un “ 4 050 At a PRD BLZ ersintnleihihie] N .inim uk N KRIKIHDE rc? ’ 5 i nr Sr RLRIURUNERTR STR EINIRSSOR IR ER IREK TEE IUIE NN nun Aalesb, aUMODELSLTBLLHLPLBLBEHALDLALILTEREBLDAE) ARE baairin BE SERRLARLFERDN SpLpLeapLOnSLDLDBLeCE VOR = , 0% IN Krk {Hae % } RR RNEHEN IKK) ur, ' \c$ x j ante pi» Pur N N d Par S EN us N a8 able “laute serrate +,6,$, N (zZ Yı aroBLBOLBLPEHLHLALD, OR Dein ATbEN Tate * ) LAaLDL DL TAT “+ REN rin, Dar? RR LIE IE IK HER uurar \ EWR “ \ .) 4 ERLIIEN “ehe se C) urar 48 Ar HnZ Earrn Ka 4 rat PEN . “em „urn, EN U IR ZAL) * Fir *; {4 vr, + vr, v ” run wrleir,t Walt © 6 \ “ sein, 4 { erh a, EN He ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie- und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre herausgegeben von OSKAR HERTWIG in Berlin Fünfundneunzigster Band Mit 25 Tafeln und 55 Textfiguren ne en LE Ar ne BONN Verlag von Friedrich Cohen 1921 RS a RE Kae 3 a NE SR Ks Inhalt. Kulluns I. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 7. März 1921. as. Wilhelm von Waldeyer-Hartz. Ein Nachruf von Oskar llertwig. Untersuchungen über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa, einem neuen (iliaten. Von Prof. Dr. W.J.Schmidt in Bonn (Zool. Inst.\. Hierzu Tafel I-IV..... j 1 Zur Kenntnis des Situs inversus und der mit Betseihen en ver- bundenen Anomalien im Bereiche der großen Abdominalvenen. Von Dr. Felix v. Werdt, Privatdozent für pathologische Anatomie und I. Assistent am pathologisch-anatomischen Institut in Innsbruck. (Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Universität in Innsbruck, Vorstand Hofrat Prof. Dr. G. Pommer) 37 Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. Vorläufige Mitteilung. Non RudoIT Keller, Prag... Me ol Zur Entwicklung der Mharschen Drüsen und ae Drdeknder Von k Franz Klee. (Aus dem Anatomischen Institut der Universität % BATBRRUR ETBRZIEH TALENT A OD Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. Von Dr. R. Hammerschlae. VEN EBENE BR ea EN EEE TE RE TE VARTREERNER Fr = | Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Juni 1921. Elektroanalytische Untersuchungen. Von Rudolf Keller. Mit 3 Textfiguren. ... . RR RT Über das Auftreten der Sistischen Hasden. in der iegreihe, über das Verhalten derselben in der Wangenhaut bei verschiedenen Menschenrassen und über Bindegewebe und Sprache. Von P. Schiefferdecker. Ausgeführt mit Unterstützung der Preuss. Akademie der Wissenschaften und der Rhein. Ges. f. wiss. Forsehung. Hierzu Tafel VII-XI..... 134 7 Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa nd die Finktienslte Br. Bedeutung ihrer Strukturen. Von Prof. Dr. W.J. Schmidt in f Bonn (Zool. Institut). Hierzu Tafel XIII und XIV und 8 Text- K: figuren . . . 186 £. Über die Lochkerne der oniktiechen fnndschiche der Heber Da de ? Mesenterium von Triton alpestris,. Von Susanna Levy, approb. B, Ärztin, Berlin. Kaiser - Wilhelm - Institut für Biologie, Dahlem Dei Berlin. Bierzuns yREREU UF N er. rag 1“ E Viertes Heft. Ausgegeben am 12. November 1921. n Si Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. X 3 Beitrag IV. Über die Anlage und Entwicklung der Zähne. Von Martin W. Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institut der Universität Amsterdam. Hierzu 31 Textfiguren .„ 265 Der IV Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Beitrag V. Über die Beziehungen der Mundhöhlendrüsen zum Zahn- system. Von Martin W.Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institute der Universität Amsterdam. Hierzu BEDERTHDURENE N ee EN U ea RE Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe in der- Hirn- haut der Knochenfische. Von Prof. Dr. W.Schmidt in Bonn (Zool. Inst.). Hierzu Tafel XV . Literarisch-kritische Rundschau . Abteilungll. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 7. März 1921. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes (Proteus anguineus). II. Teil: Die Wachstumsperiode der Oozyte. Von H.Stieve, Leipzig. (Untersuchungen, ausgeführt mit Unterstützung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München.) Hierzu Tafel I-VIlIl und 1 Textfigur Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Juni 1921. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. Von J.Rückert, München. Hierzu Tafel IX und X und 1 Texttigur Literarisch-kritische Rundschau . . Seite 414 433 ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre herausgegeben von OSKAR HERTWIG in Berlin —n mes Fünfundneunzigster Band I. Abteilung Mit 15 Tafeln und 53 Textfiguren — = BONN Verlag von Friedrich Cohen 1921 Inhalt. Auing I. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 7. März 1921. Wilhelm von Waldeyer-Hartz. Ein Nachruf von Oskar Hertwig. Untersuchungen über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa, einem neuen Ciliaten. Von Prof. Dr. W.J. Schmidt in Bonn (Zool. Inst.). Hierzu Tafel I-IV. { Zur Kenntnis des Situs inversus und der mit demselben häufig ver- bundenen Anomalien im Bereiche der großen Abdominalvenen. Von Dr. Felix v. Werdt, Privatdozent für pathologische ‚ Anatomie und I. Assistent am pathologisch-anatomischen Institut in Innsbruck. (Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Universität in Innsbruck, Vorstand Hofrat Prof. Dr. G. Pommer) Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. Vorläufige Mitteilung. Von Rudolf Keller, Prag . FA Zur Entwicklung der Merce Drüsen Fa er Tidrander. Von Franz Klee. (Aus dem Anatomischen Institut der Universität Bonn). Hierzu Tafel V BR STR 3 IR Me Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. Von Dr. R. Hammerschlaeg. Hierzu Tafel VI Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Juni 1921. Elektroanalytische Untersuchungen. Von Rudolf Keller. Mit 3 Textfiguren . 2 DE rl a ED As NE BR Über das Auftreten der elastischen Fasern in der Tierreihe, über das Verhalten derselben in der Wangenhaut bei verschiedenen Menschenrassen und über Bindegewebe und Sprache. Von P. Schiefferdecker. Ausgeführt mit Unterstützung der Preuss. Akademie der Wissenschaften und der Rhein. Ges. f. wiss. Forschung. Hierzu Tafel VII—XI. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa und die inniktionelle Bedeutung ihrer Strukturen. Von Prof. Dr. W. J. Schmidt in Bonn (Zool. Institut). Hierzu Tafel zu und XIV und S Text- figuren . Über die Lochkerne der Knnhätischen Bandse hicht de Fee u dis Mesenterium von Triton alpestris. Von Susanna Levy, approb. Ärztin, Berlin. Kaiser - Wilhelm - Institut für Biologie, Dahlem bei Berlin. Hierzu 8 Textfiguren.. . . Viertes Heft. Ausgegeben am 12, November 1921. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Beitrag IV. Über die Anlage und Entwicklung der Zähne. Von Martin W. Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institut der Universität Amsterdam. Hierzu 31 Textfiguren Seite 37 117 134 156 IV Seite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Beitrag V. Über die Beziehungen der Mundhöhlendrüsen zum Zahn- system. Von Martin W.Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institute der Universität Amsterdam. Hierzu SUTERTHEUTENM u ne 3". aaa Ele "rel 6.9 vehlere 206 Über die Umwandlung von Sell msewche in Feitßewehe in der Ha haut der Knochenfische. Von Prof. Dr. W.Schmidt in Bonn (Zool..Inst.). Hierzu Tafel XV... ...N. 12% „en, Titerarisch-kritische ‚Rundsehau®: 0 kn a... 2 ze WILHELM VON WALDEYER-HARTZ GEB. 6. OKTOBER 1836 - GEST. 23. JANUAR 1921 EINNACHRUF von OSKAR HERTWIG \ | it dem Hinscheiden von Waldeyer- Hartz am 23. Januar hat die deutsche anatomische Wissen- schait ihren weltberühmten Führer, hat ‘die deutsche Ärzteschait ihren unvergleichlichen Lehrer verloren. - Auch für das Archiv für mikroskopische Anatomie, welches der Verstorbene 45 Jahre lang seit 1875 als Herausgeber mit Umsicht und Erfolg geleitet hat, ist eine schwer auszufüllende Lücke und ein großer Ver- lust:durch seinen. Tod entstanden. Denn außer seinen hervorragenden Verdiensten als anatomischer Forscher und als Lehrer von vielen Generationen junger Mediziner war Waldeyer auch ein vorzüglicher Redakteur. Durch seine persönlichen Eigenschaiten und viellachen Be- ziehungen in der Gelehrtenwelt verstand er es, dem Archiv zahlreiche Freunde und Mitarbeiter im In- und Ausland zuzuführen. Er war eine in hohem Maße ge- sellige Natur, die im Verkehr mit anderen Gelehrten und mit Ärzten Erholung von seiner angestrengten wissenschaitlichen Tätigkeit suchte. Gern beteiligte er sich an wissenschaltlichen Vereinen, versäumte selten eine Tagung der Anatomischen Gesellschaft, in der er oit den Vorsitz und zuletzt das Ehrenpräsidium führte, und erschien als allgemein anerkannter Vertreter der deutschen anatomischen Wissenschaft fast regelmäßig auf den internationalen medizinischen Rongressen. So wurde er im Laufe seines langen Lebens mit zahlreichen älteren und jüngeren Forschern der verschiedensten Länder persönlich bekannt und zählte von ihnen nicht wenige zu seinen Freunden. Daher ilossen denn auch dem Ärchiv zahlreiche Beiträge vom In- und Ausland zur Veröflentlichung zu, so daß zuweilen unter diesen Umständen drei Bände im Jahre rasch hintereinander erscheinen konnten. Nicht weniger als 83 Bände sind unter Waldeyers Leitung veröfientlicht worden. Seiner Tätigkeit als Redakteur kam nicht wenig auch sein musterhaiter Ordnungssinn in allen, selbst den kleinsten Dingen zu statten, nicht minder auch seine Kunst, Mißhelligkeiten und Mißverständnisse, wie sie zuweilen bei Drucklegung von Text und Taieln der einzelnen Manuskripte entstehen, durch Menschenkenntnis und vermittelnde Tätigkeit rasch auszugleichen. Dreißig Jahre lang ist der Unterzeichnete neben Waldeyer als Mitherausgeber in der Redaktion des Archivs in ungetrübter Harmonie tätig gewesen. Als es wünschenswert erschien, den Fortschritten und den er- weiterten Forschungsauigaben der anatomischen Wissen- schalten Rechnung zu tragen und den Veröfientlichungen des Archivs eine breitere Grundlage durch stärkere Be- tonung der vergleichenden und experimentellen Entwick- lungslehre und Morphologie zu geben, trat auch Waldeyer ohne Zaudern für die zeitgemäße Reiorm mit ein. Sie gelangte denn auch mit dem 64. Bande 1904 zur Durch- führung und hat sich, wie die seitdem gestiegene Zahl der Publikationen lehrte, in jeder Hinsicht gut bewährt. Obwohl Waldeyers wissenschaitliche Forschungen, namentlich in späterer Zeit, vorwiegend die makro- skopische und die topographische Anatomie betreiien, hat er doch eine größere Zahl eigener mikroskopischer Untersuchungen auch in den Bänden des Archivs ver- öffentlicht. Unter ihnen haben besonders seine kritisch zusammenfassenden Arbeiten großen Anklang gefunden: seine Schrift: Archiblast und Parablast, Bd. XXII: Über Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Beiruchtungs- vorgängen, Bd. XXXII; Bemerkungen über den Bau der Menschen- und Aiten-Placenta, Bd. XXXV ; Rittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel Bd. LVIl usw. — So hat denn Wilhelm von Waldeyer-Hartz auch im Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte ein bleibendes Ruhmesdenkmal seiner vielseitigen wissen- schaftlichen Tätigkeit hinterlassen. Verlag und Redaktion werden sein Andenken stets in Ehren bewahren. Bonn u. Berlin, Februar 1921 Der Verleger Der Herausgeber Fr. Cohen. O. Hertwig. Untersuchungen über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa, einem neuen Ciliaten. Von Prof. Dr. W. J. Schmidt in Bonn (Zool. Inst.). Hierzu Tafel I—IV. Inhalt. Seite Einleitung (Ort und Zeit des Vorkommens von Bursella) . .. .... 1 Einiges über das Untersuchungsverfahren . . . 2.2.2... IE NENIZ Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa: IL: Horm, Bau und. Bewegung ‚von. Bursella. ...... u... 00 man" 6 Schwimmen im freien Wasser S. 6, auf dem Objektträger S. 6, Körperform S. 7, Mundsack S. 8, Grösse S. 10, Schaumiges Plasma S. 10, Ausstülpung des Mundsackes S. 11, Makro- nukleus S. 12, Mikronuklei S. 13, Rindenschicht des Körpers S. 14, Wimperkleid S. 15, Trichocysten S. 15, Symbiotische Algen S. 18, Fettropfen im Plasma S.19, Intravitalfärbung mit Neutralrot S. 20. Er2Anr Hrnäahrung von Bursella . . 0.0.00. 2 Aufnahme der Nahrung S. 21, ae knolen S. 21, Zu sammensetzung der Nahrung S. 22, Verdauung der Rotatorien S. 22, Verdauung der Symbionten S. 23. DZ Zur HortpllanzungvonsBursellar. 3.24 ul ahnen elkaal I 25 Verlauf der Querteilung nach Beobachtungen am en Objekt S. 25, Halbierung des Grosskerns S. 27, Teilung und Verteilung der Kleinkerne S. 29, Zweikernige Individuen S. 31. IV. Zur systematischen Stellung von Bursella . .. 22.222.200. al Einleitung. Im März 1919 wurde ich durch Herrn Dr. F. Bachmann vom Bonner botanischen Institut auf ein Protozoon aufmerksam gemacht, das in beträchtlicher Anzahl im Plankton des Poppels- dorfer Weihers erschien und durch seine Grösse wie durch seinen Gehalt an grünen Algen sich bemerkbar gemacht hatte. Der ge- nannte Weiher ist ein ziemlich klares, zum botanischen Garten gehöriges (rewässer, einige Meter tief, etwa 400 m lang und im Archiv f.mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 1 2 W.J. Schmidt: Durchschnitt 10 m breit. Er erhält meist einen allerdings schwachen Zufluss von Leitungswasser und besitzt entsprechend geringen Abfluss; eine merkliche Strömung kommt aber dadurch kaum zustande Zur erwähnten Zeit war noch kein Pflanzen- wuchs im Wasser vorhanden. Das Protozoon fand sich im ganzen Weiher, doch anscheinend reichlicher an den sonnigen als an den schattigen Stellen. Mit ihm enthielten die Planktonfänge massen- haft Rotatorien (vor allem Triarthra und Polyarthra), vereinzelte Copepoden und Nauplien, verschiedene Infusorien (darunter Tintin- nidium fluviatile) und von pflanzlichen Organismen bezw. Flage- laten Peridinium, Synura, Dinobryon, Chlamydomonas und die Diatomeen Melosira, Stephanodiscus. Beim ersten Anblick des Protozoons mit den grünen Algen gewann ich den Eindruck, dass es sich hier um eine sehr absonder- liche Form handle, die mir trotz früherer ziemlich eingehender Be- schäftigung mit den hiesigen Süsswasserprotozoen nie vor Augen gekommen war. Auch der Versuch, sie mit den üblichen Hilfs- mitteln (Bütschli, Blochmann, Eyferth, Stein, Claparede et Lachmann) zu bestimmen, misslang, und ein weiteres Durchsehen der einschlägigen Literatur blieb ebenso ohne Frfolg. Dass eine so grosse und auffallend gebaute Form bisher an- scheinend völlig der Beobachtung entgangen ist, legt bei der Örtlichkeit des Gewässers die Vermutung nahe, es könne sich vielleicht um ein mit ausländischen Pflanzen eingeschlepptes Tier handeln. Im April nahm die Menge des neuen Protozoons — ich bezeichne es, wie unten näher ausgeführt als Bursella spumosa — erheblich ab; Ende April war es kaum mehr im Plankton aufzufinden; noch später felılte es ganz. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Dr. F. Bach- mann, dem I. Assistenten des Bonner botanischen Instituts, für seine freundliche Hilfe bei der Beschaffung des Materials und der Untersuchung der symbiotischen Algen auch hier meinen auf- richtigen Dank zu sagen. Einiges über das Untersuchungsverfahren. Bursella ist ein ziemlich empfindlicher Organismus, der, auf dem Objektträger in Wasser befindlich, den Druck selbst des seitlich unterstützten Deckglases nur ganz kurze Zeit Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 3 ungeschädigt erträgt, sobald er dadurch in seiner Bewegung ge- hemmt wird: bald zerplatzt er, nachdem er oft vorher in sehr charakteristischer Weise (siehe unten) seine Form geändert hat. Auch der Aufenthalt in viskösen Flüssigkeiten, die durch erhöhte innere Reibung die Bewegungsgeschwindigkeit in ihnen befind- licher Tiere verlangsamen, im übrigen aber gewöhnlich sich als indifferent erwiesen (Zusatz von Kirschgummi zum Wasser), bringt Bursella bald zum Absterben. Daher war ich für die Beobachtung des lebenden, völlig intakten Tieres im allgemeinen auf die Untersuchung ohne Deckglas angewiesen. Aber auch dann ist man vor gelegentlichen unangenehmen Überraschungen nicht sicher: gerät nämlich Bursella an die Oberfläche des Wassertropfens, so zerreisst die Pellikula an der Berührungs- stelle mit dem Oberflächenhäutchen, der Körperinhalt tritt allmäh- lich aus oder zerstiebt augenblicklich nach allen Seiten. Auf diese Weise gehen die Tiere auch regelmässig zugrunde, wenn der Wassertropfen so flach ist, dass sie dem Öbjektträger auf- liegen und mit ihrer oberen Fläche den Wasserspiegel berühren. Die geschilderten Schwierigkeiten der Untersuchung werden be- dingt durch die Anwesenheit zahlreicher, sehr grosser Vakuolen im Plasma von Bursella, die den Körper fast ganz in einen gross- wabigen Schaum von geringer Strukturfestigkeit umwandeln (siehe unten). Immerhin gelang es mir, auch stärkere Ver- grösserungen zur Lebendbeobachtung des unter dem Deckglas festgeklemmten Tieres, wenn auch jedesmal nur für kürzere Zeit, zu verwenden. Wurde der an Organismen (insbesondere Rotatorien) sehr reiche Planktonfang in einer Wassermenge von ungefähr 1 Liter an kühler Stelle untergebracht, so blieb Bursella darin etwa bis zu S Tagen am Leben, während der grösste Teil der Rädertierchen sich, bald absterbend, am Boden des Glases an- häufte. Das war für das Aufsuchen der Bursellen nur angenehm, besonders wenn sie in den Fängen spärlicher vertreten waren. Kühl aufgehoben erhielten sich die Bursellen auch in wesentlich geringeren Wassermengen (100 ccm). Bei Zimmertemperatur dagegen starben die Tierchen selbst in grossen Wassermengen bald ab und in ganz kleinen (feuchte Kammer) überdauerten sie nur wenige Stunden. Dazu ist erwähnenswert, dass die Ober- fläche des Poppelsdorfer Weihers zur eingangs genannten Zeit 1* 4 i W. J=Sechmidt: infolge von Nachtfrösten schon einmal eine Eisdecke trug, anderer- seits aber auch sonnigwarme Vorfrühlingstage mit den kühleren abwechselten. So war ich denn darauf angewiesen, von Zeit zu Zeit neues Material zu fischen, und vornehmlich diese frischen Fänge habe ich zur Lebendbeobachtung und zum Konservieren von Bursella verwandt. Teilungsstadien fand ich allerdings häufiger in Fängen, die 1 bis 2 Tage alt waren. Es scheint mir ausgeschlossen, diesen Umstand einzig darauf zurückzuführen, dass der Fang nach Absetzen der Rotatorien (siehe oben) über- sichtlicher wurde, sondern ich möchte vermuten, dass die Änderung der Lebensbedingungen die Teilungen auslöste; dafür spricht auch, dass alle möglichen Zustände der Zweiteilung aufgefunden werden, die Teilung aber nur einige Stunden in Anspruch nimmt, somit erst im Fang eingesetzt haben muss. Bursella ist so gross, dass sie mit unbewaffnetem Auge einzeln im Glas erkannt werden kann; selbst Teilungszustände lernte ich bald so herauszufinden. Mit einer feinen Pipette ge- lingt es leicht, einzelne Tiere auf den Objektträger zu bringen und hier zur Lebenduntersuchung oder auch zur Fixierung zu verwenden. Diesen Weg musste ich nämlich zur Herstellung von Dauerpräparaten einschlagen, nachdem sich Massenfixation nach vorherigem Zentrifugieren des Planktons — die bei manchen Fängen an. sich lohnend gewesen wäre — als weniger günstig erwiesen hatte: die Tiere verkleben miteinander oder auch mit anderen Planktonorganismen, haften am Glas u. dgl. m. Die Einzelfixierung und -färbung hat dagegen den Vorteil, dass jedes Individuum vorher lebend beobachtet und seine Eigentümlichkeiten (Art der Nahrungseinschlüsse, Form bei Teilungszuständen) ver- merkt werden können, was das Verständnis der Dauerpräparate sehr erleichtert. Nach einigen Versuchen fand ich, dass in folgender Weise recht gute Dauertotalpräparate zu ‘erhalten sind. Man fügt dem Wassertropfen auf dem Objektträger, der einige Bursellen enthält, ungefähr die gleiche Menge konzentrierter wässeriger Sublimatlösung zu (Einspritzen der Tiere mit der Pipette in Sublimatlösung gab ein viel schlechteres Ergebnis!), saugt die Flüssigkeit nach etwa einer Minute ab und ersetzt sie durch 70°/o Alkohol. Diesen lässt man nach kurzer Zeit vorsichtig ablaufen, wobei das Tierchen gewöhnlich am Glas haften bleibt, ou Uber Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. und träufelt die gewöhnliche Lösung von Delafields Häma- toxylin auf, kontrolliert das Fortschreiten der Färbung unter dem Mikroskop und differenziert nach schwacher Überfärbung mit Salzsäure-Alkohol. Nach genügendem Ausziehen der Farbe wird ihre saure Reaktion durch kurzes Halten des Präparates über eine geöffnete Flasche mit Ammoniakwasser in eine alkalische verwandelt (Farbenumschlag von Rot in Blau), dann (jeweils mehr- mals) nacheinander absoluter Alkohol und Nelkenöl aufgeträufelt und in Balsam eingeschlossen. Eine Anzahl von Bursellen färbte ich auch (in kleinen Schälchen) mit Boraxkarmin in der üblichen Weise. Zur Herstellung von Schnitten brachte ich eine Anzahl von Bursellen in einen flach ausgeschliffenen Glasklotz, fixierte sie ähnlich wie vorhin, aber mit gleichen Teilen konz. wäss. Sublimatlösung und 1°/o Osmiumsäurelösung (das Gemisch wurde jedesmal frisch hergestellt), ersetzte nacheinander die Flüssigkeit durch 70°/o Alkohol, absoluten Alkohol Xylol, flüssiges Paraffın und brachte mit dem letzten den Glasklotz für kurze Zeit in den Paraftinwärmeschrank. Das danach erstarrte Paraffin ent- hielt die ebemals auf dem Boden des Gefässes gelagerten (oder gar angeklebten) Objekte, und liess sie hinreichend genau erkennen. Die Schnittdicke betrug 5 «u, zur Färbung diente Heidenhains Eisenhämatoxylin, gelegentlich auch -Delafields Hämatoxylin. Bei der kurzen Behandlung der Objekte mit Sublimat erwies sich ein Auswaschen desselben mit Jodjodkalilösung als überflüssig und zwar sowohl bei der ersten als bei der zweiten Fixierungsart. Die frisch mit Sublimat - Osmium_ fixierten Tiere habe ich öfter in dieser Flüssigkeit mit starken Vergrösserungen -unter- sucht, da jetzt ein Auflegen des Deckglases keine Schwierigkeit mehr bietet und Form und Strukturen sehr schön erhalten bleiben. Auch den Fettnachweis im Plasma durch Osmierung habe ich zuerst an solchen Präparaten erbracht; Sudan Ill dagegen habe ich zum gleichen Zweck, in 70 °/o Alkohol gelöst, auf das allein in Sublimat fixierte Material einwirken lassen. Über den Einfluss von Neutralrot auf das lebende Tier berichte ich unten. Die symbiotischen Algen wurden am frisch zerquetschten Tier ohne weitere Behandlung oder nach Zusatz von Jodjodkali- 6 W.J. Schmidt: lösung (in der bei den Botanikern üblichen Zusammensetzung) zum Nachweis von Stärke, ferner an den Dauertotal- und Schnitt- präparaten untersucht. I. Form, Bau und Bewegung von Bursella. Betrachtet man einen Planktonfang, der Bursellen enthält, mit blossem Auge, so erscheinen diese Tierchen als grüne Punkte, die in Grösse und Färbung einigermassen an Volvox erinnern. Von dieser Flagellatenkolonie unterscheidet sich aber Bursella leicht durch die Art ihrer Bewegung, die im ruhigen Wasser in einem langsamen, senkrechten Auf- und Absteigen inner- halb einer Strecke von etwa einem halben Zentimeter besteht. Bei genauem Zuschauen und vor allem, wenn man eine Lupe zu Hilfe nimmt, stellt man fest, dass immer der gleiche Teil des Tieres nach oben gekehrt ist, eine Partie, die durch ihre hellere Färbung (den Mangel von Algen) ausgezeichnet ist. Sehr schön lassen sich die genannten Beobachtungen machen, wenn man ein Binokularmikroskop auf das die Tierchen enthaltende Gefäss richtet. Dabei sieht man weiter, dass Bursella während des Auf- und Absteigens eine Rotationsbewegung um die senkrecht gestellte Achse ausführt. Verfolgt man eine Bursella längere Zeit, so ergibt sich dabei, dass die geschilderte Bewegung nicht immer genau senkrecht erfolgt und gelegentlich auch ein- mal nach anderer Richtung hingeht, so dass ein allmählicher Wechsel des ursprünglichen Standpunktes erfolgt. Schon hier sei bemerkt, dass die natürliche, eben geschilderte Art der Bewegung von Bursella im freien Wasser bei dem Untersuchen des Tierchens auf dem Objektträger in einem Wassertropfen nur unvollkommen zur Entfaltung kommen kann. Nur gelegentlich stellen sich bei genügend grossem Tropfen die Bursellen so ein, dass ihr farbloser Teil nach oben gerichtet ist und rotieren dabei um die senkrechte Achse. Vielmehr bewegen sie sich gewöhnlich derart, dass diese Rotationsachse horizontal liegt, gehen in gerader Linie oder auch bogig ein Stück vorwärts und kehren dann wieder zurück, so dass bald der farblose, bald der entgegengesetzte Körperteil voran gerichtet ist. Die Umkehr der Bewegungsrichtung erfolgt im allgemeinen zwischen viel näher beieinander gelegenen Wendepunkten als beim Schwimmen im freien Wasser. Aber auch diese Schwimmbewegung ist wie Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 7 jene erst beschriebene von ständiger Rotation des Tieres begleitet. Jedenfalls ersieht man aus dem Mitgeteilten, dass das Schwimmen auf dem Objektträger von dem im freien Wasser nicht unwesentlich abweicht und eine durch die beschränkten Raumverhältnisse auf- gezwungene Bewegungsform darstellt. Die Fortbewegung von Bursella erfolgt durch Cilien, die den Körper über und über bedecken, auf deren Anordnung, Bau usw. später genauer eingegangen wird. Hier sei nur so viel gesagt, dass die Anwesenheit zahlreicher Wimpern auf der Körper- oberfläche Bursella ohne weiteres — natürlich nach Feststellung ihrer einzelligen Natur — den Ciliaten oder Infusorien zu- weist. Die Cilien sind übrigens so kurz und fein, dass es schwer hält, sie bei den schwachen Vergrösserungen ohne weiteres zu beobachten, die für eine Untersuchung ohne Deckglas in Frage kommen. Aber der Kundige schliesst schon aus der ruhigen, von gröberen Erschütterungen freien Art der Fortbewegung, dass sie das Werk zahlreicher Cilien und nicht vereinzelter Geisseln sein muss. Diese Auffassung findet auch ihre Bestätigung in den Bewegungserscheinungen, die dem Wasser zugesetzte, kleine Körnchen (etwa von Karmin) in der unmittelbaren Umgebung des Tierchens zeigen. Sehr schön und einwandfrei lässt sich Tätigkeit und Stellung der Wimpern auch unter schwächerer Vergrösserung (Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.-Okular 8) bei Anwendung von Dunkelfeldbeleuchtung (Paraboloidkondensor) beobachten; ein Auflegen des Deckglases ist dabei nicht nötig. — Betrachten wir nach diesen zum Teil schon vorausgreifenden Hinweisen über die Bewegungsart von Bursella ihre Körperform. Sie gleicht bei ruhigem Schwimmen ganz verblüffend der Invagi- nations-Gastrula eines Metazoons. Die Ähnlichkeit ist so auffallend, dass ich bei der ersten Betrachtung des Tieres — bevor die Kernverhältnisse sichergestellt waren — nicht ganz die Möglichkeit auszuschalten wagte, es könne sich wirklich um eine Gastrula handeln, zumal auch das sehr grosswabige Plasma eine vielzellige Zusammensetzung seines Körpers vortäuschen kann; welcher Süsswassertiergruppe eine solche freischwimmende Invagi- nationsgastrula zuzurechnen wäre, blieb allerdings auch ein Rätsel. Ich erwähne dies nur, um die ausserordentliche Formähnlichkeit von Bursella mit einer Gastrula zu betonen, die sich auch anderen, denen ich die lebenden Tierchen zeigte, ohne weiteres aufdrängte 8 W.J.Schmidt: Die Gestalt von Bursella ist ellipsoidal (Fig. 1 und 2, Taf. I), bald mehr gedrungen (Fig. 3), bald mehr länglich (Fig. 4), am farblosen, beim freien Schwimmen nach oben gerichteten Ende des Ellipsoids — ich werde es der Kürze halber im folgenden stets als das vordere bezeichnen — leicht abgestutzt. Hier mündet mit weiter Öffnung ein breiter und tiefer rundlicher Sack, der, dem Urdarm einer Gastrula vergleichbar, weit in das Innere des Tieres, oft bis über die Mitte hineinreicht. Betreffs der äusseren Form des Tieres ist zu bemerken, dass es bei freiem Schwimmen im Wasserglas gedrungener gestaltet ist als beim Schwimmen im Tropfen auf dem Objektträger, dass ferner kleinere Tiere (Fig. 3, Taf. I) durchweg plumper gebaut sind als grössere (Fig. 4, Taf. D). Mit diesen Änderungen der äusseren Körperform geht auch ein Gestaltswechsel des Sackes Hand in Hand: er ist bei den gedrungenen Tieren flacher und von sehr breiter Mündung, bei den schlankeren tiefer, aber schmäler. Fig. 1 und 2 (Taf. I) stellen Mittelformen grösserer Tiere dar, so wie sie meist bei ruhigem Schwimmen auf dem Öbjektträger erscheinen. Aussengestalt ein und desselben Individuums und Form seines Mundsackes (Üytostom) — so wollen wir die Höhlung fernerhin nennen — unterliegen also nicht unbeträchtlichen Schwankungen. Bisweilen kann man wahrnehmen, wie das Lumen des Mund- sackes sich verengert, um nach einiger Zeit wieder seine ursprüng- liche Gestalt anzunehmen; während der Verengerung legt die Innenwand des Sackes sich in Falten (Fig. 4. Taf. I). Sehr be- trächtliche Veränderungen der Form vollziehen sich an der Öffnung des Mundsackes, kurz der Mundöffnung: bei ruhigem Schwimmen stets weit geöffnet, erscheint sie von oben her be- trachtet kreisförmig (Fig. 5d, Taf. I); bisweilen aber schliesst sie sich langsam zu einem schmalen, aber langen Schlitz (Fig. 5a). dann wieder einmal verengert sich die Öffnung von allen Seiten her gleichmässig zu einem kleinen rundlichen Loch, um bald darauf wieder die ursprüngliche Form anzunehmen. Vergleicht man eine grössere Zahl von Individuen, so wird man gewahr, dass Bursella nicht, wie eine ganz regelmässig ge- baute Gastrula, monaxon, sondern bilateral gebaut ist. Das prägt sich, wenn auch nicht immer sehr deutlich, in der Form der Mundöffnung, stets aber in der Gestalt des Mundsackes aus. Die Uber Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. =) Mundöffnung wird nämlich gewissermassen von zwei Lippen eingefasst, deren jede den halben Umfang der Öffnung begleitet und die durch eine seichte Einziehung voneinander geschieden sind (vel. Fig. 2, Taf. ID). Die eine der beiden Lippen (Fig. 2 die rechte, Fig. 1 die vom Beschauer abgekehrte) ragt oft weiter vor als die andere, und ich möchte sie selbst und die durch sie gekennzeichnete Körperseite als die dorsale bezeichnen. Mit der Ausgestaltung der Lippen hängt auch die Form und Orien- tierung der Mundspalte zusammen. Denn wenn die weite rund- liche Öffnung sich zu einem Schlitz verengert (Fig. 5a, Taf. I), so bildet die Längsrichtung des Schlitzes stets die Verbindungslinie der beiden Einsenkungen, welche die Lippen sondern; auch bei mittelweit geöffneteem Mund macht sich der Unterschied der Lippen darin bemerkbar, da die ventrale den mehr geradlinigen Teil der Mundöffnung darstellt, die umfangreichere dorsale aber einen bald konkaven (Fig. 5b, Tat. I), bald konvexen (Fig. 5ec) Bogen bildet. Falls auch die Ausbildung der Lippen weniger deutlich ist und ihre gegenseitige Abgrenzung dadurch erschwert sein kann, dass gelegentlich auch andere unregelmässige Ein- kerbungen am Mundrand vorkommen, so zeigt doch die Ein- stellung des Mundschlitzes stets in dieselbe Ebene, dass eine derartige Differenzierung der Öffnung besteht. Der Mundsack, dessen Wand in weicher Rundung durch die Lippen auf die Oberfläche des Körpers übergeht, bietet ent- sprechend seiner bilateralen Ausgestaltung zwei charakteristische Ansichten dar, die man kurz als Flächen- und Seiten- ansicht unterscheiden kann. Die Flächenansicht gewinnt man bei Betrachtung des Tieres von der Bauch- (Fig. 1, Taf. I) oder von der Rückenseite. Bei ihr erscheint der Mundsack als ein symmetrisch gestaltetes und auch im Körper gelegenes Gebilde. dessen Boden sich in der Mitte zu einem kleinen spitzen Zipfel auszieht. Dieser Zipfel, der Schlund (Cytopharynx), ist nicht ganz leicht bei gewöhnlicher, durchfallender Beleuchtung zu be- obachten, tritt aber im Dunkelfeld schön hervor. In der Seiten- ansicht (Fig. 2, Taf. I) gewahrt man, dass der Zipfel des Mund- sackes ventralwärts weist und dadurch auch die ganze Achse des Mundsackes nicht mit der Hauptachse des Körpers übereinfällt. Wie schon gesagt, ist der Sack bald mehr, bald weniger tief je nach den Individuen, und wechselt in dieser Hinsicht auch mit 10 W.J. Schmidt: den Änderungen der Aussenform; im allgemeinen reicht er un- gefähr bis zur Mitte des Körpers, der Zipfel noch um ein ge- ringes weiter. Einige Male schien es mir, als wenn der Körper von Bursella dorsoventral leicht abgeflacht sei. Die Grösse von Bursella schwankt recht beträchtlich, wenn man zahlreiche Individuen misst. So fand ich die Länge zwischen 240 und 560 u sich bewegend. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die kleinsten Exemplare solche sind, die soeben durch Zweiteilung eines Muttertieres entstanden. Das Durch- schnittsmaß, das nur die ausgewachsenen Tiere in Betracht zieht, liegt aber dem Maximum viel näher als dem Minimum und kann für auf dem Objektträger schwimmende Tiere rund als 400—500 u angegeben werden. Bei der gedrungeneren Form der frei im Wasser schwebenden Bursellen dürfte die Länge für diese etwas geringer angesetzt werden. — Eine der hervorstechendsten Eigentümlichkeiten von Bursella ist die großschaumige Beschaffenheit ihres Plasmas, die mir in dieser ausgesprochenen Form auch nicht annähernd von einem anderen Infusor her bekannt war. Der grösste Teil der Körpermasse macht einen Eindruck, der aufs lebhafteste an einen makroskopischen Schaum, etwa Seifenschaum, erinnert (vgl. Fig. 1 und 2, Taf. I) und wegen dieses Merkmals habe ich den Speziesnamen „spumosa“, dieschaumige, gewählt. Die von farbloser Flüssigkeit erfüllten Schaumkammern oder Vakuolen, deren Durchmesser rund 40 u beträgt, sind von polyedrischer Gestalt und durch sehr dünne, im Leben glashelle Plasmalamellen voneinander geschieden. An Schnittpräparaten (Fig. 12, Taf. II) findet man die Wabenräume stets völlig leer, keine Spur von gerinselartigen Massen ist in ihnen zu bemerken, so dass man annehmen muss, die Vakuolentlüssigkeit sei fast oder ganz frei von eiweissartigen Stoffen. Wie in einem Seifen- schaum stossen stets im optischen Schnitt drei Linien in einem Punkte zusammen, und die an die Aussenwand oder an Ein- lagerungen im Innern ansetzenden Plasmalamellen sind stets senk- recht zu diesen Begrenzungsflächen geordnet. Die Gresetzmässig- keiten, welche durchweg den Aufbau eines Schaumes beherrschen, treten hier an einem Schaum, dessen Wände aus Plasma bestehen, in schönster und übersichtlichster Weise hervor. Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 11 Von meinen Beobachtungen über das Verhalten dieses großschaumigen Plasmas möchte ich hier nur zwei be- sonders erwähnen. Jegliche Deformation des Tieres ist von einer entsprechenden Formveränderung und, sobald sie stärker ist, auch Verlagerung der Plasmawaben begleitet. Besonders schön lässt sich die Verlagerung der Plasmawaben an den der Aussenwand anstossenden Lamellen erkennen; sie wandern näm- lich bisweilen der Aussenschicht entlang, geben also ihren ursprüng- lichen Anheftungspunkt auf und verschieben sich solange, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht ist. Unter dem Druck des Deckglases, der aber keineswegs so stark zu sein braucht, dass er das Tierchen an der Bewegung völlig hemmt, tritt regelmässig eine sehr eigentümliche Form- veränderung des Tieres auf, deren Endergebnis in Fig. 6 (Taf. I) dargestellt ist. Der Mundsack nimmt an Tiefe langsam ab, gleicht sich schliesslich völlig aus, und weiterhin tritt an Stelle des leicht abgestutzten Vorderendes eine Vorwölbung aus farblosem Plasmaschaum, so dass das nunmehr schlank ellipsoidal gewordene Tier aus zwei, durch ihre Farbe auffallend voneinander gesonderten, ungefähr gleich grossen Abschnitten besteht, aus einem vorderen farblosen und einem hinteren, durch die symbi- otischen Algen grün gefärbten. Am äussersten Ende des Vorder- teils bleibt eine kleine Einziehung bestehen, die dem ehemals in der Tiefe des Mundsackes gelegenen Schlunde entspricht. Verlauf und Art der beschriebenen Gestaltsänderung lassen ohne weiteres erkennen, dass eine Ausstülpung des Mundsackes erfolgt ist und seine Innenwand nunmehr die äussere Bekleidung des farblosen Vorderteils darstellt. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es sich nicht um das Hervortreten von Plasma- schaum durch Platzen irgend einer Stelle des Mundsackes handelt; sondern die farblose Vorderpartie des Tieres trägt nunmehr kontinuierlich die Bewimperung des Mundsackes und gerade dieser Zustand ist zu ihrer genaueren Untersuchung sehr geeignet. Die Ausstülpung des Mundsackes ist offenbar unter dem Druck des Deckglases auf die Aussenfläche des Tieres erfolgt. Gelegentlich sah ich, dass sie wieder rückgängig gemacht werden kann. Ausser mechanischen Einflüssen können aber auch offenbar osmotische die geschilderte Deformation bei Bursella hervorrufen: denn ich beobachtete sie auch bisweilen im un- 12 W.J: Schmidt: bedeckten Wassertropfen an Bursellen, die ich eben aus dem grossen Wasserglas auf den Objektträger gebracht hatte. Es ist nicht verwunderlich, dass bei der Umstülpung des Mundsackes auch die Einschlüsse des Plasmas, wie z. B. der Kern, Verlagerungen erfahren. Dieser befindet sich nämlich beim normal gestalteten Tier stets im hinteren Teil. Nun bemerkte ich aber bei dem in Fig. 6 (Taf. I) abgebildeten Exemplar in dem vorderen, farblosen, ausgestülpten Abschnitt ein kugeliges, ungefärbtes Gebilde, das nach Form, Grösse und Aussehen wohl kaum etwas anderes als der Kern sein konnte. Wenn schaumiges Plasma durch Bersten der Pellikula irgend- wo austritt, so nehmen die hervorgequollenen Schaummassen bald Kugelgestalt an, falls sie nicht zerplatzen, wie es oft geschieht. Diese Abkugelung ist eine Folge der Oberflächenspannung, die einem Schaum, dessen beide Komponenten (Wabenwand- und -inhalt) aus Flüssigkeit bestehen, in gleicher Weise zukommt, wie einer einheitlichen Flüssigkeit. Man wird wohl nicht fehl gehen. wenn man in der gesamten Körperform von Bursella einen Kompromiss erblickt zwischen der Strukturspannung, die jedem Schaum innewohnt, und dem formgebenden Einfluss einer sehr dünnen Hülle, der Pellikula. In den Zwickeln der Schaumwaben finden sich hier und dort kleinere oder grössere Ansammlungen nicht vakuolisierten Plasmas, in denen die später zu besprechenden, symbiotischen Algen gelegen sind; ferner ist der Kern von einer Lage der- artigen Plasmas umhüllt (Fig. 12, Taf. II). Wie alle typischen Ciliaten ist Bursella heterocarvot, besitzt einen Makronukleus und eine Anzahl von Mikronuklei. Der Makronukleus (Grosskern), stets in . der hinteren Hälfte des Tieres gelegen, (Fig. 19 und 20, Taf. III), ist gewöhnlich kugelig oder ellipsoidal und besitzt entsprechend der (Gesamt- grösse von Bursella beträchtlichen Umfang, misst rund 100 u (96—112 u am fixierten Objekt festgestellt). Obwohl im Leben vollkommen durchsichtig und scheinbar strukturlos und auch ın seiner Lichtbrechung nicht wesentlich vom Plasma verschieden, verrät er seine Lage und Form doch manchmal durch die in sein’Hüllplasma eingelassenen Algen. Zerplatzt ein lebendes Tier, so treten am Kern alsbald Strukturen auf, die in gleicher'Weise an den fixierten Präparaten zu beobachten sind. 33 Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 13 Auf Schnitten erweist sich der Grosskern durch eine sehr deutlicbe Kernmembran gegen das umgebende Plasma geschieden (Fig. 13, Taf. II); meist hat sie sich am fixierten Objekt leicht gefältelt abgehoben. Schon unter schwacher Ver- grösserung und selbst bei Totalpräparaten gewahrt man im Makronukleus verschieden grosse, rundliche oder längliche Gebilde in beträchtlicher Anzahl (Fig. 13, Taf. II, Da sie sich mit Boraxkarmin erheblich schwächer als das umgebende Kernmaterial färben, sich’ebenso auch gegenüber dem Delafieldschen Häma- toxylin verhalten, so sehe ich in ihnen die Nukleolarsubstanz und bezeichne sie als Nukleolen. Mit Eisenhämatoxylin nehmen die Nukleolen sehr stark Farbe an (Fig. 12 und 13, Taf. II), erscheinen aber bei hinreichender Differenzierung nicht einheitlich, sondern aus einer grösseren Anzahl kleiner rundlicher Körnchen zusammengesetzt (Fig. 14, Taf. Il). Die übrige Masse des Kernes ist sehr feinkörnig, färbt sich stark mit Boraxkarmin, Delafieldschem Hämatoxylin und schwach mit Eisenhämatoxylin (Fig. 13 und 15, Taf. Il. Sie muss als Chromatin gelten. Einen deutlich wabigen Aufbau der chromatischen Grundmasse des Kernes habe ich nicht feststellen können; doch mögen für einen solchen Nachweis meine Schnitte (von 5 u) noch zu dick gewesen sein. Somit "besitzt Bursella einen Grosskern, der dem vieler anderer Ciliaten gleicht und dem Typus der „massigen Protozoen- kerne“ einzureihen ist. (Vgl. Doflein, Lehrbuch der Protozoen- kunde. 4. Aufl. 1916.) Die Mikronuklei sind bei Bursella auch fern von Teilungs- vorgängen stets in grösserer Anzahl vorhanden, ein Verhalten, das zwar von der Regel abweicht, aber keineswegs vereinzelt dasteht. So besitzt Frontonia leucas nach Tönniges (1914, Arch. f. Protistenkunde Bd. 32) Kleinkerne, die zum Teil in Nischen des Grosskerns eingelassen sind, und ähnliche Zahlen- verhältnisse der Mikronuklei kommen .noch bei anderen Ciliaten vor. Die Kleinkerne von Bursella sind infolge des Vorkommens der symbiotischen Algen nicht ganz leicht aufzufinden; zu erst bemerkte ich sie an Totalpräparaten, die mit Boraxkarmin gefärbt waren und an denen die Symbionten stark zurücktreten; «hat man aber einmal ihre Grösse, Form und Lage kennen gelernt, so bereitet es auch keine besondere Schwierigkeit mehr, sie an 14 W.J. Schmidt: anders behandelten Präparaten nachzuweisen. Die kugeligen Mikronuklei sind etwas kleiner als die symbiotischen Algen, messen 4 « und liegen stets im dichten Hüllplasma des Gross- kerns häufig an seiner dem Mundsack abgewandten Seite; bisweilen sind einzelne etwas in den Makronukleus eingesenkt. Sie besitzen homogenen Bau und färben sich mit Boraxkarmin und Delafields Hämatoxylin stärker als entsprechend grosse Nukleolen des Grosskerns. Sie liegen manchmal in ziemlich grossen Abständen voneinander, und daher kann leicht der eine oder der andere der Beobachtung entgehen, wenn man (an den Totalpräparaten) nicht ausgiebig von der Mikrometerschraube Gebrauch macht; doch bilden sie im ganzen eine ziemlich geschlossene Gruppe (Fig. 27, Taf. IV). In derartigen Gruppen zählte ich unter 8 Exemplaren von Bursella einmal 3, dreimal 4, einmal 5, zweimal 7 und ein- mal 12 Kerne. Auch an Schnittpräparaten.erschienen die Klein- kerne ziemlich homogen. — Die Oberfläche des Körpers und die Wand des Mundsackes sind in ganz gleicher Weise gegen die Aussenwelt abgeschlossen, nämlich durch eine äusserst feine, homogene, lichtbrechende Pellikula und eine darunter gelegene „Cortikalschicht“ von sehr geringer Dicke (etwa 2 «), an die weiterhin die Lamellen des schaumigen Plasmas ansetzen. Das Cortikalplasma besteht hier wohl nur aus dem Alveolarsaum der Autoren. Eine aus- gesprochene alveoläre Struktur habe ich allerdings an dieser Hautschicht nicht feststellen können, vielmehr finde ich folgendes nach einem Vergleich von Flächenbildern und Querschnitten und unter Berücksichtigung der Beobachtungen am lebenden Objekt. In die Dicke des Alveolarsaumes sind immer in ein- facher Lage kleine, längliche, etwas unregelmässig gestaltete Körner eingelassen (Fig. 17, Taf. II), die in Reihen geordnet sind, welche im ganzen mit der Verteilung der Wimpern über- einstimmen Innerhalb einer Reihe schliessen die Körnchen dicht aneinander; die einzelnen Reihen behalten aber grösseren Abstand voneinander ein. Je nachdem, ob nun ein Querschnitt senkrecht zu den genannten Reihen geht, oder mit ihnen zusammenfällt, findet man bald weniger bald mehr Körnchen auf ihm (vergl. Fig. 16 und 18, Taf. II). Die zwischen den Körnchen gelegene Masse des Alveolarsaumes erscheint mir homogen. In den Alveolarsaum sind Wimpern und Trichocysten eingelassen. — Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 15 Die Bewimperung von Bursella ist am ganzen Körper einschliesslich des Mundsackes durchaus gleichartig, eine Tatsache, welche nötigt, Bursella bei den Holotrichen im System unterzubringen. Die Wimpern sind sehr fein und kurz (etwa 8 « lang) und stehen in Reihen, die auf der Aussenseite des Körpers und im Mundsack im wesentlichen mit der Längs- richtung des Tieres übereinfallen. Kontinuierlich geht die Bewimperung der Aussenfläche des Körpers über die Lippen der Mundöffnung hin in das Wimperkleid des Mundsackes über. Dieses lässt sich besonders gut bei ausgestülptem Mundsack untersuchen. Dabei kommt auch die sonst schwer zugängliche Cytopharynx an die Oberfläche des Körpers zu liegen und es wird möglich, sich mit Sicherheit zu überzeugen, dass Mem- branellen und derartige Bildungen sowohl dem Mundsack als dem Schlund fehlen. Das ist wichtig für die systematische Stellung von Bursella (s. u... Anordnung und Tätigkeit der Wimpern habe ich vor allem im Dunkelfeld am lebenden Objekt untersucht. Für die Kenntnis der morphologischen Verhältnisse bot auch das Studium von Bursellen, die mit Sublimat-Osmium fixiert und in dieser Flüssigkeit mit stärksten Vergrösserungen geprüft wurden, wertvolle Unterstützung. Sehr hübsch liess sich auch die Anordnung der Wimpern an Flachschnitten beobachten (Fig. 17, Taf. I). Die Reihen der Wimpern decken sich in bezug auf die allgemeine Verlaufsrichtung mit denen der eben erwähnten Körnchen im Alveolarsaum;; doch findet man je nach den Körper- stellen bald die Wimperreihen unmittelbar neben den Körnchen- reihen ziehen (wie in Fig. 17, Taf. II), bald aber die Mitte zwischen deren Reihen einnehmen. Jede Wimper (in der Fig. 17, Taf. II sind nur einige gezeichnet) geht an ihrer Basis in einen dunklen Punkt über, der sich auf dem Querschnitt als ein Stäbchen er- weist (Fig. 18, Taf. IH), das die Dicke des Alveolarsaumes durch- setzt und den Namen Basalstäbchen verdient. Mvoneme habe ich bei Bursella nicht nachweisen können, obwohl die Faltungserscheinungen am Mundsack (s. 0.) ihre An- wesenheit nicht ganz unwahrscheinlich machten. In grösseren Abständen voneinander und vornehmlich im hinteren Teil des Tieres findet man in der Rindenschicht der Körperoberfläche, gelegentlich aber auch des Mundsackes, Tricho- cysten, die bekannten, nesselkapselartigen Wehrorgane der 16 W.J. Schmidt: Ciliaten, eingelassen (Fig. 12 und 16, Taf. II). Sie bieten sich als kleinere und grössere (etwa bis zu 10 « messende), oft leicht gekrümmte Stäbchen dar, die mit ihrem gerundeten Vorderende in dem Alveolarsaum befestigt sind, mit ihrem :zugespitzten hinteren Abschnitt meist frei in den Vakuoleninhalt ‚hineinragen. Bei Eisenhämatoxylinfärbung nimmt das Vorderende manchmal terminal kappenartig dunklere Färbung an. Am fixierten, unge- färbten Material konnte ich im Inneren der Trichocysten eine strichförmige Bildung wahrnehmen, die bei der Aufsicht (also im optischen (Querschnitt) als Punkt verfolgbar war und gemäss den Untersuchungen von Tönniges (1914 a.a. 0.) als der (nicht aufgerollte) Nesselfaden zu deuten ist. Am Flächenschnitt bieten sich die Trichocysten als tief vom Eisenhämatoxylin ge- schwärzte, bald dickere, bald dünnere Gebilde dar, die sich durch ihre beträchtliche Grösse leicht von den Basalstäbchen und durch ihre starke Färbbarkeit auch ebenso sicher von den beschriebenen Körnern des Alveolarsaumes unterscheiden lassen (Fig. 17, Taf. II). Solche Bilder lehren auch, dass eine bestimmte Anordnung der Trichocysten nicht besteht. Tönniges (1914 a.a. O.) hat für Frontonia leucas den Nachweis erbracht, dass die Trichocysten aus Bestand- teilen des Makronukleus hervorgehen, den Kern verlassen und allmählich zu ihren Verbrauchsorten.durch das Plasma wandern. Nun habe ich zwar für den Ursprung der Trichocysten von Bursella aus dem Kern keine Anhaltspunkte gewonnen (es sei denn, dass man die starke Anhäufung ihrer Bildungsstadien im Plasma um den Kern herum schon als solchen betrachten wolle). Aber dass die Trichocysten im Innern. des Tieres entstehen und durchs Plasma den \Verbrauchsstellen zugeführt werden, scheint mir mit Sicherheit aus folgenden Befunden hervorzugehen. | Bei manchen Exemplaren von Bursella deutlich, bei andere weniger ausgesprochen, findet man in dem vakuolenfreien Plasma, das den Kern umgibt, eine Unzahl stäbchen- förmiger Gebilde von verschiedener Länge aber ziemlich gleichbleibender Dicke (Fig. 15, Taf. II). Die kürzesten sind ungefähr 1 u lang: von solcher Grösse führen aber alle Über- gangsstufen bis zu etwa 10 u langen Gebilden, die an einem Ende abgerundet, am anderen spiessartig zugeschärft sind und Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 17 nach Form und Aussehen ganz mit den fertigen Trichocysten übereinstimmen : dass die letzten wirklich solche sind, kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Damit ergibt sich auch, dass die kleineren oft etwas gekrümmten Stäbchen, die mit jenen durch ganz allmähliche Übergänge verknüpft sind, Bildungsstadien der Trichoeysten darstellen. Ähnlich wie Tönniges es schildert, erscheinen diese Trichocysten auch in den Plasma- strängen, die vom Zentrum zur Peripherie des Tieres führen, als „wandernde Trichocysten“ (Fig. 15, Taf. II). Dabei liegt manch- mal die Spitze, manchmal das abgerundete Ende nach vorn, so dass es schwer hält, sich vorzustellen, wie diese bereits polar ausgebildeten Trichocysten stets in richtiger Stellung dem Alveolar- saum eingefügt werden, wenn man nicht mit Tönniges ihnen Eigenbeweglichkeit zuspricht. Die Tatsache, dass zahlreiche Triehoeysten in ihrer endgültigen Stellung mit ihrem hinteren zugespitzten Ende frei in den Vakuolenraum hineinragen, erkläre ich mir so, dass ehemals Plasmalamellen zu diesen Stellen führten und das Herbeischaffen und Einschalten der Trichocysten ermög- lichten, und erst nachdem das erledigt war, die Lamellen ihre Stellung änderten (siehe oben Wandern der Plasmalamellen), die Trichocysten aber, festgehalten, nunmehr mit ihrem inneren Ab- schnitt in den Vakuolenraum zu liegen kamen. Obwohl die Granula, welche die Kernnukleolen zusammen- setzen (siehe oben), in ihrer Grösse ziemlich mit den kleinsten im Umkreis des Kernes im Plasma auftretenden Trichocysten- bildungsstadien übereinstimmen, und durch eine genetische Ver- knüpfung beider meine mehr gelegentlichen Beobachtungen dem Ergebnis der sehr eingehenden und gründlichen, besonders darauf gerichteten Untersuchungen Tönniges genähert würden, wage ich doch nicht, darüber bestimmtes zu äussern, da ich niemals die Kernmembran durchbrochen fand. Auch bleibt jedenfalls zwischen den Beobachtungen von Tönniges und den meinigen der Unterschied, dass im Gegensatz zu Frontonia bei Bursella fast die ganze Entwicklung der Stäbchen sich ausserhalb des Kernes vollzieht, selbst wenn das Bildungsmaterial nach Art von Chromidien aus dem Kern stammen sollte. — Übrigens ähneln die Körner unter der Pellikula einigermassen den körnigen Bildungen im Plasma, besonders um den Kern herum, aus denen die Trichocysten hervorgehen. Archiv f.mikr. Anat. Bd. 9. Abt. 1. 2 15 W.J. Schmidt: Wie schon mehrfach erwähnt, kommen im Körper von Bursella symbiotische Algen vor. Dass es sich hier nicht um aufgenommene Nahrung handelt, sondern um Symbionten, ergibt sich vor allem daraus, dass die Algen nicht wie gefressene, und in Verdauung befindliche Nahrung in flüssigkeitsgefüllten Nahrungsvakuolen liegen, sondern unmittelbar vom Plasma umschlossen werden. Die Algen, die bald reichlicher, bald spärlicher vorhanden sind, niemals aber fehlen, lassen nur die Umgebung der Mundöffnung frei — sie werden offenbar durch einen stärkeren Druck in den Wabenwänden stets von hier fern- gehalten — und finden sich im ganzen übrigen Plasma, wie vor allem leicht an Schnitten erkannt werden kann (vgl. Fig. 12, Taf. II) Meist treten sie als Anhäufungen in den Zwickeln der Schaum- kammern auf, welche zwischen den Vakuolen übrig bleiben — also an dem gewöhnlichen Ort für Einlagerungen in einem Schaume — vereinzelte finden sich aber auch in den Lamellen selbst, so dass alsdann die Anordnung der Algen den schaumigen Bau des Plasmas in Form eines grünen Netzwerkes überaus deutlich hervortreten lässt (vgl. Fig. 1, 2. 6, Taf. I, Fig. 19, Taf. III). Beschränken sich die Algen nur auf die Zwickel, so kommen Bilder zustande gleich Fig. 20 (Taf. III). Einmal sah ich eine starke Ballung der Algen um den Kern herum, während sie im übrigen Plasma nur vereinzelt lagen. Nach der Mundöffnung hin werden die Algengruppen kleiner und spärlicher und hören schliesslich ganz auf. Um den Kern herum erfahren sie bisweilen eine Verdichtung und Jassen seine Lage und Gestalt dadurch hervortreten (Fig. 2, Taf.]). Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man, dass jeder der kleinen grünen Flecke in den Zwickeln aus einer ziemlich grossen Zahl winziger, kugeliger, einzelliger Algen besteht (Fig. 7, Tat. I), die nach den gleich anzuführenden Einzelheiten wohl den Proto- coccaceen einzurechnen sind. Um die Einzelheiten ihres Baues zu erkennen, sind stärkste Vergrösserungen nötig (Fig. 8, Taf. I. Der Hauptteil jedes Kügelchens wird von einem Chloroplasten erfüllt, der nur eine peripher gelegene farblose Stelle frei lässt; in dieser Plasma- Ansammlung ist gelegentlich auch am lebenden Objekt ein kleines rundliches Gebilde undeutlich zu sehen, das (gemäss Färbungen) den Kern darstellt. In der Mitte des Chloroplasten bemerkt man eine ziemlich umfangreiche, rundliche Aufhellung, die eine in ihm ge- Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa 19 legene Plasmaverdichtung, also ein Pyrenoid, repräsentiert. Setzt man zu frischen Algen Jodjodkalilösung zu, so färbt sich das Pyrenoid bräunlich und in seinem Umkreis treten im Chloroplasten kleine blaurote Körnchen, Stärke, auf. An den mit Eisenhämatoxylin gefärbten Schnittpräparaten ist vor allem das Pyrenoid stark tingiert (Fig. 15, Taf. II); der übrige Teil des Chromatophors hat sich von ihm zurückgezogen, so dass das Pyrenoid von einem hellen Hof umgeben erscheint; der Kern kommt bei dieser Färbung (und Fixierung mit Sublimat-Osmium) nur gelegentlich deutlich zum Vorschein. Gerade umgekehrt verhalten sich die Algen in den mit Sublimat fixierten und mit Delafields Hämatoxylin ge- färbten Totalpräparaten, in denen übrigens vielfach noch die Farbe des Chlorophylis erhalten ist (Fig. 26, Taf. III): das Pyrenoid bleibt ziemlich blass, ist auch hier von einem hellen Ring um- geben, im Kern dagegen tritt mit grösster Schärfe ein kugeliges Chromatingebilde, öfter noch eine kleine Anzahl derartiger Körnchen (vielfach 4; Chromosomen ?) hervor. Die Zellmembran der Algen ist äusserst dünn. Vermehrungszustände von Algen habe ich nicht einwandfrei beobachten können, doch scheint mir eine Verdoppelung und Verdreifachung des Pyrenoids, die mir öfter zu Gesicht kam, ebenso wie gewisse Eigentümlichkeiten des Chromatins darauf hinzuweisen. Die Grösse der Algen schwankt zwischen 4 und 6 u. Als ich einmal die Algen an einer mit Sublimat - Osmium fixierten Bursella untersuchte, fanden sich in den Algenhaufen grössere und kleinere, dunkle Gebilde, ganz vom Aussehen osmierter Fettropfen -(Fig. 7, Taf. I). Eine Nachprüfung von lebendem Material liess nun öfter zwischen den Algen stark lichtbrechende Tropfen nachweisen, und dass es sich hier wirklich um Fett handelt, bestätigte die Färbung dieser Gebilde mit Sudan Ill. Ich muss allerdings bemerken, dass ich bisweilen auch das Fett fern von den Algen im Plasma sah; aber die ge- schilderte Lagebeziehung zwischen Algen und Fett ist so häufig und typisch, dass man sie nicht als zufällig betrachten kann. Damit will ich aber keineswegs sagen, dass das Fett etwa ein ans Plasma der Bursella abgegebenes Assimilationsprodukt der ‚Algen sei; dafür liessen sich keine Beobachtungen anführen. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass wie die Algen. so auch die 9% 20 W.J. Schmidt: Fettropfen sich aus rein mechanischen Gründen in den Zwickeln ansammeln und daher die genannte Vergesellschaftung herrührt. Schliesslich ist zur Organisation von Bursella noch zu er- gänzen, dass eine kontraktile Vakuole fehlt. — Hier mögen noch einige Bemerkungen über die Vital- färbung von Bursella mit Neutralrot Platz finden. Bringt man die Tierchen in sehr verdünnte Lösungen dieses Farbstoffes, so nehmen sie augenblicklich und zwar zunächst am Mundrand Farbe an. Die Färbung breitet sich bald auf das ganze Tier aus und steigert sich in wenigen Minuten derart, dass die Bursellen für die Betrachtung mit unbewaffnetem Auge bei auffallendem Licht tief rot, fast schwarz erscheinen, während die umgebende Flüssig- keit kaum eine Spur von Färbung zeigt; es hat also eine enorme Speicherung des Farbstoffes im Tier stattgefunden. Mikroskopische Betrachtung lehrt, dass die Färbung nur den Vakuoleninhalt betrifft; Kortikalplasma, Plasmalamellen und Kern dagegen bleiben von ihr vollkommen verschont; höchstens die Nahrungskörper nehmen bisweilen etwas Farbe an. Der Farbstoff ist in der in den Vakuolen enthaltenen Flüssigkeit gelöst; eine körnige Ab- scheidung desselben konnte ich nie beobachten. Bemerkenswerter- weise speichert der Inhalt mancher Vakuolen insbesondere kleinerer und kleinster das Neutralrot vor allem stark, so dass ich zu- nächst geneigt war, auch eine Abscheidung des Farbstoftes im Plasma anzunehmen. Doch konnte ich beim Platzen der Tiere, das sehr bald nach dem Maximum der Färbung eintritt, stets beobachten, dass auch die stärker rot gefärbten Stellen Vakuolen sind. Ein Umschlag des Farbtons vom Neutralrot war im Innern der Bursellen nicht festzustellen, so dass man annehmen kann, die Reaktion der Vakuolenflüssigkeit sei neutral oder wenigstens weder stark sauer noch stark alkalisch. Ein Versuch, mit Methylenblau Vitalfärbung zu erzielen, blieb ganz ergebnislos. Die vorstehenden Befunde mit Neutralrotfärbung scheinen mir erwähnenswert, weil gewöhnlich durch diesen Farbstoff (sranulationen des Plasmas, gelegentlich auch der Kern zur Dar- stellung kommt. Doch vermute ich nach dem Titel einer Ab- handlung von Faur& Fremiet „Vacuoles colorables par le rouge neutre chez un insfusoire cilie (©. R. Assoc. Anat. Reun. 11, 1909), die mir nicht zugänglich war, dass auch ‚wohl schon ähnliche Beobachtungen von anderer Seite gemacht sind. Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 21 II. Zur Ernährung von Bursella. Die Bursellen nehmen tierisches und pflanzliches Material als Nahrung in ihren Körper auf und zehren ausserdem von den symbiotischen Algen. Die beiden ersten Fälle können gemeinsam betrachtet werden. Die unmittelbare Aufnahme der Nahrung habe ich unter dem Mikroskop nie beobachten können, sehr wahrschein- lich deshalb, weil die Bewegungsmöglichkeiten im Wassertropfen auf dem Objektträger ganz andere als die normalen sind, wie vor- hin auseinander gesetzt wurde. Bei dem Versuch, durch Zusatz von Karmin zum Wassertropfen das etwaige Bestehen einer Strudelbewegung fetzustellen, die, wie bei vielen anderen Ciliaten, automatisch kleine, in der Umgebung des Tieres befindliche Körper in den Schlund hineinschleudert, ergab sich, dass die Bewimperung des Mundsackes einer solchen Leistung nicht fähig ist. Denn weder tritt eine Anhäufung des Karmins im Mundsack auf, noch wird es in den Körper aufgenommen. Unter solchen Umständen ist wohl nicht daran zu denken, dass Bursella als Strudler seine Nahrung gewinnt. Vielmehr möchte ich annehmen, dass Bursella normalerweise überhaupt keine Wimperbewegungen zum Nahrungs- erwerb ausführt, sondern, mit weitgeöffnetem Mundsack ruhig schwimmend, eine Falle darstellt, in der sich die Plankton- organismen verfangen. Möglicherweise wird die Mundöffnung, nachdem die Beute in den geräumigen Sack sich verirrt hat, durch die Berührungsreize von seiten der Beute zum zeitweiligen Verschluss gebracht und damit das Entrinnen vereitelt; das ist um so wahrscheinlicher, als auch sonst auf Berührungsreize hin die Mundöffnung geschlossen wird. Infolge der eigentümlich großschaumigen Beschaffenheit des Plasmas von Bursella kommt es bei der Aufnahme der Nahrung ins Zellinnere zunächst nicht zu der üblichen Bildung von Nahrungs- vakuolen. Man sieht vielmehr — wenigstens grössere Beute- stücke — ganz in derselben Weise im Wabenwerk des Plasmas liegen, wie etwa ein in Seifenschaum hineingeratener grösserer Körper. Besonders schön liess sich das an den mit langen Fort- sätzen versehenen Rotatorien (Triarthra) beobachten; der Hauptteil ihres Körpers lagerte in einem Schaumkämmerchen, während die sperrigen Fortsätze durch die Lamellen dieser Vakuole in benachbarte Plasmawaben hineinragten. In einem Falle sah 22 W.J. Schmidt: ich, dass die Fortsätze einer gefressenen Triarthra seitlich die Körperwand einer Bursella durchbohrt hatten und frei ins um- gebende Wasser hinausreichten; dieser Zustand schien dem Fresser keinerlei Unbehagen zu bereiten. Nach solchen Befunden zu schliessen, kann jede beliebige Vakuole des schaumigen Plasmas zur Nahrungsvakuole werden. Die frisch aufgenommene, gelegentlich noch Bewegung zeigende Nahrung findet man im vorderen Teil des Tieres in der geschilderten Weise dem Plasmaschaum eingelagert. Allmählich aber schmilzt unter dem Einfluss der Verdauungsvorgänge der Körper der Beute zusammen, nimmt mehr rundliche Form an und damit gelangen auch langsam die zunächst in benachbarte Vakuolen hinein- ragenden Fortsätze u. dgl. zur Einziehung. So stellt denn nach einiger Zeit die aufgenommene Nahrung eine mehr oder minder kugelige Masse dar. die, von reichlicher Flüssigkeit umgeben, in einer Vakuole liegt, die sich in keiner Weise von den übrigen des Plasmas unterscheidet. Derartige Vakuolen mit weiter fort- geschrittenem Zustand ihres Inhaltes findet man regelmässig im hinteren Teil des Tieres in der Nähe des Kernes (Fig. 2, Taf. I, Fig. 20, Taf. III); ich möchte vermuten, dass dies mit der stets gleichen Haltung des freischwimmenden Tieres zusammenhängt. Tierische Nahrung, die ich in derartigen Vakuolen fest- stellte, waren vor allem Rotatorien, die man wohl unbedenklich als Hauptnahrung von Bursella bezeichnen kann; gelegentlich fanden sich auch Nauplien. Demnach können die Bursellen recht grosse Beutestücke bewältigen. Von pflanzlichen — von aussen her stammenden — Organismen erschienen in Nahrungsvakuolen: Diatomeen, Synura, einzellige nicht näher zu bestimmende Algen und Flagellaten, also immer nur ganz kleine Objekte. Sehr häufig zeigt der Inhalt der Nahrungsvakuolen von Bursella eine auffallend orangegelbe Farbe (Fig. 2, 9, 10, Taf. I). Eine genauere Untersuchung lehrt, dass es sich in solchen Fällen stets um gefressene Rotatorien handelt, deren Reste während der Verdauung eine solche Färbung an- nehmen. Dass Rotatorien vorliegen, ergibt sich in manchen Fällen schon unzweifelhaft aus der Form dieser Nahrungseinschlüsse, in anderen aus kenntlich gebliebenen chitinösen Teilen und nicht gar selten aus dem Erhaltenbleiben des Augenfleckes dieser Tiere. Woher die gelbe Farbe dieser Nahrungseinschlüsse stammt, ver- Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 23 mag ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Die frei im Plankton vorkommenden Rotatorien der gleichen Art wiesen im allgemeinen keinerlei farbige Bestandteile (Fettropfen) auf; dass die Farben bei der Verdauung entstehen, ist sehr unwahrscheinlich; am nächsten scheint mir noch zu liegen, dass die in den Tieren enthaltenen Öle und Fette aus den Bursellen Farbstoffe auslaugen, die von verdauten Algen herrühren dürften, seien es nun symbiotische oder von aussen her aufgenommene. Die Zahl der Nahrungsvakuolen geht über drei wohl selten hinaus; ihre Grösse kann die des Kernes erreichen, besonderen Umfang gewinnen die Nahrungsballen, welche aus verdauten symbiotischen Algen bestehen. — Die physiologische Bedeutung des Verkommens symbi- otischer Algen in Protozoen ist folgende, wenn ich mich der kurzen Darlegung Dofleins (1916 a. a. ©.) bediene. Es handelt sich um eine eigenartige Form des Parasitismus, inden gewisse Algenarten, die beim Vorhandensein organischer Substanzen gut gedeihen, sich im Körper von Protozoen angesiedelt haben. Die Schädigung, welche sie dem Körper derselben zufügen, ist Keine bedeutende; im Gegenteil können die Wirte einen gewissen Vor- teil von ihnen ziehen. Die Algen speichern in der Regel keine Reservestoffe in Form von Stärke in grösserer Menge auf, sondern geben die Kohlehydrate, offenbar in gelöster Form, an deu Wirt ab. Denn wenn man die Tiere in anorganischer Nährlösung im starken Lichte hält, so speichern die Algen unter diesen sehr günstigen Ernährungsbedingungen Stärke auf. Indem die Wirte einen Teil ihrer Algen aufzehren, erhalten sie einen erheblichen Zuschuss zu ihrer Ernährung. Die von der Wirte- zelle aufgezehrten Algen werden durch deren reiche Vermehrung im Licht wieder ersetzt. Ob der Kohlensäureverbrauch und dıe Sauerstoffproduktion beim Stoffwechsel der Algen für ihre Wirte eine Bedeutung besitzt, ist nicht genauer untersucht, aber nach den Erfahrungen an Metazoen wahrscheinlich. Es handelt sich also um ein Gegenseitigkeitsverhältnis, eine echte Symbiose. Dass bei den symbiotischen Algen von Bursella Stärke nur in geringer Menge als Assimilationsprodukt aufgespeichert wird, wurde schon vorher bemerkt. Hier ist nun der Ort, auf die Verdauung eines Teiles der Symbionten durch den Wirt genauer einzugehen. Mustert man unter mittleren Ver- 24 W.J. Schmidt: grösserungen die Algenhäufchen im Plasma von Bursella, so be- gegnet man zwar nicht bei allen Individuen, aber keineswegs selten, einzelnen Algen, die sich durch ihre gelblichbraune Farbe, ihre bisweilen gerunzelte Oberfläche und den manchmal offenbaren Zerfall ihres Körpers als abgestorbene und durch das Plasma des Wirtes veränderte, angedaute Individuen zu er- kennen geben. Solche Algen färben sich an den mit Delafields Hämatoxylin tingierten Totalpräparaten stärker als die normalen, aber diffus; der bei dieser Methode sonst gut sichtbare Kern erscheint verschwommen oder tritt gar nicht hervor. Derartige tote und in Verdauung begrifiene Algen ballen sich zu mehreren zusammen und liefern kugelige Anhäufungen, die bei einigen Individuen in grösserer Zahl im Plasma auftraten und in deren unmittelbarer Umgebung das Plasma des Wirtes stärkere Färbbarkeit zeigt; in diesen Ballen werden die Algen allmählich vollkommen unkenntlich, d. h aufgelöst, verdaut. Die Verdauung findet in diesen Fällen also ohne Bildung einer aus- gesprochenen Nahrungsvakuole statt. Ausserdem aber fand ich in grossen Nahrungsvakuolen im hinteren Teil des Tieres auffallend mächtige, kugelige Einschlüsse von dunkler, brauner oder olivenartiger Färbung (Fig. 6, Taf. I), die sich beim Zerquetschen aus einer Unmenge, vielen Hunderten, von einzelligen Algen zusammengesetzt erwiesen. Grösse, Form und Lage von Kern, Chromatophor und Pyrenoid stimmten bei diesen Algen mit den symbiotischen so vollkommen überein, dass es wohl keinen Zweifel unterliegen kann, dass diese Nahrungs- ballen aus den Symbionten von Bursella bestehen, zumal auch im Plankton ähnliche Algen in entsprechender Menge fehlten. Da diese Algen, von reichlich Flüssigkeit umgeben, kompakte kugelige Ballen bildeten, so müssen sie durch irgend eine Masse verklebt sein. Offenbar handelt es sıch um sog. „Aggregation“, das Zu- sammenbacken des Vakuoleninhalts zu einem Nahrungsballen, wie es bei Colpidium, Colpoda,. Glaucoma, vielen Peritrichen be- kannt ist (vgl. Doflein a.a. OÖ S. 100). Untersucht man solche Ballen an Schnitten, dann erkennt man an den Algen alle mög- lichen Stadien des Zerfalls, die sich auch durch abnehmende Färbbarkeit verraten. (tielegentlich sah ich aus solchen von Algen zusammenge- setzten Nahrungsballen gelbliche Massen austreten, die in der Uber Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 25 Farbe ganz an die erinnerten, welche gefressene Rotatorien gegen das Ende der Verdauung annehmen, und darauf vor allem stützt sich meine Vermutung, dass ihre gelborange Farbe von einem Chlorophyliderivat herrührt (siehe oben). Ob die letzt geschilderten grossen Nahrungsballen durelı Verschmelzung mehrerer der erst beschriebenen kleinen hervor- gehen, dann aus dem Plasma austreten und in eine Schaumkammer hineingeraten, oder ob die Flüssigkeitsansammlung um die grossen Algenballen in anderer Weise zustande kommt, kann ich nicht sagen. Es sei noch bemerkt, dass mir gelegentlich grosse Nahrungs- ballen vor Augen kamen, die ausser einer Unmenge symbiotischer Algen auch tierisches Material (Rotatorien) enthielten. Ebenfalls diese Tatsache scheint mir darauf hinzuweisen, dass bei Bursella mehrere Nahrungsvakuolen bezw. ihre festen Inhaltsmassen zu einer Einheit verschmelzen können. Entfernung unbrauchbarer fester Nahrungsreste aus dem Körper scheint bei Bursella nicht vorzukommen, aber auch nicht nötig zu sein, denn sowohl die Algen wie die Rotatorien, welche die Hauptmasse der Nahrung ausmachen, scheinen schliesslich einer völligen Verflüssigung anheimzufallen ; jedenfalls konnte ich nichts beobachten, was auf die Anwesenheit eines Zellafters schliessen liesse. III. Zur Fortpflanzung von Bursella. Bursella pflanzt sich gleich den meisten Infusorien durch Zweiteilung fort. Erscheinungen geschlechtlicher Art (Kon- jJugation) habe ich nicht gesehen; doch halte ich ihr Vorkommen für selbstverständlich. Dutzende von Individuen hatte ich lebend in verschiedenen Zuständen der Zweiteilung vor Augen. Sie fallen schon ohne optische Hilfsmittel im Plankton durch ihre gestreckte Form auf und nicht selten fand ich sie nahe dem Boden des (refässes, was wohl mit ihrer verminderten Schwimmfähigkeit zusammenhängen mag. Dass sie in einem Fang, der einige Zeit gestanden hat, häufiger auftreten, habe ich schon früher erwähnt. Bringt man solche Teilungsstadien unter das Mikroskop, so gewahrt man, dass sie ungefähr in der Mitte ihres Körpers mehr oder minder tief ringförmig eingeschnürt sind (Fig.9 und 10, Taf. I). Die Zweiteilung ist somit eine Querteilung. Die Einschnürung 26 W. J. Schmidt: zerlegt den Körper in zwei Abschnitte, einen hinteren, annähernd kugeligen, der zunächst in breiter Fläche mit dem anderen zu- sammenhängt, und einen vorderen, der meist umfangreicher er- scheint und allein den Mundsack umschliesst. Der Mundsack ist bei der Teilung immer ungewöhnlich flach, was offenbar auf eine unmittelbare, mechanische Wirkung der Einschnürung zurück- zuführen ist, indem nämlich durch sie das Protoplasma gegen die Mundöftnung vorgedrängt wird. Durch das weitere Fortschreiten der Einschnürung werden die beiden Teilstücke immer mehr von- einander geschieden und hängen schliesslich nur noch durch einen zentralen Verbindungsstrang zusammen (Fig. 10, Taf. I). Dabei sieht man, dass die einander berührenden Flächen der beiden Tochterindividuen sich nicht gegenseitig abplatten, sondern der Hinterteil des vorderen konvex gegen das hintere Tier vorspringt und eine Delle in ihm erzeugt. „Es scheint mir naheliegend, dieses Verhalten auf die Gegenwart des Mundsackes im erstgenannten Teilstück zurückzuführen. In der erwähnten flachen Delle des hinteren Teilstückes bahnt sich schon die Ausbildung seines Mundsackes an. Dadurch die Einschnürung keine neue Oberfläche erzeugt, sondern nur die alte in eine andere Form umgeprägt wird, so versteht sich von selbst und ist auch im Leben leicht zu beobachten, dass das ganze Gebiet der Einschnürung bewimpert ist und somit der Mundsack des hinteren Individuums sein Wimperkleid von der Aussenfläche des Muttertieres erhält. Der Mundsack des vorderen Tieres gibt dagegen bei seiner Verkleinerung (infolge der Ein- schnürung des Muttertieres) einen Teil seiner Auskleidung an die Körperoberfläche ab. Damit erklärt sich auch, dass beim aus- gewachsenen Tier Wimperkleid von Körperoberfläche und Mundsack vollkommen übereinstimmen. Wenn nach einiger Zeit der Verbindungsstrang zerreisst, der die beiden Teilstücke zuletzt zusammenhielt, so besitzt das ehemals vordere Individuum sofort die Gestalt der jugendlichen Tiere, d.h. die gedrungene Körperform mit dem weiten flachen Mundsack. Das hintere dagegen muss noch die Anlage seines Mundsackes vervollständigen, was aber in einigen Minuten durch dessen fortschreitende Vertiefung geschieht. Dabei wird auch der Verbindungsstrang, welcher zunächst aus der flachen Delle zentral ein wenig vorragen kann, eingezogen und möglicherweise zur Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 27 Stelle des Schlundes. Dann wird allmählich die für das fertige Tier charakteristische Verteilung der Symbionten erreicht, indem sie aus der Gegend der Mundöffnung abwandern. Die beiden Tochterindividuen schwimmen wie während der Teilung so auch sofort nach ihr lebhaft umher. Mehrfach habe ich derartige Teilungen unter dem Mikroskop verfolgt. Einmal sah ich eine abnorme Querteilung (Fig. 11, Taf. I) derart, dass die letzte Verbindungsstelle der beiden Tochtertiere nicht zentral, sondern seitlich gelegen war; dabei hatte das hintere Individuum schon einen deutlichen Mundsack ausgebildet. Wenn auch während der Teilung das vordere Individuum häufig voluminöser aussieht, so dürfte das doch wohl auf die An- wesenheit des (mütterlichen) Mundsackes in ihm zurückzuführen sein; denn einige Zeit nach der Teilung erscheinen beide Tochter- tiere in der Regel ganz gleichartig, so dass die Verteilung der Körpermasse doch mit relativer Genauigkeit durchgeführt wird. Bei der Zweiteilung erhält jedes Tochterindividuum seinen Anteil ansymbiotischen Algen zugewiesen, so dass eine Neu- infektion mit Zoochlorellen nicht in Frage kommt, wie ich ja auch niemals eine Bursella ohne Symbionten sah. Auch Nahrungs- bestandteile gelangen bei der Querteilung oft in beide Tochter- tiere hinein (vgl. Fig. 9, Taf. ]). Über das Verhalten der Kerne lässt sich am lebenden Tier nur einiger Aufschluss hinsichtlich des Makronukleus erhalten: öfter gewahrte ich leicht angedeutet seine „Hantelform“ und in späteren Teilungszuständen (Fig. 10, Taf. I) sind gelegentlich die beiden Grosskerne der Tochtertiere durch die Verteilung der Algen kenntlich. Daher habe ich die Kernverhältnisse genauer an Dauerpräparaten untersucht. Fassen wir zunächst die Formwandlungen des Grosskerns ins Auge. Wie gesagt, liegt er im Ruhezustand als kugeliges oder ellipsoidales Gebilde nahe dem Unterrand des Tieres in seinem hinteren Teil. Beim Beginn der Querteilung streckt er sich und nimmt längliche Form an, wobei seine grosse Achse in die Längs- achse des Tieres fällt (Fig. 21, Taf. III. Dabei hält er aber seine Lage im hinteren Teil des Tieres und zwar auch noch in den folgenden Stadien ganz ausgesprochen ein. Mit dem Grosskern streckt sich das ihn umhüllende, dichtere Plasma und die an jenes ansetzenden Schaumkammern machen eine entsprechende Form- 150) (0 0) W. J. Schmidt: veränderung durch, wie bei stärkeren Vergrösserungen festzustellen ist. Die Verlängerung des Kernes geht zunächst noch weiter und er formt sich so zu einem Stäbchen mit gerundet abgestutzten Enden, die sich durch etwas stärkere Färbbarkeit auszeichnen (Fig. 22, Taf. III). Bei weiterer Längenzunahme verschmälert er sich in der Mitte und nimmt so Biskuitform an (Fig. 23, Taf. III). Die dünn ausgezogene Mitte zerreisst schliesslich, und damit ist die Zerlegung des Mutterkernes in zwei Tochterkerne vollzogen (Fig. 24, Taf. III). Die Tochterkerne, welche anfangs noch Stäbchen- form besitzen, runden sich allmählich ab und nehmen wieder die Gestalt des Ruhekernes an. Doch zeigen sie manchmal noch kurz nach der Trennung der beiden Tochterindividuen die Folgen der eben überstandenen Teilung in zipfelförmigen Auswüchsen (Fig. 25, Tal). Was das zeitliche Zusammenfallen von Makronukleusteilung und Plasmazerschnürung betrifft, so ist zu bemerken, dass bei der Fixierung geringere Grade der Einschnürung des Muttertieres vollkommen verschwinden und somit schon in dem biskuitförmigen Zustand des Grosskerns (Fig. 23, Taf. Ill) die Zerlegung des Plasmas einsetzt. Auch schien es mir bisweilen, als wenn die Fixierung eine Verkürzung des gestreckten Makronukleus hervorrief. Zweifellos wäre Bursella ein ausgezeichnetes Objekt, um nach der Form der Waben im groß-chaumigen Plasma Schlüsse auf die Spannungsverhältnisse des Zelleibes während der Teilung zu ziehen; doch musste ich auf eingehendere Beobachtungen dieser Art verzichten, da die Tiere im Plankton ausblieben, nachdem die Untersuchung im allgemeinen soweit fortgeführt war, dass derartige besondere Fragen hätten in Angriff genommen werden können Die Dauerpräparate aber scheinen mir aus den eben genannten Gründen nicht ganz einwandfrei für derartige Schluss- folgerungen. Ich möchte nur ganz kurz bemerken, dass ich in ihnen oft eine beträchtliche Streckung der Schaumwaben an den Enden des stäbchenförmigen Makronukleus und zwar in dessen Längsrichtung beobachtete, gleich als ob der Kern sich in Längsspannung befinde. Hinsichtlich der Struktur des Grosskerns während der Teilung ist erwähnenswert, dass er stets der Nukleolen ent- behrt und nur aus der feinkörnigen chromatischen Grundmasse besteht. deren granuläre Zusammensetzung jetzt deutlicher hervor- Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 29 tritt (Fig. 31 und 32, Taf. IV). Aus diesem Umstande möchte ich auch vermuten, dass Grosskerne von kugeliger oder ellipsoidaler Gestalt ohne Nukleolen entweder sich zur Teilung vorbereiten — dafür sprechen auch andere Gründe, siehe unten — oder aber eine solche erst kürzlich durchgemacht haben. Wenn man das den Grosskern umhüllende dichte Plasma, das ja auch im Ruhezustand den Sitz der Makronuklei darstellt, mit starken Vergrösserungen bei den biskuitförmig gestreckten Makronuklei absucht, so findet man in ihm die Kleinkerne in zwei Gruppen (Fig. 31 und 32, Taf. IV) angeordnet. Diese Gruppen liegen immer nahe den Enden des in Teilung befind- lichen Makronukleus und entfernen sich mit dessen Streckung ständig weiter voneinander und werden so auf die beiden Tochter- individuen verteilt. Die beiden Gruppen der Kleinkerne halten sich in der Regel auf der gleichen Seite des Grosskerns bezw. in gleicher Lage zu ihm (vgl. Fig. 31 und 32, Taf. IV). Berücksichtigt man die Zahlenverhältnisse der Mikronuklei in beiden Gruppen, so ergibt sich, dass sie zwar annähernd aber keineswegs immer genau auf die beiden Tochter- tiere verteilt werden, selbst wenn dazu durch eine gerade (ie- samtzahl die Möglichheit geboten wäre. So zeigt Fig. 31 (Taf. IV) im ganzen 5 Kleinkerne; davon sollten gemäss der Gruppenan- ordnung auf das eine Tochtertier 3, auf das andere 5 entfallen, während eine Zuweisung von je 4 Kernen auf beide möglich wäre. In Fig. 32 (Taf. IV) mit insgesamt 11 Mikronuklei ist dagegen die genaue Verteilung, soweit angängig, durchgeführt, indem auf die eine Seite 5, auf die andere 6 Kleinkerne gehören. Es ist auch schwer verständlich, wie beim Fehlen eines besonderen Teilungsmechanismus [etwa vergleichbar den Einrichtungen bei der Mitose im Hinblick auf eine zahlenmässig gleiche Verteilung der Chromosomen (spalthälften)] in grösserer Zahl vorhandene Klein- kerne beiden Tochterindividuen genau zur Hälfte zugeteilt werden könnten. Vielmehr möchte man annehmen, dass genau gleiche . Verteilung der Mikronuklei auf Zufall beruht. Die Mikronuklei zeigen auf dem in Rede stehenden Teilungs- zustand des Grosskerns keine besonderen Strukturen gegenüber dem Ruhezustand; nur sind sie vielfach nicht kugelig wie dort, sondern leicht elliptisch in die Länge gezogen, und zwar ist die Längsachse bei allen Kleinkernen gleichgerichtet und fällt mit 30 W.J. Schmidt: der Streckungsachse des Makronukleus überein. Das lässt darauf schliessen, dass die Kleinkerne vor einiger Zeit Teilungen durch- gemacht haben. Bekanntlich spielt sich bei der Zweiteilung der Ciliaten zu- nächst die Teilung des Kleinkernes ab, und erst nachdem sie annähernd oder ganz vollendet ist, folgt der Makronukleus nach (vgl. z.B. Doflein 1916 a.a. O.). Wir müssen also auch bei Bursella die Vermehrungsvorgänge der Mikronuklei auf Stadien suchen, da der Grosskern noch in Ruhe ist und auch äusserlich am Körper noch keinerlei Anzeichen der Teilung vorhanden sind. In der Tat gelang es mir bei einigen Individuen, die Kleinkerne im Zustand der Kernspindel aufzufinden. In dem einen Falle (Fig. 29, Taf. IV) waren die sämtlichen 8 Mikronuklei, die einem anscheinend ruhenden Grosskern (mit Nukleolen!) dieht anlagen, in kleine Spindeln von etwa 6 « Länge verwandelt. Die Spindeln waren schlank mit gut zugespitzten Enden, scharf gegen das umgebende Plasma abgegrenzt; eine feinere Struktur war an ihnen nur in Gestalt undeutlicher Körnung sichtbar. Sehr auffallend ist, dass sämtliche Spindeln annähernd in die gleiche Richtung eingestellt waren, die mit der grössten Dimension des Makronukleus zusammenfiel; das stimmt ja mit dem Aussehen der Kleinkerne auf späteren Teilungszuständen durchaus überein. In dem anderen Falle (Fig. 30, Taf. IV) betrug die Gesamt- zahl der Kleinkerne nur 6; wiederum waren alle im Zustand der Kernspindel befindlich. Mit den besten optischen Mitteln konnte ich an einigen der Spindeln einen körnigen Anteil und eine stärkere Anhäufung dieser Masse (Chromatin) an den mehr rund- lichen Spindelenden feststellen. Die Spindelachse war hier nicht bei allen aber doch bei der Mehrzahl der Mikronuklei im gleichen Sinne eingestellt. Der zugehörige Grosskern wies keine Nukleolen auf, was wohl als Hinweis auf sein baldiges Eintreten in Teilung ‘ gelten kann. Im ganzen ergibt sich also aus meinen Befunden, dass zuerst bei der Zweiteilung von Bursella die Kleinkerne geteilt werden, dann der Grosskern nachfolgt, und bei seiner Halbierung die Gesamtheit der Mikronuklei in zwei mehr oder minder gleiche Gruppen zerlegt wird, deren je eine mit den Hälften des Makro- nukleus den Tochtertieren zugewiesen wird. Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 31 Ich muss hier noch eines sonderbaren Kernzustandes ge- denken, den ich mehrere Male sah, aber nicht sicher zu deuten weiss. Es handelt sich um Tiere mit zwei Grosskernen, die sich gemäss der Anwesenheit von Nukleolen im Ruhezustand befinden und dementsprechend auch rundliche Formen besitzen (Fig. 33, Taf. IV). Die beiden Grosskerne liegen stets nahe beieinander. Sie weisen also ganz andere Gestalt, Lage und Struktur auf als am Ende einer normalen Zweiteilung. In einem Falle beobachtete ich zwischen den beiden Makronuklei die Gruppe der Kleinkerne, welche die ungewöhnlich hohe Zahl von 17 Mikronuklei umfasste (Fig. 33, Taf. IV). Danach möchte man annehmen, dass auch Ver- mehrung der Kleinkerne stattgefunden hat. Es könnte sich somit um eine Zweiteilung handeln, bei der sowohl die Vermehrung der Kleinkerne als auch die Zerlegung des Makronukleus stattgefunden hat, bei der aber die Durchschnürung des Zelleibes und damit die räumliche Verteilung von Grosskernhälften und Gruppen der Mikronuklei unterblieb. Leider konnte ich nur in einem dieser Fälle „zweikerniger Individuen“ das Verhalten der Kleinkerne mit Sicherheit feststellen und gebe deshalb die vor- stehende Deutung nur mit einem gewissen Vorbehalt. Ich habe auch erwogen, ob es sich nicht um einen Endzustand der Kon- jugation handeln könne; doch scheint mir eine solche Auffassung sehr viel weniger berechtigt, nicht allein aus dem Befund selbst heraus, sondern auch, weil ich trotz besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit niemals konjugierende Individuen sah. IV. Zur systematischen Stellung von Bursella. Dass Bursella ein Ciliat ist, darüber kann bei der Anwesenheit des den ganzen Körper bedeckenden Wimperkleides, beim Vor- kommen von Makronukleus und Kleinkernen und bei der Art der Fortpflanzung kein Zweifel bestehen. Dagegen bietet die Unterbringung dieser Form im System der Ciliaten nicht geringe Schwierigkeiten. Nach den geltenden Einteilungsprinzipien (vgl. Doflein 1916 a. a. ©.) scheidet man mit Bütschli die Ciliaten zunächst in Spirigera mit einer spiraligen Zone von (ilien oder Membranellen, die zum Munde führen, und Aspirigera ohne eine solche. Bei dem Mangel einer derartigen adoralen Spirale ist Bursella den Aspirigera einzurechnen, Formen, die seit langem von Stein als Holotricha bezeichnet wurden und 32 WEEISSLcahemeindete: im allgemeinen durch geringe Differenzierung des Wimperkleides ausgezeichnet sind. Innerhalb der Holotrichken müsste nun Bursella bei den Formen Platz finden, die gleich ihr heterokaryot sind, d. h. den charakteristischen Dimorphismus der Kerne be- sitzen. Diese Formen gruppiert man im Anschluss an Bütschli als Gymnostomata mit gewöhnlich geschlossener, nur zur Nahrungsaufnahme geöffneter Mundöffnung, welche die Nahrung als Packer hinabschlingen, und Trichostomata, bei denen — gleich sämtlichen übrigen Ciliaten — der Mund gewöhnlich geöffnet ist und die Nahrung eingestrudelt wird. Wenn auch bei Bursella kaum ein eigentliches Einstrudeln der Nahrung statthat, so wird man sie doch den Trichostomata anschliessen wollen. Innerhalb dieser Gruppe findet sich aber keine Gattung, die auch nur einigermassen an Bursella erinnerte. Richtet man, ohne zunächst die Einzelheiten ins Auge zu fassen, den Blick auf die Gesamterscheinung von Bursella und versucht so Anknüpfungspunkte zu bekannten Formen zu gewinnen, so könnte man wohl an eine Verwandte von Bursaria denken, und um dieser äusseren Ähnlichkeit willen habe ich den Gattungs- namen Bursella (von bursa, Beutel) gewählt: Anklänge an Bursaria zeigt Bursella in der allgemeinen Körperform, in der feinen gleichartigen Bewimperung der Körperoberfläche und in dem Besitz des sackartigen Uytostoms. Auch besitzt eine Bursaria- art (B. decora Claparede und Lachmann) auffallend stark vakuoli- siertes Plasma. Ein fundamentaler Unterschied besteht aber in der Ausbildung der kräftigen Membranellen im Cytostom von Bursaria, die bekanntlich zu den Heterotrichen gehört; ebenso sind die Formen des Makronukleus anders. Es scheint mir überhaupt fraglich, ob man ein in seiner Form so veränderliches und im Bau seiner Wand ganz den Charakter der Körperoberfläche tragendes Gebilde (Pellikula, Wimpern, Trichocysten!) wie den Mundsack von Bur- sella als Cytostom im gewöhnlichen Sinn bezeichnen darf, und daher habe ich auch im Vorstehenden immer den indifferenten Ausdruck Mundsack gebraucht. Die genau beschriebene eigenartige Beschaffenheit des Mund- sackes scheint mir die Aufstellung einer neuen Familie unter den trichostomen Holotrichen zu erfordern, die ich im Hinblick auf den gastrulaähnlichen Habitus von Bursella als Gastru- Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 33 loidae zu benennen vorschlage. Ihre Definition würde lauten: Aspirigere, trichostome Ciliaten mit einem tiefen, formveränder- lichen Sack (Mundsack) am Vorderende des Körpers, in den das feine Wimperkleid der Oberfläche sich kontinuierlich fortsetzt und an dessen Grunde der kleine zipfelförmige Schlund liegt; die Wand des Sackes zeigt die Struktur der Körperoberfläche. Fassen wir die in dieser Abhandlung im einzelnen nieder- gelegten Befunde über Bursella kurz zusammen, so ergibt sich folgende Speziesdiagnose') für Bursella spumosa, die einst- weilen auch als Definition der Gattung gilt. Gestalt ellipsoidal, am Vorderende leicht abgestutzt; Länge 240—560 u, im Durchschnitt 400—500 «u. Mundsack (Cytostom) breit und tief, bilateral ausgestaltet, am Grunde mit ventralwärts gerichtetem, kurzem, zipfelförmigem Schlund; Eingang des Mundsackes von zwei oft durch ihre Grösse verschiedenen Lippen eingefasst, die geöffnet eine weite rundliche, geschlossen eine spaltförmige (die Transversalebene kennzeichnende) Mundöffnung umschliessen. Körperoberfläche und Mundsack mit überall gleichmässigen kurzen und feinen, in Längsreihen gestellten Wimpern bedeckt. Plasma durch zahlreiche, mächtige, dicht gelagerte Vakuolen in einen grosskammerigen Schaum verwandelt. Makronukleus im hinteren Teil des Tieres, kugelig oder ellipsoidal, ihm angelagert eine Gruppe von Mikronuklei. Zerstreute Trichocysten vor- handen. Ohne kontraktile Vakuole. Nahrungsvakuolen vorwiegend im hinteren Teil des Tieres. Im Plasma zahlreiche, gruppenweise angeordnete symbiotische Zoochlorellen: sie fehlen in der näheren Umgebung der Mundöffnung. Fortpflanzung durch Querteilung. Planktonische Süsswasserform (bisher nur im Poppelsdorfer Weiher in Bonn beobachtet), bewegt sich mit weit geöffneter, stets nach oben gerichteter Mundöffnung unter Rotation um die Längsachse senkrecht langsam auf und ab. Hauptnahrung Rotatorien. !) Auch in den Sitzungsber. Niederrh. Ges. f. Nat. u. Heilkunde, Naturw. Abteilung. Sitz. vom 5. Mai 1919. Archiv f. mikr. Anat. Bd.9. Abt. I. 34 WI Sie. himsmdkte: Erklärung der Abbildungen auf Tafel I-IV. Alle Abbildungen beziehen sich auf Bursella spumosa. Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1: Tafel I. Ventralansicht von Bursella. Mundsack mit Schlund- zipfel; großschaumiger Bau des Plasmas; Anordnung der Zoochlorellen. Skizze nach dem Leben bei Leitz’ Objektiv 2 und Okular 3. Vergr. etwa 90:1. Seitenansicht. Rechts die längere dorsale, links die kürzere ventrale Lippe der Mundöffnung; ventrale Richtung des Schlund- zipfels kenntlich; im hinteren Teil des Tieres ein orangegelber Einschluss, ein in Verdauung befindliches Rädertierchen; vgl. im übrigen die Erklärung bei Fig. 1. Skizze nach dem Leben. Vergr. wie in Fig. 1. Gedrungene (Jugend)form mit flachem Mundsack. Fig. 4 langgestreckte Form, mit verengtem, in Falten gelegten Mundsack. Umrißskizzen nach dem Leben Verschiedene Formen der Mundöffnung in der Aufsicht: die dorsale Lippe liegt in allen Abbildungen nach oben gerichtet: a — Mundöffnung fast ganz geschlossen, schlitzförmig; b — halb- weit geöffnet, aber von den Seiten her verengt; dorsale Lippe konkav, ventrale geradlinig; ce — ähnliches Verhalten wie in b, aber dorsale Lippe konvex, ventrale konkav; d — weit geöffnet. Umrißskizzen nach dem Leben. Ausstülpung des Mundsackes. Vordere (ausgestülpte) Hälfte des Tieres algenfrei; die Einziehung an ihrem Vorderrand ist durch den Schlundzipfel bedingt; im hinteren, algenführenden Teil des Tieres zwei grosse Nahrungseinschlüsse, vermutlich aus verdauten Symbionten bestehend. Skizze nach dem Leben. Vergr. wie in Fig. 1. Zwei Algengruppen, in ihnen osmierte Fettropfen. Zeichnung unter Benutzung des Abbeschen Apparates nach dem soeben mit Sublimat-Osmium fixierten Objekt. Leitz’ Objektiv 5 und Okular 3. Verg. 350 :1. Einige Zoochlorellen. Die helle randständige Partie ist eine Plasmaansammlung, in welcher der (in einem Exemplar kenntliche) Kern liegt; die lichtere Stelle in der Mitte des grünen Chromatophors entspricht dem Pyrenoid. Zeichnung nach frischen, durch Zerquetschen einer Bursella isolierten Algen unter Benutzung des Abbeschen Apparates. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.30 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000 :1. Ein früherer, Fig. 10 ein späterer Teilungszustand, in beiden gefressene und in Verdauung befindliche Rotatorien, in Fig. 10 durch die umhüllenden Algen auch die Tochterkerne sicht- bar. Skizzen nach dem Leben. Vergr. wie in Fig. 1. Über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa. 35 Fig. 11. Umrißskizze eines Teilungszustandes nach dem Leben, bei dem — entgegen der Regel — die letzte Verbindungsstelle beider Tochterindividuen seitlich gelegen ist; Mundsack im hinteren Individuum schon ausgebildet. Vergr. wie in Fig. 1. Tafel 11. Alle Abbildungen sind nach 5 „ dicken Schnitten, mit Sublimat-Osmium fixierter und mit Eisenhämatoxylin gefärbter Bursellen unter Benutzung des Abbeschen Zeichenapparates hergestellt; die Zeichenfläche befand sich im Abstand von 250 mm von der Austrittspupille des Mikroskops. Fig. 12. Längsschnitt einer Bursella, Mundsack nur zum Teil getroffen. Kern umgeben von einer Ansammlung kompakten Plasmas, das nach aussen hin großschaumigen Bau annimmt; in ihm zahlreiche symbiotische Algen; in der Rindenschicht vereinzelte Trichocysten. Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp.-Ökular 8. Vergr. 250 :1. Fig. 13. Grosskern, umgeben von der Kernmembran, die sich etwas ab- gehoben hat; in der feinkörnigen chromatischen Grundmasse zahlreiche stark gefärbte Nukleolen verschiedener Grösse. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.30 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000 :1. Fig. 14. Kleiner Ausschnitt eines Grosskerns nach einem stark differenzierten Präparat, um die körnige Zusammensetzung der Nukleolen zu zeigen. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.40 und Komp.-Ökular 12. Vergr. 1500 :1. Fig. 15. Teil eines Grosskerns mit dem umgebenden Plasma, in diesem zahlreiche Bildungsstadien von Trichocysten; ferner einzelne Zoochlorellen sichtbar, in denen das Pyrenoid sich stark gefärbt hat. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.30 und Komp.- Okular 8. Vergr. 1000 ::1. Fig. 16. Randpartie eines Tieres. Die Rindenschicht besteht zu äusserst aus einer sehr dünnen Pellikula, darauf folgt die anscheinend homogene Lage, in der die Körner liegen und von der auch die Lamellen der Schaumkammern des Plasmas ausgehen; in der Rinden- schicht verschieden grosse Trichocysten, die mit ihrem hinteren zugespitzten Ende in die Vakuolenräume frei hineinragen. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.40 und Komp.-Okular 12, Vergr. 1500 :1. Fig. 17. Flächenschnitt der Rindenschicht. Reihen der Wimper- wurzeln (Basalstäbchen) und Wimpern (die nur rechts in der Abbildung eingetragen sind), ferner der Körner; fünf Tricho- cysten in Aufsicht. Optik wie in Fig. 16. Vergr. 1500 :1. Fig. 18. Querschnitt der Rindenschicht; eine Wimper im Zusammenhang mit dem Basalstäbchen (vgl. im übrigen Fig. 16). Optik wie in Fig. 16. Vergr. 1500 :1. Tafel III. Alle Abbildungen sind unter Benutzung des Abbeschen Zeichenapparates (Abstand der Zeichenfläche von der Austrittspupille des Mikroskops 250 mm) nach Totalpräparaten hergestellt, die mit Sublimat fixiert und mit Delafields Hämatoxylin gefärbt wurden. Optik in Fig. 26 Zeiss’ 3* [2] 36 W.J. Schmidt: Über Bau und Lebenserscheinungen ete. Apochromat 2 mm N. A. 1.30 und Komp.-Okular 8, Vergr. 1000 :1, in allen übrigen Abbildungen Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.-Okular 6, Vergr. 9 :1. Fig. 19. Kernim Ruhezustand, netzartige Anordnung der Zoochlorellen. Vergr. 94 :1. Fig. 20. Kern im Ruhezustand, darunter Nahrungseinschluss, gruppenweise Verteilung der Algen. Vergr. 94:1. Zweiteilung: Fig. 21—25. Fig. 21. Beginn der Zweiteilung: Grosskern gestreckt. Vergr. 94:1. Fig. 22. Folgendes Stadium: Grosskern stäbchenförmig. Vergr. 94 :1. Fig. 23. Grosskern hantelförmig; Einschnürung des Zelleibes; zwei Nahrungs- einschlüsse. Vergr. 94 :1. Fig. 24. Grosskern in zwei Tochterkerne zerlegt; Zelleib stark eingeschnürt. Vergr. 94:1. Fig. 25. Zwei Individuen wenige Minuten nach ihrer Entstehung durch Zweiteilung eines Muttertieres. Vergr. 94:1. Fig. 26. Gruppe von Zoochlorellen. Chromatinbestandteile des Kernes stark gefärbt. Vergr. 1000 :1. Tafel IV. | Alle Abbildungen sind unter Benutzung des Abbeschen Zeichenapparates nach Totalpräparaten von Bursella hergestellt, die mit Sublimat fixiert waren; Optik Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.30 (nur in Fig. 30 N. A. 1.40) und Komp.-Okular 4; Abstand der Zeichenfläche von der Austrittspupille des Mikroskops 250 mm. Vergr. 500 :1. Fig. 27. Makronukleus mit einer ihm aufliegenden Gruppe von 12 Klein- kernen. Färbung Boraxkarmin. ‘ Vergr. 500 :1. Fig. 28. Eine Gruppe von 5 Kleinkernen von etwas verschiedener Grösse. Färbung Boraxkarmin. Vergr. 500 ::1. Fig. 29. Grosskern mit einer ihm anliegenden Gruppe von 8 Klein- kernen, die sich zur Teilung anschicken: Kernspindeln. Färbung Boraxkarmin. Vergr. 500: 1. Fig. 30. Gruppe von6Kleinkernen im Teilungszustand: Kernspindeln. Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr. 500 :1. Fig. 31. Grosskern und umgebendes Plasma von einem im Beginn der Zweiteilung stehenden Tier. Grosskern biskuitförmig ge- streckt, nahe seinen Enden je eine Gruppe vonMikronuklei, deren eine 3, deren andere 5 Kleinkerne umfasst. Färbung Delafields Hämatoxylin. Verg 500:1. Fig. 32. Grosskern und umgebendes Plasma von einem in Zweiteilung be- findlichen Tier. Grosskern hantelförmig gestreckt; nahe seinen Enden je eine Gruppe von Kleinkernen zu 5 bezw. 6 Stück. Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr. 500 :1. Fig. 33. Kernverhältnisse eines zweikernigen Individuums. Die beiden Makronuklei von etwas verschiedener Grösse liegen nahe bei- einander; zwischen ihnen eine Gruppe von 17 Kleinkernen. Färbung Boraxkarmin. Vergr. 500 :1. 37 Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Universität in Innsbruck, Vorstand Hofrat Prof. Dr. G. Pommer. Zur Kenntnis des Situs inversus und der mit dem- selben häufig verbundenen Anomalien im Bereiche der grossen Abdominalvenen. Von Dr. Felix v. Werdt Privatdozent für pathologische Anatomie und I. Assistent am pathologisch- anatomischen Institut in Innsbruck. Bei den in neuerer Zeit mitgeteilten Fällen von Situs viscerum inversus findet man fast durchwegs eine Anomalie im Venensystem erwähnt, welche darin besteht, dass die Vena cava inferior fehlt und durch die linke, in einzelnen Fällen auch die rechte Vena cardinalis ersetzt ist. Die Häufigkeit dieser Anomalie beim Situs inversus legt den Gedanken nahe, sie in ursächliche Beziehung mit demselben zu bringen. Es fragt sich hierbei nur, ob uns die Venenanomalie die seitliche Verlagerung der Eingeweide erklären kann oder ob im Gegenteil der Situs viscerum inversus die Störung in der Entwicklung des Venensystems bedingt. Risel lässt in seiner Zusammenstellung der „Literatur des partiellen Situs inversus der Bauchorgane“ diese Frage offen und auch die Fälle von Schelenz aus dem Jahre 1909 und 1910 sowie meine Mitteilung aus dem Jahre 1910 vermochten in die Sache kein Licht zu bringen. Indessen veranlassten mich zwei weitere einschlägige Be- obachtungen, welche ebenfalls beide die oben beschriebene Ab- weichung in der Anlage des Venensystems zeigten, mich neuerdings mit dem Gegenstand zu befassen. Ich lasse zunächst die Beschreibung der von mir in den letzten Jahren beobachteten zwei Fälle folgen. Fall I. Leicheneröffnungsbefund Nr. 695/436 vom 28. Juli 1916. Infant. Brunner, Jakob, Lir. 3/4 Comp., geb. 1882 Ulrichsschlag Zwettl; gest. 28. Juli 1916, VI. Abt. Garnisonsp. Nr. 1. Klin. Diagnose: Peritonitis post Dysenteriam? Innere Incarceration. 38 Felix v. Werdt: Grosse männliche Leiche. Abdomen stark aufgetrieben. Därme mit Luft gefüllt, im freien Abdomen Gas und trübe Flüssigkeit; die einzelnen Darmschlingen untereinander verklebt. Zwerchfell bds. 5. Rippe. Der ganze Dickdarm dunkel schwarzrot verfärbt mit zahlreichen Blutungen; auch.an den unteren Ileumschlingen zahlreiche Serosablutungen. Die Flexura sig- moidea rechts gelegen, in der rechten Fossa iliaca adhaerent; das Colon transversum zieht quer über das Promontorium und ist hier angewachsen; das Netz ist aufgerollt, aber frei. Ungefähr in der Mitte ist das Trans- versum wieder nach rechts hinüber gebogen, wodurch die Flexura hepatica in die normale Gallenblasengegend zu liegen kommt. Das Colon ascendens zieht quer in Nabelhöhe durch die Bauchhöhle nach links, biegt aber hierauf wieder nach unten und rechts hinüber, so dass das Coecum an seiner normalen Stelle liegt und die Flexura sigmoidea deckt. Die Dünndarmschlingen sind zum grössten Teil oberhalb des Diekdarms gelegen, nur die untersten Ileum- schlingen liegen im kleinen Becken. Am Umbiegungswinkel des Transversums ist der Dickdarm am gemeinsamen freien Dick- und Dünndarmmesenterium um 180° gedreht und abgeschnürt; die regionären Lymphdrüsen des Dick- darms sind zum Teil markig geschwellt, injiziert. Dünndarmserosa injiziert, mit einem feinen Fibrinbelag; der ganze Darminhalt ist dünnflüssig. Die Leber liegt mit dem grösseren Lappen im linken, mit dem kleineren im rechten Hypochondrium. Auch der Magen erscheint verkehrt mit der Cardia rechts, dem Pylorus links; das Duodenum zieht mit der oberen Pars horizontalis von rechts nach links, mit der unteren von links nach rechts, auch das Pankreas hat den Kopf links; die Gallenblase liegt im linken Hypochondrium am grösseren Leberlappen, die Milz im rechten und ist ver- doppelt. Ihr oberer, vollständig selbständiger Anteil ist frei, scheibenförmig, der untere mit der konvexen Seite nach rückwärts gewendet, am Peritoneum adhaerent; der Hilus ist nach vorn gekehrt. Die Gefässe treten an den- selben von unten links heran. Das Pankreas ist sehr kurz. eine Cauda ist nicht ausgebildet, das Corpusende liegt an der rechten Seite der Wirbelsäule. Das ganze Colon transversum, Colon asc. und Coecum ist am Mesenterium frei beweglich. Die Mesenterialgefässe sind ohne Veränderung. Eine der Vena cava inferior scheinbar entsprechende grosse Vene liegt links neben der Aorta. Die Ureteren sind in normaler Lage. Die linke Arteria iliaca zieht quer über die rechte Vena iliaca hinweg. Die links gelegene Lunge ist dreilappig, die rechts gelegene zweilappig. Die Pleurahöhlen sind leer. Im Herzbeutel befindet sich wenig klare Flüssigkeit. Das Herz ist ent- sprechend gross, die Spitze nach rechts gewendet, die Ventrikel sind ver- tauscht, ebenso die Vorhöfe. An der Eintrittsstelle der Cava inferior in dem links gelegenen Vorhof findet sich nur eine Vena hepatica; die Vena cava inferior fehlt. Die zuerst als Vena cava inferior angesprochene Vene zieht nämlich hinter der Leber links von der Wirbelsäule nach oben, ohne die Vena hepatica aufzunehmen und setzt sich direkt in die links gelegene Vena azygos fort; die Vena hemiazygos mündet von rechts her in die azygos ein; oberhalb münden noch zwei grössere Venen in getrennten Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 39 Stämmen ein, welche das Blut der oberen Intercostalvenen der azygos zu- führen; diese biegt sich um den linken Stammbronchus, erhält die linken Halsvenen, sowie die rechte Anonyma und mündet als Cava superior in den links gelegenen venösen Vorhof. Der links gelegene venöse Ventrikel ist normal gebildet. Die Art. pulm. zieht von links nach rechts oben, vor der Aorta vorbei und teilt sich an gewöhnlicher Stelle in ihre zwei Äste; der rechts gelegene arterielle Ventrikel ist erweitert. Mitral und Aortenklappen sind am Schliessungsrande verdickt; die Aorta steigt rechts hinter der Pulmonalis empor; der Bogen wendet sich direkt nach hinten. Die Aorta descendens verläuft rechts neben der Wirbelsäule nach abwärts; der Öso- phagus liegt links neben der Aorta; die Arteria anonyma zieht nach links, rechterseits entspringen Carotis und subelavia getrennt. Halsorgane o.B., nur in der Schilddrüse einzelne Adenome und Cysten. Lungen wenig luft- haltig, etwas oedematös, sonst 0. B. Nebennieren und Nieren 0. B. Nieren- beckenschleimhaut blass o. V. Die linke Art. und Vena renalis mündet tiefer als die rechte. Die Lungenvenen in normaler Zahl vorhanden, münden an entsprechender Stelle in den rechtsgelegenen Vorhof. Die Mesenterial- venen ergiessen sich in die völlig normal gebildete Vena portae. Die Leber ist entsprechend gross, nur ist der Lobus caudatus und quadratus unvoll- ständig entwickelt. Die Schnittfläche zeigt nichts Besonderes. Gallenblase 0. B. Die Milzen atrophisch; im Magen mässiger chronischer Katarrh Pankreas ziemlich groblappig. In den unteren Dünndarmschlingen zahlreiche Schleimhautblutungen und Nekrosen; im Coecum an der Mucosa ausgedehnte flache Dehnungsgeschwüre. Die Schleimhaut des Diekdarms mit Blutungen durchsetzt, ausgedehnt nekrotisch bis nahezu zur Flexura sigmoidea:: Follikel pigmentiert:; der unterste Teil der Flexura sigm. o. B. Diagnose: Achsendrehung des gemeinsamen Dick- und Dünndarm- mesenteriums mit Infarzierung des Ileums, des Coecums, Colon transversum und des grössten Teiles des Colon descendens; vollständiger Situs inversus. Aplasie der Cava inferior bei erhaltener Vena cardinalis sin. Verdoppelung der Milz. Wie wir sehen, liegt hier ein totaler Situs viscerum inversus oder, wie sich Küchenmeister ausdrückt, ein Situs rarior solito inversus vor, der ein völliges Spiegelbild des normalen Situs bietet. Die Leber, die Milz, die Magen-Darmschleife sind völlig transponiert, ebenso deutet der tiefere Abgang der linken Nierenarterie auf eine Transposition der Nieren hin. In der Brusthöhle sind die Organe gleichfalls seitlich verlagert. Die linke Pleurahöhle birgt eine dreilappige, die rechte eine zwei- lappige Lunge, die Herzspitze ist nach rechts gewendet, die Aorta verläuft rechts von der Wirbelsäule, der Ösophagus links von Ihr. Was uns jedoch hauptsächlich interessiert, sind die Verhält- nisse im Bereiche der grossen Venen der Brust- und Bauchhöhle. 40 Felix v. Werdt: Wie die genauere Untersuchung ergab, steigt in der Bauch- höhle links von der Aorta eine grosse Vene, die ihr Blut aus den beiden Venae iliacae empfängt, zum Zwerchfell empor und tritt, ohne mit den Lebervenen in Verbindung zu treten, durchs Zwerchfell, verläuft in der Brusthöhle wie eine transponierte Vena azygos, umschlingt von oben her den linken Stammbronchus und mündet als gemeinsamer Stamm mit der linken oberen Hohlvene in den venösen links gelegenen Vorhof. Die Leber- venen münden als kurzer Stamm von unten her in denselben Vorhof. Hier kann kein Zweifel obwalten, dass wir die eingangs erwähnte Hemmungsbildung am Venensystem vor uns haben, dass nämlich die Vena cava inferior nicht zur Entwicklung gelangt ist, sondern die persistierende linke Vena cardinalis posterior ihre Stelle vertritt. Der II. Fall wurde von mir im Januar 1917 im hiesigen pathologisch-anatomischen Institut seziert. Fall II. Es handelte sich um einen neugeborenen Knaben, das fünfte Kind einer 35jährigen Frau. Die Geburt erfolgte spontan in Kopflage. Das Kind kam hochgradig cyanotisch zur Welt und starb nach 42 Stunden. Die am 4. Januar 1917, nachmittags 4 Uhr, vorgenommene Sektion ergab gleich bei Eröffnung des Abdomens das Vorliegen eines vollständigen Situs inversus der Bauchorgane. Die ziemlich grosse Leber erfüllt zwar fast die ganze Breite des Abdomens, liegt aber mit ihrem etwas grösseren Lappen, an dessen Unterseite sich die Gallenblase findet, im linken Hypochondrium, also verkehrt. Der Lobus quadratus sowie der Lobus candatus hängen mit dem grösseren linken Lappen zusammen und sind durch eine seichte Furche vom rechten Lappen getrennt. Der Sinus’ venosus Arantii verläuft, völlig von Leberparenchym um- geben, rechts von der Gallenblase. Die Vena umbilicalis mündet in den rechten Ast der Vena portae. Der Magen, ziemlich vertikal gestellt, wendet den Fundus und die grosse Curvatur nach rechts, den Pylorus und die kleine Curvatur.nach links. Das grosse Netz hängt frei über die Dünndärme herab, ohne sich mit dem Querkolon zu verbinden, so dass also das Ligamentum , gastrocolicum fehlt. Hinter dem Magen liegt mit der konvexen Seite nach rechts, den Hilus nach links gewendet, die Milz, die durch eine Längsfurche in zwei ungleiche Lappen geteilt wird. Neben dem Hilus sowie auf der Höhe der Konvexität der rechten Niere findet sich je eine stecknadelkopfgrosse Nebenmilz. Das Duodeum zieht erst horizontal über die Wirbelsäule quer nach links, dann senkrecht nach abwärts und biegt in einem kurzen, unteren, horizontalen Schenkel wieder nach rechts zurück. Der Übergang ins Jejunum erfolgt in einem ziemlich spitzen Winkel. Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 41 Das ganze Dünndarmkonvulut liegt in der rechten Seite des Abdomens, das Coecum in der Mitte und nimmt von rechts her das Ileum auf. Der Appendix liegt etwas emporgeschlagen links neben dem Coecum. Das Colon ascendens steigt in der Mitte gerade empor, geht dann in ein kurzes, nach links verlaufendes horizontales Stück über, das aber schon bald wieder eine Schlinge zur Mitte zurückmacht, um erst dann wieder nach links um- zubiegen. Unter dem linken Leberlappen geht der Dickdarm in ein quer über die bisher beschriebenen Dickdarmschlingen zur rechten Fossa iliaca verlaufendes Colon descendens über, welches von rechts her ins kleine Becken hinabsteigt. Das Pankreas liegt mit dem Kopf nach links, dem Schwanz nach rechts gewendet hinter dem Magen. Der Bauchsitus bietet also das vollständige Bild der Heterotaxie. Anders der Brustsitus. Hier fällt sofort ins Auge, dass die Herzspitze wie in der Norm nach links gewendet ist. Die äussere Form des Herzens bietet nichts Abnormes. Auch die Arteria pulmonalis zieht, aus dem rechten Ventrikel kommend, quer nach links oben zum Hilus der Lungen. Diese sind beide zweilappig. Die Thymusdrüse ist gut entwickelt mit einem etwas längeren, rechten und einem breiteren, aber kürzeren, linken Lappen. Hier scheint also auf den ersten Blick Situs solitus vorzuliegen. Allein die genauere Untersuchung ergibt, dass dem nicht so ist. Gleich nach Eröffnung des Herzens zeigen sich sehr bedeutende Hemmungsmissbildungen.) So ist vom Septum ventriculorum nur eine niedere, sichelförmige Falte vorhanden, so dass streng genommen nur ein Ventrikel vorliegt. In der linken Hälfte findet sich eine ziemlich normal gebildete Mitralklappe, deren mediale Kommissur aber fehlt. In der rechten Hälfte ist ebenfalls nur eine zweizipfelige Klappe vorhanden; es ist dies das vordere und hintere laterale Segel der Tricuspidalis, während das mediale fehlt. Der Truneus art. pulm. sowie diese selbst zeigen, wie schon erwähnt, normale Lage. Die Aorta entspringt unmittelbar hinter der Art. pulm., so dass man sowohl aus der linken wie aus der rechten Hälfte des Ventrikels in sie gelangt. Die Aorta ascendens liegt etwas rechts von der Mitte, biegt im Arcus direkt nach hinten, um dann rechts neben der Wirbelsäule und rechts vom Ösophagus zum Zwerchfell hinabzusteigen. Auch die Durchtrittsstelle durchs Zwerchfell liegt rechts, hinter dem Ösophagus. Im Abdomen behält die Aorta ebenfalls die Lage rechts von der Wirbelsäule bei. Die grossen Äste der Aorta entspringen in folgender Reihenfolge. Zuerst der sehr kurze Truncus anonymus, der sich links wendet und sich in die Carotis sinistra und subclavia sin. teilt, dann die Carotis communis dextra und die Art. subclavia dextra, die den Truncus thyreocervicalis abgibt. Sehr interessant gestalten sich die Venenverhältnisse. Die Vena cava inferior fehlt vollständig. An ihrer Stelle zieht links neben der Wirbelsäule eine grosse Vene, die sich aus den V. iliacae communes zusammensetzt nach oben, tritt neben der Aorta links hinten durchs Zwerchfell und verläuft auch in der Brust- höhle links neben der Aorta wie eine linke Vena azygos, weicht aber dann 42 Felix v. Werdt: stärker nach links ab. umzieht im Bogen den linken Stammbronchus und tritt nun von oben als linke obere Hohlvene in den links gelegenen Vorhof neben dem Herzohr ein. Rechterseits verläuft parallel aber ohne Verbindung mit den V. iliacae' ein zartes Gefässchen, das etwa in der Mitte des Thorax mit der grossen linken Vene kommuniziert. In die letztere münden die beiden Venae renales und zwar die rechte etwas oberhalb der linken, nachdem sie die Vena sperm. interna aufgenommen. Die rechte Vena spermatica mündet ebenfalls in die Vena renalis. Die Vena meseraica sup. verläuft vor dem unteren und hinter dem oberen horizontalen Duodenalschenkel zur Leberpforte und teilt sich hier in zwei Äste, deren rechter mit dem Ductus venosus Arantii kommuniziert und auch die Vena umbilicalis aufnimmt. In der Brusthöhle gestalten sich die Verhältnisse folgendermassen: Die linke obere Hohlvene, die aus der oben beschriebenen grossen Körpervene hervorgeht, nimmt die linke subelavia und jugularis interna auf und empfängt von rechts her eine Vena anonyma. Die Lungenvenen münden sämtlich in den rechts gelegenen Vorhof und zwar kommen aus der linken Lunge zwei grosse Venen, die getrennt ein- münden, von der rechten Lunge vereinigen sich mehrere kleine Venen zu einem grossen Stamm, der von rechts her neben dem Herzrohr in den rechts gelegenen Vorhof mündet. Der linke Ast der Art. pulm. teilt sich in zwei Äste, von denen der eine sich am Hilus des Oberlappens wieder in zwei Äste teilt, die beide in den Oberlappen eindringen, während der Ast für den Unterlappen sich um den linken Stammbronchus nach hinten schlingt und dann aussen neben dem Unterlappenbronchus zum Unterlappen verläuft. Der rechte Ast der Art. pulm. verläuft ungeteilt bis zum Hilus und zerfällt hier in zwei Äste, einen für den Ober- und einen für den Unter- lappen, von denen letzterer gleich nach der Teilung noch einen kleinen Ast zum Oberlappen schickt. Der rechte Bronchus liegt hinter der Arterie. Die Venae hepaticae münden gemeinsam als kurzer Stamm unten hinten in den links gelegenen Vorhof ein. Die Vorhöfe, die, wie wir sehen, funktionell vertauscht sind, sind nur durch ein bandförmiges Septum unvoll- kommen getrennt. Oberhalb desselben klafft eine dem Foramen ovale ent- sprechende Lücke, nach unten hat das Septum keinen Anschluss an die Endothelkissen gefunden. Auffallend ist, dass die äussere Form der Vorhöfe normal ist, so dass bei flüchtiger Betrachtung das ganze Herz Situs solitus vortäuscht. Wir haben also einen Fall vor uns, bei dem die Bauch- organe völligen Situs inversus zeigen, die Vorhöfe sowie die (refässe der Brust ebenfalls im Sinne des Situs inversus angelegt sind und nur die Ventrikelschleife die verkehrte Drehung nicht mitgemacht hat. Wir müssen daher den Fall wohl zum Situs inversus partialis rechnen, doch scheint mir auch hier, ähnlich wie in einem schon Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 43 früher von mir veröffentlichten Fall, die Gesamtanlage im Sinne des Situs inversus totalis erfolgt zu sein und nur eine Rück- drehung der Ventrikelschleife stattgehabt zu haben. Die Ausbildung der grossen Körpervenen ist, wie wir sehen, in diesem Falle vollständig gleich wie im ersten. Der Verlauf der grossen Abdominalvene in der Bauchhöhle mit ihrer Fortsetzung in der Brusthöhle als Vena .azygos beweist wieder das Persistieren der hinteren linken Kardinalvene, während die Cava inferior nicht vorhanden ist. Nebst den Fällen von Schelenz und meinem schon früher mitgeteilten Fall liegen also bereits fünf Fälle von Situs inversus vor. welche alle dieselbe Anomalie am Venensystem zeigen. Durchmustern wir jedoch die in der Literatur niedergelegten Fälle, soweit sie in den mir zur Verfügung stehenden Zusammen- stellungen von Küchenmeister und von Risel enthalten sind, so finden wir noch eine ganze Reihe einschlägiger Befunde. In den 149 von Küchenmeister aus der Literatur vom Jahre 1643—1883 gesammelten Fällen sind besonders unter den älteren zahlreiche mangelhaft beschrieben oder nur klinisch beobachtet, so dass sie für.:unsere Frage nicht verwertbar sind. Immerhin fand ich jedoch in einer grösseren Zahl Angaben über das Venensystem. In dem ältesten zitierten Fall von Marcellus Leccius, gewöhnlich unter dem Namen Peter Servius in Rom angeführt, aus dem Jahre 1643, findet sich nur die Angabe, dass die Vena azygos in ihrer Lage verändert war. Leber links, Milz rechts, Herzventrikel nach rechts gerichtet. Im Jahre 1650 sezierte A. Bertrand einen Hingerichteten zu Paris. Riolan, der den Fall genau beschrieb, erwähnt, dass die Vena umbili- ealis links sich wandte, die Vena cava ascendens und descendens links ins Herz mündeten, ferner sah er auch die Vena azygos links von der Wirbelsäule. Sampson (1674) erwähnt nur die Vena cava links, ebenso Caron (1680) und Morgani (bei Römer 17%). Im Falle May-Morand (1688) fand sich die Vena cava inferior links, die Vena azygos rechts. Eine nicht ganz klare Darstellung gibt Aubertin (1776. Er schreibt: Die Vena cava stieg,an der linken Seite der Wirbel hinauf und öffnete sich in das hier links gelegene rechte Herzrohr, und weiter unten: Den Ductus thoraecicus begleitete die Vena cava, die links lag (zitiert nach Küchenmeister). Diese Schilderung scheint mir auch ein Fehlen der Vena azygos und ihre Vertretung durch die angebliche Vena cava inferior anzudeuten, in welchem Falle diese als Vena cardinalis sinistra anzusprechen wäre. 44 Felix v. Werdt: Den ersten sicheren Fall von Erhaltensein der Vena cardinalis, jedoch der rechten, finde ich von Abernethy (1793) beschrieben (zitiert nach Küchenmeister). Dieser gibt an, dass in einem Falle von Dextro cardie bei einem 10 Monate alten Kind die Vena cava inferior rechts durchs Zwerchfell ging und dann an Stelle der fehlenden Vena azygos durch den Thorax verlief. Ihre Einmündung in das Herz erfolgte gemeinsam mit der Vena cava superior in den links gelegenen Vorhof (transponierter rechter Vorhof). Nach dieser Schilderung kann wohl kein Zweifel sein, dass hier die cava inferior durch die rechte hintere Kardinalvene ersetzt war. Tatsächlich mündeten die Lebervenen als eigener Stamm in dasselbe Herzohr. Inter- essant ist die Angabe, dass die Vena portae sich in die Vena cava inferior ergoss. Da kaum anzunehmen ist, dass der ganze Pfortaderkreislauf aus- geschaltet war, dürfte es sich wohl hier um eine Kommunikation zwischen Vena meseraica und Vena cardinalis dextra handeln. Die Vena umbilicalis mündete in die Vena hepatica, scheint also keine Kommunikation mit dem kranialen Ring der Vena omphalo-meseraica eingegangen zu sein. Es würde in diesem Falle das Blut aus der Placenta die Leber völlig umgangen haben (des leichteren Verständnisses halber vergleiche man das Entwicklungsschema nach Hochstetter im Hertwigschen Handbuche, Bd. 3, II. Teil, S. 141). 