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Hierzu Tafel il und IE Ba. 4. ee Beier veke ler fehei- Zur Entwicklungsgeschichte der ne ee Bratdrtee, Von Hilda Lustig. (Aus der I. Anatomischen Lehrkanzel der k. k. Uni- versität Wien [Vorstand: Professor Julius Tandler].) Hierzu BEREIT EE ahie nis h Über den Einfluss der enperatur. aufs Nach und Diherene ing der Organe während der Entwicklung von Rana esculenta. Von Herbert Doms. (Aus dem Zoolögischen Institut München.) erzusslateleVT und 44, Vexthouren 00... 0 0 late ware Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. Eine histochemische Studie. Yonab. GC. „Unna Hierzu Tate VI—AN. 2... .020%% Zweites Heft. Ausgegeben am 12, Juli 1915. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. Von Professor Dr. OÖ. V.Srdinko. (Aus dem Institut für Histologie und Embryologie der k. k. böhmischen Universität in Hierzu Tafel XIII—-XV. ERS 0ER Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste \ von Kaltblütern. (Histo- logische Veränderungen des Integuments und der Mundschleim- haut beim Stint [Osmerus eperlanus L.].) Von Theodor Bres- lauer. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin [Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. ©. Hertwig].) Hierzu DER VE-XVHL und 6, Texthouren u. +. un. 5 Zur Histologie der Anurenhaut. Von Otto Weiss. Tafel XIX URU SSH TEE SIEBEN? 3 en NR N en Was sind die Plastosomen? (1. ans an zu dem Tore von ©. Benda: Die Bedeutung der Zelleibstruktur für die Pathologie.) VonzB riedrıehsnkeves in. Kiel. u. u 0 0 im Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Oktober 1915. Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. Von Siegmund v. Schumacher. (Aus dem Histologisch-embryologischen Institut in Innsbruck.) Hierzu Pafel XX,undeXXT . ...... .; ... er Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. Von DesEnr Schateppt, Zürieh2 Hierzumlatel XII , 0.5, 38 60 96 200 264 286 309 Das Problem der uni- oder multizellulären Entwicklung der quer- sestreiften Muskelfasern (speziell untersucht an Isopoden und Urodelen). Von Dr. A. W. Franz, Bonn. (Aus dem Zoologischen und vergleichend-anatomischen Institut der Universität Bonn.) Hierzu Tafel XXII—XXVI und 17 Textfiguren ....... Einige Bemerkungen zu der Veröffentlichung von F. Meves „Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa“. (Archiv für Mikroskopische Anatomie, Bd. 87.) Yon 3esobotta 742 u oe a Viertes Heft. Ausgegeben am 20. Januar 1916. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen (Area vasculosa, Dottersackanhänge, Knochenmark, Thymus, Milz und lockeres Bindegewebe) bei Tropidonotus natrix. Von Dr. med. Wera Dantschakoff. Hierzu Tafel XXVII—-XXX Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte (Chrysemys marginata). (Ein Fragment aus dem Nachlasse von Dr. med. et phil. Hans vonAlten, 1. Assistenten am Anatomischen Institut Freiburg i. B.) Mit einem Vorwort herausgegeben von Franz "Keibel. Hierzu Tafel XXXI und XXXII und 12 Textfiguren . Entgegnung auf einige Bemerkungen von J. Sobotta. Von Friedrich Re vie Ss neRtele er. 2 ee. Abteilüng I. Erstes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1915. Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. III. Mit- teilung. Von Dr. Paul Lang, Assistent des Biologischen Laboratoriums der Universität Bonn. Hierzu 9 Textfiguren . Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa.. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu rate Al Ve ie Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Juli 1915. Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel (Mytilus edulis L.). Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel V. Viertes Heft. Ausgegeben am 20. Januar 1916. Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung von halbkernigen Triton- und Fischembryonen. Von Paula Hertwig. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel YVI—NVIT und. 35. Textfigurem® .. ... ......2..0 0 ee: Literarische Rundschau: Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen. Von Dr. Julius Schaxel, Jena Seite 364 493 497 611 Seite 12 47 63 123 ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererhungslehre herausgegeben von O0. Hertwig und W. Waldeyer in Berlin Siebenundachtzigster Band I. Abteilung Mit 32 Tafeln und 51 Textfiguren — ——— BONN Verlag von Friedrich Cohen 1916 Inhalt. Abteilung l. Erstes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1915. Über das Vorkommen und die Verteilung des Piementes in den Organen und Geweben bei japanischen Seidenhühnern. Von J. Kuklenski. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel I und II Ä a: Zur Entwicklungsgeschichte der mänsokleehien Briekdrie, Von Hilda Lustig. (Aus der I. Anatomischen Lehrkanzel der k. k. Uni- versität Wien [Vorstand: Professor Julius Tandler].) Hierzu Tafel III—V Über den Einfluss der RE an: Wochetnit, Sud Diesen der Organe während der Entwicklung von Rana esculenta. Von Herbert Doms. (Aus dem Zoolöogischen Institut München.) Hierzu Tafel VI und 14 Textfiguren Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. Eine Hiktopkehtiache Binde Von P. G. Unna. Hierzu Tafel VII—-XI Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Juli 1915. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. Von Professor Dr. 0. V.Srdinko. (Aus dem Institut für Histologie und Embryologie der k. k. böhmischen Universität in Prag.) Hierzu Tafel XIII—-XV. Tech Zur Kenntnis der id emotdelfeschwälste, von Kaltblütern. eier logische Veränderungen des Integuments und der Mundschleim- haut beim Stint [Osmerus eperlanus L.]) Von Theodor Bres- lauer. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin [Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. O. ae Hierzu Tafel XVI—XVIII und 6 Textfiguren . Zur Histologie der Anurenhaut. Von Otto Weiss. Hiesae Tafel XIX UNSEREN EHTEn Nee en I Was sind die Plastosomen? (II. Bonereen zu om Vortrae von C©. Benda: Die Bedeutung der Zelleibstruktur für die Pathologie.) Von Friedrich Meves in Kiel . Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Oktober 1915. Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. Von Siegmund v. Schumacher. (Aus dem Histologisch-embryologischen Institut in Innsbruck.) Hierzu Tafel XX und XXI. au Über die Anheftungsweise und den Bau der Be helzeilen yon Dr. Th. Schaeppi, Zürich. Hierzu Tafel XXII Seite 60 96 151 200 264 286 309 341 Das Problem der uni- oder multizellulären Entwicklung der quer- gestreiften Muskelfasern (speziell untersucht an Isopoden und Urodelen). Von Dr. A. W. Franz, Bonn. (Aus dem Zoologischen und vergleichend-anatomischen Institut der Universität Bonn.) Hierzu Tafel XXIII—XXVI und 17 Textfiguren rn Einige Bemerkungen zu der Veröffentlichung von F. lan} Üben Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa“. (Archiv für Mikroskopische Anatomie, Bd. 87.) Von J. Sobotta Viertes Heft. Ausgegeben am 20. Januar 1916. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen (Area vasculosa, Dottersackanhänge, Knochenmark, Thymus, Milz und lockeres Bindegewebe) bei Tropidonotus natrix. Von Dr. med. Wera Dantschakoöff. Hierzu Tafel XXVII—XXX Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte (Ohrysemys marginata). (Ein Fragment aus dem Nachlasse von Dr. med. et phil. Hans von Alten, 1. Assistenten am Anatomischen Institut Freiburg i. B.) Mit einem Vorwort herausgegeben von Franz Keibel. Hierzu Tafel XXXI und XXXIH und 12 Textfiguren . Entgegnung auf einige Bemerkungen von J. Sobotta. Von Friedrich Mevesin Kiel Seite 364 493 497 985 611 Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes in den Organen und Geweben bei japanischen Seidenhühnern. Von J. Kuklenski. Hierzu Tafel I und 1. Inhalt. I. Einleitung . E Il. Material und Methoden : III. Allgemeines über Seidenhühner IV. Spezieller Teil. 1. > os = 175 Ort 8. I: Die eutane Pigmenthülle Die perineurale Hülle Hirn- und Rückenmarkshäute Auge er Nasenschleimhaut \ Gehöror gan 3 ! Pneumatische Fohleaumz le Schädels Die pericölomatische Hülle Leibeshöhle und Pericard Darmsystem Respirationsorgane Luftsäcke 5 Die perivasculäre Hülle . ! Die Pigmentierung des Periostes und. Perichandeitine R Muskulatur und Sehnen Drüsen Hoden Ovar Niere Nebenniere . Leber Pankreas . Drüsenmagen . Mundhöhlendrüsen . Milz . Bürzeldrüse Thymus Thyreoidea . Erstes Auftreten, Strukkr El Be Pifmenkueiten . Formwechsel Archiv f. mikr. Anst. Bd.87. Abt. I. 1 Seite 19 ass »QrQat Pe WM co [er DDDDDDDRTWTW =] -1 ep DD m 8 ISA 2 JeRkauklensikı: Seite V. Allgemeiner Deilse, ae 2 Eee Kos Ver Tee ale VI. Zusammenfassung 34 Tafelerklärung 34 Literaturverzeichnis . 35 Einleitung. In seiner Arbeit über die Lokalisation des Pigmentes und ihre Bedeutung in ÖOntogenie und Phylogenie der Wirbeltiere unterscheidet Weidenreich eine primäre und eine sekundäre Art der Pigmentierung. Unter primärer Pigmentierung versteht er die Verteilung desjenigen Pigmentes, das schon im Ei vor- handen ist und bei der Furchung und Keimblattbildung von der Eizelle ebenso wie der Dotter an die übrigen Zellen abgegeben wird. Indessen ist diese Art der Pigmentierung verhältnismässig selten. Weit häufiger findet man bei Wirbeltieren sekundäre Pigmentierung, die erst auf einer bestimmten Entwicklungsstufe des Embryos auftritt und einen tegumentären Charakter trägt. Weidenreich teilt sie in vier Gruppen ein: er unterscheidet nämlich eine cutane, perineurale, perivasculäre und pericölo- matische Pigmenthülle. Bei Fischen, Amphibien und Reptilien lassen sich überall diese vier Hüllen nachweisen. Man sieht sie oft auf einem einzigen (Querschnitt alle vier mit schematischer Deutlichkeit. Weidenreich deutet sie als Lichtschutz- und Wärmespeicherungsorgane. Die Theorie wird scheinbar durch die Befunde an Warm- blütern bestätigt. Da diese über eigene Körperwärme verfügen, ist wenigstens ein Teil der Hüllen entbehrlich und zwecklos ge- worden. In der Tat ist auch bei Säugetieren nur die cutane Hülle allgemein verbreitet. Hier hat das Pigment hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, seinen Sitz in den Haaren. Die Stärke der Pigmentierung der Haut selbst hängt meist von der Intensität der auf die betreffenden Hautstellen einwirkenden Sonnenbestrahlung ab. Sie lässt sich daher in verhältnismässig kurzer Zeit erheblich vermehren, um allmählich wieder abzunehmen, wenn man das zu diesen Experimenten dienende Tier den Einwirkungen der Licht- quelle entzieht, eine Tatsache, die sich kaum anders denn als Lichtschutzreaktion deuten lässt. Daneben liegen noch einige Beobachtungen über Ablagerung von Pigment in den perineuralen Hüllen einiger Säugetiere und Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. B) auch des Menschen vor. Auch Weidenreich bringt hierfür in seiner Arbeit eine ganze Reihe von Beispielen. Doch unter- liegt hier die Stärke und Ausdehnung der Pigmentierung bei Individuen derselben Art erheblichen Schwankungen. Oft findet man Pigment bei einem Tier verhältnismässig reichlich, während es bei anderen Tieren derselben Art ganz fehlt. Jedenfalls findet man eine perineurale Hülle nie mit derselben Regelmässiekeit, wie bei niederen Wirbeltieren. Schliesslich sind auch bei den als Melanose bezeichneten Erscheinungen in den verschiedensten Organen und Geweben von Schlachttieren Ansammlungen von Chromatophoren gefunden worden, die man, wenigstens zum Teil, einer pericölomatischen und perivaskulären Hülle einreihen könnte. Da es sich jedoch in diesen Fällen um Anomalien handelt, darf man aus ihrem Vorhandensein die Existenz dieser beiden Hüllen kaum ableiten Hierher gehört meiner Ansicht nach auch die von Leydig be- schriebene und von Weidenreich als Rest einer pericölo- matischen Pigmenthülle gedeutete Pigmentierung der Hoden- albuginea von Pteropus und der serösen Haut mancher Säuge- tiere. Auch hier scheint das Pigment nur in Ausnahmefällen aufzutreten und durchaus nicht bei allen Individuen der betreffenden Arten gefunden zu werden. Auf das Fehlen einer perivaskulären Pigmenthülle bei Säuge- tieren weist unter anderen Autoren besonders Feuereissen hin. Er sagt: „Eine ins Auge fallende Neigung der Pigmente, sich besonders in der Nähe der Blutgefässe abzulagern, wie sie mehrere Autoren beobachtet haben, war an keinem der Präparate zu verzeichnen“. Die Pigmentreduktion in den inneren Hüllen der Säugetiere würde also die Wärmespeicherungstheorie be- stätigen. Entsprechend betont Weidenreich die Pigmentarmut der zweiten Gruppe der Warmblüter, nämlich der Vögel. Auch bei diesen tritt das Pigment in der Regel nur im Integument auf. Hier hat es seinen Sitz hauptsächlich im Gefieder und findet sich seltener und spärlicher in der Haut selbst. Doch fand es auch hier Leydig in der Epidermis, Gegenbaur im stratum Malpighi und Jeffries im Corium. Nach Weidenreich spielt bei der Färbung des Integu- mentes noch ein anderer Farbstoff eine Rolle. So fand er bei 1% 4 J. Kuklenski: einigen Vögeln die dunkle Färbung der Läufe durch Farbstofte öliger Natur bedingt, die ihren Sitz in den „Malpighischen und den daran anstossenden Zellen“ haben. Ferner erwähnen Kerbert und Weidenreich, dass bei gewissen Entwicklungsstadien von Hühnerembryonen Pigment in der Epidermis vorkomme, das dann später wieder verschwindet. Schliesslich zählen Marshall und Brehm einige Vögel aut, letzterer besonders eine Anzahl künstlich gezüchteter Hühner- rassen, bei denen die ganze Oberhaut, Kammbildungen und Ohr- lappen schwarzblau pigmentiert sind. Ueber das Vorkommen von Pigment in den perineuralen Hüllen der Vögel fehlt es vollkommen an Angaben. Nach der Deutung der Pigmentierung als Wärmespeicher müsste auch in der perivaskulären Hülle das Pigment fehlen, da es auch hier zwecklos geworden ist. Tatsächlich scheint dies auch bei normalen Vögeln stets der Fall zu sein: denn selbst systematisch durchgeführte Untersuchungen an Vogelarterien haben in dieser Hinsicht zu negativen Resultaten geführt. teinecke, der die Arterien einer ganzen Anzahl von Vögeln untersucht hat, hat nirgends Chromatophoren in der Umgebung derselben gefunden. (Noch nicht veröffentlichte Untersuchungen aus dem Anat. Biol. Inst. zu Berlin über elastische Fasern). Auch die pericölomatische Pigmenthülle scheint den Vögeln im allgemeinen zu fehlen. Rudimente einer solchen erblickt Weidenreich allerdings noch in der von Leydig und Solger beobachteten Pigmentierung der Hodenalbuginea einiger Vögel. Solger fand Pigmentablagerungen in der Albuginea und den Hodenzwischenzellen beim Mauersegler und beim Broncemövchen, und zwar war beim Mauersegler der linke, beim Broncemövchen der rechte Hoden pigmentiert. Seiner Ansicht nach sind „derartige Ungleichheiten im Verhalten der männlichen Geschlechtsdrüse der Vögel in erster Linie deshalb von Interesse, weil sie an längst bekannte Asymmetrieen der weiblichen Genitalien dieser Klasse sich anknüpfen lassen“. L/eydig beobachtete Pigment im JIoden der Bachstelze und des Gimpels, und zwar ebenfalls nur in dem der einen Seite, während der andere pigmentfrei war. Ich halte es allerdings für wahrscheinlicher, dass es sich auch in diesen Fällen um Anomalien handelt, ähnlich den als Melanose beschriebenen pathologischen Erscheinungen bei Schlacht- Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. ) tieren. Allerdings habe ich in der diesbezüglichen Literatur keine Angaben gefunden, nach denen sich eine derartige Melanose auch auf die Hoden erstreckt, was wohl aber seinen Grund nur darin hat, dass die meisten männlichen Schlachttiere kastriert zur 'Schlachtbank kommen. Dass es sich auch bei den erwähnten Vögeln um Fälle von Melanose handelt, scheint mir der Umstand zu beweisen, dass in allen beobachteten Fällen nur ein Hoden davon befallen war, und zwar bald der rechte, bald der linke. Auch scheint bei diesen Vögeln eine Hodenpigmentierung nicht regelmässig, sondern vielmehr nur ausnahmsweise aufzutreten; wenigstens habe ich im Hoden eines mir zufällig in die Hände geratenen Gimpels kein Pigment finden können. Eine Sonderstellung bezüglich der Pigmentierung nehmen unter den Vögeln einige Hühnerrassen ein. Bei diesen findet man nicht nur alle vier Hüllen in weitgehendstem Maße, sondern enorme Mengen von Pigment auch ausserhalb der vier Hüllen. Weidenreich weist in seiner Arbeit bereits ausdrücklich darauf hin. Hier heisst es: „Schwieriger ist es vorerst, eine andere Art der Pigmentation einzureihen, die bei manchen Vögeln vorkommt; beim Seidenhuhn (japanischen und siamesischen) ist nämlich unabhängig von der Farbe des Gefieders neben der ÖOberhaut auch das Periost violett- bezw. blauschwarz, ebenso bei den schwarzen Zwergseidenhühnern und den Mohren- oder Negerhühnern (cf. Brehm). Ob es sich in diesen Fällen um typische Chromatophoren handelt oder ob die Färbung nicht auf die bei Vögeln sonst häufigen Einlagerungen fett- oder ölartiger Gebilde zurückzuführen ist, bedarf der Untersuchung: ich habe wenigstens bis jetzt nichts über die Art jenes Pigments in der Literatur gefunden.“ Herr Geheimer Medizinalrat Professor Dr. O0. Hertwig stellte mir die Aufgabe, diesen eigentümlichen Sonderfall der Pigmentierung bei Vögeln genauer zu untersuchen. Für das Interesse an meinen Untersuchungen und die mir dabei gewährte Unterstützung sage ich ihm und Herrn Dr. Weissen- berg meinen herzlichsten Dank. Auch Herrn Professor Krause und Herrn Professor Poll danke ich für wertvolle Ratschläge. Schon die ersten Präparate ergaben, dass typische Chromato- phoren der Dunkelfärbung der Gewebe zu Grunde liegen. Andere Arten von Pigment spielen keine Rolle. 6 J. Kuklenski: Ausser reichlichen Pigmentansammlungen in der Haut findet man stets sehr viel Pigment in der Dura und Pia des ganzen Gehirns und Rückenmarkes, so dass man im Gegensatz zu den bereits untersuchten Vögeln hier auch eine perineurale Pigment- hülle konstatieren kann. Auch in der Leibeshöhle und den Organen, die sich auf sie zurückführen lassen, findet sich Pigment, so dass man auch von einer pericölomatischen Hülle sprechen könnte. Fast überall zeigt ferner das Pigment die Neigung, sich um Gefässe herum anzusammeln. Aber damit ist die Verbreitung des Pigmentes noch nicht erschöpft; man beobachtet es ausser- dem auch in den meisten anderen Organen und Geweben. Um einen Vergleich mit den Befunden Weidenreichs zu ermög- lichen, ist es zweckmässig, so weit als möglich seine Bezeich- nungen beizubehalten. Die enormen Ansammlungen von Pigment in den anderen Geweben, die sich unter einem fünften Namen kaum zusammenfassen lassen, sollen gesondert besprochen werden. Material und Methoden. Das Material für meine Untersuchungen wurde mir vom Zoologischen Garten freundlichst zur Verfügung gestellt. Zur Unter- suchung gelangten zwei alte Tiere, ein Hahn und eine Henne, ferner ein 4—5 Monate alter Hahn, ein 6tägiges Küken und mehrere Embryonen verschiedenen Alters. Zum Fixieren wurden hauptsächlich verwandt Garnoysche und Zenkersche Lösung, Pikrinsublimateisessig, Alkohol und Formalin. Knochen, die ge- schnitten werden sollten, wurden hauptsächlich mit Formalin fixiert. Zur Entkalkung verwandte ich Trichloressigsäure, die nur wirkt, wenn das zu entkalkende Objekt vorher nicht mit Alkohol in Berührung gekommen ist. Die entkalkten Knochen wurden mit Alaunlösung ausgewaschen, um eine (uellung zu verhindern. Andere Entkalkungsflüssigkeiten greifen das Pigment an. Untersucht wurden teils grobe in Xylol aufgehellte Schnitte mit einer binokulären Lupe, teils Mikrotomschnitte bei stärkerer Vergrösserung. Die Mikrotomschnitte wurden mit Boraxkarmin gefärbt und, wenn sie Knochenteile enthielten, mit Orange G nachgefärbt. Andere Färbemethoden erwiesen sich als wenig zweckmässig oder ganz unbrauchbar, weil sie das Pigment ver- decken und die Untersuchung erschweren. Schöne Flächenbilder ergaben besonders abpräparierte Häute, wie Gehirnhäute, Periost. Über das Vorkommen und ılie Verteilung des Pigmentes. Luftsäcke, Mesenterium ete. Diese liessen sich ebenfalls mit Formalin am besten konservieren, wurden dann abpräpariert und als Totalpräparate eingeschlossen. Allgemeines über japanische Seidenhühner. In Brehms Tierleben findet man von den japanischen Seidenhühnern folgende Beschreibung: „Bei dem Seiden-, Woll- oder Haarhuhn, früher auch wohl japanisches Huhn genannt, einer aus Japan und China stammenden schon im 16. Jahrhundert in Europa bekannten, unklassifizierten Rasse, ist das (refieder woll- oder haarartig, indem die Schäfte der Konturfedern schlaff und weich sind, keine Elastizität besitzen und die Aeste und Strahlen keine Wimperchen und Häkchen haben, daher auch keine zusammenhängende Fahne bilden können, wodurch den Vögeln das Fliegen unmöglich gemacht ist. Der Schnabel ist ziemlich klein, der Kamm ein Rosenkamm, hinter dem sich eine Haube befindet. Die ziemlich langen Kehllappen und die Ohren- lappen hängen herab, die ziemlich kurzen Läufe sind befiedert, und die Hinterzehe ist. wie beim Dorkinghuhn, doppelt. Kamm, Kinn- und Ohrlappen, die ganze Oberhaut und die Knochenhaut (das Periost) sind violettschwarz, wie mit Tinte überpinselt, doch ist die Färbung des Gefieders davon unabhängig, denn es gibt weisse, schwarze und bunte.“ Auch Darwin erwähnt häufiger Seidenhühner und schwarze Hühner. Bei letzteren erstreckt sich nach seinen Angaben die Schwarzfärbung der Haut und des Periostes nur auf die Hennen, eine Ansicht, die auf einem Irrtum beruhen dürfte. Wahr- scheinlich sind schwarzhäutige und schwarzknochige Hühnerrassen schon von wenig kultivierten Völkern gezüchtet worden. Azara berichtet zu Ende des 18. Jahrhunderts in Südamerika eine solche Hühnerrasse gefunden zu haben, in einer Gegend, wo man nach Darwins Ansicht nicht das geringste Interesse für derartige Züchtungen hätte vermuten sollen. Dort wurde sie gezüchtet, weil sie für sehr fruchtbar galt und ihr Fleisch für heilkräftig gehalten wurde. Dass die Pigmentierung der Seidenhühner keine primäre ist, versteht sich von selbst. Das Ei unterscheidet sich in nichts von den Eiern anderer Rassen, ist nur etwas kleiner, wie ja überhaupt die Seidenhühner kleiner bleiben, als die meisten to) J. Kuklenski: anderen Rassen. Das Pigment tritt vielmehr erst verhältnismässig spät auf. Embryonen im Alter von 7 Tagen sind, abgesehen von dem Pigment des Auges, noch vollkommen pigmentfrei. Auch bei l4tägigen Embryonen tritt es erst ziemlich spärlich ver- streut im Bindegewebe auf. Reichlicher schon findet man es in den Geweben 16tägiger Embryonen. Aber selbst bei 1Stägigen Embryonen erscheint die Oberhaut makroskopisch betrachtet noch hell, nicht viel dunkler als bei normalen Hühnchen. Dann aber muss. sich der Pigmentreichtum rasch steigern, denn im Alter von 20 Tagen erscheinen die Embryonen bereits vollkommen schwarz. Spezieller Teil. Die cutane Pigmenthülle. Die cutane Pigmenthülle hat, wie schon erwähnt, ihren Sitz nicht in den Federn, wenigstens nicht in ihren verhornten Be- standteilen, die vielmehr gänzlich frei von Pigment bleiben. Pigment enthält nur der vom Corium gelieferte Anteil der Feder. Bei Embryonen sieht man es ıit den Gefässen des Coriums in die Federpapille eintreten. Ist die Feder ausgebildet und beginnt die Papille zu degenerieren, so bleiben gleichwohl die Pigment- zellen in der Federseele erhalten, verlieren hier oft nur ihre regelmässigen Formen und wahrscheinlich auch die Fähigkeit der Formveränderung. Oft aber behalten sie auch in dem abge- storbenen Gebilde ihre typischen Formen bei. Grössere Mengen von Pigment treten erst in der Haut selber auf, die sonst bei Vögeln nur schwach pigmentiert zu sein pflegt. Indessen erwähnt Marshall auch einige Vögel mit dunkel pigmentierter Haut. Er findet dann im allgemeinen die Pigmentierung bei jüngeren Tieren stärker ausgebildet als bei alten. So erwähnt er, dass die Haut der jungen Krontauben „tiefschwarzviolett wie Tinte“ pigmentiert sei, während alte Tiere hellbleigrau sind. Nach Bernstein sind die jungen Tiere von Centropus affınis ganz schwarz, während beim ausgewachsenen Tier nur die Oberfläche der Bügeldrüse pigmentiert ist. Eine ins Auge fallende dunklere Hautfärbung bei jungen Tieren gegenüber älteren habe ich an Seidenhühnern nicht kon- statieren können. Allerdings scheint die Stärke der Pigmentierung nicht nur in der Haut, sondern auch in anderen Geweben Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. J individuellen Schwankungen zu unterliegen, die aber kaum durch das Alter der Tiere bedingt sein dürften. So war z. B. der Darm des alten Hahnes reichlich mit Pigmentflecken besetzt, während der des jungen fast einfarbig hell erschien und, abgesehen von Kropf, Drüsenmagen und Kaumagen, die ebenfalls recht stark pigmentiert waren, nur an den Blinddärmen und in der Gegend ihrer Ansatzstellen dunkler gefärbt war. Andererseits waren die Hoden beim jungen Hahn sowohl in der Albuginea als auch im interstitiellen Bindegewebe ganz erheblich stärker pigmentiert als beim alten Tier. Möglicherweise ist die Hodenpigmentierung alter Hähne auch deshalb schwächer als bei jungen, weil beim Wachstum des Hodens die Pigmentzellen nicht eine entsprechende Vermehrung erfahren. Häufiger und reichlicher als die Haut selbst sind Haut- lappen pigmentiert, die bei vielen Vögeln am Kopfe vorkommen. Auch hierüber macht Marshall eine ganze Reihe von Angaben. Uhasmorhynchus variegatus hat eine nackte schwarze Kehlhaut mit wurmförmigen Klunkern. €. tricarnuculatus hat auf der Stirn und an jedem Mundwinkel einen „schlanken, nackten, schwarzen und hohlen Hautfortsatz“ von 7 cm Länge. C. nivens hat auf der Stirn einen einfachen schwarzen Fortsatz. Bei Schlegelia calva ist der Oberkopf kahl und lebhaft kobaltblau. Bei Vögeln liegt das Pigment der Haut nach Leydig in den Epidermiszellen, nach Gegenbaur im Stratum Malpiehi. Nach Jeffries befindet sich das Pigment im Corium, und zwar eine geringere Lage von Pigmentzellen unmittelbar unter dem Stratum Malpigbi und eine dichtere in den tieferen Schichten des Coriums. Im grossen und ganzen trifft diese letzte Angabe auch auf meine Objekte zu. Auch hier sieht man auf Quer- schnitten, dass sich die Chromatophoren oft in zwei Lagen an- ordnen, von denen eine direkt unter dem Stratum Malpighi liegt, die andere in der Tiefe des Coriums. Meistens ist auch, wie Jeffries fand, die tiefere Schicht die mächtigere; es ist dies jedoch nicht immer der Fall, denn oft genug tritt auch die tiefere Schicht an Mächtigkeit hinter der oberflächlichen zurück. Der Raum zwischen den beiden Schichten bleibt aber auch nicht frei von Pigmentzellen. Man findet dieselben vielmehr überall auch. zwischen den beiden Lagen bald weniger dicht, bald zahlreicher, oft so, dass die Anordnung in zwei Schichten mehr oder minder 10 J. Kuklenski: verwischt und durch eine einzige, dafür aber um so mächtigere Schicht mitten im Corium ersetzt wird. Die Anordnung des Pigmentes wird hauptsächlich bedingt durch den Verlauf der Blutgefässe, um welche herum es sich mit Vorliebe ablagert. Auch dort, wo es sich in zwei Schichten anordnet, ist dies darauf zurückzuführen, dass dann die Gefässe dicht unter dem Stratum Malpighi und in der Tiefe der Lederhaut reichlicher entwickelt sind als in ihrer Mitte, während das Umgekehrte der Fall ist, wenn das Pigment als breiter Streifen mitten im Uorium liegt. Die Anordnung in zwei Schichten zeigt mit schematischer Deutlichkeit das Pigment im Integument des Laufes (Tafel I, Fig. 9), das überhaupt einen enormen Reichtum an Uhromato- phoren aufweist, die sich auch hier um Gefässe gruppieren. Man sieht hier ein gleichmässiges, zahlreiche Gefässanschnitte um- fassendes Band von Pigmentzellen in der Tiefe des Coriums verlaufen. Unter der Epidermis liegt ein ähnliches, in der Regel noch stärkeres Chromatophorenband. Zwischen beiden Schichten sind die Pigmentzellen nur spärlich verteilt. (refässquerschnitte sind überall von einem dichten Kranz von Chromatophoren umgeben. Wie sehr die Gefässe die An- ordnung der Pigmentzellen beeinflussen, ersieht man aus der Fig. 2, die angefertigt ist nach der Photographie eines Total- präparates von der Haut der Flügelinnenseite. Die Gefässe scheinen hier so deutlich hindurch, als wenn sie natürlich injiziert wären. Sie werden von dichten Pigmentsammlurgen umgeben oder zum mindesten seitlich begrenzt. Dann liegen noch kleinere Pigmentansammlungen darüber. die in ihrem Innern fast kreis- runde helle Flecken zeigen. Diese Figuren werden dadurch be- dingt, dass in der Haut liegende Fettzellen ganz von den Aus- läufern der Chromatophoren umschlossen werden. Ebenso gern wie um die Gefässe lagert sich das Pigment um die Federwurzeln ab, die gleichfalls in einer dichten Hülle von Chromatophoren zu stecken pflegen (Taf. I, Fig. 1). Ganz ähnlich, wie in der gesamten Oberhaut, liegen die Verhältnisse im Kamm und in den Kehllappen. Auf Querschnitten ‚durch die Kehllappen alter Tiere sieht man in der Regel deutlich vier verhältnismässig scharfe Pigmentlinien, weil ja die Kehl- lappen aus einer nur durch wenig Bindegewebe getrennten Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 11 Doppelhaut bestehen. Auffallend ist allerdings die Tatsache, dass oft eine von diesen schwächer wird oder seibst spurlos ver- schwindet. Man findet Stellen, an denen die beiden äusseren Lagen vollkommen fehlen, oft ist dies auch nur an einer Seite der Fall. Dieses Fehlen fällt umsomehr auf, als gerade die Schichten unter dem Stratum Malpighi von einem dichten Gefäss- netz durchflochten sind, das wahrscheinlich durch Füllung mit Blut das Anschwellen dieser Hautlappen ermöglicht. Beim Trut- hahn enthalten die Hautlappen nach Ingorow ein „ober- tlächlich liegendes Gefässnetz mit kompliziertem aber unregel- mässigem Verlauf und stellenweise auftretenden Erweiterungen“ (nach Marshall). Von ähnlicher Beschaffenheit ist auch das oberflächliche Gefässnetz im Kamm und den Kehllappen dieser Hühner. Auffallend ist ferner, dass da, wo die oberflächliche Pig- mentschicht fehlt, die in der Tiefe liegende Schicht um so mächtiger ist. Wo dagegen viel Pigment an der Oberfläche vor- handen ist, ist die tiefere Schicht nur schwach oder kann selbst ganz fehlen. Stellenweise sieht man grössere Pigmentzellen- komplexe von der unteren Schicht nach der Oberfläche sich vor- schieben, ohne dass hier an in gleichem Sinne verlaufende (efässe gebunden wären. Es legen diese Tatsachen die Vermutung nahe, dass die beiden Schichten in Beziehungen zu einander stehen, und dass ihre Chromatophoren die Fähigkeit besitzen, nach der Ober- fläche zu wandern und sich in die Tiefe zurückzuziehen. Angaben über Farbenwechsel in der Haut von Vögeln. der durch Chromatophorenwanderung bedingt ist, habe ich allerdings nirgends finden können. Auch fehlt es mir selbst an Beob- achtungen an lebenden Tieren, die meine Angaben zu bestätigen geeignet wären. Dagegen sagten mir einige am hiesigen Zoo- logischen Garten angestellte Herren, dass die Hautlappen oft, besonders im Sommer, mehr rosa sind, während sie sonst blau- schwarz sind. Die Rotfärbung würde sich dann eben dadurch erklären, dass das Pigment der Oberfläche in die Tiefe wandert, während es bei der Dunkelfärbung wieder an die Oberfläche tritt. Bei dem zuletzt von mir untersuchten Hahn, einem diesjährigen Tier, habe ich ausdrücklich beim Abtöten auf die makroskopische Beschaffenheit der Kammbildungen und der Kehllappen geachtet. 12 J. Kuklenski: Sie hatten eine auffallend rote Färbung und waren nicht viel dunkler als bei unpigmentierten Hühnerrassen. Die angefertigten Schnitte zeigten in der Tat, wie nach meiner Annahme zu er- warten war, dass alles Pigment in der Tiefe lag und die Ober- fläche gänzlich frei davon war. Dass hier der Farbenwechsel anf ähnliche Weise zustande kommt wie beim Truthahn, halte ich für unwahrscheinlich. Hier wird bekanntlich die schwarzblaue Färbung der Hautlappen im Erregungszustande dadurch verdeckt, dass sich das an der Ober- fläche liegende Gefässnetz mit Blut füllt und so ein Ueber- gehen der bläulichen Färbung in eine scharlachrote herbeiführt. Es mag vielleicht auch die Füllung des Gefässnetzes mit Blut beim Farbenwechsel durch Verdecken des Pigmentes eine Rolle spielen, jedenfalls aber nicht die Hauptrolle, denn bei dem jungen Hahn war dieses Gefässnetz noch gar nicht entwickelt, vielmehr war die Oberfläche auffallend arm an Gefässen. Auch scheint der Farbenwechsel bei den Seidenhühnern nicht durch Erregungszustände bedingt zu sein, sondern vielmehr von Temperaturverhältnissen abzuhängen. Wenn man die Haut vom Körper der Seidenhühner ent- fernt, erscheint der abgezogene Körper gleichwohl noch schwarz, obwohl die Muskulatur selbst nicht eine dunklere Färbung zeigt. Dies liegt daran, dass sich unter dem Corium das Bindegewebe abermals zu einem reich pigmentierten Häutchen verdichtet, das unter der Haut den ganzen Körper des Tieres überzieht und sich am Halse in die Halsfascie fortsetzt, die auch dieselbe An- ordnung des Pigmentes zeigt. Von ihr gibt Fig. 3 eine Ab- bildung. Die perineurale Pigmenthülle. Gehirn- und Rückenmarkshäute. In den perineuralen Hüllen erlangt der Reichtum an Chro- matophoren eine ganz unglaubliche Höhe. Die Dura mater des Gehirns ist eins der an Chromatophoren reichsten Präparate des ganzen Tieres. Von der Fülle des in ihr enthaltenen Pigmentes gibt Fig. 5 eine Vorstellung, die dazu noch eine der hellsten Stellen wiedergibt. Bei makroskopischer Betrachtung erscheint sie vollkommen undurchsichtig und pechschwarz, nur die Gefässe sieht man hier und da hindurchschimmern. Auch die Dura mater Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 13 des Rückenmarkes ist sehr stark pigmentiert, wenn auch nicht ganz in demselben Maße wie die des (Gehirns. Die Pia mater ist sowohl am Gehirn als auch am Rücken- mark viel weniger dunkel, ohne dass man sie indessen pigment- arm nennen könnte. Erwähnt sei gleich hier, dass auch in den perineuralen Hüllen das Pigment die Tendenz zeigt, sich den Gefässen anzulegen und zwar in der Weise, dass die Gefässe beiderseits von enormen Pigmentmassen begrenzt werden, während wenigstens an der Dura ihre Oberfläche meist frei davon bleibt oder nur teilweise von einigen Chromatophoren überdeckt wird. Aber auch zwischen den Gefässen liegen gleichmässig verteilt grosse Pigmentansammlungen, die hier nur weniger dicht sind ale in unmittelbarer Nachbarschaft der Gefässe. In der Dura mater des Gehirns sind die Uhromatophoren nicht in einer Schicht ausgebreitet, sondern es liegen, wie man dies besonders deutlich auf Schnitten aber auch am Totalpräparat ganz gut sieht, zwei oder sogar drei Schichten übereinander, die aber oft so dicht aufeinander folgen, dass Schnitte nur ein einheitliches schwarzes Band zeigen. Die Elemente der oberen Schicht sehen aus, als ob sie sich aus kleinen, dicht nebeneinander gelegenen Fasern zusammensetzen, weil die Pigmentkörnchen in ihnen sich zu parallelen Reihen anordnen. Sie sind schmäler als die Zellen der unteren Lage und geben der ganzen oberflächlichen Lage eine fasrige Struktur. Der Kern ist von den Pigmentkörnchen überdeckt und nur selten sichtbar. Die darunter gelegene Schicht besteht aus grossen, mit deutlich sichtbarem Kern versehenen Chromatophoren, die einen kompakten Eindruck machen und nur wenige und kurze Ausläufer zeigen. Meist ist die obere Lage schon so dicht, dass sie die untere vollkommen überdeckt, so dass diese nur da deutlich sichtbar wird, wo ne oberste Schicht schwächer entwickelt ist. Übersichtlichere Bilder liefert die Pia mater. Hier ist nur eine einheitliche Schicht von Chromatophoren vorhanden, die höchstens mit ihren Ausläufern übereinander greifen: nur selten liegen sie mit ihren ganzen Körpern übereinander. Auch haben hier die Pigmentkörnehen in der Regel nicht eine so intensive Dunkelfärbung wie in der Dura. Nur in der Umgebung der (refässe sind die Pigmentzellen ebenso dunkel. Sonst sind sie viel heller und erscheinen oft nur undeutlich und verschwommen. 14 J. Kuklenski: In der Pia legt sich meist das Pigment nicht nur seitlich den (refässen an, sondern umhüllt sie vollkommen (Taf. I, Fig. 6). Die Dura mater des Rückenmarkes weicht insofern von der des Gehirns ab, als hier die Zellen, die durch Anordnung der Pigmentkörnchen in parallelen Reihen eine faserige Struktur zeigen, wie dies bei der Dura des Gehirns der Fall ist, fehlen. Sie enthält nur normale mit Ausläufern und deutlich sichtbarem Kern versehene oder ganz kuglich zusammengeballte Chromato- phoren. Ebenso sind die Pigmentzellen der Pia des Rücken- markes beschaften, sie sind hier nur wieder auffallend heller. Untersuchungen über die Pigmentierung der Hirn- und Rückenmarkshäute bei Säugetieren und niedern Wirbeltieren haben zu dem Ergebnis geführt, dass hier die dorsale Seite stets stärker pigmentiert ist als die ventrale. Bei den perineuralen Hüllen der Seidenhühner trifft dies nicht zu, vielmehr sind diese Häute in ihrer ganzen Ausdehnung gleichmässig pigmentiert. Auch die vom Gehirn und Rückenmark ausgehenden Nerven sind von pigmentierten Häuten umgeben. In der Substanz des Gehirns und Rückenmarkes selbst da- gegen zwischen den Nerven und Granglienzellen findet man nie Pigmentzellen: auch werden hier Gefässe nirgend von solchen begleitet. Die Pigmentierung des Auges. Beim Augapfel ist die Lagerung des Pigments dieselbe wie bei normalen Hühnern, doch ist hier die Pigmentierung der Chorioidea eine ganz enorme starke. Die Pigmentschicht ist hier wohl zwei bis dreimal so stark wie bei andern Hühnerrassen. Schon an jungen Embryonen fällt auf, dass die Pigmentschicht im Auge viel stärker ausgebildet ist als bei den gleichaltrigen Embryonen unpigmentierter Hühnerrassen. Das Bindegewebe um den Augapfel herum enthält ebenfalls viel Pigment, das sich um die Sclera abermals zu einer scharf umgerenzten Hülle anordnet und auf Schnitten als ununterbrochener Ring um das Auge herum sichtbar ist. Das Pigment in der Nasenschleimhaut. Auch Nase und Gehörorgan sind reichlich pigmentiert. Die Nasenschleimhaut ist überall von einem gleichmässigen, lockeren Netz von Chromatophoren durchzogen. Bei niederen Wirbel- Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 15 tieren und bei Säugetieren ist Anwesenheit von Pigment in der Nasenschleimhaut häufiger beobachtet worden. So erwähnt Babuchin das Vorkommen von Chromatophoren in dem die Nasenschleimdrüsen umgebenden Bindegewebe: ‚Wie hier, so auch in den tieferen Schichten des Bindegewebes befinden sich viele spindelförmige und mit verästelten Fortsätzen versehene Zellen, welche, vorzüglich bei niederen Tieren, auch schwarzes Pigment enthalten können.“ Auch Weidenreich erwähnt ver- schiedene Fälle von Pigmentierung der Nasenschleimhaut bei Säugetieren und niederen Wirbeltieren. Bei den Seidenhühnern liegen die Chromatophoren im Bindegewebe der Nasenschleim- haut direkt unter den Schleimdrüsen, pflegen aber nicht zwischen die einzelnen Drüsen einzudringen. An Schnitten durch die Nasenmuschel sieht man diese Verhältnisse am besten, auch schon an jungen Tieren und älteren Embryonen. Die konkave Seite ist dabei stets viel reichlicher pigmentiert als die andere und enthält eine dichte Schicht von Chromatophoren, so dass man diese auf Schnitten sich zu einem, allerdings doch oft unter- brochenen Bande anordnen sieht. Auf der konvexen Seite da- gegen sind die Pigmentzellen weit spärlicher. Pigmentierung des Gehörorgans. Auch in Betreff der Pigmentierung des (rehörorgans existieren nur auf Säugetiere und niedere Wirbeltiere bezügliche Angaben. Es würde zu weit führen, alle hierher gehörenden Untersuchungen zu erwähnen, und ich will mich damit begnügen, auf Weiden- reich zu verweisen, der eine ganze Reihe diesbezüglicher An- gaben macht. Bei Säugetieren kommt nach Alexander bei fast allen von ihm untersuchten Arten Pigment im Labyrint vor. Es ist hier gebunden an Chromatophoren ganz ähnlich denen der Chorioidea und liegt hauptsächlich im Bindegewebe, selten im Epithel. k Bei den Seidenhühnern enthält nicht nur das Bindegewebe des Labyrintes Pigment. Auch der ganze innere Gehörgang und die Paukenhöhle sind pigmentiert. Die Columella ist von einem reichlich pigmentierten Häutchen überzogen, und selbst dem Trommelfell sind Chromatophoren eingelagert. In diesem ist das Pigment fast ausschliesslich an die Gefässe gebunden. Man findet hier zu beiden Seiten der Gefässe je eine Pigmentlinie, 16 J. Kuklenski: die sich aus einzelnen Chromatophoren zusammensetzt. Über und unter den Gefässen liegen keine Chromatophoren. Auch zwischen den Gefässen findet man sie selten (Taf. I, Fig. 11). Die Pigmentauskleidung der pneumatischen Hohl- räume im Schädel. Im Anschluss hieran will ich gleich die Pigmentierung der pneumatischen Hohlräume im Schädel besprechen, die ja bekannt- lich als Einstülpungen aus der Nasenhöhle und der Paukenhöhle in die Schädelknochen hinein entstehen. Das Primordialkranium ist von Pigment frei. Überhaupt gehört Knorpel zu den wenigen Geweben, die nie Pigment ent- halten. Die ersten Chromatophoren findet man erst in den An- lagen der Deckknochen bei Embryonen im Alter von etwa 14—16 Tagen. Hier sind sie aber noch äusserst selten und liegen nicht in der Knochensubstanz, sondern stets in der Umgebung der Gefässe. Viel reichlicher treten sie erst auf im Knochen- mark alter Embryonen und junger Tiere. Ihre Schwarzfärbung erhalten die Schädelknochen, wenn man die ihnen nur äusserlich aufliegenden schwarzen Häute, nämlich Dura mater und Periost unberücksichtigt lässt, erst durch das Eintreten der pigmentierten Einstülpungen von der Nasen- und Paukenhöhle her (Tafel I, Fig. 13). Dabei finden die Pigmentzellen des Knochenmarkes wahrscheinlich keine Verwendung zur Pigmentierung der pneu- matischen Hohlräume, sondern werden gemeinsam mit dem Knochenmark resorbiert. Auf Schnitten durch den Schädel junger Hühner, bei denen der Pneumatisierungsprozess gerade begonnen hat, sieht man nämlich sehr oft an ein und demselben Knochen das eine Stück schon pneumatisiert, während das andere noch mit Mark erfüllt ist. Dabei fällt auf, dass das Knochenmark reichlicher pigmentiert ist, als die Wandungen der Hohlräume. Es müssen demnach die Pigmentzellen, die der vordringende Luftsack im Knochenmark vorgefunden hat, irgendwie beseitigt worden sein. Die Wandungen der pneumatischen Hohlräume sind bei ganz jungen Tieren viel ärmer an Pigment als bei alten Sie bringen also wahrscheinlich nicht gleich all ihr Pigment mit sich, sondern erhalten ihre endgültige, reichliche Pigmentierung erst bei zunehmendem Alter. | Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 17 Im Bereich der Paukenhöhle sind die pneumatischen Hohl- räume am grössten. Sie dringen in fast alle Knochen des Schädels ein. Bei makroskopischer Betrachtung erscheint unpigmentiert nur die vordere Region des Frontale Auch (Grefässe, die hier reichlich vorhanden sind, führen kein Pigment. Auf Schnitten durch die hell gefärbte Frontalregion sieht man dann aber, dass auch hier die Pneumatisierung und mit ihr die Pigmentisierung keineswegs ganz unterdrückt ist, jedoch sind hier die pneu- matischen Hohlräume sehr viel spärlicher vorhanden und auch viel enger als in den andern von der Paukenhöhle aus pneu- matisierten Schädelknochen ; sie erreichen in letzteren eine solche Entwicklung, dass von der Knochensubstanz nur ein ganz feines Gebälk übrig bleibt, das dann überall von den pig- mentierten Häuten überzogen ist (Taf. I. Fig. 7 und Taf. II, Fie..13): Die Pneumatisierung ergreift auch das (Juadratum in seiner ganzen Ausdehnung und geht von ihm auch in den Unterkiefer. Hier lässt sich jederseits ein gerader Luftkanal bis in die Schnabelspitze verfolgen. Von diesem gehen engere Kanälchen nach der Peripherie der Unterkieferknochen, ohne jedoch die Oberfläche zu erreichen. Weit weniger stark pneumatisch als die von der Pauken- höhle aus pneumatisierten Knochen sind die von der Nasenhöhle mit ihren Luftkanälen versorgten Elemente des Oberschnabels. Die Knochen bleiben hier im Wesentlichen massiv. Zwar treten Luftsäcke von geringerer Ausdehnung in sie hinein, aber nie werden sie in demselben Maße spongiös wie die eigentlichen Schädelknochen. Daher sind sie auch nicht schwarz gefärbt, sondern unterscheiden sich in der Farbe nicht von den betreffenden Knochen unpigmentierter Hühnerrassen. Das Jugale und das Zungenbein mit seinen Hörnern bleiben frei von Lufträumen und von Pigment. Von den pneumatischen Hohlräumen der Schädelknochen ziehen häufiger stark pigmentierte Gefässe durch die Knochen- substanz hindurch nach der inneren oder äusseren Schädelober- fläche. Die dort durch ihr Austreten entstehenden Öffnungen sind wahrscheinlich identisch mit den schon von Darwin an der Oberfläche von Seidenhuhnschädeln beobachteten kleinen Öffnungen. Archiv f.mikr. Anat. Bd.$7. Abt. 1. 2 18 J. Kuklenski: Die pericölomatische Pigmenthülle. Leibeshöhle und Pericard. Bei niederen Wirbeltieren ist Pigmentierung der Leibes- höhle weit verbreitet. Bei Säugetieren wird sie nur gelegentlich als Anomalie erwähnt und bei Vögeln fehlt es überhaupt an An- gaben. Bei japanischen Seidenhühnern ist die Leibeshöhlenpig- mentierung in ihrer ganzen Ausdehnung eine recht starke. Stärker- noch als die übrigen Teile der Leibeshöhle ist das Pericard pigmentiert, das auch bei makroskopischer Betrachtung schon total schwarz erscheint. Auch hier begleiten die grössten Pigmentansammlungen beiderseits die Gefässe, während zwischen den Gefässen die Zahl der Chromatophoren eine geringere ist (Fig. 12). Pigmentierung des Darmtractus. Im Anschluss an die Pigmentierung der Leibeshöhle will. ich gleich die des Darmes und der Respirationsorgane besprechen. Das Mesenterium, an dem der Darm in der Leibeshöhle auf- gehängt ist, wird von einem lockeren Netz von Chromatophoren durchzogen. Auch der Darm selbst enthält viel Pigment in un- regelmässiger Verteilung. Am reichlichsten sind hier die Chro- matophoren im Kropf und an der Oberfläche des Kernmagens, die beide eine vollkommen schwarze Färbung zeigen. Besonders der Magen ist von einer so dichten Pigmenthülle umgeben, dass man die Formen der einzelnen Zellen gar nicht unterscheiden kann und man auf Schnitten nur ein scharf begrenztes, gleich- mässig schwarzes dünnes Band sich über der Magenmuskulatur ausbreiten sieht. In der Magenmuskulatur selbst hingegen findet man meist nur vereinzelte Pigmentzellen; nur selten sammeln sie sich auch hier einmal um ein Gefäss herum zu grösseren Komplexen an. Weit weniger stark ist der Darm in seinem übrigen Ver- lauf pigmentiert. Auch ist hier die Verteilung der Uhromato- phoren eine ganz unregelmässige, indem sich stellenweise grössere Pigmentansammlungen befinden. während andere Stellen weniger stark oder überhaupt nicht pigmentiert erscheinen, so dass da- durch der Darm ein geflecktes Aussehen erhält. Die Stärke und Verteilung der Pigmentierung des Darmes unterliegt individuellen Schwankungen. Flächenpräparate von den dunkleren Flecken im Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 19 Darm lassen ebenfalls oft eine Verteilung des Pigmentes in zwei über einander liegende Schichten erkennen, von denen die obere in der Serosa, die untere in der Muskulatur liegt. In der oberen Schicht ordnen sich die schmalen, spindelförmigen Chromatophoren sich mit ihren Enden berührend zu wellen- förmigen Figuren an, während die darunter liegenden sich den Gefässen anlegen (Taf. Ii, Fig. 17). Auch im Darm liegen die meisten Chromatophoren an der Oberfläche, nämlich in der Serosa. Zahlreich pflegen sie auch in der Längsmuskulatur zu sein. In der Ringmuskulatur sind sie im allgemeinen selten. Stellenweise findet man sie aber auch hier. In der Ringmuskulatur der Blinddärme sind sie sogar recht zahlreich und überwiegen hier über das Pigment der Längs- muskulatur. Das Pigment in den Respirationsorganen. Auch die Respirationsorgane sind reichlich pigmentiert. Bei Säugetieren ist durch Chromatophoren bedingte Pigmentie- rung der Lunge häufiger als Anomalie beobachtet worden. Bei Vögeln dagegen hat man es in der Lunge noch nie gefunden: Leydig hebt ausdrücklich hervor, dass die Vogellunge stets frei von Pigment ist. Bei Seidenhühnern ist schon die Trachea vollkommen schwarz. Bedingt ist hier die Schwarzfärbung durch die reichliche Pigmen- tierung des die Knorpelringe einhüllenden Perichondriums. Die Lunge enthält, schon makroskopisch sichtbar, winzige schwarze Flecken. Schnitte durch die Lunge ergeben, dass die Oberfläche und das darunter gelegene (rewebe am reichlichsten pigmentiert ist. Nach der Mitte zu wird die Pigmentierung schwächer, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Man findet vielmehr auch hier zahlreiche Pigmentzellen nicht nur um die Gefässe herum, sondern auch in der bindegewebigen Umhüllung der Lungenpfeifen und im Lungengewebe selbst. Die Luftsäcke, Viel Pigment enthalten auch die Luftsäcke und zwar die vorderen mehr als die hinteren. Am reichlichsten pigmentiert sind die in die Knochen eintretenden Luftsäcke. Ein solcher kleidet die ganze Innenfläche des Oberarmes aus, dringt aber DE: 20 J. Kuklenski: nicht in die Knochen des Unterarmes ein. Das Coracoid ist, allerdings nur in seinem sternalwärts gelegenen Teile, ebenfalls von einem reichlich pigmentierten Luftsack erfüllt; der übrige Teil enthält pigmentiertes Mark und Fett. Auch das Sternum erhält in seinen Hohlräumen durch Eindringen von Luftsäcken eine reichliche Pigmentauskleidung. Allerdings ist nur der vordere Teil von der Ansatzstelle des Coracoids bis etwa zum Anfang der Ürista sterni pneumatisiert, während der hintere Teil und die Crista frei von pneumatischen Hohlräumen bleiben. Die Pneumatisierung beginnt an der Verbindungsstelle mit dem Coracoid mit einigen grossen Hohlräumen: diese setzen sich nach hinten zu in engere Röhren fort, die netzartig mit einander anastomosieren, um schliesslich blind zu endigen. Halswirbel und Halsrippen sowie auch ein Teil der Brustwirbel- sind ebenfalls pneumatisch und ihre Hohlräume mit pigmentierten Luftsack- zweigen ausgekleidet. Auffallend ist, dass in denjenigen Luftsackteilen, die in Humerus und Coracoid eindringen, neben reichlich verästelten Pigmentzellen auch kugelig oder oval zusammengeballte liegen. Auch diese sind gerade in der Umgebung der (refässe ganz be- sonders zahlreich und übertreffen hier oft an Zahl die ver- zweigten, während in einiger Entfernung von den Gefässen wieder verzweigte Uhromatophoren vorherrschen. Ich war anfangs geneigt, diese Erscheinung auf die Ein- wirkung des zum Abtöten der Tiere verwandten Chloroforms zurückzuführen, das ja in der Lunge und deren Anhängen direkt auf die Chromatophoren einwirken und die Kontraktionen be- dingen könnte. Dagegen spricht andererseits die Tatsache, dass nur diejenigen Teile der Luftsäcke von dieser Erscheinung be- troffen werden, die in Knochenhohlräume eingelagert sind, während ihre frei in der Leibeshöhle liegenden Teile nur ver- ästelte und spindelförmig gestreckte Pigmentzellen enthalten, und dass auch auf Präparaten, die von geschlachteten Tieren stammen, in den den Knochenhohlräumen entnommenen Luftsack- wandungen zusammengeballte Chromatophoren ebenso zahlreich sind als auf Präparaten von mit Chloroform abgetöteten Tieren. Auch sonst findet man derartig kontrahierte Pigmentzellen fast nur in den Knochen, so z. B. recht zahlreich im Knochenmark und in den Wandungen der Haversischen Kanäle. rTY . . - [9 Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 21 In den Thorakalsäcken ist die Verteilung des Pigmentes eine ausserordentlich regelmässige. Die Pigmentzellen liegen fast alle in derselben Höhe und zeigen meist nur wenige kurze Ausläufer. Sie sind vielmehr oft annähernd polygonal und liegen dann nebeneinander wie Pflastersteine. Oft legen sie sich mit ihren Rändern so dicht aneinander, dass ihre Grenzen kaum kenntlich sind und nur die deutlich sichtbaren Kerne verraten, aus wie viel Zellen ein solcher Komplex besteht. So treten die Uhromatophoren auch an die Gefässe heran, ohne jedoch an deren wändern zahlreicher zu werden. Die Oberfläche der Gefässe bleibt von Pigment wieder ganz frei. Über dieser gleichmässigen Schicht liegen zuweilen noch kleine Gruppen von langgestreckten, spindel- förmigen Pigmentzellen. Arm an Pigment sind die abdominalen Luftsäcke; hier be- schränken sich die Chromatophoren darauf, in langgestreckter Spindelform beiderseits die Grefässe zu begleiten. Es entstehen so ganz ähnliche Bilder, wie sie Präparate vom Trommelfell zeigen. Die perivaskuläre Pigmenthülle. Das perivaskuläre Pigment dürfte eigentlich kaum bean- spruchen, als selbständige Hülle besprochen zu werden, da ja, wie wir gesehen haben, auch in der ceutanen, der perineuralen pericölomatischen Hülle das Pigment überall das Bestreben zu perivaskulärer Ablagerung zeigt. Gleichwohl will ich einige bisher noch nicht erwähnte Ablagerungen von Pigment um die Gefässe besonders besprechen. Das Herz ist nach Herausnahme aus dem Pericard pigment- frei, abgesehen von Fettanhäufungen an seiner Oberfläche, die von einem feinen pigmentierten Häutchen überzogen sind. Aber die vom Herzen abgehenden und in dasselbe einführenden Gefässe sind bereits reichlich pigmentiert. Sie erscheinen dadurch wie durch Injektion hervorgehoben und lassen sich bequem bis zum Eintritt in die Gewebe verfolgen. Auffallend sind auch die perivaskulären Pigmentablagerungen in den mit Mark und Fett erfüllten Knochenhohlräumen. Man findet Chromatophoren in den Markräumen sämtlicher Knochen. Am deutlichsten zeigen sie ihren perivaskulären Charakter in den grossen Markräumen der Röhrenknochen, wo man die Gefässe ebenfalls als dunkle Stränge durch den ganzen Knochen hindurch [0 J. Kuklenski: verfolgen kann. Sie sind dem Knochenmark und dem Fett so locker eingelagert, dass man sie mit einer Pinzette fassen und mit samt ihrer Pigmenthülle herausziehen kann (Fig. 16). Schöne Bilder ergeben (@uerschnitte, die durch das Knochenmark der Röhrenknochen angefertigt sind. Man sieht darauf in der Mitte des Präparates ein oder mehrere von dichten Pigmentmassen um- hüllte Gefässe (Fig. 16). Von hier aus strahlen die Pigmentzellen nach der Peripherie des Knochenmarkes aus und werden immer seltener, je näher sie dem Markrande kommen. Auch durch die Knochensubstanz des Schädels sieht man einige pigmentierte (refässe verlaufen. Man findet Pigment um die Gefässe des Knochens sonst meist nur da, wo sie aus dem den Knochen umhüllenden Bindegewebe in die Knochensubstanz eintreten. An den Haversischen Kanälen ist die - Pigmentierung stark reduziert, aber nicht ganz unterdrückt. Man findet hin und wieder auch in ihren Wandungen vereinzelte oder zu kleinen Gruppen angeordnete Pigmentzellen, die hier aber nie ausge- streckt und verästelt, sondern stets kugelig oder oval zusammen- geballt sind. Man findet sie auch nur in den Kanälen der Knochen- peripherie, wo sie wahrscheinlich vom Periost her mit eingeschleppt sind. Sie fehlen dagegen ganz den Gefässen, die mitten in der Knochensubstanz oder in der Nachbarschaft der den Markraum begrenzenden Knochenfläche liegen. Am zahlreichsten sind sie da, wo Gefässe aus dem Periost in den Knochen eintreten. Hier sieht man das Gefäss dann noch eine kurze Strecke weit von dichten Massen von Pigmentzellen, die noch ihre Ausläufer be- sitzen, umgeben. ‚Je weiter aber das Gefäss in den Knochen vor- dringt. um so seltener werden sie, um schliesslich überhaupt aufzuhören. Nicht überall indessen erfahren die anwesenden Pigment- massen in der Umgebung der Gefässe eine auffallende Steigerung. In manchen dünnen Häutchen, dem Periost, den Diaphragmal- säcken und der Hodenalbuginea z. B. ist die Verteilung der Chromatophoren eine ganz gleichmässige, auch zu beiden Seiten der (refässe. Die Oberseite und die Unterseite der Gefässe bleiben sogar ganz frei von Pigment. Dies ist allerdings auch da der Fall, wo das Pigment zu beiden Seiten der Gefässe eine Steige- rung erfährt, so dass man die Gefässe als helle Kanäle begrenzt von ganz dunklen Pigmentanhäufungen sieht. In der Hoden- Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 29 albuginea des alten Hahnes liess sich sogar in der Umgebung der Gefässe eine Abnahme des Pigmentes konstatieren (Fig. 4). Pigmentierung des Periosts und Perichondriums. Am auffallendsten und daher am längsten bekannt ist die Schwarzfärbung der Knochen. Überall, wo in älterer Literatur von Seidenhühnern die Rede ist, wird auch auf diese abnorme Knochenfärbung hingewiesen. Von der Pigmentierung der pneu- matischen Hohlräume der Schädelknochen, des Humerus, Cora- coids etc. war schon auf Seite 13 und 16 die Rede. Die ober- flächliche Schwarzfärbung der Knochen wird bedingt durch Ein- lagerung von zahlreichen Chromatophoren in das Periost, das ın gleichmässiger Schwärze sämtliche Knochen überzieht und das ganze Skelett wie aus Ebenholz geschnitzt erscheinen lässt. Farb- stoffe öliger Natur. denen Weidenreich diese auffallende Färbung zuschreibt, spielen dabei keine Rolle. Nach Entfernung des Periosts hat der Knochen die natürliche Färbung. Bei höheren Wirbeltieren ist Pigmentierung des Periostes auch nur als Anomalie bekannt geworden und auch dies nur bei Säugetieren. So erwähnt z. B. Feuereissen bei Beschreibung der Pigmentierung eines mit Melanose behafteten Kalbes auch Pigmentablagerungen im Periost: „Das Periost des Wirbelkanales ist an den entsprechenden Stellen total schwarz gefärbt, und, wenn man es mit dem Messer abkratzt, sieht man, dass das Pigment bis in den Knochen hineinreicht. Ein Teil des Wirbel- körpers der betreffenden Rückenwirbel zeigt gleichfalls eine schwarzgraue Färbung.“ An meinen Objekten habe ich feststellen können, dass die Schwarzfärbung sich nicht auch auf die unter dem Periost ge- legenen Knochen erstreckt, höchstens dringt sie mit dem Periost in kleine Risse und Vertiefungen oder mit den (refässen des Periosts auch in den Knochen selbst ein; die Pigmentierung ist dann aber nicht stark genug, um die Färbung der Knochen- substanz zu beeinflussen. Nur in den Röhrenknochen findet man kleinere zusammen- geballte Pigmentkörperchen der Knochensubstanz direkt einge- lagert. Es handelt sich hier indessen nicht um ganze Uhromato- phoren, sondern nur um Bruchstücke von solchen. Auch diese Körperchen stammen wahrscheinlich aus dem Periost resp. aus 24 J. Kuklenski: dem Perichondrium und sind beim Verknöcherungsprozess von den Pigmentzellen abgerissen und mit den Osteoblasten gemein- sam in den Knochen eingewandert. Jedenfalls findet man sie nur an dem dem Periost zugekehrten Knochenrande, während sie um den Markraum und die Gefässe herum, also in Knochenteilen, die von unpigmentierten Geweben aus ihren Ursprung nehmen, ganz fehlen. Die Pigmentierung des Periosts ist eine äusserst gleich- mässige. Sie nimmt in der Umgebung der Gefässe kaum merklich zu und fehlt über und unter denselben fast ganz (Fig. 13). Ebenso wie das Periost ist auch das Perichondrium stark pigmentiert. Seine Pigmentierung gibt z. B. der Luftröhre einen pechschwarzen Anstrich, der noch dadurch erhöht wird, dass sich die einzelnen an sich schon stark pigmentierten Knorpel- ringe übereinander schieben. So kommt es, dass man auf Schnitten durch die Trachea meist drei oder vier konzentrisch ineinanderliegende Pigmentringe sieht (Fig. 22). Auch die knorplig bleibenden Teile des Skeletts liegen in schwarzen Hüllen, während die Knorpelsubstanz selbst stets frei von Pigment ist. Bei älteren Embryonen ist das Perichondrium der knorplig präformierten Knochen ebenfalls reich an Pigmentzellen, die bei der Verknöcherung als Chromatophoren des Periosts erhalten bleiben. Am auffallendsten und reichlichsten ist die Umhüllung des Meckelschen Knorpels pigmentiert, den man auf Schnitten in einem ungemein dicken Chromatophorenkranz liegen sieht. Ob hier bei der Resorption des Meckelschen Knorpels auch die Pigmentzellen mit zu Grunde gehen oder ob sie sich an der Pigmentierung der Wandungen beteiligen, die den im Unter- kiefer sich bildenden Hohlraum auskleiden, habe ich leider aus Mangel an den geeigneten Stadien nicht feststellen können. Für wahrscheinlicher halte ich das Erstere, weil in der Regel das Perichondrium des Meckelschen Knorpels stärker pigmentiert ist als die Wandungen der pneumatischen Höhlen des Unter- kiefers. Pigmentierung der Muskulatur und der Sehnen. Zu den pigmentierten Geweben der Seidenhühner gehört auch ihre Muskulatur. Die Pigmentierung unterliegt hier indi- viduellen Schwankungen und ist durchweg eine ziemlich spärliche. Betroffen werden aber von ihr alle Muskeln. Die Chromatophoren 106) hd Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. liegen im intermuskulären Bindegewebe bald äusserst spärlich, bald etwas reichlicher; nie aber sind sie so zahlreich, dass die Färbung der Muskulatur dadurch beeinflusst wird. Bemerkens- wert ist auch die Pigmentierung der Sehnen, die aber noch grösseren Schwankungen unterliegt als bei der Muskulatur. Ein Teil der Bänder bleibt ganz frei von Pigment, andere wieder erscheinen nur an ihrer Oberfläche mehr oder weniger pigmen- tiert, während bei manchen das ganze Gewebe von Chromato- phoren durchsetzt ist. Oft ist die Pigmentierung eine so starke, dass schon bei makroskopischer Betrachtung die Sehnen als graue Bänder erscheinen. Am stärksten pigmentiert ist das Ligamentum nuchae. Es ist auch in seinem Innern gleichmässig pigmentiert. Fig. 19 veranschaulicht einen Querschnitt durch dasselbe von einem 6 Tage alten Hühnchen. Die Pigmentierung der Drüsen. Von den Drüsen der japanischen Seidenhühner ist der bei weitem grösste Teil pigmentiert. Eine eigenartige Pigmentierung zeigen die Geschlechtsorgane. Beim Hoden findet sich Pigment nicht nur in der Albuginea, sondern auch in der Drüse selbst (Fig. 21). Die Hodenalbuginea ist von einem reichlichen Chroma- tophorennetz durchzogen, das hier auffallenderweise, wenigstens zeigten dies Präparate von einem alten Hahn deutlich. gerade die Gefässe frei lässt, so dass diese ihrerseits schon makro- skopisch sichtbar als helles Netz durch die dunkle Grundsubstanz ziehen. Im Innern des Hodens ist das interstitielle Bindegewebe überall ganz auffallend pigmentiert. Mit den in den Hoden- zwischenzellen auch bei Säugetieren beobachteten Fetttröpfchen, Pigmentkörnern und Kristallen hat dieses Pigment nichts zu tun. Welcher Art das von Leydig und Solger im Hoden einiger Vögel beobachtete Pigment ist, wird von diesen Autoren nicht näher angegeben. Bei Seidenhühnern handelt es sich jeden- falls auch hier um typische, dem interstitiellen Bindegewebe ein- gelagerte Chromatophoren. Auffallend war bei der Untersuchung, dass bei einem jungen noch nicht geschlechtsreifen Hahn der Pigmentreichtum im Hoden ein viel grösserer war als bei einem alten. Die einzelnen Hodenkanälchen waren hier ganz von Chromatophoren umlagert, so ‚dass man auf Schnitten ganze Züge von Pigmentzellen sich zu einem gleichmässigen Netz an- 26 J. Kuklenski: ordnen sieht, in dessen Maschen die Querschnitte der einzelnen Hodenkanälchen liegen. Schon bei makroskopischer Betrachtung erschien der Hoden des jungen Hahnes äusserlich und innerlich vollkommen schwarz. Auch die Albuginea ist viel dunkler als beim alten Hahn. Auf Schnitten sieht man in ihr mehrere Schiehten von Chromatophoren konzentrisch dicht übereinander gelagert, die meist selbst die (sefässe vollkommen umhüllen. Ob es sich hier um eine individuelle Verschiedenheit handelt oder ob die Pigmentierung des Hodens bei jungen Hähnen immer eine stärkere ist als bei alten, konnte ich leider nicht feststellen, weil mir nur diese beiden männlichen Exemplare zur Verfügung standen. Ausgeschlossen wäre eine wenigstens teilweise Resorption der Chromatophoren ja nicht, da von Weidenreich und Kerbert ebenfalls das Auftreten und spätere Schwinden von Pigment im Integument von Hühnerembryonen beobachtet worden ist und da auch andere Autoren erwähnen, dass wenigstens die Haut bei pigmentierten Vögeln in der Jugend viel dunkler ist als an alten Tieren. Bei Amphibien ist Entpigmentierung der Larven bei zunehmender Entwicklung ja eine bekannte Tatsache. Ovar. Noch reichlicher mit Pigmentzellen durchsetzt als der Hoden ist das Ovar. Hier liegen überall im ganzen Gewebe dichtgedrängte Anhäufungen von Chromatophoren am dichtesten wieder um die (efässe. Das Follikelepithel bleibt frei von Pigment. Um so auffallender ist eine meist vollkommen ge- schlossene Schicht von Chromatophoren, die das Follikelepithel umgibt. Von hier aus wuchern die Pigmentzellen in entleerte oder atrophierte Follikel hinein und füllen den ganzen Hohl- raum aus, so dicht, dass man einzelne Zellen gar nicht mehr unterscheiden kann, sondern man nur eine einheitliche schwarze Fläche unter dem Mikroskop sieht (Fig. 23). Auftreten von Pigment in atrophierten Follikeln ist zwar keine Seltenheit; in- dessen dürfte eine dermaßen reichliche Anhäufung derselben kaum je beobachtet worden sein. Makroskopisch betrachtet gleicht der Eierstock einer schwarzen Traube, an der nur die grösser gewordenen Eier hell hervorschimmern. | Niere. Eigenartig sind auch die Pigmentierungsverhältnisse in der Niere. Die kindensubstanz ist stets frei von Pigment, während Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 27 man es in der Marksubstanz oft ziemlich reichlich findet. Es liegt hier im interstitiellen Bindegewebe zwischen den einzelnen Harnkanälchen, wahrscheinlich angelockt durch die in demselben verlaufenden Gefässe, um die herum es sich aber nie in so dichten Massen anhäuft, wie dies in anderen Geweben der Fall ist. Vielmehr trifft man hier Ghromatophoren im allgemeinen nur selten und vereinzelt. Häufiger sind sie an der Grenze zwischen Rinden- und Marksubstanz. Fig. 20 zeigt einen Teil der Marksubstanz, die durch eine Pigmenthülle von der Rinden- substanz förmlich abgekapselt erscheint. Das interstitielle Bindegewebe geht an der Obertläche der Niere in die Tunika fibrosa über, die noch reichlicher pigmentiert ist und dadurch der Nierenoberfläche eine graue Farbe verleiht. Zahlreiche Pigmentzellen findet man auch da, wo die Nieren im Becken angeheftet sind. Sie liegen auch hier im Binde- sewebe, am zahlreichsten um die Gefässe und die ableitenden Kanäle. Nebenniere. Bei der Nebenniere enthält Pigmentzellen in grösserer An- zahl nur die bindegewebige Kapsel und die Fortsätze, die diese ins Innere des Organs entsendet. Auch hier reicht ihre Menge nicht aus, um die Oberflächenfärbung des Organs zu beeinflussen. Im Gewebe der Rinden- und Marksubstanz selbst treten nur sehr selten vereinzelte Chromatophoren auf. Leber und Pankreas, Drüsenmagen und Drüsen der Mundhöhle. Arm an Pigment sind die Drüsen des Darmes. In der Leber habe ich Pigmentzellen nirgends gefunden, weder an der Ober- fläche noch im Innern des Gewebes. Selbst grössere (Gefässe führen kein Pigment mit. Es hat also dieses Organ genau die- selbe Färbung und Beschaffenheit, wie auch bei unpigmentierten Hühnerrassen. Recht wenig Pigment enthält auch das Pankreas. Es hat, makroskopisch betrachtet, die natürliche Färbung. Auch bei mikroskopischer Untersuchung erkennt man, dass seine Ober- fläche fast frei von Pigmentüberzügen ist. Stellenweise findet man hier allerdings kleine Ansammlungen von Chromatophoren. Auch das Innere der Drüse ist von Pigment frei. Pigmentiert sind die an das Pankreas herantretenden Gefässe, aber nur vor 28 TeRenklenski: ihrem Eintritt in dasselbe, während sie äusserst selten einmal einzelne Chromatophoren in das Organ mit einschleppen. Ferner findet man auch Pigment zwischen den Drüsen des Drüsenmagens und in den Drüsen der Mundhöhle. Milz. Bei der Milz ist wesentlich nur die Kapsel pigmentiert; sie lässt sich als dunkles Häutchen von dem Organ abziehen. Das Parenchym selbst ist dann frei von Pigment, während es in den Wandungen der Arterien oft sogar ziemlich reichlich vor- kommt. Bürzeldrüse. Auch die bindegewebige Umhüllung der Bürzeldrüse ist pigmentiert und lässt dies Organ, oberflächlich betrachtet, “ schwarz erscheinen. Das Pigment kommt auch zwischen den einzelnen Drüsenläppchen zur Ablagerung, allerdings in recht unregelmässiger Verteilung. Man findet es hier stellenweise so reichlich, dass die ganzen Zwischenräume davon erfüllt sind, während es an anderen Stellen ganz in den Zwischenräumen fehlt. Thymus. Die Thymusdrüse zeigt ebenfalls Chromatophoren im Binde- gewebe an ihrer Peripherie, jedoch nicht in ihrem ganzen Um- fange, sondern nur hier und da. Ihre Menge ist indessen nicht hinreichend, um die ganze Oberfläche des Organes dunkel zu färben; diese hat vielmehr dieselbe Färbung, wie auch bei un- pigmentierten Hühnerrassen, nur hier und da gewahrt man kleine, kaum merkliche dunklere Flecken. In den Bindegewebs- zügen, die ins Innere der Drüse vordringen und die ihre ein- zelnen Läppchen begrenzen, befinden sich ebenfalls Pigmentzellen. Auch kommen sie, allerdings selten, im ganzen Rindenteil vor. Thyreoidea. Die Schilddrüse weist wieder reichlichere Mengen von Pigment auf. welches hauptsächlich um das ganze Organ eine dichte Hülle liefert. Auch die peripher gelegenen Follikel werden oft noch ganz von Chromatophoren umschlossen, während man solche mehr nach dem Drüsenzentrum hin nur ganz selten findet. Meist werden auch die Gefässe, die in die Schilddrüse eintreten, noch eine Strecke weit von Pigmentzellen begleitet, die, je weiter Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 29 das Gefäss in das Organ eindringt, immer seltener werden und schliesslich ganz aufhören. Wahrscheinlich werden aber auch die wenigen im Drüseninnern selbst liegenden Chromatophoren auf diese Art mit eingeschleppt. Noch mehr Pigment als die Schilddrüse selbst enthalten die Parathyreoideae auch in ihrem Innern. Hier findet man einzelne Pigmentzellen nur selten, oft dagegen ganze Gruppen von solchen, so dass man auf Schnitten in der sonst pigmentfreien Drüse grössere schwarze Flecken sieht. Auch die Corpora postbranchialia enthalten Pigment. Erstes Auftreten, Struktur und Lagerung der Pigmentzellen. Die bei der Entwicklung der Seidenhuhnembrvonen zuerst im Bindegewebe auftretenden Chromatophoren haben dieselbe Gestalt und Grösse wie die Bindegewebszellen. Man sieht auf den Gewebeschnitten unter den verzweigten kernhaltigen Binde- gewebszellen auch solche, die sich nur dadurch von innen unter- scheiden, dass sie dunkle Pigmentkörnchen enthalten. Letztere sammeln sich oft um den Kern an und lassen die Ausläufer frei, so dass dadurch solche Zellen kugelig erscheinen Auch bei den Seidenhühnern ist die Form der Chromato- phoren die typische, nämlich eine unregelmässige Sternform. Die Pigmentzellen sind hier aber nie zu so schönen und regel- mässigen mit langen Ausläufern versehenen Formen ausgebildet. wie man sie oft bei Fischen und Amphibien findet. Die Aus- läufer sind vielmehr kurz und unregelmässig am ganzen Zell- körper verteilt. Oft sind sie nur so wenig zahlreich oder so kurz, dass die Zellen polygonal erscheinen. Dann findet man auch noch die schon erwähnten kuügelig oder oval zusammen- geballten Chromatophoren, die aber aus verzweigten Zellen her- vorgehen und sich auch wieder in solche verwandeln. Nach Ansicht der meisten Autoren wird dieser Formenwechsel dadurch bedingt, dass die Pigmentkörnchen aus den Ausläufern und der Peripherie der Zelle nach ihrem Zentrum strömen und hier den Kern umhüllen. Die Ausläufer bleiben dabei erhalten und werden nur durch das Zurücktreten des sie sichtbar machenden Pig- mentes unsichtbar gemacht. Die Ausläufer der verzweigten Pigmentzellen kommunizieren oft mit denen benachbarter Zellen und können so ein kontinuierliches Netz bilden. 50 J. Kuklenski: Ausgestreckte Chromatophoren bilden einen flachen Körper. Auf Querschnitten erscheinen sie daher viel schmäler. Sie zeigen die Tendenz, ihre Fläche auch der Oberfläche des Organs zuzu- kehren, in das sie eingelagert sind. In Flächenpräparaten von den dünnen Häutchen wie Periost, Gehirnhäuten, Mesenterium. Luftsäcken etc. sieht man sie daher stets von der Fläche, nie seitlich. Unregelmässiger ist die Verteilung in kompakteren @Gewebeteilen, z. B. in der Muskulatur. Wo man die Chromato- phoren von der Fläche und in ihrer ganzen Entfaltung sieht, lassen die Pigmentkörnchen den Zellkern stets frei, so dass er als kreisrunder, heller Fleck in der Zelle sichtbar wird; nur bei ganz zusammengeballten Zellen wird er von den Pigmentkörnchen vollkommen überdeckt. Formwechsel. Wie weit bei den Seidenhühnern die Fähigkeit gelıt, die Chromatophoren zu ballen und auszubreiten, habe ich an meinem Material nicht feststellen können. Hierzu wären experimentelle Untersuchungen nötig, die zweifellos zu interessanten Resultaten führen würden. Ich selbst habe bei meinen Untersuchungen meist nur vollkommen ausgebreitete Pigmentzellen gesehen. Zahlreiche geballte Chromatophoren habe ich nur in denjenigen Teilen der Luftsäcke gefunden, die in die Knochenhohlräume des Humerus und des Coracoids eindringen, ferner im Knochenmark und hier und da in den Wandungen der Haversischen Kanäle, also merk- würdigerweise immer gerade dann. wenn die Gewebe, in die sie eingebettet liegen, sich innerhalb von Knochen befinden. Es scheint hier die Ballung der Chromatophoren sogar mit ihrem Einschluss im Knochen in Zusammenhang zu stehen, denn ausser- halb der Knochen enthalten z. B. auch die Luftsäcke nur voll- kommen ausgebreitete Pigmentzellen. Es ist möglich, dass diese Erscheinung dadurch bedingt wird, dass die Konservierungs- tlüssigkeiten nur langsam in die Knochen eindringen und ein Teil der Chromatophoren vor ihrem völligen Absterben noch Zeit genug hat, das Pigment zu ballen. Allgemeiner Teil. An der Hand seiner Untersuchungen kommt Weidenreich zu der Überzeugung, dass es sich in den vier Pigmenthüllen Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 31 der Wirbeltiere um Lichtschutzorgane und hauptsächlich um Wärmespeicherungsorgane handelt. Im Einklang mit dieser Auf- fassung steht die Tatsache, dass man die vier Hüllen regel- mässig bei poikilothermen Wirbeltieren findet, die darauf an- gewiesen sind, sich die Wärmestrahlen der sie umgebenden Medien dienstbar zu machen, während bei Warmblütern die Pigmentierung im wesentlichen auf die cutane und teilweise auf die perineurale Hülle beschränkt bleibt. Die eutane Pigment- hülle der Warmblüter unterscheidet sich aber von der der niederen Wirbeltiere dadurch, dass sie hier epidermalen Charakter trägt, während bei wechselwarmen Wirbeltieren das Pigment im Corium liegt. Bei Seidenhühnern liegt das Pigment ebenso, wie bei Kalt- blütern, im Corium. Die Möglichkeit, dass auch hier und bei Vögeln überhaupt das cutane Pigment die Funktion eines Wärme- speichers hat, mag zugegeben werden. Wenigstens sprechen da- für die Beobachtungen, nach denen junge Vögel, die noch nicht in einem genügend entwickelten Federkleid den nötigen Wärme- schutz besitzen und zum Teil auch noch auf die Wärme der alten Tiere angewiesen sind, stärker pigmentiert sind als alte Vögel derselben Art. Auch die Befunde Weidenreichs und Kerberts, dass in Hühnerembryonen, die noch der Wärme- zufuhr von aussen her bedürfen, sich Pigment in der Epidermis befindet, das später wieder verschwindet, sprechen für diese Auf- fassung. Nach der Weidenreichschen Theorie müssten nun aber den Warmblütern die anderen Pigmenthüllen vollkommen fehlen, weil sie hier überflüssig und zwecklos geworden sind. Tatsächlich ist dies ja auch bei den meisten Tieren der Fall, höchstens findet man ganz unwesentliche Pigmentanhäufungen, die sich eventuell als Reste einer dieser Hüllen deuten lassen. Bei den Seidenhühnern sind nun aber wieder nicht nur alle vier Hüllen in weitgehendstem Maße vorhanden, sondern es enthalten ausserdem noch eine ganze Reihe von anderen Ge- weben reichlich Pigment, das sich keiner dieser vier Hüllen einordnen lässt. Em physiologischer Grund dieser auffallend starken Pigmentierung gegenüber anderen Hühnerrassen lässt sich kaum einsehen, denn die Bedingungen, unter denen pig- mentierte und unpigmentierte Hühnerrassen gezüchtet werden, J. Kuklenski: [8 sind genau dieselben. Weidenreich, dem allerdings Angaben über die Pigmentierung von Seidenhühnern fehlten, versuchte diesen Widerspruch gegen seine Theorie dadurch zu umgehen, dass er annahm, es könnte sich hier vielleicht gar nicht um richtige Pigmente, sondern vielmehr um ölartige Pseudopigmente handeln. Diese Annahme hat sich aber als unhaltbar erwiesen, da derartige Farbstoffe nirgends vorkommen. Die Theorie von der physiologischen Bedeutung des Pigmentes wird sich also damit. abfinden müssen, dass tatsächlich ein vollkommen von Pigmentzellen durchsetzter Warmblüter existiert. Unmöglich wäre es nicht, dass die Uhromatophoren auch eine Rolle beim Stoif- wechsel spielen. Es bliebe sonst nur die Deutung übrig, sie lediglich für ein zweckloses Produkt künstlicher Zuchtwahl zu halten. Dass man in den Seidenhühnern noch eine primitive Form vor sich hat, ist unwahrscheinlich, denn alle ihre Organe sind genau so gut entwickelt, wie bei allen anderen Vögeln. Ausser- dem stammen sie zweifellos von unpigmentierten Hühnern ab. Auch um eine Krankheit, ähnlich der Morbus Addisonii, kann es sich nicht handeln, da die Tiere durchaus keine Krank- heitserscheinungen zeigen. Ausserdem sind nicht nur Einzel- individuen davon betroffen, sondern es handelt sich um eine festgelegte Rasse, die konstant ihren Pigmentreichtum vererbt. Sogar ist die Pigmentierung eine recht nachhaltige, denn selbst nach mehrfachen Kreuzungen mit unpigmentierten Hühnerrassen ist die Pigmentierung immer noch recht reichlich. Vielleicht lässt sich der Pigmentreichtum durch den Satz Weidenreichs erklären, dass Wärme unter allen Umständen pigmentbildend wirkt, obwohl bei homoiothermen Tieren nach seiner Wärmespeicherungstheorie nur das Integument von einer Vermehrung des Pigmentes betroffen werden dürfte. Es müsste dann diese Hühnerrasse unter dem Einfluss eines warmen Klimas zu ihrer abnormen Pigmentierung gekommen sein. Am wahr- scheinlichsten scheint mir zu sein, dass sie durch künstliche Zuchtwahl aus Hühnern entstanden ist, die zufällig als Anomalie in ihren Geweben Pigment enthielten, ähnlich wie dies bei Säugetieren vorkommt. Zwar ist, abgesehen von der schon er- wähnten Pigmentierung des Hodens, über das Vorkommen von Melanose bei Vögeln nichts in Erfahrung zu bringen. Es mag [S%) > Uber das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. dies aber hauptsächlich daran liegen, dass systematische Unter- suchungen in dieser Hinsicht nicht unternommen worden sind und zufällige Funde, wie sie an Säugetieren gemacht worden sind, deshalb ausgeschlossen sind, weil Geflügel der Fleisch- beschau nicht unterworfen ist. Bei Säugetieren sind jedenfalls die meisten Fälle von Melanose an zur Fleischbeschau kommenden Schlachttieren zu konstatieren. Da hier die Melanose oft auf- tritt, ohne den Gesamtorganismus merklich schädigend zu be- einflussen, wäre es wohl denkbar, dass sie sich durch künstliche Zuchtwahl zu einer derartigen Entwicklung, wie man sie an den Seidenhühnern beobachten kann, heranzüchten lässt. Möglich, dass auch gewisse Schädigungen des Gesamtorganismus, wie Degeneration des Gefieders und Verlust des Flugvermögens, da- mit in Zusammenhang stehen. Das anormale Vorkommen von Pigment bei Säugetieren erklärt K. H. Hertwig dadurch, dass ein Teil der im Körper gebildeten Pigmente nicht, wie dies normalerweise der Fall ist. zur Färbung der Haare Verwendung findet, sondern sich in sonst pigmentfreien Geweben ablagert. Auf derselben Auffassung fussen die Angaben von Siedamgrotzky, der erwähnt, dass ein von schwarzen Eltern stammendes, rotbuntes Kalb, das also eigentlich schwarzes Pigment in den Haaren hätte aufweisen müssen, anstatt dessen mit Melanose behaftet war. Auch Degive teilt mit, dass ein von ihm untersuchtes Kalb unter einer weissen Stelle am Kopfe schwarze Färbung im Bindegewebe zeigte. (Diese drei Angaben nach Feuereissen.) Es würde diese Auffassung auch auf meine Objekte zu- treffen, da die Federn der mir zur Verfügung stehenden Tiere stets frei von Pigment waren. Dafür spricht ausserdem die Tat- sache, dass gerade unmittelbar um die Federn, soweit diese in der Haut stecken, die Pigmentansammlungen ganz besonders reichlich sind. Die Federwurzeln sind nämlich von einer dichten Hülle von Pigmentzellen umgeben, die man auf Schnitten sich als Kranz um den Federquerschnitt legen sieht (Taf. I, Fig. 1). Andererseits werden in Brehms Tierleben auch Seidenhühner mit schwarzen und bunten Federn erwähnt. Ob hier die Pig- mentierung des Gefieders auf Kosten der Körperpigmentierung geht, war mir leider unmöglich nachzuprüfen, da solche Tiere hier nicht zu beschaffen waren. Archiv f. mikr. Anat. Bd.S7. Abt. I. > 34 J. Kuklenski: Zusammenfassung. 1. Die Schwarzfärbung der Gewebe bei Seidenhühnern wird bedingt durch typische Chromatophoren. Farbstoffe öliger Natur spielen nirgends eine Rolle. 2. Entgegen der Wärmespeicherungstheorie Weidenreichs findet sich Pigment nicht nur in der eutanen und perineuralen Hülle, sondern wie bei Kaltblütern auch in der pericölomatischen und perivaskulären Hülle. Aber selbst ausserhalb dieser vier Hüllen kommt es in zahlreichen Organen und Geweben vor, in denen es sogar bei niederen Wirbeltieren fehlt. Unter ihnen ist am auffallendsten die Pigmentierung der das Skelett über- ziehenden Häute. 3. Das Pigment liegt stets im Bindegewebe; pigmentierte Epithelien habe ich nicht gefunden. 4. Knorpel und Knochen enthalten keine Pigmentzellen. Jedoch findet man an der äusseren Peripherie der Röhrenknochen kleinere Trümmer von Chromatophoren in der Knochensubstanz selbst, die wahrscheinlich beim Össifikationsprozess vom Periost aus mit eingeschleppt sind. 5. Arm an Pigment sind die meisten Drüsen. Bei einigen ist wenigstens die bindegewebige Hülle reichlich pigmentiert. Ganz frei von Chromatophoren ist die Leber; dagegen sind stark pigmentiert die Geschlechtsdrüsen. 6. Entstanden ist diese Rasse wahrscheinlich durch künst- liche Zuchtwahl melanotischer Tiere. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I und II. Fig. 1. Querschnitt durch den im Corium steckenden Teil einer Feder. Fig. 2. Flächenbild von der Haut der Flügelinnenseite. Fig. 3. Halsfaszie, Flächenbild. Fig. 4. Hodenalbuginea, Flächenbild. Fig. 5. Dura mater des Gehirns. Fig. 6. Pia mater vom Gehirn, Flächenbilder. Fig. 7. Bälkchen aus dem spongiösen Knochengerüst des Oceipitale. Fig. 8. Häutchen aus den pneumatischen Hohlräumen des Oceipitale, Flächenbild. Fig. 9. Querschnitt durch das Integument des Laufes. Fig. 10. Knochenmark, Querschnitt. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. I. 12. 13. 14. Über das Vorkommen und die Verteilung des Pigmentes. 35 11. Trommelfell, Flächenbild. 12. Pericard, Flächenbild. 13. Pneumatische Hohlräume im Frontale, Schnitt. 14. Diaphragmalsack, Flächenbild. 15. Peripherer Rand eines Röhrenknochens, Querschnitt. 16. Gefäss aus dem Knochenmark. 17. Darm, Flächenbild. 18. Periost, Flächenbild. 19. Ligamentum nuchae, Querschnitt. 20. Marksubstanz aus der Niere, durch eine Pigmenthülle von der. Rindensubstanz getrennt. 21. Hoden, Schnitt. 22. Trachea, Querschnitt. 23. Ovar, Schnitt. Literaturverzeichnis. Adachi, B.: Über das Hautpigment beim Menschen und den Affen. Zeitschr. f. Morphol. und Anthropol., Bd. 6, 1913. Asvadoarova: Recherches sur la formation de quelques cellules pig- mentaires et des pigments. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 15, Heft 2. Babuchin, 1872: Das Geruchsorgan. In: S. Strickers Handbuch von den Geweben. Ballowitz, 1893: Über die Bewegungserscheinungen der Pigment- zellen. Biol. Zentralblatt, Bd. 13. Derselbe, 1893: Die Nervenendigungen der Pigmentzellen. Zeitschr. f£. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 56. 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Die Entwicklung der Milchdrüse beim Menschen ist so viel- fach untersucht worden, dass sie als fast vollkommen bekannt gilt. Die grundlegenden Arbeiten über diesen Gegenstand liegen aber so weit zurück — Reins Untersuchungen erschienen vor 25 Jahren — dass eine genaue Nachuntersuchung an der Hand eines grösseren Materiales kaum überflüssig erscheinen dürfte. Dies um so weniger, wenn man die seit damals erzielten Fort- schritte der histologischen Technik in Erwägung zieht. Ich habe es daher unternommen, an dem Material der I. Anatomischen Lehrkanzel der Wiener Universität die Ent- wicklungsgeschichte der menschlichen Mamma zu untersuchen. Die Reichhaltigkeit dieses Materials, welches mir Objekte aus fast allen Entwicklungszeiten des menschlichen Embryonal- lebens, sowie aus der unmittelbar daranschliessenden postfötalen Zeit bot, ermöglichte mir einen ziemlich genauen Einblick in die sich während dieser Zeit abspielenden Veränderungen. Im Ganzen wurden ca. 50 Stadien untersucht. Hierbei gelang es mir, eine Reihe neuer Befunde nicht nur bezüglich der Anlagezeit, sondern auch hinsichtlich mancher Details in der Histogenese zu gewinnen. Ein Teil der Untersuchungen wurde an den bereits in Serien geschnittenen Embryonen der erwähnten Institutssammlung durchgeführt, ein anderer Teil an Präparaten, die folgender- maßen gewonnen wurden: es wurden die Mammae der Embryonen mit angrenzendem Stück Brusthaut herausgeschnitten und dann in Serien zerlegt. Die Embryonenserien sind durchwegs mit Hämalaun-Eosin gefärbt, die Mammae der Föten und Neugeborenen sind sämtlich in Kolmer fixiert und teilweise mit Eisenhämatoxylin-Eosin, teil- Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 3 weise mit Hämalaun-Eosin, einzelne auch nach van Gieseon gefärbt. Die Dicke der Schnitte beträgt 10 u. Aus der Reihe der untersuchten Präparate möchte ich ein- zelne charakteristische Stadien beschreiben. 1. Embryo hum. Hi, 8 mm gr. L. Knapp unterhalb des Ansatzes der oberen Extremitäten zeigt sich an der Seite der vorderen Thoraxwand eine Epithel- verdickung, die in ihrem kranialen Teile ganz wenig, gegen ihre Mitte zu etwas mehr über das übrige Hautniveau hervorragt. An der Stelle der höchsten Erhebung (siehe Fig. 1) ist das Epithel deutlich vierreihig, geht aber nach den Seiten zu plötzlich in das übrige ein- bis zweireihige Epithel der Hautdecke über. In kaudaler Richtung verliert sich die Epithelverdickung erst ober- halb des Ansatzes der unteren Extremitäten. Diese lineare Epithel- verdickung stellt die erste nachweisbare Anlage der embryonalen Mamma dar und wird als Milchstreifen bezeichnet. Dieser ist an ca. SO Schnitten sichtbar, was eine Länge von etwa 0,8 mm ereibt. An der Basis der Epithelverdickung ist das embryonale Bindegewebe etwas zellreicher. Lateral und dorsal vom Milch- streifen findet sich eine zweite Epithelverdickung, die der Ansatz- linie der Extremitäten entspricht. 2. Embryo hum. DL, 9 mm Sch.-St. Der Milehstreifen beginnt in der Höhe des Ansatzes der oberen Extremitäten und verschwindet unterhalb des Ab- ganges des Funiculus umbilicalis. Die Epithelverdickung. die in ihrer unteren Hälfte über das übrige Hautniveau gar nicht her- vorragt, ist an ca. 150 Schnitten sichtbar, also entsprechend der Schnittdieke von 10 « 1,5 mm lang. 3. Embryo hum. BR, 9,75 mm. Medial und etwas unterhalb des Abganges der oberen Extremitäten tritt zuerst eine zwei- bis dreireihige Epithelver- dickung auf, die an weiter kaudal gelegenen Schnitten zunimmt. Es beteiligen sich dann vier bis sechs Zellreihen an der Epithel- verdickung (siehe Fig. 2). Medial und lateral setzt sich die Er- hebung allmählich in die übrige zweischichtige Epidermis fort. Die Epithelverdickung wurde wegen ihrer ‘grösseren Erhebung über die umgebende Haut als Milchleiste beschrieben. Sie 40 Hilda Lustig: ist an diesem Embryo bis in die Höhe des Nabelstieles zu ver- folgen. Allerdings ist sie in ihrer unteren Hälfte nur mehr als ganz flache Erhebung sichtbar. Im ganzen erreicht sie eine Länge von 1,080 u. 4. Embryo hum. Hy. 10 mm gr. L. Zirka 50 Schnitte nach Absetzen der oberen Extremität ist die Epithelverdickung als Knospe deutlich am Horizontalschnitt sichtbar und wächst in ihrem Tiefendurchmesser, dann nimmt sie wieder ab und bleibt als immer weniger tief werdende Epithel- verdickung durch etwa 15 Schnitte bestehen. Die ganze Epithel- anlage ist durch 50 Schnitte verfolgbar, das ist 0,5 mm lang. In der unmittelbaren kranialen und kaudalen Fortsetzung der Anlage besteht die Vorwölbung weiter, ist hier aber nur durch blosse Beteiligung des zellreichen Bindegewebes hervorgerufen. So erstreckt sich die ganze Anlage von der Höhe der noch nicht vollständig abgesetzten oberen Extremität bis zur Nabelhöhe durch etwa 1200 «, während auf die eigentlich epitheliale Drüsen- anlage nur 500 « kommen. Man sieht also schon eine Reduktion der epithelialen Bildung gegenüber den früheren Stadien. Während die Epithelverdickung an den jüngeren Embryonen eine Länge von 1000 « und darüber erreichte, findet man sie hier wohl in ihrem Tiefendurchmesser auf das Doppelte vergrössert (siehe Fig. 5), in ihrer Länge jedoch auf die Hälfte verkleinert. 5. Embryo hum. H., 11mm Sch.-St. (Horizontalschnitt). An der Ventralseite des Embryo befindet sich medial von der Extremitätenansatzlinie eine Erhöhung. Im Horizontalschnitt stellt sie sich dar als Epithelverdickung, die nicht nur gegen die freie Körperoberfläche, sondern auch gegen die Uutis zu eine Konvexität aufweist (vergl. auch Fig. 3). 6. Embryo hum., 12 mm gr. L. An einer zirkumskripten Stelle wird das Epithel mehr- reihig. Ausserdem verdichtet sich das Bindegewebe an dieser Stelle in einen kraniokaudal verlaufenden Zug. Die Epithelver- diekung verliert in kaudaler Richtung an Höhe, während das darunter liegende Mesenchymgewebe, solange die Epithelverdickung noch sichtbar ist, nahezu nichts von seiner Höhe einbüsst. Auch dort, wo die Epidermisverdickung vollkommen abgeflacht ist, sieht man noch eine Cutisvorwölbung. Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 41 7. Embryo hum. Dr. WR, 14 mm gr. L. (Sagittalschnitt). An der Ventralseite medial und unterhalb des Abganges der oberen Extremität findet man die Epithelknospe, die sich ziemlich tief in die Cutis einsenkt. Sie ist von dieser deutlich durch den hellen Saum des Protoplasmas der basalen Epithelzellen geschieden (siehe Fig. 4). Im übrigen unterscheidet sich die Mammaranlage nicht wesentlich von der der obengenannten kleineren Embryonen. 8. Embryo hum. Mi, 16,75 m (Horizontalsehnitt). Das Epithel ist zum Teil abgelöst, die bikonvexe Mammar- anlage an einzelnen Schnitten herausgefallen. Um so deutlicher kommt dadurch die Eindellung des Bindegewebes an dieser Stelle zum Ausdruck. Es bildet sich medial und lateral von der Ver- tiefung ein Wall, der, wie die Delle selbst, über das übrige Bindegewebeniveau hinausragt. In kaudaler Richtung flacht der Wall immer mehr ab, je nach dem Flacherwerden der linsen- förmigen Anlage. 9. Embryo hum. WR, 17 mm (Horizontalschnitt). Die Anlage nimmt im ventrodorsalen Durchmesser zu. Sie erscheint am Horizontalschnitt nahezu kreisförmig. Die Zell- anordnung zeigt beginnende radiäre Struktur (siehe Fig. 5). Das Bindegewebe ist dicht in mehreren konzentrischen Schichten der Mammaranlage angeschlossen. In der Zirkumferenz folgen sodann Hohlräume, die jedenfalls (Gefässkapillaren angehören, dann erst das übrige Bindegewebe, welches in seiner Bauart keine nennenswerten Besonderheiten aufweist. 10. Embryo hum. Nat., 19,75 mm (Horizontalschnitt). Die Epithelknospe hat an Tiefe zugenommen, gleichzeitig ist sie weniger breit. Die Radiärstruktur in der epithelialen Anlage ist noch vorhanden, doch stehen die Zellen im Zentrum weniger dicht. ll. Embryo hum. WR;, 26 mm (Sagittalschnitt). In der Höhe der zweiten Rippe befindet sich eine zirkum- skripte Epithelverdickung von Linsenform. Von ihr kaudal- wärts zieht eine Linie etwas verdickten Epithels bis zur eigent- lichen Drüsenanlage, die am Sagittalschnitt zwischen der dritten und vierten Rippe erscheint. Die Mammaranlage befindet sich 42 Hilda Lustig: auf einer ziemlich weit vorspringenden bindegewebigen Unter- lage, die ein reichverzweigtes (refässnetz aufweist. Sie ist medial und, wie erwähnt, unterhalb der linsenförmigen Epithelverdickung gelegen. Die letztere dürfte den hyperthelialen Gebilden (nach Schmitt) angehören, die sich längs der Milchleiste finden können. Die Mammarknospe selbst zeigt keine wesentlichen Verschieden- heiten gegenüber dem früheren Stadium: bloss der Umstand, dass sie in Form eines gestreckten Zapfens, der etwa anderthalbmal so lang als breit ist, in die Tiefe reicht, bedeutet einen Fortschritt (siehe Fig. 6). Zwischen dem aus dichten Zügen bestehenden Bindegewebe und der basalsten Zellschicht der epithelialen Drüsenanlage liegt eine protoplasmatische, vollkommen strukturlose Verdichtungs- zone, die sich mit Eosin lebhaft färbt. 12. Embryo hum. F', 28,5 mm (Horizontalschnitt). Die Mammarknospe bekommt an der Stelle, wo sie mit dem ursprünglichen Epithel noch in Zusammenhang steht, eine kleine Delle. An dieser Stelle färben sich die Kerne zum Teil schlechter, zum Teil sind die Zellen verhornt. Die obersten Epithelreihen fallen bei den Schnitten sehr leicht heraus, was ja auch auf einen gelockerten Zusammenhang mit den tieferen Epithelzellen hinweist. Die Drüsenknospe verschmälert sich in ihrem oberen Teil, so dass aus der Form des ziemlich gleich breiten Zapfens die einer Keule wird. Die Bindegewebszellen, die sich direkt an die Drüsenanlage in konzentrischen Schichten anschliessen, haben zumeist längliche grosse Kerne, während wir in der übrigen Warzenzone — so nennt man die unmittelbare bindegewebige Umgebung der Drüsenanlage — zahlreiche Zellen mit kleinen, runden, ferner solche mit langen spindelförmigen Kernen finden. Glatte Muskelfasern kommen auch schon, be- sonders in der Nähe der Gefässe der Warzenzone, vor. 13. Embryo hum. H:, 46 mm. Die Anlage zeigt sich im Horizontalschnitt kolbenförmig und weist trotz der wesentlichen Grössendifferenz gegenüber dem Embryo 11 keine besonderen Fortschritte in der Entwicklung auf. 14. Embryo hum. WR;, 50 mm Sch.-St. (Sagittalschnitt). Anstatt der bei jüngeren Embryonen vorhandenen Erhebung des Zentrums der Mammilla an der Körperoberfläche sehen wir Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 45 hier eine ziemlich beträchtliche Einsenkung (siehe Fig. 7). Sie ist von verhornten Epithelresten ausgefüllt. Gegen die Cutis zu ist die Mammaranlage unregelmässig geformt; die unterste Zell- reihe zeigt kleine Ausbuchtungen, zwischen die sich das Bindegewebe einschiebt. Die zellreiche Cutis übertrifft an Dicke die Epithelanlage. 15. Embryo hum. Z, 60 mm. Die basalste Epithelschicht hat knopfförmige Auswüchse, die durch deutlichere Abgrenzung der oben erwähnten läppchen- artigen Ausbuchtungen entstanden sind. Lateral und ca. 100 Schnitte, i.e. 1 mm oberhalb der Drüsenanlage, befindet sich in der Höhe des Extremitätenabganges eine zweite epitheliale Ver- dickung. Sie ist bedeutend kleiner als die Mammaranlage, gleicht aber sonst vollkommen der ersten Anlage der Drüse. Sie dürfte den hyperthelialen Gebilden Schmitts zuzurechnen sein, die sich im Verlaufe des Milchstreifens entwickeln können, aber auf einer rudimentären Stufe stehen bleiben. Dass diese Epithel- knospe seitlich und oberhalb der Mamma auftritt, ist wieder ein Beweis dafür, dass die Milchstreifen bezw. Milchleisten nach unten konvergierend verlaufende Bildungen sind. 16. Embryo hum. d, 78 mm Sch.-St.-Länge. Die inneren Zellen der Epithelanlage sehen, soweit sie nicht den basalen Schichten angehören, eigentümlich gebläht aus. Das Protoplasma der Zellen bildet einen hellen breiten Saum um jeden Zellkern, der sich deutlich tingiert Die Lappung der Mammarknospe an ihrer Basis kommt gut zur Ansicht. Sonstige Veränderungen gegenüber dem vorhergehenden jüngeren Embryo sind an der Mamma selbst nicht nachweisbar. Dagegen finden sich in der übrigen Oberhaut schon gelegentlich Schweissdrüsen- bezw. Haaranlagen, die ja in ihren ersten Entwicklungsstadien nicht voneinander differenziert werden können. 17. Embryo hum., 100 mm Sch.-St.-Länge. An dieser Mamma sieht man den Beginn einer Zapfen- bildung. Entsprechend den Läppchen kommt es zu weiterem Fortwachsen dieser Anteile der Epithelanlage in die Tiefe. Be- teiligt sind die basalen Epidermisschichten: vorwiegend die Zylinderzellenschicht, ausserdem noch die darüber lagernden grossen polygonalen Zellen. 44 Hilda Lustie: 18. Embryo hum., 110 mm Sch.-St.-Länge. Die Mammaranlage zeigt in ihrer Form einige Ähnlichkeit mit der des Embryo 12 (28,5 mm), wo sie keulenförmieg ist. Sie besitzt etwas unterhalb der Körperoberfläche. etwa im oberen Drittel ihres Tiefendurchmessers, eine bedeutende Verschmälerung, durch die an der Anlage eine halsartige Einschnürung entsteht (siehe Fig. 8). Sehr deutlich ist wieder der helle Proto- plasmasaum der basalen Zylinderschicht zu sehen. Knospen oder Zapfen finden sich an der Epithelanlage noch nicht. Sie zeigt überhaupt trotz der wesentlichen Grössendifferenz dieses Embryo gegenüber dem vorher beschriebenen keinen Fortschritt in der Entwicklung. 19. Embryo hum., 135 mm Nacken-St.-Länge. Von den aus den läppchenartigen Auswüchsen durch Streckung entstehenden sekundären Epithelsprossen sind die älteren zu soliden Zapfen ausgewachsen. Dieselben tragen an ihrer Peripherie die etwas niedriger gewordene Zellreihe des Stratum eylindricum der Oberhaut. Das Zentrum der Zapfen wird von den polyedrischen Zellen des Stratum spinosum erfüllt. 20. Embryo hum. d, 160 mm Sch.-St.-Länge. Die ursprüngliche Epithelanlage, die Primäranlage, hat an Höhe abgenommen. Sie ist schmäler und an ihrer Oberfläche grübchenförmig vertieft. Die einzelnen Zellen, vorwiegend im Zentrum der Mammaranlage, haben ein grosses, sich wenig färbendes Protoplasma und sehen leicht gebläht aus. Von der basalen Schicht wachsen mehrere Zapfen aus, an deren Enden sich kolbenförmige, meist massive Verdickungen befinden. Ein- zelne Zapfen, die bis in die Subcutis vorgedrungen sind, weisen an ihren Enden kleine, teils von Detritus erfüllte, teils leere Hohlräume auf. Ganz wenige sind sogar bis nahe an ihre Abgangsstelle von der Primäranlage gehöhlt (siehe den kanali- sierten Drüsenschlauch an Fig. 9). Selbst die tief vorgedrungenen massiven Zapfen lassen an ihrer Peripherie deutlich die Zylinder- zellenschicht erkennen, die sich von der primären Anlage auf die Sekundärsprossen fortsetzt; bloss sind die Zellen etwas niedriger. In der nächsten Umgebung der Mamma befinden sich keine Haaranlagen: einzelne Schweissdrüsen sind um ein grösseres Gefäss angeordnet. Dagegen finden sich in der übrigen Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 45 Haut zahlreiche schon gehöhlte Schweissdrüsenschläuche, Haare und Talgdrüsen. 21. Embryo hum. 9, 185 mm Sch.-St.-Länge. Die Mamma zeigt mehrere sekundäre Knospen, die aber noch nicht weit in die Tiefe vorgedrungen sind. Die Primär- anlage hat eine tiefe trichterförmige Einziehung, auf der ver- hornte Epithelreste liegen. Zahlreiche kleinere und grössere Gefässe durchsetzen die bindegewebige Warzenzone. Am Über- gang der Subeutis in die dichtere Warzenzone verlaufen Nerven- stämmchen, deren einzelne Zweige bis zu den sekundären Drüsen- sprossen verfolgbar sind. In der Entwicklung der Drüsenzapfen ist der Embryo gegenüber dem kleineren letztbeschriebenen zurück. 22. Embryo hum. 4, 200 mm Sch.-St.-Länge. Die Warzenzone sieht am Sagittalschnitt wie ein Sieb aus, so zahlreich sind die (sefässe in ihr. Der Hauptgefässring ver- läuft im unteren Drittel der Warzenzone, die sich um die epi- theliale Mamma halbkugelförmig wölbt. Von diesen Hauptgefässen gehen die verschiedenen kleineren Zweige zuden Drüsenabschnitten. 23. Embryo hum. 4, 200 mm Sch.-St.-Länge. Die Primäranlage zeigt die gleiche Beschaffenheit wie in den unmittelbar vorangehenden Stadien. Die Enden der Drüsen- sprossen ragen ziemlich tief in die Subeutis hinein. Sie sind von direkten Bindegewebszügen umgeben. Gefässkapillaren ziehen bis an die äusserste Zellreihe der Drüsenschläuche hin. In der Um- gsebung derselben sind stellenweise Erythrozyten-Häufchen sicht- bar. Die Warzenzone ist vom übrigen Bindegewebe deutlich ab- gegrenzt und wird von den in die Tiefe wachsenden Drüsen- schläuchen durchsetzt. Die Milchdrüsensprossen zeigen an ihren Enden zumeist dichotomische Teilung; sowohl die geteilten, wie auch die anderen weisen durchwegs Lumina auf. Die Höhlung beginnt an den Schlauchenden und setzt sich gegen die Basis der Primäranlage hin fort. Die sekundären Drüsen- gänge, sowie ihre Verästelungen haben ein kreisrundes Lumen, das von einem zweischichtigen, hochkubischen bis zylindrischen Epithel mit grossen runden Kernen begrenzt wird; in der äussersten Schichte kommen auch längliche Zellkerne vor, die Epithelmuskelzellen angehören. Einzelne Drüsenschläuche sind 46 Hilda Lustig: sinusartig erweitert und haben unregelmässiges, aber doch scharf begrenztes Lumen. Sie tragen ein hochkubisches, einreihiges Epithel mit myoepithelialen Zellen an der Peripherie. Eine zweite Art von sekundären Sprossen, die von der Basis der primären Anlage auswachsen, sind Talgdrüsen. Sie sind gleich von Anfang an charakterisiert durch ihre Säckchenform, tragen ein kubisches Epithel an ihrer Peripherie und daran schliessen sich nach innen immer grösser werdende Zelien, deren Proto- plasma Fettkörnchen enthält. Haare, bezw. Drüsensprossen, an deren Enden man durch eine Vertiefung oder Papillenbildung Haare erkennen könnte, sind nicht nachweisbar. Die Talgdrüsen finden sich in der Nähe von grösseren Milchdrüsensprossen, sind ihnen aber, was ihren Ursprung von der Basis der Primäranlage betrifft, vollkommen gleich geordnet und münden auch direkt in die Primäranlage aus. Ich habe von der Brustdrüse dieses 200 mm langen Embryo in 200facher Vergrösserung nach dem Bornschen Plattenmodellverfahren ein Wachsmodell angefertigt (siehe Fig. 10), welches die geschilderten Verhältnisse deutlich veranschaulicht. Die sekundären Drüsensprossen sind je nach ihrem Alter verschieden lang, in ihrem Kaliber ziemlich gleich. Sie sind an ihren Enden erweitert, beziehungsweise kolbig aufgetrieben. Die Drüsenschläuche wachsen sämtlich von der Primäranlage nach allen Richtungen strahlenförmig aus. Die Lumenbildung reicht bei den am weitesten gehöhlten Schläuchen bis zur primären Epitheianlage, diese selbst weist noch keine Kanäle auf, so dass an der Hautoberfläche noch keine Lumina vorhanden sind. 24. Embryo hum., 220 mm. Die Primäranlage ist mit verhornten Epitbelresten bedeckt. An der unregelmässig geformten Basis zieht die überall deutlich erkennbare Zylinderzellreihe hin, die sich auch auf die sekundären Epithelzapfen fortsetzt. Die letzteren sind grösstenteils gehöhlt (siehe Fig. 11). Sonstige Drüsen in unmittelbarer Umgebung der Mammaranlage sind nicht zu sehen. Wesentliche Fortschritte in der Entwicklung gegenüber den früheren Stadien weist dieser Embryo nicht auf. 25. Embryo hum. 2, 300 mm. In der nächsten Umgebung der Primäranlage finden sich gar keine anderen Drüsen. Dagegen reichen die gehöhlten Milch- Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 47 drüsenschläuche mit ihren Verästelungen sehr weit in die Subeutis hinein. Sie sind von zirkulär angeordnetem, fibrillärem Binde- gewebe umgeben, in dem sich Blutgefässkapillaren in reichem Maße verzweigen. Von der Primäranlage geht nächst den Milch- drüsenzapfen ein sekundärer, ziemlich kurzer zapfenförmiger Spross ab, der an seinem Ende eine kleine Delle trägt. An dieser Stelle schiebt sich das umgebende Bindegewebe nach Art einer Papille vor. Ausserdem trägt dieser jedenfalls eine Haaranlage dar- stellende Zapfen an der Seite eine aus wenigen Zellen bestehende Talgdrüse, die durch ihre hellere Farbe sofort auffällt. Die Haaranlage besteht aus gleichmässig grossen polygonalen Zellen, an der Peripherie hat sie eine Zylinderzellenschicht, die aber dort, wo sie die Talgdrüsen umsäumt, kubisch wird. Verhornung innerhalb der Haaranlage ist nicht vorhanden. 26. Embryo hum. 4, 400 mm, Frühgeburt. An der Peripherie der Mammilla sieht man Talgdrüsen (siehe Fig. 12), die in gehöhlte, medial davon gelegene Ductus lactiferi einmünden. An der der Einmündungsstelle gegenüber- liegenden Seite sind im (Querschnitt getroffene kreisrunde Zell- haufen zu sehen, die innen Verhornung zeigen. Bei oberfläch- licher Betrachtung könnte man sie für Haarquerschnitte halten, doch erkennt man an den folgenden Serienschnitten, dass es sich um nichts anderes handelt, als um quergetroffene Epithelpapillen an der Basis der Primäranlage, deren Verhornung von der Öber- fläche aus an dieser Stelle bis zum Abgang der Drüsenschläuche vorgedrungen ist. Ferner sieht man wieder in der Peripherie der Primäranlage einen ziemlich weit in die Tiefe ragenden Haarkeim (siehe Fig. 15) als soliden Zapfen von einer Zylinder- schicht umrahmt; dieser Haarkeim besitzt einen kleinen Talg- drüsenanhang, der seitlich in den Haarzapfen ausmündet. Fig. 13 zeigt auch noch einen sekundären Drüsenzapfen, der durch die Primäranlage hindurch bis zur Körperoberfläche gehöhlt ist. Die Drüsenschläuche verlaufen im Corium ziemlich gerade; ihr Lumen enthält nur mehr sehr wenig Detritus und ist scharf be- grenzt. Erst tief in der Subeutis bilden sie zwischen dem Fett- gewebe zahlreiche Knäuel, die mit Fettröpfchen erfüllt sind. 27. Neonatus 2. Die Verhornung an der Oberfläche und im Zentrum der Mammilla reicht bis in die Sekundärsprossen hinein. Die Drüsen- 45 Hilda Lustig: schläuche selbst haben ihr vollkommen sichtbares Lumen. Der Detritus ist zum grössten Teile verschwunden, die Kanalisierung der Milchgänge ist bis zur Hautoberfläche vollendet. In der Subeutis tragen die Drüsenknäuel ein zweireihiges kubisches Epithel, dessen Zellen mit Fettkügelchen erfüllt sind, so dass die Kerne ganz an den peripheren Rand der Tubuli gedrückt sind. Diese sezernierenden Abschnitte haben grössere unregel- mässige Lumina und auch grössere Durchmesser als die Aus- führungsgänge, die aus den eigentlichen sekundären Zapfen her- vorgegangen sind. Von der Primäranlage sprosst eine Haaranlage aus, die von den Milchgängen vor allem dadurch zu unterscheiden ist, dass erstere vollkommen solide bleibt, während letztere ihr Lumen besitzen und viel weiter in die Tiefe reichen. Dieses Haarrudiment wird von einem Milchgang durch die dazwischen liegende Talgdrüse getrennt. Die Haaranlage zeigt keine Horn- substanz. In der Areola liegen zahlreiche Talgdrüsen, Haarkeime und verhornte Haare, auch Schweissdrüsen. An diesem Neu- geborenen sieht man ferner noch akzessorische Milch- drüsen (siehe Fig. 14), deren erweiterte Ausführungsgänge nicht zusammen mit den übrigen Milchgängen an der Brustwaıze, sondern lateral von der Mammilla mit grossen Talgdrüsen zu- sammen ausmünden. Sie gleichen in ihrem Bau vergrösserten Schweissdrüsen. Zusammenfassung. Die erste Anlage der Milchdrüse stellt sich als Proliferation des Stratum germinativum der Oberhaut dar; sie ist eine diffuse Verdickung des Epithels in zwei- bis dreifacher Schichtung, welche, beiderseits ungefähr in Schulterhöhe beginnend, an der vorderen Thoraxwand nach unten konvergierend herabläuft und sich dann allmählich in der Gegend des Ansatzes der unteren Extremitäten verliert. Wir nennen diese paarige, lineare Epithel- bildung nach Schmidt den Milchstreifen (siehe Fig. 1). Diese erste Anlage der Milchdrüse liegt lateral und kommt erst durch die nach Bolk eintretende Wanderung und Verlagerung der oberen Extremität, mit der ja die gesamte Brusthaut gleichsam mitwandert, in späteren Stadien anscheinend mehr medial zu liegen. Sicher nachweisen konnte ich den Milchstreifen bei Embryonen von Smm Sch.-St.-Länge. Zu einer sonstigen Differen- Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 4.) zierung innerhalb dieses Gebildes kommt es vorderhand noch nicht. Jedoch wird bei etwas älteren Embryonen die Epithel- verdickung dadurch deutlicher, dass sie nach den Seiten zu ab- gegrenzt erscheint und an Höhe zunimmt. Ausserdem kann man schon eine, wenn auch geringe Beteiligung des darunter liegenden Bindegewebes nachweisen, das anfangs eine Erhebung zeigt und durch seinen Kernreichtum auffällt. Die deutlichere Abgrenzung des Milchstreifens zur sogenannten Milchleiste (siehe Fig. 2) erfolgt nur in seiner kranialen Hälfte, innerhalb deren es dann wieder zur Differenzierung der eigentlichen Brustdrüsenanlage kommt. Die Milchleiste zeigt histologisch zwei- bis dreischichtiges Epithel, dessen basale Zellage durch Zylinderzellen mit grossen, rundlichen Kernen gebildet wird. Je mächtiger die Epithelleiste wird, desto deutlicher prägt sich ihre Gestalt an der basalen Schicht aus und desto tiefer wird die Eindellung des ihr an- liegenden Mesenchymgewebes. An der eigentlichen Zone der zu- künftigen Drüse ist die Delle im Bindegewebe am tiefsten. Kallius beschrieb 1896 zum ersten Male das Vorkommen einer sogar makroskopisch angedeuteten Milchleiste an einem mensch- lichen Embryo von ungefähr 15 mm, wie sie schon vor ihm beim Schwein, Maulwurf, Kaninchen und Katze als Milchleiste be- schrieben waren. Doch liess er die Frage offen, ob und in welcher Ausdehnung sie normalerweise beim menschlichen Embryo vor- kommt. Heute können wir sie dahin beantworten, dass es auch beim Menschen so wie bei den oben erwähnten Tieren regel- mässig zu dieser Bildung kommt; doch bleibt sie nicht der ganzen Ausdehnung nach bestehen. Sie erhält sich nur in ihrem kranialem Drittel dort, wo sie auch am denutlichsten ausge- bildet ist. | Der übrige Teil des Milchstreifens, bezw. der Milchleiste bildet sich zurück und verschwindet allmählich (10 mm). Damit sind wir auch schon zu einem Stadium in der Entwicklung der Milchdrüse gelangt, welches Rein in seiner Arbeit als das hügelförmige bezeichnete. Er wusste noch nichts von der Anlage der Milchleiste, und so nannte er es das erste Stadium. Ihm entspricht die in ihrem oberen Drittel ausgebildete Milch- leiste, also schon die direkte Drüsenanlage. Histologisch ist dieses Stadium nicht unterschieden von dem Milchleistenstadium, es zeichnet sich nur durch eine weitere Zunahme im Höhendurch- Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt. I. 4 50 Hilda Lustig: messer aus. Ich beobachtete es an einer Reihe von Embryonen von 10, 11 bis 13 mm gr. Länge. Unmittelbar daran schliesst sich die Periode des linsen- förmigen Stadiums (siehe Fig. 3). Die Mammaranlage hat am Sagittalschnitt die Form einer bikonvexen Linse. Die oberste Epithelschichte ist beträchtlich vorgewölbt, die Zellen der nächsten Schichten liegen dichter aneinander und sind etwas kleiner, die darauf folgenden Schichten wieder etwas höher, bis schliesslich die unterste Zylinderzellenschicht einen basalwärts konvexen Bogen beschreibt, der der Anlage das charakteristische Aussehen verleiht. Die Zellen sind so angeordnet, dass sie normal auf ihrer Unterlage stehen, und da diese bogenförmig gekrümmt ist, gegen den Mittelpunkt der Anlage zu radiär gestellt sind. Das Bindegewebe zeigt an dieser Stelle eine auffallende Anhäufung von embryonalen Bindegewebszellen. Es ist ebenfalls wie die Epithelverdickung bedeutend vorgewölbt, an der Stelle der grössten Vorwölbung aber liegt eine Vertiefung, die genau den negativen Abdruck der sich in die Tiefe senkenden Epithelknospe bildet. Ausserdem zeichnet sich das Bindegewebe um die Anlage durch seine stärkere Färbbarkeit mit sauren Farbstoffen aus, sowie durch seinen Gefässreichtum. Man bezeichnet es als Warzen- zone. So liegen die Verhältnisse bei Embryonen von 14 bis 18 mm gr. Länge. Bei den nächst grösseren Embryonen zwischen 19 und 30 mm nimmt die Drüsenanlage zunächst im sagittalen Durch- messer zu und wird allmählich kugelförmig (vergl. Fig. 4 und 5). In diesem Stadium zeigt sich die Radiärstellung der Zellen innerhalb der Anlage besonders schön. Zudem hat noch die peripherste Zylinderzellenschicht ihre Kerne fast ganz an den zentralen hand der Zellen gerückt, so dass ein heller Proto- plasmasaum um die Anlage erscheint. Daran reiht sich eine Verdichtungszone, die man als Membrana propria ansprechen könnte. Sie bildet die Grenze zwischen der eigentlichen Drüsen- anlage und dem sich daran schliessenden dichten Bindegewebe. Der sagittale Durchmesser überragt bald den frontalen und so gewinnt die Anlage die Form eines Zapfens. An der Oberfläche ist die Anlage nicht mehr konvex, sie flacht ab und ragt nicht mehr über das Niveau des umgebenden FEpithels hinaus. Die feinere Struktur weist keine nennenswerten Verschiedenheiten Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. al von der vorigen Periode der Mammaranlage auf. Es ist wieder die radiäre Anordnung der Zellen vorherrschend, wobei dieselben im Zentrum weniger dicht gelagert sind. Bei Embryonen von 30, 40 mm angefangen, tritt die Milch- drüsenanlage sodann in das kolbenförmige Stadium (Fig. 6). Die noch weiter in die Tiefe gewachsene Epithelknospe bekommt durch Verschmälerung ihres oberen Teiles einen Hals, die bis dahin im gleichen Niveau mit der übrigen Umgebung gewesene oberste Epithelreihe bekommt eine kleine Delle, die zum Teil von einer Schichte frühzeitig verhornter Zellen ausgefüllt wird. Auch die Cutis um die Anlage zeigt in diesem Stadium Ver- änderungen. Es kommen neben den zahlreichen runden Zellen auch ovale und spindelförmige vor, ferner zeigen sich auch schon einzelne glatte Muskelfasern innerhalb der Warzenzone, die- selbe vergrössert sich in konzentrischen Schichten um die Epithel- anlage und erreicht in diesen Stadien die gleiche Dicke wie die Anlage selbst. Es erscheint auch schon Fettgewebe in der Sub- eutis. Anfänge von anderen epidermoidalen Bildungen, wie Haaren und Schweissdrüsen, sind schon in geringer Anzahl bei Individuen zwischen 50 und 100 mm zu beobachten. Hier möchte ich gleich einschalten, dass die Grösse, bezw. das Alter des Individuums in der fortschreitenden Entwicklung der Milch- drüse nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Denn bei dem grossen Embryonenraterial, das ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, fand ich die Mammaranlage oft schon bei relativ jungen Embryonen in einem vorgeschrittenen Stadium, dann wieder ver- schieden entwickelte Mammae bei ganz gleichen Embryonen. Im allgemeinen kann ich sagen, dass die männlichen Föten in der Entwicklung des Mammarapparates viel weiter fortgeschritten waren als die weiblichen, wie ja überhaupt die Organe, die am ausgebildeten Menschen rudimentär sind oder auf embryonaler Entwicklungsstufe bleiben — so die Milchdrüse des Mannes — sich im Embryonalleben sprunghaft entwickeln. Die Untersuchung von Embryonen in der Grösse von 50, 60 mm an zeigt die Epitheleinstülpung an ihrer Basisseite nicht mehr vollkommen rund wie bisher. Man sieht kleine Ein- kerbungen, die von den sich verschiebenden Fibrillen des Bindegewebes ausgefüllt werden. Die basale Zylinderschicht macht diese kleinen Kerben mit, und so gewinnt die ganze Anlage einen 4* 3 Hilda Lustig: vorläufig noch ganz wenig gelappten Aufbau (Fig. 7). In- zwischen ist die Epithelknospe immer mehr in die Tiefe ge- wachsen und nimmt nahezu die ganze Cutisdicke für sich in Anspruch. Im Zentrum der Anlage färbt sich das Zellprotoplasma fast gar nicht, die Kerne wenig. Die Oberfläche der Anlage ist trichterförmig vertieft, zumeist erfüllt von verhornten Epithel- resten, der oberste Epithelsaum sehr leicht ablösbar. Die Andeutung der Lappung an der Basis der Epithel- anlage führt zu dem nächsten Entwicklungsstadium der Drüse, zum Stadium der Sprossenbildung. Die Lappen treten mehr hervor, wachsen weiter in die Tiefe und strecken sich, bis sie Zapfenform bekommen. Sie ragen als solide Epithelstränge, die ihren Ausgangspunkt von den basalen Epithelanlagen nehmen, bis in die Subeutis hinein ;und wir nennen sie zum Unterschied von der ursprünglichen Anlage Sekundärsprossen. Diese sekundären Knospen tragen den gleichen zelligen Aufbau wie das Stratum spinesum der übrigen Epidermis: polygonale Zellen mit sich deutlich tingierenden grossen runden Kernen und einer peripheren Zylinderzellenschicht. Die peripheren Zylinderzellen werden etwas niedriger, sind aber immer deutlich sichtbar; an sie schliessen sich nach innen die polygonalen Zellen an. Die übrigen Zellen, die später bei der Kanalisierung der Drüsen- schläuche zugrunde gehen, liegen ungeordnet inmitten der sekun- dären Sprossen. Im Gegensatze hierzu macht Eggeling die Beobachtung, dass die Mammardrüsen der Monotremen in ihrer ersten Anlage und später die Zapfen in Haufen von rundlichen Zellen ohne bestimmte Anordnung gelagert sind, vor. allem ohne Z/ylinderschicht an der Peripherie; diese Schilderung gibt er auch von den Milchdrüsensprossen beim Menschen. Auch Profe be- schreibt ähnliche Verhältnisse an den Drüsensprossen beim Rind. Beim Menschen sind jedoch entschieden auch die Milchdrüsen- sprossen, solange sie nicht gehöhlt sind, von einer peripheren — allerdings etwas niedrigeren — Zylinderzellenschicht umsäumt. Werden die Zapfen grösser, wie wir es bei Embryonen von 150 mm auch sehen können, so bekommen sie kolbig aufge- triebene Enden. Die primäre Epithelanlage behält anfangs noch den gleichen Charakter, später flacht sie etwas ab, zum grössten Teile dadurch, dass sie in die Breite geht, um der Sprossenbildung eine grössere Basis zu verleihen. Trotz der > Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. ) trichterförmigen Einziehung der Drüsenanlage befindet sich diese nicht unter dem Niveau der übrigen Fpidermis, sondern ragt, dem starken Bindegewebspolster aufsitzend, noch immer vor der übrigen Hautfläche hervor. Die trichterförmige Einziehung entspricht dem Grübchen, das man makroskopisch an etwas älteren Embryonen auf der Höhe der Brustwarze sehen kann. Die der Anlage zugehörige Bindegewebsschicht trägt den gleichen Charakter wie in dem vorhergehenden Stadium, doch ist die Abgrenzung zwischen der eigentlichen Warzenzone und der übrigen Cutis durch die viel stärkere Färbbarkeit der ersteren deutlicher geworden. Die Epithelzapfen, die die zukünftigen Drüsenschläuche darstellen, durchbrechen ungehindert die gefäss- und zellreiche Warzenzone, reichen bis fast an das subcutane Fettgewebe heran, wo sie in den keulenförmigen Anschwellungen endigen. In der übrigen Epidermis findet man deutlich Haare, ferner Schweissdrüsen, die um grössere Gefässe herum liegen, ja sogar schon gehöhlte Schweissdrüsenschläuche zu einer Zeit, wo noch sämtliche Milchdrüsenzapfen massiv sind. In der nächsten Umgebung der primären Anlage selbst fand ich jedoch in diesen Stadien zwischen 150 bis 180 mm überhaupt gar keine andere epitheliale Bildung als die Milchdrüsenanlage selbst. Die Anzahl der Sprossen variiert nach dem Alter des Individuums, da sie nicht alle zu gleicher Zeit von der primären Anlage aus wachsen. Soweit man es nach den Sagittalschnitten schätzen kann, beträgt sie zwischen 16 und 25. Die sekundären Knospen, die vom (runde der Epithelanlage ausgehen, sind nicht alle gleich- artig. Die einen zeigen genau den Aufbau, wie ich ihn soeben an den Milchdrüsensprossen schilderte: ziemlich gleichartige poly- gonale Zellen mit runden Kernen, aussen eine Zylinderschichte, in einzelnen Schläuchen beginnt eine Lumenbildung (Fig. 9), die ihren Ausgang vom kolbig aufgetriebenen Sprossenende nimmt und gegen die Primäranlage zuschreitet. An den mit Lumina versehenen Schläuchen kann man gewöhnlich zwei Lagen Zellen unterscheiden, die zylindrisch bis kubisch sind und runde Kerne haben, aber auch Zellen mit länglichen ovalen Kernen, deren Längsachsen normal auf den NRadien des kreisrunden Lumens stehen; die letzteren sind Epithelmuskelzellen. Die Lumina sind scharf begrenzt, innerhalb des Lumens findet sich immer noch Detritus von den durch den Verhornungsprozess 54 Hilda Lustig: absterbenden Zellen, die dadurch die Höhlung bilden helfen. Ebenso verhalten sich auch die Verästelungen der sekundären Drüsenschläuche, die dann mit ihnen zusammen das System der Drüsengänge der Brustdrüse ausmachen. Einzelne sinusartig er- weiterte Drüsenschläuche haben ein unregelmässiges grosses Lumen und sind nur von einer hochkubischen Zellreihe umsäumt. Die zweite Art der sekundären Sprossen, die ebenfalls direkt vom Grunde der Epithelanlage hervorgehen, konnte ich sehr gut an einem 200 mm langen männlichen Embryo studieren (siehe Fig. 10). Diese Sprossen wachsen nicht zu grösseren Zapfen aus, sie behalten eine nahezu kugelförmige Gestalt; sie bleiben solide, wenigstens zeigen sie kein deutlich abgrenzbares Lumen, wie die Milchdrüsensprossen. An ihrer Peripherie befindet sich eine Lage kubischer Zellen, daran schliessen sich nach innen immer grösser werdende polygonale Zellen, deren Zelleib Fettröpfchen enthält. Einzelne Kerne im Zentrum färben sich schlechter, kein Zweifel, dass wir es hier mit Talgdrüsen zu tun haben. Auffallend ist es, dass wir hier Talgdrüsen vor uns sehen ohne Haare, aus deren äusserer Wurzelscheide sie doch gewöhnlich entstehen. Doch da wir auch noch an anderen Stellen des menschlichen Körpers Taledrüsen ohne Haare vorfinden, dürfte dieses alleinige Vorkommen von Talgdrüsen hier an der primären Epithelanlage nicht allzusehr überraschen. Ein Umstand allerdings wäre noch zu bedenken: vielleicht fällt die Entwicklung der zu diesen Glandulae sebaceae gehörigen Haare in eine frühere Periode dieses Embryo; die Haare könnten nicht weiter zur Entwicklung gekommen sein, resp. sich zurückgebildet haben. Dann müssten wir wenigstens Rudimente davon finden können. — Es gelang mir, auch noch an einem zweiten, ungefähr gleich grossen männ- lichen Embryo Talgdrüsen zu finden, .die wieder direkt von der Primäranlage auswuchsen, ohne dass auch nur die geringsten Rudimente von Haarfollikeln nachweisbar waren. Anders ist es jedoch bei älteren Föten von 35 bis 40 cm Länge, eventuell Neugeborenen: da findet man des öfteren sekundäre Drüsen- sprossen, die an ihren Enden papillenartige Bildungen besitzen. Und als Anhang dieser Haarfollikel (siehe Fig. 13) erscheinen dann kleine, aus wenigen Zellen bestehende Talg- drüsensäckchen. Eggeling beschreibt an einem Embryo von 8 Monaten, also an einem älteren als der erwähnte 200 mm lange, Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 55 das Vorkommen von einer Haaranlage samt Talgdrüse als sekun- dären Spross von der ursprünglichen Epithelanlage. Auch Brouha fand — allerdings ohne Altersangabe der Embryonen — Haar- und Talgdrüsen an der Mamma. Hier entstehen die Talgdrüsen aber nicht aus der primären Mammaranlage direkt, sondern sie bilden sich erst aus sekundären Sprossen, die mit Haarbildungen Ähnlichkeit besitzen und ja auch wahrscheinlich solche darstellen. Sie sind auch viel weniger deutlich ausgebildet als die oben er- wähnten Talgdrüsen bei jüngeren Embryonen, die sich ja gerade- zu an Stelle von Haaren entwickelt zu haben scheinen. Dieser Befund ist in gewissen Einklang zu bringen mit den neuesten Arbeiten Bresslaus, der an Sciurus vulgaris das Entstehen eines Mammarhaares schildert, zu einer Zeit, wo der übrige Embryo noch vollkommen haarlos ist. Bresslau fand, dass sich die Mammaranlage beim Eichhörnchen in einen medialen und lateralen Teil teile; aus dem lateralen Höcker entwickle sich die Brust- drüse, aus dem medialen ein borstenartiges Tasthaar, das am ausgewachsenen Tiere die übrigen Haare an Dicke und Länge bei weitem übertreffe. Vielleicht deuten die an dem 200 mm langen Embryo vorgefundenen Talgdrüsen auf nicht zur Entwick- lung gekommene Haare hin. Eggeling erwähnt eine gesetz- mässige Anordnung dieser Gebilde in der Weise, dass zwischen Talgdrüse und Milchdrüsenspross immer das Haarrudiment zu liegen kommt. Ich habe eine ganze Reihe von grossen Föten und Neugeborenen untersucht, fand aber diese Lagebeziehungen durchaus nicht regelmässig eingehalten. Konstant blieb bei all diesen Befunden nur, dass die Haare, bezw. Talgdrüsenanlagen sich nur in den peripheren Teilen (siehe Fig. 13 und 14) der Primäranlage bilden, während die eigentlichen Milchdrüsensprossen, die dann zu den Milchgängen werden, aus dem Zentrum der ursprünglichen Epithelanlage herauswachsen; also liegen die Haar- keime, projiziert auf den Mittelpunkt der Primäranlage, immer peripher von den Ductus lactiferi und zeigen somit auch ein ähn- liches Verhalten, wie es Bresslau bei den Marsupialiern nachwies. Erwähnenswert wäre noch die Tatsache, dass man in den rudimentären Haarbildungen niemals Hornsubstanz trifft, während bei der Kanalisation der Milchdrüsenschläuche besonders in der Nähe der Primäranlage häufig sich deutlich tingierende Keratin- reste sichtbar sind. 56 Hilda Lustie: Ausserdem besteht noch eine ganz interessante Wechsel- beziehung zwischen Haarfollikel und Talgdrüse. Ist die Haar- anlage verhältnismässig gut entwickelt, so sind die dazu gehörigen Talgdrüsen ganz klein (vergl. Embryo 25); sie bestehen dann nur aus ganz wenigen Zellen. Hingegen finden wir grössere Talg- drüsen bei nur wenig ausgebildeten Haarknospen. Schliesslich können wir bei den grössten Talgdrüsen an der Mamma jüngerer Embryonen, z. B. 200 mm, überhaupt keine Haaranlage nach- weisen. Brouha erwähnt, dass bei der Katze jeder Milchdrüsen- spross von einem Haar-Talgdrüsenanhang begleitet ist. Beim Menschen kommt es nur zu vereinzelten solchen Bildungen an der Mammilla. In der Regel wachsen die sekundären Drüsen- zapfen ohne jede Anhangsbildung aus und wir dürfen die letztere nur noch als phylogenetisches Residuum betrachten. Auch dann wieder stellt die Haaranlage beim Milchdrüsenspross eine ältere Bildung dar als die Talgdrüse allein. Diese Befunde sind uns neuerliche Beweise für die richtige phylogenetische Deutung des primären Drüsenfeldes, wie sie von Benda und Eggeling angebahnt und von Bresslau ın weiterem Umfange ausgearbeitet wurde. Nach dem embryonalen Entwicklungsgang der Milchdrüse müssen wir sagen, dass wir es jedenfalls nicht mit einer modifizierten Talgdrüse zu tun haben, wie noch vielfach angenommen wird und sogar noch in neueren Lehrbüchern der Histologie zu lesen ist. Wenn wir die Milch- drüse wegen ihres Sekretes auch nicht als Schweissdrüse an- sprechen dürfen, so hat ihre Entwicklung mit der der Schweiss- drüse so viel Gemeinsames, dass wir sie als analoge Bildung annehmen müssen oder, wie schon Benda in seiner Arbeit meinte, dass wahrscheinlich beide, sowohl Schweiss- wie Milchdrüse, aus einer primitiven tubulösen, merokrinen Hautdrüse hervorge- gangen sind. Es erübrigt mir, an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Julius Tandler, für die freundliche Über- lassung des Materiales, sowie für seinen bereitwilligen Rat herz- lichen Dank zu sagen. Auch Herrn Assistenten Dr. Krasa bin ich für die Be- sorgung der mikrophotographischen Aufnahmen zu besonderem Danke verpflichtet. -1 Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. > Literaturverzeichnis. . Barabau: Lobules mammaires erratiques simulantes des ganglions axillaires. Rev. medic. de ’Esp. Nancy 1890, pag. 257. Barfurth: Zur Entwicklung der Milchdrüsen. Bonner Dissertation 1582. 3. Berk: Beiträge zur Kenntnis der ersten Anlage der menschlichen Brust- drüse. Inaugural-Dissertation Greifswald 1913. Benda, L.: Das Verhältnis der Milchdrüsen zu den Hautdrüsen. Dermatolog. Zeitschr. Bd. I, 1893. 5. Beneke: Zur Histologie der fötalen Mamma. Arch. f. Entwicklungs- gesch. d. Organe, 1902, Bd. 16, S. 536—547. . Blaschko: Zur Anatomie der Oberhaut. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXX. . Bizzozero: Histologie der Milchdrüse. Merkel-Bonnet, Ergebn. d. Anat. u. Entw. Bd. IX. S. Bolk: Segmentaldifferenzierung des menschlichen Rumpfes und der Extremitäten. Gegenbaur, Morpholog. Jahrb. Bd. XXVIII 9. Bonnet: Die Mammarorgane. Ergebn. d. Anat. u. Entw. Bd. II, 1892. Bresslau: Der Mammarapparat. Ergebn. d. Anat. u. Entw. Bd. I, 1909. . Derselbe: Entwicklung des Mammarapparates der Monotremen, Marsu- pialier und Placentalier. Rich. Semons zoolog. Forschungsreisen Bd. IV. Lieferung 5. Derselbe: Bedeutung der Milchlinie.e Anatom. Anz. Bd. XXI. 3. Derselbe: Über physiologische Verdoppelung der Organe. Verhandl. der deutschen zool. Gesellsch., XX. Vers. Graz 1910; XXI. Vers. Basel 1911. . Brouha: Sur la baude et la cr&te mammaires chez l’homme et le murin. Anat. Anz. Bd. XXV1. 5. Derselbe: Sur la signification morphologique de la mammelle. Ebenda. . Diem: Beiträge zur Entwicklung der Schweissdrüsen an der behaarten Haut der Säugetiere. Anat. Hefte Bd. XXXIV. . Eggeling: Über die Stellung der Milchdrüse zu den übrigen Haut- drüsen. Semons zool. Forschungsreisen Bd. IV, Lieferung 5. . Derselbe: Über ein wichtiges Stadium in der Entwicklung der mensch- lichen Milchdrüse. Anat. Anz. Bd. XXIV. 9. Die Drüsen des Warzenhofs beim Menschen. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. 39, 1904. Gegenbaur: Lehrbuch der Anatomie, Bd. II, 7. Aufl. . Huss: Beiträge zur Entwicklung der Milchdrüse bei Menschen und Wiederkäuern. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. II, 1873. 2. Hirschland: Beiträge zur ersten Entwicklung der Mammarorgane beim Menschen. Anat. Hefte, 1898, Abt. I. 3. Kallius: Ein Fall von Milchleiste bei einem menschlichen Embryo. Anat. Hefte Bd. VIII, 1897. . Kölliker: Beiträge zur Kenntnis der Brustdrüse. Würzb. Verhandl. d. phys.-med. Ges. 1880, Bd. XIV. . Kölliker-Ebner: Handbuch der Gewebelehre 1902. Fig. Fig. Fig. Hilda Lustig: Langer: Über Bau und Entwicklung der Milchdrüse. Denkschrift der Wiener Akad. d. Wiss. Bd. III, 1851. Derselbe: Die Milchdrüse. Strickers Handb. d. Geweb. Bd. I, 1871. . Martin: Die Milchdrüse. Ellenbergers Handbuch d. vergl. mikr. Anat. d. Haussäugetiere Bd. I. Prof&: Beiträge zur Phylogenie und Ontogenie der Mammarorgane. Anat. Hefte Bd. XI, 1898. Rein: Untersuchungen über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XX u. XXI. Schmidt: Über normale Hyperthelie menschlicher Embryonen. Morpho- log. Arb. Bd. 7, 1897. Schmitt: Über Entwicklung der Milchdrüse und Hypertrophie mensch- licher Embryonen. Morphol. Arb. Bd. VII. Schlachta: Über Prostata und Mammarorgane. Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXIV. Schultze: Über die erste Anlage des Milchdrüsenapparates. Anat. Anz. Bd. VII, 1892. . Derselbe: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. Würz- burg. N.-T. Bd. XXVI. Talma: Beiträge zur Histogenese der menschlichen Brustdrüse. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XX. Tandler: Über einen menschlichen Embryo von 38 Tagen. Anat. An- zeiger Bd. 31. Tricomi Allegra: Studio sulla mammella. Anat. Anzeiger Bd. 23, Messina 1901. Erklärung der Abbildungen auf Tafel III-V. 1. Horizontalschnitt durch Embryo Hi, 8 mm gr. L., 100fache Ver- grösserung. L — Leberanlage, M = Milchstreifen, E — Extremitätenanlage, I Th = laterale Thoraxwand. 2. Horizontalschnitt durch Embryo BR, 9,75 mm, 80 fache Vergrösserung, L — Leberanlage, M— Mammaranlage, E — Extremitätenanlage. 3. Horizontalschnitt durch Embryo Hy, 10 mm gr. L., 80fache Ver- gTÖSserung. L — Leber, M—= Mammaranlage, OE — obere Extremität. 4. Sagittalschnitt, Embryo 14 mm gr. L., 100fache Vergrösserung. M = Mammaranlage, v Th = vordere Thoraxwand, OE = obere Extremität. 5. Horizontalschnitt, Embryo 17 mm gr. L., 80fache Vergrösserung. KM — Kugelförmige Mammaranlage, Sp — Spalt zwischen Thoraxwand und angelagerter Extremität. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 8. 10. als 12. 13. 14. Zur Entwicklungsgeschichte der menschlichen Brustdrüse. 59 Kombinationsbild aus zwei Sagittalschnitten. Embryo WR;, 26 mm, Vergrösserung Obj. 1, Okular 2. M = eigentliche Mammaranlage in Zapfenform, hD —= hyper- theliale Drüsenanlage, R = Rippen, H — Herzanlage, Lu — Lungenanlage, Le = Leberanlage. Sagittalschnitt, Embryo, 50 mm Sch.-St., SOfache Vergrösserung IM = an der Basis leicht gelappte Mammaranlage, F = Falte im Schnitt. Sagittalschnitt durch die Brusthaut, Embryo, 110 mm Sch.-St., SOfache Vergrösserung. hM — Halsartige Einschnürung der Mammaranlage, Mu — Muskulatur. Sagittalschnitt, d Embryo, 160 mm Sch.-St., 100 fache Vergrösserung. uE = ursprüngliche Epithelanlage, D — zum Teil gehöhlte Drüsenzapfen. Brustdrüse eines 200 mm grossen männlichen Embryo in 44facher Vergrösserung (Abbildung des Modells). pE = primäre Epithelanlage, OÖ = Körperoberfläche, aD — abgeschnittene Drüsenschläuche, sD — sekundäre Drüsen- schläuche, T = Talgdrüse, von der Primäranlage auswachsend. Sagittaler Hautschnitt, Embryo 220 mm, 90fache Vergrösserung. P — Primäranlage, v E = verhornte Epithelzellen, N = Nerven- stämmchen, s D — sekundäre Drüsenschläuche. Embryo &, Frühgeburt, 400 mm, Sagittalschnitt, 60fache Ver- grösserung. vE = verhorntes Epithel, T — Talgdrüsen. Sagittalschnitt, Embryo d, 400 mm, Frühgeburt, 60 fache Ver- grösserung. Mi — Milchgang, der bis zur Oberfläche gehöhlt und durch einen Hornpfropf verstopft ist. Ha — Haarkeim, Ho —= ver- hornte Massen. T = Talgdrüsen, D — erweiterte Drüsenaus- führungsgänge. Sagittalschnitt durch Mammilla und Areola. Neugeborenes Kind 4, l5fache Vergrösserung. A — Ausführungsgänge der Glandul. accessoriae (Montgomery), Ma — Mammilla, Mi = Milchgänge, deren Lobuli in der Tiefe liegen, aM — akzessorische Milchdrüsenläppchen, S — Schweiss- drüsen. 60 Aus dem Zoologischen Instiut München. Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum und Differenzierung der Organe während der Ent: wicklung von Rana esculenta. Von Herbert Doms. Hierzu Tafel VI und 14 Textfiguren. Inhalt: Seite Einleitung. Problemstellung . 60 Material und Methoden . . . . . ee = il Beschreibender Teil: Die äusseren Kiemen. .... . a Die Airniere en an Va a Re ER ER EEE Die AHEbELIn BU 9 N RER ER NER RE 19 RER LO Die Muskulatur. 2 2 Se EB URT. ı Versuch einer kausalen Verknüpfung einiger Befunde und allgemeine Besprechungen” zen ya ne ren Er a 1 Über den Einfluss der Temperatur auf die Entwicklung tierischer Eier ist schon viel und von den verschiedensten Gesichtspunkten aus gearbeitet worden. Doch wurde meines Wissens noch nie die Frage systematisch untersucht, ob durch Erhöhung der Temperatur über resp. Erniedrigung unter das Temperaturoptimum alle Organe im gleichen Grade in ihrer Entwicklung beeinflusst werden. Chambers allerdings, der die Einwirkung der Temperatur auf das Wachstum von Kaulquappen untersuchte, hat die Ver- mutung ausgesprochen, dass durch Wärme oder Kälte wohl zeit- liche Verschiebungen in der Entwicklung einzelner Organe indu- ziert werden könnten. Aber über einzelne kleine Beobachtungen ist er nicht hinausgekommen. Ich habe nun das Problem an Rana esculenta untersucht. Es handelt sich hauptsächlich um die Beantwortung folgender drei Fragen: Uber den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 61 1. Finden zeitliche Verschiebungen in der Entwicklung einzelner Organe statt. d. h. werden durch Wärme oder Kälte einzelne Organe in ihrem Entwicklungstempo be- sonders, stärker als die übrigen, beeinflusst ? 2. Wird die Massenzunahme einzelner Organe durch die Temperatur beeinflusst ? 3. Übt die Temperatur auf die histologische Ausbildung der Organe einen Einfluss aus? Bis jetzt ist es mir nicht möglich gewesen, sämtliche Organe des Wasserfrosches auf diese Fragen hin zu untersuchen, sondern ich kann hier nur an einigen Organen gemachte Beob- achtungen mitteilen. Die Frage nach der zeitlichen Verschiebung der ersten Organanlagen konnte ich leider nur für die äusseren Kiemen entscheiden. Der Grund dafür liegt in der ausser- ordentlichen Variabilität meines Materials. Wenn ich beim Ver- gleich von Schnittserien durch Kälte- und Wärmetiere einen Temperatureinfluss auf ein Organ festgestellt zu haben glaubte, bestätigte mir nur zu oft die Durchsicht von Schnittserien weiterer Tiere meine Vermutung keineswegs, ja nicht selten fand ich ‚sogar bei anderen Kaulquappen gerade umgekehrte Verhältnisse. Eine Entscheidung vieler Fragen muss also späteren Unter- suchungen an einem weniger stark variierenden Material über- lassen bleiben. Nach meinen oben mitgeteilten Erfahrungen er- scheint mir Rana esculenta für diese Zwecke wenig geeignet. Material und Methoden. Die Kaulquappen, an denen ich meine Untersuchungen machte, stammten durchweg von Eltern ab, die in der Gegend von Lochhausen im Dachauer Moos unweit von München ge- fangen waren. Für diese Arbeit kommen zwei Gelege in Betracht, mit denen ich im Sommer 1913 experimentierte. Soweit nicht im Text besondere Mitteilung gemacht wird, benutzte ich zur Untersuchung der im folgenden zu beschreibenden Organver- änderungen das Material des ersten Geleges. Die Kulturen von diesem (Gelege I wurden am 17. Mai 1913 angesetzt. Es wurde künstliche Befruchtung angewandt, nachdem das zur Verwendung gelangende Weibchen eine Portion Eier abgelaicht hatte. Die natürlich abgelaichten Eier wurden auf alle künstlich befruchteten Kulturen verteilt. 62 Herbert Doms: Ich nenne die bei 33° C. gezüchtete Kultur dieses Geleges Wärmekultur oder Kultur A, die bei 23° gezüchtete Normal- kultur oder Kultur B. die bei 15° gezüchtete Kältekuitur oder Kultur C. Um 12 Uhr 10 Min. wurden Männchen und Weibchen getötet und künstliche Befruchtung vorgenommen, die um 1 Uhr 10 Min. beendet war. Ein Teil der Eier wurde gleich in 23° gebracht, der andere Teil bei Zimmer- temperatur so lange stehen gelassen, bis alle Eier mit dem schwarzen Pol nach oben gewendet waren, und dann in 15° gebracht. Um 3 Uhr 25 Min. wurde die Hälfte der Eier aus 23° in 26° gebracht. Die Eier befanden sich be- reits auf dem Zweizellenstadium, teilweise auch schon auf dem Vierzellenstadium. Durch langsames Versenken der Kulturschale in eine Wanne mit warmem Wasser wurde dann allmählich die Temperatur weiter gesteigert. Um 5 Uhr 45 Min. befand sich die Kultur A auf 31°. Die schwarze Hemi- sphäre der Eier war inzwischen ganz kleinzellig geworden. Die Kultur © befand sich inzwischen noch auf dem Zwei- oder Vierzellen-Stadium. Um 6 Uhr 25 Min. wurde Kultur A in die endgültige Temperatur, 33°, gebracht. Um 7 Uhr 5 Min. waren die Eier der Kultur A wohl durchgehends Morulae geworden. Kultur B war sehr vielzellig, doch noch jede Zelle mit blossem Auge wahrzunehmen. Kultur © befand sich noch auf dem Vierer-Stadium, vereinzelt traf man noch zweigeteilte Eier an, und in dem einen natürlich abgelaichten Eiballen befanden sich viele Achtzellen-Stadien. Die Kulturen wurden bis kurz nach dem Ausschlüpfen aus den Ei- hüllen in Photographierschalen gehalten, dann kurze Zeit in Glasaquarien und nachher in Körbchen, die mit weissem Stoff ausgenäht waren und in Wannen mit ständigem Zu- und Abfluss standen. Gefüttert wurden die Kaulquappen erst mit Salat, später ausserdem mit gebrühtem Muschelfleisch. Es ist nach allen bisherigen Erfahrungen selbstverständlich, dass gerade in den ersten Entwicklungsstadien in Wärme und Kälte ein erheblicher Teil der Eier abstarb und nur die kräftigeren übrig blieben. Für diese Arbeit, die sich erst mit späteren Entwicklungsstadien befasst, scheint mir nur die Fest- stellung wichtig, dass auf späteren Entwicklungsstadien, etwa vom Überwachsen der äusseren Kiemen an, so gut wie gar keine Sterblichkeit mehr auftrat. Eine Ausnahme hiervon bildete nur die Kultur A, worüber später berichtet werden soll. Der Höhepunkt der Ausbildung der äusseren Kiemen wurde erreicht von Kultur A am 20. Mai, Kultur B am 23. Mai, Kultur'CG’am 4. Juni. Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 63 Die erste Metamorphose (Durchbruch der vorderen Extremität) erfolete in Kultur A am 24. Juni, in Kultur B am 30. Juni. In Kultur A erhielt ich die letzte Metamorphose am 15. Juli, in B am 13. Juli. In Kultur A waren am 15. Juli noch acht Larven übrig, die augenscheinlich recht schwach waren und nacheinander abstarben. Die letzten drei lebenden fixierte ich am 30. Juli. Höchst wahrscheinlich hätten auch diese nicht mehr metamor- phosiert, sondern wären über kurz oder lang abgestorben. Die Kultur C wurde am 27. September abgebrochen, ohne die Metamorphose erreicht zu haben. Die Tiere hatten grosse hintere Extremitäten mit wohl differenziertem Fuss, an dem Zehen und Schwimmhaut deutlich zu erkennen waren. Das Entwicklungstempo dieser Kultur, das gegenüber der Normal- kultur auf dem Höhepunkt der Entwicklung der äusseren Kiemen schon um mehr als das Doppelte verlangsamt war, hatte sich bis zu diesem Zeitpunkte noch stärker verzögert. Die Kulturen eines weiteren als Nr. II bezeichneten Geleges aus dem Sommer 1913, deren Material nur gelegentlich zum Vergleich herangezogen werden soll, wurden nach natürlicher Befruchtung am 31. Mai 1913 angesetzt. Sie wurden ebenso behandelt wie die des ersten Geleges. Ich bezeichne entsprechend den Kulturen des ersten Geleges diese Kulturen als Al (33°), ur 023°) und C1°(15°). Zu erwähnen ist der Unterschied in der Eigrösse der beiden Kulturen. Die Eier des Geleges II waren auffallend klein. Sie maßen bei Leitz Oc. 1 Obj. HI ohne Frontlinse 39 Teile des Okularmikrometers, die des ersten Geleges dagegen 51 Teil- striche im Durchschnitt. Gemessen wurden übrigens nicht die frisch befruchteten Eier, sondern in beiden Gelegen Embryonen bei Schluss des Urmundes. Kultur BI starb noch vor dem Höhepunkt der Ausbildung der äusseren Kiemen aus unaufgeklärten Gründen ganz ab. In der Kultur Al, die 4 Tage nach der Kultur A angesetzt worden war, erhielt ich die erste Metamorphose gleichzeitig mit der Kultur A. Die Entwicklung verlief also etwas schneller. Dafür zeigte sich aber bei einer grossen Anzahl alter Larven und metamorphosierender Tiere der Kultur Al starke Wassersucht, die schliesslich zum Tode der befallenen Tiere führte. Auf die Metamorphose selbst schien die Krankheit aber ohne Einfluss 64 Herbert Doms: zu sein. An den erkrankten Tieren schwollen sämtliche Lymph- säcke, besonders diejenigen der Beine und der am Unterkiefer, prall an, wie dies Textfig. 1 zeigt. Der Unterschied zu dem Verhalten der Kultur A, in der nicht ein einziger Fall von Wassersucht vorkam, muss hervor- gehoben werden. Derselbe ist um so auf- fallender, als beide Kulturen in derselben Wanne, d. h. bei der völlig gleichen Tempe- ratur gehalten wurden und auch das Wasser in den Körbehen beider Kulturen bereits seit langem kommunizierte. Dieser Fall zeigt. wie verschieden sich die Tiere der gleichen Art gegenüber äusseren Einflüssen verhalten können, und wie wichtig für diese Reaktionen die von den Filtern übertragenen Eigen- schaften sind. Übrigens passt diese Beobachtung auch zu der Erfahrung von Chambers, dass kleinere Eier eine geringere Widerstandskraft gegen höhere Temperaturen haben, als grössere. Über die Wirkung der Temperatur möchte ich noch folgende bei meinen Kulturen gemachte Beobachtungen mitteilen. Die älteren Larven der Kältekulturen waren stets sehr schön und regelmässig gebaut, dagegen konnte ich in der Wärme mehrfach eine bereits im Jahre 1912 gemachte Beobachtung bestätigen, dass nämlich die älteren. nicht mehr weit von der Metamorphose entfernten Larven seitliche Verkrümmungen des Schwanzes zeigten. Die Pigmentierung ist bei den Wärmetieren erheblich schwächer als bei den Normaltieren, wenn sie sich auch in den einzelnen Phasen der Entwicklung ziemlich stark ändert. Da- gegen sind die Kaulquappen in der Kälte stets sehr dunkel, ja mitunter vollständig schwarz. Dies zeigt sich schon bei Larven. welche noch mit Dotter vollgepfropft sind und die Eihülle noch nicht verlassen haben. Die Kältelarven sind daher bei Total- betrachtung in Öl stets nur wenig durchsichtig. Chambers hat in seiner schon zitierten Arbeit die Tat- sache festgestellt, dass sich das Grössenverhältnis bei Wärme- und Kältekaulquappen zugunsten der letzteren verschiebt. Ich Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 65 fand diesen Satz bei meinen Kulturen vollauf bestätigt, wenigstens was ältere Stadien mit bereits in ihre einzelnen Abschnitte ge- sonderter hinterer Extremität betrifft. Auf jüngeren Stadien, wo ja der Unterschied der Eigrösse sich noch stärker geltend macht, sind die Ergebnisse bei meinen Vergleichen, die diesen Punkt ja nur nebenbei berücksichtigen, nicht so einwandfrei gewesen, und noch auf den ersten Stadien der Entwicklung der hinteren Extremität fand ich Wärme- und Kältetiere, die auf gleichem Entwicklungsstadium auch in der Grösse gleich waren. Von da ab jedoch war zwischen der Wärme- und Kältekultur stets ein ausgesprochener Unterschied vorhanden, der so weit gehen konnte, dass Kältetiere die entsprechend weit differenzierten Wärmetiere um ein Drittel der Länge der letzteren übertrafen. Das Ver- hältnis von Rumpf- und Schwanzlänge scheint sich dabei nicht verändert zu haben. Ich glaube, dass auf Stadien vorgerückter Entwicklung der hinteren Extremität die grösste Wärmelarve noch kaum die Länge der kleinsten Kältelarve erreichen wird. Die Tiere der Normalkultur näherten sich in ihrer Grösse bald mehr denen der Wärme, bald denen der Kälte, und der Satz darf also ausgesprochen werden, dass die Grösse der Kaulquappen durch Wärme beeinträchtigt, durch Kälte dagegen gesteigert wird. Als Konservierungsflüssigkeiten wurden Bouins Gemisch (!’« Formol, ?/4 konzentrierte Pikrinsäure, dazu vor dem Gebrauch 5°/o Eisessig) und warme Zenkersche Flüssigkeit verwendet. In dem ersteren Gemisch können die Larven je nach der Grösse und ohne beträchtliche Unterschiede !/» bis 6 Stunden bleiben, in Zenkers Gemisch 1 Tag. Für junges, dotterreiches Material gebe ich dem ersteren, für ältere Stadien dem zweiten Gemisch den Vorzug. Das junge dotterreiche Material wurde möglichst bald in Zedern- holzöl oder Terpineol überführt, um ein Hartwerden des Dotters zu ver- meiden. Das Material blieb dann bis zur Verarbeitung in diesem Medium liegen. Bei vorsichtigem Uberführen schrumpfen die Embryonen bei dieser Methode gar nicht, und man hat den Vorteil, sehr schön aufgehelltes Material zur Verfügung zu haben, wenn man die Tiere vor dem Einbetten zeichnen will. Aus dem Ol brachte ich die Embryonen in ein Gemisch von Ol und weichem Paraffin, dann in weiches Paraffın allein (Schmelzpunkt 30°) für mehrere Stunden, dann in ein Gemisch von weichem und hartem Paraffın und schliesslich in reines hartes Paraffin von ca. 58° nur für etwa 20 Minuten. Larven, die schon etwas festere Gewebe (Muskulatur, Knorpel) besitzen, bringt man besser auf die allgemein bekannte Weise über Chloroform ins Paraffıin. Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. b) 66 Herbert Doms: Die Schnittdicke betrug bei jüngeren Embryonen 8—12, bei alten Larven 15—20 u, für histologische Details wurden natürlich zweckentsprechend dünnere Schnitte angefertigt. Als Färbemittel wurden hauptsächlich Delafields und Ehrlichs Hämatoxylin und Nachfärbung mit Eosin angewendet, vereinzelt und mit weniger gutem Erfolge Blochmanns Färbung (Borax-Karmin, Wasserblau und Pikrinsäure). Mit Eosin bekam ich bei jüngeren Embryonen ganz scharfe Färbung nur wirklich eosinophiler Substanzen, wenn ich die Schnitte über Nacht im Eosin liess und am nächsten Tage mehrere Stunden mit Alkohol von 70°/o differenzierte. Vereinzelt wurden auch Schnitte mit Heiden- hains Eisenhämatoxylin und van Giesons Gemisch gefärbt. Beschreibender Teil. Die äusseren Kiemen. Gehen wir nun zur Betrachtung des Einflusses der Temperatur auf die Entwicklung bestimmter Organe über und betrachten wir zunächst ein Organ, an dem die Veränderungen bereits ohne Zuhilfenahme des Mikrotoms festzustellen sind, die äusseren Kiemen. Es ist bei diesem Organ sehr auffallend, wie durch die Kälte die Ausbildung zeitlich und quantitativ zurückgehalten wird, während die Wärme noch eine beträchtliche Steigerung der Grösse und Verästelung gegenüber der Normalkultur bewirkt. Fig. 2. Betrachten wir die Kiemen zweier Larven, bei denen sich die erste Anlage der Hautfalte zeigt, welche bestimmt ist, die Kiemen zu überwachsen, bei denen also die äusseren Kiemen ihre stärkste Ausbildung erreicht haben. Textfig. 2 stellt die Kiemen eines Wärmetieres, Textfig. 3 die einer Kältelarve dar. Beide sind mit dem Zeichenapparat bei gleicher Vergrösserung gezeichnet. Textfig. 2 zeigt äusserst zahlreiche, sehr lange, wohl entwickelte Kiemenfäden, Textfig. 3 dagegen Kiemenstummel, die Uber den Einfluss der T’emperatur auf Wachstum usw. 67 kurz, wenig zerschlitzt und stellenweise verbogen sind, und jeden- falls eine viel geringere respiratorische Oberfläche besitzen, als die der Textfig. 2. Die beiden hier besprochenen Figuren zeigen freilich Extreme, wie sie nicht an allen Tieren vorkommen. Aber auch die Textfig. 4, 5 und 6, bei denen gerade die Kiemen des Normal- (Fig. 5) und Wärmetieres (Fig. 6) nicht sonderlich gleichmässig und schön, die des Kältetieres (Fig. 4) dagegen auffallend gut ausgebildet sind, lassen den Unterschied in der Ausbildung deutlich erkennen. cher N | Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. IS Der Einfluss der Temperatur zeigt sich übrigens an den Kiemen nicht erst, wenn sie ihre volle Ausbildung erhalten haben, sondern schon während ihrer Ausbildung, von dem frühesten Stadium der ungeteilten Knospe an. Die Textfig. 7. 8 und 9 erläutern die hier vorliegenden Verhältnisse. Sie sind von Larven genommen, deren innere Organisation auf annähernd gleicher Höhe stand: Linse mit ganz kleiner zentraler Höhlung, Herz ein mehrfach gekrümmter, Blut führender Schlauch, deut- liche Vorniere mit hohlen Kanälchen. Das Wärmetier war ganz erheblich kleiner als die beiden anderen. Wir sehen nun bei der Kältelarve (Textfig. 7) die Kiemenanlage erst höckerförmig, ohne jede Verästelung, bei dem Normaltier (Textfig. S) eine auffallend schöne, gleichmässige Anlage, die sich gerade in ein- Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. 6 Herbert Doms: Rn zelne (bei der vorderen Kieme sind es vier) Äste zu teilen beginnt, während bei der Wärmelarve (Textfig. 9) die Äste nicht nur bereits zahlreicher, sondern auch schon länger sind. Ausser der quantitativen Beeinflussung der Kiemen findet also auch eine zeitliche Verschiebung durch die Temperatur statt, in dem Sinne, dass die Verästelung und das Längen- wachstum der ersten höckerförmigen Kiemenanlage in der Kälte erst später beginnt als in der Wärme. Gleich an dieser Stelle möchte ich übrigens bemerken, dass es in extremer Kälte (10—11°) nie zur Ausbildung von normal verästelten Kiemen kommt, sondern es werden höchstens ein oder zwei kurze, verbogene, hakenförmige Stummel, die nie gross werden, gebildet. Oft fehlt aber überhaupt jede Spur einer Kieme. Während der weiteren Entwicklung werden die äusseren Kiemen von Hautfalten überwachsen, und zwar die rechte in der Normaltemperatur stets früher als die linke. Diese Ungleichheit in der Entwicklung der beiden Seiten gelangt in der Kälte viel schwächer oder gar nicht zum Ausdruck. Bei 15° werden beide Kiemen stets fast gleichzeitig von den Hautfalten überwachsen, was übrigens schon Chambers beobachtete. Auch glaube ich, dass durchgängig die Überwachsung der äusseren Kiemen in der Kälte auf einem früheren Ditferenzierungsstadium der ganzen Larve beginnt, als in der Wärme. Ich habe dies jedenfalls mehrfach beobachtet. In histologischer Hinsicht konnte ich keinen Unterschied zwischen den Kiemen der Kälte- und der Wärmetiere feststellen. Eine Untersuchung der inneren Kiemen konnte ich bis jetzt noch nicht vornehmen, sie soll so bald wie möglich folgen. Die Urniere. Ein weiteres Organ, das starke Abhängigkeit von der Temperatur im ganzen und in seinen einzelnen Gewebebestand- teilen erkennen lässt, ist die Urniere. Die drei halb schematischen, bei gleich starker Vergrösserung gezeichneten Figuren 4, 5, 6 der Taf. VI veranschaulichen einen Teil der hier vorliegenden Erscheinungen. Fig. 4 ist der Querschnitt durch eine Kälteniere, Fig. 5 ein solcher durch eine Normal- und Fig. 6 durch eine Wärmeniere. Alle Figuren stellen Schnitte durch das hintere Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 69 Drittel der Niere dar und sind angefertigt nach Schnittserien durch ältere Larven auf annähernd gleichem Entwicklungsstadium, das nach der Entwicklungshöhe der hinteren Extremität bestimmt wurde. Das Normaltier hatte eine Gesamtlänge von 40 mm und besass eine hintere Extremität, welche bereits die Zehenanlagen erkennen liess, die durch dünnere Gewebspartien, die Anlagen der Schwimmhäute, miteinander verbunden waren. Auf den ersten Blick fällt schon der starke Grössenunterschied auf. Die Kälte- niere nimmt auf dem (Querschnitt eine etwa dreimal so grosse Fläche ein, wie die Normalniere. Weniger auffallend ist gerade an den abgebildeten Querschnitten, dass auch der Querschnitt durch die Wärmeniere grösser ist, als der durch die Normal- niere. Ich habe nun an einer grösseren Anzahl von Schnittserien die Grössenverhältnisse mit dem Zeichenapparat kontrolliert und habe das eben geschilderte Verhältnis weitgehend bestätigt ge- funden, dass nämlich die Nieren der Kältetiere einen weit grösseren Durchmesser besitzen als diejenigen der Normaltiere. Der Nieren- querschnitt von Wärmetieren ist gleichfalls stets grösser als der von Normaltieren, jedoch erreicht er nur ausnahmsweise die gleiche Grösse wie bei Kältetieren. Woran liegt diese Verschiedenheit? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir die einzelnen Bestandteile, welche die Niere aufbauen, näher betrachten. Der exkretorische Teil der Urniere besteht aus den Ur- nierenkanälchen, weit aufgeknäuelten, mit einem einschichtigen Epithel ausgekleideten Röhren. Diese Kanälchen werden um- sponnen von mehr oder weniger reichlich entwickelten Blut- gefässen. Ausserdem findet sich in den Lücken noch sehr spär- liches Bindegewebe, das auf dem (uerschnitt bei schwacher Vergrösserung kaum hervortritt, und endlich ein Gewebe, das ich als Iymphoides Gewebe bezeichnen will. Betrachten wir nun auf den Querschnitten die Ausbildung der eben genannten Gewebselemente. Das Bindegewebe habe ich, da es nur ganz gering entwickelt ist und nirgends stärker hervortritt, nicht eigens angegeben. Das Blutgefäss-System wurde rot, das Iymphoide Gewebe grau wiedergegeben. Die Betrachtung der drei Abbildungen lehrt nun, dass in der Kälte Nierengewebe und Blutgefässe weit schwächer, das Ivmphoide Gewebe dagegen erheblich stärker entwickelt ist, als 70 Herbert Doms: in der Wärme und Normaltemperatur, und dass in der Wärme das Urnierengewebe auch noch im Vergleich zur Normaltemperatur überwiegt, dagegen sich viel weniger Nester von lymphoidem (sewebe dort finden. Die grössere oder geringere Zahl von Anschnitten der Urnierenkanälchen auf dem (Querschnitt kann nun bedingt sein entweder durch eine grössere resp. geringere Anzahl der Ur- nierenkanälchen, oder durch ihre verschieden starke Aufknäuelung. vielleicht auch durch beide Faktoren zusammen. Durch Zählung der Bowmanschen Kapseln auf eine be- stimmte Strecke liess sich die erstgenannte Möglichkeit leicht prüfen, und ich fand, wiederum unter Benutzung der Schnitt- serien einer grösseren Anzahl von Tieren, dass trotz einer natürlich auch hier zutage tretenden Variabilität zweifellos die Zahl der Nierenkanälchen in der Kälte eine geringere ist als in Normaltemperatur und Wärme. Die folgenden Zahlenbeispiele sollen davon eine Vorstellung geben. Bei ihnen bezeichnet der Zähler 15 die Zahl der ersten 15 Bowmanschen Kapseln vom hinteren Nierenende an, der Nenner die Zahl der 20 « dicken Schnitte, auf welche sich diese 15-Bowmanschen Kapseln ver- teilten. Zur Zählung wurde stets die stärkere rechte Niere benutzt. Die verwendeten Tiere standen auf verschiedenen Entwicklungsstadien der hinteren Extremität, die aber ihrer Anordnung in der Zahlentabelle entsprechend ganz gut mit- einander verglichen werden können. Die jüngeren Stadien wurden zuerst, die älteren zuletzt genannt. Die mit gleichen Buchstaben versehenen Zahlenangaben sind immer von Tieren auf annähernd gleicher Entwicklungshöhe genommen. Die Zahlen, welche als Beispiel der an einer grossen An- zahl von Tieren festgestellten Unterschiede dienen mögen, sind nun: in der Kultur C: a) 15/38 b) 15/33 c) 15/39 d) 15/28 ne. „Bean. 151g re) 1a N A: 2a) 1Bl20h) 11er Die Unterschiede in den Nennern sind zumal zwischen der Wärme- und Kältekultur so bedeutend, dass von ihrer Beweis- kraft auch Unterschiede in der Gesamtgrösse der Tiere und der Nieren nichts zu nehmen vermögen. Die Nieren der Kälte- tiere verhielten sich in ihrer Länge zu denen der Wärmetiere durchschnittlich wie 4:3. Überdies muss berücksichtigt werden. Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. ‚l dass die auffallenden Zahlenunterschiede bestehen bleiben, auch wenn man Wärmetiere von einer bestimmten Entwicklungshöhe mit schon bedeutend weiter entwickelten Kältetieren vergleicht. So besass z. B. das Tier ce aus der Kultur C bereits eine deutlich gegliederte hintere Extremität mit gut abgehobenen Fingeranlagen, das Tier b der Kultur A dagegen erst eine ganz ungegliederte Extremitätenknospe, und trotzdem hat das Kälte- tier viel weniger Nierenkanäle Es kann sich also wohl kaum um eine rein zeitliche Verschiebung der Entwicklung der Nieren- kanälchen durch die Temperatur handeln. Die Kultur B nähert sich in dem Verhalten der Niere bald mehr der Kultur A, bald mehr der Kultur C, steht also zwischen beiden. Im grossen und ganzen steht sie aber der Wärmekultur bedeutend näher. Ein wirklich durchgreifender Unterschied zwischen den beiden wärmeren Kulturen ist in diesem Punkte überhaupt nicht vorhanden. Auch der Grad der Aufknäuelung der einzelnen Urnieren- kanälchen ist wahrscheinlich von der Temperatur abhängig. Das folgere ich daraus, dass bei Wärmetieren stets viel mehr Kanälchen angeschnitten sind als bei Normaltieren, die Zahl der Urnierenkanälchen aber in der Wärme nur unbedeutend grösser ist. Diese beiden Tatsachen lassen sich nur durch die Annahme vereinen, dass der Grad der Aufknäuelung in der Wärme be- trächtlich höher ist. Auf zwei ganz verschiedenen Wegen ist hier also ein morphologischer Ausdruck für die verschiedene Intensität des Stoffwechsels in den drei Kulturen erreicht worden. Denn es ist wahrscheinlich. dass die Niere in der Wärme erheblich leb- hafter funktioniert als in der Kälte. Dementsprechend ist die exkretorische Obertläche in der Wärme vergrössert, und zwar hauptsächlich durch stärkere Aufknäuelung der Nierenkanälchen. in der Kälte dagegen ist die Oberfläche verkleinert, woran die geringere Anzahl der Kanälchen hauptsächlich schuld ist. In histologischer Hinsicht ist bemerkenswert, dass in der Kälte auch bei den ältesten Larven sich kein Unterschied in der Ausbildung des Epithels zwischen den einzelnen Abschnitten der Urnierenkanälchen einstellt, wobei ich allerdings die Flimmerung nicht berücksichtigen konnte. In der Normaltemperatur und der Wärme findet man auf dem Querschnitte schon recht früh einen fi Herbert Doms: grossen Teil der ventral gelegenen Abschnitte der Nierenkanälchen von einem viel flacheren Epithel ausgekleidet, als in den dorsalen Abschnitten. Das Epithel der ventralen Abschnitte ist oft nur ein ganz dünnes Häutchen. In der Kälte unterbleibt nun die Ausbildung dieses histologischen Unterschiedes, die Urnieren- kanälchen sind überall von einem gegenüber demjenigen der Wärmetiere auffallend dicken Epithel ausgekleidet, das zwar nicht in allen Abschnitten ganz gleichmässige Höhe besitzt, Jedoch nirgends die für bestimmte ventrale Abschnitte der Kanälchen in der Normaltemperatur charakteristische Verflachung und Ausziehung der Zellen in die Länge aufweist. Eine Aus- nahme hiervon macht nur der erste Abschnitt an der Bowman- schen Kapsel. welcher stets die normale Differenzierung in ein ganz flaches Epithel erkennen lässt. Die Abbildungen zeigten uns schon, dass sich die Ansamm- lungen des Iymphoiden Gewebes gleichfalls als von der Temperatur abhängig erweisen, jedoch in gerade entgegengesetztem Sinne als die Nierenkanälchen. Die Anzahl der Zellen dieses Gewebes ist zumal bei älteren Larven in der Kälte eine erheblich grössere als in der Normaltemperatur, und hier wiederum bedeutender als in der Wärme. Das Iymphoide Gewebe füllt die Zwischen- räume zwischen Urnierenkanälchen und Blutgefässen aus und liegt in den Interstitien des spärlichen Bindegewebes. Seine starke Ausbildung in der Kälte bewirkt, dass der (uerschnitt der Kältenieren stets grösser ist, als derjenige der Wärmenieren, trotz der bei letzteren grösseren Anzahl von Nierenkanälchen und Gefässkapillaren. Was stellt dieses Iymphoide Gewebe dar? A. Hahn hat (vergl. seine Arbeit: „Einige Beobachtungen an Riesenlarven von Rana esculenta“) in der Niere eines seiner Riesentiere offenbar dasselbe Gewebe gesehen und als gewuchertes Nierenblastem gedeutet. Um diese Deutung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, müssen wir die Zellen des Iymphoiden Gewebes nach ihrer Form und Lage einer genaueren Betrachtung unterziehen. Wir beginnen am besten mit der Betrachtung von unzweifel- haftem Urnierenblastem. Das Urnierenblastem, aus dem im Verlaufe der Entwicklung sich die sekundären und tertiären Nierenkanälchen differenzieren, liegt zwischen den fertig ausgebildeten Nierenkanälchen:. Seine Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 75 stärkste Ausbildung hat es meist auf der medialen Seite und auf der medio-dorsalen Kante der Niere. Hier kann man auch häufig die Bildung neuer Urnierenkanälchen beobachten. Man wird bei der Betrachtung der Zellform zweckmässig von der ersten Anlage sekundärer Kanälchen ausgehen, von einem Stadium, wo sich die Blastemzellen gerade epithelial anzuordnen beginnen, da hier alle Sicherheit geboten ist, nicht irrtümlich ein anderes Gewebe zu beschreiben. Die Zellen dieses Stadiums'') (Fig. 7, Taf. VI) zeichnen sich durch verhältnismässig grosse Kerne und ein faseriges Protoplasma aus, das, nach seinem Farbton zu schliessen, mehr Hämatoxylin als Eosin bei der ge- nannten Doppelfärbung aufgenommen hat. Zellgrenzen sind kaum nachzuweisen. Die Kerne sind meist rund, doch kommen auch längliche vor. Sie zeigen das Chromatin in feinen Brocken auf dem Liningerüst verteilt und besitzen einen Nukleolus, der sich mit Eosin schwach rot färbt. Gruppen solcher Zellen, welche in isolierter Lage meist durch unregelmässige Konturen aus- gezeichnet sind, findet man auf dem Querschnitt überall verteilt zwischen den Nierenkanälchen, doch gilt besonders für Kälte- tiere die Regel, dass diese Zellen gegen den ventralen und äusseren Rand der Niere zu immer seltener werden, während sie medial und dorsal im Iymphoiden Gewebe überwiegen dürften. In den ventro-lateralen Partien findet man dafür überwiegend Zellen, die ich als Leukozyten ?) deute. A. Hahn hat letztere, ohne sie als Leukozyten zu bezeichnen. in drei Haupttypen zu- sammengefasst : 1. kleinkernige Formen mit grossem Plasmaleib, 2. grosskernige Formen mit kleinem Plasmaleib, 3. Zellen mit unregelmässigem Kern und eosinophilen Körnchen im Plasmaleib. Gegen diese Gruppierung liesse sich nur das eine ein- wenden, dass die Unterscheidung zumal der beiden ersten Zell- arten nicht scharf ist, da sich zahlreiche Übergangsformen fest- ) Ich gebe die folgende Beschreibung der Zellformen nach einem einzigen sehr scharf und gleichmässig mit Delafields Hämatoxylin und Eosin gefärbten Präparat. ?) Mit dem Worte „Leukozyten“ bezeichne ich hier alle Formen von weissen Blutkörperchen, da eine weitere Unterscheidung hier nicht in Betracht kommt. 