich etwas vor dem Äquator befindet. Unmittelbar vor der Linse teilt sich jede Faser pinselförmig in ein Bündel feinerer Fasern, was funktionell den Vorteil hat, dass hierdurch eine deformierende Wirkung durch den Zug der einzelnen Zonulafasern auf die Linsen- oberfläche vermieden wird. Auch ihr retinaler Ursprung erfolgt mit feineren Fibrillen, die sich aber bald zu den groben Fasern konzentrieren. Nach der Linse hin zerfallen die vordersten groben Fasern nur in gröbere Äste. Je weiter wir nach hinten gehen. und je feiner die Zonulafasern werden, um so feiner und reich- licher wird auch diese pinselförmige Verästelung. Nach hinten zu nehmen die Zonulafasern allmählich eine feinere Beschaffenheit und dichtere Anordnung an, zugleich kommt auch eine gewisse plexusförmige Anordnung zur Beobachtung. Die lentikuläre Teilungsstelle der einzelnen Fasern rückt all- mählich weiter von der Linse weg, so dass die Teilung nicht mehr pinselförmig genannt werden kann, sondern das Teilungs- bündel die Form eines lang ausgezogenen Dreieckes erkennen lässt mit etwas stärkeren Randfasern und im Innern sich plexus- artig schief durchkreuzenden und gegen die Linse allmählich feiner und dichter werdenden Fasern. Zugleich lässt sich nach- weisen, dass die einzelnen Faserprodukte der Teilung gegen- einander nicht isoliert verlaufen, sondern durch ausserordentlich zarte, schief und quer verlaufende Seitenäste in anastomotische Verbindung miteinander treten. Auch nach der Netzhaut hin ist die Teilung der Fasern jetzt eine ausgesprochenere, doch besteht das Teilungsbündel durchaus nicht aus so zarten Ästen, wie lentikulär. Über das feinere Verhältnis der Zonulafibrillen zu dem Ciliarepithel geben meine Präparate keinen Aufschluss, nur das eine lässt sich aus der Dichtigkeit der inserierenden Fibrillen folgern, dass die Fasern gleichmässig die ganze Oberfläche und nicht nur die interzellulären Grenzlinien für ihre Anheftung in Anspruch nehmen. Bei Betrachtung des Zonulafaserbündels fällt noch auf, dass dieses Bündel an den Schnitten nicht in der Richtung der Äquatorial- ebene der Linse an letztere herantritt, sondern schief von vorn Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 54] nach hinten unter Bildung eines Winkels von etwa 30° mit letzterer. Es dürfte sich mit diesem Umstand die von Beer!) für verschiedene Eidechsen festgestellte physiologische Tatsache in Zusammenhang bringen lassen, dass die Akkomodation bei diesen Tieren nicht durch Gestaltsveränderung, sondern durch Vorwärtsverlagerung der Linse bewirkt wird. Als besondere Erscheinung sehen wir bei Lacerta, dass das Gebiet der eigentlichen Zonula nach hinten nicht bis zur so- genannten vorderen Grenzschicht des Glaskörpers reicht, sondern ein breiter Zwischenraum zwischen beiden frei bleibt. Dieser Raum ist aber nicht leer, sondern von einem lockeren Fibrillen- netz ausgefüllt, das seiner ganzen Beschaftenheit nach als Glas- körper anzusprechen ist. Es entbehrt jeder Regelmässigkeit in der Anordnung seiner Fibrillen und ist vorn und hinten am dichtesten, in der Mitte am lockersten. Nur vorne ist in diesem Fibrillenkomplex ein aus einigen Fasern bestehendes linsenwärts gerichtetes System nachzuweisen, das bei der Akkomodation eventuell noch eine gewisse Rolle spielen kann. Nasal erscheint dieses retrozonuläre Fibrillengeflecht feiner und dichter als tem- poral, hier schliesst es sich in seiner Beschaffenheit vollkommen dem sonstigen Glaskörper an. Ein intermediäres Fibrillennetz zwischen den Zonulafasern. wie es bei Frosch und Salamandra vorhanden ist, ist hier nicht nachzuweisen. Jedoch finden sich auch hier hie und da feine Fibrillen, die ohne jede bestimmte Verlaufsrichtung zwischen den Zonulafasern dahinziehen. Auch sind die Zonulafasern an einigen Stellen durch feine Seitenäste miteinander verbunden. Die „vordere Grenzschichte des Glaskörpers“ kommt auf beiden Seiten, nasal und temporal, nicht in gleicher Schärfe zur Ausprägung. Dem soeben Gesagten zufolge verdient sie hier eigentlich nicht den Namen einer Grenzschichte, indem sie — angesichts der Gegenwart des soeben geschilderten retrozonulären Fibrillengeflechtes — eigentlich noch innerhalb des Glaskörpers und nicht an dessen vorderer Grenze ihre Lage hat. Ihre Auf- gabe dürfte — abgesehen von einer möglichen Wirkung auf die Lymphzirkulation — auch hier, wie bei anderen Tieren, die sein, zu verhindern, dass bei der Akkomodation und vielleicht auch ») Th. Beer: Die Akkomodation des Auges bei den Reptilien. Pflügers Arch. f. d. ges. Phys., Bd. 69, 1898. 342 Albert Szent-Györgyi: bei der Zusammenpressung des Auges durch die Wirkung der äusseren Augenmuskeln der eigentliche Glaskörper in das Gebiet der Zonula hineingedrängt wird. Ihre retinale Anheftungsstelle findet die Grenzschichte ziemlich weit vor der Ora terminalis, etwa in der Mitte des lang ausgezogenen Ciliarkörpers, ihr lentikuläres Ende nicht weit hinter der Ansatz- stelle der hintersten Zonulafasern, mit denen die Grenzschichte nicht parallel läuft, sondern so, dass sie an der Linse in einem spitzen Winkel miteinander zusammentreffen. Auch hier zerfällt die Grenzschichte in der unmittelbaren Nähe der Retina, unter Schwund der dichteren interfibrillären Substanz, in ihre Fasern. Die Grenzschichte ist ziemlich dick, aber nach vorn und hinten nicht allzu stark abgegrenzt, mehr nur als verschwommene streifenförmige Verdickung des (Glaskörpers, denn als richtige Membran erscheinend. Ihr innerer Bau lässt erkennen, dass es hauptsächlich das Auftreten einer verdichteten interfibrillären homogenen Substanz ist, der sie ihre Entstehung verdankt, wobei allerdings die Frage offen gelassen werden muss, ob auch nicht diese scheinbar inter- fibrilläre Substanz aus der Verklebung und scheinbaren Homo- genisierung von Fibrillenkomplexen entstanden ist. Wie gesagt, ist die (srenzschichte an beiden Seiten, nasal und temporal, nicht in derselben Weise entwickelt. Nasal ist sie kaum ausgeprägt. Hier ist gewöhnlich von der ganzen Grenz- schichte nur das lentikuläre Ende in Form einer schwachen Ver- dichtung der interfibrillären Substanz vorhanden. Abgesehen von dieser Stelle hängt also der Glaskörper mit der Zonula in innigster Weise zusammen. Es ist auffallend, dass bei den Amphibien und Reptilien gewöhnlich die nasale Grenzschichte die schwächere ist. Dieser Umstand könnte vielleicht über die Rolle der Grenzschichte einigen Aufschluss geben. Möglicherweise hängt diese Asymmetrie mit der asymmetrischen (temporalwärts verschobenen) Einpflanzungs- weise des Sehnerven zusammen. In den Verhältnissen des Glaskörpers wird unsere Auf- merksamkeit sofort durch ein Verhalten gefesselt, wie es uns schon bei Coluber vivax entgegentrat: durch die Trennung des Glaskörpers in einen inneren trichterförmigen und einen peri- pherischen Teil. Als Grenze beider Abteilungen erscheint eine membranartige Verdichtung des Glaskörpers, die ringsum in der Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 343 Umgebung der Basis des Zapfens entspringend schief nach vorn und aussen zieht, um unter geradlinigem, nur zuletzt leicht nach aussen gebogenem Verlauf in einiger Entfernung vor dem Über- gang der Pars optica in die Pars coeca retinae entsprechend dem hinteren Teile des Ciliarkörpers ihr Ende zu finden. Gewöhnlich kann man aber diese Membran nicht bis an den Ciliarkörper verfolgen, indem sie sich in der Regel schon etwas früher fast unmerklich verliert. Während ihres Verlaufes pflegt sich die Membran im Niveau des vorderen Endes des Zapfens etwas auf- zulockern. Auch ganz hinten an ihrem peripapillären Ursprung ver- liert die Membran gewöhnlich ihren scharf gezeichneten Charakter, sie lockert sich hier etwas auf. In der Zusammensetzung der membranartigen Verdichtung spielen longitudinale Fasern die Hauptrolle, hinten etwas lockerer stehend, nach vorn mehr und mehr zusammengedrängt, überall untermischt mit zirkulär ver- laufenden, den Trichter kreisförmig umfassenden Fasern und in der ganzen Ausdehnung des Trichters, besonders aber in dessen vorderer Abteilung, in regem Wechselverhältnis stehend mit den benachbarten Fasersystemen. Besonders deutlich kommen die longitudinalen Fasern an der hinteren Anheftungsstelle der Membran zur Beobachtung. Auf der temporalen Seite scheint sich die Grenzmembran in ihrer vorderen Abteilung zu verdoppeln durch Auftreten einer einwärts von ihr liegenden Parallelmembran von gleich starker oder noch stärkerer Beschaffenheit. Diese Nebenmembran ent- springt etwas vor der ciliaren Anheftungsstelle der eigentlichen (renzmembran — oder richtiger, der Stelle, wo sich die Fort- setzung der Grenzmembran anheften würde, wenn sie bis zu dem Ciliarkörper nachzuweisen wäre — und läuft nach hinten, nicht ganz die Mitte einhaltend zwischen äusserer Grenzmembran und vorderer Grenzschicht des Glaskörpers, indem sie zur ersteren etwas näher liegt. Weit lässt sich aber die accessorische Membran nicht verfolgen; in der Höhe des vorderen Zapfenendes sehen wir sie gewöhnlich sich auflösen. Auf der nasalen Seite scheint diese Nebenmembran zu fehlen oder nur in Spuren vorhanden zu sein. Der Unterschied zwischen dem extra- und intrainfundibulären Teil des Glaskörpers ist in die Augen springend und besonders bei der Betrachtung mit schwacher Vergrösserung zu sehen. 344 Albert Szent-Györgyi: Die Glaskörperfibrillen der Pars extrainfundibularis sind. mit starker Linse betrachtet, den Fibrillen des Tropidonotus sehr ähnlich (Textfig. 6). Wir finden hier dieselben verhältnismässig starken, scharf hervortretenden Fasern, die untereinander in Stärke ınd Beschaffenheit kaum Verschiedenheiten aufweisen. Der anasto- motische Zusammenhang der Fasern ist hier auch kaum naclı- zuweisen. Der extrainfundibuläre Teil zeigt eine Annäherung an die analogen Verhältnisse bei Tropidonotus, doch sind auch grössere Unterschiede vorhanden, so 3 vor allem die Gegenwart eines BE PA auffallend locker gefügten { A N / (sebietes unmittelbar in der \ / Umgebung des hinteren, reti- / A N nalen. sich verschmälernden Y /) Abschnittes des Glaskörper- | 7 trichters. Auf dem Meri- dionalschnitt erscheint diese Me lockere Partie in Form eines ovalen, hellen, man könnte bei- Ü nahe sagen vakuolenartigen IR Y (rebietes, und zwar zeigt das h" A, (rebiet eine grössere Aus- \ Ki / dehnung nasal als temporal. A Y/ Eine bestimmte Anordnung der Fibrillen lässt sich in Fig. 6. Lacerta viridis. Aus dem peri- diesem lockeren Abschnitt pherischen Teil des Glaskörpers. Fibrillen : ; . nicht nachweisen, es liegt mit kleinen Varikositäten (Niederschläge 5 r i ; aus der Interfibrillärsubstanz). Immersion. vielmehr ein gleichmässiges Netz vor, allerdings mit sehr ungleichmässig weiten Maschen. Ich möchte nicht verfehlen, auf die interessante Tatsache hinzuweisen, dass diese helle vakuoli- sierte Partie des Glaskörpers nach meinen Erfahrungen bei keinem anderen Reptil in die Erscheinung tritt, wohl aber bei Rana, und zwar ungefähr an derselben Stelle und in derselben Form, allerdings aber in etwas grösserem Umfang. Was noch extrainfundibular vom Glaskörper übrigbleibt, zeigt eine ziemlich regelmässige Anordnung; allerdings ist diese tegelmässigkeit viel ausgesprochener temporal als nasal. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 345 Temporal sehen wir dieselben Fasersysteme, die schon bei Tropidonotus beschrieben wurden. Unmittelbar hinter dem ciliaren Ansatz der vorderen Grenzschichte, in dem Winkel zwischen dieser und der Ora terminalis, besonders aber zwischen Ora terminalis und der trichterförmigen Membran, haben wir zunächst ein regel- loses Geflecht. ohne bestimmt hervortretende Faserrichtungen, aus groben und feineren Fibrillen bestehend und stellenweise sich zu knotenförmigen Kreuzungsstellen konzentrierend. Aus diesem regellosen Geflecht der Fasern geht nach hinten, zwischen der Retina und der trichterförmigen Membran, ein Faser- strom aus, dessen Elemente im allgemeinen die Tendenz haben, nach einwärts und hinten auszustrahlen. Hierbei bilden die Fasern keine stärkeren zusammenhängenden Bündel, sondern laufen mit Vorliebe einzeln, so dass die regelmässige Verlaufs- richtung nicht nur bei schwacher Vergrösserung, sondern auch bei stärkerer zur Ansicht kommt, bei letzterer eigentlich noch besser als bei ersterer, abweichend von den Verhältnissen bei anderen Tieren, z. B. bei Salamandra. Das Fasersystem kommt auch hier gerade nur bei einer bestimmten Schnittrichtung in seiner vollen Regelmässigkeit zur Anschauung; natürlich ist für jede Stelle des ringsum an der Ora terminalis entspringenden Systems diese Schnittrichtung eine andere. Man kann an dem ganzen System drei Faserrichtungen unterscheiden. Die eine Richtung ist die sich der äusseren Grenz- haut des Trichters anschliessende. Von einer unmittelbar vor der Ora terminalis gelegenen Stelle der Pars coeca entspringend, geht diese Fasergruppe schief an die genannte Grenzhaut heran, um sie etwas vor ihrer mittleren Abteilung zu erreichen; der grösste Teil der Fasern verliert sich hier, ein kleinerer Teil zieht dicht neben der Grenzhaut, parallel mit ihr, einwärts von der lockeren Glaskörperstelle nach hinten. Die zweite Faserrichtung ist die mit der Netzhaut parallele, tangentiale. Diese Fasergattung schliesst sich sehr regelmässig der Innenfläche der Pars optica an und lässt sich zum Teil hinter der beschriebenen lockeren Partie bis in die Nähe der Sehnerven- papille verfolgen. Ein drittes System kreuzt sich schief mit beiden Faser- richtungen. Es sind das Fibrillen, die, von der Ora terminalis und der ihr nahe gelegenen Partie der Pars optica entspringend, 346 Albert Szent-Györgyi: unter leicht bogenförmigem Verlauf schief nacıı den vorderen Teilen der Infundibularmembran ziehen, wobei sie sich natürlich zunächst mit den peripherischsten Tangentialfasern, weiter ein- wärts aber auch mit den an erster Stelle erwähnten, weniger schiefen Fasern kreuzen müssen. Die sich kreuzenden Fasern umschliessen regelmässige rhombische Felder, die mit starken Vergrösserungen sichtbar sind. Neben allen diesen Fasern scheint auch eine äquatorial und paraäquatorial verlaufende Faserrichtung vorhanden zu sein, allerdings wenig ausgesprochen. Die nasale Seite der Extrainfundibularabteilung unterscheidet sich von der beschriebenen temporalen bloss dadurch, dass die geschilderten Systeme, wenn auch vorhanden, alle weniger aus- gesprochen sind, daher das ganze Bild weniger regelmässig er- scheint. Das an erster Stelle erwähnte schief zur Trichtermembran ziehende System ist bedeutend schwächer und schmäler als temporal, das peripherische tangentiale System hört schon früher auf, die geschilderten Kreuzungen sind weniger ausgesprochen. Das Innere des Glaskörpertrichters weist sehr bemerkens- werte Verhältnisse auf. Es gibt vielleicht kein zweites Beispiel im Tierreich für eine derartige regelmässige Anordnung der Glaskörperfibrillen. Die Achse des Trichters wird, wie schon beschrieben, von dem Zapfen gebildet, der aber nicht ganz bis zur Linse reicht. Entsprechend den Seitenteilen des Zapfens entspringt in dessen ganzer Länge ein Fasersystem, teilweise direkt an der Oberfläche des Zapfens sich inserierend, teilweise — bei genauerer Betrachtung — in der Umgebung des Zapfens aus einem Fibrillennetz sich herausbildend, dessen Fasern sehr regel- mässig divergierend parallel mit der äusseren Trichtermembran nach aussen und vorn ziehen, in ungefähr gleichen Abständen voneinander angeordnet. Die innersten dieser Trichterfasern er- reichen die Linse, an deren Kapsel sie inserieren, die weiter nach aussen folgenden, d. h. weiter hinten entspringenden Fasern endigen im Bereich der vorderen Grenzschichte des Glaskörpers, teils indem sie sich schon vor der Grenzschichte verlieren, teils indem sie sich direkt mit ihr verbinden, teils indem sie sie zu durchsetzen scheinen, um sich im oben beschriebenen retro- zonulären, vor der Grenzschichte gelegenen Fibrillengeflecht zu verlieren. Die äussersten Fasern treten an die Pars ciliaris Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 347 retinae heran, lassen sich aber nicht bis an diese verfolgen, sondern scheinen sich dicht vor ihr aufzulösen. Nasal ist der Verlauf dieses ganzen Fasersystems vorn, entsprechend der vorderen Grenzschichte, verschwommener. Zwischen diesen stärkeren, divergierenden Fasern spinnt sich ein zarteres, subtileres Grundnetz aus, das mit ersteren unmittelbar zusammenhängt. Vor der Spitze des Zapfens, zwischen diesem und der Linse, grenzt sich ziemlich deutlich ein dreieckiges Gebiet mit vorderer, durch die Linse gebildeter Basis ab, durch seine hellere Beschaffen- heit hervortretend, die wieder durch die sehr lockere und regel- lose Beschaffenheit des hier befindlichen Fibrillennetzes und durch die geringe Zahl der vom Zapfen zur Linse ziehenden Fasern bedingt ist. Ganz fehlen diese keineswegs, ja die vorhandenen zeichnen sich auch durch besondere Stärke aus, doch ist ihre Zahl sehr gering und dabei laufen sie auch nicht so regelmässig gestreckt wie die Trichterfasern des Aussengebietes. Auch zeigen sie mannigfach Teilungen, besonders in der Nähe ihrer lentikulären Ansatzstelle. Die hellere Beschaffenheit des geschilderten drei- eckigen Gebietes dürfte teilweise auch auf die lichtere Beschaften- heit der Interfibrillärsubstanz zurückzuführen sein. Schildkröten. Zur Untersuchung standen schöne, vollkommen ausgewachsene Exemplare von Testudo graeca zur Verfügung (Fig. 5). Das Auge hat eine eigentümliche, von der Augenform der anderen teptilien etwas abweichende Gestalt: auf die hintere halbkugel- förmige Hälfte des Auges ist die vordere Hälfte als niedriger abgestumpfter Kegel aufgesetzt, mit abgerundetem, durch die gleichmässig gewölbte Hornhaut gebildetem vorderen Ende. Die Linse ist auffallend klein, in ihrer Form sich der der Eidechsen nähernd. Ein Orbiculus und eine Corona eiliaris sind, besonders an der temporalen Seite, kaum zu unterscheiden, der Ciliarkörper geht fast unmerklich in die kurze, dicke Iris über, auf deren vordere Fläche sich weit hinein das mächtig entwickelte Netz- werk der Spongiosa anguli camerae anterioris erstreckt. Ein beträchtlicher Teil der Pars coeca retinae entspricht dem Glas- körper, indem sich die Ansatzstelle der vorderen Grenzschichte erst in ziemlich grosser Entfernung vor der Ora terminalis be- 348 Albert Szent-Györgyi: findet. Die Sehnervenpapille stellt sich als tellerförmige Vertiefung ohne Polster, Wulst, Zapfen oder dergleichen dar. Auch innere Augengefässe fehlen. Glaskörper und Zonula zeigen einen höheren Typus als bei den übrigen Reptilien, wenn man als Maßstab der Beurteilung den grösseren oder geringeren Abstand von der Struktur der analogen Bildungen im Auge der Säugetiere be- rücksichtigt. Der Glaskörper scheidet sich durch eine ziemlich scharf ausgeprägte Grenzschichte von dem davor liegenden Zonularaum ab. Die Grenzschichte beginnt ungefähr in der Mitte des Ciliar- körpers oder an einer Stelle, die etwas hinter der Mitte liegt und zieht in ziemlich geradlinigem Verlauf zu dem seitlichen Abschnitt der hinteren Linsenfläche. Temporal ist sie etwas stärker als nasal und lässt sich ceiliarwärts fast bis an die Pars coeca retinae verfolgen, während sie nasal etwas schwächer ist und sich schon in einiger Entfernung vor dem Üorpus_ ciliare verliert. An der temporalen Seite ist sie oft eine kürzere oder längere Strecke doppelt und zeigt auch, besonders am lentikulären Ende, Verzweigungen. Die Zonula weist einen Zustand auf, der auffallenderweise als niedriger stehend bezeichnet werden kann als der bei den anderen Reptilien beschriebene, indem neben den eigentlichen Zonulafasern jenes feine interstitielle Fibrillennetz, wie es bei den Amphibien vorliegt, vorhanden ist. Die eigentlichen Zonulafasern entspringen von der ganzen Oberfläche der Retina ciliaris, mit Abrechnung ihrer hintersten Abteilung, die schon dem Bereich des Glaskörpers entspricht. Sie ziehen in gestrecktem, beinahe parallelem, nur ganz leicht divergierendem Verlauf zu den äquatorialen und paräquatorialen Teilen der Linse hin. Ihre Anordnung ist eine weniger dichte als bei Tropidonotus und Lacerta. Bei der Schildkröte gibt es ebenfalls keine Processus ciliares. Diese werden hier durch eine niedrige, zusammenhängende zirkuläre Erhebung des Corpus ciliare vertreten, die temporal noch bedeutend schwächer ist als nasal, so dass sie hier kaum wahrnehmbar ist; das Epithel dieses Wulstes ist in seiner ganzen Ausdehnung, d.h. auch im Bereiche seines vorderen Abhanges nur in seiner tieferen Schiehte pigmentiert. Der Wulst liegt gerade gegenüber dem Linsenäquator. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 349 Die Zonulafasern, die vom Wulst entspringen, gehen unter etwas stärkerer Divergenz und verhältnismässig dichterer An- ordnung in der Hauptsache zum Linsenäquator und zu einem vor diesem gelegenen Gebiet der Linsenkapsel; nur wenige endigen hinter dem Äquator, welche sich dann in ihrem Verlauf mit den weiter hinten entspringenden Fasern kreuzen. Die vordersten dieser vom Ciliarwulst entspringenden Fasern zeigen schon einen unmittelbaren Anschluss an die hintere Iristläche, so dass von einer faserfreien hinteren Kammer hier nicht die Rede sein kann. Die hinter der kleinen Eminentia ceiliaris entspringenden Fasern sind etwas lockerer angeordnet und lassen einen beinahe parallelen Verlauf erkennen. Ihr Ansatz erfolgt in einem Gebiet schon etwas hinter dem Äquator: von ihrer Kreuzung mit den weiter vorn entspringenden Fasern war schon oben die Rede. Bevor sie die Linsenkapsel erreichen, zerfallen sie, ebenso wie die von der Eminentia entspringenden Fasern, pinselförmig in feine Fibrillen. Nach hinten zu wird diese terminale Auflösung der Fasern spärlicher. Die Fasern zeigen im ganzen Bereich der Zonula Ver- ästelungen, wobei sich die Nebenäste mit analogen Ästen der benachbarten Fasern verbinden und zu stärkeren Fasern ver- einigen. Auch sehen wir nicht selten quere oder schiefe Ver- bindungszweige zwischen den benachbarten Stammfasern. Zwischen den Zonulafasern spinnt sich, wie schon erwähnt, das zarte fibrilläre Grundnetz der Zonula aus, ähnlich wie bei den von mir untersuchten Amphibien. Nur ist hier dieses Netz nicht in demselben Maße entwickelt wie beim Frosch und beim Salamander. Auch hier zeigt dieses Netz überall eine konti- nulerliche Verbindung mit den eigentlichen Zonulafasern. Die hintere Abgrenzung des Zonularaumes durch die vordere Verdichtungsschichte des Glaskörpers zeigt in einer Beziehung einen Unterschied auf beiden Seiten, temporal und nasal. Temporal hält sich der Verlauf dieser Schichte an die Richtung der hintersten /onulafasern, an die sie sich unmittelbar anschliesst. Nasal da- gegen weicht sie von dieser Richtung ab, indem sie sich nur in ihrer lentikulären Abteilung an die hintersten Fasern anschliesst, eiliarwärts dagegen sich von ihnen allmählich etwas nach hinten entfernt, so dass zwischen den hintersten Fasern und der ge- nannten Schichte ein schmaler, dreieckiger, mit der Basis nach 350 Albert Szent-Györgyi: aussen gerichteter Zwischenraum entsteht, der von einem nicht allzu dichten Fibrillennetz ausgefüllt wird, ohne bestimmte Orien- tierung der Fibrillen. Ab und zu lässt sich übrigens dieses Ver- halten auch an der temporalen Seite nachweisen. Schliesslich sei bemerkt, dass die hintersten Zonulafasern manchmal nicht bis zur Linse verfolgt werden können, sondern schon früher mit der Grenzschichte des Glaskörpers verschmelzen, ähnlich wie dies nach den Beobachtungen v. Lenhosseks!) auch bei den Vögeln vorkommt. Ich habe dieses Verhalten nur auf der temporalen Seite beobachtet. Die Glaskörperfibrillen erscheinen im allgemeinen zarter und von gewundenerem Verlauf als bei den Sauriern und Ophidiern; die stärkeren, selbständigeren Züge der Glaskörperarchitektur werden nicht durch stärkere Einzelfibrillen, sondern durch zu- sammenhängende Bündelchen zarter Fibrillen gebildet. Es sind das Verhältnisse, durch die sich der Chelonierglaskörper dem der Säuger nähert. Eine sehr auffallende Erscheinung ist der wohlentwickelte, scharf begrenzte Canalis hyaloideus, natürlich auch wieder nur als eine besonders strukturierte axiale Glaskörperabteilung, also als Traetus hyaloideus und nicht als eigentlicher Kanal mit freiem Lumen ausgeprägt. Er nimmt mit seinem Ursprunge die ganze Breite der ausgehöhlten Sehnervenpapille in Anspruch. Auf den Anfang folgt zunächst eine leichte Erweiterung des Kanales, bald aber eine Verschmälerung, die anfangs stärker, dann sukzessive schwächer vor sich gehend beinahe bis an das vordere Ende des Kanales anhält, zuletzt aber doch wieder einer geringfügigen Erweiterung Platz macht. Die weiteste Stelle des Kanales be- findet sich also etwas vor der Papille, die schmälste vor der vorderen Endigung. Dieser Wechsel des Lumens ist insofern interessant, als er auch am Canalis hyaloideus der Säuger, z. B. beim Schwein,?) in derselben Form wiederkehrt, allerdings in viel ausgesprochenerer Weise, so dass man von einer hinteren Ampulle, einem schmalen Mittelstück, einem mehr nach vorn gelegenen '), M. v. Lenhossek: Die Entwicklung und Bedeutung der Zonula- fasern nach Untersuchungen am Hühnchen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 77, 1912, 8. 28, efr. S. 286. ?) Siehe A.v. Szent-Györgyi: Der Canalis hyaloideus im Auge des Schweines. v. Graefes Archiv, 85, 1913. Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 351 Isthmus und wieder von einer vordersten Erweiterung reden kann. Das geschilderte Verhalten des Lumens scheint also typisch zu sein. In einer Beziehung liegt aber ein bemerkenswerter Unter- schied gegenüber den Säugern vor: der Kanal läuft nicht in der wichtung zur hinteren Linsenfläche, sondern temporal davon in der Richtung des Zwischenraumes zwischen Linse und Ciliar- körper; er lässt sich bis direkt an die Grenzschichte des Glas- körpers verfolgen, um in der Nähe der Linse an ihr zu endigen. Auffallend ist auch der gestreckte, geradlinige Verlauf des Kanales und seine ziemlich scharfe Abgrenzung durch eine schmale, aber scharf gezeichnete Verdichtungshaut, die, aus longitudinal verlaufenden Glaskörperfibrillen und verdichteter Interfibrillär- substanz bestehend, als feine Membran ununterbrochen von der Sehnervenpapille bis zur vorderen Grenzschichte des Glaskörpers verfolgt werden kann. Ausgefüllt wird der Kanal durch ein zartes fibrilläres Netzwerk von besonders lockerer Beschaffenheit, das mit der Schlussmembran unmittelbar zusammenhängt. Der anastomotische Zusammenhang der Fasern ist hier stark ent- wickelt. Besonders locker ist das Gewebe im breiteren Anfangs- teil des Kanales. Hier ist unter den Fasern die Längsrichtung die vorwiegende, während in den vorderen Teilen mehr eine (Wuerrichtung der Fasern hervortritt. Die dem Glaskörper entsprechende Partie der Pars ciliaris retinae ist der Ausgangspunkt besonders hervortretender Faser- systeme. Wieder ist temporal und nasal zu unterscheiden. 'Temporal umfassen die Fasern in ihrem Ursprung die Stelle der Ora terminalis und die von hier bis zur Ansatzstelle der vorderen Grenzschichte reichende Partie des Ciliarkörpers; auch von der Grenzschichte selbst lösen sich einzelne Bündel ab. Zunächst scheint das ganze Fibrillensystem einheitlich, ohne besondere Gruppierung. In der unmittelbaren Nähe der Ora terminalis sind die Fasern etwas dichter angeordnet (Retziussches Bündel). Weiter nach hinten aber leitet sich sehr bald eine Trennung des sich nach hinten umbiegenden Faserstromes in einzelne Bündelchen ein, die in zierlich gewelltem, einer Haarlocke ähnlichem Verlauf zum Canalıs hyaloideus ziehen, und zwar in bogenförmiger, der hinteren Linsenfläche und der inneren Netzhautfläche konzentrischer An- Archiv f. mikr. Anat. Bd.$5. Abt. 1. 24 352 Albert Szent-Györgyi: ordnung. Einzelne Bündel treten stärker als die anderen hervor. Nur an der vordersten Partie des Glaskörpers hinter der vorderen (Grenzschichte gibt es keine so regelmässige Anordnung. Hier finden wir nur einzelne, ganz unregelmässig verlaufende Bündel, die hinter der Grenzschichte von der eiliaren Retina entspringen oder sich schon von der Pars optica retinae ablösen. In dem hinter dieser Partie gelegenen Glaskörper bieten die zarten Wellen- figuren, mit stärkeren Vergrösserungen betrachtet, ein ausser- ordentlich zierliches Bild dar, dessen genaue bildliche Darstellung nur auf dem Wege der Mikrophotographie denkbar ist. Das Schicksal dieser Bündel ist verschieden. Ein Teil ver- liert sich unter allmählicher Auflockerung schon in einiger Ent- fernung vom Kanal. Ein anderer erreicht den Tractus hyaloideus. Diese Bündelchen unterliegen, an der Wandung des Kanales an- gelangt, einem verschiedenen Schicksal. Der grösste Teil scheint sich mit der Wandmembran zu verbinden und damit sein Ende zu finden, ein anderer Teil umkreist von der Seite den Kanal und schlägt sich auf die andere Seite hinüber, wo er sich im Glaskörper verliert. Wieder andere Bündel lenken dicht an der Kanalwandung mit kühner Biegung nach hinten um und lassen sich, längs des Kanals verlaufend, bis in die Nähe der Netzhaut verfolgen. Natürlich muss man sich, um diese Verhältnisse zu studieren, neben den Meridionalschnitten auch äquatorialer Schnitte bedienen. Zwischen diesen konzentrischen Bündelchen schalten sich in der hinteren Hälfte des Auges weitere konzentrische Fasergruppen ein, die mit der Wandung des Canalis hyaloideus in Zusammen- hang stehen, und von ihr ausgehend konzentrisch, der Form der Netzhautoberfläche folgend, nach vorne ziehen, um sich im Glas- körper in einiger Entfernung von dem Tractus hyaloideus zu verlieren. Diese Bildungen, die nur aus etwas dichter ange- ordneten Fasern bestehen, sind besonders an der nasalen Seite gut entwickelt. Sie bilden aber bei weitem keine so auffallende Erscheinung, wie die an erster Stelle erwähnten Fibrillenbündel. Eine weitere Besonderheit der temporalen Seite gegenüber der nasalen ist, dass sich hier stellenweise von hinten nach vorn ziehende, ungefähr in der Verlaufsrichtung des Canalis hyaloideus gelegene Fasern nachweisen lassen, die sich natürlich mit den konzentrischen Systemen ungefähr rechtwinklig kreuzen. Sie Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 333 stehen mit den umgebenden Fasern teilweise in innigerem Zu- sammenhang, teilweise sind sie aber auch ganz unabhängig von ihnen. Nach hinten zu verlieren sie sich unmerkbar, ohne die Netzhaut zu erreichen. Man könnte sie mit den radiären Fasern bei Tropidonotus vergleichen, wenn sie nicht gerade auf der entgegengesetzten Seite ihre Lage hätten; bei Tropidonotus tinden sich nämlich die fraglichen Fasern mehr auf der nasalen Seite. Eventuell könnte man sie auch mit den Fasern des Retziusschen Systems des Salamanders vergleichen. Nasal ist das Bild nicht unbeträchtlich verschieden. Die Fasern, die am vordersten Teil der ciliaren Retina dicht hinter der vorderen Grenzschichte des Glaskörpers entspringen, ziehen in ziemlich gedrängtem Verlauf, beinahe ein ganz isoliertes Bündel bildend, in unmittelbarem Anschluss an die vordere Grenzschicht bis hinter die peripherischen Teile der Linse, lenken hier bogenförmig um, um sich in den zentralen Teilen des Glas- körpers zu verlieren. Anfangs verlaufen die Fasern ganz gerad- linig, in ihrer letzten Abteilung, wo sie sich auflockern, nehmen sie aber einen auffallend ondulierten Verlauf an. Weiter hinten, unmittelbar vor der Ora terminalis, entspringt ebenso wie temporal ein breiter, sich bald nach hinten krümmender Faserstrom, aus wellig verlaufenden, sich zu kleinen haarlocken- artigen Bündeln gruppierenden Fasern bestehend. Während sich aber temporal dieser Faserstrom, wie wir hörten, bald in kon- zentrische Faserlamellen sondert, unterbleibt hier diese Differen- zierung. In dieser Fasergruppe ist das Retziussche Bündel schon mit Sicherheit zu erkennen. Eine konzentrische Anordnung lässt sich allerdings auch auf dieser Seite im Glaskörper nachweisen, doch ist sie nicht so regelmässig, wie temporal; das konzentrische Gepräge erhält der Glaskörper nicht durch hervortretende Faserbündel, sondern mehr durch die ähnliche Verlaufsrichtung einzelner Fasern. Dicht hinter der Linse lässt sich im allgemeinen eine mit der hinteren Linsenfläche parallele Faserrichtung nachweisen. Der konzentrischen, dichteren Fasergruppen, die vom Kanal ausgehend, sich peripherwärts auflösen, ist schon Erwähnung getan worden. Eine besondere Membrana hyaloidea ist auch hier nicht nachzuweisen, wohl aber ist eine geringfügige Verdichtung des 24* 304 Albert Szent-Györgyi: (rlaskörpergewebes an seiner Oberfläche unverkennbar vorhanden, indem dicht an der Netzhaut eine gedrängtere Gruppierung der hier besonders feinen, parallel mit der inneren Oberfläche der Netzhaut verlaufenden Fibrillen vorhanden ist. Vergleich der im Glaskörper hervortretenden Strukturen bei Amphibien und Reptilien. Wir haben bei Anuren und Urodelen am Sehnervenkopf ein starkes. nach vorn divergierendes, in der Richtung der Linse ziehendes Faserbündel entspringen sehen, dem wir dann auch in der xlasse der Reptilien bei Tropidonotus natrix in ziemlich gleicher Form begegneten. Bei einem anderen Öphidier, bei Coluber vivax, ergab sich als einziger Unterschied die Ausbildung einer Art trichterförmiger Grenzmembran als äusserer Abschluss dieser Fasergruppe, welch letztere wir als Tractus centralis corporis vitrei bezeichneten. Eine neue Bildung — bei den Amphibien noch fehlend — erscheint bei Tropidonotus. Es ist dies ein sich unmittelbar diesem Tractus anschliessendes, aber doch selbständiges, ebenfalls in der axialen Gegend des Glaskörpers gelagertes Faserbündel, das sich von dem Traetus centralis einerseits durch seinen Ursprung unterscheidet, indem es nicht unmittelbar vom Sehnervenkopf, sondern unabhängig davon von einem Ast der Art. centralis retinae entspringt, andererseits aber dadurch, dass es die Eigenart zeigt, dass es zwischen seinen kräftigen Fasern ein ausserordentlich lockeres und zartes Fibrillennetz in sich schliesst, wodurch dieses Bündel trotz seines Gehaltes an peripherischen stärkeren Fasern innerhalb des Glaskörpers als hellere Strasse hervortritt. Wir haben hier die ersten Spuren eines „Uanalis“ oder „Tractus hyaloideus“ vor uns, der uns dann bei Coluber vivax in etwas deutlicherer Form entgegentritt. Bei Testudo fällt die eine von den beiden beschriebenen Bildungen, nämlich der Tractus centralis, weg, dafür sehen wir einen wohlentwickelten Tractus hyaloideus, dessen Beziehungen zu dem Gefässast jedoch nicht mehr erkennbar sind, da der betreffende Ast mit den übrigen Glaskörpergefässen zusammen vollkommen geschwunden ist. Der Tractus hyaloideus hat infolge- dessen einen neuen Ansatz gefunden, und zwar an der Sehnerven- papille; es hat sich damit das Verhalten eingeleitet, das wir auch os O1 OU Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien bei den Säugetieren finden. Auch bei Coluber caspius sehen wir schon etwas ähnliches, mit dem Unterschied nur, dass der neue Ansatz infolge der Gegenwart eines „Zapfens“ an diesem erfolgt, und zwar an einer Stelle, die sich von dessen Spitze nicht weit entfernt befindet. Bei Lacertiden bleibt es dem subjektiven Ermessen über- lassen, ob man das auffallend lockere dreieckige Gebiet zwischen der Spitze des Zapfens und der hinteren Linsenfläche als ein Homologon des Tractus hyaloideus auffassen soll. Dafür spricht, dass bei Vögeln der Tractus hyaloideus ebenso von der der Linse am nächsten gelegenen Randpartie des Pecten entspringt. Der Ursprung des Tractus centralis erfährt durch das Auf- treten eines Zapfens naturgemäss eine Verlagerung auf diesen letzteren, und zwar nicht auf dessen Spitze, sondern auf dessen seitlichen Umfang von der Spitze bis zu seiner Basis. Mit diesem Ursprung dürfte auch das abweichende Aussehen des Traetus centralis bei den mit starkem Zapfen versehenen Tieren, wie Lacerta, zusammenhängen. Das eigenartige trichterförmige innere Glaskörpergebiet bei Lacerta ist meiner Ansicht nach nichts anderes als ein stark entwickelter Tractus centralis, gegen die übrigen Teile des Glaskörpers. ebenso wie bei Coluber vivax, durch eine besondere Grenzmembran geschieden. Schon in der Einleitung habe ich es versucht, über die Bedeutung der im Glaskörper nachweisbaren konstanten Strukturen eine Ansicht auszusprechen. Ich habe in erster Linie in statischen Aufgaben die Bestimmung derselben erblickt. Daneben kommt aber noch ein zweites Moment in Betracht, das besonders für die Erklärung der membranartigen Differenzierungen innerhalb des Glaskörpers herangezogen werden darf. Es ist dies die Annahme, dass diese Differenzierungen für den Säftestrom im Glaskörper von Bedeutung sind, indem sie gewisse Bahnen für diesen Strom abgrenzen und ihnen so den Weg weisen. Ich muss mich darauf beschränken, auf diesen Gesichtspunkt im allgemeinen hingewiesen zu haben, da ich nicht in der Lage bin, genaueres hierüber anzugeben. | | Was schliesslich die innerhalb des Glaskörpers befindlichen zellulären Elemente betrifft, so kann ich hierüber keine aus- 356 Albert Szent-Györgyi: führlicheren Mitteilungen machen, da die Methoden, deren ich mich bedient habe (Silbermethode, Überfärbung mit molybdän- saurem Hämatoxylin), zur Darstellung der Zellen nicht geeignet sind. Immerhin kann ich angeben, dass ich diese Elemente am zahlreichsten im Glaskörper der Öphidier gefunden habe, und zwar in der Umgebung der verschiedenen Glaskörpergefässe. Nach ihrem ganzen Aussehen scheinen sie mir Wanderzellen zu sein, doch fehlen mir die feineren histologischen Beweise zur Sicher- stellung dieser Annahme. Zusammenfassung. 1. Das fibrilläre Gerüstwerk des Glaskörpers weist bei allen untersuchten Amphibien und Reptilien (und wahrscheinlich bei allen Wirbeltieren) einen besonderen, für jede Spezies charak- teristischen Bau auf, der bei demselben Tier in allen Fällen bis in die kleinsten Details regelmässig wiederkehrt. 2. Zonula und Glaskörper sind bei Amphibien und Reptilien nicht so scharf voneinander geschieden wie bei höheren Wirbel- tieren. Immerhin ist bei den meisten Formen als Grenze zwischen beiden eine vordere Verdichtungsschicht des Glaskörpers, aus stärkeren Fibrillen und verdichteter Interfibrillärsubstanz be- stehend, nachzuweisen, die allerdings bei einzelnen Tieren, wie z. B. bei Lacerta, nur in Spuren vorhanden ist. An der temporalen Seite ist sie stärker entwickelt als nasal, wo sie manchmal (Lacerta) ganz fehlt. Auch ist hervorzuheben, dass diese Membran bei einzelnen Tieren nicht unmittelbar Glaskörper und Zonula von- einander trennt, sondern schon im Bereich des Glaskörpers liegt, d.h. an beiden Seiten von Glaskörperfibrillen umgeben ist. 3. Die Zonula besteht bei allen untersuchten Amphibien und bei Cheloniern aus zwei Bestandteilen: den eigentlichen Zonula- fasern und einem zarten interstitiellen Fibrillennetz. Die Zonula- fasern selbst können miteinander in geflechtartiger Verbindung stehen. Das feine Zwischennetz zeigt von Tier zu Tier eine ver- schieden starke Entwicklung und steht mit den Zonulafasern in unmittelbarer Verbindung. Das grosse Interesse, das sich an die (regenwart dieses zarten Netzes knüpft, besteht darin, dass wir hier ein bei den höheren Wirbeltieren nur als vorübergehendes embryonales Stadium (zonulärer Glaskörper) vorhandenes Bild dauernd festgehalten sehen. Einer ähnlichen Beurteilung unter- Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 3% liegt bei den Reptilienformen, wo kein solches interstitielles Netz vorhanden ist (Saurier, Ophidier), der verästelte und vermöge vielfacher anastomotischer Verbindungen netzartige Charakter der Zonula, der bei Cheloniern neben dem Vorhandensein des inter- stitiellen Grundnetzes ausgeprägt ist. 4. Der Glaskörper zeigt überall den bekannten fibrillären Bau mit anastomotischer Verbindung der Fibrillen. Überall ist eine bestimmte Struktur nachzuweisen, indem gewisse konstante Faserrichtungen hervortreten, als Ergebnis einer sekundären Differenzierung, Verdichtung, bestimmten Gruppierung etc. der Fasern. Die Fibrillen des Glaskörpers zeigen die Tendenz, sich sekundär an allen Gebilden, die sich im Glaskörper befinden und die ihn von aussen umgeben, zu inserieren. 5. Mit Ausnahme von Rana ergab sich bei allen unter- suchten Tieren ein ziemlich ausgesprochener Unterschied in der Gruppierung der Fasern in der temporalen und nasalen Hälfte des Auges. Es dürfte diese strukturelle Asymmetrie mit der exzentrischen, und zwar bei allen Amphibien und Reptilien temporal- wärts verschobenen Eintrittsweise des Sehnerven in das Auge zusammenhängen. 6. Bei Salamandra treten zwei besonders differenzierte Faser- gruppen in die Erscheinung: der vom Sehnervenkopf nach vorn in den Glaskörper ausstrahlende Tractus centralis und das von der Gegend der Ora terminalis (= serrata) nach einwärts und hinten ziehende, aus ziemlich groben Fasern bestehende Retziussche Fasersystem, das aber nur an der temporalen Seite vorhanden ist. Im übrigen wird der Glaskörper von einem fein gesponnenen Fibrillennetz gebildet, das auf der nasalen Seite eine ziemlich ausgesprochene konzentrische Anordnung erkennen lässt, während temporal diese Anordnung weniger deutlich ist. 7. bei Rana ist der Tractus centralis ebenfalls eine auf- fallende Erscheinung. Noch stärker entwickelt stellt sich aber das Retziussche Fasersystem dar, das nunmehr nicht nur temporal, wie bei Salamandra, sondern auf allen Seiten gleich- mässig entwickelt vorhanden ist. Sehr charakteristisch ist eine auffallend locker gewebte helle Glaskörperzone, die den Tractus centralis ringförmig umgibt. Im übrigen ist das Fibrillennetz des Glaskörpers lockerer und in seiner Anordnung regelloser als bei Salamandra. 358 Albert Szent-Györgyi: 8. Bei Tropidonotus ist wieder der Tractus centralis die auffallendste Differenzierung innerhalb des Glaskörpers. Jedoch erscheint hier auch ein anderes, neues (Gebilde, das trotz seines engen Anschlusses an den genannten Tractus eine morphologisch ganz neue, von diesem unabhängige Bildung darstellt. Es ist dies das als Tractus hyaloideus zu bezeichnende trichter- förmige Faserbündel, das von dem temporalen Ast der Zentral- arterie entspringend in dichtem Anschluss an den Tractus centralis zur hinteren Linsenfläche zieht. Wir erkennen darin die erste Spur des schon bei Cheloniern zur vollen Entwicklung gelangenden und dann bei Vögeln und Säugetieren festgehaltenen Canalıs hyaloideus. Der übrige Teil des Glaskörpers weist ausserdem noch verschiedene andere typische Fasersysteme auf, von denen besonders ein radiäres, nur auf der nasalen Seite gut entwickeltes System neu ist. Die Fibrillen des Glaskörpers sind im allgemeinen seröber als bei den Amphibien. Das Retziussche Fasersystem fehlt vollkommen. 9. Bei Coluber caspius ragt von der Oberfläche des Seh- nervenkopfes ein kleiner Zapfen hervor. Der Tractus centralis nimmt von diesem Gebilde seinen Ursprung, ebenso wie auch der Tractus hyaloideus. Im übrigen stimmen die Verhältnisse mit denen bei Tropidonotus überein. 10. Bei Lacerta finden wir ganz besondere Verhältnisse. Hier erscheint der Traetus centralis, der von den Seitenflächen des mächtig entwickelten Zapfens entspringt, durch eine trichter- förmige Membran vom umgebenden Glaskörper getrennt. Der Zapfen reicht nicht ganz bis zur Linse ; der Zwischenraum zwischen beiden wird durch eine dreieckige lockere Partie in Anspruch genommen, die vielleicht dem Tractus hyaloideus entspricht. Der ausserhalb des umfangreichen Trichters gelegene Glaskörper- abschnitt ist dem des Tropidonotus sehr ähnlich, nur fehlen hier die radiären Fasern und ist auffallenderweise rings um den Tractus centralis eine ähnliche lockere Partie vorhanden, wie beim Frosche. | 11. Der Glaskörper von Testudo zeigt die meiste An- näherung an das Säugerauge. Ein Zapfen fehlt, ‚die Glaskörper- gefässe sind vollkommen geschwunden. Ein TYractus centralis, diese bei den anderen Reptilien und den Amphibien so auffallende Bildung wird hier vollkommen vermisst, dafür zeigt sich der Der Glaskörper der Amphibien und Reptilien. 359 Traetus hyaloideus in voller Entwicklung, und zwar unter dem Bilde eines vom Sehnervenkopf nach vorn ziehenden, nur ein ganz lockeres Fibrillenwerk in sich schliessenden, nach aussen durch eine Membran ziemlich scharf abgegrenzten Ganges. Die auffallende Armut dieses Ganges an fibrillärem Inhalt recht- fertigt die Bezeichnung „Uanalis hyaloideus“, obwohl es sich natürlich nicht um einen völlig leeren, mit einem Lumen ver- sehenen Gang handelt. Der Kanal entspringt am Sehnervenkopf, endigt aber nicht an der Linse, sondern temporal davor im /wischenraum zwischen Linse und GOiliarkörper an der vorderen Verdichtungsmembran des Glaskörpers. In dem ausserhalb des Kanales befindlichen Glaskörper herrscht die konzentrische An- ordnung vor, besonders auf der temporalen Seite, wo der Glas- körper ein System konzentrischer, zum grossen Teile von der Gegend der Ora terminalis entspringender fibrillärer und lamellen- artiger Differenzierungen aufweist; weniger ausgesprochen und nicht so regelmässig ist dieses System auf der nasalen Seite. Die Differenzierung lamellenartiger Verdichtungen im Glaskörper stellt eine höhere, bei den Säugetieren ebenfalls ausgesprochene Erscheinung dar. Sie lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer funktionellen Differenzierung auf dem Grebiet der Säfte- zirkulation innerhalb des Glaskörpers in Zusammenhang bringen. 12. Die typische Anordnung der Glaskörperfibrillen bei den einzelnen Tieren lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auf statische Momente zurückführen, d. h. die stärkeren Fasersysteme stellen Trajektorien dar, in Beziehung stehend zu dem Innen- druck des Auges und zu den auf das Auge von aussen ein- wirkenden Kräften. 360 Albert Szent-Györgyi: Der Glaskörper der Amphibien etc. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV—XVII. Sämtliche Zeichnungen sind mit Benützung des Zeichenapparates her- gestellt. Die Vergrösserung ist etwas verschieden, daher die verschieden grossen Augen ungefähr die gleichen Maße aufweisen. Die Seite, nach der die Eintrittsstelle des Sehnerven verschoben ist, ist stets die temporale. Sämtliche Zeichnungen stellen Horizontalschnitte des Auges dar, mit schwacher Vergrösserung betrachtet, die Einzelheiten des Glaskörpers aber teilweise mit starker Vergrösserung hineingezeichnet. Taf. XIV. Salamandra maculosa. Taf. XV. Rana esculenta. Taf. XVI. Tropidonotus natrix. Taf. XVII. Lacerta viridis. Taf. XVIII. Testudo graeca. 361 Über die chemischen Bestandteile der Nisslkörner Von M. Mühlmann Prosektor am Krankenhause zu Baku-Balachany. Die Bedeutung, welche ein morphologischer Bestandteil, der den Nervenzelleib ausfüllt, die Lücken zwischen den Neurofibrillen einnimmt, haben muss, rechtfertigt die Mühe, welche sich viele Forscher geben, um die Natur desselben zu eruieren. Diese Mühe scheint nicht erfolglos zu sein, da im Ergebnis der meisten dies- bezüglichen Untersuchungen schliesslich eine Übereinstimmung sich bemerkbar macht. In den in diesem Archiv, Bd. 77 und 79, erschienenen Veröffentlichungen berichtete ich über die von mir ausgeführten einigermassen systematischen farbenanalytischen und chemischen Reaktionen an der Nervenzelle, welche zu dem Schlusse führten, dass alle Reaktionen der Nisslkörner auf einen Nuklein- gehalt derselben hinweisen, dem ein Globulinkörper angeschlossen ist. In bezug auf den Nukleingehalt der NissIschlossen schliessen sich meine Untersuchungen dem Ergebnis der Untersuchungen anderer Autoren an (l. e.). Das Ergebnis der Versuche van Herwerdens (Berl. Klin. Woch. 1913, Nr. 39) über die Wirkung der Nuklease auf die Nervenzelle bestätigt unsere Annahme. Den grossen Unterschied im Verhalten zu Kernfarbstoffen (Hämatoxylin, Safranin, Methylgrün), welchen die Tigroidsubstanz trotz ibrem Nukleingehalt gegenüber den Kernsubstanzen auf- weist, die ja vorwiegend den Sitz von Nuklein darstellen, suchte ich durch die Tatsache zu erklären, dass das Nuklein der Nisslschollen vom Nuklein der Kerne in chemischer Beziehung verschieden ist, indem es ein anderes Verhalten zu schwacher Sodalösung zeigt. Das erstere ist nämlich in Soda löslich, das zweite nicht, weshalb ich das Tigroidnuklein kurz als lösliches, das Kernnuklein als unlösliches Nuklein bezeichnete. Der Nachweis dieser Tat- sache kann nur an unfixierten oder an in Alkohol gehärteten Präparaten geschehen. An in anderen Fixierungsmitteln, in Formalin, Chromsäure, Osmiumsäure, Sublimat fixierten Präparaten zeigt die Sodalösung im Verhalten zu den Nisslschollen keinen Unterschied von der Wirkung auf das Kernnuklein — beide lassen 362 M. Mühlmann: sich danach mit ihren spezifischen Farbstoffen nachweisen. Bei der Einwirkung der Sodalösung auf Rückenmarkstücke oder Spinal- ganglien dringt dieselbe nicht tief ins Präparat ein: die peri- pherischen Schnitte lassen dann die Reaktion erkennen, die inneren nicht. Am deutlichsten bekommt man die Sodareaktion an Spiritus- präparaten. Trotz der Übereinstimmung, welche in bezug auf den Nukleingehalt der Nisslschollen unter den meisten Autoren herrscht, welche sich damit beschäftigten, müssen auch andere Ansichten Beachtung finden, besonders wenn sie bekannten Forschern angehören. Unna fasst in seiner Biochemie der Haut seine Studien über die Chemie der Zelle zusammen und widmet ein Kapitel den Nisslkörnern, welche gleich den Körnern der Stachel- und Plasmazellen aus Albumose bestehen sollen. Um dieser Meinung entgegenzutreten, wäre genügend auf alle jene chemischen Reaktionen hinzuweisen, welche die Nukleinnatur der Nisslkörner dartun. Ich will aber für jetzt meine Unter- suchungen, sowie diejenigen anderer Forscher, welche meine Ansichten bestätigen, bei Seite lassen und das Ergebnis der Prüfung jener Reaktionen mitteilen, welche Unna zur Ansicht führten, dass die Nisslkörner aus Albumose bestehen. Ich stellte diese Reaktionen an möglichst unversehrten Zellen an, also an nicht fixierten, und an in Alkohol und in Formalin fixierten und ohne weitere Bearbeitung aus dem Rückenmark mit dem Gefrier- mikrotom verfertigten Schnitten. Zum Teil fallen die Reaktionen allerdings mit jenen zu- sammen, welche die Nukleinnatur der Nissikörner befürworten, zum Teil aber nicht. Unna weist darauf hin, dass die Zellalbumose in kaltem Wasser wenig, in.heissem leicht löslich ist. Ich liess sowohl kaltes als heisses Wasser auf Ochsenrückenmarkschnitte stunden- lang (bis 24 Stunden) einwirken und konnte darauf die Nissl- körner sowohl mit Methylenblau als mit Methylgrünpyronin dar- stellen. Dies spricht gegen die Albumosenatur der Substanz. Die Angaben Unnas bezüglich der Löslichkeit des Granulo- plasmas in schwach prozentuierten Neutralsalzlösungen habe ich durch Prüfung mit 3—10Oproz. Kochsalz- und Glaubersalzlösungen zu bestätigen gesucht. In der ersten sind die Nisslkörner wirklich auflösbar, wenigstens gelingt es nicht nach Einwirkung dieser Über die chemischen Bestandteile der Nisslkörner. 365 Lösungen die Tigroidschollen zu färben. Dasselbe ist nicht von der Wirkung der Glaubersalzlösung zu sagen. Die Wirkung der Kochsalzlösungen kann wohl kaum als Differenzierungsmittel für verschiedene Eiweisskörper dienen, da viele davon, sowohl Albumine wie Globuline, sich dadurch aussalzen lassen; ein Körper kann in der Neutralsalzlösung unlöslich sein und doch lässt er sich nach deren Einwirkung im mikroskopischen Präparate nicht nachweisen, wenn er ausgesalzen wird. Wegen der Unbestimmtheit der Wirkung der Kochsalzlösungen auf mikroskopische Präparate verwirft eben Zimmermann dieselben als Reagentia für die chemische Difteren- zierung verschiedener Zellbestandteile, wie dies Schwarz getan hat. Es ist nicht schwer, sich davon zu überzeugen, dass die Nisslkörner in schwacher Essigsäure unlöslich sind, aber wie Unna dazu kam, die Unlöslichkeit derselben in 100 proz. Essigsäure zu konstatieren, ist mir unbegreiflich, da nach Einwirkung der kon- zentrierten Essigsäure der Hirnschnitt momentan zugrunde geht. Nur Schnitte der in Formalin fixierten Präparate lassen nach der Essigsäureeinwirkung die Nissischollen färben. Aber die Fixierung ändert wohl den ursprünglichen Bestand der Eiweißsubstanz, da auch andere Reaktionen an fixierten Präparaten anders ausfallen als an nicht fixierten. Wir sahen dies bei der Sodaeinwirkung, auch nach der Einwirkung von Kochsalzlösung auf ein Formalin- präparat bleiben die Nisslschollen an Ort und Stelle intakt, wo- gegen sie in nicht fixierten verschwinden. Das Granuloplasma soll in Salpetersäure über 1°/o und in >proz. Kupfersulfat- und -acetatlösungen löslich sein. Nach stunden- langer Einwirkung von 5proz. Salpetersäure, ebenso wie von den genannten Kupfersalzlösungen konnte ich die Nisslkörner deutlich darstellen; die Schnitte müssen nach der Wirkung dieser Reagentia tüchtig gewaschen werden, damit die nachfolgende Färbung gelinge. Wenn also die Nisslsubstanz zufällig einige Albumose- reaktionen gibt, darf sie noch keine Albumose sein. Ganz besonders ist mit Unnas Standpunkt der in den Nisselschollen konstatierbare Gehalt von Phosphor und Eisen und die Unver- daulichkeit derselben im Magensaft, welche ihre nukleinige Natur bestätigen, unvereinbar.') !) Auf die Einwendungen, welche von Unna und Gans in der Berliner Klinischen Wochenschrift inzwischen gemacht wurden, antworte ich gleich- zeitig in jener Zeitschrift. 365 Aus der Anatomischen Anstalt zu Tübingen. Über die Sinnesfelder und die Geschmacksknospen der Papilla foliata des Kaninchens. Beiträge zur Teilkörpertheorie IIl.') Von Martin Heidenhain, Tübingen. Hierzu Tafel XIX—XXV und 16 Textfiguren. Inhalt: SEZ I. Theoretische Einleitung . . . ER ICh a) Historisches und Shellang es Problems SAH: s . 366 b) Die Teilkörpertheorie auf dem Gebiete der Zellen. Tin Plasmalehre . . . . a DW ET c) Atomistik und Protemsrentheene alte 378 d) Aufstellung der allgemeinen Formel der MSIE meriheene 380 e) Anwendung der Theorie auf die plasmatischen Derivate dersezellenes meer: 382 f) Anwendung der Haie auf Zelöskmniexe ul keit: Kombinationen höherer Ordnung . . 2... 2... 888 II. Technik, Abbildungen und Literatur...» 2:2... 392 IH. Allgemeiner Teil der Untersuchung . . . et 1. Morphologie der Papilla foliata und dr ee oelsenn: . 890 2. Allgemeine Form und Konstruktion der Sinnesfelder . . . . 401 a' Die äussere Gestalt der Sinnesfelder. . . . -» 401 b) Das indifferente Zwischenepithel und die Art der ee der Knospen in das Sinnesfelld . ... ee. 402 3. Allgemeine Morphologie der Knospen . . . ... 405 a) Morphologie der Geschmacksgrübchen ha den led 405 b) Der zelluläre Aufbau der Knospen . .. 0. 408 c) Die Basalzellen .. . . ala Sr 0) d) Die morphologische Individualität der Fa N Lil) IV. Spezieller Teil der Untersuchung . . - : «2 2 u u 8 2 were 414 = Einführung . . - E en as Ale . Die Topographie ae gen im 1" Sinhestelde at . 416 a) Allgemeines über die Einteilung der Sinnesfelder in quer- liegende „Stäbe“ und über das Vorkommen mehrporiger Kenospenia a a en 2) N ale 416 ') Mit Unterstützung der Königl. Württembergischen Staatsregierung sowie der Königl Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Archiv f, mikr. Auat. Bd.85. Abt.I. 35 366 Martin Heidenhain: Seite b); Die Gliederung..der Stäbe’ 292 EEE c) Die Fächerstellung der Knospen. . . . „ie „425 d) Die gesetzmässigen Variationen der Knaben alt inner- halb der Stäbe . . -. i : 430 e) Einiges über die ee en Shrecken der Sinnesfelder 7... 2. A 3. Spezielle Morphologie der een n AN 53: 4. Feststellungen, welche sich auf den Teilungsakt eh „443 a) Peilungstormen. der Knospen „0,0. ec ee, b) Die relative Grösse der Knospen im Verhältnis zum Teilungsakte .n...T. » ee V. Übersicht über die wesentlichen Breehse ee, 58! VI. Theoretische Folgerungen . . ... N... &lölc a) Die biogenetische Natur der einfachen Knospen . . . . 458 b) Der Teilungsvorgang . . . ; eo, SU) c) Biogenetische Natur der en en BETH; . 461 d) Systemvergleichung bei Zotten und Geschmacksknospen . 