1811 sezierte Jacob in Neapel einen ca. 36jährigen Soldaten mit totalem Situs inversus. Nur der Ductus thor. lag rechts. Die beiden Venae cavae (sup. und inf.) fanden sich links, ebenso das lig. teres, der obliterierte Ductus venosus Aranzi. In Emmerts Fall 1816 ist nur die Linkslage der Vena cava sup. und inf. sowie der Vena azygos angegeben, ebenso erwähnen Ullersperger (1822) und Bertin Dubled (1824) die Vena cava und azygos links. Bei Weisflog (1825) sind nur die beiden Venae cavae als links gelegen an- geführt. Über die Vena azygos sind keine Angaben gemacht. Auch Bosc (1829) gibt keine Auskunft über dieselbe. Im gleichen Jahre publizierte Bujalski einen Fall von totalem Situs inversus bei einem russischen Unteroffizier. Hier handelte es sich wieder zweifelsohne um eine erhaltene Vena cardinalis sinistra, da Bujalski angibt, dass die Vena cava inferior durch das Foramen aorticum verlief und in der Brusthöhle die Stelle der links gelagerten Vena azygos einnahm. Sie mündete wahrscheinlich in die Vena cava superior. Auch der Befund im Falle Herboldts (1830) lässt kaum eine andere Deutung zu. Derselbe beschreibt bei einem männlichen Kind, das eine halbe Stunde gelebt hatte, neben äusseren Missbildungen (Atresie der Harnröhre, hochgradige Klump- füsse) schwere Missbildungen am Herzen und einen totalen Situs inversus. Von den grossen Venen sagt er: Zum Atrium venarum cavarum (das links lag) führte nur ein Hauptstamm der Hohlvenen, gebildet von der cava superior und inferior. Ein abnormer, offenbar den Stamm der Lebervenen, der Pfortader und der Nabelvene bildender sehr grosser Truncus hepaticus tritt unten von der Leber her in das Atrium venarum cavarum. Die normal rechts gelegene Vena cava superior liegt links. Die Vena cava inferior Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 45 steigt wie normal durch den Bauch in die Höhe ..... geht aber nicht an der linken Seite nach der Leber hin, sondern durch den hintersten Teil des Diaphragma .... steigt dann durch das Mediastinum posticum empor, nimmt die Venae intercostales von der rechten Seite der Brusthöhle auf, bildet im Niveau des obersten Brustwirbelbeines einen Bogen nach links, schlingt sich von hinten über den linken Bronchus, vereinigt sich dann mit der Vena cava superior, um in einem gemeinschaftlichen Stamme nach dem Vorhof zu verlaufen. Ausserdem beschreibt Herboldt eine von der linken Vena renalis abgehende Vena hemiazygos, die sich in der Brusthöhle mit der cava inferior vereinigt. In mehreren (9) weiteren Fällen ist lediglich die Linkslagerung der Vena cava inferior angegeben. Interessant ist ein 1834 von Valleix beschriebener Fall. Bei einem neugeborenen Knaben Situs inversus. Es bestanden ausserdem schwere Hemmungsmissbildungen am Herzen. Ausserdem fanden sich zwei obere Hohlvenen, während die Vena cava inferior rechts lief, aber vor dem Zwerchfelldurchtritt die Seite wechselte. Den gleichen Verlauf zeigt die Vena cava inferior in einem von Hirtl beschriebenen Fall (1839). M. Whinnie beobachtete in seinem Falle von Situs inversus (1840) bei einer 25jährigen Frau einen abnormen Verlauf der Vena cava inferior. Dieselbe verlief nämlich nach dem Durchtritt durch das Zwerchfell wie die Vena azygos, aber links, und vereinigte sich mit der Vena cava superior. Hier liegt also zweifelsohne wieder eine erhalten gebliebene Vena cardinalis sin. vor. Gery (1843) beschreibt bei totalem Situs inversus Linkslagerung der Cava superior, inferior und azygos, ebenso Luys (1855). Günsberg (1848) erwähnt nur die Venae cavae linksgelagert. Einen sehr genau beschriebenen Fall verdanken wir Virchow (1861). In diesem fand sich eine linke obere Hohlvene, in welche eine Vena azygos einmündete, die steil von hinten her hervorstieg und sich rückwärts in ein starkes Gefäss verfolgen liess, das links von der Aorta lag und nach untenzu direkt in das Abdominalstück der Vena cava inferior überging. Eine Ver- bindung dieses Abdominalstückes mit dem oberen Teile der Vena cava inferior, die in den (linken) Vorhof einmündete, war nicht zu finden. Am Herzen bestanden weitgehende Hemmungsmissbildungen. Diese Schilderung lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier ganz analog unseren eigenen und den Fällen von Schelenz eine Vena cardinalis sin. an Stelle der Vena cava inferior vorhanden war. Der in den Vorhof links unten mündende Stamm war nichts anderes als die vereinigten Venae hepaticae revehentes. Gruber-Illinski (1864) erwähnen eine linke cava superior und inferior, sowie eine linke Vena azygos, die in die cava superior mündet. Scharlan (1866) sah eine rechtsläufige Vena cava inferior, die aber vor ihrer Einmündung die Wirbelsäule überquerte und ihr Blut in den linken Vorhof ergoss. Auffallend ist dabei, dass sie hinter der Aorta verlief. Dies würde dafür sprechen, dass auch hier eine rechte Vena cardinalis vorlag, allerdings mit einer Anastomose zur linken Vena cardinalis, so dass an dieser vermeintlichen Vena cava beide Venae cardinales beteiligt wären. 46 Felix v. Werdt: Buhl-Buryl (1869) erwähnt nur das Einmünden der beiden Hohlvenen in den linken Vorhof, ebenso Hickmann in seinen beiden Fällen (1870) und Schrötter (1870). Burgess (1870) gibt ebenfalls nur an, dass die Vena cava links von der Wirbelsäule lag, auch bei Rokitansky-Müller (1876) ist nur der Verlauf der cava inferior an der linken Seite, sowie die Einmündung beider Hohlvenen in den linken Vorhof erwähnt. Küchenmeisters eigene Fälle sind nur klinisch beobachtet. Wir finden also unter 149 bei Küchenmeister zu- sammengestellten Fällen nur in 40 Fällen Angaben über das Verhalten der grossen Körpervenen. Aber auch von diesen sind viele so wenig genau beschrieben, dass durchaus nicht mit Sicherheit zu erkennen ist, ob abgesehen,von ihrer Linkslagerung ein abnormer Verlauf der Vena cava inferior vorlag. Unter den genauer beschriebenen Fällen sind sieben, bei denen mit Sicher- heit das Bestehen einer Vena cardinalis an-Stelle,der Vena cava inferior nachzuweisen ist und zwar sechsmal der Vena cardinalis sin. und einmal der Vena cardinalis dextra. Wenden wir uns nun zum partiellen Situs inversus, So finden wir bei Risel (1909) nur 49 Fälle angeführt. Risel teilt das ganze Material in sieben Gruppen ein mit fünf Unter- gruppen. In der Gruppe I: Transponierter Entwicklungstypus der Leber allein (Nr. 1-3), finden sich keine Venenanomalien. In der Untergruppe Ia: NichttransponierterEntwicklungs- typus der Leber bei sonst vollständiger Transposition der Brust und Bauchorgane zum Teil mit Hemmungsbildungen am Herzen (Nr. 4-7), eine Gruppe, die also eine deutliche Anlage im Sinne des Situs viscerum inversus totalis zeigt. sehen wir in 3 Fällen die Vena cava inferior durch die Vena cardinalis sin. ersetzt (darunter befindet sich auch der schon von Küchenmeister aufgezählte FallM. Whinnies. Die Gruppe II umfasst Fälle von „angeblich reiner Trans- position der Magenschleife allein“ (Nr. 8-11). Nur der letzte Fall enthält Angaben über die Venenverhältnisse und zwar waren beide Venae cardinales posteriores vorhanden, während die cava inferior fehlte. In der Untergruppe Ila: Retransposition der Magenschleife allein bei Situs transversus des Gesamtorganismus usw. (Nr. 12, 13), sind nur der schon bei Küchenmeister erwähnte Fall Bujalski und der ebenfalls schon angeführte Fall I von Schelenz ent- halten. In beiden Fällen war die Vena cardinalis sinistra persistiert, die Vena cava inferior fehlte. Gruppe II. Transposition der Magenschleife. Ver- schiebung der Leber ohne Transposition usw. (Nr. 14—22). In nicht weniger als 5 Fällen dieser Gruppe (und zwar im Fall 14, 17, 19. Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 47 20, 22) ist das Fehlen der Vena cava inferior und ihr Ersatz durch die persistierende rechte Vena cardinalis posterior erwähnt. Untergruppe Ila: Retransposition der Magenschleife bei Anlage des Gesamtorganismus im Sinne des Situs trans- versus (Nr. 23—24). In beiden unter diese Gruppe fallenden Beobachtungen finden wir die Vena cardinalis sin. an Stelle der cava inferior. Gruppe IV: Transposition der Magenschleife und der Leber usw. (Nr. 25—29). Nur im Falle 29 fehlt die Vena cava inferior und ist durch die rechte Vena cardinalis posterior ersetzt. Gruppe V: Transposition der Magen- und Nabelschleife usw. Seitliche Verschiebung der Leber ohne Transposition (Nr. 30—32). In dieser Gruppe ist kein einschlägiger Fall, nur in Fall 30 setzt sich die Vena cava inferior aus dem proximalen Cavaanteile und dem distalen Teile der Vena cärdinalis sin. zusammen. Gruppe VI: Angeblich vollständige Transposition der Bauchorgane allein (Nr. 33—35). Alle drei Fälle sind nur unvoll- ständig beschrieben und enthalten keine Angaben über das Venensystem. Gruppe VII: Reine Transposition der Nabelschleife bei Situs solitus (Nr. 36—38), enthält keinen einschlägigen Befund. Untergruppe Vlla: Retransposition der Nabelschleife bei Situsinversus usw. (Nr. 39—45). In den beiden sorgfältig untersuchten Fällen 40 und 45 ist die fehlende cava inferior durch die Vena cardinalis sin. ersetzt. Im Falle 40 ist ausserdem noch eine Vena cardinalis posterior dextra erhalten, die sich in eine Lungenvene öffnet. Die anderen Fälle sind nur unvollständig beschrieben. Untergruppe VIIb: Unvollständige Drehung der Nabel- schleife bei Situs transversus usw. (Nr. 46—49). Diese Gruppe enthält den schon erwähnten Fall von Valleix, der zwei obere Hohlvenen aufwies, den ebenfalls schon zitierten Fall Virchows, bei dem die fehlende cava inferior durch eine Vena cardinalis posterior sin. ersetzt war, ferner den Fall Hickmann 2, der keine näheren Angaben über das Verhalten der Hohlvenen enthält. Der letzte Fall dieser Gruppe, von Rokitansky beschrieben, zeigte wieder den Ersatz der Vena cava inferior durch die linke hintere Kardinalvene. Wir sehen aus dieser Zusammenstellung, dass in nicht weniger als 18 Fällen von 40, also in nahezu 50°/o bei partiellem Situs inversus, besonders in den Gruppen, die als im Sinne eines totalen Situs inversus angelegt aufzufassen sind, Anomalien im Bereiche der Cava inferior vorkommen, und zwar ist fast stets die fehlende Cava inferior durch die Vena cardinalis sin. posterior ersetzt, nur in 6 Fällen durch die rechte hintere Kardinalvene, wobei 5 dieser Fälle in dieselbe Gruppe (III) gehören. Diese so auffallend häufig bei Situs inversus vorkommenden Entwicklungsstörungen am Venensystem mussten um so mehr die 4 n Felix v. Werdt: Aufmerksamkeit der Autoren auf sich lenken, als sie bei Situs solitus kaum jemals beobachtet wurden. Ich konnte eine einzige Angabe bei Risel finden, dass bei Situs solitus überhaupt eine Persistenz einer Vena cardinalis vorkommt. Ausser ‘dieser Anomalie im ‚Venensystem sind in mehreren Fällen noch andere Venenanomalien erwähnt, wie doppelte obere Hohlvenen, ferner abnormer Verlauf der Vena cava, deren proxi- maler Teil z. B. links von der Wirbelsäule herabsteigt, aber die Kommunikation mit dem distalen Teil der Vena cardinalis dextra eingegangen ist oder umgekehrt. Beachtenswert sind auch die in vielen Fällen erwähnten schweren Missbildungen am Herzen. Ehe wir zu der eingangsaufgeworfenen Frage, der Beziehung des Situs inversus zu den Anomalien im Venensystem Stellung nehmen, wollen wir einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Gefäss- systems der Säugetiere zu gewinnen suchen und folgen hierbei den Ausführungen von Hochstetter, Rückert, Strahl, Mollier, in Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bei der Anlage des Gefäßsystems müssen wir zwischen einer intra- und extraembryonalen Gefässentwicklung unterscheiden. Was die erstere anlangt, so hat sich wohl heute die Ansicht P.Mayerund Rückertsallgemein Geltung verschafft. P.Mayer und Rückert konnten an Selachierembryonen feststellen, dass die intraembryonalen Gefässe entgegen den früher herrschenden Ansichten weder durch Einwachsen aus den extraembryonalen Gefässen noch durch Aussprossen aus dem Herzen entstehen, sondern lokal aus den Zellen des Mesoblast und des Entoblast, welche sich zu Kolonien und Ketten ordnen, netzförmig vereinigen und Endothelschlingen bilden. Das zuerst angelegte Gefäss ist die Vena subintestinalis (bei Embryonen mit 18 Urwirbeln), erst später werden die Aorten sichtbar (bei Embryonen mit 23 Wirbeln). 8. Mollier untersuchte Reptilien- und Hühner- embryonen und konnte die lokale Entstehung der Embryonal- gefässe bestätigen. Er fand die ersten Gefässzellen zur Bildung der Äorten bei Embryonen mit 3—4 Urwirbeln, die ersten Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 49 Gefässzellen zur Bildung der Kardinalvene bei Embryonen mit 5 Urwirbeln. Bei einem Embryo mit 9 Urwirbeln konnte er stellenweise schon die Lichtung der Aorten nachweisen. Dabei stellt die Lichtung ursprünglich ein Maschenwerk dar, und erst durch stetige Eröffnung der einzelnen Maschenräume kommt es zur einheitlichen bleibenden Gefässlichtung. Die extraembryonalen Gefässe entstehen in der sogenannten Area vasculosa auf dem Dottersack. Nach Rückert bildet sich bei den Säugetieren auf dem Dottersack der periphere Mesoblast durch Auswachsen aus der ventralen Blastoporuslippe des Primitivstreifens. In diesem peripheren Mesoblast, der die Keimscheibe resp. den Embryonalschild ringförmig umgibt, sieht man bei Kaninchen z. B. 7 Tage und 20 Stunden nach der Be- gattung Verdickungen, die sogenannten Blutinseln (van der Strieht). Aus diesen entwickeln sich einerseits die Blutzellen, andererseits die Gefässe der Area vasculosa. Diese (zefässe sind 1. der Randsinus, der bei den Säugern arteriell ist, im Gegensatze zu den Sauropsiden, die einen venösen Rand- sinus haben, 2. die paarigen Venae vitellinae, die bei einem Kaninchenembryo mit 13 Urwirbeln nach van Beneden und Julin im vorderen Abschnitte der Area vasculosa schon sichtbar sind, schliesslich die später in der Mehrzahl entstehenden Dotterarterien, welche zum Teil bis zum Randsinus vordringen und ihn so zu einem arteriellen (sefäss machen, von denen aber nur ein unpaarer nach hinten verlaufender Stamm als definitive Dotterarterie erhalten bleibt. Die Venae vitellinae lösen sich in ein Kapillarnetz auf und gewinnen keinen Anschluss an den Randsinus. Man vergleiche das Schema aus dem Handbuch von Hertwig, welches die Gestaltung der Area vasculosa bei einem Kaninchen- embryo von 11 Tagen (mehr als 30 Urwirbel) zeigt. Bd. 1, I. Teil, 2. Hälfte, S. 1256. Bei einzelnen Gruppen, z. B. den Uarnivoren, fehlt der Randsinus. Die Arteria vitellina tritt in Kommunikation mit der Aorta, die Venae vitellinae münden in den Sinus venosus des Herzens. Es entsteht nun eine Queranastomose zwischen den beiden Dottervenen kaudal von der dorsalen Pankreasanlage, dorsal vom Darm, weiter kaudalwärts eine solche ventral vom Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt.1. 4 50 Felix v. Werdt: Darm und schliesslich noch in der Leber selbst kranial vom Gallengang eine dritte Anastomose. Von den so entstandenen Venenringen verödet der rechte Schenkel des kaudalen und der linke des ventralen Abschnittes (ca. 12. Tag), so dass nur mehr eine spiralig von rechts nach links den Darm umschlingende Dottervene übrig bleibt. Gleich- zeitig zerfallen die Abschnitte der Dottervene in der Leber in ein Gefässnetz. Ausserdem hat sich die Vena mesenterica in der Pankreasgegend an die Dottervene angeschlossen, so dass jetzt die Vena omphalomesenterica, die spätere Vena portae, vorliegt. Noch während der Ausbildung der Venenringe bildet sich in der Leber eine Vene, die von der linken Dottervene vor ihrem Eintritt in die Leber abgeht und in die rechte Dottervene, dort wo diese die Leber verlässt, also knapp vor der Einmündung in den Sinus venosus einmündet, der Ductus venosus Arantii. Mit dem Schwinden des Dotters und der entsprechend vor- schreitenden Entwicklung der Allantois resp. der Placenta ver- liert die Dottervene ihre Bedeutung für die Ernährung des Embryos und die Venae umbilicales übernehmen diese Funktion. Die Wurzel für die beiden Venae umbilicales ist nach His (siehe Hans Strahl in Hertwigs Handbuch, Bd. 1, II. Teil, S. 263) in einem unpaaren im Bauchstiel gelegenen Venen- stamm gegeben, der schon sehr früh in dieser Form vorhanden ist. Die beiden Venen, von denen die rechte schwächer ist, laufen in der Bauchwand nach vorn und münden in den Sinus reuniens (venosus) des Herzens. Dieser Zusammenhang wird jedoch unterbrochen. Die rechte Umbilicalvene verliert. nachdem sie vorüber- gehend eine bedeutende Ausweitung erfahren hat (Hochstetter), schon früh den Zusammenhang mit dem Herzen und wird zu einer Bauchdeckenvene. Die linke Vena umbilicalis hingegen geht eine Anastomose mit dem kranialen Ring der Vena omphalo- meseraica ein (die Einmündung erfolgt dort, wo der Ductus venosus Arantii entspringt), dann geht auch ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Herzen verloren. Ihr Endstück wird zu einer Vena hepatica. Diese Vorgänge dürften in die zweite bis dritte Fötal- woche fallen, da bei einem 7 mm langen menschlichen Embryo die Vena omphalomeseraica schon unpaar ist. Indessen hat sich bereits die Auflösung der Vena omphalomeseraica in der Leber Zur Kenntnis des Situs inversus usw. Sy vollzogen. ihre Endstücke münden als Venae hepaticae erst in den Sinus reuniens, dann in den Ductus Arantii, der nach His erst etwas später gebildet wird. Die Vena portae weist jetzt einen schwachen rechten Ast (Vena hepatica advehens dextra) und einen starken linken Ast auf, der die direkte Kommunikation mit der Vena umbilicalis darstellt. Während sich diese Veränderungen im Gebiete der Nabel- gefässe vollzogen haben, ist natürlich das Herz in seiner Ent- wicklung schon weit vorgeschritten. Seine erste, paarige Anlage ist ja bei Säugern schon bei Embryonen mit 9 Urwirbeln deutlich zu sehen, bei Embryonen mit 12 Urwirbeln ist bereits die Verschmelzung zu einem un- paaren Herzschlauch vollzogen, während, wie wir gesehen haben, die Anlage der intraembrvonalen Gefässe etwas später beginnt. Die ersten Krümmungen des Herzschlauches finden sich beim Hühnchen schon an Embryonen mit 12 Urwirbeln. Zu dieser Zeit sind die Dottervenen schon gebildet, nicht aber die Umbilicalvenen. Bei Embryonen mit 16 Urwirbeln beginnen die Herzkontraktionen und schon mit 17 Urwirbeln erscheinen Blutkörperchen im Herzen, der Dotterkreislauf hat eingesetzt. Ich komme nun auf die Entwicklung der Venae cavae und Venae cardinales zu sprechen, an denen wir ja die grössten Anomalien beobachtet haben. Noch ehe die beschriebenen Ringbildungen an den Dotter- venen ausgebildet sind, kommen die beiden Venae cardinales posteriores, die das Blut aus der Urnierenanlage abführen, zur Entwicklung. Sie verlaufen bis zum Sinus reuniens, in den sie nach Aufnahme der Vena subelavia gemeinsam mit den Venae cardinales anteriores, als Ductus cuvieri, münden. Etwas später, beim Kaninchen am Ende des 12. Tages, ent- steht die Cava inferior aus der Endstrecke der Vena omphalo- meseraica dextra, resp. aus der aus ihr entstandenen Vena hepatica revehens communis, und wächst durch Ausweitung gewisser Leber- bahnen kaudalwärts längs und medial der rechten Urniere. Links hat sich in dieser Strecke auch eine Vene entwickelt, die aber keine Verbindung zur Vena hepatica hat, wohl aber 2—3 Anasto- mosen mit der Cava inferior bildet, so dass nun die Cava inferior einen Teil des Urnierenblutes abführt. Durch Entwicklung einer 4* [eb | [97 Felix v. Werdt: starken Queranastomose, welche links die Verlängerung der früher erwähnten Venen darstellt, tritt sie dann mit den beiden Venae cardinales in Verbindung und führt nun das ganze Urnierenblut zum Herzen, wodurch es zur Öbliteration der beiden Kardinal- venen am kranialen Urnierenpol kommt. Die Reste der Kardinalvenen werden zur Azygos und Hemiazygos. Schliesslich haben wir noch einiger Veränderungen an den Ductus euvieri zu gedenken. Dieselben münden ursprünglich in den Sinus reuniens und nach Einbeziehung desselben in den Vorhof direkt in diesen. Nachdem sich nun eine Anastomose von der linken Vena cardinalis anterior zum rechten Ductus Cuvieri gebildet hat, verödet der linke Ducetus Cuvieri und damit die kraniale Strecke der Vena hemiazygos, die indessen eine Anastomose mit der Vena azygos eingegangen ist. Der rechte Ductus Cuvieri wird zur oberen Hohlvene, das Einmündungsgebiet des linken zum Sinus coro- narıus cordis. Wie aus den bei Situs inversus erhobenen Befunden hervorgeht, kann die Entwicklung von drei Venenstämmen als Ursache des Situs inversus in Frage kommen: l. Die Entwicklung der Dottervenen, 2. die der Umbilicalvenen und 3. die der unteren Hohlvene.resp. die damit eng verbundene und nach den eingangs erwähnten Be- funden uns inerster Linie interessierende Entwick- lung der hinteren Kardinalvenen. Die Annahme, dass die Dottervenen einen bestimmenden Einfluss auf den Situs der Organe ausüben, hat sicherlich etwas Bestechendes, da sie ja die am ersten angelegten Venen der Area vasculosa und des Körpers sind und an ihnen sich auch die erste Asymmetrie geltend macht, auch stimmen die meisten Autoren darin überein, dass die Anlage des Situs inversus totalis wenigstens in einer sehr frühen Entwicklungsstufe entschieden werde. Dafür sprechen vor allem die Ergebnisse des Experi- mentes. So konnten Fol und Warynski dadurch Situs inverus erzeugen, dass sie von einem durch 24 Stunden bebrüteten Ei Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 53 die Schale zum Teil entfernten und an dieser Stelle eine höhere Temperatur einwirken liessen. Versuchten sie dasselbe Experiment nach 48 Stunden Be- brütung, so war kein Erfolg mehr zu erzielen. Auch Spemanns sehr interessante Versuche weisen auf eine Bestimmung des Organsitus in äusserst früher Zeit, doch kommt der Autor zu Schlussfolgerungen, die keinen Einfluss der Venenentwicklung in das Auge fassen. Die Versuche von Folund Warynski lassen eine Deutung in diesem Sinne jedoch sicherlich zu, da man sich ja gut vor- stellen kann, dass die einseitige Erwärmung speziell die Area vasculosa und somit die Dottervenen in ihrer Entwicklung beeinflusse. Eine kurze Überlegung aber scheint mir doch die Bedeutung der Dottervenen für den Situs viscerum zu widerlegen. Die Dottervenen könnten einerseits einen Einfluss auf die Krümmung des Herzschlauches nehmen. Dagegen spricht die Tatsache, dass zur Zeit der ersten Krümmung des Herzschlauches noch keine Herzkontraktionen bestehen, also der Kreislauf noch nicht eingesetzt hat, ohne den eine Einflussnahme von Seite der Dottervenen nicht denkbar ist. Für die spätere Lage des Herzens dürfte aber wohl doch die erste Krümmung massgebend sein. Denn, der ersten Krümmung, die normal nach rechts statt- findet, folgt eine Verlagerung der Herzschlinge an die Ventralseite, was möglicherweise durch das Einströmen des Blutes von hinten nach vorne, infolge der Krümmung des Embryos, bedingt wird. Diese Wendung der Herzschleife nach vorne muss aber notwendigerweise dem Herzschlauch eine gewisse Torsion ver- leihen, die sich der Blutsäule mitteilt. Gerade die Drehung der Blutsäule aber müssen wir als das wirksame Moment ansehen, wenn überhaupt dem Gefäßsystem eine bestimmende Rolle für den Organsitus zukommt. Hierauf macht schon Rindfleisch in seinem Lehr- buche der pathologischen Gewebelehre aufmerksam. Er nimmt eine spiralige Drehung der Blutsäule im primitiven Herzschlauch von rechts nach links an, die sich auch dem Herzschlauche mitteilt. Freilich 54 Felix v. Werdt: setzt Rindfleisch eine erste Krümmung nach links voraus, was nach unseren heutigen Kenntnissen nicht stimmt, auch führt er die Drehung der Wand auf die Drehung der Blutsäule zurück, während ich umgekehrt glaube, dass der Drall des Rohres dem Inhalt die Richtung resp. die Drehung gibt. Damit erscheint aber eineEinflussnahme der Dottervene auf die Herzkrümmung unmöglich, eher könnte die erste Herzkrümmung auf die stärkere Ausbildung der rechten oder linken Dottervene einen Einfluss ausüben. Dass zu einem späteren Zeitpunkt noch eine etwa vorhandene rechte stärkere Dottervene lagebestimmend wirken könne, ist ebenfalls nicht möglich und zwar weder auf das Herz, noch auch auf die Leber, da ja schon am Anfang des 12. Tages, also vor der Differenzierung der Leberlappen, die Anastomosenbildung zwischen den beiden Dottervenen zustande kommt, und nach dieser die Dottervenen sich in ein Kapillarnetz der Leber auflösen. Auch die Entwicklungsgeschichte der Reptilien zeigt uns deutlich, dass der Situs visceerum nicht von der stärkeren Ent- wicklung der einen oder anderen Dottervene abhängt, indem bei der Gattung Tropidonotus die rechte Dottervene normalerweise die stärkere ist, ohne dass etwa diese Tiere regelmässig Situs inversus der Organe zeigten. Tatsächlich: hat“sich auch’ MarchandsıVer- mutung, dass der Situs inversus auf einer ab- normen Rückbildung der Omphalomesenterial- venen beruhe, nicht bewahrheitet, ebensowenig wie die Theorie von Lochte. Dieser Autor führte die Drehung des Magens und Duodenums auf die Schlingenbildung der Om- phalomesenterialvenen und die Entwicklung der Pfortader zurück. Da aber mehrere Fälle von Situs rarior veröffentlicht wurden (Kipper, Geipel), die sich nicht in das von ihm auf- gestellte Schema fügten, so liess er in einer zweiten Arbeit seine Theorie wieder fallen. Auch Riesel spricht sich gegen die ursprüngliche Ansicht Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 55 Lochtes aus und pflichtet Geipel bei. dass die Drehung der Magenschleife resp. in anderen Fällen der Darm- schleife das massgebende Moment sei, nicht aber die Abweichungen im Verlaufe der Pfortader. Letztere seien viel- mehr durch den Verlauf des Duodenums bestimmt. Hiegegen muss eingewendet werden, dass die Drehungder Magenschleife erst bei 9mm langen Em- bryonen erfolgt, die der Darmschleife noch später, so dass für den totalen Situs inversus diese Drehung sicher nicht mehr von Belang sein kann, ebensowenig für die meisten Fälle von partiellem Situs inversus. Auch die Pfortader ist zu dieser Zeit schon fertig entwickelt und ihr Verlauf daher durch die Lage des Duodenums nicht mehr zu beeinflussen. Es obliegt uns nun, zu untersuchen, ob die Ent- wicklung der Umbilicalvenen mit dem Situs der Or- gane in Beziehung gebracht werden kann. Wir haben gesehen, dass nach vorübergehender, stärkerer Entwicklung der rechten, schliesslich die linke Umbilicalvene bis zur Geburt. die Blutzufuhr aus der Placenta zum Herzen besorgt. Eine Beeinflussung der ersten Herzkrümmung ist durch die Nabelvene noch weniger denkbar, als durch die Dottervene, da sie später angelegt wird als diese. Hingegen wäre eine spätere Bestimmung der Herzentwicklung insofern denkbar, als ja die seitliche Einmündung in den Sinus reuniens wohl bei der Drehung der Ventrikelschleife nach vorne richtunggebend wirken könnte, doch haben wir schon oben gesehen, dass für die Herz- entwicklung wahrscheinlich die erste Krümmung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Eher könnte man sich vorstellen, dass die Diffe- renzierung der Leberlappen von der Nabelvene abhänge. bei erhaltener linker Nabelvene liegt der rechte Pfort- aderast in der Stromrichtung und man könnte sich leicht vor- stellen, dass hierdurch eine bessere Ernährung des rechten Lappens und daher eine kräftigere Entwicklung stattfinden müsste. Die kräftigere Entwicklung der Leber nach rechts würde dann die Drehung des Magenfundus nach links bedingen, die da- durch entstehende Torsion im Magenrohr von links nach rechts 56 Felix v. Werdt: pflanzt sich auf die Darmschleife fort und veranlasst eine Drehung derselben, in der Weise, dass der Dünndarmschenkel rechts, der Dickdarmschenkel links zu liegen kommt, was bei der weiteren Entwicklung zur Wanderung des Dickdarms über den Dünn- darm führt. Diese Erklärung hätte noch für sich, dass der Situs der Brust- und Bauchorgane auf zwei unabhängige Momente zurück- geführt wird, was die Erklärung vieler Fälle von Situs inversus partialis erleichtern würde. Aber so plausibeldie Theorie auch klingen mag, sie lässt sich bei genauer Durchsicht der Literatur nicht aufrecht erhalten. Zwar finden wir in den beiden hier beschriebenen Fällen tatsächlich eine rechte Umbilicalvene und dasselbe gilt auch für die Fälle von Schelenz, sowie für den von mir früher beschriebenen Fall, ebenso scheint bei den in Küchenmeisters Znsammenstellung niedergelegten Fällen meist eine rechte Umbilicalvene erhalten, mit Ausnahme von Fall 82, bei dem ausdrücklich die Linkslage des Lig. teres von der Gallenblase erwähnt ist, aber auch die Leber nicht transponiert war, allein beim Studium des partiellen Situsinversus erweist sich die Unhaltbarkeit der Theorie. Ich will wieder die von Risel aufgestellten Gruppen durchgehen. I. Transponierter Entwicklungstypus der Leber allein usw. Für diese Fälle ist es fraglich, ob tatsächlich ein Situs inversus der Leber anzunehmen ist. Da die Gallenblase allein an abnormer Stelle liegt, so wäre es ja denkbar, dass nur deren Anlage eine Abdrängung nach links erfuhr, während die ganze andere Körperanlage im Sinne des Situs viscerum solitus erfolgte. Wir sind dann nicht gezwungen, eine rechte Vena umbilicalis anzunehmen. Lochte sagt leider in seinem Falle nicht, in welchen Ast der Vena portae die Nabelvene einmündete. Im ersten Falle Hochstetters (bei Hochstetter selbst Fall 2) ist die Einmündung derart, dass kein Zweifel sein kann, dass tatsächlich eine rechte Nabelvene angelegt war, bei Links- lage des Ductus Arantii. Trotzdem ist keine Transposition der Leber an- zunehmen, da der Lobus Spigeli vom rechten Lappen entspringt, wie die von Hochstetter gegebene Zeichnung deutlich genug zeigt. Die Lage der Gallenblase, die das Lig. teres überkreuzt, spricht nicht dafür, dass sie in wahrem Sinne transponiert ist, auch die Form der Leber- lappen entspricht nicht einer Transposition der Leber. Wir haben also hier trotz rechter Vena umbilicalis keine Transposition der Leber. Im Falle 3 Hochstetters ist ebenfalls eine rechte Umbilicalvene angelegt und hier ist auch eine Transposition der Leber anzunehmen, nur der Ductus venosus ist linksläufig geblieben. Wir sehen, dass uns diese Gruppe im Stiche lässt, allerdings gehört Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 57 wohl nur der 3. Fall zum Situs inversus. Wir gehen über zur Gruppe la: Nicht transponierter Entwicklungstypus der Leber bei sonst vollständiger Transposition usw. Im Fall Mc. Crae ist die linke Nabelvene vorhanden gewesen, trotzdem ist ein Situs inversus mit Ausnahme der Leber zustande gekommen. Die Herzspitze sieht allerdings trotz Transposition der grossen Gefässe und der Herzhöhlen nach links. Der Ductus venosus Arantii ist nicht erwähnt. Auch im Falle Geipels I mündet die Nabelvene in den linken Pfortaderast bei vollständigem Situs inversus, nur die Leber ist nicht völlig transponiert. Die Gallenblase liegt rechts, hingegen zieht der Ductus venosus Arantii vom rechten Pfortaderast zu den links durchs Zwerchfell gehenden Lebervenen. Dasselbe ist im Falle Lochte II festzustellen, nur ist hier auch das Lig. ductus Arantii links. Also in allen 3 Fällen dieser Gruppe trotz Situs inversus die linke Nabelvene vorhanden. Die Gruppe II. Mit reiner Transposition der Magenschleife allein hat zu ungenau beschriebene Fälle. In dem einzigen genauer mitgeteilten Fall von Allmaras ist offenbar eine linke Umbilicalvene angelegt, wie es von uns erwartet werden musste. In der Gruppe IIa Retransposition der Magenschleife bei Situs trans- versus des Gesamtorganismus usw. enthält der Fall Bujalski keine An- gaben über die Nabelvene, im Falle Schelenz ist eine rechte Nabelvene vorhanden, der Ductus venosus fehlt. Die Gruppe III. Transposition der Magenschleife, Verschiebung der Leber ohne Transposition usw. In den beiden Fällen 15 und 16 hat sicher eine linke, im Falle 17 eine rechte Umbilicalvene vorgelegen, ebenso in den Fällen 18, 19, 20 und 22. Bei Fall 21 fehlten Angaben über das Lig. teres. Gruppe Illa: Retransposition der Magenschleife bei Anlage des Gesamt- organismus im Sinne des Situs transversus. In Kippers Fall ist eine linke Nabelvene vorhanden gewesen, ebenso in Geipels Fall II, in dem übrigens keine Verbindung zwischen Pfortader und Nabelvene bestand. Die Nabel- vene gab einen Ast für den rechten Leberlappen ab, trotzdem war der linke Lappen grösser. Gruppe IV: Transposition der Magenschleife und der Leber usw. Von den 5 Fällen dieser Gruppe enthält nur der Fall Risels (29) Angaben über das Lig. teres. Dasselbe war rechts von der Gallenblase, also liegt eine rechte Umbilicalvene vor. Gruppe V: Transposition der Magen- und Nabelschleife usw., seitliche Verschiebung der Leber olıne Transposition. Geipel (Nr. 30) berichtet über eine linke Nabelvene. Die beiden anderen Fälle enthalten keine Angaben. Gruppe VI: Angeblich vollständige Transposition der Bauchorgane allein. Diese für uns wichtigste Gruppe enthält keine Angaben über die Nabelvenen. Gruppe VII: Reine Transposition der Nabelschleife bei Situs solitus. Enthält ebenfalls keine Angaben. Gruppe VIIa: Retransposition der Nabelschleife bei Situs inversus usw. Im Falle Toldt (39) ist eine rechte Nabelvene und rechter Ductus venosus 58 Felix v. Werdt: erwähnt, ebenso im Falle Geipel (40), hingegen berichtet Risel (45) über eine linke Nabelvene und rechtsseitigen Ductus venosus. Die anderen Fälle dieser Gruppe enthalten keine Angaben. Gruppe VIIb: Unvollständige Drehung der Nabelschleife bei Situs transversus. Fall Valleix (46) zeigt eine rechte Umbilicalvene. In Virchows Fall wird nur die Leber als transponiert angegeben, war also vermutlich das Lig. teres rechts. Hickmann (48) und Rokitansky (49) berichteten auch über eine rechtsseitige Nabelvene. Wenn also auch in den meisten Fällen von totalem Situs inversus und in den Fällen von partiellem Situsinversus mitAnlage desGesamt- organismus im Sinne des Situsinversustotaliseben- falls meist eine rechte Nabelvene vorliegt, so sind doch die Ausnahmen hiervon viel zu häufig, um eine Hypothese der Entstehung des Situs transversus hierauf zu gründen. Absolut gegen die Annahme, dass die stärkere Entwicklung des rechten Leberlappens von der besseren arteriellen Blutzufuhr durch die Nabelvene abhänge, spricht der Fall II Geipls in Gruppe IIla, und mehr noch ein Befund, den Hochstetter bei einem 8 Tage alten Kind erheben konnte. Bei diesem fehlte jede Kommunikation zwischen Vena portae und Vena umbilicalis, so dass hier hauptsächlich der linke Leberlappen das arterielle Blut der Nabelvene erhielt. Trotzdem war der rechte Lappen bedeutend grösser. Es erübrigt uns nur noch, die Bedeutung der unteren Hohlvene und der Vena cardinalis für den Situs viscerum zu untersuchen. Die Anlage der Vena cava inferior erfolgt im Kapillarnetz der Leber in Form einer grossen Blutbahn, die einer- seits Anschluss an die Vena hepatica communis, andererseits an die Vena cardinalis posterior dextra erhält. Wollten wir einen Einfluss dieser Blutbahn, die sich bei Kaninchen- embryonen am Ende des 12. Tages entwickelt, auf den Situs viscerum annehmen, so wäre dies wohl nur dadurch denkbar, dass dieneue Venenbahn die Stromrichtung in der Nabelvene oder die Entwicklung der Vena portae beeinflusse. Dass diese beiden Venen aber keine Bedeutung für den Organsitus haben, wurde oben gezeigt. Hervorheben möchte ich hier noch, dass zwar vielfach eine rechte Vena cava inferior bei älteren Fällen in der Zur Kenntnis des Situs inversus usw. 59 Literatur beschrieben ist, dass wir aber nach den Erfahrungen in den neueren Fällen es dahingestellt sein lassen müssen, ob hier nicht Beobachtungsfehler vorliegen. Allerdings schildert auch Oeri 1909 nur transponierte, aber sonst normale Venen- verhältnisse bei einem totalen Situs inversus. Noch weniger Aussicht auf Erfolg hat der Versuch, die Lage der Eingeweide von der Ent- wicklung der Venae cardinales posteriores ab- hängig zu machen, da ja deren Rückbildung erst einsetzt, wenn die Vena cava inferior bereits den Anschluss an die kaudalen Abschnitte der hinteren Kardinalvenen gewonnen hat, also zu einer Zeit. wo der Situs viscerum bereits entschieden sein muss. Die Entwicklungsgeschichte des Venensystems gibt unsalso keineErklärung für dieEntstehung des Situs viscerum, und wir müssen daher die Frage, ob die beim Situsinversus viscerum fast regelmässig sich findenden Anomalien im Venen- system die Ursache desselben sein können, ent- schieden verneinen. Da aber ein so häufiges Zusammentreffen zweier Anomalien nicht blosser Zufall sein kann, so ist man wohl zu der Annahme gezwungen, dass infolge des Situs viscerum transversus vielfach Störungen in der Entwicklung des Venensystems eintreten. Freilich sind wir noch nicht in der Lage, eine befriedigende Erklärung über die Art und Weise dieser Einwirkung der He- terotaxie auf die Venenentwicklung zu geben. Weitere sorgfältige Untersuchungen von einschlägigen Fällen sind daher unbedingt notwendig. Literaturverzeichnis. Hertwig: Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungs- geschichte der Wirbeltiere. G. Fischer, Jena 1906. Küchenmeister: Die angeborene, vollständige seitliche Verlagerung der Eingeweide des Menschen. (Situs viscerum totalis lateralis rarior, solito inversus.) Leipzig 1883. Oeri: Zur Kasuistik des Situs viscerum inversus totalis. Frankfurter Zeitschrift f. Pathologie, Bd. 3, 1909, S. 393. 60 Felix v. Werdt: Zur Kenntnis des Situs inversus usw. Risel: Die Literatur des partiellen Situs inversus der Bauchorgane. Zentralblatt f. allg. Pathologie und patholog. Anatomie, 1909, Bd. 20, S. 673. Schelenz: Ein neuer Beitrag zur Kenntnis des Situs viscerum inversus partialis. Berliner klin. Wochenschr., 1909, Nr. 17 und 18. Derselbe: Ein neuer Fall von Situs inversus partialis. Zentralblatt f. allg. Pathologie u. patholog. Anatomie, 1910, Bd. 21, S. 489. von Werdt: Über Situs viscerum inversus partialis. Korrespondenzbl. f. Schweizer Ärzte, 1910, Nr. 8. Betreffs der übrigen im Text zitierten Autoren verweise ich auf die Arbeiten von Risel und Küchenmeister sowie auf Hertwigs Handbuch. 61 Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. Vorläufige Mitteilung. Von Rudolf Keller (Prag). Seit langem bemüht, ein zuverlässiges Verfahren zum mikro- skopischen Nachweis der Elektrizität auszuarbeiten, war es mir schon gelungen, eine Methode der Kathoden-, später auch der Anodentinktion zu finden, die scharfe und am Galvanometer verifizierte Bilder lieferte. Ich entdeckte allerhand Überein- stimmungen mit der älteren Literatur und auch mit neueren Schriften, die später erschienen als meine Voraussagungen und genau mit ihnen übereinstimmten, obzwar sie keineswegs von elektrochemischen Gesichtspunkten aus angestellt wurden. Noch sicherer war ich meiner Sache, als sich z. B. bei Pflanzenwurzeln und Holz Widersprüche mit älteren flüchtigen Literaturangaben herausstellten und die Nachuntersuchung am Galvanometer und Elektrometer ergab, dass meine elektrohistologischen Methoden das Richtige ergeben hatten. Ich benutze für Kathoden Schwer- metallsalzlösungen (Eisen und Kobalt), die nach dem Abwaschen mit Ferrozyankalium bezw. Schwefelammon die Kathoden blau oder schwarz anzeigen, für Anoden Unnas Methode der Sauerstoff- orte (RW und NV)!), ferner Safranin, dessen anodische Tinktion kirschrot ist und einige andere Kontrollmethoden. Meine ältere Eisen-Anoden-Methode ?) habe ich wegen der in meinem Buch geschilderten Nachteile aufgegeben. Trotz aller Übereinstimmungen blieb ein Umstand sehr unbefriedigend, dass nämlich die von den Histologen fast aus- schliesslich angewandten Teerfarbstoffe sich nur äusserst gewalt- sam in mein System einordnen liessen und dass deshalb die Literatur der älteren Lebendfärbungen nur wenig Brauchbares ergab für die Bestätigung meiner Grundanschauung von der Bedeutung der elektrischen Zelladungen für den Ausfall mikro- skopischer Färbungen. Wie alle Welt glaubte ich fest an die Wichtigkeit der Einteilung in basische und saure Farbstoffe. 1), Diese Zeitschrift Bd. 87, Abt. I, 1915 und spätere Arbeiten. ’) Die Elektrizität in der Zelle, Wien 1918. 62 Rudolf Keller: Die übereinstimmenden Angaben der Handbücher der organischen Elektrochemie, dass bei der Elektrolyse basische Farbstoffe an die Kathode gehen, und der Lehrbücher der Kolloidchemie, dass basische Farbstoffe zur Kathode wandern, saure zur Anode, be- gegnete auch bei mir keinem Zweifel, da sie Selbstverständliches zu enthalten schienen. Schliesslich aber entschloss ich mich doch, diese Angaben experimentell nachzuprüfen. Ich hatte eine Anzahl von Pflanzenschnitten zur Hand, die mir als Testpräparate dienten, da mir ihre Elektropolarität aus zahlreichen übereinstimmenden Versuchen mit Metallelektrolysen und, mit Galvanometer und Elektrometer ganz zuverlässig vertraut war. Diese Testobjekte nun gaben mit typischen Basenfarbstoften elektive Anodenbilder, mit gewissen Säurefarbstoffen deutliche und scharfe Kathoden- bilder. Ich schritt also zu Wanderungsversuchen unter dem elektrischen Strom. Diese Versuche machten es zur vollen Gewissheit, dass die Angaben der Lehrbücher falsch waren und dass meine Test- objekte die Elektropolarität der Farbstoffe richtig demonstriert hatten. Ich habe die meisten histologischen Farbstoffe unter- sucht; die Experimente werden fortgesetzt. Als allgemeine Regel hat sich bereits ergeben, dass die Farbstoffkolloide in wässeriger Lösung sich im allgemeinen dem Typus der Eiweisskolloide ge- mäss verhalten, das heisst, ihre Wanderungsrichtung im elek- trischen Feld hängt von der Natur der Lösung!) ab, sie wandern in’blasischer" Lösung zur Anode, in saurer zur Kathode. Einige, z. B. das vielgebrauchte Methylenblau, zeigen eine Annäherung an den Typus Goldkolloid, indem sie auch in neutraler Lösung zur Anode gehen, einige, z. B. Auramin, sind auch bei 70 Volt elektroneutral. Aus dieser Regel ergibt sieh, dass im allgemeinen eine Neigung der basisch reagierenden Lösungen vorhanden ist, an die Anode zu wandern, also basische Farbstoffe mit Vorliebe eine anodische Tendenz erkennen lassen, ebenso, dass saure Farbstoffe unter Umständen elektive Kathodenbilder ausfärben, ganz im Gegensatz zu der geläufigen Ansicht; dass auch in diesem Falle meine mikroelektrische Methode sich bewährt hatte, wird ihr, wie ich bestimmt hoffe, den Eingang in die histologische Praxis T ı) Nach der Regel von Hardy, Journ. of Physiol. 24 (1899) S. 288, zitiert nach Zsigmondy, Kolloidchemie, Leipzig 1918, S. 59. Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. 63 ermöglichen. In bezug auf die Elektrohistologie der Pflanze habe ich gegenwärtig einen ziemlich sicheren Überblick über die einzelnen Teile, ausgenommen die Feinheiten des Zellkerns, die sich bekanntlich am lebenden Objekt, das allein für Elektro- Mikroskopie taugt, nicht ausfärben lassen. Was das Tier an- belangt, so erhalte ich das Material entweder nicht genügend frisch oder es sind sonstige Umstände, die meine Präparate un- schärfer oder ganz diffus erscheinen lassen; nur selten gelingt es mir, die Kathoden und Anoden so scharf herauszubringen, wie die Schöpfer der von mir adaptierten Methoden von Unna, Golodetz und Macallum. Ich kann nur bestätigen, dass diese rein chemisch gedachten Methoden in allen Fällen, wo ich sie Kontrollieren konnte, genau dasselbe Bild ergeben haben. Zu den von den chemischen Mikroskopikern und von mir bereits mitgeteilten Bestimmungen, wobei Kaliumorte und Reduktionsorte als Kathoden zu übersetzen sind, Sauerstofforte als Anoden, ist nur hinzuzufügen, dass die Säurezellen des Magens nach meinen sicheren Feststellungen nicht die Belegzellen sind, sondern die Hauptzellen, dass die Brunnerschen Drüsen des Darms ent- gegen meiner Erwartung anodisch tingieren. Eine besondere Erwähnung verdienen noch zwei Umstände. Erstens die elektrohistologische Ausfärbung des (Gegensatzes zwischen Nervenoberfläche und Nervenanschnitt (oder -querschnitt, wie sich die Elektrophysiologie ausdrückt). Wie bekannt, ist makroskopisch die Oberfläche anodisch, der Schnitt kathodisch. Ein Verfahren nun, bei dem der Nerv ausschliesslich von der Oberfläche angefärbt wird, ist Ehrlichs Methylenblau-Injektion ins Blut, welches das Metylenblau in farbloses Leukoprodukt überführt und durch die Ernährungswege an die unversehrte Oberfläche des Nerven heranbringt. Ehrlich hat gleichsam Unnas RW auf natürlichem Wege erzeugt und an Oberflächen herangeführt, also ein Anodenbild erzeugt, ebenso Kreibich'), der in neuerer Zeit in ganzen Stücken direkt mit RW färbte und ein Anodenbild erzeugte. Demgegenüber hat Unna Quer- schnitte (Gefrierschnitte) mit demselben RW behandelt und die Schnittflächen weiss in blauer Umgebung, also kathodisch reprodu- ziert. Derselbe Farbstoff RW erzeugt also, je nachdem, ob er ') Prager medizin. Wochenschrift, 1913. 64 Rudolf Keller: Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. auf ganze oder auf angeschnittene Zellen gelangt, in gewünschter Weise Kontrastbilder seiner selbst. Zweitens habe ich nach der Feststellung, dass die saure oder basische Natur der Farblösung eine so entscheidende Be- deutung für den elektrischen Wanderungssinn hat, systematisch denselben Farbstoff sauer und basisch appliziert. Es ergibt sich ein gewisser Unterschied, das geübte Auge des mit der Elektro- polarität der betreffenden Objekte vertrauten Untersuchers sieht sogar hier und da eine Annäherung an das Kathodenbild oder das Anodenbild. Doch ist diese nur sehr schwach angedeutet. Die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass die Zellpole des lebenden Gewebes ihre Ladung, solange sie noch Leben in sich haben, zähe festhalten, also als Kathoden dem Eindringen von Säureanionen. als Anoden umgekehrt dem der Kationen einen gewissen Widerstand entgegensetzen. Schliesslich werden ausser Methylenblau auch zahlreiche andere Farbstoffe wie z. B. Neutral- rot, Säurefuchsin an den Kathoden der Zellen durch Reduktions- wirkung oder Alkali farblos, also unsichtbar. Die Gesamtresultate meiner diesjährigen Versuche werden unter dem Titel „Neue Versuche über mikr. Elektr.-Nachweis‘ demnächst bei Braumüller, Wien, gesammelt erscheinen. Aus dem Anatom. Institut der Universität Bonn. Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. Von Dr. Franz Klee. Hierzu Tafel IV. Zur Untersuchung dienten ein l5tägiger, ein 17 und ein 15 Tage alter Embryo der weissen Maus; ferner eine fort- laufende Reihe von neugeborenen, 1, 2, 3 usw. bis 10 Tage alten weissen Mäusen, zum Teil in mehreren Exemplaren gleicher Altersstufe. Die Präparate wurden in Zenkerscher, zum Teil auch in Flemmingscher Flüssigkeit konserviert, in Paraffin ein- gebettet, in Serienschnitte von 5—10 « Dicke zerlegt und mit Hämalaun und Eosin, die Flemmingpräparate mit Safranin gefärbt. Zum Vergleich wurden auch einige junge Kätzchen und Kaninchen herangezogen; es zeigten sich bei ihnen, so weit ich das untersucht habe, im wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie bei der weissen Maus. 1. Teil Entwicklung der Meibomschen Drüsen. Beim l5tägigen Embryo der weissen Maus, dessen Ober- und Unterlider verwachsen sind, zeigen sich die ersten Anlagen der Meibomschen Drüsen als kleinste rundliche Epithelknospen, welche aus der basalen Zellschicht der verklebten Lidränder hervorgehen.) Ask (1) konnte im Jahre 1905 diese Art der Entstehung der Meibomschen Drüsen in Übereinstimmung mit einer früheren Arbeit Königsteins (2) in einer eingehenden Untersuchung auch beim menschlichen Embryo von 130 mm Länge feststellen. (Ein Vergleich meiner Untersuchungen mit den diesbezüg- lichen Ergebnissen”Ask’s zeigt, dass auch die Verhältnisse der Weiterentwicklung der Drüsen bei Mensch und Maus die grösste Ähnlichkeit aufweisen.) Die Anlagen befinden sich im Ober- wie Sig; di Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 3) 66 Franz Klee: im Unterlid auf gleicher Entwicklungsstufe. Um die konvexe Basis der Anlagen beginnt das Mesenchym sich zu verdichten. Die Untersuchung der folgenden Stadien zeigt, dass die Drüsen zunächst ziemlich langsam wachsen. Beim 18tägigen Embryo!) besitzen die Anlagen noch die Form von zwar stärkeren, aber immer noch annähernd halbkugeligen Hervor- ragungen. (Auch beim Menschen fand Ask (l. ec.) ein zunächst langsames Wachstum der Anlagen.) Es sind jedoch individuelle Unterschiede zu bemerken, da ich bei einem erst 14 Tage alten Embryo sowohl am Öber- wie am Unterlid Drüsen vorfand, die bereits die Form kurzer Zapfen besassen. Wenn ich in An- lehnung an die Verhältnisse beim Menschen (Königstein, Ask) die Entwicklung des untersuchten 1Stägigen Embryos als die normale betrachte (ob mit Recht, vermag ich nicht zu ent- scheiden), so ergibt sich, dass die bis dahin langsame Entwick- lung der Drüsenanlagen etwa von diesem Termin an einem schnelleren Wachstum Platz macht. Bei der neugeborenen Maus stellen die Drüsenanlagen solide Zapfen dar, die bereits in be- trächtlicher Länge in das mesenchymatöse Gewebe der Lider ge- wachsen sind und auf deren keulenförmig verdicktes Ende sich ein Meniskus dicht gedrängter Bindegewebszellen lagert.?) Die Zapfen selbst bestehen aus dicht gedrängten Zellen des gewöhn- lichen epithelialen Typus. Am 1. und 2. Tage beginnen die ersten Zeichen der Differenzierung im Zentrum der Anlagen: Unter den bis dahin dichtgedrängten, kleinen und gleichartigen Zellen erscheinen grosseZellen,deren Plasmain den mit Hämalaun und Eosin gefärbten Präparaten eine stärkere Affinität zu Eosin zeigt als das Protoplasma der anderen Epithelzellen. Das Grösser- werden der Zellen bei der Differenzierung hat zur Folge, dass die bis dahin glatte Peripherie der Drüsenzapfen buckelig wird, indem da, wo diese grösseren Zellen auftreten, die seitliche Wand der Anlagen vorgetrieben wird. Auch bei der Untersuchung dieser Stadien waren wieder individuelle Schwankungen festzu- stellen: Die Meibomschen Drüsen einer 3 Tage alten Maus waren noch nicht so weit entwickelt wie die soeben geschilderten der 2tägigen. Bei der 4tägigen Maus stellen die Drüsen sehr lange, ı) 8. Fig. 2. "18. Mig: 2. Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 67 aber noch solide Zapfen dar, deren Lappung bereits deutlich ausgeprägt ist. Die Zapfen sind entsprechend der Wölbung des Lides gebogen. Durch einen deutlich verschmächtigten Hals, den späteren Ausführungsgang, welcher sich teils scharf gegen den anderen Teil der Anlagen absetzt, teils allmählich übergeht, ist der Zusammenhang mit dem Lidrandepithel gewahrt, von dessen basaler Zellschicht aus die ganze Anlage, wie oben geschildert, ausging. Peripherwärts (vom Lidrand aus gerechnet) von dem „Hals“ treten auch die ersten differenzierten Zellen auf und zwar direkt im Anschluss an denselben. Bei der 5 Tage alten Maus ist die Zahl der in Differenzierung befindlichen Zellen peripher- wärts gegenüber dem Stadium vom 4. Tage vermehrt, doch ist das periphere Ende der Anlagen noch nicht von der Differenzierung erreicht. Die Differenzierung der dem „Hals‘' zunächst gelegenen Zellen ist nunmehr soweit fortgeschritten, dass dieselben das typische Aussehen der Talgdrüsenzellen angenommen haben. Es sind grosse, helle Zellen mit ausserordentlich deutlicher Zellgrenze und rundlichem Kern. Das Protoplasma ist durch Eosin kräftig rosa gefärbt und weist eine deutliche und regelmässige Felderung auf. die wohl, wie auch die Affinität zu Eosin, durch den Gehalt einer Sekretvorstufe, die sich in den Zellen gebildet haben mag, hervorgerufen sein dürfte. An einigen Stellen ist in unmittel- barer Nähe des ‚Halses‘‘ die Entwicklung schon in ein späteres Stadium eingetreten: Einige Zellen zeigen nicht mehr jene schöne Rosafärbung der anderen bereits differenzierten Stellen, sondern sind fast ungefärbt und blasig, die Kerne zeigen deutliche Spuren beginnenden Zerfalls (die ersten Anfänge der Lumenbildung). Die Differenzierung der Zellen in den Anlagen des Oberlids ist weiter vorgeschritten als in denen des Unterlids; der Unterschied ist jedoch kein bedeutender. Im Anfang (s. 0.) waren die Anlagen sowohl des Ober- wie des Unterlids gleich weit entwickelt. (Ask fand, dass auch beim Menschen die Anlagen des Unterlids mit denen des Oberlids anfangs gleichen Schritt halten, gegen Ende aber von denen des Oberlids überflügelt werden.) Der Weg, den die späteren Ausführungsgänge durch das die beiden Lidränder verbindende Epithel nehmen werden, ist eine Strecke weit schon angedeutet, indem die Zellen der betreffenden Stellen durch eine dunkle 'lönung sich scharf von der Umgebung abheben. Dieser Befund ist um so auffallender, als noch an keiner Stelle ein Hr 63 Franz Klee: zentrales Lumen in der Drüsenanlage gebildet ist, sodass etwa das in den Ausführungsgang ergossene Sekret die betreffenden Zellen so beeinflusst haben könnte. Die Gründe werden wohl vielmehr rein biologischer Natur sein. Gegen eine mechanische Erklärung scheint auch zu sprechen, dass die Reihe dieser Zellen nicht etwa geradlinig verläuft, sondern genau wie der spätere Ausführungsgang in der Verwachsungszone der Lider ziemlich scharf nach der Konjunktiva hin umbiegt. Die Differenzierung der Zellen in den Anlagen breitet sich inzwischen weiter aus und bei der 6 Tage alten Maus reicht sie fast bis zum Grunde. Ebenfalls ist die Lappung umfangreicher geworden. Der bei der 5tägigen Maus bereits angedeutete Zerfall zentraler Drüsenzellen hat beim 6 Tage alten Tier am Oberlid zur Lumenbildung ge- führt. Das Lumen ist noch sehr eng (entspricht auf dem Quer- schnitt an seiner breitesten Stelle etwa einem Raum, den zwei bis drei Zellen einnehmen); das Lumen ist durchschnittlich durch sechs 5 u dicke Schnitte zu verfolgen, es verengt sich gegen die Verwachsungszone hin, ist aber bereits bis in diese vorgedrungen. Die die Höhlung begrenzenden Zellen sind im Gegensatz zu den übrigen Zellen länglich und erscheinen platt gedrückt; auch die Kerne sind platt. Die dem in Bildung begriffenen Ausführungs- gang benachbarten Zellen der die beiden Lider verbindenden Epithelplatte weisen Keratohyalinkörnchen auf; sie stellen einen Komplex dunkler, gekörnter Zellen dar, welche dem blinden Ende des Lumens kalottenartig aufsitzen. (Diese im Anschluss oder vielmehr im Zusammenhang mit der Bildung der Ausführungs- gänge der Meibomschen Drüsen auftretenden Verhornungsprozesse sind von Wichtigkeit für die Bildung der Lidspalte) Diese Kalotten sind jeweilig durch mehrere Schnitte über das Lumen hinaus zu verfolgen und stellen dabei eine im mikroskopischen Präparat runde Insel zwiebelschalenartig, konzentrisch geschich- teter Zellen dar; die Keratohyalinkörnchen sind im Zentrum der Gebilde am zahlreichsten, nehmen nach der Peripherie hin ab und schwinden schliesslich; die an sie anschliessenden Zellen heben sich durch eine dunklere Färbung noch deutlich von der Umgebung ab. (Diese konzentrisch geschichteten Zellkomplexe dürften be- züglich ihrer Genese wohl zu vergleichen sein mit den von Schweiger-Seidel (3) bei der Bildung des Präputialsackes be- schriebenen Gebilden, „konzentrische Körperchen‘“, die da wohl Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 69 mit der Entstehung der Tysonschen Drüsen bezw. mit der Bildung ihrer Ausführungsgänge im Zusammenhang stehen dürften.) In einem Schnitt findet sich in einem solchen Komplex eine grosse helle Zelle vom Typus, wie sie auch als differenzierte Zellen der Meibomschen Drüsenanlagen oben beschrieben sind. Es hat sich also hier offenbar eine Zelle des Lidrandepithels unmittelbar zur Drüsenzelle umgewandelt, was ich im übrigen an keiner anderen Stelle beobachten konnte. Am Unterlid ist bei der 6tägigen Maus noch nirgends ein Lumen gebildet; erst bei der 7 Tage alten Maus ist auch hier eine zentrale Höhlenbildung durch Zellzerfall festzustellen. Am Oberlid haben auf diesem Stadium die Ausführungsgänge bereits eine beträchtliche Länge: die im Anschluss an ihre Bildung auf- getretenen Körnchenzellen sind nur noch durch eine dreifache Zellage, welche keine Keratohyalinkörnchen enthält, von dem Lumen des Konjunktivalsackes getrennt. Die Ausführungsgänge haben sich verlängert, indem sie die in ihrer Verlaufsrichtung gelegenen Zellen, die zu denen gehören, welche auf dem vorigen Stadium schon durch den Gehalt an Keratohyalinkörnchen aus- gezeichnet waren, zum Zerfall gebracht haben. — Die Gänge sind verhältnismässig länger als sie später bei abgeschlossener Lidbildung sind. Sie müssen auch länger sein, wenn sie, wie es der Fall ist, sich öffnen wollen, bevor die Lider getrennt sind. Denn so lange die Lider noch verwachsen sind, können sie sich nur nach dem Konjunktivalsack hin öffnen und sie müssen daher den ganzen Weg von der Stelle aus, wo sie später in die Lid- spalte münden, bis zur freien Konjunktiva-Oberfläche durch die die beiden Lider verbindende Epithelmasse zurücklegen. Dieser Teil der Ausführungsgänge geht später, wenn die Lidspalte ge- bildet ist, wieder verloren. — Die Gänge nähern sich also mehr und mehr der Konjunktiva, indem die den blinden Endigungen aufsitzenden Zellen weiter und weiter verhornen und zerfallen. Diesem an die Bildung der Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen gebundenen Verhornungsprozess kommt keine an der Conjunetiva palbebrarum selbständig beginnende Verhornung ent- gegen. Man sieht deutlich, wie am 8. Tage eine noch unver- hornte Zellage die den Ausführungsgängen aufsitzenden ver- hornenden Zellen von der Höhle des Konjunktivalsackes trennt.') 1) 8, Fig. 4 u. 5. 70 Franz Klee: Am 9. Tage der von mir diesbezüglich untersuchten Stadien (bei einigen auch schon früher) verhornen auch diese und die Aus- führungsgänge brechen in den Konjunktivalsack durch, zuerst die der Drüsen des Oberlids, dann auch die der Unterliddrüsen. Klumpen fetziger Zellreste füllen die Durchbruchstellen aus. Bald nach dem Durchbruch der Ausführungsgänge, ist, wie in Teil II be- schrieben wird, auch die Lösung der Lider vollendet. Dadurch erhalten die Meibomschen Drüsen ihre bleibenden Mündungsstellen an den Lidrändern. Einige Ausführungsgänge fand ich am 9. Tage noch nicht durchgebrochen.') Zusammenfassung. Die ersten Anlagen der Meibomschen Drüsen erscheinen beim l5tägigen Embryo. Die Anlagen des Ober- und Unterlids scheinen gleichzeitig aufzutreten; sie wachsen zunächst auch gleich stark, später aber überflügeln die Drüsen des Oberlids die des Unterlids. Am 1. bis 2. Tage nach der Geburt erscheinen die ersten Zeichen der beginnenden Differenzierung unter den bis dahin ganz gleichartigen Zellen. Etwa am 5. Tage beginnen die zentralen Drüsenzellen, nachdem sie vorher das charakteristische, wabige Aussehen der Talgdrüsenzellen angenommen haben, zur Lumenbildung zu zerfallen; am folgenden Tage ist ein Lumen im späteren Ausführungsgang vorhanden. Die dem blinden (peripheren) Ende des Ausführungsganges aufsitzenden Zellen der die beiden Lidränder verbindenden Epithelplatte weisen Kerato- hyalinkörnchen auf. Durch ihren späteren Zerfall breitet sich das Lumen nach der Konjunktiva hin aus und bricht am 7. bis 9. Tage durch. Bereits bevor noch an irgend einer Stelle der werdenden Drüsen ein Lumen gebildet ist, ist der Weg, den die Ausführungsgänge durch die Verklebungsplatte nehmen werden, gekennzeichnet durch eine im histologischen Bilde dunklere Färbung der betreffenden Zellen. Die Ausführungsgänge sind vor der Lösung der Lider verhältnismässig länger als später, da sie von dem Punkte ihrer späteren Mündungsstelle aus (da, wo sie den Lidrand erreichen) mehr oder weniger scharf umbiegend durch das Epithel der noch mit einander verwachsenen Lidränder bis zur Konjunktiva ziehen müssen. Diese Strecke geht bei der 1) 8. Fig. 5. Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 7 Lösung der Lider wieder verloren. In bezug auf das Entwick- lungsstadium sind zwischen einzelnen Individuen gleichen Alters bedeutende Unterschiede vorhanden. IE. Feik Zur Entwicklung der Lidränder. Die Vorgänge bei der Lösung der mit einander verklebten Lidränder und bei der Entwicklung ihrer Anhangsorgane beim menschlichen Fötus beschrieb im Jahre 1866 Schweiger- Seidel (l.c.). Ferner haben Grefberg (4), von Douders(5), Krischewsky (6) und Königstein (l. c.) die Verhältnisse untersucht. In den letzten Jahren vor dem Kriege schliesslich erschien eine umfangreiche Arbeit von Contino (7), welcher sowohl die Entwicklung als auch die normale Anatomie der Lider und der Lidorgane grundlegend studiert hat. Zuletzt berichtete meines Wissens Ask (l. ec.) eingehend über den Mechanismus der Bildung der Augenlider und ihrer Organe. Als Untersuchungs- objekte dienten dem letzteren menschliche Embryonen und eine Serie von ungeborenen, fast ausgetragenen und neugeborenen bis 9 Tage alten Katzen. Er stellte fest, dass die Verhältnisse bei den von ihm untersuchten Tieren die grösste Übereinstimmung mit denen bei menschlichen Embryonen aufwiesen. Er erinnert an die von Nussbaum (8) beschriebene Entstehung der Lider als Auswüchse der Kopfhaut und der Stirnfortsätze, beschreibt die auf einem bestimmten Entwicklungsstadium erfolgende Ver- klebung des einander entgegenwachsenden Ober- und Unterlids (er fand bereits beim menschlichen Embryo von 33 mm die Lider verwachsen) und nach eingehender Besprechung und Erklärung der Entwicklung der einzelnen Lidorgane legt er den von ihm erhobenen Befund bei dem Lösungsprozess der Lider dar. Er beschreibt ihn als ausgelöst durch einen Verhornungsprozess, der nach vorne in unmittelbarer Kontinuität mit der Hornschicht der Epidermis und weiterhin in Verbindung mit der Bildung der Cilien und der Meibomschen Drüsen sich entwickelt und schliess- lich an der Konjunktiva ganz selbständig in dem hintersten Teil der intermediären Zellschicht ent- steht und von hier in die Tiefe der Verklebungsplatte hineindringt. Meine diesbezüglichen Untersuchungen an der weissen Maus er- 72 Franz Klee: gaben für die Entstehung des Verhornungsprozesses an der kon- junktivalen Seite der Lider einen abweichenden Befund. Das Untersuchungsmaterial war das gleiche wie bei den Untersuchungen über die Entwicklung der Meibomschen Drüsen. Als jüngstes Stadium wurde ein 15 Tage alter Embryo der weissen Maus untersucht!); er war in Flemmingscher Lösung fixiert und mit Safranin gefärbt. Die Lider sind bei dem Präparat miteinander verwachsen; das obere Lid ist länger als das untere. Die Muskelzellen heben sich im Lidgewebe schon scharf von dem umgebenden Bindegewebe ab. Das verfilzte Gewebe !des in Bil- dung begriffenen Tarsus ist in Form [einer längs der inneren Lidfläche verlaufenden Mesenchymverdichtung erkennbar. Im Ober- wie im Unterlid finden sich Haaranlagen, die im Stadium des Haarzapfens sind; die Mesenchymzellen bilden um die Basis der Haaranlagen, soweit diese von der Epidermis sich ableiten, einen deutlich verdickten Meniskus. Die vier- bis fünfschichtige Epidermis weist in der obersten Schicht Anzeichen beginnender Verhornung in Form zahlreicher kleiner Keratohyalinkörnchen auf; an einigen Stellen ist die Verhornung auch schon soweit ge- diehen, dass sich kleine Teile des verhornten Epithels ablösen. Im Stratum basale finden sich Mitosen. Die Anlagen der Cilien und der Meibomschen Drüsen sind in Form einzelner rundlicher, vom Stratum basale der die Lidränder verbindenden Epithelplatte ausgegangenen Hervorragungen sichtbar. Die Mesoblastschicht zwischen dem abgeschnürten Linsenbläschen und dem Epidermis- blatt hat sich in den bindegewebigen Teil der Cornea und die Membrana pupillaris gesondert. Die Limitans ant. (Bowmansche Membran) und die Limitans post. (Descemetsche Membran) sind erkennbar. Die Tunica vasculosa lentis hat die Ernährung der Linse übernommen. Der Glaskörper ist von Gefässen durchsetzt und hängt mit der vorderen Augenkammer zusammen. Die Chorioidea sieht man in die Anlage der Iris und die Membrana pupillaris übergehen. Das nächste untersuchte Stadium, Embryo von 17 Tagen, fixierte ich in Zenkerscher Flüssigkeit, zerlegte Auge und Augen- lider im Zusammenhang in Schnitte von 5 und 10 « Dicke und färbte dieselben in Hämalaun und Eosin. Die Entwicklung sämt- licher Lidorgane ist bei diesem Embryo schon enorm weit vor- 208. Bie: L Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. Ta geschritten. Die Haaranlagen stellen bereits mächtige, ins Mesenchym der Lider gewachsene Epithelzapfen mit keulenförmiger Anschwellung an der Basis dar. Ihre Zellen beginnen sich bereits zu differenzieren. An einigen der Wollhaarzapfen ist bereits die Anlage der zugehörigen Haarbalgdrüse in Form eines seitlichen, durch reichliche Zellproliferation entstandenen Buckels zu erkennen der aus zunächst noch gleichartigen, undifferen- zierten Zellen von dem Typus der noch nicht differenzierten Zellen der Haaranlagen besteht. Meibomsche Drüsen und Cilien bilden kurze Zapfen. Die Epidermis zeigt in ihren obersten Schichten starke Verhornung. Die Zellen des Rete Malpighi der Epidermis zeigen einen ganz anderen Charakter wie die ent- sprechenden Zellen der miteinander verwachsenen Lidränder. Erstere sind gross und haben einen grossen, teils runden, teils etwas kantigen Kern, der nur schwach gefärbt ist, während die letzteren bedeutend kleiner sind und einen schön blau gefärbten Kern besitzen. Vereinzelt finden sich in der Reteschicht der Epidermis Zellen, deren in der Form meist etwas veränderter Kern in einer blasigen Vakuole liegt. Bei einigen Zellen ist dieses Charakteristikum scharf ausgeprägt, während bei einigen anderen die Vakuole bei nur wenig oder gar nicht verändertem Kern durch einen feinen hellen Saum angedeutet ist. Die Kon- junktiva trägt da, wo sie an die späteren Lidränder stösst bezw. die spätere Lidspalte innen deckt, ein vierschichtiges Epithel; die Kerne der obersten Schicht erscheinen plattgedrückt, sind flach, fast stäbchenförmig. Nach oben bezw. unten setzt sich dieses Epithel ziemlich rasch in das übrige zweischichtige Kon- junktivalepithel fort. Der untersuchte Embryo von 18 Tagen ist in der Entwick- lung der einzelnen Lidorgane nicht soweit vorgeschritten wie der soeben beschriebene Embryo von 17 Tagen. Nussbaum (I. c.) weist in Graefe-Saemischs Handbuch der Augenheilkunde auf solche individuellen Schwankungen in der fötalen Entwicklung hin und beschreibt sie als etwas ganz Natürliches. Man müsste sich im Gegenteil wundern, wenn man in der intrauterinen Ent- wicklungszeit nicht derartige Schwankungen anträfe, wie man sie im Leben täglich zu beobachten Gelegenheit hat. Wir können uns, ohne uns mit der Schilderung des Be- fundes bei dem 18tägigen Embryo aufzuhalten, welcher im Prinzip 74 Franz Klee: nichts Neues bietet. zu den Verhältnissen wenden, die ich bei der neugeborenen Maus fand.') Die Lider sind miteinander verwachsen ; eine sechs bis sieben Reihen umfassende Schicht von Epithelzellen verbindet dieselben. Der beim Embryo von 17 Tagen erwähnte Unterschied zwischen den Zellen des Rete Malpighi der Epidermis und den entsprechenden Zellen, welche die Lidränder mit einander verbinden, ist nicht vorhanden. Die Epidermis zeigt starke Ver- hornung. Die Zahl der beim 17tägigen Embryo beschriebenen blasigen Epithelzellen hat stark zugenommen; sie finden sich nicht nur an der Epidermis, sondern auch in der Lidverwachsungszone; an der Konjunktiva fehlen sie. Bei der Betrachtung der Epidermis sieht man, dass die blasigen Zellen, wenn sie nach der Oberfläche hin vorgeschoben und in die entsprechende Schicht gekommen sind, der Verhornung anheim fallen, indem auch in ihnen Kerato- hyalinkörnchen auftreten. In einigen der in der Verwachsungs- platte der Lider gelegenen blasigen Zellen scheint der pyknotisch gewordene Kern anzuzeigen, dass sie da, wo sie nicht verhornen, zugrunde gehen und wohl der Resorption verfallen. Eine zweite Cilienreihe, auf verschiedenen Entwicklungsstadien befindlich, zeigt sich angelegt. Die Anlagen der ersten Cilienreihe stellen lange, schräg in das Lidgewebe gewachsene Zapfen dar, deren innere Zellen an einigen Stellen sich zu differenzieren beginnen. Auch in den beim 17tägigen Embryo erwähnten Anlagen der Haar- balgdrüsen tritt eine Differenzierung auf, indem ihre Zellen gross werden und indem ihr deutlich wabiges Protoplasma eine be- sondere Affinität zu Eosin zeigt. Die Lidmuskulatur ist bereits in einigermassen kompakten Bündeln und Zügen angeordnet, deren einzelne Elemente sich durch intensive Färbung mit Eosin hervor- heben ; ihre Kerne liegen exzentrisch. Die Zellen der Epidermis bleiben durch die fortschreitende Entwicklung der Haaranlagen nicht unbeeinflusst. Der Weg, den die Haare beim Durchbruch durch die Epidermis nehmen werden, markiert sich stellenweise schon auf diesem Stadium, wo noch keine Haarkanäle gebildet sind und erst in einigen sehr weit fortgeschrittenen Anlagen der Verhornungsprozess beginnt. Es erstreckt sich nämlich an den betreffenden Stellen, von da, wo die betreffende Haaranlage aus dem Stratum cylindricum der Epi- 1) 8. Fig. 3. Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 75 dermis entsprungen ist, bis zur Oberfläche in der Richtung, welche die Haaranlage zeigt, ein streifenförmiger Zellkomplex, welcher im ganzen durch seine dicht stehenden Kerne bereits bei schwacher Vergrösserung sich gegen die Umgebung abhebt. Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man, dass die Kerne sich in Längsrichtung zum Verlauf des Haarzapfens einstellen; der an der Epidermis stattfindende Verhornungsprozess kommt diesem Prozess entgegen, so dass die Keratohyalinkörnchen der Epidermis an diesen Stellen sich weiter in die Tiefe erstrecken als an den übrigen Stellen der Epidermis. Bei der eintägigen Maus hat die Hornschicht der Epidermis auf Kosten der Tiefe des Rete Malpighi stark zugenommen. Es finden sich in der Epidermis nur vereinzelte blasige Zellen des früher beschriebenen Typus. Nur an dem Teil der Epidermis, der über der verschlossenen Lidspalte liegt, finden sie sich reichlich; auch in der die beiden Lider verbindenden Epithelplatte finden sie sich. Eine dritte Cilienreihe tritt in Erscheinung. Der Differenzierungs- prozess in den Haaranlagen ist weit fortgeschritten. Dabei zeigt sich, dass im Anschluss an den Verhornungsprozess in den Haar- anlagen auch in den tieferen Schichten der Epidermis Kerato- hyalinkörnchen auftreten, welche sich mit den von der Oberfläche der Epidermis her entstandenen Keratohyalinkörnchen vereinigen. Als Vorstufe hierzu sind die bei der Beschreibung des vorigen Stadiums erwähnten, zu den Haaranlagen in Beziehung stehenden, durch die Stellung und Dichtigkeit ihrer Kerne gekennzeichneten Zellstreifen in der Epidermis anzusehen. Bei einigen stark ent- wickelten Haaren und Cilien hat schon der Durchbruch nach der Epidermis hin stattgefunden. Die Haarbalgdrüsen, deren Zellen sich bei der neugeborenen Maus zu differenzieren begannen, zeigen teilweise schon Zerfall ihrer zentralen Elemente zur Bil- dung eines Lumens. Bei der 2tägigen Maus besitzt die Verwachsungsplatte der Lider eine Breite von vier bis fünf Zellreihen. Blasige Zellen sind hier vereinzelt vorhanden; in der Epidermis fehlen dieselben, abgesehen von dem über der Verwachsungsstelle der Lider ge- legenen Teil. Die Dicke des Rete Malpighi hat sich im Vergleich mit dem vorigen Stadium nicht verändert; es tritt ebenfalls gegenüber der Hornschicht an Dicke zurück. An der Epidermis findet sich über der Verwachsungsstelle der Lidränder eine durch 76 Franz Klee: gesteigerte Verhornung und Abschilferung entstandene kahn- förmige Epitheleinsenkung. Die Einsenkung ist mit verhornten und abgestossenen Epithelfetzen erfüllt. Bei der Maus von drei Tagen fand ich die Epithelplatte, welche die beiden Lidränder verbindet, breiter als bei dem vorigen Stadium, nämlich aus sechs bis sieben Schichten be- stehend; es zeigten sich sowohl in ihr wie in der Epidermis reichlich blasige Zellen. Die 4tägige Maus zeigte die Lidränder nur durch 4—5 Zell- reihen verbunden. Blasige Zellen sind sowohl in der Verklebungs- platte wie in der Epidermis vorhanden. In der oberflächlichen Schicht des Konjunktivalepithels machen sich im Bereich der späteren Lidränder bezw. über der späteren Lidspalte regressive Veränderungen bemerkbar: Die Zellgrenzen gegen die Kon- junktivalhöhle sehen etwas fetzig aus und ihre Kerne weisen Schrumpfungserscheinungen auf. Die Zellen scheinen zu Grunde zu gehen. Stellenweise ist es dadurch zu einer trichterförmigen Einsenkung an dem die beiden Lider verbindenden Konjunktival- epithel gekommen. Eine Verhornung ist jedoch hier- bei nicht nachzuweisen. Bei der 5tägigen Maus dringt der Verhornungsprozess von der Epidermis her deutlich in die Verwachsungszone der Lider vor; die Verhornung und Abschilferung der Epidermis ist ab- gesehen von den Stellen, die zu den durchbrechenden und teils schon durchgebrochenen Haaren in lokaler Beziehung stehen, über der Verwachsungsstelle der Lider am intensivsten. Infolgedessen zeigt die Epidermis hier eine leichte Delle, indem hier mehr Zellen zur Abstossung gelangen als an den übrigen Teilen der Epidermis. Bei der 6tägigen Maus verbindet eine fünf- bis sechsschichtige Zellage das Ober- und Unterlid. Blasige Zellen sind sowohl in der Verklebungsplatte wie in der Epidermis ziemlich zahlreich vorhanden. Der von der Oberfläche ausgehende Verhornungs- prozess ist tiefer zwischen die beiden Lider eingedrungen. Auch die trichterförmige Einsenkung der Konjunktiva an der Ver- wachsungsstelle der Lider hat sich vertieft. Verhornung ist hier nicht nachzuweisen. Man sieht vielmehr deutlich, wie die Zellen, welehe die Einsenkung begrenzen, ohne Verhornung zu Grunde gehen. Stellenweise sind die bei Beschreibung der Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 77 Entwicklung der Meibomschen Drüsen näher erörterten, aus kon- zentrisch geschichteten Epithelzellen zusammengesetzten Gebilde in der Verklebungsplatte sichtbar. Die Meibomschen Drüsen be- ginnen das Lumen ihrer Ausführungsgänge zu bilden. Die Ttägige Maus zeigt ausser den Kennzeichen allgemein weiter fortgeschrittener Entwicklung nichts Besonderes. Der von der Epidermis aus in die Verklebungsplatte der Lider hinein vordringende Verhornungsprozess ist, unterstützt durch die im Anschluss an die Cilienentwicklung einsetzende Verhornung, schon so weit fortgeschritten, dass bereits in der Mitte zwischen äusserer Haut und Konjunktiva Keratohyalinkörnchen vorhanden sind. Bei der Stägigen Maus verbindet eine fünf- bis sechsschichtige Zellplatte die beiden Lider. Blasige Zellen sind in der Verklebungs- platte vorhanden; im Oberflächenepithel fehlen dieselben. Die im Zusammenhang mit der Bildung der Ausführgänge der Meibom- schen Drüsen vor sich gehende Bildung von Keratohyalinkörnchen im konjunktivalen Teil der die beiden Lider verbindenden Zell- schicht hat beinahe die den früheren Stadien bereits beschriebene trichterförmige Einsenkung der Konjunktiva erreicht; es ist deutlich zu sehen, dass an dieser nirgends selbst- ständig Verhornung einsetzt.') Stellenweise trennt nur noch eine, keine Spur von Verhornung zeigende Zellreihe die Ausführungsgänge bezw. die im Anschluss an dieselben auf- tretenden Keratohyalinkörnchen von der Konjunktiva. Die schon früher beschriebenen, aus konzentrisch geschichteten Zellen be- stehenden Gebilde, die ebenfalls den Meibomschen Drüsen bezw. deren Ausführungsgängen ihre Entstehung verdanken, sind gänz- lich von Keratohyalinkörnchen erfüllt. Die von der Epidermis her vordringenden keratohyalinhaltigen Zellen haben die Mitte der Verwachsungszone überschritten. Bei der 9tägigen Maus verbindet eine breite Zellschicht (aus S Zellreihen bestehend) beide Lider. Die durch Verhornung und daran anschliessende Abschilferung entstandene trichter- förmige Einsenkung an der Epidermisseite der Verklebungsplatte nimmt gut ’/3 der gesamten Tiefe ein. Die im Anschluss daran auftretenden Keratohyalinkörnchen vereinigen sich mit denen, die im Anschluss an die Bildung der Ausführungsgänge der Meibom- ı\ 8. Fig. 4 u. 5. 78 Franz Klee: schen Drüsen entstehen. Die Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen sind zum grossen Teil mit ihrem Lumen in den Kon- junktivalsack durchgebrochen. Die Mündungsstelle ist durch verhornte und abgeschilferte Epithelfetzen verstopft. Umgrenzt ist die Mündungsstelle durch plattgedrückte Zellen, deren Struktur durch reichliche Ansammlung von Keratohyalinkörnchen gänzlich verdeckt ist. An den Stellen, wo nicht eine einmündende Mei- bomsche Drüse den Verhornungsprozess ausgelöst hat, findet sich im Bereich der Verklebungsplatte nur eine trichterförmige Ein- senkung der Konjunktiva, begrenzt von in regressiver Metamorphose begriffenen, doch nicht im Verhornungsprozess befindlichen Epithelzellen. Bei der 10tägigen Maus ist die Verklebungsplatte breit und umfasst acht Zellreihen. Blasige Zellen sind hier vorhanden, sie fehlen in der Epidermis. Die Keratohyalinkörnchen enthalten- den Zellen der Verwachsungszone reichen ununterbrochen von der Epidermis bis zur Konjunktiva. Der von der Epidermisseite her in die Verklebungsplatte der Lider vordringende Abschilferungs- prozess ist weiter fortgeschritten. Die ihm entsprechende trichter- förmige Einsenkung an der Konjunktivalseite ist am stärksten an und in der Nähe der Mündungsstellen der Meibomschen Drüsen. Der im Anschluss an die einzelnen Mündungsstellen auftretende Verhornungsprozess hat sich nasalwärts und temporalwärts fort- gesetzt, so dass im Bereich der Verwachsungszone an der Kon- junktiva nur noch ganz kurze Strecken vorhanden sind, wo sich keine Keratohyalinkörnchen finden, und zwar sind es die Stellen, die jeweils am weitesten von den Einmündungsstellen der Mei- bomschen Drüsen entfernt sind. Sobald man beim Verfolgen der Serienschnitte sich der Mündungsstelle einer Meibomschen Drüse nähert, treten auch in der das Lumen des Konjunktivalsackes begrenzenden Schicht der Epithelzellen der Verwachsungszone der Lider wieder Keratohyalinkörnchen auf, deren Zahl, ‘ je näher man der Meibomschen Drüse kommt, zunimmt und die schliess- lich in der Mündungsstelle selbst in die abschilfernden, verhornten Epithelfetzen übergehen, welche hier die trichterförmige Ein- senkung bilden. Die Keratohyalinkörnchen enthaltenden Zellen der konjunktivalen Fläche der Verwachsungszone überschreiten nach oben und unten nicht das Verwachsungsgebiet der Lider, erreichen auch nicht seine obere bezw. untere Grenze, sondern Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 19 umfassen nur die mittleren Zellreihen, soweit es eben zum Lösungsprozess notwendig ist. Die folgenden Stadien der histologischen Entwicklung der Lidränder zeigten mir andere, sieben, acht, neun und zehn Tage alte weisse Mäuse. Dies beweist, was man ja auch im praktischen Leben an den blind geborenen Jungen unserer Haussäugetiere beobachtet, dass nicht alle Tierchen eine gleich weit fortgeschrittene Entwicklung zeigen, sondern dass Unterschiede bis zu mehreren Tagen bestehen. Da es nicht Aufgabe dieser Arbeit ist. zu ent- scheiden, an welchem Tage die Lider auseinander zu brechen pflegen, sondern vielmehr die Art und Weise ihrer Lösung zu zeigen, möge es mir erlaubt sein, diese Entwicklungsstadien an Tierchen oben angegebenen Alters zu beschreiben. Bei der 7 Tage alten Maus war der Lösungsprozess bereits soweit fortgeschritten, und es hat sich die trichterförmige Ein- senkung an der Epidermisseite und an der Konjunktivalseite so vertieft, dass nur noch eine verhältnismässig kurze Brücke von Zellen, deren Struktur durch zusammengeflossene Keratohyalin- körnchen fast völlig verdeckt war, die Lidränder verband. Diese Brücke war nach den Lidwinkeln hin am grössten und nahm nach der Mitte hin an Umfang ab. Auch dort, wo Meibomsche Drüsen einmünden, war die Brücke schmäler als an den übrigen Stellen, weil hier der Lösungsprozess der konjunktivalen Hälfte der Verwachsungszone infolge des intensiven Verhornungsprozesses weiter fortgeschritten war als an den Stellen, wo der im An- schluss an die Bildung der Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen auftretende Verhornungsprozess nur fortgeleitet erscheint. An einigen Stellen in der Mitte der Lider, wo der Vorgang am weitesten fortgeschritten war, sah man in der die Lider noch verbindenden Brücke Längsspalten, welche die vollständige Lösung einzuleiten scheinen. Bei der 8 Tage alten Maus war auch die beim vorigen Stadium beschriebene Brücke, die als meist noch völlig solide und nicht ganz verhornte Zellmasse die beiden Lider verband, nun- mehr völliger Verhornung anheim gefallen. Ein von abgeschilferten Epithelfetzen unvollkommen erfüllter Spalt trennte die beiden Lider. Nach der Epidermisseite hin wichen die Lidränder weit auseinander, während sie in der Mitte zwischen Konjunktiva und Epidermis noch ziemlich dicht beieinander lagen. so Franz Klee: Die Lidränder der 9tägigen Maus waren weiter auseinander gerückt, doch erstreckten sich die abgeschilferten, verhornten Epithelfetzen, von Längsrissen unterbrochen, noch ziemlich zu- sammenhängend vom Lidrand des Oberlids zu dem des Unterlids. Bei der 10 Tage alten Maus endlich waren die Lider voll- ständig auseinander gerückt. Die Lidspalte klaffte weit. Die freien Lidränder hatten die histologische Beschaffenheit der Epi- dermis, welche ohne Grenze in sie überging; nur war die Epithel- zellendecke der Lidränder dicker als die Epidermis der Lidaussen- fläche. Nach der konjunktivalen Seite hin verloren sich die verhornenden Elemente und die Epitheldecke der Lider ging in das Epithel der Gonjunctiva palbebrarum über. Zusammenfassung. Der Lösungsprozess der Lider der weissen Maus ist ein Verhornungsprozess. Er dringt von der Epidermis her in die Verwachsungszone der Lider ein. Er wird beschleunigt und vervollständigt durch die im Zusammenhang mit der fortschreiten- den Entwicklung der Cilien und der Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen in der Verklebungsplatte der Lider auf- tretende selbständige Verhornung. Besonders die letztere ist es, welche die Lösung der Lidränder im konjunktivalen Teile einleitet. An der Konjunktiva selbst entsteht selbständig keine Verhornung. Schon bevor der durch die Ausführungs- gänge der Meibomschen Drüsen hervorgerufene Verhornungsprozess die Konjunktiva erreicht, bildet sich hier über der Verwachsungs- zone eine trichterförmige Epitheleinsenkung, welche durch Schwund von Epithelzellen hervorgerufen ist, jedoch keine Verhornung darstellt. Die im konjunktivalen Teil der Verwachsungszone kurz vor der Lösung nachzuweisenden Keratohyalinkörnchen als Zeichen beginnender Verhornung entstehen ausschliesslich im direkten Zusammenhang mit der Bildung der Ausführungsgänge der Mei- bomschen Drüsen. Wenn die intermediäre Schicht der Ver- wachsungszone verhornt ist, lösen sich die verhornten Epithelfetzen von einander und von dem Lidrandepithel und die Lidränder rücken zur Bildung der Lidspalte auseinander. Bevor die Ver- hornung die intermediäre Schicht ergriffen hat, treten hier eigen- artige Zellen auf, deren Kern in einer mit fortschreitender Entwicklung sich vergrössernden Vakuole liegt, so dass die Zellen Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lidränder. 81 ein blasiges Aussehen bekommen. Auch Ask (l. c.) hat diese Zellen beobachtet. Dieselben fallen später der Verhornung an- heim. Auch in der Epidermis waren auf verschiedenen Stadien derartige Zellen nachweisbar. 6. Literatur-Angabe. . Ask, F.: Über die Entwicklung der Lidränder, der Tränenkarunkel und der Nickhaut beim Menschen, nebst Bemerkungen .zur Entwicklung der Tränenableitungswege. Anatomische Hefte von Merkel und Bonnet, Heft 109, 1908. . Koenigstein: Histologische Notizen. v. Graefes Archiv für Ophthal- mologie Band XXX, Heft 1. . Schweiger-Seidel: Anatomische Mitteilungen. Virchows Archiv Band 37, Heft 2. . Grefberg: Zur Lehre über die Entwicklung der Meibomschen Drüsen, Mitteilungen aus dem embryologischen Institut der k. k. Universität. Wien II. 1882. . von Donders: Untersuchungen über die Entwicklung und den Wechsel der Cilien. Graefes Archiv für Ophthalmologie IV, 1. Krischewski: Zur Entwicklung des menschlichen Auges. Inaugural- dissertation Würzburg 189. | . Contino: Über Bau und Entwicklurg des Lidrandes beim Menschen von Graefes Archiv. für Ophthalmologie. Band LXIV, Heft 3. . Nussbaum, M.: Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges. Graefe-Saemischs Handbuch der gesamten Augenheilkunde. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Fig. 1. 15tägiger Embryo der weissen Maus. Zeigt die Anlage der Cilien und der Meibomschen Drüsen. 1. Oberlid; 2. Unterlid; 3. Anlage einer Cilie; 4. Anlage einer Meibomschen Drüse; 5. Wollhaarzapfen; 6. Anlage der Muskeln; 7. Kapillaren; 8. Verdichtung des Mesenchyms zur Anlage des Tarsus; 9. Konjunktivalsack. Fig. 2. 18tägiger Embryo der weissen Maus. Zeigt die fortgeschrittene Entwicklung der Lidorgane und das im Anfang verhältnismässig langsame Wachstum der Meibomschen Drüsen. 1. Oberlid; 2. Unterlid; 3. Cilien-Anlage; 4. Anlage einer Mei- bomschen Drüse; 5. Wollhaaranlagen; 6. Muskulatur ; 7. Verdichtetes Mesenchym zur Bildung des Tarsus; 8. Konjunktivalsack. ‚") S. Fig. 6. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. 1. 6 32 Franz Klee: Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen. Fig. 3. Neugeborene weisse Maus. Meibomsche Drüse im Zapfenstadium. 1. Oberlid; 2. Unterlid; 3. Cilie; 4. Meibomsche Drüse; 5. Mus- kulatur; 6. Konjunktivalsack. Fig. 4 8 Tage alte Maus (langsam entwickeltes Tier). ; Das Lumen in den Ausführungsgängen der Meibomschen Drüsen ist gebildet; im Anschluss an die Ausführungsgänge haben sich in der Verwachsungszone der Lider Keratohyalinkörnchen gebildet. An der Konjunktiva trichterförmige Einsenkung (begrenzt von nicht verhornten Epithelzellen). Zellen der Meibomschen Drüsen und der Haarbalgdrüsen differenziert. 1. Epidermis; 2. Konjunktiva; 3. Verwachsungszone der Lider; 4. Meibomsche Drüsen; 5. Ausführungsgang einer Meibomschen | Drüse; 6. Cilie; 7. Haarbalgdrüse. Fig. 5. 9 Tage alte weisse Maus (langsam entwickeltes Tier). Ausschnitt aus der Verwachsungszone der Lider bei starker Vergrösserung. Ausführungsgang einer Meibomschen Drüse kurz vor dem Durchbruch in den Konjunktivalsack. An der Konjunktiva keine selbständige Verhornung. 1. Nach der Epidermis zu gerichteter Teil der Verwachsungs- zone; 2. konjunktivale Fläche derselben; 3. Drüsenzellen einer Meibomschen Drüse ; 4. Ausführungsgang einer Meibomschen Drüse. Fig. 6. 8 Tage alte Maus (langsam entwickeltes Tier). Blasige Zellen der Verwachsungszone mit Keratohyalinkörnchen. 83 Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. Von Dr. R. Hammerschlag') (Slany). Hierzu Tafeln VI. Befasst man sich mit der Morphologie der roten Blutzellen, ist man genötigt, sich mit ihrer Nomenklatur auseinanderzusetzen.. Es fehlt hier ein festes Übereinkommen, und will man diese Un- sicherheit in der Namengebung nicht vergrössern, muss man zwischen den üblichen Bezeichnungen eine vorsichtige Wahl treffen. Es scheint, als ob der Name Erythroblast für alle gekernten roten Blutzellen allgemein gebräuchlich wäre. Die Durchsicht gerade sehr wich- tiger Arbeiten über die roten Blutzellen lehrt, dass dem nicht so ist. Er findet wohl fast bei jedem Autor seine Verwendung, nur wird er zuweilen seiner Stelle als zusammenfassender Begriff entkleidet und behält ihn bloss zur Bezeichnung einer kleinen Gruppe von Blutzellen. Mollier (1909) z. B. bezeichnet mit diesem Namen die letzte der vier Zellgruppen, welche aus der Hämogonie hervorging und als kleine Blutzelle mit schwach hämoglcbinhaltigem Plasma beschrieben wird. Pappen- heim (1918) bringt den Erythroblasten an verschiedenen Stellen unter, bald ist er die gekernte, rote Blutzelle im allgemeinen; wo aber die roten Blut- zellen nach der Beschaffenheit des Plasmas geordnet werden, da figuriert er bloss als rote Blutzelle mit orthochromatischem Plasma. Ähnliche Erfahrungen macht man mit den Megaloblasten und Normo- blasten. Nicht die Grösse dieser Zellen war es, welche ihre Trennung be- dingte, sondern ihr Auftauchen in verschiedenen Epochen des embryonalen Lebens. Sind sie zeitlich und deshalb räumlich getrennt, dann sind sie leicht zu unterscheiden: sind sie aber räumlich nicht geschieden, wie bei der essentiellen perniziösen Anämie, oder wie bei der myeloischen Leukämie, dann ist ihre Sonderung schon schwieriger. Im postembryonalen Blute sollen nach Pappenheim die Megaloblasten und Normo- blastenkerne eine verschiedene Chromatinstruktur haben, die ersteren seien amblychromatisch, die letzteren trachychromatisch., Sie bilden zwei parallele Entwicklungsreihen, die nirgends ineinander übergehen. Dass die verschiedenartige Chromatinstruktur zur Trennung der Megaloblasten von den Normoblasten nicht hinreicht, betonen Bettmann (F89), Decastello !) Unter werktätiger Mithilfe meiner Frau. 6* 54 R. Hammerschlag: und Krjukoff (1911), Türk (1904), Askanasy (1891), Weidenreich (1904), und letzterer hebt hervor, dass sie nicht allein morphologisch, sondern auch genetisch zusammenhängen. Auch Decastello und Krjukoff trennen ihre drei Erythroblastengruppen, nämlich die Hämoblasten, Megalo- blasten und Normablasten bloss nach der Dicke der Primitivfibrillen und nach der Art, wie diese zu Strängen sich zusammenfügen. Nur der Gigantoblast gilt bei allen Autoren als der grosse Erythroblast. Engel (1905) verwendet das Plasma allein als Einteilungsprinzip- und unterscheidet auf Grund dessen ortho- und polychromatische Erythro- blasten. Zu den orthochromatischen zählt er die Normoblasten, Metrozyten I.und II. Grösse, zu den polychromatischen die Normoblasten, Megaloblasten und Gigantoblasten. Dass Engels Vorschlag nicht allgemein angenommen wurde, erhellt schon daraus, dass Türk z. B. den Megaloblasten ein poly- chromatisches, während Schilling ihnen ein ortho- und polychromatisches Plasma zuschreibt. Diese wechselnde Nomenklatur ist in der Inkonstanz der Merkmale- dieser Zellen begründet. Die Zellgrösse, die relative Kerngrösse, das Chro- matin, das Plasma mit seinem Reaktionswechsel sind Eigenschaften, die sich durchaus nicht zu bestimmten festen Gruppen vereinigen. Sie kombinieren sich zu mannigfachen Komplexen, so dass es oft schwer hält, wie sich Türk‘ | ausdrückt, die Megaloblasten von den Normoblasten auseinander zu halten und man genötigt ist, dem betreffenden Namen die Eigenschaften von, Kern und Plasma hinzuzufügen. Damit ist aber gesagt, dass der Name Megalo- und Normoblast seinen Zweck nicht erfüllt hat und wohl am besten durch den nicht präjudizierenden Begriff des Erythroblasten ersetzt wird. Bei meinen Studien über die Kernmorphologie der roten Blutzellen hat sich mir dieser Mangel einer Grenze zwischen den Megalo- und Normoblasten unaufhörlich fühlbar gemacht, so dass ich mich wie Lebenhöfer (1908) entschlossen habe, den Namen Erythroblast für alle roten gekernten Blutzellen zu gebrauchen. Ich behalte diesen Namen auch für die Erythrozyten der niederen Wirbeltiere bei, so dass man der Notwendigkeit enthoben ist, die Erythrozyten der Säugetiere nach Pappenheims Vorschlag Erythrozytoden zu nennen. Sie haben mit den Erythrozyten der Mammalier nur das gemein, dass sie das strömende Blut erfüllen. Morphologisch gehören sie zu den Erythroblasten, wie ich das später genauer begründen werde. Material und Technik. Zu meinen Kernbaustudien benützte ich das aus den Rippen aus- gepresste Knochenmark von Kaninchen, jungen Ziegen, Schweinen, einer‘ 70jährigen Frau und einem 16jährigen Mädchen, die an Lungentuberkulose gestorben sind. Es ist mir die Möglichkeit geboten worden, sogleich post. mortem durch eine Rippenresektion das Mark zur Untersuchung zu gewinnen. f Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 85 Die brauchbarsten und schönsten Bilder erhielt ich aus dem peripheren Blute einer myeloischen Leukämie, ferner aus dem Herzblute von Kaulquappen und junger frisch gefangener Frösche. Das ausgepresste Knochenmark sowie das Blut wurden auf Deckgläschen gestrichen, mit Methylalkohol 3 Minuten. Äthylalkohol !/ı Stunde, Äther und abs. Alkohol !/ı Stunde sowie im Formalin- dampf (auf 10 cbem 40°, Formalin, 20 Tropfen Essigsäure) Y/g Minute (Weidenreich) fixiert. Im Formalindampf werden die feuchten Präparate fixiert und dann erst getrocknet. Zur Färbung benutzte ich vorwiegend Eosin (v. Müllern: 2 Tropfen Eosin auf 4 cbem Wasser) 1—3 Minuten, Hämatoxylin (Böhmer) 10 Sek. bis 1 Minute. Die Dauer der Hämatoxylinfärbung ist für die Darstellung gewisser Kernstrukturen besonders wichtig, was später an passender Stelle weiter ausgeführt werden soll. Dem Hämatoxylin steht, was Verwendbarkeit für diesen Zweck anbelangt, am nächsten die Giemsafärbung, wobei es gleichgültig ist, ob mit Methylalkohol oder mit Formalindampf fixiert wird. Bei Erythroblasten der Frösche ist eine längere Färbungsdauer als 1 Minute nicht zu empfehlen. Hat man den Bau der gangbaren Kernformen genau kennen gelernt, dann kann man auch May-Giemsa-Präparate zu seinen Studien benutzen, wenn man die Giemsafärbung nicht auf eine längere Zeit als 10 Minuten ausgedehnt hat. An letzter Stelle steht die Färbung mit Löfflers Methylenblau, die ich aber auch zuweilen mit gutem Erfolge benutzt habe. Den klarsten Aufschluss über den Kernbau der Leukozyten gibt eine Fixation der teuchten Präparate mit Formalin-Essigsäuredampf, Färbung mit 0,300 wässeriger Neutralrotlösung und Einschluss in Paraffin. Mit dieser Methode habe ich meine ersten erfolgreichen Studien (1919) gemacht und diese Präparation hat bei mir die gangbare Vorstellung über den Kernbau der Leukozyten ins Wanken gebracht. Die kurze Haltbarkeit solcher Prä- parate, die sich zuweilen bloss auf einige Stunden bis 3 Tage beschränkt, machte jedoch die Anwendung hier unmöglich. Die Benutzung von Rippenmarksauf- strichen würde bei länger dauernden Untersuchungen einen derartigen Aufwand von verschiedenen Tieren notwendig machen, den ich mir als praktischer Arzt auf dem Lande nicht bieten konnte. Auch der Fall von myeloischer Leukämie war in einem entfernten Bezirkskrankenhaus, und ich musste sehr zufrieden sein, dass mir der Primarius Med.-Rat Dr. B. Niederle eine Reihe von fixierten Präparaten »einzusenden die besondere Güte hatte. Meine Er- fahrungen, die ich mit dem Neutralrot bei den Leukozyten gesammelt habe, sind mir bei den Erythroblasten sehr zustatten gekommen, und ich glaube, ich wäre ohne diese Methode schwerlich in die feineren und minutiösen Details der Erythroblastenkerne eingedrungen. Um den verschiedenen Zellen ihren Platz einzuräumen, muss man in erster Linie ihre Chromatinstruktur in Betracht ziehen und dazu benutzte ich ausschliesslich Hämatoxylin und zart gefärbte Giemsapräparate. Diese beiden Methoden liefern nämlich, was die Chromatinzeichnungen anbelangt, fast übereinstimmende Bilder. Dabei muss man darauf Bedacht nehmen, das Chromatin nicht allzu dunkel zu färben, denn es kommt alles darauf an, dass den sogenannten Konturlinien der Vorrang gelassen werde. Durch eine richtig gewählte Farbe und Fär- bungsdauer soll man es dahin bringen, dass diese Linien, welche dem Umriss, 56 R. Hammerschlag: den Faltungen. der Kernmembran angehören, auch innerhalb der Kernfläche mitten im Chromatinnetzgerüst nicht verloren gehen. Bei einer gewissen, richtig eingeensten Färbuugsintensität sind sie dunkler gefärbt als das Chromatin;; verlängert man die Färbung über eine bestimmte Dauer, dann ver- schwindet dieser Unterschied und man ist dann nicht mehr imstande, diese wichtigen Binnenlinien vom Chromatin zu unterscheiden. Damit ist die Technik bloss in den Grundzügen angedeutet worden, denn sie musste bei verschiedenen Zellen mannigfach variiert werden, was an den betreffenden Stellen bemerkt werden wird. Kernpolymorphie. Die Kernformen der Erythroblasten haben bei allen Autoren eine einheitliche Beurteilung erfahren. Sie differieren nur be- treffs der Ursache oder der Lokalisation, nämlich ob sich die Polymorphie mehr an der Kernmembran oder an dem Chromatin vollzieht. Über die resultierenden Formen jedoch herrscht volle Übereinstimmung. Wie bei den Leukozyten hat auch bei den Erythroblasten sich Weidenreich über den Vorgang ihrer Polymorphie am klarsten ausgesprochen, und wenn ich die dies- bezügliche Literatur nur insoweit erwähne, als es mein spezielles Thema erheischt, so geschieht es im Hinblick auf die Monographie von Weidenreich über die roten Blutzellen. Weidenreich leitet in Übereinstimmung mit anderen Autoren alle Formen vom Kugelkern ab. Bei der Polymorphie nimmt der Kugelkern un- regelmässige Konturen an, bildet Hervorbuchtungen, erleidet Einstülpungen, die, im Falle sie an zwei Stellen auftreten, zur Bildung von Biskuit-und Hantel- formen führen. Entwickeln sich Sprossen an drei Stellen, entsteht eine Kleeblattform, tauchen die Sprossen an zahlreichen Stellen der Kernoberfläche auf, führt das zur vielfach beschriebenen Maulbeerform. Er kann aber auch langgestreckt, wurstförmig werden und nachträglich erfolgende Impressionen können bisquitartige Kernformen erzeugen. Dabei tritt der Nukleolus aus oder verschwindet, das Chromatingerüst wird dichter, ohne dass es verklumpt oder Zeichen von Degeneration aufweist. Der Plasmaleib wird grösser; homogener und hbhaltig, ohne dass man aber sagen könnte, dass beide Vor- gänge in einer gewissen Wechselbeziehung ständen. Aus dieser Darstellung gewinnt man den Eindruck, als ob der Kern amöboidähnlichen Deformationen unterliegen würde, dass die Kugelform ebenso in eine Buchtform (Pappenheim, Neumann (1903), Weiden- reich, Pfitzner (1886), Bettmann) wie in eine Maulbeerform (W eiden- reich) übergehe, dass sie Knospen und Sprossen (Pappenheim, Weiden- reich, Ruge, Wertheim (1891), Bettmann, Schmaus u. Albrecht (1895), Türk, Bloch, Mollier) treiben könne, dass aus ihr eine Kleeblatt- (Bettmann, Weidenreich) oder Rosettenform (Weidenreich, Arn- heim, Pappenheim, Bloch (1901), Askanasy, L’iebenhöfer, Al- Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 87 brecht) werden könne, ja dass durch zahlreiche Einschnürungen hefe- kolonienartige Formen auftreten. Schreitet der Einschnürungsprozess weiter, kommt es zu einem Losreissen von Sprossenteilen, sodass mehrere gleiche oder ungleiche Kernteile entstehen, die entweder feine Körner (Bloch) oder Trümmer (Askanasy, Kölliker (1846), Bettmann) genannt werden. Solche Kernteile verdanken ihre Entstehung nach Ansicht von Arnold (1896), Türk, Timofejewsky (1895), Mollier, Fahrner (1895) auch dem Prozesse der direkten Teilung. 5 Es kann aber auch zu einem Zerfall des Kugelkerns kommen, ohne dass er früher deformiert wurde, also durch Karyorrhexis. Arnold hät dem eine klare Fassung gegeben, indem er sagt, dass sich die Kernkugel spaltet und in kleinere, eckige oder rundliche Gebilde zerfällt, die nach Bettmann und Askanasy nur selten mittels Fäden zusammenhängen. Ich hebe das hervor, weil ich diesen Fäden bei der wahren Karyorrhexis der Leukozytenkerne eine grosse Bedeutung beigemessen habe. Die Karyor- rhexis soll an gewisse Zustände des Chromatins geknüpft sein. Pappen- heim äussert sich dahin, dass sowohl Erythroblasten in seinem Sinne aufgefasst, als auch die pyknotischen Kerne der Karyorrhexis anheimfallen, wenn er auch die leukozytoide Kernzerklüftung des Jugendkerns mit grosser Kernplasmarelation als pathologisch auffasst, während die Karyorrhexis bei dem pyknotischen Normoblastenkern sich unter dem Bilde von Rosetten- und mitosenähnlichen Knospenformen vollzieht. Lebenhöfer sagt, dass die Karyorrhexis erst dann einsetzt, wenn die typische Chromatinstruktur ver- wischt ist, stimmt also mit Bettmann überein, welcher behauptet, dass ohne Chromatinumlagerung die Karyorrhexis nicht beginnt. Auch Leben- höfer, Schmaus und Albrecht meinen, dass der Pyknose die Karyor- rhexis folgt, während Ballo dela Valle die Karyorrhexis mit der Chromatinauflösung in Beziehung bringt, und zwar soll die Karyorrhexis ihr vorangehen. Aus den Aussprüchen der angeführten Forscher scheint hervorzugehen, dass die Karyorrhexis sich tiefgehenden Ver- änderungen und Degenerationen des Kerns anschliesst. Formale Genese der Polymorphie. Auch inbezug auf die formale Genese der Polymorphie haben die Erythroblasten nicht jene Bearbeitung erfahren wie die Leukozyten. Es sind darüber ziemlich dürftige Bemerkungen, so vonPappenheim, dass die Polymorphie der Erythroblasten durch Einbuchtung von aussen und nachträgliche Abschnürung erfolgt. Nach ihm soll es zuweilen erst vom Lochkern aus, einem Produkt des Astrosphärendruckes, zu weiteren Stufen der Polymorphie kommen. Nach Albrecht ist die Polymorphie ein passiver Vorgang, der sich an die partielle Verflüssigung des Endoplasmas anschliesst. Die an diesen Stellen herabgesetzte Oberflächenspannung veranlasst daselbst eine Sprossenbildung und eventuell eine völlige Abschnürung. 88 R. Hammerschlag: Löwit (1883) glaubt in der Ausbildung der Scheidewände den An- stoss zur Polymorphie zu sehen. Es gibt aber Forscher wie Bettmann, welche in der verschiedenen Chromatinverteilung die Bedingungen für die Entstehung der Polymorphie sehen. Ist das Chromatin gleichmässig auf der Kernwand verteilt, bleibt die Kugelgestalt gewahrt, liegen aber an irgend einer Stelle grössere Chro- matinklumpen, geben sie zu Ausbuchtungen Veranlassung. -Nach Pappen- heim kann auch ein einseitiges Kernwachstum Sprossen und Knospen er- zeugen, sodass nach diesem Autor bald äussere, bald innere Einflüsse an der Polymorphie des Kerns sich beteiligen können. Decastello und Krjukoff (1911) nehmen in der Frage, wie die Polymorphie der Erythroblasten zustande kommt, einen Standpunkt ein, der sich von dem der anderen Forscher wesentlich unterscheidet. Diese ab- weichende Ansicht ist darin begründet, dass sie die Anwesenheit einer Kern- membran ücerhaupt in Abrede stellen, also auf Anschauungen der S0er Jahre wieder zurückgreifen und ferner die Chromatinstruktur in einer Weise dar- stellen, die mit den uns geläufigen Bildern nicht immer übereinstimmt. Der Kern ist aus einem System von Primitivfasern zusammengesetzt, deren Schlingen mit ihrer Konvexität nach aussen, mit ihren Schenkeln nach innen gerichtet sind. „Sehr häufig sieht man einzelne, oft auch zahlreiche Kern- faserschlingen mit dem konvexen Teile über den Kernrand in das Protoplasma hineinragen und es treten an verschiedenen Stellen Kernfäden radiär in den Zelleib über. Das ist mit der Vorstellung einer allseitig geschlossenen Kernmembran unvereinbar.“ Es kann sonach die Polymorphie durch eine Formänderung der Kernmembran nicht bedingt sein, wie ich es für die Leukozyten voraussetze, sondern sie ist nach Decastello eine Folge von Lageänderungen der Primitivfasern. Nicht allein, dass die Substanz dieser Fasern bei den verschiedenen roten Blutzellen sich ändert, die sich auch in der Färbung ausspricht, sondern die Formierung der Fasern zu Strängen führt zur Bildung von Stäben. Durch die spiralige oder konvolutartige Zu- sammenballung dieser Stäbe kann eine regelmässige Rundform vorgetäuscht werden. Ebenso können durch ihre Lagerung Einziehungen am Kernumfang oder lappenförmige Zeichnungen hervortreten. „Sehr überzeugend im Hin- blick auf die Fähigkeit eines einheitlichen Kernstabes sind amitotische Teilungen von Megaloblasten, bei denen man Aufrollung des Kerns zu einer langgestreckten Spirale, Teilung desselben in zwei Hälften und neuerliche Zusammenballung dieser zu Rundkernen beobachten kann.“ „Die sogenannten Sprossungsfiguren der Erythroblastenkerne erklären sich als Einzelwindungen des Kernstabes, welche aus dem Kern hervorragen oder als Ausdruck einer Aufrollung des Kernstabes, wobei dessen Teile sich aus der Gesamtmasse des Kernkonvoluts lösend, Schlingen, Spiralen und Knoten bilden, welche dem Kern alle möglichen Formen verleihen können.“ Zu diesen Resultaten gelangten Decastello und Krjukoff bei Färbungen nach May-Giemsa und einer 3000 fachen Vergrösserung. Ich bin auf Deca- stellos Ausführungen etwas näher eingegangen, weil sie von den Häma- tologen keiner rechten Würdigung teilhaftig werden. ee Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 89 Eigene Beobachtungen. Ostium. - Die Kerne der Erythroblasten teile ich in zwei Gruppen, die sich durch die Entstehungsweise ihrer Polymorphie wesentlich unterscheiden und zwar indie Bandkerne und in die karyor- rhektischen Kerne. Wir begegnen hier denselben Formen wie bei den neutrophilen und eosinophilen Leukozyten. Ebenso wie bei diesen wird die Polymorphie durch Bildung einer Linie an der Oberfläche des Kugelkerns eingeleitet, die ich ihrer Ge- staltung wegen Ostinm nenne. Die Darstellung dieser Linie gelingt am besten, wenn man die mit Formalindämpfen fixierten feuchten Blutzellen mit 0.3 °/o wässeriger Neutrallösung färbt. Diese bei Leukozyten bewährte Methode habe ich aus oben angeführten Gründen durch Hämatoxylin und Giemsafärbung ersetzen müssen. Das Ostium bietet sich in zwei Formen dar und zwar als rhom- boidales und lappenförmiges (eulenkopfartiges). I. Rhomboidales Ostium. Diese Ostiumart soll an Zelle 1 demonstriert werden. Sie entstammt dem peripheren Blute einer 24 jährigen Arbeiterin, die im Jahre 1917 eine vergrösserte Milz beobachtete. Leukozyten 14500, Erythrozyten 4300000, ein Jahr vorher betrug die Zahl der Leukozyten 22000. Andere Daten stehen mir nicht zur Ver- fügung, als dass die klinische Diagnose myeloische Leukämie ge- lautet hat. Exitus im Jahre 1918. Dieses Präparat wurde mit Methylalkohol 3 Minuten fixiert, mit Eosin 1 Minute und ohne abzuspülen mit Hämatoxylin (Böhmer) 1 Minute gefärbt. Es ist ein grosser Erythroblast mit polychromatischem Plasma und relativ grossem Kern. Das Chromatin hat eine netzförmige Struktur, die aus feinen Chromatinfäden besteht, in die ungefähr 16 polygonale Knoten eingeschaltet sind. Bei schwacher Ver- grösserung (Immersion 610) bemerkt man eine stumpf-rechteckige Fläche, die Mitte des Kerns durchziehend, die von einer scharfen . Linie umschlossen ist und an deren periphere Seite sich mehrere Chromatinknoten anlehnen. Sie ist stärker als die Fäden, aber nicht so breit und nicht so dunkel tingiert wie die Knoten. Sie lässt sich also weder mit den Fäden, noch mit den Knoten iden- tifizieren. Es ist eine gleichmässig starke Linie, die der Membran 90%: R. Hammerschlag: angehört und die Chromatinsubstanz in sich aufgenommen hat. Wenn es auch in diesem Falle nicht möglich ist festzustellen, ob sie im Innern oder an der Oberfläche des Kerns gelegen ist, so lehren alle meine früheren Erfahrungen, sowie auch alles, was später über diese Linie gesagt werden soll, dass sie der Kern- membran angehört. Sie leitet die Polymorphie ein, hier reisst die Kernmembran und ich nenne sie ihrer Form wegen „Ostium“. Ihre Lage kann ganz genau bestimmt werden, wenn ein Teil an der Vorder-, der andere Teil an der Hinterfläche des Kerns liegt, ı wie bei Zelle 2. Dieser Erythroblast entstammt der myeloischen Leukämie wie 1. Auch die Technik ist dieselbe, nur dass die Eosinfärbung auf 2 Minuten ausgedehnt wurde, kurze Abspülung mit 50°/o Alkohol, Wasserspülung, Färbung mit Hämatoxylin 2 Minuten. Diese Zelle ist etwas kleiner als 1, Plasma poly- chromatophil, Kern relativ gross, ovoid. Das Uhromatin zeigt aber nicht jene regelmässige Chromatinnetzzeichnung. Wir finden wohl am Rande einige Knoten und Bälkchen, in der Mitte ist jedoch das Chromatin schon teilweise verwaschen. An der rechten Seite mitten im dunkeln Chromatin ist eine 8-Figur, die sich so wesentlich in ihrer Form, ihrer gleichmässigen. Dicke von den anderen Chromatingebilden unterscheidet, dass ich sie ebenfalls. als ein Ostium ansehen muss. Es hat jene Sattelform, wie ich sie bei Lymphozyten, die mit Neutralrot behandelt wurden, : oft gesehen habe. Man findet aber dennoch Zellen, bei denen mittels anderer Färbemethoden das Ostium ebenso deutlich hervortritt wie bei Neutralrot. Ein solches Exemplar ist Zelle 3. Herkunft ist dieselbe wie bei 1 und 2, Fixation mit Methylalkohol 3 Minuten, Giemsa 10 Minuten, Grösse gleich 2, Plasma polychromatophil, Kern relativ gross, kugelförmig. Es hat den Anschein, als ob der Kern von spärlichem, schmalem, balkenförmigem Chromatin durchzogen wäre. Dem ist jedoch nicht so. In diesem Kern ist das Chromatin bis auf geringe Spuren völlig geschwunden und was von Zeichnung hier zu sehen ist, gehört dem Ostium an. An der Vorderfläche ist es durch breite Linien gekennzeichnet, an der Hinterfläche sind die Linien feiner und es lässt sich nicht - entscheiden, ob sie dort bis zum Äquator oder nach einer Knickung bis zum unteren Pol sich erstreckt. Bemerkenswert ist, dass das Ostium in erhöhtem Maße die basische Farbe festhält, wenn das Chromatin grösstenteils dem Auslaugungsprozesse verfallen ist. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 91 Ebenso wie bei 2 unterliegt es auch bei 3 keinem Zweifel, dass das Ostium der Kernmembran angehört. Das Ostium zeigt einen ‚anderen Charakter bei Zelle 4. Dieser Erythroblast ist etwas grösser als ein Erythrozyt (Zelldurchmesser 8,82 «, Kerndurch- messer 7 u), Plasma schwach basophil. Das Chromatin besteht aus 12 Netzknoten, die entweder. drei- oder viereckig sind, die fädigen Verbindungen sind nicht nachweisbar. In dem Kern ist eine sechseckige Figur von starken Linien gebildet, die sich von den Chromatingebilden sehr wesentlich unterscheidet. Sowohl inner- als ausserhalb dieser Linien sind Netzknoten angelagert, die aber nirgends dieselben überschreiten. Wir haben deshalb vor uns ein typisches Ostium, das mit den Chromatinlinien nicht identi- fiziert werden kann. - Zelle 5 rührt auch von der myeloischen Leukämie her. Fixation mit Formalindampf "sa Minute, Giemsa 10 Minuten, mittelgross. Das Ostium ist von T-Form und so charakteristischer Zeichnung, dass es mit dem Chromatin nicht verwechselt werden kann. Von der Kernperipherie ziehen radiär Chromatinfäden und Bälkchen zu diesem Ostium. Die vom Ostium begrenzte Fläche ist schwächer gefärbt und enthält zwei quere Chromatinbälkchen. Es macht den Eindruck, als ob an dieser Stelle die Oberfläche eingesunken wäre und infolgedessen eine geringere Mächtig keit hätte. Ist die Affinität des Ostiums zu den basischen Farben eine grössere als zum Chromatin, so könnte man seine Besonderheit dadurch beweisen, wenn man so kurz färbt, dass das Chromatin nicht Zeit gefunden, sich deutlich zu tingieren. So müsste also eigentlich bloss die Zeichnung des Ostiums und der Kernmembran erzielt werden. Das ist mir auch in sehr vielen Fällen gelungen. Zelle 6 stammt aus dem Knochenmark der 7. Rippe einer 70 jährigen Frau, die an Lungentuberkulose starb. Präparat an- gefertigt Yı Stunde post mortem, Fixation mit Methylalkohol 3 Minuten, Eosin 2 Minuten, Hämatoxylin !