14 Herbert Doms: stellen lassen. Auch Hahn muss diese Übergangsformen (nach seiner Abbildung) gesehen haben. Es kommt aber hier haupt- sächlich darauf an, die Extreme der Zellformen zu charakterisieren, auf die Übergangsformen wird später eingegangen werden. Charakteristisch für alle drei Zellformen ist die wechselnde, oft „polymorphe“ Form des Kerns. Gelegentlich finden sich auch zwei Kerne in einer Zelle. Die kleinkernigen Formen mit grossem Plasma- leib (Fig. 11—13, Taf. VI) besitzen nur sehr selten einen regel- mässig geformten Kern. Meist ist derselbe nierenförmig oder lappig ausgezogen, kurz: polymorph und färbt sich erheblich dunkler mit Hämatoxylin als die Kerne des Blastems. Ein oxychromatischer Nukleolus ist kaum mehr sicher nach- zuweisen. Das Plasma der Zelle ist nahezu homogen und nimmt bei der von mir angewandten Färbung einen rötlich-bläulichen Ton an. Wo diese Zellen frei liegen, haben sie stets eine nahezu kreisförmige Gestalt. Die grosskernigen Formen mit kleinem Plasma- leib (Fig. 15 und 16, Taf. VI) besitzen einen viel grösseren Kern als die eben beschriebenen kleinkernigen Formen, der ungefähr dieselbe Grösse wie der Kern von Nierenzellen oder Blastemzellen hat. Mitunter besitzt er auch noch ein oder zwei oxychromatische Nukleolen, unterscheidet sich aber von den Blastemkernen durch seine viel tiefere Färbung. Das Chromatin ist in gröberen Brocken auf dem achromatischen Kerngerüst angeordnet. Die Form des Kerns ist oft ganz regelmässig rund, doch nie so langgestreckt, wie es bei Blastemzellen eine häufige Erscheinung ist. Nicht selten ist der Kern aber auch unregelmässig geformt und besitzt dann eine nierenförmige Gestalt. Das homogene Plasma bildet eine schmale Hülle um den Kern und hat einen tief blauen Ton angenommen. Die Zellen mit eosinophilen Granulis (Fig. 17—19, Taf. VI) unterscheiden sich von allen anderen sofort durch die ihrem Plasmaleib eingelagerten, mit Eosin leuchtend rot ge- färbten Körnchen. Hahn hat sie Wanderzellen mit phagozytärer Funktion genannt. Die Form der ganzen Zellen sowie ihrer Kerne wechselt ganz ausserordentlich. Die Zellperipherie ist häufig unregelmässig, wie die der Blastemzellen. Dann ist der Kern meist ziemlich gross, regelmässig, oft lässt sich in ihm | Qt Uber den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. ein oxychromatischer Nukleolus nachweisen. Viele dieser un- regelmässig geformten und mit regelmässigen Kernen ausge- statteten Zellen sind verhältnismässig arm an eosinophilen Granulis. Dagegen gibt es sehr viele andere Zellen. deren Plasma- leib prall gefüllt mit den roten Körnchen ist. Ihre Gestalt ist meist kugelig, ihr Kern klein, der Zellwand häufig an einer Seite dicht angedrückt, dunkel gefärbt und von ganz unregel- mässiger Form. Diese beiden Extreme der Hahnschen Wander- zellen sind durch alle Übergänge miteinander verbunden. Bei einem genaueren Vergleich der drei geschilderten Zell- typen mit den Blastemzellen wird man jedenfalls meine Bedenken teilen, das alles als „gewuchertes Urnierenblastem“ zu bezeichnen. Ich halte die von den Blastemzellen unterschiedenen drei Zell- typen für unzweifelhafte Leukozyten, eine Ansicht, die durch das gelegentliche Vorkommen dieser Zellen in den Blutgefässen auch anderer Organe als der Niere bewiesen wird. /wei Möglichkeiten des Ursprungs der Leukozyten sind nun vorhanden: Entweder sie sind in die Niere eingewandert und vermehren sich hier nur, oder sie entstehen hier aus dem Blastem. Dass mit der Urniere ein Iymphoides Organ verbunden ist, ist für die Fische an einer grossen Anzahl von Arten erwiesen (vergl. Drzewina [1905]). Bei den Amphibien beschreibt die gleiche Verfasserin das Vorhandensein eines Iymphoiden (rewebes in der Niere von Proteus. Ferner nimmt Maximow die Vor- und Urniere von Selachiern und Amphibienlarven als Vermehrungs- stätte weisser Blutkörperchen in Anspruch. Emery beschreibt, dass bei Zoarces und Belone das Ur- nierenblastem nicht ganz in der Bildung der Urnierenkanäle aufgehe. Ein Teil entwickle sich vielmehr zum Iymphoiden (ewebe. Maas endlich gibt für Myxine die Umwandlung des Epithels der Vornierenkanäle in Iymphoides Gewebe an. Die beiden letztgenannten Autoren nehmen also einen genetischen Zusammenhang des Iymphoiden Gewebes mit dem Nierengewebe an. Ich bin der gleichen Ansicht und nehme an, dass sich die Leukozyten in der Urniere aus dem Nierenblastem differenzieren. Hahn hat die genetischen Beziehungen des 76 Herbert Doms: Iymphoiden Gewebes zum Blastem ganz richtig erkannt, wenn er es auch histologisch falsch deutete. Gegen die Möglichkeit, dass sich die Leukozyten in der Urniere nur vermehren, spricht in erster Linie das tatsächliche Vorhandensein aller Übergangsformen vom typischen Leukozyten bis zur typischen Blastemzelle. Die Fig. 8, 9, 10, 14, 17, Taf. VI. zeigen einige solcher Übergangsformen, deren Mannigfaltigkeit aber keineswegs mit den abgebildeten Typen erschöpft ist. Tat- sächlich lassen sich nicht nur Übergänge von den gross- und kleinkernigen Formen zu den Blastemzellen, sondern auch von den grosskernigen zu den kleinkernigen und vielleicht sogar zu den eosinophilen Zellen feststellen. Der Umformungsprozess der Blastemzellen zu Leukozyten ist stets mit einer Verdichtung des Kerns verbunden, der sıch immer intensiver färbt. Bei der Differenzierung zu kleinkernigen Formen wird nun der Kern immer kleiner, während das Proto- plasma sein Volumen annähernd behält: bei den grosskernigen Formen behält der Kern sein Volumen, während das Protoplasma immer mehr schwindet. Das Protoplasma wird bei beiden Formen immer homogener, ändert seine Färbbarkeit aber in entgegen- gesetzten Richtungen, indem es bei den kleinkernigen Formen immer mehr Eosin, bei den grosskernigen dagegen immer mehr Hämatoxylin aufnimmt. Die Jugendstadien der Zellen mit eosinophilen Körnchen gleichen den Blastemzellen in Kern und Protoplasma vollständig und unterscheiden sich anfänglich nur durch die Einlagerung der eosinophilen Granula, welche zuerst in ganz geringer Anzahl, 3—4, auftreten. Allmählich wird auch bei ihnen der Kern immer tiefer färbbar, während die Struktur des Protoplasmas infolge der zahlreicheren Körnchen immer undeutlicher wird. Das Vorhandensein der Übergangsformen von Leukozyten zu Blastemzellen wäre ganz unverständlich, wenn nicht eine Umbildung von Blastemzellen in Leukozyten stattfände. Denn aus Leukozyten können doch immer nur Leukozyten hervorgehen. Mit der Auffassung einer Umbildung von Blastemzellen in Leukozyten steht auch die innige Vermengung der beiden Komponenten des Iymphoiden Gewebes in Einklang, welche auch an Stellen, wo die Zeilen ganz dicht gedrängt, in scheinbar epithelialem Verbande, liegen, zu beobachten ist. Man sieht da Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 17 häufig Blastemzellen dieht umringt von Entwicklungsstadien der Leukozyten oder fertigen Leukozyten. oder es liegen auch mitten in einer Gruppe dicht gedrängter Blastemzellen einige Leukozyten. Durch die Annahme genetischer Beziehungen der Leuko- zyten zum Nierenblastem finden ferner die Wechselbeziehungen in der Masse der Nieren- und Iymphoiden Substanz der Urniere in den verschiedenen Kulturen eine Erklärung. In der Kälte sind ja wenige Nierenkanälchen, dafür aber sehr viele Leuko- zyten vorhanden, in der Wärme dagegen sehr wenige Leukozyten, dafür aber zahlreiche Nierenkanälchen. Dieses Verhalten wird erklärt, wenn wir annehmen, dass die Kälte die Umbildung des Nierenblastems zu Leukozyten, die Wärme dagegen umgekehrt die Umbildung zu Nierenkanälchen begünstigt. Auch bei Hahns Riesenlarve war die sehr starke Aus- bildung des Iymphoiden Gewebes mit sehr schwacher Entwick- lung der Nierenkanälchen verbunden. Dies war einer der Gründe, weshalb Hahn das Iymphoide Gewebe als gewuchertes Nieren- blastem deutete. Man könnte gegen die hier gegebene Deutung der Befunde, welche der Temperatur einen bestimmenden Einfluss auf die histologische Differenzierung des Nierenblastems zuspricht, viel- leicht einwenden, dass das Blastem von vornherein nichts Ein- heitliches sei, sondern sich aus Komponenten zusammensetze, die von Anfang an dazu bestimmt seien, entweder Nierenkanälchen oder Leukozyten zu liefern, Komponenten, die man nur nicht morphologisch unterscheiden könne. Dann würde es sich nur um eine verschiedene Beeinflussung der Massenzunahme zweier Gewebe handeln. Diese theoretische Möglichkeit muss natürlich offen gelassen werden. Mir persönlich kommt sie nicht sehr wahrscheinlich vor, und sie müsste, um ernstlich diskutierbar zu werden, auch erst durch irgend welche positive Beobachtungen gestützt werden. So lange aber das Nierenblastem als etwas Ein- heitliches allgemein beschrieben wird, kommt mir meine Deutung nicht nur als berechtigt, sondern als die einzig mögliche vor. Ich fasse die Befunde an der Urniere noch einmal kurz zusammen. Sie lauten: Der Querschnitt der Urniere von Kältelarven ist grösser als der von Wärmelarven und dieser wieder grösser als der von: Normaltieren. —ı 98 Herbert Doms: Das Wachstum der Niere wird in der Kälte bedingt haupt- sächlich durch die sehr starke Entwicklung des Iymphoiden Gewebes, in der Wärme dagegen durch eine etwas grössere Anzahl und besonders durch stärkere Aufknäuelung der Nieren- kanälchen. In der Niere sind die Anzahl der Nierenkanälchen und die Verzweigung der Blutgefässe bei Kälte geringer als bei Normal- temperatur. In der Wärme dagegen ist das Blutgefäss-System stets auffallend gut entwickelt, doch finden sich weit weniger Leukozyten. Das Urnierenblastem ist eine Bildungsstätte der Leukozyten. Durch die Temperatur wird die Richtung der Differen- zierung des Nierenblastems beeinflusst, derart, dass Kälte die Umbildung in Leukozyten, Wärme dagegen die Differenzierung zu Nierenkanälchen begünstigt. Die Leber. Die Grösse der Leber ist im allgemeinen bei Kältetieren bedeutender als bei Wärmetieren. In ihrer Ausbildung machen sich schon auf relativ frühen embryonalen Stadien Unterschiede seltend. Wenigstens gilt das für den Vergleich von Kälte- und Normaltieren, während ich zwischen Tieren aus optimaler Temperatur und Wärme keine durchgreifenden Unterschiede feststellen konnte. Die Unterschiede beziehen sich hauptsächlich auf die Ver- sorgung des Leberparenchyms mit Blut, derart, dass die Blut- Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 79 versorgung in der Kälte eine erheblich schlechtere ist als in der Wärme, ähnlich wie wir das schon bei der Urniere ge- funden haben. Dieser Unterschied lässt sich oft schon auf relativ frühen Entwicklungsstadien deutlich erkennen, bei denen der Darm noch lange nicht seine volle Ausbildung erreicht hat und noch mit grossen Massen von Dotter beladen ist. Die beiden Texttig. 10 und 11 von einem Kälte- und einem Normal- embryo erläutern diese Verhältnisse. Wir sehen hier, wie die dunkel gehaltene Masse der Leberbalken die Fläche der hellen Bluträume in der Kälte bei weitem übertrifft. Ausserdem aber fällt auf, dass die Lumina der Blutgefässe fast durchweg in der Kälte erheblich enger sind. Dies könnte einmal daher kommen, dass die Verästelung der Lebertubuli in der Kälte eine ver- hältnismässig raschere gewesen wäre, oder aber daher, dass die Blutmenge geringer und das Lumen aller Gefässe von vorn- herein in der Leber bei tiefer Temperatur kleiner als in der Normaltemperatur gewesen wäre. Eine Betrachtung noch jüngerer Stadien spricht unbedingt für die letztere Möglichkeit. Schon auf Stadien, bei denen der gesamte Darm erst zwei oder drei Windungen gemacht hat, finden wir das gleiche Verhältnis von Blut und Lebersubstanz wie auf den Textfiguren, und wir müssen daher annehmen, dass die Blutversorgung der Leber von Anfang an in der Kälte eine weniger gute ist als in der Wärme. In der Optimaltemperatur hält in der weiteren Differen- zierung der Leber die Entwicklung der Blutgefässe mit der- s0 Herbert Doms: & jenigen der Lebertubuli Schritt, so dass noch lange ein Ver- hältnis der beiden Komponenten auf dem (Querschnitt gewahrt bleibt, wie es die Textfig. 12 zeigt. Alle Lebertubuli werden Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. sı stets reichlich mit Blut versorgt, und auch wenn gegen die Metamorphose zu die sie versorgenden Gefässe zu engen Kapil- laren von nur ganz geringem Durchmesser geworden sind, grenzt doch jeder der ausserordentlich verästelten und mit ein- ander anastomosierenden Tubuli an mindestens eine Kapillare. In der Kälte dagegen gewinnt, wie die einem gleichen allgemeinen Entwicklungsstadium wie die Textfig. 12 entnommene Textfig. 13 lehrt, die Substanz der Leberbalken immer mehr die Oberhand über die Blutgefässe. Ja schon auf recht frühen Stadien, die noch einen sehr weiten Weg bis zur Metamorphose haben, ist das Verhältnis der beiden Gewebe gänzlich zu Un- eunsten des Blutes verschoben. Bilder mit derartig starkem Prävalieren der Leberbalken findet man bei Normaltemperatur höchstens kurz vor der Metamorphose. Die Textfig. 13 zeigt in ihrem oberen Abschnitte eine Erscheinung, welche die Leber alter Kältelarven von der Leber normaler Tiere deutlich unterscheidet. Wenn auch in der Figur keine Zellgrenzen eingezeichnet sind, so lässt sich doch aus der starken Anhäufung von Zellkernen zwischen den beiden obersten Gefässanschnitten ersehen, dass bier eine starke Zellvermehrung in den Leberbalken ohne Dazwischenwuchern von Blutkapillaren stattgefunden hat. Ich halte es für wahrscheinlich, dass jeden- falls ein Teil dieser Zellen auf die Versorgung mit Nährmaterial durch Diffusion aus den benachbarten Zellen angewiesen sein muss. Die Zugehörigkeit der einzelnen Zellen zu einem bestimmten Lebertubulus ist allerdings leider in sehr vielen Fällen gar nicht sicher festzustellen. Diese Feststellung könnte meines Erachtens, wenn überhaupt, dann nur nach Injektion der Gallenkapillaren an frischem Material gelingen. An gehärteten Tieren lässt sie sich nicht mehr ausführen. Solche von Blutgefässen getrennte Anhäufungen von Leber- zellen finden sich bei den Kältelebern in verschiedener Häufig- keit, können aber das Bild eines Leberquerschnitts nahezu be- herrschen, so dass man gelegentlich im Gesichtsfelde eines Leitzschen Objektivs S und Oc. 1 überhaupt keinen Blutgefäss- anschnitt zu sehen bekommt. Wir müssen uns nun vergegenwärtigen, dass in der sich entwickelnden Leber die Sprossen der Leberbälkchen miteinander Anastomosen bilden, die Zellen also da, wo sie aneinanderstossen, Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 6 82 Herbert Doms: bestrebt sind, mit breiten Berührungsflächen in festen Kontakt zu treten, und dass die Zellen bei schmäleren Blutgefässen, wie sie in der Kälte auftreten, sich viel eher berühren müssen, als in der Wärme. So ist also möglicherweise das geschilderte, not- wendig auf eine schlechtere Funktion hinauslaufende Verhalten der Kältelebern eine Wirkung der schlechteren Gefässausbildung allein. Als ein Anzeichen für eine Einwirkung der Kälte auf die Leberzellen selbst könnte höchstens die verschiedentlich, wenn auch durchaus nicht überall beobachtete atypische Orientierung der Zellkerne genannt werden. Es ist bekannt, dass die Kerne der Leberzellen meist nahe denjenigen Wänden gelegen sind, welche an die Blutgefässe grenzen, eine Regel, die ich in der Normaltemperatur stets bestätigt fand. In der Kälte aber findet man nicht selten die Kerne in ihrer Lage gar nicht nach den Blutgefässen orientiert. Ferner kann in Bestätigung der von Chambers für andere Organe gemachten Angaben erwähnt werden, dass in der Kälte die Leberzellen häufig beträchtlich grösser sind, als in der Normaltemperatur. Schliesslich muss ich noch betonen, dass die meisten älteren Kältelebern wenigstens einige normal ausgebildete Partien be- sitzen, und dass sich unter jungen Kältelebern auch solche mit weiten Blutgefässen finden. Die geschilderten Verhältnisse finden sich eben nicht immer, sondern nur sehr häufig. Die Wirkung der Wärme auf die Leber ist leider nicht so eindeutig, wie die der Kälte, weshalb ich von einer ausführ- licheren Behandlung absehe. Ich will aber bemerken, dass häufig die Leber nicht so schön regelmässig ausgebildet war wie bei Normaltieren, und dass dann einzelne Partien in ihrem Aus- sehen oft den Kältelebern glichen, doch ging die Temperatur- wirkung nie so weit wie dort. Jedenfalls steht also die Wärme- leber in ihrem mikroskopischen Bau der normalen viel näher als die Kälteleber. Die Muskulatur. Eine ganz eigenartige Wirkung der Temperatur fand ich bei der Muskulatur vor, und zwar ebensowohl in der Kälte, wie in der Wärme, während die Normaltiere frei von der merk- würdigen Bildung blieben. Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 33 Bei älteren Larven, etwa von dem Augenblicke an, wo sich die Knospe der hinteren Extremität zum Bein zu differen- zieren beginnt, findet man auf Querschnitten durch die Rücken- muskulatur bald häufiger, bald seltener einzelne Muskelfasern, bei denen ein zentraler Strang von normalen längs verlaufenden Fibrillen einseitig oder allseitig von zirkulär verlaufenden Primitiv- fibrillen umgeben ist. Der Querschnitt einer solchen allseitig von zirkulären Fibrillen umgebenen Muskelfaser bietet das Bild tler Fig. 2, Taf.-WE dar. Derartige Fasern finden sich in der Rückenmuskulatur regellos zerstreut, bald einzeln, bald mehrere nebeneinander, ohne dass es möglich wäre, irgend eine besonders bevorzugte Stelle ihres Auftretens ausfindig zu machen. Die Muskulatur junger Larven, also gerade die Stadien. in welchen die ersten Myofibrillen gebildet werden, hat ein ganz normales Aussehen. Das jüngste Tier, bei dem ich zirkuläre Fibrillen fand, war eine 13 Tage alte Wärmelarve von einer (resamtlänge von 13 mm und 6 mm Kopf-Afterlänge. Das Tier besass eine kleine, aber deutlich sichtbare Knospe der hinteren Extremität, eine bereits ziemlich voluminöse Urniere und kleine, paarige Gonaden. Während der Entwicklung der Extremitäten nimmt die Zahl der abnormen Muskelfasern, die man zuerst nur ganz selten bei Tieren mit noch undifferenzierter hinterer Extremitäten- knospe antraf, bedeutend zu, und ich besitze eine Serie von Längsschnitten durch einen Abschnitt der Rückenmuskulatur einer älteren Kältelarve, bei der nur noch ganz wenige normale Fasern aufgefunden werden können. Fraglos ist auch hier wieder der Einfluss der Kälte viel stärker als derjenige der Wärme, da ich bei Larven aus der Wärmekultur nie eine so grosse Anzahl beeinflusster Muskelfasern wie bei Kältetieren fand. Betrachten wir nun die Struktur der abnormen Muskel- fasern. An Längsschnitten und isolierten ganzen Muskelfasern lässt sich erkennen, dass nicht um die ganze abnorme Faser eine Hüllschicht von zirkulären Fibrillen verläuft, sondern dass diese Schicht die Fasern nur auf ein längeres oder kürzeres Stück in der mittleren Zone der Faser, etwa wie ein Serviettenring die Serviette, umhüllt, während die Enden frei von dieser Umhüllung 6* S4 Herbert Doms: sind. Die schematische Textfig. 14, welche eine isolierte Faser im optischen Längsschnitt zeigt, und an welcher von oberfläch- lichen Gebilden nur noch die Zellkerne mit dem Zeichenapparat eingetragen sind, erläutert das Gesagte. Wir sehen an der Figur gleichzeitig, dass in der Zone der zirkulären Fibrillen der zentrale Strang längs verlaufender Fibrillen eine starke Ein- schnürung erfahren hat. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass zu Beginn und im ganzen Verlauf der veränderten Zone der Muskelfaser Primitiv- fibrillen, welche gegen das Faserende zu in ganz normaler longitudinaler Richtung verlaufen, einzeln oder in Gruppen aus ihrer Richtung unter einem mehr oder weniger spitzen Winkel abgelenkt werden, um sich rankenförmig um die zentralen Fibrillen herumzuwinden. Dies zeigt Fig. 1, Taf. VI. Leider konnte ich an keinem Präparate feststellen, ob derartige abgelenkte Fibrillen je wieder normale Richtung annehmen, was für das Verständnis der ganzen Bildung sehr wichtig wäre. Wenn es aber auch sicher ist, dass ursprünglich longitudinal verlaufende Fibrillen aus ihrer Richtung abbiegen und zirku- lären Verlauf annehmen, so zweifle ich doch daran, dass alle zirkulären Fibrillen aus ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkte Längsfibrillen sind. Man findet nämlich besonders auf Längs- schnitten Fibrillen von so verschiedenem Durchmesser in dem zirkulären Fibrillenring, dass man an Heidenhains Abbildung der ersten Anlage von Muskelfibrillen in der Herzwand, „Plasma und Zelle“ Bd. II, Abb. 375, erinnert wird, und die Möglichkeit wenigstens offen gelassen werden muss, dass zirkuläre Fibrillen an Ort und Stelle, d. h. also auch in abnormer Richtung an- gelegt werden (vergl. Fig. 1, Taf. V]). Die zirkulären Fibrillen verlaufen übrigens durchaus nicht alle einander parallel, sondern kreuzen sich, bald einzeln, bald mehrere dicht nebeneinander verlaufend, ständig, so dass ein verwirrendes Durcheinander entsteht. Aus diesem Grunde ist Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 8 & es unmöglich, in dem Wirrwarr von Fibrillenanschnitten durch eine grössere Anzahl von Schnitten stets mit Sicherheit ein und dieselbe Fibrille zu verfolgen. Das Abbiegen von Myofibrillen aus ihrem longitudinalen Verlauf ist auf dem Querschnitt wie auf dem Längsschnitt (Fig. 2 und 1, Taf. VI) deutlich zu erkennen. Auf dem in Fig. 2 ab- gebildeten Querschnitt ist die Ablenkung insbesondere auf der rechten Seite und unten deutlicher sichtbar. Die Entwicklung der abnormen Struktur ist, wie schon gesagt, nur an bereits ziemlich dicken Muskelfasern zu studieren. Die Anlage der ersten Muskelfibrillen erfolgt ganz normal. Es ist also klar, dass die zirkulären Fibrillen erst an älteren, oft schon recht dicken Primitivbündeln auftreten, die vorher eine ganz normale Struktur besassen. Die zirkulären Fibrillen bilden sich an ihnen zunächst an einer Seite in geringer Anzahl, wie dies Fig. 3, Taf. VI, zeigt. Der Ring wird dann immer mächtiger und kann schliesslich eine grössere Dicke er- reichen als der Zentrale Strang longitudinaler Fibrillen. Der Einfluss der extremen Temperatur erstreckt sich nicht nur auf die Myofibrillen, sondern auch auf das Sarkoplasma und die Zellkerne. Das stark gekörnelte Sarkoplasma gewinnt in der Zone der zirkulären Fibrillen, und zwar hauptsächlich am Aussenrande, eine sehr starke Ausbildung (vergl. Fig. 1 und 2). Die Kerne nehmen, wie die Textfig. 14 zeigt, in derselben Zone stark an Zahl zu, schon im Vergleich zu den normalen Enden der gleichen Muskelfaser. Ausserdem wird die Form der Kerne in der Ringzone häufig verändert, indem sie in zwei oder mehrere spitze Zipfel ausgezogen werden. Derartige Kernformen kommen bei normalen Fasern nie vor, wenn auch auf den in Betracht kommenden Stadien selbst in der Normaltemperatur die Kerne in den Muskelfasern noch nicht ausnahmslos zu dem bekannten langgestreckten Typus entwickelt sind. Die Kernvermehrung und die abweichende Kernform sind so typisch, dass sie die Auf- findung von abnormen Muskelfasern an Mazerationspräparaten bedeutend erleichtern. Die Veränderungen am Sarkoplasma und an den Kernen beweisen jedenfalls, dass es sich bei unserer Muskelabnormität nicht etwa bloss um Veränderungen des Wachstumstempos ein- zelner Fibrillen, sondern um eine Alteration der gesamten Ss6 Herbert Doms: Muskelfaser einschliesslich ihrer protoplasmatischen Zellelemente handeln muss. Die hier beschriebene Abnormität verdiente übrigens eine ganz genaue Untersuchung der feinsten histologischen Details, da sie vielleicht Klarheit über strittige Punkte der normalen Histologie der Muskelfaser, die ja neuerdings ‘wieder durch Baldwin in Diskussion gezogen worden ist, bringen könnte. Baldwin trägt die Anschauung vor, dass sich um jeden Muskel- kern ein dünner Protoplasmaschlauch befinde, der gegen die Fibrillen durch eine Membran abgegrenzt sei. Hieraus würde sich eine grössere physiologische Selbständigkeit der einzelnen Muskelkerne resp. -zellen ergeben, als wenn wir der ganzen Muskelfaser nur den Wert einer einzigen vielkernigen, aber an Protoplasma äusserst armen Zelle zusprechen. Für eine physio- logische Selbständigkeit der Muskelkerne spricht nun meine Be- obachtung, dass nur diejenigen Zellkerne atypisch aussehen und gewuchert sind, welche in der auch fibrillär abgeänderten Zone der Muskelfaser liegen, dagegen diejenigen Kerne normal blieben, welche den auch sonst normal gebliebenen Enden der Faser genähert sind. Es handelt sich übrigens bei der Ringfaserbildung in den Muskelfasern nicht etwa um eine Zufallsbildung, die nur an dieser Kultur aufgetreten wäre. Denn ich fand die gleiche Muskelabnormität auch in der Wärme- und Kältekultur des von einem anderen Elternpaare abstammenden zweiten Geleges des Sommers 1913 (Kultur Al und Ch). Allgemeiner Teil. Im beschreibenden Teil dieser Arbeit wurde das Material zur Beantwortung der drei anfangs aufgeworfenen Fragen ge- liefert. Die Antwort muss für alle drei Fragen in bejahendem Sinne erfolgen, da sowohl zeitliche Verschiebungen als auch Massenveränderungen und Abänderungen der histologischen Struktur in Abhängiskeit von der Temperatur festgestellt wurden. Zeitliche Verschiebungen der Entwicklungsvorgänge durch die Temperatur wurden bei den äusseren Kiemen beob- achtet. Bei demselben Organ findet sich eine Abhängigkeit der (Grösse von der Temperatur. Die Masse der Kiemen nimmt mit der Temperatur zu. Ferner ist die Beeinflussung’ des Blut- Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 57 gefäßsystems wohl unter die Rubrik „Massenveränderungen“ zu setzen. In der Niere und Leber der Kältetiere wies das Blut- gefäßsystem eine viel schwächere Ausbildung auf, als bei Normal- und Wärmetieren. Die Masse der einzelnen geweblichen Elemente der Urniere zeigte gleichfalls eine Abhängigkeit von der Tempe- ratur. Als Ursache erkannten wir hierfür einen Einfluss der Temperatur auf die histologische Differenzierung des Nierenblastems. Ein Fall von Beeinflussung der histologischen Struktur ist auch die Bildung der Ringfasern an Primitivbündeln der Rückenmuskulatur, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass es sich hierbei nicht um eine Beeinflussung der Richtung der Differenzierung eines embryonalen Gewebes, sondern um eine Alteration bereits differenzierter Zellen handelt. Worin liegt der Grund für das verschiedene Verhalten der einzelnen Organe ? Auf den ersten Blick scheint die Intensität der Funktion für Kiemen und Nieren eine Erklärungsmöglichkeit zu bieten. In beiden Fällen entspricht ja die Grösse der respiratorischen resp. exkretorischen Oberfläche in den einzelnen Temperaturen den grösseren oder geringeren an sie gestellten Anforderungen, sie ist der Funktion angepasst. Wenn nun auch eine funktionelle Anpassung an dem Zu- standekommen der Grössenunterschiede dieser Organe höchst wahrscheinlich beteiligt ist, so reicht sie doch nicht aus, um alle Veränderungen zu erklären. Bei den Kiemen fanden wir ja in der Kälte ausser geringer Grösse und Anzahl der Kiemen- äste auch noch, dass letztere häufig verbogen waren. Das lässt aber auf Wachstumshemmungen schliessen, die wohl auch zur Erklärung des an gleicher Stelle erwähnten gelegentlichen gänz- lichen Fehlens der Kiemen in extremer Kälte heranzuziehen sind. Die äusseren Riemen sind ja ein bei den Amphibien weit verbreitetes und in der Natur stets funktionierendes Organ, für das wir unbedingt eine ererbte Anlage annehmen müssen. Eine funktionelle Erklärung für die Unterdrückung auch der primi- tivsten Anlage eines Organs scheint mir aber doch äusserst bedenklich zu sein, hierfür müssen wohl andere, entwicklungs- mechanische Gründe, Entwicklungshemmungen irgend welcher Art, die gerade dieses Organ trafen, angenommen werden. Mit aller Sicherheit lässt sich hier freilich eine rein funktionelle tofe) Herbert Doms: Erklärung nicht ausschliessen, denn es bleibt wenigstens denk- bar, dass die Bildung der äusseren Kiemen nur dann erfolgt, wenn die übrige Haut die Respiration nicht mehr bestreitet, in extremer Kälte also, wo die Hautatmung völlig ausreichte, die Kiemen allein deswegen nicht angelegt wurden, weil sie über- flüssig waren. Mir persönlich erscheint allerdings eine derartige rein funktionelle Erklärung aus den eben angeführten Gründen sehr unwahrscheinlich. Wie für die Kiemen, so ist auch für die Niere die ver- änderte Funktion zur Erklärung der beobachteten Veränderungen heranzuziehen. Indessen sind auch hier in der veränderten histologischen Ausbildung der Nierenkanälchen in der Kälte Hinweise darauf enthalten, dass es sich nicht um reine Massen- veränderung handelt, also eine rein funktionelle Erklärung auch nicht am Platze ist. Ebenso scheint mir ein Versuch rein funktioneller Erklärung der Ditferenzierungsrichtung des Nieren- blastems auf grosse Schwierigkeiten zu stossen. Jedoch muss ich zugeben, dass auch hier kausale Beziehungen der morpho- logischen Veränderungen zur Funktion denkbar bleiben, da wir über die Funktion des Iymphoiden Gewebes vorläufig nichts wissen. Für das Verhalten der Muskulatur und des Blutgefüß- systems halte ich indessen jeden Versuch einer funktionellen Erklärung für aussichtslos. Hier müssen wir uns nach anderen Ursachen umsehen. Schliesslich muss gegenüber jedem rein funktionellen Er- klärungsversuche auf die Tatsache hingewiesen werden, dass in allen Organen die Intensität des Stoffwechsels und der Funktion durch Kälte herabgesetzt und durch Wärme gesteigert wird, und es von diesem Gesichtspunkte aus schwer verständlich ist, wenn die veränderte Intensität der Funktion nur an einigen Organen gestaltliche Veränderungen hervorrufen soll, an anderen dagegen nicht. Ein weiterer Faktor, der die verschiedene Ausbildung der Organe veranlasst haben könnte, ist die Veränderung des Blut- gefäßsystems. Da das Blut alle Organe ernährt, kann man sich leicht vorstellen, dass Veränderungen in der Ausbildung der Blutbahnen von Einfluss auf die Entwicklung anderer Organe sind. Auch die mechanische Wirkung des Blutdrucks kann für Jber den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 39 die Ausbildung einzelner Organe, z. B. der Kiemen, wohl in Frage kommen. Allein sicherlich ist auch hierin nicht die Er- klärung für alle „Temperatureinflüsse“ zu suchen. So bleibt z. B. das Auftreten der zirkulären Fibrillen in Kälte und Wärme, also unter ganz entgegengesetzter Ausbildung des Blutgefäß- systems, unverständlich. Überdies muss ja auch erst ein Grund für die schlechte resp. besonders gute Ausbildung des Gefäß- systems selbst gefunden werden. Der Hauptgrund für die so verschiedene Re- aktion einzelner Organe auf Temperatureinflüsse kann meines Erachtens nur darin erblickt werden, dass die einzelnen Gewebe des Organismus nicht alle gleich, sondern nach ihrer geweblichen Spezi- fizität verschieden auf abnorme Temperaturen reagieren. Hat aber erst einmal ein Gewebe in seinem Ent- wicklungstempo oder in seiner Entwicklungsrichtung sich irgend- wie besonders, d. h. mit der Entwicklung des übrigen Organismus nicht übereinstimmend, beeinflussen lassen, dann muss dies gleich eine Menge anderer Veränderungen korrelativ zur Folge haben. Ob nun in unserem Falle nur ein Gewebe, oder aber mehrere von der Temperatur selbst sich haben beeinflussen lassen, ist natürlich nicht zu entscheiden, scheint mir aber auch belanglos zu sein. Prinzipiell aber ist die Annahme, dass die Temperatur nicht alle Gewebe des Organismus gleichmässig beeinflusst. sondern dass die einzelnen Zellarten nach ihrer histologischen Besonder- heit auf abnorme Temperaturen verschieden reagieren, unab- weisbar. Neben Gewebsveränderungen, die unter dem direkten Ein- tluss der Temperatur oder in Korrelation zu anderen Geweben resp. Organen eintraten, kommt dann funktionellen Anpassungen und Ernährungsstörungen natürlich auch noch eine Bedeutung insbesondere für Veränderungen in der Masse einzelner Organe zu. Wenn aber die Entwicklung der Organe durch abnorme Temperaturen ungleichmässig wird, dann bedarf es sicherlich Regulationen, damit der Organismus das physiologische Gleich- gewicht aufrecht erhalten kann. Als Ausdruck von Regulationen möchte ich die Verlangsamung des Entwicklungstempos deuten, welche sich hauptsächlich in der Wärme auf späteren Entwicklungs- stadien geltend macht. Es ist eine oft bestätigte Tatsache, dass 90 Herbert Doms: das van 't Hoffsche Gesetz, wonach bei Erhöhung der Tem- peratur um 10° der Ablauf chemischer Reaktionen um das Doppelte bis Dreifache beschleunigt wird, auch für die Entwicklung von Organismen gilt. Auf jungen Entwicklungsstadien trifft das Gesetz (vergl. die Angaben auf S. 62) auch bei unserem Material zu. Um so auffallender ist es, dass das Entwicklungstempo auf späteren Stadien (vergl. die Daten der Metamorphose) bedeutend langsamer ist und hier anscheinend das van 't Hoffsche Gesetz nicht - mehr gilt, das für den Ablauf der chemischen Prozesse natürlich auch hier Gültigkeit haben muss. Ich halte es nun für wahrscheinlich, dass mit zunehmender histologischer Speziali- sierung in den Kaulquappen immer mehr Regulationen notwendig wurden, um das physiologische Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Regulationen aber erfordern Zeit, und diese muss von der physi- kalisch-chemischen Beschleunigung natürlich abgezogen werden. Auf diese Weise kommen dann die Zahlen zustande, wie sie die Angaben über die Metamorphose zeigen, welche scheinbar dem van 't Hoffschen Gesetz widersprechen. Die Ergebnisse dieser Arbeit weisen Beziehungen auf zu den Ergebnissen der gleichfalls an Fröschen angestellten Unter- suchungen über das Sexualitätsproblem und über den Einfluss der Temperatur auf die Grösse des gesamten Organismus. R. Hertwig und seine Schüler haben gezeigt, dass die sexuelle Differenzierung der Frösche, d. h. die histologische Diffe- renzierung der Gonaden von der Temperatur abhängig ist. Aus den hier mitgeteilten Beobachtungen geht nun hervor, dass in diesem Punkte die Gonaden keine Sonderstellung einnehmen, da auch andere Organe in ihrer Differenzierung von der Temperatur abhängig sind. Wie wir sahen, bildet das Verhalten des Urnieren- blastems geradezu ein Analogon zur sexuellen Beeinflussung, da auch hier eine zwar nicht vollständige, aber doch weitgehende Bestimmung über das weitere Schicksal (Leukozyt oder Nieren- zelle) des Blastems der Temperatur zukommt. Dies verdient besonders hervorgehoben zu werden, da nach Witschi der Sexualstrang aus Zellen des Nierenblastems hervorgeht. Die Richtung der späteren Entwicklung der Genitalzellen, ob sie zu Ei- oder Spermazellen werden, soll nach demselben Autor damit zusammenhängen, dass sie entweder in den Sexualstrang ein- wandern oder nicht. Wenn diese Ansicht Witschis richtig ist, Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. y1 dann sind kausale Zusammenhänge zwischen der Differenzierungs- richtung des Nierenblastems und der Geschlechtsbestimmung nicht unwahrscheinlich. Einen Einfluss der Temperatur auf die (sesamtgrösse der Kaulquappen stellte Ohambers fest. Er fand, was ich durch- aus bestätigen kann, dass auf gleichen Entwicklungsstadien die Wärmetiere kleiner, die Kältetiere dagegen grösser sind als die Normaltiere. Über die Ursache dieser Grössenunterschiede spricht er sich auf Grund von Messungen der Zellgrösse wörtlich folgender- maßen aus: „Die bedeutendere Grösse eines bei 10° gezüchteten Frosches im Vergleich zu einem bei 25° gezüchteten ist die Folge der bedeutenderen Grösse seiner Zellen.“ Dieser Satz ist für den speziellen Fall eine Antwort auf die viel erörterte Frage, ob die durch Einflüsse irgendwelcher Art induzierten Abweichungen eines Organismus von der für seine Art charakteristischen Durchschnittsgrösse auf Verschieden- heiten in der Zahl oder der Grösse seiner Zellen zurückzuführen sind. Der Satz von Chambers mag, rein formal genommen, richtig sein, wollte man aber daraus eine Entscheidung der physiologischen Frage, ob die Temperatur die Zellteilung oder das Wachstum der Zellen beeinflusst, was doch schliesslich das eigentlich Interessante ist, herauslesen, so müsste man zu einem durchaus irrigen Ergebnisse gelangen. In Wirklichkeit findet eben nicht eine gleichmässige Beeinflussung des „(resamtorganis- mus“, sondern eine Beeinflussung seiner einzelnen Teile statt, und diese verhalten sich sehr verschieden. Die Länge einer Kaulquappe und ihr Gewicht mögen in der Wärme geringer sein als in der Kälte, einzelne Organe brauchen sich aber an dieses Verhalten des „Gesamtorganismus“, d. h. anderer Organe, gar nicht zu halten, und wir sahen, dass z. B. die Kiemen und die Masse der Nierensubstanz in der Wärme bedeutend grösser sind. Ob dann in der Gesamtlänge oder dem Gesamtgewicht eine Ver- grösserung oder Verringerung eintritt, wird davon abhängen, in welchem Sinne gerade die für die Messung in Betracht kommenden Organe, also bei Messungen der Gesamtlänge etwa Muskulatur und Bindegewebe, verändert sind, oder ob die Vergrösserung der einen oder die Verkleinerung der anderen Organe bedeutender ist. 92 Herbert Doms: Wenn man die Organe einzeln betrachtet, ist der Satz von Uhambers auch formal nicht mehr berechtigt. Denn die be- deutendere Grösse des ganzen Tieres in der Kälte geht Hand in Hand mit einer fraglos bedeutenderen Anzahl von Zellen im Ivmphoiden Gewebe der Urniere, und umgekehrt entspricht der geringeren (Gesamtgrösse in der Wärme auch eine geringere Anzahl von Zellen im Iymphoiden (Gewebe. Mit diesem Nachweise ist natürlich nicht gesagt, dass nicht für andere Organe die Feststellungen von Chambers ganz richtig sind. Es soll nur gezeigt werden, dass es sachlich un- berechtigt ist, von einer Vergrösserung oder Verkleinerung des Gesamtorganismus zu sprechen und nach den Ursachen dafür zu forschen, wo der Organismus in dieser Hinsicht sich tatsächlich nicht einheitlich verändert hat, vielmehr sich in seinen einzelnen Organen ganz verschieden verhält. Durch den Nachweis des verschiedenen Verhaltens der einzelnen Organe wird aber auch der Verdacht erweckt, dass sich vielleicht die einzelnen Zellarten in ihrem Wachstum bei ver- schiedenen Temperaturen nicht gleich verhalten, und die Ver- allgemeinerung von Chambers, dass in der Kälte alle Zellen der Frösche grösser als in der Wärme seien, eine Auffassung, welche für seinen oben zitierten Satz Voraussetzung ist, sich vielleicht nicht als berechtigt erweist. Gerade die für Messungen der Gesamtgrösse am meisten in Betracht kommenden Gewebe, Muskulatur und Bindegewebe, sind von ihm nicht untersucht worden. Möglich ist ja überdies, dass sich ausser der Grösse der Zellen auch die Menge der ausgeschiedenen Grundsub- stanzen verändert. „Jedenfalls aber ist die Reaktion der ver- schiedenen Gewebe eines Organismus auf Temperatureintlüsse keine gleichartige, und deshalb wird es noch weiterer Unter- suchungen bedürfen, bis man auch nur über die formalen Vor- gänge beim Zustandekommen von Grössenunterschieden durch Temperatur im Klaren ist. Und erst dann kann man mit Aus- sicht auf Erfolg versuchen, ein richtiges kausales Verständnis der komplizierten Vorgänge zu gewinnen. Ich möchte diese Arbeit nicht schliessen, olıne meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Richard v. Hertwig, für die Anregung zu dieser Arbeit und sein reges Interesse an ihr, sowie für das grosse Entgegenkommen, mit dem er die Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. ..93 Durchführung der kostspieligen Untersuchungen im Münchener Zoologischen Institut ermöglichte, auch an dieser Stelle herzlich zu danken. Auch Herrn Professor Otto Maas bin ich für manchen wertvollen Ratschlag zu Danke verpflichtet. Literaturverzeichnis. Baldwin, W. M.: The relation of muscle cell to muscle fibre in voluntary striped muscle. Zeitschr. f. allgem. Physiol., Vol. XIV. Derselbe: The relation of the sarcolemma to the muscle cells of voluntary vertebrate striped muscle fibres and its morphological nature. Ibid. Vol. XIV. Derselbe: The relation of muscle fibrillae to tendon fibrillae in voluntary striped muscles of vertebrates. Morph. Jahrb., Vol. 45. Derselbe: Muscle fibres and muscle cells of the adult white mouse heart. Anat. Anz., Bd. 42. Chambers, R.: Einfluss der Eigrösse und der Temperatur auf das Wachs- tum und die Grösse des Frosches und dessen Zellen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908. : Davenport, ©. B., und Castle, W.E.: Acclimatisation of organisms to high temperatures. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. 2. Downey, Hol.: The Iymphatie tissue of the kidney of Polyodon Spathula. 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Teil eines Längsschnitts durch eine abgeänderte Muskelfaser. a — Longitudinal verlaufende normale Fibrillen. b —= (Quer- schnitte von) Muskelfibrillen in dem Ring zirkulärer Fasern. ce = Gewuchertes Sarkoplasma am Aussenrande der Faser. d —= Sehr feine Fibrillen zwischen den Gruppen dickerer zirkulärer . Fibrillen. e —= Fibrillen, welche aus der loneitudinalen in die zirkuläre Richtung umbiegen. Querschnitt durch eine Muskelfaser mit zirkulären Fibrillen. Ge- zeichnet mit Leitz Öl-Imm. !ıs, Kompens.-Oc. 6 Zeiss Tubl. 140. Buchstabenerklärung wie bei Fig. 1. Fig. 3. Querschnitt durch eine Muskelfaser bei beginnender Ringfaser- bildung. Gezeichnet bei Leitz Öl-Imm. !/ıe, Kompens.-Oc. 6, Zeiss, Tubl. 140. Buchstabenerklärung wie bei Fig. 1. _ = oQ IC) Über den Einfluss der Temperatur auf Wachstum usw. 95 Fig. 4, 5, 6. Querschnitte durch das hintere Drittel einer Kälte- (Fig. 4), Normal- (Fig. 5) und Wärmeniere (Fig. 6). Alle drei Querschnitte gezeichnet mit Leitz Obj. 2, Oc. II. Rot die Blutgefässe, die in Fig. 6 wegen ihrer ausserordentlich feinen Aufspaltung nicht mehr ganz exakt eingezeichnet werden konnten. Grau das Iymphoide Gewebe, schwarz-weiss das Gewebe der Nierenkanälchen. Fig. 7—19. Nierenblastem und Leukozyten, gezeichnet mit Zeiss Öl-Imm. Fig. 12. 2 mm, Kompens.-Oe. 8. Fig. 7 Blastemzellen aus einem in Bildung begriffenen sekundären Nierenkanälchen, Fig. 13, 16 und 19 fertig ausgebildete Leukozyten der drei Haupttypen; die Anordnung und die Pfeile geben die Entwicklungsrichtung der Blastemzellen zu den drei Leukozyten- Typen über einige in der Mitte stehende Übergangsformen. Textfiguren. Schnitt aus der Leber einer Wärmelarve mit ziemlich grossen Hinterbeinen von der gleichen Entwicklungshöhe wie beim Kälte- tier, dessen Leber der Querschnitt Fig. 13 zeigt. Beide Figuren sind gezeichnet bei Leitz Obj. 8, Oc. I. Es wurde das ganze Ge- sichtsfeld des Objektivs gezeichnet. Lebersubstanz grau, Blut- gefässe weiss. 96 Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. Eine histochemische Studie. Von P. G. Unna. Hierzu Tafel VII-XII. A. Allgemeiner Teil. Es war eine einfache Tatsache, zunächst nur durch ihre Konstanz auffallend und als seltsame Erscheinung bei der Her- stellung von Manganbildern der Haut notiert, welche den Aus- eangspunkt der jetzigen Lehre von den Sauerstofforten und Reduktionsorten der Gewebe bildet. Bringt man Alkohol- Zelloidin-Schnitte von der Fußsohlenhaut (siehe Fig. 17) bis 5 Minuten in eine 1proz. Lösung von Kalipermanganat, bis sie braun werden, dann in Wasser, Alkohol, Öl und Balsam, so be- obachtet man bedeutende Verschiedenheiten in der Tiefe der Manganfärbung der einzelnen Gewebselemente, d. h. ihrer Ver- bindung mit dem sich abscheidenden Mnd,. Während das Kollagen sich nur leicht gelblich färbt, ist die Stachelschicht hellbraun, die Hornschicht dunkelbraun gefärbt. In ähnlicher Weise wie die Stachelschicht des Deckepithels treten die übrigen Epithelien der Knäuelgänge und Knäueldrüsen und auf entsprechenden Schnitten der Kopfhaut auch die der Stachelschicht der Haar- bälge und Talgdrüsen, sowie die glatten und quergestreiften Muskeln dureh intensive Reduktion des Kalipermanganats und Aufnahme des braunen Mangansuperoxyds Stark gebräunt hervor. Wir sind durch unsere gewöhnlichen Färbungen, z. B. mit Hämatein — Alaun, an derartige tinktorielle Unterschiede des epithelialen Parenchyms und des Kollagens so gewöhnt, dass diese Differenz in den Manganbildern nichts Auffallendes haben konnte. Wohl aber musste es auffallen, dass an ihnen die Kerne und vor allem die bekannten, grossen, runden Kerne der Stachelschicht die Eigenschaft des Kollagens teilen, dass sie das Kalipermanganat nur in äusserst schwachem Grade reduzieren und sich als helle, scharf umrandete Kreise aus der gebräunten Stachelschicht ab- Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 97 heben. Denn bei allen bisherigen Färbungen mit basischen Farben (Methylenblau) und sauren Beizenfarben (Hämatein + Alaun) sind die Kerne ja gerade noch stärker gefärbt als das Proto- plasma der Zellen. Da nun die Bräunung von Hornschicht, Protoplasma und Muskeln an den Manganbildern gar nicht anders erklärt werden kann als durch eine Reduktion des Kaliper- manganats und die Stärke dieses Reduktionsprozesses der Tiefe der Färbung mit MnO, parallel geht, so war der Schluss unab- weislich, dass ebenso wie das Kollagen auch die Kerne das Mangansalz nur äusserst schwach reduzieren können. Es hatte sogar anfangs den Anschein, als ob die Substanz der Kerne gar nicht am Reduktionsprozesse teilnähme, denn ihre äusserst schwache gelbliche Färbung erklärte sich zur (Grenüge schon durch den Umstand, dass in den betreffenden Schnitten von 10 u die 6—7 u dicken Kerne stets über- oder unterlagert waren von einer feinen Schicht stark gebräunten Protoplasmas. Als sich aber später bei der chromolytischen Analyse der Kerne') ergab, dass die Kern- gsrundsubstanz zu den basischen, reduzierenden Eiweiss- substanzen gehört, erklärte sich das Minimum von Manganreduktion in ihnen, das sich in der leicht gelblichen Färbung ausspricht, auf noch befriedigendere Weise. Die basischen Bestandteile des Kerns, die Grundsubstanz (Plastin) und das achromatische Kern- gerüst sind eben an Masse unbedeutend gegen die der sauren Einlagerungen in Kern und Kernkörperchen (Nuklein und Globulin) und diese sind im Gegensatz zu jenen befähigt, Sauerstoff zu speichern. Dadurch werden die Kerne zu hervorragenden Sauer- stofforten in allen Geweben. Ihre scharfe Begrenzung inner- halb des Manganbildes der Oberhaut bedeutet also noch mehr als die blosse Abwesenheit stärkerer Reduktion; sie bedeutet das Gegenteil: das Vorhandensein oxydierender Substanzen. Jedoch war es das negative Kernbild auf dem Reduktionsbilde bei der Manganfärbung, welches erst indirekt zur Entdeckung der Sauer- stofforte führte. Diese (Fig. 22, 24, 25) müssen aber im Gegensatz zu den Reduktionsorten des Gewebes un- fixiert, an Gefrierschnitten bearbeitet werden, denn an Alkohol- Zelloidin-Material lassen sich Sauerstofforte nicht mehr nachweisen. 4) Siehe Unna, Biochemie der Haut, S.5 und ff. Gust. Fischer, Jena, 1913. Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 7 ys PrGalnmz: Dieser erste Satz ist von fundamentaler Wichtigkeit für das richtige Verständnis der Sauerstottorte. Es ist durchaus nicht befremdlich, dass diese neue histochemische Lehre auf Widerstand stiess und dass ihre Gegner in der Methodik der Darstellung der Sauerstofforte den schwachen Punkt gefunden zu haben glaubten. der die ganze Lehre hinfällig und überflüssig machte. Aber meistens wurde dabei übersehen, dass die Lehre von dem Gegen- satz der Sauerstoftorte und Reduktionsorte sich von vornherein nicht- auf einer bloss tinktoriellen Grundlage aufbaute, sondern auf einer festen biologischen. Denn das Material für ihre beste Darstellung war ein grundverschiedenes, für die Sauerstofforte ein frisches, lebendes oder überlebendes. für die Reduktionsorte ein totes, künstlich durch Alkoholhärtung seines Sauerstoffs beraubtes. Daher war es möglich, dass die Methode der Darstellung der Sauerstofforte mit den Fortschritten ihrer Erkenntnis sich stetig veränderte und verbesserte, während ihr Prinzip, da es sich auf eine biologische Grundtatsache stützt, dasselbe geblieben ist und durch alle kritischen Bemühungen sich nur geklärt und befestigt hat. Dieses Prinzip besteht im der Wirkung der Sauerstoftorte auf eine leicht reoxydierbare basische Leukofarbe, welcher eine stark reduzierende Substanz als Schutzmittel bei- gegeben ist. Dieses Schutzmittel (Rongalit, Lävulose, Natron- hydrosulfit) genügt, um die Leukofarbe als solche in das im allgemeinen saure (rewebe einzuführen, ohne dass bereits eine Reoxydation zur Farbe eintritt. Alle sauren Gewebsbestandteile — so wollen wir zunächst, der heutigen Färbetheorie folgend, an- nehmen — speichern die Leukofarbe als solche und bleiben so- lange ungefärbt, als das Schutzmittel noch in genügender Menge zur Reduktion des Farbstoffes vorhanden ist. Wird nun der Überschuss des Komplexes: Leukofarbe + Schutzmittel aus den betreffenden Gefrierschnitten ausgespült, so kann die aufgenommene Leukofarbe sich durch den vorhandenen Sauerstoff im Gewebe oder den der umgebenden Luft oder des umgebenden Wassers wieder reoxydieren. Beständen nun im Gewebe keine Orte, an denen normaler- weise Sauerstoff lose gespeichert oder wo solche Stoffe vorhanden wären, die automatisch den von aussen hinzutretenden molekularen Sauerstoff aktivieren würden, so wäre auch kein Grund einzu- Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 99 sehen, weshalb das indirekt aus der Reoxydation der gespeicherten Leukofarbe hervorgehende Farbenbild sich von dem direkt durch die entsprechende Farbe hervorgerufenen unterscheiden sollte. Beispielsweise sollte man nach der heutigen Färbetheorie erwarten, dass das durch Methylenblau + Rongalit (= Rongalitweiss) in- direkt entstehende Farbenbild genau dasselbe wäre, wie das durch Methylenblau direkt erzeugte, dass nämlich beide der Ausdruck der Speicherung einer und derselben basischen Farbe (Methylen- blau) an den Säureorten des Gewebes wären. Die Erfahrung lehrt aber das Gegenteil. Es gibt geradezu kein frisches, überlebendes Gewebe, bei dem die direkte und die indirekte Färbung mit Methylenblau genau dasselbe Bild erzeugt. Stets finden sich Unterschiede zwischen beiden, welche lehren, dass wir im allgemeinen Sauerstofforte von Säureorten unterscheiden müssen, und zwar sind erstere in viel beschränkterer Anzahl vorhanden, halten sich aber an die Säureorte. Oder mit andern Worten: alle Sauerstofforte sind Säureorte, aber lange nicht alle Säureorte sind Sauerstofforte. Man kann den Unterschied zwischen direkter und indirekter Methylenblaufärbung auch so aussprechen: Die Speicherung des basischen Leukofarbstoffs durch frisches über- lebendes Gewebe ist eine viel beschränktere als die des entsprechenden oxydierten Farbstoffs. Der Sauerstoff ist ein rasch diffundierendes Gas, welches von allem Gewebseiweiss physikalisch leicht aufgenommen, aber in verschiedenster Weise und mit sehr verschiedener Festigkeit chemisch gebunden wird. Wo das Gewebseiweiss stark reduziert, dient der Sauerstoff zu seiner Verbrennung: er wird in das Molekül aufgenommen und verliert seine Wirksamkeit nach aussen. Hier haben wir reine Reduktionsorte vor uns (Keratin, Myvosin, Neurin). Wo das Gewebseiweiss schwächer reduziert, wird der hin- zudiffundierende molekulare Sauerstoff in Peroxydform (—0—0—), also nur lose gebunden (Spongioplasma, oxyphile Substanzen). Wo nun der Ort einer solchen Bindung zusammentrifft mit der Durchsetzung des reduzierenden (basischen) Eiweisses mit sauren Eiweissen (z. B. Uytose, Globulin) — und dieses ist gerade an den sogenannten sekundären Sauerstofforten der Fall—, dakann sich der so gebundene Peroxydsauerstoffunzersetzt speichern und wir erhalten umschriebene, labile Sauer- via 100 P. @. Unna: stoffreservoire im reduzierenden Gewebe (Granoplasma, Kern- körperchen, saure Kerne, Knorpelgrundsubstanz). Wo endlich ausserdem noch Sauerstoffkatalysatoren in dem sauren Eiweiss eingeschlossen und permanent tätig sind (z. B. Eisen im Nuklein), da speichert sich der durch Katalyse aus hinzudiffundierendem Sauerstoff ständig und automatisch aktivierte Peroxvdsauer- stoff und es entstehen stabile Sauerstofforte (primäre Sauerstofforte). - Die Speicherung des Methylenblaus (und anderer basi- scher Farbstoffe) geht nun an allen drei Kategorien von Geweben vor sich, soweit sie sauer sind, und zwar mit aufsteigender Intensität, am schwächsten in der Hornschicht, am stärksten in den Kernen. Die Speicherung des Leukomethylenblaus in den Geweben, soweit sie sauer sind, geht aber nicht an allen drei Arten von (Greweben, nämlich gar nicht an den Reduktions- orten vor sich, sondern nur an den zwei Kategorien der labilen und stabilen Sauerstofforte Es ist das nur eine notwendige Konsequenz des (Gesetzes der „oxypolaren Attinität“, das ganz allgemein zwischen Eiweissen, Farben und Beizen Geltung hat!): Der sauerstoffarme Leukofarb- stoff hatkeine Affinität zum sauerstoffarmen (redu- zierenden) Eiweiss, dagegen starke Affinität zum sauerstoffreichen (oxydierenden) Eiweiss. Das ist der Grund, weshalb der Leukofarbstoff vom tieri- schen Gewebe anders und zwar in beschränkterem Umfange gespeichert wird als der entsprechende (oxydierte) Farbstoff. Die Sauerstoffortebegnügensichalso, im Gegen- satz zu den Reduktionsorten, mit einem Leukofarb- stoff und es gilt, diesen unoxydiert an Ort und Stelle zu schaffen. Bisher gelingt das nur durch Zusatz eines stark redu- zierenden Schutzes, der in seiner Menge so abgestimmt sein muss, dass er die basische Farbe (Methylenblau) gerade in Leuko- form erhält. Es darf nicht zu wenig von ihm vorhanden sein, sonst gewinnt der Luftsauerstoff über die Mischung a und es entsteht schon vor der indirekten Färbung Methylenblau, womit die Einführung des Leukofarbstoffs vereitelt ist. Es darf aber auch nicht zu viel von dem reduzierenden Schutzmittel da !) Unna, Biochemie der Haut, S. 123. Gust. Fischer, Jena, 1913. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 101 sein, sonst greift es die Sauerstoffreservoire der (rewebe bei längerem Kontakt selbständig an. Ein richtiges Verhältnis von reduzierendem Schutzstoff und Farbstoff ist also die weitere notwendige Vorbedingung. Als reduzierender Schutzstoff hat sich bisher nur das in der Technik vielgebrauchte Rongalit ') bewährt, eine Verbindung von Formaldehyd mit dem Natriumsalz der Sulfoxylsäure: ’ OH CH.< 0 SONa welches bei der Oxydation ein OÖ aufnimmt und in das Formal- dehyd-Natrium-Bisulfit übergeht: —S0,Na. Dieses Salz reagiert Da ausserdem ist das im Handel befindliche Rongalit mit geringen Mengen von neutralem Natron- sulfit (SO, Na,) verunreinigt, welches ebenfalls alkalisch reagiert. Aus diesem Grunde schon muss zum Zwecke der Reduktion des Methylenblaus die Mischung von Rongalit und Methylenblau an- gesäuert werden. Denn die Reduktion verläuft bei alkalischer Reaktion langsam und erfordert eine stärkere Erhitzung, die wiederum leicht eine Zersetzung des Rongalits und die Bildung von Nebenprodukten zur Folge hat. Der Säurezusatz hat aber noch einen anderen Grund. Reduziert man nämlich Methylenblau mit Rongalit allein, so bewirkt nach Entfärbung der Lösung die Alkaleszenz des Rongalits eine Fällung der Leukomethylenblaubase. Erfahrungsgemäss ge- nügen zur Verhütung dieser Fällung zwei Tropfen von 25 proz. Salzsäure auf 0,2 g Methylenblau. Es ist natürlich praktischer, diesen Säurezusatz zum Methylenblau von vornherein zu machen, weil dann die Reduktion schon bei schwacher Erwärmung ein- tritt und man sofort eine klare Lösung erhält. Da dieser Säure- zusatz so bemessen ist, dass er gerade zur Auflösung der sonst gefüllten Farbbase genügt, so ist die entstehende Mischung .(Rongalitweiss)?) praktisch als eine neutrale zu bezeichnen. Meine ältere Vorschrift für RW neutral?) wurde mit einem Ü berschuss von HCl (vier Tropfen) hergestellt und das entstehende a Von der Badischen Anilin- und Sodafabrik. 2) Rongalitweiss wird im folgenden mit RW bezeichnet. ) Siehe Unna: Die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes. Arch. f. mikrosk. Anat. 1911, Bd. 78, Waldeyer-Festschrift. 102 P. G. Unna: RW wurde dann mit NaOH soweit neutralisiert, bis es zu einem Ausfall der Base kam, die durch Filtration beseitigt wurde. Die jetzige RW-Lösung ist mit dem damaligen RW neutral so gut wie identisch, hat aber den Vorzug grösserer Einfachheit. da Neutralisieren und Filtrieren wegfällt und in einer Operation eine klare Lösung erhalten wird. Was das genaue Verhältnis des Rongalits zum Methylenblau betrifft (0,3 auf 0,2 in 10 ccm Wasser), so ist zu beachten. dass nach der Reduktion des Methylenblaus noch ein geringer Über- schuss von unverbrauchtem Rongalit in der Mischung vorhanden sein muss. Denn beim praktischen Gebrauche ist es nicht möglich, die zu behandelnden Schnitte in die Mischung zu bringen, ohne gleichzeitig eine unkontrollierbare Menge Luftsauerstoff mit ein- zuführen. Auch hält sich die genau reduzierte Mischung an der Luft ohne einen solchen Überschuss von Rongalit nicht lange. Da nun für die Umwandlung von 0,2 g Methylenblau bereits etwas über 0,2 g Rongalit erforderlich sind, so gebe ich auf 0,2 Methylenblau. wie oben angegeben, 0,3 Rongalit zu. Es resultiert dann eine Lösung, welche sich 1—2 Tage an der Luft unoxydiert erhält und welche den adhärierenden Sauerstoft der Schnitte unschädlich macht. Ebenso wie das richtige Verhältnis von Rongalit zum Methylenblau für die Herstellung der Farblösung eine notwendige Vorbedingung bildet, ebenso wichtig ist für den Färbeakt selbst die Fernhaltung von accidentellem Sauerstoff, da ein lokaler Überschuss von Sauerstoff der Luft in der Umgebung des Schnittes jenes eben besprochene richtige Verhältnis von Rongalit zum Methylenblau wieder aufhebt. Man hat zu diesem Zweck nur nötig, den in die RW-Lösung gebrachten Schnitt zu beob- achten. Bleibt er in derselben ungefärbt, so kann er ruhig liegen bleiben. Färbt er sich aber in derselben an einer oder mehreren Stellen blau. was stets von mitgerissener Luft herrührt und mit einer kleinen blauen Farbwolke an derselben Stelle in der Lösung zusammentrifft,‘) so muss man den Schnitt sofort mit der Glas- nadel etwas hin und her bewegen, wobei die Färbung rasch ver- schwindet, indem das gebildete Methylenblau vom Rongalitüber- schuss der Lösung wieder reduziert wird. Würde man das unter- ') Vgl. hierzu den Anhang S. 147. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 103 lassen, so hätte man nachher im Schnitte Teile, die statt mit RW mit Methylenblau gefärbt sind. beim Auswaschen der Schnitte ist dieselbe Vorsicht in noch höherem Grade nötig, da bei dieser Prozedur der mit Leuko- methylenblau beladene Schnitt vorübergehend von einer un- kontrollierbaren Mischung von Wasser, RW und Leukomethvlen- blau umgeben ist. Würde in dieser Umgebung auch nur einen Augenblick relativ mehr Leukomethylenblau als hongalit sein, so würde sich sofort Methylenblau bilden und dieses den Schnitt noch beim Auswaschen anfärben. Daher ist die erste und wichtigste Vorschrift beim Auswaschen und eine weitere not- wendige Vorbedingung für jede RW-Färbung, dass man die Schnitte, die zum Auswaschen einzeln aus der RW-Lösung ın eine grössere Schale mit Wasser gebracht werden, in dieser mittelst einer Glasnadel energisch bewegt, damit sich aus einem zufälligen, lokalen Überschuss an Leukomethylenblau mit dem Sauerstoff des Waschwassers kein Methylenblau bilden kann. Man hält also die Schnitte in der Schale in Bewegung und sowie trotzdem das Waschwasser eine bläuliche Färbung annimmt, bringt man die Schnitte in eine zweite grössere Schale mit Wasser. Ebenso wichtig wie die rasche Bewegung der auszuwaschenden Schnitte ist die Fernhaltung von Sauerstoff aus dem Waschwasser. Hierzu ist es entweder nötig, dasselbe jedes- mal vor dem Gebrauche in einem Kolben gehörig auszukochen und wieder abkühlen zu lassen oder — was ich vorziehe — in einer grossen Liter-Kochflasche für mehrere Tage abgekochtes Wasser vorrätig zu halten, welches mit Paraffinöl überschichtet wird und aus dem man durch Heberwirkung das sauerstoffreie Wasser für das jedesmalige Auswaschen ablässt. Nachdem die Schnitte gut und rasch ausgespült sind, kann man sie in Wasser sich langsam bläuen lassen. Eine richtige RW-Färbung entsteht immer langsam. Der zunächst grünliche, dann grünblaue Schnitt nimmt im Laufe mehrerer Minuten bis zu einer Viertelstunde eine rein blaue und bei grösserem Reichtum an Sauerstofforten (z. B. Rattenlippe) eine dunkelblaue Färbung an. Tritt die dunkelblaue Färbung dagegen plötzlich am ganzen Schnitt oder an einzelnen Stellen desselben auf, so handelt es sich nicht um eine RW-Färbung, sondern um 104 P. G. Unna: eine Methylenblaufärbung, deren Grund in einer fehlerhaften Technik, meistens in ungenügender Bewegung des Schnittes, liegt. Statt im Schälehen kann man ebenso gut den ausge- waschenen und auf dem Objektträger feucht ausgebreiteten Schnitt sich auf diesem bläuen lassen. Für die Anfertigung von Dauerpräparaten ist eine Haupt- bedingung das Vermeiden des Alkohols. So kurz man auch die Entwässerung durch Alkohol gestalten mag, stets schädigt sie die Färbung der Sauerstofforte wenigstens etwas. Ich ver- meide den Alkohol ganz, indem ich ihn durch die Antrocknungs- methode!) ersetze. Entweder überlässt man den auf dem Objekt- träger ausgebreiteten Schnitt dem spontanen langsamen Antrocknen oder man beschleunigt die Antrocknung durch Anblasen mit einem Gummigebläse oder durch sehr gelindes Erwärmen in einem warmen Luftstrom. Sobald der Schnitt trocken und durch- scheinend geworden ist, wird er mit einem Deckgläschen und einem Tropfen Balsam eingedeckt. Angetrockneten Schnitten schadet die reduzierende Eigen- schaft des Balsams nicht mehr, wenigstens nicht merklich. Wohl aber leiden die Sauerstoftorte dünn aufgestrichener Sekrete unter der Balsamdecke, was man sehr deutlich sieht, wenn das Deck- glas mit dem Balsam nur einen Teil des Ausstrichs bedeckt. Die Sauerstofforte von Ausstrichen sind also ein sehr feines Reagens auf die Reduktionskraft eines Balsams. Ich ziehe es daher für Ausstriche vor. dieselben nur in Zedernöl anzusehen und nach jeder Besichtigung mit Xylol zu reinigen und trocken aufzubewahren. Ein neutrales RW, gute Gefrierschnitte, stete Beobachtungderselben,sehr rasches und energisches Auswaschen mit sauerstoffreiem Wasser, Vermeiden des Alkohols zur Entwässerung, das sind die Grund- bedingungen für die Herstellung guter RW-Präpa- rate. In der histologischen Praxis wird man sich gewiss noch manchen Fragestellungen gegenübersehen, die in dem bisher alleın !) Die Antrocknungsmethode für Schnitte wurde von mir 1885 zunächst für Schnitte lepröser Haut eingeführt. unter Anwendung stärkerer Erhitzung (Unna, Zur Färbung der Leprabazillen. Leprastudien 1885, Leop. Voss, °S. 59-61). Bei Einschluss von Sauerstofforten muss jede stärkere Erhitzung vermieden werden. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 105 betrachteten, regelrechten Gange der RW-Färbung nicht berück- sichtigt worden sind. Ich will wenigstens zwei derselben hier noch in Kürze beantworten. Angenommen. man hat frisches Material, welches nicht so- fort auf Sauerstofforte untersucht werden kann, so entsteht die Frage. wie man das Gewebe aufzubewahren hat, um die Sauer- stotforte zu erhalten. Einige Tage lang genügt ein guter Eis- schrank hierzu. aber für längere Zeit, sagen wir 6—-7 Tage, ist ausserdem die Anwendung von Konservierungsflüssigkeiten not- wendig. Dass hierfür Alkohol und Formalin absolut unbrauchbar sind, versteht sich von selbst, aber auch sauerstoffreiche Säuren, die sonst als gute Konservierungsmittel gelten, wie Salpetersäure, haben sich nicht bewährt. (Für die Haut kommt noch in Betracht, dass sich in HNO, das Epithel ablöst). Was wir für die Erhaltung der Sauerstofforte brauchen, sind zwei Dinge, die zusammenkommen müssen: l. Überschüssiger Sauerstoff, der die reduzierenden Einflüsse der Gewebe und ihrer Zerfallsprodukte beim Absterben und deren schädigenden Einfluss auf die Sauerstoflorte des Ge- webes neutralisiert. Dieser Sauerstoft darf nicht in loser Bindung in dem Konservierungsmittel enthalten sein (also nicht als H;0,, Ozon), sondern in fester Bindung, die erst durch die betreffenden reduzierenden Kräfte gelöst wird, also z. B. in Form von Chloriden, chlorsauren Salzen ete. 3. Substanzen, welche die Träger des Sauerstoffs im Gewebe (Cytose, Nuklein, Globulin) fixieren. Hierzu eigenen sich vor allem neutrale Salze in gesättigter Lösung. Stofte, welche dem ersten Postulat Genüge leisten, würden nämlich gar nichts zur Erhaltung des Sauerstotis beitragen, wenn gleichzeitig die Träger des Sauerstofts aufgelöst würden. Von den in Betracht kommenden Salzen liegen Versuchs- reihen vor über Kochsalz, Chlorzink, Salpeter und Kalichlorat. Der Salpeter, der technisch in früheren Zeiten zum Konservieren viel gebraucht wurde, erwies sich durchaus ungeeignet für die Erhaltung des Epithels, während das Cutisgewebe nicht merklich geschädigt wurde. Gesättigte Kochsalzlösung konservierte die Eiweißstofte besser, nicht aber die Sauerstofforte. Chlorzink war in einigermaßen konzentrierter Lösung verderblich für die Eiweisse, erhielt aber in verdünnter Lösung, welche nur zur Quellung der 106 B=G, ‚Unna: Kerne Anlass gab, die Sauerstoftorte sehr gut. Kalichlorat schädigte die Gewebe in konzentrierter Lösung, doch nur bei Vorhandensein von viel Lösungswasser. Es wurde daher eine weitere Versuchsreihe mit Kombi- nationen der Salze unternommen, die viel bessere Resultate lieferte. Als geeignetstes, Eiweiss am besten konservierendes Salz diente schliesslich eine gesättigte Lösung von gleichen Teilen Kochsalz und Kalichlorat, resp. Kochsalz und Chlorzink. Diese Mischungen bei Zusatz von nur wenig Wasser bewährten sich beide mit dem Unterschiede, dass der Zusatz von ZnCl, besonders die Kernkörperchen als Sauerstoftorte hervorhob (wohl durch Einwirkung auf das Globulin der Kernkörperchen }, weniger gut jedoch die Kerne als Sauerstofforte konservierte (die sich leicht gequollen zeigten). während umgekehrt der Zusatz von Kalichlorat gerade die Kerndarstellung des RW-Bildes begünstigte. Ein Vergleich der betreffenden RW - Bilder mit denen des frischen (rewebes fiel zweifellos zugunsten der Kochsalz-Kalichlorat- Mischung aus, welche man, besonders bei Verwendung des Eisschranks, geradezu als ein ideales Konservierungs- mittel für Sauerstofforte bezeichnen kann, welches ich deshalb zurzeit allein verwende. Eine andere Frage betrifft die nachträgliche Verstärkung der fertigen Bilder der Sauerstofforte. Die Erfahrung hat gezeigt. dass an den regelrecht erzeugten RW-Bildern durch nachträgliche Behandlung mit H,O,, Osmiumsäuregas oder Ammon- persulfat nichts Wesentliches mehr geändert werden kann, dass aber eine zu schwach ausgefallene Färbung auf diese Weise er- heblich verstärkt wird. Es ist mithin prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, wenn z. B. RW-Bilder, die in Balsam konserviert werden sollen, um etwaigen Schädigungen durch die Einbettung vorzubeugen, vorher in eine Lösung von H,O, oder Ammon- persulfat getaucht oder einige Sekunden über eine Flasche mit Osmiumsäure gehalten werden, wodurch die blaue Farbe be- deutend stärker wird. Es ist jedem zu raten, der sich nach den hier gegebenen Prinzipien mit der Darstellung der Sauerstoftorte einer besonderen Tierart oder eines einzelnen Organs beschäftigen will, zuerst sich selbst durch einige leicht anzustellende Experimente über diefundamentalen Unterschiede der Speicherung von Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 107 Leukomethylenblau und Methylenblau im Gewebe im allgemeinen klar zu machen. Es kann sonst leicht geschehen, dass irgend welche einzelne, paradox erscheinende Färbung un- richtig gedeutet wird. Der schon bei flüchtiger Beobachtung sofort in die Augen springende Hauptunterschied ist die viel stärkere und aus- gedehntere Speicherungdes Methylenblaus. Vergleicht man zwei entsprechende Gefrierschnitte der Fußsohle, so ist der mit Methylenblau gefärbte (siehe Fig. 23) weit intensiver blau als der mit RW behandelte (siehe Fig. 22). Nicht nur ist jedes einzelne Element stärker gebläut, sondern eine ganze Reihe von Elementen, die bei letzterer Färbung farblos sind, zeigen sich bei ersterer mehr oder minder gefärbt, so die Hornschicht und die Interzellularsubstanzen. An diesen haftet als an sauerstofi- armen Elementen der Leukofarbstoff nicht echt, d. h. nicht fest genug, um dem Auswaschen zu widerstehen. Den krassesten Unterschied zwischen Säure- und Sauerstoff- orten derselben Gewebselemente findet man jedoch stets in der Haarwurzelscheide. Dieses Objekt eignet sich noch viel besser als die Hornschicht der Fußsohle, die ich in meinem Berliner Vortrag!) empfohlen hatte, zum raschen und überzeugenden Nachweis der prinzipiellen Verschiedenheit beider Orte und sollte, da es gerade an den Tasthaaren der hatten- und Mäuseschnauze stets vorhanden ist, von jedem Forscher auf diesem (Gebiete be- achtet werden. Es ist besonders die als „Henlesche“ Scheide wohlbekannte, durchlöcherte Zellmembran. der äussere Zylinder der Wurzelscheide,?) welcher sich mit sämtlichen basischen Farben mehr oder minder intensiv färbt. Bei Methylenblaufärbung er- scheint die durchlöcherte Platte natürlich auch intensiv dunkel- blau, bei RW-Färbung dagegen stets ungefärbt,?) sie enthält also keinen locker gebundenen Sauerstoft, wohl aber ist sie intensiv sauer, wie die basischen Färbungen ergeben. Dieser Teil der Wurzelscheide würde mithin nach unserer Einteilung zu !) Unna: Tatsachen über die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes. Berl. Klin. Woch., Nr. 13. ?) Unter Wurzelscheide ist natürlich die sogen. innere Wurzelscheide verstanden: die missbräuchlich sogen. „äussere Wurzelscheide“ ist ja nichts weiter als die Stachelschicht des Haarbalgs. 3) Vgl. Fig. 6a bis 13a mit Fig. 6b bis 13b. 108 P. G. Unna: den sauren Reduktionsorten gestellt werden müssen und in der Tat zeigt jede Kalipermanganatfärbung, dass er ein starkes Reduktionsvermögen besitzt !) und sich dadurch sogar in bemerkens- werter Weise vom Haarschaft unterscheidet. Zum Unterschiede von Cytose, Nuklein und Globulin ist mithin der saure Körper, welcher der Wurzelscheide ihre hohe Basophilie verleiht. nicht auch gleichzeitig imstande, wie sonst viele saure Eiweisse, Sauer- stoff zu speichern. Man könnte nun wohl den Einwand erheben, dass der (Grehalt des RW an Salzsäure, welcher zur Reduktion des Methylenblaus notwendig ist, an der eigentümlichen Beschränkung des RW- Bildes schuld sei; denn ein geringer Zusatz von freier Salzsäure zu einer neutralen Methvlenblaulösung bewirkt ja, wie jeder Säure- zusatz zur Lösung einer basischen Farbe, eine Abschwächung des Farbbildes. In Verfolgung dieses (redankenganges habe ich zeitweise auch die Salzsäure durch eine schwächere Säure ersetzt, die gerade noch stark genug war, die Reduktion durch Rongalıt zu ermöglichen, aber nicht stark genug, das Methylenblaubild abzu- schwächen. Von allen daraufhin untersuchten Säuren genügte allein die Salizylsäure diesen beiden Bedingungen gleichzeitig und so wurde in meinem Laboratorium eine Zeitlang Rongalit- weiss mit Salizylsäurezusatz hergestellt und diese Färbung ver- glichen mit der Färbung einer Methylenblaulösung, der die gleiche Menge Salizylsäure zugesetzt war.?) Die weitere Überlegung jedoch, dass im RW die zugesetzte Salzsäure vollständig neutrali- siert wird durch das sich entwickelnde und zur Abscheidung neigende Leukomethylenblau und dass diese neutrale Lösung in bezug auf den Säuregrad nicht in Vergleich zu stellen ist mit einer durch Salzsäure angesäuerten Methylenblaulösung, führte bald von diesem Wege ab und zur alten Rongalitweisslösung zurück, nur mit dem Bestreben, diese möglichst neutral zu machen, wie es bei der oben angegebenen Herstellungsweise auch geschieht. Übrigens hatte die Salizylsäure-Modifikation des RW keine Ver- änderung der Färberesultate zur Folge, insbesondere keine wesent- liche Verbesserung derselben. ") Vgl. Fig. 29a und Fig. 31. >, Eine Lösung von 2°/» Methylenblau in einer gesättigten Salizylsäure- lösung gibt fein abgestufte, klare, nie überfärbende Methylenblaufärbungen. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 109 Auch der zeitweilige Ersatz des Rongalits durch andere Reduktionsmittel, welche keines Säurezusatzes bedürfen: Natron- hydrosulfit, alkalisierte Lävulose, tat auf die Dauer der bewährten älteren Formel des RW keinen Eintrag. Die extensiv und intensiv viel bedeutendere Färbung durch Methylenblau erkennt man vielleicht noch besser als durch den Vergleich zweier Schnitte nebeneinander durch einen anderen Versuch, indem man nämlich denselben Schnitt nachein- ander mit RW und Methylenblau färbt. Zuerst erscheint im Schnitte die beschränktere Anzahl jener Orte, die zugleich Säureorte und Sauerstofforte sind und die wir kurz „Sauerstoff- orte“ nennen. Hat man diese genau notiert und färbt den wieder ausgebetteten Schnitt mit Methylenblau nach, so hat man die viel grössere Anzahl von „Säureorten“ vor sich (sauerstofihaltige, indifferente und reduzierende Säureorte). Auch diese werden genau notiert und der Vergleich beider Reihen ergibt stets die Beschränkung der Sauerstofforte auf nur wenige, ganz bestimmte Elemente mit grosser Evidenz.!) Dass hierbei die stärkere und aus- sedehntere Färbung des mit Methylenblau nachgefärbten Schnittes nicht der zweimaligen Färbung an sich zur Last fällt, erkennt man am besten, wenn ein solcher Gefrierschnitt zweimal nach- einander mit RW gefärbt wird. Dadurch wird nämlich die Färbung durchaus nicht vertieft oder ausgedehnter, sondern sie bleibt beschränkt und wird sogar schwächer. Es erfolgt also gerade das Gegenteil von dem, was eine Nachfärbung des RW-Bildes mit Methylenblau bewirkt. In der Tat gibt es wohl kaum eine schlagendere Demonstration des Unterschiedes zwischen Färbung und Leukofärbung des tierischen Gewebes als diese Nachfärbung. Praktisch verfährt man so, dass zwei Schnitte zugleich in RW gefärbt und ausgespült werden; man bringt dann einen in RW zurück, den anderen in Methylenblau, wo die Schnitte zwei Minuten bleiben. Beide werden zusammen ausgespült, angetrocknet und in Balsam gebracht. | Fig. 1 zeigt einen solchen durch sukzessive Färbung mit RW und Methylenblau maximal gefärbten Gefrierschnitt der ‘) Diese zweimalige Färbung, erst in RW, dann — nach Abspülung und Bläuung des Schnittes — in Methylenblau, gibt durch Übereinander- lagerung der sich nicht störenden Färbungen der Sauerstofforte und Säure- orte so farbstarke Bilder, dass diese Methode anstatt einfacher Methylenblau- färbung zu gelegentlichem Gebrauch empfohlen werden kann. 110 P. G. Unna: Rattenlippe. Ein Tasthaar ist schräg durchschnitten; das mark- haltige, blaugefärbte Haar ist von der schwarzblauen (Henleschen) Wurzelscheide (he), diese von der dunkelblauen Stachelschicht des Haarbalges umgeben, weiter vom Blutsinus und dem Durch- schnitt des Haarbalges.. Nach rechts oben folgen Längsschnitte von Muskelbündeln und rechts oben in der Ecke solche von Lanugohaaren. Fig. 2 gibt das Bild des zweimal mit RW gefärbten Nach- barschnittes, an dem dieselben Organe der Haut nur noch in schwach bläulichen Konturen sichtbar sind. Besonders auffallend ist der Kontrast zwischen der hier ganz ungefärbten (he), dort schwarzblauen Wurzelscheide. Aber auch die Kerne, die an ein- fachen RW-Präparaten blau gefärbt sind, treten bei der zwei- maligen RW-Färbung nicht mehr gefärbt hervor. Überhaupt hat die RW-Färbung das Besondere, dass sie durch verlängerten Aufenthalt des Schnittes in der Farbflotte durchaus nicht verstärkt wird, wie das bei einer Methylenblau- färbung die Regel ist. Länger als 2 Minuten pflegt man deshalb die Schnitte auch nicht in dem RW zu lassen; dann haben sich die Sauerstofforte mit Leukomethylenblau gesättigt. Anstatt dass bei längerem Aufenthalt auch noch andere, also sauerstoffarme Orte die Leukofarbe aufnehmen, fängt umgekehrt der Rongalitüber- schuss des RW allmählich an, die Sauerstofforte selbst zu schädigen, und aie Färbung derselben geht rückwärts anstatt vorwärts. Eins der interessantesten Kapitel in der Lehre von den Sauerstofforten, welche jeder Forscher auf diesem Gebiet experi- mentell zu bearbeiten hat, ist die notwendige Scheidung derselben in „stabile“ und „labile“ oder in „primäre“ und „sekun- däre“. Auch dieses ganze Kapitel existiert in dem bisherigen, auf einfache Methylenblaufärbungen basierten Kapitel von den „Säureorten“ der Gewebe nicht. Seine Existenz allein ist daher wieder ein neuer und durchschlagender Beweis für meine These, dass die RW-Färbung etwas ganz anderes ist und eine prinzipiell andere Bedeutung hat wie eine Methylenblaufärbung. Nehmen wir Gefrierschnitte durch bestimmte Gewebe (Plas- mome, Gehirn, Knorpel), in denen die beiden Arten von Sauer- stofforten sich nebeneinander finden, färben sie mit RW und bringen sie nacheinander in drei Reagiergläser mit gut ausge- kochtem, sauerstoffreiem Wasser, schütteln sie jedesmal gut durch, Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 1 um allen Überschuss von Rongalit und Leukomethylenblau zu entfernen und giessen auf das letzte Gläschen Paraffinum liquidum 3—4 cm hoch auf. Wir können dann vollkommen sicher sein, dass von aussen kein Sauerstoff zu den Schnitten gelangen kann. Haben wir auf diese Weise, ohne die Schnitte sonst (etwa durch teduktionsmittel) zu schädigen, den Einfluss des Luftsauerstoffs eliminiert, dann offenbart sich an den mit RW behandelten Schnitten noch ein feinerer Unterschied. Es bläuen sich inner- halb des sauerstoffreien Wassers einzelne Orte und zwar nur diejenigen, welche Sauerstoff gespeichert haben. nämlich in den Plasmazellen das Granoplasma (Üytose), in den Ganglien die Nissl-Körper (Cytose), in dem Knorpel die Grundsubstanz, und zwar tun sie das gleichmässig und ausnahmslos. Es ist eben ihre Funktion, vermöge ihrer stark sauren Beschaffenheit Sauerstoft von überall her aufzunehmen und locker zu binden; dazu haben sie den Luftsauerstoff nicht nötig, sie entziehen einfach den Kernen (der Plasmazellen, Ganglien, Knorpelzellen), die sie allseitig um- geben, den Sauerstoff. Ich nenne sie daher „sekundäre“ Sauer- stofforte. „Labile Sauerstofforte“ kann man sie auch nennen, da, wenn man ihnen den Sauerstoff künstlich entzogen hat, sie nicht imstande sind, solchen selbständig an der Luft wieder zu speichern; sie bläuen sich dann nicht mehr an der Luft. Sie sind also nur deswegen sauerstoffreich, weil sie die Kerne dicht umlagern und fähig sind, deren Sauerstoft lose an sich zu binden, ohne ihn zu verbrauchen. Die Kerne der Plasmazellen, Ganglien, des Knorpels wiederum, welche so von sekundären Sauerstofttorten dicht umgeben sind, unterscheiden sich in ihrer Eiweissqualität durchaus nicht von anderen Kernen und färben sich daher mit Kernfärbemitteln in gewohnter Weise. Aber sie unterscheiden sich grundsätzlich von gewöhnlichen Kernen durch die ihnen von aussen aufgezwungene Sauerstoffarmut und spielen daher auf den RW-Bildern keine Rolle, wo alle anderen Kerne in spezifischer Weise hervortreten. Nirgendwo ist daher der Unterschied zwischen Methylenblaufärbung und RW-Färbung schlagender als an diesen sekundären Sauerstofforten. Wer sich einmal die Mühe genommen hat, frische Schnitte z. B. durch ein Plasmom einerseits mit Methylenblau, andererseits mit RW vergleichend zu färben, wird niemals in den Fehler verfallen können, die Prinzipien beider Färbungsarten für dieselben zu halten. 112 P. G. Unna: Natürlich können auch die Kerne Sauerstoft speichern, wie die sekundären Sauerstofforte, da sie sehr saure Eiweisse (Nuklein, Globulin) enthalten. Aber das ist nicht ihre hauptsächliche Funktion. Diese ist vielmehr ganz unabhängig von dem in ihnen ange- sammelten Reservesauerstofft und besteht in der ihnen eigenen Fähigkeit, auf katalytischem Wege den molekularen Luftsauer- stoff für die Bedürfnisse des Gewebes zu aktivieren. Schliessen wir daher von den Kernen auf Gefrierschnitten den Sauerstoft ab, so finden wir sehr verschieden grosse Reservemengen von Sauerstoft in ihnen gespeichert, je nach Art ihrer Umgebung und anderen zufälligen Umständen. In denselben Schnitten, welche Plasma- zellen beherbergen (Plasmome), sind ja auch Hunderte von Kernen gewöhnlicher Bindegewebszellen; diese zeigen sich im Gegensatz zu den Kernen der Plasmazellen alle mehr oder minder stark erfüllt von Sauerstoff. Bringen wir aber dieselben Schnitte vor- her in warme Borsäurelösung, wo das Granoplasma der Plasma- zellen aufgelöst wird, während das Nuklein ihrer Kerne erhalten bleibt, behandeln sie dann mit RW und bringen sie abgespült mit Luftsauerstoff zusammen, so zeigen nun auch die Kerne der Plasmazellen, wie alle übrigen Kerne, Sauerstoff durch ihre Bläuung an. Die Abbildungen Fig. 3, 4 und 5 mögen das (resagte erläutern. Es handelt sich um Gefrierschnitte des Randes von einem Ulcus cruris mit zahlreichen Plasmazellen. Der Schnitt zu Fig. 3 wurde eine Nacht der besseren Färbung wegen in absolutem Alkohol aufbewahrt und dann in gewöhn- licher Weise mit polychromer Methylenblaulösung gefärbt und in verdünnter Glyzerinäther-Mischung entfärbt. Die gewählte Stelle zeigt einen Venenquerschnitt, der von einem dichten Plasma- zellenkranz umgeben ist. Granoplasma und Kerne in denselben sind maximal gefärbt. Die Plasmazellen zeigen den Charakter einer jungen Plasmazellenbrut durch ihre vielen Fortsätze und eckigen Formen. Ein Nachbarschnitt (Fig. 4) wurde frisch mit RW gefärbt. Das Bild zeigt eine Anhäufung von Plasmazellen über einer Kapillare. Der Zellcharakter ist total verändert, da hier nur die Sauerstofforte, nicht die Säureorte gefärbt sind. Daher macht sich nur der Reservesauerstoff im Granoplasma und hier und da im Kernkörperchen durch Blaufärbung geltend. Die in Fig. 3 Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 115 schwarzblau gefärbten Kerne sind farblos, da sie ihren Sauer- stoff dem umliegenden Granoplasma und dem Globulin der Kern- körperchen abgegeben haben ; es besteht hier also keine Nuklein- färbung, sondern nur eine Blaufärbung der Uytose und des Globulins (sekundäre Sauerstoftorte). Weiter zeigen die Plasmazellen aber auch keine scharfen Konturen wie im Säurebild, da auch das ihnen von ihrer Ent- stehung her anhaftende, umgebende Spongioplasma gelöstes Grano- plasma aufgenommen hat und zahllose (Granoplasmakörnchen die umgebenden Lymphspalten erfüllen. Wo aber Granoplasma, gelöst oder niedergeschlagen, hinkommt, zeigt die RW-Färbung auch Sauerstoff an. Daher scheinen die Plasmazellen in ihrer Um- gebung zu zerfliessen und das ganze Plasmom macht auf den ersten Blick einen ungewöhnlichen, verschwommenen, unklaren Eindruck. Man ist es eben nicht gewohnt, Sauerstoff- bilder zu betrachten, in denen die Zellgrenzen nirgends respektiert werden. Wieder anders wurde der Schnitt zu Fig. 5 behandelt. Der (efrierschnitt wurde in eine zweiprozentige Borsäurelösung gelegt und bei Körpertemperatur eine Nacht darin gelassen. Die warme Borsäurelösung löst das Granoplasma auf, nicht aber das Nuklein der Kerne. Die RW-Färbung am nächsten Morgen ergab das Bild 5, welches wiederum eine Plasmazellengruppe darstellt. Im schärfsten Kontrast zu Fig. 4 sind hier die Kerne der Plasma- zellen stark gefärbt, ebenso stark wie einige dazwischen liegende Leukozytenkerne. Sie haben ihren Sauerstoff nicht an die Zellen- leiber abgegeben, da diese ihr Granoplasma fast ganz verloren haben. Dieselben sind nur noch ganz schwach bläulich gefärbt, zeigen aber scharfe Konturen wie die Plasmazellen in Fig. 3. Der Sauerstoffvorrat der Kerne ist mithin „primär“: er gibt Sauerstoff an das Granoplasma, an die Knorpelgrundsubstanz und andere sekundäre Sauerstofforte ab und bezieht andererseits selbst von diesen keinen Sauerstoff, obwohl er rings von ihnen umgeben ist. Im Gegensatz zu den unselbständigen Reservoiren der sekundären Sauerstofforte können wir den selbständigen und beständigen Sauerstoffort der Kerne auch „stabil“ nennen. weil an ihm, solange der Sauerstoff der Luft zufliesst, beständig aktiver Sauerstoff automatisch produziert wird. Er ist während des Lebens eine permanente, dauerhafte Quelle aktiven Sauerstoffs. Archiv f, mikr. Anat. Bd.87. Abt. 1. 3 114 P. G. Unna: Ja, es haben eigens darauf hinzielende Versuche gezeigt '), dass die Stabilität dieses Sauerstofforts noch über den Tod hin- aus 2, 3, ja 4 Tage andauern kann. So lange aktivieren nämlich die Kerne der (Grewebe, die man der Luft exponiert, den Sauer- stoff und so lange färben sie sich demgemäss mit RW blau. Ehrlich hat schon vor langer Zeit gezeigt, dass beim Tode eine plötzliche Sauerstoffnot aller (rewebe eintritt, die sich post- mortal durch Kontakt der Organe mit Luftsauerstoff in vielen Fällen wieder ausgleicht. Der Sauerstoffgehalt der Gewebe un- mittelbar nach dem Tode gibt die Verhältnisse im Leben in der Tat nicht genau wieder. Meine Versuche haben vielmehr gezeigt, dass mit dem Tode zunächst eine abnorme Sauerstoff- verteilung eintritt, indem in den sekundären Sauerstofforten der Zellen (Granoplasma), dann auch in den Interzellularsubstanzen (Kollagen) und sogar in Muskeln und Nerven ein Sauerstoff- überschuss, mit RW durch Bläuung nachweisbar. auftritt, während die Kerne an vielen Stellen sich sauerstoffleer erweisen. Das Bild ändert sich aber bald, schon nach einem Tage, indem einer- seits dieser Sauerstoffüberschuss verzehrt wird, den die Kerne in der Agonie und postmortal an ihre Umgebung abgegeben haben, andererseits die Kerne sich alle wieder sauerstoffhaltig zeigen. Es ist dieses aktive Verhalten der Kerne tatsächlich die letzte Lebensäusserung der Zelle. Mit dem Aufhören der Zirkulation empfängt der Kern keinen frischen molekularen Sauerstoff mehr, kann demgemäss auch bald keinen aktiven Sauerstoff mehr liefern und verfällt dann selbst dem Tode. Der rasche Ausgleich der agonalen Schwankung erlaubt es, die (dewebe mit Vorteil einen Tag nach dem Tode zur Her- stellung von Sauerstoffbildern zu verwenden. Während ich in den ersten Jahren dieses Studiums immer bemüht gewesen war, möglichst unmittelbar nach dem Tode zu untersuchen, veran- lasste mich die Kenntnis der geschilderten postmortalen Ver- schiebungen des Sauerstoffgehaltes, gesetzmässig in ihrer Art, aber quantitativ und individuell ungemein verschieden, die Normal- aufnahme des Sauerstoffbildes prinzipiell 24 Stunden zu ver- schieben, nämlich bis nach Ablauf der postagonalen ’) Unna: Tatsachen über die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes. Berl. Klin. Woch. 1913, Nr. 13. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 115 Schwankung. Die hier abgebildeten Sauerstoffbilder ent- stammen solchen 24 Stunden auf Eis aufbewahrten Geweben. Fassen wir alles bisher Gesagte kurz zusammen: die grund- sätzlichen Unterschiede zwischen der Methylenblaufärbung und RW-Färbung der Gewebe, das Vorkommen sehr saurer (rewebe (Wurzelscheide, Kerne der Plasmazellen, Ganglien und Knorpel), die sich mit Methylenblau stark, dagegen mit RW gar nicht färben, die Beschränkung aller Sauerstoftorte auf einen bestimmten kleinen Teil der Säureorte des Gewebes, die mangelnde Proportionalität zwischen Stärke und Zeit der RW-Färbung, der paradoxe Rück- gang der RW-Färbung bei doppelter Färbung, die durch die Sauerstofforte zum ersten Male und nur durch sie gewonnene Kenntnis von den verschiedenen Arten der Sauerstoffbindung (primären und sekundären Sauerstofforten), die gegenseitige Ab- bängigkeit dieser beiden Kategorien untereinander, die bemerkens- werte Abhängigkeit der RW-Orte überhaupt von ihrer Umgebung und deren Eiweissgehalt und endlich das rasche Schwanken des Sauerstoftgehaltes derselben Orte nach dem Tode und ihr defini- tives Verschwinden einige Tage später ohne gleichzeitiges Ver- schwinden der Säureorte, so sieht wohl jeder ein, dass die von verschiedenen Seiten geäusserte Ansicht, es möge sich bei ihnen nur um die gewöhnlichen und längst bekannten, durch Methylen- blau angezeigten Säureorte handeln, schon hiernach absolut un- haltbar ist. Aber eine besondere Eigenschaft der Sauerstoftorte ist im bisherigen noch gar nicht berührt, die sie ebenfalls von den blossen Säureorten sehr weit entfernt, das ist ihre ganz eigen- tümliche und auffallend grosse Empfindlichkeit gegenüber Giften. Unter diesen Giften der Sauerstofforte seien die reduzierenden Substanzen wegen ihrer durchsichtigen Wirkung vorangestellt. Denn wenn es richtig ist, dass die durch RW darstellbaren Orte sich durch ihren Mehrgehalt an locker gebundenem, leicht abgebbarem Sauerstoff auszeichnen, so ist es nur eine notwendige Konsequenz, dass sie nach Behandlung mit stark reduzierenden Stoffen weniger oder gar nicht mehr auf kW mit der gewöhnlichen Färbung reagieren. Da andererseits die Behandlung mit reduzierenden Mitteln den Säuregrad der (tewebselemente gewöhnlich nicht beeinflusst, so wird die Wirkung der reduzierenden Mittel auf Gewebsschnitte sich darin äussern, Ran 116 P. G. Unna: dass die Methylenblaufärbung normal ausfällt, die RW-Färbung sich dagegen in hohem Grade abgeschwächt zeigt. Dieses ist nun in der Tat der Fall. Alle folgenden Gefrierschnitte, die sich auf Vergiftung be- ziehen, sind der Mauslippe entnommen. Sie wurden unmittelbar nach der Anfertigung eine Stunde lang in die Lösungen der ver- schiedenen Gifte gebracht. dann in Wasser abgespült und teils in Methylenblau (Fig. a, a, a... .), teils inRW (Fig. b,b,b...) gefärbt. Es versteht sich von selbst, dass zu diesem Zwecke die Methylenblaufärbung in allen Einzelheiten der RW-Färbung an- gepasst werden musste. Da diese Alkohol als Entwässerungs- mittel nicht verträgt, die Schnitte mithin durch Antrocknung in Balsam gebracht werden müssen, so durfte der Alkohol auch bei der Methylenblaufärbung nicht zur Anwendung gelangen und musste durch Antrocknung ersetzt werden. Dadurch wurden aber die Schnitte nach Färbung mit der gebräuchlichen 1proz. Methylen- blaulösung so farbstark, dass Einzelheiten der Färbbarkeit in ihnen nicht mehr gut zu sehen waren. Es wurde deshalb beiden Färbungen statt einer 1proz. eine !/» proz. Methvlenblaulösung zugrunde gelegt; dafür blieben die Schnitte aber 3 Minuten (statt 2 Minuten) in den Farblösungen. Zwischen den beiden Serien a und b besteht also nur noch der einzige Unterschied, dass bei ersterer Methylenblau,. bei letzterer Rongalitweiss — von derselben Stärke und unter sonst ganz gleichen Umständen — zur Anwendung gelangt ist. Als eine allen Bildern a und b gleichmässig zukommende wesentliche Differenz ist in erster Linie die maximal starke Färbung der Haarwurzelscheiden bei Serie a und ihre vollkommene Farblosigkeit bei Serie b hervor- zuheben, ein sehr ins Auge fallender Unterschied, der bereits oben erwähnt wurde. In den Einzelbeschreibungen wird daher diese selbstverständlich auch hier überall hervortretende Differenz der Raumersparnis wegen nicht jedesmal wiederholt. Fig. 6a und b. Behandlung mit gesättigter Lösung von schwefliger Säure (SO,). Methylenblau gibt eine starke Färbung der Kerne (dunkelblau) und der Mastzellen (blauviolett). Die dicken Nervenstämme (n) der Subkutis sind bis auf die Kerne und Mastzellen nur schwach, die Muskeln (m) etwas stärker blau gefärbt. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. E17 Das RW-Bild (Fig. 6b) zeigt schwächer gefärbte Kerne und Mastzellen. Die Muskeln (m) sind ebenfalls schwächer gefärbt (nur hell- blau), die grossen Nervenstämme (n)dagegen samt ihren blauen Kernen und violetten Mastzellen sehr dunkel, man kannsagen maximal gefärbt. Der starke Sauerstoffgehalt der Nervenstämme auf dem mit SO, vergifteten RW-Bild ist um so auffallender, als das ent- sprechende Säurebild wohl stark gefärbte Kerne und Mastzellen, aber nur eine schwache Färbung der Nervensubstanz zeigt. Fig. Ta und b. Behandlung mit frisch gesättigter Lösung von Schwefelwasserstoff (H;S). Methylenblau gibt eine maximale Färbung: dunkelblaue Kerne, Nerven (n), Muskeln (m), dunkelviolette Mastzellen. RW zeigt eine ganz schwache, teilweise minimale Kern- färbung, sehr schwache Blaufärbung der Muskeln (m) und der Nervenstämme (n) und eine abgeschwächte Violettfärbung der Mastzellen im allgemeinen. Nur die Kerne und die grossen Mast- zellen der Nervenstämme machen eine Ausnahme, indem sie fast ebenso stark gefärbt sind wie bei Methylenblaufärbung. Es be- steht also ein ähnlicher Gegensatz zwischen Sauerstoffgehalt der Kerne der Muskeln und Nerven bei H,S, wie zwischen Muskeln und Nerven selbst bei SO,. Diesen starken Reduktionsmitteln gegenüber hält mithin gerade nur der Inhalt der Nervenstämme den Sauerstoff sehr fest. Fig. sa und b. Die Reduktionswirkung des Pyrogallols darf an den zu färbenden Schnitten nicht in alkalischer Lösung erzielt werden. Denn einerseits würde die gleichzeitige Alkali- wirkung die Beurteilung des RW-Bildes stören ; andererseits bildet Pyrogallol in alkalischer Lösung sehr rasch gelbe Oxydations- produkte, welche die Schnitte selbständig anfärben. Die Schnitte wurden deshalb mit einer neutralen 5proz. Pyrogallollösung I Stunde lang. behandelt. Methylenblau ergibt eine gleichmässig maximale Färbung der Kerne, Mastzellen, Muskeln (m) und Nerven (n). Letztere sind nicht stärker gefärbt als die Muskeln. Das RW-Bild zeigt schwache Kern-, Mastzellen- und Muskel- färbung (m) und wiederum eine stärkere der Nervenstämme (n), wie die Vergiftung mit SQ,. Fig.9 aundb. Seit den Untersuchungen Trybs!) wissen =) Tı yb, Histologische Veränderungen des Gewebes nach Einspritzungen von Salvarsan. Monatsh. f. Prakt. Derm. 1911, Bd. 52, S. 405. 11S P. G. Unna: wir, dass Salvarsan die Sauerstofforte der Haut rasch und in radikalster Weise vernichtet und für die Gewebe geradezu das stärkste aller bekannten Reduktionsmittel ist. Die vorliegenden Bilder sind so gewonnen, dass die Schnitte in einer halbprozentigen, durch Glyzerin (zu gleichen Teilen) noch weiter verdünnten, nicht neutralisierten Salvarsanlösung eine Stunde- verweilten. Längerer Aufenthalt vernichtete auf dem RW-Bild jede Spur von nachträglicher Färbung. Demgemäss verweilte auch das Methylenblaupräparat eine Stunde in einer Salvarsan- lösung von derselben Stärke. Dieses zeigt dann eine mässige Kern- und sehr starke Mastzellenfärbung. Die Muskeln (m) sind etwas stärker, die Nerven (n) bedeutend stärker als normale ge- färbt. Alle Gewebselemente zeigen ausserdem verschwommene, unscharfe Konturen; sie sind gequollen und mit dem ebenfalls gequollenen Kollagen zu einer ziemlich homogenen Masse ver- schmolzen. Das RW-Bild andererseits zeigt eine allgemeine, sehr bedeutende Abschwächung. Jedoch machen die Muskeln (m) eine Ausnahme, indem sie schwach und ihre Kerne durchweg stärker blaugrün gefärbt sind. Das Präparat macht daher den Eindruck einer spezifischen Muskelfärbung. Um so mehr muss betont wer- den, dass die Kerne der Nervenstämme und diese selbst voll- kommen farblos sind und ebenso von Mastzellenfärbung keine Andeutung vorhanden ist. Wir finden hier einen auch sonst her- vortretenden Paralielismus zwischen Nerven- und Mastzellenfärbung und einen ganz besonders starken Einfluss des Salvarsans auf die Sauerstoffversorgung von Mastzellen und Nerven. Bei anderen Konzentrationen und Zeiten der Salvarsaneinwirkung tritt dieser scharfe Gegensatz zwischen dem Sauerstoffvorrat von Muskeln und Nerven nicht so scharf hervor. Fig. 10 a und b. Den Übergang zu den Giften, die man in chemischem Sinne nicht eigentlich Reduktionsmittel nennen kann, macht das Formalin. Bekanntlich reduziert auch For- malin, z. B. ammoniakalische Silberlösung; aber bei ihm treten andere chemische Eigenschaften in den Vordergrund, besonders sein Verbindungsvermögen mit allen Arten von Eiweiss (Blum). Ich benutzte eine 5proz. Lösung, die eine Stunde einwirkte. Die Methylenblaufärbung eines solchen Schnittes ist ungemein stark und gleichmässig und erstreckt sich auch auf das Kollagen. Die Nervenstämme (n) sind nicht stärker gefärbt als die Muskeln (m). Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 119 Das RW-Bild dagegen ist sehr schwach gefärbt bis auf die Mast- zellen, die fast dieselbe starke Färbung zeigen wie auf dem Methylenblaubild und daher zu den farbschwachen Kernen einen auffälligen Kontrast bilden. Etwas weniger stark gefärbt (blau- violett), aber doch stärker als die Muskeln sind auch hier die grossen Nervenstämme (n). Fig. 11 aundb. Der absolute Alkohol, der für alle basischen Farben als bestes Fixativ gilt, vernichtet die RW- Färbung in ganz auffallender Weise. Jedenfalls ist die ja sicher auch hier bestehende Reduktionskraft — man denke an die rasche teduktion einer Permanganatlösung durch Alkohol — viel zu schwach, um allein die starke Wirkung auf das RW-Bild zu er- klären. Die Methylenblaufärbung zeigt maximal gefärbte Kerne und Mastzellen und gleichmässig blaugefärbte Muskeln (m) und Nerven (n), ohne Bevorzugung der letzteren. Im RW-Bild ist alles nur noch minimal grünlichblau gefärbt. Nur die Mastzellen treten in violetter Farbe noch einigermaßen gut gefärbt hervor und die Nerven (n) sind ein ganz wenig mehr gefärbt als die kaum als solche erkennbaren Muskeln (m). Fig. 12 a und b. Kommt beim Alkohol ausser der Reduk- tionswirkung jedenfalls noch ein anderes Moment in höherem Grade in Betracht, so kann beim Azeton von einer Reduktions- wirkung nun gar nicht die Rede sein. Und doch vernichtet Azeton das RW-Bild noch stärker als Alkohol. Die Gegensätze zwischen ihm und dem Methylenblaubild sind nach einem Aufenthalt in reinem Azeton von 1 Stunde Dauer die denkbar grössten; dort Kerne, Mastzellen, Muskeln und Nerven dunkelblau gefärbt, hier ganz schwach grünlichblau bis auf die Mastzellen, die in schwachem Violett sich noch etwas abheben. Der gleichsinnige, schädigende und vernichtende Einfluss des Alkohols und Azetons auf das RW-Bild lässt daran denken, dass durch diese Mittel vielleicht ein noch unbekannter Träger des Sauerstoffs gelöst wird. Ausserdem haben beide Vergiftungen das gemein, dass die Abschwächung gleichmässig alle Sauerstofi- orte trifft und speziell die Nerven ebenso stark wie die Muskeln, während die reduzierenden Gifte (SO2, H2S, Pyrogallol), ausge- nommen Salvarsan, die Muskeln stärker angreifen als die Nerven. Endlich gleichen sich die Alkohol- und Azeton-RW-Bilder noch darin, dass die (hier nicht abgebildeten) Talgzellen im Haarbalg- 120 P-G- Unna: trichter bei ihnen dunkelblau hervortreten (Freiwerden von Öl- säure?). Fig. 13 a und b. Schliesslich sei noch die Zyankalium- wirkung vorgeführt, die man von jeher als die stärkste Protoplasmavergiftung angesehen hat. Auch hier handelt es sich in noch höherem Grade als beim Formalin um eine starke Affinität zur Zellsubstanz, bei der die Sauerstoftaktivität aufgehoben wird, ohne dass von einer eigentlichen Reduktionswirkung die Rede sein kann. Um die besondere Wirkung des Alkalis auf das RW- Bild auszuschliessen, muss die Zyankaliumlösung mit Essigsäure abgestumpft werden. Ich bediene mich einer Lösung von 1: 10000, in der die Schnitte 1 Stunde verweilen. (Wählt man stärkere Lösungen und längere Zeiten, so gelingt auch keine Methylenblau- färbung mehr.) Das Methylenblaubild ist durchweg dunkelblau bis blauschwarz gefärbt, stärker als normal. Das RW-Bild ist erheblich abgeschwächt, wenn auch noch hellblau gefärbt. Die Nerven (n) haben keinen Vorzug vor den schwach gebläuten Muskeln (m). x Im folgenden stelle ich nun noch einmal die Technik der RW-Methode kurz zusammen, deren Begründung in den bisherigen Erörterungen ausführlich gegeben ist. Technik. I. Vorbereitung. Die Gewebe können frisch, in überlebendem Zustande unter- sucht werden; besser aber wartet man die agonale Schwankung ab und untersucht 24 Stunden später die trocken auf Eis ge- legten Gewebsstücke. In jedem Falle muss das Gewebsstück unter der Wasserleitung von Blut befreit werden. Muss die Unter- suchung einige Tage hinausgeschoben werden, so bringt man die Stücke in einer Petrischale auf eine 5 mm hohe Salzschicht von gleichen Teilen Kochsalz und Kalichlorat, die man mit so wenig Wasser bedeckt, dass die Stücke feucht in konzentrierter Salz- lösung liegen und stellt die Petrischale auf Eis. Die frischen Gewebsstücke werden direkt mit dem Gefrier- mikrotom geschnitten; die auf Salz konservierten müssen vorher durch Auswaschung gut und möglichst rasch vom Salz befreit werden, da bei längerem Aufenthalt in der sich verdünnenden Salzlösung die Sauerstofforte leiden würden. Zu diesem Zweck Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 121 drückt man von oben in den Hals eines grossen Glastrichters etwas Watte so tief ein, dass darauf gegossenes Wasser ziemlich rasch hindurchtropft. Auf den Wattebausch kommen die in Salz konservierten Gewebsstücke. Man sorgt durch Nachgiessen für einen beständigen Wasserstrom und hält letzteren ca. eine halbe Stunde in Gang. II. Schneiden. Die Dicke der Gefrierschnitte soll nicht unter 25 ı gehen, da sie durchsichtig genug sind und sonst zu leicht zerreissen.') III. Färbung. Man hält sich 100 g einer !/sproz. Lösung von Methylen- blau vorrätig, die man mit ca. 7 Tropfen einer 25 proz. Salz- säurelösung angesäuert hat. Von dieser werden 10 cem in einem reagierglas mit 0,3 Rongalit ?) gelinde erwärmt, bis Entfärbung auftritt. Zu starkes Erhitzen muss wegen möglicher Zersetzung des Rongalits vermieden werden. Es resultiert eine nahezu wasser- helle Lösung; sollte dieselbe nach dem Erkalten etwas trübe werden, so ist sie vor dem Gebrauch zu filtrieren. Diese Lösung von RW hält sich mehrere Tage, muss aber vor jedesmaligem (ebrauche zur Vermeidung von Niederschlägen wieder filtriert werden. Die Färbung in dieser Lösung geschieht in einem Glas- schälchen .und ist in 2 Minuten vollendet. Man überträgt die Schnitte einzeln mit stumpfer Glasnadel unter beständiger Bewegung in eine grössere Schale mit abgekochtem Wasser. Die starke Bewegung hat den Zweck, die Schnitte möglichst rasch und vollständig vom Überschuss an RW zu befreien; oft ist hierzu die Übertragung in eine zweite Schale mit abgekochtem Wasser notwendig. Ein Nebenzweck der raschen Bewegung ist es, die Schnitte vor dem Ankleben an die (rlasnadel und Glaswand zu bewahren, dem sie sonst leicht anheimfallen. Hat man es mit Ausstrichen von Eiter, Blut etc. zu tun, so bringt man dieselben ohne vorherige Erhitzung, aber 1!) Da eine Härtung mittelst Formalin durchaus vermieden werden muss, kommt die übliche Schnittdicke von 10 „ hier nicht in Betracht. ?) Erzeugnis der Badischen Anilin- und Sodafabrik oder das gleich- wertige Produkt: Heraldit von Casella. 122 P. G. Unna: lufttrocken in ein Standgefäss mit Rongalitweiss, wo sie etwa 2 Minuten verweilen. Zur Auswaschung lässt man sauerstoff- freies Wasser über den Objektträger laufen. Die Bläuung des aufgenommenen Leukomethylenblaus ge- schieht erst nach einigen (bis 10) Minuten. Um den Schnitt darf sich während des Auswaschens keine bläuliche Wolke bilden, die ein Zeichen ungenügender Bewegung des Schnittes und Bildung von Methylenblau im Waschwasser ist. IV. Einbettung. Ist der Schnitt deutlich gebläut, so fängt man ihn direkt mit der Mitte eines Objektträgers auf, befreit seine Umgebung durch Löschpapier von Wasser und lässt ihn an der Luft langsam antrocknen. Man kann die Antrocknung durch einen warmen Luftstrom beschleunigen, aber nicht durch Erhitzung über der Flamme. Nach vollständiger Antrocknung bedeckt man den Schnitt mit einem Deckglase, welches mit einem Tropfen neutralen Balsams (Grübler) versehen ist. Ausstriche von Eiter, Blut ete., nachdem sie lufttrocken geworden, werden in Zedernöl betrachtet. Soll das Präparat er- halten bleiben, so wird es mit Xylol gereinigt und trocken auf- bewahrt. B. Spezieller Teil. Im folgenden möchte ich nun meine Erfahrungen kurz mitteilen und durch Abbildungen demonstrieren, welche an einigen bevorzugten Geweben, nämlich an solchen gewonnen sind, die mir zur Bearbeitung zufälligerweise am leichtesten zugänglich waren. Es sind: menschliche Fußsohle und Kopfhaut. Scehnauzen von Mäusen und Ratten, Nieren von Mäusen und Kaninchen, Lunge von Kaninchen. Kleinhirn und ver- längertes Mark vom Kalb, Hühnerblut, Haut von Uleus eruris und gonorrhoischer Eiter. Die Verschiedenartig- keit dieses Materials ermöglichte einerseits einen raschen Über- blick über fast alle hauptsächlich in Betracht kommenden Gewebs- elemente und schloss andererseits wohl mit Sicherheit eine zu grosse Einseitigkeit der Betrachtung von vornherein aus. Ich Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 123 denke, dass sie in der Hand von Anatomen, Pathologen und Zoologen als Vorlagen für weitere Studien an diesen und anderen Organen nützlich sein werden. I. Fußsohle vom Menschen. Das Säurebild der Fußsohlenhaut (Fig. 14), wie es eine einfache Färbung des Alkohol-Zelloidinschnittes mit 1proz. Methylenblaulösung ergibt, ist bekannt. Es verdient nur hervor- gehoben zu werden, dass es, falls man mit Alkohol und nicht etwa mit saurem Alkohol entwässert hat, durchaus kein reines Kernbild genannt werden kann. Einerseits färbt sich das Proto- plasma sämtlicher Epithelien ebenfalls in mattblauem Tone, vor: allem das des Deckepithels und zwar von der Keimschicht bis zur Hornschicht in gleichmässiger Weise, dann das der Knäuel- geänge und Knäueldrüsen sowie das der Endothelien sämtlicher Blutgefässe. Ferner sind die Nerven blass mitgefärbt. Überall heben sich in diesen Teilen die Kerne durch ihre dunklere Färbung ab und in den grossen bläschenförmigen Kernen der Stachelschieht die noch dunkleren Kernkörperchen wieder von dem blau der Kerne. Andererseits nehmen in unregelmässiger Weise einzelne Bezirke der Hornschicht und der Cutis, erstere öfter in den oberen, letztere in den unteren Partien, Methylenblau auf und halten es dem Alkohol gegenüber fest. Es ist für die Darstellung dieses Bildes ziemlich einerlei, ob man statt Gefrierschnitte von der frischen Fußsohle anzu- fertigen, letztere in Alkohol fixiert und in Zelloidin einbettet; in letzterem Falle resultieren allerdings feinere und bessere Schnitte. Die Säureorte leiden unter der Alkoholbehandlung nicht, aber vollständig verändert sich das Bild, wenn man die Schnitte vor der Methylenblaufärbung mit 5proz. Salzsäure 12 Stunden lang behandelt (Fig. 15). Sie nehmen dann nur noch in der Horn- schicht Methylenblau auf, die sauren Eiweisse der Stachelschicht (sta), welche sonst das Methylenblau speichern (hauptsächlich Nuklein. Globulin, Uytose), sind ausgezogen worden, in der Horn- schicht dagegen ist ein noch nicht näher bekanntes Eiweiss von saurem Charakter verblieben. Stellen wir nun nach derselben Vorbehandlung eines Schnittes mit 5proz. HCl das Manganbild der Fußsohle dar (Fig. 16), 124 P. G. Unna: so ergibt sich ein Reduktionsbild, welches mit dem normalen Reduktionsbild (Fig. 17) nahezu vollständig übereinstimmt. Hier wie dort ist die Hornschicht am dunkelsten braun, dann folgt die Stachelschicht (sta) des Deckepithels und der Knäuelgänge. Noch schwächer reduzierend, d. h. nur hellgelb gefärbt ist die Keimschicht (kei) und ebenso hellgelb erscheinen die Kerne (ke) der Stachelschicht, ganz hell das Kollagen der Cutis. Bemerkens- wert ist die scharfe Abgrenzung dieser Reduktionsstufen und, wie ich hinzufügen kann, ihre Konstanz. Mögen noch so viele indi- viduelle Unterschiede in der Architektur des Deckepithels vor- handen sein, die Reihenfolge und Abstufung in der Stärke der Reduktion bleibt stets dieselbe. Immer ist die Reihenfolge im Epithel diese: Hornschicht Protoplasma der Stachelschicht Protoplasma der Keimschicht und Kerne der Keim- und Stachelschicht Outis. Im allgemeinen kann man vom Reduktionsbild des mit 5proz. HCl extrahierten Fußsohlenschnittes (Fig. 16) sagen, dass es meistens noch dunkler ausfällt als das des einfachen Alkohol- Zelloidinschnittes (Fig. 17), wenn man beide gleich und gemeinsam mit Kalihypermanganat behandelt.!) Hier hat die Salzsäurebehand- lung also offenbar ein Reduktionshindernis weggenommen. Das Verhalten der Stachelschicht lehrt aber, dass hier die Fortnahme der in ihr vorhandenen, bekannten. sauren Eiweisse (Nuklein, Zytose, Globulin) an der Reduktionskraft nichts verändert hat, oder mit anderen Worten, dass diese Eiweisse an dem Reduktionsbild der Stachelschicht nicht beteiligt sind. Das Reduktionsbild kann also nur durch solche Eiweisse hervorgerufen sein, welche durch 5proz. Salzsäure nicht gelöst werden und sich nach dieser Behandlung noch färberisch nach- weisen lassen. Das sind zunächst sicher die von mir sog. OXY- philen Substanzen des Protoplasmas und Kerns, die !) Die absolute Dunkelheit (Bräunung) der Manganatschnitte hängt von der Konzentration der Permanganatlösung und der Zeitdauer ihrer Ein- wirkung ab; die relative Bräunung der einzelnen Gewebsteile bleibt jedoch bei nicht allzu starker, resp. langer Manganeinwirkung stets die gleiche. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 225 sich spezifisch mit Hämatein + Alaun färben, basische Eiweisse. welche in 5proz. HCl nicht löslich sind. Vergleicht man nämlich mit einem Schnitte (Fig. 18), der direkt mit Hämatein + Alaun gefärbt ist, einen anderen, der ebenso, aber erst nach Behandlung mit 5proz. HCl gefärbt wurde (Fig. 19), so sieht es fast aus, als ob mit letzterem gar nichts geschehen wäre. Kerne, Kernkörperchen und besonders die Körnerschicht treten aus dem ebenfalls ge- bläuten Protoplasma stark gefärbt hervor, obwohl, wie wir wissen, die das Methylenblaubild erzeugenden Eiweisse in dem mit Säure extrahierten Schnitt gar nicht mehr vorhanden sind (vgl. Fig. 15). Hier haben wir also sicher Substanzen vor uns, die sich an der Entstehung des Reduktionsbildes beteiligen. Aber dass es nicht die einzigen sind, lehrt der weitere Vergleich zweier Schnitte, die beide 1-—-2 Stunden in 25proz. (konzentrierter) Salzsäure gelegen haben. Färben wir einen solchen mit Hämatein + Alaun (Fig. 20). so kommt es nicht mehr zu einer typischen Hämateinfärbung, sondern es entsteht ein ganz schwaches diffuses Bild, als hätten wir es mit einer einfachen sauren Farbe gefärbt. Die löslicheren oxyphilen Eiweisse, die das typische Hämatein + Alaun-Bild er- zeugen, sind mithin nun auch aus Protoplasma und Kern ver- schwunden und es liegt die letzte Zellgrundlage nackt vor uns: Spongioplasma im Zelleib, Plastin (Reinke-Zacharias) im Kern. Dieselbe ist mit allen sauren Farben diffus färbbar, also basischer Natur und überhaupt der Grund, weswegen- und das Objekt, welches sich mit allen sauren Farben in diffuser Weise färben lässt. Die Reduktionsfärbung eines solchen mit 25 proz. Salzsäure behandelten und seiner löslicheren oxyphilen Substanzen beraubten Schnittes (Fig. 21) beweist nun, dass auch die letzte Grundlage der Stachelzellen und ihrer Kerne sich am Manganbild beteiligt. dass das Spongioplasma (und Plastin) Kalipermanganat reduziert. Entsprechend dem starken Substanzverlust des Schnittes färbt er sich etwas weniger stark braun und es treten einzelne histo- logisch blossgelegte Teile dadurch relativ gut gefärbt hervor, so die Membranen der Stachelzellen und die aus Keratin A bestehen- den Hornmäntel der hohl gewordenen (partiell verdauten) Horn- zellen. Aber es ist wichtig zu konstatieren, dass die Stachel- zellen nicht hohl sind und nicht Löcher aufweisen, wie die Horn- 126 P. G. Unna: zellen,') und dass auch an Stelle der Kerne keine Höhlen auf- getreten sind. Die Stachelschicht stellt mithin auch noch nach dieser eingreifenden Behandlung ein lückenloses Kontinuum dar, an dessen abgeschwächtem Reduktionsbilde wir noch einen Rest der typischen Stufenfolge der Reduktionskraft Hornschicht Stachelschicht Kerne Cutis erkennen können. Auch hier besteht also noch eine Difterenz in der Reduktion zwischen Zelleib und Kern derart, dass die Kerne hell und scharf konturiert aus der homogenen Färbung der Stachelschicht sich abheben. Diese gelbliche homogene Färbung der Grundsubstanz der Kerne schliesslich ist es also, die wir auch an den Kernen am Manganbild der unbehandelten Schnitte wahr- nehmen (Fig. 17) und die dört durch den stärkeren Kontrast gegen die braunere Stachelschicht sogar den Eindruck ausge- sparter, nahezu farbloser Lücken hervorruft. Zu diesem Reduktionsbild Fig. 17 bietet nun das Sauer- stoffbild der Fußsohle (Fig. 22) im Bereiche des Deck- epithels den denkbar grössten Kontrast dar. In diesem hatten wir folgende Stufenfolge: Hornschicht Protopiasma der Stachelschicht Protoplasma der Keimschicht und Kerne. Hier finden wir die umgekehrte Reihenfolge. Am dunkelsten blau färben sich die Kerne und das Protoplasma der Keimschicht, dann das Protoplasma der übrigen Stachelschicht und ganz un- gefärbt ist die Hornschicht. Auch die feineren Verhältnisse der Sauerstoftorte der Fußsohle, wie sie in den Fig. 22—25 dargestellt sind, bieten manches Interesse. Gefrierschnitte von der Fußsohle (24 Stunden alte Leiche). Färbung: Rongalitweiss 4 Minuten.) Antrocknen. Balsam (Fig. 22—25). ie: A Um die Präparate besser montieren zu können, wurde die Ver- dauung des Inhaltes der Hornzellen hier nicht bis zur Vollendung getrieben, d.h. bis von der Hornschicht nur noch ein ganz zartes Netz von Hornbalken übrig blieb. Auf dem Bilde sind daher die Hornzellen nicht ausgehöhlt. ?) Gefrierschnitte der relativ sauerstoffarmen Fußsohle kann man mit Vorteil 4 Minuten (statt 2) in der RW-Lösung lassen. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 127 Fig. 22. Hornschicht vollständig ungefärbt. Die Stachel- schicht zeigt ganz schwach bläulich gefärbte Zelleiber und etwas dunkler gefärbte Kerne, deren Färbung an Stärke von der Keim- schicht (kei) an nach der Hornschicht zu beständig abnimmt. Die Kernkörperchen sind überall dunkler gefärbt als die Kerne und treten um so mehr hervor, je schwächer im oberen Teil der Stacheischicht (sta) die Färbung der Kerne wird. In der Körner- schicht, wo das Keratohyalin ganz unsichtbar ist und Kerne nur noch hier und da andeutungsweise zu sehen sind, beherrschen die Kernkörperchen als dunkelblau gefärbte Körper das Bild. Sie sind hier nicht mehr punktförmig rund, sondern vergrössert, ent- weder regelmässig oval oder von eigentümlicher, längerer, ganz unregelmässiger Gestalt, stab- oder spiessförmig in die Länge gezogen oder sichelförmig gebogen oder wie Kristalle vielzackig, sternförmig oder mit Ausläufern versehen, spiralig gedreht, genug. in jeder Weise verzerrt und verlagert. Vergleicht man diese Kernkörperchen der Körnerschicht des RW-Bildes mit denen des einfachen Methylenblaubildes (siehe Fig. 23). so sieht man, dass auch dort dieselbe Veränderung der Kernkörperchen vorhanden ist, dass dieselbe aber nicht so deutlich hervortritt, weil daselbst die Keratohyalinkörner und die ganzen Zelleiber blau gefärbt sind. Diese ganze Veränderung der Kern- körperchen auf den RW-Bildern der Fußsohle mit ihrer ein- seitigen Verlängerung und Verzerrung der Kernkörperchen macht den Eindruck einer Art Explosion des Inhalts nach Beseitigung einer Membran, die den Inhalt des Kernkörperchens vorher kugel- förmig zusammengehalten hat. Es ist das eine bisher, wie mir scheint, unbekannte Begleiterscheinung der Verhornung, und das sich ausdehnende und formlos werdende Kernkörperchen vertritt in der verhornenden Stachelzelle das letzte sauerstoffhaltige, mit RW sich blau färbende Element, während die übrigen Bestand- teile der Körnerzelle, Spongioplasma, Membran und Keratohyalin alle lediglich Reduktionsorte und deshalb hier ungefärbt sind. Die Cutis ist im RW-Bilde völlig ungefärbt wie die Horn- “schicht, und in ihr färben sich die Bindegewebszellen und Endothelien der Blutkapillaren sehr schwach, die Kerne etwas stärker. Fassen wir die Hauptunterschiede der RW-Färbung (Fig. 22) und der Methylenblaufärbung (Fig. 23) kurz zu- 128 P. G. Unna: sammen.!) Bei ersterer haben wir eine vollständig farblose, bei letzterer eine bläuliche, streifenweise dunkler blau gefärbte Horn- schicht. Bei ersterer ist die Cutis ungefärbt, bei letzterer stark und ditfus blau gefärbt. Bei ersterer ist der epitheliale Zellenleib in der Stachelschicht, von der Keimschicht anfangend bis gegen die Hornschicht, immer schwächer gefärbt, bei letzterer oberhalb der schwarzblauen Keimschicht ziemlich gleichmässig dunkelblau. Bei ersterer fehlt die Keratohyalinfärbung vollständig, bei letzterer ist sie vorhanden, wenn auch zarter und schwächer als bei Häma- tein+ Alaun-Färbung. Bei ersterer sind die Kerne des Binde- gewebes schwach, bei letzterer stark gefärbt. Hornschicht, Kollagen, Keratohyalin sind also Säureorte, aber keine Sauerstofforte. Die Kernkörperchen als hervorragende Sauerstofforte treten dagegen auf dem RW-Bilde besonders her- vor. Die stärkste Färbung des Methylenblaubildes ist dort, wo Säureorte und (sekundäre) Sauerstofforte zusammenfallen, wie im Granoplasma der Epithelien der Stachelschicht und in deren Kern- körperchen. Fig. 24. Derselbe Schnitt. Subeutis. Das folgende Bild zeigt die Organe der Subeutis bei RW- Färbung. Die Knäueldrüsenepithelien sind weniger stark gebläut als diejenigen des Knäuelganges (gg), aber dunkler blau gefärbt als die Epithelien der Stachelschicht, wie sie sich auch regelmässig stets zu allererst im Hautschnitt bei RW-Behandlung bläuen. Die Färbung haftet in den Knäueln gleichmässig an den Kernen und dem Granoplasma der Epithelien; auch hier treten die Kern- körperchen etwas tiefer blau gefärbt hervor. Als besonders kräftige Sauerstofforte kennzeichnen sich aber die in den Knäueln so häufigen, sauren Kerne (sk). nämlich durch ihre gleichmässig starke Blaufärbung. Auch das gefäss- und nervenführende Binde- gewebe zwischen den Schlingen des Knäuels ist stets bläulich gefärbt, also reicher an lose gebundenem Sauerstoff als das ') In der Herstellung dieser beiden Bilder ist der einzige Unterschied der Ersatz des Methylenblaus durch RW. Da die Fußsohlenschnitte aus- nahmsweise einen Aufenthalt von 4 Minuten (statt 2) in der RW-Lösung vertragen, wurde zur Herstellung des Präparates von Fig. 23 auch 4 Minuten in der Methylenblaulösung gefärbt, dann ebenfalls angetrocknet (ohne Alkohol- passage) und in Balsam eingeschlossen, wie bei dem RW-Präparate. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 129 übrige Cutisgewebe und enthält eine Anzahl sehr stark blauviolett gefärbter Mastzellen (ma) mit hellen Kernen. Ein ganz eigenartiges Bild gewährt das Fettgewebe mit seinen ungemein stark gefärbten Blutkapillaren, sauren Kernen und Lochkernen (lo). Die Fettläppchen fallen dadurch sehr in die Augen, ganz im Gegensatz zu den entsprechenden Stellen bei Methylenblaufärbung. Da diese ungemein starke Bläuung sich nur an mit RW gefärbten Gefrierschnitten findet, hängt sie vielleicht mit der Vereisung und Sprengung der Fettzellen zusammen, denn man findet an denselben Stellen nicht nur hohle, fettlose Räume, sondern darin auch immer stellenweise rot ge- färbte, ätherlösliche Fettnadeln und -tropfen. Also kommt mög- licherweise für die starke Bläuung die dabei frei werdende Öl- säure in Betracht, die auch sonst bei der Aktivierung und Über- tragung von Luftsauerstoff eine Rolle spielt. Durch die starke Färbung der Endothelien und ihrer Kerne treten die Blut- kapillaren (ble) der Fettläppchen strangartig hervor, und zwischen ihnen verteilt sind ovale und tetraödrische Kerne des Fettgewebes und unter diesen eine grosse Anzahl von Lochkernen, alle von maximaler Blaufärbung. Neben diesen Fettläppchen liegen weiter nach links eine Anzahl grosser Mastzellen zwischen Blutkapillaren,, dann eine seitlich angeschnittene grössere Hautarterie, deren quergestreifte Muskelfasern (m) bis auf den stäbchenförmigen Kern ungefärbt sind, ebenso wie zwei kleine Nervenäste (n), die von oben und unten in die Muskelwandung einstrahlen. Der untere Ast ist von mehreren Mastzellen begleitet. Ein etwas grösserer Nervenast (n) folgt im Bilde unten. Er ist ungefärbt und an seiner Schlängelung sofort zu erkennen, obwohl er farblos ist. Das ihn einhüllende Bindegewebe ist reich an blauviolett gefärbten Mastzellen. Den Abschluss des Bildes nach unten macht ein Venenquerschnitt (v), an dem wiederum die muskulösen Elemente farblos, die stäbchenförmigen Kerne leicht gebläut sind. Vergleicht man mit diesem Bilde der Sauerstofforte der Subeutis dasjenige der Säureorte eines entsprechenden Methylen- blaubildes,') so finden wir hier statt der beschriebenen inter- !) Dasselbe ist, als allgemein bekannt, hier fortgelassen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. I. I 130 P. G Unna: essanten Einzelheiten eine vollständig gleichmässig starke Färbung der Kerne der Knäuel und Knäuelgänge, des intra- glandulären und übrigen Üutisgewebes. Die Nerven, im Sauer- stoffbild als helle, von blaugefärbtem Bindegewebe und violetten Mastzellen begleitete Stränge hervortretend, sind im Methylenblau- bilde gar nicht zu erkennen. Ebenso treten die Fettläppchen in diesen durch ihre Färbung nicht hervor, sondern vielmehr gegen das übrige Bindegewebe zurück. Also bestehen in der Subecutis ebensoviele charakteristische Unterschiede ‘zwischen den blossen Sauerstofforten und den Säureorten wie im Epithel und Papillar- körper. Fig. 25. Überblickt man, um eine Übersicht vom Sauerstoff- strom der ganzen Haut zu gewinnen, an der Hand der RW- Färbung das Übersichtsbild Fig. 25, so gewahrt man die (Quellen des Sauerstoffs, an denen er in die Haut eintritt, an sämtlichen Blutkapillaren und daselbst auch die Zellelemente, welche ihn brauchbar zu machen, d. h. in aktivem Zustand abzuspalten im- stande sind, die Mastzellen. Von hier diffundiert er in der Tiefe der Haut hauptsächlich zu den Knäueldrüsen (kn) und Knäuel- gängen (gg), an der Oberfläche vor allem zum Deckepithel, wo er in den Keimzellen (kei) des Epithels durch deren Kerne wieder reaktiviert und weitergegeben wird, um einerseits in der Horn- schicht (Hsch), andererseits im Kollagen der Cutis und im Fett- gewebe (fe) ganz zu verschwinden, d. h. für RW nicht mehr nach- weisbar zu sein. Hier wird er also nicht locker gespeichert, wie an den gebläuten Stellen, sondern an das reduzierende Eiweiss fest gebunden, d. i. verbrannt. II. Kopfhaut. Kopfhaut von der Leiche eines jungen Mannes. Fixierung der Sauerstofforte in NaCl + KCIO,. Nach 4 Tagen Gefrierschnitte. RW-Färbung. Fig. 26 stellt eine mit RW gefärbte Talgdrüse der Kopf- haut dar, um zu zeigen, dass die pyknotischen, kleinen, ge- schrumpften und vom Talg komprimierten Kerne der Talgdrüsen- mitte auffallenderweise stark blau werden, mithin noch viel . Sauerstoff enthalten. Da an dieser Stelle von Kernteilung und Mitosenbildung keine Rede mehr ist, so geht aus diesem Bilde unzweifelhaft hervor, dass Sauerstoftaktivierung und Mitosen- Die Sauerstofforte nnd Reduktionsorte. 131 bildung zwei vollkommen unabhängige Kernfunktionen sind, die nur in den Keimschichten der Gewebe zusammenfallen. Die Sauer- stoffaktivierung ist die allgemeinere, die Mitosenbildung die speziellere Funktion. Erstere bedingt letztere, besteht aber weiter auch dort, wo die übrigen Bedingungen für letztere aufgehoben sind, wie in der Talgdrüsenmitte. Sie knüpft sich offenbar noch an jeden Rest von Nuklein an. Fig. 27 gibt eine Übersicht über die Sauerstoffverteilung im Papillenhaar. An der intensiven Färbung des ganzen epi- thelialen Bulbus (bu) sieht man, dass hier die bei weitem grösste Sauerstoffmenge angehäuft ist; am Halse des Bulbus nimmt die Färbung rasch ab, um im mittleren Teile der Haarwurzel auf einem Minimum zu verharren. Der hier stark pigmentierte Haar- schaft selbst ist sauerstoffrei. Der Haarbalg ist nur schwach gebläut bis auf die Kernansammlung am Grunde des Haarbalges (ke). Diese geht in die ebenfalls äusserst kernreiche und stark gebläute Papille (pa) über, von der ein seitlicher Abschnitt im Bilde zu sehen ist. Fig. 28. Dieser Schnitt ist durch 12stündige Behandlung mit 5proz. Salzsäure des grössten Teils seiner sauren Eiweisse beraubt und dann mit Methvlenblau gefärbt, entspricht also dem ebenso behandelten Bilde 15 von der Fußsohlenhaut. Auch hier ist der ganze Schnitt nahezu farblos. Nur die Hornschicht und die Wurzelscheide sind tiefblau gefärbt. Die Stachelschicht der Haarbälge ist ebenso farblos wie in Fig. 15 die Stachelschicht des Deckepithels. Die Henlesche Wurzelscheide enthält mithin ebenso wie die Hornschicht einen in 5proz. Salzsäure unlös- lichen, sauren Eiweisskörper. Sie ist auch, wie das nächste Manganbild zeigt, ein stark reduzierendes Gewebselement und färbt sich auf RW-Bildern (Fig. 6b bis 13b) überhaupt nicht. Sie teilt mithin auch diese beiden Eigenschaften mit der Horn- schicht der Oberfläche. Durch diese spezifische Blaufärbung der mit 5proz. Salz- säure behandelten Hornschicht und Wurzelscheide zerfällt der Schnitt der Kopfhaut regelmässig in vier Zonen. Die oberfläch- lichste zeigt die Hornschicht als blaues Band und ihre Fort- setzungen nach unten in die Haarbalgtrichter. Darauf folgt eine farblose Zone mit den Quer- und Schrägschnitten der Haare in der Talgdrüsenregion ohne Hornschicht und Wurzelscheide. 9* 132 P. G. Unna: Als dritte kommt dann die Region der ausgebildeten Wurzel- scheide, die durch blaue Ringe um die Haarschnitte ausgezeichnet ist. Interessant ist dazwischen das Bild eines durchschnittenen Haar- beetes (hb). Hier färbt sich die Übergangsschicht zwischen Haarbeet und Beethaar blau, dieselbe Schicht, welche Kalipermanganat stark reduziert (Fig. 30). Sie tritt mithin an die Seite der Hornschicht und Wurzelscheide: allen drei Gebilden sind folgende drei Eigen- schaften gemeinsam: sie reduzieren Kalipermanganat, färben sich nicht mit RW und färben sich nach Behandlung mit 5 proz. Salz- säure mit Methylenblau in isolierter Weise blau. Als vierte und unterste Schicht der Kopfhaut folgt dann schliesslich die Zone der Haarpapillen, in welcher wegen der Vorbehandlung mit 5proz. HCl natürlich auch keine Blaufärbung mehr vorhanden ist. Fig. 29a (Taf. X). Verschiedene Gewebselemente aus dem- selben Gefrierschnitt. Iproz. Kalipermanganat 2 Minuten, Alkohol, Öl, Balsam. a) (uerschnitt eines Papillenhaares in mittlerer Höhe. In der Mitte der schwach gelblich gefärbte Haarschaft mit etwas stärker reduzierendem Zentralteil. Davon durch eine Spalte ge- trennt die viel stärker reduzierende Wurzelscheide, deren innere Lage hier schwarzbraun ist, also am stärksten reduziert. Sie wird umgeben von der Stachelschicht des Haarbalges, etwa in der Höhe des Haarbeetes. Ebenso wie in der Stachelschicht der Oberfläche sind die Kerne (ke) als hellere Lücken aus- gespart. b) Ein Stück der anliegenden Talgdrüse mit dem dazu gehörigen Ansatz glatter Muskeln (m) (Arreetor), die sehr viel stärker reduzieren als das umgebende, nur leicht gelblich ge- färbte Bindegewebe. In den Talgdrüsenzellen ist nur das Spongio- plasma des Zelleibes gebräunt und tritt daher sehr gut hervor, von den Kernen ist die reduzierende Kerngrundlage als schwachh- brauner Punkt sichtbar. Die Fettröpfehen der Talgdrüsenzellen (Gefrierschnitt!) reduzieren nicht. Durch die Verdünnung und den Schwund der spongioplastischen Septen werden die Talgdrüsen- zellen nach dem Ausführungsgange zu immer heller. c) Eine grosse subkutane Vene, deren braun gefärbte, ge- fältelte elastische Membran (el) viel stärker reduziert als die übrigen Gefässhäute. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 135 d) Eine Knäueldrüse (kn) nebst Quer- und Schrägschnitten des dazu gehörigen Knäuelganges (gg). In letzterem färbt sich die Cuticula, welche das Lumen des Kanals auskleidet, stark braun, während die Gänge sonst, ebenso wie die Knäuel, nur in minimaler Weise reduzieren. Die Cuticula reduziert mithin Kalipermanganat genau so stark wie Osmiumsäure (Heynold). Die überaus schwache Färbung der Knäuel im Reduktionsbild steht wieder im schärfsten Kontrast zu der starken Färbung im RW-Bilde (Fig. 24 und 25). e) Zum Vergleiche mit diesem gewöhnlichen Anblick der Knäueldrüsen in manganierten Alkohol-Zelloidin-Schnitten folgt noch eine Knäueldrüse von der Fußsohle der Leiche eines jugend- lichen Sudanesen. Die hier befindlichen Bilder der grossen Knäueldrüsen sind im Gegensatz zu jenen erhalten durch längere Behandlung der frisch hergestellten Gefrierschnitte mit 1proz. Kalipermanganat (YYa—1 Stunde). Sie zeigen eine grobe, un- regelmässige Körnung (kö), die der schwarzen Körnung der Knäuel entspricht. wie sie an Stücken von mit Flemming scher Mischung fixierter Fußsohle auftritt. Sie ist wie jene an eine Fettsubstanz gebunden, die schon durch Alkohol ausgezogen wird. Die Beschreibung derselben wurde von mir schon vor einigen Jahren gegeben.) Bei der hierzu notwendigen starken Manganierung treten in den tief gebräunten Gängen (gg) die Kerne als helle Kreise sehr schön hervor. Dieses Bild der Knäuelgänge ist der beste Beweis, dass der Kontrast zwischen der starken Reduktions- wirkung des Zellprotoplasmas und der minimalen der Zellkerne durchaus nicht etwa einer ungenügenden Manganwirkung zuzu- schreiben ist. sondern auch bei stärkster Manganwirkung unver- ändert bestehen bleibt. Fig. 30. Gefrierschnitt durch die Kopfhaut der Leiche eines älteren Mannes. I proz. Kalipermanganat 2 Minuten, Alkohol, Öl, Balsam. Dieser Längsschnitt durch das proliferierende untere Ende eines Beethaares der Kopfhaut zeigt, dass in diesem Epithelgebilde die Übergangsschicht (ue) zwischen der Stachelschicht des Haarbeetes und dem Beethaare 1) Siehe Golodetz und Unna: Zur Chemie der Haut. III. Das Reduktionsvermögen der histologischen Elemente der Haut. Monatshefte f. Prakt. Derm. 1909, Bd. 48, S. 165. 134 P. G. Unna: ausserordentlich stark reduziert. Es ist das der Grund, weshalb bei den meisten Färbungen des Beethaares diese Zone so schwach gefärbt und oft kaum erkennbar ist und einer der Gründe für die Annahme, dass dem Beethaar kein selbständiges Wachstum aus der Stachelschicht des Haares heraus zukomme. Das Mangan- bild gibt nun besser als die meisten Färbungen den Strahlenkranz verhornter Einzelzellen wieder, durch den das Beethaar mit dem Haarbeet aufs innigste verwachsen ist. Das Haarbeet hat auch nach unten einige Zellfortsätze abgesandt und ist durchsetzt mit hellen Kernen (ke). wie die Stachelschicht des Deckepithels (Fig. 17). rechts ist ein grösserer, links ein kleiner Abschnitt der Talg- drüse (ta) zu sehen. Das feine Spongioplasma der Talgdrüsen reduziert ebenso wie das Plastin des zentralen Kernrestes, während das eingeschlossene Fett (es handelt sich um einen Gefrierschnitt) Kalipermanganat nicht reduziert. III. Schnauzen von Ratten und Mäusen. Die grossen Tasthaare der Ratten sind gute Objekte für das Studium der Reduktions- und Sauerstofforte des Haares. Fig. 31 gibt das Manganbild eines mittleren Haarabschnittes wieder. Hier ist der stärkst reduzierende Teil die Wurzelscheide(wu): sie reduziert mehr als die Stachelschicht des Haarbalges und als das Haar selbst. In dem nur schwach gelb gefärbten Blutsinus (si) rechts erkennt man, dass das Stroma der roten Blut- körperchen (blu), wo sie in grösserer Menge angehäuft sind, sich deutlich braun färbt. Bekanntlich ist das Stroma der Ervthrozyten sehr zart und auf dünnen Blutausstrichen tritt seine Reduktions- kraft nur undeutlich hervor. Anders auf dieken Schnitten oder nach stärkerer Antrocknung oder nach vorheriger Formalinfixierung. bei der das zarte Stroma gehärtet, wasserärmer wird und des- wegen das MnO2 besser speichert. Dabei ist zu bemerken, dass die Formalinfixierung wohl die Sauerstofforte schädigt, aber die Reduktionskraft des Gewebes im allgemeinen nicht erhöht. z. B. weder eine stärkere Reduktion des Kollagens noch der Kerne bedingt. Fig.32 zeigt den Schrägschnitt eines solchen Haares als Manganbild in der Höhe der Papille (pa). Diese hat sich durch den Schnitt etwas aus der Umhüllung der leicht pigmentierten Keimschicht (kei) des Haares gelöst, letztere ist braun gefärbt mit helleren Kernen; die sonst immer so stark. gefärbte Papille Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 135 dagegen ist hier ganz blass, von vielen hellen Kernen durchsetzt. Sie besitzt nur ein Minimum von Reduktionskraft. Das Maximum derselben finden wir teils in der Wurzelscheide (wu), von der oben ein Halbring in schrägem Abschnitt erscheint, teils in den aussen der Haarbalgscheide anliegenden Muskelquerschnitten (m). Das Kollagen der Cutis und der Haarbalgscheide ist nur leicht bräunlich gefärbt. Fig. 33 bestätigt das Gesagte. Die stärksten Reduktions- orte sind einerseits die kleinen glatten Muskeln (m), die nahe der Oberhaut der Rattenlippe verlaufen, andererseits eine kompakte Ansammlung roter Blutkörperchen (blu) im Blutsinus am oberen Ende eines Tasthaares. Fig. 34 endlich gibt eine Übersicht über das Reduktions- vermögen des gesamten Tasthaares und seiner Umgebung an einem wohlgelungenen mittleren Längsschnitt. Die stärkste Braunfärbung herrscht in der Stachelschicht (sta) des Haarbalges und den seitlich rechts am Haarbalg quer- und längsgetroffenen Muskeln (m). Etwas schwächer, aber immer noch sehr erheblich reduziert der Hauptnervenstamm (n) des Tasthaares, welcher als dickes Kabel unten in dasselbe eintritt und sich alsbald gabelförmig in mehrere Äste spaltet, die das Haar umfassend aufwärts steigen. Etwas schwächer gebräunt erscheinen die feineren Nervenfasern. welche im obersten Abschnitt des Blutsinus den Hals des Haares hals- bandartig (n) umfassen. Von etwa gleicher Reduktionskraft ist das kompakte kollagene Gewebe des Haarbalges (Ha). Das Bild ist eine gute Illustration der alles überragenden Reduktionskraft von epithelialer Stachelschicht und Muskulatur sowie des auch noch beträchtlichen, aber schwächeren Reduktionsvermögens der nervösen Achsenzylinder. Fig. 35 und 36. Während zwischen Muskel und Nerv nur ein gradweiser Unterschied des Sauerstoffbedürfnisses besteht. bilden Muskel und Knorpel in dieser Beziehung geradezu reinste Gegensätze. Die folgenden beiden Bilder sind Nachbarschnitte durch das Nasendach der Mäuseschnauze. Fig. 35, Taf. IX. Auf einen blauen Epithelsaum (ep) und den mit blauen Kernen durchsetzten Bindegewebsstreifen folgt im RW-Bild die geradezu schwarzblaue Knorpellamelle. Am Rande der Knorpel- spange (kno), wo einzelne Knorpelzellen sichtbar werden, zeigt sich bei stärkerer Vergrösserung. dass die helleren Kreise, die 136 P. G. Unna: beim Auf- und Abstellen der Schraube aufleuchten, dem Proto- plasma der Knorpelzellen angehören, während die Knorpelgrund- substanz überall dunkelblau, die Kerne meistens nur schwach- blau. oft gar nicht gefärbt sind. Die Grundsubstanz ist also im Bereich des Knorpels ein konstanter und maximaler sekundärer Sauerstoffort, während der Sauerstoffeehalt der Kerne und des Protoplasmas gering und variabel ist. Wie das saure Grano- plasma in den Plasmazellen (siehe Fig. 4) den Kernen permanent Sauerstoff entzieht, so ebenfalls die sehr saure Grundsubstanz des Knorpels den Knorpelkernen und -zellen. Auf die Knorpel- spange folgen nun in farblosem Bindegewebe die hellblauen Quer- und Längsschnitte der Muskeln (m) und tief dunkelviolette Mast- zellen (ma). Letztere sind auf dem folgenden Manganschnitte (Fig. 36, Taf. X) überhaupt unsichtbar. Die Kerne der Muskeln sind dunkelblau gefärbt und ihre Anzahl in den hier vorkommenden Muskeln ist sehr bedeutend; Kernreichtum und bläuliche Färbung der Muskeln pflegen Hand in Hand zu gehen. Das Deckepithel (dp) ist hellblau gefärbt. Die Nerven (n), die auf dem Manganbild (Fig. 56) deutlich als hellbraune Kabel hervortreten, sind auf dem RW-Bild gar nicht zu sehen. Man gewahrt sie höchstens bei stärkerer Abblendung. wenn man den Hauptzügen der tief- gefärbten Mastzellen nachgeht. da diese die Nervenstämme regel- mässig begleiten. Fig. 36, Taf. X. Die Nasenhöhle wird hier auf dem Mangan- bild von einem hellbräunlichen Epithelsaum (ep) begrenzt, an den zunächst ein hellerer Bindegewebsstreifen grenzt, der zugleich das Perichondrium der nun folgenden schmalen Knorpellamelle (kno) bildet. Diese ist nahezu ungefärbt, man sieht nur die Konturen der Knorpelkapseln hellbräunlich angedeutet. Wiederum durch ein gelblich gefärbtes Perichondrium getrennt, folgt darauf in krassem Gegensatz eine Schicht dunkelbraun gefärbter glatter Muskelfasern (m), an die sich Quer- und Längsschnitte von kleineren Muskelbündeln, Nervenstämmen (n), kleineren Tast- haaren (t) und Lanugohärchen in buntem Durcheinander bis zur Grenze des Deckepithels (dp) anschliessen, die die Cutis dicht mit mehr gelblichem oder mehr bräunlichem Inhalt erfüllen. Inner- halb dieses stark reduzierenden Inhaltes der Nasenhaut bildet die nahezu farblose Knorpelspange die einzige Ausnahme; sie zeigt nahezu kein Sauerstoftbedürfnis. Die Sauerstofforte und Reduktionsorte, 137 Alles in allem; im RW-Bild schwach gefärbte Muskeln und maximal gefärbter Knorpel, im Manganbild kaum gefärbter Knorpel und maximal gefärbte Muskeln; hier wie dort Muskeln starke Reduktionsorte, Knorpel starker Sauerstoffort. ' Sehr häufig sind es die Sauerstofforte, welche zugleich an Methylenblaupräparaten als Säureorte ersten Ranges die stärkste Blaufärbung aufweisen: so die Sauerstofforte der Mastzellen und des Knorpels (vergl. vorige Abbildung Fig. 35). Diese Regel bildet aber kein Gesetz. Wie wir oben bereits bei der Horn- schicht der Fußsohle sahen (Fig. 22 und 25), kommt es vor, dass Methylenblau aufnehmende saure Gewebe die RW-Färbung vollkommen abweisen. Auch von der (Henleschen) Wurzelscheide sahen wir (Fig. 6b bis 13b), dass dieselbe sich mit RW als ganz oder nahezu unfärbbar erweist. Da es sich in jenen Bildern aber um Vergiftungen der Haut handelt, so erscheint es nicht überflüssig, an dieser Stelle noch einmal bei stärkerer Vergrösserung die vollständig normale und frische Wurzelscheide auf (refrierschnitten sowohl mit Methylenblau als auch mit RW gefärbt zu zeigen. um den krassen Unterschied beider Färbungen an einem leicht zugänglichen Material zu demonstrieren. Fig. 37. Taf. IX. Gefrierschnitt. Methylenblau. Antrocknen. Balsam. Die tief dunkelblauen Henleschen Zellen (he) um- geben den schwach gefärbten Haarschaft mit zwei längsovalen, sich in der Mitte kreuzenden, ringfürmigen Schrägschnitten. Der vor dem Haarabschnitt liegende ist schwarzblau, der dahinter liegende Ring ist schwächer blau gefärbt. Im oberen Teil des Bildes decken sich beide, im unteren fallen sie soweit auseinander, dass man die einzelnen Hornplättchen der Henleschen Scheide gut unterscheiden kann, die bekanntlich nur teilweise zusammen- hängen und Lücken zwischen sich lassen. Die Wurzelscheiden- Yinge grenzen innen an Oberhäutchenzellen, aussen an die Stachelschicht des Haarbalges (früher sog. „äussere Wurzelscheide“ ). und diese ist wiederum umgeben von einem Teil des Haarbalges, dessen Kerne sämtlich gebläut sind. Fig. 38, Taf. Xl. Ein ähnlicher Schrägschnitt eines Tasthaares aus einem benachbarten Schnitt der Rattenlippe, mit RW gefärbt. Der Haarschaft im Zentrum ist hier ganz ungefärbt: die Stachel- schicht (sta). von der oben und unten ein Teil gezeichnet ist, hat eine hellblaue Färbung mit dunkleren Kernen und zwischen beide 135 P. G. Unna: schiebt sich eine ganz blassbläuliche Schicht von palisaden- artigen, nahezu ungefärbten Henleschen Zellen (he), deren Kerne nur etwas stärker gebläut sind. Der tinktorielle Gegen- satz zu der schwarzblauen Henleschen Scheide des Methylen- blaubildes ist frappant. Sehr häufig ist die Henlesche Lage durch absolute Farblosigkeit ganz unsichtbar und nur bei Ab- blendung aufzufinden. Es ergibt sich aus diesem Kontrast, dass die starke Färbung. welche die Henlesche Scheide mit vielen basischen Farben gibt, nicht auf einen Sauerstoffgehalt, sondern nur auf einen Säuregehalt zurückzuführen ist. Sie enthält stark saure Ei- weisse, die zugleich stark reduzierend sind (vgl. ihre dunkelbraune Färbung auf dem Manganbilde (Fig. 29a und Fig. 31. Taf. X). Die nächsten zwei Ausschnitte aus den Tasthaaren der Ratte bei stärkerer Vergrösserung sollen zeigen. wie verschieden das Absterben der Gewebe einerseits auf die Säureorte, anderer- seits auf die Sauerstofforte wirkt. Fig. 39, Taf. XI, stellt einen mittleren Teil des Schnittes einer Rattenlippe dar, welcher 4 Tage in der feuchten Kammer verweilte und dann mit Methylenblau gefärbt wurde. Er geht quer durch das Tasthaar und zeigt im allgemeinen eine abnorm diffuse, starke Färbung. Das Haarmark (hm) im ungefärbten Haarschaft ist blau, ein kleines Stück der Henleschen Wurzel- scheide (he) am unteren Rande schwarzblau gefärbt. Die Stachel- schicht (sta) des Haarbalges zeigt eine diffuse dunkelblaue Färbung mit noch dunklerblauen Kernen. Das Bindegewebe, welches die Blutsinus (si) durchsetzt, erscheint grünlichblau mit dunkelblauen Kernen und enthält einzelne dunkelviolette Mastzellen (ma). Es folgt nach aussen die auffallend dunkelblau gefärbte Haarbalg- scheide (Ha) und links anliegend ein paar grünblaue Muskeln (m) mit blauen Kernen und violetten Mastzellen. Das Absterben in der feuchten Kammer schwächt also im Laufe von 4 Tagen die Methylenblaufärbung durchaus nicht ab: im Gegenteil, der Schnitt färbt sich — offenbar durch postmortale Säuerung — dunkler und nebenbei diffuser als normal. Fig. 40. Ganz im Gegensatz dazu sind nach 4tägigem Aufenthalt in der feuchten Kammer, wie die Färbung mit RW zeigt, alle Sauerstofforte des Haarbalges, die primären der Kerne des Epithels und Bindegewebes sowie die der Mastzellen im Haar- Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 159 balge und die sekundären des Zellprotoplasmas, des Bindegewebes und der Muskelsubstanz vollständig ausgelöscht. Nur in einigen Mastzellen (ma) aussen am Haarbalge hat sich noch etwas Sauer- stoff und damit etwas RW-Bläuung inmitten der übermächtigen postmortalen Reduktion erhalten. IV. Kaninchenlunge und -niere, Menschenniere. Die Lunge des Kaninchens eignet sich besser als die der Ratten, Mäuse und Hunde dazu, den lehrreichen (Gegensatz zwischen Bronchial- und Alveolarsystem einerseits, zwischen diesem und dem Pulmonalvenensystem andererseits hervortreten zu lassen, der naturgemäss in der Sauerstoffbindung dieser Systeme besteht. Ein Vergleich der folgenden beiden (refrierschnitte von der frischen Lunge des Kaninchens, von denen der erste mit RW, der zweite mit Kalipermanganat behandelt wurde, zeigt diese (regensätze in frappanter Weise. Fig. 41. Auf dem RW-Bilde tritt die Hälfte eines quer- durchschnittenen Bronchiolus (br) durch seine dunkelblaue Färbung auffallend hervor. Nicht nur sind alle Kerne der Epithelien dunkel- blau, sondern auch ihr Protoplasma. Der untere Rand des Bronchiolus ist emporgehoben durch einen tiefblau gefärbten, von Kernen strotzenden Lymphtollikel (fo). der im Zentrum etwas Kohlepigment birgt. Zu diesen Sauerstofforten des Bronchial- systems gesellen sich noch, wie andere Schnitte zeigen, in der Schleimhaut der kleineren und grösseren Bronchien tief blau ge- färbte Schleimdrüsen und Knorpelplatten. Die Atemluft befindet sich also im Bronchialsystem noch wie zu Hause, wie in der freien Natur mitten in einem Überfluss von Sauerstoff, und ver- liert daher ihren Sauerstoff nicht früher als bis sie in das Alveolargebiet gelangt. Ich vermute, dass auf diesem ausnahms- weise grossen Sauerstoflreichtum der gesamten Bronchialschleim- haut die bisher noch unerklärte Lebenszähigkeit der überlebenden Flimmerzellen dieses Traetus beruht. Das Alveolargewebe (alv) birgt im Gegensatz hierzu nur in den Kernen der Alveolarepithelien und Kapillarendothelien einen beschränkten Vorrat von locker gebundenem Sauerstoff. Das kollagene und elastische (rewebe der Septen und Alveolenwände und das Zellprotoplasma sämtlicher Zellen ist ungefärbt. Noch blasser, d. h. sauerstoffärmer als das eigentliche Lungen- gewebe ist die Wandung der durch den Schnitt getroffenen grossen 140 = P. G. Unna: Pulmonalvene (pul); hier sind nur die Kerne der Endothelien und glatten Muskeln der Media ganz schwach blau gefärbt, da- gegen alles Kollagen, Elastin und die Muskulatur ungefärbt. Fig. 42 stellt einen Nachbarschnitt durch dieselbe Kaninchen- lunge dar, mit Kalipermanganat gefärbt. Man übersieht mit einem Blicke, dass hier dieselbe gegensätzliche Reihenfolge: Bronchial-, Alveolar- und Pulmonalvenengewebe besteht, aber in umgekehrter Richtung. Den stärksten Reduktionsort bildet der Venenquer- schnitt, besonders dessen Muskulatur und elastische Lamelle. Schwächer reduzierend und demgemäss schwächer gebräunt ist das Alveolargewebe (alv.); auch hier bildet das Elastin den Haupt- reduktionsort: Kerne sind natürlich gar nicht sichtbar. Den schwächsten Reduktionsort stellt die ganz zart gebräunte Bronchial- schleimhaut (br) dar mit dem ebenfalls ganz blassen Lymph- follikel (fo). Überall sind auch hier die Kerne ungefärbt und daher unsichtbar. Spricht man in Ehrlichschem Sinne von einem Sauerstofi- bedürfnis der Gewebe, so lehrt ein Blick auf diese beiden Schnitte, dass in der Lunge das Sauerstoftbedürfnis im Bronchialbaum noch nicht existiert, sondern erst im Alveolargewebe beginnt und in der Pulmonalvene gipfelt. Die physiologische Richtung des Sauer- stoffstroms in der Lunge von der Luftröhre über die Lungen- alveole bis zum Lungenvenenblut hat also als bleibende physio- logische Grundlage: das wachsende Reduktionsvermögen der betreffenden drei Grewebsabschnitte. Ein ebenso interessanter physiologischer Gegensatz in der Verteilung des locker gebundenen Sauerstofts wie in der Lunge findet sich auch in der Niere. Auch hier treten die Erscheinungen am übersichtlichsten und deutlichsten an der Niere des Kaninchens hervor, dessen Gewebe — im Vergleich mit den Nagetieren und Fleischfressern — einen geringeren Reichtum und Überfluss an Kernsauerstoff besitzen. Die folgenden beiden Schnitte stammen von einer 24 Stunden im Kochsalz + Kalichlorat-Gemisch aufbewahrten Kaninchen- niere. Fig. 43. Ein mit RW gefärbtes Übersichtsbild. Blau treten nur die Glomeruli (gl), die geraden Harnkanäle (gr) (Schleifen) und einige Gefässästchen hervor und zwar sind in allen diesen Teilen nur die Kerne gefärbt. Ungebläut und daher nur ganz Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 141 schwach gelblich gefärbt sind die alle Zwischenräume ausfüllenden (uer- und Schrägschnitte der gewundenen Harnkanälchen (gw). Nicht in allen Nierenschnitten von Kaninchen stellen sich die gewundenen Kanäle so absolut frei von lockerem Sauerstoff dar. Meistens sind die äusseren Abschnitte der Nierenepithelien wenigstens bläulich und deren Kerne etwas dunkler gefärbt. so dass nur die inneren Abschnitte der Epithelien, welche das Lumen begrenzen. eine farblose oder leicht gelbliche, glitzernde, zu- weilen zu grösseren Schollen zusammenfliessende Masse aus- machen. Bei Nagetieren und Fleischfressern sind sogar häufig die gewundenen und geraden Harnkanälchen unterschiedslos so gefärbt wie hier die Henleschen Schleifen, mit dem einzigen Unterschiede, dass auch dann noch die Kerne der gewundenen Harnkanäle blasser blau sind als die der geraden. Wo aber bei der RW-Färbung der Nierenschnitte ein Unterschied zwischen Sauerstofforten und Reduktionsorten hervortritt, sind stets die gewundenen Harnkanälchen der Sitz eines mehr oder minder ausgedehnten Reduktionsbildes, die geraden Harnkanäle, die Henleschen Schleifen und die Nierenpapille dagegen der Sitz eines Sauerstoffortes von grossem Umfang und grosser Konstanz. Anatomisch ist diese Differenz begründet in dem Vorwiegen grosser, stark reduzierender Protoplasmamassen in den gewundenen Harnkanälchen (vgl. Fig. 44, 45, 46) einerseits und dem Zurück- treten der Protoplasmamassen hinter einem grossen Kernreichtum in den geraden Harnkanälen und der Nierenpapille andererseits. Eine weitere physiologische Folge ist das Vorkommen von freiem Sauerstoff in dem aus der Nierenpapille austretenden Harn, der bei Tieren von P. Ehrlich, beim Menschen von Stammler nachgewiesen wurde. Fig. 44. Ein Stück eines benachbarten Nierenschnittes der- selben Kaninchenniere mit Kalipermanganat behandelt. Wie dort die Glomeruli (gl) den dunkelsten Teil des Bildes darstellen, so hier den hellsten; den hellen gewundenen Harnkanälen (gw) dort entsprechen hier dunkelbraune, deren starke Reduktionskraft nur an den hier und da als hellere Kreise durchschimmernden Kernen eine Grenze findet. Die an der linken Seite der Figur vertikal herabziehenden, parallelen, geraden Harnkanäle (Schleifen) (gr) sind etwas weniger stark gebräunt und nur ganz schwach gelblich sind die vier Glomeruli, in denen die Kerne als noch hellere 142 P. G. Unna: Flecken sichtbar sind. Sie sitzen wie die Früchte auf dem Stiel auf den kelchartig sich verbreiternden Enden je eines gewundenen Harnkanälchens, die im Gegensatz zum Glomerulus die dunkel- braune Farbe der Reduktion tragen. Es war eigentlich nicht meine Absicht, die Sauerstoftorte der Niere vom Menschen zu beschreiben, da man nur selten in der Lage ist, von menschlichen Leichen ganz frische und normale Nieren zu erhalten. Auch die hier abgebildeten Teile der menschlichen Niere sind möglicherweise nicht ganz normal. Aber sie sind sehr instruktiv zur Veranschaulichung des histo- logischen Baues des Glomerulus und zwar sowohl die Sauerstoff- wie die Reduktionsbilder. Ein jeder weiss, dass in den Hohlraum des Glomerulus der Fundus eines gewundenen Harnkanälchens hineinreicht und hier von dem arteriellen Wunder- knäuel des Glomerulus zu einer flachen Haube eingestülpt wird, etwa wie wir einen Gummiballon mit der Faust zu einer halben Hohlkugel eindrücken können. Aber von diesen mechanisch hoch- interessanten Bildern bekommt man bekanntlich an den in ge- wöhnlicher Weise gefärbten Präparaten, besonders an den mit einfachen Kernfärbungen versehenen, nur selten etwas Befriedigendes zu sehen: meist scheint der Glomerulus isoliert in seiner Höhle zu liegen. Der Grund ist klar, die flachgedrückten Epithelien des Harnkanälchens unterscheiden sich bei blossen Kernfärbungen tinktoriell zu wenig von den platten Endothelien der Glomerulus- kapillaren. Das Manganbild ist aber eine Plasmafärbung, genauer gesagt erstens eine Spongioplasmafärbung und sodann eine Färbung aller hinzutretenden reduzierenden Eiweisse. Daher fällt beim Glomerulus nicht bloss, wie Fig. 44 zeigt, die störende, alles gleichmachende Kernfärbung fort, sondern es schliesst sich an die helle, schwach gelbliche Spongioplasmafärbung der Glomerulus- kapillaren in voller Kontiguität, scharf abgesetzt die tiefbraune Färbung des stark reduzierenden gewundenen Harnkanälchens. Man kann die Verlötung dieser, verschiedenen Keimblättern an- gehörenden, Plasmastrukturen mithin sehr deutlich demonstrieren, wenn man nur von den üblichen Kernfärbungen absieht. Diese Verdeutlichung der Glomerulusstruktur ist der Grund, weshalb ich den Bildern der Kaninchenniere noch solche aus der Menschen- niere folgen lasse. Das bei menschlichem Leichenmaterial fast unvermeidliche postmortale Oedem hat zur Folge, dass die ge- Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 145 nannten Zusammenhänge noch besser isoliert hervortreten, wenn man nur für eine starke Manganfärbung sorgt. Fig. 45. Gefrierschnitt aus der Nierenrinde einer mensch- lichen Leiche. 1proz. Kalipermanganat, 5 Minuten. Die gewundenen Harnkanäle (gw) treten als tiefbraune Ab- schnitte, die Glomeruli (gl) als helle Körper hervor; doch nicht völlig hell, denn punkt- und streifenweise sind braune Stellen eingesprengt. Stärkere Vergrösserung zeigt, dass es sich dabei überall und nur um rote Blutkörperchen (blu) in den Kapillaren handelt. Ausserdem tritt in äusserst schwacher Gelbfärbung an diesen Glomeruli eine äussere homogene Grenzmembran (gm) hervor. Während Glomerulus a und b sehr schön die Verlötung des Glomerulus mit einem gewundenen Harnkanälchen zeigen, lässt sich an Glomerulus e der Übergang des anderen Glomerulus- Poles in zwei Blutkapillaren demonstrieren. Hier wird der Über- gang wiederum durch reduzierende Elemente vermittelt, nämlich durch die in beiden Teilen enthaltenen roten Blutkörperchen; ohne den Gehalt an solchen würde der direkte Übergang minder klar sein. Fig. 46, Taf. XIl. Wie die Fig. 43 von der Kaninchenniere zeigt, gibt die RW-Färbung der Niere eine schöne und auffallende Kontrastfärbung zwischen Glomerulus und gewundenen Harn- kanälchen. Besonders wenn in letzterem die Kernfärbung ganz fehlt. zeigen die Epithelien eine hell waschledergelbe Färbung, welche sehr scharf von den stets blau gefärbten Kernen der Glomeruluskapillaren absticht. Stellt man nun an einem solchen mit RW gefärbten Schnitt der menschlichen Niere diejenigen (blauen) Glomeruli ein, welche an einer Seite der inneren Wand eine gelbliche Masse aufweisen und untersucht mit stärkerer Vergrösserung, so erblickt man ebenfalls das erwünschte Bild der Einstülpung der zwei Keimblätter in grösster Deutlichkeit, dieses Mal trotz der blauen Kernfärbung deswegen, weil dieselbe gerade an der Lötstelle der Keimblätter, nämlich in den ge- wundenen Harnkanälchen, in diesen Fällen fehlt; während in Fig. 44 und 45 daselbst ein Kontrast zwischen hellgelbem Glomerulus und dunkelbraunem Harnkanälchen besteht, so hier zwischen blauem Glomerulus und hellgelbem Harnkanälchen. Bei diesen RW-Präparaten erscheint daher der Glomerulus an zwei sich ganz oder annähernd diametral gegenüberstehenden 144 P7 6. Unna: Polen angeheftet; an einer Seite an einem zwei Blutkapillaren bergenden, blau gefärbten Stiel (st) (Fig. 46 a, b, e, d), an der anderen an eine gelbgefärbte Platte (pl), welche die Gestalt eines Trichters (Fig. 46c, e), eines flachen Hügels oder eines dicken kurzen Zylinders (Fig. 46a, b, f) besitzt, der manchmal spiralig etwas gedreht ist (Fig. 46a, f). Man sieht, dass dieselbe aus einzelnen epithelartig angeordneten Zellen besteht, deren Kerne schlecht oder gar nicht gefärbt sind. Diese Epithelien lassen sich an der Wand der Glomerulushöhle oder auf der Oberfläche der Glomeruluskapillaren in einzelnen Exemplaren vermöge ihrer gelblichen Farbe noch weiter verfolgen (Fig. 46 e). Dieser lehrreiche Kontrast von gelbgefärbten Epithelien einerseits und Endothelien mit blauem Kern andererseits in einer Glomerulushöhle fehlt natürlich dort, wo die gewundenen Harn- kanäle etwas mehr Sauerstoff enthalten und demgemäss aus blass- blauem Zelleib und blauen Kernen bestehen: er ist mithin auch nicht überall im Schnitte vorhanden. Die hier gezeichneten sechs Glomeruli fanden sich jedoch in einem einzigen Schnitte und es wäre eine leichte Mühe gewesen, in ihm die doppelte Anzahl aufzufinden. Es wird sich empfehlen, in der Histologie des Menschen und der Tiere überall dort, wo Gewebszusammenhänge bei blossen Kernfärbungen nicht sofort deutlich hervortreten, eine Kali- permanganat- und RW-Färbung versuchsweise zu Hilfe zu nehmen. V. Kleinhirn und Rückenmark des Kalbes. Fig. 47. Zwei quergeschnittene Falten von einem Klein- hirn, welches frisch vereist, geschnitten und mit RW gefärbt wurde. In beiden ist die zentrale Zone des aus markhaltigen Nerven bestehenden Markes (mrk) nahezu ungefärbt. Sie wird zunächst umgeben von der dunkelblauen, aus kleinen Ganglien. bestehenden Körnerschicht (Kör). Zwischen dieser und der äusseren hellblauen Schicht des Rindengraus (rg) schiebt sich eine ununterbrochene Reihe dunkelblau gefärbter grosser Ganglien ein. Es sind die Purkinjeschen Zellen (pu). Die Zonen der markhaltigen Nerven (mrk) und Ganglien kontrastieren also bei der RW-Färbung lebhaft, es sind die Reduktionsorte und Sauer- stofforte des Zentralnervensystems. Fig. 48. Ein Stück von der Grenze der grauen Rinde und der Körnerschicht von demselben Präparate bei stärkerer Ver- Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 145 grösserung. Die Purkinjeschen Ganglien (pu) zeigen ein schwarz- blaues, viel Sauerstoff enthaltendes Kernkörperchen, einen relativ wenig Sauerstoff enthaltenden, heller blau gefärbten Kern und eine dichte Erfüllung des Zelleibes mit sauerstoftreichem Grano- plasma, den Nissl-Körpern dieser Ganglien. Hingegen sind die angrenzenden Kerne (ke) der gangliösen Körnerzone blau gefärbt ohne Hervortreten eines noch dunkler gefärbten Kernkörperchens und Zelleibes, ebenso etwa wie die Kerne der rechts liegenden Blutkapillaren (blu). Die primären Sauerstofforte dieser Kerne sind eben nicht durch anliegende sekundäre Sauerstoffreservoire (grosse Kernkörperchen, Granoplasma) desxoydiert. Die wenigen mittelgrossen Ganglien (mg) zeigen wiederum einen hellblauen Kern zwischen dunkelblauem Kernkörperchen und einem Saum von dunkelblauem Granoplasma. Fig. 49. Bei noch stärkerer Vergrösserung: eine Purkinje- sche Zelle, zwei mittelgrosse Ganglien, mehrere kleine Ganglien aus der Körnerschicht und ein Endothelkern an demselben Prä- parat. Die Ganglien der Körnerschicht (ke) zeigen bei dieser hohen Vergrösserung einen ganz feinen peripheren Saum von sauerstofthaltigem Granoplasma, das grosse Kernkörperchen der Purkinjeschen Zelle eine Teilung in eine dunkelblaue Rand- partie (Nuklein), eine hellere Grundsubstanz und ein schwarz- blaues Zentrum (Globulin). Fig. 50. Ganglien aus dem Vorderhorn des Kalbsrücken- marks. 24 Stunden auf Eis. Gefrierschnitt, RW-Färbung. Die (anglien und ihre Ausläufer zeigen ein tiefblau gefärbtes Grano- plasma in Streifenform eingelagert (Nisslkörper), einen helleren Kern und schwarzblau gefärbtes Kernkörperchen. Wo das Grano- plasma in ihnen aufhört, entziehen sich die an und für sich stark reduzierenden Ausläufer dem Nachweis durch die RW-Färbung. Die Glia ist hell oder leicht bläulich gefärbt. Ihre Kerne sind blau, ebenso die der Blutkapillaren (blu). VI. Hühnerblut. Fig. 51. Ein gutes Paradigma für den Gegensatz von Plasma und Kern in bezug auf Speicherung des lose gebundenen Sauerstofts bildet das kernhaltige Vogelblut. Bei dem mit RW behandelten Hühnerblut tritt allein der ovale Kern blau gefärbt hervor. Das Plasma bleibt völlig ungefärbt bis auf einen äusserst Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 10 146 P:G. Unna: feinen Randsaum, der sich, mehr oder weniger deutlich, etwas blau gefärbt zeigt. Fig. 52. Dasselbe Hühnerblut, mit Kali hypermanganicum behandelt. Das Plasma ist mässig stark gebräunt im Gegensatz zu dem wesentlich helleren, nur leicht gelblich gefärbten Kern. In demselben ist die reduzierende Grundlage des Kernkörperchens manchmal als stärker gefärbter Punkt angedeutet. VII. Gonokokken. Fig. 53. Der gonorrhoische Eiter möge schliesslich als einfachstes Beispiel dienen, um zu erläutern, wie wichtig sich die RW-Methode auch für das Verständnis pathologischer Vorgänge erweist. Fig. 53 zeigt das allbekannte Bild des Trippereiters bei der Methylenblaufärbung. Die Kerne der polymorphkernigen Leukozyten sind dunkelblau gefärbt, dunkler als die Kerne der Lymphozyten. Noch dunkler, geradezu schwarzblau erscheinen die Gonokokken (gon), sowohl die intra- wie extrazellulären. Dieses bekannte Säurebild des gonorrhoischen Eiters lehrt, dass die (ionokokken stark sauer sind und dass sie nicht im mindesten unter dem Einflusse der Leukozyten leiden, wie es häufig dar- gestellt worden, sondern dass im Gegenteil die Leukozytenleiber allmählich zerfallen, während die Gonokokken ihre Tingibilität behalten. Man sieht also keine „Phagozytose“, sondern Phago- kokken, welche die Leukozyten erst chemotaktisch anlocken und dann zerstören. Fig. 54. Wie sehr die Gonokokken in diesem Kampfe Sieger sind, zeigt jedes RW-Bild des gonorrhoischen Eiters. Während auf diesem die Gonokokken sich ebenso schwarzblau färben wie auf dem Methylenblaubild, sind die Kerne hier ganz blassblau und die Leukozytenleiber nahezu ungefärbt. Zwischen Leukozyten und Gonokokken besteht mithin der fundamentale Unterschied, dass erstere wohl ihr saures Eiweiss behalten, bis sie auseinanderfallen, ihren Sauerstoff aber völlig verloren haben, während die Gonokokken sowohl ihr saures Eiweiss wie ihren Sauerstoff bewahren. Nur das RW-Bild, nicht das Methylenblau- bild, gibt daher ein richtiges biologisches Bild des gonorrho- ischen Eiters und lässt niemand darüber in Zweifel, dass die Gono- kokken ihrer Umgebung nicht bloss Eiweiss, sondern vor allem Sauerstoff entziehen. Das Sauerstoftbild der Gonokokken ergänzt Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. 147 daher in lehrreicher Weise die Anschauung, die man sich bereits nach den Methylenblaubildern gebildet hatte, dass bei der Gonorrhoe die Phagozytose keine Rolle spielt. Anhang.') F. W. Oelze?) denkt über diesen Punkt anders. Er glaubt, dass seine „primäre Sauerstoffärbung“ oder „Einschlussfärbung“ von mir nicht beobachtet sei. Unter einer solchen versteht er die rasch auftauchende und allmählich wieder verschwindende Bläuung eines Schnittes, den man in unverdünnte RW-Lösung gebracht hat, in dieser selbst. Dieses Phänomen sieht natürlich ein jeder, der einige Schnitte in :RW genau beobachtet, und wohl jeder wird bei einigem Nachdenken auch die Bedeutungs- losigkeit dieser ephemeren und gänzlich belanglosen Erscheinung richtig erkennen. Sowie der Chemiker vom Ende einer Titration nicht dann spricht, wenn der einfallende Tropfen sich färbt, sondern erst, wenn die ganze Flüssigkeit nach gehörigem Ausgleich den ge- wünschten Farbumschlag zeigt, so wird hier kein erfahrener Histologe sich mit dem Färbungsresultat der zufälligen ersten Kontaktwirkung zwischen Schnitt nnd Flüssigkeit begnügen, sondern warten, bis sich das erstrebte (rleichgewicht zwischen Oxydations- und Reduktionsbestreben hergestellt hat, d. h. in vor- liegendem Falle, bis der Überschuss des Rongalits im RW den Einfluss des mit dem Schnitt in die Lösung gebrachten Lutft- sauerstoffs überwunden hat. Der Leser wird das Phänomen, auf welches Velze (Gewicht legt, sehr einfach aus der Beschreibung eines Schnittes von unserem Paradigma, nämlich dem Gefrierschnitt der Mäuseschnauze, beurteilen lernen. Lässt man einen solchen auf dem Objektträger antrocknen, bedeckt ihn mit einem Tropfen Rongalitweiss und bringt ihn unter das Mikroskop, so bleibt er grösstenteils un- gefärbt, nur treten hier und da ganz unregelmässige leichte, diffuse Bläuungen auf, und innerhalb dieser Bezirke färbt sich !) Zu Seite 102, Zeile 4 von unten. 2) F. W. Oelze: Über die fürberische Darstellung der Reduktions- orte und Oxydationsorte in Geweben und Zellen. Arch. f. mikrosk. Anat. 1914, Bd. 84, Abt. I, S. 113. , 10* 148 P. G. Unna: auch die Lösung bläulich. Bald darauf färben sich in demselben Bezirk die Mastzellen dunkler. Diese Färbungen haben einen ganz unregelmässigen und zufälligen Charakter und hängen offensicht- lich von vielerlei physikalischen Bedingungen, wie Lücken im Gewebe, Zutritt der Luft, ab. Klarer wird die Art der Färbung. sowie wir ein Deckglas auflegen. Denn dann werden an mit ein- geschlossenen grösseren Luftblasen regelmässig folgende Erscheinungen sichtbar. An dem Rande jeder Luftblase bildet sich ein Ring von Methylenblaulösung, und dieser färbt den an- liegenden Gewebsteil, wo es auch sei, sofort dunkelblau und die Mastzellen darin dunkelviolett. Liegt die Luftblase z. B. der Hornschicht an. so färbt sich die angrenzende Epithel- und Cutis- schicht ditfus blau mit dunkleren Kernen und Mastzellen. An der Oberfläche jeder Luftblase ist nämlich das Gleichgewicht ge- stört. der Sauerstoff hat die Oberhand über das Rongalit ge- wonnen, es entsteht an dieser Stelle Methylenblau, und der Schnitt wird im Ganzen scheckig blau gefärbt durch den Wechsel von RW- und Methylenblaupartien. Wieder anders ist das Phänomen, wenn wir die RW-Lösung stark mit Wasser verdünnen und dadurch das Gleichgewicht zu- ungunsten des Rongalits verändern, da eine höhere Konzentration des Rongalits für die RW-Färbung sehr viel notwendiger ist als eine solche des Methylenblaus. Dann können wir, bei einer Ver- dünnung von etwa 1:20, auch ohne dass Luftblasen eingeschlossen sind, in dem ungefärbten Schnitte allmählich die stärksten Sauer- stofforte, nämlich die Mastzellen, allerdings nur grünlichblau, hervortreten sehen, aber die schwächeren Sauerstofforte nicht, da deren Bläuung durch den Überschuss von Rongalit verhindert wird. So entgeht uns z. B. die Färbung der meisten Kerne. Zwischen diesen Extremen schwanken nun die Bilder je nach dem Grade der Verdünnung der RW-Lösung; einerseits sind es ganz unzuverlässige, lokalisierte starke Bläuungen unter Mit- wirkung von sich bildender Methylenblaulösung, andererseits all- gemeine, aber abgeschwächte und beschränkte Färbungen mit RW. Die letzteren lassen sich noch nachträglich meistens in gute RW-Färbungen verwandeln, wenn die Schnitte gut ausgespült und der Luft exponiert werden. Zwei Fehlerquellen also sind es, welche der Velzeschen Methode anhaften, erstens die Unmöglichkeit, eine Mitwirkung von Die Sauerstofforte und Reduktionsorte, 149 - Methylenblaufärbung sicher auszuschliessen, da der Schnitt — auch ohne sichtbare Luftblasen — immer viel Luft in den kleinen RW-Tropfen hineinbringt, und sodann die sichere und bleibende Verschleierung aller schwächeren Sauerstofforte,. Nur die letztere Fehlerquelle lässt sich einigermaßen vermeiden durch genügend starke Verdünnung der RW-Lösung mit Wasser, und so haben wir, wo es nicht anders ging, auch von dieser „modi- fizierten Velzeschen“ Methode bereits lange vor ihm einen aus- gedehnten Gebrauch gemacht. Golodetz!) sagte schon vor 2 Jahren hierüber: „Neben dieser konzentrierten RW-Lösung wird in gewissen Fällen eine auf das zwanzigfache verdünnte Lösung gebraucht. Letztere wird dann gebraucht, wenn die Verhältnisse ein nachträgliches Auswaschen des Objektes zur Entfernung des Rongalits nicht gestatten. .Man verlässt sich darauf, dass bei dieser Verdünnung des RW die Oxydation des Leukomethylenblaus schon durch sehr geringe Mengen Substanz bewirkt werden kann.“ So bei der Untersuchung von unlöslichen Mitteln, Fetten, Harzen etc. Da wir nicht annehmen konnten, dass jemand aus einer für uns fehlerhaften Technik eine eigene Methode machen würde, begnügten wir uns mit dem mehrfach stark betonten Hinweis, dass die Schnitte unter ausgiebiger Bewegung rasch und gut ausgespült werden müssten.”) Denn mit einer solchen Ausspülung sind ja auf einmal beide Fehlerquellen des Velzeschen Ver- fahrens beseitigt. Diese Idee von Velze, man könne die Sauerstoftorte bereits in meiner unverdünnten RW-Lösung studieren, ist nur !) Unna und Golodetz: Die Bedeutung des Sauerstofis in der Färberei. Derm. Stud. Bd. 22, 1912, S. 34. Leop. Voss, Hamburg und Leipzig. ?) Z. B. in meiner ersten Arbeit S.11: „Bringtman sobehandelte Schnitte in Wasser und sorgt durch rasche Bewegung für eine schnelle Auswaschung des Rongalits, so wird dem Ge- webe die Möglichkeit geboten, sein Oxydationsvermögen zu entfalten. Es bläuen sich daher nun alle Gewebselemente, welche eine Oxydation bewirken können.“ 8.39: „Die Schnitte kommen dann in ein Schälchen mit Wasser, wo sie vorsichtig, aber ziemlich schnell hin und her bewegt werden müssen, um das Rongalitweiss rasch abzuspüler und die Bläuung zu ermöglichen. Am zweckmässigsten bringt man sie dabei durch mehrere Schälchen mit Wasser.“ (Unna: „Die Reduktions- orte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes.“ Arch. f. mikrosk. Anat. 1911, Bd. 78, Waldeyer-Festschr.). 150 P. @. Unna: Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. eine unter vielen unhaltbaren Annahmen, welche er in obiger Arbeit und einem weiteren Artikel („Die Histologie der Oxy- dations- und Reduktionsorte*) in der Zeitschrift für wissen- schaftliche Mikroskopie nnd für mikroskopische Technik (Bd. 31, S. 43—50) niedergelegt hat. Ein detailliertes Eingehen auf diese Arbeiten kann ich mir ersparen, da Velze fast alle Punkte, welche er bemängelt oder missversteht, bei einem vorurteilslosen Studium der unten aufgeführten Arbeiten, die alle schon 1911, 1912 und; 1913, also vor Oelzes erster Arbeit (1914) er- schienen sind, richtiger aufzufassen hätte lernen können. Eine Reihe solcher, zum Teil unbegreiflicher Fehlschlüsse und Missdeutungen werden übrigens von Golodetz in der Zeit- schrift für wissenschaftliche Mikroskopie richtiggestellt. Literaturverzeichnis. Unna: Die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes. Arch. f. mikrosk. Anat. 1911, Bd. 75, Festschr. Waldeyer. Unna und Golodetz: Zur Chemie der Haut. IX. Die Verteilung des Sauer- stoffs und der Sauerstoff-Fermente in der Haut. Derm. Wochenschr. 1912, Nr. 1 und 2. Unna: Die Darstellung der Sauerstofforte im tierischen Gewebe. Mediz. Klin.‘ 1912, Nr. 23. Derselbe: Tatsachen über die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen Gewebes. Berl. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 13. (Vortrag Berl. physiol. Ges., 24. Jan. 1913.) Derselbe: Chemiker und Biologe. Berl. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 17. (Nach einem Dialog der Diskuss. zum vorigen 24. Jan. 1913.) Derselbe: Zur Chemie der Zelle. I. Granoplasma. II. Kernkörperchen. III. Die sauren Kerne. Berl. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 18—20. Derselbe: Chemie der Zelle. Akademischer Vortrag 1913, Festschr. Eppendorf. Leop. Voss, Hamburg und Leipzig 1914. Derselbe: Brief an den Herausgeber. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. 1915. Oelze, F. W.: Über die färberische Darstellung der Reduktionsorte und Oxydationsorte in Geweben und Zellen. Arch. f. mikrosk. Anat. 1914, Bd. 84, Abt. I, S. 91.8 Derselbe: Die Histologie der Oxydations- und Reduktionsorte. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie 1914, Bd. 31, S. 43—50. Schneider, H.: Über die Unnaschen Methoden zur Feststellung von Sauer- stoft- und Reduktionsorten und ihre Anwendung auf pflanzliche Objekte. Benzidin als Reagens auf Verholzung. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. und mikr. Techn. 1914, Bd. 31, Heft 1, S. 51. Golodetz: Die Darstellung der Reduktionsorte und Sauerstofforte der Gewebe. Eine Antwort an F. W. Oelze. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. 1915. 151 Aus dem Institut für Histologie und Embryologie der k. k. böhm. Universität in Prag. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. Von Prof. Dr. 0. V. Srdinko. Hierzu Tarc Sm xy. I. Die funktionelle Architektur des menschlichen hyalinen Rippenknorpels. Von den drei Abarten der Stützgewebe im tierischen Körper wurde zuerst das Knochengewebe zum Studium der Frage benutzt, ob zwischen der Struktur oder der Architektur des (Gewebes und seiner Funktion Beziehungen existieren. Bour- gery zeichnet in seiner französischen Anatomie aus dem Jahre 1532 den Durchschnitt des oberen Schenkelbeinendes und meint, dass in der „Drucklinie* die Ballen der Spongiosa namentlich dicht und fest sind, ausser dieser Linie sind aber die Bälkchen feiner. Vom Bindegewebe deutete im Jahre 1865 His an, dass bei seiner Entwicklung mechanische Momente eine grosse Rolle spielen, denn sie wirken auf die Anordnung der Elemente und auf deren Wachstumsprozesse. Wo ein konstanter Druck auf das Bindegewebe wirkt (oder ein oft wiederholter Zug), bildet sich ein fibröser Streif, eine Sehne, deren Faserrichtung mit der Richtung des Zuges identisch ist. Wo der Druck wirkt, bildet sich eine faserige, geschichtete Platte, in welcher sich die Fasern in der auf die Richtung des Zuges senkrecht stenenden Ebene kreuzen. Wo endlich auf das Bindegewebe eine Spannung in verschiedener Richtung nacheinander wirkt, entwickelt sich ein lockeres Bindegewebe mit gekreuzten Fasern, worin sich viel Schleim oder Fett befindet. Der Knorpel wurde erst in der neuesten Zeit dem Studium in dieser Richtung unterworfen, denn die alten Autoren waren im ganzen der Ansicht, dass „der Knorpel nicht imstande ist, eine Architektur auszubilden“ (Dekhuyzen). Ich will das Bild Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. ihl 152 0.V. Srdinko: des jetzigen Standes der Frage von der funktionellen Struktur der Stützgewebe vorführen, wobei ich mich kurz über den Knochen und das Bindegewebe, ausführlicher aber über den Hyalinknorpel fassen will, da ich mich mit dem Knorpel längere Zeit beschäftigte und zu Resultaten gelangt bin, die ich in dieser Abhandlung mitteilen werde. 