463 e) Die homologen Reihen. Fortsetzung der Systemvergleichung 465 VI, Schlusswort Sun Bin at nee De ae eh Sa I. Theoretische Einleitung. a) Historisches und Stellung des Problems. In der nachfolgenden Arbeit habe ich es unternommen, die (reschmacksknospen in der Papilla foliata des Kaninchens unter dem Gesichtspunkte der Teilkörpertheorie von neuem zu unter- suchen. Es hat sich dabei gezeigt, dass bisher nur ein kleiner Teil der Daten bekannt war, welche die spezielle Morphologie der Knospen selbst und ihre Anordnung in den Sinnesfeldern betreffen. Als ich an das Studium des allbekannten Objektes heran- ging, welches seit annähernd 50 Jahren bis in die neueste Zeit hinein (H. von Wyss, 1869, 1870; Retzius, 1912) immer wieder bearbeitet worden ist, hatte ich keineswegs erwartet, dass eine abermalige Beschäftigung mit dem Gegenstande sofort eine Fülle von neuem Beobachtungsmaterial ergeben würde. Diese Erfolge verdanke ich einerseits einer konsequenten Technik, andererseits den neuen Gesichtspunkten, welche in Anwendung gebracht wurden, und ich glaube, der Leser wird sich an der Hand der vorliegenden Arbeit davon überzeugen, dass die Teil- körpertheorie, besser: synthetische Theorie des tierischen Körpers, bei der Auffindung neuer Daten als „Arbeitshypothese“, Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 367 wie man zu sagen pflegt, vorzügliches leistet. Dies hatte sich eigentlich schon bei Gelegenheit meiner Arbeit über die Dünn- darmzotten (1911) gezeigt, tritt aber hier noch deutlicher hervor. Wenn später meine seit Jahren in Gang begriffenen Arbeiten über die Darmdrüsen und Zungenpapillen fertig vorliegen werden, wird für jedermann klar erkenntlich sein, dass es mir nach langen zielbewussten Bemühungen gelungen ist, in ein vollkommen neues Arbeitsfeld einzudringen, welches uns gestattet, das Werk Schwanns und Remaks, die theoretische Begründung der Anatomie, in gerader Linie fortzusetzen. Leider ist heutzutage das Interesse für die theoretischen Fragen der Morphologie sehr gering; wer sich damit nicht befassen will, der überschlage die beiden theoretischen Abschnitte meiner Arbeit, die Einleitung und das Schlusskapitel, und begnüge sich mit der Lektüre der histologischen Schilderungen im Hauptteile. Zweimal an verschiedenen Stellen habe ich eine Übersicht über die Teilkörpertheorie gegeben (Plasma und Zelle I, S. 82 ff., Anat. Anz., Bd. 40, S. 102ff.) und auch auf dem Anatomen- kongresse zu München 1912 in öffentlicher Rede den ganzen Umfang der Theorie entwickelt.!) Trotz dessen musste ich mich entschliessen, an dieser Stelle meine Anschauungen noch einmal übersichtlich zu entwickeln, da dieselben eine genügende Publizität noch nicht besitzen. Dabei kommt es mir darauf an, die Frage- stellung und ihren ' Gültigkeitsbereich in möglichst deutlicher Weise festzulegen. Die Teilkörpertheorie und ihr Komplement, die Theorie der morphologischen Reihen, will eine allgemeine Theorie der Organi- sation sein. Sie beschäftigt sich demgemäss mit dem Bauplan der tierischen Geschöpfe und sucht die Grundgesetze der Organi- sation festzustellen, welche nach unserer Auffassung in allen Teilen des Körpers, in den gröberen und feineren Gliederungen desselben, immer wieder von neuem zum Ausdruck kommen müssen. Seit dem Zellenwerk Schwanns (1539) und seit Haeckels „Genereller Morphologie“ (1566) ist nur noch einmal etwas Ähnliches unternommen worden, nämlich in dem Buche von Wiesner über „Die Elementarstruktur und das Wachstum der lebenden Substanz“ (1892). Was dieses Werk an bleibenden ') Das von mir in München erstattete Referat ist aus äusseren Gründen bisher noch nicht zum Druck gekommen. Hr ae 368 Martin Heidenhain: Werten enthielt, das habe ich, zunächst ohne Kenntnis der Wiesnerschen Vorarbeiten, in den Jahren 1599—1901 aus der Struktur der Zelle und besonders der Muskelfaser von neuem abgeleitet und späterhin zu einer allgemeinen Theorie der Organisation erweitert, welche in meinem Werke über „Plasma und Zelle“ als Grundlage der Darstellung verwertet wurde. Das Bemerkenswerte an der wissenschaftlichen Situation auf dem Felde der theoretischen Anatomie ist der vollkommene Mangel an durchgreifenden, allgemein verwertbaren Gesichts- punkten. Denn die Schriften Schwanns, Haeckels, Wiesners, deren wir soeben gedachten, haben nur einige Fragmente einer künftigen allgemeinen Theorie der Organisation geliefert. Schwann übertrug die Zellentheorie der Gewebe von den Pflanzen auf das Tierreich und kam der Theorie vom Zellenstaate nahe, welche wenig mehr als ein blosses Symbol für die Verfassung des tierischen Körpers ist, auch, weil im Grunde genommen auf dem Prinzip der physiologischen Werktätigkeit basierend, nicht direkt auf morphologische Verhältnisse anwendbar erscheint. Wiesner, auf den wir später noch Bezug nelımen werden, hatte die Organisation der Zelle und der Plasmastruktur zum ersten Male richtig be- griffen und hat somit einen sehr wertvollen Beitrag zur Erkenntnis des Bauplanes lebendiger Wesen geliefert; aber der Autor scheiterte meiner Auffassung nach in dem Momente, als er das von ihm besprochene Prinzip der Teilkörpertheorie von der Zelle auf die Gewebemassen der pflanzlichen Organe zu übertragen versuchte. Es gelang diesem Gelehrten also nicht, die Grundbegriffe der Organisation, welche er von dem Zelleninhalte abgeleitet hatte, auf die gröberen Gliederungen des Pflanzenkörpers in Anwendung zu bringen. Eben auf diesem Gebiete, zwischen der Zelle einerseits und dem Körperganzen andererseits, hat Haeckel von vergleichend-anatomischer Grundlage ausgehend ungemein wichtige Vorarbeiten zu einer allgemeinen Theorie der Organisation geliefert, indem er die in dem gedachten Bereiche tatsächlich bestehenden gesetzmässigen Gliederungen durch Unter- scheidung einer aufsteigenden Reihe morphologischer Individualitäten zu erfassen suchte. Es ist für mich unbedingt notwendig, bei letzterem Gegenstande zu verweilen, weil ich in der vorliegenden Arbeit abermals den Versuch mache, die in Frage stehenden gröberen Gliederungen des Körpers unter Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 369 denjenigen allgemeinen Gesichtspunkten der Organisation, welche sich aus der Zellen- und Plasmalehre ergeben haben, zu be- trachten, wobei sich herausstellen muss, ob diese Bestrebungen mit dem andersartigen Vorgange Haeckels in irgendeiner Weise zusammentreften. Wir unsererseits setzen voraus, dass eine richtig abgeleitete Theorie der Organisation in ihren obersten Gesichtspunkten gleicherweise auf den Zellinhalt wie auf Zellen- bezw. Gewebekomplexe anwendbar sein muss. Die von Haeckel aufgestellte Reihe der morphologischen Individualitäten, Zellen, Organe, Antimeren, Metameren, Personen und Stöcke, enthält, wie man sieht, gewisse morpho- logische Formstücke in aufsteigender Grössenordnung und von wachsender Komplikation der Zusammensetzung; ebenso ist er- kenntlich, wie der Autor den Bauplan des tierischen Körpers in besonderer Abhängigkeit von der Onto- und Phylogenese dachte und dass seine Reihe einer in idealer Weise vorgestellten Ent- wicklungsfolge entspricht. Selbstverständlich liegt mir ferne, die Berechtigung der Haeckelschen Aufstellungen nach so langen Jahren im einzelnen zu prüfen, vielmehr kann es nur darauf ankommen, festzustellen, was der Autor theoretisch beabsichtigte. Offenbar nun gingen die Intentionen Haeckels dahin, in jener Reihe zum Ausdruck zu bringen, dass der fertige Körper ein vielfach in sich zusammengesetztes Gebilde ist und viele bestimmt begrenzbare Formwerte verschiedener Grössenordnung enthält, welche zueinander in besonderen Verhältnissen der Neben-, Über- und Unterordnung stehen, und dass diese alle als morpho- logische „Individualitäten“ verschiedener Ordnung angesehen werden müssen, welche vermutungsweise, wie die Reihe andeutet, in einer bestimmten Beziehung zur aufsteigenden Linie der Stammesgeschichte stehen. Dabei war Haeckel der Ansicht, dass je die nächst höhere Individualitätsstufe aus der niederen durch einen Akt der Zusammenschaarung oder Gemeindebildung entsteht, welcher in einigen Fällen, z. B. beim Übergang von der Zelle zu den Organen, von den Personen zu den Stöcken, deutlich als Kolonisation, d.i. Fortpflanzung der Indi- viduen der niederen Ordnung durch Teilung oder Knospung nebst systematischer Vereinigung der Nach- kommen in einem Verbande oberer Ordnung, kenntlich wird. Letzteres zu erwähnen, war notwendig, weil die Teilkörper- 370 Martin Heidenhain: theorie von dieser Vorstellung ebenfalls Gebrauch macht und demzufolge mit der Haeckelschen Theorie in einem wichtigen Punkte sich berührt. Haeckel suchte also den Bauplan aus den Verhältnissen der Entwicklung heraus zu begreifen und dies ist m. E. auch der richtige Weg. Die praktische Zergliederungskunst der systematischen und ebenso der mikroskopischen Anatomie führt uns in einer Richtung abseits von dem Wege der theoretischen Erkenntnis des Wesens der Organisation; denn wir verfahren auf dem Boden dieser Disziplinen lediglich analytisch und zerfällen auf diese Weise den Körper in eine Summe von Organ- systemen, Organen, Geweben und von „elementaren“ Form- bestandteilen. Die Gesichtspunkte der Untersuchung sind in diesem Falle teils solche der Technik, teils solche der Funktion. So wird das entwicklungsphysiologisch Zusammengehörige aus- einander gerissen und es können dabei die wichtigsten zum Bauplan des Körpers gehörigen Gliederungen völlig in den Hinter- grund treten. So wird beispielsweise die Metamerenbildung des kumpfes in den meisten anatomischen Lehrbüchern nur nebenher erwähnt, anstatt ausführlich behandelt zu werden. Demgegenüber ist es notwendig, ausdrücklich hervorzuheben, dass der Prozess der Entwicklung, durch welchen die erblich gegebene Anlage des Bauplanes realisiert wird, in keiner Hinsicht analytisch ver- läuft wie unser Verfahren der systematischen Zergliederung; vielmehr handelt es sich um einen aufbauenden, schöpferischen, um einen synthetisch wirkenden Akt. Denn während der Entwicklung werden zwar eine Unmasse von einzelnen Formbestandteilen des Körpers fortwährend neu erzeugt, sie werden jedoch gleichzeitig fortwährend zu höheren Verbänden synthetisch assoziiert, welche übrigens, um es gleich zu erwähnen, nicht notwendig mit den Organen der physiologischen Werktätigkeit identisch zu sein brauchen (z. B. Metameren). Kehren wir zu der Haeckelschen Reihe zurück, so ist allgemein anerkannt, dass mit der Aufstellung der Antimeren und Metameren als besonderen Formstücken des tierischen Körpers ein wichtiger Fortschritt in der Erkenntnis des Bauplanes tierischer Geschöpfe erreicht wurde; diese Unterscheidungen sind jedenfalls für die vergleichende Anatomie und Embryologie von ausser- ordentlicher Bedeutung gewesen. Man könnte auch die besondere Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 371 Form, welche der Autor seiner Reihe gegeben hat, als ein glückliches Beispiel der theoretischen Spekulation auf diesem Felde im allgemeinen akzeptieren, jedoch befindet sich an einer Stelle derselben — selbst im Sinne Haeckels betrachtet — eine offenbare Lücke, nämlich an der Stelle der Organe. Denn der Organbegrift ist lediglich physiologischer, nicht morphologischer Natur und so gehören die Organe nicht hierher. An dieser Stelle der Reihe, zwischen den Zellen einerseits und den Antimeren, bezw. Metameren andererseits, befinden wir uns auf dem Felde der ewebelehre oder der mikroskopischen Anatomie und an dieser Stelle sind durchgreifende Regeln der Organisation, bezw. Gesetze der Formbildung bis jetzt nicht aufgefunden worden. Für dieses Manko scheint niemand die richtige Empfindung gehabt zu haben; nur Kölliker weist in seiner Gewebelehre (letzte Auflage, S. 1—3) ausdrücklich darauf hin, dass die „Histologie“ noch nicht zur Aufstellung auch nur eines einzigen wirklichen Gesetzes gekommen ist. In der Tat hat die mikroskopische Anatomie nur Einzelheiten kennen gelehrt und sie muss daher, wenn sie einen Knochen, einen Muskel, eine Drüse beschreibt, immer wieder von vorne anfangen, weil der Vergleich dieser Organe bis jetzt eigentlich nichts Übereinstimmendes ergeben hat, — natürlich mit Ausnahme der allgemeinen entwicklungs- geschichtlichen Beziehung auf die Zelle. Fassen wir dem Sinne nach zusammen, was wir über unser Problem bisher gesagt haben, so ist es das folgende. Die systematische Anatomie und die ihr angeschlossene mikroskopische Anatomie gehen bei ihren Untersuchungen lediglich analytisch, auflösend vor, also etwa wie der Chemiker durch Analyse die Elementarbestandteile irgend eines gegebenen Stoffes bestimmt. Daher auch ist die sogenannte „Histologie“ ihrem Ursprunge nach nichts anderes als die „Lehre von den elementaren Formbestandteilen“ (siehe z.B. die Einleitung in Leydigs Gewebe- lehre). Jedoch aus blosser Analyse kann eine theoretische Ana- tomie nicht hervorgehen. Es muss eine synthetische Arbeit nach- folgen, welche untersucht, in welcher Weise die bereits ermittelten Elementarbestandteile sich zu Systemen oberer Ordnung vereinigen; also etwa, um bei dem Vergleich mit der Chemie zu bleiben, wie 372 Martin Heidenhain: der Chemiker, wenn er die Elementarstoffe irgend eines chemischen Körpers ermittelt hat, auch die synthetische Formel desselben, seine bestimmte gesetzmässige Verfassung, zu bestimmen sucht. Von diesen besonderen genetischen Verfassungen, welche in den mannigfachen Gliederungen des Körpers enthalten sind, wusste man bisher so gut wie nichts. Man glaubte mit dem analytischen Teile der Untersuchung das Problem der Struktur, der Organi- sation, erledigt zu haben. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die Entwicklungsgeschichte ist ein synthetischer Akt und schafft Gliederungen von aufsteigender Grössenordnung mit besonderer synthetischer Formel, welche nunmehr zu ermitteln ist. Diese in Frage stehende Verfassung der körper- lichen Verbände oder morphologischen Formstücke ist meines Erachtens nicht schlechthin physiologischer Natur, wie dies die Theorie vom Zellenstaate annahm, sondern sie liegt auf der Seite der Entwicklungsphysiologie, d.h. alle wahren Formwerte sollten als genetische Systeme begriffen werden. Im Laufe der Zeit müssen wir dem gegenwärtigen Mangel einer theoretischen Ordnung des anatomischen Materials abzuhelfen suchen. Wir müssen eine einheitliche, eine genetische, eine syn- thetische Strukturtheorie fordern, welche die Organisation des Plasmas, der Zellen, der Gewebe, Organe und der Körperabschnitte gleicher Weise umfasst. Eine solche theoretische Vorstellung kann sich naturgemäss nur in einem sehr allgemeinen Rahmen halten, weil alle tatsächlichen Verhältnisse der Organisation allüberall spezifischer Natur sind und aus diesem Grunde an allen Orten voneinander differieren. Die wesentliche und nächste Aufgabe muss sein, allgemeine Gesichtspunkte namhaft zu machen, welche uns gestatten, alle Strukturteile und Komplexe, die uns den Ein- druck von bestimmten Formwerten niederer oder höherer Ordnung machen, unter gemeinschaftlichem Gesichtswinkel zu betrachten und die Gesetze ihrer Entstehung sowohl wie die ihrer Kombi- nation in Parallele zu bringen. Dies soll uns die Teilkörpertheorie leisten, deren Ergänzung die Theorie der Reihen ist. b) Die Teilkörpertheorie auf dem Gebiete der Zellen- und Plasmalehre. Die Teilkörpertheorie ist in ihrer ersten Begründung bei Wiesner und ebenso bei mir aus der Betrachtung der Ver- r. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 313 hältnisse der Organisation der plasmatischen Körper entsprungen. Durch den historischen Prozess der Zell- und Plasmaforschung seit den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist nämlich klargelegt worden, dass die vom Gröberen zum Feineren fort- schreitende Analyse des Zellinhaltes doch eigentlich immer wieder zu dem gleichen allgemeinen Resultate gekommen ist; denn es wurden zwar immer wieder neue und immer wieder kleinere Form- bestandteile der Zelle entdeckt, diese stellten sich aber in allen Fällen, sobald die Untersuchung auf diesen Punkt hin gerichtet wurde, als Körper heraus, welche durch spontane Selbst- teilung fortpflanzbar sind (Kern, Chromosomen, Uhromiolen, Centren, Centriolen, Fibrillen und Säulchen der Muskulatur, Neurofibrillen, Plasmafasern der Epidermiszellen, Stärkebildner, Chlorophylikörper und andere Farbstoffträger, Chondriosomen, Golgischer Apparat und dessen Untersysteme, die sogenannten „Dittosomi“ von Perroncito).!) Ist also die Zelle selbst als ein !) Die genaueren literarischen Nachweisungen über die teilbaren Unter- systeme der Zelle gedenke ich an anderem Orte in übersichtlicher Dar- stellung zu geben, da es an einer solchen Zusammenfassung bisher fehlt. Schon der historische Fortgang der Entdeckungen auf diesem Felde ist von grossem Interesse; so war zum Beispiel die Fortpflanzung der Chlorophylil- körper durch Teilung schon in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt. Über die Fibrillen und Säulchen der Muskulatur siehe meine neueste Arbeit, dieses Archiv, Bd. 83, 1913, S. 427 ff.; über die Neurofibrillen siehe „Plasma und Zelle“, Bd. II, S. 862, 866, 934, über die Plasmafasern der Epidermis ebendaselbst S. 962ff., über den Golgischen Apparat siehe die Arbeit von Perroncito (1910). Neue Untersuchungen wären nötig über die Elementarkörperchen des Chromatins und des Tigroids (Cytochromatins), welche aller Wahrscheinlichkeit nach mit den Centriolen zusammen in die gleiche Ordnung der Teilkörper gehören. Die Frage der Vermehrung der Drüsengranula ist leider noch nicht definitiv erledigt. Nunmehr leiten sie die meisten Autoren von den Ohondriosomen ab. Demgegenüber halte ich noch immer an meiner früheren Ansicht fest, dass die Granula von besonderen kleinsten teilbaren Anlagen abstammen. In dieser Beziehung möchte ich besonders hervorheben, dass Mislawsky auf unserem Institute versucht hat, die Pankreaszelle durch Anwendung des Pilokarpins vollständig zu evakuieren, was ihm indessen in keinem Falle gelungen ist: immer blieben allerkleinste Drüsengranula in der dem Lumen zugewandten Zone zurück (l.e. 8. 418), wo sie in sehr dichter Lagerung beisammen lagen. Von diesen könnte die Regeneration der Granula ihren Ausgang nehmen. — Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass man auf botanischem Gebiete eine Zeitlang die Vakuolen bezw. deren Häute als durch Teilung fortpflanzbare Gebilde angesehen hat (Tonoplasten, de Vries). 374 Martin Heidenhain: Teilkörper zu bezeichnen, so besteht sie doch wiederum aus einer Anzahl von Untersystemen, welche zum Teil in verschiedenen Ordnungen sich aufbauen und alle abermals als Teilkörper anzu- sehen sind — zuzüglich einer plasmatischen Grundmasse, welche optisch nicht mehr analysierbar ist. Soweit das Tatsächliche. Nun sind wir mit der Erforschung der Zell- und Plasmastruktur freilich noch lange nicht am Ende. Jedoch können wir theoretisch folgern, dass durch den, wie angedeutet, im allgemeinsten Endresultat immer wieder übereinstimmenden historischen Progress der Ent- deckungen das Prinzip der Organisation der plasmatischen Körper bereits zum Vorschein gebracht worden ist, und dass somit jene empirischen Teilkörper, welche bisher nicht weiter auflösbar waren, ebenso wie die Grundmasse der Zelle selbst, schliesslich ganz und gar aus unsicht- baren metamikroskopischen Teilkörpern kleinster Art, denProtomeren meiner Nomenklatur, bestehen müssen. Dieser Schluss wird zwingend durch die seinerzeit schon von Wiesner beigebrachte Überlegung, dass die praktisch immer wieder und wieder beobachtete spontane Teilbarkeit der geformten Zellbestandteile bei einer weiteren Verfolgung der Strukturen in der Richtung der abfallenden Grössenordnungen schliesslich ein ganz bestimmtes Ende haben muss. Dieses kann nur bei solchen Bauteilchen des Plasmas liegen, welche noch als lebend, als plasmatisch im engeren Sinne bezeichnet werden müssen, und welche demgemäss theoretisch als kleinste, elementare Form- werte zu gelten haben. Eine künstliche chemische oder physi- kalische Aufspaltung dieser Teilchen würde nur noch Bruchstücke des Plamas liefern. Damit kommen wir zu einer wahren Theorie der Elementarorganisation, welche ein dringendes Bedürfnis der allgemeinen Anatomie war, und welche auf diesem Felde dieselbe Rolle zu spielen berufen ist, wie die Molekular- und Atomentheorie auf dem Gebiete der Physik und Chemie. Ich halte mich also betreffs der Theorie der Zelle und des Plasmas keineswegs an die Einzelheiten der sinnenfälligen Struktur verschiedener Objekte, wie sie in den bekannten Theorien von Flemming, Bütschli und Altmann zur Verwendung kamen, sondern an die entwicklungsphysiologische Tatsache, dass die ge- formten Organellen der Zelle auf Selbstteilung regulierte Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 375 Systeme sind, welche, wenn sie weiterhin auflösbar waren, aber mals in teilungsfähige Untersysteme sich zerlegen liessen. Diesen stufenförmigen Aufbau der Zelle und ihrer Derivate in Teilkörper- systemen niederer und höherer Ordnung halte ich für das allein Wesentliche, und demgemäss habe ich schon vor einigen Jahren den Typus dieser Art von Organisation durch eine bildliche Auf- rechnung in Form einer schematischen Tafel zum Ausdruck zu bringen versucht (siehe Anat. Anz., Bd. 40, S. 142, 1911).') Weiterhin habe ich mich bemüht, zu zeigen, dass diese Auffassung von der Organisation der plasmatischen Körper keines- wegs als eine blosse Hypothese aufgefasst werden darf. Zu diesem Behufe habe ich darauf hingewiesen, dass diese im Laufe langer Jahre sich immerfort wiederum erneuernde Entdeckung von der spontanen Fortpflanzbarkeit der plasmatischen Organellen nichts weiter ist als eine durch die Geschichte unserer Wissenschaft sich immerwährend wiederholende Bestätigung eines obersten Erfahrungssatzes der Biologie, nämlich des Satzes, dass Leben nur von Leben stammen kann (Ömne vivumex vivo). Da nämlich das Leben keine Kraft ist, welche eingehaucht oder fortgeleitet werden kann, sondern ein auf Selbstunterhaltung gehender Prozess, welcher an die lebendigen Systeme gebunden ist, so müssen, wenn Leben nur durch Erbschaft erworben werden kann, die dem Leben zugrunde liegenden physischen Systeme besonderen Akten der Fortpflanzung unterliegen, durch welche das Leben übertragen und eine Nachkommenschaft gleicher Art erzeugt wird. Wenn also unsere Theorie der Organisation aussagt, dass die plasmatischen Gebilde sich ausschliesslich aus den Teil- körpersystemen verschiedener Ordnungen zusammensetzen, welche allesamt zuletzt aus den unter sich wesensgleichen Protomeren bestehen, so stützt sie sich zugleich auf den erwähnten obersten Grundsatz der Biologie, dass Leben von Leben stammen muss und dass demzufolge auch alle Organisation in der Onto- und Phylogenese nur durch die besonderen Akte der Vervielfältigung der lebendigen Systeme übertragen wird. !) Diese Tafel ist gewiss verbesserungsfähig und soll auch nur der vorläufigen Ubersicht dienen. Auf der Anatomenversammlung zu München habe ich die Tafel bereits in abgeänderter Form zur Vorführung gebracht. 376 Martin Heidenhain: Ein Wachstum „undifferenzierter“ Plasma- massen bezw. .der Grundmasse der Zellen ist daher nur denkbar durch Akte innerer Teilung, nämlich durch spontane Teilung der kleinsten Lebenseinheiten oder Proto- meren. Die reale Existenz der letzteren lässt sich jedoch nicht allein im Zusammenhange mit dem Satze von der „Kontinuität des Lebens durch Teilung lebendiger Systeme“ aus dem besprochenen Organisationsprinzip der Zelle allgemein herleiten, sondern es existieren noch eine weitere Reihe von Möglichkeiten, ihr wirk- liches Vorkommen aus den speziellen Verhältnissen der Plasma- struktur!) sowohl wie aus den Tatsachen der primitiven Form- bildung und der Bewegung bei den mobilen Plasmen auf direktem Wege darzutun. Hierauf kann ich an dieser Stelle nicht näher eingehen und muss mir eine zusammenfassende Begründung der Lehre von der Elementarorganisation für später vorbehalten. Jedoch weise ich erneut darauf hin, dass mein Werk über „Plasma und Zelle“ in allen Teilen der neuen Lehre entspricht. Jedoch auch der Beweis aus dem allgemeinen Organisations- prinzip der Zelle lässt sich noch eindringender gestalten, als oben bereits geschehen ist, wenn wir die auffallende Erscheinung, dass wir in der Zelle einen stufenförmigen Aufbau der Teilkörper- systeme in niederen und höheren Ordnungen haben, benutzen, um daraus theoretisch eine Reihenbildung morphologischer Individualitäten zu konstruieren, durch welche die Logik der Tatsachen noch besser zur Darstellung gebracht wird. Hiermit gewinnen wir zugleich eine deutliche Berührung mit der von Haeckel bereits früher aufgestellten Stufenfolge organisierter Individuen. In der Zelle selbst und in plasmatischen Körpern analoger Art, wie z.B. den Muskelfasern, ordnen sich die Teilkörper der verschiedenen Ordnungen deutlich in Stufen oder „Reihen“ an und zwar in der Weise, dass jedes höhere Glied der Reihe seiner Struktur nach als ein Verband von Teilkörpern niederer Ordnung dargestellt werden kann. Diese Reihenbildung ist komplexer Art und lässt sich am besten durch Aufzählung der teilbaren Indi- viduen in einer entsprechend angelegten Tafel versinnbildlichen, !) Vergl. unter anderem meine letzte Arbeit über die Entwicklung der Muskulatur der Forelle, S. 440 ft. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 877 wie wir dies a.a. 0. versucht haben (siehe die Arbeit über die Darmzotten, S. 142). Am leichtesten wird sie kenntlich beim Zellenkern. Denn dieser ist zunächst selber ein Teilkörper, da er, auch abgeselien von der Mitose, durch direkte Teilung, z. B. während der Embryonalentwicklung der Muskulatur (Plasma und Zelle II, S. 554f.), bis ins Ungemessene vermehrt werden kann. Weiterhin zerlegt er sich bei Gelegenheit der indirekten Teilung glatt in die abermals teilungsfähigen Chromosomen, welche be- kanntlich ihrerseits aus einer formgebenden Liningrundlage, dem Lininfaden oder Linosoma, und den Chromiolen bestehen. Be- trachten wir also die Sache recht, so ist es die spontane Spaltungs- fähigkeit des Lininfadens, welche die Teilungsfähigkeit des Chromosoms bedingt bezw. in sich einschliesst: andererseits ist es kaum eine Frage, dass die Chromiolen ebenso teilbar sind wie etwa die Uentriolen. Zu dieser Folge teilbarer Individualitäten Linosom \ Chromiol ) gehört als nächst übergeordnetes System die Zelle, nur dass diese zugleich noch viele andere, zum Teil deutlich in Reihen geordnete Teilkörper enthält. Aus dieser Form der Anordnung erklärt sich die von mir gewählte Nomenklatur, denn ich bezeichne die teil- baren Individuen als Histomeren bezw. als Histosysteme, zwei Ausdrücke, mit denen das relative Verhältnis der gegen- seitigen Unter- oder Überordnung dieser Formwerte gekenn- zeichnet werden soll. Es ist also der Kern ein Histosystem im Verhältnis zum Chromosom und dieses ein Histomer des Kernes; ein Chromiol hinwiederum ist ein Histomer des Chromosoms, welches im Verhältnis zu ersterem als Histosystem erscheint. Treten also in der Organisation der plasmatischen Körper derartige Reihen auf, so ist der Schluss nahezu zwingend, dass das Prinzip der Synthese der lebendigen Substanz in der Logik dieser Reihen enthalten ist und dass demgemäss das Ende der Reihe in der Richtung der abfallenden Grössen nicht dort liegt, wo das Mikroskop aufhört, analytische Daten zu liefern, sondern dass die Reihe ungeachtet der bestimmten Begrenzung unserer praktischen Erfahrungen in idealer Weise verlängert werden muss, bis ein Ultimus terminus der lebenden Substanzin Gestalt der kleinsten Lebenseinheit oder des Proto- mers;erTreicht ist. =—— (hromosom ==——> Kern 378 Martin Heidenhain: Diese Schlussfolge ist dem Sinne nach diejenige Wiesners, und es ist somit in historischer Beziehung bemerkenswert, dass ich seinerzeit unabhängig von diesem Autor durch eine jahrelange sehr genaue Untersuchung der quergestreiften Muskelsubstanz in theoretischer Hinsicht zu dem gleichen Resultate kam. c) Atomistik und Protomerentheorie. Die älteren Gelehrten (Kölliker, Brücke etc.) waren mit den allgemeinen Ergebnissen der „Histologie“ nicht zufrieden. Bei der systematischen Zergliederung des Körpers war man zu allerhand „Elementarteilen“ gekommen, welche sich nicht weiter auflösen liessen und welche doch unter sich verschiedenartig waren. Solche „Elementarteile* waren z. B. die Muskelfibrillen, die Sehnenfibrillen, die elastischen Fasern, ja, vielfach gingen sogar die Zellen unter dem Namen von Elementarteilen, und manche Autoren sprechen sogar noch heutzutage von „zelligen Elementen“, was einem Anachronismus gleichkommt.!) Als man später den Zellinhalt näher untersuchte, fand man in diesem allerhand Körnchen, Bläschen, Fäserchen, welchen man die Rolle von elementaren Strukturteilen zuzuschreiben sich gezwungen sah. Ein solcher Zustand der Gewebelehre erschien unerträglich, und er ist es auch tatsächlich. Man hoffte denn auch oder stellte sich vor, dass eine spätere Zeit das bis dahin einfach Er- scheinende abermals auflösen und auf unter sich gleiche Elementar- bestandteile zurückführen werde. Bei den grossen Erfolgen nun, die die Physik und Chemie seit den Anfängen des 19. Jahr- hunderts gehabt hatten, bildete man sich ein, und sehr viele Ge- lehrte halten noch heute daran fest, dass es späterhin möglich sein werde, die Atomistik der exakten Wissenschaften auf die lebendigen Gebilde anzuwenden. Haben wir doch eine Ent- wicklung der biologischen Wissenschaften selbst miterlebt, welche mit Hilfe der Kolloidehemie das Rätsel des Protoplasmas zu lösen versucht. Dieser Weg ist meines Erachtens zunächst nicht gangbar und führt bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse einstweilen nur zu Scheinerfolgen, denn die Methoden der Chemie sind auf den lebenden Körper nicht anwendbar, vielmehr könnte '!) Schleiden bezeichnete die Zelle als „organisches Molekül“. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 379 eine Elementaranalyse des lebenden Stoffes im Sinne der exakten Wissenschaften nur auf dem Wege der ausgedehntesten Stoff- wechselversuche am lebenden Objekte selbst zustande gebracht werden, wobei man freilich die Erfahrungen über die Konstitution der Eiweisskörper aushilfsweise mit verwerten müsste, um zu einer theoretischen Vorstellung über den atomistischen Aufbau der kleinsten Plasmamengen vorzudringen. Diese so beschriebene Aufgabe ist aber eigentlich kaum noch eine Sache der Biologie, noch weniger der morphologischen Disziplinen. In der Biologie haben wir es nicht mit der Molekular- struktur, sondern mit den Verhältnissen der Organisation zu tun, also mit allen Arten der anatomischen Gliederungen bis herab auf die feinste Plasmastruktur. Ich halte es danach für verfehlt, wenn der Biologe sich darauf versteift, dass seine Grundsätze in den Lehrbüchern der Physik und Chemie enthalten sein müssen. Für richtig halte ich es vielmehr, wenn der Biologe immer wieder zum lebenden Körper zurückkehrt und diesen in eindringender Weise untersucht, um erstlich zu erfahren, was dem Leben in bezug auf Struktur und Funktion in besonderem Grade eigentümlich ist, und um dann schliesslich aus diesen Erfahrungen heraus eine Theorie der Elementarorgani- sation zu begründen; das wäre dann allerdings keine Theorie der atomistischen Konstitution, sondern eine Theorie der kleinsten Formwerte und der Gesetze ihrer Verbindung zu organisierten Systemen höherer Ordnung. Damit retten wir der Biologie ihr eigentümliches Feld und überlassen die definitive Analyse der kleinsten Formwerte einer Zusammenarbeit von Chemie, Physik und Physiologie. Nach dieser Auseinandersetzung wird der von mir einge- schlagene Modus procedendi ganz und gar klar sein. Zur Be- gründung der Protomerentheorie habe ich mich an den obersten Erfahrungsgrundsatz der Biologie gehalten, welcher dahin lautet, dass das Leben nie von neuem entsteht, sondern, dass das Lebendige immer vom Lebendigen abstammen muss. Dieser Satz, wenn er auf die Lehre von der Organisation des Körpers über- tragen wird, bedeutet, dass auch während der Entwicklung und Massenzunahme des Geschöpfes niemals ein lebendiger Teil, und sei er noch so klein, zwischen oder neben den vorher schon vor- handenen lebendigen Teilen unabhängig von diesen, gewisser- 380 Martin Heidenhain: massen auf dem Wege der (Generatio spontanea, von neuem entstehen kann, sondern dass jedes überhaupt als lebend zu bezeichnende Teilchen sein Leben nur durch Erbschaft von einem Muttergebilde übernehmen kann. Wird daher nach einer Theorie der Elementarorganisation gesucht, so muss gefolgert werden, dass die in Frage stehenden aller Organisation zugrunde liegenden Elementarkörperchen, weil sie in letzter Linie die Träger des Lebens sind, die Eigenschaft der Teilungsfähigkeit besitzen und durch dieselbe in allererster Linie charakterisiert sind. Hiermit stimmen dann, wie wir oben schon gezeigt haben, unsere praktischen Erfahrungen über die spontane Spaltungsfähigkeit aller wahren Zellorganellen in voll- kommenster Weise überein. d) Aufstellung der allgemeinen Formel der Teilkörpertheorie. Fassen wir nunmehr, nachdem wir uns an dem Beispiel der Plasmastruktur näher exemplifiziert haben, den Inhalt unserer Theorie kurz zusammen, indem wir sie zugleich zu einer all- gemeinen Theorie der Organisation erweitern. Die Teilkörpertheorie — synthetische Theorie des tierischen Körpers oder Histomerentheorie — nimmt an, dass der gesamte Körper mit Einschluss des Zellinhaltes und der Interzellular- substanzen sich in eine Stufenfolge morphologischer Indıviduali- täten oder Systeme niederer und höherer Ordnung zergliedern lässt, welche allesamt nach irgend einem Prinzip der Entwicklung (Teilung, Knospung, Sprossung etc.) fortpflanzbar oder vermehrbar sind. Diese Formen der Vermehrung, welche im wesentlichen dienämlichen sind wie die Formen der Fortpflanzung freilebender Personen, sind zugleich gewöhnlicherweise das Mittel der aufsteigenden Kombination der Formwerte. Die Teil- körper oder Histomeren lassen sich demgemäss in natürliche Reihen von wachsender Grösse ordnen; in diesen sind die Histo- systeme der oberen Ordnungen Verbände gleichartiger oder un- gleichartiger Histomeren der niederen Ordnungen, welche eventuell abermals in gleicher Weise zerlegbar sind. Die Tatsache, dass alle eigentlichen genetischen Systeme nach besonderen Prinzipien der Entwieklung vermehrbar sind, hängt in letzter Linie mit dem Satz zusammen, dass Leben nur von Leben stammen kann; . 1 . * . [2] Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 381 denn da das Leben keine übertragbare Kraft ist, ist die Erhaltung desselben sowie auch die unmittelbare Übertragung jeder be- sonderen physischen Konstitution an die Vervielfältigung oder Fortpflanzung der lebendigen Systeme gebunden. Zu diesen Sätzen erlaube ich mir noch die folgenden Er- läuterungen zu geben. Die Histosysteme waren bis jetzt am besten charakterisierbar, wenn sie das Vermögen der Teilung besassen. Der Begriff der „Teilung“ passt aber nicht recht auf alle die verschiedenen Fort- pflanzungsakte, welche an dieser Stelle eventuell in Betracht kommen können. Auch habe ich den Namen „Teilkörpertheorie“ ursprünglich nur gewählt nach dem Grundsatz: a potiori fit denominatio. Der Begriff der Teilung muss daher meiner Meinung nach möglichst weit genommen werden, nämlich einschliesslich der Vorgänge der Metamerenbildung, Knospung, Sprossung usf., welche eventuell als „Teilung in der Anlage“ gedeutet werden können, also einschliesslich aller Vervielfältignnesprozesse, welche so geartet sind, dass durch sie ein bestimmtes morphologisches Formstück in vielfacher Auflage erzeugt werden kann. Gegen- über dieser einstweilen etwas unsicheren Definition lege ich be- sonderen Wert darauf, das Folgende hervorzuheben. Ich halte es für möglich, ja für sehr wahrscheinlich, dass in der Zukunft die gemeinten Histosysteme sich durch ein ganzesBündelvon Merkmalen noch besser werden charak- terisieren lassen. Denn das Vermögen irgend eines beliebigen organisierten Systems, auf Grund eines identischen Prozesses der Entwicklung vermehrbar zu sein, beruht sicherlich in jedem einzelnen Falle auf einer bestimmten histodynamischen Verfassung des Systems oder seiner Anlage, von welcher auch andere wichtige Eigenschaften abhängig sein werden, z.B. das Vermögen der systematischen Regeneration. Auch setzt das Vermögen des spezifischen Wachstums und der Teilbarkeit voraus, dass die Histosysteme der verschiedenen Stufen zugleich trophische Systeme sind. Die besondere in Frage stehende Verfassung oder spezifische Regulation erhält jedes System durch entsprechende Akte der Entwicklung, welche schöpferischer Natur sind. Weiterhin möchte ich von der entwicklungsphysiologischen Bedeutung der Teilkörperreihen reden. Der Übergang von irgend- Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. 26 382 Martin Heidenhain: einem Gliede einer Reihe zu dem nächst übergeordneten entspricht nach unserer Meinung immer irgendeinem ontogenetischen (bezw. phylogenetischen) Vorgange der Entwicklung oder Differenziation. Im allgemeinen wird dieser Übergang zustande kommen durch Multiplikation der gegebenen Formwerte und Vereinigung oder Kombination derselben in einem Verbande oberer Ordnung. Dies Verhältnis ist am durchsichtigsten, wenn es sich um Kolonisation handelt, also z. B. wenn eine Zelle durch mehrfache Teilung eine Nachkommenschaft liefert, die in einem genetischen Verbande ver- einigt bleiben. Aber nicht immer ist das Mittel der Kombination die reguläre äussere Teilung. Beispielsweise führen Knospung und unvollkommene äussere Teilung zur Bildung von Stöcken, während Akte innerer Teilung — also wenn äussere Sonderungen völlig ausbleiben — besonders in Ver- bindung mit geweblicher Differentiation in bezug auf die Ent- faltung geweblicher Systeme von mannigfacher Wirkung sein können. Die Unterscheidung von äusseren und inneren, vollständigen und unvollständigen Teilungsformen usf. ist gewiss sehr wichtig, jedoch ist es im Augenblick, wo es sich nur darum handeln kann, einen ungefähren Aufriss der Theorie zu erhalten, nicht nötig, allen diesen Einzelheiten nachzugehen. Erinnern möchte ich jedoch daran, dass noch Altmann glaubte, die Zelle sei durch äussere Teilung und Kolonisation kleinster Lebewesen entstanden, während es wohl sicher ist, dass sie durch innere Teilungsakte allmählich aus kleinsten Anfängen heraus sich entwickelt und durch besondere Differenzierung ihre gegenwärtige Komplikation erreicht hat. e) Anwendung der Theorie auf die plasmatischen Derivate der: Zellen. Nachdem wir die Histomerentheorie von der Organisation der Zelle abgeleitet und sie weiterhin dem Begriffe nach über das Körperganze ausgedehnt haben, ist es notwendig, in eine Prüfung darüber einzutreten, ob die Theorie für Systeme, welche komplexer sind als die Zelle selbst, tatsächlich noch Geltung hat. Diese Aufgabe gliedert sich in zwei Teile, nämlich 1. die Unter- suchung der sogenannten Zellenderivate und 2. die Untersuchung der plurizellularen Komplexe. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 383 Was die Derivate der Zellen anlangt, so gehören dazu auch die geformten Interzellularsubstanzen, auf welche ich heute nicht näher eingehe; ich erwähne nur, dass ich zuerst die Bindegewebs- fibrillen als Teilkörper angesprochen habe und zwar auf Grund ihrer Analogie mit den Muskelfibrillen. Im übrigen beschäftige ich mich in nachfolgendem ausschliesslich mit den metamorpho- tischen Umwandlungsformen der Zellen. Zu diesen gehören vor allem die quergestreiften Muskelfasern, weiterhin die ein- und vielkernigen Riesenzellen (Megakaryozyten und Ostoklasten) und schliesslich die Neuronen. Die Muskelfasern sind nun gewiss das hervorragendste Beispiel der vielkernigen Zellenabkömmlinge und sie verdienen eine paradigmatische Besprechung, weil sie am besten untersucht sind. Ihnen wären dann die Riesenzellen kurz anzuschliessen, deren Entwicklung, unter dem Gesichts- punkte der Histomerentheorie betrachtet, mit der der Muskel- fasern in Übereinstimmung sich befindet. Jedoch die Neuronen verhalten sich abweichend und verdienen abermals eine aus- führliche Besprechung. Für mich ist gar kein Zweifel, dass alle mehrkernigen plasmatischen Formwerte unseres Körpers aus einkernigen Zellen auf dem Wege der inneren Teilung hervorgehen. Ich setze dabei voraus, dass es sich in diesen Fällen nicht nur um eine Kernvermehrung mit beliebiger Zunahme der Plasmamasse handelt, sondern um eine proportionale Vermehrung der Kern- und Zellsubstanz. Es würde hier also die R. Hertwigsche Kernplasmarelation als eine Ableitung aus der Histomerentheorie erscheinen, d. h. die Hertwigsche Regel würde in diesem Falle auf das allgemeine Gesetz des Wachstums und der Organisation vermöge des Mittels bestimmter Teilungs- akte zurückgeleitet sein. Wenn also der anfangs einkernige Myoblast der quer- gestreiften Muskelfaser wächst und dabei durch Amitose zwel- kernig wird, so würde das heissen, dass sich die gesamte lebendige Masse inzwischen durch einmalige innere Teilung verdoppelt hat, und eine Folge derartiger innerer Teilungen würde das fort- dauernde Längenwachstum der Faser vermitteln (vergl. „Plasma und Zelle“, S. 550 ff.). Meiner Meinung nach ist es zweifellos, dass sich durch eine exakte Auszählung der Kerne und Ausmessung der zugehörigen Plasmavolumina der besprochene Vorgang würde 26* 384 Martin Heidenhain: exakt nachweisen lassen; doch liegen derartige Untersuchungen bisher nicht vor, weil bisher kein Bedarf dafür vorhanden war. Das hier in Frage stehende Verhältnis der Proportionalität zwischen Kern und Plasma wird ja bei den mehrkernigen Symplasmen der Regel nach nicht direkt erkennbar sein, kommt uns aber sofort zum Bewusstsein, wenn die Masse sich abfurcht und in Zellen zerläll. Da z. B. beim fötalen Herzen im Myokardium die Segmentgrenzen bisher nicht gefunden wurden, so würde eventuell das Auftreten der bekannten Schaltstücke einer sekundären Ab- furchung der quergestreiften Masse gleichkommen, welche zuvor durch das Mittel innerer Teilungen sich vergrössert hatte. Denken wir uns die verschiedenen Stadien der wachsenden Muskelfasern nach der Zahl der Kerne in eine Reihe zusammen- gestellt, so dass die Stufen mit einem, zwei, drei, vier Kernen usf. einander folgen, so haben wir nach meinem Ausdruck eine homologe oder homöotypische Reihe, d.h. es sind in dieser je diehöheren Glieder die nach dem gleichen Typus gebauten höheren Homologen der niederen Glieder, bezw. jener einkernigen Zelle, von welcher die Ent- wicklung ausging. Derartige Reihen ergeben sich in allen Ordnungen der Histomeren, wenn das Wachstum des Systems lediglich durch einfache innere oder äussere, vollständige oder unvollständige Teilung erfolgt. Die oberen Glieder der Reihen sind in solchen Fällen wohl immer die natürlichen Viel- fachen des Anfangsgliedes, ein Verhältnis, welches praktisch noch näher untersucht werden sollte. Die Glieder der homologen Reihen habe ich bisher ohne weiteres als Teilkörper bezeichnet, obwohl man darüber streiten könnte, wenn sie z. B. nur durch innere Teilung wachsen. Über diesen Punkt will ich zurzeit eine Debatte nicht eröffnen, da es klar ist, dass sich die begrifflichen Fassungen später, wenn mehr Material vorliegt, viel schärfer und bestimmter werden geben lassen. Was die Muskelfasern anlangt, so kommt hinzu, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach als ein Ganzes durch äussere Längsspaltung vermehrbar sind, so dass sie auch auf dieser Basis als Histomeren bezeichnet werden könnten (über diese Frage siehe „Plasma und Zelle“ II, S. 659 ff.). Dieser Vorgang ist jedoch seit langen Jahren nicht mehr genau untersucht worden, so dass sich Zweifel an seinem wirklichen Vorkommen ergeben haben; Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 385 demgemäss wäre eine neue Bearbeitung dieser Frage dringendes Erfordernis.!) Ganz ähnlich wie bei den Muskelfasern liegt die Sache bei den einkernigen Riesenzellen des Knochenmarkes, welche von den Leukozyten her ihren Ursprung nehmen und vermöge interkurrenter multipler Mitosen wachsen. Mit der Mitose ist bekanntlich Wachstum, Massenzunahme der lebendigen Substanz, wenigstens in den gewöhnlichen Fällen, untrennbar verbunden und zwar gleicherweise beim Kern und beim Zelleib: werden doch die Tochterzellen der Regel nach den Mutterzellen völlig gleich. Unterbleibt nun die äussere Teilung, während die Mitose rückläufig wird, wie bei den einkernigen Riesenzellen, so bleibt doch das Wachstum der Kern- und Zellsubstanz bestehen, welches naturgemäss proportional sein wird, da bei der aus der Mitose zurückkehrenden Riesenzelle die Tochterindividuen gleich- sam in sich verschmolzen bleiben. Also ergibt sich auch hier wiederum, dass die R. Hertwigsche Kern-Plasmaregel mit dem Prozess der inneren Teilungen im allerengsten Zusammenhang steht. — Weiterhin ist klar, dass man auch für diese Riesen- zellen eine homologe Reihe würde aufstellen können, jedoch nur mit vieler Mühe und Arbeit, da die Bestimmung des Plasma- und Kernvolumens sowie die Auszählung der Üentren, kurz die sichere Bestimmung bestimmter Entwicklungsstadien, ausser- ordentliche Schwierigkeiten machen würde. Jedenfalls aber sind diese Zellen im Sinne unserer Theorie die höheren Homologen der Leukozyten. Schliesslich verdient Erwähnung, dass sie nach !) Die Angriffspunkte der Untersuchung sind in folgendem gegeben. Es kommen in den Muskeln der Säuger (M. stylohyoideus, Mi. Jumbricales) schmale und breite Fasern vor, welche, obwohl die Kaliberverhältnisse im einzelnen ausserordentlich wechseln, typisch voneinander verschieden sind. Denn die schmalen Fasern zeigen die Kerne nur unter dem Sarkolemm, die breiten Fasern auch im Innern der Muskelsubstanz. Es liegt also die Ver- mutung nahe, dass die breiten Fasern ungespaltene Formen sind. da nämlich die embryonalen Fasern anfangs die Kerne im Innern zeigen; bei den schmalen Fasern hingegen könnte das geringere Kaliber und die ober- flächliche Lage der Kerne auf die vorausgegangene Längsspaltung zurück- geführt werden. Die Grundfrage der Untersuchung würde mithin lauten: „Wie kommen die Kerne der embryonalen Faser an die Oberfläche, obwohl sie von einem dicken Mantel der kontraktilen Substanz umgeben sind, und warum findet man bei einigen besonders breiten Fasern des fertigen Muskels die Kerne noch in zentraler Stellung ?* 386 Martin Heidenhain: den Untersuchungen von Van der Stricht und mir der Amitose fähig, also als Ganzes, als System, durch äussere Teilung fort- pflanzbar sind. Es entstehen mithin aus den Leukozyten durch innere Teilung deren höhere Homologen, welche sich wiederum als teilbare Histosysteme verhalten, kurz, wir haben eine vollständige Analogie zu den Muskelfasern. Das Kapitel der Ostoklasten übergehe ich, um Wieder- holungen zu vermeiden; auch sind sie zellularhistologisch kaum untersucht, so dass sie für uns kein gutes Beispiel sein würden. Eine ungefähre Vorstellung über die Entstehung melhrkerniger Riesenzellen und ihr Wachstum durch innere Teilungen verschafft man sich einstweilen am besten durch das Studium der Arbeit Zawarzinsüber das Descemetsche Epithel, in welchem der Autor tiesenzellen beobachtete. Beim Rinde zeigten diese bemerkens- werterweise eine annähernde Übereinstimmung in den Zahlen der Centren und der Kerne. Was die Neuronen anlangt, so bilden sie nur eine schein- bare Ausnahme unter den höheren Homologen der Zellen. Ihre biologische Natur habe ich a. a. ©.!) genau besprochen, und klar- gelegt, dass sie nicht Zellen schlechtweg, sondern besondere Abkömmlinge von solchen sind. Hier kann ich passend hinzu- fügen, dass es sich in ihnen zweifellos um höhere Homo- logen der Zellen handelt. Massgebend für die Beurteilung des Neurons ist. dass das- selbe keine konstante Grösse und kein konstantes Volumen besitzt, sondern dass die Neuronen mit wachsender Grösse derPerson ebenfalls wachsen, also anders wie gewöhnliche Zellen und ähnlich wie die quer- gestreiften Muskelfasern. In „Plasma und Zelle“ (S. 870) habe ich dargelegt, dass bei sehr grossen Neuronen allein das Volumen der Achsenfaser wahrscheinlich das mehr als Hundert- fache des Volumens der zugehörigen Nervenzelle, besser: des Neuroblasten, ?) ausmacht. Das Neuron reguliert also seine Grösse oder seine Längenausdehnung, bezw. sein Volumen in selbsttätiger Weise. Hierbei muss auffallen, dass die Plasma- !) „Plasma und Zelle“ II, S. 868—882. °) Es ist ein Missbrauch, die kernhaltigen Teile der Neuronen als Nerven- oder Ganglienzellen zu bezeichnen, da die Achsenfaser einen inte- grierenden Bestandteil des Plasmaleibes des Neurons ausmacht. Nach meinem Vorschlage sollte man wie in der Embryologie so auch in der Histologie die Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 387 masse dem Volumen nach enorm zunehmen kann, während das Gebilde im ganzen einkernig bleibt, was scheinbar der R. Hert- wigschen Regel von der Kern-Plasmarelation widerspricht. Aber nur scheinbar! Denn die ausschlaggebende Beobachtung liegt darin, dass das Tigroid nach Held ein Nucleoproteid, mithin eine „Kernsubstanz“ ist, welche man unserer Meinung nach am kürzesten und besten als ein „Üytochromatin“ bezeichnen würde. Da wir nun weiterhin durch viele und langjährige Untersuchungen zahlreicher Autoren und besonders Cajals genau wissen, dass eine strenge Relation zwischen der Menge des Tigroids oder Uytochromatins einerseits und der Länge der Achsenfaser, bezw. dem Plasmavolumen andererseits besteht, so sehen wir hier die Hert- wigsche Regel unter einem neuen Bilde wiederkehren. ‚Jene periodische Massenzunahme der lebendigen Substanz, welche durch aufeinanderfolgende Zellteilungen oder analoge „innere“ Teilungen bei anderen plasmatischen Systemen bewirkt wird, kann für das Neuron nicht in Betracht kommen. Denn die Neuronen wachsen während der Entwicklung langsam und in ganz kontinuierlicher Weise; dem entspricht dann eine ebenso langsame, kontinuierliche Zunahme des Cytochromatins, welches dort aufgestapelt wird, wo es Platz hat, nämlich im Plasmaleibe des Neuroblasten. Mithin sind wir berechtigt, auf Grund unserer theoretischen Dar- legungen anzunehmen, dass das Wachstum der Neuronen ebenso durch innere Teilungsakte statt hat, wie die Massenzunahme anderer Homologen der einfachen Zellen, nur dass hier die Teilungsakte in kontinuierlichem Zuge an den Histomeren der niederen Ordnungen, den Elementarkörperchen des Tigroids einerseits und den Protomeren der plasmatischen Leibessubstanz andererseits zum Ablauf kommen. In vorstehendem glaube ich gezeigt zu haben, dass die Histomerentheorie auf die Verwandlungsformen der Zellen anwend- bar ist. Letztere lassen sich auf die vorgeschlagene Weise zum ersten Male nach einem Prinzip unter Begriffe der allgemeinen Anatomie unterordnen, während sie aus dem bisherigen deskrip- tiven System der Histologie herausfielen. kernhaltigen Abschnitte, von welchen die Achsenfasern ausgehen, als Neuro- blasten bezeichnen. Durch eine verfehlte, bezw. überlebte Nomenklatur kann man den einfachsten Tatbestand in Verwirrung bringen, was besonders im Unterricht von ausserordentlichem Nachteil ist. 338 Martin Heidenhain: f)M Anwendung der Theorie auf Zellenkomplexe und gewebliche Kombinationen höherer Ordnung. Wir kommen nunmehr zur Besprechung der Frage, ob unsere Theorie auch auf Zellenkomplexe und gewebliche Systeme höherer Ordnung bezogen werden darf. Hier erst beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten, da die spezifischen Vorarbeiten auf diesem Gebiete erst im Werden sind. Allein bei einiger Überlegung ist es mög- lich. mancherlei Tatsachen, welche bisher für unsere wissenschaft- liche Erkenntnis von geringerer Bedeutung waren oder weniger gewürdigt wurden, ohne Zwang auf unsere Theorie zu beziehen.!) Hier erwähne ich zunächst die grosse Zahl von Verdoppelungen, Spalt- und Zwillingsbildungen, welche bei allen möglichen Organen und Teilen des tierischen Körpers gelegentlich auftreten. Diese Vorkommnisse weisen in jedem einzelnen Falle darauf hin, dass der betreffende Teil in der Anlage früher oder später teilbar war, dass wir also ein in der Anlage auf Teilung reguliertes System vor uns haben. Finger, Hände, Extremitäten treten gelegentlich doppelt auf; das Gleiche gilt von den Zähnen, der (allenblase, dem Harnleiter usf. Die meisten der genannten Teile kommen naturgemäss auch als Spalt- oder Zwillingsbildungen vor, welche übrigens viel häufiger sind also totale Verdoppelungen. Sehr häufig sind z. B. gespaltene Rippen, Zwillings- und Drillings- bildungen der Nierenpyramiden, Leberläppchen mit doppelter Vena centralis und entsprechend grösserem Volumen, gespaltene Tracheal- ringe und dergleichen mehr. Die meisten dieser Bildungen sind Abnormitäten, einige indessen sind normalerweise immer vor- handen, wie die Zwillings- und Drillingsbildungen der Leber- läppchen beim Schwein sowie die der Lobi renales der Niere. Der Fall der Niere, dessen kurze Besprechung von uns nicht übergangen werden kann, ist für uns von ausschlaggebender Bedeutung. Denn wir wissen genau, dass anfangs nur zwei, bezw. vier Nierenlappen angelegt werden und dass diese durch effektive Teilung auf acht bis zwölf vermehrt werden. Hierbei ist in ungemeinem Grade charakteristisch, dass viele der Lappen often- bare Zwillings- und Drillingsbildungen sind, hervorgegangen aus unvollkommener Teilung der betreffenden Systeme. An den Nieren mancher Tiere, z. B. des ausgetragenen Kalbes, kann man diese ') Vergl. auch die Darstellung in „Plasma und Zelle“, I, S. 84 ff. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 389 Verhältnisse in prächtiger Weise übersehen (Textfig. a und b). Gerne hätte ich mich mit der Entwicklung der Niere beschäftigt, Fig. b. Fig. a und b. Rechte Niere eines ausgetragenen Kalbsfötus, a von vorn, b von hinten. Die Lobi renales sind durch tief einschneidende Furchen von- einander getrennt. Unter ihnen befinden sich viele Mehrlingsbildungen, Zwillinge, Drillinge usf., welche durch die Buchstabenbezeichnung kenntlich gemacht worden sind. Die Bezeichnungen sind in beiden Figuren identisch. 390 Martin Heidenhain: wenn ich Hoffnung gehabt hätte, hier in unserer kleinen Stadt das Material zusammenbringen zu können. Jedenfalls darf ich konsta- tieren, dass der Fall der eftektiven Teilung komplexer geweblicher Systeme in der Ontogenese der höheren Geschöpfe vertreten ist. Weiterhin erlaube ich mir kurz auf einen zweiten Kreis von Erscheinungen hinzuweisen, welcher in einer direkten Be- ziehung zur synthetischen Theorie der Organisation steht, selbst auf die Gefahr hin, dass die Tatsachen, auf welche ich im folgenden verweise, von seiten des Lesers geringer eingeschätzt werden. Zu den Kernpunkten meiner Theorie der Organisation gehört die Vor- stellung, dass während der Entwicklung die Histomeren immer von neuem zu aufsteigenden Ordnungen assoziiert werden. Die Form der Assoziation ist meines Erachtens im Grunde genommen eine histodynamische, findet aber der Regel nach einen morphologischen Ausdruck in bestimmten Ordnungen und körperlichen Zusammen- hängen der Teile. Dieser besonderen Form der Assoziation genetischer Systeme entspricht es auf der anderen Seite, dass sie gelegentlich unter bestimmten Bedingungen und zu bestimmten biologischen Zwecken auch wieder dissoziiert werden können, also ihren Zusammenhang verlieren. Wird eine solche Disso- ziation tatsächlich beobachtet, so liegt die grösste Wahr- scheinlichkeit vor, dass die selbständig gewordenen Teile im Sinne der Theorie als Histosysteme angesehen werden müssen, worüber in jedem fraglichen Einzelfalle noch weitere Unter- suchungen anzustellen sein würden. Wenn z.B. ein Gliederwurm („Plasma und Zelle“ I, S. s7 #f.) sich in seine Metameren zerlegt und diese dann als Keimkörper fungieren, so haben wir einen frappanten Akt der Dissoziation vor uns. Die Metameren, durch ein identisches Prinzip der Fort- pflanzung oder Vermehrung erzeugt und durch Synthese zu einem Wurmkörper vereinigt, vermögen also, wenngleich in seltenen Fällen, sich wiederum voneinander zu lösen. Vergleiche auch die Entstehung und Befreiung der Proglottiden bei den Band- würmern und die ungeschlechtliche Erzeugung der Discomedusen vermöge der Strobilation. Zur Ergänzung des Gesagten bemerken wir kurz, dass das Phänomen der Dissoziation viel häufiger ist bei zelligen Ge- weben. Alle Fälle der Entstehung einzelliger Sporen durch nachträglichen Zerfall vegetativer Zellverbände gehören hierher Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 391 (Trennung der Zellen im Inneren der Sporangien bei den Farnen etc.). Weiterhin gehören m. E. im Bereich des Zellinneren bezw. der plasmatischen Substanzen die Erscheinungen der Ein- schmelzung oder Katachonie nach der begrifflichen Fassung, welche ich der Sache gegeben habe, ebenfalls hierher (siehe „Plasma und Zelle“ II, S. 1101). Denn bei der Ein- schmelzung protoplasmatischer Strukturteile, z. B. der Polstrahlen. oder mannigfacher äusserer Zellorganellen bei den Protisten, als da sind Pseudopodien, Cilien, Tentakel usf., werden nach unserer Auffassung die vorher miteinander in einem bestimmten Verbande assoziierten Protomeren voneinander dissoziiert und für andere Verwendung frei gemacht. Die eingeschmolzene Masse, welche des Plasmatransports fähig ist, nannte ich Hypoblem, den Aufbau innerer und äusserer Zellorganellen durch Synthese der Protomeren Epanorthose.') Nach dieser Abschweifung über Dissoziation bei den Histo- systemen der niederen Ordnungen kommen wir auf die komplexen geweblichen Systeme zurück. Um zum ersten Male auf diesem Felde eine einschlägige Arbeit zu liefern, habe ich mich vor einigen Jahren an die Untersuchung des Darmkanales heran- gemacht (s. d. Lit.-Verz.) und zunächst gezeigt, dass die Darm- zotten zum mindesten in der Anlage teilbare Systeme sind. Bei einer Betrachtung ex post und auf Grund vieler neuer Serien halte ich es jedoch nicht für ausgeschlossen, dass bei dem riesigen Längenwachstum des Darmkanals noch nach der Geburt die Zahl der Zotten durch effektive Spaltung sich ver- mehrt, bezw. neue Zottenformen, nämlich die sogenannten flachen oder Duodenalzotten, durch Akte innerer Teilung sich erzeugen (vergl. das Weitere in der theoretischen Schlussübersicht). Weiterhin ist es nach meinen bisherigen Nachforschungen im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Darmdrüsen durch Spaltung vom blinden Ende her der Zahl nach sich ver- mehren, solange der Darm an Oberfläche zunimmt. Bei dieser Untersuchung bin ich jedoch gelegentlich der definitiven Fest- stellung des Resultates auf unerwartete, sehr erhebliche Schwierig- keiten gestossen, so dass ich erst später ausführlich über diesen (Gegenstand berichten kann. ') Eine ausführlichere Darstellung der Erscheinungen der Dissoziation hoffe ich später a. a. 0. zu geben. 392 Martin Heidenhain: Aus vorstehenden Betrachtungen und Erfahrungen geht nun zunächst soviel hervor, dass embryologische und anatomische Untersuchungen, welche sich auf die Teilkörpernatur komplexer geweblicher Systeme beziehen, alle Aussicht auf Erfolg haben. Jedoch, es geht aus meinen Erfahrungen ebenso hervor, dass man sich für den Anfang keine allzu schwierigen Objekte aus- wählen darf. Eben aus diesem Grunde habe ich die seit vielen Jahren im Gang begriffenen Arbeiten über den Darmkanal zurück- gestellt und bin auf die Untersuchung der Geschmacksknospen übergegangen, welche als einfache Zellenverbände leichteren Erfolg versprachen. Über dieses Thema habe ich einen vorläufigen Be- richt auf der Anatomenversammlung zu München erstattet und lege nunmehr die definitive Arbeit vor, welche die Teilkörper- natur der Knospen zweifellos erweisen wird.') II. Technik, Abbildungen und Literatur. a) Technik. Zum Zwecke dieser Arbeit habe ich fast ausschliesslich die Papilla foliata der erwachsenen Tiere untersucht. Da es sich bei dem Nachweis der Teilkörpernatur eines beliebigen Gebildes im Grunde genommen immer um die Beziehung des gegebenen Objektes zu gewissen entwicklungsgeschichtlichen Vorgängen handelt, so bestand allerdings anfangs die Absicht, die Entwicklung der Papilla von der Geburt an zu untersuchen. Es zeigte sich jedoch sehr bald, dass die technischen Bedingungen bei den jungen Tieren noch schwieriger sich gestalten als bei den alten, und so habe ich nach Kenntnisnahme einiger Serien von jugendlichen Greschöpfen meine Aufgabe auf die Feststellung des Aufbaues der Sinnesfelder und der Morphologie der Knospen im fertigen Zu- stande beschränkt. Diese engere Umgrenzung des Themas mag auffallend sein, jedoch ich vermag meinen Entschluss zu recht- fertigen. Wie schon eingangs angedeutet wurde, ergab sich sehr bald, dass von dem Aufbau der Sinnesfelder des erwachsenen Tieres noch recht wenig bekannt war, und so musste die möglichst genaue Feststellung der in Betracht kommenden Verhältnisse den geplanten entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen vorangehen. !) Ein Auszug aus dem sachlichen Teile der vorliegenden Arbeit erschien mit 16 Abbildungen im Anat. Anz., Bd. 45, 1914. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 393 Da nun diese Feststellungen unter der Hand des Beobachters wider Erwarten einen grossen Umfang annahmen, so erschien es rätlich, zu einem Abschluss zu kommen und das Erreichte der Öffentlichkeit vorzulegen. Weiterhin hat mich der Gang der Untersuchung dahin belehrt, dass in Ansehung meines Zweckes die entwicklungs- geschichtliche Bearbeitung des Objektes wenigstens zunächst nicht unbedingt notwendig ist. Denn wie in vielen anderen Fällen, so zeigt sich auch hier, dass aus der Konstitution des fertigen Objektes das entwicklungsgeschichtliche Verhalten wenigstens teil- weise erschlossen werden kann. Hierzu verhilft einerseits die Beurteilung des normalen Zustandes, andererseits die Beobachtung der in ziemlicher Zahl vorkommenden Hemmungsbildungen. Über- haupt bin ich der Meinung, dass in der mikroskopischen Anatomie die Struktur der fertigen Teile mehr als bisher mit dem Auge des Embryologen betrachtet werden sollte, da nach meiner persönlichen Erfahrung viele Verhältnisse der Struktur sozusagen nichts anderes sind als fixierte Entwicklungszustände. So war es also möglich, dass ich die Verfolgung der Entwicklungs- geschichte der Papilla foliata auf später vertagen konnte. Wer unser Objekt kennt, weiss, dass die genügende Kon- servierung der Knospen schwierig ist. Benutzt wurde Sublimat, „Subtrie“ (konzentrierte Kochsalz-Sublimatlösung 100, Acıdum trichloraceticum 2, Eisessig 4), Zenkersche Flüssigkeit und schliesslich ein von mir bereits früher vorgeschlagenes Gemisch aus Sublimat, Osmiumsäure und Eisessig (konzentrierte Sublimat- Kochsalzlösung S0, 2°/oige Osmiumsäure 10, Eisessig 5). Die letztere Mischung, welche ich sehr häufig benutze, wenn Epithelien schön in der Form erhalten werden sollen, ergab bei weitem die besten Resultate. Geschnitten wurde in Paraffin (nach Schwefelkohlenstoft- einbettung) und zwar ausschliesslich in Serien & 6 a, welche naclı den drei Hauptrichtungen des Raumes durch das Organ hindurch- gelegt wurden. Zur Unterscheidung der drei Arten von Serien sei folgendes bemerkt. Von den Autoren wird die Schnitt- richtung quer zu den Leisten der Papille, senkrecht zur Ober- fläche der Zunge bevorzugt (Textfig. c); es ist sogar fast aus- schliesslich in dieser Art geschnitten worden, und es ist nicht zu bestreiten, dass man auf diese Weise ausserordentlich typische 394 Martin Heidenhain: Bilder der Geschmacksleisten erhält, welche wie eine Serie regel- mässig gestellter Zähne nebeneinander stehen. Allein diese „Querschnittsserien“, wie ich sie kurz nennen will, geben ein ganz einseitiges Bild der Sache. Es ist vor allen Dingen auch nötig, dass man „Flachschnittsserien“ durch das Epithel der Sinnesfelder hindurchlegt, wobei die Hauptachse der Knospen annähernd senkrecht durchquert wird (vergl. Fig.c); hierbei ist jedoch nicht möglich, das Sinnesfeld samt allen seinen Knospen in ganzer Ausdehnung in einen einzigen Schnitt hineinzubringen, denn die Leisten der Papille haben keine gestreckte Form. Viel- horizontal Fig. c. Aus einem Querschnitt durch das Leistensystem der Pap. foliata. Vergrösserung ca. 108. Mi —= Mittellamelle ; Se — Seitenlamelle; Ha — obere hakenförmige Umbiegung der Seitenlamelle;: Wi — Winkel zwischen der untersten Geschmacksknospe und dem angrenzenden Epithel. Die Linien mit den Bezeichnungen „flach“ und „horizontal“ geben die Lage der ent- sprechenden Schnittserien an. mehr verlaufen sie mehr oder weniger deutlich in schwachen Kurven (siehe Textfig. d). Aber es gelingt immerhin, bei guter Orientierung des Objektes, reiativ grosse Abschnitte des knospen- tragenden Epithels mit dem Messer auf einmal zu durchqueren, und man erhält dann eine prächtige Ansicht von der Art und Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 395 Weise, wie die Knospen in das Epithel eingesetzt sind (Taf. XIII, Fig. 16). Im übrigen zerlegt man bei der gewählten Schnittdicke von 6 u die ganze Höhe des Sinnesfeldes in etwa zehn aufeinander- folgende Flachschnitte, von welchen die oberflächlichsten wegen des Studiums der Geschmacksporen von besonderem Werte sind. Schliesslich haben wir mehrfach auch „Horizontalschnitt- serien“ benutzt, welche parallel zur Zungenoberfläche durch die Papille hindurchgelegt werden (vergl. Textfig. c). Die Schnitt- ebene steht in diesem Falle wie bei den Querschnittsserien senk- recht auf der Oberfläche des knospentragenden Epithels (Taf. XII, Fig. 11); dabei kommt man oftmals fast durch die ganze Länge der Leisten hindurch, deren Ränder dann Hunderte von Knospen nebeneinander aufweisen. Diese Schnitte sind zur Ergänzung wegen der möglichst genauen Erkenntnis der Form der Knospen wichtig, obwohl sie im übrigen viele neue Einzelheiten nicht zeigen. Bemerkenswert wäre der eine Punkt, dass auf den Horizontalschnittserien die Verzweigungen der Leisten (vergl. Textfig. d, e und f) in die Schnittebene hinein zu liegen kommen. Was die Färbung der Präparate anlangt, so habe ich das Eisenhämatoxylin nach meinem Verfahren bevorzugt. War das Objekt osmiert, so behandelte ich die Schnitte vorher kurze Zeit mit einer 10 prozentigen Lösung von Perhydrol (bezogen von Merck, Darmstadt), um die von dem Osmium ausgehenden Widerstände zu brechen (Verfahren von Prof. Marquette, New York). Auf alle Fälle sollte man bei entsprechender Diffe- renzierung prächtige Tinktionen erhalten, welche gleicherweise bei schwacher und bei starker Vergrösserung brauchbar sein müssen. Die Knospen lassen sich leicht hell auf dunklem Grunde darstellen und die Sinnesporen nehmen fast immer eine intensiv schwarze Färbung an, so dass dadurch die Lage der Porenkanäle vortrefflich markiert wird (siehe die Tafeln). Einen Nachteil hat jedoch das Eisenhämatoxylin: es lässt nämlich die Grenzen der Sinneszellen nicht deutlich hervortreten. Hierauf habe ich jedoch weniger Gewicht gelegt, weil die genaue Form der Zellen doch nur durch Metallimprägnation bezw. durch die Chromsilbermethode darzustellen ist. Von Nachfärbungen habe ich keinen besonderen Vorteil gezogen (Benzolichtbordeaux 6 Bl); die zweite Farbe bringt zwar die Begrenzung der Sinneszellen besser zum Vor- schein, deckt aber andererseits wiederum allerhand Einzelheiten zu. 396 Martin Heidenhain: b) Abbildungen. Den Abbildungen wurde ausschliesslich nur das beste Schnitt- material zugrunde gelegt. Herr H. Dettelbacher, Universitäts- zeichner hierselbst, hat die ihm vorgelegten Objekte meiner Meinung nach in vortrefflicher Weise aufgefasst und dargestellt, so dass die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Präparate in den Zeichnungen erhalten geblieben sind. Im besonderen erwähne ich zunächst, dass die aus den Quer- schnittsserien entnommenen Einzelabbildungen durchgehends sorg- fältig ausgewählte Mittelschnitte der Knospen darstellen. Es scheidet also z. B. die Schnittebene in den Fig. 2—7, Taf. XIX die Knospen in zwei symmetrische Hälften, welche sich spiegelbildlich verhalten. Derartige Schnitte sind zugleich die grössten Durch- schnitte der Knospen: würde man bei ihnen den Flächeninhalt mit dem Planimeter bestimmen — was jeden Augenblick möglich ist — so würden wir an den erhaltenen Ziffern einen treffenden Ausdruck für die relative Grösse der Knospen haben, welche in ausserordentlichem Grade variiert. Weiterhin ist wichtig hervorzuheben, dass die Abbildungen, so weit als irgend möglich, in die Tafeln in gleicher Lage ein- gesetzt worden sind: der obere Rand der Figuren entspricht der Richtung gegen die Zungenoberfläche, der untere Rand der Richtung gegen die Tiefe der Zungenschleimhaut. Eine Aus- nahme machen allein die Figuren auf Taf. XXI und XXV, sowie die Fig. 11 aus einer Horizontalschnittserie, bei welcher eine mit den übrigen Abbildungen übereinstimmende Orientierung natur- gemäss nicht möglich ist. Somit konnten sämtliche Einzel- abbildungen und auch die grossen Flachschnitte der Fig. S—10 in die gleiche Stellung gebracht werden, was wegen des unmittel- baren Vergleiches für den Beschauer wichtig ist. Die Figuren auf den Taf. XXI und XXV, welche von Flach- schnittserien entnommen sind, mussten wegen des langen schmalen Formates aufgerichtet werden. Bei diesen Figuren liegt der obere Rand des Sinnesfeldes durchgehends nach rechts; der linke Rand der Figur wendet sich demgemäss gegen die Tiefe der Zungen- schleimhant. €) BIteratur. Es erübrigt sich für mich eine ausgedehnte Literatur- übersicht zu geben, da meine Arbeit über die Geschmacks- Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 397 knospen grösstenteils andere Zwecke verfolgt, als diejenigen waren, mit welchen sich die Autoren bisher beschäftigt haben. Auch sind ausgedehnte Literaturbesprechungen schon mehrfach von meinen Vorgängern gegeben worden, z.B. von v. Lenhossck und von Retzıus. Dazu kommen dann die ausführlichen Dar- stellungen der Handbücher (von Ebner, Oppel), so dass ein Bedarf nach einer nochmaligen ausführlichen Darlegung der Literaturentwicklung zurzeit nicht vorliegt. Wenn ich im nach- folgenden nicht sehr eifrig im Zitieren histologischer Beob- achtungen bin, so will ich damit den vorangegangenen Autoren keineswegs irgendwie zu nahe treten; ich möchte nur vermeiden. mich bei dem Charakter meiner Arbeit in die Besprechung vieler Einzelheiten zu verlieren, welche für meinen gegenwärtigen Zweck weniger in Betracht kommen. Ill. Allgemeiner Teil der Untersuchung. 