/s Minute. Nackter Kern von Kugelform. Was an Zeichnung sich hier vorfindet, muss man als dem Ostium angehörig betrachten. Es ist schmal und zieht sich über den grössten Teil der Kernoberfläche hin. Zelle 7 fand ich im selben Präparate wie Zelle 3 und 4. Es ist ein mittelgrosser Erythroblast mit einer Kerngrösse, die der halben Zellgrösse gleichkommt, Kern kugelförmig bis auf 92 R. Hammerschlag: eine kleine Einkerbung an der Peripherie. Chromatin zart, balkenförmig, mit stellenweise radförmiger Anordnung, es zeigt nicht jene fädige Zeichnung, die mittels knotenförmiger Gebilde zusammengehalten wird, noch jenes grobbalkenförmige Chromatin, wie wir es bei anderen Erythroblasten finden. Wir haben also einen jener zahlreichen Fälle vor uns, wo wir weder nach der Grösse noch nach der sogenannten Kernplasmarelation, noch nach der Chromatinstruktur; die weder ausgesprochen amblychromatisch noch trachychromatisch ist, entscheiden können, wo wir diesen Erythroblasten unterbringen sollen, ob bei den Megaloblasten oder Normoblasten. Aber gerade diese Chromatinbeschaffenheit lässt das Ostinm um so deutlicher hervortreten. Die kleine Kerbe an der Peripherie des Kerns entspricht einer seichten Einsenkung der ganzen ÖOstiumfläche. Es ist daraus ersichtlich, dass sich dieser Teil der Kernmembran von der übrigen wesentlich unter- scheidet. Bei dieser Färbung kann man sich kein Urteil bilden, ob die vom Ostium eingeschlossene Fläche bloss einer Einsenkung der Kernmembran entspricht oder ob sich hier die Kernmembran völlig geöfinet hat und eine Pforte in dem hohlen Kernraum bildet. II. Lappenförmiges Ostium. Das Ostium kann bei den Erythroblasten eine Form an- nehmen, der man bei den Leukozyten seltener begegnet. Es erscheint in Form eines Lappens, wofür in Fig. 8 ein sehr instruktives Beispiel angeführt wird. Es ist eine Zelle ans demselben Prä- parat wie Erythroblast 1, im ganzen etwas kleiner, sonst aber in bezug auf relative Kerngrösse, Kernform und Chromatinstruktur ıhm vollkommen gleichend.. Man muss für die Ostiumlinien ein sehr geübtes Auge haben, um sie aus dem dichten Chromatinnetz herauszufinden. Unterhalb und parallel mit dieser gleichmässig dicken Linie verläuft ein hellerer, schmaler Streifen, den un- gemein feine CUhromatinfäden durchziehen. Angesichts dieses merkwürdigen Gebildes, wovon ich in keinem der Atlanten eine Andeutung gefunden habe, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, einen lappenförmiger Teil der Kernmembran vor mir zu haben, der von der Kernoberfläche sich losgelöst und schon ein wenig abgehoben hat. Ich habe oft beobachtet, dass Lappen sich bei der Polymorphie verlängern und verschmälern. Ähnliches ist auch bei Lappen dieser Art zu sehen bei Fig. 9. Der Lappen Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 93 stülpt sich nasenartig vor und infolge der Verschmälerung an der Basis kommen zwei Schlingen zum Vorschein, sodass ein Ge- bilde zustande kommt, das an einen Eulenkopf erinnert. Obgleich hiermit die Polymorphie erst eingeleitet wird, ist das Chromatin schon vollkommen pyknotisch. Mit dem Ostium dieser Art ist auch ein rhomboidales verbunden, das am unteren Pole zur Ent- wicklung kam. Dasselbe lappenförmige Ostium im verkleinerten Maßstabe finden wir bei 10. Dieses Ostium ist hier deshalb so deutlich zu sehen, weil die Färbung mit Hämatoxylin auf 10 Sekunden eingeschränkt wurde. Die Zelle ist von Erythro- zytengrösse, der Zapfen überdeckt die Sprunglinie nicht voll- ständig, sodass man über diese Art des Ostiums klaren Auf- schluss erhält. Eine Modifikation dieses Ostiums habe ich bei 11 und 12 abgebildet. Bei diesem Erythroblasten aus dem strömenden Blute der myeloischen Leukämie wirkte das Hämatoxylin 2 Minuten ein, dadurch ist die Deutung dieses Ostiums ungemein schwierig geworden. Es gelang mir endlich in dem dichten Chromatinnetz die zwei verschieden grossen Schlingen zu entdecken und von diesen aus konstruierte ich den Ostiumlappen, der aber zum Unterschiede von den vorher dargestellten ein abgeschrägtes, gerades Ende hatte. Es erscheint mir geboten, diese Verhält- nisse durch die Skizze 12 zu erläutern. Wir sehen also auch hier, dass dieser Zapfen sich entweder retrahiert hat oder von der Unterlage abgehoben wurde. Obgleich ich mich schon jahre- lang mit ähnlichen Kernkonstruktionen befasse, stösst man immer wieder auf Probleme solcher Art, deren Analyse ungemein zeit- raubend ist wie in diesem Falle. Erythroblast 13 lässt sich wegen seines Ostiums den voran- gehenden anreihen. Es handelte sich um eine grosse Zelle mit Kugelkern und sehr spärlichem Chromatin. In dem merkwürdig gestalteten Ostium ist ersichtlich, dass eine rechtwinklige Spitze in die Ostiumfläche hineinragt, was wohl berechtigt, mit diesem Kern die Reihe der Lappenostien abzuschliessen. Zelle 14 soll die Brücke darstellen zwischen Kugelkernen mit Ostien und jenen, die wir als primäre Rinnen bezeichnen. Die Zelle 14 hat einen Kern von Bohnenform, deren Fläche durch mehrere dunkle Lappen zerteilt ist. Das Ostium: 94 R. Hammerschlag: umgrenzt diese Lappen, und es ist kein Zweifel, dass an dieser Stelle die Membran verschwunden ist. Alle meine Untersuchungen führten dahin, dass bei der Polymorphie das Ostium jenen Mem- branteil darstellt, an. dem der Kerninhalt ins Plasma übertrat. Es ergibt sich daraus, dass im ersten Beginne der Kernumwandlung eine Kugelschale entsteht und diese allein ist das Substrat für alle weiteren Kernformen. Im Erythroblast 15 liefere ich für diese Anschauung einen untrüglichen Beweis. Anfangs machte diese Zelle den Eindruck eines jugendlichen Erythroblasten. Das Chromatingerüst war feinfädig und knotig, weitmaschig. An der Peripherie des Kerns ist eine Kerbe, welche wie gewöhnlich der Kreuzungspunkt von Linien ist, die weit ins Innere des Kerns führen. Die Betrachtung meiner Zeichnung ergibt, dass die Kernkugel weit aufgerissen ist, sodass eine eingerollte Rinne entstand. Sowohl vorne als hinten sind die Randlinien dieser sogenannten primären Rinne wahrzunehmen. Dass es sich nicht in dem Falle um einen halb- zylinderförmigen Körper handeln kann, darüber belehrt uns der obere Teil dieser Rinne. Wäre es ein Halbzylinder, würde der (Querschnitt ein Halbkreis sein, der durch einen Durchmesser ab- geschlossen wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Es ist sonach durch einen tiefen Einriss der Kernmembran, durch Schwund des Kerninhalts, durch Apposition des gesamten Chro- matins an der Kernwand die primäre Rinne entstanden. Eine weitere Entfaltung und Aufrollung ist am Erythro- blasten 16 wahrzunehmen. Bei dieser Zelle, die etwas grösser als ein Erythrozyt ist, hat die May-Giemsafärbung 12 Minuten ein ganz deutliches Bild geliefert. Durch den ganzen Kern geht ein tiefer, breiter Spalt. Die bogenförmige Linie, welche den Kern unten abschliesst, müsste dieser Auffassung eigentlich wider- sprechen und dahin führen, anzunehmen, dass die Kernmembran nicht durchbrochen ist und die im Kern vorhandenen Linien als Östiumlinien anzusehen sind. Später werde ich oft Gelegenheit haben nachzuweisen, dass diese Bögen nicht immer der Kern- membran angehören, sondern dem Plasma, das bei manchen Ery- throblasten unter bestimmten Verhältnissen von starrer Kon- sistenz ist. Hierher gehört auch Erythroblast 17. Er macht fast den Eindruck eines Lochkerns und ist dennoch nichts anderes als ein [| Zur Morphologie der Erytrhoblastenkerne. I Rinnenkern, dessen Ostium ursprünglich in der Mitte eine schmale Brücke und an den Seiten weitere Schlingen hatte, ‚wie das schon bei Fig. 14 genau dargestellt ist. Beachtenswert in diesem Falle ist die Chromatinzeschnung, die eine scharfe longitudinale Im- pression andeutet. Mit 18 soll polymorphen Erscheinungen Rech- nung getragen werden, wie sie bei membranlosen Kernen zuweilen zur Geltung kommen, also bei Mitosen, die sich dem Membran- kern nähern oder sich von ihm entfernen. Der Bau dieses Kerns mahnt an Chromatingebilde, wie sie von Decastello und Krju- koff als allgemein gültiges Kernbauschema hingestellt werden. Chromatinfibrillen sind hier zusammengelegt zu breiten Strängen. Trotzdem ist dieses ganze Gebilde rachenförmig an einer Seite geöffnet. Wenn eine Rinne total.aufgeklappt ist, sodass die beiden Schenkel in einer Geraden zu liegen kommen, entsteht ein Kern von der Form 19. Das Plasma dieser Zelle ist polychromatophil, Kern relativ klein, Chromatin homogen, nur an den Rinnenrändern dunkler. In diesem Falle darf man sich die Kerbe an der linken Seite des Kerns nicht so entstanden denken, dass hier ein Druck von aussen eingewirkt hätte, sondern sie ist als Vereinigungs- punkt der beiden mehr starren Rinnenbögen anzusehen. Derartige Bewegungen der Rinnenschenkel, also dieses Aus- einanderweichen der Rinne kann aber noch weiter gehen, es kann sogar zu einer Rotation um 360° kommen wie bei Fig. 20. Die Zelle war sehr gross, Plasma oxyphil, Chromatin pyknotisch, die Färbung mit Hämatoxylin war so abgestuft, dass die Rinnen- natur deutlich zu erkennen war. Der linke schmälere Schenkel ist eingeknickt, als ob er bei seiner Verlängerung im Plasma ein Hindernis gefunden hätte. Solche Rinnenschenkelbewegungen sind es, welche den Bau der Kerne häufig ungemein komplizieren, wie das bei 21 ersicht- lich ist. Der Kern ahmt in seinem Verlauf eine S-Form mit eingeschlagenem unteren Teil nach. Bei diesem Kern habe ich Gelegenheit, auf den Umstand hinzuweisen, dass sehr oft nur in der Hohlfläche ein parallelstreifiges Chromatin sich befindet, während die Aussenfläche mehr homogen ist. Das ist ein Behelf, bei verschlungenen Rinnen die Innenfläche von der Aussenfläche zu unterscheiden. Trotz dieser Kompliziertheit macht der Kern den Eindruck eines Kugelkerns. Wir finden ihn nämlich von TITTEN “ER 96 R. Hammerschlag: einem Kreis umschlossen, von dem wir annehmen müssen, dass- er dem Plasma angehört. Dass auch in diesem Anteile feine, konzentrische Chromatinstreifen angetroffen werden, darf uns in dieser Annahme nicht wankend machen. Hierbei kann ich mich auf Heidenhain (1907) berufen, welcher sagt, dass in vielen Fällen die Formbestandteile der Plasmastruktur in ähnlicher Weise an der äusseren Kernoberfläche der Membran wie die Teile der Kernstruktur an der inneren Plasmafläche haften. Ich habe es auch in diesem Falle für notwendig gehalten, eine Skizze bei- zufügen, um diese Verhältnisse besser zu veranschaulichen. Bandkerne. Bei der Polymorphie beobachten wir in ihrem weiteren Ver- laufe die Tendenz, die konvexe Rinnenfläche einzudrücken, die Rinne platt zu strecken, sodass ein Band entsteht. Das macht sich schon sehr frühzeitig geltend, sodass die primären Rinnen- kerne mit ihrer Konkavität gegen das Zentrum des Kerns ge- richtet gegen die folgenden Formen an Zahl zurücktreten. Das ist schon bei den ältesten Formen der Erythroblasten, welche im strömenden Blute des Frosches sich vorfinden, sehr oft nach- zuweisen. | Ein solcher Erythroblast ist 22. Plasma blaugrünlich, Chro- matin teils fädig, teils balkig, zumeist in queren Streifen. Der Kern erscheint tief eingebuchtet und die gerade obere Seiten- kante weist auf die ebene Beschaffenheit dieses Bandschenkels' hin. Diese Bandbildung vollzieht sich nicht immer auf einmal längs der ganzen Rinne, sodass es geschehen kann, dass ein Schenkel noch konkav, während der andere plan geworden ist. Das kann man sowohl im Froschblut, im Knochenmark, sowie auch an anderen Fundorten der Erythroblasten finden. Den Typus des breiten Bandes, wie man es bei Übergangsformen so häufig antrifft, habe ich unter 23 abgebildet. Das Chromatin dieses relativ grossen Kerns ist grobbalkig, weitmaschig, die Be- schatfenheit dieses breiten Bandes ist aus der Figur so klar er- sichtlich, dass ich darüber keine weiteren Worte verlieren muss. So wie bei den Rinnen werden auch die Bänder schmäler und länger, sodass bei ihrer Entfaltung und bei der Raumbe- schränkung im Plasma sie sich neuerlich zusammen krümmen können und Formen annehmen, die den Anfangsformen gleichen. Ein Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 97 Beispiel hierfür ist Kern 24, der wie ein einfacher Buchtkern er- schien. Die Kernfläche ist jedoch in drei Felder geschieden, in ein grosses und zwei kleinere. Das grosse ist von queren Chro- matinbalken durchzogen, die auf eine dunkle Fläche eingetragen sind, die zwei eingeschlagenen Enden sind hell und chromatinlos. Die Analyse solcher Kerne wird viel schwerer, wenn ihnen zur Entfaltung ein noch kleinerer Raum zugewiesen ist, wie bei 25. Diese Zelle war kleiner als ein Erythrozyt, Plasma poly- chromatophil mit Überwiegen der oxypkilen Quote. Wegen der Kleinheit dieses Kerns war ein Eindringen in seine Struktur mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, was auch durch die May- (siemsa-Färbung bedingt war. Zuerst hielt ich ihn für einen Kugelkern mit einem hellen linksseitigen Ostium: das genaue Verfolgen dieser vermeintlichen Ostiumlinien führte ins Innere des Kerns und ergab endlich ein zusammengeschlagenes Band, dessen unteres Ende nach aussen geschlagen war. Das Chromatin war fast pyknotisch. Bei diesen chromatinischen Veränderungen muss die Kernform nicht auch zugrunde gehen und manche ver- klumpte Figur würde in ihrer erhaltenen Form sich uns dar- bieten, wenn die Färbung entsprechend äbgeschwächt werden möchte. (Türk.) Wenn sich der Kern zu einem sehr schmalen Bändchen ver- schmächtigt hat, vom Plasma auf einen kleinen Hohlkugelraum be- schränkt ist, so können Figuren entstehen wie 26. Das Bändchen hat sich spiralig eingerollt, mehrfach gedreht, wie das bei Erythro- blasten seltener vorzukommen pflegt und es entstand eine Kern- figur, über deren Zusammensetzung die beiliegende Skizze Auf- schluss geben soll. Gewährt das Plasma dem Bandkern genügend Raum zu seiner Streckung, so entsteht ein Kern wie er bei 27 gezeichnet ist und wohl keiner besonderen Erläuterung bedarf. Unter Umständen kann die Aufrollung eines Bandkerns eine so energische sein, dass ein Teil desselben den Plasmarand durch- dringt (Fig. 28). Dieses Kernbild würde von vielen als eine Kernausstossung bei einer direkten Teilung aufgefasst werden. Der mittlere Teil ist kein schmaler Verbindungsfaden zwischen zwei Kernen, sondern die Kantenansicht oder der torquierte Teil eines Bändchens. Es war bei der hier angewendeten Giemsa- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. I. 7 95 R. Hammerschlag: färbung leicht nachzuweisen, dass der extrazelluläre Kern ein aufgerolltes Bändchen war. Im selben Präparate fand ich auch den Erythroblasten 29. Zellgrösse 8,28, Kerndurchmesser 7,56, Plasma basophil, gestreift. Der Plasmabeschaftenheit nach ein junger Erythroblast, dessen Kern in der Polymorphie schon eine weite Strecke zurückgelegt hat. Das Chromatin dicht, balkenförmig, mit zahlreichen Rand- knoten, stellenweise auch schon homogen. Eine mühselige Unter- suchung ergab ein W-förmiges breites Band, dessen vorderster Teil longitudinal eingedrückt ist. was durch die beiliegende Skizze noch anschaulicher gemacht werden soll. Damit die Lösung einer so schwierigen Aufgabe erleichtert wird, muss man den Linien der beiden Kerben nachgehen und sie genau in der Kern- fläche verfolgen. Ein Gegenstück zu 29 ist 30 aus dem Herzblut des Frosches, Formalinfixation !/a Minute, Giemsafärbung 2 Minuten. Die meisten Kerne der Froscherythroblasten sind gebuchtet, werden sehr bald bandförmig und bei der Schmalheit des Gesamtkerns werden natürlich die Bändchen ungemein grazil. Bei 30 ist ein solcher Kern noch vielfach gedreht und es entstand ein Kern, der wie ein Chromosom im frühen Stadium aussieht, wie ihn Heidenhain in seinem Werk: Plasma und Zelle, Seite 176, ab- bildet. Sekundäre Rinnen. Das Band kann wieder zur Rinne werden. Die entstandene Konkavität ist dann gegen die Peripherie gerichtet und der Quer- schnitt kann ein parabolischer oder auch kantiger sein. Für die letztere Art führe ich Erythroblast 31 an. Bei diesem Froschblutkörperchen ist die Giemsafärbung bloss auf 1 Minute ausgedehnt worden. Das Chromatin feinbalkig, mit weiten Maschen, Kern länglich mit ovoider Einbuchtung. Das Dorsum dieses Kerns tief eingedrückt und durch die hellere Färbung leicht agnoszierbar. 32 ist’ein Kern von Biskuitform, die durch Knospung, wie das Bettmann und Weidenreich lehren, nicht entstanden sein konnte. Bei etwas genauerer Betrachtung erscheint dieser Kern als eingerollte Rinne. An der peripheren Seite sind Chro- matinstreifen in einer Anordnung, welche dem Kern eine radiäre Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 99 Struktur verleihen. Ich habe häufig gefunden, dass diese Streifung sich in der Kehlfläche der primären Rinne befindet. Ist nun diese radiäre Chromatinstreifung an der Peripherie, dann ist nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sich 32 auf andere Art ge- bildet hat als 31. Bei 31 behält der Kern seine primäre Krüm- mung, die sich an den ursprünglichen Kugelkern angeschlossen hat. Er ist nur insofern deformiert, als sich eine dorsale Rinne ausgebildet hat. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Impression vielleicht so entstanden ist, dass ein Kernteil dem austretenden Kernsaft zu folgen gezwungen ist. Kern 32 verdankt seine Polymorphie wieder dem Umstande, dass die Rinne sich nicht ändert, dass die Schenkel der primären Rinne bei dem stürmischeren Verlassen des Kernsaftes weit auseinander getrieben werden und einen Bogen mit einer entgegengesetzten Konkavität bilden. Bei dem Kern 32 ist es sogar soweit gekommen, dass sich die Enden nach innen schlagen und die Mitte der Rinne berühren. Ich stütze diese Ansicht nur darauf, dass sich diese parallele Chromatinstreifung sehr oft bloss im Innern der primären Rinne gefunden habe, womit kein allgemeines (Gesetz ausgesprochen werden soll, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass bei einer zarten Kernmembran das Chromatin auf beiden Seiten der Rinne gleich gut zu sehen ist. Erythroblast 33 ist sowohl im Knochenmark, im peripheren Blute der myeloischen Leukämie, sowie auch im Froschblut sehr häufig anzutreffen. Er. bietet der Beurteilung keine besonderen Schwierigkeiten, sein Plasma ist polychromatophil, die sekundäre Rinne schmal, zweimal winklig abgebogen, der untere Teil mehr flach und zeigt mehrere parallele Streifen, die in dieser Deutlich- keit an der oberen konvexen Rinnenfläche nicht so deutlich aus- gesprochen sind. Ungleich schwieriger war es, in den Bau des Kerns 34 ein- zudringen bei dem nicht so wie bei 33 Hämatoxylin-Eosin, sondern May-Giemsa angewendet wurde. Der Kern erschien ursprünglich eiförmig, die parallele Chromatinstreifung im unteren helleren sichelförmigen Teil liess daran denken, dass wir einen sekundären Kern vor uns haben. Die genauere Untersuchung bestätigte es auch und die nebenstehende Skizze soll uns Aufschluss über die sonderbare Krümmung dieser Rinne geben. 7+ 100 R. Hammerschlag: Ringkerne. Wir müssen uns die Rinnen und Bänder als sehr dünne plastische Gebilde vorstellen. ‘Sie verändern nicht allein ihre Form, ihre Breite, ihre Länge, sondern es kann auch zu einer Rarefizierung ihres zentralen Anteiles kommen. Akzeptieren wir die Darstellung der Kernstruktur nach Decastello und Krjukoff, was namentlich bei Übergangsformen, manchen Plasmazellen und Erythroblasten nicht abgewiesen werden kann, dann können solche Dehiszenzen durch Auseinanderweichen der zentral gelegenen Stränge entstehen. Kurz, im Bande, in der primären und sekundären Rinne, sowie bei Torsionen dieser (Gebilde entstehen Defekte im zentralen Teil, Ringe. In der Literatur fand ich über Ringe bei Erythroblastenkernen keinerlei Angaben. Wie man sich die Entstehung der Ringe bei Leuko- zyten der Ratte und des Kameels vorstellt, habe ich an anderer Stelle (1919) ausgeführt. Auch bewies ich, dass sie bei Leuko- zyten des Menschen sehr häufig vorkommen. Dass man sie bei Erythroblasten übersah,‘ ist leicht erklärlich, denn selbst bei schwacher Leukozytenfärbung erscheint der Erythroblastenkern schon sehr dunkel, wobei in der Regel das Parachromatin mit- gefärbt wird, wodurch der Kern auf ungünstigem Hintergrund sich abhebt. Die Ringkerne sind aber auch bei grossen Über- gangsformen unentdeckt geblieben, wo sie sich auf hellem Plasma deutlich abheben. Nach meinen ausgedehnten Erfahrungen über - die Kernringe bei Lymphozyten, Übergangsformen, neutrophilen und eosinophilen Leukozyten, sowie auch bei den Mastzellen war es für mich ein leichtes, sie auch bei den Erythroblasten wiederzufinden. 35, Erythroblast von Erythrozytengrösse, Plasma orthochro- matisch, Kern relativ klein, scheinbar kugelförmig. In Wirklich- keit ein stark eingerolltes Band, das nach: Verlassen des Kern- saftes keine weiteren Veränderungen erlitten hat, was wohl durch das starre Plasma bedingt ist, das den Kern in Form eines Bogens oben einschliesst. Chromatin pyknotisch, alle Linien, die hier sichtbar sind, gehören dem Reifen dieses Ringes an. Im rechten Anteil ist die Lichtung schmal, von Hämatoxylin ausge- füllt, sodass man sie für einen Chromatinbalken halten könnte. Nach links hin öffnet sich dieser Spalt, der von Farbe entblösst ist und als Dehiszenz leicht erkannt werden kann. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne 101 36 ist ein freier entfalteter Ring mit schmalem Reifen und spärlichen Resten von Chromatin. Ein schmalreifiger Ringkern mit Torsion in einer Ebene gelegen und oxyphilem Plasma ist bei 37 abgebildet, an drei Stellen quere Chromatinbänder. Diese Torsion ist ein sehr häufiges Vorkommnis, sodass man nie Gelegenheit hat, einen Ring zu finden, der uns seine volle Lichtung zukehren möchte. Ist in den entstandenen Schleifen retinierter Farbstoff, werden solche Formen unklar, und dies ist gewiss der Hauptgrund, dass sie bisher nicht gesehen wurden. Bei Mäuseleukozyten hat man den Ring frühzeitig beschrieben, weil diese Torsion dort viel seltener vorkommt. Ring 58 bilde ich ab, weil der Ring selbst pyknotisch, die achromatische, dem Plasma angehörige Membran radiär gestreift ist und diese Streifen mit dem Ringe vielfach zusammenhängen. Ein Beweis, dass jene oben zitierte Ansicht Heidenhains, über die Ablagerung von Chromatin im Plasma, richtig ist. Kern 39 ist ein Ring mit kleinem vertikalen und grösserem horizontalen Bügel. Er ist ein Beleg für jene Anschauung, dass der Ring durch einen atrophischen zentralen Vorgang entsteht, der nicht an allen Stellen in gleicher Weise einsetzen muss, so- dass es geschehen kann, dass sich an zwei Stellen ein grösserer und ein kleinerer Defekt bilden kann. Es ist schwer zu glauben, dass die penetrierende Astrosphäre bei ihrer Bewegung den Kern durchstösst und so den Ring erzeugt. Bei Übergangsformen zum Beispiel geht dem Ring ein Stadium voraus, in dem mehr weniger zarte Fäden das Ringlumen durchziehen, wo also nach Deca- stello die Stränge aus dem Zentrum gegen den Rand sich zu- rückziehen. So ist bei 39 der kleine Querbalken im horizontalen Kernteile zu erklären. 40 ist ein Kern von halber Erythrozytengrösse. Der Ring- reifen so schmal, die Lichtung so hell, sodass trotz der Kleinheit die Kernform ganz klar erschien. Nach der Gesamtform ist es wahrscheinlich, dass sich dieser Ring aus einer Rinne heraus- bildete. Das Chromatin ist völlig verschwunden. Hält man die kugelförmige Plasmabegrenzung für die chromatische Kernmem- bran, erinnert dieser schmale Reifen an die Chromatinstreifen, wie sie Balbiani und Carnoy (1884) in den Speicheldrüsen- zellen von Chironomus beschrieben haben, wo ein derartig schmales Chromatingebilde von einem Nukleolus ausgeht und im zweiten 102 R. Hammerschlag: mündet. Und dennoch besteht hier keine Analogie, weil hier die- kugelförmige Begrenzung dem Plasma angehört und im Ring die Reste der Kernmembran enthalten sind. 41 ist ein sehr kleiner Kern, in völliger Pyknose, der überall als typischer Normoblast in Knospung abgebildet wird. Bei schwächerer Färbung jedoch erweist er sich als ein torquierter Ring mit spärlichen Chromatinstreifen, dessen grössere Lichtung durch Azurblau ausgefüllt ist. 42, dieser grosse ovoide Kern mit deutlichen radiären Chro- matinbalken, ist nichts anderes als ein langer Ring. der wegen. der Raumbeengung sich dreifach falten musste. 43 ist ein Gegenstück zu 42. Während bei 42 das Endo- plasma sehr dicht und die Ringreifen eine grössere Elastizität haben, worauf die regelmässigen Bogen hinweisen, sind die Ver- hältnisse bei 43 ganz anders. Ein Teil des Plasmas ist über- haupt geschwunden, der andere basophil und streifig. Der Ring mit breiten, schlaffen Reifen ausgestattet und so angeordnet, dass. eine Kleeblattform entstanden ist. Wir sehen, dass trotz der Basophilie des Plasmas, trotz dieses Kennzeichens der Jugend- lichkeit, der Kern in der Polymorphie schon einen weiten Weg zurückgelegt haben kann. Wie bei den Leukozyten, so macht man auch hier die Er- fahrung, dass allen Kleeblattformen verzogene Ringe zugrunde liegen. Will man das bei kleinen Kernen genauer wahrnehmen, muss die Hämatoxylinfärbung z. B. sehr kurz einwirken, wie bei 44. Nachdem das Chromatin ungefärbt blieb, kann man unmöglich für die Entstehung dieses Kerns eine Knospung nach drei Rich- tungen annehmen, wie Weidenreich es lehrt. Denkt man sich bei einem torquierten Ring mit zwei sehr‘ differenten Schlingen die kleinere in die grössere verschoben, entsteht die seltene Form 45. Ich fand sie in einem Giganto- blasten, der nach May-Giemsa 12 Minuten gefärbt war. Zell- grösse 12,6 u, Kerndurchmesser 9,45. Das Chromatin an be- stimmten Stellen des Reifens in Form von breiten Balken und an anderen Stellen in fädig grossknotiger Form. Die dunkle Färbung macht es nötig, diesen Ring durch eine Skizze zu erläutern. Werden die Reifen schmäler und länger, kommen sehr kom- plizierte Kerngebilde zustande, die der Lösung grosse Schwierig- keiten bereiten, wofür ich zwei Beispiele in 46 und 47 anführe. = Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 105 Karyorrhektische Kerne. Manche Begriffe, die bei den Leukozyten klar und eindeutig sind, werden dieser Eigenschaft bei den Erythroblasten verlustig. So ist es bei der Definition der Karyorrhexis, die namentlich durch Pappenheim mit der Polynuklearität identifiziert wurde. Sie wird nach diesem Autor durch eine einfache, straffe, tiefe Invagination einer Kernblase eingeleitet. Pappenheim bezieht die Karyorrhexis auf pathologische polynukleäre Zellen mit vermehrter Kernpartikelzahl, bei der die Fäden verschwanden. In älteren Mitteilungen will er es als Vermutung hingestellt haben, wenn er die Segmentkerne für eine simultane Bildung hält. Kölliker, Arnold und Wertheim (1891) sprachen einfach von zwei bis vier Erythroblastenkernen, die durch Zerfall des Kerns entstehen können. Klebs, Gaule und Stolnikow stellten den Begriff der Karyorrhexis auf und verstanden darunter eine partielle oder totale Zerreissung der Kernmembran, während der Austritt der Chromatinkörner einen sekundären Vorgang be- deutet. Schmaus und Albrecht, deren Untersuchungen für viele spätere Forscher richtunggebend waren, verstanden unter Karyorrhexis die Umlagerung des Chromatins innerhalb der Kern- membran und erst bei der Pyknose soll es zu einer Zerklüftung des ganzen Kerns kommen. Andere Autoren haben diese beiden Vorgänge, nämlich die Chromatokinesis und Formänderung des Gesamtkerns vereinigt und meinten, dass eine Einkerbung, Spros- sung, Zerschnürung, Kleeblatt-, Rosetten- und Maulbeerform (Lebenhoffer, Israel und Pappenheim [1896], Türk, Rössle [1913], Pappenheim) die Karyorrhexis einleiten sollten. Es ist damit die Chromatinumlagerung mit einer Polymorphie des Kerns -verwoben worden und dadurch hat der Begriff der Karyorrbexis einen verschwommenen Ausdruck erhalten. Anderer- seits wurde auch behauptet, dass die intranukleäre Karyorrhexis dadurch, dass Chromatinteile die Kernmembran durchdrangen, sich mit einer extranukleären vereinigen könne, wodurch auch eine Mehrzahl von Kernen entstehen könne. Veranlasst uns die Kern- form der Erythroblasten, die Grenze zwischen Chromatokinesis, Chromatorrhexis und Karyorrhexis zu verwischen? Bedingt die Chromatokinesis mit ihrer Kernwandhyperchromatose, mit der Auflösung des Chromatins in Körnchen allein die Karyorrhexis, gibt es nicht neben der-Chromatokinesis eine wahre Karyorrhexis 104 R. Hammerschlag: im Sinne Klebs, Arnolds, Gaule und Stolnikows? Und ist es nicht die letztere, welche ausschliesslich als Karyorrhexis angenommen werden muss? Meine Beobachtungen, die ich jetzt mitteilen will, recht- fertigen die zuletzt angeführte Anschauung. Unter Karyorrhexis kann man bloss einen Zerfall des Gesamtkerns mit dem Zer- reissen der Kernmembran verstehen. Wie das Chromatin hier angeordnet oder wie es chemisch, nach Pappenheim mehr physikalisch verändert ist, fällt hier gar nicht ins Gewicht. Die Karyorrhexis ist wohl in einem gewissen Zusammenhange mit der Chromatinbeschaffenheit, indem sie zumeist in der Pyknose (Lebenhoffer, Schmaus und Albrecht, Bettmann) oder’ vor der Auflösung des Chromatins in Erscheinung tritt. Es ist aber ein polymorpher Vorgang, der ebenso seine besondere Ur- sache hat, wie die Chromatokinesis und Chromatolysis, ohne aber aus diesen Chromatinveränderungen direkt hervorzugehen. Die Karyorrhexis ist sonach ebenso eine Veränderung der Gesamtform des Membrankerns, wie die Polymorphie im speziellen. Die stoff- liche Beschaffenheit allein bedingt es, dass in einem Falle aus dem Kugelkern Rinnen, Band und Ringformen, in dem anderen Falle karyorrhektische Formen heryorgehen. Sie lassen sich also den polymorphen Kernen nicht anfügen, sondern erheischen neben ihnen einen besonderen Platz. Kein Ostium zeichnet die Umrisse der neuen Kernform vor, sondern es kommt zu einem unmittelbaren Zerreissen des ganzen Kerns, der Kernmembran. Die auseinander weichenden Fragmente ziehen Fäden nach sich, die bei weiterer Separierung der Teile einreissen und verschwinden. können. Der Kerninhalt entweicht nach mehreren Richtungen im Protoplasma. Bei Leukozyten habe ich schon gezeigt, dass auch bei solchen Kernen der Kernsaft sich bloss in einer Richtung Bahn bricht, dass also Formen entstehen, die an Rinnen erinnern, Dass aber die Konsistenz dieser Kerne jener der karyorrhektischen gleicht, erkennt man an den Fäden, welche die Enden solcher rinnenähnlicher Kerne verbinden, wie das bei 48 dargestellt ist. Die allererste Phase ist durch 49 versinnbildlicht. Nur lässt sich hier nicht entscheiden, ob nicht beim Einreissen des kurzen Bandes dennoch eine Rinne aus diesem Kern hervorgehen könnte. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 105 Ein Repräsentant der wahren Karyorrhexis ist 50. Der Kern ist in zwei Hälften auseinander gerissen oder, in diesem Falle besser gesagt, es ist der Kernsaft an mehreren Stellen des Äquators dieser Kernkugel ausgetreten und mehrere Fäden ver- binden die zwei getrennten Kernteile. Der Zerfall eines Kerns in zwei Teile geschieht bei den ' Erythroblasten sehr häufig in einer Art, wie das bei den Leuko- zyten selten vorzukommen pflegt. Es wird nämlich aüs der Kern- kugel ein kleiner Teil der Kernmembran abgerissen, während der grössere seine Kugelgestalt bewahrt. Der kleinere Teil hängt mit dem grösseren mittels eines sehr schmalen Bändchens zusammen. Dieses kleine Fragment hat, wie bei diesem Kern 51 ersichtlich ist, eine ovoide Gestalt. Diese Kernform ist im Knochenmark häufig zu finden und wird allgemein als Resultat einer Kernsprossung angesehen. Innerhalb des elliptischen Kugel- defektes ist an der Peripherie ein dornförmiger Fortsatz vor- handen, der auch dafür spricht, dass eine Karyorrhexis diese Kernform hervorbrachte. Im Knochenmark findet man in sehr grosser Zahl runde oder elliptische Kerne, denen ein ganz kleiner runder Kern anliegt. Diese zwei Kerne liegen entweder lose nebeneinander oder sind durch einen Faden verbunden. Hinter diesen Formen verbergen sich aber Gebilde verschiedener Art. In diesem Falle z. B. ist der kleine Kern ein umgeschlagener Membranlappen, der mittels eines sehr schmalen Bändchens mit dem grossen Kugeldefektrande zusammenhängt. Die übliche allzu dunkle Färbung deckt solche Strukturdetails zu. Trotzdem die Fäden, welche die Fragmente zusammenhalten, so charakteristisch für die Karyorrhexis sind, gibt es doch Kernformen, welche sich dieser Regel nicht unterordnen lassen. Man darf nicht über- sehen, dass eine Form wie 5l an die polymorphen Erythroblasten mit Lappenostien erinnert, .nur nähert sich der losgerissene kleine Kernteil mit seinem schmalen Bändchen viel mehr den karyor- rhektischen Kernfragmenten als jenen zungenförmigen Gebilden. Deswegen und auch wegen seines (resamtumrisses ist dieser Kern hier an seinem Orte. 7 Auch Kern 52 gehört zu den kommunen Formen des Knochenmarks. Er ist pyknotisch und besteht wie alle solche Kerne aus einem grossen und kleinen Teil. Der letztere ist wie aufgeklappt, hängt aber mit dem grösseren mit seiner Kante und 106 R. Hammerschlag: zweier Fäden zusammen. Die Innenflächen der Kerne heben sich durch eine hellere Farbe von der Aussenfläche ab und überdies ist der grosse Kern an zwei Stellen tief eingerissen. Wirken die Kräfte, welche die Karyorrhexis verursachen, stürmischer, wird der kleinere Kernteil gänzlich abgehoben und hängt dann nur noch mittels längerer Fäden mit dem grossen Teil zusammen, entsteht 53. Auch hier ist an derselben Stelle wie bei 52 ein tieferer Einriss wie beim grösseren Kern zu beobachten. Dass nicht alle diese Kerne pyknotisch sind, wie vielfach be- hauptet wird, beweist die fädig knotige weitmaschige Chromatin- struktur dieses Kerns und man findet die Türksche Bemerkung bestätigt, dass häufig eine zu starke Färbung eine Pyknose vor- täuscht. | Auch 54 gehört zu den häufigen Kernformen im Knochen- mark. Der kleine Knopf, der hier auf dem grossen Kern aufsitzt, kann anders gedeutet werden, als bei den früheren Kernen.‘ Es sieht so aus, als ob die Membran an dieser Stelle emporgehoben und verdünnt worden wäre, deshalb ist dieser kleine Teil viel heller als der grosse Kern. Die genaue Besichtigung dieses grossen, fast kugeligen Kerns lehrt, dass er völlig hohl ist, an mehreren Stellen ovaläre Öffnungen trägt, nur an der Aussenseite homogen dunkel, während die Innenfläche viel heller ist. ; Die folgenden drei Kerne, 55, 56, 57 zeigen, dass die Frag- mente ähnliche Wandlungen durchmachen wie die einfachen Kerne. So sind aus beiden Teilen bei 55 breite Bänder geworden, wobei das grössere bei der Trennung umgedreht wurde und die Kon- kavität nach aussen kehrte. Ein sehr schönes Präparat (56) erhielt ich mit Löfflers Methylenblau. Sonst förderte mich diese Färbung nicht sonder- lich bei den Kernstudien. In diesem Falle jedoch vermittelte sie den Einblick in eine interessante Kernform. Bei flüchtiger Be- trachtung erschien sie wie ein Kugelkern mit zwei Sprossen. Die genaue Analyse lehrte, dass hier zwei getrennte Kerne vorliegen in verschiedenen Phasen der Polymorphie. Der ovoide chromatin- lose Ausschnitt im runden Kern weist darauf hin, dass er als Rinne anzusehen ist, wenn auch die Rinnenfläche selbst abgekehrt erscheint. Der kleinere Kernteil hat sich in ein mehrfach tor- quiertes Bändchen umgewandelt und ist dem grösseren Kern a’ Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 107 innig angeschmiegt. Auch die Chromatinstruktur ist bei beiden Kernen fädig, knotig und sehr gut zu sehen. : 57, hier ist es wieder der grössere Teil, der in der Poly- morphie weiter fortgeschritten ist, indem er sich in einen tor- quierten Ring umgewandelt hat, während der kleinere ein ein- geschlagenes Bändchen blieb. Der Reihe der zweiteiligen Karyorrhexis füge ich zum Schluss einen Kern bei, den man irrtümlicherweise diesen Kernen beigesellen könnte, nämlich 58. Man würde glauben, eine Kary- orrhexis vor sich zu haben von demselben Typus wie 57. Sieht man jedoch genauer zu, dann erkennt man, dass der Faden zu einer Lücke im Ringe führt, dass also das kleine Fragment nicht beim Sprengen der Kernkugel entstand, sondern sich späterhin aus dem vollentwickelten Reifen losgerissen hat. Nun folgen karyorrhektische Kerne mit drei Fragmenten. 59 ist typisch für die Karyorrhexis zahlreicher pyknotischer Erythroblastenkerne. In ungemein plastischer Weise heben sich die trommelschlegelähnlichen Kernkugeln von dem grossen Kerne ab. Die gegenseitige Lage dieser drei Fragmente, die helle Lücke im pyknotischen Kugelmantel lässt keine andere Deutung zu, als dass die kleinen Kerne diesem Defekte ihr Material verdanken. 60, dieser Kern erinnert an die Karyorrhexis wie man sie so häufig bei den neutrophilen Leukozyten findet. Alle drei Teile bewahren ihre kugelkalotteähnliche Form und verharren durch die kräftigen Fäden in dieser Lage. Das sensenförmige Bändchen, das am unteren Kernteil sich inseriert, dürfte vielleicht ein abgerissenes Bändchen sein. Etwas ähnliches habe ich bei kary- orrhektischen eosinophilen Leukozyten sehr häufig gesehen. 61 stellt einen grossen und zwei kleine Kerne dar. Der grosse blütenkelchartig zerschlitzt, die kleinen halbkugelig, was bei den letzteren nicht verwunderlich ist. Wenn Kugelteile sich loslösen, verändern sie sofort ihre Krümmung und es ist ihnen sodann ein viel kleinerer Radius eigen als früher. Die Fragmente müssen aber nicht immer von so ungleicher (Grösse sein wie die bisher beschriebenen. Ihr Grössenverhältnis kann ein solches sein wie bei 62. Auch bei den dreiteiligen bewegt sich die Polymorphie der Fragmente in verschiedener Richtung wie bei den zweiteiligen. So ist ein torquierter Ring mit zwei Rinnen vereinigt in 63. 105 R. Hammerschlag: Was alles als Rosette erscheinen kann, sieht man unter 64. Diese Kernform liefert den Beweis, dass die Ätiologie solcher Formen bisher nicht richtig erfasst wurde. Nach Pappenheim entstehen sie durch eine bisegmentierte oder karyorrhektische Kernknospung, analog der pathologischen Riederzellbildung und bedeutet bei pyknotischen Normoblastenkernen eine schwer über- stürzte Regeneration, während Türk die Rosette durch einen Kernzerfall entstehen lässt, der die Kernwandung überschreitet und später in Karyolyse übergeht, Weidenreich hält dafür, dass die Rosette mehrfachen Vorbuchtungen des Kerns ihre Ent- stehung verdankt. Die in 64 dargestellte Rosette ist ein kary- orrhektisches Produkt; zwei Teile haben ihre konkaven Flächen behalten, der dritte grössere Teil hat sich in einen kleeblatt- artigen Ring umgewandelt und die Rosette verdankt ihre Form der rein zufälligen Lagerung dieser drei Teile. An die Gruppe der zwei- und dreiteiligen karyorrhektischen Kerne schliesse ich eine Reihe von wenigen zweiteiligen Kernen an, deren Entstehungsart nicht so leicht festzustellen ist. Sie sind entweder aus Tochterkernen nach vollendeter Mitose oder auf karyorrhektischem Wege entstanden. Von Kern 65 möchte ich annehmen, dass er karyor- rhektischen Ursprunges sei. Er besteht aus zwei konkav- gekrümmten Ringen, der Reifen des oberen ist gerissen und von den freien Enden ziehen Fäden zum unteren Ring. Die Doppelkerne 66 sind entschieden zwei Tochterkerne im. Ruhestadium. Sie haben eine deutliche Membran in der mit dicken Strichen zwei rhomboidale Ostien eingezeichnet sind. Solche Kerne, welche das Signum beginnender Polymorphie tragen, können nicht aus einer Spaltung hervorgegangen sein. Damit ist auch ihre Entwicklung in der Richtung gegen die Rinne, das Band und den Ring vorgezeichnet. Die Einreihung von Kern 67 ist schon schwieriger; es spricht aber vieles dafür, dass er dem Kernpaare 66 näher steht. als dem karyorrhektischen 65. Der rechte Kern ist ein ein- gerolltes Band, der linke ist rinnenähnlich, hat aber Eigenschaften von karyorrhektischen Kernen an sich. Die Ränder sind zackig: und zwei Zipfel sind durch einen Faden verbunden. Dem muss Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 109 also ein geschlossener Kern vorangegangen sein, der nach seiner Sprengung diese Gestalt annahm, woraus folgt, dass auch der andere ein geschlossener Membrankern war, bevor er sich zum Bande umgewandelt hat. Deshalb waren es zwei Tochterkerne, welche diesen Formen vorangingen. 63 dürfte in Anbetracht des schwach gefärbten breiten Bandes, das die beiden Rinnenkerne miteinander verbindet, auf karyorrhektischem Wege entstanden sein, wenn auch die gleiche Grösse eine Karyokynese nicht vollkommen ausschliesst. Dafür würde auch das gutentwickelte Chromatin sprechen. 69, zwei ungemein kleine Kerne, von denen der eine ein Ring, der andere eine durch Rhexis entstandene Rinne, also wohl karyorrhektischen Ursprungs. 70, zwei zerrissene Reifen, deren Verlauf durch eine- kurze Hämatoxylinfärbung sehr anschaulich gemacht wurde und bei denen man es dahin gestellt lassen muss, auf welche Art sie entstanden sein mögen. Wenn auch die Reihen der beschriebenen Erythroblasten in ihrer Polymorphie ein organisches Ganzes bilden. und den Ent- wicklungsformen der Leukozyten in den Grundzügen gleichen, so ist damit die Mannigfaltigkeit der Kerngestalten gewiss nicht erschöpft. So gibt es Kerne, bei denen in der Kernmembran einige oft Parallelkreisen ähnliche Defekte zu sehen sind, welche dadurch, dass sie an manchen Stellen einreissen, ganz sonderbare Figuren hervorbringen. Weiter will ich auf die Polymorphie an membranlosen Kernen hindeuten. Es sind das Kerne, wie sie Decastello darstellt und bei denen wir sehen können, dass sie ähnliche Metamorphosen durchmachen wie die Membrankerne. Sie gleichen wohl nicht in jeder Beziehung denen, die mit einer Membran ausgerüstet sind; die Chromatingebilde, welche hier den deut- lichsten Teil des Kerns ausmachen, äussern das Bestreben. zu Rinnen und zu Ringen zu werden. Es sind das mehr Andeutungen, Skizzen oder ein Gerüst zu jenen klar entwickelten Formen. Auch ahmt hier die Chromatorrhexis die Karyorrhexis nach, und es treten Chromatinveränderungen ein, wie sie Ziegler und Obolensky bei As- und P-Vergiftungen beobachtet haben. Nicht ‘als ob ich damit einer Chromatokinesis das Wort reden möchte, welche die 110 R. Hammerschlag: Kernmembran verlässt. Solche Veränderungen, bei denen das Chromatin durch die Kernmembran ins Plasma wandert, habe ich nicht gesehen. Diese chromatokinetischen Vorgänge habe ich an meinem Material selten beobachtet und dürften sich nur an Kernen vollziehen, welche bei der Karyokinese das Membran- stadium überschritten oder noch nicht erreicht haben. Wir müssen voraussetzen, dass der Kernsaft unter bestimmten Ein- flüssen den Chromosomenrahmen verlässt und ihn veranlasst, Ge- stalten anzunehmen, wie wir sie bei Membrankernen viel deut- licher ausgeprägt finden. Nur muss ich hervorheben, dass die meisten Figuren, wie sie von den Autoren zur Illustration gerade dieser Kernveränderungrn beigebracht werden, sich viel unge- zwungener unter die Polymorphie der Membrankerne subsummieren lassen. Die Figuren erlauben aber selten die Entscheidung, wo sie einzureihen wären, weil man der dunklen Färbung wegen weder über die Membran noch über die feinere Chromatinzeich- nung etwas aussagen kann. So bildet Grawitz karyolitische Figuren bei Hämatoxylinfärbung ab, die zumeist zu den Poly- morphen (Rinnen und Bandkerne) oder zu den karyorrhektischen gehören. Nur zwei von den neun Zellen-enthalten isolierte Kern- partikel im Plasma. Lazarus-Naegeli (1909) führen auf T. HI 96, 97 als Kernzerfall an, was eine solche Beurteilung nicht zulässt. An den Kernen ist eine mehrfache Knospung ge- zeichnet, von der man der-dunklen Färbung wegen nicht sagen kann, ob sich unter dieser Form ein Ring, eine Karyorrhexis oder eine Chromatorrhexis verbirgt. Schlußsätze. Die Polymorphie der Erythroblasten erfolgt: 1. Durch Sprengung der Kernmembran an einer bestimmten Stelle in Form eines mundförmigen Spaltes oder eines zungenförmigen Lappens (polymorphe Erythroblasten). 2. Durch Sprengen des Kerns in 2—4 Teile (karyorrhektische Erythroblasten). 3. Durch Chromatokinesis der membranlosen Kerne. Ad la. Das Ostium kann mundförmig, oval oder eckig sein und sich verschieden weit über die Kernoberfläche erstrecken. Durch das Ostium tritt eine Kommunikation des Kerninhalts mit dem Plasma ein. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 144 1b. Das Ostium kann lappen- oder zungenförmig sein, so- dass es hier mehr zu einem Aufklappen als zu einem Verlust eines Teiles der Kernmembran kommt. Von den Ostiumlinien reisst die Kernmembran so ein, dass aus der Hohlkugel eine scharf begrenzte Rinne wird. Hierbei findet sich das gesamte Chromatin an der Rinnenfläche suspendiert. Im weiteren Verlaufe bewegen sich die Schenkel der Rinne aus- einander. Beschreiben sie dabei einen Winkel von 180°, entsteht eine gerade Rinne, bei weiterer Rotation eines oder beider Schenkel U- oder S-förmige Figuren. Späterhin flacht sich die Rinne ab, wird zum Bande, das je nach dem Raume, den es im Plasma findet, mehr gestreckt oder starr zusammengerollt ist. Aus Krizeneckys (1915) Untersuchungen haben wir gelernt. dass nicht alle Froscherythrozyten die gleichen amöboiden Be- wegungen zeigen. Es liegt das gewiss an der verschiedenartigen Konsistenz des Plasmas, welche auch auf die Polymorphie der Kerne einen verschiedenen Einfluss ausübt. Das starrere Plasma bildete um den Kern zuweilen eine resistente Wand, innerhalb deren der Kern seine Polymorphie vollziehen muss. Je nach dem Grade der Verkleinerung und Homogenität ist das Band ver- schieden lang, verschieden breit mit deutlichem Chromatingerüst oder auch in völliger Pyknose. Bei weiterer Einwirkung jener Kraft, welche aus der primären Rinne ein Band macht, wird aus dem Bande eine sekundäre Rinne, welche mit ihrer Konkavität gegen die Peripherie sieht. Das ist aber nicht zu verwechseln mit jener Rinne, deren Konkavität gleichfalls gegen die Peripherie gerichtet ist, die aber durch ein einfaches Umschlagen der Schenkel eine sekundäre Rinne wurde. Alle angeführten Kern- gebilde können durch Rarefizierung ihres zentralen Anteiles zu Ringen werden, bei denen also alle Form- und Chromatin- veränderungen sich vorfinden wie bei denen, weil die Ringbildung an keine bestimmte Phase der Polymorphie gebunden ist, sich jeder der drei Formen bei der verschiedensten Chromatinstruktur anschliessen kann. Es kann geschehen, dass ein Ring sich der primären, chromatinreichen Rinne anschliessen und in dieser Form zum kleinen pyknotischen Ring sich reduzieren kann. Ebenso wie sich der Ring erst in dem pyknotischen sehr kleinen Bande auszubilden imstande ist. Ich setze voraus, dass all die angeführten Formen auch 112 R. Hammerschlag: vom Lappenostium ihren Ausgang nehmen können, wenn ich auch Kernformen vermisse, welche an dieses Ostium jenen innigen formalen Anschluss finden wie bei dem rhomboidalen. Diesen sogenannten polymorphen Kernen ist die Eigenschaft gemeinsam, dass die Membran einen hohen Grad von Plastizität besitzt, gerad- linig eingesäumte Flächen hat, das Bestreben zeigt, sich zu ver- schmälern, zu verlängern und dabei. um die Längsachse sich zu torquieren. Bei der Karyorrhexis muss vorausgesetzt werden, dass die Kernmembran im Zusammenhalt mit anderen Kernteilen von anderer Beschaffenheit ist als bei den Polymorphen. Der Kern- saft bewirkt bei dem Verlassen des Kerns entweder ein Abheben eines oder mehrerer kleiner Membranteile, die mittels Fäden mit dem grösseren, seine Kugelgestalt wahrenden Kernteile noch zusammenhängen oder es wird der gesamte Kern in mehrere. gleiche oder an Grösse verschiedene Teile zersprengt. Die Mem- bran hat bei diesen Kernen eine grössere Kohäsion und Sprödig- keit. Die letztere findet ihren Ausdruck in der grösseren Anzahl und in den oft unregelmässig begrenzten Partikeln, die Kohäsion in den Fäden, die sich zwischen den Teilen bei ihrer Dislokation ausspannen. Die Anzahl der Teile ist maximal 4. Diese Teile, insbesondere die grösseren, können dieselben polymorphischen Veränderungen durchmachen wie die einkernigen, es werden aus ihnen Rinnen, Bänder und Ringe, die sich manchmal zu einer Rosettenform zusammenlegen. Die Karyorrhexis setzt nicht immer nür dann ein, wenn das Chromatin pyknotisch geworden ist, wir finden karyorrhek- tische Kerne mit weitgehender Polymorphie ihrer Teile bei gut erhaltenem Chromatin, wenn auch nicht übersehen werden kann, dass karyorrhektische Kerne mit sehr kleinen Partikeln bei pyk- notischen Erythroblastenkernen sehr häufig vorkommen. Aber auch bei diesen ist die bandartige, halbkugelige Form sichtbar, wenn durch eine entsprechende Färbung die feinere Struktur nicht verschleiert wird. Mehrfache Kerne müssen aber nicht immer auf karyorrhek- tischem Wege entstehen. Es können auch Tochterkerne sich ebenso verändern wie einfache Membrankerne. Auch können Östien die Einleitung zu allen folgenden Formen der Polymorphie bilden, wobei aber jeder Kern seinen eigenen Weg gehen kann. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. 115 Man wird an einen solchen Bildungsmodus nur dann denken, wenn die Kerne relativ gross und einander gleich sind. Zahlreiche Kernpartikel können auch so entstehen, wenn in einem karyokinetischen membranlosen Stadium Einflüsse sich geltend machen, welche die weitere Entwicklung hemmen und sie in die Bahn der Polymorphie leiten. Da kann es zu rudimentä- ren Formen von Rinnen und Bändern kommen, es reissen sich Chromatinteile los, die dann im Plasma verteilt sind. Solche Fälle von reiner Chromatorrhexis habe ich bisher selten gesehen. Aus den vorliegenden Resultaten ergibt sich, dass die gel- tende Lehre von der Polymorphie den wahren Veränderungen des Kugelkerns nicht gerecht wird. Es ist nicht die Astrosphäre, nicht die Nukleolenteilung, es sind nicht. mechanische äussere Kräfte allein, welche den sphärischen Körper an verschiedenen Stellen eindrücken, einschneiden, sondern es sind chemische Einflüsse, welche insbesondere den Inhalt so verändern, dass er die Kernhülle durchbricht. Man muss sich vor allem von jener überall gelehrten Auffassung frei machen. dass die Kernmembran bei der Polymorphie intakt bleibt, dass der Kern nur seine Ge- stalt ändert ohne seine sphärische Hülle einzubüssen. Es gilt, die Kernformen überhaupt richtig zu sehen, und bei diesen kon- struktiven Studien wird man finden, dass es nicht so einfach ist, selbst die Kernkugel als solche einwandfrei festzustellen. Wir haben oft gesehen, wie viele von der Kugelgestalt weit entfernte Formen als Kugelkerne erscheinen, weil man die Linien, welche die Form begrenzen und durchziehen, insgesamt als Chromatin- linien auffasst. Durch eine genaue Untersuchung muss man die verschiedenen Formen, die sich in dieser Kugelform verbergen, ausschliessen, bevor man einen Kern für einen unzweifelhaften Kugelkern erklärt. Das hat seine ganz besondere Bedeutung. Man darf nicht übersehen, dass bei einer jeden für klinische /wecke bestimmten Gruppierung von Blutzellen es vor allem darauf ankommt, diese Zellen mit Kugelkernen von den poly- morphen und karyorrhektischen zu scheiden. Alle Gegner Arneths haben darauf hingewiesen, dass nicht die Schlingen und runden Kernteile, also nicht die Verschiebung nach rechts ein wertvolles Merkmal sein kann, sondern bloss das Verhältnis zwischen Stammzellen und Polymorphen. Und wenn auch ein Kugelkern nicht immer eine Stammzelle ist, so ist dennoch seine 114 R. Hammerschlase: Absonderung von allen aus ihm hervorgehenden dringend not- wendig. Das ist um so mehr geboten, als es nicht bloss formale Gründe sind, welche eine so scharfe Scheidung verlangen, sondern tiefgreifend biologische. Ein Kern, der sich geöffnet, seinen Saft an das Plasma oder an das umgebende Medium abgegeben hat, unterscheidet sich nicht allein morphologisch von den sich hieraus entwickelten Formen, sondern bildet physiologisch ein Element, das sich von ihnen wesentlich unterscheidet. Diese Sonderung streng durchzuführen, ist für alle hämatologischen Fragen von eminenter Wichtigkeit. Darum halte ich es für notwendig, dass man mittels Tinktionen, die ich für die leichtere Eruierung der Kernformen empfohlen habe, solche Unterschiede genau festzu- stellen lernt und daraufhin unsere Blutkörperchenzählung neu orientiert. Ebenso muss man daran denken, die karyorrhektischen Kerne den polymorphen nicht anzuschliessen, sondern sie in be- sonderen Abteilungen zu führen, denn es sind stofllich differente Körper. In Vorahnung dieser Verhältnisse flicht Pappenheim in seinem hinterlassenen Werke eine Bemerkung ein, dass selbst zwischen bi- und trisegmentierten Kernen stoffliche Differenzen obwalten dürften. Die Richtung unserer bisherigen Fixations- und Färbetechnik ist meiner Lehre nicht hold gewesen. Trotzdem ich einige Jahre dem Ausbau derselben gewidmet habe, stosse ich bei der Kernanalyse immer wieder auf grosse Schwierigkeiten, die sich natürlich bei der Kleinheit und dem Chromatinreichtum der Ery- throblasten um so mehr gesteigert haben. Fasse ich aber alle meine Erfahrungen zusammen, die ich bei den Leukozyten und Erythroblasten gesammelt habe, so muss ich gestehen, dass sie nur eindeutige Resultate ergeben haben, die hoffentlich nach einiger Zeit allgemeine Anerkennung finden werden. September 1919. 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Heilk., Bd. 12, 1901. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI. Fig. 1, 8, 14, 15, 17, 40, 42, 68. Myeloische Leukämie. Peripheres Blut. Strichpräparat Methylalkohol 3 Min. Eosin (v. Müllern 2 Tr. auf 5 cbem Wasser) 1 Min. Hämatoxylin (Böhmer) 1 Min. Fig. 2, 11, 13, 27. 33, 35, 48, 58. Myeloische Leukämie. Strichpräparat, Methylalkohol (3 Min.), Eosin (wie oben) 2 Min. Hämatoxylin 2 Min. Fig. 3, 4, 7, 19, 21, 28, 29, 41, 43, 46, 50, 66, 67. Myeloische Leukämie. Peripheres Blut. " Methylalkohol 3 Min. Giemsa (2:2) 10 Min. Fig. 5, 9. 39, 49. Myeloische Leukämie. Peripheres Blut. Formalindampf- fixation (auf 10 cbem 40°, Formalin, 20 Tr. Essigsäure) !/- Min, Giemsa MW Min. Fig. 6, 44, 60, 61, 70. Rippenmark einer “Ojähr. Frau, an Lungentuber- kulose gestorben. Rippenresektion. !/ı Stunde post mortem. Aus- gepresstes Mark auf Deckgläschen gestrichen. Methylalkohol 3 Min.. Eosin 2.Min., Hämatoxylin (Böhmer) !» Min. Fig. 10, 23, 51. Ausgepresstes Rippenmark eines an Lungentuberkulose gestorbenen 16jähr. Mädchens. !/« Stunde post mortem. Rippen- resektion. Methylalkohol 3 Min., Hämatoxylin (Böhmer) 10 Sek. Fig. 16, 25, 26, 32, 34, 38. 45, 52, 53, 69. Myeloische Leukämie. Peripheres Blut. May-Giemsa (3, 3, 10 Min.), Giemsamischung (2 Tr. auf 2 cbem Wasser). Fig. 18, 20, 24, 37, 54, 59, 62. Rippenmark des Schweines, 1 Stunde nach der Schlachtung. Auf Deckgläschen ausgepresst. Methylalkohol 3 Min., Eosin 2 Min., Hämatoxylin 3 Min. Fig. 22, 30. Junger, frisch gefangener Frosch, Herzblut. Strichpräparat. Formalindampf !/s Min, Giemsa (2:2) 2 Min. Fig. 31. Dasselbe Material, Giemsa 1 Min. Fig. 36. 47. Kaninchenrippe, lebensfrisches Mark ausgepresst. Methyl- alkohol 3 Min., Eosin 2 Min., Hämatoxylin 2 Min. Fig. 55. Dasselbe Material, Eosin 3 Min., Hämatoxylin 4 Min. 56, 63, 64. Material wie bei 5. Methylalkohol 3 Min., Löfflers Methylenblau einige Sek. Fig. 57. Material wie bei 5. Methylalkohol 3 Min., Eosin 2 Min., Häma- toxylin !/ Min. i Fig. 65. Material wie bei 6. Methylalkohol 3 Min., Eosin 1 Min., Häma- toxylin '/» Min. Elektroanalytische Untersuchungen. Von Rudoli Keller. Mit 3 Textabbildungen. Zum Eindringen in die elektrische Konfiguration der Zelle ist in erster Reihe notwendig die Bekanntschaft mit der Elektro- chemie und der physikalischen Chemie der nichtorganischen Welt, die zurzeit in den Kreisen der Biologen schon ziemlich allgemein verbreitet ist, in zweiter Reihe ist unerlässlich eine genaue Kenntnis der heutigen Kolloidehemie, deren Tatsachen vielen Mikroskopikern nicht genügend vertraut sind. Es sei mir des- halb gestattet, zur Klarstellung des Folgenden einiges aus den neueren Erfahrungen der Kolloidehemiker hier wiederzugeben, weil namentlich die Kapillaranalyse es jedem Histologen ermög- licht, in ein paar Minuten mit den einfachsten Mitteln die elek- trische Charakteristik einer Farblösung festzustellen und die l"undamentalversuche nachzuprüfen. Die geläufige physikalische Chemie fusst auf den grossen Entdeckungen der Jahre 1885—1890 über die Chemie der Lösungen und über die Dissoziation der Salze, die Kolloidchemie hingegen behandelt die Eigenschaften der nächst grösseren Mole- külarten, der kolloiden Dispersionen. Während die Salzlösungen molekulardispers oder im dissoziierten Zustand ionendispers sind, ') werden die kolloiden Dispersionen in gröbere Verteilungen, in Sole und Gele, eingeteilt. Was die Sole und Gele hauptsächlich von den Molekulardispersoiden unterscheidet, ist der Umstand, dass der innere chemische Charakter der Atomgruppen, aus denen sie sich aufbauen, zurücktritt vor ihren Ober- flächenkräften. Während beispielsweise in einem elektrischen Stromfeld oder einer elektrostatischen Potentialfläche Molekular- dispersoide zerlegt werden, die basischen reduzierenden Atom- gruppen dem negativen Pol zuwandern (kathodisch), die sauren und oxydierenden dem positiven (anodisch), wandert das grössere Eiweiss-, Zucker- oder (relatinemolekül fast ganz unzersetzt in BURE 2 Diese Einteilung stammt von Wolfg. Ostwald. Arch. f.mikr. Anat. Bd.95. Abt. 1. ) 118 Rudolf Keller: alkalischer Lösung zur Anode, in saurer Lösung zur Kathode, wird also allein von Oberflächenkräften bewegt. Der Histologe muss sich mit diesen Dingen vollkommen vertraut machen, nicht nur weil sein Untersuchungsobjekt, das proto- plasmatische Gewebe, aus lauter Kolloiden besteht, sondern weil er mittels Stoffen analysiert, die wie die Farbstoffe typische Kolloide sind, oder die wie Alkohol, Glycerin, Formol, Gelatine kolloidehemisch stärker wirken als chemisch im alten Sinne, Wenn ich sage, dass die Farbstoffe typische Kolloide sind, so ist dies theoretisch nicht ganz richtig, sie bestehen in wässriger Lösung gewöhnlich aus einer molekulardispersen, bei Methylen- blau, den Säurefarbstoffen und bei Neutralrot, die erheblich dissoziieren, sogar aus einer jonendispersen Phase und aus der kolloid gelösten Phase. Praktisch jedoch darf der Histologe die Farbstoffe als typische Kolloide ansehen, weil sie in der Zelle sich wie reine Kolloide verhalten und von ihrem inneren chemischen Charakter wenig erkennen lassen. Weshalb dies so ist, lässt sich im Augenblick nicht feststellen. Wahr- scheinlich werden sie von den in den Zellen stets gegenwärtigen unsichtbaren Kolloiden auch in dissoziierter Form adsorbiert und sehorchen dann auf diesen nicht sichtbaren Kolloidvehikeln den allgemeinen Kolloidregeln für Eiweiss u. dgl., das heisst, sie wandern in Alkalien zum positiven, in Säuren zum negativen Pol. Das Schulemann-Phänomen. Die Priorität der Beobachtung, dass alle Farbstoffe, saure und basische, ebenso Tuschesuspensionen und Metallkolloide im Blut an die Körperanoden wandern, gebührt nicht mir, sondern Schulemann (1), dem diese Tatsache gelegentlich ausgedelnter Injektionsversuche aufgefallen war. Die wichtigen Beobachtungen des genannten Autors, dem es keineswegs darauf ankam, irgend eine vorgefasste Hypothese damit zu stützen, sondern der nur eine Tatsache registrierte, für die ihm als kolloidehemisch Unter- richteten der Zusammenhang klar geworden war, sind in der Fachhistologie keineswegs nach Gebühr gewürdigt worden. Man hat nicht erkannt, dass hier eine Fundamentalschwierigkeit des elektrochemischen Zellbetriebes eine neue und aussichtsvolle Beleuchtung erfahren hat. Bestände nämlich der Körper nur aus 0 Elektroanalytische Untersuchungen. 119 ionendispersen, also dissoziierten chemischen Verbindungen, so müssten immer wieder die reduzierenden Atomgruppen an den Reduktionspol, die Kathode wandern und dort weiter reduziert werden, während der Energieumsatz fordert, dass die verbrenn- lichsten Stoffe zur Anode gelangen, wo sie oxydiert werden können und die notwendige Energie liefern müssen. Öbzwar ich Schulemanns Aufsatz gleich nach seinem Erscheinen las und ihn in meinen Schriften zustimmend besprach, und obwohl ich zu jener Zeit bereits einen grossen Teil der kolloidehemischen Literatur aufgenommen hatte, war ich doch noch nicht tief genug in die Materie eingedrungen, um das Fundamentale dieser Regel voll zu erfassen. Ich war noch immer mit der Brille des einseitig chemisch Denkenden behaftet, der sich nicht ganz von dem Vorurteil losmachen konnte, dass Säuren zu Basen tendieren und umgekehrt. Das Schulemann-Phänomen, die Anodizität der meisten Farbstoffe, der chinesischen Tusche, der Edelmetallkolloide ist aber naturgemäss auch praktisch wichtig als einer der Ausgangs- punkte der elektroanalytischen Untersuchung. In diesem Punkt bin ich unabhängig von Schulemann, von ganz anderen Prämissen ausgehend, schliesslich auf Umwegen zur vollsten Be- stätigung seiner Beobachtungen gelangt. An ganz verschiedenem Material, zumeist an Pflanzen, aber auch an Tieren, habe ich durch Tausende systematische Versuche die Richtigkeit seiner allgemeinen Regel bestätigen können. Zur leichteren Kontrolle dieser Erscheinungen bedarf es noch einer einfachen Methode zur Feststellung der Wanderungsrichtung von Farblösungen. Kapillaranalyse mittels Fliesspapier. Die Feststellung der elektrischen Wanderungsrichtungen von Farblösungen ist keine ganz einfache Sache, Beweis dessen, dass die angesehensten und erfahrensten Kolloidforscher über diesen Gegenstand in ausgedehnte Diskussionen gerieten, die zurzeit noch nicht beendigt sind. Ich sage absichtlich Farblösungen, nicht Farbstoffe, weil die Kontroversen offenbar auch dadurch mitverursacht worden sind, dass man gewöhnlich nur vom Farb- stoff ausging, während das Lösungsmittel oder Dispersionsmittel ebenso wichtig ist. Der einzige unter den Kolloidehemikern, der immer wieder mit Nachdruck gepredigt hat, dass man mit dem g* 120 Rudolf Keller: Kolloid allein den Oberflächen-Ladungszustand nicht eindeutig bestimmen könne, sondern dass die elektrische Kolloidladung eine variable Grösse sei, wie z.B. der Dispersitätszustand, war Wolf- gang Ostwald, der Herausgeber der „Kolloid-Zeitschrift“. Er hatte jedoch bis vor kurzem mehr Gegner als Anhänger dieser sehr wichtigen Erkenntnis. Zu der Verwirrung trug bei, dass man gewöhnlich die Farblösung direkt in das Stromfeld brachte, wie ich es anfangs auch getan habe. Dann wird die Anoden- gegend durch die Elektrolyse angesäuert, der Farbstoff erhält Kathodenrichtung und hellt sich an der Anode auf, auch wenn er in neutralem Wasser anodisch zu wandern pflegt. Fichter und Sahlbom (2) haben eine Filtrierpapier-Kapillar-Regel aus- gearbeitet, deren Fehlerhaftigkeit jüngst von amerikanischen Kolloidehemikern (3) hervorgehoben wurde, die aber auf dem Kontinent noch heute dominiert. Fichter und Sahlbom gaben an, dass die anodisch wandernden Farben beim Eintauchen in die Lösung mit dem Wasser aufsteigen, die kathodischen an der “intauchstelle gefällt werden. Dieses Verfahren, Kapillar-Analyse genannt, wäre sehr bequem. In 30 Sekunden könnte man damit jede Farblösung bestimmen. Dadurch jedoch, dass gewisse Farb- stoffe bei Säurezusatz eine Dispersitätsänderung erfahren und ausfallen, z. B. Kongorubin, Kongorot, andere bei Basenzusatz, z. B. Methylenblau, Neutralrot, so ist diese komplexe Erscheinung an und für sich auch bei richtiger Anwendung mit einigen Un- stimmigkeiten behaftet, die sich, unter anderem z. B. bei Licht- grün noch nicht ‚haben aufklären lassen. Das Filtrierpapier-Prinzip, von dem Fichter und Sahl- bom ausgehen, wird neben dem Ladungszustand des Dispersions- mittels (in chemischer Sprache: Azidität oder Alkaleszenz) be- herrscht vom Coehnschen Gesetz der Strömungsströme (4): Ein Stoff von höherer Dielektrizitätskonstante (Wasser) ladet sich positiv bei der Berührung mit Stoffen niederer Dielektrizitäts- konstante (Farbstoff, Papierfaser). In meiner ersten Veröffent- lichung in der „Kolloid-Zeitschrift* hob ich hervor (5), dass meine Versuche mit Methylenblau, dessen variable Wanderungs- fähigkeit in Säure und Alkali ich bei SO Volt Laboratoriums- strom sichergestellt hatte, mit dem Fichter-Sahlbom-Prinzip nicht stimmten. Ich hatte damals noch nicht die Sicherheit, meine eigenen Erfahrungen für richtiger halten zu können, als Elektroanalytische Untersuchungen. 721 die zu dieser Zeit auf dem Kontinent unwidersprochene Regel. Die Aufklärung gab mir eine Arbeit von H. Schmidt (Düssel- dorf) in der „Kolloid-Zeitschrift“ (6). Dieser Experimentator liess verdünnte Salzsäure auf Fliesspapier von starker Saugkraft tropfen und analysierte den Fleck nachher mit einem Säure- indikator, z. B. Kongorot. Es ergab sich, dass der kapillare Aufstieg so erfolgt, dass die Säure, die Anodenflüssigkeit, zurück- bleibt, und reines, säurefreies Wasser im Papier vor- auseilt. Nach der Entdeckung Schmidts zerlegt also gutes Fliesspapier die Lösungen etwa nach folgendem Schema: 1. Zone 2. Zone 3. Zone 4. Zone eingetaucht Anodenflüssigkeit Kathodenflüssigkeit Wasser Säure Base oder (nur bei anodisch säurefrei wandernden Stoffen) Naturgemäss habe ich dieses Verfahren in einigen hundert Versuchen mit meinen histologischen Farblösungen ausprobiert und es bei 35 von 40 Farbstoffen glatt bestätigt gefunden. Der Rest sind kompliziertere Farben, die sich vielleicht noch auf- klären lassen werden. Es hat sich herausgestellt, dass vereinzelt die Histologie empirisch schon aus diesem Zusammenhang Nutzen gezogen hat. In der Vorschrift der Biondi-Ehrlich- R. Heidenhain-Mischung von 1885 findet sich bereits die Beobachtung, die richtige Mischung dürfe im Filtrierpapier nur zweifarbige Kreise bilden; wenn auch das Rot des Säurefuchsins im mittleren Ring erscheine, enthalte sie zuviel Säurefuchsin. Der verstorbene Prager Histologe S. Mayer hat ebenfalls vor dem Färben seine Lösungen mit Filtrierpapier ausprobiert. Die Hauptfarben, auch die meisten Mischungen der Histologen zeigen durch das Vorauseilen des reinen ungefärbten Wassers den anodischen Wanderungssinn der betreftienden Farblösung (die kathodischen sind bis zur 4. Zone gleichfarbig), einzelne nehmen sogar einen saueren Farbumschlag in der Anodenzone an. Gleich die beiden den Mikroskopikern wohlbekannten Farbstoffe Neutral- rot und Safranin sind in der 2. Zone anodenfarbig, himbeerrot bei Neutralrot, kirschrot bei Safranin. Wie in meinen älteren Arbeiten wiederholt betont, sind dies die Anodennuancen dieser Farben. Neutralrot leistet noch ein Besonderes. Man kann es mit Leitungswasser oder durch einen Tropfen Alkali entfärben. Trotzdem erscheint aus der farblosen Lösung schon in zwei oder 129 Rudolf Keller: drei Sekunden in der Anodenzone die himbeerrote Säure- farbe. Diesen einfachen Versuch sollte niemand unterlassen, um sich von der prompten Elektro-Reagierfähigkeit dieser Farb- lösung im Bruchteil einer Minute zu überzeugen. Andere Indi- katoren, z. B. Säurefuchsin, ändern ihre Farbe in den mir zur Verfügung stehenden Fliesspapieren nicht, Methylgrün zeigt diese Erscheinung nur sehr schwach, Kongorubin ebenfalls schwach. Der Fliesspapierversuch ist nicht nur bequemer, er ist auch in mancher Hinsicht zuverlässiger als der Stromversuch mit &0 Volt, mit dem man die Zellspannungen schwer nachahmen kann. Das lässt sich leicht berechnen. Wenn in den mikro- skopischen Zellen auch keine höhere Spannung herrschen würde als in den angeschnittenen, ihrer Isolierung beraubten grossen (Juerschnitten der makroskopischen Elektro-Physiologie, also rund '/ıo Volt auf ein Tausendstel Millimeter, so könnte bei einem Elektroden-Abstand von nur 5 Zentimeter (die Kolloidchemiker nahmen gewöhnlich 100 Zentimeter Elektroden-Abstand) ein Strom von 5000 Volt nicht ausreichen, um dieselben galvanischen Wanderungs-Schnelligkeiten oder eine Ladung von 25 Millionen statischen Volts (Quadratgesetz), um dieselben statischen An- ziehungen und Abstossungen zu erzeugen, wie die Zellelektrizität sie hervorbringt. Andererseits ist die Stromstärke des Labo- vatoriumsstroms unvergleichlich grösser als die der Zellelektrizität, was unliebsame Wärmestörungen mit sich bringt. Ich habe des- halb anfangs zwischen sehr nahen Stanniol-Elektroden auf Objekt- trägern wandern lassen, erhielt aber undeutliche, durch Metall- zersetzung getrübte Resultate. Schliesslich hat es sich am besten bewährt, Uhrschälchen mit nahen Platindraht-Elektroden anzu- wenden, zwischen denen der feste oder sehr konzentrierte Farb- stoff vorsichtig in die Mitte gegeben wird. An der Bewegung der entstehenden Schliere kann man die Wanderungsrichtung sofort nach der Stromeinschaltung bequem erkennen, und zwar die Wanderung der kolloiden Phase allein, von der wir schon seit Schulemann wissen, dass sie als das färbende Prinzip zumindest bei Vitalfärbung erscheint und die von der molokulardispersen Phase zu trennen für die histologische Elektro- analyse unerlässlich ist. Es sei aber hinzugefügt, dass diese Trennung durch den Mangel an dem entsprechenden reichsdeutschen Apparate (von Michaelis) herbeigeführt wurde, weil mir diese Elektroanalytische Untersuchungen. 123 wichtige Unterscheidung bei den ersten Experimenten dieser Art nicht gegenwärtig gewesen ist. Kontroll-Präparate. Als Testobjekte für elektro-analytische Mikroskopie dienen mir seit zwei Jahren die abgebildeten Schnitte von Wurzeln und Blättern, das sind Objekte mit ziemlich stetiger Elektrizitäts- verteilung, deren Konfiguration durch Versuchsmethoden ver- schiedenster Art, einschliesslich der Nachprüfung durch Kapillar- Elektrometer und Galvanometer, an analogen Schnitten grösserer Pflanzen vollkommen sichergestellt ist. Die Zeichnungen sind meinen „Neuen Versuchen“ (9) entnommen. Fig. 1 ist das Anoden- bild der Wurzel der Schwertlilie (Iris florentina), auch im Winter benützbar, Fig. 2 das kathodische Gegenbild dazu, Fig. 3 Quer- schnitt von der Blattbasis des Flieders (Syringa vulgaris) in den Monaten Juni bis August. Nur grosse ausgewachsene Lichtblätter sind zweckmässig. Statt der Schwertlilie kann man auch andere Wurzeln verwandter Pflanzen benützen, die gewöhnliche Küchen- zwiebel hat eine sehr ähnlich gebaute Wurzel, die aber nur mit stärkeren Vergrösserungen etwas unbequemer bearbeitet werden kann. Statt des Fliederblattes können Blätter der Rosskastanie und die meisten anderen Blätter, auch Stengel von Gräsern, Blütenschäfte von Liliaceen, Primeln usw. benützt werden, bei denen man sich am raschesten nach dem auffällig anodischen Sklerenchym (Stützgewebe) orientiert. Inder Wurzel der Iris und der Zwiebel ist die stärkste Anode der Ring der Endodermis, aus U förmig verdickten Zellwänden be- steliend. Im Querschnitt der Iris sind die däussersten drei Rindenzellen schwach an- odisch, sie sind auf dem Schwarz - Weiss- Bild nicht mitgezeichnet, da sie sich wegen ihres Gerbstoftgehaltes mit Eisenlösungen tintenartig Iris Wurzel Anodenbild Methylviolett 2 B. 124 Rudolf Keller: tingieren, während sie auf farbigen Bildern in der Anodenfarbe hervortreten. Dann folgen die gewöhnlichen Rindenzellen, in der Figur teilweise mitgezeichnet, mit kathodischen Zellwänden und (nur frisch) anodischem Plasma, hierauf die schon erwähnte auf- fallend anodische Endodermis. Diese schliesst zusammen mit dem nächst inneren Zellring — dem Pericykel mit kathodischen Wänden — die Radspeichen der Gefässe ein und Zwar der grossen anodischen Wassergefässe und zwischen ihnen — gleichsam zwischen den Radspeichen — den Siebtel mit katlıo- dischen Wänden (das Eiweissleitungssystem der höheren Pflanzen). Bei Fig. 3 Hälfte des Querschnittes eines Fliederblattes (von rechts nach links) Parenchymzellen mit kathodischen Wänden, dann die auffallend an- odischen Sklerenchym- pfeiler, auf dem Quer- Re Are schnitt inselähnlich her- GPRS % ’ $ : 2ER » vortretend, diese Pfeiler Er gr f 3 .. . Bars stützen den zarten Sieb- rl teil mit seinen katlıo- %»- dischen Wänden, auf die das DBildungsge- Fig. 3. Flieder, Anodenbild. webe, Kambium — noch stärker kathodisch — folgt, dieses Kambiumwird zur Zeit lebhafter Teilungen im Juni ganz schwarz bezw. blau mit Kathoden-Tinktionen. Unmittelbar anschlie- ßend an das kathodische, im Bild farblose Kambium, erscheint das dunkle Horn des Gefässteils. Es ist in Wirklichkeit nicht so stark anodisch, wie es nach der Zeichnung erscheint, weil es ebenso Kun [4 Elektroanalytische Untersuchungen. 125 wie die verdickten Gefässwände der Wurzel von Natur dunkel gefärbt ist, aber es färbt sich ausserdem anodisch. An der Hand dieser Präparate oder ähnlicher Schnitte kann nun jeder Histologe eine beliebige Farblösung aus seinem Schrank nehmen, sie erst mit Filtrierpapier ausprobieren und sich davon überzeugen, dass die anodisch wandernden, gleichgiltig, ob sie sauer oder basisch oder neutral sind, eine anodische Färbung erzeugen, die kathodisch wandernden, gewöhnlich stark dissoziierten diffus oder kathodisch färben. Ausnahmen sind jene Farbstoffe, die sich schliesslich durch Reduktion an den Kathoden entfärben, z. B. Methylenblau oder die sonstwie durch Säuren oder Alkali Farbänderungen oder Dispersitätsänderungen erzeugen, oder unlösliche chemische Verbindungen mit Zellele- menten eingehen, was aber ziemlich selten geschieht. In vielen Fällen kann man anodische Farbstoffe durch Auflösen in Säure, Alkoholoder Glyzerin kathodischer machen, — die beiden letzteren haben eine niedrigere Dielektrizitätskonstante als Wasser und die Farbstoffe — und zwar sowohl im Filtrier- papier als im Objekt und im Stromfeld. Dies gelingt jedoch nicht immer, zumal bei den wasserlöslichen, die sich im Objekt vom Alkohol trennen können. Auch halten die Zellen während des Absterbens mit grosser Zähigkeit ihre Anodenladungen fest, bleiben also um diese herum sauer. Ferner kann man un- entschiedene diffuse oder kathodische Farben mittels Alkali anodisch wandern lassen, was aber nur bei grosser Vertrautheit mit Material und Farbstoff zu gelingen pflegt, z. B. mit Säurefuchsin. Säurefuchsin ist im Wasser überwiegend kathodisch, färbt aber doch das Objekt zunächst scheinbar anodisch, da es durch die schwächsten Spuren Alkali farblos wird und unsichtbar bleibt. Setzt man starkes Säure-Glyzerin zu, so erhält man alsbald ein nicht sehr scharfes Kathodenbild. Man kann aber Säurefuchsin auf folgende Weise scharf anodisch färben lassen, indem man es in schwachem Ammoniak auflöst und die Schnitte in die farb- lose Lösung bringt. Nun wartet man eine Zeitlang, je nach der Konzentration, bis die Farbe durch das Verdunsten des Ammoniaks gerade wieder zurückzukehren scheint. Dann nimmt man die Schnitte heraus und erhält, wenn man den rechten Zeitpunkt getroffen hat. aus der noch stark ammoniakalisch riechenden Lösung ein schön säurefarbenes Anodenbild und zwar ein elektives. 126 Rudolf Keller: Im Filterstreifen habe ich Säurefuchsin in Ammoniak nicht zu einer deutlichen anodischen Wanderung veranlassen können, zumal es unsichtbar ist, und nach dem Trocknen, vielleicht wieder kathodisch werdend, sich nahezu gleichmässig verteilt. Sonst aber sind die Spannungs- und Stromstärkeverhältnisse der Papier- Kapillar - Elektrizität offenbar den Zellenverhältnissen ähnlicher als die eines Laboratoriumsstroms von nur 80 Volt; auch dieser zeigt jetzt eine gute Übereinstimmung, selbst bei Mischungen wie Pikrokarmin, von dem ich in meiner letzten Veröffentlichung ()) hervorgehoben habe, dass es im Stromfeld entgegengesetzt wandert wie im Präparat. Im Uhrgläschen mit einem Tropfen Säure (Pikrokarmin [Grübler] ist stark alkalisch) wandert es jetzt, ebenso auch im Filtrierpapier, gelb zur Anode, rot zur Kathode, wie es meine Präparate seit einem Jahre gezeigt haben. Man kann verstehen, dass spätere Übereinstimmungen an- fänglich scheinbar widersprechender Ausnahmen wie beim Pikro- karmin, oder die Rektifikation der Kapillar-Regel von Fichter- Sahlbom mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit meiner Kontroll- schnitte sehr erhöht haben. Ich habe in der Zwischenzeit noch viele andere Bestätigungen meines Systems erzielt, die aber kaum jene überzeugen dürften, die der neuen Sache noch skeptisch gegenüberstehen. Es gehört nur ein bisschen Arbeit dazu, und zwar mehr geistige als manuelle, um sich mit einem Tatsachen- gebiet vertraut zu machen, das überholte einseitig chemische Auffassungen beseitigt und ungemein viel Positives enthält, trotz der grossen Unklarheiten, die ihm zurzeit noch anhaften. Widersprüche. Eine der grössten Schwierigkeiten meiner Elektro-Mikroskopie bildet die Lieblingsmethode der heutigen Histologie, die Eisen- Hämatoxylin-Methode von Martin Heidenhain, wie überhaupt das Verhalten stark fixierter und gehärteter Objekte. Nach der Vorschrift von Heidenhain kommen die Schnitte nach sauerer Fixierung (die nach dem Vorgesagten eine kathodische Wanderungs- tendenz der Kolloidfarben verstärken müsste) in eine Eisenlösung, hierauf in eine ausgereifte Hämatoxylinlösung. Elektrochemisch ist dieser Vorgang meinen Kathodenverfahren parallel und fällt nur das Eisen im zweiten Bad statt durch Ferrocyankalium oder Schwefelammonium durch Hämatein aus. Ferner färbt Heiden- Elektroanalytische Untersuchungen. 127 hain stundenlang, ich sekundenlang, Heidenhain regressiv, ich progressiv. Das Eisenhämatoxylin färbt einfach alles schwarz und wird erst nach und nach mit Leitungswasser kunstvoll difie- renziert. Der Widerspruch bleibt jedoch trotzdem bestehen, weil Heidenhain unter anderem typische Kathodenelemente rein elektiv ausfärbt, z. B. die anisotropen Q-Scheiben der Muskeln in einem gewissen Zeitpunkt der Differenzierung. Ferner ergaben meine Testobjekte, wenn man sie stundenlang nach Heidenhain zuerst im Eisen imprägniert, Kathodenbilder. Früher habe ich nie daran gezweifelt, dass Eisenhämatoxylin kathodisch differenziert, so entstand eine lange festgehaltene, wahrscheinlich irrtümliche Anschauung von der Kathodennatur des Spermakerns gegenüber der Anodennatur des chromatinarmen Eikerns. Die genauere Untersuchung aller dieser Objekte führte mich jedoch auf eine Reihe bis heute unaufgeklärter Widersprüche. Es zeigte sich, dass das Basichromatin genannte Element der Kernschleifen, das gewöhnlich mit Eisenhämatoxylin dargestellt wird, von typischen Anodenfarbstoffen ausgefärbt wird, von basischen, sowohl wie Gentianaviolett, Kresylechtviolett, Metliyl- violett, Methylgrün, Safranin (anodische kirschrote Komponente), Neutralrot, als auch von saueren anodischen Farbstofien, wie Nigrosin, Karmin, Hämatein und zwar gewöhnlich in Ihrer ano- dischen (Säure-)Farbe, besonders deutlich bei Safranin, Methyl- grün und Neutralrot. Nicht nur in allen diesen anodischen Farb- lösungen wird das Kern-Chromatin der Chromosomen sichtbar, sondern ebenso in zuverlässig anodischen Oxydationsreagentien, wie Unna-Golodetz, Neutralviolett, Unnas Rongalitweiss. Aus Mischungen entnimmt es gewöhnlich die im Filtrierpapier und im Stromfeld anodischere Komponente, aus Giemsa das Blau. Wie erklärt es sich nun, dass es sich mit Hämatoxylin kathodisch färben sollte? Bestehen die Chromosomen aus katho- “dischen und anodischen Bestandteilen, die beide genau identische Zeichnungen geben? Oder gelten für den Kern andere Regeln als für das Plasma und grössere Zellkomplexe, weil vielleicht ein vorhandener elektrochemischer Ladungssinn sich nach der Ent- ladung durch eine bestimmte langdauernde Fixation und Färbung wie ein sich entladender Akkumulator umkehrt? Keiner dieser Auswege ist befriedigend. Zu diesem Widerspruch kommt noch die Tatsache, dass ein anderes Kernelement, der Nukleolus, 128 Rudolf Keller: sich in beiden Methoden, sowohl kathodisch als anodisch tingiert und zwar mit mehreren anodischen und kathodischen Färbemitteln. Sicher ist, dass der Kern besondere Einrichtungen besitzt, die dem Eindringen von Anionen ebenso wie von Kationen im normalen Leben starke Widerstände entgegenstellen, da er sich lebend absolut nicht tingiert, auch nicht mit unschädlichen Farben. Der tote Kern macht es umgekehrt, nimmt anodisch und kathodisch Farben an. Ich glaube, dass, ebenso wie die Zellelektrohistologie auf gewisse Fehler und Flüchtigkeiten der Kolloidchemie geführt hat, auch die feinere Kern-Elektro-Analyse uns Einrichtungen erklären wird, die wir heute ausserhalb der Zelle im Laboratorium noch nicht kennen oder nicht verstehen. Eine andere Schwierigkeit, die aber vorauszusehen war, ist die widersprechende Färbung tierischer Drüsen. Ist es schon aus der Elektro-Physiologie bekannt, dass Nerven .und Muskeln sehr wechselnde elektrische Ladungen aufweisen, so ist dies auch für die meisten Drüsen des Tieres feststehend, einschliesslich der Haut, die sich ja in gewissen Schichten von einer Drüse wenig unterscheidet. Alle diese Gewebe besitzen Einrichtungen, die auf chemische Reize, also Eindringen von Lösungen, mit elektrischen Impulsen oder Strömen antworten. Es war also klar, dass ihre mikroskopische Untersuchung keine einfache Sache ist. Trotzdem haben alle untersuchten Organe im wesentlichen keine Über- raschungen gebracht, Niere, Pankreas, Haut, Knorpel, Magen färbten sich nach der Erwartung. Inallen diesen Organen haben die Mikrochemiker in ihrer Art die umfassendsten Vorarbeiten geleistet. Die Befunde von Macallum (7), der in Toronto (Canada), ohne es zu bemerken, Kathoden darstellte, sind das genaue Gegenbild von jenen Unnas (8), der in Hamburg durch seine Methode der Sauerstofforte hauptsächlich Anoden in seither nicht übertroffener elektiver Schärfe herausarbeitete. Abgesehen von der obersten toten Hornhautschicht, deren differente Zustände, vielleicht durch Schweißsekretion hervorgerufen, schon in den Unna-Zeichnungen zum Ausdruck gelangen, könnte man die Haut ebenso wie die Pflanzenschnitte als Kontrollpräparat be- nützen. Zu den früher bereits veröffentlichten Feststellungen ist nur hinzuzufügen, dass die Drüsengranula in Pankreas und in serösen Drüsen, ferner Arnolds Neutralrot-Granula anodisch sind, wie Elektroanalytische Untersuchungen. 129 alle Elemente, die sich lebend mit diesem Farbstoff in der Himbeer- farbe tingieren. Fettfarbstoffe. Dieser Ausdruck ist nicht genau richtig. Auf Grund der neugewonnenen Erkenntnis über Wanderungsrichtungen müssten wir eigentlich sagen: Fettfärbungs- Lösungen. Was wir ge- wöhnlich Fettfarbstoffe nennen, sind wasserunlösliche, alkohol- lösliche Farben, die eine Neigung zu Fetten und Lipoiden haben. Kürzlich sah ich in einem Vortrag des Pflanzenphysiologen Uzapek ein neues Lipoidreagens, den altbekannten Fettfarbstoff Sudan III in einer besonders praktischen Mischung von Pyridin und Amylenhydrat und erkannte in den vorgeführten Projek- tionen die mir vertrauten Kathoden. Ich prüfte also Sudan III in Alkohol unter dem Laboratoriumsstrom. Er ging, — wie sich herausstellte: ebenso wie alle anderen in Alkohol untersuchten Farbstoffe, — zur Kathode. Auch ein so typischer Anodenfarb- stoff wie Gentianaviolett ging im Alkohol zur Kathode. Ebenso wandern alle alkoholgelösten Farbstoffe im Filtrierpapier katho- disch, auch Dahlia, Kongorot und beliebige andere. In den Test- objekten versagen sie manchmal, weil diese wenig Fette enthalten. Der chemische Faktor ist eben auch ein Faktor der mikroskopischen Bilderzeugung, aber nur ein einziger Faktor. Durch Sudan III wurde ich auf die allgemeine Regel der kathodischen Alkohol- farben geführt, die in der Kolloidehemie noch unbekannt ist, obzwar sie aus der niedrigen Dielektrizitätskonstante von Alkohol theoretisch hätte vorausgesehen werden können. Ebenso haben Anilin, Pyridin eine niedrigere Dielektrizitätskonstante als Wasser. Wenn man also mit Grüblerschem Gentianaviolett in Anilin färbt. so bläut sich vorerst alles, die Anoden in der wässrigen, die Kathoden in der Anilinphase. Erst durch Differenzieren mit Wasser treten dann die Anoden elektiv hervor. Wenn Gentiana nicht wasserlöslich wäre, so könnte man es ebenso wie Scharlach It als Fettreagens verwenden. Das Verständnis dieser Zusammen- hänge ist für die Histologie deshalb wichtig, weil mit Wasser, Alkohol u. dgl. differenziert wird.- Auch wasserfreies Glyzerin ist kolloidehemisch nicht so ganz eintlusslos, wie es aussieht, man kann ‚manchmal durch Autflösen der Farbstoffe in reinem Glyzerin eine Färbung umkehren oder nahezu umkehren. 130 Rudolf Keller: Die Kernteilung. Die Mitose, die elektrisch sehr interessant ist und schon früher zu allerlei elektrischen Hypothesen geführt hat, fällt vor allem auf durch die starke Kathodenladung frischer Mitosen, die in Zwiebelkeimen als viereckige schwarze Zellpakete mit Eisen, Silber oder Kobaltsulfid dargestellt werden können, oder blau mit Berlinerblau. Die Bilder würden von Histologen eher als Niederschläge denn als histologische Differenzierungen bezeichnet werden, ich glaube jedoch, dass auch solche Erscheinungen in den histologischen Beschreibungen und Tafeln nicht fehlen sollten, wenn sie sich regelmässig als Gesetzmässigkeit offenbaren, auch wenn sie dem Schönheitssinn widersprechen. Selbst nach acht- tägiger Formolfixation, die die Kathoden einigermassen zu schwächen scheint, bleiben sie als undurchsichtige Vierecke auf- fällig; auf ihre Mitosennatur kann nur indirekt aus Indizien geschlossen werden, da sich innerhalb der Zelle bisher nichts Deutliches mehr hat herausdifferenzieren lassen. Es lässt sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit voraussagen, dass Experi- mentatoren mit mehr Spezialerfahrung und Geschick auf diesem Gebiete neue und wesentliche Tatsachen finden werden, wenn sie sich mit der elektrischen Seite dieser Vorgänge eingehend befassen werden. Allerdings bildet auch ein Meister wie Mac- Callum die Kopulation von Algen mit dicken Niederschlags- lecken ab, ebenso finden sich in M. Heidenhains prachtvollen Vanadium-Hämatoxylin-Bildern des Herzmuskels ganz undurch- sichtige Vierecke, denen Heidenhain (10), wenn ich ihn recht verstehe, eine regenerierende Funktion zuschreibt. .. . Übersicht der Farblösungen. Kathoden Anoden Erst Eisenchlorid, dann Ferrocyankalium oder Schwefelammon Methylgrün (grüne Nuance) Silbernitrat im Dunkeln, dann Schwefel- ammonium Unna R. W. (Rongalitweiss) Kobalt-Chlorür, dann Schwefelammonium Giemsalösung (blaue Färbung) Erst Eisenlösung, dann Hämatoxylin Unna polychr. Methylenblau (rote Färbung) Osmiumsäure, Permanganat Alle Kernfarbstoffe, z. B. Gen- tianaviolett in Wasser Elektroanalytische Untersuchungen. Alle Plasmafarbstoffe in sauerer Lösung, die meisten Farbstoffe, auch Kernfarb- stoffe, in Alkohol oder in starker Säure, wenn nicht durch Reduktion oder Al- kali farblos werdend. Safranin in Wasser (orangerote Nuance, ° verblasst bald und wird farblos) 131 Methylviolett in Wasser Kresylviolett „ > Dahlia x Wollschwarz, Brillantkresyl- blau in Wasser Safranin in Wasser (kirsch- rote Nuance) n Neutralrot in Wasser (orangegelb, bald Neutralrot in Wasser (him- farblos) beerrot) Unna-Golodetz N V (Neutralviolettextra, Unna-Golodetz N V roter An- blauer Anteil) teil) Pikrokarmin (nicht zu sehr alkalisch) rote Pikrokarmin (gelbe Kompo- Komponente) nente) Alle Farbstoffe in Alkohol, besonders Fett- Auch sauere Farbstoffe wie farbstoffe Fuchsin S in alkalischer Lösung Pappenheims Methylgrün-Pyronin (in dieser Lösung zweier Anodenfarbstoffe färbt Methylgrün öfter kathodisch) Die saueren Farbstoffe in den Dreifarben- gemischen (die Trennung im Filtrier- papier gelingt mir bei Biondi und Tria- eid nicht) Pappenheims Methylgrün-Pyro- nin (Pyronin anodisch) Methylgrün in den Dreifarben- gemischen. Zusammenfassung. Durch die Untersuchung der Farblösungen mittels kapillar- elektrischer Experimente an eingetauchten Fliesspapierstreifen lassen sich einerseits die kataphoretische Wanderungsrichtung der Farbkolloide oder ihrer Komponenten in dem betreffenden Dispersionsmittel sicherstellen, andererseits an frischen lebenden Schnitten mit den verschiedensten Farblösungen immer wieder übereinstimmend positiv und negativ die positiven und negativen Punkte der Präparate analysieren. Auch in einige Tage lang mit Formol fixierten Schnitten bleiben die Katlıoden ein wenig schwächer, die Anoden sehr scharf erhalten. Bei längerer Fixierung und bei stärkeren und chemisch eingreifenderen Fixationsmitteln wird die Methode un- sicher und es ergeben sich Widersprüche. Die Elektro-Differen- zierung des Kerns, der lebend nicht gefärbt werden kann, lässt sich nur in den gröbsten Umrissen erkennen, auch feinere Ble- mente des Plasmas, die nur durch sehr scharfe Fixation und Härtung dargestellt werden, wie die Plasmosomen, lassen ihre elektrische Ladung noch nicht direkt ermitteln. 132 Rudolf Keller: Zur Ergänzung der Teerfarbstoffe und in lückenloser Über- einstimmung mit ihnen dienen Schwer-Metallsalzlösungen, die später mit Ferrocyankalium oder Schwefelammonium sichtbar gemacht werden. Diese Metallösungen dürfen nicht mit den Metallimprägnationen der Histologen verwechselt werden, die zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zum Inhalte haben, einerseits die elektrolytischen Zerlegungen von Schwermetall- salzen, die Kathoden sichtbar macht, andererseits die Erzeugung von kolloiden Edelmetallsuspensionen, die infolge der anodischen Wanderungsrichtung dieser Kolloide die Kathoden, aber auch die Anoden tingieren. Als Hauptursache der Färbung manifestiert sich bei lebenden und Gefrierschnitten der elektrische Faktor der Bilderzeugung, ausgenommen gewisse Fälle rein chemischer Niederschläge, bei- spielsweise vom Typus Gerbsäure-Eisen, Stärke-Jod. Im fixierten Präparat wirkt der elektrische Faktor immer noch an der Bild- erzeugung mit, tritt aber anscheinend nach längerer Fixation vor der chemischen Wirkung der Fixationssubstanzen oder der (rewebssubstanzen zurück.') ') Anmerkung bei der Korrektur: Seit der Niederschrift dieses Manuskripts im Herbst 1919 hat die Fortsetzung der Untersuchungen folgende neue Tatsachen ergeben: Die Chromosomen bei der Kernteilung sind wohl sicher kathodisch — Es wurden etwa ‘0 weitere Farbstoffe und Lösungen untersucht, die bei den pflanzlichen Testobjekten ziemlich genau den Regeln der Kolloid-Kataphorese folgten. Wie wenig der chemische Charakter der Stoffe dabei von Einfluss ist, lehren Versuche mit dem chemisch äusserst reaktionsträgen Asphaltlack. Dieser wegen seiner Verbindungsunfähig- keit, bezw. Unangreifbarkeit von den Histologen als Einschlussmittel benutzte Stoff ergibt in Dispersionsmitteln von sehr niedriger Dielektr.-Konstante, z. B. Benzol, recht scharfe Kathodenbilder. — Es ergab sich überhaupt ein so starker Einfluss des Üoehnschen Dielektrizitäts-Ladungsgesetzes auf den Ausfall mikroskopischer Lebendfärbungen, dass es notwendig wurde, die Dielektr.-Konstanten der wichtigsten biologischen Substanzen zu bestimmen. Diese Messungen ergaben für Blut und Serum eine überraschend hohe Dielektr.- Konstante: 85 (gegen 81 Wasser). Es ist also klar, dass nach Coehns Gesetz, da so hohe Dielektr.-Konstanten sehr selten sind, in Serum und Blut alle Neutralstoffe sich negativ laden, d.h. zur Anode wandern müssen Das Schulemann-Phänomen, das wohl auch auf die Alkalität des Serums zu- rückzuführen ist, hängt offenbar mit dem Coehnschen Gesetz zusammen, dass Stoffe mit höherer Dielektr.-Konstante sich positiv laden gegen Stoffe mit niedrigerer Dielektr.-Konstante. Man erkennt, wie ohne Kenntnis dieses Gesetzes und der einzelnen Dielektr.-Konstanten die mikroskopischen Färbungen u > Elektroanalytische Untersuchungen. 133 Literatur. . Schulemann: Dieses Arch. 1912 Bd. 79, Biochem. Zeitschr. 80. Bd. (1917). . Fiehter-Sahlbom, zitiert nach Wo. Ostwalds Grundriss der Kolloidehemie. Dresden, Steinknopff. 3. Wo. Ostwald: Kolloidchem. Studien am Kongorubin. Kolloidchem. Beil. Bd.X. 1919. (Die amerikanischen Untersuchungen sind bisher in Europa nur durch Referate bekannt). . Coehn: Ann. der Physik 1898 zitiert nach Coehns Artikel „Strömungs- ströme“ in Handwörterbuch d. Naturw. Jena 1913. . Keller: Kolloid-Zeitschr. Bd. 25, 1919. Bd. 27. 13. 255. 1920. . Schmidt (Düsseldorf): Kolloid-Zeitschr. Bd. 24, 1919. . Mac Callum: Ergebnisse der Physiologie. Wiesbaden 1911. . Unna: Dieses Archiv Bd. 87. Abt.I, 1915, Bd. 90, Abt. I, p. 61. 1917. . Keller: Neue Versuche über mikr. Elektr. Nachweis. Wien, Leipzig 1919. .M. Heidenhain: Plasma und Zelle. I. Jena 1911. nicht verstanden werden können. — Eine Zusammenstellung der bisherigen Messungen der Dielektr.-Konstanten von Eiweiss, Globulin, Hämoglobin, Gela- tine, Kasein erscheint demnächst in der „Biochemischen Zeitschrift“, eine Übersicht meiner neuen histologischen Ergebnisse erschien kürzlich: „Elektro- histolog. Untersuchungen‘, Prager Verlags-Gesellschaft, Prag-Smichow 1920. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. I. 10 134 Ausgeführt mit Unterstützung der Preuss. Akademie der Wissenschaften und’ der Rhein. Ges. f. wiss. Forschung. Über das Auftreten der elastischen Fasern in der Tierreihe, über das Verhalten derselben in der Wangenhaut bei verschiedenen Menschenrassen und über Bindegewebe und Sprache. Von P. Schiefferdecker. Hierzu Tafel VII-XII. Die elastischen Fasern entstehen im Bindegewebe, sie finden sich niemals ausserhalb dieses. Wie sie entstehen, darüber herrscht ein alter Streit, der immer noch der sicheren Ent- scheidung harrt. Für die vorliegende Arbeit brauche ich auf diese Frage nicht einzugehen. Nicht überall aber, wo Bindegewebe vorhanden ist, finden sich auch elastische Fasern. Sie können im Bindegewebe auftreten, sie können in ihm fehlen, warum das eine oder das andere geschieht, darüber weiss man noch nichts, jedenfalls scheinen sie aber erst bei einer bestimmten Entwick- lungsstufe des Bindegewebes überhaupt auftreten zu können, denn man vermisst sie bei niederen Tieren und in der frühen embryonalen Entwicklung. Zum morphologischen Nachweise der elastischen Fasern besitzen wir bekanntlich zurzeit bestimmte spezifische Färbungs- methoden, von denen wohl die mit Orcein und die mit Fuchsin- Resorein die besten sind. Mit diesen beiden Methoden sind die Fasern bei richtiger Behandlung sehr deutlich sichtbar zu machen, so dass man auch die feinsten Fäserchen klar hervortreten sieht. Es bleibt dann in keiner Weise zweifelhaft, ob und wo elastische Fasern vorhanden sind oder nicht. Welche von diesen beiden Färbungen als die sicherere anzusehen ist, weiss ich nicht. Mir persönlich ist die Methode mit Fuchsin-Resorein lieber und ich halte sie jedenfalls für sehr zuverlässig. Ich will damit aber durchaus nicht sagen, dass die Orceinmethode weniger sicher ist. Ich habe jedenfalls mit Fuchsin-Resorein sehr viel gearbeitet Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 135 und bin sehr zufrieden damit. Die in dieser Arbeit festgestellten Ergebnisse beruhen alle auf Präparaten, die mit dieser Methode hergestellt worden sind. Wenn man so viele Erfahrungen mit einer Methode gesammelt hat, dann ist es nur natürlich, dass man zu derselben auch Zutrauen hat. Wohl fast von allen Präparaten, die ich bei meinen Muskel- und Hautarbeiten unter- sucht habe, sind jedesmal einige Schnitte auch für elastische Fasern hergestellt worden. Zuerst habe ich Orcein verwendet, dann zur Kontrolle noch ausserdem Fuchsin-Resorein und dann bin ich ganz zu diesem letzteren übergegangen, bei gleichzeitiger Kernfärbung mit Karmin. Diese letztere glückt nicht immer in der nötigen Güte, aber meistens. Bevor man die jetzigen, so bequemen spezifischen Färbungen kannte, stellte man bekanntlich die elastischen Fasern durch Behandlung der Schnitte oder Zupf- präparate mit Essigsäure oder verdünnter Kalilauge dar. Man sah die Fasern auch mit diesen Methoden, aber diese liessen sich nur an chemisch unveränderten Geweben ausführen und sind für unsere heutigen schönen Schnittpräparate nicht mehr brauchbar. So sind wir jetzt gänzlich auf die spezifische Färbung angewiesen. Findet man bei diesen Färbemethoden ungefärbte Fasern, die durch Verlauf und starkes Lichtbrechungsvermögen an elastische Fasern erinnern, aber keine gefärbten, so kann man einen solchen Befund als beachtenswert hervorheben, aber man kann nicht behaupten, „wirkliche elastische Fasern“ gefunden zu haben, zu diesen gehört eben auch die Eigenschaft, sich spezifisch zu färben. Es kann sich in solchen Fällen vielleicht um Fasern handeln, die schon ähnliche physikalische Eigenschaften besitzen wie die „elastischen Fasern“, und die vielleicht eine Vorstufe bilden, aber wirkliche elastische Fasern sind es nicht, und ob sie wirklich eine Vorstufe darstellen, weiss man auch nicht, man kann es nur annehmen. Will man das tun, so mag man sie als „präelastische Fasern“ bezeichnen, muss sich aber darüber klar bleiben, dass diese Bezeichnung nur auf einer An- nahme beruht. Man spricht ja auch von „präkollagenen“ Fasern, ohne die Sicherheit zu haben, dass diese später wirklich zu „Kollagenen“ Fasern werden, was sogar in vielen Fällen recht unwahrscheinlich ist, da sie bei vollkommen erwachsenen Tieren und Menschen und bis ins Alter hinein vorkommen. Da scheint es mir richtiger zu sein, eine weniger deutende, mehr neutrale 10* 136 P.Schiefferdecker: Bezeichnung zu wählen, wie ich das auch in meinen Muskel- arbeiten, in denen ich diese verschiedenen Bindegewebsfasern auch beschrieben habe, getan habe. Es ist ja sehr gut möglich, dass diese beiden Faserarten auch in sonstigen Eigenschaften noch wesentlich verschieden voneinander sind, man weiss darüber noch nichts oder wenigstens nur sehr wenig. Ich bin zuerst in meiner Zwerchfellarbeit (1911) auf diese beiden verschiedenen Arten des Bindegewebes näher eingegangen, nachdem ich sie in früheren Arbeiten schon erwähnt hatte. Als spezifische Färbung für das Bindegewebe habe ich seit langer Zeit die Calleja- Färbung benutzt. Durch diese treten die Fibrillenbündel sehr deutlich blaugrün gefärbt hervor. Die durch Karmin gefärbten Kerne heben sich sehr scharf von dieser Grundfarbe ab. Nun färben sich aber in den Muskeln nicht alle Fibrillenbündel so, sondern nur die, welche in den grösseren Septen zwischen den Muskelbündeln liegen, mitunter auch noch solche in den kleineren Septen, die aber, welche die einzelnen Muskelfasern umgeben, färben sich niemals in dieser Weise; nehmen sie überhaupt einen F'arbenton an, so ist es ein leicht rötlicher, vom Karmin herrühren- der, sonst erscheinen sie ungefärbt, und da die Fibrillenbündel in diesen Abschnitten des Bindegewebes sehr zart sind, so erscheint das Gewebe mehrenteils fibrillenlos, denn der rötliche Farbenton gehört auch nicht speziell den Fibrillen an, sondern erscheint mehr diffus in dem ganzen Gewebe. Ich hatte daher in meinen ersten Muskelarbeiten dieses Gewebe als „fibrillenlos“ bezeichnet, weil es gewöhnlich so erschien, doch war dieser Ausdruck, wie ich bald fand, nicht richtig, da Fibrillen vorhanden waren, die sich durch Silber sehr schön darstellen liessen. Durch Silber lassen sich auch die Fibrillen darstellen, welche sich bei der Calleja-Färbung blaugrün färben, aber nicht ganz so gut und gewöhnlich in einem etwas anderen mehr rötlichem Farbentone als jene ersteren. Also auch bei dieser Methode besteht ein Unterschied. Ich bezeichnete den Teil des Bindegewebes, der sich mit der Calleja-Färbung nicht färbte, daher als „argen- tophiles“ Bindegewebe. Ich hob als weiteren und wesentlichen Unterschied hervor, dass das „argentophile“ Bindegewebe das wichtigste sei, da es die Ernährung der Muskelfasern allein be- sorge, während in dem anderen Bindegewebe nur die grösseren Gefässe verlaufen. Da dies letztere also im wesentlichen eine Uber das Auftreten der elastischen Fasern usw. 13 „Stützfunktion“ besitzt, indem es die Muskelbündel zusammen- hält und so den Aufbau des Muskels ermöglicht, bezeichnete ich es als .fulkrales“ Bindegewebe im Gegensatze zu dem anderen, das der Ernährung vorsteht und daher den Namen „nutritives“ erhielt. Dieses letztere war also gleichzeitig „argentophil“. Nun sind ja funktionelle Benennungen, wenn auch oft charakteristisch und interessant, doch immer ungünstig zur Bezeichnung von Unterschieden, die im wesentlichen morphologischer Natur sind. Es ist nur oft recht schwer, für solche Unterschiede möglichst neutrale und doch auch wieder charakteristische Bezeichnungen zu finden. Ich habe mir die Sache noch weiter überlegt und glaube, das einfachste würde sein, nur auf die Färbbarkeit tücksicht zu nehmen und daher, mit Bezug auf das Ver- halten gegen die spezifische Calleja-Färbung, zu sprechen von einem „chromophilen“ und einem „chromo- phoben“ Bindegewebe oder auch einfach deutsch von einem „färbbaren“ und einem „nicht färbbaren“ Bindegewebe. Die fremdsprachigen Ausdrücke sind für solche Bezeichnungen durchschnittlich deshalb günstiger, weil sie sich von der sonstigen Sprache schärfer abheben. Ich würde also vorschlagen zu unter- scheiden: ein „chromophiles“ oder „färbbares“ oder „fulkrales“ 3indegewebe, und ein „chromophobes“ oder „nicht färbbares“ oder „argentophiles“ oder „nutritives“ Bindegewebe. Dieses letztere würde dasselbe sein, das man sonst auch als „Gitter- fasern“ oder als „präkollagenes“ Bindegewebe bezeichnet hat. Diese beiden letzten Ausdrücke erscheinen mir nicht passlich: über „präkollagen“ habe ich oben schon gesprochen, und der Ausdruck „Gitterfasern“ passt in vielen Fällen garnicht mehr zu dem, was man sieht. Diese beiden Bindegewebsarten sind ja weit im Körper verbreitet, und daher ist die ganze Sache nicht unwichtig. Die von mir vorgeschlagenen Bezeichnungen sind ganz objektiv ge- wählt und möglichst neutral; über die Unterschiede zwischen den beiden Abteilungen des Bindegewebes müssen weitere Unter- suchungen erst noch Klarheit schaffen. Da das „chromophobe“ Bindegewebe überall ganz besondere Funktionen zu erfüllen zu haben scheint, so namentlich der Ernährung vorsteht, muss die genauere Feststellung der Unterschiede als wesentlich bezeichnet werden. Als diese Arbeit schon im Drucke war, kam mir die Arbeit von Rio-Hortega (1916) zu Gesicht, der auch mit Silbermethoden 138 P. Schiefferdecker: (Modifikationen der Tannin-Silbermethode von Achücarro) das Bindegewebe gefärbt hat und dieselben beiden Arten desselben unterscheidet wie ich. Er nennt das „chromophobe“* Gewebe: „la reticulina“ und bezeichnet das „chromophile“ einfach als „haces colägenos“ (kollagene Bündel). Auch er hat gefunden, daß das erstere sich mit Silber dunkelbraun bis schwarz, das letztere mehr rötlich färbt, und hält es ebenfalls für wichtig, die beiden Bindegewebsarten zu unterscheiden. Das ist also eine willkommene Bestätigung dessen, was ich hier ausgeführt habe. Nicht unwichtig ist es, dass elastische Fasern sich in beiden Abteilungen des Bindegewebes finden, also auch bilden können. Wenn die elastischen Fasern im Muskel nur in geringer oder sogar sehr geringer Menge vorhanden sind, wie das vielfach vorkommt, dann finden sie sich nur im „chromophilen“ Teile, ev. nur an solchen Stellen der Septen, die besonders breit sind, an denen dann meist auch Blutgefässe liegen. Sie finden sich in solchen Fällen in der weiteren Umgebung dieser, ohne aber irgendwie von ihnen abhängig zu sein. Ist der Muskel reich an elastischen Fasern, dann liegen nicht nur viele in den fulkralen Septen, sondern auch in dem „chromophoben“, „nutritiven“ Binde- gewebe und umspinnen in diesem direkt die einzelnen Muskelfasern. Es besteht also in Bezug auf die Bildung oder noch neutraler ausgedrückt, auf das Vorkommen der elastischen Fasern, wenigstens was die Muskeln an- langt, doch der Unterschied zwischen den beiden Abteilungen des Bindegewebes, dass die elastischen Fasern am ersten und leichtesten sich in grösseren Mengen des „chromophilen“, dann in geringeren Mengen dieses, und dann schliesslich erst in dem „chromophoben“ Bindegewebe finden. In meiner Arbeit über den Rectus oculi superior (1909, S. 31) habe ich die Beob- achtung mitgeteilt, dass die elastischen Fasern bei diesem Muskel, der ungewöhnlich reich an ihnen ist, von aussen her, von dem Perimysium externum aus, in den Muskel hineinwachsen. Beim Neugeborenen fehlten die elastischen Fasern in diesem Muskel nicht nur zwischen den einzelnen Muskelfasern, sondern auch teilweise in den grösseren Septen noch vollständig. Wie rasch die Durchwachsung des Muskels bei der weiteren Entwickelung vor sich geht, konnte ich an meinem Materiale damals nicht Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 139 feststellen. Diese Beobachtung des Hereinwachsens der elastischen Fasern von aussen her scheint mir sehr wichtig zu sein. Sie lässt folgende Deutungen zu: 1. die Entstehung der elastischen Fasern im Bindegewebe setzt einen gewissen Reifezustand des Bindegewebes voraus. Dieser Reifezustand tritt bei dem Muskel in dem Perimysium ext. früher ein als in den inneren Teilen und schreitet nach innen zu fort. Da wir nun aber zahlreiche Muskeln finden, bei denen, auch im erwachsenen Zustande, im Inneren keine elastischen Fasern vorhanden sind, so müsste man annehmen, dass in zahlreichen Fällen dieser Reifezustand von dem Peri- mysium internum resp. grösseren Teilen desselben niemals im Leben erreicht wird. Diese Annahme ist daher recht unwahr- scheinlich. 2. Die elastischen Fasern entstehen zuerst im Peri- mvsium externum und wachsen von da aus ins Innere hinein in der Weise, dass sie sich immer weiter verlängern. Es würde sich dann also um einen Vorgang handeln, bei dem die aussen vor- handenen Fasern sich allmählich aus eigener Kraft weiter in das Innere hinein verlängern, gleichsam neue Teile ankristallisieren. In diesem Falle müsste man annehmen, dass ein Reiz dazu von aussen her einwirkt, und dass dieser Reiz zu einer bestimmten Zeit der Entwickelung zu wirken aufhören kann, denn man findet ja viele Muskeln, bei denen die elastischen Fasern im Inneren des Muskels fehlen. Von einem solchen Wachstumsreize weiss man aber nichts, und sein Aufhören während der Entwickelung würde sehr merkwürdig sein. 3. Die Entstehung der elastischen l’asern im Bindegewebe hängt nicht nur von dem Reifezustande dieses ab, sondern ausserdem von bestimmten Einwirkungen anderer Gewebe auf das Bindegewebe. Solche Einwirkungen könnten wohl am ersten durch die „innere Ausscheidung“ der Gewebe herbei- geführt werden. Damit würde sich auch das Auftreten der Fasern im Muskel erklären lassen. Aus meinen Muskeluntersuchungen hat sich bisher schon deutlich ergeben, dass die Menge des elastischen Gewebes in einem Muskel abhängig ist von der Eigenart dieses. In meiner Arbeit über die Froschmuskeln (1911, S. 383) habe ich das besonders hervorgehoben. Für diese Eigenart spricht ja auch der Umstand, dass die Kernfaser-Verhältnisse für jeden Muskel ganz bestimmte sind, abweichend von den sonstigen Muskeln. Dass sich das Bindegewebe und das Muskelgewebe in einem Muskel gegenseitig beeinflussen müssen, geht auch schon aus der Beob- 140 P. Schiefferdecker: achtung in meiner ersten Muskelarbeit (1903) hervor. nach der ich eine Symbiose zwischen den beiden annahm. Diese spezifische Eigentümlichkeit des Muskels wird während der Entwickelung erst allmählich erreicht, daher tritt das elastische Gewebe in einem Muskel nicht gleich von vornherein, sondern erst allmählich, während der Entwickelung hervor und erreicht seine völlige Aus- bildung erst zugleich mit der Ausbildung des Muskels. Man wird nun annehmen dürfen, dass der Einfluss der spezifischen Beschaffen- heit des Muskels sich am stärksten in seinem Inneren geltend machen wird, also in Bezug auf das Perimysium internum. Für das Perimysium externum und auch für die grösseren Septa im Muskel, die von diesem ausgehen, werden andere Einwirkungen von grösserer Bedeutung Sein können. Daher dann vielleicht die Erscheinung, dass man an besonders breiten Stellen der Septa, so an Knotenpunkten, um die hier liegenden verhältnismässig grossen Blutgefässe elastische Fasern auftreten sieht, während sie sonst fehlen. Die Fasern gehören sicher nicht zur Adventitia des Gefässes, aber es ist denkbar, dass sie durch seinen Einfluss auf das Bindegewebe entstanden sind. Diese Betrachtungen gelten selbstverständlich nicht nur für den Muskel, sondern für alle Organe, in denen Bindegewebe mit anderen Gewebsarten zusammen- liegt. Wir sind aber leider noch weit davon entfernt, in jedem Falle sagen zu können, durch den Einfluss welchen Gewebes das Bindegewebe zur Bildung der elastischen Fasern veranlasst worden ist. Es macht ja auch den Eindruck, als ob mechanische Einflüsse, so namentlich Zug, mitunter eine solche Veranlassung sein können. Wie überall, so sind eben auch hier die eigentlichen Ursachen des Geschehens noch unbekannt. Bei den Muskeln habe ich auch deutliche individuelle Verschiedenheiten nachweisen können ; derselbe Muskel ver- hält sich daher bei verschiedenen Menschen auch in Bezug auf die Ausbildung der elastischen Fasern verschieden. Auch das ist verständlich, sind doch selbstverständlich die sämtlichen Ge- webe eines Menschen anders gebaut als die eines anderen. Daraus folgt dann natürlich, dass auch die Einwirkung des Muskels auf das Bindegewebe individuell schwanken muss. Zur Erklärung dieserindividuellen Unterschiede würde es auch noch möglich sein, anzunehmen, daß der eine Mensch ein Bindegewebe besitzt, in welchem sich im ganzen mehr Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 141 elastische Fasern zu bilden vermögen als in dem eines anderen Menschen. Auch das würde möglich sein, doch habe ich es an meinem Materiale bisher nicht untersuchen können. Für eine Entstehung der elastischen Fasern aus besonderen Zellen habe ich niemals irgendwie beweisende Bilder gesehen. Meiner Meinung nach entstehen sie in der Grundsubstanz des jindegewebes unter dem Einflusse der Bindegewebszellen, resp., wie wir eben gesehen haben, unter weiterer Beeinflussung von anderen Geweben, welche zudem Bindegewebe in symbiotischer Beziehung stehen, so von dem Muskelgewebe aus. Nicht unwichtig für das Verhalten der beiden Bindegewebs- abteilungen ist auch die Beobachtung, die ich bei den Vögel- muskeln hervorgehoben habe, dass der Kernreichtum des Bindegewebes bei den verschiedenen Muskeln ein sehr ver- schiedener sein kann, und dass diese Eigentümlichkeit sich dann in beiden Bindegewebsabteilungen ausgesprochen findet (1913, 5.507). Dass die elastischen Fasern in Bezug auf ihre Entstehung von den Bindegewebszellen abhängig sind, dafür spricht auch, dass sie ausschliesslich innerhalb des Bindegewebes vorkommen, wie ich das anlässlich meiner Gefässarbeiten aus- gesprochen habe (ich 1896 und Grünstein 1896), natürlich auch innerhalb von Knorpel und Knochen, die ja zum Bindegewebe gehören. v. Ebner (1902, S. 653) teilt diese Ansicht allerdings nicht, ich muss aber doch auf derselben beharren. Wir haben also gesehen, dass man im Bindegewebe das „chromophile“ und das „chromophobe“ Bindegewebe unterscheiden kann, bei dem elastischen Gewebe vielleicht ein „elastisches“ und ein „präelastisches“ Gewebe. Nun liegen die Verhältnisse für das Bindegewebe und für das elastische Gewebe allerdings etwas verschieden: bei dem Bindegewebe kommen die beiden Abteilungen gleichzeitig in demselben Organe unmittelbar nebeneinander vor, sie gehen direkt ineinander über. Bei dem elastischen Gewebe dagegen findet man die beiden Arten des sich „färbenden“ und des sich „nicht färbenden“ Gewebes nicht in demselben Organe, auch nicht in demselben Tiere, sondern nur bei ganz verschiedenen Tieren. Wenigstens scheint das so nach den vorliegenden Mittei- lungen zu sein. Hier könnte man also schon eher das eine als eine Vorstufe des anderen betrachten. Immerhin würde in einer solchen 142 P. Schiefferdecker: Bezeichnung, wie „präelastisches Gewebe“, schon eine ausge- sprochene Deutung liegen, und da man über die sonstigen Ver- schiedenheiten der beiden Gewebsarten noch nichts weiss, so würde ich auch in diesem Falle eine möglichst neutrale Bezeichnung für die beste halten, und daher würde ich vorschlagen, auch die beiden Arten des elastischen Grewebes einfach als „chromophil“ oder „färbbar“ und als „chromoephob“ oder „nicht färbbar“ zu bezeichnen, ganz entsprechend den oben vorgeschlagenen Aus- drücken für das Bindegewebe, immer natürlich in Bezug auf eine ganz bestimmte spezifische Färbung. Dazu kommt, dass man für das elastische Gewebe auch Altersstufen kennt, die durch Färbung nachweisbar sind und nach Unna sich außerdem in der Haupteigenschaft, der Elastizität, sich wesentlich ab- weichend verhalten, da die Fasern im höheren Alter brüchig werden. So würde man dann für das elastische Gewebe gegebenenfalls drei Entwickelungsstufen kennen: 1. die „präelastische“, 2. die Stufe der „vollen Entwickelung“, die „elastische“, und 3. eine Involutionsstufe, die „postelastische“, welche zum Zerfalle führen würde. Alle würden durch spezifische färberische Eigen- schaften voneinander getrennt sein. Das würde nach dem Ge- sagten bei dem Bindegewebe anders sein. Nun habe ich aber oben betont, dass das elastische Gewebe von dem Bindegewebe durchaus abhängig ist. Man würde daher annehmen müssen, dass diesen Änderungen des elastischen Gewebes solche des Bindegewebes, in dem es liegt, entsprechen. Dass das der Fall sein wird, ist mir auch sehr wahrscheinlich. In einer vor kurzem erschienenen Arbeit (1917) habe ich mich auch für die Altersveränderungen in diesem Sinne ausgesprochen; was die jugendlichen Zustände anlangt, so werde ich in der vorliegenden Arbeit auf sie noch zu sprechen kommen. Was die Zeit derontogenetischen Entstehung der elastischen Fasern anlangt, so verdanken wir Röthig (1909) eine Zusammenstellung darüber für Amphibien, Vögel, Säuger und Mensch. Was den Ort und die Zeit des Auftretens der elastischen Substanz anlangt, so sind nach Röthig fast alle Forscher einig in der Annahme einer Beziehung. zum Gefäßsysteme, und auch ihre zeitlichen Angaben differieren wenig. Es geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass die elastische Substanz im ganzen spät entsteht. Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 143 Da aus der Ontogenese hervorgeht, dass die elastische Substanz besondere Beziehungen zu den Blutgefässen besitzt, so lag es nahe, auch für die phylogenetische Entstehung derselben die Untersuchung der Blutgefässe zu wählen. Nach dieser Richtung liegen sehr eingehende und umfassende Untersuchungen von Argaud vor (1908 und 1909). Dieser Forscher spricht sich (1909, S. 211) dahin aus, dass bei den Mollusken noch keine wahre elastische Substanz vorhanden ist. Man findet wohl eine Substanz, die alle „caracteres physiques“ der elastischen Substanz besitzt, die sich aber nicht färbt. Die Intima besteht bei diesen Tieren nur aus einem Endothel und aus einer Schicht, welche einer Limitans int. entspricht, aber sich nicht spezifisch färbt. Bei Arion rufus beschreibt Argaud (1908, S. 415 ff.) nur das Endothel, bei Eledone moschata (1908, S. 418-—-421) auch diese die Limitans ersetzende „lame hyaline, röfringente, qui en possede les caracteres optiques. mais non l’aflinit& pour les colorants electifs.