1. Die funktionelle Struktur des fibrösen Gewebes. . Neben der früher angeführten Hisschen Ansicht referiert Solger in seiner Publikation (1892) von der Rouxschen Arbeit, welche die Struktur des Bindegewebes in der Schwanzflosse des Delphins beschreibt. Die durch Roux beschriebene Struktur des Bindegewebes besteht aus fibrösen, sich im rechten Winkel kreuzenden, typisch gekrümmten Fasersystemen. Roux erklärt das Entstehen dieser komplizierten Struktur durch die Hypothese, dass der spezifische, funktionelle Impuls jedes Gewebes oder die Funktion selbst auch trophische Wirkung hat, oder mit anderen Worten, zur Hyper- trophie oder Hyperplasie Anlass gibt, und dass ohne Impuls oder Funktion manche Teile des Gewebes verschwinden. Nach Roux verstehen wir durch spezifische Funktion: der Fasern des Bindegewebes den Widerstand der Fasern wider den in der Richtung der Fasern wirkenden Zug und wider den auf die Richtung der Fasern senkrechten Druck. Bei der trophischen Wirkung der Funktion tritt in der Richtung, in welcher die Kräfte am stärksten wirken, die aktive Hypertrophie ein, im Gegenteil aber ver- schwinden nach und nach die Fasern, die sich in einer anderen Richtung hinziehen. Dieses Prinzip gilt mit kleinen Änderungen in der Bezeichnung geradeso für die Knochenbildung, wie für den Knorpel oder andere For- matienen der Stützgewebe. Obwohl vom normalen Leben der Gewebe sehr wenig bekannt ist, meint Roux, es wäre wahrscheinlich, dass zur Aus- bildung der Fibrillen ein von aussen wirkender Zug nötig ist. Mit der Funktion des fibrösen Gewebes beschäftigte sich weiter Thürler, der die Struktur einseitig mechanisch erklärt, ohne Rücksicht auf die Histogenese oder die Bindegewebszellen zu nehmen. Wie sich in einem Watteklumpen die Fasern durch den Zug aus verschiedener Richtung in eine untereinander fast parallele Lage bringen lassen, so entsteht durch den Zug die parallele Anordnung der Bindegewebsfasern. Solger meint, dass im fibrösen Gewebe augenscheinlich die funktionelle Struktur auftritt, die sowohl in der interzellulären Substanz als auch in der Lage der Zellen sichtbar ist. Die funktionelle Struktur wurde ausser in der Sehne und den Faszien, im Perimysium internum, in den Bändern, in den Zwischenwirbelscheiben, im Trommelfell, in den semilunären Klappen und in der Schwanzflosse des Delphins bemerkt. Von den neueren Arbeiten gehören hierher zwei experimentelle Studien von Rouxschen Schülern, und zwar Levys „Über den Einfluss von Zug auf die Bildung faserigen Bindegewebes“ und Kanekos über „Künstliche Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 153 Erzeugung von Margines falciformes und Arcus tendinei“ (beide Arbeiten aus dem Jahre 1904). Levy führte verschieden modifizierte Tenotomien der Achillessehne durch, und gelang zu folgendem: Nach der einfachen Tenotomie entsteht aus jungem üppigen Bindegewebe durch den Einfluss starken, intermittenten Zuges der Muskulatur am Anfang eine kompliziert durchflochtene Narbe, die sich aber später in eine regelmässig der Länge nach und parallel faserige Struktur umwandelt. Wenn die Tenotomie mit der Neurektomie des Nervus ischiadicus verbunden wird, verspätet sich anfangs die Differenzierung der Zellen, weil der Zug der Muskeln fehlt, später aber bei deren Kontraktion entsteht eine regelmässig der Länge nach und parallel faserige Narbe wie bei der ein- fachen Tenotomie. Bei der Tenotomie und Exstirpation eines Muskelteiles verspätet sich die Differenzierung des Zellengewebes in der Wunde und die Fasern, die sich später bilden, sind unregelmässig durcheinander geflochten. Wenn auf das junge Gewebe im vorigen Experiment ein künstlicher Zug quer zur Achse der Muskelsehne gewirkt hat, entsteht aus dem Binde- gewebe ein Geflecht junger, quer zur Richtung der Sehne gelegener Fasern. Aus allem schliesst Levy, dass der mechanische Zug die Differen- zierung des faserigen Bindegewebes unterstützt, dass er weiter auf die Richtung der Fasern des Bindegewebes Einfluss hat, und endlich. dass er schon ausgebildete Fasern am Leben erhält. Für alle diese Erscheinungen passt Levy zur Erklärung am besten die Rouxsche Theorie, die in der trophischen Wirkung der funktionellen Reizung besteht; Levy wiederholt am Anfang seiner Publikation (S. 185 bis 195) die Rouxschen Hauptsätze von den funktionellen Strukturen. Kaneko gelang es, künstlich an beliebigen Stellen Bindegewebs- formationen typischer Struktur hervorzurufen. Die Granulationszellen, die sich in den Muskel- und Faszienwunden befinden, differenzieren sich in der Richtung des stark überwiegenden Zuges und dadurch ist es möglich, aus indifferentem oder noch jungem Granulationsgewebe durch zweckmässiges, künstliches Reizen eine beliebige Anordnung zu erzielen. Wo die Differen- zierung des Gewebes schon ihr Ende genommen hat, wird die Ausbildung einer neuen Formation nicht erreicht, sondern das Gewebe atrophiert durch die Wirkung eines starken Reizes.. — Wenn auf das lockere Gewebe eine konstante, mechanische Reizung wirkt, wird dieses Bindegewebe durch einen faserigen Streif ersetzt, der durch diese Reizung differenziert wird. Kaneko meint, es wäre möglich, alle Bindegewebsformationen künstlich darzustellen, wenn wir treu die Reizungen nachahmen könnten, die der Organismus selbst durchführt. Triepel hat im Schwanze von Anurenlarven eine besondere Struktur des Bindegewebsgerüstes beschrieben, die er durch einen tonotaktischen Prozess zu erklären versucht. Auch Studniöka beschäftigt sich mit einem anderen Beispiel der mechanischen Struktur, die er in der unpaaren Flosse von Anamniern gefunden hat, erklärt aber ihre Entstehung durch mechanische Einflüsse; diese Erklärung erscheint uns richtiger als jene von Triepel. uk 154 O0. V. Srdinko: 9. Die funktionelle Struktur des Knochens. Zum ersten Mal begegnen wir den Knochenarchitekturzeichnungen in Bourgerys französischer Anatomie aus dem Jahre 1832. Ward zeichnet in seiner Osteologie aus dem Jahre 1838 die innere Architektur des koxalen Schenkelbeinendes und deutet als erster auf die Ähnlichkeit zwischen einem Kranich und dem oberen Schenkelbeinende, worin er dreierlei verschiedene Balkengruppen beschreibt. Die Architektur des Schenkelbeines, des Talus und Kalkaneus beschreibt weiter der Amerikaner Wyman im Jahre 1849 und 1857. In der deutschen Literatur beschäftigt sich zum ersten Mal mit der Knochenarchitektur (des Schenkel- und Schienbeines) J. Engel, Professor der Anatomie in Prag im Jahre 1851. Weiter haben der Engländer G. M. Humphry (1858) und der Deutsche W. A. Freund (1861) beim Studium der Knochenarchitektur die Bedeutung der Spongiosa-Balken richtig beurteilt. Nach diesen Vorbereitungsarbeiten kam im Jahre 1867 Hermann Edler Mayer gemeinschaftlich mit Culmann mit genauen Beobachtungen, die auf mathematischen Gründen der durch Culmann gegründeten graphi- schen Statik beruhten. Im Jahre 1870 führt Wolff Meyers Arbeit an und betont Culmanns Entdeckung, dass die architektonische Anordnung in einigen Knochen mit den theoretischen Linien der graphischen Statik identisch ist. Wolff beschäftigt sich namentlich mit dem oberen Ende des Schenkelbeines und mit dem Kalkaneus und stellt ausser anderem sicher, dass sich die Balken der Spongiosa im rechten Winkel kreuzen. Nach dem Jahre 1870 beschäftigten sich mit der Knochenarchitektur Wolfermann, Ziaajer, Aeby, Bardeleben, Langerhans, Bigelow, Dwight und Meyer. Im Jahre 1892 erschien Wolffs grosse Publikation unter dem Titel: „Das Gesetz der Transformation der Knochen“, worin er einer- seits das Resultat bisheriger Arbeiten bringt, anderseits das Gesetz der Knochentransformation feststellt. Wolff bewies zuerst auf Grund der Archi- tektur normaler oder pathologisch veränderter Knochen, dass durch jede Änderung der äusseren Form und der statischen Beschwerung der Knochen sich auch die innere Architektur ändert. Und umgekehrt hängt auch mit der Änderung der inneren Architektur eine sekundäre Änderung der äusseren Knochenform zusammen. Im Jahre 1884 bewies Wolff, dass den Ände- rungen der Knochenfunktion die Änderung der Spongiosaarchitektur folgt, sowie sich auch die äussere Knochenform ändert, wenn sich die Funktion infolge pathologischer Zustände oder durch künstliche Eingriffe geändert hat. Endlich bewies Wolff, dass es möglich ist, beim deformierten Knochen wieder normale Verhältnisse zu erlangen, wenn die normale statische Knochenfunktion eingeführt wird. Alle diese Beobachtungen fasste Wolff in das Gesetz von der Knochentransformation zusammen, worunter man jenes Gesetz versteht, nach welchem infolge primärer Änderungen der Knochenform und Funktion oder auch nur infolge der veränderten Funktion sich die innere Architektur der Knochen auf eine bestimmte Art ändert, was man durch mathematische Regeln vorher bestimmen kann, und gewisse sekundäre Änderungen der äusseren Knochenform nach denselben mathematischen Regeln. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 155 Wolff lehnt die Drucktheorie ab (dass durch den Druck die Knochen- substanz abnimmt) und stellt dagegen die Lehre von der funktionellen Form der normalen und pathologisch veränderten Knochen. Die Form des Knochens ist weder von seiner Lage, vom Druck der benachbarten Teile, noch von seiner eigenen Wachstumsintensität von aussen oder innen abhängig, sowie auch nicht vom Gelenkdruck oder von der Elastizität, Kompressibilität oder Nachgiebigkeit des Knochengewebes, sondern sie hängt davon ab, wie weit es statisch in Anspruch genommen wird, d.h. von der Funktion. Über die Existenz oder Lage jedes Knochenteiles, sowie auch über die ganze Form des Knochens entscheidet nur die statische Beanspruchung. Apposition, Interposition, das Zusammenschrumpfen, schwindende Expansion und Resorp- tion sind die Prozesse, welche die Form verändern und auch die funktio- nelle Adaptation der Knochen herbeiführen. Das Gesetz von der Knochen- transformation ist für die anderen Gewebe derartig konsequent, dass die funktionelle Reizung eine funktionelle Struktur ausbildet, d.h. eine solche, wobei sich nur die Linien der stärkeren Funktion ausbilden, und wobei die bestimmte Funktion durch das minimale Material durchgeführt wird, oder nach Roux wird durch das bestimmte Material die maximale Funktion durchgeführt. Die Gewebeform ist nicht stabil und normal, sondern das tewebe kann eine zur Funktion zweckmässige Form annehmen. Wolff verteidigt sich im Jahre 1899 gegen einige Einwände anderer Autoren und lässt zu, dass man die Orthogonalität der Spongiosabalken nicht immer nachweisen kann und dass manche Balken nicht unter die Trajektorien gehören. Er gelangt aber wieder zum Schluss, dass die Knochen- gestalt sowohl unter normalen wie unter pathologischen Verhältnissen als mathematisches Gesamtbild aller Beanspruchungen aufzufassen ist, welche bei den verschiedenen Muskelwirkungen und bei den verschiedenen für den betreffenden Körperteil erträglichen Belastungen möglich sind. Gebhardt (1901) studierte den Zweck der Fibrillenlage in den Zähnen, Auch er vertritt den Standpunkt, dass die mikroskopische Struktur der Knochen der Funktion adaptiert ist. Der Autor betont auch die Prozesse und Gesetze der Entwicklung. Die endliche Architektur ist das Resultat der physiologischen Reaktion des Gewebes auf die trophischen Reizungen der Funktion. Im Jahre 1900 erschien eine Reihe von Publikationen, worin Albert die Architektur der langen menschlichen Knochen auf Grund eines tüchtigeren Studiums genauer beschrieb, als es bisher der Fall war. Albert führte durch die Knochen eine ganze Serie von Schnitten nicht nur in den drei Hauptrichtungen, sondern auch in schrägen Flächen durch und betonte, man sollte diese Frage im Hinblick auf die vergleichende Anatomie und Ent- wicklung studieren. Triepel (1904) stimmt nicht mit Wolff überein, und hält seine Ansicht, dass die äussere und innere Struktur der Knochen von der Funktion abhängig ist, für einseitig. Triepel meint, dass die Identität der Spongiosa- balken mit den Trajektorien nicht bewiesen ist. Er lässt zu, dass in vielen Fällen die maximale Spannung insubstanziert ist, es wäre aber nötig, jeden Fall allein für sich zu beweisen. Schon Solger machte darauf aufmerksam, l 156 0. V. Srdinko: dass die Knochenarchitektur unter gewissen Umständen nach veränderter Funktion noch jahrelang die alte Gestalt behalten kann. Der Knochen reagiert auf die Änderungen der Spannung sehr langsam. Weiter macht Triepel darauf aufmerksam, dass man bei der Transformation nicht nur die Grund- substanz, sondern auch die Zellen berücksichtigen soll, durch deren Funktion der Knochen gebildet oder zerstört wird, sowie auch die Ernährung der Zellen. Die trajektorielle Struktur erkennt Triepel nur für das Caput und Collum femoris an. Anderwärts ist jene Struktur oft durch Rundungen der Winkel auf den Durchschnittspunkten der Balken verdeckt. Triepel hält die Ortho- gonalität der Balken als Bedingung für die trajektorielle Struktur; wo jene fehlt, ist es unmöglich, von einer trajektoriellen Struktur zu sprechen. Bei Strukturänderungen verlaufen nebeneinander zwei Funktionen: die alte Form will erhalten werden und wird gleichzeitig transformiert. Das Alter hat vielleicht Einfluss auf die Intensität des einen oder anderen Prozesses. Triepel schliesst in folgender Weise: Nach schon entstandener Funktionsänderung der Knochen können die Teile der alten Struktur noch Jahre erhalten werden. Es tritt aber auch eine Reihe Transformationen ein, die wenigstens teilweise von der Funktionsänderung abhängen. An manchen Stellen ist es möglich, dass die trajektorielle Struktur der Knochenspongiosa entsteht, es ist aber unmöglich, dies direkt zu beweisen; an anderen Stellen bildet sich die trajektorielle Struktur sicher nicht aus. Die Architektur der Spongiosa ist im ganzen genommen nicht erblich. Die trajektorielle Struktur. welche sich am Durchschnitt durch Caput und Collum femoris bekanntlich befindet, entstand im Verlaufe der individuellen Entwicklung. Die trajek- torielle Architektur der Spongiosa bildet sich infolge der Funktion. Die Funktion ist aber nicht der einzige Einfluss, welcher auf die Anordnung der Elemente der Spongiosa ausgeübt wird. Mit der Frage, wie sich die Zellelemente des Knochengewebes in den Spongiosabalken verhalten, befasste sich schon Solger in seiner Publikation aus dem Jahre 1892. Solger beantwortet verneinend die Frage, ob sich die Zellelemente im Knochen geradeso verhalten, wie in der Sehne, im Bindegewebe. Der Knochenbalken benimmt sich wie eine Totalität, deren Elemente durch die Kittsubstanz kompakt verbunden sind. Nach Solger befinden sich die Knochenzellen in einem Teile des Balkens in verschiedenen Richtungen, sowie auch die Fibrillen. Solger meint, dass die funktionelle Knochenstruktur in -dem Sinne, wie es im Bindegewebe der Fall ist, nicht existiert. Die Knochenfibrille benimmt sich in der Knochensubstanz anders als die Fibrille des Bindegewebes. Die Kittsubstanz zwischen den Fibrillen verschiedenartiger Stützgewebe hat verschiedene Konsistenz und die Fibrillen sind im Bindegewebe, im Knorpel und Knochen so verschiedenartig befestigt, dass die Zug- und Druckkräfte eine ganz verschiedene Wirkung auf die Struktur dieser Gewebe ausüben müssen. 3. Die funktionelle Struktur des Hyalinknorpels. Dekhuyzen meinte, dass der Knorpel nicht imstande ist, eine Architektur auszubilden. Rauber äusserte die Ansicht, dass in den Gelenk- Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 157 knorpeln konzentrische Platten der interzellulären Substanz ausgebildet sind, und dass diese den auf den gewissen Teil des Skelettes wirkenden Druck er- tragen; da der Knorpel viel weicher ist als der Knochen, lässt er die Ausbildung der Architektur nur in beschränktem Mafe zu. Diese Forscher äusserten sich derartig nur in Bezug auf den schon entwickelten Knorpel. Andere aber beschäftigten sich mit dem provisorischen Knorpel. d. h. mit jenem, der in den Knochen übergeht, und bemerkten dort bald eine gewisse Anordnung wie bei den Zellen, so auch bei der Grundsubstanz. Rosenthal beschrieb zum ersten Male die Divergenz der Säulen der Knorpelsubstanz auf der Tibia eines Kaninchenembryo. Nach seiner Beschreibung sind auf den nach der Länge geführten Schnitten die Seitensäulchen in leichten Bogen zum Kerne der Epiphyse geneigt, in der Mitte verlaufen sie gerade. Um den Kern der Epiphyse herum sind die Knorpelzellen in Kreisen, eventuell in Ellipsen angeordnet. Rosenthal erklärt die Anordnung der Zellen durch Anziehungskräfte, die aus dem Ossifikationszentrum herauskommen und meint, dass es möglich ist, dass diese architektonischen Bogen für den Knorpel gerade so typisch sind, wie die Anordnung der Spongiosa für die Knochen. Kassowitz ist der Ansicht, dass man in den ersten Stadien des entstehenden Knochens nicht von einer funktionellen Architektur sprechen könne, dass aber für jeden Teil des Skeletts eine eigene Wachstums- architektur existiert. Solger gibt drei Schichten im Gelenkknorpel an und meint, dass sie nicht durch die Funktion bedingt sind. So ist es auch nicht möglich, die Anordnung der interzellulären Substanz sowie auch nicht die Struktur der Grundsubstanz durch mechanischen Einfluss zu erklären, d. h. die Lage der Fibrillen ist nicht eine solche, dass man daraus die funktionelle Struktur beurteilen könnte. Mit Rosenthals Erklärung vom Attraktionszentrum bei der Ossifikation ist Solger nicht einverstanden und meint, dass die regel- mässige Anordnung der Knorpelzellen einen anderen morphologischen Wert hat, als die Anordnung der Knochenspongiosa. Jene Anordnung ist durch das Wachstum der Zellen vom Embryonalzentrum bedingt, es ist also die Wachstumsarchitektur, wie sie von Kassowitz bezeichnet wurde. Hultkrantz befasste sich mit dem Gelenkknorpel und konstatierte, dass die oberen Schichten der Grundsubstanz mit der Oberfläche parallel sind, und zwar entweder in einer Hauptrichtung oder dass sich die Fibrillen- bündel kreuzen. Weiter prüfte er die Kohäsion der Gelenkknorpelsubstanz und konstatierte, dass die Risse parallel mit denjenigen Kräften entstehen, die im Verlaufe der normalen Funktion auf den Knorpel wirken und an- deuten, wo der Knorpel gegen Zug fester ist. Triepel prüfte den Hyalinknorpel gegen Zug, Druck und andere Kräfte. Der Zug wirkt auf den Knorpel als Reibung in den Gelenken; diese Kraft ist aber unbedeutend, sie kann zwar Einfluss auf die Ausbildung feinerer Strukturen haben, bewirkt aber die Gestalt nicht sichtbar. Weiter wirkt der Zug auf die einzelnen Kehlkopfknorpel an den Stellen der Muskel- insertion. Wichtiger aber ist der Druck. Diesen bewirken hauptsächlich einerseits die Muskeln, die sich über das Gelenk ziehen; bei der Kontraktion wirkt regelmässig eine gewisse Komponente als Druck auf das Gelenk. Bei 158 0. V. Srdinko: den Gelenkknorpeln der unteren Extremität ist der Druck des ganzen oberen Körpers wichtig. Der Zug und der Druck wirken vereinigt bei verschiedenen Knickbeanspruchungen der Tracheal- und Rippenknorpel. Die Rippenknorpel erfahren bei der Respiration eine ziemlich komplizierte Beanspruchung. Ein- mal werden sie um ihre Längsachse torquiert, zu gleicher Zeit aber auch auf Knickung beansprucht. Beim Zug zeigt der Hyalinknorpel eine grössere Elastizität als das faserige Bindegewebe, aber eine kleinere als die Sehne. Was den Druck betrifft, so urteilt Triepel nach seinen Berechnungen, dass die Festigkeit des Knorpels gegen den Druck zehnmal grösser ist, als der grösste mögliche Druck im lebenden Körper. Friedländer verglich die Knochenarchitektur mit der Knorpel- architektur; er gelangte dabei zur Ansicht, dass es nicht möglich ist, zur Lösung dieser Frage einen Leitfaden zu finden, weder in der Zellenanordnung noch in der Anordnung der knorpeligen Grundsubstanz. Dafür beschreibt er eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung der Blutgefässe bei der Knorpelossifikation. Mörner fand im Jahre 1888 im Trachealknorpel älterer Rinds- individuen eine färberische Differenzierung, in jüngeren Knorpeln aber nicht. Mörner bezeichnete die Substanz bei den Zellen als „Chondrinballen“ (färbt sich durch Methylblau-Fuchsin), im Gegenteil bildet die übrige Grundsubstanz die sich nicht durch jene Farbstoffe färbt, ein Balkennetz. Mörners weitere Arbeiten, diejenigen Schmiedebergs und Hansens beschäftigen sich ausführlich mit der chemischen Struktur des Hyalinknorpels und mit der allgemeinen Histologie des Knorpels; auf die Frage der funktionellen Struktur gehen sie nicht näher ein. Hansen erwähnt auch das Balkennetz, lässt aber seine Architektur bei Seite und urteilt über diese Frage im allgemeinen folgenderweise: Das eigentümliche architektonische Bild, welches das rote Trabekelwerk in den als Totalität betrachteten Knorpeln liefert, erregt unwillkürlich den Gedanken, dass die verschiedene Totalform des Trabekelwerks in den peripheren und in den tieferen Schichten eines Knorpels auch mechanische Bedeutung hat (analog der Spongiosa-Architektur der Knochen). Die Anordnung des Trabekel- werks im Gelenkknorpel, nebst der ganzen Weise, wie das Trabekelwerk je nach der Form und den mechanischen Relationen der Knorpel teils unter- einander, teils zu den umgebenden Geweben (Muskeln, Knochen, Bänder usw.) variiert, ferner der später zu besprechende Verlauf der Fibrillen im Tabekel- werk deuten ebenfalls darauf hin, dass die mechanischen Verhältnisse in ihren grossen Zügen, jedoch nicht ausschliesslich für die eigentümliche An- ordnung des Trabekelwerkes mitbestimmend sind. Dasselbe ist der Fall mit dem Verhalten des Trabekelwerkes zu den Zellen und den Zellengruppen, deren Anordnung (ebenso wie die Hauptrichtungen der Fibrillen in den ver- schiedenen Schichten des Knorpels) bekanntlich im grossen und ganzen mit den mechanischen Prinzipien harmoniert. Ich sage ausdrücklich, dass das mechanische Prinzip nicht das alleinbestimmende ist; denn die eigenen „formativen Fähigkeiten“ der Zellen und der Grundsubstanzen sind, wie die feineren histologischen Verhältnisse dies deutlich zeigen, das für das Wachs- Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 159 tum und die primären Verhältnisse des Gewebes Entscheidende, während die Akkommodation an die mechanischen Forderungen und Aufgaben, die wir daneben finden, ein Kompromiss (eine Resultante) zwischen den mechanischen „Rücksichten“ und den übrigen histologischen und histochemischen Verhält- nissen des Gewebes sind. Es wäre einseitig, irgend ein Prinzip als das allein- herrschende zu betrachten, da alles dafür spricht, dass die Verhältnisse, so wie wir sie antreffen, eine harmonische Lösung vieler verschiedener, hier- unter auch rein mechanischer Aufgaben bezeichnen, die gleichzeitig an das Gewebe gestellt werden. Dass die mechanische Rücksicht oft am meisten in die Augen fällt, während ihre Rolle ebenso oft in der Tat nur anderen nebengeordnet und nur für die grossen Züge entscheidend ist, das ist etwas anderes. Ich wollte nur den mechanischen Gesichtspunkt andeuten, den man natürlich nicht übersehen darf, werde mich aber nicht näher auf die spezielleren Untersuchungen über den Knorpel einlassen, welche dessen Bau, die Spaltrichtungen und dergl. betreffen und vorzüglich die mechanischen Aufgaben des Knorpels (Gelenkknorpels) oder die Bedeutung, welche diese für Histologie des Gewebes haben, ins Auge fassen. Dass hier ein weites Gebiet für künftige, wichtige Untersuchungen liegt, lässt sich ruhig voraus- sagen, u. a. mit Hinblick auf die höchst interessanten und bedeutenden Resultate, welche J. W. Hultkrantz’ Untersuchungen über die Spalt- richtungen der (relenkknorpel und über die Abhängigkeit der Richtungen der Fibrillen von den mechanischen Verhältnissen der Gelenke ans Licht gebracht haben. Natürlich gibt der Umstand, dass gewisse Strukturverhältnisse des Knorpels eine Akkommodation (Anpassung) an mechanische Prinzipien zeigen, uns vorläufig kein wirkliches Verständnis oder Wissen von den Vor- gängen, denen diese eigentümlichen Strukturverhältnisse in erster Reihe zu verdanken sind. Andererseits weisen die histologischen und histochemischen Verhältnisse des Knorpels alle auf die grosse Rolle hin, welche die Beziehung der Grundsubstanz zu den Zellen spielt. Teils stehen die Grundsubstanzen des Knorpels, was ich anderswo besprechen werde, wenigstens zum grossen Teil in bestimmter genetischer Beziehung zu den Zellen, obschon einige Grundsubstanz allenfalls während gewisser Perioden, extrazellulär gebildet wird; teils scheint der Abstand von den Zellen oder Zellengruppen Bedeutung zu haben. So ist auch der Verlauf der Fibrillen einerseits das Resultat mechanischer Einflüsse, andererseits eigener Wachstums-Entwicklungs- und Stoffwechselverhältnisse im lebenden Gewebe. Was speziell die mechanischen Verhältnisse anbelangt, kommt Hansen für seine eigene Person zur Ansicht, dass „die Rücksicht auf mechanische Forderungen für die mikroskopischen groben Verhältnisse bei der Einteilung der Elemente und der Dichtheit der Stützgewebe, speziell der Fibrillen, sehr entscheidend ist. Geradeso, wie man das mechanische Prinzip in den Knochen, im organischen Knochengewebe wahrnehmen kann, was namentlich in der Anordnung der Spongiosabalken und in ähnlichen groben Architekturverhält- nissen Klar hervortritt, im Gegenteil aber die feinen Strukturverhältnisse auf ein eigentümliches Strukturwachstum usw. des Knochengewebes und einer gewissen Partie des Knochengewebes zeigen, z. B. der Inhalt der Spongiosa- 160 0.V. Srdinko: höhlen sowie auch die Auskleidung der Osteoblasten mit der primären Ent- wicklung des Bindegewebes und der Markzelle und der übrige Inhalt des Markes sich erst in der dritten oder vierten Reihe nach mechanischen Rück- sichten richtet — auch so geschieht es im Knorpel: in feinen Verhältnissen und Räumen, die in mechanischer Hinsicht indifferenter sind, können die eigenen Lebensprozesse des Gewebes am klarsten und freiesten manifestieren, im Gegenteil wirken aber ausser diesen Räumen mechanische Rücksichten, welche, da sie ausgleichend wirken, eine scheinbare Abhängigkeit vom mechanischen Prinzip simulieren können.“ Thoma (1907) schreibt dem Knorpel eine ähnliche, wenn auch nicht in demselben Grad entwickelte Festigkeit wie dem Knochen zu. Das knor- pelige, primordiale Skelett des Fötus unterliegt namentiich bei Bewegungen der Muskeln im selben Maße mechanischen Kräften, wie die Knochen eines Erwachsenen und man kann jene Beschwerung des Hyalinknorpels, dessen Homogenität nur durch Anwesenheit der Knorpelzellen gestört wird, auf die- selbe Weise in Liniensysteme des Druckes und des Zuges, die sich unterein- ander in rechten Winkeln kreuzen, zerlegen, wie es Meyer und Culmann in Hinsicht auf die Knochen taten. Die kleine, obzwar auch vollkommene Elastizität des Knorpels ist bei stärkeren Beschwerungen und grösseren Dimensionen nicht mehr genügend, und darum tritt an die Stelle des Knorpels ein Material in gleichem Maße vollkommener, aber höherer Elastizität, nämlich die feste Knochensubstanz. Weiter gelangt aber Thoma zur Begrenzung der totalen Homogenität des Knorpels, denn es befinden darin mit Zellen aus- gefüllte Höhlen und Fugen. Darum ist die Einteilung der Drucktrajektorien nicht gänzlich gleichmässig, was man gerade an der Anordnung der Zellen wahrnehmen kann. Thoma meint, dass selbst das Wachstum des Knorpel- sewehbes vom Drucke abhäneig ist. Was das Wachstum der Zellen anbelangt. erweitert die wachsende Zelle die Zellenhöhle immer in der Richtung des minimalen Widerstandes so weit, bis der Druck und Gegendruck auf jedem Durchmesser der Zellenhöhle gleich gross ist. Damit ist die Stellung der Knorpelzellen in Reihen bedingt, denn wenn einmal die längliche Spannung überhand nimmt, wird das Gleichgewicht des Druckes erst dann erlangt, wenn sich die Zellen in Reihen stellen, die zu den Längs-Trajektorien parallel verlaufen. Dann ist der Druck in unmittelbarer Umgebung jeder Zelle symmetrisch zu der Achse verteilt, die die Mitte der Zellenreihe durchläuft. Die Gestalt der Knorpelzelle geradeso wie diejenige der Bindegewebszelle akkommodiert sich der Struktur und Funktion der interzellulären Substanz. Thoma meint, es existiere ein Bezug zwischen der Proliferation der Knorpel- zellen und der Beschwerung des Knorpels. Er kann aber nicht angeben, ob der Bezug direkt oder indirekt ist, und wie er sich entwickelt. Die Stellung der Knorpelzellen in Reihen ist die Folge des Umstandes, dass die longitudinale, radiale und tangentiale Spannung im Knorpel durch die inter- zelluläre Substanz des Knorpels getragen wird. Den Eintritt der Ossifikation erklärt Thoma folgenderweise: Wenn die Beschwerung der Gelenkflächen zunimmt und dadurch die longitudinale Spannung in der Mitte der Diaphyse eine gewisse obere Grenze erreicht, tritt bei normalen Verhältnissen die Verkalkung der interzellulären Substanz ein. Dadurch wird sie fester gegen Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 161 den Druck, was den ungestörten Verlauf der Entwicklung des Knochens in jener Knorpelpartie schützt, deren interzelluläre Substanz bis zur Grenze ihrer Existenzbedingungen beschwert ist. Auch die Össifikation der Epiphysen entsteht an den Stellen der maximalen Beschwerung oder Spannung und verbreitet sich auf allen Seiten ungleich rasch. Auch die Beendigung der Össifikation an der Grenze der Diaphyse und Epiphyse hängt von mechanischen Bedingungen ab. Mollier (1910) referiert über die Arbeit Romeis, der die Knochen- und Knorpelarchitektur bei der Ossifikation der langen Knochen des Kanin- chens, des Frosches und des Kaninchen-Kalkaneus studiert hat. Die ersten Balken stimmen im Verlaufe mit den Balken der knorpeligen Grundsubstanz überein. Mollier hält dies für die Entdeckung „der mechanischen Struktur im Knorpel“, welche von Wolff, Albert, Triepel, Friedländer u. a. angezweifelt wird. Romeis studierte die Ossifikation der Tibia und des Kalkaneus bis zum Ende des Embryonallebens. In jenem Entwicklungsstadium, wo der ganze spätere Knochen aus, einer kleinen Knorpelanlage besteht, die stark mit Mesenchym umhüllt ist, wird nichts bemerkt, als dass der grösste Teil der Knorpelzellen mit ihrer langen Achse quer zur langen Achse der Anlage gelegen ist. Dadurch entsteht bei kleinerer Vergrösserung der Eindruck, dass sich dort bestimmte, aber unregelmässige Streifen befinden, die von einer Seite des Knorpels zur anderen ziehen. Im älteren Stadium (ein 16 Tage alter Kaninchenembryo) sind die zellulären Querstreifen sichtbar, da sich die Grundsubstanz vermehrt hat; die Streifen sind aber in der Richtung gegen die Diaphyse konkav durchgebogen. Beim 18 Tage alten Embryo bildet sich eine perichondrale knöcherne Hülle, worin sich innen in der Diaphyse ein gross- zelliger Knorpel befindet, d. h. grosse, lichte Höhlen, die mit degenerierten Knorpelzellen ausgefüllt sind. In der Richtung gegen beide Enden der Diaphyse befindet sich der säulenartige Knorpel mit zusammengepressten Zellen, deren lange Achse sich mit der langen Achse der Knorpelanlage kreuzt. In dem Bezirke des grosszelligen Knorpels konnte Romeis keine Architektur finden, dafür aber befinden sich im säulenartigen Knorpel deut- liche in der Richtung gegen die Diaphyse konkave Querstreifen. Beim 20 Tage alten Embryo tritt an die Stelle des grosszelligen Knorpels eine mit feinem Bindegewebe und Gefässen ausgefüllte Höhle. Im Knorpel, der sich von der Höhle zu beiden Enden der Diaphyse verbreitet, befindet sich zuerst die grosszellige Schicht, dann diejenige des säulenartigen Knorpels, worin zwei Streifensysteme entwickelt sind: die einen sind längliche, parabolische Bogen, die zur mittleren länglichen Knorpelachse konvergieren, die anderen sind zur Diaphyse konvexe Querbogen. Sie sind deutlicher und zahlreicher, aber schmäler als die länglichen Bogen. Die beiden Bogensysteme kreuzen sich oft untereinander im rechten Winkel. Diese Architektur ist am deutlichsten in den zwei mittleren Dritteln des säulenartigen Knorpelbezirkes entwickelt. Bei einem 24-26 Tage alten Embryo sind in der proximalen Epiphyse der Tibia längliche Streifen, in der Wirklichkeit Lamellen der Knorpelsubstanz, gerader respektive flacher. Die Reste der in die Markhöhle frei ragenden Knorpelgrundsubstanz hält Romeis für stützende Säulen für die flachen 162 0. V.Srdinko Querbogen und als Unterlage für die primären enchondralen Knochenbalken. Diese Balken ziehen von der Achse schief zum perichondralen Mantel hin- unter. Ausser länglichen und Querbalken fand der Autor auf den Quer- schnitten ein drittes System radialer Lamellen. Auch über dem Ossifikations- punkt im Kalkaneus eines 24 Tage alten Kaninchens beschreibt Romeis drei Systeme länglicher, querer und radialer Lamellen. Eine ähnliche Architektur fand Romeis mit verschiedenen Modifi- kationen auch bei der Katze, beim Schaf und bei dem Menschen, und er schliesst seine Arbeit in folgender Weise: Die der knöchernen Stütze voraus- gehende knorpelige Stütze besitzt einen bestimmten konstruktiven Bau, welchen man als Knorpelarchitektur bezeichnen kann. Es ist auffallend, dass diese Architektur des Knorpels, welcher eine bestimmte Funktion zu- grunde liegt, selbst den besten Kennern der Knochenarchitektur unbekannt blieb; denn theoretisch hätte man eigentlich ihr Vorhandensein verlangen müssen. Übersieht man die Entwicklungsweise eines knöchernen Skelett- stückes zunächst als bindegewebige, dann als knorpelige und endlich als knöcherne Anlage, so ist im Wechsel des Materials und der Form nur die Funktion eine stetige, ununterbrochene; daraus urteilt der Autor, dass die nötige technische Einrichtung bei allen drei Materialsorten gleich ist. Schon im bindegewebigen Stadium sollte man die Lösung der technischen Aufgabe finden, der Autor meint aber, es wäre wahrscheinlich schwer, hier das konstruktive Prinzip zu erkennen. Im knorpeligen Stadium führt die Ent- wicklung zur klaren Ausbildung des konstruktiven Systems, das endlich vom folgenden Knochengewebe übernommen wird und sich der Funktion gemäss weiter entwickelt. Im embryonalen Knorpel erscheinen gewisse Strukturen, die wahrscheinlich meistens durch mechanische Funktion hervorgerufen werden. Der Autor untersuchte auch den permanenten Knorpel bei den Selachiern und fand in ihrem knorpeligen Skelett gewisse architektonische Strukturen, wovon er versprach, Nachrichten zu geben. Die beschriebenen Strukturen leitet der Autor teilweise von der Erblichkeit, teilweise von den mechanischen Einflüssen ab. Eine Bestätigung erwartet er von geeigneten Experimenten. Schäffer trat gegen Romeis’ Erklärungen im Jahre 1911 in der „Anatomischen Gesellschaft“ auf. Schon in den früheren Arbeiten dieses Autors finden wir Erwähnungen von der Knorpelarchitektur. So beschreibt er im Jahre 1901 den synzytialen Grund des Knorpels und schreibt, dass die Zellengrenzen ein Netzgewebe bilden, dessen Lücken durch Zellenkörper ausgefüllt sind. Diese funktionellen, dem Wachstumsdruck entsprechend angeordneten Netzgewebe bilden eine prochondrale Grund- oder Kittsubstanz. Weiter beschreibt er morphologische und mikrochemische Änderungen im Knorpel der Schwanzflosse von Petromyzon und sieht den Grund dieser Änderungen „in mechanisch-funktionellen Momenten“. Mit der Romeis- schen Ansicht, dass die Knorpelarchitektur ein vorläufiges Stadium der Knochenarchitektur ist, ist Schaffer nicht einverstanden, sondern meint, dass die durch Romeis beschriebene Architektur nichts Gemeinsames mit der späteren funktionellen Struktur des Knochens hat; schon aus dem Grunde nicht, dass die Knochenarchitektur relativ spät und unter dem Einflusse funktionellen Gebrauches in einer Periode auftritt, wo das ursprüng- Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 163 liche embryonale und fötale Knorpelskelett schon ganz verschwunden ist. Die Romeisschen Entdeckungen sind richtig beschrieben, man muss aber eine andere Erklärung dafür suchen. Eine solche bietet Schaffer, indem er die Wachstumsverhältnisse berücksichtigt. Anfangs sind die Zellen im- stande, in allen drei Richtungen sich gleichmässig zu teilen (Lankaster), In jeder korpeligen Anlage eines kurzen oder langen Knochens sehen wir gleichmässig dicht angeordnete Zellen. Sie wachsen von der Mitte in radiärer, zentrifugaler Richtung; später, nach der Verkalkung der Mitte, sind hier die Zellen gross, und die Grundsubstanz nimmt die Gestalt konzentrischer, kugelartiger Lamellen an, die mit den radiär gelegenen Wänden verbunden sind. Schon hier befindet sich also eine architektonische Struktur, die durch keine mechanischen Verhältnisse hervorgerufen wird, sondern es handelt sich hier um eine Wachstumsarchitektur, die durch den Druck des expansiven Zentrums verursacht wird. Sobald die Möglichkeit der Zellen, sich in jeder Richtung zu teilen und zu verbreiten, aufhört, ändert sich das architektonische Bild. Diese Verhältnisse treten im Knorpel ein, sobald das verkalkte Zentrum bis zur perichondralen Schicht gelangt, wo ein knöcherner Mantel ausgebildet ist. Dann kann der Knorpel nicht in die Breite wachsen und infolgedessen _ strecken sich die ursprünglich quer im Bogen über dem Knochen gelegenen Zellenreihen und Lamellen so aus, dass sie mehr und mehr der Länge des Knochens nach verlaufen. Gleichzeitig entsteht aus dem ursprünglichen verkalkten Zentrum nach der Resorption die Markhöhle, und statt einem treten zwei Zentren aut, die in der Richtung gegen die beiden Enden der länglichen Achse gelegen sind; diese Zentren bewegen sich weiter und weiter von der Knochenmitte und ihre Grenze bildet einerseits zur Markhöhle, andererseits zur Epiphyse einen konvexen Bogen. So entstehen die Streifen oder Lamellen der knorpeligen Grundsubstanz, die Mollier und Romeis teilweise als Querstreifensysteme, teilweise als Systeme länglicher Streifen beschrieben haben. Schaffer meint, wie er sich schon im Jahre 1889 äusserte, dass die Bedeutung des embryonalen, transitorischen Knorpels- darin liegt, dass er gleichzeitig mit den in der Umgebung gelegenen Weich- teilen wächst und dadurch, indem er das Modell bildet, Raum für das nach und nach wachsende Knochengewebe hinterlässt. Die funktionelle Architektur existiert im Embryonalknorpel nicht, sondern nur die Wachstumsarchitektur. Dagegen lässt Schaffer im permanenten Knorpel die funktionelle Architek- tur zu, die man mit der Knochenarchitektur vergleichen kann. Dies tritt namentlich in Knorpeln hervor, deren Grundsubstanz spärlich ist. Der Autor beschrieb schon im Jahre 1896 die morphologische, durch den Mechanismus der Funktion verursachte Architektur im Kiemenknorpel der Ammocoetes und machte darauf aufmerksam, dass die Funktion auch auf die chemische Grundsubstanz Einfluss hat. Die architektonische Anordnung der Grund- substanz im Rippenknorpel der Ammocoetes bedingt die Elastizität bei Biegungen. Auch in den Flossenstrahlen des 9!/. cm langen Ammocoetes beschreibt Schaffer die Architektur der knorpeligen Grundsubstanz und erklärt ihre Entwicklung durch den Einfluss der Funktion. Endlich erwähnt Schaffer die Konstruktion des knorpeligen Humerusköpfchens beim Frosch. Es befinden sich dort zelluläre Territorien und interterritoriale Substanz in 164 0. V. Srdinko: trajektorieller Anordnung. Er empfiehlt zum Studium dieses Objektes das Polarisationsmikroskop. Gebhardt ist mit Schaffers Ansichten einig und betont die Spannungsverhältnisse, die durch das Wachstum hervor- gerufen werden. 4. Meine eigenen Beobachtungen. Im embryonalen Hyalinknorpel sowie auch noch beim Kinde sind zwei Typen der Zellenteilung zu beobachten: die Teilung der Zellen in Gruppen und in Reihen. Mit diesen Verhältnissen beschäftigte ich mich schon in meiner Arbeit „Von der Histologie und Histogenie des Knorpels“ vom Jahre 1902') und noch gründ- licher in einer späteren Arbeit vom Jahre 1911,’) in der ich erklären wollte, warum sich neu entwickelnde Knorpelzellen manch- mal in runde Gruppen, ein anderes Mal wieder in längliche Reihen stellen. Als Material zum Studium dieser Frage dienten mir stets menschliche Knorpel. Knorpel von anderen Säugetieren brauchte ich nur zur Vergleichung. Vom menschlichen Knorpel eignet sich dazu namentlich der Knorpel der Patella und der Rippenknorpel aus der embryonalen, kindlichen und auch späteren Periode. Das Resultat meiner Erfahrungen lässt sich in folgender Weise kurz zusammenfassen: Im Hyalinknorpel der Patella und der Rippen kann man in der ersten Hälfte des Embryonallebens keine be- stimmte Anordnung der Zellen wahrnehmen. Ihre Gestalt ist oval, polygonal, spindel- und pyramidenartig und sie sind in der Grundsubstanz auf Schnitten, seien diese schon in beliebiger Richtung geführt, unregelmässig ausgebreitet. Erst in der zweiten Hälfte des embryonalen Lebens erscheinen im Patella- und Rippenknorpel spindel- und pyramidenartige, durch ihre lange Achse gleichmässig orientierte Zellen. Dadurch entstehen Zonen oder Streifen gleichmässig angeordneter Zellen, unter denen sich auch unorientierte befinden. Im kindlichen Alter ist diese Zellen- orientierung in Zonen noch sichtbarer, so dass man z. B. am horizontalen Schnitt des Rippenknorpels deutlich fünf Schichten wahrnehmen kann, die sich voneinander durch die Richtung der !) O0. Srdinko: Studien von der Histologie und Histogenese des Knorpels II. „Rozpravy @esk& akademie.“ Il. Klasse, XI. Jahrgang Nr. 25, 1902 in Prag; Beitrag zur Histologie und Histogenie des Knorpels. Anat. Anz., Bd. XXII, Nr. 20 u. 21, S. 442, 1903. 2) O0. Srdinko: Von der Bedeutung der isogenetischen Zellengruppen und Reihen im Hyalinknorpel. „Vestnik kräl &es spoleönosti nauk in Prag, 1912. (Vorgelegt 24. November 1911.) Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 165 Zellenanordnung unterscheiden. Auf der Oberfläche unter dem Perichondrium der vorderen Fläche des Rippenknorpels sind die Zellen parallel mit der Oberfläche angeordnet. In der zweiten Schicht kreuzt sich die Richtung der langen Zellenachsen, da sie gegen das Perichondrium schief steht, und in der dritten Schicht, die am breitesten ist, sind die Zellen mit ihrer langen Achse senkrecht auf die Oberfläche des Knorpels angeordnet, in- dem sie von der vorderen Rippenfläche zur hinteren ziehen. In der Richtung zur hinteren Fläche geht die dritte Schicht mit orientierten Zellen in eine Schicht, die ebenso angeordnet ist wie die zweite Schicht, über, und darauf folgt eine dünne Schicht mit den der Oberfläche parallelen Zellen; es sind hier dieselben Verhältnisse, wie in der ersten Schicht unter dem Perichondrium der vorderen Fläche des Rippenknorpels. Im Knorpel der Patella ist es zwar nicht möglich, deutliche Schichten zu unterscheiden, so wie es beim Rippenknorpel der Fall ist. aber die Orientierung der Zellen in Zonen neben unregelmässig angeordneten Zellen ist auch hier deutlich sichtbar. Auf die Orientierung der Zellen im Stützgewebe üben Zug und Druck ihren Einfluss aus. Dies wurde für das Bindegewebe durch Kanekos und Levys Experimente bewiesen, die in Roux’ Laboratorium ausgeführt wurden. Der Druck wird ge- wöhnlich durch den Widerstand der Unterlage, auf welche er wirkt, in eine senkrecht auf die Richtung des primären Druckes wirkende Kraft umgewandelt und gleicht dem parallel mit der Unterlage wirkenden Zug. Sobald eine äussere Kraft auf das Embrvonalgewebe zu wirken anfängt, entwickelt sich die Zellen- orientierung. Die Zellen breiten sich aus und stellen sich mit ihrer langen Achse in der Richtung des Zuges, oder der senk- rechten Richtung des Druckes ein. Sehr auffallend ist dies in den Bändern und Sehnen sichtbar. Auch aus der Literatur- übersicht sehen wir, dass die mechanischen Kräfte auf die Organisation des Knochengewebes von grossem Einfluss sind. Es fragt sich aber, ob auch der Knorpel durch irgend eine Art auf die äusseren mechanischen Einflüsse reagiert. Existiert diese Reaktion. lässt sie sich an der Beschaffenheit der Zellen oder auch der Grundsubstanz und an welchem ihrer Bestandteile erkennen ? Im Patellaknorpel zeigt sich am Ende des embryonalen Lebens, namentlich aber nach der Geburt, eine so deutliche An- 166 0.V. Srdinko: ordnung der Zellen in Reihen, dass man gleich beim ersten Blick vermutet, dass die so entstandenen Reihen in Verbindung mit den Kräften stehen, die auf jenes Gewebe wirken. Solange sich die unteren Extremitäten nicht viel bewegen, dass heisst bis ungefähr zum 7. Monat der Schwangerschaft, sind die Zellen im Patellaknorpel nicht deutlich orientiert. Aber vom 7. Monat an, wenn der Fötus lebhaftere Bewegungen ausübt, beginnen in der Patella längliche Zellen zu erscheinen, und nach der Geburt orientieren sich die Zellen wie auf Befehl in Zonen, teilen sich in Reihen. und hinterlassen zwischen den Zonen Gruppen unregelmässig an- geordneter Zellen. Auch im Rippenknorpel erscheint vom 5. Monat an eine geringe Orientierung, welche im 7. Monat deutlicher und im kindlichen Rippenknorpel sehr typisch wird. Auch dies zeigt den Zusammenhang einerseits mit den Atmungsbewegungen, andererseits mit den Bewegungen des ganzen Körpers, die der Fötus in der zweiten Hälfte macht (auch die Respirations- bewegungen !), und die selbstverständlich nach der Geburt eine grosse Intensität erlangen. Die Anordnung der Zellen in Reihen leite ich von der Wirkung äusserer Kräfte ab, namentlich vom Drucke und Zug. Die Orientierung der Knorpelzellen entsteht an Stellen, wo lichtende Kräfte wirken, wo sie fallen oder sich mit anderen aus- gleichen, sind die Zellengruppen unregelmässig. Reihen von Knorpelzellen finden wir noch zu anderen Zeiten im Knorpel, und zwar vor der Ossifikation. Diese sehen aber anders aus als die vorher beschriebenen. Die lange Achse der in Reihen angeordneten Knorpelzellen, die man bei der Össifikation findet, steht senkrecht auf der langen Achse der Zellenreihe, d. h. die einzelnen Zellen liegen quer zu den Zellenreihen, während in den Fällen, die ich beschrieben habe, die langen Achsen der Zellen in der Richtung der Zellenreihen gelegen sind. Renaut?) beschrieb die ersteren Reihen und lässt sie das Wachs- tum des Knorpels in die Länge verursachen, während durch die Teilung der Knorpelzellen in Gruppen der Knorpel sich inter- ') B. Dedek: Zur Frage über die Entwicklung der Respirations- bewegungen beim menschlichen Fötus. Medizinische Rundschau, XX. Jahr- gang, 2. Heft, 1913. ?) Renaut: Sur les grupes isog@niques des elements cellulaires du cartilage. Comptes rendus de l’Acad&mie de sciences. Paris 1878. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 167 stitiell in allen Richtungen ausbreitet. Renauts Beobachtungen beziehen sich auf Material von Raja batis. Die Zellen ver- mehren sich nach seinen Angaben bis zur Ossifikation in Gruppen, erst vor der Ossifikation bilden sich Reihen. Renaut sieht also darin den Unterschied zwischen dem Knorpel mit Zellengruppen und dem Knorpel mit Zellenreihen (es ist möglich zu sagen Ossifikationsreihen), dass dieser Knorpel geeignet ist, in einer Richtung zu wachsen (in die Länge), jener in allen Richtungen. Mit den weiteren Ursachen dieser zwei verschiedenen Teilungs- arten befasst sich Renaut nicht. Wie weit ich mit Renaut übereinstimmen kann, darüber äusserte ich mich in meiner Publikation vom Jahre 1911. Ich mache aber von neuem darauf aufmerksam, dass die Ossifikationsreihen nicht mit jenen Reihen identisch sind, die sich im Knorpel manchmal schon sehr lange vor der Ossifikation befinden, manchmal aber auch in einem solchen Knorpel, wo die Ossifikation überhaupt nie eintritt. Die Orientierung der Zellen in diesen Reihen wird wahrscheinlich durch äussere Kräfte hervorgerufen. Was ich hier kurz auseinandersetzte, stellte ich an Präparaten fest, die nach der gewöhnlichen Methode mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt waren. In diesen Präparaten treten namentlich die Zellen hervor, im Gegensatz zur diffus gefärbten Grund- substanz. Die Präparate kann man daher als positive für die Zellen und als negative in bezug auf die Grundsubstanz bezeichnen. Für die Lösung der Frage, wie der Knorpel den äusseren Kräften widersteht, hat aber die Grundsubstanz eine grössere Bedeutung als die weichen Zellen. Jenen Widerstand erträgt sicher die interzelluläre Substanz, und der Einfluss äusserer Kräfte auf den Knorpel ist in erster Reihe in der Anordnung der Grundsubstanz zu suchen, und wenn eine Knorpelorganisation oder Architektur existiert, so ist sie sicher in erster Linie in der Grundsubstanz wahrnehmbar. Ob zwar die Zellen ein primärer Bestandteil des Knorpels sind, ist ihre Anordnung ein Richtungsanzeiger der Kräfte, die im Knorpel wirken (die Zellen teilen sich im all- gemeinen leichter in der Richtung. wo der Widerstand kleiner ist), sig sind aber kein Ausdruck der Architektur, sondern nur eine sekundäre Erscheinung. Es war also meine Aufgabe, eine andere Methode für die Anfertigung der Präparate zu suchen und zwar eine solche, wo- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt.I. 12 168 0.V. Srdinko: durch die Grundsubstanz hervortreten würde. Es gelang mir namentlich für den menschlichen Rippenknorpel eine verlässliche Methode zu finden, wodurch man im genannten Knorpel in deut- licher Weise das ganze Balken- (auf Schnitten) resp. Platten- system der interzellulären Substanz wahrnehmbar macht, wie es die Abbildungen zeigen. 5. Material und Methode. /u meiner Arbeit bediente ich mich ausschliesslich des menschlichen Hyalinknorpels. Die grösste Anzahl von Schnitten wurde aus Rippenknorpel verschiedensten Alters angefertigt: aus der ersten Hälfte des Embryonallebens, aus der zweiten Hälfte, aus dem kindlichen Alter vom neugeborenen Kinde angefangen bis zum Ende des Skelettwachstums, sogar vom erwachsenen Menschen von 20 Jahren bis in das späteste Alter — 79 Jahre. Ausserdem studierte ich den Embryonalknorpel von langen und kurzen Skeletteilen des menschlichen Fötus vom Ende des dritten Monats bis zur Geburt. Die Schnitte aus jedem Rippenknorpel verfertigte ich immer in drei Hauptrichtungen: quer zur langen Rippenachse, also sagittale Schnitte, längliche oder horizontale und flächenhafte, oder frontale Schnitte. Den Knorpel nahm ich immer in einer grösseren Entfernung von seiner Verbindung mit der knöchernen Rippe, mindestens 1 cm, weil die an den Knochen angrenzende Knorpelpartie vom normalen Typus abweicht. Um auch zu er- fahren, wie sich der Rippenknorpel in der Nähe des Knochens verhält, verfertigte ich in den drei angegebenen Richtungen auch Schnitte aus dieser (Gegend, nachdem ich den Knochen selbst- verständlich zuerst entkalkt hatte. Die Architektur des Embryonalknorpels verfolgte ich an den langen und kurzen Knochen der oberen und unteren Extremitäten, sowie auch an den Rippen, von denen ich Serien in allen drei Richtungen verfertigte. Die Objekte wurden nach verschiedenen Methoden fixiert. Menschliche Embryonen wurden entweder in Sublimat, inCarnoys Flüssigkeit, oder in Formalin fixiert. Kindliche und erwachsene Knorpel fixierte ich in 10 proz. Formalin 7—14 Tage hindurch, dann wurden sie gleich geschnitten oder zuerst 1—2 Tage in Wasser ausgewaschen, dann in 80 proz. Alkohol gelegt und geschnitten. Kleinere Knorpelpartien wurden mit Gefriermikrotom ge- schnitten, grössere Stückchen, die man ohne Einbettung in die Mikrotom- Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 169 klammer schliessen konnte, mit dem gewöhnlichen Mikrotom; Embryonen wurden in Celloidin geschnitten. Die Schnitte vom durch Formalin fixierten Knorpel färbte ich ent- weder mit Hämatoxylin und Eosin, oder nach Hansen in einer Mischung von Pikrinsäure und sauerem Fuchsin, oder endlich mit Biondis Mischung (saueres Fuchsin — Methylgrün — Orange). Mit Biondis Mischung färbte ich immer ungefärbt 10 Minuten (auch länger), dann wurden die Schnitte mit '/.proz. Essigsäure abgespült und in 7Oproz. Alkohol ausgewaschen, dann in absolutem Alkohol entwässert, auf 2 Minuten in Origanumöl gelegt und in Harz eingeschlossen. Das Resultat der Färbung ist das folgende: die Grund- substanz des Knorpels färbt sich im ganzen rot, die Zellen grün. wo Blut vorkommt, orange: Details und Abweichungen werden beim Beschreiben einzelner Präparate angeführt werden. Durch diese Färbung tritt die Grundsubstanz auf den Präparaten sehr stark hervor, so dass es auf den ersten Blick möglich ist, zu sagen, ob die Balken der Grundsubstanz eine Orientierung besitzen oder nicht. Die Grundsubstanz des Hyalinknorpels enthält, wie aus Mörners und Schmiedebergs Arbeiten bekannt, folgende chemische Bestandteile: 1. Kollagen, 2. chemische Verbindungen der Chondroitinschwefelsäure mit Eiweisstoffen, namentlich in der Form als Chondromukoiden und 3. im erwachsenen Knorpel ein Albuminoid, das im jungen Knorpel fehlt. Diese chemischen Bestandteile wollte F. ©. C. Hansen auch histologisch nach- weisen. was ihm auch durch spezifische Färbungen gelungen ist. Die durch Biondische Mischung gefärbten Präparate des jungen menschlichen Rippenknorpels zeigen eine starke Acidophilie, wo im Gegenteil die Basophilie nur unter gewissen Umständen her- vortritt, die bei der Beschreibung näher angeführt werden. Um die Frage der Knorpelarchitektur beurteilen zu können, ist es sehr nützlich, die chemischen Bestandteile des Knorpels zu kennen. während es weniger wichtig ist, ob die Substanz, die den äusseren Kräften widerstehen soll, basophil oder acidophil ist. Übrigens werden wir später sehen, dass die Basophilie und Acidophilie sich in ihrer Intensität in der Grundsubstanz des Knorpels ändert, so dass Bezirke der Grundsubstanz von der Acidophilie zur Basophilie übergehen können. Die nach der Hansenschen Methode gefärbten Präparate zeigten sich fürs Studium der Architektur nicht so instruktiv 12* 170 0.V. Srdinko: wie diejenigen, die durch Formalin fixiert und durch Biondische Mischung gefärbt wurden. In jenen Fällen, wo es nicht möglich war, die Schnitte genug intensiv rot zu färben, hat es genügt, sie auf einige Zeit (I—2 Stunden) in eine Lösung Natron oder Kalilauge zu bringen, die gewünschte rote Färbung der Grund- substanz trat wieder hervor. Beim Beschreiben der Präparate wird es zum Vergleich mit den Hansenschen Arbeiten nötig sein, daran zu denken, dass die Balken oder Lamellen der Grundsubstanz, die auf meinen Präparaten rot gefärbt erscheinen, im Falle sie durch eine andere Methode gefärbt werden, neben acidophilen Partien auch baso- phile zeigen können. Für uns bilden aber beide Bestandteile einen einzigen Tragbalken und die verschiedene chemische Zu- sammensetzung, die durch spezielle tinktorielle Reaktion zum Vorschein gebracht wurde, ist nicht so wichtig. Nur die Zellen erfahren im Knorpel keinen äusserlichen Druck oder Zug: alle Partien der Grundsubstanz, obwohl sie von chemisch verschiedener Reaktion sind, sind Teile eines verwickelten Tragsystems. Wie weit die Teile dieses Systems als Stütze dienen, und wie weit sie einen anderen Zweck haben (die Zellen oder Gefässe zu schützen) das sind Fragen, die erst von der Zukunft ihre Lösung erwarten können. Es ist aber möglich, zu behaupten, dass die Hauptfunktion dieses Tragsystems im ganzen darin besteht, den äusseren Kräften Widerstand zu leisten, während die anderen Aufgaben nur als nebensächliche betrachtet werden können. 6. Die funktionelle und die Wachstumsarchitektur. Es besteht kein Zweifel, dass man alle Erscheinungen in der Grundsubstanz des Knorpels, die auf die Orientierung der Zellen und der Balken hinweisen, nicht als funktionelle Struktur betrachten kann. Das gilt namentlich für den Embryonalknorpel und denjenigen bei der Ossifikation. Da ist die regelmässige An- ordnung der Zellen und der Grundsubstanz als durch Wachstums- verhältnisse hervorgerufen festgestellt, so dass Schaffer mit Recht von der Wachstumsarchitektur spricht. So muss man also beim Beurteilen der Grundsubstanzstruktur von folgendem separat sprechen: 1. von der Architektur des Embryonalknorpels, 2. von derjenigen bei der Ossifikation. 3. von derjenigen des permanenten Knorpels. Die Architektur kann sich in folgenden Verhältnissen Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 171 äussern: 1. in der Orientierung der Zellen, 2. die Orientierung der Balken in der Grundsubstanz, 3. die Orientierung der Fibrillen in der Grundsubstanz. Obwohl mir bei meinen bisherigen Forschungen die Architektur des permanenten Knorpels haupt- sächlich als Objekt diente, kann ich auch schon jetzt zu den ersten zwei Fragen manche Bemerkungen machen. A. Die Wachstumsarchitektur. Die Wachstumsarchitektur bemerkte zuerst Kassowitz im Jahre 1880, und zwar beim Knochen. Er konstatierte, dass es schwer ist, in den ersten Wachstumsstadien des Knochens von einer eigenen Architektur zu sprechen, die man eventuell als Funktionsarchitektur bezeichnen könnte, dass aber für jede Partie des Skelettes eine eigene Wachstumsarchitektur existiert. Nach Kassowitz kann man die Architektur der erwachsenen Knochen von der Struktur des fötalen oder kindlichen nicht ableiten. Schaffer untersuchte die Wachstumsarchitektur auch bei dem Knorpel und zwar während der Ossifikationsperiode. Das verkalkte Zentrum im Knorpel eines langen Skeletteiles hat folgende Wachstumsarchitektur: es ist im Durchschnitte eine kreisartige, in der Wirklichkeit eine kugelartige Gruppe grösserer Knorpelzellen, zwischen denen die Grundsubstanz in konzentrischen, kugelartigen Schalen (hohlen Kugeln) angeordnet ist. die unter- einander durch radiäre Querlinien verbunden sind. Da sich dann die Zellen sowie auch die zugehörigen Höhlen in jenem Zentrum vergrössern, entsteht ein Druck der ganzen Formation auf die Umgebung. In dessen Folge werden die Zellen über und unter dem verkalkten Zentrum in kugelförmige Flächen gedrückt, so dass wir am Durchschnitte die Zellen in bogenartigen Reihen angeordnet sehen, wobei die Konvexität der Bogen nach den Enden des Skeletteiles gerichtet ist. Das gleiche Bild finden wir beim menschlichen Fötus nicht nur in allen Anlagen der langen Skeletteile, sondern auch in kurzen Knochen, z. B. in den karpalen, tarsalen, in den Wirbeln, in den Köpfchen der Rippen usw. Weitere Entwicklung und Änderungen dieser Architektur stellte Romeis auf seinen Abbildungen aus der Ossifikation der Tibia und des Kaninchenkalkaneus dar, und erklärte sie auf Grund der in der Publikation enthaltenen Schemen als funktionelle 172 0. V. Srdinko: Architektur. Schaffer stellte sich gegen diese Romeissche Er- klärung und bezeichnete die beschriebene Anordnung der Grund- substanz als Wachstumsarchitektur. Nach Beurteilung beider Erklärungen muss ich mich Schaffers Standpunkt anschliessen. und dadurch halte ich die mit gewisser Regelmässigkeit ange- ordnete Grundsubstanz des Knorpels bei der Ossifikation wenigstens meistenteils für einen Ausdruck der Wirkungen innerer. durch das Wachstum hervorgerufener Kräfte. Damit ist aber nicht aus- geschlossen, dass im Embryonalknorpel auch die funktionelle Architektur festgestellt werden kann, und zwar namentlich im Embryonalknorpel, der von der Össifikation noch weit entfernt ist, oder sich auf Stellen befindet, wo diese überhaupt nicht ein- tritt, sondern wo wir bei Erwachsenen den permanenten Knorpel finden. Ausser der Wachstumsarchitektur bei der Ossifikation ist es noch möglich auf die regelmässige Anordnung der Knorpel- zellen in ganz jungen Knorpeln, die erst im Werden sind. zu verweisen, z. B. im Rippenknorpel. Am (Querschnitt durch das vordere Rippenende eines menschlichen 3 Monate alten Embryos (Taf. XIII, Abb. 1) sehen wir auf der Oberfläche unter dem Peri- chondrium oft eine Reihe junger, kubikartiger Zellen, deren Basis mit der Oberfläche des Knorpels parallel ist, während im Gegen- teil die queren Grenzen einzelner Zellen senkrecht auf der Ober- fläche stehen; die Grundsubstanz ist hier noch nicht entwickelt und wird nur durch diese Abgrenzungen der Zellen vertreten. Manchmal ist nicht nur die erste unter dem Perichondrium so regelmässig, sondern auch die zweite, die dritte, und diese Regel- mässigkeit schwindet erst nach der vierten oder nach weiteren Reihen. Der Querschnitt durch ein solches embryonales Rippenende erinnert uns sehr an denjenigen durch den Vegetationskegel einer Pflanze. Auch diesen Fall kann man in die durch das Wachs- tum hervorgerufene Anordnung der Zellen und der interzellulären Substanz einreihen. Romeis und Mollier meinen, dass die Knochenarchitek- tur schon im Embryonalknorpel ihren Vorgänger findet, dass also eine Beziehnug zwischen der Architektur des Knochens und derjenigen des Knorpels existiert. Das Konstruktionsprinzip, das schon im Knorpel erkennbar ist, wird nach diesen Autoren durch das Knochengewebe übernommen und entwickelt sich weiter. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 173 Schaffer stimmt mit dieser Ansicht namentlich aus dem Grunde nicht überein, weil die funktionelle Knochenstruktur erst in späterer Zeit hervortritt, wo das knorpelige Skelett schon lange zerstört ist. B. Die funktionelle Architektur im permanenten Knorpel. Jetzt gehe ich zur Beschreibung der nach der oben an- gegebenen Methode angefertigten Präparate aus menschlichem Rippenknorpel verschiedenen Alters über. Bevor ich den kind- lichen und erwachsenen Knorpel beschreiben werde, beginne ich zuerst mit zwei Embryonalstadien. Menschlicher Embryo aus dem 4. Monat. /wischen dem vorderen und hinteren Perichondrium sehen wir auf horizontalen und parallel mit der langen Rippenachse geführten Schnitten die rot gefärbte Grundsubstanz, in der sich Höhlen verschiedenartiger Zellen befinden, mit ovaler, runder, länglicher, spindel- und kegelartiger oder unregelmässiger Gestalt. (Taf. XIII, Abb. 2.) Die Streifen der Grundsubstanz zwischen den Höhlen sind ungleich breit, ohne jede Orientierung, geradeso, wie die langen Achsen der länglichen Zellen in den verschieden- sten Richtungen angeordnet sind. Nur diejenigen Zellen, die dem Perichondrium am nächsten stehen (diese Partie ist hier nicht abgebildet), sowie auch die um sie stehende Grundsubstanz offenbart eine mit der Oberfläche parallele Orientierung. Menschlicher Embryo aus dem 7. Monat. Der horizontale Schnitt durch den Rippenknorpel in diesem Stadium unterscheidet sich stark von dem vorigen. Unter dem vorderen sowie auch unter dem hinteren Perichondrium ist eine schmale Schicht mit der Oberfläche paralleler Zellen und Balken angedeutet. Auf diese Schicht folgt eine ebenfalls nicht breite Schicht, in der die Balken ein unregelmässiges Netz schwamm- artiger Struktur bilden. Die Balken sind vom Perichondrium im scharfen Winkel abgeneigt, sowie auch die langen Achsen der Zellen oder deren Reihen. Der ganze übrige Raum zwischen den letzten zwei Schichten ist mit Knorpel ausgefüllt, in dem die Orientierung der Grundsubstanzbalken in der Richtung vom vorderen zum hinteren Perichondrium, also senkrecht auf die 174 OSNVESrdinko: Oberfläche deutlich sichtbar ist. Geradeso sind die langen Achsen der Zellenhöhlen orientiert, die eine oder mehrere Zellen in einer Reihe enthalten. Eine Partie dieser mittleren Schicht ist auf der Taf. XIII, Abb. 3 abgebildet. Ein 1!/a Jahre altes Kind. Die Abb. 4 auf der Taf. XIII stellt einen Teil des sagittalen (queren) Schnittes durch den Rippenknorpel eines 1'/ı Jahre alten Kindes dar. Unter dem Perichondrium der vorderen (auf der Abbildung oben) und auch der hinteren Rippenplatte (auf der Abbildung unten) sind mit der Oberfläche parallele Streifen zu sehen; diese Schicht ist sehr schmal. Dann folgt oben und unten eine Schicht mit unregelmässigen Streifen, so dass eine schwamm- artige Struktur entsteht; die breite mittlere Partie enthält deut- lich von der vorderen zur hinteren Fläche orientierte Streifen, die mit Schrägstreifen verbunden sind. Die Höhlen zwischen den Streifen sind durch Reihen von Knorpelzellen ausgefüllt. Ein 3 Jahre altes Kınd. Die Abb. 5 auf der Taf. XIll stellt einen Teil eines horizon- talen, länglichen Schnittes durch den Rippenknorpel eines zwei Jahre alten Kindes bei stärkerer Vergrösserung dar. Sie betrifit die Schicht unter dem Perichondrium der vorderen Rippenfläche ; weiter folgt die zweite schwammartige Schicht und ein Teil der mittleren Schicht. Man sieht, dass die Balken der ersten Schicht, je weiter sie von der Oberfläche entfernt sind, sich desto schiefer gegen die Oberfläche richten, so dass die erste Schicht in die zweite übergeht, deren Balken gewöhnlich leicht umgebogen sind und mit der Oberfläche etwa einen Winkel von 45° bilden. Am Übergang aus der zweiten Schicht in die dritte biegen die Balken in eine auf die Oberfläche der vorderen Knorpelfläche senkrechte Richtung um. Ein 5. Jahre altes: Kind. Die Abb. 6, Taf. XIII zeigt uns die mittlere Zone eines hori- zontalen Schnittes durch den Rippenknorpel eines 5 Jahre alten Kindes. Die typische Orientierung der Balken in dieser Schicht, welche von der vorderen Knorpelfläche zur hinteren ziehen, ist bei dieser starken Vergrösserung sehr deutlich. In den Balken kann man hier und da kollagene Fibrillen wahrnehmen, die mit Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 175 den Balken in derselben Richtung ziehen. Es ist bemerkenswert. dass diese typische Anordnung der Grundsubstanz des kindlichen Rippenknorpels an manchen Stellen durch (Gefässe gestört ist. In der Umgebung des Gefässes ist in einer gewissen Entfernung die Grundsubstanz schwammartig angeordnet, wenn auch das (refäss die dritte, d. h. die mittlere Schicht durchläuft. Die zweite Änderung in der Umgebung der Gefässe äussert sich in einer Reaktion der Grundsubstanz, die mehr Basophilie zeigt, und sich darum auf den Schnitten nach dem Gebrauche des Biondischen Färbemittels wie die Zellenkörper grün färbt. Ein. 2 Jahbresalter Rind. Die Abb. 7 Taf. XIII stellt den mittleren Teil des frontalen Schnittes des Rippenknorpels eines zweijährigen Kindes dar. Die frontalen, d. h. die mit der vorderen und hinteren Rippenfläche parallel geführten Schnitte sind sehr lehrreich, denn sie erklären uns näher die Architektur der mittleren Knorpelschicht, die sich auf sagittalen und horizontalen Schnitten als von der vorderen zur hinteren Knorpelfläche orientierte Streifen offenbart, welche längliche, ebenso wie die Balken, orientierte Höhlen abgrenzen. Am frontalen Schnitte treffen wir diese Höhlen quer, und da sehen wir, dass die Dimensionen dieses queren Durchschnittes kleiner sind, als diejenigen, die wir auf den sagittalen und horizontalen Schnitten wahrnahmen, und dass der grösste Teil der Höhlen am frontalen Schnitte runde oder ovale Konturen zeigt. Die Streifen der Grundsubstanz bilden infolgedessen um die Höhlen in der mittleren dritten Schicht herum eine am Schnitt schwamm- artige Struktur, die sich von der zweiten Schicht der Horizontal- schnitte nicht unterscheidet. Die frontalen, durch die mittlere Schicht des typischen Rippenknorpels geführten Schnitte sind so charakteristisch, dass man sie beim ersten Anblick vom sagittalen und horizontalen Schnitte unterscheidet. Ein zehnjähriges Kind. Die Abb. 8, Taf. XIII kommt vom queren oder sagittalen Schnitte durch den Rippenknorpel eines zehnjährigen Kindes her und stellt den oberen Rand der Rippenkante dar, wo die vordere Fläche in die hintere übergeht. Es ist nicht nötig, die Anordnung der Streifen der Grundsubstanz zu beschreiben, da sie auf der 176 0. V. Srdinko: Abbildung sehr deutlich dargestellt ist. Die Orientierung der Zellenhöhlen und der Balken in der Richtung vom vorderen Perichondrium zum hinteren ist auch in der Rippenkante sicht- bar, obwohl sie keinen so hohen Grad erreicht, wie auf dem weiteren Teile des Schnittes. Ein 79 Jahre alter Mensch. Ich befasste mich weiter mit in allen drei Richtungen durch den Rippenknorpel geführten Schnitten bei 19, 21, 26, 29, 46, 54 und 79 Jahre alten Menschen, und ich habe mich überzeugt, dass diejenigen Stellen, die aus typischem Knorpel bestehen. d.h. die gefässlosen Stellen und diejenigen, worin die Asbestmeta- morphose nicht eingetreten ist, mit den im kindlichen Knorpel beschriebenen Verhältnissen identisch sind. Nur was die Menge der Grundsubstanz anbelangt, finden wir den Unterschied, dass in den älteren Knorpeln die Zellenhöhlen kleiner und an Zahl geringer, wogegen die Balken der Grundsubstanz breiter sind. Als Beispiel dient Abb. 9, Taf. XIII, die von der mittleren Schicht des horizontalen Schnittes durch den Rippenknorpel eines neun- undsiebzigjährigen Menschen herkommt. Die Anordnung der Fibrillen. Bis jetzt befasste ich mich nur mit der Anordnung der Zellenhöhlen (eventuell der Zellen) und der Grundsubstanzbalken. Jetzt will ich von der Richtung der Kollagenfibrillen kurz berichten. Die Fibrillen sind auf unseren Präparaten schon im kindlichen Knorpel deutlich, und zwar namentlich in der mittleren Schicht, deren Balken auf der Knorpeloberfläche senkrecht stehen. In der schwammartigen Schicht sind sie hier und da als ein sehr feines Gewebe sichtbar, in der oberen, mit der Oberfläche parallelen Schicht habe ich sie nicht gefunden. Auf den frontalen Schnitten kann man den Unterschied in der Dicke der Fibrillen wahrnehmen. Die Abb. 10, Taf. XIII zeigt uns Fibrillen, die der Länge nach im horizontalen Schnitt durch die mittlere Schicht des Rippenknorpels eines 26jährigen Menschen getroffen sind. Die Reaktion der Fibrillen ist verschieden, ja auch in einer einzigen ist sie in ihrer ganzen Länge nicht gleich; die eine Partie zeigt Acidophilie, die andere Basophilie. Ein anderes Mal ist die Fibrille gleichzeitig acidophil und basophil, woraus Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 177 man ihre ins Rotblau übergehende Färbung erklären kann. In der Grundsubstanz um die Zellen herum befinden sich keine Fibrillen, und sie zeigt sich basophil. Man sieht aus der Abbildung, dass die Richtung der Fibrillen mit derjenigen der Balken in der mittleren Schicht identisch ist, dass also auch die Fibrillen von der vorderen zur hinteren Fläche Perichondrium orientiert sind. Dieselbe Orientierung finden wir auf queren (sagittalen) Schnitten durch den Rippenknorpel. Andere Verhältnisse sind auf Frontalschnitten zu erkennen. Hier treffen wir den grössten Teil der Fibrillen quer in Form verschieden grosser Punkte, ja manchmal sehen wir ganze quer durchschnittene Fibrillenbündel. Eine solche Partie des Frontal- schnittes durch die mittlere Schicht des Rippenknorpels eines 26jährigen Menschen ist auf Abb. 11, Taf. XIII abgebildet. Hier ist die Umgebung der Zellen weniger basophil als die Zellen selbst und auch fibrillenlos. Ich bemerkte oben, dass sich in der Umgebung der Gefässe und an jenen Stellen, an denen sich die Asbestmetamorphose des Rippenknorpels zeigt, eine basophile und schwammartige Struktur befindet. An solchen Stellen ist auch die Fibrillenanordnung eine andere. Die Fibrillen liegen gewöhnlich in radiärer Richtung gegen das Gefäss; an jenen Stellen, wo die Asbestmetamorphose eingetreten ist, sind die Fibrillen oft parallel mit der langen Rippenachse angeordnet, manchmal auch schief gegen das Peri- chondrium, manchmal haben sie eine gewöhnliche Orientierung, nämlich quer zur langen Rippenachse. So ist also eine gewisse Architektur der Grundsubstanz im Hyalinknorpel der menschlichen Rippen bewiesen. Man findet sie überall, wo sich ein typischer gefässloser Hyalinknorpel befindet, in dem keine sekundäre Metamorphose eingetreten ist. Infolge- dessen unterscheiden sich die Frontalschnitte auf den ersten Blick von den Horizontal- und Sagittalschnitten. Es ist eine Frage, wie man diese Architektur erklären könnte. Warum sind die Zellenhöhlen und Balken der grössten Partie der Grundsubstanz, nämlich jener mächtigen mittleren Zone, quer zur Rippenachse in der Horizontalebene orientiert? Warum orientieren sie sich nicht parallel mit der langen Rippenachse oder warum ziehen die 178 0. V. Srdinko: Balken und Höhlen nicht von der oberen Kante zur unteren? Verschiedene Umstände sprechen dafür, dass die beschriebene Architektur grösstenteils als funktionelle zu erklären ist. Für diese Ansicht spricht erstens die Entwicklung jener Anordnung im Knorpel und die Zeitperiode, wo sie entstanden ist. In den ersten Monaten des Embryonallebens ist diese Archi- tektur im Rippenknorpel nicht sichtbar. Sie entsteht erst in der zweiten Embryonalhäfte und es ist möglich, sie im 7. Monate des Embryonallebens festzustellen. Im kindlichen Knorpel ist sie namentlich deutlich entwickelt, und erhält sich im permanenten Rippenknorpel bis zum hohen Alter. Eine solche Entwicklung kann man nur mit der Funktion dieser Skelettpartien in Ver- bindung bringen, welche mit den Körper- und Respirations- bewegungen entsteht. Die Bewegungen des ganzen Körpers sind beim Fötus in der zweiten Hälfte des Embryonallebens sehr umfangreich. ausserdem behaupten aber Ahlfeld, Dedek u.a., dass man in dieser Periode auch schon Respirationsbewegungen wahrnehmen kann. Nach der Geburt wächst selbstverständlich die Intensität beider Bewegungen. Ausserdem kann der Rippen- knorpel fungieren, wenn auch der Körper sich überhaupt nicht bewegt. Eine solche Funktion entsteht, wenn der Knorpel genötigt ist, den Druck anderer, höher gelegener Körperteile mitzutragen, wenn der Körper z. B. auf einer Brustseite, dem Rücken, oder auf der vorderen Fläche des Brustkorbes liegt. Dieselbe Funktion tritt ein, wenn ein äusserer Druck irgendwo auf den Brustkorb wirkt. Und gerade bei dieser Funktion ist der grösste Wider- stand nötig, den der Rippenknorpel leisten muss, um die äussere Kraft zu überwinden. Es ist nötig, einen solchen Fall ein wenig näher zu beschreiben. Es ist möglich, jedes an der Wirbelsäule befestigte und mit dem Sternum verbundene Rippenpaar als ein Tragsystem zu behandeln, welches um die Brusthöhle herum einen gewölbten Bogen bildet. Die Wölbung ist dazu bestimmt, jedem von auswärts kommenden und zur Brusthöhle zielenden Stoss und Druck abzuhalten. Unter derartigen am meisten auf den Brustkorb wirkenden Kräften ist jener Druck, der sich bei horizontaler Körperlage entwickelt. Gerade wie bei einem aus Ziegel konstruierten Wölbungsbogen ein quer über die Längsachse der Wölbung gelegener Ziegel durch die Grenzfläche auf die beiden benachbarten Ziegel drückt, so können wir uns vorstellen, Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 179 dass ein (Juerschnitt (Sagittalschnitt) der Rippenwölbung auf die benachbarten Querschnitte oder Segmente drückt. Der Druck wirkt also derartig in der Richtung der langen Rippenachse, dass auf jedes gedachte Quersegment des Rippenknorpels der Druck von der einen, so auch von der anderen Seite wirkt. Auf einen so oft wiederholten Druck, der den Knorpel der langen Achse einerseits zusammenzupressen, anderseits zu biegen strebt, reagiert die Grundsubstanz durch die Anordnung der Balken, und zwar so, dass sie senkrecht gegen den Druck orientiert sind. Im Rippen- knorpel sind wirklich solche Verhältnisse, wie sie die Theorie vorschreibt. Die Orientierung der Grundsubstanzbalken ist senk- recht zur langen Rippenachse, in der die Richtung des Druckes im Knorpel liegt. Dadurch ist die Anordnung der Balken aber noch nicht ganz erklärt. Die zur langen Achse des Rippenknorpels senkrechte Orientierung könnte auch durch die Anordnung der Balken in der Richtung von der oberen Rippenkante zur unteren, also in der Vertikalebene realisiert werden. Warum ist die Orientierung zwar senkrecht zur langen Rippenachse, dennoch aber in der Horizontalebene? Wenn wir diese Frage bedenken, gelangen wir zur Erkenntnis, dass bei der Balkenanordnung in der Horizontalebene die Festigkeit der Wölbung gegen den äusseren Druck grösser ist, als bei der Anordnung in der Frontalebene (Vertikalebene). Im letzteren Falle wäre die Biegsamkeit des Knorpels grösser, im Gegenteil aber seine Festigkeit gegen die Biegung kleiner und darum seine Wölbung in der Brusthöhle oder nach aussen geringer. Durch seine im Durchschnitt länglich-ovale Gestalt ist der Rippenknorpel gegen die Biegung in der Frontalebene gut aus- gerüstet. Eine Stange oder Platte eines solchen (uerdurchschnittes biegt sich um die obere oder untere „Kante“ schlecht um. Leichter könnte man sie über die vordere oder hintere Fläche, also in der Horizontalebene biegen; das wird aber durch die Orientierung der Grundsubstanzbalken in der Horizontalebene erschwert. So ist also für den Schutz der Brusthöhle jene Orientierung vorteilhafter, die in der Wirklichkeit existiert, d. h. die auf die lange Rippenachse senkrechte, aber in der Horizontal- ebene erfolgte Orientierung. Man muss aber zugeben, dass durch diesen grösseren Vorteil die Horizontalorientierung nicht derartig erklärt ist, wie wir versuchten, die quer über die lange Rippen- 180 O0. V. Srdinko: achse sich hinziehenden Balken durch die äussere Kraft zu er- klären. Es ist unnötig, hinzuzufügen, dass die mit der langen Rippenachse parallele Orientierung noch eine grössere Biegsamkeit des Knorpels gestatten würde, dass aber ausserdem der Druck, welcher sich im Knorpel der langen Achse nach verbreitet, eine solche Orientierung verhindert. Bis jetzt schenkten wir nur der mittleren Schicht des Rippenknorpels unsere Aufmerksamkeit, und erklärten ihre Architektur auf der Grundlage ihrer Funktion. Die zweite Schicht, die die mittlere rings umfasst, hat eine schwammartige Struktur. Da die Balken dieser Zone zum grössten Teil sich untereinander kreuzende Bogen sind, so dass dadurch jene schwammartige Schicht entsteht, halte ich diese Zone für eine elastische Einlage, deren Balken sich wie elastische Federn ver- halten, die plötzliche Wirkung der äusseren Kräfte mässigen und sie auf die mittlere Tragschicht übertragen. Es ist möglich, dass auf die Ausbildung dieser Schicht Kräfte ihren Einfluss ausüben, die sich bemühen den Knorpel um seine lange Achse umzudrehen oder zu torquieren. Die äussere Zone unter dem Perichondrium hat unserem Urteil nach keine funktionelle Struktur, da sie nur zugleich mit dem Perichondrium zur Verbindung des Rippenknorpels mit dem benachbarten Gewebe dient. Es gibt noch einen bemerkenswerten Umstand: Die be- schriebene Architektur befindet sich in ziemlich deutlich flachem Rippenknorpel, je mehr der Rippenknorpel als Platte mit deutlich angedeuteter Vorder- und Hinterfläche mit der oberen und unteren Kante auftritt, desto sicherer finden wir darin die beschriebene Architektur. Je mehr der Querdurchschnitt (Sagittaldurchschnitt) durch den Knorpel dem Kreise sich nähert, desto undeutlicher ist jene Struktur. Ich schenkte bei der oben gegebenen Erklärung keine Auf- merksamkeit jenen Kräften, mit denen die Kontraktion einzelner Muskeln auf den Knorpel wirkt. Meiner Meinung nach erreichen diese Kräfte in den einzelnen Punkten, wo sie durch Zug auf die Oberfläche des Knorpels wirken, nicht eine solche Intensität, dass sie auf die Knorpelarchitektur namentlich in seiner mittleren Zone einen Einfluss ausüben könnten. Diese Kräfte können eine gewisse Struktur nur im Perichondrium und vielleicht auch in Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 181 der oberen Knorpelschicht verursachen. Das Innere des Rippen- knorpels muss als Totalität betrachtet werden, auf deren orientierte Struktur nur eine stets wiederholte Kraft wirkt, und zwar das, Zusammendrücken bei der Respiration und besonders der äussere Druck auf die Brustwölbung. Der beschriebenen Erklärung nach ist der Rippenknorpel am meisten gegen den Druck ausgerüstet, der auf ihn von den Enden seiner langen Achse, welche sich von der Grenze der Rippe zum Brustbein hinzieht, wirkt. Es ist möglich, daraus zu deduzieren. dass sie auf den Zug in der langen Achse schwach eingerichtet ist. Wenn es sicher so ist, muss der Knorpel in der Richtung quer über seine lange Achse bedeutend leichter spalt- bar sein, im Gegenteil aber parallel mit der langen Achse gar nicht oder wenig. Es bietet sich mir Gelegenheit, weiter unten Experimente zu beschreiben, die uns zeigen. wie weit der Rippen- knorpel spaltbar ist, und die unsere theoretische Deduktion völlig in der Praxis beweisen. Wenn ich die Resultate meiner bisherigen Forschungen über die Architektur des Hyalinknorpels in einer Übersicht zusammen- fasse, so kann ich folgende 11 Punkte feststellen: 1. Im typischen Hyalinrippenknorpel beim Menschen finden wir immer eine und dieselbe Anordnung der Grundsubstanz und der Zellen. Diese Anordnung ist in jedem menschlichen Alter gleich und sie erscheint schon in den letzten Monaten des Embrvonal- lebens. 2. Die Anordnung der Grundsubstanz auf Horizontal- und Sagittalschnitten (bei diesen wird weder die obere noch die untere Kante berücksichtigt) ist analog und besteht aus fünf Zonen: aus zwei oberflächlichen, deren Balken mit dem Perichondrium parallel sind, aus zwei folgenden mit schwammartiger Struktur, und einer mittleren, die den grössten Teil der Rippenknorpel- masse einnimmt und deren Hauptbalken senkrecht auf beide Perichondrien orientiert sind. Auf den Frontalschnitten ist es sichtbar, dass jene Balken die Wände der in der dorsoventralen Richtung sich hinziehenden Knorpelhöhlen sind. 3. Die Zellen und Zellengruppen zeigen gleichfalls die Orientierung der Grundsubstanz an, indem sie sich in der ersten und dritten Schicht mit ihren langen Achsen parallel mit den Balken stellen und in der zweiten, schwammartigen Schicht un- 182 0. V. Srdinko: regelmässig angeordnet sind. (Grerade so wie die Zellengruppen verhalten sich auch die Zellenhöhlen. 4. Die Grundsubstanzfibrillen haben in der mittleren Zone dieselbe Richtung wie die Grundsubstanzbalken. Am Sagittal- und Horizontalschnitt treffen wir sie im länglichen Verlaufe, am Frontalschnitt quer als Punkte. 5. Die beschriebene Architektur des menschlichen Rippen- knorpels kann man im Hinblick auf seine Funktion erklären. Die Anordnung der quer über die lange Achse der Rippenwölbung orientierten (Grundsubstanz sowie auch der Zellen in der mittleren Zone kommt teilweise vom äusseren Druck, dem die Brustkorb- wölbung ausgesetzt ist, teilweise vom Zusammendrücken des Rippenknorpels bei den Respirationsbewegungen her. Diese mittlere Zone ist die eigentliche Tragschicht im Rippenknorpel. und ihr Bau ist der Mauergewölbearchitektur analog. Die schwammartige Schicht wirkt beim Übertragen der Kräfte auf die Tragschicht als elastische Einlage und steht möglicherweise in Beziehung zu jenen Kräften, die darauf hinwirken. die Rippe um ihre lange Achse zu drehen. Die äussere Schicht vermittelt die Verbindung mit dem Perichondrium und dem benachbarten Gewebe. 6. Diese typische Architektur ist überall in der Umgebung der in den Knorpel eindringenden Gefässe gestört, sowie auch bis zu einer gewissen Entfernung von der Ossifikationslinie. 7. Beim Ossifikationsprozess zeigt die Grundsubstanz auch eine gewisse Anordnung, die man aber, wenigstens in den ersten Stadien nicht auf der Grundlage der Funktion erklären kann, sondern durch die inneren Kräfte, die durch das Wachstum des Ossifikationszentrums hervorgerufen werden. Diese Architektur kann man nach Schaffer als Wachstumsarchitektur bezeichnen. 8. In den letzten Monaten des Embryonallebens können im Rippenknorpel die funktionelle. sowie auch die Wachstums- architektur nebeneinander existieren. Diese findet man auf der vorderen, schon verknöcherten Rippenpartie, wo sich der Knorpel im Ossifikationsprozess befindet, jene in gewisser Entfernung von der Ossifikationslinie. Ähnliche Verhältnisse finden sich beim kindlichen Knorpel. 9. Es ist nötig, die beschriebene Erklärung von der Archi- tektur des menschlichen Hyalinrippenknorpels durch ein bio- logisches Experiment zu stützen. So lange dies nicht gelingt, Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 183 muss man sich mit einem physikalischen Experiment über die Spaltbarkeit dieses Gewebes begnügen. Diese Experimente, auf die ich später zurückkommen werde, bestätigen die oben ge- gebenen Erklärungen. 10. Es bleibt noch die Frage übrig, ob diese Architektur sich durch Funktion in der ontogenetischen Entwicklung bildet, oder ob manche ihrer Bestandteile während der Phylogenie ent- standen sind und sich nur vererbt haben. 11. Das Konstruktionsprinzip des Rippenknorpels und des Rippenknochens ist in manchem identisch ; im Rippenknorpel finden wir in der mittleren Zone die horizontale Grundsubstanzorien- tierung im Knochen horizontale Platten. II. Die Spaltbarkeit des Hyalinknorpels und ihr Bezug zur funktionellen Struktur. Man kann ziehfähige und drückfähige Gewebe unterscheiden. Zu den ersteren gehört das Muskelgewebe, das kollagene und elastische Bindegewebe, zu den zweiten der Knorpel und die Knochen. Die ziehfähigen Gewebe sind grösstenteils den Wirkungen primären Zuges ausgesetzt, wo wir im Gegenteil das drückfähige (iewebe am meisten auf Stellen finden, wo Widerstand gegen den Druck geleistet werden muss. Dieser angeführte Unterschied ist zwar nicht ausschliesslich gültig, denn es wirkt manchmal auch auf den Knorpel und Knochen ein direkter Zug und es kann vielleicht auch auf die ziehfähigen Gewebe der Druck senkrecht auf ihren länglichen Verlauf wirken. (Triepel.) Der Einfluss des Materials auf die Form, Grösse und Kraft- leistung einer harten Formation ist nach Rauber sehr bedeutend. Dazu ist es möglich, schon vorauszusetzen, dass der Charakter des Materials auch einen grossen Einfluss auf die innere An- ordnung (Struktur, Architektur) der Formationen des Tier- körpers hat. Es ist nötig, bei den tierischen Geweben, namentlich bei den Bindegeweben (Stützgeweben), ihre Festigkeit und Elastizität zu kennen. Diese zwei Eigenschaften wurden auch in Hinsicht auf verschiedene Kräfte, die auf das Stützgewebe wirken, ge- prüft. Letztere sind: der Zug, Druck, Biegung, Knickung, die Torsion u. a. Es wurde dabei festgestellt, dass die Verhältnisse Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 13 184 0. V. Srdinko: der Elastizität und Festigkeit beim Knorpel anders als beim Knochen sind. Der Hyalinknorpel wird im lebenden Körper verschieden- artig gebraucht: gegen den Zug in allen Gelenken, wenn sich die Knorpel aneinander reiben: der Zug entsteht in den ober- tlächlichen Schichten des Knorpels und ist mit der Oberfläche parallel. Die Spannung des Zuges ist nicht bedeutend: der Zug kann zwar seinen Einfluss auf die Ausbildung feinerer Strukturen ausüben, dennoch kann er eine bedeutende Änderung der Form nicht hervorrufen. Weiter wird der Zug angeführt, welcher durch die Muskeln auf den Insertionsstellen auf den einzelnen Larynx- knorpeln verursacht wird. Öfter wird der Knorpel gegen den Zug gebraucht. Dem sind alle Gelenkknorpel ausgesetzt. Der Druck entsteht einer- seits durch die Muskelspannung, die über die Gelenke hinziehen und darauf drücken, anderseits durch den Muskelzug, dessen eine Komponente sich regelmässig als Druck im Gelenk verwirk- licht. In den Gelenken der unteren Extremitäten ist der Druck recht gross, da er durch das Gewicht höher gelegener Körper- teile entsteht. Der Druck und Zug sind beim Gebrauche des Knorpels gegen den Bruch vertreten, was wir bei den Rippen-, Tracheal- und Larynxknorpeln finden. Was die Elastizität gegen den Zug anbelangt, steht der Knorpel in der Mitte zwischen dem weniger elastischen Bindegewebe und dem vielfach elastischeren Sehnen- gewebe. Die Festigkeit gegen den Druck ist so gross, dass sie im lebenden Körper zehnfach gegen die Zerquetschung des Knorpels garantiert. Ich will jetzt die Resultate mitteilen, zu welchen ich beim Untersuchen der Spaltbarkeit des Hyalinknorpels gelangte. Die Spaltbarkeit untersuchte ich bei Rippen-, Tracheal- und Larynx- knorpeln, sowie auch bei denjenigen des Processus xyphoideus; alle Knorpel kamen von Menschen verschiedenen Alters her. Bei meinen Forschungen gebrauchte ich dieselbe Methode wie Hultkrantz, der dadurch die Richtung der Anordnungen der oberflächlichen Schichten des Kniegelenkknorpels erforschen wollte. Hultkranz machte zuerst in den Knorpel (der Patella, des unteren Femur- und oberen Tibiaendes) zahlreiche Stiche mit einer runden Ahle und rieb dann in die Knorpelfläche eine Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 185 schwarze Ölfarbe ein. Obwohl die Stiche mit einer kegelartigen Spitze geführt wurden, entstanden auf der Knorpeloberfläche keine Punkte, sondern Linien oder kleine Risse, die die Stelle grösserer Festigkeit gegen den Zug angeben. Aus seinen Ex- perimenten erfuhr Hultkrantz, dass die oberen Schichten der Grundsubstanz des (elenkknorpels mit der Oberfläche parallel sind, und zwar in einer Hauptrichtung, oder dass sich die Bündel kreuzen. Ich war der Ansicht, dass man beim Studium der Knorpel die Aufmerksamkeit nicht auf die Oberfläche, sondern auf das Innere des Knorpels richten muss, und dass es nötig ist, die Spaltbarkeit des Rippenknorpels und auch der anderen Knorpel auf Schnitten zu studieren, wie auch schon früher angeführt wurde. Die Schnitte führte ich immer in einigen untereinander parallelen Horizontalebenen, in einigen Sagittalebenen und in der Frontalebene. Die geschnittenen Knorpel wurden entweder frisch aus der Leiche genommen, oder einige Zeit (1—4 Wochen) in 10 proz. Formalin gelegt, oder nach der Formolfixation in Alkohol gehärtet. Die Resultate sind identisch. Ich machte bei den Horizontalschnitten mit einer stärkeren Nadel zahlreiche Stiche, wie in der Nähe des vorderen und des hinteren Perichondriums, so auch in die mittleren Partien der Schnittfläche, die z. B. in der Horizontalebene mitten zwischen dem oberen und unteren Rande (Kante) einer Rippenknorpelpartie (in der Entfernung 1—2 cm von der Grenze mit der knöchernen Rippe) geführt wurde. Dann rieb ich mit einer Schaufel oder einem Messer schwarze Ölfarbe in die Schnittfläche ein, und als sie genügend eingerieben war, wusch ich die überflüssige Farbe mit Alkohol ab, so dass eine weisse Schnittfläche mit schwarzen Punkten und Linien entstand, die ich gleich näher beschreiben will. Die Abb. 12a, Taf. XIV stellt die Photographie eines acht- mal vergrösserten Horizontalschnittes durch den Rippenknorpel eines drei Tage alten Kindes dar. Die durch die schwarze Fär- bung hervortretenden Risse ziehen vom vorderen Perichondrium quer zur langen Rippenachse zum hinteren Perichondrium. Anders angeordnete Spalten sind hier nicht zu sehen. Am Sagittalschnitt Abb. 12b desselben Objektes sehen wir aufs Grobe die Anordnung der Spalten von der vorderen Fläche zur hinteren. 13* 156 0.V. Srdinko: Am Frontalabschnitt desselben Objektes (Abb. 12c) sehen wir keine angedeuteten Linien, sondern eher grobe Punkte. Abb. 13a stellt den Horizontalschnitt durch den Rippen- knorpel eines 6Y/a Jahre alten Kindes vor. Ausser den in der mittleren Zone der Schnittfläche quer zur langen Achse des Rippenknorpels gelegenen Spalten sehen wir unter dem Perichon- drium mit der Oberfläche parallele Linien, und darunter eine Zone von Punkten, was namentlich auf dem rechten Rande der Abbildung deutlich dargestellt ist. Abb. 13b ist ein Sagittalschnitt, der nicht nur durch die ober- tlächlichen, mit der Oberfläche parallelen Linien charakteristisch ist, sondern auch durch diejenigen, die sich vom vorderen zum hinteren Perichondrium hinziehen. Zwischen beiden Zonen dieser Linien finden sich am linken Rande einige Punkte. Abb. 13c zeigt einen Frontalschnitt und unterscheidet sich völlig vom Horizontal- und Sagittalschnitt. Namentlich auf der linken Seite der Abbildung fehlen auf diesem Schnitte die Linien, und es befinden sich dort feine und auch gröbere Punkte. Abb. 14a ist eine vergrösserte Photographie zweier Horizontal- schnitte durch den Rippenknorpel eines 11'/s Jahre alten Kindes. Unter dem Perichondrium sehen wir eine schmale Zone mit der Oberfläche paralleler Linien, dann folgt eine ebenfalls schmale, aus Punkten bestehende Zone, und dann eine breite mittlere Zone länglicher Spalten, die sich quer über die lange Rippen- achse hinzieht. Abb. 14b auf Taf. XIV stellt zwei Sagittalschnitte gleichen Alters wie Abb. 14a dar und sie entsprechen in der Linienanord- nung der Abb. 13b. Abb. 14c ist ein Frontalschnitt durch den Rippenknorpel desselben Kindes wie auf Abb. 14a und er unterscheidet sich vom Horizontal- und Sagittalschnitt so auffallend, dass es über- flüssig wäre, es zu beschreiben. Ich werde gleich noch die weiteren Abbildungen auf Taf. XIV beschreiben, die von anderen Knorpeln herstammen. Abb. 15a, Taf. XIV ist eine vergrösserte Photographie des Horizontalschnittes durch den Trachealknorpel eines 20 jährigen Menschen. ‚Jede schwarze und senkrecht am äusseren und auch am inneren Perichondrium stehende Linie ist durch einen Stich entstanden, der mitten in der Breite der Schnittfläche gemacht Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 187 wurde. Die Stiche wurden absichtlich weit genug voneinander entfernt gemacht, damit eine gewisse Übersicht über die ent- standenen, mit Schwarz ausgefüllten Spalten möglich wäre. Beim Knorpelrand in der Nähe des Perichondriums wurden keine Stiche gemacht. Ich mache schon jetzt die Bemerkung, dass sich uns der Trachealknorpel als eine bogenartige Wölbung zeigt, deren Prinzip mit demjenigen der Mauerwerkwölbung identisch ist. Abb. 15b sind zwei Sagittalschnitte durch den Tracheal- knorpel eines 20jährigen Menschen, und wir sehen hier geradeso orientierte Spalten wie beim Rippenknorpel. Abb. 15c stellt uns den vorigen Knorpel im Frontalschnitt dar, und wir sehen die Stiche auf den ersten Blick nicht als Linien. sondern als wirkliche Punkte. Es unterscheidet sich also der Frontalschnitt vom Horizontal- und Sagittalschnitt geradeso, wie wir es beim Rippenknorpel wahrnahmen. Abb. 16a ist ein Horizontal- und Abb. 16b ein Sagittal- oder Vertikalschnitt durch den Schildknorpel eines 5jährigen Kindes. Die Orientierung der Spalten ist mit den angehenden Schnitten der früher angeführten Knorpel identisch. Abb. 16c ist ein Frontalschnitt durch den Schildknorpel eines 5jährigen Kindes, und die Stiche sind wieder nur als Punkte sichtbar. Abb. 17, Taf. XV ist endlich der Sagittalschnitt durch den Knorpel und teilweise auch durch den Knochen des Processus xvphoil- deus eines 20jährigen Menschen. Auch hier sehen wir die Orientierung der Sprünge im Knorpel vom vorderen Perichondrium zum hinteren. Es ist auch bemerkenswert, dass auch im Knochen auf der rechten Seite der Abbildung eine bestimmte Orientierung der durch- schnittenen Knochenplatten von vorn nach hinten sichtbar ist. So lernten wir die Spaltbarkeit des Hyalinknorpels in ver- schiedenen Richtungen auf durch verschiedene kindliche und erwachsene Knorpel geführten Schnitten kennen, und können uns daher über sie folgendermaßen äussern. Der Rippen-, Tracheal-, Schildknorpel und derjenige des Processus xyphoideus sind auf Horizontal- und Sagittalschnitten spaltbar, keineswegs aber auf Frontalschnitten. Die Spaltbarkeit hat auf Horizontal- und Sagittalschnitten die Richtung von einem Perichondrium zum anderen und zwar in der Horizontalebene, und sie nimmt beinahe die ganze Schnittfläche ein; nur unter 188 0.V. Srdinko: dem Perichondrium, was man namentlich beim Rippenknorpel wahrnehmen kann, da seine Dimensionen grösser sind, liegen zwei sehr schmale Zonen, und zwar die erste äussere, die sich parallel mit der Oberfläche spalten lässt, und die zweite, die sehr wenig oder gar nicht spaltbar ist. Es fragt sich jetzt, was die Sprünge und Spalten, die durch Nadelstiche entstanden sind, bedeuten. Die in der Umgebung der eingestochenen Nadel entstandene Spannung wirkt als Zug und verursacht die Störung des Zusammenhanges der Knorpelmasse in jenen Stellen, wo. seine Kohäsion kleiner als jene Spannung ist; die Störung entsteht in Form eines Risses. Die Orientierung jener Risse, die die Richtung der Spaltbarkeit des Knorpels an- gibt, zeigt uns ebenfalls, in welcher Richtung die Festigkeit des Knorpels gegen den Zug kleiner ist, und in welcher Richtung grösser. Bei allen hier beschriebenen Knorpeln ist also die Kohäsion in den Horizontalebenen in der langen Rippenachse kleiner als in der Dorsoventralachse, in den Sagittalebenen in der Vertikalachse kleiner als in der Dorsoventralachse. Daraus kann logisch geschlossen werden, dass die Festigkeit gegen den Druck, der sich sekundär als um 90° umgedrehter Zug äussert. in den Horizontalebenen in der von vorn nach hinten laufenden Achse grösser ist, in den Sagittalebenen ebenfalls in dieser Dorso- ventralachse. Mit anderen Worten, die dem Studium unterworfenen Hyalinknorpel, als druckfähige Gewebe betrachtet, sind gegen jenen Druck eingerichtet, der von den beiden Enden des Knorpels zu seinen mittleren Partien wirkt. Dieser Druck wirkt bei den in Hinsicht zur Länge bedeutend breiten und hohen Rippen- knorpeln namentlich durch die Kompression ihrer Bestandteile, bei den relativ längeren Tracheal- und Laryngealknorpeln tritt zur Kompression auch noch die Biegung hinzu. Derartig wirkendem Druck gleicht durch seine Resultate auch jener Druck, der auf einen beliebigen Punkt des Rippenknochen- und Rippenknorpel- bogens bei gleichzeitiger Befestigung der Wölbungsränder wirkt. Das Konstruktionsprinzip der beschriebenen Knorpel gleicht also demjenigen der Mauerwerkwölbung, wo die Festigkeit gegen den auf den Wölbungsbogen wirkenden Druck am wichtigsten ist. Dies ist an Horizontalschnitten durch die Tracheal- und Laryngeal- knorpel am deutlichsten sichtbar. Daneben existiert auch bei den Knorpelwölbungen eine gewisse Festigkeit gegen Biegung, welcher Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 189 die Trachealknorpel z. B. bei der Kontraktion der zwischen den Fnden der Knorpelringe gespannten Muskeln und der Schild- knorpel bei der Kontraktion des Musculus thyreopharyngeus aus- gesetzt sind. Die auf Frontalschnitten sichtbaren Punkte beweisen, dass die Kohäsion in den Frontalebenen in allen Richtungen gleich ist, dass der Knorpel also auf diesen Schnitten weder in der Vertikalrichtung, noch in der Horizontalrichtung spaltbar ist. Dasselbe sehen wir auf der schmalen Zone jenes Knorpels, der sich auf Horizontal- und Sagittalschnitten zwischen der schmalen, zur Oberfläche parallel spaltbaren Zone und zwischen der breiten, auf der Oberfläche senkrecht spaltbaren Zone befindet. Jetzt wollen wir prüfen, was für eine Beziehung die Spalt- barkeit, die wir feststellten, zu der histologischen Knorpelstruktur hat. In dem ersten Teil dieser Arbeit habe ich festgestellt, dass der Hyalinknorpel bei dem Kinde und auch bei Erwachsenen eine gewisse Anordnung der Balken und Platten der Grund- substanz wie auch der Zellen zeigt. Die Orientierung der langen Zellenachsen und deren Höhlen wie auch der Streifen der Grund- substanz ist auf den Horizontal- und Sagittalschnitten (bei diesen ohne Rücksicht auf die obere oder untere Rippenkante) in Zonen durchgeführt: und zwar in zwei oberflächliche mit einer mit dem vorderen und hinteren Perichondrium parallelen Orientierung, worauf zwei andere Zonen schwammartiger Struktur folgen, und schliesslich eine mittlere Zone, die den grössten Teil der Rippen- knorpelmasse einnimmt und deren Hauptbalken senkrecht auf das vordere und hintere Perichondrium orientiert sind. Diese Hauptbalken der mittleren Zone sind untereinander durch dünne, schiefe Nebenbindungen verbunden. Wenn wir jetzt das Bild der histologischen Struktur mit demjenigen der Spaltbarkeit vergleichen, überzeugen wir uns, dass sie ganz miteinander korrespondieren. Das ist am besten aus der Vergleichung der Abb. 4, 5 und auch der anderen auf Taf. XIII mit der Abb. 14a (Taf. XIV) und 14b (Taf. XIV), und weiter der Abb. 7 (Taf. XI) mit Abb. 14c (Taf. VIV) sichtbar. Die Spaltbarkeit des Hyalinknorpels ist durch seine histolo- gische Struktur bedingt; da sie uns angibt, in welchen Richtungen und Ebenen die Knorpelsubstanz gegen den Druck, eventuell gegen den Zug fester ist, ist es nicht möglich, daran zu zweifeln, 190 0. V. Srdinko: dass die Funktion des Knorpels in einer gewissen Beziehung zu seiner Struktur steht. Ich führte im ersten Teile dieser Ab- handlung Gründe an, die für die Ansicht sprechen, dass die im Hyalinknorpel beschriebene Struktur funktionell ist. Die Experimente über die Spaltbarkeit des Knorpels haben meine Anschauungen bestätigt. Mit der Architektur des Tracheal- und Laryngealknorpels habe ich mich oben nicht befasst. Die Experimente über die Spaltbarkeit jener Knorpel deuten aber schon im Voraus an, dass auch die histologische Struktur dieser Knorpel sich von derjenigen des Rippenknorpels nicht unterscheidet. Die Spaltbarkeit des Knorpels des Processus xyphoideus gleicht im Prinzip den anderen Knorpeln, woraus man urteilen kann, dass auch seine Struktur identisch ist. Ausserdem ist aber aus Abb. 17 (Taf. \V) zu erkennen, dass die Orientierung im Knorpel und im benachbarten Knochen gleich ist, dass also das Konstruktionsprinzip im Knorpel und im Knochen eine gewisse Übereinstimmung zeigt, obwohl es sich um verschiedenes Gewebs- material handelt. Beim Knorpel, der in geringerem Grade als der Knochen fest ist, ist natürlich quantitativ mehr Material angehäuft als beim Knochen. Ich führe diese Umstände hier nur kurz an: denn ich werde mich erst weiter unten mit der Frage befassen, was für Beziehungen in dem Konstruktionsprinzip der Skeletteile existieren, die aus Knorpel und Knochen bestehen. Aus allen Tatsachen, die durch verschiedene Forscher fest- gestellt wurden, kann man schliessen, dass die Entwicklung eines Gewebes in kausaler Beziehung zu seiner Funktion steht. Die ziehfähigen Gewebe werden in erster Reihe durch Zug ausgebildet, die druckfähigen durch Druck; man kann aber nicht daran zweifeln, wie auch Triepel gleich dazu bemerkt, dass zu diesem gewebsbildenden Moment noch andere hinzutreten. Wenn wir die Möglichkeit annehmen, dass manche Eigen- schaften der Gewebe durch die Art und Grösse der Spannung gebildet werden, dürfen wir nicht dabei vergessen, dass diese Spannungen beim Erwachsenen und beim Kinde ganz andere sind, als in der Embryonalperiode. Wenn wir also sehen, dass gewisse Strukturen, die wir im reifen Alter als funktionelle erklären, schon in der Embryonalperiode auftreten, wo man von einer Funktion in grösserem Maßstab noch nicht sprechen kann, Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknoıpels. 191 ist es anders nicht möglich, als sich in zahlreichen Fällen der Hypothese zu bedienen, dass jene Strukturen bei ontogenetischer Entwicklung nicht wieder von neuem entstehen, sondern dass sie sich im Laufe der Phylogenie entwickelten und durch Erblichkeit auf ein neues Individuum übertragen wurden. Bei der Entwick- lung der Rippenknorpelstruktur wäre es nicht nötig. wie auch aus meiner Publikation hervorgeht, sich mit dieser Hypothese zu behelfen, sondern es würde die Erklärung jener Struktur durch die Funktion bei der individuellen Entwicklung genügen. Wie soll man sich die direkte Wirkung der Funktion (der Spannung) auf die Entwicklung der Gewebestruktur vorstellen ? Man kann nicht daran zweifeln, dass die Spannung nicht nur auf die Zellen, sondern auch auf die Grundsubstanz der Binde- gewebe wirkt. Da sie aber in Hinsicht auf die Zeit ein sekundärer Bestandteil des Gewebes ist, wirkt die Spannung zuerst auf die Zellen und erst später auch auf die interzelluläre Substanz. Von der Art, wie einzelne durch mechanischen Einfluss in der Zelle entstandene Prozesse verlaufen, sprechen manche Forscher die Hypothese aus, dass in einer lebenden Zelle die Bewegungen der Moleküle oder der Molekülkomplexe entstehen, und dass man jene Bewegungen durch einen äusseren Mechanismus ändern kann. Wird durch jene Änderung der Bewegung ein Impuls zur Gewebebildung gegeben. so kann man erwarten, dass die grösste Dimension der ausgebildeten (Gewebselemente mit der Richtung der Spannung übereinstimmen wird, womit ein Grund für eine gewisse Orientierung gelegt wird, die im Hyalinknorpel wie an den Zellen, so auch an der interzellulären Substanz sichtbar ist. III. Übereinstimmung des Konstruktionsprinzips im Knorpel und Knochen der menschlichen Rippen. beim Studium der Architektur des Hyalinknorpels schenkte ich der angeführten Frage meine Aufmerksamkeit und habe dar- nach: geforscht, ob es nicht möglich wäre, ein Beispiel der Über- einstimmung des Konstruktionsprinzips bei einem Skeletteile zu finden, wenn dieser durch Knorpel vertreten oder gebildet ist, und weiter, wenn ihn der Knochen bildet. Aus den verschiedensten Fällen, die wir im menschlichen Körper finden, ist der Rippen- bogen der verlockendste, da er auch beim Erwachsenen teilweise 192 GEW erdinko; aus Knorpel, teilweise aus Knochen besteht. Dieser Fall ist namentlich für das Studium vorteilhaft, und zwar weil der Knorpel nicht nur dem Knochen folgt, sondern auch gleichzeitig neben ihm auftritt. Die Rippe ist beim Embryo am Anfang ganz knorpelig, und differenziert sich später in eine knöcherne Partie und in den definitiven Rippenknorpel. Ein anderes passendes Beispiel ist der Processus xyphoideus, der noch im Alter von 20 Jahren teilweise vom Knochen, teilweise vom Knorpel ge- bildet wird. Damit es möglich ist, von der Übereinstimmung des Konstruktionsprinzips der knorpeligen und knöchernen Rippen- partie zu sprechen, ist es in erster Reihe nötig, zu erfahren, ob überhaupt ein solches Prinzip in der Anordnung des Knorpels existiert; vom Knochen war dies schon bekannt. Zu diesem Zwecke untersuchte ich menschliche embryonale sowie auch er- wachsene Knorpel und habe bereits meine Resultate mitgeteilt. Nun werde ich einige Präparate zur Demonstration des Konstruktionsprinzips in der knöchernen Rippe beschreiben. Das jüngste Präparat ist auf Abb. 18, Taf. XV abgebildet. Es ist ein Querschnitt durch die zehufe linke Rippe eines 3 Tage alten Kindes. Die ganze Rippe war 8 cm lang, der Schnitt ist in der Entfernung von beiläufig 2 cm vom hinteren Rippenende geführt. Die Rippe eines neugeborenen Kindes wird in der Um- gebung des Angulus costae nur durch den perichondralen Knochen gebildet, denn der enchondrale Knochen wurde schon ganz eliminiert, wie ich in der vorläufigen Abhandlung von der Ossi- fikation der menschlichen Rippen mitgeteilt habe.') Der peri- chondrale Knochen bildet um die ganze Peripherie des Rippen- querschnittes eine starke, kompakte Schicht. Und da sich der Umriss des Schnittes in der Vertikalachse bedeutend in die Länge zieht, befinden sich hier eigentlich zwei Platten: eine auf der pleuralen Rippenseite, und die zweite auf der lateralen. Diese vertikalen, gegen die Brusthöhle mässig konkaven Platten sind durch knöcherne, in Horizontalebenen gelegene Platten verbunden. Durch diese Platten ist die Markhöhle in der knöchernen Rippe in eine Reihe kleinerer Höhlen eingeteilt. Abb. 19 auf Taf. XV ist der Querschnitt durch die linke Rippe eines 12jährigen Kindes. Die ganze Rippe war beiläufig a o. Sr dinko: Der Ossifikationsverlauf in den Rippen des mensch- lichen Fötus. Biologick6 listy, 1914, 1. Heft. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels. 193 26 cm lang, der photographierte Schnitt wurde gerade durch die Mitte hindurch geführt (d.h. 13 cm von den Enden). Der Umriss der Rippe ist beiläufig viereckig und die horizontalen Scheide- wände der Markhöhle sind augenscheinlich wahrnehmbar. Abb. 20, Taf. XV ist eine vergrösserte Photographie des (uerschnittes durch die sechste Rippe eines 11jährigen Kindes. Die ganze Rippe war 26,5 em lang, der Schnitt wurde in der Entfernung von 3,5 cm vom Vertebralende geführt, stammt also aus der Umgebung des Angulus costae. Ohne den Umriss des Schnittes zu betrachten, sind auch hier horizontale Platten sicht- bar, die zwischen der lateralen und pleuralen Rippenfläche ge- spannt sind. Endlich Abb. 21, Taf. XV ist eine vergrösserte Photographie des (uerschnittes der rechten Rippe eines 35jährigen Menschen. Der Schnitt wurde in der Entfernung von beiläufig S cm vom hinteren Rippenende geführt. Auf diesem Präparat ist die Ver- bindung der beiläufig vertikalen Seitenplatten mit der Horizontal- platte namentlich deutlich sichtbar. Nun vergleichen wir die Schnitte durch die knöcherne Rippe (Taf. XV, Abb. 18— 21), mit den Schnitten durch den Rippenknorpel (Taf. XIII, Abb. 4 und 5 und Abb. 14b, Taf. XIV). Ich glaube, die Konstruktionen stimmen augenscheinlich überein. Die 1. und 2, Zone beim Knorpel entspricht der kompakten peripheren Schicht beim Knochen, und die 3. Zone im Knorpel entspricht den Horizontalplatten im Knochen. In der 3. Zone liegt der Unter- schied nur in der Dichtheit oder dem Quantum des (sewebes, und er wird durch die Qualität des gebrauchten Materials be- dingt. Die 3. Zone ist im Knorpel dicht, es befinden sich dort viele Balken, resp. Horizontalplatten, wie es auf Abb. 6 und 9, Taf. XIII sichtbar ist. Wenn das weichere und weniger feste Knorpelmaterial durch das härtere und festere Knochenmaterial ersetzt wird, entsteht zwar eine Reduktion des Quantums der Masse, dennoch bleibt das Konstruktionsprinzip — das heisst die Stütze der lateralen Rippenwände durch Horizontalplatten— erhalten. Bei der Erklärung des festgestellten Konstruktionsprinzips im Rippenknorpel gelangte ich zur Ansicht, dass es sich um eine funktionelle Architektur handelt. Da ich die Erklärung und die Gründe jener Ansicht nicht wiederholen will, erlaube ich mir auf die beiden ersten Teile dieser Abhandlung hinzuweisen. 194 0.V. Srdinko: Meine Ansicht wurde durch eben beschriebene Überein- stimmung der Architektur, die ich im Knorpel und im Rippen- knochen feststellte, gestützt. Denn es ist schwer an etwas anderes als an die Funktion als Entwicklungsursache der identischen Struktur in einem Organ, das teilweise aus Knorpelgewebe, teil- weise aus Knochengewebe besteht, zu denken. Die Funktion ist in beiden Fällen dieselbe und konstante, wenn sich auch das Material eventuell die (sestalt des Skeletteiles änderte. Ein anderes Beispiel von der Übereinstimmung des Kon- struktionsprinzips im Knochen und Knorpel ist der Processus xyphoideus, dessen Basis im Alter von 20 Jahren knöchern ist, die spitzige, hervorragende Partie noch knorpelig. Wenn man die Richtung der Grundsubstanzbalken des Knorpels am Sagittal- sehnitt durch die beschriebene Methode sichtbar macht (durch Stiche und Einreihung schwarzer Farbe) und wenn man durch den Schnitt auch die knöcherne Partie trifft, ist es möglich, eine übereinstimmende Orientierung der Grundsubstanz im Knorpel sowie der Platten im Knochen festzustellen, wie es auf Abb. 17, Taf. XV zu sehen ist. Die beiden angeführten Fälle, einerseits die Rippen, ander- seits der Processus xyphoideus, scheinen ‚mir geeignet. um an ihnen zu beweisen, dass eine und dieselbe Funktion aus ver- schiedenem Material eine technische Architektur hervorruft, in der man leicht ein identisches Konstruktionsprinzip feststellen kahfın. Jene Struktur kann man dann mit Recht als eine funktionelle bezeichnen. Literaturverzeichnis. Albert, E.: Einführung in das Studium der Architektur der Röhrenknochen. Wien 1900. Derselbe: Architektura kosti stehenni u @lovöka. (es. akademie. 1900. Derselbe: Die Architektur der Tibia. Wiener mediz. Wochenschr. 1900. Derselbe: Die Architektur des menschlichen Talus. Wiener klin. Rundschau 1900. Derselbe: Die Architektur des menschlichen Fersenbeines. Wiener medizin. Presse, 1900. Derselbe: Architektura kosti ramenni u @loveka. (as. ces. l&k. 1900. Derselbe: Die Architektur der menschlichen Ulna. Wiener klin. Rundschau, 1900. 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Teil eines Horizontalschnittes durch den Rippenknorpel eines zwei Jahre alten Kindes. Reichert Ok. 4, Obj. 8a. Teil der mittleren Zone eines Horizontalschnittes durch den Rippen- knorpel eines 5 Jahre alten Kindes Reichert Ok. 3, Obj. 8a. Teil der mittleren Zone eines Frontalschnittes durch den Rippen- knorpel eines 2 Jahre alten Kindes. Reichert Ok. 3, Obj. 8a. Sagittaler Schnitt durch die obere Kante des Rippenknorpels eines 10 Jahre alten Kindes. Reichert Ok.3, Obj. 4. Teil der mittleren Zone eines Horizontalschnittes durch den Rippen- knorpel eines 79 Jahre alten Menschen. Reichert Ok. 3, Obj. Sa, Fibrillen in der mittleren Zone eines Horizontalschnittes durch den Rippenknorpel eines 26 Jahre alten Menschen. Zeiss Komp.- Ok. 6, Obj. 2 mm. Fibrillen in der mittleren Zone eines Frontalschnittes durch den Rippenknorpel eines 26 Jahre alten Menschen. Zeiss Komp.-Ok. 6, Obj. 2 mm. Tafel XIV. Rippenknorpel eines 3 Tage alten Kindes: a) Horizontalschnitt; b). Sagittalschnitt: c) Frontalschnitt. Rippenknorpel eines 6'/» Jahre alten Kindes: a) Horizontalschnitt ; b) Sagittalschnitt; c) Frontalschnitt. Rippenknorpel eines 11!/» Jahre alten Kindes: a) Horizontalschnitt. b) Sagittalschnitt, ce) Frontalschnitt. Trachealknorpel eines 20 Jahre alten Menschen: a) Horizontal- schnitt; b) zwei Sagittalschnitte; c) Frontalschnitt. Schildknorpel eines 5 Jahre alten Kindes: a) Horizontalschnitt; b) Sagittalschnitt; c) Frontalschnitt. Alle photographischen Figuren auf Tafel XIV sind etwa Smal vergrössert. Studien über die funktionelle Architektur des Hyalinknorpels.. 199 Tafel XV. Fig. 17. Processus xyphoideus eines 20 Jahre alten Menschen am Sagittal- schnitt. Fig. 18. Photographie eines Querschnittes durch den 5. linken Rippenknochen eines 12 Jahre alten Kindes. 8mal vergrössert. Fig. 19. Photographie eines Querschnittes durch den 6. linken Rippenknochen eines 12 Jahre alten Kindes. Smal vergrössert. Fig. 20. Mikrophotographie eines Querschnittes durch den 10. linken Rippen- knochen eines 3 Tage alten Kindes. Reichert Ok. 3, Obj. 2. Fig. 21. Photographie eines Querschnittes’ durch den 7. rechten Rippen- knochen eines 35 Jahre alten Menschen. 8mal vergrössert. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt.I. 14 200 Aus dem Anat.-Biol. Institut der Universität Berlin (Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. OÖ. Hertwig). Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. Histologische Veränderungen des Integuments und der Mund- - schleimhaut beim Stint (Osmerus eperlanus L.). Von Theodor Breslauer. Hierzu Tafel XVI—XVIII und 6 Textfiguren. Inhalt: Seite 1. Einleitung .. . x re | 2. Bisherige Versfertiehungen er ne chwile a ee Be RZ "Allgemeines. Sa Materialen: 208 4. Der Sitz der Sramenhildfnsen une Ihte V line aın Rischkörper 209 5..Die "Häufiekeit'der Stintneubildungen‘. N m.=rr ERIK el 6. Die äussere Form der Stintneubildungen . . . . AR 7. Das Verhältnis der einzelnen Neubildungsformen aäinänder A Spezieller Teil. 8. Die flossenständigen Neubildungen . Zusammenfassung 9. Die kopfständigen Neubildunßen A. Organoide Formen . DH m mW SDBDDHr [1 B. Primitive Formen 46 Zusammenfassung 252 10. Schluss 255 Anhang. Literatur . . . ee Erklärung der he 131 an Tat. xV I xV ih RES IR 5 | Erklärung der Abkürzungen im Text und auf den Tafeln . 263 Tabelle über die Verteilung der Neubildungen auf der Körperober- fläche der Stinte Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 201 1. Einleitung. Bei seinen Untersuchungen über die Mikrosporidie Glugea hertwigii an Stinten aus Rügen fiel Herrn Privatdozenten Dr.Weissenberg, Assistentam hiesigen Anatomisch-Biologischen Institut, iin Sommer 1913 am Kopf eines konservierten Stintes ein Tumor auf, welcher sich durch seine dunklere Färbung und bedeutendere Grösse von den schneeweissen Mikrosporidiencysten unterschied. Probeschnitte ergaben, dass es sich um eine Epithel- geschwulst handele. Als sich daraufhin im Herbst noch einige weitere Stinte mit solchen Kopfgeschwülsten aus Rügen beschaften liessen und es sich herausstellte, dass diese dort während des Winters in geradezu endemischer Weise aufzutreten pflegen, über- gab mir Herr Geheimrat Hertwig das Material zur genaueren Untersuchung. Gleich an dieser Stelle gestatte ich mir, meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Hertwig, meinen Dank aus- zusprechen für die Wahl dieses Themas, sowie für seine vielfachen Anregungen im Laufe der Untersuchung. Ganz besonders fühle ich mich auch Herrn Privatdozenten Dr. Weissenberg zum Dank verpflichtet für seine rege Anteilnahme am Fortschreiten dieser Arbeit. Da über die histologischen Veränderungen des Integuments und der Mundschleimhaut der Stinte, soweit ich mich aus der mir zugänglichen Literatur überzeugen konnte, noch keine Mit- teilungen vorliegen, so möchte ich die Arbeit mit einer kurzen orientierenden Zusammenfassung einleiten, die uns einen Begriff von den histologischen Veränderungen gibt und davon, was ins- besondere an ihnen interessiert. Es stellen die Veränderungen — äusserlich betrachtet — bald mehr oder minder höckerige Gebilde von unregelmässiger Gestalt vor, die häufig in Form von selbständig wachsenden Körperanhängen auf dem Integument und der Mundschleimhaut der Stinte multipel aufzutreten pflegen. Es handelt sich hierbei nicht um Einzelfälle unter den Stinten, die hier und da einmal beobachtet werden. Im Gegenteil, die Zahl der so betroffenen Fische ist eine auffällig hohe, denn sie beträgt bis zu 20% eines Fanges. Die Art des Auftretens selbst gewinnt an Bedeu- tung einmal dadurch, dass sie eine endemische zu sein scheint, dann aber auch deshalb, weil sie zu gewissen Fragen -Veran- 14* 202 Theodor Breslauer: lassung gibt, die bisher noch wenig wissenschaftliche Bearbeitung gefunden haben. Es weisen nämlich die fraglichen Integument- und Mundschleimhautgebilde nicht jenen histologischen Bau auf, der für durch parasitäre Infektion verursachte Erkrankungen — Granulome — typisch ist. An diese sollte man entsprechend der endemischen Verbreitungsart der histologischen Veränderungen zunächst denken. Ihre mikroskopische Untersuchung zeigt viel- mehr, dass sie — wie bereits eingangs erwähnt — im wesentlichen Neubildungen des Epithels, Epitheliome, darstellen. Bemerkens- wert ist dabei, dass sich auch das Bindegewebe des Coriums in den meisten Fällen so stark am Aufbau der Neubildungen beteiligt, dass diese einen fibroepithelialen Charakter annehmen. Schliesslich soll noch hervorgehoben werden, dass die Ver- breitung der histologischen Veränderungen auf das Integument und die Mundschleimhaut beschränkt bleibt. Ihre Verteilung auf diese Körperbezirke ist aber keine ungesetzmässige, sondern gewisse Gegenden werden vorzugsweise befallen. Hierzu gehören in erster Linie die freien Mundränder und die Flossen, ferner die Kanäle der Seitenlinien und die Nasengruben, gelegentlich einmal auch die Kiemen. 2. Bisherige Veröffentlichungen über Fisch- geschwülste. Neben einer Reihe von Eigentümlichkeiten, die ich in der Literatur noch nicht veröffentlicht fand, wurden im Laufe der Untersuchung der Stintneubildungen auch eine Anzahl Er- scheinungen festgestellt, wie sie in mehr oder minder ähnlicher Weise auch bei gewissen bereits bekannten Neubildungsformen anderer Fischarten vorkommen. Ehe ich daher auf die oben genannten Befunde ausführlicher eingehe und sie begründe, möchte ich zunächst über frühere Veröftentlichungen von Fisch- geschwülsten berichten, soweit sie zu den bei den Stinten ge- fundenen histologischen Veränderungen Beziehungen aufweisen. Es existieren bereits eine ganze Anzahl von Publikationen über Fischgeschwülste und zusammenfassende Übersichten. Solche. wie sie z. B. von Margarete Plehn 1910 gegeben worden sind, lehren, dass Fischneubildungen von fast allen Gewebsarten ihren Ausgang nehmen können. Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 203 Besonders zahlreich sind die Berichte über Fischgeschwülste der Bindesubstanz. Man kennt Fibrome (Fiebiger 1909, Plehn 1906), — Osteome (Plehn 1906, Schröders 1907), — Fibro- sarkome (Plehn 1906, Schröders 1907), — Osteosarkome (Murray 1908, Provazeck 1904). Ferner sind bekannt je ein Fibromyxom (Schröders 1907), — Lipofibrom (Plehn 1906), — Osteochon- drom (Fiebiger 1909). Diesen gutartigen Neubildungen steht eine Reihe von Sar- komen gegenüber von mehr oder minder bösartigem Charakter: Spindelzellensarkome (Schröders 1907, Bashford-Murray 1907), — Polymorphzellensarkome (Plehn 1906, Bonnet 1835), — Sarkome (Plehn 1909), ferner je ein Rundzellensarkom (Schröders 1907), — Riesenzellensarkom (Bugnion 1875), — Myxosarkom (Plehn 1906). Letztere beschreibt auch eine Narben- geschwulst, ein Keloid (1906) und eine Örgangeschwulst, ein Odontom (1912). Viel geringer ist die Anzahl der uns bekannten Fisch- neubildungen, welche dem Muskelgewebe angehören. Es sind dies zwei Myome (Plehn 1906) und ein Rhabdomyom (Fiebiger 1909). Von Endotheliomen finden wir sogar nur eins veröffentlicht (Schröders 1907), ferner je ein Endothelioma pigmentosum (Sehröders 1907) und ein Hämangioendotheliom (Plehn 1906). Neubildungen, die vom Nervengewebe der Fische ihren Ausgang nehmen, sind bisher merkwürdigerweise überhaupt noch nicht beschrieben worden. Sehr häufig finden wir wiederum Berichte über Epitheliome (Plehn 1906, Fiebiger 1909, Keysselitz 1908, Schröders 1907) und ebenso über Karzinome (Plehn 1906, 1909, Murray 1908, Bashford-Murray 1904, Dauwe und Pennemann). Ferner existieren Mitteilungen über gut- und bösartige Neu- bildungen der dem Epithel sehr nahe stehenden Drüsengewebe wie Adenome (Schröders 1907, Pick und Poll 1905, Bash- ford-Murray 1904) und ein Adenokarzinom (Pick 1905). Die letztgenannten Neubildungen, welche von Epithel- und Drüsenzellen ausgehen, sind es, welche im Hinblick auf die vor- liegenden histologischen Veränderungen der Stinthaut ein be- sonderes Interesse beanspruchen. Am bekanntesten unter ihnen ist das Thyreoideakarzinom der Salmoniden. Dieser Schilddrüsen- 204 Theodor Breslauer: krebs stellt eine bösartige Erkrankung dar, welche oft unter Hinraffung vieler Tausende von Exemplaren fast alle Arten von Zuchtsalmoniden, wie Lachs und Forelle, epidemisch befallen kann. Auch erkrankte Wildfische wurden beobachtet. Mit der Histopathologie dieses Tihyreoideakarzinoms hat sich Pick in einer Monografie ausführlich befasst, desgleichen M. Plehn, die eine Anzahl aus Deutschland herrührende Fälle untersucht hat. Allerdings sind dies nur sehr wenig Exemplare im Verhältnis zu den grossen Massen, die die Epidemieen in Südafrika und Australien, vor allem aber in den Vereinigten Staaten, den Forschern in die Hände liefern. Nach M. Plehn (1912), deren Zusammenfassung über das bisher vom Schilddrüsenkrebs der Salmoniden Bekannte das neueste mir erreichbare Werk dar- stellt, entsteht jener aus einer Vorkrankheit, dem gutartigen Kropf. Beide sind den entsprechenden Krankheitsformen beim Warmblüter vollkommen vergleichbar. Die Tatsache, dass das bösartige Thyreoideakarzinom aus gutartigen Formen hervorgeht, sei mit Rücksicht auf gewisse Beobachtungen am Stint besonders hervorgehoben. Zunächst handelt es sich nur um Drüsenepithel- wucherungen in Form kleiner Knoten. Doch sehr häufig erfahren sie eine gewaltige Vermehrung. Sie dringen dann nicht selten bis zur Kehlgegend vor und in die Mundhöhle hinein. Auf dem Wege ihrer schrankenlosen Ausbreitung zerstören sie Muskeln und Knochen und greifen dabei auch die Grefässwände an. Letzteres ist wohl, wie Plehn besonders betont, das gefähr- lichste Moment für den Träger, um so mehr, als es sich um die wichtigsten Gefässe, Kiemengefässe und Aorta, handelt. Auf- fällig ist die eminent hohe Erkrankungsziffer. In einem extremen Fall waren es ca. 70°/o der Bewohner eines Teiches, die befallen waren. Bei dieser Zahlenangabe muss man freilich im Auge behalten, dass es sich hier um Zuchtfische handelt, die sich inner- halb einer geschlossenen Anlage befinden. Eine andere Epithelwucherung, die für die Fischzüchter Bedeutung besitzt, ist die unter dem Namen Karpfenpocken be- kannte Erkrankung der Cypriniden. Mit dem Schilddrüsenkrebs der Salmoniden stimmen die Karpfenpocken in dem häufigen Auftreten überein. Charakteristisch für sie ist ihre multiple Verbreitung auf dem Integument, sowie dessen alleinige Be- teiligung an ihrer Bildung. Da sich ganz ähnliche Verhältnisse Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 205 bei den Stintgeschwülsten finden, so sei es erlaubt, etwas aus- führlicher auf die Karpfenpocken einzugehen. Was wir von der Karpfenpocke wissen, danken wir in erster Linie M. Plehn. In einem „Hautepitheliome bei Cypriniden“ betitelten Kapitel ihrer 1906 veröffentlichten Arbeit „Über Geschwülste beiKaltblütern“ schildert sie die Krankheit folgendermaßen: „Die Pockenkrankheit der Karpfen besteht im Auftreten von Hautwucherungen, die in extremen Fällen mehr als die Hälfte des Körpers bedecken können. In den Anfangsstadien bemerkt man stellenweise kleine weissliche Flecken, die ein wenig durchscheinend sind, wie Milchglas, und die zunächst nur unbedeutend prominieren. Im Verlauf einiger Wochen sieht man sie stark an Ausdehnung zunehmen und auch in die Höhe wachsen. Sie können 4—5 mm hoch werden. Die Oberfläche ist meist glatt, doch kann sie auch gerunzelt er- scheinen. — Die Konsistenz der Wucherungen wechselt, sie können sich fast knorpelhart anfühlen, sind aber manchmal auch weicher.“ Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass „die Pockenflecken nichts anderes sind als Epithelwucherungen, die fast immer das Bild von fast durchaus gutartigen Wucherungen geben. Bei jungen Knoten sieht man tadellos regelmässige Epithelzellen, die in keiner Weise ein abnormes, überstürztes Wachstum erkennen lassen. — Wenn das Gebilde dicker wird, verändert sich der Anblick, die Zellen bekommen eine wechselnde Gestalt. Sie können je nach den Druckrichtungen geradezu spindlig werden, ähnlich Bindegewebszellen, sie können auch in kugliger Schichtung zusammenliegen, so dass man von einem Kankroid sprechen könnte, wenn eine Spur von Verhornung da wäre, die der Fischhaut fehlt. Oft kommt es vor, dass die Ernährung des stetig wachsenden Grebildes nicht recht Schritt halten kann; dieses nekrotisiert dann stellenweise. Es entstehen im Innern Herde von zerfallenen Zellen, in denen man die verschiedensten Arten von Kerndegenerationen antrifft. Der Zerfall kann bis zur Oberfläche fortschreiten, so dass ein breiiger Detritus aus- tritt.“ Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Karpfen- pocken häufig den Zustand einer primitiven Epithelwucherung aufgeben und den Charakter einer mehr oder minder kompli- zierteren — organoiden — Epithelgeschwulst annehmen. Von den bisher in der Literatur veröffentlichten Epithel- 206 Theodor Breslauer: geschwülsten der Fischhaut sind für unser Thema noch von besonderem Interesse die von Keysselitz bearbeiteten Lippen- epitheliome der Barben. Auch beim Stint finden sich ja die Wucherungen sehr häufig an den freien Mundrändern lokalisiert. Es muss daher auf die Befunde von Keysselitz etwas genauer eingegangen werden. In seiner 1908 erschienenen Arbeit gibt er eine ausführliche Schilderung der Kopfgeschwülste, die ich im Auszuge hier folgen lasse: „Auf den wulstigen Lippen der Mosel- barben (Barbus fluv. Cuv.) kann man öfters ein Epithelioma be- obachten. Dasselbe kann an allen Stellen der Lippe sitzen, selten greift es auf die Haut des Öberkiefers über. Es erreicht Hirsekorn- bis Erbsengrösse. Häufig findet man nur einen einzigen, seltener mehrere, drei bis vier Epitheliome, die räumlich voneinander entfernt sind oder sich berühren. Dieselben besitzen an der Basis im Querschnitt eine rundliche bis ovale Gestalt und stellen ent- weder flache Buckel mit leicht höckeriger Oberfläche oder kegel- förmige Gebilde dar. Ihre Farbe gleicht der Lippe (gelblich- weiss). Mitunter sind sie an der Oberfläche leicht oder stärker erodiert. Nach Angaben der Fischer treten sie häufiger im Frühjahr auf und verschwinden im Sommer. — Mitosen fehlen. — Relativ häufig sieht man einzelne oder mehrere dicht beieinander liegende Zellen in hyaliner Degeneration begriffen. Derartig ver- änderte Zellen zerfallen später. In den oberflächlichen Schichten beobachtet man auch öfters Zellen, die eine andere, meist hyalın degenerierte und im Zerfall begriftene Zelle umschliessen. Die Papillen sind langgestreckt und laufen meist spitz aus. Sie reichen bis tief in das Epithelioma hinein. In der Nähe der Papillen liegen die Zellen dicht gedrängt beieinander und weisen eine längliche Gestalt auf.“ Wie später noch genauer ausgeführt werden wird, hat Keysselitz in den Kernen der Epitheliom- zellen eigentümliche Einschlüsse beobachtet. Er deutet sie als Parasiten (Chlamydozoen) und erblickt in ihnen die Erreger der Krankheit. Auch sonst sind lippenständige Neubildungen bei Fischen bekannt. So berichtet Fiebiger von einem Epitheliom an der Lippe bei einer Tinca vulgaris und von einem Fibrom am Mund- winkel eines Gadus virens (Kohler). Wie bereits erwähnt, sind die Stintneubildungen nicht immer kopfständig, sondern treten oft multipel an verschiedenen Körper- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 207 stellen, insbesondere auch an den Flossen auf. Ein ähnliches Verhalten ist von Fiebiger 1909 für drei andere Fische be- schrieben worden. An je einem Exemplar von Anabas scandens und Cyprinus carpio fanden sich nämlich multiple Hautepitheliome, die u. a. auch an den Flossen sassen. Von Interesse ist es, dass einer der flossenständigen Epitheliomknoten des Karpfens destruktive Tendenz zeigte. Eine weitere flossenständige Neu- bildung erwähnt Fiebiger (1909) bei einem Gadus virens (Kohler). Es handelt sich allerdings hier um ein Fibrom. Epithelwucherungen, wie sie die Karpfenpocken darstellen, sind nicht nur auf den Flossen der Karpfen beobachtet worden. Plehn (1906) berichtet auch von pockenartigen Epithelwuche- rungen auf den Flossen eines Nerflings (Leuciscus idus Heck) und einer Rotfeder (Leuciscus erythrophthalmus L.). Der Umstand, dass die Neubildungen des Stintes gelegent- lich auch an den Kiemen auftreten, veranlasst mich, auch über die wichtigsten bisher beschriebenen Kiemenepithelwucherungen einen kurzen Überblick zu geben. Am bekanntesten ist eine Kiemenerkrankung der Bachforelle, die Hofer (1898 und 1906) ausführlich beschrieben hat. Das Epithel der Kiemenblättchen beginnt hier lebhaft zu wuchern und verwandelt die zarten, respiratorischen Fältchen in dicke Kolben um. Ausser bei Bach- forellen sind diese histologischen Veränderungen des Kiemen- epithels auch bei Regenbogenforellen und Bachsaiblingen gesehen worden (Plehn 1909). Meist befällt die Krankheit zahlreiche Exemplare. In noch stärkerem Maße werden die Kiemen durch eine Epithelwucherung verunstaltet, wie sie nach einer Mitteilung Plehns (1909) Mazarelli von den Agoni (Alosa finta Cuv.) und Clupea finta aus dem Luganer See beschrieben hat. In den von Mazarelli beobachteten Fällen macht die Erkrankung nicht mit der Umwandlung der Kiemenblättchen in keulenförmige Anschwellungen Halt, sondern das gewucherte Epithel einer Anzahl benachbarter Kiemenblättchen verschmilzt miteinander. Die Krankheit tritt epidemieartig auf. Das gehäufte Auftreten dieser Kiemenepithelwucherungen hat Marg. Plehn beim Studium der Forellenerkrankung veran- lasst, sorgfältig darauf zu achten, ob Mikroorganismen als Erreger nachweisbar wären. Es war jedoch nur möglich, eigentümliche Zelleinschlüsse aufzufinden, die nicht selbst Parasiten darstellen 208 Theodor Breslauer: können, immerhin aber eine gewisse Ähnlichkeit mit Einschluss- körperchen aufweisen, wie sie von verschiedenen Infektionskrank- heiten, wie Variola und Lyssa, als Reaktionsprodukte der Zellen auf das Eindringen des Virus beschrieben worden sind. Da ich auch unter den Stintneubildungen in einigen Fällen ähnliche Zelleinschlüsse beobachtet habe, so sei der von Plehn (1909) erhobene Befund hier noch im Auszuge angeführt. „In dem Plasmaleib einer ziemlichen Anzahl von Zellen findet man als Einschluss einen grossen, rundlichen Klumpen, meist hat er Kugelform, selten sind mehrere kleine Klümpchen vorhanden. Besonders an Präparaten, die in einfachster Weise mit Häma- toxylin und van Gieson gefärbt sind, treten die Einschlüsse un- gemein scharf und klar hervor; sie haben meist im Gegensatz zu dem tief blau violetten Chromatin des Kernes einen helleren rotvioletten Ton angenommen, in vielen Zellen erscheinen sie gelblich. Die Zellen mit Einschlüssen finden sich oft regionen- weise gehäuft; in weiten Strecken können sie auch ganz fehlen. Sie sitzen meist in der Umgebung der (Grewebslücken oder am kande der Geschwulst.“ Allgemeines. 3. Material. Was das Material anbetrifft, so standen mir zu Beginn der Untersuchungen nur drei — tot konservierte — Stinte zur Verfügung, die ausschliesslich mundständige Neubildungen auf- wiesen. Nach und nach gelang es aber, ihre Anzahl auf 37 zu erhöhen, wovon 14 im lebenden Zustande eintrafen. Die lebend konservierten Exemplare lieferten ein vorzügliches Untersuchungs- material. Alle Fische stammen aus dem Jasmunder Bodden. Die Beschaffung des Materials erfolgte durch Herrn Fischer Ed. Wothke in Lietzow auf Rügen, dem ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage. Konserviert wurde in Formol, Pikrinsublimateisessig, Zenker- scher Flüssigkeit, Flemmingscher Flüssigkeit und Alkoholeisessig (Abs. Alec. 95 T., Eisessig 5 T.). Hinsichtlich der bei manchen Präparaten (Kopf, Flossen, Kiemen) notwendigen Entkalkung lieferte die Konservierung mit Pikrinsublimateisessig die besten Resultate, während das Flemminggemisch eine sehr lange Ent- kalkungsdauer erforderlich machte. Entkalkt wurde, soweit dies Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 209 nicht bei einigen Präparaten die Pikrinsublimateisessiglösung schon vollständig besorgt hatte, mit 5proz. Salpetersäure und zwar je nach Bedarf 1—8 Tage lang. Vor der Wässerung kamen die Präparate auf 12—24 Stunden in eine 5proz. Alaunlösung. Die Schnittdicke betrug 2—5 u bei Tumorteilstücken, 5 bis 20 u bei Schnitten durch ganze Köpfe. Zum Färben bewährten sich folgende Zusammenstellungen: Hämatoxylin Böhmer, Hämalaun, Heidenhain — Eosin, Lichtgrün, van Gieson, nach Eisessigalkoholkonservierung auch Biondi und nach solcher mit Flemmingscher Flüssigkeit Safranin — Lichtgrün. Ehe ich nunmehr auf die nähere Beschreibung der Stint- neubildungen im einzelnen eingehe, möchte ich ihren Gesamt- charakter, soweit er sich makroskopisch dem Beschauer darbietet, noch etwas genauer als in der Einleitung schildern. Hierbei ist der Sitz der Tumoren, ihre Verteilung am Fischkörper, ihre Häufigkeit im Auftreten und ihre äussere Form zu berücksichtigen. 4. Der Sitz der Stintneubildungen und ihre Verteilung am Fischkörper. Wenn wir die Neubildungen auf ihren Sitz hin untersuchen, so können wir in jedem Falle konstatieren, dass sie dem Inte- gument oder der Schleimhaut der Mundhöhle aufliegen. Die Annahme, dass diese Bezirke ausschliesslich beteiligt sind, wurde schon zu Beginn der Untersuchungen sehr wahrscheinlich gemacht durch negative Befunde bei der Sektion der inneren Organe. Sie fand aber vollends ihre Bestätigung durch die mikroskopische Untersuchung, selbst in solchen Fällen, wo die ungeheure Aus- dehnung der Tumoren eine Herkunft derselben von Skelett-, Muskel- und sogar ganzen Organteilen vermuten liess, zum aller- mindesten aber eine Beteiligung dieser Organsysteme an der Geschwulstbildung. Die Haut und die Schleimhaut werden nicht in gleicher Weise befallen. Denn während Hautpartien bisweilen isoliert Träger von Neubildungen sind, stehen die erkrankten Schleim- hautbezirke fast stets mit solchen der Haut in Verbindung. Was die Verteilung der histologischen Veränderungen am Fischkörper anbetrifit, so zeigt es sich, dass der viscerale Kopf- teil der Lieblingssitz der Tumoren ist. Von den 37 mir zur 210 Theodor Breslauer: Beobachtung gelangten Exemplaren sind bis auf 2 Fälle alle an dieser Region mit Geschwülsten behaftet. Dagegen bleibt der übrige Kopfteil im allgemeinen verschont. Eine Ausnahme bilden nur solche Fälle, wo etwa die Nase, die Kanäle der Seitenlinien und zum Teil auch das Epithel der Konjunktivalfalte in grösserem Umfange mit in die Neubildung hineinbezogen sind, oder wo der Tumor ganz exorbitante Dimensionen angenommen hat, so dass er sich von vorn bis weit hinter die Augen erstreckt. Am visceralen Kopfteil sind wiederum die freien Mundränder in ganz auffälliger Weise befallen. Bei den 35 Exemplaren, we der viscerale Kopfteil Träger von Neubildungen ist, sind die Lippen 32 mal, die anderen Regionen dagegen nur vereinzelt betroffen. Die Verteilung der Neubildungen an den Ober- und Unter- lippen ist insofern sehr bemerkenswert, weil sie in einem sichtlichen Einklange steht mit einer durch viele Befunde er- klärten Tatsache, wonach sich die Stintneubildungen besonders auf exponierten Gegenden des Integuments entwickeln. So zeigen z. B. die freien Mundränder — entsprechend ihrer bei der Vorwärts- bewegung des Fisches besonders gefährdeten Lage — gemeinhin eine auffällig höhere Erkrankungsziffer als alle anderen Körper- gegenden. Ferner lehrt die histologische Untersuchung gerade der lippenständigen Neubildungen, dass diese am meisten vom normalen Hautorganisationstyp abweichen. Dieses Verhalten ent- spricht aber deutlich einem chronisch verlaufenden Krankheits- prozess. der durch eine Anhäufung von Reizen gerade an dieser exponierten Stelle — nämlich an den Lippen — bedingt wird. Man dürfte somit wohl erwarten, dass die Mitte der Lippen als der exponierteste Teil der letzteren am öftesten betroffen ist, ganz besonders aber die Mitte des freien Unterkieferrandes, welcher beim normalen Stint den Oberkiefer bedeutend überragt. Merkwürdigerweise entspricht nun die Verteilung der Neu- bildungen an den freien Mundrändern durchaus nicht jenen Er- wartungen. Zunächst zeigt es sich nämlich, dass Oberlippe und Unterlippe fast gleich häufig befallen sind. Ferner erkennt man, dass ihre Mitte äusserst selten erkrankt ist. Nur dann, wenn sich der Tumor über den ganzen oder einen grösseren Teil der freien Mundränder erstreckt, geben diese auch in der Mitte eine Unterlage für die Geschwulst ab. Dabei liegt die höchste Er- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 211 hebung des Tumors stets ausserhalb der Mediangegend. Selbst in den Fällen, wo man eine ganze Anzahl lippenständiger Neu- bildungen an einem Exemplar beobachten kann, ist sehr oft kein Tumor in der Mitte der Lippen vorhanden. Ausser den Seitenteilen der Mundränder sind häufig auch die Mundwinkel Träger von Neubildungen. Das Integument am freien hinteren Maxillarende ist dann vorwiegend beteiligt. Da sich die Tumoren oft auch eine ganze Strecke an den freien Mundrändern ent- lang fortsetzen und nur bei genauerer Beobachtung eine oder mehrere Grenzfurchen an eine getrennte Entstehungsweise denken lassen, so konnte ich in der beigefügten Tabelle über die Verteilung und den Sitz der Neubildungen die Zahl der Geschwülste nicht genau angeben. In den Fällen, wo z. B. in der Tabelle Mund- winkel und Lippe als Sitz angegeben sind, handelt es sich somit manchmal auch um durch eine Brücke verbundene Neubildungen. Dieselben scheinen unabhängig voneinander entstanden und bei fortschreitender Entwicklung wegen Raummangels miteinander verschmolzen zu sein. In einer Anzahl von Fällen erstrecken sich die Neubildungen bis tief in die Mundhöhle hinein. Sie gehen dann aber fast durchweg von Geschwülsten an den Lippen aus und nicht von Tumoren an den Mundwinkeln. Häufig findet man auch, dass zwei Tumoren an den freien Mundrändern der Ober- und Unter- lippe sich gegenüberstehen. Sie sind dann verschieden gross und verschieden gestaltet. Die Annahme, zwei gleichzeitig ent- standene Neubildungen hätten in diesen Fällen eine ungleich- mässige Entwicklung erfahren, ist hier recht unwahrscheinlich. Vielmehr liegt der Verdacht, dass die eine Neubildung früher entstanden ist als die andere und die Ursache für diese ab- gegeben hat, hier so nahe, dass ich schon an dieser Stelle darauf hinweisen möchte. Nur in zwei Fällen sind Neubildungen am visceralen Kopf- teil vorhanden, ohne dass die freien Mundränder befallen sind. In dem einen ist die Haut zwischen den Radii branchiostegi und ferner der erste rechte Kiemenbogen befallen, in dem anderen die Haut hinter dem Unterkieferschleimkanal. Merkwürdiger- weise ist auch sonst an diesen beiden Fischen keine Neubildung weiter am ganzen Körper zu entdecken. Dieses fällt um so mehr auf, als die Multiplizität im Auftreten als Norm anzusprechen 22 Theodor Breslauer: ist, derart, dass sie zu den spezifischen Eigentümlichkeiten der Stintneubildungen zählt. Diese multiple Verbreitung geht so weit, dass ein freier Mundrand oder eine Flosse oft eine ganze Anzahl von Neubildungen — bis zu sechs Stück und darüber — aufweist. Dieses Verhalten liess sich aber in der Tabelle wegen mehrfacher Grenzfälle statistisch nicht zum Ausdruck bringen. Neben dem visceralen Kopfabschnitt erweisen sich die Flossen als ganz besonders prädisponiert. In zwei Fällen sind sogar sämtliche Flossen Träger von Neubildungen, mit Ausnahme der Fettflosse. Letztere ist auch in keinem anderen Falle an der Bildung der Tumoren beteiligt. An der Flosse selbst sind die breiten Flächen vorwiegend befallen, während auf die Flossen- kante die Neubildung nur übergreift, sobald sie bereits einen unverhältnismässig grossen Raum auf der Flosse eingenommen hat. Die histologische Untersuchung lehrte, dass auch in der Nase und in den Kanälen der Seitenlinien die Neubildungen an- zutreffen sind. Makroskopisch war aber eünstigenfalls nur eine Veränderung am Naseneingang zu bemerken. Im Naseninnern sind hauptsächlich die Nasenfalten ergriffen, dagegen fast gar nicht die Schleimhaut der Nasenblindsäcke. Sowohl bei den Epithelgeschwülsten der Nasen wie den der Seitenlinien war ein Zusammenhang mit der Hauterkrankung dadurch ersichtlich, dass auch die natürlichen Kommunikationswege befallen waren. 5. Die Häufigkeit der Stintneubildungen. Die Häufigkeit des Auftretens der histologischen Ver- änderungen unter den Stinten ist sehr bemerkenswert. Denn nach Zählungen des Fischers, welcher mir die mit Neubildungen behafteten Stinte einsandte, sollen diese 20°/o des jeweiligen Fanges darstellen. Diese Angabe kann natürlich bei weitem nicht als so zuverlässig gelten, wie die von Gaylord (Plehn 1912) hinsichtlich der Verteilung der kranken Salmoniden in den Teichen einer geschlossenen Anlage. Eine exakte Feststellung der Er- krankungsziffer wird meiner Ansicht nach auch nicht so leicht einwandsfrei gelingen, schon deshalb nicht, weil wir es bei den Stinten, die für die Neubildungen in Frage kommen, mit in der offenen See frei herumschwimmenden Fischen zu tun haben. Während nun das Thyreoideakarzinom der Salmoniden und die Pocken der Cypriniden nicht nur bei vielen Arten dieser Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 23 Fische auftreten können, sondern, wie erwähnt, fast auf der ganzen Erde gefunden werden, sind die vorliegenden Neubildungen mir bisher nur von den Stinten aus dem Brackwasser des Jasmunder Boddens bei Rügen bekannt. Auch bei den Süsswasserstinten, welche aus verschiedensten Gegenden in die Berliner Markthallen in kolossalen Mengen hineingebracht werden, habe ich trotz öfteren Nachsuchens keine mit derartigen Neubildungen gefunden. Ich muss daher die Verbreitung der histologischen Veränderungen im Gegensatz zu der epidemischen der Schilddrüsenerkrankung und der Karpfenpocken als eine endemische bezeichnen, bis anderwärts gleichartige Befunde bei Stinten mitgeteilt werden wie die vorliegenden. 6. Die äussere Form der Stintneubildungen. Noch mannigfaltiger als der Sitz und die Verteilung ist die äussere Form der Geschwülste. Von einer stecknadelkopfgrossen kaum bemerkbaren Erhebung bis zu den abenteuerlichsten, die Flosse und ganz besonders den Kopf vollständig entstellenden Gebilden kann man alle Übergangsformen beobachten. Darum hält es schwer, einen Normaltyp für die äussere Gestalt der Neu- bildungen anzugeben. Sehr leicht lassen sich aber gewisse Merk- male für eine Anzahl von Neubildungen angeben, sobald man solche zusammenfasst, die durch ihre gemeinsame Lage auf der Körperoberfläche ausgezeichnet sind. So finden wir zum Beispiel auf den Flossen keulen- oder spindelförmige, flach ansteigende Verdickungen von weisslich grauer, schwach opaleszierender Farbe. Sie sind für den ungeübten Beobachter schwer wahr- nehmbar, da sie fast vollkommen unter der gleichfarbigen, gesunden Umgebung verschwinden. Andere flossenständige Neu- bildungen stellen hirsekornförmige Gebilde dar. Sie sind infolge ihrer Trübung und ihrer scharf begrenzten Gestalt trotz ihrer Kleinheit viel leichter erkennbar als die vorigen. Die flach ansteigenden Formen finden wir auch am Kopfe vor, wenn auch weit weniger häufig als an den Flossen. Ebenso wie dort zeigen sie hier das Bild einer lokalen Verdickung, die ohne zirkumskripte Grenze in die Umgebung übergeht. Jedoch erfahren sie am Kopf eine grössere Flächenausdehnung als an den Flossen, wo, wie später genauer ausgeführt wird, besondere 214 Theodor Breslauer: Momente die Ausbildung einer Keulen- oder Spindelgestalt be- günstigen. Die Oberfläche aller bisher aufgeführten Neubildungen ist eben. Eine Ausnahme machen nur jene Fälle, wo beginnende oder teilweise schon durchgeführte Verschmelzungen einzelner Tumoren zu Gruppen tiefe Furchen bedingen. Bei den keulen- förmigen, flossenständigen Formen, die meistens mit ihrer Längs- seite verschmelzen, sind die Furchen ziemlich gerade. Bei den birsekornförmigen, die oft in grösserer Anzahl von verschiedenen Richtungen her aufeinander zugerückt zu sein scheinen, bildet die Grenzfurche eine gebrochene Linie. Im Gegensatz zu den eben genannten Neubildungen, die zum Teil infolge ihrer relativen Kleinheit sowie der teilweise nur sehr schwer konstatierbaren Niveauerhebung auch von uns erst spät beebachtet wurden, stehen alle übrigen Formen, welche ausschliesslich kopfständige sind. Ihre beträchtliche Grösse, ihre oft eigenartige Färbung, vor allem aber ihre ausgeprägte Pro- minenz selbst in jugendlichen Stadien macht sie schon auf den ersten Blick zu sehr auffälligen Gebilden. Die jüngsten Neu- bildungen sind etwa stecknadelkopfgross. Nicht selten sieht man solche von Bohnengrösse. Sie haben sich dann auf ihrer Aus- gangsfläche mehr der Länge als der Breite nach entwickelt. Dieses Verhalten betrifft vorwiegend viele lippenständige Gebilde. Gleich die ersten Exemplare, welche aus Rügen gesandt wurden, zeichneten sich durch mächtige Geschwülste an der Kopfgegend aus. Das vordere Ende ist hier oft unförmig verdickt. Furchen ziehen regellos über die Oberfläche hinweg. Eine besonders aus- geprägte sitzt mitunter ganz vorn. Sie stellt den Rest der Mund- spalte dar. Ihre auffallende Verlagerung ist nur eins der vielen schon äusserlich erkennbaren Symptome für die später noch zu erwähnenden Skelettdeformitäten. die die Entwicklung der Ge- schwulst bei vielen Stinten bewirkt. Oft sieht es aus, als ob ein unförmliches Gebilde aus der Mundöffnung hervorquillt. Manchmal wieder ist es ein Tumor mit starken seitlichen Aus- ladungen, der den Mundrändern aufsitzt, diese aber vollständig verdeckt. Die Farbe der Neubildungen ist weisslich- bis bläulichgrau. Sie markiert sich um so intensiver, als der Kopf nach den Mund- rändern zu stark pigmentiert ist. Es kommt dies am besten an Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 215 den auf Taf. XVI in Fig. 4—6 abgebildeten Präparaten zum Ausdruck, die mit Formalin konserviert sind. Eine Eigentümlichkeit all der Neubildungen am Kopfe ist es, dass sie von einer gewissen Grösse an ihrer Unterlage mehr, oder minder gestielt aufsitzen können. Makroskopisch ist dies mitunter gar nicht wahrzunehmen und wird erst oft bei der histologischen Untersuchung bekannt. Das rührt daher, dass selbst bei einigermaßen langgestielten Formen die Masse der Neubildung viel schneller wächst als der Stiel und zwar nach allen Richtungen, so dass der Tumor der benachbarten Umgebung eng angepresst wird und ihr direkt aufliegt. Dies ist auch der Grund, weshalb besonders grosse Formen, die makroskopisch betrachtet durchaus den Eindruck einer einheitlichen Neubildung erwecken, bei der mikroskopischen Untersuchung auf senkrecht zur Haut geführten Schnitten sich als zusammengesetzt often- baren. Abb. 10 auf Taf. XVII zeigt ein derartiges Verhalten. Auch unter den flossenständigen Neubildungen — allerdings nur unter den hirsekornförmigen — gibt es kurzgestielte Formen. Hier lässt sich die Stielbildung leichter konstatieren als am Kopf, ganz besonders bei den isoliert stehenden Neubildungen. Eine besondere Erwähnung verdienen schliesslich die an der Oberfläche blumenkohlartig zerklüfteten Tumorformen, welche ich nur an den Lippen beobachten konnte. Am lebenden Tier sieht man hier, wie bei jeder Atembewegung langausgezogene Fortsätze der Geschwulst der Strömung des Wassers folgend hin und her flottieren. Dass dieser beständig ausgeübte Zug hier von entwicklungsmechanischem Einfluss auf die polypösen Fortsätze ist, beweist ihre Längsachseneinstellung in der Be- wegungsrichtung. Hinsichtlich ihrer Konsistenz verhalten sich die Neubildungen teilweise ähnlich, wiees Plehn für die Karpfenpocken beschrieben hat. Manchmal geben die Tumoren dem Drucke etwas mehr nach als die betreffende Hautstelle im normalen Zustande. Eine gewisse Elastizität ist dabei zu bemerken. Meistens fühlen sie sich jedoch sehr derb an, beinahe knorpelhart. 7. Das Verhältnis der einzelnen Neubildungsformen zueinander. Zu den mannigfachen äusseren Verschiedenheiten kommt noch ein buntes histologisches Bild. Es entsteht nun die Frage, Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 15 216 Theodor Breslauer: ob und wie diese mannigfaltigsten Formen miteinander ver- knüpft sind. Zweifellos sind alle Neubildungen im Grunde einheitlich. Dafür spricht die ausschliessliche Abkunft aller Tumoren vom Integument und der Mundschleimhaut, die Anwesenheit stets der- selben Organisationskomponenten — Epithel und Bindegewebe — und das vorzugsweise Auftreten der Neubildungen an exponierten Körpergegenden. Die Unterschiede der einzelnen Formen in Gestalt und Struktur entsprechen teilweise verschiedenen Altersstadien. So liegen die jungen Neubildungen breitbasig der Unterlage auf. Mit zunehmendem Alter bildet sich ein Stiel aus, der die Neu- bildung mit ihrem Ausgangsort verbindet. Von den die Neu- bildungen zusammensetzenden Gewebselementen überwiegt in den jungen Formen das Epithel, in den älteren das Bindegewebe. Schliesslich lassen die jungen Neubildungsformen einen primi- tiven Bau erkennen, die älteren dagegen einen komplizierteren, einen — organoiden. Die wichtigsten Unterschiede innerhalb der einzelnen Tumoren erklären sich aber daraus, dass diese sich auf verschiedenen Körper- gegenden verschieden entwickeln. An den Flossen finden wir z.B. bei den primitiven Formen selten eine Beteiligung des Coriums, am Kopf dagegen fast stets. Bei den Neubildungen auf den Flossen handelt es sich auf älteren Stadien ausschliesslich um cysten- artige Gebilde, am Kopf dagegen in der Regel nur um solche von papillomatösem Bau. Für die Beschreibung erscheint es somit am zweckmäßigsten, die Lokalisation in den Vordergrund zu stellen und von diesem Gesichtspunkt aus — einerseits bei den Flossen, andererseits beim Kopf -— darzulegen, wie die einzelnen Tumoren wohl entwicklungs- geschichtlich verknüpft sind. Hierbei darf die Grösse der Neu- bildung — als Maßstab für die Altersbeurteilung — nur bei Tumoren von gleichem histologischem Bau Berücksichtigung finden. In allen anderen Fällen dürften wir nicht fehlgehen, wenn wir entsprechend dem von der normalen Haut abweichenden Organisationstyp auf das Alter der einzelnen Formen schliessen. Zur Anwendung eines solchen Verfahrens halte ich mich wohl berechtigt in Anlehnung an entsprechende, von Plehn bei den Cyprinidenpocken und den daraus sich entwickelnden Neubildungen Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 217 gewonnene Ergebnisse. Obgleich die ebengenannte zur Bestimmung des Altersstadiums gewählte Methode zu Ergebnissen führen muss, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommen, entspringt sie immerhin einer blossen Schätzung — allerdings unter Berück- sichtigung aller dafür in Betracht kommenden Befunde. Ich bin mir darum wohl bewusst, dass ihr dauernder wissenschaftlicher Wert nur durch einen experimentellen Nachweis erhärtet werden kann, welcher mit grossem Zeitaufwand verknüpft und mit ein- gehenden biologischen Studien verbunden sein würde. Das gut- oder bösartige Verhalten der einzelnen Neu- bildungen kann ich nicht zum Ausgangspunkt für die Einteilung aufstellen, schon deshalb nicht, weil die Malignität bei den Kalt- blütern von anderen Frscheinungen bestimmt wird als bei den Menschen oder Säugern gemeinhin. Es bedarf daher noch einer Klärung dieses Begriffes, ehe er bei den vorliegenden Fisch- geschwülsten in erschöpfender Weise zur Anwendung gebracht werden kann. Ich erinnere auch an die zahlreichen Übergänge, die schon Plehn bei Kaltblütern vom gutartigen zum bösartigen Typ beobachten konnte, eine Erscheinung, die auch bei Stinten wiederkehrt. Spezieller Teil. 8. Die flossenständigen Neubildungen. An den Flossen finden wir die Neubildungen in zwei Haupt- formen vor, die sich voneinander ganz erheblich unterscheiden. Die einen bieten den Anblick einer flachen lokalen Verdickung. Die anderen stellen stecknadelkopf- bis hirsekorngrosse (Gebilde dar, welche kurz gestielt der Unterlage dicht aufsitzen. Histologisch betrachtet lassen sie noch auffälligere Unter- schiede erkennen. Jene flachen Formen zeigen eine ganz primitive Organisation, vorwiegend eine Epithelwucherung, die anderen da- gegen einen komplizierteren Bau, nämlich den einer perlenartigen Epithelanhäufung, welche von einer bindegewebigen Kapsel um- geben ist. Da sich in der Regel im Innern der zuletzt genannten Tumoren ein Erweichungsherd bildet, so sei als kurze Bezeichnung für diese Neubildungsform der Ausdruck Üyste gebraucht. Die erwähnte Verschiedenheit war anfangs durchgehend anzutreffen und liess keine Möglichkeit zu, die beiden Formen miteinander in Beziehung zu bringen. Endlich gelangten einige 15* 21 [0 0) Theodor Breslauer: Neubildungen zur Beobachtung, die beide Charaktere vereinigt aufwiesen. Auf Grund eines Vergleiches der histologischen Be- funde — besonders im Sinne der vorhin angeführten Erwägungen — ergab es sich nunmehr, dass beide so ungleich aussehende Formen nur verschiedene Entwicklungsstadien repräsentieren. Es stellen nämlich die flachen Epithelauflagerungen die jugendlichen Formen dar. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Oyprinidenpocken will ich sie als „pockenartige Epithelwucherungen“ bezeichnen. Die eystenartigen Gebilde dagegen repräsentieren ein weiter vorgeschrittenes Wachstumsstadium, ja sie scheinen bereits den Höhepunkt der ganzen Entwicklung erreicht zu haben. Was die Häufigkeit des Auftretens der tflossenständigen Neubildungen anbelangt, so ist dieselbe nach vielen Richtungen hin sehr bemerkenswert. So sind unter den 37 mit Neubildungen versehenen Stinten 13, die auch Tumoren an den Flossen auf- weisen. Bis auf die Fettflosse, welche ich in keinem einzigen Falle behaftet fand, liessen sich an allen anderen Flossen ohne Ausnahme Neubildungen auffinden. Manchmal war nur eine Flosse erkrankt, meistens waren mehrere, in zwei Fällen alle Flossen — von der Fettflosse abgesehen — Träger von Neubildungen. Hinsichtlich der Verteilung der Tumoren auf die einzelnen Flossen ergibt sich folgendes interessantes Bild. Unter meinem Material von insgesamt 37 Fällen sind am häufigsten die Brust- tlossen befallen, die rechte neun-, die linke siebenmal. Sodann kommt die Rückenflosse, welche die Neubildungen in acht Fällen aufweist. Weiterhin schliessen sich an die Bauchflossen, die rechts in fünf, links in vier Fällen ergriffen sind. Die After- und Schwanzflossen sind beide nur viermal befallen. Trotzdem die relativ kleinen Zahlen eine statistische Verwertung nur in begrenztem Maße zulassen, sei doch auf die auffällige Tatsache hingewiesen, dass die bei der Vorwärtsbewegung des Fisches besonders exponierten Brust- und Rückentlossen öfters befallen sind als die verhältnis- mässig geschützten übrigen Flossen. Oft kann man die Neubildungen in multipler Verteilung auf einer Flossenfläche beobachten. Dann konfluieren gewöhnlich mehrere von ihnen zu einer Gruppe. Das geschieht natürlich um so häufiger, je mehr sich auf einer Flosse befinden. Es lässt sich dann, wie bereits oben erwähnt, ihre Anzahl nicht immer eindeutig angeben. Ich habe es darum unterlassen, ihr Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 219 multiples Auftreten auf einer Flosse in ziffermässiger Angabe zum Ausdruck zu bringen oder gar statistisch zu verwerten. Es können sowohl junge Formen zu Gruppen zusammentreten wie alte Stadien. Beide zusammen habe ich nie in einer Gruppe vereinigt gesehen, obgleich ich sie öfters isoliert nebeneinander auf einer Flossenfläche beobachten konnte. Besonders gern konfluieren die jungen Formen. Das leuchtet ein, wenn man be- rücksichtigt, dass die Neubildung in diesem Stadium mehr Platz auf der Flossenoberfläche beansprucht als in dem älteren, zysten- artigen (vergl. Taf. XVI, Abb. 2, 5, 11). Im frühen Zustande fallen die pockenartigen Epithel- wucherungen am lebenden Tiere nur sehr wenig auf, ganz be- sonders, wenn sie isoliert auf der Flosse sich befinden. Da die ersten Exemplare, welche von den mit Neubildungen versehenen Stinten zur Untersuchung kamen, nur riesige Geschwülste am Kopf aufwiesen, keine dagegen an den Flossen, wurde ich erst spät auf die flossenständigen Neubildungen aufmerksam. Da diese auch weit weniger imponieren als die am Kopf befindlichen in derselben Grösse, wurde ihnen anfangs nur wenig Achtung geschenkt, bis schliesslich ihr häufiges Auftreten eine Beziehung zu den oft gleichzeitig vorhandenen Kopfgeschwülsten vermuten liess. Die zystenartigen Formen sind trotz ihrer viel kleineren (Gestalt leichter erkennbar als die pockenähnlichen Epithel- wucherungen. Immerhin können sie — ebenso wie jene — sehr leicht übersehen werden, besonders, wenn sie isoliert auf der Flosse auftreten. Eine ausführliche Beschreibung des Habitus der tlossenständigen Neubildungen ist darum wohl angebracht. Die pockenartige Epithelwucherung, die das Jugendstadium der Neubildung repräsentiert, ist von keulen- oder spindelförmiger Gestalt (siehe Taf. XVI, Fig. 2) und zeigt ein durchsichtiges, schwach opaleszierendes Aussehen. Ihre Farbe gleicht der ihrer Umgebung. Sie ist somit weisslichgrau mit einem leichten Stich ins Bläuliche. Im Wasser ist die Epithelverdickung nicht leicht zu erkennen. Hier betrachtet man sie daher am besten von der Seite. Dann kann man wenigstens ihre sanfte Erhebung über das Niveau der Umgebung beobachten. Das flache Ansteigen bewirkt es, dass bei der Betrachtung von oben herab die Er- hebung überhaupt nicht wahrnehmbar ist. Sehr deutlich tritt 220 Theodor Breslauer: dagegen die pockenartige Epithelwucherung zutage, sobald man die Flosse in Formol fixiert. Die Neubildung trübt sich dann auffallend, während die gesunden Partien der Flosse ihre Durch- sichtigkeit behalten. So kommt ein zirkumskripter Flecken zu- stande, der schon makroskopisch deutlich sichtbar ist. Abb. 2. Taf. XVI stellt eine derartige in Formalin fixierte pockenartige Epithelwucherung dar. Abb.5, Taf. XVI zeigt eine Anzahl solcher Neubildungen zu einer Gruppe vereinigt. Auf der Flossenfläche ist die spindelförmige Neubildung stets so gelagert, dass ihre Längsachse, die den Breitendurch- messer oft um das 25fache an Ausdehnung übertrifft, in der tichtung der Flossenstrahlen eingestellt ist. Diese typische Längs- einstellung der jungen Epithelwucherung steht offenbar in enger Beziehung zu dem Bau und der Funktion der Flosse. Die Orientierung der Längsachse parallel zu den Flossenstrahlen entspricht nämlich der Richtung, in welcher die Flosse der geringsten Kompression ausgesetzt ist, in welcher also eine un- gestörte Ausbreitung der Neubildung stattfinden kann. Seitlich wird der Tumor dagegen durch die ständige Faltung des Integu- ments beengt, die durch die gegenseitige Annäherung der Flossen- strahlen zustande kommt. Die Bewegung der Flossenstrahien scheint auch der seitlichen Verschmelzung mehrerer Neubildungen zu einem einheitlichen Tumor entgegenzuarbeiten. Bei der auf Tat. XVI, Fig. 5 abgebildeten linken Brustflosse eines Stints kommt dieses Verhalten darin zum Ausdruck, dass eine Ver- schmelzung nur am proximalen Ende der Neubildung (V) er- folgt ist, noch nicht dagegen zum distalen Rande zu (d). Distal- wärts ist ja der Ausschlag der Bewegung der Flossenstrahlen ein grösserer als proximalwärts. Die zystenartigen Neubildungen fallen — wie bereits er- wähnt — trotz ihrer kleineren Gestalt viel mehr auf als die flachen Formen. Das ist zunächst deshalb der Fall, weil sie ein gleichmässig trübes Aussehen besitzen, das ihnen auf der durch- sichtigen Flosse eine deutliche Begrenzungslinie verleiht. Dazu kommt noch ihre scharfe Prominenz, welche aus der perlen- artigen Gestalt der ihrer Unterlage kurz gestielt aufsitzenden Neubildung resultiert. Auch hier kann man das Zusammentreften mehrerer Geschwülste zu einer Gruppe beobachten, wie Abb. 11, Taf. XVI es zeigt. Es bleiben aber hier die einzelnen Üysten Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 221 im Gegensatz zu den Verschmelzungsknoten der pockenartigen Epithelwucherungen isoliert erhalten. Histologisch betrachtet, bietet die flossenständige pocken- artige Epithelwucherung vorwiegend das Bild einer mächtigen Epithelanhäufung. Die Epidermis besitzt auf den Flossen nor- malerweise eine Stärke von 5--6 Zellagen und ruht auf einer Unterlage straffen Bindegewebes. Daran inseriert ein lockeres, zellenreiches Bindegewebsnetz, welches von den Flossenstrahlen bezw. einer sie untereinander verbindenden feinen fibrösen Lamelle ausgeht. Trifft ein Querschnitt durch die Flosse eine pocken- artige Epithelwucherung, so sieht man, wie das Epithel in sanfter Steigung sich zu einem flachen Wall erhebt, der, wie auf Taf. XVI, Abb. 13 ersichtlich, an der höchsten Stelle die sechsfache Stärke der normalen Epidermis annehmen kann (w. E). Beobachtet man ein mikroskopisches Präparat etwas genauer, so gewahrt man, dass die Epithelverdickung nicht nur durch eine ungewöhnlich zahlreiche Anhäufung von Epithelzellen zustande- kommt. Die Zellen haben vielmehr auch an Grösse ganz be- deutend zugenommen. Hingegen zeigt sich die das Fpithel tragende straffe Bindegewebslamelle des Coriums fast gar nicht verändert. Die Fibrillenzüge verlaufen wie im normalen Gewebe. Bei ganz genauem Vergleich kann man jedoch auch hier eine — wenn auch zunächst nur geringfügig erscheinende — Veränderung konstatieren. Sie betrifft die Lage der Bindegewebszellen. Normalerweise liegen diese nämlich der untersten Schicht der bindegewebigen Grenzlamelle (s. B) an. In der Neubildung da- gegen befinden sie sich auch innerhalb der Fibrillenzüge und dringen selbst bis zur untersten Epithelschicht vor. Bei der Bedeutung, die das Bindegewebe als Organisationskomponente in den älteren Formen gewinnt, muss dieser Umstand beachtet werden. Von den flossenständigen pockenartigen Epithelwucherungen leiten zu den cystenartigen Gebilden einige — nur in geringer Anzahl vorgefundene — Neubildungen über, die ich darum als Übergangsformen bezeichnen will. Auf Grund einiger Präparate, die hier nicht abgebildet sind, lässt sich der Übergang der Jungen pockenartigen Epithelwucherung zur cystenartigen Neu- bildung folgendermaßen wiedergeben. Das jüngste Stadium der Epithelverdickung ist, um noch einmal zu rekapitulieren, auf Taf. XVI, Fig. 13 dargestellt. 2322 Theodor Breslauer: Daran schliesst sich ein Bild, wie es in der ersten der schema- tischen Textfiguren auf S. 222 zum Ausdruck kommt. Es fällt hier auf, wie sich das Corium (s. B) gerade dort verdickt hat, wo die Epithelwucherung (w. E) ihre höchste Erhebung zeigt. Dies ist meistens in der Mediangegend der Neubildung der Fall. Diese bindegewebige Verdickung (siehe Textfig. 1, s. B), differenziert sich im weiteren Wachstumsverlauf zu einer Bindegewebslamelle (siehe Textfig. 2, L'), welche die wuchernde Epithelmasse (w.E) durchsetzt. Nach einiger Zeit gabelt sich die Lamelle (siehe Entwicklungsgang einer pockenartigen Epithelwucherung auf einer Stintilosse (siehe Taf. XVI, Abb. 2 und Abb. 13) zu einer Cyste (siehe Taf. XVII, Abb. 16) nach Übergangsiormen schematisch dargestellt. 1. Das Bindegewebe (s. B.) unterhalb der Epithelwucherung (w. E.) verdickt sich. 2, Das Bindegewebe (1, s. B.) differenziert sich zu einer Lamelle (L}). 3. Die Lamelle (2, L!) gabelt sich (L' L?) und schält aus der Epithel- wucherung (w. E.) die mittlere Partie (x) heraus. 4. Die eine Lamelle (L!) entsendet einen Ausläufer, der die mittlere Epithel- partie (x) durchsetzt. 5. Die beiden Lamellen (L! L?) nähern sich, der Ausläufer (Ql) verästelt sich. Die seitlichen Epithelstreifen (w. E.) schrumpfen. 6. Die Lamellen (5, L! L?) verwachsen zur Kapsel (K). Die Basis (St) der Neubildung wird schmäler. Die bindegewebige Verästelung (Ql) schreitet fort. Die eingeschlossene Epithelmasse (w. E.) degeneriert zentripetal. Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 2253 Textfig. 3, L'!, L?). Hierdurch wird die Epithelwucherung (siehe Textfig. 3, w.E), in drei Teile geschieden, wobei dem in der Mitte befindlichen (x) von nun an die Hauptbedeutung zukommt. Indem die Bindegewebslamellen (L'!, L?) dann weiter nach oben wachsen, nähern sie sich allmählich einander und beginnen so, die zentrale Partie der Epithelverdickung (x) mehr und mehr einzukapseln. — Sehr früh sendet die Bindegewebslamelle der einen Seite (siehe Textfig.4, L'), einen Ausläufer (Q1) in die in der Mitte befindliche Epithelmasse (x) hinein, der sich gleich zu verzweigen beginnt und schliesslich baumförmig verästelt (siehe Textfig.5, Q1). Sowie sich die Bindegewebslamellen berühren, verwachsen sie und kapseln die eingeschlossene Epithelmasse vollständig ab (siehe Textfig. 6, w.E). Mit diesem Stadium ist auch die Umformung der pockenartigen Epithelwucherung zur Uyste erreicht, welche die charakteristische Form der flossen- ständigen Neubildungen darstellt. Um das wesentlichste in der Entwicklung der pockenartigen Epithelwucherung zur Cyste möglichst klar hervortreten zu lassen, habe ich mich nur auf die mittleren (Querschnitte beschränkt. Hier ist nämlich die Entwicklung stets am weitesten fortgeschritten. Die Enden der spindelförmigen Neubildung durchlaufen die gleichen Stadien erst später. Auch im Cystenzustande erfährt die Geschwulst noch mancherlei Veränderungen, die durch Schrumpfungs- und De- generationsvorgänge hervorgerufen werden. An der Schrumpfung ist vorwiegend die bindegewebige Kapsel beteiligt (siehe Textfig. 6, K). Auch das über sie hinweglaufende Epithel (E), welches den’ seitlichen Epithelstreifen (w.E) auf den in Textfig. 3—5 wieder- gegebenen Stadien entspricht, hat seine Stärke bedeutend reduziert. So entsteht die hirsekornförmige Gestalt der Neu- bildung (siehe Taf. XVI, Fig. 11), welche viei kleiner als die jüngere pockenartige Epithelverdickung (siehe Taf. X VI, Fig. 2). ist. Eine andere auffallende Veränderung am Tumor betrifft die Art seiner Verbindung mit der Unterlage. Während er nämlich dieser anfangs breitbasig aufsitzt (siehe Taf. XVI, Fig.13 und Textfig. 1-5), ist er jetzt (siehe Textfig. 