1. Morphologie der Papilla foliata und der Geschmacksleisten. Wir setzen die allgemeine Morphologie der Papilla foliata und ihres Leistensystems sowie auch die histologische Zusammen- Fig. d. Linke Papilla foliata eines erwachsenen Kaninchens. V = vorn; H = hinten; OÖ —= oben; U = unten. Vergr. ca. 15mal. Man beachte die Gabelungen der Leisten. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. I. 27 398 Martin Heidenhain: setzung der Geschmacksknospen als bekannt voraus. Wir haben auch nicht die Absicht, durch nochmalige ausführliche Diskussion vieler früher schon beschriebenen Dinge den Leser zu ermüden. Jedoch gewinnen mancherlei Verhältnisse, welche bisher wenig beachtet wurden, im Lichte unserer Untersuchung ein neues Interesse und so ist es das zweckmässigste, den bau der Papille kurz zu rekapitulieren. Das Feld der Papille erscheint bald mehr birmförmig, bald mehr eirund, wobei der spitzere Teil der Figur nach hinten, der FA a Fig. f. Fig. e und f. e = linke, f = rechte Papilla foliata eines jungen Kaninchens von 220 Gramm Gewicht. Vergr. ca. 15mal. V= vorn; H =bhinten; 0 = oben; U — unten. Die rechte Papille ist etwas grösser als die linke; die Leistensysteme sind rechts und links keineswegs identisch. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 399 stumpfere nach vorn liegt (Textfig. d, e und f). Oft lässt sich die Papille nicht mit grosser Genauigkeit abgrenzen, weil ihre Leisten ohne strengere Marke in die umgebende Schleimhaut auslaufen, doch ist das Feld niemals rein ellipsoidisch, immer, wie be- schrieben, vorn mehr abgerundet, hinten etwas schmäler zulaufend. Was die Leisten anlangt, so kann man sich vorstellen, dass sie vom unteren Rande der Papille in der Richtung nach auf- wärts verlaufen ; hierbei divergieren sie etwas, so dass sie schwach fächerförmig angeordnet sind, und ausserdem verlaufen die längeren unter ihnen mehr oder weniger deutlich in Kurven, deren Kon- kavität nach hinten gewendet ist. Die Abbildungen zeigen, dass die Leisten an der vorderen Rundung des Feldes schnell, in der tichtung nach hinten ganz allmählich kürzer werden; ausserdem sind sie wegen der Fächerform ihrer Anordnung vorn und be- sonders hinten nicht mehr steil aufgerichtet, sondern in Schräg- lage befindlich. Es erhellt daraus, dass man auch auf einer gut orientierten Querschnittsserie die Leisten am vorderen und hinteren Pol schräg durchschneiden wird. Ebenso pflegen an beiden Polen die Leisten etwas verkümmert zu sein, so dass man auf die Ausnutzung der Präparate an diesen Stellen getrost ver- zichten kann. Für besonders bemerkenswert halte ich die Gabelungen der Leisten (siehe die Textfiguren). Anfangs glaubte ich annehmen zu dürfen, dass diese wegen der Aufstellung der Leisten in Fächerform ausschliesslich in der Richtung nach aufwärts liegen würden. Indessen ist dies nicht richtig. Bei genauerem Zusehen findet man in manchen Papillen Leisten, bei welchen die Teilung in der Richtung nach abwärts liegt (Textfig. e). Hieraus und aus dem Umstande, dass auch dreigeteilte Leisten vorkommen, scheint mir hervorzugehen, dass die Teilungen einen besonderen entwicklungsphysiologischen Akt versinnbildlichen. Denn vererbt wird doch gewiss nur die Anlage zur Leistenbildung überhaupt, nicht aber zur Bildung einfacher, zwei- und dreigespaltener Leisten. Dies ist auch leicht erkenntlich an dem Umstande, dass die beiderseitigen Papillen ein und derselben Zunge nicht völlig gleichgestaltet sind (Textfig. e und f), sondern in bezug auf die in Rede stehenden Verhältnisse sich verschieden gestalten. Wir halten es daher für möglich, dass die Leisten Histosysteme sind, deren Anlagen im Laufe der Entwicklung durch Spaltung Zi 400 Martin Heidenhain: vermehrt werden, so dass gelegentlich — bei unvollkommener Sonderung — Gabelungen entstehen. Auf dem Querschnitt betrachtet (Textfig. c, S. 394) stehen die Leisten wie Zähnchen in die Höhe, deren Seitenflächen einander parallel liegen. Sie fassen dabei einen nur geringen Spaltraum zwischen sich, an dessen Boden die serösen Drüsen der Gegend reihenweise ausmünden. Histologisch zeigen die Querschnitte zu- nächst eine dreigeteilte Bindegewebsleiste und einen oberflächlich abgeglätteten Epithelüberzug. Die drei Blätter des bindegewebigen Grundstockes unterscheidet man am besten als Mittellamelle und Seitenlamellen (Textfig. ce, Mi und Se). Die erstere variiert in ausserordentlichem Grade, wie man aus unserer Textfig. g er- Fig. g. Variationen der Mittellamelle vom erwachsenen Kaninchen. Vergr. ca. 87 mal. sehen kann. Allerdings ist sie gewöhnlicherweise einfach, oft aber an ihrem Ende gegabelt oder bis auf eine wechselnde Tiefe hin zweigeteilt, mitunter auch ganz und gar verdoppelt, in welchem Falle die Geschmacksleiste ungewöhnlich breit zu sein pflegt. Ebenso kann die Mittellamelle gelegentlich in drei Spaltlamellen von wechselnder Grösse und Anordnung auslaufen — kurz, da gibt es massenhafte Varietäten, deren genetische Bedeutung einstweilen noch völlig dunkel ist. Was die Seitenlamellen anlangt, so verhalten sie sich ziemlich konstant, obwohl allerhand Variationen geringeren Grades auch bei ihnen vorkommen. Sie neigen sich im ganzen ein wenig nach aussen und sind am distalen Ende hakenförmig um- gebogen (Textfig. c, Ha, siehe auch Fig. g). Auf diese Um- biegung, welche v. Lenhossek zuerst erwähnt, mache ich Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 401 ganz besonders aufmerksam, denn sie markiert einen topo- graphisch wichtigen Ort, nämlich den oberen Rand des Sinnesfeldes. Diese Gegend wird in gar nicht seltenen Fällen auch von aussen her kenntlich und zwar durch I eine oberhalb der hakenförmigen I: Umbiegung der Seitenlamelle ge- legene Einkerbung (Textfig. h), welche somit einer parallel zum Oberrande des Sinnesfeldes hin- ziehenden äusseren Rinne ent- \ spricht. Diese Formengebung hält NE Fig. h. v.Lenhossck für ein Fixierungs- Querschnitt einer Leiste der Pa- artefakt. Ich habe sie jedoch pilla foliata eines einjährigen D: Kaninchens. Vergr. 10Smal. In der auch auf sehr gut konservierten Richtung der Pfeile gewahrt man Präparaten angetroffen und glaube, den Querschnitt einer schwachen dass wir hier eine durch die Furche, welche über der oberen een Entwicklung hakenförmigen Umbiegung der \ En Seitenlamelle und parallel der- bedingte Varietät vor uns haben. selben an der Leiste sich hinzieht. 2. Allgemeine Form und Konstruktion der Sinnestelder. a) Die äussere Gestalt der Sinnesfelder. Bekanntlich findet man die Geschmacksknospen scharenweise an den einander zugewandten Seiten der Geschmacksleisten. Die von ihnen eingenommene Epithelstrecke kann man demzufolge passend als Sinnesfeld bezeichnen. Die Form des Feldes wird im ganzen betrachtet eine schmale streifenförmige sein, was auf den Flachschnitten gut herauskommt (Taf. XXI und XXV). Die Knospen drängen sich nun in der Richtung nach auf- wärts gegen die obere Umbiegungsstelle der Seitenlamelle heran (Fig. 1 und 5, Taf. XIX etc.) und bilden dort in der Längen- richtung des Feldes eine nahezu ununterbrochene Reihe (Taf. XXII, Fig. 16 und 19, ferner siehe die Projektionen A bis H auf Taf. XXV). Demgemäss ist das Sinnesfeld an seinem oberen Rande scharf begrenzt, während der gegenüberliegende untere Rand sich meist nicht in so bestimmter Weise begrenzen lässt. Es variiert nämlich die Zahl der Knospen in der Querausdehnung des Feldes zwischen 1 und 6, und da, wie besprochen, ihr Auf- marsch in der vertikalen oder @uerrichtung immer an der 402 Martin Heidenhain: oberen Umbiegungsstelle der Seitenlamelle beginnt. so muss die untere Begrenzung unregelmässig eingeschnitten sein. Diese Ver- hältnisse können naturgemäss vortrefflich an Flachschnittserien durch das knospentragende Feld kontrolliert werden; denn der durch die Knospenmitte hindurch gelegte Schnitt (Fig. 16 und 19) pflegt auch die hakenförmige Umbiegung der Seitenlamelle zu treffen (vergl. über die Form der Schnittführung Textfig. ce S. 394 die mit dem Worte „flach“ bezeichnete Linie), welche in Form eines schmalen Bindegewebsstreifens sichtbar wird, und man gewahrt dann, wie die Knospen sich gegen den letzteren an- lehnen (siehe in Fig. 16 und 19, auch Fig. 22), wodurch sich das Sinnesfeld hier schärfer begrenzt, während der gegenüberliegende Rand unregelmässiger erscheinen wird. Nach diesem topographischen Befunde nimmt es sich so aus, als ob die Entwicklung der Knospen an einem Punkte, welcher der oberen Umbiegung der Seitenlamelle unmittelbar benachbart ist, beginnt und von da ab in der Richtung nach abwärts fort- schreitet. Jedenfalls können bei Vermehrung der Knospenzahl diese sich nicht in der Richtung nach aufwärts über den Haken der Seitenlamelle hinweg ausdehnen, vielmehr steht ihnen nur die nach abwärts gelegene Epithelstrecke frei. Die weitere Dar- stellung wird zeigen, dass in dieser Betrachtung etwas Richtiges enthalten ist, weil nämlich die Knospen in vertikaler Richtung genetische Verbände bilden, deren Individuenzahl variiert (bitte jetzt schon die Projektionen A bis H, Taf. XVI, flüchtig zu vergleichen). b) Das indifferente Zwischenepithel und die Art der Einsetzung der Knospen in das Sinnesfeld. Die Knospen sind in ein geschichtetes Plattenepithel von indifferentem Charakter eingesetzt, welches nicht ganz leicht zu untersuchen ist. Genauere Beobachtung zeigt aber, dass es im Aufbau durchaus dem geschichteten Piattenepithel der Mundhöhle gleicht. Die für den Untersucher sich ergebende eigentümliche Schwierigkeit liegt darin, dass die Knospen meist ungemein dicht stehen (z.B. Fig. 16) und die indifferenten Epithelzellen aus diesem Grunde gleichsam zwischen ihnen eingeklemmt erscheinen. Unter diesen Umständen ist es schwer, sich über ihre Form klar zu werden (siehe Fig. 1), und ich glaubte anfangs, dass die Zwischen- Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 403 zellen, weil sie an vielen Stellen nur sehr dünne Septen bilden, sich im Verhältnis zu den Knospen etwa wie platte dünne Hüll- blättchen darstellen würden. Dies ist jedoch durchaus nicht der Fall. Vielmehr bleibt die allgemeine Form des geschichteten Plattenepithels erhalten. Die tieferen, zwischen den Knospen eingeklemmten Zellen (siehe Fig. 2—4) erweisen sich der Regel nach als ungemein schmale, jedenfalls immer in der Höhenrichtung stark verlängerte „zylindrische“ Zellen, welche in der Richtung nach aufwärts sehr schnell in abgeplattete Formen übergehen. Der Plasmaleib der Zylinderzellen ist in der Längenrichtung stark gefasert, was an den Eisenhämatoxylin-Präparaten oft in prachtvoller Weise zum Vorschein kommt. An dieser Faserung ist wiederum gegebenen- falls die Form der Zellen leicht kenntlich. Was die oberen Lagen abgeplatteter Zellen anlangt, so decken sie in ziemlich unvermittelter Weise die tieferen zwischen den Knospen befindlichen verlängerten Zellen (z. B. Fig. 3, 4, 23, 26 etc.), so dass die beiden extremen Formen hier nicht, wie es sonst bei dieser Art von Epithelien der Fall zu sein pflegt, durch viele vermittelnde Übergangsglieder einander verbunden werden. Ferner sind die zu oberst liegenden Schichten der abgeplatteten Zellen im Bereiche des Sinnesfeldes stark verhornt (v. Lenhossck) und bilden auf diese Weise eine schützende „Hornlamelle“, welche in den Eisenhämatoxylin-Präparaten gerne eine tintenschwarze Farbe annimmt (vergl. die Abbildungen). In der Richtung nach abwärts drängen alle irgendwie grösseren Knospen mehr oder weniger aus dem indifferenten Epithel des Knospenfeldes hervor, und auf diese Weise müssen sie. wie v. Lenhossck bemerkt, einen seichten Eindruck auf der unterliegenden Bindegewebsplatte erzeugen (siehe Fig. 1—4). Auf dem Querschnitte der Leisten findet man daher an allen Stellen, wo die Knospen dicht gestellt sind, dass die zwischen ihnen be- findlichen epithelialen Scheidewände in der Richtung nach aufwärts zurücktreten (Fig. 1 und 2); somit findet man gewöhnlicherweise an der Basis des Sinnesfeldes einspringende Winkel. — Bemerkens- wert ist schliesslich, dass in der unteren Begrenzung des Sinnes- feldes zwischen der untersten Knospe und dem anstossenden Epithel der Mundhöhle der Regel nach sich ein spitzer, einspringender Winkel befindet (Textfig. c, S. 394, Wi; Fig. 1). Dieser kommt 404 Martin Heidenhain: dadurch zustande, dass das Mundhöhlenepithel, welches im Grunde der die beiden Nachbarleisten trennenden Furche sehr dick ist. indem es nach aufwärts zieht, sich erheblich verschmälert und sich an die nach abwärts gewandte Seitenfläche der untersten Knospe anzuschmiegen strebt. Weitere Aufschlüsse über das indifferente Zwischenepithel des Sinnesfeldes und besonders über die Art und Weise, wie es mit seinen obersten Schichten die Knospen überlagert, erhält man auf Flachschnittserien. Der erste Schnitt, welcher die Leiste nur oberflächlich berührt, hebt die Hornlamelle in grösserer oder geringerer Ausdehnung ab (Fig. 14, 17! und 20); fällt bei Eisen- hämatoxylin-Färbung die Differenzierung günstig aus, so kommen in dieser Lamelle die Geschmacksporen in prachtvoller Weise zum Vorschein. Diese sind je nach der Grösse der Knospen von ver- schiedenem Durchmesser, breiter oder schmäler, die kleinsten unter ihnen schwer auffindbar und manchmal verklebt. Der nächste Schnitt pflegt die oberen Enden der Knospen mit den Ge- schmacksgrübchen zu zeigen (Fig. 18!); mitunter erhält man, wenn die Epitheloberfläche von Natur aus nicht ganz eben war (Fig. 14), oder auch, wenn der Schnitt etwas schief liest (Fig. 9, 10, 20 und 21), teils die Poren der Hornlamelle, teils diverse tiefere Schnitte der Knospen nebeneinander. Betrachtet man derartige Flachschnitte unter Immersion, so wird leicht kenntlich, dass die abgeplatteten Zellen der oberen Schiehten des Deckepithels sich häutchenartig über den Scheitel der Knospen hinweg legen. So sieht man beispielsweise in unserer Fig. 10 unten zunächst die geschwärzte Hornlamelle mit einigen Poren: weiterhin senkt sich in der Richtung nach aufwärts die Schnittebene, und wir stossen auf die weniger verhornten Platten- epithelzellen der zunächst gelegenen Schichten, welche sich über die oberen Enden der Knospen hinweg wölben. Das Messer hat hier im Umfange der Knospen an den sich deckenden, sehr dünnen Fpithellamellen konzentrische Schnittränder erzeugt, welche gut sichtbar sind. Die Kerne der zugehörigen Epithelzellen pflegen etwas in der Richtung nach dem Äqnator der Knospen verlagert zu sein, wo sie leichter Platz finden als direkt über dem sich emporwölbenden Knospenscheitel. Hierzu vergleiche man die schöne Abbildung Fig. 5. Die Schnittebene liegt hier links relativ hoch, während sie sich in der Richtung nach rechts etwas senkt. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 405 Man erkennt hier gut die dünnen epithelialen Hüllhäutchen, welche sich über den Pol der Knospen hinweg wölben. Die Kerne der zugehörigen Epithelzellen liegen jedoch etwas tiefer, in der Richtung nach abwärts vom Pol der Knospen aus gesehen, und kommen auf diese Weise in der Zeichnung in die dunkleren Strassen zwischen den Knospen zu liegen. Auf senkrechten Durchschnitten des Sinnesfeldes kommen diese Verhältnisse meist nicht so deutlich zum Ausdruck, jedoch zeigen unsere zahlreichen Abbildungen, dass die dünnen Plättchen über dem Scheitel der Knospen der Regel nach an dieser Stelle kernfrei sind. Die Kerne der betreffenden Zellen findet man seitlich herausgerückt, in der Richtung auf die epithelialen Septen, welche die Nachbarknospen voneinander trennen (vergl. Fig. 12 und 13; ferner Fig. 23—34). 3. Allgemeine Morphologie der Knospen. a) Morphologie der Geschmacksgrübchen und der Sinneshaare. Der sogenannte „(Geschmacksporus“ der Autoren ist, wie dies von Ebner gut beschrieben und abgebildet hat, eine ziemlich tiefe Einsenkung, welche wir demgemäss als Fossula gemmalis, Geschmacksgrübchen, bezeichnen. An diesem unterscheiden wir: a) den Porus, das ist lediglich die äussere Öffnung an der Oberfläche der Hornschichte, b) den Knospen- kanal oder Porenkanal, welcher die Hornschichte und die darunter liegenden weicheren Lagen von Plattenepithelzellen durch- setzt und c) die Ampulle, eine an den Kanal sich unmittelbar anschliessende, aber schon innerhalb des Knospenscheitels gelegene, meist bauchige Kavität (Fig. 12, 13). Wegen der erheblichen Tiefenausdehnung der Geschmacksgrübcehen ist es möglich, auf Flachschnittserien (a 6 «) zuerst die „Poren“, d.h. die Hornschichte mit Teilen des Knospenkanals abzuheben, während der folgende Schnitt meist schon die Ampullen durch- quert (Fig. 17, 18; vergl. ebenso Fig. S, 9, 10). Unsere Tafeln zeigen naturgemäss ungemein zahlreiche Beispiele der Grübchen, und der Leser wird sich leicht über ihre etwas wechselnde Form und Grösse orientieren, weswegen ich über diesen Punkt nur wenige Worte verlieren will. 406 Martin Heidenhain: Die Variationen der Geschmacksgrübchen bestimmen sich im wesentlichen nach der Grösse der Knospen, das ist nach der in der Knospe enthaltenen Zellenzahl. Kleine Knospen besitzen nur kleine äussere Poren, welche in einen schmalen, am Ende wenig oder gar nicht erweiterten Kanal hineinführen (Fig.2 unten): grosse Knospen besitzen grosse äussere Poren und einen ent- sprechend weiten Knospenkanal mit anschliessender geräumiger Ampulle (Fig. 12, viele weitere gute Darstellungen in den Fig. 23—29). Der Querschnitt der letzteren wird in den meisten Fällen deutlich breiter sein als der des einleitenden Kanals. Die Wandfläche der Ampulle ist nun im eigentlichsten Sinne des Wortes die freie Oberfläche der Geschmacks- knospe, an welcher die Härchen tragenden Sinneszellen enden. Ist die Zellenzahl der Knospe gering, so genügt demgemäss eine geringe Ausdehnung dieser Oberfläche, und die Ampulle wird klein sein. Ist die Zellenzahl hingegen gross, so muss die freie Härchen tragende Oberfläche an Ausdehnung gewinnen, und wir erhalten weiträumige Ampullen. Betrachtet man an einem gut ausdifferenzierten Eisenhäma- toxylin-Präparat die Wand der Ampulle, so erscheint sie im optischen Querschnitte wie von einer feinen. schwärz- lichen Membran bekleidet; oder es findet sich an Stelle der letzteren eine Serie feiner dunkler Knötchen. Gelingt es, was nur sehr selten der Fall ist, von der in Frage stehenden Wand- schicht eine günstige Flächenansicht zu erhalten, so gewahrt man, dass sie gefenstert ist. Das Eisenhämatoxylin hat ein enges Netzwerk ausgefärbt, dessen Bälkchen schmale helle Felder zwischen sich lassen. Ganz ohne Frage entspricht dieses Netz den Schlussleisten, die hellen Felder den schmalen oberen Enden der Sinneszellen. Ferner gewahrt man auf jedem Felde in der Mitte ein kleines Knötchen, welches als Basalkörperchen zu dem Sinneshaare gehört. Der Inhalt der Ampulle besteht zunächst aus einer homogenen glasigen Grundmasse von schleimiger Konsistenz. welche an den mit „Subtrie“ behandelten Präparaten, wenn sie nicht stark genug extrahiert waren, nicht immer, aber häufig eine tintenschwarze Farbe beibehält (Fig. 11 zum Teil). Bei Präparaten solcher Art findet man daher an Stelle der Geschmacks- grübchen lediglich tintenschwarze Pfröpfe, ein Bild, das bei hoher Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 407 Vergrösserung an stark gefärbte Schleimkelche erinnert, dies um so mehr, weil die schwarze Masse häufig aus dem Porus frei heraushängt und wie hervorquellender Schleim sich ausnimmt. Wird das Präparat in stärkerem Grade extrahiert, so hellt sich die schleimähnliche Masse successive auf, behält aber oft einen grauen Farbton bei (Fig. 12). Gleichzeitig kommen die Sinneshaare zum Vorschein, welche in dichter Lagerung befindlich sind und in der Richtung nach aufwärts, innerhalb des Knospenkanales, bis an oder sogar in die Hornschichte herein- reichen. Soweit ich nun sehen kann, trägt jede Sinneszelle nur je einen „oberen Aufsatz“, und letztere sind sämtlich von einerlei Art, obwohl sich dem ersten Ansehen nach kurze, dicke, steife Zapfen von längeren, feinen, gewellten, cilienähnlichen Fäden unterscheiden lassen (Fig. 12, 13). Eine sehr genaue Untersuchung hat mich indessen dahin belehrt, dass die kürzeren Gebilde der oberen und unteren Begrenzungsebene des Schnittes genähert zu liegen pflegen und demgemäss mit grösster Wahr- scheinlichkeit als die basalen Stümpfe abgeschnittener Sinnes- haare aufzufassen sind. Den Umständen gemäss sind diejenigen Sinneshärchen, welche vom Boden der Ampulle entspringen, die längsten, die am Rande stehenden die kürzesten. Die längsten Härchen eignen sich nun besonders gut zur näheren Beobachtung, weil sie den Raum der Ampulle in ganzer Ausdehnung frei durchziehen und nicht in der Nähe der stark gefärbten Wandschicht liegen. An diesen langen Härchen lässt sich feststellen, dass sie keineswegs als steife, hornige oder kutikulare Stiftchen aufgefasst werden können, wie dies die Meinung der Autoren ist, sondern dass es sich zweifellos um weiche eilienähnliche plasmatische Gebilde handelt. Nur ihr unterer Teil erscheint gewöhnlich in gestreckter, also „steifer“ Form, während der obere fein auslaufende Abschnitt ebenso ge- wöhnlich mannigfache wellige Biegungen aufweist. Wie schon erwähnt, sind die Sinneshaare mit einem feinen Basalkörperchen in die Grenzschichte der Sinneszelle eingepflanzt; weiterhin setzen sie sich mit einer fadenartigen Wurzel in den Plasmaleib der Zelle hinein fort. Diese färbt sich gelegentlich in Eisenhämatoxylin ziemlich intensiv und kann dann über weite Strecken hin verfolgt werden, wovon schon Retzius Kenntnis hatte. 408 Martin Heidenhain: Inbioldgischer Beziehung kommt dem Geschmacks- grübchen mit seinem schleimähnlichen Inhalt sicherlich die Be- deutung einer Schutzvorriehtung für die Sinneshärchen zu. Letztere hat man sich als äusserst verletzlich vorzustellen, aus welchem Grunde sie in ein kleines Räumchen unter die Oberfläche der Schleimhaut versenkt sind. Die weiche, die Härchen umhüllende färbbare Grundmasse findet sich übrigens in ähnlicher Weise auch in den Stäbchensäumen des Darmepithels und der Tubuli contorti der Niere. b) Der zelluläre Aufbau der Knospen. Der Bau der Geschmacksknospen ist so gut wie vollständig bekannt. Ich habe besonders über die Morphologie der Sinnes- zellen nichts Neues hinzuzufügen. Ich teile den Standpunkt von tetzius, welcher nach dem Vorgange von Kolmer eine strengere Unterscheidung von Sinnes- und Deckzellen nicht mehr selten lässt. Es finden sich, wie die zitierten Autoren mit vollem Rechte bemerken, zwischen den extremen Formen der in den Iinospen enthaltenen Zellen alle nur erdenklichen Mittelglieder. Da haben wir einerseits die grossen „hydropischen“, oft vakuoli- sierten Zellen mit kugeligem, substanzarmem, bläschenartigem Kern — früher „Deckzellen“ (siehe Fig.4, 6; Fig. 9; Fig. 24, 27 etc.), und auf der anderen Seite ganz schmale, dunkel färbbare Gebilde mit verlängertem, manchmal stäbchenartigem, dunkel tingier- barem Kern, dazwischen aber eine bunte Mannigfaltigkeit anderer Individuen, deren Charaktere sich nicht so scharf begrenzen lassen, und die ihrem Aussehen nach bald mehr dem einen, bald mehr dem anderen Extrem sich nähern. Retzius (1912) hat eine gute Reihe dieser Art abgebildet. In unseren Figuren hat der Zeichner das Aussehen der Kerne möglichst treu wiederzugeben versucht, und der Beschauer wird daher in den Knospen alle möglichen Formen und Färbungs- arten der Kerne wahrnehmen, welche sich in keiner Weise nach bestimmten Klassen gruppieren lassen; demgemäss haben wir offenbar in den zugehörigen Zellen nur die verschieden ausge- bildeten Glieder ein und derselben Familie vor uns. Die schmalen Zellen mit den stark färbbaren Kernen scheinen die Ausgangs- iormen zu sein, während die stark vakuolisierten Gebilde, welche oft einen degenerativen Eindruck machen, an das andere Ende Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 409 der Reihe zu verweisen wären. Diese letzteren Zellen waren es, welche von den Autoren als „Deckzellen“ bezeichnet wurden, von denen man anfangs behauptete, dass sie nur in der Peripherie der Knospen vorkommen. Jedoch dies ist tatsächlich nicht richtig, wie die neueren Autoren schon längst festgestellt haben. Auch unsere zahlreichen Mittelschnitte ein- und mehrporiger (eschmacksknospen, wie sie der Leser auf unseren Tafeln findet, zeigen die bläschenförmigen Kerne in ungemein wechselnder Stellung. Betrachtet man aber in dem Flachschnitte der Fig. 9 die am oberen Rande des Sinnesfeldes gelegenen Querschnitte mehrerer grosser Knospen, so gewahrt man, dass doch immerhin verhältnismässig viele der breiten Zellen peripher liegen, dass also in dieser Stellung etwas Typisches liegt. Daher möchte ich es für möglich halten, dass diejenigen Zellen, welche durch Wasseraufnahme und Vakuolisation erheblich an Breite gewinnen, eine Tendenz haben, sich allmählich gegen die Oberfläche der Knospe hin zu verlagern, weil sie im Innern schwer, in der Richtung auf die Peripherie leichter Platz finden. Die Anordnung der Sinneszellen innerhalb der Knospen ist oft besprochen und besonders von den Forschern, welche mit der Methode Golgis arbeiteten, gut dargestellt worden. Die Präparate, die mir vorgelegen haben, geben über die besonderen Einzelheiten der Form und Zusammenordnung der Zellen selbstverständlich nicht jenen genauen Aufschluss, den man vermöge der Chromsilbermethode erhalten kann. Trotz dessen erlaube ich mir diese Verhältnisse einer kurzen Besprechung zu unterziehen. Alle grösseren Knospen enthalten eine enorme Menge von Zellen, wie aus dem Kernreichtum der Gebilde unmittelbar hervorgeht: es finden sich selbst auf 6 «. dünnen Schnitten meist noch so viele Kerne, dass sie nicht alle in die Zeichnung auf- genommen werden können. Zähle ich die Kerne in meinen Ab- bildungen ab, so finde ich z. B. in der Knospe der Fig. 5 nicht weniger als 25 Kerne, in Fig. 6 23 Kerne, in Fig. 7 28 Kerne. Und diese Schnitte enthalten doch nur einen geringen Teil der (resamtzellenzahl. Demgemäss müssen die Leiber der Zellen sich in der Richtung auf die Ampullen in ausserordentlichem Grade verschmälern, wenn sie dort sämtlich bis zur freien Oberfläche des Knospenepithels gelangen sollen, und es können daher auclı 410 Martin Heidenhain: die Kerne, weil sie relativ breit sind, zu allermeist nicht in den oberen verschmälerten Teilen der Zellen liegen. Vielmehr müssen die Kerne im allgemeinen in den mittleren oder unteren Teil des Zelleibes hineinrücken, wo sie dann im dichten Neben- und Übereinander Platz finden. Infolge dieser Anordnung gewahrt man im unmittelbaren Anschluss an die Ampulle, seitlich von ihr und besonders in der Richtung nach abwärts, ein kernfreies Feld, in welchem man die Zellenleiber nach allen Richtungen hin fächerartig divergieren sieht. Dies ist z. B. in den Fig. 4—7, auch in Fig. 12, 13 etc. gut kenntlich. Es ist nun die Frage, ob diese sich so stark auseinander spreitzenden Zellenleiber schliesslich doch alle den Anschluss an die bindegewebige Basalmembran des Sinnesfeldes erreichen. Hierüber lässt sich nach meinen Präparaten im einzelnen nichts aussagen; man müsste schon auf die Metallimprägnationen zurück- kommen, wenn man diesen Punkt genau feststellen wollte. Es könnte nämlich wohl sein, dass sehr viele der seitlich gelegenen Zellen, welche scheinbar auf halbem Wege endigen (siehe Fig. 4 und 5), nach abwärts vom Kern einen langen faserartigen Fort- satz entwickeln, welcher bis zur bindegewebigen Unterlage des Sinnesfeldes sich fortsetzt (entsprechende Beobachtungen bei v. Lenhossek). Dies zugegeben, haben wir jedoch eine spezielle Anordnung, bei welcher es ausgeschlossen erscheint, dass wirklich die sämtlichen Zellen das unterliegende Bindegewebe erreichen. Der in Frage stehende Fall wird durch Fig. 6 und 7 versinn- bildlicht. Hier wird der grösste Teil der Knospenbasis von einem einschichtigen Zellenmantel bedeckt, welcher in der Richtung nach aufwärts ohne erkennbare Grenze in die nächste epitheliale Z/wischenwand übergeht. Dieser auffallende Befund steht in un- trennbarem Zusammenhange mit der Frage der sogenannten „Basalzellen“, auf welche ich nunmehr zu sprechen komme. c) Die Basalzellen. Hermann hat zuerst eine besondere Zellenart genauer beschrieben, welche in der Tiefe der Knospen in unmittelbarer Nachbarschaft der bindegewebigen Unterlage des Sinnesfeldes be- findlich ist. Dort hatten schon mehrere Autoren Kerne gesehen und Hermann suchte nun darzutun, dass sie zu flach geformten Zellen gehören, welche „der Schleimhaut aufliegen und so die Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 411 eigentliche Basis für die die Knospe zusammensetzenden Zellen abgeben“, weshalb er sie Basalzellen nennt. „Von fein- eranuliertem Aussehen und mit einem deutlichen ellipsoiden Kerne versehen, senden diese Zellen massenhafte feine, sich dichotomisch teilende Plasmafortsätze aus und stehen durch dieses Maschenwerk unter sich sowohl wie auch mit dem Schleimhaut- stroma in Verbindung. Dagegen sieht man nur einige wenige kurze Fäserchen von dem der Knospe zugewendeten Teile der Basalzelle sich erheben, von denen sich leicht nachweisen lässt, dass sie kontinuierlich in die Protoplasmafasern der Stützzellen übergehen. Bei dem kleinen Areal, welches von der Basis einer Knospe eingenommen wird, muss es nun natürlich erscheinen, dass die beschriebenen Basalzellen sich nur in sehr geringer Anzahl in der einzelnen Knospe auffinden lassen; gewöhnlich sind es deren zwei bis vier, und nur in manchen ausnehmend grossen Knospen und namentlich in den ja sehr häufig zur Be- obachtung gelangenden Zwillingsknospen kamen sie mir reich- licher zu Gesicht... .°. (Hermann, S. 296 -f.). v. Lenhossek (1893) hält dafür, dass besondere Basal- zellen nicht existieren, glaubt vielmehr, dass von seiten Hermanns Verwechslungen mit den verbreiterten kernhaltigen Teilen faden- förmiger Geschmackszellen vorliegen, welche manchmal weit nach abwärts verlagert sind. In ähnlichem Sinne äussert sich Retzius (1912). Ebenso ist v. Ebner (1899) der Meinung, dass Täuschungen vorliegen und dass die von Hermann beschriebenen Zellen vielleicht subepitheliale Bindegewebszellen sein könnten, welche bis in die Knospenbasis hinein vorgeschoben sind. Ich bin nun in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zur Frage der Basalzellen geben zu können. Sicherlich sind v. Lenhossek und Retzius insofern im Recht, als von den in der Tiefe der Knospen nahe der bindegewebigen Basalmembran !) sichtbaren Kernen viele denjenigen Sinneszellen zugehören, deren kernhaltige Teile stark nach abwärts verlagert sind. Jedoch es kommen ebendort besondere indifferente Epithelzellen vor, welche von derselben Art sind, wie die Epithelzellen der intergemmalen Scheidewände und welche den Namen Basalzellen verdienen. ') Diese lässt sich nach der Methode von Mallory gut ausfärben. 412 Martin Heidenhain: /wei Punkte hebe ich sofort hervor. Erstlich ist es bei Anwendung der Eisenhämatoxylin-Färbung nicht möglich, die Kerne der Basalzellen überall mit Sicherheit von tief gelegenen Kernen der Sinneszellen zu unterscheiden und zweitens pflegen die Basalzellen in einem grösseren Teileder Knospen über- haupt nicht vorzukommen, nämlich in den kleinen Einporigen und besonders in den am Oberrande des Sinnesfeldes gelegenen, wenn auch grösseren Knospen (z. B. Fig. 5). Dagegen sind sie häufig in den mittleren und unteren Knospen (Fig. 6 und 7), wo sie leicht in die Erscheinung treten und ihr Zusammenhang mit den indifferenten Epithelzellen der Zwischenwände klar vor Augen liest. Wir haben also eine bestimmte topographische Verbreitung dieser Zellen, worauf ich besonders aufmerksam mache. Unsere Abbildungen geben über die Erscheinungsweise der Basalzellen die genügende Auskunft. Liegt der Fall so, wie in Fig. 24 oder in Fig. 29, so würde ich mir nicht getrauen, die in der Tiefe der Knospen neben der Basalmembran gelegenen Kerne in bestimmter Weise auf Sinneszellen oder Basalzellen zu beziehen. Dagegen haben wir klare, eindeutige Bilder in Fig. 6 und 7, sowie in Fig. 26. Wir finden nämlich ungemein häufig bei mittleren und besonders bei unteren Knospen, dass die indifferenten Epithelzellen von der nächst oberen Zwischen- wand her sich wie ein Mantel nach abwärts über die Knospen- basis hinwegschieben. Diese „Epithelmäntel“ sind immer ein- schichtig; sie sind ferner bald von grösserer, bald von geringerer Ausdehnung und die in ihnen enthaltenen Zellen korrespondieren vollständig mit den Zellen der tiefsten Schichte des einschliessenden indifferenten Epithels. Die bisher zitierten Figuren (6, 7, 26) zeigen die Epithelmäntel auf der höchsten Stufe der Entwicklung; in den gewöhnlichen Fällen sind sie jedoch von geringerer Aus- dehnung (Fig. 27 und 28) oder sie sind nur angedeutet (Fig. 1, 3 und 4). Verfolgt man an irgend einer geeigneten Knospe mit voll entwickeltem Epitlielmantel letzteren in der Richtung nach abwärts, also in der Richtung auf seinen freien Rand hin, so kann man gelegentlich wahrnehmen, dass das Plasma der Mantelzellen immer heller und heller wird und schliesslich ganz zu schwinden scheint; dann treten in den tiefsten Teilen der Knospe in der Nähe des Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 413 Mantelrandes, bezw. in dessen idealer Verlängerung. allerhand Kerne auf, deren zugehöriger Zelleib — in meinen Präparaten wenigstens — nicht recht kenntlich ist. Diese Erscheinung eines offenbaren Plasmaschwundes erinnert mich an die Beschreibung, die Hermann von den Basalzellen gegeben hat. Denn nach diesem Autor besitzen die Basalzellen zarte, nach allen Richtungen hin ausgefranste oder verästelte Zellenleiber, welche bei der von mir bevorzugten Färbemethode technisch nicht mehr darstellbar sein würden. Im übrigen stehen viele der indifferenten Epithel- zellen der Knospenbasis nicht in einem sichtbaren Zusammenhange mit den Zellen der intergemmalen Scheidewände (z. B. Fig. 25, 30, 31 ete.), wobei jedoch hervorgehoben werden muss, dass diese Zusammenhänge schwer kontrollierbar sind, weil sie vor allem auch in seitlicher Richtung, also in den Richtungen lateralwärts von der in den Abbildungen dargestellten Mittelebene liegen könnten (vergl. den Horizontalschnitt Fig. 11). Weiter unten werde ich zeigen, dass die Basal- zellen in einernächsten Beziehungzudem Teilungs- akte der Knospen stehen. d) Die morphologische Individualität der Knospen. Nachdem wir uns im vorstehenden den morphologischen Bau der Knospen in den wesentlichen Zügen wiederum vergegenwärtigt haben, werfen wir schliesslich die Frage auf, welche strukturellen Momente es sind, die bei uns den Eindruck erzeugen, dass es sich in ihnen um morphologische Individuen, Zellenverbände vom Charakter geweblicher Einheiten handelt. Es soll also hier einst- weilen nur das Prinzip des Aufbaues in Frage kommen, während wir unsererseits allerdings den Begriff des morphologischen Individuums von der bestimmten Bedingung abhängig machen, dass das betreffende System in irgend einer Weise als solches fortpflanzbar sein muss. Diesem letzteren Problem gilt die weitere Untersuchung. Kommt es jedoch einstweilen nur darauf an, fest- zustellen, worauf die einheitliche Erscheinungsweise der Knospen beruht, so dürfte klar sein, dass die Gegenwart der Geschmacks- grübchen bezw. Ampullen der ausschlaggebende Faktor ist. Wären die Grübchen nicht vorhanden, so würden wir inner- halb des Sinnesfeldes lediglich Inseln spezifischer Zellen von verschiedenem Umfange haben, doch würden diese kaum das Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. I. 28 414 Martin Heidenhain: Bild bestimmter aus Zellen gebildeter Organe ergeben. Es be- dürfen jedoch die zarten Sinneshärchen eines besonderen Schutzes vor äusserer Unbill, und so sind die Grübchen entstanden, gegen welche die Sinneszellen konvergieren. Es können nun die Grübchen nicht beliebig an Umfang zunehmen, und eben deswegen kann auch die Zellenzahl innerhalb ein und derselben Knospe nicht ad libitum zunehmen. Vielmehr ist diese einer bestimmten, ziemlich engen Variationsbreite unterworfen und wird nie ein gewisses Maximum überschreiten können. So bilden sich also Komplexe oder Ver- bände von Sinneszellen, welche ein begrenztes Grössen- wachstum besitzen und demgemäss als morphologische Einheiten einer gewissen Grössenordnung sich darstellen müssen. Sollten jedoch in einem bestimmten Falle die Zellen fortfahren zu pro- liferieren, obwohl die Knospe den maximalen Umfang bereits besitzt, so muss damit eo ipso die Teilung der Knospe in Gang kommen, welche die Verdoppelung des Geschmacks- grübchens zur Voraussetzung hat. Bleibt die äussere Teilung des Knospenkörpers aus, so muss es zur Bildung einer doppelporigen Knospe oder eines „Zwillings“ (Hermann) kommen. Nun sind aber Zwillings-, Drillings-, Vierlingsbildungen usf. häufige Erscheinungen in unseren Präparaten. Mithin werden wir durch die aufmerksame Verfolgung der morphologischen Daten gleichsam Schritt für Schritt auf die Frage der Teilkörpernatur der Knospen hingelenkt, deren Auflösung wir nunmehr an der Hand eines reichen Materials versuchen wollen. IV. Spezieller Teil der Untersuchung. 1. Einführung. Die Untersuchung beliebiger morphologischer Systeme auf ihre Teilkörpernatur ist immer schwierig. Das hat die Geschichte unserer Wissenschaft gezeigt. Man braucht nur an das Beispiel der Zelle zu erinnern. Etwa 20 Jahre lang ging man ununter- brochen dem in Rede stehenden Probleme der Zellenteilung nach; zahlreiche Untersuchnngen auf den Gebieten der mikroskopischen Anatomie, der Embryologie, der Pathologie, der vergleichenden Anatomie waren notwendig. Schwere Irrtümer in der Frage- stellung und im Urteil liefen mit unter und setzten sich durch ganze Literaturen hindurch fort. Eine unendliche Mühe wurde aufgewendet, und viele Streitigkeiten unter den beteiligten. Ge- Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 415 lehrten entstanden, bis schliesslich Remak auf Grund seiner embryologischen Untersuchungen die richtige Formel fand: Eine Zelle entsteht immer nur aus einer anderen durch Teilung, weil Leben immer vom Leben stammen muss und eine spontane Ent- stehung von Zellen ebenso unmöglich ist, wie die Generatio spon- tanea überhaupt. Obwohl nun Remak auf diese Weise den Kern- punkt der Sache richtig getroffen und in völlig entsprechender Weise zum Ausdruck gebracht hatte, wollten die Streitigkeiten doch noch nicht verstummen, und noch viele Jahre mussten dahingehen, bis endlich das neue Prinzip allgemein anerkannt war. Soll die Teilkörpernatur irgend eines organisierten Systems nachgewiesen werden, so ist der direkte Weg natürlich der, auf den Prozess der Teilung selbst zu gehen und ihn durch ent- wicklungsgeschichtliche Untersuchung mit aller wünschenswerten Deutlichkeit in allen wesentlichen Stadien zur Darstellung zu bringen. Wie ich jedoch schon weiter oben auseinandergesetzt habe (S. 392 f.), konnte ich bei den Geschmacksknospen auf die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung zunächst verzichten. Als Hauptaufgabe lag vor, das fertige Objekt nochmals genau zu studieren und besonders jene morphologischen Erscheinungen zu verfolgen, welche als der unmittelbare Ausdruck voran- gegangener Knospenteilungen sich darstellen konnten. Vor allem war es notwendig, das gesamte Sinnesfeld mit Bezug auf das Vor- kommen der komplexen Knospenkombinationen höherer Ordnung (Zwillinge, Drillinge etc.) auf das genaueste zu durchforschen, da diese ihrer Entstehung nach auf Teilungsakte der einfachen Knospen sich zurückleiten lassen. Hiermit komme ich dann auf ein Arbeitsgebiet, auf welchem ich ohne Vorgänger bin, dessen Betrieb unter meiner Hand schon früher und auch jetzt wieder zu reichen Resultaten geführt hat, wie sich weiterhin zeigen wird. Es hat sich aber bei dieser Gelegenheit herausgestellt, dass die genauere Topographie der Knospen, welche offenbar mit ihrer natürlichen Entwicklung und mit den an ihnen ablaufenden Teilungsvorgängen in nahem Zusammenhange steht, bisher un- bekannt war, und darum müssen wir mit der Besprechung der topographischen Verhältnisse beginnen. 416 Martin Heidenhain: 2. Die Topographie der Knospen im Sinnesfelde. a) Allgemeines über die Einteilung der Sinnesfelder in querliegende „Stäbe“ und über das Vorkommen mehrporiger Knospen. Über die Art der Verteilung der Knospen im Sinnesfelde, über ihre wechselnde Grösse und ihre Porenzahl kann man sich nur auf Flachschnittserien in genügender Weise orientieren. Die Anfertigung derartiger Serien ist, wie ich früher schon ausgeführt habe, erschwert, weil die Leisten schwach fächerförmig gestellt sind und ausserdem etwas bogenförmig verlaufen (Textfig. d, e und f, S. 397 f.). Man muss daher das einzuschmelzende Stück sehr sorgfältig orientieren, etwa in der Art, dass man die Schnitt- ebene parallel zur Hauptrichtung der Leisten, also entsprechend der Achse des Fächers einstellt. Aber auch dann noch ereignet es sich, dass die ganze Serie für die Zwecke der feineren Topo- graphie verloren geht, wenn es sich nämlich bei der späteren Besichtigung der Schnitte zeigt, dass das Messer nicht genau senkrecht auf der Zungenoberfläche bezw. nicht genau parallel zur Mittelebene der Leisten stand. In diesem Fall erhält man Schiefschnitte durch das Epithel (siehe z. B. Fig. 20 und 21), welche nur dann brauchbar sind, wenn der Winkel zwischen Schnittebene und Epitheloberfläche nicht zu gross ist. Auf gut gelungenen Flachschnittserien lassen sich jedoch mühelos sogleich mehrere Grundtatsachen feststellen, nämlich, 1. dass die Knospen innerhalb des Sinnesfeldes im allge- meinen zu (Querreihen geordnet sind, d. h. zu Reihen, welche auf der Zungenoberfläche senkrecht stehen (Fig. 14—16; Taf. XXV Projektion A—D), . dass die Knospen von ausserordentlich verschiedener Grösse sind. Es kommen ganz kleine Individuen vor, welche nur wenige Zellen enthalten, und daneben andere von riesiger Grösse mit enormer Zellenzahl. Man ver- gleiche etwa in Projektion A Taf. XXV die kleinsten Knospen, deren Poren sich nicht ermitteln liessen, mit der riesigen dreiporigen Knospe in der Gruppe d; oder man vergleiche in Projektion D die ein-, zwei- und drei- porigen Knospen in den Gruppen a—k; dass viele der Knospen von mittlerer und alle Knospen von bedeutenderer Grösse mehrporig sind. Dies lässt [S) (st) Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 417 sich unmittelbar erkennen, wenn der Schnitt durch das Niveau der Ampullen ging (Fig. S und 9, Fig. 18, 20 und 21; von den Projektionen besonders E—H),. Es musste nun der Versuch gemacht werden, diese soeben kurz skizzierten Tatsachen in exakter Weise zu verfolgen. Es handelte sich mithin darum, eine eingehende Kenntnis von dem Strukturphänomen der Knospenquerreihen, von der relativen Grösse der Knospen und von dem Vorkommen der mehrporigen Individuen zu erwerben. Zur Lösung dieser Aufgabe stand nur ein Weg frei, nämlich die Methode der topographisch-statistischen Aufrechnung. Zu diesem Behufe wählte ich aus den Flachschnitt- serien einige günstig im Schnitt gelegene Strecken der Sinnes- felder aus, nahm die Konturen der grössten Querschnitte der Knospen mit dem Abbeschen Apparate auf und projizierte dann auf diese in gleicher Weise die sämtlichen Poren. Solche Pro- jektionen sind nicht schwierig herzustellen (Taf. XXV). Im einzelnen ging ich folgendermassen vor. Form und Lage der Knospen mussten, wie ich mich durch das Studium der Präparate überzeugte, durch Projektion der grössten Quer- schnitte dargestellt werden. Es genügt nicht, den äquatorialen Durchschnitt zu wählen, denn die Lage desselben lässt sich in den Präparaten nicht so leicht exakt bestimmen, während sich der grösste Durchschnitt immer ermitteln lässt. Man hat auf diese Weise ein bestimmtes Prinzip der Zeichnung. Die grössten Querschnitte pflegen etwas nach abwärts vom Äquator der Knospen zu liegen, weil diese sich der Regel nach gegen ihre Basis hin etwas ausbauchen. Hierzu vergleiche man die Abbildungen auf unserer ersten Tafel. Man hat, wenn man nach meinem Vorschlage die grössten Durchschnitte projiziert, auch den Vorteil, dass diese in der Zeichnung sich enge zusammen- drängen, wodurch die Gesetzmässigkeit ihrer Aufstellung besser zum Ausdruck gelangt. Störend ist nur, dass man die grössten Durchschnitte der Knospen. wenn längere Epithelstrecken der Knospen projiziert werden sollen, oft von mehreren benachbarten Schnitten entnehmen muss. Die entsprechende Aufsuchung und Bestimmung der Poren hat, wenn die Schnitte gut ausdifferenziert sind, meist keinerlei Schwierigkeit, und man kann sie dann leicht mittels Pause auf den ersten Aufriss übertragen. Der Leser wird sich aus der Betrachtung der Fig. 14—16 und 17—19, 418 Martin Heidenhain: Taf. XXIL, leicht eine zutreffende Vorstellung davon entwickeln können, wie solche Projektionen sich herstellen lassen. Auf die geschilderte Weise sind die acht Projektionen auf Taf. XXV entstanden, in denen wir ein genaues Abbild der wirklichen Verhältnisse haben, und zwar entsprechen die ersten vier Projektionen, A—D, mehr dem typischen Verhalten, während die letzten vier, E—H, in ihrem Aufbau sich etwas von diesem entfernen. Zur Erklärung füge ich hinzu, dass ich beim Studium der Serien natürlich versucht habe, mir die verschiedensten Varianten der Sinnesfelder zur Anschauung zu bringen, und dass ich deswegen neben einigen typischen Formen auch einige weniger häufige Varianten absichtlich in die Projektionen aufgenommen habe. Es sind daher zwar alle diese Sinnesfelder in der Form, wie sie vorliegen, völlig normale Bildungen, doch sollte der Leser seine (Gesamtanschauung über ihre Zusammensetzung mehr aus den ersten vier Projektionen entnehmen. Nunmehr können wir zur Diskussion des vorliegenden Materials übergehen. Versuchen wir uns zunächst in einer vorläufigen Weise über den Gegenstand zu orientieren, indem wie die vorliegenden acht Projektionen nach dem Gesamteindruck vergleichen, so stellt sich zunächst heraus, dass die verschiedenen Sinnesfelder (bezw. Teile von solchen) einen individuellen Charakter an sich tragen. In einigen finden sich fast nur kleinere und mittlere einporige Knospen (A—C), während in anderen grosse mehrporige Individuen in reichlicher Menge vorkommen (D—H). Weiterhin ergibt sich, dass die kleineren und kleinsten Knospen zum allergrössten Teile am unteren (hier linken) Rande des Sinnesfeldes ihren Platz haben; einige wenige Exemplare der kleineren Formen kommen jedoch auch längs des oberen Randes vor, während im Innern der Sinnesfelder Knospen kleinster Art kaum anzutreffen sind. Die Knospen sind nun in der Tat gewöhnlicherweise zu transversalen Reihen geordnet (A—D), welche entweder rein quer oder ein wenig schief zur Längsachse des Feldes verlaufen. Daneben finden sich immer auch Stellen, an denen eine unregel- mässige Zusammenordnung der Knospen statt hat (besonders in den Projektionen F—H); diese mögen durch eine Verwerfung des Anlagematerials zustande gekommen sein. Diese Aufstellung der Knospen in Querreihen war bisher unbekannt. v. Lenhossek meinte, dass vier Längsreihen von Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 419 Knospen vorhanden sind, welche in den (uerschnittsserien gewöhnlich in der Übereinanderstellung von vier Knospen zum Vorschein kommen (Fig. 1). Jedoch sind derartige Längsreihen, wie unsere Projektionen zeigen, überhaupt nicht vorhanden. Da- gegen sind die Querreihen an vielen Sinnesfeldern über weite Strecken hin ausserordentlich deutlich (vergl. z. B. die Original- abbildungen Fig. 14—16 und die dazu gehörige Projektion Ü), und ich möchte meinen, dass sie auf guten Schnitten der Knospen im Präparate selbst noch deutlicher sind als auf meinen Abbildungen. Nach allen meinen Beobachtungen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, dass die innerhalb der einzelnen Reihen befindlichen Knospen in einer näheren genetischen Beziehung zu- einander stehen, in der Weise, dass sie von einem gemeinschaft- lichen Anlagekomplex abstammen. Dies erkennt man am besten an der auffälligen Tatsache, dass gelegentlich die ganze (uer- reihe durch eine einzige vielporige Knospe ersetzt wird (Fig. S rechts). Meine Auffassung der Sache wird späterhin durch den weiteren Gang der Darstellung in ausserordentlichem Grade an Wahrscheinlichkeit gewinnen: einstweilen kann sie uns dazu ver- helfen, das Rohmaterial der Untersuchung in besserer Weise zu ordnen. Demgemäss führe ich für die Querreihen, welche in der Morphologie der Sinnesfelder eine so grosse Rolle spielen, einen besonderen Namen ein und bezeichne sie als „Stäbe“. Auf den Projektionen A—E habe ich versucht, die Lage der Stäbe durch Konstruktionslinien darzustellen; im übrigen will ich nicht behaupten, dass diese Führungslinien überall die einzig möglichen oder allein die richtigen seien. Meine Absicht war vielmehr, dem Leser einen Anhalt für seine Anschauung zu geben. Nachdem ich mich dann bei der Projektion E überzeugt hatte, dass die Stäbe mitunter weniger gut ausgebildet sind, habe ich bei den weiterhin folgenden, von dem gewöhnlichen Typ abweichenden Projektionen F—H die Konstruktion der Stäbe nicht mehr konsequent durchgeführt. Die dort sichtbaren Linien haben in den meisten Fällen nebst den beigefügten Buchstaben nur noch die Bedeutung, die betreffende Stelle des Objekts zu kennzeichnen. Es mag nun auf den ersten Blick hin so scheinen, als ob in der Art und Weise, wie ich die quere Gliederung der Sinnes- 420 Martin Heidenhain: felder zum Vorschein gebracht habe, viel Willkürliches liegt; deswegen ist es nötig zu besprechen, welche Handhaben uns das Objekt selbst bei Beurteilung der in Frage stehenden Struktur- erscheinung liefert. Der Beschauer sieht leicht, dass an den gut ausgebildeten Stellen nicht bloss die Knospen schlechthin in regelmässigen oder annähernden Querreihen liegen, sondern dass auch die zugehörigen Poren in linearer Folge auf- zutreten pflegen, ein Stellungsgesetz, welches bestehen bleibt, auch wenn unter den Knospen desbetreffenden Stabes mehrporige Individuen vorhanden sind (Projektion D, Stäbe b, d, f, g; Projektion F, Stäbe f, g, i, k). Diese lineare Aufstellung der Poren kommt übrigens auch auf gut angelegten (uerschnittsserien in bester Weise zum Ausdruck, da man immerhin ziemlich häufig die sämtlichen Poren ein und desselben Stabes auf einem einzigen Schnitte von 6 « Dicke beisammen findet, und zwar habe ich gelegentlich bis zu sechs Poren nebeneinander erhalten. Es hat sich mir daraus die Vorstellung gebildet, dass viele Sinnesfelder vorkommen mögen, welche noch viel regelmässiger gebaut sind als diejenigen, von welchen ich, durch technische Umstände geleitet, die Projektionen angefertigt habe. Geringfügige Abweichungen von der besprochenen Stellungs- regel kommen natürlich vielfach vor und können unsere (Gresamt- auffassung nicht beeinflussen. Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn ausnahmsweise (Projektion C, Gruppe l) oder in bestimmten Sinnesfeldern, welche auch sonst sich andersartig verhalten, inner- halb der stabartigen Gruppierungen mehrporige Knospen auftreten, welche in reiner oder fast reiner Querlage befindlich sind, wie in Projektion G bei Grüppe f und bei i+ k. Hier haben wir eine Erscheinungsweise vor uns, die ganz offenbar von einer besonderen Variation oder Störung des Entwicklungsprozesses abhängig ist. Mit diesen selteneren Vorkommnissen können wir uns einstweilen an dieser Stelle noch nicht näher beschäftigen, vielmehr fahren wir zunächst in der Besprechung der normalen typischen Anordnung der Knospen fort. Die Tatsache, dass die Poren der Regel nach in linearer Folge auftreten, sind wir berechtigt darauf zu beziehen, dass die Knospen ein und desselben Stabes aus einer gemeinschaftlichen Anlage hervorgehen, deren weitere Entwicklung mit einigen Teilungsakten verbunden war, wobei die spezifische Teilungsrichtung Sinnesfelder und (Greschmacksknospen der Papilla foliata. 421 voneinerzuranderen Teilungerhalten blieb, so dass die Nachkommen einzeilig angeordnet sein müssen. Handelt es sich um vollkommene äussere Teilungen, so erhält man eine Serie einporiger Knospen. Treten innere Teilungsakte auf, welche von äusserer Teilung nicht gefolgt sind, so kommt es zur Bildung mehrporiger Knospen, Zwillings-, Drillingsgebilden usf., deren Poren naturgemäss demselben Stellungsgesetze folgen müssen. Daher ist es eine sehr seltene Ausnahme, wenn in den mehr- porigen Knospen die Poren nicht linear geordnet sind, und es scheint mir eine besonders bemerkenswerte Tatsache zu sein, dass solche Ausnahmen fast ausschliesslich unter den dreiporigen Knospen vorkommen, bei welchen dann die Poren entsprechend den Ecken eines Dreiecks gestellt sind (z. B. Projektion E bei i, Projektion F bei d, Projektion H bei d). Vier- bis sechsporige Knospen zeigen die Poren immer in rein linearer Anordnung. Diese hier kurz entwickelte genetische Vorstellung, welche später besser zu begründen sein wird, erleichtert uns einstweilen die Betrachtung der Projektionen in wesentlicher Weise. Wir dürfen nun annehmen, dass überall die lineare Aufeinanderfolge der Poren das Charakteristische ist. Diese weist ganz bestimmt auf den Entwicklungsprozess hin: versuchen wir daher die Stäbe in einem Sinnesfeld konstruktiv festzulegen, so muss unser Be- streben sein, die natürlichen Folgen der Poren zu bestimmen. Betrachten wir daraufhin die Projektion A—D, so sehen wir, dass die Bestimmung der Lage der Stäbe in derartigen typischen Feldern im allgemeinen einfach ist und meist keinem Zweifel unterliegt. Kleinere Unregelmässigkeiten, allerhand fragliche Stellen, welche verschieden beurteilt werden können, muss man mit in den Kauf nehmen. Wir sehen ganz deutlich, dass die Reihen der Poren teils senkrecht, teils etwas schief gegen den oberen Rand des Sinnesfeldes gerichtet sind, dass ferner der Versuch der Konstruktion bald gerade, bald schwach gebogene Führungslinien ergibt. Da wir von der Untersuchung der typischen Felder aus- gehend die Stäbe als genetische Systeme angesprochen haben und da diese an der linienhaften Aufeinanderfolge der Poren kenntlich werden, so folgt, dass wir auch in den atypischen Sinnesfeldern dasselbe Prinzip der Betrachtung anwenden müssen. Demzufolge deuten wir die auffallenden Porenfolgen in dem oberen 492 Martin Heidenhain: Teil der Projektion F ebenfalls als genetische Gruppierungen. An dieser Stelle, welche zugleich das natürliche Ende eines Sinnes- feldes darstellt, sind die Stäbe offenbar schief umgelegt worden und infolge der augenscheinlichen Verwerfung des Anlagematerials haben sich zugleich allerhand Störungen der normalen Anordnung ergeben, welche es unmöglich machen, die Konstruktion der Stäbe im einzelnen durchzuführen. Schliesslich folgt aus unseren Betrachtungen für die Auf- fassung der mehrporigen querliegenden Knospen in den Feldern G und H, dass hier eine besondere Form der Entwicklung des Anlagematerials durch innere Teilungen in der Richtung quer zur Lage der Stäbe zur Anschauung gebracht wird, welche bei den besser entwickelten Sinnesfeldern sich in dieser Art nicht auffinden lässt. Hiervon wird noch weiter unten die Rede sein. Die Eintragung der Führungslinien in die Projektionen ist nach unseren Erfahrungen im allgemeinen nicht schwierig und demzufolge lassen sich leicht einzelne Stellen mit unregelmässiger Gruppierung der Knospen als etwas Besonderes erkennen und in bestimmter Weise umschreiben. Zu dem Behufe muss man sich der betreffenden Strecke des Feldes, welche, wie der Augenschein lehrt, die Knospen in unbestimmter Lagerung enthält, bei Ge- legenheit der Eintragung der Führungslinien von beiden Seiten her annähern. Nehmen wir als Beispiel die untere Hälfte der Projektion F, so bemerken wir, dass wir in der Bestimmung der Stäbe f—1 keinerlei Schwierigkeit haben; ebenso sind weiter unten die Stäben und m vollkommen deutlich und sogar recht typisch. Jedoch zwischen m und 1 liegt ein indiskutables Feld, auf welchem besondere Verschiebungen des Knospenmaterials offenbar statt- gefunden haben. Weitere Beispiele dieser Art sind überflüssig. Jedenfalls ist es für uns belanglos, wenn in den Sinnesfeldern von im übrigen typischer Gliederung hier und da kleinere unregel- mässige Strecken vorkommen. b) Die Gliederung der Stäbe. Studiert man auf den Projektionen die Gliederung der Stäbe, so gewahrt man, dass sie in gewissen Fällen, welche einem normalen, typischen Verhalten entsprechen, sich in drei bis vier, selten fünf oder sechs einporige Knospen einteilen. Die Knospen solcher Stäbe ergeben nach Umfang und Form auf Querschnittsserien der Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 423 Leisten betrachtet das bisher allein beschriebene Bild (Fig. 1); viele hierher gehörige Beispiele findet man in den Projektionen A—C (z. B. Projektion A, Stäbe a und b, Stäbe i—m, Stäbe 0—s). Oft jedoch sind die Stäbe anders eingeteilt; zählt man nur drei Knospen oder weniger, so pflegen sich unter ihnen grössere Exem- plare zu befinden, welche mehrporig sind (z. B. Projektion (, Stäbe a, f, v; Projektion D, Stäbe b, d, e, f, g, h, i; Projektion F, Stäbe f, g, i, k, I, meetc... Es hat dann den Anschein, als ob die grössere mehrporige Knospe an der Stelle mehrerer einporiger steht und diese ersetzt. Es finden sich beispiels- weise Stäbe mit zwei grösseren Knospen zu je zwei Poren (Projektion F, Stäbe f und g) und ebenso kommen gar nicht selten ganze ungeteilte Stäbe mit vier Poren vor (vergl. hierzu Fig. 8: zur Linken ein Stab mit drei Knospen, unter diesen eine zwei- porig, rechts ein ganzer ungeteilter Stab mit vier Poren). Als ich im Anfang der Untersuchung auf diese Tatsachen aufmerksam geworden war, glaubte ich, es würde sich vielleicht herausstellen, dass das spezifische Zellenmaterial in den Stäben annähernd gleichgross und nur verschieden eingeteilt sei. Dies hat sich jedoch in keiner Weise bestätigt. Es genügt vielmehr eine oberflächliche Durchmusterung der Projektionen, um zu er- kennen, dass das Zellenmaterial der Stäbe nach Zahl und Umfang der Knospen beurteilt an Quantität recht verschieden ist. Am deutlichsten tritt dies in der Projektion D hervor bei Vergleich der grossen Stäbe b, d—h mit den kleinen Stäben n—t. Wie dieser Vergleich zeigt, sind offenbar auch die nämlichen Sinnes- felder auf verschiedenen Strecken an spezifischem Materiale sehr verschieden reich und es kann daher in keiner Weise auffallen, dass unsere Projektionen hinsichtlich der Knospen- und Porenzahl in bedeutendem Grade voneinander abweichen. Gehen wir aufs einzelne, so finden wir unter den Stäben neben den typischen Formen zu drei bis vier Knospen bezw. Poren auch solche mit nur zwei Knospen zu je einem Porus oder mit nur einer Knospe zu zwei Poren (vergl. Projektion E die Stäbe c—f). Die Zellenzahl in den Stäben ist also ganz gewiss ver- schieden gross. Jedoch lässt sich immerhin nicht verkennen, dass eine gewisse Tendenz der Entwicklung vorliegt, das Sinnes- feld in annähernd gleichartige (Quersegmente zu trennen und eine Knospenzahl von etwa drei bis vier in jedem Stabe herzustellen, 424 Martin Heidenhain: wenn auch im einzelnen massenhafte Varianten der Entwicklung vorkommen. Diese Tendenz tritt meines Erachtens nach in den typischen Bildern der ersten vier Projektionen (A—D) deutlich genug zutage. Da im vorstehenden davon die Rede gewesen ist, dass inner- halb eines bestimmten Stabes eine grössere mehrporige Inospe an die Stelle mehrerer einporiger treten kann, so ist hier der Ort, darauf aufmerksam zu machen, dass in freilich viel selteneren Fällen ganz offenbar irgend eine bestimmte, besonders auffallende, grosse, mehrporige Knospe in ihrem Bestande Materialien aus zwei benachbarten Stäben in sich einschliesst. So haben wir beispielsweise in Projektion A bei Gruppe d eine Riesenknospe zu drei Poren, welche meiner Meinung nach einen solchen Fall darstellt; die in ihr enthaltenen Materialien sind offenbar nicht zur richtigen Verteilung gelangt. Einen ähnlichen Eindruck hat man in der Projektion B von der dreiporigen grossen Knospe bei Gruppe e, und wiederum den gleichen Fall treffen wir in Projektion © bei Gruppe s und noch deutlicher in Projektion D bei Gruppe c. An letzterer Stelle findet man eine vierporige Riesenknospe, welche zweifellos Materialien aus zwei Stäben enthält. Denkt man sich die Masse der grossen Knospe auf zwei Nachbarstäbe verteilt, so würden diese schmal und dürftig sich ausnehmen, und es scheint demnach, als ob wegen der relativen Geringfügigkeit des Anlage- materiales dessen ordnungsmässige Verteilung nicht zustande kam. Nach dieser Annahme sind wir also bereit, gewisse entferntere genetische Beziehungen auch zwischen den Nachbarstäben zu- zulassen, in dem Sinne etwa, dass das Zellenmaterial der Nachbar- stäbe ursprünglich unter irgend einer Form in einer einheitlichen Anlage gegeben war. Auf diese hypothetischen Beziehungen zwischen benachbarten Stäben werden wir weiter unten bei ge- gebener Gelegenheit noch einmal zurückkommen. Unsere Resultate über die Gliederung der Stäbe sind nach dem Vorstehenden etwa die folgenden. Die Zahl und die Grösse der Knospen in den Stäben variiert ganz ausserordentlich. Auch der Gesamtquerschnitt aller zu einem Stabe gehörigen Knospen ist offensichtlich von sehr verschiedenem Umfange, und daher ist es ausgeschlossen, dass die Stäbe auch nur annähernd die gleiche Zahl spezifischer Zellen enthalten. Demgemäss kann als möglich oder wahrscheinlich hingestellt werden, dass das Anlagematerial Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 425 der Stäbe von vornherein verschieden gross war. Trotz dessen lässt sich eine gewisse Gesetzmässigkeit im Ausbau der Stäbe nicht verkennen, da von den zahlreichen Varianten ungemein viele einem gewissen mittleren Typ entsprechen. Dieser liegt bei einer Einteilung in drei bis vier Knospen bezw. entsprechend bei einer Porenzahl von drei bis vier, womit der Fall einge- schlossen ist, dass unter den Knospen mehrporige Individuen vorhanden sind. Im übrigen variieren die Porenzahlen der Stäbe zwischen zwei und sechs bei wechselnder Knospenzahl. Fünfporige Stäbe wurden beispielsweise in der Einteilung zu zwei, drei, vier und fünf Knospen beobachtet. Sechsporige Stäbe sind Raritäten. Der typische vierporige Stab kommt in allen möglichen Varietäten der Einteilung, zu einer, zwei, drei und vier Knospen, vor, wobei die letzteren Zustände die häufigeren sind. Vom dreiporigen Stabe gilt ähnliches. Unsere Untersuchungen über die Gliederung der Stäbe weisen demnach mit vollster Bestimmtheit darauf hin, dass sie genetische Einheiten sind, von einer gemeinschaftlichen, teilbaren und darum auch in verschiedener Weise sich einteilenden Anlage abstammen. Nach meiner Anschauung sind die Einzelknospen der Stäbe irgendwie durch Teilung auseinander hervorgegangen, und ich finde eine weitere Bestätigung meiner Auffassung in dem Um- stande, dass gelegentlich das Material einer gewöhnlichen ein- porigen Knospe in zwei entsprechend kleinere zerlegt sein kann. Dieser Fall ist dann leicht erkenntlich, wenn die beiden Tochter- knöspchen in der Querrichtung des Stabes liegen, wie dies z. B. in Projektion © bei b, in Projektion D bei v zu sehen ist. Meiner Erinnerung nach kommen derartige kleinere Knospenpaare nur am Oberrande des Sinnesfeldes häufiger vor; am gegenüberliegenden unteren Rande sind sie seltener, in der Mitte der Stäbe kamen sie nie zur Beobachtung. c) Die Fächerstellung der Knospen. Es zeigt sich weiterhin, dass im Zusammenhang mit der serialen Aufeinanderfolge der Knospen innerhalb der Stäbe auch die Art ihrer Einsetzung in das Sinnesfeld und sogar ihre Form in bestimmter Weise variiert. Unter den mir voran- gegangenen Autoren ist es allein v. Lenhossck, der von diesen Umständen einige Kenntnis hatte. Dieser Autor sagt über die 426 Martin Heidenhain: spezifische Stellung der Knospen des vierteiligen Stabes!) das Folgende aus (vergl. unsere Fig. 1 sowie das Schema Textfig. i): „Bei der untersten zeigt die Längsachse eine schief aufsteigende Richtung, so dass ihre Basis beträchtlich tiefer zu liegen kommt, als ihre Spitze. Schon bei der zweiten Knospenreihe (Knospe, d. Ref.) sehen wir eine Lageveränderung ein- treten, indem sich die Basis der Knospe erhebt, so dass sie beinahe senkrecht auf die Furche in das Epithel eingepflanzt ist; aber erst bei der dritten Reihe (Knospe, d. Ref.) kann die Lage als eine vollkommen senkrechte bezeichnet werden. Bei der kleinen obersten IKnospe schlägt die Achse sogar ein bischen in das Gegenteil um, d. h. die Basis kommt etwas höher zu liegen als der (reschmacksporus.