“ Auch in der Adventitia kann man, besonders durch Zerzupfung, feine, hyaline, stark lichtbrechende, verästelte und anastomosierende Fasern darstellen, ähnlich wie die elastischen, die sich aber nicht färben. Argaud hebt hierbei hervor, dass nach den Unter- suchungen von Aschoff (1892) die erste Anlage der Blastica interna beim sehr jungen menschlichen Embryo in der Form einer hyalinen Membran auftritt. Er wirft dabei die Frage auf, ob diese hyaline Membran der Säugerembryonen wohl phylogenetisch der der Mollusken entsprechen könnte. Ich selbst habe Sepia officinalis untersucht, aber nirgends färbbare elastische Fasern finden können. Auf die Fest- stellung der nicht färbbaren habe ich keinen Wert gelegt, da sie an Schnittpräparaten einmal schwer nachweisbar sind und dann auch für diese Arbeit nicht in Betracht kamen, weil sie eben nicht als wirkliche elastische Fasern anzusehen sind. Sowie man aber das Merkmal der Färbbarkeit aufgibt, beginnt eine sehr grosse Unsicherheit für den Nachweis von entsprechenden Fasern, die ja ausserdem noch als „wirklich elastische“ nicht anzusehen sein würden wegen des Fehlens der Färbung und da man über ihre sonstigen Eigenschaften überhaupt nichts Näheres weiß. Wetekamp (1915) führt sodann in seiner eingehenden Arbeit über Anodonta cellensis an, dass man bei diesem Tiere in der Typhlosolis ausser den Bindegewebsfasern noch eine andere 144 P. Schiefferdecker: Art von Fasern finde, die als elastische angesprochen werden müssen. Sie seien ihrer Natur nach schon von Kollmann (1877) erkannt worden. Nach Wetekamp findet sich in der ganzen Typhlosolis und auch in dem fibrillären Bindegewebe am Magen eine nicht geringe Anzahl von elastischen Fasern, die sich nach der Weigertschen Färbung deutlich als dunkle Linien abheben und mit Bindegewebsfibrillen nicht verwechselt werden können. Die elastischen Fasern durchkreuzen sich wie die Bindegewebsfibrillen nach allen Richtungen, gegen die Grenz- schicht hin werden sie zahlreicher und liegen auch mehr in einer Ebene. In der Grenzschicht bilden sie ein dichtes Netzwerk. so dass diese, bei schwacher Vergrösserung gesehen, fast nur aus elastischen Fasern zu bestehen scheint und sich als dunkles Band unter dem ganzen Darmepithel hinzieht. So wird der ganze Darm in ein elastisches Netzwerk eingehüllt. Diese so klaren Angaben von Wetekamp veranlassten mich, die Typhlosolis und den Darm überhaupt von Anodonta und Unio zu untersuchen. Es handelte sich um Exemplare, die in Alkohol konserviert worden waren. Sie waren scheinbar gut erhalten. Ich habe nun bei wiederholten Färbungsversuchen weder bei Anodonta noch bei Unio auch nur eine Spur einer Färbung finden können, obwohl die Färbungsversuche mit grösster Sorgfalt ausgeführt wurden. Es würde mir sehr wichtig gewesen sein, die Fasern zu finden. Bindegewebsfärbung nach Calleja gelang sehr gut. Ich kann daher nur sagen, dass meiner Er- fahrung nach elastische Fasern bei Anodonta und Unio nicht vorkommen — auch an anderen Stellen der Tiere wurden nirgends solche gefunden. Der Gegensatz zwischen meinen Befunden und denen von Wetekamp bleibt mir vorläufig unerklärlich, ich kann mich aber natürlich nur auf meine Befunde stützen. Zu- grunde gegangen infolge von schlechter Konservierung konnten die Fasern selbstverständlich nicht sein, denn, wie schon an- gegeben, war die Konservierung ganz gut, und dann sind ja elastische Fasern gerade auch reichlich widerstandsfähig. Bei den Cyelostomen (Petromyzon marinus) hat Ar- gaud (1908, S. 423—424) keine elastischen Fasern durch Färbung nachweisen können, aber auch nicht einmal die die Elastica int. ersetzende hyaline Schicht. Ich selbst habe bei meinen Muskeluntersuchungen bei Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 145 Petromyzon fluviatilis (1911) in sehr zahlreichen Präpa- raten nirgends elastische Fasern, weder in Gefässen noch sonst irgendwo nachweisen können. Diese Befunde bei Petromyzon bildeten eigentlich die Ursache für die vorliegende Arbeit, die sich dann allmählich mehr und mehr auswuchs, wie das ja so häufig der Fall ist. Ich habe dieses Fehlen der elastischen Fasern in meiner damaligen Arbeit auch hervorgehoben. Nur an einer Stelle in dem Tiere fand sich ein Gewebe, das wohl an elastisches erinnerte, nämlich um die Chorda herum. Diese „Elastica® der Chorda ist ja seit langem bekannt, ich verweise dieserhalb auch auf Klaatsch (1893a). Dieser leitet die Elastica ab von der „skeletoblastischen“ Schicht, also vom Binde- gsewebe. Er sagt hierüber (1893a, S. 674): „Dass dem Cuticularskelet von Amphioxus) elastische Eigenschaften zukommen, darf wohl angenommen werden, und dass gerade die perichordalen Teile solche ebenfalls enthalten werden, ist keine unberechtigte Vermutung. In Vergleichung mit den Zuständen bei den höheren Wirbeltieren wird also eine noch fehlende Sonderung der elastischen Teile von denen des Binde- gewebes beim Amphioxus zu konstatieren sein. Damit verliert auch der Umstand, dass beim Amphioxus eine Elastica noch nicht ausgeprägt ist, sein Auffallendes. Man wird sich vorzustellen haben, dass bei den bedeuten- den Umwandlungen, die aus dem Amphioxusstadium den Urzustand der kranioten Fische hervorgehen liessen, eine Lokalisierung der elastischen Substanz in der skeletoblastischen Schicht erfolgte, welche teils zur Ent- stehung elastischer Bänder, teils zur Bildung einer elastischen Umhüllung der Chordascheide führte. Somit wird auch von dieser Seite her die im vorigen Kapitel verteidigte Ableitung der Elastica von der skeletoblastischen Schicht gestützt.“ Bütschli (1910) spricht sich allerdings folgendermassen aus (S. 179): „Die Entwicklung der Chordascheide beginnt überall mit der Ab- scheidung einer recht dünnen kutikularen Hülle, der Elastica externa. Unter dieser bildet sich aber bald eine viel dickere, häufig sogar sehr mächtige Lage, welche ebenfalls von dem Öhordaepithel ausgeschieden wird, die so- genannte Faserscheide. Diese Lage fehlt daher den Acraniern wahrschein- lich noch völlig.“ Dass das elastische Gewebe in dem fibrillären Bindegewebe zu entstehen vermag und in ihm auch in der weit überwiegenden Anzahl von Fällen entsteht, ist sicher. Wenn es ausserdem noch als eine kutikulare Abscheidung der Chordazellen entstehen sollte, so würde das eine zweite Art der Entstehung sein, die aber prinzipiell von der ersten nicht abweichen würde, da ja auch das 146 P. Schiefferdecker: Uhordagewebe, vielleicht wenigstens, als zum Bindegewebe ge- hörig anzusehen ist. Diese Art der Entstehung würde der ent- sprechen. welche wir bei den Blutgefässen finden, bei denen die Elastica interna der Arterien von dem Endothel abgeschieden werden kann, wie das Baumgarten (1903) gefunden hat. Es bleibt hiernach also nur fraglich, ob die Elastica chordae als ein Abscheidungsprodukt der Chordazellen anzusehen ist oder ob sie unter deren Einflusse in dem skeletoblastischen Gewebe ent- stehen würde, im Bindegewebe würde sie jedenfalls gebildet werden. Bei Amphioxus habe ich, wie ich hier gleich bemerken will, von elastischen Fasern gar nichts gefunden. Das stimmt mit der soeben mitgeteilten Ansicht von Klaatsch überein, dass bei diesem Tiere eine Sonderung der elastischen Teile von ‚denen des Bindegewebes noch fehlt. Was Petromyzon fluviatilis anlangt, so ist die „Blastica“ sehr deutlich ausgeprägt. Es ist eine zusammen- hängende Haut, in der starke Fasern der Länge nach an der Chorda, herunterziehen und in der deutliche, unscharf begrenzte Öffnungen in zienf®ch regelmässiger Anordnung und in ungefähr derselben Grösse in reichlicher Menge vorhanden sind. Diese Membran färbt sich mit Fuchsin-Resorcin, aber der Farbenton ist ein ganz eigenartiger, ein Rosa mit sanzleicht bläulichemEinschlage, ein helles Violett, wie Fig. 1 auf Tafel VII das Bild möglichst natur- getreu wiedergibt. Es ist dies nicht der Farbenton, den die elastischen Fasern bei den höher als Petromyzon stehenden Tieren zeigen, bei diesen sind die Fasern ganz dunkel schwarzblau. Ich möchte aus dieser Beobachtung schliessen, dass bei Petromyzon sich in der „Elastica“ der Chorda wohl ein Gewebe findet, das seiner Erscheinung nach dem elastischen Gewebe der höheren Tiere ähnlich ist, dass dasselbe aber die Fähigkeit noch nicht besitzt, sich ebenso zu färben, .wie das letztere. Wie seine sonstigen Eigenschaften sind, ob es schon denselben Grad von Elastizität besitzt, wie das richtige elastische Gewebe usw., das ist noch unbekannt. In dem übrigen Körper von Petromyzon, in den Blutgefässen, zwischen den Muskeln, in der Haut sind aber auch selbst derartige rosa-violett gefärbte Fasern nicht nachweisbar. Die Umgebung der Chorda- - Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 147 scheide ist also die einzige Stelle, die geeignet ist, ein solches Gewebe entstehen zu lassen. Bei Am- phioxus entsteht es an dieser Stelle noch nicht. Bei Petromyzon ist auch noch kein „wahres“, kein „aus- gebildetes“, elastisches Gewebe vorhanden, sondern ein Gewebe, das ihm schon nahe zu stehen scheint. Petromyzon besitzt aber schon deutlich gefärbtes, fulkrales, chromophiles Bindegewebe, ebenso wie schon Amphioxus. Auch bei den höheren Wirbel- losen, wie Anodonta, Unio und Sepia, ist dieses durch seine Färbung schon deutlich zu erkennen. Das verhältnismässig frühe Auftreten dieses Binde- gewebes inder Tierreihe, phylogenetisch, entspricht dem frühen Auftreten desselben ontogenetisch beim Menschen. Wenn Argaud (1909, S. 211) sagt: „2. La substance 6lastique fait aussi defaut chez les Cyclostomes. Elle n’apparait dans la serie des Vertebres, qu’avec les Selaciens“, so bezieht sich dieser Ausspruch, wie das bei seiner Arbeit ja auch natürlich ist, nur auf die Arterien, welche allein er unter- sucht hat. } Die Elastica der Chorda bei Petromyzon besitzt nun, nach dem, was ich gesehen habe, einen recht eigenartigen Bau. Ich ver- weise hier wieder auf die Fig. 1 auf Taf. VII. Sie besteht einmal aus der rosa-violett gefärbten Grundschicht, in der eine grosse Anzahl von feinen Fasern, einander parallel laufend, liegen und in der sich auch jene oben erwähnten Lücken befinden, die schon von anderen Autoren beschrieben sind. Diese Lücken oder Öffnungen erscheinen dadurch sehr eigenartig, dass sie durchaus unscharf begrenzt sind. Die Löcher, welche man in sonstigen gefensterten, elastischen Membranen finden kann, sehen in dieser Beziehung ganz anders aus, sie zeigen stets eine scharfe und ganz deutliche Umgrenzung. Es ist von den bisherigen Beobachtern angegeben worden, dass durch diese Lücken andere Teile hindurchtreten sollen, ich habe darüber keine Erfahrungen. Die feinen Fasern hören am Rande der Lücken auf, so dass man dadurch nach oben und unten hin, wenigstens mitunter, eine schärfere Begrenzung erhält. Über diese Grundschicht hin verlaufen nun, deutlich in einem anderen Niveau, eine grosse Anzahl von dickeren Fasern, 148 P. Schiefferdecker: welche dunkler gefärbt sind, aber durchaus nicht so gefärbt erscheinen, wie es bei höheren Tieren die elastischen Fasern sind, sondern nur einen etwas dunkleren rosa-violetten Farbenton besitzen als die Grundschicht mit ihren feineren Fasern. Diese dickeren Fasern ziehen auch mitunter deutlich über die hellen Lücken hinweg. Sowohl das Aufhören der feinen Fasern an den Lücken, wie auch das Herüberziehen der dickeren ist an ein paar Stellen auf der Abbildung zu sehen. Sehr merkwürdig ist nun das Verhalten der beiden Faserarten an der Schnittstelle dieser elastischen Schicht, wie es an der rechten oberen Ecke der Ab- bildung dargestellt worden ist. Die dicken Fasern ziehen hier deutlich noch eine Strecke weit über den Schnittrand der violetten Schicht hinüber fort. Man kann dabei erkennen, dass sie sich aus feineren Fasern zusammensetzen, welche durch eine violette Substanz miteinander verbunden sind. An manchen Stellen kann man erkennen, dass diese feinen Fasern sich noch etwas weiter fortsetzen, nachdem die violette Substanz aufgehört hat. Diese dicken Fasern scheinen also eigentlich Bündel aus wenigen feinen Fasern zu sein, welche durch eine hier violett gefärbte Substanz zusammengehalten werden. Vielleicht ist diese Substanz dieselbe wie die der Grundschicht, und erscheint nur dunkler, da sie in dem Bündel eine grössere Dicke besitzt. Aber auch recht feine Fasern sieht man mitunter fast ungefärbt noch ein Ende über die Grenze der violetten Schicht hervorragen. Will man sich diese eigentümlichen Bilder erklären, so bleibt einem nichts weiter übrig, als anzunehmen, dass die Elastica besteht: aus einer rosa-violett gefärbten Grundschicht, die ausserordentlich dünn ist, aus einer Schicht von feinen Fasern, die dieser Schicht aufgelagert oder vielleicht teilweise eingelagert sind, und endlich drittens aus feinen Faserbündeln, die als dicke Fasern erscheinen, und noch wieder über dieser Schicht von feineren Fasern liegen. Es ist das ein sehr merkwürdiger Bau, ich habe ihn beschrieben, wie er mir bisher erschienen ist, nähere Untersuchungen über diesen Bau habe ich aber nicht angestellt, da diese Arbeit ja ganz anderen Zwecken dienen sollte. Von den Knorpelganoiden habe ich junge Exemplare von Stör (Acipenser sturio) und Sterlet (Acipenser Ruthenus) Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 149 untersucht. Bei beiden sind gut ausgebildete elastische Fasern und zwar, wie es scheint, meist recht feine, in schöner dunkler Färbung an vielen Stellen nachweisbar, so in Blutgefässen, so in der Umgebung der Chorda als „Elastica*, so in der Umgebung und in dem Bereiche der Wirbelsäule als die seinerzeit schon von Klaatsch (1893a, S. 672) beschriebenen eigenartigen Bänder mit ihren längs verlaufenden Fasern; aber auch ausser diesen Bändern liegen an diesen Stellen im Bindegewebe zahlreiche elastische Fasern. Warum diese hier überall auftreten, welches die Ursache dafür ist, lässt sich aus den morphologischen Ver- hältnissen nicht ableiten. In den grossen Längsbändern der Wirbelsäule finden sich auch dickere Fasern. Bei den Selachiern endlich, von denen ich Seyllium stellare und Torpedo ocellata untersucht habe, sind die elastischen Fasern schon weit durch den Körper hin verbreitet und werden ebenfalls schön dunkelblau gefärbt. Dasselbe gilt dann von allen höher stehenden Tieren. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass man bei Wirbellosen und auch noch beiAmphioxus eine Ent- wicklungsstufe findet, auf der sich das elastische Gewebe noch gar nicht in erkennbarer Weise von dem Bindegewebe ge- sondert hat. Bisweilen tritt allerdings ein stärker lichtbrechendes, aber noch nicht spezifisch färbbares Gewebe auf, das vielleicht als eine erste oder Vorstufe des elastischen angesehen werden kann, über dessen Eigenschaften man aber noch nicht genügend unter- richtet ist. Dann folgt bei Petromyzon eine zweite Stufe, auf der das elastische Gewebe, oder wenigstens ein ihm ähnliches, sich nur als die „Elastica chordae“ vorfindet und sich zwar mit der spezifischen Färbungsmethode färbt, aber noch nicht in dem Farbentone der höheren Tiere; dann endlich, von den Ganoiden ab, tritt als dritte Stufe elastisches Gewebe mit richtiger Färbungsfähigkeit nicht nur in der Umgebung der Chorda und der Wirbelsäule, sondern auch in den Blutgefässen auf und ver- breitet sich mehr und mehr durch den ganzen Körper. Onto- genetisch weiss man über das „nicht färbbare“ Gewebe noch zu wenig und ebenso ist die Stufe, welche dem Petro- myzon entspricht, noch unbekannt. Dann folgen endlich im Alter die Involutionserscheinungen, bei denen das elastische Gewebe färbbar bleibt, aber seine Färbung Archiv f. mikr. Anat. Bd.9%. Abt. I. 11 150 P. Schiefferdecker: ändert und brüchig wird. Wir würden demnach zu unterscheiden haben: 1. das „nicht färbbare“, „chromophobe“ elastische Gewebe das als solches in seinen Eigenschaften und in seiner Bedeutung noch zweifelhaft ist, und 2. das „färbbare“, „chromophile“ elastische Gewebe, das drei Zustände unterscheiden lässt: a) einen Zustand mit besonders heller und eigenartiger Färbung, bei Petromyzon, b) den Zustand des voll ausgebildeten, „wahren“ elastischen Gewebes bei allen höher als Petromyzon stehenden Tieren mit allmählich immer steigender Verbreitung durch den ganzen Körper hindurch, dabei zunächst recht feine Fasern, und c) das durch das Alter veränderte elastische (Gewebe, mit seiner eigenartigen Färbbarkeit und brüchigen Beschaffenheit, wie wir es durch Unna kennen gelernt haben. Im Jahre 1913 habe ich den Bau der Wangenhaut, speziell der Parotidengegend, beim Menschen untersucht und dabei eine neue Form des elastischen Gewebes beschrieben, die ich als das „geknäuelte elastische Gewebe“ bezeichnet habe. Es war natürlich, dass dieser seltsame Befund die Fragen entstehen liess, wie weit dieses eigenartige Gewebe bei Deutschen verbreitet war, wiees sich entwickelungs- geschichtlich verhielt und endlich auch, wie seine Rassen- verbreitung war. An diese Fragen schloss sich dann selbst- verständlich weiter auch die Frage nach der phylogenetischen Entwickelungdeselastischen Gewebesan. Diese letztere habe ich in dem Vorstehenden kurz besprochen, ich will jetzt zu der Beantwortung der übrigen Fragen übergelien. Als Beispiel für dieses „geknäuelte“ oder „knäuel- förmige elastische Gewebe“ und zum Vergleiche mit den späteren Abbildungen gebe ich hier in Taf. VIII Fig. 5 ein Bild aus der Wangenhaut eines deutschen Mannes in den zwanziger Jahren, von demselben, von dem auch die Abbildungen in meiner früheren Arbeit (1913) herrühren Wie man schon bei dieser schwachen Vergrösserung (40) und noch besser auf Fig. 6 bei 102 facher Vergrösserung (allerdings von einem Esten herrührend) erkennt, liegt, wie ich in meiner früheren Arbeit schon hervor- gehoben habe, dicht unter der Epidermis eine dünne helle Schicht, Uber das Auftreten der elastischen Fasern usw. al in der nur sehr feine elastische Fasern vorhanden sind. Dann folgt eine ziemlich breite Schicht, in der bei der Fuchsin-Resorein- Färbung ganz dunkle, sehr dichte Massen liegen, welche aus zusammengeknäuelten elastischen Fasern bestehen. Dieses ganz eigenartige elastische Gewebe, das ich sonst noch nirgends gefunden habe. habe ich in meiner früheren Arbeit (1913) eingehend be- schrieben. Es sind breite, mehr bandförmige Fasern, welche ganz ähnlich zusammengeknäuelt sind wie Kroilhaare in einem Kissen, und welche bei dem Übergange in die ganz feinen elastischen Fasern jener oben erwähnten schmalen hellen Schicht, der „subepithelialen Schicht“, sich ganz rasch verdünnen. Auf der andern Seite, nach unten hin, hängen sie zusammen mit den sonstigen Fasern des Coriums, das letztere ist deutlich auf der Abbildung zu erkennen. Wegen alles Genaueren verweise ich auf meine frühere Arbeit. Diese „elastischen Knäuel“ oder „elastischen Kissen“, wie ich sie seinerzeit bezeichnet habe, bilden eine zusammenhängende Schicht, die „Knäuelschicht“, die nur durch- brochen wird durch die Haare und Drüsen, so dass, wie die Ab- bildung zeigt, auf dem Querschnitte die Knäuel durch diese voneinander getrennt in ihrer Schicht liegen. Die grösseren oder kleineren Lücken in ihnen werden durch die dort liegenden Blut- gefässe ausgefüllt, die hier nicht weiter dargestellt worden sind. Wie man leicht erkennt, überwiegt die Menge des elastischen (Gewebes in dieser Knäuel- oder Kissenschicht die Menge des weiter unten noch im Corium vorhandenen elastischen Gewebes in derselben Raumeinheit um ein Bedeutendes, obgleich auch in diesen tieferen Abschnitten das elastische Gewebe mässig kräftig entwickelt ist. Wegen der Fasergrösse und der Bedeutung und überhaupt alles Näheren verweise ich auf meine frühere Arbeit (1913). Ich hatte seinerzeit angenommen, dass ich diese elastischen Knäuel zuerst gesehen hätte, ich habe indessen nachher erfahren, dass Unna sie in einem Falle schon früher beobachtet und be- schrieben, aber allerdings nicht richtig erkannt hat. Er hat sie damals (1891) bei einer Erkrankung der Wange gesehen, dem „Ulerythema acneiforme“, und hat sie als pathologisch gedeutet, als eine starke Hypertrophie des elastischen Gewebes: „Das letztere bildet, entsprechend den Ansatzpunkten der schrägen 11% 152 P. Schiefferdecker: Hautspanner im Papillarkörper, förmlich elastische Knoten, welche jedes andere Gewebe an dieser Stelle verdecken. Die noch erweiterten Blutgefässe des Papillarkörpers erscheinen wie in diese elastischen Knoten eingegrabene Kanäle. Diese Hypertrophie des elastischen Gewebes, zusammen mit derjenigen der Hornschicht, bedingt die Blässe der Haut in diesem Stadium.“ Nach meinen Untersuchungen ist es zweifellos, dass diese elastischen Knäuel normal sind, und daher kann die Annahme von Unna, dass durch sie die Blässe der Haut bei der betreffenden Erkrankung mit bedingt wird, nicht richtig sein; auch das schönst errötende junge Mädchen besitzt diese elastischen Knäuel in seiner Wangenhaut. Gerade so wie die Knäuelfaserung dieser Bildungen nach den tieferen Teilen des Corium hin direkt übergeht in die mehr gestreckt verlaufenden Fasern dieser Abschnitte, geht sie an ihren Randpartien, z. B. an der behaarten Kopfhaut, über in ver- schieden dicke Schichten gestreckt verlaufender Fasern, die aber an Masse bei weitem nicht so stark entwickelt sind wie die Kissen. Ich möchte hier übrigens besonders hervorheben, dass dasKnäuelgewebe durchausnicht nur aufdie Wangen- gegend beschränkt ist, wie ich früher annahm, sondern, wie ich inzwischen gefunden habe, sich nach den ver- schiedenen Seiten noch ‚weiter ın verschiedener Mächtigkeit ausdehnen kann, und so z. B. bisin die Öberlippe oder durch die Schläfenhaut bis in die Stirnhaut hineinziehen kann. In der behaarten Kopfhaut habe ich es nicht mehr gefunden. Hieraus würde folgen, dass ein grosser Teil der Gesichtshaut, vielleicht die ganze, mit diesen Knäuelbildungen versehen sein würde. Nach dieser Feststellung würde auch die Er- klärung der Funktion, die ich in meiner vorigen Arbeit gegeben habe, nicht hinreichend sein. Die Knäuelbildungen können nicht nur den Zweck haben, die Wange besonders elastisch zu machen, die das ja allerdings vor allem nötig hat, sondern sie erhöhen die Elastizität des grössten Teiles oder der ganzen Gesichtshaut. Da die behaarte Kopfhaut solche elastischen Einrichtungen nicht mehr besitzt, sind sie also wohl hauptsächlich dem „mimisch“ beanspruchten Teile der Gesichtshaut eigen. Das Gewebe der elastischen Knäuel ist jedenfalls als eine be- sondere Form des elastischen Gewebes anzusehen, wie ich das in meiner früheren Arbeit auch angenommen habe. Es kann selbstverständlich an seinen Rändern in andere Formen übergehen, Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 153 wie ja überhaupt das elastische Gewebe überall zusammenhängende Netze bildet, die in ihren einzelnen Teilen sehr verschieden be- schaffen sein können. Nach meinen jetzigen Erfahrungen möchte ich das Corium einteilen in die folgenden fünf Schichten: 1. Die dicht unter der Epidermis gelegene „subepitheliale Schicht“, das „Stratum subepitheliale“, welche das Bindegewebe der Papillen und die nächste, dünne, diese ver- bindende Schicht umfasst. Wo Papillen fehlen, ist diese Schicht oft recht dünn. In ihr liegt ein sehr zartbündeliges Bindegewebe. Es ist deutlich „färbbar“ und enthält recht feine elastische Fasern. 2. Die „obere Schicht“, das „Stratum superius“, des Corium. Diese Schicht enthält kräftigere Bindegewebsbündel, die oft sehr verschiedenartig verlaufen und besitzt eine recht stark wechselnde Breite, in ihr liegen die elastischen Knäuel resp. andere elastische Bildungen, welche dieselben vertreten, soweit solche überhaupt vorhanden sind. Solche Bildungen können, wie wir sehen werden, sehr verschiedenartig sein. Diese Schicht hat sich für meine Untersuchungen als die bei weitem wichtigste er- wiesen. Das in ihr enthaltene Bindegewebe ist bald „chromo- phil“, „färbbar“, bald „chromophob“, „nicht färbbar“. Diese Ver- schiedenheit ist sehr merkwürdig. Ich werde hierüber weiter unten noch näheres zusagen haben. 3. Die „mittlere Schicht“, das „Stratum medium“ des Corium. Sie ist die Hauptschicht des Corium, daher ver- hältnismässig recht breit, mit mehr regelmässig angeordneten Bündeln, die Netze bilden mit mehr oder weniger spitzen Maschen. Auch in dieser Schicht, wie in jeder, können natürlich Ver- schiebungen eintreten durch eingelagerte Organe. Das elastische (sewebe richtet sich in seinem Faserverlaufe stark nach dem Ver- laufe der Bindegewebsbündel, wie das überhaupt meist der Fall ist. Das Bindegewebe in dieser und den folgenden Schichten ist stets „chromophil“. Das Stratum superius ist also die einzige Schicht des Corium, in der „chromophobes“ Bindegewebe vor- kommen kann. Das ist sehr merkwürdig und wichtig. 4. Die „untere Schicht“ des Corium, das „Stratum inferius“. Diese ist sehr verschieden breit, die Anordnung der Bindegewebsbündel und der elastischen Fasern ist wieder mehr unregelmässig, ihre Bündel gehen, sich unter mehr oder 154 P. Schiefferdecker: weniger spitzen Winkeln abzweigend, direkt über in die darauf folgende Schicht. Mitunter ist diese Schicht kaum von der „mittleren“ abgrenzbar, kann dann also sozusagen fehlen. 5. Die „Fettschicht“, das „Stratum adiposum“ des Corium, gleich „Panniculus adiposus“ oder „Stratum subeutaneum* oder „Subeutis“. Ich möchte diese Schicht mit zum Corium rechnen, da sie sich in keiner Weise scharf von diesem absetzt. Die grossen Bindegewebsbalken dieser Schicht treten direkt über aus der untersten Schicht des Corium, und oft bildet sich die Fettschicht ganz allmählich aus, mit einzelnen kleinen Träubchen beginnend, die dann allmählich grösser werden, mitunter aber auch ganz klein bleiben oder als schmale, langgestreckte Streifen erscheinen. Nun unterscheiden sich die ersten vier Schichten zusammen deutlich von der fünften, und das ist ja natürlich auch der Grund gewesen, warum man bisher den Panniculus adiposus gewöhnlich nicht zum Corium gerechnet hat (Bonnet hat es übrigens auch getan). Diese ersten vier Schichten bestehen eben aus eng ver- filztem Bindegewebe, während im Panniculus der Reichtum an Fett besonders hervortritt. Ich möchte daher diese ersten vier Schichten zusammenfassen als „Coriumcoactum‘“ (fest gewebtes Corium) gegenüber der Fettschicht, dem „Corium adiposum“. Diesen einfachen und verständlichen Namen könnte man dieser Schicht dann auch direkt geben. Die hier von mir angenommenen Schichten unterscheiden sich selbstverständlich nicht scharf voneinander, es ist sicher sogar oft schwer zu sagen, wo die Grenze sein würde. Nichts- destoweniger halte ich es doch für richtig, sie anzunehmen, namentlich auch wegen des Verhaltens des eingelagerten elastischen Gewebes. Es wird das aus den folgenden Beschreibungen und Abbildungen auch hervorgehen. Bonnet (1837) hat im Coriumr drei Lagen als im allgemeinen gut unterscheidbar angenommen (S. 383): 1. den „Papillarkörper“, der wohl mit meinem „Stratum subepitheliale“ zusammenfallen würde. 2. Die namentlich an haar- und drüsenreichen Haut- stellen deutliche Zwischen- oder intermediäre Schicht (Bonnet). Diese würde der gegebenen Beschreibung nach breiter sein als das von mir angenommene Stratum superius, da es im wesent- lichen die Drüsen, Haare und Muskeln enthalten soll. „Haare“ Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 753 natürlich nur in ihrem oberen Teile. Ich würde mein Stratum superius im wesentlichen zusammenfallen lassen mit der „elastischen Knäuelschicht“ resp. mit der elastischen Ersatzschicht, dort, wo die Knäuel fehlen, wo eine solche spezifische Schicht überhaupt fehlt, würde freilich eine Abgrenzung des Stratum superius gegen das Stratum medium kaum durchzuführen sein. 3. Eine tiefe oder netzförmige Lage, die Pars reticularis cutis der Autoren. Diese Schicht würde im wesentlichen meinem Stratum medium entsprechen, ferner dem inferius und nach oben hin wahrschein- lich weiter heraufgehen als mein Stratum medium. Bonnet spricht sich S. 387 weiter dahin aus, dass der Papillarkörper, die eigentliche Cutis und die Subeutis ein entwicklungsgeschicht- liches Ganzes bilden, was ja auch selbstverständlich ist, und dass eine scharfe Abgrenzung der Schichten durch Präparation schwer möglich ist. Das entspricht dem, was ich oben gesagt habe. Was nun die Entwickelung der elastischen Knäuel- schicht in der Haut der Deutschen anlangt, so findet man bei einem Embryo von 6—7 Monaten noch gar nichts von ihr. Wie Taf. VIII Fig. 7 bei 102maliger Vergrösserung erkennen lässt, findet man in diesem Entwickelungsstadium elastische Fasern nur in der „mittleren Schicht“ des Corium, hin und wieder auch ganz wenige in der „unteren“, an den Haarbälgen ziehen sie etwas weiter nach unten herab und nach oben herauf. In dem Stratum medium liegen auch die grösseren Blutgefässe. In dieser (segend zeigt sich meiner Erfahrung nach auch die erste Andeutung von Blaugrünfärbung des Bindegewebes durch die Calleja-Färbung schon bei einem dreimonatigen Embryo. Bei einem viermonatigen hat sich diese Blaugrünfärbung schon ziem- lich weit im Corium ausgebreitet. Die ersten elastischen Fasern in der Wangenhaut finden sich auch bei einem viermonatigen Embryo in der Intima der Arterien. Die Ausbildung der elastischen Fasern in dem embryonalen Körper tritt aber augen- scheinlich an verschiedenen Stellen sehr verschieden früh ein. So findet man z. B. bei einem fünfmonatigen Embryo in der Bauchwandung ‘schon ausgedehnte, sehr feine elastische Netze zwischen den Muskelschichten, während in der Wangenhaut nur erst sehr wenig von ihnen zu sehen ist. Für mich handelt es sich ja in dieser Arbeit nur um die Beschreibung der letzteren, ich werde daher auch im weiteren nur auf dieselbe eingehen. 156 P. Schiefferdecker: Auf Taf. VIII Fig. S erkennt man auf dem Bilde von einem männlichen Neugeborenen (Vergr. 70, also erheblich geringer als bei dem vorhergehenden Bilde, wo sie 102 betrug), dass die Verbreitung der elastischen Fasern erheblich zugenommen hat. Sie finden sich jetzt in dem Stratum medium und inferius, nament- lich im ersteren in grösseren Mengen, und beginnen in das Stratum superius hineinzuwachsen und zwar schon in Bildungen. die an die späteren Knäuel erinnern, so an dem rechten oberen Rande der links gelegenen grossen Haardrüse (Talgdrüse). Auch einige mehr gerade verlaufende Fasern finden sich in dieser Schicht. In dem Stratum subepitheliale ist noch gar nichts von elastischen Fasern zu sehen. Aufmerksam machen möchte ich hier noch auf die ausser- ordentliche Grösse der Haardrüsen (Talgdrüsen) in diesem Ent- wickelungsstadium. Sie erinnein in ihrer Grösse schon etwas an die kolossalen Drüsen des Australiers (Taf. XlI Fig. 21 und 22), auf die ich weiter unten zu sprechen konımen werde. Es scheint demnach, dass diese Drüsen sich zuerst weit stärker entwickeln als die Haare und dann späterim Waclhıs- tum zurückbleiben. Wir finden hier in der Wangenhaut eine Aus- breitung der elastischen Fasern von der Mitte nach oben und nach unten hin, also ebenfalls eine all- mähliche Weiterentwickelung von einem Anfangs- punkte aus, wieich dasoben von meinen Muskelunter- suchungen her angeführt habe. Dort fanden sich bei dem untersuchten Augenmuskel die elastischen Fasern zuerst in dem l’eri- mysium externum und wuchsen von hier aus allmählich weiter in das Innere des Muskels hinein. Da in dieser mittleren Schicht der Wangenhaut auch zuerst die Blaugrünfärbung des Bindegewebes auftritt, so kann man wohl an- nehmen, dass hier auch zuerst ein Reifezustand des Bindegewebes eintreten wird, bei dem sich elastische Fasern zu bilden vermögen. Auf den Fig. 7 und 8 sind in dem oberen Teile des Corium eine Anzahl von kleineren Pünktchen gezeichnet, welche andeuten sollen, dass hier ein deutlicher Kernreichtum hervortritt. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass diese Pünktchen weder die genaue Grösse der Kerne wiedergeben, noch ihre genaue Lage Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 37 und Menge, sie sollen nur schematisch den Kernreichtum markieren. Auch die Pünktchen, welche auf den Zeichnungen in den Haar- bälgen liegen und auch die in dem Epithel deuten nur schematisch die Kerne an. Ich möchte hier noch darauf aufmerksam machen, dass die elastischen Fasern bei dem 6—7monatigen Embryo weit zarter sind als bei dem Neugeborenen. Trotz der stärkeren Vergrösserung (102) war es bei dem ersteren nicht möglich, die Fasern auf dem Bilde so zart wiederzugeben, wie sie in Wirklichkeit waren. Auch die Fasern des Neuge- borenen sind noch sehr zart im Verhältnisse zu denen des Erwachsenen. Da bei dem Neugeborenen die Knäuelbildungen gerade erst zu entstehen beginnen, so muss die gesamteweitere Ent- wickelung dieser in dasKindesalter fallen, leider stand mir kein Material zu Gebote, um diesen Vorgang zu verfolgen. Es handelte sich nun weiter darum, festzustellen, wie weit diese Knäuelbildungen bei anderen Volksstämmen und Rassen verbreitet waren, resp. welche Bildungen gegebenenfalls an ihre Stelle traten. Für diese Untersuchungen hatte ich jahrelang Material von anderen Völkern gesammelt. Kurz vor Ausbruch des Krieges hatte ich Aussicht, noch weiteres Material aus unseren Kolonien zu erhalten, was natürlich äusserst wertvoll gewesen wäre, durch den Krieg wurde dies unmöglich. Ich musste mich daher entschliessen, die Arbeit mit dem geringen Materiale, das mir zu Gebote stand, zu veröffentlichen, und es anderen über- lassen, die grossen Lücken derselben auszufüllen. In:merhin habe ich auch bei meinem Materiale schon einiges grundsätzlich recht Wiehtige feststellen können. Den Herren Kollegen, deren Inter- esse und Liebenswürdigkeit ich dieses Material verdanke, spreche ich hier meinen herzliehsten Dank aus. | Eine ganz entsprechende Knäuelbildung wie bei den deutschen Männern und Frauen — ein Geschlechtsunterschied ist nicht nachweisbar, wie ich das schon in meiner früheren Arbeit (1913) betont habe — fand ich bei einem 43jährigen Rumänen aus Ungarn, einem 33 jährigen Serben, bei drei Russen und endlich bei einem Esten. Während alle anderen hier genannten Völker zu den Indoeuropäern gehören, gehört der Este zu den Finnen und damit zu den Mongoloiden, also unserer jetzigen Auffassung nach 158 P. Schiefferdecker: zu einer ganz anderen Rasse. Die Knäuelbildung bei ihm ent- sprach aber so sehr der der anderen, dass ich eine Abbildung von ihm direkt als Beispiel gegeben habe (Taf. VIII, Fig. 6), Weiter fand ich eine Knäuelbildung bei einem jungen Berber (Taf. VIII, Fig. 9). Bei der schwachen Vergrösserung sah diese ganz so aus wie bei den Deutschen. Bei Betrachtung mit stärkeren Vergrösserungen zeigte sich aber ein sehr inter- essanter Unterschied. Bei 102facher Vergrösserung (Taf. IX, Fig. 10) zeigte sich einmal, dass hin und wieder mehr parallel- faserige Faserzüge hervortraten, bei noch stärkerer Ver- grösserung aber, dass das Knäuelgewebe selbst anders war als das der Deutschen. Wie ich das in meiner Arbeit (1913) beschrieben habe, besteht dieses letztere aus auffallend breiten, bandartigen elastischen Fasern, die an ihren Enden in kurze dünne Fasern ziemlich unvermittelt übergehen. Ich habe in jener Arbeit in den Figuren 11 und 15 auf Taf. V Abbildungen davon gegeben. Der Bau der Knäuel bei dem Esten schien diesem Baue auch zu entsprechen. Bei dem Berber zeigte sich nun, soweit man das in den Knäueln feststellen konnte, dass der breite Faserteil der die Knäuel bildenden elastischen Fasern sehr kurz war, dass dafür aber die dünnen aus ihm nach beiden Seiten hervorgehenden, mehr zylindrischen Fasern recht lang sind. Diese bilden infolgedessen die Hauptmasse des Knäuels. Dadurch wird sein Aussehen aber ein deutlich anderes, weit feinfaserigeres. Auch in den scheinbar parallelfaserigen Partien liegen diese feinen, knäuelbildenden Fasern, nur treten sie etwas zurück hinter den dickeren mehr parallel verlaufenden. Es ist ein sehr merkwürdiges Bild. Wir würden demnach beidem Berberebenfalls ein knäuelförmiges. elastisches Gewebe finden, aber von einemanderen, etwas modifizierten Baue, wie bei den bisher unter- suchten indoeuropäischen Völkern und dem Esten. Man würde demnach walırscheinlich einen engen Zusammenhang zwischen den genannten Völkern anzunehmen haben, bei dem aber Modifikationen im feineren Aufbaue vorhanden sind. Auch bei den Deutschen finden sich mehr parallelfaserige Züge, die in den Knäueln entstehen und dann in die Tiefe zur Verbindung‘ mit dem tieferliegenden Gewebe ziehen, auf dem Bilde von dem Esten (Taf. VII, Fig. 6) sind sie hier auch dargestellt, aber Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 159 innerhalb der Knäuel treten sienicht hervor oder wenigstens kaum, bei dem Berber tun sie es, das Knäuelgewebe tritt also etwas mehr zurück. Ich habe allerdings auch daran gedacht, ob dieses stärkere Hervortreten vielleicht zurückzuführen sein könnte auf eine Mischung mit Sudannegerblut, doch ist mir das allmählich melır zweifelhaft geworden. Die Berber werden zu den Hamiten gerechnet, von diesen müsste man dann annehmen, dass sie dieses eigenartig modifizierte Knäuelgewebe besitzen. Damit, dass sie zu den Hamiten gerechnet werden, ist freilich nicht viel gesagt, da diese selbst noch sehr dunkel sind. Die Berber scheinen zu den ältesten Bewohnern von Afrika zu gehören. Zu dieser Sache möchte ich auch noch eine Stelle von Weule zitieren (1912 S. 102): „Wie wir früher bereits gesehen haben, ist es jedoch durchaus nicht ausgeschlossen, dass das vorgeschichtliche Berbertum am Bevölkerungsaufbau Europas in weit stärkerem Maße teilgenommen hat, als wir bis jetzt geglaubt haben. Seitdem wir selbst den blonden Nordeuropäer genetisch mit dem Mittelmeergebiet, ja vielleicht gar mit Nordafrika in Verbindung bringen müssen, stehen wir sozusagen erst am Anfang einer neuen Rassengeschichte, die die altüberkommenen Werte der bisherigen vermutlich sehr stark um- werten wird.“ Auf diese Weise könnte in der Tat auch eine Erklärung gefunden werden für die so sehr merkwürdige Ähnlichkeit in dem Baue des elastischen Gewebes der Wangenhaut zwischen dem Berber und den Völkern Europas. Allerdings muss ich sagen, dass mir eine andere Annahme noch näher liegend zu sein scheint, nämlich die, dass ebenso wie der Aurignacmensch seinerzeit wahr- scheinlich aus Asien nach Europa eingewandert ist, so auch der Völkerstamm, von dem die Berber sich ableiten, von dorther nach Afrika eingewandert ist, und dass die Verwandtschaft der beiden Völkerstämme somit schon aus der asiatischen Zeit her- stammt. Nimmt man doch sowieso schon für spätere Zeiten eine starke Einwanderung von asiatischen Stämmen nach Afrika an. Man erkennt hieraus, auf welche sonst ganz dunklen Zusammen- hänge meine Arbeitsmethode hinzuweisen vermag. Bei einem jungen Sudanneger zeigte sich ein ganz anderes Bild (Taf. IX Fig. 11 bei 40 facher Vergr. und Fig. 12 bei 102facher Vergr.). In demselben Strat. sup.. in dem bisher die Kissenbildungen lagen, finden sich hier starke Bündel von parallel- faserigem elastischem Gewebe, die sich, der Fläche nach, mehr 160 P. Schiefferdecker: oder weniger deutlich unter etwa rechtem Winkel kreuzen. Die Kreuzung findet zum Teil in derselben Schicht statt, zum Teil liegen die einen Bündel auch etwas tiefer. Von diesen Bündeln ziehen dann feine Fasern wieder in das Strat. subepithel. Knäuel- bildungen fehlen hier vollkommen. (renau dasselbe Bild findet sich bei einem jungen Senegal- neger. Hier treten die elastischen, parallelfaserigen Bündel noch etwas deutlicher hervor, da sie mehr Fasern enthalten. Die Senegalneger gehören auch zu den Sudannegern, es ist daher weiter nicht auffallend, dass sie denselben Bau der Haut besitzen, Ob die grössere Menge des elastischen Gewebes einen Stammes- unterschied darstellt oder individuell ist, muss erst durch weitere Untersuchungen klargestellt werden. Sehr interessant ist nun auch das Verhalten des Binde- gewebesan den Stellen, an denen die Knäuel liegen. Am besten tritt dieses Verhalten hervor an Callejapräparaten. Bei den Deutschen sieht man, wie ich das schon in meiner vorigen Arbeit (1913) beschrieben habe, an solchen Präparaten an den Stellen der Knäuel hellrosa gefärbte Stellen mit ziemlich zalıl- reichen roten Kernen. Das elastische Gewebe färbt sich bei dieser Methode nicht, es nimmt höchstens einen leichten Karminton an. Die roten Kerne liegen in dem Bindegewebe, in das die elastischen Fasern eingebettet sind und in dem sie entstanden sind. Dieses 3indegewebe hat sich nun nicht spezifisch gefärbt, sondern ist höchstens durch einen leichten Karminton hellrosa geworden, d.h. also, es handelt sich hier um das „nicht färbbaref, „chromophobe“ Bindegewebe. Nach oben sowohl wie nach unten geht dieses aber direkt über in das „färbbare“, „chromo- phile“ Bindegewebe, denn nach beiden Richtungen hin schliesst sich unmittelbar blaugrün gefärbtes Bindegewebe an. (zenau so wie bei den Deutschen verhält sich das Binde- gewebe bei dem Esten. Von dem letzteren gebe ich in Taf. VII Fig. 2 eine Abbildung, welche nur ‘diese Gegend mit der allernächsten Umgebung zeigt, wegen der weiteren Umgebung verweise ich auf meine frühere Arbeit (1913), in der ich die Verhältnisse auf grossen Abbildungen von Deutschen dar- gestellt habe. Ganz ähnlich ist das Bild bei dm Rumänen, nur ziehen hier hin und wieder einige wenige grüne Bündel durch das rötliche Gewebe hindurch. Also eine geringe Beimischung Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 161 von chromophilem zu dem chromophoben Gewebe. Bei dem Serben sind die Verhältnisse insofern etwas anders, als durch die rosa gefärbten Stellen hindurch eine Anzahl von grünen Bündeln verlaufen, wie Fig. 3 das erkennen lässt. Es liegt hier also in den Knäueln sowohl „nicht färbbares“ wie „färbbares“ Bindegewebe, doch überwiegt das erstere noch stark. Ähnlich ist das Bild bei den drei Russen. Ganz anders ist es dagegen bei dem Berber (Taf. VII Fig. 4). Hier ist von „nicht färbbarem“ Bindegewebe kaum noch etwas zu sehen, fast alles ist grünblau. Bei den Sudannegern ist nurnoch „färb- bares“ Bindegewebe vorhanden, sodass sich auf dem Calleja- bilde die Gegend, in der die starken elastischen Bündel liegen, welche die Knäuel ersetzen, in keiner Weise mehr, was ihre Färbung anlangt, vor den übrigen Teilen des Coriums auszeichnet. Ebenso wie bei dem Sudanneger verhält sich das Bindegewebe beisämtlichen übrigen bisher von mir untersuchten Völkern. Es scheint also, dass der Berber eine Art von Übergang bildet zwischen den Indoeuropäern und den Esten einerseits und den übrigen Völkern andererseits: noch Knäuelgewebe, wenn auch etwas modifiziert, aber eingelagert in fast ausschliesslich färbbares Bindegewebe. Ich habe oben schon ausdrücklich bemerkt, dass elastisches Gewebe sich sowohl in dem „färbbaren“ wie in dem nicht „färb- baren“ Bindegewebe zu bilden vermag. Dass das der Fall ist. sehen wir auch hier. Immerhin wird man annehmen müssen, dass es nicht Zufall ist, ob das Grundgewebe, in welchem sich bier bei der Haut die elastischen Fasern ausbilden, das „färbbare“ oder das „nicht färbbare“ Bindegewebe ist, esmuss in jedem Falle ein Grund dafür vorhanden sein, der wohl in dem ganzen Aufbau des Menschen liegen wird, d. h. durch seine Stammes- oder Rasseneigentümlichkeit geliefert werden wird. Wenn einerseits das Auftreten der Knäuel und das der Faserbündel ein Kennzeichen für bestimmte Rassen- eigentümlichkeiten sein wird, so wird andererseits dieses Kennzeichen noch verfeinert durch das Verhalten des Bindegewebes. Es muss also ein gemeinsamer, in Rasseneigentümlichkeiten liegender Grund vorhanden sein dafür, dass die Deutschen, der Este. der Rumäne., die Russen, der Serbe und der Berber die Knäuel auf- 162 P. Schiefferdecker: weisen, diese (semeinsamkeit wird aber modifiziert durch das Verhalten des Bindegewebes, das anzeigt, dass zwischen diesen Volksstämmen doch auch wieder Unterschiede vorhanden sein müssen, die sie in Unterabteilungen des Gemeinsamen verweisen. Wie weit diese Unterschiede auch individuelle sein Können, weiß man noch nicht. Das müßten erst weitere Untersuchungen an einem weit größeren Materiale lehren. Bei allen sonstigen bisher untersuchten Stämmen und Rassen war das Bindegewebe vollständig blau- grün gefärbt, ich werde daher im folgenden aufseine Färbung nicht mehr einzugehen brauchen. In Taf. IX Fig. 13 (Vergr. 40) und Taf. X Fig. 14 (Vergr. 102) sind Bilder von der Haut der Parotidengegend von einem jungen Ovambo gegeben. Diese sehen ganz anders aus als die bis- herigen. Eine spezifische Schicht ist hier überhaupt nicht vorhanden. Die kräftigen elastischen Faserbündel, welche die Mitte des Corium durchziehen und hier spitzwinkelige Maschen bilden, setzen sich nach oben zu fort bis zum Strat. subepitheliale hin. Ganz zuletzt werden sie oft noch etwas feiner, behalten aber denselben Typus bei. Von ihnen gehen die zahl- reichen zierlichen Fasern für das genannte Stratum ab. Die Menge der elastischen Fasern ist eine ziemlich bedeutende, aber sie ge- hören eben dem grössten Teile des Corium an. Die Abweichung von den Sudannegern ist eine recht grosse. Die Ovambo werden zu den Bantustämmen gerechnet, unterscheiden sich also im Ganzen von den Sudannegern. Ob der hier beschriebene Bau nun charakteristisch ist für alle Bantustämme, müssten erst weitere Untersuchungen lehren. Sollte es der Fall sein, so würde man ein Mittel an der Hand haben, um einwandfrei die Zugehörigkeit eines Stammes zu den Bantu festzustellen. Gegen die indogermanischen Völker Europas und die Esten und Berber ist die Abgrenzung dieser Negerstämme, der Sudanneger und der Bantu, eine sehr scharfe, da beiden das knäuelförmige Gewebe vollständig fehlt, ich habe dieses Gewebe bis jetzt überhaupt nur bei den genannten Völkern gefunden, Auf Taf. X Fig. 15 (40 fache Vergr.) und Fig. 16 (102fache Vergr.) gebe ich dann Bilder von einem 30 jährigen Chinesen. Hierist wiedereine deutlich ausgeprägte spezifische Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 165 Schicht vorhanden. Sie ist breit und besteht aus sehr zahlreichen feinen elastischen Fasern, die auf dem Präparate feinwellig verlaufen und nach oben eine Menge von feinen, leicht geschlängelten Fasern in eine helle und breite Schicht absenden, die direkt in das Strat. subepith. übergeht, oder vielleicht auch als ein sehr breites solches zu deuten ist. Also wieder ein ganz eigenartiger neuer Bau. Der übrige Teil des Corium enthält im ganzen wenig elastisches Gewebe, so dass die Chinesen- haut im ganzen nicht reich daran ist Von kreuzenden Bündeln sielt man in der spezifischen Schicht kaum etwas. Die Chinesen- haut ist also wieder ganz eigenartig in ihrem Bau und unter- scheidet sich scharf von den bisher besprochenen Formen. Weiter hatte ich Gelegenheit. ein Hautstückchen von einem Javanen zu untersuchen. In Fig. 17 Taf. XI gebe ich bei 102facher Vergr. ein Bild von den Verhältnissen dieser Haut. Noch eine Übersichtszeichnung bei 40 facher Vergr. zu geben, lohnte hier nicht. Die Javaner werden zu den Malaien gerechnet, scheinen aber ausserordentlich stark mit anderen Völkern gemischt zu sein. Man würde also aus einem solchen Bilde überhaupt keine sicheren Schlüsse ziehen können. Immerhin habe ich es für richtig gehalten, die Zeichnung zu veröffentlichen, da sie ein ganz seltsames Bild zeigt. Es sind im allgemeinen der Länge nach verlaufende Züge von ziemlich starken Fasern, welche aber weit auseinanderliegen und nach der Epidermis zu in eine Schicht von weit feineren Fasern übergehen, welche leicht geschlängelt wieder der Oberfläche parallel verlaufen, also ganz anders sich verhalten als die feinen Fasern des Chinesen. Es ist ein Bau, der an keines der bisher betrachteten Völker erinnert. Die Menge des elastischen Gewebes ist im ganzen nicht gross. Hier fehlt also wieder eine spezifische Schicht und das elastische (sewebe des Corium geht direkt bis an das Strat. subepith., zu dem die dünnfaserige Schicht vielleicht schon zu rechnen ist. Noch wieder ganz anders ist der Bau bei einem Melanesier. Auf Fig. 18 Taf. XI habe ich eine Zeichnung von diesem gegeben, wieder nur bei 102facher Vergr. Auch in diesem Falle ist irgendeine spezifische Faserschichtüberhaupt nicht mehr zu erkennen, ein Stratum sup. auch nicht mehr abgrenzbar. Es sind verhältnismässig wenig elastische Fasern vorhanden, welche sich in den Faserverlauf des gesamten elastischen 164 P. Schiefferdecker: (Gewebes derart einfügen, dass das Bild alles Besondere verliert. Es würden hier die Fasern der tieferen Teile des Corium die Hauptrolle spielen. Das Corium ist aber in Bezug auf seine elastischen Fasern so gleichmässig gebaut, dass es als Ganzes wirkend angesehen werden muss. Endlich habe ich seinerzeit ein Hautstückchen von einem älteren Australier mit stark entwickeltem Barte von Herrn Professor Klaatsch erhalten. Ich habe die Präparate hieraus auch schon für meine Hautdrüsenarbeit (1917) verwenden können. In den Fig. 21 und 22 auf Taf. XII sind Zeichnungen dieser Haut bei 40 facher Vergr. gegeben, welche genügte, um ein Bild von dem einfachen Baue zu geben und zugleich den Vorteil bot, die recht dicke Haut bis zur Fettschicht darstellen zu können. Eine spezifische Schicht fehlt hier wieder. Durch das ganze Corium hindurch liegen die Fasern sehr unregelmässig, was allerdings zu einem grossen Teil durch die grosse Menge der eingelagerten Organe mit bedingt wird. Sehr auffällend ist es, dass in dem Stratum sup. die Fasern ausserordentlich un- regelmässig liegen. Bald sind es dickere Fasern, bald dünnere, bald liegen sie einander mehr parallel, bald wirren sie sich durcheinander. Dazwischen liegen wieder Lücken, in denen die elastischen Fasern überhaupt fehlen. Sehr charakte- ristisch ist es wieder, dass die Hauptmenge der elastischen Fasern etwa in der mittleren Corium- schicht liegt. Es entsteht so eine gewisse prinzi- pielle Ähnlichkeit mit der embryonalen Haut des Deutschen. Wir haben also gefunden, dass es Rassen und Stämme gibt, welche eine spezifische elastische Schicht dicht unter der Epidermis in dem Strat.sup. besitzen und andere, bei denen sich keine solche findet. Bei diesen letzteren übernehmen dann die Fasern des ganzen Corium ohne Unterschied die Funktion. Eine solche Schicht besitzen die europäischen Völker (Indoeuropäer), die Esten, die Berber, die Sudanneger mit den Senegalnegern und die Chinesen, Von diesen ist die spezifische Schicht bei weitem am höchsten entwickelt bei den indoeuropäischen Stämmen, dem Esten und Berber, ob von den weiteren der Chinese höher steht oder der Sudanneger, lässt sich Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 165 noch nicht sagen, für wahrscheinlich möchte ich halten, dass der erstere höher steht. Ich habe in meiner vorigen Arbeit (1913) schon hervor- gehoben, dass ein Geschlechtsunterschied in Bezug auf die Ausbildung der elastischen Knäuelschicht nicht zu bestehen scheint. Die hier vergleichsweise untersuchten Menschen waren sämtlich junge Männer — nur der Australier war älter — also sehr gut vergleichbar. Wenn sich nun so bedeutende Unterschiede haben feststellen lassen, so kann das demnach nur an der Zugehörigkeit zu verschiedenen Rassen oder Völkergruppen liegen. Auch die Stärke des Bartes kann keinen Unterschied machen, denn sonst müsste eben auch ein Geschlechtsunterschied bei den Deutschen nachzuweisen gewesen sein. Wenn ferner die Deutschen, der Este, der Serbe,. Rumäne, die Russen und bis zu einem gewissen Grade auch der Berber einen so übereinstimmenden Bau der Knäuelschicht zeigen, so können auch individuelle Ver- schiedenheiten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aus dem (Gesagten folgt dann aber, dassdas Verhalten derelastischen Fasern in der Haut der Parotidengegend charak- teristisch ist für Völkerrassen und Völkergruppen., und dass man es daher bis zu einem gewissen Grade wird verwenden können zur Feststellung von Zu- sammenhängen und Unterschieden zwischen solchen. Ich habe in den letzten Jahren den Versuch gemacht, mit Hilfe der mikroskopischen Anatomie anthropologische Untersuchungen auszuführen und habe damit auch schon Erfolge erzielt. So bei der Untersuchung der Kern-Faser-Verhältnisse des Herzens (1916), so bei der Untersuchung der Hautdrüsen (1917) und der Kau- muskeln (1919), die vorliegende Arbeit schliesst sich den eben genannten an. Zum Vergleiche mit den hier verglichenen menschlichen Hautpräparaten lege ich noch zwei Bilder von Cercopithecus sabaeus und callitrichus bei (Taf. XI Fig. 19 und 20 bei 70 facher Vergr.) von den entsprechenden Hautstellen dieser Affen. Wie man sieht, sind beide Bilder einander ganz ähnlich, woraus schon folgt, dass sie nicht individuell sein können, sondern den Arten entsprechen. Auf beiden ist das elastische Gewebe nur äusserst spärlich vorhanden und von einer Schicht, die der Knäuel- schicht entsprechend sich von dem übrigen Corium abhebt, ist Archiv f.mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 12 166 P. Schiefferdecker: nichts zu erkennen. Diese Affen unterscheiden sich also dadurch sehr scharf von den Menschen, dass sie sehr wenig elastisches Gewebe in der Haut der Parotiden- gegend besitzen. Sie erinnern in dieser Hinsicht an die Embryonen des Menschen. Man wird danach wohl annehmen dürfen, dass auch die Vorfahren des Menschen weit weniger elastisches Gewebe an dieser Hautstelle besessen haben, und dass dieses erst allmählich, mit der fortschreitenden Entwickelung des Menschengeschlechtes, sich ebenfalls zu immer höherer Ausbildung entwickelt hat. Bei dieser Entwickelung wird sichdas elastische Gewebe bei den verschiedenen Menschen- stämmen in verschiedenen Formen weiterentwickelt haben, und so werden die Verschiedenheiten, wie wir sie oben bei den verschiedenen Rassen und Völkergruppen beschrieben haben, entstanden sein. Ausserdem ist die Höhe, zu der diese Entwickelung in jedem einzelnen Falle gediehen ist, verschieden geblieben. Vom histo- logischen Standpunkte aus wird man wohl die Knäuelbildungen als die höchste Forr oder Stufe ansehen dürfen. Ob nach ihr den zweiten Rang die Form des Sudannegers oder die des Chinesen einnehmen würde, ist schwer zu entscheiden. Während bei dem ersteren die Masse und Kraft grösser ist, zeigt die letztere eine grössere Feinheit der Verteilung. Tiefer stehlen Ovambo und ‚Javaner, am tiefsten zweifellos Melanesier und Australier. Wir wissen ja bis jetzt noch gar nichts darüber, warum sich elastisches Gewebe an bestimmten Stellen in bestimmten Formen entwickelt. Wenn diese Entwickelung bei verschiedenen Menschenstämmen verschieden ist, so wird man aber zweifellos annehmen dürfen, dass der ganze Körperbau dieser Menschen . verschieden ist. Das wird man ja zweifellos eo ipso annehmen, aber der Befund der Verschiedenheit des elastischen Gewebes ist dann ein tatsächlicher Beweis dafür. Einer von vielen übrigens. Nun wird die Ausbildung dieser elastischen Fasern walır- scheinlich mit abhängig sein von ihrer Funktion. Welches ist diese nun? In meiner vorigen Arbeit (1913) nalım ich an, dass durch die Knäuelschicht die Elastizität der Wangenhaut gewähr- leistet würde, welche ja bei den sehr beträchtlichen Unterschieden in ihrer Ausdehnung einer solchen elastischen Schicht besonders bedurfte. Nachdem ich inzwischen gefunden habe, dass die Schicht Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 167 nicht auf die Wange beschränkt ist, sondern sich noch weiter ausbreitet, so durch die Schläfenhaut bis in die Stirnhaut hinein, und ev. bis in die Oberlippe, halte ich diese Deutung auch noch für richtig, aber nicht mehr für ausreichend. Die Knäuelschicht scheint sich mehr oder weniger weit durch den mimischen Abschnitt der Kopfhaut zu verbreiten, in der behaarten Kopf- haut fehlt sie aber.. Hier treten statt ihrer starke, mehr der Oberfläche parallel verlaufende Faserbündel auf, ähnlich wie bei den Sudannegern in der Parotidengegend. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Knäuelgewebe eine höhere Form darstellt, und dass diese eben ganz spezifisch für den mimischen Teil des Gesichtes resp. Kopfes gebraucht wird. Das spricht dafür, dass diese Knäuelschieht Beziehungen zur Mimik besitzt und das ist auch verständlich. Bei den Kontraktionen der mimischen Muskeln wird die Haut ständig gefaltet, wird aber wieder glatt, wenn die Kontraktion aufhört, wenigstens so lange der Mensch noch jung ist und sein elastisches Gewebe daher funktionstüchtig ist. So könnte man an- nehmen, dass, je stärker die Mimik entwickelt ist, um so höher auch die Entwickelung des elastischen Apparates sein wird, der einmal den Muskeln antagonistisch das Gleichgewicht hält, sodann aber auch einen regulatorischen Einfluss auf die mimischen Bewegungen ausüben wird, dieselben also verfeinern wird. Die Ausbildung der Mimik würde aber ev. abhängen von der Höhe der geistigen Ausbildung. Diese hängt wieder ab von der Höhe der Ent- wickelung des Gehirnes. Wir wissen, dass unsere menschlichen Vorfahren ein weniger hoch ausgebildetes Gehirn besessen haben. Wir können mit Sicherheit annehmen, dass das Gehirn der tierischen Vorfahren noch tiefer gestanden hat, und so können wir annelımen, dass mit der zunehmenden Gehirnentwickelung auch eine Ent- wickelung des elastischen Gewebes der für die Mimik in Betracht kommenden Haut Hand in Hand gegangen ist. Wie ich oben schon ausgeführt habe, kann diese Entwickelung bei den ver- schiedenen Menschenstämmen zu verschiedenen Endtypen gefül:rt haben, die wir jetzt bei den verschiedenen Rassen usw. vorfinden, und sie kann verschieden hoch gegangen sein, dieses letztere wieder im Zusammenhange mit und in Abhängigkeit von der Höhe der geistigen Entwickelung in jedem Falle. So würde also ein Zusammenhang bestehen zwischen der geistigen 12 * 168 P. Schiefferdecker: Entwickelung und der Ausbildung der elastischen Fasern, was zuerst sehr sonderbar erscheint. Daher dann auch der niedere Typus bei dem Australier und Melanesier. Daher vor allem die niederen Typen bei den beiden Cercopithecusarten. Diese erinnern an die menschlichen Embryonen. Dass sich beim Menschen die Knäuelschicht erst während des Kindesalters ent- wickelt, scheint mir auch dafür zu sprechen, dass sie phylo- genetisch ein verhältnismässig junger Erwerb ist. In meiner Hautdrüsenarbeit (1917) habe ich hervorgehoben, dass die Rück- bildung der a-Drüsen und die Ausbildung der e-Drüsen, nach der Ontogenese zu schliessen, erst verhältnismässig spät eingetreten ist, aber, wie ich jetzt feststellen kann, doch wesentlich früher als die Ausbildung der Knäuelschicht. Dass das so gewesen sein muss, wird man auch durchaus verständlich finden. Nach dem (resagten würde man also diese mehr oder weniger stark, teil- weise ausserordentlich stark ausgebildete elastische Schicht in dem Stratum superius bezeichnen können als die „Elastica mimica“ der Haut, womit nicht gesagt sein soll, dass den tiefer liegenden elastischen Fasern keine Rolle bei der Mimik zukommt, es wird dieser obersten, unmittelbar unter der Epidermis liegenden Schicht, die vielfach am stärksten von allen ausgebildet ist, nur eine ganz besondere und voraussichtlich auch besonders wichtige Rolle zukommen. An ihr treten nach dem Gesagten die Unter- schiede zwischen den Rassen usw. am stärksten hervor, und ich lıabe nachweisen können, dass es Rassen und Stämme gibt, welche eine solche „Elastica mimica“ in verschieden hoher Ausbildung besitzen, und andere, denen sie fehlt. Bei diesen letzteren konnte sich dann das weitere elastische Gewebe des Corium wieder noch verschieden verhalten. Aus diesem Grunde kann man ihr auch init Recht den vorgeschlagenen Namen geben, um sie kurz hervor- zuheben und zu bezeichnen. Nun liegt die Sache aber doch noch nicht ganz so einfach und klar, als es nach dem eben (sesagten scheinen könnte. Rothmann und Tauber (1915) heben nach Beobachtung der Schimpansen auf der Station in Teneriffa besonders hervor: „dass die Mimik des sehr beweglichen Mundes, vor allem der Öberlippe, mit 3jewegungen für Unlust, Schmollen, Freude, Angst usw. weit die des Menschen übersteigt und wahrscheinlich in vielen kleinen Modifikationen weitgehende Verständigungsmöglichkeiten der Schimpansen darbietet.“ (8. 15.) 5 Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 169 Ebenso kommt Hans Virchow (1915, S. 75 und 76) bei seiner Bearbeitung der Gesichtsmuskeln der Schimpansen zu dem Schlusse, dass die Gesichtsmuskulatur dieser Tiere keine geringere Differen- zierung zeigt als die des Menschen. In der Gegend, wo die Komplikation der Muskeln am grössten ist, in der Umgebung des Mundes, hat sich beim Schimpansen ein Grad der Differen- zierung gezeigt, welcher denjenigen übertrifit, der vom Menscheıı beschrieben zu werden pflegt. Höchstens könnte man noch er- warten, dass, wenn die Präparation der menschlichen Mund- muskulatur mit grösserer Genauigkeit durchgeführt wird, sich ein ebenso grosser Reichtum findet wie beim Schimpansen. Virchow sagt dann weiter, dass die aprioristische Annahme, dass, da die Gesichtsmuskulatur dem Ausdrucke des Seelenlebens dient, diese nun auch mit zunehmender Ausbildung des Gehirnes eine höhere Differenzierung zeigen müsse, die Neigung befördert habe, bei farbigen Rassen, so namentlich beim Neger, eine ge- ringere Differenzierung als beim Europäer zu finden. Virchow selbst kann sich dieser Meinung durchaus nicht anschliessen, er hat früher hervorgehoben (1912), dass diese Muskulatur eine gewisse „Unruhe“ und Neigung zur Schichtenbildung zeige (S. 222), waseher für eine grössere Differenzierung spricht als beim Weissen. „Sieht man nun gar, dass beim Schimpansen die Differenzierung ebenso hoch ist, so fühlt man sich doch veranlasst, einmal ernstlicher- darüber nach- zudenken, in welchen Verhältnissenanatomische und funktionelle Differenzierung bei den Gesichtsmuskeln zueinander stehen mögen. Hierüber wäre mancherlei zu sagen, was ich aber unterlasse, da es zum grossen Teil auf Unbestimmtheiten und Vermutungen hinauslaufen würde. Ich will nur das eine bemerken, dass wir nicht einfach funktionelle Differenzierung der Gesichtsmuskeln und seelische Differenzierung identi- fizieren dürfen. Es ist sogar sehr wohl denkbar, dass eine seelisch niedriger stehende Rasse, deren Affekte in gewaltsamer und ungezügelter Weise in den Gesichtszügen toben, eine stärker differenzierte Muskulatur hat, und dass eine höher kultivierte Rasse, bei welcher die Erregungen gedämpft und beherrscht sind, eine vereinfachte Bildung der Gesichtsmuskeln zeigt. Ob aber irgendwelche funktionell bedingten Rassenunterschiede, die doch nur schwach sein könnten, überhaupt unterscheidbar sein werden auf einem Gebiete, auf welchem die rein morphologischen Varianten so bedeutend sind, ist auf jeden Fall sehr fraglich.“ Das hier von Virchow Gesagte erscheint mir sehr beachtenswert. Eine jede mimische Bewegung besteht aus zwei Komponenten, der Muskelkontraktion und der durch diese bewirkten Verschiebung der Haut. An dieser 170 P. Schiefferdecker: letzteren erkennen wir die mimische Bewegung überhaupt erst, die Muskelkontraktion sehen wir niemals. Die letztere liefert die rohe Grundbewegung, die Haut gibt erst den feineren natür- lichen Ausdruck. Die Haut legt sich bei jeder bestimmten Be- wegung in bestimmte Falten, die allmählich bleibend werden, und um so tiefer werden, je öfter sie sich bilden müssen, je mehr im Alter das Fett schwindet und je mehr die elastischen Fasern der Haut degenerieren und daher die Elastizität der Haut nachlässt. Je stärker daher in der Haut die elastischen Fasern entwickelt sind, um so weniger leicht werden sich bleibende Falten bilden, um so grösser wird allerdings auch der Unter- schied sein zwischen der jugendlichen und der Greisenhaut. Ver- laufen die elastischen Fasern in der Haut der Hauptsache nach in bestimmten Richtungen, so werden die entstehenden Falten je nach der Richtung des Faserverlaufes sich verschieden verhalten, verlaufen sie nach allen Richtungen gleichmässig, so wird auch die Faltenbildung eine sehr gleichmässige sein. Liegt die für die mimischen Bewegungen hauptsächlich in Betracht kommende Schicht von elastischen Fasern sehr oberflächlich, so wird ihr Einfluss auf die sichtbare Faltenbildung am bedeutendsten sein. Überlegt man sich das eben Gesagte, dann tritt die Bedeutung der dicht unter der Epidermis gelegenen „Elastica mimica“ deut- lich hervor. Sie liegt so günstig wie möglich und zeigt bei den verschiedenen Rassen eine sehr verschiedene Bildung. Den eigentlichen Grund für diese so interessante Verschiedenheit der Entwickelung der „Elastica mimica“ kennen wir ja noch nicht, dass aber das mimische Nervensystem dabei eine Rolle spielt, ist wohl sehr wahrscheinlich. Weiter wird aber auch der gesamte Körperbau ein anderer sein müssen; das ist ja aber auch an sich klar, dass der gesamte Körperbau einer Rasse ein anderer sein muss als der einer jeden anderen. Der Urstamm, von dem die Menschen einerseits, die Anthropoiden andererseits sich abgezweigt haben, hat sehr wahrscheinlich schon eine gut differenzierte mimische Muskulatur besessen. Diese ist beiden Zweigen gemeinsam geblieben und weiter vervollkommnet worden. Die Haut in ihrem feineren Bau, so auch in Bezug auf die elastischen Fasern, hat sich aber bei den beiden Zweigen verschieden ent- wickelt. Hier kommt nun auch das Moment zur Geltung, auf das Virchow hingewiesen hat, dass niedriger stehende Wesen Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 171 eine stärker ausgebildete mimische Muskulatur, quantitativ nament- lich, besitzen können als höher stehende Bei ihnen dient eben die Mimik noch als Ersatz der sehr wenig ent- wickelten Lautsprache. Diese Wesen „sprechen“ mit den mimischen Muskeln. Die höheren Wesen sprechen mit den Sprachmuskeln und gleichzeitig auch mit den mimischen Muskeln, aber je höher sie stehen. um so mehr mit den Sprachmuskeln. Dass aber auch wir höchststehende Wesen noch sehr viel mit den mimischen Muskeln sprechen, können wir leicht bei jeder Kinovorstellung feststellen. Selbstverständlich ist für jede höheren geistigen Zwecken dienende Unterredung die mimische Sprache unzureichend. und so musste, bevor derartigen Bedürfnissen genügt werden konnte, erst die wirkliche artikulierte Lautsprache sich aus- gebildet haben. Von jenem Urstammvater her mit schon ver- hältnismässig gut entwickelter mimischer Muskulatur, aber ohne sonstige Sprache, mit Ausnahme einer tiefstehenden Lautsprache. werden sich daher der Anthropoiden- und der Menschenzweig so weiterentwickelt haben, dass bei beiden die „mimische Sprache“ zunächst sich weiter entwickelte, dann aber bei dem Menschen- zweige die artikulierte Lautsprache mit der besonderen Ausbildung der Sprachmuskeln entstand, wie ich das vor kurzem in zwei Arbeiten (1919 a u. b) eingehend besprochen habe. Bei dem Menschenzweige genügten eben die mimischen Sprachmuskeln der immer weiter gehenden Ausbildung des Gehirnes nicht mehr zum sprachlichen Ausdrucke. und eben diese selbe Zunahme in der Ausbildung des Gelirnes befähigte diesen Zweig dazu, die Differenzierung der Sprachmuskeln zur artikulierten Lautsprache vor sich gehen zu lassen. Bei dieser weiteren Entwickelung nun müssen auch die so seltsamen Unterschiede in der Entwickelung der elastischen Fasern bei den verschiedenen Rassen und Stämmen eingetreten sein. Der Urstammvater wird seinerzeit voraussicht- lich einen Typus besessen haben, der dem der jetzigen Affen oder der menschlichen Embryonen etwa entsprach. Wir können also wohl annehmen, dass als Verständigungs- mittel bei den höchsten Säugetieren auftraten: zuerst einzelne Laute, die sich mehr und mehr differenzierten, dann die Mimik, die „mimische Sprache“, wie man direkt sagen kann, denn zur Verständigung diente sie, dann, aus den sich 172 P. Schiefferdecker: immer mehr differenzierenden Lauten sich herausbildend, die arti- kulierte „Lautsprache“, unsere jetzige eigentliche Sprache, neben der immer noch sich vervollkommnenden und verfeinernden Mimik. Zu dieser Verfeinerung der Mimik trugen dann wesentlich die elastischen Fasern der Haut bei. Wie man bei der weiteren Entwickelung endlich die Sprache dazu benutzte, seine Gedanken nicht zu verraten, so hinderte man absichtlich die Tätigkeit der Mimik, die ausserdem immer mehr überflüssig wurde, je höher die Lautsprache sich entwickelte. Wir können also beidenhöchstenSäugetieren,vorallem dem Menschen, auch jetzt noch direkt von zwei Sprachen reden: von der mimischen und von der Lautsprache. Ganz geklärt ist durch diese Betrachtungen die Bedeutung der „Elastica mimica“ und der Verschiedenheiten derselben bei den verschiedenen Menschenstämmen natürlich keineswegs, dazu werden noch weitere ausgedehnte Untersuchungen nötig sein, die von Forschern aus- geführt werden müssen, denen ein grosses Menschenmaterial zu Gebote steht. Die hier gegebenen Abbildungen sind noch nach einer anderen Richtung hin recht interessant. Die Parotidengegend gehört zum Gebiete des Bartes und so prägt sich die Stärke dieses und ausserdem die zu ihm gehörige Drüsenentwickelung auf den Bildern aus. Von den Drüsen gehören zum Barte direkt die Haardrüsen (Talgdrüsen) und die apokrinen Drüsen, die a-Drüsen. Die ekkrinen Drüsen, die e-Drüsen, haben mit den Haaren und daher mit dem Barte nichts zu tun und gehören nur zur Haut (Schieffer- decker 1917). Stärkere Bartentwickelung zeigen von den vor- liegenden Bildern nur das von der deutschen und das von der Australierhaut. Von der letzteren wurde mir auch mitgeteilt, dass es sich um einen älteren Mann mit starkem Bartwuchse handele. Vergleicht man nun die Bartbilder miteinander, so fällt der ungemein grosse Reichtum an Haardrüsen bei dem Australier auf. Die Figuren sind alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet, und die dargestellte Dicke der Haut ist stets so bemessen worden, dass das erste Auftreten von Fett die untere Grenze bildet, es sollten eben nur Epidermis und Corium coactum dargestellt werden. Nun ist diese untere (Grenze ja nicht ganz gleichmässig zu ziehen: an manchen Stellen beginnt die Fettschicht schon etwas höher als an anderen, immer- Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 173 hin ist so doch eine gewisse Gleichmässigkeit in der Abgrenzung bei den verschiedenen Bildern erreicht worden. Bei der Be- trachtung der Bilder fällt nun ausser dem grossen Reichtum an Haardrüsen in der Australierhaut ihre grosse Dicke gegenüber der deutschen Haut auf. Hier auf den Bildern direkt gemessen beträgt die mittlere Dicke der deutschen Haut 64 mm, die mittlere Dicke der Australierhaut auf der grossen Abbildung „96 mm und auf der kleineren sogar 108 mm. Die Australier- haut — von der Oberfläche der Epidermis bis zur Subeutis ge- messen — ist also gut 1'/s mal so dick als die deutsche Haut. In dieser recht dicken Haut liegen nun ausser den Haaren, wie schon erwähnt, ganz ausserordentlich grosse, stark entwickelte Haardrüsen. Sie sind so gross, dass sie z.B. auf der kleineren Abbildung (Fig. 22) fast durch die ganze Dicke des Corium coactum hindurch bis in die Nähe der Fettschicht reichen. Man muss daraus schliessen, dass die Wangenhaut dieses Mannes sehr stark fettig gewesen ist. Da mir Hautstücke von anderen Körperstellen des Australiers nicht zu Gebote standen, war es mir nicht möglich festzustellen, ob auch an solchen eine so starke Entwickelung der Haardrüsen vorhanden ist. Von a-Drüsen ist auf den hier dargestellten Stellen nichts zu sehen, von e-Drüsen sieht man etwas auf Fig. 21, doch treten diese Drüsen ganz zurück gegenüber den Haardrüsen. In meiner Hautdrüsenarbeit (1917) habe ich nachweisen können, dass bei diesem Australier auch apokrine Drüsen in der Parotidengegend vorkommen. Es war dies der einzige Fall unter den von mir untersuchten Menschen. Sie waren indessen nicht sehr zahlreich und fehlten an den hier gezeichneten Stellen. reduziert man die Grösse der bei anderen Vergrösserungen gezeichneten Haut des Embryo und des Neugeborenen auf die Vergrösserung des Erwachsenen, so erhält man für die erstere eine Dicke von 29 mm und für die letztere eine solche von 36 mm. Die Haut des Embryo von 6—7 Monaten ist also noch nicht ganz halb so dick wie die des Erwachsenen, die des Neu- geborenen etwas mehr als halb so dick (29 und 36:64 mm, genau 22.27- und» : 1,78). Vergleicht man die Haut der beiden Cercopitheci mit den angegebenen Maßen, so ergibt sich nach entsprechender Reduktion für C. sabaeus eine Dicke von 34 mm, die also ziem- 174 P. Schiefferdecker: lich genau der Hautdicke des Neugeborenen entspricht, für C. eallitrichus eine solche von 45 mm, also eine wesentlich grössere Zahl. Die Haut des Berber ist wieder recht dünn, ihre Dicke beträgt nur 48 mm, bleibt also um 16 mm hinter der des Deutschen zurück und beträgt 75 °/o der Dicke dieser. Die Haut des Ovambo und des Chinesen haben etwa die gleiche Dicke wie die des Deutschen. Ausser der spezifischen Schicht, der „Elastica mimica“, be- sitzt das Corinm auch in den übrigen Schichten elastische Fasern. Soweit ich bis jetzt gesehen habe, haben diese nichts Spezifisches, sie sind dagegen etwas verschieden an Menge. Auch diese Verschiedenheit tritt auf den bei 40 facher Vergrösserung ge- zeichneten Bildern recht gut hervor, diese sind ja eben Übersichts- bilder für alle solche Dinge. Die geringste Menge von elastischem (sewebe auf den vorhandenen Bildern scheint der Chinese zu haben. Es ist aber sehr möglich, dass bei diesen Mengen- verhältnissen auch individuelle Verschiedenheiten eine vielleicht nicht unwesentliche Rolle spielen können. Um diese Frage zu entscheiden, müsste erst wieder ein weit grösseres Material gesammelt werden. Ergebnisse. l. Bei dem fibrillären Bindegewebe kann man in Bezug auf die Färbbarkeit der Fibrillen durch die spezifische Calleja- färbung zwei Arten unterscheiden, die auch in sonstigen Eigen- schaften verschieden sein müssen. Ich unterscheide darnach ein „färbbares“, „chromophiles“ Bindegewebe und ein „nicht färb- bares“. „chromophobes“. Das erstere entspricht dem, das ich auch schon als „fulkrales“, das zweite dem, das ich bisher als „nutritives“ oder „argentophiles“ bezeichnet habe, und das sonst auch als „Gitterfasern“ oder „präkollagenes“ Bindegewebe be- zeichnet worden ist. Beide Arten sind weit verbreitet. 2. Elastische Fasern finden sich in beiden Arten des Binde- gewebes, sie vermögen sich also in beiden zu bilden. Meiner Meinung nach bilden sie sich in der Grundsubstanz des Binde- gewebes. 3. Das Bindegewebe muss einen bestimmten Reifezustand erreicht haben, damit überhaupt elastische Fasern sich in ihm Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 1975 zu bilden vermögen. Dies geht hervor aus den phylogenetischen und ontogenetischen Beobachtungen. 4. In den aus Bindegewebe und einem anderen Gewebe zusammengesetzten Organen muss ausser dem nötigen Reife- zustande des Bindegewebes noch eine bestimmte, spezifische Einwirkung dieses anderen Gewebes auf das Bindegewebe dazu- kommen, damit elastische Fasern sich bilden können. Diese Be- einflussung wird wahrscheinlich geschehen durch die „innere Aus- scheidung“. 5. Auch bei dem elastischen Gewebe scheint es nach den vorliegenden Mitteilungen eine Form, ev. eine Vorstufe, zu geben, welche nicht mit unseren jetzigen Mitteln spezifisch färbbar ist. Die näheren Eigenschaften dieses Gewebes sind noch nicht bekannt, es ist daher noch zweifelhaft, ob man es überhaupt zum elastischen Gewebe zu rechnen hat. Man würde demgemäss auch bei dem elastischen Gewebe ev. ein „färbbares“ oder „ehromophiles“ und ein „nicht färbbares“ oder „chromophobes“ zu unterscheiden haben. Das erste würde dann wieder in die folgenden Abteilungen zerfallen: a) Fin Gewebe mit besonders heller und eigenartiger Fär- bung nach Resorein-Fuchsin: Elastica chordae von Petromyzon. b) Das voll ausgebildete elastische Gewebe mit dunkler spezifischer Färbung nach Resorzin-Fuchsin: bei allen höher als Petromyzon stehenden Tieren, weit verbreitet durch den Kör- per hin. c) Das durch das Alter veränderte elastische Gewebe mit seiner eigenartigen Färbbarkeit und brüchigen Beschaftenheit (Unna). 6. In dem Corium der menschlichen Haut möchte ich unterscheiden die folgenden fünf Schichten: 1. die „subepitheliale Schicht“, das „Stratum subepitheliale“, 2. die „obere Schicht“ des Corium, das „Stratum superius“, 3. die „mittlere Schicht“ des Corium, das „Stratum medium“, 4. die „untere Schicht“ des Corium, das „Stratum inferius“, 5. die „Fettschicht“ des Corium, das „Stratum adiposum“. Die ersten vier Schichten bestehen aus verfilzten Bindegewebsfaserbündeln, sie stehen dadurch im Gegen- satze zur 5. Schicht, bei der das Fettgewebe das charakteristische Element ist. Ichı möchte infolgedessen die ersten vier Schichten unter einem gemeinsamen Namen zusammenfassen als eine obere 176 P. Schiefferdecker: Abteilung des Corium, als „Corium coactum“ (das fest verfilzte Corium), gegenüber einer unteren Abteilung, dem „Corium adi- posum“. Dieses letztere könnte dann entweder direkt mit diesem Namen bezeichnet werden oder als „Stratum adiposum corii“, 7. In der Wangenhaut und von hier ausstrahlend in die Umgebung, ev. bis in die Oberlippe und durch die Schläfenhanut bis in die Stirnhaut hinein, liegt bei den Deutschen eine Schicht des „geknäuelten elastischen Gewebes“, einer besonderen Art des elastischen Gewebes, in dem Stratum superius. Da diese Schicht ganz ähnlich aussieht wie die Krollhaarfüllung von Kissen, so habe ich sie seinerzeit auch als „Kissenschicht“ bezeichnet. Selbst- verständlich ist die Funktion dieser „Kissenschicht“ oder „Knäuel- schicht“ eine absolut andere als die der Krollhaare in einem Kissen. Die „elastische Kissenschieht“* der Haut wirkt nur wie ein sehr dichtes und starkes elastisches Netz, das nach allen Seiten gleichmässig entwickelt ist und daher auch eine sehr gleich- mässige Spannung der Haut nach allen Richtungen bewirkt. etwa wie eine dünne Gummiplatte. 8. Ontogenetisch findet man beim Deutschen die ersten Spuren der Knäuelschicht beim Neugeborenen. Ihre weitere Entwickelung muss also in die Kindheit fallen. Sie ist demnach phylogenetisch wohl als ein recht später Erwerb anzusehen, was auch ihrer Bedeutung nach wahrscheinlich ist. Das elastische Gewebe der Haut der Parotidengegend ent- wickelt sich ontogenetisch‘ beim deutschen Embryo vom Strat. medium des Gorium aus nach oben und nach unten hin. In der- selben Gegend treten auch die ersten gefärbten Bindegewebs- bündel auf. Es scheint also auch hier wieder ein gewisser Reifezustand des Bindegewebes für die erste Entstehung des elastischen Gewebes nötig zu sein. Man beachte hierbei aber, dass gerade die Bildung des hochstehenden Knäuelgewebes in dem „nicht-färbbaren“, „chromophoben“ Bindegewebe vor sich gehen kann. 9. Vergleichend -anthropologisch habe ich die Knäuel- schicht bisher gefunden: bei Deutschen, ferner bei drei Russen, einem Rumänen, Serben, alles Völkern, welche zu den Indoeuropäern gehören. Ferner bei einem Esten, Finnen, Mongoloiden, wie jetzt angenommen wird, und endlich bei einem Berber, bier allerdings etwas modifiziert, aber doch entschieden Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 77 nahe verwandt. Wie der Finne mit den anderen Völkern ver- wandt ist, lässt sich nicht sagen, vielleicht eine Urverwandtschaft aus Asien her. Dass europäische Völker aus Nordafrika einge- wandert sind, ist schon möglich, daher dann Verwandtschaft mit dem Berber, noch wahrscheinlicher ist aber wohl, dass beide aus Asien eingewandert sind, und dass dort die Verwandtschaft be- stand. Schliesslich könnte man auch noch an germanische Stämme denken, die bei der Völkerwanderung nach Nordafrika einge- wandert sind. 10. Diese Knäuelschicht ist als eine „spezifische Schicht“ aufzufassen, als eine „Elastica mimica“. Diese Schicht kann bei verschiedenen Rassen und Stämmen in verschiedenen Formen auftreten und auch fehlen. Im letzteren Falle wird sie ersetzt durch das elastische Gewebe des gesamten Corium. Dieses wirkt selbstverständlich auch mit, wenn eine spezifische Schicht vorhanden ist, aber durch ihre oberflächliche Lage und durch die grosse Menge des in ihr enthaltenen elastischen Gewebes wird diese die Hauptwirkung ausüben. Eine „Elastica mimica“ findet sich nach meinen Unter- suchungen: a) Bei den indoeuropäischen Völkern Europas (bis jetzt nachgewiesen bei: Deutschen, drei Russen, einem Rumänen, Serben), ferner bei einem Esten (Mongoloiden), 3erber (Hamiten, hier etwas modifiziert) in Form einer aus ge- knäueltem elastischem Gewebe bestehenden Schicht. b) Bei den Sudannegern (einschliesslich der Senegal- neger)in Form einer starken Schicht von parallelfaserigem elasti- schem Gewebe, mit mehr oder weniger stark ausgesprochenen, der Fläche nach unter rechtem Winkel kreuzenden Bündeln. Auch auf diese Weise würde also eine ziemlich gleichmässige Spannung der Haut nach allen Richtungen hin erzielt werden, ähnlich wie bei der Knäuelschicht, doch wirkt diese letztere sicher weit stärker und vollkommener, ist also als eine höhere Einrichtung an- zusehen. c) Bei den Chinesen in Form einer starken Schicht von feinen, parallel verlaufenden elastischen Fasern mit feiner Wellung (auf dem Präparate), von der nach dem Stratum sub- epitheliale hin eine grosse Anzahl von feinen, leicht geschlängelten Fasern abtreten. 178 P. Schiefferdecker: Als höchste Form von diesen würde ich die Knäuelform bei den indoeuropäischen Völkern, Esten und Berbern ansehen. Ob dann zunächst die Negerform folgen würde oder die Chinesenform, muss ich noch zweifelhaft lassen, wahrscheinlich ist es mir, dass die letztere Form die höhere sein wird. Keine Elastica mimica besitzen die Javanen, Ovambo (Bantu), Melanesier und Australier (bei je einem Menschen untersucht). Diese stehen also sämtlich tiefer als die vorigen Stämme. Von diesen Völkern a) zeigen die Ovambo (Bantu) insofern noch eine Differen- zierung, als bei ihnen die starken elastischen Faserbündel der oberen Schichten bis durch die mittlere Schicht hindurch, die spitzwinkelige Maschen bilden, der Haut die Hauptelastizität verleihen, während ganz oben, dicht an dem Strat. subepith. noch eine ähnliche feinere Schicht liegt. b) Bei den Javanen verhält sich das elastische Gewebe des ganzen Corium bis oben hin im wesentlichen gleich. c) Die Melanesier zeigen einen Bau, bei dem das im ganzen schwache elastische Gewebe gerade nach oben zu immer schwächer wird, es würden hier also hauptsächlich die Fasern der tieferen Schichten wirken, doch sind auch diese nicht stark. d) Bei den Australiern ist wiederum das elastische Gewebe der Mittelschicht das stärkst entwickelte. Weiter ist aber merkwürdigerweise das elastische Gewebe des Strat. sup. sehr verschieden gebildet: bald parallelfaserige Bündel aus ziem- lich starken Fasern, bald durcheinandergewirrte feine Fasern, bald finden sich Stellen ohne elastisches (rewebe. Die zuletzt genannten beiden Stämme, die Melanesier und Australier, scheinen mir am tiefsten zu stehen, und von den beiden die Australier noch tiefer als die Melanesier. 11. Es ist nach dem Gesagten möglich, dass die Art der Ausbildung des elastischen Gewebes in der Parotidengegend resp, der Haut des mimischen Teiles des Kopfes, dabei vor allem auch der „Elastica mimica“, als Leitfaden wird dienen können für den Nachweis der Zusammenhänge und Verschiedenheiten zwischen den Rassen und Völkergruppen, geradeso, wie ich es für die Hautdrüsen angenommen habe. Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 179 12. Wo die Knäuelschicht in gleicher Weise ausgebildet ist, bei Indoeuropäern, Esten und Berbern, kann sich das Binde- gewebe noch verschieden verhalten: es kann in ganzer Aus- dehnung „nicht färbbar“ sein, es kann mit „färbbarem“ mehr oder weniger stark gemischt sein und endlich kann es fast ganz „tärbbar“ sein. Dieses letztere fand sich allerdings nur bei dem Berber. Bei allen übrigen Völkertypen enthält die Schicht nur „färbbares“, „chromophiles“ Bindegewebe, gleich dem des ganzen Corium. Vielleicht würde dieses Verhalten des Bindegewebes noch eine Verfeinerung in der Einteilung der Völkertypen gestatten, es könnte aber auch individuell sein. Dieses Verhalten des Binde- gewebes ist sehr wichtig, denn es beweist, dass das ganze Binde- gewebe bei den verschiedenen Völkern sich verschieden verhält. Das Bestehenbleiben des „nicht färbbaren“ Bindegewebes in der spezifischen Schicht muss aus irgend einem noch unbekannten Grunde gerade bei den höchststehenden Völkern notwendig sein, d.h. durch ihren Körperbau bedingt sein. 13. Auch hier in der Haut würde also elastisches Gewebe und sogar solches von sehr hoher Ausbildung in „chromophobem“ Bindegewebe sich bilden können, geradeso wie im Muskel. 14. Bei zwei Arten von Üercopithecus zeigte sich das elastische Gewebe in der Haut der Parotidengegend im ganzen nur sehr schwach entwickelt und besonders schwach auch wieder gerade in den oberen Schichten. Diese Bilder erinnern daher in etwas an embryonale Zustände des deutschen Menschen. Anthropoiden habe ich auf ihr Verhalten noch nicht untersuchen können, da ich aber in der dorsalen Haut des Handgelenkes bei einem Gorilla nur sehr wenig elastisches Gewebe gefunden habe, und da die Affen auch an anderen Hautstellen nur sehr wenig elastisches Gewebe besitzen, so wird diese geringe Entwickelung des elastischen Gewebes in der Haut wohl: eine allgemeine Eigen- schaft der Affen sein und auf ihren Körperbau im Ganzen zurückzuführen sein. Es scheint demnach, dass der Stammvater für Menschen und Affen nur wenig elastisches Gewebe in der Haut besessen hat, dass die Menge dieses bei den Affen und Anthropoiden kaum zugenommen hat, dass aber im Menschen- stamme eine wesentliche Zunahme eingetreten ist, die allerdings bei den verschiedenen Rassen an der hier untersuchten Körper- stelle sehr verschieden stark ist. Diese Verschiedenheit in der 180 P. Schiefferdecker: Menge des elastischen Gewebes würde einen wesentlichen Unter- schied zwischen dem Menschen- und Affenkörper bilden. 15. Die starke elastische Schicht in dem Strat. superius des Corium wird für die Mimik von wesentlicher Bedeutung sein, sie findet sich ja auch nur in dem mimischen Abschnitte der Kopf- haut, ich möchte sie daher als „Elastica mimica“ bezeichnen. Da die Ausbildung der Mimik von der Ausbildung des Gehirns ab- hängt, wenigstens bis zu einer bestimmten Stufe dieser, so würde eine Abhängigkeit der Höhe der Ausbildung dieser Elastica von der Gehirnentwicklung gegeben sein. 16. Die Höhe der Ausbildung des mimischen Muskelappa- rates, wenigstens soweit er sich durch Präparation darstellen lässt, geht nur bis zu einem gewissen Grade parallel der Höhe der geistigen Ausbildung, nimmt diese noch weiter zu, so bleibt der mimische Apparat zurück. Er kann daher bei tiefer stelienden Wesen, z. B. den Anthropoiden, höher entwickelt sein als beim Menschen, und bei tiefer stehenden Menschenstämmen höher als bei höher stehenden. Eine jede mimische Bewegung besteht aus zwei Kompo- nenten: aus der Muskelkontraktion und aus der Verschiebung der Haut, durch welch letztere wir sie überhaupt erst wahr- nehmen. Auf diese Hautverschiebung wird nun die dicht unter der Epidermis gelegene „Elastica mimica“ von wesentlichem Einflusse sein. 17. Das soeben Gesagte wird verständlich, wenn man be- rücksichtigt, dass man bei den höchsten Säugetieren inklusive des Menschen drei verschiedene Stufen der Sprachentwickelung annehmen muss: a) Eine einfache Lautsprache, bestehend aus einzelnen Lauten, die sich allmählich mehr und mehr differenzieren. , b) Eine mimische Sprache. Das Tier spricht neben der weiteren Differenzierung der einzelnen Laute mit seinen - mimischen Muskeln. Daher die immer weitergehende Entwicke- lung dieser bis zu hoher Ausbildung. So z. B. bei den Antlıro- poiden. Bei den höheren Stufen, den Menschenstämmen, dann zunächst noch eine allmähliche feinere Differenzierung der Mimik durch die immer höhere Ausbildung der „Elastica mimica“. c) Während dieser weiteren Differenzierung der mimischen Sprache geht auch die Entwickelung der Lautsprache Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 181 weiter, bis diese die mimische Sprache überflügelt und sich dann als Hauptsprache, als „artikulierte Sprache“, weiter entwickelt. wobei aber die mimische Sprache weiter bestehen bleibt und sich weiter verfeinert, allerdings aber allmählich auch mehr und mehr überflüssig wird und daher beim Menschen der Jetztzeit sich nicht mehr stärker, höchstens feiner entwickelt. Dieses ist der Zustand. wie er jetzt bei den verschiedenen Völkern in sehr verschiedenen Formen und Graden der Entwickelung vorhanden ist. Bei dieser allmählichen höheren Ausbildung der Lautsprache tritt dann die Umbildung der Kaumuskeln zu Sprachmuskeln ein, die ich be- schrieben habe (1919-a und b). 18. Es konnte die Dicke der Haut in den untersuchten Fällen mit einander verglichen werden, ebenso die Ausbildung der Drüsen, wobei sich für den Australier stark abweichende Verhältnisse ergaben. Ferner konnte auch die Menge des sonstigen elastischen Gewebes verglichen werden, wobei es sich herausstellte, dass der Chinese verhältnismässig wenig elastisches (sewebe zu besitzen schien, noch weniger wohl der Melanesier. Doch ist es sehr möglich, dass hierbei individuelle Verschieden- heiten eine grössere Rolle spielen. Ist es doch überhaupt selbst- verständlich notwendig, auf dieser Arbeit basierend, ausge- dehnte Untersuchungen bei den verschiedensten Völkern anzustellen, was mir zu meinem grossen Bedauern nicht möglich war. 19. Die von mir hier mitgeteilten Beobachtungen erbringen den Beweis, dass dasselbe (sewebe, in diesem Falle das elastische (sewebe und das Bindegewebe, bei nahe verwandten Wesen an bestimmten Stellen des Körpers eine deutlich verschiedene Ent- wickelung zeigen kann, die auf die Verschiedenheit der ganzen Körperbeschaffenheit resp. auf korrelative und nervöse Einflüsse zurückgeführt werden muss. Es ist dies wohl der erste so um- fassende Beweis, der bisher dafür geliefert worden ist. 20. Es wird jetzt die Sache der Forschungsreisenden sein, die Gesichtszüge der fremden Völker zu studieren und zu sehen, ob sich dabei etwas finden lässt, was dieser so verschiedenartigen Entwickelung des elastischen Gewebes entspricht. Dass bei ein- gehender Untersuchung solche Unterschiede zu finden sein müssen, scheint mir ganz sicher zu sein. Es ist die vorliezende Arbeit eine aus der Reihe derer, die ich ausführe, um durch die mikroskopische Anatomie die Zusammen- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 95. Abt. 1. 13 182 P. Schiefferdecker: hänge und die Verschiedenheiten der Rassen und Stämme fest- zustellen und um so allmählich eine wirkliche Rassenkunde zu begründen. Literatur. Argaud (1908 und 1909): Recherches sur l’'histotopographie des &l&ments contractiles et conjonctifs des parois arterielles chez les Mollusques et les Vertebres. (Journ. de l’anat. et de la physiol., Anne 44, 1908, p. 328—354, Annee 45, 1909, p. 65—96, p. 176—221, 66 fig. dans le texte.) Aschoff, Albrecht (1892): Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Arterien beim menschlichen Embryo. (Schwalbes Morphol. Arbeit., Bd. 2, 1892, Heft 1, S. 1-35, mit 3 Doppeltaf.) Auch Inaug. Diss. Strassburg. Bonnet, Robert (1837): Haut und Anhänge. (In: Ellenberger, W., Handb. d. vergl. Histol. und Physiol. der Haussäugetiere. S. 331—450.) v. Ebner, Victor (1902): In: A. Koellikers Handb. der Gewebelehre des Menschen. Bd. 3. Grünstein, N. (1896): Über den Bau der grösseren menschlichen Arterien in verschiedenen Altersstufen. 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Derselbe (1913): Der histologische und mikroskopisch-topographische Bau der Wangenhaut des Menschen. (Arch. f. Anat. und Physiol., Jahr- gang 1913, Anat. Abt., S. 191—224, mit 3 Taf.) Derselbe (1916): Untersuchung des menschlichen Herzens in verschiedenen Lebensaltern in Bezug auf die Grössenverhältnisse der Fasern und Kerne. (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 165, S. 499—564.) Derselbe (1917): Die Hautdrüsen des Menschen und der Säugetiere, ihre biologische und rassenanatomische Bedeutung, sowie die Muscularis sexualis. (Vorläufige Mitteilung.) (Biol. Zentralbl., Bd. 37, Nr. 11, S. 534—562.) Derselbe (1917): Über die Ernährung der Blutgefässwandung, über Lymph- bahnen in derselben und über Epithel, Endothel und Kittsubstanzen. (Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abt., Jahrg. 1917, Heft 4—6, S. 199 bis 322, mit 1 Taf.) Derselbe (1919 a): Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen und einiger Säugetiere in Bezug auf ihren Bau und ihre Kern- verhältnisse nebst einer Korrektur meiner Herzarbeit (1916). (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 173, H. 4—6, S. 265— 384, mit 36 Textabb ) Derselbe (1919b): Über die Differenzierung der tierischen Kaumuskeln zu menschlichen Sprachmuskeln. (Biol. ZentralbL, Bd. 39, Nr. 9, S. 421 bis 432.) Unna, P.G. (1891): Ulerythema acneiforme. (Intern. Atlas selt. Hautkrankh. 1891, Hamburg u. Leipzig, Leopold Voss.) Virchow, Hans (1912): Über die Gesichtsmuskulatur von Negern. Verh. anat. Ges. 26. Vers. München, S. 217—234. Derselbe (1915): Gesichtsmuskeln des Schimpansen. (Abh. d. Kgl. Preuss. Akad. d. Wiss. 1915, Physik.-Mathem. Kl., Nr. 1, S. 1—81, mit 4 Taf. und 10 Textfig.) 13* 154 P. Schiefferdecker: Wetekamp, Fr. (1915): Bindegewebe und Histologie der Gefässbahnen von Anodönta cellensis. (Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 112, S. 433—526, mit 40 Fig. im Text.) Wenle, K. (1912): Leitfaden der Völkerkunde. Leipzig und Wien, Biblio- graphisches Institut. Tafelerklärung. Die zu dieser Arbeit gehörenden Abbildungen waren ursprünglich alle farbig gezeichnet. Der Not der Zeit gehorchend, mussten sie zum grössten Teile durch Autotypie in schwarz-weiss wiedergegeben und dabei verkleinert werden. Nur vier von ihnen, bei denen die farbige Wiedergabe unbedingt notwendig war, sind in Farbe und Grösse unverändert dargestellt worden. Ich danke dem Herrn Verleger für sein Entgegenkommen, dass er die ziemlich zahlreichen Tafeln dieser Arbeit wenigstens in dieser Art hat erscheinen lassen. Die elastischen Fasern treten in ihrer Anordnung, auf die es im wesentlichen ankommt, meist gut hervor. Tafel VII. Fig. 1. Längsschnitt durch die Elastica chordae von Petromyzon fluviatilis, Färbung mit. Karmin-Resorein-Fuchsin. Vergr. 260. Die sämtlichen folgenden Abbildungen beziehen sich auf die Parotidengegend. Fig. 2. Querschnitt durch die Haut eines Esten. Fixierung in Formol- lösung, 10 prozentig. Färbung nach Calleja. Vergr 108. . 3. Dasselbe von einem Serben. Vergr. 108. Fig. 4. Dasselbe von einem Berber. Vergr. 108. Tafel VII. Fig. 5. Schnitt durch die Haut eines deutschen Mannes bis zum Corium adiposum hin. Ursprünglich gefärbt mit Karmin-Resorein-Fuchsin und auch farbig gezeichnet, dann aber durch Autotypie schwarz- weiss wiedergegeben und dabei verkleinert. Fixierung in Formol- lösung, 10 prozentig. Das hier Gesagte gilt für alle weiteren Ab- bildungen. Jetzige Vergr. 40. Fig. 6. Ein Stück aus einem Hautschnitte eines Esten, Knäuelschicht stärker vergrössert, um das Genauere zu zeigen. Vergr. 102. Fig. 7. Haut von einem deutschen männlichen Embryo von 6—7 Monaten. Vergr. 102. Fig. 8. Haut von einem deutschen männlichen Neugeborenen. Vergr. 70. Fig. 9. Haut von Berber. Vergr. 40. = N Tafel IX. Fig. 10. Ein Stück aus dem Hautschnitte des Berbers, stärker vergrössert. Vergr. 102, entsprechend der Fig. 6. Fig. 11. Haut eines Sudannegers Vergr. 40. ig. 15. ig. 16. <.18, ig. 14. IT A !or 19: 20. 5. 21 Über das Auftreten der elastischen Fasern usw. 155 Ein Stück aus dem Hautschnitte des Sudannegers, stärker ver- grössert. Vergr. 102. Haut eines Ovambo. Vergr. 40. Tafel X. Ein Stück aus dem Hautschnitte des Ovambo, stärker vergrössert. Vergr. 102. Haut eines Chinesen. Vergr. 40. Ein Stück aus dem Hautschnitte des Chinesen, stärker vergrössert Vergr. 162. (Diese Abbildung hat durch die Verkleinerung wesent- lich an Deutlichkeit verloren.) Tafel XI. Haut eines Javanen. Vergr. 102. Haut eines Melanesiers. Vergr. 102. Haut von Cercopithecus sabaeus. Vergr. 70. Haut von ÜCercopithecus callitrichus. Vergr. 70. Tafel XL. und 22, Haut von einem älteren und mit starkem Barte versehenen Australier. Vergr. 40. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa und die funktionelle Bedeutung ihrer Strukturen. Von Prof. Dr. W. J. Schmidt in Bonn (Zoolog. Institut). Hierzu Tafel XIII und XIV und 8 Textabbildungen. Inhaltsübersicht: Seite Einleitung. an Wr ..- 186 Die bisherigen Angaben über Ken en a unv chen Hank der Schildkröten... A ar a ae TR nn lc. I. Der Bau der Lederhaut. 1. Die histologischen Elemente der Lederhaut. ........1 2.-Die Architektur. der Lederhaut „22.2.2 As er 3)Bundelschichtn.s ia m ee ER I DE p)..Bilzschicht. 7.3 © en re N 2208 c) Verhalten der Van Allan Schichten Er: Rücksicht auf die Schale alsy Ganzes... 2 He ee 204 IM. Dier’ Bausder2Oberhaut zu 2.2 2. a en ne N Il. Die Epidermis- a ae Fee 216 IV. Die funktionelle Bedeutung des Aufbaues der Panzer- haut, Ne 13T Einleitung. Emyda granosa Schoepft (subsp. vittata Ptrs. = E. ceylo- nensis aut.) gehört jener Familie der Chelonier an, die nach den wulstigen Kieferanhängen die Lippenschildkröten, nach den drei- kralligen Füssen die Trionychiden heisst und die im Gegensatz zu fast allen übrigen Schildkröten (Ausnahme Dermochelys) durch den MangelvonHornschildernaufdem Panzer ausgezeichnet ist. Dass das Fehlen der genannten Hautelemente kein ursprüng- licher Zustand ist, geht, abgesehen von allgemeinen Erwägungen über die Phylogenie der Schildkröten (vgl. Versluys 1914), aus der Tatsache hervor, dass bei manchen Trionychiden — und so auch bei Emyda granosa — auf dem Rückenschild Erhebungen vorkommen, die den morphologischen Wert von Schuppen besitzen (Goette 1399, Schmidt 1920), meist in der Jugend besser ent- Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 187 wickelt sind, mit zunehmendem Alter einer Rück- oder Umbildung anheimfallen und damit ganz unscheinbar werden. Abgesehen von diesen Schuppenrudimenten und einer undeutlich körnigen Skulptur, die, durch das Oberflächenrelief des darunter liegenden Knochens bedingt, nur der Rückenmitte und einzelnen Stellen der Bauchseite (über den sog. „Oallositäten“ des knöchernen Bauchschildes) eigen ist und dem Tier zu einem Speziesnamen verholfen hat, erscheint bei Emyda granosa die Oberfläche glatt und ungefeldert. Dabei erlangt die Hornschicht der Epidermis bei den Trionychiden weder die Festigkeit noch die Dicke wie das „Schildpatt“ der übrigen (thekophoren) Schildkröten, sondern ist dünn und so weich, dass man mit dem Fingernagel in ihr Eindrücke hervorrufen kann. Der knöcherne Panzer der Trionychiden ist schwach entwickelt: die am Aufbau des Bauchschildes (Plastron) beteiligten Stücke schliessen zeitlebens grössere, von unverknöchertem Bindegewebe erfüllte Lücken zwischen sich ein; im Rücken- schild (Carapax) bilden die mit den oberen Bögen der Wirbel verschmolzenen Neuralplatten und die anschliessenden mit den Rippen vereinten Costalplatten eine Scheibe (Diskus), die sich auf den mittleren Teil des Rückens beschränkt, so dass ein ziem- lich breiter häutiger Saum ringsum bestehen bleibt, in dem bei Emyda granosa und einigen anderen Arten isolierte Rand- knochen (Marginalia) liegen. Diese unverknöcherten An- teile des Panzers (daher die Bezeichnung Weichschildkröten), die beim jugendlichen Tier verhältnismässig umfangreicher sind als beim erwachsenen, machen den Gegenstand der folgen- den Untersuchung aus. Gemäss den vorigen Angaben stehen Rücken- und Bauchschild seitlich nur in häutigem Zusammenhang und lassen eine vordere Schalenöffnung frei, aus der Kopf und Vorderbeine hervorgestreckt werden können, und eine hintere für die Hinterbeine; die letztere kann durch Anlegen der be- nachbarten, klappenartig abgesetzten Teile des Bauchschildes nach Einziehen der Hinterextremitäten weitgehend verschlossen werden. Die Trionychiden bewohnen als gewandte Schwimmer — zwischen den Zehen spannen sich Verbindungshäute aus und die Vorderbeine sind mit Flossensäumen versehen — die grossen Flüsse warmer und heisser Gebiete, daher auch Flußschildkröten genannt (gelegentlich dringen manche von ihnen ins Meer vor). 138 W.J. Schmidt: Die starke Rückbildung des Knochenpanzers, die einer Ver- minderung des spezifischen Gewichtes gleichkommt, dürfte wie bei den Seeschildkröten im Zusammenhang mit dem Leben im Wasser entstanden sein. Diese kurzen Angaben mögen hinreichen, auch einem mit den Schildkröten weniger vertrauten Leser die Züge der Organi- sation bei den Trionychiden wieder ins Gedächtnis zu rufen, die für die folgende Untersuchung von Bedeutung sind. | Das benutzte Material wurde von den Herren DDr. F. und P. Sarasin in Ceylon gesammelt, an den verstorbenen Bonner Zoologen Prof. Ludwig abgegeben und von diesem mir zur Be- arbeitung überwiesen.!) Den letzteren kann mein Dank nicht mehr erreichen, die Herren DDr. Sarasin aber mögen versichert sein, dass ich bei der Untersuchung des vorzüglich konservierten Materials oft ihrer vorbildlichen Forscher- und Sammeltätigkeit gedachte. Die Tatsache, dass nur C. K. Hoffmann (1878, 1890) und Ficalbi (1889) das Integument der Schildkröten mit ausge- sprochener Rücksicht auf die histologischen Verhältnisse vor- genommen haben, liess eine erneute gründliche Bearbeitung des (segenstandes wünschenswert erscheinen. Meine Absicht, eine allseitige Darstellung derselben zu geben, erfuhr-durch die Kriegs- verhältnisse eine langdauernde Verzögerung und Unterbrechung, so dass ich mich entschloss, hier nur einen der ins Auge ge- fassten Punkte genauer zu prüfen, nämlich den Bau des Panzers an den unverknöcherten Stellen. Einige Stichproben zeigten nämlich, dass der bindegewebige Teil der Schale einen erstaunlich regelmässigen, geradezu architektonischen Bau besitzt, von dem frühere Beobachter wesentliche Züge bereits erkannt haben, der aber keineswegs erschöpfend und in allen Punkten richtig geschildert wurde. Durch die strenge Gesetz- mässigkeit seines Aufbaues verlockte das Objekt zu Betrach- tungen über die funktionelle Bedeutung dieser Strukturen. Das Sarasinsche Material umfasst eine Reihe nachembryo- naler Altersstufen, deren kleinste 3,5 cm, deren grösste 13,5 cm !) Auch meine Veröffentlichungen im Zoolog. Anz.: „Über den dermalen Ursprung der Neuralplatten bei den Schildkröten“ 1916 und „Über Schuppen- rudimente und Hautsinnesorgane bei Emyda granosa“ 1920 fussen auf Sara- sinschem Material. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 184 misst. (Die Grössenangaben beziehen sich auf die Länge des Bauchschildes.) Die Tiere waren, eröffnet, im ganzen (in Chrom- säure?) fixiert und in reichlichem starken Alkohol aufgehoben. Sie erwiesen sich trotz der Länge der Zeit als ganz vorzüglich er- halten und insbesondere war das Integument auch für feinste histologische Untersuchungen brauchbar. Vornehmlich habe ich grössere Exemplare (über 10 cm Länge) zur Untersuchung be- nutzt. Zum Studium der Verflechtung des Bindegewebes im Korium bediente ich mich solcher Schnitte, die mit dem Rasier- messer freihändig hergestellt wurden, was bei der knorpelartigen Konsistenz der unverknöcherten Stellen des Panzers sehr leicht gelingt. Ungefärbt in Balsam eingebettet und bei geeigneter Abblendung betrachtet, geben sie infolge der hohen Lichtbrechung der kollagenen Fasern sehr übersichtliche Bilder (vgl. Taf. XIII). Da die Schnitte für den genannten Zweck nicht zu dünn sein dürfen, um z. B. die aufsteigenden Fasern durch die ganze Dicke des Integuments hindurch verfolgen zu können, so ist eine Färbung überflüssig, weil die Schnitte nur dunkler werden, ohne für diese Gesichtspunkte Neues erkennen zu lassen. Zur Untersuchung der histologischen Einzelheiten, insbesondere der Verbindung von Epidermis und-Kutis, waren dünne Mikrotomschnitte, bis 8 4 herab, notwendig, die sich bei den jüngeren Exemplaren leichter gewinnen liessen als bei den älteren. Sie wurden mit Heiden- hains Eisenhämatoxylin in Verbindung mit Eosin oder Pikrin- sänre-Säurefuchsin nach van Gieson gefärbt. Die bisherigen Angaben über den Bau der unverknöcherten Haut der Schildkröten. Im folgenden Abschnitt sollen die bisher vorliegenden Angaben über das unverknöcherte Integument der Chelonier Platz finden, soweit sie für unseren Zweck von Bedeutung sind. Dass ein so auffallender Bau, wie ihn die Haut der Trionychiden zeigt, auch früheren Beobachtern nicht entgehen konnte, ist selbstverständlich. Unter der Fülle von Mitteilungen, die H. Rathke (1848) in seinen Unter- suchungen über die Entwicklung der Schildkröten bringt, finden sich auch die ersten genaueren Angaben über das Integument dieser Tiere. Rathke unterscheidet an ihnen das Unterhautbindegewebe und die Leder- haut oder das eigentliche Korium, eine Einteilung, deren vergleichend ana- tomische Richtigkeit später geprüft werden soll (s. S.208£.). Während Ouvieı und nach ihm andere glaubten, die bei unvollständiger Verknöcherung im Carapax und Plastron vorhandenen Lücken seien von einer knorpeligen 190 W. J. Schmidt: Substanz ausgefüllt, erkannte Rathke, dass es sich hier um ein „Unter- hautbindegewebe“ von ganz ungewöhnlicher Dichtigkeit, Festigkeit und Dicke handle. Nicht nur seine faserigen Bestandteile beschreibt er treffend, sondern er erwähnt auch zwischen ihnen eine formlose, durch Essigsäure lösliche Substanz, die nach unseren heutigen Kenntnissen nichts andere dar- stellt als die mucinhaltige Kittmasse, welche die kollagenen Bündel vereinigt: Rathke bemerkt, dass das „Unterhautbindegewebe“ schon bei reifen Embryonen eine ziemlich grosse Dicke hat, die im nachembryonalen Leben zunächst noch steigt, am beträchtlichsten bei Seeschildkröten und bei Trionyx ist und hier vor der Fertigstellung der Knochenplatten einen ziemlich schwer durchdringbaren Panzer bildet. Durch das Wachstum des Knochenpanzers in Fläche und Dicke wird das Unterhautbindegewebe allmählich verdrängt, aber dort, wo dauernd Lücken im Panzer bleiben, nimmt es an Dicke zu. Die eigentliche Lederhaut, dünner als das Unterhautbindegewebe, besteht nach Rathke aus schichtenweise — bei Trionyx ocellatus zählte der Autor bis acht solcher Schichten — geordneten Bindegewebsbündeln, die aus sehr zarten Fasern zusammengesetzt sind. Im jeder Schicht haben sie die- selbe Verlaufsrichtung, kreuzen sich aber bei benachbarten. Rathke, der auch bei anderen niederen Wirbeltieren (Cyklostomen, Haien, Stören, Knochen- fischen, Sauriern, Schlangen, Krokodilen) die gekreuzte Anordnung der Faser- schichten des Koriums fand, weist darauf hin, dass sie eine Ausdehnung der Haut nach verschiedenen Richtungen gestattet. Doch ist seine Angabe, dass die Bündel einiger Schichten ziemlich genau nach der Länge des Rumpfes verlaufen, die übrigen aber quer über denselben, für die Trionychiden und wohl die Schildkröten überhaupt, auch nach meinen Erfahrungen für andere Reptilien irrig (s. S. 196). Nicht jede Schicht reicht über den ganzen Rücken oder Bauch, denn bei Chelone virgata beobachtete Rathke, dass eine zwischen zwei anderen endigte, während diese sich zu einer einzigen vereinigten. Das kommt nach meinen Beobachtungen auch bei Emyda vor. Innerhalb der einzelnen Schichten sollen bei Trionyx, Platemys, Terrapene keine deutlichen Verbindungen benachbarter Bündel statthaben, während sie bei Ohelone sich häufig unter sehr spitzen Winkeln in zwei Äste spalten die in zunächst benachbarte Bündel derselben Schicht übergehen oder sich auch wieder miteinander vereinen, so dass zwischen ihnen hier und da lang- gestreckte Maschen vorkommen. Im Gegensatz zu Rathke finde ich aber das letztbeschriebene Verhalten auch bei Emyda ganz ausgesprochen. Die Anwesenheit der die horizontalen Lagen durchbohrenden, auf- steigenden Fasern ist Rathke entgangen, und damit hängt es zusammen, dass er der Koriumschicht unmittelbar unter der Epidermis eine ganz andere Beschaffenheit als im übrigen zuspricht: „Sie besteht nämlich nicht aus Bündeln von Bindegewebe, sondern aus kurzen einzelnen Fasern, die entweder einfach oder auch gabelförmig gespalten sind und teils sich nur aneinander- legen, teils auch ineinander übergehen, überhaupt aber ein kleingefenstertes Gewebe zusammensetzen .... ..“ (8.148 a.a.O.) Bei der Ausdehnung des Knochenpanzers in die Dicke bleibt schliess- lich nur die gefensterte Schicht zurück. Bei einem halbwüchsigen Trionyx Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 191 ferox bestand die Lederhaut auf den Knochen des Rücken- und Bauchschildes noch aus einer einfachen Schicht paralleler Faserbündel; bei einem Trionyx granosus (= Emyda granosa) fehlten die Faserbündel auf den einzelnen kleinen Erhöhungen des Rückenschildes, waren aber zwischen denselben deutlich vorhanden. Bei demselben Trionyx fanden sich an unverknöcherten Stellen sechs bis acht Schichten von Faserbündeln; hier erwähnt Rathke (a. a. 0.8.149) auch neben der formlosen durch Essigsäure löslichen Masse sparsame rundliche Körper, „Primitivzellen“, so dass er die drei Bestandteile des kollagenen Bindegewebes, Zellen, Fasern und Kittsubstanz, wohl unter- schieden hat. An Hals, Beinen und Schwanz ist bei jungen Schildkröten die Haut im allgemeinen zwar dünner als am Rumpf; doch weist das Korium hier ebenfalls eine Zusammensetzung aus mehreren kreuzschichtigen Lagen von Faserbündeln auf. Bei Trionyx ferox zählte Rathke an Hals und Beinen bis sechs solcher Schichten (S. 149). Wenn der Autor (S. 153) sagt, bei er- wachsenen Schildkröten sei die Lederhaut an Hals, Schwanz und Beinen dicker als auf dem Rücken- und Bauchschild, so kann das nur für die ver- knöcherten Stellen Geltung haben, an denen die oben erwähnte Reduktion eingetreten ist. Die Angaben Rathkes über die Histologie der Epidermis sind für uns weniger von Bedeutung. Es sei nur erwähnt, dass die Hornzellen ohne wahrnehmbare Verbindungen fest zusammenhängen sollen, dass der Autor (neben braunem und schwarzem) bei Pentonyx capensis dunkel olivgrünes “ Pigment in der Epidermis sah (auch die Guanophoren der Kutis kennt er bei Emys europaea als Zellen mit hellem körnigen Pigment). Leider sind Rathkes Ausführnngen über das Integument nicht von Abbildungen begleitet; trotz der eindringlichen Art der Darstellung, die dem glänzenden Beobachter eigentümlich ist, dürften sie daher für manchen Leser, der mit den einschlägigen Verhältnisssn wenig vertraut ist, schwer ver- ständlich sein, und der Mangel an Abbildungen scheint mir auch die Ursache dafür, dass diese Mitteilungen Rathkes in der späteren einschlägigen Literatur nicht die rechte Würdigung gefunden haben. C.K. Hoffmann (1878, S. 153—158; mit geringfügigen Änderungen und unter Beigabe einiger neuer Abbildungen kehren die Angaben 1890, S. 3—8, wieder) untersuchte junge Exemplare von Chelonia, Sphargis coriacea, Testudo, Emys, Trionyx aufs Integument. Nach seiner Auffassung ist die von Leydig für die Reptilien vorgeschlagene Gliederung der Lederhaut in die „Grundmasse“ aus derben wagerechten Lagen und die jene beiderseits einfassenden locker gewebten „Grenzschichten“ bei Schildkröten schwer zu erkennen, wie überhaupt ein allgemeines Bild vom Bau der Lederhaut nicht leicht zu entwerfen. Am eigentümlichsten findet er den Aufbau an Bauch und Rücken vom jungen Trionyx: zunächst unter der Epidermis mehr oder weniger parallel verlaufende wagerechte Bündel, die nach innen zu all- mählich dicker werden, dann die von Rathke beschriebenen rechtwinklig gekreuzten 14—18 Schichten derber Bündel, deren jedes aus äusserst feinen Fasern zusammengesetzt ist, die durch eine Kittmasse verbunden sind, darauf 192 W. Schmidt: eine lockere gefässreiche Bindegewebslage aus wellenförmig verlaufenden, einander kreuzenden Fasern (Rathkes Unterhautbindegewebe) und schliess- lich eine Schicht mehr oder minder parallel ziehender Fasern. Von der lockeren Schicht setzen sich einige Fasern als senkrechte Züge in die ober- halb und unterhalb gelegenen Schichten fort und verbinden so die ver- schiedenen miteinander. Die Lederhaut stimmt also fast vollständig mit, derjenigen der Selachier gemäss den Untersuchungen O. Hertwigs (1874) überein. Am Hals ist bei Trionyx das Korium sehr dünn und zeigt un- mittelbar unter der Epidermis eine Schicht lockeren Bindegewebes, dann dickere Bündel, die sich nach verschiedenen Richtungen kreuzen und endlich wiederum eine lockere Lage; das Unterhautbindegewebe erwies sich reich an elastischen Fasern. Bei Sphargis fand Hoffmann die Fasern des Koriums der Schale nach allen Richtungen verwoben und nur unmittelbar unter der Epidermis und zu innerst mehr oder weniger parallel verlaufend, im Flossensaum da- gegen eine mehr an Trionyx erinnernde, wenn auch nicht so regelmässige Anordnung der Fasern. Am Hals kreuzten sich die Bündel untereinander in sehr spitzen Winkeln, deren Lücken von anderen dazu senkrecht stehenden durchsetzt werden. Ähnlich wie Sphargis verhält sich Chelonia. Die Malpighische Schicht der Epidermis besteht nach Hoff- mann aus einer Lage zylindrischer Zellen mit fein granuliertem Plasma, (Rückenhaut junger Trionychiden 1890, S. 3) oder es folgen bis auf die Horn- schicht noch mehrere Reihen allmählich sich abflachender Zellen. Die Horn- schicht zeigt auf dem Querschnitt eine feine regelmässige Streifung, ihre Zellen in Flächenansicht eine feine Granulierung, die der Autor als sehr zarte, spitz zulaufende Stachelchen deuten möchte. Doch stellt Hoffmann bei Lippen-, Lurch-, Süsswasser- und Landschildkröten das Vorkommen von „Riff- und Stachelzellen“* in Abrede; dagegen sah er bei Seeschildkröten in den mittleren Lagen der Epidermis die Konturen der Zellen durch äusserst kleine, stark lichtbrechende Kügelchen begrenzt. E. Ficalbi (1889), der das Integument von Teestudo graeca und Emys lutaria (= Cistudo europaea) einer eingehenden Prüfung unterzogen hat, glaubt für diese Formen die Leydigsche Einteilung der Lederhaut (s. o.) in gleicher Weise wie bei den anderen Reptilien durchführen zu können. Besonderen Wert für uns besitzen Ficalbis Angaben über die Ver- bindung von Epidermis und Kutis. Die basalen Zylinderzellen der Epidermis erscheinen an ihrer Basis (vor allem dort, wo die Haut verknöchert ist) stark gezähnelt und pflanzen sich mit bald längeren, bald kürzeren Fort- sätzen der Haut ein; die Zähne können aber auch fehlen. Eine hyaline Basalmembran der Epidermis existiert nicht, vielmehr bleibt ihre Struktur immer faserig und geht kontinuierlich in das darunter ge- legene Bindegewebe über. Sind die Zähnchen sehr lang, so bilden sie eine wenig gefärbte Zone, welche der Gesamtheit der Zähne und der spärlichen dazwischen gelegenen Bindesubstanz entspricht und eine Basal- membran vortäuscht; bald aber ruhen die Zähne unmittelbar auf der lockeren Bindegewebeschicht, bald findet sich zwischen den Zähnen und der eben ge- Mn uda A dh ie REN Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 193 nannten lockeren Lage eine spongiöseBindesubstanz, die sich wenig färbt undin der die Zähne ihren Ursprung nehmen. Die letzte Art der Verbindung sieht Ficalbi als die typische an; sie sei besonders deutlich an den pigmentierten Stellen der Haut, wo sie als ein « straterello connettivo sottoepidermico» Chromatophorenlage und Epidermis trennt. Wenn auch nicht überall und oft schwierig, so kann Ficalbi doch stellenweise die „Zähnchen“ (Zellbrücken) der Zellen im Stratum Malpighii erkennen. Die Hornschicht erscheint oft aus zwei bis drei übereinander gelegenen Lagen zusammengesetzt, die (auch durch die Pigmentverteilung gesondert) den sonst bei der Häutung abgeworfenen Abschnitten entsprechen. Somit stellt das Schildpatt nicht eine einzige, stark entwickelte Horn- schicht, sondern eine Vereinigung vieler Hornschichten dar, die hier nicht, wie an anderen Stellen des Körpers, abgeworfen werden. An der mächtigen Hornlage über den verknöcherten Hautpartien (bei Testudo graeca) sieht man über der Malpighischen Schicht eine mehr oder minder körnige Zone, entsprechend dem von Lwoff beschriebenen Stratum granulosum in der Haut der Krokodile. Eine strukturlose äussere Abgrenzung der Epidermis fehlt. Schliesslich entnehme ich noch Goette (1899) einige Angaben über die Entwicklung der Haut. Bei 1 cm langen Embryonen von Chelone imbricata ist der Panzer in seiner ganzen Dicke unter der Epidermis von einem sehr lockeren, nicht geschichteten oder verfilzten, sondern bloss netz- artigen Bindegewebe ausgefüllt, das zwischen den Rippen bis zum Bauchfell vordringt. Unmittelbar unter der Epidermis wird das Bindegewebe dichter und dunkler; an der Bauchwand sind in dieser Zone bereits die Anlagen der Plastronstücke sichtbar und demnach bezeichnet Goette diese Schicht als Kutis, das darunter gelegene lockere Gewebe als subkutanes Bindegewebe. Im Laufe der Entwicklung fällt nach Goette das subkutane Bindegewebe ganz ausserordentlich zusammen; es wird aber wahrscheinlich nicht einfach unterdrückt, sondern in die vordringende Kutis aufgenommen; es erfolgt also - eine Verdickung der Kutis auf Kosten des unterliegenden Gewebes. I. Der Bau der Lederhaut. 