6), von der Unterlage abgeschnürt, was zur Ausbildung eines kurzen Stieles geführt hat (St). Alle die genannten Veränderungen der Neubildung auf dem Cystenstadium sind deutlich aus den in Taf. XVI, Fig. 14, 16 224 Theodor Breslauer: dargestellten Querschnitten ersichtlich. Auf Fig. 14 ist die Ab- schnürung der Cyste besonders deutlich ausgeprägt (St), während dieses Verhalten auf dem in Fig. 16 abgebildeten Fall weniger gut zur Geltung gelangt, da an der Verbindungsstelle die mächtige — aber räumlich beengte — Epithelmasse (w. E) sich zwischen zwei Flossenstrahlen (F) in die Tiefe gesenkt hat. Bei diesen beiden Neubildungen lenkt das Verhalten des Epithels ein erhöhtes Interesse auf sich. Auf dem in Fig. 16 wieder- gegebenen Querschnitt durch eine flossenständige Cyste ist das bis zur normalen Stärke reduzierte äussere Epithel (E) künstlich abgehoben. Von diesem durch eine dünne bindegewebige Kapsel (K) geschieden, befindet sich im Innern der Neubildung die ein- geschlossene Epithelmasse (w. E). Die Kapsel (K) entspricht den Lamellen L', L?, das eingeschlossene Epithel (w.E) dem Teil x dere Epithelwucherungen auf den älteren im Schema beschriebenen Stadien (siehe Textfig. 3—5, S. 222). Während nun beim Eintritt der Lamellenverschmelzung (siehe Textfig. 6), das verästelte Binde- gewebe ((Wl) noch im Zusammenhange mit der Kapsel (K) sich befindet, ist hier auf dem ausgebildeten Oystenstadium eine voll- ständige Trennung der bindegewebigen Verästelung eingetreten, wie Serienschnitte durch die ganze ÜUyste ergeben. Das Binde- gewebe ist dabei zu einer eigentümlichen homogenen Masse an- gequollen (siehe Taf. XVIII, Fig. 29, Ql), ohne seine scharfe Be- grenzungskontur oder sein spezifisches färberisches Verhalten eingebüsst zu haben. In der Mitte des Cysteninnern beobachtet man eine De- generation der Epithelzellen (Fig. 16, d.E), die wandständig be- ginnt und zentralwärts fortschreitet. Dieser Degenerationsvorgang wird schon auf früheren Stadien vorbereitet. Solange nämlich das Epithel eine frei nach aussen führende Fläche besitzt (siehe Taf. XVI, Fig. 13 und Textfig. 1—4, S. 222), können die zu oberst befindlichen Epithelschichten ungehindert abgestossen werden. Je mehr aber die Bindegewebslamellen (L!, L?) sich nähern (siehe Textfig. 5), wird der Ausführungsweg für die abgestossenen Epithelzellen der zentralen Epithelmasse verlegt. Diese Verhaltung begünstigt auch die bindegewebige Verzweigung (Ql) zwischen den Lamellen (siehe Textfig. 5). Im vorliegenden Falle (siehe Taf. XVI, Fig. 16), erfolgt der Degenerationsvorgang nicht in gleichmässiger Weise von der Kapsel (K) nach dem Innern Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 225 zu. Nach aussen hin befindet sich eine wandständige Lage von Epithelzellen (w.E), die einen durchaus funktionstüchtigen Ein- druck macht und etwa die 25fache Stärke der darüber hinweg- laufenden normalen Epithelschicht (E) aufweist. Ziemlich plötzlich geht die wandständige Epithelschicht in einen Hohlraum (H) über, welcher mit einer Flüssigkeit und Detritus (d.E) erfüllt ist. Hier kann man die Epitheldegeneration genau verfolgen. Sie geht unter Chromatolyse des Kernes vor sich. Besonders zahlreich sind die degenerierenden Epithelzellen (d.E) zwischen den Lücken der bindegewebigen Verästelung (Ql) eingestreut, die als Aus- schnitt aus Fig. 16 in Taf. XVIII, Fig. 29 vergrössert wiedergegeben ist. Während hier (siehe Fig. 16), die einzelnen Epithelschichten teilweise zusammenhängen, sind sie in anderen Fällen in kon- zentrischen Zonen angeordnet und durch breite Gewebslücken voneinander getrennt. Aber auch da lässt sich ein zentripetales Fortschreiten der regressiven Metamorphose erkennen. Über das weitere Schicksal der Cysten ist mir nichts be- kannt. Das Schrumpfen ihrer Gestalt sowie ihre beginnende Ab- schnürung von der Unterlage scheint dafür zu sprechen, dass sie sich vollends ablösen. Eine besondere Stellung nimmt die in Fig. 14, Taf. XVI im Querschnitt abgebildete Cyste ein. Weder eine bindegewebige Verästelung noch Degenerationserscheinungen sind hier zu beob- achten. Vielmehr sind alle Epithelzellen durchaus funktions- tüchtig. Darauf weisen die ungemein zahlreichen mitotischen Teilungsvorgänge hin, die man hier beobachten kann. Allerdings findet man sie nur in den wandständig gelagerten Zellen. Viel- leicht ist daher ihr Fehlen im Zentrum als eine Andeutung dafür aufzufassen, dass auch hier in Kürze eine Degeneration einsetzen würde. Die Mitosen selbst bieten übrigens keine von der Norm abweichenden Befunde. Sehr auffällig ist nun, dass ein Teil der bindegewebigen Kapsel (siehe Abb. 14, K) an einer Stelle stark verdickt ist. Sie nimmt hier den normalen Üutischarakter der Flosse an, indem sie sich unmittelbar unter der darüber liegenden Epidermis (E) zu der typischen straffen Bindegewebslage (s. B) verdichtet. Das gleiche geschieht auch nach innen zu, unmittelbar über der eingeschlossenen Epithelmasse (w.E). Zwischen den straffen Grenzschichten (s. B.) ist dagegen die Bindegewebskapsel (K) zu einem lockeren, zellreichen Gewebe differenziert. Diese 226 Theodor Breslauer: Erscheinung legt die Frage nahe, ob es sich hier vielleicht um einen Regenerationsvorgang handelt. Die Epithelzellen im allgemeinen zeigen — abgesehen von den degenerierenden Formen — bei den flossenständigen Nen- bildungen nur insofern eine Veränderung gegenüber den normalen Epithelzeilen der Flosse, als sie — wie schon vorhin erwähnt — bei den pockenartigen Epithelwucherungen auffällig vergrössert sind. Ihre Volumenzunahme — ihr Durchmeser ist um das drei- bis vierfache vergrössert — lässt die Zell- und Kernstrukturen besonders deutlich hervortreten. Auffällig ist dabei, dass die Nukleoli durch einen hellen Hof von der übrigen Kernmasse geschieden sind. Auch der Kern selbst wird von einem hellen Hof umgeben, den radiär verlaufende Plasmabrücken durchsetzen. Zusammenfassung. Auf den Flossen trifft man die histologischen Veränderungen in zwei verschiedenen Formen an. Übergänge zwischen beiden lehren aber, dass wir es nur mit zwei verschiedenen Entwicklungs- stadien von genetisch einheitlichen Neubildungen zu tun haben. Die jüngeren Formen bilden weissbläulich abgetönte, flache, lokale Epithelverdickungen von spindelförmiger Gestalt, die den Flossenstrahlen parallel der Flosse aufsitzen (Taf. XVI, Abb. 2). Histologisch stellen sie reine Epithelwucherungen nach Art der Karpfenpocken dar (Taf. XVI, Abb. 13). Ihre Zellen sind jedoch stark vergrössert und lassen eigenartige Strukturverhältnisse erkennen. Häufig liegen die Epithelwucherungen zu einer Gruppe vereinigt (Taf. XVI, Abb. 5, Taf. XVI, Abb. 11). Hier — wie auch isoliert — unterstehen sie einem formativen Einfluss der Flossenbewegung. Die Entwicklung zur älteren Form, der Cyste, vollzieht sich, indem das Corium sich zunächst verdickt und dann einige bindegewebige Lamellen in die Epithelmasse hineinsendet, bis ein grosser Teil derselben vollständig abgekapselt ist (S. 222, Textfig. 1—6). Während nun die Neubildung eine stielförmige Verbindung mit der Unterlage annimmt, reduziert das ausserhalb der Kapsel befindliche Epithel seine Stärke bis zu der des normalen Flossenepithels (Taf. XVI, Abb. 14). Schon vor völliger Ab- kapselung setzt im Cysteninnern eine unter Chromatolyse des Kernes verlaufende Epitheldegeneration ein, und das ganze Ge- bilde beginnt zu schrumpfen (Taf. XVI, Abb. 16, Textfig. 6). m [8W) —I Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. Bemerkenswert dabei ist die Ablösung des in das Üysteninnere hineingewucherten Bindegewebes von der Kapsel, welches eine eigenartige Beschaffenheit annimmt (Taf. X VIII, Abb.29). Gelegent- lich beobachtet man in der Kapsel Erscheinungen, die an Regene- rationsvorgänge erinnern (Taf. XVI, Abb. 14). 9. Die kopfständigen Neubildungen. Viel variabler in der äusseren Gestalt und in ihrer histo- logischen Organisation sind die Neubildungen am Kopf. Sie sitzen hier — wie bereits betont — fast ausschliesslich am visceralen Teil und zwar meistens auf der Haut, in wenigen Fällen auch auf der Schleimhaut. Auf der Haut zeichnen sie sich schon im frühen Stadium durch eine auffallend prominente Gestalt aus, welche mit dem papillomatösen Charakter ihres histologischen Baues zusammen- hängt. Am lebenden, im Wasser frei herumschwimmenden Tier sind die kopfständigen Stintneubildungen als halbdurchsichtige Gebilde von milchglasfarbenem Schimmer leicht zu erkennen, zumal sie auf dem in der Regel pigmentierten Untergrund des Kopfes sich sehr scharf abheben. Hierzu kommt noch ihre auf- fällige Silhouette, welche die Aufmerksamkeit des Beobachters sofort auf sich lenkt. Sind die Neubildungen am Kopf etwas über erbsengross, so kann derselbe schon derart verunstaltet sein, dass die Orientierung der Mundspalte selbst bei Lupen- betrachtung schwer fällt. Ganz besonders ist dies der Fall, wenn zahlreiche Furchen die Oberfläche der Neubildung durchziehen. Dann dürfen wir in den meisten Fällen annehmen, dass wir einen aus mehreren Einzelgebilden zusammengesetzten Tumor vor uns haben. Auch hier am Kopf kann man zwei Hauptformen unter- scheiden. Die einen weisen einen primitiven Bau auf, ähnlich wie die pockenartigen Epithelwucherungen auf den Flossen, nur mit dem Unterschiede, dass am Kopf das Corium sich meistens ebenfalls verdickt. Diesen Formen gegenüber stehen — sie an Zahl bei weitem übertreffend — organoide Gebilde von vor- wiegend papillomatösem Bau. Sie schwanken in ihrer Grösse von einem Stecknadelkopf bis zu einem Taubenei. Genaue Ver- gleiche ergeben, dass auch am Kopf eine reine Integument- bezw. Epithelverdickung das erste Stadium jeder Neubildung sein 228 Theodor Breslauer: muss. Doch braucht im Laufe des Wachstums sich nicht immer ein organoider Charakter auszubilden, sondern unter Beibehaltung des primitiven Baues nimmt oft die Integumentverdickung nur an Grösse zu. Indem sie sich hierbei ganz besonders der Fläche nach ausdehnt, kann sie häufig enorme Bezirke umfassen und hierdurch eine bedrohliche Tendenz annehmen. In solch vor- geschrittenen Fällen bemerkt man dann nicht selten, wie das Bindegewebe stellenweise sich anschickt, in das Epithel hinein- zuwuchern. Die Neigung der primitiven Integumentverdickung, den organoiden Üharakter einer Neubildung anzunehmen, ist hier deutlich zu erkennen. Über die Verteilung der kopfständigen Neubildungen wurde im allgemeinen Teil bereits das Wesentlichste gesagt. Im Folgenden soll ihre Gestalt und ihr histologischer Bau an der Hand besonders typischer Fälle geschildert werden. A. Organoide Formen. Zu den Neubildungen von organoidem Bau gehören in erster Linie fast alle lippenständigen Neubildungen. Am normalen Stint befindet sich nämlich an den freien Mundrändern ein lippenförmiger schmaler Wulst, der aus einer von Epithel über- kleideten bindegewebigen Lamelle besteht. Dieser ist fast stets der Ausgangspunkt der Neubildungen und zwar entwickeln sich die Geschwülste in der Regel auf der nach aussen gerichteten Epithelfläche des Wulstes. Bei jungen solitären Formen lässt sich dies bei der mikroskopischen Untersuchung einwandfrei erkennen. Es soll auch von Fall zu Fall darauf hingewiesen werden, weil die primäre Beteiligung der äusseren Epithelseite ein Indizium dafür darstellt, dass die Neubildungen sich vorzugsweise an besonders exponierten Gegenden entwickeln. In den jüngsten Stadien, die ich beobachten konnte, stellen die lippenständigen Neubildungen weizenkorngrosse Gebilde dar. Sie befinden sich, wie ihr Name sagt, auf den freien Mundrändern. Schon früher (8.210) habe ich darauf hingewiesen, dass der von der normalen Haut überaus abweichende Organisationstyp der lippenständigen Neubildungen eine ganz besonders grosse Anhäufung der für ihre Entstehung notwendigen Reize vermuten lässt. So ist es vielleicht zu erklären, dass schon die kleinsten Formen einen ausgesprochenen Ansatz zur organoiden Ent- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 229 wicklung aufweisen. Zwei derartige Neubildungen sind auf Taf. XVII, Abb. 17 und 18, im Längsschnitt wiedergegeben. Die eine (Taf. XVII, Abb. 18) befindet sich am Ober-, die andere (Taf. XVII, Abb. 17) am Unterkiefer. Die Oberfläche der ersteren ist eben, die der letzteren erodiert (Er). Die Erosionsfläche ist nach vorn zu gerichtet. Beide Neubildungen sind an der Ansatz- stelle ringförmig eingeschnürt, ferner sehr kurz und noch ziem- lich breitbasig gestielt. Ihre Längsachsen stehen fast senkrecht auf der Unterlage. In anderen Fällen können sie aber auch nach der Seite hin gerichtet sein. Der Tumor bildet dann sehr oft ein Hindernis für den Kieferschluss. In Taf. XVI, Abb. 4 und 5 sind zwei solcher Fälle dargestellt (x). Die Artikulation ist auch dann meistens behindert, wenn die Neubildung der Breite nach sehr stark entwickelt ist (siehe Taf. XVI, Abb. 6, x). Der histologische Bau der beiden erstgenannten Neu- bildungen (Fig. 17 und 18) ist noch relativ einfach zu nennen. Die am Oberkiefer befindliche (Abb. 18) stellt eine enorme Ver- dickung des Lippenwulstes dar. Zwei Lamellen (L!, L?), welche vom bindegewebigen Anteil der Lippe ausgehen, durchsetzen eine dichte Epithelmasse (w. E). Diese entspricht teilweise der nach aussen zu liegenden Epidermisschicht des Lippenwulstes, denn das innere Epithel (i. E) sieht man in normaler Stärke verlaufen. Die obere Bindegewebslamelle (L?) ist dick und kurz, die untere (L!) sehr lang. Sie reicht fast bis an die Oberfläche der Neu- bildung. Auf dem Wege dahin gibt sie Querlamellen (Ql) ab und bildet dadurch Fächer für das Epithel. Dieses liegt in jenen nestartig eingebettet (w. E). Auf der Abbildung 17, welche einen Längsschnitt durch die Neubildung am Unterkiefer zeigt, sind die bindegewebigen Fächer (Ql) quer getroffen. Auch hier ist die nach innen zu gelegene Epithelseite des Wulstes (i. E) normal und geht plötzlich in die dicke Epithellage des Tumors über. Sie kleidet die durch das bindegewebige Stroma gebildeten Wände in verschiedener Stärke aus und übertrifft dabei die der normalen Epidermis stellenweise um das l15fache (w. E). In den beiden Neubildungen sind die untersten Zellenlagen der nestartig angeordneten Epithelmassen (w.E) zylindrisch geformt. Weiter vom Stroma entfernt schichtet sich das Epithel in einer gewissen Ordnung, die der Druckrichtung entspricht, in welcher es nach dem Zentrum eines Faches zu proliferiert. Dabei ergeben 230 Theodor Breslauer: sich die verschiedenartigsten Bilder, indem die Epithelzellen alle nur erdenklichen Formen annehmen. Häufig strecken sie sich spindlig, manchmal krümmen sie sich halbmondförmig und über- holen sich dabei gegenseitig. In Winkeln, die durch abzweigende (Juerlamellen gebildet werden, liegen sie haufenweise wie an einem toten Punkt. Durch die Reibung mit anstossenden Epithel- massen, denen der Proliferationsweg in geringerem Maße oder überhaupt nicht versperrt ist, drehen sie sich wie im Wirbel und schichten sich dabei zwiebelschalenförmig. Bei älteren und grösseren Formen treffen wir sie in degeneriertem Zustand wieder. Hier bei den jungen Tumoren ist von regressiven Vorgängen noch wenig zu sehen. Das Bindegewebe erscheint normal. Zähl- reiche Gefässe durchsetzen es, besonders an der Ausgangsstelle der Neubildung vom Mutterboden. Sie haben ein weites Lumen und sind sehr dünnwandig. Auf die hierdurch bedingte leichte Verletzlichkeit sind wohl die Hämorrhagien zurückzuführen, die man besonders häufig bei den älteren Formen antrifft. Pigment ist ungleichmässig verteilt. In der kürzeren oberen Lamelle der an der Oberlippe befindlichen Geschwulst (Abb. 15) ist es reichlich vorhanden (P). Die Anhäufung gerade an dieser Stelle steht in erkennbarem Zusammenhange mit der starken Verbreitung des Pigments in dieser Kopfgegend überhaupt. Denn in der unteren Lamelle, welche dem pigmentfreien Corium des Mundes näher liegt. fehlt es ganz, desgleichen im Stroma der Neubildung ami Unterkiefer (Fig. 17, QU). Das Pigment liegt in dem in Taf. XVII, Fig. 15 dargestellten Falle in Chromatophoren, die sowohl im (rewebe der gesunden Haut wie in dem der Neubildung im aus- gebreiteten Zustande konserviert worden sind (siehe Taf. XVIIL Fig: 19, P.) Fine Zellform des Epithels, welche am Übergang des normalen zum gewucherten Epithel vorkommt, verdient eine besondere Beachtung. An dieser Stelle, die als Ausschnitt aus Abb. 18 (cf. die umrahmte Partie) in Abb. 19 stark vergrössert wiedergegeben ist, sieht man spindelförmige Zellen (s. E), deren Längsdurchmesser den der Breite ca. 15—20 mal übertrifft. Sie scheinen unter der Einwirkung eines ganz enormen seitlichen Druckes zu stehen, wie aus ihrer gestreckten Form und ihrem dichten Gefüge hervorgeht. Betrachtet man die Zellen unter noch stärkerer Vergrösserung, so zeigt es sich, dass sie mit Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 231 ihrer Hauptachse nicht in einer Ebene liegen, sondern dass jene eine Kurve beschreibt, etwa wie eine halbe Windung einer flach verlaufenden Spirale. Der Kern der Zelle ist nicht verändert, wohl aber das Plasma. Hier fallen tief dunkle Zonen auf, welche der Kontur des spindligen nach beiden Enden stark zu- gespitzten Zelleibes eng anliegen und sich scharf gegen das innere Plasma absetzen. Verfolgt man die Zellen durch mehrere optische Ebenen, so kann man genau erkennen, dass es nichts weiter als durch die Färbung scharf differenzierte Grenzschichten sind, die das Plasma allseitig umgeben, wenn auch in un- gleicher Stärke. Was die Natur dieser Hülle anbetrifft, so scheint es sich um eine dem Zellplasma wesensgleiche Masse zu handeln, die ich daher im Sinne F. E. Schulzes als Crusta bezeichne. Nach dem Rande der Geschwulst hin und überall dort, wo die Zellen weniger dicht liegen, fehlt diese Bildung. Die spindlige Zellform und die Crustabildung erklären sich sehr einfach, sobald man den Druck des vorspringenden Unterkiefers auf die Neubildung in Betracht zieht. Dass die Druckverhältnisse die normale Zellform bestimmen, ist eine bekannte Erscheinung. So führt Heidenhain (1911) die Zellformen der einzelnen FEpidermislagen auf seitliche Pressungen und senkrecht hierzu wirkende Spannungen zurück. Im vorliegenden Falle trifft der Unterkiefer den Tumor vorn an der flachen Mulde (M), die auf seiner Unterseite zu erkennen ist. Um nun die Wirkung dieses Druckes auf die betroffene Gegend (cf. die umrahmte Partie) einzuschätzen, muss man berücksichtigen, dass er durch Hebel- wirkung dahin übertragen wird. Als den Drehpunkt des Hebels kann man sich leicht die Basis (b) der oberen Lamelle denken, welche den relativ am wenigsten verschieblichen Teil der Neu- bildung darstellt. Eine Linie (a b), welche die tiefste Stelle (a) der Mulde (M) mit dem Fusspunkt der Lamelle (b) verbindet, bezeichnet die Lage des Kraftarms; eine Linie (b c), welche den Fusspunkt (b) mit dem Zentrum (c) der betroffenen Zellpartie verbindet, die Lage des Lastarms. Kraftarm und Lastarm, die sich bei b in einem stumpfen Winkel treffen, verhalten sich auf den einzelnen Längsschnitten durch die Neubildung verschieden. Es ergibt sich aber eine mittlere Proportion von etwa 8:1 zu- einander. Der Druck des Unterkiefers an der Mulde (M) pflanzt. Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 16 232 Theodor Breslauer: sich somit auf jene Epithelgegend in ca. achtfacher Stärke fort. Die hier liegenden Zellen strecken sich infolgedessen spindel- förmig. Dabei erfolgt die seitliche Pressung in der Druckrichtung, das Maximum der Spannung des Zellplasmas dagegen ist senk- recht hierzu gerichtet. Dass die Streckung der Epithelzellen in der Tat in der bezeichneten Richtung erfolgt, lehrt ein Ver- gleich der Präparate. Die eben auseinandergesetzte Druckwirkung, deren Orientierung auch an der aufwärts gerichteten Wachs- tumstendenz der bindegewebigen Lamellen (L!,?) zu erkennen ist, entspricht jedoch nur einer Komponente der vorhandenen Druckkräfte. Diese bewirken nämlich nicht nur die seitliche Kompression der Epithelzellen, sondern auch ihre spiralige Drehung. Denn der Druck des Unterkiefers bewegt oder dreht vielmehr auch die Neubildung um eine Längsachse, welche im wesentlichen von der Medianlinie der oberen Lamelle gebildet wird (L?). | Die Crustae dürften den plasmarandständigen Epithelfasern Kromayers funktionell gleichwertig sein, zumal sie auch teil- weise mit denen anderer Zellen in kontinuierlichem Zusammen- hange stehen. Ihre Aufgabe ist demnach wohl darin zu er- blicken, der enormen Längsspannung und der Zerrung entgegen- zuwirken, der die Zelle einmal durch den seitlichen Druck, dann aber auch durch die Drehung ausgesetzt sind. Dafür spricht vor allem das Fehlen der Crustae am Rande der Geschwulst und überall da, wo das Epithel keinerlei Druckwirkungen unterliegt. Trotz der räumlichen Enge sind die Kerne normal gross und normal geformt. Ja, Mıtosen, welche zahlreich anzutreffen sind, spielen sich derart ab, dass ihre Achse sich quer zur Längs- achse der Zelle einstellt. Dieses Verhalten zeigt, dass der Kern von dem Druck gar nicht betroffen zu sein scheint. Die schützende Wirkung der Crusta kommt hierdurch deutlich zur Geltung. In manchen Fällen nimmt die Neubildung schon im jugend- lichen Stadium einen blumenkohlartigen oder polypösen Charakter an. Er kommt dadurch zustande, dass der bindegewebige Anteil der Lippe eine Anzahl Lamellen entsendet, welche fortlaufend von einer dicken Epithellage überzogen sind. In Fig. 22 ist ein solcher Fall abgebildet. Die Risse im Epithel (w. E) sowie seine Abhebung von der Unterlage stellen postmortale Veränderungen dar. Man erkennt einen zwischen Maxillare (Ma) und Prämaxillare Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 233 (Pm) entspringenden Bindegewebswulst (s. B), welcher mehrere Seitenlameflen (Ql) abgibt. An der Ansatzstelle ist der Wulst stark verdickt und von zahlreichen Gefässen (G) durchsetzt. Die nach innen zugewandte Epithelschicht der Lippe ist auch hier von normaler Stärke (siehe Abb. 22, Taf. XVIl i. E), ein Beweis, dass die äussere Epithelseite genau wie in den früher betrachteten Fällen (Fig. 17 und 18), Ausgangsort der Neubildung ist. Der vordere Teil der Mundschleimhaut (Iv) ist im vorliegenden Fall (Fig. 22) ausnahmsweise isoliert in eine Neubildung umgewandelt worden und zwar nach Art der später noch zu erwähnenden Integumentverdickung. Das Epithel (w. E) des polypösen Tumors proliferiert in gleichmässigen Schichten, da es überall, wo es das Stroma überzieht, frei nach aussen führende Flächen besitzt. Auch hier finden wir im Bindegewebe der Neubildung Pigment- zellen eingelagert (P). Dieselben sind jedoch ebenso wie im Coriums der zunächst befindlichen Kopfgegend in kontrahiertem Zustande konserviert worden. Schon auf einem so jungen Stadium, wie es der eben ge- schilderte Fall repräsentiert, können die Neubildungen im histo- logischen Bau Erscheinungen aufweisen, die an die Natur maligner Formen erinnern. So fand sich z. B. in einem hier nicht abgebildeten Falle eine erbsengrosse Neubildung an der Oberlippe eines Stintes. Dieselbe sass vorn dem Prämaxillare kurz gestielt, aber noch ziemlich breitbasig auf. Sie hatte sich auf den Unterkiefer zu entwickelt und wurde daher von den scharfen Zähnen desselben fortwährend verletzt. Eine tiefe Furche bezeichnet am konser- vierten Präparat diese Stelle und teilt den Tumor in zwei Teile. Der kleinere hintere Abschnitt, welcher zwischen den Zähnen des Maxillare und Dentale liegt, zeigt ein histologisches Bild, das der Quetschung entspricht, der der Tumor an dieser Stelle aus- gesetzt ist. Ein regellos verlaufendes wabenförmiges Stroma ist voll angefüllt von Epithelzellen, die sich nach dem Druck schichten, den die Zähne beim Kieferschluss ausüben. Der vordere und grössere Teil der Neubildung dagegen ist nach oben zu ge- drängt und liegt der Haut über dem Rostrum dicht an. In beiden Tumorhälften verlaufen die Epithelzapfen in unregelmässigen Windungen. Auf Schnitten, welche durch die Neubildung geführt sind, sieht man sie daher stets sowohl längs wie quer getroffen. Am vorderen Teil der Neubildung ist die dichte und ungeordnete 16* 234 Theodor Breslauer: Durchsetzung des Bindegewebes mit Epithelzapfen und.Zellhaufen ganz besonders auffallend. Das Bindegewebe bildet hier nicht regelmässig verlaufende Lamellen, sondern stellt ein wirres Netz von Bindegewebszügen dar. Das Stroma der Neubildung ist überall von weiten, zartwandigen Gefässen erfüllt. Hämorrhagien sind darum keine Seltenheit. Die Epithelzellen zeigen stellenweise eine eigenartige Anordnung. Häufig liegen sie nämlich zwiebel- schalenförmig geschichtet. „Man könnte sie“ — um mich hier einer- gelegentlich der Untersuchung der Karpfenpocken von M. Plehn gebrauchten Ausdrucksweise zu bedienen — „in der Tat mit Kankroidperlen vergleichen, wenn nur eine Spur von Verhornung vorhanden wäre.“ Mitosen sind in den eingeschlossenen Epithelnestern zu beobachten; sie weisen jedoch keine Ab- weichungen von den normalen auf. Ein anderer bemerkenswerter Vorgang betrifft die Schleim- zellen am vorderen Teil derselben Neubildung. Diese sind in der seschwulst weder in der regelmässigen Verteilung noch in dem gleichen Mengenverhältnis wie in der normalen Epidermis an- zutreffen. An manchen Stellen fehlen die Schleimzellen ganz. An anderen wiederum liegen sie zu hunderten haufen weise beisammen. Ihre Kerne sind dann meistens zerfallen. Vereinzelt findet man die Schleimzellen fast nur nach den Rändern der Neu- bildung zu. Hier befinden sie sich auch dann noch im funktions- tüchtigen Zustande. Eine noch weiter vorgeschrittene Neubildung veranschau- licht Taf. XVII, Abb.20 im Längsschnitt. Der Stint, dem sie angehörte, fiel dadurch auf, dass er den Mund nicht ganz schliessen konnte, obgleich äusserlich vorn am Rostrum nur ein etwa weizen- korngrosser Tumor zu sehen war. Bei der näheren Untersuchung zeigte es sich dann, dass auch die vordere Hälfte der Mundhöhle von einer etwa erbsengrossen Geschwulst erfüllt war. Beide Neu- bildungen hängen zusammen und sitzen mit einer gemeinsamen breiten Basis dem Mundrande bezw. der Mundschleimhaut auf. Die Einkerbung, die an dem Punkt M in Fig. 20 zu erkennen ist, wird durch den gegen den Tumor wie ein Keil andrängenden Unterkiefer (D) bewirkt. Der vom Unterkiefer ausgehende Druck bestimmt die Wachstumsrichtung der Neubildung, indem sich der vordere Teil nach oben, der hintere nach der Mundhöhle zu ent- wickelt. Der Unterkiefer selbst hat durch den steten Druck bei [eb | Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 23 der Kieferschliessbewegung in der Gegend des Dentale eine De- formation erlitten, indem sein oberer Rand vorn übergeneigt ist. Das histologische Bild der Neubildung deckt sich mit dem der vorhin beschriebenen. Es ist hier nur noch eine graduelle Steigerung der Destruktions- und Degenerationsvorgänge zu be- merken. Die Epithelzapfen (Ez) reichen fast bis an den Rostral- knorpel (R). Sie sind hier von diesem durch eine Schicht straffen Bindegewebes getrennt (s. B). Die Verdichtung der Fibrillenzüge in der Bindegewebsschicht scheint sich im Sinne einer schützenden Reaktion gebildet zu haben. Das Stroma der Neubildung (L) ent- hält sehr reichlich Blutgefässe und macht beinahe den Eindruck einer Blutgefässgeschwulst, eines Hämangioms. Entsprechend dem vorgerückten Stadium, in dem der Tumor sich befindet, ist die Vorderseite seiner oberen Hälfte so stark erodiert, dass sie auf dem Längsschnitt (Fig. 20, Er) tief zerklüftet erscheint. Das Auftreten der Erosionen auf der Vorderseite der Tumoren, die bei der Vorwärtsbewegung des Fisches leicht Insulten aus- gesetzt ist, haben wir schon bei der in Fig. 17, Taf. XVII ab- gebildeten Neubildung beobachten können. Es erscheint mir von Wichtigkeit, auf dieses Verhalten besonders hinzuweisen, weil es in einer auffallenden Parallele mit der Erscheinung steht, dass fast stets nur die Aussenseite des Epithels am Lippenwulst die primäre Ausgangsstelle für die Neubildungen darstellt. Der in die Mundhöhle hineinragende Teil des Tumors (Fig. 20) besitzt eine ziemlich ebene Oberfläche. Hier liegen die Epithelzellen in einem sehr lockeren Gefüge und zwar kommt dies um so mehr zum Ausdruck, je weiter der Abstand der Zell- lagen vom Stroma ist. Auch hier steht das Gefüge der Zellen wohl in Beziehung zu der Druckwirkung, die vom Unterkiefer ausgeht. Im Gegensatz zu dem früher beschriebenen Fall, wo die Epithelzellen fest eingekeilt eine spindelförmige Form an- nehmen und zu der Crustabildung Anlass geben, haben hier die Zellen Platz zum Ausweichen. Das kommt an den besonders von der (uetschung betroftenen Partien durch die Lockerung des Zellverbandes zum Ausdruck. Dieser Vorgang wird gefördert durch die Lage des Tumors im Mundinnern. In den festgefügten Partien des Epithels sieht man eine eigenartige Form von Epitheldegeneration, die in der Bildung von Hohlräumen und Auflösung von Zellen besteht. Die Er- 236 Theodor Breslauer: scheinung erinnert an eine ähnliche, die Löwenthal (1907) gelegentlich der Untersuchung der Karpfenpocken als „ballo- nierende“ Degeneration beschrieben hat.') Diese Degenerations- form habe ich nur noch bei den Neubildungsformen beobachten können, die eine Integumentverdickung darstellen. Dort werde ich sie auch ausführlicher beschreiben. Mit zu den imponierendsten Exemplaren aller von mir beobachteten Neubildungen gehören die auf Taf. XVI, Fig. 1, 3, 7 und 8 abgebildeten. Beide befinden sich an Stinten, welche tot ankamen und somit etwas spät zur Konservierung gelangten. In beiden Fällen sind es mächtige Tumorgebilde, von denen bei makroskopischer Betrachtung sich nicht sagen lässt, ob sie aus einem oder mehreren Einzeltumoren bestehen. Der in Fig. 1 von der linken Seite und in Fig. 5 von oben her abgebildete Stintkopf weist vorn am Kopf eine bohnengrosse Geschwulst auf (x). Durch schmale Furchen getrennt, von denen die eine die ehemalige Mundspalte andeutet, schliessen sich diesem Tumor zwei andere Geschwülste an. Ein erbsengrosser Tumor befindet sich nämlich vorn am Unterkiefer und ein ebenso grosser (y) links seitlich, welcher an den Mundrändern entlang über die Mundwinkel hinweg bis zum Auge sich erstreckt, das er von unten her einrahmt. Die Neubildung des anderen Stints weist noch mächtigere Dimensionen auf. Abb. 7 zeigt den Kopf von oben, Abb. S von unten. Ein monströses Gebilde sitzt vorn am Kopf. Es ist ein taubeneigrosser Tumor, welcher rechts und links enorm aus- ladet. Oben erstreckt er sich bis zu den Naseneingängen, seit- lich bis zu den Mundwinkeln. Zwei Hauptfurchen durchqueren ihn. . Die obere, welche ganz vorn verläuft, stellt den Zugang zur Mundhöhle, die Mundspalte, dar. Diese ist somit aus ihrer natürlichen Lage vollkommen verschoben. Sie scheidet das monströse Gebilde in zwei Teile, in einen mächtigeren Abschnitt, welcher dem Unterkiefer angehört (x), und in einen kleineren, welcher den Oberkieferknochen vorn aufsitzt (y). Der Übergang !, Löwenthal versteht unter „ballonierender Degeneration“ die „Auflösung von Zellen mit Bildung kleiner mit Detritus gefüllter Hohl- räume“. Es handelt sich hier wohl um eine Degenerationsform, die auch beim Menschen in gewissen Epithelhyperplasien auftritt und als „Physalide“ wiederholt beschrieben wurde. Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 237 der Neubildung in die nicht veränderte Haut vollzieht sich am Unterkiefer ganz allmählich und wird nur durch zarte Rinnen angedeutet. Am Öberkiefer dagegen setzt sie sich wallartig und mittels einer klaffenden Furche (z) gegen die gesunden Nachbar- bezirke ab. Auch die histologische Untersuchung lässt erkennen, dass wir bei beiden Stinten Tumorgebilde von aussergewöhnlichen Dimensionen vor uns haben. Auf der Abb. 21, Taf. XVII, welche dem zuletzt beschriebenen Fall angehört und einen Sagittal- schnitt durch die linke Kopfhälfte darstellt, erkennt man zwei Nenbildungen, eine am Ober- und eine am Unterkiefer. Die kleinere gehört dem Oberkiefer an. Sie sitzt breit- basig dem vorderen Kopfrande auf und erstreckt sich von der Hautschleimhautgrenze der Mundspalte bis zur Nase. Das Binde- sewebe, welches Prämaxillare (Pm) und Maxillare (Ma) verbindet, ist stark verdickt (s.B). Es sendet eine Anzahl Lamellen (L) in eine mächtige Epithelmasse hinein (w.E). Die Organisation des Tumors entspricht den in Fig. 17 und 18 beschriebenen. Der dichte bindegewebige Strang (s. B). welcher von dem vorderen Rande der Nasengrube bis übers Maxillare hinaus sich in die Neubildung hinein erstreckt, ist der Weg, auf dem das Pigment (P) in diese eingewandert ist. Auffallend ist eine beträchtliche Ver- lagerung der Knochen- und Knorpelteile der Oberkiefer- (Pm, Ma, R) und Palatinreihe (Pa). Sie sind in einer seichten, nach oben zu offenen Kurve verschoben. Hierdurch und infolge der Wucherung des Bindegewebes, welches sich zwischen der vorderen Nasenwand und dem Maxillare befindet, ist die Nasengrube be- engt, ohne dass sie aber selbst in die Neubildung mit einbezogen wäre. Der Boden der Nasengrube, welcher normalerweise an dieser Gegend beinahe parallel zur Oberfläche des Kopfes ver- läuft (vgl. Taf. XVII, Abb. 22, Na), ist schief nach unten ge- richtet (Fig. 21, Na) und steht fast senkrecht auf dem Rostral- knorpel (R). Diese ganze Erscheinung wird durch den Druck der ge- waltigen Tumormasse bewirkt, die dem Unterkiefer angehört. Sie sitzt ihm mittels eines mächtigen Stieles (St) auf, welcher aus dem Lippenwulst hervorgegangen ist. Er ist auf der Abb. 21 im Längsschnitt getroffen. Weitlumige Gefässe (G) durchziehen in grösserer Menge den Stiel und verbreiten sich in die un- 238 Theodor Breslauer: zähligen Längs- (L) und Querlamellen (QD, die das Bindegewebe in die Geschwulst hineinsendet. Auch bei einem lebenden Stint konnte ich einen derartigen Stiel beobachten, welcher nicht wie im vorliegenden Falle durch die daran befindliche Geschwulst völlig verdeckt war. Durch das ihn durchströmende Blut sah er dunkelgefärbt aus, und man konnte ein leichtes Pulsieren an ihm wahrnehmen. Er hob sich ganz deutlich von der milchglasfarbigen übrigen Tumormasse ab. Vom Ende des Stieles, welcher in dem hier (Fig. 21) vor- liegenden Falle schräg nach unten verläuft (St), nehmen die bindegewebigen (uerlamellen (Ql) ihre Wachstumsrichtung nach oben. Der Wachstumsdruck der unteren Neubildung bewirkt zu- nächst, dass die gegenüberliegende Geschwulst am Oberkiefer, die — ihrem viel kleineren Volumen nach zu urteilen — jüngeren Datums ist als die am Unterkiefer, nach oben und hinten ge- drängt wird. Hierdurch kommt die vorhin erwähnte Verlagerung der Oberkiefer- (Pm, Ma, R) und Palatinreihe (Pa), sowie die Einengung der Nasengrube (Na) zustande. Andererseits setzt sich der Druck aber auch auf den Stiel (St) fort, dessen Länge und mächtige Entwicklung wohl als die Einwirkung des steten Druckes im Sinne eines trophischen Reizes gedeutet werden kann. Hier bei diesem Tumor am Unterkiefer verdient ein eigen- artiges Verhalten der bindegewebigen Lamellen eine besondere Würdigung, um so mehr, als es sich um eine Erscheinung handelt, die man häufig auf Längsschnitten durch umfangreiche Stint- neubildungen beobachten kann und die uns später noch einmal begegnen wird. In weit stärkerem Maße nämlich als es bei dem in Fig.20 abgebildeten und früher schon beschriebenen Tumor zutrifft, dienen hier die Bindegewebslamellen (Ql, L) der Blut- versorgung. Ist somit schon ihre reiche Verteilung in dem vor- liegenden Tumor bemerkenswert, so ist sie es erst recht durch die Art, in welcher sie erfolgt. Die bindegewebigen Quer- lamellen (Ql) stehen fast durchweg mit ihren Längsachsen senk- recht zu der Epithelfläche (v) des Tumors, welche den Druck auf die gegenüberliegende Neubildung vermittelt. Dabei hängen die Lamellen (Ql) durch Verbindungsstücke zusammen, an welchen die vom Druck am meisten betroffenen Teile des Tumors derart aufgehängt sind, dass ein auf diese wirkender Druck vermittels dieser Verbindungsstücke auf die benachbarten Querlamellen und Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 239 somit auch auf die übrige Epithelmasse der Neubildung über- tragen wird. So ist z.B. der in der Mitte befindliche und be- sonders umrahmte Teil (U) in der vorliegenden Abb. 21 durch ein solches Aufhängesystem ausgezeichnet. Mit (QI) sind die Querlamellen, mit (Vb) die Verbindungsstücke bezeichnet. Die gekennzeichnete Einstellung des Epithels und des Bindegewebes dürfte vielleicht die vorteilhafteste Entwicklungs- möglichkeit der Neubildung gewährleisten. Oftenbar wird hier- durch dreierlei erreicht. Zunächst wird die Neubildung als Ganzes gleichmässig von dem Druck in Anspruch genommen. Es übertragen nämlich — wie oben angedeutet — besonders belastete Teile des Tumors den auf sie ausgeübten Druck auf die übrigen minder bean- spruchten Partien der Neubildung. Ferner wird die Blutversorgung aufrecht gehalten. Dies könnte nicht der Fall sein, wenn die Querlamellen (QI) senkrecht zur Druckriehtung — in der vorliegenden Neubildung also hori- zontal — verlaufen würden. Sie würden dann nämlich durch den von oben her wirkenden Druck komprimiert werden. In diesem Falle aber wäre die Ernährung der Neubildung und ihr weiteres Wachstum vollständig in Frage gestellt. Schliesslich erscheint die besprochene Einstellung der Quer- lamellen (Ql) von grösster Bedeutung für eine äusserst zweckmässige Druckverteilung im Epithel selbst. Letzteres wird durch die Lamellen in Blöcke geschieden. Diese stellen auf Längsschnitten durch den Tumor oblonge, meist vier- oder fünfeckige Felder dar (siehe Abb. 21, x, y, z). Die Epithelblöcke entsprechen den schon auf früheren Stadien erwähnten Epithelmassen, welche — wie Parenchym im Stroma eines Organs — in den bindegewebigen Fächern ein- gelagert sind. Der Längsdurchmesser (a) des oblongen Feldes, das dem Epithelblock x angehört, verläuft mit der Druckrichtung, welche durch den vertikalen Pfeil (?) angedeutet ist, und mit den Querlamellen (Ql) parallel, sein Breitendurchmesser (b) liegt in der Horizontalen, die durch einen entsprechenden Pfeil (—>) bezeichnet ist. Die grössere Mächtigkeit in der Druckrichtung sichert dem Epithelblock eine grössere Festigkeit in dieser als senkrecht dazu. Gleichzeitig wächst auch hierdurch seine Elastizität. Beide Eigenschaften sind in der Horizontalen nicht so nötig wie dort, da hier nur geringe Spannungen herrschen. Die Kräfte, welche diese 240 Theodor Breslauer: darstellen, resultieren einmal aus der seitlichen Verschiebung der einzelnen Epithelzellen unter der Einwirkung des Druckes von oben her. Ferner wirken Zugkräfte, die von benachbarten be- lasteten Epithelblöcken ausgehen und durch Verbindungsstücke vermittelt werden. Da sich nun aber die seitlichen Spannungen aller Epithelblöcke ziemlich in einer Ebene — der Horizontalen — bewegen und entgegengesetzt wirken, so kompensieren sie sich zum grössten Teil. Diese Druckkompensationen sind aus dem geraden Verlauf vieler Querlamellenabschnitte (Ql) deutlich zu erkennen. Nicht immer liegen die Druck- und Zugverhältnisse so klar wie bei dem besprochenen Epithelblock x. Manchmal sind sie in einer Linie zu suchen, die der Resultante zweier Komponenten entspricht. Diese können durch zwei im Winkel zusammenstossende Teile von Querlamellen gebildet werden (vgl. das Feld y mit den (Juerlamellenabschnitten Qlı). In anderen Fällen bilden Teile von Querlamellen und Verbindungsstücke die Komponenten, aus denen sich als Resultante die Druckrichtung ergibt, wie z. B. im Feld z, wo Qle die (@uerlamelle, Vbı das Verbindungsstück be- deutet. Querlamelle und Verbindungsstück können streckenweise für einander eintreten und somit ihre Funktionen wechseln. Die Anordnung der Querlamellen (Ql) und ihrer Verbindungsstücke (Vb) nach den dargelegten Prinzipien dürfte als eine Schutzreaktion der Neubildung aufzufassen sein und spricht für ihren selbstän- digen — organoiden — Charakter. Der im Laufe des Wachstums des Tumors immer stärker werdende Druck in der Vertikalen hat auch den Unterkiefer (D) in Mitleidenschaft gezogen. Er hat sich an der abgebildeten Stelle um ca. 60° nach aussen gedreht. Geschwülste von der eben beschriebenen Grösse gehören durchaus nicht zu den Seltenheiten. Der grösste Tumor, der mir zu Gesicht gelangte, gehört — ebenso wie die vorhin erwähnten — einem ausgewachsenen Stint an, den ich lebend eine Zeitlang beobachten konnte. Hier war der ganze Kopf in ein Gebilde von abenteuerlicher Form umgewandelt. Nur ein Teil der Augen und des oberen Schädel- daches waren frei sichtbar. Der übrige Teil der Kopfoberfläche wurde von milchglasartig durchscheinenden Tumormassen ein- genommen, welche nach allen Seiten hin ungleich grosse Aus- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 241 ladungen aufwiesen. Durch tiefe Furchen waren sie unregel- mässig zerklüftet. Trotzdem der Fisch in seiner Nahrungsaufnahme ganz erheblich beeinträchtigt war, zeigte er eine kräftig ent- wickelte Gestalt und rege Schwimmlust. In der Atembewegung bewies er auch keine auffällige Unruhe. Dagegen gebärdete er sich äusserst erregt, wenn er an die Glaswände des Aquariums anstiess. Bald nach seinem Eintreffen war ein kleines Probestück der Geschwulst exzidiert und fixiert worden. Der ganze übrige Fisch wurde fast unmittelbar nach seinem am nächsten Tage er- folgten Tode konserviert. Bei der histologischen Untersuchung zeigte es sich, dass das monströse Gebilde aus einer grossen Anzahl von Einzel- tumoren in verschiedener Grösse und Form bestand. In dem abgebildeten Transversalschnitt durch den Kopf (Taf. XVII, Fig. 10) sieht man allein vier grosse Neubildungen. Zwei riesige Tumoren, welche die Maxillaria (Ma) beiderseits vollständig umgeben, reichen über den infraorbitalen Kanal der Seitenlinie (1.S) hinweg bis zum Naseneingang, wo sie sich als Integumentverdickungen (Iv), die später noch genauer beschrieben werden, fortsetzen. Der rechte Tumor erstreckt sich noch tief bis in die Mundhöhle hinein, die er zusammen mit einer etwa gleichgrossen Geschwulst, welche sich über dem linken Pala- tinum (Pa) befindet, fast vollständig ausfüllt. Ausserdem hängt noch eine mächtige Neubildung vom rechten Unterkieferrande herab (D). Daneben befinden sich noch am Kopf eine Anzahl kleinerer und zum Teil ebenso grosser Tumoren, die auf dem abgebildeten Schnitt nicht getroffen sind. Zusammen mit den eben ge- schilderten verursachen sie das monströse Aussehen des ganzen Kopfes. Von den Komponenten, die die Geschwülste zusammensetzen, ist das Verhalten des Bindegewebes von besonderem Interesse. An den Stellen, wo es die Knochen umgibt oder sie miteinander verbindet, ist es auffällig verdickt (siehe Abb. 10, s. B). Am interessantesten ist aber die Deformation, die der Tumor am Kopfskelett bewirkt hat. Hier fälit zunächst das trotz der Ruhelage weit gesperrte Maul und die seitliche Verschiebung des Unterkiefers nach links auf. Man kann sich denken, dass der Stint zunächst durch das mächtige Wachstum der in der Mundhöhle befindlichen Neubildungen zur ständigen Offenhaltung 242 Theodor Breslauer: des Maules gezwungen wurde. Um noch mehr Raum zu schaffen, musste der Unterkiefer dann seitlich nachgeben. Diese Seiten- bewegung bestand aber lediglich in einem Reiten des rechten Unterkieferrandes (D) auf der gegenüberliegenden Neubildung. Der Unterkiefer konnte diese Bewegung um so leichter ausführen, da seine in der Ruhestellung vorhandene Fixierung durch die Maxillaria (Ma) bei der Sperrung des Maules fortfiel, und die weitere Öffnung desselben schliesslich auf mehr Widerstand stiess als die Bewegung des Unterkiefers nach der Seite hin. Auch die Maxillaria (Ma) sind verlagert. Die wuchernde Tumor- masse hat sie von der Palatinreihe (Pa) abgedrängt. Hierbei tritt nun, wie das histologische Bild zeigt, der selbständige, organoide Charakter der Neubildung wiederum sehr deutlich zutage. So sind die Epithelblöcke (w. E) und die Bindegewebs- lamellen (L) der am linken Maxillare befindlichen Neubildung, welche den Druck des seitlich sich bewegenden Unterkiefers auf das Maxillare (Ma) vermitteln, in sehr zweckmässiger Richtung eingestellt. Die Bindegewebslamelilen zeigen nämlich eine Gitter- konstruktion derart, dass bei der Seitwärtsbewegung des Unter- kiefers die Lamellen auf Zug. die eingelagerten Epithelblöcke auf Druck beansprucht werden. Es wird auf diese Weise eine Deformierung der Geschwulst verhindert. Während sich so die Neubildung in einer für sie selbst zweckmässigen Art entwickelt, zieht sie aber bei jeder Seitenbewegung des Unterkiefers das linke Maxillare (Ma) von der Palatinreihe ab, wobei sie von einer zwischen Maxillare (Ma) und infraorbitalem Seitenkanal (i. S) mächtig dazwischen wuchernden Epithelmasse (V) wesentlich unterstützt wird. Der rechte Ast des Unterkiefers (D) ist eben- falls deformiert. Da er mit seinem oberen Rande fast ganz allein den vertikalen Druck vermittelt, beginnt er eine Querlagerung anzunehmen. Mit diesem Druck hängt auch das nach abwärts gerichtete Wachstum der von seinem Rande ausgehenden Neu- bildung zusammen. Die drei letzterwähnten Tumoren (siehe Fig. 1, 3—7, Ss— 21—10) stehen sich einander sehr nahe. Das kommt nicht nur in ihrer äusseren Form und in ihrer histologischen Organisation zum Ausdruck, sondern auch in einem typischen Verhalten der Epithelzellen. Diese schichten sich in den Fächern des Stromas zu einer Epithellage, die die normale Epidermis um das drei- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 245 bis fünffache übertrifft. Alle Zellen sind zylindrisch geformt und säulenartig aufeinandergeschichtet (siehe Taf. XVIII, Abb. 9, w.E). Weiter zur Mitte zu — von der Epithellage durch eine deutliche Gewebslücke (Gl) geschieden — trifft man auf eine Schicht un- regelmässig angeordneter Zellen (Z). Soviel lässt sich aus ihrer Gruppierung erkennen, dass sie dem Ausführungsgang eines Faches zustreben. Mehrere von ihnen sind dabei zu einem Ge- bilde von annähernd Kugelgestalt zusammengeschichtet, das an die früher erwähnte zwiebelschalenförmige Anhäufung von Epithel- zellen erinnert. Hier ist das Zellplasma — unter Erhaltung der räumlich geschiedenen Kerne — in auffälliger Weise zu einer mehr oder minder homogenen Masse konfluiert. Undeutliche Plasmagrenzen zeigen noch hier und da die ehemalige Form der Zellen an. Die Kerne selbst haben in solchen Zellgruppen eine randständige Stellung eingenommen. In der Mitte fast jeder Zellgruppe befinden sich nun fast überall ein oder mehrere Klumpen. Sie sind scharf konturiert, durchweg von fast kugel- förmiger Gestalt, aber verschieden grossem Volumen. Die kleinsten besitzen die normale Kerngrösse, die mächtigsten ihren achtfachen Durchmesser. Sie färben sich mit Böhmers Hämatoxylin oder Hämalaun dunkelblau und nehmen bei nachfolgender van Gieson- Färbung einen gelblichen bis orangefarbenen Ton an. Bei starker Vergrösserung beobachtet man, dass sie sehr häufig von einem Strahlenkranze umgeben sind. Nach Art eines Morgensterns sendet nämlich der Klumpen spitze Fortsätze in die Plasma- masse hinein. Dieses Phänomen ist bei den kleineren Einschlüssen sehr deutlich wahrzunehmen und tritt bei den allergrössten etwas mehr zurück. Eine feine helle Zone, die allmählich im Plasma verschwindet, umgibt jeden Einschluss. Die Kerne selbst weisen keine Veränderungen auf. Nur in den Fällen, wo die in der Mitte eines Faches befindliche Zellanhäufung einer totalen De- generation entgegengeht,. zeigen sie das Bild der Chromatolyse. Dann ist aber auch die ganze Zellschicht durch eine besonders breite Gewebslücke von der funktionstüchtigen Epithellage ge- schieden. Nach den Rändern der Neubildung zu kann man diese Einschlüsse ebenfalls antreffen. Sie verhalten sich ähnlich wie die in der Mitte eines Faches befindlichen. Die radiäre Strahlung ist hier jedoch nicht vorhanden oder nur andeutungsweise aus- geprägt. Einzelne besonders grosse Einschlüsse zeigen Einschnü- 244 Theodor Breslauer: rungen. Es sieht dann aus, als ob kleinere Klümpchen zu einem grossen zusammenfliessen wollten. Diese Einschlüsse erinnern durchaus an die eingangs er- wähnten Befunde Plehns (1906), die sie in den Kiemenepithel- wucherungen mancher Salmoniden gemacht hat. Auch Löwen- thal (1907) hat gelegentlich der Untersuchung der Karpfen- pocken ähnliche Zelleinschlüsse beobachtet: „Sie sind meistens kugelig und vollkommen homogen. — Nur sehr selten zeigen sie am Rand eine Radiärstreifung. Bei Anwendung des Farben- gemisches von van Gieson färben sie sich intensiver und in reinerem Gelb als das Protoplasma.“ Eine Deutung der Klumpen in den Kiemenepithelwuche- rungen im Sinne der Chlamydozoentheorie, wie sie Keysselitz (1908) zur Erklärung gewisser Kermeinschlüsse in Epithelzellen von Lippenepitneliomen mancher Barben herangezogen hat, lehnt schon Plehn (1909) vollständig ab. „Natürlich waren die merk- würdigen Zelleinschlüsse eine kräftige Anregung, im Anschluss an Provazeks Hypothese nach Parasiten zu suchen. Alle Be- mühungen waren aber vergebens. Gebilde, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit als Parasiten hätten deuten lassen, sind nicht vorhanden.“ Über die chemische Natur der Einschlüsse äussert sich M. Plehn nur sehr zurückhaltend: „Es müssen Plasma- ausscheidungen sein: vielleicht ist etwas chromatische Substanz hineingelangt und diffus darin verteilt, vielleicht beruht die Färbbarkeit aber auch auf der physikalischen Beschaffenheit. Die Kugelform der Einschlüsse selbst, sowie der in ihnen enthaltenen Vakuolen lässt darauf schliessen, dass sie flüssig sein müssen; sie verhalten sich wie Tropfen.“ Auch ich konnte in den Zelleinschlüssen beim Stint keine Gebilde entdecken, die etwa wie die von Keysselitz bei dem Lippenepitheliom der Barben beschriebenen für kleinste parasitäre Gebilde angesehen werden dürfen. Es fehlt somit ein Anhalt dafür, die Einschlüsse als Reaktionsprodukte der Zellen auf das Eindringen eines Mikroorganismus aufzufassen. Bei Keysselitz handelt es sich überdies um Vorgänge, die sich im Innern des Kernes abspielen, wobei eine Wechselbeziehung zwischen den fraglichen Gebilden und dem Chromatin des Kernes statthaben soll. Die Zelleinschlüsse in den Stintneubildungen sind dagegen stets nur ausserhalb der Kerne im Plasma anzutreffen. Im Kerne Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 245 selbst sind keinerlei auffällige Strukturen zu beobachten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Einschlussklumpen aus „Hyalin“ bestehen. Sie dürften wohl dem von Lubarsch (1903) als „sekretorisches oder intracelluläres Hyalin“ bezeichneten Um- wandlungsprodukt entsprechen. Dafür spricht das färberische Verhalten und die auf flüssige Konsistenz hinweisende Tropfen- form der Einschlüsse. Die Bildung der Klumpen scheint sich in der Weise zu vollziehen, dass das Plasma einer Anzahl ver- schmolzener Zellen an einigen Stellen in Hyalin übergeht und dann in der durch die strahlenförmigen Fortsätze angedeuteten Weise in der Mitte des gemeinsamen Plasmas zu einem Klumpen zusammentliesst. Eine Geschwulstbildung, welche durch eine dabei einge- tretene Verwachsung der Ober- und Unterkiefer ein besonderes Interesse erregt, möchte ich noch erwähnen. Man sieht am konservierten Präparat, wie ein erbsengrosser Tumor aus der rechten Seite der Mundspalte ragt, gleichsam, als ob er unter dem Drucke der Kiefer hervorquillt. Dabei bedeckt er den Ober- und Unterlippenrand zu einem grossen Teil. Das mikroskopische Bild (Abb. 24, Taf. XVII), zeigt einen Längsdurchschnitt durch die Geschwulst. Der ventrale Teil des Unterkiefers (D) ist abgeschnitten, um senkrechte Schnitte zu dem abgebildeten zu erlangen und fehlt darum auf der Fig. 24. Hier erkennt man, wie von jedem Lippenwulst — von der Unter- lippe mehr als von der gegenüberliegenden — bindegewebige Lamellen (L) entspringen, die sich ungefähr im Zentrum des Tumors begegnen. Das Stroma hat darum eine andere An- ordnung erfahren als in den bisherigen Fällen, ebenso die Epithel- zapfen (Ez). Die Hauptrichtung der letzteren sowie die der Lamellen (L) verläuft von der Mitte der Neubildung radiär nach allen Richtungen. Trotz des autonomen Charakters des Tumors, der sich in der Verwachsung zweier gegenüberliegenden Einzel- neubildungen äussert, ist von einem tieferen Eindringen des Epithels in die gesunde Umgebung oder gar von Metastasen nichts zu beobachten. Die aufgeführten papillomatösen Formen stellen das Haupt- kontingent aller organoiden kopfständigen Neubildungen vor. Nur in zwei Fällen befinden sich am Kopf organoide Formen von jenem cystenartigen Bau, wie er für das ältere Stadium der 246 Theodor Breslauer: tlossenständigen Neubildung charakteristisch ist. Ihr histologischer Bau entspricht völlig dem der cystenartigen Neubildungen an den Flossen. B. Primitive Formen. In manchen Fällen ähnelt die Organisation einiger Haut- neubildungen am Kopfe — selbst noch auf älteren Stadien — dem primitiven Bau, den die flossenständigen pockenartigen Epithelwucherungen aufweisen. Allerdings handelt es sich dann nicht nur um eine reine Epithelverdickung — wie bei jenen — sondern meistens ist auch gleichzeitig das Corium stark verdickt. Ähnlich wie die Haut wird auch die Schleimhaut in grösserer Ausdehnung ergriffen. Doch ist in letzterem Falle fast durch- weg ein Zusammenhang mit der Haut zu konstatieren. Auf der Haut geht die Neubildung mit Vorliebe von den Mundwinkeln aus. Ein Fall, der hier nicht abgebildet ist und den ich mit Nr. 1 bezeichne, interessiert durch die mächtige Ausbreitung des Tumors. Er erstreckt sich vom rechten unteren Augenrande um den Unterkiefer herum bis zum Unterkiefer- Seitenkanal der gegenüberliegenden Seite. Während die Neu- bildung diesen Seitenkanal noch nicht ergriffen hat, setzt sie sich in den rechten Unterkiefer- und Infraorbital-Seitenkanal fort. Die höchste Erhebung der Neubildung befindet sich genau über dem Mundwinkel. Von hier aus fällt sie flach ab und geht allmählich ohne deutliche Grenze in das normale Epithel über. Die Silhouette des betroffenen Kopfteiles entspricht der „einer geschwollenen Backe“. Histologisch stellt sich die vorliegende Neubildung vor- wiegend als eine mächtige Epithelverdickung dar. Das Corium weist nur an der Innenseite des Maxillare und in der Hautfalte, die den Mundwinkel bildet, eine Verdickung auf. Es ist von Interesse, dass an diesen Stellen — ähnlich wie bei jungen organoiden Formen — bindegewebige Fortsätze in die Epithel- masse einzuwachsen beginnen. Sowohl bei der Hautfalte des Mundwinkels wie der Innenseite des Maxillare handeit es sich um Stellen, die bei der Kieferbewegung einer ständigen mechanischen Reizung ausgesetzt sind. Für den Übergang einer primitiven Neubildung in eine solche von organoider Form ist daher der mechanischen Reizung vielleicht eine Bedeutung bei- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 247 zumessen. Das histologische Bild zeigt hier ein wirres Durch- einander von Fibrillenzügen und Epithelzapfen und -nestern. Es sieht aus, als ob das Epithel in das Corium hineingewuchert wäre. Am linken Naseneingang macht die Neubildung Halt. Sie endigt hier mit einer reinen Epithelverdickung. Aus einer Integumentverdickung von der eben geschilderten Form scheint auch die Neubildung hervorgegangen zu sein, die sich an der rechten Seite des Unterkiefers (D) befindet, welcher dem in Fig. 10, Taf. XVII abgebildeten und früher schon be- schriebenen Stintkopf angehört. Hier beobachtet man, wie das mächtig verdickte Corium des Unterlippenwulstes (s. B) feine Ausläufer (L) in die aufgelagerten Epithelmassen (w. E) hinein- sendet. Zwischen Maxillare und infraorbitalem Seitenkanal legt sich am normalen Tier das Epithel streckenweise in Form einer Falte hinein. Wird diese in den Bereich einer Neubildung mit einbezogen, so wandelt sie sich stets in eine homogene Epithel- schicht um, indem die beiden Epithellagen mit den einander zu- gewandten Flächen verschmelzen. Auf dem in Abb. 10 wieder- gegebenen Stintkopf tritt diese Erscheinung beiderseits deutlich hervor (V). In dem vorhin erwähnten Falle Nr. 1 hat diese Verschmelzung der Flächen der Epithelfalte ebenfalls stattgefunden, aber dabei zu wichtigen Konsequenzen geführt. Die Epithelzellen sind in ein reges Wachstum eingetreten und so finden wir sie bereits in der unmittelbaren Umgebung des Seitenkanals vor. wohin sie in Gestalt von Epithelzapfen hineingewuchert sind. Abb. 27, Taf. XVII zeigt einen Querschnitt durch den infraorbitalen Seiten- kanal (1. S), Hautepithelverdickung (w. E) und die in das Corium hineingewucherten Epithelzapfen (Ez). Es erscheint naheliegend, dass der stete Druck, welchen die Verdickung der Epithelfalte zwischen dem Maxillare und dem infraorbitalen Seitenkanal (i. S) hervorruft, das rege Wachstum der Epithelzellen veranlasst hat. Bei einem andern Stintkopf, den ich kurz als Nr. 2 be- zeichnen möchte, hat sich die Neubildung ebenfalls als Integument- verdickung entwickelt. Hier befindet sich ihre höchste Erhebung am linken hinteren Maxillarende. Auch in diesem Fall zeigt das Epithel offenbar eine starke Wachstumstendenz. Auf dem in Fig. 26, Taf. XVIII abgebildeten Querschnitt kann man verfolgen, Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 17 248 Theodor Breslauer: wie es zunächst eine Strecke weit als eine Epithelverdickung (w. E) verläuft. Es buchtet sich dabei stellenweise in das Corium vor, welches sich an der Grenzschicht stärker als normal zu einer straffen bindegewebigen Lage (s. B) verdichtet. Diese Erscheinung ist erst recht ausgeprägt in der Umgebung des mächtigen Epithel- zapfens (Ez), der sich plötzlich in die Tiefe senkt. In einer dritten Neubildung, die auch eine Integument- verdickung darstellt, sieht man eine Degenerationsform, welche eine grosse Ähnlichkeit mit einer „Physalide“ besitzt. Wie aus Abb. 23, Taf. XVI ersichtlich ist, bildet hier das Epithel (w. E) einen Hohlraum (H). Er ist von Flüssigkeit erfüllt und schliesst einen Haufen degenerierender Epithelzellen (d. E) ein, welche in den verschiedensten Stadien der Chromatolyse sich befinden. Mit Zunahme der Flüssigkeitsmenge übt diese offenbar einen immer stärkeren Druck auf die unmittelbar anliegenden Epithel- zellen aus. So dürfte deren spindelförmige, abgeplattete Gestalt (s. E) wohl am ehesten zu erklären sein. Der Druck scheint sich aber auch auf das Corium fortzupflanzen, welches sich an dieser Stelle zu einer flachen Mulde (M) vertieft. Ein bemerkenswertes Verhalten zeigen die Epithel- bezw. Integumentverdickungen, sobald sie auf der Conjunktiva oder der Schleimhaut der Nase und der Seitenkanäle auftreten. Bei dem unter Nr. 2 beschriebenen Stintkopf setzt sich die Epithelverdickung der Haut (Fig. 12, Taf. XVIlI) auf die Con- junktivalfalte (C) fort, die sich zwischen dem infraorbitalen Seiten- kanal (i. S) und dem Augapfel befindet. Hier hat sich auch das Bindegewebe eigenartig beteiligt, indem es vielleicht infolge des zunehmenden Druckes, welcher zwischen Auge und Fpithel- verdickung statthat, in die Epithelverdickung (C) hineingewuchert ist und sich dort gitterförmig verzweigt hat (g). Die eigentümliche Art der gitterförmigen Verästelung hängt auch mit der Epithelwucherung des infraorbitalen Seitenkanals (1. S) zusammen, der ebenfalls in die Integumentverdickung der Haut mit hineinbezogen ist. In diesem und ähnlichen Fällen wuchert zunächst das Epithel, welches unter normalen Verhält- nissen als relativ schmale Schicht das weite Lumen des Seiten- kanals umgibt, in das Lumen des Kanals hinein. Sehr bald kommt es dabei zu einer lückenlosen Ausfüllung desselben. Das Sinnesepithel, welches hier normalerweise reichlich vorhanden ist, Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 249 verschwindet sehr bald. Es geht unter dem herrschenden Drucke entweder zugrunde oder wandelt sich in das weniger differen- zierte Plattenepithel um. Bei dem riesigen Tumor, der auf der Figur 10 abgebildet ist, sieht man links einen Querschnitt durch einen derart umgeformten infraorbitalen Seitenkanal (i. S), während rechts gerade der Kommunikationsweg (Uw) getroffen ist. auf dem die Neubildung auf das Epithel des Seitenkanals übergegriffen hat. Auch Abb. 30, Taf. XVILL, zeigt den infraorbi- talen Seitenkanal in gleichem Zustande. Die gewucherte Epithel- masse kleidet ihn in Form eines homogenen Zylinders aus (1. S). In dem in Fig. 12 abgebildeten Fall ist die Epithelwucherung schon älteren Datums. Auch hier ist der Kommunikationskanal der Weg, auf dem sie sich von der Haut her in den Seiten- kanal fortgesetzt hat. In Fig. 31, Taf. XVII, ist ein Längs- schnitt des Kommunikationsweges (Cw) wiedergegeben. Wie Fig. 12 demonstriert, ist das Epithel im Seitenkanal zu einer umfangreichen, soliden Masse (i. S) angehäuft, die, in ständiger Proliferation begriffen, den ihr zu eng gewordenen Raum in der Richtung des geringsten Widerstandes zu durchbrechen droht. In diesem Sinne ist die aussergewöhnliche Erweiterung des Kanallumens aufzufassen. In vier mächtigen Epithelzapfen (Ez) dringt hier das Epithel zur Haut (Iv) vor. Der Druck wirkt auf den Knochen des Seitenkanals (i1.S.K) zürück, und dieser beengt wiederum die Conjunktivalfalte (C), welche sich bereits im Stadium einer Epithelverdickung befindet. So kommt zu dem erwähnten hier schon bestehenden Reizzustande noch der Druck von der Epithelwucherung im infraorbitalen Seitenkanal (i. S) hinzu. Dieser Umstand ist es wohl hauptsächlich, welcher die gitterförmige bindegewebige Durchsetzung (g) der zu einer Epithelverdickung umgewandelten Conjunktivalfalte (C) bewirkt. Die Bälkchen des Gitters schliessen so aneinander, dass sie einen wirksamen Schutz darstellen gegen das Hineinpressen des Seiten- kanalknochens (i.S. K) in die Conjunktivalfalte (C) oder gar ins Auge. Die Gefässe (G) des Coriums sind stark dilatiert, wie überall da, wo dieses auch sonst an einer Integumentverdickung beteiligt ist. Auf dem natürlichen Wege des Naseneinganges breitet sich die Neubildung auch in der Nasengrube aus. Sie befällt hier vorzugsweise die Nasenfalten. ze 250 Theodor Breslauer: In dem auf Fig. 10 abgebildeten Tumor ist auf der rechten Seite die äusserste Nasenfalte (Nf) ergriffen. Eine mächtige Epithellage (w. E), die die normale stellenweise um das 20 fache übertrifft, umgibt das bindegewebige Gerüst der Falte. Während dieses hier überhaupt nicht beteiligt ist, hat es sich auf der linken Seite stark verdickt (Nf), ohne dass eine entsprechende Epithelverdickung zu bemerken wäre. Eine ganz erhebliche Ausdehnung erreicht die Integument- verdickung in der linken Nasengrube bei dem schon unter Nr. 2 erwähnten Stint. Wie Fig. 31 und 12 demonstrieren, ist hier auch ein Seitenkanal in die Neubildung der Haut mit einbezogen worden. In der Nase (Taf. XVIII, Abb. 28) sind alle drei Nasen- falten ergriffen. Die der Medianebene am nächsten liegende (Nfı) ragt aus der Nasenöffnung hervor. Sie ist um das Doppelte ver- längert und sehr erheblich verdickt. Während die normale Falte glatte Wände besitzt. ist hier namentlich die rechte Wand mit starken Ausstülpungen versehen. Ebenso verhält sich die Nasen- falte auf der äusseren Seite (Nfs3). Hier ist das Epithel (w. E) in noch stärkerer Wucherung begriffen. Am oberen Ende ist es mit dem Epithel des Naseneingangs verwachsen (V). Der Ausweg an dieser Stelle ist darum versperrt. So kommt es, dass hier die Fpithelmasse in den kaudalen Nasenblindsack (K. N) hineingepresst wird. Ein interessantes Phänomen zeigt die mittlere Nasenfalte (Nfs2). Auch an dieser ist eine Epithelverdickung unzweifelhaft vorhanden. Während aber die Epithelmasse an den beiden andern Falten fast ausschliesslich aus Stützzellen besteht, kann man hier zwei Zonen deutlich unterscheiden (x, y), von denen sich nur die innere (y) aus Stützzellen aufbaut, während die äussere (x) fast vollständig aus Riechepithel besteht. Dasselbe ist gruppenweise zu Knospen angeordnet, die sich stielförmig verjüngen und mit dem bindegewebigen Gerüst in Verbindung stehen. Die Riech- zellen nehmen stellenweise die ganze Oberfläche der mittleren Nasenfalte ein und werden nur hier und da von solitären Schleim- zellen unterbrochen. Zwischen der bindegewebigen Achse (s. B) der Falte und den Riechzellen liegt die mächtige Schicht von Palisadenzellen (y), welche nach Art der Epithelverdickung wuchern. Die ungewöhnlich zahlreiche Anhäufung von Riechzellen an der Oberfläche der verhältnismässig noch wenig veränderten mittleren Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 251 Nasenfalte entspricht ihrer erhöhten funktionellen Beanspruchung. Die beiden andern Falten sind ja durch die Tumorbildung gänzlich ausser Funktion gesetzt worden. Die Bedeutung der freien Durchgängigkeit der Nasenöffnung für die Funktionstüchtigkeit des Riechepithels erhellt am besten aus dem in Fig. 30 abgebildeten Fall. Hier hat die Integument- verdickung, die sich auf der Haut ausbreitet, auch die Nasen- grube (Na) befallen. Dabei sind die Naseneingänge (V) voll- kommen verwachsen. Das histologische Bild zeigt nun das völlige Fehlen von differenziertem Riechepithel. Die Tumorzellen tragen durchaus den Charakter des Stützepithels. Wie eine homogene Masse lagert das Epithel an den Wänden. In der Mitte der Nasengrube, wo man sonst die Falten antrifft, ist es zu Detritus (d. E) umgewandelt. Unter dem Druck der Epithelwucherung haben sich offenbar die einzelnen Falten rückgebildet. Sie sind atrophiert. Nur ein kümmerlicher Rest einer mittleren (Nf.) ist vorhanden, der bei längerer Lebensdauer des Fisches wohl auch geschwunden wäre. Diese Beobachtungen an den Integumentverdickungen in der Nase lassen es jetzt auch verständlich erscheinen, wieso selbst in den frühesten Stadien der Epithelwucherung in den Seiten- kanälen kein Sinnesepithel mehr anzutreffen ist. Offenbar kann hier sehr bald durch einen soliden Epithelverschluss in einem Seitenkanalabschnitt, der zwischen den Abgangsstellen zweier Kommunikationswege liegt, die Strömung unterbunden werden. Infolge des Funktionsunvermögens oder unter dem herrschenden Druck, dem gegenüber das differenzierte Sinnesepithel viel empfindlicher sein dürfte als das Stützepithel, bildet sich allem Anschein nach jenes zurück und geht vollständig verloren. Über das weitere Schicksal einer derartig umgewandelten Nasengrube kann ich wegen Mangel an geeigneten Präparaten nichts berichten. Eine eintretende Regeneration des Sinnes- epithels aus dem normalen Deckepithel der Haut nach voll- ständiger Abstossung der zu Detritus umgewandelten Epithel- masse erscheint mir nicht ausgeschlossen, nachdem neuerdings Beigel-Klaften (1913) bei jungen Cypriniden dieses ex- perimentell nachgewiesen hat. Einen interessanten Befund in einer Nasenfalte, den Taf. XVI, Abb. 25 demonstriert, möchte ich noch erwähnen. Hier 252 Theodor Breslauer: ist der obere Rand einer Falte in eine Öyste umgewandelt. Die mittlere Nasenfalte gabelt sich in eine laterale und eine mediale Sekundärfalte. Wie auf Fig. 25 deutlich zu erkennen ist, ist in das bindegewebige Substrat der lateralen Sekundärfalte eine mächtige Üyste eingelagert. Dieselbe besteht aus einer sehr dünnen Wand, die sich aus offenbar in Degeneration befindlichen Zellen (d.E) aufbaut, und schliesst ein weites, prall mit Flüssig- keit gefülltes Lumen ein. Auch in der Mitte befindet sich etwas Zelldetritus (d.E). Dieser ähnelt in seinem färberischen Verhalten den zerfallenden Zellen in den flossenständigen cystenartigen Neubildungen. Da ich — wie bereits erwähnt — anderwärts am Kopf zwei cystenförmige Neubildungen angetroffen habe, die den Flosseneysten histologisch genau entsprechen, so dürfte das vor- liegende Gebilde wohl von einer typischen Oyste abzuleiten sein. Zum Schluss möchte ich kurz von der Kiemenepithel- verdickung berichten, die ich allerdings — wie eingangs erwähnt — nur bei einem Stinte angetroffen habe. Die äussere Form und der histologische Bau entsprechen den schon in der historischen Einleitung ausführlich erwähnten Befunden Plehns und Maza- rellis bei andern Salmoniden. Das unter normalen Verhältnissen nur einschichtige respiratorische Epithel ist in dem auf Taf. XVI, Fig. 15 abgebildeten Falle immens gewuchert (w.E), derart, dass die Kiemenblättchen grösstenteils in homogener Weise verwachsen sind (Ki). Makroskopisch bildet das Kiemenepithel an dieser Stelle eine solide Masse. Das Bindegewebe nimmt keinen Anteil an der histologischen Veränderung. Es handelt sich hier daher nur um eine reine Epithelhyperplasie. Das Epithel zeigt stellenweise eine derartige Schichtung, wie ich sie bei den Neu- bildungen beschrieben habe, in denen Einschlüsse zu finden waren. Im Gegensatz zu den Befunden von Plehn (1909), die ent- sprechende. Einschlüsse in den Kiemenepithelverdickungen des Bachsaiblines fand, sind jedoch in den gewucherten Kiemen- epithelzellen des Stintes keinerlei Zelleinschlüsse anzutreffen. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass hier noch ein relativ frühes Stadium vorliegt, so dass sich bei fortschreitender Degeneration immerhin noch jene Einschlüsse bilden könnten. Zusammenfassung. Die milchglasfarbenen Stintneubildungen des Kopfes zeichnen sich durch ihre schon frühzeitig auftretende prominente Gestalt Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 255 aus (Taf. XVI, Abb. 4—6). Wie an den Flossen kann man auch hier zwei Formen unterscheiden. Die einen weisen einen primitiven Bau auf und stellen reine Epithel- oder Integument- verdickungen dar, die andern sind komplizierter zusammengesetzt — organoid — und repräsentieren papillomatöse Gebilde. Letztere sind die häufigsten aller Stintneubildungen. A. Organoide Formen. Den weitaus grössten Anteil an organoiden Formen liefern die lippenständigen Neubildungen. Diese entspringen in der Regel vor der äusseren Epithelseite eines Wulstes, welcher normalerweise die freien Mundränder lippenartig verlängert. In jungem Stadium stellen die organoiden Neubildungen hirsekorngrosse Tumoren dar, die mit ziemlich breiter Basis der Unterlage aufsitzen (Taf. XVII, Abb. 17, 18 und 20). Sie bauen sich aus Epithel und Bindegewebe auf. Das Corium entsendet in die Epithelmasse fächerbildende Lamellen, in die sich die Epithelzellen nestartig einordnen. Diese zeigen gelegentlich Urustabildungen, deren Entstehung durch Druckwirkungen beim Kieferschluss erklärt werden kann (Taf. XVIII, Abb. 19). Einzelne Neubildungen besitzen eine blumenkohlartig zerklüftete Oberfläche (Taf. XVII, Abb. 22). Manchmal erleidet der Tumor eine Quetschung, welche durch den Biss der Zähne verursacht wird. Es entstehen dann auf der Oberfläche des Tumors keil- förmige Einkerbungen. Das histologische Bild erinnert hier häufig an das der Karzinome (Taf. XVII, Abb. 20). Andere Neubildungen fallen durch die unregelmässige Verteilung von Schleimzellen auf. Die in der Mundhöhle befindlichen Tumorteile zeigen in der Regel eine Lockerung ihres Zellgefüges. Mit zunehmendem Alter entwickeln sich die histologischen Veränderungen zu Körperanhängen von abenteuerlicher Gestalt (Taf. XVI, Abb. 1 und 3; Abb. 7 und 8). Man findet dann meistens mehrere von ihnen zu einer Gruppe vereinigt (Taf. XVII, Abb. 10). Neben der Ausbildung eines oft mächtigen Stieles interessieren hier vor allem die nach Art eines autonom wachsenden Gebildes — eines Organs — sich ausbreitenden und formenden Bindegewebslamellen (Taf. XVII, Abb. 21 und 10). Kieferdeformitäten von beträchtlichem Umfange sind häufig die Folge hiervon (Taf. XVII, Abb. 20, 21 und 10). In diesem vor- 254 Theodor Breslauer: gerückten Stadium begegnet man auch merkwürdigen Zellein- schlüssen des Epithels, welche wohl hyalinen Degenerationsvor- gängen ihre Entstehung verdanken. Bemerkenswert ist ein Fall, wo zwei Neubildungen des Ober- und Unterkiefers miteinander verwachsen sind (Taf. XVIIL, Abb. 24). B. Primitave Bormen. Die primitiven Formen der kopfständigen Neubildungen unterseheiden sich von den organoiden durch ihre flachere Ausbreitung und ihre einfache histologische Organisation, die meistens in einer Epithel- oder Integumentverdickung besteht. Mitunter können sie jedoch in eine organoide übergehen (Taf. XVII, Abb. 10). Dort, wo ständige Reize stattfinden, kann es zu Ein- wucherungen des Epithels in das Corium kommen (Taf. XVII, Abb. 27). Verbreitet sind Degenerationsvorgänge in „Physa- liden“-Form (Taf. XVI, Abb. 23). Gelegentlich bildet sich im Epithel eine gitterartige Verästelung des Bindegewebes, die als Reaktion auf Druck aufzufassen ist (Taf. XVII, Abb. 12). Nach Art der Epithelwucherungen erkranken die Seiten- kanäle, nach Art der Integumentverdickungen die Nasengruben. In beiden Fällen sind stets Kommunikationen mit Neubildungen auf der Haut ersichtlich (Taf. XVIII, Abb. 50 und 31). In den Seitenkanälen kommt es zu einer soliden Ausfüllung des Lumens durch einen Epithelzylinder (Taf. XVII, Abb. 10; Taf. XVIIL Abb. 31 und 30), welcher den Kanal auseinanderzu- drängen versucht (Taf. XVII, Abb. 12). Das Sinnesepithel geht hierbei früh zugrunde. In der Nase werden nur die Falten ergriffen, nicht die Blindsäcke (Taf. XVIIL, Abb. 25). Das Bindegewebe der Falten wuchert lebhaft, so dass diese bedeutend vergrössert werden. Das Riechepithel bleibt auf der Oberfläche des zu einer mächtigen Masse angehäuften Epithels stellenweise oft funktionstüchtig. Wenn die Nasenöffnungen verwachsen, tritt eine vollkommene Degene- ration des Epithels ein und eine totale Atrophie der Falten (Taf. XVIIL, Abb. 30). Auffallend ist die gelegentliche Umwandlung einer Nasenfalte zu einer echten Cyste (Taf. XVI, Abb. 25). Die Kiemenepithelverdickungen stellen reine FEpithel- wucherungen ohne Beteiligung des Bindegewebes dar (Taf. XVI, Abb. 15). Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 255 10. Schluss. Wie die vorliegenden Untersuchungen zeigen, stellen die histologischen Integument- und Schleimhautveränderungen der Stinte Gebilde dar, die nach ihrer Bauart und ihren Wachstums- erscheinungen als Neubildungen des Epithels — meistens mit gleichzeitiger Bindegewebsbeteiligung — anzusehen sind. Unter den vielen Unterschieden, die die Neubildungen aufweisen, ist besonders bemerkenswert das Auftreten zweier ÖOrganisations- formen, einer relativ selteneren primitiven und einer häufigeren organoiden, die in der Regel einem jungen und einem älteren Stadium der Neubildung entsprechen. Die wichtigsten Unter- schiede, die im histologischen Bau zu finden sind, ergeben sich aber aus der Lokalisation der Neubildungen, welche sich an verschiedenen Körpergegenden verschieden entwickeln. Hierbei nimmt der Entwicklungsgang der flossenständigen Neubildung — von einer reinen Epithelwucherung zu einem Oystengebilde — unter allen überhaupt bekannten Neubildungsformen des In- teguments der Wirbeltiere eine isolierte Stellung ein. In histologischer Hinsicht lassen auch die kopfständigen — papillomatösen — Formen der Stintneubildungen gewisse Eigen- tümlichkeiten erkennen, die ihnen eine besondere Bedeutung verleihen. Die schon im Cystenstadium angebahnte organartige Anordnung des Epithels und des Bindegewebes ist hier noch viel deutlicher ausgeprägt. Dieses Verhalten der genannten Gewebe kommt bei den papillomatösen Formen besonders durch eine An- ordnung zum Vorschein, welche der Neubildung die rationellste Ernährung sichert und sie bei eingetretenen Druckwirkungen bestmöglichst entlastet. Bei allseitig erfolgendem Druck — wie es z. B. bei fest eingekeilten Epithelzellhaufen der Fall ist — reagiert die Zelle durch eine Crustabildung. Sie ist nur bei Jugendlichen Formen zu beobachten und darf als ein Ausdruck gesteigerter Funktion angesehen werden. Auf älteren Stadien treten häufig Einschlüsse von einem eigentümlichen Verhalten auf, die einen Vorgang regressiver Metamorphose darstellen dürften. Von den primitiven Formen verdienen die in der Nase, Seitenkanal, gelegentlich auch auf der Kieme auftretenden Epithel- und Integumentverdickungen eine besondere Beachtung, da sie mit fortschreitender Entwicklung die Funktion der genannten Organe vollkommen lahm legen können. 256 Theodor Breslauer: Ein Vergleich all der vorliegenden Befunde mit solchen bei andern bekannten Fischgeschwülsten scheitert zum Teil am Mangel homologer Erscheinungen bei letzteren. Auf den einzig da- stehenden Entwicklungsgang der flossenständigen Neubildung zur Cyste habe ich schon hingewiesen. Ebenso ist das Auftreten von Epithel- und Integumentverdickungen in der Nase und im Seiten- kanal, sowie ihr eigenartiges Verhalten daseibst bei andern Fisch- arten noch unbekannt. Schliesslich habe ich auch die Crusta- bildung der Epithelzellen und die nach „rationellen“ Prinzipien erfolgende Verteilung und Anordnung des Epithels und Binde- gewebes in Neubildungen in der mir zugänglichen Literatur noch nicht beschrieben gefunden. Immerhin bleibt noch eine Menge von Vergleichsmomenten übrig, von denen nur die wichtigsten gestreift und kritisch be- leuchtet werden sollen. So zeigt ein Vergleich der gelegentlich der Untersuchung der Karpfenpocken von Plehnn (1906, 1909) mitgeteilten Befunde mit den vorliegenden Ergebnissen, dass die histologischen Veränderungen des Integuments und der Schleim- haut beim Stint den Karpfenpocken sehr nahe stehen. Hier wie dort ist die Multiplizität im Auftreten charakteristisch für die Neubildungen und ihre ausschliessliche Entstehung aus Haut- und Mundschleimhaut nachweisbar. Auch die höckerige Gestalt der Neubildungen sowie ihre eigenartige derbe Konsistenz und ihr milchglasähnlicher Schimmer ist bei beiden Fischarten zu beob- achten. Mehr aber noch wie diese äusseren Merkmale spricht die Art der Verbreitung der Karpfenpocken und der Stintneu- bildungen für eine einheitliche Krankheitserscheinung. Hier wie dort werden nämlich sehr zahlreiche Exemplare betroffen und fast stets nur die Insassen eines lokal begrenzten Wasser- gebietes. Dieses Verhalten tritt in einer so auffälligen Weise in Erscheinung, dass der Verdacht einer infektiösen Entstehungs- ursache sehr nahe liegt. All den genannten Faktoren, die für eine gemeinsame Krankheitserscheinung sprechen, können gewisse — ausschliesslich bei den Stintneubildungen beobachtete — Befunde keinen Abbruch tun. Ein Teil der Befunde — wie Crustabildung und Zelleinschlüsse — sind auch bei den Stint- neubildungen nicht durchgängig anzutreffen, sondern nur unter besonderen Bedingungen. Auf der anderen Seite hat auch Löwenthal (1907) bei den Karpfenpocken gewisse Plasma- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 257% einschlüsse gefunden, von denen Plehn (1909) gelegentlich einer Nachuntersuchung festgestellt hat, dass sie oft ganz fehlen können, und die nach meinen Beobachtungen bei den Stint- neubildungen überhaupt nicht vorkommen. Diesen prinzipiellen Unterschieden gegenüber darf dem Umstande nur eine relative Bedeutung beigemessen werden, dass die Cypriniden- pocken selten einen organoiden Charakter annehmen, die histo- logischen Veränderungen des Stints aber in der Regel. Trotz der auffälligen Verwandtschaft beider Krankheits- formen habe ich mich von ihr hinsichtlich der Bezeichnung — in Anbetracht dessen, dass die Stintneubildungen bisher noch nicht anderweitig untersucht wurden — fast gar nicht leiten lassen. Ich habe daher die fraglichen Integument- und Schleimhaut- gebilde mit der indifferenten Bezeichnung „histologische Ver- änderungen“ oder „Stintneubildungen“ belegt. Lediglich die tlossenständige Epithelwucherung — das Jugendstadium der Cyste — benenne ich wegen der ausgesprochenen Ähnlichkeit mit der typischen Epithelwucherung der Karpfenpocke als „pocken- artige Epithelwucherung“. Was die Gut- oder Bösartiekeit anbetrifft, so haben wir es beim Stint prinzipiell mit gutartigen Neubildungen zu tun. Aller- dings ist in einigen Fällen ein aktives Eindringen von Epithel- zapfen in die Tiefe zu beobachten. Doch geschieht dieses nie mit verwischten Grenzübergängen wie bei Warmblüterkarzinomen, welche die Umgebung rücksichtslos zerstören. Man kann darum bei den in Betracht kommenden Neubildungen beim Stint nur von einer andeutungsweise vorhandenen Malignität sprechen. Auch Plehn (1906) berichtet schon von ähnlichen Beobachtungen und kommt dabei zu folgendem Schluss: „Wir haben also bei Fischen so wenig wie bei höheren Tieren die Möglichkeit, eine scharfe Grenze zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren zu ziehen.“ Als Lösungsversuch für die Frage der Entstehung maligner Tumoren hat Boveri (1914) u. a. die Hypothese aufgestellt, dass neben abnormen Mitosen „ein gewisser abnormer Chromatin- bestand, gleichgültig wie er entsteht“, das Wesentliche ist. Dahin gerichtete Untersuchungen bei den Stintneubildungen, um auf diese Weise ihren gut- oder bösartigen Charakter zu entscheiden, ergeben nie einen von der Norm abweichenden Chromatinbestand. 258 Theodor Breslauer: Auch die Mitosen verlaufen stets regelmässig dort, wo sie zu beobachten sind. Was die Natur der mutmaßlichen Ursache für die Ent- stehung der Neubildungen anbetrifft, so steht es zunächst fest, dass eine gemeinsame für alle Formen vorhanden sein muss. Natürlich ist es aber nicht ausgeschlossen, dass in manchen Fällen ein Komplex von Faktoren an der Ausbildung der einzelnen Formen mitbeteiligt ist. Anhaltspunkte für eine parasitäre Ur- sache habe ich, wie schon gelegentlich erwähnt, nicht finden können. Immerhin ist eine derartige Annahme sehr verlockend in Anbetracht der endemischen Verbreitung der Stintneubildungen. Aber die negativ verlaufenden Untersuchungen über die Ursache . der schon länger als ein Jahrzehnt bekannten Karpfenpocken lassen einen dahingehenden Versuch bei den Stintneubildungen nicht gerade als sehr aussichtsreich erscheinen. Bei den Stint- neubildungen lässt sich jedenfalls das eine mit Bestimmtheit sagen, dass eine von aussen her kommende Einwirkung ein ursächliches, zum mindesten aber auslösendes Moment bilden muss. Dafür spricht die auffällige Verbreitung der histologischen Veränderungen an der Körperoberfläche, besonders aber an Gegenden, die bei der Vorwärtsbewegung des Fisches gegenüber äusseren Schädigungen stark exponiert sind. Von diesem Gesichts- punkt aus ist auch die Verschiedenwertigkeit zwischen Haut und Schleimhaut bezüglich des Befallenwerdens wohl zu verstehen. Denn die Haut ist äusseren Reizen in viel grösserem Maße aus- gesetzt als die Schleimhaut in der Mundhöhle, Nasengrube und den Seitenkanälen. Von Wichtigkeit ist es hierbei auf alle Fälle, zu entscheiden, ob die histologischen Veränderungen von vornherein als autonome Gebilde entstehen oder als Ausdruck eines entzündlichen Prozesses aufzufassen sind, welcher später nur einen selbständigen Charakter annimmt. Wenn auch gewisse Befunde in der Integument- verdickung — wie z. B. kleinzellige Infiltrationen und dilatrierte (efässe — für einen entzündlichen Vorgang sprechen, so kann dieser aber auch andererseits als eine Folgeerscheinung ange- sehen werden, zumal man auch bei organoiden Formen ein der- artiges Verhalten antreffen kann. So wenig Sicheres sich nun vorläufig über die Entstehungs- ursache der histologischen Veränderungen sagen lässt, so wenig Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 259 lässt sich ihre endemische Verbreitung erklären. Auf der einen Seite legt das gehäufte Auftreten eine Ursache nahe, die durch den Ort der Ausbreitung bedingt sein muss. Auf der andern Seite muss man an Rassendisposition denken. So hält z. B. Fiebiger (1908) mit Rücksicht auf die Tatsache, dass oft Fische nur eines Teiches von Neubildungen befallen werden, es für „sehr naheliegend, in der gemeinsamen Abstammung das ursächliche Moment zu erblicken, d. h. für die Entwicklung der Neoplasmen eine gleiche ererbte Anlage anzunehmen“. Eine Bekräftigung oder Ablehnung dieser Annahme im Hinblick auf die Stintneubildungen kann jedoch erst erfolgen, wenn die Frage ihrer Ansteckungsmöglichkeit entschieden ist. Ferner muss man zuvor feststellen, ob auch an andern Ostseestellen die bis jetzt mir nur von Rügen her bekannten histologischen Veränderungen angetroffen werden. Probeentnahmen aus den reich beschickten Berliner Markthallen ergaben stets negative Resultate. Literaturverzeichnis. 1. Bashford: Über den Krebs des Menschen und der Tiere. Berliner klinische Wochenschrift, 1909. 2. Bashford-Murray: Scientific Reports on the Investigations of the Cancer Research Fund, 1904, Nr. 1. 3. Dieselben: Scientific Reports Nr. 2. 4. Beigel-Klaften: Regeneration des Geruchsorgans bei den Cypriniden Extrait du Bulletin de l’Acad&mie des Sciences de Cracovie, Krakau 1913 5. Boveri: Zur Frage der Entstehung maligner Tumoren. Jena 1914. 6. Bugnion: Deutsche Zeitschrift für Tiermedizin und vergleichende Pathologie, 1875, I. Bd. ‘. 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Zilz: Symmetrische harte Papillome des Unterkiefers. Ergebn. d. gesamt. Zahnheilk. Wiesbaden 1914. Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 261 Erklärung der Abbildungen 1—31 auf den Tafeln XVI-VXIL g. 1. Mächtige Integumentneubildung am Kopf eines Stints, ausgehend von den freien Mundrändern (linke Seite). Phot. n. Zenkerkonserv. Nat. Gr. Fig. 2. Pockenartige Epithelwucherung an der linken Brustflosse eines Stints. Vergr. 3:2. Phot. n. Formolkons. Fig. 3. Integumentneubildung 1 von oben gesehen. Nat. Gr. Fig. 4. Weizenkorngrosse Neubildung am Öberlippenwulst eines Stints. Phot. n. Formolkons. Nat. Gr. Multiple Neubildungen an’ den Mundrändern eines Stints. Auf der linken Brustflosse zu einer Gruppe konfluierte pockenartige Epithel- wucherungen. Phot. n. Formolkons. Nat. Gr. Fig. 6. Mächtige Neubildung, ausgehend vom Oberlippenwulst eines jungen Stints. Phot. n. Formolkons. Nat. Gr. e gg [SL Fig. 7. Taubeneigrosse Integumentneubildung an einem Stintkopf (obere Ansicht). Phot. n. Formolkons. Nat. Gr. (Vgl. Abb. 21.) Fig. 8. Dieselbe (untere Ansicht). Nat. Gr. Fig. 9. Teilstück der mundrandständigen Neubildung des Unterkiefers von 7 (Formol). Häm. Böhm.-Eosin. Gez. Vergr. 103 mal. Fig. 10. Transversalschnitt durch einen Stintkopf mit riesigen Einzeltumoren. Infraorbitale Seitenkanäle (i. S) und Nasenschleimhaut (Nf) sind mit einbezogen. Zenkerkons. Heidenhain-van Gieson. Gez. Vergr. 10 mal. Fig. 11. Cystenförmige Integumentneubildungen an den Brustflossen eines Stints. Rechts eine isoliert. Links drei zu einer Gruppe ver- einigt. (Vorgeschrittenes Stadium der flossenständigen Neubildung). Phot. n. Formolkons. Nat. Gr. Fig. 12. Querschnitt durch die Epithelwucherung eines Seitenkanals (i. S.). Das ebenfalls ergriffene Epithel der Conjunktivalfalte (C) ist vom Bindegewebe gitterartig (g) durchsetzt. Zenkerkons. Hämalaun- Eosin. Gez. Vergr. 32 mal. Fig. 13. Querschnitt durch eine flossenständige pockenartige Epithelwuche- rung (w. E). Formolkons. Häm. Böhm.-Eosin. Phot. Vergr. 34 mal. Fig. 14. Querschnitt durch eine cystenförmige Integumentneubildung an einer Stintflosse mit solider Epithelmasse (w. E) im Innern. Binde- gewebige Kapsel (K) teilweise zur normalen Cutis differenziert. Pikrins.-Subl.-Eisessig-Kons. Heidenhain-van Gieson. Phot. Vergr. 54 mal. Fig. 15. Teil eines Längsschnittes durch die Kiemenblättchen (Ki) eines Stints, welche durch eine Epithelwucherung (w. E) homogen ver- schmolzen sind. Formolkons. Heidenhain-van Gieson. Phot. Vergr. 25 mal. Fig. 16. Querschnitt durch eine cystenförmige Integumentneubildung an einer Stintflosse. Im Innern Degeneration des Epithels (d. E.) und baumförmige Verästelung des Bindegewebes (Ql.). (Äusseres Epithel Fig. ig. 21. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. ig. 30. 18. [80] =] 28. Theodor Breslauer: |E] künstlich abgehoben.) Zenkerkons. Heidenhain-van Gieson. Phot. Vergr. 34 mal. (Vgl. Abb. 29.) Längsschnitt durch eine kurzgestielte, weizenkorngrosse Integument- neubildung, ausgehend vom Unterlippenwulst eines Stints. Unter- kiefer (D) liegt infolge Verletzung frei zu Tage. Zenkerkons. Heidenhain. Phot. Vergr. 33 mal. Längsschnitt durch eine kurzgestielte,. weizenkorngrosse Integument- neubildung, ausgehend vom Oberlippenwulst eines Stints. Zenker- kons. Heidenhain-Lichtgrün. Phot. Vergr. 19 mal. Ausschnitt aus 18. Übergang des Hautepithels (E) in das der Neubildung (s. E). Phot. Vergr. 170 mal. Längsschnitt durch eine dem Rostrum eines Stintkopfes breitbasig aufsitzende Neubildung. Epithelzapfen (Ez) dringen bis zum Rostrum (R) vor. (Rostralknorpel künstlich gefaltet.) Zenkerkons. Heidenhain-Lichtgrün. Phot. Vergr. 11 mal. ° Längsschnitt durch den in Abb. 7 und 8 abgebildeten Stintkopt mit zwei gegenüberstehenden mundrandständigen Integumentneu- bildungen. Die untere ist langgestielt (St). Formolkons. Borax- karmin-Indigokarmin. Gez. Vergr. 10 mal. Längsschnitt durch eine blumenkohlartig vom Oberlippenwulst aus- gehende Neubildung. Zenkerkons. Hämalaun-van Gieson. Gez. Vergr. 20 mal. Physalidenartige Degeneration (d.E.) in der Integumentverdickung eines Stints. Zenkerkons. Häm. Böhm.-Eosin. Gez. Vergr. 109 mal. Teil eines Längsschnittes durch einen Stintkopf. Längsschnitt durch zwei miteinander verwachsene Integumentneubildungen, aus- gehend von den freien Mundrändern eines Stints. Flemmingkons. Heidenhain. Phot. Vergr. 13,5 mal. (Der untere Teil des Unter- kiefers |D| jst horizontal abgeschnitten.) Uystenartige Erweiterung in der mittleren Nasenfalte. Zenker- kons. Hämalaun-van Gieson. Phot. Vergr. 30 mal. Längsschnitt durch einen in die Tiefe wuchernden Epithelzapfen (Ez) in einer Integumentverdickung (s. B-w. E.) am hinteren Maxillarende eines Stintkopfes. Zenkerkons. Hämalaun - Eosin. Phot. Vergr. 19 mal. Querschnitt durch eine Integumentverdickung (Iv) an einem Stint- kopf. Epithelzapfen (Ez) dringen bis zum infraorbitalen Seiten- kanal (i. S.) vor. (Zenker.) Häm. Böhm.-Eosin. Phot. Vergr. 93 mal. Querschnitt durch die Nasengrube eines Stints. Epithelwucherung der Riechschleimhaut (w. E). Zenkerkons. Hämalaun-Eosin. Phot. Vergr. 25,5 mal. Ausschnitt aus Abb. 16. Epitheldegeneration (d. E) zwischen von der Kapsel losgelösten bindegewebigen Verästelungen (Ql) im Cysteninnern einer Stintflosse. Gez. Vergr. 103 mal. Querschnitt durch die Nasengrube (Na) eines Stints. Vom Haut- epithel ausgehende bereits in Degeneration befindliche Epithel- Zur Kenntnis der Epidermoidalgeschwülste von Kaltblütern. 263 wucherung der Nase (d. E) und des infraorbitalen Seitenkanals (i. 8). Nasenöffnungen verschlossen (V). Nasenfalten (Nf) atro- phiert. Zenkerkons. Hämalaun-van Gieson. Gez. Vergr. 15 mal. Kommunikationsweg (Cw.) des in Abb. 12 angestellten infraorbitalen Seitenkanals. Integumentverdickung der Haut (Iv.) greift auf das Epithel des Seitenkanals über. Zenkerkons. Hämalaun-Eosin. Gez. Vergr. 12 mal. Erklärung der Abkürzungen im Text und auf den Tafeln. s.B. = straffes Bindegewebe. C. — (onjunktivalfalte. Cw. = Kommunikationsweg des Seitenkanals. D. — Unterkiefer. d. — distaler Flossenrand. E. — normales Epithel der Haut. d.E. = degenerierte Epithelzellen. i.E. = inneres Epithel des Lippenwulstes. s.E. = spindelförmige Epithelzellen. w.E = Epithelwucherung. Er. == Erosionsfläche. Ez. = Epithelzapfen. F. — Flossenstrahl. G. — Gefässe. 8. — gitterförmige Verbreitung des Bindegewebes. Gl. — Gewebslücke. H. — Hohlraum. Iv. — Integumentverdickung. Ki. = Kiemenblättchen. K: — bindegewebige Kapsel. Ir — bindegewebige Lamellen. Ma. == Maxillare. M. — Mulde. Na. == Nasengrube. Nf. == Nasenfalte. k.N. = kaudaler Nasenblindsack. Pr. — Pigment. Pa. == Palatinum. Archiv f. mikr. Anat. Bd.S7. Abt. I. 18 264 Theodor Breslauer: Zur Kenntnis der Epidermeidalgeschwülste. Pm. = Prämaxillare. Ql. — Querlamellen. R. — Rostralknorpel. St. — Stiel. i.$S. = infraorbitaler Seitenkanal. i.S.K. — Knochen des infraorbitalen Seitenkanals. NY. — Verschmelzung zweier Epithelschichten. Vb. = Verbindungsstücke von Querlamellen. u Dr 2 4 7 örperoberfläche der Stinte. Fett- flosse ‚After- flosse Laufende = m ES ERpf == Te | Brustflosse Bauchflosse Rücken- Mundspalte Nasen- |Mundschleim-I _Sonstige ur: a flosse Nr. Oberlippe | Unterlippe ‚ Mundwinkel | eingang |haut, isoliert En, m rechts | links rechts links er 5 = Dr F == Er pP - 1 — = en 3 SE = ——-: 4 — >= = ——— 5 Fan =— — S = = = = 7 8 == is Ex P) = = — = l) Haut zwischen Radii branchiostegi und erster rechter Kiemenbogen. 2) Haut hinter Unterkieferseitenkanal. 3) In multipler Verteilung. dA) RE N RE Pie: ee w Io Fam Bee Ti Zur Histologie der Anurenhaut. Von Otto Weiss. Hierzu Tafel XIX und 2 Textfiguren. Die Froschhaut gehört wohl zu den meist untersuchten Objekten der mikroskopischen Anatomie. Und dennoch gibt es noch eine Reihe von Fragen, welche teils ungelöst, teils mangel- haft untersucht sind. Über viele Fragen bestehen Kontroversen zwischen den Autoren, so dass es wünschenswert war, eine Neu- untersuchung der Froschhaut vorzunehmen. Ausgegangen bin ich bei meinen Untersuchungen von der Frage nach der Entstehung der die Haut der Anuren durch- setzenden Bündel glatter Muskelfasern. Daran anknüpfend habe ich die Frage nach der Entwicklung und Regeneration der Haut- drüsen und Sinnesknospen behandelt, und zum Schlusse habe ich auch den Häutungsprozess in den Bereich meiner Untersuchungen mit einbezogen. Material und Methoden der Untersuchung. Als Untersuchungsobjekte dienten mir: Rana esculenta, Rana agilis, Bufo variabilis, Bombinator igneus und Larven von Pelobates fuscus. Als Fixierungsflüssigkeiten bewährten sich am besten Zenkersche Lösung und Kaliumbichromat-Eisessiggemisch. Zur Tinktion der Schnitte wandte ich Heidenhains Eisen- hämatoxylin, Delafields Hämatoxylin, Säurefuchsin, Orange und für die Schleimfärbung Meyersches Muzikarmin an. Bevor ich jedoch daran gehe, eine Darstellung meiner Be- funde zu geben, möchte ich zunächst eine allgemeine Übersicht über den Aufbau der Froschhaut geben. An der Haut sind drei Hauptschichten zu unterscheiden: die Oberhaut oder Epidermis, das Corium oder die Leder- haut und das Unterhautbindegewebe, die Tela subceutanea. An der mehrschichtigen Epidermis unterscheidet man bei erwachsenen Tieren die Hornschicht oder das Stratum corneum, das ist die oberste, aus verhornten Zellen bestehende Schicht, 18* 266 Otto Weiss: und die Keim- oder Schleimschicht, das Stratum germina- tivum oder Stratum mucosum, das sind die unter der Horn- schicht liegenden Schichten der Epidermis. Die basale Schicht des Stratum mucosum besteht aus zylinderförmigen Zellen, welche mit einem dem Corium angehörigen homogenen Grenzsaum fest verankert sind. Die über der basalen Schicht liegenden Zellen sind polyedrisch und durch Interzellularbrücken miteinander ver- bunden. Es gibt aber auch Zellen, welche die polyedrische Form verleren haben und zahlreiche Protoplasmafortsätze besitzen, Stern- zellen, welche Beziehungen zu den Pigmentzellen des Epithels auf- weisen sollen. In den obersten Schichten des Stratum germina- tivum finden sich eigentümliche, flaschenförmige Zellen, auf die erst bei Besprechung des Häutungsprozesses näher eingegangen werden soll. Am Corium unterscheidet man nach Gaupp zwei Schichten. Die oberflächliche, lockere, aus feinfaserigem Bindegewebe be- stehende Schicht, das Stratum spongiosum, in welches die Drüsen eingelagert sind, und das darunter befindliche, aus parallel zur Haut verlaufenden Bindegewebslamellen bestehende Stratum compactum, unter dem das Unterhautgewebe, die Tela sub- cutanea, liegt. Die glatte Muskulatur. Die glatte Muskulatur in der Haut der Frösche wurde ent- deckt von Hensche (1856), der nach den kontraktilen Elementen der Drüsen suchte und sie in den Bündeln glatter Muskelzellen fand, die in ihrer Umgebung vorkommen. Eine genaue Darstellung derselben gab zuerst Eberth (1869), der auch ihr Vorkommen an den verschiedenen Körperteilen kon- statierte. Eberth beschreibt sie als ein Bündel feiner, spiraliger Fäserchen, wobei jedes Fäserchen dem fadenförmigen Ende einer Muskelzelle entspricht. Diese Fasern sollen in kleine pilzförmige Papillen des Coriums, welche er als Bildungen der Grenzlamelle auffasst. hineinreichen und in ihnen endigen. Eine wesentlich andere Darstellung dieser Elemente gibt Maurer, der sich auch mit der Frage nach der Entstehung der glatten Muskulatur befasste. Nach ihm durchsetzen die Muskelfasern alle Schichten der Haut und dringen in die Epidermis ein, wo sie unterhalb des —] Zur Histologie der Anurenhaut. 26 Stratum corneum, das an diesen Stellen grübchenförmig in die Tiefe gezogen ist, endigen. Dieses Verhalten hängt nach Maurers Auffassung mit der Entstehung der glatten Muskulatur aus ektodermalen Zellen zu- sammen. Schon in der zweischichtigen Epidermis der Kaulquappen findet Maurer eigentümliche, birnförmige, basale Zellen, welche durch einen feinen Stiel, der sich in das Corium hineinerstreckt, mit den Zellen des Corium in fester Verbindung sind. Dieser Stiel soll sich nun ausziehen und einen langen, weit in das Corium hineinreichenden Plasmafortsatz bilden. Durch Teilung dieser birnförmigen Zellen soll ein Epidermiszapfen entstehen, der die Oberhaut mit dem straffen Corium verbindet und, durch dieses hindurchziehend, die glatten Muskelzellen bildet. (aupp (1904) gibt an, beide Arten der Endigung der Muskelzellen gefunden und auch die Eberthschen CGoriumpapillen gesehen zu haben: auch konstatiert er das Eindringen von Muskel- zellen in die Epidermis. | Nach meinen eigenen Präparaten kann ich feststellen, dass die glatten Muskelfasern tatsächlich durch alle Schichten hindurch- gehen und tatsächlich, wie Maurer richtig gezeigt hat, in die Epidermis eindringen. Ein Enden von Muskelzellen in Papillen des Coriums konnte ich niemals konstatieren. Wenn es auf manchen Schnitten den Anschein hatte, dass Muskelzellen unter- halb der Epidermis endigen, so handelte es sich in diesen Fällen nur um flächenhaft angeschnittene Zellen. Bei Verfolgung der ganzen Schnittserie konnte man stets den Zusammenhang mit dem Epithel nachweisen. Dieses Eindringen der Muskelzellen in die Oberhaut erklärt sich, wie Maurer richtig annimmt, aus der Abstammung dieser Elemente aus Zellen der Epidermis. Nur ist die Beschreibung ihrer Genese, wie sie Maurer gibt, nicht ganz richtig. Das Vorkommen von birnförmigen Zellen, welche Fortsätze in das Corium senden sollen, habe ich in der Larvenhaut (Pelobates fuscus und Bombinator igneus) niemals beobachten können. Das erste Auftreten von Muskelelementen habe ich erst nach der Anlage der Drüsenbläschen konstatieren können. Die erste Umwandlung von Epithel- zu Muskelzellen erfolgt erst unmittelbar vor der Metamorphose. Es sind zylinder- förmige Epithelzellen der basalen Schicht, welche keinerlei be- sondere Differenzierungen aufweisen, welche sich in glatte Muskel- 268 Otto Weiss: zellen umwandeln. Der Vorgang vollzieht sich in der Weise, dass die basalen Teile der über der Basalmembran sich befindenden Fpithelzellen sich spindelförmig verlängern und tief in die Leder- haut hineinreichen (Fig. 15 und 16). Die Zellen rücken nun, in- dem sie sich mehrfach teilen, in die Tiefe (Fig. 17). Sie besitzen einen langen, spindelförmigen, an beiden Enden spitz ausgezogenen Zellkörper, der eine deutlich fibrilläre Beschaffenheit aufweist. Der zentral gelegene Kern dieser Zellen ist stäbchenförmig und besitzt im Innern mehrere Chromatinbrocken (Fig. 18). Die Zellen sind dicht aneinander gelagert und schieben ihre spitzen Fort- sätze ineinander. Sie sind untereinander und mit den Zellen des Epithels durch Interzellularbrücken verbunden. Dass diese Elemente tatsächlich der glatten Muskulatur zuzuzählen sind, ist wohl zweifellos. Schon Eberth hat darauf hingewiesen, dass wenn man Fröschen die Medulla oblongata durchschneidet, eine typische Cutis anserina auftritt. Ein Ver- halten, das auch ich bestätigen kann. Untersucht man nun Quer- schnittbilder der Haut von Tieren, deren Medulla oblongata durch- schnitten wurde, so findet man, dass die spindelförmigen Zellen kontrahiert sind und dass infolge dieser Kontraktion das Stratum corneum über diesen Zellen grübchenförmig in die Tiefe ge- zogen Ist. Es handelt sich also tatsächlich um glatte Muskelzellen, welche ektodermalen Ursprungs sind. Diese Muskelbündel, welche verschieden stark entwickelt sind — sie enthalten 2—20 Zellen — finden sich auf der ganzen Dorsalseite vor. Sie stehen in einem innigen Zusammenhange mit den Giftdrüsen und sind dort am stärksten entwickelt, wo sich die meisten Anhäufungen von Giftdrüsen finden, also am Kopf und in den Seitenlinien. Auch an der Dorsalseite der Extremitäten kommen sie vor, fehlen aber fast gänzlich an deren Ventralseite und am Bauche. Ich möchte noch erwähnen, dass die Ausbildung der glatten Muskulatur nicht nur unmittelbar vor der Metamorphose erfolgt. Es werden während der ganzen Lebensdauer eines Tieres im Zusammenhang mit der fortwährenden Neubildung von Drüsen Epidermiszellen in Muskelfasern umgewandelt, was auch ein Beweis dafür ist, dass es nicht besonders differenzierte Zellen sind, von denen die Ausbildung der Muskelzellen ausgeht. Zur Histologie der Anurenhaut. 269 Was die Funktion dieser Muskelbündel anbelangt, so glaube ich, dass ihr hauptsächlichster Zweck darin besteht, das rasche Ausspritzen der Giftdrüsen zu verursachen. Es spricht hierfür der Umstand, dass sie sich bloss in der Umgebung von Giftdrüsen vorfinden und dort am stärksten ausgebildet sind, wo die meisten Giftdrüsen vorhanden sind. Noch mehr aber spricht dafür die Tatsache, dass die Anlage der glatten Muskulatur erst zu einem Zeitpunkte erfolgt, wo die Schleimdrüsen bereits völlig aus- gebildet sind und die Anlage der Giftdrüsen aus Schleimdrüsen erst erfolgt. Auch das Vorkommen der glatten Muskelzellen in der Haut von Urodelen (Triton), das ich an denselben Stellen wie an der Anurenhaut nachweisen konnte, muss diese Auffassung bestärken. Maurer und Gaupp nehmen noch einen Einfluss der glatten Muskulatur auf die Chromatophoren und auf die Blut- kapillaren an, letzterer übrigens auch auf die Lymphgefässe der Haut. Eine Innervation der glatten Muskulatur habe ich nicht beobachten können. Die Hautdrüsen. Die in der Haut der Anuren vorkommenden Drüsen gehören alle dem einfach-alveolären Typus an. Die Abänderungen von diesem Typus sind bedingt durch eine funktionelle Differenzierung. Man unterscheidet zwei Arten von Drüsen, die sich durch die Beschaffenheit ihres Sekrets und durch die Verschiedenheit ihres Epithels voneinander unterscheiden. Diese beiden Formen sind die Schleim- und die Gift- (Körner- oder Eiweiss-)drüsen. Sie sind über den ganzen Körper verbreitet. Besonders reich an Drüsen ist die Haut des Rückens, des Bauches und der Extremitäten. Beide Arten von Drüsen finden sich an allen Körperteilen. Doch ist die Verteilung eine ungleiche. Während die Schleimdrüsen gleichmässig über den ganzen Körper verbreitet sind, finden sich die Giftdrüsen zumeist an bestimmten Stellen und in grösserer Anzahl beisammen. Es sind hauptsächlich die Wülste hinter den Ohren und die Seitenwülste, welche besonders reich an Gift- drüsen sind. Doch finden sich auch in der Rückenhaut und an der Dorsalseite der Extremitäten zahlreiche Giftdrüsen, während sie auf der Ventralseite nur vereinzelt vorkommen. Die ursprüng- licheren Drüsen sind die Schleimdrüsen. Sie werden auch zuerst 270 Otto Weiss: angelegt und aus ihnen gehen die Giftdrüsen hervor. Niemals werden, wie weiter unten gezeigt wird, Giftdrüsen direkt an- gelegt. Dennoch aber muss man die beiden Drüsenformen als anatomisch und physiologisch differente Organe auffassen, obwohl eine Reihe von Autoren (Leydig, Calmels und Junius) sie als Phasen und Stadien ein- und derselben Form auffassen und sie bloss als verschiedene Funktions- und Alterszustände betrachten. Entwicklung der Schleimdrüsen. Eine vollständige Darstellung des ganzen Entwicklungs- prozesses der Drüsen der Anurenhaut ist bisher noch nicht ge- geben worden. Maurer gibt bloss eine Darstellung der ersten Entwicklungsphasen, und die Angaben Ancels und Niren- steins beziehen sich auf Urodelen, die, wie weiter unten aus- geführt wird, abweichende Verhältnisse zeigen. Maurer findet die ersten Drüsenanlagen bei Kaulquappen, bei denen die Vorder- beine noch nicht den Kiemensack durchbrochen haben. Die Epi- dermis ist in diesem Stadium noch zweischichtig. Die grossen Kolbenzellen mit Spiralfäden finden sich nicht mehr zahlreich. Zwischen ihnen bestehen überall Komplexe kleinerer Zellen, welche durch Teilung aus den Kolbenzellen hervorgegangen sind. Über diese basale Schicht zieht die aus kubischen Zellen bestehende Deckschicht hinweg. In der basalen Schicht finden sich die Drüsen- anlagen, welche als Komplexe rundlicher Zellen, die scharf ab- gegrenzt sind, erscheinen. Sie sind hervorgegangen durch die Vermehrung einer basalen Kolbenzelle. Die Zellen der Drüsen- anlagen vermehren sich und die Anlage rückt in die Tiefe, gegen das Corium eine Prominenz bildend. Erst wenn unter der Epi- dermis eine stärkere, lockere (rewebsschicht ausgebildet ist, rückt der Drüsenkörper in die Tiefe, wobei er ein Lumen erhält. An der Drüse tritt nun eine Differenzierung in eine äussere Zell- lage, welche die glatte Muskulatur liefert, und in eine innere Epithelzellenschicht ein. Der Ausführungsgang bildet sich nach Abstossung der kutikularen Deckschicht durch Einstülpung der Hornschicht. C. Phisalix beschäftigt sich mit den Hautdrüsen des Salamanders und findet, dass sie mesodermalen Ursprunges sind. Zellen des Coriums sollen durch mitotische Teilung die Drüsen- anlagen liefern. Der obere Pol der Anlage nähert sich mit dem Zur Histologie der Anurenhaut. 271 Wachstum derselben dem Epithel und tritt schliesslich mit der unteren Fläche desselben in Berührung. Der Ausführungsgang entsteht durch Auseinanderweichen der Epidermiszellen. Ancel befasst sich ebenfalls mit den Drüsen in der Haut des Salamanders. Nach ihm bilden sich in der tiefen Epidermislage Zellhaufen, welche durch mitotische Teilung entstanden sind. Anfangs sind die Zellen der Anlagen regellos gelagert. Später ordnen sie sich in der Weise an, dass man zwei Abschnitte unterscheiden kann. Der untere besteht aus kubischen oder zylindrischen Zellen, der obere lässt zwei Zellscheiben unter- scheiden, wobei die inneren Zellen meridional verlaufen. Im Innern der Anlage entsteht ein Lumen. Gleichzeitig rückt die Anlage in das Corium. Nur am oberen Pol bleibt die Drüsenknospe mit der Epidermis im Zusammenhang. Die mit dem oberen Drüsenpol zusammenhängende Epidermiszelle teilt sich und liefert die Zellen des Drüsenhalses, der anfangs einen soliden Zellkegel bildet und durch Auseinanderweichen der einzelnen Elemente ein Lumen erhält. Dieses tritt mit dem durch Einstülpung der obersten Epidermisschicht entstandenen Ausführungsgang in Verbindung. Dies gilt jedoch nur für die Schleimdrüsen. Bei den Giftdrüsen soll ein aus zahlreichen Zellen bestehender Kegel gebildet werden, der bis zum Drüsenlumen herabreicht. Auch findet ein Aus- einanderweichen der einzelnen Elemente statt. Nirenstein bestätigt hinsichtlich der allerersten Ent- wicklungsstadien die Befunde Ancels. Gegenüber den Angaben von M”e Phisalix, dass die intraepithelial gelegenen Zellkomplexe die Anlagen von Hautsinnesorganen repräsentieren, führt er aus, dass sich diese Anlagen neben Hautsinnesorganen befinden, welche bereits in Rückbildung begriffen sind und dass sie auch dort vor- kommen, wo Hautsinnesorgane fehlen, z. B. in der Haut der Extremitäten. Die Umwandlung zu Schleimdrüsen wird damit eingeleitet, dass in den kubischen Zellen der Drüsenanlagen eine Körnelung auftritt. Die Körnchen sind acidophil. In ihrer weiteren Ent- _ wicklung verlieren sie die Acidophilie und tingieren sich mit schleimfärbenden Stoffen. Auf der Höhe des Sekretionsprozesses ist von Körnern nichts mehr zu sehen. Das Zellprotoplasma ist netzig-wabig und von dem das Lumen ausfüllenden Schleim nicht zu trennen. Der Ausführungsgang bleibt zunächst noch geschlossen 272 Otto Weiss: und tritt erst später mit dem Drüsenlumen in Verbindung. Nach meinen eigenen Befunden konnte ich das Auftreten der ersten Drüsenanlagen bei Larven feststellen, bei denen die Hinter- extremitäten völlig ausgebildet sind, die Vorderextremitäten aber noch fehlen, also zu einer Zeit, wo die Epidermis noch grösstenteils zweischichtig ist. Die basalen Zellen sind noch kolbenförmig und weisen im Innern den Spiralfaden auf. Sie beginnen aber bereits sich durch Mitosen zu vermehren. Ein Teil von ihnen hat sich zu Zellen der Hautsinnesorgane umgewandelt. Über den Kolben- zellen liegen die kubischen Deckzellen. Diese sind es und nicht wie Maurer angibt die Kolbenzellen, welche die erste Anlage der Drüsen bilden. Die Drüsenanlagen entstehen in allen Partien der Haut gleichzeitig in der Weise, dass eine der Deckzellen sich teilt und hierbei eine leichte Prominenz gegen die Ober- tläche bildet (Fig. 1). Die durch Teilung entstandenen Zellen, welche durch kleine Spalträume von den übrigen Epithelzellen abgesondert sind, erfahren weitere Teilungen. Auf diese Weise kommt es zur Ausbildung von kugeligen Zellkomplexen (Fig. 2 und 3), welche ein wenig in die Tiefe gerückt sind, aber noch immer innerhalb der Epidermis liegen. Von den benachbarten Epidermiszellen sind sie durch die oben erwähnten Spalträume scharf getrennt. Erst nach Ausbildung der Vorderextremitäten, nachdem also die Epidermis bereits mehrschichtig geworden ist und auch das lockere Bindegewebe der Lederhaut bereits ausgebildet ist, rücken die Drüsenanlagen in das Corium. Vorher war aber schon eine erste Differenzierung der Zellen eingetreten. Die äussere Zellen- lage hat eine etwas abgeplattete, längliche Form mit stäbchen- förmigen, an den Enden abgerundeten Kernen angenommen, während die Lage innerer Zellen eine kugelige Form und rund- liche Kerne aufweist. Die äusseren, platten Zellen (Fig. 4 und 5, m) liefern die Tunica muscularis, während die innere Zellage das Drüsenepithel, welches das Sekret bildet, aus sich hervorgehen lässt. Nachdem sich die Drüsenanlage in das Corium gesenkt hat, rücken die inneren Zellen auseinander, gegen die Drüsenwand zu und lassen in der Mitte ein kleines Lumen frei. Die inneren Zellen haben ihre kugelige Form verloren und eine zylinder- oder kegelförmige Gestalt angenommen. Ihre Kerne sind aus der Mitte gegen die Zellbasis gerückt. Die am distalen Pol gelegenen Zur Histologie der Anurenhaut. 213 Zellen erfahren nun mehrfache Teilungen, wodurch ein Zellpfropf gebildet wird, der eine Prominenz gegen die Epidermis bildet. Die Zellen des Pfropfes rücken auseinander, indem sie an jeder Seite des Ausführungsganges in zwei Reihen angeordnet die Wandung des Ausführungsganges, der vom Lumen des Drüsen- bläschens nach aussen führt, bilden. Zur selben Zeit entsteht auch die Ausmündung nach aussen. Die obersten Zellen des Stratum corneum werden abgestossen und die unter der Horn- schicht lagernden Zellen der beiden Ersatzschichten (Fig. 6, E) erfahren eine Einstülpung. Es sind mehrere Zellen, welche ein- gestülpt werden und das oberste Stück des Ausführungsganges bilden. Sämtliche Drüsen der Haut werden nach diesem Typus, der zweifellos als der der Schleimdrüsen zu bezeichnen ist, angelegt. Die Giftdrüsen entstehen erst viel später, nach der Metamorphose, in der Weise, dass sich völlig ausgebildete Schleimdrüsen in Giftdrüsen umwandeln. Nie- mals wird eine Giftdrüse direkt als solche angelegt. Aufbau der Drüsen. Was den allgemeinen Aufbau der Drüsen anbelangt. so unterscheidet man — Gift- und Schleimdrüsen zeigen darin die- selben Verhältnisse — folgende Teile: 1. den Ausführungsgang, 2. das Schaltstück, 3. den Halsteil und 4. den Drüsenkörper. Der Ausführungsgang liegt in der Epidermis und durchsetzt diese in senkrechter oder schiefer Richtung. Über seinen Bau bestehen in der Literatur Kontroversen. Während Engelmann und Eberth annehmen, dass der Ausführungsgang innerhalb einer Zelle der Hornschicht gelegen ist, geben Seeck und Junius an, dass es mehrere Zellen sind, welche das äusserste Ende des Ausführungsganges bilden. Nicoglu und Ancel schliessen sich für Triton der Meinung Engelmanns und Eberths an. Nicoglu unterscheidet an der die Auskleidung des Ausführungs- ganges besorgenden Trichterzelle zwei Abschnitte. Der eine Ab- schnitt liegt im Stratum corneum, ist scheibenartig gestaltet und enthält den Kern. der andere Abschnitt ist eine, in den Ausführungsgang der Drüse herabgestülpte, dünne Membran. Die ganze Zelle soll hierbei ringartig auf sich selbst zurückgerollt sein. Unter der Trichterzelle befinden sich eine oder zwei Ersatz- zellen, welche ebenfalls um den Kanal herumgerollt sind. 274 Otto Weiss: Junius fasst, wie schon oben erwähnt, die Trichterzelle auf als entstanden aus der Verschmelzung mehrerer Zellen der Hornhaut; eine Auffassung, der auch ich mich anschliessen möchte. Denn schon bei der ersten Anlage des Ausführungs- ganges sieht man, dass es mehrere Zellen der Ersatzschicht sind (Fig. 6. E), welche eingestülpt werden und die Mündung des Kanales nach aussen bilden. Nach Verhornung der Ersatzschicht tritt auch eine Verhornung dieser Zellen ein, so dass die Zell- grenzen derselben verwischt werden. Auch die Kerne werden gewöhnlich vom Verhornungsprozesse betroffen, weshalb man häufig nur einen Kern findet, was zu der von den meisten Autoren geteilten Ansicht, dass es sich bloss um eine Zelle handle, führte. Die die Ausmündung des Drüsenkanales bildenden Zellen sind kleiner als die übrigen Zellen der Hornschicht und haben eine ovale Form. Bei der Häutung wird der Trichter mit abgestossen und die unter dem Trichter gelegenen Zellen der Ersatzschicht rücken an die freie Oberfläche, so einen neuen Trichter bildend. Schon vor Beginn des Häutungsprozesses hat die Verhornung der Ersatzschicht begonnen. Die das Innere des Ausführungsganges auskleidende feine Membran ist aufzufassen als ein Abscheidungsprodukt der unter ihr liegenden Zellen und ist nicht, wie Nicoglu allerdings für Triton angibt, ein fein ausgezogener Teil der Stomazelle. Die Ersatzschicht, das ist die unter dem Stratum corneum gelegene Schicht von flachen Epi- dermiszellen, ist gegen das Stratum corneum durch einen homogenen, glänzenden Saum begrenzt. Dieser Saum ist, wie weiter unten ausgeführt wird, hervorgegangen aus der Ver- schmelzung der Interzellularbrücken, ist also aufzufassen als ein Abscheidungsprodukt der betreffenden Epidermiszellen. Wir haben es daher nicht mit einer echten Cuticula zu tun, sondern mit Bildungen bestimmter Epidermiszellen, also mit einer Pseudo- euticula. Das in den Ausführungskanal hinabreichende Häutchen ist also als eine Pseudocuticula zu deuten, die aus mehreren Zellen hervorgegangen ist. Das Schaltstück. An den '[richter schliesst sich nach unten das sogenannte Schaltstück (Nicoglu) an. Nach Nicoglu, der es für Triton beschrieben hat, besorgt es die Verbindung zwischen der Zur Histologie der Anurenhaut. 275 Epidermis und dem Drüsenkörper, in den es direkt übergeht. Es besteht aus vier Zellen, welche auf demselben Niveau an- geordnet sind. An Längsschnitten sind gewöhnlich nur zwei Zellen getroffen. Die Schaltzellen weisen eine charakteristische Form auf. Sie besitzen die Gestalt eines recht- bis stumpf- winkeligen Triangels. Bei den Anuren zeigt das Schaltstück eine bedeutendere Grösse. Es sind hier acht Zellen, welche dasselbe zusammen- setzen. Auf Schnitten sind aber nur selten alle acht Zellen ge- troffen. Gewöhnlich findet man zwei bis drei Zellen an jeder Seite des Ausführungsganges. Auch hier weisen die Schaltzellen die charakteristische Triangelform auf. Die Zellkerne zeigen zu- weilen ein abweichendes Verhalten von den Kernen der Epithel- zellen. Das Chromatin ist diffus im Kerne verteilt und der ganze Kern erscheint gleichmässig und dunkel gefärbt, ein Verhalten, das von Flemming als CUhromatolyse bezeichnet wurde. Das Zytoplasma zeigt in seinem färberischen Verhalten eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hornzellen. Grösstenteils zeigen aber die Schaltzellen ein normales Aussehen. Daraus scheint, wie Niren- stein hervorhebt, hervorzugehen, dass die an den Ausführungs- sang anstossenden Zellen eine periodische Veränderung erfahren. Die chromatolytisch veränderten Zellen werden abgestossen und die an ihre Stelle tretenden bleiben eine Zeitlang normal und erleiden dann dieselbe Veränderung. Die Schaltzellen stehen mit den Zellen der obersten Epidermisschichten durch Interzellular- brücken in Verbindung und schliessen oben direkt an den Trichter an. Dieses Verhalten spricht, wie schon Nicoglu hervorgehoben hat, dafür, dass die Drüsen nicht aus den tieferen Schichten der Epidermis, sondern aus ihrer oberen Zellenlage hervorgegangen sind. Der Halsteil. Die Verbindung zwischen Schaltstück und kugeligem Drüsen- körper wird besorgt durch einen besonderen Drüsenhals, das ist ein zwischen dem oberen Drüsenniveau und dem unteren Epi- dermisrande gelegener Abschnitt des Ausführungsganges, der aus zwei bis fünf Zellen besteht. Die Zellen des Halses sind in zwei Reihen angeordnet. Die äusseren Zellen gehen nach oben über in die Epidermiszellen (Textfig. 1), während sich unten die glatten Muskelzellen an. sie anschliessen. Oft ragen die glatten Muskel- 276 Otto Weiss: Fig. 1. Der Drüsenhals geht über in die unteren Epidermiszellen. Die Muskelfasern m ragen über den Halsteil hin- weg und stehen direkt mit dem Epithel in Ver- bindung. Sch. Z. —= Schaltzelle. Zur Histologie der Anurenhaut. 277 fasern über den Halsteil hinweg (Textfig. 2) und stehen mit den Zellen der unteren Epidermisschichten direkt in Verbindung. Eine besondere Rosette, wie sie von Engelmann und K. C. Schneider für die Urodelen beschrieben wurde, findet sich bei den Anuren nicht vor. Der Drüsenkörper. Am Drüsenkörper unterscheidet man zwei Schichten, das Epithel und die Drüsenhülle, welche aus Muskel- und Binde- gewebsfasern besteht. Da die Drüsenkörper von Schleim- und Giftdrüsen wesent- lich differente Verhältnisse zeigen, so wird es sich empfehlen, sie getrennt voneinander zu betrachten. Das Epithel. Das Innere des Drüsenkörpers der Schleimdrüsen wird von ‘einer Lage einfacher, auf Meridionalschnitten kubisch, auf Tangentialschnitten polygonal erscheinender Zellen ausgekleidet. Nur unterhalb des Ausführungsganges finden sich zwei Lagen von Zellen, welche dachziegelartig übereinander lagern. Im ruhenden Zustande (Fig. 6) sind die Zellen deutlich gegeneinander und gegen das Lumen begrenzt. Der Kern erscheint sehr gross und nimmt den grössten Teil der Zelle ein. Das Zytoplasma scheint fast ganz aus feinen, dicht gedrängten Körnchen zu be- stehen und ist acidophil. Diese Körnchen bilden eine Vorstufe des Muzins. Im Verlaufe eines weiteren Entwicklungszustandes (Fig. 7) nehmen die Zellen eine hohe, kegelförmige Gestalt an. Das Lumen erscheint bedeutend verkleinert. Die Zellkerne sind im Verhältnis zum Zellkörper klein und liegen basal, wobei ihre Längsachse mit der der Zelle zusammenfällt. Die Zell- grenzen sind noch deutlich nachweisbar. Das Plasma einzelner Zellen (Fig. 7, S. Z.) hat aber die Acidophilie verloren. Es hat sich in Muzin umgewandelt und erscheint mit Muzikarmin rot gefärbt. Andere Zellen (M) sind noch acidophil. Nach aussen ist die Drüse noch geschlossen. Auf der Höhe des Sekretions- prozesses ist von Körnern nichts mehr zu sehen. Das ganze Zellplasma zeigt eine wabig-netzige Struktur und ist von dem das Lumen ausfüllenden Schleim nicht zu trennen. 278 Otto Weiss: Die Drüsenhülle. Die Drüsenhülle besteht, wie schon oben erwähnt, aus glatten Muskelzellen und Bindegewebstibrillen. Die älteren Autoren haben das Vorhandensein einer Muskelhülle bei den Schleimdrüsen in Abrede gestellt. Erst Leydig und Engelmann haben sie für alle Drüsen nachgewiesen und beschreiben sie als eine zusammen- hängende Hülle. Nach Junius sind die Muskelzellen an den Schleimdrüsen nur schwach entwickelt. Nach eigenen Präparaten konnte ich an völlig ausgebildeten Schleimdrüsen eine einfache, dünne Lage von 30—48 glatten, spindelförmigen Muskelfasern konstatieren, welche meridional um den Drüsenkörper angeordnet sind und mit ihren spitzen Enden ineinandergreifen. Ausserhalb der Muskulatur liegen feine Bindegewebsbündel, welche vereinzelte Kerne enthalten. Die Entwicklung der Giftdrüsen. Über die Entwicklung der Giftdrüsen der Anuren bestehen in der Literatur bisher keine Angaben. Für die Urodelen sind diese Dinge schon seit langem Gegenstand eingehender Unter- suchungen gewesen, und haben namentlich durch Nirenstein eine klare und einwandfreie Darstellung gefunden. Nirenstein unterscheidet bei den Urodelen drei Arten in der Entwicklung der Giftdrüsen, nämlich: 1. die Umwandlung indifierenter Drüsenbläschen in der Larvenhaut, 2. die Um- wandlung ausgebildeter Schleimdrüsen und 3. die Umwandlung von Ersatzdrüsen zu Giftdrüsen. „Die Umwandlung der indifferenten Anlagen zu Giftdrüsen beginnt damit, dass eine einzige oder einige wenige Zellen die Beschaffenheit von Giftzellen annehmen.“ Diese Änderung äussert sich in dem Auftreten der charakteristischen Sekretkörner, die sich von den Granula der Schleimdrüsen durch ihre Grösse und ihr tinktorielles Verhalten unterscheiden. Charakteristisch ist ferner die Grösse der ganzen Zelle und des Kernes. Durch das rasche Wachstum der Giftzelle wird die be- nachbarte indifferente Zelle mitgezogen, wodurch sie sich in radiärer Richtung stark vergrössert und in tangentialer Richtung abnimmt, also die abgeplattete Form der an die Giftzelle an- grenzenden, indifferenten Zelle verursacht. Bei weiterem Wachstum der Giftzelle verliert die indifferente Zelle die Verbindung mit der Drüsenwand und rückt an die Seitenfläche der Giftzelle Zur Histologie der Anurenhaut. 279 hinauf. Die weiteren mit ihr verbundenen indifferenten Elemente rücken zusammen und bilden eine epitheliale Tasche, an der sich zwei Blätter unterscheiden lassen, ein äusseres, der Drüsen- wand anliegendes Blatt und ein inneres, der Giftzelle oder Gift- zellengruppe anliegendes. Der Hohlraum der Tasche entspricht dem Lumen der Drüse. Die weitere Entwicklung verläuft in der Weise, dass sich die Zellen des äusseren Blattes der Epithel- tasche zu Giftzellen umwandeln, während die Zellen des inneren Blattes mit der Zunahme der Giftzellen unter Reduzierung des Lumens an den oberen Drüsenpol rücken, wo sie zu Zellen des Drüsenhalses werden. Die Neubildung von Giftzellen während des weiteren Wachstums geht von den ektodermalen Muskelelementen der Drüsen aus, indem aus den kontraktilen Elementen durch mitotische Teilungen indifferente Elemente hervorgehen, die sich zu Giftzellen umbilden. Ein anderer Modus der Umwandlung in Giftdrüsen besteht darin, „dass in typischen funktionierenden Schleimdrüsen eine Zelle nach der andern zur Giftzelle wird, wobei die noch nicht umgewandelten Elemente sowie der Habitus der ganzen Drüse gewisse Veränderungen erleiden. Diese Veränderungen laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass gleichzeitig mit der Entwicklung der ersten Giftzellen das ganze übrige Schleimdrüsenepithel zu einer Art epithelialer Tasche wird, die, zwischen Drüsenwand und Giftzellen gelagert, in ihrem äusseren Blatte jene Elemente _ enthält, die sich nach und nach in Giftzellen umwandeln und den bereits vorhandenen anschliessen.“ Eine dritte Art der Entstehung der Giftdrüsen zeigen die Ersatzdrüsen des erwachsenen Salamanders. Es sind dies kleine Giftdrüsen, welche Epithelsäckchen besitzen, also aus Schleim- drüsen hervorgegangen sind und die sich später in grosse Gift- drüsen umwandeln. Bei den Anuren ist die Entstehung der Giftdrüsen nicht so kompliziert wie bei den Urodelen. Ich habe nur einen einzigen Modus der Entstehung von Giftdrüsen finden können, nämlich eine direkte Umwandlung von völlig ausgebildeten Schleimdrüsen zu Giftdrüsen. Diese Umwandlung vollzieht sich erst nach der Metamorphose und scheint ungemein rasch vor sich zu gehen. In der Larvenhaut finden sich, wie schon früher erwähnt wurde, durchaus nur Schleimdrüsen. Auch an Regeneraten der Haut — Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 19 280 Otto Weiss: ich habe Hautstücke erwachsener Frösche exstirpiert und die Regenerate 35 Tage nach der Operation (als Versuchstiere ver- wandte ich Rana esculenta) untersucht — traten nur Schleim- drüsen auf, trotzdem die Hautstücke aus der Seitenlinie stammten. Es ist dies ein Beweis hierfür, dass Giftdrüsen nie direkt angelegt werden und dass sie durch Umwandlung aus Schleimdrüsen her- vorgehen. Die Umwandlung erfolgt in der Weise, dass sich einige Schleimzellen unterhalb des Drüsenhalses in Giftzellen umwandeln. Die benachbarten Epithelzellen werden ebenfalls sehr rasch um- gewandelt, so dass es gar nicht zur Bildung einer epithelialen Tasche kommt. Ebenso rasch erfolgt die Grössenzunahme der Giftzellen, welche den das Lumen ausfüllenden Schleim ver- drängen und bald das Lumen ausfüllen. Fig. S stellt eine Drüse dar, in der sich ein Teil der Epithelzellen zu Giftzellen um- gewandelt hat. In Fig. 9 haben sich bereits alle Zellen zu Gift- zellen umgewandelt. Das Lumen ist ganz mit Sekretgranula erfüllt. Nur im Ausführungsgange findet sich noch ein Schleim- pfropf vor, der den Ursprung dieser Drüse aus einer Schleim- drüse erklärt. Eine epitheliale Tasche konnte ich nirgends konstatieren. Es ist daher anzunehmen, dass es bei den Anuren nur den eben beschriebenen Modus der Umwandlung zu Giftdrüsen gibt. Die Hautsinnesorgane. Über die Anlage der Hautsinnesorgane berichtet Maurer, dass dieselben aus Zellen der basalen Epidermisschicht sehr früh- zeitig, zu einer Zeit, wo die Epidermis nur aus zwei Lagen von Zellen besteht, erfolgt. „Die Zellen der basalen Lage vermehren sich an ganz zirkumskripten Stellen so, dass sie als hohe zylin- drische Elemente in scharf begrenzten Gruppen zwischen den kubischen oder platten Zellen der basalen Schicht liegen.“ Im ersten Stadium sind die Zellen durchaus gleichartig und bilden einen Zellkegel, der anfangs noch von der Deckschicht überzogen wird. Später tritt eine Differenzierung in birnförmige Sinneszellen und zylindrische Stützzellen, welche eine Mantelschicht bilden, ein. Die über der Anlage sich befindenden Deckzellen sollen hierbei abgestossen werden. Noch während des larvalen Lebens erfolgt die Rückbildung der Hautsinnesorgane. Hierbei sollen die Sinneszellen ausgestossen werden, während die übrigen Zellen Zur Histologie der Anurenhaut. 281 verhornen und die bei den erwachsenen Tieren vorkommenden Perlorgane bilden. Ich kann nun die Angaben Maurers nicht ganz bestätigen. Die erste Anlage findet so statt, wie Maurer es beschreibt. Es sind tatsächlich Zellen der basalen Epidermislage, welche die Hautsinnesorgane liefern. Es ist dies Verhalten sehr wichtig, da hierdurch ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von den Drüsenanlagen, welche, wie weiter vorn ausgeführt wurde, aus Zellen der obersten Epithelschicht hervorgegangen sind, gegeben wird. Die weitere Entwicklung gibt Maurer nicht ganz richtig an. Ein Abstossen der über den Sinnesorganen gelegenen Deck- zellen, wie es Maurer beschreibt, findet nicht statt. Vielmehr beteiligen sich diese Elemente am Aufbau der Sinnesorgane. Die basalen Zellen vergrössern sich und nehmen eine langgestreckte Form an. Die Kerne werden stäbchenförmig und liegen in der Achse dieser Zellen. Durch die Grössenzunahme der basalen Zellen erleiden die Deckzellen einen Druck, der sie zwingt, aus- einander zu weichen, wobei sich die basalen Zellen zwischen sie einschieben und mit ihren spitzen Enden an die freie Oberfläche gelangen (Fig. 19 und 20). Die Deckzellen rücken tiefer herunter und werden zu Hüll- oder Mantelzellen der Sinnesknospe. Jetzt erst differenzieren sich die zentralen Zellen zu Sinneszellen, wobei die Kerne ein wenig in die Höhe rücken. Zur Basalfläche der Epidermis geht von den Sinneszellen ein feiner Protoplasma- fortsatz aus. Die Rückbildung der Sinnesknospe geht vor der Meta- morphose vor sich. Nur äusserst selten bleibt ein Sinnesorgan zeitlebens erhalten. Bei der Rückbildung tritt aber keineswegs ein Verhornungsprozess oder eine Elimination irgend welcher Zellelemente ein. Es erfolgt vielmehr eine Rückdifferenzierung der einzelnen Zellen zu normalen Epithelzellen. Die in der Haut der erwachsenen Frösche vorkommenden Perlkugeln haben mit den Hautsinnesorganen nicht das mindeste zu tun und können auch mit den Perlorganen der Knochenfische nicht homologisiert werden. Sie sind vielmehr pathologische Bildungen, hervorgegangen durch Einstülpung des Stratum corneum und der darunter ge- legenen Ersatzschicht. Fig. 12—14 zeigen die Entstehung dieser Bildungen. In Fig. 12 sieht man den Beginn der Einstülpung. Das Stratum cörneum hat sich in den Ausführungsgang eines 292 282 Otto Weiss: verödeten Drüsenbalges gesenkt. Die Zellgrenzen der an dieser Einstülpung sich beteiligenden Ersatzschicht sind noch deutlich sichtbar. In Fig. 13 ist eine Verhornung der inneren Zellen ein- getreten, doch kann man noch deutlich die Grenzen der an der Einstülpung teilhabenden Schichten erkennen. Fig. 14 zeigt eine ausgebildete Perlkugel. Das Zentrum besteht aus verhornten Zellen, welche keine Grenzen mehr erkennen lassen. Aussen herum liegen in. konzentrischen Schichten angeordnet ebenfalls verhornte Zellen. Die ältesten, d.h. die am frühesten eingestülpten Zellen liegen im Innern. Die Zellkerne sind zerstört und ihr Chromatin ist fein über die ganze verhornte Masse verteilt. Es möge noch bemerkt werden, dass die Perlkugeln nicht bei allen Tieren vorkommen. Finden sie sich aber vor, so sind sie ungemein häufig. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie im Zu- sammenhang stehen mit einer Unterdrückung des Häutungs- prozesses, die bewirkt, dass die Hornschicht, anstatt abgestossen zu werden, sich in die Epidermis einstülpt. Es ist also, wie ich glaube, deutlich gezeigt worden, dass die Perlkugeln in der Haut der Frösche mit den Hautsinnes- organen nichts zu tun haben. Sie können daher auch nicht zur Ableitung der Haare der Säugetiere von den Hautsinnesorganen der niederen Wirbeltiere verwendet werden. Der Häutungsprozess. Es soll hier nicht über die Ursache des Häutungsprozesses und die äusseren Bedingungen, unter denen er verläuft, ge- sprochen werden. Die Häutung wird eingeleitet durch eine ungemein rege Teilung der Zellen der basalen Epidermislage, auf die zuerst S. Mayer hingewiesen hat. Die durch diese Teilung veranlasste Zellvermehrung führt zu der Ausübung eines Druckes auf die oberen Epidermiszellen, der eine Abplattung derselben zur Folge hat. Je höher die Zellen liegen, um so flacher werden sie. Die Interzellularbrücken zwischen der Ersatzschicht und dem Stratum corneum werden durch den Druck zusammengepresst und ver- schmelzen, wobei sie einen homogenen Saum bilden, der, wenn die Ersatzschicht an Stelle der Hornschicht getreten ist, eine Pseudocuticula darstellt. Zur Histologie der Anurenhaut., 283 Es sei noch hingewiesen auf Zellelemente, welche bei der Häutung eine Rolle spielen. Im Epithel finden sich flaschenförmige Zellen, welche nach ihrem Entdecker als Rudneffsche Zellen bezeichnet wurden. Der kolbenförmige Körper ist mit seinem angeschwollenen Ende nach unten gerichtet, während das Ende des Halses nach aussen gekehrt ist. Der Kern liegt basal ım kolbenförmigen Teil der Zelle und ist chromatolytisch verändert. Mit Hämatoxylin (Delafield) tingiert. nimmt er eine tief- schwarze Farbe an. Das Plasma, das nur als ein breiter Strang, der vom Kern zum Ende des Halses zieht, vorhanden ist, zeigt deutlich die Anzeichen einer Verhornung. Mit den benachbarten Epithelzellen und dem Stratum corneum sind diese Zellen durch Interzellularbrücken verbunden. — Es ist zweifellos, dass es sich hierbei um mechanische Elemente handelt, die zur Be- festigung, gewissermassen zur Verankerung, der Hornschicht dienen. F. E. Schulze und OÖ. Weiss schreiben diesen Ele- menten eine sekretorische Funktion zu. Nach ihnen sollen diese Zellen ein Sekret liefern, das eine Ablösung der Häutungsschicht bewirken soll. Doch ist diese Auffassung nicht richtig. Die Aus- bildung von starken Interzellularfortsätzen, die Verhornung des Plasmas und die Verteilung über die ganze Epidermis, die Pfitzner für Salamander und ich für Bombinator nachweisen konnten, sprechen dafür, dass es sich um mechanische Elemente handelt. Es wurde bereits oben erwähnt, dass der Häutungsprozess eingeleitet wird durch eine starke Vermehrung der basalen Epidermiszellen. Diese bewirkt nicht nur einen Druck gegen die oberen Zellen, sondern löst auch eine Spannung aus, welche be- wirkt, dass das Stratum corneum platzt und sich dann vom Fpithel ablöst. Zusammenfassung der Ergebnisse. Im Nachfolgenden seien die Ergebnisse meiner Arbeit in Form von einigen Thesen zusammengefasst: 1. Die die Haut der Anuren und Urodelen (Triton) durch- setzenden Bündel glatter Muskelzellen sind ektodermalen Ursprunges. Sie gehen hervor aus nicht besonders ditferen- zierten Zellen der basalen Epidermisschicht, indem sich einige 284 Otto Weiss: dieser Zellen spindelförmig verlängern und in das Corium rücken, den Zusammenhang mit dem Epithel jedoch nicht aufgeben. 2. Die Anlagen der Hautdrüsen entstehen bei den Larven in der Deckschicht, bei den erwachsenen Tieren in den obersten Epidermislagen. Giftdrüsen werden nicht direkt als solche angelegt, sondern entstehen durch Umwandlung von völlig ausgebildeten 'Schleimdrüsen. Diese Umwandlung erfolgt erst nach der Metamorphose. 4. Die Hautsinnesorgane der Larven entstehen in der basalen Epidermisschicht. Die über ihnen liegenden Deckzellen nehmen an ihrem Aufbau teil. 5. Die Zellen der Hautsinnesorgane erfahren vor der Meta- morphose eine Rückdifterenzierung zu normalen Epithelzellen. 6. Die in der Haut von erwachsenen Fröschen vorkommenden Perlkugeln sind pathologische Bildungen. os Literaturverzeichnis. 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Anat. und Entwicklungsgesch., Bd. 53, 1899. Derselbe: Über die Entwicklung der Giftdrüsen in der Anurenhaut. Vorl. Mitteilung. Anat. Anz., Bd. 33, 1908. Figurenerklärung zu Tafel XIX. Figuren 1—-7 sind mit Zeiss Öl-Immersion 12:1 gezeichnet. Alle übrigen Figuren sind mit Leitz Oc. 3, Obj. 7 angefertigt. Fig. 1—8 zeigen die Entwicklung der Schleimdrüsen. Fig. 1 zeigt die Teilung einer Deckzelle, welche die erste Drüsenanlage liefert. Fig. 2 und 3 zeigen solche Anlagen, welche von den übrigen Epithelzellen durch Spalträume getrennt sind. Fig. 4 zeigt ein bereits geschlossenes, noch immer epithelial liegendes Drüsenbläschen. In Fig. 5 ist eine, bereits mit einem Lumen versehene, in das Corium gerückte Drüsenanlage dargestellt. Der Zusammenhang mit der Epidermis ist auf diesem, nicht völlig median getroffenen Schnitte nicht deutlich ausgedrückt. Wir sehen, dass bereits hier eine Differenzierung in äussere Zellen (m), welche zu Muskelzellen werden und innere (s), deren Zytoplasma bereits fein granuliert, die Vorstufe des Muzins zeigt. In Fig. 6 sieht man, dass es infolge der Vermehrung der am oberen Drüsen- pole gelegenen Zellen zur Ausbildung des Drüsenhalses kommt. Die Bildung des äusseren Ausführungskanales erfolgt, indem das Strateum corneum (str. c.) abgestossen wird und die Zellen der Ersatzschicht eingestülpt werden. E = Ersatzschicht, m = glatte Muskulatur. Fig. 7 zeigt eine nahezu völlig ausgebildete Schleimdrüse. Das Plasma der Epithelzelle ist teilweise in Muzin umgewandelt (S. Z.), teilweise zeigt es noch ein azidophiles Verhalten (M). Die Zellen des Drüsen- halses rücken auseinander und bilden ein Lumen. 2856 Otto Weiss: Zur Histologie der Anurenhaut. In Fig. 8 ist die Umwandlung einer ausgebildeten Schleimdrüse zu einer Giftdrüse dargestellt. Die gelbgefärbten Zellen (G. Z.) sind Gift- zellen, während die übrigen Epithelzellen noch Schleimzellen sind. Das Lumen ist noch ganz von Schleim ausgefüllt. Fig. 9 zeigt eine fast völlig umgewandelte Giftdrüse. Nur im Lumen des Ausführungsganges findet sich noch ein letzteres (S. Dr.) der Schleimdrüse. Fig. 1—7 entstammen der Haut von Larven von Bombinator igneus. Fig. 8 und 9 sind Präparaten von völlig erwachsenen Tieren zugrunde gelegt. Fig. 10 zeigt die Anlage einer Drüse beim erwachsenen Tier (Rana esculenta). Fig. 12—14 zeigen die Bildung der Perlkugeln in der Haut von Rana esculenta. Fig. 12 und 13 zeigen den Beginn der Einstülpung des Stratum corneum (str. ec.) und der Ersatzschicht (E). Fig. 14 stellt eine ausgebildete Perlkugel (P. K.) dar. In Fig. 15, 16 und 17 werden Epithelzellen, welche zapfenförmig in das Corium ragen und die sich später in glatte Muskelzellen um- wandeln, dargestellt. Fig. 15 stammt von Bombinator igneus, Fig. 16 von Triton cristatus, Fig. 18 von Rana agilis. In Fig. 18 sind völlig ausgebildete glatte Muskelzellen dargestellt. Man sieht deutlich, dass diese Zellen bis zum Stratum corneum reichen. Fig. 19 und 20 zeigen die Entstehung der Hautsinnesorgane (Pelobates fuscus). D. z = Deckzellen. In Fig. 21 sieht man, wie die Zellen der Epidermis gegen die Oberfläche hin allmählich abflachen. R — Rudneffsche Zelle. str. c. — Stratum corneum, dem die Pseudocuticula (P. ce.) aufsitzt. 287 Was sind die Plastosomen? II. Bemerkungen zu dem Vortrag von C.Benda: Die Bedeutung der Zelleibstruktur für die Pathologie. Von Friedrich Meves in Kiel. Auf der letzten Tagung der Deutschen pathologischen (re- sellschaft in München (23.—25. März 1914) hat Ü. Benda ein Referat über die „Bedeutung der Zelleibstruktur für die Patho- logie“ erstattet. Meine eigenen Arbeiten über Zelleibstruktur haben einst denselben Ausgangspunkt wie diejenigen Bendas gehabt, näm- lich die schon vor Benda und mir von A. v. Brunn, v. la Valette St. George, L. und R. Zoja und anderen ge- sehenen, von L. und R. Zoja mit Hilfe der Altmannschen Methode technisch dargestellten, von Benda als „Mitochondrien“ bezeichneten Körner der Samenzellen. Während ich aber in der ersten Zeit noch in einiger Beziehung mit Benda über- einstimmte, habe ich mich bei meinen weiteren Untersuchungen immer mehr, in zahlreichen und wichtigen Punkten, von ihm ent- fernt. Z.B. habe ich die Auffassungen, welche Benda sich um 1900 von den „Mitochondrien“ als einem neu entdeckten Zell- organ, von ihrer „physiologischen Bedeutung“, ihrem Verhältnis zum „Mitom“ Flemmings und zu den Altmannschen Granulis gebildet hatte, sämtlich als irrtümlich nachweisen können. Benda trägt nun aber in seinem Referat den Ergebnissen meiner Forschung nicht genügend Rechnung und stellt ausserdem eine Anzahl mich betreffender irrtümlicher Behauptungen auf, welche ich nicht unwidersprochen lassen möchte. Benda glaubte anfangs (1598, 1) in den Körnern, welche er mit Hilfe einer besonderen, von ihm aufgefundenen Färbungs- methode nachgewiesen hatte, „ein neues, vielleicht einer spezi- fischen Funktion dienendes Zellorgan“* entdeckt zu haben; es stellte sich aber, wie er in seinem Vortrag (1914) sagt, bald heraus, dass A. v. Brunn (1884) schon manches von seinen 258 Friedrich Meves: Befunden gesehen hatte, wie er sofort, als es ihm bekannt wurde, unumwunden anerkannt habe. Ich selbst habe meine ersten Beobachtungen, wie ich seit 1900 immer wieder betont habe (man vergleiche Meves 1900. S. 554, 1908, $. 833, 1912, 8. 96 Anm., 1914, 2, 8.284), völlig unabhängig von Benda gemacht. In der Literaturbesprechung einer 1900 erschienenen Arbeit habe ich besonders auf v. la Valette St. George hingewiesen, der 1386 unzweifelhafte „Mitochondrien“ in den Samenzellen von Insekten aufgefunden und die Entstehung des „Nebenkerns“ aus diesen Körnern kon- statiert hat. Benda hatte 1899 (1 und 2) die gleichen Körner auch in somatischen Zellen verschiedener Art nachgewiesen ; ich selbst hatte (1900, 8. 598) ihr Vorkommen ausser in Samenzellen in den Sertolischen Zellen des Hodens bei Wirbeltieren sowie bei Wirbellosen (wie übrigens auch Benda) beobachtet. Im Jahre 1907 (1) fand ich dann, „dass Gebilde, welche mit den zur Darstellung der Mitochondrien geeigneten Methoden intensiv färbbar sind, bei jungen Embryonen von Huhn und Säuge- tieren ausnahmslos in sämtlichen Zellen in reichlicher Menge vor- handen sind“. Sie haben hier nur selten die Form von Körnern („Mitochondrien“); in der Regel sind es Stäbe oder mehr oder weniger lange Fäden, für welche ich damals die Bezeichnung „Chondriokonten“ vorschlug. Obwohl ich schon 1900 in ver- schiedenen Punkten mit Benda differierte (so z. B. in bezug auf die „physiologische Bedeutung“ der „Mitochondrien“ und auf ihr Lageverhältnis zu den .Polstrahlen), war ich auch 1907 (1) zunächst noch ebenso wie Benda selbst der Meinung, dass es sich um neue, bisher hauptsächlich in Hodenzellen gesehene Strukturelemente handle. Daher begann ich (in dem aufrichtigen 3jemühen, Benda gerecht zu werden und ihm jede Anerkennung. auf welche er Anspruch hätte, zukommen zu lassen) die Mit- teilung, in welcher ich meine Befunde an den Embryonalzellen zuerst bekannt gab, mit den folgenden Worten: „Benda hat das grosse Verdienst, in den von ihm sogenannten Fadenkörnern oder Mitochondrien zuerst einen weitverbreiteten spezifischen Bestandteil der Zellen erkannt zu haben.“ Dieser Satz entsprach meiner damaligen Überzeugung. Meine späteren Untersuchungen haben mich aber alsbald über meinen. Was sind die Plastosomen ? 289 Standpunkt vom November 1907 weit hinaus und zu einer wesent- lich anderen Einschätzung der „Mitochondrien“ geführt. Schon nach einem Monat (1907,2) vermochte ich im Anatomischen An- zeiger festzustellen, dass die „Chondriokonten“ in den Zellen junger Embryonen den Fäden entsprechen, welche Flemming 1852 in lebenden Zellen der Salamanderlarve beobachtet hatte. Noch später gelang es mir (1910, 2) im Verein mit Samssonow (1910) die völlige Gleichheit der „Mitochondrien“ mit den „Bio- blasten“* Altmanns!) und den „Plastidulen“ der Gebrüder Zoja nachzuweisen. Auch von den Boverischen Archoplasmakörnern (1888) habe ich (1911) zeigen können, dass sie nichts anderes als Altmannsche Granula oder „Mitochondrien“ sind. Die Er- kenntnis, dass alle diese Gebilde, welche uns früher so grund- verschieden erschienen, substantiell identisch sind, betrachte ich als ein Hauptergebnis meiner Arbeit, welches mir ermöglicht hat, in das Chaos der Lehre von der Protoplasmastruktur etwas Ordnung hineinzubringen. In der Einleitung des den „Mitochondrien“ gewidmeten Kapitels seines Referates erblickt nun Benda die Hauptsache, in der sich die Überlegenheit seiner Befunde gegenüber den- jenigen v. Brunns zeigte, darin, dass er, was v. Brunn nicht gesehen habe, „das Bestehen der gleichen Gebilde in fast allen anderen Zellen seiner Präparate feststellen konnte, und dadurch klar wurde, dass es sich....... um ein allgemeines Struktur- verhältnis der Zellen handeln müsse“. Hierin hat Benda mit Bezug auf seine Stellung zu v. Brunn zweifellos Recht. Jedoch hatten die Gebrüder Zoja schon 1891 ihre „Plastidulen“ als allgemeine Bauelemente in den verschiedensten Zellarten, darunter auch in männlichen und weiblichen Ge- schlechtszellen, bei nahezu allen Metazoengruppen nach- gewiesen. Benda sagt weiter: „Wenn ich anfänglich glaubte, ein ganz neues Strukturelement gefunden zu haben, so war das ein Irrtum. An allen möglichen Stellen zeigte es sich, wie nament- lich von Meves mehrfach mit Recht dargelegt worden ist, dass sich an vielen Stellen Anknüpfungen und sogar Übereinstimmungen mit älteren Beobachtungen, besonders denen Altmanns und !) Diese Gleichheit hatte ich schon 1908, S. 842—843, vermutet. 290 Friedrich Meves: seiner Schüler, ergaben.“ Ich muss bedauern, dass ich mich mit dieser Konzession an die Ergebnisse meiner Untersuchungen nicht annähernd zufrieden geben kann; mit Altmann bestehen nicht bloss „Anknüpfungen und sogar Übereinstimmungen“, sondern die Bendaschen „Mitochondrien“ sind mit den Altmann schen Granulis völlig identisch; es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen. Mit keinem Wort aber wird in dem Bendaschen Vor- trag erwähnt, dass die Flemmingschen Fäden von 1882 nach- gewiesenermaßen aus der gleichen Substanz wie die Altmann- schen Granula (die Mitochondrien Bendas) bestehen. Und doch handelt es sich hier um einen Punkt von anerkannter Wichtig- keit; denn auf Grund dieses Nachweises ist es Samssonow und mir gelungen, die Beobachtungen Flemmings und Alt- manns, welche sich bis dahin gegenüberstanden, bis zu einem gewissen Grade miteinander zu versöhnen. Benda scheint, wie schon seine Kapitelüberschriften (S. 16 und 17) annehmen lassen, immer noch der Ansicht zu sein, dass die „Mitochondrien*“- substanz im allgemeinen in granulärer Form auftritt, was be- kanntlich durchaus nicht der Fall ist. Im Anschluss an das oben wiedergegebene Zitat erklärt Benda, der „von Retzius erhobene Vorwurf, dass die als Mitochondrien bezeichneten Gebilde sämtlich längst bekannt ge- wesen sind“, sei unberechtigt. Wenn man in diesem Satz das Gewicht auf das Wort „sämtlich“ legt, ist er allerdings un- berechtigt: aber sonst ist er völlig zutreffend. Jedoch ist er nicht das Untersuchungsergebnis von Retzius, sondern von mir; dass Retzius für die Feststellung dieser Tatsache nicht angeführt werden kann, glaube ich in einer inzwischen erschienenen Schrift (1914, 2) zur Genüge dargetan zu haben. Es liegt nun das unbestreitbare Bedürfnis vor, die ge- nannten Gebilde, welche ich als substantiell identisch erkannt habe, die „Fila“ Flemmings von 1882, die „Zytomikrosomen“ von v. Brunn und v. la Valette St. George, die „Archo- plasmakörner“ Boveris, die „Bioblasten“ Altmanns, die „Plastidulen“ der Gebrüder Zoja, die „Mitochondrien“ Bendas etc. unter einer gemeinsamen Bezeichnung zu vereinigen. Als solche habe ich in letzter Zeit den Ausdruck „Plastosomen“ gebraucht: und zwar unterscheide ich körnige Plastosomen oder Was sind die Plastosomen ? 291 Plastochondrien und fädige Plastosomen oder Plasto- konten. Diesen Plastosomen stelle ich, unter der alten Flemmingschen Bezeichnung „Mitom“, die im allgemeinen nur bei stärker saurer Fixierung sichtbaren Fäden der Strahlungen und der gleich oder ähnlich beschaffenen Gerüste gegenüber. Von dieser meiner, wie ich finde, einfachen und klaren Auffassung behauptet nun Benda, dass sie „äusserst kompli- ziert“ und ihm ebenso wie anderen Autoren (Laguesse, Levi, Hirschler) „unverständlich“ sei. Hierzu stimmt zunächst nicht, dass es Benda selbst in seinem Referat gelingt, in wenigen Zeilen eine im wesentlichen zutreffende Darstellung meiner Ansicht von dem Verhältnis zwischen Plastosomen und „Mitom“ zu geben. Wenn Benda aber weiter sagt, dass auch Laguesse, Levi und Hirschler meine Stellungnahme unverständlich gefunden haben, so entbehrt diese Behauptung jeder Grundlage. Laguesse hat 1911 auf Grund einer Untersuchung an Knorpelzellen der Salamanderlarve meine Darstellung, nach welcher die Fäden Flemmings von 1832 mit „Chondriokonten“ identisch sind, völlig bestätigt und sich auch bezüglich der Identität zwischen Altmannschen Granulis und „Mitochondrien“ Samssonow und mir angeschlossen. Seine weiteren Aus- führungen gehen dahin, dass die „Chondriosomen* augenschein- lich ein Strukturelement im Protoplasma, aber nicht die intime Struktur der protoplasmatischen Masse selbst darstellen, in dem Sinne, wie man es früher, zur Zeit des Kampfes der Körner-, Waben-, Faden- und Gerüstlehre verstand. Sie sind eine Art Eliteprotoplasma (protoplasme superieur im Sinne von Prenant); ihr Studium gibt uns keine Aufklärung über den (strukturierten oder homogenen) Zustand der übrigen Masse, welche den grössten Teil des Zelleibes bildet.!) Was alsdann Levi anlangt, so habe ich mich zunächst davon überzeugt, dass in seinen von Benda zitierten Schriften ‘) In ähnlicher Weise haben sich Levi (1912,11, S. 158) und Terni (1914, S. 76) ausgesprochen; sie sind der Ansicht, dass die Plastosomen nicht als eine Protoplasmastruktur im Sinne Flemmings, sondern als Zellorganellen aufzufassen sind, die von dem umgebenden Medium mehr oder weniger unabhängig sind. 292 Friedrich Meves: nirgends ein Beleg für die von Benda aufgestellte Behauptung enthalten ist. Da ich aber befürchtete, in irgend einer Abhand- lung dieses Autors eine bezügliche Bemerkung übersehen zu haben. habe ich mich (Anfang November 1914) an Herrn Levi selbst mit einer Anfrage gewandt; ich habe die Antwort erhalten, dass er in keiner seiner Arbeiten meine Stellungnahme als ihm unverständlich bezeichnet habe. Auch bei Hirschler vermisse ich jede Andeutung in der von Benda behaupteten Richtung. Der meines Wissens ausser Benda einzige Autor, welcher erklärt hat, meine Auffassung nicht oder nicht sicher verstehen zu können, ist Retzius (1914) gewesen; gerade dieser wird jedoch von Benda nicht als Gewährsmann zitiert. Benda sucht aber meine Ansicht nicht nur als kompliziert und ihm und anderen unbegreiflich hinzustellen, sondern be- hauptet auch. dass sie falsch sei. Er ist ebenso wie Retzius (1914) und auch Hirschler (1913) der Meinung, dass die Plastochondrien und Plastokonten in „Mitomfäden“ ein- gelagert seien, wobei er unter „Mitomfäden“ ebenso wie ich selbst die Fäden der Strahlungen und Gerüste versteht. Ich behaupte demgegenüber, dass eine solche intrafilare Lage der Plasto- chondrien und Plastokonten völlig ausgeschlossen ist; für die Begründung meiner Ansicht darf ich auf meine Antwort an Retzius (1914, 2) verweisen. Wenn Benda zur Verteidigung seines Standpunktes zu- nächst anführt, ihm habe ursprünglich in erster Linie daran ge- legen, festzustellen, dass er abweichend von Altmann an der Fadenstruktur der Zelle festhielt und nicht wie dieser die Faden- struktur nur als das Negativ der Körnerstruktur betrachtete, so scheint mir dadurch die uns beschäftigende Frage wenig berührt zu werden. Benda fährt dann folgendermaßen fort: „Dazu kamen tatsächliche Beobachtungen über die Lagerung der Körner in den Polstrahlungen der Blastomeren, den Mitomfäden der Salamander- spermatozyten, den Wimperwurzeln, wie überhaupt die Feststellung, dass bei ungenügender Fixierung oder Färbung an ihrer Stelle die Mitomfäden sichtbar werden.“ Von den „tatsächlichen Be- obachtungen“, von denen Benda hier spricht, behaupte ich nun aber meinerseits, dass sie irrtümlich sind. Die „Mitomfäden“, z. B. Was sind die Plastosomen ? 293 die vom Zytozentrum ausgehenden Strahlen in einem Leukozyten, sind am besten bei einer für Plastosomenstudien ungeeigneten, stärker sauren Fixierung sichtbar, durch welche die Plastochondrien gelöst werden: sie liegen aber nicht „an Stelle“ der Plasto- .chondrien, sondern zwischen ihnen. Ebenfalls sichtbar sind die Mitomfäden bei „ungenügender“ Fixierung mit den zum Plasto- somenstudium dienenden Reagentien, z. B. im Innern etwas ‚grösserer Objekte, wo die Wirkung der Osmiumsäure eine mangel- hafte gewesen ist; die Plastochondrien sind an solchen Stellen ‚zwar nicht gelöst, aber meistens gequollen (eventuell vorhandene Plastokonten haben sich der Quere nach fragmentiert) und er- :scheinen vielfach mit den „Mitomfäden“ verbacken. Solche Bilder ‚dürften zu dem Irrtum Bendas Veranlassung gegeben haben. Bei tadelloser Fixierung der Plastosomen (man vergleiche den ‚oben zitierten Satz von Benda) ist von den „Mitomfäden“ in der Regel nichts wahrzunehmen. „Meves’ abweichende Stellung“, heisst es bei Benda weiter, „scheint mir wesentlich dadurch bedingt, dass er wie Altmann durch Übertreibung der Osmierung die Fadenstrukturen zum Verschwinden bringt“ (Benda hat hier offenbar schon wieder vergessen, dass er selbst im Satz vorher solches Material, an welchem die „Mitomfäden“ sichtbar sind, mit Rücksicht auf die „Mitochondrien“ als ungenügend fixiert bezeichnet hat) „und dass er (Meves) andererseits durch Bevorzugung der Eisenhäma- toxylinfärbung, welche ausser den Mitochondrien die Mitomfäden färbt, diese vielfach zu den Mitochondrienformationen rechnet, wo bei der Eisenalizarin-Kristallviolettmethode die differente Beschaffenheit zu Tage tritt“. Demgegenüber muss ich es als völlig ausgeschlossen bezeichnen, dass das Eisenhämatoxylin an einem für Plastosomenstudien gut fixierten Material die „Mitom- fäden“ (Fäden der Strahlungen und Gerüste) schwarz färbt; ich habe ferner die „Mitomfäden“ (in dem bezeichneten Sinn) nie- mals zu den Plastosomen gerechnet, sondern sie im Gegenteil dadurch, dass ich jede Beziehung derselben zu den Plastosomen in Abrede stellte, viel schärfer als Benda davon getrennt. Benda spricht auch noch an einer anderen Stelle von den Schwierigkeiten der Deutung, die seiner Ansicht nach nur den Fehlern des Eisenhämatoxylins zu verdanken seien; ich habe von solchen Schwierigkeiten niemals etwas bemerkt. 294 Friedrich Meves: Bei dieser (relegenheit kann ich die Bemerkung nicht unter- drücken, dass Benda seine Eisenalizarin-Kristallviolettfärbung. indem er sie (S. 19) als „typische Methode“ hinstellt,!) stark überschätzt. Die Bendasche Methode leistet gewiss sehr gutes, aber durchaus nichts besseres als die 11 Jahre ältere Altmann - sche, welche auch hinsichtlich des dabei angewandten Fixierungs- mittels völlig originell ist, und die von mir empfohlene Methode, welche in einer Fixierung mit modifiziertem Flemmingschen (semisch und Färbung mit Eisenhämatoxylin besteht. Die Eisen- hämatoxylinfärbung handhabe ich seit ihrer Empfehlung durch M. Heidenhain (1592) und habe mit ihrer Hilfe an Material, welches in verdünntem Flemmingschen Gemisch fixiert war, sicher schon 1897 Plastosomen dargestellt: diese Methode kann Benda also ganz gewiss nicht für sich reklamieren. Von den drei genannten Methoden ist jede geeignet, die beiden anderen zu kontrollieren. Am Schluss des Absatzes, in welchem Benda die Zugehörig- keit der „Mitochondrien“ zu den Fäden der Strahlungen und (Gerüste verteidigt, findet er, dass die ganze Frage erheblich an Aktualität verloren habe. da er ohne weiteres zugeben könne, „dass auch Mitochondrien im nicht fädig differenzierten Proto- plasma vorkommen“. Für mich hätte es dieses Zugeständnisses nicht erst bedurft, da meine Überzeugung von der interfilaren Lage der Plastosomen völlig feststeht. Im übrigen behält aber die genannte Frage ihre Aktualität jedenfalls so lange, als die Bendasche Bezeichnung „Mitochondrien“ oder „Fadenkörner“ in Gebrauch ist. Benda (1898, 2, S. 11) hat diesen Aus- druck nämlich damit begründet, dass die von ihm gesehenen Körner innerhalb der „Mitomfäden“ gelegen seien: sie sollten mit den „Mikrosomen“ der Polstrahlen identisch sein. Da ich diese Anschauung, wie gesagt, entschieden ablehne, muss ich es ebenfalls mit dem Namen „Mitochondrien“ tun, weil er notwendig Veranlassung zu Konfusion geben muss; man kann unmöglich von „Fadenkörnern“ im Sinne von Benda sprechen und gleich- zeitig, wie ich es tue, behaupten, dass die Körner zu den „Mitom- fäden“ in gar keiner Beziehung stehen. !) Die übrigen Methoden werden 8. 28 als „atypische“ bezeichnet! Was sind die Plastosomen ? 295 Benda bezeichnet nun aber seinerseits den von mir ge- brauchten Sammelnamen Plastosomen aus zwei Gründen als „sehr unzweckmässig“ ; „erstens weil sie den etwas anderes bedeutenden Plasmosomen zu nahe anklingen“. Ich kann demgegenüber in dem Gleichklang Plastosomen — Plasmosomen kein Unglück sehen, weil ich der Überzeugung bin, dass die Plasmosomen Arnolds nicht zur Anerkennung in der Wissenschaft gelangen werden. Ich halte sie der überwiegenden Mehrzahl nach für Kunstprodukte, welche durch die von Arnold angewandte Technik in den Zellen erzeugt worden sind.') Über die erste der beiden von Arnold angewandten Methoden, die sogenannte Jodjodkali-Mazerationsmethode, brauche ich keine Worte zu verlieren; denn es dürfte heute kaum noch einen Zytologen geben, welcher glaubt, auf diese Weise Bilder erhalten zu können, welche für die Beurteilung von Zellstrukturen in Betracht kommen. Die zweite Methode, durch welche Arnold seine „Plasmo- somen“ zur Ansicht bringt, besteht in einer „vitalen Färbung“ mit Methylenblau oder Neutralrot; Arnold injiziert diese Farb- stoffe entweder in das lebende Tier oder lässt sie auf Gewebs- stücke einwirken. Nun lässt sich natürlich nicht bestreiten, dass in bestimmten Zellen Gebilde (Granula etc.) vorkommen, die auf diese Weise „vital“ gefärbt werden können. Ich habe z. B. selbst (1905, S. 540) in lebenden roten Blutzellen des Feuersalamanders durch Methylenblau und Neutralrot ein schon vorher von O. Schultze (1887) und Fischel (1901) gesehenes Kügelchen (von ca. 2 u Durchmesser) intensiv tingiert erhalten, bevor noch der Kern der Blutzelle eine Spur von Färbung angenommen hatte. Im übrigen muss ich jedoch auf Grund meiner Erfahrungen behaupten, dass die genannten beiden Farbstoffe für Untersuchungen über die Protoplasmastruktur lebender Zellen jedenfalls nur mit der erössten Vorsicht zu verwenden sind. Die Körnchen und kürzeren oder längeren körnigen Fädchen, welche bei diesem Verfahren !) Ich lege Wert darauf, zu konstatieren, dassich mich in demselben Sinne und zum Teil mit denselben Worten wie bier wiederholt schon zu Lebzeiten Arnolds ausgesprochen habe; man vergleiche z. B. Meves 1911, 8. 685 Anm., 1913, S. 238 Anm., 1914, 8.59 Anm. Archiv f. mikr. Anat. Bd 87. Abt.I. 20 296 Friedrich Meves: vielfach sichtbar werden, stellen nach meiner Überzeugung in zahlreichen Fällen weiter nichts als Ausscheidungen dar, welche die genannten Farbstoffe mit Bestandteilen des Protoplasmas erzeugen. Solche ganz unzweifelhaften Ausscheidungen, welche von anderer Seite als präformierte Bildungen beschrieben waren, habe ich besonders bei meinen Blutuntersuchungen (1905) kennen gelernt. Beide Farbstoffe, Methylenblau und Neutralrot, sind von Ehrlich in die Technik eingeführt und zur vitalen Färbung empfohlen worden; in dem Lehrbuch der Anaemie von Ehrlich und Lazarus (1909) heisst es aber bei Besprechung der Blut- untersuchungsmethoden mit Bezug auf die Resultate der vitalen Färbung ebenfalls (S. 37), dass das „anscheinend Neue mit grösster Vorsicht aufzunehmen ist, da ja bei diesem Verfahren durch das Absterben allerhand unkontrollierbare Erscheinungen hervor- gerufen werden“. Der älteste mir bekannte Hinweis. dass Anilinfarbstofte, z. B. Methylenblau, welche den Zellen (Pflanzenzellen) in gelöster Form geboten werden, von diesen angehäuft (gespeichert) werden und mit einem oder einigen Bestandteilen des Zellsaftes einen Niederschlag bilden können, findet sich bei Pfeffer (1586). Die Speicherung wird nach Pfeffer durch verschiedene Körper ver- ursacht. Die in der Zelle bestehenden Verhältnisse können veran- lassen, „dass die entstehende Verbindung ausgeschieden wird oder gelöst bleibt. Natürlich können auch andere Stoffe mit nieder- gerissen oder in der Ausfällung fixiert werden“ (Pfeffer 1897, S. 82). Es handelt sich also in diesem Fall meines Erachtens nicht, wie Arnold (1914, S. 387) glaubt, um einen Streit um die bessere oder schlechtere Methode; sondern die Lebendfärbung mit Methylenblau und Neutralrot ist überhaupt kein Weg, welcher ganz allgemein zur Darstellung von Protoplasmastrukturen dienen kann. Nach dem Gesagten ist es klar, dass alle weiteren Er- örterungen, welche Arnold über die Bedeutung seiner Plasmo- somen, ihre Beziehung zu den von mir so genannten Plasto- somen etc. ansteilt, für mich gegenstandslos sein müssen. Die Meinung, welche Arnold im Anschluss an Altmann vertritt, dass verschiedene Arten von Stoffwechselprodukten durch Um- Was sind die Plastosomen? 297 wandlung von Granulis entstehen, halte auch ich für vollkommen zutreffend. Die Granula, welche umgewandelt werden, sind aber keine „Plasmosomen“, sondern (meiner Ansicht nach) Altmann- sche Körner oder Plastochondrien. Arnold selbst hat übrigens früher (1899, S. 614) eine Gleich- heit zwischen den von ihm beschriebenen „Plasmosomen“ und den Altmannschen Granulis nicht behaupten wollen: erst später (von 1907 an) ist er mit der Angabe hervorgetreten, dass sie mit den letzteren bezw. „Mitochondrien* mehr oder weniger identisch seien.') Meinerseits habe ich schon 1910 (2) in einer den weissen Blutzellen gewidmeten Untersuchung feststellen können, dass die Bilder, welche man durch die Plastosomenmethoden (Altmann, Meves, Benda) erhält, sich nicht mit den von Arnold be- schriebenen decken. Man vergleiche ferner Champy 1911, S. 153. Zu ähnlichen Resultaten bezüglich der Plasmosomen wie ich selbst ist auch Duesberg (1912) bei einer Besprechung der Arnoldschen Arbeiten gekommen. Duesberg fasst seine An- sicht (S. 823) dahin zusammen, dass, „wenn die Plasmosomen Arnolds in einigen Fällen unseren Plastosomen entsprechen, sie doch nur fehlerhafte und veränderte Bilder darstellen“. „Ich füge hinzu“, sagt er, „dass die gesamte Arnoldsche Theorie auf Beobachtungen beruht, welche mit Hilfe von Methoden ge- macht sind (besonders die Mazerationsmethode), die mir nur geringes Vertrauen einflössen. Mit Flemming (1398) und Meves (1911) bin ich sehr geneigt anzunehmen, dass wenigstens ein grösserer Teil dieser Plasmosomen künstliche Elemente sind.“ Auch Benda erscheint neuerdings (1914) von der Vitalität der Arnoldschen Plasmosomen nicht mehr überzeugt und möchte ') Indem ich in Abrede stelle, dass man die von mir so genannten Plastosomen mit Methylenblau und Neutralrot vital färben kann, will ich keines- wegs bezweifeln, dass sie überhaupt durch Vitalfärbung darstellbar sind. v. la Valette St. George benutzte zu diesem Zweck schon vor 30 Jahren (1885, 1886) ein „Dahliaserum“, welches später, in gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung, von Prenant (1888), Pictet (1891), Henneguy (1896), Faur&-Fremiet (1910) u. a. angewandt wurde. Neuerdings ist von Michaelis (1900), Laguesse (1900, 1905, 1911), Bensley (1911) und Cowdry (1914, 2) Janusgrün mit Erfolg gebraucht worden. 20* 298 Friedrich Meves: die früher von ihm angenommene Identität zwischen „Mito- chondrien“ und Plasmosomen nunmehr fallen lassen.!) Damit glaube ich den ersten Vorwurf, den Benda gegen meine Bezeichnung Plastosomen richtet, erledigt zu haben. Benda findet diesen und die anderen von mir gebrauchten Namen nun ferner, ebenso wie Retzius (1914), deshalb unzweckmässig, weil „sie auf einer funktionellen Hypothese beruhen, die noch keineswegs erwiesen und sicher nicht erschöpfend ist“. Nun ist es allerdings richtig, dass ich mit meinen Be- zeichnungen zunächst die Anschauung habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die so benannten Gebilde allen Differenzierungs- prozessen, welche sich im Verlauf der Ontogenese abspielen, als materielles Substrat zu Grunde liegen. Zu den Differenzierungs- produkten der Plastosomen gehören nach meiner Meinung (1908) erstens die verschiedenen Faserstrukturen, wie z. B. die „Proto- plasmafasern“ der Epidermiszellen, die Fibrillen der glatten und quergestreiften Muskelfasern, die Neurofibrillen, die Bindegewebs- und Neurogliafasern ete.; zweitens auch die verschiedensten auf- fälligen chemischen Erzeugnisse des zellulären Stoffwechsels wie z. B. die Sekretkörner, das Fett, die Pigment- und Dotter- körner. An dieser Auffassung, von welcher wir heute sagen müssen, dass sie keineswegs neu war (siehe unten), halte ich trotz des von einigen Seiten geäusserten Widerspruches unbeirrt fest. Wenn Levi (1911), Terni (1914, 2), Cowdry (1914, 1) u. a. die ganz zweifellos feststehende und mir wohl bekannte Tatsache, dass Plastosomen in vielen Zellarten des erwachsenen Körpers persi- stieren, mit dieser Meinung für unvereinbar erklären, so kann ich ihnen darin durchaus nicht beistimmen. Im übrigen aber bin ich ebenso wie z. B. Benda der Ansicht, dass die Bedeutung !, 1899, 1, S.7 hatte Benda sich dahin geäussert, dass die „Mito- chondrien“ sich von den Altmannschen Körnern „handgreiflich“ unter- scheiden: dagegen seien sie mit den „bisher als Zellmikrosomen bezeichneten Bildungen“ identisch. „Die Fadenkörner“, schrieb er damals (1899, 1, 8. 7) „entsprechen den Mikrosomen, soweit diese bisher durch irgendwelche Methoden deutlicher zur Anschauung gebracht wurden; ich erinnere.... besonders an die bedeutungsvollen Ergebnisse der Mazerations- methoden J. Arnolds, mit denen ich meine Beobachtungen vielfach in Einklang setzen kann“ (von mir gesperrt). Was sind die Plastosomen ? 299 der Plastosomen nicht ausschliesslich darauf beruhen kann, dass sie eine Anlagesubstanz darstellen; ihr Vorkommen in manchen Zellarten, z. B. in Nierenepithelien, lässt mich vielmehr an- nehmen. dass sie noch eine andere Funktion besitzen müssen. Der Ausdruck Plastosomen ist aber auch dann anwendbar, wenn die so benannten Strukturteile nicht oder nicht ausschliesslich zu verschiedenen Zwecken umgewandelt werden, sondern wenn sie bei den Bildungs- und Stoffwechselvorgängen in der Zelle überhaupt nur in irgend einer Weise hervorragend beteiligt sind. Prüft man nun die Hypothesen, welche über die Bedeutung der Plastosomen bisher ausgesprochen sind. so findet man, dass sie sämtlich (mit Ausnahme einer einzigen, welche sicher unzu- treftend ist) darin übereinstimmen, dass sie eine entweder direkte oder indirekte Beteiligung der Plastosomen bei den genannten Prozessen annehmen. Flemming hat bekanntlich die spezifischen Plasma- strukturen, die Muskel- und Nervenfibrillen, die Bindegewebs- fasern ete. in demselben Sinne, wie ich und zahlreiche andere es heute tun, als funktionell differenzierte Zellfäden angesehen; wobei allerdings bemerkt werden muss, dass er nicht zwischen Plastokonten und Fäden der Strahlungen und Gerüste unter- schieden hat. Ferner hat Flemming es schon 1882 (8. 30) eine „Hypothese von Wahrscheinlichkeit“ genannt, dass in den Fäden, welche er am frischen Objekt beobachtet hatte, also in den heute von mir sogenannten Plastokonten, „die wesentlichen Kräfte ihren Ort haben, auf denen das Leben beruht“. Da die Lebenserscheinungen ein Ausdruck des Stoffwechsels sind, so wird Flemming bei diesen Worten wohl an eine Beteiligung bei dem letzteren gedacht haben. Altmann (1890) war der Meinung, dass alle vitalen Vorgänge an die „Bioblasten“ ge- bunden seien; insbesondere erbrachte er den Nachweis, dass die Granula durch morphologische Beobachtung als „Ort der Fett- und Sekretbildung“ erkannt werden können. Die Gebrüder L. und R. Zoja (1891) stimmen mit Altmann darin überein, dass die „Plastidulen“ einer Reihe von Stoffwechselprodukten (den Sekret- und Dotterkügelchen, den Pigmentkörnern, dem Fett etc.) Ursprung geben; sie bezeichnen die Funktion der „Plastidulen“ als eine dem Stoffwechsel dienende, „nutritive“. Regaud (1909) ist der Ansicht, dass diese Elemente die Auf- 300 Friedrich Meves: gabe von Ecleetosomen haben, d. h. damit betraut sind, die chemischen Stoffe, welche mit dem Protoplasma in Kontakt kommen, zu absorbieren, um sie später wieder in irgend einer Form in Freiheit zu setzen. Levi (1911) bestreitet, wie ge- sagt, dass die „Chondriosomen“ sich direkt in die verschiedenen spezifischen Plasmastrukturen umwandeln, nimmt aber an (S. 191), dass sie eine Direktive bei Bildung derselben ausüben, indem sie kleinste Substanzteilchen in gelöster Form (vielleicht Fermente) abgeben: 1912, 2, S. 592 erklärt er es für möglich, dass sie sich in gleicher oder ähnlicher Weise auch bei der Sekretion betätigen. Allen diesen Anschauungen, welche über die Bedeutung der in Rede stehenden (sebilde ausgesprochen sind. wird der Aus- druck Plastosomen, wie ich finde, völlig gerecht: er besagt weiter nichts. als dass diese Strukturelemente bei den Bildungsvorgängen in der Zelle eine Rolle spielen, ohne dass er über die Art dieser Rolle irgend etwas präjudiziert. Ich kenne, wie gesagt, nur eine einzige Hypothese. auf welche er nicht recht passt. welche aber auch schon lange (Meves 1899, 1908, Regaud 1908) wider- legt ist; es ist dies die von Benda (1899, ]) ausgesprochene Vermutung, dass die „Mitochondrien“ „mit den motorischen Leistungen der Zelle in einem prinzipiellen Zusammenhange stehen“. Benda kommt übrigens neuerdings (1914, S. 32) selbst zu dem Ergebnis, dass seine Hypothese „die funktionelle Be- deutung der Mitochondrien wahrscheinlich nicht erschöpft“. Dass den Plastosomen eine formative Bedeutung zukommt, wird auch durch die Bezeichnung Plastidulen ausgedrückt, welche die Gebrüder Zoja 1891 im Anschluss an Maggi für diese Strukturelemente gebraucht haben.') Ich kann ferner darauf ver- weisen, dass Prenant 1904 (S. 53) die Altmannschen Körner, welche er damals im Gegensatz zu Altmann als Zwischen- formen zwischen hypothetischen Elementargebilden und den ver- schiedenen Produkten des Stoffwechsels betrachtete, mit den „Plastiden“ der Pflanzenzellen (Schimper 1883) verglichen und als „Plasten“ bezeichnet hat. Zu meinen Bestrebungen, zu einer brauchbaren Nomen- klatur zu gelangen, macht nun Benda (1914, S. 20) folgende ’) Plastidulen sind nach Maggi (vergl. L.und R. Zoja 1891, S. 238) „plastidi di grado inferiore“. Als „Plastiden“, d. h. „Bildnerinnen“ hatte Haeckel 1866 die Zellen bezeichnet. Was sind die Plastosomen ? 