“ Diese Fig. i. Schema zur RECHerRLENNEER der Knospen. Beschreibung passt, wie der Leser sieht, fast genau auf die Verhältnisse unserer Fig. 1, und es ist keine Frage, dass v. Lenhossck ein ungemein typisches Verhalten zum ersten Male wesentlich richtig beschrieben hat. Nach meiner Erfahrung kann man der in Rede stehenden (Gesetzmässigkeit, welche auf dem Entwicklungsprozesse beruhen muss, einen noch strengeren Ausdruck in folgender Form geben. Konstruieren wir zu den Knospen eines Stabes deren Richtungs- achsen, so liegen diese einander nicht parallel, sondern sie schneiden sich unter Winkeln, welche gegen die Basis des Sinnes- '!) Zum Verständnis des Zitates wolle der Leser sich erneut ver- gegenwärtigen, dass v. Lenhossek die Stäbe nicht kannte. Wie früher schon berichtet, nahm v. Lenhossck an, dass im Sinnesfelde vier Längs- reihen von Knospen vorhanden sind, weil die Querschnitte der Leisten so häufig vier übereinander gestellte Knospen ergeben. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 427 feldes geöffnet sind (siehe Textfig. i). Demgemäss bilden die Achsen der Knospen miteinander eine Art Fächer. Der obere Randstrahl dieser Linienfigur pflegt in den gewöhnlich vor- kommenden Fällen auf der Oberfläche des Sinnesfeldes senkrecht zu stehen, bezw. er weicht mit dem basalen Ende ein wenig in der Richtung nach aufwärts ab; ferner bilden der zweite, dritte, vierte Strahl usf. mit dem ersten wachsende Winkel. Daher wird die Achse der untersten Knospe meistens in bedeutendem Grade gegen die Epitheloberfläche geneigt sein. Auf einen kürzeren Ausdruck lässt sich das vorliegende Stellungsgesetz nicht gut bringen. Man kann nämlich nicht bestimmt behaupten, dass die Richtungsachse der ersten oder der zweiten Knospe von oben her gerechnet senkrecht auf der Epitheloberfläche stehe; man kann vielmehr treffend nur sagen, dass die Achsen der Knospen in erheblichem Grade gegeneinander zu konvergieren pflegen und dass die nach aufwärts gelegenen Strahlen der Stellung senkrecht zur Epitheloberfläche näher kommen als die unteren. Hierbei mag nun eine der oberen Knospen zufälligerweise im Epithel senkrecht stehen oder nicht. Diese Art der Einpflanzung der Knospen in das Sinnesfeld bezeichnen wir kurz als „Fächerstellung“. Sie illustriert aufs neue, dass die zu demselben Stabe gehörigen Knospen eine besondere, id est genetische Gruppe bilden. Wäre diese An- ordnung nicht so konstant und, wie wir weiter unten noch dar- legen werden, zugleich mit einem gesetzmässigen Formwechsel der Knospen verbunden, so würden wir nicht so viel Wert auf diese Einzelheiten legen. Die besondere Konstanz der in Frage stehenden Anordnungen ist unter anderem auch aus unseren Projektionen zu ersehen, obwohl diese ursprünglich nur zu dem Zweck angefertigt wurden, um das Vorkommen der Mehrporigen zu kontrollieren, nicht aber, um feinste Details der Stellung der Knospen zum Ausdruck zu bringen. Wie bei der Fächerstellung der Knospen die Projektionen ausfallen werden, das kann man sich leicht an der Hand der Fig. 1 (oder auch mittelst der Textfig. i) vergegenwärtigen. Projizieren wir bei Fig. 1 Poren und Querschnitte der Knospen in bekannter Art, so werden die ersteren nicht durchgehends in die geometrische Mitte der letzteren hineinfallen. Vielmehr wird der Porus der untersten Knospe in die Nähe der oberen 428 Martin Heidenhain: Begrenzung des zugehörigen Durchschnittes zu liegen kommen und die nämliche Anordnung wird eventuell, wenngleich weniger deutlich ausgeprägt, auch noch bei der darüber liegenden Knospe zu beobachten sein. Umgekehrt wird bei der obersten Knospe der Porus gewöhnlicherweise in den nach abwärts gewandten Teil der Durchschnittsfigur hineinfallen. Kurzum, auch bei den Projektionen wird es sich geltend machen, dass die Poren in der (uerrichtung des Feldes näher beieinander liegen als die Knospen- körper. Liegt die Basis der untersten Knospe tiefer wie der zugehörige Porus (vergl. Textfig. i!), so kann sogar der Fall ein- treten, dass der letztere sich auf eine Stelle unmittelbar nach aussen von der Umrisslinie der Knospe projiziert. Haben wir also unter Benutzung einer Flachschnittserie die Poren mit dem Abbeschen Apparat sämtlich auf einer Pause gesammelt und legen diese über den zugehörigen Aufriss der grössten Knospendurchschnitte (vergl. Taf. XXV), so ist die richtige Lage der ersteren schon dadurch fest bestimmt, dass man versuchen muss, die sämtlichen Poren, auch die der rand- ständigen Knospen, in die Durchschnittsfiguren wirklich hinein- zubringen. Man wird also die Pause auf der Unterlage so zu verschieben suchen, dass die Poren an den beiden Rändern des Feldes ebenfalls möglichst alle in die entsprechenden Knospen hineinfallen. Diese Manipulation begreift sich leicht, wenn man eine unserer Projektionen, etwa die erste (A), zu Rate zieht. Hier mussten beispielsweise im Stabe a die Poren der beiden endständigen Knospen je in das bezügliche Feld hineingerückt werden und wegen ihres relativ geringen Abstandes konnten sie nur unmittelbar neben die begrenzende Konturlinie zu liegen kommen. Das Gleiche musste der Fall sein bei mehreren anderen Stäben, z. B. bei i, m usf. Auf diese Art ist die richtige Form der Projektion wohl stets gewährleistet und, da wir glatt und gut geschnitten haben, so hat der Aufriss der Poren mit dem der Knospen immer gut zusammengestimmt. Aber es ereignet sich nicht selten, dass einige der Poren, welche zu Knospen des Unterrandes gehören, wenn diese in sehr schiefer Stellung in das Sinnesfeld eingepflanzt sind, auf eine Stelle unmittelbar nach aussen von dem Grenzkontur des zugehörigen Knospen- durchschnittes projiziert werden. In diesem Falle habe ich mir erlaubt, um eine möglichst einfache und übersichtliche Form der Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 429 Zeichnung zu bewahren, die betreftenden Poren in ihr Feld hinein- zurücken; die willkürliche Verschiebung der Poren war in diesem Felde absolut genommen eine sehr geringfügige, da sie lediglich von einem Punkte auf der konvexen Seite der Einfassungslinie des Knospendurchschnittes über diese hinweg auf eine unmittelbar benachbarte Stelle an der konkaven Seite derselben Kurve ver- schoben wurden. In Projektion A ist die exzentrische und gewissermassen einander zugewandte Stellung der Poren der beiden Endknospen der Stäbe in besonders charakteristischer Weise entwickelt. Die gleiche Wahrnehmung machen wir im übrigen auch bei den anderen Projektionen, wobei ich wiederholt hervorhebe, dass die exzentrische Lage der Poren bei den zu unterst gelegenen Knospen bei weitem häufiger, bezw. besser ausgebildet ist als bei den Knospen des Oberrandes. Schliesslich mache ich in diesen Zusammenhange noch auf die Projektion (4 aufmerksam, welche mir in besonderem Grade vertrauenswert erscheint. Hier zeigen die grossen querliegenden mehrporigen Knospen am Oberrande des Feldes bei k und m die gleiche „exzentrische“ nach abwärts gewandte Lage der Poren. Eben aus diesem Grunde möchte ich meinen. dass diese Knospen nicht etwa aus der Lage gekommene „Stäbe“ sind, sondern dass sie je mehreren in der Querrichtung nebeneinander liegenden einporigen Knospen des Oberrandes ent- sprechen und somit der Anlage nach, d. h. der ursprünglichen Bestimmung gemäss, zu mehreren nebeneinander liegenden Stäben gehören. Einen Blick noch wollen wir auf Fig. 11, Taf. XXI, werfen. denn die Fächerstellung der Knospen macht sich auch auf den Horizontalschnittserien bemerklich. Man mag beim Schneiden das Objekt so gut orientieren wie man will, man wird bei der Durchsicht von Horizontalschnitten immer den Eindruck haben, als sei eine ausserordentliche Anzahl der Knospen ganz und gar vom intergemmalen Epithel des Sinnesfeldes umschlossen. Wie diese Erscheinungsweise zustande kommt, wird man sich leicht an der Hand der Fig. 1, 2 und 3 klar machen können, aus welchen ersichtlich ist, dass der Horizontalschnitt bei schief liegenden Knospen leicht einerseits die Ampulle, andererseits das indifferente Zwischenepithel trifit. Dies zeigt unsere Fig. 11; bei diesem Schnitte war es schwer, das Gesichtsfeld der Zeichnung Archiv f. mikr. Anat. Bd.s5. Abt.]. 29 430 Martin Heidenhain: so auszuwählen, dass wenigstens einige der Knospen an ihrer Basis mit dem Bindegewebe der Seitenlamelle in Verbindung standen. d) Die gesetzmässige Variation der Knospengestalt innerhalb der Stäbe. Die Fächerstellung der Knospen tritt fast überall deutlich hervor, unabhängig von der Einteilung des Stabes, der Poren- zahl usf. Naturgemäss hat diese Art der Anordnung auch einen bedeutenden Einfluss auf die Gestalt und die innere Konfiguration der einzelnen Knospen. Diejenigen, welche annähernd aufrecht im Sinnesfelde stehen, also die oberen Knospen der Stäbe, können prächtig abgerundet und allseitig symmetrisch ausgebildet sein. Ein besonders schönes Exemplar einer derartigen wohlgeformten Knospe liegt in Fig. 5 vor. Diese fand sich am Oberrande des Sinnesfeldes und steht demzufolge in Anlehnung an das obere umgebogene Ende der Seitenlamelle. Je stärker nun die Strahlen des Knospenfächers gegen die Oberfläche des Sinnesfeldes geneigt sind, um so mehr erscheinen die Knospen in sich verzogen, so dass mithin die unterste, be- sonders wenn sie von erheblicher Grösse ist. in bedeutendem Grade von der Form der anderen Endknospe abweicht. Dies lässt sich leicht durch Vergleich der beiden in Fig. 5 und 6 abgebildeten typischen Knospen des Ober- und Unterrandes fest- stellen, welche gewissermaßen als Beispiel und Gegenbeispiel betrachtet werden können. Sollen diese Formen richtig aufgefasst werden, so ist zunächst nötig, sich dessen zu erinnern, dass nur die oberen Knospen annähernd senkrecht, die in der Richtung nach abwärts folgenden der Regel nach in steigendem Grade schief in das indifferente Epithel des Sinnesfeldes eingesetzt zu sein pflegen, wovon oben ausführlich die Rede war. Dies hat dann zur Folge, dass die tieferen Knospen, besonders die unterste, mit der nach abwärts schauenden Hälfte ihres Umfanges in stärkere Annäherung an die Oberfläche des Sinnesfeldes kommt, als mit der nach aufwärts gewandten Hälfte. Was gemeint ist, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und fällt leicht ins Auge, wenn es sich um eine kleine Knospe handelt, welche zum Unterschiede von den grossen meist symmetrisch gestaltet sind. Eine solche haben wir in dem unteren Individuum der Fig. 3. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 431 Teilt man bei dieser den ganzen Umfang in zwei Abschnitte, einen unteren und einen oberen, so wendet sich der erstere im ganzen betrachtet der Epitheloberfläche zu und liegt ihr näher, während der letztere ebenso im ganzen von der Epitheloberfläche abgewendet ist und ıhr ferner liegt. Dieses primitive Verhältnis ist weniger leicht erkenntlich bei den grossen, zellenreichen Knospen des Unterrandes, welche im Mittelschnitte eine asymmetrische Gestalt angenommen haben. also bei einer Knospe, wie sie in Fig. 6 vorliegt. Bei einem derartigen, schief in sich verzogenen Gebilde wird der Beschauer zunächst nicht auf den Gedanken kommen, dass die gegebene Form abhängig ist von einer primären Schieflage im Epithel, und doch ist dies der Fall. Denn es wendet sich der nach abwärts gelegene lang ausgezogene Teil ihres Aussenkonturs der Ober- tläche des Sinnesfeldes zu und befindet sich in Annäherung an dieselbe, während der genau gegenüberliegende Teil des Konturs in der Richtung nach rechts aufwärts sieht, von der Epithel- oberfläche abgewendet ist und ihr verhältnismässig ferner liegt. Die Charakteristika der Schieflage im Epithel sind demgemäss vorhanden. Diese ist jedoch nicht so leicht kenntlich, weil die Knospe mit breiter Figur innerhalb des Epithels sitzt und in der Gestalt verändert erscheint. Gehen wir, um den Charakter der Formänderung zu ermitteln, wiederum von der unteren der beiden kleinen Knospen in Fig. 3 aus, so besitzt diese, wie wir sehen, trotz ihrer Schieflage immerhin noch eine annähernd symmetrische Gestalt: dasselbe trifft ebenso für die drei kleinen Knospen der Fig. 2 in gleichem Grade zu. Ferner zeigt sich, dass auch die obere grosse, senkrecht im Epithel sitzende Knospe der Fig. 5 sich im wesentlichen symmetrisch entwickeln konnte, während die in Frage stehende untere Endknospe in Fig. 6 asymmetrisch geworden ist. Eine derartige Asymmetrie ist bei den grösseren Knospen des Unterrandes, welche eine stark vermehrte Zellenzahl aufweisen, bald in stärkerem, bald in schwächerem Grade aus- gesprochen und nimmt weiterhin bei den nach aufwärts, in der Richtung des Oberrandes folgenden Individuen mit der allmäh- lichen Abschwächung ihrer Schieflage entsprechend leichtere Grade an. Man vergleiche hierzu Fig. 7, welche uns die mittlere Knospe eines dreigeteilten Stabes vorführt. Der Charakter der besprochenen Asymmetrie erschliesst sich am leichtesten aus dem Vergleiche der 29r 432 Martin Heidenhain: Fig. 5 und 6. Während in Fig. 5 die Zellen sich symmetrisch um die Ampulle gruppieren. so dass sie gewissermassen einen symmetrischen rundlich begrenzten Fächer bilden, erscheint eben dieser Zellenfächer in Fig. 6 schief verzogen, eine Formengebung, die dadurch zustande kommt, dass die Zellenleiber in der Aufeinanderfolge von oben nach unten fortdauernd an Länge wachsen. Der Eindruck der verschiedenen Länge der Zellen wird hier, wıe ich in Parenthese hinzufügen möchte, im wesentlichen durch die besondere Aufstellung der Kerne bedingt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die wahre Zellen- länge auf derartigen Präparaten eigentlich nicht kontrollierbar ist, denn nach Ausweis der Golgischen Methode kann der Zellen- leib nach abwärts vom Kern in einen langen, weithin kriechenden Ausläufer übergehen. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ist es das Folgende. Mit der Fächerstellung der Knospen variiert ihre Form. Das Prinzip der Variation ist darin gegeben, dass die Knospen innerhalb des Stabes in der Richtung nach abwärts eine sich sukzessive stärker entwickelnde asymmetrische Form gewinnen, indem innerhalb jeder einzelnen Knospe die dem Unterrande des Sinnesfeldes näher liegenden Zellen mehr und mehr sich ver- längern. Daher gewinnt man den Eindruck, als wäre die Masse der Knospe bei den von oben nach unten aufeinander folgenden Individuen in immer stärkerem Grade in der Richtung nach abwärts gedrängt worden. Diese auf den Mittelschnitten der Stäbe beobachteten Formen der einporigen Knospen kehren in genau der gleichen Weise bei den mehrporigen wieder. Letztere verhalten sich nämlich wie eine Kombination einporiger Knospen, zwischen welchen die epithelialen Scheidewände fehlen. Dass dem so ist, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man die Fig. 26, 27, 28, Taf. XXIII und ebenso die Fig. 31, 32, 33, Taf. XXIV aufmerk- sam betrachtet. Man braucht nur den Verlauf des oberen und des unteren Konturs des Knospenkörpers sowie die Anordnung der Zellen zu vergleichen, und man wird sich davon überzeugen, dass hier die nämlichen Verhältnisse vorliegen wie bei Fig. 6. Bei einigen der zitierten Figuren, z. B. bei Fig. 26, 28 und Fig. 31, ist sogar die Hervordrängung der Zellenmasse in der Richtung nach abwärts in bedeutendem Grade ausgesprochen. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 4353 Wenden wir uns noch einmal der Betrachtung unserer Projektionen zu, so ist klar, dass die besprochenen speziellen Verhältnisse der Morphologie der Knospen auch auf ihnen zum Vorschein kommen müssen. In der Tat bemerken wir, wenn wir einen typischen Aufriss vor uns haben, wie in A, B und (, dass die Knospen am Unterrande sehr häufig nicht mehr rundlich, sondern in der Richtung des Stabes in die Länge gezogen sind, also beispielsweise in B bei den Stäben b, c. h, i. I, in © bei b, c, h, i, m, n, p etc. Unter Berücksichtigung der exzentrischen Lage des Porus gewinnt man also auch hier den Eindruck, als sei die Masse der Knospe gewissermaßen in der Richtung nach abwärts hervorgedrängt oder hervorgequollen. Weiterhin möchte ich noch hinzufügen, erwecken auch die in der Richtung von oben nach unten an Länge zunehmenden Epithelmäntel (Fig. 1, 4, 6 und 7) den Eindruck. als seien die indifferenten Zellen des Zwischenepithels durch eine spezifische Materialverschiebung in der Richtung von oben nach unten mitgenommen worden. Werfen wir zum Schlusse noch einen Blick auf Fig. 11, so zeigt sich, dass die sämtlichen Knospen im Horizontalschnitte ziemlich gleichartig geformt und symmetrisch gebildet erscheinen. Wir dürfen uns daher betreffs der Form der Knospen etwa dahin ausdrücken, dass viele unter ihnen, und zwar besonders diejenigen, welche dem Oberrand genähert sind, rundlich gestaltet und dabei annähernd allseitig symmetrisch entwickelt sind, während die dem Unterrand benachbarten oft seitlich abgeplattete, längliche, bilateral symmetrische Gebilde sind, wobei man die Symmetrie- ebene auf den Querschnittsserien der Leisten im Mittelschnitte des Stabes erhält. Die zentralen Knospen des Feldes werden natur- gemäss ihrer Form nach eine vermittelnde Stellung einnehmen. Nachdem wir im obigen ausführlich dargestellt haben, dass ungeachtet vieler Abweichungen im einzelnen die gesetzmässige Anordnung der Knospen innerhalb der Stäbe mit ebenso gesetz- mässigen Variationen ihrer (Gestalt einhergeht, dürfte es wohl klar geworden sein, dass wir hier den typischen Effekt eines bestimmt gerichteten Entwicklungsprozesses vor Augen haben. Es ist nicht möglich, diesen Prozess aus den fertigen Formen in seinen Einzelheiten zu erschliessen; doch sind wir wohl berechtigt, uns eine provisorische Vorstellung über die End- stadien der Entwicklung des Sinnesfeldes zu machen, aus welchen 434 Martin Heidenhain: die besprochenen Anordnungen und Formen hervorgehen. Hier ist zunächst in Rechnung zu ziehen, dass das Sinnesfeld oben bestimmt, unten nicht bestimmt begrenzt ist; am Oberrande stemmen sich die zu äusserst befindlichen Knospen gewissermassen gegen die hakenförmige Umbiegung der Seitenlamelle, und es existiert nach dieser Richtung hin somit keine oder nur eine geringe Möglichkeit der Ausdehnung der Knospen für den Fall, dass diese während der Entwicklung erheblich an Grösse zunehmen oder der Zahl nach sich vermehren sollten. Eine Ausdehnungs- möglichkeit ist vielmehr fast ausschliesslich in der Richtung nach abwärts gegeben. Es muss also in dem angenommenen Falle eine sanz allgemeine Tendenz der Abwanderung des. gesamten im Sinnesfelde enthaltenen Zellenmaterials in der Richtung auf die Basis der Geschmacksleiste bestehen. Nun sind aber die (reschmacksporen in der das Sinnesfeld deckenden Hornlamelle gleichsam festgelegt; die Poren werden daher der intendierten Materialverschiebung nicht mit der gleichen Geschwindigkeit folgen können, und es werden jeweils die tieferen Schichten des Feldes im Verhältnis zu den höheren die beweglicheren, leichter ver- schieblichen sein. Aus diesen Momenten musste sich dann bei der Vergrösserung des Sinnesfeldes, also bei der Vermehrung der Knospen und ihrer Volumszunahme, die bewusste Fächerstellung sowie die damit verbundene typische Abänderung ihrer Gestalt gleichsam von selbst ergeben. Selbstverständlich wird auch das Porenfeld sich allmählich verbreitern, aber doch nicht in dem gleichen Grade wie die Basis des Sinnesfeldes.. Denn die Poren können ihren Abstand nur allmählich ändern, in dem Maße nämlich, wie mit der natürlichen Abschilferung der oberflächlich gelegenen Hornschichten tiefer gelegene Teile der Knospenkanäle an die Oberfläche rücken, deren Querschnitte wegen der Fächer- stellung der Knospen in verhältnismässig weiterem Abstande von- einander befindlich sein werden. Auch die starke Vorbuchtung der grossen unteren Endknospen sowie der spitze Winkel zwischen ihnen und dem benachbarten indifferenten Epithel (S. 394, Text- figur c, Wi) sprechen dafür, dass die Materialverlagerung in den Endstadien der Entwicklung in der Richtung von oben nach unten vor sich geht. Schliesslich kann man auch die besondere Lage der Epithelmäntel mit der supponierten Verschiebung des Zellen- materials in Zusammenhang bringen. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 43! e) Einiges über die unregelmässig gebauten Strecken der Sinnesfelder. Nachdem wir im obigen viele Erfahrungen über den typischen Aufbau der Sinnesfelder gesammelt haben, ist es möglich ge- worden, noch einige Betrachtungen über die von der gewöhnlichen Erscheinungsweise abweichenden Anordnungen, wie sie auf den Projektionen E—H, Taf. XXV, zutage gekommen sind, anzu- schliessen. Ich erinnere daran, dass hier natürlich nur gewisse Abschnitte von den Sinnesfeldern vorliegen, welche in der ganzen Länge der Geschmacksleisten an deren Seitenflächen sich hinziehen. Demgemäss könnten die nämlichen Felder an anderen Stellen eventuell ganz das gewöhnliche Aussehen zeigen. Diese vier Projektionen E--H zeigen, obwohl sie im einzelnen stark voneinander abweichen, meines Erachtens nach doch ein (semeinschaftliches, nämlich, dass sie nicht völlig ausentwickelt erscheinen. Dies macht sich besonders an dem Auftreten ungemein vieler mehrporiger Knospen bemerklich, also an dem Auftreten zusammenhängender Massen von Sinneszellen, bei denen die der Regel nach eintretende äussere Sonderung in kleinere Komplexe ausgeblieben ist. Wie aus dem obigen hervorgeht, ist ja das Auftreten der mehrporigen Knospen gewiss nichts Abnormes; sie finden sich immer und kommen im normalen Verlauf der Ent- wicklung zustande. Erst ihr Überhandnehmen zeigt, dass man doch mit einer Art von Entwicklungshemmung rechnen muss. Betrachten wir nunmehr die in Frage stehenden Projektionen im einzelnen. Zweifelsohne haben wir bei E eine relativ geringe Anzahl von Knospen, also im ganzen genommen nur wenig spezi- fisches Zellenmaterial. Dagegen sind die Knospen zum Teil recht gross, und viele von ihnen sind mehrporig. Die Aufstellung in Stäben ist an vielen Stellen noch gut kenntlich; letztere erscheinen jedoch verkürzt und enthalten nur ein bis zwei Knospen. Als eine geringfügige Abweichung möchte zu beurteilen sein, dass die Stäbe zum Teil schief liegen (l, m, n, 0); dass jedoch an einzelnen Stellen die Poren nicht in en Folge liegen (g, i), deutet schon auf eine erheblichere Unregelmässigkeit der Entwicklung. Im ganzen können wir unser Urteil über den hier vorliegenden Aufriss dahin abgeben, dass im Verhältnis zu ihrer Länge die betreflende Strecke des Feldes verhältnismässig wenig spezifisches Material enthält und dass, wahrscheinlich im Zusammenhang 436 Martin Heidenhain: hiermit, die Einteilung und Anordnung der Stäbe nicht so streng ist wie sonst. Mehr lässt sich darüber nicht sagen. Die Projektion F zeigt in der Richtung nach aufwärts das natürliche Ende eines Sinnesfeldes. Wir finden hier mehrere grosse bis sehr grosse schiefliegende Knospen (bei a—c), welche drei, vier, ja selbst bis sechs Poren aufweisen. Da die lineare Folge der Poren in dem ganzen (Grebiete sehr schön ausgebildet ist, so halte ich dafür, dass wir an dieser Stelle schief umgelegte Stäbe vor uns haben, obwohl diese Auffassung ja im einzelnen nicht näher begründet werden kann. Nach abwärts von der besprochenen Stelle folgt (zwisehen e und e) ein unregelmässiges (Gebiet, welches nicht weiter diskutabel ist, allmählich jedoch erfolgt eine Umordnung der Knospen auf die Form der Stäbe, welche bei e erreicht ist und von da ab im unteren Teile des Feldes ziemlich streng aufrecht erhalten wird, mit Ausnahme einer kleinen Stelle zwischen I und m. Unser (Gresamturteil können wir dahin abgeben, dass hier am oberen blinden Ende des Feldes eine Entwicklungsstörung stattgefunden hat, welche sich in der Richtung nach abwärts bis zur Mitte der abgebildeten Strecke geltend macht; der Rest ist regelmässiger gestaltet. Wir kommen nun zu der Projektion G. Hier sieht man in der unteren Hälfte der Abbildung einer quere Unterbrechung des Sinnesfeldes, welche durch eine tiefe, oberflächlich stark ver- hornte Einfurchung des Epithels bedingt war. Es war also an dieser Stelle eine Entwicklungsanomalie zu konstatieren und im Zusammenhang damit sehen wir zu beiden Seiten der Einfurchung eine unregelmässige Anordnung der Knospen. Unter diesen finden sich wiederum viele grosse Individuen, welche bis zu sechs Poren aufweisen (bei o und p). Dass die letzteren umgelegten Stäben entsprechen, kann bei der sehr vollständigen Verwerfung des Materials nicht bestimmt behauptet werden. Unbedingt in Abrede stellen möchte ich es für die Knospe m, welche vierporig ist und genau die Form einer mehrporigen Knospe des Oberrandes besitzt, wie wir sie auch bei k und Il und in Projektion H bei a, ce, & usf. bemerken. Betreffs dieser mehrporigen querliegenden Knospen des Oberrandes habe ich schon oben hergeleitet (S. 429), dass sie zweifellos mehreren einporigen Endknospen entsprechen und demgemäss das Territorium mehrerer benachbarter Stäbe bedecken, wenn dies auch oft im einzelnen nicht nachweisbar ist, da bei Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 457 Epithelstrecken dieser Art die Sonderung in der Längenrichtung des Sinnesfeldes überhaupt eine unvollkommene ist. Einen ein- fachen hierher gehörigen Fall haben wir in Projektion F bei h, denn hier deckt ganz offenbar eine querliegende zweiporige End- knospe das Territorium zweier Stäbe, welche im übrigen von- einander gesondert sind. Etwas Ähnliches hat man auch in Fig. 8, Taf. X\X, wo in der Mitte oben eine grosse zweiporige Knospe die Rudimente zweier Stäbe von obenher deckt. In der Projektion G ist dies Verhältnis zum Teil noch mehr verhüllt, weil nämlich im Innern des Sinnesfeldes querliegende zwei- oder dreiporige Knospen auftreten, welche zu mehreren nicht völlig voneinander getrennten Nachbarstäben gehören. Diese querliegenden Knospen in den inneren Teilen des Feldes entsprechen demgemäss nach meiner Meinung den ähnlich gelagerten mehrporigen Knospen des Ober- randes. Ich würde also beispielsweise annehmen, dass die Gruppe i- k im ganzen drei Nachbarstäben entspricht; h und g mögen einfache Stäbe sein, f dagegen möchte ich als das Homologon zweier Stäbe ansehen, da hier mehrere ziemlich genau quer- gestellte zweiporige Knospen übereinander liegen. Die Nachbar- gruppe e wäre sehr schwer zu taxieren: die drei Knospen ent- halten hier zusammen acht Poren, mithin so viele, wie niemals in einem einzelnen Stabe vorkommen. Daher müssten wir schliessen, dass diese Gruppe wahrscheinlicherweise zwei Stäben entspricht, obwohl die Knospen klein, wenig charakteristisch geformt und nicht in typischer Querlagerung befindlich sind. Bei d und c haben wir zwei wohlgeformte, normale Stäbe und schliesslich bei b eine Gruppe, die auf zwei Nachbarstäbe bezogen werden kann. Unser Gesamturteil über die vorliegende Projektion würden wir demgemäss dahin abgeben, dass im unteren Teil derselben auf Grund einer Entwicklungsstörung eine starke Verwerfung stattgefunden hat, während im oberen Teil die Sonderung des Materials in der Längenrichtung des Feldes offenbar eine unvoll- kommene ist, was an der grossen Zahl mehrporiger querliegender Knospen kenntlich wird. Auf unsere aus dieser Anschauung ab- geleiteten Deutungsversuche, wie wir sie vorstehend in Vorschlag gebracht haben, um zu einer ungefähren Übersicht zu gelangen, wollen wir im einzelnen kein besonderes Gewicht legen. Der unregelmässigste Aufriss ist derjenige der Projektion H. Oben haben wir das natürliche Ende des Feldes, unten war das- 438 Martin Heidenhain: selbe durch eine Einfurchung analog derjenigen in der vorigen Figur unterbrochen. Mit der Gegenwart der letzteren mag es zusammenhängen, dass die Verwerfung des Materials in der unteren Hälfte des Feldes eine sehr vollkommene ist. Nach aufwärts hingegen treten Verhältnisse hervor, die denjenigen der Projektion G zum Teil analog sind. Wir gewahren wiederum die grossen mehrporigen querliegenden Randknospen, welche offenbar doch etwas Charakteristisches sind. Wir können sie aber hier nicht mehr so gut auf eine Mehrheit von unterliegenden Stäben beziehen, da die im Inneren des Feldes auftretenden zwei- und dreiporigen Knospen nicht genau quer, sondern schief gelagert sind, wie denn ein grosser Teil des Feldes, nämlich die Strecke zwischen e und g, schief verzogen erscheint. Wir sehen daher an dieser Stelle von jeder Diskussion der Einzeltatsachen ab. Unser (sesamturteil würde dahin lauten, dass dieser Aufriss verhältnis- mässig wenige Knospen enthält und an spezifischem Materiale sichtlich arm ist, dass er demzufolge einen unentwickelten Ein- druck macht, dass jedenfalls die Gliederung in der Quer- und in der Längenrichtung sehr unvollkommen ausgebildet ist. 3. Spezielle Morphologie der mehrporigen Knospen. An den Anfang dieses Abschnittes über die spezielle Morpho- logie der mehrporigen Knospen stellen wir eine tabellarische Über- sicht über ihr Vorkommen in der Projektion A—H und bitten den Leser, einen Blick auf diese Aufrechnung zu werfen. Die Projektionen sind nach den Ziffern in der Kolonne X geordnet, also nach den Zitfern, welche angeben, wie hoch der Prozentsatz der Mehrporigen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Knospen war. In dieser Tabelle haben wir also eine Art statistischer Übersicht über die verschiedenen Varianten der Knospen und ihre Verbreitung in den Sinnesfeldern. Jedoch mache ich aus- drücklich darauf aufmerksam, dass das Material der Aufrechnung, wenn strenge Ansprüche gestellt werden, noch zu klein ist. Denn es hat die Papilla foliata über 15 Leisten, mithin über 30 Sinnes- felder: wir besitzen aber nur acht Projektionen und diese betreften nicht die ganzen Felder, sondern nur Abschnitte von solchen. Da aber nicht nur die Felder selbst, sondern auch die Papillen verschiedener Tiere unter sich verglichen in ihrem Aufbau varlieren werden, so ist klar, dass unsere Aufrechnung nur dazu dienen Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 459 Übersichtstabelle über das Vorkommen ein- und mehrporiger Knospen in den Projektionen A—H. I ea ler | Lvele vo vor | VIE VIE IX | x | xı xu | xım | = & 2 4, = | Mehrporige Porenzahl | 5 2 o S 3 | Ele Knospen der mehr- Dal eıaıs | S | A lee 2 jene een Projektion | © | ae ee nl 7 Bars ! I2j2ı8S|8j=|=8|3°|3|5E)8|28 88 E 3 =: 3 5: 8 ka MS arm? ® = |o2 aj2ja|ı2|& | |s | |28|= 8 |S> S © o = = IR © = | © - un ae oe | IE FEN 2 |k® Se) ae 178 Nez rg | | | | A 6 We |; — el. 68; 50.9; | >29, et B ©) 1) 1 I - | | —- || 2| 321 65|5|77 e as ee ee ee | 10 |122| 94 | 22 2,2 w & r n= |gxr« ß © D 56| 51 5|ı ı| — | — | | 19 |25,3|| 99 | 43 143,0 E 2383| 8| 5 = | | 38 | 15 \394| 62 | 39 [e2,9 F 33221 3 | 2 - 2 | 62 | 29 |46,7|1106 | 73 168,8 G 41|28|6| 25 — | 2| 79 | 38 481135 | 94 [69,6 H | m@\ı 8 | 1 — || 43 | 26 |60,4| 80 | 63: 787 Summe |368 100 | 29 | 7 | ı | 4 |509 |ısı [29,7 |712 |344 | — | | | kann, eine allgemeine Vorstellung über die Natur der wirklich gegebenen Verhältnisse zu erwecken. Selbstverständlich habe ich nicht die Absicht, als Autor meine eigene Mühewaltung zu dis- kreditieren und ich hätte die Tabelle nicht gegeben, bezw. sie in passender Weise vervollständigt, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass die aus der Tabelle ersichtlichen Resultate den objek- tiven Verhältnissen nahe kommen, wobei ich mich in meinem Urteile auch auf die genaue Durchsicht der Querschnittsserien stütze. Hierzu muss ich noch die folgende Erklärung abgeben. Die Tabelle soll das zahlenmässige Vorkommen der Ein- und Mehrporigen vor Augen stellen. Ich habe nun früher aus- einandergesetzt, dass die Projektionen E—H in ihrer topo- graphischen Konfiguration sich von den typischen Verhältnissen einigermaßen entfernen. Es ist deswegen aber nicht notwendig, dass eben diese Projektionen in bezug auf das zahlreiche Vor- kommen mehrporiger Knospen gänzlich aussergewöhnliche Ver- hältnisse darbieten, d. h. Verhältnisse, welche in Feldern mit typischer Gliederung nicht vorkommen. Denn man findet auf den Querschnittsserien, bei denen man die sämtlichen Sinnesfelder 440 Martin lleidenhain: der Papille in ganzer Ausdehnung nach und nach zu Gesicht bekommt, welche ferner bei guter Orientierung dem Beschauer die Mittelschnitte der Stäbe in sehr reichlicher Zahl vorführen, eben nicht gar wenige, sondern gelegentlich ausserordentlich grosse Mengen mehrporiger Knospen, natürlich vor allen Dingen zweiporige, dann auch viele dreiporige. dazu immer auch vier- porige, wenngleich solche in geringer Zahl. Ich habe daher den Eindruck gewonnen, dass auch die Felder von typischer Gliederung, also mit guter Ausbildung der Stäbe, in der Art variieren können, dass ungemein viele mehrporige Knospen in der typischen Stellung auftreten, welche den hohen Ziffern bei E—H recht wohl ent- sprechen können. Aus diesem Grunde schalten wir die letzteren aus der Betrachtung nicht aus, sondern halten es für richtiger, sie trotz ihrer besonderen Konfiguration als geeignete Repräsen- tanten der Felder mit einer Vielzahl mehrporiger Knospen anzu- sehen. Für diese Stellungnahme kommt in Betracht, dass die sämtlichen Felder natürliche Varianten ein und desselben morpho- logischen Systems sind, und dass in bezug auf das Vorkommen mehrporiger Knospen die Variation A ebensogut ein Extrem ist wie die Variation H. Im übrigen werde ich aus unserer Aufrechnung nur einige wenige Ziffern herausgreifen. Untersucht wurden 509 Knospen und davon waren 141 —= 29,7 °/o mehrporige. Dies ist anscheinend eine gute Ziffer, denn die beiden in unserer Tabelle in der mittleren Stellung befindlichen Varianten D und E ergeben 25,5 und 39,4 o, im Durchschnitt 32,3%/o mehrporige, eine Zifter, die mit den vor- stehend genannten nahezu übereinstimmt. Die Extreme sind jedoch ausserordentlich; einerseits fehlen — wenigstens strecken- weise — die Mehrporigen fast vollständig, andererseits machen sie über 60°/o der Bevölkerung des Feldes aus. In letzterem Falle gehören über dreiviertel aller Poren den Knospen der höheren Ordnungen zu. Die Zwei- und Dreiporigen sind, wie man sieht, ganz unge- mein häufig; auf 100 der ersteren Art kommen noch 29 der letzteren. Zweiporige Individuen sind auch auf den Querschnitten der Leisten in so grosser Zahl vertreten, dass ich der Übung halber die Studierenden in den Kursen danach habe suchen lassen. Die Vierporigen sind jedoch schon sehr viel seltener, während die Fünf- und Sechsporigen als Raritäten gelten können. Jene, Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 441 die Vierporigen, kommen noch als normale Bestandteile der Stäbe, eventuell unter der Form der „ganzen“ Stäbe vor (Fig. 8): die Angehörigen der beiden letzten Klassen treten jedoch nur noch bei abnormer Lagerung des Materials auf. (sehen wir zur Besprechung der Morphologie der höher- wertigen Knospen über, so stellen sich einige interessante Einzel- heiten heraus, auf welche wegen der Frage der Teilkörpernatur der Knospen geachtet werden muss. Die kleinsten der zweiporigen Knospen sind kleiner als die grössten der einporigen (Fig. 23 im Verhältnis zu Fig. 6 und 7); ebenso sind die kleinsten der Dreiporigen kleiner als die grössten Zweiporigen (Fig. 27 im Vergleich zu Fig. 26) usf. Es sind aber auch die grössten Zweiporigen sehr viel umfangreicher als die grössten Einporigen (Fig. 26 im Vergleich zu Fig. 6), die grössten Dreiporigen ebenso bei weitem umfangreicher als die grössten Zweiporigen (Fig. 28 und Fig. 26) usf., — Verhältnisse, die notwendig festgestellt werden müssen, um klarzulegen, dass die Zellenzahl der Knospen der verschiedenen Ordnungen durch- aus nicht etwa nach irgendwie einfachen Proportionen wächst. Im übrigen habe ich durch exakte Messungen das durchschnitt- liche Volumen der Knospen der verschiedenen Klassen festzustellen versucht, wovon weiter unten noch die Rede sein wird. Einst- weilen kann sich der Leser über die relativen Grössenverhältnisse der verschiedenen. Knospen an der Hand unserer Abbildungen genügend orientieren, da ihr Volumen den Mittelschnitten direkt proportional anzunehmen ist. Die zueinander gehörigen Poren der höherwertigen Knospen stehen bald nahe beieinander, bald halten sie grössere Abstände inne. Diese Verhältnisse verdienen eine besondere Besprechung, da wir ja voraussetzen, dass die Knospen sich während der Ent- wicklung zu teilen pflegen, wobei auch die Poren verdoppelt werden und die Tochterporen sich allmählich voneinander trennen müssen. Hier sind die Verhältnisse der Zweiporigen, da sie in be- liebiger Menge zur Untersuchung herangezogen werden können, am meisten zu beachten. Es zeigt sich, dass bei kleinen und mittleren Knospen die Poren oft sehr nahe beieinander liegen (Fig. 23), während sie bei den Riesenknospen (Fig. 25, 26) weite Abstände innehalten. Bei kleinen Knospen ist es, wie ich aus- 442 Martin Heidenhain: drücklich hervorheben möchte, manchmal kaum noch möglich, festzustellen, dass es sich wirklich um zwei, nicht bloss um einen vergrösserten, eventuell in Teilung befindlichen Porus handelt (Fig. 23). In einigen Fällen konnte erst die Anwendung der apochromatischen Ölimmersion die Entscheidung über die fragliche Duplizität des Porus erbringen. Diese wachsende Skala der Ent- fernungen der Poren bei wachsender Grösse der zugehörigen Knospen stimmt durchaus mit unserer Vorstellung überein, dass Teilungsakte vorkommen und dass die Geschmacksgrübchen der einfachen Knospen bei zunehmender Zellenzahl einer allmählichen Spaltung unterliegen. Sind Poren, Knospenkanäle und Ampullen in deutlichem Grade voneinander getrennt, so gewahrt man leicht, dass ein Teil der Sinneszellen gegen die eine, ein anderer Teil derselben gegen die andere Ampulle konvergiert. Jedoch sind die Schwester- ampullen und die ihnen entsprechenden Knospenanteile oft von ungleicher Grösse. Dies trifft sich in gleicher Weise in allen Klassen der Knospen der höheren Ordnungen. Erklärbar sind diese Verhältnisse nicht; doch mache ich darauf aufmerksam, dass, wenn es sich um eine unterste Knospe handelt, der am meisten nach abwärts gelegene Porus besonders klein zu sein pflegt (z. B. Fig. 34). Dementsprechend finden wir, wie schon früher erwähnt wurde, dass die in den Stäben zu unterst gelegenen einporigen Knospen häufig sehr klein und ihre Poren kaum auffindbar sind. Es sieht also ganz so aus, als ob die kleinsten Knospen des Unter- randes lediglich abgesprengte Teilchen der über ihnen stehenden grösseren Knospen sind. Betrachtet man ferner auf den Mittelschnitten der Stäbe bezw. der Knospen die Gegend zwischen den beiden Zellengruppen, welche auf zwei benachbarte Ampullen konvergieren, so findet man dort unmittelbar unter der Schicht der das Sinnesfeld deckenden Plattenepithelzellen immer einen eigentümlichen drei- eckigen Zwickel, welcher auf allen meinen Abbildungen mehr- poriger Knospen leicht zu sehen ist. Dieser Zwickel ist nicht ganz leicht zu untersuchen. An klaren Eisenhämatoxylin-Präparaten zeigt er eine Protoplasmamasse, welche äusserst fein gekörnelt ist, und man gewahrt hier und dort, dass in ihr Kerne liegen (Fig. 26 und 29). Die Natur der Kerne selbst und der Plasma- masse lassen darüber keinen Zweifel, dass das Territorium des Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 445 Zwickels zu der Knospe selbst gehört; demgemäss muss ich es für ausgemacht halten, dass diese Zwickel von den Leibern einiger Sinneszellen ausgefüllt werden, welche der Form nach sich den gegebenen Raumverhältnissen angepasst haben, also erheblich verdrückt sind. Dass das Plasma solcher Zellen an Stelle einer bestimmten Struktur eine feine Körnelung aufweist, halte ich für leicht erklärlich, weil nur die langgestreckten Sinneszellen die ihrer Form entsprechende feine parallele Faserung aufweisen können. Ob die Zwiekelzellen Sinneshaare tragen, wie die normal geformten Zellen, konnte ich nicht feststellen. Noch möchte ich erwähnen, dass die Zwickelzellen auch sehr schön auf den Horizontalserien zum Vorschein kommen (Fig. 11), bei jenen doppelporigen Knospen, welche der Lage nach zum grössten Teil dem Oberrande des Sinnesfeldes angehören. 4. Feststellungen, welche sich auf den Teilungsakt beziehen. a) Teilungsformen der Knospen. Eine besondere Aufmerksamkeit erheischen bei den mehr- porigen Knospen die Basalzellen. Wie bei den Einporigen treten sie auch hier bald in vereinzelten Exemplaren (Fig. 29, b), bald in der Form zusammenhängender Epithelmäntel auf (Fig. 26. ep). Dass diese Zellen von dem indifferenten Zwischenepithel ab- stammen, wird noch erinnerlich sein. Bei einem kleineren Teile der Mehrporigen gewahrt man nun, dass die Basalzellen sich in sehr deutlicher Weise gegenüber den Zwickeln zu einem Häufchen gruppieren. Diese Zellengruppen sind, wenn klein, äusserst wenig auffallend (Fig. 30, epk, auch schon in Fig. 25, b). Sie erhalten ihre besondere Bedeutung erst dadurch, dass sie in anderen Fällen von der Basis der Knospe emporwachsend sich wie ein Keil zwischen die Masse der Sinnes- zellen hinein erstrecken (Fig. 31, epk und 52, epk) und im äussersten Falle (Fig. 33, sw und 34, sw) zwischen zwei benachbarten Knospen- teilen eine unvollkommene Scheidewand bilden. Diese Keile und Scheidewände sind bei meinem Materiale vom ausgewachsenen Kaninchen selten, aber vorzüglich gut sichtbar. Besonderheiten bieten diese Bildungen nicht dar, nur den einen Umstand möchte ich erwähnen, dass in einigen Fällen der Keil bezw. die Scheide- wand am freien Ende eine derbe, in Eisenhämatoxylin stark ge- färbte Randfaser zeigte (Fig. 31, 33 und 34), d.h. man findet an 444 Martin Heidenhain: der bezeichneten Stelle auf dem optischen Querschnitt einen derben, intensiv schwarz gefärbten Punkt, welcher beim Heben und Senken des Tubus in erheblichem Umfange konstant bleibt. Der freie Rand der Scheidewand ist also fester ausdifferenziert, möglicher- weise an dieser Stelle verhornt. Ich möchte nun nicht glauben, dass beim ausgewachsenen Kaninchen noch eine erhebliche Anzahl von Knospen durch weitere Teilung sich vermehren. Vielmehr glaube ich, dass die beobachteten Teilungsformen, denn um solche handelt es sich, sozusagen fixierte Bildungen sind, welche sich in dieser Form erhalten haben, als der Prozess des Grössenwachstums der Papille allmählich zum Stilltande kam. Für einen gewissen Teil der Knospen mit Scheidewandbildung liess sich ferner deutlich nachweisen, dass es sich um Hemmungsbildungen handelt, wobei die Ursachen der Entwicklungshemmung völlig klar sind. Betrachtet man nämlich Fig. 30 und 32, so zeigt sich, dass die Stellung des Keiles an der Basis der Knospe nicht genau der Stellung des Zwickels zwischen den beiden Ampullen entspricht. Stellt man sich demgemäss den Keil als wachsend vor, so würde derselbe niemals die Knospe in einer der vorangegangenen Sonderung der Geschmacksgrübchen entsprechenden Weise durchteilt haben. Viel- mehr sieht man besonders leicht in Fig. 32, aber auch in Fig. 30, dass ein Teil der Sinneszellen, welche von der Basis der einen Halbknospe entspringen, zu dem Porus der anderen Halbknospe hinziehen, um dort zu endigen (vergl. das Schema der Text- figur k). Diese Erscheinungs- weise bezeichne ich als Ver- schränkung der Sinnes- Schematische Skizze zur Er- Fig. k. läuterung der sogenannten Zellenver- schränkung. A und B die beiden Halb- teile der Knospe; zwischen beiden an der Basis der Epithelkeil alternierend mit den Ampullen. Ü in Verschränkung befindliche Zellengruppe. zellen, und alle Knospen, bei denen dies nachweisbar ist, betrachte ich naturgemäss als Hemmungsbildungen. Je- doch ist es in praxi bis jetzt noch nicht möglich gewesen, die Zellenverschränkung in allen Fällen, wo sie wirklich vorhanden Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 445 sein mag, bestimmt zu erkennen, so dass ich mir auch keine annähernde Vorstellung darüber erwerben konnte, wie weit dieselbe verbreitet sein mag. Was unsere Abbildungen angeht, so mag es wohl sein, dass auch in Fig. 33 und 34 einige wenige Zellen in der beschriebenen falschen Stellung befindlich sind; aber be- stimmt behaupten lässt es sich nicht. Jedenfalls liegt nach unseren weitschichtigen Beobachtungen kein Grund vor, die gewöhnlichen polymeren (mehrporigen) Knospen als Hemmungsbildungen anzu- sehen, welche etwa in ähnlicher Weise durch Verschränkung oder unordentliche Durcheinanderschiebung der Sinneszellen zustande gekommen sein könnten. Es bleibt mir noch übrig, zwei besondere Formen von gehemmter Knospenteilung zu besprechen, welche ich auf Flach- schnittserien aufgefunden habe; hierauf beziehen sich die Fig. 36 und 37. Bei Fig. 36 sieht man in A und B zwei aufeinanderfolgende und in Ü einen etwas tiefer gelegenen Schnitt durch dieselbe Knospe. A zeigt eine einfache Ampulle und an der linken Seite des Konturs eine Kerbe. Bei B sieht man die Knospe durch eine Scheidewand geteilt, und zwar liegt der Schnitt entsprechend dem oberen Ende der Scheidewand, wo die offenbar verhornte, hier stark geschwärzte „Randfaser“ (vergl. oben) getroffen wird. Fig. C endlich gibt zur Ergänzung einen tieferen Schnitt etwa durch die Mitte des Knospenkörpers. Danach handelt es sich um eine grössere einporige Knospe, welche von einer in der Richtung nach auf- wärts emporragenden Scheidewand fast bis zur Höhe der einfachen Ampulle in zwei gleiche Teile zerlegt ist (Textfig. I). Der Fall dieser Knospe ist ein Casus perrarus und zeigt wiederum, dass die Scheidewand- bildung bis zu gewissem Grade von der Teilung des Geschmacksgrübchens unabhängig ist. Während letztere voranzugehen pflegt, ist sie diesmal ausgeblieben und die Scheidewandbildung dennoch eingetreten. Der Fall dieser Knospe ist ferner durch die Konkreszenzhypothese absolut unerklärbar. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.I. 30 Fig.1. Schematische Skizze zur Erläuterung der Schnittserie Fig. 36, Taf. XXIV. 446 Martin Heidenhain: Noch komplizierter sind die Gliederungsverhältnisse in dem Knospenkonvolut der Fig. 537. Bei A sieht man zunächst den oberen Pol einer einheitlichen Knospe mit zwei Ampullen und bei B den nächstfolgenden Schnitt, welcher den oberen stark ver- hornten Rand der Scheidewand fast in ganzer Länge getroffen hat. Bei © haben wir ferner einen um ein beträchtliches tiefer liegenden Schnitt, welcher zeigt, dass die Scheidewand den Knospenkörper in einen grossen oberen und einen um vieles kleineren unteren Anteil zerlegt hat; der letztere aber lässt wiederum eine Ein- schnürung erkennen, welche auf dem nächstfolgenden Schnitte D perfekt ist, so dass der Knospenkörper an seiner Basis aus mindestens drei getrennten Abschnitten besteht. Es zeigte sich jedoch zwischen dem grossen oberen Durchschnitte einerseits und den beiden kleineren andererseits noch ein kleinster abgesprengter Teil (siehe in D), dessen Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen Knospenkonvolut in der Richtung nach aufwärts nicht konstatierbar war. Vernachlässigen wir diese Einzelheit, so verhält sich der eben beschriebene zusammengesetzte Knospenkörper wie folgt. In der Richtung nach aufwärts haben wir zwei Ampullen und zwei Knospenteile, die durch eine unvollkommene Scheidewand- bildung voneinander gesondert werden, also etwa wie in Fig. 33. Der untere Knospenanteil zerlegt sich jedoch durch eine abermalige niedrige Scheidewandbildung und verhält sich demgemäss, da ihm nur eine Ampulle zugehört, wie die vorhin beschriebene Hemmungsbildungder Fig. 36. Bringt man die hier beob- achteten Gliederungen durch ein Schema zum Ausdruck, so nimmt dasselbe die Form der Textfig. m an. Die beschriebenen ab- Fig. m. norm gebildeten Knospen- Schematische Skizze 2 Dirlömserung körper waren die einzigen der Schnittserie Fig. 37, Taf. XXIV. £ von den gewöhnlichen Regeln der Entwicklung abweichenden Kombinationen, welche ich in einem srossen Schnittmateriale aufgefunden habe. Fassen wir das Wesentliche aus dem vorstehenden Abschnitt zusammen, so ist es das folgende. Die Basalzellen sind indifferente Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 447 Epithelzellen, welche von dem intergemmalen Epithel abstammen, und sie sind bestimmt, bei der Knospenteilung die Trennungswände zwischen den Tochterknospen zu liefern. Dies geht in evidenter Weise aus unseren Beobachtungen hervor. Ich erinnere hier ferner daran, dass die Basalzelien hauptsächlich in den Knospen sich finden, welche dem Unterrande genähert sind, und dass es wiederum nicht die kleinen einporigen, sondern eben gerade die grösseren, besonders die mehrporigen, also eventuell gerade die teilungsfähigen Knospen sind, welche sie beherbergen. Danach muss man schliessen, dass während der Entwicklung die Knospen- teilungen besonders in der Region längs dem Unterrande des Sinnesfeldes sich abspielen. b) Die relative Grösse ein- und mehrporiger Knospen im Verhältnis zum Teilungsakte. Es musste von erheblichem Interesse sein, etwas Genaueres über die relativen (Grössenverhältnisse der Knospen der ver- schiedenen Ordnungen zu erfahren. Man konnte z. B. die Frage aufwerfen, ob die Einporigen bis zu einer bestimmten (Grösse anwachsen und sich dann durchteilen, oder eventualiter,. ob sie, wenn die äussere Teilung ausbleibt, von einer bestimmten Grösse an in den zweiporigen Zustand übergehen usf. Da nun Be- stimmungen der Zellenzahl oder des Volumens der Knospen nicht möglich sind, so schien es mir erlaubt, an Stelle dessen die grössten Querschnitte der Knospen in Vergleich zu setzen. Letztere wurden auf den Flachschnittserien aufgesucht, mit dem Abbeschen Apparat bei 1000 facher Vergrösserung auf- genommen und mit einem Planimeter ausgemessen. NB. Das Instrument, dessen ich mich bediente, war das kleine Kugelroll- planimeter Nr. 29 von G. Coradi in Zürich. Hat man sich auf dieses eingeübt, so arbeitet es sehr exakt, so dass die durch die Messung selbst entstehenden Fehler nicht in Betracht kommen. Die auf diesem Wege erhaltenen Ziffern würden sicherlich ein Vergleichsmaterial von erstem Range abgeben, wenn man nicht eben den Übelstand mit in Kauf nehmen müsste, dass wegen der Fächerstellung der Knospen auf den Flachschnittserien nicht alle Individuen genau senkrecht, sondern vorzüglich die dem Ober- und Unterrand benachbarten etwas schief zur Richtung der Hauptachse durchschnitten werden. Die in Rede stehenden 30* 445 Martin Heidenhain: „grössten“ Durchschnitte parallel zur Oberfläche des Sinnesfeldes haben also in der Tat nicht alle genau die gleiche Lage zum Knospenkörper und sicherlich erhält man besonders für die unteren lindknospen zu grosse Werte. Wie man sich aber durch Ver- sleichung der Fig. 1—7 überzeugen kann, dürfte der auf diesem Wege entstehende Fehler im Verhältnis zu dem beab- sichtigten Zwecke, eine blosse Übersicht über die relative (srösse der Knospen zu erhalten, nicht allzu bedeutend sein. /weifellos würde man durch eine exakte Ausmessung der Mittel- schnitte, wie sie unsere Abbildungen zeigen, bessere Werte er- halten; jedoch wäre die Aufsuchung von ca. 150 guten Mittel- schnitten — soviel würden wir etwa brauchen — und ihre Ausmessung eine unverhältnismässig grosse Arbeit gewesen, welcher man andererseits wiederum zum Vorwurf machen könnte, dass dabei nicht jede beliebige im Gesichtsfeld sich bietende Knospe verwertbar ist, sondern dass eine Auswahl stattfinden muss. welche von dem Gutdünken des Untersuchers abhängig ist. Also wird ler Leser wohl mit mir darin übereinstimmen, dass es einstweilen bei der Ausmessung der in den Flachschnitten enthaltenen grössten Durchschnitte sein Bewenden haben konnte. Den bei diesem Verfahren entstehenden Fehlern gehen wir dadurch aus dem Wege, dass wir auf die einzelne Zahl sehr wenig Wert legen, vielmehr unsere Resultate auf die Durchschnittsziffern, auf die Vergleichung ganzer Zahlengruppen usf. gründen. Ich habe also bei einigen Sinnesfeldern innerhalb bestimmter Strecken ihres Verlaufes die grössten Durchschnitte sämtlicher sich darbietenden Knospen bestimmt, um auf diese Weise jede Willkür in der Auswahl der Objekte zu vermeiden. Bei diesem Modus procedendi habe ich naturgemäss sehr viele einporige und eine grössere Zahl von zweiporigen, aber nur wenige drei- und vierporige Knospen ausgemessen; fünf- und sechsporige Individuen kamen auf den untersuchten Epithelstrecken nicht vor. Dem- gemäss hätte ich wohl am besten eine Ergänzungstabelle auf- gestellt und in dieser die Ziffern für eine grosse Anzahl beliebig herausgesuchter hochwertiger Knospen vereinigt. Jedoch ich habe auf eine Fortsetzung dieser Untersuchung verzichtet, weil das Resultat bereits sichtbar ist und weil andererseits die Ausführung zahlreicher planimetrischer Messungen auf die Dauer in unge- meinem Grade anstrengend ist. Sollte sich späterhin aus theore- Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 449 Tabelle über den Flächeninhalt des grössten Durchschnittes einiger Geschmacksknospen, gemessen parallel zur Oberfläche des Sinnesfeldes und berechnet iin .. | | tu. | iR I. II. a || . P . . . . ler- Einporige Zweiporige |Dreiporige niriae | u” u” u u un ı 244, 363, 410, 510, 550, | 568, 568, 600, 619, 619, 648, 664, 671, 686, 763, 766, 777, | 808, 813, 855, 880, 883, 903. 905, 943, 947, 984, 988 | 1019, 1020, 1035, 1036, | 1044 1040, 1059, 1066, 1094 | 1102,:1132, 1137, 1153, 1163, 1175, 1187, 1190, | 1195 | 1232, 1243, 1259. 1275, 1285, 1291, 1296, 1299 | | 1329, 1341, 1353, 1364, | 1318 1369, 1372, 1373, 1384 | 1401, 1416, 1432, 1433, | 1452 1444, 1459, 1461, 1464 1502, 1511, 1529, 1530, | 1579, 1580 1565, 1574, 1577, 1586 1617, 1658, 1659, 1677, 1691 | 1729, 1761, 1791 | 1814. 1870 1850 1935, 1981 | 1951, 1954, 1974 | 2000. 2010, 2013 | 2047, 2073 12116, 2166 | 12134 2240 2280 | 2309 2324, 2373, 2388 3478, 2480 2524, 2549 2646, 2666 2645 2706, 2722, 2734,| 2732, 2757, 2740, 2743 2759 2850 2807, 2883 2963 2942, 2954 | 3316, 3319 | 3558 3762 3971 | 4004 Zahl d. Knospen |96 26 14 3 zusammen u? . | 118688 97915 41292 11324 durchschnittlich | 1236 2227 2949 3774 450 Martin Heidenhain: tischen Gründen die Notwendigkeit ergeben, das Zahlenmaterial reicher zu gestalten, so liegen meine Serien für eine Fortsetzung der Untersuchung bereit. Durchmustern wir die vorstehende Tabelle, so sehen wir, dass die Einporigen mit sehr kleinen Knospen beginnen, wie dies früher schon auseinander gesetzt wurde, denn die kleinsten Knospen bestehen aus nur wenigen Zellen. Weiterhin ergibt die Tabelle, dass die Einporigen zwischen 1000 und 1600 u? Durchschnittsfläche am häufigsten sind und dass von da ab ihre Zahl mit wachsender Grösse sehr rasch abnimmt, um bei etwa 2300 u? zu endigen. Der Durchschnitt der Einporigen liegt bei 1236 «?; hierbei ist jedoch in Anrechnung zu bringen, dass das gelegentliche Vorkommen einzelner sehr kleiner Knospen, für welche vielleicht ein besonderer Modus der Entstehung gesucht werden muss (siehe S. 442), die algebraisch berechnete Durch- schnittsziffer stark herabsetzt. Man erhält daher eine zutreffendere Vorstellung von den Grössenverhältnissen der Einporigen, wenn man eine Häufigkeitskurve der Individuen verschiedener Grösse aufstellt, wie sie die nebenstehende Tafel zeigt. Die Einrichtung unserer Kurventafel ist leicht zu über- sehen. Unser Material bestand aus 96 Knospen, deren grösste Durchschnitte zwischen 200 und 2400 u? liegen. Diese Knospen wurden nun in Klassen von steigender Grösse eingeteilt, wobei jede Klasse um 200 «u? wächst. Die Klasse geringster Grösse umfasst die Individuen von 200—400 u?, die nächste diejenige von 400-600 u? usf. Diese Klassen wurden in unserer Tafel entsprechend der Abszisse aufgetragen, wogegen die zu jeder Klasse gehörige Zahl von Einzelindividuen durch eine Ordinate von entsprechender Länge angegeben wird. Der Endpunkt der letzteren wurde in der Mitte des zugehörigen (uadrates markiert und die Marken oder Punkte durch eine Linie verbunden. Es gehörten also zur ersten Klasse von 200—400 u? nur zwei, zur zweiten Klasse von 400—600 u? fünf, zur dritten Klasse von 600—800 u? zehn Knospen ust. Eine solche Kurve, die, wie der Leser leicht bemerkt, nichts anderes ist als eine typische Variationskurve, lässt ungemein deutlich erkennen, dass die Hälfte der Einporigen auf den engen Spielraum zwischen 1000—1600 u? entfällt, während die andere Hälfte sich auf die Variationsbreite zwischen 200 und 1000 u? Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 451 Häufigkeitskurve der einporigen Geschmacksknospen vom Zahl der 200 Anospen \#994° 000 = I0Qu‘ Kaninchen. ZWISCHEN: 800 -\7000 -\ 7200 -\7400 -\ 1600 - 7009u° 7200u.°\909u* 16001” 118004 24.00u° az 2200 - Fun, einerseits, 1600 und 2400 u? andererseits verteilt. Hierbei ver- halten sich der aufsteigende und der absteigende Schenkel der Kurve ungefähr spiegelbildlich; die Unregelmässigkeiten, die beiderseits noch auffällig sind, sind lediglich dadurch bedingt. dass das empirische Material nicht umfangreich genug war. 452 Martin Heidenhain: Hätten wir statt 96 Knospen deren 1000 ausgemessen, so würden mit höchster Wahrscheinlichkeit die beiden Schenker der Kurve völlig gleichartig ausgefallen sein. Weiterhin kann man an unserer Kurve ablesen, dass, wenn eine Durchschnittsfläche von 1600 u? erreicht ist, die Knospen in den zweiporigen Zustand überzugehen pflegen, da von da ab die Häufigkeit der Einporigen rapide abnimmt. Vergleicht man hierzu die Kolonne über die Zweiporigen in unserer Tabelle S. 449, so ergibt sich übereinstimmend, dass sie erst bei einer Fläche von über 1000 u?, also entsprechend dem Gipfel der Kurve der Einporigen, beginnen, dass sie ferner in dem Moment anfangen häufiger zu werden, in welchem die Kurve der Einporigen sinkt und dass ihr Durchschnitt oder ihr Kulminationspunkt mit 2227 «u? annähernd über dem Punkt liegen würde, wo dieKurve der Einporigen bis auf 0 herabsinkt. Diese Gesetzmässigkeit würde sich wiederum noch viel deutlicher darstellen, wenn das vorliegende Zahlenmaterial grösser wäre. Würde es uns gelingen, eine analoge Kurve über die Zweiporigen aufzustellen, so müsste diese ähnlich ausfallen, wie die der Einporigen und wir könnten sie dann über letztere hinwegzeichnen. Nach den vorliegenden zahlenmässigen Erfah- rungen würde sie etwa bei 1000 «” nahe der Abszisse beginnen (vergleiche die Kurventafel), dann bis zu einem Gipfel zwischen 2000 und 2400 «u? (durchschnittliche Grösse 2227 u?!) ansteigen und schliesslich in spiegelbildlicher Form wieder zur Abszisse herabsinken. Zum Unterschiede von der ersteren Kurve würde jedoch ihr höchster Punkt viel tiefer liegen als bei der Kurve der Einporigen, weil die zweiporigen Knospen im ganzen bei weitem nicht so häufig vorkommen wie jene. — Über die Drei- porigen besitzen wir leider einstweilen noch sehr wenig Ziffern, aber immerhin ist erkenntlich (Tabelle S. 449), dass ihre Frequenz von dem Augenblick an häufiger wird, wo die Zweiporigen be- beginnen, an Zahl erheblich abzunehmen; ihre mittlere Grösse liegt demgemäss abermals höher, nämlich bei einer Durchschnitts- fläche von 2949 u®. Unsere Kurve ist mithin nach den obigen Betrachtungen eigentlich mehr als eine einfache Variations- oder Häufigkeits- kurve, denn ihr absteigender Schenkel entspricht dem aufsteigenden Schenkel einer zweiten ähnlich gearteten Kurve, welche zu einer Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 453 Varietät gehört, deren Auftreten von einem unvollkommenen oder inneren Teilungsakte der ersteren Varietät abhängig ist. Des- gleichen würde die zweite Kurve in einem ähnlichen Verhältnisse zu einer dritten Kurve stehen, welches sich auf die Dreiporigen bezieht usf. Oder wir können auch sagen: Es ist ganz klar, dass die durch die Statistik ermittelte gegenseitige Tage der Häufigkeitskurven der Ein-, Zwei-, Dreiporigen usf. in unmittel- barer Weise auf deren genetisches Verhältnis hinweist. Wir brauchen nur unsere Tabelle S. 449 zu betrachten, um durch die Lage der Zahlengruppen darauf verwiesen zu werden, dass die verschiedenen Ordnungen der Mehrporigen durch Teilungs- akte auseinander hervorgehen. Wir finden also hier auf einem gänzlich anderen und neuen Wege eine Bestätigung der Resultate unserer mikroskopischen Untersuchungen. Ein Moment bedarf noch einer besonderen Aufklärung. Bevor ich an die Ausmessung der Knospen heranging, hatte ich die Vorstellung, dass die Durchschnittsziffern für die Ein-, Zwei-, Dreiporigen usf. sich etwa verhalten könnten wie 1:2:3. Allein das ist, wie man sieht, durchaus nicht der Fall; vielmehr bleibt die Ziffer für die mittlere Durchschnittstläche der Zwei- porigen (2227) hinter dem Zweifachen der entsprechenden Zahl für die Einporigen erheblich zurück (2 X 1236 = 2472). Des- gleichen ist die Durchschnittszifter für die Dreiporigen (2949) erheblich kleiner als das Dreifache der Ziffer für die Einporigen (3708), ja sogar noch kleiner als das Dreifache der Hälfte der Ziffer für die Zweiporigen (3342), oder anders ausgedrückt: die (uerschnittsgrösse der auf je einen Porus zentrierten Zellenmasse sinkt beim Übergang von den Knospen niederer zu den Knospen höherer Ordnung. Es ist dies auch leicht erklärlich. Denn beispielsweise grenzen in den Zweiporigen deren Halbteile ge- wissermassen mit planen Flächen aneinander; demgemäss sind ihre Ampullen in bezug auf die Aufnahme einer möglichst grossen Zellenzahl erheblich ungünstiger gestellt als die Ampullen der Einporigen. Ebenso sind die Ampullen der Dreiporigen abermals in bezug auf die Aufnahme einer maximalen Zellenzahl ungünstiger gestellt als diejenigen der Zweiporigen, weil der zum mittleren Porus gehörige Knospenteil beiderseits von anderen Knospenteilen in weiter Ausdehnung begrenzt wird. Erst beim Aufsteigen zu den Knospen mit vier, fünf und sechs Poren wird allmählich die 454 Martin Heidenhain: Durchschnittsziffer für den grössten Querschnitt der zugehörigen Knospenteile sich allmählich einer konstanten Zahl annähern, da bei der linearen Aufreihung der Ampullen mit Ausnahme der end- ständigen alle anderen unter den gleichen mechanischen Beding- ungen der Entfaltung ihrer zugehörigen Sinneszellen stehen. Diese Tatsache, dass die in Rede stehenden Durchschnitts- zittern für die grössten Querschnitte der Knospen verschiedener Ordnungen relativ abnehmen, lässt eine Verwertung im Sinne der Teilkörpertheorie zu. Wären nämlich die Mehrporigen nur durch zufällige Konkreszenz von zwei oder mehreren Einporigen entstanden, dann würde man ein Wachstum der Durchschnitts- ziffern im Verhältnis von 1:2:3 usf. erwarten. Nun trifft dies aber nicht zu; vielmehr ist die Proportion der Ziffern, welche die durchschnittliche Grösse der ein-, zwei- und dreiporigen Knospen angeben, eine besondere, und zwar ist sie abhängig von einer entwicklungsgeschichtlichen Sonderung des Zellenmaterials, bei welcher die Halb- und Drittelteile der betreffenden mehr- porigen Knospen durchschnittlich kleiner ausfallen als das Mittel der Einporigen. Dies deutet auf einen typischen Prozess der Spaltung im Sinne der Teilkörpertheorie, wobei beispielsweise die Einporigen, wenn sie einem gewissen Maximum der Grösse sich nähern, immer häufiger durch innere Teilung in den zwei- porigen Zustand übergehen, wobei selbstverständlich die daraus hervorgehenden Halbteile anfänglich verhältnismässig klein sein müssen. Weiterhin folgt aus der Ungunst der mechanischen Bedingungen, dass sie auch durch ihr späteres Wachstum das normale Volumen der Einporigen nicht erreichen können. V. Übersicht über die wesentlichen Ergebnisse. Wir wollen im folgenden kurz die wesentlichsten Ergebnisse der morphologischen Untersuchung zusammenstellen und zwar insoweit sie in näherer Beziehung zur Teilkörpernatur der Ge- schmacksknospen stehen. Wie erinnerlich, haben wir im vor- stehenden zunächst die topographischen und histologischen Ver- hältnisse der Papilla foliata sehr ausgiebig untersucht, um alle Strukturvorkommnisse, welche etwa mittelbar auf die Vorgänge der Knospenteilung hinweisen, ausfindig zu machen. Erst später haben wir die relativ seltenen Teilungsformen beschrieben, von denen einige in sehr deutlicher Weise als Hemmungsbildungen sich Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 455 auswiesen. Schliesslich haben wir durch systematische Messungen, zum Teil auch durch Darstellung der Ziffern in Kurvenform, das Gesamtresultat noch einmal auf einem anderen Wege bestätigen können. Bei der folgenden übersichtlichen Aufrechnung der wichtigsten Ergebnisse ist es nun besser, den umgekehrten Weg einzuschlagen und mit den in direkter Weise auf die Teilkörper- natur der Knospen hinweisenden Daten zu beginnen, um dann weiterhin die Details des Aufbaues der Sinnesfelder sowie der Zusammensetzung der Knospen aus den erwiesenen Teilungsakten abzuleiten. 1. Dass die Geschmacksknospen genetische, auf Teilung regulierte Systeme, also Histosysteme sind, geht aus dem Befunde von Knospen mit Scheidewandbildung direkt hervor, welche den Teilungsakt unmittelbar verdeutlichen und gewissermassen als fixierte Stadien der Entwicklung bezw. als wahre Hemmungs- bildungen anzusehen sind. 2. Der bei dieser Gelegenheit beobachtete Zustand der Zell- verschränkung schliesst es aus, dass die Deutung der Knospen mit Scheidewand als Teilungsform unrichtig ist: die Form der Verschränkung kann nur dadurch zustande kommen, dass die Korrelation zwischen innerer und äusserer Teilung des Systems, das ist zwischen der Teilung der Ampulle und der Bildung der Scheidewand, nicht vollständig gewahrt bleibt. 3. Diese Resultate werden in objektiver Weise durch die Messungen an dem grössten Durchschnitte der Knospen bestätigt. Konstruiert man die Häufigkeitskurven der Einporigen und ver- gleicht sie mit dem tabellarisch aufgerechneten Zahlenmaterial über die Zweiporigen, so kann kein Zweifel darüber sein, dass, wenn wir in der Lage wären, für dieZweiporigen eine gleiche Kurve anlegen zu können, deren aufsteigender Schenkel den ab- steigenden Teil der Kurve der Einporigen kreuzen würde. Es gehen demnach die Einporigen, wenn sie über den Durchschnitt anwachsen, in einen anderen, in den zweiporigen Zustand über, und zwar durch innere Teilung. 4. Weiterhin haben wir bei unseren Messungen gefunden, dass die mittlere Grösse des @Querschnittes der Halbteile der doppelporigen Knospen geringer ist als das Mittel des Quer- schnittes der Einporigen; desgleichen ist die mittlere Grösse des Durechschnittes der Drittelteile der Dreiporigen geringer als der 456 Martin Heidenhain: bezügliche Querschnitt der Halbteile der Doppelporigen usf. Diese zahlenmässigen Relationen sind ebenfalls auf den Teilungsakt zurückführbar. Geht beispielsweise eine einporige Knospe durch innere Teilung in den zweiporigen Zustand über, so werden die Knospenhalbteile zunächst recht klein ausfallen und sie werden auch bei weiterem Wachstum wegen der Ungunst ihrer räum- lichen Zusammenordnung mit ihrer durchschnittlichen Grösse unter dem mittleren Ausmass der Einporigen zurückbleiben müssen. 5. Innere Teilungen der Knospen sind solche, bei denen die Scheidewandbildung ausbleibt, während die Geschmacksgrübchen bezw. Ampullen sich zerlegen. Die Tatsache, dass bei den Zwei- porigen mit wachsender Grösse ihres Umfanges auch die Ent- fernung ihrer Poren von minimen Abständen anfangend in sehr deutlichem Grade wächst, kann auf den Teilungsvorgang bezogen werden. Die Teilung der Ampulle selbst wurde nicht beobachtet. Jedoch ist der Schluss unausweichlich, dass, sobald die Zahl der Sinneszellen durch Mitose über ein gewisses Maximum hinaus zunimmt, die Ampulle sich zerlegen muss, weil ihr individuelles Grössenwachstum nach Inhalt und Oberfläche lediglich ein eng begrenztes ist. Im übrigen ist es nicht dringlich notwendig, einen speziellen Nachweis für das Vorkommen der Ampullen- teilung anzutreten. Denn dass Scheidewandbildung äussere Teilung bedeutet, ist selbstverständlich; andererseits muss aber der Scheide- wandbildung die innere Teilung, d. h. die der Ampulle, voraufge- gangen sein, weil jene ohne die letztere nicht zum Ziele, das ist zur Zerlesung der Knospe führen könnte, was zufälligerweise in einem Falle von besonderer Hemmungsbildung am Objekte selbst zur Erscheinung kam (Textfig. 1, S. 445). 6. Unsere Beobachtungen haben weiterhin gezeigt, dass bei den vielwertigen Knospen die Poren bezw. die zu diesen gehörigen Knospenteile in linearer Folge sich ordnen. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass bei einer Serie aufeinander folgender innerer Teilungen die Teilungsrichtung erhalten bleibt. Daher bilden die hochwertigen fünf- bis sechsteiligen Knospen langgestreckte, walzen- artige, metamer gegliederte Körper. Diese Formen zeigen uns auf das entschiedenste, dass es sich in den polymeren Knospen nicht um Gebilde handeln kann, die durch zufällige Konkreszenz ent- standen sind. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 457 Das Gesetz der Konstanz der Teilungsrichtung ist in sehr weitem Umfange gültig, da auch auf den Strecken der Sinnes- felder mit Verwerfung des Anlagematerials die lineare Poren- folge bei den Knospen der höheren Ordnungen sich erhäit. Die Tendenz zur Bildung metamerer Knospenkomplexe muss daher auf eine primitive erbliche Anlage zurückgeleitet werden. Dass die Konstanz der Teilungsrichtung nieht in einem absoluten Sinne aufrecht erhalten wird, dass sie vielmehr eventuell nach einem bestimmten Entwicklungsplane wechseln kann, scheinen die Fälle der querliegenden Knospen des Oberrandes in deutlicher Weise darzutun, denn bei diesen liegt die immanente Teilungsrichtung senkrecht über der Achse der Stäbe. 7. Die Sinnesfelder der typischen Form gliedern sich in quer- liegende Knospenfolgen, die von uns so genannten „Stäbe“. Inner- halb derselben bilden die sämtlichen Poren ein- und mehrwertiger IKnospen eine monoseriale Folge. Wir schliessen daraus, dass die Stäbe genetische Einheiten sind und aus einer gemeinschaftlichen teilbaren Anlage abstammen. Mit der Entwicklung der letzteren waren mehrere bald äussere, bald nur innere, oft in beliebiger Folge wechselnde, jedoch in gleicher Richtung liegende Teilungs- akte verbunden, so dass mithin die Lage der späteren Stäbe die Linie der fortgesetzten Teilungen markiert. S. Die Stäbe sind nach unseren Wahrnehmungen in sehr verschiedener Weise eingeteilt und können in ihnen eine bis sechs Knospen bezw. zwei bis sechs Poren vorkommen. Da die Serie der Knospen entlang dem Oberrande des Sinnesfeldes kon- tinuierlich, ihre Ausdehnung in der Richtung nach abwärts jedoch sehr wechselnd ist, so folgt, dass die Entwicklung vom späteren Oberrande des Sinnesfeldes her ausgegangen sein muss. Hier müssen jene Anlagen sich befunden haben, aus deren Wachstum und Teilung die Stäbe hervorgingen. Da die oberste Knospe sich gegen den umgebogenen hakenförmigen Teil der Seiten- lamelle stemmt, konnten bei fortgesetzter Teilung und Vermehrung der Zahl der Knospen diese sich nur in der Richtung nach abwärts ausdehnen und mit dieser spezifischen Art der Materialverschiebung hängt wiederum die Fächerstellung der Knospen sowie ihr gesetz- mässiger Formwechsel innerhalb des Stabes zusammen. 9. Die Verteilung der Basalzellen, welche nachweislich zum Teilungsakte in direkter Beziehung stehen, ist bemerkenswerter- 458 Martin Heidenhain: weise eine spezifische, insofern sich ihre Zahl in der Richtung gegen den Unterrand des Feldes ganz erheblich vermehrt. Dort kommen auch die in sich zusammenhängenden Epithelmäntel vor. Es stimmt dies mit der Vorstellung überein, dass die Proliferation der Knospen in der Richtung nach abwärts sich fortsetzt, so dass die Teilungsvorgänge immer jeweilen am Unterrande des Sinnes- feldes am lebhaftesten gewesen sein müssen. Erwähnt wurde bisher nicht, dass viele der mehrwertigen Knospen äussere Einfurchungen besitzen, welche die Valenz kenn- zeichnen. Auf diese Erscheinung habe ich keinen Wert gelegt, weil sie auch dann vorhanden sein könnte, wenn es sich in den Knospen der höheren Ordnungen nur um die äussere Aneinander- lagerung einporiger Individuen handeln würde. Nach dieser langen Aufrechnung halten wir den Nachweis für völlig abgeschlossen, dass die Knospen bezw. ihre Anlagen Teilkörpernatur besitzen, dass sie nach unserer Ausdrucksweise Histomeren sind. Im besonderen bin ich der Meinung, dass die kleinen Knospen der jungen Tiere in der ersten Zeit nach der Geburt noch teilungsfähig sind und dass es sich aus diesem Grunde verlohnen würde, die postfötale Entwicklung der Papilla foliata genau zu untersuchen. VI. Theoretische Folgerungen. a) Die biogenetische Natur der einfachen Knospen. Da die Knospen auf Teilung regulierte Systeme') sind, so müssen wir ihnen eine bestimmte gesetzmässige Ver- fassung zuschreiben, durch welche die Form der Teilung, be- sonders auch die Teilungsrichtung, garantiert wird. Diese Ver- fassung kennen wir nicht, es kann nur vermutet werden, dass durch eben dieselbe auch die typische Regeneration bedingt wird. Viele der Sinneszellen gehen bekanntlich während des Lebens zugrunde, und das entstehende Manko wird durch nachfolgende Mitosen ersetzt. Wenn nun ein bestimmt geformtes morpho- logisches Individuum auf solche Art seinen Bestand in typischer Bi: 9) Der Begriff des „Systems“ in dem von mir gemeinten Sinne ver- steht sich im Gegensatz zu dem Begriff eines blossen „Aggregates” einer Vielzahl von Zellen. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 459 Weise ergänzt, so muss es zugleich ein genetisches System mit besonderer Regulation sein, und von dieser Regulation denke ich auch die typische Form der Teilung des ganzen Gebildes abhängig. Diese in Frage stehende besondere Verfassung des teilungs- fähigen Systems ist nach unserer Vermutung histodynamischer Natur, d. h. sie wird nicht in erster Linie bedingt durch das äussere Mittel von allerhand Ernährungs- und Stoffwechsel- vorgängen, welche dem betreffenden geweblichen Komplexe gemein- schaftlich sind, und durch welche sich dessen Einzelbestandteile gelegentlich untereinander beeinflussen, vielmehr sind nach unserer Anschauung dynamische Vorgänge im Spiele, welche an dem Ganzen des betreffenden Komplexes haften und ein Ausdruck der wahren synthetischen Einheit desselben sind (vergl. oben S. 370— 372). Um diese Aufstellung recht zu würdigen, möge man sich dessen erinnern, dass der Vorgang der Teilung einer Geschmacksknospe sein nächstes Analogon in der ungeschlechtlichen Fortpflanzung freilebender Personen hat, Wir setzen also die entwicklungsphysiologische Einheit der Knospe analog der Einheit einfach gearteter mehr- zelliger (reschöpfe. Nur muss man nicht in den Fehler verfallen, die Theorie vom Zellenstaat und die „Integration“ der zelligen Individuen auf Grund physiologischer Differenzierung auf die entwicklungsgeschichtlichen Einheiten oder Individualitätsstufen zu übertragen, Denn die synthetischen Einheiten der Entwicklungs- physiologie werden angelegt und entwickelt vor der spezifischen physiologischen Differenzierung, und ihre Verfassung bezieht sich nicht auf Funktionen, wie Sekretion, Resorption, Kontraktilität, nicht also auf die spezifische Werktätigkeit, sondern auf die Physiologie der Formen, als auf die entwicklungsphysiologischen Potenzen, welche bei weiterem Wachstum ‘unter den Bildern der Teilung, der Sprossung, der geweblichen Differenzierung, der Regeneration usf. bemerkbar machen. Weiterhin kann man die Frage aufwerfen, was es in theo- retischer Hinsicht damit auf sich habe, dass die einfachen Knospen der Grösse nach in ausserordentlichem Grade variieren, mehr noch als die zusammengesetzten Knospen der oberen Ordnungen. Es kommen kleine Knospen, bestehend aus nur wenigen Zellen, vor, dann wiederum riesige Knospen von enormer Zellenzahl und zwischen beiden Extremen eine kontinuierliche Serie von 460 Martin Heidenhain: Übergangsformen. Nach meinem Dafürhalten sind nun kleine und grosse Knospen als Systeme einander gleich zu setzen; denn die Maße der Knospen und die Zellenzahlen spielen bei der Be- urteilung des Systemcharakters keine Rolle, also etwa in der Weise, wie, um einen Vergleich zu brauchen, kleine und grosse Uhren als Systeme einander völlig gleich sein können. Das System der Knospe hat jedoch die Fähigkeit, durch Teilung der nächst untergeordneten Histomeren, der Zellen, zu wachsen und auf diese Weise seinen Umfang zu vergrössern. Es bilden daher alle einfachen I\nospen von der kleinsten bis zur grössten eine aufsteigende Reihe von einheitlichem Charakter, eine sogenannte homologe Reihe. Erst wenn die Knospe durch Ampullenteilung in den zweiporigen Zustand übergeht, wird ihr Charakter als System verändert und dieses auf eine andere Stufe emporgehoben. Von da ab bilden die Knospen mit den verschiedenen Porenzahlen eine neue Reihe oberer Ordnung (siehe weiter unten). b) Der Teilungsvorgang. Aus unserer Tabelle S. 449 können einige nützliche Daten, welche den Teilungsvorgang betreffen, entnommen werden. Aus Kolonne I ersehen wir, dass von einer gewissen @uerschnitts- fläche angefangen, welche etwa bei 1600 «? liegt, die Frequenz der Einporigen rapide abnimmt und dass die Ziffer für das grösste Exemplar unter fast hundert Individuen 2309 u? beträgt. Man kann daraus schliessen, dass mit der Zunahme der Zellenzahl das System der einporigen Knospe allmählich immer labiler wird und immer leichter in den zweiporigen Zustand übergeht. Auf der anderen Seite zeigt Kolonne II, dass unter 1000 «? überhaupt keine Zweiporige gefunden wurde; demnach ist die Teilungspotenz, selbst wenn sie schon unterhalb dieser Grenze vorhanden sein sollte, doch erst von dieser an realisierbar. Die Bedingungen, von welchen der Eintritt der Teilung abhängt, lassen sich natürlich nicht vollständig angeben; soviel ist sicher, dass die Bedingungen teils in der Knospe selber, teils in der Umgebung gelegen sind. Unter den ersteren spielt gewiss die Zahl der Zellen, welche gegen die Ampulle konvergieren, eine grosse Rolle. Über diesen Gegenstand haben wir schon früher ausführlicher gehandelt (S. 413 f.), und es erübrigt sich aus diesem (runde, noch einmal darauf zurückzukommen. Die von uns aus- Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 461 gemessenen Durchschnittsflächen entsprechen nun einigermassen der Zellenzahl, jedoch muss ich ausdrücklich hervorheben, dass die Knospen und ihre Zellen bei jungen Tieren, bei welchen die in Frage stehenden Teilungen nach unserer Voraussetzung wirklich vor sich gehen, überhaupt kleiner sind als bei erwachsenen Tieren. Unsere Zahlen sind also relativer Natur und stehen nur in einer gewissen gesetzmässigen Proportion zu den Querschnittsflächen der teilungsfähigen Knospen. Trotz dessen geben unsere Ziffern, wie ich glaube, ein getreues Spiegelbild der wirklichen Vorgänge. Unter den äusseren Bedingungen, welche auf die Teilung der Knospe wirksam sind, nenne ich die Gunst oder Ungunst der Lage im Sinnesfelde. Ist die einzelne Knospe nieht zu stark zwischen ihren Nachbarn eingeklemmt, kann sie sich mit ihrem Zellenmaterial in günstiger Weise ausbreiten, so wächst sie zu einer erheblichen Grösse heran, ohne den Porus zu verdoppeln; dies lässt sich am Objekt selbst leicht kontrollieren. In solchen Fällen bilden die Sinneszellen, wenn man sie im mittleren Längs- schnitte der Knospe betrachtet, von der Ampulle angefangen, einen stark ausgebreiteten Fächer. Liegen dagegen die Knospen innerhalb der Stäbe und überhaupt im Sinnesfelde sehr dicht beisammen, so können die Randstrahlen des Zellenfächers keinen so grossen Winkel miteinander bilden, und die Ampulle kann demgemäss eine besonders grosse Zahl von Zellen nicht mehr fassen. Sicher testgestellt ist, dass der obere Pol der Knospe mit der Ampulle zuerst der Teilung unterliegt, während die Spaltung der Hauptmasse des Knospenkörpers durch Emporwachsen der Basalzellen in. zweiter Linie nachfolgt. Diese beiden Prozesse ver- einigen sich normalerweise zu einer einheitlichen Gesamtleistung. Jedoch zeigt die Erscheinung der Zellenverschränkung, dass sie zum Teil von verschiedenen Bedingungen abhängig sind, so dass eine vollständige Gleichsinnigkeit der Arbeitsleistung nicht immer zustande kommt. c) Biogenetische Natur der mehrporigen Knospen. Findet eine innere Teilung der Knospe statt, kenntlich an der Verdoppelung der Ampulle und des Knospenkanals, so ent- steht eine Knospenkombination oder ein Histosystem oberer Ordnung. Bei weiterem Wachstum ist letzteres abermals befähigt. durch weitere innere Teilungen sich zu komplizieren. Die auf Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.I. 31 462 Martin Heidenhain: diese Weise entstehenden mehrporigen Knospen bezeichne ich demnach als mehrwertig oder polymer. Sie sind im Verhältnis zu den einfachen Knospen die Histosysteme oder Homologen der höheren Ordnungen. Dieser Vorgang der Entstehung der polymeren Knospen ist meines Erachtens äusserst typisch für die Verhältnisse der Ent- wicklung überhaupt. Denn die Natur bedient sich des Mittels der Teilungen, um von einfachen Formen ausgehend zu komplexen morphologischen Systemen zu gelangen. Das einfachste Beispiel dieser Art sind die Stockbildungen wirbelloser Tiere. Aber auch innerhalb der Gewebe und Organe findet die Ent- wicklung nach den nämlichen Prinzipien statt. In diesem Sinne sind die zwei-, drei- und vierteiligen Zotten des Dünndarmes der Säuger nichts anderes, als Stockbildungen aus einfachen Zotten (Textfig. p, S.467). Ebenso ist die Lappenniere der grossen Säuger eine Stockbildung aus mehreren Individuen, deren jedes einer einfachen Niere eines kleinen Säugers entspricht (S. 389). Echte Stockbildung findet nach meinen allerdings bisher noch nicht zum Abschluss gebrachten Untersuchungen auch bei den Dünndarm- drüsen der Säuger, sowie bei den Zungenpapillen des Menschen statt. Stockbildungen sind ferner die zusammengesetzten Säulchen- systeme, welche sich bei den Muskelfasern der Forelle in gewissen frühen Zeiten ihrer Entwicklung nachweisen lassen (Textfig. q, S. 467). In allen den genannten Fällen werden Formenwerte oder Histomeren irgend einer niederen Ordnung zusammengefasst oder kombiniert zu Organen oder Histosystemen höherer Ordnung. Das Mittel der Kombination ist der Akt der Teilung oder Ver- mehrung eines gegebenen Histomers, wobei jedoch die Nachkommen nicht etwa selbständig werden, sondern in einem engeren genetischen Verbande vereinigt bleiben. Ein derartiger engerer Verband bildet sich am leichtesten, wenn die Teilung unvollständig ist, wenn es sich also nur um eine „innere“ Teilung oder um eine unvoll- kommene äussere Teilung handelt. Hier bei den Geschmacks- knospen entstehen, wie wir gesehen haben, die Stöcke durch innere Teilung. In der Folgezeit, wenn auf diesem von uns zuerst und allein bearbeiteten Gebiete noch mehr Material vorliegen wird, werden wir Gelegenheit haben, die hier in Frage stehenden typischen Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 463 Formen einer aufsteigenden Kombination der Systeme bei ver- schiedenen Organen oder Teilen von solchen unter sich vergleichen zu können. Auf diesem Wege werden wir alsdann zu einem neuen wichtigen Zweige der vergleichenden Morphologie, zu einer ver- gleichenden Systemlehre kommen. Einstweilen beschränken wir uns darauf, die Geschmacksknospen in einen näheren Vergleich mit den Darmzotten zu setzen, welche ich bereits in einer früheren Arbeit ausführlicher behandelt habe. d) Systemvergleichung bei Zotten und Geschmacks- knospen. Bei den Darmzotten ergab sich seinerzeit ein reichhaltiges Material. Es wurden neben den einfachen zylindrischen Zotten Z/willings-, Drillings- und Vierlingsbildungen in grosser Zahl be- obachtet, und zwar bildeten diese im Jejunum etwa ein Drittel des Bestandes der Zotten überhaupt. Diese Mehrlingsbildungen sind identisch mit den flachen Formen der Zotten, welche man seit mehr als einem halben Jahrhundert kennt. Man darf letztere sich vorstellen als lineare oder metamere Aneinanderreihungen der einfachen oder zylindrischen Zotten. Inzwischen hat sich gezeigt, dass meine damaligen Untersuchungen über die Zotten unvoll- ständig waren, denn im Duodenum der Katze kommen. wie ich neuerdings erfahren habe, längere faltenartige Aneinanderreihungen der Zotten vor, welche dem Formwerte nach über das Vierfache des einfachen .Grundwertes bei weitem hinausgehen. Auch wusste ich seinerzeit nicht, dass die Zotten in verschiedenen Gegenden des Darmes und möglicherweise sogar bei verschiedenen Individuen verschiedenes Kaliber besitzen, so dass die von mir damals ge- gebenen Messungen sich eben nur auf jene bestimmte, von mir ausführlich bearbeitete Schnittserie beziehen, bei welcher die Zotten in äusserst vollkommener Form erhalten waren. Im übrigen erleidet durch diese neueren Erfahrungen das damals gewonnene Resultat keine Einbusse; denn wenn es sich feststellen lässt, dass in einem bestimmten Darmabschnitte die Grundfläche der einfachen Zotten, der Doppel-, Dreifach- und Vierfachbildungen sich im Mittel zu einander verhalten, wie 1:2:3:4, so liegt darin eine objektive Feststellung von höchstem Werte. Die Glieder dieser Reihe bezeichnete ich als Monomeren, Dimeren, Trimeren usf. Freilich war es keine ganz einfache Auf- 5) 464 Martin Heidenhain: gabe, die verschiedenen Varietäten der Zotten auf diese Klassen zu verteilen. Denn es fanden sich beispielsweise neben massen- haften ganz offenbaren Zwillings- und Drillingsbildungen, bei welchen der flache Schaft der Zotten in zwei bis drei zylindrische Spitzen auslief, auch sehr viele nicht ein- gespaltete Individuen von gleicher Grösse, bezw. gleichem Volumen, welche nur in der allgemeinen Umrisslinie und dem Querschnitte nach den Zwillingen und Drillingen entsprachen (Textfig. p, S. 467). Es konnte also fraglich sein, ob es zulässig ist, die ganzen, ungeteilten Formen unter die Mehrfachbildungen, einzureihen. Die weiteren Beobachtungen ergaben jedoch, dass viele der ungeteilten flachen Zotten äusserlich ihrem Form- werte entsprechend eingefurcht sind. Es kann also eine ungespaltene Dimere ihrer ganzen Länge nach durch eine einseitige oder auch beiderseitige Furche in zwei Hälften ein- geteilt sein. Diese Furchen, ihr Vorkommen, ihre Ausdehnung, ihre Tiefe, variieren naturgemäss ausserordentlich, sind manch- mal in ausgezeichneter Weise kenntlich, manchmal nur an- deutungsweise vorhanden, so dass Übergänge zu den völlig glatten Formen flacher Zotten sich finden. Daraus ergab sich die Not- wendigkeit, alle ungeteilten Formen, sobald sie nachweislich die typische Grösse der Dimeren, Trimeren etc. besitzen, unter diese einzureihen, auch wenn sie nicht eingefurcht sind.') Es ist nun die Frage, ob sich das Material, welches wir von den Geschmacksknospen gewonnen haben, sich in ähnlicher Weise ordnen lässt. Es kann nun unserer Auffassung nach keine Frage sein, dass die Knospen mit 2, 3, 4 Poren usf. als Zwillinge, Drillinge, Vierlinge, bezw. Dimeren, Trimeren. Tetrameren usf. zu bezeichnen sind, und zwar aus dem Grunde, weil mit der Teilung der Ampulle das spezifische System der Geschmacks- knospe in sich geteilt erscheint. Die durch unvollständige Scheide- wände teilweise zerlegten Knospen, welche freilich nur selten vorkommen, finden ebenso ihr Analogon in den eingespaltenen mehrwertigen Zotten. Es bleibt jedoch die Frage, wie wir uns denjenigen einporigen, zweiporigen etc. Knospen gegenüber ver- !) Diese äusserlich vollkommen glatten Zotten von einheitlicher Form- erscheinung könnten jedoch eventuell in der inneren Struktur (Anordnung des Chylusraumes, der Muskelbündel, Gefässe ete.) den Mehrlingsbildungen vleichen, ein Punkt, über den ich einstweilen keine Kenntnis besitze. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 465 halten sollen, welche ganz offenbar bereits das Volumen der zweiporigen, dreiporigen etc. Knospen besitzen. Bei den Zotten hatten wir uns gezwungen gesehen, einheitlich erscheinende flache Formen, wenn sie das typische Volumen der Dimeren, Trimeren etc. hatten, unter diese einzureihen; aber die flache Form selbst wies schon darauf hin, dass es sich nicht um die gewöhnlichen zylindrischen Monomeren handeln konnte Hier nun bei den Geschmacksknospen liegt der morphologische Sachverhalt offenbar anders. Denn wir finden beispielsweise bei denjenigen Einporigen, welche die durchschnittliche Grösse überschreiten und dem Volumen nach den Zweiporigen sich nähern oder mit ihnen übereinkommen, in der Regel der Fälle weder eine Abweichung in der äusseren Form, noch eine solche in der inneren Struktur. Vielmehr gehören einfache Knospen mit einer äusseren Ein- furchung, welche eventuell auf eine Bivalenz des Gebildes bezogen werden könnte zu den allergrössten Seltenheiten. (Textfig. S. 445). Daher bin ich der Meinung, dass man die Einporigen sämtlich als Monomeren bezeichnen soll. In analoger Weise sind die /weiporigen, Dreiporigen usf. zu beurteilen, welche den äusseren Umfang der Knospen der nächst oberen Klassen bereits besitzen. Diese Verhältnisse des relativen Umfanges der Knospen der verschiedenen Ordnungen sind nun keineswegs undurchsichtig und widerspruchsvoll. Vielmehr ist es notwendig, dass zwischen den verschiedenen Klassen sich die entsprechenden Übergangs- formen finden, also z. B. relativ grosse Monomeren, welche die Teilungspotenz besitzen, diese jedoch noch nicht realisiert haben. e) Die homologen Reihen. Fortsetzung der System- vergleichung. Die vergleichende Betrachtung der Teilkörpersysteme lässt sich am leichtesten zustande bringen, wenn es gelingt, homologe reihen aufzustellen und diese in Parallele zu setzen. Schon oben haben wir erörtert, dass man die sämtlichen einfachen Geschmacksknospen von der kleinsten anfangend bis zur grössten zu einer aufsteigenden Reihe zusammensetzen kann (Textfig. n), deren Glieder etwa je um eine Zelle wachsen. Diese Reihe wäre dann im Sinne meiner Theorie als eine homologe oder homöotypische Reihe zu bezeichnen, d.h. als eine Reihe, inner- halb deren der Typ der Struktur nicht verändert wird. Die 466 Martin Heidenhain: Glieder der Reihe kann man sich als wachsend vorstellen, und das Wachstum wird durch innere Teilung, durch die Mitose der Geschmackszellen vermittelt. In ähnlicher Weise kann man die 17) € Fig. n. Homologe Reihe der einporigen Knospen. Das Histosystem der Knospe wächst durch Teilung der nächst untergeordneten Histomeren, nämlich der Zellen. polymeren Knospen zu einer aufsteigenden Reihe zusammensetzen (Textfig. o bis zur Hexamere). Wiederum findet das Wachstum durch innere Teilung statt, nämlich durch Teilung des Systems der Knospe bei mangelnder Scheidewandbildung. Auch hier va B c D Bi Fig. 0. Homologe Reihe der polymeren Knospen. Das Histosystem der Knospe unterliegt bei wachsender Zellenzahl der inneren Teilung, woraus der Reihe nach die Knospen der oberen Ordnungen, Dimeren, Trimeren, Tetrameren etc. hervorgehen. handelt es sich um eine homöotypische Reihe, welche, wie wir im vorigen Abschnitt auseinandersetzten, vollkommen analog ist der Reihe der Darmzotten, die unsere Textfig. p bis zur Tetra- mere zeigt.') Die Reihe der einfachen und diejenige der polymeren Knospen kann man sich ferner aneinander gesetzt denken, weil die zweite Reihe die natürliche Fortsetzung der ersten ist. Nur muss man sich dessen bewusst bleiben, dass beim Übergang von der Mono- ') Von den Einzelabbildungen in Textfig. p ist nur F eine schematische Skizze. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 467 mere zur Dimere das System auf eine höhere Stufe gehoben wird. In dem ersten Teile der (Gesamtreihe ist die einporige Knospe das natürliche Vielfache der Zelle, während im zweiten Teile die polymere Knospe das Vielfache der einfachen Knospe ist. E A Fig. p. Homologe Reihe der Darmzotten. A = Monomere; B = ungeteilte, C = geteilte Dimere; D = ungeteilte, E = geteilte Trimere; F = Tetra- mere. A = zylindrische, B—F = flache Formen der Dünndarmzotten aus dem Jejunum der Katze. ei B Es ist selbstverständlich, dass die Theorie der natürlichen Reihen genauer erst entwickelt werden kann, wenn mehr objek- tives Material vorliegt. Eben aus diesem Grunde ist es aber nützlich, an dieser Stelle ausser den Darmzotten auch das Beispiel der Muskelsäulchen der Forelle wiederum heranzuziehen (Textfig. 4), virvviYYVYV/ Een. en ORTE Dee E systeme oberer Ordnung durch fortgesetzte äussere, jedoch unvollständige Teilung. Die Umrisse der Einzelfiguren sind den Präparaten direkt entnommen. Fig. q. Homologe Reihe der Säulchen und Säulchensysteme aus der Muskulatur des Forellenembryos. A und B = Wachstum der Säulchen und fort- gesetzte Teilung derselben; U, D und E = Bildung der komplexen Säulchen- 468 Martin Heidenhain: welche ich in einer vorausgegangenen Schrift behandelt habe. Bei diesen liegen die Verhältnisse im einzelnen etwas anders, im ganzen aber ähnlich wie bei den Reihen der Knospen und Zotten. Die bandförmigen Säulchen des Forellenembryos sind, wie ich a. a. O. auseinandersetzte, synthetische Kombinationen aus teilbaren Metafibrillen und ihr Dickenwachstum geschieht dem- gemäss durch systematische Spaltung der letzteren. Als System betrachtet sind die Säulchen verschiedenen (@uerschnittes alle zusammen die natürlichen Vielfachen oder höheren Homologen jener Metafibrillen. Aus diesen Ursachen heraus ist es ver- ständlich, dass die Säulchen bei jeder Grösse des (Querschnittes spontan teilungsfähig sind; es ist also nicht nötig, dass sie zum /weck der Vermehrung erst ein bestimmtes Kaliber gewinnen müssen. Werden die Säulchen nieht vollkommen durchgespalten, bleiben sie einerseits unter sich in Zusammenhang, so entstehen sehr deutliche Stockbildungen. Auf Grund dieser Daten kann man eine Reihe zusammenstellen, wie sie unsere Textfig. q zeigt. Bei A und B sieht man die Säulchen im Querschnitt wachsend, wobei sie vielen interkurrenten Längsspaltungen unter- liegen. Weiterhin sieht man bei C, D und E die Stockbildung durch äussere, aber unvollkommene Teilung. Anfangs erscheinen die Stöcke auf dem Querschrittsfelde wie aus einer homogenen, gleichartigen Masse gebildet (bei C), späterhin jedoch (bei 1 und E) treten in ihnen lichter gefärbte Stellen auf, so dass sie in sich gegliedert erscheinen. Hierbei handelt es sich offenbar um eine Zerlegung der Stöcke in diverse, verschieden geformte, kontraktile Einzelabschnitte, welche jedoch durch eine heller sich färbende Substanz einstweilen noch unter sich verbunden erscheinen. Diese Stöcke bleiben, wie ich zeigte, nicht dauernd bestehen. Vielmehr werden sie späterhin von ihrer Basis her durch Fibrillenabspaltung allmählich aufgelöst. Diese sekundäre Zerlegung ist eine Erschemung der „Dissoziation“, deren Wesen wir in der theoretischen Einleitung besprochen haben. 83908): VII. Schlusswort. Durch meine Untersuchungen über die genetische Verfassung der Zelle und der Muskelfaser, durch die im Anschluss hieran stehende Begründung einer wahren Theorie der Elementar- organisation, der Protomerentheorie, welche als eine rationelle Sinneszellen und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 469 Plasmalehre gelten darf, ferner durch die Einbeziehung der Zellenderivate in diese genetische Theorie der lebendigen Systeme und durch die Ausdehnung derselben auf die komplexen geweb- lichen Kombinationen habe ich meiner Meinung nach der gesamten theoretischen Anatomie einen wesentlichen Dienst geleistet und sie in ihren Anfängen neu begründet. Was die kommenden Jahre anlangt, so werden sich meine Arbeiten teils mit der weiteren Befestigung der Theorie der Elementarorganisation, teils mit der Fortführung der Systemlehre auf dem Gebiete der Organe befassen. Zu ersterem Zwecke habe ich seit mehr als 10 Jahren eine Publikation über die mobilen Plasmen vorbereitet und zahlreiche Beobachtungen an Pflanzenzellen, Myxomyzeten, beschalten und unbeschalten Rhizopoden, besonders den Amoeben, ferner an Heliozoen und Suktorien gesammelt. Hier hoffe ich zu zeigen, dass die primitiven Vorgänge der Organisation, des ‚Aufbaues und Abbaues der plasmatischen Strukturen, auch die Vorgänge der Plasmabewegung an der Hand der Protomeren- theorie zum ersten Male in ihren Grundzügen wesentlich richtig begriffen und dargestellt werden können. Was das Gebiet der Organlehre oder der mikroskopischen Anatomie im engeren Sinne anlangt, so zeigen die eben be- sprochenen drei Reihen, der Zotten, der Geschmacksknospen und der Säulchen aus der Forellenmuskulatur, dass wir tatsächlich in ein neues Feld der theoretischen Anatomie eingedrungen sind. Denn es hat sich ergeben, dass bei infra- und suprazellulären Systemen die gleichen allgemeinen Bildungsgesetze zum Vorschein kommen. Auch die Fortsetzung dieser Serie von Untersuchungen ist schon vorbereitet. Die Säulchen aus der Thoraxmuskulatur der Libelle haben eine neue homologe Reihe ergeben, welche demnächst publiziert werden wird. Auch die Untersuchungen über die Darmdrüsen und ihre Entwicklung zu Stöcken auf dem Wege der spontanen Längsteilung scheint gesichert zu sein, nicht zu reden von anderen Untersuchungen gleicher Art, welche bereits in die Wege geleitet worden sind, so eine Untersuchung über die Zungenpapillen, über die Peyerschen Haufen usf. Mit diesen Untersuchungen zur Lehre von den genetischen Systemen glauben wir wiederum an dem Kernpunkt der wissen- schaftlichen Anatomie angelangt zu sein. Denn die Anatomie ist die Lehre vom Aufbau des menschlichen und tierischen 470 Martin Heidenhain: Körpers, und es war von jeher die vornehmste Aufgabe unserer Wissenschaft nach den in der Organisation des Körpers sich ausprägenden allgemeinen Regeln zu suchen, d.h. den Bauplan zu ergründen und den fertigen Körper als das regelrechte Produkt allgemeiner Entwicklungsgesetze hinzustellen. Von dieser Auf- gabe hat man sich in den letzten Jahrzehnten weit entfernt. Die (resichtspunkte der Deszendenzlehre und der Ver- erbung, der Entwicklungsmechanik, der Biologie und der Physiologie beherrschten das anatomische Feld; die Struktur- lehre trat zurück. Eben deswegen ist auch das allgemeine Inter- esse für die mikroskopische Anatomie, Zellen- und Plasmalehre, in Deutschland wenigstens, in ausserordentlichem Grade gesunken, und die Hauptvertreter ganzer Disziplinen, wie z.B. der Neurologie, wurden vom Auslande gestellt. Die wissenschaftliche Morphologie muss nun ihr eigenes Feld wieder zu gewinnen suchen und sie kann dies meines Erachtens nur als Systemlehre. | Die Aufwendung physiologischer Gesichtspunkte, wobei die Beziehung der Struktur zur Werktätigkeit der Organe in Frage kommt, ist in der Anatomie äusserst nützlich und ich selbst habe in meinen Schriften die physiologischen Erfahrungen in ausgiebigster Weise verwertet. Jedoch wird Einseitigkeit in der Forschung immer zu markanten Ausfällen in den Ergebnissen führen. Es gibt ganze Disziplinen, welche bisher fast ausschliess- lich von der Physiologie beherrscht wurden, so die Muskel- und Drüsenlehre. Daher konnte ich die Strukturerscheinungen der kontraktilen Substanz von Grund aus neu bearbeiten, indem ich den Muskel unter die genetischen Gesichtspunkte der Histomeren- theorie brachte. Bei den Drüsen war der Einfluss R. Heidenhains so überwiegend, dass in neuerer Zeit niemand mehr versucht hat, diese Organe ernstlich in ihrer Eigenschaft als Sprossungs- bezw. Spaltungsprodukte zu betrachten, eine Aufgabe, welcher ich erst jetzt näher getreten bin. Auch die Biologie kann in dem eigentlichen zentralen Bereich der Anatomie nur Hilfswissenschaft sein. Diese Disziplin hat sich in den letzten Jahrzehnten in immer festeren Umrissen herauskristallisiert, indem sie immer mehr darauf ausgegangen ist, alle Beziehungen näher zu untersuchen, welche zwischen den lebenden Wesen und ihren Existenzbedingungen bestehen. Eben deswegen gehören die Verhältnisse der Erblichkeit, der Variabilität, Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 471 der Zeugungs- und Fortpflanzungsformen, der Fruchtbarkeit usf. hierher. Da die Systemlehre sich mit den Daseinsformen der Geschöpfe beschäftigt, Zellen, Gewebe, Organe etc. in ihrer Gestal- tung nicht nur als morphologische, sondern auch als dynamische Existenzen zu durchdringen sucht, so wird sie der biologischen Gesichtspunkte in gar keiner Weise entraten können. Der End- zweck wird jedoch der sein, den Bauplan des Körpers zu begreifen und nachzuweisen, dass alle Teile desselben Einzelabschnitte eines in sich übereinstimmenden mikrokosmischen Systems sind. Was die vergleichende Anatomie anlangt, so hat sie leider von jeher ihre Aufgabe zu eng gefasst und sich fast aus- schliesslich mit der Identifikation bezw. Ableitung der morpho- logischen Formen zum Zwecke der Deszendenzlehre beschäftigt. Somit ist auch dieser Teil der Anatomie nicht direkt auf das Ziel, die gesetzmässige Verfassung des Körpers zu ergründen, losgegangen. Freilich hat die vergleichende Anatomie in der letzteren Richtung wenigstens auf einzelnen Gebieten Grossartiges erreicht, so z. B. auf dem Gebiete der Metamerie der Wirbeltiere. Aber es ist sehr charakteristisch, dass von seiten der vergleichenden Anatomie eine zusammenfassende Darstellung über die Prinzipien der Metamerie, über ihren Ursprung, ihre Entwicklung, ihre Ver- breitung, ihre Verwandlungsformen niemals gegeben worden ist. Das Wesen der Sache, der Systemcharakter des Metamers und dessen Genese interessierten bei weitem weniger, als das, was man praktisch in der Morphologie der Geschöpfe durch geschickte Identifikation der metameren lormwerte erreichen konnte. Was uns selbst betrifft, so ist uns seit langem geläufig, dass Metameren- bildung in den verschiedensten Ordnungen der Histosysteme vor- kommt. Als ich aber vor langen Jahren die (Querstreifung des Muskels zum ersten Male unter genetischem Gesichtspunkte als eine protoplasmatische Metamerie bezeichnete und darauf hinwies, dass sie durch einen in unablässiger Folge sich wiederholenden identischen Akt der Entwicklung aus dem ungestreiften Ende der Muskelfaser hervorgeht, so wurde dies teils überhaupt nicht beachtet, teils rief es Widerspruch hervor, weil die so überaus berechtigte Verallgemeinerung des Begriffs der Metamerie den betreffenden Gelehrten allzu fremdartig erschien. Auch die Entwicklungsgeschichte hat die Systemlehre bisher nicht in genügender Weise unterstützt, denn sie war in 472 Martin Heidenhain: den letzten Jahrzehnten zu sehr Dienerin der vergleichenden Anatomie. Was die Entwicklungsmechanik anlangt, so war sie bisher damit beschäftigt, die bekannten Formen und Einrichtungen des Körpers auf die gestaltenden Wirkungsweisen zurückzuführen. Sie war somit im wesentlichen eine physiologische Disziplin und charakterisierte sich als solche durch ausgiebige Verwendung des Experimentes. Dagegen war ihr an der Aufdeckung neuer Ver- hältnisse der Organisation bisher wenig gelegen. Wir dagegen müssen es als ureigenste Aufgabe der Anatomie bezeichnen, den Aufbau des Körpers von neuem in den gröberen und feineren Teilen zu durchdringen, um die durchgreifenden Regeln der Organisation systematisch und entwicklungsgeschichtlich festzustellen, denn nach unserer Auffassung sind die gestaltenden Wirkungsweisen auf dem (Gebiete des Plasmas, der Zelle, der (Gewebe, der Organe wieder- kehrende, so dass sich die Typen der körperlichen Bildungen in der aufsteigenden Kombination der Teile wiederholen. Fassen wir dies alles zusammen, so kommen wir zu folgenden Thesen. Es ist löblich und gerechtfertigt, ja unbedingt notwendig, dass die wissenschaftliche Anatomie nach allen Richtungen hin, also sagen wir peripheriewärts, ausgeweitet wird und dass alle möglichen Gesichtspunkte der Betrachtung zu Forschungszwecken verwertet werden. ‚Jedoch es ist ebenso nötig, dass die Anatomie immer wieder zu den klar erkannten zentralen Aufgaben zurück- kehrt und, was sie immer sonst nach Durchschweifung des ganzen Feldes kennen gelernt hat, diesen Aufgaben dienstbar macht. Die zentralen Aufgaben sind aber eigentlich nicht solche der Physiologie, Biologie, Deszendenzlehre, Entwicklungsmechanik usf., sie sind auch nicht rein deskriptiver Natur, also in der blossen Form- beschreibung enthalten, sondern sie liegen in der Richtung des jauplanes. Hiermit kommen wir auf unsere theoretische Ein- leitung zurück und wiederholen, dass die Zellentheorie der Gewebe einerseits und die Theorie der Antimeren und Metameren anderer- seits zur Erfassung des Bauplanes nicht genügen. Sie stehen auch unverbunden nebeneinander und können demgemäss nur als Fragmente zu einer künftigen Theorie des Körpers gelten. Es kann uns nun entgegengehalten werden, dass eine Richtung der Anatomie, welche durch die Idee eines in sich übereinstimmenden Bauplanes aller Teile geleitet wird, keine Aussicht auf Erfolg habe, weil es sich in dieser Idee um eine Utopie, um ein blosses Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 473 Hirngespinst handle. Allein, die Antwort auf diese Vorhaltung haben wir in unseren Schriften schon längst gegeben. Die theo- retische Forderung eines in sich übereinstimmenden Bauplanes beruht im letzten Grunde auf den reichen Erfahrungen, welche wir seit vielen Jahren über die Fortpflanzung der lebendigen Systeme auf dem Wege der Teilung (im weitesten Sinne) gemacht haben. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur die Zelle und die in ihr enthaltenen Organellen, sondern auch allerhand mehrzellige Kombinationen höherer Ordnung aus sich selbst heraus durch Teilung fortpflanzbar, oder wie bei der Knospung, Sprossung, Metamerenbildung aus einer teilbaren Anlage in beliebiger Zahl regenerierbar sind, wobei aus der Synthese der Nachkommenschaft die Systeme oberer Ordnung hervorgehen. Diese Erfahrungen hängen auf das Innigste mit dem Satz von der Übertragbarkeit des Lebens zusammen, und so verwandelt sich das Axiom „Omne vivum ex vivo“ unter den Erfahrungen der anatomischen For- schungen in den neuen Ausdruck „Omne systema ex systemate“. Um die Feststellung und Begrenzung dieser dynamischen Systeme handelt es sich, durch welche das Leben und alle seine Eigen- schaften fort und fort übertragen werden. Histologische und entwicklungsgeschichtliche Forschung werden sich die Hand reichen müssen, um diese Systeme näher zu bestimmen, welche ohne Frage entwicklungsphysiologischer Natur sind, wie auch daraus hervorgeht, dass die Arten ihrer Vermehrung den Arten und Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung analog sind. Wie sich die Forschung auf diesem Felde weiterhin gestalten wird, lässt sich nur auf eine kurze Strecke hinaus voraussagen. Das eine glaube ich aber versichern zu können, dass diese Art der Forschung auf vollkommen neue Gebiete hinüberleiten und diese überhaupt erst ermöglichen wird. Zu ihnen rechne ich die Theorie der Flächenstruktur und des Flächenwachstums der Epithelien, der Haut und der Schleimhäute. Dabei wird sich der Systemcharakter der genannten Membranen enthüllen, welcher bisher nur in einer äusserlichen Weise erkennbar war, nämlich an der gesetzmässigen Verteilung der Haare. Schuppen, Federn, Papillen, Zotten usf. Auch für die Pathologie wird die weitere Entwicklung der Systemlehre von grossem Nutzen sein, da mannigfache Er- krankungen, z. B. ein grosser Teil der (eschwulstbildungen, Systemerkrankungen sind. 474 Martin Heidenhain: Literaturverzeichnis. v. Ebner: “Über die Spitzen der Geschmacksknospen. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss., Wien, Math.-naturw. Kl., Bd. 106, Abt. III. Derselbe: A. Köllikers Handbuch der Gewebelehre des Menschen, Bd. III, S. 18 ff., 1899. Engelmann, Th. W.: Die Geschmacksorgane. Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben, Bd. II, 1872. Heidenhain, M.: Plasma und Zelle. Jena, Gustav Fischer, Bd. 1, 1907; Bd. 2, 1911. Derselbe: Über Zwillings-, Drillings- und Vierlingsbildungen der Dünndarm- zotten, ein Beitrag zur Teilkörpertheorie. Mit 20 Abbildungen. Anat. Anz., Bd. 40, 1911. Derselbe: Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz bei der Forelle. Beiträge zur Teilkörpertheorie II. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 83, Abt: I, 1912. 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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX-XXV. Sämtliche Abbildungen beziehen sich auf die Geschmacksknospen der Papilla foliata vom Kaninchen. Alle Präparate waren mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Tafel XIX. Fig. 1. Typischer „Stab“ mit vier einporigen Knospen. Vergr. 452. Die vier Pfeile zur Linken geben die Stellung der Knospen in Fächer- form an. sl — Seitenlamelle des bindegewebigen Grundstockes; hl = Hornlamelle; ha — hakenförmige Umbiegung der Seiten- lamelle; ep —= Epithelmantel. Fig. 2. Drei einporige Knospen kleinster Art, die unterste aus nur wenigen Zellen bestehend und mit ihrer Achse am stärksten gegen die Ober- fläche des Sinnesfeldes geneigt. Vergr. 660. Fig. 3. Zwei kleine Knospen, eine obere und eine mittlere, in typischer Stellung, die Achsen beider Knospen konvergent. Vergr. 660. ep = Epithelmantel. Fig. 4. Zwei mittelgrosse Knospen, eine mittlere und eine untere, in typischer Stellung. An der unteren Knospe das Rudiment eines Epithelmantels. Vergr. 660. ep = Epithelmantel. Eine grosse typische Knospe und zwar die oberste eines Stabes; symmetrische Anordnung der Zellen. Vergr. 660. Fig. 6. Sehr grosse unterste Knospe mit entsprechend grosser Ampulle und grossem Epithelmantel (ep). Man beachte, dass diese Knospe, entsprechend der fächerförmigen Aufstellung der Knospen innerhalb des Stabes, in sich schief verzogen ist. Vergr. 660. Fig. 7. Sehr grosse Knospe und zwar die mittlere von dreien. Grosse Ampulle, ausgedehnter Epithelmantel. Entsprechend ihrer Lage innerhalb des Stabes ist diese Knospe nicht so stark in sich ver- zogen wie das Individuum der vorhergehenden Figur. Vergr. 660. Tafel XX. Fig. 8. Aus einer Flachschnittserie. Vergr. 953. Der Schnitt ging durch die Ampullen der Knospen. Der obere Rand des Sinnesfeldes liegt nach aufwärts, wo die homogen gefärbte oberflächliche Hornlamelle in den Schnitt gefallen ist. Letztere ist auch am linken Rande der Figur sichtbar, während nach rechts hin das Niveau des Schnittes sich etwas mehr in die Tiefe senkt. An > -* 08 SL 476 Fig. 9 Fig. 10 Martin Heidenhain: einigen Stellen sieht man sehr schön, wie die Lamellen der ober- flächlichen Plattenepithelzellen die Knospen in deren Peripherie bedecken; in der Nähe der Ampulle jedoch sind diese Lamellen überall weggeschnitten und man nimmt ihre Schnittränder wahr. In der Richtung der Linien AA und BB sieht man je einen Stab. Der zur Linken besteht aus drei Knospen, von denen die mittlere zweiporig ist. Der zur Rechten bei BB ist ein sogenannter ganzer ungeteilter Stab, welcher durch eine einzige Knospe mit vier Poren repräsentiert wird. Das Feld zwischen diesen beiden Stäben zeigt oben eine zweiporige, unten drei einporige Knospen. Diese Kombination wird erklärlich, wenn man annimmt, dass die obere zweiporige Knospe zwei nebeneinander liegenden unvollständig aus- vebildeten Stäben entspricht. Es gehören dann die beiden einporigen Knospen zur Rechten nebst einem halben Teil der oberen Knospe zu dem einen, die dritte einporige Knospe zur Linken samt dem zweiten Teil der oberen Knospe zu dem anderen, übrigens sehr rudimentären Stabe. NB. Die feine Zeichnung in den Plattenepithel- zellen (besonders links unten) bedeutet eine teilweise Ausfärbung der Plasmastruktur. Aus einer Flachschnittserie. Vergr. 933. Der hier abgebildete Ausschnitt entspricht in der Projektion G der Strecke von be. Der Schnitt liegt unten am oberflächlichsten, wo Teile der sehr dunkel gefärbten Hornlamelle sichtbar sind; in der Richtung nach aufwärts, gegen den oberen Rand des Sinnesfeldes hin, senkt sich die Schnittebene, so dass hier die Knospen breit getroffen sind. Der Schnitt ist darum instruktiv, weil man Poren, Ampullen und Knospendurchschnitte nebeneinander sieht. Im übrigen vergleiche die Erklärung zu Fig. 8. Bei b eine grosse dreiporige Knospe. Unter- halb von c ein Stab mit zwei Knospen, beide zweiporig; von der unteren Knospe sind beide Ampullen getroffen. Unterhalb von d ein Stab mit vier Knospen, zu oberst zwei einporige, darauf folgend eine zweiporige, deren Ampullen beide im Schnitt liegen, darunter nochmals eine einporige, von welcher nur der Porus selbst sichtbar ist. Bei e eine zweiporige Knospe (vergl. auch Projektion G zwischen b und e). Tafel XXI. Die allgemeine Situation ist dieselbe wie bei Fig. 9. Vergr. 933. Der vorliegende Ausschnitt entspricht in Projektion G der Strecke bei p, wo eine grosse sechsporige Riesenknospe sichtbar ist. Letztere sieht man in der vorliegenden Abbildung im oberen Teile der Figur; der Schnitt liegt jedoch an dieser Stelle bereits so tief, dass nur noch fünf von den sechs Ampullen getroffen sind. Unterhalb der Riesenknospe geht der Schnitt in der Richtung nach abwärts all- mählich in ein höheres Niveau über und man sieht der Reihe nach die Ampullen, Porenkanäle (pk) und Poren anderer Knospen auf- treten. Um die Ampullen herum sieht man an mehreren Stellen Fig. 11. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 477 in schöner Weise die Schnittränder der Epithellamellen, welche den oberen Pol der Knospe decken. Diese zeigen im Umfang der Poren- kanäle (pk) eine feine konzentrisch geordnete Plasmastruktur. Aus einer horizontalen Schnittserie. Vergr. 452. Die Abbildung zeigt in deutlicher Weise, dass die Knospen im Querschnitt der Stäbe alle gleich und zwar im wesentlichen symmetrisch gestaltet sind. Sublimat-Trichloressigsäure-Eisessig. Fig. 12 und 13. Poren, Porenkanäle und Ampullen, letztere mit den Sinnes- haaren, bei einer Vergrösserung von 1600. In Fig. 13 ist die Ampulle sowohl wie der ausleitende Porenkanal aussergewöhnlich weiträumig. h — Hornschichte; dep —= Deckepithel über den Knospen; s = in Fig. 12 schleimartige Substanz, in welche die Sinneshaare eingebettet sind. Man beachte die Schlängelungen der Sinneshaare und ferner die Anwesenheit kurz abgeschnittener Stümpfe von solchen besonders in Fig. 13. Sublimat-Trichloressig- säure-Eisessig. Tafel XX1. Die Abbildungen dieser Tafel geben Übersichtsbilder über grössere Strecken der Sinnesfelder, wie sie auf Flachschnittserien gewonnen werden. Die Ver- grösserung ist 232mal. Der obere Rand des Sinnesfeldes liegt bei allenAbbildungen nach rechts. Zugleich geben die Abbildungen eine Vorstellung davon, wie die Schnitte aufeinander projiziert werden können, um die Porenzahl der einzelnen Knospen zu bestimmen. Fig. 14—16 gehören zusammen und entsprechen der Projektion ©. Fig. 14: Dieser Schnitt zeist einen grossen Teil der Hornlamelle mit vielen Poren, ausserdem die oberen Abschnitte vieler Knospen mit den zugehörigen Ampullen. Der vorhergehende Schnitt zeigte bereits einige Poren, welche auf dem vorliegenden nicht mehr enthalten sind. Fig. 15: Der nächstfolgende Schnitt mit dem Rest der Poren bezw. Ampullen. Fig. 16: Dieser Schnitt ist der übernächste nach dem der Fig. 15. In allen drei Figuren entspricht die Buchstaben- bezeichnung genau der Bezeichnung in Projektion ©. In Fig. 16 wurden alle Buchstaben eingesetzt, in Fig. 14 und 15 genügten einige wenige Bezeichnungen, um ersichtlich zu machen, wie die drei Schnitte eventuell zur Deckung zu bringen sind. S = in Fig. 16 Langschnitt des oberen umgebogenen Teils der Seiten- lamelle. Die Topographie der Knospen in diesem Sinnesfelde ent- spricht durchaus dem gewöhnlichen Vorkommen. Die Knospen lassen sich leicht in Querreihen oder „Stäbe“ anordnen, wenn man auch vielleicht über die spezielle Zugehörigkeit einzelner Knospen im Zweifel bleiben mag. Fig. 17—19 gehören zusammen und entsprechen der Projektion E. Die Buchstabenbezeichnung ist dieselbe wie dort. Dieses Sinnesfeld zeigt das nicht ganz gewöhnliche Vorkommen ungemein vieler mehrporiger Knospen; letztere lassen sich an vielen Stellen nicht genau zu „Stäben“ ordnen. Vergl. den Text S. 435. Fig. 17: Sehr Archiv f.mikr. Anat. Bd.S5. Abt. I. 32 Martin Heidenhain: schönes Bild der oberen verhornten Epithelschicht mit vielen Poren. Fig. 185: Der nächste Schnitt, welcher ebenso in sehr schöner Weise den oberen Pol vieler Knospen mit den Ampullen zeigt. Fig. 19: Schnitt durch den Äquator der Knospen, der dritte nach dem Schnitte der vorhergehenden Figur, S = Langschnitt durch den hakenförmig umgebogenen Teil der Seitenlamelle. Tafel XXIII. Fig. 20, 21 und 22. Drei zusammengehörige Schnitte aus einer Flachschnitt- Fig. 23— Fig. 23. Fig. 28. serie. Vergr. 232. Die Abbildungen zeigen das eine Ende eines Sinnesfeldes, welches viele besonders grosse und zum Teil unregel- mässig angeordnete Knospen enthält. Bei der Projektion der Poren auf den grössten Umfang der Knospen ergab sich das Bild der Projektion F. Die Buchstabenbezeichnung ist die nämliche wie dort. Demnach haben wir bei a und ce sechsporige Knospen, gegen- über bei o eine vierporige, bei b und d je eine dreiporige usf. Am rechten Rande der Figur liegen bei e und f zwei normale Stäbe. Weiterhin vergl. die Projektion F von e—n. 26. Serie zweiporiger Knospen. Vergr. 660. Sublimat- Osmium. Zweiporige Knospe mit äusserst nahe beieinander liegenden Ampullen. Oberste Knospe eines Stabes, welcher nach abwärts noch zwei ein- porige enthielt. Die Einfurchung an der Basis der Knospe ist ein äusserst seltenes Ereignis. Zweiporige Knospe der gewöhnlichen Grösse und Form. Zweiporige sehr grosse Knospe, oberste eines Stabes. Bei b Basalzellen. Zweiporige Riesenknospe, mittlere zwischen zwei kleinen Ein- porigen. ep — epithelialer Mantel in Zusammenhang mit der nächstoberen Scheidewand; z = Zwickelzellen. Mittelgrosse, dreiporige Knospe; über ihr in demselben Stabe noch eine einporige. ep — epithelialer Mantel. Vergr. 660. Sublimat- Ösmium. Sehr grosse dreiporige Knospe; darüber in demselben Stabe nur noch eine einporige. Diese Knospe zeigt sehr gut die besondere asymmetrische Struktur oder innere Verziehung, welche der Fächer- stellung der Knospen innerhalb des Stabes entspricht. ep = epi- thelialer Mantel. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Grosse vierporige Knospe; unter dieser befand sich noch eine einporige. b — Basalzellen; z — Zwickelzellen. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Tafel XXIV. Die sämtlichen Abbildungen dieser Tafel mit Ausnahme von Fig. 35 beziehen sich auf die Epithelkeile und unvollständigen Scheidewandbildungen. Fig. 30. .31. . 34. . 36 . 36. at. Sinnesfelder und Geschmacksknospen der Papilla foliata. 479 Zweiporige Riesenknospe. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Die Basalzellen bilden einen Epithelkeil (epk). Die Anordnung der Sinneszellen zeigt sehr deutlich die Form der „Verschränkung‘“. Die Knospe ist eine oberste; unter ihr befand sich nur noch eine einporige. Grosse dreiporige Knospe. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Diese Knospe ist die unterste in ihrem Stabe und zeigt eine durchaus typische Form. epk = Epithelkeil. Zweiporige Knospe mit Epithelkeil. Vergr. 600. Sublimat-Osmium. Die Zellenverschränkung ist deutlich erkennbar. Zweiporige Knospe. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Der Epithel- keil hat sich zu einer unvollständigen Scheidewand ausgewachsen. Der freie Rand der Scheidewand (sw) ist sehr dunkel gefärbt („Randfaser*). Dreiporige Knospe mit unvollständiger Scheidewand (sw). Diese Knospe war eine unterste; darüber befanden sich noch zwei ein- porige. Vergr. 660. Sublimat-Osmium. Zweiporige Knospe aus einer Horizontalschnittserie mit Zwickel- zellen. Symmetrische Anordnung der Zellen ohne innere Verziehung (vergl. Fig. 11). Vergr. 660. Sublimat-Trichloressigsäure-Eisessig. und 37. Zwei Knospen mit Scheidewandbildung aus Flachschnitt- serien. Vergr. 452. Bei A der Querschnitt durch den Oberteil einer grossen Knospe mit der Ampulle; auf der linken Seite sieht man schon hier eine Einkerbung des Konturs. Bei B sieht man diese Knospe durch eine Scheidewand in zwei ungleichgrosse Teile zerlegt; der Schnitt ist durch den obersten Rand der Scheidewand gegangen. Bei © ein etwas tieferer Schnitt. Diese Knospe ist also einporig und dabei zweiteilig. Bei A in der Mitte eine grosse Knospe mit zwei Ampullen. Bei B ist diese Knospe durch beiderseitiges Eindringen einer Scheidewand fast vollständig in zwei Teile zerlegt. Bei Ü sieht man, wie der untere Knospenanteil sich abermals einschnürt, und bei D wie dieser in zwei vollständig gesonderte Teile zerfällt. Die hier ab- gebildete Knospe ist also zweiporig und dreiteilig. Tafel XXV. Diese Tafel zeigt nebeneinander acht Projektionen (A—H), welche im Text genau besprochen sind. Der obere Rand des Sinnesfeldes liegt in allen Figuren nach rechts hin. Vergr. 159. 