301 Anmerkung: „Seltsame nomenklatorische Gelüste bestimmen Meves, fast in jeder Arbeit!) für dieselben Dinge neue Namen zu erfinden“. Ich glaube, dass ich meine „Gelüste“ an- gesichts der verfehlten Bendaschen Bezeichnung „Mitochondrien“ nicht weiter zu rechtfertigen brauche. Davon abgesehen enthält der zitierte Satz aber eine starke Übertreibung: denn ich habe seit 1900 ca. 20 Beiträge zur Kenntnis der Plastosomen ver- öffentlicht und gerade in zweien derselben neue Vorschläge zur Nomenklatur gemacht. 1907—08, zu einer Zeit, wo ich den Terminus „Mitochondrien“ noch nicht als ungeeignet erkannt hatte, habe ich als Weiterbildungen desselben die Bezeichnungen Chondrikonten ?), Uhondriosomen gebraucht; später habe ich die Namen Plastochondrien, Plastokonten, Plastosomen in Anwendung gebracht. Indem Benda weiter zu den „speziellen Ergebnissen“ der Plastosomenforschung übergeht, erklärt er über die wichtigsten Befunde berichten zu wollen, zeigt sich aber hauptsächlich bemüht. seine eigenen alten, wenn man von seinen spermatogenetischen Untersuchungen absieht, wenig umfangreichen Beobachtungen in ein möglichst helles Licht zu setzen. 7. B. sagt er, er habe nicht nur bei Samenzellen, sondern auch für andere (rewebe „die ent- !) Von mir gesperrt. ®) Benda möchte an Stelle von „Chondriokont* seinen Ausdruck „Chondriomit“ benutzt sehen. Ich hatte nun aber 1907, 1 Benda (1899, 1) bei aufmerksamer Lektüre dahin verstanden, dass er mit der Bezeichnung „Chondriomiten“ oder „Körnerfäden“, „Mitomfäden“ bezeichnen wollte, inner- halb deren „Mitochondrien“ aufgereiht sind. Zu derselben Ansicht war auch M. Heidenhain (1907, S. 412) gekommen. Benda (1914) versichert jedoch, kontinuierliche Stränge plastosomatischer Natur damit gemeint zu haben. Dann hat er sich in der Mitteilung (1899, 1), in welcher er den Namen Chondriomiten oder Körnerfäden vorschlägt, jedenfalls missverständlich lich ausgedrückt. Auf 8.5, Absatz 3 beschreibt er z. B., dass die Wimpern der Flimmerzellen sich in parallele Körnerfäden fortsetzen: mit diesen Körnerfäden sind aber unzweifelhaft „Mitomfäden“ mit darin aufgereihten „Mitochondrien“ gemeint. Wollte Benda ferner Fäden plastosomatischer Natur, welche in ganzer Länge homogen sind, als Chondriomiten bezeichnen» so war der weitere Bendasche Name „Uhondriorhabden“ überflüssig. Meine alte Bezeichnung Chondriokonten („Körnerstangen*, wie Benda zutreffend übersetzt) bringt, wie ich finde, gut zum Ausdruck, dass die so benannten Gebilde den Mitom- oder Plasmafäden gegenüber ein stärkeres Kaliber besitzen. 302 Friedrich Meves: wicklungsgeschichtliche Histogenese hinsichtlich der Mitochondrien geprüft“, wie aus seinen „Angaben über die Entwicklung der Muskelfasern, der Nierenzellen bei Froschlarven und über die Befunde bei den Blastomeren von Triton“ klar hervorgehe; er müsse also dagegen protestieren, wenn von einigen Autoren be- hauptet werde, „dass Meves die ersten entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen über Mitochondrien gemacht habe“ t). Ich bemerke dazu, dass ich diesen Anspruch gegenüber Benda allerdings erheben würde; denn die spärlichen Bemerkungen, welche er über die von ihm aufgezählten Punkte gemacht hat, können meines Frachtens kaum in Betracht kommen. Im übrigen aber haben schon Flemming und Altmann in der genannten Richtung Untersuchungen angestellt. Flemming (1891, 1897) hat sich z. B. bemüht, den Nachweis zu erbringen, dass die Bindegewebsfasern durch „Umprägung“ von „Protoplasmafäden“ entstehen, welche nach meiner Feststellung (1910, i) nichts anderes als Plastokonten gewesen sind. Benda erklärt nun allerdings „gegen die chondriogene Entstehung der Bindegewebsfibrillen“ nach den ihm vorliegenden Bildern und selbst nach meinen Zeichnungen „die grössten Bedenken“ zu haben. Ich möchte aber meinerseits diesen Bedenken nicht allzuviel Gewicht beilegen, ebensowenig wie denjenigen, welche er bezüglich der plastosomatischen Entstehung der Neurofibrillen äussert; denn ich glaube bezweifeln zu dürfen, dass Benda auf diesem Ge- biet über genügende Erfahrungen verfügt. Es sei schliesslich noch erwähnt, dass Benda ebenso wie z.B. Levi eine Umwandlung von Plastosomen in die verschiedenen Stoffwechselprodukte gegenüber der herrschenden Ansicht ablehnt; nur für die Pigmente ist er geneigt, eine Ausnahme zuzulassen. Nachdem ich meine Auseinandersetzung mit Benda für dieses Mal beendigt habe, möchte ich zum Schluss noch auf einige Bemerkungen Arnolds eingehen, auf welche ich bei einer Durch- 1) Von Autoren, welche meine Untersuchungen an Embryonen be- stätigt haben, wird von Benda ausser Duesberg (1910) als einziger v. Berenberg-Gossler (!) genannt. Dabei hat v. Berenberg-Gossler (1912) „Mitochondrien“ ausschliesslich in Urgeschlechtszellen beschrieben ; von den Körnern, die er als solche abbildet, ist mir sogar noch zweifelhaft, ob sie auf den ihnen beigelegten Namen „Mitochondrien“ überhaupt Anspruch haben. Was sind die Plastosomen? : 303 sicht seines Buches (1914) „Über Plasmastrukturen und ihre funktionelle Bedeutung“ gestossen bin. Arnold schreibt S. 371: „Wenn Meves neuerdings unter Hinweis auf einzelne Beobachtungen Flemmings den Versuch macht, die Mitomlehre uud die Granulalehre miteinander zu ver- söhnen, so wird diesem als einem Zeugnis pietätvoller Gesinnung gegen den Meister niemand die Sympathie versagen.“ Hier liegt in mehrfacher Beziehung eine Verkennung des Sachverhalts von Seiten Arnolds vor. Zunächst beruht die Beschreibung, welche Flemming 1832 nach Beobachtungen am frischen Objekt von einem Fadenbau der Zellsubstanz gegeben hat, nicht nur auf „einzelnen Beobachtungen“. Ferner aber. hat meine Feststellung, dass die Fäden Flemmings von 1882 und die Granula Alt- manns substantiell identisch sind, mit meiner Pietät gegen Flemming nicht das geringste zu tun. Schliesslich kann von einem blossen „Versuch“, den ich gemacht hätte, nicht die Rede sein; denn die von mir im Verein mit Samssonow konstatierte substantielle Gleichheit der genannten Gebilde ist heute bereits allgemein anerkannt. Da Arnold mich in dem obigen Zitat an meine Pflicht gegen meinen Lehrer Flemming erinnert, so möchte ich nicht unterlassen, auf die Grundlosigkeit der Angrifte hinzuweisen, welche der Heidelberger Forscher gegen diesen richtet. Arnold geht dabei meistens auf die völlig unzutreffende und ungerechte Beurteilung zurück, welche M. Heidenhain (1911) in seinem Buch „Plasma und Zelle“ der Fadengerüst- lehre von Flemming zuteil werden lässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass M. Heidenhain mit seiner Darstellung noch bei irgend jemandem ausser bei Arnold Anklang finden wird, welcher letztere sich selbst (1914, S. 382) als „Notleidenden“ gegenüber der an seine Adresse gerichteten Flemmingschen Kritik ') hinstellt, die als durchaus gerechtfertigt anerkannt werden muss. Die nach M. Heidenhain und Arnold „längst ver- alteten“ Beobachtungen Flemmings an der lebenden Zelle bleiben von grundlegender Wichtigkeit, weil sie uns durch ihre völlige Übereinstimmung mit den durch die Plastosomenmethoden !) Flemming (1898, S.412) hatte einen Teil der Arnoldschen Körnchen als Produkte einer „Mazerationsquellung“ gekennzeichnet. 304 Friedrich Meves: gewonnenen Bildern die Sicherheit geben, dass die letzteren dem Naturzustand entsprechen. Auf S.373 des Arnoldschen Werkes heisst es: „Bücher haben ihre Geschicke. Dieser Satz hat auch für das Altmann- sche Buch Geltung. Sieht man von den namhaft gemachten Ver- teidigern der Granulalehre, denen ich mich ungeachtet wesent- licher Differenzen in unseren Anschauungen zuzählen darf, ab, so hat es eine lange Reihe von Jahren gewährt, bis die Granula- lehre Altmanns in objektiver Weise auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft worden ist. Es gebührt M. Heidenhain das Verdienst, auf Grund eigener sorgfältiger Untersuchungen und umfassender Kenntnis der Literatur einen solchen Versuch unternommen zu haben.“ Zu diesem Passus darf ich bemerken, dass, wenn sich in den letzten Jahren in Bezug auf die Wertung der Altmann- schen Granula ein vollständiger Umschwung vollzogen hat, dies in allererster Linie dem durch die Plastosomenforschung geführten Nachweis zu danken ist, dass die Altmannschen Körner mit Mitochondrien oder Plastochondrien identisch sind.') Arnold als Verteidiger Altmanns kann ihm nach meinen obigen Ausführungen nicht nützlich gewesen sein. „In der ersten Periode der Mitochondrienforschung“, lese ich schliesslich bei Arnold S.377, „war man von der struk- turellen und tinktoriellen Eigenart der Mitochondrien so fest überzeugt, dass gar nicht an der Möglichkeit gezweifelt wurde, mit ihrer Hilfe die Mitochondrien jederzeit von den anderen Be- standteilen des Plasmas zu unterscheiden und sie als „spezifische“ (rebilde von besonderer Bedeutung einschätzen zu dürfen“. Ich kann nicht umhin, zu erklären, dass sich meine Auffassung in dieser Beziehung bis auf den heutigen Tag nicht geändert hat. ') An anderer Stelle (1913, S. 455) schreibt Arnold selbst: „Ich will bereitwillig bekennen, dass die Granulalehre durch die Mitochondrienforschung gefördert wurde..... Zum Teil ist es der Mitochondrienforschung zu ver- danken, dass die (Granula allgemeinere Anerkennung gefunden haben und an ihrer Praäxistenz nicht mehr gezweifelt wird. Dass die Wahrheit auf Um- wegen sich Bahn bricht, ist ja keine Seltenheit.“ Was sind die Plastosomen ? ) 305 Literaturverzeichnis. Altmann, R., 1890: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. I. Aufl. Leipzig 1890 (II. Aufl. 1894). Arnold, J., 1899: Flemming und die Mitomlehre. Anat. Anz., Bd. 16. Derselbe, 1907: Plasmosomen, Granula, Mitochondrien, Chondriomiten und Netzfiguren. Anat. Anz., Bd. 31. Derselbe, 1913: Das Plasma der somatischen Zellen im Lichte der Plasmo- somen-Granulalehre und der Mitochondrienforschung. Anat. Anz., Bd. 43. Derselbe, 1914: Über Plasmastrukturen und ihre funktionelle Bedeutung. Jena. Benda, ©. 1897: Neuere Mitteilungen über die Histogenese der Säugetier- spermatozoen. Verhandl. d. phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1896/1897. Derselbe, 1898, 1: Über die Entstehung der Spiralfaser des Verbindungs- stückes der Säugetierspermien. Verhandl. d. anat. Ges. in Kiel. 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Derselbe, 1910, 1: Über Strukturen in den Zellen des embryonalen Stütz- gewebes, sowie über die Entstehung der Bindegewebsfibrillen, ins- besondere derjenigen der Sehne. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 75. Derselbe, 1910, 2: Zur Einigung zwischen Faden- und Granulalehre des Protoplasmas. Beobachtungen an weissen Blutzellen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 75. Derselbe, 1911: Über die Beteiligung der Plastochondrien an der Befruchtung des Eies von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76. Derselbe, 1912: Verfolgung des sogenannten Mittelstückes des Echiniden- spermiums im befruchteten Ei bis zum Ende der ersten Furchungs- teilung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 80, Abt. 2. Derselbe, 1913: Über das Verhalten des plastosomatischen Bestandteiles des Spermiums bei der Befruchtung des Eies von Phallusia mammillata. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, Abt. 2. Derselbe, 1914, 1: Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84, Abt. 2. Derselbe, 1914, 2: Was sind die Plastosomen? Antwort auf die Schrift gleichen Titels von G. Retzius. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 85, Abt.1. Derselbe, 1915: Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 87, Abt. 2. Michaelis, L., 1900: Die vitale Färbung, eine Darstellung der Zell- granula. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 55. Pfeffer, W., 1886: Über Aufnahme von Anilinfarben in lebende Zellen. Untersuchungen aus dem botanischen Institut zu Tübingen, Bd. 2. Derselbe, 1897: Pflanzenphysiologie. Bd. I: Stoffwechsel. Leipzig. Pictet, ©., 1891: Recherches sur la spermatogenese chez quelques Invertebr&s de la Mediterrande. Mitt. aus der Zool. Station zu Neapel, Bd. 10. Prenant, A., 1888: Observations cytologiques sur les el&ments s&minaux des Gasteropodes pulmones. La cellule, tom. 4. Derselbe, Bouin, P., und Maillard, L., 1904: Trait& d’histologie, T. I: Cytologie. Paris. Regaud, M., 1908: Sur les mitochondries des cellules eili6ees du tube urinaire. Ont-elles une relation avec la fonction motrice de ces cellules? Compt. rend. de la Soc. de Biologie. Derselbe, 1909: Attribution aux „formations mitochondriales“ de la fonction generale d’extraction et de fixation &lectives, exercee par les cellules vivantes sur les substances dissoutes dans le milieu ambiantes. Compt. rend. de la Soc. de Biologie. Retzius, G, 1914: Was sind die Plastosomen? Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84, Abt. 1. 308 Friedrich Meves: Was sind die Plastosomen ? Samssonow,N., 1910: Über die Beziehungen der Filarmasse Flemmings zu den Fäden und Körnern Altmanns, nach Beobachtungen an Knorpel-, Bindegewebs- und Epidermiszellen. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 75. Schultze, O., 1887: Die vitale Methylenblaureaktion der Zellgranula. Anät. Anz., Jahrg. 2. 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Bekanntlich kommen an verschiedenen Körperstellen bei Säugetieren neben den Kapillaren noch andere Verbindungen zwischen Arterien und Venen vor, die durch Gefässäste mit eigentümlich modifizierter Wandung hergestellt werden. Für der- artige Verbindungen ist die Bezeichnung „arterio-venöse Anasto- mosen“ im Gebrauch. Wenn auch die anastomotischen Gefässe sich im Bau ihrer Wandung sowohl von gewöhnlichen Arterien als auch von Venen unterscheiden, so zeigen sie doch mehr Ähn- lichkeit. mit den Arterien und dürfen wohl als modifizierte Arterien- äste aufgefasst werden, wobei gleich hervorgehoben werden soll, dass von den Bestandteilen der Arterienwand hauptsächlich die Muskulatur, sowohl in ihrer Anordnung als auch in ihrem Bau, modifiziert erscheint. Demnach können die arterio-venösen Anastomosen auch als direkte Einmündungen von modifizierten Arterien in Venen aufgefasst werden. Schon 1862 erwähnt Sucquet (15) auf Grund von In- jektionen das Vorkommen von arterio-venösen Anastomosen an verschiedenen Hautstellen des Menschen, namentlich an den End- gliedern der Finger und Zehen. Später wurde zwar die Richtig- keit dieser Angaben von Fanny Berlinerblau (2) vollständig bestritten, für die Endglieder der Finger und Zehen aber jeden- falls mit Unrecht. Hyrtl (10) schliesst aus Injektionsergebnissen, dass im Daumen der Chiropteren und in der Haut der Tastpolster der Zehen, der Matrix der Hufe, Nägel und Klauen ein direkter Übergang von Arterien in Venen stattfinden muss. Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 21 310 Siegmund v. Schumacher: Arnold (1) bemerkt, dass im distalen Schwanzabschnitt langschwänziger Säugetiere in den sog. Glomeruli caudales direkte Übergänge von Arterien in Venen vorkommen. Eingehender befasste sich Hoyer (9) mit der „unmittel- baren Einmündung kleinster Arterien in Gefässäste venösen Charakters“. Derartige direkte Übergänge von Arterien in Venen konnte Hoyer durch Gefässinjektion an verschiedenen Körper- stellen (Kaninchen, Katze, Hund) nachweisen; so ausser an der Schwanzspitze — in den Glomeruli caudales, die Hoyer ihrem Wesen nach richtig als arterio-venöse Anastomosen deutete — an der Ohrmuschel, der Nasenspitze, im Markraum der End- phalangen bei krallentragenden Säugetieren, in der Matrix des Hufes vom Schwein, in der Haut der Finger- und Zehenspitzen vom Menschen und im kavernösen Gewebe der Geschlechtsorgane von Säugetieren und vom Menschen. Die anastomotischen Gefässe zeigen nach Hoyer an allen Körperstellen. in welchen sie überhaupt getroffen werden, wesent- lich gleichen Bau. Die Verbindung erfolgt stets auf die Weise, dass ein kleiner Arterienast einen oder mehrere noch deutlich arterielle Zweige abgibt, welche nach mehr oder weniger stark geschlängeltem Verlauf in benachbarte Venenäste unmittelbar einmünden. An der Kommunikationsstelle erweitert sich der Verbindungsast ein wenig trichterförmig, im übrigen behält er bis zu seiner Einmündung seine arterielle Struktur bei. Die Venen, in welche diese anastomotischen Zweige einmünden, diffe- rieren in bezug auf die Weite der Lichtung und in bezug auf den Bau ihrer Wandung. Entweder besteht die Wand nur aus einer einfachen Lage von Endothelzellen, zu der höchstens noch eine zarte Bindegewebsschicht als Adventitia dazukommt (im Markraum des Nagelgliedes vom Kaninchen, im Nagelbette beim Menschen, in der Matrix des Hufes beim Schwein, in der Nasen- spitze bei verschiedenen Tieren), oder es unterscheidet sich die Vene von der Arterie nur durch eine etwas schwächere Muskel- faserschicht (Schwanzspitze, Haut der Finger- und Zehenspitzen des Menschen). Nach Gerard (4, 5), dessen Arbeiten mir nicht im Original zugänglich sind, sollen an verschiedenen Stellen der Extremitäten, namentlich in den Beugefalten, verhältnismässig starke — 0,4 bis 3 mm dicke — Verbindungen zwischen Arterien und Venen vor- Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. all kommen. Wie schon Grosser (7) bezüglich dieser Angaben richtig bemerkt, können namentlich die weiteren unter den von Gerard beschriebenen Gefässübergängen, wenn überhaupt, nur ausserordentlich selten vorkommen, da sie ja für die gewöhn- lichen Injektionsmassen der Anatomien bereits sehr leicht durch- gängig sein müssten. Auch ich möchte hierzu bemerken, dass ich in keinem Falle ein anastomotisches Gefäss von so grossem Durch- messer gesehen habe. Ausführliche Beschreibungen der anastomotischen Gefässe, namentlich auch mit Rücksicht auf den Bau ihrer Wandungen, verdanken wir Grosser (6, 7). Zunächst konnte Grosser (6) nachweisen, dass bei Fledermäusen das Vorkommen der arterio- venösen Anastomosen nicht nur, wie Hyrtl angab, auf die End- phalange des Daumens beschränkt ist, sondern dass in jeder Zehe des Fusses ein solcher Übergang der Arterie in die Vene statt- findet, dass also jede Fledermaus mindestens zwölf solcher Anastomosen besitzt. Bei Makrochiropteren kommen im Bereiche der Endphalangen des Daumens mehrere Übergänge von Arterien in Venen vor, die sämtlich im Markraume der Endphalange liegen. Die Anastomosen sind durch den Knochen der Endphalange ge- schützt und von einem reichlichen venösen oder eigentlich kavernösen Gewebe umgeben. Charakteristisch für die Wandung der anastomotischen Ge- fässe ist nach Grosser das Auftreten einer Längsmuskelschicht an der Innenseite der Ringmuskulatur, die gegen die Lichtung vorspringende Wülste bildet, eine Verdickung der Ringmuskulatur und das Fehlen einer Elastica interna. Die Verdickung der Wand hört fast plötzlich bei der Einmündung in die Vene auf. Es ist somit die Anastomose ein durch ihren Bau wohl charakterisierter Gefässabschnitt, der im übrigen Gefäßsystem kein Analogon hat. In einer weiteren Arbeit behandelt Grosser (7) ausführ- lich die arterio-venösen Anastomosen an den Extremitätenenden beim Menschen und bei krallentragenden Säugetieren (Kaninchen, Ratte, Maus, Katze, Hund), und zwar sowohl in bezug auf ihre Verbreitung, als auch bezüglich ihres Wandungsbaues. Letzterer entspricht bei den untersuchten Säugetieren dem der Anastomosen bei den Chiropteren, nur sind ihre Dimensionen viel kleiner. An den Anastomosen des Menschen unterscheidet Grosser ausser der Längs- und der Ringmuskelschicht noch eine zwischen beiden 21* 312 Siegmund v. Schumacher: liegende „kleinzellige Schicht“, die aus länglichen, ziemlich regellos verflochtenen Zellen mit längsovalen Kernen besteht. Die Vermutung Grossers, dass die Zellen dieser Schicht eigen- artig differenzierte glatte Muskelfasern sein könnten, trifft sicher zu. Beim Kaninchen fand Grosser in jeder Endphalange gegen 40 Anastomosen. Letztere finden sich ausser im Hohlraum der Phalange eingeschlossen auch noch zwischen den Gefässen, welche durch die Öffnung an der Spitze der Phalange austreten; sie liegen hier zum Teil schon im Bereich der Nagelmatrix. Bei der Ratte sind die Anastomosen viel kleiner und auch weniger zahl- reich (fünf bis sechs in jeder Endphalange) als beim Kaninchen. Die Hausmaus trägt in jeder Endphalange nur eine Anastomose. Bei Katze und Hund sind zahlreiche Anastomosen in der End- phalange vorhanden. Beim neugeborenen Hund ist von ihnen noch nichts zu sehen; offenbar erfolgt ihre Ausbildung erst später auf Grundlage von Kapillaren. Beim Menschen konnte Grosser Anastomosen in grosser Anzahl im Nagelbette, in den Zehen- und Fingerbeeren, nicht aber in den Endphalangen nach- weisen. Nur im Periost kommen einzelne Anastomosenknäuel vor. Vastarini-Cresi (16, 17) kommt bezüglich der Anasto- mosen an den Endgliedern des Menschen und der Säugetiere zu denselben Ergebnissen wie Grosser. Auch die Anastomosen im “Kaninchenohr sind durch ihren Reichtum an glatten Muskelfasern ausgezeichnet, und zwar findet sich hier eine innere Kreis- und eine äussere Längsmuskelschicht. Ich selbst (14) befasste mich vor einigen Jahren eingehend mit der Untersuchung der im distalen Schwanzabschnitt lang- schwänziger Säuger gelegenen Glomeruli caudales, die schon von Hoyer richtig als arterio-venöse Anastomosen gedeutet wurden, und konnte den Nachweis erbringen, dass das Glomus coceygeum des Menschen in allen wesentlichen Punkten den Glomeruli caudales der Säugetiere entspricht. Während letztere auf mehrere Segmente des Schwanzes verteilt sind, drängen sich die ent- sprechenden Gebilde des Menschen an der Steissbeinspitze zur Bildung eines Hauptknötchens und kleinerer Nebenknötchen zu- sammen.!) Das Endothel der Gefässe der Glomeruli caudales und 1) Nebenbei möchte ich hier bemerken, dass ich bei einem jungen Orang, den ich nach Veröffentlichung‘ meiner Arbeit über das Glomus Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 315 des Glomus coceygeum geht im wesentlichen unverändert von den Arterien auf die Anastomosen und von diesen auf die Venen über, hingegen zeigt die Muskulatur in den anastomotischen Gefässen mehr oder weniger hochgradige Abweichungen von der der Arterien und Venen. Sie lässt sich ihrer Anordnung nach im allgemeinen auf eine zirkuläre Schicht mit nach innen und aussen aufgelagerten Längsmuskelbündeln zurückführen. Ausserdem er- scheinen die einzelnen Muskelzellen mehr oder weniger modifiziert. Sie sind kürzer und namentlich dieker als gewöhnliche Muskel- fasern. Ihre Kerne haben ein epitheloides Aussehen, d. h. sie sind nicht stäbchenförmig, sondern ovoid bis kugelig und chromatin- arm. Den höchsten Grad der epitheloiden Umwandlung erreichen die Muskelzellen in den anastomotischen Gefässen des mensch- lichen Glomus coceygeum, wo sie nicht mehr längsgestreckt, sondern mehr oder weniger kugelig oder polygonal erscheinen und dadurch den Eindruck von Epithelzellen erwecken und tat- sächlich früher für solche gehalten wurden. Naturgemäss muss mit dem höheren Grad der epitheloiden Umwandlung auch die Schichtung der Muskulatur in Lagen mit verschiedener Verlaufs- richtung undeutlicher werden, so dass im Glomus coceygeum von einer Anordnung der Muskelzellen zu Kreislagen und Längslagen nicht mehr die Rede sein kann. Trotz der Modifizierung muss aber die Muskulatur ihre Kontraktilität bewahrt haben, da man die Anasto- mosen bald in geöffnetem, bald in geschlossenem Zustande trifit. Wie auch andere anastomotische Gefässe, so unterscheiden sich die des Glomus coceygeum und der Glomeruli caudales von den Arterien durch den Mangel einer Elastica interna. Höchstens in der Nähe des Abganges von den Arterien kann in den Anasto- mosen elastisches Gewebe in Form von feinsten, die einzelnen Muskelzellen umsäumenden Häutchen vorkommen. coceygeum untersuchte, von einem Steissknötchen nichts finden konnte, ob- wohl mir ein solches, wenn es überhaupt vorhanden gewesen wäre, nicht hätte entgehen können, da ich die ganze Steissbeinspitze mit den umliegenden Weichteilen in eine lückenlose Schnittreihe zerlegte. Dieser Befund erscheint mir deshalb bemerkenswert, weil er für die Abstammung des Menschen von langschwänzigen Vorfahren zu sprechen scheint. Wären unsere Vorfahren kurzschwänzig gewesen, so würden wir wahrscheinlich ebensowenig wie der Orang ein Steissknötchen besitzen, das wir als ein Rudiment — als einen wohl bedeutungslosen Rest (abortives Organ im Sinne Bonnets) — der Glomeruli caudales unserer langschwänzigen Vorfahren auffassen dürfen. 314 Siegmund v. Schumacher: Bisherige Angaben über das Vorkommen von arterio- venösen Anastomosen bei Vögeln. Die unmittelbare Veranlassung zur Untersuchung der Zehen der Vögel auf das Vorkommen von arterio-venösen Anastomosen gab mir die unter der Leitung Leydigs ausgeführte Dissertation von Hanau (8). Hanau gibt Abbildungen von Gebilden in der Zehenhaut verschiedener Vögel, die in mir wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Glomus coceygeum und den Glomeruli caudales sofort die Ver- mutung erweckten, dass es sich um arterio-venöse Anastomosen handeln werde. Bei den verschiedenen Vogelarten finden sich nach Hanau in der plantaren Zehenhaut Gefässknäuel in sehr ver- schiedener Ausbildung. Dieselben zeigen in halbkugeligen primären Papillen (Taube) die echte Glomerulusform, in den spitzen Papillen erscheinen sie sehr in die Länge gezogen, in den platten der Schwimmvögel kann man kaum mehr von einem Knäuel sprechen, sondern eher von einem flächenhaften Gefässnetz. Die Knäuel sind morphologisch in die Reihe der Wundernetze zu stellen und zwar den arteriellen, diffusen zuzurechnen, da eine Wiederver- einigung des in den Schlingen strömenden Blutes erst in den Venen zustandekommt. In bezug auf ihre Grösse ständen sie den Glomeruli der Niere wohl am nächsten. Hanau vermutet, dass diese Wundernetze Apparate sind, die eine Beziehung zum Turgor der Zehenhaut haben. In den Zehenballen der Taube (angedeutet auch bei Hirundo und Passer sowie in den Fersenpapillen von Cypselus) fand Hanau um die Gefässe herum Ansammlungen von Rundzellen, die in kleinerer Menge sich auch unter die dorsalen Schuppen fortsetzen können. In der Zehenhaut der Eule, und zwar in den Seiten- papillen und auf der Dorsalseite, finden sich ebenfalls zellige An- sammlungen um Blutgefässe. Es handelt sich hierbei nach Hanau um Kapillargefässe mit einer relativ stark entwickelten Iymph- drüsigen Scheide. Nicht so klar wie bei der Eule schemt Hanau das Wesen der zelligen Ansammlungen in den Papillen der Taube zu sein. Man könnte nach Hanau zwar auch hier an eine Iymphoide Masse denken, eher dürfte es sich aber um eine Art von Plasmazellen im Sinne Waldeyers handeln, und Hanau verweist direkt auf die Ähnlichkeit mit den Zellen der „Luschkaschen Steissdrüse“. - 2. . ex 91R Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 315 Betrachtet man die Hanauschen Abbildungen 13 und 14 von mit „Iymphdrüsiger Scheide“ umgebenen (Grefässen aus der Zehenhaut einer jungen Eule, so erkennt man sofort, dass es sich um anastomotische Gefässe handeln muss, deren Wandung genau so gebaut erscheint wie im menschlichen Steissknötchen. Die Abbildungen 15 und 16 aus dem Zehenballen der Taube zeigen hingegen Gefässe, die nicht den Charakter von Anasto- mosen darbieten, in deren Umgebung sich aber eine diffuse An- sammlung von Rundzellen findet. Es handelt sich somit um zwei verschiedene Bildungen, die nichts miteinander zu tun haben und streng auseinander zu halten sind: bei der Eule um anastomotische Gefässe mit der charakteristischen Modifizierung der Muskulatur, bei der Taube um eine Ansammlung von Lymphozyten in der Umgebung von (sefässen. Moser (13) beschreibt unter Hinweis auf die Befunde von Hanau ebenfalls das Vorkommen von Lymphfollikeln an der Dorsalseite der Zehen vom Huhn und gibt hierzu eine gute Ab- bildung. Die Iymphoiden Knötchenbildungen liegen nach Moser in der Subceutis und im Corium und reichen ganz nahe an und in die Epidermis hinein. „Im Verlaufe der Gefässe stellen sie vereinzelte, knötchenförmige Anschwellungen der Adventitia dar, in denen die Lymphozyten zu dichten Haufen zusammengeballt sind. In der Nähe der Epidermis dringen die Lymphozyten in das Stratum profundum ein, wodurch die abschliessende Kontur der Basalmembran verwischt und die Abgrenzung der Epidermis gegen das Corium hin eine unregelmässige wird. Dieser Vorgang erinnert an die Verhältnisse der Epitheldestruierung in den Zungenbälgen und den Mandeln.“ Erst bei weiterer Verfolgung der Literatur fand ich, dass schon von Hyrtl (10) im Jahre 1864 eine Angabe über direkte Einmündung von Arterien in Venen in den Zehen des Strausses gemacht worden war. Soweit ich die Literatur überblicke, ist das (neben der Bemerkung von Hanau, dass eine Wieder- vereinigung des in den arteriellen Schlingen strömenden Biutes erst in den Venen zustandekommt) die einzige Angabe, die über arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel vorliegt. Aus der Beobachtung, dass bei der Injektion von der Arteria brachialis aus bei Viverra Linsang sich die Venen 316 Siegmund v. Schumacher: füllten, bevor noch eine Injektion der Kapillaren eingetreten war, schloss Hyrtl, dass gröbere Verbindungen zwischen Arterien und Venen vorhanden sein müssen. Nach genauer Forschung fand Hyrtl, dass dieser Übergang von Arterien in Venen nur in den Zehen-, Fuss- und Fersenballen erfolgt. Anschliessend an diese Beobachtung schreibt Hyrtl wörtlich folgendes: „Ich habe Ähnliches seither in der Matrix des Pferdehufes, den Klauen der Wiederkäuer, den Krallen des Bärenfusses, selbst an den Zehen des Strausses beobachtet, bei welch letzterem Tiere auch in der nackten Haut an der Wurzel des Oberschnabels der Übergang grösserer (d. h. nicht kapillarer) Arterien in grössere Venen so evident ist, dass über die Richtigkeit dieses anatomischen Faktums kein Zweifel obwalten kann.“ Hyrtl hat somit das Vorkommen der direkten Einmündung von Arterien in Venen aus den Injektionsergebnissen erschlossen und machte auch keine Angaben über die Lagerung der Anasto- mosen, den Bau ihrer Wandung usw. Erwähnenswert scheint mir noch, dass nach den Unter- suchungen von Grosser (7) die Anastomosen im Bereiche der Extremitätenenden der Reptilien (untersucht wurden Lacerta viridis, Varanus niloticus, Seineus officinalis und Alligator lucius) fehlen. Material und Untersuchungsart. Da sich bei der Untersuchung herausstellte, dass auch bei weit in ihrem Verwandtschaftsverhältnisse entfernten Arten sich mit grosser Regelmässigkeit Bau und Verteilung der arterio- venösen Anastomosen wiederholt, so glaubte ich mich auf die Untersuchung einer nicht sehr grossen Artzahl beschränken zu dürfen. Zur Untersuchung gelangten: Lamellirostres: Hausgans (Anser domesticus), Hausente (Anas domestica). Gallinacei: Auerhahn (Tetrao urogallus), Birkhuhn (Tetrao tetrix), Haselhuhn (Bonasa sylvestris), Haushuhn (Gallus domesticus). Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 317 Raptatores: Steinkauz (Athene noctua). Passeres: Nusshäher (Nucifraga caryocatactes), Eichelhäher (Garrulus glandarius), Misteldrossel (Turdus visceivorus), Dorndreher (Enneoctonus collurio), Fink (Fringilla coelebs). Sperling (Passer domesticus). Cocceygomorphae: Kuckuck (Cuculus canorus). Die Zehen der meisten Arten wurden ohne weiteres in 10proz. Formol gehärtet. In einigen Fällen wurde eine Gefäss- injektion vorausgeschickt. Letztere wurde gewöhnlich mit wasser- löslichem Berlinerblau ausgeführt und zwar von der Arteria poplitea oder der Arteria tibialis anterior inferior (Hyrtl) aus, welche die Hauptarterie des Fusses darstellt, und gelang bei Gans, Ente und Haushuhn vollständig, so dass nicht nur die Arterien, sondern auch die Anastomosen, Kapillaren und Venen mit Injektionsmasse gefüllt waren. Nur beim Sperling wurde wegen der Kleinheit der Arterien der Versuch gemacht, vom Herzen aus zu injizieren und es gelang die Injektion nur teil- weise. Bei der Ente versuchte ich behufs Darstellung der Arterien und Venen der Schwimmhaut in zwei Fällen eine Doppelinjektion — mit Karminleimmasse von der Arteria tibialis anterior inferior und mit Berlinerblau von der Vena metatarsea magna aus; das Ergebnis war auch hier ein unvollständiges, da schon bei ganz schwacher Injektion von der Arterie aus die Injektionsmasse auf dem Wege der in grosser Menge vorhandenen Anastomosen — ohne dass auch nur eine Kapillare gefüllt gewesen wäre — in die Venen eindrang und den Weg in letzteren verlegte. Einfache Injektionen der Schwimmhautgefässe gelingen von der Arterie aus sehr leicht und vollständig. Derartige Injektionspräparate wurden — neben Schnitten — im Ganzen verwendet, um über die Lage und Menge der Anastomosen eine Übersicht zu erlangen. Wird nämlich die injizierte Schwimmhaut in gespanntem Zu- stande gehärtet, entwässert und aufgehellt, so kann man mit grosser Deutlichkeit bei schwacher Vergrösserung die einzelnen Gefässe verfolgen; allerdings fällt es oft schwer, im einzelnen 318 Siegmund v. Schumacher: Falle Arterien und Venen auseinander zu halten. so dass die Vergleichung mit Schnittpräparaten nicht vermieden werden kann. Es sei gleich hier erwähnt, dass zum Nachweis der Anastomosen in Schnitten keineswegs eine Injektion notwendig erscheint, da der Wandungsbau der anastomotischen Gefässe so bezeichnend ist, dass man letztere im allgemeinen sofort von Arterien und Venen unterscheiden kann und es an lückenlosen Schnittreihen leicht gelingt. ihren Zusammenhang einerseits mit den Arterien. andererseits mit den Venen nachzuweisen. Die Einbettung der Zehen erfolgte ausnahmslos in Zelloidin und von den meisten Arten wurde eine ganze Zehe, daneben aber auch einzelne Teilstücke, wie die plantaren Ballen, das Krallenglied usf. geschnitten. Die Entkalkung geschah entweder vor oder nach der Einbettung in 10 proz. Salpetersäure. Das Schneiden der Zehen bereitet mitunter grosse Schwierig- keiten. Die starken Horngebilde, noch mehr aber Verunreinigungen aller Art (namentlich kleine Sandkörner), die sich sehr häufig in den Spalträumen zwischen den Schuppen oder Schildern der Zehen finden, machen die Herstellung einer lückenlosen Schnittreihe oft unmöglich und beeinträchtigen auch die Dünnheit der Schnitte sehr wesentlich, so dass es im allgemeinen nicht gelang, unter eine Schnittdicke von 10 « herabzukommen. Wenn ausführbar, wurden Schnittreihen, wenigstens von Teilstücken der Zehen, hergestellt. Um das Krallenglied leichter schneidbar zu machen, wurde in einigen Fällen die Hornkralle nach der Entkalkung entfernt, was bei den grösseren Vögeln durch stückweises Ab- tragen mit dem Skalpell nicht allzuschwer gelingt, ohne die darunter liegenden Weichteile zu verletzen. Zur Färbung kamen hauptsächlich in Verwendung Häma- toxylin nach Delafield, Nachfärbung mit Eosin oder Difte- renzierung der stark überfärbten Schnitte mit Pikrinsäure- Säurefuchsin. Zur Darstellung des elastischen Gewebes diente saures Orcein. Eigene Befunde. Arterio-venöse Anastomosen kommen in den Zehen der Vögel in ausserordentlich grosser Verbreitung vor. Sie finden sich nicht nur in sehr grosser Menge an verschiedenen Stellen der Zehenhaut, sondern auch innerhalb des knöchernen Krallen- . .. . .. 62} Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 319 gliedes. Der Verlauf der Anastomosen ist im allgemeinen, so wie dies ja auch von den anastomotischen Gefässen der Säuger be- kannt ist, ein gewundener, zum Teil recht komplizierter. Ihrem feineren Bau nach stimmen sie in jeder Beziehung mit den Anastomosen der Säugetiere überein. Ihre Wandung besteht demnach aus einem Endothel und einer mächtigen Schicht von mehr oder minder hochgradig epitheloid umgewandelter glatter Muskulatur. Elastisches Gewebe fehlt vollständig oder nahezu vollständig, Ich will im folgenden zunächst die Besonderheiten bei den einzelnen Arten beschreiben und dann zusammenfassend einen Überblick über das Vorkommen und den Bau der Anastomosen in den Zehen der Vögel geben. Entenvögel. Hausgans. Arterio-venöse Anastomosen finden sich im ganzen Bereiche des distalen Zehenabschnittes, und zwar nicht nur im Corium, sondern auch im Innern des Krallengliedes. Die proximale Grenze des Vorkommens der Anastomosen wurde nicht bestimmt. Ausser in den Zehen kommen reichliche Anastomosen auch noch in der distalen Hälfte der Schwimmhaut vor. Nirgends finden sich Anastomosen im Stratum papillare; hier liegen nur einfache Kapillarschlingen und Präkapillaren; erst in den tieferen Schichten des Coriums, im Stratum reticulare, treten die anasto- motischen (Grefässe auf. Besonders reichlich sind die Anastomosen in den plantaren Ballen, die sich überhaupt durch grossen Ge- fässreichtum auszeichnen (Fig. 1). Etwas weniger reichlich kommen anastomotische (refässe in den Seitenteilen der Zehen vor. Die plantaren und seitlichen Venen sind ausserordentlich dünnwandig und scheinen nur aus einem Endothelrohr zu bestehen. Im Corium der dorsalen Schuppen sieht man im allgemeinen unter jeder Schuppe eine quer verlaufende grössere Vene mit deutlicher zirkulärer Muskulatur, daneben eine kleinere, sehr dickwandige Arterie, einen Ast der Arteria digitalis propria, dessen feinere Zweige durch Anastomosen, die ebenfalls unter jeder Schuppe vorkommen, mit den Venen in Verbindung stehen. Die Anastomosen bilden hier — wovon ich mich namentlich auch an im Ganzen aufgehellten Injektionspräparaten von der Ente überzeugen konnte — wenigstens mitunter kleine Knäuel, ähnlich 320 Siegmund v. Schumacher: den Glomeruli caudales der Säugetiere, wenngleich letztere im allgemeinen komplizierter gebaut erscheinen. Da jeder Zehe, wie dies bei der Mehrzahl der Vögel der Fall zu sein scheint (vergl. Manno [12]), nur auf einer Seite eine stärkere Arteria digitalis propria zukommt, so ersetzen die quer verlaufenden dorsalen Arterienäste die fehlende oder nur schwach entwickelte Arteria digitalis propria der anderen Seite. Ausserdem kommen im Corium der Schuppen vereinzelte Lamellenkörperchen in Form der für die Vögel charakteristischen Herbstschen Körperchen vor, wie solche schon von Hanau (8) in den Zehen des Huhnes, der Taube und Eule gefunden wurden. In das knöcherne Krallenglied dringt seitlich proximal die Arteria und Vena digitalis propria ein; beide verlaufen dann in einem gemeinsamen Knochenkanal und treten an der Phalangen- spitze wieder aus — die Arterie allerdings in sehr verjüngtem Zustande. Namentlich die Vene verzweigt sich innerhalb des Knochenkanales reichlich. Die weiten Venenäste, deren Wandung nur aus einem Endothelrohr zu bestehen scheint, erwecken den Eindruck von kavernösen Räumen, welche die Arterie umgeben. Allenthalben gehen von der Arterie verhältnismässig starke anastomotische Gefässe ab, die sich nach kurzem Verlaufe in eine Vene einsenken. Die Zahl der im Krallengliede vorkommenden Anastomosen konnte ich auch nicht annähernd bestimmen, jeden- falls ist sie sehr gross. Anastomosen kommen auch noch nach dem Austritte von Arterie und Vene aus der Krallenspitze vor. Der knöcherne Kanal wird zum grössten Teile von den Gefässen ausgefüllt, nirgends enthält er Markgewebe, sondern ausser den Gefässen nur etwas Bindegewebe mit elastischen Fasern und Nerven. Die Räume der übrigen Teile des Krallengliedes er- scheinen von Fettmark erfüllt. Es bestehen demnach hier ähnliche Verhältnisse, wie sie von Grosser für krallentragende Säuge- tiere beschrieben wurden. Im grossen und ganzen scheint die Anordnung der Gefässe im Krallengliede mit der beim Hasel- huhn übereinzustimmen, wo noch näher auf dieselbe eingegangen werden wird. Im allgemeinen verlaufen die anastomotischen Gefässe an allen Fundstellen geschlängelt, so dass nur in den seltensten Fällen ein derartiges Gefäss an einem Schnitte in seinem ganzen Verlaufe verfolgt werden kann (Fig. 1, An“). Handelt es sich um Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 321 ein derartiges kurzes anastomotisches Gefäss mit verhältnismässig einfachem Verlauf, so erscheint auch seine Wandung wenig modi- fiziert und das Grefäss ähnelt einer Arterie. Nur die Anastomosen im Krallenglied zeigen, trotz ihrer im allgemeinen geringen Länge, sehr ausgesprochen den charakteristischen Bau, so dass sie sich auf den ersten Blick von den Arterien unterscheiden. Die anastomotischen Gefässe können sich ihrerseits wieder verzweigen und dort, wo sie dicht beisammen liegen, miteinander verschmelzen. Man sieht dann innerhalb einer gemeinsamen aus modifizierter Muskulatur bestehenden Wandung zwei oder mehrere mit Endothel ausgekleidete Lichtungen (Fig. 1, An’). Im nicht injizierten Zustande finde ich bei den meisten Anastomosen die Lichtung vollständig oder nahezu vollständig geschlossen ; sie erscheint spaltförmig oder häufiger unregelmässig sternförmig und die chromatinreichen Kerne des Endothels stehen dicht aneinandergedrängt. Im Injektionspräparat zeigen sich nahezu alle Anastomosen mit Masse erfüllt, aber auch hier er- scheint der Querschnitt der Lichtung fast nie kreisrund, sondern immer mehr oder weniger unregelmässig gebuchtet. Die Weite der Lichtung schwankt auch bei injizierten anastomotischen Ge- fässen ziemlich beträchtlich. Mitunter ist sie nicht viel grösser als bei Kapillaren; im Mittel beträgt ihr Durchmesser etwa 25 u, maximal 50 «. In den plantaren Ballen fand ich mehrere anasto- motische Gefässe, deren Lichtung auf eine kürzere oder längere Strecke verödet erscheint (Fig.2). An Stelle der Lichtung sieht man eine körnige oder schollige Protoplasmamasse mit einzelnen verschieden grossen Chromatinkörnchen — den Resten der zugrunde gegangenen Endothelzellen. Weiter nach aussen folgen Kerne, die Anzeichen der Chromatolyse darbieten, und schliesslich folgen in mehrfacher Schichtung die für die anastomotischen Gefässe charakteristischen, epitheloid veränderten Muskelzellen. Verfolgt man in der Schnittreihe ein derartiges, obliteriertes anastomo- tisches Gefäss, so findet man, wie dasselbe sowohl gegen die Arterie als auch gegen die Vene hin allmählich seine normale Wandbeschaffenheit annimmt und wieder durchgängig wird. Die Tunica muscularis aller anastomotischen Gefässe zeigt den gleichen Bau wie bei den Anastomosen der Säugetiere. Die einzelnen Muskelzellen sind epitheloid umgewandelt, sie erscheinen verkürzt und verdickt; ihre Kerne sind nicht stäbchenförmig, 322 Siegmund v. Schumacher: sondern ovoid bis kugelig. Die Zellen färben sich nach van Gieson weniger intensiv gelb als typische Muskelzellen. Im allgemeinen erreicht aber die epitheloide Umwandlung der Muskulatur in den anastomotischen Gefässen der Gans nicht jenen hohen Grad wie im menschlichen Glomus coceygeum, so dass die meisten Muskel- zellen kurz spindelförmig erscheinen und demnach eine bestimmte Verlaufsrichtung erkennen lassen. Die Schichtung ist eine ziem- lich unregelmässige; immerhin lässt sich aber doch meistens in den inneren Lagen ein Vorherrschen der Längsrichtung, in den äusseren Schichten ein Vorwiegen der zirkulären Anordnung nachweisen. Namentlich in einzelnen anastomotischen (efässen des Krallengliedes finden sich deutlich ausgeprägt innere Längs- muskelbündel, die gegen die Lichtung vorspringende Wülste be- dingen. Äussere längsverlaufende Muskelzellen, wie man sie in Anastomosen der Säugetiere (Glomeruli caudales) häufig findet. scheinen verhältnismässig selten zu sein. Ziemlich häufig ver- laufen aber die Muskelzellen kreuz und quer, wie durcheinander- geworfen, so dass von einer gesetzmässigen Anordnung keine Rede sein kann. Die Dicke der Wandung der anastomotischen Gefässe und somit auch die Anzahl der Muskelschichten schwankt ziemlich beträchtlich. Im allgemeinen besitzen die Anastomosen im Krallen- gliede die dieksten Wandungen. Die stärksten Anastomosen zeigen bei spaltförmiger Lichtung einen Gesamtdurchmesser von etwa 90 «u, die schwächsten von etwa 50 u. Einer gesonderten Besprechung bedarf noch der Bau der Schwimmhaut. Einige Angaben über die Schwimmhaut der Ente macht De Souza Fontes (3). Nach diesem Autor muss ein oberer und unterer Teil der Schwimmhaut unterschieden werden. Das Corium des oberen Teiles ist breit, das des unteren schmäler. Zwischen beiden Teilen der Schwimmhaut findet man die Gefäss- und Nervenstämme, welche die Papillen versorgen; sie sind wie eingekapselt von elastischen Fasern. Besonders neben den Gefässen kommen glatte Muskelfasern vor, die nach allen Richtungen verlaufen. Ausserdem findet sich zwischen beiden Teilen der Schwimmhaut wenigstens stellenweise ein Streifen von Panniculus adiposus. An der injizierten, im Ganzen aufgehellten Schwimmhaut der Gans wie der Ente fällt zunächst der ausserordentliche ©» ID Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. Gefässreichtum auf. In der Nihe des freien Randes verläuft —- parallel zu diesem —- zwischen je zwei Zehen eine stärkere Arterie (Fig. 3A und 11A), ein Ast der Arteria digitalis propria. Die Seitenäste dieser Randarterien stehen mit kleineren Venen- ästen in anastomotischer Verbindung, so dass diese Anastomosen hauptsächlich im distalen Abschnitte der Schwimmhaut zu finden sind und zwar hier in sehr grosser Anzahl, während sie im proximalen Abschnitte derselben vollständig zu fehlen scheinen. Ich habe von einer dieser Anastomosen ein Plattenmodell an- gefertigt (Fig. 11). Die sich verzweigende Anastomose stellt eine Verbindung zwischen zwei Arterien- und fünf Venenästen her. Die Anastomosen liegen so dicht nebeneinander, dass man nahezu in jedem Schnitt anastomotische Gefässe zu sehen bekommt. Im einzelnen ist der Verlauf und die Verzweigung der Anastomosen recht verschieden; so können sie kleine Knäuel bilden oder aber auch einen mehr gestreckten Verlauf zeigen. Im allgemeinen ist aber ihre Anordnung nicht so kompliziert wie in den Glomeruli caudales der Säugetiere. Der Wandungsbau der anastomotischen Gefässe ist derselbe wie im Corium der Zehen. Alle grösseren Gefässe, Arterien, Venen und Anastomosen verlaufen in den mittleren Schichten der Schwimmhaut (Fig. 3). Die ganze Schwimmhaut durchzieht eine elastische Faserplatte, welche in der Mitte derselben — stellenweise etwas dorsalwärts verschoben — eingelagert erscheint. Die Platte besteht aus einzelnen kleinen Bündeln grober elastischer Fasern, die alle in querer Richtung angeordnet sind, so dass sie an einem Sagittal- schnitt durch die Schwimmhaut quergetroffen erscheinen. Wo grössere (refässe eingelagert sind, zweigen sich elastische Fasern von der Platte ab und umziehen dieselben, oder scheiden auclı ganze (sefässgruppen ein, wie dies schon richtig von De Souza Fontes beschrieben wurde. Die elastische Faserplatte beginnt am Übergange der Zehenhaut in die Schwimmhaut, indem sich hier die elastischen Fasern des dorsalen und plantaren Zehen- coriums flächenhaft zusammendrängen. Glatte Muskelfasern konnte ich — ausser in den Gefässwänden — nicht nachweisen. Hin- gegen finde auch ich in der mittleren Schicht der Schwimmhaut Gruppen von Zellen, die auf den ersten Blick wie Fettzellen aussehen, auch mit Fettropfen erfüllt sind, sich aber doch von gewöhnlichen Fettzellen unterscheiden und wahrscheinlich dem 324 Siegmund v. Schumacher: blasigen Stützgewebe vom chordoiden Typus (Schaffer) zu- zurechnen sind, oder ein Bindeglied zwischen letzterem und typischem Fettgewebe bilden. Ganz ähnliche Zellen findet man ‚bei allen Vögeln in den plantaren Zehenballen. Schliesslich kommen in der Schwimmhaut der Gans stellen- weise Einlagerungen von Lymphozyten in Form von ziemlich scharf abgegrenzten Lymphknötchen vor (Fig. 4). Diese enthalten stets zahlreiche Blutgefässe, deren Wand von Lymphozyten durchsetzt erscheint. Die Schwimmhaut der Ente zeigt im wesentlichen den- selben Bau wie die der Gans. Hühner. Bei den Waldhühnern (Auerhahn, Birkhahn und Haselhuhn) finden sich im distalen Abschnitte der Zehen allenthalben in reichlicher Menge sehr gut ausgebildete Anasto- mosen. Am reichlichsten finden sie sich ausser im Krallenglied im Corium der plantaren Ballen und in den plantaren Seiten- teilen der Zehen. Im Uorium einer jeden dorsalen Schuppe sieht man an Längsschnitten gewöhnlich neben einer quergetroffenen Arterie und Vene auch ein anastomotisches Gefäss. Beim Hasel- huhn erscheint die Umgebung der Gefässe im Corium der Schuppen von Lymphozyten infiltriert, die die Wandung der Venen und auch der anastomotischen Gefässe in grosser Menge durchsetzen. Vereinzelt wurden hier auch Herbstsche Körperchen gefunden. Die beste Ausbildung erlangen die Anastomosen im Krallen- gliede. Hier finden sich nicht nur die reichlichsten, sondern auch die stärksten anastomotischen Gefässe, die sich durch eine ausser- ordentlich dieke, reichgeschichtete Wandung auszeichnen. Der Verlauf der Gefässe im Krallengliede wurde beim Haselhuhn genauer verfolgt. An dem vom Krallengliede angefertigten Platten- modell (Fig. 12) sieht man eine tiefe Rinne im Knochen, die eigentlich einen Kanal darstellt, der sich nur durch einen ziemlich engen Spalt an der Knochenoberfläche öffnet. Dieser Knochen- kanal beherbergt in Bindegewebe eingelagerte Arterien, Venen, anastomotische Gefässe, Nerven und nur stellenweise kleine Inseln von Fettgewebe. Weitaus den grössten Raum des Kanals nehmen die Blutgefässe ein, so dass er einen ausgesprochenen Gefäss- kanal darstellt. Dieser beginnt seitlich und proximal, zieht dann Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 825 an der einen Seitenfläche bis an die Spitze des Krallengliedes, biegt dort auf die andere Seitenfläche um, zieht hier etwas weiter dorsalwärts verschoben wieder bis nahe an die Basis der Phalanx. Der Gefässkanal tritt auch an dem in Fig.5 und 6 abgebildeten Längs- und Querschnitt durch das Krallenglied deutlich hervor. Man erkennt hier, dass der Kanal vom grossen mit Fettmark erfüllten Markraum durch eine Knochenschicht geschieden wird. Diese Knochenrinde des Markraums erscheint nur an wenigen Stellen durch kleine Lücken unterbrochen, so dass hier der Mark- raum mit dem Gefässkanal in Verbindung steht. An diesen Stellen tritt etwas Fettmark in den Gefässkanal ein. Die Blutgefässe betreten den Kanal nicht an seinen proxi- malen Enden, sondern durch gesonderte Öffnungen (Fig. 12); und zwar findet sich jederseits seitlich plantar eine grössere Gefäss- öffnung. Auf der einen Seite betritt durch diese Öffnung eine starke Arterie und eine schwächere Vene den Gefässkanal, auf der anderen Seite zieht durch die Öffnung eine sehr starke Vene in den Kanal, während eine viel schwächere Arterie als die der gegenüberliegenden Seite durch eine kleine Nebenöffnung in den Gefässkanal gelangt. Mit den Gefässen zieht auch jederseits ein Nerv in den Kanal hinein. Auf einem (Querschnitt durch das Krallenglied (Fig. 6) erkennt man in dem Kanal der einen Seite die starke Vene neben zwei kleinen Arterienästen, in dem der anderen Seite die starke Arterie und mehrere schwache Venen, beiderseits Anastomosen und je einen Nervenquerschnitt. Inner- halb des Gefässkanals verzweigen sich die ganz dünnwandigen Venen reichlich und bilden stellenweise weite Räume. Von den Hauptstämmen der Arterien und auch von deren Zweigen gehen während des ganzen Verlaufes durch den (Grefässkanal in grosser Menge anastomotische Gefässe ab, die sich nach bald mehr bald weniger gewundenem Verlauf in die Venen einsenken. An der Spitze des Krallengliedes tritt die Hauptarterie, allerdings in sehr verjüngtem Zustande — sie hat sich durch die Abgabe der zahlreichen anastomotischen Zweige nahezu erschöpft — wieder aus, ebenso zwei Venen (Fig.5 und 12). Auch noch nach dem Verlassen des Gefässkanals, also im Corium der Zehenspitze, stehen Arterie und Venen durch Anastomosen in Verbindung, die im Plattenmodell nicht zur Darstellung gelangten. Die ganze Anordnung der Gefässkanäle und das Verhalten der Gefässe Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 22 326 Siegmund v. Schumacher: scheint im wesentlichen bei Auerhahn, Birkhahn, Haushuhn und Gans dieselbe zu sein wie beim Haselhuhn. Bezüglich des feineren Baues der anastomotischen Gefässe bei den Waldhühnern wäre zu erwähnen, dass die epitheloide Umwandlung der Muskelzellen einen sehr hohen Grad erreichen kann. Ja beim Auerhahn unterscheiden sich die Muskelzellen kaum von denen des menschlichen Steissknötchens. Ich habe in Fig. 7, S und 9 drei derartige anastomotische (Gefässe aus dem plantaren distalen Zehenballen des Auerhahns abgebildet. Fig. 7 zeigt den Querschnitt durch ein kleines anastomotisches Gefäss mit verhältnismässig dünner Wandung. Das die kleine Lichtung umgebende Endothel unterscheidet sich deutlich durch die dunklere Färbung des Protoplasmas und die chromatinreichen, abgeflachten Kerne von den Muskelzellen. Letztere liegen in zwei- bis dreifacher Schicht und sehen eher wie Epithelzellen aus. Ihr Kern ist ovoid bis kugelig und chromatinarm. Einzelne von den Zellen sind noch etwas in die Länge gestreckt, andere aber mehr polygonal bis kugelig, so dass von einer Anordnung dieser Zellen in einer bestimmten Richtung nicht mehr gesprochen werden kann. In der Nähe der Anastomose liegt eine kleine Vene, deren Wandung nur vom Endothelrohr gebildet wird, wie sich überhaupt die meisten Venen in der Nähe der Anastomosen durch ihre ausserordentliche Dünnwandigkeit auszeichnen. Fig. S zeigt die Abzweigung eines sich gabelnden anastomotischen Gefässes an einer schräg getroffenen Arterie. Das Endothel der Arterie setzt sich unverändert auf die Anastomose fort, während die Muskel- zellen an letzterer eine hochgradig epitheloide Umwandlung er- fahren. Schon in der Arterienwand kommen neben den typischen Muskelzellen einzelne epitheloid modifizierte vor. Die Lichtung im anastomotischen Gefäss erscheint fast vollständig geschlossen. In Fig. 9 ist der Übergang eines anastomotischen Gefässes in eine Vene dargestellt. Ersteres verläuft gewunden, so dass die spaltförmige Lichtung zweimal getroffen erscheint, während die benachbarten muskulösen Wandungen zu einer einheitlichen epitheloiden Zellmasse verschmolzen sind. Einzelne von den epitheloiden Zellen setzen sich noch auf den Anfangsteil der Vene fort, während im übrigen die Wandung der letzteren nur vom Endothel gebildet wird. Im anastomotischen Gefäss sieht man Endothelzellreihen zwischen die Muskelzellen eindringen; es Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 32 handelt sich hierbei um vollständig geschlossene Ausbuchtungen der Lichtung, die durch das stellenweise Vorspringen der epitheloiden Muskelzellen bedingt werden und bei injizierten anastomotischen Gefässen mehr oder weniger verschwinden. Die Wandungsdicke der Anastomosen erreicht in dem (Gre- fässkanal des Nagelgliedes einen höheren Grad als an den übrigen Stellen der Zehen, allerdings kommen auch hier neben sehr starken schwächere anastomotische (Grefässe vor. Die stärkste Anastomose in der Gefässrinne des Haselhuhnes (Fig. 5, An) be- sitzt bei vollständig geschlossener Lichtung einen Durchmesser von 180 u, so dass also die Wandungsdicke etwa 90 «u betragen würde. Haushuhn. Die anastomotischen Gefässe finden sich im wesentlichen in derselben Verteilung wie bei den Waldhühnern. Die epitheloide Umwandlung der Muskelzellen erreicht aber nicht den hohen Grad wie bei letzteren. Namentlich wenn die Anasto- mosen mit Injektionsmasse erfüllt sind, erscheinen die Muskel- zellen deutlich spindelförmig und unterscheiden sich in ihrer Gestalt weniger von den typischen Muskelzellen als dies bei anastomotischen (Grefässen mit vollständig geschlossener Lichtung der Fall ist. Die Gefässe im Nagelglied sind ganz ähnlich an- geordnet wie beim Haselhulın. Der Gefässkanal reicht aber hier beiderseits weniger weit proximal. Die Anastomosen sind spär- licher, besitzen keine so dicke Wandung und die Venen sind noch mächtiger entwickelt als beim Haselhuhn, so dass sie überall als weite Räume die Arterien und deren Äste umziehen und nahezu den ganzen Gefässkanal ausfüllen. Namentlich in der nächsten Umgebung der kleinen Gefässe des Coriums der dorsalen Schuppen besteht eine Infiltration mit Lymphozyten. Letztere durchsetzen die Venenwandungen und insbesondere auch die Wandungen der anastomotischen Gefässe. so dass man zwischen den epitheloiden Muskelzellen oft in grosser Menge Lymphozyten sieht. Allerdings ist diese Infiltration nur auf die nächste Umgebung der Gefässe beschränkt, so dass es nicht zur Ausbildung von Lymphknötchen gekommen ist, wie solche von Moser (13) an der Dorsalseite der Zehen des Huhnes beschrieben wurden oder wie ich sie in der Schwimmhaut der Gans gefunden habe. In den plantaren Anteilen der Zehenhaut finden sich nur stellenweise spärliche Lymphozyten in den Gefäss- wandungen und deren nächster Umgebung. DDE; aa os NG Siegmund v. Schumacher: Im Corium der Schuppen wurden vereinzelte Herbstsche Körperchen gefunden. Ausser von erwachsenen Hühnern wurde auch eine Zehe von einem Hühnerfetus vom 15. Bebrütungstage in eine Schnitt- reihe zerlegt. Es erscheint bemerkenswert, dass hier nirgends anastomotische Gefässe, die durch eine charakteristische Wandung ausgezeichnet gewesen wären, gefunden wurden. Dieser negative Befund stimmt mit den Angaben Grossers (7) überein, dass in den Endphalangen des neugeborenen Hundes von Anastomosen nichts zu sehen ist und dass demnach die Ausbildung der letzteren erst verhältnismässig spät, wahrscheinlich auf Grund von Kapil- laren erfolgt. Sperlingsvögel. Beim Nusshäher, Eichelhäher und der Mistel- drossel kommen gut charakterisierte anastomotische Gefässe in ähnlicher Verteilung wie bei den Hühnern vor; allerdings er- reicht die epitheloide Modifizierung der Muskelzellen im allgemeinen nicht jenen hohen Grad wie bei letzteren, so dass die Mehrzahl derselben spindelförmig erscheint. In Fig. 13 habe ich ein Platten- modell von einer Gefässgruppe mit Anastomosen aus dem plantaren Zehenballen von Nucifraga abgebildet. Drei anastomotische Ge- fässe wurden in ihrem ganzen Verlaufe verfolgt. Hänfig ent- springen — wie dies auch am Plattenmodell ersichtlich ist — die Verbindungsäste zwischen Arterien und Venen als typische Arterien, nehmen dann nach kurzem Verlauf den Charakter der anastomotischen Gefässe an, setzen sich nach einer kürzeren oder längeren Strecke als Venen fort, welche dann erst in grössere Venen einmünden. Das Krallenglied wurde nur beim Eichelhäher geschnitten. Es besteht auch hier ein Gefässkanal wie bei den Hühnern mit zahlreichen dickwandigen Anastomosen. Im Corium der Zehen aller drei genannten Vögel besteht eine mehr oder minder hochgradige Infiltration der nächsten Umgebung der kleineren Blutgefässe, namentlich der Venen. Auch hier sieht man, wie die Lymphozyten die Wandungen der Venen und Anastomosen durchsetzen. Namentlich stark ausgeprägt sind die Lymphozytenanhäufungen beim Nuss- und Eichelhäher, bedeutend schwächer bei der Misteldrossel. Bei ersterem kommt es zur Ausbildung von Iymphoiden Strängen (Fig. 10), die dem Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 329 Verlaufe der Gefässe folgen, oder von kleinen Lymphknötchen (Fig. 13, L). Bei den untersuchten kleineren Arten: Dorndreher, Sperling und Fink sind die Anastomosen in den Zehen nur spärlich und in wenig charakteristischer Ausbildung vorhanden. Ja, beim jungen Finken (es wurde hier allerdings nicht das Krallenglied geschnitten) scheint es fraglich, ob überhaupt Anasto- mosen vorhanden sind. Wenn dies der Fall ist, so unterscheidet sich ihre Wandung jedenfalls nur wenig von der Arterien- wandung. Beim Sperling konnte im Gefässkanal des Krallen- gliedes wenigstens eine grössere Anastomose nachgewiesen werden, die sich von der Arterie, aus der sie hervorgeht, nur durch die diekere Wandung und durch die Längsrichtung der inneren Lagen der Muskelzellen unterscheidet. Eine epitheloide Modifizierung der Muskulatur ist kaum andeutungsweise vorhanden. In den Zehen des Dorndrehers wurden nur im plantaren Ballen und im Gefässkanal des Krallengliedes vereinzelte, nicht sehr gut charakterisierte anastomotische Gefässe gefunden, deren Wandung schwach modifizierte Muskelzellen zeigt. Stellenweise besteht auch hier eine ziemlich reichliche Lymphozyteninfiltration in der Umgebung kleinerer Gefässe. Ausserdem enthält das Corium allenthalben eine grosse Menge verzweigter Pigmentzellen, die hauptsächlich dem Verlauf der Blutgefässe folgen. Wenn auch bei den kleineren untersuchten Arten der Sperlingsvögel Anastomosen nur in sehr geringer Verbreitung gefunden wurden, so besteht doch die Möglichkeit, dass dieselben in viel grösserer Menge vorhanden sind, als es den Anschein hat. Einerseits der wenig charakteristische Bau ihrer Wandung. andererseits die Schwierigkeit der Verfolgung der kleinen Gefässe in den Schnittreihen würden ein Übersehen von Verbindungen zwischen Arterien und Venen leicht erklärlich machen. Raubvögel. Beim Steinkauz sind Anastomosen in reichlicher Menge sowohl im plantaren wie im dorsalen Corium der Zehen vor- handen. Am Schnitte zeigen sie ein ähnliches Bild wie kleine (lomeruli caudales. Es bilden nämlich die Anastomosen Knäuel, zeigen also einen vielfach gewundenen Verlauf, ähnlich etwa wie das Endstück einer Schweissdrüse. In einem derartigen Glomerulus 330 Siegmund v. Schumacher: verschmelzen häufig die Wandungen benachbarter Anastomosen- schlingen mehr oder weniger innig miteinander. Ausser den Durchschnitten durch Anastomosen sieht man in jedem Knäuel auch zahlreiche, meist dünnwandige Venen. Die epitheloide Modi- fizierung der Muscularis der anastomotischen Gefässe ist Zwar deutlich ausgesprochen, aber nicht gerade sehr hochgradig. Es herrscht im allgemeinen die zirkuläre Anordnung der Muskel- zellen vor; stellenweise finden sich aber auch innere Längs- muskelbündel. Im Corium der dorsalen Schuppen sind die Anasto- mosenknäuel mehr tlächenhaft ausgebreitet, während sie in den plantaren Ballen sich mehr der Kugelform nähern. Im Krallen- glied besteht ein Gefässkanal, ganz ähnlich wie bei den Hühner- vögeln, und auch hier finden sich gut ausgebildete, dickwandige Anastomosen in grosser Zahl. In den plantaren Papillen kommen einzelne Herbstsche Körperchen vor; solche finden sich in grösserer Anzahl in den dorsalen Schuppen. Ausserdem trägt die Dorsalseite der Zehen Federn mit den dazugehörigen glatten Muskeln. Kuckucksvögel. Beim Kuckuck finden sich die Anastomosen in ähnlicher Anordnung und Ausbildung wie beim Steinkauz. Sie verlaufen stark gewunden, bilden häufig eine Art Glomerulus. Die Wandungen benachbarter Anastomosenschlingen verschmelzen vielfach mit- einander. Die anastomotischen Grefässe sind nicht sehr diekwandig; die nur mässig epitheloid umgewandelten Muskelzellen verlaufen nach verschiedenen Richtungen. so. dass bald die longitudinale, bald die zirkuläre Anordnung vorherrscht. Das Nagelglied wurde nicht geschnitten. Im Corium der Schuppen finden sich vereinzelt Herbstsche Körperchen. Zusammenfassung der Befunde. Wie aus der Betrachtung der Befunde bei den einzelnen untersuchten Arten hervorgeht, finden sich gut charakte- visierte anastomotische Gefässe im distalen Zehen- abschnitte der Vögel in weiter Verbreitung. Nur bei einem jungen Finken konnten Anastomosen nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, sowie überhaupt bei den kleineren Arten Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 331 der Sperlingsvögel Zahl und Ausbildung der Anastomosen lange nicht jenen hohen Grad erreicht wie bei den anderen unter- suchten Arten. Stets findet man die am besten ausgebildeten Anastomosen meist in grosser Anzahl im Gefäss- kanal des Krallengliedes. Dieser Kanal (Fig. 5, 6 und 12) bildet eine tief in den Knochen eingesenkte Rinne, die jederseits proximal an der Seitenfläche des Krallengliedes beginnt, bis an die Spitze der Phalange zieht und sich hier mit dem der anderen Seite vereinigt. Der Gefässkanal umzieht den Hauptmark- raum der Endphalange, ist aber von diesem durch eine kompakte Knochenrinde getrennt, die nur an kleinen Stellen unterbrochen erscheint. Den (refässkanal betreten die Endstücke der Nervi digitales, ausserdem auf der einen Seite eine starke Arterie, auf der anderen eine starke Vene. Mit diesen grösseren (Grefässen dringen noch schwächere Arterien und Venen in den Gefässkanal ein. Innerhalb des Gefässkanals verzweigen sich namentlich die Venen reichlich und bilden weite, dünnwandige Bluträume, die oft nahezu den ganzen Kanal erfüllen. Von der Arterie gehen in grosser Menge starke anastomotische Gefässe ab, die sich nach verhältnismässig kurzem Verlaufe in die Venen einsenken. Durch diese reichliche Abgabe von anastomotischen Ästen erschöpft sich die Hauptarterie nahezu vollkommen, so dass nur mehr eine stark verjüngte Fortsetzung derselben an der Spitze des Krallen- gliedes den Gefässkanal verlässt. Ebenso treten schwächere Venenäste an der Spitze des Krallengliedes aus dem Gefässkanal aus. Auch hier noch, also schon ausserhalb des Gefässkanals, stehen Arterien und Venen durch Anastomosen in Verbindung. Der Hauptstrom des Blutes würde also im Krallengliede seinen Weg von der Arterie durch die anastomotischen Gefässe in die Vene nehmen und eine verhältnismässig nur geringe Blutmenge würde durch die Kapillaren fliessen. Ausser im Gefässkanal des Krallengliedes finden sich Anastomosen nahezu überall im Corium des distalen Zehen- abschnittes, Sie liegen im allgemeinen nicht in den oberfläch- lichsten Schichten des Coriums, im Stratum papillare, sondern in den tieferen Schichten desselben, im Stratum reticulare. In sehr grosser Menge findet man die Anastomosen gewöhnlich im Corium der plantaren Zehenballen 332 Siegmund v. Schumacher: (Fig. 1), meist weniger zahlreich sind siein den Seiten- teilen der Zehen und im Corium der dorsalen Schuppen vorhanden. Auch die Schwimmhaut der Gans und Ente ist durch das Vorkommen zahlreicher Anastomosen in ihrem distalen Abschnitte ausgezeichnet (Fig. 11). Alle anastomotischen Gefässe der Vögel zeigen den für die Säugetiere charakteristischen Bau. Sie verlaufen mehr oder weniger stark geschlängelt (Fig. 11 und 13), oft recht komplizierte Knäuel bildend, ähnlich wie in den Glomeruli caudales der Säugetiere oder im Glomus cocevgeum des Menschen. Anastomotische Gefässe können sich ver- zweigen, so dass z.B. ein Arterienast durch Anastomosen mit mehreren Venenästen in Verbindung steht oder umgekehrt. Häufig verschmelzen die Wandungen benachbarter Anastomosenschlingen mehr oder weniger innig miteinander. Im Gegensatz zu den Arterien sind die anasto- motischen Gefässe vollständig verschlussfähig. Selten findet man im nicht injizierten Präparat Anastomosen mit weit geöffneter Lichtung. Letztere erscheint am Querschnitt fast niemals kreisrund, sondern gewöhnlich unregelmässig spalt- oder sternförmig (Fig. 7, S und 9). Das Endothel setzt sich von den Arterien kontinuierlich auf die anastomotischen Gefässe und von diesen auf die Venen fort und zeigt in den Anastomosen keine bemerkenswerten Besonderheiten. Charakteristisch für die anastomotischen Ge- fässe ist der Bau der Muscularis. Letztere ist im all- gemeinen bedeutend stärker als bei gleich grossen Arterien und mitunter lässt sich deutlich eine Gruppierung der Muskelzellen zu inneren in der Längsrichtung und zu äusseren kreisförmig verlaufenden Lagen unterscheiden. Die einzelnen Muskelzellen zeigen in höherem oder geringerem Grade die auch für die anastomotischen Gefässe der Säugetiere und des Menschen typische epitheloide Umwandlung (Fig. 7, 8 und 9). Die epitheloiden Muskelzellen besitzen einen ovoiden bis kugeligen chromatinarmen Kein; sie sind kürzer als gewöhnliche glatte Muskelzellen, dabei aber be- deutend dicker. Ja, in dem höchsten Grade der epitheloiden Um- wandlung, wie im Glomus coceygeum des Menschen, sind die Muskelzellen Epithelzellen ausserordentlich ähnlich, indem sie Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 333 nicht mehr spindelförmig, sondern polygonal oder rundlich er- scheinen. Diese im höchsten Grade modifizierten Muskelzellen finden wir auch in den anastomo- tischen Gefässen der Waldhühner, während bei anderen Vogelarten die epitheloide Umwandlung der Muscularis, wie in den Glomeruli caudales der Säuger, nur einen schwächeren Grad erreicht. Elastisches Gewebe fehlt den anastomo- tischen Gefässen vollständig oder nahezu vollständig; niemals besteht eine elastische Innenhaut. Die Durchschnittsgrösse der anastomotischen Gefässe der Vögel bewegt sich annähernd in denselben Grenzen wie die der Säugetiere (bis 130 « im Durchmesser). Gelegentlich findet man Anastomosen, die auf eine Strecke weit obliteriert erscheinen (Fig. 2). Hervorzuheben wäre noch die ausserordentliche Dünnwandig- keit der meisten Venen, in welche anastomotische Gefässe ein- münden (Fig. 9). Sie zeigen im allgemeinen den Bau von Kapil- laren und unterscheiden sich von diesen nur durch ihre beträcht- liche Weite. Auf diese Eigentümlichkeit der Venen in der Nähe der Anastomosen hat schon Hoyer (9) hingewiesen. Bei verschiedenen Vogelarten wurden in der Zehenhaut, namentlich im Corium der dorsalen Schuppen, Herbstsche Körperchen gefunden. Auf das Vorkommen von Lamellen- körperchen in der Nähe von Anastomosen und eine wahr- scheinliche funktionelle Beziehung zwischen beiden Gebilden habe ich schon in meiner Arbeit über das Glomus coccygeum (14) hin- gewiesen. Das Vorkommen von Lymphozytenanhäufungen in den Zehen der Vögel, das schon Hanau (8) beobachtet hat und über welches auch Moser (13) (beim Huhn) berichtet, scheint mir ein mehr zufälliges zu sein. Lymphozytenansamm- lungen in Form von Lymphknötchen fand ich in der Schwimm- haut der Gans (Fig. 4), in Form von Iymphoiden Strängen, die hauptsächlich dem Verlaufe kleinerer Gefässe folgen beim Nuss- und Eichelhäher (Fig. 10). Beim Haushuhn, Haselhuhn, Mistel- drossel und Dorndreher bestand eine mehr diffuse Infiltration der nächsten Umgebung der Blutgefässe. Stets sieht man an der- artigen Stellen die Wandungen der anastomotischen Gefässe und Venen von Lymphozyten durchsetzt. Ein Vordringen der letzteren 334 Siesmund v. Schumacher: zwischen die Zellen der Epidermis, wie es Moser beim Huhn gesehen hat, fand ich in keinem Falle. Meiner Ansicht nach dürfte es sich bei diesen Infiltrationen um chronische Entzündungserschei- nungen handeln. Kleine Fremdkörper finden sich, namentlich bei Vögeln, die sich viel auf dem Boden bewegen, fast regel- mässig in den Spalten unter den dorsalen Schuppen. auch in den Furchen der Schwimmhaut der Gans und Ente. Besonders bei Hühnern, die in der Gefangenschaft nicht rein gehalten werden, können sich leicht Verunreinigungen in den Furchen ansammeln und die Veranlassung zu einer chronischen Entzündung geben, als deren Ausdruck eine mehr .oder weniger hochgradige Lympho- zyteninfiltration erscheint. Bedeutung der Anastomosen. Nachdem Hyrtl(10) das Vorkommen einer arterio-venösen Anastomose im Daumen der Fledermäuse nachgewiesen hatte, glaubte er auch die Erklärung für den von Wharton Jones entdeckten Venenpuls in der Flughaut der Fledermäuse gefunden zu haben. Als aber Rud. Virchow (18) betonte, dass der Rhythmus der Pulsation in den Venen der Flughaut weder mit der Herz- noch mit der Atembewegung zusammenfällt, liess Hyrtl seine Erklärung fallen. Später hat sich Luchsinger (11) mit der Pulsation in den Venen der Flughaut experimentell befasst und nachgewiesen, dass noch 20 Stunden nach dem Tod des Tieres bei künstlicher Durchströmung die Venen ihre rhyth- mische Kontraktion zeigen. Letztere hört auch nicht auf nach Durchschneidung sämtlicher Nerven des Plexus brachialis. Alle Versuche sprechen dafür, dass die (Gefässwand selber der Sitz ihrer rhythmischen Kontraktion ist. Wenn auch einwandfrei bewiesen ist, dass der Rhythmus des Venenpulses der Flughaut nicht mit dem des Arterienpulses übereinstimmt, so dass es sich nicht etwa um eine auf dem Wege der Anastomose von den Arterien zu den Venen weitergeleitete Pulsation handeln kann, so wäre es, meiner Ansicht nach, doch möglich, dass dieser Venenpuls auf das Vorhandensein von Anastomosen zurückzuführen ist. Es scheint mir nämlich nicht unwahrscheinlich, dass die Anastomosen selbst rhythmische Kon- traktionen ausführen, deren Rhythmus keineswegs mit dem des Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 335 Herzpulses zusammenfallen müsste. Bekanntlich findet man in Schnitten die Anastomosen bald vollständig geschlossen, bald verschieden weit geöffnet; bald sind sie für eine Injektionsmasse leicht durchgängig, bald nicht. Es ist also sicher, dass die Anastomosen Kontraktionen ausführen; würden diese rhythmisch erfolgen, so könnten auch die Venen die von den Anastomosen übertragene Pulsation zeigen.) Virchow erwähnt, dass eine einzige Tatsache bekannt ist, welche eine wirkliche rhythmische Bewegung der Arterien- wandung beweist, nämlich die zuerst von Schiff beobachtete Pulsation der Arterien im Ohr des Kaninchens.. Die Zusammen- ziehungen sind nach Virchow auch hier ungleich langsamer als die Herz- und Respirationsbewegungen. Nachdem wir wissen, dass im Ohr des Kaninchens in reich- licher Menge Anastomosen vorkommen, so wäre daran zu denken, ob nicht die beobachteten pulsierenden Gefässe arterio-venöse Anastomosen waren, deren Rhythmus auch hier von der Herz- pulsation abweichen würde. Wären die Anastomosen pulsierende (refässabschnitte, so müssten sie als periphere Blutherzen an- gesehen werden, deren Hauptaufgabe darin bestehen dürfte, Stauungen im Venensystem hintan zu halten. Die Frage, ob die Anastomosen sich rhythmisch zusammenziehen oder nicht, dürfte wohl am Kaninchenohr oder vielleicht noch leichter an der Schwimmhaut der Ente zu entscheiden sein und ich beabsichtige, mich noch weiter mit dieser Frage zu beschäftigen. Auch wenn die Anastomosen keine rhythmische Figen- pulsation besitzen, ist es doch klar, dass sie für die Regulierung des Kreislaufes in den betreffenden Organen von Bedeutung sein müssen. Sind sie geöffnet, so wird das Blut von den Arterien durch die Anastomosen direkt in die Venen fliessen und der Kapillarkreislauf mehr oder minder vollständig ausgeschaltet werden. Bei geschlossenen Anastomosen ist aber der Blutstrom gezwungen, seinen Weg von den Arterien zu den Venen durch die Kapillaren einzuschlagen. !) Gegen die Annahme einer derartigen Übertragung der Pulsation von Anastomosen auf die Venen scheint allerdings eine Bemerkung Grossers zu sprechen, nämlich dass gerade die Vena cephalica, die doch mit der Arterie kommuniziert, im Gegensatz zu den kleinen Flughautvenen, einen ganz regelmässigen Blutstrom aufweist. 336 Siegmund v. Schumacher: Auf die Bedeutung der Anastomosen für den Kreislauf hat auch schon Hoyer (9) hingewiesen. Durch die Anastomosen wird nach Hoyer ein schnellerer Ausgleich zwischen dem Blutdruck im arteriellen und venösen System hergestellt und damit die Überwindung der Widerstände in letzterem erleichtert. Ferner dürfte nach Hoyer ein wesentliches Moment für die Erklärung der physiologischen Bedeutung dieser Einrichtungen auch der Umstand darbieten, dass dieselben ausschliesslich nur an End- gebilden des Körpers vorkommen, welche gleichzeitig auch vom Rumpfe mehr oder weniger abstehen, so an Ohren, Extremitäten- enden, an der Schwanz- und Nasenspitze. Es scheint dieses Ver- halten darauf hinzudeuten, dass jene Einrichtungen eine nicht unbedeutende Rolle spielen bei der Wärmeregulierung in nach aussen vorgeschobenen Körperteilen, welche keine umfangreichen parenchymatösen, wärmebildenden Organe zur Unterlage haben. Grosser (6, 7) glaubt annehmen zu dürfen, dass im Ruhe- zustande der Fledermaus „die volle Durchströmung der gefalteten Flughaut mit Blut eine zu grosse Inanspruchnahme des Herzens wäre, die in keinem Verhältnis zu dem Widerstande in anderen Organen stünde und dass daher die Durchströmung in dieser Zeit auf ein Minimum reduziert wird. Durch den Ausfall dieses Gefässgebietes, also durch die Reduktion der Querschnittsumme der peripheren Gefässe würde der Druck im übrigen Gefässgebiete stark steigen müssen; durch die Anastomosen kann aber ein grosser Teil des Blutes, statt durch Kapillaren, direkt frei in das Venensystem abfliessen, der Blutdruck wird auf der normalen Höhe erhalten, eine Drucksteigerung vermieden.“ — „Während des Fluges dagegen werden die Anastomosen wohl geschlossen sein müssen, da sonst der Druck in den Muskelarterien kaum hin- reichen würde, um die Muskeln gerade in dieser Periode der knanspruchnahme mit Blut zu durchströmen. Auch die Flughaut dürfte während dieser Zeit ihrer Beanspruchung lebhaftere Zirku- lation zeigen, umsomehr, als die Herzaktion durch die Arbeits- leistung verstärkt und der Druck ım Arteriensystem gesteigert wird.“ Somit kommt Grosser zur Ansicht, dass die Anasto- mosen in das Arteriensystem eingeschaltete druckregula- torische Ventile sind, welche bei den Fledermäusen der Ent- wicklung der Flughaut und damit dem Flugvermögen ihre hohe Ausbildung zu verdanken haben. Auch die Möglichkeit einer Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 337 Bedeutung der Anastomosen bei der Wärmeregulierung gibt Grosser zu. Gerade in den Zehen der Vögel sind Einrichtungen für eine gute Wärmeregulierung notwendig. Den verschiedenen Tempe- raturen in höherem Maße ausgesetzt als irgend ein anderer Körperteil, stellen die Zehen im Verhältnis zu ihrer Länge dünne Gebilde vor, in denen es leicht zu Erfrierungen kommen würde, wenn nicht für eine ausgiebige Wärmeregulierung gesorgt wäre. Ebenso wäre in den Zehen der Vögel bei ihrer — wenigstens bei manchen Arten — ausserordentlich grossen Entfernung vom Herzen wohl in noch höherem Grade als in den Extremitäten- enden der Säuger die Möglichkeit für das Auftreten von Stauungen im Venensystem gegeben. Das reichliche Vorkommen und die gute Ausbildung der Anastomosen in den Zehen der Vögel könnte somit als Stütze für die Theorie, dass man in den arterio-venösen Anasto- mosen wärme- und blutdruckregulatorische Ein- richtungen zu suchen hat, angesehen werden. Innsbruck, Mitte April 1915. Literaturverzeichnis. 1. Arnold, J.: Über die Glomeruli caudales der Säugetiere, Virch.-Arch., Bd. 39, 1867. 2. Berlinerblau, Fanny: Über den direkten Übergang von Arterien in Venen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. 3. De Souza Fontes, R.: Beiträge zur Anatomie der Haut des Ornitho- rhynchus paradoxus. Dissert. Bonn 1879. 4. Gerard, G.: Les canaux anastomotiques arterio-veinaux chez l’homme et chez le singe. Archives des Sciences medicales, Bd. 1, 1896 (zitiert nach Grosser). 5. Derselbe: Les anastomoses directes entre les arteres et les veines (Referat), ibid., Bd. 2, 1897 (zitiert nach Grosser). 6. Grosser, O.: Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Gefäss- systemes der Chiropteren. Anat. Hefte, H. 55, 1901. 338 Siegmund v. Schumacher: Derselbe: Über arterio-venöse Anastomosen an den Extremitätenenden beim Menschen und den krallentragenden Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 60, 1902. Hanau, A.: Beiträge zur Histologie der Haut des Vogelfusses. Disser- tation Bonn 1881. 9. Hoyer, H.: Über unmittelbare Einmündung kleinster Arterien in Gefässäste venösen Charakters. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 13, 1877. 10. Hyrtl, J.: Neue Wundernetze und Geflechte bei Vögeln und Säuge- tieren. Denkschr. d. Kaiserl. Akad. d. Wissensch., Wien, Bd. 22, 1864. 11. Luchsinger, B.: Von den Venenherzen der Flughaut der Fleder- mäuse. (Ein Beitrag zur Lehre vom peripheren Gefässtonus.) 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Berlin 1858. =] & Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX u. XXI. Sämtliche Zeichnungen — mit Ausnahme der Plattenmodelle — sind mit dem Zeichenapparat entworfen. Allgemeingültige Bezeichnungen: \4 — Arterie, epM = epitheloide Muskelzellen, An= Anastomose, K — Kapillaren, E = Endothel, Ni =, Vene. Fig. 1. Aus dem plantaren distalen Zehenballen der Gans. Gefässe mit Berlinerblau (hier schwarz gezeichnet) injiziert. Von der Arterie, deren Hauptstamm zu einem kleinen Teil aus dem folgenden Fig. 2 Ko. 22. Fig. 4. Eie. 5 Fig. 6 Fig. 7, 8 Fig. 10. Arterio-venöse Anastomosen in den Zehen der Vögel. 339 Schnitt der Schnittreihe ergänzt ist, gehen mehrere anastomotische Gefässe ab. Alle Anastomosen zeigen die charakteristische epitheloide Wandung. Bei An’ zwei anastomotische Gefässe mit verschmolzener Wandung. Bei An‘ anastomotisches Gefäss mit wenig modifizierter Muskulatur, das mit zwei Venen in Verbindung steht: die Ein- mündung des 3. Astes in die Vene ist am Schnitte nicht mehr zu sehen. Formol; Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Ver- grösserung 100fach. Querschnitt durch ein obliteriertes anastomotisches Gefäss aus dem Zehenballen der Gans. An Stelle der Lichtung liegt eine Protoplasmamasse, die einzelne Chromatinkörnchen enthält; dann folgen zerfallende- Kerne der inneren Längsmuskelschicht und hierauf mehrere Schichten von nicht besonders hochgradig epitheloid modifizierten Muskelzellen, die im allgemeinen zirkulär angeordnet sind. Formol; Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 550 fach. Sagittalschnitt durch den distalen Teil der Schwimmhaut der Gans. Ep = Epidermis, El = elastische Faserplatte, von der abzweigende Fasern die grosse Arterie — A (Randarterie) um- ziehen. F = kleine Insel von fetthaltigen Zellen. Formol; saures Orcein. Vergr. 30fach. Saegittalschritt durch die Schwimmhaut der Gans. In der Mitte des Coriums liegt ein Lymphknötchen mit mehreren Blutgefässen. Formol: Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 30fach. Sagittalschnitt durch das Krallenglied des Haselhuhnes (die Horn- kralle wurde entfernt). Im längs getroffenen Gefässkanal ist die starke Arterie, mehrere Venen, Anastomosen und ein Nerv = N sichtbar. K —= Knochen, F = Fettmark. Formol; Delafieldsches Hämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 30fach. Querschnitt durch das Krallenglied vom Haselhuhn. Der plantare distale Zehenballen ist ebenfalls getroffen; in seinem Corium sind zahlreiche Anastomosen sichtbar. G —= die beiden quergetroffenen Gefässkanäle mit Arterien, Venen, Anastomosen und Nerven, Ep = Krallenepidermis, F = Fettmark, K = Knochen. Formol; Delafieldsches Hämatoxylin, Pikrinsäure - Säurefuchsin. Ver- srösserung 30fach. u. 9. Anastomotische Gefässe aus dem plantaren Zehenballen des Auerhahnes mit hochgradig epitheloid modifizierter Wandung. Fig. 7: Querschnitt durch ein kleines anastomotisches Gefäss. Fig. 8: Übergang einer Arterie in ein sich teilendes anastomotisches Gefäss. Fig. 9: Übergang einer Anastomose in eine dünnwandige Vene, N = Nerv. Formol: Delafieldsches Hämatoxylin, Pikrin- säure-Säurefuchsin. Vergr. 550fach. Zehenhaut (plantar und lateral) vom Nusshäher. Lympho- zytenansammlungen in Form von Strängen, die dem Verlaufe der Blutgefässe folgen. Formol; Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 100fach. 340 Siegmund v. Schumacher: Arterio-venöse Anastomosen. Fig. 11. Fig. 13. Plattenmodell von arterio-venösen Anastomosen aus dem distalen Teil der Schwimmhaut von der Gans. Injektionspräparat mit Berlinerblau. Es wurden nur die Gefässlichtungen zur Darstellung gebracht. Die Anastomose — An teilt sich in mehrere Zweige. A — die starke Randarterie der Schwimmhaut. Vergr. 100fach. Plattenmodell vom Krallenglied des Haselhuhnes. GK = Ge- fässkanal, in den auf der einen Seite eine starke Arterie und schwache Vene, auf der anderen Seite eine starke Vene und schwache Arterie eintritt. An der Spitze des Krallengliedes treten aus dem Gefässkanal schwächere Gefässe (1 Arterie, 2 Venen) aus. Die Anastomosen sind nicht dargestellt. Vergr. 17fach. Plattenmodell von arterio-venösen Anastomosen aus dem Zehen- ballen vom Nusshäher. Drei gewunden verlaufende, von einer starken Arterie ausgehende Anastomosen sind bis zu ihrer Ein- mündung in die Venen dargestellt. Bei L ein Lymphknötchen in der Umgebung einer kleineren Vene. Vergr. 80fach. 341 Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. Von Dr. Th. Schaeppi, Zürich. Hierzu Tafel XXI. I. Die Anheftungsweise der Darmepithelzellen. Während das distale Ende der Darmepithelzellen, insbesondere der Stäbchensaum, das Kittleistennetz, die Zentrosomen etc. durch eine grosse Anzahl zum Teil vortreftlicher Arbeiten in eingehender, wenn auch noch nicht völlig erschöpfender Weise beschrieben und klar gestellt wurden, so fehlen hingegen, soweit mir die Literatur zugänglich geworden ist, eingehendere Untersuchungen über das Basalende dieser Zellen fast gänzlich, und doch erscheint mir z.B. die Frage nach der Anheftungsweise der Darmepithelzellen nicht ohne Interesse zu sein. Es macht sich wohl jedem Untersucher des Zottenepithels die auffallende und recht unliebsame Tatsache bemerkbar, dass es auch bei schonendster Fixation und Einbettung recht selten gelingt, das Epithel im ganzen Bereiche der Zotte in seinem Zusammenhange mit dem Zottengewebe resp. der Basalmembran zu erhalten; fast immer erscheint vielmehr in den Präparaten das Epithel zumal an den Seitenteilen und über der Spitze der Zotten stellenweise von seiner natürlichen Unterlage getrennt und abgehoben und es ergeben sich die für die Darmzotten so charakteristischen Bilder, wie sie z. B. von V. v. Ebner in Köllikers „Handbuch der Gewebelehre des Menschen“ in Fig. 981 wiedergegeben sind. Dass diese Loslösung des Epithels vom Zottengewebe in erster Linie eine Folge der bei der Fixation eintretenden heftigen Kontraktion der Zottenmuskulatur ist, dürfte ohne weiteres einleuchtend sein, aber es drängt sich uns sogleich die Frage auf, warum denn während des Lebens trotz des leb- haften Muskelspieles der Zotten der Zusammenhang von Epithel und Basalmembran gewahrt bleibt. Wir dürfen doch annehmen, dass während des Absorptionsprozesses abwechselnd kräftige Archiv f, mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 23 342 Th. Schaeppi: Kontraktionen und Expansionen der Zotten statthaben und wir müssen uns ferner vor Augen halten, dass auch durch die peristaltische Bewegung und Jurch die Passage des Nahrungs- breies das Epithel sicherlich erheblichen Druck- und Zug- spannungen ausgesetzt ist, ohne dass deshalb intra vitam eine Abhebung des Epithels von der natürlichen Unterlage erfolgt. Wodurch, so fragen wir uns, ist denn während des Lebens der natürliche Zusammenhang des Epithels mit dem Zottengewebe gewährleistet ? Genügt hierzu eine einfache Verklebung der Zellen mit ihrer Unterlage, oder sind die letzteren vielmehr mit ge- wissen Vorrichtungen versehen, welche einen festeren Zusammen- hang bewerkstelligen? Ich gebe im folgenden die Resultate meiner diesbezüglichen Untersuchungen wieder. Material und Technik. Als Untersuchungsobjekt benutzte ich der leichten Be- schaffung wegen ausschliesslich den Darm der weissen Ratte. Zur Lösung der gestellten Frage wurden sowohl Mazerations- als auch Schnittpräparate herangezogen. Die Mazeration erfolgte teils in Ranvierschem '/s Alkohol, teils in Osmium-Essigsäure- lösung (2 Tropfen Eisessig auf 10 cem Ö,1proz. Osmiumsäure- lösung), teils endlich in 5— 10 proz. Kochsalzlösungen. Die Färbung der Mazerationspräparate erfolgte durch lange dauerndes (bis - 24 stündiges) Belassen in stark verdünntem Hämatoxylin-Ehrlich. Zur Herstellung der Schnittpräparate wurden möglichst kleine Stückehen lebend-frischen Darmes in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert und zur Färbung der mit Wasser aufgeklebten Schnitte eine Modifikation der von A. Schuberg („Untersuchungen über Zellverbindungen“, Zeitschr. für wissensch. Zoologie, Bd. 74 und Bd. 87) angegebenen Färbemethoden angewandt. Bekanntlich gelang es Schuberg mittels seiner Färbe- methode an der Haut des Axolotls zu zeigen, „dass das Bestehen von Verbindungen zwischen Zellen des Epidermisepithels und Bindegewebszellen des Coriums als mit Sicherheit erwiesen zu betrachten ist“ (1. c., S. 306). Es lag nun auf der Hand, mittelst einer derartigen Färbung zu untersuchen, ob möglicherweise auch ein Zusammenhang der Darmepithelzellen mit dem Bindegewebe der Zotten nachweisbar ist. Nun eignet sich aber die Schuberg- sche Methode hauptsächlich für Präparate, die mit Sublimat, Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 343 weniger oder gar nicht für solche, die mit Chromsäuregemischen fixiert sind; andererseits aber habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Zottenepithelien in ihrer natürlichen Lage am besten durch die Zenkersche Flüssigkeit, weniger gut durch Sublimat- fixierung erhalten bleiben. Es hat sich mir daher nach vielem Ausprobieren als am besten für meine Zwecke ein Verfahren bewährt, das teils an die Schubergsche, teils an die ältere Rawitzsche (B. Rawitz, „Leitfaden der histologischen Unter- suchungen“) Vorschrift sich anlehnt: Übertragen der Schnitte in lOproz. wässerige Tanninlösung für 15—20 Min., Auswaschen in Wasser, Übertragen in 1 proz. wässerige Brechweinsteinlösung für 15—20 Min., Auswaschen in Wasser, Färbung in Hämatoxylin- Ehrlich 15 Min., Auswaschen in Wasser, Färbung in 0,5 proz. Eosinlösung, Auswaschen in Wasser, endlich Nachbeizung in der Tannin- und Brechweinsteinlösung je 5 Min., hierauf Entwässern in Alkohol von steigender Konzentration, Xylol, Kanadabalsam. Es erscheinen bei dieser Färbung tiefblauviolett das Chro- matin der Kerne und die Kittleisten, soweit sie in Erscheinung treten, was meistens der Fall ist, stahlblau die Fasern des Proto- plasma („Sarkfäden“ nach C. CamilloSchneider, „Lehrbuch der vergl. Histologie“), blassblau der Schleim der Becherzellen, hochrot die Chondren oder Körner der Sarkfäden (vergl. C. C. Schneider, |]. c.) und die Basalkörnerschichte an der Basis der Stäbchen, rosa das Protoplasma, die protoplasmatischen Fortsätze der Epithelzellen (siehe unten) und das Bindegewebe der Zotten, gelbrot die roten Blutkörperchen und hochrot die Körner der eosinophilen Zellen. Die hochrote Färbung der Chondren verblasst oft nach einiger Zeit (Einwirkung des Kanada- balsams?), weshalb Untersuchung an frischgefärbten Präparaten die schönsten Bilder gibt. Wenden wir uns nun zuerst zu den Ergebnissen, die wir durch Mazeration mit '/s Alkohol oder Osmium-Essigsäuregemischen erhalten haben. Da beobachten wir fürs erste jene Tatsache, auf die ich seinerzeit in meiner Arbeit „Über den Zusammenhang der Darmepithelzellen“ (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 69, S. 797) bezüglich der Darmepithelzellen des Frosches und der Maus aufmerksam gemacht habe, dass diese Zellen bei der Mazeration mit ihren 23* 344 Th. Schaeppi: distalen Enden und ihren Seitenteilen viel inniger zusammen- hängen als mit ihren Basalenden, die durch mehr oder weniger breite interzellulare Lymphräume voneinander getrennt erscheinen. Das Kittleistennetz einerseits und die Interzellularbrücken anderer- seits bedingen diesen innigeren Verband, so dass die Zellen bei der Mazeration sich leichter von ihrer Unterlage abpinseln lassen, als dass sie ihre gegenseitigen Verbindungen lösen. Der Zusammenhang der Zellen scheint auch hier in der Längsrichtung der Zotte weniger fest zu sein als in der Quer- richtung zu derselben, denn man erhält sehr häufig Zellreihen, die zu Kreissegmenten angeordnet sind. Die Ursache für dieses Verhalten liegt natürlich darin, dass bei der Kontraktion der Zotten die Schubwirkung auf die Zellen in der Längsrichtung viel grösser ist als in der Querrichtung zur Zotte; infolgedessen werden die Fpithelzellen in der erstgenannten Richtung rascher von ihrer Unterlage abgedrängt. Die Form der Epithelzellen variiert je nach der Lage der Zotte:: Die Kuppe der letzteren wird von Zellen eingenommen, welche sehr langgestreckt und schmal sind (vergl. Fig. 1) und deren Basalende in eine kleine terminale Fussplatte ausläuft. An den Seitenteilen der Zotte haben die Zellen meist eine pyramidale Gestalt, d.h. sie sind nach unten zu schmäler und gehen in eine leicht fächerartig verbreiterte Fussplatte über (vergl. Fig. 2, 3, 4). Oft sind diese Elemente kommaförmig gekrümmt, worauf schon V. v. Ebner (l. c.) aufmerksam gemacht hat, indem, wie Schnittpräparate lehren, ihre Basalenden tiefer nach der Basis der Zotte zu liegen als die Distalenden. Diese kommaförmige Konfiguration ist eine Folge der Kontraktion der Zotte, die sich in ihrer Wirkung auf die mobileren Basalenden der Zellen kräftiger geltend macht als auf die distalen, so dass die ersteren stärker nach dem Grunde der Zotte gezogen werden. Nach der Basis der Zotte. zu werden endlich die Zellen bedeutend breiter und verjüngen sich nicht mehr gegen die Fussplatte hin (vergl. Fig. 5); diese letztere ist sogar am Grunde der Zotte breiter als das stäbehensaumtragende Ende. Was uns nun besonders interessiert, sind die Basalenden der Epithelzellen, insbesondere die Fussplatten, und da sehen wir denn, dass diese Basalplatten fast immer deutliche bald längere, bald kürzere Fortsätze besitzen, ganz Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 345 ähnlich wie dies seinerzeit M. Heidenhain („Über die Struktur der Darmepithelzellen“, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84) und ich (1. e., S. 798) für die Basalplatten der Froschdarmepithelien be- schrieben und abgebildet haben. Ich habe in meiner angeführten Arbeit diese Fortsätze an den Darmepithelzellen der Maus vermisst und an deren Stelle einen mit Hämatoxylin stark tingierenden Saum vorgefunden, den ich dem Kittleistennetz an die Seite gestellt habe. Die Zellen der Maus sind aber bedeutend kleiner und daher der Unter- suchung weit unzugänglicher als diejenigen des Frosches und der Ratte und bei Durchsicht neu angelegter Mazerationspräparate vom Mäusedarm finde ich nunmehr auch hier fast immer kleine Fortsätzchen an den Basalplatten, die allerdings wegen ihrer Kleinheit viel weniger deutlich in Erscheinung treten als bei den . Zellen der Ratte. Jene bändchenförmigen Säume der Fussplatten aber wurden mir dadurch vorgetäuscht, dass die kleinen Aus- läuferchen ähnlich wie beim Frosch (1. e., S. 798) von körnigem mit Hämatoxylin sich intensiv färbendem Protoplasma erfüllt und wegen ihrer Zartheit häufig umgekrempelt sind. Viel deutlicher als bei der Maus zeigen sich diese Züge körnigen Protoplasmas, die sich aus den Basalenden der Zellen in die Ausläuferchen der . Basalplatte hineinziehen, bei der Ratte (vergl. Fig. 1-5). Oft sind freilich auch hier die Fortsätzchen kaum angedeutet, scheinen sogar hin und wieder zu fehlen, manchmal aber sind sie um- gekehrt von ganz beträchtlicher Länge und zeigen dann sogar nicht selten kleine Verzweigungen (vergl. Fig. 4). Es ist nun bekannt, dass bei Mazerationen mit konzentrierten Kochsalzlösungen an vielen Epithelien lange basale Fortsätze auf- treten, über deren Natur bisher nichts bekannt war (vergl. A. Oppel. „Taschenbuch der mikr. Technik“). Ich habe deshalb auch Maze- rationen mit 5—10proz. Kochsalzlösungen vorgenommen und es zeigte sich hierbei, dass die beschriebenen Basalfortsätze der Darmepithelzellen vielfach als ganz lange Ausläufer in Erscheinung treten (vergl. Fig. 6 und 7). Freilich ist diese Mazerationsmethode ein sehr rohes und eingreifendes Verfahren. indem selbstver- ständlich durch die konzentrischen Kochsalzlösungen überaus starke Quellungen und Formveränderungen der Zellen entstehen, was sich schon durch die groteske Verbreiterung und hernien- artige Ausstülpung des Stäbchensaumes kundgibt. Die Methode 346 Th. Schaeppi: gibt uns also gewissermaßen nur Karikaturen der normalen (Gestalt, aber wie durch eine Karikatur charakteristische Züge herausgehoben werden können, so lassen uns auch diese Koch- salzpräparate die basalen Fortsätze, wenn auch vielfach verzerrt und gequollen, in vergrössertem Maßstabe erkennen. Die Bedeutung dieser Fortsätzchen und Ausläuferchen liegt, wie schon M. Heidenhain (l. c., S. 188) und später ich (l. e., 5.198) bezüglich des Froschdarmes hervorgehoben, in erster Linie darin, dass sie Haftorgane repräsentieren, mittelst deren die Darmepithelzellen sich an die Basalmembran oder Grenz- membran der Zotten festsetzen. Bevor wir nun aber genauer auf die Art dieser Festsetzungen, wie sie aus Schnittpräparaten mit der von mir oben angegebenen Färbemethode ersichtlich ist, eingehen, bedarf es noch einiger Worte über diese Grenzmembran der Zotten. Bekanntlich ist sowohl über ihr Vorhandensein als auch über ihre Struktur viel gestritten worden. V. v. Ebner schreibt darüber (l. e., S. 178/9) folgendes: „Kölliker (5. Aufl.) und mit ihm die Mehrzahl der Autoren betrachtet die Oberflächenschicht des Zottenstromas als eine Verdichtung des retikulären Gewebes, ohne dass ein selb- ständiges isolierbares Häutchen vorhanden wäre, während Eberth, Dönitz, Debove, Watney, Drasch, Schaffer, Ranvier, Spalteholz u. a. eine isolierbare Grenzmembran beschrieben. Doch stimmen die einzelnen Darstellungen im Detail nicht über- ein. Dönitz (in Arch. f. Anat. und Phys. 1864) beschrieb ein hyalines Häutchen, Drasch (in Wiener Sitzungsber., Bd. 82) isolierte die Grenzmembran der Zotten an Goldpräparaten, die mit Ameisensäure behandelt waren und findet dieselbe als eine zusammenhängende, in Ameisensäure nicht quellende Haut, in welcher ästige kleine Zellen mit grossen ovalen Kernen ein- gelagert sind und welche ausserdem die Kapillargefässe der Zotte und ein feines Nervengeflecht enthält. Bei Nagetieren, besonders bei der Ratte, findet Drasch, wie schon früher Eberth, zahl- reiche runde Löcher in der Membran, vermisste sie jedoch bei anderen Tieren. Eberth fand dagegen auch bei der Katze, beim Rinde und beim Menschen Öffnungen im Grenzsaume der Zotten, wenn auch weniger gross und zahlreich als bei der Ratte, wo sie 5—4 u, an manchen Stellen bis 15 « Durchmesser er- reichen. Watney (in Philos. Transact., vol. 160) verlegt die Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 347 Kapillargefässe nicht in die Membran, sondern beschreibt letztere als eine feine Grenzhaut mit ovalen Kernen von endothelartigem Charakter. Debove (in Arch. de Phys. 1374) beschrieb dagegen geradezu ein Endothelhäutchen. Diese verschiedenen Beschreibungen zeigen deutlich, dass die verschiedenen Beobachter nicht genau dasselbe vor sich hatten und, zum Teil wenigstens, mehrere Schichten, die noch miteinander verbunden waren, beschrieben. Die Kapillar- gefässe können, wenn auch innig mit der Grenzmembran verklebt, doch nicht mehr dieser selbst zugerechnet werden und auch die platten Zellen an der Oberfläche haben wohl nicht mehr in der Membran selbst, sondern an deren Innenfläche ihre Lage. Dies wird wahrscheinlich durch die Beobachtungen von J. Schaffer, welcher von Zotten des menschlichen Dünndarms ein äusserst feines Häutchen sich abheben sah, an dessen Innenseite ver- dichtetes faseriges Zottenstroma mit den Blutkapillaren sich befand. Nach Spalteholz (in Arch. f. Anat. 1897, Suppl.) be- steht die Membrana propria der Zotten aus einem dichten Netz- werke feinster vorwiegend zirkulär verlaufender Fäserchen mit zahlreichen kleinen rundlichen 1—2 u grossen Lücken. Man muss demnach nebst der von Kölliker und der Mehrzahl der Autoren beschriebenen verdichteten Grenzschicht des Zotten- stromas, welche die Ansätze der Muskeln und ihrer Scheiden sowie die Blutkapillaren enthält, noch ein äusserst dünnes kuti- kulares Grenzhäutchen, an dessen Innenseite platte Zellen sind, annehmen. Ich sehe dieses Häutchen stellenweise deutlich ab- gehoben an mit Kongorot gefärbten Schnitten (Fig. 979). Iso- lieren lässt sich das Häutchen stets nur auf kurze Strecken und es erscheint dann an gefärbten Präparaten homogen und mit zackigen Rissrändern wie eine Glashaut. Die von Spalteholz beschriebenen Fäserchen halte ich für Trugbilder. Diese Auf- fassung wird insbesondere noch durch einen in vergleichend- histologischer Beziehung wichtigen Befund Oppels (inSemon, Zool. Forschungsreisen, II, Jena 1897) gestützt, welchem zufolge bei Ornythorhynchus im ganzen Darme unter dem Epithel eine kernlose bis 5 « dicke Basalmembran sich befindet, die sowohl gegen das Epithel als gegen das faserige Zottenstroma sich deutlich abgrenzt.“ Der Ansicht V. v. Ebners schliesst sich im grossen und ganzen Rud. Weigl in seiner Arbeit „Über die gegenseitige 348 Th. Schaeppi: Verbindung der Epithelzellen im Darme der Wirbeltiere“ (Bulletin intern. de l’Acad. des Sciences de Krakowie 1906) an, indem er schreibt: „Dagegen sehen wir an gut konservierten Darmzotten, dass das Epithel gegen das Zottenstroma hin durch die Basal- membran scharf abgegrenzt ist. Diese Membran besteht an meinen Präparaten aus zwei Schichten: einem äusserst zarten struktur- losen Häutchen, welches sich der Basis der Epithelzellen anlegt und auch höchst wahrscheinlich ein Produkt dieser Zellen dar- stellt und aus einem Geflecht sehr zarter Bindegewebsfibrillen mit eingestreuten Kernen. Mit dieser Schichte der Basalmembran steht das adenoide Gewebe des Zottenkörpers durch seine Fasern in innigem Verband. Diese Verhältnisse treten an Präparaten klar zu Tage, bei deren Konservierung der Zotteninhalt schrumpft und sich vom Epithel retrahiert; da sieht man öfters, wie sich stellenweise das strukturlose Häutchen der Basalmembran einerseits von den Epithelzellen, andererseits von dem bindegewebigen Teil der Basalmembran löst. Bei diesem Prozess wird also deutlich die Basalmembran in ihre Komponenten zerlegt.“ Weigl hat nun aber lediglich an Schnittpräparaten untersucht, welche meines Erachtens allein nichts beweisen können und gibt auch keine Abbildungen seines Befundes. Ich habe mir nun viel Mühe gegeben, die Basalmembran an Mazerationspräparaten zur Darstellung zu bringen und ich habe dabei mit V. v. Ebner (l. ec.) die Erfahrung gemacht, dass diese Isolation nur auf relativ kleine Strecken hin möglich ist. Ich gehe auch dahin mit diesem Autor einig, dass dieses Häutchen völlig homogen ist und den „Charakter einer Glashaut mit rissigen Rändern“ hat. Bei meinen mit Hämatoxylin-Ehrlich gefärbten Präparaten finde ich in dieser Glasbaut im Gegensatze zu Spalteholz (l. e.) keine Faserung, wohl aber eine äusserst feine Körnelung. Auf der Innenseite dieser Glashaut liegen grosse platte Zellen mit grossen ovalen Kernen und mit faserigen Ausläufern, die grösstenteils zirkulären Verlauf zur Zotte haben. Ausser diesen Zellen, und wie mir scheint in derselben Schichte, liegt sodann ein äusserst feines retikuläres Bindegewebe, in welchem deutlich stärkere zirkuläre Züge zu erkennen sind; es sind dies offenbar die von Spalteholz (l. c.) beschriebenen Faserzüge, die er aber irrtümlich in die Basalmembran selbst Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 349 verlegt hat. Zwischen diesen zirkulären Zügen befindet sich nun ein ungleichmaschiges Fasernetz, welches mit dem retikulären Gewebe der Zotte in Verbindung steht und durch welches zahl- reiche rundliche bis ovale ungleichgrosse Zwischenräume oder Lücken entstehen, von denen manche, namentlich die grösseren, als kreisrunde Löcher der Basalmembran imponieren. Es sind dies offenbar die Gebilde, die von Drasch, Eberth u.a. (siehe oben) beobachtet und als Durchbrechungen der Tunica propria beschrieben worden sind. An gut gefärbten Hämatoxylinpräparaten kann man aber deutlich wahrnehmen, dass diese Lücken von einer äusserst feinen Körnelung erfüllt sind, dass mithin die Glashaut über dieselben hinwegzieht. Ich kann mich des- halb vom Bestehen wirklicher Löcher in der Basal- membran nicht überzeugen und glaube, dass es sich hierbei um Täuschungen handelt, die durch die runden Maschen des der Glashautdicht anliegenden feinen retikulären Bindegewebesbedingt sind (vergl. Fig. 8). Ich gebe zu, dass es auch an Schnittpräparaten oft den Anschein hat, als ob Lücken in den Zotten der Grenzmembran wären, doch können hierüber zweifellos nur Mazerationspräparate sicheren und unzweifelhaften Aufschluss geben. Auf die immer noch strittige Frage, ob die Basalmembran ein Produkt der Epithelzellen ist, wie Weigl (l. c.) will, oder ob sie bindegewebigen Ursprunges ist, wie dies Merkel („Be- trachtungen über die Entwicklung des Bindegewebes“, Anat. Hefte, Bd. 38) behauptet, bin ich nicht eingegangen, da ich keine diesbezüglichen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen ge- macht habe. Das Verhalten der Membrana propria am aus- gewachsenen Organismus würde meines Erachtens aber für die letztere Ansicht sprechen, da bei der Mazeration die Verbindung der Grenzhaut mit dem Epithel immer eine relativ losere ist, während es, wie bereits oben erwähnt, sehr schwer gelingt, die Basalmembran vom Stroma der Zotten zu isolieren. Immerhin zeigt uns ein Blick auf Fig. 8, dass auch das Epithel beim Ab- pinseln von den Zotten deutliche Spuren hinterlässt, indem hin und wieder auf der Grenzmembran kleine, bald längere, bald kürzere Fäserchen haften bleiben, die, wie ein Vergleich mit den gleich zu besprechenden Schnittpräparaten lehrt, offenbar die Reste abgerissener Basalfortsätze von Epithelzellen repräsentieren. 0 ot (=>) Th. Schaeppi: Gehen wir nunmehr zur Betrachtung von Schnittpräparaten über, die mit der von mir oben erwähnten Färbemethode tingiert sind. so sehen wir auch hier, dass die Epithelzellen, nach unten sich etwas verschmälernd, enge Lymphspalten zwischen sich lassen, die von interzellularen Brücken überspannt werden und wir be- obachten weiter, dass die Basalenden dieser Zellen ganz wiean Mazerationspräparateninwurzelförmige Fortsätzchen auslaufen, diemitfeinkörnigemProto- plasma erfüllt sind. Es könnte nun aber vielleicht der Einwand gemacht werden, dass alle diese Fortsätzchen und Ausläuferchen lediglich Trug- bilder und Kunstprodukte seien, die durch Schrumpfungen der Zellen zustande kämen. Dagegen habe ich folgendes zu sagen: Einmal ist dieser Einwand seinerzeit ja auch gegenüber den Interzellularbrücken gemacht worden, und doch zweifelt heute niemand mehr an deren realer Existenz. Zweitens wäre es schon eigentümlich, wenn solche „Kunstprodukte“ bei so ganz ver- schiedenen Fixierungsmethoden in so ganz übereinstimmender Gestalt in Erscheinung träten: Bei Mazeration mit '/s Alkohol oder mit Osmium-Essigsäurelösung und bei Fixierung mit Zenkerscher Flüssigkeit. Drittens könnte man sich am Ende noch vorstellen, dass infolge von Schrumpfungen eine in natür- lichem Zustande giatte Oberfläche ein mehr oder weniger zackiges Aussehen bekäme, wie aber sollten dadurch so lang ausgezogene oder gar verzweigte Ausläuferchen entstehen, wie ich sie z. B. in Fig. 4 abgebildet habe? Endlich darf ich wohl per analogiam darauf hinweisen, dass dergleichen Ausläuferchen, wie Heiden- hain und ich übereinstimmend nachgewiesen haben, tatsächlich auch den Zellen des Froschdarmes zukommen. Bezüglich ihres Endverlaufes zeigen nun unsere Fortsätzchen und Ausläuferchen ein verschiedenes Verhalten: Zum grössten Teil setzen sie sich an die Basalmembran der Zotten an (vergl. Fig. 9, Zelle a und a‘), zu einem andern Teil sehen wir sie die Rolle von Interzellularbrücken übernehmen (Fig. 9, Zelle b), in- dem sie von der Basis einer Zelle zu derjenigen einer benach- barten sich hinüberspannen, wobei diese Verbindungen nicht immer nur unmittelbar nebeneinander liegende Zellen betreffen, sondern auch zwischen weiter voneinander entfernten Elementen statthaben können (Fig. 9, Zelle b).. Wir haben demnach in Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 301 diesem Befunde eine Bestätigung dessen, was ich seinerzeit bei den Darmzellen des Frosches vorgefunden habe (l. e.,. S. 800), wo ich an Mazerationspräparaten ebenfalls sowohl Verbindungen der Fussplatten der Epithelzellen untereinander als auch Ver- bindungen entfernterer Zellen durch Interzellularbrücken beob- achtet und abgebildet habe. Was uns nun aber vor allem interessiert, ist, dass ein Teil dieser basalen Zellfortsätze dieGrenzmembran der Zotten durchbricht und mit dem Netzwerk des retikulären Bindegewebessich verbindet (vergl. Fig. 9, Meillenbi bi; bh“): Ich bin mir nun sehr wohl bewusst, dass man in der Deutung solcher Dinge nicht vorsichtig genug sein kann, denn Täuschungen sind ja hierbei sehr leicht möglich. Wenn z. B. ein Basalfortsatz einer Zelle gerade an einer Stelle an der Grenzmembran inseriert, wo auf der gegenüberliegenden Seite eine Bindegewebsfaser sich ansetzt, so kann dadurch leicht ein Zusammenhang beider vor- getäuscht werden. Täuschungen sind ferner auch dadurch mög- lich, dass eine Wanderzelle ihr Pseudopodium durch die Grenz- membran hindurchsendet, das möglicherweise gerade in der Verbindungslinie eines basalen Zellfortsatzes verläuft (vergl. Fig. 9, L). Des weiteren sind Täuschungen auch dann möglich, wenn der Schnitt nicht genau durch die Achse der Zotte, sondern mehr tangential verläuft, wobei etwa quer zur Zotte verlaufende Basalfortsätze als perforierende Fasern imponieren können. Ich habe deshalb, um gleich mit dem letzten Einwande zn beginnen, aus Serienschnitten (Längsschnitten durch die Zotte) ausschliesslich solche Schnitte zur Untersuchung gewählt, die möglichst durch die Mitte der Zotte gehen und habe, um einwandfreie Resultate zu bekommen, ausschliesslich ganz dünne, maximal 5 « dicke Schnitte angelegt, so dass ein und dieselbe Zotte jeweilen durch eine ganze Serie von Schnitten getroffen wurde. Ich habe auch zur Untersuchung nur solche Präparate gewählt, bei denen nach- weislich die Schnittrichtung longitudinal und nicht schief durch die Zotte hindurchging. Eine Verwechslung unserer Anastomosen mit perforierenden Pseudopodien von Wanderzellen ist wohl leicht zu vermeiden, wenn man einen solchen perforierenden Fortsatz nach beiden Seiten hin genau verfolgt und jeden Fall als Beweis für unsere 352 Th. Schaeppi: Behauptung ausschliesst, wo ein Fortsatz sich in die unmittelbare Nähe einer Wanderzelle begibt, die ja durch ihren charakteristi- schen Kern und ihre dunkle Färbung sehr leicht von den fixen Bindegewebszellen einerseits und den Epithelzellen andererseits zu unterscheiden sind. Es bleibt also noch der erste Einwand zu erledigen: Die Verwechslung scheinbar perforierender Fortsätze mit Bindegewebs- fasern, die sich zufällig vis-A-vis an der Grenzmembran ansetzen. Da müssen wir aber in erster Linie an unsere oben gemachte Angabe erinnern, dass die Basalfortsätzchen der Epithelzellen stets durch ein feingekörntes Protoplasma gekennzeichnet und daher schon hierdurch leicht und deutlich in ihrem Verlaufe durch die Basalmembran hindurch zu verfolgen sind. Im Innern des Zottenstromas spalten sich dann freilich diese Fortsätze nach kurzem Verlaufe in feine Fasern auf, welche kontinuierlich in die Fasern des retikulären Bindegewebes der Zotte übergehen. Es besteht also eine direkte Kontinuität zwischen den Fortsätzen der Epithelzellen einerseits und den Fasern des Zottenbindegewebes andererseits. Wir haben demnach hier am Darme ganz ähnliche Verhältnisse, wie sie Schuberg (l.c.) in der Haut des Axolotl vorgefunden hat. Beweisend für unsere Behauptung scheinen mir aber auch Bilder zu sein, wie ich sie in Fig. 10 dargestellt habe: Hier ist das Epithel der Zotte von seiner Unterlage durch Einwirkung der Reagentien und der Einbettung etwas abgehoben und die Basalfortsätzchen der Zellen ragen teils frei nach unten, teils sind ihre Ansätze an der Grenzlamelle haften geblieben, wie wir dies an Mazerationspräparaten (Fig. 8) beobachtet haben. Viel deutlicher nehmen wir nun hier infolge der leichten Abhebung des Epithels sowohl diejenigen Zellausläuferchen wahr, die ihren Kontakt mit der Basalmembran gewahrt haben, als auch jene, welche die Grenzmembran durchbohrend mit dem retikulären Bindegewebe des Zottenstromas sich vereinigen, in dessen Fasern sie kontinuierlich übergehen. Hier ist das Verhalten der Zell- fortsätze so übersichtlich und ihr Verlauf so leicht zu verfolgen, dass eine Täuschung wohl ausgeschlossen ist. Damit wären wir zu einer Ansicht gelangt, die, etwas modifiziert schon von früheren Autoren, freilich mit ganz unzu- Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 353 länglichen Methoden behauptet, dann aber wieder als irrtümlich zurückgenommen worden ist. V. v. Ebner schreibt darüber folgendes (]. c., S. 978): „Später hatte Rud. Heidenhain, dessen Angaben sich eine Reihe von Forschern, insbesondere Eimer (Biol. Zentralbl., Bd. 4, S. 588) anschlossen, den direkten Zusammenhang der Epithelzellen der Zotten mit den Binde- gewebszellen des Stromas behauptet und von Davidoff (in Arch. f. mikr. Anat., Bd. 31) vertrat noch 1887 eine ähnliche Vorstellung. Demgegenüber muss vor allem jedoch auf die leicht festzu- stellende Tatsache hingewiesen werden, dass die Oberfläche einer vom Epithel befreiten Zotte stets auch bei starker Vergrösserung eine glatte ist und dass ebenso an senkrecht zur Oberfläche ge- führten Schnitten in allen Entwicklungsstadien des Darmes die Grenze zwischen Epithel und Stroma eine scharfe ist, abgesehen von den Stellen, an welchen infolge von Einwanderung von Leuko- zyten ins Epithel die Grenze anscheinend verwischt sein kann. An frisch fixierten Präparaten ereignet sich häufig der Fall, dass zwischen der Epithelbekleidung und dem Zottenstroma ein mehr oder weniger ausgebreiteter Hohlraum entsteht, dessen Durch- schnitt sowohl an der inneren Seite des Epithels als an der Ober- fläche der Zotte glatt begrenzt erscheint (Fig. 980 und 981), ab- gesehen wieder von einzelnen Leukozyten, welche innerhalb dieses Hohlraumes, sei es an der Innenseite der Epithelhaut, sei es an der Oberfläche des Zottenstromas ihre Lage haben. Alle diese Tatsachen sprechen entschieden gegen einen Zusammen- hang von Epithel- und Bindegewebszellen und Rud. Heiden- hain hat später selbst die angeblich in das Bindegewebe ein- dringenden Fortsätze der Epithelzellen als Trugbilder (Gerinsel) erkannt (in Arch. f. Physiol., Bd. 43, Suppl.). An dieser Darstellung V. v. Ebners ist nun allerdings richtig, dass Epithel und Zottenstroma nicht, wie Rud. Heiden- hain u. a. wollten, einander direkt berühren, sondern dass sie durch eine wohl ausgebildete, durch Mazerationspräparate un- zweifelhaft darzustellende Grenz- oder Basalmembran voneinander getrennt sind; unrichtig ist aber, dass diese Trennung eine ab- solute sei, indem ein direkter Konnex von Epithel und Zotten- stroma durch perforierende Basalfortsätze der Zellen durch die Basalmembran hindurch nachgewiesen werden kann.!) !) Es wäre interessant, von jenen Autoren, welche bis zu 15 „ grosse o oO He Th. Schaeppi: Es erübrigt uns nun noch auf die Bedeutung aller dieser basalen Epithelfortsätze einzugehen, sowohl derjenigen, die sich direkt an die Grenzmembran ansetzen, als auch derjenigen, welche diese Membran durchbohrend mit dem Zottengewebe in Ver- bindung treten. Schon M. Heidenhain, der als erster die Fortsätze bei den Froschdarmzellen beschrieb, hat ihnen die Funktion von Haftorganen zugeschrieben und in der Tat ist dies wohl der nächstliegende Gedanke. Da, wie wir oben gesehen. die meisten Darmepithelzellen nach dem Grunde zu sich etwas verschmälern, so ist ihre Basalplatte an Umfang meist bedeutend kleiner als die den Stäbchensaum tragende Oberfläche. Da er- scheint es denn sehr zweckmässig, durch eine Oberflächen- vergrösserung, wie sie durch die Bildung dieser Basalfortsätzchen bewerkstelligt wird, ein festeres Anhaften der Zellen an ihrer Unterlage zu garantieren. Nun habe ich aber in Fig. 9 die Ansatzweise des Epithels derart dargestellt, als ob die Epithel- zellen gewissermaßen in der Luft schweben und nur durch ihre Basalfortsätze mit der Grenzmembran in Verbindung stünden. Dies ist auch in der Tat an der betreffenden Stelle meines Präparates der Fall und ich habe zur Darstellung der basalen Fortsätze absichtlich eine solche Stelle zur Wiedergabe gewählt. um jene Ausläuferchen recht deutlich in Erscheinung treten zu lassen. Es ist indessen offenbar, dass hierin schon der erste Grad einer Abhebung des Epithels von seiner Unterlage beruht, denn es ist in meinen Präparaten natürlich viel leichter, Stellen zu finden, wo die Epithelzellen mit ihrer Fussplatte vollständig der (Grenzmembran anliegen, wo dann aber infolgedessen die Basal- fortsätze nicht oder nur undeutlich zutage treten. Wir müssen also annehmen, dass in natürlichem Zustande die Epithelzellen mit ihren Fussplatten der Basalmembran dicht anliegen und nur zur festeren Anheftung ihre Ausläuferchen peripherwärts aus- senden. Freilich ist mir bei Durchsicht meiner Präparate doch aufgefallen, wie häufig ein kleiner Hohlraum zwischen Mitte der Fussplatte und Grenzmembran zu beobachten ist. Sind das immer Löcher in der Grenzmembran beschrieben haben (siehe oben), zu hören, wie sie sich an diesen Stellen die Verbindung der Epithelzellen mit dem Stroma der Zotte vorstellen. Darüber ist indessen bei keinem der Autoren etwas berichtet. Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 355 nur Schrumpfungen und Artefakte, oder können vielleicht die Basalplatten eine saugnapfähnliche Funktion übernehmen, indem sie mit ihren Rändern und ihren Ausläufern an der Unterlage haften, während ihre Mitte durch die Sarkfäden der Zelle (vergl. C. C. Schneider |. ce.) emporgezogen wird? Ist die mechanische Funktion der an die Grenzmembranen ansetzenden Ausläuferchen der Epithelzellen schon durch ihre Lage ohne weiteres klar, so können wir dagegen über die Be- deutung der perforierenden mit dem Bindegewebe zusammen- hängenden Fortsätze nur Vermutungen aussprechen. Einmal können ja auch diese zur festeren Verbindung der Epithelzellen mit den Zotten dienen, denn wenn wir dieselben auch lange nicht bei allen Zellen vorgefunden haben, so ist dies noch lange kein Beweis dafür, dass sie nicht allen Zellen zukommen können. Übrigens denke ich mir alle diese Gebilde ebensowenig unver- änderlich wie die Interzellularbrücken, von denen man mit Flemming jetzt wohl allgemein annimmt, dass sie je nach Bedürfnis abgebrochen und wieder neugebildet werden können (vergl. meine Arbeit „Über den Zusammenhang der Darmepithel- zellen“ 1. c., S. 804). Wir müssen ja unbedingt den Gedanken aufgeben, dass die Position der Epithelzellen gegenüber der Grenz- membran stets eine unveränderliche und fixe sei und ich ver- weise diesbezüglich ausser auf meine eigenen (l. c., S. 108) ge- machten Ausführungen auf die späteren das Oberflächenepithel betreffenden Arbeiten von Peters („Die Pathologie der Linse*, Ergebnisse der allgem. pathol. Anatomie 1906) und Albert Oppel („Über aktive Epithelbewegungen“, Anat. Anzeiger, Bd. 40), von denen der erstere eine amöboide Fortbewegung der Epithelzellen, der letztere eine den Epithelien allein zukommende eigenartig rollende Bewegungsform annimmt. Es wäre daher auch sehr wohl denkbar, dass die Zellen je nach der Intensität der Zug- und Schubwirkungen, welchen sie im Leben ausgesetzt sind, mit ein- facher Verklebung sich begnügen, oder mit Ausstreckung von Ausläuferchen oder endlich mit Verankerung an das Bindegewebe der Zotten antworten. Dafür würde vielleicht der Umstand sprechen, dass die Basalfortsätze an den Zellen der Spitze und den Seitenteilen der Zotte um vieles deutlicher ausgesprochen erscheinen als an den mit breiter Basis aufsitzenden Stellen vom Grunde der Zotten. 356 Th. Schaeppi: Ob nun aber den perforierenden Basalfortsätzchen neben dieser mechanischen noch andere, z. B. nutritorische oder reiz- leitende Funktionen zukommen, darüber wage ich kein Urteil abzugeben. II. Zur Struktur der Darmepithelzellen. Bekanntlich hat M. Heidenhain in seiner vortrefflichen Arbeit „Über die Struktur der Darmepithelzellen“ (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 54) in den Dünndarmzellen des Frosches als erster zarte Fibrillen nachgewiesen, die in spiraligem Verlaufe von der Basis des Stäbchensaumes, dem Zellkerne ausweichend, nach den Basalplatten der Zelle hinziehen. ©. C. Schneider bestätigt die Befunde Heidenhains und schreibt darüber in seinem „Lehrbuch der vergleichenden Histologie“ (S. 795): „Das Sark ist deutlich längsfaserig struiert und zugleich feinkörnig; die Fäden treten oft bei gut gelungener Eisenhämatoxylinschwärzung fibrillenartig scharf hervor; es sind in solchen Fällen nur wenige vorhanden. Indessen ist dieses Verhalten ein sekundäres. Genaues Studium dünner Schnitte ergibt, wie selten, über die feinsten Strukturverhältnisse verlässlichen Aufschluss. Die Zellfäden sind an guten Präparaten zart und drahtartig und verlaufen leicht- geschlängelt in schwachspiraliger Drehung um die Zellachse. Sie färben sich nicht selbst mit Eisenhämatoxylin, sind jedoch in kurzen, wie mir scheint, regelmässig verteilten Abständen von kleinen, leicht sich schwärzenden Körnchen (Desmochondren) ge- schwellt. Diese Schwellungen bedingen das körnige Aussehen des Sarks; doch finden sich zwischen den Fäden auch andere grössere Körner, die sich nicht schwärzen und jedenfalls Trophochondren vorstellen. Die Fäden sind oben und unten gleichmässig im Sark verteilt, verlaufen von der Zellbasis hin zur Oberfläche und setzen sich auch über diese hinaus als Stäbehenbesatz fort. Dem Kerne weichen sie vorwiegend einseitig aus. Basalkörner fehlen; man erkennt aber, schon bei schwacher Vergrösserung, einen dunkel sich färbenden Innensaum, der eine homogene Masse zwischen den Fäden enthält. Über der Grenzfläche der Zellen bemerkt man einen schmalen, hellen Aussensaum und darüber die eigentlichen kurzen Stäbchen, die durch eine homogene, mit Orange gelb sich fürbende Zwischensubstanz verbunden werden. Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 357 Nicht selten finden sich in dieser porenartige helle Kanälchen, die von den Stäbchen alveolenartig umgeben werden. Die Fibrillen, die nicht selten in geringerer Anzahl an Stelle der feineren Fäden vorliegen, sind Verklebungsprodukte der letzteren. Die Fäden verbinden sich untereinander durch die ihnen anhaftenden Desmochondren, welche auch bei den derben Fibrillen noch zu unterscheiden sind und die intensive Färbbarkeit bedingen. Je dicker ein Faden, um so glatter erscheint er, da die Körnchen untereinander zerfliessen. Nicht selten erfolgt Ver- klebung zweier Fäden nur auf kürzere Strecken hin und kann bei minder guter Konservierung wechselnde Bilder vom Gerüst ergeben (Heidenhain).“ Während Heidenhain in seinem ausführlichen Werke „Plasma und Zelle“ angibt, dass es ihm bisher nicht gelungen sei, durch färberische Methoden analoge Fibrillen in den Darm- zellen der Säugetiere nachzuweisen, obwohl eine verschwommen längsfaserige Struktur derselben schon bei relativ schwacher Ver- grösserung, ja schon an Mazerationspräparaten, zu erkennen ist, will ©. C. Schneider auch bei höheren Tieren (z. B Felis domestica) eine derartige Fadenstruktur beobachtet haben. Er gibt aber weder eine Abbildung seines Befundes, noch nennt er die Methode, mittels welcher diese Fadenstruktur sichtbar ge- macht werden kann. Auch sind seine Angaben sehr kurz ge- halten, indem er schreibt (1. e., S. 907): „Strukturell schliessen sich die Nähr- und Becherzellen (der Katze. Ref.) enge an die vom Frosch aus dem Dünndarme beschriebenen Elemente an. An den ersteren unterscheidet man einen Stäbehensaum, der sich abweichend vom Sark färbt und als Fortsetzungen der Sarkfäden, die untereinander in membranöser Verbindung stehen, sowie aus einer Füllmasse innerhalb der Alveolen besteht. Im Sark sind ausser Längsfäden auch Körnchen in geringer Menge festzu- stellen.“ V. v. Ebner endlich (l. c., S. 781) sagt bezüglich der Darmepithelzellen des Menschen: „Der Zelleib der Epithelzellen zeigt eine undeutlich fädige Struktur mit vorwiegender Längs- richtung der Filarmasse, zwischen welcher Körnchen eingestreut sind.“ Als ich mich nun mit dem Studium der basalen Zellaus- läuferchen an Schnittpräparaten mit der oben erwähnten Färbe- Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 24 358 E Th. Schaeppi: methode beschäftigte, fiel mir sogleich auf, dass durch diese Färbung die Faserstruktur der Zellen, wenn auch nicht überall, so doch an sehr vielen Stellen ausserordentlich klar und deutlich zutage tritt. Die schönsten Bilder ergeben dabei die Zellen an der Basis der Zotten, vor allem aber die Drüsenzellen, weil hier die sogenannte nutritorische Körnerzone fehlt, die sich mit Eosin intensiv rot färbt und dadurch die Filarmasse etwas verdeckt. Ich beschränke mich in der bildlichen Darstellung auf die Wiedergabe eines Drüsensegmentes (vergl. Fig. 11), einmal wegen der leichteren Übersichtlichkeit der Fäden, vor allem aber, weil die Fadenstruktur in den Drüsenzellen bisher über- haupt noch niemals beobachtet und beschrieben worden ist. Wenn nun auch im grossen und ganzen das Verhalten unserer Fibrillen in Form und Verlauf mit den Beschreibungen übereinstimmt, die Heidenhain (l. ec.) und C. C. Schneider (l. e.) bezüglich dieser Gebilde in den Darmepithelzellen des Frosches geben, so lohnt es sich immerhin, auf einige abweichende Punkte einzugehen. Was fürs erste den Verlauf der Fibrillen anbetrifft, so finden wir auch hier Stellen mit leichtspiraligem Gange (wie beim Frosch), ebenso häufig aber auch solche mit mehr oder weniger geradlinigem Verlaufe. Die Fäden sind in anscheinend regelmässigen Abständen mit kleinen Körnchen besetzt, die sich mit Eosin leuchtend rot färben; sie sind bald leicht wellig gekrümmt und erscheinen dann meistens etwas derber, oder sie verlaufen annähernd gestreckt, wobei sie dann zarter aussehen. Ersteres ist viel häufiger der Fall in den Zellen der Zotte, letzteres trifft mehr für die Drüsenzellen zu. Die Fäden ziehen keines- wegs immer einseitig an dem Kerne vorbei wie beim Frosch, sondern umfassen denselben ebenso häufig allseitig in ihrem Ver- laufe nach unten. Einen direkten Ansatz derselben an die Fuss- platte habe ich aber weder an den Zottenzellen noch an den Drüsen beobachtet ; doch mag dies noch ein Mangel der Methode sein. Die Anzahl der Fäden ist eine viel geringere als beim Frosch: ich zähle in den Zellen der Zotte in einer Ebene zirka fünf bis sieben auf dem Querschnitt der Zellen, in den Drüsenzellen oft noch weniger, da dieselben ja gegen das Drüsenlumen hin schmäler sind als an ihrer Basis. Wenn (©. C. Schneider etwa einwenden wollte, dass diese geringe Anzahl ‘der Fibrillen auf einem sekun- Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 359 dären Zustande beruhe und durch Verklebung primitiver Fäden zustande komme, so halte ich dies deshalb für ausgeschlossen, weil die Fibrillen, wie Fig. 11 deutlich zeigt, nach dem Drüsen- lumen kin an überaus deutlich zu erkennende und ebenso deutlich voneinander getrennte Basalkörnchen sich ansetzen. Es be- stehen also hier im Gegensatze zum Frosch deut- liche Basalkörnchen, die den Fibrillen des Sarks zum Ursprung dienen. Was Gestalt und Lage dieser Basalkörner anbetrifft, die sich in unserem Präparate durch leuchtend rote Farbe auszeichnen, so haben dieselben länglich-ovale Konfiguration und sitzen mit ihrer Basis im Protoplasma der Zelle, während ihr distales Ende in den Kutikularsaum hineinreicht, der bekanntlich hier in den Drüsen keine Stäbchen mehr trägt. Ich finde diese Gebilde also in Gestalt und Lage etwa so, wie sie Fr. Merkel (in „Ergeb- nissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte“, Bd. 18, S. 60) in seiner schematischen Darstellung der differenten Ausbildungen des Wimperapparates in Position 5 darstellt, wobei man sich dann freilich noch den Kutikularsaum von Position 2 hinzugefügt denken muss. Ein ganz analoges Verhalten zeigen die Fibrillen in den Zellen der Zotten, nur mit dem Unterschiede, dass die Fäden meist etwas derber sind und dass den Basalkörnchen distal die Stäbchen aufsitzen. Für diejenigen Skeptiker, welche etwa einwenden möchten, dass die Fibrillen als solche gar nicht existieren und nur der Ausdruck einer Faltung in der Oberfläche der Epithelzellen seien, womit freilich schon ihr Ansatz an den Basalkörnern nicht stimmen würde, möge zum Überfluss noch darauf hingewiesen werden, dass die Fibrillen nicht selten auch deutlich an abgebrochenen Zellen zum Vorschein kommen, wo sie dann als feine kurze Stäbchen aus der Bruchfläche herausragen können, wie etwa die Stäbchen der Oberfläche, wenn zufällig der Kultikularsaum etwas abgehoben ist. Über die funktionelle Bedeutung der Fibrillen ist so wenig Sicheres bekannt und schon so viel Hypothetisches geschrieben worden, dass es beinahe eine Vermessenheit wäre, zumal auf ein einzelnes Beobachtungsobjekt hin, den schon vorhandenen Hypo- thesen noch eine neue hinzuzufügen. Ich möchte daher dies- 24* 360 Th. Schaeppi: bezüglich lediglich einen, wie mir scheint, sehr fruchtbaren Ge- danken M. Heidenhains aufnehmen, denselben aber etwas modifizieren, in der Meinung, dass durch diese Modifikation ge- wisse Widersprüche vielleicht gelöst werden könnten. Heidenhain schreibt in seinem Werke („Plasma und Zelle“, S. 117): „Aus diesen Gründen konnte ich seinerzeit die plasmatischen Filamente der Darmepithelzellen mit den fibrillären Differenzierungen der Bindesubstanzgruppe in Vergleich setzen. da auch diese, wie wir wissen, sich in der Richtung der mög- lichen maximalen Gewebsspannungen ausdifferenzieren. Plasma- fibrillen, deren wesentliche Bedeutung darin liegt, dass sie einer bestimmten mechanischen Beanspruchung des Gewebes Wider- stand leisten und auf diese Weise den möglichen Schädigungen entgegenwirken, nannte ich Widerstandsfibrillen oder Tono- fibrillen. Allein es ist durchaus nicht nötig, dass sich hierin die Bedeutung der Fasersysteme der Darmepithelzellen erschöpft; es ist ebenso möglich, dass sie auch bei der Resorption in Frage kommen und zwar speziell beim Transport des Wassers durch die Zellen hindurch. Es wäre dann zu vermuten, dass die durch die Epithelmembran hindurchtretende Wassermasse auf die nämliche Weise aufgesaugt und weitergetrieben würde, wie wir es für die sezernierenden Zellen bereits vorausgesetzt haben. Eben infolge dieser Voraussetzung kamen wir dazu, die dunklen @uerzonen der Fasersysteme als Kontraktionswellen auszudeuten.“ Die Hypothese Heidenhains ist gewiss sehr plausibel; doch spricht sich dieser Autor nicht darüber aus, wie er sich speziell diese Aufsaugung und Weiterbeförderung des Wassers durch die Kontraktionswellen der Fibrillen denkt. Ich meiner- seits kann mir einen solchen Prozess plıysikalisch nicht wohl anders vorstellen, als wenn die Fibrillen eine Art Kapillaren, also feinste Hohlschläuche repräsentieren, in denen die Flüssig- keit in analoger Weise durch Kontraktionswellen der Wände fortgetrieben würde, wie in den Blutgefässen und Kapillaren der- jenigen Wirbellosen, denen ein besonderes Pumpwerk (Herz) für die Blutbewegung fehlt, wie z. B. vielen Anneliden. Wäre dies aber der Fall, dann könnten wir auch nicht umhin, den Fort- setzungen der Fibrillen, den Stäbchen, kapillaren Charakter zu vindizieren und wir würden dann.dort keinen Widerspruch mehr Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 361 finden, wo M. Heidenhain einen solchen zu finden vermeint, indem er schreibt (l. c., S. 1007): „Man kommt schon in Ver- legenheit, wenn man versucht, die Funktion der Bürstensäume auf sezernierenden und resorbierenden Zellen zu enträtseln. Die Darmepithelzelle nimmt Stoffe an ihrem freien Ende auf und gibt sie am basalen Ende wiederum ab, während die Drüsenzelle sich umgekehrt verhält; die Bürstensäume finden sich mithin das eine Mal am resorbierenden, das andere Mal am sezernierenden Teile, und welche Wendung man der Sache auch immer zu geben versucht, die Differenz bleibt bestehen.“ Im einen wieim anderen Falle wären eben die Fibrillen und Stäbchen flüssigkeitsleitende Organe, in denen das eine Mal der Strom vom Zellinnern nach der Oberfläche, das andere Mal in umgekehrtem Sinne verlaufen würde. Die besondere Ausbildung eines Stäbchensaumes aber könnte in beiden Fällen darin begründet sein, dass die Zellen an ihrer Berührungsfläche mit der Aussenwelt einer kräftiger gebauten Kanalisation bedürften. Wenn ferner dieser Stäbchen- saum bei den Wirbellosen nicht selten vermisst wird, so könnte dies sehr wohl damit in Zusammenhang stehen, dass überall da, wo er fehlt, ausschliesslich oder neben der sekretorischen Nahrungsaufnahme ausnahmslos auch eine Ernährung durch Phago- zytose besteht, für deren Aktivierung aber ein persistierender Stäbehensaum nicht nur nicht nötig, sondern sogar hinderlich wäre (Zölenteraten, Platyhelminthen, vereinzelte Oligochäten, Gastropoden und Lamellibranchier). Wir könnten demgemäss auch darin keinen Widerspruch finden, wenn M. Heidenhain be- merkt (l. c., S. 1007): „Man pflegt zu sagen, dass die Resorption eine umgekehrte Sekretion sei und müsste demnach vermuten, dass die resorbierenden Zellen irgend einen näheren Vergleich mit den typischen Drüsenzellen, etwa den Stäbchenzellen der Niere, zulassen würden; davon ist aber einstweilen keine Rede. Was soll man auch dazu sagen, wenn bei Wirbellosen (Lamelli- branchier. Ref.) vielfach flimmernde Epithelien von besonderem Bau (Flimmerkegel) auftreten?“ Fürs erste sind gerade die Lamellibranchier mit ihren Flimmerkegeln ein klassisches Bei- spiel für phagozytären Verdauungsmodus (vergl. W. Jordan, „Vergleichende Physiologie der wirbellosen Tiere“) und zweitens findet sich nach C. ©. Schneider (l. c.) eine deutliche längs- faserige Architektonik der Darmzellen auch bei allen Wirbel- 362 Th. Schaeppi: losen vor. Aus eigener Erfahrung kann ich dies für die Siphono- phoren bestätigen, deren je eine Geissel tragenden Entoderm- zellen überaus deutliche Fibrilien erkennen lassen, die aber nur zum geringsten Teile in die Wimper einstrahlen, vielmehr gleich- mässig verteilt von der Basis nach dem verdichteten Exoplasma der Oberfläche hinziehen (vergl. Fig. 12). Es liesse sich nun noch manches Argument für den kapillären Charakter der Fibrillen anführen: Das zartfaserige Aussehen z. B. könnte dem kollabierten, die derbere Form, wie sie häufiger in den Zottenzellen angetroffen wird, dem funktionierenden Zustande entsprechen usw. Ich bin mir nun selbstverständlich, so gut wie Heiden- hain, aes lediglich Hypothetischen meiner Ausführungen bewusst, aber ich meine mit Franz Hofmeister („Die chemische Organi- sation der Zelle“, Vortrag 1910), dass wir schon aus physiko- chemischen Gründen gezwungen sind, im Protoplasma gewisse Vorriehtungen anzunehmen, durch welche die verschiedenen chemischen Vorgänge räumlich voneinander geschieden sind und durch welche einerseits die Zufuhr des Ausgangsmaterials, anderer- seits die Abfuhr der Endprodukte gewährleistet wird. „Mancherlei an bestimmten Zellen nachweisbare Einrichtungen“, sagt Hof- meister (l. c., S. 28), „faserige und röhrige Strukturen, Bürsten- besatz und Basalsaum und dergleichen, deuten darauf hin, dass die Bewegung der das Protoplasma durchtränkenden Flüssigkeit in bestimmter Richtung weniger Widerstände findet und ein Vergleich mit Leitungsvorrichtungen, Trichtern und Filtern liegt nicht. zu‘fern.“ Würde die Kapillarstruktur der Fibrillen sich bewahrheiten, so wäre damit auch, da eine abwechselnde Ausdehnung und Kollabierung kapillärer mit der Aussenwelt kommunizierender Röhren im Prinzipe einer Saugwirkung gleichkommen müsste, das Rätsel: der Absorption gelöst, die bekanntlich weder den Gesetzen der Filtration noch denjenigen der Osmose folgt und in ihrem Wesen bisher völlig unerklärt ist. Selbstverständlich würde dadurch nur die physikalische Seite des Resorptionsproblems gelöst, d. h. die Frage, durch welchen physikalischen Prozess gelöste Nahrungsstoffe ins Innere der Darmzellen hineingelangen können. Nicht gelöst wäre freilich jene andere Seite des Resorptionsproblems, welche das elektive Über die Anheftungsweise und den Bau der Darmepithelzellen. 363 Verhalten der Darmzellen betrifft, d.h. das Verhalten, nur ganz bestimmten gelösten Stoffen den Eintritt zu gestatten, andere dagegen zu refusieren; oder mit anderen Worten, die Frage, warum in unserem Falle die Zellen bestimmten gelösten Stoffen gegenüber mit einer Öffnung resp. Erweiterung, anderen gegen- über mit einer Verschliessung resp. Kollabierung der Kapillaren oder Kanäle antworteten. Ich will zum Schlusse noch bemerken, dass ich keineswegs der Meinung bin, dass die Fasern der Zellen ausschliesslich in den Dienst der Resorption treten, sondern ich bin ganz mit M. Heidenhain der Ansicht, dass wir in ihnen auch Organe der Zugfestigkeit, oder „Tonofibrillen“, zu erblicken haben. Eine solche Doppelfunktion wäre ja keineswegs einzig in der Natur dastehend, sehen wir doch, um nur ein einziges Beispiel anzu- führen, in den Gefässbündeln der Pflanzen die Funktion des Wassertransportes und diejenige der Zug- respektive Biegungs- festigkeit an ein und dieselben Zellelemente (Siebröhren) ge- bunden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII. Fig. 1—5. Darmepithelzellen der Ratte. Mazerationspräparat (!/s Alkohol). Fig. 6u.7. Darmepithelzellen der Ratte. Mazerationspräparat (10 proz. Koch- salzlösung). is. , 8 Stück einer vom Epithel befreiten Zotte. Mazerationspräparat (Osmiumessigsäurelösung). Gl. = Grenzmembran ; Rt. — Retiku- läres Bindegewebsnetz an der Innenseite der Grenzmembran; Rc. — Residuen abgebrochener Basalfortsätze von Epithelzellen;; Ca. — Kapillare; Mu. — Muskelfasern. Fig. 9u.10. Längsschnitte durch die Zotte. XXX a a’ — Zellen, deren Basalfortsätze an die Grenzmembran inserieren; b, b’ b' — Zellen mit perforierenden Basalfortsätzen; L —= Jieukozyten; B. = Becherzelle; E = Eosinophilozelle. Bir. 11. Segment vom Querschnitt einer Drüse. Cu = Kutikularsaum ; Ba — Basalkörner; F = Fibrillen. Kies. 12: Querschnitt eines Entoderms eines Palpons von Physophora hytrost. Zeichnung aus dem Jahre 189. Fig. 1—10. Vergrösserung 770. Leitz, Objekt 7, Okular 5, Tubuslänge 16 cm. Bis. 21: Vergrösserung 1250. Leitz, Immersion !/ı:, Okul. 5, Tubuslänge 16 cm. 364 Aus dem zoologischen u. vergleich.-anatom. Institut d. Universität Bonn.*) Das Problem der uni=- oder multizellulären Ent- @) wicklung der quergestreiften Muskelfasern (speziell untersucht an Isopoden und Urodelen). Von Dr. A. W. Franz, Bonn. Hierzu Tafel XXIII—XXVI und 17 Textfiguren, Inhalt. I. Vorbemerkungen. . Einleitung . Allgemeine en ans 1. Die „Gruppe B®. 2. Die „Gruppe A*. ; 3. Die Blastemtheoretiker . Material und Technik. 1. Beschaffung des Materiales; Aufzucht . 2. Fixation 3. Schnittmethode 4. Färbung N . Differenzierung der Fibrillen > © Das definitive „Primitivbündel“ . a . Die Myogenese von Triton. . Die Bildung der Somiten . . Das Stadium der Auskeilung; Amitose - om — . Das definitive „Primitivbündel“ (b} III. Allgemeiner Teil. . Das Primitivbündel der Arthropoden und Vertebraten . Der „Weismannsche Satz“ von 1862 . Schlusswort Literaturverzeichnis . II. Spezieller Teil. . Die Myogenese von Porcellio. Von der Gastrula bis zum Stadium der Kernwucherung . . Kernzerfall; Chromidien; Bildung des Symplasmas . Insertion und Sarkoplasmaanastomosie Een Sanlehen . Verschwinden des Myocoels; Streckung der Myoblasten . . Parallellagerung der Myoblasten; ee en Fibrillen Seite 369 374 317 380 380 383 386 388 389 396 405 411 418 424 440 446 457 467 471 *) Durch die Teilnahme des Verfassers am Feldzuge bis zu seiner im Januar erfolgten Erkrankung wurde die Herausgabe der Arbeit um über ein Jahr verzögert. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 365 T. Vorbemerkungen. A. Einleitung. Das Problem der uni- oder multizellulären Entwicklung der quergestreiften Muskulatur kann auf ein 75jähriges Bestehen zurückblicken. Aber bis heute noch ist es unerledigt geblieben. Eine bemerkenswerte Unsicherheit offenbart sich auf dem speziellen Gebiete der Muskelentwicklung, das durch unser Problem umrissen ist. Gibt doch Oscar Hertwig in seinem weitverbreiteten Lehrbuche der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere (1910, S. 472) ein Querschnittbild eines Embryo von Petromyzon, das den Arbeiten Maurers entstammt und im Sinne dieses Autors eine synzytiale (multizelluläre) Muskelentwicklung für jene Spezies dartun soll. Hertwig selbst steht für die Cyelostomen, wie überdies für alle Vertebraten. auf dem Boden einer einzelligen Entwicklung der Muskelelemente. Hertwigs und Maurers Ansicht stehen unentschieden und unvermittelt nebeneinander. In seinem unlängst erschienenen, bedeutungsvollen Werke „Plasma und Zelle“ sagt Martin Heidenhain unter Kapitel B: „Quergestreifte Muskulatur“, dass Maurer 1894 eine „ganze Anzahl älterer Autoren aufrechnet, welche dafür zeugen, dass die Muskelfasern entwicklungsgeschichtlich aus je einer Zelle hervorgehen.“ Nach der Aufzählung einer Reihe Autoren des angedeuteten Standpunktes kommt Heidenhain auf Godlewski zu sprechen, der neuerdings in seinen „auffallenden Befunden neben der ersteren Entstehungsart auch einen vielzelligen Ursprung der Muskelfasern bei Säugetierembryonen beobachtet haben will, und zwar sei dies gerade das gewöhnliche Vorkommnis.“ Und am Schlusse des angezogenen Kapitels finden wir den Satz: „Demgemäss glauben wir, dass für uns einstweilen kein Grund vorliegt, die in Rede stehende Lehre aufzugeben (i. e.: die Lehre der unizellulären Myogenese). In diesen wenigen Zeilen tritt die Gegensätzlichkeit der Standpunkte der Autoren scharf hervor; sie war für uns der Anlass zu unserer Untersuchung, indem wir uns die Aufgabe 366 A. W. Franz: stellten, zu entscheiden, welche der angedeuteten Anschauungen die richtige sei, also die Frage: Hat die im fertigen Zustand vielkernige, quergestreifte Muskulatur einen ein- oder mehrzelligen Ursprung ? In vorliegender Untersuchung wird die quergestreifte Muskulatur behandelt, speziell an Formen aus dem Stamme der Arthropoden und Vertebraten, bei jenen die Kopf- und Bein- muskulatur, bei diesen die Rumpfmuskulatur. In der Einleitung wollen wir gleich bemerken, dass mit unserem Problem sich bereits viele Autoren beschäftigten; aber teils fanden sie in theoretischen Erwägungen ihre Befriedigung, zum grossen Teil auch führten sie ihre Untersuchungen nicht streng entwicklungsgeschichtlich durch. Auch die Isopoden und Urodelen, von denen hier einige Spezies zum (regenstand der Untersuchung gewählt wurden, sind bereits des öfteren Objekt von Forschungen gewesen, die unser Problem als roten Faden durchschimmern liessen ; aber eins vermissen wir fast durchweg: die Einschlagung eben jenes angedeuteten Untersuchungsganges. Denn die Lösung eines derart verwickelten histologischen Problemes wie des unseren muss verlangen, dass sie auf ebenso streng entwicklungsgeschichtlicher wie logischer Basis aufgebaut sei. Diese Verhältnisse müssen ab ovo in des Wortes eigentlicher Bedeutung untersucht werden: ontogenetisch gesprochen ist es notwendig, dass die Bildungszellen der Muskulatur von ihrem ersten Auftreten ab bis ins einzelne beschrieben werden und ihr Teilschicksal bis zur Bildung der fertigen Muskelfaser zur Sprache kommt. So kann es wohl nicht für erschöpfend gehalten werden, wenn etwa Camillo Schneider in seinem Lehrbuche der Histologie aus (@uerschnittbildern postembryonaler Stadien von Salamandra eine synzytiale (multizelluläre) Entstehung der Muskel- faser dieser Spezies ableitet. Das könnte möglicherweise eine nachträgliche Erwerbung sein und eine solche würde dann in der Deutung jenes Autors den strikten Beweis für die Allgemein- gültigkeit des angedeuteten Modus der Myogenese schuldig bleiben. Zudem beschreibt Camillo Schneider das Auftreten mehrerer Kerne auf den Querschnitten seiner „Myen“ (junger Muskelzellen), die von einem Sarkolemm umgeben sind. Wenn es nun bei Camillo Schneider nicht so deutlich hervortritt, dass die Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 367 Vielkernigkeit der Muskelfaser für einen vielzelligen Ursprung sprechen soll, so macht Maurer von diesem Beweis- mittel um so reicheren Gebrauch, was der spezielle Teil dieser Arbeit zeigen wird. Angenommen etwa, hier würde der Beweis erbracht, dass in den Myoblasten der Vertebraten (Myoblasten erscheint uns geeigneter als „Myen“) eine ausgedehnte Vermehrung der Kerne durch Amitose ohne nachfolgende Teilung des Zelleibes von statten geht, so würde den Behauptungen der eben angedeuteten Art der Boden entzogen sein. Ein weiterer Punkt muss hier erwähnt werden. In seiner Arbeit von 1894 deutet Maurer die Myogenese eines grossen Teiles der Vertebraten als synzytialer Natur, und zwar fast nur aus Querschnittbildern, die in ganz kleinem Maßstabe gehalten sind und keine Details erkennen lassen. Maurer betont für die jüngsten Stadien fast aller Vertebraten, die er untersuchte, die Existenz von Zellgrenzen in den Muskelepithelbezirken der Urwirbel. Während nun Maurer für die Teleostier und Anuren mehr oder minder deutlich den einzelligen Ursprung der Muskel- fasern befürwortet, zeigt er vor allem bei den Cyclostomen und Ganoiden, dass die zunächst deutlichen Zellgrenzen verschwinden und aus dem so entstandenen Synzytium der medialen Lamelle des Urwirbels durch den bekannten Maurerschen Einfaltungs- prozess die Muskelfasern als Fpithelbezirke zweiter Ordnung abgeschnürt werden. Das Problem, wie die radiär gestellten Zellen des eben ab- geschnürten Urwirbels zu ihrer späteren Parallellagerung kommen, gelangt bei Maurer nicht zur Sprache; die Behandlung eben dieses Problems, das die jüngsten Stadien der Myogenese umfasst, vermissen wir fast durchweg in den hier in Betracht kommenden Arbeiten der Autoren ebenso wie in der Maurers. Als Aus- nahme unter wenigen ist hier vor allem Kaestner zu nennen. Am weitesten verlässt den Boden streng entwicklungs- geschichtlicher Forschungsmethoden Rhode in einem Hefte „Histogenetische Untersuchungen“ 1908. Auf Maurer basierend, den er häufig in Wort und Bild heranzieht, stellt Rhode hier die Behauptung auf, dass allgemein die Gewebszellen nicht, „wie bisher angenommen wurde, die direkten Abkömmlinge der Embryonalzellen sind, sondern Neubildungen, welche sekundär, 368 A. W. Franz: bisweilen sogar tertiär, in der verschiedensten Weise aus viel- kernigen Plasmamassen hervorgehen, die ihrerseits wieder entweder das Verschmelzungsprodukt von ganz indifferenten Embryonal- zellen darstellen (Synzytien) oder schon primär im Ei entstehen.“ Zum Beweise seiner Behauptung stellt Rhode in der Hauptsache, namentlich aber für die uns hier interessierende quergestreifte Muskulatur, eine reiche Auswahl von Ergebnissen anderer Autoren in figuraler oder textlicher Form zusammen. Wir finden aber nur Anschauungen vertreten, die seine Theorie stützen; entgegengesetzte finden wir in Rhodes Arbeit weder gegen die eigenen abgewogen noch überhaupt aufgeführt. Demgegenüber ist die lange Reihe der Autoren wie Dohrn, Rückert, Ziegler, Rabl, van Wijhe, Kaestner, Koll- mann,Hatscheck, Henneguy, Eycleshymer, Bardeen, Hertwig etc. und letzthin Sunier und Duesberg zu erwähnen; durchgängig finden wir in ihren Arbeiten die Bemühungen, aus einer möglichst geschlossenen Reihe sukzessiver Embryonalstadien entwicklungsgeschichtliche Gesetze abzuleiten. Wir finden hier geschickte Kombination aus Längs- und Quer- schnitten vereinigt mit detaillierten Zeichnungen und der kritischen Abwägung gegensätzlicher Anschauungen mit den eigenen. Besonders Sunier hat in seinem Werke: „Les premiers stades de difierentiation interne du myotome et la formation des elöments selerotomatiques chez les Acraniens, les Selaciens et les Tel&osteens“, ein mustergültiges Vorbild einer streng logischen und methodischen Arbeit gegeben. Als erster hat Sunier in glück- licher Weise die Polemik gegen die autoritativen Anschauungen Maurers von dem Einfaltungsprozess begonnen. Unsere Spezial- untersuchung über die Urodelen schliesst sich an Suniers Arbeit an und wir gestehen, dass diese uns im Verlaufe unserer Unter- suchung unentbehrlich war. Die andere von uns bearbeitete Gattung Porcellio aus dem Arthropodenstamme ist bisher, wenigstens was ihre Myogenese anbetrifft, noch nicht untersucht worden. Über allgemeine, embryo- logische Daten ist die Forschung bei dieser Oniscidengattung noch nicht hinweggekommen. Wir verweisen hier auf die Angaben Balfours, Rathkes, Bobretzkys und Nusbaums. Untersuchungen über die Myogenese des Porcellio sind in dieser Arbeit zum ersten Male angestellt worden. Ihre Ergebnisse Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 369 sind zusammen mit denen Moroffs und Snethlages berufen, die ÖCrustaceenmuskulaturalseinhistologischesOb- jekt zustempeln, das in seiner Myogenese ein Proto- typ für eine multizelluläre Muskelentwicklung auf- weist und geeignet scheint, in der Gelehrtenwelt als klassisches Schulbeispiei für diesen Modus der Muskelbildung aufgeführt zu werden. Wenn wir es nun unternehmen, kritisch und vergleichend- histologisch zum Probleme der uni- oder multizellulären Ent- wicklung der quergestreiften Muskelfasern Stellung zu nehmen, so geschieht dies natürlich in dem Bewusstsein, dass wir nur einen Beitrag zu dessen Lösung, nicht ein restlos erschöpfendes Urteil bringen. Wie bei der Mehrzahl wissenschaftlicher Kontro- versen, so kommen wir auch hier zu einem Kompromiss. Aller- dings stellt dieser ein prinzipielles Resultat dar, insofern nämlich, als wir sehen werden, dass unser Problem nur nach der Seite der Thesis oder nur der Antithesis keine Lösung findet, dass vielmehr im Tierreiche streng unizelluläre wie ebenso sicher konstatierte multizelluläre Myogenese vorkommt; dass ferner Übergänge wahrscheinlich sind und bereits zum Teil in der Herz- muskulatur der Säugetiere und in einigen Arthropodengruppen gefunden wurden. B. Allgemeine Literaturübersicht. Max Schultze gebrauchte einst (1861) in seiner Arbeit über „Muskelkörperchen und das, was man eine Zelle zu nennen habe“ mit Bezug auf jene Bestandteile der Muskelfaser das Wort: „Es ist hier ein unbehaglicher Zustand, wie in manchen Kapiteln der Gewebelehre.“ Dieses Wort lässt sich mit vollem Rechte auch auf unser Problem anwenden. Wir werden im Verlaufe unserer knappen Literaturübersicht, die nur das direkt auf unser Thema bezüg- liche behandelt, allen denkbaren Anschauungen begegnen. Zunächst aber wird man fragen, um welche histologischen Elemente handelt es sich eigentlich in der vorliegenden Unter- suchung ? Das sind die Primitivbündel. Bei R. Hertwig finden wir (6. Aufl., S. 78) den Passus: 370 A. W. Franz: „Bei Wirbeltieren und Arthropoden besteht die Körper- muskulatur aus quergestreiften Muskelfasern, den Primitivbündeln. Ein Primitivbündel ist ein zylindrischer Schlauch, der durch eine strukturlose Haut, das Sarkolemma, nach aussen begrenzt und umhüllt wird.“ Der Terminus Primitivbündel (Fontana: Faisceaux charnus primitifs) wird zum Unterschiede von den Elementen der glatten Muskulatur, den kontraktilen Faserzellen (v. Kölliker, 1846) gebraucht. Heidenhain schlägt (1911, 8. 517) für Primitiv- bündel den Terminus: Muskelfaser vor. Wir wollen aus histori- schen Gründen einstweilen den Begriff „Primitivbündel“ bei- behalten. Für die Elementarfibrillen der Primitivbündel verwenden wir den seit Apäthy bekannten und gut gewählten Ausdruck „Myofibrillen“. Gruppen solcher Myofibrillen in Primitivbündeln bezeichnen wir als Muskelbündel, besser mit v. Kölliker als Muskel- säulchen. Es kommen solche 1., 2. ete. Ordnung vor; ihr Ver- hältnis zueinander ist durch das Prinzip der Conheimschen Felderung ausgedrückt. Das Plasma, das sich zwischen den Myo- fibrillen und Muskelsäulchen befindet, nennen wir seit Kühne Sarkoplasma. Es liegt also in den Interstitien und den Säulchen. Was ist also der Hauptinhalt des Begriffes Primitivbündel, von der kontraktilen Substanz abgesehen ? Es ist von einer strukturlosen Membran (dem Sarkolemma) nach aussen begrenzt und umhüllt. Diese Begriffsbestimmung erinnert lebhaft an diejenige der Schwann-Schleidenschen Zelltheorie für die „Zelle“, für die ja auch die Zellmembran, die äussere Begrenzung der Zelle, wesentliches Begrifismerk- mal war. Der Kürze und Raumersparnis halber wollen wir nun die Autoren, die der Anschauung sind, dass die Primitivbündel ent- wicklungsgeschichtlich aus einer Zelle hervorgehen — die „sruppe A“ die der gegensätzlichen Anschauung — die „aruppe B“ nennen.t) Ein Vertreter der „Gruppe A“ stellt sich also das nach obiger Begritfsbestimmung festgelegte Primitivbündel so ent- '‘) Man könnte der Kürze halber die Begriffe „Unist“ bezw. „Multist“ einführen, doch wurde hier davon abgesehen. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 371 standen vor: Die Embryonalzellen, die später zur Bildung der Primitivbündel Verwendung finden, be- halten ihre Zellgrenzen (Zellmembranen) im Ver- laute ihrer Ontogenese bei, werden zu Myoblasten, d. h. jungen Muskelzellen, in denen die Bildung der kontraktilen Elemente beginnt, und liegen zuletzt als Primitivbündel im Verbande des Muskelgewebes, ohne dass jeweilig die Substanz einer anderen Zelle unter Verschwinden der Membranen in Verbindung mit ihnen getreten sei. Das Sarkolemm ist also 1. entweder die Zellmembran selbst (F. E. Schulze, Kölliker) oder 2. die modifizierte Zellmembran, durch Apposition oder Intussuszeption neuer Zellbestandteile verdickt, oder eventl. auch durch Emission ihrer eigenen Substanz verdünnt (Bremer, Wittich etc.). Wenn also etwa ein Primitivbündel mehrere Kerne enthält, so muss „Gruppe A“ annehmen, dass diese Kerne durch Frag- mentation, durch Amitose, sich vermehrt haben. Denn die Mitose ist stets mit Zellteilung verknüpft und es heisst ja ausdrücklich, die Primitivbündel stellen eine Zelle dar. Die einzige Ausnahme von der Regel, dass Mitose stets mit Zellteilung verknüpft ist, bilden die dotterreichen Eier einiger Metazoen. Bei Protozoen ist dieser Vorgang ebenfalls beobachtet worden. Einstweilen aber gilt die Regel: In den somatischen Geweben der Metazoen ist unter normalen (nicht pathologischen) Umständen jede Mitose mit einer Zellteilung verbunden. Wie ist nun der Standpunkt der „Gruppe B“? Ihre Ansicht ist die: Die Myofibrillen des Primitivbündels sind nicht aus einem Myoblasten, sondern aus einem Gewebsteil hervorgegangen, der durch Verschmel- zung mehrerer Myoblasten gebildet wurde. Die Zell- grenzen mehrerer benachbarter (oder auch nur zweier) Myoblasten verschwinden (rexigen oder lysigen), ihr Plasma tritt in direkte Verbindung und die Bildung der Myofibrillen geschieht unabhängig von den Territorien der einstigen Embryonalzellen. 372 A. W. Franz: Das Sarkolemm ist also für einen Vertreter der „Gruppe B“ entweder 1. von einem gewissermaßen als sekundäre Zelle funktio- nierenden Synzytium abgeschieden (z. T. Maurer) oder . das Überbleibsel der Zellwände der verschmolzenen Zellen, nachdem die Membranen an den Vereinigungs- punkten verschwanden (Schwann) oder 3. von interstitiellem Bindegewebe abgeschieden, (Reichert). Eine dritte Gruppe von Autoren vertritt folgende Ansicht: Die Primitivbündel gehen weder aus einer, noch ausmehreren verschmolzenen Zellen hervor, sondern aus einer Substanz von nicht zelliger Zusammen- setzung, aus einem Blastem oder einer Mutter- substanz (Rouget:Matrix) werden die Myofibrillen abgeschieden. Wir nennen diese Autoren (Clarke, Rouget, Wagener etc.) Blastemtheoretiker. Ihre Anschauung geht auf eine azelluläre oder interzelluläre hinaus. Sie wird seit längerer Zeit nicht mehr vertreten. Mehrere Autoren, vor allem Weismann und Felix, haben eine Neubildung von Muskelfasern auf dem Wege der Abspaltung von anderen beschrieben. Wir wollen diesen Modus der Myogenese als einen rein unizellulären begründen, vorausgesetzt natür- lich, dass die Ursprungszellen selbst unizellulär entstanden. Eine Abspaltung junger Muskelfasern aus solchen, die selbst synzytial entstanden sind, kann nur Produkte liefern, die die [80) Fig. A. Unizelluläre Myogenese durch Abspaltung von Muskelfasern. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 373 Komponenten der erstlich verschmolzenen Zellen enthalten, wenn auch nur Anteile an ihnen. Ein einfaches Schema soll den unizellulären Modus der Myogenese in Form einer Abspaltung in Figur A verdeutlichen. Wenn in dieser Figur einmal die ausgezogenen Kreise « die (uerschnitte bereits gebildeter Primitivbündel darstellen sollen, so würde man sich eine Abspaltung so zu denken haben, wie Fig. A/l es zeigt. Dabei mögen die durch Abspaltung entstandenen jungen Muskelfasern mit # gekennzeichnet sein. Die Fasern ? sind offenbar aus einer. Zelle. nicht durch Verschmelzung mehrerer gebildet worden. Wenn das nicht deutlich sein sollte, so braucht man nur an den Vorgang der Zellteilung zu erinnern. Auch hier geht, genau wie in Fig. A/l1, jede Tochterzelle stets aus einer Mutterzelle hervor in unendlicher Generationsfolge. Wie könnte man sich überhaupt wohl eine multizelluläre Myogenese bei dem Prozesse der Abspaltung vorstellen ? In Fig. A/2, die mit y und 3 das gleiche wie A/1 bezeichnet, könnte eine Faser # dadurch entstehen, dass die Stücke x zweier gerade sich abspaltender Fasern miteinander verschmelzen. Dann ist & durch Verschmelzung, nicht durch Spaltung entstanden. Wenn oben in Fig. A/2 zwei #-Fasern durch Verschmelzung zu einer noch jüngeren Faser y werden, so gilt hier dasselbe wie oben. Die y-Faser ist punktiert gezeichnet. Ein weiterer Modus wäre denkbar: In Fig. A/3 könnten die Stücke x zweier abgespaltener Fasern % zu einer jüngeren Faser y zusammentreten; aber das wäre für y durch Verschmelzung, nicht durch Spaltung vollendete Myogenese. Endlich wäre es möglich, dass, wie in Fig. A/3 oben, das Stück x einer -Faser mit dem Stück x von @ zusammenträte: wieder eine Verschmelzung! Wie deutlich geworden sein dürfte, ist die Bildung junger Muskelfasern durch Abspaltung von unizellulär entstandenen Primitivbündeln selbst wieder unizellulärer Art. Ebenso ist aus diesen Darlegungen ersichtlich, dass die „Gruppe B“ zur Er- läuterung ihrer Ansicht um den Begriff der Verschmelzung nicht herumkommen kann. Das Prinzip der Verschmelzung ist ein wesentliches Charakteristikum des wissenschaftlichen Stand- punktes, der die multizelluläre Myogenese vertritt. Für die Lösung unseres Problems ist es nebensächlich, aus welchen Substanzen die Fibrillen gebildet werden. Allerdings Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 25 DW: A. W. Franz: werden wir die erste Anlage der Myofibrillen und die Herkunft ihrer Masse streifen müssen. Haben doch die Vertreter der modernen Lehre der Mitochondria, Meves und Duesberg, die eine Entstehung der Myofibrillen aus besonderen Plasmaelementen, den Plastosomen, beschreiben, in ihren Arbeiten über ein- oder mehrzelligen Ursprung sich ausgesprochen und Beziehungen zwischen Fibrillen und Faserbildung aufgestellt. Wir erwähnen nur kurz die heute bekannten drei Arten der Fibrillenbildung. Die Mehrzahl der Autoren findet, dass die Fibrillen nur plasmatischen Substanzen des Zelleibes ihre Bau- stoffe entnehmen. Die Zellkerne geben keine Substanz zur Ent- wicklung der kontraktilen Materie her, sondern wirken gewisser- massen nur regulativ mit. Dieser Modus möge kurz plasmogen heissen. Andere Autoren lassen das CUhromatin des Kerns als fibrillenbildende Substanz auftreten. Es tritt unter Erhaltung der Kernmembran entweder als Flüssigkeit und dann nicht sicht- bar oder als Chromatinemission (Schaxel) tinktoriell darstellbar in das Zellplasma aus. Dann auch wird es durch Zerfall des Kernes frei und bildet längere Zeit einen Uhromidialapparat im Plasma (Moroff). Später werden die Chromidien zur Bildung kontraktiler Materie aufgebraucht. Diese Art der Fibrillen- bildung kann wohl als karyomere bezeichnet werden. Endlich ist auch eine Fibrillenbildung rein aus Kernsubstanz beobachtet worden (Moroff, S. 576, 580 und Fig. 17). Dieser Modus würde durch das Attribut karyogen kurz charakterisiert werden können. Die Fibrillenbildung geschieht nach Ansicht der Blastem- theoretiker meist aus interzellulärem Bindegewebe. Alle Arbeiten — und ihre Zahl ist unübersehbar — die über die Struktur der Fibrillen handeln, kommen hier für uns nicht oder nur soweit in Betracht, als sie direkt Stellung zu unserem Probleme nehmen. Es mag interessieren, dass die zum Teil seltsamen der zahlreichen Anschauungen über Fibrillenstruktur Rollet zu dem Ausdruck „Muskelromantik“ Anlass gaben. Die „Gruppe B“. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen geben wir eine kurze Über- sicht der Geschichte unseres Problems. Man wird hier fragen, wann wurde das Problem der uni- oder multizellulären Entstehung der quergestreiften Muskelfaser zum ersten Male aufgerollt? Das war im Jahre 1839. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 375 Theodor Schwann lässt um diese Zeit seine berühmten „Mikro- skopischen Untersuchungen über den Bau und die Struktur der Pflanzen und Tiere“ erscheinen. Es ist nun ein eigenartiges historisches Datum, dass der Mitbegründer der Schwann-Schleidenschen Zelltheorie in seinem Werke sich als ausgesprochener Vertreter der „Gruppe B“ erweist. Die betreffende Stelle der Inauguration des Problems der uni- oder multi- zellulären Myogenese finden wir S. 161; bei Gelegenheit der Untersuchung von Schweinsembryonen fragt sich Schwann: „Ist der Zylinder eine ver- längerte Zelle, in der sich Kerne als Grundlage neuer, aber nicht zur Ent- wicklung kommender Zellen bilden, oder sind die Kerne Überreste von Zellen, die durch Verschmelzung miteinander und Resorption der Scheidewände die ganze Faser oder den Zylinder bilden? oder mit anderen Worten: Ist die Faser durch Verschmelzung von Zellen entstanden ?* Obgleich nun Schwann die „Übergangsstufe, wo sich einzelne Zellen reihenweise zu einer Faser aneinanderlegen, nicht beobachtet hat“, da die zu Gebote stehenden Embryonen „nicht jung genug“ waren, stellt er sich (S. 163) doch auf den Standpunkt, dass jedes „primitive Muskelbündel eine sekundäre Zelle, entstanden durch Verschmelzung von primären runden, mit einem Kern versehenen Zellen, sei, die in einer Reihe aneinandergelagert waren.“ Der Begriff einer Kernteilung existierte eben zur Zeit Schwanns noch nicht und diese Tatsache lässt die eben erörterte Anschauung ver- ständlich erscheinen, zumal für Schwann „der ganze Prozess der Bildung einer Zelle darin beruht, dass sich (— zunächst —) um ein zuerst ent- standenes kleines Körperchen (Kernkörperchen) eine Schichte (Kern) nieder- schlägt, dann später um diese eine zweite Schichte (Zellsubstanz); zuletzt entsteht die Zellmembran (cfr. S. 213)“. Die Krystallbildung ist hier für Schwann das nächste Analogon (S. 239). Kölliker steht 1846 auf dem gleichen Standpunkte wie Schwann; für ihn ist ebenso wie für diesen das Sarkolemm aus den restierenden Wänden der verschmolzenen Zellen entstanden. 1858 geht er ins Lager der „Gruppe A“ über. Reichart und Holst stellen sich 1847 auf den Boden der „Gruppe B“. Wir hören bei ihnen von geschlängelt verlaufenden Zellen, die in grosser Zahl verschmelzen. Für Reichart ist das Sarkolemm ein Produkt der (interstitiellen;) Zwischensubstanz. 1859 bringt Margo eine Variante des Verschmelzungstheorems. Er spricht von zylindrischen oder spindelförmigen „Sarkoplasten“, die einen mit Keimbläschen versehenen Kern enthalten. Zunächst entsteht in den Sarko- plasten die Querstreifung, dann verschmilzt eine grössere Zahl von ihnen. Schon 1860 tritt ihm E. Moriz insofern entgegen, als die Querstreifung und ebenso die Längsstreifung erst nach der Verschmelzung der zu Zylindern ausgewachsenen „varikösen Fäden“ auftritt. Diese entstanden aus spindel- förmigen Zellen, die mit den Spitzen und Rändern ihrer feinen Ausläufer verschmelzen. 1885 greift Paneth den Margoschen Gedanken wieder auf; aber 1886 bereits werden die Margo-Panethschen Sarkoplasten als Sarkolyten, d. h. als Zerfallsprodukte von 8. Mayer erkannt. Es bleibt 25* 376 A. W. Franz: zu erwähnen, dass Wittich 1862 ähnliche Anschauungen vertritt wie Margo. Das Jahr 1862 bringt die bedeutsame Abhandlung A. Weismanns über die „zwei Typen kontraktilen Gewebes“ und ihre Verteilung in die grossen Gruppen des Tierreichs sowie über die histologische Bedeutung ihrer Formelemente. Weismann ist für die Arthropoden „Gruppe B“, für die Vertebraten - Stammuskulatur streng „Gruppe A“ bezw. für die -Herz- muskulatur „Gruppe B*. Das nähere ist unter Kapitel „Gruppe A“ dieser Arbeit erläutert, ferner ebenhier im speziellen und allgemeinen Teile. Deiters spricht in demselben Jahre von einer Entstehung der quer- gestreiften Muskulatur aus mehreren und auch aus einer Zelle und zwar bei Vertebraten. Das Sarkolemm ist für ihn die erhärtete Schicht des Fibrillenbindemittels. Leydig ist 1864 für eine Entstehung des Primitivbündels aus einer Verschmelzung mehrerer Embryonalzellen und vertritt auch 1875 dieselbe Anschauung. 1863 lässt sich Reichert in „hyperbolischen“ Formen über Reformen in der Zellenlehre vernehmen und meint (S. 102), dass man noch weitab vom gewünschten Ziele hinsichtlich der Myogenese der Muskelfasern stehe. „Die Sache steht so, dass wir nicht einmal genau bestimmen können, ob eine Fibrille oder alle aus einer Zelle hervorgehen. Für die Ansicht vollends, dass die kontraktilen Bestandteile nur Zellinhalt seien, lässt sich gar nichts Sicheres aussagen.“ Calberla erweist sich 1874 bei Gelegenheit der Untersuchung an Froschembryonen als Vertreter der „Gruppe B*. Goette sieht ähnlich 1875 im Schwanze der Unkenembryonen spindel- förmige Zellen sich zusammenlagern. Hatschek möchten wir als Vertreter der „Gruppe B“ im Gegensatze zu anderen Autoren bezeichnen. 1881 lässt er S. 66 die Zellen der aufeinanderfolgenden Ursegmente der Amphioxuslarve sich direkt in einander fortsetzen (cfr. Fig. 58). A. Schneider lässt S.251 im Embryo der Elasmobranchier Zellen vollständig fehlen. „Der ganze Embryo besteht also aus einer vielkernigen Zelle“ Hier kann man also nach Belieben Vertreter der „Gruppe A“ oder „Gruppe B“ sein, wenn man für letzteren Fall die Furchungszellen als „Zellen“ ansieht. Eine völlig neue Anschauung bringt Maurer 1894. Während er für die Teleostier, Anuren, Reptilien und Vögel, weiter für die Mammalier mehr oder minder deutlich den Standpunkt der „Gruppe A“ vertritt“ (cfr. S. 560, 574, 588, 590!), kommt er für die Cyclostomen und Ganoiden zu folgendem : Zwischen das Stadium der radiär gestellten Zellen des eben abgeschnürten Urwirbels und das Stadium der parallelgelagerten Myotomzellen schiebt sich, besonders deutlich bei den oben angezogenen Tiergruppen, die Entwicklungs- stufe eines Synzytiums ein. Es verschwinden nämlich die Zellgrenzen, und vom medialen Rande der Muskellamellen des Urwirbels her werden durch Einfaltungen Epithelbezirke 1. Ordnung in der Muskellamelle abgeschnürt. Die Einfaltung geht zunächst nicht bis zur distalen Basis der Muskellamelle durch, so dass der Charakter eines allgemeinen Synzytiums einstweilen gewahrt Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 377 bleibt. Später ist das nicht mehr der Fall und durch dorso-ventral erfolgende Einfaltungen werden von den Epithelbezirken 1. Ordnung solche 2. Ordnung abgeschnürt, welche die späteren Muskelfasern darstellen (cfr. 5.522). Das nähere bringt unsere weitere Untersuchung. Wichtig ist für uns noch Godlewski (und seine Schülerin Frl. Mlodowska). Nach diesen sollen die Myotomzellen über die Myosepten hinweg durch protoplasmatische Brücken miteinander in Verbindung stehen. So hat Godlewski 1902 (8. 