32* 480 Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. Von Professor E. Neumann (Königsberg). Hierzu Tafel XXVI und XXV1L. Wie gegenwärtig kein Zweifel darüber obwalten kann, dass während des ganzen extrauterinen Lebens bei dem Menschen sowohl als auch bei allen .höheren Klassen der Wirbeltiere das Knochenmark die normale Bildungsstätte der roten Blutzellen darstellt, so kann es ebenfalls als eine feststehende Tatsache gelten, dass während des grössten Teiles der Embryonalzeit der Leber dieselbe Bedeutung zukommt. Leider aber betreten wir immer noch ein wenig aufgeklärtes Gebiet, wenn wir nach den feineren histologischen Vorgängen bei der Erythropoese der ge- nannten Organe forschen. In betreff der Entstehungsweise der Blutkörperchen bestehen bis in die neueste Zeit hinein zwischen den Angaben der einzelnen Untersucher nicht unwesentliche Differenzen, welche auch durch eine sehr fein ausgebildete und zu sehr prägnanten Bildern führende Technik (es sei nur an die schönen bildlichen Darstellungen Maximows, Dantschakoffs und Molliers erinnert) nicht beseitigt worden sind. Ein ent- scheidender Fortschritt dürfte vielleicht erst in ferner Zukunft zu erwarten sein und von der Auffindung eines besonders günstigen Objektes unter den zum Vergleich heranzuziehenden Tieren oder von der Entdeckung besonders geeigneter Untersuchungsmethoden abhängen. Die hier mitzuteilenden Beobachtungen, welche sich auf die embryonale menschliche Leber beziehen, können nur den Anspruch erheben, durch die Feststellung einiger bisher wenig beachteter oder verkannter Verhältnisse im Bau dieses Organs einen kleinen Beitrag zu der definitiven Lösung des Problems der Blutbildung. zu liefern; mir lagen zwölf Embryonen vor, welche in wohlerhaltenem Zustande alsbald nach der Geburt zur Untersuchung gelangten, die meisten derselben waren im Alter von 3 bis 6 Monaten, einige näherten sich der Reife. Was das von mir benutzte technische Verfahren betriftt, so war ich darauf bedacht, sowohl bei der Härtung und Fixierung Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 481 der Präparate als auch namentlich bei ihrer Färbung Einseitig- keit zu vermeiden. Ein Teil der Objekte wurde in die bekannten, von neueren Untersuchern meistens angewandten Gemische, Müller-Formol oder Zenker-Formol, eingelegt, ein anderer Teil derselben Lebern dagegen der langsameren Fixierung in verdünnten Chromsäurelösungen (0,25°/o), wie ich sie bereits bei den meiner aus dem Jahre 1874 stammenden, zum ersten Male die Histologie der embryonalen Leber in bezug auf die Blutbildung behandelnden Arbeit!) zugrunde liegenden Unter- suchungen anwandte, unterworfen. Letztere bewährte sich mir wiederum in vieler Beziehung so gut, dass ich es bedauern muss, dass meine Nachfolger sie fast ganz ausser Kurs gesetzt haben und ich sie aufs neue empfehlen möchte; sie hat den grossen Vorzug: 1. zarte Konturen durch stärkere Lichtbrechung schärfer hervortreten zu lassen als die oben genannten Flüssigkeiten und 2. ein Zusammenschrumpfen von Räumen, die einen flüssigen Inhalt haben, selbst bei nachfolgender Alkoholhärtung zu ver- hindern, da ihre erhärtende Wirkung nicht auf Wasserentziehung, sondern auf direkter Erstarrung, einem koagulationsähnlichen Vorgange zu beruhen scheint. Schädigend ist allerdings die in Chromsäurepräparaten sich einstellende Hämoglobindiffusion, so dass rote Blutzellen, reife sowohl als kernhaltige, sich entfärben und nur ihre ringförmigen Umrisse und ihre Kerne, falls solche vorhanden, sichtbar bleiben; die charakteristischen, Iymphozyten- ähnlichen Kerne der Erythroblasten markieren sich aber besonders deutlich und orientieren leicht über die Lagerungsverhältnisse dieser Vorstufen der kernlosen roten Blutzellen im Gewebe und in den Bluträumen. Ausserdem ist die mit der Entfärbung ver- bundene Aufhellung des Inhalts der Bluträume geeignet, Gewebs- teile, welche sonst durch die roten Blutkörperchen verdeckt werden, deutlich sichtbar werden zu lassen. Der öfters der Chromsäure gemachte Vorwurf, dass sie durch Gerinnselbildungen leicht Täuschungen hervorrufen kann, ist kaum berechtigt zu nennen, da eine genauere Betrachtung !) E. Neumann: Neue Beiträge zur Kenntnis der Blutbildung (mit Tafel. E. Wagners Arch. d. Heilk., Bd. XV, 1874. — Aus den hier zitierten Angaben Köllikers (resp. seines Schülers Fahrner) geht her- vor, dass dieselben sich nur auf Untersuchungen am embryonalen Leber- blut beziehen und das Lebergewebe unberücksichtigt lassen. 482 E. Neumann: den Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Fäden- und Körnerbildungen leicht erkennen lässt, der Vorwurf fällt aber ganz fort, wenn man, wie ich es vielfach getan habe, der Chromsäure Formol hinzugefügt und sich etwa eine Mischung von i Teil Formol und 9 Teilen Chromsäurelösung von 0,25°o her- stellt; diese Mischung vorzugsweise empfehle ich daher der Aufmerksamkeit, sie gibt die geweblichen Verhältnisse der Leber in ausgezeichneter Weise wieder, wenn sie auch aus dem oben- genannten Grunde für die Darstellung der ganzen Entwicklungs- reihe der roten Blutzellen und ihre Zurückfübrung auf ihre Stammzellen ungeeignet ist und hier der Ergänzung durch andere Fixierungsflüssigkeiten bedarf. Von den nachträglich der Alkoholhärtung unterworfenen Stücken wurden teils Zerzupfungspräparate hergestellt, teils Celloidinschnitte angefertigt und sowohl die einen wie die anderen in verschiedenster Weise gefärbt. Am meisten benutzte ich eine Kombination der Hämatoxylinfärbung mit van Giesonscher oder Biondi-Heidenhainscher Flüssigkeit. Ausserdem kamen in Anwendung Giemsalösung und zur Färbung des Bindegewebes einige sauere Anilinfarben, auf die mich Kollege Askanazy freundlichst hinwies: Säureschwarz und Reinblau, sowie auch die käufliche Eisengallustinte (aus der Fabrik Lentz in Stettin), welche sich dadurch auszeichnete, dass sie an Chromsäure- präparaten die Kerne der Leberzellen und der Bindegewebszellen blau, die Kerne der roten Blutkörperchen dagegen schön rot färbte. Die Untersuchung der gefärbten Schnitte erfolgte stets zuerst in Glyzerin, aus welchem erst später eine Übertragung in Lack stattfand. Glyzerin gibt schärfere Bilder, da durch den Lack zarte Linien, falls sie nicht durch die Färbung markiert sind, ausgelöscht werden; bei längerem Liegen bedürfen die Glyzerinpräparate allerdings einer Nachfärbung, da sie die Farben nicht festhalten. — Übrigens habe ich es zur Ergänzung der von mir an gefärbten Schnitten gewonnenen Befunde auch für erforderlich gehalten, Partikelchen der gehärteten Leberstücke einer Zerlegung durch Zerzupfen zu unterwerfen und diese Zupf- präparate ebenfalls zu färben. Seltener wurden am frischen Objekt durch die von mir schon früher geübte Einstichmethode mit einem kapillaren Glasröhrchen (Il. c.) Präparate von gewisser- Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 483 massen unverfälschtem, durch keinen Zusatz veränderten „Leber- saft“ untersucht. In betreff der beigegebenen Abbildungen sei schliesslich bemerkt, dass ich wegen der grossen Schwierigkeit der Aufgabe von einer genauen zeichnerischen oder photographischen Wieder- gabe der äusserst komplizierten und sehr wechselnden mikro- skopischen Bilder habe absehen müssen, die Zeichnungen sind dem- nach teilweise halbschematisch gehalten, indem unter Weglassung mancher Details nur die mir als typisch erscheinenden und mit Evidenz sichtbaren Beziehungen der einzelnen Bestandteile zur Darstellung gebracht wurden. Der hierdurch freilich entstehende subjektive Charakter der Abbildungen ist ein Mangel, von dem aber wohl auch manche, von anderen Autoren gegebene Zeich- nungen, wie ich aus einem Vergleich derselben mit dem, was meine Präparate mich lehren, vermuten möchte, aus denselben Gründen nicht ganz frei geblieben sein dürften. Eine historische Zusammenstellung der Ansichten der zahi- reichen Untersucher, welche sich mit unserem Thema beschäftigt haben, dürfte überflüssig sein, nachdem bereits von mehreren Seiten eine bis in die neueste Zeit hineinreichende Übersicht über dieselben in genügender Vollständigkeit gegeben worden ist; es sei hier namentlich auf die Arbeiten von Saxer,') Maximow?, und Weidenreich?°) verwiesen, während meine zitierte Abhandlung die ältere Literatur enthält. Erforderlich scheint es mir dagegen, der Darstellung meiner Befunde eine kurze Präzisierung der Fragen, auf welche sich zurzeit die schwebenden Streitigkeiten zuspitzen, vorauszuschicken. Von den frühesten Entwicklungsstadien der Leber abge- sehen, bietet das Organ bekanntlich bereits bei Embryonen von einigen Zentimetern Länge nach Ablauf der ersten 2 Monate ein Strukturbild dar, welches in seinen Grundzügen den Bau der Leber Erwachsener erkennen lässt: zwischen den netzförmig ver- ') Saxer: Entwicklung und Bau der normalen Lymphdrüsen ete. Aus d. Pathol. Institut in Marburg. Wiesbaden 1896. ’) Maximow: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 73, 1909. ») Weidenreich: Leukozyten und verwandte Zellformen ete. Wiesbaden 1911. 484 E. Neumann: bundenen Leberzellbalken finden sich gleichfalls netzförmig ver- bundene weite kapillare Bluträume, beide Netze dringen bis gegen die Oberfläche vor, lassen hier aber einen Mesenchym- streifen frei, welcher am Hilus mit der die Pfortaderäste um- gebenden, stark entwickelten Bindegewebsscheide zusammenhängt; auch grössere, im Innern gelegene, einer solchen Scheide ent- behrende Gefässdurchschnitte, in welche von allen Seiten die kapillaren Bluträume strahlenartig einmünden, geben sich als die Anlagen der Lebervenen zu erkennen; eine Abteilung des Parenchyms in einzelne Läppchen tritt noch nicht deutlich her- vor. Ein Unterschied im architektonischen Aufbau der Leber gegenüber dem Verhalten im ausgebildeten Zustande macht sich ausserdem geltend. Die sogenannten „Leberzellballen“ sind nämlich im letzteren Falle, wie E. Hering!) gezeigt hat, keine zylindrisch geformten Zellstränge oder Zellschläuche, sondern stellen vielmehr die Durchschnitte einer zusammenhängenden Ausfüllungs- masse der Zwischenräume zwischen den Kapillaren dar, im embryonalen Leben aber bilden sie, ihrem Namen mehr ent- sprechend, wirklich ein Netzwerk zylindrischer teils solide er- scheinender, teils ein enges Lumen umschliessender Zellstränge, so dass jede von ihnen umschriebene Masche den Querschnitt eines Blutraums, andererseits jede Masche der netzförmig ver- bundenen Bluträume den Querschnitt eines Leberzellstranges ent- hält, ganz ebenso wie es bei den niederen Wirbeltiern der Fall ist, deren unzweifelhaft tubulösen Bau wir durch Hering kennen gelernt haben, ein gewiss interessantes Beispiel einer Parallele zwischen phylogenetischer und ontogenetischer Entwicklung. Dass der hieraus sich ergebende Umbau der embryonalen Leber übrigens selbst zur Zeit der Geburt noch nicht beendet ist, zeigte bereits die Angabe Herings, dass ihm bei Neu- geborenen stellenweise eine Ähnlichkeit mit Amphibienlebern insofern begegnet sei, als „auf Schnitten öfters drei oder vier Leberzellen in einer rundlichen Kapillarmasche eingeschlossen er- scheinen und ihrerseits wieder die enge Lichtung eines Gallenweges umschliessen“. Später haben sodann Toldt und Zuckerkandl’) ') Ewald Hering: Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1866 und 1867. Arch. f. mikr. Anat., Bd. III, 1867. Ferner in Strickers Handb. d. Ge- webelehre, Bd. I, 1871. >) Toldt und Zuckerkandl, Sitzungsber. d. Wiener Akad., Bd. 72, 1875. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 485 den Nachweis erbracht, dass sich selbst bei Kindern im Alter von 3—5 Jahren mehr oder weniger ausgedehnte Spuren des tubulösen Baues der embryonalen Leber erkennen lassen. — Erwähnung dürfte hier auch die von mir gemachte Wahrnehmung verdienen, dass sich an einer bestimmten Stelle der tubulöse Charakter der Leber schon sehr frühzeitig verwischt zeigt, nämlich in der Umgebung der periportalen Bindegewebsmäntel; hier bilden nämlich die Leberzellen eine kontinuierliche Schicht, welche ge- wissermassen eine gemeinschaftliche Basis abgibt für die von allen Seiten an sie anstossenden und in sie übergehenden Leberzell- balken, und zwar zeichnen sich die diesen einschichtigen Epithel- mantel zusammensetzenden Leberzellen durch Abplattung aus, ihre Höhe, d. h. der senkrecht zur Bindegewebsoberfläche stehende Durchmesser ist geringer als der Abstand der Kerne von zwei benachbarten Zellen, wie es Fig. 6 von einem 5—6 monatlichen Embryo zeigt. Als ich diese Beobachtung zuerst machte, glaubte ich anfänglich, es mit peripher in den Bindegewebsscheiden der portalen Gefässe gelegenen Gallengangsanlagen zu tun zu haben, das Irrtümliche dieser Ansicht zeigte sich bald, als ich sah, dass auf Querschnitten durch die Pfortaderäste die beschriebenen Zellen einen mehr oder weniger geschlossenen Ring um die Bindegewebs- hülle bildeten; auch zeigte sich nirgends eine dem Bilde einer längsdurchsehnittenen Epithelröhre entsprechende Zweischichtig- keit der Zellagers. Die auffälligste und für die Frage der Blutbildung bedeutungs- vollste Erscheinung bei der embryonalen Leber bildet nun aber unzweifelhaft ihre reiche Erfüllung mit roten Blutzellen embryonalen Charakters in den verschiedensten Entwicklungsstufen, und zwar lässt sich leicht erkennen, dass diese Zellen nicht bloss in grossen Mengen, vermischt mit reifen roten Blutzellen, in den (refäss- räumen enthalten sind, sondern auch das eigentliche Parenchym der Leber, das Balkennetz der Leberzellen, durchsetzen. Letztere Tatsache ist von mir bereits bei meinen früheren Untersuchungen erkannt und von allen späteren Beobachtern bestätigt worden: die damals meiner Arbeit beigefügte Taf. VII, Fig. 7, im Arch. d. Heilk., XV, zeigt evident eine Unterbrechung der zu Leber- zellenbalken zusammengefügten Leberzellen durch Gruppen kern- haltiger roter Blutzellen, letztere sind also zwischen die Leber- zellen eingeschaltet. Wo sie besonders zahlreich sich daselbst an- 456 E. Neumann: häufen und die ganze Breite eines Balkens auf kürzere oder längere Strecken einnehmen, bekommt letzterer natürlich ein ganz ähnliches Aussehen wie der Inhalt der Gefässräume selbst, und es kann dadurch die Grenze zwischen beiden so verdunkelt werden, dass Schwierigkeiten der Deutung entstehen, worauf noch zurück- zukommen sein wird. Hervorzuheben ist die bezeichnete Tat- sache besonders deshalb, weil durch sie unbedingt die naheliegende Vermutung, dass es sich bei der Blutbildung in der embryonalen Leber ausschliesslich um eine Vermehrung der roten, noch teilungsfähigen Blutzellen innerhalb des durch die Blutbahnen zirkulierenden Blutstromes handelt, von vornherein als unberechtigt erwiesen wird, und wir werden demnach vielmehr von der Er- forschung des Entstehens und des späteren Verschwindens dieser extravaskulären, intraparenchymatösen Blutzellen- herde die Lösung des Problems zu erwarten haben. Was nun die Beschreibungen dieser jugendlichen Blutzellen betrifft, so bestehen, abgesehen von der letzten Instanz der Stammzelle, wesentliche Differenzen in den Angaben kaum. Als nächste Vorstufen der roten Blutzellen sind allgemein anerkannt die sogenannten Erythroblasten, d. h. hämoglobingefärbte, mit einem meistens kreisrunden, kompakten, sehr intensiv färbbaren Kern ausgestattete Elemente; die vielbesprochene, aber noch nicht klargestellte Frage über die Art des Überganges in die kern- losen Erythrozyten kann hier unerörtert bleiben. Als Vorgänger der Erythroblasten. gelten sodann wohl allgemein Rundzellen, die sich im wesentlichen nur durch ihre durch Hämoglobinmangel bedingte Farblosigkeit von den Erythroblasten unterscheiden, mit denen sie übrigens in bezug auf die Homogenität und Durch- sichtigkeit des Zelleibes, sowie auch betrefis des sehr chromatin- reichen und daher stark färbbaren und glänzenden runden Kernes übereinstimmen; sie werden zu Erythroblasten durch einfache Hämoglobinaufnahme, die bei den kleineren Formen dieser Zellen unter gleichzeitiger Zunahme an Umfang erfolgt. Bei der weiteren Zurückverfolgung dieses Entwicklungsvorganges stossen wir — und auch hier handelt es sich um eine gegenwärtig ziemlich allgemein geltende Auffassung — auf gewisse grössere Rundzellen, deren Kern sich weniger stark als derjenige der beschriebenen Zellen färben lässt, deren homogener oder vakuolär-schaumiger Zelleib aber im Gegenteil stärker färbbar ist, im Kern tritt ein Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 487 deutliches, zartes Chromatinnetz nebst Nukleolen auf hellem Grunde an Stelle der kompakten glänzenden Chromatinmasse auf, so dass er ein lichteres Gebilde darstellt als das stark „basophile“,!) ihn umgebende Protoplasma. Der Übergang dieser Zellen in die vorbeschriebenen, möge derselbe nun durch direkte Umwandlung oder als Ergebnis von Teilungsvorgängen erfolgen, würde also allmähliche Abnahme und Verlust der „Basophilie“ des Protoplasma und Umwandlung des Kernes voraussetzen. Neben der erfreulichen Übereinstimmung der Autoren hin- sichtlich dieser tatsächlichen Ergebnisse der Nachforschung nach den Vorstufen der roten Blutzellen besteht nun freilich eine grosse Diskrepanz in der Terminologie, wodurch keine geringe Verwirrung entstanden ist; die Schuld hieran trägt zu nicht geringem Teil die verschiedene Auffassung der Beziehung dieser Bildungszellen der Erythrozyten zu der Entstehung der farblosen Zellen des Blutes. Maximow (l. ec.) bezeichnete jene letzt- beschriebenen basophilen Zellen als „echte grosse Lympho- zyten“, da er aus ihnen neben den Erythrozyten auch kleine „Lymphozyten“ und „Granulozyten“ hervorgehen lässt, in ihnen also die gemeinsamen Stammzellen sämtlicher Blutelemente er- blickt. Dagegen hat Mollier?) für die nach Beschreibung und Abbildung mit Maximows „echten grossen Lymphozyten“ identischen Zellen den Namen Hämogonien gewählt und zwischen sie und die Erythroblasten die Hämatoblasten, die sich von jenen (den Hämogonien) durch geringere Grösse, schwächere Basophilie und kompakteren, chromatinreicheren Kern, von den Erythroblasten durch Mangel an Hämoglobingehalt unterscheiden, eingeschaltet. Seine Stellung zu der Frage, ob weisse und rote Blutzellen auf eine gemeinsame Stammzelle zurückzuführen sind, ist die, dass er aus den Hämogonien und vielleicht auch aus den in der Entwicklung noch wenig vorgeschrittenen Hämatoblasten (Hämatoblast I: Basophilie noch ziemlich stark ausgebildet, Kern noch nicht sehr kompakt) auch Granulozyten hervorgehen lässt und dass er ferner auch die Möglichkeit zulässt, dass aus den !, Eine exklusive Attraktion für basische Anilinfarben, worauf sich der Name bezieht, scheint allerdings nicht zu bestehen. Mollier wenigstens gibt an, auch von sauren Farbstoffen die gleiche Wirkung gesehen zu haben; damit würde die Bezeichnung allerdings ihre Berechtigung verlieren. ?) Mollier, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84, 1909. 488 E. Neumann: weiter entwickelten Hämatoblasten (Hämatoblast II: schwächere Basophilie des Protoplasmas, kompakterer Kern), denen er eine „sehr grosse Ähnlichkeit“ mit den richtigen Lymphozyten der Lymphdrüsen zuschreibt, dauernd in diesem Lymphozytenzustand verbleiben, ohne sich in rote Blutzellen umzuwandeln. — Wiederum anders ist die Bezeichnung M. Askanazys') für die in Rede stehenden basophilen Stammzellen der roten Blutzellen, die er übrigens übereinstimmend mit Maximows echten grossen Lympho- zyten und Molliers Hämogonien beschreibt, denn auf den Unter- schied, dass Askanazy das Protoplasma derselben als „körnig“, letztere Autoren dagegen als „vakuolär“ bezeichnen, dürfte wohl kein besonderer Wert zu legen sein, da Askanazy offenbar echte Zellgranulationen nicht im Sinne hat, ausserdem be- lehrt auch ein Vergleich der Bilder, auf welchen Mollier von einem 7,5 mm grossen, Askanazy von einem 11 mm grossen menschlichen Embryo die Verteilung der von ihnen beschriebenen Zellen auf die Leberzellenbalken darstellen, zur Genüge über die Identität derselben. Askanazy nennt dieselben Myelo- blasten, weil er sie von ganz gleicher Beschaffenheit findet wie diejenigen Zellen, welche im Knochenmark für die roten Blut- zellen, die Myelozyten und die Megakaryozyten die gemeinsame Quelle bilden, wobei der Ursprung der Lymphozyten von ihm als offene Frage hingestellt wird. Wir stehen also, wie esin der modernen Hämatologie leider in bezug auf die Nomenklatur ein so häufiger Fall ist, vor einem Embarras de richesses! Welchem Namen ist nun der Vorzug zu geben? Ohne hier auf die schwierige Frage, ob in der Leber nicht nur rote, sondern auch farblose Blutzellen neu gebildet werden (dass die Produktion letzterer der der ersteren gegenüber mindestens sehr untergeordnet ist, dürfte wohl allerdings fest- stehen), eingehen zu wollen, lässt sich bei der Benennung, wie mir scheint, eine Stellungnahme zu ihr insofern nicht vermeiden, als dabei in Betracht kommt, ob man die Stammzelle der Erythrozyten gleichzeitig auch als Stammzelle farbloser Blutzellen, eventuell als Stammzelle einer der beiden von den Anhängern der Ehrlichschen Dualitätslehre unterschiedenen Arten von farblosen Zellen gelten lässt? Meines Wissens sind nun wesentliche und konstante Unterschiede zwischen den erwähnten Stammzellen der Erythro- !) M.Askanazy, Virchow-Orthsches Archiv, Bd. 205, 1911. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 489 zyten in der fötalen Leber einerseits und den Stammzellen der typischen kleinen Lymphozyten, sowie denjenigen der Granulo- zyten des Blutes andererseits nicht nachgewiesen, und wenn ich diese beiden letzteren, entgegen der Dualitätslehre, welche zwischen Lymphoblasten und Myeloblasten unterscheidet, unter dem gemeinsamen Namen „grosse Lymphozyten“ zusammengefasst habe,') so nehme ich auch nicht Anstand, jene Bildungszellen der roten Blutzellen ebenfalls mit diesem Namen zu belegen, mich also der Nomenklatur Maximows anzuschliessen. Gegen Askanazys „Myeloblasten“ hätte ich einzuwenden, dass damit indirekt ein Präjudiz für das meiner Ansicht nach einstweilen eines sicheren Fundamentes entbehrende Dualitätsprinzip ge- schaffen wird, obwohl dies keineswegs von Askanazy beabsichtigt wird; der in dieser Beziehung ganz unverfängliche Ausdruck „Hämogonie“ nach Mollier aber dürfte sich deshalb nicht empfehlen, weil die Einführung eines ganz neuen Namens wohl nur dann gerechtfertigt wäre, wenn sich diese Zellen von den als grosse Lymphozyten (oder Ehrlichsche grosse mononukleäre Zellen) bekannten Zellen bestimmt unterscheiden liessen. — Es sei hier auch daran erinnert, dass in den neueren Arbeiten über das Amphibien- und Vogelblut die Stammzellen der roten Blut- zellen stets als „Iymphozytäre Zellen“, „Lymphozyten“ resp. „grosse Lymphozyten“ beschrieben und so benannt worden sind.?) Es bleibt schliesslich noch übrig, auf die verschiedenen Ansichten über den Ursprung dieser Stammformen der roten Blut- zellen in der fötalen Leber einen Blick zu werfen. Allgemein zugestanden dürfte sein, dass ein Teil der Zellen, welche in der Leber geboren und durch die Lebervenen dem allgemeinen Blutstrom zugeführt werden, aus Elementen abstammt, welche durch Pfortader und Leberarterien in das Organ hineingelangt und intravaskulär durch Teilungsvorgänge sich vermehrt haben, denn nicht nur die Erythroblasten (kernhaltigen roten Blutzellen), sondern auch sämtliche früheren Vorstufen derselben bis zu den ') Vergl E. Neumann: Hämatologische Studien, III, Leukozyten und Leukämie. Virchows Archiv, Bd. 207, 1912. ”) E. Neumann, Virchows Archiv, Bd. 143, 1896, und Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, 1911. — Weidenreich, Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 14, 1906. — Die Leukozyten und verwandten Zellformen, 1911. — Dantschakoff. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909. 490 E. Neumann: Iymphozytären Zellen herab sind ja einer Proliferation durch Karyokinese fähig und, wenn es schon lange bekannt ist, dass Erythroblasten anfänglich ausschliesslich, später in stetig ab- nehmender Zahl bis zur Geburt hin im ganzen Körper verbreitet sind, so ist auch für jene Vorstufen ihre Existenz in der allge- meinen Blutmasse von frühester Zeit an nachweisbar. Askanazy (l. ec.) fand seine „Myeloblasten“ bereits im Herzblut eines 11 mm grossen menschlichen Embryo. Das weite Strombett und die dadurch herbeigeführte Verlangsamung der Strömung darf als ein die Proliferation der Zellen innerhalb der Blutgefässe be- günstigendes Moment angesprochen werden; wie weit dasselbe als Quelle der Blutkörperneubildung in Betracht kommt im Ver- hältnis zu anderen Faktoren, lässt sich freilich nicht angeben. Dass sie nicht die einzige ist, geht aber, wie schon erwähnt, unzweifelhaft aus der Tatsache hervor, dass wir sämtliche Ent- wicklungsstufen der roten Blutzellen auch extravaskulär in das eigentliche Leberparenchym in grosser Zahl eingeschlossen finden. Dieser letztere Befund wies unzweideutig auf eine in dem Lebergewebe selbst stattfindende Neubildung hin und so wurde denn die Lehre aufgestellt, dass vermöge des den jungen, im Blute befindlichen Bildungszellen zukommenden Wanderungs- vermögens oder wohl auch unter chemotaktischen Einflüssen diese aus den Blutgefässen der Leber in das Gewebe eindringen, daselbst wie in einem ihnen besonders zusagenden Nährboden ihre Proliferation fortsetzen und schliesslich wiederum in den Blutstrom zurückgelangen. Als hauptsächlicher Vertreter dieser Lehre darf Saxer (l.c.), der im Marchandschen Laboratorium arbeitete, gelten, von neueren hat sich ihm besonders Askanazy (l. ce.) der Hauptsache nach angeschlossen. Beide Autoren gehen von der Voraussetzung aus, dass das embryonale Blut in der Periode, in welcher die Blutbildung in der Leber einsetzt, wanderungsfähige farblose Elemente enthält, seien es nun die beschriebenen grossen Lymphozyten oder hypothetische Vor- stufen derselben (Saxers „primäre Wanderzellen“). Hierbei muss man sich jedoch gegenwärtig halten, dass, so sicher es auch ist, dass den bei dem Embryo auftretenden farblosen Blutzellen amöboide Beschaffenheit zukommt, doch Zweifel berechtigt sind, wie lange sie bei ihrer weiteren Metamorphose zu roten Blut- Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 491 zellen diese Eigenschaft beibehalten. Direkte Beobachtungen hierüber liegen meines Wissens nicht vor, so dass es auch nicht an Widerspruch gefehlt hat. Besonders skeptisch äussert sich Mollier, er will an den jungen Blutzellen nie die Zeichen einer aktiven Ortsveränderung wahrgenommen haben und gibt höchstens für die „Hämogonien“ die Möglichkeit einer solchen zu (I. c., S. 506 und 511). Am wenigsten wahrscheinlich ist sie wohl für die bereits hämoglobinreichen Erythroblasten und doch würden für die Rückwanderung gerade diese in ihrer Ausbildung am meisten vorgeschrittenen Formen in Betracht kommen. Man bedenke auch, wie gewagt es erscheinen muss, eine gleichzeitig auf denselben Wegen stattfindende Bewegung in entgegengesetzter Richtung, eine Coincidenz von Emigration und Immigration an- zunehmen. Jedenfalls würde wohl jeder Versuch, aus chemo- taktischen Kräften einen Mechanismus abzuleiten, welcher eine derartige Erscheinung zu erklären imstande ist, scheitern. Abgesehen nun aber davon, dass die Ableitung der jungen, in der Leber sich bildenden Blutzellen aus Elementen, welche durch die Blutbahnen eingeführt werden, in der Annahme einer aktiven Bewegungsfähigkeit desselben eine sehr unsichere Stütze findet, so liess sich ein solcher hämatogener Ursprung wohl auf- recht erhalten, wenn sich die von gewisser Seite aufgestellte Behauptung bestätigen sollte, dass in der Zeit, wo die Leber Sitz einer Blutbildung ist, die kapillaren Blutbahnen dieses Organs noch keine geschlossenen Wandungen besitzen, sondern vielmehr in offener Kommunikation mit dem Parenchym und seinen Gewebs- spalten stehen. Mollier ist es, welcher neuerdings für diese Ansicht mit seinen Untersuchungen eingetreten ist, im Gegensatz zu der bisher wohl ziemlich allgemein gültigen Darstellung, nach welcher die Vaskularisation der embryonalen Leber, ebenso wie diejenige anderer Organe, durch das Hineinsprossen kegelförmiger Endothelausstülpungen von seiten präexistierender Gefässe zu- stande kommt, eine geschlossene endotheliale Begrenzung also von vornherein vorhanden ist. Die folgende Schilderung meiner Befunde wird zeigen, dass ich mich Molliers Schilderung von dem ursprünglich wandungslosen Zustande der Blutbahnen der embryonalen Leber und von sekundärer Entstehung der Endothel- auskleidung und der übrigen Gefässwand anschliessen muss; hieraus ergibt sich zugleich, dass ich die Möglichkeit einer Beteiligung 492 E. Neumann: f4 von aus dem einströmenden Blute stammenden Zellen nicht nur an der intravaskulären, sondern auch bei der extravaskulären Blutbildung nicht von der Hand weisen kann. Ein Eindringen amöboider, sich in der Leber zu Erythro- zyten entwickelnder Elemente von aussen her könnte aber, wie einige Beobachter hervorgehoben haben, nicht bloss auf dem Blutwege, sondern auch von den mit der Leber an ihrer Ober- fläche in Verbindung stehenden Teilen des Mesenchyms aus (Septum transversum, Peritoneum, Hilusbindegewebe) erfolgen. Sowohl Saxer als auch Askanazy plädieren für diesen Modus des Blutbildungsprozesses. Auch dieser Auffassung gegenüber lassen sich jedoch Bedenken nicht unterdrücken. Es ist bisher nicht gelungen, genauer die Strasse zu bezeichnen, auf welcher die Einwanderung durch eine besonders starke Anhäufung von Wanderzellen in der Umgebung der Leber und durch ein Vor- rücken derselben zu erkennen gibt. Mollier fand das ventrale Gekröse, welches nach Saxer den Hauptweg für die Wanderzellen abgeben sollte, frei von ihnen und ich selbst habe wenigstens in dem peritonealen Überzug nie eine auffällige Zellinfiltration wahr- genommen, Es ist ferner noch von keinem Untersucher konstatiert worden, dass in der Leber selbst etwa der Blutbildungsprozess von der Oberfläche her gegen das Innere vorschreitet, vielmehr zeigt sich, wie es scheint, der Prozess stets in allen Teilen des Organs gleichmässig verbreitet ohne Gegensatz zwischen zentralen und peripherischen Abschnitten, wie etwa ein solcher bei der Entwick- lung des Thymus durch die von der Oberfläche her aus dem Binde- gewebe erfolgende Immigration Iymphozytärer Zellen zustande kommt. Überdies würde, da wir jedenfalls einen Verlust der Amöboi- dität im Laufe der weiteren Entwicklung der „primären Wander- zellen“ zu Erythroblasten und Erythrozyten annehmen müssen, bei dem Eindringen derselben in die Blutbahnen durch eine geschlossene Endothelschicht ein aktiver Bewegungsvorgang ausgeschlossen sein und es taucht damit wieder die schon berührte Frage nach der primären Existenz einer Endothelwand der kapillaren Blut- kanäle in der embryonalen Leber auf. Allen besprochenen Erklärungsversuchen gegenüber steht nun die Ansicht, welche, von der Annahme eingeschwemmter oder eingewanderter Zellen absehend, die Neubildung der jungen Blutzellen von den Elementen der Leber selbst ausgehen lässt. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 493 Zu dieser Ansicht gelangte ich bei meinen früheren Unter- suchungen (Arch. d. Heilk., Bd. 15); ich sprach mich dahin aus, dass „die in der Leber stattfindende Blutzellenneubildung mit der Gefässbildung in diesem Organe Hand in Hand ginge“ und „wahrscheinlich von der Protoplasmawand der Gefässe aus- ginge“. Später sind die meisten anderen Untersucher, so wenig ihre Angaben auch untereinander übereinstimmen, gleichfalls für einen autochthonen Ursprung der Blutzellen eingetreten, so B. M. Schmidt,!) Schridde,’) Maximow (I. c.), Mollier (l.e.), Janosik°) u.a. Unter den Genannten nimmt Janosik eine ganz isolierte Stellung ein, indem er auf die Leberzellen selbst als Ursprungsquellen rekurriert, während alle übrigen diese Ansicht entweder ganz ignorieren oder als „seltsam“ zurückweisen und vielmehr zwischen der Annahme des Ursprunges aus dem Gefässendothel oder aus den Zellen eines nach aussen von dem Endothel gelegenen spärlichen Mesenchyms schwanken. Ich be- kenne, dass für mich in Anbetracht der von einzelnen autori- tativen Embryologen (Uskoff,!) Graeper-Rabl°’) noch jetzt vertretenen Lehre von der Entstehung der ersten Blutkörperchen in der Area vasculosa des Eies aus dem Entoderm, die Frage einer Beziehung zwischen Leberzellen und Blutzellen durchaus diskutabel ist, so lange nicht ein anderer Ursprung mit Bestimmt- heit aufgedeckt ist. Zuzugeben ist aber, dass dagegen andere wichtige Erfahrungen über die erste Bildung von Blutkörperchen bei dem Embryo sprechen. Stünde also fest, dass zur Zeit der Blutbildung in der Leber ihr Parenchym nur aus Leberzellen und dem Endothel der Kapillaren besteht, wie es Schridde (l. ec.) behauptet, so würden wir konsequenterweise mit ihm eine autochthone Entstehung der Blutzellen nur aus dem Endothel ableiten können. So einfach liegt die Sache aber nicht; wie es bei der Entwicklung jeder anderen Drüse geschieht, bleiben auch in der Leber bei ihrer Entwicklung aus den in das Mesenchym ) B.M.Schmidt: Zieglers Beitr., Bd. 11, 1891. ?) Schridde: Verhandl. d. Deutsch. Path. Ges., Jahrg. 1907. ®) Janosik: Bibliogr. anatomique, Tome X, 1902. *) Uskoff: Mem. de l’academie de St. Petersburg, zit.nach Marchand: Die Herkunft der Lymphozyten in Verhand. d. Deutsch. Path. Ges., Jahrg. 1913. >) Graeper: Archiv für Entwicklungsmechanik, Bd. 24, 1907, zitiert nach Marchand, ibidem. Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt.1. 33 494 E. Neumann: hineinwachsenden Leberzellsträngen gewisse, wenn auch spärliche Reste des letzteren erhalten und schalten sich zwischen diese Parenchymstränge und die Gefässe ein; Schriddes Angabe ist bereits von mehreren Seiten widerlegt worden. Die persistierenden Mesenchymreste kämen also gleichfalls als Blutproduzenten in Betracht und träten mit den Endothelien in Konkurrenz. Bei der Wahl zwischen beiden wird aber die noch strittige Frage, ob das Endothel ein Differenzierungsprodukt des bindegewebigen Mesen- chyms ist oder vielmehr, wofür sich noch neuestens Marchand (l. e.) ausgesprochen hat, aus einer selbständigen embryonalen Anlage hervorgeht, zu berücksichtigen sein. Im ersteren Falle läge die Möglichkeit einer gemeinsamen Betätigung des Endothels und des Mesenchyms an der Blutbildung nahe, während in letzterem die Wahrscheinlichkeit mehr für exklusive Beteiligung des einen oder des anderen bei der Hämatopoese spräche. Ent- scheidend oder doch wenigstens von Bedeutung für die Entscheidung erscheint hier wiederum die Ermittlung darüber, ob die Kapillaren in der Leber durch endotheliale Sprossung von präexistierenden Gefässen aus entstehen oder ob sie, als ursprünglich wandungs- lose Blutbahnen angelegt, erst sekundär eine endotheliale Be- grenzung erhalten ? Indem ich nunmehr zur Darstellung meiner Beobachtungen übergehe, so mögen hier zunächst einige Bemerkungen über die Leberzellbalken zur Zeit der Blutbildung in der Leber ihre Stelle finden. Ihre Zusammensetzung aus Leberzellen und jungen Blut- zellen ist bereits erwähnt, beide lassen sich meistens (nicht immer!) voneinander leicht unterscheiden. Die Leberzellen (Fig. 5) haben, falls sie nicht die sogleich zu beschreibenden Deformationen er- litten haben, dieselbe polygonale Form und auch ungefähr die- selbe Grösse wie im erwachsenen Zustande, ihr Protoplasma erscheint grobgranuliert und daher undurchsichtig, die Granula sind besonders an Chromsäurepräparaten stark glänzend, alle fast gleichgross, bisweilen etwas länglich stäbchenförmig, meistens rund, für den Kern ist eine kreisrunde Form und eine ziemlich bedeutende Grösse charakteristisch, er hat eine dicke Kernmembran, ein zartes Chromatinnetz und meistens mehrere Nukleolen, von denen sich Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 495 einer durch seine bedeutendere Grösse auszuzeichnen pflegt. Hin- gegen stellen sich die jungen Blutzellen als kleinere Rundzellen dar, ihr Protoplasma erscheint, wenn es sich nicht um den jeden- falls ausnahmsweisen Fall der Bildung von richtigen Granulozyten handelt, ohne deutliche Granulierung, vielmehr homogen, farblos oder hämoglobinfarbig, vor allem aber der Kern von dem der Leberzellen verschieden, nämlich stärker gefärbt, da das Chromatin in den grossen Lymphozyten ein dichteres Netzwerk, in den Erythroblasten eine kompakte glänzende, einem Lymphozytenkern durchaus ähnliche Masse bildet. — Hinsichtlich der Art der Zusammenfügung beider Zellarten ist es bekannt (meine älteren Angaben hierüber haben ja allgemeine Bestätigung gefunden), dass sich die jungen Blutzellen in die Leberzellen eindrücken, sich in dieselben invaginieren, so dass letztere mehr oder weniger tiefe grubige Exkavationen, zum Teil sogar enghalsige Höhlungen erhalten und somit der Rand der Leberzellbalken ausgezackt er- scheint, ähnlich dem Rande eines in Einschmelzung begriffenen Knochenbälkchens; der von mir gewählte Ausdruck „lakunäre Korrosion“ für diesen Zustand ist von vielen Untersuchern akzeptiert worden. — Auch hier ist es besonders Chromsäure- behandlung, die sehr charakteristische, scharfe Bilder gibt: scharf zugespitzte kegelförmige, bisweilen selbst zu einem dünnen Faden ausgezogene Erhebungen des Protoplasmas der Leberzellen trennen die einzelnen ‚grubigen Vertiefungen voneinander; bieten diese dem Beobachter den Einblick von oben dar, so machen sie den Eindruck von Vakuolen im Protoplasma, sie erscheinen als helle, scharf ausgeschnittene kreisrunde Lücken in denselben, da die Zelle hier stark verdünnt, bisweilen wohl wirklich durchbrochen ist (Fig. 1). Nicht selten wird die Deformation der Zellen noch mehr dadurch gesteigert, dass sie von mehreren Seiten her solche Einbuchtungen durch den Druck benachbarter Blutelemente er- leiden und es kann schliesslich eine solche Reduktion der Substanz der Leberzellen die Folge sein, dass von ihr nur ein kleiner Rest im Umfang der Kerne und davon ausstrahlende schmale Streifen, die Septa zwischen den einzelnen Korrosionsgruben darstellend, übrig bleiben (Fig. 2). Man könnte hier wohl die Bezeichnung „Flügelzellen* anwenden, wie man ja auch bei anderen ähnlichen Objekten diesen Ausdruck gebraucht hat. Selbstverständlich kann auf diese Weise die Kontinuität der Leberzellbalken gänzlich 33* 496 E. Neumann: unterbrochen werden, man sieht nur ausgezackte, inselförmige Bruchstücke derselben, rings umgeben von den Bluträumen.') Zu der Reduktion der Substanz der Leberzellbalken trägt aber auch ein anderer Vorgang bei, welchem ich nach der Häufig- keit des Befundes eine Bedeutung für den Prozess der Blutbildung beimesse, obwohl andere Untersucher nichts darüber erwähnen, er besteht in einer zum Untergange einer gewissen Zahl von Leberzellen führenden Auslösung derselben aus ihrem Verbande. Sie fallen zunächst durch eine auf geringerer Granulierung be- ruhenden Abblassung des Protoplasmas und eine gleichzeitige Aufquellung auf, auch der Kern erscheint chromatinärmer und deshalb heller, sowie bisweilen erheblich vergrössert; zugleich tritt in ihrem Umfange infolge einer Auflockerung ihrer Ver- bindung mit den Nachbarzellen ein ringförmiger Spalt auf. Hieran schliessen sich Bilder an, auf denen man nur noch einen grossen Leberzellkern, der fast ganz seines Chromatingehaltes verlustig gegangen ist, in einer grossen Vakuole des Leberzellbalkens liegen sieht, das Protoplasma erscheint als eine den Kern umgebende ganz blasse, nicht deutlich konturierte wolkige Masse oder ist ganz verschwunden. Wir haben hier also eine zweite Art von Vakuolenbildung in den Zellsträngen und auch in diese Lücken können sich junge Blutzellen einlagern. Im Zusammenhang mit diesen Erscheinungen dürfte die Beobachtung stehen, dass man unter den die kapillaren Bluträume erfüllenden Zellen nicht selten auch grosse, den Leberzellkernen gleichende nackte oder von spärlichem Protoplasma umhüllte Kerne findet, doch ist allerdings eine sichere Unterscheidung solcher Residuen untergegangener Leberzellen von den mannigfachen anderen farblosen Elementen des Blutes nicht möglich. Wie dem aber auch sei, Befunde, wie die in Fig. 3 und 21 dargestellten, lassen sich kaum anders deuten als durch die Vorstellung, dass die Ausbreitung der Blut- bildung in der embryonalen Leber trotz des expansiven Wachstums '‘) Ich möchte nicht unterlassen, wie auch von anderer Seite bereits geschehen (Salkind), auf die grosse Ähnlichkeit der beschriebenen Um- wandlungen der Leberzellen mit den von Maximow (Arch. f. mikr. Anat,, Bd. 74, 1909) an den Epithelien der Thymus bei ihrer Entwicklung be- obachteten Veränderungen aufmerksam zu machen; auch hier werden die ursprünglich kompakten epithelialen Massen durch das Eindringen von „Lymphozyten“ auf ein „epitheliales Retikulum“ reduziert. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 497 ihres Parenchyms auf Kosten eines Teiles desselben erfolgt, indem es eine gewisse Zahl von Zellen wieder einbüsst. Ein Teil der leeren Vakuolen, von welchen man die Leberzellbalken stets durchbrochen sieht, dürfte also auf eine solche Auslösung ihrer Zellen zu beziehen sein, wenn auch die Mehrzahl derselben auf die Eindrücke von jungen Blutzellen, die später durch den Blut- strom wieder ausgeschwemmt worden sind, zurückzuführen ist. Schwierig zu deuten ist ein anderes häufiges Vorkommnis: in Ausschnitten am Rande von Leberzellbalken, sowie auch in den vakuolenartigen Lücken derselben lagern Zellen, welche den Leberzellen selbst in hohem Grade ähnlich aussehen, von ihnen aber deutlich durch einen Spalt getrennt sind (Fig. 4 und 7) und demnach ebenfalls den Eindruck von aus dem normalen Ver- bande ausgeschiedenen Leberzellen machen, ohne aber, wie in dem vorher beschriebenen Falle, Zeichen der Degeneration oder des Absterbens darzubieten; zugleich aber zeigt sich auch eine frappante Ähnlichkeit mit gewissen in den Bluträumen liegenden grossen Lymphozyten (Molliers Hämogonien), so dass sie gewissermassen eine Übergangform zwischen diesen und den Leberzellen darzustellen scheinen (Fig. 5). Bilder dieser Art legen den Gedanken nahe, dass sich die Leberzellen bei dem Prozess der Blutbildung nicht passiv verhalten, sondern an ihm aktiv beteiligt sind, wie es Janosik (siehe oben) ausgesprochen hat. Dass die grossen Eymphozyten der Leber häufig mit den Leberzellen grosse Ähnlichkeit besitzen, ist eine auch von an- deren Beobachtern, z. B. von Maximow, anerkannte Tatsache und seibst Autoren, welche dieses nicht erwähnen, haben Ab- bildungen geliefert, welche sehr zugunsten einer Ähnlichkeit sprechen; ich möchte mich hier auf eine Zeichnung Molliers berufen, wie wir sie auf seiner Taf. XXIV in Fig. 22 sehen, wo es schwer zu entscheiden ist, welche der dargestellten Zellen zu der „Gruppe von Hämogonien“ und welche zu den Leberzellen zu rechnen sind, insbesondere macht die fast ganz übereinstimmende Beschaffenheit der Kerne Schwierigkeiten. Die vor mir gesehenen, anscheinend in Ablösung begriffene Leberzellen darstellenden Elemente schienen alle Übergänge zu den grossen Lymphozyten darzubieten und unterschieden sich von den übrigen Leberzellen fast nur durch die fehlende Granulierung. Auf einen etwa vor- handenen Unterschied in der Eigenschaft der Basophilie des 498 E. Neumann: Protoplasma, welche ich nicht geprüft habe, dürfte auch kein besonderer Wert zu legen sein, da ja auch den embryonalen Leberzellen, wie Maximow hervorgehoben hat, ebenso wie den meisten jugendlichen Zellen diese Eigenschaft zukommt. — Wenn ich nun bei dieser Sachlage trotzdem eine genetische Beziehung der Leberzellen zu den Jugendformen der Erythrozyten bezweifeln möchte, so sehe ich mich dazu durch die Erwägung veranlasst, dass, wie sich im weiteren Verlaufe der Darstellung ergeben wird, für einen ganz anderen Ursprung derselben eine grosse Wahrscheinlichkeit spricht, ein doppelter Bildungsmodus aber sicher nicht anzunehmen ist. Wir werden also wohl die beschrie- benen Bilder uns so zu erklären haben, dass entweder die Bil- dungszellen der roten Blutkörper bisweilen eine nur äussere, nicht auf die Verwandtschaft begründete Ähnlichkeit mit Leber- zellen gewinnen können, oder dass Leberzellen sich unter Um- ständen auch in vital intaktem Zustande ablösen und mit dem Blutstrom weiter fortgeführt werden können, um später in ihm unterzugehen. In das beschriebene, eigentümlich ausgenagte und teilweise zerstückelte Netzwerk der Leberstränge eingetragen sind nun die weiten kapillaren Blutkanäle und zwar, wie nicht zweifelhaft sein kann, überall begleitet von gewissen mesenchymatösen Teilen. Da wir nach Ausschluss der Leberzellen in diesen letzteren mit grösster Wahrscheinlichkeit die Quelle der Blutbildung zu erblicken haben, so ist eine genauere Feststellung ihrer Beschaffenheit besonders wichtig. Ein Verständnis für dieselbe scheint sich aber zu eröffnen durch Berücksichtigung eines anderen in die Leber eingehenden Teiles des Mesenchyms, welches übersicht- liche Verhältnisse darbietet, ich meine das Bindegewebe, welches als relativ breiter Mantel die Pfortaderäste und Gallengänge begleitet, die sogenannte Glissonsche Scheide; die hier vor- liegenden, histologisch einfacheren Verhältnisse dürften zugleich den Schlüssel liefern für die richtige Auffassung der komplizier- teren Vorgänge im Kapillargebiet. Sehon von früheren Beobachtern ist eine in diesem peri- portalen Bindegewebe stattfindende Blutbildung behauptet worden und ich kann die Richtigkeit dieser Behauptung nur bestätigen, möchte ihr sogar eine grössere Bedeutung beimessen, als bisher geschehen ist. Das Gewebe der Glissonschen Kapsel Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 499 stellt sich in dieser Beziehung in einen bemerkenswerten Gegen- satz zu der peritonealen Umhüllung der Leber, welche in der Periode, in welcher die Leber ihre hämatopoetische Tätigkeit ent- faltet, bereits eine sehr dünne Schicht ohne bedeutenden Zell- reichtum und ohne jede auf eine Beteiligung an der Blutbildung hindeutende Strukturverhältnisse bildet. Auch im Umfange der Lebervenen darf man nicht erwarten, ein ähnliches Bild zu finden, wie es das periportale Bindegewebe zeigt; Venenwand und perivaskuläres Gewebe lassen sich nicht unterscheiden, beide zusammen bilden nur eine zarte, die Gefässlumina umkleidende Schicht, so dass die Leeberzellstränge vielmehr fast unmittelbar bis in die späteren Monate hinein in das Blut der Venenräume hineintauchen und diese Schicht setzt sich in gleicher Beschaffen- heit in die einmündenden Kapillaren fort. — Die Beschaffenheit des periportalen Bindegewebsmantels zeigt Fig. 6, welche einem Chromsäurepräparat entnommen ist: netzförmig durchflochtene Fibrillenzüge erscheinen mit grossen länglichen Kernen besetzt, welche scharf kontouriert, aber im Innern sehr chromatinarm sind, ein protoplasmatischer Leib ist nicht kenntlich, so dass sie unmittelbar den Fibrillen anhaften, es handelt sich also um unzweifelhafte Fibroblastenkerne; zwischen den Fibrillenbündeln aber klaffen kleinere und grössere Maschenräume, in welche grosse abgerundete Zellen eingelagert sind, die Beschaffenheit dieser Zellen variiert insofern, als der runde oder ovale Kern zum Teil ein Jockeres oder etwas dichteres Chromatinnetz mit deut- licher Kernmembran zeigt, zum Teil gleichmässig dunkel gefärbt und glänzend ist, entsprechend dem bekannten Aussehen der Erythroblastenkerne, ihr Protoplasma ist homogen, körnchenfrei und lässt an entsprechenden Müller-Formolpräparaten häufig eine deutliche Hämoglobinfärbung erkennen; auch kernlose Ery- throzyten mischen sich diesen Zellen in gewisser Zahl bei. Das ganze Bild erinnert sehr an das embryonale, blutbildende Binde- gewebe, wie es von Saxer und später von Maximow, Dant- schakoff, Mollier u.a. beschrieben worden ist. Wir haben also die zwischen den Bindegewebsbündeln eingelagerten Zellen als die Maximowschen grossen Lymphozyten (Molliers Hämo- gonien, Askanazys Myeloblasten) und ihre weiteren Derivate zu betrachten. Die Frage, ob sie aus den fixen, durch die Fibro- blasten repräsentierten Zellen des Bindegewebes hervorgehen 500 E. Neumann: oder ob sie von in dieselbe eingedrungenen Elementen abstammen, wage ich nicht zu entscheiden, neige mich aber im Gegensatz zu Saxer und Askanazy der von den anderen genannten Autoren vertretenen ersteren Auffassung aus den schon oben angegebenen Gründen zu: sichere Beweise für die amöboide Beschaffenheit der infiltrierenden Zellen fehlen, ein Ursprungsort in benach- bartem Gewebe ist nicht nachweisbar und das Hineingelangen der Zellen aus dem Blut der Pfortader deshalb- wenig wahr- scheinlich, weil ihre grösste Anhäufung nicht in der Venenwand selbst, sondern vielmehr in der Peripherie der Glissonschen Kapsel in der Nähe der Lebersubstanz stattzufinden pflegt. Eine an unserer Fig. 6 hervortretende Erscheinung lässt vielmehr darauf schliessen, dass eine Lokomotion der Zellen in entgegen- gesetzter Richtung von aussen nach innen stattfindet: man sieht bei a eine nur durch eine dünne Fibrillenlage bedeckte und durch sie von dem Gefässlumen getrennte grosse Iymphozytäre Zelle, welche so weit nach innen vorgeschoben ist, dass sie einen halb- kugelförmigen Vorsprung der Gefässwand bedingt hat und der Eindruck entsteht, die Zelle habe einen Druck nach innen aus- geübt, was bei einer aus einem Gefässe emigrierenden Zelle nicht gut denkbar ist. Übrigens hat Lobenhofer') bereits eine ähnliche Beobachtung an den aus den grösseren Iymphozytären Zellen hervorgegangenen Erythroblasten gemacht; er sah bis- weilen „ein oder zwei Erythroblasten dieht unter dem Endo- thel liegen und es gegen das Lumen vorwölben“. Dass auch Lobenhofer Portaläste vor sich hatte, an denen er diese Beob- achtung machte, wird von ihm ausdrücklich erwähnt, wenn auch seine Abbildung darüber Zweifel lassen könnte. Fig. 7 zeigt nun ferner, wie sich das beschriebene Bild bei kleineren, den Übergang zu Kapillaren bildenden Pfortaderästenändert, A ist die direkte Fortsetzung der in Fig.6 dargestellten Venenwand, B die Wand eines einmündenden Seiten- astes, © die Übergangsstelle. Man erkennt die starke Verdünnung der fibrillären Gefässwand, von welcher sich zarte Bündel nach aussen abzweigen und Septa zwischen den daselbst gelegenen Zellen bilden, die Beschaffenheit dieser Zellen stellt sie in eine Kategorie mit den in die Maschenräume der Wand des Haupt- 1) Lobenhofer: Zieglers Beiträge, Bd. 43, 1908. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. >01 gefässes eingelagerten grossen Randzellen, es sind ebenfails junge Blutelemente, welche aber nicht allseitig von Fibrillenzügen ein- geschlossen sind, sondern nach aussen an den zackig ausge- schnittenen Leberzellbalken angrenzen. Man wird nicht zweifelhaft darüber sein können, dass diese der fibrillären Wandung der Vene angelagerten Zellen denselben Ursprung haben, wie die bei diekwandigen Gefässen in die Wand eingelagerten und es lassen sich dieselben Gründe, welche gegen eine Einwanderung letzterer von dem Lumen des Gefässes oder von entfernten Orten aus sprechen, auch hier geltend machen; auch eine Ableitung aus dem Endothel erscheint ausgeschlossen, da ein Zusammen- hang mit ihm nicht besteht, oberhalb jener Zellen vielmehr von der Fibrillenlage eine abschliessende Decke gebildet wird. Hiernach muss also ein autochthoner Ursprung derselben aus dem Binde- gewebe als wahrscheinlich hingestellt werden. ') Diese an Pfortaderästen gemachte Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Kapillaren um ähnliche Verhältnisse handelt, dass also auch hier ein Übertritt aus angrenzenden mesenchymatösen Teilen abstammender junger Blut- zellen in die Blutbahn erfolge. Wäre nun die fast von allen Untersuchern geteilte Ansicht richtig, dass die Kapillaren von Beginn an durch eine Endothelwand, die durch Sprossung von benachbarten Gefässen in die Leber hinein entsteht, nach aussen abgeschlossen werden, so würden die Blutzellen der intraparen- chymatösen Blutbildungsherde in die Kapillaren, gleichviel welchen Ursprung sie haben, immer nur durch eine Durchbrechung des Endothels gelangen können und dieser Durchbruch ist bald als eine Dehiszenz seiner Zellen, bald als Folge einer Zerstörung einzelner endothelialer Elemente gedeutet worden. Dieser Ansicht gegenüber hat aber Mollier (l.c.) eine abweichende Darstellung gegeben, er leugnet die Entstehung des Gefässnetzes der Leber durch Heraussprossen des Endothels von benachbarten Gefässen 1) Diese sich auf das mesenchymatöse Gewebe der embryonalen Leber beziehende Beobachtung kann mich übrigens nicht veranlassen, meine bei früherer Gelegenheit (siehe meine Abhandlung „Clasmatocyten, Mastzellen und primäre Wanderzellen“, Festschrift für Max Jaffe, 1901) geäusserten Bedenken gegen die Übertragung erythropoetischer Funktionen auf die ver- schiedensten embryonalen Bindegewebsteile zurückzunehmen, wenn auch eine grössere Ausdehnung der Lokalisation blutbildender Organe, als bisher bekannt ist, wirklich stattfinden sollte. 502 E. Neumann: aus und stellt somit auch in Abrede, dass die Kapillaren schon bei ihrer Anlage von einer Endothelmembran umgeben sind, er behauptet vielmehr, dass der Bildung von Gefässen mit endo- thelialer Wand ein Stadium wandungsloser Blutbahnen vor- ausgeht. Wir haben es hier jedenfalls, worauf schon oben hingedeutet worden ist, mit einer Kardinalfrage zu tun, von deren Beant- wortung die Beurteilung des ganzen Blutbildungsprozesses ab- hängt; ich betrachtete es daher auch als meine Hauptaufgabe, ‘mir hierüber Klarheit zu verschaffen, soweit mein Material das gestattete. Zweifel an dem Zustandekommen der Vaskularisation der Leber durch hineinsprossende Gefässe schienen ja allerdings fast ausgeschlossen zu sein, einmal weil dieser Sprossungsprozess ein allgemein verbreiteter und an vielen Objekten leicht nach- weisbarer Vorgang ist, dann aber insbesondere auch deshalb, weil direkte Beobachtungen darüber für die Leber von seiten einzelner Autoren, ja selbst Abbildungen von Gefäßsprossen vor- liegen (so z. B. von Maximow, Taf. XX, Fig. 32). Indessen gewinnt man doch den Eindruck, dass die meisten Untersucher die traditionelle Lehre auf die Leber übertragen haben, ohne eigne Erfahrungen darüber zu besitzen, und auch mir ist es trotz eifrigen Suchens nie gelungen, eine kegelförmige Kapillarsprosse zu entdecken. Gegenüber den vorliegenden positiven Angaben Einzelner, deren Richtigkeit ich keineswegs bezweifle, würde sich also der Schluss ergeben, dass der Vorgang des Aussprossens von Kapillaren in der Leber nur eine beschränkte Verbreitung hat und es sei daran erinnert, dass es sich dabei möglicherweise immer nur um das durch Sprossenbildung sich erweiternde, für die Ernährung des Mesenchyms und der Gefässwandungen be- stimmte System der Leberarterie handelt, nicht aber um das Kapillarnetz der Pfortader. Eine von Mollier gemachte interessante Beobachtung kann vielleicht zugunsten dieser Vermutung heran- gezogen werden: diesem Forscher fiel nämlich bei der Unter- suchung eines 10—11 mm grossen menschlichen Embryo eine starke Überfüllung der Leber mit Blut auf, wodurch er sich von einem jüngeren, erst 7,5 mm grossen Embryo unterschied und „die gleiche plötzliche Überfüllung war auch bei der Katze zu gleicher Zeit zu sehen“ (l. c. S. 492). Sollte es sich als eine normale Erscheinung herausstellen, dass sich in einem gewissen Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 503 Stadium die Leber plötzlich mit Blut füllt, so liesse sich als Ursache derselben wohl ein plötzliches Einströmen des Blutes aus den präexistierenden grösseren Pfortaderästen in die mit einem lockeren maschigen Gewebe erfüllten Zwischenräume zwischen den Leberzellbalken durch Eröffnung jener denken; ein durch Sprossung sich allmählich ausbreitendes Kapillarnetz scheint wenigstens keine genügende Erklärung für einen solchen jähen Wechsel des Blutgehalts zu geben. Die abweichende Auffassung Molliers über die Entwick- lung des Lebergefäßsystems beruht nun auf folgenden Beob- achtungen: er findet, dass das Mesenchym, welches zuerst alle Räume zwischen den Leberzellsträngen ausfüllt, sich in Form eines zarten, aus sternförmigen Zellen bestehenden Reticulum darstellt, wie es bereits von Maximow beschrieben wurde, und dass das Blut, von präexistierenden Gefässen aus in Maschen dieses retikulären Gewebes eindringend, dasselbe an die Peripherie drängt und zu einer Wandschicht verdichtet, welche einen zentralen Blutkanal freilässt; die ursprüngliche Wand der Blutgefässe wäre hiernach also retikulär durchbrochen und dem Übertritt junger Blutzellen von aussen her stünde somit kein Hindernis entgegen, der Ursprung dieser aber wäre, in den Zellen des Retikulum selbst zu suchen, indem diese sich durch Teilung vermehren und Rund- zellen liefern, welche frei in den Maschen des Retikulum liegen und die Charaktere von Molliers Hämogonien annehmen; ihr räumliches Verhältnis zu den Leberzellen, in welche sie hinein- gedrückt erscheinen, würde sich daraus erklären, dass sie sich besonders in den äusseren, den Leberzellsträngen aufliegenden Schichten der retikulären Wand anlıäufen und erst von hier aus durch Lücken der inneren, dichteren. Schicht in die Blutbahn gelangen. Reste des zentralen Teiles der Retikulum sah Mollier noch längere Zeit häufig als das Lumen der Gefässe durch- ziehende „netzige Spangen“ fortbestehen und die retikuläre Be- schaffenheit der Wand erst mit dem Aufhören der Blutbildung sich dahin ändern, dass eine geschlossene Endothelschicht aus den Zellen des Retikulum hervorgeht. Von Interesse ist ferner die Angabe dieses Forschers, dass aus dem ursprünglich proto- plasmatischen Retikulum im Laufe der embryonalen Entwicklung ein Fasernetz wird, er konnte ein solches bereits bei einem 5 em grossen menschlichen Embryo und bei einem 1,5 cm grossen 504 E. Neumann: Kaninchenembryo nachweisen, er erblickt in diesem Fasernetz die erste Anlage der v. Kupfferschen Gitterfasern. Mein Material gestattete mir nicht, die Leberanlage in dem primitiven Zustande, in welchem sie noch keine bluterfüllten Kanäle enthält, zu untersuchen; die späteren Entwicklungsstadien konnte ich jedoch bei allen untersuchten Früchten verfolgen, denn, wie schon ‚erwähnt, hat selbst zur Zeit der Fruchtreife der Prozess der Blutbildung noch nicht aufgehört und ein Alters- unterschied zeigte sich nur darin, dass bald die früheren, bald die späteren Zustände vorherrschten; prinzipiell neue Vorgänge scheinen nach Ablauf der ersten Monate nicht mehr aufzutreten. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass die von mir benutzte Chromsäure- resp. Uhromsäure-Formol-Methode gerade bei der Prüfung der Mollierschen Angaben wesentliche Vorteile bietet, indem sie die durch die Entfärbung der roten Blutzellen auf- gehellten Gefässräume klaffend und in ihnen ausgespannte Gewebs- teile in situ erhält. Die folgende Beschreibung meiner Befunde, welche sich im wesentlichen mit Molliers Darstellung decken, beziehen sich demnach ausschliesslich auf Präparate, welche in der bezeichneten Weise vorbehandelt worden waren. — Eine Bestätigung der Existenz des Mollierschen Retikulum ergibt sich aus den Fig. 8, 9 und 10. Eine vollständige Ausbildung desselben innerhalb der sinuös ausgebuchteten Bluträume zwischen den in charakteristischer Weise ausgezackten Leberzellbalken zeigt Fig. 8, welche von einem 3 monatlichen Embryo stammt; die den Retikulumzellen ange- hörigen Zellkerne sind teils länglich, teils unregelmässig eckig, sie sind wegen geringen Chromatingehaltes blassgefärbt und unter- scheiden sich deutlich von kleinen runden dunkelgefärbten Kernen, welche in den Maschen des Retikulum eingelagert und wohl sicher als Erythroblastenkerne aufzufassen sind, und von den grossen, kreisrunden, meist Nukleolen und kleine Chromatinbröckel ent- haltenden Kernen der Leberzellen. Ebenso tritt der Gegensatz zwischen der grösstenteils hyalin und homogen erscheinenden Substanz der Retikulumzellen und dem körnigen, trüben Proto- plasma der Leberzellen hervor; ein Übergang beider ineinander findet nicht statt, wenn auch der Anschein eines solchen an den Stellen, wo sich Retikulumbälkchen an die kegelförmig zugespitzten Zacken der Leberzellen anheften, entstehen kann, bei genauerer Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 505 Betrachtung ist eine Abgrenzung beider voneinander nicht zweifel- haft. Eine Täuschung über dieses Verhältnis ist, wie ich ver- mute, die Ursache, welche andere Beobachter die Existenz dieses retikulären Gewebes hat übersehen und in ihm vielmehr ein aus stark vakuolisierten, durch invaginierte junge Blutzellen redu- zierten und zu den oben beschriebenen Flügelzellen umgewandelten Leberzellen zusammengesetztes Netzwerk erblicken lassen, eine Auffassung, die auch mir selbst lange vorgeschwebt hat und die auch meiner älteren Darstellung zugrunde liegt. Ich stehe nicht an, ein Bild, wie ich es damals in meiner Fig. 9, Taf. VII dar- stellte, jetzt dahin zu deuten, dass ein zwischen den Leberzellen ausgespannter Teil des Retikulum zur Ansicht kommt. — Erwähnt sei noch, dass bei Ek in Fig. 8 eine endothelartig einem Leber- zellbalken aufgelagerte Zelle gezeichnet ist, welche im Zusammen- hang mit Fäden des Retikulum steht. Schwierigkeiten bietet in vielen Fällen die Entscheidung darüber, ob man es mit einem in beschriebener Weise die Blut- räume durchsetzenden Zellnetz oder mit der Flächenansicht eines der Oberfläche eines Leberzellbalkens aufliegenden, aber durch den Schnitt von ihm abgetrennten Teiles des Retikulum zu tun hat. Mollier scheint sogar geneigt, die meisten Fälle, in welchen eine deutliche netzförmige Verbindung der Zellen hervor- tritt, auf solche flächenhafte Ausbreitungen des Retikulum zu beziehen. wenn er auch beobachtete, dass sehr häufig „netzige Spangen“ von dem wandständigen Teile des Retikulum aus- gehen und in das Gefässlumen hineinragen. Bedenkt man aber, dass isolierte Flächenansichten der die Oberfläche der Leber- balken bekleidenden und die Gefässräume begrenzenden Gewebs- schicht bei Schnitten doch nur sehr ausnahmsweise zur Ansicht kommen können, während Durchschnitte durch die Gefässräume auf jedem Schnitt sich in grosser Zahl zeigen müssen, so wird man berechtigt sein, zunächst an Durchschnittsbilder zu denken und den Sitz des Zellnetzes in das Innere der Gefässräume zu verlegen. Ein unzweifelhaftes Bild der Wandschicht liefert nur das vorgeschrittene Stadium, in welchem ihre Zellen sich bereits zu einer Endothelformation zusammengeschlossen haben. Der Vorgang der Entstehung des Endothels wird erläutert durch Fig. 9; an den oberen Rand des breiten Leberzellbalkens L stösst rechts ein gut entwickeltes zelliges Retikulum an, welches 506 E. Neumann: mit einigen aufgelagerten Endothelzellen zusammenhängt; die Beschaffenheit letzterer stimmt hinsichtlich des hyalinen Aus- sehens ihrer Substanz und ihrer hellen schmalen Kerne so voll- ständig mit derjenigen der Retikulumzellen überein, dass eine Zusammengehörigkeit beider ohne weiteres kenntlich ist; ein anderer Teil des Retikulum, welcher in seinen Lücken einige kleine dunkle Erythroblastenkerne einschliesst, steht ebenfalls durch einige zarte Bälkchen mit dem links gelegenen, nicht mit Endothel bekleideten Abschritt des Leberzellbalkens in Ver- bindung und setzt sich in ein dünnes, durchbrochenes, durch- sichtiges Häutchen, die Flächenansicht des Endothels zeigend, fort. Dieselbe Abbildung zeigt einen zweiten, gemeinschaftlich mit L das Kapillargefäss C umschliessenden Zellbalken Lı dessen oberer Rand ebenso wie der untere von L nicht ausgezackt ist und keine Reti- kulumzellen trägt, sondern von einer scharf gezeichneten, bogen- förmig das Gefäss umfassenden Linie begrenzt ist. In dem Auftreten dieser scharfen linearen Begrenzung der Gefässräume erblicke ich ein konstantes, der Bildung einer wandständigen Zellschicht alsbald folgendes Stadium der Entwicklung und fasse sie als den Aus- druck einer aus den Zellen dieser Schicht durch Verdichtung und Verschmelzung hervorgegangenen Membrana limitans auf, welche vielleicht darauf schliessen läst, dass, wie Mollier annimmt, eine Sonderung protoplasmatischer und faseriger Teile sich vollzieht; bei a hat sich diese Membran von den Leberzellen etwas ab- gehoben, bei Ek ist eine uhrglasförmig prominente Endothelzelle in sie eingefügt oder liegt ihr mit einem Protoplasmarest auf. Ähnliche Verhältnisse zeigt die Fig. 10. Ein kapillarer Gefässraum ist erfüllt von einem spinngewebeartigen, zarten Netzwerk, in welchem eine sternförmige Zelle mit ihrem Kern hervortritt und welches nach links einen membranösen Charakter annimmt; den das Gefäss von unten her umfassenden Leberzell- balken liegen rechts sowohl als links spindelförmig erscheinende Endothelzellen Ek Ek auf, welche mit dem Retikulum zusammen- hängen. Die in die Retikulummaschen eingetragenen Zellen sind nach ihrer Grösse und nach der grobretikulären Chromatinanordnung ihrer Kerne keine kernhaltigen roten Blutzellen, sondern grosse Lymphozyten (Molliers Hämogonien). Eine weitere, wie ich finde, sehr konstant in gewissen Entwicklungsperioden zu konstatierende Erscheinung ergibt sich Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 50m daraus, dass die jungen Blutzellen, nachdem sie aus den Leber- zellbalken hervorgetreten und unter die bedeckende Endothel- schicht gelangt sind, in die Substanz der Endothelzellen. selbst eintreten, wodurch diese stark aufgetrieben und nach innen konvex vorgewölbt werden, so entstehen mutterzellenähnliche, voluminöse Gebilde, welche zuerst noch der Gefässwand anhaften, später aber sich ablösen und frei in. den Kapillarlumina ihre Lage haben. Ich werde sie im folgenden als endotheliale Riesenzellen bezeichnen, wenn auch allerdings nach obigem der Begriff der Riesenzelle, wie er gewöhnlich aufgefasst wird, nicht ganz auf sie passt.') Ich habe dieselben bereits in meiner älteren Ab- handlung (1874) als „zellähnliche Protoplasmamassen, die sich zu dünnwandigen Protoplasmablasen aushöhlen“, beschrieben und abgebildet (l. c. Fig. 6), bin aber damals über ihre Entstehung im unklaren geblieben, so dass ich sie vermutungsweise auf eine mit der Gefässausbildung gleichzeitig erfolgende Blutkörperchen- neubildung aus dem Protoplasma der Gefässwandungen bezog und, einem durch den derzeitigen Standpunkt der Lehre von der Zelle nahegelegten Irrtum verfallend, die eingeschlossenen Zellen als das Produkt einer endogenen Blutbildung in „blasigen Mutter- gebilden“ betrachten zu müssen glaubte. Meine oben erwähnten älteren Abbildungen dieser Zellen zeigen sie durchaus naturgetreu nach Präparaten frischen Leber- saftes ohne Zusatz anderer Flüssigkeiten und man erkennt auf den- selben ihre Übereinstimmung mit gewissen grossen Zellen auf den von mir neuerdings hergestellten Schnittpräparaten, welche zugleich ihr natürliches Lagerungsverhältnis und ihre Beziehung zu den übrigen Elementen veranschaulichen. Ein öfters sich wieder- holendes Bild ist das auf Fig. 11 und 12 wiedergegebene: in den Innenraum eines Gefässes ragt mit starker Wölbung eine grosse Zelle hinein, welche in einem weiten Hohlraum eine Gruppe von Erythroblastenkernen einschliesst, während in die dünne Zellwand !) Anmerkung bei der Korrektur. Die Bezeichnung „endo- theliale Brutzelle“ würde vielleicht insofern den Vorzug verdienen, als sie an einen alten Ausdruck sich anschliesst und zugleich auf die Möglichkeit hinweist, dass in. derselben Weise, wie dies von intrazellulären Parasiten bekannt ist, auch Körperzellen, welche von aussen her in das Innere anderer Zellen gelangen, daselbst eine höhere Entwicklung erfahren können im Gegen- satz zu dem häufigen Falle. dass Zellen durch Phagozytose dem Untergange entgegengeführt werden. 508 E, Neumann: ein oder zwei davon verschiedene, blasse längliche, schmal er- scheinende Kerne eingefügt sind, über die Zelle hinweg geht in Fig. 11 die Membrana limitans als scharf gezeichnete, etwas glänzende Linie und oberhalb derselben lagern in grubigen Ver- tiefungen des Leberzellbalkenrandes drei Erythroblastenkerne, von hellen Höfen umgeben, zwischen welche sich zarte, von der Deck- membran ausgehende Septa einsenken. Auch in Fig. 12 sieht man unterhalb der endothelialen Riesenzelle einige dunkle Erythro- blastenkerne und zwar in Vakuolen der Leberzellen mit ihren grösseren und viel chromatinärmeren nukleolenhaltigen Kernen. Andere Präparate lassen den Zusammenhang dieser grossen Zellen mit dem Endothel und ihre Entstehung aus demselben er- kennen. Ich beziehe mich hier auf die Fig. 15, 14 und 14a. In Fig. 15 lagert links dem Rande des Kapillargefässes C eine im Durchschnitt sichelförmig erscheinende Endothelzelle mit ihrem Kern Ek an, an sie schliesst sich nach rechts ein Strickwerk von Retikulumfäden an, welche unmittelbar an die Leberzellen sich anheften und andererseits in eine, in das Zentrum des Ge- fässes hineinragende grosse endotheliale Riesenzelle übergehen; letztere schliesst in zwei grossen, durch ein dünnes Septum von Protoplasma getrennten Vakuolen mehrere Erythroblastenkerne ein, wie dergleichen auch in dem Retikulum stecken, in der oberen Wand der grossen Zelle befindet sich ein bogenförmig gekrümmter Endothelkern bei k. Auch in Fig. 14 ist die Be- ziehung zum Endothel zu erkennen: zwischen zwei Leberzell- balken spannt sich bandartig ein Streifen einer Endothelmembran aus, welcher unmittelbar mit einem grossen abgerundeten Zell- körper zusammenhängt, letzterer enthält in einer grossen Höhlung (Vakuole) einen Erythroblastenkern, der Kern der Zelle selbst ist wiederum bogenförmig gekrümmt, länglich und liegt in der unteren Peripherie des die Vakuole umschliessenden Protoplasma- ringes. Bei Ek befindet sich der Kern einer wandständigen, mit der im (Grefäss ausgespannten Membran unmittelbar in Verbindung stehenden Endothelzelle, in beiden Zeichnungen ragen also die endothelialen Riesenzellen polypenartig an einem Stiele in das (Grefässlumen hinein. Diese letzteren Befunde geben die Erklärung für das schon erwähnte Vorkommen von grossen Zellen der beschriebenen Art, welche frei im Gefässlumen inmitten von Blutzellen liegen, Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 509 was ein sehr häufiger Fall ist. Beispiele hierfür geben die Fig. 15, 16, 17 und 18. Als Inhalt eines von Leberzellen umschlossenen Kapillarraumes erscheint in Fig. 15 neben einer grossen Zahl von Erythrozyten (nicht gezeichnet), unter denen sich auch ein Erythroblast befindet, eine grosse Rundzelle, in der linken Hälfte derselben sind eingeschlossen zwei Erythroblastenkerne in grossen, nur durch ein dünnes Septum geschiedenen Vakuolen, rechts daneben ist der blasser gefärbte Kern der grossen Rundzelle selbst, welcher dadurch eine eigentümliche Form erhält, dass er sich mit einem stielartig verdünnten Fortsatz zwischen die beiden Vakuolen einschiebt. Die in Fig. 16 innerhalb einer divertikel- artigen Ausbuchtung eines Gefässes sichtbare siegelringähnliche Zelle, deren Höhlung einen Erythroblastenkern enthält, wird man gleichfalls in die Kategorie der in Rede stehenden Zellen endo- thelialen Ursprungs stellen müssen. Die Übereinstimmung der wandständigen und der freien, junge Blutzellen enthaltenden Elemente wird besonders anschaulich, wenn man sie beide ver- eint in ein und denselben Präparaten sieht, so zeigt Fig. 17 bei ER eine endotheliale Riesenzelle in ihrer ursprünglichen An- lagerung an die Gefässwand, bei ERı, eine solche, welche aus jeder Verbindung gelöst, frei im Gefässe liegt. Ein eigentümlicher Fall ist in Fig. 18 dargestellt: die hier vorliegende grosse Zelle hat eine Retorten- oder Flaschenform angenommen, ihr Ery- throblasten enthaltender und an der unteren Peripherie einen schmalen Kern in seiner Wand zeigender Flaschenbauch füllt einen kugeligen Gefässdurchschnitt fast ganz aus, der Flaschen- hals steckt in einem schmalen Verbindungsstück zwischen letzterem und einem benachbarten Gefäss und reicht bis an dieses Gefäss heran: Blutkörperchen umgeben diese grosse Zelle ringsherum. Auch Fig. 6 zeigt eine freie endotheliale Riesenzelle mit biskuit- förmiger Einschnürung. Die Frage, welches das weitere Schicksal dieser in die Zirkulation hineingeratenen Zellen ist, ist nach meinen Befunden dahin zu beantworten, dass sie alsbald in dem Blutstrom unter- gehen, nachdem sie ihren Inhalt, die Erythroblasten, in das Blut ausgeschüttet haben. Schon in den grösseren Verzweigungen der Lebervenen fehlen sie, wohl aber sieht man in den kapillaren Bluträumen nicht selten blasse schattenhafte Gebilde, welche ihrem Umfange nach den beschriebenen Zellen entsprechen und Archiv f. mikr. Anat. Bd.85. Abt. TI. 34 510 E. Neumann: den Eindruck sich auflösender Protoplasmamassen machen, sie erscheinen, wie jene, von Lücken, Vakuolen durchbrochen und man erkennt in ihnen noch deutlich öfters die Umrisse eines blassen, nicht mehr färbbaren Kernes. Es soll hiermit nicht behauptet werden, dass alle dem embryonalen Blute in der Leber sich beimischenden jungen Blutzellen ihren Weg durch die Endo- thelzellen nehmen und als Einschlüsse derselben erscheinen, ein wahrscheinlich sogar überwiegender Teil derselben dürfte viel- mehr zwischen den Zellen hindurch direkt in das Gefässlumen gelangen und zwar entweder, bevor noch eine Membrana limitans sich gebildet hat oder vielleicht auch später, durch in ihr noch offengebliebene Lücken hindurch. Überblicken wir nun die hierher gehörigen, in der Literatur vorliegenden Darstellungen, so finden wir zwar einige aus der Zeit der ersten Anfänge histologischer Forschungen stammende, sicher auf jene Zellen bezügliche Angaben über „blutkörperchen- haltige Zellen“ in der embryonalen Leber, die von mir früher zusammengestellt worden sind (Gerlach, Ecker, Kölliker', aber es ergibt sich die auffallende Tatsache, dass die in Rede stehenden, in vieler Beziehung sehr charakteristischen Zellen, die ich vor 40V Jahren beschrieb, von den späteren Untersuchern in ihrer Besonderheit nicht erkannt und erwähnt worden sind: die einzige Ausnahme, so weit mir bekannt, stammt aus neuester Zeit: in seinem, auf der vorjährigen Tagung der Deutschen Pathologischen Gesellschaft gehaltenen, inhaltreichen Vortrage (Die Herkunft der Lymphozyten ete.) führt nämlich Marchand!) gelegentlich als eine „eigentümliche Beobachtung“ an, dass er kürzlich in der Leber eines mit Lues behafteten Neonatus „in dem Kapillarlumen eigentümliche blasige Gebilde mit einer dünnen Membran“ gesehen habe, in der verschiedenartige Zellen „Hämogonien und kleinere einkernige Zellformen“ eingeschlossen waren, und er fügt hinzu: „man überzeugte sich leicht, dass diese blasigen Gebilde aus einer Veränderung der Endothelzellen hervorgegangen waren, die stellenweise noch sehr deutlich grössere Protoplasmareste enthielten, in deren Vakuolen die Zellen ein- gelagert waren, teilweise noch in Verbindung mit der Wandung; allmählich werden die Protoplasmareste auf einen dünnen Saum AM. archand: Verhandl. d. Deutsch. Path. Gesellsch., 16. Tagung, S.29, 1913. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. HIT reduziert und liegen dann frei als blasenförmige Gebilde im Lumen, in welches offenbar die freiwerdenden Zellen übertreten können: es handelt sich also gewissermassen um eine phago- zytische Aufnahme der Blutbildungszellen in die Endothelzellen, die eine Art Bruträume darstellen.“ Dass es sich bei dieser Beschreibung um die von mir vorhin besprochenen sogenannten „endothelialen Riesenzellen“ handelt, leuchtet sofort ein, ich ver- misse in der Beschreibung nur die Erwähnung der von mir meist deutlich gesehenen Protoplasmakerne, so dass ich annehmen möchte, dass Marchand nur Zellen im Zustande beginnender Degeneration angetroffen hat, was vielleicht mit der bestehenden Lues im Zusammenhange stand. Jedenfalls aber berechtigt das Vorhandensein letzterer in dem Marchandschen Falle nicht dazu — und auch Marchand selbst spricht einen solchen Ver- dacht nicht aus — das Auftreten der Zellen in embryonalen Lebern als eine pathologische und nur ausnahmsweise Erscheinung zu betrachten, dagegen sprechen meine Beobachtungen, wonach der Befund ein fast konstanter ist, sehr entschieden, wenn ich auch nicht in der Lage war, an meinem Material mir ein Urteil über Fehlen oder Vorhandensein luetischer Infektion zu erlauben. Den Grund, weshalb der Befund anderen Beobachtern ent- gangen ist, finde ich wenigstens zum Teil in der Benutzung anderer Fixierungsmittel als der von mir bevorzugten Chrom- säurehärtung, welche die Zellen sehr prägnant unterscheiden lässt von Leberzellen mit inkludierten jungen Blutzellen, mit denen wohl häufig eine Verwechslung stattgefunden hat, denn an Chrom- säurepräparaten ist die Protoplasmagranulierung der Leberzellen immer deutlich sichtbar und kontrastiert mit der ungranulierten, leicht glänzenden Beschaffenheit des Protoplasma endothelialer Zellen. Auch lässt sich vielleicht annehmen, dass die von mehreren Untersuchern beschriebenen „phagozytierenden Endothel- zellen“ zum Teil mit meinen endothelialen Riesenzellen identisch sind, ebenso die von Mollier erwähnten „phagozytierenden Retikulumzellen“, doch wird angegeben, dass die im Innern dieser Zellen eingeschlossenen jungen Blutzellen zum Untergange bestimmt seien und die Zeichen der Degeneration an sich trügen. Demgegenüber muss ich betonen, dass die von mir gesehenen grossen Zellen stets wohlerhaltene junge Blutzellen, meistens in Form bereits hämoglobinhaltiger Erythroblasten, enthielten, wie 34* 512 E. Neumann: am besten die meiner älteren Abhandlung beigegebenen Ab- bildungen der Zellen aus frischem Lebersaft zeigen. Dass ich in meinen Präparaten keine Zellen, welche Zeichen eines Unter- ganges von Blutzellen durch Phagozytose, auch keine aus ihnen hervorgegangene Hämosiderinbildung zeigten, konstatieren konnte, erklärt sich möglicherweise daraus, dass ein solcher, . jedenfalls einen Überschuss an Blutbildung voraussetzender Vorgang nur in den früheren Perioden der embryonalen Entwicklung, über welche mein Untersuchungsmaterial bereits hinaus war, zu beob- achten ist; darauf weist wohl auch die Angabe Molliers hin, dass er eine besonders reichliche Phagozytose der Dottersack- erythroblasten oder vielmehr der aus denselben herausgetretenen Kerne beobachtete, welche auf diese Weise aus dem Blute ent- fernt würden. Noch sei bemerkt, dass nach meinen Erfahrungen echte vielkernige Riesenzellen und Megakaryozyten bei menschlichen Embryonen eine sehr untergeordnete Rolle spielen, während sie an einem mir von Herrn Kollegen Askanazy demonstrierten Katzenembryo in grosser Zahl vorhanden waren; über ihre Beteiligung am Prozess der Blutbildung enthalte ich mich eines jeden Urteils. Noch eine andere Frage hat uns hier zu beschäftigen, es ist die nach der Verbreitung des ursprünglichen retikulären Mesen- chyms in der Leber. Beschränkt sich ihre Existenz auf die intertrabekulären Gefässräume oder dringen Teile derselben auch zwischen die Leberzellen in die Trabekel selbst ein? Mollier hat sich hierüber nicht direkt ausgesprochen, indirekt aber ergibt sich seine Entscheidung zugunsten letzterer Ansicht daraus, dass er das Retikulum in genetische Beziehung zu den v. Kupfferschen „Gitterfasern“ bringt; bei Behandlung von Präparaten nach der Bielschowski-Mareschschen Methode zeigte sich ihm „ein dichtes Fasernetz, welches genau den Bahnen des proto- plasmatischen Retikulum entspricht, in welchem sie zunächst zur Anlage kommen“, er fand die Maschenweite des zelligen und des faserigen Retikulum übereinstimmend und betrachtet das Fasernetz als die Anlage des späteren Gitterfasernetzes; Fig. 32 auf seiner Taf. XXV stellt dasselbe von einem 3 cm grossen menschlichen Embryo, Fig. 31 von einem 1,5 cm langen Katzenembryo dar. Da nun die v. Kupfferschen Gitterfasern einzelne Leberzellen Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 513 umkreisen, so wäre damit die Existenz eines ursprünglich vor- handenen, innerhalb der Leberzellbalken gelegenen Retikulum ausgesprochen. Auch meine Präparate haben mir den Beweis dafür erbracht, dass sich Fortsetzungen des Retikulum von der Aussenfläche der Kapillaren zwischen die Leberzellen verbreiten; bei Behandlung mit Hämatoxylin und der Heidenhain-Biondi- schen Mischung sah ich sie nach Chromsäure- und CUhromsäure- Formol-Härtung in dunkelroter Farbe hervortreten. Beispiele liefern die Fig. 19, 20 und 21. In Fig. 19 sind endotheliale Zellen abgebildet, welche sich mit ihren Fortsätzen zwischen Leberzellen einschieben und zugleich mit einem intravaskulären Retikulum zusammenhängen; ebenso zeigt Fig. 20 die Ausstrah- lung eines in einem Gefässraum befindlichen Teiles des Retikulum zwischen Leberzellen und Fig. 21 gibt den Zusammenhang zwischen den sternförmigen Zellen des intravaskulären Retikulum, dem Endothel und dem interzellulären Fasersystem mit seinen Zellen; auffällig ist bei diesen Präparaten, was in der Abbildung auch kenntlich ist, die stärkere Entwicklung der letzteren Zellen, sie erschienen grösser und protoplasmareicher bei meist kleinen, schmalen Kernen, hierzu scheint auch als Unterschied gegenüber den übrigen Retikulumzellen eine stärkere Färbbarkeit des Proto- plasma zu kommen, welche es ermöglicht, die Zellfortsätze auf lange Strecken zu verfolgen. Die von Mollier gewonnene Ansicht, dass das zellige embryonale Retikulum die Grundlage für das spätere Gitterfaser- netz bildet, findet in meinen Beobachtungen eine Unterstützung, und wir dürften kaum fehlgehen, wenn wir ebensowohl die an der Aussenfläche des Endothel der Gefässe gelegenen als auch die in die Leberzellenstränge sich einsenkenden Retikulumzellen für die embryonalen Vorstufen der in der ausgebildeten Leber als v. Kupffersche Sternzellen bekannten Elemente in An- spruch nehmen und letztere als die persistierenden Überreste des embryonalen retikulären Gewebes betrachten. Eine letzte tatsächliche Feststellung, über welche ich zu berichten habe, betrifft das Verhältnis zwischen dem die Pfort- aderverzweigungen begleitenden Bindegewebe und dem Retikulum. Dass beide unmittelbar ineinander übergehen, zeigt sich am besten an Gefässen, welche den Übergang zwischen Pfortaderästen und Kapillaren bilden (Fig. 7), man sieht die sich allmählich ver- 514 E. Neumann: schmälernde Bindegewebswandung der ersteren sich in eine dünne Decke fortsetzen, von welcher zarte Septa nach aussen zwischen die anliegenden Zellen, Leberzellen und in nischenförmigen Ver- tiefungen derselben eingelagerte junge Blutzellen, einsenken und sich mit weiter entfernten Teilen eines Retikulum in Verbindung setzen Es ist dies dasselbe Bild, welches wir an den eigent- lichen Kapillarräumen sehen, nachdem sich ein Endothel in den- selben und unterhalb derselben eine nach aussen mit Retikulum- bälkchen zusammenhängende Membrana limitans gebildet hat, und welches sich ebenfalls noch bei den Anfängen der Leber- venen, der schon deutlich unterscheidbaren Zentralvenen der Läppchen wiederholt. Aus den beschriebenen Befunden ergibt sich die Stellung, zu welcher ich den in der Einleitung bezeichneten Fragen gegen- über geführt worden bin. Als den am meisten gesicherten Aus- gangspunkt für die richtige Beurteilung des Prozesses der Blut- bildung in der embryonalen Leber betrachte ich die Beobachtung, dass sich in der Wandung der Pfortaderäste und in dem peri- portalen Bindegewebe in den Gewebsspalten Anhäufungen von Zellen finden, welche unzweifelhaft als junge rote Blutkörperchen zu betrachten sind; nämlich richtige kernhaltige rote Blutkörper- chen und ihre Vorstufen. Die Konstanz dieser Erscheinung und die Art der Verbreitung dieser Zellen an der bezeichneten Fund- stelle lassen den Gedanken, sie von zufälligen Extravasaten ab- zuleiten, unbedingt ausschliessen und weisen vielmehr darauf hin, dass ihre Bildungsstätte an Ort und Stelle zu suchen sei. Von den Möglichkeiten für ihren Ursprung kommen zwei in Betracht: Einschleppung gewisser Stammzellen von aussen her oder Ent- stehung aus den präexistierenden Gewebszellen. Die Bedenken, welche der ersteren Annahme entgegenstehen, habe ich bereits oben erwähnt und komme darauf nicht zurück, die letztere ist dagegen durch die übereinstimmenden Beobachtungen verschie- dener Untersucher über die Entstehung junger freier Zellen, die von ihnen als Wanderzellen oder Iymphoide Zellen bezeichnet werden, aus den fixen Sternzellen des embryonalen Mesenchyms so weit gestützt, dass sie eine grosse Wahrscheinlichkeit gewonnen hat. Ohne mich auf eigene gleichwertige Befunde berufen zu können, verweise ich auf die überzeugenden Abbildungen, welche Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 515 Maximow'), Dantschakoff?) und Mollier’) von diesem Vorgange gegeben haben, man erkennt hier deutlich das Hervor- wachsen neuer Zellen aus dem zelligen Netzwerk, mit dem sie noch durch Stiele in Verbindung stehen und Mollier fand an seinen „Hämogonien“ bisweilen noch stielartige Fortsätze, welche bei der Ablösung haften geblieben waren; letztere Beobachtung machte auch Salkind*) bei den jungen „Lymphozyten“, welche sich nach seiner Angabe in der Thymus aus einem Netz fixer Bindegewebszellen durch Ablösung bilden. Freilich beziehen sich diese Beobachtungen nur zum Teil auf Organe, in welchen eine Erythropoese stattfindet; wollte man aber durch dieselben auch nur eine an den verschiedensten Orten des Körpers sich vollziehende Bildung farbloser, Ivmphoider Zellen aus fixen Mesenchymzellen für erwiesen halten, so kann dies die Annahme des Ursprungs der Erythrozyten aus gleicher Quelle nur unterstützen, wir hätten uns die Erythropoese nur als einen enger lokalisierten, auf gewisse Organe beschränkten Vorgang vorzustellen. Als unmittelbare Konsequenz der von mir vertretenen Auf- fassung des Befundes im portalen Bindegewebe scheint sich mir nun ferner zu ergeben, dass wir dieselbe Bedeutung für die Blut- bildung auch dem mit dem portalen Bindegewebe überall in Kon- tinuität stehenden, mit ihm prinzipiell gleichbeschaffenen reti- kulären Bindegewebe, welches in der ganzen Leber verbreitet ist, zuzuschreiben berechtigt sind, sein Bau ist offenbar nur durch die eingelagerten Leberzellen modifiziert, das fibrilläre Gewebe ist dadurch aufs Äusserste reduziert und die jungen Blutzellen, welche dort in Maschenräumen der fibrillären Gewebe liegen, haben hier ihren Platz in nischenförmigen Vertiefungen der Leber- zellen teils inmitten der Leberzellbalken, teils zwischen diesen und den Kapillaren. Die Möglichkeit, dass diese jungen Blutzellen aus in das Gewebe von aussen her verschleppten Zellen abstammen, lässt sich auch hier nieht positiv in Abrede stellen; wir haben aber jedenfalls ein Recht, anzunehmen, dass ihr Ursprung kein anderer ist als derjenige der im Umfange der Pfortaderäste I Maxiımowsa l..e;, Bd. ’73,.: Taf. XIX, ie, 1115, Bd. 76: Tat, I, Rie, 7. 2) Danstchakoff: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 73, Taf. VII, Fig. 3. SeWrolltıer, ic, Dar AxIV, Big. 30. +) Salkind: Sur l’organisation du Thymus. Anat. Anzeig., Bd. 41, 1912, 516 E. Neumann: befindlichen, dass sie also wahrscheinlich von den fixen Zellen des Retikulum abstammen. (JQuantitativ dürfte nun wohl diese parenchymatöse, das ganze Leberzellennetz okkupierende, in unmittelbarer Nachbarschaft der kapillaren Bluträume erfolgende Blutbildung bei weitem über- wiegen über die Produktivität des eigentlichen Bindegewebes im Umfange der Pfortaderäste und die Hauptmasse der neuen, in der Leber erzeugten roten Blutzellen würde somit direkt aus dem Parenchym in die Kapillaren gelangen, indem sie sich durch die Lücken der anfänglich retikulär durchbrochenen Wand derselben in ihr Lumen hineinschieben resp. durch nachdrängende Zellen hineingeschoben werden, wobei vielleicht auch eine ansaugende Kraft des bei ihnen vorbeifliessenden kapillaren Blutstroms eine begünstigende Rolle spielt. Erschwert wird der Durchtritt natür- lich, sobald die an die Bluträume angrenzenden Zellen des Reti- kulum ein Endothelhäutchen formiert und sich die Retikulum- bälkchen zu einer Membrana limitans zusammengeschlossen haben. Diese Behinderung des Eintritts in die Zirkulation hat zunächst vielleicht eine gesteigerte Anhäufung der jungen Blutzellen inner- halb der Leberzellstränge zur Folge, da sie aber trotzdem ihre Bestimmung erreichen und in die Zirkulation gelangen (Zeichen einer regressiven Metamorphose derselben an ihrer Bildungsstätte, wie sie andernfalls zu erwarten wären, zeigen sich niemals), so darf daraus geschlossen werden, dass auch in der anscheinend geschlossenen Membrana limitans immer noch Lücken bestehen, so lange eine Neubildung von Blutzellen stattfindet. Ob dasselbe auch für das Endothel gilt, ist zweifelhaft; eine an den Durch- trittsstellen stattfindende Dehiszenz oder partielle Zerstörung der Endothelzellen, wie sie mehrfach beschrieben worden sind, kann nicht als erwiesen gelten, dagegen darf ich nach meinen oben beschriebenen Beobachtungen über die endothelialen Riesenzellen behaupten, dass der Durchtritt der subendothelial gelegenen Blut- zellen durch das Endothel dadurch häufig vermittelt wird, dass es dieselben, und zwar meist in grösserer Zahl, in sich aufnimmt und sie dann, nachdem es sich selbst abgelöst hat und abgestorben ist, in den Blutstrom ausschüttet. — Was übrigens die vielfach diskutierte Frage, ob das Endothel selbst an der Produktion der Blutzellen beteiligt ist, betrifft, so kann ich diese Annahme durch eigene Beobachtungen nicht stützen; da ich es jedoch mit Mollier Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 517 als eine aus dem Retikulum hervorgegangene Bildung betrachten muss, so kann ich ihm auch eine Fähigkeit, die letzterem zu- kommt, nicht ohne weiteres absprechen und gebe zu, dass es dieselbe auch nach seiner Umformung beibehalten kann; irrig ist aber Schriddes Lehre, dass das Endothel, oder wie er sich ausdrückt „die Gefässwandzelle“, einzig und allein Quelle der Blutbildung ist, nur das völlige Übersehen der im Innern der Leber verbreiteten mesenchymatösen Bestandteile macht es er- klärlich, dass Schridde in dieser Weise fehlging. Schliesslich noch einige Worte über die späteren Verhält- nisse nach Ablauf der Periode der Blutbildung. Selbstverständlich wird der während derselben bestehende, durch die eingelagerten Blutzellen bedingte komplizierte Bau der Leberzellstränge ge- wissermassen vereinfacht, die Leberzellen schliessen sich zu kompakten Massen zusammen, die eingelagerten, fremden Zellen sind verschwunden, die durch ihr Schwinden entstandenen Lücken und Vakuolen sind durch Ersatzleberzellen ausgefüllt. Erwähnung verdient aber eine sich öfters in der Literatur wiederholende, ursprünglich von M. B. Schmidt herrührende Angabe, wonach in der embryonalen Leber eine solche Restitutio in integrum, wenn es erlaubt ist, hier diesen Ausdruck zu gebrauchen, wo es sich nur um den physiologischen Fortschritt einer Entwicklung handelt, insofern unvollständig bleibt, als an Stelle entleerter intratrabekulärer Blutbildungsherde divertikelartige Ausbuch- tungen der Leberkapillaren sich bilden, indem Blut in die ent- leerten Räume eindringt, eine Endothelauskleidung derselben von dem kommunizierenden Gefässe aus erfolgt und sie somit als ausgebuchtete Teile der Gefässe erscheinen. Ob diese Darstellung den Tatsachen entspricht, muss ich dahingestellt sein lassen, meine Präparate haben mich von der Bildung solcher Kapillar- divertikel nicht überzeugen können und es darf wohl bezweifelt werden, ob ihr Nachweis an Schnitten überhaupt mit Sicherheit geführt werden kann, denn überall, wo eine mit einem anderen Gefäss kommunizierende Kapillare oberhalb der Einmündungs- stelle kurz abgeschnitten wird, muss sie ein Bild geben, welches von einem anhängenden blinden Divertikel nicht zu unterscheiden ist. Jedenfalls stellen die Divertikel keinen dauernden Zustand dar, da bekanntlich das Kapillarnetz der ausgebildeten Leber keine Spuren davon erkennen lässt. 518 E. Neumann: Ich habe in obigem keine Erwähnung getan einer kurzen vorläufigen Mitteilung, welche ich schon im Jahre 1570 in einem in dem hiesigen Verein für wissenschaftliche Heilkunde gehaltenen Vortrage über die Blutbildung in der embryonalen Leber machte. (Bericht darüber in der Berliner klinischen Wochenschrift 1871 Nr. 4). Die an dieser Stelle von mir vertretene Ansicht deckt sich in überraschender Weise zum Teil mit der Darstellung, welche ich in den vorstehenden Zeilen auf Grund meiner neuesten Untersuchungen entwickelt habe, wie aus den folgenden Sätzen hervorgeht: „das in die Bildung der Leber eingehende Binde- sewebe hat den Charakter eines zarten retikulären Gewebes mit reichlich eingelagerten Lymphkörperchen und begleitet nicht nur als ansehnliche, dicke Scheide die Verzweigungen der Pfortader bis zu den interlobulären Ästen hin, dieselben mantelartig um- hüllend, sondern dringt auch in die Leberläppchen selbst ein, so dass das zwischen den Kapillaren der Läppchen gelegene Leberparenchym nicht, wie nach der Geburt, fast ausschliesslich aus Leberzellen zusammengesetzt ist, sondern neben den Leber- zellen auch zahlreiche Lymphkörperchen einschliesst. Die Zahl der letzteren nimmt mit zunehmender Reife der Frucht ab und schon bei Neugeborenen scheinen sie gänzlich zu fehlen. Dass diese im Leberparenchym aufgespeicherten Lymphkörperchen die zarten Wandungen der Leberkapillaren durchdringen und sich im Blute zu farbigen Zellen umwandeln, wird aus dem grossen Reichtum des Lebervenenblutes an farblosen Elementen und an allen möglichen Übergangsformen zwischen diesen und den farbigen Blutzellen wahrscheinlich.“ Dass ich selbst später gegen diese Auffassung misstrauisch wurde und sie verwerfen zu müssen glaubte, beweist meine oben mehrfach zitierte, einige Jahre darauf veröffentlichte Abhandlung, in welcher ich einer anderen Fährte nachging. Maximow und Mollier, deren Arbeiten mich zu einer neuerlichen Aufnahme meiner Untersuchungen veran- lassten, haben das Verdienst, durch ihre Beobachtungen die Existenz eines retikulären Mesenchyms sichergestellt zu haben und Mollier hat von der Bedeutung desselben für die Bildung der Gefässe sowohl als auch des Blutes eine ganz neue Dar- stellung gegeben, welche jedenfalls die grösste Beachtung verdient. Neuer Beitrag zur Kenntnis der embryonalen Leber. 519 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVI u. XXVI. Die Zeichnungen sind teilweise halbschematisch entworfen worden, nachdem die Präparate einer genauen Untersuchung mit einer Immersions- linse (Leitz !/ı2) unterworfen worden. Allen Figuren gemeinsam sind folgende Bezeichnungen: Lk — Leber- zellenkerne; Erblk — Erythroblastenkerne; Grlk — Kerne der grossen Lymphozyten (Hämogonien); Bk — Bindegewebskerne; Ek —= Endothel- kerne; ER = endotheliale Riesenzellen; Retk — Retikulumkerne. Die Leberzellen sind in Fig. 8 durch ihre dunkle Granulierung, in allen übrigen Figuren durch eine bräunliche Färbung hervorgehoben. Fig. 1. 5—6monatlicher Embryo. Chromsäure. Zackig begrenzter, von Vakuolen durchbrochener Leberzellbalken, eingelagerte grosse Lymphozyten und Erythroblasten. Fig. 2. 5monatlicher Embryo. Chromsäure. In eine „Flügelzelle“ um- gewandelte Leberzelle. Fig. 3. 5—6monatlicher Embryo. Müller-Formol. Bei Lkı, der auf- gequollene Kern einer degenerierten Leberzelle. Fig. 4. Desgleichen. Bei L eine sich auslösende Leberzelle. Fig. 5. Desgleichen. Bei LL zwei leberzellähnliche grosse Lymphozyten. Fig. 6. 5—6monatlicher Embryo. Chromsäure. Pfortaderwand mit an- grenzendem Leberparenchym. In den Bindegewebsmaschen teils grosse Lymphozyten, teils Erythroblasten; bei a ein sich kugelig vorwölbender grosser Lymphozyt. ER = eine endotheliale Riesen- zelle. Fig. 7. Fortsetzung der vorigen Zeichnung. A — Wand des Pfortader- astes; C—= Wand eines einmündenden Seitenastes; B — Übergang zwischen beiden. Ein Erythroblast und zwei grosse Lymphozyten der Wand Ü anliegend in Nischen von Leberzellen, zwischen ihnen zarte Bindegewebssepta. Rk — Retikulumkern. Bei L eine sich auslösende Leberzelle. Fig. 8. 3monatlicher Embryo. Uhromsäure. Retikulum mit Kernen in intertrabekulären Bluträumen ausgespannt. Fig. 9. 3monatlicher Embryo. Chromsäure-Formol. Bei Ü ein von einer Membrana limitans umschlossener Blutraum, bei B Blutraum mit ausgespanntem Retikulum mit seinen Kernen. Ek Ek = zwei Endothelkerne; a — Abhebung der Membrana limitans. Fig. 10. Desgleichen. Flächenansicht des wandständigen Retikulum in einem Kapillarraum, das in seinen Maschen mehrere grosse Lymphozyten einschliesst. . Fig. 11. 6monatlicher Embryo. Uhromsäure-Formol. Eine der Membrana limitans aufliegende, mit Erythroblasten gefüllte endotheliale Riesen- zelle; nach aussen von der Membrana limitans drei durch dünne Septa getrennte Erythroblasten in Nischen der Leberzellen. Fig. E. Neumann: Zur Kenntnis der embryonalen Leber. Desgleichen. Ein ähnliches Präparat, die endotheliale Riesenzelle schliesst in ihrer Wand zwei Kerne ein — in Vakuolen der Leber- zellen zwei Erythroblasten. 3monatlicher Embryo. COhromsäure-Formol. Endotheliale Riesen- zelle im Zusammenhang mit Retikulum und Endothel. 5—6monatlicher Embryo. Chromsäure. Endotheliale Riesenzelle einen grossen blasigen Hohlraum umschliessend. . monatlicher Embryo. Chromsäure-Formol. Enäotheliale Riesen- zelle und Endothel, mit dem Retikulum im Zusammenhange. 5—6monatlicher Embryo. Chromsäure. Kugelig geformte, frei im Kapillarraum liegende endotheliale Riesenzelle, welche zwei Erythro- blasten einschliesst, ihr Kern birnförmig. Desgleichen. Freiliegende endotheliale Riesenzelle in einer divertikel- artigen Ausbuchtung eines Leberzellbalkens. 3monatlicher Embryo. Chromsäure-Formol. ER — den Leberzellen anliegende, ERı — freie endotheliale Riesenzelle. 6 monatlicher Embryo. Chromsäure-Formol. Flaschenförmige endo- theliale Riesenzelle.e rr — Konturen von Erythrozyten. 3monatlicher Embryo. Chromsäure. Intravaskuläres Retikulum und Endothel, Fortsätze des letzteren schieben sich zwischen die Leberzellen ein. Desgleichen. Sternförmige intravaskuläre Retikulumzelle im Zu- sammenhange mit einer zwischen zwei Leberzellen eingeschalteten Retikulumzelle. Desgleichen. Zusammenhang der Endothelzellen mit dem intra- vaskulären Retikulum und Fortsetzung des letzteren zwischen die Leberzellen. Bei Lkı, der aufgequollene Kern einer degenerierten Leberzelle. Aus dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. Veränderungen in der Entwicklung von Amphibien- embryonen, die auf dem Stadium der Medullarplatte mit Radium bestrahlt wurden. Von Werner Stachowitz. Hierzu Tafel XXVIIIL und XXIX. In den letzten Jahren sind die Einflüsse, die von Radium- strahlen auf lebendes tierisches Gewebe ausgeübt werden, Gegen- stand zahlreicher biologischer Experimente geworden. Unter diesen Veröffentlichungen besitzen die Arbeiten von O. Hertwig (1909, 1910, 1911, 1912 und 1913) eine besondere Bedeutung. Ferner haben sich Günther Hertwig (1911, 1912 und 1913), Paula Hertwig (1911) und Karl Oppermann (1913) mit dieser Frage befasst. Als Material zu den Untersuchungen O0. Hertwigs dienten hauptsächlich die Keimprodukte von Rana und Triton, während G. Hertwig ausser mit diesen Objekten auch Versuche mit Seeigeln anstellte. P. Hertwig verwandte die Eier von Ascaris, und K. Oppermann führte seine Versuche an Forelleneiern aus. Alle diese Versuche haben den Zweck, Einblicke in das Problem der Vererbung zu gewähren. Es wurden deshalb zur Bestrahlung in erster Linie die (reschlechtsprodukte der Versuchs- tiere verwandt. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass normale Samenfäden zur Befruchtung von Eiern, die mit Radium bestrahlt worden waren, verwandt, andererseits normale Eier mit Samen befruchtet wurden, der den Radiumstrahlen ausgesetzt war. Das interessante Ergebnis war, dass in beiden Fällen stets die gleichen pathologischen Erscheinungen auftraten. Es war damit zum ersten Male ein experimenteller Nach- weis dafür erbracht, dass vom Ei und Samenfaden trotz der sehr ungleichen Grösse derselben die gleichen Störungen hervorgebracht 522 Werner Stachowitz: werden können, mit anderen Worten, dass die Vererbungssubstanz im Kern, der etwa die gleiche Grösse besitzt, ihren Sitz haben müsse. Da sich alle diese Arbeiten hauptsächlich mit den Ergeb- nissen beschäftigen, die durch Bestrahlung der Keimzellen her- vorgerufen wurden, so erschien es interessant, auch noch die Veränderungen, welche bei Bestrahlung späterer Entwicklungs- stadien, wie während der Bildung des Nervenrohrs eintreten, selbst einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Geheimen Medizinalrat Professor Dr. Ö. Hertwig meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die Anregung zu dieser Arbeit und für das mir freundlichst zur Verfügung gestellte Material an be- strahlten Froschlarven. Ferner möchte ich auch Herrn Professor Poll für sein reges Interesse am Verlauf der Versuche, sowie für seine Ratschläge und tatkräftige Hilfe bestens danken. Material und Methode. Meine Versuche an Axolotlembryonen wurden in der zweiten Hälfte des Monats Februar 1913 ausgeführt. Das Material an frisch abgelaichten Axolotleiern erhielt ich aus dem Aquarium des Anatomisch - biologischen Instituts. Ferner wurde von mir Material von Rana fusca untersucht, das Herr Geheimrat 0. Hertwig zwecks eigener Untersuchungen selbst bestrahlt und fixiert hatte. Die von O. Hertwig beschriebenen Experimente zerfallen in vier verschiedene Versuchsserien. Die erste Serie umfasst diejenigen Versuche, in denen Eier auf dem Zweizellenstadium mit Radium bestrahlt wurden (A-Serie). In der zweiten Serie wurden Samenfäden bestrahlt und zur Befruchtung normaler Eier verwandt (B-Serie), dann bestrahlte Eier mit unbestrahlten Samenfäden befruchtet (C-Serie), und endlich wurden sowohl Eier als Samenfäden vor ihrer Vereinigung miteinander den Radiumstrahlen ausgesetzt (D-Serie). Da meine Versuche sich auf die Bestrahlung von normal befruchteten Eiern beschränken, so schliessen sie sich den Versuchen der A-Serie von O. und G. Hertwig an. Während jedoch die beiden genannten Forscher sehr frühe Teilungsstadien bestrahlt haben, wurden von mir die Eier erst auf dem Stadium der Anlage und Bildung des Medullarrohrs den Radium- strahlen ausgesetzt. Es standen mir zur Bestrahlung der Eier zwei Radiumpräparate zur Verfügung, und zwar die gleichen, die schon von OÖ. und G. Hertwig zu ihren Versuchen benutzt wurden. Es sollen deshalb die von ihnen ange- wandten Benennungen beibehalten werden, Radium I: 7,4 mg, Radium II: Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 28 5,3 mg reines Radiumbromid. Zur Bestrahlung der Froschlarven, die ich von Herrn Geheimrat O0. Hertwig zur Untersuchung erhielt, waren ausser diesen noch drei andere Radiumpräparate zur Anwendung gekommen, und zwar Radium III: 10 mg Radiumbromid (unrein), Radium IV: 2 mg (rein) und Radium V: 5 mg (unrein). Während die ersten drei Präparate Eigentum des Physikalischen In- stituts der Universität Berlin sind, war das Präparat IV der Kaiser-Wilhelms- Akademie und das Präparat V der Klinik des Herrn Geheimrat Lesser entliehen. Die Versuche wurden von mir im wesentlichen nach den Angaben von 0. Hertwig (1911) ausgeführt. Wegen der Grösse der Eier wurde zu jedem dieser Versuche stets nur ein einziges Ei benutzt. In die Mitte eines hohl- geschliffenen Objektträgers wurde mit der Medullarrinne nach oben ein Ei gebracht, dessen Gallerte zum Teil mit einer feinen Schere vorsichtig ent- fernt worden war, damit das Radiumpräparat dichter an das Ei gebracht werden und die Strahlen besser einwirken könnten. Auf einem 4 mm hohen Glasring lag das Radiumpräparat, dessen Strahlungsöffnung dem Ei zugekehrt war. Um das Eintrocknen zu verhüten, wurde der Objektträger mit dem Ei und Präparat in der feuchten Kammer aufgehoben. Da ich über zwei Präparate verfügte, und ausserdem nur kurze Bestrahlungszeiten angewandt wurden, so konnten stets mehrere Eıer auf dem gleichen Stadium bestrahlt werden. Für alle Versuche wurden Kontrollkulturen unter den gleichen Be- dingungen angesetzt. Nach Beendigung des Versuches wurde jedes Ei einzeln in ein Glas- sefäss mit frischem Wasser und Wasserpflanzen gebracht und seine Weiter- entwicklung bis zu dem Zeitpunkt beobachtet, wo es wünschenswert schien, seine Konservierung vorzunehmen. Für die histologische Untersuchung wurden die Objekte in Pikrin-Sublimat-Essigsäure eingelegt und dann in 75 proz. Alkohol aufgehoben. Die Objekte, die ich von Herrn Geheimrat O0. Hertwig erhielt, waren teils in der angegebenen Weise behandelt, teils mit Zenkerscher Flüssigkeit oder Chromsäure fixiert. Das gesamte Material wurde in Mikrotomschnitte von 7 « Dicke zerlegt. Vor dem Einbetten in Paraffin wurden die Objekte mit einer Mischung von gleichen Teilen Boraxkarmin und 7O proz. Alkohol 10 Stunden lang gefärbt und ebensolange mit einer Mischung von Boraxkamin mit dem doppelten Volumen Salzsäure-Alkohol differenziert. Die Paraffinschnitte wurden dann mit Lichtgrün nachgefärbt. Die Larven wurden durch die Lupe maßstabgerecht gezeichnet, während die Schnittbilder auf photographischem Wege hergestellt und dann das feinere Detail mit Tusche und Bleistift eingetragen wurde. Die Kernzeich- nungen wurden mit Hilfe des Abb6schen Zeichenapparates angefertigt. 924 Werner Stachowitz: Die folgende Darstellung gliedert sich in drei Hauptteile. Im ersten Hauptteil wird der Verlauf der einzelnen Versuche beschrieben. Diese gruppieren sich nach dem Stadium der flachen, tiefen und sich schliessenden Medullarrinne, auf dem die Embryonen vom Frosch und Axolotl bei der Bestrahlung gestanden haben, in je drei Gruppen. Innerhalb jeder Gruppe sind Unter- schiede durch die ungleiche Stärke des angewandten Radium- präparetes experimentell hervorgerufen worden. Der zweite Haupt- teil enthält eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Versuche, während im dritten Teil der Versuch einer Erklärung der Erscheinungen enthalten ist. Versuche mit Larven vom Axolotl. Gruppe I. Bestrahlung von Embryonen auf dem Stadium der flachen Medullarrinne mit Radium I und 1. Mit Radium II wurden drei Embryonen bestrahlt und zwar ein Embryo 7 Minuten, die beiden anderen je '/« Stunde lang; sie seien mit I, II und III bezeichnet. Das Tier I (Fig. 1) entwickelte sich nach der Bestrahlung normal weiter, schlüpfte gleichzeitig mit dem Kontrolltier am 9. Tage nach der Bestrahlung aus, hatte dieselbe Grösse erreicht wie dieses und wies äusserlich keine Veränderungen auf. Es wurde am 22. Tage fixiert. Der Kopf war, deutlich gegen den schlanken Leib abgesetzt und besass wohlausgebildete Augen und Kiemenfäden. Auch in seinem physiologischen Verhalten war kein Unterschied von dem Kontrolltier zu bemerken, es schwamm vielmehr wie dieses lebhaft im Wasser umher. Auf den Schnitten zeigten alle Organe normale Ausbildung, nur im Gehirn waren an einzelnen Kernen auffallende Veränderungen des Chromatins zu bemerken, worauf in einem späteren Abschnitt noch zurück- zukommen sein wird. Das Tier II (Fig. 2) zeigte zunächst ebenfalls keine Ver- änderungen in der normalen Entwicklung, wenngleich sie etwas langsamer vor sich ging, als bei der Kontrolle. Während sich bei diesem Tier am 3. Tage bereits die Anlagen von Kopf und Schwanz gebildet hatten, war hiervon bei dem Versuchstier noch nichts zu sehen. Vom 3. Tage ab blieb es jedoch merklich hinter der Kontrolle zurück, zeigte Neigung zu Bauchwassersucht und Die Entwicklung von Amphibienembryonen. ) krümmte sich nach der dorsalen Seite ein. Da es ausserstande war, die Gallerte selbst zu sprengen, so wurde es am 9. Tage künstlich aus ihr befreit und, da es nur noch schwach auf Reize reagierte, in Pikrinsublimatessigsäure eingelegt. Der nach der dorsalen Seite umgebogene Schwanz war stark in der Entwick- lung zurückgeblieben und nur von einem undeutlichen Flossen- saum umgeben. Während bei dem Kontrolltier die Kiemen als lange Fäden in das Wasser ragten, waren sie hier nur als kleine Vorragungen der Haut zu bemerken. Beim Studium der Schnitt- serien fällt besonders die weitgehende Störung des Nervensystems auf. Durch eine Flüssigkeitsansammlung im Nachhirn ist dieses stark aufgetrieben und hat deshalb die anderen Hirnbläschen aus ihrer normalen Lage nach der ventralen Seite verdrängt. Die Kerne der Ganglienzellen zeigen meist eine weitgehende Ver- änderung des Chromatingerüstes, das sich häufig zu kompakten Klumpen (Pyknose) zusammengeballt hat. Neurofibrillen sind weder im Hirn noch im Rückenmark zur Ausbildung gelangt. Die äusserlich kaum wahrnehmbaren Augen zeigen eine weit- gehende Störung. Das durch die Entwicklung der Linse bereits eingestülpte Retinablatt des Augenbechers hat zwar mehrere Zellagen gebildet, aber von Nervenfibrillen ist ebenso wie im Gehirn keine Spur vorhanden. Auch die Stäbchen- und Zapfen- schicht ist nicht gebildet. Dagegen ist eine Linse als kugeliger Körper mit normalen Zellen vorhanden. Zu beiden Seiten des ver- hältnismässig gut erhaltenen Rückenmarkrohrs sind die Muskel- platten erkennbar; jedoch zeigen sie eine etwas lockere Lage der Fibrillenbündel. Sehr gut entwickelt ist ferner die Chorda., die als grosszelliger, deutlich abgegrenzter Strang unter dem Rückenmark zu finden ist. Die Vornierenkanälchen sind gut ent- wickelt und kommunizieren mit der durch starke Flüssigkeits- ansammlung erweiterten Leibeshöhle durch die Flimmertrichter. Auch der Wolffsche Gang ist in seiner ganzen Länge zu ver- folgen. Das Herz hängt als verkümmerter Schlauch ventral vom Darm in die Leibeshöhle hinein. In seinem Lumen befindet sich eine Zerfallsmasse von Zellen, die vielleicht von roten Blut- körperchen herrühren. Sonst ist von Blutgefässen nichts zu unterscheiden. Das Tier III (Fig. 3), das am 11. Tage fixiert wurde, zeigt im wesentlichen die gleichen Veränderungen wie II, nur dass es Archiv f. mikr. Anat. Bd.55. Abt. 1. 35 526 Werner Stachowitz: hier gemäss des längeren Lebens noch zur Ausbildung eines dünnen Schleiers von Nervenfibrillen am Gehirn gekommen ist. In der Gegend der Medulla tritt auf der linken Seite eine Neigung zur Bildung kleiner Wucherungen in den Ventrikelhohlraum hinein auf. Sie gehen nur vom Ependym aus und bestehen aus relativ normal aussehenden Zellen, die sich in einem Zustand gesteigerter Zellenvermehrung, kenntlich an den häufig auf- tretenden Mitosen, zu befinden scheinen. Die Hörbläschen sind fast normal ausgebildet und haben bereits die Bogengänge an- gelegt. Eine Flüssigkeitsansammlung befindet sich hauptsächlich im Darm, der dadurch aufgetrieben ist, so dass ein Leibeshöhlenhohl- raum nicht mehr zu erkennen ist. Das Gallert- und Muskel- gewebe ist fast normal ausgebildet, dagegen lässt sich von einem Herzen nichts erkennen. Mit Radium I wurden vier Embryonen dieser Gruppe be- strahlt und zwar IV 7 Minuten, V 10 Minuten, VI 15 Minuten und VII 60 Minuten lang. Bei IV (Fig. 5) waren äusserlich keine Schädigungen wahr- zunehmen, es entwickelte sich wie das Kontrolltier und schlüpfte gleichzeitig mit ihm am 9. Tage nach der Bestrahlung aus. Es erreichte normale Grösse und schien völlig gesund. Am 11. Tage wurde es getötet und eingelegt. Wie sich beim Studium der Schnittserien ergab, war das Tier auch innerlich fast ganz normal. Nur im Zwischenhirn und Nachhirn zeigten sich kleine Wuche- rungen des Ependyms, in denen zuweilen pyknotische Kernver- änderungen auftraten. Auch in den tieferen Lagen der Hirnwand waren Nester pyknotischer Kerne zu bemerken. Die Augen sind in normaler Grösse vorhanden, doch zeigt sich in der Retina eine Verkümmerung der Nervenfasern und der Stäbchenschicht, wenn auch der Nervus opticus noch erkennbar war. In den übrigen Organen erscheint das Tier vollständig normal (Fig. 35). Es ist auch bereits eine knorpelige Schädelbasis und ein knorpeliger Unterkiefer entwickelt. Tier V (Fig. 6), das 9 Tage gelebt hat, bot etwa die gleichen Erscheinungen wie II dar, nur dass hier die Flüssig- keitsansammlung in noch stärkerem Maße das Nachhirn erfüllt und dafür in der Leibeshöhle nicht so stark auftritt (Fig. 39). Das gewaltig aufgetriebene Nachhirn hat hier deshalb noch stärker Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 521 die vorderen Hirnbläschen aus ihrer Lage nach der ventralen Seite verdrängt, so dass hier ein durch die Augengegend geführter Schnitt zugleich den umfangreichen Anschnitt des Nachhirns auf- weist. Die Ganglienzellen beginnen sich besonders in der Medulla aus dem Verbande des (rewebes loszulösen, sich abzurunden und sind dann als kugelige Gebilde in den Ventrikelhohlräumen zu finden. Zwischen ihnen befinden sich einzelne Pigmentschollen. Nervenfibrillen sind nicht zur Ausbildung gekommen. Die bereits eingestülpten Augenbecher haben sich nicht vom Zwischenhirn abzuschnüren vermocht und stehen deshalb in offener Kommuni- kation mit dem Ventrikel. so dass ein Nervus optieus nicht zur Ausbildung gelangen konnte. Das Retinablatt hat sich nicht in die verschiedenen Schichten gesondert, es weist eine sehr lockere Lagerung der Zellen und vollständige Verkümmerung der Fibrillen auf. Die Linse hat sich nur auf der linken Seite, und auch hier nur als kleines, kugeliges Gebilde kleiner Zellen angelegt. Die Chorda ist nur undeutlich gegen die anderen Gewebe abgegrenzt. Die Hörbläschen sind zwar klein, aber deutlich und haben bereits die Bogengänge angelegt. Das 15 Minuten lang bestrahlte Tier VI (Abb. 7) zeigte, nachdem sich am 2. Tage das Medullarrohr ge- schlossen hatte, bald eine dorsale Einkrümmung mit blasenartigen Auswüchsen der Rückenpartie. Der Schwanz stand in einem rechten Winkel nach oben, Kiemen traten nur als kleine Höcker auf. Das Tier wurde am 10. Tage konserviert. Organe und (rewebe sind auffallend stark verändert. Auf den Schnitten erkennt man in der Gegend der Hirnbläschen nur eine undeutlich vom umgebenden Gewebe sich abhebende Ganglienzellenmasse, wobei jedoch zuweilen auch Fibrillen gebildet sind. Als Augenblasen lassen sich nur ganz undeutliche Ausstülpungen in der Region des Zwischenhirns deuten. Zur Anlage von Linsen ist es auf keiner Seite gekommen. In der Gegend des Nachhirns, das aus einem einschichtigen Epithelrohr besteht, hat sich stellenweise durch Wucherung des ventralen Ependyms eine dorsoventrale Scheidewand gebildet, so dass das Nervenrohr dort in zwei neben- einander liegende Teile zerfällt. Diese Zweiteilung, die von anderen Autoren häufiger bei ihren Versuchen beschrieben worden ist, war bei meinen Versuchen nur an diesem Tiere zu verzeichnen. Auch war sie undeutlich und nur stellenweise vorhanden. Die sonst stets vorhandenen Hörbläschen fehlten in diesem Falle. Von 39” 528 Werner Stachowitz: einer Chorda ist keine Spur vorhanden, ebensowenig vom Herzen. Dagegen tritt uns die Haut als fast normales Organ entgegen. Ein Ei VII dieser Gruppe, das 1 Stunde lang den Strahlen ausgesetzt war, starb am 7. Tage ab und konnte deshalb zur mikroskopischen Untersuchung nicht mehr verwendet werden. Gruppe 2. Bestrahlung von Embryonen auf dem Stadium der tiefen Medullarrinne mit Radium I und Radium I. Mit Radium II wurde in dieser Gruppe ein Embryo VII (Fig. 8) 1 Stunde bestrahlt, der sich anfangs normal entwickelte, dann aber stark verkümmerte, so dass die Larve nicht mehr die Kraft besass, die Gallerte zu sprengen. Sie wurde deshalb künst- lich befreit und, da sie nur noch schwach auf Reize reagierte, am 10. Tage nach der Bestrahlung fixiert. Beim Studium der Sehnittserien waren das Vorder-, Mittel- und Zwischenhirn in eine Masse völlig zerfallener, regellos liegender Zellen umgewandelt, deren Chromatin sich zu stark mit Boraxkarmin rotgefärbten Kugeln zusammengeballt hatte. Nur das Nachhirn war als solches deutlicher zu erkennen. Die meisten anderen Gewebe des Körpers befinden sich ebenfalls in einem Stadium des Zerfalls, nur die . Epidermis ist relativ gut ausgebildet. Die sehr klein gebliebenen Hörbläschen sind vollständig von Detritus erfüllt. Die Augen- bläschen und die Linsen sind undeutlich angelegt. Es gelangten ferner drei mit Radium I bestrahlte Embryonen dieser Gruppe zur Untersuchung, von denen IX 20 Minuten, X 30 Minuten und XI 60 Minuten lang den Strahlen ausgesetzt waren. Schon IX (Fig. 9), das 6 Tage gelebt hat, lässt äusserlich keine Augenanlage erkennen. Auch die Hörbläschen sind ver- hältnismässig klein und von einem teilweise in Zerfall begriffenen Epithel ausgekleidet. Die Nasengrübchen sind deutlich wahr- zunehmen. Die Chorda ist fast normal ausgebildet. Tier X (Fig. 10) erweist sich weniger geschädigt, als man nach der Bestrahlungszeit annehmen sollte. Die Augen sind sowohl äusserlich gut erkennbar, als auch zeigen sie auf den Schnitten eine fast normale Ausbildung. Das Gleiche gilt von den Riech- eruben und den Hörbläschen. Nur die Kiemen sind ziemlich schlecht entwickelt und erweisen sich als kleine Zotten der Haut. Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 529 Trotzdem ist das Herz fast vollständig normal und mit Blut reichlich erfüllt. Weil dieses Tier trotz der starken Bestrahlung sich so weit differenziert hat und also gegenüber allen anderen Versuchen eine Ausnahme bildet, so liegt die Annahme nahe, dass bei der Bestrahlung ein Fehler vorgelegen habe. Deshalb soll es bei der weiteren Besprechung nicht mehr berücksichtigt werden. Trotz der sehr intensiven Bestrahlung von einer Stunde, der Tier XI (Fig. 11) ausgesetzt war, entwickelte es sich mehrere Tage lang in normaler Weise. Das Medullarrohr war bereits am folgenden Tage geschlossen und nach weiteren 2 Tagen hatte sich die Larve in die Länge gestreckt, Kopf und Schwanz begannen sich zu differenzieren, und die Kiemen erschienen als kleine Höcker. Von hier ab blieb sie etwas hinter dem Kontrolltier zurück und zeigte Neigung zu Bauchwassersucht. Trotzdem besass sie noch die Kraft, sich von der Gallerthülle am 9. Tage nach der Be- strahlung zu befreien. Ihre Wassersucht hinderte sie jedoch am freien Schwimmen, sie lag auf dem Boden des Gefässes und voll- führte von Zeit zu Zeit Schwimmbewegungen. Sie wurde am 11. Tage fixiert. Bei der mikroskopischen Untersuchung erwies es sich, dass das Nervenrohr zwar eine Sonderung in die ver- schiedenen Hirnbläschen erfahren hatte, dass aber sowohl Ganglien- zellen als Fibrillenschleier nur schwach ausgebildet waren. Die Augenbecher sind zwar in ihrer Anlage vorhanden, doch haben sie keine Einstülpung erfahren, die bei der Grösse und sonstigen Ausbildung des Tieres längst erfolgt sein musste. Jedoch zeigt sich in der äusseren Seite der Augenblase, die zur Retina hätte werden sollen, eine Ausbildung von grösseren Zellen, während die innere Seite bereits Pigment enthält. Eine Linse ist nicht ent- wickelt. Die Zellen des Gallert- und Muskelgewebes sind gut ausgebildet. Gruppe 3. Bestrahlung von Embryonen auf dem Stadium des geschlossenen Medullarrohres mit Radium I und 1. Es wurden drei Embryonen auf dem Stadium des ge- schlossenen Medullarrohres mit Radium II bestrahlt, und zwar 20 (XI), 30 (XOI) und 60 (XIV) Minuten lang. Das Tier XII (Fig. 12) lässt äusserlich nur geringe Ab- weichungen, eine verhältnismässig schlechte Ausbildung der Kiemen 530 Werner Stachowitz: und geringe Bauchwassersucht erkennen. Die Augen, die äusserlich kaum wahrnehmbar sind, erweisen sich bei der mikroskopischen Untersuchung als verhältnismässig gut angelegt. Allerdings ist es zu einer Differenzierung der Retinaschichten nicht gekommen. Das Gehirn ist gut ausgebildet, wenn auch von Fibrillen nur eine dünne Lage vorhanden ist. Das Gallertgewebe ist normal. Tier XIII (Fig. 13) war bei Beginn der Bestrahlung etwas weiter in der Entwicklung vorgeschritten als die anderen Exemplare dieser Gruppe. Demgemäss zeigt es eine relativ bessere Aus- bildung als nach der Bestrahlungszeit zu erwarten wäre. Es ist trotz der intensiven Bestrahlung von 30 Minuten weniger ge- schädigt als Tier XII. Die Augen sind sowohl äusserlich deutlich wahrnehmbar, als auch bieten sie auf den Schnitten ein relativ normales Bild. Die Kiemen sind als deutliche Fäden vorhanden. Bei Tier XIV (Fig. 14) treten die Schädigungen jedoch wieder stärker hervor. Schon äusserlich ist eine stärkere Bauchwasser- sucht und eine weiter gehende Verkümmerung der Schwanzflosse und der Kiemen zu bemerken. Die Augen sind stark geschädigt, dagegen sind die Hörbläschen fast normal und haben bereits die Bogengänge gebildet. Das Gehirn ist stellenweise besonders in der Medulla ein Hohlraum mit dünner Epithelauskleidung, die nur zuweilen mehrschichtig wird und dann dort eine geringe Lage von Fibrillen aufweist. Im Nachhirn findet sich eine An- sammlung von Flüssigkeit. Die sonst normale Epidermis hat an der ventralen Seite kleine Auswüchse gebildet. Eine Chorda ist nicht zu unterscheiden. Die mit Radium I bestrahlten Tiere dieser Gruppe: XV (Fig. 15) 15 Min., XVI (Fig. 17) 20 Min., XVII (Fig. 18) 30 Min. und XVIII (Fig. 19) 30 Min. zeigen mit wachsenden Bestrahlungs- zeiten einen deutlich zunehmenden Grad der Schädigungen. In der Grösse stimmen sie mit den Kontrollen ziemlich überein. Während die Tiere XV und XVI physiologisch sich fast normal verhielten und bei der geringsten Berührung lebhaft im Wasser umherschwammen, zeigten die Tiere XVII und XVIII eine deutliche Lähmung; durch ihre Wassersucht waren sie ausserdem stark behindert, so dass sie meist unbeweglich am Boden des Gefässes lagen und auf Berührung mit einer Nadel nur durch konvulsivische Zuckungen reagierten. Tier XVIII musste deshalb schon am 6. Tage fixiert werden, während die anderen Tiere noch 9 Tage Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 531 nach der Bestrahlung gelebt haben. Während bei den beiden ersten Tieren noch äusserlich Augen wahrzunehmen waren, ist dies bei den anderen nicht der Fall. Auch die Kiemen sind bei längerer Bestrahlung weniger gut ausgebildet. Die Veränderungen, welche die Tiere XV und XVI durch die Bestrahlung erfahren haben, sind ziemlich gering. Ausser einer unbedeutenden Bauchwassersucht bei XV sind Schädigungen kaum wahrzunehmen. Obgleich die Tiere XVII und XVII stärker beeinflusst sind, zeigen sie trotz der intensiven Bestrahlung von 30 Minuten eine verhältnismässig gute Ausbildung. In beiden Fällen sind die Augenbecher entwickelt, und es ist bereits zu einer Einstülpung gekommen. Auch die Linsen haben sich angelegt (Fig. 41). Bei Larve XVII haben sich schon an mehreren Stellen Fibrillen gebildet (Fig. 41). An diesen Stellen ist es zu einer Wucherung des Ependyms gekommen. Es ist eine starke Zellenvermehrung eingetreten, so dass die Zellen nicht mehr Platz im Gewebe finden und in die Ventrikelhohlräume als kleine Wucherung hineinragen. Die Ventrikel des Tieres XVII sind vollständig mit Detritus erfüllt. Die anderen Organe sind besser entwickelt. Die Retina der Augen allerdings hat nicht zu völliger Differen- zierung kommen können und hat keinen Nervus opticus zur Ausbildung gebracht. Die Pigmentschicht ist jedoch, besonders bei Tier XVII, deutlich vorhanden. Das Gallertgewebe zeigt in der vorderen Körperhälfte eine abnormal starke Ausbildung und nimmt infolge von Verflüssigung der Gallerte einen grossen Raum ein. Ebenso sind die Muskeln durch Zunahme der Gallerte in einzelne kleine Bündel zerlegt, so dass ihr Zusammenhang auf den Schnitten gelockert erscheint (Fig. 40). Die einzelnen Fasern jedoch sind wie die Kerne wohlentwickelt. Auch das Herz hat sich gebildet, ist aber auffallend klein geblieben und gänzlich ohne Blut (Fig. 40). Die Epidermis zeigt wie stets vollkommen normale Ausbildung. Die Nierenkanälchen und der Wolffsche Gang sind zu deutlicher Differenzierung gelangt und stehen mit der Leibeshöhle durch die Flimmertrichter in Verbindung. Versuche mit Rana fusca. Das gesamte Material von Rana fusca, das ich untersucht habe, erhielt ich von Herrn Geheimrat O0. Hertwig. der es 92 Werner Stachowitz: zwecks eigener Untersuchungen selbst mit Radium bestrahlt und fixiert hatte. Die Versuche gruppieren sich ebenfalls am bequemsten nach dem Zustand, auf dem die Embryonen bei der Bestrahlung ge- standen haben. Gruppe 1. Bestrahlung von Embryonen auf dem Stadium der flachen Medullarplatte. Zunächst möge hier eine Larve (Abb. 20), die frühzeitiger als die anderen, nämlich schon auf dem Stadium des hufeisen- förmigen Urmundes 30 Minuten lang mit Radium III bestrahlt worden war, zur Besprechung kommen. Sie hatte S Tage gelebt, war zwergenhaft geblieben und zeigte weitgehende Entwicklungs- störungen. Der Kopf, der sich nur undeutlich gegen den Rumpf abgrenzte, war stark verkümmert und besass keine Spur von Augenanlagen. Die Saugnäpfe jedoch waren zu vollkommener Differenzierung gelangt und fallen deshalb wegen ihrer Grösse stark in die Augen. Auch die Kiemen waren äusserlich als kleine Hervorragungen der Haut wahrzunehmen. Beim Studieren der Schnittserien macht sich hauptsächlich eine völlige Verkümmerung des Nervenrohres bemerkbar. das keine Hirnbläschen gebildet hat, sondern sich als stark in Zerfall begriftenes Rohr durch den Körper erstreckt. Der Zentralkanal ist von Zerfallsprodukten und schwarzen Pigmentballen erfüllt. Die Chorda ist dagegen als grosszelliger Strang deutlich wahrzunehmen. Während sonst keine weiteren Differenzierungen zu erblicken sind, zeigen die Vornierenkanälchen eine gute Ausbildung. Als fast normal er- haltenes Organ wäre nur noch die Epidermis zu nennen. Unter dem mit Radium bestrahlten Material dieser Gruppe befanden sich nur Larven, die 1—3 Stunden den Strahlen aus- gesetzt waren. Deshalb weisen alle diese Tiere sehr starke Schädigungen auf. Und zwar ist kein wesentlicher Unterschied zwischen Tier XXII (Abb. 23), das 3 Stunden mit Radium V bestrahlt wurde und den beiden anderen Tieren XX (Fig. 21) und XXI (Fig. 22) festzustellen, die nur 1 Stunde mit Radium III (XX) oder Radium IV (XXI) bestrahlt worden waren. Das Nerven- rohr zeigt stets einen fast vollständigen Zerfall. Es besteht in allen Fällen aus einer regellosen Anhäufung von zerfallenen Zellen, die sich von der Umgebung nur undeutlich abgrenzt. Bei allen on © on Die Entwicklung von Amphibienembryonen. Tieren fällt eine Neigung zu Bauchwassersucht auf. Zur Aus- bildung von Hörbläschen ist es zwar noch gekommen, aber sie sind nur ein von dünnem Epithel ausgekleideter, verhältnismässig klein gebliebener Hohlraum, dessen Wandung bei Tier XXU stark gedehnt erscheint. Von Augenbechern ist keine Spur zu bemerken. Allerdings erscheint bei Tier XXII ein weniger ge- schädigter Zellkomplex, der sich der Epidermis anlegt, als Linsen- anlage zu deuten zu sein. Die Chorda ist bei Tier XXI gut zu erkennen. Die Vornierenkanälchen treten klar hervor und haben sogar auf der linken Seite eine fast normale Ausbildung erfahren. Schon bedeutend stärker geschädigt ist die Anlage des Herzens. Es hängt als kleines Anhängsel von der ventralen Wand des Darmes in die Leibeshöhle hinein und enthält in seinem Innern nur einige vielleicht von Blutkörperchen abstammende Zerfalls- produkte. Von Blutgefässen ist sonst nichts zu bemerken. Die Epidermis zeigt besonders auf der dorsalen Seite die von Ö.Hertwig beschriebene Zottenbildung und erscheint auf der ventralen Seite infolge der Wassersucht stark gedehnt. Die Saugnäpfe sind ın allen Fällen vorhanden und haben sich fast zu normaler Grösse entwickelt. Gruppe 2. Untersuchung von Larven, die auf dem Stadium der offenen Medullarrinne bestrahlt wurden. Es wurden vier auf dem Stadium der offenen Medullarrinne 15 Minuten lang bestrahlte Larven untersucht, deren Schädigungen sich entsprechend der Stärke des angewandten Radiumpräparates deutlich abstufen. Die mit dem schwächsten Präparat R IV be- strahlte Larve XXVI (Fig. 27), die 13 Tage gelebt hat, ist sowohl äusserlich als in der Ausbildung ihrer Organe als vollständig normal anzusprechen. Auch die Zellkerne der Ganglienzellen zeigen eine normale Struktur, soweit dies bei den sich schlecht färbenden Kernen von Rana zu beobachten ist. Bei Tier XXVII (Fig. 28), das ebenfalls am 13. Tage fixiert worden war, treten schon, da es mit Radium V bestrahlt war, einige Veränderungen auf. Es ist hier eine eigenartige Verkümme- rung der rechten Körperhälfte wahrzunehmen, während die linke Hälfte nur geringe Störungen aufweist. Das rechte Auge ist z.B. ganz bedeutend in seiner Ausbildung zurückgeblieben und liegt dem Gehirn dicht auf. Zur Abbildung (Fig. 43) wurde der Schnitt 534 Werner Stachowitz: gewählt, der das verkümmerte Auge im Medianschnitt, das andere normale Auge dagegen nur im Anschnitt zeigt. Der Unterschied ist deutlich. Während die Retina des linken Auges noch völlig normale Ausbildung aufweist und sogar noch die Stäbchen- und Zapfenschrift zu hoher Differenzierung gebracht hat, und also das Auge als völlig funktionsfähig angesprochen werden kann, ist von einer Ausbildung der Retinaschichten des rechten Auges nichts mehr zu erkennen. Die Retina besteht hier nur aus locker gelagerten Zellen, die zuweilen noch spärliche Fibrillen gebildet haben. Dagegen ist die Pigmentschicht sehr gut entwickelt. Das Gehirn zeigt infolge der Verkümmerung der rechten Seite eine Drehung nach rechts. In den Ventrikelhöhlen befinden sich ab- gestossene Pigmentschollen. Während auf der normal ausgebildeten Seite die Ganglienzellen normales Aussehen besitzen, findet man in der geschädigten Seite Nester pyknotisch veränderter Kerne. Die schlechte Ausbildung der rechten Seite macht sich auch bei den Hörbläschen durch ihren Grössenunterschied bemerkbar. Beiderseits sind jedoch die Bogengänge zu weiter Differenzierung gebracht. Kaudalwärts verwischt sich der Unterschied in der Ausbildung der beiden Seiten, und so sehen wir beiderseits normale Vornieren- kanälchen und Wolffsche Gänge. Das Herz erscheint gut aus- gebildet und ist prall mit Blut erfüllt. In grösserem Maße erscheint Tier XXV (Fig. 26) geschädigt, das mit Radium III bestrahlt worden ist. Es hat nur 6 Tage gelebt und zeigt bei sonst relativ guter Ausbildung der Organe einen ziemlich schwachen Schleier von Nervenfibrillen. Von Sinnes- organen sind die Riechgruben, Augen und Hörbläschen deutlich vorhanden, aber in der Retina tritt schon ein auffallender Mangel an Fibrillen hervor. Die grössten Störungen der 15 Minuten bestrahlten Tiere finden sich bei Tier XXIV (Fig. 25), das mit dem stärksten Prä- parat Radium 1 bestrahlt worden ist. Es hat nur 5 Tage gelebt. Das Nervenrohr ist hier schon sehr stark in Zerfall begriffen, so dass die vorderen Ventrikel nicht voneinander zu unterscheiden sind. Es zeigt sich eine deutliche Abnahme der Ganglienzellen, so dass die Wandungen des Nervenrohres nur aus einer oder sehr wenigen Lagen von (anglienzellen bestehen. Das Innere des tohres ist teilweise von Detritus erfüllt (Fig. 42). Augenbecher sind beiderseits vorhanden, stehen jedoch noch in offener Kom- Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 535 munikation mit dem Ventrikelhohlraum und haben eine Einstülpung noch nicht erfahren. Trotzdem sind die Linsen beiderseits als normale Zellkomplexe zu unterscheiden. Die Chorda ist ein wohl- entwickelter grosszelliger Strang unter dem Nervenrohr. Die Muskeln zeigen eine lockere Lagerung, sind aber sonst gut aus- gebildet. Ebenso erscheint das Epithel und die Saugnäpfe normal. Ein Herz ist nicht zur Ausbildung gekommen. Die drei untersuchten Tiere dieser Gruppe, die 45 Minuten lang bestrahlt worden waren, weisen bedeutende Schädigungen auf, doch sind noch Unterschiede zwischen den mit Radium IV (Tier XXIX, Fig. 30), oder Radium V (Tier XXX, Fig. 31) einerseits und dem mit Radium III bestrahlten Tier XXVII (Fig. 29) wahrzunehmen, indem bei letzterem die Schädigungen noch stärker hervortreten. Sie leiden alle an starker Bauchwasser- sucht und Zunahme des Gallertgewebes, so dass die Mundöffnungen weit nach der dorsalen Seite verschoben und die Schwänze zu einer dorsalen Umbiegung gezwungen sind. Die Kiemen treten äusserlich nur als undeutliche Auswüchse der Haut hervor. Das Nervenrohr ist in seinem ganzen Verlauf in hochgradiger Weise missgebildet und besteht nur aus sich abrundenden stark gefärbten Zellen, die regellos liegen, so dass man von einem Zentralkanal nichts mehr wahrnehmen kann. Von den äusserlich nicht erkenn- baren Augen ist auf den Schnitten nur die Linsenanlage deutlich, die noch mit der Epidermis in Zusammenhang steht und sich aus relativ gut entwickelten Zellen zusammensetzt. Als Augenbecher hingegen wäre vielleicht eine starke Wucherung von Ganglien- zellen aufzufassen, die sich in der Höhe der Linse befindet. Ein Herz ist überhaupt nicht nachweisbar. Die Bauchwand ist infolge der stark ausgebildeten Wassersucht stark gedehnt und deshalb durchscheinend. Auf den Schnitten zeigte es sich, dass sie zum Teil nur aus einer einzigen deutlichen Zellage bestand, während die Zellen des Peritonealepithels undeutlich waren und regellos umherlagen. Die Saugnäpfe jedoch waren gut ausgebildet. Ferner wurde eine auf dem Stadium der offenen Medullar- rinne 2 Stunden lang bestrahlte Larve untersucht. Sie zeigte eine stark ausgebildete Bauchwassersucht, besonders in dem vorderen Teil des Körpers (Fig. 24). Auch das Gallertgewebe ist zu mäch- tigen Wülsten am vorderen Körperende angeschwollen und hat die Mundöffnung ganz nach der dorsalen Seite hin verschoben, 556 Werner Stachowitz: so dass sie auf dem Schnittbild von oben einmündet. Begünstigt wurde diese Verlagerung durch die geringe Ausbildung des vorderen Abschnitts des Nervenrohrs, das sich auf den Schnitten als ein eleichmässig verlaufendes Rohr darstellt. Am vorderen Ende schwillt es zwar zu etwas grösserem Umfange an, lässt aber eine Ventrikelbildung nicht dentlich erkennen. Seine Wandungen grenzen sich nur unscharf gegen das umgebende Gewebe ab. Sein Inneres ist vollständig von einer Masse zerfallender Zellen und Pigment- schollen erfüllt. Von einer Ausbildung der Augenblasen ist kaum eine Andeutung vorhanden, dafür sind aber beiderseits die Linsen als noch mit dem Epithel zusammenhängende, relativ gut erhaltene Zellkomplexe vorhanden, die sich scharf gegen die Umgebung abheben. Im Muskel- wie im Gallertgewebe finden sich vielfach Pigmentzellen, die sich häufig zu Kugeln zusammengeballt haben. Die Saugnäpfe sind normal. Gruppe 3. Untersuchung von Larven, die auf dem Stadium der tiefen Medullarrine bestrahlt worden sind. Zwei Tiere, die auf dem Stadium der tiefen Medullarrinne 15 Minuten lang bestrahlt worden sind, zeigen einen sehr ver- schiedenen Grad der Störungen, da das erste Tier X\XXV (Fig. 35) mit Radium III, das andere Tier XXXIV (Fig 34) mit Radium I behandelt worden ist. Während die Larve XXXIV starke Schädi- gungen aufweist und schon am 8. Tage hatte fixiert werden müssen, brauchte Larve XXXV erst am 14. Tage eingelegt zu werden und erwies sich überbaupt als fast normal. Larve XXXIV zeigt da- gegen die eigenartigsten Schnittbilder aller untersuchten Tiere. Es ist hier überhaupt zu keiner Organanlage gekommen, ausser einer Andeutung der Saugnäpfe. Vielmehr besteht der ganze Körper aus einer gleichartigen Masse in Zerfall begriffener Zellen, in denen sich weder Nervenrohr, noch irgendwelche sonstigen Organe erkennen lassen, so dass es fast unglaublich erscheint, dass solch ein Tier überhaupt noch existenzfähig war und bis zu einer solchen Grösse heranwachsen konnte. Auch die sonst stets vor- handene Epidermis ist in diesem Falle nur noch in der Nähe der Saugnäpfe von den anderen Zellen des Körpers zu unterscheiden. Doch auch hier bildet sie eigenartige Auswüchse und hat sich viel- fach in Falten gelegt (Fig. 45). oo —I Die Entwicklung von Amphibienembryonen. D: Zwei andere Tiere dieser Gruppe XXXVI und XXXVI (Fig. 36 und 37), die je eine halbe Stunde bestrahlt worden waren, hatten 10 und 11 Tage gelebt. Da die in diesen Fällen angewandten Präparate R II und R II etwa die gleiche Stärke besitzen, so sind auch die Veränderungen nahezu gleich. Es fällt hauptsächlich die zwergenhafte Gestalt der Larven auf, die auf etwa den dritten Teil der normalen Grösse reduziert ist. Das Nervenrohr besteht in den vorderen Teilen nur aus einer Masse stark gefärbter Rund- zellen, während es kaudalwärts in ein von einfachem Epithel aus- gekleidetes Rohr übergeht. Die Riechgruben stehen bei Tier XXX VI bereits in Kommunikation mit dem Rachen, doch ist der Unter- schied von dem Kontrolltier deutlich. Während bei diesem Tier die Nervenzellen eine normale Struktur besitzen, sind sie bei dem Versuchstier viel stärker gefärbt und haben schwärzliches Pigment abgelagert. Im Gehirn ist ein Ventrikelhohlraum nicht mehr zu erkennen, auch fehlen die Fibrillen fast vollständig. Im Gallert- gewebe, dessen Zellen unregelmässig gelagert sind, treten ver- zweigte Pigmentzellen auf. Nur die Epidermis ist von den Schädi- gungen verschont geblieben. Auch die Chorda ist relativ gut erhalten. Die beiden Tiere XXXII und XXXI dieser Gruppe (Fig. 33 und 32) sind je 5 Stunden lang, aber das erstere mit Radium IV, das zweite mit Radium III bestrahlt worden. Beide Tiere sind durch die Bestrahlung sehr stark affiziert worden und hatten frühzeitig, das eine am zweiten, das andere am dritten Tage, fixiert werden müssen. Während die Larve XXXII noch einen stark verkümmerten Schwanz aufwies, vermisste man eine Schwanz- bildung bei Tier XXXI vollständig. Kiemen waren nur als kleine Zotten vorhanden. Beim Durchsehen der Schnittserien erwies es sich, dass das Zentralnervensystem vollständig zerstört ist, so dass auch nicht eine Spur davon zu sehen ist. Die Abbildung 70 stellt den Schnitt durch die Augengegend dar. Da vom Gehirn keine Spur vorhanden ist, so fehlen natürlich auch die Augenbecher. Trotzdem ist es zu einer deutlichen Ausbildung der Linsen gekommen, die noch deutlich mit der Epidermis in Verbindung stehen. Im Gegensatz zu den anderen Zellen zeigen sogar die Zellen der Linsen eine normale Struktur und grenzen sich gegen die Umgebung deutlich ab. Als gut erhaltenes Organ ist ferner noch die Epidermis zu nennen und die äusserlich wahrnehmbaren 538 Werner Stachowitz: Saugnäpfe. Endlich ist noch die Chorda gut entwickelt. Die übrigen Zellen des Körpers bilden eine undifferenzierte Masse und lassen nur die Epithelauskleidung des Darms deutlich erkennen. Ergebnisse der Versuche. Wie aus der Beschreibung der Versuche hervorgeht, werden bei Axolotl und Rana verschiedenartige Missbildungen beobachtet, die durch Bestrahlung der Medullarplatte mit Radium hervor- gerufen worden sind. Sie beginnen stets in typischer Weise mit einer Veränderung im Zentralnervensystem, beeinflussen dann die höheren Sinnesorgane und breiten sich endlich über den ganzen Organismus aus. Wir erhalten so ein Krankheitsbild, das wir genau in den einzelnen Phasen verfolgen können. Und zwar be- merken wir, dass der Grad der Krankheit, die wir als Radium- krankheit bezeichnen können, abhängig ist von der Intensität der Bestrahlung, die wir einerseits durch Anwendung eines stärkeren Präparates bei gleicher Bestrahlungsdauer, andererseits durch längere Einwirkung eines Präparates beliebig verändern können. Wir sehen also, dass der Grad der Radiumkrankheit abhängig ist von der Dosis der verabfolgten Strahlung. Ferner bemerken wir, dass der Grad der Störungen auch in hohem Maße von dem embryonalen Stadium abhängig ist, auf dem sich das Ei bei der Bestrahlung befand, und zwar so, dass mit fort- schreitender Entwicklung die Eier gegen die Radiumstrahlen weniger empfindlich werden. Bei gleicher Strahlungsintensität sehen wir also bei Bestrahlung junger Stadien ein stark aus- gebildetes Krankheitsbild sich entwickeln, während dieses bei älteren Eiern weniger deutlich ausgeprägt ist. Rana und Amblystoma stimmen in den durch die Strahlen hervorgerufenen Veränderungen im wesentlichen überein. Wo eine Verschiedenheit sich heraus- stellt, wird dies in der folgenden Darstellung stets bemerkt werden. Wenn wir, dem Beispiele Hertwigs folgend, die Versuchs- ergebnisse graphisch darstellen würden, so könnten wir zwei solcher Kurven erhalten. Die erste würde die Veränderungen bei gleicher Bestrahlungszeit und verschiedenem Entwicklungsstadium des Eies darstellen, die andere die Veränderungen bei gleicher Ausbildung und wachsenden Bestrahlungsintensitäten. Beide Kurven müssten dann ständig aufsteigende Linien darstellen. Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 539 Gehen wir nun zur Beschreibung der Veränderungen selbst über. Nach der Bestrahlung zeigt der Embryo zunächst keine Veränderung. Vielmehr entwickelt er sich eine Zeitlang normal weiter, bleibt dann erst zeitlich hinter dem Kontrolltier in der Ausbildung zurück und beginnt zuletzt erst Unregelmässigkeiten in seiner Gestaltung aufzuweisen. Äusserlich fällt hauptsächlich eine meist dorsale Krümmung des Tieres auf, so dass die Larve einen nach oben offenen Halbring darstellt. Es beruht dies darauf, dass hauptsächlich die Rückenhälfte mit dem Zentralnervensystem eine Schädigung erfährt und beträchtlich verkümmert ist, wodurch dann bei weiterem Wachstum die Krümmung über den Rücken entstehen muss. Ein anderer Faktor bei dieser Krümmung ist auch der Umstand, dass infolge der Lähmung das Tier nicht mehr dazu befähigt ist, die Eihülle zu sprengen und so genötigt ist, bei weiterem Wachstum sich dem kugeligen Innern der Eihülle durch Einkrümmen anzupassen. Ein Beweis hierfür ist die Be- obachtung, dass die künstlich aus der Hülle befreiten Larven eine geringere Einkrümmung aufweisen. Während die schwächer geschädigten Tiere in ihrem physio- logischen Verhalten keine wesentlichen Unterschiede von den Kontrolltieren aufwiesen und munter im Wasser umherschwammen, zeigten die stärker geschädigten Tiere eine herabgesetzte Erreg- barkeit. Sie lagen meist stundenlang unbeweglich am Boden des (Gefässes und führten bei Berührung mit einer Nadel nur einzelne konvulsivische Zuckungen aus, machten wohl auch einige ge- ordnete Schwimmbewegungen. Aber ihre Bauchwassersucht hinderte sie am freien Schwinmen. Eine andere, zwar nicht immer, aber doch häufiger zu beobachtende krankhafte Erscheinung ist die Ausbildung von Wassersucht. Der Leib ist häufig von der Herzgegend bis zur Mündung des Enddarms stark aufgetrieben, so dass die Bauch- wand durch die starke Dehnung zuweilen durchscheinend ge- worden ist. Die Froschlarven, die stets eine bedeutend stärker ausgeprägte Bauchwassersucht aufweisen als die Larven von Axolotl, nehmen dann in extremen Fällen die Gestalt von kleinen Tonnen oder Ballons an und erscheinen gegenüber den Kontroll- tieren gewaltig aufgetrieben. Der bei den normalen Tieren schlanke 540 Werner Stachowitz: Körper geht ohne Absatz in den Kopf über und erscheint bei starker Wassersucht häufig breiter als dieser. Obgleich die Flüssigkeitsansammlung meistens die Leibes- höhle erfüllt und dort die Bauchwassersucht hervorruft, so kann sie doch auch in anderen Hohlräumen auftreten. So sehen wir denn häufig, dass die Flüssigkeit das wegen seiner dünnen ein- schichtigen dorsalen Wandung sehr ausdehnungsfähige Nachhirn zu einem grossen Hohlraum aufgetrieben hat. In diesen Fällen ist dann eine Flüssigkeitsansammlung in der Leibeshöhle nicht oder nur undeutlich ausgeprägt. Auch der Darm kann von Flüssig- keit stark aufgetrieben sein. In einzelnen Fällen ist übrigens von einer Flüssigkeitsansammlung nichts zu bemerken. Es scheint jedoch die Wassersucht ebenso wie die Ein- krümmung kein typisches Symptom für die Radiumkrankheit zu sein, da auch andere nicht bestrahlte Embryonen, die unter un- günstigen Umständen aufwuchsen, diese Erscheinungen darboten. Es scheint die Bauchwassersucht vielmehr stets aufzutreten, wenn der Embryo durch irgendwelche Umstände in der normalen Aus- bildung gestört wird. Häufig fallen auch die Larven wegen ihres zwergenhaften Wuchses auf, der zuweilen auf den dritten Teil der normalen Grösse reduziert sein kann. Wenn wir die verschiedenen Organe auf ihre durch die Bestrahlung hervorgerufenen Schädigungen untersuchen, so tritt klar hervor, dass die Strahlen nicht auf alle Organe in gleicher Weise ihren schädigenden Einfluss ausgeübt haben. Vielmehr werden einzelne Organe in grösserem, andere in geringerem (Grade betroffen. So bemerkt man, dass zunächst und schon bei der geringsten Bestrahlung sich Veränderungen im Zentral- nervensystem nachweisen lassen, wenn auch die anderen Organe noch vollständig normal sind. Alsdann sind es die Augen, die beeinflusst werden, und das Herz, weniger stark die Hörbläschen. Relativ am widerstandsfähigsten erweisen sich Chorda, Niere und Muskeln. Wenden wir uns zunächst zu den Schädigungen des Gehirns. Schon bei sonst vollständig normal erscheinenden Tieren lässt sich hier eine Veränderung in den Zellkernen nachweisen. Zu den genaueren histologischen Untersuchungen wurden nur die Axolotl-Larven verwandt, da die Kaulquappen wegen ihrer kleinen sich schlecht färbenden Kerne hierzu ungeeignet waren. Den Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 54] geringsten Grad der Schädigungen zeigt uns Tier I (Fig. 46). In dem sonst gut ausgebildeten Gehirn fallen einige Zellen wegen ihrer veränderten Kernstruktur auf. Sie zeigen die von den pathologischen Anatomen als Pyknose bezeichnete Erscheinung. In diesen Zellkernen hat sich das Chromatin auf der Peripherie des Kernes gesammelt und bildet dort ein sich mit Boraxkarmin stark rotfärbendes Netz. In den übrig bleibenden Bestandteilen des Kernes kann man meist eine Vakuole wahrnehmen, die in sich wieder kleinere Flüssigkeitstropfen einschliesst. Bei stärker geschädigten Kernen ballt sich das Chromatin noch stärker zu- sammen und umlagert als intensiv gefärbte homogene Masse kalottenförmig den Kern. Solche pyknotisch veränderten Kerne treten meist zu Nestern vereinigt inmitten anderer normal erscheinender Zellen (Fig. 47) auf. Es sind dies wahrscheinlich die Abkömmlinge einer solchen geschädigten Zelle, die noch die Fähigkeit zur Teilung besass. In sehr stark geschädigten Kernen endlich kann sich das Uhromatin vollständig zu Kugeln zusammen- ballen, wobei dann die Form des Kerns überhaupt nicht mehr zu erkennen ist. Die Zellen selbst runden sich ab und befinden sich in keinem festen Gewebeverband mehr, sondern fallen einzeln in die Ventrikelhohlräume hinein, wo sie sich dann zu Detritus auflösen, in dem man die Chromatinkugeln und Pigmentklumpen vorftindet. Als weitere Erscheinung tritt uns eine zuweilen auftretende Auflockerung der Ependymzellen entgegen, wodurch kleine Wuche- rungen in den Ventrikelhohlraum hinein entstehen. Und zwar wurde die Bildung solcher Tumoren nur bei Tieren angetroffen, die in ihrer Entwicklung schon relativ weit vorgeschritten waren. Sie tritt erst auf, wenn bereits eine deutliche Sonderung in eine innere Lage von Nervenzellen und eine ziemlich dicke Schicht von Neurofibrillen gebildet ist, wenn also das Nervenrohr eine relativ hohe Differenzierung erfahren hat. Solehe Wucherungen sehen wir bei Tier IV (Abb. 38). Sie werden hervorgerufen durch eine lokale Vermehrung von Ependymzellen und gehen deshalb stets von der innersten Zellschicht aus, die ja auch beim normalen Tier allein die Ver- mehrung des Zellmaterials bewirkt. In diesen Geschwülsten ist also die Fähigkeit, neue Zellen zu liefern, noch in gesteigertem Maße vorhanden, so ‚dass die gebildeten Zellen nicht mehr im Archiv f. mikr. Avat. Bd.85. Abt. 1. 36 542 Werner Stachowitz: (sewebe Platz finden, sondern als Wucherung in den Ventrikel- hohlraum hineinwachsen. So findet man also in den durch ihre (srösse ausgezeichneten Zellen der Wucherung besonders häufig Mitosen. Auch pyknotische Kerne wurden beobachtet, ferner Ab- lagerungen schwärzlicher Pigmentkörnchen im Protoplasma ein- zelner Zellen. Solche kleinen Geschwülste treten an den ver- schiedensten Stellen an der Innenwand des Nervenrohrs auf. Tier IV (Fig. 35) besitzt solche Wucherungen im Nachhirn und im Mittelhirn. Auffallend ist ferner die bei sonst mittelmässig geschädigten Tieren auftretende Flüssigkeitsansammlung im Nervenrohr, die oben schon kurz erwähnt wurde. Sie tritt hauptsächlich in der Medulla auf, deren aus einem einfachen Epithel bestehende dorsale Wandung dem Flüssigkeitsdruck den geringsten Widerstand leistet. Das Nachhirn hat deshalb einen grossen Umfang angenommen und die vor ihm liegenden Teile des Gehirns aus ihrer normalen Lage nach unten verdrängt (Fig. 39). So erscheint dann häufig auf den Schnitten ein doppelter Anschnitt des (Grehirns, wobei der obere Anschnitt das mächtig aufgetriebene Nachhirn darstellt (Fig. 39). Als weitere Schädigung des Gehirns tritt dann eine mit stärkerer Bestrahlung sich mehr ausprägende Abnahme des Schleiers von Fibrillen auf. Die Ganglienzellen verlieren mehr und mehr ihre Differenzierungsfähigkeit und sind nicht mehr imstande, Nervenfibrillen zu bilden. Und zwar ist es zunächst das Gehirn, das eine Einbusse an Nervenfasern erleidet, während das Rückenmark und auch noch die Medulla seine Fibrillen länger behält. Aber schon bei relativ wenig stark geschädigten Tieren kann es zu einem vollständigen Schwund der Fibrillen kommen. Mit der Abnahme des Fibrillenschleiers am Gehirn schwinden auch die sich im Körper verteilenden Nerven, die schon bei relativ wenig geschädigten Tieren eine weitgehende Verkümmerung erfahren und schliesslich gar nicht mehr ausgebildet werden. Von den höheren Sinnesorganen ist es zunächst das Auge, das zu keiner normalen Ausbildung mehr gelangt. Bei mittel- mässig geschädigten Tieren ist es meistens noch zu einer Bildung der Augenbecher gekommen, aber zuweilen ist dann eine Ein- stülpung der Retina nicht mehr eingetreten. Die verschiedenen Schichten der Retina sind schon bei sonst guter Ausbildung — © Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 54 meistens nicht mehr zu unterscheiden. Vor allem vermisst man die Nervenfibrillen, die nicht mehr mit dem Hirn durch einen Nerv in Verbindung stehen. Besonders ist es auch die Stäbchen- und Zapfenschicht, die schon bei der geringsten Bestrahlung eine fast vollständige Zerstörung erfährt, wenn auch die anderen Organe noch ganz normal sind. Dies ist z. B. bei Tier IV (Fig. 55) der Fall. So kann also von einer Liehtempfindung keine Rede sein. Eine Linse ist stets zu erkennen, wenn der Augenbecher eine Rückstülpung erfahren hat, zuweilen jedoch, was besonders bei Rana hervortritt, hat sie sich von der Epidermis nicht mehr loszulösen vermocht. Stets ist zwischen den Zellen der Linse und des Augenbechers insofern ein deutlicher Unterschied zu verzeichnen, als die Zellen der Linse eine relativ viel normalere Ausbildung aufweisen. Dies hängt mit ihrer Entstehung aus der Epidermis zusammen, die, wie wir später sehen werden, über- haupt eine viel geringere Schädigung erleidet. Bemerkenswert ist der Schnitt durch Tier XXXI, der durch die Augengegend geführt ist (Fig. 44). Da von einem Hirn keine Spur mehr zu sehen ist, so fehlt selbstverständlich damit auch der Augenbecher. Es ist nun sehr interessant, dass sich trotzdem von der Epidermis aus eine sofort als solche zu erkennende Linse gebildet hat. Es ist dieser Umstand deshalb auffällig, weil nach der herrschenden Ansicht erst ein Reiz, der vom Augenbecher auf die Epidermis ausgeübt wird, diese zur Bildung einer Linse veranlasst. Diese Beobachtung könnte man mit der herrschenden Ansicht über die Bildungsursache der Linse nur in Einklang bringen, wenn man annimmt, dass sich ein Augenbecher entwickelt und sich dann zurückgebildet habe. Diese Annahme erscheint jedoch un- wahrscheinlich, da dann die Zerfallsprodukte zu sehen sein müssten. Die Bildung einer Linse ohne Ausstülpung eines Augen- bechers ist übrigens niemals bei Larven vom Axolotl beobachtet worden, während bei Froschlarven diese Tatsache häufiger be- merkt wurde, z. B. bei Tier XXIII, bei Tier XXII und XXXIX. Das Gehörorgan erleidet gewöhnlich bedeutend geringere Schädigungen. Auch in Fällen, in denen das Gehirn vollständig zerfallen ist, treten die Hörbläschen meist als von einem Epithel ausgekleidete Hohlräume deutlich hervor, die dann zuweilen von Zerfallsprodukten erfüllt sein können. Nur die Grösse der Hör- bläschen hat häufig abgenommen. Häufig fallen jedoch die Hör- 36* n44 Werner Stachowitz: bläschen auch wegen ihrer relativen Grösse auf. In diesen Fällen hat sich auch in den Hörbläschen eine Flüssigkeitsansammlung gebildet. Wegen des grossen Druckes, den sie ausübt, erscheinen dann die Wandungen der Hörbläschen stark gedehnt und sind zu einem flachen Plattenepithel geworden. Die Tiere, die nach dem Ausschlüpfen aus der Eihülle nur eine geringe Lebenskraft zeigten und nicht mehr zu selbständigem Schwimmen fähig waren. zeigten keine Andeutung von Bogengängen, während andererseits die weniger geschädigten Tiere, die noch einigermassen frei umher schwimmen konnten, auch Anlagen der Bogengänge auf- wiesen. Eine Erscheinung, die hauptsächlich bei den Froschlarven auftritt, während sie bei den Larven vom Axolotl nicht oder wenigstens nicht in so ausgeprägtem Maße beobachtet wurde, ist ferner die Hypertrophie des Gallertgewebes. Es ist bei vielen Tieren übermässig entwickelt und trägt gemeinsam mit der Bauch- wassersucht dazu bei, dass die Larven äusserlich in so hohem Maße gebläht erscheinen und zu kleinen Tonnen geworden sind. Das Gewebe erscheint von Flüssigkeit vollständig durchtränkt, so dass es diese gewaltigen Dimensionen angenommen hat. Besonders am vorderen Körperende sind infolge der Verflüssigung des Gallert- gewebes grosse Wülste entstanden und haben die Mundöffnung nach der dorsalen Seite verschoben. Die in das (Grallertgewebe eingelagerten Muskelzüge sind durch die Verflüssigung häufig in einzelne Bündel aufgelöst, die weit voneinander getrennt sind, während sie im normalen Tier als kompakte Stränge zu beiden Seiten von Chorda und Rückenmark liegen. Sieht man von dieser Zerlegung in einzelne Fasern und Faserbündel ab, so erscheinen die Muskeln relativ widerstandsfähig. Auch die Kerne sind meist normal. Als sehr beständiges Organ erweist sich auch die Chorda. Allerdings zeigt sich hier ein Unterschied zwischen dem Verhalten der Chorda der Frosch- und Axolotllarven, indem bei ersteren die Chorda bedeutend weniger geschädigt wird als bei den Axolotl- larven. Zu den Organen, die am stärksten geschädigt werden, gehört ausser dem Nervensystem und dem Auge noch das Herz. Während nur bei sehr wenig geschädigten Tieren das Herz seine normale (Gestalt angenommen hat und von Blut erfüllt ist, hat es sich bei etwas mehr geschädigten Tieren schon sehr verändert. Bereits Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 545 bei Tieren, die noch ein relativ gut ausgebildetes Auge besitzen wie Tier II oder XII, erscheint das Herz nur noch als kümmerlicher Anhang des Darmes, der nur bei Tieren mit starker Bauch- wassersucht einigermassen deutlich zu erkennen ist. Die Degene- ration des Herzens geht so weit, dass bei stärkerer Schädigung keine Spur mehr davon zu sehen ist. Sehr auffallend verhält sich auch das Blut. Mit wenigen Ausnahmen (Tier XII) ist von den Blutkörperchen kaum eine Spur zu sehen, oder es finden sich in dem verkümmerten Herzen nur Reste davon. Auch die Gefässe, falls solche noch vorhanden sind, erscheinen vollständig leer. Zur Ausbildung von Gefässen ist es Jedoch nur bei sehr wenig geschädigten Tieren gekommen. Es ist wahrscheinlich, dass das Blut nach Zerreissung der Wandungen in die Hirnventrikelhohlräume geströmt ist und dort einen Teil des sich vorfindenden Detritus geliefert hat. Wenn es noch zur Ausbildung roter Blutkörperchen, die als solche erkennbar sind, gekommen ist, so weisen sie meist erheb- liche Schädigungen auf (Fig. 45). Man sieht zunächst, dass die äussere Form bedeutend gelitten hat, indem sie mannigfaltig von der gewöhnlichen ovalen Gestalt abweicht. Auch der Zellkern hat Veränderungen erfahren. Er zeigt allenthalben Auswüchse und Vorwölbungen, die bis zu einem Zerfall in mehrere kugelige Gebilde führen können. Dazwischen sieht man auch Bruchstücke von Blutkörperchen, die dann meist ohne Kern erscheinen. Mit der mangelhaften Ausbildung des Herzens und dem Fehlen des Blutes darin hängt wahrscheinlich die Verkümmerung der Kiemen zu- sammen. Indem in den Blutbahnen ein sehr geringer Druck herrscht und wahrscheinlich bei starker Reduktion des Herzens keine Pulsation stattfindet, hat der Blutdruck nicht mehr aus- gereicht, um Kiemen hervorzurufen. Die Exkretionsorgane gehören zu den Organen, die am wenigsten durch die Radiumstrahlen betroffen werden. Vornieren- kanälchen und Urnierengang treten auch dann noch auf, wenn von den Augen keine Spur mehr vorhanden ist und wenn die Hörbläschen bereits stark geschädigt sind. Auch die Nierentrichter lassen sich dann noch meist leicht nachweisen. Nur wenn bei sehr stark ausgebildeter Bauchwassersucht ein so kräftiger Druck auf die Bauchwand ‚ausgeübt wird, dass diese starken Dehnungen aus- gesetzt ist, werden auch die Vornierenkanälchen komprimiert und dadurch undeutlich. Zuweilen ist dies nur auf einer Seite der Fall. 546 Werner Stachowitz: Auch die Epidermis ist meist gut ausgebildet. Zwar treten bei Froschlarven zuweilen Zottenbildungen auf, wie sie von O. Hertwig beschrieben worden sind, aber die Zellelemente weisen auch dann noch eine verhältnismässig normale Struktur auf. Bei den Larven vom Axolotl war von solchen Exkreszenzen kaum etwas zu bemerken. Ebenso normal erscheinen alle vom Ektoderm aus ent- stehenden Organe, mit Ausnahme des Nervensystems. Da wir die gute Ausbildung der Linse schon besprochen haben, so bleiben hier nur noch die Haftnäpfe der Froschlarven zu erwähnen, die auch bei den am stärksten geschädigten Tieren noch deutlich nach- weisbar sind, und sogar bei mittelmässig missgestalteten Tieren zuweilen wegen ihrer Grösse sofort in die Augen fallen. Erläuterungen zu den Ergebnissen und Vergleichen mit den Resultaten anderer Autoren. Wenn wir allen diesen durch die Radiumbestrahlung hervor- gerufenen Veränderungen auf den Grund gehen, so erweist es sich, dass der Ursprung aller Schädigungen in den Kernen zu suchen ist. Und zwar ist es vor allen Dingen das Uhromatin, das eine Veränderung erfährt und von dem aus dann erst der weitere schädigende Einfluss ausgeht. Da dieser Verlauf der Veränderungen, der besonders bei den am wenigsten geschädigten Larven hervor- tritt, stets in gleicher Weise wahrzunehmen ist, so erscheint die Annahme berechtigt, dass es das Chromatin ist, das durch die Radiumstrahlen direkt affıziert wird, und dass die anderen Ver- änderungen als Folgeerscheinungen davon anzusehen sind. Als mikroskopisch wahrnehmbare Veränderung tritt uns in den Kernen eine Verklumpung des Chromatins entgegen. Es muss eine chemische Veränderung der Kernsubstanzen, besonders des Chromatins, vor sich gegangen und dadurch eine für die Zellen giftige Wirkung entstanden sein. Die Beobachtung, dass die Schädigungen auf Veränderungen des Chromatins beruhen, deckt sich vollständig mit den Anschau- ungen von OÖ. und G. Hertwig. Diese Forscher haben gezeigt, dass es bei Bestrahlung von unbefruchteten Geschlechtsprodukten die Kerne sind, welche die Schädigungen auf das Tier übertragen, und dass die Vererbungssubstanz selbst der Krankheitsüberträger ist. Sie führen also die Schädigungen auf Chromatinveränderungen Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 547 zurück. Unsere Beobachtungen werden somit durch diese An- schauung Hertwigs vollständig erklärt. Es scheint also erwiesen, dass in den Chromatinveränderungen der Ausgangspunkt aller weiteren Schädigungen zu suchen ist. Solche chemischen Veränderungen der Kerne können übrigens nicht nur dureh Bestrahlung mittels radioaktiver Substanzen her- vorgerufen werden, sondern auch nach Einwirkung chemischer Reagentien treten die gleichen Veränderungen auf. So sind z. B. von OÖ. Hertwig mittels Methylenblau sehr ähnliche auf Chromatin- veränderungen zurückzuführende Erscheinungen hervorgerufen worden. Jedoch konnte mittels dieser chemischen Reagentien nicht in der gleichen vollkommenen Weise der Schädigungsgrad beliebig abgestuft werden, wie es mit Radium der Fall ist. Wenn wir nach dem oben Gesagten die Schädigungen auf Chromatinveränderungen zurückführen, so müsste man erwarten, dass alle Kerne des Organismus in gleicher Weise Veränderungen erfahren. Nach unseren Beobachtungen ist dies jedoch nicht der Fall. Vielmehr sehen wir ein recht verschiedenartiges Verhalten gegenüber der Bestrahlung. Während das Nervensystem weit- gehende Veränderungen erfährt und auch die Augen stark affıziert werden, erweisen sich andere Organe, z. B. Hörbläschen, Muskel- platten weniger geschädigt, die Nierenorgane, die Haut und die Saugnäpfe endlich zeigen eine fast normale Ausbildung. Wir müssen also eine verschiedenartige Einwirkung auf die Kernsubstanzen der einzelnen Organe annehmen. Betrachten wir zunächst das Zentralnervensystem. Da die Embryonen auf dem Stadium der Anlage und Bildung des Medullar- rohrs bestrahlt wurden, also zu einer Zeit, als sich die Ganglien- zellen vom Ektoderm aus zu differenzieren begannen, so erscheint es zunächst selbstverständlich, dass gerade sie eine weitgehende Störung erfahren. Denn zunächst müssen natürlich diejenigen Zellen degenerative Veränderungen erleiden, die direkt von den Strahlen getroffen werden, zumal wenn sie gerade in starker Zellvermehrung begriffen sind. Wenn wir jedoch unsere Ver- suchstiere mit den von O. und G. Hertwig beschriebenen Embryonen vergleichen, die aus bestrahlten Geschlechtsprodukten hervorgegangen sind, so kommen wir zu dem bemerkenswerten Resultat, dass in beiden Fällen nur graduell unterschiedene, sonst aber gleichartige Störungen auftreten. Wir sehen also, dass die- 548 Werner Stachowitz: selben starken Schädigungen im Nervensystem auftreten, gleich- gültig, ob Embryonalstadien oder Geschlechtsprodukte bestrahlt wurden. Wir sind also zu der Annahme gezwungen, dass eine elektive Wirkung auf die Elemente ausgeübt wird, aus denen die Ganglienzellen hervorgehen. Diese spezielle Wirkung auf die Ganglienzellen drückt sich auch in den weitgehenden Veränderungen aus, welche die nervösen Elemente der anderen Organe erleiden. Wir sehen allenthalben. dass die nervösen Zellelemente ähnliche Zerfallserscheinungen zeigen, wie die Zellen des Gehirns. Am auffälligsten ist dies in den höheren Sinnesorganen, z. B. dem Auge. Während das äussere Blatt des Augenbechers, das zum Pigmentepithel der Retina wird, meist eine normale Ausbildung erfährt, zeigt die Retina selbst, die genetisch sehr eng mit der Gehirnwandung verknüpft ist und gewissermassen nur das sehr weitgehende Differenzierungsprodukt einer Ausstülpung darstellt, sowohl in ihrer veränderten Zell- struktur, als auch in der mangelhaften Differenzierungsfähigkeit dieselben Erscheinungen wie die Hirnzellen. Wir treffen die gleichen pyknotischen Kernveränderungen; ferner unterbleibt eine Sonderung in die einzelnen Schichten und eine Ausbildung von Neurofibrillen, die dann keinen Nervus opticus zu bilden ver- mögen. Wir können also, unsere Ausführungen zusammenfassend, sagen, dass auf alle nervösen Elemente des Organismus eine elektive Wirkung ausgeübt wird. Wenn wir dieses Ergebnis mit den Resultaten von Oscar Levy (06) vergleichen, so ergibt sich, dass wir nicht völlig die Anschauungen dieses Autors teilen. Oscar Levy hat das Material der Experimente Schapers mikroskopisch untersucht und nimmt an, dass der intensive Einfluss der Radiunstrahlen auf die Ganglienzellen durchaus keine spezielle oder elektive Wirkung darstelle, dass also die Schädigungen, welche die Ganglien- zellen erfahren, weniger auf die Eigenart dieser Zellen als nervöse Elemente zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf den Zustand der stärkeren „generativen Selbstassimilation“ dieser Zellen gegen- über den anderen Körperzellen. Er glaubt, dass alle Organe, die sich in diesem Zustand bei der Bestrahlung befunden haben, die stärksten Schädigungen erfahren. Diesen Anschauungen widersprechen die Beobachtungen, dass es stets zu denselben Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 549 Schädigungen der Ganglienzellen kommt, gleichgültig, ob Embryonal- stadien oder Geschlechtsprodukte bestrahlt wurden. Da wir also eine deutliche elektive Wirkung auf die Nervenzellen wahrnehmen können, die unabhängig von ihrem Differenzierungszustand ist, so können wir dem augenblicklichen Ausbildungszustand der Nervenzellen nur eine sekundäre Bedeutung zusprechen. Die Ursache, weshalb eine solche spezielle Wirkung sich gerade in den Nervenzellen fühlbar macht, ist noch nicht fest- gestellt. Man könnte vielleicht vermuten, dass die Ganglienzellen als nervöse Elemente ganz besonders stark auf Reize jeder Art, seien es chemische oder physikalische, reagieren und deshalb bei der geringsten Veränderung ihrer chemischen Struktur weit- gehend geschädigt werden, während die anderen Körperzellen wegen ihrer geringeren Reizbarkeit gegen die Einflüsse wider- standsfähiger sind. Dass eine Veränderung der Kernstruktur in den Ganglien- zellen auch schon vorhanden sein muss, wenn eine solche noch nicht mikroskopisch nachweisbar ist, erkennt man aus dem Auf- treten von Wucherungen des Ependyms, das sich eine Zeitlang normal verhalten hat und dann plötzlich, wenn bereits eine Sonderung in Neuroblasten und eine ziemlich dicke Schicht von Neurofibrillen eingetreten ist, eine Bildung solcher Wucherungen veranlasst. Wir sehen also, dass auch in den Ganglienzellen, trotzdem sie äusserlich noch vollständig normal erscheinen, doch schon eine Veränderung vorhanden sein muss. Aber sie ist so gering, dass sie nicht, oder erst nach geraumer Zeit in Er- scheinung tritt. Ein derartiges Verhalten zeigen auch die Zellen der anderen Organe, bei denen natürlich infolge der geringeren heizbarkeit die.Reaktion auf die Veränderungen bedeutend träger und des- halb später oder gar nicht eintritt. Deshalb bemerken wir, dass die Zellen der anderen Organe, falls solche überhaupt zu weiterer Differenzierung gelangen, eine viel normalere Struktur besitzen, als die nervösen Zellelemente. Das differente Verhalten nach der Bestrahlung ist also auf eine verschiedenartige Widerstandsfähig- keit der Kernsubstanzen zurückzuführen. Der Unterschied zwischen Ganglienzellen und den Zellen anderer Gewebe ist natürlich nicht so aufzufassen, dass gar kein Einfluss auf letztere ausgeübt wird. Wir sehen zwar, dass bei geringer Intensität der Bestrahlung 550 Werner Stachowitz: kein nachweisbarer Einfluss auf die Kerne ausgeübt wird, dass aber bei stärkerer Bestrahlung ebenfalls ein Kernzerfall eintritt, der dann aber, weil der ganze Organismus geschädigt ist, nicht so deutlich zu verfolgen ist. Wenn wir nun die übrigen Organe ausser den nervösen Elementen betrachten, so konstatieren wir auch hier eine auf- fallende Verschiedenheit der Einwirkung. Wir sehen, dass sich am besten die Haftnäpfe, die Haut und die Nierenorgane erhalten haben, weniger gut die Muskulatur und am schlechtesten das Herz. Wir erkennen dabei, dass diejenigen Organe, deren Anlagen zur Zeit der Bestrahlung schon gegen die anderen Zellen eine gewisse Abgrenzung erfahren haben, die geringsten Störungen aufweisen. Eine Organanlage, für die bereits ihre Differenzierungs- richtung festliegt, kann durch die Radiumbestrahlung nur noch wenig in ihrer Ausbildung beeinflusst werden. Je frühzeitiger sich also eine solche Organanlage abgrenzt und je weiter sie bei der Bestrahlung vorgeschritten war, desto widerstandsfähiger ist sie den Radiumstrahlen gegenüber. Ebenso wie wir bei dem ganzen Tier eine mit weiterer Differenzierung zunehmende Widerstandsfähigkeit gegen die Be- strahlung wahrnehmen, lässt sich dies also auch an den einzelnen Organen erkennen. Die Haut. die bei der Bestrahlung bereits deutlich differen- ziert war, wird nur wenig beeinflusst und zeigt eine ganz nor- male Ausbildung. Deshalb erscheint es verständlich, dass auch die aus der Haut entstehenden Differenzierungsprodukte ebenfalls nur geringe Störungen erleiden. Die Linse erfährt aus diesem Grunde eine fast normale Ausbildung. Die Haftnäpfe werden ebenfalls als sehr frühzeitig auftretende larvale Bildungen von den Strahlen nur wenig betroffen. Auch die Nierenorgane, deren Anlagen bei der Bestrahlung bereits eine deutliche Differen- zierungsrichtung eingeschlagen hatten, werden nur wenig ver- ändert und erscheinen fast normal. Das Herz jedoch, dessen Anlage sich noch auf einem ursprünglicheren Zustand befand und sich mehr durch Vermehrung des Zellmaterials als durch Differenzierung der einzelnen Elemente auszeichnete, erleidet beträchtliche Schädigungen. Zum Schluss sollen die Ergebnisse der Untersuchungen kurz zusammengestellt werden. Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 551 Infolge der Radiumbestrahlung erleiden die Kernsubstanzen, besonders das Chromatin, Veränderungen ihrer Struktur, die dann eine degenerative Missbildung des Gewebes veranlassen. Die Wirkung dieser Veränderungen macht sich in erster Linie in den nervösen Zellelementen fühlbar, während die Zellen der anderen Organe gegen die Bestrahlung widerstandsfähiger sind. Die anderen Organe werden dem Differenzierungsgrad ihrer Anlage entsprechend durch die Radiumstrahlen geschädigt. 9 10. Jul la: Literaturverzeichnis. Dume&rie: ÖObservations sur la r&production des Axolotls. Nov. Arch. Musee d’hist. nat, Paris 1866. Eyclesheimer: The carly development of Amblystoma. Journal Morph., V. 10, 189. Guilleminot: Effets des rayons x et des rayons du radium sur la cellule vegstale. Journal de physiol. et de path., 1908. . Hertwig, G.: Radiumbestrahlung unbefruchteter Froscheier und ihre Entwicklung nach Befruchtung mit normalem Samen Arch. f. mikr. Anabı Bd. 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Sn — Saugnapf. Is Hlinse: Vn = Vornierenkanälchen. M = Muskelplatte. Die auf Taf. XXIX abgebildeten Larven sind in Sfacher, die Schnittbilder in 75 facher Vergrösserung dargestellt Fis. 1-3 und 5-7. Auf dem Stadium der flachen Medullarrinne bestrahlte Larven vom Axolotl. Fie. 1. Tier I. Bestrahlung mit R II 7 Min., 22 Tage alt. Fie. 2. Tier II. Bestrahlung mit R II 15 Min. 9 Tage alt. ot ou ZR Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 3. Tier III. Bestrahlung mit R IH 15 Min., 11 Tage alt. 4. Kontrolle zu Il. 5. Tier IV. Bestrahlung mit R I 7 Min., 11 Tage alt. 6. Tier V. Bestrahlung mit R I 10 Min., 9 Tage alt. 7. Tier VI. Bestrahlung mit R I 15 Min., 10 Tage alt. 8—11. Tiere VIII—XI. Auf dem Stadium der tiefen Medullarrinne bestrahlte Axolotllarven. 8. Tier VIII. Bestrahlung mit R II 1 Stunde, 10 Tage alt. 9, Tier IX. Bestrahlung mit R I 20 Min., 6 Tage alt. ', 10. Tier X. Bestrahlung mit R I 30 Min., 9 Tage alt. '. 11. Tier XI. Bestrahlung mit R I 1 Stunde, 11 Tage alt. g. 12—15 und 17—19. Auf dem Stadium des Medullarrohres bestrahlt. Axolotllarven. ie. 12. Tier XII. Bestrahlung mit R Il 20 Min., 7 Tage alt. ie. 13. Tier XIII. Bestrahlung mit R II 30 Min., 9 Tage alt. ig. 14. Tier XIV. Bestrahlung mit R II 1 Stunde, 8 Tage alt. Fig. 15. Tier XV. Bestrahlung mit R I 15 Min., 9 Tage alt. Fig. 16. Kontrolle zu XV. Fig. 17. Tier XVI. Bestrahlung mit R I 20 Min., 9 Tage alt. Fig. 18. Tier XVII. Bestrahlung mit R I 30 Min., 6 Tage alt. Fig. 19. Tier XVII. Bestrahlung mit R I 30 Min., 9 Tage alt. Fig. 20. Tier XIX. Froschlarve, Bestrahlung mit R III 30 Min. auf dem Stadium des hufeisenförmigen Urmundes. Fig. 21—23. Auf dem Stadium der flachen Medullarplatte bestrahlte Frosch- larven. Fig. 21. Tier XX. Bestrahlung mit R III 1 Stunde, 7 Tage alt. Fig. 22. Tier XXI. Bestrahlung mit R IV 1 Stunde, 7 Tage alt. Fig. 23. Tier XXII. Bestrahlung mit R V 3 Stunden, 6 Tage alt. Fig. 24-31. Froschlarven auf dem Stadium der offenen Medullarrinne bestrahlt. Fig. 24. Tier XXIII. Bestrahlung mit R I 2 Stunden, 5 Tage alt. Fig. 25. Tier XXIV. Bestrahlung mit R I !/s Stunde, 5 Tage alt. Fig. 26. Tier XXV. Bestrahlung mit R III '!/« Stunde, 6 Tage alt. Fig. 27. Tier XXVI. Bestrahlung mit R IV !/s Stunde, 13 Tage alt. Fig. 28. Tier XXVII. Bestrahlung mit R V !/s Stunde, 13 Tage alt. Fig. 29. Tier XXVII. Bestrahlung mit R III ?/ı Stunde, 4 Tage alt. Fig. 30. Tier XXIX. Bestrahlung mit R IV ?/s Stunde, 5 Tage alt. Fig. 31. Tier XXX. Bestrahlung mit R V ° Stunde, 8 Tage alt. Fig. 32—37. Auf dem Stadium der tiefen Medullarrinne bestrahlte Frosch- larven. Fig. 32. Tier XXXI. Bestrahlung mit R III 5 Stunden, 2 Tage alt. Fig. 33. Tier XXXII. Bestrahlung mit R IV 5 Stunden, 3 Tage alt. Fig. 34. Tier NXXIV. Bestrahlung mit R I '!/s Stunde, 5 Tage alt. ig. 35. Tier XXXV. Bestrahlung mit R II !/« Stunde, 14 Tage alt. ig. 36. Tier XXXVI. Bestrahlung mit R III !;» Stunde, 10 Tage alt. ig. 37. Tier XXXVII. Bestrahlung mit R II '/» Stunde, 11 Tage alt. ig. 38—41. Schnittbilder von Axolotllarven. 554 W. Stachowitz: Die Entwicklung von Amphibienembryonen. 38. . 39. . 40. ig. 41. Schnitt durch die Augengegend desselben Tieres. Schnitt durch die Augengegend von Tier V (Abb. 6). Schnitt durch die Herzgegend von Tier XVII (Abb. 18). Schnitt durch die Augengegend von Tier XVIII (Abb. 19). Schnitt durch die Gegend der Hörbläschen von Tier XXIV (Abb. 25). Schnitt durch die Augengegend von Tier XXVII (Abb. 28). Schnitt durch die Augengegend von Tier XXXII (Abb. 33). Schnitt durch Tier XXXIV (Abb. 34). Beginnende Chromatinveränderung der Ganglienzellen von Tier I (Abb. 1). Nest pyknotischer Kerne von Tier IV (Abb. 5). Blut von Tier XII (Abb. 12). Über die beschleunigende Wirkung geringer Strahlendosierungen auf tierische Eier Von V. Haecker und N. Lebedinsky Zoologisches Institut der Universität Halle a. 8. Mit 2 Textfiguren Ausgehend von einigen vererbungsgeschichtlichen Frage- stellungen, haben wir seit’ längerer Zeit Versuche über die kom- binierte Wirkung von Äther und Radium- oder Röntgenstrahlen auf tierische Eier und Embryonen angestellt. Das Resultat, das wir bei unserem Hauptobjekte, den Kopepodeneiern, erzielten, besteht darin, dass mit Äther präparierte („hyperembryonalisierte“, sensibilisierte) Eier auch dann, wenn die betreffende Ätherdosierung für sich allein eine beschleunigende, also in gewissem Sinne be- günstigende Wirkung auf die Entwicklung ausüben würde, wesentlich rascher und stärker durch Radium- und Röntgenstrahlen affıziert werden, als nicht ätherisierte Eier, und dass insbesondere die Keimbahnzellen diese Erscheinung zeigen. Über diese Befunde, denen vielleicht auch einiges klinisches Interesse zukommt, haben wir bereits in einer ärztlichen Zeit- schrift kurz berichtet,') hier möchten wir auf ein inzwischen erzieltes Nebenergebnis zu sprechen kommen, da es zu den Beob- achtungen in Beziehung steht, welche O. und G. Hertwig an dieser Stelle mitgeteilt haben. Für Pflanzen ist es bekannt, dass kleinere Strahlendosen die Entwicklung nicht hemmen, sondern beschleunigen (Molisch, Schwarz). So können ruhende Syringen durch Radiumwirkung getrieben, Bohnen und Gartenkresse zu schnellerem Wachstum gebracht werden. Auch beim tierischen Organismus und speziell beim Menschen sind bereits ähnliche Beobachtungen gemacht worden, z. B. kann bei Hautdefekten durch Strahlenwirkung eine ı) V. Haecker und N. Lebedinsky: Über kombinierte Äther- und Radiumwirkung auf Embryonalzellen. Münchener med. Wochenschr., Nr. 1, 1914. Eine ausführliche Arbeit ist in Vorbereitung begriffen. 556 V. Haecker und N. Lebedinsky: raschere Überhäutung bewirkt werden und bei Geschwülsten lassen sich bisweilen nach kurzdauernder Bestrahlung lebhaftere Zell- teilungsvorgänge nachweisen. Schon H. Heineke, dessen Referat!) wir diese Angaben entnehmen, hat auf die klinische Bedeutung der Befunde hingewiesen, doch konnten wir aus der uns vorliegenden Literatur nicht entnehmen, ob in dieser Richtung ausgedehntere Erfahrungen gemacht wurden, und insbesondere sind uns keine genaueren, mit Maß- und Zeitangaben verbundenen Beobachtungen über die Wirkung geringerer Strahlendosen an geeignetem tierischem Material bekannt geworden. Für Untersuchungen dieser Art ist aber eines unserer Objekte, nämlich das Ei des mexikanischen Molches (Axolotl, Amblystoma), besonders geeignet, da grössere Mengen annähernd gleichaltriger Stadien leicht zu erhalten und die normalen Entwicklungsvorgänge genau bekannt sind, und so haben wir einen gelegentlichen Befund zum Ausgangspunkt einiger besonderer Untersuchungsreihen genommen. Es war uns diesmal leider nicht möglich, Radium anzuwenden, doch konnten wir auch bei diesen Versuchen dank dem liebens- würdigen Entgegenkommen von Herrn Geheimrat J. Veit und der freundlichen Unterstützung von Herrn Dr. A. Meissner, Assistent an der Halleschen Frauenklinik, sowohl mit Mesothorium, als mit Röntgenstrahlen arbeiten. In technischer Hinsicht sei noch vorausgeschickt, dass bei jedem Einzelversuch Serien von Embryonen verwandt wurden, für welche zuvor mittelst der Lupe festgestellt worden war, dass sie tatsächlich das gleiche Anfangs- stadium aufwiesen. Die erste Beobachtung wurde bei einem Versuche mit Meso- thoriumbromid (5 mgr ohne Filter, 5'/»s Stunden lang) gemacht. Hier zeigte sich trotz der verhältnismässig langen Bestrahlung eine sehr deutliche Nachwirkung in der Weise, dass die im Blastulastadium behandelten Embryonen vom zweiten Tage an eine zunehmende Grössendifferenz gegenüber den nicht bestrahlten, dem gleichen Laich entstammenden, Embryonen aufwiesen. Die beifolgenden Photogramme A und B geben die am 6. Tage nach der Bestrahlung konservierten bestrahlten (A) und die nicht bestrahlten (B) Axolotlembryonen wieder. Es tritt hier deutlich ein Grössenunterschied hervor, der übrigens am Material selbst ') Naturw. Wochenschr., 13. Bd., Nr. 20, 17. Mai 1913. Bit L =] Die Wirkung geringer Strahlendosierungen auf tierische Eier. noch viel mehr in die Augen springt, so dass mehrere Personen ohne weiteres die Individuen der Gruppe A für die grösseren erklärten. Weitere Versuche mit Mesothorium konnten vorläufig nicht gemacht werden, dagegen sind im ganzen vier Versuche mit Röntgen- bestrahlung ausgeführt worden, welche im wesentlichen das gleiche tesultat ergaben. Beim ersten Versuch wurden je zehn zehntägige Embryonen mit einer harten Röntgenröhre (Stromstärke — 0,4 milllampere, Abstand vom Fokus 12 cm) 1 bezw. 3 Minuten lang bestrahlt. Schon zwei Tage nach der Bestrahlung konnte eine raschere Entwicklung der 3-Minuten-Embryonen gegenüber den nicht bestrahlten Kontrollembryonen und den 1-Minute-Embryonen festgestellt werden. Insbesondere war der ganze Körper der 3-Minuten-Embryonen ausgestreckter als in der gleichalterigen Kontrollzucht. Ausserdem zeichneten sie sich durch dickeren Kopf, längere Kiemenfäden, höheren Rückensaum, sowie durch den merklich grösseren Durchmesser der inneren Eihülle vor ihren normalen Geschwistern aus. Sechs Tage nach der Bestrahlung Archiv f. mikr. Anat. Bd.$5. Abt. I. 37 558 V.Haecker und N. Lebedinsky: wurde das ganze Material zu histologischen Zwecken konserviert. Es ergaben sich dabei folgende Durchschnittslängen: Kontroll-Embryonen = 8.21 mm 1 Minute - Embryonen = 8,25 mm 3 Minuten-Embryonen = 8,50 mm Es tritt also ein beträchtlicher Längenunterschied bei den 3 Minuten lang bestrahlten Embryonen hervor, der jenseits der (Grenze der individuellen Variabilität gelegen ist. Der ausgedehnteste unserer Versuche ist folgender. Die 6 Tage alten Embryonen, im ganzen 120 Stück, wurden in gleicher Menge (je 20 Stück) in kleine Glaszylinder von 20 mm Durch- messer gebracht und so durch das Glas hindurch bestrahlt (harte Röhren, Strom = 0,1 milliampere). Die der Röntgenröhre am nächsten gelegenen Eier waren nur 12 cm, die am weitesten 14 cm vom Fokus entfernt, ein Unterschied. der aber keine merkliche Bedeutung zu haben schien. Fünf Portionen wurden bestrahlt, während die sechste als Kontrolle diente. Als Bestrahlungsdauer wurden gewählt 1, 3, 5, 12 und 20 Minuten. Beginn des Versuches um 12 Uhr mittags, den 13. Mai 1914. Am 18. Mai wurden aus allen Portionen je zehn Eier behufs näherer histologischer Untersuchung fixiert, während die übrigen weiter beobachtet wurden. Sobald dann in einer Portion der überwiegende Teil der Embryonen (sieben bis neun) ausgeschlüpft war, wurden die wenigen übrig gebliebenen behufs späterer genauer Unter- suchung fixiert. Die Tabelle gibt für jede Portion und für jeden einzelnen Tag an, wie viel Larven bereits ausgeschlüpft waren. Die Tabelle lässt ohne weiteres erkennen, dass bei 12 Minuten langer Bestrahlung die Entwicklung weitaus die grösste Be- schleunigung erfahren hat, denn in der betreffenden Probe waren schon 7 Tage (20. V.) nach der Bestrahlung beinahe alle Larven (sieben Stück) innerhalb der Nachtstunden ausgeschlüpft, während in der Kontrollprobe das Ausschlüpfen erst volle 10 Tage nach der Bestrahlung (23. V. mittags) begann und sich über 3 Tage er- streckte. Etwas geringer als bei den 12-Minuten-Embryonen war die Beschleunigung bei den 20-Minuten-Embryonen, und noch geringer nach einer Bestrahlungsdauer von 5, 3 und 1 Minuten. Wenn nun auch leider die Versuche von vornherein nicht mit so viel verschiedenen Strahlendosierungen angesetzt wurden, dass auch noch der Übergang von der beschleunigenden zur Die Wirkung geringer Strahlendosierungen auf tierische Eier. 959 N a am IV V vı Kontrolle| 1 Min. 3 Min. 5 Min. 12 Min. | 20 Min. =—- ara nu Teilen 20.V. Morgen | 11 Eier | 10 Eier | 10 Eier || 10 Eier |7 Larven ||2 Larven | 3 Eier 5 Eier N (fixiert !) Abend 5 & n 1 Larve 4 Larven 9 Eier 6 Eier 21.V. Morgen r 2 Larven n 2 Larven = S Eier 8 Eier Abend 5 [3 Larven|| 1 Larve |4 Larven 8 Larven 7 Eier 9 Eier 6 Eier | | 2 Eier | | (fixiert !) 22.V. Morgen 2 | a r |5 Larven 5 Bier Abend 2 |4 Larven] 2 | a | 6 Eier | | | 23.V. Morgen 2 '8 Larven |2 Larven 2 | 2 Eier | 8 Eier | (fixiert!) | Mittag |4 Larven | 5 8 Larven | 7 Eier 2 Eier (fixiert!) | 24.V. Morgen |8 Larven ‚9 Larven | 3 Eier 1 Ei | | (fixiert!) | | | 25.V. Morgen 10 Larven l | N LEi | | | (fixiert!) | | | destruktiven Reizwirkung ersichtlich gemacht werden Konnte, so geht doch jedenfalls soviel aus den Versuchen mit Deutliehkeit hervor, dass bei tierischen Embryonen, ähnlich wie bei Pflanzen, eine kürzere und schwächere Mesothorinm- oder höntgenbestrahlung eine beschleunigende Wirkung ausübt. Da für dieses Jahr die Laichperiode der Axolotl im wesent- lichen zu Ende ist, so sind wir zunächst nicht imstande, bei diesem Objekt die Versuche weiter zu führen und die ganze Stufenfolge von Reizwirkungen: 1. bei geringer Strahlendosierung, 2. bei stärkerer Strahlendosierung, 3. bei stärkerer Strahlen- dosierung nach oder gleichzeitig mit Sensibilisierung durch Narkotika, in vollständiger Weise zur Darstellung zu bringen. Auch muss es weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, die 37* 560 V. Haecker und N. Lebedinsky: Die Wirkung etc. geschilderten Ergebnise zu denjenigen von O. Hertwig in die richtige Beziehung zu bringen, welcher beim Froschei schon bei Anwendung des am wenigsten aktiven Radiumpräparates (2,0 mg Radiumbromid) und bei nur '/astündiger Behandlung eine Verlang- samung der Entwicklung gegenüber den Kontrolleiern erzielte.) FHallera.8:30%Ma7 194: ') Die Radiumkrankheit tierischer Keimzellen. Arch. f mikr. Anat., 77. Bd., Abt. IL 1911, 8.20; vergl. auch G. Hertwig: Radiumbestrahlung unbefruchteter Froscheier. Ebenda, S. 170. >: - vr = “ii j ARRERARn r “ & Ikkrcrek! \ Er 6: Ey N, YA i Br > ehr i . 3 3 ‚Archiv Ümikroskop. Anatomie BaLXKXNV, Abt2. 16 29 22 ek“ en = m — Werner u.Winter, FrankfartM Pr 5) ı ru x Dez * “s ‚ “Ä 4 & 4 Ü l 4 ® | 4 | \ i - - Im \ > j Ü - z Archiv Kmikroskop. Anatomie BA.IXKXNV, Abtz op 50 ze ao 56 39 Werner u Winter, Franktarc5M % ar x = Re e en & BAER F j FR RR As ar Archiv Lmikroskop. Anatomie BaLXNXY Abt1. Archir f mikroskop.Anatomie Ba.LXXXV, Abt1. - Tafr Werner u. Winter, Frankfurt DE u Ale AYT CD Wa - - a r 54 E ne nv are‘ - % t 5 u a. hd PT DU 4 BEN Y A u ‚oe ı | 2 Var BU 27 h I R en i f ' ß (a I K f ie a J J Mn =,® { I i N m . r = B i f # Archiv {mikroskop. Anatomie Ba.LXKXY Abt. Werner u.Winter, Frankfurl®M. Archiv { mikroskop. Anatomie Ba.LXKXV, Abt. TOTEN ziy"* in} j nm m Werner u. Winter, Franklin ne 5 { u > & \ j [i s 1 z R u Archiv {mikroskop Anatomie Bd.LXXXV, Abt]. v Ip’ v ip! vw ip' v sp" my" RL EN Werner u.Winter, Frankfurt M. % Fran BE. BLHB, f . ER u Archiv Kmikroskop. Anatomie BaA.LXXAV, Abt.1. ei a he I u un u 2 A u il nu En r f tt er A an aa Werner u.Winter, Franklurt® z [} TafX. € Archiv Bmikroskop Anatomie Ba.LXXXV. Abt. 192 195 193 z ® St \ Franktart3M. Werner u.Winten F Archiv Ümikroskop Anatomie Ba.LXXA, Abt.1. LIT \ V IL yV In nl Im RE an] ii ZVT/ 4 za NN) —ı Warner u.Winter, Fran klar oh a pie Bi in a u cc rer NS irre er er Fe SHIRT RR SERENENTETTAEHRER TER STERN? ya bi T s — rel UIDENT - DAT es a I IN v PN nl: I Aue _ Warner u Hinter, Frankfurt M x N ri d 3 BE . * « ri f s 7 h Pr 3 } i eÄ We N . 4 » id bee a er Fe DEE 5 u 5 a! > ; E x Su 2 . u Ks P 3 N 3 Ei - Py“ ur, ” ze a w u RE T _# L Archiv [ mikroskop. Anatomie Ba. LXXXV. AbuI Taf: XI. EEE Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd, LXXMV. Abt]. Taf XIV. Werner u Winter, Frankturt”M. Archiv KEmikroskop. Anatomie Ba. LXXXV, Abt. Taf T af XV. r u. Hinter Frankrunt"f. Wern Archiv £mikroskop. Anatomie Ba. XXX. Abt. Werner Taf XV. u.Kinter Bankfuri”M EI ) N y Te, rm N a « Archiv Kmukroskop. Anatomie Ba. XXX. Abt1 Taf Xx0. Werner u. Winter Frankfurt ‚Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd. LXX\. Abt1 Taf XVM m. Eng ge u} Archiv £mikroskop. Anatomie Ba. LXX\V. Abti. % a Nen Maya 4 ; IE EN DS N DE, Werner u Winter Frankfurt” M. en ee GE WEN KSESEBERBESRREREE a were ‚Archiv E mikroskop. Anatomie Ba. LXXV, Abt. Taf XX. b c d € ’ f A - I en « . Dh C Br Fe dam ES, a m? ı Werner u. Winter Frankfurt” M. Archiv £ mikroskop. Anatomie Ba. LXXXV. Abt1. Taf XM Taf’ XXI. Irchiv Emikroskop. Anatomie Bad. LXXM. . lu. . Abti Taf XXI ‚Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. LXX. nter. Frankfurt ”M. he ö ‘ J’ M) PIeR IE u Pan | » = f - > . « -. Ä : MR. a a R f u £ D u F} 5 Ri ? f . # 2 ’ ‚ I Zr 4 ! IK ı ,F u = f > . he x Pen. v ns et N 1 ” I ” 7 . a”, ET De a ) u 5 * F - BR: * - en a Bu u Y % u. ri % vr f “ ; j „+ u a “ x U } . j “ j j > v . . 4 ' } it« ie r L) D » ’ . N D { \ , » ‘ R “ 2 * Ä ’ 4 F > IR # D i r Y Le Br u - = 5 ‚ Er = + ‘ B j a u i ? we - 5 y 5 b . 0 g% b 5 u x ö 4 er * Mi l . . . | } P: 7 7 Pu Irchiv £mikroskop. Anatomie Ba. LXXXV. Abt. - = B u! u = 5 z Taf XV. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. LXXXV, Abt. I. See nen 4003 Ba || OL 0] ON &) OR © | | Rd SE TORRE Case ee SS X ISAo O ES en : et Sr . | dbd Im e oO - . > = v ®e * “ | l | ” \ . i N - ä ee u t mr u I I er i re [ee 7° et 0% i 0, ie LI Archir K'mikroskop. Anatomie Ba.LXYAV, Abt. I. Erblke ------------ Werner u Winter, Franktirt ws h E ' e ‘ N \ \ Ü &A N SPERREN: Sr N NE, Br ae) \ ar eTT y SL Van WR > 4 LIES Fr \ 207377344 % Irre Archiv £mikroskop. Anatomie Bd. LXXAV. AbLI. Tal XXVI. Werner u. Winter, Franktur: 2% 0 5 c ©. ‚B ER 3 [nr L r u gi ale | j ; / i R ı ‚ | x De x i ' ‘ = v E | ) = Y } \ ; h E J } | . = \ I f 7 TR | 2 j ‘ AL Archiv Kmikroskop. Anatomie Ba. IX Abu. / Taf XXVIM. Vergr. 8:1 i VE TEEERTE a f “ Inchiv Emikroskop. Inatomie BaANXN. Abt, achowiez füc Vergr: 75:1 Fig46,4748:840:1 Em eo up Biene Werner u. Winter, Frankfurt SW. R Am Dis NE AD ER, % KRAUT Im LA! \ 1 Hr oh MINE PRINT“ Se Fe # (r z er BL _WHOI Library - Serials 497 a nn ind Ba Br ra ne ne anne nn nn mt a ne 4: A er - RE amsn = 5 A ' Du N m . EDEN, Wi