117) den Eindruck gewonnen, dass die Muskel- fasern grösstenteils (sic! Verf.) nicht den einzelnen Zellen, sondern den zu einheitlichen Gebilden verschmolzenen Zellgruppen gleichwertig sind. Damit ist das alte Schwannsche Theorem in variierter Form wieder aufgelebt. Camillo Schneider 1902 und Meves 1909 stehen sich in ihren Ansichten sehr nahe, indem nämlich von ihnen die Bildung von Muskel- fasern durch Zusammenlagern junger Muskelbildungszellen (Myoblasten) interpretiert wird. Die „Gruppe A“. Der Erste, der bewusst den Standpunkt vertritt, welcher durch den Begriff „Gruppe A“ gekennzeichnet ist, war Remak. In seiner 1845 erschienenen Schrift über die „Entwicklung der Muskel- primitivbündel“ wendet sich dieser Autor gegen die Schwann sche Hypothese der Verschmelzung. Als Pendant zu dem Zitat aus S chwann (8.161) finden wir bei Remak (8.308) den Satz: „Die Muskelprimitivbündel entstehen nicht durch Verschmelzung, sondern durch Verlängerung der Dotterzellen, in welchen die Zahl der Kerne sich vermehrt. Dieser Ausspruch gilt mit Sicherheit von denjenigen zylindrischen Muskelzellen, bei welchen die Bildung von Querstreifung bereits begonnen hat und ist für die früheren Stadien sehr wahrscheinlich“ (die Kernvermehrung, Verf.). Für Remak können die Muskelzellen vor dem Erscheinen der Quer- streifung in ihrer Längsrichtung zerfallen. Scharf ausgeprägt ist der Gegensatz unseres ersten Vertreters der „Gruppe A“ gegenüber Schwann, wenn wir (8.308) hören, dass die Kerne des entwickelten Muskelprimitiv- bündels nicht ursprünglich gesonderten Zellen angehören, sondern sich selbständig vermehren und zwar anfänglich mit einer gewissen Symmetrie und Gesetzmässigkeit innerhalb der sich verlängernden Muskelzellen. Gewiss kannte auch Remak ebenso wie Schwann noch nicht den Begriff der Teilung, wie er uns heute geläufig ist. Aber eben darum müssen wir dem Scharfblicke Remaks unsere Bewunderung zollen, das von ihm entwickelte Prinzip, das die neueren Forschungen im wesentlichen bestätigten, bei den derzeitigen Hilfsmitteln erkannt zu haben. Auch Lebert lässt 1847 die Muskelfasern aus einer Zelle entstehen. Er nennt diese Embryonalzellen „organoplastische Körperchen‘. Wie Remak kennt er eine Teilung der Muskelbündel. 1858 kommt Kölliker aus dem Lager der „Gruppe B“ herüber und schliesst sich völlig der Ansicht des ersten Vertreters der „Gruppe A“, Remak, an (8. 169), der 1855 in seinen berühmten Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbeltiere seine Anschauungen vertieft hatte. 378 AS aRuTJaRm zT: F. E. Schulze lässt 1862 die Muskelfaser streng aus einer Zelle entstehen. An Muskelfasern aus dem Froschlarvenschwanze sucht er zu beweisen, dass sie durch Vergleichung ihrer Grösse als aus einer Zelle gebildet erkannt werden müssen. Das „Muskelkörperchen“, welches Max Schultze zum Gegenstande einer Abhandlung (1861) gemacht hatte, ist für E.Schulze gleich einem der vielfach geteilten Kerne und einem Rest Protoplasma; jenes liegt innerhalb der Fibrillen. Max Schultze hatte in seiner bedeutungsvollen Abhandlung: „Über Muskelkörperchen und das, was man eine Zelle zu nennen habe“, dem Muskel- körperchen den Wert einer Zelle zugesprochen ; für die Herzmuskulatur der Wirbeltiere und die Muskelfasern niederer Tiere sollen aber nach Max Schultze gemäss den 1861 publizierten Ansichten A. Weismanns mehrere verschmolzene Zellen primitivbündelbildend auftreten. Ein Element der Stammuskulatur der Wirbeltiere ist nach ihm streng aus einer Zelle entstanden. Mit A. Weismann haben wir einen Namen genannt, der einem Forscher von ganz einzigartiger Anschauung angehört. Er untersuchte Puppen und Larven von Insekten, aus dem Kreise der Vertebraten die Extremitätenmuskulatur der Froschlarve. In kursorischer Weise handelt er ferner die Muskulatur der Coelenteraten ab, ebenso die der Würmer und Mollusken ; über die Crustaceen erlaubt er sich nach seinem Ausspruche kein Urteil. Im ganzen sind nur die Arthropoden Gegenstand genauerer Unter- suchungen für Weismann gewesen. Er kommt 1862 zu dem sehr interessanten Satze, der sich S.78 findet: „Vergleichen wir die Primitiv- bündel der Wirbeltiere mit denen der Arthropoden, so ist es gewiss sehr auffallend, wie Gebilde von gleicher Funktion, die in ihrer ausgebildeten Form so viel Ähnlichkeit miteinander haben, auf so ganz verschiedene Weise entstehen können. Beide sind zylindrische, oben und unten geschlossene Schläuche, mit kontraktiler Masse gefüllt. Aber schon die Hülle hat einen ganz verschiedenen Ursprung, indem sie in einem Fall direkter Abkömmling einer Zellmembran, im andern die erhärtete Rindenschicht einer Interzellular- masse ist. Die kontraktile Substanz selbst ist bei den Wirbeltieren Inhalt einer einzigen Zelle, während sie bei den Insekten in der Umgebung einer grossen Menge von Zellkernen entsteht und niemals Zellinhalt war.“ Dieses Ergebnis A. Weismanns hat ein um so höheres Interesse, als er mit ihm bis auf den heutigen Tag isoliert stehen geblieben ist. Die beiden Kritiker Leydig (1864) und Gebrüder Hertwig (1881), die Weismann gefunden hat, werden seiner Anschauung in keiner Weise gerecht: Leydig deshalb nicht, weil er das Primitivbündel nur unter dem Gesichtswinkel des extremen Vertreters der „Gruppe B“* kennt, die Gebrüder Hertwig aus dem Grunde, weil sie als Begründer der Blättertheorie eine Harmonie zwischen uni- oder multizellulärer Myogenese nicht finden können, vielmehr nur extreme „Gruppe A“ sind. Erst in neuerer Zeit ist durch die auffälligen Untersuchungen Moroffs, Snethlages und zum Teil Camillo Schneiders und Pedaschenkos an Arthropoden das Problem der uni- multizellulären Myogenese im höchsten Grade aktuell geworden. Durch die vorliegende Untersuchung ist die Ansicht A. Weismanns, von der man Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 379 mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie völlig unverstanden geblieben ist, als zu Recht bestehend erwiesen. Weismanns Untersuchung ist wohl deshalb unbeachtet geblieben, weil ihr der streng entwicklungsgeschichtliche Charakter fehlt; dann aber auch vor allem, weil sie sich in keiner Weise mit der Blättertheorie vereinen lässt, die bis heute einen absolut autoritativen Einfluss ausübte. Erst die modernen eytologischen Forschungen (Moroff, Schaxel etc.) gehen mit Erfolg gegen die statuierte Allgemeingültigkeit der Blättertheorie vor, die doch gewissermaßen nur ein Schema ist. Bereits 1861 war Weismann mit einer Anschauung hervorgetreten, die eine reichliche Entstehung neuer Muskelfasern nach dem Prinzipe der Spaltung erfolgen lässt. Er kennt zwei Arten der Neubildung, diejenige der Zweiteilung und die durch Randabspaltung. In der Oberschenkelmuskulatur des Frosches hat er in Zweiteilung begriffene Muskelfasern gesehen. Dem Prinzip der Spaltung, das wir als rein unizellulär theoretisch begründeten, werden wir sehr häufig wieder begegnen. Der überzeugteste Nachfolger Weismanns nach dieser Richtung hin ist Felix (1889). Es treten nun eine Reihe von Autoren auf, welche die Myogenese der Stammuskulatur der Vertebraten untersuchten, ohne in entschiedener und ausführlicher Weise zum Problem der uni- oder multizellulären Muskel- entwicklung Stellung zu nehmen. Nachdem Born 1873 sich zum Standpunkt F. E.Schulzes bekannt hatte (bei Gelegenheit der Untersuchung von Schweinsembryonen, wobei er auch die Spaltungstheorie Weismanns bekämpft), folgt die lange Reihe der Autoren: Rückert (1887), Ziegler (1888), van Wijhe (1889), Hoffmann, Kollmann (1891), Rabl (1889), Maurer zum Teil (1894), Bardeen zum Teil (1900), Godlewski (1902), Held (1909), Duesberg (1912) und andere mehr. 1867 liess Grenacher in einer ausgezeichneten Schrift über „Beiträge zur näheren Kenntnis der Muskulatur der Öyclostomen und Leptocardier erscheinen. Eine für jene Zeit bemerkenswert scharfe und sichere Polemik überrascht uns in dieser Schrift, namentlich gegen Schwann (S. 590). Sehr wichtig ist die Arbeit Sandör Kaestners von 1892. Er nimmt zum ersten Male in ganz bewusster Weise zu dem Problem Stellung, wie die radiär gestellten Zellen des eben abgeschnürten Urwirbels ohne Verlust der Zellgrenzen in die parallel gelagerte Stellung gelangen können, in der sie sich später befinden. Kaestner begründet das entwicklungs- mechanisch und zwar nach dem Prinzip der 90 Grad-Drehung und ferner nach dem der Abkugelung und dann erfolgenden Streckung. Mit Kaestner haben wir uns des öfteren zu beschäftigen. Wichtig ist ferner noch, dass Held 1909 bei Untersuchung der Neurogenese der Vertebraten zu dem strikten Schlusse gekommen ist, dass die Muskelepithelzellen des Myotoms im Anfang der Myofibrillenbildung durchaus von deutlichen Zellmembranen begrenzt sind (S. 282, sie!). Ebendort hören wir den sehr wichtigen Ausspruch, dass die Muskelzellen mehrkernig werden durch Teilung ihrer Kerne, welcher aber keine Teilung ihres Plasmas folgt. Diesen sehr bedeutsamen Befund können wir durch unsere später 380 A. W. Franz: dargelegte Schilderung der Myogenese von Triton für diese Gattung voll- inhaltlich bestätigen. Eycleshymer findet bei Necturus (1904), dass zunächst die Muskel- zellen der benachbarten Myotome in Verbindung stehen, „But after the septa have formed, I have been unable to trace their continuity* (S. 295). Bardeen erweist sich 1909 bei der Untersuchung des historisch ge- wordenen Objekts der Schweinsembryonen als Vertreter der „Gruppe A“. Endlich haben 0. Hertwig und M. Heidenhain in dem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte bezw. in „Plasma und Zelle“ sich als Vertreter der „Gruppe A“ erwiesen. Letzterer rollt zudem, wie wir einleitend be- merkten, das Problem der uni- oder multizellulären Myogenese in scharf zu- gespitzter Form auf. Die Blastemtheoretiker. Über diese ist nur wenig zu sagen. Man hört bei ihnen meist von einer Matrix oder Bildungsmasse (Grundsubstanz). Valentin (1835) kann eigentlich nicht hierher gerechnet werden, da zu seiner Zeit der Begriff Zelle noch nicht die Ausprägung hatte, die 1839 Schwann ihm gab. Robin, J. B. Clarke sprechen in ihren zum Teil sehr unklaren Arbeiten (1855 bezw. 1862/63) über Massen von Embryonalkernen, oder auch von einer fibrillären Zerfaserung des zwischen den Kernen sich befindenden Blastems. Seit G. R. Wagener (1869) ist dieses dunkel zu nennende Kapitel der Myogenese nicht mehr weitergeführt worden. Auf einer Tabelle geben wir chronologisch die verschiedenen Ansichten der verschiedenen Forscher wieder; alles nähere ist hier ersichtlich. Klar erkennen wir, dass die Hauptmasse der Autoren Vertreter der „Gruppe A“ sind und zwar dann fast ausnahmslos für die Vertebraten. Die Arthropoden haben bisher sehr wenig das Interesse der Forscher auf sich gelenkt, zum wenigsten, was ihre Myogenese anbelangt. In der Mehrzahl gehören hier die Autoren zur „Gruppe B*. A. Weismann ist der einzige, der bis 1913 zur „Gruppe A* für die Vertebraten, zur „Gruppe B“ für die Arthropoden zu rechnen ist. C. Material und Technik. Bei der Beschaffung des Materiales waren zwei Gesichtspunkte als wesentlich zu berücksichtigen. Einmal galt es, histologisch geeignete Objekte zur Auswahl zu haben, die grosse Elemente besitzen und so eine leichtere histo- logische Analyse ermöglichen. Zum anderen musste es gelingen, die frühesten, für vorliegende Untersuchung besonders wichtigen Embryonalstadien in möglichster Lückenlosigkeit zu bekommen. = ee EN ’ || Blastemtheoretiker | Synzytium | t : lasmo: | caryo- | caryo- Re 2 nn v 2 | | Artkrop BE ar Derlchzate) m in | ee p || Arthropoda Vertebrata a AN | Inn: a, ee ne a Bemebln j mlalln | 1835 (Valentin) a = - Schwann + 1845 Remak + | ij es | ; | ni m || 1846 Kölliker a i Reichart ii Lebert + m BEER [e5) = ig Mr. Sarry tz 1855 Remak + Robin + 1558 Kölliker | 1859 Margo & j —— — 1860 'E. Moritz + 5 Wei TE _ — —t— eismann 1861 N. Schultze Br: AL | "Weismann + Weismann (+) 1862 Deiters & Deiters [00] DE F. E. Schulze 1 Wittich 1 Clarke + Fr 1863 Leydig 1864 Rouget: Uhr) | ge + 1866 1 ie = — I 1867 gan kp) IR FE eh | 1869 | Ih G.R. Wagener | + 1873 Born 4 | Calberla 1874 (H | iz Ei Goett nr B ette - 1875 | R ı A Lues er Leydig | [e5) | 1880 Balfonr | | 1881 | 0.u.R.Hertwig | OU R. Hertwig Ih) Hatschek? | sr Rückert Ez Paneth (1885) Dohrn = £ 1888 Ziegler - v. Wijbe & 1889 Henneguy (1888) | 1 = 1890 | A. Schneider | R 3 ER I Vosseler ji En en x Kollmann (Gaben | E Es E Dr —— Er | I a Rabl | rum | | Minot (1893) | I 189% Maurer | + ! Maurer + T 1898 Pedaschenko 4 \ 1900. Bardeen tr 1 r =: | 1901 | & | | Ze = ——- FE et en. — : ı (Godlewski ©. Schneider ©. Schneider 1902 ee u II 5 Godlewski at | — — = —— N 1903 | = _— ii ie I [2 er, — 1904 MENERITER | IE ie ——— = — EEE = | 1905 Snethlage E= — ik un _ -— — | Il 1906 "1907 | | | ' : — Zomen! = — en T = 1908 | Mlodowska Je || | | = 1 ni \ 2 = — 1 | 1909 Held »H | | Meves ar | & ea | a 1910 (0. Hertwig) 0. Hertwig ıH | I = re - ln 1911 (Heidenhain) Heidenhain | 2 a | + Mm | | | 1913 Baldwin [05] | N N n . Bi en = 6 Be 8 » 2 = 3 en San Ani gi a Ze a — Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 381 Da diese Arbeit in der Absicht begonnen wurde, Spezies aus dem Stamme der Arthropoden und aus dem der Vertebraten zur Untersuchung heranzuziehen, so war für diesen zunächst an Salamandra gedacht worden, deren vorzügliche Geeignetheit zu histologischen Studien bekannt ist. Salamandra ist aber in dieser (Bonner) Gegend selten, und, worauf es uns ankam, eine ge- schlossene Reihe jüngster Embryonalstadien zu erlangen, war hier nicht durchzuführen. Wir griffen daher zum nächsten Verwandten von Salamandra, zu Triton. Hierbei zeigte sich auf Schnitten älterer Embryonen, dass dieses Material in der histologischen Wertung den Vergleich mit Salamandra wohl aushalten kann. Die Elemente sind im Durehschnitt nur etwa um ein Drittel kleiner. Hierfür ent- schädigt aber die Möglichkeit der leichteren Materialbeschaffung. Der grosse Vorteil bei der Entwicklung der Jungen gegenüber Salamandra ist für histologische Untersuchungen der, dass die Embryonen extrauterin in Eiern heranwachsen, die bereits im Stadium der gebildeten Äquatorialfurche bis zur „Himbeerform“ (Morula) abgelegt werden (Dürigen, S. 603). Es empfiehlt sich, die im Freien abgelegten Eier der Tritonen zu sammeln, anstatt Zuchtversuche im Aquarium zu unternehmen. Fig. B zeigt die Art und Weise, wie die Tritonen- weibchen ihre Eier an Grashalme ankleben. Der Halm wird geknickt, und in die Knickstellen werden die Eier eingelegt. Hierdurch sind die Eier den Blicken entzogen und werden leicht übersehen. Die abgelösten Eier bringt man in ein Aquarium mit Durchlüftung, das reichlich mit submersen Wasserpflanzen beschickt wurde. Die Auslese der Embryonen geschieht am besten mit einem binokularen Mikroskope; bei geeigneter Lage des Eies lassen sich die angelegten Rückensegmente (Somiten) des Embryos als dunkle Flecken wahrnehmen. Zählt man die erkennbaren Somiten, so lassen sich Stadien, FG > deren jedes dem anderen um Cr A © 7 M a EG a n Ze mer —T etwa 4 Somiten im „Alter De Eose voraus ist, zu einer geschlossenen 7 Rn a IB. Reihe entwicklungsgeschicht- licher Befunde verwerten. Dürigen sagt S. 605, dass die „Weiterentwicklung der Eier, die zunächst kugelrund, von einer vielleicht erbsengrossen Grashalm mit Tritoneneiern. 382 A. W. Franz: Gallerthülle eingeschlossen und je nach Spezies des Triton von grauweisser, gelblicher, grauer oder brauner Farbe und von der (srösse eines halben oder ganzen Hirsekornes sind“, im Vergleich zu „der Umgestaltung der Frosch- und der Kröteneier langsam vorwärtsschreitet.“ Wir machten die gleiche Beobachtung, und jenes Verhalten ist einer zweckmässigen Auslese sehr dienlich. Dürigen gibt aber in seinem umfangreichen Werke keine Diagnose, die entscheidet, welche Tritonspezies die bezügliche Eifarbe aufweist. Aus einem Tümpel, in dem Triton "eristatus und Triton alpestris vorkamen, sammelten wir Eier von grauweisser und brauner Farbe. Durch Beobachtungen im Aquarium stellten wir fest, dass die grauweissen Eier von Triton cristatus und die braunen von Triton alpestris abgelegt werden. Diese Eier sind zugleich um etwa ein Drittel bis die Hälfte kleiner als jene, ohne Gallerthülle gemessen. Was die Beschaffung des Materiales aus der Gruppe der Öniseiden angeht, so ist sie hier leichter als bei Triton, die Aus- lese sukzessiver Stadien zur Fixation dagegen schwieriger. Es wurden hier Porcellio scaber, Porcellio Rathkei, Porcellio pietus und Ligidium hypnorum untersucht. Um es vorwegzunehmen, zeigten diese verwandten Spezies übereinstimmende histologische Verhält- nisse, wenigstens was die Myogenese angeht. Deshalb ist hier die Schilderung der Ergebnisse auf Porcellio scaber beschränkt. Die Oniseiden sind in der Zucht sehr anspruchslos. Eine leere Zigarrenkiste, mit etwas Moos und kleinen Kartoffelstückchen gefüllt, tut ihre Dienste als Wohnung der Weibchen. Nur muss man das Moos stets feucht halten, da die meisten Oniscidenarten in trockener Luft eingehen. Die Ablage der Eier geschieht im Frühling und im Sommer. Das Weibchen nimmt die befruchteten Eier in seinen durch die sogenannten Brutlamellen gebildeten Brutraum auf, der sich unterhalb der Brust befindet. Dort warten die Eier ihre Weiterentwicklung ab. Sie haben in ganz jungen Stadien eine gelbliche Farbe, in späteren eine mehr weissliche. Dieses äussere Kennzeichen, kombiniert mit Beobachtungen der Eier durch ein Binokular, geben die Möglichkeit, das Alter der Embryonen nach Farbe, Anlage der Extremitäten und Mund- gliedmaßen abschätzen zu können. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 383 Zur Fixation müssen die Eier von Triton vorbereitet werden. Die äussere feste Eihaut leistet dem Eindringen der Fixationstlüssigkeiten erheblichen Widerstand, so dass eine Schädigung durch Histolyse eintritt, bevor die Flüssigkeit die Gewebe erreicht. Dann wird auch die äussere Haut durch die Fixation, nach Flemmingscher Lösung, so hart, dass sie auf der Schneide des Mikrotommessers zersplittert. dieses verdirbt und im Schnitte Risse zieht. Zur Entfernung dieser äusseren Haut und ebenso der darauf- folgenden Gallertschicht haben die Autoren mannigfache Methoden angegeben; denn die Fortschaffung ohne eine Verletzung des Embryos ist sehr schwierig. So gibt Böhm und Oppel (1908, S. 255—260) einige Praktiken an, die zum Teil allerdings bis zur Fixation die embryonalen Gewebe schädlich beeinflussen, z. B., wenn eine Vor- behandlung der Eier mit kochendem Wasser empfohlen wird. Statt aller Behandlungsarten, mit Flüssigkeiten die harte Eihülle samt der Gallertschicht abzupräparieren, geben wir eine einfache mechanische. Man nimmt einen Grashalm mit einem angeklebten Ei so zwischen die zwei ersten Finger der linken Hand, dass das Ei über der Fingerbeere des linken Zeigefingers liegt. Dann sticht man mit der Schneidenspitze einer feinen Schere so durch die Eihaut, dass die Einstichöffnung nach der konkaven Seite des gekrümmten Embryos hin liegt, möglichst dicht an diesen heran. Nach dem Einstich schneidet man zu und hat so das Ei halb eingeschnitten. Der Embryo, der in der Gallerte unter einem gewissen Überdrucke lag, spritzt dann nicht wie in anders an- gebrachten Einschnitten völlig zermalmt heraus, sondern es tritt nur Gallerte aus dem Eı aus. Wenn man nun von der Mitte der entstandenen, oberflächlichen und halbkreisförmigen Schnitt- linie vorsichtig einen Schnitt bis zu einem Eipol macht, so schnellt in den meisten Fällen der Embryo nach Fortnehmen der Schere aus der Eihaut heraus und fliegt fast stets auf die Fingerbeere oder deren Umgebung auf, und zwar unverletzt, von wo er durch einfaches Eintauchen des Fingers in die Fixationsflüssigkeit in diese hineingleitet. Zweckmässig befeuchtet man vorher die Finger mit etwas Wasser, so dass ein Ankleben des Embryo und ferner 384 A. W. Franz: auch ein zu flaches und daher schädigendes Aufliegen vermieden wird. Das aufgebrachte Wasser erhält den Embryo gewissermassen halb schwimmend. Textfigur C möge die sukzessiven Stadien der Operation erläutern. Einstich. 1. Schnitt. 2. Schnitt. - Fig. C. Präparation des Tritoneneies zur Fixation. Der Embryo durch eine fein- punktierte Linie markiert. Bei den Öniseiden wurden nach Bestimmung der Spezies die Brutlameilen abpräpariert und mit einem feinen Spatel oder stumpfen Holzstäbchen die Embryonen in die Fixationsflüssigkeit befördert. Die Eihaut dieser Embryonen erwies sich einem scharfen Mikrotommesser gegenüber als nicht hindernd für den Schnitt. Als Fixationsmedien dienten a) Eisessig-Sublimat in zwei Mischungen: 1. Sublimat, wässerig konzentriert . 100 ccm Bisessiz, 510. a ee ei 2. Sublimat, wässerig ae . 100 ccm Eisessig. . . SANS 0Orcem Für die Ausfärbung der Mito6hönter auf die wir im Ver- laufe der Untersuchung zu sprechen kommen werden, ist die erste Lösung besser. Die Mitochondria werden neuerdings von Dues- berg und Meves als Plastosomen bezeichnet. Diese Plastosomen (Plasmosomen Stöhrs) sind, wie Duesberg in seinem um- fassenden Referate von 1912 erläutert hat, sehr vergängliche Zellbestandteile. Ein zu grosser Anteil Essigsäure in den Fixations- gemischen bringt sie zum Verquellen und damit treten sie nicht im mikroskopischen Bilde auf. Das gleiche Verhalten zeigt sich gegenüber den Flemming- schen Gemischen. Die auch von uns verwandte ursprüngliche Flemmingsche Mischung (Böhm und Oppel, 1908, S. 16): Chromsäure, 1proz. . . . . 15 Teile Osmiumsäure;, 2’proz.' 2.0... 2 Teile Bee en MR. or ren Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 385 wurde von Benda, dem Entdecker der Mitochondria, modifiziert, um das Verquellen dieser Körper durch zu grossen Essigsäure- gehalt zu hindern und eine tinktorielle Darstellung zu ermög- lichen. Ihre Formel ist (Duesberg 1910, S. 604): Chromsaure, 1proz..'."..- 2 115’eem Ösmiumsäure, 2proz. . . . .„ »&£cem Eisessig . . - EI IREODIEN. Auch diese Mischung er: Ka verwandt und dabei kon- statiert, dass feine Plasmastrukturen, Fäden und körnige Körper weit besser nach ihrer Verwendung erhalten bleiben. Die Zenker- sche Lösung wurde ebenfalls herangezogen; ihre Resultate können sich aber mit denen der Flemmingschen Gemische nicht messen. In der Fixation feiner zytologischer Verhältnisse sind diese Fixationsflüssigkeiten einstweilen unerreicht. Ihr einziger Mangel liegt in der geringen Tiefenwirkung. Diese kam allerdings bei unseren kleinen Embryonen nicht in Frage. Es messen nämlich die Eier von Triton?eristatusr . 227 u: ea. 6-7 mn Triton alpestrs . . . . ea. 4-5 mm Onsaden Ergri Bas Ca 70, 5 mm Die Embryonen selbst sind bei a Tritonen noch um je 1—2 mm kleiner als die Eier. Bei den Onisciden messen ausgeschlüpfte Tiere ca. 1,5—2 mm in der Länge. Die Bendasche Methode zur Darstellung der Mitochondria kennt noch eine ‘Nachfixierung. Die Objekte kommen nach 1 stündiger Wässerung in Acetum pyrolignosum rect. + 0,01proz. Solutio acidi chromiei und dann in 0,02proz. Solutio kalii bichromiei: 24 Stunden. Eine nachfolgende Auswaschung in fliessendem Leitungswasser, 24 Stunden dauernd, bereitet zur Überführung in Alkohol vor. Man könnte hier übrigens bei der Fixation daran denken, die Zellgrenzen, auf die es ja bei einer uni- oder multizellulären Muskelentwicklung ankommt, nach bekanntem Muster, wie bei den Epithelien, durch eine Silberimprägnation „deutlich zu machen“. Eine kurze Überlegung und vor allem die Praxis bekehren rasch von dieser Ansicht. Die Silberimprägnation macht die Objekte, namentlich unsere dotterreichen, derart brüchig, dass. | N ca. 24 Stunden ) 386 A. W. Franz: an Schnitte von 3 oder 4 «, und noch weit darüber, gar nicht zu denken ist, wenigstens nicht in völlig erhaltenem Zustande. Für derart feine histologische Untersuchungen, wie sie dieses Thema fordert, können aber nur völlig intakte Schnitte von sehr geringer Dicke in Frage kommen. Dem Schneiden unserer Objekte stellten sich grosse Schwierigkeiten entgegen. Das lag vor allem an dem dotterreichen Materiale, das hier verarbeitet wurde. Namentlich die Tritonen besitzen in jungen Stadien eine derart starke Anhäufung von Dotter in ihren Elementen, dass dieses Vorkommen direkt zu einer Kalamität werden kann, die dem Forscher an jedem Erfolg seiner Arbeit Zweifel entstehen lassen können. Das erklärt es zum grössten Teile, dass junge Stadien von Triton, einem doch verhältnismässig leicht zu beschaffenden Materiale, kaum histologisch genauer untersucht wurden; die Literatur gibt hier in Wort und Bild nur Spärliches. Denn trotz eines möglichst abgekürzten Aufenthaltes in Alkohol, der zur Durchtränkung mit Paraffin vorbereitet, wird der Dotter meist hart und brüchig. Hierzu kommt noch folgendes: Unsere Schnitte mussten wegen der Untersuchung der letzten histologischen Details sehr dünn hergestellt werden; jedes u, das man hier an der Schnittdicke herunterdrücken kann, kommt dem mikroskopischen Bilde zugute. Paraffinschnitte sind nun bei unseren dotterreichen Objekten nicht ordnungsgemäss auszuführen ; stets haben vom Messer mitgerissene Dotterpartikelchen Dislokationen in den Geweben zur Folge, und diese gerade mussten hier unter allen Umständen vermieden werden. Man könnte sonst eine teil- weise verschwundene Zellmembran eventuell als Symptom eines Vereinigungsvorganges zweier Zellen deuten (!). Zu einer Abhülfe leistet auch die reine Celloidinmethode hier nichts Befriedigendes. So kamen wir auf die kombinierte Celloidin-Paraffinmethode Apäthys, der mit ihr der Histologie ein wertvolles Geschenk gemacht hat. Mit dieser Methode erzielten wir die brauchbarsten Resultate. Allerdings muss peinlich darauf geachtet werden, dass die Objekte sehr schnell durch die Intermedien gehen, förmlich gejagt Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 387 werden müssen. Jede gewonnene Stunde macht sich bei den Celloidingemischen günstig für die Schnittkonsistenz bemerkbar. Es soll hier auf eine von uns angewandte Modifikation der Apäthyschen Methode hingewiesen werden, die die schädlichen Einflüsse bei der ÜOelloidindurchtränkung bei dotterreichen und übrigens auch anderen ähnlichen Objekten etwas beschränkt. Wir bringen die Objekte nur bis in Celloidin 2, worin sie — ebenso wie in Celloidin 3 — 24 Stunden verweilen. Dann wird der Deckel des Celloidin 2 enthaltenden Schälchens etwa 10 Minuten gelüftet und dann das etwas dickflüssiger gewordene Celloidin mit dem darin enthaltenen Objekt mittels einer weit- halsigen Pipette aufgenommen. Es gelingt dann, durch vorsichtiges Austropfen das Objekt mit einer gleichmässigen Celloidinschicht umhüllt in Chloroform fallen zu lassen, worin es gehärtet wird. Für uns hat es den Anschein, als ob auch ein längeres Verweilen in Chloroform nachteilig auf die Objekte einwirke; deshalb unter- brachen wir die Härtung oft bereits schon nach einer halben Stunde. Auch die sich anschliessende Paraftindurchtränkung wird zweckmässig nach 1—2 Stunden unterbrochen. Nach dem Einbetten zeigt sich. dass in das Üelloidin eine grössere Menge Paraffin eingedrungen ist, als wenn es nach alter Art als Celloidin 1 ins Paraffin gelangt wäre. Hierin liegt der Vorteil der von uns empfohlenen Methode; im ganzen wird der Block und mit ihm das Objekt für den Schnitt weicher. Geschnitten wurde mit dem von Caldwellerfundenen Rocking- Mikrotom; eine gute Orientierung ist ein wesentlicher Faktor für die Erreichung positiver histologischer Resultate. Wenn auch die Mikrotome von der manuellen Geschicklichkeit des Einzelnen unabkängig machen sollen, so muss die Kunst einer guten Orientierung doch erworben werden. Für Triton handelt es sich darum, möglichst genau parallel den Längsachsen der „gestreckten“ Muskelfasern der Rumpfmuskulatur den Schnitt zu führen, bei Porcellio ebenso parallel den grossen Muskelzügen der mittleren Kopfpartie. Die Orientierung geschah zum Teil so, dass nach den ersten Anschnitten mit dem Messer des Mikrotoms die feinere Ausrichtung mittels einer Stativlupe erfolgte. Die Schnittdicke betrug für Porcellio fast durchweg 3 u, für die jungen Stadien von Triton wegen des enormen Dotter- materiales ausserdem 4 u. o [® 6) 09) A SW.eRrTanz: Das Aufkleben der Schnitte geschieht wegen des Celloidin- gehaltes zweckmässig mit Eiweissglycerin. Es zeigt sich hierbei, dass die peripheren Paraffinteile des Schnittblocks auf den Schnitten wegen der geringen Dicke fast völlig verkrümelt sind, die Celloidinhäutchen sind aber, wenn auch gefältelt, völlig intakt und lassen sich durch Strecken mit Nadeln und durch Erwärmen auf untergebrachtem Wasser ohne Tadel strecken. Hierin liegen die Vorteile der Apäthyschen Methode. Für die Färbung nach Benda wurden unsere Schnitte stets auf Deckgläschen aufgeklebt. Ihre geringe Ausdehnung gewähr- leistet z. B. beim Erhitzen in dem Krystallviolettgemisch eine Flüssigkeitsersparnis, ebenso bei der Aufhellung in dem kost- spieligen Bergamottöl. Ein schnelles Operieren mit dem zerbrech- lichen Deckgläschen wird nach einiger Übung erreicht. Färbung. Als Kernfärbungsmittel verwandten wir Martin Heiden- hains Eisenhämatoxylin in bekannter Weise. Zur Färbung des Plasmas wurde anfänglich Eosin, Rubin von R. Krause (Arch. f. mikr. Anat. 1895, S. 94), Orange und Bleu de Lyon benutzt. Bald aber lernten wir in dem Lichtgrün einen Farbstoff kennen, der ein ideales Tinktionsmittel für feine Plasmastrukturen darstellt und namentlich zur Ausfärbung der Zellgrenzen bei Triton Unübertreffliches leistet. Lichtgrün besitzt selbst in sehr dünnen Schnitten eine ausgezeichnete Deckkraft. Als Gegenfarbe zu Eisenhämatoxylin bildet Lichtgrün einen an- genehmen Kontrast für das Auge und hat so bei der Betrachtung im mikroskopischen Bilde einen physiologischen Wert. Peter wandte diese Kombination zuerst an (Arch. f. mikr. Anat. 1898, S. 183). Die Benda-Färbungsmethode der Mitochondria, die auch für unsere Plasmastrukturen Wertvolles leistete, wurde gemäss den Daten von Böhm und Opel (6. Aufl., S. 108—110) aus- geführt. Sie setzt stets zu ihrem Gelingen die Fixation nach Benda voraus. Die Einzelheiten sind loc. cit. zu finden. Wir bemerken hier nur, dass die Erlernung der Methode Bendas grosse Übung und viele Geduld erfordert. Kontrollfärbungen mit Delafieldschem Hämatoxylin wurden des öfteren vorgenommen. Zur Zeichnung der Figuren Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 389 sei erklärt, dass alle Tafelfiguren und einige Textfiguren unter spezieller Angabe mit dem sehr praktischen Zeichenapparate von Leitz vorgenommen wurden. Die Höhe des Objekttisches wurde auf 25 em Abstand vom Augenpunkte justiert, so dass die An- gaben der Zeiss’schen Firma bezüglich der Vergrösserungen hier Geltung haben, da sie praktisch genügend genau sind. Auf den Figuren der Tafeln können so Ausmessungen vorgenommen werden. Bei der Ausführung der Zeichnungen kam es uns vor allem darauf an, sie so herzustellen und hier wiederzugeben, wie sie im Bilde des Mikroskops erscheinen. Alles Schematisieren ist möglichst vermieden worden, um so nach Möglichkeit subjektive Einflüsse auszuschalten. Vielmehr ging unser Hauptbestreben dahin, ein getreues Abbild der Präparate zu geben. II. Spezieller Teil. A. Die Myogenese von Porcellio. 1. Von der Gastrula bis zum Stadium der Kernwucherung. A. Dohrn untersucht 1867 und später 1869 Ed. van Beneden die allgemeinen embryologischen Verhältnisse von Asellus aquaticus. Mit gleichem Ziele untersucht F. Bullar 1878 die Gattung Cymothoa. Erst 1874 stellt N. Bobretzky Forschungen in betreff der Keimblattbildung bei Oniscus murarius an, einem nahen Verwandten von Porcellio scaber. Die Ergeb- nisse und zum Teil die Abbildungen seiner Arbeit sind in das Hand- buch der vergleichenden Embryologie von Balfour (1880-81) und später in das Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte von Korschelt und Heider (1890) übergegangen (S. 341). Mit grossem Scharfblick und unter genauer Verfolgung eines streng entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungsganges erkannte Bobretzky bereits die eigenartige Keimblattbildung der Crustaceen, die so sehr verschieden ist gegenüber etwa der- jenigen der Vertebraten. Die Arbeit dieses Forschers erstreckt sich über die Anlage der Keimblätter hinaus bis zu dem Zeit- punkte, wo Gehirn und Bauchganglienkette, Leber, Herz und Magen gebildet sind. An Bobretzkys Arbeit knüpfen wir unmittelbar an. Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. %6 390 A. W. Franz: Vorher soll nur noch erwähnt werden, dass die Keimblatt- bildung von Porcellio scaber Untersucher fand in Reinhard (1857), L. Roule in den Comptes Rendus (1889, 1890, 1891, 1892) und J. Playfair Me. Murrich im Journal of Morpho- logy 1895. Nusbaum konnte 1886 für Oniscus murarius zu den Ergebnissen Bobretzkys nichts Wesentliches hinzufügen. Die genaueste und ausgedehnteste Beobachtung der Keimblatt- bildung von Porcellio scaber wurde von dem eben erwähnten Murrich angestellt. Die Furchung der Eier von Onisceiden ist partiell, speziell discoidal. Auf einer grossen Dottermasse liegt zunächst ein Furchungskern; dieser teilt sich bald, und die Tochterfurchungs- kerne nehmen einen kleinen Hof von Plasma um sich. Eine Zellgrenze ist hierbei nicht zu beobachten. Nach den detaillierten Untersuchungen von Murrich liegt zwischen dem 32- und 64- Zellenstadium auf dem Pole des Eies, der später zur Ventral- fläche des Embryos wird, eine Zellschicht, die in einfacher Lage sich ausbreitet. In Fig. 35 hat Murrich ein solches Ei abge- bildet. Man sieht hier, dass die Furchungszellen nicht in geweb- lichem Verbande stehen, vielmehr isoliert voneinander auf der Eioberfläche liegen. Im Zentrum zeigt sich alsbald eine Gruppe von meist 11 oder mehr Furchungskernen, die etwas kleiner als die übrigen sind und die Murrich „Mesendodermzellen“ (MEn) nennt. Dieser Begriff umfasst die Summe der Meso- und Hypo- blastzellen („Meso- und Entodermblatt“). Die Mesendodermzell- gruppe sinkt in die Tiefe, und die übrigen Zellen, der Epiblast (Fktoderm), schliessen sich über ihr wieder zusammen; einen Querschnitt durch ein Ei in einem solchen Stadium gibt Murrich in Pae,59. Die eingesunkenen und verdickt erscheinenden Stellen des Blastoderms, das eben beschriebene „Mesendoderm“, zeigt bald folgendes: Ein Teil der Zellen, die eigentlichen Hypoblastzellen, wandern in den Dotter ein, um ihn lebhaft zu absorbieren. So entstehen die relativ voluminösen Dotterzellen, die als Anlage des Darms und der Lebersäcke auftreten. Die vom Mesendoderm übrig bleibenden Zellen bilden den eigentlichen Mesoblasten. Diese Zellen vermehren sich und bleiben eine gewisse Zeit an ihrer Bildungsstätte liegen. Inzwischen haben sich die Epiblast- Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 391 zellen so vermehrt, dass sie um den ganzen Dotter herumreichen und so ein geschlossenes Ektoderm darstellen. An der Polfläche des Eies erfahren die Ektodermzellen nach völliger Trennung von Meso- und Hypoblast eine Verdickung, die Anlage der Bauch- ganglienkette. Wir folgen bereits den Angaben Bobretzkys. Murrich untersucht allerdings noch die etwas abweichende Bildung des Mesoderms in den späteren abdominalen Teilen des Embryos; aber „further studies I have not made“ schliesst er ab. Die bekannte Fig. 15 von Bobretzky lässt folgendes erkennen: In dem äusseren Keimblatte, das zum Teil deutliche Zellen aufweist, zeigen sich die Verdickungen ga und bna als Gehirn- bezw. Bauchganglienanlage. Das Entoderm ist durch die Dotter- zellen dargestellt (dz). Unser Interesse haben nun die mit mt bezeichneten „Meso- dermzellen“. Hauptsächlich finden wir sie oberhalb der Bauch- ganglienkette, zwischen dieser und Proktodäumanlage und ferner zwischen den Anlagen des Cerebralganglions und des Stomodäums. Wichtig ist es, dass diese Zellen völlig isoliert voneinander im Körper liegen, ohne jeden geweblichen Zusammenhang. Hier wird ausdrücklich auf dieses Verhalten Gewicht gelegt, da wir zu theoretischen Folgerungen aus ihm kommen werden. Nach einiger Zeit bilden sich nun zu beiden Seiten der bauchganglienkette ektodermale Ausstülpungen, die in paariger Anordnung die Anlagen der Extremitäten darstellen. Ein Quer- schnitt dieses Stadiums gibt Bobretzky in Fig. 16. Die von dem Autor mit p bezeichneten Fußstummeln sind jederseits der Ganglienkette bna wahrzunehmen. Ir bezeichnet die Anlage der aus den Dotterzellen dz entstehenden Lebersäcke. Bemerkenswert ist das Aussehen der Extremitätenstummeln. In einem ektodermal gebildeten Säckchen sehen wir eingewanderte Mesodermzellen, die nach Bobretzkys ausdrücklicher Angabe völlig isoliert voneinander sich vorfinden. Über Zellgrenzen gibt Bobretzky nichts an. Seine Untersuchungen gehen hier nicht weiter. Es soll nur noch erwähnt werden, dass Nusbaum für Mysis die gleiche Anlage der Extremitäten und übrigens den durch „isolierte Zellen“ bezeichneten Zustand des Mesoderms - sieht (abgebildet in Korschelt und Heider, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, Fig. 243). 26 * ©» Ne) [86) A. W. Franz: Hier beginnen nun unsere Untersuchungen, da wir den Befunden für Porcellio von Murrich und Bobretzky nichts hinzuzufügen haben. Wir betrachten zunächst die FExtremitätenanlage eines Embryos von Porcellio scaber, der etwas älter als der durch die Bobretzkyschen Fig. 15 und 16 gekennzeichnete ist. Unsere Fig. 2 gibt die Abbildung einer solchen im Längsschnitt. Die ektodermale Zellschicht ist deutlich durch eine feine Membran gegen den inneren Raum des Stummels abgegrenzt. Gegen die Spitze der Extremität zu liegen in ihr die Kerne dicht gedrängt, mit ovalen Umrissen und meist senkrecht zur Körperoberfläche gestellten Längsachsen. Sie zeigen starken Uhromatingehalt und sind viel dunkler tingiert und auch grösser als die mehr proximal gelegenen Hypodermiskerne. Zellgrenzen sind in der hypoder- malen Schicht bisweilen, aber nicht immer zu konstatieren. Sie erscheinen dann als feine Membran, so etwa dicht über der mit hp bezeichneten Stelle. Das Innere des Extremitätenstummels zeigt folgendes: Eine kompakte Masse von Kernen füllt dicht gedrängt das Lumen des Stummels aus. Zellabgrenzungen zwischen den Kernen sind an keiner Stelle aufzufinden. Diese liegen so dicht zusammen, dass sie oft wie aneinandergepresst erscheinen; eine feine Plasma- schicht müssen wir zwischen ihnen als vorhanden annehmen. Diese Kernmasse stellt nun nichts anderes dar als das Mesoderm. Die einzelnen Mesodermzellen, die wir in Fig. G in den Extremitäten- anlagen noch isoliert nebeneinander sahen, haben sich stark ver- mehrt und sind gewissermaßen in einem Wucherungsprozess be- griffen. Eine Mitose konnten wir trotz der sorgfältigsten Unter- suchung unserer Präparate in diesen Mesodermklumpen nicht auffinden, weder in den Anlagen der Extremitäten noch in den gleich zu besprechenden Kopfgebieten des Embryos. Dagegen zeigen sich in vielen Kernen zwei oder mehr, bis zu sieben (!) Kernkörperchen. Hantelförmige, durch Einschnürungen entstandene Formen von Nukleolen werden häufig angetroffen. Die Ver- mehrung der Mesodermkerne kann also nur durch Fragmentation, durch Amitose, erfolgt sein. Auf die physiologische Deutung dieses Prozesses gehen wir bei Triton, wo wir eine analoge Erscheinung fanden, näher ein. Die mesodermalen Kerne sind am dichtesten in der Fuss- Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 393 spitze zusammengedrängt. Hier zeigen sie wie die Kerne der Hypodermis starke Chromatinanreicherung. Mehr proximal zeigen die Kerne Übergänge zu einer anderen Struktur. Sie erscheinen auf demselben Präparate (!) blasser und zwar in regelmäßig gleicher Weise in allen Fußstummeln. Die groben Uhromatin- brocken der mehr distal gelegenen Kerne sind nicht mehr an- zutreffen, vielmehr sehen wir in den Kernen ausser dem oder den scharf tingierten Kernkörperchen nur ein feinwabiges, lockeres Plasmagefüge, das wir als Liningerüst zu deuten haben, und das sehr ähnlich ist den Plasmahöfen, die wir neben ihnen (den proximal gelegenen Kernen) auftreten sehen. Einige Kerne gleichen in ihrem Aussehen so völlig den Plasmahöfen, dass sie erst als Kerne erkannt werden, wenn man ihren feinen Kontur beim Heben und Senken des Tubus auftauchen sieht. Diese sehr auffällige Erscheinung findet ihre Erklärung, wenn wir die Extremitätenanlage eines weiter entwickelten Embryos betrachten. Ein Bild einer solchen zeigt Fig. 3 ebenfalls im Längsschnitt. Die Fussanlage hat sich gegenüber der in Fig. 2 dar- gestellten verlängert; die drei Endglieder einer solchen Extremität gibt Fig. 3 wieder. Im Endgliede zeigt sich das gleiche Ver- halten der mesodermalen „Kerne“ wie in Fig. 2 im eben erst angelegten Stummel. Die ganze Fußspitze ist wie vollgestopft mit Kernen, die Unterscheidung von Ekto- und Mesoderm kaum möglich. Die Kerne liegen so eng gepresst aneinander, dass es oft schwierig wird, im Zeichenapparate mit dem Stifte den Konturen nachzufahren. Sehr instruktiv ist ein Querschnitt durch die Fußspitze einer benachbarten Beinanlage auf dem gleichen Präparate (Fig. 4). Die eventuelle Annahme einer wandständigen Lage der Kerne, die auf dem Längsschnitte der Fig. 3 möglich war, wird durch Fig. 4 eindeutig widerlegt. An dieser Stelle möchten wir schon auf die Untersuchungen Moroffs hinweisen, der bei Palaemon dasselbe wie wir für Porcellio fand. Moroff zeichnet, Fig. B, S. 566, eine Fussanlage, die ebenfalls nur aus „Kernen“ besteht. Die Analogie mit dem Befunde Nusbaums für Mysis haben wir schon erwähnt. Von hohem Interesse ist es, dass bereits 1862 von A. Weismann für die Beinmuskulatur der Chironomuslarven die Angabe ge- macht wurde, es sei hier bei Ablagerung der kontraktilen Substanz kein Zellkontur mehr zu erkennen, ebenso keine „Zellen“ mehr, 394 A. W. Franz: sondern „freie Kerne liegen in vielfacher Reihe in der Achse der Faser“ (S. 69). Das vorletzte Glied der Fussanlage Fig. 3 zeigt nun, dass in ihm die Zahl der Kerne gegenüber der Spitze des Fusses bedeutend abgenommen hat. Das drittletzte Glied weist kaum noch Kerne auf. Bei dem Stadium des eingliedrigen, eben aus- gestülpten Fußstummels ist jeder solche mit mesodermalen Kernen völlig ausgefüllt. Hier ergibt sich also, rein topographisch be- trachtet, eine Abnahme der Kernzahl von dem distalen bis zum proximalen Teile der späteren Fussanlage, umgekehrt in gleicher Richtung eine Zunahme des Plasmas. Wir stellen dies zunächst fest, um im zweiten Kapitel die Erklärung hieran anzuschliessen. Zuvor suchen wir uns über die erste Anlage der Muskulatur im Kopfe eines Porcellio scaber-Embryo zu orientieren. Fig. 1, die ein Übersichtsbild sein soll und ein älteres Stadium als das letztabgebildete von Bobretzky ist, knüpft zunächst an dieses an. Zugleich erkennen wir, dass im Kopfe die grossen mittleren, paarig zu beiden Seiten der Medianebene angelegten Muskelzüge in günstiger Schnittführung getroffen sind. Diese Muskelzüge, zwischen der Augenregion a und der Mitte des Kopfes inserierend, sind die zuerst angelegten des Embryo; die Fussmuskeln werden kurz nachher gebildet. Bevor wir das Stadium der Fig. 1 unter- suchen, betrachten wir die Anlage der Kopfmuskeln, die ent- wicklungsgeschichtlich etwa das Alter derjenigen der Fussmusku- latur in Fig. 2 hat. Fig. 12 stellt jene dar. Hier ist das Bild des „Mesoderms“ das gleiche wie in Fig. 2. Eine enorme Anzahl von mesodermalen Kernen, die eine kompakte Masse darstellen, erfüllt die Höhlungen des Kopfes vollständig. Auch hier ist eine starke Vermehrung der Kerne eingetreten, ein Wucherungsprozess. Dabei zeigt sich analog den eben beschriebenen Verhältnissen der Fussmuskelanlage, dass auch die Kerne des kranialen Mesoderms nur auf dem Wege der Fragmentation, der Amitose, ihren Wucherungsprozess beendeten. Auch bei aufmerksamer Durch- musterung der Präparate ist eine Mitose bei jenem Vermehrungs- prozess nicht zu konstatieren. Das Verhalten der Kernkörperchen ist das gleiche, wie es bei der ersten Anlage der Fussmuskeln beschrieben wurde. Die ektodermalen Kerne der späteren Hypo- dermis sind ähnlich strukturiert wie die mesodermalen, wenigstens in der Mehrzahl. Einige zeigen nämlich bereits ein ähnliches Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 395 Aussehen wie die vorhin beschriebenen, proximal gelegenen Kerne der Fussanlage Fig. 2. Eine Zellgrenze ist in der ektodermalen Körperschicht bisweilen festzustellen, aber nur selten und zeigt sich in einem solchen Falle als feine, strukturlose Membran, die bei sehr scharfer Beobachtung doppelt konturiert erscheint. Von einem mesodermalen (Gewebe kann im Kopfe natürlich ebenso- wenig die Rede sein, wie vorhin in der Fussanlage der Fig. 2, in beiden Teilen ebensowenig von Zellgrenzen. Allerdings haben wir uns, wie schon vorhin bemerkt, um jeden mesodermalen Kern eine dünne Plasmaschicht zu denken. Gegen die Auffassung einer solchen „mesodermalen Einheit“ als Zelle ist wenig einzu- wenden, da wir doch gewohnt sind, die Zelle als einen Kern, umgeben von einem Klümpchen Protoplasma, aufzufassen (Max Schultze). Dann würde die ganze mesodermale Kernmasse als Synzytium ausgesprochener Art erscheinen. Snethlage sieht (S. 509) in der Hypodermis von Artemia amitotische Vermehrung der Kerne; das stimmt mit den Ver- hältnissen bei Porcellio überein, insofern als wir in der Hypo- dermis dieser Gattung selten eine Mitose, dagegen bei der Mehr- zahl der Kerne alle Symptome der Fragmentation feststellen konnten. In der Grösse weichen die Kerne des Mesoblasten von Porcellio nicht erheblich von denen der übrigen Körperregionen ab. Bei Palaemon liegen nach Moroff die Verhältnisse insofern anders, als hier die Kerne des embryonalen Muskelgewebes, das den ganzen Körper erfüllt, die der übrigen Gewebe bei weitem an (srösse übertreffen, so dass bei schwächeren Vergrösserungen nur jene sichtbar sind. Bemerkenswert ist noch — das zeigen Fig. 2 und 3 — dass bei gleicher Vergrösserung die Kerne in den Spitzen mehrgliedriger junger Fussanlagen kleiner sind, als diejenigen jüngerer, noch ungegliederter Extremitätenstummel, was durch die Massenverminderung der progressiven Kernfragmentation erklärt werden muss. Das Resultat der Untersuchung des ersten Stadiums der Myogenese bei Porcellio ist das folgende: Die Muskelbildung der Onisciden geht von Kern- massen aus, die vom Mesoblasten abstammen. Sie erleben einen starken Wucherungsprozess, wahr- scheinlich unter dem Einflusse der sich teilenden Nukleolen. Die mesodermalen Kerne sind von einem 396 A. W. Franz: dünneren Plasmahofe umgeben,aber nicht vonZell- grenzen; sie bilden also ein Synzytium. Diese Kerne liegen ursprünglich vollkommen isoliert vonein- ander in den Höhlen des embryonalen Körpers, wandern isoliert in die ektodermal ausgestülpten Extremitätenstummel ein und rücken erst durch den Wucherungsprozess dichter zusammen, welch letzteres wir den Angaben des ersten Teiles des Satzes, der von Bobretzky und Nusbaum als Datum entnommen wurde, hinzufügen. Es zeigt sich, dass in den Extremitätenanlagen die Vermehrung der Kerne in der wachsenden Fußspitze fortschreitet, in den proximalen Teilen unter Veränderung der Struktur der Kerne zum Stillstand kommt. Ein im Prinzip gleiches Verhalten zeigt die Anlage der Kopfmuskulatur. 2. Kernzerfall; Chromidien ; Bildung des Symplasmas. /um zweiten Stadium der Muskelbildung bei den Onisciden übergehend, erinnern wir uns, dass wir in den mesodermalen Kernen nach dem lebhaften Wucherungsprozess eine Veränderung ihrer Struktur beobachteten. Sie werden im gleichen Präparate auffällig blasser tingiert als die noch im Vermehrungsprozess stehenden Kerne. Das Chromatin, welches in diesen Kernen noch grössere Brocken darstellt, wurde gewissermaßen plasmaähnlicher. Zuletzt sind die Kerne von einem feinfaserigen Maschenwerk durchsetzt, das grössere, blassgefärbte Partikelchen trägt. Endlich sind sie so wenig von ihrer Umgebung verschieden, dass nur das Vorhandensein eines feinen Konturs auf einen Kern schliessen lässt. Endlich reisst die Kernmembran ein und verschwindet ebenso schnell, wie sie etwa bei der Mitose plötzlich der Beob- achtung sich entzieht. Auf diese Weise lösen sich viele Kerne auf und ihr zusammenfliessender Inhalt bildet ein Symplasma. Auch die Umgebung, von der wir in Fig. 2 als von „Plasma- höfen“ sprachen und von der wir sagten, dass sich ihr die zer- fallenden Kerne anglichen, stellt ein derart entstandenes Sym- plasma dar. Ä Moroff beschreibt S. 563 dasselbe für Palaemon. Auch er meint, dass nicht selten die Kernauflösung in der Weise Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskeifasern, 397 erfolge, dass „sein Inhalt immer mehr das Vermögen verliert, sich mit verschiedenen Farbstoffen zu tingieren.“ Das durch die oben beschriebene Kernauflösung entstandene Symplasma weist ein etwas anderes Aussehen auf, als man von protoplasmatischen Substanzen gewohnt ist. Kleine bis grobe Körner, zum Teil Nukleolenrudimente (?), die zweifellos zwischen den Residuen des Kernchromatins zu erkennen sind, sind unregel- mässig in den symplasmatischen Territorien zerstreut. Sie können mit Goldschmidt und seiner Schule treffend als Chromidien bezeichnet werden. Moroff beobachtete Ähnliches für Palaemon. Nur sind bei dieser Gattung die Verhältnisse brillanter als bei Porcellio. Moroff beschreibt ganze Chromidialgerüste und -stränge, die zwischen noch erhaltenen Kernen und zum Teil im Plasma verteilt sind. Zuweilen soll der Kernzerfall so rasch erfolgen, dass „auf grössere Strecken“ ein chromidiales Gerüst entsteht (S. 563). In Fig. 5 geben wir die Maxillenanlage des Embryo, auf den sich Fig. 2 bezieht, im ungefähren Längsschnitt wieder. Bei k/l bemerkt man einen erhaltenen, gut zu unterscheidenden Kern, bei k/l1 und zwischen k/1 und k/2 solche, die vor ihrer Um- gebung kaum hervortreten. Die Kerne der Hypodermis erscheinen in grosser Zahl, dicht aneinander gepresst und stark tingiert. Im übrigen besteht der Inhalt der Maxillenhöhle aus einem Sym- plasma, das durch den uns bekannten Kernzerfall entstanden ist; denn auch die Maxille ist bei ihrer Ausstülpung aus dem Ekto- derm in gleicher Weise wie die Fussanlagen dicht mit Kernen angefüllt. Fig. 5 zeigt ebenso wie Fig. 2 und zum Teil Fig. 3 in den Symplasmaterritorien grössere Vakuolen. Im lebenden Embryo werden diese durch Flüssigkeit vertreten sein, die viel- leicht durch Ansammlung des durch den Kernzerfall frei werdenden Kernsaftes entstand. Der Kernzerfall erstreckt sich nun nicht auf alle meso- dermalen Elemente, vielmehr bleiben einige völlig intakt erhalten. Das vorletzte Glied der Fussanlage Fig. 3 zeigt dies. Es treten im Plasma gewisse Verdichtungsgebiete, deutliche Plasmastrassen auf. Diese geben meist die Richtung der späteren Muskelfasern an. Die verdichteten Teile des Protoplasmas er- scheinen als strangartige Gebilde, in denen sich die restierenden Kerne reihenförmig sammeln. Snethlage beschreibt für Artemia 398 A. W. Franz: ähnliche Protoplasmastränge. Er unterscheidet „Protoplasma- schläuche“. welcher Ausdruck vielleicht weniger zutrifft. Sneth- lage untersuchte auch vorzugsweise Extremitätenanlagen, wie übrigens auch Moroff. Beide Autoren glaubten, dass die Unter- suchung dieser embryonalen Körperpartien zur Erklärung des speziellen Modus der Myogenese ausreichte. Wir glaubten in einer Paralleluntersuchung der Kopfmuskulatur insofern eine nutzbringende Arbeit zu unternehmen, als dadurch die Resultate auf eine erweiterte Basis gestellt sind. Die Abbildungen Snethlages für die Protoplasmaschläuche der Fussanlagen sind für Porcellio in fast identischer Weise auf- zustellen. Wir sind der Überzeugung, dass spätere Untersuchungen Ähnliches bei vielen Crustaceengattungen feststellen werden. Die Protoplasmastränge der Beinanlagen sind bei den Iso- poden mehr im Innern der Glieder gelegen: unmittelbar unter der Hypodermis sind sie in geringerer Zahl vorhanden. Das stimmt mit der Topographie der späteren fertig ausgebildeten Muskelfasern überein. Wir kommen hierauf noch zu sprechen. Fig. 3 verrät die mehr axiale Lage der Protoplasmastränge inso- fern, als das letzte und vorletzte Beinglied mehr medial, das drittletzte mehr lateral angeschnitten wurde. In diesem treten so scheinbar keine Protoplasmastränge auf. Besser orientieren hier Querschnitte, so etwa derjenige eines mehr proximal gelegenen Beingliedes, wie ihn Fig. 6 darstellt. Die Hypodermis ist hier wenig geschrumpft, so dass das Chitin überall anliegt. Ihre nach dem Beininnern zu gelegene Basis ist nicht überall durch eine Membran gekennzeichnet. Bei ai z. B. ist eine deutliche Unterbrechung vorhanden. Wir werden später bei der Besprechung der Kopfmuskulatur sehen, dass der- artige Stellen wie ai als Muskelinsertionsstellen charakterisiert sind. Es zeigt sich, dass solche Unterbrechungen der hypo- dermalen Membran stets dort entstehen, wo die oben beschriebenen Protoplasmastränge an die Hypodermis herantreten. Die sich bei der Untersuchung der Kopfmuskulatur ergebenden klareren Bilder werden, wie gesagt, Näheres zeigen. Fig. 6 lässt nun erkennen, dass in der Tat die Hauptmasse der restierenden Kerne mehr axial gelagert ist. Das Innere des Gliedes war bei der Anlage, wie wir wissen, von einer kompakten Kernmasse mesodermalen Ursprungs erfüllt. Je mehr der Fuss Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 399 in die Länge wächst, um so mehr zeigen die weiter proximal ge- legenen Glieder den bereits beschriebenen Kernzerfall. Das ent- standene Symplasma — oder Synzytium, wenn man will — zeigt ebenfalls in gleicher Richtung eine kontinuierliche Änderung seines Aussehens. Wenn es direkt nach dem Zerfall der Kerne mit groben Uhromatinstücken durchsetzt war, die einem relativ (erben protoplasmatischen Maschenwerke eingelagert erschienen, so zeigt sich bald, dass die freien Chromatinbrocken weiter zer- legt werden, so dass zuletzt das Gefüge der gesamten Symplasmen ein sehr feingekörntes Aussehen erhält. Zuletzt scheinen sich die Maschen des synzytialen Plasmas zu kontrahieren; die chromidialen Körnchen werden endlich nur noch auf den Fäden des Plasmas bemerkt, und zuletzt kann man nur noch vön einem feinmaschigen Symplasma sprechen, dessen einzelnen Fäden sehr kleine, aber deutlich wahrnehmbare Körnchen aufgelagert sind. Die in den Farben des Originals wiedergegebene Fig. 9 versucht ein Bild dieser Verhältnisse vorzuführen. Die feinen Körnchen werden die letzten Teilchen der chromidial zerfallenen Kerne darstellen und als Chromidien zu bezeichnen sein. Moroff gebraucht übrigens diesen Terminus fast durchgehends in seiner Arbeit für ähnliche Verhältnisse. Wir sahen bereits, dass in den Strängen dichtere Proto- plasmabezirke vorliegen, die auch durch etwas dunklere Tinktion jenes Attribut als richtig bestätigen. Andererseits treten aber auch Lücken in dem Symplasma- auf, die wie Vakuolen aussehen. Da wo diese häufiger sind, erhält das Plasma den Habitus anastomosierender Plasmabezirke. Ähnliche Verhältnisse finden sich in der allmählich zur eigentlichen Hypodermis werdenden ektodermalen Gewebsschicht. Uns interessiert hier nur folgendes: wie bereits Fig. 2 erkennen liess, zeigen die älteren ektodermalen Gewebsteile eine sehr viel geringere Zahl von Kernen als die jüngeren. Wenn das auch zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass bei zunehmender Streckung des Beingliedes auch die Hypodermiskerne auseinander- gerückt werden, so ist andererseits ein Zerfall derselben unter Begleitung deutlicher Symptome nicht zu verkennen. Während in den wachsenden Fussenden die hypodermalen wie mesodermalen Kerne prall und relativ gross sind, schrumpfen sie in älteren Geweben ein, als seien Kernbestandteile ausgetreten. Das Chromatin 400 A. W. Franz: erleidet die oben geschilderte Umbildung; der Kernkontur wird unregelmässig, „reisst“ ein und zuletzt zeigt sich wie in Fig. 6 die Hypodermis auf grössere Strecken kernfrei und nur mit Plasma erfüllt, das aus den zerfallenen Kernen sich bildete. Die Kopfmuskulatur zeigt die eben erläuterten Verhältnisse noch klarer als die Fussanlagen. Wir vergrössern aus Fig. 1 die Stelle unter der Augenanlage a, die uns bereits beschäftigte, und geben sie als Fig. 13 wieder. Wir erwähnten schon, dass der Embryo, welcher der Fig. 1 zugrunde liegt, älter ist als der mit Fig. 2 herangezogene. Die mesodermalen Kernmassen der Fig. 12 haben sich, im Vergleich zu Fig. 13, an einigen Stellen sehr verringert. Eine feine Membran trennt das Gehirn cg vom mesodermalen Kern- komplex. In diesem sind ausgedehnte Kerngruppen zerfallen und haben Symplasmenbezirke gebildet. Es werden gewissermaßen für die späteren Muskelzüge durch jene Plasmaterritorien Strassen gebahnt, auf denen die Bildung der Fibrillen vor sich gehen kann. Die mit mk bezeichneten Kerne der Fig. 13 liegen inmitten einer solchen Strasse reihenförmig hintereinander; es sind solche Kerne, die im Verlaufe der Myogenese zunächst erhalten bleiben. Sie sind sehr chromatinreich und unterscheiden sich in ihrer dunkleren Ausfärbung in auffälliger Weise von den benachbarten mesodermalen Kernmassen, die dem teilweisen Zerfall entgegen- sehen (wk). Solche Reihen von Kernen, die sich erhielten und in den symplasmatischen Territorien sich ordneten, nennen wir zweckmäßig und kurz Kernkolonnen. Neben diesen so definierten Kernkolonnen sind im Plasma bereits feine Längsfäden zu erkennen, die keine Querstreifung wahrnehmen lassen und die erste Anlage der Myofibrillen — die Elementarfibrillen — darstellen. Ihre Bildung geben wir an anderer Stelle genauer. Wir konstatieren zunächst, dass in dem Symplasma, z.B. bei der pf gekennzeichneten Stelle, Vakuolen auftreten (die beständig an Grösse zunehmen, wie wir sehen werden). Bei sp/1 bemerken wir eine Stauchung der bereits differenzierten feinen Längsfäden ; diese Erscheinung erklärt sich daraus, dass noch nicht aufgelöste Kernmassen ihnen die weitere Ausdehnung versperren, wenigstens einstweilen. Eine bedeutsame Beobachtung erlaubt die durch sp/3 Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 401 bezeichnete Stelle zu machen. Die proximale Membran (Basal- membran) der Hypodermis ist hier völlig aufgelöst. Die Hypodermis- kerne, deren Längsachsen vorher unregelmäßig zur Körperoberfläche standen, stellen sich jetzt senkrecht zu ihr ein und beginnen die durch Auflösung der hypodermalen Basalmembran freigewordene Passage zu einer Durchwanderung zu benutzen. Dabei drängen mehr Kerne der benachbarten hypodermalen Gebiete nach; ein späteres Stadium wird das deutlicher zeigen, Einige der durch- sewanderten Kerne zerfallen alsbald, um an dem weiteren Ausbau des Symplasmas teilzunehmen. Andere bleiben intakt und ordnen sich bald auftretenden Kernkolonnen ein; sie werden zum Teil noch auf der ausgebildeten Muskelfaser erhalten. Feine, aus dem Symplasma des Bezirks sp/3 abgeschiedene Elementarfibrillen treten an die Passagestelle der Hypodermis heran und verschwinden zwischen ihren Kernen. Wir haben hier das typische Bild einer späteren Insertions- stelle eines Kopfmuskels. Allenthalben begegnet man auf den Präparaten solchen „Verdickungen“ der Hypodermis, wie es zunächst scheint. Man kann sich hier kaum der Annalıme verschliessen, dass hier das Ektoderm sich aktiv an der Bildung der Muskulatur beteiligt. Dabei hat es den Anschein, als ob durch das Herantreten von Elementarfibrillen oder Bündeln von solchen jener Vorgang der hypodermalen Hervorwucherung ausgelöst würde. Eine sichere Entscheidung können wir hier nicht treffen ; wir verweisen hier aber auf die Arbeit von Brück, der bei Anodonta ähnliche Verhältnisse bei der Bildung der Inser tions stellen wie der unseren bei Porcellio schildert. Ob die hervor- gewucherten hypodermalen Kerne nur an der Bildung der späteren Stützfibrillen teilnehmen, an denen sich später die Myofibrillen anheften, oder ob das an Ort und Stelle durch ihren teilweisen Zerfall entstandene Symplasma auch Myofibrillen aus sich heraus differenziert, sind wir ebenfalls nicht in der Lage, sicher anzugeben; das letztere scheint uns das wahrscheinlichere wegen der weiten Hervorwanderung der Kerne. Wir kommen auf diese Verhältnisse noch einmal kurz zurück. Es ist hier der Ort, uns mit Snethlages Ansicht über die Entstehung der „Protoplasmaschläuche“ in den Fussanlagen der Crustaceen auseinanderzusetzen. In der Literaturübersicht 402 A. W. Franz: bemerkten wir, dass seine Arbeit nicht streng entwicklungs- geschichtlich durchgeführt wurde. Snethlage meint S.511 resümierend über Artemia, dass die Bildung der Extremitätenmuskulatur nicht von einem besonderen Keimblatte ausginge. das durch nachträgliches Hineinwuchern und -Wachsen und nachträgliche Verbindung mit der Hypodermis entstehe, wie „das bisher als allgemein gültig angenommen wurde“, sondern „dass sie an Ort und Stelle differenziert wurden und zwar aus der Hypodermis, dem Ektoderm. Snethlage meint weiter, dass er auf zahlreichen untersuchten Schnitten nichts gefunden habe, was man als Mesoderm im Sinne eines besonderen Keimblattes deuten könnte.“ (ewiss, darin hat Snethlage recht, von einem mesodermalen Keimblatte, wie etwa bei den Vertebraten, kann hier bei den Crustaceen (und übrigens den meisten Arthropoden) keine Rede sein. Hier liegen nur „isolierte Zellen“ vor, wie schon Bobretzky 1847 und selbst Weismann 1862 angibt. Wir erinnern uns auch an die Nusbaumsche Figur von Mysis in Korschelt und Heyders Lehrbuch. Dass diese Mesodermzellen an Ort und Stelle nach Snethlage aus dem Ektoderm entspringen, diese Ansicht ist weder für Artemia noch die andern Crustaceen sicherlich nicht zu halten. Zu einem sicheren Beweise hätte Snethlage die Verhältnisse ab ovo untersuchen müssen, das Schicksal der Mesodermzellen von ihrem ersten Auftreten im Körper ab angeben, oder doch wenigstens ihre Anlagen mit denen verwandter Tier- gruppen vergleichen müssen. Lebhaft vermissen wir bei Snethlage eine nähere Bezugnahme auf die Literatur, so etwa Balfours „Vergleichende Embryologie* oder Korschelt und Heiders Lehrbuch. Die im Prinzipe übereinstimmenden Ergebnisse Reichen- bachs an Astacus, Nusbaums an Mysis, Murrich und Bobretzkys an Onisciden lehren, dass an dem Keimhügel oder dem Blastoporus die Anlage von Meso- und Entoderm neben- einander geschieht und dass die Mesodermzellen isoliert voneinander in die Körperräume wandern. Snethlage meint sogar, dass die Bildung der Muskulatur seines Arthropoden nur von der Ansatzstelle jedes einzelnen Muskelstammes ausginge, unter Bildung des mehrfach erwähnten Protoplasmaschlauches als einer hypodermalen (ektodermalen) Ein- stülpung. Nach dieser Ansicht hätte man sich also etwa die Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 403 Bildung der langen, durch mehrere Glieder hindurch ziehenden Beinmuskeln so zu erklären, dass der eingestülpte Protoplasma- schlauch weiterwachse, die Lage der späteren Muskelfaser ein- nehme und zu einer anderen Hypodermisstelle hinwachse, wo er später inseriert. Hier könnte ihm ein anderer eingestülpter Protoplasmaschlauch entgegenkommen und mit ihm verschmelzen oder der wachsende Schlauch könnte in die Hypodermis der zweiten Insertionsstelle eindringen, — der späteren Gegeninsertions- stelle. Über den letzteren Punkt vermissen wir eine genauere Darstellung bei Snethlage. Eins spricht vor allem gegen diese Art der ektodermalen Myogenese durch Einstülpung von Protoplasmaschläuchen. Wenn dieser Modus sich durchgehends für alle Muskelfasern fände, so würde es rein quantitativ unmöglich sein, dass die Hypodermis genügend Material für die entstehenden Protoplasmaschläuche hergeben könnte. Es müssen noch andere Baustoffe für die Bildung der Muskelmasse vorhanden sein, und diese bieten die gewucherten Mesodermzellen, wofür Moroff ein schönes Beispiel in Palaemon fand und wir in Porcellio. Zum Teil hat sich Snethlage zu seiner Ansicht wohl dadurch führen lassen, dass er in den „Fussknospen“ zwischen dem Plasma ihrer Hypodermis und den Anlagen der folgenden Extremitäten keine Grenzen sieht und deshalb ihre gesamte Masse aus einer gemeinsamen Bildungssubstanz hervorgehen lässt (S. 509). Mit der gleichen Berechtigung könnten wir dann sagen, dass in Fig. 3 und 4, auf denen „keine Grenzen“ zwischen Ektoderm und Mesoderm an vielen Stellen nachweisbar sind, dieses sei aus jenem hervorgegangen, — an Ort und Stelle nach Snethlages Auffassung. Wir wissen aber, dass die „mesodermalen Kerne“ in die Fußstummeln hineinwucherten, an der Spitze der wachsenden Extremität. die man ihren Vegetationspunkt nennen könnte, sich weiter vermehrten und dass im proximalen Teile der Extremitäten sie zur Ruhe kamen, um ihrem Zerfall zu einem Symplasma, der Bildungssubstanz der Muskulatur, entgegenzusehen. Zunächst sind es immer nur wenige Kerne mesodermalen Ursprungs, die in den gerade sich ausstülpenden Fussanlagen zu sehen sind, wie das anders gar nicht möglich ist. Hier macht 404 A. W. Franz: Snethlage (S. 509) eine gute Bemerkung, wenn er sagt, dass in diesen wenigen Kernen, die man, „wenn ihre eigentliche Be- deutung nicht durch ihre Lage erschlossen werden könnte, über- haupt für einen Teil des Epithels „halten würde“, die Anlage oder die Determinanten der ganzen künftigen Extremität läge, aller konstituierenden Teile derselben“. Wir akzeptieren diese Bemerkung für Porcellio, aber mit dem Unterschiede, dass diese Kerne in die Extremitäten ein- gewanderte „mesodermale Kerne“ sind, nicht an Ort und Stelle erfolgte Neubildungen. Das übereinstimmende Resultat Sneth- lages mit dem unseren hinsichtlich der Beobachtung einer weit ausgebreiteten amitotischen Kernteilung in der Hypodermis der Fussknospen ist hier zu erwähnen. Fig. 3 hatte gezeigt, dass in einer wachsenden Fussanlage die aufeinander folgenden Glieder alle Stadien der Myogenese er- kennen lassen, derart, dass ein Übergang von einem jüngsten Entwicklungsstande in der Fußspitze zu den proximalen Fuss- teilen stattfindet. Als abkürzenden Terminus wollen wir hier den Begrift der progressiven bezw. regressiven Histogenese einführen. Wenn man dann sagt, dass die Extremitätenanlagen in distaler Richtung in regressiver oder in proximaler Richtung in progressiver Histo- genese stehen, so ist das ohne weiteres klar und man hat eine kurze Formel für eine komplizierte Relation. Das Resultat unserer Untersuchung des zweiten Stadiums der Myogenese von Porcellio ist kurz das folgende: Die durch Wucherung entstandenen „mesodermalen Kern- haufen“ gehen einem ausgedehnten Zerfallentgegen, der zur Bildung eines Symplasmas führt. Einige Kerne bleiben erhalten und ordnen sich auf be- sonderen Plasmastrassen, die verdichtete Plasma- territorien darstellen, in Reihen an, die wir Kern- kolonnen nennen. An den Insertionsstellen der späteren Muskelfasern wirken hypodermale (ekto- dermale) und mesodermale Elemente zur Bildung der Muskelfaser unter Auflösung der Basalmembran zusammen. In den Extremitätenanlagen findet sich in typischer Ausprägung der Vorgang einer geweb- lichen Entwicklung vor, den wir als progressive Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 405 Histogenese in proximaler oder regressive Histo- gsenese in distaler Richtung erkannt haben. 3. Differenzierung der Fibrillen. Das Symplasma, wie wir die entstandene Matrix nannten, ist natürlich nicht als Plasma in strengem Sinne aufzufassen; das wenige vorhandene von den Furchungskernen in die Muskel- bildungsstätten überbrachte Protoplasma zusammen mit dem durch Dotterzerfall entstandenen hat eine starke Anreicherung durch Substanzen erfahren, die einem chromidialen Zerfall der Kerne des „Mesoderms“ ihren Ursprung verdanken. Es liegt hier ein Chromidialapparat im Sinne Goldschmidts und seiner Schule vor. Wenn auch die Verhältnisse dieses Teilstadiums der Myo- genese bei den Isopoden nicht so überzeugend sind wie bei dem von Moroff untersuchten Palaemon, so konnten wir doch kon- statieren, dass eine weitgehende Übereinstimmung in Moroffs und unseren Befunden betreffs eines chromidialen Kernzerfalles vorliegt, der zur Bildung einer Grundsubstanz führt, aus der die Fibrillen herausdifferenziert werden. Diese plasmatische Substanz, deren genauere Beschaffenheit uns hier nicht weiter interessiert, wenigstens was die Möglichkeit und den Modus einer Umbildung chromatischer Kernsubstanzen in Proto- plasmaanlangt,istzweifellosrein synzytialer Natur. Eine gewisse Anzahl mesodermaler Furchungskerne hat durch einen Wucherungsprozess eine starke Vermehrung erfahren, ohne dass es zur Ausbildung vonZellgrenzen kommt. Durch den Zerfall der Kerne werden überhaupt fast alle Unterschiede zwischen den mesodermalen Elementen völlig verwischt. Das ist das wichtigste Ergebnis unserer ersten Spezial- untersuchung. Wir haben nun zu sehen, ob die spätere. Myogenese diese erste Erkenntnis bestätigt. Fig. 9 der farbig ausgeführten Tafel lässt erkennen, dass die Struktur des Symplasmas kurz vor dem Auftreten der Fibrillen jenes feinmaschige Gefüge besitzt, das wir vorhin schon erwähnten. Feine Körnchen, wahrscheinlich die chromidialen Teilprodukte des Chromatins der einstigen meso- Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. I. 27 406 A. W. Franz: dermalen Kerne, sitzen den sehr dünnen Fäden der Grundsubstanz in unregelmässiger Folge auf. Das Auftreten der Fibrillen kündigt sich nun so an, dass gewisse Fäden des Symplasmas das Bestreben zeigen, aus der Anordnung zu einem Maschenwerke herauszutreten und sich dabei gerade auszurichten. Nach kurzer Zeit erscheinen die Fäden völlig homogen; die ihnen aufgelagerten (chromidialen ?) Körnchen sind trotz scharfer Beobachtung nicht mehr aufzufinden. Doch auch dieser Zustand ist nicht von langer Dauer. Dann treten derbere Körnungen in den nunmehr als eigentliche elementare Myofibrillen zu bezeichnenden (Grebilden auf und erzeugen in ihnen eine regelmässige Segmentation. Die derberen Körnungen nehmen stäbchenartige Form an und sie bilden die späteren (-Glieder der Myofibrillen. Ungefähr das gleiche findet Duesberg beim Hühnchen 1910, wenigstens was das Auftreten der Q-Glieder der Myofibrillen angeht, die vor Z erscheinen. Eine grosse Zahl von Autoren schliesst sich hier an. Im ganzen gehört der Vorgang der Myofibrillenbildung zu den beschleunigten histogenetischen Prozessen, für welche die Mitosen längst bekannte, klassische Beispiele bieten. Selten gelingt es, in den Präparaten die Übergangsstadien von den sich streckenden Fäden des Symplasmas zu den fertig gebildeten Elementarfibrillen aufzufinden, zumal die Q- und Z-Gliederung stets in ganzer Länge der Fäden auftritt. In Fig. 6 finden wir bei pf die gestreckten Plasmafäden, bei mf bereits Myofibrillen der Fussmuskulatur, ähnliches im Kopfe in den Figuren 12—14 bei pf, bezw. mf/l und mf/2 (Fig. 14). Wie schon angegeben, haben sich die restierenden, mesoder- malen Kerne zu Kernkolonnen auf besonderen Plasmastrassen angeordnet. Die Fibrillen entstehen nun meist in der Richtung, welche die Längsrichtung der Kolonnen angibt. Die feinen Elementarfibrillen haben nun das Bestreben, sich zu Bündeln zu vereinigen. Eine direkte Verschmelzung ist nicht wahrzunehmen. Durch sorgfältige Beobachtung mit scharfen Immersionssystemen und durch gute Differenzierung (namentlich bei Lichtgrün) ist stets eine Zusammensetzung der kompakter erscheinenden „Fibrillen“ aus Einzelfibrillen nachzuweisen. Eine Längsspaltung und dadurch bewirkte Vermehrung der Myofibrillen im Sinne Martin Heidenhains war in unseren Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern.‘ 407 Präparaten nirgendwo festzustellen. Die Neubildung von Fibrillen geht unseres Erachtens vielmehr so vor sich, dass stets neue Fäden aus den umhüllenden Plasmagebieten der bereits fertigen Myofibrillen durch den Prozess der Streckung sich anlegen, durch Assimilation in der Dicke zunehmen und sich parallel zu den Nachbarfibrillen anordnen. Die Segmentierung der neu entstandenen Fibrillen entsteht stets in gleicher Höhe mit den bereits fertig gebildeten in bekannter Weise. Für uns hat es den Anschein, als ob die Q-Stäbchen nichts anderes seien, als zusammengetretene, chromidiale Körnchen, die wir schon mehrfach erwähnten. Nach dieser Ansicht wäre Q nichts anderes als modifiziertes, durch Kernzerfall frei gewordenes CUhromatin. Das könnte schliesslich eine Erklärung für den Um- stand geben, dass die Q-Glieder von Nachbarfibrillen stets auf gleicher Höhe auftreten. Wir glauben annehmen zu dürfen, dass von dieser Stelle aus das alte Problem der Polarität des Muskelgewebes — wenn dieser Aus- druck erlaubt ist — seine Lösung erfahren wird, insofern als die streng dimensionale Orientierung des kontraktilen Plasmas letzten Endes auf chromatin- ähnliche Substanzen zurückzuführen sein wird, deren Eigenschaften darin bestehen, dass sie leicht in gleich grosse Teile zerfallen, die das Bestreben zeigen, gesetzmässig in gleich grossen Abständen sich zu ordnen. Allerdings müsste hier allgemein der Nachweis geführt werden, dass auf irgend einem Wege Chromatin von Kernen in das Bildungsplasma der Myofibrillen überginge und hier tat- sächlich eine Umwandlung zur Q-Substanz oder auch nur einen gesetzmässigen Zusammentritt zu dieser erlebte. Nun ist durch die Untersuchungen Schaxels an Aricia, Moroffs an Palaemon und die vorliegende an Porcellio mit Sicherheit der Nachweis erbracht worden, dass die Kerne der Bildungszellen entweder auf dem Wege der Emission (Schaxel) oder auf dem Wege des chromidialen Zerfalls Chromatin an die Muskelbildungssubstanz abgeben. Schaxel lässt die Emission auf dem Wege über Chondriosomen zur Bildung der Fibrillen führen. Im Gegensatz hierzu steht die Duesberg-Mevessche Anschauung, dass die Chondriosomen dieser Autoren zwar eben- 27* 4083 A. W. Franz: falls zur Fibrillenbildung führen, aber nicht kernchromatischer Natur und Abkunft sind, sondern nur Bestandteile des Zelleibes, die in unendlicher Generationsfolge fortgeerbt werden. Bei Palaemon und Porcellio entsteht durch Zerfall von Kernen eine chromidiale Masse im Bildungsplasma. Mit Über- einstimmung ergibt sich aber für die drei hier angezogenen Spezies, dass Kernchromatin zur Bildung von Muskelfibrillen ver- wandt wird. Über den speziellen Modus ist hier noch wenig bekannt, wenigstens hinsichtlich der Frage, welche Fibrillenteile dem Chromatin, das zum Aufbau verwandt wurde, entsprechen. Unsere oben ausgesprochene Theorie, dass allgemein die ()-Substanzen chromatischen Charakters sind, sucht hier eine Er- klärung zu geben; sie wird durch die eben angeführten Forschungs- ergebnisse gestützt, trotzdem wollen wir sie aber vorläufig als noch nicht bewiesene Annahme hingestellt wissen. Es könnte noch der Einwurf gemacht werden, dass etwa das ausgetretene oder das chromidial zerfallene Chromatin doch irgendwie aus dem Plasma verschwinden und sich in besonderen Körperteilen lokalisieren könnte. Abgesehen davon, dass solche Orte nicht gefunden wurden, zeigt die weitere Myogenese von Porcellio in eindeutiger Weise die Irrigkeit einer solchen An- nahme. Nach der Bildung der ersten Fibrillen ist nämlich eine deutliche Abnahme der symplasmatischen Substanz zu erkennen. Diese Erscheinung wird um so auffälliger, je mehr der Embryo dem Zeitpunkte entgegengeht, wo er die Eihülle verlässt. Da das ausgeschlüpfte Tier sofort imstande sein muss, seine Nahrung zu suchen und sich im freien Gebrauche seiner Bewegungswerk- zeuge befinden muss, so ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Bildung der Muskulatur in weitem Maße vollendet ist. Hier erwähnen wir die ausgezeichnete Bemerkung Moroffs, dass der Wucherungsprozess der mesodermalen Kerne lediglich einen beschleunigten Wachstumsprozess darstellt, welcher Bildungs- material für neue Gewebe in kürzester Zeit zu liefern hat. Bei Porcellio wie bei Palaemon erscheint die Kernwucherung, in diesem Lichte betrachtet, als physiologisches Postulat, das durch die besonderen Lebensbedingungen der Tiere aufgestellt wird. Schon auf Stadien von Porcellio, die etwa 3—4 Wochen in dem Brutraume der Weibchen liegen, ist die Ausbildung der Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 409 Muskulatur weit vorgeschritten. Das Symplasma erscheint zum grossen Teile aufgebraucht, indem neue Fibrillen immer wieder nach dem Prinzipe der Streckung protoplasmatischer Netzfäden sich neben den alten Myofibrillen anlegen. Ein Embryo eines solchen Stadiums bietet charakteristische histologische Bilder der Myogenese. Fig. 14 stellt einen Sagittal- schnitt durch den Kopf eines solchen Embryos dar, wobei die Partie gewählt ist, die etwa den Ebenen der Fig. 12 und 13 entspricht. Die mit hp bezeichnete Hypodermis weist eine fortgeschrittene Differenzierung insofern auf, als die Zahl ihrer Kerne sich er- heblich vermindert hat. Zum Teil sind diese durch die Passagen der Insertionsstellen hindurchgetreten, zum Teil in analoger Weise einem Zerfall erlegen, wie die mesodermalen Kerne es zeigten. Die Bildung des Pigments glauben wir auch auf chromidiale Zerfallsprodukte zurückführen zu müssen, was ja an und für sich nichts wesentlich neu beobachtetes darstellt, da viele Autoren ähnliches fanden (cfr. das Referat Moroffs in seiner Arbeit über Palaemon). Wir geben diese Bemerkung auch nur zum Zwecke der gegenseitigen Stütze der Beweise. Im Kopfe hat sich ebenso die Zahl der mesodermaien Kerne um ein bedeutendes verringert. Ein Vergleich der Fig. 14 mit 13 und 12 lässt das besser hervortreten als Worte. Das Sym- plasma (sp) hat sich anscheinend ausserordentlich vermehrt. Bei näherer Betrachtung lässt Fig. 14 aber erkennen, dass sein (refüge ein lockeres geworden ist. Eine Vakuolenbildung tritt in typischer Weise auf, je mehr Fibrillen aus dem Symplasma ab- gelagert werden. Am dichtesten sind die Plasmahöfe um die bereits gebildeten Fibrillenbündel anzutreffen, welch letztere all- seitig von jenen umhüllt sind. Ein Vergleich mit einem Proto- plasmaschlauche im Sinne Snethlages erscheint hier ange- bracht. Die Kerne liegen meist in einer oder zuweilen mehreren einzeiligen Kolonnen neben den zugeordneten Fibrillenbündeln. Es finden sich auch Kerne, die keiner Kolonne angehören. Das Fibrillenbündel mf/2 zeigt in mk/1 (Fig. 14) einen einzelnen extrakolumnär gelegenen Kern, der noch starke Chromatin- anreicherung aufweist. Er gehört zu den einstweilen oder bis ad exitum des Tieres persistierenden Kernen. 410 A.W Rranz: Immer neue Verdichtungsbahnen treten nun im Symplasma neben den bereits ausgebildeten Muskelzügen auf; sie entsprechen der Lage von Muskelstämmen, die ontogenetisch späteren Bildungs- datums sind. Die Abnahme der Symplasmaterritorien hält mit vermehrtem Auftreten neuer Muskelstämme gleichen Schritt. Auch die Kernkolonnen zeigen ‚keine konstanten Bilder. Einzelne ihrer Kerne weisen bald alle Symptome des Zerfalls auf, die wir bereits bei dem Zerfall der mesodermalen Kernhaufen zum Symplasma anführten und wofür auch die hypodermalen Kerne eine analoge Erscheinung boten. Stets beginnt der Zerfall mit dem geringer werdenden Vermögen, sich mit Farbstoffen zu tingieren ; der Kern wird plasmaähnlicher, seine Membran schrumpft ein und erzeugt einen unregelmässigen Kontur. Die Nukleolen erhalten sich hier im Gegensatz zu den Vorgängen bei der mitotischen Teilung (Strasburger) lange Zeit und behalten meist bis zum Zerfall die Fähigkeit, sich distinkt ausfärben zu lassen. Alle Übergänge von chromatinreichen, bleibenden bis zu gerade im Symplasma verschwindenden sind in der Fig. 14 zu beobachten, die einen weiteren Kommentar überflüssig macht. Der Einwand, dass hier ein Abwandern von Kernen in andere Körperpartien das auffällige Verschwinden derselben erklären könnte, ist leicht insofern zu widerlegen, als ein Absuchen der sukzessiven Schnitte der Serie stets das gleiche Bild wie das abgezeichnete hinsichtlich der histologischen Beschaffenheit zeigt. Die Beinglieder sind auf dem gleichen Stadium der Myogenese wie die Kopfregion oder nur wenig gegen diese zurück. Die bereits angezogene Fig. 6 erläutert dies. Sie zeigt auch, dass die Fibrillen zuerst stets in geringer Zahl auftreten, was das quer- geschnittene Bündel qmf erkennen lässt. Zugleich nimmt man wahr, dass im Symplasma tatsächlich Verdichtungsbahnen auf- treten, wie der Mantel des Bündels qmf deutlich durch seine etwas dunklere Tinktion gegenüber dem lockeren Symplasma des Beininnern verrät. Im übrigen ist das histologische Bild der Fig. 14 völlig wiederzuerkennen. Die letzten Zweifel, dass ein Kernzerfall de facto die „Prophase der Myogenese“ darstellt, ergibt eine Kernzählung der Bilder 12 und 14. Während solche Schnitte wie Fig. 12 130 bis 140 Kerne aufweisen, finden wir auf dem gleichen Raum in Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 411 Fig. 14 (Cerebralganglienanlage und Hypodermis stets ausgenommen) nur etwa 20 bis 25 Kerne. Das Verhältnis der restierenden zu den durch Wucherung entstandenen Kernen ist demnach ca. 1:6. Der weitere Einwand, dass durch das Wachstum® des embryonalen Körpers die mesodermalen Kerne auf eine grössere Fläche verteilt werden, ist berechtigt. Der Körper des Embryo ist aber in der ontogenetischen Distanz der Fig. 12 und 14 um höchstens die Hälfte gewachsen, so dass unser eben errechnetes Verhältnis auf 1:4 (ungefähr) sinkt, sich aber dennoch auch: rein numerisch die histogenetische Tatsache eines aus- gedehnten Kernzerfalls ergibt. Damit ist der letzte Einwand, dass die Symptome einer Histolyse der mesodermalen Körperschicht lediglich artifiziellen Charakters seien, eindeutig widerlegt. Überdies wäre das nach unseren sorgfältig hergestellten Präparaten ausgeschlossen, in solchem Umfange Artefacta anzutreffen. Der beste Beweis ist hierneben das im Prinzip gleiche Resultat der Forschungen Moroffs bei Palaemon. Als Ergebnis dieses Kapitels kommen wir zu folgenden Sätzen: Die Bildung der Myofibrillen geht bei den Isopoden (und weiterhin den Örustaceen) nicht durch Ablagerung in einerZelle vor sich, sondern speziell bei den Onisciden in einem synzytial entstandenen Symplasma, das aus einem chromidialen Zerfall mesodermaler Kernmassen hervorging und in dem persistierende Kerne meist in Kolonnenform in Plasmamänteln dichterer Beschaffenheit anzutreffen sind, von denen die Fibrillenbündel umhüllt werden. Von Zellgrenzen ist weder in den Plasmahüllen der Fibrillen noch in ihrer Umgebung etwas zu bemerken, auch die persistierenden Kerne bilden solche nicht inihrer Umgebung. Ein Sarkolemm ist an den jungen Fibrillensäulchen und ebenso an ihren Plasma- mänteln nicht zu konstatieren. 4. Insertion und Sarkoplasmaanastomosie der Säulchen. Die Frage nach der Insertion der Muskelfasern soll in diesem Kapitel nur kurz gestreift werden. Wie Snethlage 412 A. W. Franz: dargetan hat, stehen sich hier zwei Ansichten diametral gegenüber, die in den Begriften direkte und indirekte Insertion ihre letzte Formulierung finden. Vermittelnde Anschauungen sind daneben aufgetreten. Einige Autoren beobachteten, dass die Muskelfasern an der Hypodermis, an ihrer Basalmembran ansetzen. Eine direkte Verbindung der Insertionsstelle mit dem Chitin ist nicht vorhanden (Vitzou, Viallanes, List und vor allem H. R. Stamm). Andere kamen zu dem Ergebnis, dass die Muskelfasern sich unmittelbar bis zum Chitin fortsetzen (Frenzel, Ide, Pantel, Hecht, zum Teil Janet und Enderlein). Vermittelnd sagen Leydig und Dubosq, dass ein Auf- fasern der Muskelbündel an ihren Enden stattfindet und dass zwischen diesen Endbüscheln hypodermale Fibrillen auftreten, die mit den Endfasern verschmelzen ; die hypodermalen Fibrillen stehen mit dem Chitin in Verbindung und haben wir eine direkte Insertion in diesem Modus vor uns. Dubosq beobachtete ferner das Fehlen einer Basalmembran zwischen Muskeln und Hypodermis (Myriapoden). Snethlage ist etwa hierher zu rechnen, wie zum Teil auch Camillo Schneider. Neuerdings hat Brück (1913) die Insertion bei Muskel- fasern bei Anodonta und verwandten Gattungen untersucht und kam dabei zu interessanten Ergebnissen, die sehr an diejenigen von Porcellio erinnern.!) Bei Heranwachsen der eben entstandenen Muskelfasern an die Hypodermis bilden sich an ihrer proximalen Membran Verschmelzungsknoten, die median auf der Membran liegen und unmittelbar das Ende der Fibrillen darstellen. In der Hypodermis bilden sich nun besondere, nicht kontraktile Fibrillen (Tonofibrillen) aus, die auf die Verschmelzungsknoten stossen. Die Verbindung von Muskel- und hypodermalen Fibrillen wird nun vollzogen, die Grenzmembran verschwindet und die Kerne zwischen den Ansatzenden und in der Umgebung degenerieren. Wir hatten für Porcellio (efr. besonders Fig. 14 und 15) beobachtet, dass beim Heranwachsen der im Symplasma entstandenen Myofibrillen an die Hypodermis deren proximale Membran sich auflöste. Dabei kommt es aber nicht wie etwa bei Anodonta !) Die Arbeit Brücks erhielten wir während der Zusammenstellung der vorliegenden, so dass die sehr ähnlichen, unabhängig gefundenen Ergebnisse sich gegenseitig in ihrer Beweisführung stützen. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 413 vorher zur Ausbildung von Verschmelzungsknoten und Tono- fibrillen, vielmehr entsteht durch den Zerfall auswandernder hypodermaler Kerne zusammen mit dem benachbarter mesodermaler Kerngruppen an den Insertionsstellen ein kleiner Symplasma- bezirk, aus dem Tonofibrillen und nach unserer vorhin aus- gesprochenen Vermutung auch Endteile der Muskelfibrillen formiert werden. Die Tonofibrillen scheinen zunächst nichts weiter als die letzten Fibrillenglieder darzustellen, die später verhärtet werden. Dies scheint auch aus folgendem hervorzugehen. Während alle Gewebe durch die Alkoholbehandlung eine (gleichmässige) Schrumpfung erfahren, zeigen verhärtete Substanzen eine solche in weit geringerem Maße. Daher kommt es, dass namentlich bei älteren Embryonen und bereits ausgeschlüpften Tieren, deren Chitinteile weit entwickelt sind, die Hypodermis an den meisten Stellen von der Cuticula sich ablöst (Fig. 8, 10, 15). Die Hypodermis selbst schrumpft natürlich auch und nun zeigen die Tonofibrillen, dass sie gestaucht werden, in der Hypodermis sich seitlich ausbiegen, was bei ihrer ersten Anlage nicht hervortritt. Dieses Verhalten kann wohl nur auf einen chitinigen Charakter der Tonofibrillen zurückgeführt werden. Fig. H sucht eine nähere Erläuterung dieser Verhältnisse zu geben. Bei sf bemerkt man die Tonofibrillen in dem eben erwähnten Zustande. Sie erscheinen meist dünner als die Myofibrillen. Fig. H innen, bezieht sich auf einen Porcellio, der etwa PR | 1 bis 2 Wochen frei lebte. Der Schnitt traf a Alle einen Muskelstamm des Kopfes in ungefähr i a axialer Ebene. Die Figur lässt noch erkennen, & Mae n dass an der Übergangsstelle von Tono- und 4 N M EEE: Myofibrille feine Körnchen auftreten, die =+ Fa? etwa in gleicher Höhe wie die proximale pg "| ge hp Membran der Hypodermis liegen. Ob sich sf zwischen diesen Körnchen eine Membran Fig. H. ausspannt bezw. die hypodermale Membran Muskelinsertion sie überbrückte, ist wegen der Kleinheit 2 Tee der Objekte schwierig festzustellen ; es scheint, ur als ob keine Membran vorhanden sei. Verkl. auf 2 Fig.H, die in gleicher Vergrösserung wie Fig. 12 gezeichnet wurde, zeigt gegenüber dieser eine starke Ab- plattung der Hypodermis von durchschnittlich 7,5 « bis 2,5 a. 414 A. W. Franz: Die Hypodermis ist somit im embryonalen Leben bedeutend dicker als im postembryonalen. Wir führten schon den ausgedehnten Zerfall der hypodermalen Kerne an, ebenso die wahrscheinliche Bildung des Pigments aus chromidialen Substanzen, die aus jener Karyolyse hervorgingen. Der hypodermale Kernzerfall zeigt sich vor allem in der Umgebung der Insertionsstellen, und diese Tatsache stimmt mit der von Brück für Anodonta angegebenen überein. Das scheint auch der Grund zu sein, warum nach dem übereinstimmenden Urteile der Autoren die Pigmentbezirke an den Insertionsstellen fehlen. Das durch den Kernzerfall entstandene Symplasma hatte hier Tonofibrillen (und Mpyofibrillenteile ?) zu liefern. Endlich lässt Fig. H noch erkennen, dass die Myofibrillen vermittelst der Tonofibrillen nicht direkt bis ins Chitin hinein- ziehen; das Chitin (ch) lässt an der Ablösungsstelle keine Vertiefungen oder dergleichen wahrnehmen. Was das für die spätere Häutung der Tiere zu bedeuten hat, ist leicht ersichtlich. Das wichtigste ist für uns bei der Bildung der Muskelinsertion beiPorcellio, dass auch sie wie die Myogenese selbst einen synzytialen Charakter hat. Wir orientieren uns nun über die weiter fortgeschrittene Myogenese bei Porcellio. Fig. 7 ist die Abbildung eines Quer- schnittes durch ein mittleres Beinglied von einem jungen Porcellio, der kurz vor dem Ausschlüpfen stand. Ein Vergleich mit der Fig. 6, die sich auf ein erheblich jüngeres Stadium bezieht, lässt hervortreten, dass die Hypodermis eine starke und gleichmässige Abftlachung erfahren hat. Der Zerfall der hypodermalen Kerne ist soweit vorgeschritten, dass die persistierenden kaum noch hier und da, in geringer Zahl, bemerkt werden. Diese erscheinen ebenso wie die Hypodermis stark abgeplattet; ihre Gestalt ist lang oval (Fig. 7 hk). Bisweilen scheinen sie infolge eines inneren (regendruckes die Hypodermis aufzuwölben (bei ch). Die Pigments- felder erscheinen auf dem Querschnitte als schmale Bänder, welche die hypodermale Aussen- und Innenmembran lückenlos verbinden, soweit ihre Ausdehnung reicht. Ein charakteristisches Aussehen weist nun das Innere des Beingliedes auf. Wir bemerken hier (Fig. 7), dass die symplas- matischen Bezirke bis auf dünne. „Mäntel“, welche die Fibrillen- 2 Uni- od. multizelluläre Entwickluug d. quergestreiften Muskelfasern. 415 bündel umhüllen, vollständig verschwinden, zur Bildung der kontraktilen Substanz aufgebraucht sind. Grosse, völlig leere Felder zeigen sich hier auf diesem Querschnitte, während an ihrer Stelle in Fig. 6 ein reich ent- wickeltes wabiges Symplasma vorhanden war, das bis auf wenige Vakuolen geringen Durchmessers die Gliedmaßen ausfüllte. Ebenso instruktiv ist der Vergleich von Fig. 7 mit Fig. 4, der nach den vorausgegangenen Erläuterungen nicht weiter besprochen werden braucht. Fig. 7 zeigt ferner, dass eine starke Vermehrung der Fibrillen auf Kosten des Symplasmas stattgefunden hat. Während in Fig. 6 auf der mit qmf indizierten Stelle nur wenige Fibrillen im Quer- schnitte erscheinen, zählen wir in Fig. 7 bereits eine bedeutende Anzahl solcher. Diese sind zu Säulchen wie etwa bei af vereinigt. Der Querschnitt eines solchen Säulchens zeigt die Fibrillen nicht eleichmässig verteilt, sondern zu kleineren Gruppen vereinigt; zwischen diesen Gruppen ist ein „interstitielles Plasma“ wahr- zunehmen, das fast hyalin erscheint, aber bei schärferer Beob- achtung ebenso wie die Mantelschicht des nunmehr als Sarko- plasma zu bezeichnenden Rest-Symplasma eine feine Körnung aufweist. Die Cohnheimsche Felderung der Säulchen tritt hier- bei klar zutage. Auch die Zahl der Kerne in einem Muskelsäulchen hat sich auf dem Querschnitte stark verringert. Zählt man in Fig. 6 bei qmf etwa drei Kerne, so hier in Fig. 7 bei af/2 und af/l keinen bezw. nur einen solchen. Dieses Verhältnis findet man auf allen Schnitten gleicher ontogenetischer Distanz wieder. Eine Neubildung von Muskelfibrillen durch Längsspaltung im Sinne Heidenhains wurde auch auf diesem Stadium der Myogenese von Porcellio nicht konstatiert. Vielmehr erwies sich bei näherer Untersuchung, dass stets nach dem oben erläuterten Modus die Anlage neuer Fibrillen geschieht. Das Wachstum der Fibrillenbündel geschieht demnach hier nur dureh Apposition. Wir haben nun den Längsschnitt einer Beinanlage in dem vorgerückten Stadium zu betrachten, auf das sich Fig. 7 etwa bezieht. Hierfür geben wir in Fig. J ein typisches Bild. Fig. J ist mit dem Zeichenapparate aufgenommen und berücksichtigt als Textfigur die feineren histologischen Verhältnisse nicht, die 416 A. W. Franz: wir jedoch auf Tafelfig. S auf einer ungefähr gleichalterigen Ex- tremität, ebenfalls einem Längsschnitte, genauer studieren können. Die Textfig. J ist typisch für das Aussehen der Onisciden- muskulatur der Extremitäten von Embryonen, die kurz vor dem a Ausschlüpfen stehen (ca. 1 bis 2 } A, y) Wochen). { . Neben fast völlig ausgebildeten Muskelfasern, wie mf/3, sind andere noch in Bildung begriffen, mf/2 und mf/1. Die alten Fasern sind allseitig- von dem Reste des noch nicht differen- zierten Symplasmas eingehüllt. Nur wenige Kerne zeigen sich in diesem (Mk). Das ist der Grund, warum auf (uerschnitten (wie Fig. 7, af) eben- falls meist keine Kerne in alten \ Fasern zu finden sind. Diese per- Figur J. sistierenden Kerne sind chromatinarm. Längsschnitt durch ein Bein- Nur einige grössere Brocken zeigen glied eines Porcellioscaberkurz sich unregelmässig zerstreut in ihrem as Innern. Dagegen besitzen sie eine Vergr. ca, 1500 bei grösserem grosse Menge Kernsaft. Dies lässt Abstand der Zeichenfläche. sie als helle Bläschen erscheinen, die Verkl. auf !/a. vom gewohnten Typus eines ruhenden Kerns erheblich abweichen. Neben solchen älteren Fasern finden sich Übergänge bis zu jüngeren Stadien, die im kleinen die Vorgänge wiederholen, die sich bei der ersten Anlage der Muskulatur abspielten. Es zeigt sich nämlich, dass gewisse Partien des Symplasmas, die noch nicht zur Bildung von kontraktiler Substanz Verwendung fanden, sich zu langen Bändern ausziehen, die sich durch mehrere Glieder (meist 2) erstrecken können und die Anlagen der be- kannten, in verschiedenen Beingliedern inserierenden Muskelfasern erwachsener Tiere darstellen (cefr. mf/2, Fig. J). In solchen Strängen sammeln sich: Kerne, "die ein- oder mehrzeilig auftreten können. Dabei zeigen viele Kerne die uns bekannten Symptome des Zerfalls. Eine fibrilläre Streckung ein- zelner Plasmamaschen hat in der Faseranlage mf/2 noch nicht stattgefunden. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 417 Ein ganz junges Stadium zeigt die Anlage mf/l, die einen „Mesodermzellenklumpen“ im kleinen darstellt. Bemerkenswert und übereinstimmend mit unseren bisherigen Befunden ist die Struktur der Kerne in den Fasern bezw. deren Anlagen mf/1 bis mf/3. Kleine knospenartige Gebilde s (Tafelfig. 8, bs) scheinen den Bildungsboden für Drüsen oder Sinnes- und Stellungshaare herzugeben. Ihre Untersuchung geht über den Rahmen unseres Themas hinaus. Die Crayon-Zeichnung S gibt die feineren Verhältnisse einer Fussanlage wieder, wie sie ähnlich Textfig. J zugrunde lag. Wir erkennen auf Fig. S, dass die älteren und jüngeren Fasern bezw. deren Anlagen durch Plasmabrücken, oder 'besser durch „Plasma- anastomosen“, miteinander in Verbindung stehen (ast etc.). Diese sind ausserordentlich häufig und ein sukzessives Absuchen der Serienschnitte lässt das besonders deutlich hervortreten. Ihre Entstehung ist leicht zu erklären. Die ursprünglich einheitliche Plasmamatrix zeigte, wie wir sahen, das Auftreten von Vakuolen, entsprechend dem vermehrten Verbrauch zur Bildung neuer Myofibrillen. Bei noch weiterer Ausscheidung von Elementarfibrillen vergrössern sich natürlich die leeren Bezirke des embryonalen Symplasmas, die wir uns, wie schon erwähnt, durch Körperflüssigkeit ausgefüllt denken müssen, die während der Alkoholbehandlung der Präparate verschwand. Auf allen Schnitten von Porcellio-Embryonen in relativ weiter ontogenetischer Distanz vom Aus- schlüpfstadium in vor- wie rückläufiger Richtung finden sich solche Plasmaanastomosen zwischen den Myofibrillenbündeln in ausgedehntem Maße. Fig. 11 gibt in den Originalfarben eines Eisenhämatoxylin- Lichtgrün-Präparates von Porcellio scaber die feineren Verhältnisse der Plasmaauastosomen wieder, die in einer solchen typischen Ausbildung und Ausdehnung bisher noch bei keiner Tierspezies beobachtet wurden. Diese Plasmaanastomosen der Muskelfasern von Porcellio sind der letzte morphologische Aus- druck für den typischen Moduseiner multizellulären Myogenese, die in ihrem eigentlichen Wesen aber nur auf den frühesten Entwicklungsstadien in streng 418 A. W. Franz: genetischer Methode erschlossen werden kann. Weder Zellgrenzen noch Sarkolemm sind bei den Muskel- fasern im Stadium der -Anastomosie der Plasma- hüllen vorhanden. Eine Randlinie, die bei oberflächlicher Betrachtung der Plasmamäntel diese begrenzt, erscheint bei langsam variierender Fokussierung aus den feinen Körnern des Symplasmas gebildet. Snethlage sieht übrigens bei Artemia ähnliche „Plasma- brücken“ zwischen den Muskelfasern. Er meint S.509, dass man hier „eine fortschreitende Differenzierung bemerken könne, ohne dass man aber eine wirkliche Trennung und scharfe Abgrenzung der einzelnen Gewebsarten durchführen könnte“. Snethlage leitete aber die Protoplasmaschläuche — die Anlagen der Muskelfasern — als an Ort und Stelle entstanden, vom Ektoderm ab und konnte demgemäss nicht zu den wertvollen Folgerungen gelangen, die vorliegende Untersuchung von Porcellio darbot. Unser Resultat ist: Das vierte Stadium der Myogenese von Porcellio ist charakterisiert durch das Prinzip der Plasma- anastomose der Muskelfasern. Diese entsteht rein mechanisch dadurch, dass immer grössere Mengen Baustoffe aus dem embryonalen Symplasma zur Neubildung von Fibrillen herangezogen werden. Weder Zellgrenzen noch Sarkolemm sind bei den anastomosierenden Fibrillenbündeln zu bemerken, vielmehr ist der Charakter der multizellulären Myogenese der Önisciden, die auf den jüngeren Stadien erschlossen wurde, auch durch das Prinzip der Plasmaanastomose in typischer Weise gewahrt. 5. Das definitive „Primitivbündel“. Wir haben noch kurz das 5. und letzte Stadium der Myogenese von Porcellio zu besprechen, das Intervall zwischen der fast fertig gebildeten Muskelfaser und dieser selbst. Die völlig entwickelte Muskelfaser der Arthropoden (wie auch der Vertebraten) geht ja, wie die Einleitung zeigte, unter dem Namen des „Primitivbündels“. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 419 Was wir von diesem Terminus zu halten haben, setzen wir im allgemeinen Teile auseinander. In Fig. 7 lernten wir den Querschnitt eines Beingliedes von Porcellio in einem embryonalen Endstadium kennen, d.h. kurz vor dem Verlassen der Brutlamellen des Weibchens. Fig. 7 zeigte, dass hier die Muskulatur schon in weitgehendem Maße ausgebildet ist. Von Zellgrenzen oder einem Sarkolemm war allerdings nichts an den Fibrillenbündeln zu sehen, was ja nach den vorauf- gegangenen Schilderungen weder zu erwarten noch de facto auf den Präparaten zu beobachten war. Vielmehr ergab sich, dass die Plasmastränge, die aus einer symplasmatischen Matrix als Basis für die später in ihnen entstehenden Myofibrillen sich bildeten, kontinuierlich als Mantelschicht um die abgelagerten Fibrillen bestehen bleiben. Nach der Bildung grösserer Fibrillen- bündel, die bereits funktionstüchtig sind, umgibt der Rest des Symplasmas, von nun an Sarkoplasma, als dünne Rindenschicht die kontraktile Masse. Aber zur Ausbildung von Membranen ete. kommt es auch hier nicht und Plasmaanastomosen sorgen für die Verbindung sämtlicher Fibrillenbündel einer Körperregion untereinander. Die Kerne, die den Zerfall überlebten, liegen unregelmässig in den Plasmamänteln verstreut. Interstitiell sind keine Kerne vorhanden. Alle Kerne haben ein mehr oder minder bläschen- förmiges . Aussehen. Peripher gelagerte Chromatinpartikelchen täuschen oft im Schnitt eines Kernes eine kontinuierliche Rand- schicht vor, was auf ihre dichte Anreihung schliessen lässt. Das Chromatin selbst ist auf wenige kurze Stäbe und rundliche Kugeln (Nukleolen?) und die dichte Randschicht zusammen- geschrumpft; andere Kerne zeigen kaum noch Spuren von Chromatin (Fig. 11), sind ganz klein geworden und sehen nur noch wie kleine Wasserbläschen aus. Zuletzt verschwinden die meisten von ihnen unter Einreissen der Kernmembran und Vor- strömen des Kernsaftes in den plasmatischen Mänteln (Fig. 11). Andere Kerne bleiben erhalten und sind in den Muskeln aus- gewachsener Tiere hier und da, aber nur spärlich, aufzufinden. Jedenfalls scheinen sie gar keine Bedeutung für die Funktion der zugeordneten Fibrillenbündel zu besitzen, oder vielmehr nur eine regulative für das umhüllende Sarkoplasma, wenn auch selbst dies bei ihrem degenerativen Zustande ausgeschlossen erscheint. 420 A. W. Franz: Übrigens ist hier die Kernplasmarelation, die man doch als physiologisches Gesetz aufgestellt hat, insofern erhalten, als wir festgestellt haben, dass die Chromatinsubstanzen der zerfallenden Kerne zum Aufbau der Muskelfasern verwandt wurden und demnach die kontraktile Substanz selbst die „Kernplasmarelation* wieder herstellt. die nach diesen Erörterungen besser die Chromatinplasmarelation genannt werden müsste. Betrachten wir nun den Querschnitt eines Beingliedes von einem jungen Porcellio, der etwa 2 Wochen selbständig lebte. Die Entwicklung der Hypodermis (hp) ist den angedeuteten Entwicklungsgang bis nahe zum Ziele fortgeschritten. Sie erscheint als derbes Häutchen, das in der Querrichtung stark komprimiert wurde. Ein Vergleich der Fig. 40 mit Fig.6 und Fig. 2 wirkt überzeugend bei ihrer gleichen Vergrösserung. Die Dicke der Hypodermis ist von ca. 7,5 « bis auf ca. 1,5 « heruntergegangen. Ein Kern ist nur hier und da, ganz klein, meist 1 bis 1,5 « in der Breite und 3 bis 5 « in der Länge haltend, anzutreffen. Die Muskelfasern, die in den Arthropodenbeingliedern von der Grösse solcher Gattungen wie Porcellio nur in geringer Zahl vorhanden sein können, haben eine relativ mächtige Ausbildung als Muskelzüge erhalten. Eine grosse Zahl von Fibrillen, z. B. in der Faser mf/1 der Fig. 10, ist in ihnen festzustellen. Die in sehr geringer Zahl vorhandenen Kerne liegen peripher. Plasma- anastomosen sind auch jetzt noch im freilebenden ‚Tiere zu beobachten (ast). Deutlich ist eine solche zwischen der von unten heraufziehenden Muskelfaser mf/2 und der in axialer Richtung verlaufenden Faser mf/1 ausgebildet. Einzelne andere Fasern, z. B. mf/3, liegen der inneren hypodermalen Wand völlig an; sie sind stets klein und nur in geringer Zahl vorhanden. Sehr instruktiv ist ferner ein Sagittalschnitt durch den Kopf eines Porcellio im Alter des in Fig. 7 gekennzeichneten Embryos. Ein Vergleich mit früheren Stadien derselben Körperregion (Fig. 12 bis 14) zeigt, dass von dem Symplasma der ersten Embryonalzeit alles bis auf die Mantelpartien der Muskelfasern zu der Bildung dieser aufgebraucht wurde. Die grossen weissen Lücken auf der Fig. 15 in der Kopfhöhle beweisen dies am besten. Fig. 15 hält etwa die halbe Vergrösserung wie Fig. 12 bis 14, um ein übersichtliches Bild geben zu können. Sie zeigt mit grosser Deutlichkeit die ausgedehnte Existenz von Plasma- Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 421 anastomosen. Diese sind stellenweise, wie z. B. die mittlere Partie erkennen lässt, zu breiten, bandförmigen Verbindungsstreifen ausgebildet, so dass die Überbrückung zwischen den einzelnen Fasern eine sehr vollkommene ist. Die Insertion ist bei dieser Vergrösserung nicht deutlich zu erkennen; in Textfigur H haben wir sie bereits kennen gelernt. Wie wir erkannten, nimmt die Plasmahülle der Muskel- fasern eines wachsenden, jungen Porcellio dauernd ab. Die Kerne zeigen das gleiche Verhalten. Ihr fortwährender Zerfall ist sehr gut bei den grossen Muskelzügen der Fig. 16 zu erkennen, die in die Antennen hinein- gingen. Das Stadium ist ein etwas jüngeres als das auf Fig. 15 festgehaltene. Kernkolonnen und Plasmaanastomosen erhalten sich hier lange. Die Struktur des Plasmas ist die bekannte feinwabige; mit kleinen Körnchen besetzte Fäden ziehen unregelmässig durcheinander. Neben Kernen, die einen starken Chromatin- gehalt aufweisen, liegen solche, die sich kaum wahrnehmbar von ihrer Umgebung unterscheiden, der Struktur des Plasmas sich angleichen und die uns bekannten Symptome des Zerfalls auf- weisen. Die mit mk/l bis mk/3 bezeichneten „Kerne“ zeigen dies in sukzessiven Stadien. In den Muskelfasern älterer Oniseiden ist das Sarkoplasma nur in geringer Ausdehnung vorhanden. Die auf den Fig. 7 und 15 relativ plasmareichen Mantelschichten der Fibrillenbündel sind später stark eingeschrumpft, so dass nur eine feine Rinden- schicht von Sarkoplasma die Muskelfasern völlig adulter Tiere umhüllt. Die Bildung eines Sarkolemms setzt wenige Wochen nach dem Verlassen der Bruträume bei den jungen Onisciden ein. Das Sarkolemm entsteht dadurch, dass die äusseren Teile der zurückbleibenden feinen Rindenschicht des einstigen Sym- plasmas beginnen, sich zu verhärten. Gewissermaßen entsteht aus dem physikalischen Oberhäutchen der Plasmamäntel junger Muskelfasern ein reelles Häutchen. Von einer modifizierten Zell- membran kann hier natürlich keine Rede sein. Das Sarkolemm ist lediglich eine Verdichtung der Peripherie der feinen Sarkoplasmaschicht, die nicht zur Bildung neuer Muskelfibrillen heran- gezogen wird, keine Zellmembran oder eine modifi- Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 28 422 A. W. Franz: zierte solche. Wir verweisen ausdrücklich auf diesen Befund, da wir im allgemeinen Teil zu theoretischen Folgerungen aus ihm kommen werden. /um Schlusse geben wir einen kurzen Vergleich der Befunde Camillo Schneiders bei Branchipus mit dem unseren bei Porcellio. Zwei Figuren sollen hier als Textfigur K Platz finden, die den Typus der bezüglichen Myogenese erläutern. Fig. K. a: Myogenese von Branchipus nach Camillo Schneider. mf — Muskelfasern, m — Muskelzellen. b: Myogenese von Porcellio. Zeiss’ Ap. 2; 1.30, Ok. 8. Zeichenapp. sp = Symplasma, mf = Muskelfaser, mk = isolierte Kerne, n — Nukleolus. Verkleinert auf !j». Wir geben in Ka die bekannte Figur aus Camillo Schneiders Histologie in vergrösserter Kopie (S. 463); in Kb eine mit dem Zeichenapparat hergestellte Abbildung einer Muskelfaser von Porcellio scaber im Stadium der Fig. 15 bei grösserer Zeichen- tischentfernung (vergr. ca. 1500). Zugleich soll die Gegenüberstellung dieser Figuren unsere Ergebnisse in einem vergleichenden Resume scharf abgrenzen. Camillo Schneider lässt die Fasern von Branchipus durch Aneinanderlegung „einkerniger Myoblasten“ entstehen (Ka). An Querschnitten junger Tiere soll nach Schneider die Bildung der Muskulatur in der Weise festzustellen sein, dass die sich Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 423 aneinanderlegenden Myoblasten in die Länge wachsen und sich „nebeneinander entlang schieben“; dabei sollen die Fasern, aber auch die undifferenzierten Sarkmassen, besonders aber letztere, gesondert entstehen. Später liegen die Kerne in einem einheitlichen Sark und die Fasern sind zu einer kräftigen Faser verschmolzen. „Derart entstehen die Myen, welche also Syncytien vorstellen, in denen auch Kernvermehrungen stattfinden“ (S. 463). Diese Schilderung klingt übrigens sehr an die eines extra- zellulären Modus der Myogenese an, da doch die Sark- massen und die Fasern gesondert entstehen. Nur die Wendung, dass die Fasern später in einem Synzytium liegen, lässt Schneider als Vertreter der „Gruppe B“ erscheinen. Pedaschenko fand bei Lernaea etwa das gleiche wie Camillo Schneider bei seinem Objekt. Dieser Modus weicht aber in erheblichen Punkten von dem bei Porcellio konstatierten ab, allerdings abgesehen davon, dass die Verhältnisse für die ersten Stadien der Muskelbildung bei Branchipus nicht näher untersucht sind und die knappe Schilde- rung Camillo Schneiders nicht einen vollgültigen Beweis liefert. Im Prinzip ist aber die multizelluläre Myogenese für alle hier angezogenen Gattungen in Summa mit der von Palaemon (Moroff) die gleiche, eben eine synzytiale. Der spezielle Modus der multizellulären Myogenese ergibt jedoch Varianten. Denn bei Porcellio findet sich gegenüber Branchipus und Lernaea der Unterschied, dass die Myogenese von vornherein nicht von abgegrenzten Zellen ausgeht, dass während der Bildung der Fibrillen diesen keine Myoblasten anliegen. Bei den ÖOnisciden bildet sich als Anlage der Muskelsubstanz ein Symplasma, das aus dem reich- lichen Zerfall mesodermaler Kerne hervorgeht. Einige Kerne persistieren und ordnen sich in Kolonnen parallel den durch das Prinzip der Streckung sym- plasmatischer Fasern entstandenen Elementar- fibrillen der kontraktilen Substanz. Unter weiter fortschreitendem Kernzerfall nehmen die zuerst relativ dicken Plasmamäntel der entstehenden Fibrillenbündel die Gestalt dünner Rindenschichten 28* 494 A. W. Franz: an, in denen bläschenförmige Residuen von Kernen erhalten bleiben. Die Fibrillenbündel stehen mit ihren Plasmamänteln lange Zeit hindurch vermittelst Plasmaanastomosen in Verbindung.” Diese ver= schwinden in erwachsenen Tieren bis auf geringe Reste. Das Sarkolemm ist eine Limitans der sarko- plasmatischen Rindenschicht der Muskelfasern. Das Sarkolemm ist hier weder Zellwand, noch aus einer solehen hervorgegangen. Diese Befunde bei den Onisciden schliessen sich eng an die von Moroff für Palaemon gemachten an und erhalten in gegen- seitiger Stützung den Wert sicher konstatierter Forschungs- ergebnisse. B. Die Myogenese von Triton. 1. Die Bildung der Somiten. Ein Satz Suniers möge den zweiten Teil unserer Spezial- untersuchung beginnen: „Les auteurs jusqu’ icı n’ont que fort rarement envisage la croissance du myotome dans son entier.“ In der Tat, der Mißstand, den Sunier in diesem Satze treffend charakterisiert, hat wohl den ersten Anteil an der Bildung der Unzahl von verschiedenen, zum Teil diametral ein- ander gegenüber stehenden Theorien und der grossen Widersprüche in den Forschungsergebnissen auf dem (sebiete der Myogenese der Vertebraten. Schon in unserer Literaturübersicht lernten wir eine Fülle solcher divergierenden Ansichten kennen. Es ist bekannt, dass die Rumpfmuskulatur der Vertebraten — nur diese untersuchten wir speziell bei Triton — ihre Bildungs- stätte in dem Mesoderm hat. Bei den niederen Wirbeltieren, weniger deutlich bei den höheren, zeigt sich, dass vor dessen Ausbildung der embryonale Körper zwei bedeutsame Faltungs- prozesse erlebte: Einmal die Einfaltung des Entoderms aus dem Ektoderm, den Gastrulationsakt, und dann zum andern eine Faltenbildung, die zeitlich nach der ersten am Entoderm auftritt und das Mesoderm liefert. Dabei bleiben die Zellen der ab- gefalteten Bezirke in einem vollkommen erhaltenen geweblichen Verbande epitheloiden Charakters. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 425 Das ist ein wichtiger Unterschied in bezug auf die Ver- hältnisse der Bildung der „Keimblätter“ der Arthropoden. Bei diesen liegt kein Faltungsprozess vor, sondern hier erscheint das Mesoderm als Zellenhaufen vorgebildet. Dieser Zellenhaufen be- steht im einfachsten Falle aus zwei Zellen, die dann „Urmesoderm- zellen“ heissen und bei Anneliden, Mollusken und Crustaceen gefunden werden. Auch für Zellhaufen, die aus mehr als zwei Einheiten bestehen, braucht man öfters den Begriff „Urmesoderm- zellen“. Diesen Fall finden wir bei Arthropoden und namentlich bei Crustaceen typisch ausgeprägt. Porcellio bot uns, wie wir im vorhergehenden sahen, ein Beispiel dafür. Typisch sind hier auch die Verhältnisse von Astacus, die von Reichenbach unter- sucht wurden. Uns kommt es hier darauf an, festzustellen, dass bei den Vertebraten ein ganz anderer Modus der Mesodermbildung vorliegt, als bei den Arthropoden, dort ein Gewebstypus in epitheloider Form, hier ein Zelltypus in kompakter Form. Dort das Bestreben, einen auch bei Abschnürung bestehen bleibenden Zusammenhang zu wahren, hier die Neigung, leicht völlig isoliert auseinanderzufallen (Porcellio, Astacus). Wir sprechen natürlich immer nur von der ersten Anlage, denn nur diese wird die phylogenetischen Verhältnisse am treuesten wider- spiegeln; auf späteren Entwicklungsstufen ist die caenogenetische Veränderung einstiger einfacher Stadien soweit vorgeschritten, dass die Zusammen- hänge nur sehr schwierig zu erkennen sind. So kommt es, um ein Beispiel zu erwähnen, bei den meisten Arthropoden zur Bildung eines Mesodermstreifens, der aus den Urmesoderm- zellen hervorgeht. Aber wenn diese Mesodermstreifen auf den ersten Blick eine grosse Ähnlichkeit mit den „Mesodermleisten‘“ der Vertebraten haben, so lehrt doch eine genauere Untersuchung, dass entgegen den von seiten einiger Autoren vorgenommenen Versuchen, hier eine Gleichsetzung zu statuieren, man auch auf späteren Entwicklungsstufen des Mesoderms bei Arthropoden und Vertebraten eine fast vollkommene Verschiedenheit zwischen diesen findet. Das zeigt sich namentlich, wenn die morphologische und histologische Untersuchung vereint bleiben. Denn letzten Endes beruht der Unterschied in der Mesodermbildung der Arthropoden und Vertebraten in dem Verhältnis der kon- 426 A. W. Franz: stituierenden Elemente zueinander, das hier eine epitheloide Form hat, dort die eines kompakten Zellhaufens. Dass diese Verschiedenheit in der Anlage des Mesoderms einen weitgehenden Einfluss auf den Modus der Myogenese in den beiden Tierstämmen haben wird, ist mit Recht anzunehmen. Man war zuerst der Ansicht, dass das ganze Mesoderm der Vertebraten animale Muskulatur liefere. Jedoch bald erkannte man, und dies ist das Verdienst Remaks, dass nur gewisse Teile des mittleren Keimblattes zur Bildung der Muskulatur bei- tragen. Es sind das die dorsalen Partieen des Mesoderms, die durch einen in longitudinaler Richtung auftretenden Abschnürungs- prozess als die Rückenplatten von den Seiten- oder Parietalplatten abgetrennt werden. Die Rückenplatte, das Ursprungsgebiet der Rumpfmuskulatur der Vertebraten, wird nun durch einen weiteren Abschnürungsprozess, der im Gegensatz zu ersterem transversal zur Körperachse erfolgt, in weitere Abschnitte zerlegt. Diese Abschnitte sind die Myotome, wie sie vielfach genannt werden. Besser ist es, sie.mit Hertwig Somiten zu nennen. In diesen Somiten tritt zum erstenmal in der Ontogenese jedes Vertebraten- embryos die Bildung kontraktiler Elemente auf. Die Parietalplatten teilen sich, ausgenommen beim Amphioxus, bei keinem Vertebraten, die Rückenplatten bei allen. Mit den Somiten haben wir uns nun hier zu beschäftigen, da wir uns doch vorgenommen haben, vor allem die allerersten Stadien — absolut genommen in bezug auf die Ontogenese des Individuums — der Myogenese zu untersuchen. Die Somiten stellen nach ihrer erfolgten transversalen Abschnürung von den Rückenplatten einschichtige Kugeln dar. In ibnen befindet sich bei der grossen Mehrzahl der Vertebraten eine Höhlung, die kurz nach der Abschnürung der Somiten auftritt und Myocoel genannt wird. Diese einschichtigen Somitenkugeln, die allerdings fast immer durch gegenseitigen Druck und durch das Anliegen an Medullarrohr und Chorda einerseits, Entoderm, Parietalplatte und Ektoderm andererseits im sagittalen und frontalen Schnitt eine mehr würfelförmige, im Querschnitt eine mehr trianguläre Form erhalten, sind bis jetzt für alle Klassen des Vertebratenstammes festgestellt. Bildliche Darstellungen dieser Verhältnisse finden Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 427 wir bei Kaestner (Selachier), ©. Hertwig (Urodelen), Duesberg (Aves), Kollmann (Homo). Wir beginnen sogleich mit der Schilderung eines solchen Somiten bei den Amphibien, speziell bei dem von uns unter- suchten Triton. Hier ist das Somit ein (rebilde, wie es Fig. 17 im Quer- schnitt zeigt. Es besteht aus einer einfachen Schicht epithelial angeordneter Zellen, deren Längsachsen sämtlich auf den Mittel- punkt der Kugel hinzielen. Die Zellen sind insgesamt durchaus radiär angeordnet und Textfig. MI soll uns das als Modellfigur veranschaulichen. Wir geben sie auf besonderem Blatt am Schlusse der Arbeit. Die Gestalt der einzelnen Somitenzellen ist etwa die einer unregelmässigen, abgestumpften Pyramide, mit der breiteren Basis nach aussen, der kleineren nach dem Myocoel zugekehrt. In der epitheloiden Zellage (Fig. 17) lässt sich eine äussere Rindenschicht und eine innere oder Zentralschicht unterscheiden. Die Kerne liegen vorwiegend in der Rindenschicht, wofür Kaestner ein Analogon bei den Selachiern fand. Alle Zellen, deren Grenzen überaus scharf durch Lichtgrün ausfärbbar sind, zeigen eine starke Ansammlung von Dotterkörnern. Nur in sehr dünnen Schnitten ist das Bild so klar, wie wir es in den Fig. 17 bis 22 mittels des Zeichenapparates hergestellt haben. Diese Schnitte sind gemäß den Erörterungen unter Material und Technik das Resultat langer Bemühungen. In dickeren Schnitten verschwinden die Zellkonturen völlig und Rohde hat sicher, Maurer wahr- scheinlich an solchen Präparaten beobachtet. Übrigens klagt auch dieser Autor über die Kalamität des Dotterreichtums in seinen Präparaten. Die Kerne, die in den Somitenzellen zunächst sämtlich in der Einzahl auftreten, erscheinen länglich-oval; ihre Längs- achsen sind parallel denjenigen ihrer zugehörigen Zellen. Zell- plasma ist nur sehr spärlich vorhanden. Meist findet man es in der Umgebung der Kerne oder als peripheren Belag der Zell- wand; zum grössten Teile aber sammelt es sich in den dem Myocoel zugekehrten Zellbezirken. Seine Struktur ist eine wabige; feine, bei stärkerer Vergrösserung mit kleinen Körnchen bedeckt erscheinende Plasmafasern ziehen unregelmässig nach allen Richtungen durcheinander. Diese Plasmastruktur erinnert lebhaft an die des Symplasmas der Isopoden. Die homogen erscheinenden 428 A. W, Franz: Körner (dk) stellen Dotterkörner dar. Sie färben sich stark mit Eisenhämatoxylin; man findet sie in allen Grössen im Zellinnern zerstreut, von relativ grossen Kugeln bis zu punktförmigen Gebilden; sie werden im Laufe des Wachstums der Zelle auf- gebraucht. Die Schwierigkeiten, die bei Triton einem guten Schnitt bei derartigen Dotteranhäufungen entgegenstehen, schilderten wir im Kapitel „Material und Technik“. Auf exakt hergestellten Schnitten sind durch brüchigen Dotter veranlasste „Reissbahnen“ nicht zu finden. Neben den Dotterkörnern bemerkt man, namentlich in den Zentralschichten des Somiten, kleine, bis ca. 0,5 « messende Körnchen, die auf Eisenhämatoxylin- und Bendapräparaten einen gelblichen Farbton aufwiesen. Fig. 25 lässt das erkennen. Pigment- körner sind jene wohl nicht, da sie im Verlaufe der Myogenese aufgebraucht werden. Vielmehr mögen es fettartige Substanzen sein, die alkohol- und xylolresistent sind und Nährkörner im Sinne Camillo Schneiders darstellen, der für sie den Terminus Trophochondren braucht. Der Kürze halber wollen wir die eben definierten Körnchen als Trophochondren (?) anführen, wenn auf sie die Rede kommt. Sie mögen übrigens als Umbildungsprodukte des Dotters in Frage kommen, doch lassen wir das unentschieden. Fig. 17 bezieht sich auf einen Embryo von Triton cristatus mit zehn deutlichen „Urwirbeln“. Mit Rabl zählen wir bis zu dem Somiten, der nach hinten deutlich abgegrenzt ist, also in kaudaler Richtung. Das in Fig. 17 abgebildete Somit ist das zweite im Sagittal- schnitt. Das dritte Somit geben wir in Fig. 18 mit seinem zentralen Teil bei stärkerer Vergrösserung als bei Fig. 17 wieder. Die Verteilung der Trophochondren (?) ist hier besser als in Fig. 17 zu untersuchen. Beim Heben und Senken des Tubus tauchen sie als stark lichtbrechende Körnchen auf, die in der grossen Mehrzahl in relativ breiter Schicht das Myocoel umsäumen. Die Zellgrenzen erscheinen auf Fig. 15 deutlich doppelt konturiert. Von „spongioplasmatischen Fasern“ im Sinne Rohdes (S. 14) kann dabei natürlich nicht gesprochen werden. Die doppelte Konturierung der Zellgrenzen ist bei etwa der halben Vergrösserung wie in Fig. 17 durchausnicht wahrzunehmen. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 429 Diese Tatsache erklärt zum grossen Teil die Beobachtung von „Fasern“ in den Muskelbildungsbezirken, wie etwa Rohde sie gemacht hat. Dazu kommt noch eins. Wenn etwa ein Sagittalschnitt nicht durch die Mitte einer Somite geht, sondern seitlich von dieser, so werden die Somiten nicht axial, sondern nach Art schief ge- schnittener Röhren vom Messer getroffen und N auf dem Präparate werden sich Bilder von Zell- = | grenzen zeigen, wie es Textfig. O veran- > schaulicht, in Form eines Schemas gehalten. eh Denn die Somitenzellen sind nicht Prismen Fig. 0. von vierkantiger Form, wie das aus Fig. Ö Winkelbildung hervorgehen würde, sondern besitzen einen schiefgeschnittener unregelmässig polygonalen Querschnitt. radiär gestellterZellen. Wenn nun jede Zelle wirklich eine „Zellgrenze“, d.h. eine Zellmembran hat, so müssen die Grenzen zweier benachbarter Zellen doppelt konturiert erscheinen, wie wir schon fanden. Dann können aber auch in einer Schnittlage ähnlich der von Fig. 0 die Zellgrenzen da, wo drei (oder mehr) Zellen zusammenstossen, nicht ineinander verlaufen, sondern es muss an solchen Stellen eine Winkelbildung eintreten. Fig. OÖ zeigt eine solche bei « zwischen den Zellen 1 und 2 bezw. 3, wo die Zellgrenze von 1 gewissermaßen umknickt. Wenn sich nun bei hinreichend starker Ver- grösserung auf Schnitten solche Winkelbildungen finden, so sprechen sie für Zellgrenzen. Diese Winkelbildungen zeigen sich nun auf unseren Präparaten sehr deutlich und Fig. 20, auf die wir gleich näher eingehen, mag das bestätigen. Übrigens zeigt auch Maurer bei Gelegenheit ähnliche Gedanken. Bei der Besprechung seines bekannten Prinzips der Einfaltung meint er (1894, S. 491), „dass es sich nun frage, ob diese Einfaltungen, längs deren Fibrillen angeordnet sind, tatsächlich Zellgrenzen, oder ob die feine Grenzlinie wirklich, wenn auch keine Zellmembran, da sie keinen doppelten Kontur erkennen lässt, doch die Oberfläche einer Zelle darstelle! Wie bekannt, verneint Maurer dies; ist er doch in bezug auf die Cyclostomen, bei deren Untersuchung die obige Bemerkung fällt, ausgesprochener Vertreter der „Gruppe B“. 430 A. W. Franz: Dass nun den Somiten tatsächlich mehr oder weniger die Gestalt einer Kugel zukommt, ergibt eine Kombination aus Quer- und Längsschnitten. Hertwig gibt bereits S. 283 und 284 die Abbildung eines Quer- bezw. Frontaleinschnittes durch einen Tritonembryo, auf denen die oben vermerkte Gestalt des Somiten und ebenso die epitheliale Anordnung der radiär gestellten Zellen deutlich hervortritt. Diese Zellen erscheinen nun histologisch äquivalent. Dass hier aber eine Prävalenz gewisser Zellen vorliegt, wird sich im folgenden zeigen. Zur Erläuterung dieser Verhältnisse müssen wir etwas vorgreifen. i Wie bekannt und allgemein für sämtliche Vertebraten nachgewiesen ist, stellen die Somiten nach einiger Zeit, aber noch vor Auftreten der kontraktilen Substanz, eine Schicht lang- gestreckter „zylinderförmiger“ Zellen dar, die alle zueinander parallel laufen und von einem Myoseptum — der bindegewebigen Trennungsstelle der Somiten — zum andern sich erstrecken, also über die ganze Längsausdehnung des Somiten hinweg. Vom Cutisblatt, das sich in den verschiedenen Vertebraten- klassen als mehr oder minder deutlicher Bezirk vom lateralen Teile des Somiten lateral abtrennt, ist bei allen unseren Erläuterungen völlig abgesehen. Das Cutisblatt löst sich zu Mesenchym auf. Die mediale oder die eigentliche Muskellamelle der Autoren liefert die Muskulatur (Maurer, 1894, Rabl, 1885, Eggert, 1902, Hertwig, 1902). Einige Autoren lassen auch Zellen des Cutisblattes in die mediale Lamelle eindringen und sich hier zu Muskelfasern umwandeln (Balfour, 1380, Kaestner, 1892, Kollmann, 1891, Bardeen, 1900). Bei diesen Forschern hat demnach das Cutisblatt zwei Funktionen zu erfüllen. Die Frage, ob das Cutisblatt bei Triton zur Bildung von Muskulatur herangezogen wird, lässt uns hier uninteressiert; wir untersuchen nur die ersten Stadien der Myogenese in den Somiten. Im Anschluss an das oben Gesagte ergibt sich die Schwierigkeit, wie man eine Erklärung dafür suchen soll, dass ursprünglich völlig radiär gestellte Zellen nach kurzer Zeit zu einer Schicht parallel gelagerter werden konnten. Wenn sich bei diesem Prozesse, gleichviel welcher Art er war, die Zellgrenzen wirklich erhielten, so lässt sich allgemein doch sagen, dass diese Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 43] Umwandlung nur unter erheblicher Gestalt- und Lageänderung der Zellen vor sich ging. Wenn wir nun zur Erklärung dieses Prozesses in der Literatur nachsuchen, so finden wir zu unserer Überraschung, dass gerade diesem „Radiär-Parallelproblem*® — wenn dieser Ausdruck der Kürze halber erlaubt ist — bisher ein ausser- ordentlich geringes Interesse entgegengebracht wurde. So oft wir selbst eingehende entwicklungsgeschichtliche Arbeiten, wie etwa die Maurers (1894), zur Hand nehmen, stets finden wir nur den allgemeinen Hinweis, dass nach einer gewissen Zeit sämtliche Zellen der Somiten, wenigstens die der muskel- bildenden medialen Lamelle derselben, parallel zueinander ge- lagert sind. Auch ©. Hertwig schildert (1910, S.473) diesen ganzen komplizierten Vorgang in fünf Zeilen! Es sollen nämlich am „Myotom (der medialen Lamelle, m® des Somiten bei Siredon — Verf.) die Zellen ihre ursprüngliche Anordnung und Form verlieren: sie verwandeln sich in longitudinal verlaufende Zylinder, welche die Länge eines Rückensegmentes einnehmen und zu den beiden Seiten des Rückenmarkes und der Ohorda und parallel zu ihnen neben- und übereinander gelagert sind“. Der einzige, der bisher diesem verwickelten Probleme mit Bewusstsein gegenübergetreten ist, blieb Sandör Kaestner. In seiner ausgezeichneten Arbeit über die Selachier (1892) widmete er jener Frage eine längere Untersuchung. Für das Maurersche Prinzip der Einfaltung in seiner reinen Ausprägung kommt das Radiär-Parallelproblem nicht in Betracht, wenigstens insofern nicht, als die Zellen des Somiten ein Synzytium bilden und aus diesem durch die „mediale Einfaltung“, die in longitudinaler Richtung verläuft, Epithel- bezirke erster Ordnung entstehen. Eindringendes Bindegewebe soll dann die Epithelbezirke erster Ordnung in solche zweiter Ordnung, die Muskelfasern, zerlegen (S. 522, Myxinoiden). Dieser Modus, den Maurer in anscheinend modifizierter Form auch für die Urodelen übernimmt, würde die Vorstellung des Umwandlungs- . prozesses radiär gestellter Zellen in longitudinal verlaufende sehr erleichtern. Die Lösung in dieser Richtung wäre aber eine negative, denn in einem Synzytium verlieren die Zellen ihren Charakter als solche und die späteren, aus dem Synzytium entstandenen 432 A. W. Franz: Muskelfasern können mit Zellen oder einer Vielheit von ihnen nicht verglichen werden. An einem Schema, das Textfig.L darstellt, wollen wir eine Vorstellung zu gewinnen suchen, wie etwa der angeführte Um- wandlungsprozess sich vollziehen könnte. a/l bis e/l sind die Schemata von Frontal-, «/l und 8/1 solche von Sagittalschnitten durch die Mitte des Rückensegments. b/1 und #/1 sind als etwas spätere Stadien der Somitenentwicklung gedacht, a/l und «/l als die „Radiär-Stadien“. Bei der Zeichnung ist der bekannten Tatsache Rechnung getragen, dass im Laufe seiner ersten Entwicklung se jedes Somit eine latero- > mediale Abflachung und % dorso-ventrale Ausdehnung u erfährt. Die Zellen 1 bis 6 der Sagittalschnitte bezw. 17 bis" 2 und IE pa der Frontalschnitte ent- sprechen nicht den ein- zelnen Zellen, sondern Zell- an gruppen, die nicht scharf wre umrissen, sondern nur in 4 | ihrer ungefähren Lage Get © gekennzeichnet sein sollen. Die Zahlen stimmen z Ri inallenentsprechen- Fig. L. den Teilen der Text- figuren L, MIT bis’ WM und N überein, sind also stets die Bezeichnung für entsprechende Zellgruppen. In Textfig. N (S. 441) sind die Zellgerenzen mit dem Zeichen- apparat festgelegt worden. Sie bezieht sich auf einen Triton- embryo von ca. 15 Urwirbeln; die beigesetzten Nummern VI bis XII sind die Ordnungsziffern für sieben hintereinander gelegene Myotome im sagittalen Schnitt (Kapitelanfang 2). Wie könnte nun die Streckung der radiären Zellen Fig. L a/l und «/l vor sich gehen? ‚Offenbar würde dies bei den mit 1 und 2 bezeichneten Zellen am leichtesten möglich sein, ohne dass sie allzu starke Deformationen Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 433 erlitten, da sie bereits die Richtung in der Längsachse des embryonalen Körpers besitzen. Auf diese Tatsache weist besonders Kaestner hin (1892, S. 162). Aber hier erhebt sich bereits eine Schwierigkeit. Wie sollen die Zellen 1 und 2, die doch später von einem Myoseptum zum anderen sich erstrecken, je zu der gegenüberliegenden Wand hingelangen ? Das kann bei Erhaltung der Zellgrenzen nur durch ein gegenseitiges Aneinander-Vorbeischieben erfolgen. Allerdings könnte auch hier die Ansicht auftauchen, dass die dem Myocoel zugekehrten Wände der Zellen 1 und 2 gegen- seitig aufeinanderstossen (L, b/l), und dabei etwa nach der Anschauung des Vertreters der „Gruppe B“, Schwann, oder späterer Autoren ähnlichen Standpunktes, die trennenden Zell- wände resorbiert würden (L, e/1). Dann wären die Zellen 1 und 2 direkt zu einem synzytial entstandenen Myoblastenbündel ver- schmolzen, wobei man sich beliebig eine Zelle 1 mit einer oder mehreren Zellen 2 oder umgekehrt vereinigt denken kann. Für die Sagittalschnitte @/l und %/1 würde das Gleiche in Frage kommen. Wenn demnach ein gegenseitiges Aneinander- vorbeischieb.en der Zellen nicht zugegeben wird, so führt dies unvermeidlich zu der Annahme einer synzytialen, einer multizellulären (mit dem Unter- fall der bizellulären) Myoblastenbildung und damit weiterhin zu einer multizellulären Myogenese, da die zylinderförmigen Zellen des Parallelstadiums der Somiten von einem Myoseptum zum andern kontinuierlich hinziehen. Nach dieser kurzen Überlegung ist es bereits klar, dass die Lösung des Radiär-Parallelproblems einmal zunächst unter- nommen werden muss, in unserm Falle also für Triton; denn gerade zwischen den Punkten der embryonalen Entwicklung, deren Distanz durch das .Radiär- parallelproblem bestimmt ist, könnte am aller- ehesten die Entscheidung zwischen einer uni- oder multizellulären Myogenese hin- und herschwanken. 434 A. W. Franz: Noch schwieriger wird die Sachlage, wenn wir uns etwa das Schicksal der Zellen 5 und 6, V und VI in Fig. L, a/l und L, «/l vorstellen wollen. Angenommen, die Zellen 1 und 2 wären unter gegenseitiger Auflösung der entgegenstehenden Zellwände zu längsverlaufenden gestreckten Zylindern geworden, so würde Fig. L, ec/l in einem Schema dies wiedergeben. Wenn wir umgekehrt annehmen würden, dass die Zellen 1 und 2 sich aneinander vorbeigeschoben haben, so hätten wir in Fig.L, e/l in der Region der Zellen 1 und 2 natürlich mehr Zellen einzuzeichnen, als für den obigen Fall. Das letztere ist leicht vorstellbar. Was nun die Zellen 5 und 6, V und VI angeht, so haben wir sie in Fig. L, e/l zunächst so gezeichnet, als ob sie ihre Lage ungefähr beibehalten hätten. Wie aber nun kommen diese Zellen 5 und 6, V und VI in ihre spätere gestreckte Lage? Man fühlt, dass hier das Dilemma am grössten ist und das Radiär- nd N Parallelproblem hier seine schärfste Zuspitzung erhält. Fig. P. Die Zellen 5 und 6, V und VI Scherung der in mehr trans- könnten nur: Br es) Mel l. durch eine allmähliche stehenden Somitenzellen. ü ‘Frl Drehung in ihre „gestreckte Lage“ kommen, wie das Textfig. P deutlich macht; das käme einer „Überschneidung“ der Somitenzellen gleich oder einer „Scherung*, wie die Technik sagt. Dabei würden sich die Zellen 5 und 6, V und VI um etwa 90° drehen, und zwar 5 und V im entgegen- gesetzter Richtung wie 6 und VI. Diese Drehung um 90° ist bereits von Kaestner (1892, S. 162) angenommen und in längerer Ausführung behandelt worden. 6, na? SE One ie nn ae Fig. Q Streckung der mehr in transversaler (Körper-) Ebene liegenden Somitenzellen nach dem Prinzip der Abkugelung. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 435 2. Könnten die Somitenzellen 5 und 6, V und VI auch auf eine andere Weise in ihre gestreckte Lage gebracht werden; Textfig. Q mag dies erläutern. Die Zellen 5 und 6 könnten je zu Kugeln werden, die sich ihrerseits wieder in die longitudinale Richtung strecken und zuletzt die längsverlaufenden Myoblasten des parallelgeschichteten Somiten ergeben. Auch dieser Gedanke findet sich schon ähnlich in der Literatur vertreten. Wieder ist es Kästner, der (1892, 8.162) sagt, dass bei der Nichtannahme des Falles 1 die „frühere Zelle Kugelform annehme und ihr Protoplasma sich dann entweder aktiv oder passiv durch den Druck umgebender Zellen in der longitudinalen Körperachse verlängert“. Diese nach dem Prinzip der Kugelung verlaufende Streckung der Somitenzellen ist ein durchaus leicht vorstellbarer Modus: dabei ist aber zu bemerken, dass hierbei wieder ein Aneinandervorbeischieben im letzten Stadium des Prozesses in Frage kommt, vorausgesetzt, dass der unizellulär verlaufende Vorgang der Myoblasten-Verlagerung de facto erhalten bleiben soll. 3. Könnte wieder, wie bei den Zellen 1 und 2, eine Ver- schmelzung der Zellgruppen 5 und 6, V und VI auftreten unter Verschwinden der Zellwände, also etwa nach Maurers Art ein Synzytium entstehen, aus dem durch das Prinzip der Einfaltung Muskelfasern hervorgehen. Das würde dann einer multizellulären Myoblastenbildung und weiterhin multizellulären Myogenese gleich- kommen. Also im ganzen könnte für die in mehr transversaler Ebene gelegenen Zellgruppen 5 und 6, V und VI, genau wie bei 1 und 2, entweder eine unizelluläre (Fall 1 und 2) oder eine multizelluläre (Fall 3) Myogenese in Frage kommen. Die Zellgruppen 3 und 4, III und IV würden Über- gänge zwischen den Gruppen 1 und 2 bezw. 6 und 5, VI und V bilden. Es dürfte deutlich geworden sein, dass wir hier die Aufgabe haben, einen Entscheid zu treffen. Als Kaestner 1892 die Lösung des Radiär-Parallelproblems versuchte, meinte er, dass „die Epithelzellen, welche Spindelform mit transversal liegenden Achsen besitzen (sic!), während ihrer Differenzierung zu Muskelfasern tiefgehende Form- und Lage- 436 NEWS SRTanz: veränderungen zu erleiden haben, abgesehen von ihrer Struktur- änderung“. Als die allgemeine Regel soll nun nach Kaestner die gelten, dass „während der Umbildung die beteiligten Epithel- zellen entweder eine tatsächliche Drehung um 90° ausführen, um aus der transversalen in die longitudinale Lage zu kommen“ oder nach dem Prinzip der Kugelung jene erlangen. Für die. Drehung der Zellen um’,90° tiger Kaestner die sehr interessante Klausel hinzu, dass jene da geschehe, „wo genügender Raum vorhanden ist“ (8. 162). Hiergegen hat schon Maurer die treffende Bemerkung gemacht (1894, S. 451), dass in dieser „grobmechanischen Weise“ die Streckung der medialen Zellen des Urwirbels nirgends erfolge, es überhaupt „niemals zu Gewebsdifferenzierungen komme“. Gewiss, man darf sich nicht die Vorstellung machen, als wenn etwa leere Räume in den Somiten auftreten, in denen beliebig die Epithelzellen ihre Schwenkung um 90° ausführen, aber das Prinzip der Kaestnerschen Erklärungen ist so wert- voll, dass wir uns des öfteren mit ihm auseinanderzusetzen haben werden. Nun ist aber die überwiegende Mehrzahl der Forscher in bezug auf die Muskelentwicklung der Vertebraten zur Annahme eines unizellulären Modus geführt worden. Dabei wurden aber fast stets die Beweise an Stadien geführt, die von dem der parallelgeschichteten Somiten an beginnen. Aus dem vorigen hat sich ergeben, dass nun gerade durch die Ent- wicklungsvorgänge, die durch den Begriff Radiär- Parallelproblem gekennzeichnet sind, die Möglich- keit für die Annahme einer multizellulären Myo- genese gegeben ist. Der letzteren Annahme den Boden entziehen, heisst den grössten Teil eines Beweises für die unizelluläre Myogenese der Vertebraten führen. Es kann sich dann nur noch um die bekannte Vielkernigkeit der Vertebraten-Muskelfasern handeln. Denn wie wir in der Literaturübersicht sahen, ist der Standpunkt einer synzytialen Myogenese der Primitivbündel für. manche Autoren darauf gegründet, dass die ausgebildete Muskel- faser wegen ihrer Vielkernigkeit auch vielzelligen Ur- sprungs sei. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 437 Das alte Schwannsche Zellproblem ist die Ursache dieser Anschauung und tritt hin und wieder in den Arbeiten der Forscher wieder hervor. So vor allem bei Maurer (8. 474, 497 etc., 1594). Namentlich S.497 sagt Maurer im Kapitel „Cyelostomen“, dass zunächst jede Muskellamelle aus deutlich abgegrenzten Zellen bestehe. „Wenn aber die ersten kontraktilen Fibrillen auftreten, sieht man (cfr. Fig. 6 von Maurer) stets mehrere Kerne und zwar, was mir von Bedeutung erscheint, nicht hinter-, sondern nebeneinander“. Maurer führt dies ausdrücklich an, um die vorher aufgeworfene Frage, ob die mediale Muskelbandanlage hier als einfache Zelle auftritt, zu entscheiden. Maurer ent- nimmt jene Beobachtung Frontalschnitten von Petromyzon (den wenigen Längsschnitten, die er abbildet) und 8.498 lesen wir, dass er in einem solchen Gebilde (einem Muskelbande) „einen abgeschnürten und in sich abgeschlossenen Epithelbezirk erblicke, der nicht durch Auswachsen aus einer Zelle, sondern durch Zusammenwirken mehrerer Zellen entstanden sei.!) Im Widerspruch hiermit steht die häufige Angabe Maurers, dass in den gestreckten Zellen, in denen bereits die Anlage der Fibrillen weite Fortschritte gemacht hat, eine Kernvermehrung stattfindet. Denn wenn die Zahl der Kerne einen Beweis für einen ein- oder mehrzelligen Ursprung der Muskelfasern abgeben soll, wie das bei der Anlage der Fibrillen von Maurer unter- nommen wird, so muss auch die Vermehrung der Kerne in den entwickelten Muskelfasern auf ein Neuhinzutreten von Zellen zur alten Faser hinausgeführt werden. Oder aber, es muss unter- sucht werden, ob die bei der Anlage der Fibrillen bestehende Mehrkernigkeit der Faser nicht auch durch eine Vermehrung des ursprünglich in der Einzahl vorhandenen Kerns entstanden war. Denn es ist nicht einzusehen, warum eine später auftretende Vermehrung von Kernen in den älteren Muskelfasern vorher, in den sich streckenden Epithelzellen der Somiten, ausgeschlossen sein sollte. Würde das letztere bewiesen, so würde die junge Muskel- faser, in der die Fibrillenbildung beginnt, wohl vielkernig, aber deshalb nicht vielzelligen Ursprungs sein. sondern dieser letztere !) Vom Verfasser gesperrt. Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 29 438 A. W. Franz: müsste auf anderem Wege bewiesen werden als durch die Zählung der Kerne in den Muskelfasern. Die Untersuchungen z. B. Strasburgers über die Amitose des Zelleibes waren bereits zur Zeit Maurers bekannt und ein Eingehen hierauf von seiten dieses Autors zu erwarten. Soll doch nach Maurer in den älteren Muskelfasern eine Kern- vermehrung eintreten '‘(S.'513, 534, 537, 520, 546, 574 etc); aber in keinem Falle ist hierbei gesagt, ob diese mitotisch oder amitotisch verläuft, was doch sehr wesentlich gewesen wäre. Was das hier bedeutet, sagen die neueren Forschungen von Sunier (1910), Duesberg (1910), Bardeen (1900), die sämtlich Vertreter der „Gruppe A“ sind und die Vielkernigkeit der Vertebraten-Muskelfaser als durch Amitose entstanden feststellten. Wir vermissen in Maurers Arbeit (1894) den Begriff der amitotischen Kernteilung allgemein. Allerdings erklärt sich das zum Teil daraus, dass zu jener Zeit die Amitose nach Flemmings Vorgang (1582) meist als degenerativer Prozess aufgefasst wurde, und dass sich erst in den neuesten Arbeiten die Erkenntnis Bahn gebrochen hat, dass die Amitose die Begleit- erscheinung eines lebhaften Wachstumsprozesses darstellen kann. Wir kommen im Verlaufe der vorliegenden Arbeit auf diese Verhältnisse zurück. Die vorstehenden Erläuterungen geben wir deshalb etwas ausführlich, um genauer festzustellen, worauf unsere Untersuchung den Hauptnachdruck zu legen hat, nämlich die Entscheidung der beiden Fragen: 1. Geht die Streckung der radiär angeordneten Somitenzellen zu parallel verlaufenden Myo- blasten unter Verlust der Zellgrenzen, d.h. unter Bildung eines Synzytiums vor sich, oder behalten die Zellen ihre Grenzen, indem sie nach irgend einem entwicklungsmechanischen Prinzipe eine Lage- und Formänderung erfahren? 2... Wie Ist „dien Vielkernigkeit. der quer; gestreiften Vertebraten-Muskelfaser zu erklären? a) Ist die Vielkernigkeit so entstanden, dass aus einem Synzytium einzelne Bezirke mit Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 439 mehreren Kernen zu einem Muskelprimitiv- bündel umgewandelt wurden? b) Oder hat das unizellulär entstandene Primitiv- bündel die Vielzahl der Kerne einer Amitose des ursprünglich inder Einzahl vorhandenen Myoblastenkerns zu verdanken? Bevor wir in der Schilderung der Weiterentwicklung der Somiten weitergehen, haben wir noch einige Bemerkungen hin- sichtlich des Myocoels zu machen. Fig. 18, die wir bereits zur Erläuterung der Zellstruktur der Somitenelemente heranzogen, zeigt ein Myocoel kurz vor seinem Verschwinden. Ausser diesem Sagittalschnitte geben wir noch den Querschnitt eines Myocoels in Fig. 24; dieser Schnitt, mit dem der Fig. 18 kombiniert, ergibt, dass das Myocoel nicht nach Art eines stets kleiner werdenden kugelförmigen Hohlraumes verschwindet, sondern dass es kurz vor diesem Ziele eine mehr ellipsoide Gestalt hat. Die Längsachse liegt in einer mehr zum embryonalen Körper trans- versalen Ebene und geht schräg vom ventro-medialen Chorda- gebiet des Somiten auf latero-dorsale Körperregionen hin. Die Modellfigur MI sucht das in etwa zu berücksichtigen. Das Innere des Myocoels ist nun nicht leer. Abgesehen davon, dass wir es uns mit Körperflüssigkeit erfüllt denken müssen, enthält es bei Triton neben Dotterkörnern und Trophochondren (?) einige bläschenförmige Körper, die in Fig. 15 und 24 bei b und in Fig. 25 zu sehen sind. Bei näherer Betrachtung stellen sich diese „Bläschen“ als „Kerne“ heraus. Deutlich sieht man in ihrem Innern einige Chromatinbrocken, ebenso kleine Chromatinflitter auf ihrer Oberfläche. Diese- „Kerne“ sind nicht alle von der gleichen Grösse. Vielmehr finden sich neben gut wahrnehmbaren solche von sehr geringem Umfange, welch letztere überdies kaum noch Chromatin enthalten. Die „Kerne“ haben eine ganz dünne Membran, als ob sie in einem Zustande wären, der zu einer Auflösung führen soll. Der (Gesamteindruck dieser „Kerne“ ist der, dass es zerfallende Kerne sind. Remak war der erste, der organische Körper im Myocoel beschrieb. 1855 (S.23) spricht er bei der Untersuchung des Hühnchens von „kegelförmigen, fadenförmig zugespitzten, matt- gelben Körperchen, deren Grundflächen die Höhle begrenzen und 29* 440 A-W. Franz: welche nach allen Seiten hin ausstrahlen. Es gelingt zuweilen. Kerne in diesen Kegeln wahrzunehmen.“ Mit dem „Urwirbelkern“ Remaks sind diese Körper nicht etwa identisch. Der Urwirbelkern bildet sich nach diesem Autor aus Zellen, die „von der inneren, unteren Kante des Urwirbels als Substanzwucherung“ in das Myocoel eindringen und den „Umfang der Höhle immer mehr verengern“. Nachher stellt der Urwirbelkern, mit den angrenzenden Wänden des Urwirbels ausser der Rückenwand verschmelzend, eine undurchsichtige Masse dar, die er als Wirbelkernmasse von der Rückentafel des Urwirbels trennt. Duesberg bildet (1910) sternförmig verästelte Zellen im Myocoel des Hühnchens ab, die er als Urwirbelkern (Remak) bezeichnet und aus dem Verbande des Somitenepithels aus- sewandert sein lässt. Nach Duesberg nehmen diese verästelten Zellen später an der Bildung des Sklerotoms teil. Umgrenzte Zellen haben wir bei Triton in der Urwirbel- höhle nicht finden können. Auch die Bildung eines Urwirbelkerns im Sinne Remaks ist hier nicht festzustellen. Bei unserem vorhin erwähnten Befunde im Myocoel von Triton handelt es sich vielmehr um Kerne, die in verschiedenen Grössen und in bläschenförmiger Gestalt auftreten. Wie konnten nun diese isolierten Kerne in die Urwirbelhöhle hineingelangen? Offenbar nur so, dass sie aus dem Verband ihrer zugehörigen Zellen, der Somitenzellen, austraten. Das Resultat der Untersuchung des ersten Stadiums der Myogenese bei Triton ist das folgende: Die Bildung der Muskulatur von Triton geht von den Somitenzellen aus, die deutliche Zell- srenzen aufweisen, in epithelialem Verbande stehen und nach vollendeter Abschnürung des Somiten sämtlich radiär angeordnet sind. Dabei hat das Somit mehr oder minder die Gestalt einer Kell: 9. Verschwinden des Myocoels; Streckung der Myoklasten. Wir machten vorhin die Bemerkung, dass die Epithelzellen der Somiten histologisch scheinbar äquivalent seien. Dass dem in der Tat nur scheinbar so ist, zeigt sich bereits nach kurzer Zeit. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 441 Fig. N soll uns diese Verhältnisse verdeutlichen helfen. & WEHR a? Fig. N. Fig. N haben wir bereits in Kapitel 1 (S. 432) erklärt. Die Somiten, die uns nun hier interessieren, sind der VI. bis XII. Die Zählung steigt, wie wir schon erwähnten, in kaudaler Richtung aufwärts. Somit XI erscheint relativ klein im Verhältnis zu den benachbarten. Der Grund liegt darin, dass der Embryo eine seitliche Krümmung aufwies und so der Messerschnitt in mehr tangentialer Richtung in XI einfuhr. VIII und XI haben zwei Marken X X, bei denen man sich die des Raummangels halber zertrennten Schnittreihen vereinigt denken muss. Tritonembryo ca. 15 Urwirbel. Eisessig- Sublimat, 4 «, Eisenhämatoxylin-Lichtgrün, Zeiss-Obj. D, Ok. 4, verkl. auf !/». Scl = Region des Sclerotoms. Somit XII zeigt, dass das Myocoel von Triton, wie bei allen Vertebraten, wo es vorhanden ist (Ausnahme Teleostier?), nach kurzer Zeit obliteriert. Dabei gehen die Kerne, die wir im Innern des Myvocoels als von den Epithelzellen ausgestossen fanden, spurlos verloren. Die Myocoelflüssigkeit scheint sich ebenso inter- zellular oder durch Diffusion in die Somitenzellen zu verlieren. Die völlig radiäre Anordnung der Epithelzellen des eben abgeschnürten Somiten ist bereits in Somit XII in etwas auf- gehoben. Die Zellen, die vom Myocoel ausgehend in longitudinaler 442 A. W. Franz: Richtung des embryonalen Körpers verlaufen, liegen ausgeprägt parallel zu dieser Körperachse (Indices 1 und 2). Ihre dem Myocoel zugekehrte Basis erscheint nicht viel schmaler als die entgegengesetzte; der ganze Zellhabitus nähert sich einem gestreckten. Noch viel deutlicher zeigen das Somit XI und X. Die Zellen, die also von Anfang an ungefähr in der longitudinalen Richtung des Körpers liegen, beginnen zunächst zu wachsen. Das Myocoel erscheint dabei bald nur noch als feiner Spalt. Die zunächst das Wachstum beginnenden Zellen sind die Zellen des primären Seiten- muskels, seine Myoblasten, wenn man will. Die Zellen liegen in ungefährer Höhe der Chorda. Diese Beobachtung, dass zuerst die Zellen des primären Seitenmuskels beginnen und so später in ihnen zuerst die kontraktile Substanz abgelagert wird, stimmt mit denjenigen fast aller Autoren überein (Kaestner, Maurer, Sunier etc.). Auf unseren Modellfiguren MI bis M VI sind die Myo- blasten des primären Seitenmuskels entsprechend denen der Fig. L und Fig. N gekennzeichnet. Eine genaue Abgrenzung der einzelnen Zellbezirke ist natürlich nicht notwendig. Die Zahlen geben stets die ungefähre Lage an. Wenn wir nun in unserer Fig. N, die gewissermaßen film- artig die einzelnen Stadien der weiter entwickelten Somiten in wi RR kurzer Distanz vor Augen führt, 7 2a die Zellen 1 und 2 weiter ver- > — SE folgen, so bemerken wir bei Somit nn b. X, dass die bei der Radiärstellung Fig. R. sich (nach dem Myocoel zu) ver- Aufweitung der verjüngten basalen jüngenden Zellen eine Aufweitung Enden der Zellen des primären des „verjüngten“ basalen Endes Seitenmuskels von; Triton. erfahren. Ein Schema mag das durch die Textfig. R klarer hervortreten lassen. Wir geben Fig. R ohne Kommentar. Dieses Wachstum der Zellen 1 und 2, das zunächst also als Aufweitung der basalen Enden sich bemerkbar macht, hat zur Folge, dass die benach- barten Zellen 3 und 4 mit ihren dem Myocoel zugekehrten Enden gehoben werden (Fig. N, XI und X), und zwar in eine mehr longitudinale Richtung. Aber nur die in sagittaler Ebene liegenden Zellen (3 und 4) könnte man als „gehoben“ bezeichnen. Sobald Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 443 wir in die Frontalebene gehen, werden die den Zellen 1 und 2 benachbarten III und IV nach der Richtung der Chorda bezw. der Epidermis „zur Seite gedrängt“. Der Endeffekt ist derselbe, insofern auch hier die Zellen III und IV in eine mehr longitudinale Richtung kommen (natürlich immer in bezug auf die Körper- längsachse des Embryos). In Ebenen, die einen Winkel mit der Frontal- und der Sagittalebene verschieden von 90° (und einem Vielfachen von 90°) bilden, spielen sich ähnliche Vorgänge wie in diesen ab; man kann ad libitum neue Indices für solche Zwischenzellgruppen einführen und bezüglich sich die Vorgänge an diesen klarmachen. Diese Zwischenzellgruppen von gleichem entwicklungsgeschichtlichen Niveau wie 1 und 2 liegen dann auf einem Kegelmantel, vielmehr einem Doppelkegelmantel für das ganze Somit. Fig. S wird das völlig klarmachen. Bei X liegen solche Zwischenzelleruppen z. B., etwa in einer Ebene, die um 45° gegen die Frontal- wie die Sagittal- ebene geneigt ist, aber wie diese beiden senkrecht zur Trans- versalebene steht. waniall > cawal, Fig. S. „Zwischenzellgruppen“ in den Somiten von Triton bei X. Für die Zellen 3 und 4 in sagittaler, III und IV in frontaler Ebene werden ebenso Zwischenzellgruppen, mit jenen auf einem Kegelmantel liegend, anzunehmen sein (Fig. S, b; Indices X X, die etwa auch eine 45° Ebene andeuten). Bei dem Obliterieren des Myocoels stossen die beiderseitigen Zellkegel völlig zusammen und könnten jetzt eigentlich erst Doppelkegel heissen. Das Aufweiten der verjüngten basalen Zell- 444 A.W. Franz: enden, die dem Myocoel zugekehrt sind und welchen Vorgang wir bereits schilderten, hat für jene Doppelkegel die Folge, dass sie einem Zylinder sich nähern. Was erscheint da auf Transversalschnitten ? Im Stadium des völlig radiären Aufbaues der Somiten wird ein mittlerer Transversalschnitt das gleiche Bild wie ein mittlerer Sagittalschnitt zeigen (Fig. 17). Ein mehr kranial oder kaudal geführter Transversalschnitt des ‘Somiten weist Zellumrisse auf, wie wir das in Textfig. O (S. 429) bereits andeuteten, nach Art schief geschnittener Röhren. Näher dem Rande eines solchen Schnittes werden die Zellumrisse mehr in die Länge gezogen erscheinen, da die hier getroffenen Zellen für den Schnitt schiefer stehen. Wenn nun die Somiten in das Stadium der Obliteration des Myocoels und ferner des beginnenden Wachstums der Myo- blasten des primären Seitenmuskels rücken, so hatten wir vor- hin die Hebung bezw. Zurseiteschiebung der benachbarten Zellen 3 und 4 bezw. III und IV konstatiert (für 3 und 4 auf der nach dem wirklichen Objekt hergestellten Zeichnung N, bei XI bis IX). Ein Transversalschnitt durch die Mitte eines Somiten in einem solchen Stadium wird folgendes erkennen lassen: Die Zellen erscheinen nicht radiär gestellt, wie Fig. 17 und M,I erkennen lassen, sondern bereits auf einem Schnitte durch die Mitte dieses Somiten so, wie vorher in dem ersten Somitenstadium auf einem mehr kaudal oder kranial geführten Schnitte — d.h. nach Art schief geschnittener Röhren. Modellfigur M, II stellt einen Somiten im Stadium der Obliteration des Myocoels und des beginnenden Wachstums der Myoblastenzellen dar. Es ist hier zu bemerken, dass sämtliche Modellfiguren so orientiert sind, wie Fig. M, I, bei welcher bei- gesetzte Pfeile mit den Lagebezeichnungen .dorsal etc. das Nähere angeben. Die ausgeschnittenen, etwas mehr als einen „Quadranten“ der Somitenmodelle messenden Stücke legen eine Frontal- und eine Transversal-Schnittfläche frei. Die oben gegebene Erläuterung über das Bild der Trans- versalschnitte durch die ungefähre Mitte eines Somiten im Stadium M, II findet ihre schematische Darstellung auf dem Transversal- . schnitt dieser Figur. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 445 Was nun die feineren histologischen Verhältnisse der Zellen des Somitenstadiums M, II anbetrifft, so möge Fig. 26 eine Vor- stellung davon geben. Die Dotterkörner zeigen bereits eine be- ginnende Abnahme in ihrer Zahl und in ihrer Grösse. Die kleinen, stark lichtbrechenden Kugeln der Trophochondren (?) beginnen, sich aus dem Zellende, das dem Myocoel zugekehrt ist, mehr gleichmäßig über das ganze Zellinnere zu verteilen (cfr. Fig. 25). Das Plasma behält seine fädige Struktur bei; die peripheren Plasmaschichten der Zelle erhalten eine Verstärkung durch zer- fallenden Dotter und zum Teil durch Abwanderung des in der Umgebung der Kerne befindlichen Plasmas. Die Myosepten be- ginnen deutlicher hervorzutreten. Die Myoblasten des primären Seitenmuskels, die bereits das Myocoel zur Obliteration brachten, sind auch in zentrifugaler Richtung etwas gewachsen und stossen mit den gegenüberliegenden Zellen des Nachbarsomiten fest zu- sammen (Fig. N). Die Zellenden im Myoseptum sind stets rundlich. Hierdurch kommt es, dass zwischen solchen kuppel- förmigen Zellenden eines Somiten Einziehungen entstehen. In diese drängen sich die Enden der gegenüberliegenden Zellen des Nachbarsomiten ein, was rein mechanisch durch das rapide Wachstum der primären Seitenmuskelzellen erklärt wird. Ein sagittaler oder frontaler Schnitt durch zwei Somiten zeigt so ein Alternieren der Zellkuppen in den Myosepten. Sunier zeichnet in Fig. 14, a und b gleiche Verhältnisse für Muraena (Teleostei). Die Myosepten zeigen bereits das Auftreten feiner binde- gewebiger Fasern, die in allen Richtungen durcheinanderziehen. Die Zellgrenzen der in den Myosepten zusammenstossenden Zellen sind kontinuierlich und scharf markiert. Eine protoplasmatische Brücke quer durch das Myoseptum hindurch, wie es etwa Eycleshymer für Necturus angibt, ist nirgendwo zu beobachten. Im (Gegenteil: das Myoseptum bietet das Bild einer wohl charakterisierten Trennungsschicht. Das zweite Stadium der Myogenese von Triton ist gekennzeichnet durch das Obliterieren des Myvocoels in den Somiten und den Beginn des Wachs- tums der Zellen des primären Seitenmuskels. Zell- grenzen verschwinden dabei nicht, auch nicht in den Myosepten. 446 A. W. Franz: 3. Das Stadium der Auskeilung; Amitose. Wir kommen zum dritten und wichtigsten Stadium im Ver- laufe der Myogenese bei Triten. Nachdem die gegenüberliegenden Zellen des primären Seiten- muskels in einem Somiten im Zentrum des letzteren zusammen- gestossen sind, zeigen sie bald ein höchst charakteristisches Verhalten. Somit X in Fig. N (S. 441), noch deutlicher IX bis VII lassen das erkennen. Man bemerkt hier deutlich, dass jene Zellen sich aneinander vorbeizuschieben beginnen. Die eben noch, wenn auch gebogene, so doch ungefähr gleichmäßig verlaufende Linie, die die Schlusslinie des Myocoels andeutete, erscheint nunmehr zickzackförmig. Da nun Somit an Somit geschlossen angrenzt, so ergibt sich rein mechanisch die Notwendigkeit, dass die „zentralen“ Enden der Somitenzellen, beginnend bei den Zellen des primären Seitenmuskels, sich aneinander vorbeidrängen müssen. In den Myosepten lag ja etwas Ähnliches in dem „Alternieren“ der kuppelförmigen Zellenden vor. Hier kann aber ein An- einandervorbeischieben nicht erfolgen, da das Bindegewebe des Myoseptums dem im Wege ist. Der einzige Weg, auf dem Zellen dem Drucke des rapiden Wachstums nachgeben können, ist der, dass die Zellenden einer Somitenhälfte in die Interzellularen der anderen Seite sich ein- drängen und umgekehrt. Wir wollen diesen Prozess den der Auskeilung nennen. Die Geologie kennt ihn, ebenso die Technik für ähnliche Verhältnisse. Was zeigt nun das mikroskopische Bild’? Somit Vl in Fig. N zeigt diesen Prozess der Auskeilung bereits vorgeschritten. Die beim Verschwinden des Myocoels zentral gelegenen Zellenden etwa der kranialen Hälfte des Somiten sind bereits erheblich über die Mitte des Urwirbels hinausgerückt und nicht mehr weit von der gegenüberliegenden Wand entfernt. Der Zustand der ausgekeilten Zellen ist nun am weitesten in dem der Chorda zugekehrten Drittel des Somiten ausgebildet. Die Wachstumsachse liegt nicht in zentraler Lage im Somiten, sondern nach der Körpermitte des Embryos zu verschoben. Das zeigt ein Verfolgen sukzessiver Sagittalschnitte besser als ein Transversalschnitt. Ebenso erkennt man, dass die Wachstumsachse Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 447 nicht in einer mittleren Frontalebene des Somiten liegt, sondern in einer mehr ventralen, ungefähr in der Höhe der Chorda. Das stimmt mit dem Befunde des vorigen Kapitels überein. Die so erkannte, exzentrische, ventro-medial verschobene Lage der Wachstumsachse, also der Längsachse des Myoblastenbündels des primären Seitenmuskels, istin den Fig. M, Ibis VIberück- sichtigt und für unsere ferneren Untersuchungen sehr bedeutungsvoll. Der Prozess der Auskeilung erfolgt nun nicht etwa gleich- förmig, indem eine gleiche Anzahl von Zellen in frontaler wie sagittaler Ebene sowohl in latero-medialer als auch in dorso- ventraler Richtung aneinander vorbeigleiten. Vielmehr liegt der Hauptanteil der Aus- keilung in sagittalen Ebenen, d. h. die Myoblasten schieben sich zum grösseren Teil dorso-ventral übereinander, zum kleineren in medio-lateraler Richtung. Das ist der Grund, warum jedes Somit eine relative Abflachung in latero-medialer und eine relative Ausdehnung in dorso-ventraler Richtung erfährt. Absolut genommen wächst ein Somit wenig in die Breite, starkin die Höhe. Für die dem primären Seitenmuskel, resp. seinen Myoblasten, benachbarten Zellen hat die Auskeilung der ersteren offenbar eine noch weiter hebende bezw. zur Seite drängende Wirkung. Den Erfolg dieses Einflusses zeigen die Zellen 3 und 4 in Fig. N, deren einzelne Entwicklungsstadien kontinuierlich verfolgt werden können. Auch die dorsal wie ventral liegenden Zellen 5 und 6 werden bereits von dem Vorgange der Umbildung getroften. Bei ihnen ist aber (ebenso wie bei den „frontalen“ Zellen V und VI) der Vorgang der Hebung bezw. der Zurseiteschiebung mit einem anderen kombiniert, der sich sowohl aus zellmechanischen Gründen wie direkt aus dem mikroskopischen Bilde ergibt. Das Wachstum der Zellen 1 und 2 ist wesentlich be- schleunigter als das der Zellen 3 und 4 (III und IV), und das Wachstum dieser Gruppen wieder weit mehr beschleunigt als das der Zellen 5 und 6 (V und VD. So kommt es, dass die zentralen Zellen längst dem Prozess der Auskeilung unterliegen 448 A. W. Franz: und ihn nahezu vollendet haben, während die Zellen 5 und 6 (V und VI) ihr Wachstum gerade beginnen (Fig. N, Somit VD). Die Zellen 3 und 4 (III und IV) und in allen Fällen die Zwischenzellgruppen stellen Übergänge dar zwischen den fast ausgekeilten Zellen 1 und 2 und den gerade ihr Wachstum beginnenden 5 und 6 (V und VI). Diese Wachstumsverzögerung hat nun für die Zellen 5 und 6 (V und VI) die Folge, dass sie vor ihrem „Wachstum“ zunächst in dorso-ventraler Richtung zusammengedrückt werden. Dieser Modus erinnert sehr an das von uns geschilderte Prinzip der Abkugelung von Kaestner. Sehr schön zeigen diese Verhältnisse in sukzessiven Stadien die Somiten XI bis VIII der Fig.N. Aber zu einer regelrechten Abkugelung kommt es nicht, vielmehr setzen nach der Zusammen- drückung der Zellen 5 und 6 (V und VI) die Wachstumsprozesse, wenn auch langsam, in ihnen ein, die ihre einer runden angenäherte Form zu einer longitudinalen umwandeln. Dabei ist ihre Lage für eine solche Umwandlung sehr günstig und von einer grobmechanischen Weise der Gewebs- bildung würde man hier nicht reden können. Zu alledem kommt noch eins. Die von uns im voraus- gegangenen erkannte exzentrische Lage der Wachstumsachse des Somiten hat die Wirkung, dass die der Chorda zugekehrten Zellen III und IV, V und VIim Wachstum weiter sind als die ent- sprechenden der lateralen Somitenseite.. Die Fig. M, III bis V berücksichtigen das. Für Transversalschnitte hat nun der Prozess der Auskeilung die folgende Wirkung bezüglich des mikroskopischen Bildes. Durch die Hebung bezw. Zurseiteschiebung der zentralen Zellenden werden die Zellen 3 und 4, III und IV mehr und mehr auf die Transversalebene senkrecht gestellt (mit ihren Längsachsen). Sie werden also, während sie auf dem Transversalschnitte der Fig. M, II als sehr schief geschnittene Röhren erschienen, nun mehr und mehr als senkrecht geschnittene Röhren, eigentlich besser Prismen, auftreten. Am stärksten zeigt sich das selbst- verständlich in unmittelbarer Umgebung der Zellen des primären Seitenmuskels, wo die Zellen 3 und 4 (III und IV) fast wie jene selbst senkrecht getroffen und mehr oder minder regulär- polygonale (@uerschnitte liefern. Der Transversalschnitt der Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 449 Fig. M, III sucht diese Verhältnisse klar zu machen. Hier erscheinen die Zellen 5 und 6 (V und VI) noch nicht so stark gehoben bezw. zur Seite gedrängt, wie in Fig. M, IV und deshalb schiefer ange- schnitten als hier. Die Zellgrenzen sind dabei langgezogen polygonal. Vor allem aber darf man nicht glauben, schöne regelmässige Bilder zu erhalten; so glatt, wie er bisher schematisch dargestellt wurde, vollzieht sich der Prozess der Auskeilung nicht. Da wir ge- wohnt sind, das Prinzip eines Geschehnisses zu erkennen und es uns klarzumachen, so greifen wir zum Schema, das alles auf eine einfache Formel bringt. Das zeigt auch Textfig. T, die den (uerschnitt eines mittleren Somiten von einem Triton-Embryo mit 18 Urwirbeln darstellt. Die Form der Zellgrenzen ist durchaus nicht regelmässig. Gemäss den vorangegangenen Erläuterungen zeigen die Zellen des primären Seitenmuskels (PS) in Fig. T eine * ; 3 h ; eines Tritonembryo mit 18 Ur- mehr rundliche, dieder Randbezirke ben ObiD. Kenn. Or eine mehr langgezogene, polygonale Verkl. auf ?s. Form. Man könnte hierbei treffend von einem verzogenen Mosaik sprechen. Fig. T zeigt den Quer- schnitt eines Somiten im ungefähren Stadium der Fig. M, II. Bei der oben geschilderten „Verdrängung der Enden“ der Zellen III und IV in frontaler und 3 und 4 in sagittaler Ebene schieben sich Zellenden übereinander und zwar in der Art, wie wir es in Textfig. P erläutert haben. Dass auf Querschnitten solche übereinandergeschobenen Zellen nicht etwa geschlängelte oder dergleichen Zellgrenzen haben, sondern stets in der Art der Fig. T, ist nicht schwierig vorstellbar. Wie nahe übrigens Kaestner 1890 (S.4) dem von uns festgestellten Modus der Zellverlängerung in den Somiten gekommen ist, möge die ungefähre Kopie seiner Fig. 8 dartun, die hier als Textfig. U folgt. Fig. T. Querschnitt durch den Somiten 450 A. W. Franz: Kaestner deutete in diesen Umrissen „Übergänge zwischen den Epithelzellen“ der Somiten an. Wir brauchen nur Fig. U mit Fig. M, H bis M, IV zu ver- gleichen, um sofort zu erkennen, dass die meisten der Kaestner- schen Umrisslinien nichts anderes als Zellerenzen schief ge- schnittener Somitenzellen sind. Kaestners Fig. S bezieht sich auf Huhn und Ente. Wir vernahmen, dass die Zellen V und VI medial vom primären Seitenmuskel resp. dessen Myoblasten am weitesten in der Entwicklung allen anderen J V und VI. 5 und 6 voraus sind. b N \ [ O Die dorso- und ventral gelegenen Fig. U. 5 und 6 erlebten zunächst eine Üherganesf nn enamiken. Zusammendrückung in dorso-ven- zellen bei Huhn und Ente nach traler Richtung und wuchsen dann Kaestner (Fig. 8). langsam in longitudinaler Richtung aus. Dohrn nannte diese dorso- und ventral gelegenen Zellen „Kuppelzellen“. Wie Dohrn, so beobachteten auch Kaestner und Maurer Mitosen in ihnen. Für Triton können wir das bestätigen. Sunier nennt das Gebiet der Kuppelzellen „zöne de croissance“, Hertwig Wucherungszone. Wir hatten bereits er- wähnt, dass diese Zellen durch Teilung zur Vermehrung der Myoblasten beitragen. Diese Ansicht ist Allgemeingut der Autoren. Nun beobachteten wir, dass die medialen Zellen V und IV sich infolge der Nähe der Wachstumsachse bereits gestreckt hatten, während die dorso- und ventralen Zellen 5 und 6 noch kaum ein stärkeres Wachstum verrieten. In jenen gestreckten Zellen fanden wir nun niemals eine mitotische Teilung, wohl aber in den Kuppelzellen. Wir gingen dieser auffälligen Beobachtung nun weiter nach und fanden bald, dass inallen Zellen, die sich in der longitudinalen Körperrichtung strecken, um von einem Myoseptum zum andern zu ziehen, nie eine Mitose auftritt. Alle Somiten- zellen, welche die Tendenz haben, sich zu Myo- blasten zu strecken, verlieren die Fähigkeit, sich mitotisch weiter teilen zu können. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 491 Dieses Vermögen behalten nur die Dohrnschen Kuppel- zellen und, wie wir feststellten, einige Zellen der lateralen Wand des Somiten. Für alle diese Zellen, welche die Fähigkeit be- halten, sich mitotisch weiter zu teilen, ist es aber charakteristisch. dass sie, bevor ihre Längsausdehnung einen gewissen Grad er- reicht hat, die mitotische Teilung eingehen. Ein Längenwachstum ist für sie kaum festzustellen, dasjenige der sich streckenden und zu Myoblasten werdenden Somitenzellen aber als auffällig schnell sich abspielender Prozess zu konstatieren. Wenn wir in Fig. N die Somiten XI bis etwa VIII be- trachten, so zeigt sich bereits bei XI, dass die Zellkerne dieses Somiten Andeutungen von Einschnürungen besitzen. Somit X zeigt sehr deutliche, tiefe Einkerbungen der Kerne, zum Teil bereits zwei Kernteilstücke, die hintereinander liegen. IX weist bereits viele zweikernige Myoblasten auf, in VIII und VII sind bereits dreikernige zu bemerken. Ohne jede Ausnahme zeigte sich nun auf allen unseren Schnitten, dass in den sich streckenden Zellen, den Myoblasten, nie eine Mitose, sondern stets die Fragmentation eine Vermehrung der Kerne herbeiführte. Fig. 19 gibt ein Übersichtsbild der Verhältnisse. Der Schnitt war in stark tangentialer Ebene geführt, so dass relativ viele Kuppelzellen (kz) getroffen wurden. Im Nachbarsomiten sieht man in diesen eine Mitose. Die gestreckten Myoblasten weisen keine solche auf. Das letztere wollen wir näher untersuchen. Fig. 20 gibt aus einem andern Schnitte desselben Präparates (Triton, 15 Urwirbel) die mittlere Partie eines Somiten in starker Vergrösserung. Der Pfeil M zeigt die Mitte des Urwirbels an. In dieser Region erkennen wir, dass die Auskeilung der Zellen durchaus nicht in regelmäßiger und schablonenhafter Weise er- folgt. Sie erscheint gewissermaßen gewaltsam. Auf die Winkel- bildung der Zellgrenzen, die wir in Fig. O erläutert hatten und die ein vorzüglicher Beweis für „Zellgrenzen“ ist, machten wir bereits in Hinsicht auf diese Fig. 20 aufmerksam. Was uns hier interessiert, sind die Kerne. Diese haben meist eine sonderbare (restalt, bald länglich-oval, bald mit eigen- artigen Fortsätzen, dann wieder gelappt und proliferiert. Ein- schnürungen, mit Übergängen zur völligen Durchtrennung, sind an den Kernen festzustellen. Dabei zeigen sich in den Kernen 452 A. W. Franz: zwei oder auch mehr Kernkörperchen. Die Fragmentation er- folgt nun nicht nur quer zur Längsrichtung des Kernes, sondern auch so, dass die Zerschnürungsebene parallel zu einer Längs- achsenebene desselben auftritt (Fig. 20, ta bezw. pa). Der Kürze halber nennen wir von nun ab jenen Modus transaxiale, diesen Modus paraxiale Fragmentation oder Amitose. Diese Unterscheidungist sehr wichtig, denn sie erklärt das Auftreten zweier Kerne im Quer- schnittbilde junger Myoblasten, oder eventl. auch mehrerer Kernein solchen. Die Möglichkeit der Identifizierung von „Mehrkernigkeit“ und „Mehrzelligkeit“ der Verte- braten-Muskelfaser (cfr. Maurer 1894, S. 474, 491 und vor allem 3.525) erscheint auch von dieser Stelle aus als nicht bestehend erwiesen. Wir werden gleich die neueren Beobachtungen bei den verschiedenen Vertebratenklassen kennen lernen. Zuvor aber soll die Stelle S. 525 von Maurer hier als Zitat Platz finden: „Im Innern jedes Bandes (Muskelbandes der Ganoiden, Verf.) befindet sich ein indifferentes Plasma mit Kernen und zwar findet man auf jedem Querschnitt zwei bis drei Kerne, so dass ein Muskelband in diesem Stadium sicher nicht einer einfachen Zelle entspricht“ (!). Das Präparat der Fig. 20 war mit Eisenhämatoxylin auf Uhromatin differenziert worden. Dabei zeigte sich, dass die derben, stark tingierten Chromatin- klumpen der Kerne durch ihre Färbung und ferner durch ihre grosse Zahl die Nukleolen zum grössten Teil verdeckten. Es wurde deshalb auf einem weiteren Präparat weiter mit Eisenalaun differenziert, so dass die Chromatinbrocken noch eben einen Anflug von der Hämatoxylinfärbung aufwiesen. Auf diesem Präparate wurde mit Lichtgrün sorgfältig nachgefärbt und dieses ebenso differenziert. Nach diesem Verfahren zeigten die Nukleolen eine sehr günstige Tinktion und scharfes Hervortreten vor den anderen Kernbestandteilen. Fig. 21 veranschaulicht die Verhält- nisse eines solchen Präparates. Die Zahl der Nukleolen in den Kernen schwankt zwischen einem und fünf; auf anderen Präparaten konnten wir sieben bis neun (!) feststellen. Sie sind nicht nur in der Längsachse hintereinander angeordnet, sondern auch in zu Uni- od. multizelluläre Entwicklung d, quergestreiften Muskelfasern. 453 dieser queren Richtungen. Dabei erkennt man, dass meist ein Nukleus einem grösseren Kernstücke zugeordnet erscheint, das zum Teil im Begriffe ist, sich abzutrennen. Bei schärferer Ver- grösserung zeigen sich (Fig. 23) auch die Nukleolen strukturiert. Sie erscheinen vakuolisiert, indem ein bis zwei helle, stark licht- brechende, winzige Bläschen beim Spiele des Tubus in den Nukleolenkörpern auftauchen. Diesen Bläschen lagert sich meist ein feines, sehr scharf tingierbares Korn an, der Nukleolinus (M. Heidenhains Terminus S. 153). Die Nukleolen zeigten deutliche Teilungserscheinungen ; bereits bei den Untersuchungen an Porcellio beschrieben wir diese. Hier bei Triton haben wir hinzuzufügen, dass jene Erscheinungen wegen der Grösse der Elemente weit schärfer hervortreten. Vielleicht kann man als sicher annehmen, dass die Fragmentation des Kernes durch voraufgegangene Teilungen der Nukleolen veranlasst wird. Hier ergibt sich ein bedeutungsvoller Gegensatz zu der Mitose der Kerne, bei der bekanntlich der Nukleolus eine sehr untergeordnete Rolle spielt, insofern, als er leicht resorbiert wird (Strasburger). Wir erinnern hier an die Ansicht Bo veris. Dieser Autor definierte bekanntlich 1588/1901 das Zentrosom als „dynamisches Zentrum der Zelle“. Es ist selbständiges, dauerndes Zellorgan, das sich, wie die chromatischen Elemente, durch Teilung auf die Tochterzellen vererbt. Durch die Teilung der Zentrosomen werden die beiden Zentren der zu bildenden Tochterzellen geschaffen, um die sich alle übrigen Zellbestandteile symmetrisch gruppieren. Der wichtige Gedanke, der hier zum Ausdruck kommt, scheint für uns die Tatsachen richtig zu charakterisieren, und wir können ihn, kombiniert mit unseren bisherigen Ergebnissen, auf die folgende erweiterte Form bringen. 1. Die Mitose ist ein scharf charakterisierter, einleitender Vorgang für die Bildung neuer Zellen; neuer Zellen, die alle Eigenschaften der Mutterzelle mit aufihren Lebensweg bekommen. Die Zelle als histologische Einheit besitzt eine gewisse „Üohäsionskraft“ ihrer Teile, die ein be- sonderes lokomotorisches Organ voraussetzt, um aufgehoben zu werden, also für den Fall, dass Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 30 454 A. W. Franz: die Zellkomponenten eine molekuläre Trennung (Zellteilung) erfahren Dieses Organist. das Zentriol. Die Halbierung der Chromosomen ist der morphologisch am deutlichsten ausgeprägte Ausdruck der Tendenz, eine neue histologische Einheit mit der gleichen Valenz wie die Mutter- zelle zu bilden. In den Dohrnschen Kuppelzellen bleibt bei der Myogenese der Vertebraten dieser Modus erhalten. Alle andern Somiten- zellen, die durch ihre Streckung verraten, dass sie zu Myoblasten prädisponiert sind, kennen nur die Kernteilung ohne Zelleib- teilung, die Amitose. Ein Zentrosom konnten wir trotz grösster Mühe in allen Myoblasten, welche Amitosen aufwiesen, nicht konstatieren, was vielleicht aus obigen Gesetzen so hervorgehen würde. Bei der Amitose bleibt der Nukleolus erhalten. In Stücken des Kerns, die sich abschnüren, findet man stets Nukleolen. Es ist möglich, dass bei der Amitose der Nukleolus eine aktive Rolle hat, insofern als er das lokomotorische Organ bei dieser Teilung darstellt. So ist: 2. Die Amitose der Vertebraten-Myoblasten entgegen der Mitose (z. B. der Dohrnschen Kuppel- zellen) der morphologische Ausdruck der Tendenz einer Zelle, sich durch einen beschleunigten Wachstumsprozess zu inneren Zellneubildungen vorzubereiten. Hier ist hinzuzufügen, dass wir auch in späteren larvalen Stadien von Triton und Salamandra ebenso nie ein Zentrosom im Muskelgewebe fanden und ebenso keine Mitose wie in den embryonalen Muskelzellen. Hier ziehen wir zur Bestätigung das Urteil des ausgezeichneten Histologen Martin Heidenhain heran, welcher (1911, S. 554) bemerkt. „dass er, obgleich er seit 15 Jahren ungezählte Längsschnitte von Triton- und Salamandra- larven vor Augen gehabt habe, sich nicht entsinnen könne, jemals im Muskelgewebe eine mitotische Figur gesehen zu haben“. Wenn Godliewski an den gleichen Objekten Mitosen und noch häufiger Amitosen gesehen hat, so können die „Mitosen“ nur so erklärt werden, dass er in ihnen Teilungserscheinungen Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 455 der Kerne der in das Muskelgewebe eindringenden Bindegewebs- zellen gesehen hat. Unser ausführliches Eingehen auf den vorliegenden Gegen- stand geschah deshalb, um einmal mit scharfer Deutlichkeit das herauszuarbeiten, worauf es hier ankommt: nämlich die Amitose als eine Begleiterscheinung eines lebhaften Wachstumsprozesses der embryonalen Bildungseinheiten des Muskelgewebes, der Myo- blasten, hinzustellen. Sie unterscheidet sich darum sehr von der indirekten Kernteilung, die das Symptom eines wesentlich anderen Prozesses ist. Aus der übrigen hier in Betracht kommenden ungeheuer reichhaltigen Literatur zitieren wir folgendes wenige: Ranvier muss 1881 das Bild der Amitose vor Augen gehabt haben, wenn er schreibt, „dass die Kerne in mehrkernigen Muskelfasern ein oder zwei Kernkörperchen enthalten und dass es oft vorkommt, dass diese Kerne paarweise liegen und dass sie Teilungserscheinungen zeigen, z. B. das Vor- handensein von zwei Kernkörperchen oder Einschnürungen‘. 1891 nennt Flemming „Die Fragmentation des Kernes, mit und ohne nachfolgende Teilung der Zelle (!) überhaupt in den Geweben der Wirbeltiere einen Vorgang, der nicht zur physiologischen Vermehrung und Neubildung von Zellen führt“. Wir bemerken hier, dass für uns die Beobachtung einer Amitose mit nachfolgender Teilung des Zelleibes auf einen degenerativen, nicht auf einen Wachstumsprozess ganz im Sinne Flemmings schliessen lässt. Für H. E. Ziegler bedeutet (1891, S. 374) die amitotische Kernteilung stets das Ende der Reihe der Teilungen. Die gegensätzlichen Anschauungen sind durch die obige Bemerkung unter Flemming gekennzeichnet; unsere Stellung zu ihnen ist ebendort gegeben. Speziell für die Amitose der Vertebraten-Muskelfaser ergibt sich folgendes Bild (wir ziehen nur einige Arbeiten heran, die einen streng entwicklungsgeschichtlichen Standpunkt vertreten): Eycleshymer findet bei Larven von Necturus bis zu 26 mm Län indirekte Teilung der Kerne (1904). Mac Callum hatte „bei dem gleichen Objekt wie Eycleshymer in betreff der Mitose ausschliesslich negative Befunde“ (Referat Heiden- hains 1911). Sehr wichtig für uns und fast genau konform mit unserer Ansicht ist die von: Bardeen (1900): Nach ihm finden beim Schwein in den jugendlichen Muskelfasern, sobald sie durch ihre verlängerte Gestalt (!) und durch das Auftreten der Fibrillen sich als Myoblasten ausweisen, überhaupt nur noch Amitosen statt. Wie aus unseren bisherigen Untersuchungen hervorgeht, findet die ausgedehnte Amitose in den jungen Myoblasten von Triton bereits nach 30* 456 A. W. Franz: dem Beginne der Streckung statt, ohne dass Fibrillen in den jungen Muskel- zellen schon vorhanden sind. In seiner vorzüglichen Arbeit über die Acranier, Teleostier und Selachier entwickelt Sunier (1910, S. 174) die Ansicht, dass die Myoblasten der Amnioten sich direkt in Zylinderform strecken, im Gegensatz zu denen der Pisces, wo „en forme de cellules de plaque“ sich ausdehnende mediale Myotomzellen zu finden sind, und knüpft hieran folgenden Ausspruch: „Pendant que le myoblaste se differencie de cette facon ses noyaux aug- mentent souvent, sinon toujours, par amitose“. Der vorsichtige Sunier fügt in Paranthese ‚sinon toujours‘ hinzu; für die Urodelen (Triton) geschieht die Kernteilung in den sich streckenden Myoblasten immer nach dem Modus der Amitose. In seiner Untersuchung über das Hühnchen geht Duesberg (1910, S. 632) noch einen Schritt weiter als Sunier, wenn er sagt, dass er sämtliche Stadien der Myogenese seit dem 5. Tage aufs sorgfältigste studiert habe, „sans jamais trouver un noyau musculaire a une phase quelconque de la division kariokinetique. J’en conclue que la multiplication des noyaux se fait exclusivement par amitose.“ Diese Befunde erhalten ihre völlige Bestätigung durch die Myogenese der Urodelen, die hier Gegenstand der Untersuchung ist. Aus diesen prinzipiell übereinstimmenden Befunden ergibt sich wohl mit allgemeiner Gültigkeit das folgende Gesetz: Die. tumpfmuskulatur der Vertebraten nimmt von Somitenzellen ihren Ursprung, die sich in ihrem Gewebsverbande dadurch als Myoblasten kenn- zeichnen, dass ein lebhafter Wachstumsprozess ihre schnelle Streckung zu longitudinal durch den ganzen Somiten hinziehenden Zellen ver- anlasst.e Von dem Zeitpunkte der beginnenden Streckung ab geschieht die Kernvermehrungiin den Myoblasten ohne Teilung des Zelleibes aus- schliesslich durch Amitose und zwarin par- wie transaxialer Weise. Die Amitose stellt eine Be- gleiterscheinung dieses Wachstumsprozesses dar, nicht ein Symptom einer Degeneration. Demnach kann eine Vielkernigkeit der Vertebratenmuskelfaser nicht für einen vielzelligen Ursprung derselben ausgedeutet werden. Hierzu kommt noch als Resum& aus der ersten Hälfte dieses Kapitels folgendes: Das Radiär-Parallelproblem der Somitenzellen der Urodelen und wohl der gesamten Vertebraten erfährt seine Lösung durch das Prinzip der Auskeilung. Die Annahme Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 457 Kaestners von einer Drehung der Somitenzellen um 90° oder von einer Abkugelung derselben kommt dem Prinzip der Auskeilung nahe; aber eine Umwandlung der Somitenzellen zu einem Synzytium, wie es Maurer vor allem für die Oyclostomen und Ganoiden annimmt, ist nach den neueren Untersuchungen nicht zu konstatieren, für Triton liegt sie unter keinen Umständen vor. 4. Parallellagerung der Myoblasten;, Differenzierung der Fibrillen. Wie wir im 1. Kapitel feststellten, handelt es sich bei der Untersuchung der Muskelentwicklung von Triton und weiterhin von den Vertebraten überhaupt um die Erledigung zweier Hauptfragen. 1. Bleiben die Zellgrenzen bei der Streckung der Myoblasten erhalten ? 2. Wie ist die Vielkernigkeit der quergestreiften Muskel- faser zu erklären ? Die zweite dieser Fragen wurde im vorangegangenen Kapitel völlig beantwortet. Auch die erste Frage ist bereits zu einem grossen Teile ihrer Erledigung entgegengeführt worden. Es bleibt noch übrig, das Stadium der erreichten Parallellagerung der Somitenzellen zu untersuchen und ferner das Auftreten der kontraktilen Substanz. Im 5. und letzten Kapitel betrachten wir die fertige Muskelfaser. Wir waren bis zu einem Stadium der Muskelentwicklung geführt worden, auf dem die Zellen des primären Seitenmuskels, 1 und 2, vermittelst der gegenseitigen Auskeilung nahezu die gegenüberliegende Wand des Somiten erreicht hatten. Fig. N lässt das im VI. Somiten für einige Zellen 1 und 2 erkennen. Fig. M,\V zeigt die Verhältnisse in etwas weiter fortgeschrittener Entwicklung. Während nun die Zellen 1 und 2 kurz vor dem Aufstossen auf das gegenüberliegende Myoseptum stehen, sind die Zellen 3 und 4, III und IV samt ihren Zwischenzellgruppen erst etwa auf dem halben Wege dazu. Am weitesten sind die Zellen 5 und 6, V und VI zurück, mit Ausnahme der medial gelegenen Zellen V und VI, die (ebenso wie die von den Gruppen 3 und 4, 458 A. W. Franz: III und IV auszunehmenden medialen Zellen II und IV) den bezüglichen dorsal, ventral und lateral gelegenen Gruppen in ihrer Entwicklung voraus sind. Wir hatten erkannt, dass die exzentrische Lage der Wachstumsachse des Somiten, des primären Seitenmuskels, den Grund für die eben angegebene Erscheinung bildet. Vorhin war auch die Rede davon, dass die Auskeilung zum grösseren Teile in sagittalen Ebenen vor sich gehe, wodurch das Somit zunächst viel stärker in die Höhe als in die Breite wächst. Die exzentrische Lage des primären Seitenmuskels hat nun für die Auskeilung in sagittalen Ebenen wieder die Folge, dass sie eine Verschiedenheit in den medialen und lateralen Teilen des Somiten zeigt. Allgemein werden ja, wie wir sahen, in sagittaler Ebene mehr Auskeilungen vorgenommen als in frontaler Ebene, die Zellen schieben sich gewissermaßen mehr in dorso-ventraler Richtung anstatt in latero-medialer aneinander vorbei. Im besonderen liegt hier bei diesem Prozesse der Haupt- anteil wieder nach der medialen Seite des Somiten hin. Das kommt in der Gestalt des Somiten bei fast erreichter Parallel- lage der Zellen zum Ausdruck. Wenn man sich in der Höhe der Chorda die Mitte des Somiten bestimmt und durch diese eine Sagittalebene gelegt denkt, so liegen nach der medialen Seite von dieser Ebene mehr Zellen als nach der lateralen Seite des Somitenkörpers, oder anders ausgedrückt, wenn man sich eine loneitudinale Ebene durch die oberen und unteren Kuppelzellen gelegt denkt (cfr. Fig. T die beiden Pfeile X), so ist die medial von dieser Ebene gelegene Zellschicht des Somiten mehr als gleich- mässig hohe Platte ausgebildet, die lateral gelegene Zellschicht dagegen mehr als gewölbte Kappe, die ihre stärkste Auswölbung in der Höhe der Chorda zeigt; ein Zeichen, dass dort der Anteil der Auskeilung in dorso-ventraler Ebene grösser war als hier. Die exzentrische Lage des primären Seitenmuskels macht sich eben für. das gesamte Wachstum des Somiten bemerklich, nicht nur für einen Teil desselben. Demgemäss hat man sich auch die Schemata der Fig. S „exzentrisch“ verändert zu denken, z. B. die Achse der „Doppel- kegel“ mehr nach der Chorda zu gerückt und ihre medialen „Mantelregionen“ abgeplattet. Das Schema der Fig.V, die in a und b einen Querschnitt durch einen Somiten darstellt, zeigt in dem Somitenkörper S den (Querschnitt des Zellgruppenkegels Uni- od. multizelluläre Entwicklung d, quergestreiften Muskelfasern. 459 („Doppelkegels“) z. Gemäss den obigen Erläuterungen würde b die richtigen Verhältnisse zeigen. Die Betrachtung der Fig. T, die nach einem Präparate hergestellt wurde, lässt das oben Frläuterte erkennen. Die Modell- figuren M, III bis IV suchen den an Präparaten festgestellten Verhältnissen nach Möglichkeit 7 Rechnung zu tragen. Die Zell- grenzen sind in den Fig.M, I ut bis IV auf den Transversaltlächen mehr rautenförmig gehalten, da Ä 5 diese Gestaltgebung sehr ge- eignet ist, die Zellen mehr oder Fie, V. Eu ng erschiensgesehnibtene b zeigt die mediale Abplattung der Röhren erkennen zu lassen. In ellsruppenkegel im Somiten s von Wirklichkeit sind die Zellumrisse Triton. unregelmässig polygonal in mehr oder minder verzogenem Zustande, je nachdem sie mehr am Rande oder im Zentrum des Schnittes liegen (Transversalschnitt !). Von allen Somitenzellen erreichen nun die des primären Seitenmuskels zuerst — mit ihren freien Zellenden — das jeweilig gegenüberliegende Myoseptum. Konnte man vorher noch von kranialen und kaudalen oder vorderen und hinteren Myoblasten des primären Seitenmuskels sprechen, so ist das für das Stadium der völligen Längsstreckung nicht mehr oder höchstens ent- wicklungsgeschichtlich möglich. Nach einiger Zeit haben sich sämtliche Zellen des primären Seitenmuskels durch die ganze Länge des Somiten gestreckt und ziehen nun kontinuierlich von einem Myoseptum zum andern. Fig. M,\V lässt das an der kaudalen Wand des Somiten erkennen. Den Zellen 1 und 2, die hauptsächlich die Zellen des primären Seitenmuskels darstellen, schliessen sich nun in kontinuierlicher Folge in Gruppen III und IV, 3 und 4 an, von denen ja, wie wir sahen, die medial gelegenen III und IV am weitesten voraus waren. Für das Querschnittbild des Somiten hat das zur Folge, dass die Zellen III und IV, 3 und 4 immer weniger als „schief geschnittene Röhren“ erscheinen, ihre Umrisse demnach stets mehr und mehr aus dem langgezogenen in den rundlichen Zustand übergehen. Das lehrt ein Vergleich der Fig.M, III bis V, ferner 460 A. W. Franz: die Fig. T. Die Zwischenzellgruppen in den longitudinalen Ebenen, die winkelbildend zur sagittalen und frontalen Ebene auftreten, zeigen ebenso Abrundung der Zellumrisse auf Querschnitten. Während so die Zellen III und IV, 3 und 4 nahe daran sind, das bezügliche kaudal oder kranial gegenüberliegende Myo- septum mit ihren freien Enden zu erreichen, zeigen die Zellen 6 und 5, VI und V ein anderes Verhalten. Die medial gelegenen Gruppen VI und V sind den lateralen VI und V und den dorsalen und ventralen 6 und 5 sehr weit voraus. Ihre Auskeilung ist in der Hauptsache in sagittaler Ebene erfolgt und sie sind, wie Fig. M, V zeigt, sämtlich in ziemlich weit gestrecktem Zustande. Von allen Gruppen 6 und 5, VI und V erreichen sie zuerst die benachbarten Myosepten. Sie wachsen dabei in zwei Richtungen aus, was ja die Zellen 1 und 2 z.B. zum grössten Teil nicht können. Von den lateralen Gruppen V und VI und ebenso den dorsalen und ventralen Zellen 6 und 5 hatten wir bereits fest- gestellt, dass sie nicht alle eine Streckung in longitudinaler Richtung erfahren, wenigstens keine ununterbrochene. Viele von ihnen, die mehr in der transversalen Mittelebene gelegenen vor allem, werden durch Mitose weiter geteilt. Am ausgeprägtesten zeigen das die dorsalen und frontalen Zellen 6 und 5 dieser Art, die Dohrnschen Kuppelzellen, welche die Wachstumszone für das Somit, die Entwicklungsregion sich neu bildender Myoblasten darstellen. Sobald die mitotisch abgeteiltern Zellen 6 und 5 in den Prozess der beschleunigten Streckung verfallen, verlieren sie das Vermögen, sich mitotisch weiter vermehren zu können und ihre Kernvermehrung, die bei jenem Wachstumsprozesse eine Begleiterscheinung bildet, geschieht nur amitotisch. Im vorigen Kapitel haben wir das genauer dargestellt. Die Neubildung junger Muskelzellen von dieser „Wachstumszone“ aus ist in neueren Arbeiten allgemein beobachtet worden (Dohrn, Kaestner, Maurer, Sunier, Duesberg u.a.) In den lateralen Zellgruppen V und VI finden auch Vor- gänge derart statt, dass nur ein Teil dieser Zellen den Prozess der Streckung eingeht. Einige teilen sich mitotisch weiter. Alle die Zellen, die nun nicht durch einen Wachstumsprozess in Form einer beschleunigten Streckung mit begleitender Amitose des Kerns die Tendenz verraten, Myoblasten zu werden, bilden die Anlage Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 461 des mesenchymatischen (rewebes. Es scheint, als ob sie isoliert aus dem Verbande der Myoblasten auswandern, wie das in Fig. M, VI schematisch dargestellt ist bei den MarkenX. Die laterale Schicht des Somiten, die solche Zellen ausstösst, haben wir schematisch durch einen starken dunklen Strich vom Myo- blastenkomplex abgetrennt. Ein eigentliches laterales Blatt „in Form einer epithelialen Schicht“ haben wir nicht konstatieren können, sondern nur vereinzelt ausgetretene Zellen; indessen sind wir der Entwicklung des Bindegewebes als vom Thema abführend nicht nachgegangen. Aus den ventralen Zellen 6 und 5 geht ausser einer Zahl junger Myoblasten später das Sklerotom hervor. Sunier nennt die dorsalen und ventralen Zellen, die noch die Fähigkeit haben, sich mitotisch zu teilen, „cellules indifferen- cieces, meristematiques, comme on dit en botanique* (S. 97, 99). Es ist das ein ausgezeichneter Vergleich, der in knapper Form die Elemente der Wucherungszone charakterisiert. Wir kommen nun zur Besprechung von Längs- und Quer- schnitten durch einen Somiten, dessen Zellen nahezu alle parallel in longitudinaler Körperrichtung liegen. Wie wir erkannten, werden durch das Wachstum der Zellen des primären Seitenmuskels die benachbarten Zellpartien mit ihren zentral gelegenen Enden in sagittaler Ebene nach dorsaler bezw. ventraler Riehtung gehoben (gesenkt) und in frontaler Ebene nach medialer oder lateraler Richtung zur Seite gedrängt. Nach dem Prinzip der Auskeilung spalteten die freien Zellenden der Elemente des primären Seitenmuskels z. B. auf der kranialen Seite die „Zellgrenzen“ der kaudalen gegenüberliegenden Zellen auf. Die wenigen, in rein longitudinaler Richtung liegenden Zellen des primären Seitenmuskels zeigten dabei das Prinzip der Aus- keilung am reinsten ausgeprägt. Bei den benachbarten Zellgruppen kam eine Scherung der Zellen hinzu, insofern als sie während ihrer Auskeilung zu gleicher Zeit durch die wachsenden und sich nebeneinander herschiebenden Zellen des primären Seitenmuskels gehoben bezw. zur Seite gedrängt wurden. Dabei hatte die Wachstumsachse des Somiten, die von den Elementen dieses Muskels dargestellt wird, eine exzentrische Lage im Somiten- körper inne. Auf Mänteln von Doppelkegeln, die allmählich durch Aufweiten ihrer eingezogenen Mitte zu Zylindern wurden, hatten 462 A.W. Franz: wir uns die Zellen gleichen entwicklungsgeschichtlichen Niveaus aufgeordnet gedacht. Die Zellen, die mit ihren Längsachsen auf dem Radiär- stadium mehr in transversaler Mittelebene des Somiten lagen, wurden vor ihrer Auskeilung zunächst zusammengedrückt (Fig. N, XI bis IX). Dann begannen sie in die Länge zu wachsen, unter Innehaltung der Longitudinalrichtung des embryonalen Körpers, indem sie zu gleicher Zeit sich gegenseitig auskeilten. In ihrer Gesamtheit hatten diese Prozesse für das Quer- schnittsbild die Folge gehabt, dass zunächst die Zellumrisse lang- gezogen erschienen, wenn wir die Randpartien eines Schnittes betrachteten. An einer exzentrisch gelegenen kleinen Gruppe beobachteten wir eine mehr rundliche Form dieser letzteren. Es war das die Stelle des primären Seitenmuskels; die genau in longitudinaler Richtung gelegenen Somitenzellen erscheinen vom Radiär- bis zum Parallelstadium des Somiten stets von rundlichem (Juerschnitt. Wir hatten dann beobachtet, dass auf dem Transversal- schnitt in der Umgebung des primären Seitenmuskels stets mehr Zellen mit rundlichem Querschnitt auftreten. Durch die eben geschilderten Vorgänge waren nämlich stets mehr Zellen in die longitudinale Körperrichtung des Embryos mit ihren Längs- achsen gehoben worden und so mehr und mehr senkrecht auf diese letzteren geschnitten worden. Wir hatten dabei das Bild von Röhren zur Erklärung herangezogen, die zunächst schief, dann mehr und mehr senkrecht zur Längsachse geschnitten wurden und so zunächst „verzogene“ Schnittumrisse, dann mehr und mehr rundliche aufwiesen. Natürlich sind in Wirklichkeit die Zellen als Prismen von unregelmässig polygonalem (Querschnitt ausgestaltet; jene Vergleiche sind der Deutlichkeit halber ver- wertet worden. Wenn nun sämtliche Zellen des Somitenkörpers in die longitudinale Lage gekommen sind, also sämtlich parallel liegen, so liefern Transversalschnitte durch den Somiten natürlich stets Präparate, die das gleiche Bild bieten. Alle Zellen weisen dann einen rundlichen, unregelmässig polygonalen Querschnitt auf, in der Mitte wie am Rande des Schnittes. Diese Verhältnisse sind in der Literatur für die Urodelen längst bekannt, weshalb wir an diesem Punkte nicht lange ver- weilen. In Fig. W geben wir den Querschnitt durch ein mittleres Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 463 Somit eines Tritonembryos mit 21 Urwirbeln. Fig. W korrespon- diert mit Fig. M, VI. Zeiss-Obj. D, Ok. 4, 4 u, verkl. auf ?/s. Erst jetzt überblicken wir, welche Schwierigkeiten es haben würde, etwa nach Maurers Vorgang eine Deutung der von uns bisher gemachten Beobachtungen nur an Querschnitten zu versuchen. Wenn man etwa einen mittleren Transversalschnitteines Somiten im Stadium der Fig. M, I mit einem gleichen des Somiten Fig. M, VI vergleichen würde, so könnte man zu einem Resultate in keiner Weise gelangen. Da auf dem Radiär- stadium des Somiten mittlere Sagittal- und Transversalschnitte na- türlich gleiche Bilder liefern, so möge man Fig. 17 mit Fig. W ver- gleichen. Selbst wenn man ein mittleres Stadium wählt, also ein Somit, das die gleiche ontogenetische Distanz vom Radiär- und Parallelstadium hat, transversal schneidet, so würde das sich ergebende Bild für eine Deutung des Streckungsprozesses nichts leisten. In Fig. T ist ungefähr ein solcher Schnitt wiedergegeben ; Fig. M, III korre- spondiert etwa mit Fig. T (S. 449). So glauben wir verständlich gemacht zu haben, dass eine Deutung der frühesten Stadien der Myogenese nur aus Quer- schnittsbildern der Somiten, etwa nach dem Vorgange Maurers (1894), nicht möglich ist. In dem Maße, wie die Somitenzellen während ihrer gegen- seitigen Auskeilung an Grösse zunahmen, haben sich die Kerne durch Amitose vermehrt. Es scheint hier das Prinzip der Kern-Plasmarelation im Sinne neuerer Forschungen wirksam zu sein. 464 A. W. Franz: Man trifft einzelne Myoblasten mit fünf bis sechs Kernen. Diese Zahl ist meist Regel, wenn die Streckung der jungen Muskelzellen durch den ganzen Somit erfolgt ist (cfr. Fig. 28). Aber auch Zellen mit sieben und mehr (!) Kernen sind zu beobachten. vemak meinte seinerzeit (1545) bei Froschlarven in den Myoblasten eine gesetzmässige Anordnung der Kerne gefunden zu haben, und zwar derart, dass die Kerne der einzelnen Zellen in parallelen Reihen untereinander angeordnet sind, die senkrecht zur Längsrichtung der Myoblasten stehen. Von der Mitte des Rückensegments sollen nach jeder Seite hin je zwei Kernreihen in den parallelgelagerten zylindrischen Dotterzellen, wie er die embryonalen Muskelfasern nennt, zu finden sein (Spalte 306). Wenn wir unsere Fig. 20 und 21 betrachten, so könnte bei ober- tlächlichem Hinsehen (Fig. 21 links) ebenfalls der Eindruck einer gesetzmässigen Anordnung der Kerne in den Myoblasten von Triton erweckt werden. Bei schwächerer Vergrösserung hat man zunächst immer diesen Eindruck. Bei stärkerer aber erkennt man, dass die Anordnung der Kerne eine zufällige ist, zumal die Zahl derselben in jedem Myoblasten nicht konstant ist. Die Amitose erfolgt in dem Myoblasten auch nach seiner vollendeten Streckung durch den Somiten, sowohl in paraxialer wie in transaxialer Richtung: das Nähere war im vorigen Kapitel gegeben worden. Wir schildern nun das Auftreten der Fibrillen in den Myo- blasten der Urodelen. Die Bildung der kontraktilen Substanz beginnt zuerst in den Myoblasten des primären Seitenmuskels — etwa um die Zeit, wo ihre longitudinale Streckung durch das ganze Somit hindurch erfolgt ist. Das Auftreten der Myofibrillen beobachteten wir in Embryonen mit durchschnittlich 22 Urwirbeln. Eine Konstanz liegt hier nicht vor. In den Myoblasten von Tritonembryonen mit 19 Urwirbeln sieht man bisweilen schon feine plasmatische Längsfäden, die später zu Myofibrillen umgestaltet werden. In grösserem Umfange zeigt sich diese Erscheinung auf den oben angegebenen Stadien. Fig. 27 zeigt einen median geschnittenen Myoblasten des primären Seitenmuskels; er enthält drei Kerne, einen davon in Amitose. Das Zellplasma dieses Myoblasten, der mit seinem aus- Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 465 keilenden Ende bald das gegenüberliegende Myoseptum erreicht hat, zeigt bereits einige peripher liegende, lange, aber sehr dünne Fäden, die mit kleinen, aber deutlich wahrnehmbaren Körnchen besetzt sind. In der Umgebung der Kerne lagert noch ein gewisser Teil Plasma, der wie der grösste Teil des wandständigen Zell- plasmas die Struktur der Radiärzellen aufweist: ein feines, unregel- mässiges Netzwerk, dessen Fäden mit Körnchen besetzt sind. Wenn man den Vorgang der Fadenbildung genauer verfolgt, so ergibt sich für Triton im Prinzip das gleiche wie für Porcellio. Auch bei der urodelen Spezies strecken sich die ungeordnet ver- laufenden Fäden des Zellplasmas in gerader Richtung aus. Dabei treten die Körnchen deutlich hervor und namentlich nach der Bendaschen Tinktionsmethode werden sie elektiv gefärbt. Ob diese Körnchen mit den Mitochondria, die Benda in den Blastomeren von Triton fand, in Zusammenhang zu bringen sind, konnten wir nicht konstatieren; Waldeyer gibt eine Zeichnung nach Bendas Präparaten im Handbuch von ©. Hertwig (1906, S. 249), die seine Befunde veranschaulicht. Die „Fadenkörner“ in den Myoblasten beginnen kurz nach ihrer Streckung ein homogenes Aussehen anzunehmen; es stimmt dies mit unseren Befunden bei Porcellio überein, ebenso wie die Erscheinung, dass dieser homogene Zustand der Elementarfibrillen nur von sehr kurzer Dauer ist. Die Fäden wachsen schnell in die Breite, sie werden leichter wahrnehmbar und dann tritt in ganzer Länge der Fäden Q auf. Einen Unterschied gegen Porcellio haben wir in der Fibrillenbildung selbst nicht gefunden; nur darin zeigt sich in unserem Befunde für Porcellio gegenüber Triton die, allerdings hoch bedeutsame, Abweichung, dass für den Arthropoden in völliger Übereinstimmung unserer Befunde mit denen Moroffs das Chromatin zerfallender Kerne am Aufbau der Myofibrillen teilnimmt, während wir für den Vertebraten nicht mit Sicherheit etwas Ähnliches feststellen konnten. Allerdings sprachen wir die Vermutung aus, dass die feinen, bläschenförmigen Kerne im Myocoel und am äusseren Rande solcher Zellen, die Neubildung zu leisten haben, solche Kerne seien, die unter Abgabe des Chromatins an das Zellplasma aus dem zugehörigen Zelleibe ausgestossen wurden. Aus der Literatur erfahren wir, dass feine Körnchen im Sarkoplasma von Godlewski (1901/02) gefunden wurden, die sich zu Granulareihen ordnen und dann homogene Fäden liefern. 466 A. W. Franz: Marceau sieht ohne das Antecedens des Stadiums isolierter Körnchen als erste Fibrillenanlage feine Fäden, die zum Teil feine, regelmässig geordnete Granulationen tragen. Sunier beschreibt 1910 die Anlage der Myofibrillen als „en forme de ruban“, die durch „seission longitudinale“ jene liefert. Camillo Schneider beobachtet auf feinen Plasmafäden kleine Körnchen, die er Desmochondren nennt. Im freien Zustande sind sie nicht wahrnehmbar, sondern „sämtlich in den Linien fixiert“ (S. 105). Meves und Duesberg haben neuerdings beobachtet, dass Chondrio- somen (Chondriokonten) in Form homogener Fäden die erste Anlage der Myofibrillen bilden. Die Chondriosomen gehören für diese Autoren zu den Mitochondria; beide haben den Begriff Plastosomen als umfassend für alle mitochondrialen Körper in ihren Schriften angewandt (cfr. das ausführliche Referat Duesbergs 1912). Unsere Beobachtungen erinnern an die von Marceau. Das Wachstum der Fibrillen in den Myoblasten von Triton erfolgt nun sehr schnell. Dabei schwindet das Dottermaterial der Zellen sehr rasch und wird offenbar in Form eines Assimilations- prozesses zur Neubildung von Fibrillen verbraucht. Wie namentlich auf Querschnitten auch postembryonaler Stadien zu beobachten ist, legen sich in direkter Nachbarschaft der bereits ausgebildeten Fibrillen stets neue an, die auf die gleiche Weise wie jene entstehen. Die Ablagerung der Fibrillen erfolgt stets peripher, im ganzen Umfange des Myoblasten; die später abgelagerten Fibrillen legen sich in konzentrischen Schichten den älteren auf. Fig. 28 zeigt zwei nebeneinanderliegende Fasern, von denen die eine median, die andere mehr oberflächlich getroffen wurde. Die Betrachtung der Fig. 28 lässt erkennen, dass die Ablagerung der Myofibrillen peripber geschieht. Die Urodelen bilden darin einen Gegensatz zu den Anuren, bei denen die Fibrillen einseitig- lateral in bezug auf den Somiten in den Myoblasten auftreten. Durch die stete Ablagerung neuer Fibrillen wird der Zell- raum des Myoblasten mehr und mehr verengt. Die Zellmembran erfährt durch das Wachstum der kontraktilen Masse eine Dehnung. Die Kerne des Primitivbündels — als solches ist die junge Muskel- faser jetzt eigentlich zu bezeichnen — erfahren nach einer ge- wissen Zeit ebenfalls eine Gestaltänderung. Das Chromatin, das bis dahin in groben Schollen mit lappenartigen Fortsätzen un- regelmässig meist in dichter Menge im Kerninnern lag, ver- schwindet allmählich. Verästelte Fortsätze, die vorher die Schollen verbanden, werden jetzt unterbrochen. Nur eine ziemlich dichte Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 467 Schicht von peripherem Chromatin bleibt einstweilen im Kern erhalten; später wird sie auffällig dünner. Eine Spaltung der Fibrillen und ihre Vermehrung mittels dieses Modus konnte von uns auf keinem Präparate festgestellt werden. Als Ergebnis unseres Kapitels (4. Stadium der Myogenese) finden wir: Alle Zellen des Somiten von Triton, die durch ihren lebhaften Wachstumsprozess und damit vereinigten Verlust der Fähigkeit der mitotischen Teilung anzeigen, dass sie Myoblasten sind, werden nach dem Prinzip der Auskeilung aus der radiären Anfangslage in die Parallellage übergeführt. Dabei verschwinden die Zellgrenzen nicht. Die Ablagerung der Myofibrillen zeigt sich zu- erst in den vorderen Somiten des 22 - Urwirbel- stadiums, und zwar in den Myoblasten des primären Seitenmuskels. Die kontraktile Substanz entsteht also in Myo- blasten, die in toto die ursprünglichen Embryonal- zellen darstellen, unter völliger Erhaltung ihrer Zellmembran. 5. Das definitive Primitivbündel. Unser letztes Kapitel der Myogenese von Triton behandelt das Primitivbündel im fertigen Zustande. Es bietet hier das allgemein bekannte Bild, so dass wir nur einige besondere Bemerkungen zu machen haben. Wir betrachten Fig. 29, die zwei Muskelfasern aus dem Schwanze einer längere Zeit freilebenden Tritonlarve zeigt. Der Bildungsprozess der kontraktilen Substanz ist soweit vorgeschritten, dass eine relativ dieke Fibrillenschicht die Peripherie der Muskel- faser, des „Primitivbündels“, zu bilden scheint. Bei genauerem Betrachten des Präparates erkennt man zwischen den beiden Muskelfasern eine feine Linie. Diese ist nichts anderes als ein doppelwandiges Sarkolemm, gebildet aus den aneinanderstossenden „Zellwänden“ der einstigen beiden Myoblasten, die die beiden Muskelfasern gebildet haben, und die einst als Embryonalzellen im Verbande des Somiten gelegen haben. Diese Zellmembranen sind hier tatsächlich zum Sarkolemm geworden. Jede derselben 468 A, W. Franz: hat sich verdünnt, da sie zunächst durch das Wachstum der kontraktilen Substanz gedehnt wurde. Diese „feinen“ Linien des Sarkolemma der Muskelfasern von Triton treten auf Längsschnitten in diesem Stadium nur auf ganz dünnen Schnitten hervor, die unter 5 « sein müssen. Hier leisten (@uerschnitte besseres, auf denen das Sarkolemm, die „Zellgrenze“ der Muskelfaser, namentlich nach Tinktion mit Lichtgrün, scharf markiert ist. Von Dotterkörnern ist auf diesem Stadium in den Muskelfasern nichts mehr zu erblicken. Ein Rest noch unverbrauchten Plasmas liegt als zentraler Strang im Innern des Primitivbündels. In diesem Restplasma bemerken wir mehrere Kerne, die bis sieben und mehr an der Zahl sein können. Die Kerne haben im einzelnen ein bläschenförmiges Aussehen be- kommen. Einzelne, nicht zusammenhängende Chromatinbrocken liegen unregelmässig in ihrem Innern zerstreut. Fragmentationen, die zum Teil passiver Art sind, insofern die mechanische Ein- wirkung des Muskelzuges deutliche Kernzerreissungen und -zer- drückungen hervorruft, zerlegen die Teilkerne weiter. Daneben beginnt aber auch ein ausgedehnter Reduktionsvorgang der Kerne. Sie degenerieren; unter Zerreissung ihrer Membran strömt der Kernsaft in das Restplasma des Myoblasten oder in die Interstitien der Säulchen. Direkt beobachten lässt sich dieser Vorgang ja nicht, doch lässt er sich mit einiger (Gewissheit so wie eben beschrieben darstellen. Das Schicksal der Chromatin- brocken der zerfallenden Kerne konnten wir nicht erkennen. Max Schultze nannte 1861 in seiner bekannten Arbeit: „Über Muskelkörperchen und das, was man eine Zelle zu nennen habe“ das Muskelkörperchen eine Zelle oder wenigstens schrieb er ihm diesen Wert zu. Unter Muskelkörperchen verstand M. Schultze einen Kern mit dem umgebenden Plasma in der vielkernigen Muskelfaser. Unsere Fig. 29 betrachtet, würde die linke Muskelfaser drei Zellen enthalten nach dieser Definition. M. Schultze erkannte, dass die Zellmembran nicht wesentlicher Bestandteil der Zelle sei, wofür z. B. niedere Tiere und die Blastomeren sich teilender Eier ein Beispiel böten. Aber selbst, wenn es scheinen könnte, dass die Gleich- setzung von Zelle und Muskelkörperchen letzten Endes doch nur eine Analogiesetzung ist, so wollen wir doch begründen, dass selbst diese unstatthaft ist. Denn Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 469 1. die Muskelfaser von Triton ist entwicklungs- geschichtlich aus einer Zellehervorgegangen, sie kann also nicht in ihrem Innern eine weitere Zelle besitzen, und folglich auch nicht mit ihrem Muskelkörperchen verglichen werden; 2. besteht der Kern des Muskelkörperchens aus einem Teile einesamitotisch geteilten Kernes und hat nicht aktiv den umgebenden Plasma- hof um sich genommen, sondern ist passiv in seine Lage gekommen. Die Max Schultzesche Definition der Zelle als eines Kernes mit einem Klümpchen Protoplasma ist für heute nicht mehr ausreichend, da sie dem in der Neuzeit scharf heraus- gearbeiteten Begriffe der Teilung, dem wesentlichsten Charakter der biologischen Einheit, und ferner dem zytologischen Begriffe eines Zellwachstumsprozesses, der im (regensatze zu jenem zu einer Neubildung im Innern der Zelle führt, und bei dem die Teilungsfähigkeit der Zelle meist verloren geht, nicht gerecht wird. Wir bemerkten, dass durch den Muskelzug der ausgebildeten Fasern die zentral gelegenen Kerne deformiert,. selbst zerrissen werden können. Man beobachtet ferner noch, dass auf den Längs- und Querschnitten älterer Fasern alle Kerne an die Peripherie der Faser gerückt sind oder doch zum grössten Teil. Die Literatur gibt hier viel von einer Wanderung der zentralen Kerne nach der Peripherie an. Nach unserer Ansicht kann diese „Wanderung“ überhaupt nur eine passive sein, insofern, als die eine starke Plastik besitzenden Kerne durch den geschlossenen Zug des funktionierenden Muskels durch die Interstitien hindurch bis an die Peripherie der Muskelfaser befördert werden. Interessant sind endlich die Längsschnitte durch die Schwänze erwachsener Larven von Triton. Hier zeigen sich die jungen Myoblasten als spindelförmige Zellen, wie sie bereits von mehreren Autoren, u. a. von Goette (Unke), beschrieben wurden. Aber eine Verschmelzung derselben im Sinne dieses Autors haben wir nicht feststellen können. Vielmehr ergibt die Beobachtung bei Triton, dass die jungen Myoblasten, die den zuletzt angelegten Myotomen entstammen, stets in die Länge auswachsen, wie dies auch für die zuerst angelegten Somiten bezw. deren Zellen gilt. Es werden Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 31 470 A. W. Franz: Myosepten als bindegewebige Scheidewände ausgebildet und die in die Länge ausgewachsenen Myoblasten ziehen kontinuierlich von einem Myoseptum zum anderen. Allerdings zeigt insgesamt die Myogenese in den letzten Urwirbeln eine bemerkenswerte Abweichung, auf die wir zum Schlusse noch kurz zu sprechen kommen wollen. Schon Maurer macht in betreff dieses Punktes die sehr geschickte Bemerkung (1899, S. 479), dass wir in älteren Stadien, in welchen die Weiterbildung der Muskelfasern naturgemäss ununterbrochen vollzogen wird, in vielen nicht mehr die einfachste Weise der Faserbildung erwarten dürfen, weil hier in der Onto- genie natürlich kürzere Bildungsmodi auftreten werden, welche als cänogenetisch veränderte Vorgänge aufgefasst werden müssen. In der Tat, das Prinzip der Auskeilung zum Beispiel, das wir im Vorhergehenden entwickelt haben, kann für die letzten Urwirbel älterer Larven nicht aufgestellt werden. Zunächst werden die letzten Somiten nicht in Gestalt einer Kugel angelegt; sie bestehen meist nur aus ganz wenigen Zellen, deren Zahl bis zu fünf und sechs (!) heruntergeht. An diesen kann natürlich kein entwicklungsmechanisches Prinzip bewiesen werden. Als Resultat der Myogenese von Triton erhalten wir: Die Myogenese der Rumpfmuskulatur von Triton und weiterhin wohl der Vertebraten ist von einem streng zellulären Prinzip beherrscht. Die Zellen der radiär gebauten jungen Somiten gehen ohne irgend welche Verschmelzung mit- einanderin die parallele Lage über. Die Wachstumsachse des Somiten liegt in dem primären Seitenmuskel, dessen Zellen zuerst durch die ganze Länge des Somiten ziehen undiin welchen zuerst die Bildung der kontraktilen Substanz’auftnitt. Das entwieklungsmechanische Prinzip, nach dem die Strecekung der Somitenzellen in die longitudinale Richtung vor sich geht, ist das der Auskeilung. Sobald die Somitenzellen durch ihren be- schleunigten Wachstumsprozess das Vermögen Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 471 der mitotischen Teilung verlieren und dadurch zeigen, dass sie zu Myoblasten prädisponiert sind, geht die Kernvermehrung in ihnen nur noch durch Amitose vor sich. Es kann so Vielkernigkeit nicht gleich Viel- zelligkeit der Muskelfaser gesetzt werden. Das Muskelkörperchen der Vertebraten- Muskelfaser ist keine Zelle. II. Allgemeiner Teil. A. Das „Primitivbündel‘“ der Arthropoden und Vertebraten. Zusammenfassend können wir das Resultat der vorliegenden Untersuchung auf die Formel bringen: Die Muskelfaser des Triton (und weiterhin wohl auch der Vertebraten) entsteht entwicklungs- geschichtlich rein unizellulär, die des Porcellio (und weiterhin wohl der Arthropoden) multi- zellulär. Nach diesem Ergebnis sind wir in der Tat nicht mehr in der Lage, die Lehre von der unizellulären Entwicklung der Muskelfaser (des „Primitivbündels“) beizubehalten (efr. Einleitung: Heidenhain). Aber diese Lehre ist nicht völlig aufzugeben, sie hat nur keine allgemeine Gültigkeit. Sie gilt nur für eine gewisse Reihe der Tiere. Die Ansicht der weitaus grössten Zahl der Autoren — die wir kurz in der Literaturübersicht charakterisierten — dass die Muskelfaser der Wirbeltiere je einer Zelle ihre Entwicklung verdanke, ist durch die vorliegende Untersuchung um eine neue Stütze vermehrt worden. Von den Gegnern haben wir vor allem den Standpunkt Maurers nachgeprüft. Dieser Autor hatte, wie wir sahen, besonders für die Cyelostomen und Ganoiden, und mehr oder minder deutlich für andere Vertebratenordnungen die bekannte Theorie von der Bildung von Epithelbezirken 1. und 2. Ordnung aufgestellt. Das, was für uns das wichtigste der Maurerschen Theorie darstellt, ist folgendes: 3l* 472 A. W. Franz: In: Wer ”Maurerschene Theorie "Iiegt’in der ontogenetischen Distanz zwischen Radiärstadium der jungen Somiten’ und dem Auftreten der kontraktilen Elemente die Bildung eines Syn- zytiums eingeschoben. Das war für uns der Grund, weshalb wir die gleiche onto- genetische Distanz für Triton in extenso untersuchten, um zu entscheiden, ob bei Triton ein Synzytium gebildet wird, bevor die .Fibrillen auftreten. Es gelang uns, nachzuweisen, dass für Triton die Bildung eines Synzytiums im Sinne Maurers nicht vorliegt. Die neueren Untersuchungen von Kaestner, Kollmann, Bardeen, Henneguy, Eycleshymer, van Wijhe, Sunier und Duesberg etc. an Embryonen von Vertebraten sind samt und sonders zu Resultaten gekommen, die gegen eine synzytiale Entstehung der Vertebratenmuskelfaser sprechen, viel- mehr für eine streng unizelluläre derselben zeugen. Allerdings muss zugestanden werden, dass mit ganz geringen Ausnahmen die Forschungen der Autoren die kritische Zeit der Myvogenese — die ontogenetisch frühesten Stadien der Muskel- entwicklung, die die phylogenetischen Verhältnisse am treuesten widerspiegeln — nicht genügend berücksichtigten. Diese kritische Zeit der Myogenese lässt sich für Triton (und ebenso wohl alle Vertebraten) durch den Begriff des Radiär-Parallelproblems scharf charakterisieren. Für die Arthropoden liegt sie in der onto- genetischen Distanz zwischen der Ausbildung des mesodermalen Körperkomplexes und der Lokalisierung der mesodermalen Elemente in bestimmten Regionen des embryonalen Körpers, wo dann die Bildung der kontraktilen Substanz erfolgt. Wir erwähnten vorhin den Passus aus O. Hertwig (Lehrb. d. Entw.), wonach dieser Autor das „Radiär-Parallel- problem“ für Triton in fünf Zeilen erledigt. Die vorliegende Untersuchung zeigte, dass der Vorgang der Umlagerung der Zellen in den Somiten der Urodelen (und wohl aller Vertebraten) weit komplizierter ist, als man nach den wenigen Worten O0. Hertwigs annehmen sollte. Aber was bedeutsam ist: O.Hiertwies /Ansichtvist an allen ihren Teilen» richtig und das Prinzip der unizellulären Myo- Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 473 genese von Triton in ihr den tatsächlichen Ver- hältnissen entsprechend, wenn auch als kurze Formel, zum Ausdruck gekommen. Eine Spaltung von Muskelfasern haben wir in adulten Larven von Triton nicht beobachten können; überdies haben wir den Prozess der Neubildung von Muskelfasern auf Grund des Prinzips der Spaltung alter Muskelfasern als rein unizellulär verlaufenden theoretisch begründet (efr. Literaturübersicht). Hier könnte noch eine Frage aufgeworfen werden: Ist es möglich, dass in dem Komplex ausgebildeter Muskel- fasern von Triton zwei Muskelfasern sich aneinanderlegen, dass dann ihre Sarkolemmata verschwinden, die Fibrillenmassen zu einer Faser sich vereinigen und um diese ein neues Sarkolemm sich bildet, so dass eine solche neuentstandene Faser eine synzytiale Bildung darstellt ? Auch diese Frage haben wir untersucht, um vollständig zu sein. Allerdings ist ihr Resultat unter keinen Umständen bedeutungs- voll. Die postembryonale Bildung von Muskelfasern erscheint gegen- über derjenigen im embryonalen Leben stets als sekundärer Modus (cfr. Nachtrag, Seite 488). Denn wie wir schon ausführten, handelt es sich bei der Erledigung unseres Themas stets um das prinzipielle, also speziell um die Untersuchung der kritischen Zeit der Myogenese, um ihre ontogenetisch frühesten Stadien. Bei der Untersuchung der soeben angeschnittenen Frage fanden wir, dass bei genügend dünn hergestellten Schnitten das Muskelgewebe adulter Tritonen stets Bilder bietet, wie es etwa als Ausschnitt aus dem Ganzen in Fig. 29 zum Ausdruck kommt. Übrigens wäre auch eine Bildung von Muskelfasern nach oben angegebener Art kaum als physiologisch wertvoll zu interpretieren. Wir hatten nun andererseits bei den Arthropoden eine Myogenese gefunden, die gegenüber der von Triton (und im weiteren Sinne der von den Vertebraten) einen völlig abweichenden Modus darstellt. Die auffälligen Ergebnisse Schneiders an Branchipus und ferner Pedaschenkos an Lernaea werden im Prinzip durch die Befunde an Porcellio bestätigt; weit mehr gilt dies aber von Moroffs entwicklungsgeschichtlichen Resultaten, die seine Forschungen über Palaemon etc. ergaben, und dann von der Arbeit Snethlages über Artemia. Zum Teil sind die 474 A. W. Franz: Verhältnisse der Myogenese von Aricia (Schaxel) bedeutungs- voll im Vergleich zu den angeführten. Die Urustaceen besitzen nach den bisherigen Ergebnissen eine ausgeprägte multizelluläre Myogenese; im besonderen Palaemon und Porcellio eine karyomere. Der ausgeschlüpfte junge Porcellio besitzt im Kopf und in den Beingliedern — diese untersuchten wir genauer — Stämme von Muskelfasern, die durch Plasma- anastomosen in weitgehendem Umfange verbunden sind. Weder entwicklungsgeschichtlich noch hoc tempore ist dabei von Zell- grenzen oder von einem Sarkolemm etwas zu konstatieren. Während bei den Urodelen das Sarkolemm gleich der modifizierten Zellmembran des Myoblasten ist, finden wir bei den Onisciden, dass es hier völlig anders entsteht. Es ist bei dieser Ordnung lediglich verhärtete Rindenschicht eines Rest- plasma, das den Muskelstämmen verblieb. Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass der Terminus „Primitivbündel“, der den Typus der Muskel- faser bei Arthropoden und Vertebraten nach der geltenden allgemeinen Auffassung kennzeichnen soll, zwei entwicklungsgeschichtlich völlig ver- schiedene Gewebsteile kennzeichnet. Dieser Zustand dürfte unhaltbar sein, denn wir dürfen die Muskelfaser nicht durch morphologische, sondern wir müssen sie durch genetische Begriffe bei den einzelnen Tiergruppen kenn- zeichnen. Wir schlagen deshalb vor, fürderhin für das „Primitiv- bündel der Vertebraten“ den Terminus Primärbündel oder Primärfaser, für das „Primitivbündel der Arthropoden“ den Terminus Sekundärbündel oder Sekundärfaser zu ge- brauchen. Das würde sich auch mit phylogenetischen Erwägungen decken. Die Epithelmuskelzelle der Cnidarier beweist nämlich, dass die einzellig entstandene Muskelfaser das phylogenetisch Primäre ist, dass der erstere der obigen Begriffe also als phylo- genetisches Postulat erscheint. B. Der Weismannsche Satz von 1862. Unsere soeben ausgesprochene Ansicht von einer entwick- lungsgeschichtlichen Verschiedenheit der Elemente der Muskulatur bei Arthropoden und Vertebraten — welche Ansicht durch die Uni- od. multizelluläre Entwieklung d. quergestreiften Muskelfasern. 475 Ergebnisse unseres speziellen Teiles wohl begründet erscheint, — ist nun nicht etwa neu und von uns zum ersten Male auf- gestellt worden. Denn wir haben hier die auffällige Tatsache zu konstatieren, dass bereits August Weismann im Jahre 1562 (sie!) zu der im Prinzip gleichen Ansicht gekommen war. Noch viel auftfälliger erscheint dieses literarische Datum, wenn wir sehen, dass die gesamte Literatur nach 1862 den Weismannschen Satz (wie wir ihn nennen wollen), so, wie er bei diesem Autor erscheint, nicht mehr vertritt. Die Gründe dieser Erscheinung haben wir zum Teil bereits in der Literaturübersicht entwickelt. In der Hauptsache scheint dies für uns darin zu liegen, dass die Arbeit A. Weismanns (Zeitschr. für rat. Med. von Henle und Pfeuffer, 1362) nicht auf dem Boden einer streng entwicklungsgeschichtlich geschlossenen Untersuchungsmethode basiert; das Fehlen geeigneter Stadien und ihrer Beschreibung lässt in den Beweisen jenes Autors grosse Lücken. Ist das einerseits ein Fehler seiner Arbeit, der nicht bestritten werden kann, so lässt sich andererseits nicht leugnen, dass wir seiner scharfen Beobachtungsgabe alle Anerkennung zu zollen haben, insofern nämlich, als er bei den seinerzeitigen mangelhaften Hilfsmitteln das erkannt hat, was wir mit aus- gezeichnet bewaffneten Augen und auf der Basis eines grossen Erfahrungsmateriales wenn auch mühsam, so doch relativ leichter konstatieren können. Den Ansatz zu einer geschlossenen Untersuchung macht Weismann bei Beobachtung der Myogenese von Chironomus und Simulia. Um es vorweg zu bemerken, sagt Weismann (S.100), dass er über „die Bildung der Primitiv- bündel der Crustaceen nichts zu äussern wage“. Insofern erscheinen die Arbeiten Snethlages (Artemia), Moroff (Palaemon etc.), und die vor- liegende (Porcellio) als wichtige Ergänzung zu dem Weismannschen Satze. Die Behandlung der Myogenese beiölenteraten, Echinodermen, Würmern und Mollusken tut Weismann sehr kursorisch ab; genauer ist seine Schilderung bei Froschlarven, Larven von Chironomus und den Puppen von Stratiomys, Simulia und den 476 A. W. Franz: Puppen von Musca. Seine Beobachtungen, die er bei diesen letzteren Gruppen macht, klingen bisweilen an ganz moderne Anschauungen an. Wie er bei seinen Hilfsmitteln zu Sätzen wie S. 77 kommt, ist bewundernswert; dort sagt er: „Die Primitiv- bündel der Insekten haben nicht den histologischen Wert einer Zelle, sind nicht entstanden durch das Auswachsen aus einer Zelle, sondern sie sind zusammengesetzte Gebilde, in deren Bildung eine grosse Anzahl von histologischen Elementen ein- gehen.“ Und weiter: „Die Membranen der primitiven Zellen schwinden (meistens) sehr früh und es bleiben nur freie Kerne (sic! Verf.) zurück, um welche sich in verschiedener Weise eine klare oder auch feingranulierte Substanz (sarcogene Substanz) ablagert, welche sich vom freigewordenen Inhalt der primären Zellen nicht unterscheiden lässt. Durch Umwandlung dieser sich stets noch vermehrenden Grundsubstanz bildet sich die eigentliche kontraktile Substanz, deren Differenzierung sodann in verschiedener Weise vor sich geht. Die Kerne persistieren nur zum Teil, eine grössere oder geringere Anzahl von ihnen geht nach Ablagerung der kontraktilen Substanz zu grunde*“ (!). Man vergleiche damit unsere Ergebnisse an Porcellio und man wird gestehen, dass die Weismannsche Schilderung fast wörtlich als Resume zu unserem ersten speziellen Teile in Frage kommen könnte. Und den führenden Gedanken seiner Arbeit, der sie uns so wertvoll macht, spricht er klar in dem Passus S. 100 aus, in seinem allgemeinen Ergebnisse: „(während bei) Arthropoden und Wirbeltieren besondere komplizierte Gebilde, die Primitivbündel, die Muskeln zusammensetzen, Gebilde, welche in ihrer definitiven Struktur untereinander zwar sehr ähnlich, in ihrer Genese (sic! Verf.) aber und also in ihrem histologischen Werte sehr verschieden sind.“ Damit treten nach Weismann die Primitivbündel in einen Gegensatz zu der Muskulatur, deren Elemente nach dem Zellentypus gebaut sind, oder, wie wir heute sagen würden: glatte Muskelfasern oder besser kontraktile Faserzellen sind. Er sagt: „Bei den Wirbeltieren findet sich zugleich auch die nach dem Zellen- typus gebaute Muskulatur vertreten, den Arthropoden mangelt sie gänzlich.“ Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 477 „Allein also die Wirbeltiere, und zwar alle Klassen derselben, besitzen Muskeln nach beiden Gewebstypen (Zellen- und Mehrzellen- typus), den Arthropoden mangelt gänzlich der Zellentypus.“ Dabei meint Weismann, „dass in der Herzmuskulatur der Wirbeltiere der Mehrzellentypus, aber nur hier vertreten sei!“ (eine Ansicht, die wohl heute die meisten Autoren vertreten). Er lässt die Herzmuskelfaser durch Verschmelzung mehrerer spindelförmiger Zellen entstehen und seine Anschauung, dass das Herz der Vertebraten ein relativ selbständiges Organ mit eigener Myogenese sei, wird wahrscheinlich nach den neuesten Unter- suchungen seine Berechtigung haben. Den genialen Ausführungen Weismanns für die Insekten und vVertebraten haben wir für die Crustaceen, über die Weismann ja kein Urteil wagt, nichts hinzuzufügen. Das interessante historische Datum, dass durch neuere Unter- suchungen mit verbesserten Methoden eine längstgeäusserte Ansicht wieder dem Dunkel entrissen wird, möge zu dem Wunsche Anlass geben, dass einmal die Arbeit der Forscher sich dem genaueren Studium der Muskelbildung von Gruppe zu Gruppe des Tierreichs zuwenden möge, um zu einer generellen Myologie zu gelangen und mit ihr den Grund zu einer umfassenden Theorie des Mesoderms zu legen. C. Schlusswort. Zum Schlusse möchte ich nicht versäumen, allen denen, die mich bei meiner Arbeit in irgend einer Weise unterstützt haben, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen, vor allem meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. H. Ludwig für das grosse Interesse und stete Wohlwollen, das er meinen Studien entgegenbrachte. Für Rat in der Aufzucht des Materiales habe ich Herrn Professor Dr. W. Voigt, für solchen in Bibliotheksangelegenheiten Herrn Professor Dr. Strubell meinen wärmsten Dank auszusprechen. Sehr verbunden bin ich Herrn PrivatdozentenDr.W.J. Schmidt dafür, dass er mir den Weg in die zurzeit so verwickelte mikroskopische und embryologische Technik zeigte. Er hatte die Güte, mir durch Überlassung zum Teil wertvollen Materiales die Vorübungen zu dieser Untersuchung zu erleichtern. Ihm gebührt grosser Dank für das Gelingen vorliegender Arbeit. 478 A.W. Franz: Nicht unterlassen möchte ich ferner, an dieser Stelle Herrn Dr.W.Gräve für die genaue Diagnose der hier untersuchten Oniscidenspezies zu danken. Auch des Herrn Oberförster Marcell Melsheimer gedenke ich in Dankbarkeit, der mir Salamanderweibchen verschaftte und mir wertvolle Mitteilungen über die Eiablage der Tritonen machte. Bonn, den 10. Oktober 1913. Literaturverzeichnis. Zum 1. Spezialteilder Untersuchung. 1. van Beneden: Recherches sur l’embryogenie des erustacees; I. Ob- servations sur le developpement de l’Asellus aquaticus; Bull. de l’Ac. Royale de Belgique, 2. serie, XXVIII, 1869. II. Developpement de Mysis; ibid. 2. Bergh, R. S.: Zur Bildungsgeschichte des Keimstreifens von Mysis. Zool. Jahrb., Abt. f. Morph. VI, 1893. Bobretzky, N.: Zur Embryologie von Oniscus murarius. Zeitschrift f. wiss. Zool. XXIV, 1874. 4. Brauer, A.: Über das Ei von Branchipus Grubii. Abhandl. d. Köniel. Akademie der Wissenschaften, Berlin 1892. 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Baldwin, W.M.: The Relation of Muscle Cell to Muscle Fibre in Voluntary striped Muscle. Zeitschr. f. Allgem. Physiologie, XIV. Bd., 1. Heft, 1912. 32* 488 A. W. Franz: 214. Derselbe: The Relation of the Sarcolemma to the Muscle Cells of Voluntary Vertebrate striped Muscle Fibres and its morphological nature, ibidem. : 215. Derselbe: Muscle Fibres and Muscle Cells of the Adult white Mouse Heart. Anat. Anz., 42. Bd., Nr. 7/8, 1912. 216. Derselbe: The Relation of Muscle Fibrillae to Tendon Fibrillae in voluntary striped Muscles of Vertebrates. Morph. Jahrb., Bd. XLV, Heft 2, 1913. Während der Korrektur vorliegender Arbeit erhielten wir durch die Güte des Herrn Geh. Med. Rats Nussbaum zu Bonn Separate obiger Arbeiten. In der ersten derselben sagt Baldwin Seite 142, dass „die quergestreifte Muskelsubstanz nur anfangs eine intrazelluläre Bildung“ sei, aber „später extrazellulär verlagert werde, so dass Muskelzelle und fibrilläre Substanz mit dem zugehörigen Sarkoplasma getrennte Bestandteile werden. Die Histo- genese des Bindegewebes und der Muskelfasern ist identisch“. So ist Baldwin zu der „Gruppe A“ zu rechnen, da er ausdrücklich die Muskulatur der Vertebraten — wenn auch nur zunächst — innerhalb der Zelle, also des Myoblasten entstehen lässt, ihr also einzelligen Ursprung zurechnet. Da es uns nur um das prinzipielle zu tun war, (cfr. Seite 473), und wir die postembryonalen Muskelbildungsvorgänge als sekundäre Modi aufzufassen genötigt sind, so kommen obige Arbeiten für uns weiter nicht in Betracht. Allerdings ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass solche sekundären Modi im postembryonalen Leben der Organismen in weit kom- plizierterem Umfange später aufgefunden werden, als sich bis heute übersehen lässt. Wir äusserten das bereits auf Seite 470. Solche Modi können durch besondere Funktionen der Muskelfasern, durch ihre Beziehungen zu den Sehnen und zu dem eindringenden Bindegewebe gegeben sein. Mit den Arbeiten Baldwins scheint eine Perspektive von ungeahnter Weite eröffnet zu sein, doch muss es späteren Arbeiten überlassen werden, durch Sammlung weiteren Tatsachenmateriales hier Klarheit zu schaffen. Bonn, im Juli 1915. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII-XXV1. Tafel XXII. 6 Modellfiguren eines Somiten vom Radiärstadium bis zum Stadium der parallelgelagerten Myoblasten. Vergl. hierzu Text, Seite 427 und ff. Die kaudale Hälfte des Somiten ist in der ersten und zweiten Figur dunkler im Tone gehalten. Die Zellen dieser kaudalen Hälfte sind in den folgenden vier Figuren ebenfalls dunkler im Tone gehalten, so dass ihr Schicksal im Verlaufe ihrer Umlagerung leichter zu verfolgen ist. Die Orientierung der Fig. M, II bis M, VI ist die gleiche, wie sie in Fig. M, I durch die Bezeichnungen . caudal, cranial etc. gegeben ist. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 489 210. 1. Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Fie. 6 Rio. 7 Fig. 8. Fig. 11a. Fig. 12. Fig. 13 Fig. 14. Tafel XXIV. Sämtliche Figuren verkleinert auf ?/3. Porcellio scaber, junger Embryo, sagittal, Bisenhäm.-Lichtgrün. Comp.-Ok. 8; Obj. a; mbl — Bildungsstätte der Kopfmuskulatur, a — Auge, dt — Dotterzellen, ch — Chitin, gk — Ganglienkette, f — Fussanlage, ag — Cerebralganglion, dm — Darm. Porcellio scaber, junger Embryo, sagittal, vorderer Fußstummel, Benda-Färbung, Apochr. 2; 1,30; Comp.-Ok. 8; hp —= Hypodermis, sp — Symplasma, sonst wie Fig. 1. | Porcellio scaber, junger Embryo, sagittal, 2. Beinpaar, Benda- Färbung, 3 «, Apochr. 2; 1,30; Comp.-Ok. 8. Porcellio scaber, junger Embryo, Fußspitze des 6. Beinpaares, quer, Benda-Färbung, Vergr. wie Fig. 3. Porcellio scaber, junger Embryo, Maxillenanlage, längs, Benda- Färbung, 3 u, Vergr. wie Fig. 3; k/1 und k/2 verschwindende Kerne, sonst wie vorher. Porcellio scaber, junger Embryo, 4. Fuß quer, Benda-Färbung, 3 «, Vergr. wie Fig. 3, pf = junge Muskelfibrillen, mf —= fertige solche, qmf = quergeschnittene Muskelfibrillen, chd — Chromidien (?), ai — Insertionsstelle in Bildung, sonst wie vorher. Porcellio scaber, junger Embryo, älter wie 6, 3, Fuss quer, 3 «, Eisenhämatoxylin-Lichtgrün, Vergr. wie Fig. 3, Eisessig-Sublimat. p = Pigment, i = Stützfibrillen, hk — Hypodermiskern, af/l und af,2 quergeschnittene Muskelfasern, älter, nf — quergeschnittene sich neubildende Muskelfaser. Porcellio scaber, älterer Embryo, Fuss längs, 3 „, Eisessig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün, Apochr. 2; 1,59; Comp.-Ok. 8; ast — Plasma- anastomose, kk/1 und kk/2 —= Kernkolonnen, gk — Gelenkstelle, bs — Bildungsstätte für Stellunghaare ete., sonst wie vorher. Porcellio scaber, älterer Embryo, Kopfmuskulatur sagittal, 3 Eisessig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün, Apochr. 2; 1,30; Comp.-Ok. 18, fertige Fibrillen, Symplasmamantel ohne Sarcolemm, restierender und zerfallender Kern. Porcellio scaber, junger Embryo, Kopfregion sagittal, 3 „, Benda- Färbung, Vergr. wie Fig. 8, cg = Cerebralganglion, pf = junge Muskelfibrillen. Porcellio scaber, etwas älter wie 12, Kopfregion sagittal, 3 «, Eis- essig-Subl,, Eisenhäm.-Lichtgrün, Vergr. wie Fig.8; sp/1 bis sp/3 = Symplasmaterritorien, ek — zerfallende Kerne, mk — persistierende Kerne, pf — Elementarfibrillen, ch = Eihaut, ag — Augengrube, sonst wie vorher. Tafel XXV. Sämtliche Figuren verkleinert auf ?/s. Porcellio scaber, älter wie 13, Kopfregion sagittal, 3 „, Benda- Färbung, Vergr. wie Fig. 8; mk/l und mk/2 = zerfallende Kerne 490 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : 16. 18. 19. 20. 21. ig. 27. A.W.Franz: von Kernkolonnen, ek = persist. Kern, sp — Symplasma, mfjl und mf/2 — Mypyofibrillen in verschiedenen Entwicklungs-Stadien, ai — Insertionsstelle, sonst wie Tafel XXTIV. Porcellio scaber, ausgeschlüpfter Embryo, Kopfregion sagittal, 3 a, Benda-Färbung, Vergr. wie Fig. 8; end — Endoskelett, i = Stütz- fibrillen, mb — Muskelprimitivbündel, sonst wie vorher. Porcellio scaber, älterer Embryo, Kopfregion sagittal, 3 „, Eis- essig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün (Antennenmuskulatur), mk/1 bis mk'3 zerfallende Kerne in verschied. Stadien. Vergr. wie Fig. 8. Triton cristatus, 10 deutliche Urwirbel, 3. Somit sagittal, Obj. D.; Comp.-Ok. 8; Eisessig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün, 4 „, dk = Dotter- körner, ms — Myoseptum, das weitere im Text. Triton cristatus, dasselbe Objekt, 2. Somit, Vergr.: Apochr. 2; 1.30; Comp.-Ok. 8; 1 = zerfallende Kerne im Myocoel, sonst wie vor- her und .cfr. Text. Triton alpestris, 15 Urwirbel, mittleres Somit sagittal, 4 „, Obj. D Ok. 4; Eisessig-Subl., Eisenhämat.-Lichtgrün, ms — Myoseptum, kz — Kuppelzellen. cfr. Text. Triton alpestris, 15 Urwirbel, dasselbe Präparat wie Fig. 19, Ver- grösserung wie Fig. 18; mittleres Somit sagittal, ta — transaxiale Amitose, pa — paraxiale Amitose, M — Mitte des Somiten, man beobachte die Winkelbildung, sonst cfr. Text. Triton alpestris, 18 Urwirbel, mittleres Somit sagittal, 4 «, Ver- grösserung wie Fig. 18; Kerne der Somitenzellen in Amitose, Eis- essig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün. Triton alpestris, 22 Urwirbel, 9. Somit sagittal, 4 „, Vergr. wie Fig. 18; Eisessig-Subl.; Eisenhäm.-Lichtgrün; m/1l bis m/3 = ge- streckte Somitenzellen in verschiedenem Anschnitt, Auftreten der Myofibrillen, cfr. Text. Triton alpestris, das gleiche Präparat wie Fig.21; Vergr.: Apochr. 2; 1,30; Comp.-Ok. 18; Kern mit 3 Nukleolen (n), m = Nukleolinus. Tafel XXVI. Sämtliche Figuren verkleinert auf ?/s. Fig. 25—29: Eisessig-Subl., Eisenhämatoxylin-Lichtgrün. Triton cristatus, Myoblast eines Somiten im Stadium der Fig. 17 und 18; 1 Kern, zahlreiche grobe Dotterkörner. Triton alpestris, Myoblast eines Somiten im Stadium der Fig. 19; Obliterieren des Myocoels, beginnende Amitose des Kerns, Beginn des Aufbrauchs der Dotterkörner. Triton alpestris, Myoblast eines Somiten im Stadium der Fig. 21; Auskeilung des Myoblasten, amitotisch vermehrte Teilkerne, Auf- treten feiner, langgestreckter Protoplasmafäden, Erhaltung der Zellmembran, Aufbrauch der Dotterkörner; periphere Lage der Protoplasmafäden. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Uni- od. multizelluläre Entwicklung d. quergestreiften Muskelfasern. 491 28. an: 10. 198 30. 24, Triton alpestris, Myoblast eines Somiten im Stadium der Fig. 22; völlige Streckung des Myoblasten durch das ganze Somit, Ab- lagerung der kontraktilen Substanz, Vielzahl der amitotisch ver- mehrten Teilkerne. Triton alpestris, Muskelfaser aus dem Schwanz einer älteren Larve, Sarkolemm = Zellgrenze des Myoblasten, das Muskelkörperchen, Typus einer Primärfaser. Vergr. für Fig. 25>—29: Apochr. 2; 1,30; Comp.-Ok. 8. Porcellio scaber, mehrere Wochen seit Verlassen des Brutraums, 6. (letztes) Beinpaar, quer, Eisessig-Subl., Eisenhäm.-Lichtgrün; hp —= Hypodermis, ch — Chitin, mf/1 bis mf/3 —= Muskelfasern verschiedener Grösse, ast = Plasmaanastomosen. Kopie in den Originalfarben aus Fig. 14, Porcellio scaber; Ver- grösserung von Fig. 9 und 10 wie 29. Porcellio scaber, Embryo vor dem Ausschlüpfen ; Kopfregion sagittal, Eisessig-Subl., Eisenhämat.-Lichtgrün ; Vergr. ca. 1250 mal; 4 a; Plasmaanastomosie der Sekundärfasern, Degeneration der Kolonnen- Kerne; kein Sarkolemm. Triton alpestris, Myoseptum zweier Myoblasten, 18 Urwirbel, 4 «, sagittal, Vergr.: Apochr. 2; 1,30: Comp.-Ok. 8; Benda-Färbung, Ms — Myoseptum, dk = Dotterkörner, n = Nukleolus, k = Kern, Bindegewebsfasern im Myoseptum durch Schrumpfung der Somiten deutlicher geworden. Triton alpestris, ca. 8 Urwirbel, transversal, Eisessig-Subl., Eisen- häm.-Lichtgrün, 4 », mittleres linkes Somit, Vergr.: Apochr. 2 mm; Comp.-Ok. 8; med. = Medullarrohr, zg = Zellgrenzen (doppelt konturiert!), me = Myocoel, dk = Dotterkörner, mbk = Myoblasten- kern, b = zerfallende Kerne im Myocoel. 495 Einige Bemerkungen zu der Veröffentlichung von F. Meves „Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa“. (Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 87.) Von J. Sobotta. In den Schlußsätzen seiner Mitteilung über die Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa (Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 87) stellt Meves eine Behauptung auf, die ich leider nicht unwidersprochen lassen kann. Meves schreibt gelegentlich der von Van der Stricht, Henneguy und ihm vertretenen Hypothese, dass diejenige der beiden ersten Blastomeren des Säugetiereies, in die der Sperma- schwanzfaden übertritt, das Material für den Aufbau des Embryo liefern solle, folgendes: „Sobotta hat diesen Schluss zunächst als sehr voreilig bezeichnet, hat aber noch im selben Jahre seiner- seits ebenfalls eine Ungleichwertigkeit der beiden ersten Blasto- meren angenommen, in demselben Sinne, dass die eine Blasto- mere den Embryo, die andere den Trophoblasten oder das ausser- embryonale Material bildet, um eine Hypothese über die Entstehung eineiiger Zwillinge des Menschen und der Polyembryonie bei den Gürteltieren darauf aufzubauen.“ Der unbefangene Leser, dem die beiden von Meves zitierten Stellen meiner Mitteilungen nicht bekannt sind, bezw. der sich nicht durch Einsicht selbst unterrichtet, muss aus den oben zitierten Sätzen der Veröffentlichung von Meves den Ein- druck gewinnen: erstlich, dass ich innerhalb des gleichen Jahres meine Ansicht jäh geändert hätte, zweitens dass ich tatsächlich versucht hätte, den Vorgang der bei Säugetiereiern gelegentlich (Mensch) oder regelmässig (Gürteltiere) auftretenden Poly- embryonie auf Grund der oben genannten auch von Meves vertretenen Hypothese zu erklären. Beide Behauptungen von Meves sind aber vollständig unzutreffend. 494 J. Sobotta: Meves bezieht sich erstlich auf das von mir in den Schwalbeschen Jahresberichten erstattete Referat seiner Ver- öffentlichung über das Verhalten des Mittelstücks des Echiniden- spermiums bei der Befruchtung und zweitens auf einen in der Würzburger Physikalisch-medizinischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag von mir über die Homologie zwischen den eineiigen Zwillingen des Menschen und der Polyembryonie der Gürtel- tiere. Meine im Jahre 1914 erschienene ausführliche Veröftent- lichung über den letzteren Gegenstand (Studien zur Pathologie der Entwicklung, Bd. 1, H. 3) berücksichtigt Meves nicht. Es ist mir nun ganz unverständlich, wie Meves dazu kommt, zu behaupten, die von mir aufgestellte Hypothese der Polyembryonie des Säugetiereies baue sich auf der Annahme einer Ungleichwertigkeit der beiden ersten Blastomeren auf in dem auch von Meves vertretenen und oben zitierten Sinne. Ich glaube, dass jeder Leser den bestimmten Eindruck gewinnt, dass ich diese Hypothese ebenso glatt abgelehnt habe, wie ich sie in meinem Referate als voreilig bezeichnen musste. Ich nehme zwar auf Grund der von mir schon früher beschriebenen Befunde der Ungleichheit der beiden ersten Blastomeren des Säugetiereies ebenfalls eine gewisse Ungleichwertigkeit an, verlege doch aber den für die Differenzierung des embryonalen und ausserembryo- nalen Materials entscheidenden Zeitpunkt nicht in das Zwei-, sondern in das Vierzellenstadium. Von den vier ersten Blastomeren des Säugetiereies ist aber jede eine Tochterzelle einer der beiden ersten Blastomeren: es könnte nach der von mir gemachten Hypothese also höchstens die mit der Mevesschen einigermaßen vereinbare Schlussfolgerung gezogen werden, dass die eine Tochterzelle der Blastomere, die nach der Anschauung von Meves das Material für den Embryo liefert, diese Funktion übernimmt, während die andere Toochterzelle ebenso wie die der Blastomere, welche keinen Spermaschwanz erhält, ausserembryo- nales Material bildet. Selbst wenn man meiner Angabe diese Deutung unterlegt, was von mir aber keineswegs geschehen ist, wäre das doch ein ganz anderes Ding als das, was Meves als von mir ausgesprochen zitiert. Man könnte vielleicht einer Annäherung unserer Hypothesen zu Liebe noch etwas weiter gehen und annehmen, dass ebenso wie Spermaschwanz (und Mittelstück) bei der ersten Furchungs- Einige Bemerkungen zu der Veröffentlichung von F. Meves. 495 phase in eine der beiden Blastomeren ungeteilt übergeht, dies Verhalten nochmals in der zweiten Furchungsphase wiederkehre, und dass dann diejenige der vier ersten Blastomeren, welche auf diese Weise das gesamte Schwanzmaterial des Spermatozoon erhält, die „Embryonalblastomere“ darstelle. Natürlich ist auch diese Auffassung meiner Hypothese grund- verschieden von der seitens Meves zitierten Angabe. Anderer- seits bin ich aber weit davon entfernt, meiner Hypothese eine solche Deutung unterzulegen und zwar aus dem Grunde, weil ich keineswegs davon überzeugt bin, dass dem Eintritt des Spermaschwanzfadens ins Ei bei der Befruchtung eine derartige Bedeutung beizumessen ist, wie das von einigen Seiten, u. a. auch von Meves geschieht. Erstlich handelt es sich, wie bestimmt nachgewiesen ist, um kein ganz allgemein gültiges Verhalten; es gibt Eier, bei denen der Schwanzfaden (und das plasto- somatische Mittelstück) überhaupt nicht in das Ei eindringt; auch bei Säugetieren scheint diese Erscheinung durchaus nicht regel- mässig vorzukommen. So habe ich bei der Maus den Schwanz- faden, den ich auch bei der Ratte fast regelmässig beobachtet habe, in der befruchteten Eizelle auch dann sehr oft vermisst, wenn ich die gleichen Fixierungs- und Färbemethoden anwandte wie bei der Ratte. Die Anschauung von Meves über die Be- deutung des Spermamittelstückes als Vererbungsträger kann ich ebensowenig wie viele andere Fachgenossen anerkennen, da sie mir nach wie vor unbewiesen erscheint. Jedenfalls habe ich nicht, wie aus dem oben genannten Zitate von Meves hervorzugehen scheint, meine Anschauung in der Frage der Gleichwertigkeit oder Ungleichwertigkeit der beiden ersten Blastomeren des Säugetiereies geändert. Würzburg, im Juli 1915. 497 Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungs- organen (Area vasculosa, Dottersackanhänge, Knochenmark, Thymus, Milz und lockeres Binde= gewebe) bei Tropidonotus natrix. Von Dr. med. Wera Dantschakoff. Hierzu Tafel XXV1I- XXX. Einleitung. Vor sieben Jahren erschien meine erste Arbeit über die Blutbildung bei Vögeln. (D. 1907—1908.) Das Studium der Blutbildung an Embryonen mit meroblastischem Ei hat mich zur unitaristischen Ansicht über die embryonale Blutbildung geführt, die von Bryce (1905) an Lepidosiren festgestellt und auch von Maximow bei Säugetieren bestätigt wurde (1907—1909) Die Verschiedenheit der Untersuchungsobjekte hat aber auch manche Verschiedenheiten in den Schlüssen gezeitigt. Die Feststellung von morphologischen Verschiedenheiten zwischen den grossen Lymphozyten und den primitiven Blutzellen bei den Säugetieren, das frühe Erscheinen der Granuloblasten in der Area vasculosa nur bei Vögeln, die Lokalisation der Blut- bildungsprozesse in der Leber nur bei Säugetieren und ein völliges Fehlen derselben Erscheinung bei Vögeln, die Differenzierung eines besonderen venösen blutbildenden Netzes in den Anhängen des Dottersackes bei Vögeln, eine sehr ausgesprochene Granulopoese in der Milz und im lockeren Bindegewebe nur bei Vögeln, alle diese Verschiedenheiten werden sicher teilweise durch die Ver- schiedenheit der Organisation des Eies erklärt, welche auch Eigen- tümlichkeiten in der Ausbildung des Embryos hervorruft. Einige von den Eigentümlichkeiten in der Entwicklung der Blutbildungsprozesse bei diesen verschiedenen Tierklassen sind leicht mit dieser oder jener Organisation des Eies in Einklang zu bringen; zum Beispiel ist das Auftreten der Blutbildung in der Leber der Säugetiere damit zu erklären, dass das Ei der Säuge- Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 33 498 Wera Dantschakoff: tiere seinen Dotter verloren hat; auch können die Gefässe des Dottersacks in solchem Falle nicht die ausserordentlich reiche Entwicklung erreichen, die wir bei den Vögeln konstatiert haben. In anderen Fällen aber ist es viel schwieriger, die oben erwähnten Differenzen zu erklären; so ist es z. B. viel schwieriger zu ver- stehen, warum bei den Vögeln die Granulopoese und die Erythro- poese, obwohl in sehr engen räumlichen Beziehungen, doch immer und in allen Stadien durch die Kapillarendothelienwand scharf voneinander getrennt sind. _ Gewiss ist die Untersuchung eines und desselben Organs bei verschiedenen Tierklassen in sich selbst gerechtfertigt, und die Resultate einer solchen Untersuchung haben einen selbständigen Wert; um so mehr halte ich es für zweckmässig, wenn sie in der Absicht ausgeführt werden, schon an einigen Objekten festgestellte (resetzmässigkeiten durchzuprüfen und zu untersuchen, wie weit diese Gesetzmässigkeiten verallgemeinert werden können. Deshalb habe ich mir in dieser Arbeit vorgenommen, nicht allein die Histiogenese des Blutbildungsprozesses in verschiedenen Organen bei Trop. natr. zu untersuchen, sondern auch durchzuprüfen, ob die meroblastische Organisation des Tropidonotuseies tat- sächlich ein Moment bildet, das alle die Verschiedenheiten zwischen den Blutbildungsprozessen bei Vögeln und Säugetieren, die ich oben aufgezählt habe, hervorruft. Mein Material betraf eine Reihe ununterbrochen aufein- ander folgender verschiedener Entwicklungsstadien von Tropido- notus natrix vom Beginn der Blutinselbildung bis zum Aus- schlüpfen des jungen Tieres aus dem Ei. Die grösste Zahl der Eier erhielt ich durch die grosse Gefälligkeit des Herrn Professor Dr. Kopsch. Die erste Fixation der Keimscheiben und der Embryonen wurde mit der liebenswürdigen Erlaubnis von Geheim- rat Professor Dr. Waldeyer in seinem Institut vorgenommen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, beiden Herren meine Dankbarkeit hier auszudrücken. In der Schilderung meiner Untersuchungsmethoden kann ich mich kurz fassen. Obgleich ich zahlreiche andere angegebene Färbungen, speziell die Modifikation der Giemsa-Färbung nach Weidenreich (1912, 70), versucht habe, bin ich doch zu dem Schluss gekommen, dass es bis jetzt noch keine bessere Untersuchungsmethode für Blutstudien gibt als die Fixation nach Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 499 Helly, sodann Celloidineinbettung und Eosin - Azur - Färbung. Diese letztere erfordert eine grosse Erfahrung, weil man für Gewebe verschiedener Entwicklungsstadien des Embryo auch verschiedene Proportionen von Eosin-Azur anwenden muss, und zwar muss die Dose von Azur für spätere Stadien vergrössert werden. — Die Keimscheiben wurden stets nach Dominici ge- färbt. Da dieses Mal das Objekt meiner Untersuchungen das Ei eines Kaltblüters war, konnte ich eine grössere Anwendung von Untersuchung nicht fixierten lebenden Materials machen. Es sei mir gestattet, noch einige Worte über die Termino- logie zu sagen. In verschiedenen Stadien und in verschiedenen Organen werden bei Tropidonotus natrix teilweise aus Mesenchymzellen, teilweise aus dem Endothel der Kapillarwände, teils aber durch weitere mitotische Teilungen der schon differenzierten Zellen Anhäufungen von Zellen gebildet, deren Struktur ganz analog der Struktur der Zellen ist, die aus der Auflösung der Blutinseln resultieren. In meinen früheren Arbeiten habe ich schon auf ihre Ähnlichkeit mit grossen Lymphozyten der blutbildenden Organe hingewiesen. Wie wenig dieser Name aber diesen Zellen entspricht, ist schon aus dem Umstand ersichtlich, dass andere Forscher, die auch bei ihren Untersuchungen zu monophyletischer Ansicht gelangen, immer neue und neue Namen für diese Zellen vorschlugen. In meiner letzten Arbeit (1910) habe ich diese Zellen Iymphoide Hämozytoblasten genannt; auch in dieser Arbeit werde ich vorzugsweise diesen Namen gebrauchen. Bei der Besprechung der ersten Stadien der Blutbildung werde ich im Einklang mit meiner ersten Arbeit über die erste Blutentwicklung bei Vögeln diese Zellen auch primitive Blutzellen nennen. Dieser Name wurde von Bryce eingeführt und ist überaus berechtigt schon durch das Moment der ersten Er- scheinung dieser ersten Blutzellen. Nachdem die Blutbildung in der Area vasculosa sich in zwei verschiedene Richtungen getrennt hat: in die innerhalb der Gefässe lokalisierte Erythropoese und die ausserhalb der Gefässe gelegene Granulopoese, nenne ich dieselben Zellen grosse Iymphoide Hämozytoblasten; diesen Namen behalte ich für die ganze Dauer der Blutbildung in der Area vasculosa, in den Dottersackanhängen und in dem Knochenmark bei. BB 500 Wera Dantschakoff: Da an den übrigen Orten, wo diese Zellen vorkommen, nämlich im Bindegewebe, in der Thymus und in der Milz bei Tropidonotus natrix niemals Erythrozyten gebildet werden, so nenne ich hier dieselben Zellen grosse Iymphoide Zellen. I. Über die extraembryonale Blutbildung. 1. Blutinseln und primitive Blutzellen in der Area vasculosa. 2. Primitive Erythroblasten und Granuloblasten. 3. Definitive Erythroblasten und Erythrozyten und ihre Gruppierung in den Gefässen; Granulozyten. 4. Der Dottersack und seine hämatopoetische Funktion. . Schlüsse. ot 1. Blutinseln und primitive Blutzellen in der Area vasculosa. Da die jüngsten meiner Embryonen bereits sechs bis neun Urwirbel besitzen, kann ich weder über das erste Auftreten der Blutinseln noch über deren Entstehung aus Endo- oder Mesoderm irgendwelche Angaben machen. In den eben er- wähnten Stadien sind die Blutinseln nicht allein in dem Ab- schnitt des Mesoblasts, der die hintere (ventrale) Blastoporus- lippe umgibt, überall aufgetreten, sondern sie sind schon in dem grössten Teil der Area vasculosa, die sich vorn vorwärts entwickelt hat, aber noch nicht von beiden Seiten zusammengetroffen ist, zu sehen. In diesem Stadium sind im hinteren Abschnitt der Keimscheibe noch zahlreiche sich aus Mesoderm entwickelnde neue Blutinseln zu unterscheiden. Dabei bilden die Mesoderm- zellen im allgemeinen, oder speziell die Splanchnopleurazellen, wo die beiden Mesodermblätter schon differenziert sind, mehr oder weniger zahlreiche Komplexe von Zellen, die infolge intensiver Wucherung eng aneinander liegen. In kleineren, erst kürzlich gebildeten Zellgruppen kann man noch die Grenzen verschiedener Zellen bestimmen; ihre stete Vermehrung führt aber bald zu völligem Verschmelzen der Zellen zu einem Synzytium mit zahl- reichen in ihm zerstreuten Kernen; die letzteren zeigen immer zahlreiche Mitosen. Es fängt gerade in den ersten Stadien, die mir zur Ver- fügung standen, die Differenzierung einer Gefässwand an den Blutinseln an. Dabei entspricht ihre Bildung völlig den schon bekannten Tatsachen, nämlich dass an der unteren, dem Dotter- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 501 entoderm zugewendeten Oberfläche der Blutinseln sich eine Lage etwas abgeplatteter Zellen abtrennt, wobei der Zusammenhang der Blutinseln mit der Splanchnopleura noch bestehen bleibt; erst nach gewisser Zeit isoliert sich das Gefäss völlig vom visceralen Blatte des Entoderms. Diese Differenzierung der (refässwand geschieht durch eine Flüssigkeitssekretion der Blutinseln bildenden Zellen; das hat ausserdem noch zur Folge, dass das Protoplasma der übrig gebliebenen Zellen noch kompakter wird. Ich habe schon bei der Schilderung der Blutbildung bei Vögeln Gelegenheit gehabt mitzuteilen, dass einige von den Blut- inseln bei der Schliessung der Endothelwand der Kapillaren ausser- halb des Kapillarnetzes zurückbleiben oder dass auch noch kleine Blutinseln nach der vollständigen Differenzierung des Gefässnetzes auf Kosten der Vermehrung von Mesodermzellen in den Substanz- inseln sich bilden Können. Die Zellen der Blutinseln bleiben im Ruhezustande in der Form einer synzytialen Masse nicht lange liegen; sie scheinen beim Anfange der Herzkontraktionen einen neuen Impuls vom Flüssigkeitsstrom zu erhalten und äussern dabei eine Anstrengung, sich von dem synzytialen Verbande loszureissen. Wenigstens sieht man an der ganzen Oberfläche der an der Peripherie der Blutinseln liegenden Zellen unzählbare kleine rundliche Pseudo- . podien (Fig. 1 Blins.), deren Bewegungen endlich dazu führen, dass die Blutinseln auseinanderfallen und runde amöboide Zellen massen- haft in den Gefässen erscheinen. Ich habe sehr oft bei der Unter- suchung einer unfixierten und ungefärbten Keimscheibe den Ein- druck gewonnen, dass die Zellen der Blutinseln nicht passiv durch die ausspülende Kraft der pulsierenden Flüssigkeit auseinander gedrängt werden, sondern dass sie aktiv auseinanderkriechen, wie die Bienen aus einem Bienenschwarm auseinanderfliegen. So entstehen die ersten freien runden Zellen innerhalb der Gefässe, die angesichts ihrer frühen Entstehung und ihrer Be- deutung für die ganze folgende Blutbildung primitive Blutzellen oder primitive Hämozytoblasten genannt werden sollen. Wenn wir eine Keimscheibe von Tropidonotus natrix mit einer solchen von demselben Stadium eines Vogels vergleichen, müssen wir zu dem Schlusse kommen, dass es kaum möglich ist, irgend welche Verschiedenheit zwischen der ersten Differenzierung der Blutinselzellen bei Vögeln und Reptilien festzustellen. Kaum 502 Wera Dantschakoff: möglich ist es auch, auf Grund einer Untersuchung der sich in den. (refässen befindenden Zellen zu erkennen, ob die Keimscheibe einem Huhn oder einem Tropidonotus natrix angehört. Nur etwas kleiner scheinen die Zellelemente bei den Vögeln zu sein. Die primitiven Blutzellen sowohl des Huhnes, wie die des Tropidonotus natrix zeigen alle morphologischen strukturellen Besonderheiten der Zellen, die wir im erwachsenen Organismus mit dem Namen „grosse Lymphozyten“ zu belegen gewohnt sind. Sehr beweglich, potenziell kugelförmig, besitzen sie einen mehr oder weniger breiten basophilen Protoplasmasaum, einen grossen hellen Kern, der in einigen Zellen durch Druck seitens der Sphäre eine dauernde Einkerbung erhält. Der Kern enthält immer ein oder zwei sehr gut ausgesprochene, sich etwas meta- chromatisch färbende Nukleolen und auf den Schnittpräparaten besser hervortretende Uhromatinklümpchen (Fig. 1, 2, 3, 4). Gleich nach der Auflösung der ersten Blutinseln enthalten die Gefässe nur eine Zellart, die sich intensiv weiter vermehrt. Diese Zellen haben in den frühen Stadien kein Hämoglobin, und die Untersuchung der ersten Stadien der Blutentwicklung bei Tropidonotus natrix führt mich noch einmal zum Schluss, dass die ersten freien Blutelemente bei Tropidonotus natrix ganz ebenso wie bei Lepidosiren paradoxa (Bryce 1905), Säugetieren (Maximow 1907, 1909) und Vögeln (Dantschakoff 1907, 1908) nicht hämoglobinhaltige Zellen sind, wie früher angenommen wurde, sondern echte farblose Blutelemente vorstellen. Diese primitiven Blutzellen innerhalb der Gefässe bilden zum Teil durch eine allmähliche Differenzierung hämoglobinhaltige Zellen, und tatsächlich, sobald die primitiven Blutzellen frei werden, schlagen sie diesen Weg der Differenzierung ein und verwandeln sich in Erythroblasten (Fig. 1. Pr. Ebl.). Zu den ersten in den Gefässen erscheinenden Erythroblasten werden noch während langer Zeit immer neue Nachschübe primitiver Blutzellen von den sich weiter auflösenden Blutinseln geliefert. Bevor ich zur Beschreibung einer weiteren Differenzierung der primitiven Blutzellen übergehe, will ich über die Existenz ganz identischer primitiver Blutzellen ausserhalb der Blutgefässe in den Substanzinseln berichten. Ich habe oben schon erwähnt, dass während der Gefässwand- differenzierung auch einzelne Blutinseln zwischen den Grefäss- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 503 maschen liegen bleiben und zur Zeit, wo die Gefässe in der Area vasculosa schon ein geschlossenes Netz bilden, sehen wir auch tatsächlich in den Substanzinseln noch mehr oder weniger zahl- reiche isolierte Zellen, aber auch kleine Gruppen solcher Zellen liegen. Auf der Fig. 1 sehen wir, dass diese Zellen ganz analog den primitiven Blutzellen sind, die wir eben innerhalb der Gefässe gesehen haben. Diese Zellen haben, wie dieselben Zellen bei den Vögeln, eine verschiedenartige Provenienz, sind aber schliesslich doch immer auf das Mesoderm zurückführbar. Die kleinen Zellgruppen bei Trop. natrix ganz ebenso wie bei den Vögeln, können nichts anderes vorstellen als eben kleine Blutinseln, die ausserhalb des geschlossenen Kapillarnetzes liegen geblieben sind. Die Endothelzellen der Kapillaren sind zu dieser Zeit selbst massive, saftige, sich intensiv mitotisch teilende Zellen; an einigen Blutgefässen sieht man zu dieser Zeit, dass ein Teil von ihren Endothelzellen anschwellen und allmählich sich von der Gefäss- wand isolieren. Auch ist zu dieser Zeit die Emigration eine durchaus nicht selten vorkommende Erscheinung. Aber am besten zu sehen ist bei Trop. natrix der Prozess der Differenzierung solcher freien Zellen aus mesodermalen Mesenchym- zellen (Fig. 2). Diese Entwicklung der primitiven Blutzellen ausser- halb der Gefässe auf Kosten des Mesenchyms tritt sehr klar auf den Flächenpräparaten der Keimscheiben hervor und ist von mir auf der Fig. 2 abgezeichnet. Die Untersuchung gerade dieser Stadien ist ausserordentlich wichtig bei der Lösung der Frage, ob die dualistische oder die monophyletische Lehre über das Entstehen der Blutelemente den wirklichen Tatsachen entspricht. Die Dualisten legten immer ihrer Lehre zu Grunde, dass die weissen und die roten Blut- körperchen an verschiedenen Orten und :zu verschiedener Zeit entstehen. Wenn das wirklich den Tatsachen entsprechen würde, würde es schwer sein, gegen die Dualisten aufzutreten, selbst wenn wir imstande wären, im erwachsenen Organismus die Existenz einer einzigen morphologisch nicht weiter einzuteilenden Zellart zu beweisen, aus welcher sich sowohl weisse als auch rote Blutkörperchen entwickeln. Immerhin würde auch dann die Einwendung möglich sein, dass die genannte Zellart morpho- logisch nur deshalb nicht eingeteilt werden kann, weil unsere 504 Wera Dantschakoff: unvollkommenen Untersuchungsmethoden es nicht zulassen, und dass die funktionellen Verschiedenheiten, welche zu einer Diffe- renzierung verschiedener Zellen führten, sowohl als der Unter- schied in der zeitlichen und örtlichen Entstehung der Mutter- zellen eine völlig genügende Veranlassung seien, um die primi- tiven Erythroblasten und die primitiven Leukoblasten als zwei ganz selbständige Zellarten anzusehen. Aber wir sehen, dass zur selben Zeit entstehende und morphologisch innerhalb und ausserhalb der Gefässe strukturell ganz identische Zellen schliesslich auch eine gemeinsame Ab- stammung aufweisen. Das Mesoderm erscheint auch als die primäre und wichtigste Quelle für die Entstehung der farblosen, amöboiden, sehr beweglichen primitiven Blutzellen, welche gleichzeitig in den allerfrühesten Stadien der Blutentwicklung innerhalb und ausser- halb der Gefässe der Area vasculosa zu treffen sind. Zwar gehen die meisten Blutinseln in das Lumen der Ge- fässe über und damit wird der grösste Teil der Blutinselzellen zur Bildung hämoglobinhaltiger Zellen bestimmt; die ausserhalb der Gefässe liegenden farblosen Blutzellen dagegen entwickeln sich zu Granuloblasten und Granulozyten und differenzieren sich auf Kosten desselben Mesoderms etwas langsamer, allmählicher und dauernder. Dieser Unterschied wird aber durch die rein äusserliche Bedingung der Kapillarnetzausbildung bestimmt. So- bald die Blutinseln von einer Endothelwand umgeben werden, können sich nicht mehr neue Blutzellen innerhalb der Gefäss- netze auf Kosten des Mesenchyms bilden; deshalb scheint es natürlich, dass der grösste Teil der Blutinselzellen innerhalb der Gefässe auf einmal die erythroblastische Funktion übernimmt. Die primitiven Blutzellen ausserhalb der Gefässe entwickeln sich noch während einiger Zeit auf Kosten des Mesoderms. Aber auch nach der Isolierung dieser beiden Zellarten durch die Endothelwand der Kapillaren und nach der Übernahme einer bestimmten von ihrer Lokalisation abhängenden Funktion durch jede von ihnen behalten beide sehr enge Beziehungen zueinander; zu dieser Zeit und auch später kann man Bilder von Permigration sehen, die man wenigstens teilweise nicht anders deuten kann als eine Emigration von primitiven Blutzellen, in die Substanz- inseln. Leider erlauben uns unsere Untersuchungsmethoden nur selten die Differenzierungen der Zellen in vivo zu beobachten Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 505 und unsere Schlüsse beziehen sich meistens noch immer auf die Deutung fixierter und gefärbter Präparate. Wie ich oben angedeutet, ist die Bildung von roten und weissen Blutkörperchen bei Trop. natrix streng gesondert. Zu keiner Zeit und nirgends wird ein primitiver Hämozytoblast ausserhalb der Gefässe zu einem Erythroblasten differenziert. Die Trennung der beiden Prozesse ist bei Trop. natrix noch viel strenger durch- geführt als bei Vögeln, wo wir doch im lockeren Bindegewebe des Embryo selbst erythropoetische Herde beobachtet haben. Und wenn wir eine Emigration der primitiven Hämozytoblasten aus den Gefässen in die Substanzinseln sehen und diese Zellen sich durch nichts von den schon dort liegenden unterscheiden, so können wir natürlich auf ihre folgende Entwicklung schliessen, die ähnlich der Entwicklung der neben ihnen liegenden identischen Zellen sein muss, obgleich wir diese Differenzierung nicht in vivo verfolgen können. Es erhellt, dass man bei Trop. natrix sowohl, wie bei den Vögeln die Existenz von primitiven Hämozytoblasten beweisen kann, welche für die weissen und roten Blutkörperchen gemeinsame Mutterzellen darstellen und der Genese und Struktur nach identisch sind. Ich gehe jetzt über zu der Beschreibung ihrer folgenden Differenzierung. 2. Primitive Erythroblasten und Granuloblasten. Ich werde mit der Beschreibung der weiteren Entwicklung der Blutzellen innerhalb der Gefässe anfangen. Ganz ähnlich, wie die Bildung der Blutinseln selbst nicht gleichzeitig geschieht, so beginnt auch die Auflösung der Blutinseln und die Differenzierung der primitiven Hämozytoblasten nicht zur selben Zeit. Aber so- bald eine Blutinsel sich zu freien Zellen aufgelöst hat, beginnen die isolierten, strukturell den grossen Lymphozyten ähnlichen primitiven Hämozytoblasten ihre weitere Differenzierung. Ob nun die jetzt pulsierende Flüssigkeit oder andere, von uns nicht näher bestimmbare Bedingungen eine Rolle spielen, jedenfalls wird der überaus grösste Teil der innerhalb der Ge- fässe liegenden Zellen zu hämoglobinhaltigen Zellen. Da die roten Blutkörperchen des Trop. natrix der Struktur nach den hämoglobinhaltigen Zellen der Vögel ganz analog sind und der Differenzierungsgang der roten Blutzellen aus farblosen 506 Wera Dantschakoff: primitiven Blutzellen bei diesen zwei Tierklassen ganz ähnlich ist, so möchte ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf meine frühere ausführliche Beschreibung der allmählichen Differenzierung der primitiven Blutzellen in hämoglobinhaltige Elemente bei den Vögeln verweisen (Dantschakoff 1908). Ich habe hier nur noch zu erwähnen, dass die primitiven Iymphoiden Hämozytoblasten nach der Abspaltung eines ganzen sich schliesslich in Erythrozyten differenzierenden Stammes sich selbst als solche nicht auflösen, sich vielmehr erhalten und nach der Übersendung einer ersten zahlreichen Generation von hämoglobinhaltigen Zellen in die Gefässe und das Herz des Embryo wieder etwas zahlreicher werden. Wenn wir jetzt die neu entwickelten hämoglobinhaltigen Zellen ins Auge fassen. so können wir bemerken, 1. dass sie durch eine ganze ununterbrochene Reihe von Übergangszellen mit den Iymphoiden Hämozytoblasten verbunden sind; 2. dass die erste Generation hämoglobinhaltiger Zellen sich bedeutend von den sich in späterer Zeit entwickelnden Erythroblasten und Ervthrozyten unterscheidet. Die Bildung dieser etwas unvollkommenen hämoglobin- haltigen Blutzellen muss infolge eines rasch angewachsenen Be- dürfnisses durch eine Ausarbeitung von Hämoglobin seitens des Organismus bedingt sein. Diese Zellgeneration ist zur weiteren mitotischen Teilung fähig und erst durch die grösseren Dimensionen, durch eine scharf ausgesprochene Polychromatophilie erkennbar; auch enthalten diese Zellen stets ein oder zwei gut aus- gesprochene Nukleolen. Ähnlich wie bei den Vögeln (Dantschakoff) und im Gegensatz zu den Säugern (Maximow) bilden die primitiven Erythroblasten bei Tropidonotus natrix nicht eine rasch durch definitive Erythroblasten ersetzte Zellart: die primitiven Erythro- blasten werden bei Tropidonotus natrix allmählich während einer ganzen Periode durch sich aus Iymphoiden Hämozytoblasten neu differenzierende vollkommenere FErythroblasten verdrängt und ersetzt. Ausser den hämoglobinhaltigen Zellen spalten die primitiven Ivmphoiden Hämozytoblasten innerhalb der Blutgefässe noch eine andere Zellform ab, sehr kleine Grosse Lymphozyten, die bei ihrer weiteren Differenzierung Mikroblasten entwickeln. Diese Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 507 letzteren haben wir auch bei den Vögeln getroffen; sie scheinen in einem engen Zusammenhang mit den im erwachsenen Organis- mus sich befindenden Thrombozyten zu stehen. Wir schliessen aus dem Gesagten, dass bei Reptilien und Vögeln innerhalb der Grefässe bestimmte Bedingungen existieren, die die primitiven Iymphoiden Hämozytoblasten immer in den Weg der erythropoetischen Differenzierung führen. Was wird aber aus den primitiven Iymphoiden Hämozyto- blasten, die ausserhalb der Gefässe liegen und die wir leichteren Herzens Grosse Lymphozyten nennen möchten, weil wir gewohnt sind, mit diesem Namen eine Zellart zu bestimmen, die keine Beziehung zur Erythrozytenbildung aufweist ? Wir müssen schliessen, dass in den Substanzinseln die äusseren Entwicklungsbedingungen gänzlich verschieden sein müssen, weil wir während der ganzen embryonalen Periode hier keine Andeutungen einer Erythropoese finden können. Diese Tatsache, dass bei Reptilien ebenso wie bei Vögeln innerhalb der Gefässe nur Erythrozyten und ausserhalb der Ge- fässe nur hämoglobinlose Blutzellen gebildet werden, könnte fälschlicherweise zugunsten der dualistischen Lehre herangezogen werden. Aber wir haben gesehen, dass die ersten Iymphoiden Hämozytoblasten strukturell und genetisch eine einzige Zellart darstellen, und dass die ausserhalb der Gefässe liegenden Hämo- zytoblasten durch Emigration von Zellen aus den Gefässen ver- mehrt werden. Die eben von mir beschriebenen extravaskulären Lympho- zyten liegen sehr dicht an den Gefässwänden, indem sie gewöhnlich die Spalten zwischen Entoderm und Gefässen, aber auch teilweise die zwischen den Gefässen und der Splanchnopleura bevorzugen. Ausser der Vermehrung auf heteroplastischem Wege aus den oben beschriebenen Quellen vermehren sie sich auch mitotisch. Ihre grossen scharf hervortretenden Mitosen können leicht identifiziert werden. Fast gleichzeitig mit dem Auftreten einer Differenzierung der primitiven Hämozytoblasten innerhalb der Gefässe, vielleicht nur etwas später, beginnt eine Differenzierung der Iymphoiden Hämozytoblasten auch ausserhalb der Gefässe. Ganz ähnlich wie bei den Vögeln, beginnt auch bei Trop. natrix eine Differenzierung der Iymphoiden Hämozytoblasten zu granulierten Zellen. 508 Wera Dantschakoff: Bei den klinischen Pathologen ist es üblich, grosse junge Zellen mit grossem rundlichem Kern. und gut ausgesprochenen Nukleolen beim Auftreten von Granula in ihrem Protoplasma bei nachfolgender Differenzierung in granulierte Leukozyten Myelozyten zu nennen, weil diese Zellen zuerst im Knochenmark entdeckt wurden. Aber nachdem wir erfahren haben, dass bei Vögeln die Stätte ihres ersten Auftretens die Area vasculosa ist, dass sie weiter sich sehr intensiv in den Anhängen des Dottersackes vermehren, dass sie im Körper des Embryo sowohl im lockeren Bindegewebe wie in der Thymus und der Milz erscheinen (Dantschakoff 1907, 1908, 1909, 1910), und wir sie auch bei Trop. natrix zum ersten Male. wie oben erwähnt, in der Area vasculosa erblicken, scheint es mir unrichtig, diese Zellen mit dem Namen ihrer teilweisen Lokalisation zu belegen. Ich finde es viel rationeller, in ihrem Namen ihre granuloplastische Funktion zum Ausdruck zu bringen, zumal diese Zellen auch ganz bestimmte morphologische Eigen- schaften besitzen. Ich werde sie daher in nachstehendem immer Granuloblasten nennen. Ich brauche nicht zu beschreiben, wie allmählich die grossen Lymphozyten ausserhalb der Gefässe sich in Granuloblasten ver- wandeln, weil dieser Prozess ganz identisch ist mit dem, den ich schon bei den Vögeln beschrieben habe. Wenn wir aber die beiden Richtungen der Differenzierung, denen die lymphoiden Hämozytoblasten innerhalb und ausserhalb der Gefässe unterliegen, vergleichen wollen, so können wir’ leicht ersehen, dass diese beiden Prozesse mehrere Eigentümlichkeiten in ihrem Verlaufe aufweisen. Wir wissen, dass bei der Entstehung von Erythroblasten diese Differenzierung in zahlreichen isolierten Blutinselzellen zu gleicher Zeit vor sich geht. Im Gegenteil, bei der Granulo- blastenbildung, wissen wir, dass diese Differenzierung sich nur allmählich vollzieht; die primitiven Hämozytoblasten, die so wie so viel weniger zahlreich zwischen den Gefässen sind, scheinen nur einzeln den Weg der Differenzierung zu betreten. Der Organismus des sich entwickelnden Embryos bedarf augenscheinlich ihrer Tätigkeit weniger ‘als der Ausbildung der Erythroblasten, die auf einmal in alle Teile des Körpers, in alle Organe und deren Spalten gelangen. Wir sehen auch tatsächlich, dass die Granuloblasten die Stelle ihrer Entstehung nicht ver- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 509 lassen, ausser wenigen Zellen, die doch nach ihrer Emigration in die Gefässe durch diese in den Körper des Embryos transportiert werden. Die Ausbildung der Granuloblasten in der Nähe von Gefässen ist für diese Zellart sehr charakteristisch und wir werden auch im folgenden sehen, dass dieselbe Lokalisation auch im Körper des Embryos diesen Zellen eigentümlich ist. Man sieht an Stellen, wo die Granuloblasten zahlreicher werden, dass sie in ununterbrochenen Reihen die Gefässe umschliessen (Fig. 3). Wir haben oben gesehen, dass die Granuloblasten ihre Tätigkeit in den ersten Stadien ihrer Entwicklung hauptsächlich ausserhalb des Organismus entfalten. Ich glaube nicht, dass die Granuloblasten bestimmte Beziehungen zu der Hämoglobin- ausarbeitung haben können, weil wir eben gesehen haben, dass die Entwicklung der hämoglobinhaltigen Zellen innerhalb der (refässe etwas früher begonnen hat als die Ausarbeitung der acidophilen Granula in den Granuloblasten zwischen den Gefässen. Es ist daraus zu schliessen, dass das Hämoglobin selbständig ohne Hilfe und ohne Vermittlung der Granuloblasten aus- gearbeitet wird. Die typische Lokalisation der Granuloblasten zwischen den Gefässen und dem Endoblast, dessen Zellen zu dieser Zeit einen sehr grossen Umfang erreichen und in ihren zahlreichen Vakuolen beträchtliche Mengen von umgearbeitetem Dotter enthalten, legt die Vermutung nahe, dass die Granuloblasten vielleicht eine ge- wisse Rolle spielen könnten beim Abgeben nahrhafter Substanzen in das Blut, oder dass sie selbst bestimmte Elemente ins Blut abgeben. Ihre sehr nahen Beziehungen zu den Gefässen, die auch im Embrvokörper beständig sind, ihre Tätigkeit, die so analog der Tätigkeit einer sekretorischen Drüse ist, kann die oben erwähnte Hypothese nur bestätigen; wissen wir doch, dass im Blute so mannigfache chemisch unbestimmbare und nur durch ihre bio- logischen Eigenschaften sich offenbarende Substanzen zirkulieren. 3. Definitive Erythroblasten und Erythrozyten und ihre Gruppierung in den Gefässen. Granulozyten. Wie oben erwähnt, werden die primitiven Erythroblasten in den Gefässen bei Trop. natrix nur ganz allmählich durch eine Generation von definitiven Erythroblasten ersetzt. 510 Wera Dantschakoff: Die primitiven Erythroblasten, die nach ihrer Differenzierung aus Iymphoiden Hämozytoblasten die für sie charakteristische Struktur angenommen haben, erschöpfen allmählich ihre Ver- mehrungskraft und degenerieren. Auch trifft man zuweilen inner- halb der Gefässe grosse basophile Phagozyten an, welche in ihrem Protoplasma grössere Klumpen auseinandergefallener hämoglobin- haltiger Zellen aufweisen. Die primitiven Erythroblasten werden allmählich durch neue Generationen immer vollkommenerer Erythro- blasten ersetzt; diese letzteren werden fortwährend in den Ge- fässen der Area vasculosa mittels weiterer langsamer Differen- zierung immer derselben Iymphoiden Hämozytoblasten gebildet und ihre Mutterzelle entspricht strukturell noch immer den (Grossen Lymphozyten. Augenscheinlich wird das intensive Bedürfnis des Embryos nach Hämoglobin von den in den Blutgefässen des Körpers kreisenden primitiven Erythroblasten befriedigt. Deshalb werden die neu entstehenden Erythroblasten in den blutbildenden Kapil- laren der Area vasculosa jetzt längere Zeit zurückgehalten und unterliegen einer vollkommeneren und tieferen Differenzierung. Im Gegensatz zu den primitiven Erythroblasten werde ıch sie definitive Erythroblasten oder schlechtweg Erythroblasten nennen. Die definitiven Erythroblasten werden in den Gefässen während längerer Zeit zurückgehalten, arbeiten nur allmählich in zahlreichen Generationen reichlichere Mengen von Hämoglobin aus und zeigen eine tiefere Änderung des Kerns. Im Gegensatz zu den primitiven Erythroblasten verlieren schliesslich die Kerne der definitiven Erythroblasten ihre Nukleolen. Während der aufeinanderfolgenden Mitosen häufen die Erythroblasten immer mehr Hämoglobin an, ändern ihre kugelförmige Gestalt und werden allmählich elliptisch. Nur wenn diese Zellen mehr oder weniger vollständig zu reifen Erythrozyten ausdifferenziert sind, werden sie durch den Blut- strom in den Embryokörper getragen. Bei dem ersten Auftreten der hämoglobinhaltigen Zellen ist das Gefässnetz in der Area vasculosa nach Popoffs An- gaben hauptsächlich arteriell: hier finden sich nur zu dieser Zeit beinahe in allen Gefässen der Area vasculosa — infolge der raschen Differenzierung der primitiven Blutzellen — fast aus- schliesslich zahlreiche Erythroblasten. Neben ihnen ist aber beständig eine gewisse Zahl von primitiven Blutzellen erhalten, Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 511 die sich immer weiter intensiv vermehren und bald wieder sehr zahlreich werden. Wenn wir aber zu dieser Zeit an den Schnittserien des Embryokörpers das Blut in den Gefässen und im Herzen unter- suchen werden, so ist hier beständig zu sehen, dass sowohl in den früheren Stadien als auch in der späteren Entwicklung die hämoglobinhaltigen Zellen immer am zahlreichsten sind. Es ist auch deshalb erklärlich, dass die früheren Autoren, die die Blut- entwicklung hauptsächlich an Schnittpräparaten des Embryo- körpers untersuchten, schwerlich ‘einen anderen Schluss ziehen konnten als den, dass die hämoglobinhaltigen und die farblosen Blutzellen zu verschiedener Zeit und an verschiedenen Orten des Embryokörpers gebildet werden. Sie haben eben nur das aus den blutbildenden Kapillaren des Gefässnetzes beförderte, schon differenzierte Blut zu Gesicht bekommen und hatten keine Ahnung, dass die Blutbildung bei Vögeln, Reptilien und viel- leicht bei anderen Tiergruppen mit meroblastischen Eiern nicht nur ausserhalb des Embryokörpers am frühesten sich entwickelt, sondern dass sich die Blutentwicklung auch weiter während des grössten Teiles des embrvonalen Lebens — hauptsächlich aus farblosen Mutterzellen — in eigentümlich differenzierten Gefässen der Dottersackanhänge (Dantschakoff 1908) vollzieht. Diese Tatsachen sind auch von Maximow an Selachiereiern bestätigt worden (Maximow, 1910). Sobald nämlich das Kapillarnetz seinen exklusiven arteriellen Charakter verliert, treten gleichzeitig mit der Entwicklung eines sehr breiten venösen Netzes von Kapillaren gewisse Eigentüm- lichkeiten in der Entwicklung der Erythropoese auf, die sich sowohl in der Anordnung der Blutgefässe, als auch in den in ihnen sich befindenden Zellelementen äussert. Die einzelnen Kapillarschlingen werden viel breiter, sie finden auf der Ober- fläche der Area nicht mehr genügend Raum, vertiefen sich und graben sich in den Dotter ein. So kommt es dazu, dass die innere, dem Dotter zugekehrte Oberfläche des Dottersacks, die bier aus einer entodermalen Membran besteht, immer grössere Wülste aufweist. Diese Wülste bestehen aus Gefässen, der sie begleitenden Splanchnopleura und einer ununterbrochenen Schicht von grossen Entodermzellen. Die venösen Kapillaren erhalten nicht nur einen breiteren Umfang, sondern bohren sich auch 512 Wera Dantschakoff: immer tiefer in den Dotter ein; auch bei Tropidonotus natrix entstehen ganz ähnlich wie bei den Vögeln charakteristische Anhänge des Dottersacks. Gerade zu dieser Zeit vermehren sich die farblosen Blut- zellen wieder sehr intensiv innerhalb dieser grossen venösen Kapillaren und erfüllen an einigen Stellen die Blutkapillaren so prall, dass man zu denken geneigt ist, diese venösen Kapillaren könnten durch Druck der massenhaft sich vermehrenden Zellen verbreitert und verlängert werden. Die weitere Differenzierung und Vermehrung der innerhalb der Blutgefässe liegenden Zellen führt zu einer überaus charakte- ristischen Lagerung dieser Zellen. Die Fig. 3, die einem Schnitt- präparat während des Anfangs der Vertiefung der venösen Kapil- laren entspricht, ebenso wie Fig.4, die nur einen kleinen Teil, der Kapillarwand bei einer stärkeren Vergrösserung darstellt, zeigen die Lumina dieser breiten Kapillaren von zahlreichen Zellen überfüllt. Infolgedessen erscheinen hier die Kapillaren als Stränge von dicht gedrängten Zellen. An gefärbten Präparaten ist schon bei schwacher Vergrösserung zu sehen, dass der zentrale Teil des Kapillarlumens immer in roter Farbe erscheint, welche gegen die Peripherie hin durch eine ganze Reihe von verschiedenen Lila-Nuancen in eine intensiv blaue Farbe übergeht. Diese Färbung ist bei einer stärkeren Vergrösserung leicht erklärlich. Sie hängt namentlich von sehr regelmässig gelagerten Reihen von verschieden nach Eosin-Azur tingiblen Zellen ab. So liegen beständig an der Peripherie der Gefässe sehr zahlreiche, morphologisch immer den grossen Lymphozyten entsprechende, Iymphoide Hämozytoblasten, die sich‘ weiter zu Erythroblasten differenzieren. Immer morphologisch leicht erkennbar, bilden diese Zellen an vielen Stellen ununterbrochene Reihen eng aneinander und an das Wandendothelium anliegender Gruppen. Infolge des sehr engen Raumes verlieren sie hier ihre kugelige Form wie ihre amöboiden Fortsätze, und ihre Konturen erscheinen nicht selten fazettenartig deformiert. Diese Zellen, die in den frühesten Entwicklungsstadien einen integralen Teil der Blutinseln bildeten, die sich bei dem Auflösen der Blutinseln in isolierte primitive Blutzellen verwandelten, dann so zahlreiche Stämme von hämo- globinhaltigen Blutzellen abspalteten, sind leicht zu identifizieren, weil sie sich dabei nur sehr wenig morphologisch verändert haben. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 513 Gleich anderen Zellen des Embryos werden sie ontogenetisch reifer, indem sie hauptsächlich etwas grössere Mengen Chromatin entwickeln. Sie setzen sich jetzt während einer längeren Periode in das blutbildende venöse Netz des Dottersacks nieder und funktionieren hier immer in derselben Weise bis zu der Zeit, in der das endeültige Blutbildungsorgan gebildet wird, d. h. während des grössten Teils des embryonalen Lebens. Diese Zellen teilen sich fortwährend, fangen an Hämoglobin auszuarbeiten und differenzieren sich so in definitive Erythro- blasten; diese behalten in den ersten Generationen noch ihre Nukleolen und lagern sich in Form von Gruppen und Reihen etwas zentraler (Fig. 3). Sie bleiben dann auf ihrer Stelle liegen und treten gewöhnlich nicht in den Blutstrom ein. Bei nach- folgender mitotischer Vermehrung differenzieren sich die ersten Generationen der Erythroblasten noch weiter und verwandeln sich endlich in vollkommen differenzierte Erythrozyten, die immer nur die zentralen Teile der venösen Gefässlumina einnehmen. Nach ihrer gegenseitigen Lage und Richtung lassen sie auch in fixierten Präparaten leicht erkennen, dass sie nicht lange am Platze ihrer Entstehung liegen bleiben, sondern dass sie durch den Blutstrom in den Körper des Embryo hinübergetragen werden. In sehr charakteristischer Weise gestalten sich in dieser Zeit die gegenseitigen Beziehungen der venösen Kapillaren und der Arterien. Die ersteren übertreffen viele Male das Volumen der Arterien, die auch zusammen mit dem venösen Kapillarnetz in den Dotter herabsinken und immer zahlreiche, aber auch stets gut differenzierte Erythrozyten in ihrem Lumen enthalten. Die Zahl der Blutzellen vergrössert sich nicht allein inner- halb der Gefässe, denn zahlreiche Mitosen sind auch in den Granuloblasten zu sehen. Diese letzteren difterenzieren sich auch individuell weiter, sie werden reifer und verwandeln sich in granulierte acidophile Leukozyten. Bei den Reptilien habe ich nur eine Art von granulären Leukozyten im Blut gefunden, die Mastleukozyten ungezählt, welche ziemlich selten zu sein scheinen. Die Granula der Leukozyten erscheinen bei Tropidonotus natrix immer acidoeosinophil und bewahren ihre rundliche Form, werden aber viel zahlreicher und vergrössern sich. Der Kern der Granulo- zyten weist die gewöhnlichen Veränderungen auf, indem er erst Archiv f. mikr. Anat. Bd.S7. Abt.I. 34 514 Wera Dantschakoftf: kugelförmig, dann etwas gelappt ist, seine Nukleolen verliert und sich mit Chromatin bereichert. Die Gruppen der vollkommen differenzierten Leukozyten samt ihren jüngeren Formen von Granuloblasten und lymphoiden Hämozytoblasten bewahren stets ihre nahen Beziehungen zu den Grefässen. So sind nicht selten grössere Anhäufungen granulierter Zellen hart an der Gefässwand anliegend zu sehen. Die von mir beschriebenen Beziehungen morphologischer und genetischer gegenseitiger Abhängigkeit der Blutzellen ent- sprechen ungefähr beim Huhne der Entwicklungsperiode vom Anfang der Blutbildung bis zum 5. Bebrütungstag. Diese Be- ziehungen bleiben aber unverändert bis zum völligen Stillstand der Blutbildung im Dottersack bei Tropidonotus natrix und der Ausbildung des definitiven blutbildenden Organs. 4. Der Dottersack bei Tropidonotus natrix und seine hämato- poetische Funktion. Die Struktur des Dottersacks der meroblastischen Eier ist schon mit grösster Genauigkeit in den Arbeiten von Virchow, Popoff und Strahl beschrieben worden. Diese Autoren haben die eigentümlichen Anhänge des Dottersacks untersucht, die schon in sehr frühen Stadien an der unteren Seite des Dotterentoblasts — ın der Gegend der Area opaca — schwache Wülste von läng- licher, leistenartiger, lappiger, zum Teil geschlängelter Form in verschiedener Höhe und Länge bilden. Diese sich fortwährend vergrössernden Wülste bilden sich zu den Anhängen aus, in die ein überaus reichlich entwickeltes Gefässnetz gelagert ist. Die Gefässnetze sind grösstenteils venös, mit Ausnahme kleiner Arterien, welche in der Nähe des freien Randes jedes Blattes verlaufen. Dieser in verschwenderischer Entfaltung sich zeigende Reichtum an Gefässen in den Anhängen ist schon von Popoff festgestellt worden. Es sei mir erlaubt, eine kleine Änderung an der überaus vollkommenen und zutreffenden Beschreibung der Dottersackanhänge der oben genannten Autoren zu machen. Diese Änderung betrifft die Bestimmung des ersten Moments der Bildung der Anhänge. Ich halte nämlich für den primären Ausgangspunkt der Bildung dieser Anhänge nicht das Erscheinen der Wülste am Dotterentoblast, sondern die Ausdehnung und Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 515 Verlängerung und infolgedessen das Einwachsen des (efäss- netzes der Area vasculosa in den Dotter, welchem Einwachsen schon sekundär eine mechanische Invaginierung des Entoblasts in die Höhle des Dottersacks folgt. Was die Funktion des Dottersacks anbetrifft, so bestimmt sie Schauinsland in den frühen Stadien der Entwicklung als Gasaustausch, weiter aber als Versorgung des Embryo mit resorbierten Nährsubstanzen. Er betrachtet die Funktion des Dottersacks als ganz aufgeklärt und meint, dass es schwerlich noch etwas hinzuzufügen gebe. Vor sechs Jahren, bei meinen Untersuchungen über die Blutbildung bei Vögeln, ist es mir gelungen, das fehlende Glied in der Entwicklung der Blutbildungsorgane bei meroblastischen Eiern, das schon von den früheren Autoren gesucht wurde, auf- zufinden. Es war bekannt, dass im embryonalen Leben der Tiere mit meroblastischen Eiern die Leber keinen Anteil an der Blut- bildung nimmt. Bizzozero, der viel über die Blutbildung bei Vögeln ge- arbeitet hat und der die von Neumann entdeckte blutbildende Tätigkeit des Knochenmarks bestätigt hat, hat schon im Körper des Hühnerembryos nach einem Herd geforscht, in dem die Blut- bildung nach den ersten Stadien ihrer Entwicklung in der Area vasculosa sich entwickeln könnte. Seine Ansicht über das Wesen der Blutbildung liess ihn keine besonderen jugendlichen Zell- formen suchen, sondern bestand in der Annahme, dass Reihen von nacheinander folgenden Mitosen hämoglobinhaltiger Blutzellen vollständig genügen, um das Blut mit Erythrozyten zu ver- sorgen. Solche Ansicht aber hat ihn bei seinen Untersuchungen irre geführt; er hat nämlich auf die erythropoetische Funktion der Milz geschlossen, nur, weil er an zerzupften Präparaten dieses Organs in hämoglobinhaltigen Zellen Mitosen aufgefunden hat. Leider ist aber die Milz weder bei Vögeln noch, wie ich es weiter unten ausführlich berichten werde, bei Tropidonotus natrix in irgend welchem Entwicklungsstadium ein erythropoeti- sches Organ. Es wurden, soviel mir bekannt ist, keine anderen Ver- mutungen in dieser Hinsicht aufgestellt und so blieb die Funktion des Dottersacks bis 1908 unbekannt (Dantschakoff 1908). 34* 516 Wera Dantschakoff: Dieser verschwenderische Reichtum an venösen Kapillar- netzen in den Anhängen des Dottersacks ist schon von Popoff als unbegreiflich erklärt, und um ihn irgendwie zu erklären, hat er eine Hypothese aufgestellt, wonach die Kapillaren eine be- sondere Flüssigkeit in den Dottersack sezernieren, die parallel mit einer Absorption geschieht, wobei die letztere in den späteren Stadien die erstere übertrifft. Die Gefässe des Dottersacks haben schon längst durch ihre gelbliche Farbe die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und da- durch den Namen Vasa lutea verdient. Diese gelbliche Farbe wurde aber so erklärt, dass das Entoderm mit seinen grossen un- durchsichtigen Zellen die rötliche Farbe des zirkulierenden Blutes verdeckt. So wurde von einer Seite eine Lücke in der Reihe der blutbildenden Organe anerkannt, von anderer Seite auch eine unverständliche Eigentümlichkeit des venösen Kapillarnetzes in den Anhängen des Dottersackes festgestellt, und doch blieben die beiden aufgeworfenen Fragen offen. Es ist mir gelungen, die oben erwähnte Lücke in der Frage der Blutbildungsorgane auszufüllen und auch zu gleicher Zeit die Eigentümlichkeit des venüsen Kapillarnetzes in den Anhängen genügend zu erklären. Die beiden Probleme werden durch die hämatopoetische Funktion dieser Gefässe gelöst; diese Funktion wird durch die Anwesenheit unzähliger junger indiffe- renter Hämozytoblasten bestätigt. In diesen Gefässen verwandeln sich die jungen Hämozytoblasten mittels einer ununterbrochen nacheinander folgenden Reihe differenzierender Mitosen in Erythro- zyten, welche nach endgültiger Differenzierung in die Gefässe des Embryokörpers ausgeschwemmt werden. Die Tatsache, dass die blutbildende Funktion des venösen Kapillarnetzes in den Anhängen der Beobachtung solcher vor- treftlichen Forscher wie Bizzozero, Virchow, Popoff, Strauss und Schauinsland entgangen ist, ist so zu erklären, dass die einen die Blutbildung für selbstverständlich im Embryo- körper lokalisiert hielten, für die andern aber die Masse des allmählich resorbierten Dotters so sehr in den Vordergrund trat, dass sie die Existenz des überaus reichlich entwickelten Gefäss- netzes durch die alleinige Resorption des Dotters zu erklären und zu rechtfertigen glaubten. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 517 Bei der Blutuntersuchung von Vögeln tauchte vor mir dieselbe Frage auf, wo das mit der Leber der Säuger homologe Blutbildungsorgan zu suchen wäre. Die Leber selbst und die Milz im Sinne einer Erythropoese wurden sehr schnell aus- geschlossen, da eine Färbung mit Eosin-Azur leicht ermöglicht, eine vollkommene Abwesenheit von Erythroblasten festzustellen. Nachdem alle Möglichkeiten eines Auffindens von erythroblastischem Gewebe im Embryokörper erschöpft wurden, habe ich mich schliess- lich zum Dottersack gewandt, und tatsächlich habe ich in der Struktur seiner Gefässe, die meist prall von einem jungen hämatopoetischen Gewebe erfüllt sind, jene Tatsache gefunden, durch welche jetzt die obengenannte Lücke in der Reihe der hämato- poetischen Organe ausgefüllt wird. Der Dottersack der Vögel, speziell das venöse Kapillarnetz in den Anhängen mit den Zellen, die innerhalb der Gefässe sich befinden und der Endothelwand hart anliegen, soll als echtes blutbildendes Organ anerkannt werden: denn die blutbildende Tätigkeit ist aus den Gefässen des oberflächlichen Netzes der Area vasculosa kontinuierlich ohne Interruption in dieses eigentüm- lich gebildete und mit den Anhängen tief in den Dotter hinein gesunkene venöse Kapillarnetz übergegangen. Als ich meine Untersuchungen über die Blutbildungs- entwicklung bei Reptilien vorgenommen hatte, habe ich mir ebenfalls die Frage gestellt, ob auch diesmal, bei Trop. natrix, einem Vertreter einer neuen Klasse von meroblastischen Eiern, die von mir bei den Vögeln bestimmte Lokalisation der Blutbildung sich bestätigen würde. Die Untersuchungen von Strahl und Virchow, die auch bei Reptilien dieselben Anhänge am Dottersack gefunden haben. schienen meine Erwartung in dieser Hinsicht zu be- kräftigen. Und tatsächlich wurde es mir nicht schwer, mikroskopisch diese blutbildende Funktion der venösen Kapillaren zu beweisen. Die Fig. 3, die ein Schnittpräparat der Dottersackwand zwei Tage nach dem Ablegen des Eies vorstellt, zeigt, wie die venösen Kapillaren samt der etwas niedriger gelegenen Arterie anfangen, in den Dotter zu versinken, wobei sie an der inneren Fläche stets von einer Entodermschicht belegt sind. Bei der folgenden Entwicklung des Eies werden die prall angefüllten Gefässe immer geschlängelter. da sie keinen Raum mehr an der Oberfläche der 518 Wera Dantschakoff: Area vasculosa finden: deshalb versinken sie auch immer tiefer in den Dotter und das Entoderm folgt allen Windungen und Krümmungen. Endlich resultieren daraus die zierlichen spitzen- artigen Anhänge, die von Virchow und Strauss so gut be- schrieben wurden. An einem Dottersack von 10—12 Tagen Bebrütung sind die Anhänge in ihrer vollen Entwicklung zu sehen. Die Struktur des hämatopoetischen Gewebes in dem venösen Kapillarnetz der Anhänge entspricht durchaus dem definitiven Modus der Blutbildung bei einem erwachsenen Tiere, da die weitere Blutbildung im Knochenmark ganz ähnlich verläuft wie im Dottersack. Die Endothelwand der Kapillaren selbst nimmt keinen aktiven Anteil mehr an der Vermehrung der Blutzellen innerhalb oder ausserhalb der Gefässe. Die Endothelwand bei Trop. natrix so- wohl als bei den Vögeln spielt sicher für das hämatopoetische Gewebe teilweise die Rolle einer isolierenden Membran. Andrerseits erscheint die Endothelwand als mechanische Stütze für die dichten Stränge nicht miteinander verbundener, frei im Blutplasma liegender Zellen. Nur bei der Anwesenheit solcher Wand können die Stränge des hämatopoetischen (sewebes sich verästeln und verschlängeln und so eine sehr grosse Kontaktoberftläche mit dem Dotter entwickeln; die Bedeutung des Dotters für die Blutbildung - ist aber von Rückert festgestellt worden. Der Inhalt der venösen Kapillaren, der im eigentlichen Sinn ein wahres hämatoblastisches Gewebe vorstellt, besteht, wie ge- sagt, aus freien, miteinander nicht verbundenen Zellen ; dennoch ist ihre gegenseitige Lagerung innerhalb der Gefässe eine sehr präzise. Die farblosen Iymphoiden Hämozytoblasten bleiben stets an der äusseren Peripherie der Gefässe liegen. Sie weisen weder aktive noch passive Bewegung auf und infolge der sehr dicht aneinander gedrängten Zellen sind sie öfters an ihrer Oberfläche fazettiert. Die hämoglobinhaltigen Erythroblasten sind mehr zentral gelagert und bilden zuweilen in den breiteren Kapillaren drei bis vier Reihen von allmählich immer vollkommener differen- zierten roten Blutzellen. Die zentralen Teile der venösen Blutkapillaren sind stets von jungen, schon gut differenzierten, hämoglobinreichen Erythro- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 519 zyten besetzt; diese letzteren werden schliesslich durch die pulsierende Herztätigkeit ausgeschwemmt. Die beschriebenen Gefässe sind immer von mehr oder weniger grossen Anhäufungen granuloblastischen Gewebes um- geben, in welchem stets auch junge, farblose, Iymphoide Hämo- zytoblasten zu erkennen sind. An den Gefässwandungen sind zuweilen Immigrationsbilder von Granulozyten wahrzunehmen. Aus dem oben (sesagten geht hervor, dass das venöse Kapillarnetz mit dem es umgebenden lockeren Bindegewebe in den Dottersackanhängen als wahres blutbildendes Organ zu be- trachten ist. In diesem blutbildenden Organ werden rote sowohl wie farblose Blutzellen produziert. Es hat sich nun im Dottersack für die Entwicklung von farblosen ungranulierten, im Blute zirku- lierenden Zellen kein Raum gefunden, und die ersten kleinen Lymphozyten erscheinen in den Geweben des Embryokörpers. Die blutbildende Tätigkeit des venösen Kapillarnetzes in den Dottersackanhängen setzt sich ungefähr bis zum 15. Tage der Bebrütung des Eies fort; es sind aber immer in dieser Hin- sicht individuelle Verschiedenheiten zu bemerken, sowohl in der Zeit des Auftretens der Verödung der Blutkapillaren, als auch in der Intensität dieses Prozesses, der bald alle Teile der Dottersack- gefässe zu gleicher Zeit betrifft, in anderen Fällen aber nur sehr allmählich fortschreitet. Die Verödung der Blutkapillaren ge- schieht immer parallel mit der Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark. 5. Schlüsse. 1. Die Blutbildung bei Trop. natrix fängt in den frühesten Stadien ihrer Entwicklung mit der Bildung freier, ungefärbter, amöboider, primitiver Blutzellen, Iymphoider Hämozytoblasten, an. Sie werden direkt aus Mesenchymzellen gebildet oder aus diesen durch die Vermittlung der Blutinseln oder auch der Endothelzellen der Gefässwand. Diese primitiven Blutzellen haben die Struktur der grossen basophilen Zellen. die auch in den blut- bildenden Organen im erwachsenen Organismus vorkommen und dort unter dem Namen von Grossen Lymphozyten bekannt sind. Diese Zellen werden in der Area vasculosa und in den Dottersack- anhängen die gemeinsame Mutterzelle für das granuloblastische und das erythroblastische Gewebe. 520 Wera Dantschakoff: Diese Mutterzelle, die ich Iymphoider Hämatozytoblast ge- nannt habe, ändert sich durch eine qualitative Differenzierung in ihrer Struktur und spaltet zahlreiche Generationen von Erythroblasten und Granuloblasten ab, ohne dabei selbst zu Grunde zu gehen. Während die fertigen Produkte der hämo- globinhaltigen Zellreihe durch den Blutstrom aus den blutbildenden Kapillaren in den Empbryokörper geschwemmt werden, bleiben die Mutterzellen und ihre jüngeren Differenzierungsstufen am Orte ihrer Entstehung liegen, gehen aus dem oberflächlichen Kapillar- netz der Area vasculosa in das tiefer in den Anhängen des Dotter- sacks gelegene Kapillarnetz über und liefern immerfort neue und neue Generationen von Blutzellen. Es ist bemerkenswert, dass bei zwei verschiedenen Klassen von meroblastischen Eiern die Kontinuität der blutbildenden Tätigkeit während des grössten Teiles des embryonalen Lebens klar zutage tritt. Während bei Säugern der Prozess der Blut- bildung in der Area vasculosa abbricht und die Blutbildung sich in einem anderen Organ, der Leber, lokalisiert, dauert bei Wirbeltieren mit meroblastischen Eiern die Blutbildung ohne Interruption in denselben Gefässen, die sich zu diesem Zweck verbreitern und verästeln während des grössten Teils der Embryonal- periode an. Damit wird nicht nur die morphologische Einheit der Mutterzelle für hämoglobinhaltige Blutzellen erzielt, sondern es werden auch die definitiven Erythrozyten durch eine ununter- brochene Reihe von Mitosen auf das engste .mit den primitiven Blutzellen der aufgelösten Blutinseln verbunden. 2. Die Entwicklung der roten und der granulierten Blut- zellen geschieht bei Tropidonotus, sowie bei den Vögeln (1908) vom Beginn der ersten Differenzierung dieser Zellen an gesondert. Die Frythrozyten werden innerhalb der Gefässe gebildet, die granu- lierten Leukozyten ausserhalb der Gefässe; diese letzteren gruppieren sich aber auch hart an den Gefässwänden. Es scheint, dass die Endothelwand eine gewisse Stütze auch der ihr ausser- halb gelegenen Zellen bildet. 3. Die Granuloblasten und granulierten Leukozyten des zirkulierenden Blutes werden, wie wir weiter sehen werden, schon in frühen Entwicklungsstadien im lockeren Bindegewebe sowie in speziellen Iymphoiden Organen im Embryokörper gebildet. Die Granuloblasten im Dottersack aber werden pro domo sua ge- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 521 bildet; auch gelangen sie durch Immigration nur in seltenen Fällen in die Gefässe und kommen mit dem Blutstrom in den Embryokörper hinein. 4. Das erythroblastische Gewebe ist im Dottersack stets von einer geschlossenen Endothelwand umgeben. Bei der Be- schreibung des erythroblastischen Gewebes habe ich schon er- wähnt, dass das letztere aus breiten geschlängelten Strängen frei gelegener Zellen besteht. Vom Dotter sind diese Stränge durch das Entoderm gesondert. Die Anordnung des erythroblastischen Gewebes in Form von geschlängelten Zellsträngen ist leicht begreiflich, da das blut- bildende Gewebe dabei eine enorme Kontaktfläche mit dem nahr- haften Dotter entwickelt, obwohl es immer von diesem durch eine einzellige Schicht von Entoderm abgeteilt ist. Es wäre un- möglich, sich diese Stränge von freien rundlichen Zellen ohne eine sie umschliessende Membran vorzustellen, und die Endothel- wände des venösen Kapillarnetzes müssen gewiss die Rolle einer diese Zellstränge mechanisch festhaltenden Membran spielen. Sicher haben diese Endothelröhren des venösen Netzes auch eine andere Funktion, nämlich die Übertragung der vom Endothel resorbierten nahrhaften Substanzen, eine Funktion, die bei Säuge- tieren teilweise von den Placentagefässen erfüllt wird. Bei den Vögeln und Reptilien hat sich die Tätigkeit des Blutbildungs- organs mit der teilweisen Tätigkeit der Placenta in den Dotter- anhängen vereinigt, wobei das Entoderm den Dotter resorbiert und ihn in die Gefässe abgibt; die Gefässe aber befördern die nahrhaften Substanzen in den Organismus und zu derselben Zeit enthalten sie in ihren Lumina blutbildendes (Gewebe. Auch wird der Unterschied zwischen der Struktur und An- ordnung des Kapillarnetzes in den Dottersackanhängen und in der Placenta gerade durch die blutbildende Funktion der Gefässe im Dottersack erklärt. In der Placenta sind die Kapillaren, ob- wohl sehr zahlreich, immer nur eine durchgehende Bahn für die Blutzellen. In den Dottersackanhängen aber erweitert und ver- zweigt sich das venöse Netz ganz plötzlich und schafft damit die günstigsten Bedingungen für einen sehr niedrigen Blutdruck in den Kapillaren, wobei nur die zentral gelegenen Blutzellen hinweg- geschwemmt werden. Die Abgeschlossenheit des Kapillarnetzes ist kein neues aD Wera Dantschakoff: Moment in der Blutbildung bei Tieren mit meroblastischen Eiern. Es ist ja bekannt, dass auch bei Säugern die Erythropoese inner- halb der Gefässe in der Area vasculosa beginnt. Bei der weiteren Differenzierung der Blutbildung bei Säugern trifft das blut- bildende Gewebe in der Leber neue Bedingungen und entwickelt infolgedessen besondere, nur für die Säugetiere charakteristische Eigentümlichkeiten. Bei den Vögeln und Tropidonotus natrix setzt sich, im Gegenteil dazu, die Blutbildung vom Anfang der Auf- lösung der Blutinseln in Blutzellen an kontinuierlich fort, bis zur Entwicklung des Knochenmarks in denselben, nur verlängerten Gefässen. Ausserdem nehmen die Blutzellen zwar eine regel- mässigere und bestimmtere Anordnung im Lumen der Kapillaren ein, aber sie bleiben immer innerhalb eines Gefässnetzes liegen. Was die Funktion der Dottersackanhänge anbetrifft, so ist sie ihrer zusammengesetzten Beschaffenheit nach auch kompliziert. Das Entoderm resorbiert den Dotter, um ihn wahrschein- lich in die Gefässe abzugeben. Es ist möglich, dass die Granuloblasten, die ihrer Struktur nach einzelligen Drüsen sehr ähnlich sind, in der Ausarbeitung ge- wisser Fermente für das Blut oder für die Dotterausbildung tätig sind. Das erythroblastische Gewebe in den Gefässlumina versorgt den Embryo während eines grossen Teils des embryonalen Lebens mit hämoglobinhaltigen Blutzellen. Aus einem Vergleich der Funktion der Dottersackanhänge mit den Funktionen, die bei den Säugern an die Stelle des Dotter- sacks getreten sind, ist leicht zu schliessen, dass die Tätigkeit, den Organismus mit nahrhaften Substanzen zu versorgen, an die Placenta übergegangen ist; in dieser letzteren haben sich eigen- tümliche Ektodermpapillen mit zahlreichen Kapillaren darin ent- wickelt, aber das Kapillarnetz hat die blutbildende Funktion der Dottersackanhänge nicht übernommen; hier stellen die Kapillaren stets nur eine durchgehende Bahn für das Blut dar. Das blut- bildende Gewebe hat sich bei den Säugern in einem anderen Organ lokalisiert, nämlich in der Leber. Es ist ein merk- würdiger steter Zusammenhang der Blutbildung bei den Vögeln, Säugern und Reptilien mit einem entodermalen Gewebe zu kon- statieren, da sowohl die Anhänge als auch das Leberparenchym Entodermderivate vorstellen. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 523 6. Die lange Dauer der extraembryonalen Blutbildung bei Reptilien und Vögeln ist sicher durch die Anwesenheit eines grossen Vorrats an Nährmaterialien im Dottersack zu erklären. Die meroblastische Natur des Eies ist auch imstande, andere Eigentümlichkeiten der Blutbildung bei Vögeln und Reptilien zu erhellen. Da die breiten Stränge ervthropoetischen, aus freien Zellen bestehenden Gewebes von dem halbflüssigen Dotter nur durch eine Schicht von Entodermzellen getrennt sind, bedürfen die eben erwähnten Zellstränge einer Stütze, die sie in der Gefässwand auch wirklich finden. Das granulo- blastische Gewebe aber lokalisiert sich in den Spalten zwischen Entoderm und Gefässen, weil es seine Tätigkeit an der Stelle seines Auftretens entfaltet. So scheinen die merkwürdigen, beim ersten Blick schroffen (Gegensätze zwischen der Blutbildung der meroblastischen Eier der Reptilien und Vögel und der Eier der Säuger gerade durch die Verschiedenheit der Organisation der Eier bedingt. II. Über die Entwicklung der definitiven Blutbildung im Knochenmark der Wirbelsäule. Allgemeine Betrachtungen. Das primäre Knochenmark. Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark. Das Knochenmark der Wirbel bei dem Ausschlüpfen des jungen Tieres aus dem Ei. . Schlüsse. I ler or 1. Allgemeine Betrachtungen. Bei der Auseinandersetzung der Frage über die Regeneration der Blut- und Lymphzellen hat Weidenreich in seiner Arbeit „Blutkörperchen und Wanderzellen“* (1911) verzichtet, dem Knochenmark bei Reptilien eine bestimmte Rolle zuzuschreiben. „Wie die Reptilien sich darin verhalten, bedarf noch genauerer Untersuchungen.“ Obwohl ich schon zu dieser Zeit Gelegenheit gehabt hatte, bei Tropidonotus natrix die Rolle des Knochenmarks in den Wirbeln zu bestimmen (1910), konnte ich es bis jetzt noch nicht unternehmen, ausführlicher diese interessante Lokalisation des Knochenmarks zu schildern. 524 Wera Dantschakoftf: Es ist bekannt, dass das Knochenmark der Extremitäten bei Säugern als hämatopoetisches Organ funktioniert. Bei Vögeln ist das Knochenmark in der gleichen Weise in den beiden Extremitäten während des embryonalen Lebens ent- wickelt; später aber lokalisiert es sich in den unteren Extremi- täten, wo die Erythropoese und die Granulopoese gleich‘ stark entwickelt sind. Bei meiner Untersuchung über die Blutbildung bei Reptilien, nach der Feststellung der gleichen Funktion des venösen Kapillar- netzes in den Dotteranhängen bei Reptilien und Vögeln, ist es mir leicht gewesen, zu beweisen, dass in der Milz keine An- deutung einer selbständigen Ausarbeitung von Erythrozyten existiert. Die Frage der Lokalisation des definitiven hämato- poetischen Organs bei Reptilien stand offen. Mir ist nicht bekannt, ob die einzelnen Glieder der Wirbel- säule im Sinne ihrer hämatopoetischen Funktion jemals Objekt einer Untersuchung gewesen sind; aber es besteht gar kein Zweifel, dass sich in den Wirbeln der Reptilien, wenigstens der Öphidier, ein echtes Knochenmark entwickelt, welches als echtes blutbildendes Gewebe in derselben Weise funktioniert, wie wir es bei Vögeln gesehen haben. Zu meinem Bedauern standen mir Wirbel erwachsener Tiere zur gewünschten Zeit nicht zur Verfügung; ich kann deshalb nicht bestimmen, wie diese eigentümliche Lokalisation des blut- bildenden Gewebes beim erwachsenen Tiere sich gestaltet; bei einem jungen Tier aber, das eben aus dem Ei ausgeschlüpft ist, nimmt das Knochenmark stets gewisse ganz bestimmte Teile der Wirbel ein. Das Knochenmark fängt gewöhnlich ungefähr 10 Tage vor dem Ausschlüpfen des Tieres an, sich in der Wirbelsäule zu ent- wickeln und lokalisiert sich in beiden lateralen Seiten jedes Wirbels, rechts und links, dehnt sich in die oberen lateralen hinteren Fortsätze weit hinaus und kommt auch in den vorderen lateralen Fortsatz hinein, mit welchem sich die Rippe artikuliert. Es ist mir unmöglich, mit voller Bestimmtheit festzustellen, ob alle Wirbel ohne Ausnahme in sich einen Hohlraum entwickeln, welcher Knochenmark enthält, weil meine Serien hauptsächlich sagittal geschnitten wurden, und obgleich gerade solche Schnitte eine klarere Vorstellung der topographischen Beziehungen zwischen Über die Entwicklung des Blutes in den Bintbildungsorganen. 525 verschiedenen Organen ermöglichen, erschwerten doch die zahl- reichen spiralen Windungen des Embryokörpers die Beurteilung in hohem Grade. Es ist aber nicht daran zu zweifeln, dass die grösste Mehrheit der Wirbel Knochenmark enthält, wobei dieses mit grosser Genauigkeit die oben bestimmten Teile der Wirbel einnimmt. Es ist beschwerlich, genau den Anfang der Entwicklung des Knochenmarks in den Wirbeln bei Tropidonotus natrix zeit- lich zu bestimmen. Es geschieht jedenfalls nach dem Ablegen des Eies — ungefähr 10 Tage vor dem Ausschlüpfen des Tieres aus dem Ei. Da die Eier des Tropidonotus natrix bei mir nicht bei einer bestimmten Bebrütungstemperatur bewahrt wurden, so ent-. wickelten sie sich bei wärmerem Wetter rascher, bei kälterem Wetter aber verlangsamte sich ihre Entwicklung. Es ist aber immer leicht, einen umgekehrten Parallelismus zwischen der Entwicklung des Knochenmarks einerseits und der Blutbildung in den Dottersackanhängen andererseits zu etablieren. Das Knochenmark und seine blutbildende Tätigkeit beginnt seine Entwicklung zu der Zeit, in der die Blutbildungsprozesse im Dottersack nach ihrer grössten Entfaltung schon weniger intensiv werden. Die Entwicklung der Blutbildung in dem Knochenmark der Wirbel bei Tropidonotus natrix ist im grossen und ganzen analog der oben geschilderten Blutbildung in der Area vasculosa und ist fast identisch mit der Blutbildung im Knochenmark der Vögel, die ich bereits in einer früheren Arbeit beschrieben habe. Des- halb kann ich in der Schilderung der Entstehung und der Ent- wicklung hämatopoetischen Gewebes im Knochenmark bei Tropi- donotus natrix sehr kurz sein. Ich werde mich besonders nicht mehr mit den Einzelheiten der aufeinander folgenden morpho- logischen Veränderungen bei der Entstehung der verschiedenen Zellarten aufhalten. Bei der Entwicklung des Knochenmarks in den Wirbeln des Tropidonotus natrix ist eine ganze Reihe sehr charakteristischer Erscheinungen zu konstatieren, zu deren Beschreibung ich jetzt übergehe. 2. Das primäre Knochenmark. Die Wirbel der Reptilien werden knorpelig angelegt und fassen schliesslich in ihrem vorderen Teil die Chorda ein. Sie 526 Wera Dantschakoff: werden von allen Seiten vom Mesenchym umgeben, welches be- sonders zu beiden Seiten und hinten sehr kompakt und zellreich wird. Hier sieht man die weiter beschriebenen Anhäufungen granuloblastischen Gewebes in der Umgebung jeder Arteria inter- vertebralis liegen (Fig. 7). Es ist von Anfang an nur schwer möglich, die gegen- seitigen Grenzen des knorpeligen Wirbelmodells und des um- gebenden Mesenchyms zu bestimmen. Ausser den vorderen Teilen der Wirbel, an denen die lockere Beschaffenheit des Mesemchyms ermöglicht, diese Grenzen festzustellen, präzisiert sich in der Mitte der lateralen Flächen die Wirbelgrenze am frühesten. Diese Flächen sind gewöhnlich bikonkav. Hier wird zuerst eine dünne primäre Knochenlamelle durch Osteoblasten gebildet, die sich aus den am nächsten am Knorpel liegenden Mesenchymzellen differenzieren. Zu derselben Zeit vergrössern die Knorpelzellen in den zentralen Seiten der Wirbel ihren Umfang; die interzellulären homogenen Balken der knorpeligen Grundsubstanz nehmen zu gleicher Zeit ab. Die Knorpelzellen erscheinen als grosse helle Zellen mit feinem retikulärem Protoplasma und einem hellen ovalen oder runden Kern, welcher sehr kleine Kernkörperchen und staubartige Chromatinpartikelchen enthält. Gerade an der Stelle, wo sich diese Veränderungen an den Knorpelzellen bemerkbar machen, geschieht das Eindringen des Jungen zellreichen Mesenchyms, welches in unmittelbarer Umgebung vom Knorpel gelegen ist (Fig. 8 und 9). Das Mesenchymgewebe differenziert sich hier gleichzeitig in zwei Richtungen. Einerseits lockert sich das dichte Mesenchym auf; einige von den Mesenchymzellen verlieren den Zusammenhang mit dem gemeinsamen Zellverband und werden mobil; hier tritt also wieder einmal der schon mehrere Male beschriebene Prozess der Bildung freier Zellen auf Kosten des Mesenchyms auf. Diese Zellen be- kommen. bei Tropidonotus natrix sehr bald eine intensiv aus- gesprochene Basophilie ihres Protoplasmas (Fig. S Lmc) und werden gleich im Anfang den Iymphoiden Hämozytoblasten ähnlich. Aber weder diese mobilen Zellen, noch das aufgelockerte Mesenchym oder die Gefässe können in das Innere der Wirbel eindringen, bevor nicht die speziell differenzierten zusammengeschmolzenen Zellgruppen — die Osteoklasten — die Kontinuität der primären Knochenlamelle zerrissen haben. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 527 Und tatsächlich ist andererseits eine besondere Differenzierung grosser Zellen im Mesemchym zu sehen. Zahlreiche Zellen kon- fluieren, bekommen ein schaumiges Protoplasma und sind immer zuerst an gewissen Stellen ungefähr in der Mitte der lateralen Oberfläche der Wirbel zu sehen. Sie enthalten zahlreiche (10— 15) runde oder ovale Kerne und legen sich hart an die Oberfläche der Knochenlamelle an. Es scheint, als ob sie kleine Grübchen ausgraben, sogleich noch tiefer mit ihrem Protoplasma in diese Grübchen eindringen, bis endlich die Kontinuität der Knochen- lamelle sich endgültig auflöst. In den so gebildeten Raum dringen die Östeoklasten weiter ein, aber mit ihnen auch das Mesen- chymgewebe und die freien mobilen Zellen. Es fängt jetzt eine neue Arbeit für die grossen Zellen an, die jetzt Chondroklasten werden. Die Resorption des Knorpel- gewebes wird hier durch dieselben Zellen vollzogen (Fig. 8). Es entsteht endlich ein Hohlraum, der sich rasch in das Innere der Wirbel hinein vergrössert. In diesen Hohlraum wächst das junge Mesenchymgewebe ein, und mobil gewordene Zellen dringen ein. Das Mesenchym wird noch lockerer, seine Zellen vermehren sich mitotisch, kleine Kapillaren, die in ihrem Inneren nur zirkulierendes Blut enthalten, wachsen in das Innere der Wirbel mit hinein. Allmählich dehnt sich die Markhöhle aus und gleichzeitig wird die quantitative und qualitative Entwicklung der Zellen immer intensiver. Bei der Entstehung des Markes erscheint es hauptsächlich in Form von lockerem Bindegewebe, welches aus zahlreichen sternförmigen Zellen besteht. Sie vermehren sich sehr intensiv, teilweise verwandeln sie sich auch weiter in runde mobile Zellen, indem sie ihre Fortsätze einziehen. Die freien Wanderzellen sind in diesem Stadium noch wenig zahlreich und erscheinen in Form von grossen Iymphoiden Zellen und Wander- zellen von histiogenem Typus. Die Gefässe sind noch spärlich, stellen eine durchgehende Bahn vor und enthalten gut ditferen- zierte Erythrozyten. Die Osteoklasten haben an Zahl auch zu- genommen und schmiegen sich gewöhnlich an die Oberfläche des Knochens. Die äussere Wand der Wirbel wird zu dieser Zeit schon von einer ununterbrochenen Lage von dicht aneinander gelegenen Knochenlamellen gebildet; die Osteoklasten aber sind damit beschäftigt, diese Knochenlamellen vom Innern der Mark- höhle aus zu resorbieren und damit die Markhöhle zu erweitern. 528 Wera Dantschakoff: Es gibt in den Wirbeln auch eine Össifikationslinie, die gegen den Knorpel des Rippenfortsatzes gerichtet ist; nach hinten aber kommt die Markhöhle dicht an die Knochenwand der Wirbel heran. Das primäre Knochenmark entsteht, wie ersichtlich, in den Wirbeln in loco, auf Kosten der Mesenchymzellen, die für alle Wanderzellen und Blutzellen als gemeinsame urmütterliche Quelle gelten. 3. Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark. Wie die gleichzeitige intensive Entwicklung der Erythro- blasten in der Area vasculosa die Granulopoese in gewissem Grade überholt, so geht im Knochenmark im Gegenteil die Ent- wicklung der Granulopoese etwas rascher vor sich. Die Entwicklung der aktiv beweglichen freien Zellen im Knochenmark deckt sich zeitlich mit dem Erscheinen des Knochen- marks selbst. Schon bei dem Frscheinen der ersten Stränge mesenchymatöser Zellen, die in die Höhle des Knochens hinein- wachsen, werden einige von diesen Zellen frei. Die so differen- zierten freien Zellen fangen sogleich an, sich mitotisch zu teilen und vergrössern so ihre Zahl sehr rasch. Diese Zellen sind morphologisch bei Tropidonotus natrix ganz identisch mit den Zellen, die auf Kosten desselben Mesenchyms sich diffus im lockeren Bindegewebe des Körpers entwickeln. Sie unterscheiden sich auch gar nicht von den Zellen, die während der ersten Embryonalperiode in den Substanzinseln erscheinen, oder von den Zellen, die wir innerhalb der blutbildenden Gefässe im Dottersack trafen, und die lange Reihen farbloser peripher gelegener Blutelemente bildeten und als echte Hämozytoblasten funktionierten. Im primitiven Knochenmark erscheinen die ersten freien Zellen fast ausschliesslich als solche grossen Iymphoiden Hämo- zytoblasten, und es sind gewöhnlich nur spärliche Wanderzellen von histiogenem Typus anzutreffen. Wie gestaltet sich die zukünftige Entwicklung dieser Zellen? Zu der Zeit, in der diese Zellen im Knochenmark schon zu bedeutenden Zellgruppen sich vermehren und sich zuweilen so nahe aneinander schmiegen, dass sie kleinen Blutinseln der Area vasculosa ähneln, gibt es im Knochenmark noch immer nur Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 529 spärliche (Gefässe mit zirkulierendem Blut, welches fast aus- schliesslich aus reifen Erythrozyten besteht. Die nächstfolgende Entwicklung dieser teils isolierten, teils auch in kleine Gruppen zusammengedrängten Zellen ist äusserst interessant und gibt tatsächlich das Recht, auch eine weitere Ähnlichkeit zwischen ihnen und den primitiven, eben aus dem Verband der Blutinseln isolierten Zellen zu sehen. Diese Zellen kommen nicht in das Innere der grösseren, in die Markhöhle eingewachsenen Gefässe.. Wie früher schon erwähnt, halten hier die Blutzellen nicht an, sie zirkulieren auch jetzt. Das primäre Knochenmark aber vaskularisiert sich bald selbständig, ein ganzes System von breiten venösen Kapillaren wird hier aufs neue gebildet, die sich zwischen den Venen und den Arterien lagern, wobei ganze Zellgruppen Iymphoiden Gewebes in das Innere der venösen Kapillaren eingeschaltet werden. Es sind so zu gleicher Zeit nebeneinander liegende Gefässe zu sehen, deren Inhalt voneinander stark abweicht; die einen sind von runden, teilweise amöboiden, basophilen Zellen, echten Iymphoiden Hämozytoblasten angefüllt, die anderen, im Gegensatz dazu, ent- halten reife Erythrozyten (Fig. 9). Bei der Schilderung der ersten Blutbildungsprozesse im Knochenmark der Vögel ist es mir nicht gelungen, das Umwachsen des Iymphoiden im Mesenchym gelegenen Gewebes mit Endothel- wänden klar zu unterscheiden, wie es bei Tropidonotus natrix möglich ist. Ich habe damals das Erscheinen der Iymphoiden Hämozytoblasten innerhalb der (Gefässe auf Immigration dieser Elemente zurückgeführt. Bei Tropidonotus natrix ist es auch möglich, zu dieser Zeit zahlreiche Bilder der Permigration zu beobachten; es ist aber schwer möglich, die gleichzeitige Er- scheinung einer grossen Menge von grossen Iymphoiden Elementen innerhalb der Gefässe durch die alleinige Permigration zu erklären. An kompletten Serien ist allerdings zu verfolgen, dass tatsächlich zahlreiche Gruppen solcher Zellen eine Gefässwand erhalten, die noch in keinem Zusammenhang mit anderen Gefässen steht, wobei dieser Zusammenhang wahrscheinlich sich bald mit den nächst- liegenden Schlingen des allgemeinen venösen Netzes effektuiert. Die Getfässwand der Endothelröhren ist bei Tropidonotus natrix wie auch bei den Vögeln eine geschlossene, ganz ebenso wie in der Area vasculosa bei der Bildung der ersten Blutzellen, die Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 35 530 Wera Dantschakoff: noch bis zum gegenwärtigen Moment kontinuierlich im Dotter- sack funktionieren; ein Teil der lymphoiden Hämozytoblasten wird in die Gefässe einbegriffen, ein anderer Teil aber bleibt ausserhalb der Gefässe im Markparenchym liegen. Die ersten lymphoiden Hämozytoblasten im Knochenmark der Wirbel bei Tropidonotus natrix haben also ausserhalb und innerhalb der Gefässe dieselbe morphologische Struktur und die- selbe Genese. Sie stellen hier ein und dieselbe Generation diffe- renzierter Mesenchymzellen vor. Was ist das Schicksal dieser Zellen nach ihrer Teilung in zwei Gruppen von innerhalb und ausserhalb der Gefässe gelegenen Zellen? In dieser Hinsicht ist die Analogie des ersten blut- bildenden Organs mit dem definitiven noch weiter zu führen. Die ausserhalb gelegenen Iymphoiden Hämozytoblasten diffe- renzieren sich ebenso wie in der Area vasculosa oder in den Dottersackanhängen zu Granuloblasten, und diese letzteren ver- wandeln sich schliesslich in Granulozyten. Dieser Difierenzierungs- prozess der grossen Iympboiden Hämozytoblasten im Knochen- mark bei Tropidonotus natrix ist ebenso verbreitet, wie er es im lockeren Bindegewebe des Körpers ist, und im Knochenmark bei Tropidonotus natrix (im Gegensatz zu den Vögeln) werden keine primitiven Granulozyten aus kleinen Lymphozyten gebildet. Die Differenzierung der hämoglobinhaltigen Zellen deckt sich zeitlich mit der Ausbildung des venösen blutbildenden Kapillarnetzes. Bei Tropidonotus natrix — ebenso wie bei den Vögeln — bilden sich augenscheinlich während der ersten Hälfte des Embryonal- lebens innerhalb der (Gefässe gewisse bestimmte Bedingungen für die ausschliessliche Erythropoese, weil wir im Knochenmark — ebenso wie in den Dottersackanhängen — eine ausschliesslich innerhalb der Gefässe gelegene Erythropoese konstatieren. Im Dottersack ist in der Anwesenheit einer grossen Menge Dotters ein Moment zu erblicken, das die Lokalisation der Erythrozyten innerhalb der Gefässe bedingt, da das blutbildende Gewebe innerhalb der Gefässe die Form von dichten, aus freien Zellen bestehenden Strängen annehmen kann und so eine immense Kontaktoberfläche mit dem Dotter entwickelt. Die Tatsache aber, dass die Erythropoese und Granulopoese im Dottersack gesondert ablaufen, ist damit zu erklären, dass die Tätigkeit der im Dotter- sack gebildeten Granulozyten wahrscheinlich am Ort ihrer Ent- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 531 stehung erforderlich ist; deshalb werden sie ausserhalb der Ge- fässe gebildet und werden so vom Blutstrom nicht ausgeschwemmt. Das Bedürfnis des Organismus an Erythrozyten wird während des ersten Teils des Embryonallebens nur durch eine extraembryo- nale, in den Gefässen der Dottersackanhänge lokalisierte Bildung dieser Zellen befriedigt; das Bedürfnis an Granulozyten aber wird durch eine ausgedehnte Bildung dieser Zellen im Körperembryo selbst zufriedengestellt. Im Knochenmark schliesst die Abwesenheit eines halbflüssigen Milieus das im Dottersack vorhandene Moment für die unbedingte Lokalisation der Erythropoese innerhalb der Gefässe aus. Ich glaube aber in der langen Dauer der sich in den Dottersack- anhängen nach einem bestimmten Modus vollziehenden Blut- bildung das Moment erblicken zu dürfen, welches für die Iymphoiden Hämozytoblasten ganz bestimmte Beziehungen zwischen ihnen und dem Milieu, in dem sie sich entwickeln, festsetzt. Von dieser Zeit an bestimmen die äusserlichen Bedingungen bei dem Iymphoiden Hämozytoblasten, welchen Weg der Differenzierung er einschlagen wird. Ich bin mit Mollier ganz einverstanden, wenn er in gewissen Bedingungen das Moment erblickt, welches die weitere Differenzierung der Hämogonie bestimmt. Ich kann seinen Worten völlig zustimmen, wenn er sagt, dass die Zellreihe für Erythropoese und Leukopoese, von der Hämogonie ausgehend, getrennt und selbständig zu bleiben scheint; wenigstens stimmt es völlig für Reptilien und Vögel. Ausser den Zellen des granuloblastischen Gewebes und den histiogenen Wanderzellen sieht man in dem zwischen den Ge- fässen gelegenen Mesenchym noch andere freie Zellen sich ent- wickeln, die sich zu dieser Zeit auch schon im lockeren Binde- gewebe entwickelt haben. Es sind die kleinen Lymphozyten. Diese Zellen waren im ersten Blutbildungsorgan nicht anwesend. Auch im Knochenmark erscheinen die kleinen Lymphozyten etwas später als die grossen Iymphoiden Hämozytoblasten ; sie sind viel weniger zahlreich und nur einzeln oder in ganz kleinen Gruppen zerstreut. Lymphadenoide Inseln, wie ich sie im Knochenmark der Vögel beschrieben habe, habe ich im Knochenmark bei Tropido- notus natrix bis zum Ausschlüpfen des Tieres aus dem Ei niemals konstatiert. Die kleinen Lymphozyten werden hier aus Mesenchym- zellen oder aus grossen Lymphozyten gebildet. Am Anfang der 35* 532 Wera Dantschakoff: Blutbildung im Knochenmark kommen sie nur selten vor und können auch hier wie bei den Vögeln gewiss nicht, wie es Venzlaff doch vermutet, als wahre Mutterzellen für die Erythro- blasten und Leukozyten gelten. 3. Das Knochenmark der Wirbel bei dem Ausschlüpfen des jungen Tieres aus dem Ei. Oben wurde von mir die Entstehunz verschiedener Zellen des blutbildenden Knochenmarks auseinandergesetzt. Bevor ich zur Schilderung der Struktur des Knochenmarks beim Aus- schlüpfen des Tieres aus dem Ei übergehe, will ich sogleich be- merken, dass im Grossen und (Ganzen die Blutbildung im defini- tiven Organ sich analog der Blutbildung im Dottersack vollzieht. In beiden Organen vollzieht sich die Entwicklung der hämoglobinhaltigen und farblosen freien Zellen ganz gesondert. Die roten Blutzellen werden immer innerhalb der Gefässe ge- bildet, die granulierten Leukozyten aber nebst den kleinen Lymphozyten entwickeln sich ausserhalb der Gefässe. Bei der Schilderung der ersten Entwicklung des Knochen- marks bei Tropidonotus natrix habe ich die frühere Literatur über das Knochenmark nicht berührt, weil ich es bereits in meiner Arbeit über die Entwicklung des Knochenmarks bei Vögeln getan habe. Dann ist die Arbeit von Maximow über die Entwicklung des Knochenmarks bei Säugern erschienen und eine Arbeit von Venzlaff. In dem ersten Teil seiner Arbeit beschreibt Venzlaff die Entwicklung der Blutbildung bei erwachsenen Tauben. Seine Arbeit ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie gewagt es ist, Schlüsse über gegenseitige Beziehungen der Histiogenese ver- schiedener Organteile und Zellen zu ziehen, ohne dieselben Be- ziehungen in ihrer ontogenetischen Entwicklung untersucht zu haben. Während die Beschreibungen dieses Autors in vielen Teilen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und er zum Ende zu einer noch viel strengeren monophyletischen Anschauung ge- langt, kommt Venzlaff zu sehr merkwürdigen Schlüssen über die verschiedenen nacheinander folgenden Differenzierungsstadien der Blutzellen. Die kleinen Lymphknötchen im erwachsenen Knochengerüst der Tauben erscheinen ihm unerschöpflichen Blutinseln ähnlich Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 533 und im erwachsenen Organismus als Quelle der weissen und der roten Blutzellen. Durch präformierte Gefäßspalten sollen die hämoglobinhaltigen Zellen in das Lumen der (Gefässe eindringen und vom Blutstrom weiter befördert werden. Venzlaff glaubt ein Auflösen der Kapillarwand an dem Rande der Lymphknötchen gesehen zu haben. Es schien mir auch zuweilen in Stückchen extrahierten Knochenmarkes eines erwachsenen Vogels äusserst schwer, manchmal geradezu unmöglich, an einigen Gefässen eine ununterbrochene Gefässwand zu verfolgen, die in Schnitten in Form eines überaus dünnen Fadens erscheint. Diese Kontinuitäts- störung, wenn eine solche im Schnitte wirklich existiert, wird leicht durch mechanisches Eingreifen erklärlich. Unzählige Male ist es mir dagegen gelungen, mit äusserster Präzision eine un- unterbrochene endotheliale Wand zu unterscheiden, welche von allen Seiten verzweigte und verschlängelte Zellstränge von Blut- zellen umgibt. Auch ist die streng gesonderte Entwicklung der Erythrozyten und der Granulozyten in meroblastischen Eiern von Maximow an Selachiern bestätigt worden. Die Untersuchung der genetischen Entwicklung der ver- schiedenen Blutzellelemente erleichtert sehr die Beurteilung der örtlichen Beziehungen der hämoglobinhaltigen und der farblosen Zellen im Knochenmark eines erwachsenen Tieres. Und diese Untersuchung zeigt, dass die Blutbildung bei Tropidonotus natrix, sowie bei den Vögeln eine streng gesonderte für die roten und farblosen Zellen ist. dass die ersten freien Zellen, ausser den reifen in den Gefässen zirkulierenden Erythrozyten, am Anfang der Blutbildung im Knochenmark die grossen Iymphoiden Hämo- zytoblasten und die histiogenen Wanderzellen sind, dass endlich bei dem Ausschlüpfen des Tieres aus dem Ei das Knochenmark noch keine Anhäufungen kleiner Lymphozyten besitzt, und dass infolgedessen während der ganzen embryonalen Periode keine Möglichkeit für die Entstehung der grossen Lymphozyten aus kleinen besteht. Aus oben Gesagtem geht hervor, dass das Knochenmark beim Ausschlüpfen des jungen Tieres aus dem Ei aus breiten Schlingen venöser Kapillaren besteht, zwischen welchen mehr oder weniger ausgedehnte Inseln von Markparenchym liegen. Die Gefässe bestehen einerseits aus breiten venösen Kapil- laren, die zahlreich sind und sich verästeln und sich nach allen 534 Wera Dantschakoff: Richtungen biegen und andererseits aus engen, gerade verlaufenden, arteriellen (refässen. Der Inhalt dieser verschiedenen Gefässe ist sehr verschieden. Die venösen Kapillaren enthalten dichte Zellanhäufungen, die schon die Tendenz aufweisen, sich in derselben Weise zu gruppieren, wie wir es in den Dottersackanhängen gesehen haben. Auch hier gruppieren sich die grossen Iymphoiden Hämozytoblasten (immer basophil, rundlich mit einem grossen Kern, schönen Nukle- olen und verhältnismässig wenig Chromatin) peripher an der Endothelwand. Diese Zellen bringen mittels zahlreicher nach- einander folgender Mitosen eine (seneration von kleineren, hämo- globinhaltigen Zellen hervor. Diese letzteren, Erythroblasten ge- nannt, liegen mehr zentralwärts und differenzieren sich allmählich in reife Erythrozyten, die sich immer ganz in den Zentren der (refässe befinden.!) Die anderen gerade verlaufenden Gefässe, die wahrschein- lich echte Arterien und Venen vorstellen, enthalten niemals so dicht gelegene Zellhaufen und ihr Inhalt besteht stets aus differenzierten Erythrozyten, einzelnen Granulozyten und kleinen Lymphozyten. Die ausserhalb der Gefässe gelegenen Räume sind von einem sehr verschiedenartig gestalteten Gewebe eingenommen. Doch ist immer leicht eine grosse gemeinsame Zelle ausserhalb und innerhalb der (Grefässe zu unterscheiden; das ist der grosse Iymphoide Hämozytoblast. Morphologisch ist er an beiden Orten sehr ähnlich. Funktionell wird er zur Mutterzelle aller anderen neben ihm gelegenen freien Zellen. Am zahlreichsten sind ausser- halb der Gefässe die Zellen, welche in ihrem Protoplasma acido- phil-eosinophile Granula enthalten. Eine ununterbrochene Reihe von Übergangsstadien verbinden die grossen Iymphoiden Hämo- zytoblasten mit den acidophil granulierten Leukozyten und hier könnten die jungen Granuloblasten mit Recht nach ihrem Ent- stehungsorte auch Myelozyten genannt werden. Ich habe schon oben auseinandergesetzt, wie wenig eigentlich dieser Name den tatsächlichen Bedingungen der Entwicklung des granuloblastischen (rewebes bei Tropidonotus natrix sowohl wie bei dem Vogel entspricht. !) Die venösen Kapillaren enthalten so alle Elemente eines wahren erythropoetischen Gewebes. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 535 Mit der Zeit werden die freien Zellen in dem ausserhalb der Gefässe gelegenen Gewebe viel zahlreicher als die Zellen des eigentlichen Grundgewebes. Am Anfang war das Parenchym des Knochenmarks hauptsächlich mesenchymatös. Aber infolge inten- siver Differenzierung freier Zellen auf Kosten des Mesenchyms sowie durch Vermehrung dieser Zellen auf mitotischem Wege wird die Zahl der Mesenchymzellen verhältnismässig immer dürftiger. Die histiogenen Wanderzellen werden zu dieser Zeit auch selten; ihr Protoplasma wird stark vakuolisiert und es ist möglich, dass wenigstens ein Teil von Fettzellen aus ihnen gebildet wird. Ausser dem sehr entwickelten granuloblastischen Gewebe liegen in den Räumen zwischen den Gefässen kleine Lympho- zyten; sie werden am Ende der Embryonalperiode etwas zahl- reicher, aber es gibt noch keine Lymphknötchen. Eine weitere Differenzierung der kleinen Lymphozyten ist die Ausbildung einzelner Mastzellen. Plasmazellen habe ich überhaupt ausser ganz vereinzelten Exemplaren in den embryonalen blutbildenden Organen nicht getroffen. 5. Schlüsse. 1. Das definitive blutbildende Organ bei Reptilien sowohl wie bei Vögeln und bei Säugern ist das Knochenmark. Ebenso wie die Lokalisation der Blutbildung in der ersten Hälfte des Embryonallebens sehr nahe Beziehungen zum Entoderm aufweist, ganz gleich, ob sich die Blutbildung in der Area vas- culosa vollzieht, oder in den Dottersackanhängen der Reptilien und Vögel, oder endlich in der Leber der Säuger, so behält auch das definitive Blutbildungsorgan der genannten Tierklassen einen absolut unbedingten Zusammenhang mit dem Knochensystem. Besonders scharf tritt dieser Zusammenhang bei den Ophidiern zu Tage. Da sie keine Extremitäten haben, welche wie bei Vögeln und Säugern das Blutbildungsorgan beherbergen könnten, sucht und findet die Blutbildung eine andere Lokalisation, welche uns beim ersten Blick etwas merkwürdig erscheint, nämlich die einzelnen Glieder der langen Wirbelsäule. Dass die Knochenwand, die die Markhöhle umfasst, einen mechanischen Schutz für das blutbildende Organ der Erwachsenen, welches viel mehr als das embryonale, äusseren Einflüssen ausgesetzt ist, bildet, ist ziemlich 536 Wera Dantschakoff: wahrscheinlich; in jedem Fall ist dieser Zusammenhang gut aus- gesprochen. Das definitive blutbildende Organ erscheint bei Ophidiern in Form eines langen Stranges von blutbildendem Gewebe, welcher in zahlreiche isolierte kleine Glieder zerfällt. 2. Die Entwicklung des blutbildenden Gewebes des Knochen- marks geschieht in Gestalt einzelner selbständiger Herde. Die Quelle aller Zellelemente des blutbildenden Gewebes ist haupt- sächlich das junge undifferenzierte Mesenchym. Die Mesenchym- zellen bilden zahlreiche freie junge Zellen ; die ersten solcher Zellen erscheinen als histiogene Wanderzellen und als grosse Iymphoide Zellen, die im Knochenmark als echte Iymphoide Hämozytoblasten funktionieren. | 3. Die Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark ist analog der Entwicklung, die ich oben für das erste blutbildende Organ — die Dottersackanhänge — beschrieben habe. Im Knochenmark ist aber die Blutbildung komplizierter; sie fängt eigentlich beim vollkommensten Stadium, das sie im Dottersack erreicht hat, an und führt zur Ausbildung viel verschiedenartigerer Zellen als im Dottersack. 4. Die Bildung der hämoglobinhaltigen und der farblosen Zellreihe ist im Knochenmark der Reptilien — ganz ebenso wie bei den Vögeln — streng gesondert. Da die erste Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark mit einer Bildung zahlreicher Iymphoider Hämozytoblasten anfängt, werden bald Gruppen dieser Zellen von Endothelwänden umringt, welche schliesslich in das gemeinsame Gefäßsystem eingeschaltet werden. 5. Die Erythropoese stellt bei Reptilien — ganz ebenso wie bei Vögeln — nur eine Differenzierungsrichtung der Iymphoiden Hämozytoblasten vor, welche durch äussere Bedingungen ihrer Anwesenheit innerhalb der Gefässe bestimmt wird. Die Erythropoese ist bei den Reptilien streng lokalisiert; sie beginnt in den frühesten Stadien in den Gefässen der Area vasculosa, dauert weiter in denselben — aber speziell modifizierten — Gefässen der Dottersackanhänge fort und lokalisiert sich schliesslich für das ganze Leben des erwachsenen Organismus in dem Knochen- mark der Wirbelsäule. Die Entwicklung farbloser granulierter und ungranulierter freier Zellen dagegen zeigt im Knochenmark eine partielle Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 537 Ausserung eines gemeinsamen überall im Mesenchym, auch sonst im Organismus, ausgesprochenen Prozesses der Bildung von freien Wanderzellen. III. Über die Entwicklung der Wanderzellen im lockeren Bindegewebe. 1. Allgemeine Betrachtungen. 2. Lymphoide Wanderzellen und ihre Differenzierung in Granuloblasten und Granulozyten. Histiogene Wanderzellen; ihr Differenzierungsvermögen und ihr Schicksal. Entstehung der kleinen Lymphozyten und ihr Differenzierungsvermögen. Beziehungen der freien Wanderzellen zu den fixen Zellen des lockeren Bindegewebes. 6. Schlüsse. oO 1. Allgemeine Betrachtungen. Unter dem Namen Wanderzellen verstehe ich alle freien farblosen Zellen, welche ausserhalb des gemeinsamen Verbandes zwischen den Mesenchymzellen liegen und eine mehr oder weniger gut ausgesprochene Fähigkeit zur aktiven Beweglichkeit besitzen ; ich lasse dabei ausser acht, ob diese Zellen ausserhalb der Ge- fässe liegen oder sich innerhalb dieser befinden, wo sie nebst den Erythrozyten gewiss auch passiv transportiert werden. Das lockere Bindegewebe bei Tropidonotus natrix ist an solchen mobilen Elementen besonders reich. Im Gegensatz zu den hämoglobinhaltigen Blutzellen, welche während des grössten Teiles des embryonalen Lebens extraembryonal gebildet werden und nur mit dem Blutstrom in den Embryokörper gelangen, wird die grösste Mehrzahl der aktiv beweglichen Zellen des lockeren Bindegewebes innerhalb des Embryokörpers gebildet. Dieser Unterschied der Entstehungsorte hämoglobinhaltiger und farbloser Zellen, der gewiss bei Reptilien und Vögeln existiert, könnte den Dualisten einen Grund geben, diese Zellen auch genetisch scharf zu trennen. Aber dieser Unterschied ist nur relativ und quantitativ; es ist ja jetzt bekannt, dass aktiv bewegliche Zellen im extra- embryonalen blutbildenden Organ existieren und sich dort in sehr frühen Entwicklungsstadien des Embryos differenzieren. Sie ent- wickeln sich dort ausserhalb der Gefässe zu Granulozyten; die letzteren bleiben aber an der Stelle ihrer Entwicklung liegen, immigrieren in die Gefässe nur verhältnismässig selten und werden 538 Wera Dantschakoff: dann in den Embryokörper weiter befördert. Zu gleicher Zeit werden aber in den (xeweben des Embryokörpers zahlreiche mobile Zellen gebildet. Die aktiv beweglichen Zellen werden im Embryokörper in grossen Mengen entwickelt, sowohl in speziellen Organen — wie Thymus, Milz und Knochenmark — als auch besonders im lockeren Bindegewebe. Zahlreiche Zellen immigrieren hier in die Gefässe ; die farblosen, im Blute zirkulierenden Zellen haben also eine doppelte Provenienz. Sie kommen teilweise aus dem extra- embryonalen Blutbildungsorgan, dem Dottersack, grösstenteils aber entstehen sie im Embryokörper. Die Differenzierungsamplitude der Iymphoiden Hämozyto- blasten, welche sich zwischen den extraembryonalen (refässen befindet, ist, wie wir oben gesehen haben, ziemlich eng, weil hier augenscheinlich die äusseren Bedingungen und das Bedürfnis seitens der Gewebe bloss eine Differenzierung dieser jungen Hämozyto- blasten zu Granulozyten zulassen. Im Innern des Embryokörpers müssen aber die Bedingungen für die Entwicklung verschieden- artig gestalteter aktiv mobiler Zellen viel günstiger sein; es erscheinen tatsächlich ganze Schwärme verschiedener Zellen : Grosse Lymphozyten, Granuloblasten und Granulozyten, sehr bewegliche histiotope (oder histiogene) Wanderzellen, kleine Lymphozyten und Mastleukozyten in den Lücken des lockeren Bindegewebes, in dem sie leben, sich vermehren und die ihnen zugewiesene Tätigkeit ausführen. Alle diese Zellelemente werden beim Embryo sowohl im lockeren Bindegewebe als auch im Blute getroffen, die histio- genen Wanderzellen ausgenommen, die nur im lockeren Binde- gewebe aufzufinden sind. Beim erwachsenen Tiere finden sich dagegen im Blute weder Grosse Lymphozyten noch Granuloblasten. In den Lücken des lockeren Bindegewebes sowohl, als im Blute herrschen während des ganzen embryonalen Lebens unter den farblosen Blutzellen grosse Zellen vor, die in ihrem Proto- plasma zahlreiche Körnchen aufweisen, die gleichen Zellen, welche wir schon in den Dottersackanhängen ausserhalb der Gefässe getroffen haben. Bei der Untersuchung verschiedener Stadien in der Ent- wicklung des embryonalen lockeren Bindegewebes ist leicht zu merken, dass verschiedene freie Zellen darin in einer bestimmten Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 539 Aufeinanderfolge erscheinen, und obgleich in dieser Hinsicht keine scharfe (Grenze existiert, obgleich auch die vorher erschienenen Zellen sich immer noch weiter vermehren und die eine Zellart in die andere überzugehen imstande ist, werde ich doch bei meiner Beschreibung der Übersicht halber die Entstehung ver- schiedener Zellarten gesondert schildern. Bevor ich zur Schilderung der Entwicklung verschiedener Zellarten übergehe, muss ich gleich bemerken, dass ich während keines Entwicklungsstadiums auch nur eine Andeutung von Erythro- poese in dem lockeren Bindegewebe gesehen habe oder An- häufungen von Phagozyten, welche degenerierte Erythrozyten in sich aufgenommen haben. Bei der Beschreibung extravaskulärer Erythropoese bei Vögeln habe ich die Vermutung ausgesprochen, dass diese Erscheinung entweder einer ähnlichen Erscheinung bei den niederen Wirbeltieren entspricht oder dass sie den ersten Anlauf zur ersten extraembryonalen Erythropoese darstellt, wie man sie beim Säugerembryo kennt (Maximow). Die Abwesen- heit jedweder Erythropoese im lockeren Bindegewebe bei Rep- tilien lehrt uns, dass die zweite Vermutung den tatsächlichen Verhältnissen näher kommt. 2. Lymphoide Wanderzellen und ihre Differenzierung in Granuloblasten und Granulozyten. Die ersten farblosen aktiv beweglichen Zellen erscheinen ım Embryokörper innerhalb der Gefässe und sind ebenso wie die ersten hämoglobinhaltigen Zellen vom Blutstrom aus den Ge- fässen der Area vasculosa herausgeschwemmt. Die ersten farb- losen Blutelemente sind die primitiven Hämozytoblasten und die aus den Substanzinseln in die Gefässe immigrierten Granulo- blasten. Auf diese Weise erscheinen die weissen und die roten Blutzellen innerhalb der Gefässe des Embryokörpers gleichzeitig und stammen aus einer und derselben Quelle. Dieselbe Zellart aber, morphologisch den grossen Lympho- zyten ähnlich, wird auch als erste mobile Zelle im Embryokörper gebildet. Es ist möglich, eine völlige Analogie zwischen den Iymphoiden Wanderzellen, die innerhalb des Körpers erscheinen, und denen, die schon in den Substanzinseln beschrieben worden sind, festzustellen. Sowohl in der Area vasculosa, wie in dem lockeren Bindegewebe werden diese Zellen aus Mesenchymzellen 540 Wera Dantschakoff: mesodermalen Ursprungs differenziert und immer durch allmähliche Abrundung und Isolierung aus dem gemeinsamen Verband ge- bildet. Derselbe Prozess spielt sich nicht nur im lockeren Binde- gewebe, sondern auch in anderen Organen ab, welche sich auf Kosten der mesenchymatösen Zellen entwickeln, z. B. in der Milz und im Knochenmark. Dieser Differenzierungsprozess ist nicht nur für ein bestimmtes Entwicklungsstadium oder eine bestimmte Tierklasse charakteristisch, er beginnt vielmehr während einer der frühesten Entwicklungsstadien des Organismus, zieht sich durch das ganze embryonale Leben hin und hört erst im erwachsenen Organismus auf. Es wird dabei eine spezielle Zell- art von histiogenen Wanderzellen abgespalten, und diese letzteren sind zu jeder Zeit bei einer eingetretenen Störung des normalen Gleichgewichts der Gewebe bereit, den Prozess der Differen- zierung mobiler Zellen wieder auflodern zu lassen. Die Entwicklung einer solchen Zellart wurde bereits von mir bei Vögeln und von Maximow bei Säugetieren geschildert. Noch viel intensiver ausgesprochen und ausgedehnt ist dieser Prozess bei Reptilien, speziell bei Tropidonotus natrix. Die ersten Iymphoiden Wanderzellen erscheinen im Embryo von Tropidonotus natrix kurz vor dem Ablegen des Eies. Im lockeren Bindegewebe des Mesenchyms, in der Umgebung der Aorta, in der Nachbar- schaft der Thymus, im etwas verdichteten Mesenchymgewebe der ersten Anlage der Milz, im Knochenmark, endlich mehr oder weniger gleichmässig in dem lockeren Bindegewebe, überall treten grosse lymphoide Zellen auf. Die Art der Entstehung dieser Zellen ist verschieden. Die ersten Iymphoiden Zellen werden gewöhnlich in der Nähe der Gefässe, doch aus Mesenchymzellen gebildet. Zu dieser Zeit sind die Zellen des Mesenchyms an potentieller Differenzierungskraft reich; es entstehen aus ihnen junge mobile Zellen, welche sich gleichzeitig intensiv vermehren, sich qualitativ differenzieren, ohne jedoch als solche zu verschwinden, da immer eine gewisse Zahl sich undifferenziert erhält. In welcher Weise die Mesenchymzellen allmählich ihre Fortsätze einziehen und zu freien Iymphoiden Wanderzellen werden, ist von mir auf Fig. 12 abgebildet, die der ersten Milzanlage entspricht. Ausser den Mesenchymzellen erscheint bei Tropidonotus natrix das Endothel der Gefässe als Quelle für grosse Iymphoide Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 41 Zellen und bewahrt diese Eigenschaft während längerer Zeit. Das Mesenchym äussert im lockeren Bindegewebe nur während einer gewissen Zeit der embryonalen Entwicklung eine sehr inten- sive Fähigkeit zu vielseitiger qualitativer Entwicklung. Mit der Zeit nimmt diese Eigenschaft ab, das Mesenchym differenziert sich zu einem reifen Bindegewebe, dessen Zellen wenigstens normalerweise dauernd sessil sind. Die Eigenschaft des Mesen- chyms zu weiterer qualitativer Entwicklung geht auf die in ihren Spalten vorhandenen mobilen Elemente über. An den Endothelwänden kleiner Kapillaren ist mit grosser Sicherheit zu konstatieren, wie die Endothelzellen hypertrophieren, wie sich diese Zellen abrunden und in gewisser Weise abschälen (Fig.7). Dieser Prozess von Lymphozytenbildung aus dem Endothel ist nicht nur im lockeren Bindegewebe lokalisiert, sondern auch in verschiedenen Organen, wo eine beträchtlichere Zahl dieser Zellen gebildet werden; besonders ist dieser Prozess leicht in der Milz zu konstatieren, teilweise aber auch im Knochenmark. In der Milz, wie weiter ersichtlich, werden die Endothelröhren der Blut- kapillaren aus verdichtetem und vom umgebenden Gewebe ge- sondertem Mesenchym differenziert, wobei die Endothelzellen augenscheinlich die Eigenschaft zur weiteren qualitativen Fnt- wicklung vererben. Die Fig. 6, aus dem Kopfmesenchym, und die Fig. 7, aus dem Mesenchym zwischen den Wirbeln, zeigen eine Differenzierung von grossen Iymphoiden Zellen aus Mesenchymzellen, die Fig. 13 zeigt mit nicht weniger Anschaulichkeit die Entwicklung von Grossen Lymphozyten aus dem Endothel der Blutkapillaren der jungen Milz. Was ist das weitere Schicksal dieser mobilen, sich ausserhalb der Gefässe entwickelnden grossen Iymphoiden Elemente, die ihrer Struktur nach den Ivmphoiden Hämozytoblasten des Dottersacks ähnlich sind ? Der Iymphoide Hämozytoblast im Dottersack erscheint als junge indifferente, zu weiterer Entwicklung fähige Zelle. Die Beobachtung und Untersuchung derselben Zelle im lockeren Bindegewebe des Embryokörpers bestätigt die eben erwähnte Ansicht, dass nämlich, nachdem die Grossen Lymphozyten sich im Körpergewebe als morphologisch definierte Zellen präzisiert haben, sie den Weg der weiteren Differenzierung betreten. 542 Wera Dantschakoff: Eine der charakteristischsten Differenzierungen der grossen Iymphoiden Zellen ist die Bildung runder eosinophiler Granula in ihrem Protoplasma; bei der weiteren Differenzierung werden sie zu granulären Leukozyten. Bei der Beschreibung der Blutbildung im Dottersack wurde von mir schon diese Differenzierungsrichtung der grossen Iym- phoiden, ausserhalb der Gefässe gelegenen Hämozytoblasten er- wähnt, welche auch im lockeren Bindegewebe in ganz derselben Weise abläuft. - Obgleich ein unünterbrochener kontinuierlicher Zusamimnen- hang durch mitotische Teilungen zwischen den Granuloblasten des Dottersacks und den Granuloblasten innerhalb der körper- lichen Gewebe des Embryo fehlt, erscheinen diese Zellen morpho- logisch identisch und ihr zukünftiges Schicksal sowohl als ihre nächste und entfernte Genese decken sich miteinander: die beiden sind Mesenchymderivate, entwickeln sich aus grossen Iymphoiden Zellen und differenzieren sich in granuläre acido-eosinophile Leukozyten. Der Prozess der Granuloblastenentstehung ist im Körper des Embryo sehr verbreitet. Nur teilweise geraten sie durch Immigration in das Innere der Gefässe, der weitaus grösste Teil bleibt gewöhnlich in der Umgebung der Gefässe, manchmal in engem Kontakt, doch ausserhalb ihrer Wand liegen; hier an der Stelle ihrer Entstehung üben sie die ihnen angewiesene Funktion aus. Besonders dichte Anhäufungen von Granuloblasten findet man über dem vierten Ventrikel in dem Bereich der sich bildenden Tela chorioidea, lange Reihen dieser Zellen werden neben der Aorta und dem Oesophagus getroffen; in diesen letzteren Regionen werden die Granuloblasten etwas später gebildet, bleiben aber bis zum Ausschlüpfen des Embryo liegen. Die weitere Differenzierung der Granuloblasten verwandelt die letzteren in Granulozyten oder in granuläre Leukozyten. Die Granulozyten haben die Kraft zur mitotischen Vermehrung ein- gebüsst. Diese Zellen sind walırscheinlich den eosinophilen Leuko- zyten der Vögel homolog, sie besitzen aber rundliche, nicht stäbehenförmige Granula. Die Zahl der Granula wächst gewöhn- lich so sehr, dass der Kern nur mit grösster Mühe erkannt werden kann, weil er vollständig von den Granula verdeckt erscheint. Der Kern ist dabei gewöhnlich viel weniger gelappt Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 543 als bei den Vögeln oder den Säugern. Die Granula sind eosino- phil und färben sich mit Eosin grellrosa. In den sehr jungen Stadien, ganz so wie bei den Vögeln, besitzen die Granula eine basophile Quote, die sich leicht in Wasser auflöst und nur in Alkoholpräparaten auftritt. Meistenteils erscheinen die Granulozyten von Granula so sehr erfüllt, dass sie in Form von grossen Granulaanhäufungen erscheinen, an welchen man weder Protoplasma noch Kern zu unterscheiden imstande ist. An der Oberfläche der Zellen wird ' man nur ganz kleine granulafreie Pseudopodien gewahr. An der Hand von bloss morphologischen Untersuchungen scheint es nicht möglich, zu einer gewissen bestimmten Ansicht über die Funktion der granuloblastischen Bildungen zu kommen. Sie werden in den verschiedensten Teilen des Körpers gebildet, eine grosse Anzahl von ihnen bleibt an der Stelle ihrer Entwicklung liegen und wird gewöhnlich in, der nächsten Umgebung der Ge- fässe getroffen. Im Stadium der Granuloblasten besitzen diese Zellen noch eine gut ausgesprochene Lokomotionsfähigkeit und zahlreiche amöboide rundliche Fortsätze sind an ihnen zu sehen. Im weiteren Verlauf vermindert sich augenscheinlich diese Loko- motionsfähigkeit. Als Phagozyten, wenigstens unter normalen Bedingungen, funktionieren diese Zellen sicher nicht. Diese Zellart wird immer an allen Orten ihres Vorkommens, im Dottersack, im lockeren Bindegewebe, in der Thymus, in der Milz und im Knochenmark in sehr nahen Beziehungen zu den (efässen getroffen. Ob diese nahen Beziehungen eine neben- sächliche oder eine wesentliche Tatsache darstellen, ist schwer zu sagen. Ob die Leukozyten in die Gefässe einwandern, um dort ihre Tätigkeit zu entfalten, oder ob es ihre endgültige Bestimmung ist, ausserhalb der Gefässe zu liegen und gewisse Sekretionsprodukte in das Gefässlumen abzugeben oder schliesslich ob diese Zellen als Speicherreservoire für Nahrungsstoffe zu be- trachten sind, lässt sich vorläufig nicht entscheiden. Der Umstand, dass man zuweilen im lockeren Bindegewebe sehr grosse Granulozyten’ findet, deren Granula nicht mehr vom Protoplasma festgehalten, sondern in das Gewebe ausgestreut werden, wobei der Kern und gelegentlich die ganze Zelle zugrunde geht, mag als Hinweis auf eine Abgabe aufgespeicherter Substanzen dienen; das würde mit den Erscheinungen von sekretorischen 544 Wera Dantschakoff: Funktionen solcher Zellen, welche Downey bei Teleostiern be- schrieben hat, völlig übereinstimmen. Doch werden ähnliche Erscheinungen unter normalen Verhältnissen nur ausnahmsweise beobachtet. Gewiss können sie unter pathologischen Bedingungen, z. B. bei Hunger, intensiver verlaufen. Doch scheint ihnen eine stete physiologische Funktion, die sich bis jetzt einer genauen Bestimmung entzieht, jedenfalls zuzukommen. Es ist bekannt, dass die Leukozyten bei Säugern nach der "Reaktion ihrer Granula in eosinophile, basophile und neutrophile eingeteilt werden. Die neutrophilen Leukozyten werden nur im Blut angetroffen, die basophilen teilen sich in Mastleukozyten des Blutes und Mastzellen des Bindegewebes; die eosinophilen Leukozyten sind ubiquitär (Weidenreich). Bei den Vögeln sind die Zellen mit basophilen Granula nicht scharf in zwei ver- schiedene Gruppen geteilt, hier bleibt auch der Kern in den basophilen Blutzellen sowohl wie in den basophilen Gewebszellen rund oder oval. Alle anderen Leukozyten haben bei Vögeln acidophile Granula, die entweder rundlich oder stäbchenförmig erscheinen. Alle granulären freien Zellen sind bei Vögeln ubiquitär; allerdings werden die Zellen mit rundlichen Granula hauptsächlich im Bindegewebe und die Zellen mit stäbchenförmigen Granula hauptsächlich im Blute angetroffen. Bei Reptilien sind unter den granulierten Leukozyten die acidophilen die weitaus zahlreichsten; ihre Granula sind immer rund. Da ich im Blute ausser wenigen basophilen Leukozyten keine anderen granulierten als nur sehr zahlreiche eosinophile Zellen mit runden Granula getroffen habe, muss ich darauf ver- zichten, irgendwelche Homologie dieser Leukozyten mit ähnlichen Zellen bei Säugern zu machen. Wenn bei Vögeln noch gewisse Analogien mit den Leukozyten der Säuger bestehen, so können solche Versuche bei Reptilien zu keinen Resultaten führen, und bei Reptilien erscheinen die acidophilen granulären Leukozyten nebst ihren jüngeren Vorstadien als ubiquitäre Zellen, deren junge Stammzelle der sehr bewegliche Iymphoide Hämozyto- blast ıst. Mit der Bildung von granuloblastischem Gewebe wird die Differenzierungsmöglichkeit der grossen Iymphoiden Wanderzellen nicht erschöpft. In etwas späteren Stadien spalten sie von sich noch eine andere junge Zellform ab mit ihren ihr zugemessenen Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 545 Differenzierungsmöglichkeiten, nämlich die kleinen Lymphozyten; aber da die letzteren etwas später und auch selbständig sich aus Mesenchymzellen entwickeln, so werde ich sie weiter unten ge- sondert beschreiben. 3. Histiogene Wanderzellen; ihr Differenzierungsvermögen und ihr Schicksal. Die für das Bindegewebe am meisten charakteristischen, nur in diesem sich befindenden und nur aus Mesenchym sich entwickelnden Zellen sind die histiogenen Wanderzellen. Es ist nur selten möglich, ihrer Differenzierung aus Mesenchymzellen zu folgen, weil dieser Prozess viel rascher abläuft als der Prozess der Differenzierung der Mesenchymzellen in grosse Iym- phoide Zellen. Im letzteren Falle ist so oft zu sehen, dass einige von den Mesenchymzellenfortsätzen sich schon abgerundet haben und hypertrophieren, während noch die ganze Zelle mit ein bis zwei Fortsätzen in kontinuierlichem Zusammenhang mit den nebenliegenden Zellen ist. Bei der Entwicklung der histiogenen Wanderzellen scheinen die Mesenchymzellen weniger gründlichen Veränderungen zu unterliegen: sie ziehen bloss ihre Fortsätze ein, werden rund und mobil, behalten aber das schwach basophile Protoplasma und ändern auch die Struktur des Kernes nicht. Ihr Protoplasma färbt sich mit Eosin-Azur viel schwächer und sie erscheinen dabei immer viel blasser als die intensiv gefärbten Iymphoiden Wanderzellen. Sie sind lokomotionsfähig und weisen zahlreiche sehr dünne Fortsätze auf. Bei den Vögeln habe ich diese Zellen schon unter dem Namen von histiotopen Wanderzellen beschrieben ; bei erwachsenen Säugetieren hat sie Ranvier unter dem Namen von Ulasmato- zyten und Maximow unter dem Namen von ruhenden Wander- zellen entdeckt. Bei Reptilien erscheinen diese Zellen zu gleicher Zeit wie die grossen Iymphoiden Zellen, und zur Zeit, wo die Iymphoiden Wanderzellen sich schon in Granuloblasten differenzieren, werden histiogene Wanderzellen noch immer von neuem ge- bildet und bleiben in grösseren Mengen auch als solche im (Gewebe liegen. Der Struktur nach erscheinen die histiotopen Wanderzellen den Mesenchymzellen ähnlicher als andere aus denselben diffe- Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 36 546 Wera Dantschakoftf: renzierte Wanderzellen, auch erlaubt ihr weiteres Schicksal sie den jungen indifferenten Mesenchymzellen sehr nahe zu stellen ; die histiogene Wanderzelle wäre als eine frei und mobil gewordene Mesenchymzelle zu betrachten, welche während des ganzen Lebens des Embryo und des erwachsenen Individuums ein vielseitiges Differenzierungsvermögen behält. Sie hat keine bestimmte Lokalisation und wird überall, wo lockeres Bindegewebe zu finden ist, in allen Lücken zwischen verschiedenen Organteilen getroffen und ist nur im Blute nicht aufzufinden. Diese Zelle erscheint nur im Embryokörper selbst. Während der blutbildenden Tätigkeit des Dottersackes wird sie dort nicht gebildet. Das ist auch verständlich, denn die histiogenen Wander- zellen sind als eine vom Mesenchym abgespaltene und in die Gewebe des Embryokörpers versetzte Generation junger indifte- renter Zellen zu betrachten, die zu jeder Zeit bereit sind, zu erwachen und ihre eigene potentielle Differenzierungs- und Ver- mehrungskraft in eine kinetische umzuwandeln. Der Dottersack ist aber ja nur ein temporäres Organ. Ausser dem erythroblastischen Gewebe wird dort selbständig aus Mesenchym ein granuloblastisches Gewebe gebildet. Die Funktion des Dottersacks als eines Organs, wo sich granuioblastisches Gewebe entwickelt, wird zu der Zeit, wo das Mesenchym noch keine freien Zellen abzulösen imstande ist, abgeschlossen, deshalb kann im Dottersack ein Stamm von ruhenden Zellen mit grosser potentieller Difterenzierungsfähigkeit keine Entwicklung finden. Bei den Vögeln üben die histiogenen Wanderzellen eine intensive phagozytäre Tätigkeit in den erythropoetischen Herden im lockeren Bindegewebe aus; da bei Reptilien keine Erythropoese im lockeren Bindegewebe aufzufinden ist, wird auch unter normalen Bedingungen den ruhenden Wanderzellen keine phagozytäre Tätig- keit zuteil. Was die Möglichkeit weiterer Differenzierung der histiogenen Wanderzellen in den Geweben des Embryo anbetrifit, so ist der Umstand, dass die histiogenen Wanderzellen in besonders grossen Mengen dort auftreten, wo sich bald Anhäufungen von grossen Iymphoiden Zellen entwickeln, von Belang. Diese Erscheinung ist leicht in der Umgebung der Milz- und Thymusanlage zu konstatieren. In der Nähe dieser Organe runden sich die Mesen- chymzellen rasch ab und es treten so zahlreiche histiogene Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 547 Wanderzellen auf. Die Mesenchymzellen scheinen hier die Zeit zu einer komplizierteren Differenzierung in grosse Iymphoide Zellen nicht zu haben, denn sie behalten ihre wesentliche Struktur, eilen als neugebildete freie histiogene Wanderzellen zu dem Herde der Differenzierung des lIymphoiden Gewebes und setzen hier ihre weitere Entwicklung in grosse basophile Zellen fort. Es ist jetzt begreiflich, warum es nur äusserst selten möglich ist, die Differenzierung der histiogenen Wanderzellen aus Mesen- chymzellen zu verfolgen. Es scheint, dass die ruhende Wanderzelle bei Reptilien, wenigstens im embryonalen Leben unter normalen Verhältnissen, sich nur in grosse Lymphozyten verwandelt, aber durch die Ver- mittlung dieser letzteren kommen sie in nahe Beziehungen zu Granulozyten und zu kleinen Lymphozyten, zu deren Entwicklung ich jetzt übergehe. 4. Entstehung der kleinen Lymphozyten und ihr Differenzierungsvermögen. Diese Zellart sowohl wie die histiogenen Wanderzellen ge- hören ausschliesslich den Körpergeweben des Embryos an. Ausser ihrer diffusen Verbreitung im lockeren Bindegewebe und ihrer Anwesenheit im Blut, bilden die kleinen Lymphozyten noch grosse Anhäufungen in speziell entwickelten Organen, in der Milz, der Thymus und teilweise dem Knochenmark. Die Entwicklung der erwähnten Organe werde ich weiter unten gesondert beschreiben ; die kleinen Lymphozyten des lockeren Bindegewebes und die des Blutes stehen in sehr nahen Beziehungen und besitzen in hohem Grade die Eigenschaft der Permigration. (renetisch stehen die kleinen Lymphozyten mit zwei Zell- arten in Beziehung. Einerseits ist ihre Abstammung aus Mesen- chymzellen ausser Zweifel, andererseits sind aber auch ihre genetischen Beziehungen zu den grossen Lymphozyten sehr klar. Die Entwicklung der kleinen Lymphozyten aus Mesenchymzellen geschieht öfter im lockeren Bindegewebe, ihre Entstehung aus grossen Lymphozyten ist hauptsächlich in den IJymphoiden Organen festzustellen. Die kleinen Lymphozyten sowohl, wie die histiogenen Wander- zellen werden in den Dottersackanhängen nicht angetroffen. Auch im Embryokörper werden die kleinen Lymphozyten viel später 36* 548 Wera Dantschakoff: gebildet als die Grossen Lymphozyten und die histiogenen Wander- zellen. Das lockere Bindegewebe enthält schon zahlreiche Grosse Lymphozyten und Granuloblasten. wenn wir die ersten eben erscheinenden kleinen. Lymphozyten erblicken. Jetzt geht der Prozess der Entwicklung der kleinen Lymphozyten wie eine Welle über den ganzen Organismus, so wie früher die Entwicklung der Grossen Lymphozyten und der Granuloblasten. Doch während die kleinen Lymphozyten im lockeren Bindegewebe vereinzelt zu finden sind, sind dieselben Zellen in der Umgebung solcher Organe wie die Thymus und die Milz in grossen Mengen angehäuft. Auch finden sich die kleinen Lymphozyten im Parenchym des Knochen- marks, aber immer nur vereinzelt. Ich werde mich nicht bei der Beschreibung der Differen- zierung der grossen Lymphozyten oder der Mesenchymzellen in kleine Lymphozyten aufhalten, weil ich dies bei der Beschreibung der Thymus- und Milzentwicklung ausführlicher tun werde; ich will nur hier bemerken, dass die erwähnten Zellarten durch eine so volle ununterbrochene Reihe von Übergangsstadien verbunden sind, dass es gar nicht möglich ist, an dieser Erscheinung zu zweifeln. So sind die kleinen und die grossen Lymphozyten genetisch sehr eng miteinander verbunden. Die kleinen Lymphozyten ent- wickeln sich teilweise aus den grossen, teilweise aber werden sie auf Kosten der Mesenchymzellen gebildet. Zu gleicher Zeit ver- mehren sie sich auch homöoplastisch. Was das eigene Differenzierungsvermögen der kleinen Lymphozyten anbetrifft, so äussert es sich hauptsächlich in der Eigenschaft des Protoplasmas, Granula auszuarbeiten. Bei Tropidonotus natrix sowohl wie bei den Vögeln führt dieser Prozess zur Entstehung von Mastzellen. Auch ist bei Tropido- notus natrix die basophile Granulation durch Wasser viel schwerer löslich als bei Säugern. Zellen mit basophilen Granula sind bei Tropidonotus natrix im Blute und im lockeren Bindegewebe anwesend, stellen aber keine so bestimmten Verschiedenheiten vor, um sie wie bei Säugern in zwei verschiedene Gruppen von Mastleukozyten und Mastzellen teilen zu können. Alle Mastzellen haben bei Tropido- notus natrix einen ovalen oder runden Kern mit beträchtlicher Menge von Chromatin. Zwar sind die Mastzellen im Blut immer Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 549 kugelförmig, zwischen den Zellen des lockeren Bindegewebes er- scheinen sie jedoch öfters polymorph; aber dieser letztere Um- stand ist durch die Deformation der Mastzellen seitens der an- liegenden Zellen leicht erklärlich. Bei dem Embryo vermehren sich die Mastzellen nicht nur heteroplastisch, sondern auch homöoplastisch, und Mitosen in Mastzellen sind innerhalb der Gefässe und im lockeren Bindegewebe zu treffen. Bei den Vögeln haben die kleinen Lymphozyten, besonders die im lockeren Bindegewebe vorhandenen, die Fähigkeit, feine acidophile Granula in ihrem Protoplasma auszuarbeiten, dieselbe Erscheinung ist bei Tropidonotus natrix — wenigstens im embryo- nalen Leben unter normalen Bedingungen — gar nicht aufzufinden. Hier werden während des ganzen embryonalen Lebens die zahlreichen Granulozyten aus jungen Granuloblasten und grossen Lympho- zyten gebildet. Bei Vögeln lokalisierten sich die fein azidophil granulierten Zellen hauptsächlich im lockeren Bindegewebe; im Blute waren sie nur in kleiner Zahl vorhanden. Bei Tropidonotus natrix sind die Leukozyten des Blutes und des lockeren Binde- gewebes ganz identisch. Nur in der Milz existiert auch für kleine Lymphozyten eine Möglichkeit, azidophile Granula in ihrem Protoplasma auszuarbeiten. Hier ist es mir gelungen, wie weiter unten ausführlich beschrieben wird, in dem Stadium, welches das Organ intensiv mit granulo- blastischem (Grewebe infiltriert, auch immer einzelne kleine Lympho- zyten mit überaus typischem Kerne in ihrem Protoplasma runde eosinophile Granula ausarbeiten zu sehen. Ob dieser Prozess sich im erwachsenen Organismus oder unter pathologischen Beding- ungen mehr oder weniger zu verallgemeinern imstande ist, ist schwer zu entscheiden; doch schon die Möglichkeit auch für kleine Lymphozyten, sich in eosinophile Zellen zu verwandeln, scheint mir von grösserem Belang. Was aber die so viel umstrittene Frage über die Rück- verwandlung der kleinen Lymphozyten in Grosse betrifft, so gibt die Untersuchung über die embryonale normale Entwicklung bei Tropidonotus natrix gar keinen Aufschluss darüber. Diese Frage könnte nur an der Hand experimenteller Untersuchungen über aseptische Entzündung entschieden werden. Plasmazellen wurden von mir in den embryonalen Geweben bei Tropidonotus natrix nicht beobachtet. 550 Wera Dantschakoff: 5. Beziehungen der freien Wanderzellen zu den fixen Zellen des lockeren Bindegewebes. In den frühen Stadien der embryonalen Entwicklung sind alle Interstitien zwischen den verschiedenen ÖOrgananlagen des Embryos von indifferentem jungem zu vielseitiger Entwicklung fähigem Gewebe erfüllt. Oben wurde geschildert, wie dieses Mesenchym allmählich aus sich verschiedene freie Zellen abspaltet, welche ihre eigene individuelle Differenzierung beginnen. Das Mesenchym behält während einer grossen Periode des embryonalen Lebens seine Fähigkeit zu heteroplastischer Entwicklung. Nachdem das Mesenchym verschiedene freie Zellen abgespaltet hat, fängt seine Verwandlung in reifes Bindegewebe an und dabei erscheinen Fibroblasten und Fettzellen. Ob das Mesenchym seine Fähigkeit zu heteroplastischer Entwicklung auch im erwachsenen Organismus teilweise behält oder diese Eigenschaft völlig den mobilen Zellen übergibt, ist fraglich. Weidenreich sieht im gewöhnlichen Bindegewebe zwei Komponenten, einen fibrillären und einen zellulär-plasmatischen Anteil; dieser letztere spielt nach Weidenreich die Rolle einer endothelartigen Umkleidung der Fasern und besitzt noch im er- wachsenen Organismus die Fähigkeit, sich abzurunden, sich los- zulösen und durch Teilung freie Zellen zu produzieren. Die Untersuchung des lockeren Bindegewebes zeigt, dass die Fähigkeit zu heteroplastischer Entwicklung im hohen Grade dem Mesenchym in der ersten Hälfte des Embryonallebens eigen ist. Später aber wird dieser Prozess immer unmerklicher und ganz am Ende des Embryonallebens ist es schwer möglich, nur Andeutungen solcher Abspaltung mobiler Zellen seitens des Binde- gewebes aufzufinden. Um so wahrscheinlicher scheint es mir, dass es gerade die histiogenen Wanderzellen sind, die sich allmählich in ruhende Wanderzellen des erwachsenen Organismus verwandeln und von dem Mesenchym die Gabe zur vielseitigen Differenzierung ererben, eine Gabe, die sich durch Jahre und Jahre bewahrt, und die sich bei Störungen des normalen Gleichgewichts der (Gewebe intensiv entfaltet. 5. Schlüsse. 1. Es ist nicht lange her, dass man das Bindegewebe in den allgemeinen Begriff von Stützgewebe einschloss und seine Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 551 einzige Rolle, wie aus seinem Namen ersichtlich, in der Füllung aller Interstitien zwischen den Organen sah. Eine detailliertere Untersuchung des lockeren Bindegewebes ist aber imstande. ihm eine viel kompliziertere Rolle zuzuschreiben. Während das Binde- gewebe tatsächlich als Stützgewebe funktioniert, ist es zu gleicher Zeit eine unerschöpfliche Quelle schlummernder Regenerations- kräfte, nicht nur beim Embryo. sondern auch im erwachsenen Zustande. 2. Die erwähnte Bedeutung des Bindegewebes wird in den ersten Entwicklungsperioden durch die Fähigkeit des Mesenchyms, sich selbst verschiedenartig heteroplastisch zu differenzieren, effek- tuiert. Bald beginnt aber das Mesenchym, eine Reihe junger, sich aus dem gemeinsamen Verband lösender Zellen, die während jeder Gleichgewichtsstörung der Gewebe sich weiter zu differenzieren bereit sind, abzuspalten. Ob das Mesenchym bei dieser Diffe- renzierung seine Fähigkeit zu selbständiger heteroplastischer Entwicklung erschöpft, und diese Eigenschaft den aus ihm ent- wickelten mobilen Zellen völlig übergibt, diese Frage ist durch alleinige morphologische Untersuchungen am embryonalen Material nicht zu beantworten. Unter normalen Bedingungen wird zur Zeit des Ausschlüpfens des jungen Tieres aus dem Ei nichts mehr von Differenzierung neuer Zellen aus dem Mesenchymgewebe wahrgenommen. 3. Unter den im Mesenchym liegenden Zellarten, welche zu weiterer Differenzierung im lockeren Bindegewebe imstande sind, sind die grossen Lymphozyten, das granuloblastische Gewebe, die kleinen Lymphozyten und die histiogenen Wanderzellen zu nennen. 4. Diese Zellen haben als Ort ihrer Entstehung das lockere Bindegewebe und besonders differenzierte Organe (Thymus, Knochen- mark, Milz). Einige von diesen Zellen (kleine Lymphozyten und eranuläre Leukozyten) immigrieren in die Gefässe, werden vom Blut- und Lymphstrom transportiert und geraten so in jedes gefässhaltige Organ. 5. Die grossen Iymphoiden Zellen werden im Embryokörper sehr bald nach der Auflösung der Blutinseln in der Area vascu- losa aus Mesenchymzellen gebildet. Diese Zellen stellen eine von den allerjüngsten freien Zellarten vor. In der ersten Hälfte des Embryonallebens sind sie im lockeren Bindegewebe sehr zahlreich ; ihre Rolle ist bei der Entstehung der speziellen Iymphoiden Organe 552 Wera Dantschakoff: sehr gross, in denen sie sich schliesslich lokalisieren, weiter fort- dauern, sich vermehren und qualitativ differenzieren. Im lockeren Bindegewebe des jungen Tieres werden die grossen Iymphoiden Zellen nur äusserst selten angetroffen. Dagegen sind sie regel- mässig in blutbildenden Organen vorhanden. Verhältnismässig zahlreich sind sie im Blut nur in frühen Entwicklungsstadien ; später werden sie von den blutbildenden Organen zurück- gehalten. 6. Das granuloblastische Gewebe steht in äusserst nahen Beziehungen zu den grossen Lymphozyten. Die Granuloblasten und die Granulozyten stellen eine von den für die grossen Iym- phoiden Zellen mögliche Differenzierungsrichtung vor. Dieses Gewebe ist im lockeren Bindegewebe des Tropidonotus natrix sehr verbreitet, besonders in den früheren Entwicklungsstadien des Embryos. Mit aktiver Bewegungsfähigkeit versehen, sind die reiferen Formen des granuloblastischen Gewebes fähig, in die Gefässe ein- zuwandern. In den frühen Entwicklungsstadien werden die granu- lierten Zellen heteroplastisch aus ungranulierten gebildet, in den späteren Stadien aus granulierten Vorstufen aus den Granulo- blasten. Und je weniger zahlreich die grossen Iymphoiden Zellen’ im Bindegewebe werden, desto intensiver wird die homöoplastische Vermehrung der Granuloblasten. Bis zur Zeit des Entschlüpfens des Tieres aus dem Ei sind grössere Anhäufungen granuloblastischen Gewebes im lockeren Bindegewebe wahrzunehmen; zahlreiche Mitosen bezeugen ihre Vermehrungsfähigkeit. Mit der Zeit ver- lieren die Granuloblasten an Lokomotionsfähigkeit und werden sessiler, die Granulozyten aber immigrieren leichter in die Gefässe und stellen einen beständigen Teil des Blutes vor. 7. Die histiogenen Wanderzellen, die nichts weiter als ein embryonales Stadium der erwachsenen ruhenden Wanderzellen oder Polyblasten von Maximow sind, können als Träger der Differenzierungskraft des früheren Mesenchyms angesehen werden. Die histiogenen Wanderzellen bewahren ohne Zweifel alle ver- schiedenen Differenzierungsmöglichkeiten der jungen Mesenchym- zellen. Bei der Entwicklung der Thymus und der Milz eilen sie zur Stelle ihrer Entstehung und differenzieren sich dort zum grössten Teil zu grossen Iymphoiden Zellen. Histiogene Wander- zellen werden überall angetroffen, wo nur lockeres Bindegewebe sich befindet. In die Gefässe gelangen sie nicht hinein; es Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 555 zirkulieren dort andere junge undifferenzierte Wanderzellen: die kleinen Lymphozyten. S. Die kleinen Lymphozyten ersetzen in gewissem Sinne die grossen Lymphozyten im Blut und im lockeren Bindegewebe des Embryos. Sie werden hier viel später gebildet, aber erhalten sich auch im lockeren Bindegewebe bei jungen Tieren. Die kleinen Lymphozyten werden teilweise auch wie grosse Iymphoide Zellen aus dem Mesenchym gebildet, aber sie sind auch noch mehr mit den grossen Iymphoiden Zellen verbunden, da sie sich teilweise auf deren Kosten entwickeln. Die kleinen: Lymphozyten sind ubiquitär, sie werden sowohl im lockeren Bindegewebe, als auch in den speziellen Blutbildungsorganen angetroffen: sie haben eine grosse Lokomotionsfähigkeit und immigrieren leicht in die Gefässe; sie sind auch teilungsfähig. 9. Die kleinen Lymphozyten differenzieren sich zu Mast- zellen, welche bei Tropidonotus natrix nicht in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden können. Die Mastzellen sind sowohl im lockeren Bindegewebe, als auch im Blute vermehrungsfähig, Es ist möglich, im embryonalen Leben Mitosen in den Mastzellen sowohl des lockeren Bindegewebes als auch des Blutes zu finden. IV. Über die Entwicklung der Thymus. 1. Literatur und allgemeine Betrachtungen. Die ersten Iymphoiden Zellen in der epithelialen Thymusanlage; die Entwicklung des granuloblastischen Gewebes. 3. Die kleinen Lymphozyten und die Differenzierung der Rinden- und Mark- substanz. 4. Schlüsse. 1. Literatur und allgemeine Betrachtungen. Seitdem Kölliker und Stieda die epitheliale Herkunft der Thymusanlage entdeckt haben, schien die strenge Gesondertheit der Keimblätter erschüttert. Die Thymus, deren Struktur einer- seits einer Lymphdrüse so ähnlich schien, sollte andererseits vom Entoderm entstehen. | Hammar deckte die wahre Iymphoide Natur der kleinen Rindenzellen der Thymus auf. Nach Hammar immigrieren die Iymphoiden mesenchymatösen Elemente in die epitheliale Anlage, vermehren und differenzieren sich, und alle kleinen Thymuszellen, ID 554 Wera Dantschakoff: welche so nichts anderes als echte kleine Lymphozyten darstellen, stammen nicht vom Epithel, sondern, wie alle anderen Elemente des Blutes, vom Mesoderm. Stöhr erklärte jedoch die kleinen Thymuszellen für be- sonders differenzierte epitheliale Zellen und lässt sie alle vom Entoderm abstammen. Die Arbeiten von Maximow haben für Säugetier-, Am- phibien- und Selachierembryonen eine völlige Bestätigung der Lehre Hammars gebracht. Bei meinen Untersuchungen über die Blutbildung der- Vögel hatte ich schon Gelegenheit, mich über die wahre Iymphoide Natur der kleinen Thymuszellen zu äussern. Im Jahre 1910 ist es mir gelungen, bei Tropidonotus natrix nicht nur die Immigration der grossen Iymphoiden Zellen in die Thymusanlage, sondern auch die hier intensiv ausgesprochene Granulopoese zu beweisen. Ich glaube, dass man jetzt den Entwicklungsgang der Thymus für endgültig aufgeklärt halten kann, sowohl bei den Säugern wie bei den Vögeln, Reptilien, Amphibien und Selachiern. Die Thymus wird als epitheliale Anlage auf Kosten des Ento- derms angelegt, es wächst in diese epitheliale Anlage junges indifferentes Mesenchymgewebe, und es wandern freie Zellen hinein, die sich hier speziell in den oberflächlichen Schichten der Rindensubstanz intensiv vermehren und zahlreiche Generationen von kleinen Lymphozyten abgeben. Viel weniger ist noch bis jetzt die Existenz und Entwicklung der granulierten Zellen in der Thymus untersucht worden. Schaffer hat als erster eosinophil geranulierte Zellen in . der Thymus entdeckt und brachte diese Zellen in der mensch- lichen Thymus in Zusammenhang mit Involutionserscheinungen in der Thymus; diese Zellen sollen nach Schaffer und Rabl zu einer Fortschaffung epithelialer Zerfallsprodukte dienen. Da Schaffer alle Thymuszellen als epithelialen Ursprungs ansieht, so identifiziert er die granulierten Zellen in der Thymus und im Blut augenscheinlich nicht. Eine gleiche Ansicht spricht auch Lewis aus. Ganz verschiedener Meinung ist Ghika, der die embryo- nale Entwicklung der menschlichen Thymus untersucht und die granulären Leukozyten in der Thymus und im Blut identifiziert und daher die Thymus für ein hämatopoetisches Organ erklärt hat. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 555 Schridde glaubt, dass die eosinophilen Leukozyten in die Thymus eingewandert sind. Bei den Vögeln hat Lewis eosinophile Leukozyten in der Thymus beschrieben ; aber dieser Autor negiert ihre Entstehung in der Thymus selbst und glaubt, sie seien hierher eingewandert, um hier bald zu degenerieren. Maximow hält eine Entstehung der granulierten Leuko- zyten in der Thymus selbst für möglich und wahrscheinlich. In einer Arbeit über die menschliche und die tierische Thymus beweist Weil eine Entstehung eosinophiler und neutro- philer Leukozyten in loco. Das würde meine Beobachtung (1910) über eine sehr ausgebreitete Bildung von Granuloblasten in der Thymus des Tropidonotus natrix bestätigen. Ich habe mich schon damals geäussert, dass gerade die in der Thymus vor sich gehende Bildung myelozytenähnlicher Zellen auf Kosten der grossen Iymphoiden eingewanderten Zellen für die Iymphoide Natur dieser letzteren sehr klar spricht, und dass die kleinen Lymphozyten keinen Zusammenhang mit den Epithelzellen haben, weil sie sich aus denselben grossen Iymphoiden Zellen wie die eben genannten Granuloblasten entwickeln. (Diese Arbeit ist Weil augenschein- lich entgangen.) Bei der Schilderung der Thymusentwicklung bei Reptilien kann ich sehr kurz sein, weil es hier sehr viele Analogien mit der schon bekannten Entwicklung bei anderen Tieren gibt. 2. Die ersten lymphoiden Zellen in der epithelialen Milzanlage ; die Entwicklung des granuloblastischen Gewebes. Die Fig. 10 stellt die Thymusanlage zu der Zeit vor, wo zahlreiche Wanderzellen vom Ivmphoiden Typus in das Thymus- gewebe eingedrungen sind. Zu dieser Zeit besteht das Gewebe der Thymus noch hauptsächlich aus zahlreichen, sehr eng an- einander anliegenden, teilweise miteinander verschmolzenen Epithelzellen. Aber schon längere Zeit bevor man in der Thymus selbst freie basophile Zellen unterscheiden kann, wird das lockere Binde- gsewebe, das die epitheliale Thymusanlage umgibt, sehr charakte- ristisch. Ausser den gewöhnlichen, typischen, verästelten Mesen- chymzellen enthält es sehr zahlreiche freie Wanderzellen vom Iymphoiden Typus und auch histiogene Wanderzellen. 556 Wera Dantschakoft: Von hier aus dringen diese Wanderzellen in die epitheliale Thymusanlage und schieben allmählich die Epithelzellen der Milz- anlage auseinander; hier vermehren sie sich mitotisch und fangen ihre weitere Differenzierung an. In dieser Zeit sind auch überall an anderen Stellen des Mesenchymgewebes bei Tropidonotus natrix diffus zerstreute Wanderzellen zu sehen; überall sind grosse Iymphoide Zellen, Granuloblasten und histiogene Wanderzellen eingeschaltet. Am merkwürdigsten aber erscheint die Tatsache, dass gerade in der Umgebung der Thymus die kleinen Lymphozyten am frühesten erscheinen und zwar noch früher als man in der Thymus selbst kleine Lymphozyten erblicken kann (Fig. 11). Ich werde mich mit der Beschreibung der Immigration der grossen Iymphoiden Zellen nicht aufhalten, weil dieser Prozess sich ganz ähnlich entwickelt, wie ihn schon Maximow bei Säugetieren, Amphibien und Selachiern beschrieben hat. Es genügt, einen Blick auf die Fig. 10 zu werfen, um diesen Immigrations- prozess an der ganzen Peripherie der kleinen Thymuslappen wahrnehmen zu können. Die in das Thymusgewebe eingewanderten grossen Iymphoiden Zellen sind immer und leicht von dem sie umgebenden epithelialen Gewebe zu unterscheiden, weil sie stets scharf konturiert sind, amöboide rundliche Fortsätze aufweisen, ferner ein stark baso- philes Protoplasma und einen ihnen eigentümlichen Kern besitzen, kurz, es sind diese Zellen dieselben grossen Iymphoiden Zellen, welche man zu derselben Zeit auch an anderen Orten im lockeren Bindegewebe wahrnimmt. Ich habe schon die bei Tropidonotus natrix äusserst ver- breitete Tendenz der grossen Iymphoiden Zellen zur Bildung von granuloblastischem Gewebe erwähnt. Dieselbe Eigenschaft besitzen auch die in die Thymusanlage immigrierten grossen Iymphoiden Zellen, welche, sobald sie die Thymusanlage erreicht haben, sofort kleine eosinophile Granula in ihrem Protoplasma zu bilden an- fangen und, während sie weiter in das epitheliale Gewebe ein- dringen, schliesslich zu typischen Granuloblasten werden. Wenn man noch bei Säugetieren irgend welche Zweifel über die Natur der grossen Iymphoiden Zellen haben kann, so lässt. die granuloblastische Tätigkeit dieser Zellen bei Reptilien gar keinen Zweifel über die Natur dieser Zellen mehr zu; denn Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 557 sie entwickeln sowohl in der Thymus selbst als auch im anliegenden lockeren Bindegewebe (Fig. 10) dieselbe granulopoetische Differen- zierung sehr ausgiebig und geben uns damit das Recht, eine völlige Analogie zwischen diesen beiden Zellreihen festzustellen. Im Jahre 1909 ist eine Arbeit über die Thymusentwicklung bei Reptilien von Dustin erschienen, in welcher der genannte Autor die Existenz der granulierten Zellen in sehr jungen Thymus- anlagen negiert. Es ist klar, dass vor dem Auftreten grosser Iymphoider Zellen in der Thymusanlage sich hier auch Keine Granuloblasten entwickeln können; aber fast gleichzeitig mit dem Erscheinen der ersten grossen Iymphoiden Zellen in der epithelialen Thymusanlage fängt auch eine Differenzierung dieser Zellen zu Granuloblasten im Thymusgewebe an; auch sind hier öfters grosse basophile amöboide Lymphozyten zu sehen, welche in ihrem Protoplasma erst einzelne kleine eosinophile (Granula ausgearbeitet haben. In dieser Hinsicht wäre eine enge Analogie zwischen der Histiogenese der frei beweglichen Zellelemente der Thymus und der Milz gestattet. Im Stadium der Entwicklung und Vermehrung des ersten Iymphoiden Gewebes erscheinen die beiden Organe als Stätten mit stark ausgesprochener Tendenz der grossen Lymphozyten zur Ausbildung von diffus in diesen Organen ver- breitetem granuloblastischem Gewebe. Bei Tropidonotus natrix kann von einem Parallelismus zwischen der Entwicklung der Granulozyten und den Involutions- erscheinungen im epithelialen Gewebe gar keine Rede sein. Eine Vergleichung aber der Granuloblasten innerhalb der 'Thymus- anlage und der Granuloblasten im lockeren anliegenden Binde- gewebe gestattet zweifellos, diese beiden Zellreihen zu identifizieren sowohl bezüglich ihrer morphologischen Struktur, als auch ihrer weiteren Differenzierung, die die beiden Zellreihen zur Bildung reifer eosinophiler Granulozyten führt. Was aber das epitheliale Gewebe der Thymus anbetrifft, so stellt das letztere vor dem Eindringen von grossen Iymphoiden Elementen eine Art von dichtem Synzytium dar; es wird aber durch die Vermehrung in ihm gelegener freier Zellen sehr stark aufgelockert, da die beweglichen Zellen das epitheliale Gewebe infiltrieren und sich in das Protoplasma der synzytialen Masse eingraben. Die epithelialen Zellen verlieren dabei nicht den Zu- 558 Wera Dantschakoff: sammenhang ihres Protoplasmas. Dieser wird vielmehr durch immer dünner werdende Fortsätze bewahrt und parallel der immer intensiver werdenden Vermehrung von freien Zellen nimmt das epitheliale (sewebe immer mehr und mehr die Struktur eines typischen Retikulums an. 3. Die kleinen Lymphozyten in der Thymus und die Differenzierung der Rinden- und Marksubstanz. Mit dem ersten Erscheinen der Iymphoiden Wanderzellen zwischen den Zellen der epithelialen Thymusanlage besitzt dieses Organ alle Zellelemente, deren Differenzierung zu der endgültigen Struktur des Thymusgewebes führt. Das spezifische Gewebe der Thymus. dessen Zellen am zahlreichsten sind und das die Thymus zu den Iymphoiden Organen rechnen lässt, stammt von den eingewanderten grossen Iymphoiden Zellen. Bei der Beschreibung anderer Blutbildungsorgane hatte ich schon mehrere Male die Gelegenheit gehabt, hervorzuheben, dass während der ersten Entwicklungsstadien des Organs immer Wander- zellen vom Iymphoiden Typus als erste freie Zellen erscheinen und dass nur nachdem sie mehr oder weniger zahlreich geworden sind, auch ihre Differenzierung in kleine Lymphozyten beginnt. Auch bei der Bildung der kleinen Thymuszellen in der Rinde, die zwar weniger zahlreich aber doch beständig auch im Mark sich vorfinden, werden die zahlreichen grossen Iymphoiden Wanderzellen der Ausgangspunkt und die Quelle für die ent- stehenden kleinen Lymphozyten. Die Fig. 11 zeigt die Difteren- zierung der grossen Iymphoiden Zellen in die kleinen Lympho- zyten, wobei stets alle freien Iymphoiden Zellen sich von den sie umgebenden epithelialen Zellen scharf abheben. Die Konturen der Iymphoiden Zellen, der grossen sowohl wie der kleinen, sind immer scharf umschrieben und zwischen den typischen grossen Lymphozyten und den typischen kleinen ist immer leicht eine ununterbrochene Reihe von Übergangsformen festzustellen. D:e kleinen Lymphozyten haben in ihrer Genesis gar keine Beziehungen zu dem epithelialen Gewebe und kommen nur in enge räumliche Verhältnisse mit ihm. Beim Anfang ihrer Ent- wicklung bilden sich die kleinen Lymphozyten vorzugsweise heteroplastisch aus den grossen, bald aber vermehren sie sich Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 559 hauptsächlich auf homöoplastischem Wege durch mitotische Teilung (Fig. 11). In der Zeit, wo die grossen Iymphoiden Zellen zahlreiche Generationen von kleinen Lymphozyten abgeben, hält ihre Differen- zierung in Granuloblasten augenscheinlich an, und die Zellen dieses Gewebes werden verhältnismäßig weniger zahlreich. Sie häufen in ihrem Protoplasma grosse Mengen von eosinophilen Granula an, ändern allmählich die Struktur ihres Kernes und werden zu typischen eosinophilen Leukozyten, die in ihrer Struktur und in ihrer Genesis völlig den eosinophilen Leukozyten des Blutes entsprechen. Auch zur Zeit des Ausschlüpfens des jungen Tieres ist es noch möglich, einzelne Mitosen in den granulierten Zellen zu finden; doch werden sie jetzt äusserst selten; die Zahl der kleinen Lymphozyten dagegen wächst so rasch, dass sehr bald die äusseren Schichten der kleinen Thymuslappen vorzugs- weise Iymphoid werden. Die Vermehrung der kleinen Lymphozyten geschieht in be- sonders intensiver Weise in den äusseren Schichten der Thymus; hier wird auch das Gewebe der Thymus sehr bald äusserst dicht; die immer zahlreicher werdenden kleinen Lymphozyten lockern das epitheliale Gewebe immer mehr auf; die Protoplasmafortsätze zwischen den epithelialen Zellen werden immer dünner, und schliesslich kommt es in der Rinde zur Bildung eines zierlichen Retikulums, welches nur mit Mühe in den nicht ausgepinselten Präparaten sichtbar ist. In den zentralen Teilen der Thymus- läppchen bleibt das epitheliale Gewebe besser erhalten, obgleich auch hier zwischen den Epithelzellen mehr oder weniger zahl- reiche kleine Lymphozyten zu finden sind. 4. Schlüsse. 1. Die Thymus wird als ein epitheliales Organ angelegt; bald aber immigrieren in die junge epitheliale Anlage zahlreiche Iymphoide Zellen, die sich hier vermehren und zu den Mutter- zellen des spezifisch Iymphoiden Thymusgewebes werden. 32. Die Thymus wird während ihrer Entwicklung eine Stätte sehr intensiv ausgesprochener Granulopoese. Die Bildung eosinophil granulierter Zellen, die den im Blut zirkulierenden identisch sind, ist besonders an die erste Entwicklung von grossen 560 Wera Dantschakoft: Iymphoiden Elementen gebunden. In den späteren Stadien werden die Zellen des granuloblastischen (rewebes weniger zahlreich. 3. Die kleinen Thymuszellen in der Rinde entwickeln sich aus den immigrierten grossen Iymphoiden Zellen. Die Thymus ist als ein Organ zu betrachten, in welchem dieselbe Zelle — der grosse Iymphoide Hämozytoblast — ausserhalb der Gefässe ihre Entwicklung in zwei verschiedenen Richtungen einschlägt: einerseits liefert sie besonders im Anfang eine zahlreiche Gene- ration von eosinophilen Granulozyten, andererseits entwickelt sie sich zu dem kleinzelligen Iymphoiden Gewebe, welches haupt- sächlich die Rinde der Thymus bildet. V. Über die Entwicklung der Milz. ” 1. Literatur und allgemeine Betrachtungen. 2. Das erste Auftreten der Milzanlage und die ersten Differenzierungs- prozesse in der Anlage. 3. Entwicklung der äusseren Form der Milzanlage:; Verdichtung des Gewebes. 4. Die weitere Histiogenese des Milzgewebes. a) Stadium der grossen Lymphozyten und der Granuloblasten. b) Stadium der kleinen Lymphozyten. Schlüsse. or l. Literatur und allgemeine Betrachtungen. Wenn in der Literatur, die sich auf die Entwicklung der Milz bezieht, die meisten Autoren scharf gegen die entodermale Herkunft dieses Organs auftreten, bleibt die Untersuchung der Milz bei Reptilien, bezw. bei Tropidonotus natrix auch jetzt noch gewissermaßen ein Hindernis, um die Frage über die Entstehung der Milz endgültig zu beantworten. Vor 20 Jahren machte Retterer einige paradoxale in ihren Verallgemeinerungen nicht uninteressante Äusserungen über die epitheliale entodermale Herkunft aller geschlossenen Drüsen des Darms, wie der Milz, der Thyreoidea der Thymus, der Ton- sillen und der Solitärfollikell. Auch erklärte Retterer einen jeden, der diese Tatsache leugnen wollte, für einen, der die Fähigkeit, zwischen feststehenden Beweisgründen und falschen Behauptungen zu unterscheiden, verloren hätte. In dieser Zeit war die Arbeit von Laguesse über die Herkunft der Milz bei Knochen- und Knorpelfischen schon ver- öffentlicht worden. In dieser Arbeit bewies Laguesse mit Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 561 bewunderungswürdiger Klarheit und Genauigkeit eine selbständige und vom Pankreas durchaus getrennte Abstammung der Milz, die sich aus dem Mesenchym entwickeln sollte. In den frühen Stadien bestände die Milz aus sternförmigen miteinander anasto- mosierenden Mesenchymzellen. Laguesse will in der Milz einen Rest embryonalen Mesenchyms erblicken, der die Aufgabe der Blutregeneration übernimmt. Eine Reihe von späteren Arbeiten (Maurer, v. Kupffer, Weil) scheinen mehr für Retterers Anschauung zu sprechen. Maurer schliesst auf die entodermale Abstammung der Milz, die merkwürdigerweise durch eine Aus- und Herüber- wanderung der Entodermzellen sich vollziehen soll. v. Kupffer verteidigt auch die Bildung der Milz aus Ento- dermzellen der Darmausstülpungen. Weils Untersuchungen, die an Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugetieren angestellt wurden, haben den Autor zum Schlusse geführt, dass man in den frühesten Stadien der Milzentwicklung tatsächlich in der Milzanlage ein Lumen erkennen kann, das von epithelähnlichen Zellen umgeben ist. Ihren spezifischen Charakter soll aber die Milz erst nach der Einwanderung zahlloser mesen- chymatöser Elemente bekommen. Diese letzteren können aber vom „differenzierten“ Darmepithel abstammen. Bei den Vögeln und Säugetieren hat aber das Entoderm sicher eine untergeordnete Bedeutung; hier sei das Mesenchym als Grundstein bei der (renese des Organs zu betrachten. Die folgenden Arbeiten von Tonkoff, Janosik, Ruffini, die sich scharf gegen die entodermale Abstammung der Milz wandten und für ihre mesenchymatöse Natur eintraten, mussten wohl in genügender Weise die Frage erleuchten u zum end- gültigen Resultat führen. Um das Schicksal des von Weil in der Milz erwähnten Epithels zu verfolgen, unternahm Glas eine neue Untersuchung über die Herkunft der Milz bei Tropidonotus natrix. Glas sieht in dem innigen örtlichen Zusammenhang der Milz und des Pankreas bei Tropidonotus natrix ein besonders günstiges Moment. das zu einer richtigen Entscheidung der aufgeworfenen Frage beitragen könnte. Glas kam in seiner Untersuchung zu einer ganz bestimmten Ansicht, nämlich dass sowohl die Milz wie das Pankreas entodermal sind und dass die Anlagen der Milz und Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 37 562 Wera Dantschakoff: des Pankreas gemeinschaftlich als eine an der dorsalen Seite des Duodenum befindliche Ausstülpung erfolgen. Mir scheint aber, dass gerade diese innigen nachbarlichen Beziehungen zwischen der Milz und dem Pankreas, wie sie bei Tropidonotus zu finden sind, leicht eine Quelle für Irrtümer werden können. Auch haben vielleicht die zahlreichen Autoren, die sich mit der Frage der Milzentwicklung beschäftigt haben, mit ge- wisser Absicht vermieden, die Frage über die Abstammung der Milz bei Tropidonotus zu entscheiden. Im selben Jahr erschien eine Arbeit von Choronschitzky, der seine Untersuchungen über die Milzentwicklung an ver- schiedenen Tierklassen angestellt hat. Für Choronschitzky erscheint die Milz mesodermaler Natur. Zwar kann sich das Entoderm bei der Bildung der Milz durch Lieferung zelliger Elemente beteiligen, jedenfalls nimmt es bei dem Zustandekommen der Milzanlage nur eine passive und gewissermaßen zufällige Rolle ein. Die in den nächsten Jahren erschienenen Arbeiten von Tonkoff, Piper, Pinto und Daiber sind alle in den Haupt- schlüssen einig: die Milz hat keinen genetischen Zusammenhang weder mit dem Pankreas, noch mit dem Darmepithel oder dem Entoderm. Tonkoff leitet die Milz vom Mesenchym ab; er will in der Frage der Milzgenese keinen Zusammenhang der Milz- anlage mit dem Darmepithel oder dem Coelomepithel gesehen haben. Auch hat der Autor niemals Zellkomplexe entodermalen Ursprungs ins Mesenchym einwandern gesehen. Piper und Pinto kommen in ihren Untersuchungen, Pinto bei verschiedenen Vertebraten, Piper bei Amia calva zum Schlusse, dass die Milz stets mesenchymatösen Ursprungs ist, dass wohl in einigen Fällen (Pinto) das Coelomepithel, aber niemals entodermale Elemente, Darmepithel, noch viel weniger das Pankreas beim Aufbau der Milz in Betracht kommen könnten. Sehr entschieden verteidigt auch Marie Daibes die An- sicht, dass die Milz beim Axolotl nichts mit dem Entoderm zu tun hat, weder direkt, noch durch Zuwandern entodermaler Elemente ins Mesenchym, dass sie sich aber aus Darmmesenchym entwickelt. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 563 Auf dieser kurzen Literaturübersicht basierend, können wir ziemlich sicher von einer mesodermalen mesenchymatösen Ab- stammung der Milz, als von einer bewiesenen Tatsache sprechen. Einsam und isoliert stehen die Untersuchungen von Glas, welcher bei Tropidonotus natrix die entodermale Natur der Milz zu beweisen sucht. Ich hatte nach all dem ein sehr grosses Interesse, bei der Untersuchung meiner Serien von Tropidonotus zu versuchen, die Frage über die Entstehung der Milz zu lösen. Sollte wirklich der räumliche Zusammenhang zwischen den beiden Organen hier eine Äusserung auch genetischer Verwandtschaft sein, oder würde man auch bei Tropidonotus natrix Winke, Tatsachen und Beweise für die mesodermale mesenchymatöse Natur der Milz auffinden können, ungeachtet der für die Untersuchung nicht gerade be- günstigenden innigen nachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden Organen ? 2. Das erste Auftreten der Milzanlage und die ersten Differen- zierungsprozesse in der Anlage. Die Milzanlage erscheint beim Embryo von 5—6 mm Länge. Zu dieser Zeit ist die Pankreasanlage, die sich nach Glas in Form von zwei Divertikeln aus der Darmwand entwickelt, schon genau präzisiert und vom Nachbargewebe äusserst scharf begrenzt. Die Epithelwand der Pankreasanlage ist immer leicht er- kennbar: das Protoplasma dieser Zellen ist fein granulär und schwach basophil; auch zeigt es, mit Azur gefärbt, einen rötlichen Ton. Die Grenzen dieser Zellen sind nicht immer wahrzunehmen. An vielen Stellen besteht die Wand des Pankreasdivertikels aus einem ununterbrochenen Protoplasmasaum mit zahlreichen gleich- mässig in ihm verteilten Kernen. Die Kerne sind hell; fast alle haben intensiv tingible Kernkörperchen und zahlreiche feine Chromatinklümpchen. Diese Zellen vermehren sich intensiv und zeigen zahlreiche Mitosen. Obgleich die Pankreasanlage keine Membrana propria besitzt, so ist sie doch vom anliegenden Ge- webe immer scharf begrenzt. Die Pankreasausstülpung ist vor dem Auftreten einer klar erkennbaren Milzanlage von jungem undifferenzierten Mesenchym- gewebe umgeben. Die Gestalt der Mesenchymzellen ist hier spindelförmig oder sternförmig; ihre zahlreichen dünnen Fort- 37* 564 Wera Dantschakoff: sätze anastomosieren oft mit ähnlichen Fortsätzen der Nachbar- zellen. Zu dieser Zeit ist das Mesenchym auch in der Umgebung der Pankreasanlage noch locker. Nur hier und da sind im Mesenchym einzelne freie runde Zellen zu sehen. Die gewöhn- lichen Mesenchymzellen ziehen dabei ihre Fortsätze ein und runden sich ab, isolieren sich vom übrigen Mesenchym, ent- wickeln ein reichlicheres Protoplasma und zahlreiche Pseudo- podien; im Kerne entwickelt sich ein schönes Nukleol, der Chromatingehalt steigt und damit werden die indifferenten Mesen- chymzellen zu typischen Saxerschen Wanderzellen. Diese ersten beweglichen Zellen zeichnen sich auch hier durch ein blasses leicht retikuläres Protoplasma aus. Wie ich oben erwähnt, ist die Erscheinung einer ersten deutlichen Milzanlage in einem Embryo von 5—6 mm zu erkennen. Glas glaubt eine Milzanlage schon bei einem Tropidonotus- Embryo von 3,5 mm unterschieden zu haben, aber, soviel ich nach seinen Zeichnungen urteilen kann, hat er willkürlich einen Teil des entodermalen, sich zu dieser Zeit schon leicht ver- zweigenden Pankreas-Divertikels abgetrennt und ihn als künftiges Linnopankreas bezeichnet. Aus seinen zahlreichen Zeichnungen möchte ich die Figur 15 hervorheben; diese Figur gibt zwar nur schematisch, aber recht genau die Beziehungen der jungen Milzanlage zu dem scharf be- gsrenzten Pankreasdivertikel wieder: höchstens wären die Grenzen der Milzanlage gegen das umliegende Mesenchym noch etwas undeutlicher wiederzugeben. In einer Serie von Präparaten, die von einem Embryo von 5--6 mm herstammen, finde ich die Beziehungen zwischen den Milz- und Pankreasanlagen mit der erwähnten Figur aus der (Glasschen Arbeit ganz identisch. Ich habe sie in der Fig. 12 bei einer starken Vergrösserung dargestellt, um die Zellelemente, aus welchen die erst erscheinende Milzanlage besteht, zu gleicher Zeit definieren zu können. Schon bei einer flüchtigen Untersuchung werden wir ge- wahr, dass im Mesenchym, in nächstliegender Umgebung der Pankreasanlage, intensiv ausgesprochene Vermehrungs- und Diffe- renzierungsprozesse in den Mesenchymzellen beginnen. Zahlreiche mitotische Zellteilungen haben hier eine gewisse Verdichtung des Gewebes zur Folge; die sich intensiv ver- Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 565 mehrenden Zellen kommen bei den rasch aufeinander folgenden Teilungen nicht dazu, charakteristische Fortsätze zu entwickeln; deshalb haben hier die Zellen im allgemeinen keine lang aus- gestreckten Leiber, sondern erscheinen eher massiv und haben kürzere und plumpere Fortsätze. Um so leichter geschieht hier der oben angedeutete Prozess der Abrundung und der Loslösung der freien Zellen aus dem Mesenchymzellenverbande. Diese Ver- dichtung des Mesenchyms ist nur in einem mehr oder weniger eng umgrenzten Gebiete wahrzunehmen: das weiter wegliegende Mesenchym bewahrt sein lockeres weitmaschiges Aussehen. Diese Verdichtung des Mesenchymgewebes in der Umgebung des Pankreas, wo wir eben die ersten freien Zellen auftreten sahen, ist nun bei Tropidonotus natrix als die erste Milzanlage zu betrachten. Zu diesen ersten in loco entstandenen freien Zellen kommen sehr bald auch andere, sich im umgebenden Mesenchym entwickelnde Wanderzellen hinzu. Es ist leicht möglich, einen gewissen Unterschied im Habitus zwischen den in loco entwickelten und den aus dem anliegenden Mesenchymgewebe zugewanderten freien Zellen zu konstatieren. Die zugewanderten Zellen sind typische histiogene Wanderzellen, mit blasserem Protoplasma und. sehr zahlreichen, dünnen, Pseudopodien. Die Zellen, die sich in der Milzanlage in loco entwickeln, entsprechen viel mehr den sogenannten grossen Lymphozyten;; sie entwickeln ein intensiv basophiles Protoplasma, einen grossen, bei der Bewegung der Zelle sich leicht deformierenden Kern mit ein bis zwei immer gut ausgesprochenen Nukleolen. Die bleicheren Wanderzellen, die in die Milzanlage hineinwandern, ändern hier bald ihre Struktur; ihr Protoplasma wird kompakter und färbt sich jetzt mit Eosin-Azur intensiv blau; die Nukleolen tauchen in ihnen schärfer hervor, der Kern wird an Chromatın reicher. Eine ununterbrochene Reihe von zahlreichen Übergangs- formen zwischen den histiogenen Wanderzellen und den grossen Lymphozyten spricht deutlich für eine Vermehrung der grossen Lymphozyten auch auf Kosten der Wanderzelle. Die aus Mesenchymzellen sich differenzierenden grossen Lympheozyten sowohl wie die zugewanderten Wanderzellen ent- falten ein intensives Vermehrungsvermögen durch mitotische Teilung: auch wächst die Zahl der freien Zellen in der Milz- anlage rasch an. 566 Wera Dantschakoff: Es erhellt aus den oben geschilderten Tatsachen, dass die ersten für das Gewebe der Milz so charakteristischen Iymphoiden Elemente sich hier zur selben Zeit entwickeln, wo eben im Mesen- chym eine noch nicht scharf umgrenzte Verdichtung des Gewebes angedeutet wird. Während des geschilderten Prozesses der Differenzierung der ersten Iymphoiden Elemente ist das Pankreas gegen die räumlich hart anliegende Milzanlage immer scharf abgegrenzt. Eine Möglichkeit, die beiden Anlagen genetisch und strukturell nahe zu stellen, dürfte ausgeschlossen sein, und ähnliche Resultate, wie sie «las in seiner Arbeit mitteilt, könnten nur durch An- wendung einer mangelhaften Methode und Technik erhalten worden sein. Die grossen Lymphozyten verharren nicht lange in der Milzanlage in ihrer typischen Form. Sich fortwährend vermehrend, fangen sie bald an, sich auch qualitativ zu differenzieren. In der Milzanlage sowie auch sonst überall im Gewebe des Tropidonotus natrix, wo nur eben ausserhalb der Gefässe eine Gruppe von grossen Lymphozyten erscheint, schlagen sogleich wenigstens einige von ihnen den Weg der Differenzierung ein, der sie zur Bildung granulärer Leukozyten führt. Ganz analog mit dem, was ich schon bei den Vögeln und in den frühen Stadien der Blutbildung bei Tropidonotus natrix erörtert habe, geht der endgültigen Ausbildung der granulären Leukozyten auch hier ein Stadium der unzutreffend so genannten Myelozyten, die ich aber im folgenden Granuloblasten nennen werde, voraus (Fig. 12, Grbl.). Dabei fangen die grossen Lymphozyten an, rund um ihre Sphäre herum in kleinen Vakuolen des Protoplasmas feine Granula eosinophiler Substanz auszuarbeiten. Die ersten (Granula erscheinen gewöhnlich in einer noch stark basophilen, sich bewegenden Zelle, die an ihrer Peripherie zahlreiche Pseudo- podien besitzt. Während der Anhäufung der eosinophilen Granula im Protoplasma beginnt das letztere die Basophilie zu ver- lieren, die Pseudopodien werden zum grössten Teil eingezogen und die Zelle nimmt eine bestimmte runde Form an. Der Kern, der in einem Lymphozyt potentiell kugelförmig ist, bekommt hier eine dauernde Einkerbung, behält aber noch die Nukleolen und ein beträchtliches Quantum von Chromatin. Diese Granuloblasten, die in ihrer weiteren qualitativen Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 567 Differenzierung zu typischen granulierten Leukozyten werden, behalten noch jetzt eine intensive mitotische Vermehrungs- fähigkeit. Diese Differenzierung der grossen Lymphozyten in Granulo- blasten ist schon in den allerfrühesten Stadien der Milzentwicklung wahrnehmbar. Ich hatte schon Gelegenheit, diese äusserst scharf aus- gesprochene Tendenz der grossen Iymphoiden Zellen, sich überall ausserhalb der Gefässe in Granuloblasten zu differenzieren, auch bei der Beschreibung der Blutbildung in anderen Organen des Tropidonotus natrix zu konstatieren. Ebenso wie bei der Untersuchung der Thymusgenese kann diese Tatsache auch hier uns in der Frage der Milzgenese als wesentliche Stütze dienen und als ein neuer Beweis gegen die epitheliale Natur der zelligen Elemente der Milz dienen. Tatsächlich haben Maximow (1910) in seiner Arbeit über die Blutbildung der Selachier und ich (1908) an den Vögeln bewiesen, dass schon in den frühen Stadien der Blutbildung in der Area vasculosa die ersten Granuloblasten aus grossen Iym- phoiden Zellen — den Iymphoiden Hämozytoblasten — gebildet werden; diese letzteren differenzieren sich teilweise aus Blutinsel- zellen, teilweise aus den Endothelzellen und teilweise aus Mesenchym- zellen mesodermaler Herkunft. Diese jungen Mutterzellen der Blutelemente entfalten zwischen den Gefässen eine für ihre Lebensgeschichte so überaus charakteristische Fähigkeit, eine zahlreiche Generation granulärer Leukozyten von sich abzuspalten. Die genetische Beziehung zwischen diesen zwei Zellarten ist so eng, dass, wie gesagt, überall bei Tropidonotus natrix, wo wir einer Gruppe von granulären Leukozyten begegnen, wir auch sicher ihre Mutterzellen wahrnehmen, und auch umgekehrt. Die überaus intensive Entwicklung der Granuloblasten aus grossen Lymphozyten schon während der ersten Stadien der Entwicklung der Milzanlage kann uns als neuer Beweis dienen, dass diese grossen basophilen Zellen auch sicher grosse Iymphoide Zellen sind, denen wir überall sonst in blutbildenden Organen schon begegnet sind. Und wenn man die kleinen Lympho- zyten aus der Rindensubstanz der Thymus früher als pseudo- Ivmphatisch angesprochen hat und ihnen eine epitheliale Provenienz zugeschrieben hat, so hat noch bis jetzt niemand die Granulo- 568 Wera Dantschakoff: blasten (Myeolozyten), welche sich endgültig zu granulierten Leukozyten entwickeln, vom Epithelium abstammen lassen wollen. So kommt zu der Tatsache der direkten Beobachtung der Entstehung der Milzanlage auch die erste Differenzierung der zelligen Elemente dieser Anlage hinzu, um uns die echte lymphoide Natur der sich aus dem Mesenchym entwickelnden Zellelemente der Milzanlage zu beweisen. 3. Entwicklung der äusseren Form der Milzanlage;; Verdichtung ihres Gewebes. In den ersten Stadien der Milzentwicklung, die ich eben beschrieben habe, konnte ich noch nichts von der äusseren Form des Organs sagen, da am Anfang die Milzanlage bloss als eine diffuse Anhäufung etwas verdichteten Mesenchyms erscheint. Der Pankreasaniage hart anliegend, ist die Milzanlage am Anfang sehr nahe am Coelomepithelium gelegen, doch ist sie immer durch etwas lockereres Mesenchym davon getrennt. So komme ich zum Schluss, dass die Milzanlage bei Tropidonotus natrix weder mit dem Pankreas, noch mit dem Coelomepithelium irgend einen genetischen Zusammenhang hat. In den frühen Stadien ist die Milzanlage dank ihrer struk- turellen Besonderheiten immer leicht vom Pankreas abzugrenzen. Anders gestalten sich die Verhältnisse der Milzanlage zu dem sie umgebenden Mesenchym; hier geht in den ersten Stadien das Gewebe der Milzanlage ganz unmerklich in das benachbarte Mesenchym über (Fig. 12). Erst am 5. bis 10. Tage der Bebrütung des Eies fängt die Milzanlage an, sich vom umliegenden Mesen- chym zu isolieren. Die Zellen der kleinen, verhältnismässig noch lockeren Verdichtung der primären Milzanlage vermehren sich fortdauernd rasch mitotisch und verlieren immer mehr die üblichen Charaktere der Mesenchymzellen. Die Zellen verlieren ihre Fort- sätze und rücken sehr nahe aneinander. Der Zelleib nimmt an Grösse zu und wird saftig. Einige Zellen verschmelzen miteinander, die anderen anastomosieren (Fig. 13). Zu dieser Zeit erscheint die Milzanlage schon als eine verhältnismässig kompakte Zell- ansammlung, in der man ohne grosse Mühe die oben beschriebenen grossen Lymphozyten und Granuloblasten entdecken kann. Ich muss aber hinzufügen, dass während dieses Stadiums die Ver- mehrung der Mesenchymelemente in der Milzanlage so sehr in Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 969 den Vordergrund tritt, dass die freien Zellen jetzt verhältnis- mäßig spärlicher erscheinen. Die scharf nur auf die Milzanlage begrenzte Zellvermehrung und Verdichtung des Gewebes führt bald dazu, dass die peripheri- sche Grenze der kleinen Milz immer deutlicher hervortritt und sich vom sehr lockeren sie umgebenden Mesenchymgewebe gut abhebt. Doch bestehen noch lange Zeit hier und da diffuse Übergänge des Milzgewebes ins Mesenchym. Kaudalwärts nimmt die Milzanlage bald eine rundliche Form mit glatter Oberfläche an, die sie auch weiterhin behält. Kranial- wärts, wo sie dem Pankreas anliegt, ist ihre Form jedoch sehr unregelmäßig; hier füllt sie alle die grösseren Unebenheiten, die zu dieser Zeit das Pankreas an seiner Oberfläche zeigt, aus; auch umwächst die Milz teilweise das Pankreas, so dass die beiden Gewebe durchwachsen erscheinen. Nirgends kann man so deutlich die Differenz zwischen den (Geweben der beiden jungen Organe wahrnehmen, als gerade an der gemeinsamen Grenze der beiden Organe (Fig. 15). Die epithelialen Pankreaszellen haben immer ein mehr kompaktes Protoplasma, als die Zellen der anliegenden Milz; auch in sonstigen Charakteren, wie oben ausführlich erörtert, differieren die Zellen der beiden Gewebe hier scharf. Ein neues Moment in der Entwicklung des Milzgewebes bildet die Bildung zahlreicher Spalten (Fig. 13). Die Zellen fangen zu dieser Zeit augenscheinlich an, eine Flüssigkeit zu sezernieren, die die Zellen auseinanderschiebt; auch sehen wir in diesem Stadium auf Schnittpräparaten zahlreiche unregelmässige, meistens etwas in die Länge ausgezogene Spalten, die von rundlichen oder ovalen Zellen umgrenzt sind. In dem Stadium, das einem Embryo von 15 Tagen Bebrütung entspricht, ist das Gewebe der Milz dem einer tubulösen Drüse täuschend ähnlich; die gewundenen Spalten sehen auf Schnittpräparaten wie Lumina der drüsigen Tubuli aus und sind von hart aneinander gerückten saftigen Zellen umgeben, deren Grenzen man nur schwer bestimmen kann. Die äussere Verteilung der Zellen in der Milz ist zu dieser Zeit der Struktur einer tubulösen Drüse so ähnlich, dass ich beim An- blick dieser Präparate schon bereit war, an der Schätzung und Deutung der ersten Stadien der Milzentwicklung zu zweifeln. Die weitere Untersuchung der beschriebenen Spalten ergab aber, 570 Wera Dantschakoff: dass sie nichts anderes als ein sich bildendes Kapillarennetz vor- stellen. Tatsächlich werden schon in den frühesten Stadien im Lumen dieser Kapillaren sowohl an der Peripherie, wie mehr im Zentrum des Organs teils gut differenzierte rote Blutkörperchen und hämoglobinreiche Erythroblasten sichtbar, teils aber grosse Ivmphoide Zellen. Ein Teil dieser Kapillaren anastomosieren direkt mit kleinen Gefässen in der Umgebung des Pankreas, wo das Gewebe der Milz etwas lockerer erscheint. Es geht aus der oben angeführten Beschreibung hervor, dass das Milzgewebe in dem Stadium, wo die Form und die Grenzen der Milz erkennbar werden, aus zahlreichen sehr eng aneinander liegenden Zellen besteht, zwischen welchen Kapillar- schläuche verlaufen. Das Stroma des Milzgewebes besteht jetzt zumeist aus indifferenten jungen Zellen und nur verhältnismässig spärlichen grossen Iymphoiden Zellen und Granuloblasten. Die Untersuchung gleichwertiger Stadien von verschiedenen Tropidonotusembryonen hat uns gezeigt, dass die Struktur der jungen Milz bei verschiedenen Embryonen während derselben Entwicklungsstadien des Embryo variieren kann, und zwar bezieht sich dies in ganz besonderer Weise auf die Zahl der freien un- granulierten und granulierten Zellen. Zuweilen sind die letzteren schon ziemlich zahlreich noch vor dem Dichterwerden und der Abgrenzung des Milzgewebes und ihre Vermehrung geschieht in diesem Fall sehr allmählich; in anderen Fällen ist die Zahl der freien Zellen. in der schon vom Mesenchym abgegrenzten Milz noch spärlich und ihre Vermehrung und Differenzierung geschieht dann in einem Schub sehr intensiv während einer weiteren Periode der Histiogenese des Milzgewebes, zu deren Beschreibung ich jetzt übergehe. 4. Die weitere Histiogenese des Milzgewebes. a) Stadium der grossen Lymphozyten und der Granuloblasten. Die weitere Entwicklung des Milzgewebes besteht haupt- sächlich in sehr intensiver Differenzierung und Vermehrung der Zellelemente zwischen den Kapillaren. Ohne sich qualitativ von dem von mir im ersten Stadium beschriebenen Prozesse zu unter- scheiden, tritt die Entwicklung der freien Zellen jetzt quantitativ so stark in den Vordergrund, dass die noch kleine Milzanlage Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 571 sehr bald eine sehr charakteristische Struktur erhält. In diesem Stadium, welches das Stadium der vorwiegenden Entwicklung der srossen Lymphozyten genannt werden könnte, sind in der Milz gerade die eben genannten Zellen die zahlreichsten. Die Fig. 13 bildet ein Stadium ab, in welchem sich im verdichteten Gewebe der Milz die grossen Lymphozyten sehr intensiv entwickeln. Zu dieser Zeit bilden die sehr dicht aneinander gelegenen Zellen des Milzstroma eine Art von Synzytium, indem die Zellgrenzen sehr schwer erkennbar sind. Die Masse des indifferenten (rewebes der Milzanlage ist schon von zahlreichen engen Kapillaren durchbohrt, in deren Lumen sich gewöhnlich nur einzelne Erythrozyten hinein- gedrängt haben. Die Gefässlumina scheinen in das Milzstroma eingegraben zu sein und nur in seltenen Fällen kann man eine eigentliche Wand mit differenzierten Endothelzellen wahrnehmen. Es ist äusserst bemerkenswert, dass gerade die Zellen, die die Kapillaren umgeben, vorzugsweise die Differenzierung in grosse Iymphoide Zellen erleiden und sich dann allmählich isolieren. Zuweilen sieht man ganze Inseln aus zehn bis zwölf grossen baso- philen Zellen, die miteinander verschmelzen und den Eindruck von primitiven Blutinseln erwecken. Sehr bald sehen wir nach der Isolierung dieser Iymphoiden Zellen, aus denen die genannten Inseln bestehen, zuweilen aber auch noch vor der Isolierung, dass einige Zellen anfangen, in ihrem Protoplasma feine eosinophile Körner zu bilden, was zur Entwicklung der Granuloblasten führt. Ich werde mich nicht mehr mit dem Prozess der Entwick- lung der Granuloblasten aus grossen Lymphozyten beschäftigen, weil er immer und immer identisch ist; ich muss nur hinzufügen, dass zu dieser Zeit die Granuloblasten sich nicht nur hetero- plastisch aus grossen Lymphozyten entwickeln, sondern auch selbst sich sehr intensiv mitotisch vermehren. In diesem Stadium, wo im Milzgewebe noch keine oder nur die ersten kleinen Lymphozyten erscheinen, ist dieses Organ hauptsächlich der Sitz einer intensiven Granulopoese. Die Milz- anlage (Fig. 14) ist zu dieser Zeit von einer fast ununter- brochenen Reihe von jungen Granuloblasten umgeben. Die aus den eben erwähnten Inseln sich isolierenden grossen Lymphozyten bilden ganze Stränge grosser Zellen, und die meisten schlagen denselben Weg der Differenzierung ein: sie bilden immer neue (Granuloblasten. Diese Stränge granuloblastischen Gewebes fangen 572 Wera Dantschakoff: an, die ganze Milz in mehr oder weniger grosse Inseln zu zer- teilen. Die Granuloblasten entwickeln bald die ganze Generation von differenzierten Granulozyten; diese letzteren mit den zahl- reichen zwischen ihnen liegenden Stromazellen bilden die Septa, welche bei einem ausgeschlüpften Embryo das ganze Organ in Follikel zerteilen (Fig. 15). Zwischen den Granuloblastenzellsträngen sehen wir aber in- zwischen undifferenzierte Zellen des Milzstroma, wo auch überall einzelne isolierte grosse Lymphozyten sich zu entwickeln be- ginnen; zuweilen werden sie auch hier zu Granuloblasten, meisten- teils aber schlagen sie hier einen anderen Differenzierungsweg ein, indem sie zu kleinen Lymphozyten werden. b) Stadium der kleinen Lymphozyten. Kurze Zeit vor der Entwicklung der ersten kleinen Lympho- zyten verzögert sich die Differenzierung der grossen Lymphozyten in die Granuloblasten. Die Zahl der letzteren braucht nicht ein- mal verhältnismäßig geringer zu werden, weil sie ja selbständig sich mitotisch teilen. Zu dieser Zeit bilden in der jungen Milz die grossen Lymphozyten und die Granuloblasten, wie oben er- wähnt, bedeutende Anhäufungen, sehr oft in Form von Strängen, die das ganze Organ in kleine Gewebsherde zerteilen. Diese Gewebsherde bestehen aus noch undifferenzierten Zellen, deren Grenzen undefinierbar sind und deren helle ovale Kerne scharf und deutlich konturiert sind. Einzelne grosse Lymphozyten sind auch hier wahrnehmbar; diese grossen Lymphozyten differenzieren sich aber bald zu einem Stamm von Zellen, die sich durch kleinere Dimensionen auszeichnen. Noch haben sie einen hellen grossen, meist runden Kern, mit grossen schönen Nukleolen und kompaktem intensiv basophilem Protoplasma, in welchem eine mehr oder weniger deutliche Sphäre entwickelt ist. Bald wird bei den folgenden Teilungen dieser kleinwüchsigen Generation von Grossen Lymphozyten auch eine qualitative Differen- zierung ihrer Kerne und des Protoplasmas wahrnehmbar. Ich hatte Gelegenheit, schon in früheren Arbeiten die Ditte- renzierung der kleinen Lymphozyten aus den grossen zu schildern. Wir können leicht im lockeren Bindegewebe bei Tropidonotus natrix, oder sonst überall, wo sich die kleinen Lymphozyten aus den Grossen entwickeln, wie oben beschrieben, erkennen, dass Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 573 die kleinen Lymphozyten durch eine ununterbrochene Reihe von Übergangsformen mit den Grossen Lymphozyten verbunden sind. Das Protoplasma wird immer dürftiger und bald erscheint es nur noch als ein schmaler Saum, in dem man zahlreiche Pseudopodien erkennen kann. AÄusserst prägnant sind die Ver- änderungen des Kerns; er verliert das Nukleol, die Menge des Chromatins wird viel grösser, auch erscheinen die Kerne der kleinen Lymphozyten sehr dunkel: meistens rund oder oval, kann der Kern auch kleine Einkerbungen an seiner Oberfläche zeigen. — Diese Differenzierung der kleinen Lymphozyten aus den grossen ist leicht auf der Fig. 14 zu erkennen. — Bei der Untersuchung der Entwicklung der Blutbildung im Knochenmark der Vögel hatte ich schon die Gelegenheit zu beschreiben, wie sich kleine Lymphozyten auch aus Mesenchymzellen direkt entwickeln können. Dieselbe eigentümliche Erscheinung möchte ich auch hier bei der Bildung der kleinen Lymphozyten hervorheben und entschieden für diesen wenigstens teilweisen Modus der Bildung der kleinen Lymphozyten eintreten, denn es ist nichts leichter, als zahlreiche Übergangsformen von den undifferenzierten Stromazellen der Milz zu den kleinen Lymphozyten festzustellen. Im Knochenmark der Vögel ist von mir schon eine gleich- zeitige Bildung kleiner Lymphozyten und granulärer Leukozyten in demselben hämatopoetischen Organ beschrieben worden. Beim erwachsenen Huhn habe ich dabei einige Verschiedenheiten zwischen den Myeloblasten und den Lymphoblasten entdecken können. So zeigen die Myeloblasten schon vor dem ersten Auftreten der acidophilen Granula einige typische Veränderungen sowohl an ihrem Kerne wie an ihrem Protoplasma; augenscheinlich ver- zögert sich in dem Organismus des erwachsenen Vogels, wo die Granulozyten mehr in homöoplastischer Weise gebildet werden, der Prozess der Differenzierung der grossen Lymphozyten in Granulozyten und es schieben sich in die gewöhnliche Reihe der Veränderungen bei dieser Differenzierung neue Momente ein. In der Milz bei Tropidonotus natrix, wenigstens in der embryonalen Periode, wenn der Prozess der Entwicklung des Organs und der es konstituierenden Zellen so überaus energisch ist, kann ich gar keinen Unterschied zwischen den Lymphoblasten ‚und den Myeloblasten ersehen. Die Grossen Lymphozyten erleiden einerseits verschiedene Veränderungen und werden zu kleinen 574 Wera Dantschakoff: Lymphozyten. Andererseits bilden dieselben grossen Lymphozyten ohne vorherige Veränderung in ihrem Protoplasma, eosinophile Granula und treten so in eine Reihe von Differenzierungen ein, die sie zu Granulozyten verwandeln. Die kleinen Lymphozyten wurden während langer Zeit für reife, weder weiterer Differenzierung noch mitotischer Teilung fähige Elemente gehalten. Schon im Jahre 1906 hat sich Maximow in seiner Arbeit für einen nahen Zusammenhang der grossen und kleinen Lympho- zyten ausgesprochen, indem er es für möglich hielt, dass die einen in die anderen übergehen können. Die Fähigkeit der kleinen Lymphozyten zur vielseitigen Differenzierung und zur mitotischen Teilung konnte ich bei den Vögeln feststellen (1908). Dasselbe wurde von Maximow (1909) in seinen schönen Tafeln illustriert; auch Weidenreich schreibt den kleinen Lymphozyten dieselbe Fähigkeit zu. Die embryonale Milz des Tropidonotus natrix stellte ein sehr günstiges Objekt dar, um die mitotische Teilungsfähigkeit der kleinen Lymphozyten zu beweisen. Auch ist hier eine weitere Differenzierung der Lymphozyten in Mastzellen wahrzunehmen. Die quantitative Vermehrung der kleinen Lymphozyten ge- schieht in der Milz nicht in gleichmässig diffuser Weise, sondern hauptsächlich stellenweise und führt bald zur Bildung verhältnis- mässig grosser Follikel, die voneinander durch oben geschilderte Septa vorzugsweise granuloblastischen Gewebes getrennt sind. Dies ist leicht in der Fig. 15 erkennbar, die von einem Embryo kurz vor dem Ausschlüpfen aus dem Ei stammt. Auf diesem Schnitt sehen wir, dass die Milz, die jetzt ungefähr von der Grösse eines Stecknadelkopfes ist, durch geräumige Septa in 10—15 Inselchen geteilt ist. Diese Inseln bestehen hauptsächlich aus Anhäufungen kleiner Lymphozyten, die so eng zusammen liegen, dass es nur schwer möglich ist, die zwischen ıbnen sich befindenden helleren Kerne des Milzstromas zu unterscheiden. Die Septa, die meistens von der Peripherie aus das Organ zer- gliedern, treten besonders gut hervor, weil in ihnen zahlreichere Granuloblasten und Granulozyten liegen, die sich gut durch die grelle rote Farbe ihrer Granula abheben: Eine mehr detaillierte Untersuchung über die Milzstruktur, habe ich nicht vorgenommen; ich muss nur hinzufügen, dass Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 575 die Milz des Tropidonotus natrix in keinem Stadium ihrer Ent- wicklung ein erythropoetisches Organ bildet. Bei Tropidonotus natrix sowohl wie bei den Vögeln, obwohl es in beiden Fällen eine gemeinsame Mutterzelle für die ganze Hämatopoese gibt, sind doch örtlich die Granulopoese und die Erythropoese streng getrennt; innerhalb der Blutgefässe werden nur Erythrozyten sowohl heteroplastisch als auch homöoplastisch und vielleicht auch zufälligerweise einzelne Granulozyten auf homöoplastischem Wege in frühen embryonalen Stadien gebildet. Zwischen den Gefässen werden bei Tropidonotus natrix noch viel exklusiver als bei dem Vogel nur granuläre und niemals hämo- globinhaltige Zellen gebildet. In der Milz bilden zwar die Blutkapillaren ein dicht- maschiges Netz, aber sie haben immer nur ein enges Lumen und enthalten immer nur hoch differenzierte Erythrozyten; und nur in jungen Stadien kann man auch in Milzkapillaren zuweilen einen Erythroblasten wahrnehmen, der sich in üblicher Weise mitotisch teilt. Auch weiter behält die Milz bei Tropidonotus natrix sehr enge nachbarliche Beziehungen zum Pankreas und die beiden Organe sind nicht nur verwachsen, sondern durchwachsen, wie es die Fig. 15 zeigt. Das Pankreas und die Milz eines jungen Tieres behalten noch immer dieselben Beziehungen, so dass man auf Schnitten Teile des Pankreas, mit der Milz durch längere Stiele verbunden, wahrnehmen kann. 5. Schlussfolgerungen. Wie aus meiner Schilderung ersichtlich, führt uns die Unter- suchung der Milzentwicklung bei Tropidonotus natrix zu ganz präzisen Schlüssen über die Genese ihrer Anlage und über die Histiogenese des Gewebes selbst. Diese Schlüsse will ich jetzt kurz rekapitulieren. 1. Obwohl die räumlichen Beziehungen des Pankreas und der Milz bei Tropidonotus natrix tatsächlich sehr enge sind, führt mich meine Untersuchung zum Schluss, dass die Milzanlage keinen genetischen Zusammenhang weder mit dem Pankreas, noch mit dem Darmepithel, noch mit dem Coelumepithel hat. Die Milz- anlage entwickelt sich ganz selbständig und stellt in den jüngsten Stadien ihrer Entwicklung eine Verdichtung sich sehr intensiv 576 Wera Dantschakoff: vermehrender und nicht auseinander rückender Zellen des Mesen- chyms dar. 2. Das Gewebe der primären mesenchymatösen Milzanlage besitzt eine Potenz zur vielseitigen und verschiedenartigen Diffe- renzierung und behält in sich selbst die Möglichkeit zu jeder folgenden Differenzierung, die endgültig die verschiedenen in loco entstandenen Zellen des Milzgewebes hervorgehen lässt, das sind die grossen und kleinen Lymphozyten, die Granuloblasten und Granulozyten, das Endothel der Blutkapillaren und die spezifisch differenzierten Zellen des retikulären Milzstromas, in deren Maschen die freien Zellen liegen. 3. Alle freien Zellen des Milzgewebes — die kleinen Lympho- zyten und die Mastzellen, die Granuloblasten (Myelozyten) und granulierten Leukozyten haben eine gemeinsame Stammzelle -— immer dieselbe junge Mutterzelle, welche wir schon während der Auflösung der Blutinseln in der Area vasculosa der Keimscheibe vorfanden und die wir dann in jedem sich neubildenden Blut- bildungsorgan als erste frei erscheinende Zelle erblickten und die sich in jedem Blutbildungsorgan erhält, solange dieses noch seine Tätigkeit äussert. Die Mnutterzelle entsteht in der Milzanlage hauptsächlich in loco, doch wandert sie auch teilweise, besonders in den frühesten Stadien der Verdichtung des mesenchymatösen (Gewebes, der Milzanlage zu. 4. Die Milz des Tropidonotusembryos stellt eines der günstigsten Objekte vor, an dem die beiden verschiedenen Rich- tungen der Differenzierung derselben Mutterzelle in granulierte und ungranulierte Zellen ausserordentlich anschaulich hervortreten. Ich habe schon im Knochenmark der Vögel Gelegenheit gehabt, besonders nach Blutentziehungen in den kleinen Iymphoiden Herden, die wir hier antreffen, die Existenz einer Mutterzelle für kleine Lymphozyten zu beschreiben, die ihrer Struktur nach mit der Mutterzelle der Granuloblasten identisch ist. Morphologisch einem grossen Lymphozyten gleich, besitzt diese Zelle die biolo- gische Eigentümlichkeit, einer verschiedenartigen heteroplastischen Entwicklung fähig zu sein. Weidenreich findet bei seinen Untersuchungen über die Milzstruktur erwachsener Säugetiere dieselbe junge Mutterzelle für beide Reihen farbloser Blutelemente sowohl in der roten wie in der weissen Pulpa. Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 577 Die Dualisten sprechen dem normalen Milzgewebe die Fähig- keit zu, unter pathologischen Bedingungen eine myelogene Um- wandlung der Milz hervorzurufen. Es könnte scheinen, dass auch die Dualisten bereit seien, für die ungranulierten und granu- lierten Zellen eine einzige Stammzelle zuzugeben; aber merk- würdigerweise scheint es Naegeli natürlicher, im normalen Zustande des Organismus die Fähigkeit der Mutterzelle zu einer qualitativ verschiedenen Differenzierung zu negieren und es nur pathologischen Zuständen zuzuschreiben, dass aus dem geheimnis- vollen Gebiete vergessener Erinnerungen und verlassener Ge- wohnheiten die Fähigkeit hervorgerufen wird, intensiv und rasch im Protoplasma Anhäufungen eosinophiler Granula zu bilden und somit eine Umwandlung in granuläre Leukozyten einzugehen. Ich glaube, es würde eine genaue Durchmusterung einiger Milzpräparate bei Embryonen von Tropidonotus natrix genügen, um die Dualisten zu überzeugen, dass die beiden Prozesse der Iymphopoetischen und der granulopoetischen Tätigkeit in einem und demselben Organ coexistieren können und dass die beiden eine gemeinsame Stammzelle haben. Zwar ist die Lokalisation der beiden verschiedenen Diffe- renzierungsprozesse der grossen Lymphozyten sowohl in der Milz bei Tropidonotus natrix als im Knochenmark der Vögel ver- schieden, da die kleineren Lymphozyten sich in den Follikeln bilden, die Granuloblasten und Granulozyten aber sich haupt- sächlich in den Septa zwischen den Follikeln lokalisieren, aber diese Lokalisation ist doch eine relative, und die beiden Zell- arten können besonders im jüngeren Embryonalstadium in den beiden Gebieten angetroffen werden. Sowohl das Studium der Histologie der Milz (Weiden- reich) als besonders eine histogenetische Untersuchung des Milz- gewebes ermöglicht den Schluss, dass die Mutterzelle der granu- lierten und ungranulierten Leukozyten auch hier eine gemeinsame ist. Es ist aber ganz natürlich, dass gerade die äusseren Be- dingungen, unter denen sich die Entwicklung vollzieht, die funktionelle Verschiedenheit der Differenzierung bestimmen. Wenn Pasemetoff eine rein funktionelle Verschiedenheit zwischen den Zellen der Milzpulpa und den grossen Lymphozyten der Follikel hervorhebt, hat er gewissermaßen recht, weil es die sichtbaren Bedingungen der verschiedenen Lokalisation in der Archiv f,mikr. Anat. Bd.87. Abt.I. 38 578 Wera Dantschakoff: Milzpulpa oder in dem Follikel sind, die die weitere Entwicklung der Stammzelle- bestimmen, ganz analog dem, wie auch die Lokalisation der primären Blutzelle im frühesten Stadium der Blutentwicklung beim Vogel und beim Tropidonotus natrix ihre Differenzierung in hämoglobinhaltige oder farblose Blutelemente bestimmt. 5. Das Studium der Milzentwicklung bestätigt die von Maximow, Weidenreich und mir verteidigte Ansicht. dass die kleinen Lymphozyten einen jungen, teils auf Kosten der Mesenchymzellen, teils aus grossen Lymphozyten sich entwickelnden Zellenstamm bilden und dass sie sowohl, wie die grossen Lympho- zyten eine Fähigkeit zur mitotischen Vermehrung und weiteren Differenzierung besitzen; diese letztere äussert sich in der embryonalen Milz des Tropidonotus natrix in der Bildung von Mastleukozyten. Wenn wir einigermaßen imstande sind, die Vergangenheit der verschiedenen Zellen zu determinieren, so muss jetzt als nächste und wichtigste Aufgabe erscheinen, die äusseren Be- dingungen zu ergründen, welche eine und dieselbe Zelle ver- anlassen, diesen oder jenen Weg der Differenzierung einzu- schlagen. 6. Die embryonale Milz ist ein blutbildendes Organ und es entwickeln sich in ihr kleine Lymphozyten und Granulozyten. In keinem Entwicklungsstadium konnte ich irgendwelche Andeutung einer selbständigen erythropoetischen Funktion feststellen. 6. Wenn ich jetzt die von mir gewonnenen Resultate mit denjenigen vergleichen soll, die Glas an demselben Objekt erhalten hat, so sehe ich, dass ausser der gemeinsamen Beob- achtung einer sehr engen räumlichen Beziehung zwischen den beiden Organen, unsere Schlüsse sehr scharf auseinandergehen. Glas sieht in der embryonalen Milz bei Tropidonotus natrix eine tubulöse Drüse, die durch einen eigentümlichen Prozess der Splenisation sich in eine Gefässdrüse umwandelt. Seine Schlüsse stehen daher in einem unversöhnlichen Widerspruch mit den Angaben der neuen Hämatologie, indem Glas die Iymphoiden Elemente des Blutes aus dem Entoderm abstammen lässt. Bei der Beurteilung seiner Arbeiten muss man berück- sichtigen, dass weder seine Technik, noch die Vergrösserungen, die er gebraucht, ihm Gelegenheit geben konnten, richtig die Über die Entwicklung des Blutes in den Blutbildungsorganen. 579 Natur der sich entwickelnden Milzanlage zu beurteilen. Daher muss ich von seinen im Schluss aufgestellten Paragraphen die ersten vier negieren. Ich muss mit Choroschitzky, der die Entwicklung der Milz bei Anguis fragilis studiert hat, erklären, dass die nach- barlichen Beziehungen auch bei Tropidonotus natrix nichts mehr als zufällig und trügerisch sind. Meine Untersuchung über die Milzentwicklung bei Tropi- donotus natrix, obwohl der nahe anatomische Zusammenhang des Pankreas und der Milz einige Schwierigkeiten mit sich führt, lässt mich schliessen, dass die Tatsachen der Milzentwicklung nicht imstande sind, die in der letzten Zeit festgestellten Grund- lagen der Hämatologie zu erschüttern und dass sie vielmehr eine neue Stütze für die monophyletische Anschauung der Ent- wicklung verschiedener Blutelemente bilden. Mai 1914. Literaturverzeichnis. 1. Bryce, F., 1905: The histology of the blood of the larva of Lepido- siren paradoxa. Part. II, Haematogenesis. Transact. R. S. of Edinb., VI P. 1. 2. Bizzozero, 1883: Formations des corpuscules sanguins rouges. Arch. Ital. de Biologie, T. IV. 3. Derselbe, 1890: Neue Untersuchungen über den Bau des Knochenmarks bei Vögeln. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 35. 4. Bizzozero et Torre, 1883: De l’origine des corpuscules sanguins dans les differentes classes des vertebres. Arch. It. de Biol., T. IV. 5. 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Blins = Blutinsel; Edz = Endothelzelle; Ekt = Ektoderm; Ept — Epithel; Eptz —= Epithelzelle ; Erbl = Erythroblast; Ere— Erythrocyt ; Etd Ep — entodermales Epithel; Ev Lmc = extravaskulärer Lymphocyt: Gf u. Gf = Gefäss; Gre = Granulocyt; Grbl = Granuloblast; Gr Lme — Grosser Lympho- cyt; Hgwz = histiogene Wanderzelle; Intf. S. = interfollikuläres Septum ; Kl. Lmz — Kleiner Lymphozyt; Knch = Knochen; Krpgw — Knorpelgewebe ; Lfol = Lymphfollikel; Lme = Grosser Lymphocyt; Lme Ins —= Lymphocyten- Inseln; Lkce = Leukocyt; Mesd = Mesodermzelle; Mstz = Mastzelle; Msz — Mesenchymzelle; Ostbl = Osteoblast; Pcr — Pankreas; Per Anl — Pankreas- anlage; Pgmz = Pigmentzelle; Pr Bl = primitive Blutzelle; Pr Ebl = primi- tiver Erythroblast; Pr Knlm = primitive Knochenlamelle; Ve —= Venen- kapillare; Wdz = Wanderzelle. Tafel XXVI. Fig. 1. Flächenpräparat einer Keimscheibe im Stadium, wo sich die Blut- inseln in den vordersten Teilen der Keimscheibe in isolierte Zellen auflösen und sich differenzieren. Sowohl innerhalb, wie ausserhalb der Gefässe erblickt man amöboide basophile Zellen = Pr. Bl. sind Gruppen von solchen Zellen, welche innerhalb der Gefässe einer Differenzierung in hämoglobinhaltige Zellen = Pr. Ebl. unterliegen, ausserhalb der Gefässe aber zu Granuloblasten werden — Grbl. Fig. 2. Flächenpräparat einer Keimscheibe in einem älteren Stadium; Blutinseln — aufgelöst, hämoglobinreiche Erythrozyten schon diffe- renziert; x —= Mesenchymzellen, sich aus dem gemeinsamen Verband lösend und sich zu extravaskulär liegenden Grossen Lymphozyten differenzierend. Fig. 3. Schnitt durch die Dottersackwand während der ersten Entwicklung der Dottersackanhänge. Charakteristisch ist die Lagerung der jungen hämoglobinfreien ‚Blutzellen — der Iymphoiden Hämato- blasten — dicht an den Wänden innerhalb der Gefässe. Das granuloblastische Gewebe bildet an vielen Stellen eine ununter- brochene Schicht um die Gefässe herum. Fig. 4. Dasselbe Präparat unter einer stärkeren Vergrösserung. Tafel XXVII. Fig. 5. Schnitt aurch das lockere Bindegewebe; zahlreiche verschiedene freie Zellen im Gewebe liegend. Fig. 6. Unterhautzellgewebe in der Kopfgegend über dem IV. Ventrikel, grosse Anhäufungen von granuloblastischem Gewebe zeigend; x — aus Mesenchym sich bildende Iymphoide Zellen, die sich zu Granuloblasten differenzieren. Fig. 7. Anhäufungen granuloblastischen Gewebes um die Arteria vertebralis. Fig. 8. Das erste Eindringen freier Zellen in die sich in den Wirbeln bildende Markhöhle. 584 Fig. 9. ie. 10. ig, 11: Fig. Fig. 12. 13: . 14. Wera Dantschakoff: Über die Entwicklung des Blutes. Tafel XXIX. Schnitt durch zwei Wirbel; in der Markhöhle der Wirbel erblickt man zahlreiche venöse Kapillaren mit lymphoiden Hämozytoblasten; ausserhalb der Gefässe liegt in den Markhöhlen ein zellenreiches granuloblastisches Gewebe. Schnitt durch eine Thymus im Stadium der intensiven Einwanderung Grosser Lymphozyten, die sich sehr bald teilweise zu Granulo- blasten differenzieren. Schnitt durch eine Thymus in einem älteren Stadium, wo die Grossen Lymphozyten sich hauptsächlich zu kleinen Lymphozyten umwandeln; x = kleine Grosse Lymphozyten in echte kleine Lymphozyten sich verwandelnd. Schnitt durch die erste Anlage des epithelioiden Pankreas und der mesenchymatösen Milz; das Mesenchym kaudalwärts von der Pankreasanlage verdichtet sich, und zahlreiche freie Zellen werden hier aus dem Mesenchymverband losgelöst. Tafel XXX. Verdichtung des Milzgewebes und Entwicklung zahlreicher freier Zellen und Grosser Lymphozyten. Weiteres Stadium der Milzdifferenzierung; Entwicklung der Grossen Lymphozyten in Granuloblasten in den interfollikulären Septa und in kleine Lymphozyten hauptsächlich in den Lymphfollikeln; x = Übergangszellen von Grossen zu kleinen Lymphozyten. Schnitt durch die Milz und das Pankreas; Durchwachsen der beiden strukturell und genetisch verschiedenartigen Gewebe. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte (Chrysemys marginata). Ein Fragment aus dem Nachlasse von Dr. med. et phil. Hans von Alten, 1. Assistenten am Anatomischen Institut Freiburg i. B. Mit einem Vorwort herausgegeben von Franz Keibel. Hierzu Tafel XXXI und XXXII und 12 Textfiguren. Vorwort des Herausgebers. Mit Untersuchungen über die Entwicklung und besonders die Histogenese der Thymus beschäftigt, veranlasste ich 1913 Dr. von Alten, mir die Untersuchung über die Chelonier abzunehmen und stellte ihm dafür Material von Emys lutaria taurica, Chrysemys marginata und Aromochelys odorata zur Verfügung. Das Material von Emys lutaria taurica hatte mir Mehnert letztwillig vermacht, mit der Bemerkung, dass ich es wohl für eine Normentafel verwenden könne. Es wurde mir seinerzeit aus Halle zugesandt. Leider hatten beim Transport besonders die Jüngeren Stadien so gelitten, dass es zu dem gedachten Zweck nicht mehr ausreichte. Ich bin deswegen dem zu früh dahin- gegangenen Kollegen nicht weniger dankbar und gedenke seines Vermächtnisses mit um so grösserer Rührung, als wir ja im Leben wissenschaftlich manchen Strauss ausgefochten haben. Meiner Dankbarkeit auch hier Ausdruck zu geben, ist mir Pflicht und Bedürfnis. Das andere Material hatte ich von amerikanischen Freunden erhalten, von Alten hat es durch weiteres ergänzt, das ihm Herr A. Allen, Wisconsin, U.S.A., sandte. Alsbald nach Beginn der Untersuchung und bei einem genaueren Studium der Literatur stellte sich heraus, dass auch die erste Entwicklung des Kiemendarms der Schildkröten noch einer genaueren Untersuchung bedurfte. v. Alten ging zunächst an diese heran, und zwar stellte er sie vor allem an Chrysemys 586 Hans von Alten: marginata an, wenn er auch eine Anzahl von Embryonen der anderen ihm zur Verfügung stehenden Chelonier studierte. Schon im Februar 1914 hatte er die Untersuchung im wesentlichen abgeschlossen und konnte über sie der Natur- forschenden Gesellschaft in Freiburg berichten. v. Altens Vortrag wurde in den Berichten der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. (Bd. XX, Bericht über die Sitzung vom 19. Februar 1914) unter dem Titel: „Über die Entwicklung des Kiemendarms bei Schildkröten“ veröffentlicht. _ Seine wesentlichen Resultate sind folgende: Bei Chrysemys marginata werden „fünf Paar Kiementaschen angelegt; ausserdem noch eine weitere paarige sich abschnürende Ausstülpung, die Suprapericardialkörperchen. Diese und die beiden letzten Kiementaschen folgen sehr nahe aufeinander, doch sind sie eine Zeitlang deutlich voneinander getrennt und entstehen jede selbständig vom Darm aus. Besonders möchte ich dies für die Suprapericardialkörperchen hervorheben. Erst später bildet der ganze Abschnitt des Kiemendarms ein laterales Divertikel, von dem aus die vierte und fünfte Tasche sowie die Supra- pericardialkörperchen gemeinsam entstehen, so dass letztere fast als ein Anhängsel der fünften Tasche erscheinen.“ „Die erste, zweite und dritte Kiementasche brechen nach aussen durch; die vierte legt. sich dem Ektoderm so eng an, dass man gleichfalls ein Durchbrechen derselben vermutet; es konnte aber noch nicht beobachtet werden.“ „An Anlagen branchiogener Organe wurde festgestellt: An der ersten Kiementasche eine dorsale Epithelverdickung, die mit dem Facialisganglion in enge Beziehung tritt; also ein Kiemenspaltenorgan. An der zweiten Kiementasche gleichfalls eine dorsale Epithelverdiekung mit Beziehung zum Glossopharyngeus. Von einer von van Bemmelen (93) bei Chelonia viridis beschriebenen follikelförmigen Epithelknospe der dorsalen Spitze konnte nichts gefunden werden; zumal es nicht leicht ist zu entscheiden, was der Autor damit gemeint hat, da der betreffenden kurzen Mitteilung keine Abbildungen beigegeben sind. Dagegen wurde eine deutliche ventrale, sich abschnürende Ausstülpung beobachtet, die allerdings auf den älteren beschriebenen Stadien bereits wieder an Mächtigkeit abnimmt. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 587 An der dritten Kiementasche findet sich am dorsalen Teil eine erhebliche Epithelverdickung mit Beziehung zum Vagus, und ein sich abschnürendes ventrales Divertikel.“ „Es ist wohl sicher, dass die an der dorsalen Wand 1. bis 3. Kiementasche gefundenen und mit dem Facialis, Glossopharyngeus und Vagus in Beziehung tretenden Epithel- verdickungen zu homologisieren sind mit den von van Wijhe (83) und von von Froriep (85, 91) bei Selachiern und Säugetier- embryonen beschriebenen und von von Froriep als Reste verloren- gegangener Sinnesorgane aufgefassten Bildungen ; von Kupffer (94) beschreibt sie als » Placoden «, deren Zellen sich teilweise an der Bildung der Ganglien beteiligen, während Platt (93, 94) einen Teil der Zellen zu mesenchymatischen werden lässt. v. Froriep (91) stellte dann weiter fest, dass die Kiemenspaltenorgane bei Selachiern nicht zu bleibenden Sinnesorganen werden; sie haben, ebenso wie bei Säugetieren, als solche nur embryonale Existenz. Es ergab sich aber, dass „bei Selachiern, ausser den branchialen Ganglien, wohl auch die Thymuskörper als Überbleibsel der Kiemenspaltenorgane aufgefasst werden dürfen“. Maurer (99) schliesslich stellte die Hypothese auf, dass diese Organe den Epithelkörperchen höherer Wirbeltiere entsprechen.“ „Ich begnüge mich hier,“ sagt von Alten, „damit auf die Möglichkeit der Beziehung zur Thymusbildung hinzuweisen und das Vorkommen dieser Organe an der ersten bis dritten Kiemenspalte bei Schildkröten erstmalig festzustellen.“ Was die morphologische Deutung der Suprapericardial- körperchen anlangt, so führt von Alten aus: „bei Chrysemys marginata erfolgt nun die Abschnürung der vierten und fünften Kiementasche und die der Suprapericardial- körper in so ähnlicher Weise, dass ich mehr geneigt bin, mich auf den Standpunkt von Peter zu stellen, der ihn (1901) dahin präzisierte, dass „wir jede zirkumskripte seitliche Ausbuchtung des Darms bis zum Ende der Herzrinne — oder des Sinus cervicalis —, welche durch Zellvermehrung entsteht, als Anlage einer Schlundtasche bezeichnen dürfen. Dass so bei Teleostiern, Anuren wie Urodelen und Lacertiliern in gleicher Weise sechs Paar Kiementaschen zur Anlage kommen.“ Und von diesem Standpunkt aus würden den erwähnten Formen mit sechs Paar Kiementaschen auch noch die Schildkröten anzugliedern sein.“ 588 Hans von Alten: Die ausführlichere Begründung seiner Resultate und Ansichten gedachte von Alten in einer Habilitationsschrift niederzulegen. Eine schwere Erkrankung unterbrach die Arbeit; dann kam der Krieg. Offenbar noch nicht vollkommen geheilt und gekräftigt, trat von Alten in das Heer ein, erkrankte von neuem und starb nach längerem Leiden am 3. April 1915. Wiedersheim hat ihm einen warmen Nachruf gewidmet (Anat. Anz., Bd. 48., No.4., S.109— 112). In dem Nachlasse von Altens fand sich nun ein kleiner Teil des Manuskripts, nämlich die Einleitung, die Abschnitte über „Historisches“, „Material und Methoden“ und die Beschreibung von vier Stadien nahezu druckfertig vor. Ausserdem wohl alle oder doch wenigstens nahezu alle für die Veröffentlichung bestimmten Schnittbilder von sechs weiteren Stadien, dazu die Abbildungen einiger Modelle. Für die Schnittbilder liess sich die Beschriftung aus Skizzen entnehmen. Die Bilder nach Modellen waren nicht näher bezeichnet, meist nicht einmal angegeben, nach welchen Serien die Modelle gearbeitet sind. Zum Teil liess sich das nach den Serien feststellen, doch waren nicht alle Serien, die in Frage kommen, herbei zu schaffen. Fast von allen für die Arbeit benutzten Embryonen fanden sich Photogramme vor, welche das Stadium genügend erkennen lassen. Unter diesen Umständen erschien es mir möglich, auch trotz des Fehlens der von von Alten in Aussicht genommenen Beschreibung von sechs weiteren Stadien aus den Schnittbildern und Modellen die wesentlichsten Tatsachen herauszulesen und zu prüfen, ob sie die Resultate von Altens beweisen, die ja in kurzer Fassung bereits vorlagen und hier einleitend mitgeteilt sind. Es kommt hinzu, dass das sechste dieser Stadien kaum in Betracht kommt, da in ihm Thymus und Pericardialkörper selbständig geworden sind und die histologische Differenzierung beginnt. — Das Mitgeteilte rechtfertigt wohl die Veröffentlichung in unvollendeter Form, die mir ausserdem deswegen am Herzen liegt, weil ich das Werk, an dem mein lieber junger Freund so eifrig geschafit, nicht gern der Vergessenheit verfallen lassen möchte. Ich selbst habe der Arbeit nichts hinzugefügt als eine kurze Figurenerklärung. Die Beschriftung der Figuren beruht zum grossen Teil auf den Bezeichnungen, die sich auf Übersichts- skizzen von von Alten vorfanden. Eine Anzahl von Bezeichnungen, Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 989 über die kein Zweifel bestehen konnte, die aber die Übersichtlichkeit erhöhen und ein Verständnis erleichtern, habe ich hinzugefügt. Bei einer Bezeichnung ist es mir zweifelhaft, ob die Beschriftung, welche der Skizze entnommen ist, das Bild richtig deutet. Ich habe das in einer Anmerkung hervorgehoben. Definitiv entscheiden liess sich die Frage an dem mir vorliegenden Material nicht. Einleitung. Nach der ersten Entdeckung der Schlundspalten bei den Embryonen höherer Wirbeltiere durch Rathke konzentrierte sich das Interesse der Forscher hauptsächlich auf die weittragende theoretisch-phylogenetische Bedeutung dieses Fundes, und unter solehen Gesichtspunkten wurden in den folgenden Arbeiten in erster Linie die Fragen diskutiert, ob wir es wirklich mit Rudimenten echter Kiemenspalten zu tun haben, in welcher Zahl sie auftreten, ob und in welchem Maße sie sich nach aussen öffnen. Die Wichtigkeit dieses letzten Punktes wurde u.a. von His (1868. 1881) betont; weniger allerdings, als ob ein Durch- brechen von Schlundspalten, das er für sehr zweifelhaft hielt (1881), für ihre Auffassung als Kiemenspalten entscheidend wäre, als mit Rücksicht auf die Terminologie; wohingegen Liessner (1888) auf die hohe vergleichend-anatomische Bedeutung hinweist; auf die Möglichkeit, aus der Anzahl der Taschen und dem Umfange des erfolgenden Durchbruches ein mehr oder weniger „primitives“ Verhalten zu erkennen. Die Möglichkeit einer noch vorhandenen Funktion wurde nicht erwogen; und im grossen und ganzen hat sich die Anschauung herausgebildet, dass wir es bei den Schlund- taschen der amnioten Wirbeltiere mit einem typischen embryonalen Organ zu tun haben, d.h. mit einem Organ, das, wie Peter (1901) zunächst ohne Rücksicht auf Verwandtschaft und Tätigkeit definiert, „während der Ontogenese in Erscheinung tritt, sich bis zu einem gewissen Grade ausbildet, dann aber wieder verschwindet, ohne beim erwachsenen Tiere eine Rolle zu spielen“. Dass ein solches embryonales Organ nicht ohne weiteres funktionslos ist, dafür gibt Peter eine Reihe von Beispielen an (Seitenorgane der Tiere mit Metamorphose, Hornkiefer der Frosch- larven, äussere Kiemen der Salamandriden). Funktionslosigkeit der Schlundtaschen wird allerdings wohl ziemlich allgemein 590 Hans von Alten: angenommen und ihre Existenz in der Ontogenie lediglich als erblich fixierte Rekapitulation phylogenetischer Entwicklungsstadien angesehen. In dem Sinne sind ja die Schlundspalten stets ausgiebig als Beispiel für die Geltung des biogenetischen Grundgesetzes herangezogen worden. Demgegenüber führt nun aber neuerdings Kranichfeld (1914) aus, dass gerade in diesem Falle der Anwendung des Gesetzes grosse Schwierigkeiten im Wege stehen. Der Schlund- apparat weist zwar „zweifellos auf den stammesgeschichtlichen Zusammenhang der Wirbeltierklassen hin; doch dürfte es sich fragen, ob die phylogenetischen Beziehungen zu seiner Erklärung ausreichen“. Kranichfeld sucht vielmehr — zum Teil indirekt — in geistvoller Weise den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei den betreffenden Bildungen „um mehr oder weniger in sich geschlossene Einrichtungen handelt, die noch jetzt einem bestimmten Zweck dienen können“. Welche physiologischen Funktionen in Betracht kommen, darüber lassen sich allerdings nur Vermutungen äussern; so denkt der Verfasser an Beziehungen zwischen Schlundmembran und Ernährung, an eine mögliche Auffassung der Schlundorgane als Organe der inneren Sekretion für das embryonale Leben. — Früher hatte auch Peter (1901) eine physiologische Bedeutung der Schlundtaschen erörtert; nach ihm kann es doch auch „für Embryonen von Tieren, die nicht mehr durch Kiemen atmen, nicht gleichgültig sein, ob das Darm- rohr in weite Kommunikation mit der umgebenden Flüssigkeit tritt“. Für besonders wichtig hält aber auch Peter die Tatsache, dass bereits bei Teleostiern, also Kiemenatmern, dem Schlund- taschenepithel eine doppelte Aufgabe zukommt: einen Teil des Atmungsapparates zu bilden und den Mutterboden für die Thymusanlagen abzugeben. Diese zweite Funktion bleibt aber auch nach Fortfall der Kiemenatmung erhalten und ist sicher ein bedeutsamer Grund für das zähe Festhalten an der Anlage der Schlundtaschen auch bei den Amnioten. Entwicklung des Kiemendarms und der Thymus, oder allgemeiner gesagt der branchiogenen Organe, sind also auf das innigste miteinander verknüpft und das Verständnis des einen Vorganges hat die Kenntnis des andern zur Voraussetzung. Verfasser hatte die Absicht, ursprünglich nur die Histogenese der Thymus bei den Reptilien, im besonderen bei den Schild- Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 591 kröten, nachzuprüfen. Dabei ergab sich nun, dass die Entwicklung des Kiemendarms der Schildkröte gleichfalls einer Neubearbeitung bedürftig ist. Ich habe mich daher entschlossen, auch mit Rücksicht auf das mir zur Verfügung stehende Material, meine Ergebnisse über die Entwicklung der jüngeren Stadien zunächst getrennt mitzuteilen und in einer späteren Arbeit über die Entwicklung der Thymus hieran anzuknüpfen. Herrn Geheimrat Wiedersheim möchte ich auch an dieser Stelle danken für das stets rege Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte. Auch Herrn Professor Keibel bin ich für die Anregung zu diesen Untersuchungen und manchen wertvollen Rat zu lebhaftem Dank verpflichtet. Historisches. Obgleich Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Schild- kröten von den verschiedensten Gesichtspunkten aus Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen sind, finden sich doch Ausführungen über die Ausbildung des Kiemendarms nur sehr spärlich. Die ersten Angaben finden sich bei Rathke (1848) in seinem Buche über die Entwicklung der Schildkröten. Bei einem Embryo von drei Ursegmenten beschreibt er, dass eine „Mund- spalte schon vorhanden war“, doch nur sehr klein und lag ziemlich weit vom vorderen Ende des Kopfes entfernt. Hinter ihr hatte sich die Substanz des Kopfes ein wenig aufgewulstet und der sehr kleine, kaum erkennbare Wulst bezeichnete die Anlage für das vorderste Paar der sogenannten Kiemenbogen oder Schlund- bogen, also für den Unterkiefer und seine Bekleidung. Doch waren weder Kiemenspalten, noch auch Furchen als Zeichen von einer Einleitung zur Bildung derselben irgendwo bemerkbar.“ Bei einem „etwas älteren“ Embryo — er besitzt nach den beigegebenen Abbildungen zehn bis elf Ursegmente — fand sich, dass die sehr dicke Wand des „Munddarms .... mit der oberen Wand und zum Teil auch mit den Seitenwänden des Halses ziemlich fest zusammenhing, oder mit ihnen gleichsam verklebt erschien. Von Kiemenspalten liess sich noch keine Andeutung “ bemerken.“ Hinter der Mundspalte schien sich eine Andeutung des Mandibularbogens zu finden. — Von den nächsten Stadien, nach den Abbildungen etwa von 21 Ursegmenten an, zeigte eines 592 Hans von Alten: Oo „drei senkrechte Spalten, hinter ihnen ein sehr kleines rundliches Loch“. Diese Öffnungen sollen bis zur Schlundhöhle durchdringen. Drei Kiemengefässbogen waren sicher vorhanden, und zwar im II., III. und IV. Kiemenbogen. Eine weitere Arterie konnte nicht sicher erkannt werden. Bei einem noch älteren Stadium schliesslich werden fünf Kiemenspalten beschrieben, die letzte von der Form eines engen Kanals, wogegen sich die erste bereits geschlossen hatte. Die bei dem vorigen Embryo beschriebene vierte rundliche Öffnung ist in eine kleine Spalte umgewandelt. Es ist nicht ohne weiteres klar, wie Rathke das von ihm angewandte Wort „Kiemenspalte“ gedeutet wissen will, denn es darf jedenfalls nicht von vornherein angenommen werden, dass damit das Bestehen einer wirklichen offenen Spalte behauptet werden soll. Auch andere Autoren, z. B. van Bemmelen (1886), worauf bereits Liessner (1588) aufmerksam machte, spricht von „fünf Paar Kiemenspalten“ bei Lacerta muralis und Tropidonotus natrix, und vom Hühnchen sagt er, dass sich vier Kiemenspalten ausbilden, und dass das auf die letzte folgende Pharynxdivertikel vielleicht die Andeutung einer fünften ist; wogegen, wie Liessner bemerkt, aus den übrigen Ausführungen zu entnehmen ist, dass er nur ein wirklich offenes erstes und zweites Kiemenspaltenpaar beim Hühnchen gesehen hat. Es ist deshalb auch nicht wörtlich zu nehmen, wenn van Bemmelen (1886) ausspricht, dass Rathke das Auftreten eines fünften Spaltenpaares für Schildkröten festgestellt habe. — Rathke selbst drückt sich so aus, dass bei dem Embryo mit vier Kiemen- spalten sämtliche „bis zur Schlundhöhle durchdringen“. Bei dem älteren Embryo fand er hinter dem zweiten Kiemenbogen eine „lange und durchdringende Spalte vor, und hinter dieser lagen jederseits noch drei andere Öffnungen, ... es war also, während die vorderste Öffnung sich geschlossen hatte,... noch eine neue entstanden, und es hatten sich also im ganzen fünf Paar Seiten- öffnungen am Halse gebildet.“ Aus diesen Ausführungen scheint mit Sicherheit hervorzugehen, dass Rathke der Ansicht war, dass alle fünf „Kiemenspalten® auch wirklich nach aussen durchbrechen. Dieser zweifellose Irrtum ist allerdings verzeihlich in Ansehung des damaligen Standes der Technik; denn eine mechanische Untersuchung mit feinsten Sonden, wie sie z. B. Huschke (1827) anwandte, war wegen der Gefahr mechanischer Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 593 Verletzungen ebenso unsicher wie die blosse Betrachtung, bei der eine dünne durchscheinende Membran den Eindruck einer Öffnung machen konnte (vergl. His, 1881, $. 320). Genauere Angaben besitzen wir von van Bemmelen. Dieser Verfasser untersuchte junge Exemplare von Emys europaea und „einen sehr weit entwickelten Embryo“; er fand (1886) im Innern der Thymus ein epitheliales Gebilde, „das an die epithelialen Derivate der Visceralspalten von Lacerta und Tropidonotus erinnert“. Weiter fand er zwischen Arcus aortae und Pulmonalis „jederseits zwei kleine weisse Körperchen, die auf Schnitten einen deutlich epithelialen Bau zeigten, an gewisse Zustände bei der Thyreoidea erinnernd. Die Befunde bei Eidechsen und Schlangen veranlassten mich zur Hypothese, dass auch bei Schildkröten zwischen Aorta und Pulmonalis ursprünglich zwei Kiementaschen bestanden haben, deren Derivate in den weissen Epithelkörperchen erhalten bleiben, dass also die Pulmonalis auch hier der sechste Aortenbogen ist und ein fünfter sich frühzeitig rückgebildet hat.“ Diese kurze Notiz wird vervollständigt durch eine zweite Mitteilung (1893), in der allerdings gleichfalls in sehr knapper Form auf zwei Seiten die Ergebnisse von Untersuchungen an Chelonia viridis gebracht werden. Aus diesen Untersuchungen sei hier folgendes hervorgehoben: van Bemmelen fand die Anlage von fünf Kiementaschen, ausserdem, von der Hinterwand der hintersten Taschen ausgehend, die paarigen Suprapericardialkörper. Die drei ersten Kiemen- taschen öffnen sich nach aussen, von der vierten konnte das nicht erwiesen werden. Aus der dorsalen Partie der ersten Kiementasche entwickelt sich die Tuba Eustachii; die zweite Kiementasche abortiert bei der weiteren Entwicklung einfach wie bei den Vögeln. Ebenso wie bei den Vögeln findet eine Rückwärtsverschiebung im besonderen der zweiten Kiemenspalte statt und damit die Bildung eines langen, dünnen, kaudalwärts gerichteten Haisfistelganges. — „Die dritte Kiementasche schwillt zu einem Epithelfollikel an mit vielen sekundären Ausstülpungen. Dieselbe schnürt sich vom Kiemerdarm ab und die Ausstülpungen verwandeln sich in Thymusgewebe, in dessen Innern jedoch der zentrale Epithel- follikel fortbestehen bleibt. Letztgenannter darf als Homologon des Carotiskörperchens bei den Eidechsen betrachtet werden.“ Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt. 1. 39 ou eo) HE Hans von Alten: „Die vierte und fünfte Kiementasche entwickeln sich gemeinschaftlich mit den obengenannten Suprapericardial- ausstülpungen aus einer lateralen, blinddarmförmigen Falte am Hinterende des Kiemendarmes (Recessus praecervicalis), ähnlich wie es bei den Schlangen der Fall ist. Sie schnüren sich bald vollständig vom Kiemendarm ab und bilden auf diese Weise einen Komplex von drei miteinander zusammenhängenden Epithel- bläschen ... Alle drei behalten einen epithelialen Charakter und werden auch in viel späteren Entwicklungsstadien in dieser Gestalt zwischen Aorta und Pulmonalbogen angetroffen.“ Das ist alles, was ich an Angaben über Kiemendarm und Thymus bei Schildkröten habe finden können. Material und Methoden. Als Untersuchungsmaterial dienten Embryonen von Chrysemys marginata, die mir von A. Allen, Wisconsin, in grösserer Anzahl freundlichst zugesandt wurden. Von diesen gelang es, eine ziemlich zusammenhängende Reihe von für die vorliegende Untersuchung geeigneten Stadien zusammenzustellen. Dieselben waren in Zenker-Formol fixiert. Da eine Feststellung des Alters der Embryonen nicht mehr möglich war, ergab sich die Notwendigkeit, auf andere Weise den Entwicklungsgrad einigermassen zu bestimmen. Die Angabe der Länge (Scheitel-Steiss) ist für diesen Fall nicht ausreichend. Denn abgesehen von der Schrumpfung, die allerdings kaum bei der Fixierung mit Zenker-Formol, wohl aber während der Aufbewahrung in 96 proz. Alkohol eintritt, ist der Grad der sich ausbildenden Krümmung so verschieden, dass bei steigendem Alter der Embryonen der Wert dieses Maßes immer geringer wird. Es wurde daher von fast jedem Stadium eine Photographie in fünffacher Vergrösserung hergestellt und eine nach ihr hergestellte Skizze den betreffenden Beschreibungen beigegeben ; ausserdem eine kurze Charakteristik des Entwicklungs- srades der übrigen Organe nach dem Schema der Keibelschen Normentafeln und ein Hinweis auf etwa entsprechende Stadien der Normentafel von Peter zur Entwicklungsgeschichte von Lacerta agilis. Allerdings entsprechen sich diese Stadien nur im grossen ganzen, im besondern weichen sie in der Ausbildung des Darmkanals oft nicht unbeträchtlich voneinander ab. — Der grösste Teil der Embryonen wurde von mir geschnitten: die jüngeren Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 595 Stadien stellte mir Herr von Berenberg-Gossler, der sie für andere Zwecke verarbeitet, in liebenswürdiger Weise zur Durchsicht zur Verfügung. Eingebettet wurde zum Teil in Paraffin, meistens jedoch in Kollodium-Paraffin. Diese letztere von O. Schultze besonders ausgearbeitete Methode!) erwies sich nicht nur für kleinste Stücke, sondern auch für grössere Embryonen als ausgezeichnet. Allerdings empfiehlt es sich, diese dann in Chloroform-Cedernöl nicht nur „bis zum Untersinken“, wie es Böhm und Oppel?) angeben, sondern zwei bis drei Tage zu belassen. Die Färbung erfolgte mit Hämatoxylin oder Hämalaun-Eosin. Ausserdem wurden nach der Bornschen Methode Modelle angefertigt. Stadium 1. Der Embryo O ist der jüngste, der bis jetzt untersucht werden konnte. Er ist 2,5 mm lang und lässt fünf deutlich abgegrenzte Urwirbel erkennen. Der vordere Neuroporus ist noch weit; dahinter haben sich die Medullarwülste aneinander gelegt und sind verschmolzen bis zu der Gegend des gleichfalls offenen hinteren Neuroporus und des Canalis neurentericus. Die ventrale Fläche des Darmes steht von der Gegend des ersten Auftretens an bis kurz vor der vorderen Darmpforte in enger Verbindung mit dem Ektoderm,dasandiesem ST.I-4 Teile eine deutliche \V or- \ wölbung nach aussen erkennen lässt. Das Lumen ist da- bei auf dem Querschnitt Rıozl. annähernd ellipsoid, Transversalschnitt durch das Gebiet der ersten SERrE Schlundtasche bei einem Embryo des Stadiums 1. doch finden sich in den 1 _ Chorda dorsalis; MR. — Medullarrohr; seitlichen Teilen ge- ST.I= erste Schlundtasche. Vergr. 60:1. ringe dorso -laterale !) O0.Schultze, Über den direkten Zusammenhang von Muskel- und Sehnenfibrillen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 79, 1912, S. 321. ?) Böhm, A., und Oppel, A., Taschenbuch der mikroskopischen Technik, 1912. 39* 596 Hans von Alten: Ausbuchtungen (Textfig. 1), und zwar etwas unsymmetrisch, auf der linken Seite ausgeprägter als auf der rechten. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir diese Ausbuchtung als erste Anlage einer Schlundtasche auffassen. Über diesen Anlagen treten keine Differenzierungen des Ektoderms auf, die als beginnende Schlundfurchen zu betrachten wären. Es sind zwar Einziehungen der Körperoberfläche vorhanden, aber diese sind wohl bedingt durch das dorsal sich vorbuchtende Medullarrohr und den lateral vordringenden Darm. Stadium 2. Dieser in Textfig. 2 abgebildete Embryo besitzt eine grösste Länge von 4,5 mm. Er ist noch nicht gekrümmt; am Kopfe schimmert das Augenbläschen durch, und ebenso ist eine Herz- wölbung angedeutet. Dagegen ist äusserlich von Kiemenbogen oder -spalten noch nichts wahrnehmbar. Um den Entwicklungsgrad etwas genauer zu kennzeichnen, sei noch hinzugefügt, dass 14 Urwirbel gezählt werden konnten. Das Vorderende der Chorda ist vom Darm gut abzugrenzen; der Canalis neurentericus ist noch offen, die Anlagen des Gehörorgans stellen ziemlich tiefe Grübchen dar (Text- fig. 5 und 6), die Rachenmembran ist nicht eingerissen, das Amnion hat sich überall geschlossen. Wollen wir zum Vergleich die Verhältnisse bei den Eidechsen heranziehen, so würde das vorliegende Stadıum im grossen und ganzen etwa dem als Nr. 54 oder 55 der Vehtralseite he ae Peter in der Normentafel zur nommen. Daneben ein in'mm Zntwicklungsgeschichte der Zaun- geteilter Maßstab. Vergr. 5:1. eidechse (Lacerta agilis) bezeichneten entsprechen. Was nun die Ausbildung des hier speziell interessierenden Kiemendarms anbelangt, so ergibt die Untersuchung folgendes: Die ventrale Fläche des Vorderdarms ist verschmolzen mit dem Ektoderm, das seinerseits eine deutliche Einziehung, die Mundbucht, erkennen lässt. Der kranialste Teil des Darmes bildet Fig. 2. Embryo des Stadiums 2 von Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 597 Fig. 3. Fig. 4. Transversalschnitt durch das Transversalschnitt durch die ersten kraniale Ende der ersten Schlundtaschen des in Textfig. 2 abge- Schlundtasche bei dem in Text- bildeten Embryo, 17 Schnitte von 7,5 4 figur 2 abgebildeten Embryo. weiter kaudal als der Schnitt der Text- Ch. — Chorda dorsalis; figur 3. Das eine Ohrgrübchen ist MR. — Medullarrohr; tangiert. Aur. — Ohrgrübchen; Ch. = ST.I = erste Schlundtasche. Chorda dorsalis; MR. — Medullarrohr; Verer. 0071. ST.I= ersteSchlundtasche. Vergr.60:1. Fig. 9. Transversalschnitt durch den in Textfig. 2 abgebildeten Embryo, 14 Schnitte von 7,5 u weiter kaudal als Texifig. 4. Die beiden Ohrgrübchen und der Beginn der zweiten Schlundtasche sind getroffen. Aur. — Ohrgrübchen ; Ch. — Chorda dorsalis; MR. — Medullarrohr; ST.I und ST.II erste und zweite Schlundtasche. Vergr, 60:1. 598 Hans von Alten: einen Fortsatz, der im Umriss auf Querschnitten oval gestaltet ist und nur ein schmales, spaltförmiges, mit seiner Längsachse sagittal gestelltes Lumen aufweist. Weiter kaudalwärts treten dann lateral und wenig dorsal gerichtete Ausstülpungen auf, wodurch der Darmquerschnitt ein kleeblattförmiges Aussehen erhält (Textfig. 3), und diese Ausstülpungen, die die ersten Schlundtaschen darstellen, erreichen das Ektoderm und legen sich ihm fest an (Textfig. 4 und 5). - Eine Einziehung des Ektoderms über der ersten Schlundtasche, die mit Bestimmtheit als Andeutung einer ersten Schlundfurche angesprochen werden könnte, findet sich auf der rechten Seite und hier nur über dem am meisten kranio-dorsal gelegenen Teile der Tasche; an dieser Stelle ist auch das Epithel der Körper- oberfläche deutlich verdickt. Die Einziehung erhält sich zwar auch noch weiter kaudal: hier befindet sie sich aber nicht an der Stelle der eigentlichen Verschmelzung, an weicher vielmehr im Gegenteil das Ektoderm durch die andrängende Tasche deutlich vorgewölbt wird, sondern hart an ihrem dorsalen Rande. Sie ist hier wohl nur relativ, bedingt durch die dorsal von ihr befindliche Vorwölbung, die durch den Beginn der Ohrbläschen- anlage hervorgerufen wird, und durch die ventral von ihr befindliche, die durch die erste Schlundtasche verursacht ist. — Auf der linken Seite ist dagegen trotz breiter Anlagerung der ersten Schiundtasche an das FEktoderm das Vorhandensein einer ersten Schlundfurche mit absoluter Sicherheit auszuschliessen. Ich erwähne diese Tatsache hier besonders, weil sie geeignet erscheint, die Anschauung von Peter (1901) zu stützen, wonach „die Anlage einer Schlundtasche allein vom Entoderm ausgeht, dass dazu weder ein Aortenbogen noch eine äussere Furche notwendig ist“. Auf das damit berührte Problem von der Rolle und der Beteiligung der beiden Keimblätter bei der ersten Entstehung der Schlundtaschen werde ich später noch kurz zurückkommen. Die Stelle der Verschmelzung von Ektoderm und Entoderm ist auf 20 aufeinander folgenden Schnitten wahrzunehmen — es entspricht das bei einer Schnittdicke von 7,5 u einer Strecke von 150 u in der Längsachse des Embryo — und rückt immer mehr ventralwärts, was besagen will, dass die erste Schlundtasche von kranio-dorsal nach ventro-kaudal gerichtet ist. Daraus ergibt sich Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 599 als weitere Folge, dass das kleeblattförmige Lumen des Darmes allmählich in ein mehr rechteckiges übergeht, zumal wenn an den dorsalen und lateralen Teilen desselben weitere Ausstülpungen, der Beginn der zweiten Schlundtaschen, sichtbar werden (Textfig. 6). Die in der Medianebene ge- legene ventrale Ausstülpung bleibt aber immer noch in Form einer etwas seichteren Rinne erhalten, die dem leicht eingebuchteten Ektoderm eng anliegt. Nachdem Darmwand und Epidermis auf eine Strecke weit durch Mesoderm vonein- ander getrennt waren, er- reichen die dorso-lateralen Ausstülpungen wiederum das Transversalschnitt durch den in Text- Ektoderm und lagern sich figur 2 abgebildeten Embryo, 10 Schnitte ihm breit an, indem sie SO von 7,5 „ weiter kaudal als Textfig. 5. die zweiten Schlundtaschen Beiderseits sind die zweiten Schlund- bilden. während andererseits taschen getroffen. Aur. = OÖhrgrübchen ; Eee: ar vertfaler. Fläche Ch. = Chorda dorsalis; MR. = Medullar- i rohr; ST.II —= zweite Schlundtasche. Ektoderm und Entoderm sich Vergr. 60:1. voneinander getrennt haben (Textfig. 6); nur zwei entsprechende Einbuchtungen sind noch als Reste einer stattgehabten Vereinigung erhalten geblieben. Die zweite Tasche dehnt sich gleichfalls über eine Strecke von etwa 150—160 « in der Längsachse aus. An der Stelle der kranio-dorsalsten Berührungen ist rechterseits das Ektoderm deutlich verdickt und eingezogen (Textfig. 6), so dass der Beginn der zweiten Schlundfurche damit deutlich gegeben ist. Auch linkerseits ist dasselbe, wenn auch in schwächerer Ausbildung, festzustellen. Die der Verschmelzung der beiden Keimblätter entsprechende Linie verläuft auch bier von kranio-dorsal nach kaudo-ventral, und in ihrem Verlauf geht die Einziehung des Ektoderms allmählich in eine Vorwölbung über. Am ventralsten Ende der Tasche findet sich wieder eine Einziehung, die aber mit der Anlage einer Schlundspalte nichts zu tun hat, sondern als Herzfurche die kraniale Grenze des Herzwulstes markiert. Fig. 6. 600 Hans von Alten: Die Form des Darmquerschnittes stellt jetzt ungefähr eine Ellipse dar, deren grösste Achse in die Frontalebene fällt. Diese Achse verkürzt sich aber bald bedeutend, indem einmal die Darmwand durch Mesoderm von der Körperoberfläche abgedrängt wird und sich andererseits durch kräftige Zellteilung erheblich verdickt, so dass die Hauptachse des Lumens schliesslich wieder sagittal gestellt ist. — Die Anlage einer weiteren Tasche ist mit Sicherheit an den Schnitten nicht feststellbar. Stadium 3. Inwieweit dieses Stadium älter ist als das vorhergehende, kann aus den folgenden Angaben ersehen werden. Grösste Länge: 4 mm. Körperform: Urwirbel sind etwa 18—19 ausgebildet. Ihre Zahl konnte nicht genau bestimmt werden, da einige Schnitte verloren gegangen waren. Nerven- system: Dach des vierten Ventrikels sehr dünn, Canalis neurentericus offen. Distale Wand der Augenblase dicker als die proximale, eingestülpt. Umschriebene Linsenverdickung, auf zwei Schnitten mit leichter Einsenkung. Tiefe Ohrgrübchen, noch nicht ganz geschlossen. Riechfeld ohne Einsenkung. Kopfhöhlen ziemlich gross, stellen dünnwandige Blasen dar, die auf einem Schnitt miteinander kommunizieren, sonst durch einen dünnen, teilweise hohlen Strang untereinander in Verbindung stehen. Amnion geschiossen. Das Stadium entspricht etwa Nr. 61—62 der Petersschen Normentafel. Unterschiede, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, sind vorhanden, so auch in bezug auf die Ausbildung des Schlunddarms. Die Ausstülpungen der ersten Schlundtaschen erstrecken sich weiter kranialwärts als bei dem Stadium 1, und der dort erwähnte kraniale Fortsatz des Darms ist nur noch in geringer Ausdehnung vorhanden. Das Lumen des Darms ist daher nicht mehr wie im Beginn sagittal gestellt, sondern stellt eine quere Spalte dar, deren Enden sich von dem Ektoderm der einen Körperhälfte zu dem der anderen erstrecken. Dieses Lumen bekommt dadurch wieder die beschriebene kleeblattähnliche Gestalt, dass die ventrale Wand des Darms sich der bereits gut entwickelten Hypophysen- anlage entgegen ausstülpt und eng an sie anlegt (Textfig. 7), so dass die Grenze zwischen beiden nicht mehr genau festzustellen Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 601 ist, ohne dass aber eine Kommunikation stattfindet, d. h., die Rachenmembran ist noch nicht eingerissen, obgleich bereits sehr verdünnt. Diese ventrale Ausstülpung bleibt weiter kaudalwärts in Form einer Rinne bis zu der in Textfig. 9 abgebildeten Region des Beginns der dritten Schlundtasche erhalten, stets begleitet von einer entsprechenden, sie berührenden, ventralen, medialen Einziehung des Ektoderms, löst sich aber kurz darauf von ihm los. Entsprechend der Anlagerungsstelle der ersten Schlund- tasche ist besonders an dem dorso-kranialen Teil eine erste Schlundfurche deutlich zu erkennen. Die Verschlussmembran ist in ihrer ganzen Ausdehnung kontinuierlich und weist an keiner Stelle Lücken auf. Über dem kaudo-ventralen Teil der Tasche ist diese Schlundfurche nicht mehr bemerkbar, aber auch von einer im Stadium 1 beschriebe- nen Vorwölbung kann nicht mehr gesprochen werden. Kaudal von der ersten Schlundtasche finden sich weitere dorso-laterale Ausstül- pungen, die zweiten Schlundtaschen (Text- fig. 8). Auch sie legen sich fest an das Ekto- derm an, und eine Ein- ziehung desselben mar- kiert als zweite Schlund- furche ihren Verlauf. ion: Schnitt durch Augen- und Öhrgegend eines Embryo von Chrysemys marginata von 18—19 Die Furche verstreicht Ursegmenten. Aur. — ÖOhrbläschen; Ch. = in dem ventro-kaudalen Chorda dorsalis: Hyp. — Hypophysentasche; Teil der Tasche all- KH. = Kopfhöhlle; Li. —= Linsenanlage; mählich und wird dann MR: 7, Medullarrohr, im Ohrgebiet verdünnt : sich seine dorsale Wand zur Decke des vierten durch die — besonders Ventrikels; Oc. — Augenbecher; SF.I = erste auf der linken Seite Schlundfurche; ST.I = erste Schlundtasche. deutliche — Herzfurche Vergr. 60:1. 602 Hans von Alten: Fig. 8. Schnitt durch den Embryo der Textfig. 7, 21 Schnitte von 7,5 „ weiter kaudal. Aur. — Ohrbläschen; Ch. — Chorda dorsalis; MR. — Medullarrohr; RM. = Rachenmembran; SF.II — zweite Schlundfurche; ST.I und II = erste und zweite Schlundtasche. Vergr. 60:1. Schnitt durch den Embryo der Textfigur 7, 8 Schnitte zu 7,5 „ weiter kaudal als Textfigur 8. Die Anlagen der drei ersten Schlundtaschen (T, II, II ST) sind getroffen. Ch. — Chorda dorsalis: MR. — Medullarrohr. Vergr. 60:1. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 603 at: MR -US. SE ARREN +-:Ch: IS T.---- --HIIST EST „ non Fig. 10. Schnitt durch den Embryo der Textfigur 7, 13 Schnitte von 7,5 „ weiter kaudal als Textfig. 9. Die zweiten und dritten Schlundtaschen sind getroffen (I, UI ST... Ch. = Chorda dorsalis; MR. — Medullarrohr; US. = Ur- segment; PH. —= Pericardialhöhle. Vergr. 60:1. Fig. 11. Fig. 12. Schnitte durch denselben Embryo wie in Textfig. ”—10. Textfig. 11 6 Schnitte zu 7,5 u, Textfig. 12 10 Schnitte weiter kaudal als Textfig. 9. Die dritte Schlundtasche ist getroffen (III ST... H. — Herz: MR. — Medullarrohr; PH. = Pericardialhöhle; US. —= Ursegment. Vergr. 60:1. 604 Hans von Alten: ersetzt (Textfig. 10). In dieser Region stellen die distalen Enden der Tasche blindsackförmige Ausstülpungen des übrigen sich im Durchmesser etwas verengenden Darmrohres dar und schnüren sich schliesslich vollständig von ihm ab (Textfig. 10). Inzwischen ist auch die dritte Kiementasche zur völligen Ausbildung gelangt. Ihre erste Andeutung ist bereits auf Text- figur 9 bemerkbar, wo sich zwei dorso-laterale, vorwiegend jedoch laterale Ausstülpungen erkennen lassen, denen Einziehungen der Körperoberfläche entsprechen. Diese Ausstülpungen legen sich dem Ektoderm in breiter Ausdehnung an (Textfig. 10 und 12). Im grossen und ganzen verschiebt sich die Berührungsstelle nur wenig ventralwärts auf den ziemlich genau orientierten Quer- schnitten. Die Tasche verläuft also nur wenig von kranio-dorsal nach kaudo-ventral, sondern ist in der Hauptsache quer zur Längsachse des Embryo orientiert. Schliesslich wird durch ein- wucherndes Mesoderm der mehr dorsale, bald darauf auch der ventrale Teil von der Epidermis abgedrängt. Es ist noch hinzuzufügen, dass auch die Verschlussmem- branen der zweiten und dritten Tasche noch keine Andeutung eines Einreissens erkennen lassen. Stadium 4. Die grösste Länge wurde nachträglich aus der Anzahl der Schnitte zu 3,5 mm bestimmt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass dieser Embryo in Paraffin eingebettet wurde. Die Zahl der Urwirbel beträgt 22 bis 23. Die Epiphysenanlage ist deutlich, der Canalis neurentericus hat sich noch nieht geschlossen. Die Augen befinden sich im Stadium der sekundären Augenblase (des Augenbechers) mit stark verdünnter proximaler Wand und weit offenem Stiel. Das Linsenbläschen hat sich abgeschnürt. Die Gehörbläschen sind zum grössten Teil abgeschlossen, das Riech- feld hat sich leicht eingesenkt, die Kopfhöhlen stellen grosse, dünnwandige Blasen dar, die in breiter Verbindung untereinander stehen. Die Rachenmembran ist eingerissen und eine weite Hypophysentasche angelegt. Die Allantoisanlage ist in Form einer dickwandigen Ausstülpung zu erkennen. Der Fortschritt in der Entwicklung gegenüber dem Stadium 2 ist also ziemlich erheblich und macht sich auch am Kiemendarm bemerkbar. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 605 Die erste Kiementasche, über deren ganzen Verlauf eine erste Schlundfurche deutlich ausgeprägt ist, öffnet sich in ihrem dorsalen Teile nach aussen (Tafelfig. 1), allerdings nur in ver- hältnismässig geringer Ausdehnung; diese Öffnung ist auf 11 Schnitten zu erkennen, wogegen die Anlagerung des Entoderms an das Ektoderm sich noch über die nächsten 20 Schnitte erstreckt. An der Stelle der Öffnung bildet das Epithel der Schlundfurche eine deutliche Verdickung, die auch auf die dorsale Wand der Kiementasche übergreift. Von der Anlage des Facialis- ganglions aus geht ein Zellstrang auf diese Verdickung zu und legt sich ihr an; allerdings ist diese Anlagerung nicht sehr innig, und die Grenze ist überall deutlich erkennbar. Die Rachenhaut ist eingerissen, und es findet eine ausgedehnte Kommunikation zwischen Kopfdarm, Hypophysenanlage und Mundbucht statt, die auf der Oberfläche durch eine starke Einziehung markiert wird; ein Oberkieferfortsatz ist dagegen noch nicht vorhanden. Der Mandibularbogen ist gut ausgebildet, ebenso der Hyoidbogen zwischen der ersten und zweiten Kiementasche. Diese zweite Tasche, die sich dorso-lateralwärts vom Kiemen- darm ausstülpt und wie die erste Tasche von einer zweiten Kiemenfurche begleitet wird, ist in dem vorliegenden Stadium gleichfalls eingerissen und zwar in geringem Maße und beider- seits nicht ganz symmetrisch : rechts findet sich eine Öffnung im kranio-dorsalsten Teile, links etwas mehr ventral. Auch an der zweiten Tasche findet sich die an der ersten beschriebene Ver- dickung des Epithels der Schlundfurche und der dorsalen Wand der Kiementasche, die hier in Beziehung zu Zellsträngen aus der Anlage des Glossopharyngeus treten; auf diese als Kiemenspalten- organe aufzufassenden Bildungen wird späterhin noch näher ein- gegangen werden (Tafelfig. 2). Die beiden ersten Kiemenbogen sind gut ausgebildet; die Mandibularbogen haben sich auf dem abgebildeten Schnitte bereits genähert, treten aber noch nicht in Berührung. Auf der linken Hälfte des Schnittbildes ist ausserdem der Abgang der dritten Kiemenbogenarterie zu sehen, und an der dorsalen Wand des Darmes der Beginn einer dorso-lateralen Ausstülpung, einer auf der Körperoberfläche befindlichen Einziehung entgegen. Diese hier beginnende dritte Kiementasche ist auf dem in Tafelfig. 3 abgebildeten Schnitt in ganzer Ausdehnung getroffen. Die Mandi- 606 Hans von Alten: bularbogen sind an dieser Stelle miteinander verschmolzen: eine mediane Rinne auf der ventralen Seite der Oberfläche markiert die Verschmelzungsstelle, während die entsprechende Rinne des Darmes sich zur T'hyreoidea abgeschnürt hat. Die Anlagerung der dritten Tasche an das Ektoderm findet in ziemlich breiter Ausdehnung statt, ihr Lumen ist dement- sprechend weiter als das der ersten und zweiten Tasche; die Verschlussmembran ist dagegen noch völlig intakt und lückenlos. Der in Tafelfig. 4 abgebildete weiter kaudalwärts gelegene Schnitt ergibt ein der Textfig. 10 ähnliches Bild. Die beiden ventralen Divertikel der zweiten Taschen sind noch getroffen; auf der rechten Seite des Bildes sieht man die dritte Tasche noch in breiter Verbindung mit dem Ektoderm; links, wo der (schräge) Schnitt den Embryo etwas mehr kaudal getroffen hat, findet sich die Berührungsstelle entsprechend dem Verlauf der Tasche etwas mehr ventral, nur an der dorsalen Wand der Beginn einer weiteren Kiementasche, die auf der nächsten Figur (Tafelfig. 5) das Ektoderm fast erreicht hat. Die Figur zeigt ausserdem die ventralen Teile der dritten Tasche, die sich ganz ähnlich ver- halten wie die der zweiten (vergl. Tafelfig. 4). Das Lumen des Darmes bekommt dadurch wieder die Ge- stalt einer quergestellten Ellipse. Die vierte Ausstülpung des Darms legt sich dem Ektoderm breit an und ist von einer äusseren Furche (Herzfurche?) begleitet — eine vierte Kiemenbogen- arterie ist übrigens, wie ich bemerken möchte, noch nicht vor- handen — und diese Anlagerung wird zunächst nicht durch Mesoderm unterbrochen. Schliesslich schnüren sich die beiden lateralen Partien des Darmes bläschenförmig ab, (Tafelfig. 6), werden aber in diesem Stadium noch nicht selbständig. Literaturverzeichnis. v. Alten, H.: Über die Entwicklung des Kiemendarms bei Schildkröten. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br., Bd. XX, 1914. Van Bemmelen, J. F.: Die Visceraltaschen und Aortenbogen bei Rep- tilien und Vögeln. Zool. Anz., Bd. 9, 1886. Derselbe: Über die Entwicklung der Kiementaschen und der Aortabogen bei den Seeschildkröten, untersucht an den Ermbryonen von Chelonia viridis. Anat. Anz., Bd. 8, 189. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 607 v. 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Eine Abbildung von ihm lag nicht vor. Für den Nachunter- sucher dürfte er dadurch &enügend gekennzeichnet sein, dass ihm 22—23 Ursegmentpaare zukommen. Die Embryonen B, C, D, E und G sind auf den Tafeln durch die Wiedergabe der Kopfenden genügend charakterisiert. Die Tafelfiguren 1—6 stellen Schnitte bezw. Teile von Schnitten durch den Embryo A, die Figuren 7—14a durch den Embryo B, die Figuren 15—18 durch den Embryo C, die Figuren 19—23 durch den Embryo D, die Figuren 24—26 durch den Embryo E, die Figuren 27—32 durch den Embryo G dar. Die Figur 33 gibt einen Schnitt durch die Anlage der Thymus, und die Figuren 34 und 35 geben zwei Schnitte durch den ultimobranchialen Körper wieder. Der Embryo H ist nach einem Photogramm wiedergegeben. Die Erklärung der Beschriftung der Figuren ist in übersichtlicher Tabelle am Schlusse zusammengestellt. Die Schnitte folgen sich in kranio-kaudaler Richtung, wobei natürlich die Achsenkrümmungen zu berücksichtigen sind. Ich bitte bei der Betrachtung der Figuren, die in der Einleitung ge- gebene Zusammenfassung der Resultate sich zu vergegenwärtigen und die Abbildungen als Belegstücke für sie zu betrachten. Die Tafeltigur 6 scheint mir als solche nicht beweisend für die Deutung der Ausbuchtungen an der rechten Seite der Figur (IV u.V KT.u. UK.). Die Serie war mir nicht zugänglich. Wir müssen aber berücksichtigen, dass v. Alten die in Betracht kommende Gegend des Embryo modelliert hatte und so zu seiner Deutung gekommen ist. Die meisten der Schnittfiguren sind bei 7öfacher Vergrösserung ge- zeichnet und bei der Wiedergabe auf ?/s reduziert, also auf 50fache Ver- grösserung gebracht worden. Eine Ausnahme davon machen die Fig. 14a, deren Vergrösserung 160: 1 ist, die Fig. 33, die bei etwa 260 facher Vergrösserung wiedergegeben ist, die Fig. 34, die etwa 230 mal, und die Fig. 35, die etwa 360 mal ver- grössert dargestellt wurde. Da die Serie des Stadiums 6 nicht aufzufinden war, kann ich nicht angeben, wie weit die Schnitte, die den Figuren 15—18 entsprechen, aus- einander liegen. Aus Notizen lässt sich feststellen, dass Fig. 16 zwei Schnitte weiter kaudal liegt als Fig. 15, und Fig. 17 wieder zwei Schnitte weiter kaudal; aber die Schnittdicke ist mir unbekannt, wahrscheinlich beträgt sie 10 «. Zu den Schnitten des Stadiums 4, die in Fig. 1—6 abgebildet sind, ist zu bemerken, dass die Schnittdicke der Serie 7,5 „ betrug. Beitrag zur Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 609 Fig. 2 liegt 28 Schnitte weiter kaudal als Fig. 1, Fig. 3 11 Schnitte weiter kaudal als Fig. 2, Fig. 4 5 Schnitte weiter kaudal als Fig. 3, Fig. 5 7 Schnitte weiter kaudal als Fig. 4, Fig. 6 7 Schnitte weiter kaudal als Fig. 5. Der das Stadium 5 repräsentierende Embryo war in Schnitte von 10 « Dicke zerlegt worden, sein Kopfende wurde mit der Bezeichnung B nach einem Modell abgebildet. Schnitte durch ihn sind in den Figuren 7—14 a dargestellt. Fig. 8 liegt 28 Schnitte weiter Kaudal als Fig. 7, Fig. 9 14 Schnitte weiter kaudal als Fig. 8, Fig. 10 5 Schnitte kaudal von Fig. 9, Fig. 11 8 Schnitte weiter kaudal als Fig. 10, Fig. 12 6 Schnitte weiter kaudal als Fig. 11, Fig. 13 4 Schnitte weiter kaudal als Fig. 12, Fig. 14 4 Schnitte weiter kaudal als Fig. 13, Fig. 14a zeigt einen Teil des auf den Schnitt der Fig. 14 folgenden Schnitts. Sie beweist, dass die Anlage des ultimobranchialen Körpers (U K.) das Ektoderm (Ekt.) berührt. ir Das Stadium 6 repräsentiert einen Embryo, dessen Serie mir nicht zu- gänglich war. Die Schnittdicke betrug wahrscheinlich 10 «. Das Kopfende ist als Fig. C wiedergegeben. In den Figuren 15—18 sind Schnitte durch diesen Embryo abgebildet. Fig. 16 liegt 2 Schnitte weiter kaudal als Fig. 15, Fig. 17 wieder 2 Schnitte weiter kaudal als Fig. 16. Die Lage von Fig. 18 lässt sich nicht bestimmen. Die Figuren 19—23 stellen Schnitte durch einen Embryo dar, der das Stadium 7 repräsentiert. Das Kopfende dieses Embryos ist in Fig. D dargestellt worden. Die Schnittdicke betrug 10 u. Fig. 20 liegt 19 Schnitte weiter kaudal als Fig. 19, Fig. 21 14 Schnitte weiter kaudal als Fig. 20, Fig. 22 14 Schnitte weiter kaudal als Fig. 21, Fig. 23 7 Schnitte weiter kaudal als Fig. 22. Die Figuren 24—26 stellen Schnitte durch einen Embryo dar, welcher das Stadium 8 repräsentiert. Das Kopfende des Embryos ist als Fig. E ab- gebildet. Die Schnittdicke der Serie betrug 10 . Fig. 25 liegt 10 Schnitte weiter kaudal als Fig. 24, Fig. 26 8 Schnitte weiter kaudal als Fig. 25. Die Figuren 27—32 stellen Schnitte durch einen Embryo dar, welcher das Stadium 9 repräsentiert. Das Kopfende des Embryos ist in der Fig. G dargestellt. Die Schnittdicke der Serie betrug 10 =. In Fig. 27 mache ich besonders auf den Nervus vagus (N.X.) auf- merksam. Zwei Schnitte weiter kaudal verbindet er sich mit seiner Plakode. Fig. 28 liegt liegt 47 Schnitte weiter kaudal als Fig. 27, Archiv f, mikr. Anat. Bd.87. Abt.1. 40 610 Hans von Alten: Entwicklung des Kiemendarms einer Schildkröte. 29 3 Schnitte weiter kaudal als Fig. 28, 30 3 Schnitte kaudal von Fig. 29, 31 7 Schnitte kaudal von Fig. 30, 32 2 Schnitte weiter kaudal als Fig. 31. Die Figuren 33, 34 und 35 geben Schnitte bezw. Schnittteile durch ein beträchtlich älteres Stadium wieder. Der Embryo ist in Fig. H nach einem Photogramm in toto abgebildet worden. Die Schnittdicke der Serie betrug 10 u. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 33 zeigt die Thymus bereits in Schläuche ausgesprosst, weiter kaudal hat sie noch einen einheitlichen Hohlraum. Vergr. etwa 260:1. Fig. 34 zeigt, wie der ultimobranchiale Körper Sprossen getrieben hat, er ist in diesem Schnitte dreimal getroffen. Vergr. etwa 230:1. Fig. 35 zeigt einen Schnitt durch den ultimobranchialen Körper. Zwei kleine Sprossen, auch mit UK. bezeichnet. liegen neben ihm, sie stehen auf anderen Schnitten im Zusammenhang mit dem Haupt- körper. Sehr auffallend sind grosse eosinophile Zellen, welche rings um den ultimobranchialen Körper liegen. Sie finden sich auch an anderen Stellen des Embryos, und auch bei anderen Embryonen habe ich sie gefunden. Sie sind durch e gekennzeichnet. Ver- grösserung etwa 360 :1. Erklärung der Beschriftung der Figuren. A.c. = Arteria carotis N. IX. = N. glossopharyngeus A. = Aorta N.X. = N. vagus Aur. = ÖOhrbläschen Oc. = Augenblase BB. = Branchialbogen ODe. = Oesophagus Ch. == Chorda dorsalis Op. = Operculum des Hyoid- e — eosinophile Zelle bogens Ekt. = Ektoderm PH. = Pericardialhöhle En. = Entoderm Pl. — Plakode H. — Herz Ra.T. — Rathkesche Tasche HB. = Hyoidbogen r. Blk. — rotes Blutkörperchen Hf. ., —..Herzfurche R.M. = Rachenmembran Hyp. = Hypophyse SF. = Schlundfurche KH. = Kopfhöhle SM. == Schlundmembran KP. = Kiemenplakode SS. — Schlundspalte Li. == Linsenanlage ST. = Schlundtasche MB. = Mandibularbogen Thyr. = Thyreoidea MR. = Medullarrohr rar) = Trachea Msc.p.—= Mesocardium ‚posterius UK. = ultimobranchialer Körper N.VIL.=N. facialis US. = Ursegment 611 Entgegnung auf einige Bemerkungen von J.Sobotta. Von Friedrich Meves in Kiel. Sobotta!) hat an einen ihn betreffenden Satz meiner Ab- handlung „Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa“ ?) einige Bemerkungen angeknüpft. Es handelt sich dabei um folgendes. Van der Stricht’) hat 1909 am Fledermausei die schöne, von Lams (1910) und neuerdings von Levi (1914) bestätigte Entdeckung gemacht, dass der Schwanz des Samenfadens bei der ersten Furchungs- teilung in die eine der beiden Blastomeren übergeht. Diese Tatsache scheint auf den ersten Blick meiner Anschauung zu widersprechen, nach welcher die plastosomatische Substanz des Spermiums bei der Übertragung erblicher Eigenschaften beteiligt ist, lässt sich aber damit in Übereinstimmung bringen auf Grund der Annahme, welche von Van der Stricht, Lams, Henneguy und mir selbst vertreten wird, dass diejenige Blastomere, welche den Spermienschwanz erhält, den eigentlichen Embryo, die andere den sogenannten Trophoblasten (im Sinne von Hubrecht) bildet.*) Nachdem ich in meiner Arbeit an diese Hypothese erinnert und konstatiert habe, dass ihr auch von Levi nicht widersprochen wird, fahre ich folgendermaßen fort: „Sobotta hat diesen Schluss zunächst (1913, 1, S. 16) als ‚sehr voreilig‘ bezeichnet, hat aber noch im selben Jahre (1913, 2) seinerseits ebenfalls eine Ungleich- wertigkeit der beiden ersten Blastomeren angenommen, in dem- ) J. Sobotta: Einige Bemerkungen zu der Veröffentlichung von F. Meves „Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von Filaria papillosa“. Dieser Band 87 des Archivs f. mikr. Anat., Abt. 1, S. 493, 1915. 2) Ebenda, Abt. 2, S. 11. ®) Die Abhandlung von Van der Stricht, sowie die übrige hier nicht angeführte Literatur ist in meiner Filariaarbeit zitiert. *) Nach Van der Stricht (1909) hatte bereits E.van Beneden vermutet, dass die beiden ersten Blastomeren des Kanincheneies eine ver- schiedene Wertigkeit hinsichtlich der Bildung des Embryo und der Fetal- hüllen besitzen. 40* 612 Friedrich Meves: selben Sinne, dass die eine Blastomere den Embryo, die andere den Trophoblasten oder das ‚ausserembryonale Material‘ bildet, um eine Hypothese über die Entstehung eineiiger Zwillinge des Menschen und der Polyembryonie bei den Gürteltieren darauf aufzubauen.“ Sobotta findet nun, dass dieser Satz für den „unbefangenen Leser“ zwei „vollständig unzutreffende“ Behauptungen enthält: erstlich, dass er, Sobotta, innerhalb des gleichen Jahres seine. Ansicht „jäh“ geändert habe; zweitens, dass die von ihm aufgestellte Hypothese der Polyembryonie des Säugetiereies sich auf der Annahme einer Ungleichwertigkeit der beiden ersten Blastomeren in dem oben bezeichneten Sinne aufbaue. Letzteren Punkt berichtigt Sobotta dahin, dass er den für die Differenzierung des embryonalen und ausserembryonalen Materials entscheidenden Zeitpunkt nicht in das Zwei-, sondern in das Vierzellenstadium verlege. Dabei sagt er aber selbst, dass er eine „gewisse Ungleichwertigkeit“ der beiden ersten Blastomeren ebenfalls annehme! Sobotta ist demnach doch wohl kaum berechtigt, von einer „vollständig unzutreffenden“ Be- hauptung meinerseits zu sprechen. Trotzdem will ich bekennen, dass hier von meiner Seite ein Versehen vorliegt, welches aber nur auf einer irrtümlichen Änderung beruht, die ich nachträglich im Text des Manuskriptes vorgenommen habe. Der Satz, welcher bei Sobotta Anstoss erregt, hat ursprünglich unter Wegfall des Wortes „beiden“ und mit zwei weiteren ganz geringfügigen (hier durch fetten Druck hervorgehobenen) Änderungen folgendermaßen gelautet: „Sobotta hat diesen Schluss zunächst (1913, 1, S. 16) als ‚sehr voreilig‘ bezeichnet, hat aber noch im selben Jahre (1913, 2) seinerseits ebenfalls eine Ungleichwertigkeit der ersten Blasto- meren angenommen, in demselben Sinne, dass die eine Blasto- mere den Embryo, die anderen den Trophoblasten oder das ausserembryonale Material bilden, um eine Hypothese über die Entstehung eineiiger Zwillinge des Menschen und der Poly- embryonie bei den Gürteltieren darauf aufzubauen.“ Auch in dieser Fassung (wie in der vorigen) kann der Satz nun möglicherweise den Eindruck erwecken (hierin soll meine andere, vollständig unzutreffende „Behauptung“ bestehen), als wenn Sobotta innerhalb eines Jahres seine Anschauung in der Frage der Gleichwertigkeit oder Ungleichwertigkeit der ersten Blastomeren Entgegnung auf einige Bemerkungen von J. Sobotta. 615 des Säugetiereies geändert habe. Es liegt mir aber gänzlich fern, etwas derartiges behaupten zu wollen'); ich stimme vielmehr Sobotta völlig bei, dass von einer Meinungsänderung seiner- seits keine Rede sein kann. Mir ist es bei der Niederschrift des von Sobotta ange- griffenen Satzes einzig und allein auf die Feststellung folgender Tatsache angekommen, an welcher durch die Bemerkungen von Sobotta nicht das geringste geändert wird: dass Sobotta, welcher 1913 (1) den Schluss von Van der Stricht, Lams, Henneguy und mir als „sehr voreilig“ bezeichnet und auch noch gelegentlich einer von ihm selbst im gleichen Jahre aufgestellten Hypothese (1913, 2), wie er 1915 S. 494 schreibt, „glatt abgelehnt“ hat, für diese seine eigene Hypothese (1913, 2) Annahmen gebraucht, welche mit den unserigen nicht nur „einigermaßen“, sondern völlig vereinbar sind. Sobotta sagt neuerdings selbst (l. c. 1915, S. 494—495): „Man könnte vielleicht einer Annäherung unserer Hypothesen zuliebe... .. annehmen, dass ebenso wie Spermaschwanz (und Mittelstück) bei der ersten Furchungsphase in eine der beiden Blastomeren übergeht, dies Verhalten nochmals in der zweiten Furchungsphase wiederkehre und dass dann diejenige der vier ersten Blastomeren, welche auf diese Weise das gesamte Schwanz- material des Spermatozoon erhält, die ‚Embryonalblastomere‘ darstelle.“ In dieser Beziehung kann ich nun darauf verweisen, dass Levi, wie Sobotta anscheinend unbekannt geblieben ist, in einem (von mir zitierten) Vortrag auf der Innsbrucker Anatomenversammlung (1914) bereits mitgeteilt hat, dass er in einem Ei von Vespertilio murinus, welches in drei Blastomeren geteilt war, das Bestehen des Mittelstückes des Spermiums in einer der kleineren Furchungszellen beobachten konnte. Sobotta ist jedoch „weit davon entfernt“, seiner Hypothese eine solche Deutung, wie man sie ihr nach meiner Meinung geben muss, unterzulegen, und zwar aus dem Grunde, weil er „keineswegs davon überzeugt“ ist, „dass dem Eintritt des Spermaschwanzfadens ins Ei bei der Befruchtung eine der- artige Bedeutung beizumessen ist, wie das von einigen Seiten‘ u. a. auch von Meves geschieht.“ Wenn Sobotta nun aber gegen eine Mitwirkung der männlichen Plastosomen bei der Ver- !) Vergl. hierzu die Anmerkung 4 auf 8. 611. 614 Friedrich Meves: erbung geltend macht, dass er den Schwanzfaden im befruchteten Ei der Ratte „fast regelmässig“ beobachtet, in demjenigen der Maus aber „sehr oft vermisst“ habe, woraus er schliessen will, dass dieser Teil des Spermiums bei der Maus „durchaus nicht regelmässig“ in das Ei eindringt, so vermag ich meinerseits solchen negativen Befunden keinen Wert beizulegen, zumal Lams und Doorme (Nouvelles recherches sur la Maturation et la Fecondation de l’Oeuf des Mammiferes, Archives de Biologie, t. 23, S. 305) schon 1907, ebenfalls bei der Maus, zu einem ganz anderen Resultat gelangt sind, welches sie, wie folgt, formulieren: „Nous croyons nos preparations et nos dessins assez demonstratifs pour etablir le fait suivant, aveetoutelacertitude voulue!): chez la Souris blanche et les Mammiferes en general, le sperma- tozoide entier ou presque entier (la partie terminale de la queue parfois exceptee) entre et se loge dans le cytoplasme de l’oeuf: la fecondation consiste par consequent dans l’apport a l’oeuf de la chromatine (tete) et du protoplasme (queue) du germe mäle.“ Dass ausser Sobotta auch noch „viele andere Fachgenossen“ meine Anschauungen einstweilen nicht teilen, trifft zweifellos zu. Ich glaube aber, auf positive und völlig sichere Beobachtungen, vor allem auf diejenigen bei Ascaris und Filaria, gestützt, ın Ruhe abwarten zu können, dass die neue Lehre sich allgemeinere Anerkennung erwirbt und will hier nur noch eine Äusserung von C. Rabl?) zitieren, welcher in seiner soeben erschienenen Analyse des wissenschaftlichen Lebenswerkes von E. van Beneden, unter Bezugnahme auf meine Befunde, schreibt, dass in den Ansichten über die Beteiligung des Protoplasmas des Spermato- zoons bei der Befruchtung, „wenn nicht alles trügt, sich ein Umschwung vorbereitet.“ Aus älterer Zeit erwähnt C. Rabl (l. c. S. 131) die „schönen Untersuchungen“ von Kostanecki und Wierzejski (dieses Archiv, Band 47, 1896), „durch welche auf die Bedeutung des durch das Mittelstück des Spermatozoons eingeführten Proto- plasmas hingewiesen wurde“. Dazu möchte ich bemerken, dass !) Von mir gesperrt. 2) C. Rabl: Edouard van Beneden und der gegenwärtige Stand der wichtigsten von ihm behandelten Probleme. Dieses Archiv, Bd. 88, 1915, S. 130. Entgegnung auf einige Bemerkungen von J. Sobotta. 615 die Befunde dieser beiden Autoren mit den meinigen nicht das geringste gemeinsam haben. Was Kostanecki und Wierzejski am Physaspermium als Mittel- oder Verbindungsstück beschreiben, ist eine „hellere, homogene“, zwischen Kopf und Geissel eingeschaltete Partie, welche das „Centrosom“. enthalten und im übrigen aus „Proto- plasma“ gebildet sein soll, das „aus der achromatischen Figur der letzten Mitose der Spermatozyten stammt“ und die Anlage der im Ei auftretenden „Spermastrahlung“ repräsentiert. Nach dem Eindringen des Samenfadens in das Ei quillt dieses Mittel- stück auf und „weist von da ab ganz deutlich seine typisch radiäre Anordnung auf“; „die hieraus entstehende Strahlung“ wächst auf Kosten des Eiprotoplasmas, welches von ihr assimiliert wird. Während Boveri nun meint, dass „das Befruchtende am Spermatozoon das Üentrosoma“ sei (unter Befruchtung versteht Boveri die „Anregung zur Entwicklung“), glauben Kostanecki und Wierzejski, „dass für die Befruchtung, für die Anregung des Eies zur Teilung die Einführung des Verbindungsstückes des Spermatozoons, welches das um das CGentrosoma gruppierte Proto- plasma desselben enthält, notwendig ist.“ Wie man sieht, handelt es sich hier weniger um Beob- achtungen (soweit von solchen die Rede sein kann, sind sie grösstenteils unzutreffend) als vielmehr um eigenartige und jeden- falls irrtümliche Spekulationen. Auf die durch das Spermium eingeführteplastosomatische Substanz haben die Angaben von Kostaneckiund Wierzejski keinen Bezug. Die Plastosomen (©. Rabl nennt sie ebenso wie Held unzutreffender Weise Plasmosomen !) ) dürften am Physa- spermium in Form eines den Achsenfaden des Schwanzes um- gebenden Mantels angeordnet sein. Der gesamte Spermienschwanz soll aber nach Kostanecki und Wierzejski (l. c. S. 337) der Resorption seitens des Eiprotoplasmas anheimfallen. Auf andere Punkte der C. Rablschen Schrift wird später zurückzukommen sein. An dieser Stelle möchte ich nur noch Ver- !) Die „Plasmosomen“* Arnolds sind, wie ich mehrfach, zuletzt in diesem Band des Archivs f. mikr. Anat., S. 295 u. folg., ausgeführt habe, zum grössten Teil Artefakte. Soweit sie natürliche Bildungen darstellen, sind sie weit davon entfernt, einheitlicher Natur zu sein. Plastosomen können durch Methylenblau oder Neutralrot nicht in vivo gefärbt werden. 616 Friedrich Meves: Entgegnung auf einige Bemerkungen Sobottas. wahrung dagegen einlegen, wenn C. Rabl($. 110-111) die Lehre von der „Kontinuität der Plasmosomen“ (soll bedeuten Plastosomen) Held (1912) zuschreibt und sagt, dass sie „in gewissem Sinne durch Benda und Meves vorbereitet“ wäre. Das ist durchaus irrtümlich. Ich habe schon 1908 (Die Chondriosomen als Träger erblicher An- lagen, dieses Archiv, Band 72, S. 848) die Plastosomen als Sitz der „spezifischen zu vererbenden Zytoplasmastruktur“ hingestellt und mit den lIdioplasmakörpern Naegelis in Parallele gesetzt; schärfer als durch diese Parallele konnte die Kontinuität der Plastosomen im Lauf der Generationen überhaupt nicht betont werden. - Ferner hat Duesberg in zwei Abhandlungen aus dem Jahre 1910 (Sur la continuite des el&ments mitochondriaux des cellules sexuelles et des chondriosomes des cellules embryonnaires, Anat. Anz., Bd. 35, S. 548; und: Les chondriosomes des cellules embryonnaires du Poulet et leur röle dans la g&enese des myo- fibrilles, avec quelques observations sur le d&veloppement des fibres musculaires striees, Arch. f. Zellforschung, Bd. 4, S. 656) eingehend ausgeführt, dass eine Kontinuität der Plastosomen von den Sexual- zellen bis zum befruchteten Ei und weiter bis zu den vor- geschrittenen Stadien der Entwicklung besteht. Die Mitteilung von Held, die erst aus dem Jahre 1912 stammt, bringt in dieser Hinsicht nichts Neues; seine Befunde aber, welche sich auf die von mir (1911) beschriebene Beteiligung der männlichen Plasto- somen bei der Befruchtung des Ascariseies beziehen, sind, we ich an anderer Stelle (1913, S. 238 u. folg.) dargelegt habe, an pathologisch verändertem Material erhoben worden. A rd, Ai) 2 in 27 ‚a INN. N, ik % n N % Dr, N i Archiv Emikroskop. Anatomie Bd.LXXXVM Abt.l. 9 50:1 Werner u. Winter Frarkflare®M. in) Br Fu u j F Archiv [mikroskop. Anatomie Ba.LXNAVI Abt.1. Pi ur di: ta 2 Pe 0, ER er ne, “ >; Archür Emikroskop. Anatomie BA.LXXXVH, Abt. aus Kak it. r— Candal Kt Ir a Archiv Emikroskop. Anatomie Ba uXXXVu, Abt.l. Archiv Emikroskop. Anatomie Ba. LXXXVN. Abt.1. Taf v; Ho nn. aM Archiv fmikroskon.Änatomie Ba.LXXXVIL Abt. Fig.13 u.7-19 Ch Schönberg del., Fig4-6H.Doms del RS I 2 Su Taf£’Vı. Werner u.Winter,. Frankfürt®M. 1 5 3 (4 1 4 Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.LXXXVN. Abel. Plasmazellen aus einem Ulcus cruris a m Pol. Methylenblau "b Fg13 . Cyan- 8 are Werner u Winter, Frankfurt “ ir? ni m | ar nr ü | Kr; eY N le Archiv f mikroskon. Anatomue Ba.LXXXVN, AbEl. Ta£ vl. Fußsohlenhaut Fig. 14 Fig.15 Fig. 18 Methylenblaubild 5° HCl, Methylenblau Haemateinbild 5°/ HCI, Haematei ’ n Fig.16 Fig. 20 Fig. 21 A re 5% HCl, Manganbild Manganbild 25° HCI, Haematein 25° HCI, Manganbild jR BE A a — ———— _!| Werner u. Winter Frankfurt ®M Archir f mikroskop. Anatomie Ba.LXXXVI, Abt.L. Mr Eu Ssahlenhaut, ‚BW——— - Ag.22 „‚ußsohlenhauß, ieh - EBERT, € « Keil Ag. : g sta ERe, Ye Bor ; ke Be 8 k ee: Fig.35 14 Fig.26 Fig. 27 SRLISL IN ‚2 usnase RW Kopfhaut RW AZ Fußsohlenhaut, Methylenblau = Fig.28 Kopfhaut, RW r Ki D 7 Werner u Winter, Frankfurt#ßl. 2 Er LET zu; . M AIRTROFSS Ener ‘ Ki NY 7; E IrT7rH1% Y \ . en # { er 1% L % = Taf.X. Archiv f.mikroskon. Anatomie Bd.LAXXVI,Abtl. aan N EN en EN ern Ar, RA Fig.36 Mausnase, Manganbild Kopfhaut, Manganbild a Werner u.Winter Frarklurt®lf. Archiv Kmikroskon. Anatomie Bd.LKXXVIl, Abti. Rattenlippe, RW Fig39 Rattenlippe, RW Abe N Manganbild LEG Fig.42 eo Werner ulWinter Franklurt®M se ' AN 2 > > Ne I I} 4 Fi 13 Niere, Mensch, RW “ ” Archiv K mikroskon. Anatomie Bd.IXKAVI, Abt. f ; Taf. All. | Kleinhirn, Kalb, RW Rote Blutkörperchen, Huhn Fig.52 Manganbild Kleinhirn, Kalb, RW wg Gonokokken, Mensch DU RE Fig. 53 Methylenblau Werner u,Winter, Frankfurt? b sy v> Q Ss N S . SS N E SZ S N n RN EN S . TOEXH. Werner u Winter, Frankfurt ®M. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 87, Abt. 1. Taf. XIV. 7er IE u 25 \% Weisenbach Kiffarth & Co., Mün: hen % “ w Archiv f. mikroskop. Anatomie Bad. 87, Taf. XV. Meisenbach Riffarth & Co., München. u | ERBEN EM Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.LAXAXVI, AbL1. WE d.E Taf xv1 4 109-1 Nat.Gr y Nat.Gr 7 ‚Nat. Gr Vat. Gr Nat. Gr Nat. Gr 6 Nat. Gr Nat. Gr — links) 2 ) ee I: (rechts) Archiv Fmikroskop. Anatomie Ba.LXXXVIL, AbL1. Tara as. XVIH. 19 — r SE 10:1 MY @ N m ch \h 4 OttoWeiss del i 2 J j Werner u.Winter Frankfurt. oe e 5777 u u Archiv Emikroskop. Anatomie Ba.LXXXVO, bt. FU Pie laf xX. = wi r h - I # 2 Taf KM. Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. 1.XXAVI, AbLI. — un N ie fr L nd | ar n Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. LXXXV, AbLT. ; Werner ulWinter, Frankfurt Bf. EL uk Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. 87, Abt. F. Taf. XXI. y u‘ NONE N 8 Dr. A. W. Franz del. 'z Su \ 's RT Archiv £ mikroskop. Anatomie Ba.LXXXVIT, Abt. de ZEN SZ a A a a SF m u m Wernerulwinter, Frankfurts DFAH Franz del. N | u w BE ‚le 5 re uR, ii 2, 1 & Archiv Pmukroskop Anatomie BALXXAVU, Abkı. TakxXV. DYAW Franz del Herner 2. Winter, Frankftart St di er. en A ro u . Ba ey ARE en {PET R PT. 18 His . Taf: XV. Archiv Emikroskop. Anatomie Ba.LXXAVI), Abt. r S g p \ h t H = SE an er u. Winter, Frankfe: Wern AW Franz del S u Archiv £mikroskop. Anatomie Ba, LXXAVIL, Abt 1. ._ .... 2 a i ne >>.Xx Ns oa cz Ime. I € 23 g IT: Wernerulinter. Fonkfart SE. vi # 2 “as # Rn Archiv £E.mikroskop Anatomie Ba.LXXXVI, Abt.1. ER z — - = > Te aL.XXV. Pi 6 ER Ce Werner u Winter. Frankfurt HT. u er \ Archiv £mikroskon. Anatomie Bd.LXXXVIL, Abt. Msz. Taf.XAX. Ostbl. £ Knch. Verner u. Winter. Frankfart”M. Archiv fmikroskon.Äntomie Ba.LIXXVN, Abt]. Jerner u.Winter Franktürt®M. Archiv Fmikroskop.Änalomie Ba.LXXXVU, Abtl. ' Taf.XKAT. 4 Werner u Winter, Frankfurt UM ad ] Archiv £ mikroskop. Anatomie Bd.LXXXVI, AbEI, ; Taf XXXI. 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