1. Die histologischen Elemente der Lederhaut. Die Lederhaut des Panzers von Emyda granosa gliedert sich in zwei Lagen, die ich von aussen nach innen fortschreitend als Bündel- und Filzschicht bezeichnen werde; der Be- trachtung ihrer Architektur seien ein paar Worte über ihren wesentlichen Bestandteil, das kollagene Bindegewebe, vor- ausgeschickt. Seine typischen Elementarbestandteile, die Zellen, die leimgebenden Fasern und die jene verbindende Grund- oder Kittmasse treten besonders in der locker gebauten Filz- schiebt übersichtlich hervor (Fig. 535. Taf. XIV). 194 ER oh Die Zellen (Fibroblasten) sind plasmaarm, von wechselnder Form, den gegebenen Raumverhältnissen angepasst, bald mehr, bald weniger verästelt; ihr Kern ist kugelig oder ellipsoidal, zwischen den Lagen der Bündelschicht abgeplattet, oft stäbchen- förmig, wobei die Längsachse mit der Verlaufsrichtung der kolla- genen Fasern zusammenfällt. In der Nähe des Kernes findet sich ein aus zwei kleinen, dicht beieinander gelegenen Körnchen be- stehendes Zentriol (Diplosom, Fig. 34, Taf. XIV, Fibroblast aus dem lockeren Bindegewebe der Lippen). Die leimgebenden Bündel wechseln ihre Dicke be- trächtlich, je nach der Schicht, welcher sie angehören. Die „Elementarfibrillen“, welche sie aufbauen, sind aber stets sehr fein und bieten sich daher selbst unter hohen Vergrösserungen in Längsansicht als zarte Streifung, quer getroffen als ent- sprechende Punktierung dar. Sehr dicken Faserbündeln liegen die Zellen nicht nur auf, sondern dringen auch in ihr Inneres ein, so dass eine Gliederung in Teilbündel erfolgt. Den zwischen Zellen und Fasern verbleibenden Raum er- füllt die Grundsubstanz (Kittmasse); nach Hoffmann (s. 0.) soll sie auch die Elementarfibrillen in den einzelnen Bündeln mit- einander verkleben; doch konnte ich sie hier nicht sicher wahr- nehmen. In den locker gebauten Teilen der Haut, vor allem in der Filzschicht, kann die interfibrilläre Substanz an Masse, Zellen und Fasern bei weitem übertreffen (Fig. 33, Taf. XIV) und tritt bei Tinktion mit Delafields Hämatoxylin nebst Eosin durch ihren kräftig blauen Ton zu den rot gefärbten leimgebenden Fasern in auffallenden Gegensatz. Bekanntlich beruht diese Eigentümlich- keit der Kittmasse auf ihrem Gehalt an Mucin (vgl. auch oben bei Rathke). Verhältnismässig reichlich erscheint die Grundmasse auch in den unmittelbar an die Epidermis an- schliessenden Teilen der Lederhaut, dagegen auf ein Mindest- mass beschränkt, wo die kollagenen Bündel fest aufeinander ge- presst sind. Der Nachweis elastischer Fasern glückte weder mit Resorzin- fuchsin noch mit ÖOrcein: sie scheinen somit im Bereich der unverknöcherten Schale zu fehlen, was nicht verwunderlich wäre, weil sie sich dort zu finden pflegen, wo Gewebemassen grösseren Deformationen ausgesetzt sind, was für den Panzer nicht zutrifft. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 295 Ausser den eigentlichen Elementen des kollagenen Binde- gewebes besitzt die Lederhaut noch verschiedene Einlagerungen, die für die mechanischen Leistungen des Panzers von unterge- ordneter Bedeutung sind: Melanophoren, Guanophoren, noch einige andere, an Wanderzellen erinnernde Zellen, ferner NervenundBlutgefässe. Die schwarzen Pigmentzellen kommen nur der Rückenhaut zu (Fig. 1, Taf. XIII), in der sie nahe der Epidermis eine ziemlich lockere Schicht liefern, aber auch spär- licher und in charakteristischer Verzweigung in den übrigen Lagen der Lederhaut auftauchen. Unmittelbar unter der Epidermis und zwar in der Haut des Rückenschildes über den Melanophoren — also in der bei den Reptilien allgemein üblichen Anordnung — finden sich die guaninführenden Zellen, deren starke Entwick- lung auf der Bauchseite wesentlich zu ihrer weisslichen Färbung beiträgt (über die feinere Beschaffenheit der Guanophoren vgl. W.J. Schmidt 1917, S. 203, s. auch oben bei Rathke und Ficalbi). Blutgefässe (V) und Nerven (N) bilden in der Filz- schicht (Fig.9, Taf. XIII) — im Rückenschild oft von Melanophoren umscheidet (diese Zellen halten die Richtungen geringsten Widerstandes im Gewebe ein, v. Prowazek) — weitmaschige Netze. die an einzelnen Stellen durch die Bündelschicht hindurch Zweige entsenden, die sich unter der Oberhaut in ähnlicher Form plexusartig ausbreiten. 2. Die Architektur der Lederhaut. An einem senkrechten Durchschnitt aus dem unverknöcherten tandgebiet von Rücken- oder Bauchschale (Textfig. A, S. 197) einer erwachsenen Emyda lassen sich schon mit unbewaffnetem Auge Rathkes (s. o.) eigentliches Korium und Unterhautbindegewebe unterscheiden. Jenes unmittelbar auf die dünne Epidermis folgend. auf der Schnittfläche von sehnigem Glanz, ist unsere Bündel- schicht die daran anschliessende Lage unserer Filzschicht: die letztere erfährt an ihrer Unterfläche eine Verdichtung zu einer Grenzschicht. Die Dicke der Bündelschicht beträgt bei einem Exemplar von 13,5 cm Länge 0,64 mm, die der Filz- schicht 2,4 mm (auf die Grenzschicht entfallen hiervon 0,3 mm), alles gemessen an der Haut des Bauchschildes; rechnet man noch die Dicke der Epidermis mit rund O,I mm hinzu, so ergibt sich für die Gesamtdicke der Haut etwas über 3 mm. 196 W. J. Schmidt: a) Bündelschicht. Betrachtet man die Bündelschicht am Durchschnitt der Haut unter schwächerer Vergrösserung oder mit unbewaffnetem Auge, so erscheint sie verschieden, je nachıı dem Verlauf des Schnittes mit Rücksicht auf die Symmetrieverhältnisse der Schale. tzeht er nämlich von rechts nach links oder von vorn nach hinten, also senkrecht zur Hauptsymmetrieebene oder parallel zu ihr, so gewahrt man in der Bündelschicht eine Anzahl von Lagen annähernd parallel zur Oberfläche der Haut, aber nur mässig deutlich voneinander geschieden. Verläuft der Schnitt dagegen von rechts hinten nach links vorn, oder links hinten nach rechts vorn, somit unter einem Winkel von annähernd 45° zur Hauptsymmetrieebene, so wechselt das Aussehen der aufeinander folgenden Lagen aufs schärfste. Schnittbilder der letzten Art, diagonale Querschnitte mögen sie kurz (im Gegensatz zu den erst genannten ortho- gonalen) heissen, sollen den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. Die einzelnen Lagen der Bündelschicht bestehen aus sehr kräftigen kollagenen Bündeln, die innerhalb der gleichen Lage parallel geordnet, von Lage zu Lage aber um 90° gegeneinander gekreuzt sind. Da nun im diago- nalen Querschnitt (Fig. 1 und 2, Taf. XIII), der eine Teil der Bündel (L) mit seiner Längsfaserung in die Schnittebene hinein- fällt, der andere (Q) aber senkrecht getroffen wird, so muss die Verlaufsrichtung der Bündel mit den beiden diagonalen Rich- tungen der Schale übereinfallen. Die längs geschnittenen Bündel (L) zeigen eine leicht wellige Streifung nnd zarte Faserung, die auf ihre Zusammensetzung aus Teilbündelchen und Elementar- tibrillen beruht, ausserdem eine undeutliche vertikale Streifung, deren Wesen später erörtert wird. Die Mehrzahl der Bündel besitzt einen bandartig abgeplatteten Querschnitt (Q), und zwar stehen die einzelnen Bündel einer Lage auf der Kante und sind, nur durch schmale Räume voneinander getrennt, dicht aneinander gereiht. Würde ‘man die Schnittrichtung um 90° gegen die den Abbildungen zugrunde gelegte ändern, so ver- tauschen die Schichten ihr Aussehen, indem die vorher längs getroffenen nunmehr zu quer geschnittenen werden und umge- kehrt; das Gesamtbild erfährt dadurch natürlich keine wesent- liche Umgestaltung. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa a) Die verschiedenen Lagen der Bündelschicht sind an einer gegebenen Stelle des (uerschnittes nicht von gleicher Dicke, sondern nehmen sowohl nach oben, zur Epidermis, als auch nach unten, zur Filzschicht hin, an Stärke ab. (Fig. 1 und 2, Taf. XII.) Und wenn man die gleiche Lage über eine gewisse Strecke hin verfolgt, so ergibt sich, dass ihr Verlauf keineswegs der Haut- oberfläche parallel geht, sondern dass sie unter sehr spitzem Winkel gegen die Epidermis emporsteigt. (Textfig. A.) So wird eine Schicht, die an einer Stelle die unterste ist, an einer anderen schliesslich zur obersten, und mit dieser Ände- rung des Niveaus wechselt auch die Dicke der betreffen- den Lage: sie beginnt sehr dünn an der Filzschicht, nimmt gegen die Oberhaut ansteigend allmählich an Stärke zu, erreicht etwa in der Mitte der Bündelschicht ihr Maximum, etwa 100 «, um weiterhin gegen die Epidermis sich wieder zu ver- jüngen und schliesslich ganz fein auszulaufen. Um dieses Verhalten klar zu erkennen, ist es nötig (unter schwachen Objektiven, etwa unter einem Binokularmikroskop), einen etwas grösseren Abschnitt der Haut zu überschauen (Textfig. A), obwohl auch E EEE ar RE ET EIER I en - be Frbpag: G Textfigur A. Diagonaler Querschnitt durch die unverknöcherte Haut der Bauchschale einer 13,5 cm langen Emyda. E Epidermis, B Bündelschicht, F Filzschicht, G Grenzschicht. Vergr. 16:1. Man beachte den Verlauf der einzelnen Lagen der Bündelschicht. Archiv f.mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 14 198 W. J. Schmidt: bei aufmerksamer Betrachtung z. B. der Fig. 2 (Taf. XIII) leicht ersichtlich ist, dass alle Schichten der Bündellage von links nach rechts gegen die Oberhaut emporsteigen und dass die unterste längsgetroffene Lage nach links, die oberste (unmittelbar unter der Guaninschicht) nach rechts verjüngt ausläuft. Die Lagen der Bündelschicht reichen bis unmittelbar an das Epithel heran; es besteht somit zwischen Epidermis und Bündelschicht keine besondere Lage des Koriums, wie Rathke und Hoffmann wollten. Nur insoweit erfährt das Verhalten der Bündel eine Änderung gegenüber der Mitte, als unmittelbar unter dem Epithel die Bündel innerhalb derselben Lage und auch die benachbarten Schichten durch reichliche Kittmasse vonein- ander getrennt sind, und die Querschnitte der kollagenen Bündel daher mehr rundliche Gestalt annehmen (Fig. 3, Taf. XIII), worauf später noch genauer eingegangen werden soll. Im untersten Niveau der Bündelschicht (vgl. Fig. 1, Taf XIII) werden die ein- zelnen Bündel einer Lage durch die hier noch dicken senkrecht aufsteigenden Fasern voneinander abgedrängt (s. u.). Ist man über die Lage eines Hautstückchens zur Schale im ganzen unterrichtet, so ergeben Flachschnitte durch die Bündelschicht zunächst eine unmittelbare Bestätigung der am diagonalen Querschnitt gewonnenen Anschauung, dass qie Faser- richtung der einzelnen Lagen + 45° zur Hauptsymmetrieebene orientiert ist; ferner zeigen sie ohne weiteres, dass die Lagen sich abwechselnd rechtwinklig kreuzen (vgl. Fig. 7, Taf. XIII). Fassen wir zunächst einen Flachschnitt durch das mittlere Niveau der Bündellage genauer ins Auge, der so geführt ist, dass er gerade eine Lage der Bündel enthält, wie es bei deren erheblicher Stärke und einem einigermassen dünnen Schnitte oft vorkommt (Fig. 8, Taf. XII). Da gewahrt man, dass die leicht gewellten Bündel, die nunmehr ihre Kantenansicht darbieten, sich unter sehr spitzen Winkeln vielfältig gabeln und dann mit den benachbarten Bündeln wieder verschmelzen. Infolge dieser zahl- reichen Anastomosen benachbarter Bündel lässt sich jede Lage als ein sindegewebsplatte mit parallelem Faserverlauf auf- fassen, die von sehr vielen in Richtung der Fibril- lierung ziehenden Schlitzen durchsetzt wird. Gemäss der kreuzschichtigen Faserung benachbarter Lagen wechselt in ihnen die Schlitzrichtung immer um 90°. NEED N Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 199 Ein Flachschnitt durch den Teil der Bündelschicht nahe der Epidermis (Fig. 7, Taf. XIII) enthält bei der geringen Dicke der einzelnen Lage gewöhnlich mehrere derselben über- einander, so in unserer Abbildung zwei, deren Faserung recht- winklig gegeneinander gekreuzt ist. Auch hier finden in jeder Lage zahlreiche Gabelungen und Verschmelzungen benachbarter Bündel statt. Doch nehmen bei der Schmächtigkeit und dem grossen Abstand der Bündel die Spalten mehr Raum ein als diese selbst, und daher tritt der Charakter einer jeden Lage als einer von Schlitzen durchbrochenen Bindegewebsplatte nicht so hervor. Die geschilderten kreuzschichtigen Lagen werden von schmächtigeren Bündelchen kollagener Fasern, den auch sonst in der Reptilienhaut bekannten „senkrecht aufsteigenden Fasern“ durchbrochen, die ihren Weg durch die genannten Schlitze nehmen. Bei schwächerer Vergrösserung erscheinen sie nur als die schon erwähnte, zarte senkrechte Schraflierung längsgetroffenen Lagen (vgl. Fig. 1 und 2, Taf. XIII), bei stärkerer erweisen sie sich als ein sehr verwickeltes Flechtwerk, das die kreuzschichtigen Lagen aufs innigste mit- einander verbindet. Die senkrecht aufsteigenden Fasern sind (abgesehen von der Nähe der Epidermis, s. u.) parallel den Schlitzen in den gekreuzten Lagen abgeplattet (S, Fig. 8, Taf. XIID, und wie deren Richtung von Lage zu Lage wechselt, so ändert sich auch ständig die Ebene der Abflachung der auf- steigenden Fasern. An der Grenze zweier Lagen der Bündel- schicht gehen die benachbarten, senkrecht zueinander abgeflachten Anteile einer aufsteigenden Faser durch eine Zone von kreis- förmigem Querschnitt ineinander über. Von diesem eigenartigen Wechsel des Querschnittes der aufsteigenden Fasern kann man sich an genügend dicken Flächenschnitten durch sukzessives Einstellen mit der Mikrometerschraube leicht überzeugen. In- folge dieses Verhaltens der aufsteigenden Fasern (S) werden sie am diagonalen Querschnitt im Niveau der längsgetroffenen Bündel (L) von der Abflachungsebene her, in dem der quer durchschnittenen (Q) in Kantenansicht zu sehen sein (Fig. 4, Taf. XIII). Die diagonalen Querschnitte lehren aber des weiteren, dass beim jedesmaligen Eintritt in eine neue Lage der Bündelschicht 14* 200 W. J, Schmidt: eine Umbündelung der aufsteigenden Fasern statthat. Wie Fig. 5 (Taf. XIII) erkennen lässt, bilden sich die aufsteigenden Fasern an der Grenze von Filz- und Bündelschicht durch Zu- sammentreten mehrerer schmächtiger kollagener Elemente und drängen zunächst durch ihren beträchtlichen Umfang die Bündel der „horizontalen“ Lagen auseinander,'wie an den quergetroffenen ohne weiteres festgestellt werden kann. Nach der Epidermis zu werden sie allmählich so schmächtig, dass unter schwächeren Objektiven die einzelnen quer geschnittenen Bündel sich unmittel- bar zu berühren scheinen. Bei hinreichender Vergrösserung (Fig. 4, Taf. XIII) sieht man nun, dass jede Faser (S) beim Über- gang aus einer quergetroffenen Bündellage (Q) in die darüber oder darunter gelegene längsgeschnittene (L) sich in zwei (oder mehr) Äste aufspaltet, die mit denen benachbarter Fasern sich vereinigen und in dieser neuen Anordnung der nächsten Schicht zustreben; hier wiederholt sich der gleiche Vorgang usw. Durch diese Umbündelung erscheint im Niveau der längsgetroffenen Schichten eine zickzackartige Anordnung der aufsteigen- den Fasern. Sie ist natürlich in gleicher Weise in der Höhe der quergetroffenen Bündel vorhanden und würde hier auf einem zur gewählten Schnittrichtung senkrechten Durchschnitt zu beobachten sein. Jetzt wird man auch verstehen, dass die bei Flächenbildern sichtbaren Querschnittsgruppen der aufsteigenden Fasern (S) dem Durchschnitt jener ziekzackförmigen Anordnung entsprechen (Fig. 8, Taf. XII). Gewisse Abweichungen von dem vorstehend geschilderten Bau der Bündellage treten nahe der Epidermis auf (Fig. 3, Taf. XIII). Es wurde schon erwähnt, dass hier weder die verschiedenen Bündellagen (Q.L), noch die Bündel der einzelnen dicht aneinander schliessen, sondern eine allgemeine Auflockerung dieser Schicht stattfindet. Damit fällt, wie für die übrigen kollagenen Bündel. so auch für die senkrecht aufsteigenden Fasern die Ursache der Abpattung fort. Und so begegnen wir dann im Flächenbild (Fig. 7, Taf. XIII) dieses Niveaus ihren mehr oder minder kreis- förmigen Querschnitten. Aber auch die Umbündelung erfolgt hier (vel. Fig. 3, Taf. XIII) nur spärlich und unregelmässig, und somit verschwindet die Zickzackanordnung der Fasern in der Höhe der längsgetroffenen Lagen. Die senkrecht aufsteigenden Fasern verlaufen in ihrem Endabschnitt leicht geschlängelt zwischen Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 201 den gelockerten horizontalen Bündeln hindurch, gelegentlich sich zu zweien vereinigend, hier und da sich spaltend. Schliesslich setzen sie kegelförmig erweitert an die Epidermis an; die Einzel- heiten dieser Verbindung sind im Abschnitt III dargestellt. Hat man sich an diagonalen Querschnitten und Flächen- bildern über den verwickelten Bau der Bündelschicht unterrichtet, so kann man auch aus der Betrachtung orthogonaler Quer- schnitte Nutzen ziehen. In solchen (Fig. 10, Taf. XIII) müssen die Bündel sämtlicher Lagen schräg getroffen sein. Das äussert sich an etwas dickeren Schnitten beim Gebrauch der Mikrometer- schraube als ein scheinbares einander entlang Verschieben be- nachbarter Bündellagen nach entgegengesetzten Richtungen: es beruht auf der von Schicht zu Schicht wechselnden Neigung der Faserrichtung zur Miskroskopachse, die beim Ändern der Seh- ebene als ein Verschieben des optischen Faserquerschnittes zum Ausdruck kommt. Beim orthogonalen Querschnitt gelangen weder Kanten- noch Flächenansichten der aufsteigenden Fasern zur Anschauung; vielmehr werden nur Schrägschnitte der zick- zackartigen Faseranordnung sichtbar (S, Fig. 10, Taf. XIII). Zum Schlusse dieses Abschnittes dürfte es sich empfehlen, noch einmal den gesamten Aufbau der Bündellage an einigen Schemata zu erläutern. Unter der vereinfachenden Annahme, dass die Bündel der verschiedenen Lagen von gleichem Querschnitt und Abstand sind, sich innerhalb derselben Schicht nicht gabeln und verschmelzen, ferner bei einfachster Gestaltung der Umbündelung der auf- steigenden Fasern und ohne Rücksicht auf ihren Wechsel des «Juerschnittes lässt sich leicht ein räumliches Schema der Bündellage geben. In Textfig. B erkennt man ohne weiteres die kreuzschichtige Anordnung aufeinander folgender Lagen und kann vor allem rechts die Eigentümlichkeiten des diagonalen Quer- schnittes (abwechselnd längs- und quergetroffene Bündel, Zick- zackanordnung der aufsteigenden Fasern in der Höhe der ersten) feststellen. Besonders klar wird bei genauer Betrachtung des Schemas der Zusammenhang der rechtwinklig gekreuzten zickzackförmigen Anteile der aufsteigenden Fasern in benach- barten Bündellagen, und man versteht, wie durch diese Anordnung die aufeinanderfolgenden Lagen aufs innigste mit- einander verknüpft werden. 202 W. J. Schmidt: Textfigur B. Vereinfachtes, räumliches Schema der Bündelschicht. Ne Textfigur C. Schema zur Neigung der Bündellagen gegen die Oberfläche der Haut. a a Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granvsa. 203 Im Schema B wurde die Neigung der Bündellagen gegen die Oberfläche der Haut ausser acht gelassen. Textfigur C nimmt darauf Rücksicht; indessen habe ich die Neigung der Schichten stärker genommen als in Wirklichkeit. Auch hier werden die Seiten des quadratischen Stückchens der Bündelschicht von diagonalen Querschnitten begrenzt, die ausser dem Wechsel von quer- und längsgetroffenen Lagen ihr Ansteigen erkennen lassen. An der vorderen oberen Ecke des Stückchens ist eine Partie unter dem Neigungswinkel der Schichtung abge- tragen, so dass eine Bündellage freigelegt wird. Auf der oberen Seite sieht man die Bündellagen ausstreichen, wobei infolge ihres wechselnden Faserverlaufes eine moir&eartige Zeichnung entsteht, wie sie.in der Tat bei Horizontalschnitten durch die Bündellage ähnlich zu beobachten ist. b) Filzschicht Nach innen auf die Bündelschicht folgt die Filzschicht (F, Textfig. A, S. 197), die jene an Mächtigkeit bedeutend über- trifft; misst sie doch bei einem 13,5 cm langen Exemplar 2,4 mm in der Dicke. Sie besteht aus dicht und anscheinend regellos ver- wobenen kollagenen Bündeln (F, Fig. 1 und 2, Taf. XIII), die wesentlich schmächtiger sind als jene der Bündellage. Doch lehrt eine aufmerksame Betrachtung, dass eine, wenn auch gering- fügige, Bevorzugung gewisser Richtungen für den Verlauf der Bindegewebsfasern besteht, die mit den Beziehungen der Filz- schicht zur Bündellage zusammenhängt. Die Bindegewebsbündel der Filzschicht stellen nämlich einmal die Fortsetzung der aufsteigenden Fasern der Bündelschicht dar. Denn an der Grenze der beiden Hautschichten strahlen die aufsteigenden Bündel kegel- oder pinselförmig aus- einander und lassen sich in dieser Form eine ziemliche Strecke weit in die Filzschicht hinein verfolgen (Fig. 1 und 5, Taf. XIII). Andererseits gehen aber auch die horizontalen Lagen der Bündelschicht kontinuierlich in die Filzschicht über. Im vorigen Abschnitt zeigten wir, dass jede derartige Lage gegen die Filzschicht (wie gegen die Epidermis hin) sich verjüngend ausläuft. Betrachtet man das Grenzgebiet von Bündellage und Filzschicht im Flachschnitt der Haut (Fig. 9, Taf. XIID, so stellt man fest, dass die einzelnen Fasern einer ausstreichenden Lage 204 W. J. Schmidt: sich lockern, auseinander weichen, den geordneten Verlauf auf- geben und so allmählich in der Filzschieht sich verlieren. Somit finden sowohl die horizontalen Lagen, als auch die aufsteigenden Fasern der Bündellage ihre unmittelbare Fort- setzung in der Filzschicht. Nach innen zu wird die Filzschicht durch eine fester gefügte Lage von regelmässigerem Faserverlauf abgeschlossen, die sich aber keineswegs gegen die Filzschicht so scharf und bestimmt absetzt wie diese gegen die Bündellage, sondern mehr allmählich aus ihr hervorgeht und als eine periphere verdichtete Zone derselben gelten kann. Hier, in der „Garenzschicht‘“, treten die Bindegewebsfasern wieder zu dickeren Bündeln zu- sammen und diese lassen auch eine, wenngleich etwas unregel- mässige, Schichtung erkennen, indem sie auf dem diagonalen (Querschnitt überwiegend längs- und quergetroffen erscheinen (Fig. 6, Taf. XII). Es findet also auch hier eine kreuzweise Anordnung benachbarter Bündel statt, wobei die Hauptverlaufs- richtungen der Fasern mit jener der Bündelschicht übereinstimmen. Die Dicke der Grenzschicht schwankt zwischen 0,2 und 0,3 mm. c) Verhalten der verschiedenen Schichten mit Rücksicht auf die Schale als Ganzes. Im Abschnitt über die Bündelschicht (S. 197) wurde aus- einandergesetzt, dass ihre einzelnen Lagen keineswegs der Haut- oberfläche parallel verlaufen, sondern unter einer gewissen Neigung gegen sie emporsteigen. Die Orientierung dieser Schräg- stellung dereinzelnen Lamellen ist in bezug auf die ganze Schale gesetzmässig geregelt, indem die ein- zelnen Lagen sich so überdecken, dass ihre gegen die Epi- dermis ansteigenden Abschnitte dem freien Rand der (Bauch- und Rücken-) Schale zugekehrt sind. Aus- führlicher gesagt: der Ausgangspunkt jeder Lamelle an der Grenze von Bündel- und Filzschicht liegt der Mitte der Schale näher als ihr der Epidermis zugewandter Endabschnitt; oder, die ein- zelnen Lamellen decken sich so. wie die Schiefertafeln auf einem Dache, d.h. die in bezug auf die Wölbung der Schale höher gelegenen Lamellen überlagern mit ihrem distalen Teil den proximalen der tiefer befindlichen. In Textfigur D ist diese Anordnung der einzelnen Lagen der Bündelschicht auf einem Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 205 diagonalen Schnitt durch die Schale einer 10 cm grossen Emyda schematisch eingetragen. Der Schnitt geht von vorne rechts (VR) nach hinten links (HL); die knöchernen Bestandteile der Rücken- schale sind im ganzen schwarz angelegt, auch die in der Bauch- schale getroffenen Ausläufer einiger Plastralknochen ebenso angedeutet. Die Schrägstellung der einzelnen Lamellen der Bündelschicht, wie sie aus der Abbildung ersichtlich ist und soeben beschrieben wurde, setzt voraus, dass im mittleren Teil sowohl der Rücken- wie der Bauchschale eine Umkehr dieser Schichtung eintritt; sie lässt sich in der Tat im zentralen Gebiet des Bauchschildes unmittelbar beobachten (vgl. Textfigur D) während in der Rückenschale der Umkehrpunkt in den bereits verknöcherten Teil entfällt. Textiigur D. Diagonaler Schnitt durch die Schale einer 10 cm langen Emyda (VR = vorne rechts, HL = hinten links) zur Demonstration der schrägen Orientierung der einzelnen Lagen der Bündelschicht in bezug auf die ganze Schale. Das Verhalten der einzelnen Schichten am freien Rand der Schale ist überall im wesentlichen gleichartig. Textfigur E stellt den freien Rand des Bauchschildes einer 13,5 cm grossen Emyda auf dem diagonalen Durchschnitt dar. Das abge- bildete Stück ist vorn rechts dem Rande des Bauchschildes entnommen und entspricht daher der Lage nach dem äussersten linken Teil der Bauchschale in Textfig. D. Die Bündelschicht (B) nimmt nach dem Schalenrand hin langsam an Stärke ab und läuft schliesslich, nur noch aus wenigen Lagen bestehend, ganz 206 W. J. Schmidt: dünn aus. Die Verjüngung der Schicht erfolgt in der Weise, dass die letzten an der Grenze von Filz- und Bündelschicht be- einnenden Lamellen nicht mehr bis in die Gegend der Epidermis vordringen, sondern hinter den nächst voraufgehenden zurück- bleiben. Auch die Filzschicht (F) nimmt nach dem Schalen- rand hin etwas an Umfang ab und dringt infolge der Verdünnung der Bündelschicht nahe bis zur Oberhaut vor: ihr Unterrand wird von der allmählich sich verjüngenden Grenzschicht (6) begleitet. Der auslaufenden Bündelschicht gegenüber beginnt das gewöhnliche Integument des Körpers (I); einen direkten Übergang der beiden Schichten habe ich nicht feststellen können. Zwischen das gewöhnliche Integument (I) und die Grenz- schicht (G) schiebt sich ein sehr lockeres Bindegewebe ein. Ähnlich liegen die Verhältnisse am freien Hinterrand des Bauchschildes und am Rande der Rückenschale. Der Endabschnitt des erstgenannten ist in Textfig. F (entsprechend dem rechten Ende vom Bauchschild in Textfig. D) wiedergegeben. Die Verdünnung der Bündelschicht (B) vollzieht sich in der eben geschilderten Weise; auch die Filzschicht (F) verjüngt sich mitsamt der begleitenden Grenzschicht (G) allmählich zum freien Rande hin. Über die Beziehungen des gewöhnlichen Integuments (I) zur Panzerhaut gilt das vorhin Gesagte. Grenzschicht (G) und Körperhaut (K) sind, solange sie beieinander verlaufen, durch eine lockere Bindegewebsmasse verknüpft. Wo an den Seiten des Körpers Rücken- und Bauchschild in unmittelbarem Zusammenhang stehen (Textfig. G), verhält sich die Bündelschicht (B) wie sonst am freien Rand der Schale, d. h. sie verjüngt sich sowohl am Rücken- (D) wie auch am Bauchschild (V) gegen das Übergangsgebiet hin ganz in der beschriebenen Weise, so dass ein kontinuierlicher Übergang der Bündellage von der Rückenschale zur Bauchschale kaum besteht. Die Filzschicht (F) dagegen nimmt hier nicht an Stärke ab, sondern biegt unverschmälert von der dorsalen zur ventralen Seite des Panzers über. Doch zeigt sie im Übergangs- gebiet eine besondere Struktur, indem sie von Fasern durch- schossen wird, die von der Grenzschicht (G) ausgehen und sich, durchkreuzend zur Bündellage emporsteigen. Der Verlauf dieses Fasersystems lässt sich am einfachsten so erläutern, dass man sich vorstellt, dieGrenzschichten von Rücken- und Bauchschale gingen Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 207 an der Übergangsstelle beider gradlinig weiter und spalteten sich dabei jede in einen Fibrillenpinsel auf; indem die beiden Pinsel sich durchkreuzen, kommt die in Textfig. G sichtbare Anordnung der Fasern in der Filzschicht zustande. — Textfigur E und F. Freier Rand des Bauchschildes einer 13,5 em grossen Emyda auf einem diagonalen Durchschnitt, E vorn rechts, F hinten links (vgl. Textfig. D) Vergr. 7:1 Hier sei auch bemerkt, dass gelegentlich die Lamellen der Bündelschicht sich gabeln, bezw. miteinander verschmelzen können; bisweilen tritt dieses Verhalten an ein und derselben Stelle bei allen übereinander geschichteten Lagen ein (vgl. Textfig. G rechts unten). — 208 W.J. Schmidt: Zum Schlusse dieses Abschnittes noch ein paar Worte über die Bezeichnung der einzelnen bindegewebigen Hautschichten des Panzers. Während Hoffmann (a.a.0.) es für schwierig erklärt, ein allgemeines Bild vom Bau der Haut bei den Schildkröten zu entwerfen und seine Übereinstimmung mit dem der übrigen teptilien darzutun, äussert Rathke, der dureh den kreuzschich- tigen Bau der Leder- haut veranlasst wurde, das Integument ver- schiedener niederer Wirbeltiere einer Prü- fung zu unterziehen, dass die Haut der Chelonier wesentlich den gleichen Aufbau zeige wie bei den an- deren Reptilien. Die letztere Anschauung vertritt auch Ficalbı, wenn er eine obere lockere Bindegewebs- schicht,eine Lage derber Faserbündel und eine Subkutis unterscheidet, Diagonaler Durchschnitt durch den gemein- somit den Typus der samen Seitenteil von Rücken und Bauchschale lLederhaut bei den einer 13,5 cm grossen Emyda. D — Dorsal-, Schildkröten vorfindet, V = Ventralseite, B = Bündel-, F = Filz, der nach Leydig alien G = Grenzschicht. Vergr. 7:1. Textfigur G. teptilien gemeinsam ist (obere lockere Grenz- schicht, Grundmasse von festerer Beschaffenheit, untere lockere Grenzschicht). Für eine solche Homologisierung lässt sich weiter noch die Gegenwart der diese Schichten senkrecht durchsetzenden aufsteigenden Fasern verwerten, auf deren Vorkommen zuerst Hoffmann aufmerksam gemacht hat. Besonderes Interesse verdient nun die Frage, wie sind die Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 209 einzelnen Schichten der Panzerhaut bei Emyda zu deuten. Dass die kreuzschichtige, derbfaserige, von aufsteigenden Fasern durchsetzte Lage dem ähnlich gebauten Teil der Haut des übrigen Körpers entspricht, dürfte keinem Zweifel unterliegen; daher hat auch Rathke mit Recht jenen Abschnitt des Panzers als eigent- liche Lederhaut bezeichnet. Anders dagegen verhält es sich mit der Gleichsetzung der Subkutis der Körperhaut und der mächtigen filzartigen Binde- gewebsschicht des Panzers, die Rathke als Unterhautbindegewebe angesprochen hat. Nach den Untersuchungen von Goette (sielie S. 195) fällt de Rumpfmuskulatur im Bereich des Panzers einer Rückbildung anheim und tritt selbst in der embryonalen Anlage nur in spärlichen Resten auf. Der von ihr ehemals eingenommene Raum erscheint schon zu dieser Zeit von einem lockeren Bindegewebe erfüllt, das mit der Anlage der Haut in kontinuierlichem Zusammenhang steht und somit den ganzen Raum zwischen Epidermis und Peritonaeum einheitlich durchsetzt. Aus dieser Bindegewebsmasse differenziert sich im Laufe der Entwicklung zunächst unter der Epidermis die Kutis (= Bündel- schicht bei Emyda); später nimmt der tiefere Teil den Charakter von Unterhautbindegewebe an, indem er, wie Goette sich aus- drückt, von der vordringenden Kutis aufgenommen wird; gegen das Peritonaeum hin erhält er einen besonderen, festeren Ab- schluss (Grenzschicht). Wenn man berücksichtigt, dass somit das „Unterhautbindegewebe“ im Panzer einen viel grösseren Raum einnimmt (nämlich die Stelle der Muskulatur)'), als ihm am übrigen Körper zukommt, dass es ferner den Mutterboden für die Hautknochen des Panzers gibt, die bei Emyda dicht über der Grenzschicht entstehen und doch sonst nicht aus der Subkutis hergeleitet werden, und dass schliesslich sein Bau und seine Aufgabe eine ganz andere ist, als jene des Unterhaut- bindegewebes im allgemeinen, so erscheint es nicht angängig, diese Schicht einfach dem Unterhautbindegewebe gleichzusetzen. Vielmehr liegt eine Hautschicht vor, die topographisch, histo- logisch und funktionell ausgezeichnet ist, nur dem Panzer zukommt und daher einen eigenen Namen beanspruchen kann; nach ihrer Struktur habe ich die Bezeichnung Filzschicht gewählt. ') Es könnte also in ihm auch peri- und intermuskuläres Bindegewebe vorhanden sein, das beim Schwund der Muskulatur gewuchert ist. 210 W. J. Schmidt: Man könnte denken, die Frage nach der Homologie der Schichten des Panzers und der Haut im übrigen sei am einfachsten aus dem Verhalten beider an den Übergangsstellen zu lösen. Nach den obigen Erläuterungen (vgl. Textfig. E und F) zeigen Bündelschicht und Korium des gewöhnlichen Körperinteguments keine deutliche Kontinuität, so dass man danach an ihrer doch sonst gut begründeten Homologie zweifeln könnte. Die Filzschicht aber hört sehr gut abgeschlossen auf, steht keinesfalls in unmittel- barem Übergang mit dem lockeren Unterhautbindegewebe; auch dieser Umstand würde also für ihre besondere Natur sprechen. II. Der Bau der Oberhaut. Die Epidermis des Panzers von Emyda stellt nur einen dünnen (etwa 75 « starken) Überzug seiner mächtigen binde- gewebigen Schichten dar. Wie überall bei den Reptilien besteht sie aus zwei, hier ziemlich scharf gegeneinander abgesetzten Schichten (Fig. 11, Taf. XIV), der äusseren, unter schwachen Ver- grösserungen fein horizontal gestreift erscheinenden Hornschicht und der inneren aus zahlreichen Zellagen zusammengesetzten Keimschicht (Stratum Malpighii). Die erste nimmt ungefähr ein Drittel der Gesamtdicke der Oberhaut ein; dass sie im Gegen- satze zur Mehrzahl der Schildkröten nur geringe Härte en, wurde schon in der Einleitung hervorgehoben. Das Stratum Malpighii bietet den üblichen Aufbau dar (Fig. 12 Taf., XIV), eine Reihe basaler Zylinderzellen und darüber mehrere, nach der Hornschicht zu allmählich sich abflachende Lagen polyedrischer Zellen. Zwei Eigentümlichkeiten springen bei Betrachtung der basalen Zellen sofort in die Augen: ihre Abgrenzung gegen die Lederhaut durch einen breiten dunklen Saum (Fig. 11u.12, Taf. XIV), der uns bei Untersuchung der Epi- dermis-Kutisverbindung näher beschäftigen wird, und der Umstand, dass unter ihren meist ellipsoidalen Kernen in gewissen Abständen und mit ziemlicher Regelmässigkeit viel schlankere und dunkler sich färbende Zellkerne auftauchen (Fig. 11, Taf. XIV). Eisenhäma- toxylinpräparate lehren, dass diese fast stäbchenförmigen Kerne entsprechend gestalteten basalen Zellen angehören, die sich sehr stark schwärzen, gewöhnlich etwas verbreitert an dem Unterrand der Epidermis beginnen, sich dann leicht verschmälern und wieder- um verbreiternd mit zackig ausgeschnittenen oberen Enden oft hr 4 N Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 211 etwas tiefer wie ihre Nachbarn in die Zone der polyedrischen Elemente einkeilen (Fig. 12, Taf. XIV). Auch auf Flachschnitten der Haut, die durch das Niveau der basalen Zellschicht gehen (Fig. 13, Taf. XIV), erkennt man diese eigenartigen Elemente ohne weiteres wieder und gewinnt einen noch besseren Überblick über ihre Verteilung. Hier, quer getroffen, unterscheiden sich diese Zellen nieht nur durch ihre geringere Grösse und stärkere Färb- barkeit von der Umgebung, sondern auch durch ihren dreieckigen oder vieleckigen Umriss, von dem scheinbar stellenweise kurze Ausläufer abgehen, die räumlich als flügel- oder lamellenartige Seitenteile des Zelleibes gedeutet werden müssen, die sich zwischen die benachbarten Elemente einschieben. Prüft man die beschriebenen schlanken, dunklen basalen Epithelzellen an Querschnitten der Epidermis bei hinreichender Vergrösserung, so erweist sich ihre starke Färbbarkeit durch die Anwesenheit kräftig entwickelter Tonofibrillen (Plasmafasern) bedingt (Fig. 26, Taf. XIV e, f, g), die in der Längsrichtung der Zelle verlaufen. und sich hauptsächlich in ihrer Peripherie halten, was Ja schon durch die Lage des Kernes im mittleren Teil der Zelle verständlich wird. Diese Tonofibrillen sind so dicht angeordnet, dass bei kräftiger Färbung mit Eisenhämatoxylin der von ihnen mantelartig umhüllte Kern kaum mehr zu sehen sein kann. Die @Querschnitte der Zellen (an Flachschnitten der Haut) zeigen im Plasma zahlreiche dunkle Punkte, die besonders nach dem Rande zu deutlich hervortreten und nichts anderes sind als die quer- getroffenen Tonofibrillen (Fig. 14, Taf. XIV). Je nach dem Grade der Differenzierung der Eisenhämatoxylinpräparate lassen sich die Tonofibrillen nur in den hier besprochenen schlanken basalen Zellen wahrnehmen (Fig. 14, Taf. XIV), oder sie tauchen auch in der Peripherie der übrigen Zellen mehr oder minder deutlich auf (Fig. 15, Taf. XIV). Somit ergibt sich, dass die uns interessierenden stark färbbaren Elemente keineswegs als eine Zellform eigener Art in der basalen Epidermisschicht gelten können, sondern nur durch eine besonders starke Ausbildung der Tonofibrillen gekenn- zeichnet sind, wie man denn auch bei einigem Suchen Übergänge in der Form und in dem Verhalten der Plasmafasern zu gewöhn- lichen Epithelzellen auffindet. Wir werden später hören, dass diese kräftige Entwicklung der Tonofibrillen durch ihren besonders innigen Zusammenhang mit den aufsteigenden Fasern der Leder- 212 W. J. Schmidt: haut bestimmt wird und daher bezeichne ich diese Zellen schon hier als die Ansatzzellen der aufsteigenden Fasern. Während die früheren Untersucher der Schildkrötenepidermis. Zellbrücken nur mühsam, ungewiss oder gar nicht feststellen konnten, finde ich bei Emyda Interzellularbrücken im Stratum Malpighii und in der Hornschicht, also in der ganzen Ober- haut, in der schönsten Weise ausgebildet. Zwischen den Seitenflächen benachbarter Zeilen der basalen Epidermis- schicht spannen sie sich als zarte Fäden aus, die, vor allem leicht am Flachschnitt der Haut sichtbar, die breiten Lücken zwischen benachbarten Zellen (Fig. 14, Taf. XIV) überbrücken, indem sie sich jederseits an einen der dunklen Punkte ansetzen, die wir eben als (uerschnittsbilder der Tonofibrillen kennen lernten (Fig. 15, Tafel XIV). An der oberen Fläche der basalen Epidermiszellen erscheinen sie ähnlich in fadenförmiger Gestalt (Fig. 25, Taf. XIV). In der übrigen Oberhaut dagegen sind die Interzellularlücken gewöhn- lich schmäler, daher auch die Brücken kürzer, dabei stark färb- bar, so dass sie meist als dicht gedrängte Punkte die Zellen um- rahmen (Fig. 12, Taf. XIV). Vor allem schön lässt sich ihr Verhalten an Flachschnitten der Haut studieren. Stellt man auf den mittleren. kernhaltigen Teil einer der polyedrischen Zellen des Stratum Malpighii ein, so erscheint ihr Rand dicht von dunklen Punkten, den kornartigen Brücken, besetzt (Fig. 17, Taf. XIV). Hebt man nun den Tubus langsam, so treten auf der jetzt sicht- bar werdenden Oberfläche der Zelle zahlreiche, dicht gedrängte Punkte von gleicher Grösse hervor, deren kontinuierlicher Über- gang in die erstgenannten bei Betätigung der Mikrometerschraube festzustellen ist; sie bieten die Zellbrücken in der Flächenansicht dar. In Fig. 19 (Taf. XIV) sind drei benachbarte Zellen wieder- gegeben, davon eine in Aufsicht auf die Zelloberfläche, die beiden anderen im optischen Schnitt. Auch in der Hornschicht bleiben die Zellbrücken unverändert deutlich und lassen sich bis in ihre äussersten Lagen hinein verfolgen, ja sind noch auf der freien Aussenfläche der Hornschicht als feine kurze Erhebungen im Querschnitt wahr- nehmbar (Fig. 22, Taf. XIV). Die Elemente der Hornschicht platten sich nach aussen zu ständig ab und werden so schliesslich zu ganz dünnen Schüppchen, die bei schwächeren Vergrösserungen insgesamt der Hornlage die feine Horizontalstreifung verleihen Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 213 (Fig. 11, Taf. XIV). Wenn nun auch mit fortschreitender Abflachung die Interzellularlücken schmäler werden, so verschwinden sie doch nie ganz. Die Zellbrücken, welche im Stratum Malpighii gelegentlich noch fädig sein können (Fig. 22, Taf. XIV, untere Zellagen), wobei eine knotenartige Verdickung in der Mitte des Fadens (Bizzozerosche Knötchen, Mittelknötchen) bemerkbar wird, zeigen in der Hornschicht durchweg die ge- drungenere Form von Körnern. Wie in den tieferen Schichten’ der Haut, so vermitteln also bei Emyda auch in der Horn- lage die Zellbrücken den Zusammenhang der einzelnen Ele- mente, ein Verhalten, das meines Wissens in keinem Falle mit solcher Deutlichkeit nachgewiesen werden konnte. Von den Tonofibrillen der basalen Zylinderzellen wurde bereits mitgeteilt, dass sie in der Längsrichtung dieser Elemente verlaufen. Selbst an ungefärbten Präparaten lassen sie sich hier als zarte Streifung der Zellen andeutungsweise erkennen. Auch im übrigen Stratum Malpighii, in dem diese faserigen Bildungen durch Vermittlung der Zellbrücken aus einer Lage in die andere übergehen, ist die allgemeine Zugrichtung der Plasmafasern senkrecht zur Oberfläche der Epidermis. Die Fibrillen sind hier aber gewöhnlich sehr viel schwächer ausgebildet und erscheinen vielfach nur als eine faserige Beschaffenheit des Zellplasmas im allgemeinen. Wenn man an Flachscehnitten der Haut auf den optischen Durchschnitt der poly- edrischen Zellen einstellt, so gewahrt man eine allerdings viel un- deutlichere Punktierung wie auf ihrer Oberfläche (Fig. 17, Taf. XIV): das ist das Querschnittsbild der Tonofibrillen. Hier und da treten einzelne Fibrillen als dunklere Punkte aus der Masse der übrigen hervor, so insbesondere im Umkreis des Zellkernes. Ein vorzügliches Objekt, um den Verlauf der Tonofibrillen in der gesamten Epidermis zu studieren, ist die Öberhaut der Lippenanhänge von Emyda, auf die deshalb noch etwas genauer eingegangen werden soll. Im Stratum Malpighii sind die Interzellularlücken sehr weit und von dünnfädigen Brücken durchsetzt, in deren Mitte eine starke, knötchenartige Verdickung eingeschaltet ist (Fig. 16, Taf. XIV). Der fädige Abschnitt der Brücken erstreckt sich jederseits als zarte Fibrille im Plasma der angrenzenden Zellen fort, wobei im allgemeinen eine Verlaufs- richtung der gesamten Faserung senkrecht zur Fläche der Epi- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. II. 15 214 W.J. Schmidt: dermis zustande kommt. An manchen Stellen machen sich einzelne Faserzüge durch dickere Ausbildung und stärkere Färbung der Fibrillen bemerkbar und lassen sich so durch eine Anzahl über- einander gelegener Zellen mühelos hindurch verfolgen (Fig. 16. Taf. XIV). Dabei stellt man fest, dass die in diesen kräftigeren Zügen von Tonofibrillen gelegenen Mittelknötchen der Brücken durch bedeutendere Grösse ausgezeichnet sind. Solche Züge von Plasmafasern zeigen auch nicht selten Gabelungen (Fig. 16, Taf. XIV, unterste Zelle). Geht man in der Lippenhaut dem Verhalten der Tonofibrillen gegen die Hornschicht zu weiter nach, so ergibt sich, dass sie auch in den verhornenden Zellen, im Grenzgebiet zwischen Keim- und Hornschicht, erhalten sind; nur ist ihre Verlaufs- richtung vollkommen geändert. Jede platte Zelle der genannten Zone erweist sich auf dünnen Querschnitten aus zahlreichen, dicht gelagerten, in der Abflachungsebene verlaufenden Fasern zusammengesetzt, deren Beziehung zu den Zellbrücken stellenweise einwandfrei zu erkennen ist (Fig. 21, Taf. XIV). Ich stehe nicht an, in dieser Umordnung der Fibrillen das unmittelbare Ergebnis der Formänderung der polyedrischen Zelle zu einem abgeplatteten Schüppchen zu erblicken. Betrachtet man eine solche Zelle von der Fläche, so sieht man die Tonofibrillen grösstenteils als un- regelmässig gewellte, dicke, offenbar stellenweise aus mehreren Fäden verklebte Elemente den Kern allseits umziehen (Fig. 23, Taf. XIV). In der näheren Umgebung des Zellkernes, also dort, wo das Schüppchen am dicksten ist, findet man eine undeutliche Punktierung (Fig. 23, Taf. XIV), die Querschnitten von Tonofibrillen entspricht, also Verhältnisse, die noch mehr an die Zustände der polyedrischen Zellen (vgl. Fig. 17, Taf. XIV) erinnern. In den voll- kommen verhornten Zellen konnte ich keine Tonofibrillen mehr unterscheiden. Doch nehme ich an, dass sie auch hier erhalten und nur infolge der überaus starken Abplattung der Zellen so dicht aufeinandergepresst sind, dass sich einzelne nicht mehr optisch und färberisch isolieren lassen. Ganz verhornte Zellen bieten bei Flächenbetrachtung nur die dichte und kräftige Punktierung ihrer Oberfläche dar, die durch die Anwesenheit der Interzellular- brücken bedingt ist (Fig. 24, Taf. XIV). Überschauen wir nochmals den Gesamtverlauf der Tonofibrillen in der Epidermis, so ergibt sich, dass sie 186) san Sit Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. im Stratum Malpighii überwiegend senkrecht zur Öber- fläche der Epidermis gerichtet sind, in der Hornschicht dagegen dieser parallel ziehen. Dieses allgemeine Ergebnis steht durchaus in Übereinklang mit den bei anderen Objekten, insbesondere der menschlichen Epidermis, gewonnenen Befunden." ) Ficalbi (s. o.) hat bei Schildkröten auf das Vorhandensein eines Stratum granulosum in der Epidermis kurz hin- gewiesen. Bei meinem Objekt, Emyda granosa, habe ich lange vergebens nach Keratohyalin in der Epidermis geforscht; an Querschnitten der Haut war nichts Sicheres davon zu erblicken. Schliesslich stiess ich aber auf Flachschnitten an der Grenze von Horn- und Keimschicht auf Zellen, die in ihrem Plasma eine Gruppe seitlich vom Kern gelegener kleiner rundlicher Körnchen von wechselnder Grösse enthielten, welche. sich mit Eisenhäma- toxylin stark färbten (Fig. 20, Taf. XIV). Hier haben wir also eine sehr spärliche Keratohyalinentwicklung vor uns. Der Verhornungsprozess bei Emyda ist, verglichen mit der Schildpattbildung anderer Chelonier, recht kümmerlich. Während bei den Reptilien im allgemeinen die in Verhornung eintretenden Zellen eine dicke exoplasmatische Rinde als haupt- sächlichen Sitz der Keratinisation von einem längere Zeit un- verändert bleibenden, den Kern umschliessenden Endoplasma unterscheiden lassen, konnte ich bei Emyda von dieser Differen- zierung nichts wahrnehmen. Auch die von Ficalbi (s. S. 193) bei verschiedenen Schildkröten festgestellte Gliederung der Horn- schicht, die das Schildpatt als mehrere nicht abgeworfene Epi- dermisgenerationen (der Art, wie sie bei Eidechsen und Schlangen in jeder Häutung entfernt werden) aufzufassen nötigt, fehlt bei Emyda durchaus: hier ist die Hornschicht eine ganz einheitliche Lage. Eine besonders differenzierte Zellschicht auf der Aussen- seite der Hornschicht (Oberhäutchen) fehlt wie bei allen Schild- kröten, was bei dem Mangel richtiger Häutungen nicht verwunder- lich ist. | In der Epidermis der Rückenschale beherbergt das Stratum Malpighii verästelte Pigmentzellen (Melanophoren), der Bauch- schale fehlen sie vollkommen. Von diesen Elementen wird offen- !) Über das Verhalten der Epidermistonofibrillen bei Emyda vgl. auch meine im Arch. f. Zellforschung Bd. XVI erscheinende Abhandlung: Uber den Nachweis der Epidermis-Tonofibrillen bei Emyda im polarisierten Licht. 15* 216 W. J. Schmidt: bar Pigment an gewöhnliche Epidermiszellen abgegeben. Bisweilen gelangen sie beim Wachstum der Epidermis in die Hornschicht hinein und gehen hier zugrunde. Gelegentlich stösst man auf zweikernige Zellen in der Epidermis (Fig. 18, Taf. XIV), ferner auf Elemente, die ausser dem Kern einen bläschenförmigen Einschluss (4 « und kleiner) mit kräftig färbbarer Wandung besitzen (Fig. 17, Taf. XIV): seine Bedeutung und Herkunft vermag ich nicht zu erklären. III. Die Epidermis-Kutisverbindung. Der unterste Abschnitt der basalen Epidermiszellen fällt (selbst am ungefärbten Präparat) als eine bandartige Zone auf (Fig. 11 u. 12, Taf. XIV), die stark Kollagenstoffe (z. B. Säure- fuchsin) speichert. Unter schwächeren Vergrösserungen zeigt sie eine Art Querstreifung oder Zusammensetzung aus kleinen, senk- recht zur Epidermis gestellten Stäbchen. Diese erwiesen sich unter starken Objektiven als Fortsetzung der aufsteigenden Fasern: jede derselben zerfällt nämlich, in der’ Nähe der Epi- dermis angelangt, in eine Anzahl von kollagenen Fasern, die etwas auseinanderweichen und damit insgesamt die Form eines schlanken Kegels annehmen (Fig. 25, Taf. XIV). Die mittleren Fasern eines solchen Endkegels streben auf geradem Wege der Epidermis zu, die peripheren dagegen biegen zunächst allseits ab, so dass sie sich mit denen benachbarter aufsteigender Fasern guirlanden- artig treffen. Schliesslich aber dringen beiderlei „Fasern“ — wie es zunächst den Anschein hat — in die Epidermis ein und zwar nicht nur in die Interzellularlücken zwischen den basalen Zylinder- zellen, sondern in diese Zellen selbst. Dieser letzte in die Epi- dermis vordringende Teil der aufsteigenden Bündel verursacht die schon bei schwächeren Vergrösserungen wahrnehmbare kolla- gene Zone der Epidermis. In bezug auf die Einzelheiten dieser Endigung der auf- steigenden Fasern, wie sie am (Querschnitt der Haut erscheint, ist noch folgendes bemerkenswert. Vielfach tritt am Unterrand der Epidermis eine Verschmälerung der einzelnen kollagenen „Fasern“ auf, die aber weiterhin sich wieder verdicken und: so das Ansehen ganz schlanker Keulchen gewinnen (Fig. 25, Taf. XIV), die alle in der gleichen Höhe der Oberhaut ihr Ende erreichen. Aus dem letzteren Grunde ist die kollagene Zone der Epidermis VE l Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 217 fast. geradlinig begrenzt. Auf jede Epidermiszelle entfallen zwei bis vier der geschilderten „Fasern“. An dünnen Schnitten und bei hohen Vergrösserungen sieht man aber, dass auch die unteren, zwischen den Fasern gelegenen Enden der basalen Epidermis- zellen, die etwa !/s ihrer Länge ausmachen, eine vom übrigen Teil der Zelle abweichende kollagene Färbung besitzen (in Fig. 25, Taf. XIV nur leicht angedeutet) und zwar erscheinen sie bei Tinktion mit (Eisenhämatoxylin und) Pikrin-Säurefuchsin nach van Gieson zart rötlich gegenüber dem gelben Rest der Zelle. Die obere Grenze der rötlichen Farbe geht genau so weit, wie die eindringenden Fasern. Was sie zu bedeuten hat, ergibt sich aus Flachschnitten. An Horizontalschnitten durch die Epidermis begegnet man nämlich in dem Niveau des unteren Abschnittes der basalen Zylinderzellen einem Netzwerk aus kollagener Substanz, das polygonale, drei- bis sechseckige Maschen besitzt, deren Grösse etwa zwischen 2 und 4 u schwankt (Fig. 27, Taf. XIV). Die Balken des Netzes sind nicht von gleicher Dicke, im allgemeinen messen sie etwa | u. Bei Betrachtung eines grösseren Abschnittes dieses Netzes treten in ihm einzelne stärkere Züge hervor, die sich über eine Anzahl Maschen hinweg verfolgen lassen (Fig. 27 und 28. Taf. XIV). Hier und da sieht man in einzelnen Maschen kleine, blind endigende Zweige des Netzwerkes eine kurze Strecke weit einspringen. Setzen wir diese Beobachtung mit der erstgenannten am @uerschnitt der Haut in Zusammenhang, so ergibt sich, dass die in der Epidermis gelegenen Endabschnitte der auf- steigenden Fasern nicht fadenförmig sind, wie es zuerst scheinen möchte, sondern als die (reellen und optischen) Quer- schnitte der Netzmaschen gelten müssen. Damit findet auch die abweichende (kollagene) Färbung des unteren Endes der basalen Epidermiszellen ihre Erklärung. Sie wird durch jene Abschnitte der Netzbalken bedingt. die im Querschnitt der Haut von der Fläche aus sichtbar sind. Dass diese Verknüpfung von Quer- und Flachschnittbild richtig ist, folgt mit zwingender Notwendigkeit aus einer Kontrolle der Beziehungen zwischen dem basiepithelialen Netz, wie ich es im folgenden nennen will, und den aufsteigenden Fasern an Flachschnitten. Da die Horizontalschnitte der Haut selten genau der Oberfläche parallel gehen, schon deshalb, weil 215 W. J. Schmidt: diese auf grössere Ausdehnung hin nie vollkommen eben ist, lassen sich an ein und demselben Schnitt häufig in dem gleichen Gesichts- feld des Mikroskops die Bilder benachbarter Niveaus miteinander vergleichen. Schreitet man so allmählich von der Epidermis zur Lederhautfort, so gewahrt man zunächst, dass die Maschen des basi- epithelialen Netzes kleiner und rundlicher, die sie begrenzenden Züge dagegen dicker werden (Fig. 29, Taf. XIV). Ist man am Unterrand der Epidermis angelangt, so hat sich das Verhältnis von Maschen und Balken des Netzes geradezu umgekehrt: der Durch- messer der Maschen ist kleiner als die Dicke der sie umschliessenden Netzbalken, so dass der Eindruck eines Netzes fast verloren geht und an seine Stelle das Bild einer Platte getreten ist, die von zahlreichen, zu Gruppen geordneten, relativ kleinen Öffnungen durchbrochen ist (Fig. 30, Taf. XIV). Weiter in die Lederhaut hinein zerfällt das Netz in einzelne rundliche Abschnitte, die nichts anderes sind als die kegelförmig ausgeweiteten Enden der auf- steigenden Fasern; nunmehr bilden die Öffnungen nur noch zer- streute kleine, fast punktförmige Gebilde!) (Fig. 31, Taf. XIV). Schliesslich verschwinden auch diese; der Querschnitt der auf- steigenden Fasern verjüngt sich; anfangs besitzt er vor allem im mittleren Teil noch eine lockere Beschaffenheit, so dass er wiederum netzartig erscheint (Fig. 32, Taf. XIV); bald aber nimmt er, zu- nächst in der Peripherie dichtes Gefüge an. Die hier geschilderten Bilder lassen sich an 15 « dicken Schnitten durch schrittweises Einstellen auf verschiedenen Ebenen an ein und demselben Querschnitt einer aufsteigenden Faser verfolgen. Die Gesamtheit unserer Beobachtungen lehrt also, dass die aufsteigenden Fasern, an der Unterseite der Epidermis angelangt, sich aufsplittern, zum basiepithelialen Netz vereinigen und in das Epithel eintreten. Man kann somit sagen, dass das Netz aus den aufsteigenden Fasern hervorgeht. Doch hängt es auch mit den Lagen der Bündelschicht innig zusammen. Wie früher beschrieben, steigen diese Lagen, immer schmächtiger werdend und unter Lockerung der einzelnen Bündel voneinander, unter schrägem Verlauf bis dicht an den Unterrand der Epidermis heran. Auf senkrechten Durchschnitten der Haut ist über die Art der Endigung der einzelnen Bündel nichts Gewisses zu er- kennen. An Flachschnitten dagegen kann man wenigstens fest- ') Sie sind an der Anwesenheit der Tonofibrillen kenntlich (s. S. 220). Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 219 stellen, dass hier und da ein einzelnes Bündel in das basi- epitheliale Netz eintritt (Fig. 28, Taf. XIV): ohne seine allgemeine Verlaufsrichtung zu ändern, gibt es mehrfach Seiten- zweige an das Netz ab und löst sich so schliesslich ganz in ihm auf. Ich möchte vermuten, dass die oben erwähnten stärkeren Züge im basiepithelialen Netz grossenteils auf seinen Zusammen- hang mit den horizontalen Bündeln zurückzuführen sind. Ent- sprechend dem gekreuzten Verlauf benachbarter Lagen der Bündel- schicht treten ihre Fasern in zwei zueinander senkrechten Richtungen an das basiepitheliale Netz heran. Das basiepitheliale Netz ist am schönsten darstellbar durch mässig starke Färbung mit Eisenhämatoxylin und kräftige mit Pikrinsäure-Säurefuchsin nach vanGieson. Auch bei der Doppel- färbung Eisenhämatoxylin-Eosin tritt es klar hervor; selbst bei einfacher Färbung mit Eisenhämatoxylin lässt es sich durch ent- sprechende Differenzierung wohl kenntlich machen. Wie verhalten sich nun die Epidermiszellen zu dem basiepithelialen Netz? Aus dem Querschnitt der Haut (Fig. 25, Taf. XIV) ergab sich, dass in jede basale Epidermiszelle zwei bis vier der scheinbar faserartigen Endausläufer der auf- steigenden Fasern eintreten. Damit steht in Übereinklang, dass im Flachschnitt auf je eine basale Epidermiszelle mehrere Maschen des basiepithelialen Netzes entfallen; man vergleiche z. B. die bei derselben Vergrösserung wiedergegebenen Fig. 14 u. 15 mit Fig. 29 u. 30 (Taf. XIV). Dasuntere Ende jeder basalen Zylinderzelle ist also in mehrere Fortsätze aus- gezogen, deren jeder in einer Masche des Netzes ruht. Die Gestalt der Fortsätze muss natürlich der Form der Maschen entsprechen, da sie jene ausfüllen; man wird sie als ungefähr zitzenförmig bezeichnen können, da nach dem vorhin (zesagten die Netzlücken gegen die Kutis hin allmählich kleiner werden. Das gilt besonders für die Zellen, welche mitten über einer aufsteigenden Faser gelegen sind und tief in ihren Endkegel hineinragen (vgl. Fig. 25, Taf. XIV). Jetzt verstehen wir auch die Gruppierung der Netzmaschen, die bei Flachschnitten ganz nahe der Kutisgrenze sichtbar ist (Fig. 29 u. 30, Taf. XIV): jede (Gruppe umfasst die Gesamtheit der Ausläufer einer einzelnen Epidermiszelle. An stark mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten ist 220 W. J. Schmidt: jede Masche des basiepithelialen Netzes von einem Kranz dunkler Punkte eingesäumt (Fig. 29 u. 30, Taf. XIV), und gerade diese Eigentümlichkeit lässt schon bei alleiniger Tinktion mit dem genannten Farbstoff die Netzlücken scharf hervortreten und gestattet, sie bis zu den geringsten Dimensionen hinab zu verfolgen. Die Punkte sind nichts anderes als Querschnitte von Tonofibrillen, die somit nicht nur als einheitlicher Mantel den oberen (kernhaltigen) Teil der basalen Epidermiszellen um- hüllen, sondern auch in die Fortsätze eintreten und sich hier so anordnen, dass sie wiederum ganz ausgesprochen sich in der Peripherie jedes Fortsatzes halten. In dem Maße, wie die Fort- sätze sich zur Kutis hin verschmälern, drängen sich die Fibrillen in ihnen zusammen, so dass die Fortsätze zuletzt nur noch ein Bündel von Tonofibrillen darstellen (Fig. 31, Taf. XIV). Die Beziehungen zwischen den Tonofibrillen und dem basiepithelialen Netz sind auf Querschnitten der Haut schwierig zu deuten. Nur die optischen Durchschnitte der Netz- maschen sind deutlich wahrzunehmen und erscheinen unter dem Trugbild von Fibrillen (Fig. 25, Taf. XIV); doch kann man sich auch hier durch sorgsame Handhabung der Mikrometerschraube überzeugen, dass diese „Fibrillen“ nicht faden-, sondern lamellen- artig sind. Dass dagegen die zarte kollagene Färbung des unteren Saumes der Epidermis durch die flächenhaft sichtbaren Anteile der Netzmaschen hervorgerufen werden lässt sich höchstens an gelockerten Stellen der Schnitte feststellen (Fig. 26 a und b, Taf. XIV): hier gewinnt man den Eindruck, dass die an die Zellen herantretenden Fasern sich flächenhaft verbreitern undihnen anlegen. Fasst man zunächst die erwähnten fibrillenartig erscheinenden Kantenansichten der Netzmaschen ins Auge, so gewahrt man oft, dass die Tonofibrillen, welche die basalen Zellen mantelartig um- hüllen, am oberen Rande des basiepithelialen Netzes endigen und zwar so, dass jede Tonofibrille in einer kollagenen „Faser“ ihre Fortsetzung findet (Fig. 26 ce, Taf. XIV). Bei einem solchen Verhalten würden also die Fortsätze der basalen Zellen, die in die Netzmaschen hineinragen, ohne Tonofibrillen sein. Diese Auf- fassung widerspricht aber dem Flachschnittbild, in dem jede Netz- masche von den punktförmigen Durchschnitten der Tonofibrillen umsäumt ist. Und in der Tat lässt sich oft bei genauer Beob- achtung feststellen, dass die Tonofibrillen, an der kollagenen Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 221 Faser angelangt, sich gabeln und sie beiderseits weiter begleiten (Fig. 26 ec, Taf. XIV). Was so als Gabelung einer Tonofibrille erscheint, mag in vielen Fällen derart zustande kommen, dass zwei bis dahin dicht beieinander ziehende Tonofibrillen, am basi- epithelialen Netz angelangt, auseinanderweiehen und in benach- barte Netzmaschen eintreten. Übrigens will ich keineswegs be- streiten, dass auch tatsächlich an der Obergrenze des basi- epithelialen Netzes Tonofibrillen endigen ; dafür sprechen vor allem jene seltenen Fälle, in denen ich den Zusammenhang eines flächen- haft getroffenen Netzbalkens mit den Tonofibrillen wahrnehmen konnte (Fig. 16 d, Taf. XIV). Die Regel stellt ein solches Ver- halten aber nicht dar: vielmehr lässt sich vor allem an den schlanken, tief geschwärzten basalen Zellen mit Sicherheit er- kennen, dass die Tonofibrillen in die basalen Fortsätze der Zellen eintreten, indem sie zu einem Büschel auseinanderfahren (Fig. 26 e-g, Taf. XIV). Eine derartige Endigung der Tono- fibrillen muss ja auch nach den schon besprochenen Flachschnitt- bildern ohne weiteres erwartet werden. Hier ist der Ort, auf die Lagebeziehungen zwischen den schlanken Zellen mit kräftiger Ausbildung der Tonofibrillen und den aufsteigenden Fasern des Koriums hinzuweisen. Diese Zellen befinden sich stets mitten über dem Ansatz einer aufsteigenden Faser, d. h. sie hängen mit jenen Maschen des basiepithelialen Netzes zusammen, die aus dem zentralen Teil einer aufsteigenden Faser hervorgehen, der geradewegs zur Epidermis emporstrebt. Daher habe ich sie schon oben als die Ansatzzellen der aufsteigenden Fasern be- zeichnet. Bei der Untersuchung von Querschnitten der Haut (Fig. 11 u. 12, Taf. XIV) muss man mit Rücksicht auf diesen Zusammen- hang in Betracht ziehen, dass er auf dünnen Schnitten nicht immer zum Ausdruck kommen kann, weil die aufsteigenden Fasern oft nicht ganz gerade und senkrecht zur Epidermis verlaufen; daher wird man hier und da tief geschwärzte Zellen finden, unter denen keine aufsteigende Faser sichtbar ist, und umgekehrt auf- steigenden Fasern begegnen, die einer Fortsetzung durch fibrillen- reiche basale Zellen zu ermangeln scheinen. Zum Schlusse dieses Abschnittes ein paar Hinweise über die in der Literatur vorliegenden Angaben betr. Epidermis- Kutisverbindung bei den Reptilien! Krauss (1905) hat 222 W. J. Schmidt: diese Frage zum (Gegenstand einer besonderen Untersuchung ge- macht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in einer bestimmten. Periode der Embryonalentwicklung die Entstehung der Kutis vom Rete Malpighii ausgeht, und dass solche an die Embryonal- entwicklung erinnernde Verhältnisse auch in der Haut mancher erwachsener Reptilien vorkommen, sei es in der Form proto- plasmatischer oder gallertgewebeartiger Partien zwischen Epi- dermis und Kutis oder einer mangelhaften kollagenen Abgrenzung der Epidermis von der Kutis. So sieht denn auch Krauss in den Verzahnungen der Kutis mit der Epidermis eine „Kollagenbildung im basalen Proto- plasmagebiet der Epidermiszellen“. Schon vor Jahren (W. J. Schmidt 1910, S. 689 u. 1913 S.399) habe ich micht dahin geäussert, dass mir bei meinen vielfältigen Untersuchungen am Integument der Reptilien niemals etwas vor Augen gekommen ist, das diese Anschauungen von Krauss stützen könnte, indem ich weder in embryonaler Zeit noch beim erwachsenen Tier Übergänge zwischen dem Plasma der basalen Epidermiszellen und der kollagenen Substanz feststellen konnte. Wenn ich somit grundsätzlich einen anderen Standpunkt als der genannte Autor einnehme, so finden sich doch bei ihm viele richtige Beobachtungen. Unter den verschiedenen Arten der Verbindung von Epi- dermis und Kutis erwähnt Krauss die Verzahnung beider Schichten, wie er sie vor allem beim Alligator beobachten konnte. Sie beruht darauf, dass die an die Epidermis angrenzen- den kollagenen Fasern kleine Zähne in und zwischen die Proto- plasmakörper der basalen Epithelzellen hineinsenden. Das Bild, welches Krauss zur Illustration dieser Verbindung gibt (Fig. 14, Taf. 23 a. a. O.), entspricht durchaus unserer Figur 25 (Taf. XIV), hinsichtlich des Verhaltens der in die Epidermis eindringenden kollagenen „Fasern“. Nur fasst Krauss die eindringenden kollagenen Massen beim Alligator als wirkliche Fasern auf, während wir bei Emyda in ihnen die optischen und reellen Durch- schnitte des basiepithelialen Netzes erkannten. Nun hat aber schon Lwoff (1885) in der Haut junger Krokodile beobachtet, dass die untere Grenze der Epidermis zahnartig ausgeschnitten ist und ähnliche Zähnchen auch auf der oberen Fläche der Kutis zu sehen sind. „Der erste Eindruck von diesen Präparaten führt zu dem Schlusse, dass die Zähnchen Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 223 der Epidermis und der Kutis in der normalen Lage die Ver- tiefungen zwischen einander einnehmen und also die Verbindung zwischen diesen zwei Schichten der Haut befördern“ (S. 320—321 a.a.0.) Um die Art dieser Verbindung genauer festzustellen, untersuchte Lwoff die Zähnchen der Epidermis und Kutis en face: an solchen Präparaten stellte die Oberfläche der Kutis ein Netzwerk von dünnen Querbalken dar, die kleine, bald rundliche, bald längliche Zwischenräume um- schliessen; das Netzwerk erhebt sich leistenartig über die Oberfläche der Kutis. Vergleicht man Fig. 6 (Taf. VI) bei Lwoff mit unseren Abbildungen Fig. 27 und 29 (Taf. XIV), so ergibt sich mit Sicherheit, dass der Autor das basiepitheliale Netz vor Augen gehabt hat. Die Unter- seite der Epidermis bot Lwoff ein ähnliches Bild von einem Netzwerk dar, und zwar entfielen auf die Unterfläche jeder Zelle 10-12 Netzmaschen, wie mit einer hübschen Abbildung (Fig. 7, Taf. VI a. a. 0.) belegt wird. So kommt denn Lwoff zum Schluss, dass von-der unteren Fläche der Epidermis, ebenso von der oberen der Kutis, Leisten oder Brücken einander entgegen- gehen, die an Querschnitten als Zähnchen erscheinen. Krauss (1905). dem Lwoffs Arbeit bekannt ist, geht auf die vorstehend mitgeteilten Beobachtungen dieses Autors nicht näher ein, anscheinend, weil er selbst keine Flächenbilder unter- sucht hat und daher mit der Lwoffschen Darstellung nichts anzufangen wusste. Bei Emyda finde ich die Angaben des russischen Forschers durchaus bestätigt und daher glaube ich auch, dass sie fürs Krokodil zu Recht bestehen; ja ich möchte vermuten, dass ein basiepitheliales Netz vielfach dort ausgebildet ist, wo man bisher von einer Verzahnung durch fadenartige kollagene Elemente gesprochen hat. Nach Krauss (a.a. O.S. 344 und 356) geben die kolla- genen Zähnchen die Ursprungsstätte für die Tonofibrillen ab, so dass zwischen Epithel- und Bindegewebsfasern ein inniger Zusammenhang besteht, den er als Kontinuität bezeichnet. Ein solcher Ausdruck ist vom Standpunkt des Autors aus zulässig: denn wenn nach ihm in embryonaler Zeit zwischen Epidermis und Kutis eine Zone bestehen kann, die allmählich und ohne scharfe Abgrenzung in beide Schichten übergeht, so dass es nicht mehr möglich ist zu sagen, wo die Epidermis aufhört und die 224 W.J. Schmidt: Kutis anfängt, so lässt sich vorstellen, dass hier fibrilläre Bil- dungen auftreten, die später zu einer Hälfte kollagene Fasern, zur anderen Tonofibrillen werden, und somit der Zusammenhang zwischen kollagenen Fasern und Tonofibrillen auf den ursprüng- lichen Zustand einer einheitlichen faserigen Bildung zurückgehen würde. Dadurch bleibt aber unberührt, dass im fertigen Zu- stand Tonofibrillen und kollagene Fasern ihrer chemischen und physikalischen Natur nach durchaus verschiedene Dinge sind; hierfür sprechen nicht nur die bekannten Unterschiede in ihrem Färbungsverhalten, sondern auch polarisationsoptische Beobachtungen, über die ich anderswo berichten will’). Gegenüber Krauss sehe ich die Ursache der innigen Verbindung von Tonofibrillen und kollagenen Fasern nicht in ihrer Genese aus einer einheitlichen Anlage, sondern in der funktionellen. Leistung beider, die eine so innige Verknüpfung verlangt. Den Ausdruck Kontinuität würde ich daher für diesen Zusammenhang nicht verwenden, sondern nur eine unmittelbare oder durch ein Kittmaterial bewirkte, dauerhafte Verbindung der beiderlei Faserarten annehmen. Übrigens ergeben ja unsere Beobachtungen, dass nur ein Teil der Tonofibrillen an der oberen Grenze des basiepithelialen Netzes ansetzt, die Mehrzahl dagegen, vor allem die mitten über den aufsteigenden Fasern gelegenen, mit den Fortsätzen der Epithelzellen in seine Maschen eintreten und somit nicht in einer eigentlichen direkten Verbindung mit kollagenen Fasern stehen. IV. Die funktionelle Bedeutung des Aufbaues der Panzerhaut. Rufen wir uns noch einmal kurz die wichtigsten Züge der Architektur des unverknöcherten Panzers von Emyda ins Gedächtnis zurück, wie sie sich nach dem vorstehend Mitgeteilten ergaben. Von den zwei Schichten der Lederhaut besitzt die äussere Bündelschicht eine verwickelte, aber gesetzmässige Struktur: kräftige kollagene Bündel sind in mehreren Lagen übereinander- geschichtet, und zwar so, dass die bandartig abgeplatteten, auf der Kante stehenden Fasern in jeder Lage unter häufiger Gabelung !) Vgl. meine Abhandlung: Über den Nachweis der Epidermis-Tono- fibrillen in polarisiertem Licht. Arch. f. Zellförschung, Bd. XVI. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 225 parallel, von Schicht zu Schicht aber rechtwinklig gekreuzt — hinsichtlich der Schale im ganzen diagonal — verlaufen. Die einzelnen Bündellagen erstrecken sich jeweils nur über einen kleinen Abschnitt der Schale, indem sie schräg gegen die Epi- dermis ansteigen, derart, dass sie sich zum Rande der Schale hin dachziegelartig überdecken. Dabei beginnt eine jede Lage dünn an der Unterseite der Bündelschicht, nimmt langsam an Stärke zu und läuft gegen die Epidermis hin wiederum verjüngt aus. Unter der Oberhaut tritt eine Lockerung des im übrigen sehr festen Gefüges der Bündelschicht ein. Die beschriebenen Lagen der Bündelschicht werden von senkrecht zur Epidermis auf- steigenden Fasern durchsetzt, die in den schlitzartigen Spalten zwischen den anastomosierenden Bündeln der einzelnen Lagen hindurchtreten. An der Grenze benachbarter „horizontaler“ Schichten findet eine Aufspaltung der senkrecht verlaufenden Fasern statt, und indem die Gabeläste benachbarter Fasern sich verbinden („Umbündelung“), kommt es zur Bildung eines Raumgitters, dem die „horizontalen“ Bündel unverschiebbar ein- gelagert erscheinen. Die oberen Enden der senkrecht auf- steigenden Fasern vermitteln den Zusammenhang zwischen Epidermis und Kutis: sie dringen in die Oberhaut ein und liefern das basiepitheliale Netz, welches die Ausläufer der epider- malen Zylinderzellen in sich aufnimmt ; diejenigen basalen Epidermis- zellen, welche gerade über dem Ansatz einer aufsteigenden Faser sich befinden, sind durch starke Ausbildung von Tonofibrillen gekennzeichnet („Ansatzzellen“). Auch die „horizontalen“ Lagen der Bündelschicht gehen schliesslich, wenigstens zum Teil, in das basiepitheliale Netz ein. Die innere, mächtige Lage der Lederhaut, die Filzschicht, besitzt keinen streng geregelten Faserverlauf; sie nimmt die unteren Enden der aufsteigenden Fasern und die hier auslaufenden Lagen der Bündelschicht in sich auf. An ihrer Unterfläche verdichtet sie sich zur Grenz- schicht, die eine Andeutung von kreuzweiser Schichtung mehrerer Faserlagen erkennen lässt. Wenn wir nun versuchen, diese Architektur der häutigen Schale von Emyda in bezug auf ihre mechanische Bedeu- tung zu analysieren, so müssen wir uns zunächst einmal die biologische Aufgabe des Schildkrötenpanzers vergegenwärtigen. Bei den meisten erwachsenen Formen besteht er aus einer in 226 W. J. Schmidt: ihrer ganzen Ausdehnung knöchernen Hülle, einem Aussen- skelett, das die Form des Rumpfes bestimmt, den umschlossenen Weichteilen Halt, Muskeln Ansatzpunkte bietet und zugleich eine undurchdringliche, druckfeste Kapsel darstellt, die dem Besitzer ganz erheblichen Schutz gegen mechanische Schädi- gungen verleiht, zumal Kopf und Beine darin aufgenommen werden können ; vermögen doch schon verhältnismässig Kleine Schildkröten beträchtliche Belastungen ohne Schaden zu ertragen. Bei diesen Leistungen treten die in den Hautpanzer aufge- nommenen endoskelettalen Stücke (obere Bögen und insbesondere Rippen) infolge ihrer schwachen Ausbildung bezw. Reduktion beim erwachsenen Tier zurück, während die Entwicklung der Hornschicht zu einer Schildpattlage eine weitere Festigung des Panzers bedeutet. Die Widerstandsfähigkeit des Panzers gegen Druck beruht aber nicht nur auf seinem Material (Knochen und Schildpatt), sondern auch auf seiner Form: die Rücken- schale vor allem der Landschildkröten bildet eine Kuppel, deren Druckfestigkeit durch die Verbindung mit dem einem Fundament (Widerlager) vergleichbaren Bauchschild noch weiterhin erhöht wird (vgl. betr. der Bedeutung von Form und Anordnung der einzelnen Knochenstücke Bienz 1895). Der knöcherne Zustand des Panzers wird aber erst all- mählich im Laufe der Ontogenese erreicht, so dass bei allen jugendlichen Schildkröten mehr oder minder. grosse, von Bindegewebe erfüllte Lücken in ihm vorhanden sind. Diese bindegewebigen Anteile der Schale erhalten sich bei manchen wasserlebigen Formen, so auch den Trionychiden, zeitlebens in auffallend grossem Umfange, ja nehmen mit dem Grösserwerden der Schale in den absoluten Maßen zu; das muss alseine Rückbildung des knöchernen Panzers gelten, die offenbar im Zusammenhang mit der für das Leben im Wasser erwünschten Verminderung des spezifischen Gewichtes erfolgte. Somit wird die Schale der Schildkröten einerseits vorläufig aus Bindegewebe modelliert und nach und nach (mit zunehmendem Alter der Tiere) in Knochen ausgeführt, ähnlich wie die knorpelige Anlage des Endoskeletts der höheren Wirbeltiere durch Knochen ersetzt wird. Andererseits sehen wir auch das Bindegewebe als endgül- tiges Baumaterial, nämlich als Vertreter des Knochens, fungieren. Dieser letzte Fall ist auch bei dem häutigen An- Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 227 teil des Panzers der erwachsenen Emyda gegeben, und die Frage nach der funktionellen Bedeutung seiner Architektur wird somit zunächst dahin gehen, inwiefern sein Aufbau geeignet erscheint, ein Aussenskelett, eine formkonstante, druck- feste Kapsel zu schaffen, bzw. die vorhandenen knöchernen Elemente des Panzers in dieser Weise zu ergänzen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an Druck- festigkeit bei den wasserlebigen Schildkröten nicht so weitgehend zu sein brauchen wie bei landlebigen, und dass die Erzielung einer hohen Druckfestigkeit durch die Entwicklung einer hoch gewölbten Kuppel hier mit der Ausbildung einer für das Schwimmen geeigneten Panzerform konkurrieren muss. Das wesentliche Bauelement des unverknöcherten Panzers, die kollagene Faser, erscheint an sich wenig geeignet als Skelettsubstanz; denn ihr physikalischer Charakter wird be- kanntlich durch ihre enorme Zugfestigkeit (in Richtung der Faserachse) und geringe Biegungsfestigkeit bestimmt. Das Überwiegen der Zugfestigkeit über die Biegungsfestigkeit ist eine durchgehende Eigentümlichkeit fadenartiger Gebilde; lässt sich doch mittels eines Fadens, der unter seinem eigenen Ge- wicht zusammenknickt, eine weit erheblichere Last ziehend von der Stelle bewegen. So findet sich denn die kollagene Faser vor allem dort im Organismus verwendet, wo Zugkräfte über- tragen oder Widerstand gegen sie geleistet werden soll (Sehnen, Bänder). Doch gibt es auch Fälle,in denen durch eine bestimmte Anordnung zugfester Elemente druckfeste Gebilde erzeugt werden, z. B. die Schwanzflosse des Delphins nach Roux (1895), bei der sogar ein Wechsel zwischen Biegsamkeit und Festigkeit in dieser Weise ermöglicht ist. Auch die mechanischen Eigenschaften der häutigen Schale von Emyda granosa werden durch eine bestimmte Anordnung der kollagenen Fasern erzielt. Da nun die Panzerhaut aus einer Spezialisierung des ge- wöhnlichen Integuments hervorgegangen ist, so fragt es sich, welche Besonderheiten die Haut der Schale diesem gegenüber aufweist und wie hieraus ihre abweichenden Eigenschaften resul- tieren. Damit empfiehlt es sich, zunächst einmal den Bau des gewöhnlichen Integuments mit Rücksicht auf seine Leistungen zu prüfen. 228 W. J. Schmidt: Eine durchgreifende Eigentümlichkeit im Bau der Leder- haut der niederen Wirbeltiere ist die Anwesenheit mehrerer kreuzschichtigerLagen,deren jede aus einer parallelfaserigen Schicht von leimgebenden Bündeln besteht, die in der Diagonal- richtung des Körpers ziehen, deren Faserrichtung aber von Schicht zu Schicht gegen 90° gekreuzt ist, also eine Architektur, wie- sie der Bündellage der Panzerhaut von Emyda in ausge- sprochenster Form zukommt. Dieser Aufbau der Lederhaut wurde schon von Rathke bei verschiedenen Gruppen der niederen Wirbeltiere festgestellt und mehrfach ist auf seine mechanische Bedeutung hingewiesen worden. So sagt z.B. Biedermann (1914, S. 955): „Handelt es sich um bindegewebige Häute und Membranen, welche dehnenden Kräften Widerstand leisten sollen und bei denen es auf besondere Festigkeit ankommt, so finden wir meist, wie bei den Faszien, zwei sich mehr oder weniger genau unter rechtem Winkel kreuzende Fibrillensysteme, wobei die einer Richtung angehörenden Bündel immer in einer Schicht zusammenliegen ..... Diese Art der Anordnung findet sich namenlich in der Lederhaut.“ Als Beispiel hierfür zieht der Autor insbesondere die Kutis der Selachier heran und hebt die erstaunliche Ähnlichkeit ihres Faser- verlaufs mit dem Aufbau gewisser Kutikularbildungen, namentlich des Chitinpanzers mancher Käfer, hervor. Eine genauere mechanische Analyse eines hierher gehörigen bestimmten Falles, nämlich der Kutis des Störs, hat aber meines Wissens nur Gebhardt (1914) unternommen. Die über 5 mm dicke Haut, welche den kreuzschichtigen Aufbau zeigt, ist durch eine grosse Geschmeidigkeit — sie stellt also gewisser- massen ein Gegenstück zur Panzerhaut von Emyda dar — aus- gezeichnet, die zunächst mit der grossen Dicke gar nicht zu harmonieren scheint. Sie beruht auf der weitgehenden Ver- schiebbarkeit der einzelnen Lamellen der Kutis gegeneinander, die nicht nur auf die Beförderung der Gleitungsmöglichkeit durch rechtwinklige Faser- kreuzung einander berührender Flächen zurückzuführen ist, sondern auch auf diespärliche Ausbildung senkrecht aufsteigender Bündel, die eine Verschieblichkeit in gewissen Grenzen zulässt, während eine solche durch spitzwinklig von der Fläche einer Lamelle in die gegenüberstehende der anderen eindringende Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 229 anastomosierende Bündel weit gründlicher aufgehoben würde. Die Geschmeidigkeit der Lederhaut infolge ihrer Zerlegung in einzelne, flächenhaft gegeneinander verschiebliche Lamellen, geht letzten Endes darauf zurück, dass der Widerstand einesgebogenen Körpersquadratisch mitseiner Höhein der Biegungs- ebene wächst. Setzen wir etwa die Dicke eines Balkens = a, dann wäre sein Biegungswiderstand a°. Zerlegt man nun den Balken durch einen Längsschnitt in der Mitte seiner Höhe in zwei Teile, so daß aus ihm zweiübereinanderliegende Balken, jeder von halber Höhe des ursprünglichen entstehen, so ist der Biegungswiderstand jedes derselben —= (5) der Biegungswiderstand beider zusammen 24 (>)° — 5 a”. D.h. „mit der Dicke der Lederhaut würde der Biegungswiderstand quadratisch wachsen, wenn sie nicht in einzelne flächenhaft verschiebliche Lamellen zerlegt wäre. So stellt er nur die Summe der geringen Biegungswiderstände der relativ dünnen Einzellamellen dar.“ Gegen die Epidermis und den unteren Abschluss der Kutis hin werden die Einzelschichten der Lederhaut beim Stör ausser- ordentlich dünn und offenbar sehr fest, wohl wesentlich durch die aufsteigenden Faserbündel, miteinander vereinigt. Das erklärt Gebhardt folgendermassen. Die äussere und innere Oberfläche der Lederhaut sind die Stellen des unmittelbaren Angriffes aller sie treffenden mechanischen Beanspruchungen. Derartiger Mannig- faltigkeit der Beanspruchung zu begegnen, gibt es nur das Mittel eines möglichst dichten Baues ohne wesentliche dimensionale Spezialisierung, d. h. also dichte Verfilzung bei faserigen Bau- elementen; daraus resultiert hier der in kleineren Intervallen erfolgende Richtungswechsel der Bindegewebsbündel um 90° und daraus die nach der Tiefe erst zu-, dann wieder abnehmende Dicke der Lederhautlamellen. Dass die Hauptmasse der Fasern in der Lederhauttangential zur Körperoberfläche liegt, ergibt sich nach Gebhardt zunächst aus der gegenseitigen Spannung von Haut und Inhalt, bei der tangential gerichtete Fasern in ihrer Zug- richtung beansprucht werden; ferner daraus, dass drückende Beanspruchung der Oberfläche die Fasern senkrecht zu ihrer Längsachse, also in der gegen Druck am widerstandsfähigsten Dimension, trifft, während reibende Beanspruchung in Form der der Oberfläche parallelen Zugkomponente wiederum die Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt.I. _ 16 230 W.J. Schmidt: Zugfestigkeit der Fasern in ihrer Längsrichtung in Anspruch nimmt. f Die Entstehung des regelmässigen Faserrichtungs- wechsels um 90° möchte Gebhardt (1914) auf dieselben Ur- sachen zurückführen wie die entsprechenden Verhältnisse in den Haversschen Lamellen des Knochens. Jede fertige Lamelle dient als Anlagerungsbasis für die nächste. Eine einmal gebildete Lamelle mit einheitlicher Faserrichtung, besitzt dimensional verschiedene Elastizitätseigenschaften: sehr wenig dehnbar in der Faserrichtung, überaus elastisch quer zur Faserrichtung. Bei allen möglichen Insulten schwingt sie also mit grösstem Aus- schlag quer zur Faserrichtung. Die neu gebildeten Fasern der nächsten Lage werden sich nun bestreben, sich in die Haupt- schwingungsrichtung einzustellen, und so kommt es zur Faser- kreuzung benachbarter Lagen (Gebhardt 1906, S. 311—315). Der schwierige Punkt der Bestimmung der Lamellendicke, bevor die Umsteuerung der Faserrichtung eintritt, erscheint beim Stör durch besondere mechanische Verhältnisse gegeben. Die diagonale Richtung des Faserverlaufs zur Längsachse des Fisches ist nach Gebhardt (1914) von vornherein die wahrscheinlichste Richtung für die Oberflächen- bedeckung eines im Sinne der Schwimmbewegungen sich stark deformierenden Körpers. Fassen wir Gebhardts Ergebnisse der mechanischen Analyse der Lederhaut vom Stör nochmals kurz zusammen: 1. Die Ge- schmeidigkeit der Haut beruht auf ihrer Zusammensetzung aus zahlreichen dünnen Lamellen von geringer Biegungsfestigkeit, die sich bei Deformationen flächenhaft gegeneinander verschieben können, was durch die spärliche Ausbildung senkrecht aufsteigender Bündel begünstigt wird: 2. die Anordnung der kollagenen Fibrillen tan- sential zur Körperoberfläche ist am geeignetsten im Hinblick auf die Beanspruchung der Haut durch Spannung. Druck und Reibung: 3. der diagonale Faserverlauf in den einzelnen Schichten gewährt den besten Zusammenhalt mit Rücksicht auf die Schwimmbewegungen; 4. die Entstehung der wechselseitigen Kreuzung der Faserung benachbarter Schichten kann ent- wicklungsgeschichtlich plausibel gemacht werden; sie erleichtert das Gleiten’ der Lamellen übereinander; 5. die Abnahme der Schichtendicke gegen die Epidermis und die Unterseite der Aal nn dd > Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 231 Kutis hin erklärt Gebhardt aus der maximalen und vielseitigen Beanspruchung dieser Partien der Kutis, die ein möglichst diehtes Gefüge des Gewebes verlangt. Die Ergebnisse 1—4 lassen sich allgemein auf die Haut der Reptilien übertragen, soweit sie den kreuzschichtigen Bau aufweist, wie es bei Eidechsen, Schlangen, Krokodilen regel- mässig der Fall ist. Allerdings ist hier die Dicke der Haut wohl selten so beträchtlich wie beim Stör und ihre Geschmeidigkeit da- her nicht so erstaunlich; aber der tangential-diagonale Faserverlauf (hinsichtlich des diagonalen Verlaufs beachte man Schlängel- bewegungen der genannten Reptilien, die an Stelle der Schwimm- bewegungen beim Stör in Frage kommen), und die kreuzschichtige Anordnung der Fasern finden auch hier unter den oben erwähnten Verhältnissen ihre Erklärung. Eine Abnahme der Schichtendicke der einzelnen Lagen der Kutis lässt sich in der Regel bei den Reptilien nur zur Epidermis hin feststellen, während die Kutis gegen die Subkutis hin unvermittelt mit derben Fasern abschliesst, und jedenfalls kann man für den oberen feinschichtigen Teil der Kutis (Subepidermis) nicht behaupten, dass er besonders fest gebaut sei, wie denn schon Leydig in der Lederhaut der Reptilien und Amphibien eine mittlere, aus einer Anzahl derber wagerechter Lagen bestehende Grundmasse und die beiden jenen nach oben und unten abschliessenden lockeren Grenzschichten (Subepi- dermis. Subkutis) unterschied. Sonderbarer Weise findet sich nun bei Emyda ein ähnliches Verhalten der kreuzschichtigen Lagen wie beim Stör nach Gebhardt, insofern jede einzelne Bündellage zur Epidermis und zur Filzschicht hin sich allmählich verjüngt, worauf.ja früher schon nachdrücklich hingewiesen wurde. Aber es soll bereits hier betont werden, dass der streng geregelte Verlauf der Bündel, also ihre dimensionale Anordnung, bis zur Epidermis reicht und, dass die der Epidermis benachbarten oberen Teile der Bündelschicht keineswegs fester, sondern lockerer gebaut sind als die tieferen Lagen (vgl. Fig. 7, Taf. XII). Die unteren verjüngten Anteile der einzelnen Bündellagen zeigen dagegen keine Auflockerung. Auf diese Eigentümlichkeiten wird später noch genauer eingegangen werden. Ehe wir in die Betrachtung der funktionellen Bedeutung der Einzelheiten der Panzerhaut von Emyda eintreten, sollen ein paar Worte über die allgemeinen mechanischen Eigen- 16* 232 W. J. Schmidt: schaften der Filz- und Bündelschicht vorausgeschickt werden, soweit das nach Beobachtungen an fixiertem Material möglich ist. Schneidet man aus der Filzschicht ein würfelförmiges Stück heraus, wobei die Richtung der Flächen in bezug auf die Schale als Ganzes beliebig gewählt werden kann, so lässt es sich von allen Seiten her gleichmässig und ergiebig zusammendrücken. Dabei verbreitert es sich in der Richtung senkrecht zur wirkenden Kraft etwas, und es tritt eine geringe Menge Flüssigkeit (Alkohol) aus. Beim Aufheben des Druckes werden selbst starke Defor- mationen vollkommen ausgeglichen, wenn man nur dafür Sorge trägt, dass das Stückchen nicht austrocknet, am besten also den Druck unter Alkohol ausübt. Versucht man ein Stückchen der Filz- schicht zu zerren, was an einem viereckig-prismatischen bequem auszuführen ist, so findet man, dass eine nur sehr geringfügige, von einer entsprechenden Gestaltsänderung begleitete Verlängerung eintritt. Nach diesen Versuchen zu schliessen, sind die wesent- lichen mechanischen Eigenschaften der Filzschichtt geringe Widerstandsfähigkeit gegen Druck, hohe Zugfestigkeit und das Vermögen, erlittene Deformationen auszu- gleichen. Möglich, dass am lebendfrischen Material die Wider- standsfähigkeit gegen Druck etwas grösser ist als am fixierten; denn die gallertige Kittmasse, welche die Lücken im Filzwerk der Bindegewebsfasern erfüllt, dürfte sich schwerer verlagern als der dünnflüssige Alkohol, der grossenteils nunmehr an ihre Stelle getreten ist. Und dabei ist ja auch zu berücksichtigen, dass einem Austreten von Flüssigkeit aus der Filzschicht bei ihrem normalen Zusammenhang mit der Haut nach oben durch die 3ündellage, nach unten durch die Grenzschicht der Ausweg ver- sperrt ist. Anders verhält sich die Bündellage. Neben ausserordent- licher Zugfestigkeit (lederartiger Zähigkeit) besitzt sie auch eine erhebliche Widerstandsfähigkeit gegen Druck- Presst man ein Stückchen der Panzerhaut von seinen natürlichen Oberflächen her kräftig zwischen zwei Objektträgern zusammen!'), so lässt sich die Filzschicht auf die Hälfte ihrer normalen Dicke, die Bündellage dagegen nur um wenigerals einViertelzusammendrücken. Auch in der dazu senkrechten Ebene widersteht die Bündellage R 2) Am einfachsten unter dem Binokularmikroskop zu beobachten nur für Messungen bietet das gewöhnliche Mikroskop Vorteile. a Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 233 viel grösserem Druck als die Filzschicht; denn während die letzte bedeutend an Dicke zunimmt, lässt sich die erste nicht ent- sprechend zusammenschieben, sondern legt sich bald in Falten, um der weitergehenden Deformation jener nachkommen zu können. Dass auch der Zusammenhalt der einzelnen Fasern in der Bündelschicht ein viel festerer ist als in der Filzschicht, verspürt man leicht aus dem erheblich grösseren Widerstand beim Ein- stechen von Nadeln. Wie erklären sich diese verschiedenen Eigenschaften von Bündelschicht und Filzschicht aus ihrem Bau? Nach den früher geschilderten Befunden besteht die Filzschicht aus welligen, nach allen Richtungen sich regellos durchflechtenden Bindegewebs- fasern. Die reichliche Anwesenheit der Kittmasse zwischen den kollagenen Bündeln lässt es begreifen, dass trotz der bei dickeren Schnitten und unter schwächeren Vergrösserungen scheinbar grossen Dichte dieses Filzes die einzelnen Fasern ihre Verschiebbarkeit gegeneinander nicht ganz aufge- geben haben. Wirkt ein Zug auf die Filzschicht, so werden die annähernd in seine Richtung fallenden Fasern gestreckt, gehen aus welligem in gradlinigen Verlauf über. Daraus erklärt sich die Dehnbarkeit eines aus der Filzschicht geschnittenen Stückehens grösstenteils; denn bei weiterer Dehnung muss die bekanntlich ausserordentlich geringe Dehnbarkeit der kollagenen Fasern selbst in Anspruch genommen werden. Die Verfilzung der Fasern ist aber zu innig, als dass der Filz sich unter der Wirkung des Zuges in seine Bestandteile auflöste. Lässt der Zug nach, so werden sich die entstandenen Spannungen aus- gleichen und das Hautstückchen wieder seine ursprüngliche Form annehmen. Dass ein regelloser Filz von Bindegewebsfasern keinen erheblichen Druckkräften standhalten kann, so lange seine Fasern noch eine gewisse Verschiebungsmöglichkeit besitzen, ist selbstverständlich. Die Bewegungsfreiheit der Fasern gegen- einander ist aber nicht gross genug, als dass sie während einer kurz dauernden Deformation eine neue Anordnung einnehmen könnten, welche die Spannungen ausgliche, die nunmehr senk- recht zur Richtung des Druckes entstanden sind. Daher kehrt nach dem Aufhören des Druckes das Hautstückchen wieder zur Ausgangsform zurück. Die Bündelschicht unterscheidet sich von der Fabkehicht 234 W. J. Schmidt: hinsichtlich der hier ins Auge gefassten Besonderheiten nach zwei Richtungen hin: ihre Bindegewebsbündel verlaufen fast geradlinig und die Verschiebbarkeit derselben ist fast aufgehoben. Schon aus dem ersten Grunde wird sie sich bei Zugbeanspruchung viel weniger dehnbar erweisen als jene, indem eine Verlängerung nur auf Kosten der Dehnbarkeit der kollagenen Bündel selbst möglich ist. Die Beseitigung der Verschiebbarkeit der Bündel gegen einander erfolgt zunächst dadurch, dass ihre Verwebung ungemein dicht ist. Das äussert sich nicht nur inder minimalen Menge von Kittmasse, die zwischen ihnen nachweisbar ist, sondern auch in ihrer Form: die band- artige Abflachung der Bündel der „horizontalen“ Lagen und der zwischen ihnen hindurch tretenden aufsteigenden Fasern muss doch als unmittelbarer Ausdruck ihrer gegenseitigen Pressung gelten. Ferner aber ist in den einzelnen Lagen_der Bündelschicht die Möglichkeit des Aneinandervorbeigleitens benachbarter Bündel durch ihre zahllosen Anastomosen völlig aufgehoben; dieser Tatbestand rechtfertigt die schon oben angewandte Bezeichnung „Bindegewebsplatten mit schlitzförmigen Spalten in der Faserungsrichtung‘“: Deformationen derartiger parallel- faseriger, geschlitzter Platten durch Kräfte, die in ihrer Ebene angreifen. werden in der Faserrichtung durch die Zugfestigkeit des Materials gehemmt und sind daher im vorliegenden Fall sehr geringfügig. Einem Zug in der Richtung senkrecht zur Faserung widerstrebt dagegen nur die geringe Biegungsfestigkeit der Fasern und eine Formänderung der Platte erfolgt, indem die Schlitze sich verbreitern. Dadurch aber, dass in der Bündel- schicht mehrere dieser geschlitzten Platten mit rechtwinklig gekreuztem Fasernverlauf innig miteinander vereint sind (s. u.), wird eine derartige Deformation der Bündelschicht ım ganzen unmöglich. Wie die Verschiebbarkeit der Bündel ein und derselben Lage durch ihre zahllosen Anastomosen aufgehoben ist, so wird die Gesamtheit der Lagen durch die aufsteigenden Fasern zu einem Ganzen vereinigt und damit scheerenden Kräften Widerstand geboten. Zwar möchte der senkrechte Verlauf dieser Elemente zunächst recht ungeeignet erscheinen, den verlangten Zweck zu erfüllen; denn wie Gebhardt (s. o.) Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 235 zutreffend ausgeführt hat, würde eine Verschiebbarkeit benach- barter Lagen weit gründlicher durch solche Bündel aufgehoben, die spitzwinklig benachbarte Lamellen miteinander verknüpften. Aber durch die beschriebene „Umbündlung“ wird auch bei senkrecht aufsteigenden Fasern ein Uebereinandergleiten benachbarter Lagen verhindert, indem die Punkte der Umbündlung wie Knoten wirken, die benachbarte aufsteigende Fasern mit einander verbinden und so weder ein Abheben noch ein Gleiten der horizontalen Lagen gegeneinander erlauben. Im gleichen Sinne wirkt auch die grosse Zahl der senkrecht aufsteigenden. Bündel. Im Gegensatz zu Gebhardts Befunden beim Stör (s. o.) findet in der Bündelschicht von Emyda zur Epidermis hin zwar eine Abnahme der Lamellendicke, aber keine Festigung, sondern eine Auflockerung des Gefüges statt. Dieses Verhalten scheint mir ein Ablösen der Epidermis von ihrer Unterlage durch scheerende Kräfte zu erschweren. Ruhte das Stratum Malpighii einer vollkommen starren obersten Lage der Lederhaut auf, dann würden in der Epidermis-Kutisgrenze zwei Schichten von sehr verschiedener Konsistenz einander un- mittelbar berühren und damit wäre eine scharf definierte Ebene geschaffen, in der bei scheerender Beanspruchung der Haut leicht Kontinuitätstrennung aufträte. Dadurch aber, dass«die aufgelockerten obersten Schichten der Bündellage schrittweise zu dem festen Gefüge ihrer tieferen Abschnitte überleiten, wird diese Gefahr vermindert. Neben der Verknüpfung der Bündellagen besteht die Aufgabe der senkrecht aufsteigenden Fasern in derBefestigung der Epi- dermis auf ihrer Unterlage. Wie das im einzelnen geschieht, ist im Abschnitt über die Epidermis-Kutisverbindung erläutert. Hier sei nur noch darauf hingewiesen, dass wir wohl annehmen können, dass die an die Epidermis ansetzenden aufsteigenden Fasern sich in einer gewissen Zugspannung befinden; denn so allein wird es verständlich, dass die — von dem Zug in erster Linie betroffenen Zellen der basalen Epidermisschicht, die in ihrer unmittelbaren Fortsetzung liegen, eine stärkere Ausbildung der Tonofibrillen zeigen, zu Ansatzzellen werden. Nach allgemeiner Anschauung sind es Wachtumsspannungen innerhalb der Epidermis, welche die Ausbildung der Tonofibrillen hervorrufen. Dass aber auch von der Kutis ausgehende Zugkräfte in gleichem Sinne wirken, 236 W.J. Schmidt: wird am treftlichsten belegt durch das Auftreten von Bündeln von Plasmafasern in denjenigen basalen Zellen der Froschepider- mis, an welchen glatte Muskelzellen ansetzen (vgl. W.J. Schmidt, 1918, 1919, 1920). Schliesslich vermitteln die aufsteigenden Fasern wenigstens zum Teil die Verbindung von Bündelschicht und Filzschicht, indem sie in die letzte ausstrahlen und sich mit ihrem Maschenwerk verweben. Die dichte Lagerung der einzelnen Bündel in der Bündel- schicht, ihre zahlreichen Anastomosen, die Kreuzung benachbarter Lamellen, die grosse Zahl der aufsteigenden Fasern und die Art ihrer Umbündlung, alles zielt darauf hin, jegliche Verschiebbarkeit der Bauelemente gegeneinander aufzuheben. So stellt den die Bündelschicht von Emyda gerade das Gegenteil der durch Geb- hardt beschriebenen Haut vom Stör dar. Schneidet man aus der Haut eines niederen Wirbeltieres mit typisch kreuzschichtigem Bau und diagonalem Faserverlauf ein viereckiges Stück aus,- dessen Seiten der Quer- und Längsrichtung des Körpers parallel "gehen, und übt nun einen Zug in der Längsrichtung aus, so wird das Stück länger, wobei der Kreuzungswinkel benachbarter Schichten kleiner wird, indem die Faserrichtung nach Möglichkeit sich, in die Beanspruchungsrichtung einstellt; bei Zug in der Querrichtung werden die Stücke breiter, indem der Kreuzungs- winkel sich vergrössert. Dicken Häuten kommt neben dieser Deformationsmöglichkeit noch die gleitende Verschiebung über- einander gelegener Lamellen in merklicher Weise zu (vgl. oben Gebhardt). Weder das eine noch das andere ist bei einem aus- geschnittenen Stückchen der Bündelschicht von Emyda möglich. So wurde bei Emyda mit verhältnismässig geringen Modifikationen einer alt überkommenen Struktur ein Gewebe von ganz anderen mechanischen Eigen- schaften geschaffen. Dadurch, dass ein Ausweichen der Fasern unmöglich geworden ist, besitzt die Bündelschicht eine erhebliche Druckfestigkeit. Wirkt der Druck senkrecht zur Fläche der Haut, so wird die Mehrzahl der Fasern senkrecht zu ihrer Längsrichtung bean- sprucht, also in der Dimension, in welcher ihre Druckfestigkeit am grössten ist, und die horizontalen Lagen im ganzen werden nur um so mehr zusammengepresst; scheerende Kräfte bleiben Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 237 wirkungslos, da sie nicht die einzelnen Lagen übereinander zu verschieben vermögen; Druck parallel der Hautfläche würde in tichtung der Faserung ohne kreuzschichtige Anordnung erheb- liche Deformation hervorrufen können; infolge derselben aber kommt er nicht zur Geltung; denn senkrecht zur Faserung aus- geübter Druck festigt nur den Zusammenhalt einer geschlitzten Platte. Nachdem die vorstehenden Erörterungen Aufschluss über die mechanischen Eigenschaften der beiden Schichten der Panzer- haut gebracht haben, können wir nunmehr auf den Bau der Hautmit Rücksichtauf die Schale als Ganzes eingehen. Dass die widerstandsfähigere Bündelschicht die Aussen- und die Filzschicht die Innenlage der Schale liefert, erscheint auch abgesehen von der durch die Phylogenie gegebenen Anordnung dieser beiden Schiehten (Bündellage — Modifikation der Kutis, Filzschicht —= Ersatz der tiefer gelegenen, rückgebildeten Muskulatur) insofern zweckmässig, als dadurch vor Schädigungen mittels scharfer oder stumpfer Gewalt besser Schutz geboten wird; das letzte insbesondere, weil die Bündellage ja keineswegs aus sprödem Material besteht. Ferner ist aber auch zu berücksichtigen, dass Rücken- und Bauchschale infolge ihrer Wölbung bis zu einem gewissen Grad gebogene Platten darstellen, deren konvexe Seite das Maximum der Beanspruchung erleidet, weshalb hier die grösste Festigkeit der Struktur bestehen muss. Die auffälligste Eigentümlichkeit der Panzerhaut von inyda ist wohl die schräge Orientierung der einzelnen Lamellen der Bündelschicht in bezug auf die Schalen- oberfläche. Sie scheint mir die Bedeutung zu haben, die Wölbung von Rücken- und Bauchschale zu erhalten, bezw. ihrer Abflachung Widerstand zu leisten. Ist diese Annahme richtig, dann wäre die Schrägstellung der Lamellen für die aus der Kuppelform der Schale resultierende hohe Druck- festigkeit von wesentlicher Bedeutung, soweit der unverknöcherte Randteil in Frage kommt. Wie früher berichtet, sind die Tagen der Bündelschicht in bezug auf die ganze Schale so orientiert, dass ihre inneren Enden zur Wölbung der Schale, ihre äusseren dagegen zur Peri- pherie der Schale hinweisen (vgl. Textfig. D, S. 205). Denkt man sich nun in der beschriebenen Richtung und zwar nach dem 238 W. J. Schmidt: Sehaleninnern hin einen: Zug ausgeübt, so wird er offenbar die Wölbung der Schale erhöhen, wie ein Blick auf Textfig. Ha ohne weiteres erkennen lässt. Nun geht zwar von den Lagen der Bündelschicht kein aktiver Zug aus, aber wenn von aussen her auf die Schale ein Druck wirkt, . der sie abflachen würde, dann widersetzen sich die schräg ge- stellten Lagen diesem Bestreben. Dass die schräge Orientierung der Bündellagen, so wie sie in der Schale vorliegt, einen derartigen 6 Effekt hervorrufen muss, wird vor Schema zur Erläuterung der funk- ge. iR SICH a tionellen Bedeutung der schrägen mal vorstellt, dass die Neigung der Orientierung der Bündellagen. Schichten (bei im übrigen gleichen Winkel zur Oberfläche) eine ent- gegengesetzte wäre (Textfig. Hb). Unter solchen Umständen würden sie durch einen Aussendruck nicht: in Spannung versetzt und wären daher unfähig, ihm zu widerstehen. Im Schema, Textfig. Ha u. b, ist der Neigungswinkel der Lamellen der Bündel- schicht gegen die Schalenoberfläche grösser angenommen als in Wirklichkeit. Seine Grösse ist selbstverständlich nicht ohne Ein- fluss auf die quantitative Leistung eines solchen Systems ; hier kam es aber nur darauf an, eine Vorstellung von der Art seiner Funktion zu gewinnen. In diesem Zusammenhange müssen wir auch nochmals der Filzschicht gedenken; nimmt sie doch die inneren Enden der Lamellen der Bündellage in sich auf und dient so ihrer Ver- ankerung. Denkt man sich die schrägen Lamellen nach dem Innenraum der Schale bis zu ihrem Schnittpunkt weiter fortgesetzt, so würde ein Fasersystem entstehen, das sich funktionell einiger- massen den Verstrebungen vergleichen liesse, die das Innere einer Kuppel durchsetzen und durch wesentlich radiale Zug- wirkungen ihre Festigkeit erhöhen. Wird ein solches System nicht vollkommen, sondern nur auf seiner Peripherie ausgeführt, so muss für eine sichere Verankerung der zentralwärts weisenden Enden desselben gesorgt werden. Diesen Dienst leistet wohl für die Lamellen der Bündelschicht die Filzlage. Textfig. H. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 239 Ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass die schräge Orientierung der Lamellen für die Bewegung der Klappen des Bauchschildes (s. Einleitung und vgl. Textfig. D) eine Rolle spielt und wenigstens zum Teil einen automatischen Ablauf dieses Vorganges bewirkt, indem ein Öffnen dieser Klappen durch Aus- strecken der Hinterbeine einer aktiven Verminderung der Wölbung des Bauchschildes gleichkommt, die sich beim Schliessen von selbst wieder ausgleicht. Dass die Faserung der kreuzschichtigen Lagen in der Diagonalrichtung der Schale verläuft, wird wohl an erster Stelle auf die Vererbung einer gegebenen Struktur bezw. auf entwicklungsmechanische Momente zurückzuführen sein. Denn ich stimme Gebhardt (s. o.) darin vollkommen zu, dass dieses Verhalten mit den Deformationen des Körpers bei (Schwimm- und Schlängel)bewegungen in Zusammhang zu bringen ist und dass unter solchen Umständen eine derartige Anordnung der Fasern für die Oberflächenbedeckung als günstigste erscheint. Man stelle sich nur einmal vor, die Faserrichtung in den ge- kreuzten Lagen verliefe zirkulär und längs. Dann würden bei Schlängelbewegungen an den konvex geformten Krümmungen des Körpers die längsziehenden Fasern der notwendigen Dehnung der Haut widerstreben, die zirkulären dagegen auseinander zu weichen trachten. Bei zur Körperachse diagonaler Faserrichtung dagegen wird unter den gleichen Umständen durch Veränderung des Kreuzungswinkels der Schichten (s. 0.) die nötige Dehnung der Haut erzielt, ohne dass das Bestreben einer Kontinuitäts- trennung in einer der Kreuzungsrichtungen entstünde. Die grund- sätzliche Richtigkeit dieser Überlegungen findet auch wohl darin eine Stütze, dass der kreuzschichtige Bau der Lederhant nur den niederen Wirbeltieren zukommt, bei denen starke Achsenbiegungen des Rumpfes für die Fortbewegung eine Rolle spielen; mit dem Fehlen solcher Bewegungen bei Vögeln und Säugern sehen wir auch den kreuzschichtigen Bau der Haut schwinden. Da nun aber die Schale von Emyda ein starres Gebilde darstellt, lässt sich vom Boden der vorstehenden Überlegungen aus keine funktionelle Er- klärung für den Faserverlauf der kreuzschichtigen Lagen in der Diagonalrichtung des Körpers geben. Die bisherigen Erörterungen waren wesentlich der Bündel- schicht gewidmet, wenngleich wir an einzelnen Stellen schon auf 240 W.J. Schmidt: die Filzschicht zurückgreifen mussten, in der wir die Ver- ankerungsstelle der aufsteigenden Fasern und auch der schräg orientierten Lagen der Bündelschicht erblickten. Der im wesentlichen einheitliche Bau der Filzschicht bietet auch nur wenige Anhaltspunkte zu ins einzelne gehenden Erwägungen über ihre funktionellen Leistungen. Die Grenz- schicht, die dichtere Lage an ihrer Innenseite, hat offenbar die Bedeutung, den von innen her die Schale treffenden mechanischen Beanspruchungen Widerstand zu leisten; sie stellt somit ein gewisses Analogon zur Bündellage dar, der sie ja auch im Bau ähnelt. Da normalerweise die Beanspruchung der inneren Schalen- fläche viel weniger intensiv ist als jene der äusseren, so kann hier schon eine verhältnismässig dünnere Lage den gewünschten Dienst tun. Berücksichtigt man die früher auseinandergesetzte geringe Druckfestigkeit der Filzschicht, so kann ihr an sich als Skelettmaterial gegenüber der Bündellage nur untergeordnete Bedeutung zugesprochen werden. Sie stellt ein zähes Füll- material dar, das die beiden festeren, äusseren und inneren Schichten (Bündel- und Grenzschicht) zu einem Ganzen verknüpft und durch seine Elastizität sehr geeignet erscheint, lokale Insulte, welche die Schale von aussen treffen, aufzunehmen, zu dämpfen und unschädlich zu machen. Dabei ist nicht zu vergessen, dass dieses Füllmaterial durch seine Einlagerung zwischen festen Schichten, die der in ihm reichlich vorhandenen, halbflüssigen inkompressiblen, interfibrillären Kittmasse den Ausweg versperren, selbst an Festigkeit gewinnt und damit die Leistungsfähigkeit der Schalenhaut als Ganzes steigert. Literaturverzeichnis. 1. Biedermann, W., 1914: Physiologie der Stütz- und Skelettsubstanzen, in: Handb. vgl. Physiol., herausg. v. Winterstein. III. Bd.,I,1. Jena, - 2. Bienz, A., 1895: Dermatemys Mavii Gray. Inaug.-Diss. Philos. Fak. Basel (auch in Revue Suisse de Zoologie, vol. III, p. 61). 3. Ficalbi, E., 1889: Osservazioni sulla istologia della pelle dei rettili cheloniani, in: Atti della R. Accademia dei Fisiocritici, Serie IV, vol. I. 4. Gebhardt, C., 1906: Über funktionell wichtige Anordnungsweisen der feineren und gröberen Bauelemente des Wirbeltierknochens. II. Spezieller Teil. 1. Der Bau der Haversschen Lamellensysteme und seine funktio- nelle Bedeutung, in: Arch. f: Entwicklungsmech., Bd. 20, 8. 187. [62 9. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 241 Derselbe, 1914: Einige mechanisch interessante Bindegewebsstrukturen, in: 28. Verh. Anat. Ges. Goette, A., 1899: Über die Entwicklung des knöchernen Rücken- schildes (Carapax) der Schildkröten, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LXVI, S. 407. Hertwig, O., 1874: Über Bau und Entwicklung der Placoidschuppen und der Zähne der Selachier, in: Jen. Zeitschr. N. F., Bd. 1, S. 331. Hoffmann, C.R., 1878: Beiträge zur vergl. Anatomie der Wirbeltiere, in: Niederl. Arch. f. Zool., Bd. IV, 2. u. 3. Heft. Derselbe, 1890: Reptilien, in: Bronns Klassen und Ordn. des Tier- reichs., VI. Bd., III. Abt., I. Schildkröten. . Krauss, F., 1906: Der Zusammenhang zwischen Epidermis und Kutis bei Sauriern und Krokodilen, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 67, S. 319. . Lwoff, 1885: Beiträge zur Histologie der Haut der Reptilien, in: Bull. de la societe des naturalistes de Moscou, annee 1884, p. 313. Rathke, H., 1848: Über die Entwicklung der Schildkröten. Braun- schweig. Roux, W.,1895: Gesammelte Abhandlungen über Entwicklungsmechanik der Organismen. I. Bd. Leipzig. Schmidt, W.J., 19109: Das Integument von Voeltzkowia mira Bttgr., in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XCIV, S. 611. Derselbe, 1912: Studien am Integument der Reptilien. I. ebendort, Bd. CI, S. 139. . Derselbe, 1913: Dasselbe IV, in: Zool. Jahrb., Bd. 36, Abt. f. Anat., S. 377. . Derselbe, 1914: Dasselbe V, ebendort, Bd. 38. Abt. f. Anat., S. 1. . Derselbe, 1917: Die Chromatophoren der Reptilienhaut, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 90, Abt. I., S. 98. . Derselbe,$ 1918: Über die Beziehungen dei glatten Muskelzellen in der Haut vom Laubfrosch zum Epithel, in: Anat. Anz., Bd. 51. S. 289. . Derselbe, 1919: Sind die Muskelzellen in den perforierenden Bündeln der Haut bei Rana ektodermalen Ursprungs ?, ebendort, Bd. 52, S. 115. . Derselbe, 1920: Die Ontogenie der glatten Muskelzellen in der Frosch- haut,» ein Beispiel für die Differenzierung der Epidermis durch Muskel- zug, in: Zeitschr. f. allg. Physiol., Bd. XVII, S. 317. Derselbe, 1920: Über Schuppenrudimente und Hautsinnesorgane bei Emyda granosa, in: Zool. Anz., Bd. LII, S. 11. . Derselbe: Über den Nachweis der Epidermis-Tonofibrillen (bei Emyda) in polarisiertem Licht, erscheint im Arch. f. Zellforschung, Bd. XVI. . Versluys, J., 1914: Über die Phylogenie des Panzers der Schild- kröten und über die Verwandtschaft der Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), in: Palaeontolog. Zeitschr., Bd. I, S. 321. 242 W.J. Schmidt: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XIV. Tafel XIII. Faserverlauf in der Lederhaut. Alle Abbildungen sind nach meist ungefärbten und dann bei engen Beleuchtungskegeln beobachteten Schnitten durch die unverknöcherte Haut der Schale von einer 13,5 cm langen Emyda granosa unter Benutzung des Abbeschen Zeichenapparates hergestellt (Entfernung der Zeichenfläche von der Austrittspupille des Mikroskops — 250 mm). Für alle Figuren gilt: B — Bündelschicht E = Epidermis F — Filzschicht + — Grenzschicht L = längsgetroffene Bündel Q —= quergetroffene Bündel. S — senkrecht aufsteigende Fasern Fig. 1. Diagonaler Querschnitt der Rückenhaut: Bündel- schicht und angrenzender Teil der Filzschicht. In den tieferen Lagen der Epidermis kleine Melanophoren; in dem anstossenden lockeren Teil der Bündelschicht stärkere Anhäufung der kutanen Melanophoren, zwischen ihnen, dicht unter der Epi- dermis, die schwach ausgebildete Lage der Guanophoren. Die Lagen der Bündelschicht abwechselnd quer und längs getroffen. Ungefärbter Schnitt. Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.- Okular 4. Vergr. 62:]. Fig. 2. Diagonaler Querschnitt der Bauchhaut: Bündel- schicht und angrenzender Teil der Filzschicht: Unter der Epidermis die kräftig entwickelte Guaninlage. Die Lagen der Bündelschicht steigen deutlich von links nach rechts an; die unterste (längsgetroffene) Lage läuft sich verschmälernd nach links hin aus; die oberste (unmittelbar unter dez Guanin- schicht gelegene) endigt sich verjüngend nach rechts hin. Im übrigen vgl. unter Fig. 1. Ungefärbter Schnitt. Optik wie in Bio? Vergr 16260: Fig. 3. Diagonaler Querschnitt durch den oberen Teil der Bündel- schicht (Bauchhaut, Guanin durch Behandeln mit Ammoniak- wasser entfernt). Man beachte die lockere Lage der längs- und quergetroffenen Bündel nahe der Epidermis (in dieser Zone sind auch Querschnitte von Gefässen V_ sichtbar‘, ferner das Verhalten der aufsteigenden Fasern und ihre Beziehung zur Epidermis. Un- vefärbter Schnitt (die Kerne sind nach Lage, Häufigkeit und Form unter Zugrundelegen gefärbter Präparate schwarz schematisch eingetragen). Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp.-Okular 8. Vergr. 250:1. LEE Bier: RE. 9. Fig. 10. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 243 Diagonaler Querschnitt durch den mittleren Teil der Bündel- schicht (Rückenhaut): System der senkrecht aufsteigenden Fasern und sein Verhalten in der Höhe quer („Kantenansicht“) und längs getroffener Bündellagen („Flächenansicht“, „Umbündlung“). Technik und Optik wie in Fig. 3. Vergr. 250:1. Diagonaler Querschnitt durch dieuntersteLage der Bündel- schicht und den angrenzenden Teil der Filzschicht (Bauchhaut): Ausstrahlen der senkrecht aufsteigenden Fasern in die Filzschicht. Technik und Optik wie in Fig. 3. Vergr. 250:1. Diagonaler Querschnitt durch die Grenzschicht der Rücken- haut. Ungefärbter Schnitt. Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.-Okular 4. Vergr. 62:1. Horizontalschnitt durch die Bündellage nahe der Epidermis (Bauchhaut). Zwei sich rechtwinklig kreuzende Lagen der Bündelschicht sind im Schnitt enthalten; innerhalb jeder Lage gabeln die Bündel sich und verschmelzen miteinander; die senkrecht aufsteigenden Fasern (von rundlichem Durchschnitt) sind quergetroffen. Schnittdicke 15 „, Färbung Eisenhämatoxylin und Säurefuchsin ; Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp.-Okular 8. Vergr. 250 ::1. Horizontalschnittdurchdenmittleren Teilder Bündel schicht (Rückenhaut). Nur eine Lage von Bündeln ist im Schnitt enthalten, die sich vielfach gabeln und verschmelzen. Die dicht aneinander stehenden, senkrecht aufsteigenden Fasern erscheinen (bandartig abgeplattet) quer getroffen in den Spalten zwischen den Bündeln. Ungefärbter Schnitt. Optik wie in Fig. 7. Vergr. 250 :1. Horizontalschnittdurch den untersten Teilder Bündel- schicht und den angrenzenden der Filzschicht. Links zwei sich kreuzende Lagen der Bündelschicht im Schnitt enthalten, deren eine nach rechts in die Filzschicht ausstrahlt; in diesem äussersten Teil der Filzschicht mehrfach Gefässe (V) und Nerven (N) getroffen. Ungefärbter Schnitt. Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.-Okular 4. Vergr. 62:1. Örthogonaler Querschnitt durch den mittleren Teil derBündelschicht (Bauchhaut): Alle Bündellagen sind schräg getroffen; man beachte das Verhalten der senkrecht aufsteigenden Fasern. Schnittdicke 15 „, Färbung Eisenhämatoxylin und Säurefuchsin; Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp.-Okular. 8. Vergr. 250:1. Tafel XIV. Epidermis und Epidermis-Kutisverbindung. Alle Abbildungen sind unter Benutzung des Abbeschen Zeichen- apparates hergestellt. (Entfernung der Zeichenfläche von der Austritts- pupille des Mikroskops = 250 mm.) Die Präparate stammen, sofern nichts anderes angegeben, von der Panzerhaut einer 13,5 cm langen Emyda granosa. 244 tesa Fig. 12, Fig. 18. Fig. 14. Fle. 15. Fig. 17. W.J. Schmidt: Querschnitt durch die Epidermis des Bauchschilde. Horn- schicht fein horizontal gestreift; in der basalen Zellschicht des Stratum Malpighii die schlanken dunkler erscheinenden Kerne der Ansatzzellen kenntlich; am Unterrand der Epidermis als schmale dunkle Zone das basiepitheliale Netz sichtbar, aus dem die aufsteigenden Fasern hervorgehen. Färbung Delafields Hämatoxylin und Pikrinsäure-Säurefuchsin nach van Gieson. Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp.-Okular 8, Vergr. 250::1. Desgl. aber mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Hornschicht tief schwarz; im Stratum Malpighii Zellbrücken, in seiner basalen Schicht die infolge der starken Ausbildung von Tonofibrillen stark geschwärzten Ansatzzellen sichtbar; basiepitheliales Netz und Ansatzkegel der aufsteigenden Fasern. Optik wie bei voriger Abbildung. Vergr. 250:1. Flachschnitt durch die basale Zylinderzellenschicht der Epidermis vom Bauchschild. Verteilung der Ansatzzellen’ Färbung, Optik wie in Fig. 12. Vergr. 250:1. Zellgruppen aus einem Flachschnitt wie in Fig. 13. Ansatz- zellen kräftig gefärbt, von geringem Querschnitt; in ihrer Peripherie die quer getroffenen Tonofibrillen als dunkle Punkte; alle Zellen durch Brücken miteinander verbunden. Färbung Eisen- hämatoxylin und Eosin. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1,30 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000: 1. Ähnliche Zellgruppe wie in der vorhergehenden Abbildung (aber aus der Epidermis des Rückenschildes). In der Peripherie aller Zellen die Querschnitte der Tonofibrillen sichtbar; Ansatzzellen durch Übergänge mit den gewöhnlichen basalen Zylinderzellen verbunden, Zellbrücken. Färbung, Optik wie in Fig. 14. Vergr. 1000:1. . Aus einem Querschnitt der Lippenepidermis: einige Zellen der mittleren Zone des Stratum Malpighii, durch weite Interzellularlücken voneinander getrennt, die von zarten, mit Knötchen versehenen Zellbrücken durchsetzt werden. In den Zellen Tonofibrillen, die sich stellenweise bündelartig durch mehrere Zellagen hindurch verfolgen lassen; die auf diese Bündel entfallenden Brücken und Knötchen sind besonders kräftig ausgebildet. Färbung Eisenhämatoxylin. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.40 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000:1. Flächenansicht einer Zelle aus den mittleren Lagen des Stratum Malpighii, 'Epidermis der Rückenschale). Am Rande Zellbrücken, im Innern die Tonofibrillen im optischen Querschnitt, besonders deutlich um den Kern herum ausgebildet; im Plasma bläschen- förmiger Einschluss. Färbung Eisenhämatoxylin, Optik wie bei Fig. 14. Vergr. 1000:1. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 26. Fig. 27. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 245 Zweikernige Zelle von gleicher Herkunft wie Fig. 17. Fär- bung, Optik wie bei Fig. 14. Vergr. 1000:1. Flächenansicht von drei Zellen aus den oberen Lagen des Stratum Malpighii (Epidermis der Bauchschale), bei zweien derselben ist auf das Innere des Zelleibes eingestellt, bei der dritten auf die von Zellbrücken übersäte Oberfläche. Färbung, Optik wie bei Fig. 14. Vergr. 1000:1. Flächenansicht von drei Zellen aus den obersten Lagen des Stratum Malpighii (Epidermis der Bauchschale. Keratohyalinkörner. Färbung, Optik wie bei Fig. 14. Verg. 1000:1. Zwei Zellen aus dem Übergangsgebiet von dem Stratum Malpighii zur Hornschicht (Querschnitt der Lippenhaut). Horizontale Anordnung der Tonofibrillen in den Zellen, deren Zu- sammenhang mit den Interzellularbrücken stellenweise kenntlich ist. Färbung Eisenhämatoxylin, Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1,40 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000 :1. Querschnitt der Hornschicht und der anliegenden Lagen des Stratum Malpighii. Die Zellbrücken bleiben in der ganzen Horn. schicht erhalten, sind auch auf ihrer Aussenfläche sichtbar. Färbung, Optik wie bei Fig. 14. Vergr. 1000:1. . Flächenansicht einer in Verhornung begriffenen Zelle der Lippenepidermis. Die Tonofibrillen umziehen (horizontal ge- lagert), zu dickeren Bündeln verklebt, allseits den Kern. Färbung Eisenhämatoxylin-Eosin, Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.40 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000 :1. . Teil der Flächenansicht einer Hornzelle der Lippenepidermis Tonofibrillen im Zellinnern nicht mehr färbbar. Färbung, Optik wie bei voriger Abbildung. Vergr. 1000:1. . Epidermis-Kutisverbindung (Bauchschild). Die aufsteigen- den Fasern liefern durch ihre Verzweigung das basiepitheliale Netz, das die unteren Enden der Zylinderzellen umfasst. Färbung Eisenhämatoxylin (stark differenziert) und Pikrinsäure-Säurefuchsin nach van Gieson. Optik wie in Fig. 14. Vergr. 1000: 1. Einzelne basale Zylinderzellen der Epidermis; die Striche markieren die Lage des basiepithelialen Netzes. a und b die unteren Enden der Zellen werden von den Maschen des basi- epithelialen Netzes hülsenartig umfasst; c. u. d Beziehung der Netzmaschen zu den Tonofibrillen, e—g Zellen mit kräftig aus- gebildeten Tonofibrillen, die in die Zone des basiepithelialen Netzes hineinreichen. Färbung Eisenhämatoxylin allein (e, f, g) bezw. kombiniert mit Pikrinsäure-Säurefuchsin. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.40 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000:1. Basiepitheliales Netz im Flachschnitt der Epidermis (Bauchschild); die Maschen entsprechen den unteren Enden der basalen Zylinderzellen. Färbung Eisenhämatoxylin und Säure- fuchsin, Zeiss’ Apochromat 2 mm, N. A. 1.30 und Komp.- Okular 8, Vergr. 1000 :1. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd,9. Abt. I. 17 246 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. W.J. Schmidt: Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa. 28. 29. ie. 30. 31. 32. 33. 34. Beziehung des basiepithelialen Netzes zu den der Epidermis nächst gelegenen Fasern derhorizontalen Bündel. Färbung, Optik wie in voriger Abbildung. Vergr. 1000:1.° Basiepitheliales Netz (Rückenschale): Fortsätze der basalen Zellen von den Querschnitten der Tonofibrillen umsäumt. Färbung Eisenhämatoxylin-Eosin, Optik wie in Fig. 27. Vergr. 1000:1. Basiepitheliales Netz sehr nahe der Koriumgrenze getroffen: Netzbalken breiter als die von ihnen umschlossenen Zellfortsätze. Färbung, Optik wie in Fig. 29. Vergr. 1000:1. Querschnitt durch den Ansatzkegel einer senkrecht aufsteigenden Faser, in dem noch einige Durchschnitte von Tonofibrillen sichtbar sind. Färbung, Optik wie in Fig. 29. Vergr. 1000:1. Flachschnitt durch die Bündellage unmittelbar unter der Epidermis: zwei aufsteigende Fasern im Querschnitt. Färbung, Optik wie in Fig. 29. Vergr. 1000:1 (vgl. Fig. 7, Taf. XIII). 3 Filzschicht einer jungen Emyda granosa: kollagene Fasern durch reichliche interfibrilläre Kittmasse (Mucin) geschieden ; in der letzten die Zellen (Fibroblasten). Färbung Delafields Hämatoxylin-Eosin. Optik Zeiss’ Apochromat 2 mm. N. A. 1.30 und Komp.-Okular 4. Vergr. 500: 1. Fibroblast aus der Haut der Unterlippe einer 3,5 cm langen Emyda granosa.. Dem Kern angelagert ein Diplosom. Färbung Eisenhämatoxylin. Optik Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1.30 und Komp.-Okular 8. Vergr. 1000:1. Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem. Über die Lochkerne der Iymphatischen Randschicht der Leber und des Mesenterium von Triton alpestris. Von Susanna Levy. In allen tierischen Zellen, mit Ausnahme der Säugererythro- zyten, finden sich konstant zwei Bestandteile, die in engen Be- ziehungen zueinander stehen: Protoplasma und Kern. Diese beiden bestandteile bestehen in der Hauptsache aus Kolloiden. Die Gesetze der Viscosität und Oberflächenspannung bedingen ihre gegenseitige Abgrenzung. In der Mehrzahl der Zellen ist der Kern ein annähernd kugelförmiges oder langgestrecktes kompaktes “ebilde. Kerne, die in ihrer Gestalt von diesem Typus abweichen, haben stets lebhaftes Interesse erweckt. Seit Flemmings und Strasburgers grundlegenden Untersuchungen und den zahl- reichen Arbeiten, die sich daran anschlossen, ist es Allgemeingut geworden, dass die Vermehrung der Zellen im Tier- und Pflanzen- reich in der Regel auf dem Wege der sogenannten indirekten Kernteilung oder Mitose erfolgt. Es erübrigt sich daher, diesen Vorgang näher zu beschreiben. In einer Reihe von Zellarten soll aber die Vermehrung durch einen wesentlich einfacheren Prozess, die Kern- und Zellzerschnürung, Kernsegmentierung (Arnold) oder Amitose erfolgen. Die Erscheinungen der Amitose sind vielfach beschrieben, aber auch mindestens ebenso häufig bestritten worden. Mit der Ausbildung und Verfeinerung der histologischen Technik ist es allmählich gelungen, für zahlreiche Fälle, in denen amitotische Kern- und Zellteilungen beschrieben waren, nachzuweisen, dass es sich hier doch um mitotische Kern- teilung oder aber um andere Vorgänge wie Kernverschmelzungen und dergleichen handelte. Die amitotische Kernteilung haben die Autoren oft geglaubt annehmen zu müssen, wenn die Kern- form von der Kugelgestalt erheblich abwich, also bei den vielen Fällen sogenannter polymorpher Kerne. Ich glaube -dass hier sehr grosse Skepsis am Platze ist. Sagt doch ein so grundlegender INS 24 Rn Susanna Levy: Zellforscher wie Boveri in seiner 1914 erschienenen Arbeit „Zur Frage der Entstehung maligner Tumoren“: „Soweit mir bekannt, ist bisher nur ein einziger Fall be- schrieben worden, in welchem die Chromosomenverhältnisse nach einer sicherlich direkten Teilung verfolgt worden sind; das ist der kürzlich von G. Kautzsch im Würzburger zoologischen Institut beobachtete, der sich auf die Teilung abnorm grosser II. Richtungs- körper von Ascaris megalocephala bezieht.“ Boveri verlangt, wenn eine amitotische Zellteilung an- genommen werden soll, dass gezeigt wird, dass: 1. der doppelkernige Zustand wirklich auf Teilung beruht, 2. sich um jeden von diesen Kernen ein Teil des Proto- plasmas abgrenzt, 3. die so entstehenden Zellen sich wieder amitotisch teilen und dabei die normale Chromosomenzahl besitzen. Er hat „den Eindruck gewonnen, dass die meisten Autoren in der Überzeugung, direkte Teilung sei schon von ihren Vor- gängern mit genügender Sicherheit nachgewiesen, sich mit un- zureichenden Indizien begnügen“. Amitotische Teilung sollte nach La Valette St. George, Meves, Benda, Mc. Gregor u. a. in den Archispermatozyten auftreten, und zwar sollen sich dort die sogenannten polymorphkernigen Zellen auf diesem Wege teilen. Neuere Untersucher, wie King und F.Levy, haben aber diese Befunde nicht bestätigen können. Eine besonders auffällige Form von Zellkernen wurden in den Archispermatozyten des Salamanderhodens von Bellonci und Meves beschrieben, sogenannte Ringkerne. Diese Kerne weisen Löcher verschiedener Dimensionen auf, „zuweilen bei Plattentochter- kernen ist es so weit, dass die grosse Attraktionssphäre dieser Zellen im kugeligen Zustand bequem in ihm Platz findet. Häufig aber ist es bei mehr kugeligen Tochterkernen eng und in der Richtung der Durchbohrung lang- gestreckt. Die Kernringe sind nicht stets überall gleich dick und zeigen ausserdem zuweilen an der äusseren Peripherie leichte Einkerbungen.“ Ich entnehme der Dissertation von Meves, da mir die Arbeit Bellonecis „Über Entstehung von Ringkernen in den Spermatogonien (Archispermatozyten F. Levy) von Triton“ nicht zugänglich ist: „Die Rekonstruktion der Tochter- kerne der Geschlechtszellen in den Samensträngen von Triton geht in eigen- tümlicher Weise vor sich. Die Elemente der beiden Tochterkerne erhalten sich in Form körniger Fäden auch dann noch, wenn die Rekonstitution des Kernes beginnt, aber die Gesamtheit der Figur mit dem neuen Kernsaft, welcher die Teile verklebt, hat das Aussehen eines Ringes, in welchem das zentrale Loch des ursprünglichen Sternes bestehen bleibt und zugleich die radiäre Anordnung der chromatischen Elemente. In diesem Stadium sind Lochkerne von Triton alpestris. 249 die Tochterkerne konvex-konkav; sie sehen mit ihrer Konkavität nach- einander hin. Dann wird die Kernmembran deutlich; es verschwindet die radiäre Anordnung des Chromatins, die Nukleolen bilden sich, aber es bleibt die konvex-konkave Totalform. „Das zentrale Loch wird enger und unregelmässiger und oftmals sieht man von ihm radiäre Spalten ausgehen: in diesem Fall ist die Kontur des Kernes unregelmässig. Von diesen letzteren Formen gelangt man zu anderen, welche einige radiäre, etwas unregelmässige Ausschnitte aufweisen, und von diesen durch eine ununterbrochene Stufenfolge zu mehr charak- teristischen polymorphen Kernen, deren Falten und Spalten eine vorwiegend radiäre Richtung haben.“ Meves bestätigt die Befunde Belloncis und ergänzt sie. Er ist der Ansicht, dass die Membranbildung bei den Tochterkernen früh einsetzt und nicht nur am äusseren Umfang, sondern auch in dem Umkreis des von der Zentralspindel passierten Kernbinnenraums, Da auf diese Weise Spindel- teile in jeden Tochterkern mit eingeschlossen werden, sollen die Chromosome, von denen Meves annimmt, dass sie aussen der Spindel tangential auf- liegen, einen ringförmigen Ruhekern bilden, der Sphäre und Spindelrest um- schliesst. Das Loch soll sich erhalten bis zur nächsten Teilung, sei es, dass diese durch Mitose oder Amitose erfolet. Die Grundannahme, dass in der Metaphase die Chromosomen der Spindel tangential anliegen, hat sich als unhaltbar erwiesen. Es sind vielmehr öfters Äquatorialplatten abgebildet worden, aus denen zu ersehen ist, dass Chromosome auch im Innern der Spindel; die ein Rotationskörper ist, an Spindelfäden ansetzen. Meves vermutet ebenfalls, dass für einen Teil der polymorphen Kerne Bellonecis Annahme eines Zusammenhanges von Ring- und polymorphen Kernen zu Recht besteht. Von neueren Untersuchern der Spermatogenese haben sich insbesondere Champy und F. Levy eingehender mit diesen Zellen befasst. Champy hat für viele Amphibienarten die polymorphen Kerne beschrieben, aber über die Entstehungsweise dieser Gebilde nichts gesagt. Er fand die verschiedensten Formen von Kernen in Archispermatozyten. Die beiden Extreme, zwischen denen er alle Übergänge sah, beschreibt er folgendermassen: 1° „Cellules a noyau gen6eralement fonc€ riche en chromatine, a deux ou trois lobes r&unis par des ponts de substance @pais. Les lobes sont souvent plus nombreux, rarement moins; quelquefois cependant, le noyau est arrondi (fig. 202). Le cytoplasme est homogene, finement granuleux, pauvre en enclaves graisseuses ; c'est la gonie du type gonocyte. II est tres rare de trouver des gonies primitives a noyau rond, alors que c’est frequent chez Axolotl par exemple : 2° Cellules a noyau peu colorable, tres lob@ et incise, souvent difficile A distinguer du cytoplasme en certains points. En general, il a l’aspect d’un noyau chiffonne et incise et tr&s repli& sur lui-möme en E,en Seten M (fig. 201). L’aspeet varie beaucoup ä cause de la diversite de taille des lobes. En general, le cytoplasme de ces &l&ments est grossierement granuleux et riche en enclaves graisseuses (fig. 201).* Interessant ist nun weiter ein Befund, den Champy nicht richtig zu deuten vermochte. An einer späteren Stelle schreibt er: 250 Susanna Levy: „Chez les especes a noyau tres polymorphe (tritons, salamandres. crapauds) on observe souvent, dans le cytoplasme, un lobe du noyau separ€ compl&ötement dela masse nucl&aire (aimi qu’on peut s’en assurer par l’examen de la serie des coupes) et dont la chromaticit€e est plus on moins degradee- Quelquefois, la chromatine a completement disparu plutöt a perdu sa colora- bilit6 est plus on moins degradee par l’hematoxyline au fer, et le stroma nucleaire est plus on moins nettement acidophile. Le phenom£ne est plus net encore chez les especes a noyau rond ou l’on observe fr&equemment, ä cöte du noyau principal un noyau plus petit, muni d’un nucl&ole et dont la colorabilit€ et la forme sont plus ou moins alter6es.“ Er deutet diese Befunde als Zeichen von ungleich teilender Amitose. Die Untersuchungen von F. Levy haben aber ergeben, dass viele der bizarren Kernkonglomerate, die man in den Archispermatozyten antrifft, nichts mit Amitose zu tun haben, sondern auf Verschmelzung poikiloploider Kerne be- ruhen, und nicht verschmolzene poikiloploide Kerne sind auch Champys kleine Nebenkerne zweifellos. Im Zusammenhang mit diesen Untersuchungen meines Mannes erschien es wertvoll nachzuprüfen, inwiefern ähnliche Verhältnisse auch in anderen Zellen vorkommen, in denen das Auftreten von Lochkernen früher beschrieben worden ist. Ich darf es mir wohl versagen, die oftmals bei Ballowitz u. a. zusammengestellte Literatur hier noch einmal eingehend zu referieren. Ein günstiger Zufall fügte es, dass mir am Ende unserer Experimentierperiode eine grössere Anzahl von Triton alpestris zur Verfügung stand, so dass ich an demselben Material, an dem (Göppert 1891 Lochkerne gefunden hatte, eine Nachprüfung vornehmen konnte. Die Tritonen waren zwei bis vier Wochen in unserem Aquarium gehalten. Die Tiere wurden durch einen Scherenschlag getötet und Leberstücke und Mesenterien fixiert. Die Mesenterien bieten den Vorteil, dass sie so dünn sind, dass man Totalpräparate untersuchen und dadurch zahlreiche Fehlerquellen ausschalten kann. Kleine Glasschälchen wurden mit Paraffın ausgegossen und darin die Mesenterien mit den von ihnen versorgten Darm- stücken mit Igelstacheln aufgespannt. Der Darm wurde erst nach der Alkoholhärtung entfernt, da er das Manipulieren mit den feinen Häuten sehr erleichterte.e Als Fixationsmittel dienten: Sublimat-Eisessig, Alkohol-Äther, sowie die Gemische von Flem- ming, Zenker, Helly und CGarnoy. Die Leberstückchen wurden in Paraffin eingebettet und mit dem Tetrander-Mikrotom von Jung in 10 u dicke Schnitte zerlegt. Als Färbungen dienten: Lochkerne von Triton alpestris. 251 Hämatoxylin nach Delafield oder Hämalaun nach P. Mayer; hierzu als Plasmafärbungen Orange G, Pikrofuchsin nach van Gieson, ferner Pikroindigokarmin nach Cajal (modif. von F. Levy), Kupfer- und Eisenhämatoxylin. Befunde. Im Mesenterium von Triton alpestris findet man zwischen eingestreuten Bindegewebsfibrillen vorwiegend zwei Sorten von Kernen, bei denen es nicht immer leicht ist, ein Protoplasma färberisch abzugrenzen, und zwar erstens stärker gefärbte spindel- förmige Bindegewebskerne, an denen öfters der Zusammenhang mit den Bindegewebsfibrillen nachweisbar ist, und zweitens zahl- reiche grosse mattgefärbte Kerne, in denen ein oder zwei Nukleoli färberisch darstellbar sind. Ein gleichmässig über den Kern ver- teiltes Kerngerüst von Netzstruktur mit an den Knotenpunkten eingestreuten Chromatinkörnchen habe ich nie beobachtet. Da- gegen zeigt es sich, dass an ungünstig fixierten Kernen eigen- artige, ganz unregelmässig verlaufende Kanälchen sichtbar wurden. In seltenen Fällen fand sich zentral eine helle Stelle, die den Durchbohrungen entsprach, die Göppert in der Iymphatischen Randschicht der Salamandrinenleber beobachtet hatte. Die Schnitte durch Tritonlebern, die ich durchmusterte, zeigten mir, dass die sogenannte Iymphatische Randschicht ganz ähnliche Zellen ent- hielt. Neben diesen grossen Zellen findet man alle Übergänge zu etwas kleineren Kernen mit einem stärker färbbaren gekörnten Chromatin (Textfig. 1). Ob die Verkleinerung der Kerne etwa durch Wasseraustritt erfolgt, und ob dadurch eine Kondensation des Chromatins eintritt oder andere chemische Umsetzungen dabei vor sich gehen, kann ich nicht entscheiden. In den Kernen Fig. 1.') Fig. 2. Fig. 3. ’) Vergrösserung sämtlicher Textfiguren 1:1000. Für die sorgfältige Ausführung der Zeichnungen bin ich Fräulein Marie Levy zu grossem Dank verpflichtet. 252 Susanna Levy: machen sich dicke chromatische Stränge immer stärker bemerkbar und zwar gewöhnlich ein, zwei oder drei (Textfig. 2). Diese Stränge nehmen eine hantelähnliche Form an, die Enden schwellen kolbenförmig an, die Verbindungsbrücken werden immer länger und feiner (Textfig. 3). Häufig beginnen nun die Kerne sich in die Länge zu strecken, wobei aber nur die kolbenförmige An- schwellung eines Chromatinfadens hineinragt (Textfig. 4). Es ent- stehen auf diese Weise Bilder, die mehr oder minder an die Vorgänge erinnern, welche bei Protozoen als Promitose beschrieben worden sind. Wenn der Verbindungsfaden zwischen zwei kolben- förmigen Anschwellungen ganz fein geworden ist, schnürt sich die umgebende Kernmasse ein, ähnlich wie etwa R. Hertwig bei Podophrya die Kernknospung beschreibt (Textfig. 5). Häufig ziehen Fig. 4. Fin 5. u Fig. 6. sich aber erst nacheinander die Chromatinhanteln auseinander, und erst wenn der Kern dadurch mehrere pseudopodienähnliche Fortsätze nach allen Seiten ausgestreckt hat, zerschnürt er sich in viele kleine Läppchen (Textfig. 6). Die einzelnen Läppchen haben im diffus gefärbten Kernsaft ein oder mehrere dunkel- gefärbte Chromatinkörner und bleiben dauernd durch feine Fäden miteinander verbunden. Wenn die Zerschnürung einsetzt, werden im Plasma dicke azidophile Granula deutlich sichtbar. Die Kern- läppchen hängen unregelmässig zusammen. Zwischen den einzelnen Läppchen finden sich Brücken. Die Läppchen können so gelagert sein, dass eine S-Form zustande kommt, .dass sie in einem Bogen Lochkerne von Triton alpestris. 253 liegen oder gar Ringe zu bilden scheinen. In den Zellen, nach denen die Figuren 7 und S gezeichnet wurden, war deutlich zu sehen, dass die einzelnen Läppchen sich zum Teil überlagerten. Schon Flemming hat beobachtet, dass bei Leukozyten Kerne ringförmig erscheinen, weil ihre Enden sich überdecken. Den Kerneinschnürungen entsprechende Plasmaeinschnürungen habe ich mie beobachtet. Auch Mitosen habe ich in diesen Zellen nicht gesehen, weder vor noch nach der Zerschnürung. Ein Vergleich mit den Befunden Göpperts ergibt in der Hauptsache eine Übereinstimmung, aber in Einzelheiten und Deutungen Abweichungen. Bestreiten muss ich, dass die Kerne eine so schematisch radiär angeordnete Struktur besitzen, wie Göppert sie beschreibt. Kerne mit zentraler Durchbohrung fand ich nur selten und bin geneigt anzunehmen, dass beim Schneiden ein Kanälchen getroffen wurde, wie ich sie oben be- schrieb. Dies kann man auch durchaus in Einklang bringen mit Göpperts Beschreibung, wenn er sagt: In einigen Fällen ergab sich, dass die Mündung des den Kern durchbohrenden Kanals auf der einen Seite der Kernoberfläche einen ziemlich grossen Spalt, auf der entgegengesetzten nur ein kleines rundliches Loch darstellt. An dieses Verhalten schloss sich der Befund von Kernen an, in denen nur eine Einsenkung von einer Stelle der Peripherie aus ins Innere des Kerns zu konstatieren war, aber keine voll- ständige Durchbohrung vorlag. Derartige Kerne sind dann etwa mit einem sehr dickwandigen Becher zu vergleichen. Göppert nimmt an, dass es sich hier um Vorstufen seiner Lochkerne handelt, was mir zweifelhaft ist. Die Zerlegung der Ringkerne in zwei bis acht Tochterkerne will er nach zwei Modifikationen haben ablaufen sehen. Das Resultat des häufigeren Modus ist, dass man den Kernring durch Scheidewände in eine Anzahl von Teil- stücken zerlegt findet, ohne dass die ursprüngliche Form des Ringes wesentlich beeinträchtigt ist. Die Orientierung dieser Scheidewände ist eine derartige, dass dieselbem im optischen Querschnitt des Kerns sich als dunkle Linien darstellen, die mehr oder minder genau in den Radien des von der Kernperipherie begrenzten Kreises oder Ovals verlaufen. Aus diesem Verhalten ergibt sich schon, dass die Trennungsebenen etwa senkrecht zur Äquatorial- ebene des Ringes stehen. Nicht immer greifen die Scheidewände durch die ganze Dicke der Kernsubstanz hindurch. Gelegentlich 254 Susanna Levy: findet man sogar die Trennungsstelle zwischen zwei Kernteilen gerade nur angedeutet durch eine kleine Einfurchung der Kern- membran, welche scharf etwas ins Innere der Kernsubstanz vor- springt. In anderen Fällen besteht allerdings eine deutliche Scheidewand, dieselbe ist aber auf die Nähe der Kernperipherie beschränkt und würde dann etwa die Form einer rundlichen, mit einem grösseren oder kleineren Loch versehenen Scheibe haben. Man findet schliesslich alle Übergangsformen zwischen diesem Zustand und dem Zustand völliger Trennung der Teilstücke von- einander; aber auch hier wird man immer zwischen je zwei der- selben eine kleine Einfurchung wahrnehmen, da die Scheidewand sich stets in der Nähe der Kernperipherie in zwei Lamellen spaltet. welche auseinanderweichend in die Kernmembranen der betreffenden Tochterkerne übergehen. Aus alledem ergibt sich, dass die Zer- legung des Kernringes durch einen Einfurchungsprozess von der Kernperipherie her erfolgt. Nach meinen Befunden ist das Wesent- liche des Vorgangs in feineren, inneren Veränderungen des Kern- baues zu suchen. Die allmähliche Kondensation des Chromatins und die Durchschnürung der Chromatinhanteln sind das Primäre. Erst wenn sie erfolgt ist, rundet sich eine gewisse Menge Kern- saftes darum ab. Es erfolgt eine Zerschnürung oder Fragmen- tierung des Kerns (Arnold). Die Fragmente bleiben dauernd durch feine Fäden miteinander verbunden. Diese Brücken hat (Göppert auch beobachtet. Er bildet sie hin und wieder ab, aber meist zu breit. Unter den gelapptkernigen Zellen hat er solche seiner Beschreibung zugrunde gelegt, die mehr oder minder eine Lagerung der Kernteilchen aufweisen, die auf eine Herkunft von einem Ring schliessen lassen. Ich habe aber zahlreiche Zellen gefunden, die nichts von einer ringartigen Anordnung er- kennen lassen. Dies ist ja auch gar nicht erforderlich, wenn meine Anschauung zu Recht besteht. Auch Göppert hat ähnliches nebenher erwähnt. Er schreibt: „Es bleibt noch zu bemerken, dass man manchmal an die Möglichkeit einer Umgehung des Ringstadiums bei der Kern- zerschnürung denken könnte. Man findet nämlich zuweilen in einer Zelle zwei kleine Kerne ziemlich gleicher Grösse neben- einander gelagert, welche einander eine etwas abgeplattete Fläche zuwenden; an einer kleinen peripheren Stelle dieser Fläche hängen manchmal derartige Kerne noch unmittelbar miteinander zusammen Lochkerne von Triton alpestris. 255 Dieser Befund kann den Anschein erwecken, als wenn ein Kern durch eine an seiner einen Seite einsetzende, nach der anderen fortschreitende Einfurchung in zwei Teile zerlegt werden könnte.“ Eine radiäre Anordnung des Chromatins habe ich nie finden können. Die Abschnürung der Kernläppchen entspricht dem Typus der von Arnold beschriebenen Kernsegmentierun.g Aber mit einer amitotischen Zellteilung hat dies nichts zu tun, denn ich habe nie die oben besprochene Forderung Boveris erfüllt gesehen. Wir sahen zwar, dass die Lappung des Kernes auf eigenartigen Einschnürungsvorgängen beruht, aber es handelt sich doch nicht um vollständige Trennungen, da stets Kernbrücken stehen bleiben. Es liegt nicht allzu fern, zu vermuten, dass diese Kernsegmentierung einen ähnlichen Vorgang einleitet wie .zum Beispiel die Schizogonie bei Plasmodium vivax, dem Erreger der Malaria tertiana, wo nach einer Kernzerstückelung sich jeder Tochterkern mit einem Plasmasaum umgibt und so zu einer vollen Zelle wird. Aber diese Plasmadurchschneidungen habe ich nie gesehen, ebensowenig wie Göppert. Für die Erfüllung der dritten Boverischen Forderung, „dass die so entstehenden Zellen sich wieder mitotisch teilen und dabei die normale Chromosomen- zahl besitzen“, fehlt schliesslich jeder Anhaltspunkt. Wir sind nicht in der Lage gewesen, überhaupt zählbare Chromosomen zu finden. Die freien Blutkörperchen sind, nachdem sie aus dem Verbande des durch feste Interzellularsubstanz verbundenen Muttergewebes ausgeschieden sind, nur noch Träger einer Funktion innerhalb des Stoffwechsels. Als Zellen aber sind sie dem Unter- gang geweiht. Wenn man die Ringkerne, die nicht zu selten sind (Text- figur S) genauer untersucht, beobachtet man beim Auf- und Ab- wärtsbewegen der Mikrometerschraube, dass der Ring kein einheitliches Gebilde ist, und dass die scheinbaren Einkerbungen in Wirklichkeit Überschneidungen von Läppchen darstellen. Die Textfiguren geben die ganze Reihe der Entwicklung von der Kernzerschnürung bis zu der Ringbildung wieder. Wie ist nun diese Ringkernbildung aufzufassen im Vergleich mit den sonst als Ring-, Loch-, Napf- oder Korbkernen beschriebenen Gebilden ? Zuerst ist die Frage aufzuwerfen, sind die soeben genannten Kernformen gleichwertige Gebilde? Von Flemming und Heidenhain ist bereits nachgewiesen, dass die Sphäre der 256 Susanna Levy: Leukozyten nur ein Doppelzentrosom enthält. Wir haben oben gesehen, dass der einheitliche kompakte Kern zerschnürt wird, dass aber seine einzelnen Lappen miteinander in Zusammenhang bleiben. Eine Vermehrung der Kernmassse als Folge der Zer- stückelung ist nicht nachzuweisen. Verändert hat sich im wesentlichen nur die Kernoberfläche. Diese wächst ganz er- heblich, wie eine einfache mathematische Überlegung zeigt. Das Volumen einer Kugel ist V = ?/s :v r?, ihre Oberfläche F = 4 ı r*. Nehmen wir an, der Ausgangskern hat den Radius r — 2, dann ergibt sich bei angenommener gleichmässiger Zerschnürung in vier Kernlappen der Radius o der Kernlappen (als Kugeln) aus folgender Rechnung: aan 2 — A >, 2.000083 GB — !lır?, wenn r = 2 ist, dann ist 0? == un => 2 Er e=YV2 der Ausgangskern mit dem Radius r — 2 hat die Oberfläche, nen die Kernlappen aber mit den Radien o haben zusammen Te = 4 Te, 0 2 [ 3 \2 r = 16. \y3) F2 = 16 „.. 1,587 d. h.- also’ mehr als T/jamalesa gross als Fı. Diese Betrachtung hat vielleicht einige Bedeutung für die physiologische Auffassung der Kernzerstückelung. Eine ver- grösserte Oberfläche gestattet einen leichteren und schnelleren Austausch von Stoffwechselprodukten. Wenn die Kernlappen, wie wir sahen, dauernd zusammenhängend bleiben, wäre es durch- aus möglich, dass diese in ähnlicher Weise, wie F. Levy es bei den plurivalenten Kernen im Froschhoden beobachtete, zusammen- fliessen und wieder einen runden Kern bilden. Diesen Vorgang habe ich nicht beobachten können. Ich halte es vielmehr auch. für wahrscheinlich, dass er, wie von anderer Seite früher vermutet wurde, nicht eintritt. Der Vorgang der Kernzerstückelung erweckt vielmehr die Vorstellung, dass der Kernsaft, der den chromatischen Apparat umgibt, eine solartige, das Plasma aber eine zähflüssigere, gelartige Beschaffenheit hat. Die Abrundung Lochkerne von Triton alpestris. DIL der einzelnen Kernläppchen wäre dann bedingt durch die Ober- flächenspannung des Kernsaftes und die Bildung einer Haptogen- membran. Wenn also der gelappte Kern lediglich als ein univalenter Kern aufzufassen ist, so unterscheidet er sich dadurch merklich von dem durch Verschmelzung entstandenen plurivalenten. Über die Lochkerne in den Archispermatozyten habe ich in der Einleitung berichtet. Von Kostaneckiist der Ansicht, dass überhaupt allgemein in der Anaphase der Teilung die sich bildenden Tochterkerne wie eine Kappe den Spindelresten und der Sphäre aufsitzen. Demnach werden die Tochterkerne immer zunächst Napfkerne. Diese Napfkernbildung, die mit der Auffassung der Entstehung von Lochkernen in den Archispermatozyten von Salamandra, wie sie Meves beschrieben hat, durchaus überein- stimmt, hat meiner Meinung nach viel Wahrscheinlichkeit. Aber die Tatsache, dass der Kern später wieder die Kugelform an- nimmt, ‘weist auf dieselbe Erscheinung hin, die F. Levy bei den polyploiden Kernkonglomeraten beobachtet hat, nämlich, dass das Kernsystem die Tendenz hat, eine möglichst glatte Berührungs- fläche mit dem Plasma zu bilden. Flemming hat auch im Bindegewebe, in den Endothel- zellen und im Mesenterium der Salamanderlarve Lochkerne beschrieben. Er nahm dort eine ähnliche Entstehung an, wie sie Meves in den Archispermatozyten von Salamandra beschreibt. Diese Zellen, die Flemming im Auge hat, dürften aber zum grossen Teil entstehende Leukozyten sein. Aber nach der Art, wie wir Leukozyten entstehen sahen, kommen wir zu einer etwas abweichenden Einteilung der beobachteten Zellen. Flemming beschreibt nämlich: „dass an solchen Stellen, wo im Larven- gewebe mitotische Teilungen von Leukozyten reichlich vorkommen, die meisten davon, wenn nicht alle, mit Lochkernbildung verlaufen. Hierbei werden die Kernlöcher in allen Übergängen bald gross, bald kleiner, bald ganz winzig gefunden, was doch wohl am nächsten auf ein Wiederverstreichen dieser Löcher zu deuten sein wird. Es bleibt ja Geschmackssache, ob man die zu Ringform führenden Mitosen abnorm oder atypisch nennen will oder nicht, jedenfalls repräsentieren sie einen etwas abweichenden Hergang bei der Teilung, der uns bei einzelnen Zellarten vorkommt; denn bei den meisten lässt sich nichts davon bemerken. Aber dafür, dass diese Ringkernmitosen allgemein Zeichen von Degeneration 258 Susanna Levy: oder Sterilwerden der betreffenden Zellen sein sollten, lässt sich kein Grund einsehen.“ Dem möchte ich entgegnen, dass die Ringkerne in der Iymphatischen Randschicht und den Mesen- terien, wie sei meine Textfig. 7 und S abbilden, fertige Leukozyten darstellen, die an diesen Stellen entstanden und vor ihrem Über- tritt in das strömende Blut stehen. Die Zellen des strömenden normalen Blutes aber, Erythrozyten und Leukozyten, weisen nie Anzeichen einer Vermehrung auf. Teilungsbilder findet man wohl bei krankhaften Prozessen, gewissen Formen von Leukämie und Anämie. Die Blutkörperchen sind ähnlich wenn auch nicht in demselben Umfang, autonom geworden, wie das aus dem Ge- websverband ausgeschiedene Spermatozoon. Aber es geht ihnen wie anderen Gewebszellen, die nur noch eine Aufgabe für den Stoffwechsel des Zellenträgers zu erfüllen haben und dann unter- gehen, etwa wie eine Epidermiszelle, die das Stratum germi- nativum, dem sie entstammte, verlassen hat. Sie ist noch lange Trägerin gewisser physiologischer Vorgänge, aber ihre Teilungs- fähigkeit ist erloschen. Die kernlosen Erythrozyten haben eine gewisse Struktur, die, wie Warburg zeigte, eine Vorbedingung der physiologischen Vorgänge ist, deren Träger die Zelle ist. So stellt auch meiner Anschauung nach die Oberflächenver- grösserung der Leukozytenkerne eine Anpassung an die besonderen von der Zelle zu leistenden Funktionen dar. Aber mit dieser Einstellung zur Arbeitszelle verliert die. Zelle die Fähigkeit der Fortpflanzung. Schaxel sagt in seiner Arbeit „Über den Mechanismus der Vererbung“ „Die Zellen sind in ihrer Lebens- geschichte einsinnig bestimmt. Sie gelangen über Teilungen und Bewegungen zu der histogenetischen Differenzierung mit der ihre Umbildungen abgeschlossen sind.“ In der Stammzelle liegen aber öfter mehrere Möglichkeiten. Die Pluripotenz der Zelle ist ist viel allgemeiner verbreitet als eine einsinnige Bestimmung. Der letzte Punkt der histogenetischen Entwicklung ist aber gleich- zeitig der Punkt der Teilungsunfähigkeit. Die Zelle wird resor- biert. wenn sie auch für ihre Funktion im engeren Sinne unfähig geworden ist. Wie dieser Resorptionsvorgang sich abspielt, ist noch nicht klar festgestellt. Gräper meint, dass er so statt- findet, dass eine lebenskräftige Zelle ihre funktionsunfähige Nachbarzelle verschluckt und verdaut. Ich bin zu der Ansicht gelangt, dass die Ringkerne der Lochkerne von Triton alpestris. 259 Leukozyten wie der Archispermatozyten sekundäre Bildungen sind, die nur eine gewisse äussere Ähnlichkeit aufweisen. In den Archispermatozyten verschmelzen, wie F. Levy zeigte, ganze Kerne miteinander und können, wenn sie annähernd in einer Ebene liegen, sich zu einem Kranz vereinigen, der zuerst an gewisse Kuchenformen erinnert, dann aber beim Weiterschreiten der Verschmelzung durch Verschwinden der Berührungsflächen und ihrer äusserlichen Merkmale, der Einkerbungen, in einen glatten Ring übergeht. Anders aber liegt es bei den von Göppert und mir untersuchten Zellen. Schon Arnold hielt es für möglich, dass hufeisenförmige Kerne an ihren Enden ver- schmelzen und so Ringe bilden. Er untersuchte die Zellen des Knochenmarkes. Hier aber haben wir zu unterscheiden: die Lochkerne der Leukozyten und die der Riesenzellen. Denys lehnte die Kernfragmentierung ab, da er pluripolare Mitosen fand. Diese Befunde decken sich durchaus mit den von v. Kostanecki in embryonalen Säugetierlebern gefundenen Bildungen. Besonders wertvoll ist es, dass Heidenhain gefunden hat, dass diese Riesenzellen „Korbkerne“ haben mit Kanälen, die Plasma enthalten und einen Binnenraum, das „Pyrenocöl“, mit dem „Exoplasma“ verbinden. Er fand, dass im Pyrenocöl bis 100 und mehr Zentro- somen enthalten sind, dass also diese Zellen plurivalent sind. Die soeben erscheinende Arbeit von F. Levy schlägt die Brücke zwischen den Angaben von Denys und Heidenhain. Er zeigt, dass kleinere Kerne zu Kernkonglomeraten verschmelzen, in deren Sphären er viele Zentrosomen findet. Der radiären Anordnung des Uhromatins in den Kernen der Mutterzellen der Leukozyten, wie sie Göppert beschrieb und wie sie Reinke als „Speichenform“ gefunden haben will, kann ich nicht zustimmen. Ich bin der Ansicht, dass die Schädigungen, die Reinke gesetzt hat dadurch, dass er das Mesenterium mit der Luft in Berührung brachte, nichts anderes hervorrufen als eine Ansammlung von Leukozyten vielleicht auch an einer Stelle, an der physiologischer Weise Leukozyten entstehen, eine stärkere Leukozytenbildung als normal. Wie weit bei dem entzündlichen Vorgang Neubildung von Leukozytenkernen oder -austritt erfolgt, ist nicht zu entscheiden. Bei Amphioxuslarven hat Hatscheck Ringkerne in platten Epithelzellen gefunden. Besonders eingehend hat Ballowitz Sichel- und Ringkerne 260 Susanna Levy: am Salpenepithel beschrieben. Nach ihm „besitzt bei diesen Tieren fast eine jede Zelle des Epithels, das die Pharyngeal- und Kloakenhöhle sowie auch die Körperaussenfläche unter der Mantelsubstanz in einschichtiger Lage bedeckt, eine mehr „oder weniger sichelförmige Gestalt, die durch Zusammenschluss der Sichelenden ringförmig werden kann. Völlig geschlossene Ring- kerne sind jedoch selten.“ Ballowitz hat bei seinen Ringen beobachtet, dass sie um die Sphäre gelagert sind, die 2—4 Zentro- some enthält. Diese Riesensphäre hält er auch für die Ursache der Ringkernbildung. Innerhalb des Ringes findet er häufig 1—2, aber nie mehr als zwei Brücken, die ganz fein sind. In einzelnen Kernen sollen diese Brücken schon Defekte enthalten, also eine neue Trennung eingehen. An der Hand der neuen Untersuchungen ist es wohl ge- stattet, ein andere Deutung der wichtigen Befunde vorzunehmen. Der Vorgang der Entstehung von Riesenkernen durch Ver- schmelzung von Tochterkernen, wenn der Kernteilung eine Zyto- plasmateilung nicht folgt, ist eine weit im Tier- und Pflanzenreich verbreitete Erscheinung. F. Levy hat soeben eine umfassende Zusammenstellung solcher Befunde gegeben. Auch die oben dargestellten Riesenkerne im Salpenepithel sind mit grosser Wahrscheinlichkeit so aufzufassen. Vereinzelt scheint dort einer Kernteilung keine Zellteilung zu folgen. Die Tochterkerne sind nach der Beschreibung, die Ballowitz gibt, sichel- oder nieren- förmig. In der konvexen Innenseite liegt die Sphäre. Wenn nun zwei Kerne miteinander verschmelzen, so berühren sich naturgemäß die Sichelpole, die Sphären liegen zwischen den Kernen und vereinigen sich zu den von Ballowitz beschriebenen Riesensphären. Der Kernring kommt also zustande, wie die Chromosomenringe in der Diakinese der ersten Reifeteilung. Dass diese Anschauung berechtigt ist, ergibt sich daraus, dass Ballo- witz in der Riesensphäre bis zu vier Zentrosomen gefunden hat. Die Ringkerne weisen keinerlei Zeichen von Degeneration auf, sondern sollen auch fähig sein, in mitotische Teilung zu treten. Wenn die Kerne in der orthomorphen Zelle sichelförmig im interkinetischen Stadium sind, erscheint es nicht auffällig, dass dort auch sichelförmige Prophasen der Mitose auftreten. Sehr selten hat Ballowitz ringförmige Prophasen gefunden. Dass bivalente Zellen in gleicher Weise wie univalente die Teilung Lochkerne von Triton alpestris. 261 vorbereiten, hat F. Levy soeben beschrieben und abgebildet. Wenn schon die bivalente Prophase ein seltener Befund ist, er- scheint es nicht merkwürdig, dass Ballowitz die mit grösster Wahrscheinlichkeit auftretende tri- und tetrapolare Mitose nicht gesehen hat. Die Anschauung von Konstaneckis, dass Ring- kerne stets die Vorläufer amitotischer Kernteilungen seien, lehnt Ballowitz ab. Göppert nennt die Zellen mit mehrfach gelappten Kernen multinukleäre. Wir sahen aber, dass diese Bezeichnung nicht zu Recht bestehen kann, da es sich nur um Abschnürung zu- sammenhängender Kernlappen handelt. Von ihnen sagt er: „sie finden sich nun nicht nur in dem Iymphatischen Gewebe der Leber, sondern auch ziemlich zahlreich frei im Blute schwimmend vor“. Dieselben vielkernigen Zellen trift man auch in der Milz. Ich habe aber nicht feststellen können, ob sie bloss eingeschwemmt sind oder einem an Ort und Stelle vor sich gehenden Teilungs- prozess ihren Ursprung verdanken. Neuere Untersucher, unter denen ich insbesondere Maximow und Weidenreich nenne, haben in eingehenden Arbeiten den Zusammenhang von Leukozyten und Zellen im Bindegewebe kennen gelehrt. „Die Iymphozytären Formen, die als kleine und grosse Typen auftreten, können ebensowohl als „ruhende Wanderzellen“ wie als Plasmazellen erscheinen. Die azidophil granulierten Elemente sind nicht nur bei den Vögeln ein charakteristischer Bestandteil des Bindegewebes, sondern können auch bei manchen Amphibien (Amblystoma nach Downey, Salamandra nach Flemming, Zus. d. Vf.) in ungeheuren Mengen das interlobuläre Lungengewebe erfüllen und werden auch sonst überall in wechselnder Menge angetroffen.“ Weidenreich sagt ferner: „Die gelapptkernigen Leukozyten oder die ihnen gleichzusetzenden spezialgranulierten Formen kommen, soweit die bisherigen Untersuchungen reichen, normalerweise auch im Bindegewebe vor, wo sie besonders bei den Amphibien einen ganz konstanten Befund darstellen.“ Wie ich oben auseinandergesetzt habe, entstehen Leukozyten sowohl in der Iymphatischen Randschicht der Tritonleber wie im Binde- gewebe. Nach Weidenreich sind „die verschiedenen Blut- und Lymphzellen, ebenso wie die freien Elemente des Binde- gewebes, ihrer Entwicklung nach von einer indifferenten Zellform abzuleiten, die ubiquitären Charakter hat, und als ungranulierte Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt.l. 18 262 Susanna Levy: grosse und kleine Zelle im Bilde der Iymphozytären Formen des Organismus wiederkehrt.“ Endlich möchte ich noch einmal kurz den Zusammenhang streifen, der zwischen Kernsegmentierung und Degeneration an- genommen wird. Wir haben gesehen, dass Kernsegmentierung oder -zerschnürung nichts zu tun hat mit Kernteilung oder Zell- teilung. Ich habe mich vielmehr dahin ausgesprochen, dass die Kernsegmentierung durch Vergrösserung der Oberfläche des Kerns wahrscheinlich mit den Aufgaben zusammenhängt, die die Zelle im Körper zu erfüllen hat. Welcher Art diese sind, ob Abgabe von Enzymen oder dergl., kann ich nicht sagen. Weidenreich fasst die Kernzerschnürung als degenerativen Vorgang auf. Der Kern soll dabei irgendwelche Stoffe an die Granula abgeben. Zum Schlusse fasse ich meine Ergebnisse kurz zusammen: Von Ring-, Loch-, Napf- und Korbkernen, die in Riesenzellen durch Kernverschmelzungen entstehen, wenn einer Kernteilung eine Zellteilung nicht folgt, sind zu unterscheiden die ringförmigen Kerngebilde in entstehenden oder ausgewachsenen Leukozyten. In diesen werden aus physiologischen Gründen die Kerne durch Segmentierung in Lappen zerteilt, die zusammen hängen bleiben. Diese Lappen können sich so lagern, dass sie zur Bildung ring- förmiger Kerngebilde führen. Literaturverzeichnis. Arnold, J., 1883: Beobachtungen über Kerne und Kernteilungen in den Zellen des Knochenmarks. Virch. Arch., Bd. 93. Derselbe, 1887: Über Teilungsvorgänge an den Wanderzellen, ihre progressive und regressive Metamorphose. Arch. mikr. f. Anat., Bd. 30. Derselbe, 1888: Weitere Mitteilungen über Kern- und Zellteilungsvorgänge in der Milz, zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der von der typischen Mitose abweichenden Kernteilungsvorgänge. Arch. f. mikr. 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Hefte, Bd. 6, 8. 18* 264 Susanna Levy: Lochkerne von Triton alpestris. Derselbe, 1897: Über die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen von Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 48. Reinke, Fr., 1891: Untersuchungen über die Beziehung der von Arnold beschriebenen Kernformen zur Mitose und Amitose. Inauguraldisser- tation Kiel. Schaxel, J., 1916: Über den Mechanismus der Vererbung. Jena. Weidenreich, F., 1911: Blutkörperchen und Wanderzellen. Jena. N N “r eu Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Von Martin W. Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institute der Universität Amsterdam. Beitrag IV. Über die Anlage und Entwicklung der Zähne.') (Histio- und Morphogenese, Durchbruch, Befestigung und Resorption.) Mit 31 Textfiguren. Inhalt. Seite A. Zähne des Abortivgebisses . . ... .. NR OR SDR ER N T BROERREFALUE Eh EEE ER: EL EIERN ER 26 2. Eigene Untersuchungen . ........ NE RT A 268 B. Zähne des funktionierenden Gebisses . . . . 2 22.22.02. 281 BLOG EEE N ER NIT TE ER a he! er rl 2. Monitoridae.e A. Varanus. B. Tupinambis. . .........316 3. Tejidae (Onemidophorus)’. . . ... ....: De Fe 72T 4. Lacertinidae. A. Ophiops elegans. B. There. SER TE 327 5. Zonuridae. A. Tachydromus. B. Pseudopus . ...... nal 6. Seineidae. A. Lygosoma. B. Euprepes. ©. Rhodona. D. Mabouya. E. Anguis. F. Cyclodus. G. Scincus und Eumeces. . . . 337 7. Geckotidae. A. Hemiphyllodactylus. B. Hemidactylus. C. Peyche- AUERERIBI EN ranlenl 2 au Ty 3, 2 ER U ELF DIE U 346 8. Iguanidae. A. Iguana. B. Basiliscus. C. Polychrus und Anolis 354 9. Agamidae. A. Agama. B. Draco. C. Calotes. D Lophiurus 360 10: "Chamaeleomidae .. N... ss. EN BR RER ED. N HB PEISTEOEDNOPNIR. N EL NE u RINDE REAL 3) LASATNDRISDBEDBF EN LEE TR. EA a 9, Ba Makterias N e, END C. Einige allgemeine Schlußfolgerungen. 1. a 2 Durchbruch. 3 Aahnform... #.’Schmelziulpa Wr EN er EDER NTER ERHERLOBALUFNERZEICHNIS". AL in REIT ET TG Pi ') Während der Novemberrevolution (1918) zu Berlin gerieten das Manuskript und die Abbildungen dieses Beitrages in Verlust. Da die Wieder- herstellung durch zahlreiche Beschäftigungen des Verfassers viel Zeit in Anspruch nahra, erscheinen dieser und der letzte Beitrag später, als er wohl gewünscht hatte. - / Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. 1. 19 266 Martin W. Woerdeman: In den vorigen Beiträgen wurde fast ausschliesslich die Anlage des Gebisses als Ganzes betrachtet ohne Beschreibung der Entwicklungsgeschichte der einzelnen Zähne, die nun im vorliegenden Beitrage berücksichtigt wird. Ich beschreibe. zuerst die Zähnchen des Abortivgebisses, dann die übrigen. A. Zähne des Abortivgebisses. 1. Literatur. Die Zähnchen des Abortivgebisses wurden zuerst von Röse (29, 30) !) beim Krokodile beschrieben. Danach fand Leche (22) sie bei Iguana, Levy (23) bei Pelias, Harrison (16) bei Hatteria, Martin (24) bei Vipera und Bolk (3) bei Crocodilus und Lygosoma olivaceum. Im ersten Beitrage habe ich schon mitgeteilt, dassich sie bei Crocodilus porosus, Gongylus ocellatus, Lacerta agilis, Mabouya, Anguis fragilis, Cyclodus Boddaerti,. Ptychozoon homalocephalum, Gecko verticillatus, Pelias berus und Coluber gefunden habe, d. h. bei allen Reptilien, wovon ich junge Embryonen untersuchen konnte. Daher halte ich das Vorkommen solcher vor der Geburt verschwindender Zähnchen für eine normale Entwicklungserscheinung bei allen Reptilien, welche Zähne besitzen. (Bei den Schildkröten fand ich nämlich auch die Abortiv- zähnchen nicht, so dass bei diesen Tieren nichts auf den früheren Besitz von Zähnen hinweist). j „Die ersten Zahnanlagen“ schreibt Röse (29), zeigen sich beim Kro- kodile ganz ähnlich wie die Placoidschuppen und ersten Zähne der Selachier in Form von frei über die Kieferschleimhaut hervorstehenden Papillen. Zu einer Zeit, wo von Knochen noch keine Spur vorhanden und der Meckel’sche Knorpel soeben angelegt ist, bilden diese primitiven Zähnchen bereits typisches Dentin und einen rudimentären Zementsockel, ähnlich wie bei den Selachiern. Wenn dann der Kieferknochen sich bildet, so steht derselbe an vereinzelten Stellen mit jenen Zementsockeln der Zähnchen in Verbindung.“ „Auch bei der Anlage der frei über die Oberfläche hervorstehenden Zahnpapillen ist das Epithel das formgebende Element,“ heisst es an anderer Stelle (30) „Durch den Reiz des eingedrungenen Epithels geraten die Bindegewebszellen des Mesoderms in Wucherung und tragen in Wechselwirkung mit dem Epithel vielleicht auch ihrerseits zur Vergrösserung und zum Hervortreten der Papille über die Ober- fläche der Schleimhaut bei. Das eigentliche formgebende Element jedoch ist und bleibt das aktiv einwuchernde Epithel.“ Da Leche (22) behauptete, dass er keine Zahnanlagen finden konnte, welche als „frei über das Niveau der Schleimhaut hervortretende Papillen“ entstehen, präzisiert Röse (31) diese Behauptung in einer späteren Arbeit durch die Mitteilung, dass er unter „Niveau der Schleimhaut“ das Stratum cylindricum des Epithels verstanden hat. Im oben mitgeteilten Zitate spricht er aber von „frei über die Kieferschleimhaut hervorstehenden Papillen“. Es ist mir daher nicht recht deutlich, was Röse schliesslich gemeint hat. !) Diese Zahlen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 267 Leche (22) hat bei Iguana auch den Zementsockel der Abortivzähnchen vermisst und meint überdies, dass diese Abortivzähnchen zum Durchbruch gelangen und ausgestossen werden, während die Abortivzähne nach Röse ins Mesenchym sinken und da resorbiert werden. Bemerkenswert ist es weiter, dass Röse spricht von „im Bereiche der Kieferschleimhaut“ entstehenden Zähnchen, während Leche schreibt, dab sie „im Bereiche der Schmelzleiste“ vorkommen. Levy (23) verneint auch das Vorkommen eines freien Papillenstadiums Merwürdigerweise folgt nun aber: „Wohl aber bemerkte ich bei ganz jungen Embryonen der Ringelnatter und Kreuzotter eine solche Anlage, welche direkt dem Epithele aufsass, ohne dass von einer Zahnleiste die Rede sein konnte.“ Demnach könnten Levy und Röse wohl dasselbe gesehen haben. Bei der Zahnkeimbildung hält Levy das Bindegewebe für aktiv. Die Papille soll nicht entstehen durch Umwucheruug mit Epithel, sondern durch Eindringen des Bindegewebes in das Epithel. Harrison (16) kann auch nicht Röse’s Anschauung zustimmen Seine Figur 2 zeigt, dass „the tooth is formed just below the epidermis and has a well defined enamel-organ, although I (Harrison) have been unable to detect any enamel. The presence of the tooth produces a prominent papilla.“ „Although I should scarcely describe the process of formation of the first teeth of Hatteria in these terms (d.h. Bildung von freien Papillen, plakoide Zahn- anlage usw.), lJam inclined to think there is no fundamental point of difference between this and Crocodilus.* „Accurately we cannot speak of development „durch Verkalkung von frei über die Schleimhautoberfläche hervorragenden Schleimhautpapillen“. Einen Zementsockel sah Harrison nicht, und er nimmt ebenso wie Leche einen Durchbruch und Ausstossung der Abortivzähnchen an. Nach Röse aber sinken, wie schon erwähnt, die Zähnchen ins Mesenchym und es entsteht daher ein Schmelzorgan. Er schreibt (32): „Bei den Crocodilen lässt sich aufs schönste beobachten, dass die primitiven Zähnchen der ersten Serie, abgesehen vom inneren Schmelzepithel, anfangs mit mehreren Lagen von Epithelzellen bedeckt sind, die durchaus den übrigen Zellen des Rete Malpighii gleich sind. Erst dann, wenn die Zähnchen sekundär ins Innere des Kiefermesodermes einbezogen werden, entwickeln sich allmählich aus den polygonalen Retezellen die Sternzellen der Schmelzpulpa sowie das äussere Epithel des Schmelzorganes. Letzteres ist also durchaus homolog den ober- flächlichsten Epithelzellen der Kieferschleimhaut.* Bolk (3) dagegen erwähnt, dass die Abortivzähnchen der Krokodile ohne Bildung eines Schmelzorganes in die Tiefe sinken, um da resorbiert zu werden. „Die vorderen Zähnchen der ersten primitiven Serie bei Crocodilus haben keinen deutlichen Schmelzbelag“, schreibt Röse (30); „nur auf dem hintersten derselben ist eine dünne Schmelzkappe erkennbar. — Die ober- flächlichste Lage des Zahnbeines der schmelzlosen Zähnchen, welche direkt unter den Schmelzzellen liegt, bricht das Licht etwas stärker. Dass wir es hier mit einem dem Dentin aufliegenden Schmelzoberhäutchen zu tun haben. 19* 268 : Martin W. Woerdeman: halte ich für. wahrscheinlich, kann es aber bei der Kleinheit des Objekts nicht mit Sicherheit feststellen‘. Schon wurde erwähnt, daß Harrison bei Hatteria keinen Schmelz auf den Abortivzähnchen entdecken konnte. Röse (30) fand die Papille der Krokodilabortivzähne oft -zweispitzig. Dies .deutet darauf hin, „daß die Vorfahren der Krokodile wahrscheinlich kurzschnäuzige Landtiere mit mehrspitzigen Zähnen waren. Die ausgeprägt einspitzigen Zähne der bekannten Krokodile würden danach, ähnlich wie bei den Cetaceen, durch sekundäre Anpassung an das Wasserleben entstanden sein.“ (Röse [31)). 2. Eigene Wahrnehmungen. Anlage der freien Papillen. Zur Zeit der ersten Zahn- anlagen besteht das Kieferepithel aus einer basalen Schicht von ‘ Zylinderzellen, einigen Schichten von Pflasterzellen und einer oberflächlichen Lage mehr oder weniger verhornter Zellen (in mit Eosin und Hämatein gefärbten Präparaten ist diese Lage dunkler, die Kerne sind platt und stark gefärbt). Man erkennt nun eine Zahnanlage an einer typischen Veränderung im Epithel. Die basalen Zellen werden an der Stelle der Zahnanlage protoplasma- reich, und ihr Protoplasma färbt sich viel stärker mit Eosin. Sie werden höher, und ihre Grenzen sind weniger scharf ausgeprägt. Aber auch in den oberflächlichen Epithelschichten treten Verän- derungen auf. Die Pflasterzellen vermehren sich, werden proto- plasmareicher und größer. Bald ordnen sich nun die basalen Zellen in sehr typischer Weise, und es entsteht ein einer Geschmacks- knospe überraschend ähnliches Bild. Ich bezeichne daher dieses Stadium als „Epithelgemma“. Gleichzeitig findet auch eine starke Vermehrung der Mesenchymzellen unter der Gemma statt. Diese Zellen bleiben rund, im Gegensatze zu den übrigen, mehr stern- förmigen Mesenchymzellen, ihr Protoplasma färbt sich stark mit Eosin und sie ordnen sich zu einer dichten Anhäufung. Die Epithelveränderung ist m. E. das Primäre; die Mesen- chymwucherung entsteht sekundär. Aus diesem Gemmastadium ent- wickelt sich das Papillenstadium. Die Mesenchymwucherung dringt in die Epithelgemma ein, und deren Epithel wird zu einer schönen einschichtigen Bekleidung der Mesenchympapille mit Zylinder- epithelzellen. Ich betrachte, ebenso wie Levy und im Gegensatz zu Röse, das Mesenchym als das aktive Element bei diesen Prozessen. Nimmt man nun die Membrana propria des Kieferepithels als Niveau der Schleimhaut an, dann ist hier also eine wirklich Be 2 Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 269 über das Niveau der Schleimhaut hervorragende Papille entstanden. Da aber auch eine starke Vermehrung der oberflächlichen Pflaster- zellen des Epithels stattgefunden hat, kann eine Relieferscheinung an der Schleimhautoberfläche dadurch ausgeglichen werden, und eine Zahnanlage im Papillenstadium braucht also nicht über die Schleimhautoberfläche hervorzuragen (s. die ersten Tafelfiguren von Beitrag I). Meistens verlieren die Epithelzellen nun ihre starke Eosinfärbung; die aus der Gemma hervorgehende Schicht von Zylinderzellen, welche die Mesenchympapille bekleidet, und die man jetzt Schmelzepithelschicht nennen kann, „behält die Färbung‘ aber mehr als die oberflächlicheren Pflasterzellen. Diese werden oft auffallend blass. Nur die leicht verhornte Aussenschicht behält ihre starke Färbung. Den Färbbarkeitswechsel in den Pflasterzellen muss man als erste Andeutung von Schmelzpulpa- bildung auffassen. Auch in der Mesenchympapille tritt Differenzierung auf. Die Bindegewebszellen, welche dem Epithel anliegen, platten sich ab und bilden zusammen eine epithelartige Lage anfangs kubischer Zellen. Bald nehmen sie aber derart an Grösse zu, dass sie die übrigen Bindegewebszellen von der Papille wegdrängen. Diese be- steht dann schliesslich fast ausschliesslich aus langen zylindrischen Zellen, deren Kerne nach der Basis rücken. Man kann sie jetzt Odontoblasten nennen, während man die kubischen Vorstadien als Präodontoblasten bezeichnet. Die Odontoblasten füllen zusammen die ganze Papille aus. Man kann daher nicht von einer Odonto- blastenschicht sprechen. Besser wäre es den Namen „Odontoblasten- kegel“ zu wählen. Nachdem die Präodontoblasten sich zu Odon- toblasten umgebildet haben, fängt die Zahnbeinbildung an. Zuerst wird eine homogene Substanz gebildet, welche sich in den Eosin- Haemateinpräparaten nur schwach rosa färbt. Dieses sogenannte Prädentin nimmt aber bald andre Färbung an, es färbt sich dann ziemlich stark mit Haematein, aber auch mit Eosin. Das Dentin des fertig gebildeten Zähnchens besteht daher aus einer dunkleren Aussenschicht und helleren Innenschicht. An den Odontoblasten lassen sich die Tomes’schen Fasern beobachten. Während der Dentinbildung nehmen die Epithelzellen, welche die Bindegewebs- papille bekleiden, alle Struktureigentümlichkeiten der Ameloblasten an, aber in meinen Präparaten kam es bei den als freie Papillen gebildeten Abortiv-Zähnchen nicht zur Schmelzbildung. Beim 270 Martin W. Woerdeman: Krokodile entwickelt sich jedoch eine deutliche Schmelzpulpa. Während bei anderen Reptilien die platten Kieferepithelzellen, welche die Ameloblastenschicht umgeben, zu spindelförmigen, protoplasmareichen hellen Zellen werden, welche auch in den Schmelzorganen der erwachsenen Tiere zwischen äusserem und innerem Epithel vorkommen, kommt es bei Crocodilus zur Bildung echter Schmelzpulpazellen. Die Zellen vakuolisieren sich. Zwischen den Zellen tritt Flüssigkeit auf und der Zelleib wird sternförmig. Nur die oberflächliche verhornte Schicht des Kieferepithels ver- ändert sich nicht und besorgt die Abschliessung der Pulpa nach aussen. Es entsteht also Schmelzpulpa im Kieferepithel aus den gewöhnlichen Kieferepithelzellen. Diese merkwürdige Erscheinung sah ich nur bei Crocodilus deutlich ausgeprägt. Nach der Bildung von Ameloblasten, Odontoblasten, Dentin: und Schmelzpulpa hat das Abortivzähnchen den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht, und es fängt jetzt seine Rückbildung an. Resorption. Diese beruht im wesentlichen auf einem Herab- sinken ins Mesenchym und auf Resorption. Niemals sah ich eine Ausstossung der Abortivzähnchen oder etwas, das man Durchbruch nennen könnte. Nur einmal nahm ich eine Resorptionsweise wahr, welche in Fig. 1 abgebildet ist. Beim Embryo N. (für die Bezeich- nung der Embryonen und Serien siehe Beiträge I und II) war eines der Unterkieferzähnchen schon zum Teil resorbiert, während es noch im Kieferepithel lag. Es war eine dünne Dentinkappe gebildet, und in dieser Kappe war an der lingualen Seite ein kleines Loch entstanden, durch welches schon Schmelzepithel- Frontaler Schnitt durch den Unterkiefer zellen nach innen wucherten. Die Ki Be ne © 719 5) Odontoblasten waren rudimentär, | und offenbar waren sternförmige Bindegewebszellen in die Papille eingedrungen. Man muss an- nehmen, dass die Resorptionslücke sich weiter vergrössern würde, bis schliesslich die ganze Dentinkappe verschwunden sein würde. Da ich nur einmal eine derartige Resorptionsweise sah, könnte man zwar das Loch im Zähnchen als ein Kunstprodukt auffassen. Ge a Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 271 Merkwürdigerweise aber besass nicht nur das abgebildete Zähnchen, sondern auch sein Homologon in der anderen Kieferhälfte ein ähnliches Loch. Darum fasse ich den Zustand von Fig 1 nicht als ein Kunstprodukt auf, sondern betrachte ihn als Andeutung der ursprünglichen Rückbildung der Abortivzähnchen. Bei den übrigen als freie Papillen gebildeten Zähnchen war die Rückbildung kompli- zierter. Ihre Resorption kann ich besser beschreiben, nachdem ich erst die Anlage der nicht als freie Papillen entstehenden Abortivzähnchen beschrieben habe. Anlage der operkularisierten Papillen. Nach der Bildung der ersten freien Papillen fängt nämlich die Operkularisierung des Zahnepithelfeldes an. Dabei kommen auch die zuletzt ange- legten Papillenzähnchen unter das Operkulum (siehe Beitrag ]). Wenn das Operkulum sich gegen die linguale Fläche der freien Papillen anlegt (siehe z.B. in Beitrag I, Tafel V, Fig. 10A, 11A usw.), dann macht es auf Querschnitten den Eindruck, dass eine doppel- blättrige‘ Epithelleiste entstanden ist (Zahnleiste) und dass die Bindegewebspapille nun zum Teil das Epithel der Zahnleiste und zum anderen Teil das Kieferepithel ausstülpt. Namentlich Röse und Harrison haben die partiell operkularisierten Papillen in der angegebenen Weise gedeutet und sprechen von Papillenepithel. das teils durch die Zahnleiste, teils durch das Kieferepithel geliefert wird. Die stark vermehrten platten oberflächlichen Schleimhaut- zellen füllen die Lücken zwischen Papille und Operkulum aus und dadurch verschwindet oft die Erhabenheit, welche die freie : Papille an der Schleimhautoberfläche verursachte. Man kann den bis jetzt beschriebenen Zustand auch folgendermassen wiedergeben. Zwischen dem Zahnepithelfeld und. der Operkulumanlage besteht ein mit platten Zellen ausgefüllter Raum, in den die durch Aus- stülpung des Zahnepithelfeldes entstandenen Papillen hineinragen. Sie werden dabei zum Teil von dem Operkulum bedeckt. Diese partiell operkularisierten Papillen bilden den Übergang zu den ganz operkularisierten, d.h. in gebräuchlicherer Terminologie, zu den an der Zahnleiste gebildeten Zähnchen. Die Zahnleiste ist eine Doppellamelle, welche aus der Ver- klebung von Zahnepithelfeld und Operkulum entstanden ist. Somit besteht sie aus zwei Schichten von kubisch-zylindrischem Epithel, welche einige polygonale, platte Zellen zwischen sich fassen (interlaminäre Zellen). Im labialen Zahnleistenblatt (Zahnepithel- 272 Martin W. Woerdeman: feld) entsteht nun als erste Anlage einer Zahnanlage eine Epithel- gemma, welche ganz dieselben Eigentümlichkeiten besitzt, wie die in dem Kieferschleimhautepithel entstehenden Gemmae. Zwischen den zwei Zahnleistenblättern findet nun eine schnelle Vermehrung der interlaminären Zellen statt, wodurch das Operkulum von dem Zahnepithelfelde weggedrängt wird. Jetzt haben die unter der Epithelgemma angesammelten, runden, stark färbbaren Mesenchym- zellen Gelegenheit, das Gemmaepithel vor sich auszustülpen, und es entsteht zwischen Zahnepithelfeld und Operkulum eine Papille, welche nun aber nicht mehr frei zu Tage tritt. Im Prinzip stimmt indessen die Bildung einer derartigen operkularisierten Papille mit der Bildung einer freien Papille vollkommen überein. Abb. 2 gibt ein deutliches Bild einer oper- >> 57 Kieferepithel kularisierten Papille. Man > sieht die Vermehrung der Ü BG EN 3 22 _interlaminäre Zellen polygonaleninterlaminären ee HR Zellen, welche durch hellere en Se ;.--Odontoblaften Färbung einen Anfang NS es. Lingual von Differenzierung zu il » e %S-2-- -Zannleite Schmelzpulpa verraten. wre en Nur die oberflächlichen, leicht verhornten Zellen Frontaler Schnitt durch den Unterkiefer eines sind nicht modifiziert. In Embryo von Gong. ocell (E.3. IT. 11... 340:1x? der Mesenchympapille ist ein _ Odontoblastenkegel entstanden. Dabei sind die übrigbleibenden Papillenzellen aus der Papille weggedrängt und liegen an der‘ Basis der Odonto- blasten, welche schon eine Dentinkappe gebildet haben, angehäuft. Resorption. Die Rückbildung der operkularisierten Papillen ist in Abb. 3 dargestellt. In Abb. 3 A sieht man die Papille, welche derjenigen von Abb. 2 entspricht. In Abb. 3 B fängt die Reduktion an. Die Papille sinkt in die Tiefe und schnürt sich dabei von der Zahnleiste ab. So entsteht ein Stadium, das man das „glockenförmige“* nennen kann. Auch kann man jetzt von Schmelzorgan reden. In der Literatur verstehen die Autoren unter „Schmelzorgan“ nicht immer dasselbe. Einige verstehen darunter nur die Ameloblastenschicht, andere die ganze Epithel- glocke. Ich werde auch nur dann von Schmelzorgan sprechen, Fig. 2. wenn deutlich ein äusseres und inneres Schmelzepithel zu unter- u Entwicklungsgeschichte: von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 275 scheiden sind. Es wird nun aus Abb. 3 B deutlich, dass das äussere Schmelzepithel ebenso wie die Ameloblastenschicht aus dem labialen Zylinderzellenblatte: der Zahnleiste entsteht. Aus dem oben gegebenen Zitate aus Röses Arbeit habe ich den Eindruck bekommen, dass Röse die Entstehung des äusseren Schmelzepithels und der Schmelzpulpazellen aus den ober- tlächlichen polygonalen Schleimhautzellen annimmt. Dem ist aber nicht so, denn diese Zellen bilden nicht das äussere Schmelzepithel, sondern nur dasjenige Gewebe, das man bei Gongylus eigentlich noch nicht, bei Crocodilus aber wohl Schmelzpulpa nennen kann. Die interlaminären Zellen der Zahnleiste füllen nämlich den Raum zwischen beiden Blättern der Epithelglocke aus und werden EN 52 . Kieterepie Dentin- Fig.3. Resorption eines Abortivzähnehen von Gong. ocell. Schema. da bei -Crocodilus zu deutlichen Sternzellen, bei Gongylus bleiben sie spindelförmig, aber doch sind sie deutlich verändert (weniger färbbar, protoplasmareicher). Nachdem bei der Rückbildung der Zähnchen das glockenförmige Stadium erreicht ist, scheint sich die Glocke rückzubilden und in gewissem Sinne nach aussen umzustülpen, wodurch schliesslich die durch die Odontoblasten gebildete Dentinkappe an einer zapfenartigen Aussackung der Zahnleiste hängt. .Dieser Epithelzapfen zieht sich bald zurück und das Dentinscherbchen bleibt im Mesenchym zurück. Da wird es resorbiert. Der Epithelzapfen bleibt noch längere Zeit als geringe Verdickung der Zahnleiste sichtbar (Abb. 3 C und D). 274 Martin W. Woerdeman: Auch die freien Papillenzähnchen, welche nicht im Epithel resorbiert werden, werden auf dieselbe Weise rückgebildet mit dem Unterschied, dass das Schmelzorgan und der Epithelzapfen nicht von der Zahnleiste. ausgehen, sondern vom Kieferepithel. Bei der Reduktion partiell operkularisierter Papillen entsteht der Epithelzapfen bei der Insertion der Zahnleiste. In Abb. 4-6 sind die Eigentümlichkeiten der Rückbildung bei einem grösseren Abortivzahne von Crodilus ausführlicher wiedergegeben. Der Abortiv- zahn von Abb. 4 befindet sich im Stadium des Schmelzorganes. Durch eine noch nicht vollständige Abschnürung hat die Anlage sich zum Teil von der Zahnleiste frei gemacht. ‘Sie hängt aber noch breit mit dem peripheren Abschnitt der Zahnleiste zusammen. Man kann deutlich unterscheiden: das äussere Schmelzepithel (aus dem labialen Zahnleistenblatte entstanden), die sternförmigen Zellen der Schmelzpulpa, die Ameloblastenschicht, das Dentinscherbehen und die Odontoblasten, welche diese Dentinkappe gebildet haben. Bei dergleichen grösseren Zähnchen füllen die Odontoblasten nicht mehr die ganze Papille aus, wie in der Fig. 2, sondern sie bilden eine epithel- artige Schicht nahezu zylindrischer Zellen. Übrigens besteht die Bindegewebs- papille aus dicht aufeinander gedrängten runden Zellen. Zwischen dem Zahnbein und der Ameloblastenschicht sieht man einen artifiziellen Raum. Diesen Raum fand ich namentlich auch bei älteren Kieferepithel i 7=--- Zahnleifte Lingual Fig.4. Abortivzähnchen im Unterkiefer von Crocod. poros. (O. 15. III. 7.). 120:1. Zahnanlagen des bleibenden Gebisses. Dieser Raum kann entstanden sein durch Schrumpfung der saftreichen Bindegewebspapille; aber auch eine andere Ursache ist möglich, und diese letztere ist meines Erachtens für die älteren Zahnanlagen wohl die wichtigste. Denn'bei diesen letztgenannten Anlagen, wo das Dentin schon kräftig ausgebildet ist, äussert sich die Schrumpfung Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 275 der Bindegewebspapillen auf andere Weise. In Abb. 4 kann man sich denken. dass die Odontoblasten durch die Fasern von Tomes mit dem Dentin fest verbunden sind, und dass bei Schrumpfung der Papille die Odontoblasten das Dentinscherbchen mit hinabziehen. Bei älteren Zahnanlagen, wo das Dentin nicht mehr der Papille wie eine Kappe aufsitzt, sondern sie umkleidet, kann das Dentin dem Zug der schrumpfenden Papille nicht mehr folgen, die Fasern von Tomes zerreissen, und zwischen Dentin und Odontoblastenschicht tritt ein artifizieller Raum auf. Der Raum zwischen Dentin und Ameloblasten- schicht kann dadurch nicht erklärt werden. Nun hat man zu bedenken, dass ich meine älteren Embryonen alle in der Haug’schen Entkalkungsflüssigkeit entkalkt habe. Dadurch verschwindet schliesslich der Schmelz, während von dem Dentin die organische Grundsubstanz zurückbleibt. Auch entwickelt der Schmelz bei Behandlung mit Säuren Kohlensäure (der menschliche Schmelz enthält [siehe de Terra] 4 bis 8 Prozent Kalzium - Phospho - Karbonate). Ich halte es denn auch für wahrscheinlich, dass der Raum zwischen Amelo- blasten und Dentin auf dem Schwinden des Schmelzes und der Kohlensäure- entwicklung beruht. Es ist nun nicht unwahrscheinlich, dass die Entstehung des in Abb. 4 abgebildeten Raumes auch auf das Schwinden von Schmelz zurückzuführen ist; denn im Gegensatze zu den freien Papillen besitzen die an der Zahnleiste gebildeten Zähnchen nach meiner Wahrnehmung oft Schmelz. Kieferepithel Labiol Fig.5. Abortivzühnchen im Unterkiefer von Crocod. poros. (0.11. 1.2.). 1%0:1. Weiter will ich noch darauf hinweisen, dass bei den Abortivzähnchen immer nur eine kleine Dentinkappe entsteht. Es entwickelt sich ein Odonto- blastenkegel, der bei’kleinen- Zahnanlagen die ganze Papille ausfüllt oder bei grösseren Zähnen den nicht differenzierten Papillenzellen aufsitzt. Es wird daher nur die Spitze eines Zähnchens gebildet. Das freie Zahnleistenende der Abb. 4 ist angeschwollen und wird von zahlreichen protoplasmareichen runden Bindegewebszellen umgeben, was auf 276 Martin W. Woerdeman: eine beginnende Zahnanlage hindeutet. In Abb. 5 ist diese Anschwellung noch grösser geworden. Sie beruht auf einer Vermehrung der interlaminären Zahnleistenzellen. Diese Zellen verlieren schon ihre starke Färbung, was. auf eine bevorstehende Umwandlung in Pulpazellen hinweist. Auch die Bindegewebszellen sind stark vermehrt und umgeben die Zahnleisten- anschwellung allseitig. Das Abortivzähnchen zeigt bei diesem Stadium deutlich die Spuren der Rückbildung. Die Ameloblasten bilden nicht mehr eine deutliche Schicht zylindrischer Zellen, und die Schmelzpulpa ist auch in Rückbildung begriffen. Damit ist eine Formveränderung der Zahnanlage verbunden. Die ursprünglich kugelförmige Anlage ist in die Länge gezogen. Auch hat sie sich mehr von der Zahnleiste abgeschnürt, und die Bindegewebs- papille ist kleiner geworden. Die Odontoblasten sind noch sichtbar; da sie sich ein wenig von der Dentinkappe zurückgezogen haben, kann man bei starker Vergrösserung an ihrer Oberfläche eine homogene Membran und die Tomes’schen Fasern sehen. Die Dentinkappe ist hinabgesunken. Diese Erscheinung kann erklärt werden durch eine Atrophie der Bindegewebspapille und durch die Annahme, dass das ursprünglich durch diese Papille eingestülpte Epithel sich wieder ausstülpt. Geht dieser Prozess weiter, dann wird schliesslich die Dentinkappe noch an einem Epithelzapfen hängen (Abb. 3C). Dieser Zapfen ist also das modifizierte Schmelzorgan des Zähnchens. Bei der Untersuchung stellt es sich nun heraus, dass die Schmelzpulpa stets mehr rudimentär wird, dadurch wird das modifizierte Schmelzorgan kleiner, und es zieht sich von der Dentin- , kappe zurück. Inzwischen fängt die Resorption dieser Kappe an. Die phagozytären Elemente liegen dabei namentlich in der Konkavität des Schmelz- scherbchens, und man bekommt den Eindruck, dass sie aus dem Papillen- gewebe stammen, d.h. modifizierte Papillenzellen sind. Wahrscheinlich werden dabei auch einige Odontoblasten zu Odontoklasten. In Abb. 6 sieht man das von ee ZUR A) Kieferepithel rudimentäres -- - Schmelzorgan Fig.6. Abortivzähnchen im Unterkiefer von Crocod. poros. (0. 14.1.6.). 12u:1. Phagozyten umgebene Dentinscherbehen und das rudimentäre Schmelzorgan, während in die Anschwellung des freien Zahnleistenendes eine Bindegewebs- papille eingedrungen ist, wodurch eine deutliche Zahnanlage entstanden ist. in a LT I WR Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 277 Darauf werde ich an dieser. Stelle aber nicht weiter eingehen. Besonders lenke ich die Aufmerksamkeit auf .die Lage- verhältnisse zwischem dem jungen Zahnkeim und dem rückge- bildeten Schmelzorgane. Oft legt sich nämlich das rudimentäre Schmelzorgan gegen den jungen Zahnkeim an, wenn dieser noch weiter anschwillt. Dann kann bei schwacher Vergrösserung der falsche Eindruck entstehen, dass von der Zahnleiste ein Epithel- strang nach der Aussenfläche des jungen Zahnkeims verläuft. Dieses Bild erinnert an die von Bolk für Primaten gegebenen Ab- bildungen (Abb. 12 und 29. Odont. Studien. I). Das Schmelzorgan besitzt da zwei Leisten, welche es mit der Zahnleiste verbinden. Bei starker Vergrösserung sieht man aber bald, dass der Zustand bei Crocodilus ein ganz andrer ist. Bei dem letztgenannten Reptile kommen einige Tage vor der Geburt noch Abortivzähne vor. Diese Zähne entstehen an der Zahnleiste und entwickeln sich in ganz derselben Weise wie die nach der Geburt funktionierenden Zähne. Sie schnüren sich, wie unten ausführlicher für die Zähne des fungierenden Gebisses mitgeteilt wird, von der Zahnleiste ab, und es entsteht ein glockenförmiges Schmelzorgan, das völlig unabhängig von der Zahnleiste nach der Kieferoberfläche wächst. Ob es zum Durch- bruch kommt, konnte ich nicht feststellen. Wahrscheinlich scheint es mir aber auf Grund des Gesehenen nicht. Es fängt jedenfalls ein Reduktionsprozess an, wodurch das Schmelzorgan zu einer abgeschlossenen Zyste wird, die in ihrem Innern die Dentinkappe des Zahnes einschliesst. Diese Zyste wird im Mesenchym des Kiefers resorbiert. Ausführlicher und durch Abbildungen ver- deutlicht werde ich unten diesen Prozess noch beschreiben. Phylogenie. Aus dem Obenstehenden geht also hervor, dass die Anlage der ersten Zähnchen in der Form von Bildung freier Papillen stattfindet. Diese freien Papillen können in- traepithelial liegend resorbiert werden. Ich sehe hierin die Wieder- holung eines Prozesses in der Ontogenie, der in der phylogenetischen Entwicklung auch stattgefunden hat. Die sogenannten Schleimhaut- zähnchen, in der Schleimhaut gebildet und nicht mit dem Kiefer- knochen verwachsen, werden auch in der Schleimhaut resorbiert und wahrscheinlich besassen die Vorfahren der Reptilien ein solches Schleimhautgebiss. 278 Martin W. Woerdeman: Dass die Mehrzahl der Abortivzähnchen aber nach Einsenkung in das Mesenchym resorbiert werden, ist meines Erachtens ein Fingerzeig, dass bei den Reptilienvorfahren schon bald Maßnahmen getroffen wurden, um die Zähnchen bei ihrer Entwicklung in eine mehr geschützte Lage zu bringen. Obwohl auch die Abortiv- zähnchen noch in eine derartige Lage gebracht sind, entwickeln sie sich nicht weiter und werden also tief im Mesenchym resorbiert. Dieses Stadium erinnert an Röses Zapfenstadium. Erst die unter dem Operkulum gebildeten Zähnchen bilden Schmelz- organe (Röses Glockenstadium). Das phylogenetisch älteste Stadium ist also I Gemma- Stadium, dann folgt das- Papillenstadium, schliesslich das Zapfen- stadium und das Glockenstadium. Merkwürdigerweise findet man nun auch bei der Anlage der Schuppen und Federn ein Gemma- und ein Papillenstadium; bei der Haaranlage ein Gemma- und ein Zapfenstadium. Es besteht also eine überraschende Übereinstimmung in der Entwicklung zwischen Zähnen, Schuppen, Federn und Haaren. In Beitrag II wies ich schon auf andere Punkte von Übereinstimmung hin. Ich bin daher geneigt, mit Maurer (25) eine innige phylogenetische Beziehung zwischen Zähnen, Haaren, Federn und Schuppen anzunehmen. Noch einige weitere Punkte verdienen Erwähnung: Im Gegensatz zu Röse und in Übereinstimmung mit Leche und Harrison sah ich niemals bei den mehr als hundert untersuchten Abortivzähnchen einen Zementsockel oder eine Verwachsung mit dem Kieferknochen. Form der Abortivzähne. Ferner habe ich besonders bei Crocodilus Acht gegeben auf die Form der Abortivzähne, da Röse sie oft zweispitzig. fand. Nur bei den als freie oder teilweise operkularisierte Papillen gebildeten Abortivzähnen fand ich kleine Spitzchen Anfänglich meinte ich Röses Beschreibung bestätigen zu können. Namentlich bei Embryo B und D kommen dentinlose Papillenzähnchen vor, welche deutlich zweispitzig sind. und es wurden auch kleine Dentinzähnchen mit deutlichem zwei- spitzigem Dentinscherbehen beobachtet. Dabei fiel es mir aber auf, dass die zwei Spitzen nicht eine labiale und eine linguale waren, sondern eine vordere und eine hintere. Es stellte sich weiter heraus, dass. die hintere Spitze die grössere war und mehr den STE a Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 279 Mittelpunkt des Zähnchens bildete, während die vordere Spitze kleiner war und sich auf der vorderen Hälfte des Zahnscherbchens befand. Nun rekonstruierte ich nach Borns Wachsplattenmethode einige Dentinscherbchen von Abortivzähnen, und diese Rekon- struktion lehrte, dass die Abortivzähne gar nicht kegelförmig sind, sondern in bukkolingualer Richtung zusammengedrückt er- scheinen, so dass ihre antero-posterioren (mesio-distalen) Dimen- sionen grösser sind als die bukkolingualen. In mesiodistaler Richtung kommen auf den Zähnchen eine kleine vordere Spitze. eine grosse mittlere Spitze und gar nicht selten eine kleine hintere Spitze vor. Durch die frontale Schnittrichtung meiner Präparate sind die drei Spitzen nebeneinander nicht sichtbar. Doch kann man aus den Figuren 30 B (Tafel VIII) und 37 (Tafel IX) des ersten Beitrages wohl sehen, dass die Abortivzähnchen keine einfachen Kegelzähnchen sind.‘ Die beschriebene dreispitzige Zahnform ist die trikonodonte. Wenn nur zwei Spitzen vorkommen, dann stellt sich heraus, dass der hintere Nebenkonus nicht entwickelt ist. Weiterhin werde ich darlegen, dass bei vielen Reptilien mit trikonodonten Zähnen eine bestimmte Zahl dieser Zähne zweispitzig ist und auch kegelförmige Elemente vorkommen. Hinten im Gebiss findet man dann die trikonodonten Zähne, mehr nach vorn wird der hintere Nebenkonus rudimentär, und es entstehen zwei- spitzige Elemente, und schliesslich verschwindet bei den vorderen Zähnen auch der vordere Nebenkonus und sind die Zähne an dieser Stelle einspitzig (kegelförmig). Diese Erscheinung weist darauf hin, dass die Kegelform oft sekundär aus der trikonodonten entstanden sein mag. Nun kommt bei jungen Embrvonen von Crocodilus ein Abortivgebiss vor mit drei- und auch zweispitzigen Abortivzähnchen, und es stellt sich heraus, dass die zweispitzigen modifizierte trikonodonte sind. Das weist meines Frachtens darauf hin, dass die Vorfahren der Krokodile ein Schleimhautgebiss von trikonodonten Zähnen besessen haben !') und macht es wahr- ‘!) In dieser Hinsicht ist es wohl sehr merkwürdig, das die Plakoid- schuppen der Haifische auch oft trikonodont sind und dass die Papille, aus der sieentstehen, auch Trikonodontie zeigt (siehe Tafelfigur 8von Laaser[21]). Es scheint in vielen Hinsichten eine überraschende Ähnlichkeit zn bestehen zwischen der Anlage der Plakoidschuppen und jener der freien Papillen. Daher ist Röse’s Bezeichnung „plakoide Zahnanlagen“ für die freien Papillen eine sehr gut gewählte, ER 280 Martin W. Woerdeman: scheinlich, dass die schöne Kegelform der Krokodilzähne eineiaus der trikonodonten sekundär entstandene Form ist. Ich kann denn auch den Odontologen nicht beistimmen, welche die Kegelzähne der Krokodile für primitiv halten. :So schreibt de Terra (34): „Bei den Krokodilen zeigt das Gebiss, trotz der ungeheuren Veränderungen, die das Gaumendach im Laufe der Zeit erlitten hat, die geringste Differenzierung innerhalb der stammesgeschicht- lichen Entwicklung.“ Ich betrachte dagegen (und werde es unten noch weiter argumentieren) das Krokodilgebiss als ein sehr speziali- siertes und stark differenziertes. Röse schreibt (31), trotzdem er die zweispitzigen Abortivzähne fand: „Was die äussere Gestalt der Zähne betrifft, so muss die einfache Kegelform, wie sie sich besonders bei Fischen und bei kiemenatmenden Amphibien vor- findet, als die ursprünglichste Zahnform betrachtet werden. Ein solcher Kegelzahn dient lediglich zum Erfassen und Festhalten der (meist tierischen) Nahrung. Jede Änderung der Nahrung bedingt im allgemeinen auch eine Änderung der Zahnform“. Ich komme auf diese Frage noch zurück, möchte _ aber schon hier mitteilen, dass ich mich zu Bolk’s Auffassung bekenne, welche ich hier wiedergebe: „Die in der Literatur nicht seltene Verweisung nach dem Krokodilgebiss als hypothetische haplodonte Ausgangsform des Säugergebisses ist weniger berechtigt, da wahrscheinlich bei diesen Formen die Kegelgestalt der Zähne,auch einen sekundären Erwerb darstellt, hervor- gerufen durch die Verlängerung der Kiefer und Ausbildung der Schnauze zu einem ausgezeichneten Greiforgan. Die Behauptung gewinnt an Wahrschein- lichkeit durch die Tatsache, dass die ersten Zähnchen, welche bei Crocodilus porosus zur Anlage gelangen... . nicht kegelförmig, sondern abgeplattet sind. Der mesenchymatöse Kern dieser Zähnchen wird von Röse sogar als Doppelpapille beschrieben“. ji Schmelzpulpa. Schliesslich noch einige Worte über die Schmelzpulpa.. Man hat ihr eine Rolle bei der Ernährung des Schmelzorgans zugeschrieben. Wo ein völlig abgeschnürtes Schmelz- organ besteht, das nicht vaskularisiert ist, (Bolk [7] hat übrigens vor einigen Jahren ein vaskularisiertes Schmelzorgan bei Phasco- larctos beschrieben. Das ist meines Erachtens das einzige bis jetzt bekannte), da muss die Ernährung der Ameloblastenschicht wohl aus den Blutkapillaren stattfinden, welche das äussere Schmelz- epithel umspinnen, und da muss die Schmelzpulpa das Medium sein, durch welches die Nahrungsstoffe diffundieren. Es kann diese Funktion der Schmelzpulpa aber nicht die einzige sein, denn warum sollte sich dann bei den freien Papillen der Krokodile eine Schmelz- pulpa entwickeln, während die Zahnanlagen noch ganz und gar im Kieferepithel eingebettet sind ? Auf Grund anderer Beobachtungen ie ERSTEN "Entwiecklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 251 schreibe ich der Schmelzpulpa auch eine Rolle beim Zahndurch- bruchsprozesse zu und betrachte die Pulpabildung bei den Abortiv- zähnchen von Crocodilus auch als eine Vorbereitung zum Durchbruch, der aber bei diesen rudimentären Elementen nicht mehr stattfindet. Näheres hierüber weiter unten B. Zähne des funktionierenden (Gebisses. Von Gongylus ocellatus besass ich keine erwachsenen Exemplare, dagegen hatte ich eine sehr schöne und vollständige Serie von Krokodilkiefern zur Verfügung. Ich beginne daher mit Urocodilus, obwohl ich noch zeigen werde, dass die Entwicklung der Krokodil- zähne gar keine primitive, sondern gerade eine sehr stark diffe- renzierte ist 1. Crocodilus porosus. Literatur. Obwohl man in der Literatur auffallend wenige Mitteilungen über die mikroskopischen Verhältnisse bei dem Zahndurchbruch, dem Zahn- wechsel usw. der Reptilien findet, bestehen über diese Prozesse beim Krokodil ziemlich viele Mitteilungen. Ausführlich hat Röse (29, 30) die Anlage nnd Entwicklung der Krokodilzähne beschrieben. Die histiologischen Verhältnisse beim Durchbruch sind auch in seiner Arbeit nur unvollständig erörtert. Ich werde nur einige Literaturangaben hier erwähnen. — Nach Owen (26) entwickeln sich die Ersatzzähne „at the side of the base of the old tooth, never in the cavity of the base.“ Wenn der Zahn hart geworden ist, drückt er gegen die linguale Fläche seines Vorgängers, „causes a progressive absorption of that part, and finally undermines, displaces and replaces its predecessor.“ Der Ersatzzahn dringt nach Owen in die Pulpa- höhle seines Vorgängers ein, und bei intensivem Zahnwechsel kann man bei Crocodilus „three and sometimes four generations of teeth, sheathed one within the other“ finden. Die Öffnung, durch die der Ersatzzahn eindringt, ist „a circular or semi-circular perforation“. Cuvier (13) hat bei diesen Prozessen an eine mechanische Kraft gedacht. Owen dagegen meint, dass die Resorption verursacht wird „by the soft matrix, which must have produced its effect by exciting vital action of the absorbents, and not by mere mechanical force.“ Hoffmann (18) beobachtete bei der Zahnanlage das Vorkommen sternförmiger Schmelzpulpazellen, welche aus dem Stratum intermedium entstehen; er sah erst die Anla&e von Dentin und Schmelz und erst danach diejenige von Zement. Schon bei jungen Tieren, deren Zähne noch nicht zum Durchbruch gelangten, ist die Zahnleiste verschwunden. „Die späteren Ersatzzähne bilden sich dann auch wie bei Säugetieren mit wechselnden Zähnen aus der Anlage des Schmelzorganes der vorigen Ersatzzähne.“ Die Ersatzzähne werden „von den älteren scheidenartig bedeckt.“ Zittel (40) schreibt bei Eusuchia: „Je grösser der Ersatzzahn, desto stärker wird die Wurzel des darüber stehenden Zahnes resorbiert, bis er Archiv f. mikr. Anat. Bd.9. Abt.I. 20 282 Martin W. Woerdeman: schliesslich abbricht und ausfällt, wobei häufig die Zementhülle der Wurzel noch eine Zeit lang als dünne Kappe den aus dem Kiefer tretenden Ersatz- zahn umgibt, an dessen Basis sich bereits ein neuer Keim entwickelt.“ Bei einem Embryo von 27 mm Kopflänge, der von Röse (30) unter- sucht wurde, war die Zahnleiste schon siebförmig durchlöchert. Die Zähne entwickeln sich aus den Zellgruppen, welche von der Zahnleiste übrigbleiben und die ein „mitten im Mesoderm liegendes, dünnes, oft fadenförmiges Epithelband bilden, welches gleichwohl in continuo hinter sämtlichen in Entwicklung begriffenen Zahnanlagen hinweg verläuft.“ Bei Zähnen, welche bald durchbrechen werden, wird die Spitze durch Reste des Schmelzepithels bekleidet. Wo der Schmelz aufhört, da „endigt auch die zusammenhängende Kappe des Schmelzorganes. Am Wurzelende des Zahnes ist eine typische Epithelscheide vorhanden, und Epithelreste derselben umgeben die ganze Wurzel in Gestalt eines siebartig durchlöcherten Epithelmantels.* Dieser Mantel verhindert die Verwachsung des Zahnes mit dem Kieferknochen, ist also die Ursache der Thekodontie. Die Ersatzzähne resorbieren die dünne Wand der kleinen Alveole, in der sie gebildet werden und kommen so in die Alveole ihres Vorgängers. Sie dringen nicht in die Pulpahöhlen ihrer Vor- gänger ein, wie man es in Abb. 75 von Owens Odontography und Fig. 2 von Tafel 99 von Hoffmann’s Monographie abgebildet findet, sondern sie dringen in die linguale Wand der älteren Zähne, nachdem in dieser Wand ein Loch entstanden ist. Bald wird die linguale Wand fast ganz resorbiert, während die labiale nur wenig resorbiert wird. „Letzterer Teil der Wurzel wird vielmehr beim Durchbruche des Ersatzzahnes zusammen mit-dem Kronen- reste aus der Alveole hinausgeschoben und sitzt der Krone seines Nachfolgers eine Zeitlang wie eine halbe Kappe auf.“ Gerade vor dem Zahndurchbruch bildet sich Zement um ihre Wurzel. Die Wurzelform wird dadurch bestimmt, dass der obenerwähnte Epithelmantel nach unten weiter wächst. Burckhardt (11) wiederholt in Hertwigs Handbuch vieles aus Röse’s Arbeit. Er fügt noch hinzu: „Endlich ist hervorzuheben, dass das Tempo des Zahnersatzes bei den Krokodilen nicht in allen Teilen der Kiefer dasselbe ist; die Zahngenerationen durchdringen sich mannigfach, und während ein Zahn einer bestimmten Serie angehört, kann sein Nachbar einer voran- gehenden oder späteren angehören.“ Es wäre nicht unmöglich, dass Burckhardt auf diese Weise die Folgen der Distichie (siehe Beitrag II) beschreibt. De Terra (34) lässt den Ersatzzahn in die Pulpahöhle seines Vorgängers eindringen. Danach bringen sie denselben zum völligen Absterben, so dass er dann durch Granulationen resorbiert wird und ausfällt. Material. Ausser den in Beitrag I genannten Serien untersuchte ich noch einige andere, nämlich: Orocodilus porosus: Serie’G, Kiefer eines jungen Tieres, Schnittrichtung: frontal. Crocodilus porosus: Serie H, Unterkiefer eines jungen Tieres, Schnittrichtung:: horizontal. Crocodilus porosus: Serie J, Oberkiefer eines jungen Tieres, Schnittrichtung : horizontal. Crocodilus porosus: Serie P, Linker Unterkiefer eines Tieres, 2 Tage nach der Geburt, Kopf- älnge 55 mm, Schnittrichtung: horizontal. Crocodilus porosus: Serie Q, Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 253 Rechte Kiefer desselben Tieres, Schnittrichtung: frontal. Crocodilus porosus: Serie R., Kiefer eines Tieres, zwei Wochen vor der Geburt, Kopflänge 50 mm, Schnittrichtung: frontal. Anlage der Zähne. Sowohl bei Serie R als bei Serie Q ist der grösste Teil der Zahnleiste verschwunden. Nur der terminale Teil ist übriggeblieben. Auf dem Querschnitt kenn- zeichnet sich dies als eine kleine Gruppe von Epithelzellen, die von einer Schicht ungefähr kreisförmig angeordneter Bindegewebs- zellen umgeben sind. Diese Zellgruppe findet man in den Schnitten immer wieder, so dass hier also ein zusammenhängender Epithel- strang vorliegt. Dieser Strang wird jedoch von Strecke zu Strecke immer stärker und nimmt dann mehr die Form einer Epithel- platte an. Auf dem Querschnitt bemerkt man dann ein Epithel- bälkchen, welches oft noch bequem erkennen lässt, dass es aus zwei Aussenschichten von kubisch-zylindrischem Epithel auf- gebaut ist, zwischen denen sehr vereinzelte Pflasterzellen liegen. Das tiefstgelegene Ende des Bälkchens ist meistens etwas verdickt. Es zeigt sich dann, dass man diese stärker entwickelten Stellen in einer Alveole vorfindet. Es hat sich nämlich bereits eine Anzahl Knochenbälkchen als erste Anlage der Septa entwickelt, welche die Kieferfurche der Krokodile in eine Anzahl einzelner Alveolen verteilen sollen. Wo nun der Rest der Zahnleiste die Anlage eines solchen Septums passiert, erscheint er strangförmig; in einer Alveole dagegen findet man die stärker entwickelten Zahn- leistenteile. Es wird sich bei fernerer Untersuchung dann heraus- stellen, dass die in den Alveolen liegenden Teile der Zahnleiste stets junge Zähne bilden. Diese Teile stellen die Matrices für die in den Alveolen zur Entwicklung kommenden Zahnfamilien dar. Und so kann also auch gesagt werden, dass hier Zahnmatrices vorliegen (in jeder Alveole eine), welche durch einen Epithelstrang zusammenhängen. Bei dem ältesten von mir untersuchten Exemplar (Serie G) (junges Krokodil), war dieser Zusammenhang noch nicht unterbrochen. Der Epithelstrang verlief noch durch die Inter- alveolarsepten, zuweilen ganz von Knochenmasse umgeben. Es ist mir jedoch nicht bekannt, ob dieser Verband während des ganzen Lebens bestehen bleibt. Von dem übrigen Teile der Zahnleiste, nämlich ihrem in Reduktion übergegangenen Stücke, ist in der Regel nur in dem Gebiete einer Alveole noch etwas zu erkennen. Man erblickt dann 20* 284 Martin W. Woerdeman: einige Zellgruppen, die in einer von der Matrix nach dem Kiefer- epithel verlaufenden Linie liegen; hier sind also noch Reste von der siebförmig durchbrochenen Zahnleiste übriggeblieben. An der Kieferoberfläche ist auch noch, wenn auch nur in geringem Grade, eine Andeutung der Insertionsstelle der Zahnleiste sichtbar und zwar in Form einer sehr seichten und engen Furche. Wenn die Matrix anfängt, einen Zahn zu bilden, schwillt das bereits etwas verdickte Ende des Zahnleistenbälkchens noch mehr an, und eine Bindewebspapille stülpt sich terminal in den kolben- förmig angeschwollenen Teil hinein. Die Schwellung beruht hauptsächlich auf einer Vermehrung der polygonalen Zellen, die Labial Fig 7. Zahnfamilie im Oberkiefer von Croe. poros. R. (6. ILI.1.). 35:1. Frontal. zwischen den zwei Zylinderschichten liegen, wodurch die letzteren also auseinandergedrückt werden. Bei der Bildung der Papille wird ein Teil des Zylinderepithels eingestülpt, und die auf diese Weise mit Epithel (Schmelzepithel) bekleidete Bindegewebspapille drängt sich je länger desto mehr zwischen die beiden aus Zylinder- zellen bestehenden Blätter. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 285 In Fig. 7 ist eine solche jugendliche Zahnanlage abgebildet. Man bemerkt, dass eine ganze Familie von drei Zähnen in diesem Schnitte getroffen wurde. Der jüngste der Zähne befindet sich in dem soeben beschriebenen Entwicklungsstadium. Bei ihm ist ein Rest der Zahnleiste in Form eines Epithelzellenstranges sichtbar: „Matrix Lingual Refte der Zahnleifte n- Labial ° Fig.*. Zahnfamilie im Oberkiefer von Croc. poros. Q. (6. III. 10.). 40:1. Frontal. von dem reduzierten Teil der Zahnleiste bemerkt man als Über- bleibsel noch einige Zellgruppen. Auch die obengenannte Furche des Kieferepithels ist vorhanden. In einigen Schnitten lassen sich nämlich die Epithelzellengruppen, welche die Reste der Zahnleiste 286 Martin W. Woerdeman: darstellen, bis an diese Furche verfolgen, wodurch jeder Zweifel an der Bedeutung der letzteren schwindet, um so mehr, als bei einer Zahnleiste mit beginnender Reduktion (Serien O und F) die Insertionsstelle ebenfalls eine Furche ist. Wenn die Zahnanlage einen bestimmten Entwicklungsgrad erreicht hat, beginnt sie sich von der Matrix abzuschnüren. Dieser Abschnürungsprozess, der mit einer vollkommenen Lösung der Zahnanlage endigt, verläuft ziemlich verwickelt. Zuerst scheint sich der Gipfel der Zahnanlage zu befreien. Von Anfang an fällt es auf, dass die beiden auseinandergedrängten Blätter der Matrix nicht gleich sind (siehe Fig. 7), und zwar ist das linguale Blatt dicker als das labiale.e Hat nun die Zahnanlage infolge ihres Wachstums eine derartige Grösse erreicht, dass die beiden Matrix- blätter nicht weiter auseinanderweichen können, so ist ein weiteres Wachsen der Zahnanlage nur möglich, wenn sich entweder alle beide bereits auseinandergedrängten Blätter oder wenigstens eines von ihnen vergrössern. Es zeigt sich, dass der letztgenannte Fall eintritt, und zwar ist es das labiale Blatt, welches durch Zunahme seiner Grösse der Zahnanlage Raum für ihr weiteres Wachstum verschafft. In Fig. 8 ist dies deutlich zu beobachten an dem jüngsten Zahnkeim der dort abgebildeten Familie von drei Zähnen. Es ist ein Schmelzorgan entstanden, das noch mit einem Teile seiner lingualen Fläche mit der Matrix verbunden, aber übrigens frei geworden ist. Ebenso also wie bei dem Entstehen eines Schmelz- organes an einer Zahnleiste das äussere Schmelzepithel eine Aus- sackung des labialen Zahnleistenblattes darstellt, so wird auch bei dem Entstehen der Schmelzorgane aus den Zellblättchen, die als Matrices übrigbleiben (beim Krokodil), das äussere Schmelzepithel von dem labialen Blatt gebildet. Abschnürung der Zahnkeime. Wenn der Gipfel des Schmelz- organes dadurch freigekommen ist, dass die Zahnleistenblätter nicht weiter auseinanderweichen, beginnt eine wirkliche Abschnürung, bei welcher die Fläche, welche den Zusammenhang zwischen der Matrix und dem Schmelzorgan herstellt, immer kleiner wird. Diese Abschnürung hat zur Folge, dass medial vom Schmelzorgen die Matrix immer mehr sichtbar wird und das Schmelzorgan nicht mehr als eine Ausstülpung des freien Endes der Matrix erscheint. Es präsentiert sich nun eher als eine parietale Anlage, d.h. es Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 287 ist mit der labialen Fläche der Matrix verbunden. In einer Reihe frontaler Querschnitte findet man dann das Schmelzorgan in den vordersten Schnitten völlig frei von dem kleinen Epithelstrange, worauf bald die mediale Fläche mit der Epithellamelle in Ver- bindung tritt. Die Verbindungsbrücke wird etwas breiter und verlagert sich etwas mehr nach dem Ende der Zahnleiste, wonach sich das Schmelzorgan wieder mehr und mehr von der Zahnleiste befreit, aber meistens bis in die letzten Schnitte mit dem Ende ihres Restes durch einen Epithelstrang verbunden bleibt. Die letzten Schnitte durch das Schmelzorgan zeigen ausserdem noch, dass sich das Schmelzorgan nach unten vergrössert; denn die (uerschnitte der Schmelzorgane liegen in einem niedrigeren Niveau als das Zahnleistenende. Vergegenwärtigt man sich dieses Ver- hältnis, dann wird es deutlich, dass sich der untere Teil des Schmelzorganes in bezug auf die Zahnleiste gesenkt und nach labial verlagert hat, durch welchen Vorgang die Verbindung mit jener Leiste nicht unerheblich verändert wurde. Die Verbindungs- brücke wird ursprünglich ungefähr die Form eines Zylinders gehabt haben. Infolge der Verlagerung des Schmelzorganes wird allmählich dieser Zylinder in der Richtung von vorn nach hinten (mesio-distal) abgeplattet und schliesslich in seinem untersten Teile sogar in eine Epithelzellenplatte verwandelt, welche auf dem (uerschnitt als ein Epithelstrang erscheint (siehe Schema 9I und 91]). E mass h Anheftungsfläche Pass) is etiren en I I I 1% Fig.9. Schema der Abschnürung von Schmelzorganen beim Krokodil. In diesem Zustand tritt indessen schon wieder Veränderung ein, indem nämlich die Epithellamelle, welche das Schmelzorgan mit der Zahnleiste verband, sich zu reduzieren beginnt. Es hat den Anschein, als ob die ursprünglich doppelblättrige Lamelle sich in zwei sehr dünne Blätter spaltet; man sieht dann nämlich (in den vordersten Schnitten durch ein Schmelzorgan) von der Seitenfläche der Zahnleiste zwei dünne Epithelstränge nach der bukkalen 2838 Martin W. Woerdeman: Fläche des Schmelzorganes verlaufen In mehr nach hinten gelegenen Schnitten bemerkt man, dass diese Stränge sich einander nähern, darauf zusammentreffen und nun wieder einen dickeren Strang bilden, der noch weiter nach hinten aufs neue sich in zwei Stränge teilt, welche gesondert enden und zwar der eine von ihnen (der stärkere) dicht oberhalb einer jungen terminalen Anlage, die in der Regel schon entwickelt ist, wenn das besprochene Schmelzorgan soweit abgeschnürt ist. In Wirklichkeit wird die Verbindung zwischen dem Schmelz- organ und der Zahnleiste nun also durch zwei nach hinten kon- vergierende, darauf verschmelzende und noch weiter nach hinten abermals sich trennende, Epithelplatten gebildet. Dieselben inse- rieren an der medialen Fläche des Schmelzorganes. Zwar erhält man auf dem Querschnitt bisweilen den Eindruck, dass das eine Strängelchen nach der genannten Fläche, das zweite mehr nach dem Gipfelpunkt des Schmelzorganes gehe; aber dabei ist zu bedenken, dass dasjenige, was auf dem Querschnitt der Gipfelpunkt des Schmelzorganes zu sein scheint. doch in den meisten Fällen dies nicht ist, sondern vielmehr nur der Gipfelpunkt des jeweiligen Querschnittes. Wie dieser Zustand sich herausgebildet hat, ist nicht leicht zu sagen. Es macht den Eindruck, dass in eine doppelblättrige Epithelplatte Bindegewebe hineingedrungen ist, und zwar sowohl von vorn nach hinten, als von hinten nach vorn, wobei die beiden Blätter getrennt wurden, deren Zusammenhang sich jedoch in der Mitte noch erhalten hat. Dieser Mittelteil ist es dann, der am längsten erhalten bleibt. Vereinzelt trifft man wohl .einmal ein Schmelzorgan an, das noch durch zwei später vereinigte, aber dann nicht wieder getrennte Epithelplättchen mit der Zahnleiste verbunden ist; in diesem Falle ist ein Teil der dünnen Plättchen schon in Reduktion übergegangen. Bald folgt denn auch der andere Teil, und das Schmelzorgan bleibt nun noch durch einen einzigen Epithelstrang mit der Zahnleiste verbunden. Dies ist nun faktisch ein Strang; man wird ihn nur in sehr wenigen Schnitten antreffen, im Gegensatz zu den oben beschriebenen Strängen, die in zahlreichen Schnitten vorkommen und nichts anderes sind als Durchschnitte durch Lamellen (siehe Fig. 9, I—IV). Dieser Epithelstrang ist dann die letzte Verbindung zwischen dem Schmelzorgan und der Zahnleiste. Schliesslich geht auch Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 289 diese Verbindung zugrunde, und damit ist das Schmelzorgan völlig abgeschnürt. In nicht allzu seltenen Fällen bleibt der Epithelstrang jedoch ziemlich lange bestehen, und in diesem Falle gibt er Ver- anlassung zum Entstehen von Bildern, welche ohne diese voran- gehende Einleitung entschieden unverständlich sein würden. Indessen muss für ein gutes Verstehen noch ein zweites Moment bekannt sein, nämlich der Zahndurchbruch. Indem ich demjenigen, was noch nachgewiesen werden soll, schon ein wenig vorgreife, will ich nun bereits mitteilen, dass das Schmelzorgan des Zahnes durchbrochen und später als Zahnscheide funktionieren wird. In Fig. 10 ist ein aus drei Schnitten zusammengestelltes Schema wiedergegeben; es zeigt einen Zahn, der gerade durch Abortivahn Be Zahnleiftenrefie Labial AL Lingual F 7 in EV, 2% Abfchnürungsftrang ER Fig. 10. Schema der Zahnabschnürung beim Krokodil. sein Schmelzorgan hindurchgebrochen ist, seinen Vorgänger (Ahortiv- zahn) und Ersatzzahn. Der letztere hängt noch auf einer breiten Strecke mit dem Zahnleistenrest zusammen, hat sich aber doch bereits oben und unten von der Leiste gelöst. Gerade an der Stelle des Zusammenhanges entspringt ein Epithelstrang, der in einzelnen Schnitten von 15 « vorkommt und an der medialen Fläche des Schmelzorganes des durchbrochenen Zahnes inseriert. Auf den ersten Blick könnte man glauben, die Zahnleiste vor sich zu haben, wenn man nicht deren ursprünglichen Verlauf an einigen Epithelgruppen noch erkennen könnte. In Wirklichkeit 290 Martin W. Woerdeman: ist der hier entspringende Strang aber der hier noch vorhandene Abschnürungsstrang des grossen bereits durchgebrochenen Zahnes. Fig. 11 bietet nun wohl auch keine Schwierigkeiten mehr. Von der medialen Fläche eines grossen Schmelzorganes geht ein Epithel- strang aus, der sich an seinem Ende kolbenförmig verdickt. Von diesem Ende ist eine Reihe stäbchenförmiger Kerne nach der Zahnleiste gerichtet. Sie deuten auf einen aufgehobenen Verband zwischen dem beschriebenen Strange und der Zahnleiste. - Man Kieferepithel \ NS > oO a I = Cı S = = (a) [4 — = [e} 3 (Q er ErELtn Labial En Fig. 11. Zahnfamilie im Unterkiefer von Croe. posos. R. (4. 1V.8.). 40:1. Frontal. hat hier denn auch den Abschnürungsstrang des grossen Schmelz- organes vor sich, der den Zusammenhang mit der Zahnleiste vorloren hat und sich nun zurückzieht. Schliesslich verweise ich noch auf Fig. 12, wo man von der medialen Wand einer Zahnscheide einen kleinen Epithelstrang ausgehen sieht, der an seinem Ende eine nicht unerhebliche An- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 291 schwellung zeigt. Da die Zahnscheide ein modifiziertes Schmelz- organ ist, ist keine andere Möglichkeit gegeben, als dass dieser Epithelstrang der Rest des Abschnürungsstranges sein muss, was durch eine Vergleichung mit Fig. 10 und andern hier nicht wiedergegebenen Bildern hinreichend bewiesen wird. ® _Reftr des IR \ Abfchnürungs- Homogene___- [tranges Membran Lobia! Lingual _ Matrix = Fig. 12 Zahnfamilie im Oberkiefer von Croe. poros. Q. (14. IV.4.). 40:1. Frontal. Es wird ohne weiteres einleuchten, dass das Bild, welches Fig. 11 darbietet, völlig unverständlich sein muss, wenn man nicht die Art und Weise der Abschnürung und des Durchbruchs der Zähne kennt. Durch die Neigung, welche die Schmelzorgane besitzen, den Zusammenhang mit ihrer Matrix aufrecht zu erhalten, entsteht also bei ihrer Abschnürung ein Epithelstrang, welcher sehr lange » 292 Martin W. Woerdeman: diesen Zusammenhang unterhält. Ja, der Abschnürungsstrang kann häufig noch bei einem alten Zahne vorhanden sein, wenn er auch bei dessen Ersatzzahn schon aufgetreten ist. Man sieht dann zwei Generationen, deren jede durch ihren Strang mit der Zahnleiste verbunden ist. Bei den Säugetieren ist die Zahnanlage durch zwei Leisten (Epithelplatten) mit der Matrix verbunden; diese beiden Leisten werden ebenso wie beim Krokodil auch zu Strängen reduziert. Das Auftreten der beiden Leisten (der lateralen und medialen Schmelzleiste Bolk’s) wird von Bolk als Beginn der Trennung zwischen den beiden Odontomeren, aus denen er sich den Säugetierzahn aufgebaut denkt, angesehen. Wenn die Anlage nämlich anfängt, sich abzuschnüren, ist sie durch zwei Leisten, später durch zwei Stränge mit der Zahnleiste verbunden. Nur die Papillen trennen sich nicht, sondern bleiben vereinigt. Würde nun ‚ebenfalls eine Trennung zwischen den beiden Papillen eintreten, dann hätte man denselben Zustand wie beim Krokodil, nämlich zwei Zahngenerationen einer Familie, die beide durch einen Strang mit der Zahnleiste zusammenhängen. Aus diesem Grunde sind Bilder wie diejenigen der Fig. 11 von grosser Wichtigkeit für das Verstehen der Bedeutung der lateralen und medialen Schmelzleiste. Histiogenese der Zähne.!) Wenn ein Zahn angelegt wird, sieht man in den Schnitten vom Ende des kleinen Epithelstranges, der von der Zahnleiste übriggeblieben ist, dass die Zellen sich mit Eosin dunkler färben und ihre deutliche Umgrenzung verlieren, während die interlaminären Zahnleistenzellen stark an Zahl zu- nehmen. Die Frage, ob diese Zunahme durch einen Teilungs- prozess dieser Zellen bewirkt wird, oder aber dadurch, dass die Zylinderzellen bei ihrer Teilung diese interlaminären Zellen erzeugen, ist an Hand der Präparate nicht so leicht zu entscheiden. Da schliesslich die Zylinderzellenschicht der Zahnleiste nichts anderes ist als das Stratum Malpighii der Mundschleimhaut, und die interlaminären Zellen die Homologa der polygonalen ober- flächlichen Zellen der genannten Schleimhaut sind, liegt es nahe, eine Entstehung der interlaminären Zellen aus den Zylinderzellen anzunehmen, da ja auch die oberflächlichen Zellen der Mund- !) Die sehr ausführliche Literatur über diesen Gegenstand wird wegen ihres grossen Umfanges nicht aufgeführt werden. Hier wird nur das Resultat eigener Beobachtungen mitgeteilt. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 293 schleimhaut von dem Stratum eylindricum (Stratum germinativum!) gebildet werden. Inzwischen finden auch in der Bindegewebszellenmasse, welche rings um die Epithelmatrix herumliegt, Veränderungen statt, indem nämlich die unmittelbar den terminalen Zahnleisten- zellen anliegenden Spindelzellen anfangen, sich abzusondern und zu runden Zellen mit rundem Kern und mehr oder weniger körnigem Protoplasma zu werden. Ebenfalls lässt sich eine Zunalıme ihrer Anzahl konstatieren. Nunmehr bemerkt man, wie das infolge Zellenvermehrung kolbenförmig verdickte Zahnleistenende durch die unter ihm sich entwickelnden Bindegewebszellen (Zahn- papillenzellen) terminal eingestülpt wird. So entsteht denn die folgende Sachlage: Am Ende der Epithelplatte weichen die beiden Zylinderzellenschichten auseinander infolge der Vermehrung der intermediären Zellen. Die terminalen Zahnleistenzellen sind zu dunkel tingierten hohen Zylinderzellen geworden. Der terminale Teil ist nach innen eingestülpt. Die intermediären Zellen ordnen sich mit ihren Kernen mehr oder weniger deutlich parallel dem eingestülpten Epithel an und werden zu sehr hell gefärbten spindelartigen Zellen- Von den interlaminären Zellen, welche zwischen den noch nicht auseinandergewichenen Zahnleistenblättern liegen, werden sie durch einige dunkelgefärbte Spindelzellen ab- geschlossen. Die Erscheinung, dass diejenigen Zellen, welche zu Schmelzpulpazellen werden sollen, nach aussen durch dunkelgefärbte Zellen abgeschlossen werden, wurde auch bei Gongylus und den freien Papillenzähnen von Crocodilus angetroffen (siehe Fig. 2 dieses Beitrages und Fig. 36c des ersten Beitrages). Die Zellen der labialen Zahnleistenlamelle, soweit dieselbe von dem lingualen Blatte abgedrängt wird, werden niedriger, und ihre Kerne ordnen sich mehr und mehr parallel der Membrana propria des Epithels an. Bei der ferneren Entwicklung beobachtet man eine weitere stetige Vermehrung der abgerundeten Binde- gewebszellen, welche miteinander eine Papille von nicht unbe- deutendem Umfange bilden, die immer mehr in die Zahnleiste eindringt. Dabei liegen die Zellen am dichtesten in dem Gipfel der Papille. Zwischen den runden Zellen findet man noch Reihen von Spindelzellen, die ich für Anlagen von Blutgefässen halte. Die peripheren Zellen der in ziemlich konzentrischen Schichten das Zahnleistenende umgebenden Bindegewebszellenmasse werden 294 Martin W. Woerdeman: nicht zu runden Papillenzellen, sondern behalten ihre Spindelform. Wahrscheinlich sind sie diejenigen Zellen, welche stetig neue Papillenzellen bilden und später die Bindegewebshülle herstellen, die sich dem Schmelzorgan anlegt (Zahnsäckchen). Der eingestülpte Teil der Zylinderzellenschicht der Zahnleiste wird nun in der Folge wie gebräuchlich das „innere Schmelzepithel“ genannt werden, die interlaminären Zellen „Schmelzpulpazellen“, das labiale Zahnleistenblatt, welches bei der Abschnürung die ganze Zahnanlage von aussen umkleidet „äusseres Schmelzepithel“ und die in die Zahnleiste eindringenden Bindegewebszellen „Papillenzellen“. Auffallend sind die Veränderungen der Schmelzpulpazellen. Diese Zellen, die ursprünglich eine Spindelform haben und deren Kern dem Schmelzepithel parallel liegt, nehmen bald sehr schlecht Farbstoff auf und kommen weiter auseinander zu liegen. Offenbar ist dies auf Flüssigkeitsanhäufung zwischen den Zellen zurück- zuführen. Diese Anhäufung nimmt schliesslich solche Ausdehnung an, dass die Zeilenform dadurch beträchtlich beeinflusst wird, und zwar werden die Zellen sternförmig. Auch Vakuolisierung der Zellen wird beobachtet. Auf dem Querschnitt bemerkt man dann zwischen dem äusseren und inneren Schmelzepithel eine Höhle, ın welcher ein feines Netzwerk von Protoplasmafädchen verläuft, während Kerne auf den Knotenpunkten des Netzes liegen. Der Innenfläche des äusseren und der Aussenfläche des inneren Schmelz- epitheles liegt jedoch stets eine Zone nicht veränderter Pulpazellen an. Das dem inneren Schmelzepithel anliegende Zellschichtchen ist immer deutlicher als das andere, und ist als Stratum inter- medium bekannt. Welche Bedeutung hat nun dieses Stratum intermedium? Man kann sich die Sachlage so vorstellen, dass die Bildung der Sternzellen in der Mitte beginnt, und dass die beiden Schichtchen Spindelzellen, die den Schmelzepithelien anliegen, nichts anderes sind als noch nicht differenzierte Pulpazellen. Aber eine andere Erklärung, die das oben Mitgeteilte über das Ent- stehen der interlaminären Zellen berücksichtigt. ist die folgende: Das Stratum intermedium ist ein Schichtehen junger, von den Schmelzepithelien gebildeter Schmelzpulpazellen. Dass ich diese Erklärung für die wahrscheinlichste halte. wird alsbald erläutert werden. Neben der Bildung von Schmelzpulpa geht die Entwicklung eines reichverzweigten Kapillarnetzes ringsum das äussere Schmelz- epithel einher, ja, zahlreiche Kapillaren liegen bald dem äusseren Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 295 Schmelzepithel unmittelbar an ohne Vermittlung von Bindegewebe. Da liegt denn die Annahme sehr nahe, dass die für die Ernährung des inneren Schmelzepithels (der Ameloblasten) erforderlichen Stoffe — sei es nun vielleicht durch Osmose oder Sekretion — aus den Kapillaren in das flüssigkeitsdurchtränkte Schmelzpulpa- gewebe übergeführt werden und auf diese Weise das innere Schmelz- epithel ganz umspülen. Das Schmelzpulpagewebe wäre dann ein Stoffwechselmedium für das innere Schmelzepithel. (In diesem ‘Zusammenhange entbehrt es nicht des Interesses, auf das Fehlen eines Stratum intermedium bei den vaskularisierten Schmelzorganen von Phascolaretos hinzuweisen. [Bolk 7). Das äussere Schmelzepithel erleidet nur sehr wenig Ver- änderungen. Die Zellen werden niedrig, und die Kerne stellen sich oft parallel der Membrana propria des Epithels, wodurch es sehr erschwert werden kann, die Grenze zwischen dem Epithel und dem Bindegewebeschichtchen, das dem äusseren Schmelzepithel anliegt, zu bestimmen. In der Regel aber sind die Epithelzellen an ihrer etwas dunkleren Färbung wohl zu erkennen. Auch in dem inneren Schmelzepithel treten Veränderungen auf und zwar zuerst an seinem Gipfel. Das dunkel tingierte Protoplasma wird heller, die Zellen vergrössern sich nicht unbe- trächtlich sowohl in Höhe als Breite, und der Kern verlagert sich nach demjenigen Pole hin, der dem Stratum intermedium anliegt. Hierdurch entsteht eine ziemlich grosse, helle Protoplasmazone an dem höchsten Punkte des Schmelzepithels, zwischen der Papille und der Kernreihe der veränderten Schmelzepithelzellen, welch letztere nunmehr „Ameloblasten“ genannt werden können. Diese Veränderungen gehen nämlich der Schmelzbildung voran, worüber gleich ein weiteres. Der untere Teil des inneren Schmelzepithels bleibt vorläufig aus dicht aufeinandergehäuften dunkelgefärbten Zylinderzellen bestehen; aber je weiter der Zahn sich entwickelt, desto grösser wird die Zahl der entstehenden Ameloblasten. Die 3ildung der letzteren beginnt aber am Gipfelpunkt des Schmelz- epithels und geht bei den Abortivzähnchen sogar niemals weiter. Über sehr interessante Veränderungen im Schmelzepithel als Ursache für das Zahnrelief der Krokodilzähne wird noch später gesprochen werden. Inzwischen sind in der Zahnpapille erhebliche Veränderungen eingetreten. Die runden, dicht zusammengedrängten Papillenzellen 296 Martin W. Woerdeman: ordnen sich, verwandeln sich in kubische Formen und bilden nun eine aus kubischen Zellen bestehende Schicht, die sehr viel Ähnlichkeit mit einem einschichtig-kubischen Epithel aufweist. Bald nehmen die Zellen eine langgestreckte Form an, bis sie zu hohen Zylinderzellen geworden sind. Das Protoplasma vermehrt sich stark, die Zellen nehmen hellere Färbung an, ihr Kern wird länglich-oval und stellt sich mit seiner Längen- achse in die Länge der Zelle. Zugleich verlagert sich der Kern nach demjenigen Zellpol, der dem Schmelzepithel abgewandt ist. So verändern sich — zuerst oben, darauf auch immer tiefer in der Papille — die peripheren Papillenzellen zu einer Zellschicht, die eine täuschende Ähnlichkeit mit Epithel hat. Es sind die „Odontoblasten“ entstanden. Wo die Ameloblasten den Odonto- blasten anliegen, befindet sich zwischen den beiden Kernreihen eine homogene lichtere Zone, die von den stets durch eine deutliche Membran getrennten Gipfeln der Ameloblasten und Odontoblasten gebildet wird. Häufig sieht man die Odontoblasten am Gipfel der Papille sehr dicht aufeinanderliegen, so dass der Gipfel der Papille einen lichten Odontoblastenkegel trägt. In solchem Falle sind die Odontoblasten in den tieferen Teilen der Papille noch nicht gebildet, wohl aber ist an ihrer Stelle dort eine Schicht kubischer (oder niedrigzylindrischer) Zellen entstanden (Prä-Odontoblasten). Von dem Schmelz und dem Dentin wird das letztere zuerst gebildet. Die Dentinbildung fängt jedoch erst an, nachdem die Schmelzpulpa entstanden ist, und an dem Gipfel deutlich erkenn- bare Ameloblasten erschienen sind. Die von den Odontoblasten gebildete Substanz präsentiert sich zuerst als eine homogene Masse, (Praedentin, Membrana praeformativa (von Ebner), dentinogene Substanz), die sich nur mit Eosin und nicht mit Hämatein färbt. Erst nach Erreichung einer bestimmten Dicke tritt in der peripheren Schicht eine Färbung mit Hämatein auf. Diese Erscheinung ist sehr konstant. Bei älteren Zähnen liegt denn auch immer zwischen den Odontoblasten und dem (durch Hämatein) blau gefärbten Dentin eine (durch Eosin) rosa gefärbte Zone. Es will mir scheinen, dass das Dentin nach seiner Bildung eine chemische Veränderung erleidet, wodurch es mit Hämatein färbbar wird, und da unter den ver- schiedenen Stoffen sich Kalk stark durch Hämatein färbt, denkt man unwillkürlich an ein Aufnehmen von Kalksalzen, nachdem see ee u GER Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 297 erst die organische Substanz durch Zellen gebildet wurde. Es konnte eine deutliche lamelläre Struktur nachgewiesen werden. Über das Vorkommen einer deutlichen, von Zellenausläufern (Tomes’schen Fasern) durchbohrten Zellmembran ist anlässlich der in Fig. 4 und 5 abgebildeten Odontoblasten schon gesprochen. Die interessante Frage, ob die Dentin- und Schmelzbildung auf einer Sekretion oder auf Transformation der Odonto- bezw. Ameloblasten beruht, habe ich nicht untersucht. Während also in genannter Weise die Odontoblasten ent- standen sind und die Dentinbildung angefangen hat, haben sich auch Veränderungen mit den anderen Papillenzellen vollzogen. Sie liegen nun weiter auseinander, indem sich offenbar ein homogener Zwischenstoff zwischen den Zellen gebildet hat. Da dies zuerst oben in der Papille geschieht, ist dieser obere Papillenteil heller gefärbt als der untere Teil, in welchem die Kerne dicht auf- einander liegen. Im Laufe der Entwicklung schreitet dieser Prozess immer weiter fort, bis schliesslich die ganze Papille mit Ausnahme ihres unteren Teiles durch eine feinfaserige Substanz gebildet wird, in welcher wenig Kerne (von sternförmig veränderten Papillenzellen) liegen. Dieses Gewebe ähnelt sehr kernarmem, embryonalem Bindegewebe. Was für eine Bedeutung die runden Papillenzellen haben, welche erst in so grosser Zahl die Papille bilden, lässt sich nicht leicht sagen. Teilweise werden sie zu Odontoblasten; aber der andere Teil wird später als stern- förmige Bindegewebszellen wiedergefunden. Wahrscheinlich hat man es hier mit einer Dedifferenzierung der Mesenchymzellen zu tun, bei Beginn der Papillenbildung, worauf Redifferenzierung folgt, nachdem die Papille entstanden ist. Derartige Prozesse beobachtet man ja auch bei dem Heilen kleiner experimentell erzeugter Wunden bei Embryonen, in welchem Falle ebenfalls ziemlich schnell eine neue (rewebemasse gebildet werden muss. In der Papille entwickelt sich ein reich verästeltes Kapillar- netz, das meistens von einem zentral gelegenen Gefässe ausgeht. Die Kapillaren liegen direkt unter den Odontoblasten, ja, oft in der Odontoblastenschicht. Namentlich bei ausgewachsenen Zähnen und bei Zähnen mit beginnender Reduktion ist die Zahl der in der Odontoblastenschicht liegenden Kapillaren sehr gross. Es macht einen eigentümlichen Eindruck, in der epithel- artigen Ödontoblastenschicht Blutgefässe zu finden. Da die Arch. f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 21 298 Martin W. Woerdeman: Odontoblasten jedoch Bindegewebszellen sind, braucht uns diese Erscheinung durchaus nicht zu befremden. Wenn etwas Dentin gebildet ist, beginnt auch die Bildung von Schmelz. Der neu gebildete Schmelz ist eine sich mit Hä- matein sehr stark (selbst bis schwarz) färbende Substanz, die zwischen dem Dentin und den Ameloblasten bei jungen Zahnkeimen angetroffen wird. Wenn in den Präparaten eine leichte Schrumpfung vorkommt, dann findet man diese Substanz immer im Verband mit den Ameloblasten, und es entsteht ein artifizieller Raum zwischen dem Dentin und dieser Substanz. Eigentümlich war es nun, dass ich bei allen Zähnen, die sich noch im Stadium des Schmelzorganes befanden, diese Substanz (die häufig deutlich aus Prismen bestand) nachweisen konnte, während ich bei durchge- brochenen oder fast durchgebrochenen Zähnen keine Spur von ihr fand. Nichtsdestoweniger sind die Zähne des Krokodiles mit Schmelz bedeckt. Ich kann denn auch für diese auffallende Er- scheinung keine andere Erklärung geben als die Annahme, dass der Schmelz bei der langdauernden Entkalkung der Objekte auf- gelöst ist und die bei jüngeren Zähnen beschriebene, dunkelgefärbte Substanz ein Vorstadium des Schmelzes darstellt, welches der Entkalkung Widerstand entgegensetzt. Besondere Untersuchungen habe ich jedoch hierüber nicht angestellt. Die weiteren histiologischen Veränderungen der Schmelz- organe sind die Einleitung zu dem Durchbruch der Zähne und werden daher unter diesem Titel behandelt werden. Durchbruch der Zähne. Bei Stadium R sind die Zähne noch nicht durchgebrochen, aber die ältesten sind im Begriffe durchzubrechen, so dass man bei R sehr schön die Vorbereitung zum Durchbruchprozess studieren kann. Fig. 7 ist der Serie R entlehnt. In diesem Querschnitt sind drei Generationen einer und derselben Familie getroffen. Die jüngste Anlage ist ein terminaler Papillenzahn, die folgende ein Schmelzorgan, welches noch durch einen Epithelstrang mit der Zahnleiste zusammenhängt und die älteste Anlage ein nicht mehr mit der Zahnleiste zu- sammenhängendes Schmelzorgan. An der jüngsten Zahnanlage ist das Schmelzepithel und die Schmelzpulpa zu sehen, die zellenreiche Papille, in der noch keine Differenzierung eingetreten ist und deren periphere Zellen in konzentrischen Lamellen rings um die Zahnanlage liegen. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 299 Das folgende Schmelzorgan ist bedeutend älter. Deutlich sind das äussere Schmelzepithel, die Schmelzpulpa und die Amelo- blastenschicht zu erkennen, auf welch letzterer das Stratum intermedium liegt und die an ihrer Innenfläche eine dunkel mit Hämatein gefärbte Substanz abgesondert hat, die ich als Vor- stadium des Schmelzes auffassen möchte. Zwischen dieser Substanz und dem von den Odontoblasten gebildeten Dentin liegt ein künst- licher Zwischenraum. Die Odontoblasten sind namentlich an dem Gipfel der Papille in grosser Anzahl vorhanden. Im Gipfel der Papille ist auch das Gewebe schon viel weniger zellenreich als unten in der Papille. Besonders auffallend sind aber die Veränderungen, die bei der ältesten Zahnanlage der abgebildeten Familie aufgetreten sind. In der Papille hat die Veränderung der Gewebe noch wieder weitere Fortschritte gemacht, indem sich die Odontoblasten auch in dem unteren Teile der Papille gebildet haben. Das zentrale Gefäss der letzteren ist deutlich sichtbar. Am auffallendsten sind aber die Veränderungen des epithelialen Teiles. Man bemerkt die Ameloblastenschicht, welche sich von dem Dentin losgelöst hat. Zwischen dem Dentin und der Ameloblastenschicht ist keine Substanz mehr zu entdecken. Der Vorschmelz — wenn ich diesen Stoff so nennen darf — scheint verschwunden zu sein. Die Ameloblasten haben ihre schöne Zylinderform eingebüsst und statt dessen eine niedrigere, schliesslich selbst kubische Form angenommen. Sie haben also offenbar ihre Funktion verrichtet und befinden sich somit in Reduktion. (Inwiefern hängt dies mit dem Verschwinden des Vorschmelzes zusammen ?). Aber dies ist nicht die einzige Veränderung in dem Schmelzorgan. Die Schmelz- pulpa ist fast völlig verschwunden, und inneres und äusseres Schmelzepithel liegen bei der Basis der Zahnanlage schon direkt aneinander. Am Gipfel findet sich zwischen den beiden noch eine kleine Anzahl spindelförmiger Zellen. Schliesslich fällt es auf, dass das äussere Schmelzepithel an dem (ripfel des Schmelzorganes einen fast soliden Ausläufer besitzt. Dieser Ausläufer, welcher sich im Querschnitt aus zwei Reihen kubischer Zellen aufgebaut erweist, zwischen denen einige Spindelzellen liegen, ist nach der ursprünglichen Insertionsstelle der Zahnleiste gerichtet, wo noch eine kleine Epithelfurche als Überbleibsel jener Insertionsstelle übriggeblieben ist. 21* 300 Martin W. Woerdeman: Etwas weniger stark ist das zweite Schmelzorgan verändert, das uns die der Serie Q entlehnte Fig. 8 vor Augen führt, in welcher ebenfalls eine Familie von drei Generationen abgebildet ist. Der älteste Zahn ist jedoch schon durchgebrochen. In der jüngsten Zahnanlage, die etwas älter als die von Fig. 7 ist, kann bereits ein Beginn von Odontoblastenbildung beobachtet werden. Die zweite Zahnanlage besitzt, wie dies deutlich zu sehen ist, weniger Schmelzpulpa als diejenige der Fig. 7, so dass sich ein Anfang von Reduktion konstatieren lässt; auch die durch einen Zwischenraum von dem Dentin getrennte Ameloblastenschicht ist in Reduktion begriffen. Die von der Ameloblastenschicht ausgeschiedene Substanz ist nicht mehr wahrzunehmen. Es ergibt sich also, dass der zweite Zahnkeim von Fig. 8 älter ist als der- jenige von Fig. 7, aber doch wieder jünger als der älteste Zahn- keim dieser Figur. Das äussere und innere Schmelzepithel liegen nämlich auch noch nicht gegeneinander, obwohl die Schmelzpulpa grossenteils verschwunden ist und durch Spindelzellen ersetzt wird. Nun ist es eigentümlich, dass dieses Schmelzorgan ebenso wie der älteste Keim von Fig. 7 einen Ausläufer besitzt, der in Fig. 8 nach demselben Punkt des Mundepithels gerichtet ist wie die Zahnleistenreste, d.h. der mediale Rand der Scheide des durch- gebrochenen Zahnes. Bald wird der Zahn zwischen die zwei Blätter jenes Ausläufers hindurchwachsen nach der Mundschleim- haut und dort dann zum Durchbruch kommen. Am Gipfel der Ameloblastenschicht und zwischen den zwei Blättern des Ausläufers liegt eine grosse Anzahl spindelförmiger Zellen. Diejenigen, welche auf dem Gipfel der Ameloblastenschicht liegen, gehören zu dem an dieser Stelle stark entwickelten Stratum intermedium. Zweifels- ohne wird dies mit dem Wachstum des Zahnes zusammenhängen. Die am Gipfel liegenden Ameloblasten werden sich schnell teilen müssen, um bei dem fortgesetzten Wachstum des Zahnes gleichen Schritt im Bekleiden der Zahnspitze halten zu können. Die Amelo- blasten bilden nun auch viele Schmeizpulpazellen, welche hier die beiden Blätter des äusseren Schmelzepitheles auseinanderdrängen müssen, um dem Zahn Durchgang zu verschaffen. Die grössere Anzahl Zellen des Stratum intermedium an dem Gipfel eines wachsenden Zahnes erkläre ich mir dadurch, dass ich einen schnellen Teilungs- prozess in den Ameloblasten annehme, und durch die weitere Annahme, dass ein Teil der Teilungsprodukte zu Schmelzpulpazellen wird. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 301 Wie wächst die Zahnanlage nun aber? Es ist eine konstante Erscheinung, dass an der Zahnbasis die Odontoblasten und das Schmelzepithel nach einwärts gebogen sind (siehe Fig. S und 11). In diesem Falle sind die Odontoblasten noch wenig differenziert. Sie liegen dicht aufeinander und sind sehr dunkel gefärbt. Auch bei Zähnen, bei denen der untere Teil der Schmelzepithelien verschwunden ist, und die doch noch wachsen müssen, um zum Durchbruch zu kommen, ist die Odontoblastenschicht so eigen- tümlich nach innen gebogen. Ich nehme an, dass hier das Wachstumszentrum liegt. Von hier aus werden immer neue Odontoblasten gebildet, so dass die Schicht der Odontoblasten immer grösser wird und von unten aus stets neues Dentin entsteht. Da sich die Zahnanlage durch die Einbiegung der Odontoblasten- schicht nicht mehr in die Tiefe vergrössern kann, hat die Ver- mehrung der Odontoblasten ein Wachstum nach oben zur Folge. Dem Zahndurchbruch geht nun eine Atrophie der gegen- einanderliegenden Schmelzepithelien (des äusseren und inneren) an der Zahnbasis voraus (sieke Fig. 7 und 11). Bereits Röse hat dies beobachtet; aber er vermeldet, dass von den Schmelzepithelien Zellgruppen als Reste übrigbleiben sollten. Diese habe ich nicht gesehen. Das Atrophieren des Schmelzepitheles erfolgt in sehr eigentümlicher Weise. Während das äussere Schmelzepithel und die einzelnen Spindelzellen verschwinden, bemerkt man an den Ameloblasten eine Veränderung der Färbbarkeit. Der Kern wird pyknotisch, und der Zelleib färbt sich nicht mehr mit Eosin. Dort, wo die Ameloblasten verschwunden sind, ist ein homogener lichtbrechender Streifen sichtbar, der stark mit Hämatein gefärbt ist. Es ist der Durchschnitt einer rings um das Dentin liegenden Membran, die entweder von den Ameloblasten kurz vor ihrer Atrophie gebildet wird oder aber die veränderte Ameloblasten- schicht selbst ist. Inzwischen hat der Ausläufer des äusseren Schmelzepitheles das Kieferepithel erreicht und zwar an der Stelle der Furche, die als Andeutung der früheren Zahnleisteninsertion übriggeblieben ist. Die Zahnspitze bricht nun nacheinander durch die Ameloblastenschicht, das äussere Schmelzepithel (das sich gegen das Mundepithel angelegt hat) und das Mundepithel. In Fig. 11 ist die Spitze schon durch die Ameloblastenschicht hin- durchgebrochen, aber noch nicht durch das äussere Schmelzepithel, das sich zwar in dem abgebildeten Schnitte noch nicht, wohl aber 302 Martin W. Woerdeman: in einem anderen Schnitte schon gegen das Mundepithel angelegt hat. In einem anderen Schnitte durch dieselbe Zahnanlage ist auch das Mundepithel schon durchbrochen (Fig. 13). Die Zahnscheide. In der Fig. 13 ist nun noch etwas Merkwürdiges zu sehen. In dem unteren Teile der Zahnanlage ist die Ameloblastenschicht und das gegen sie anliegende äussere Schmelzepithel schon atrophiert. Etwas mehr nach oben sieht man Abortivzahn al EN, dB a x "Ameloblaftenfchicht g : Du 2 ; I Lingual Labial Fig.13. Gerade durchgebrochener Zahn im Unterkiefer von Croc. poros. Q. (12. Il. 12.). 40:1. Frontal. beide Schichten wieder auftreten. Ein kleiner Raum zwischen beiden wird von spindelförmigen Zellen angefüllt. Das äussere Schmelzepithel setzt sich nun ohne Unterbrechung in die Zylinder- zellenschicht des Mundepithels fort, und die Spindelzellen gehen in die polygonalen Zellen desselben Epithels über. In der Ame- loblastenschicht befindet sich eine Lücke. Es zeigt sich also, Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 305 dass vor oder nach dem Durchbruch eine Fusion zwischen dem Mundschleimhautepithel und dem äusseren Schmelzepithel eintritt. Der Zahn von Fig. 13 ist durchgebrochen und liegt in einer Zahnscheide. Die Wand dieser Zahnscheide wird von einem Epithel gebildet, dessen basale Zellen zylindrisch sind und nach unten hin mehr kubisch werden. Auf diesen Zylinderzellen liegen polygonale Pflasterzellen, die nach unten hin minder zahlreich werden und in Spindelzellen übergehen. Auf diesen Pflasterzellen schliesslich liegt als Überbleibsel der Ameloblastenschicht ein Schichtehen schlecht färbbarer kubischer Zellen, das nach unten in eine homogene Membran übergeht, die sich an die Aussen- tläche des Dentins anlegt (oder an den Schmelz, falls dieser vorhanden sein sollte.) Diese Zahnscheide ist also das modifizierte Schmelzorgan des Zahnes. Die Atrophie der Schmelzepithelien dauert also auch nach dem Durchbruch noch an. Hierdurch wird die Zahnscheide seichter und entsteht schliesslich der in Fig. 12 wiedergegebene Zustand. Die Zahnscheide erscheint hier als eine Einbuchtung des Kieferepitheles. Von der Scheidenoberfläche verläuft nach dem Zahne noch die homogene Membran, die sich gegen das Dentin anlegt und als Überbleibsel der Ameloblastenschicht auf- gefasst werden muss. Auf der Oberfläche des Zahnscheidenepithels liegen häufig noch einige atrophische kubische Ameloblasten. Es hat sich also gezeigt, dass der Zahndurchbruch bei der ursprünglichen Insertionsstelle der Zahnleiste stattfindet und dass die Zahnscheide das modifizierte Schmelzorgan des Zahnes ist. Daher hat jeder Zahn auch seine eigene Zahnscheide. Bau des durchgebrochenen Zahnes. Nachdem die Ame- loblastenschichtt an der Zahnbasis in Reduktion gegangen ist, beginnt dort die Bildung von Zement. Rings um den Zalın liegen nämlich viele junge Bindegewebszellen, die gegen die homogene Membran, welche die Ameloblasten hinterlassen, ein mit Eosin rosa gefärbtes, gekörntes Schichtchen bilden, in welchem einige Zellen mit runden und dunklen Kernen liegen. Dieses Schichtchen nimmt je länger je mehr an Dicke zu und bekommt das Gepräge von Knochenmasse ; die eingeschlossenen Zellen werden zu Knochen- zellen. Gegen dieses Schichtchen ist eine ziemlich regelmässige Reihe von runden modifizierten Bindegewebszellen gelagert (Zement- oder Osteoblasten.. Nach einiger Zeit hat also der mittlerweile durchgebrochene Krokodilzahn die folgende Struktur 304 Martin W. Woerdeman: (siehe Fig. 14). An erster Stelle sieht man das lamellär gebaute Dentin (violett gefärbt mit Eosin-Hämatin). Von der Oberfläche der Zahnscheide (wo die Reste von einigen Ameloblasten noch sichtbar sind), verläuft eine dunkel (bis zu schwarz) gefärbte Membran, die dort, wo die Schmelzbekleidung aufhört, in den Zahn eindringt und nach unten _ Zahnicheidenepithelscheinbar immer tiefer in den Bj Zahn eindringt. In Wirklich- keit ist diesanders. Die Mem- bran liegt dem Dentin an und wird von aussen wieder von dem rosa gefärbten Zement be- kleidet, in welchem die Knochen- körperchen sichtbar sind. Da die Dentinschicht unten weniger dick ist, erhält man den Ein- druck, als ob die genannte Membran unten tiefer in den Zahn eindringe. Am Zement liegen einige Osteoblasten. Es sei noch erwähnt, dass die strukturlose Membran bis fast DE N - unten in den Zahn hinein zu Fig.14. Abschnitt des in Fig. 12 abgebildeten s . , j Zahnes bei starker Vergrösserung. 120:1xX?/s. verfolgen ist; ın einem Teile der Zahnbasis fehlt sie jedoch. Sollte dies vielleicht derjenige Teil sein, der von den nach innen umgebogenen Odontoblasten nach der Atrophie der Schmelz- epithelien noch gebildet ist? Ohne Zweifel ist die strukturlose Membran, welche hier beschrieben wurde, das Homologon des in der Literatur als Cuticula dentis oder als Nasmyths Membran bekannten Schmelz- oberhäutchens. Über dieses Schmelzoberhäutchen sind zahlreiche Untersuchungen angestellt. De Terra (34) sagt von demselben: „Die Schmelzbildung schliesst damit ab, dass die Kutikularsäume der Ameloblasten zu einem festen, gleichmässigen, hornartigen, homogenen Häutchen, dem ‚Schmelzoberhäutchen‘ sich ausbilden. Diese Nasmythsche Membran hängt mit der Kittsubstanz der Schmelzprismen fest zusammen; seine (Genese ist auch eine um- strittene Frage.“ Homogene Membran ° (Nafmyth) 2° Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 305 Viele Autoren beschäftigen sich mit dieser Membran, so Nasmyth, Baume, Caush, von Ebner, Hertwig, Kölliker, Magitot, Levy, Preiswerk, Röse, Tomes, Underwood, Waldeyer, Walkhoff, Wedl. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe hält das Schmelzepithel für den Ursprung der Membran (von Ebner, Kölliker, Waldeyeru.a.). Die zweite Gruppe ist der Meinung, dass diese Membran aus Bindegewebe besteht (Tomes, Baume u.a.). Unter der ersten Gruppe gibt es einige Autoren, die glauben, dass die Schmelzepithele vor ihrer Atrophie eine Kutikula ausscheiden, die später verhornt (Kölliker) und andere, die der Meinung sind, dass die Membran nichts anderes ist, als die veränderte (verhornte) Schmelzepithelschicht selbst und dass in der Membran die früheren Zellgrenzen zuweilen sichtbar sind (Waldeyer). Dieser letzten Gruppe von Autoren kann ich mich vollkommen anschliessen, da meine Präparate deutlich erkennen lassen, wie nach unten hin die Amelobasten immer mehr atrophisch werden ; ihr Kern wird pyknotisch und ihre Färbbarkeit verändert. Die untersten sind meistens kernlos und dunkel gefärbt. Sie gehen ohne Unterbrechung des Zusammenhanges in die strukturlose Membran über, die überall dort vorhanden ist, wo die Ameloblasten verschwunden sind. Niemals nahm ich oberhalb der atrophierenden Ameloblasten eine verdickte Zellmembran, eine Kutikulabildung wahr. Gleich Waldeyer glaube ich, dass auch die Nasmythsche Membran durch Verhornung von Schmelzepithelzellen entsteht. Aber während Waldeyer der Ansicht ist, dass diese Membran aus dem äusseren Schmelzepithel entstehe, bin ich dage&en geneigt, die Ameloblasten für die Erzeuger der Cuticula dentis zu halten. Tomes meint, dass die Membran die Fortsetzung des Zementes ist: sie soll auch Knochenkörperchen enthalten. W ed1 brachte neue Argumente für diese Hypothese. Von Ebner weist jedoch darauf hin, dass Kölliker und von Brunn ebenso wie er selbst unter dem sogenannten Kronenzement von Säugetierzähnen das betreffende Häutchen angetroffen haben, und dass letzteres also nicht die Fortsetzung des Zementes sein kann. Von Ebner glaubt, dass die genannte Membran von den Ameloblasten herrührt. Für Krokodilzähne habe ich nun im Vorstehenden nachgewiesen, dass die Zementabscheidung erst beginnt, nachdem sich die Membran gebildet hat, so dass diese niemals als eine Fort- setzung des Zementes betrachtet werden kann. Ich bin vielmehr mit vonEbner der Überzeugung, dass die Nasmythsche Membran von den Ameloblasten erzeugt wird. Zahnresorption. Wenn der Zahn durchgebrochen ist, besteht seine Wand im untersten Teile aus Dentin und Zement. An der Innenfläche des Dentins liegen die rudimentären Odontoblasten, an der Aussenfläche des Zementes die Osteoblasten. An der lingualen Seite des alten Zahnes findet sich sein Ersatzzahn, der mitunter durch einen Epithelstrang noch mit dem Zahnleistenrest verbunden ist und seine Entstehung aus dieser Matrix auf diese Weise dokumentiert. Wenn beide einen bestimmten Entwicklungsgrad erreicht haben, beginnt ein Resorptionsprozess des alten durchgebrochenen 306 Martin W. Woerdeman: Zahnes. Dieser Prozess beginnt ausnahmslos immer an der medialen Fläche des Zahnes und zwar etwas oberhalb der Zahnbasis. Zuerst fällt eine Beschädigung des Zementes auf. In dem Gebiete der tesorption sieht man grosse vielkernige, stark mit Eosin gefärbte Zellen in den bekannten Howshipschen Lakunen. Es sind die sogenannten Riesenzellen (Virchow) oder Myeloplaxen (Robin) oder Osteoklasten (Kölliker). Woher diese Zellen kommen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Auch für die Resorption des Säugetierzahnes sind diese Zellen beschrieben ; aber über ihre Herkunft weichen die Meinungen voneinander ab. Ich bin geneigt, diese Zellen als phagozytäre Bindegewebs- zellen aufzufassen. In Verband mit dem Streit über die Bedeutung dieser Phagozyten bei der Knochenresorption (Kölliker, Kasso- witz) sei erwähnt, dass ich sehr oft bei der Resorption auffallend viele Kapillaren sich nach der Resorptionsstelle begeben sah; ein anderes Mal dagegen erhielt ich wieder den Eindruck, dass nicht besonders viele neugebildete Gefässe vorhanden waren. Nachdem der Zement resorbiert ist, werden die Cuticula dentis und das Dentin angefressen, und nach einiger Zeit ist in der medialen Wand des Zahnes eine Öffnung entstanden. Welchen Anteil der Ersatzzahn an dieser Resorption hat, ist nicht so leicht zu sagen. Man hat gemeint, dass er durch sein Wachstum gegen den Zahn drücken werde und auf diese Weise das Bindegewebe rings um den Zahn zur Resorption reize oder dass er selbst in seinem Schmelzorgan die Faktoren für einen Resorptions- prozess besitze. Häufig jedoch sieht man Resorption eintreten, ob- gleich der Ersatzzalın ziemlich weit von dem alten Zahn entfernt liegt und von Druckverhältnissen nichts zu verspüren ist. Auch findet man in solchem Falle zwischen dem Ersatzzahn und dem alten Zahn kein Gewebe, welches möglicherweise Resorption verursachen könnte. Wenn einmal eine kleine Öffnung gebildet ist, kann das wachsende Schmelzorgan wohl einmal hineindringen. Solche Fälle kommen aber nicht oft vor. In Fig. 15 ist einer abgebildet. Hier ist ein verhältnismässig junger Ersatzzahn, der durch einen kleinen Epithelstrang noch mit der Matrix verbunden ist, mit seiner Spitze in eine Lücke der medialen Wand seines Vorgängers gedrungen. Beachtenswert ist das Vorkommen zahlreicher Blutgefässe rings um den Gipfel dieses jungen Schmelzorganes. Sollten vielleicht die Resorptionszellen auch durch die Gefässe zugeführt werden, Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 307 sei es nun, dass es Blutzellen oder Zellen der Gefässadventitia sind? Erst eine eingehende histiologische Untersuchung dieses interessanten Prozesses wird hier die Lösung bringen können. Da ich eine derartige Untersuchung nicht angestellt habe, wird denn auch nicht weiter auf die histiologischen Prozesse der Zahn- resorption eingegangen werden. ‚Zahnfcheide Labial Eizauı 2 "> Refre der = ” Zahnleifre Gefäße --M Fig. 15. Zahnresorption im Unterkiefer von Croe. poros. G. (15.1.4.). 40:1. Frontal. In Fig. 15 ist deutlich sichtbar, dass der unterste Teil der medialen Wand sich schon in Resorption befindet; er ist dünner als erwartet werden sollte. - Die Odontoblasten sind hier ver- schwunden; sie sind übrigens im ganzen Zahn atrophisch. Wenn sich nun schliesslich die Lücke immer mehr vergrössert, dann gelangt der zweite Zahn der Familie teilweise in die Pulpa seines 308 Martin W. Woerdeman: Vorgängers und zwar derartig, dass seine Spitze nach dem Ober- rand der Lücke gerichtet ist. Diese Lage ist die typische; sie kommt bei den meisten Zähnen vor. Die Form des Schmelzorganes wird hierdurch nicht unerheblich beeinflusst: (auch in Fig. 15 ist eine Formveränderung zu erkennen). Auch bei fossilen Reptilien ist das Lageverhältnis zwischen dem resorbierten Zahn und dem jungen Ersatzzahn oft dieselbe wie hier gefunden (siehe für Ichthyosaurus Tafel 73, Fig. 7 aus Owens Odontography). Zahnwechsel. Fig. 16 lässt erkennen, wie ein stark resorbierter Zahn und sein Ersatzzahn später in bezug aufeinander liegen. Lingual Lobial :B)__ Reforbirter £ Zahn + zumDurchbruch \ fertiger Erfaßyzahn \Zahnfcheide Fig.16. Zahnresorption im Oberkiefer von Croc. poros. G. (8. II.4.). 25:1. Frontal. Der alte Zahn liegt noch in einer Zahnscheide, aber die Resorption hat seine mediale Wand schon bis an die Scheide zerstört. Von der lateralen Wand ist etwas mehr übrig geblieben. Bei der weiteren Resorption zieht sich die Zahnscheide immer mehr von Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 309 dem Zahn zurück, und schreitet in demselben Tempo die Resorption der Wände weiter fort, bis fast nichts mehr von dem Zahn übrig ist. Dann schliesst sich die Scheide unter dem kleinen Zahnrest, und liegt noch eine Zeitlang ein kleines Dentinklümpchen gleichsam in dem Epithel eingebettet, bis schliesslich auch dieses Klümpchen ausgestossen wird. Fig. 16 beweist es einwandfrei, dass der Ersatzzahn bis an die Zahnscheide seines Vorgängers durchdringt und nun, wenn sich diese Scheide um den kleinen Dentinrest des alten Zahnes schliesst, etwas medial und hinten von seinem Vor- gänger durchbricht. Der Ersatzzahn bildet sich dabei eine neue Scheide. Wenn man bei einem Stadium, das etwas weiter fort- geschritten ist als dasjenige von Fig. 16, die Zahnkeime etwas minder günstig trifft, dann bekommt man ziemlich schwer verständliche Bilder. In dem Epithel der Zahnscheide liegt dann ein kleines Dentinspitzchen ; hinten und medial von der Scheide hat das Schmelzorgan des Ersatzzahnes diese Scheide erreicht und liegt derselben an. Aus meinen Beobachtungen habe ich also folgern können, dass bei den jungen Krokodilen die Zähne erst nach einer sehr starken Resorption ausgestossen werden. Dann schliesst sich auch die Zahnscheide und kommt der junge Zahn medial und etwas hinten vom alten Zahn in einer neuen Zahnscheide zum Durchbruch. Ob diese Weise des Zahnersatzes während des ganzen Lebens stattfindet, glaube ich bezweifeln zu müssen. Wenn eine leichte Resorption der Zähne bei alten Krokodilen eingetreten ist, wird eine geringe Kraftanwendung hinreichen, ihren Ausfall herbei- zuführen, ehe sie völlig resorbiert sind. Aus diesem Grunde glaube ich, dass bei älteren Krokodilen die Zähne wohl nicht mehr ganz resorbiert werden. Schliesslich muss ich noch be- merken, dass ich niemals eine auf dem Gipfel eines Ersatzzahnes liegende kleine Dentinkappe gesehen habe. Ebensowenig habe ich die Sachlage angetroffen, dass die Ersatzzähne in der Pulpa des alten Zahnes wie in einer Scheide lagen. Entstehung des Kronenreliefs der Krokodilzähne. Bei dem Studium der Gebiss- und Zahnentwicklung der Krokodile wurde meine Aufmerksamkeit durch ein sehr eigentümliches Bild gefesselt, das wiederholt bei den älteren Zähnen der Serien Q, R und G zu sehen war und in Fig. 17 abgebildet ist. Der abgebildete Schnitt ist einer der hintersten durch ein grosses 310 Martin W. Woerdeman: Schmelzorgan. Man sieht infolgedessen die Papille fast ganz mit senkrecht zu ihrer Achse durchschnittenen Odontoblasten gefüllt. Schmelz und Dentin sind gebildet. Schmelzpulpa und äusseres Schmelzepithel sind leicht zu erkennen, ebenso Gefässe, welche dem äusseren Schmelzepithel anliegen. Die Ameloblastenschicht jedoch setzt sich nicht ununterbrochen über den Schmelz fort, sondern verläuft als ein Doppelblatt durch die Schmelzpulpa nach dem äusseren Schmelzepithel, das an dieser Stelle etwas einge- bogen ist. Auch liegt dort ein Blutgefäss. Dieses Bild erinnert an Bolks „Schmelzseptum“. Es ist sogar ein Schmelznabel vorhanden, und ebenso wie bei Phascolarctos (7) würde das bei diesem Nabel liegende Blutgefäss in das Septum eindringen können. Es handelt sich jedoch nicht um ein Schmelzseptum. . Bolks Schmelzseptum tritt auf, wenn die Schmelzpulpa entsteht. Dann nämlich beginnt labial und lingual die Bildung FREE Be Bere = -\. _ Schmelspulpa | FE: SER Sa +7 - Ameloblaftenfchicht äußeres SR ; a Schmelzepithel ::.‘ =! Dentin -_- = Fig. 17. Einer der letzten frontalen Schnitte durch das Schmelzorgan eines Krokodil- zahnes. (Q.4.II.1.) 120:1.X =. von Schmelzpulpa und bleibt ein in mesio-distaler Richtung ver- laufendes Septum von undifferenzierten Zellen übrig. Dieses Septum ist von Anfang an ein vollständiges und verfällt später, worauf ein von dem Gipfel der Ameloblastenschicht nach dem Gipfel des äusseren Schmelzepitheles verlaufender Strang übrig- bleibt (6). Beim Krokodil findet man bei jungen Schmelzorganen nichts von einem Schmelzseptum. Die in Fig. 17 abgebildete Erscheinung tritt erst bei alten Schmelzorganen auf. Ausserdem ist das scheinbare Septum beim Krokodil nie vollständig; vielmehr findet man es nur in den unteren Teilen des Schmelzorganes. Freilich trifft man oben häufig eigentümliche Ausbuchtungen der Amelo- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 311 blastenschicht an. In der Verlängerung des Pseudo-Schmelz- septums kommen nämlich kleine Ausbuchtungen der Ameloblasten- schicht vor, welche die Form eines durchgeschnittenen Drüsen- tubulus haben. Man könnte nun zwar an ein Septum denken, in welchem der obere Teil sehr schnell in Reduktion geht und von dem die genannten Ameloblastenausbuchtungen übriggeblieben sind. Nun kommen jedoch diese Ausbuchtungen nicht nur in der Verlängerung des Pseudo-Schmelzseptums vor, sondern auch an anderen Stellen und enthalten häufig Schmelz (oder Vorschmelz?) ebenso wie das Pseudoseptum selbst (siehe Fig. 18). Alles dies macht es unmöglich, die beschriebene Bildung mit Bolk’s Schmelz- ——Pulpazellen Tubulus äußeres Be Schmeiz 2 Schmelzepithel_ w; - Schmelz pulpa Ameloblaften - Schmelz -—---— Hart % Nr di Dentin-------2- nei Fig. 18. A und C. Schnitte durch Schmelzorgane von Krokodilzähnen. (Crocol. poros. R. 13. III. 9. und R. 13. III. 3.). 120:1 X ls. B Starke Vergrösserung des Septums von A. 600:1x 23. septum zu homologisieren. Was ist denn die Bedeutung dieses „Pseudo“-Schmelzseptums und der Ausbuchtungen der Amelo- blastenschicht? In Fig. 19 ist ein Querschnitt durch ein Schmelz- organ abgebildet (Serie von horizontalen Schnitten durch den Kiefer. Serie P), aus welchem sehr deutlich hervorgeht, dass die Amelo- blastenschicht zahlreiche Ausbuchtungen besitzt (namentlich an der lingualen Fläche), die im Querschnitt die Form von Drüsen- röhrchen haben und von denen einige das äussere Schmelzepithel berühren. Ich folgere also, dass bei alten Schmelzorganen des “ Krokodiles eine Anzahl Längsfalten der Ameloblastenschicht vor- kommen, die namentlich in dem basalen Teile des Schmelzorganes stark entwickelt sind und dort oft bis an das äussere Schmelz- epithel reichen. Die bei alten Schmelzorganen oft auf Querschnitten 312 Martin W. Woerdeman: angetroffenen Ameloblastenausbuchtungen sind die Durchschnitte dieser Falten, und das Bild der Figuren 17 und 18 ist dadurch ent- standen, dass der Schnitt die Falte in dem unteren Teile, wo sie das äussere Schmelzepithel berührt, schräg getroffen hat. Da nun aus Fig.18 hervorgeht, dass in diesen Ameloblastenfalten auch Schmelz vorkommt, zweifle ich nicht mehr daran, dass diese Falten der Ameloblastenschicht diejenigen Bildungen sind, welche das Relief der Krokodilzähne verursachen. Bekanntlich sind die Zähne des Krokodils „mit einer vorderen und hinteren scharfen Kante und mit Streifung“ versehen (de Terra). Auch unter den fossilen Reptilienformen ist das Vorkommen von gestreiften Zähnen eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Owen sagt in seiner Odontography (26), dass „In most of the extinct species of Crocodilians, the teeth are charac- Odontoblalten Artifizieller Raum \ \ Dentin \ x / Ameloblaften mit Vor- Schmelz Ärtifizielle Sehe spulkt u r Raum Fig. 19. Querschnitt eines Schmelzorganes von Crocodilus. (P.5.11.8.). 75:1xX 13. terised by more numerous and strongly developed longitudinal ridges upon the enamelled erown., „These ridges are confined to the enamel.“ Darauf beschreibt Owen dann die Streifung bei verschiedenen Formen. In Zittels Handbuch (40) fand ich diese Streifung für eine grosse Anzahl fossiler Reptilien angegeben, so für Ichthyosaurus, Nothosaurus, Plesiosaurus, Belodon, Teleosaurus, Teleidosaurus, Mystriosaurus, Pelagosaurus, Dracosaurus, Hypo- saurus, Suchosaurus, Thoracosaurus, Gavialis, Rhamphosuchus usw. usw. Beim Betrachten von Krokodilzähnen sieht man, dass über ‚die Zahnkrone, soweit diese mit Schmelz bedeckt ist, Längsstreifen verlaufen. Diese Streifen beginnen als feine Linien dicht unter- halb der Zahnspitze und werden nach der Zahnbasis immer dicker. An der lingualen Fläche der Zähne sind sie oft etwas deutlicher als an der labialen. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 313 Die Falten der Ameloblastenschicht haben die Form von Röhrchen. Die Ameloblasten bilden an ihrem Gipfel Schmelz, und das gebildete Schmelzprisma liegt mit seiner Längsachse in der Verlängerung der Zellachse der Ameloblasten. Die Lage der Ameloblasten in Tubulusform hat also das Entstehen walzenförmiger Schmelzverdickungen auf der Zahnkrone zur Folge. Da die Falten unten stärker entwickelt sind als an der Spitze und an der lingualen Fläche stärker als an der labialen, werden auch die Schmelzrippen unter der Zahnkrone und an der lingualen Fläche stärker sein, was mit den gemachten Wahrnehmungen völlig übereinstimmt. Wenn in einem etwas späteren Stadium die Schmelzrippen angelegt sind und die Ameloblastenschicht in Reduktion ge- treten ist, dann ist der Schmelz der Zahnspitze fertig. Die Zahnwurzel muss dann noch gebildet werden und dies geschieht meines Erachtens ohne Zweifel durch den untersten Teil der Odontoblastenschicht, die in so charakteristischer Weise nach innen gebogen ist. Hierdurch wird es denn auch erklärlich, dass man zwischen dem unteren Teile des Dentins und dem Zement keine Cuticula dentis findet. (Hier fehlt nämlich die Ameloblastenschicht). Ich kann mich also der Vorstellung Röses von der Wurzel- bildung nicht anschliessen. Röse (30) glaubt, dass nach der Bildung von Schmelz die Ameloblastenschicht zwar atrophiere, aber dass sie doch in der Form loser Zellgrüppchen übrigbleibe (Epithelscheide) „In Folge der epithelialen Umkleidung des Wurzel- endes mit der Epithelscheide wird sowohl der Ansatz des knöchernen Zementsockels der früheren Zähnchen“ (—der nach meiner Ansicht niemals gebildet wird!'—) „als auch die sekundäre Verwachsung der Zähne mit dem Kieferknochen verhindert“, und so wird diese Epithelscheide als Ursache für die Wurzelbildung angesehen. Auf _ den grossen Unterschied zwischen der hier von Röse vertretenen Ansicht und der meinigen braucht nicht erst hingewiesen zu werden. Legt man sich nun die Frage vor, was die Bedeutung der Schmelzrippen und der Falten der Ameloblastenschicht sein kann, dann lässt sich darauf antworten, dass man sie als Rudimente eines früher viel komplizierteren Zustandes oder (und dies erscheint mir wahrscheinlicher) als eine Struktureigentümlichkeit,, aus welcher bei anderen Formen viel kompliziertere Verhältnisse ent- Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. 9%. Abt.I. 29 314 Martin W. Woerdeman: standen sind, auffassen kann. Und hierbei denkt man zuerst an die Labyrinthodonten, die ihren Namen der sehr komplizierten Struktur ihrer Zähne verdanken. Es sei noch darauf hingewiesen, dass bei Varanus der basale Teil der Zähne eine sehr starke Dentinstreifung aufweist, welche durch Faltung der Ameloblastenschicht und eine darauf erfolgende Faltung der Ödontoblastenschicht entsteht. Bei dem fossilen Ichthyosaurus liegt an der Zahnbasis das Dentin ebenfalls in Falten, und zwischen die Falten ist der Zement eingedrungen. Owen weist schon darauf hin, dass dieses Moment gleichsam ein einfacher Ausgangspunkt für die Labyrinthstruktur ist. („The plan and principle of the structure of the Labyrinthodon’s tooth is the same as that of the tooth of the Ichthyosaur; but it is carried out to the highest degree of complication“). Es scheint. mir höchst wahrscheinlich, dass der Labyrinthodontenzahn aus einem einfachen Schmelzorgan durch Faltung der Ameloblastenschicht und danach folgender Faltung der Odontoblastenschicht entstanden ist, und dass später auf diesen Falten wieder neue sekundäre Falten ent- standen, deren Zwischenräume schliesslich ausgefüllt wurden. Dass dabei die Schmelzpulpa in eine grosse Anzahl gesonderter Fächerchen verteilt wurde, scheint mir sehr wohl möglich. Bei Crocodilus sieht man ja schon, dass die Ameloblastenschicht Falten bildet, die bis an das äussere Schmelzepithel heranreichen und also auch die Schmelzpulpa in einzelne Fächerchen verteilen. Es ist eine noch offene Frage, ob in dem Labyrinthodontenzahn Zement zwischen den sogenannten Dentinsystemen vorkommt (Owen, Tomes). Bei der Erklärung, die ich für das Entstehen des Labyrinthzahnes geben möchte, sind beide Fälle denkbar. Leider war ich nicht in der Lage, einen Labyrinthzahn zu untersuchen, und muss ich daher diese Frage ruhen lassen. Merkwürdig ist auch hier wieder, dass die Bestimmung des Zahnreliefs vom Schmelzorgan ausgeht. (von Brunn’s Ansicht über die Bedeutung dieses Organes!) (9) Form der Zähne. Die Zähnchen des Abortivgebisses sind, wie schon beschrieben wurde, ursprünglich sehr wahrscheinlich trikonodont. Die jungen Krokodilzähne sind jetzt auch nicht reine Kegelzähne, worauf schon Owen (26) hinwies. „The posterior subcompressed teeth of the alligator present a new modification of form; here they terminate in a mammilloid summit, supported Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 315 by a slightly constricted neck.“ Dies kann ich bestätigen, auch für Crocodilus porosus. Bei einem jungen Tiere fand ich diese Zahnform namentlich deutlich bei den hintersten Zähnen. Nun ist es, wie ich noch nachweisen werde, eine oft vorkommende Erscheinung, dass die hintersten Zähne eines Reptiliengebisses etwas anders geformt sind wie die vorderen, und meistens sind die vordersten am stärksten modifiziert. Dass diese Erscheinung auch beim Krokodile angetroffen wird, ist ein weiterer Beweis für die Auffassung, dass die Kegelform seiner Zähne eine sekundär entstandene Form ist. Abortivzähne bei ausgetragenen Embryonen. Bei einem Embryo, der zwei Wochen vor der Geburt getötet wurde (Serie R), kamen noch. Abortivzähne vor. Diese sind viel grösser als die schon beschriebenen; sie gleichen völlig Zähnen, die zum Durch- bruch bereit liegen. Das Schmelzorgan dieser Zähnchen ist jedoch kleiner als dasjenige der zum Durchbruch kommenden Zähne. Es ist völlig unabhängig von der Zahnleiste und tritt in Verbindung mit dem Kieferepithel. Das Schmelzorgan erleidet nun Verän- derungen und zwar in dem Sinne, dass die Schmelzepithelien und die Schmelzpulpa atrophieren und das ganze Organ zu einer Glocke mit einer Wand von mehrschichtigem Epithel wird. Diese Veränderungen gleichen ganz denjenigen, welche das Schmelzorgan eines durchgebrochenen Zahnes zur Zahnscheide machen. Ich konnte nicht ausmachen, ob diese Abortivzähnchen wohl durchbrechen. Es tritt eine Resorption des Dentins ein, so dass das Zähnchen eine unregelmässige Form bekommt; bald darauf schliesst sich die Epithelglocke um das Dentinkäppchen, so dass dieses in eine mit Epithel bekleidete Höhle zu liegen kommt. Diese Höhle schnürt sich vom Kieferepithel ab, und wir finden dann eine Epithelzyste neben dem zur Funktion kommenden Zahn. Die Zyste enthält ein kleines Dentinscherbehen und ferner eine durch Verhornung der Zystenwand entstandene Hornmasse. Die be- schriebenen Zysten werden später völlig resorbiert. In Fig. 10 ist eine angeschnittene Zyste sichtbar, labial von einem im Durch- bruch befindlichen Zahn. Aus dieser Beschreibung erhellt wolıl, dass diese älteren Abortivzähne ganz anders resorbiert werden als die Zähnchen des eigentlichen Abortivgebisses. ID IV Kr 316 Martin W. Woerdeman: Nacheinander werden nun kurz die Zahnentwicklungs- prozesse bei anderen Reptilien behandelt werden. Ich folge dabei der von Hoffmann gegebenen Klassifikation (Bronns Klasssen und Ordnungen), (18). 2. Monitoridae. A. Varanus. Literatur. In de Terras Vergleichende Anatomie (34) findet man für Varanus Folgendes angegeben: Gaumenzähne fehlen. Es sind 4 Zwischen- kiefer- und 11 Oberkieferzähne vorhanden. Im Unterkiefer besitzt das Tier auch 11 Zähne. In Owens Odontography (26) wird angegeben, dass sich die Ersatz- zähne medial hinter ihren Vorgängern entwickeln und dass sich oft Gruppen von 3 oder 4 Zähnen finden, die stetig an Grösse abnehmen. Es sind die funktionierenden Zähne mit 2 oder 3 Ersatzzähnen. Die Zahnbasis ist gestreift (namentlich bei Varanus striatus). Der Schmelz ist leicht in die Streifung eingebogen. In Zittels Handbuch (40) werden die Zähne pleurodont, gross und zugespitzt genannt. Auch hier wird erwähnt, dass Gaumenzähne fehlen. Palaeovaranus (Filhol) hat basal gestreifte Zähne. In Bolks erster Odontologischer Studie (4) schliesslich wird angegeben, dass zwei aufeinanderfolgende Generationen oft sehr wenig im Entwicklungs- grade von einander abweichen. Sie sind kurz nacheinander angelegt, so dass sich der Ersetzungsprozess stets nach nur kurzer Zeit zu wiederholen scheint. Die Schmelzorgane werden abgeschnürt unter Bildung einer besonderen Leiste, die von dem Gipfel des Schmelzorganes nach der Zahnleiste verläuft, und zwischen deren Blättern der Zahn bei seinem Durchbruch nach draussen dringen wird. Das Entstehen dieser speziellen Leiste führt Bolk auf die schnelle Aufeinanderfolge der Zahngenerationen zurück, bei welcher der junge Zahn den alten gleichsam zur Seite schiebt. Eigene Untersuchung: Untersucht würden skelettierte Präparate und eine Serie frontaler Schnitte durch die Kiefer eines jungen Varanus chlorostigma. Die von de Terra angegebenen Zahlen können für en: Tiere bestätigt werden, obgleich meistens weniger als 11 Zähne vorhanden sind. Für das prämaxillare Gebiss konnte ich die Angabe von 4 Zähnen beiderseits nicht bestätigen. Varanus besitzt in seinem Zwischenkiefergebiss einen unpaarigen medianen Zahn, an dessen beiden Seiten je 3 Zähne vorkommen. Das Gebiss ist deutlich distichisch gebaut. Ein Teil des Gebisses ist in Beitrag II abgebildet. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 317 Bildung der Zähne und ihre Abschnürung. Sowohl im Unter- als im Oberkiefer war bei diesem junggeborenen Tiere die Zahnleiste recht gut entwickelt. Die Bildung der Ersatzzähne erfolgt am freien Ende der Leiste. Die erste Anlage geschieht genau so wie beim Krokodil; nur der Abschnürungsprozess verläuft anders (siehe Fig. 20). Dieser Prozess hat nämlich nicht eine Loslösung des Gipfels des Schmelzorganes zur Folge, sondern Zahnleifte 123 isree. 2 DI - RR I B Fe E74 Kieferepithel 4 A BE N - 2: 7 Bindegewebs- papille en, ngs- Zahnfcheide Erfabzahn % Lingual © R Labial Fig. 20. Zahnentwicklungsstadien bei Varanus chlorustigma. 60:1. (Frontale Schnitte.) AR (AS#STEE 22), BE (ARTIV. 12. CA, 6 HERZ und D: (AUS-HTIED.): verläuft vielmehr gerade so, dass das Schmelzorgan mit seinem Gipfel mit der Zahnleiste verbunden bleibt. Während einer kurzen Periode (Fig. 20 B) ist der Gipfel losgelöst, und hängt das Schmelz- organ mit seiner Seitenfläche mit der Zahnleiste durch eine breite Brücke zusammen. Kurz darauf fängt die Anlage an, sich etwas tiefer zu senken; die breite Brücke wird zu einer Epithellamelle, und diese verläuft nun nach dem Gipfel des Schmelzorganes (Fig. 20C). Bei der weiteren Entwicklung bleibt diese Lamelle 318 Martin W. Woerdeman: bestehen. Die Insertion an der Zahnleiste verläuft von parietal-vorn nach terminal-hinten, d.h. in derselben Richtung, in der die Zahn- familien an der Zahnleiste vorkommen (siehe Beitrag I und II). Mit zunehmendem Alter der Zahnanlage verlagert sich die Insertion mehr nach dem Zahnleistenende. Schematisch habe ich diesen Prozess in Fig. 21 wiedergegeben. Die Epithellamelle, welche die Zahnanlage mit der Zahnleiste verbindet, ist eine doppelblättrige; sie stellt eine Aussackung des labialen Zahnleistenblattes dar. Auf dem Querschnitt sieht man einen doppelblättrigen Strang, dessen Blätter sich in das äussere Schmelzepithel des Schmelz- organes fortsetzen (Fig. 21 A). Bei Grösserwerden des Zahnes werden die beiden Blätter der Lamelle auseinandergetrieben (siehe Fig. 21B). Wenn nun darauf eine Abschnürung von terminal- wärts her erfolgt (Fig. 21 C), ist die Zahnanlage noch mit der Zalın- ‚Kieferepithel D 1 \ Schmelzorgan —= ur } Fig. 21. Schema von Zahnkeimabschnürung und Zahndurchbruch bei Varanus. leiste durch eine Lamelle verbunden, die nun aber mehr parietal inseriert. Zwar verläuft die Insertionslinie noch von parietal-vorn nach terminal hinten; aber sie ist verschoben und zwar nach vorn und mehr parietal, d.h. mehr nach der Zahnleisteninsertion zu. Durchbruch. So schiebt sich also der Zahn immer weiter nach vorn und nach der Stelle der Zahnleisteninsertion zu, bis er schliesslich zum Durchbruch kommt und zwar wie Fig. 21 D zeigt: zwischen den zwei Blättern der Zahnleiste. Die Ame- loblastenschicht wird wieder durchbrochen. Bis zu seinem Durch- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 519 bruch bleibt also der Zahn von Varanus in Zusammenhang mit der Zahnleiste. Die Zahnscheide wird auf diese Weise in ihrem äusseren Teile von den auseinandergewichenen Zahnleistenblättern, in dem tieferen Teile von dem Schmelzorgan des Zahnes selbst gebildet. Somit verläuft also der Durchbruchprozess des Zahnes bei Varanus ganz anders als beim Krokodil. Jedoch — und hierauf möge wohl kurz die Aufmerksamkeit gelenkt werden — ist das Resultat von beiden Prozessen dasselbe. Beim Krokodile bricht ja der Zahn in eine Furche durch, die als die ursprüng- liche Insertionstelle der Zahnleiste aufgefasst werden muss. Was diese Furche betrifft, die als Rest der Oberkieferzahnleiste übrig bleibt, so kann durch Studium der Zahndrüsen nachgewiesen werden, dass sie durch das auseinanderweichen der Zahnleisten- blätter entsteht.) Wenn also der Krokodilzahn in diese Furche durchbricht, wird seine Zahnscheide ebenso wie bei Varanus in dem oberen Teile von den auseinandergewichenen Zahnleisten- blättern und in dem unteren Teile von dem Schmelzorgan des Zahnes gebildet. Die Ersatzzähne brechen später in derselben Weise durch. (Fig. 21 E—G.) In Fig. 21 E sind abgebildet die übriggebliebene Zahnscheide eines ausgefallenen Zahnes, die Zahnleiste und ein Ersatzzahn, dessen Abschnürungsstrang gerade diejenige Stelle erreicht hat, wo von der Zahnscheide die Zahnleiste sich abzu- trennen scheint. Bei Grösserwerden des Zahnes drängt er die Blätter seines Abschnürungsstranges auseinander und bildet sich — während die Zahnscheide seines Vorgängers rudimentär wird — so eine neue Zahnscheide, etwas hinter und medialwärts von seinem Vorgänger (Fig. 21 F und G.) Hieraus kann man also schliessen, dass die Zähne in ge- sonderten Scheiden durchbrechen und dass die Ersatzzähne ihre eigenen Scheiden haben, also nicht in die Zahnscheiden ihrer Vorgänger durchbrechen. Fig. 20 D ist eine nach dem Präparat gezeichnete Abbildung, die ganz mit dem Schema von Fig. 21 E übereinstimmt. Für jemand, der den Durchbruchsprozess nicht kennt, ist es sehr schwer, die bei der Zahnleiste obwaltenden Verhältnisse zu verstehen. In dem Raume !) Ausführlich wird die Entwicklung dieser Drüsen im fünften Beitrage besprochen werden. 320 Martin W.Woerdeman: zwischen zwei durchgebrochenen Zähnen sieht man nämlich die Zahnleiste von dem Mundepithel ausgehen und in dem Gebiete eines durchgebrochenen Zahnes von der medialen Wand der Zahnscheide (Fig. 21 D, E und G). Dies ist nach vorangehendem Studium des Durchbruchsprozesses leicht zu erklären. Was man im Gebiete eines durchgebrochenen Zahnes als Zahnleiste ansieht, ist nur derjenige Teil dieser Leiste, dessen Blätter nicht aus- einandergewichen sind, um dem durchbrechenden Zahne Raum zu verschaffen. Der obere, zwischen Zahnleiste und Mundepithel gelegene Teil der medialen Zahnscheidenwand ist nämlich auch noch ein Teil der Zahnleiste und zwar des medialen Zahnleistenblattes. Es ist also nur Schein, dass die Zahnleiste aus der medialen Zahnscheidenwand entspringt. Man hat oft diesen von der Zahnscheide ausgehenden Teil der Zahn- leiste „Ersatzleiste“ genannt, da er die Ersatzzähne des durchgebrochenen Zahnes bildet. In Beitrag II wies ich schon darauf hin, dass es nicht richtig ist, eine Zahnleiste und eine Ersatzleiste zu unterscheiden. Unvollständige Trennung der Zahngenerationen. Nunmehr ist noch etwas über die Abschnürung der Zahnkeime mitzuteilen. Bei Varanus ist bei den meisten Zahnkeimen ein sehr inniger Zusammenhang mit dem Ersatzzahn vorhanden. Die Abschnürungs- lamelle eines älteren Zahnes inseriert nämlich an der Zahnleiste an der Stelle, wo die beiden Zahnleistenblätter durch die Anlage eines jungen Zahnes auseinandergedrängt sind. Dieselbe Erscheinung wurde auch beim Krokodil beobachtet. In Fig. 22A sieht man die bei Varanus vorliegende Sachlage abgebildet. Verfolgt man nun aber die Zahnkeime weiter nach hinten, dann bemerkt man, dass die Abschnürungslamelle auf die labiale Fläche der jüngeren Zahnanlage übergeht (siehe Fig. 22B-E). So kann es in einem der hintersten Schnitte durch ein älteres Schmelzorgan scheinen (Fig. 22D und E), als ob dieses nicht mit der Zahnleiste zusam- menhänge, sondern durch einen Strang mit einer jüngeren Zahn- anlage verbunden sei. Ja, in Fig. 22B sieht man sogar, dass die Schmelzpulpa der beiden Zahnkeime miteinander zusammenhängen. Hier hat man also eine Erscheinung unvollständiger Trennung der beiden Schmelzorgane vor sich. Dies kommt nun bei Varanus keineswegs selten vor; vielmehr wurde bei dem grössten Teile seiner Zahnfamilien dieses Verhältnis zwischen den beiden jüngsten Zahnkeimen gefunden. Die Abschnürungslamelle ist ein ausge- sackter Teil des labialen Zahnleistenblattes. Dringt nun der junge Zahnkeim zwischen die beiden Blätter der Zahnleiste ein, ehe diese Abschnürungslamelle entstanden ist, dann ist es auch ver- ständlich, dass die Abschnürungslamelle später von demjenigen Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 321 Teile des labialen Zahnleistenblattes ausgehen wird, welcher zur Wand der jungen Zahnanlage bestimmt ist. Es ist durchaus nicht ohne Bedeutung, auf diese unvoll- ständige Trennung der Schmelzorgane bei einem hochspezialisierten Reptil hinzuweisen; denn es wird wohl keines näheren Nachweises bedürfen, dass aus der für Varanus abgebildeten Sachlage ziemlich leicht die bei den Säugetieren vorliegende abgeleitet werden kann. Denkt man sich bei den letztgenannten Tieren die Trennung noch unvollständiger und die junge Anlage ebenfalls von der Zahnleiste h- --Zahnleifte Labial 22. Zahnkeimabsehnürung bei Varanus. (Frontale Schnitte.) 60:1. TR) BB. (AR 5. 9), CAR 5. I 1), D. (A. 5. Dsdirnd EATASSE 5). abgeschnürt, dann sind damit die laterale und mediale Schmelz- leiste usw. entstanden. Ja, eine Rekonstruktion der Keime von Fig. 22 führt den Untersucher von selbst darauf, an diese Ent- stehungsmöglichkeit der Säugetierzähne zu denken. Ebenso also, wie beim Krokodil die alte Zahnanlage noch mit der Zahnleiste durch einen Epithelstrang verbunden bleibt, der da inseriert, wo die beiden Blätter durch eine junge Zahnanlage auseinandergedrängt sind, so behält auch bei Varanus der alte Zahnkeim seinen Zu- sammenhang mit dem jungen; nur ist hier die Trennung weniger vollständig als beim Krokodil. 322 Martin W. Woerdeman: Histiogenese und Morphogenese. Was die Histiogenese der Zahnkeime bei Varanus anbetrifft, fand ich Übereinstimmung mit dem Krokodil. Zement vermochte ich jedoch nicht zu entdecken. Auch die Schmelzpulpa ist bei Varanus weniger weit entwickelt als beim Krokodil. Es entstehen zwar Sternzellen, aber nur wenige. Der grösste Teil der Spindelzellen bleibt spindelförmig. Daraus erklärt es sich auch, dass die Pulpa von Varanus kernreicher ist als diejenige von Orocodilus. Auch bezüglich des Zahnreliefs bietet Varanus eine Besonder- heit. In dem basalen Teile seiner Zähne ist das Dentin gefurcht. Über den Varanuszahn verlaufen kleine Längsfurchen, die in dem unteren Teile der Zähne sehr tief sind. Diese Furchen sind durch eine Faltenbildung der Ameloblasten- und Odontoblastenschicht entstanden. In den Schnitten bietet dadurch der tangential getroffene Zahn ein eigentümliches Bild dar. Zuerst wird nämlich die nach vorn gerichtete Zahnspitze getroffen, bald darauf die breite Basis, und es ist nun typisch, dass man dann auf Durch- schnitten ein Gebilde erblickt, das viel Ähnlichkeit mit einem Haarkamme besitzt. Die Zähne dieses Kammes sind die gerade getroffenen Dentinrippen. Zwischen den Zähnen dieses Kammes findet man die Ameloblasten und Odontoblasten. Es macht den Eindruck, als ob der Zahn nach unten hin in eine Anzahl fransen- artiger Ausläufer endige. Befestigung in dem Kiefer. Wenn der Zahn durchbricht, ist er noch nicht mit dem Kiefer verwachsen. Die Odontoblasten im unteren Teile des Zahnes sind aber sehr stark entwickelt und deutlich in intensiver Funktion, viel mehr als diejenigen am Gipfel, welche schon mehr oder weniger sich zurückzubilden an- fangen und schliesslich zu kleinen kubischen Zellen werden. Diese basalen Odontoblasten bilden nun ziemlich viel Dentin, wodurch der junge Zahn mit dem Kieferknochen in Verbindung kommt. Die mit dem Kieferknochen verwachsenen Zähne sind pleurodont; sie sind mit der Innenfläche der Kiefer verwachsen. Nur die hintersten Zähne scheinen etwas mehr labial zu stehen, wenigstens bei den von mir untersuchten Exemplaren. Hier steht der Aussen- rand des Zahnes mehr auf dem oberen Rande des Kiefers. In der medialen Wand des Zahnes ist dann nicht selten eine kleine Öffnung, durch welche Blutgefässe und Nerven in den Zahn hinein- gelangen können. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 323 Zahnersatz. Wenn die Zähne ein bestimmtes Alter erreicht haben, so werden sie ersetzt. Dieser Ersetzungsprozess scheint mit ziemlich kurzen Zwischenpausen stattzufinden; denn es sind hinter jedem Zahne jedenfalls zwei, häufig auch drei Ersatzzähne vorhanden, die nur verhältnismässig geringe Unterschiede in ihrer Entwicklung aufweisen. Vielleicht hängt hiermit auch etwas anderes zusammen, nämlich der Umstand, dass ich keine Resorption der Zähne finden konnte. Wohl aber traf ich einige Zähne an, die lose in ihrer Zahnscheide lagen. Es stellte sich dann heraus, dass sie abgebrochen waren, und zwar so, dass ein Teil des Zahnes noch auf dem Kiefer übriggeblieben war. An der Bruchstelle traf ich eine grosse Anzahl dunkelgefärbter, grosser, vielkerniger Zellen (Phagozyten). Auch die Zahnscheide war mit Phagozyten infiltriert, so dass diese Zellen also offenbar damit beschäftigt waren, die Reste der abgebrochenen Zähne zu beseitigen. Eine dem Abbrechen der Zähne vorangehende Resorption derselben vermochte ich nicht zu entdecken. B. Tupinambis. An einem Schädel von Tupinambis nigropunctata wurden in dem prämaxillären Gebiss 11 Zähne gefunden und zwar ein . unpaariger medianer Zahn und jederseits 5 andere. Gebißstruktur und Zahnform. Von diesen 5 Zähnen haben der erste, dritte und fünfte einen Ersatzzahn. Die Zähne sind lang und schmal; sie endigen in drei ungefähr gleich grossen Spitzchen. Die Ersatzzähnchen haben eigentlich nur eine Krone, die schön dreispitzig ist. Die lange sogenannte Wurzel des Zahnes muss noch angelegt werden. In dieser Hinsicht besteht also Übereinstimmung zwischen Tupinambis und dem Krokodil. Die Ersatzzähnchen liegen in einer kleinen, durch Resorption entstandenen Höhle in der Basis ihres Vorgängers. Wiederum fällt die vorzügliche Alternation beim Wechseln auf und ebenso der Umstand, dass beim Wechseln des unpaarigen medianen Zahnes grosse Regelmässigkeit obwaltet. In dem maxillären Gebiss befanden sich sowohl links als rechts 10, in dem Unterkiefergebiss 18 Zähne. Es war ein nicht unbedeutender (rössenunterschied der Zähne zu konstatieren, der offenbar mit dem Grade der Abnutzung zusammenhing. Charakteristisch war die Zahnform. Bei oberflächlicher Untersuchung erschienen die Zähne im Ober- und Unterkiefer als Kegelzähne mit nach hinten 324 Martin W. Woerdeman: gerichteter Spitze. Bei Untersuchung mit der Lupe sieht man sehr bequem einen, vereinzelt zwei kleine Kegel. Ist ein Neben- konus vorhanden, dann befindet sich dieser immer vorne an dem Zahn; bei zwei Nebenkegeln ist ein grösserer Kegel vorn und ein kleiner Kegel hinten am Zahn sichtbar. Im letzteren Falle hat man einen trikonodonten Zahn vor sich mit selır grossem Unterschied in der Grösse der Kegel. In dem Caninus aus dem Öberkiefer von Galago senegalensis hat man einen Zahn, dessen Relief überraschend viel Ähnlichkeit mit dem ebenbeschriebenen Zahn zeigt: nur-ist es bei Galago der hintere Nebenkegel, der stark entwickelt ist (Bolk, Odont. Stud. II, Fig. 22). Achtet man nun auch auf die prämaxillären Zähne von Tupinambis, dann kommt man zur Aufstellung des folgenden Satzes: Die Zähne von Tupinambis sind ursprünglich trikonodont gewesen, aber durch die an die Zähne gestellten Anforderungen modifiziert! Mikroskopische Untersuchung. Zahnanlage. Durchbruch. Ersatz. Befestigung. Von Tupinambis teguixim standen mir drei Serien von den Kiefern bereits geborener Tiere zur Verfügung. Bezüglich der Gebißstruktur ist zu bemerken, dass dieselbe sehr deutlich Distichie aufwies. Die Zahnleiste war noch ganz vorhanden. Nur deren freies Ende bildete die Zähne. Die An- lage dieser Zähne erfolgt nach dem allgemeinen Schema. Eine Abschnürung tritt jedoch so gut wie nicht auf. Bei jungen Zalhın- keimen macht der Gipfel des Schmelzorganes sich zuerst frei. Später schreitet die Abschnürung weiter fort, so dass auch die Basis sich mehr befreit. Die Seitenfläche des Schmelzorgans bleibt jedoch breit mit der Zahnleiste zusammenhängen. Die Zähne besitzen keine typischen Schmelzpulpazellen, wohl aber spindelförmige. Ihr Durchbruch erfolgt genau so wie bei Varanus; aber da die Zähne mit der Zahnleiste breit zusammenhängen und sie keinen Abschnürungsstrang besitzen, wird ein grosser Teil der Zahnleiste für die Bildung der Zahnscheide benutzt, und scheint es später, als ob die Zahnleiste mehr unterwärts von der Zahnscheide entspringt. Untersucht man die Serie, so findet man. in dem Gebiete zwischen zwei durchgebrochenen Zähnen die Zahnleiste von dem Mundepithel ausgehend, in weiter nach hinten liegenden Schnitten sieht man sie mit ihrer Insertion auf die mediale Wand einer Zahnscheide übergehen, immer kleiner werden Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 325 und niedriger an der Scheide inserieren, worauf die Leiste wieder beginnt, höher zu inserieren und länger wird, bis sie das Mund- epithel wieder erreicht hat. Dies sind jedoch Scheinbilder, die durch das Durchbrechen des Zahnes zwischen den zwei Zahn- leistenblättern entstanden sind. Der Zahn bricht auch bei Tupinambis durch, ehe er mit dem Knochen verwachsen ist. Die Verwachsung tritt erst später auf und erfolgt in sehr eigentümlicher Weise. Der Zahn ver- wächst mit einem großen Teile seiner lateralen Wand mit der Innenfläche des Knochens; die mediale Wand steht auf demselben. Die Struktur des Knochens, der gegen die laterale Wand des Zahnes liegt, ist ebenfalls noch recht eigenartig. Es kommen in ihr zahlreiche große Havers’sche Kanäle vor, welche in dem übrigen Teile des Knochens viel weniger häufig anzutreffen sind. Kann diese Masse etwa Vasodentin oder Trabekulärdentin sein? Die Pulpahöhle des Zahnes steht mit den Hohlräumen im Knochen im Zusammenhang. Betrefis der Ersetzung ist zu bemerken, dass in meiner Serie die meisten Zähne einen, einige Zähne dagegen keinen Er- satzzahn haben. Der Zahnwechsel ist also offenbar nicht so intensiv wie bei Varanus, und die Zähne werden wahrscheinlich erst weiter abgenutzt sein müssen, ehe sie ersetzt werden. Mit diesem trägeren Wechsel steht nun vielleicht auch der Umstand in Zusammenhang, dass bei Tupinambis wieder deutlich Resorption auftritt. Diese beginnt zunächst etwas oberhalb der Zahnbasis, und bald ist eine Lücke in der lingualen Wand entstanden, in welche sich der Ersatzzahn nun bei seiner Vergrösserung hinein- bettet. Dabei dringt er aber niemals in die Pulpahöhle seines Vorgängers ein. Jeder Ersatzzahn bildet eine neue Zahnscheide ; die alte Scheide verschwindet nach dem Ausfallen des alten Zahnes. Morphogenese. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass bei der Entwicklung der trikonodonten Zähne nicht die mindesten Symptome gefunden sind, die auf ein Entstehen dieser Zähne durch Verwachsung hinweisen. Sie entstehen vielmehr durch eine Formveränderung des Schmelzepitheles. 3. Tejidae. Ausser einigen Exemplaren von Tejus und Ameiva standen mir zwei Serien Frontalschnitte durch die Kiefer eines erwachsenen Cnemidophorus Wiegmanni zur Verfügung. 326 Martin W. Woerdeman: In der Literatur findet man nur angegeben, dass die hintersten Zähne von Unemidophorus drei Spitzen besitzen (Owen, Claus, Bronn), und dass die Zähne schief nach aussen gerichtet sind (de Terra). Gebißstruktur, Die Gebißstruktur war eine schöne distich- ische, wie das prämaxilläre Gebiss deutlich erkennen lässt. Es ist ein unpaariger medianer Zahn vorhanden, der gerade durch- gebrochen ist. Lingual von diesem Zahn liegt die Anlage eines Ersatzzahnes. Es ist eine sehr kleine terminale Papille, noch ohne Dentin. Dann folgt sowohl links als rechts immer ab- wechselnd ein Zahn mit und ein Zahn ohne Ersatzzahn. Zahn 2 ist ein grosser, durchgebrochener, mit dem Kiefer verwachsener Zahn. Sein Ersatzzahn ist ein grosses Schmelzorgan mit Dentin. Zahn 3 stimmt mit Zahn 1 überein, besitzt aber keinen Ersatz- zahn. Die Zähne 4 und 6 nebst ihren Ersatzzähnen entsprechen Zahn 2 und dessen Ersatzzahn. Zahn 5 ist noch nicht durch- gebrochen. Somit besteht das prämaxilläre Gebiss aus 11. Zähnen. die vier Odontostichi angehören. Der älteste der letzteren be- steht aus durchgebrochenen, mit dem Kiefer verwachsenen Zähnen, der zweite aus erst durchgebrochenen (1 und 3) oder gerade noch nicht durchgebrochenen Zähnen (Zahn 5), der dritte aus großen, Dentin besitzenden Schmelzorganen, während von dem vierten nur das vorderste Element angelegt ist als eine kleine Zahnanlage ohne Dentin. Zahnanlage, Abschnürung usw. Die Zahnleiste ist noch ganz vollständig vorhanden. Die Zahnanlage, der Durchbruch und der Ersatz stimmen völlig mit den entsprechenden Prozessen bei Tupinambis überein. Die Schmelzorgane bleiben breit mit der Zahnleiste zusammenhängen. Da auch — ebenso wie bei Tupinambis — für die meisten Zähne nur. ein Ersatzzahn vor- handen ist, und der Wechsel also nicht sehr schnell erfolgen wird, sind die einzelnen Generationen gut von einander getrennt, ebenso wie bei Tupinambis. Deutlich ist bei Cnemidophorus zu sehen, dass an der Insertionsstelle der Zahnleiste die Blätter etwas auseinanderweichen, wodurch eine seichte Furche entsteht. Natür- lich brechen in diese Furche die Zähne durch. Dasselbe gilt für Tupinambis. Befestigung. Die Befestigung der Zähne auf dem Kiefer bietet noch etwas Besonderes dar. Ebenso wie bei Tupinambis Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 327 ist die laterale Wand des Zahnes mit der Innenfläche des Knochens verwachsen (pleurodont). Nun steht aber die mediale Wand nicht wie bei Tupinambis direkt auf dem Knochen, sondern dieselbe ist gleichsam nach innen gebogen. Zahnstellung. Ferner ist noch merkwürdig, dass die Zähne namentlich hinten im Gebisse schief stehen und zwar so, dass der hintere Teil eines mehr nach vorn gelegenen Zahnes medial von dem vorderen Teil eines mehr nach hinten gelegenen Zahnes steht. Dadurch wird man auf frontalen Schnitten oft das folgende Bild erblicken. Man sieht den hinteren Teil eines mit dem Kiefer verwachsenen Zahnes und dessen Zahnscheide. Medial von dem Zahn sieht man seinen Ersatzzahn, und lateral von ihm findet man bereits die Zahnscheide und den vorderen Teil des hinter ihm stehenden Zahnes getroffen. Was kann die Bedeutung dieses Standes sein? Ich bin der Meinung, dass er die Folge der schrägen Richtung ist, in der die Zahnfamilien in bezug auf die Längsachse der Kiefer stehen. Bei einer Verkürzung der Kiefer werden die Familien dichter zusammengedrängt und tritt dieser Stand dann notwendigerweise auf. Wahrscheinlich meint de Terra auch diesen Stand, wenn er von „schief nach aussen“ gerichteten Zähnen spricht. Aus diesem allem und der Struktur des prämaxillären Ge- bisses ergibt sich die grosse Uebereinstimmung zwischen Cnemi- dophorus und Tupinambis, so dass ich durch meine Beobachtungen denjenigen Autoren, welche Tupinambis zu den Tejidae rechnen, neue Argumente hierfür verschaffte. Von Varanus unterscheiden beide sich in vielen Hinsichten (Abschnürungsstrang, Anzahl der Ersatzzähne, Resorption usw.). 4. Lacertinidae. Literatur. Owen (26) vermeldet, dass die Zähne der Lacertinidae oft trikuspidat sind, aber bei älteren Tieren diesen Charakter verlieren. Zittel (40) spricht von ein- oder dreispitzigen Zähnen, Burckhardt (10) dagegen von zweispitzigen. Levy (23) sagt, dass er ebenso wie v. Leydig, die zweispitzige Form als typisch betrachtet. Es sind dann zwei Spitzen vorhanden, nämlich eine nach vorn gerichtete kleine und eine grössere da- hinter. In vielen Fällen traf er auch einspitzige Zähne an, vereinzelt auch wohl dreispitzige (zwei kleine Spitzen, zwischen ihnen eine grosse). v. Leydig bestreitet das Vorkommen dreispitziger Zähne, de Terra (34) entweicht den Schwierigkeiten der genaueren Angabe der Spitzenzahl, indem er die Fassung gebraucht: ‚oder mehrspitzig‘“. 328 Martin W. Woerdeman: Wir haben hier wieder denselben Fall wie bei Tupinambis: die Zähne sind kegelförmig, einspitzig, haben aber oft einen vorderen Nebenkegel und in einigen Fällen einen sehr kleinen hinteren Nebenkegel. Es sind trikono- donte Zähne gewesen, deren Nebenkegel in rudimentärem Zustande noch vorhanden sein können. Sluiter (33) teilt mit, bei Lacerta einen unpaarigen Eizahn gefunden zu haben. Zwar wird derselbe paarig angelegt: aber bei dem linken beginnt schon bald die Reduktion. Es scheint Sluiter nicht unwahrscheinlich, dass nach der Geburt der Eizahn gewechselt wird, und dass seine Ersatzzähne während des ferneren Lebens des Tieres als unpaariger medianer Zahn be- stehen bleiben. Nach de Terra sind die Zähne pleurodont und besitzt Lacerta agilis 16—20 Zähne in jeder Häfite der Kiefer. O wen beschreibt in dem prämaxillären Gebiss 11—13 Zähne. A. Ophiops elegans. Nach Bronns Handbuch sind die oberen Zähne trikuspidat und fehlen bei diesem Tiere die Gaumenzähne. Gebissbau. Das untersuchte Exemplar zeigte wieder eine äusserst schöne Distichie. Das prämaxilläre Gebiss bestand aus sieben Zähnen, von denen einer in der Medianlinie stand. Dieser unpaarige Zahn war schon durchgebrochen, aber noch nicht völlig mit dem Kiefer verwachsen. Sowohl links als rechts von ihm kam nun ein grosser durchgebrochener, mit dem Kiefer verwachsener Zahn vor, der als Ersatzzahn ein Schmelzorgan mit Dentin besass. Dann kam ein gerade durchgebrochener, noch nicht verwachsener Zahn und schliesslich ein durchgebrochener verwachsener Zahn mit einem Ersatzzahn (Schmelzorgan mit Dentin). So sieht man also aufs neue hier einen glänzend distichalen Bau und die Tatsache, dass sich der unpaarige mediane Zahn bei der Alternation sehr regelmässig verhält. (s. auch Beitrag II). Zahnentwicklung. Bei dem erwachsenen Tiere ist die Zahnleiste noch ganz vollständig vorhanden. Über die Zahnanlage und die Abschnürung ist nichts Besonders zu bemerken. Die Schmelzorgane bleiben breit mit der Zahnleiste zusammenhängen. Der Durchbruch erfolgt zwischen den beiden Zahnleistenblättern in für alle Zähne besonderen Scheiden. Neben jedem Zahn findet sich lingual von ihm in der Regel die Anlage eines Ersatzzahnes. Die alten Zähne werden ziemlich weit resorbiert (an ihrer medi- alen Fläche), ehe sie ersetzt werden, so dass der Wechsel nicht so intensiv wie bei Varanus sein wird, aber andererseits doch auch nicht besonders langsam, da jeder Zahn noch seinen Ersatz- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 329 zahn hat. Die Zähne sind pleurodont und an der Innenfläche der Kiefer befestigt. Gaumenzähne wurden nicht gefunden. Über die Anlage der trikuspidaten Zähne war nichts Besonderes zu bemerken. B. Lacerta. Struktur. Die Struktur des Gebisses ist wieder sehr regel- mässig distichisch. Bei seiner allerersten Anlage wird das (rebiss auch in Reihen von alternierenden Elementen angelegt. In dem . prämaxillären Gebiss werden immer sieben Zähne gefunden, und zwar ein unpaarig medianer und links und rechts von ihm je drei andere. Die Zähne hatten entweder einen oder keinen Ersatz- zahn hinter sich, so dass ebenso wie bei Ophiops der Wechsel nicht besonders intensiv zu sein scheint. Auch der mediane un- paarige Zahn wird gewechselt und verhält sich bei dem distichischen Bau sehr regelmässig. In Fig. 4 von Beitrag II ist ein Horizontal- schnitt durch das Oberkiefergebiss einer lLacerta abgebildet (Serie A), in welchem deutlich zutage tritt, dass in dem prämaxil- lären Gebiss vier mit dem Kiefer verwachsene Zähne mit drei nicht verwachsenen Zähnen abwechseln. In dem maxillären Ge- biss ist dieser Wechsel auch sichtbar. Von einigen Zähnen sind in diesem Schnitt auch die Ersatzzähne getroffen, woraus deutlich hervorgeht, dass die nicht mit dem Kiefer verwachsenen Zähne nicht die Ersatzzähne der verwachsenen Zähne sind. Auch möge noch die Aufmerksamkeit darauf hingelenkt werden, dass, während der letzte Zahn des prämaxillären Gebisses ein mit dem Kiefer verwachsener ist, der erste Zahn des maxillären Gebisses noch nicht mit dem Kiefer verwachsen ist. Hierdurch wird also wieder bewiesen, was sich bei Gongylus- und Crocodilusembryonen stets so deutlich zeigte, dass nämlich auf der Grenze zwischen Zwischen- kiefer- und Oberkiefergebiss keine Unterbrechung in der regel- mässigen Alternierung besteht. Auch die untersuchten Embryonen von Lacerta bewiesen dies. Anlage der Ersatzzähne. Bei erwachsenen Tieren bleibt die Zahnleiste bestehen. Das’freie Ende erzeugt die Ersatzzähne. Die Anlage dieser Ersatzzähne weicht in keiner wesentlichen Hinsicht von dem bei Crocodilus beschriebenen Typus ab, wohl aber die Abschnürung der Zahnkeime, die bei Lacerta unvoll- ständig ist. Die Zahnkeime bleiben nämlich stets mit der Zahn- Archiv f. mikr. Anat. Bd.9%. Abt.1. 23 330 Martin W. Woerdeman: leiste durch eine ziemlich breite Brücke verbunden. Die Inser- tionsfläche an der Zahnleiste verläuft wie bei allen untersuchten Reptilien von parietal-vorn nach terminal-hinten. Die Spitze des Schmelzorganes ist auch noch nicht frei. Die Verbindung beginnt dort schmal, wird nach hinten und terminal etwas breiter, und schliesslich wird ganz hinten die verbindende Brücke zu einer doppelblättrigen Lamelle, also auf Querschnitten zu einem Strang. Da das Schmelzorgan sich aber nur wenig von der Zahnleiste verlagert, bleibt dieser Strang nur sehr kurz. Über die Abschnürung sei noch erwähnt, dass bei jungen Embryonen häufig in einem frontalen Schnitt zwei Generationen einer und derselben Familie vorkommen, zwischen denen dann ebenso wie bei Varanus ein sehr intimer Zusammenhang besteht, indem die Trennung der beiden Generationen nicht ganz vollständig ist. Niemals ist diese Erscheinung aber so deutlich wie bei Varanus. Histiogenese. Die Zahnhistiogenese zeigte keine Besonder- heiten. Schmelzpulpa wird nicht gebildet. Die Spindelzellen behalten ihre Form. Eine interzelluläre Flüssigkeitsanhäufung war nicht zu konstatieren. An dem Gipfel der Ameloblastenschicht besteht eine eigentümliche Struktur, die später bei der Beschreibung von Gecko erklärt werden wird. Viele Zähne von Lacerta liessen diese eigenartige Erscheinung erkennen, Durchbruch. Was den Zahndurchbruch anbelangt, besteht kein nennenswerter Unterschied mit Ophiops und Cnemidophorus. Der Zahn bricht zwischen den beiden Zahnleistenblättern durch. Für jeden Zahn besteht eine gesonderte Zahnscheide, welche von den auseinandergewichenen Zahnleistenblättern und dem unteren Teile des Schmelzorganes gebildet wird. Die Zähne sind pleurodont. Sie stehen auf der Innenfläche der Kiefer. Ihre Verwachsung mit dem Kiefer tritt erst nach ihrem Durchbruch ein. Wechsel. Lingual von jedem Zahn liegt in der Regel ein Ersatzzahn. Ehe Ausstossung des alten Zahnes stattfindet, wird er zu einem grossen Teile resorbiert. Wenn das Schmelzorgan des Ersatzzahnes sich dann vergrössert, findet es Platz durch die Resorption der medialen Wand des alten Zahnes, und so kommt es teilweise in die Pulpahöhle des alten Zahnes zu liegen, ebenso wie beim Krokodil und den andern untersuchten Reptilien. Wenn der Zahn in stärkerem Grade resorbiert ist, bricht er ab; die Zahnscheide schliesst sich unter dem abgebrochenen ei ee en. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 331 Zahn, und dieser liegt dann völlig lose in einer Epithelfurche der Mundschleimhaut und fällt bald aus. Die Zähne sind rudimentär trikonodont. An Besonderheiten bei der Anlage der rudimentär trikono- donten Zähne ist nichts zu erwähnen. Gaumenzähne, In den untersuchten ÖOberkiefern, unter denen auch einer von einer jungen und ein anderer von einer erwachsenen Eidechse war, fand ich bei der Untersuchung der Schnittserien keine typische Zahnanlage auf dem Gaumenbogen oder Pterygoid. Der Rand des letzteren war scharf, aber mit Mundschleimhaut bedeckt. 5. Zonuridae. Über das Gebiss dieser eigentümlichen, ziemlich seltenen Tiere ist nicht viel bekannt. Nur bei de Terra fand ich die Angabe, dass Pseudopus oben sowohl links als rechts 16, unten 12 Zähne besitzt, von denen die vorderen stumpfkegelförmig, die hinteren halbkugelig sind. Am Gaumen kommt eine Reihe sehr kleiner Gaumenzähne vor. Über Tachydromus fand ich, was die Entwicklung des Gebisses und der Zähne betrifft, nichts ver- meldet, soweit ich aus ausführlichen Literaturangaben (in de Terra, Hertwigs Handbuch, Bronn, Wiedersheims vergl. Anatomie) kon- statieren konnte. A. Tachydromus tachydromoides Material. Der Kopf eines erwachsenen Tieres wurde frontal geschnitten (Serie A). Gebißstruktur. Die Struktur des Gebisses ist distichisch. Da wenig Unterschied in der Entwicklung zwischen den Elementen zweier aufeinander folgender Reihen ist (wahrscheinlich infolge des Umstandes, dass beide Reihen von Matrices mit geringem Zeitunterschied angelegt wurden), ist diese Struktur im ausge- wachsenen Gebiss nicht deutlich nachweisbar, ausser wieder im prämaxillären Gebisse. In diesem sind sieben Zähne, ein un- paariger und drei an jeder Seite desselben. Der unpaarige Zahn ist bei dem untersuchten Exemplar ein gerade durchgebrochener, durch sog. Prädentin mit dem Kiefer verbundener Zahn. Rechts von ihm kommt ein gerade durchge- brochener, noch nicht völlig verwachsener, und ein durchge- brochener und wohl schon verwachsener Zahn vor. Die ver- wachsenen Zähne haben je einen Ersatzzahn, nämlich ein grosses, | 23* 332 Martin W. Woerdeman: Dentin besitzendes Schmelzorgan. Die nicht verwachsenen Zähne besitzen auch je einen Ersatzzahn in Anlage, nämlich ein kleines Schmelzorgan mit beginnender Dentinbildung. In der linken Hälfte des prämaxillären Gebisses ist die Sachlage nicht so deutlich durch das Ausfallen eines Zahnes. Hinsichtlich der Anzahl der Zähnchen will ich bemerken, dass ich bei zahlreichen Exemplaren von Tachydromus sexlinea- tus in jeder (rebisshälfte etwa 25 (24— 30) stumpfkegelige Zähnchen antraf. Zahnanlage und Abschnürung. Bei dem erwachsenen Exemplar war die Zahnleiste komplett vorhanden. Die Ersatz- zähne werden an dem freien Ende der Leiste gebildet. Die Histiogenese dieser Zähne fällt völlig unter das allgemeine Schema. Nur wird keine typische Schmelzpulpa gebildet. Die Zellen bleiben spindelförmig, schwellen wohl an und färben sich heller : als die oberflächlichen Zellen des Schleimhautepitheles, aber ändern ihre Form nicht. Die Abschnürung der Zahnkeime von der Zahnleiste erfolgt in sehr eigentümlicher Weise. Die mikros- kopischen Bilder, die man davon erhält, werden infolge einer kleinen Komplikation schwer verständlich und würden zu sehr sonderbaren Missverständnissen Veranlassung geben können. Die Zahnkeime bleiben sehr breit mit der Zahnleiste verbunden durch eine Fläche, deren Längsachse von parietal-vorn nach terminal- hinten verläuft. Die Spitze wird nicht frei. Beim Wachstum der Zahnkeime werden diese hinten wenig oder garnicht abge- schnürt. Die Zahnspitze drängt die Blätter der Zahnleiste immer weiter auseinander. In Fig. 23 A ist die Zahnleiste mit einem jungen Zahnkeim schematisch wiedergegeben; in Fig. 23B die Insertionsfläche dieses Keimes an der Zahnleiste.e Man denke dabei gegen die labiale Fläche der Leiste anzusehen. In Fig. 23 C ist ein älterer Zahnkeim abgebildet. Die Zahnleistenblätter sind weiter auseinandergewichen, die Insertionsfläche ist vergrössert ; aber der Zahnkeim ist bei dem terminalen Teile der Zahnleiste nicht nennenswert abgeschnürt (Fig. 23D). Nun kommt jedoch eine Komplikation. Man denke sich eine Bindegewebsmasse, die von hinten in die Verbindungsbrücke zwischen Zahnkeim und Zahnleiste eindringt. Dann kann dadurch diese Insertionsfläche die Gestalt annehmen, welche in Fig. 23E gezeichnet ist. (Die ursprüngliche Grenze ist punktiert). Hier- AN ng Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 333 bei ist gedacht, dass der untere Teil der Verbindungsbrücke zu einer Lamelle wird. Frontale Querschnitte durch einen Zahnkeim mit der in Fig. 23E abgebildeten Insertionsfläche werden nun sehr verschieden ausfallen, je nachdem sie den vorderen oder hinteren Teil des Zahnkeimes treffen. So wird Schnitt I (siehe Fig. 23E) einen Zahnkeim zeigen, der mit seinem oberen Teile breit mit der Zahnleiste verbunden ist (Fig. 23F), Schnitt II da- gegen einen, der noch ganz mit der Zahnleiste zusammenhängt Fig. 236). Merkwürdig ist Schnitt II. Der Zahnkeim wird nun doppelt verbunden scheinen. Der obere Teil ist breit, der untere Teil ist durch einen Strang mit der Zahnleiste ver- Fig. 23. Schema der Zahnabschnürung bei Zonuridae. bunden (Fig. 23H). Ein noch weiter nach hinten gelegener Schnitt IV ergibt schliesslich das Bild von Fig. 23K, d.i. einer Zahnanlage, deren oberer Teil noch breit mit der Zahnleiste zusammenhängt. Aus Fig. 24 wird nun hervorgehen, dass die Abschnürung bei den Zonuridae so verläuft, wie dies in Fig. 23 schematisch wiedergegeben wurde. In Fig. 24 sind fünf Schnitte durch einen fast durchgebrochenen Zahn aus dem OÖberkiefergebiss von Tachy- dromus abgebildet. Schnitt A liegt am meisten nach vorn, Schnitt E am meisten nach hinten. In Schnitt A von Fig. 24 sieht man die Zahnleiste eines beinahe durchgebrochenen Zahnes, der im Begriff steht, durch- zubrechen und zu diesem Zwecke die Zahnleistenblätter bereits voneinandergedrängt hat. Die Spitze des Zahnes ist noch mit 334 Martin W. Woerdeman: der Ameloblastenschicht bekleidet. Auffallend ist, namentlich auch in den folgenden Schnitten, die Dicke der Odontoblasten- schicht in dem unteren Teile des Zahnkeimes. Hier sind die Odontoblasten sehr hohe Zellen. In dem oberen Teile des Zahnes haben sie offenbar schon ihre Funktion verrichtet, unten dagegen müssen sie noch viel neues Dentin bilden, um den Zahn nach seinem Durchbruch mit dem Knochen in Verbindung zu bringen. Odontoblaften EA, N # D OÖberkiefer- epithel Fig.24. Fünf frontale Schnitte durch einen Zahnkeim im Oberkiefer von Tachy- dromus. 50:1. A. (A.4. II. 11.), B. (A. 4. 11T. 1.), C. (A.4. IIL 3.), D. (A. 4.1II.4.) u.E. (A.4. III.5.). Dieser Schnitt entspricht nun Fig. 23F. In Fig. 24B ist ein etwas mehr nach hinten gelegener Schnitt abgebildet. Der Zahn- keim hängt hier mit der Zahnleiste auf ihrer ganzen Länge zu- sammen, und somit hat man die in Fig. 23G wiedergegebene Sachlage vor sich. In Fig. 240 und D sind zwei noch weiter A , u.“ eur ln a Mar Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 335 nach hinten gelegene Schnitte gezeichnet. Der Zahn ist schon durch die Ameloblastenschicht hindurchgebrochen, aber noch nicht durch die hier stark vermehrten interlaminären Zahnleistenzellen. In beiden Schnitten (in D deutlicher als in C) ist eine doppelte Verbindung des Zahnkeimes mit der Zahnleiste sichtbar und zwar durch einen Strang unten und eine breite Brücke oben. Dies ist die in Fig. 23H wiedergegebene Sachlage, während ein noch weiter nach hinten liegender Schnitt das Bild von Fig. 23K zeigt (siehe Fig. 24E). Diese charakteristische Abschnürungsweise erinnert etwas an diejenige des Krokodilzahnes, bei welchem auch eine Binde- gewebsmasse in die Verbindungsbrücke einzudringen scheint. Nur geschieht dort das Eindringen von vorn und hinten zugleich und bei einer schon weit abgeschnürten Zahnanlage. Die Zahnanlage von Tachydromus gibt Veranlassung zu Schwierig- keiten bei der Interpretation der Schnitte. So würde man in Fig. 24B einen schönen Beweis für den Satz finden können, dass bei Tachydromus keine Zahnleiste vorhanden sei und die Ersatzzähne aus der Scheide (dem Schmelz- organ) ihrer Vorgänger gebildet werden. Aus Fig. 24C und D könnte man glauben, schliessen zu dürfen, dass der in gewöhnlicher Weise abgeschnürte Zahnkeim noch eine Sonderverbindung mit seinem Ersatzzahn in Form eines Epithelstranges habe. Es braucht wohl nicht erst dargelegt werden, dass alle diese Interpretationen der Schnitte falsch sind, was sich denn bei der Untersuchung einer Schnittserie wohl herausstellen muss. Durchbruch. Aus Fig. 24 ist wohl begreiflich, dass der Zahndurchbruch zwischen den zwei Zahnleistenblättern erfolgt. Jeder Zahn hat seine besondere Scheide, die teils von der Zahn- leiste, teils von seinem Schmelzorgan gebildet wird. Der nicht gespaltene Teil der Zahnleiste (der in der Literatur als „Ersatz- leiste“ bekannt ist), zweigt in den vorderen Schnitten von dem oberen Teile der medialen Zahnscheidenwand, in mehr nach hinten gelegenen Schnitten von dem unteren Teile derselben ab, wobei die Leiste kleiner wird und schliesslich ganz verschwindet, worauf sie abermals zu Tage tritt und dann eine strangförmige Ver- bindung mit dem unteren Teile der Zahnscheide darstellt, welche Verbindung bald aus den Schnitten verschwindet, worauf die Ersatzleiste das Mundepithel wieder erreicht. Wechsel. Die Zähne sind pleurodont; sie stehen an der Innenfläche der Kiefer; nur ist die laterale Wand oft auf einer ziemlich grossen Strecke des Kiefers mit diesem verwachsen. 336 Martin W..Woerdeman: Die Ersatzzähne werden in dem terminalen Teile der Zahnleiste angelegt; meistens findet sich für jeden Zahn ein Ersatzzahn. Die alten Zähne werden erst nach einem sehr vollständigen Resorptionsprozess ausgestossen, bei welchem von dem Zahne schliesslich fast nichts anderes übrigbleibt als seine Spitze. Die Zahnscheide schliesst sich dann unter dem Rest, worauf der Er- satzzahın durchbricht, der sich nun eine neue Scheide bildet. B. Pseudopus apus. Gebissbau und Zahnentwicklung. Von einem erwachsenen, aus Dalmatien stammenden Exemplar war die eine Unterkiefer- hälfte frontal, die andere horizontal geschnitten. Der Oberkiefer wurde makroskopisch untersucht und zeigte sieben Zähne in dem Zwischenkiefergebiss, darunter einen unpaarigen in der Median- linie. Das maxilläre Gebiss besass neun Zähne. Am Gaumen waren sehr kleine Erhebungen sichtbar. Falls dies Zähne waren, dann waren sie offenbar stark abgenutzt. Distichie war in den Serien sehr schlecht nachweisbar. Pseudopus und Tachydromus weisen nämlich beide nur geringen Unterschied im Entwicklungs- grad zwischen Elementen zweier aufeinanderfolgender Reihen auf. Wahrscheinlich hätte aber das prämaxilläre Gebiss von Pseudopus die Distichie wohl erkennen lassen ebenso wie Tachydromus; be- wahrt doch das prämaxilläre Gebiss in der Regel die Struktur- eigentümlichkeiten am deutlichsten Hinsichtlich der Anlage der Ersatzzähne und ihrer Abschnürung stimmt Pseudopus völlig mit Tachydromus überein. Auch der Zahndurchbruchprozess ist der- selbe wie bei Tachydromus. Die Zahnleiste war bei diesem er- wachsenen Pseudopus ebenfalls komplett vorhanden. Die Zähne haben meistens je einen Ersatzzahn, zuweilen aber auch keinen. Schon hieraus dürfte zu folgern sein, dass die Lebensdauer jedes Zahnes lang ist und der Wechsel träge erfolgt. Der Unterschied in der Entwicklung zwischen Zahn und Ersatzzahn ist denn auch bei Pseudopus sehr gross, etwas weniger gross bei Tachydromus. Die grossen Zähne mit stumpfer Spitze sind anders auf dem Kiefer befestigt wie bei Tachydromus. Die Aussenwand steht auf dem Rande des Kiefers, die Innenwand auf einer wagerechten Etage desselben. Der Zahn ist, wie ich es nennen möchte, „akropleurodont“. — Mit dem trägen Wechsel steht eine sehr vollständige Resorption der Zähne vor ihrem Ausfallen in Verband. N \ Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 337 Es scheint mir allzu unwahrscheinlich, dass dieselbe durch einen Druck des Ersatzzahnes verursacht werden sollte. 6. Scincidae. Literatur. Von diesen Reptilien sagt Zittel, dass die Zähne zuweilen zweispitzig sind, de Terra nennt die Zähne gelappt, und vermeldet, dass sie pleurodont sind. A. Lygosoma. Nach Hoffmann (in Bronn’s Klassen und Ordnungen) fehlen bei Lygosoma Gaumenzähne Sluiter sah bei Lygosoma einen unpaarigen Eizahn. Ursprünglich gibt es deren zwei, von denen nur der rechte weiter wächst, der linke aber reduziert wird. Gebißstruktur. Die Struktur des Lygosomagebisses ist deutlich distichisch. In dem Bericht über Bolk’s Vortrag auf dem Münchener Anatomenkongress (3) ist in Fig. 6 ein Horizontal- schnitt durch das prämaxilläre Gebiss von Lygosoma abgebildet. in welchem die Distichie deutlich hervortritt. In dem prämaxil- lären Gebiss kommen neun Zähne vor, ein unpaariger und jeder- seits von ihm vier andere. Die Alternation ist regelmässig. Der unpaarige Zahn steht rechts von der Medianlinie. In Fig. 4 von Beitrag III ist z. B. eine graphische Rekonstruktion (in 60 facher Vergrösserung) abgebildet von dem Zwischenkiefergebiss eines Lygosoma-Embryos. Bei derselben ist deutlich ersichtlich, dass der Eizahn rechts von der Medianfläche steht und einen grossen Ersatzzahn besitzt mit dem Beginn einer zweiten Anlage. Bei dem Embryo, dessen prämaxilläres Gebiet in Fig. 4 (Beitrag III) dargestellt ist, war der Eizahn der einzige durchgebrochene Zahn des Zwischenkiefergebisses. Bei noch einigen anderen Exemplaren konnte ich mich von dem distichischen Bau des Gebisses über- zeugen. Zahnanlage usw. Auch bei erwachsenen Exemplaren ist die Zahnleiste noch ganz vollständig, so dass man sicher sein kann, dass sie während des ganzen Lebens des Tieres bestehen bleibt: Ebenso wie bei allen anderen Reptilien ist die Bildung der Ersatzzähne in dem freien Ende der Leiste lokalisiert. Die Zahn- keime entwickeln sich in der bekannten Weise. Schmelzpulpa, wie sie das Krokodil besitzt, wird nicht gebildet. Die Zellen bleiben spindelförmig. An dem Gipfel der Ameloblastenschicht sieht man oft die eigenartige Strukturerscheinung, die auch zahlreiche andere 338 Martin W. Woerdeman: Reptilien aufweisen und die bei den (seckoniden besprochen werden wird. Die Abschnürung der Zahnkeime ist sehr unvollständig; sie bleiben sehr breit mit der Zahnleiste zusammenhängen. Der Gipfel befreit sich ebensowenig, drängt aber beim Wachsen des Zahnkeimes die Zahnleistenblätter immer mehr auseinander, während dahinter nur eine geringe Abschnürung auftritt. So kann schliesslich der Zahnkeim auf fast der ganzen Länge der Zahnleiste mit dieser zusammenhängen. Der Zahndurchbruch erfolgt natürlich zwischen den beiden Zahnleistenblättern, zwischen welchen der Zahn immer weiter durchgedrungen ist. Jeder Zahn hat seine eigne Scheide. Da nun die Zahnanlage oft auf der ganzen Länge mit der Zahnleiste zusammenhängt, zweigt die sogenannte Ersatzleiste in der Regel von dem unteren Teile der Zahnscheidenwand ab, und hinten in dem Kiefer, wo die Zahnleiste etwas kürzer ist, kann diese dann oft ganz an der Stelle ver- schwunden sein, wo ein Ersatzahn gebildet wird. Der terminale Teil der Zahnleiste wird dann von dem Ersatzzahn, der übrige Teil von der Zahnscheide eingenommen. Es macht dann den Eindruck, als ob der Ersatzzahn aus der Scheide seines Vor- gängers entsteht (vergl. Fig. 24 B). Dem Zahndurchbruch geht eine Veränderung der Schmelzpulpazellen voran, die nämlich den Charakter der gewöhnlichen platten oberflächlichen Schleimhaut- zellen annehmen. Nach dem Durchbruch ist die Ameloblasten- schicht oft noch eine kurze Zeitlang als Innenbekleidung der Zahnscheide wahrzunehmen. Die Zähne sind pleurodont und auf der Innenfläche der Kiefer befestigt. Jeder Zahn hat einen, ein vereinzelter Zahn zwei Ersatzzähne in Anlage lingual von sich. Vor ihrem Ersatz werden die Zähne stark resorbiert, bis nur ein sehr kleines Scherbehen übrigbleibt, das offenbar ausgestossen wird. Grosse vielkernige Phagozyten verrichten die Aufräumungs- arbeit und beseitigen auch die Zahnscheide. Bezüglich der Zahn- form meine ich, dass die jungen Ersatzzähne eine rudimentäre Trikonodontie aufweisen. Gaumenzähne wurden nicht gefunden. B. Euprepes sebae. Owen vermeldet, dass Euprepes auf dem Pterygoid Zähne be- sitzt. Auchin Bronn’s Arbeit ist dies angegeben. Bei zahlreichen untersuchten Exemplaren konnte ich selbst mit der Lupe keine Zähne entdecken. Ebensowenig waren sie in der Schnittserie nachweisbar. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 339 Struktur. In den makroskopisch untersuchten Exemplaren von Euprepes Ernesti und Euprepes sebae kamen im prämaxillären (rebiss 9 Zähne vor, darunter ein unpaariger, ferner im Unter- und Oberkiefer 23 Zähnchen oder ein paar mehr (besonders bei Euprepes sebae). Man findet bei makroskopischer Untersuchung ziemlich viele junge Wechselzähne, welche wieder die Distichie des Gebisses verraten. In den untersuchten Schnittserien ist der unpaarige Zwischenkieferzahn ausgefallen und liegt ein kleiner Ersatzzahn bereit. Die Zahnleiste ist vollständig vorhanden. Zahnanlage usw. Die Bildung, die Abschnürung und der Durchbruch der Zähne erfolgen wie bei Lygosoma. Die Zähne sind pleurodont; vor ihrer Ersetzung werden sie stark resor- biert. Ebenso wie bei Lygosoma kommt das Schmelzorgan bei seinem Wachstum dann zwar teilweise in die Resorptions- öffnung zu liegen, es dringt aber nicht in die Pulpahöhle des Vorgängers ein. Jeder Zahn hat einen Ersatzzahn, einige jedoch zwei. C. Rhodona fragilis. Gebissbau. Nach Hoffmann sind stumpfe Zähne vor- handen. Die Gaumenzähne fehlen. Das untersuchte Exemplar (ein junges Tier) besitzt im Unterkiefer 14 Zähne, in dem maxil- lären Gebiss wahrscheinlich sieben, darunter einen unpaarigen; in dem übrigen Oberkiefer an jeder Seite 11 Zähne. Ausnahmslos haben alle diese Zähne einen Ersatzzahn. Zahnanlage usw. Zahnanlage, Abschnürung, Durchbruch, Ersatz, Befestigung am Kiefer, Resorption usw. stimmen völlig überein mit diesen Vorgängen bei Lygosoma und Euprepes. In Serie A war die Zahnleiste sehr gut entwickelt. Die Schmelz- pulpazellen sind spindelförmig. Erwähnenswert ist noch das Folgende: Wenn man die hinteren Schnitte durch einen mit dem Kiefer verwachsenen Zahn betrachtet, dann wird man über dem noch in dem Schnitte sicht- baren Teile des Zahnes ein Epithelkäppchen hängen sehen, das mit der Zahnleiste zusammenhängt. Dieses Käppchen ist der hintere Teil der getroffenen Zahnscheide. Auch ist die mediale Wand der Zahnscheide immer grösser als die laterale (was die notwendige Folge der Durchbruchsweise ist; siehe die Schemata). Diese mediale Wand kommt dann noch oft in den Schnitten vor, 340 Martin W. Woerdeman: während die laterale nicht mehr darin zu sehen ist. Es macht dann den Eindruck, als ob von der Zahnleiste eine Epithelleiste abzweige, die medial von demjenigen Teile des durchgebrochenen Zahnes liegt, der noch in dem Schnitte sichtbar ist. Auf Grund eines solchen einzelnen Schnittes würde man dann diese Leiste nicht erklären können und derselben vielleicht eine ganz falsche Bedeutung beilegen. Gerade diese zwei Bilder, die ohne Unter- suchung einer Schnittserie unbegreiflich sind, kommen viele Male in meiner Serie von Rhodona vor, weshalb hier kurz auf diesen Umstand hingewiesen wird. D. Mabouya. In Bronn’s Klassen usw. ist angegeben, dass Mabouya keine @aumenzähne besitzt. Dies kann ich bestätigen, soweit es meine Beobachtungen an Embryonen betrifft. Bei diesen war keine Anlage von Gaumenzähnen zu konstatieren. Sluiter (33) sah bei Mabouya den rechten medialen Zahn des Oberkiefer- - gebisses zum Eizahn werden, den linken in Reduktion treten. Auch diese Beobachtung kann bestätigt werden. Gebißstruktur. Horizontalschnitte durch den Kopf von zwei Mabouya-Embryonen liessen erkennen, dass in dem prämaxil- lären Gebiss neun Zähne vorkommen, fünf rechts und vier links. Der rechte mediale Zahn steht unweit der Medianlinie und ist der Eizahn. Bei einem der Embryonen (dem jüngsten) war der linke Eizahn noch in rudimentärem Zustande vorhanden (siehe Fig. 2 und 3 von Beitrag III). Im Oberkiefer wurden 14— 15 Zähne gefunden. Ausser drei Embryonen konnte ich noch ein junges, schon geborenes, aber leider schlecht konserviertes Tier studieren. Zahnanlage usw. Die Zahnleiste ist vollständig vorhanden. Die an ihrem freien Ende gebildeten Zahnkeime hängen nicht mehr breit mit ihr zusammen, sondern nur mit der Spitze des Schmelzorganes. Ein Abschnürungsstrang wie bei Varanus wird jedoch nicht gebildet. Bei seinem Wachstum drückt der Zahn die Zahnleistenblätter weiter auseinander und bricht schliesslich zwischen ihnen durch. Die Schmelzorgane besitzen ziemlich viele spindelförmige Schmelzpulpazellen. Bei dem untersuchten Tiere waren die Zähne gerade durchgebrochen und noch nicht mit dem Kiefer verwachsen, so dass die Zahnresorption und der Zahnersatz nicht studiert werden konnten. ee Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 341 E. Anguis fragilis. Ueber die Zahnentwicklung dieses Tieres ist schon recht viel ge- schrieben worden; so hat bereits C. S. Tomes (35) dieselbe beleuchtet, und manche andere Untersucher erwähnen wenigstens beiläufig die Hlindschleiche in ihren Artikeln, so z. B. Levy, der bei ihr keine Gaumenzähne fand und Weinland (36), der ihren Eizahn entdeckte. Sluiter traf auch bei diesem Tiere einen ursprünglich paarigen Eizahn an, der aber nicht so deutlich war wie bei den anderen Scincidae. de Terra vermeldet, dass die ersten fünf Zähne des Oberkiefergebisses klein und scharf sind; sie ge- hören zu dem prämaxillären Gebiss. In dem maxillären Gebiss kommen nach seiner Angabe acht etwas grössere spitze und gekrümmte Zähne vor. Abortivzähne. Bei jungen Embryonen bestand eine un- vollkommene Trennung der Zahnkeime (siehe Fig. 25). Die Zahn- leiste ist noch sehr primitiv gebaut. Die Schmelzpulpa der beiden Zahnkeime lässt deutlich ihre Herkunft von den Kieferepithel interlaminären Zahn- : 5. leistenzellen und ihren Zusammenhang mit ihnen Zahnleifte Sr SER Ze S Sa junge erkennen. Nachdem die DNS BZ Reduktion des Abortiv- 2.08% er zahnes durch Resorption DS in dem Mesenchym ab- a: en Meienchym gelaufen ist, bleibt noclı Dentin 55 Aokha PLFEHEN x eine Zeitlang ein Epithel- knoten an der Zahnleiste eh übrig. Dieser Knoten Fig. 25. Frontaler Schnitt durch die Unterkiefer- £ zabnleiste eines Embryos von Anguis fragilis. kann auch mehr die ge- (A. 2. III. 6). 40:1 % Ya. streckte Gestalt eines Stranges annehmen und dann in den Schnitten zu Schwierigkeiten für die Interpretation führen. Denkt man sich eine terminale Papille teilweise abgeschnürt und den Abortivzahn zu einem Epithelstrang geworden, dann kann es in den Schnitten scheinen, als ob von der Zahnleiste ausser dem Epithelstrang nach der medialen Fläche des Zahnkeimes (der durchschnittenen Abschnürungslamelle) noch ein anderer kleiner Strang nach der lateralen Fläche des Zahnkeimes geht. (Rest des Abortivzahnes). So entstehen Sach- lagen, welche zu der Auffassung führen könnten, dass es eine mediale und eine laterale Schmelzleiste gebe. Ich glaube indessen, dass hiervon keine Rede ist. Die erhaltenen Bilder erinnern an ! 2 342 Martin W. Woerdeman: diejenigen, welche beim Krokodil beobachtet wurden (siehe Fig. 6). Ausser Embryonen wurde noch der Kopf einer jungen Blind- schleiche und von einem älteren Exemplar der Oberkiefer in frontale Schnitte zerlegt und untersucht. Zahnanlage usw. Aus diesen Schnitten ging hervor, dass die Bildung der Ersatzzähne ausschliesslich am Zahnleistenende stattfindet. Die Zahnleiste ist auch bei ausgewachsenen Tieren noch intakt. Die Zähne bleiben erst ziemlich breit mit der Zahn- leiste verbunden infolge des Umstandes, das ihre Spitze immer mehr die Blätter der Zahnleiste auseinanderdrängt und dahinter keine Abschnürung statthat. Wenn dann schliesslich die Ab- schnürung terminal beginnt, bleibt der Zahn doch noch immer am Gipfel seines Schmelzorgans ziemlich breit mit der Zahnleiste verbunden. Während einer kurzen Zeit wird dabei ein Zwischen- stadium durchlaufen und zwar ein solches, in welchem der Zahn- keim vorn noch breit mit der Zahnleiste verbunden ist, während hinten der Verbindungsstrang zu einer Lamelle wird (auf Quer- schnitten also zu einem Strang). Schliesslich bricht der Zahn zwischen den beiden Zahnleistenblättern durch. Jeder der Zähne hat eine besondere Scheide. Von dieser ist der obere Teil von der Zahnleiste, der untere Teil von dem Schmelzorgan gebildet. Nach ihrem Durchbruch verwachsen die schlanken, pfriemen- förmigen Zähnchen mit dem Kiefer, an dem sie pleurodont be- festigt werden. Jeder Zahn hat in der Regel einen Ersatzzahn hinter sich. Der Wechsel geschieht alternierend und zwar soweit mir bekannt, ohne vorhergehende Resorption; eine solche habe ich wenigstens nicht beobachtet. Das Tier scheint einen ziemlich intensiven Zahnwechsel zu haben. Auch der primitive Zustand der embryonalen Zähne weist m. E. darauf hin, dass Anguis die Zähne sehr schnell bildet. Als Besonderheit sei noch erwähnt, dass bei einem alten Exemplare dieser Gattung unter dem lingu- alen Blatt der Zahnleiste eine Pigmentanhäufung angetroften wurde (d. h. also unter dem Operkulumepithele). F. Cyelodus Boddaerti. Nach Hoffmann sind die Zähne von Cyclodus stumpf keulenförmig, die hinteren fast kugelig. Owen macht eine interessante Mitteilung über Cyclodus nigroluteus (Odontography, S. 237): „The intermaxillary bone has depressions for twelve teeth, of which only the alternate ones are usually in place“ (— dies deutet auf Distichie hin —) „the germs of the successional Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 343 teeth are developed at the inner side of the base of their predecessors, which they excavate, undermine and displace in the usual manner“ (S. 238). Beschreibung von drei Embryonen. Abortivzähne. Eizahn. Von Cyelodus Boddaerti studierte ich drei Larven. Er- wachsene oder jung geborene Tiere standen mir nicht zur Ver- fügung. In dem Unterkiefer von Serie A kommen zwölf sehr grosse Schmelzorgane und fünf Abortivzähnchen vor, im Zwischenkiefer neun Schmelzorgane, nämlich rechts fünf und links vier. Das mediale Schmelzorgan rechts ist am grössten. Von den neun Schmelzorganen befinden sich zwei in starker Reduktion. Im Öberkiefer stellte ich elf Schmelzorgane und vier Abortivzähne fest. Die Abortivzähne in Ober- und Unterkiefer kommen sowohl bei geraden als ungeraden Zähnen vor, gehören also zwei Reihen an. Sie bestehen aus Dentin und Schmelz und sinken in das Mesenchym ein, wo sie resorbiert werden; eine Ausstossung er- folgt nicht. Die Zahnanlage scheint sehr träge zu erfolgen, da es zuweilen Abortivzähne gibt, hinter denen noch kein anderer Zahn gebildet ist (z. B. in dem prämaxillären Gebiss). Eines der Schmelzorgane von Serie A schien eine doppelte Papille zu ent- halten (die hinterste in dem Unterkiefer links). Es waren näm- - lich zwei Ringe von Ameloblasten in den Schnitten sichtbar, zwischen denen sich kein äusseres Schmelzepithel befand. Da an die Möglichkeit eines Trugbildes gedacht werden muss und ich nicht imstande war, aus der Serie die erforderlichen Data zu sammeln, wird man diesem Umstande nicht zu viel Bedeutung beilegen dürfen, um so weniger, da ich es nur einmal antraf. Cyelodus B. besitzt im Unterkiefer zwölf grosse Schmelzorgane und drei Abortivzähne, sowohl links als rechts. Im prämaxillären Gebiss kommen links vier, rechts fünf Zähne vor. Der mediale Zahn rechts ist ein sehr grosses dentinhaltiges Schmelzorgan. Von den vier übrigen Zähnen und den vier Zähnen links ist der zweite im Reduktionszustande. In dem Oberkiefer kommen sowohl links als rechts zwölf grosse Zahnkeime und drei Abortiv- zähnchen vor. Von Cyclodus © endlich enthält das Unterkiefergebiss zwölf Schmelzorgane und vier Abortivzähne, das maxilläre Gebiss ebenfalls zwölf Schmelzorgane, aber nur drei Abortivzähne und das prämaxilläre Gebiss endlich neun Schmelzorgane (fünf rechts und vier links). Der mediale Zahn rechts ist der grösste. Obwohl ich kein Rudiment eines linken Eizahnes fand, bin ich überzeugt, dass der mediale große Zahnkeim rechts die An- lage des Eizahnes ist, und dass das Gebiss später aus einem 344 Martin W. Woerdeman: unpaarigen medianen Zahn und links und rechts aus je vier anderen Zähnen bestehen wird. Offenbar sind die drei von mir untersuchten Larven ungefähr gleich alt gewesen, infolgedessen kann über die weitere Ent- wicklung wenig mitgeteilt werden. i Eine Distichie ist in einigen Teilen des Gebisses deutlich erkennbar, in anderen wieder nicht, da die Zahnanlage als träge zu betrachten ist und sich bei diesen Embryonen also kein Unterschied in Ersatzzähnen beobachten lässt, während die schon gebildeten Zähne alle ungefähr gleich weit differenziert sind. Mit der trägen Zahnbildung scheint auch die Resorption der Zähne durch ihre FErsatzzähne in Verbindung zu stehen (siehe Owen). Abschnürung. Die Schmelzorgane von Cyelodus weisen eine typische Form auf. Sie sind fast kugelförmig, nur in der Richtung von unten nach oben etwas abgeplattet. Sie besitzen ziemlich viel Schmelzpulpa, die hier noch aus Spindelzellen be- steht. Am äusseren Schmelzepithel liegt ein reich verzweigtes Blutkapillarnetz. Der bei Anguis beschriebene Umstand, dass die Schmelzorgane von Abortivzähnchen und jüngeren Zahnkeimen oft nicht gut getrennt sind, liegt auch bei Cyclodus vor. Es scheint denn auch in einigen Schnitten, als ob der jüngere Zahn- keim von dem kleinen Schmelzorgan des Abortivzahnes ausgehe. Die Abschnürung der Zahnkeime zeitigt auch wieder ziemlich eigentümliche Bilder in den Schnitten. Die grossen runden Schmelzorgane hängen nicht mit ihrer ganzen medialen Fläche mit der Zahnleiste zusammen, sondern nur mit einem verhältnismässig kleinen Teile. Die Verbindungs- brücke wird bei der Abschnürung hinten zu einer Lamelle, so dass man auf den hinteren Schnitten sieht, wie die grossen runden Schmelzorgane durch einen dünnen, kurzen Strang mit der Zahn- leiste zusammenhängen. In den vorderen Schnitten bekommt man oft den Eindruck, dass der Gipfel des Zahnkeimes ebenso wie bei Varanus durch eine besondere Leiste mit der Zahnleiste in Verbindung stehe. Diese Leiste verläuft dann eigentümlich gekrümmt. Bald darauf aber tritt in mehr nach hinten gelegenen Schnitten der Zahnkeim in breiteren Zusammenhang mit der Zahnleiste, und- stellt es sich heraus, dass die vermeintliche Sonderleiste ein Trugbild gewesen ist, welches dadurch entstand, ee A Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 345 dass der Zahnkeim tangential getroffen wurde, und dass sein Gipfel ein wenig freigekommen ist infolge des Umstandes, dass gleichsam die Zahnleistenblätter nicht weit genug auseinander- gewichen sind. — Zusammenfassend zeigt sich also, dass die Schmelzorgane von Cyclodus mit der Zahnleiste in Zusammenhang bleiben; aber nur mit einem Teile ihrer medialen Fläche hängen sie breit mit genannter Leiste zusammen. Der Gipfel des Schmelzorganes und ebenso dessen hinterer Teil sind etwas frei- gemacht, sodass der hintere Teil nur durch eine dünne Epithel- lamelle mit der Zahnleiste verbunden ist. Bei allen untersuchten Reptilien verlief die Längsachse der Zahnkeime in bezug auf die Zahnleiste von vorn-parietal nach hinten-terminal, wodurch beim Durchsehen einer Serie von frontalen Schnitten von vorn nach hinten der Eindruck erzeugt wird, dass das Schmelzorgan immer mehr terminal mit der Zahn- leiste verbunden ist. Zahndurchbruch und Ersatz waren bei den untersuchten jungen Larven natürlich noch nicht zu studieren. G. Scineus und Eumeces. Bei Seincus sepiformis, multifasciatus und carinatus wurden bei makroskopischer Untersuchung folgende Zahnverhältnisse an- getroffen: in jeder Unterkieferhälfte etwa 19 Zähnchen, von denen die vorderen konisch, die hinteren deutlich trikonodont sind (nicht zweispitzig, wie Zittel angibt), ferner neun prämaxilläre konische Zähne, und zwar ein unpaariger in der Medianlinie und je vier an den Seiten, schliesslich etwa 15 Oberkieferzähne an beiden Seiten. Bei Eumeces Lessoni fand ich keine Gaumenzähne, neun prämaxilläre und etwa 25 sehr kleine Zähne in jeder Ober- und Unterkieferhälfte. Es zeigt sich aus dieser Untersuchung, dass unter den Seineidae zwar in der Hauptsache Übereinstimmung in Zahn- und Gebissentwicklung herrscht, dass aber in Einzelheiten nicht unerhebliche Unterschiede bestehen. Wie es mir scheint, passt jedoch Cyclodus sehr schlecht zu den andern; es ist möglich, dass dieses Tier eine in einer sehr bestimmten Richtung speziali- sierte Gattung repräsentiert. Auch Anguis ist in vielen Hinsichten nicht als Typus eines scincoiden Reptiles zu gebrauchen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 24 346 Martin W. Woerdeman: 7. Geckotidae. Hoffmann gibt in Bronn’s Werk das Resultat einer Untersuchung über die Zahnentwicklung von Hemidactylus. Für den hier ins Auge ge- fassten Zweck ist seine Mitteilung von Wert, dass er hinter jedem Zahn die Anlage zweier Ersatzzähne sah. -— Sluiter fand bei Gecko verticillatus, Hemidactylus frenatus und Ptychozoon homalocephalum zwei grosse Eizähne und er betrachtet diesen Zustand als den primitiven, da die Ascaloboten schon eine alte Familie sind. Hinter den Eizähnen entstehen Ersatzzähne, und kurze Zeit nach der Geburt werden die beiden Eizähne ausgestossen und treten die Ersatzzähne an ihre Stelle. Die Eizähne von Gecko sind grosse zylindrische Zähne mit einer kegelförmigen Spitze. An der Stelle, wo der Kegel dem Zylinder aufgesetzt ist, findet sich ein verdickter Rand. Die Spitzen der beiden Eizähne sind einander zugekehrt. Nach de Terra sind die Ascaloboten pleurodont und besitzen keine Gaumenzähne. Sie haben zahlreiche, spitze, schlanke, einfache Zähne. Sehr oft kommen sechs Zähnchen in dem Zwischenkiefer vor. A. Hemiphyllodactylus typus. Struktur. Die Struktur des maxillären Gebisses eines jungen Tieres, dessen Kopf frontal geschnitten wurde, ist sehr merkwürdig. Zu beiden Seiten der Medianlinie kommen fünf Zähne vor. Der erste derselben ist mit dem Kiefer verwachsen, der zweite ist gerade durchgebrochen und noch nicht verwachsen ; der dritte und der fünfte sind mit der Prämaxilla verwachsen, der vierte noch nicht. Der Wechsel in diesem Gebisse erfolgt also distichisch. Aber merkwürdiger als dies ist das Vorkommen eines medianen unpaarigen Zahnes. Dieser beteiligt sich an der - regelmässigen Alternation und präsentiert sich bei dem unter- suchten Tier als ein gerade durchgebrochener, noch unverwachsener Zahn. Dies ist um so beachtenswerter, als Sluiter angibt, dass die Ascaloboten einen paarigen Eizahn besitzen und nach de Terra in jeder Hälfte des prämaxillären Gebisses sechs Zähne vor- kommen. (8. auch Beitrag III). Zahnbildung, Zahnwechsel usw. Hinter jedem Zahn waren entweder zwei Ersatzzähne oder einer schon angelegt. Dieser Umstand und die fernere Erscheinung, dass von einer ganzen Reihe alle Elemente schon ausgefallen sind und der vorderste Ersatzzahn noch nicht mit dem Knochen verwachsen ist, weisen auf den intensiven Zahnwechsel von Hemiphyllodaetylus hin. Doch werden die Zähne vor ihrer Ausstossung noch erheblich resorbiert. Die Resorption beginnt auch wieder ebenso wie bei allen andern Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 347 Zähnen an der Basis der medialen Fläche oder etwas höher. Die Bildung der Ersatzzähne erfolgt in dem freien Ende der voll- ständig vorhandenen Zahnleiste. Die Abschnürung ist nicht voll- kommen, indem an dem Gipfel die Schmelzorgane in ziemlicher Breite mit der Zahnleiste zusammenhängen bleiben. Die Zähne brechen zwischen den beiden Zahnleistenblättern durch und zwar jeder Zahn in einer gesonderten Scheide. Die Bildung der Er- satzzähne findet alternierend statt, so dass das Gebiss sehr schön distichisch ist. Die Zähne sind pleurodont. B. Hemidactylus marginatus. Struktur, Unpaariger medianer Zahn. In einer Reihe horizontaler Schnitte durch die Kiefer eines erwachsenen Tieres (Serie B) waren einige Schnitte, die in vollendeter Weise den distichischen Bau des Gebisses und die in Quincunxform stattfindende Anordnung der Zahnkeime erkennen liessen. In dem prämaxillären Gebiss kommen elf Zähne vor, darunter einer in der Medianlinie. Die Alternation war bei dem untersuchten Exemplar sehr schön. In dem Zwischenkiefergebiss wechseln nämlich grosse durchge- brochene und mit dem Kiefer verwachsene Zähne mit gerade durchgebrochenen, noch nicht verwachsenen Zähnen, zu denen auch der unpaarige Zahn gehört, regelmässig ab. Der letzt- genannte wird also ebenso wie die anderen gewechselt. Der gerade durchgebrochene Zahn hat auch schon die Anlage eines Ersatzzahnes hinter sich. Auch in dem Kiefergebiss wechseln an einigen Stellen verwachsene Zähne mit noch nicht verwachsenen ab, ebenso wie bei Hemiphyllodactylus. — In dem Kiefergebiss haben alle Zähne einen, viele sogar zwei Ersatzzähne hinter sich. In Serie A fand ich in dem prämaxillären Gebiss elf Zahn- familien; ein Zahn war unpaarig und lag in der Medianebene. Auch hier war eine besonders schöne Distichie vorhanden. Einige Zahnfamilien bestanden aus vier Generationen (einem Zahn und drei Ersatzzähnen). Aus diesem allen geht hervor, dass Hemi- dactylus ein Reptil mit einem schnellen Zahnwechsel, und dass die Lebensdauer der Zähne nur kurz ist. Im Oberkiefer kommen jederseits 30 Zähnchen vor. Dieser Umstand bewirkt durch die damit zusammenhängende grosse Zahl der zugehörigen Ersatzzähne, dass ein ausgewachsener Hemidac- tylus ein paar hundert Zahnkeime besitzt. Die Zähnchen sind 24* 348 Martin W. Woerdeman: natürlich sehr klein. In den Längsreihen scheint einige Male eine Störung in der Alternation aufzutreten. Man findet z. B. an einer Stelle, wo man einen ausgefallenen Zahn erwartet, einen. mit dem Kiefer verwachsenen Zahn. Diese scheinbaren Unregel- mässigkeiten sind jedoch sehr regelmässig und die Folge der mesio- distalen Richtung, in der die Gebissentwicklung und der Zahnwechsel fortschreiten. So kann man denn hinten im Gebiss Zähne einer Reihe antreffen, welche vorn im Gebiss bereits ausgestossen ist, oder vorn im Gebiss durchgebrochene Zähne, deren Homologa hinten im Gebiss noch als Ersatzzähne vorkommen. Diese Erscheinungen rufen dann scheinbar Störung in der Regelmässigkeit hervor. Zahnanlage usw. Die Ersatzzähne werden von der Ersatz- leiste an ihrem freien Ende gebildet. Diese Zahnleiste bleibt während des ganzen Lebens vollständig vorhanden. Die Zahn- keime schnüren sich nur wenig von ihr ab. Sie bleiben — be- sonders an ihrem Gipfel — breit mit ihr zusammenhängen. Der Durchbruch erfolgt zwischen den beiden Blättern der Zahnleiste. Jeder Zahn besitzt seine eigene Scheide. Nach dem Durchbruche verwächst der Zahn mit dem Kiefer, und zwar mit dessen lingu- aler Fläche (pleurodont). Dem Ersatze geht, wie schnell derselbe auch stattfinden möge, eine starke Resorption vorher, bei der die ganze mediale Wand des Zahnes schon verschwunden sein kann, während sein Ersatzzahn noch klein und wenig entwickelt ist, aus welcher Erscheinung wieder erhellt, dass die Resorption ziemlich unabhängig ist von der Entwicklung des Ersatzzahnes. Schliesslich bricht nach der starken Resorption der Zahn ab und schliesst sich die Scheide unter dem Zahnrest, so dass dieser lose in der Zahnscheide zu liegen kommt und endlich aus derselben heraus- fällt. In einzelnen Fällen schien es mir, dass der Zahn vor der Resorption abgebrochen war und erst darauf Resorbierung erfolgte. In diesem Falle bleibt ein Teil des Zahnes auf dem Kiefer zurück. Trikonodontie. Die Zähnchen, welche gerade durchge- brochen sind, haben eine typische Form. Ihr Gipfel ist nicht spitz, sondern etwas breit und zeigt eine sehr schwach entwickelte Trikonodontie. Merkwürdig ist es nun, dass die jungen Ersatz- zähne, die im Schmelzorganstadium vorhanden sind, namentlich hinten im Gebisse eine trikonodonte Form haben. Dies weist wieder darauf hin, dass bei dem alten Zahne die Trikonodontie mehr oder weniger verschwindet. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 349 C. Ptychozoon homalocephalum. Von diesem Tiere wurden zwei junge Embryonen unter- sucht. Infolge der schlechten Schnittrichtung war Serie A wenig zu gebrauchen. Serie B dagegen war besser und erwies sich als sehr wertvoll. Struktur. Die intensive und schnelle Zahnbildung der Geckotiden geht auch aus den Befunden bei diesem Embryo sehr deutlich hervor. Im Unterkiefer befinden sich drei Zahnreihen. Die labiale Reihe besteht aus fünf operkularisierten Papillen, von denen die drei ersten Dentin besitzen. Die mittlere Reihe be- steht aus drei ebenfalls operkularisierten, mehr terminal gelegenen Papillen ohne Dentin, die dritte Reihe endlich aus zwei sehr kleinen terminalen Papillen. Während also der erste Odontostichos nur noch fünf Elemente zählt, besitzt das Tier schon Zahnkeime von zwei anderen Odontostichi,. Die medialste Zahnanlage ist die erste der zweiten Reihe. — In Tafelfigur 39 von Beitrag I ist der erste Zahn von dem ersten und derjenige von dem dritten Ödontostichos abgebildet. Eine derartig primitive Sachlage würde man bei Reptilien nicht erwarten. Hier liegt nämlich ein Zustand vor, der ganz derselbe ist wie bei den Haien, bei denen sich auch in die Zahnleiste nacheinander eine Anzahl Papillen einstülpt. Von Schmelzpulpa lässt sich bei diesen Zähnchen nicht sprechen. Sie sind beide in ein und dieselbe Masse eingestülpt, nämlich in die interlaminären Zahnleistenzellen. Die Papillen der beiden Zähnchen hängen zusammen; die grossen, mit Eosin sich ziemlich gut färbenden Bindegewebszellen um das Ende der Zahnleiste bilden eine Masse, die an zwei Stellen eine Papille bildet. So ist also offenbar ein Epithel vorhanden, das die Fähigkeit besitzt, Zähne zu bilden und direkt darunter eine Bindegewebsmatrix. Es ist jedenfalls auffallend, dass bei der so alten Familie der Geckotiden derartig primitive Zustände von Zahnbildung und Zahnleiste vorkommen können, dass sie direkt an die Zahnent- wicklung und Zahnleiste der Haifische (Hertwigs und Laasers Figuren) erinnern. Prämaxilläres Gebiss. Im Oberkiefer kommen sechs Zahn- keime der ersten Reihe vor, von denen fünf Dentin besitzen und operkularisiert sind, während der sechste (hinterste) noch nicht operkularisiert ist und auch noch kein Dentin enthält. Regel- 350 Martin W. Woerdeman: mässig alternieren mit diesen Dentinpapillen vier etwa gleich grosse, mehr terminal gelegene und kein Dentin besitzende Pa- pillen. Schliesslich sind noch drei Keime eines dritten Odontosti- chos vorhanden. Es sind kleine terminale Papillenbildungen, welch genau lingual von den ersten drei Zähnen des ersten Odontostichos liegen. Es ist beachtenswert, dass bei diesem Embryo kein unpaariger medianer Zahn vorkommt, der doch bei vier ausgewachsenen Exemplaren nachgewiesen werden konnte. Die Bedeutung dieses Umstandes wurde in Beitrag III besprochen. Erwachsenes Gebiss. Ebenso wie das embryonale Gebiss zeigten auch die Gebisse der ausgewachsenen Tiere eine deutliche Distichie. In jeder Kieferhälfte kommen etwa 35 Zähnchen vor, von denen meistens zahlreiche ausgefallen sind, sodass der Zahn- wechsel (ebenso wie beim Embryo die Zahnbildung) offenbar sehr intensiv ist. Über die Anzahl der in Reduktion übergehenden Odontostichi, Zahnanlage, Abschnürung, Durchbruch, Wechsel usw. kann nichts mitgeteilt werden. Zahnleilte a Schmelz3- pulpa "= _ Ameloblaften Odontoblalten Schmel3: Dentin Fig.26. Schmelzorgan von Gecko verticillatus. (A.4. IV. letzter Schnitt.) 240:1 X !a. D. Gecko. Struktur. Bei dem jüngsten untersuchten Stadium (Gecko verticillatus A) fand ich in jeder Hälfte des Unterkiefers zwanzig Zähne mit ihren Ersatzzähnen angelegt (für jeden Zahn meistens einen). Es besteht eine vortreffliche Distichie, namentlich in der Insertion an der Zahnleiste. Ferner findet sich eine Anzahl Abortivzähne. Diese werden im Mesenchym resorbiert. Sie Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 351 werden nicht ausgestossen. Im Oberkiefergebiss fand ich eben- falls Distichie und eine Anzahl Abortivzähnchen. Letztere bleiben bei ihrer Resorption lange mit der Zahnleiste verbunden, die nur eine sehr geringe Aussackung zeigt. Über den Umstand, dass bei Gecko in dem Zwischenkiefergebiss bei Embryonen zwei Eizähne vorkommen, bei ausgewachsenen Tieren dagegen ein unpaariger medianer Zahn, ist in Beitrag III ausführlich berichtet worden. Zohnleifte Fig.27. Schmelzorgan von Gecko vertieillatus. (A. 4. 11.7.) 150:1. Entstehen von Trikonodontie als Äusserung von Diffe- renzierung. Eine Merkwürdigkeit, welche die Schnittserie von (Gecko verticillatus darbot, sehen wir in den Figuren 26 und 27 abgebildet. Bei Gecko verticillatus sind nämlich alle jungen Er- satzzähne trikonodont (siehe Fig. 27). In dieser Figur sind mehrere Einzelheiten sichtbar und zwar: 1. der Bau der Zahn- leiste (ein kleines Lumen an ihrem freien Ende); 2. der Grad der Abschnürung des Zahnkeimes (nur hinten abgeschnürt, vorn breit zusammenhängend); 3. die Anwesenheit einiger weniger 352 Martin W. Woerdeman: (nicht stern- sondern spindelförmiger) Schmelzpulpazellen ; 4. die Bildung von Odontoblasten am Gipfel der Papille; 5 .die An- wesenheit von Dentin und Schmelz, welch letzterer eine deutliche Trikonodontie aufweist, und 6. eine eigentümliche Einschnürung der Ameloblastenschicht dort, wo einer der Kegel entwickelt ist. Diese letztgenannte Eigentümlichkeit ist noch deutlicher in Figur 26 zu sehen, wo aber nur zwei von den drei Kegeln ge- troffen sind. Man sieht in Figur 26, wie die sog. Schmelzpulpa- zellen helle, schwach gefärbte Kerne besitzen, wie von den Papillenzellen die unteren spindelförmig sind, und die eosinophilen Papillenzellen gleichsam von den übrigen Bindegewebszellen ab- schliessen. Ferner sind die oberen Papillenzellen zu Odontoblasten geworden, während die übrigen Papillenzellen dort, wo sie den Ameloblasten anliegen, schon anfangen, sich anzuordnen und etwas dunkler zu färben (Prä-Odontoblasten).. In der Amelo- blastenschicht sind nun auffallend: 1. die lokalen Verdickungen zwischen zwei Kegeln; 2. die Einschneidungen in der Amelo- blastenschicht bei den Schmelzkegeln; 3. die Lage der Kerne an demjenigen Zellpole, der dem Schmelz abgekehrt ist; 4. der Stand der Kerne. Am Gipfel ist die Einschneidung der Amelo- blastenschicht am tiefsten. Hier liegen Schmelzpulpakerne in dem Krater der Ameloblastenschicht (s. Fig. 26 und 27). Diese Er- scheinung hatte ich schon wiederholt an dem Gipfel der Schmelz- organe von zahlreichen andern Reptilien beobachtet, bis diese Wahrnehmung bei Gecko mir den Schlüssel zur Lösung derjenigen Fragen lieferte, die ich mir anlässlich der beobachteten Er- scheinungen vorgelegt hatte. Die Kerne von Fig. 26 und 27 sind mit Hilfe eines Zeichen- spiegels in ihre richtige Lage eingezeichnet. Das Eigentümliche ist nun der Stand der Kerne der Ameloblasten. Die Längenachse - dieser Kerne wird ungefähr mit der Längenachse der Ameloblasten zusammenfallen. Da nun jeder Ameloblast ein Schmelzprisma bildet, dessen Längenachse mit derjenigen des Ameloblasten zu- sammenfällt, so wird demnach die Oberfläche des von dem Amelo- blasten gebildeten Schmelzes (der senkrecht zu der Längenachse der Prismen steht), aus einem Komplex von kleinen Flächen be- stehen, die senkrecht zu den Längenachsen der Ameloblastenkerne gerichtet sind. Bestimmt man dann, z. B in Fig. 26, welche Oberfläche der Schmelz erhalten wird, dann kommt man zu dem Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 353 überraschenden Resultat, dass durch die typische Lage der Amelo- blasten die Kegel entstehen. Bei den anderen Zahnkeimen, bei denen keine Trikonodontie besteht und nur am Gipfel der Amelo- blastenschicht der Krater gefunden wurde mit dem eigentümlichen Stand der Ameloblasten, hat dieser Stand die Bildung einer Schmelzspitze auf den Zähnen zur Folge! Bei trikonodonten Fischzähnen und Placoidschuppen von Haien kann man den eigen- tümlichen Bau der Ameloblastenschicht ebenfalls antreffen. Diese Zahnform entsteht denn auch m. E. durch Differenzierung des Schmelzorganes, dem ja als sehr wichtige Funktion die Bestimmung der Zahnform obliegt (von Brunn, Röse). Es sei noch darauf hingewiesen, dass alle Zähnchen von Gecko verticillatus (Serie A), welche Schmelz besitzen, trikonodont sind und die eigentümliche Differenzierung der Ameloblastenschicht aufweisen. Auch die sog. Eizähne, deren typische Form Sluiter (33) beschrieb, sind modifiziert trikonodonte Zälıne. Ahrens’ Schmelzknotevr. An dieser Stelle möge kurz auch eine von Ahrens (1) gemachte Beobachtung besprochen werden. Dieser Autor traf bei Schweine-Embryonen einen Strang nicht differenzierter Schmelzpulpa- zellen an, der von dem Gipfel des äusseren Schmelzepitheles nach dem Gipfel der Ameloblastenschicht verlief. Diese Schicht war dort unterbrochen, und Ahrens teilt mit, dass man „bei rein objektiver Betrachtung der Schnitte sogar zu der Ansicht kommen kann, dass hier Zellen aus dem Schmelzstranggewebe in das Papillengewebe hineingepresst würden“. — Ich nehme an, dass auch Ahrens einen Krater der Ameloblastenschicht gesehen hat, in welchem Schmelzpulpazellen lagen, den er aber fälschlicherweise für eine Unterbrechung der Ameloblastenschicht angesehen hat Es wird sich um eine Differenzierung bei der Bildung eines der Zahnhöcker gehandelt haben. Falls dies zutrifft, dann verfällt damit Bolk’s Ansicht (4), dass diese Unterbrechung die Paarigkeit der Säugetierameloblastenschicht beweise. Es wird also wünschenswert sein, bei Säugetieren die Veränderungen in der Ameloblastenschicht bei der Bildung des Zahnreliefs zu verfolgen. Zusammenhang von Generationen. Schließlich möge noch kurz auf eine weitere Merkwürdigkeit von Gecko hingewiesen werden, dass nämlich die Zahnkeime einer und derselben Familie oft dachziegelartig übereinander liegen, mit sehr wenig Mesenchym zwischen beiden. In der Schnittserie kann man dann keine Grenze “zwischen den einzelnen Zahnkeimen finden. Wenn der eine Keim ge- rade im Begriffe steht, aus dem Schnitt zu verschwinden, dann dringt scheinbar in den Epithelrest dieses Zahnkeimes wieder eine Binde- gewebspapille ein und tritt in den folgenden Schnitten immer deut- licher ein neuer Zahnkeim zutage. Dies sind jedoch nur Scheinbilder. 354 Martin W. Woerdeman: Merkwürdig ist es, dass manclimal die Generationen einer Zahnfamilie durch eine Zahnleistenverdickung verbunden sind. Wenn der erste Zahnkeim aus dem Schnitt verschwunden ist, dann bleibt in den folgenden Schnitten an der Insertionsstelle dieses Keimes eine deutliche Verdickung der Zahnleiste sichtbar, welche in den darauffolgenden Schnitten wieder anschwillt, man sieht eine Bindegewebspapille eindringen, und ein zweiter Zahn- keim wird in dem Schnitte sichtbar. Diese Zahnkeime hängen also längs der Zahnleiste durch die genannte Verdickung zu- sammen, welche sich bei näherer Untersuchung als eine Aus- buchtung der labialen Zylinderzellenschicht der Zahnleiste erweist, also wahrscheinlich den Weg darstellt, den der ältere Zahnkeim von seiner Matrix an beim Vordringen in der Richtung der Zahnleisteninsertion zurückgelegt hat, wobei er das labiale Zahn- leistenblatt von dem lingualen wegdrängt, gegen das sich das labiale Blatt hinter dem Zahnkeim nach dem Vorbeiziehen des- selben wieder anlegt. Hinsichtlich der Anlage von Ersatzzähnen, Zahnwocieeh Durchbruch, Verwachsung mit dem Kiefer usw. ln bei Gecko dieselben Verhältnisse ob, wie bei Hemidactylus. 8. Iguanidae. Hierzu rechnet Hoffmann in Bronn’s Handbuch nur diejenigen Reptilien, welche andere Autoren als pleurodonte Iguanidae oder Leguane der westlichen Halbkugel beschreiben. Die sogenannten akrodonten Iguanidae (östliche Halbkugel) rechnet Hoffmann zu den Agamidae. Diese Einteilung Hoffmann’s scheint mir mit Rücksicht auf das Gebiss die empfehlenswerteste. Es ist nun sehr schwer, in den Büchern festzustellen, ob bei der Beschreibung der Leguangebisse auch die Agamen mitgemeint sind oder nicht. Von einer Literaturübersicht will ich denn auch absehen. A. Iguana sapidissima. Über das Gebiss und die Zähne dieses Tieres handelt Leche’s Publikation, die schon mehrmals in den vorigen Bei- trägen referiert und besprochen ist. Als beachtenswerten Um- stand will ich hier nur darauf hinweisen, dass bei jungen Embryonen von Iguana auch Abortivzähne vorkommen, als nicht-operkulari- sierte Papillen entstanden. | Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 355 Der Kopf eines jungen Exemplares von Iguana wurde in Frontalschnitte zerlegt. Zahnanlage. Die Zahnleiste ist vollständig vorhanden. Die Ersatzzähne werden alle in dem freien Ende der Zahnleiste gebildet, das anschwillt, von einer Bindegewebspapille eingestülpt wird usw. Die Ameloblastenschicht der jungen Schmelzorgane weist am Gipfel regelmässig die vorhin beschriebene kraterförmige Einsenkung auf. Es sind ziemlich viele Schmelzpulpazellen vor- handen, die (— namentlich bei alten Zahnkeimen —) schon an- fangen, Sternform anzunehmen. Jedoch bleibt ein nicht uner- heblicher Unterschied zwischen der Schmelzpulpa von Iguana und derjenigen von Crocodilus noch bestehen. Erstere ist viel zellen- reicher; statt des Zwischenstoffes überwiegen noch die Zellen. In den Schmelzorganen ist manchmal ein Stratum intermedium vorhanden, manchmal aber auch nicht. Zahnabschnürung und Durchbruch. Wenn die Schmelz- organe eine bestimmte Grösse erreicht haben, schnüren sie sich mehr oder weniger von der Zahnleiste ab. Es muss mit Nach- druck darauf hingewiesen werden, dass diese Abschnürung in derselben Weise stattfindet wie bei den Zonuridae (siehe daselbst). So findet man auch bei Iguana wiederholt den Zahnkeim in den Schnitten doppelt mit der Zahnleiste verbunden, nämlich durch eine breite Brücke an dem Gipfel und durch einen Strang an dem unteren Teile des Zahnkeimes. Wenn nun der Zahn schliess- lich zwischen den zwei Blättern der Zahnleiste durchgebrochen und eine Zahnscheide gebildet ist, dann findet man bei Iguana jedesmal Schnitte, in denen die sog. Ersatzleiste von dem unteren Teile der medialen Wand der Zahnscheide ausgeht oder in denen der Ersatzzahn direkt aus dem unteren Teile dieser Wand zu ent- springen scheint. Auch die Verbindung eines jungen Zahnkeimes mit der medialen Wand der Scheide seines Vorgängers mittels eines Epithelstranges lässt sich wiederholt beobachten. Nach der Dar- legung, die gelegentlich der Besprechung von Tachydromus über diesen Abschnürungsprozess gegeben ist, wird es wohl überflüssig sein, alle auch bei Iguana eintretenden Folgen dieses Prozesses aufs neue zu erläutern. Indessen kommt noch eine auffallende Besonderheit bei Iguana vor. Vereinzelt ist die Spitze des Schmelzorganes etwas frei gemacht, ein Umstand, der bei den Zonuridae nicht vorkam, 356 Martin W. Woerdeman: dagegen aber wohl z. B. bei Cyclodus. Bei letzterem folgte jedoch ein Durchbruch der Zähne zwischen den zwei Zahnleisten- blättern, bei Iguana ebenfalls. In einem Falle aber beobachtete ich einen sehr eigentümlichen Durchbruch; derselbe ist in Fig. 28 abgebildet. Ein alter Zahn, der im Begriffe des Ausfallens steht und dessen Zahnscheide sind in diesem Schnitt getroffen. Da dieser Schnitt einer der hintersten durch die Scheide ist, geht die Zahnleiste schon von der Stelle aus, wo die Scheide und das Mundepithel zusammentreffen. Hätte man statt dieses Schnittes einen mehr durch die Mitte der Zahnscheide gehenden Schnitt, so würde die Zahnleiste mehr von der Seitenwand der Scheide ‚alterZahn I8 Fig.28. Abnormer Zahndurchbruch bei Iguana sapidissima (Unterkiefer, frontal). (A.14.11.5,). 31%1. ausgegangen sein. Mit dem peripheren Teil der Zahnleiste ist ein Schmelzorgan noch breit verbunden. Die Zahnanlage steht im Begriff durchzubrechen und besitzt doch noch ziemlich viel Pulpa. Da hier einer der vorderen Schnitte durch diese Zahn- anlage vorliegt, ist von der strangförmigen Verbindung von Zahn- keim und Zahnleiste noch nichts zu sehen. Es geht nun aus diesem Schnitte sehr deutlich hervor, dass sich der Gipfel der Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 357 Zahnanlage etwas befreit hat und nun die Zahnleistenblätter nicht weiter auseinanderdrängt, sondern das labiale Zahnleistenblatt ausbuchtet. Bereits in der Figur ist zu sehen, dass bald der Zahn durch die Ameloblastenschicht und das äussere Schmelz- epithel seines Schmelzorganes hindurchbrechen wird und zwar (wie sich bei dem Studium der Serie zeigte) etwas hinter und medial von seinem Vorgänger. Der Zahn wird sich eine neue Zahnscheide bilden, und diese wird demnach von dem Schmelz- organ des Zahnes gebildet werden. Da jedoch das Schmelzorgan in seinem oberen Teile sehr breit mit der Zahnleiste zusammen- hängt und das äussere Schmelzepithel eigentlich das labiale Zahn- leistenblatt ist, wird doch das Resultat sein, dass der obere Teil der medialen Wand der Scheide von dem lingualen Zahnleistenblatt gebildet werden wird. Diese Durchbruchsweise wurde nur ein- mal angetroffen; nichtsdestoweniger lege ich ihr eine grosse Bedeutung bei und betrachte ich die gefundene Erscheinung als eine progressive Variation. Dieser Fund weist m. E. darauf hin, dass in der phylogenetischen Entwicklung der Gipfel des Schmelz- organes sich von der Zahnleiste befreien, und dass ein Durch- bruch durch das eigene Schmelzorgan folgen wird, ein Prozess also, der unter den Reptilien bei den Krokodilen schon seinen ‚Endzweck erreicht hat. Wechsel. Nach dem Zahndurchbruch verwachsen die Zähne mit dem Kiefer, Sie sind dann pleurodont und haben meistens an ihrer Basis nach innen umgeschlagene Ränder, mit welchen sie auf der Innenfläche der Kiefer stehen. Ebenso wie beim Krokodil geht von der Zahnscheide eine homogene Membran nach dem Zahne (Nasmyth’s Membran) als Überbleibsel der Amelo- blastenschicht. Die Anlage der Ersatzzähne in dem freien Zahn- leistenende erfolgt alternierend. Die histiogenetischen und Ab- schnürungs-Prozesse verlaufen bei allen Zahnkeimen gleich schnell, so dass die Folge aller dieser Momente ein deutlich distichischer Gebissbau ist. Jeder Zahn hat einen Ersatzzahn, gerade durch- gebrochene Zähne zuweilen keine. Vor ihrer Ersetzung werden die Zähne stark resorbiert. Zwar liegt der Ersatzzahn mit dem labialen Teil seines Schmelzorganes bisweilen in der Lücke der Wand seines Vorgängers; ein Eindringen des Ersatzzahnes in die Pulpahöhle seines Vorgängers beobachtet man aber niemals. Was die Schnelligkeit des Zahnwechsels betrifft, kann Folgendes 358 Martin W. Woerdeman: als Anweisung dienen: Jeder Zahn hat einen Ersatzzahn, und im Gebiss kommen auf mehr als einer Stelle Störungen in der regel- mässigen Alternierung vor, sodass offenbar der Zahnwechsel ein ziemlich lebhafter ist. In dem prämaxillären Gebiss werden neun Zähne, einer in der Medianlinie und beiderseits von ihm je vier Zähne angetroffen. An einem skelettierten Kiefer von Iguana bemerkt man eine sehr grosse Anzahl pleurodonter Zähne, von denen zahlreiche in ihrer medialen Wand eine Resorptionslücke aufweisen. Die jungen Zahnkeime haben schon ebenso wie die alten eine seitlich zusammengedrückte Krone mit feingezähnten Rändern. Der lange Hals fehlt aber noch. Ebenso wie bei Crocodilus biegen bei den jungen Zahnkeimen die Ameloblastenschicht und die Odonto- blastenschicht nach innen und von diesem Teile aus wird nach meiner Meinung stets neues Dentin gebildet, wodurch der Zahn in der Längsrichtung wächst. Auch Owen weist bereits darauf hin, dass die Krone zuerst gebildet wird: „The apex of the dentated crown is first formed; by its pressure it excites ab- sorption of the base of the fixed tooth and soon undermines it.“ . B. Basiliscus spec. Zahnanlage usw. Die Gebißstruktur dieses Tieres ist eben- falls distichisch. Die Zähne besitzen einen oder zwei Ersatzzähne in Anlage, so dass ein ziemlich intensiver Zahnwechsel stattzufinden scheint. In dem prämaxillären Gebiss kommen neun Zähne vor, von denen einer in der Medianlinie steht. Ebenso wie die anderen Zähne wird auch dieser Zahn gewechselt. Die Ersatzzähne werden vom freien Ende der bei ausgewachsenen Individuen noch voll- ständig vorhandenen Zahnleiste gebildet. Die Zahnkeime besitzen nur wenig Schmelzpulpa. Bei ihrem ferneren Wachstum schnüren sie sich nur wenig ab. Die Zähne brechen zwischen den zwei Blättern der Zahnleiste durch, und da der Zahnkeim selbst bei seinem Durchbruch noch breit mit der Zahnleiste verbunden ist, geht in dem Gebiete eines durchgebrochenen Zahnes scheinbar eine sehr kleine Zahnleiste von dem Boden der Zahnscheide aus; (es ist der nicht mit dem Zahnkeim zusammenhängende Teil der Zahnleiste). Nach dem Durchbruch verwachsen die Zähne pleu- rodont mit. dem. Kiefer, wobei sie oft mit einem Teile ihrer lateralen Wand mit der Innenfläche des Kiefers sich verbinden. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 359 Resorption. Vor dem Ersatz werden die Zähne stark resorbiert. Wenn eine kleine Öffnung in der medialen Wand entstanden ist, sieht man das äussere Schmelzepithel des Ersatz- zahnes schon in die Öffnung eindringen, und bald darauf dringt der ganze Zahnkeim in die Pulpahöhle seines Vorgängers. Basi- liscus ist das einzige Reptil, bei dem ich diese Art des Zahn- wechsels antraf. Dieser Prozess erinnert stark an die Weise, in welcher bei Iguanodon (siehe Owen’s Odontography) die Ersatz- zähne alle übereinander gestülpt sind und jeder Ersatzzahn in seinem Vorgänger liegt. In Fig. 29 ist diese Art des Zahn- ersatzes abgebildet. Die Zahnleiste geht von dem unteren Teil _-olterZohn Erfaszahn -- - \ Zahndrüfe Kiefer Fig.29. Zahnersatz bei Basiliseus (A. 4. III. 3.). (Unterkiefer, frontal.) 60:1. der medialen Scheidenwand aus, biegt dann nach der Pulpahöhle des alten Zahnes um und verläuft nach dem noch gar nicht ab- geschnürten Ersatzzahn, der völlig in seinem Vorgänger liegt. Diese Weise des Ersatzes ist für Basiliscus die normale. Doch kommt es nicht so weit, dass schliesslich beim Durchbruch des Ersatzzahnes der alte Zahn gleich einem Hütchen auf der Spitze des Ersatzzahnes sitzt. Vor dem Durchbruch des Ersatzzahnes schliesst sich die Scheide des alten Zahnes unter diesem und kommt der alte Zahn lose in seiner Scheide zu liegen und fällt danach aus, worauf der Ersatzzahn eine neue Scheide bildet. So unterscheidet Basiliscus sich nicht unerheblich von Iguana, was die Abschnürung und den Ersatz der Zähne anbelangt. 360 Martin W. Woerdeman: C. Polyehrus und Anolis. Zahnanzahl und Zahnform. Von Polychrus wurden zahl- reiche Exemplare mittels der Lupe untersucht. Ein Gaumen- gebiss vermochte ich nicht zu finden. In dem prämaxillären (zebiss war ein unpaariger medianer Zahn vorhanden. Des weitern kamen in jeder Gebisshälfte 20 bis 25 Zähnchen vor. Es gab zahlreiche Zähne, die Trikonodontie aufwiesen. In einem Teile des Gebisses eines Polychrus marmoratus wechselten sehr regel- mässig kleine undeutlich trikonodonte Zähnchen mit grossen, deutlich trikonodonten Zähnen ab. Handelt es sich bei dem Ver- schwinden der Trikonodontie etwa um einen Abnutzungsprozess ? Bei Anolis punctatus besass das prämaxilläre Gebiss neun Zähnchen, darunter einen unpaarigen. In einem Teile des Unter- kiefers fand ich bei einem Exemplar eine regelmässige Alternation von grossen mit dem Kiefer verwachsenen und kleinen noch losen Zähnchen. In jeder Gebisshälfte kommen 21 bis 22 Zähnchen vor. Alle Zähne sind deutlich trikonodont, besonders hinten in den Kiefern, die Zwischenkieferzähne aber nicht. Die trikono- donten Zähne von Anolis ähneln sehr den Zähnen von Iguana; sie haben einen langen Hals und genau dieselbe Form der Zahn- krone wie Iguana; nur sind die Ränder nicht gezähnt, sondern besitzen drei kleine Kegel. Dieser Umstand führt mich dazu, ein Entstehen der Zähne von Iguana aus trikonodonten Zähnen keineswegs für unmöglich zu halten. Schon Owen teilt mit, dass zahlreiche Iguanidae „tricuspid teeth“ besitzen (26). 9. Agamidae. A. Agama. Die Zahnentwicklung von Agama wurde von Frl. Carlsson untersucht (12). Zahnanlage usw. Die Zähne sind nach Angabe mehrerer Autoren akrodont und stellen sich nach de Terra als Hervor- ragungen des Kieferrandes dar, aber es sind doch echte Zähne. Der Kopf eines ausgewachsenen Agama colonorum wurde frontal geschnitten. Das Tier war jedoch sehr schlecht konserviert, so dass die mikroskopische Untersuchung mit vielen Schwierigkeiten verbunden war. Es waren sehr wenig Ersatzzähne vorhanden. Die meisten Zähne hatten keinen Ersatzzahn; doch liess sich aus der Weise des Auftretens der Frsatzzähne ein distichischer Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 361 Gebissbau vermuten. Die Zahnleiste war nur sehr klein, da ihr peripherer Teil infolge des Auseinanderweichens der zwei Zahn- leistenblätter zu einer über den ganzen Kiefer (sowohl Ober- als Unterkiefer) ununterbrochen verlaufenden Furche geworden ist. Der nicht auf diese Weise veränderte Teil der Zahnleiste er- scheint in den Schnitten dann nur als ein sehr kleiner Strang, der vom Boden der Furche ausgeht, dort, wo diese in die mediale Wand umbiegt. Der Boden der Furche bedeckt den Kieferrand und wird von den auf dem Kieferrand implantierten Zähnen durchbrochen. Dieser Furchenboden ist nichts anderes als das labiale Zahnleistenblatt. Die Zähne sind mit einer geräumigen Pulpahöhle versehen und häufig mit ihren Nachbarn durch Knochen- gewebe verbunden. Nicht selten kommt in der Basis der me- dialen Wand der Zähne eine kleine Öffnung vor. Dem Eırsatze geht Resorption voran. Der Zahnwechsel ist äusserst träge, wie aus der geringen Anzahl von Ersatzzähnen und dem starken (Grad der Abnutzung der Zähne, welche resorbiert werden, her- vorgeht. In dem prämaxillären Gebiss kommt ein unpaariger medianer Zahn vor, der auch gewechselt wird. Makroskopische Untersuchung. Ausser dieser mikro- skopischen Untersuchung stellte ich noch eine makroskopische an den Gebissen einiger Agama-Arten an. Die Anzahl der prä- maxillären Zähne war nicht genau zu bestimmen, weil bei den nicht skelettierten Kiefern die Grenze zwischen Ober- und Zwischen- kiefer nicht leicht zu finden ist und weil oft Zähne ausgefallen waren. Doch liess sich immer deutlich das Vorhandensein eines unpaarigen medianen Zahnes und einer Anzahl verschieden grosser Kegelzähne konstatieren. Hinter diesen Kegelzähnen kommen dann 20 kleinere, die nach hinten hin kleiner werden und deut- lich trikonodont sind. Die Anzahl der Kegelzähne beträgt in jeder Hälfte zwei bis fünf. Bei einem ausgewachsenen Agama colonorum mit 25 Zähnen in jeder Unterkieferhälfte war der dritte Zahn lose und gerade durchgebrochen, der fünfte war ausgefallen, und die Spitze des Ersatzzahnes war sichtbar. Die Zähne 12 und 14 stehen lose; an Zahn 16 fällt nichts Besonderes auf; Zahn 18 ist ausgefallen. Dies alles deutet auf einen alternierenden Wechsel, also auf Distichie. Die Zähnchen dieses Exemplares waren hinten in dem (sebiss trikonodont. Vorn verlieren sie die Nebenkegel, und so Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt.I. 25 362 Martin W. Woerdeman: entstehen die Kegelzähne. Der Zahnwechsel ist nicht auf den vorderen Teil des Gebisses beschränkt, sondern auch die hinteren Zähne werden gewechselt, wenn auch nach einer starken Abnutzung. So zeigt sich also, dass Carlsson ein sehr ungünstiges Objekt für ihre Untersuchung gewählt hat; denn dass die Zahnentwicklung eines Tieres, dessen Zahnleiste derartigen Umbildungen unter- worfen und dessen Zahnwechsel so träge ist, kein sicheres Er- gebnis von der Zahnentwicklung der Reptilien geben wird, liegt auf der Hand. Dass die Untersucherin von einer dünnen und kurzen Zahnleiste spricht, beruht auf einem Irrtum; sie sah nur denjenigen Teil der Leiste, der nach der Bildung einer Zahn- furche übrigbleibt. B. Draeco. Hier finden sich nach de Terra an jeder Seite 16—17 Zähnchen (mit einer kleinen Spitze vorn und hinten) und zwei grosse Kegelzähne. . Mikroskopische Untersuchung. Untersucht wurde eine Serie frontaler Schnitte durch den Kopf eines ausgewachsenen Draco volans.. Sowohl links als rechts wurden im Unterkiefer 17 Zähnchen gefunden. Rechts kam dahinter noch ein rudi- mentärer nicht durchgebrochener 18. Zahn vor. In dem ganzen Unterkiefer ist kein Ersatzzahn vorhanden. Die Zähne stehen akrodont auf den Kiefern. Es sind sehr kleine, im Querschnitt meistens dreieckige Zähnchen, die ziemlich weit abgenutzt sein können. Die Zahnleiste ist in ihrem peripheren Teile in eine Epithelfurche verändert, die den Kiefern folgt und in der die Zähne stehen. Die Epithelfurche bekleidet mit ihrem Boden in dem Gebiet zwischen den Zähnen den Kieferrand. Oft ist die Furche lateral und medial von dem Kieferrand vertieft, so dass der Kiefer in die Furche hineinragt. Die Zahnleiste scheint klein und rudimentär zu sein. Dies ist derjenige Teil der ur- sprünglichen Zahnleiste, der nicht für die Bildung der Zahnfurche verwendet wurde. In dem Oberkiefer war dasselbe zu bemerken. Auch hier ist eine Zahnfurche vorhanden, die oft derart vertieft ist, dass ein grosser Teil der Kiefer in die Furche hineinragt und frei an die Oberfläche zu liegen kommt. Auch in dem Ober- kiefer fand ich keine Ersatzzähne angelegt. Es kommt ein un- paariger medianer Zahn vor. Die Zahnleiste stellt sich ebenso dar wie im Oberkiefer. Dass die Leiste noch nicht ganz zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 363 Bildung der Zahnfurche verwendet ist, beweist meines Erachtens, dass bei Draco wohl Zahnwechsel auftreten wird, wenn auch die Zahnentwicklung sehr träge sein dürfte und die Zähne erst nach starker Abnutzung ersetzt werden. An den Zähnen des unter- suchten Exemplares waren keine Resorptionssymptome wahr- nehmbar. Bei einer Anzahl makroskopisch untersuchter Exemplare von Draco- Arten war immer deutlich zu sehen, dass die Kieferränder frei in einer Schleimhautfurche an der Oberfläche liegen. In dem Oberkiefergebiss kamen sieben grosse Kegelzähne, darunter ein unpaariger, vor, hinter ihnen jeder- seits 17 Zähnchen. Von Wechsel war nichts zu verspüren. So konnte bei Draco nicht ermittelt werden, ob das Gebiss distichisch ist. Ebensowenig konnte die Anlage, die Abschnürung und der Durchbruch der Zähne studiert werden, da Ersatzzähne fehlten. C. Calotes (Bronchocoela) jubatus. Literatur. In Owens ÖOdontography findet man vermeldet, dass bei Calotes im Unterkiefer vier konische Zähne vorkommen und im Oberkiefer sechs, von denen die mittelsten kleiner sind und für Inzisivi gehalten werden können, während die äusseren grösser sind und für Canini gelten könnten. Hinter diesen Zähnen kommt „a series of molar teeth with compressed tri- angular and tricuspid crowns, the median cusp being much the largest of the three.* Nach de Terra besitzt Calotes ophiomachus fünf Schneide- zähne, einen langen Eckzahn und acht bis neun „dreispitzige Backzähne* an jeder Seite, im Unterkiefer zwei Eckzähne. Bei Calotes vermochte Sluiter keine doppelte Anlage des Eizahnes zu finden. Letzterer liegt von den jüngsten Stadien an in der Medianlinie. Es ist nun möglich, dass durch die starke Entwicklung des rechten Eizahnes der linke überhaupt nicht mehr zur Anlage kommt oder dass ein ursprünglich gerade median liegender Zahn bei Calotes zum Eizahn geworden ist. In diesem letzteren Fall ist der Eizahn von Calotes nicht mit einem der Eizähne der Ascalo- baten homolog. Wahrscheinlicher erachtet Sluiter es, dass bei dem hoch spezialisierten Calotes die linke Eizahnanlage so rudimentär ist, dass er nicht mehr angelegt wird. Auch bei den stark spezialisierten Schlangen, die Sluiter untersuchte, ist der Eizahn nämlich stets unpaarig. Schliesslich sei noch erwähnt, dass Bolk bei Calotes keine Distichie finden konnte (Odont. Stud. I). Anzahl und Form der Zähne. Im Unterkiefer fand ich bei 13 makroskopisch von mir untersuchten Exemplaren zunächst sowohl links als rechts drei oder vier Kegelzähne und danach 14 trikonodonte. Manchmal waren die Zähne zum grossen Teil abgenutzt und die Trikonodontie nicht deutlich Untersuchte man aber Gebisse mit deutlicher Trikonodontie von hinten nach vorn, dann stellte sich heraus, dass allmählich die beiden Nebenkegel rudi- 25* 364 Martin W. Woerdeman: mentär wurden und der eine nach dem andern verschwand, worauf die vorderen Zähne also die Kegelform zeigten. Einmal fand ich eine Verdoppelung des Hauptkegels. In dem OÖberkiefer wurde ein unpaariger medianer Zahn gefunden und links wie rechts von ihm drei bis vier Kegelzähne und hinter diesen 12 bis 13 trikonodonte. Es ist meines Erachtens sehr begreiflich, dass die Anzahl der Kegelzähne nicht konstant ist. Die vorderen trikonodonten Zähne besitzen ja rudimentäre Nebenkegel. Zeigt sich diese Eigenschaft nun in stärkerem Grade, dann scheint ein Kegelzahn mehr vorhanden zu sein. Einige Male schien es mir, als ob der hintere Nebenkegel durch einen seichten Einschnitt in zwei Teile gespalten war. Die Anzahl prämaxillärer Zähne scheint drei zu betragen, darunter ein medianer unpaariger Zahn. Bei den makroskopisch untersuchten Exemplaren wurden zwar ausgefallene Zähne und Ersatzzähne wahrgenommen, aber es fand sich keine Andeutung von Distichie. Mikroskopische Untersuchung. Bei einem jungen Embryo von Calotes (Serie E) war auch bei der Anlage des Gebisses keine Distichie zu entdecken. Dies kann auf zwei Weisen er- klärt werden; und zwar 1. dadurch, dass infolge der trägen Ent- wicklung die Elemente der beiden Reihen erst spät nacheinander angelegt werden und infolgedessen dieser Embryo erst eine Reihe enthält, oder 2. dadurch, dass die beiden Reihen ziemlich gleich- zeitig zur Anlage gelangen. Ich glaube nämlich, dass Calotes wohl ein distichisches Gebiss besitzt (weil alle Reptilien diese Eigentümlichkeit aufweisen), aber dass z. B. nur durch seine träge Zahnentwicklung und seinen trägen Zahnwechsel das Wahrnehmen der Distichie unmöglich gemacht wird. Die Zahnleiste von Calotes E ist klein, und die grossen Zahnpapillen nehmen die ganze Zahnleiste in Anspruch, so dass sie mit ihrer Spitze direkt unter dem Mundepithel liegen. Abortiv- zähne wurden nicht gefunden. Die Zahnleiste geht vom Mund- epithel aus. Es ist keine Zahnfurche vorhanden. In Horizontal- schnitten durch den Oberkiefer von jungen Embryonen wurden immer drei Zahnkeime in dem prämaxillären Gebiss gefunden. Ein unpaariger medianer Zahn war sichtbar. Zwei Eizähne wurden nicht gefunden. Sehr vereinzelt wurden Ersatzzähne in den Serien A, B, C und D angetroffen; sie lagen jedoch nicht alternierend. Somit kann noch nicht entschieden werden, ob das Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 365 Gebiss von Calotes distichisch ist und ob sein Eizahn ursprüng- lich paarig war. Zahnanlage usw. Wohl war es mir möglich, bei ausgewachsenen Exemplaren von Calotes einiges über die Zahnanlage usw. zu er- mitteln. — Die beiden Zahnleistenblätter sind in ihrem peripheren Teile wieder auseinandergewichen und haben eine Furche ge- schaffen, von deren Boden der Rest der Zahnleiste nun ausgeht. (siehe Fig. 30). Dieser Rest bildet die Ersatzzähne. Was die Gebissfurche \ SQ „ Drüfen Fig. 30. Frontaler Schnitt durch den Unterkiefer von Calotes (B.3.1.7.). 60:1. Zahnhistiogenese betrifft, so sind als Merkwürdigkeiten allein das häufige Vorkommen des kraterförmigen Einschnittes in dem Gipfel der Ameloblastenschicht und das Vorhandensein recht vieler Schmelzpulpazellen zu erwähnen, welch letztere sehr stark den entsprechenden Zellen von Iguana ähneln. Während sehr langer Zeit bleibt der Zahnkeim breit mit der Zahnleiste ver- bunden. Trifft man z. B. (wie in Serie B) hinten im Kiefer einen noch nicht ganz oder einen gerade durchgebrochenen Zahn an, dann bemerkt man, dass in diesem Teile der Kiefer die Zahn- furche noch nicht gebildet ist. Die Zahnleiste ist dann auch sehr lang und geht von der Oberfläche des Mundepithels aus. An der langen Zahnleiste kommt dann der Zahnkeim vor, und es zeigt sich, dass dieser terminal nur wenig abgeschnürt ist und breit mit der Zahnleiste zusammenhängt. Die geringe Ab- schnürung erfolgt jedoch in derselben Weise wie bei Zonuridae und Iguana.. Wenn der Zahn nun durchgebrochen ist, dann hat er eine eigene Scheide, die in dem oberen Teile von den beiden Zahnleistenblättern gebildet wird. Wenn diese später auch hinten 366 Martin W. Woerdeman: in dem Kiefer auseinanderweichen, kommt also der Zahn in die allgemeine Zahnfurche zu liegen und verliert seine besondere Scheide. Solange die letztere noch besteht, ist das Verhältnis der Zahnleiste zu ihr ebenso wie bei den Zonuridae. Nach seinem Durchbruche verwächst der Zahn, der im Quer- schnitt eine weite Pulpahöhle zeigt, mit dem Kieferrand (akrodont). Die Pulpahöhle kommuniziert dann ziemlich weit mit dem Knochen- mark. Die allerhintersten Zähne sind mehr pleurodont (akro- pleurodont) und besitzen nicht selten an ihrer medialen Fläche eine basale Öffnung. Über Zahnresorption ist nichts mitzuteilen, da eine solche nicht wahrgenommen wurde. Wahrscheinlich ist aber, dass die Zähne soweit abgenutzt werden, dass nichts mehr von ‘ihnen übrig ist. — Der Zahnwechsel ist vermutlich nicht so träge wie bei Draco; denn bei Calotes konstatierte ich Ersatz- zähne, bei Draco nicht. Ob die Abschnürung der Zahnkeime bei Draco mit derjenigen bei Calotes übereinstimmt, weiss ich nicht. Systematik. Es stellt sich also heraus, dass Draco und Calotes mit Agama übereinstimmen, was das Vorkommen der Zahnfurche, den trägen Wechsel und die Akrodontie betrifft. Hierdurch unterscheiden sie sich von Iguana, mit dem sie viel- leicht hinsichtlich der Art und Weise der Zahnabschnürung über- einstimmen. In jedem Falle scheint mir die Systematik, welche Draco und Calotes nicht zu den Iguanidae, sondern zu den Agamidae rechnet, den Vorzug zu verdienen. D. Lophiurus (Histiurus) amboinensis. Über Verschmelzung von Zähnen. Ein Schädel eines aus- gewachsenen Lophiurus zeigte etwas sehr Merkwürdiges. In dem Unterkiefer (siehe Fig. 31) sind links zunächst vier kegelförmige Zähne zu bemerken: Der zweite von ihnen ist gerade ausgefallen, und sein Ersatzzahn liegt zum Durchbrechen bereit. Der Zahn liegt in einer kleinen Alveole des Kiefers. Wahrscheinlich fehlt auch noch ein ‚fünfter Kegelzahn; denn rechts kommen deren fünf vor, von welchen der zweite ausgefallen ist (siehe Fig. 31c). Links kommt nun hinter den Kegelzähnen ein Komplex von zehn durch Knochenmasse miteinander verbundenen Zähnen vor, die alle sehr stark abgekaut sind. Rechts ist von diesem Komplex offenbar schon ein Stück ausgefallen; denn es kommen dort nur sieben Zähne vor. Der Komplex dieser sieben Zähne wird aber | | | Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 367 an der medialen Fläche stark resorbiert (siehe Fig. 31 A). Auch der Komplex der zehn Zähne links wird resorbiert und zwar medial sowohl als lateral (siehe Fig. 31 B). Schon bei Agama, Draco und auch Calotes kann man eine leichte Knochenabscheidung zwischen den Zähnen finden. Es scheint, als ob bei Lophiurus im Unterkiefer allein die fünf vorderen Zähne gewechselt werden und die anderen zu einem grossen Dentinkamm verschmelzen, der später brockenweise ab- Zahnkamm Relorption B Fig. 31. Unterkiefer von Histiurus amboinensis. A. Rechte Hälfte von links. B. Linke Hälfte von rechts. C. Vorderer Teil von oben. gestossen wird. Die vorderen fünf Zähne sind garnicht abgenutzt, so dass sie wahrscheinlich nicht besonders lange in Funktion bleiben und dann ersetzt werden. Sie stehen mehr oder weniger pleurodont auf den Kiefern. In dem Oberkiefer kommt dieselbe Erscheinung vor. Ausser einem unpaarigen Zahn, der gerade gewechselt ist, finden sich sowohl links als rechts fünf nach hinten gekrümmte Kegelzähne, von denen zwei teilweise resorbiert sind und ein dritter ausge- fallen ist. Diese Zähne werden also gewechselt. Hinter ihnen kommt aber wieder ein Komplex von verwachsenen und abge- nutzten Zähnen, von welchem Komplex links schon grosse Stücke verschwunden sind. Vergleichung mit Hatteria. Diese Sachlage ist meiner Überzeugung nach keine pathologische. Bekanntlich wurde früher Hatteria zu derselben Gruppe wie Draco und Calotes gerechnet, bis man Hatteria in eine besondere Familie der Rhynchocephalen unterbrachte. Aus Harrison’s Untersuchung ist nun bekannt geworden, dass bei Hatteria ebenfalls in den vorderen Teilen 368 Martin W. Woerdeman: des Gebisses Zahnwechsel auftritt und ferner, dass erst später alle Zähne durch eine Knochenabscheidung zwischen den Zähnen zu einem Kamme werden, umsomehr, als sich die Zähne stark abnutzen. Nachdem dies geschehen ist, tritt kein Zahnwechsel mehr auf. Es möge noch darauf hingewiesen werden, dass in dem Gaumengebiss von Hatteria wahrscheinlich auch ein Teil des durch Verschmelzung entstandenen Dentinkammes abgestossen wird (s. unten). In dieser Hinsicht ähnelt dann Hatteria sehr stark Lophiurus. Mit Rücksicht darauf nun, dass dieselbe Sach- lage bei zwei verschiedenen Gattungen angetroffen wird, halte ich den bei Histiurus vorkommenden Zustand auch für eine normale Erscheinung. Das Merkwürdige ist aber, dass — während bei Hatteria in der Jugend allein in dem vorderen Teile des Gebisses Zahnwechsel auftritt und darauf alle Zähne verschmel- zen — bei Lophiurus die vorderen fünf Zähne jeder Gebisshälfte regelmässig gewechselt werden und allein die hinteren ver- schmelzen. Während ferner bei Hatteria die verschmolzenen Zähne, wenigstens in dem Kiefergebiss, sich abnutzen und so einen Dentinkamm auf den Kiefern bilden, wird wahrscheinlich bei Lophiurus die verschmolzene Zahnmasse nach erfolgter Resorption abgestossen. So gestaltet also Lophiurus die Familie der Aga- miden noch interessanter wie sie dies aus odontologischem Ge- sichtspunkt schon ist. In der Literatur fand ich über die hier geschilderte Sachlage bei Lophiurus keine einzige Angabe, und muss ich also annehmen, dass der hier stattfindende Prozess bis- her der Aufmerksamkeit der Untersucher entgangen ist. Nur Owen sagt, dass Lophiurus verschiedene Zahnformen im Gebiss besitzt, während de Terra sagt, dass Lophiurus 20 stumpfe drei- eckige Backzähne in jeder Reihe habe („jedoch nicht konstant !“). Auch Lophiurus wird zuweilen mit Draco und Calotes zu den Iguanidae gerechnet. Auf Grund des Gebisses gehört das Tier aber zu den Agamiden. 10. Chamaeleonidae. Literatur. Über die Zahnentwicklung von Chamaeleo publizierte Röse (32) eine Untersuchung, als deren Resultat zu vermelden ist, dass bei Chamaeleo eine „Ersatzleiste“ vorkommt, die niemals Ersatzzähne pro- duziert, wohl aber hinten im Gebiss, an ihrem Ende also, immer neue Zähne bildet. Die schönen trikonodonten Zähne sollten durch Verwachsung von drei Papillen entstehen Burckhardt (10) und Bolk (4) haben diese Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 369 letztere Behauptung bereits endgültig widerlegt, und auch ich bin der Meinung, dass der trikonodonte Zahn nicht durch Konkreszenz entstanden ist. Uber die andere Angabe Röse’s findet man keine Kritik, und doch ist auch diese entschieden verkehrt. Ebenso wie ich bei Calotes an dem hinteren Ende der Zahnleiste noch nicht durchgebrochene oder gerade durch- gebrochene Zähne wahrnahm, hat auch Röse solche bei Chamaeleo gesehen und aus dem Fehlen von Ersatzzähnen geschlossen, dass die Neubildung der Zähne hinten im Gebisse stattfinden werde. Dieses ist ein Irrtum. Die jungen Zähne hinten im Gebiss sind Zähne, die noch nicht denselben Entwicklungs- grad erreicht haben wie ihre Nachbarn, weil die Zahnentwicklung in mesio- distaler Richtung fortschreitet und sehr träge erfolgt (was durch das Fehlen von Ersatzzähnen bei zahlreichen Exemplaren bewiesen wird), was noch nicht beweist, dass kein Zahnwechsel vorkommt. _Mikroskopisch untersuchte ich frontale Schnitte durch den Oberkiefer eines fast ausgewachsenen Chamaeleo dilepis. Die Zähne sind akrodont und stehen in einer durchlaufenden, aus dem peripheren Teile der Zahnleiste entstandenen Zahnfurche. Von dem Boden dieser Furche geht der kleine Zahnleistenrest aus. Ersatzzähne werden nicht angetroffen. Die Zähne sind an ihrer Basis durch Knochenabscheidung verschmolzen. Durch diese Verschmelzung entsteht ein Dentinkamm auf den Kiefern. An der medialen Fläche dieses Kammes ist eine Resorption zu be- merken. Sollte dies etwa ein Prozess sein, wie er bei Lophiurus beschrieben wurde ? Makroskopisch fand ich bei zahlreichen Chamaeleonen eine sehr starke Abnutzung der Zähne, nachdem an ihrer Basis ein Knochenmantel gebildet war. An einigen Stellen hatte dadurch der Kiefer überhaupt kein Relief mehr. Von Trikonodontie war bei den alten Zähnen nichts mehr zu erkennen; wohl aber bei den jüngeren (hinteren) Zähnen. An einigen Stellen schien es mir, dass von dem durch Verschmelzung der Zähnchen ent- standenen Dentinkamm Stücke abgestossen würden. In dem prämaxillären Gebiss wurde kein unpaariger Zahn angetroffen. 11. Trogonophis Wiegmanni. Nach Literaturangaben ist dieses Tier akrodont und besitzt ungleiche, stumpfe Zähne. Von einem ausgewachsenen Tiere wurde der Kopf in eine ‘ Serie frontaler Schnitte zerlegt. Es ergab sich, dass eine ziem- lich tiefe Zahnfurche vorhanden war, und dass von deren Boden der Rest der Zahnleiste ausging, an der keine Ersatzzähne an- 370 Martin W. Woerdeman: getroffen wurden, weder im Unter- noch im Oberkiefer. Die Zähne waren stark abgenutzt und akrodont auf den Kiefern an- gebracht. Sie waren durch Knochen- (oder Dentin-)masse mit- einander verbunden, so dass es in den Schnitten sehr schwierig ist, die Grenze zwischen zwei Zähnen zu bestimmen. Von Strecke zu Strecke kam aber in der medialen Wand der Zahnmasse eine Lücke vor, und wahrscheinlich korrespondieren diese Lücken jedesmal mit einem Zahne. Auch bei anderen Reptilien traf ich oft in der medialen Wand eine basale Öffnung an, und ich bin -geneigt, die Lücken in dem Dentinkamm von Trogonophis für die Homologa der erwähnten Öffnungen zu halten. An einigen Stellen ist der Zahn medial schon ziemlich weit resorbiert. Die Zahnfurche inseriert meistens an der Grenze von Kiefer und Zahn, und so liegt also in der Zahnfurche von Trogonophis ein Dentinkamm frei an der Oberfläche, an welchem die einzelnen Zähne, aus denen er entstanden ist, noch zu erkennen sind. Diese Dentinplatte zeigt an der medialen Seite Resorption, und wird vielleicht dieser Teil später abgestossen, ebenso wie bei Lophiurus und Hatteria. An einigen Stellen des Oberkiefers liegt auch ein Teil der Kiefer an der Oberfläche. Die Zahnfurche ist dort vertieft, und die Zahnleiste ist völlig verschwunden. Hierdurch wird es wahr- scheinlich, dass keine neuen Zähne gebildet werden, wenn die Dentinplatte entstanden ist. Oder sollte diese Furchenvertiefung nur in einem Gebiete zwischen zwei Zähnen auftreten und der Zahnleistenrest in dem Gebiete eines Zahnes noch aktiv bleiben ? Die Untersuchung des vorliegenden Exemplares konnte auf diese Fragen keine Antwort geben. — Schliesslich sei noch erwähnt, dass mit dem Prämaxillare drei Zähne verwachsen waren, von denen einer in der Medianlinie stand. 12. Amphisbaena Darwini. Von Ampbhisbaena sagt de Terra: „Hier sind fünf Schneide- zähne vorhanden, von denen der mittlere der grösste ist, dahinter fünf im Oberkiefer, in der unteren Reihe drei, von denen der erste der kleinste, die beiden folgenden die längsten sind“. Nach Claus und Hoffmann ist Amphisbaena pleurodont. Für Unter- suchung stand der in eine Serie frontaler Schnitte zerlegte Kopf eines aus Argentinien stammenden Exemplares zur Verfügung. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 371 Struktur. Im Unterkiefer links sind acht Zähne vorhanden; hiervon besitzen die Zähne zwei, vier und acht einen Ersatz- zahn in Anlage, was m. E. wohl wieder auf einen alternierenden Wechsel hindeutet. Rechts kommen auch acht Zähne vor; der erste ist ein gerade durchgebrochener und bereits mit dem Kiefer verwachsener; der dritte Zahn ist ausgefallen und sein Ersatz- zahn liegt bereit, durchzubrechen. Die Zähne 4 und 6 haben jeder einen Ersatzzahn in Anlage. Auch rechts wird also alter- nierend gewechselt; aber in den beiden Reihen, aus welchen das Gebiss aufgebaut ist, verläuft der Wechselprozess fast gleichzeitig. Im Oberkiefer fand ich in dem prämaxillären Gebiss sieben Zähne, darunter einen unpaarigen in der Medianlinie, der einen Ersatzzahn besitzt und ferner in jeder Hälfte drei, von denen links der dritte einen Ersatzzahn hat. In dem maxillären Gebiss kommen jederseits vier Zähne vor, von denen rechts der erste und der dritte Zahn einen Ersatzzahn besitzen. Links hat nur Zahn 3 einen Ersatzzahn. Im Gegensatz zu de Terra, der in dem Prämaxillare fünf und in jeder Hälfte des maxillären Gebisses ebenfalls fünf Zähne angibt, fand ich in dem prämaxil- lären Gebiss sieben, in dem maxillären Gebiss vier Zähne. Boas gibt zwar nicht an, dass sieben prämaxilläre Zähne vorhanden seien; aber er bildet einen Schädel von Amphisbaena ab, der im Prämaxillare deutlich sieben Zähne erkennen lässt. (J.E. V.Boas: Die Schläfenüberdachung und das Palatoquadratum in ihrem Ver- hältnis zum übrigen Schädel bei den Dipnoern und den terrestren Wirbeltieren. Gegenbaurs Morph. Jhb. Bd. 49, H. 2, Ss. 229—309). — Infolge des Vorhandenseins von Ersatzzähnen konnte bei Amphisbaena die Zahnanlage usw. gut studiert werden. Zahnanlage usw. Die Zahnleiste ist gut entwickelt; ein nur kleiner peripherer Teil ist zur Zahnfurche geworden. Die Zähne werden an dem freien Zahnleistenende gebildet, und ihre Histiogenese unterscheidet sich nicht von derjenigen bei anderen Reptilien. Nur bleibt die Anzahl der Schmelzpulpazellen gering und deren Form spindelförmig. Der Zahnkeim bleibt erst ziem- lich breit mit der Zahnleiste verbunden, später namentlich am Gipfel, während der hintere Teil etwas abgeschnürt wird. Schliess- lich erfolgt der Durchbruch in der Zahnfurche, und kommt also das durchgebrochene Schmelzorgan mit der letzteren in Kommu- 312: Martin W. Woerdeman: nikation. ‚Jeder der Zähne besitzt also eine eigene Zahnscheide, aber die letzteren stehen miteinander durch die Zahnfurche in Verbindung. Der obere Teil jeder Zahnscheide wird von der Zahnfurche gebildet. In einem frontalen Schnitt durch einen Zahn könnte man meinen, mit einer Zahnfurche zu schaffen zu haben. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, da sich eine Zahn- scheide vorfindet, beweist das Verhalten der Zahnleiste, die nicht von dem Boden der Furche, sondern von der medialen Wand ausgeht. Serienuntersuchung des Zahnleistenverhältnisses lehrt dann bald, dass gesonderte Zahnscheiden vorhanden sind. Nach dem Durchbruch verwachsen die Zähne mit den Kiefern. Sie sind nicht typisch pleurodont, ebensowenig typisch akrodont, was wohl der Kieferform zuzuschreiben ist. Sie sind aber eher pleu- rodont als akrodont zu nennen. Der Ersatz erfolgt nach einer kräftigen Resorption. Die- selbe beginnt an der Basis der medialen Wand. Das Schmelz- organ des Ersatzzahnes wird bei seinem Wachstum zuweilen in die entstandene Lücke gedrückt und dadurch in seiner Form verändert. Nach einer starken Resorption der medialen Wand folgt eine solche der lateralen, worauf der Zahn abbricht und einen Teil seiner Basis auf dem Kieferknochen zurücklässt. Unter dem abgebrochenen Zahn wächst nun die Scheide zu, und in derselben liegt dann lose ein Dentinklümpchen, das bald heraus- fällt. Der unpaarige mediane Zahn lag lose in seiner Scheide; auch dieser Zahn wird also gewechselt. Einzelne Zähne, die keine Ersatzzähne besitzen, haben an der Basis ihrer medialen Wand eine Öffnung. Ist diese Öffnung, welche auch zahlreiche andere Reptilien aufweisen, nun normal oder stellt sie den Beginn einer Resorption da? In diesem letzteren Falle würde die Resorption unabhängig sein von der Anwesenheit eines Ersatzzahnes.. Wenn schliesslich ganz hinten im Gebiss die Zähne aus den Schnitten verschwunden sind, sieht man, wie sich die Zahnleiste noch ein Stück nach hinten fort- setzt, und man bemerkt dort ferner eine Drüsenleiste, welche zusammen mit der ersteren halbmondförmig an dem Mundepithel mit ihrer konvexen Seite inseriert. Vergleichung von Amphisbaena mit Trogonophis. Wenn nun diese Amphisbaena nicht ein sehr junges Tier gewesen ist, welches später dieselben Eigentümlichkeiten seines Gebisses auf- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 373 weist wie Trogonophis, und wenn bei Trogonophis in seiner Jugend nicht dieselben Verhältnisse vorgewaltet haben wie bei dem unter- suchten Amphisbaena, so zeigt sich, dass ein grosser Unterschied zwischen diesen Tieren besteht, und zwar: 1. dadurch, dass die Zähne bei Amphisbaena gesonderte Scheiden besitzen; 2. dadurch, dass die Ersetzung der Zähne bei Amphisbaena eine sehr leb- hafte ist und diese bei Trogonophis schliesslich nicht mehr vor- zukommen scheint, in jedem Falle äusserst träge ist; 3. dadurch, dass Amphisbaena pleurodont und Trogonophis akrodont ist; 4. dadurch, dass bei Amphisbaena keine Verschmelzung der Zähne wahrgenommen ist; 5. dadurch, dass die Zahnleiste von Amphis- baena keine Zahnfurche bildet und nicht rudimentär ist. Sonach ist auch aus gebiss-anatomischen Gründen diejenige Systematik, welche die Trogonophidae als absonderliche Familie von den Amphisbaenidae trennt (Hoffmann) besser als diejenige, welche Trogonophis zu den Amphisbaenidae rechnet. 13. Hatteria punctata. Obwohl ich keine Embryonen dieser interessanten Tierart untersuchen konnte, sondern nur die Kiefer einiger erwachsener Exemplare, ist es mir möglich eine Vorstellung zu bilden von Zahn- und Gebissanlage bei diesen Reptilien durch genaue Lektüre der Harrisonschen Arbeit (16) über Hatteria. Dieser Forscher hat wohl das Vorrecht gehabt, Embryonen von Hatteria unter- suchen zu können. Er hatte aber nur wenige Stadien zur Ver- fügung, und das Zeitintervall zwischen den einzelnen Stadien ist oft ziemlich gross. Da nun die normale Entwicklung der Zähne und des Gebisses bei Reptilien, wie ich sie in den vorigen Beiträgen entwickelt habe, Harrison unbekannt war, ist er zu Erklärungen gekommen, welche mir von vornherein sehr unwahr- scheinlich vorkamen. Durch die Erklärungen Harrisons würde man genötigt sein, Hatteria als einen sehr abweichenden Sonder- fall zu betrachten. Ich werde aber zeigen, dass Harrisons Arbeit uns wiederholt Fingerzeige gibt, dass die Zahn- und (rebissentwicklung von Hatteria nur in Nebensachen von der Norm abweicht. — Bei einem Embryo mit einer Kopflänge von fünf Millimetern findet sich eine Zahnleiste, welche aus zwei Zylinderzellenschichten besteht, welche polygonale Zellen zwischen sich fassen. Die Zylinderzellenschichten sind Fortsetzungen des 374 Martin W. Woerdeman: Stratum Malpighianum des Kieferepithels; die interlaminären Zellen sind die Fortsetzung der oberflächlichen Zellen. Im Ober- kiefer besteht eine kleine Zahnanlage, welche Harrison in seiner Fig. 2 abbildet, und die den typischen Bau eines Abortiv- zahnes zeigt. Sie besitzt schon Dentin. Fig. 1 von Harrison bildet ebenfalls eine Abortivzahnanlage ab. Diese Anlage ist grösser als die von Fig. 2, aber deutlich jünger. Odontoblasten fehlen noch. Aber nicht nur durch ihren Entwicklungsgrad unterscheiden sich diese Zahnanlagen voneinander, sondern auch durch ihr Verhältnis zur Zahnleiste. Der Zahn von Abb. 2 hat keine Beziehung zur Zahnleiste. Die Abb. 1 gleicht den Anlagen, welche ich im Beitrag I als partiell operkularisierte bezeichnete. Der Zahn von Fig. 1 liegt also mehr lingual und ist jünger, jener von Fig. 2 liegt mehr labial und ist weiter entwickelt. Der Zahn von Fig. 1 ist der vordere Zahn des Oberkiefergebisses, jener von Fig. 2 der zweite. Ich kann nicht umhin, diese beiden Anlagen als Elemente zweier Zahnreihen zu betrachten. Ebenso wie bei Gongylus und Crocodilus kommt dann auch die erste Anlage der zweiten Zahnreihe vor und lingual von der ersten Anlage der ersten Reihe zur Entwicklung. Ausser den genannten zwei Zahnkeimen kamen im Öberkiefergebisse des beschriebenen Embryos noch sechs Anlagen vor. Es ist nicht möglich, aus Harrisons Beschreibung zu sehen, zu welcher Gebissreihe sie gehören. Auch im Unterkiefer kommen Abortivzähnchen vor, in jeder Gebisshälfte sieben. Auch hier ist die vorderste Anlage nicht so weit entwickelt wie die zweite, eine Erscheinung, welche auch Harrisons Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ein zweiter Embryo (Kopflänge von 6,5 mm) „shows a very _ considerable advance on the last.“ Man findet grosse Zahn- keime, welche bald zu beschreibende Besonderheiten zeigen und daneben eine Reihe reduzierter Zähnchen. Diese sind, nach Harrison, die beim vorigen Embryo vorkommenden Zahn- anlagen. Sie sind reduziert zu kleinen im Epithel liegenden Dentinscherbehen. Nur einige dieser Zähnchen sind noch nicht so stark reduziert. Sie zeigen noch eine Ameloblastenschicht und eine Andeutung von Schmelzpulpabildung im Epithel, das ihre Spitzen bedeckt. Die Zahl der reduzierten Zähnchen ist kleiner als die Zahl der Zahnanlagen beim vorigen Embryo. Daraus geht hervor: 1. Einige der zuerst angelegten Zähnchen Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 0 sind schon verschwunden, 2. die übrigen zeigen verschiedene ‘Grade der Reduktion. Ein Herabsinken ins Mesenchym hat Harrison nicht beobachtet. Er meint, dass die Abortivzähnchen, welche er Zähne der „embryonie dentition“ nennt, wahrscheinlich ausgestossen werden. Wahrscheinlicher ist es, dass sie ebenso wie der in Fig. 1 abgebildete Zahnkeim von Crocodilus intra- epithelial resorbiert werden. Die grossen Zahnkeime sind zweierlei Art. Den einen Typus beschreibt Harrison folgenderweise: „The mesodermal papilla indents the deepest portion of the dental lamina, and there is no indication of a lingual continuation of the latter.“ Schmelz und Dentin sind noch nicht gebildet. Zweifelsohne hat man hier eine Zahnanlage vor sich, welche Bolk „terminal“ nennt (s. Beitrag ]). Die Zähne des zweiten Typus dagegen besitzen wohl Fortsetzungen der Zahnleiste lingual von ihren Schmelzorganen und besitzen auch Dentin. Man hat hier mit sogenannten „parietalen“ Zahnanlagen zu tun. Merkwürdigerweise ist der vorderste der grossen Zahnkeime sowohl im Ober- wie im Unterkiefergebiss ein terminaler, d. h. er liegt lingual von dem zweiten und ist weniger weit entwickelt. Aber auch übrigens alternieren nun sehr regelmässig terminale und parietale Zahnanlagen, so dass Harrison denn auch alle diese Zähne zusammen mit dem Namen „alternating series“ belegt. Nun wechseln bekanntlich bei jungen Hatteriae im Gebiss grosse und kleine Zähne regelmässig ab. Da auch die parietalen Zahnanlagen kleiner waren als die ter- minalen, meint Harrison, dass die „alternating series“ zum bei der Geburt funktionierenden Gebiss werden soll. Diese Auf- fassung scheint mir nicht berechtigt, denn wir haben gesehen, dass bei Crocodilus z. B. bis zur Geburt Zähne der Rück- bildung anheimfallen. Auch bei alten Embryonen von Hatteria kommen noch Abortivzähne vor, und es scheint a priori unwahr- scheinlich, sie als dieselben zu betrachten, welche auch schon bei ganz jungen Embryonen vorkommen. Eher kann man sich denken, dass auch noch Elemente der alternierenden Serie rückgebildet werden. Durch das Fehlen zwischenliegender Stadien ist diese Frage nicht zu entscheiden. Nach meiner Meinung wird man gut daran tun, bei Hatteria keine Trennung zu machen zwischen „embryonic series“ und „alternating series.“ Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass auch bei diesem Reptil 376 Martin W. Woerdeman: ÖOdontostichi vorkommen, deren Elemente alternieren. Dadurch erklärt man nämlich die Tatsache, dass die vordersten Zahnkeime lingual von den nächstfolgenden liegen und nicht soweit ent- wickelt sind; dass es verschiedene Grade von Reduktion im Abortivgebiss gibt und dass regelmässig parietale und terminale Zahnkeime abwechseln. Es ist mit Sicherheit zu sagen, dass von den Odontostichi wenigstens zwei zurückgebildet werden (Abortivgebiss). Aber die Möglichkeit, dass noch mehr Reihen der Reduktion anheimfallen, ist nicht ausgeschlossen. Bei älteren Embryonen fand Harrison nämlich einige Unregelmässigkeiten in der schönen Alternierung der alternierenden Serie, und auch waren die Gebisse links und rechts nicht gleich gebaut. Diese Erscheinungen habe ich auch oft bei anderen Reptilien gefunden und konnte sie immer durch Reduktionsprozesse erklären, welche von mesial nach distal fortschreitend anzunehmen waren. Auf Grund der oben gegebenen Erklärung von Harrisons Mitteilungen kann man deshalb sagen, dass Hatteria bei der Gebissanlage sich nicht von anderen Reptilien unterscheidet. Das (Gebiss wird in Reihen angelegt, wenigstens zwei davon gehören zum Abortivgebis. Die Elemente dieser Reihen alternieren recelmässig in Lage und Entwicklungsgrad. Ich werde eine aus- führliche Kritik auf Harrisons Erklärungen unterlassen. Wäre die Gebissentwicklung der Reptilien besser bekannt gewesen, dann hätte Harrison aus den wenigen untersuchten Stadien wahrscheinlich doch die grosse Ähnlichkeit zwischen Hatteria’s (ebissentwicklung und jener anderer Reptilien wohl erkannt. Nur muss ich darauf hinweisen, dass Harrison im vorderen Abschnitte des Gebisses die Anlage von Ersatzzähnen fand. Er konnte offenbar keine Regelmässigkeit bei der Anlage dieser Zähne entdecken und kommt daher zu einem Schema des Zahn- wechsels im Zwischenkiefergebiss, das mir sehr unwahrscheinlich erscheint. In diesem Schema wird nämlich angenommen, dass Ersatz zweier Zähne durch einen Ersatzzahn und Übersiedlung eines Zahnes von Maxillargebiss zu Prämaxillargebiss vorkommt. Meiner Meinung nach muss man Harrisons Befunde folgender- weise deuten: 1. Bei Stadium T ist der erste prämaxilläre Zahn ein junger; der zweite besitzt einen Ersatzzahn und ist an seiner Basis teil- weise resorbiert. Der dritte zeigt eine geringe Resorption. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 377 2. Beim Tier von 17,8 cm Länge hat der ursprünglich dritte prämaxilläre Zahn einen Ersatzzahn und ist schon weit resorbiert. Der erste ist ausgefallen. Der zweite ist durch einen jungen Zahn ersetzt. Der vierte Zahn des Oberkiefer- gebisses (erster maxillärer Zahn) ist auch ausgefallen, sein Ersatz- zahn ist aber noch nicht mit dem Kieferknochen verwachsen (Alternierendes Wechseln und mesiodistales Fortschreiten des Zahnwechsels, s. Beitrag U). 3. Im Unterkiefer eines Tieres von 21,2 cm Länge zeigt der erste Zahn Resorption, der zweite ist durch einen jungen Zahn ersetzt; lingual und hinter dem vierten Zahn befindet sich ein Ersatzzahn. Noch sei bemerkt, dass beim von Baur (?2) beschriebenen Exemplare von Hatteria (Kopf von 25 mm Länge) im Unterkiefer der dritte Zahn einen Ersatzzahn besitzt, während ‘ der erste Zahn schon ausgefallen ist. Beim zweiten Zahn findet man keinen Ersatzzahn. Diese Tatsachen haben für mich grosse Bedeutung. Ich sehe darin Fingerzeige, dass der Zahnersatz auch bei Hatteria alternierend vor sich geht und von vorn nach hinten fortschreitet, ebenso wie bei anderen Reptilien. Nach dem von Harrison aufgestellten Schema würde Hatteria einen ganz besonderen Zahn- wechsel zeigen, den ich bei keinem anderen Reptil fand. Durch die Annahme eines alternierenden Zahnersatzes bringt man den Zahnersatz in Einklang mit der Gebissanlage in alternierenden Odontostichi und nimmt den Unterschied zwischen Zahnersatz von Hatteria und anderen Reptilien weg. Eigene Untersuchung. Selber konnte ich nur erwachsene Tiere untersuchen, welche ich nennen werde: Hatteria I, II, III und IV. Von Hatteria V fehlte der Öberkiefer. Die Körperlänge dieser Tiere variierte von 30—38 cm. Die Kopflängen waren nahezu gleich. Incisivi. Ich fange an mit einigen Bemerkungen über die grossen Zähne, welche sich vorn im Öberkiefergebiss befinden und Inzisivi genannt werden. Man ist wohl darüber einig, dass diese Zähne aus mehreren kleineren Zähnen entstanden sind durch Knochenablagerung zwischen den einzelnen Komponenten. Es ist aber fraglich, wie gross die Zahl dieser Komponenten sei. Harrison (16) nimmt das Verschmelzen zweier Zähne an und Archiv f. mikr. Anat. Bd.9%. Abt.I. 26 378 Martin W. Woerdeman: weist nachdrücklich darauf hin, dass man hier nicht von Kon- kreszenz reden darf (wie Burckhardt es tut [10]. Auch Günther (15) nimmt zwei Komponenten an. Einige Inzisivi zeigen kleine Spitzchen. Harrison sagt davon: „The great majority of adult Sphenodons show two large „cusps“ to each ineisor. In some cases there are in addition one or two minute projections, which have sometimes been taken for cusps. I believe, however, that these are merely portions of an overgrowth of bone that occurs round the base of many of the adult teeth. It appears certain, that there are only two teeth concerned in the formation of each adult premaxillary tooth. Knox (19), it is true, stated that he found a speeimen with three cones to each, but his description is very brief and not atall clear.“ Baur (2) sah zwei grosse Zähne, von denen der laterale caniniform war. Beide waren durch Knochenmasse miteinander verbunden. Diese Knochen- masse bildete zu jeder Seite des medialen Zahnes einen kleinen Wulst, „so dass es den Anschein hat, als wären drei Zähne vor- handen, ein mittlerer (der eigentliche Zahn) und zwei. kleinere.“ Bei Hatteria II konnte ich deutlich zwei kegelförmige Komponenten finden, von denen der laterale der grössere war. Zwischen beiden Komponenten befand sich ein kleiner Konus, der auch ein wenig lingual von den zwei grossen Kegeln stand. Auch medial vom medialen Komponenten kam ein ähnlicher kleiner Konus vor. Sämtliche vier Spitzen waren durch Knochenmasse miteinander verbunden. Es lag hier also ein Zustand vor, der dem vom Baur beschriebenen vollkommen ähnlich ist. Bei Hatteria I fand ich denselben Zustand. Hatteria III zeigt keine kleinen Spitzchen mehr, und bei Hatteria IV schliesslich sind auch die zwei grossen Spitzen abgekaut und ist der Zahnkomplex wirklich incisiviform geworden. Es stellte sich also heraus, dass sich im Zwischenkiefer links sowohl wie rechts ein Zahnkomplex befindet, der vier Spitzen trägt, nämlich zwei grössere und zwei kleinere. Bei der Abnutzung dieser Zähne und bei der Ab- lagerung neuer Knochenmasse verschwinden die zwei kleinen Spitzchen zuerst; später werden auch die zwei grossen Spitzen abgekaut. Welche Bedeutung muss man diesen Tatsachen zu- schreiben ? Man kann sich denken, dass der Inzisivus durch zwei Komponenten zusammengesetzt wird, von denen der mediale ein trıkuspidater war. Es ist nämlich meines Erachtens sehr unwahr- Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 379 scheinlich, dass die kleinen Nebenspitzen durch die Knochen- ablagerung entstehen. Warum würde dann kein Nebenkonus lateral von der lateralen Spitze gebildet? Auch in der Artikulation zwischen unterem und oberem Inzisivus kann der Grund der Entstehung solcher Nebenspitzchen nicht gelegen sein. Ich be- trachte das Vorkommen der zwei kleinen Spitzen zu jeder Seite der medialen grossen Spitze als etwas Wesentliches, und dann würde die Annahme, dass der mediale Komponent des Zahn- komplexes ein trikuspidater war, wohl berechtigt sein. Harrison fand aber oft drei Zähne im Zwischenkiefergebiss, und es bleibt fraglich, wo denn dieser dritte geblieben sein mag. Auch hat man bei Hatteria niemals trikonodonte Zähne angetroffen. Im übrigen Gebisse wechseln aber, wie noch erwähnt werden muss, regelmässig grössere labiale und kleinere linguale Zähn- chen ab. Darum scheint es mir wahrscheinlicher, dass der In- zisivus aus zwei solchen kleinen und zwei grossen Zähnen ent- standen ist. Das würde auch erklären, warum die Nebenspitzen lingual von den grossen Spitzen vorkommen: Es bleibt dann aber noeh zu erklären übrig, warum Harrison nicht das Vor- kommen von vier Zähnen im Zwischenkiefergebiss erwähnt. Es muss denn auch noch als eine offene Frage betrachtet werden, wie viele Komponenten Anteil haben an der Bildung des Oberkieferinzisivus. Am wahrscheinlichsten scheint mir die An- nahme, dass er aus vier Zähnen aufgebaut ist, aus zwei kleinen lingualen und zwei grossen labialen. Ich komme bald hierauf zurück. Über die Unterkieferinzisivi kann ich mich kurz fassen. Sowohl bei Hatteria I, II wie III erscheinen sie als zweispitzige Zahnkomplexe; die mediale Spitze ist niedriger, die laterale kegelförmig. Bei Hatteria IV und V waren beide Spitzen ab- gekaut. Ursprünglich verteidigte Harrison die Auffassung, dass die Unterkieferinzisivi aus drei, später in einem „Adden- dum“, dass sie aus nur zwei Zähnen entstehen sollten. Ich kann diese Frage nicht entscheiden. Oberkiefergebiss. Nach der Beschreibung der Inzisivi gehe ich dazu über, die Oberkiefergebisse der untersuchten Tiere zu beschreiben. Bei Hatteria II fand ich links sowohl wie rechts den folgenden Zustand: Hinter dem Inzisivus befindet sich eine kleine Grube, worin die laterale Spitze des unteren Inzisivus 26* 380 Martin W. Woerdeman: beim Schliessen der Kiefer beisst. Dann folgen drei stark rudi- mentäre Zahnspitzchen, eine deutliche Zahnspitze, wieder drei rudimentäre Spitzchen, eine Reihe von fünf Zähnchen, von denen das erste, dritte und fünfte grosse Zähnchen, das zweite und vierte kleine Zähnchen sind. Schliesslich kommen noch drei grosse Zähne, welche aber nach hinten an Grösse abnehmen. Harrison sah bei jungen Gebissen eine regelmässige Abwechslung grosser und kleiner Zähne. Hinter dieser „alternierenden Serie“ sah er aber oft eine Zahl grosser Zähne ohne kleine Zähne in den In- terstitien. Er spricht dann von „uniform Series“, und zweifels- ohne gehören die drei hintersten Zähne zu dieser uniformen Serie. Die alternierende Serie würde deutlich sein, wenn man annehmen könnte, dass von den drei rudimentären Zähnchen der mittlere jedesmal ein grosser Zahn gewesen wäre. - Dann kann man das Gebiss vorstellen durch die folgende Formel: .000000000000000)) ab sch diente Von dieser alternierenden Serie sind dann die Zähne b und f stark reduziert; a, c, e und g auch, aber nicht so stark. Ich sehe nicht ein, warum ich zu der obengenannten Annahme nicht berechtigt sein sollte, denn es ist bekannt, dass bei jungen Hatteriae vollständige Alternation vorkommt, und diese ist bei Hatteria I[ nur dann anwesend, wenn man annimmt, dass die Zähne b und f grosse, a, c, e und g kleine Zähnchen waren. Auch der Zustand bei Hatteria I bietet eine Stütze für meine Annahme. Die linken Oberkieferhälften von Hatteria I und II stimmen miteinander überein ; nur besteht die uniforme Serie bei Hatteria I aus fünf, ja vielleicht sechs Elementen. Auch rechts kommen in der uniformen Serie fünf oder sechs Zähne vor, aber es fehlen auch die Zähne b und f, so dass man nur zwei rudimentäre Spitzchen auf dem Kiefer sieht, wo sich bei Hatteria II drei vor- fanden. Diese Tatsache ist eine Stütze für meine Annahme, dass b und f stark rudimentäre Elemente sind, sie sind stärker reduziert als a, c, e und g, denn diese kommen bei Hatteria I noch vor. Da nun bei Hatteria II a, b, c, e, f, und g gleich gross sind, kann man wohl annehmen, dass b und f ursprünglich grösser waren wie a, c, e und g. 1) J = Inzisivus. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 381 Fasst man nun den Inzisivus als einen Komplex von zwei kleinen und zwei grossen Zähnen auf, dann wird die Formei des Öberkiefergebisses von Hatteria II: For Brheo 000% 08600171.0.00 A] alternierende Serie , uniforme Serie Die Formel für das Oberkiefergebiss von Hatteria I wird dann: Beta een 0:0 0.1.0: 010,06) J | alternierende Serie | uniforme Serie. x Nun muss ich auf eine sehr interessante Tatsache hinweisen, nämlich auf die Stellung der Zähnchen. Es fiel mir auf, dass die kleinen Zähnchen, welche die Interstitien zwischen den ‘grossen Zähnen ausfüllen, lingual von diesen grossen Zähnen stehen und dass zwischen den Zähnen der uniformen Serie deutliche, nicht ausgefüllte Interstitien vorkommen. Diese Tatsachen und die regelmässige Alternierung im Gebisse kann man sich am besten dadurch erklären, dass das Gebiss als ein zweireihiges aufzu- fassen sei. Schon auf Grund der Entwicklungsgeschichte kam ich zur Überzeugung, dass das Gebiss von Hatteria distichisch sein muss. Auch die Anatomie des erwachsenen Gebisses verrät noch diese Distichie. Die grossen labialen Zähne gehören zu einer älteren, die kleinen lingualen zu einer jüngeren Zahnreihe. Die Formeln werden dann auch besser anders geschrieben, nämlich: 1 PEN SER? 4 b) 6 7 s | 9 10 11 ET je} © e! [e} [e} o© [o} [eo] a.©b | ed e f g h und für Hatteria I: 1 2 “) 4 6 7 8 9 10 41 12 13 14 ) S:5@ fe) SEN MIO OO RN OMO Nor [e} [e} o © [o} [e} a b e d e f g h Dann wird es auch deutlich, was die Bedeutung der uni- formen Serie ist. ‘Diese Serie, welche nach Harrison erst an- gelegt wird, nachdem die alternierende Serie entstanden ist, ist nichts anderes als die Fortsetzung der Reihe grosser Zähne, während hinten im Gebiss die Reihe der kleinen Zähne noch nicht entwickelt ist. Diese Tatsache lässt sich leicht durch das mesio-distale Fortschreiten der Gebissentwicklung erklären. Man 382 Martin W. Woerdeman: darf erwarten, dass bei älteren Tieren auch zwischen den Zähnen 9, 10, 11 usw. kleine Zähne entstehen werden, und tatsächlich kann ich das auch bei Hatteria III beweisen. Bevor ich aber das Gebiss dieses Tieres beschreibe, muss ich noch darauf hinweisen, dass meine Auffassung des Inzisivus als vierteiliger Komplex in den Formeln eine schöne regelmässige Alternierung der grossen und kleinen Zähne entstehen lässt. Diese Alternierung ist bei der Grenze zwischen prämaxillärem und maxillärem Gebiss nicht unterbrochen, und das Gebiss fängt bei der Medianlinie mit einem Elemente der jüngeren Reihe an. Beide Tatsachen habe ich auch stets bei anderen Reptilien ge- funden. Dadurch erhält meine Auffassung des Inzisivus m. E. eine nicht unwichtige Stütze. Bei Hatteria III fand ich den folgenden Gebissbau. Im maxillären Gebiss kommen links vor: eine Gruppe von drei rudi- mentären Zähnchen, ein noch gut erhaltener Zahn, wiederum eine Gruppe von drei rudimentären Zähnchen, eine Reihe von sieben alternierenden Zähnen, von denen der vordere ein grosser Zahn war und schliesslich eine uniforme Serie von vier Zähnen. Bildlich kann man diesen Bau darstellen durch folgende Formel: 1 2 3 4 A) 6 7 8 5) 10 11 12 13 ei) SLOT OF OT O7 107 Nor ORTS Oo -@ oo, Melo ro Nora o a b |. d e f g h ] > Es stellt sich dann heraus, dass die Reihe der kleinen Zähne, welche bei Hatteria I und II nur acht Elemente umfasste, bei Hatteria III neun Zähnchen zählt. Scheinbar ist die „alter- nierende Serie“ dadurch länger, die „uniforme Serie* kleiner geworden. Man sieht hier also die bemerkenswerte Tatsache, dass die Reihe der kleinen Zähne sich noch nach hinten ent- wickelt, während die Reihe der grossen Zähne unverändert bleibt. Nun ist es (s. Beiträge I und II) eine bekannte Tatsache, dass eine linguale Reihe sich erst später entwickelt wie eine labiale, und dass dabei die vorderen Zähne einer Reihe eher zur Anlage kommen wie die hinteren. Bei Hatteria lässt sich das nun wieder beweisen, und nicht nur darum ist das Gebiss von Hat- teria III bemerkenswert, sondern auch darum, weil ich in diesem (Gebisse eine Stütze finde für die Annahme, dass die „uni- forme Serie“ nichts anderes ist als der hintere Teil der labialen Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 383 Gebissreihe, zwischen deren Elementen noch keine Zähnchen. der lingualen Reihe angelegt wurden. Die Formel für die rechte Oberkiefergebisshälfte von Hat- teria III ist ein wenig verschieden :von derjenigen der linken Hälfte. Sie ist: = 1 2: | 6 7 8 20 128 oO 0% [®) OFOSOFESTIOHNONGEOEO OO SER > o [o) o | a b ee f g h j Gleich wie bei Hatteria I sind die Zähne drei und fünf vollkommen verschwunden; übrigens ist der Gebissbau derselbe wie links. Das Oberkiefergebiss von Hatteria IV ist noch weiter re- duziert. Hinter dem Inzisivus fand ich zuerst eine Gruppe von drei rudimentären Zähnchen, dann ein ziemlich gut erhaltenes Zähnchen und dann eine Gruppe rudimentärer Zähnchen, deren Zahl nicht deutlich zu bestimmen war. Schliesslich kommen die hinteren Zähne überein mit den Zähnen 7—13 und h und j bei Hatteria III. Bei Hatteria IV sind also rudimentär die Zähnchen 3,5,c,d,e und f; bei Hatteria I ebenfalls, aber da sind 3 und 5 fast ganz verschwunden. Bei Hatteria III kommen die rudimen- tären Zähne links mit Hatteria II, rechts mit Hatteria I überein. Und bei Hatteria II sind auch die Zähnchen 6 und g rudimentär geworden. Man sieht daraus, dass die Reduktion vorn im Maxillar- gebisse anfängt und stets mehr nach hinten fortschreitet. Dabei haben die Zähne der labialen Reihe Neigung ganz zu verschwinden (z.B. die Zähnchen 3 und 5), sie sind offenbar stärker rudi- mentär. Schliesslich muss noch die Aufmerksamkeit darauf ge- lenkt werden, dass der Zahn 4 der Reduktion Widerstand bietet. Hier dürfen wohl besondere Umstände (Nützlichkeitsgründe ?) eine Rolle spielen, welche zu erforschen ich nicht imstande war. Zusammenfassend kann man also sagen: Es besteht das Oberkiefergebiss aus zwei Zahnreihen, deren Elemente alternieren. Die eine Reihe steht labial von der anderen, diese besteht aus kleinen, jene aus grossen Zähnen. Die labiale Reihe umfasst zwei Zähne im Zwischenkiefergebiss und 11—12 im Maxillar- gebiss. Für die linguale Reihe sind diese Zahlen resp. 2 und 6 bis 7. Die lingualen Zähne sind später angelegt wie die labialen. Da der Zahnersatz ein sehr träger ist, ja offenbar nur im vorderen Gebissabschnitte vorkommt, werden die Zähne stark abgekaut. 384 Martin W. Woerdeman: Durch Dentinablagerung zwischen den Zähnchen kommt es zur Bildung eines Dentinkammes auf den Kiefern. Diese Reduktion fängt im Maxillargebiss vorn an und schreitet fort nach hinten. Im Zwischenkiefergebiss verschmelzen die zwei labialen mit den lingualen Zähnchen, und es entsteht ein einziger Zahnkomplex (Inzisivus).. Die Zähnchen der labialen Reihe, mit Ausnahme vom zweiten des maxillären Gebisses, sind stärker rudimentär als diejenige der lingualen Reihe. Man sieht: Das Gebiss ist deutlich distichisch '), aber Hatteria zeigt sich noch als ein sehr primitives Reptil, denn die Zweireihigkeit äussert sich auch im erwachsenen Gebiss durch Zahnstellung und Zahngrösse. Bei Hatteria schieben die Elemente zweier Zahnreihen sich nicht ineinander zu einem scheinbar ein- reihigen Gebiss. Auch bei fossilen Reptilien findet man An- deutungen davon (s. Beitrag II, S. 212 ff.). Ich erinnere daran, dass Hatteria, ein sogenanntes „lebendes Fossil“, am Fusse des Reptilienstammbaumes steht. Ich sehe darin einen Grund für die Auffassung, dass die Zweireihigkeit ihres Gebisses ein primi- tives Merkmal darstellt und dass die Scheinmonostichie der übrigen Reptilien sekundär erworben wurde. | Es wird nun wohl überflüssig sein, jetzt Harrisons Er- klärung für das Entstehen der Alternierung und der uniformen Serie hier zu erwähnen und zu kritisieren. Jede Erklärung für Entwicklungserscheinungen,. welche sich an schon bekannte Tat- sachen der Entwicklungsgeschichte anderer Tiere anschliesst, muss den Vorzug haben, und schon deshalb muss man meine Erklärungen den Harrisonschen vorziehen. Gaumengebiss. Auch im Gaumengebisse wechseln grosse und kleine Zähne ab, aber merkwürdigerweise findet man hier die grossen Zähne lingual von den kleinen. Nun habe ich schon im ersten Beitrage (S. 174 und 175) darauf hingewiesen, dass bei Schlangen die Zähne an der lingualen Lamelle der Gaumen- zahnleiste entstehen, dass also, im Gegensatze zu dem Zustande im Kiefergebisse, hier die älteren Zahnanlagen sich lingual von - den jüngeren befinden. Es ist nun möglich, dass auch im Gaumen- gebisse von Hatteria bei der Gebissentwicklung ähnliches stattfindet. Eine Mitteilung Harrisons scheint auch darauf hinzudeuten, denn dieser Forscher beschreibt bei Embryo R 162 ein Gaumen- !) Für die Erklärung dieses Ausdruckes s. Beitrag II, S. 227. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 335 zähnchen lingual von der Gaumenzahnleiste. Es entstehen aber bei älteren Embryonen neben den Zahnleisten auch Epithelleisten, woraus später Drüsen entstehen. Diese Leisten konnte Harrison nicht von den Zahnleisten unterscheiden, und man muss daher seine Angaben über die Lage der Zähnchen in Bezug auf die Zahnleisten nicht ohne Kritik annehmen. Eine nähere Unter- suchung dieser Frage ist sehr wünschenswert. Die linke Gaumengebisshälfte von Hatteria II kann ich folgenderweise graphisch darstellen: 1 2 3 4 5 6 ENDEN FON, Oi (Reihe d. gross. Zähne) (Reihe d.kl. Zähne).-..eoe o o & b ce Die Zähnchen a und b sind verschwunden; zwischen 1 und 2 und zwischen 2 und 3 befinden sich Diastemen. Das linke Gaumengebiss von Hatteria I ist folgenderweise gebaut: ER N N ET T ENLOHNEOT NO OR OO jo} [®) [o} jo} & b ce d Offenbar ist die Reihe der kleinen Zähnchen im Gaumen- gebiss rudimentär, eine Erscheinung, welche die Auffassung, dass die kleinen Zähnchen die älteste Zahnreihe bilden, stützt. Bei Hatteria III fand ich neun grosse und fünf kleine Zähnchen im linken Gaumengebiss. Im rechten Gebiss fand ich eine Besonderheit, welche auch Hatteria IV zeigte. Es befindet sich nämlich in der Mitte des Gebisses eine Lücke, da ein Teil des Dentinkammes (zwischen den Zähnen wird nämlich auch hier Dentin abgelagert) abgestossen ist. Diese Frscheinung, welche ich bei zwei Hatteriae fand, habe ich auch bei Histiurus ua. gefunden, und ich sehe darin denn auch eine normale Erscheinung. Unterkiefergebiss. Bei den untersuchten Tieren habe ich im Unterkiefer nichts von kleinen Zähnchen gefunden. Harrison beschreibt sie aber und bildet sie auch ab neben grösseren Zähnen. Ich vermute, dass meine Exemplare zu alt sind und die kleinen Zähnchen durch Dentinablagerungen überdeckt sind. Ich fand bei Hatteria I, II und III neun oder zehn Zahnrudimente. Bei Hatteria IV und V schliesslich verschwinden auch diese Rudi- mente, und bleibt ein scharfer Dentinkamm übrig. Auf dem Pflugscharbeine habe ich keine Zähnchen gefunden. 386 Martin.W. Woerdeman: Nach dieser Beschreibung kehre ich zu Harrisons Arbeit zurück und möchte noch hinweisen auf die „epithelial ingrowths“ oder Drüsenleisten, welche der Verfasser bei älteren Embryonen fand. Sie machten es ihm oft unmöglich, zu bestimmen, welche von den vielen Leisten die Zahnleiste ist. Aus seinen Abbildungen habe ich aber deutlich gesehen, dass die Drüsenleisten bei Hatteria sich genau so verhalten wie bei anderen Reptilien mit drüsen- reicher Mundhöhle. Im nächstfolgenden Beitrag werde ich diese Drüsenleisten beschreiben. Aus Harrisons Beschreibung und Abbildungen kann ich nun noch viele Tatsachen über die Gebiss- und Zahnanlage lehren. Ich werde von einer ausführlichen Besprechung Abstand nehmen und kurz mitteilen, wie, nach meiner Meinung, Zahn- und Ge- bissentwicklung bei der so überaus interessanten Hatteria ver- laufen. Daraus wird hervorgehen, dass Hatteria nicht von den übrigen Reptilien abweicht. Ich betrachte diese Tatsache als eine sehr wichtige, weil Hatteria eines der ältesten Reptilien ist. Zweitens wird es sich herausstellen, dass grosse Ähnlichkeit zwischen Hatteria, Agamiden und Histiurus amboinensis besteht, d. h. dass es neben vielen primitiven Merkmalen bei diesen Tieren auch manche sekundäre Differenzierung des Gebisses gibt. Zusammenfassung. Die ersten Zähnchen von Hatteria entstehen als freie Papillen. Bald werden sie operkularisiert, im Kiefergebiss von medial aus, im Gaumengebiss höchst wahr- scheinlich von lateral aus. Die Zähnchen werden in Längsreihen angelegt, deren Elemente alternieren. Die Anlage fängt vorn an und verläuft dann regelmässig in mesio-distaler Richtung. Der mediale Zahn gehört zu der zweiten Reihe. Es verfallen vor der Geburt wenigstens zwei Reihen einer Rückbildung. Dabei scheinen die Abortivzähnchen im Epithel liegend resorbiert zu werden. Ein Schmelzorgan kommt bei den Abortivzähnchen nicht vor, sie bestehen nur aus Dentin!). Die übrigen Zahnanlagen entstehen an einer Zahnleiste (an der labialen Lamelle im Kiefer- gebiss und wahrscheinlich an der lingualen im Gaumengebiss.) Sie besitzen Schmelzorgane, aber ohne echte Schmelzpulpa. Diese Zähnchen bestehen aus Dentin und Schmelz. !) Bei neugeborenen Tieren kommen wahrscheinlich noch Abortiv- zähnchen vor, ebenso wie bei Crocodilus, so dass während der ganzen Eizeit Zähnchen zurückgebildet werden. . Zeas Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 387 Die Zähne des funktionierenden Gebisses kommen zwischen den zwei Zahnleistenlamellen zum Durchbruch. Dieser Durch- bruch findet gerade vor oder nach der Geburt statt. Der periphere Abschnitt der Zahnleiste wird zu einer Furche. Gesonderte Zahnscheiden gibt es dadurch nicht. Eine Abschnürung der Schmelzorgane vor dem Durchbruch findet nicht statt. Die Zähne verwachsen mit dem Kieferknochen nach dem Durchbruch und sind akrodont. Sie besitzen eine geräumige Pulpahöhle, welche mit den Markhöhlen des Knochens in Verbindung steht. Sie bestehen aus Dentin und einer dünnen Schmelzschicht. Nach der Bildung der Gebissfurche geht der kleine Rest der Zahnleiste von der lingualen Furchenwand aus. Im freien Rande dieser Zahnleiste entstehen die Ersatzzähne. Vor dem Zahnersatz wird die mediale Wand des alten Zahnes resorbiert. Nur im vorderen Abschnitt des Gebisses scheint ein Zahnwechsel vorzukommen. Auch bei erwachsenen Tieren ist die Zahnleiste noch anwesend. Der Zahnersatz scheint nur bei jugendlichen Tieren aufzutreten, denn bei erwachsenen hat man nie Ersatzzähne gefunden. Damit geht eine Modifizierung des Gebisses Hand in Hand. Die Zähne werden stark abgekaut, es findet eine Knochenablagerung zwischen den Zahnrudimenten statt, undes entsteht so ein scharfer Kamm auf den Kiefern. Die Knochenablagerung gleicht dem Dentin, es kommen nur wenige Knochenzellen darin vor, und sie ist eigen- artig lamellär gebaut. Ebenso wie bei Trogonophis Wiegmanni zieht sich nun das Epithel der Gebissfurche zurück, und es kommt so ein grosser Abschnitt des Kieferkammes frei zu Tage. Die Bildung eines Kieferkammes findet im Unterkiefer eher statt als im Oberkiefer. Abschnitte des Kieferkammes können abgestossen werden. Es ist fraglich, ob es dann wieder zur Anlage neuer Zähne kommt. Das Gebiss ist distichisch, auch das Abortivgebiss zeigt Distichie. Im Kiefergebiss bilden die grossen Zähne eine ältere labiale Reihe; die kleinen Zähnchen bilden einen lingualen, jüngeren Odontostichos. Im prämaxillären Gebisse fehlt der un- paare, mediane Zahn. Die Tiere besitzen denn auch keinen Ei- zahn, sondern eine Eischwiele. Die sogenannten Inzisivi des Zwischenkiefers entstehen wahrscheinlich aus der Verschmelzung zweier grosser und zweier kleiner Zähne. Im Gaumengebisse stehen die kleinen Zähne labial von den grösseren. Auch hier 385 Martin W. Woerdeman: wird eine Gebissfurche und ein Kieferkamm gebildet. Bei den Vomerzähnen hat Harrison gesehen, dass ihre labiale Wand zuerst resorbiert wird. Deutet das darauf hin, dass auch im Vomergebiss die Ersatzzähne labial von den älteren entstehen, ebenso wie im Gaumengebisse der Schlangen ? Was die Zahl der Zähne betrifft, so fand ich als Maximum im Oberkiefer elf grosse und sieben kleine Zähnchen in jeder Hälfte; im Gaumengebiss neun grosse und vier bis fünf kleine Zähnchen, im Unterkiefer schliesslich 13—14 grosse, während Harrison als Maximum der kleinen Zähnchen sieben angibt. C. Einige allgemeine Schlussfolgerungen. 1. Zahnanlage. Die verschiedenen Weisen von Resorption der Abortivzähnchen deuten darauf hin, dass es phylogenetisch verschieden alte Weisen von Zahnbildung gibt. Die ursprüng- lichste Weise ist wohl die Bildung eines Zähnchens in der Mund- schleimhaut, gleich wie die Plakoidschuppen der Haifische in der Haut entstehen (Gemmastadium, freies Papillenstadium). Die Zähnchen wurden wahrscheinlich unter Resorption im Schleim- hautepithel ausgestossen. Ein zweite Zahnbildungsweise ist die Bildung eines Epithelzapfens, mit dem die Bildung des Zähnchens beginnt. Man hat in der Bildung des Zapfens eine Einrichtung zu sehen, wodurch die Zähnchen bei ihrer Entstehung in eine geschützte Lage, gebracht werden. Die meisten Abortivzähnchen der Reptilien erreichen dieses Stadium, werden dann aber resor- biert und kommen nicht zur weiteren Ausbildung. Ein drittes Zahnbildungsstadium wird dargestellt durch die sogenannten operkularisierten Papillen. Es entstand, ebenfalls als Schutz- vorrichtung, eine Schleimhautfalte, welche das zahnkeimetragende Kieferepithel bedeckt und die sekundär mit dem Kieferepithel zur Zahnleiste verklebte. Als letztes Stadium schliesslich möchte ich den Zustand betrachten, wobei die an der Zahnleiste (d. h. unter dem Operkulum) gebildeten Papillen auch noch in die Tiefe sinken und sich Epithelzapfen bilden (von der Zahnleiste abgeschnürte Schmelzorgane). 2. Zahndurchbruch. Der Durchbruch der freien Papillen- zähne war. sehr einfach. Nachdem das Dentin und eventuell auch der Schmelz entstanden waren, wurde das die Zahnanlage bedeckende Epithel durchbrochen und trat das Zähnchen in Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 389 Funktion. Beim Zapfenstadium jedoch war der Zustand schon ein wenig komplizierter. Wir wissen, wie der Prozess hier ver- läuft, durch Untersuchungen bei Knochenfischen (Friedmann |14], Röse [28] u.a.). Der Epithelzapfen ist ein Zylinder, und die Zahnspitze bohrt sich durch diesen Zylinder hin, bis sie die Oberfläche erreicht. Sie durchbricht dann die Epithelschicht, ' welche sie bedeckt, und der Durchbruch ist vollendet. Nun kann man sich vorstellen, dass die Zähnchen, welche im Kieferepithel entstanden, durch das Operkulum bedeckt, ursprünglich freie Papillen waren und an Ort und Stelle ihrer Anlage zum Durch- bruch gelangten. Durch die Entwicklung des Operkulums war eine derartige Durchbruchsweise unmöglich, denn die Zähnchen würden unter dem Operkulum bleiben und niemals unter dieser Falte heraus zum Vorschein kommen. Bevor diese Zähnchen denn auch durchbrechen. müssen sie sich einen Weg bahnen nach dem freien Rande des Operkulums, und erst nachdem sie unter dem Operkulum heraus zum Vorschein gekommen sind, können sie das Epithel durchbrechen. Dem Durchbruch geht in diesem Falle also eine Verschiebung der Zahnanlagen voraus. Sind nun Operkulumepithel und Zahnepithelfeld miteinander verklebt, dann bleibt der Durchbruchsprozess dadurch unverändert. Nach ihrer Anlage verschieben sich die Zahnanlagen nach der Kieferoberfläche. Sie dringen dabei zwischen den beiden Zahnleistenlamellen vor; also sie verschieben sich zwischen Zahnepithelfeld und Operkulum, bis sie die Insertion der Zahnleiste erreicht haben, also bis sie den freien Rand des Operkulums erreicht haben. Dann kommt das Zähnchen zwischen den zwei Zahnleistenlamellen zum Durch- bruch, also zwischen Zahnepithelfeld und Operkulum. Denkt man sich also die Schleimhautfurche zwischen Zahnepithelfeld und Operkulum durch Zellen ausgefüllt, dann entsteht der Zustand, wie man ihn z. B. bei Haifischen antrifft. Der Zahndurchbruch bei diesen Tieren weist dann noch darauf hin, dass die Zähnchen erst zum Durchbruch gelangen konnten, nachdem sie durch Ver- schiebung den freien Rand des Operkulums erreicht hatten. Hai- fischähnliche Durchbruchsweisen sind bei Reptilien selten. Meistens schnürt sich nämlich die Zahnanlage von dem labialen Zahnleisten- blatt mehr oder weniger ab, d. h. es entsteht ein Epithelzapfen, wodurch die Zahnanlage noch mit dem labialen Zahnleistenblatt (Zahnepithelfeld) zusammenhängt. Aber bei manchen Reptilien- 390 Martin W. Woerdeman: embryonen findet man’ haifischähnliche Bilder (z. B. Ptychozoon, Anguis u.a.). Bei der Abschnürung der Zahnanlagen vom labialen Zahn- leistenblatt wird dieses Blatt mehr oder weniger ausgezogen, die ganze Anlage wird glockenförmig, und es entsteht ein „Schmelz- organ“. Dieses Schmelzorgan zeigt bei höher entwickelten Tieren die Tendenz, sich von der Zahnleiste ganz und gar freizumachen. Man findet denn auch sehr verschiedene Grade dieser Freimachung bei den verschiedenen Reptilien. Aber immer kann jedoch be- wiesen werden, dass beim Zahndurchbruch die Zähne wieder den alten Weg einschlagen und zwischen den zwei Zahnleistenblättern zum Durchbruch gelangen. Nur einmal, nämlich bei Iguana, sah ich eine abweichende Durchbruchsweise. Beim Krokodil schliess- lich macht sich die Zahnanlage ganz frei von der Zahnleiste, und muss beim Zahndurchbruch das Schmelzorgan durchbrochen werden. Merkwürdigerweise kommt auch bei dieser Durchbruchsweise die Zahnspitze wieder zwischen den zwei Zahnleistenblättern zum Vorschein, indem nämlich der Zahn in die Furche dringt, welche durch Auseinanderweichen der peripheren Abschnitte der Zahn- leistenlamellen entsteht. Man weiss, dass nur der freie Rand der Zahnleiste die Zahnmatrizes enthält, und man wird nun wohl einsehen, dass der übrige Teil dieser Leiste den Zähnen als Leit- bahn beim Zahndurchbruch dient. Das kann erklären, warum bei den meisten Reptilien die Zahnleiste auch bei erwachsenen Tieren noch vorkommt und nicht zurückgebildet wird. Aber wenn die Zahn- anlagen sich von der Zahnleiste freimachen, wie bei Crocodilus, da ist die Zahnleiste als Leitbahn nicht mehr nötig, und dann sieht man auch, dass sie der Rückbildung anheimfällt. Nur der periphere (Gebissfurche) und distale (Zahnmatrix) Abschnitt bleiben bestehen. Ebenso wie. bei den Haifischen aus der Zahnleiste durch Auseinanderweichen ihrer Blätter wieder eine Furche entstehen kann, so wird auch bei Reptilien der periphere Abschnitt der Zahnleiste zu einer Furche. Bei denjenigen Tieren, welche einen sehr trägen Zahnersatz besitzen, wo also die Zahnleiste nunmehr eine geringe Bedeutung besitzt, kann die Furche tiefer werden, indem ein grosser Zahnleistenabschnitt in die Furchenbildung übergeht (z. B. Agamidae)!). Die Zähne werden vor dem Ersatz '!) Auch beim Menschen hat Bolk (8) zeigen können, dass der peri- phere Abschnitt zu einer Furche umgestaltet wird (dentogingivale Leiste). Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 39] stark abgekaut, und eine scharfe Kante bleibt schliesslich auf den Kiefern übrig. Da sich die Furche vertieft hat, kommt dann dieser scharfe Kieferkamm frei zu Tage. 3. Zahnform. Die Zahnform wird durch das Schmelzorgan bestimmt, wie Röse (31) und von Brunn (9) schon behauptet haben. Namentlich bei der Entstehung besonderer Formen (tri- konodonter Zähnchen von Gecko, Kronenrelief der Krokodilzähne) konnte ich mich davon überzeugen. Was ist nun die primitive - Zahnform? Fast überall findet man den Kegelzahn als primitiven Typus erwähnt. Es fiel mir auf, dass bei vielen Reptilien die hintersten Zähne trikonodont waren, die vordersten kegelförmig. und dass die dazwischen gelegenen oft noch rudimentäre Neben- koni zeigten. Dazu kommt dann noch die Wahrnehmung, dass die noch nicht durchgebrochenen Zähne bei diesen Tieren oft trikonodont sind (Tupinambis, Calotes, Lacerta u. a.). Dadurch kommt man zu der Meinung, dass die trikonodonte Form wohl primitiver sein muss als die Kegelform, und dass die letztgenannte durch Reduktion der Nebenkoni aus einem trikonodonten Zahn entstanden sein mag. Koken (20) hat viele Zähne der fossilen Gattung Teju teguixim untersucht. Die Zähne junger Tiere waren trikonodont, namentlich die hinteren Zähne zeigten diese Form. Bei den vorderen Zähnen waren oft schon einige Koni rudimentär, und bei alten Tieren waren alle Zähne kegelförmig. Koken weist darauf hin, wie vorsichtig man sein soll beim Determinieren einzelner fossiler Zähne. Seine Untersuchung hat aber eine wichtigere Bedeutung. Sie weist auch darauf hin, dass die Kegelform der Reptilienzähne oft: durch Reduktion einer trikonodonten Form entstehen kann. Erinnere ich nun noch daran, dass ich bei Crocodilus oft trikonodonte Abortivzähne fand und bei jungen Tieren im hinteren Gebissabschnitt eine eigenartige rudimentäre trikonodonte Form, welche Owen als „mammilloid“ beschreibt, dann kann ich wohl nicht umhin, zu der Auffassung zu kommen, dass nicht die Kegelform, sondern die trikonodonte Zahnform die primitivste ist. Auch kann man in Abbildungen der Plakoidschuppenanlagen oft eine Trikonodontie wahrnehmen, so dass auch hierdurch die Annahme gestützt wird, dass die Trikonodontie den primitivsten Zustand darstellt. Ich komme dadurch in Einklang mit den Theorien meines Lehrers. Ist dem so, dann muss man wohl annehmen, dass die vorderen Zähne 392 Martin W. Woerdeman: des Gebisses die am meisten spezialisierten sind. Die trikono- donte Form entsteht meines Erachtens nicht durch Verwachsung von drei Kegelzähnen, denn niemals fand ich Rudimente eines solchen Verwachsungsprozesses. Dagegen konnte ich wohl nach- weisen, dass trikonodonte Zähnchen durch Differenzierungen im inneren Schmelzepithel entstehen können. Röse meint bei Cha- maeleo die Entstehung trikonodonter Zähne durch Verwachsung dreier Papillen gefunden zu haben (32). Leider konnte ich keine Embryonen dieses Tieres untersuchen; aber ich glaube, dass die Widerlegungen von Röse’s Behauptungen durch Burckhardt (10) und Bolk (4) entscheidend das Unhaltbare dieser Meinung zeigen. Noch muss ich darauf hinweisen, dass nach den Angaben Bolks (5) die Matrizes der Säugerzähne nicht mehr gesonderte (renerationen bilden, sondern einen Zahnkomplex, der durch un- vollständige Trennung der Generationen entstanden ist und in den meisten Fällen zwei Reptilienzähnen entspricht. Nun habe ich wohl oft eine unvollständige Trennung zweier aufeinander- folgender Generationen bei Reptilien gefunden, niemals aber die Entstehung eines komplizierten Zahnes. Alle Zähne sind (in. Bolks Terminologie) monomer. Ich muss unentschieden lassen, ob das Cingulum und die Wurzelspaltung der Theriodontierzähne auf eine Dimerie hinweist. Schliesslich erinnere ich daran, dass ich in Zuständen bei der Entwicklung des Kronenreliefs von Krokodilzähnen einen Bauplan erblicke, aus dem die Labyrinthodontie entstanden sein mag. 4. Schmelzpulpa. Die Schmelzpulpa von Crocodilus gleicht dem gleichnamigen Gewebe der Säugerzähne Bei anderen Reptilien besteht sie nur aus spindelförmigen, hellen Zellen. Was ist die Bedeutung dieses (rewebes? Meistens betrachtet man sie als Ernährungsmedium für die Ameloblasten, und damit steht auch wohl in Einklang, dass bei grossen, stark abgeschnürten Schmelz- organen mehr Schmelzpulpa vorkommt als bei kleinen Zahnanlagen. Merkwürdigerweise kommt aber auch bei den freien Papillenzähnen von Crocodilus die Bildung von Schmelzpulpa vor. Hier können für ihre Entwicklung keine Ernährungsgründe vorliegen. Sieht man nun, dass beim Vordringen der Zahnpapille zwischen den Zahnleistenblättern stets eine Vermehrung der interlaminären Zellen auftritt; dass weiter bei dem Durchbruch der Zähne des Krokodils eine Wucherung der Pulpazellen sich zeigt, so kommt uni nd n Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 393 der Gedanke auf, ob die Pulpazellen nicht auch eine Bedeutung für den Zahndurchbruch besitzen, indem sie durch ihren Zerfall der Zahnspitze einen Weg schaffen. Ich verzichte darauf, noch mehr über die so überaus in- teressanten Erscheinungen bei der Anlage und Entwicklung des (sebisses und der Zähne von Reptilien mitzuteilen. Es liegt wohl klar zu Tage, welche wichtige Klasse die Reptilien in Bezug der Zahnentwicklung darstellen und wie ungemein reich die Weisen sind, auf welche bei ihnen die Zahnanlagen ihr Ziel, Durchbruch und Funktion, erreichen. Ein weiteres Studium anderer Arten wird zweifelsohne lohnend sein. Im fünften (letzten) Beitrag werde ich nebenbei gemachte Wahrnehmungen über die Beziehungen der Munddrüsen zum Gebiss veröffentlichen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. I. 27 394 IV | 10. Martin W. Woerdeman: D. Literaturverzeichnis. . Ahrens: Die Entstehung des Schmelzstranges im Schmelzorgan von Schweineembryonen. Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Morph. und Phys., München 1913. Baur, G.: Das Gebiss von Sphenodon (Hatteria) usw. Anat. Anz,, Bd. XI., S. 436, 1896. . 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Die Mundhöhlendrüsen einiger Reptilien. .... . A RE PL SGToRBUlas'.. EEE N BR LBEN EEE RT RE 405 2. Varanus Chlorosuigma tu. Mr NE 405 3. Tupinambis, tegtixin' .U. 2. ..n.,.2.. a 4. Cnemidophorus wiegmanni. .. . .. zu ne... 406 5::Bphiops.elegansn.r.. 2 se TERN RI EIERN GAlacerta He ee ne rar EN. 2 ON PN 7." Tachydromus: tachydromoides....”, "au... oc rare 407 8. PBEUdopns' Apus \r „u ac Kann le ET PETE N N DEE 407 GLFERBOMAN TR RS EST RER Er ERLERNEN. ION Boprepessar.‘ . era De a ea ERS MS ARE 408 11’"Rhodonar "22.7. NE EN EB . 408 12: Mabouya 0... De a Te Nasen Tee NER A 408 134, Angus fra." ee. SEES HURES ER AD 14: Gyclodus 'Boddaeriian, a 3 0.0 ma u 5 EN RERR Re N. 15. Hemiphyllodactylus typus . . ...... ee +6 Hemidactyins Renee NE NS RE FERIEN PIETGECKaN. EM A IR Ren re u 409 18. Iguanasäpidissima. 0. Kers-in en Se et Dr ag 409 19. ‚Basilisens- au a I N EEE DEN ATETRBRSN N I SS NE PAR RN: 410 21-Draco,volans 2 we re el IS es ae ha NEE 410 22. Qalotes. Jubatus: 7.2... DE NN Be TE ER A ee . 410 23: Chamaeleo ar Am RR I REEL a RE TEN 247 "PEOLDNOPHIR EN US SS eh ES NEN RT, EL NEE 25::Amphisbaena: Darwin a2 a ei SO EN 26. "Hatteria: punctata. N ER Eee 3: 272: PElaB /bekusa ES RE EN a RE D; »Literaturverzeichnis 23 a et: EN TERN Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 397 A. Einleitung. Die Mundhöhle der Reptilien ist im allgemeinen sehr drüsen- reich. Zahlreich sind denn auch die Mitteilungen, welche sich auf diesen Munddrüsenapparat und namentlich auf den Giftdrüsen- apparat der Schlangen beziehen. Weil einerseits eine eingehende Bearbeitung des Drüsenkomplexes nicht meine Absicht war, andererseits in Oppels (6) Handbuch der mikroskopischen Ana- tomie ein ausführliches Referat über die bezügliche Literatur zu finden ist, sehe ich von einer eingehenden Literaturbesprechung ab. Man unterscheidet neben den drüsenartigen Schleimhaut- krypten der Mundhöble, welche bei einigen Reptilien sehr zahlreich sind und offenbar nicht in regelmässiger Anordnung vorkommen, auch gut umschriebene Drüsen. Obwohl die Fragen über die Homologien dieser Drüsen und der Mundhöhlendrüsen der Säuger noch nicht endgültig beantwortet sind, gibt man den Reptilien- drüsen Namen, welche vielleicht irrtümlicherweise zu der Annahme einer Homologie verführen könnten. So unterscheidet man z. B. Glandulae sublinguales, Gl. palatinae und Gl. labiales.. Bei der Untersuchung der Gebissentwicklung hat sich nun herausgestellt, dass die Gl. palatinae, Gl. labiales und die Giftdrüsen der Ophidier vielfach enge Beziehungen zum Gebisse zeigen. Diese letztgenannten Drüsen werde ich dann auch hauptsächlich hier beschreiben. B. Entwicklung. Literatur. Gegenbaur (3) hat schon darauf hingewiesen, dass die Lippendrüsen in ihrer Anordnung Beziehungen zu den Zähnen erkennen lassen, und Vogt und Yung haben bei Lacerta gesehen, dass mit jedem Zahn ein Drüsenausführungsgang korrespondiert, der in den Boden einer Schleimhautfalte mündet. Bolk (1) ist ausführlicher auf diese Beziehung in der ersten seiner Odontologischen Studien eingegangen. Er schreibt: „Es nehmen die Drüsen ontogenetisch Ausgang aus einer ins Kiefermesenchym eingesenkten ununterbrochenen Leiste, die nichts anderes ist als ein Teil der generellen Zahnleiste, wodurch die genetische Beziehung wenigstens zum. Gebiss im allgemeinen zum Ausdruck kommt. Weiter münden bei verschiedenen Formen diese Drüsen in die jeden Zahn umhüllende Scheide aus, wodurch ihre nähere Beziehung zum Zahn zum Ausdruck kommt, Bei solchen Formen gibt es ebensoviele Drüsen (sogenannte Lippendrüsen Ref.) als Zähne. Und auch bei jenen Formen, wo die Ausmündungsstelle der Drüsen mehr lateral gerückt ist, wird die Beziehung zum Zahnsystem noch dadurch bewiesen, dass die Zahl der Zähne noch jener der Drüsengänge gleich ist, so dass jeder Zahn einer Drüse entspricht.“ „Die Bezeichnung 398 Martin W. Woerdeman: der Drüsen als ‚Lippendrüsen‘ ist zu beanstanden.“ „Es wäre zu empfehlen, auf Grund ihrer Genese diese Organe als ‚Zahndrüsen‘ zu bezeichnen.“ Ferner gibt Bolk an, dass bei Iguana die Zahnscheide aus dem peripheren Abschnitte der Zahnleiste entsteht, und weil die Drüsenleiste von diesem Zahnleistenabschnitt ausgeht, ist es erklärlich, dass die Drüsen später in die Zahnscheide münden. Bei Laeerta-Embryonen dagegen geht die Drüsen- leiste direkt vom Mundepithel aus, und das Mundepithel ist zwischen Zahn- leiste und Drüsenleiste verdickt. Es macht den Eindruck, dass Zahnleiste und Drüsenleiste mit dem verdickten Epithel zusammen ein Ganzes bilden. Wahrscheinlich ist, nach Bolk, der periphere Zahnleistenabschnitt zum Mundepithel geworden. „Es gerät dadurch die Drüse, welche aus der peripheren Zone der Zahnleiste ihren Ursprung nahm, mit ihrer Ausmündungs- Zdhnleifte Drüfen Leifte Fig.1, a, b, d. Schemata für die Beziehungen zwischen Zahnleiste und Zahndrüse. stelle an die Oberfläche, mündet nicht; mehr in die Zahnscheide, sondern bukkal von ihr aus.“ Dass man jedoch von „Zahndrüsen“ sprechen kann, geht daraus hervor, dass die Zahl der Drüsen jener der Zähne entspricht. Ungeachtet der räumlichen Sonderung von Zahnanlagen und Drüsenanlagen verraten dieselben also immer noch ihre ursprünglichen Beziehungen zueinander. Bei einigen Reptilien, z. B. Calotes, spaltet sich die Drüsenanlage, so dass die Ausführungsgänge in den beiden Kiefern sowohl in die Zahnscheide als auf der Oberfläche ausmünden. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 399 Schliesslich macht Bolk darauf aufmerksam, dass der Zustand bei Iguana zu vergleichen ist mit Haarscheide und Haarbalgdrüse und als Aus- gangsform betrachtet werden darf, wodurch die Beziehung zwischen Drüse und Zahn bei den Giftschlangen möglich geworden ist. * Eigene Wahrnehmungen. Bei der mikroskopischen Unter- suchung der in den vorigen Beiträgen genannten Embryonen und er- wachsenen Tiere habe ich auch stets besonders auf die Munddrüsen geachtet und kann im allgemeinen Bolks Beschreibungen bestätigen. Unterkiefer. Im Unterkiefer befanden sich die Drüsen, welche Beziehungen zum Zahnsystem hatten und welche ich mit Bolk . „Zahndrüsen“ nennen werde, stets labial von der Zahnleiste. In vielen Fällen nahmen sie ihren Ursprung aus einer un- - unterbrochenen Leiste, welche an der Inser- tionsstelle der Zahn- leiste an das Kiefer- epithel aus diesem oder aus der Zahnleiste ent- springt. Vielfach war es nicht deutlich, ob die „Drüsenleiste“ aus der Zahnleiste oder aus dem Mundepithel ent- springt (s. Schemaa der Abb. 1). Besser kann man daher sagen, dass Zahn- und Drüsenleiste von derselben Stelle des Fig.1, ce und e. Schemata für die Beziehungen Mundepithels ausgehen. zwischen Zahnleiste und Zahndrüse. Diese Drüsenleiste bil- det nun von Abstand zu Abstand eine kleine Drüse. Dabei kann diese Drüse mit einer Zahnfamilie in demselben frontalen Niveau liegen, oder sie liegt gerade zwischen zwei Zahnfamilien. Brechen nun die Zähne durch (Schema b und c der Abb. 1), dann kommt der Ausführungs- gang der Drüse, welche mit der Zahnfamilie im selben frontalen Zahnfcheide A 400 Martin W. Woerdeman: Niveau lag, in enge Beziehung zur .Zahnscheide. Er mündet in die Zahnscheide aus, oder auf dem Rande derselben, und zu jeder Scheide gehört eine Drüse. Die Drüsen jedoch, welche zwischen zwei Zahnfamilien entstanden, münden später nicht in die Zahn- scheiden, sondern zwischen diesen in die Rinne, welche aus dem peripheren Zahnleistenabschnitt entsteht, oder (wenn diese fehlt) an die Oberfläche. ? Es kommt aber auch ein anderer Zustand vör (Abb. 1, d und e). Man sieht dann, dass die Drüsenleiste labial von der Zahnleiste vom Mundepithel ausgeht, und dass sich zwischen Zahn- und Drüsenleiste ein verdickter Epithelabschnitt befindet. Bei der Anlage der Drüsen kann nun wieder dieselbe Erscheinung auftreten wie im vorigen Falle. Auch hier können sie nämlich im selben Niveau wie die Zahnanlagen oder zwischen den Zahn- anlagen entstehen. Bricht nun der Zahn durch (Abb. 1, e), dann münden diese Drüsen an der Kieferoberfläche, labial neben den Zahnscheiden, oder zwischen diesen. Oft entsteht dabei aus der Drüsenleiste eine Schleimhautrinne, ebenso wie aus der Zahnleiste eine Zahnfurche entstehen kann. In diese Rinne münden dann die Zahndrüsen. Man findet aber auch im Unter- kiefer Drüsen, welche nicht aus einer ununterbrochenen Leiste ihren Ursprung nehmen, sondern aus Epithelzapfen, welche in ihrer Anordnung keine Beziehungen zum Zahnsystem auf- weisen. So muss man meines Erachtens bei den sogenannten unteren Lippendrüsen der Reptilien zwei Drüsenarten scharf unterscheiden. Die eine Art entsteht nicht aus einer ununterbrochenen Leiste und zeigt keine Beziehungen zum Gebiss. Obwohl es, wie Bolk betont, fraglich ist, ob die sogenannten Lippen der Reptilien den Säugerlippen homolog sind, will ich für diese Drüsenart den Namen Gl. labiales beibehalten, Die zweite Art, aus einer ununterbrochenen Leiste entstanden, Beziehungen zum Gebiss zeigend, werde ich in den folgenden Seiten mit dem Bolkschen Namen „Zahndrüsen“ (Gl. dentales) belegen. Darunter unter- scheide ich dann Gl. dentovaginales, d. h. Drüsen, welche in die Zahnscheiden ausmünden. Oft kommen bei einem Tier die verschiedenen Drüsenarten nebeneinander vor. Man findet dann in der Literatur angegeben, dass diese Tiere wohlentwickelte Lippendrüsen besitzen, aber bei Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 401 genauer. Untersuchung kann man die gesamte Drüsenmasse stets deutlich in zwei Komplexe verteilen, nämlich in Lippendrüsen (labial-oben) und Zahndrüsen (lingual-unten). Auch histologisch ist dann die Trennung oft leicht auszuführen, da beide Drüsen nicht selten ein verschiedenes mikroskopisches Bild zeigen. Die Glandulae dentovaginales können auf verschiedene Höhe in die Zahnscheiden ausmünden. Ihr Verhalten ist abhängig von der Durchbruchsweise, welche, wie ich im vorigen Beitrage auseinander- setzte, die Zusammensetzung der Scheidenwand in hohem Maße beeinflusst. Bei einigen Tieren wird fast die ganze Scheide durch das Schmelzorgan des Zahnes, in anderen Fällen fast ausschliesslich durch den peripheren Zahnleistenabschnitt ge- bildet. Da die Drüsenleiste nicht mit den Schmelzorganen, wohl aber mit dem peripheren Zahnleistenabschnitt zusammenhängt, wird die Drüse auch in diesen Fällen auf verschiedene Weise ausmünden können: Oberkiefer. Im Oberkiefer findet man auch wieder Gl. labiales, Gl. dentales und Gl. dentovaginales, welche zusammen in der Literatur als obere Lippendrüsen bekannt sind. Aber da findet man auch lingual von der Zahnleiste Drüsen, welche Be- ziehungen zum Gebiss aufweisen. Lingual von der Kieferzahn- leiste fand ich aber niemals eine Drüsenleiste. Aber beim Krokodil entstehen aus der lingualen Zahnleistenlamelle kleine Epithel- zapfen. Diese Epithelzapfen korrespondieren stets gerade mit einer Zahnfamilie. Aus jedem Zapfen entsteht eine kleine Drüse, und aus dem Zahnleistenabschnitt, woraus die Zapfen ihren Ur- sprung nehmen, entstehen Schleimhautgruben je zwischen zwei Zähnen. So kommen dann beim erwachsenen Tiere medial von der oberen Zahnleiste kleine Drüsen vor, welche zwischen den Zähnen in kleine Schleimhautgruben ausmünden. Diese Drüsen sind in der Literatur bekannt als „Gl. palatinae“. Da sie aber aus der Zahnleiste entstehen, da ihre Zahl mit der Zahl der Zähne übereinstimmt, und weil sie später immer zwischen zwei Zähnen ausmünden, zögere ich nicht, auch diese Drüsen zu den echten Zahndrüsen zu rechnen, obwohl sie nicht aus einer ununterbrochenen Drüsenleiste entstehen. Ich kann an dieser Stelle nicht auf diese merkwürdigen Drüsen ausführlicher ein- gehen, sondern verweise auf eine schon erschienene Mitteilung über die Gaumendrüsen der Krokodile (8). 402 Martin W. Woerdeman: Gaumen. Bei den Tieren, welche ein Gaumengebiss besitzen, kommen aber auch noch Drüsen vor, welche Beziehungen zum (raumengebiss aufweisen. Sie entstehen dann aus einer ünunter- brochenen Drüsenleiste, welche lingual von der Gaumenzahnleiste aus dem Mundepithel entspringt. Ich mache darauf aufmerksam. dass die Drüsenleiste des Gaumengebisses lingual, die Drüsen- leiste der Kiefergebisse jedoch labial von der Zahnleiste liegt. Aus der Drüsenleiste des Gaumengebisses können auch wieder Gl. dentales und Gl. dentovaginales entstehen. Auch diese Drüsen sind als Gaumendrüsen bekannt, aber ich möchte diesen Namen nur für diejenigen Drüsen beibehalten, welche aus Epithelzapfen am Gaumen entspringen, ohne jede Beziehung zum Zahnsystem. Ich unterscheide also: slandulae labiales inferior a RE AR ee | die Gl. labiales inferiores . E dentales inferiores N N | der Literatur. = dentovaginales inferiores j A labiales superiores 12 & ERS n dentales maxillares labiales a: l.labiales IDEEN 2 dentovaginales maxillares. | der as Tau, ! die Gl. palatinae der e ill lingua 5 dentales maxillares linguales | Krokuiile. - ) E a Balatırtae | die Gl. palatinae der x dentovaginales palatinae / a Z palatinae - Ich glaube, dass diese Einteilung das Verhalten der Drüsen zum Gebiss deutlich wiedergibt und dass man durch diese Ein- . teilung instand gesetzt wird, der Homologie der Drüsen bei ver- schiedenen Reptilien nachzugehen. Einen Beitrag zu dieser Forschung werde ich unten geben. Erst muss aber noch erwähnt werden, wie nach meiner Meinung die Beziehung der Drüsen zum (Grebiss entstanden sein kann. In der Abb. 2 sieht man vier Schnitte durch die Unterkiefer- zahnleiste von Uyclodus. Bei a sieht man von der Insertions- stelle der Zahnleiste die Drüsenleiste entspringen. Diese letzt- genannte Leiste ist lang und besteht aus einem kurzen dickeren Abschnitte, der eigentlichen Zahndrüsenleiste, und einem langen dünnen Teil, der Anlage eines Drüsenausführungsganges. Bei b Fntwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 403 sieht man die Drüsenleiste, welche scheinbar ein wenig bukkal- wärts verschoben ist. Bei ce ist diese Verschiebung noch deut- licher, und besteht zwischen Zahnleiste und Drüsenleiste ein Ab- schnitt des Kieferepithels, das hier aber merkwürdigerweise eine Zahnanlage trägt. Diese Erscheinung habe ich hinten im Gebiss bei anderen Tieren auch gefunden, und sie wird uns die Be- ziehungen zwischen Gebiss und Zahndrüsen erklären. Bei d schliesslich bilden (im hintersten Abschnitt des Gebisses) Zahn- leiste und Drüsenleiste zusammen ein halbmondförmiges Gebilde, das den Zusammenhang mit dem Mundepithel verloren hat. Auch Kieferepithel / Drüfenleifte Zahnieitte Drüfenleifte N Zahnleilte c „ Drüfenleifte d Fig.2. Vier frontale Schnitte durch die Unterkieferzahnleiste eines Cyelodus Boddaerti. 100:1. A. (C. 16.1. 9.), B. (C. 16. I. 3.), C. (C. 17. II. 7.) und D. (C. 17. T. 4.). dergleichen Bilder sah ich oft; sie ‚stimmen mit dem Verhalten der Zahnleiste und Nebenleiste (Bolk) der Säugetiere überein ıs. Bolk’s Odont, Stud. I, pag. 63). Im ersten Beitrage habe ich darauf hingewiesen, dass hinten im Kiefer die Operkularisation des Zahnepithelfeldes noch nicht so weit fortgeschritten ist, und dass daher da Zahnanlagen an der Oberfläche vorkommen können, während sie vorn im 404 Martin W. Woerdeman: Gebisse schon an .der: Zahnleiste gebildet werden. Man kann Abb. 2 c also durch die Annahme einer noch unvollständigen ÖOperkularisation des Zahnepithelfeldes erklären. In Abb.2 a ist diese Operkularisation vollständig, in Abb. 2 b dagegen noch nicht. Nun kann man meines Erachtens den Zustand von Abb. 1 d auch ungezwungen erklären. Man hat nur anzunehmen, dass neben dem bukkalen Rande des Zahnepithelfeldes die Drüsenleiste vom Mundepithel ihren Ausgang nimmt. Wird das Zahnepithel- feld vollständig operkularisiert, dann entsteht der in Abb. 1a abgebildete Zustand bei der Anlage der Drüsenleiste. Aber kommt es dagegen nicht zur völligen Operkularisation, oder ist diese im Laufe der phylogenetischen Entwicklung rückgängig geworden, dann entsteht der Zustand von Abb. 1 d. Das verdickte Epithel zwischen Zahnleiste und Drüsenleiste ist dann der nicht oper- kularisierte Abschnitt des Zahnepithelfeldes. In dem Falle von Abb. 1 a kann aus der Zahnleiste die sogenannte Zahnfurche entstehen, aber im Falle von Abb. 1 d liefert die Zahnleiste auch einen Teil des Kieferepithels.. Diese Erscheinung hat Bolk bei Säugetieren schon beobachtet (2) (sogenannte dentogingivale Leiste). Gleich wie die Lippenfurche der Säugetiere aus einer Epithelleiste entsteht, kann eine Drüsenfurche aus der Drüsenleiste entstehen, und man kann deshalb ruhig annehmen, dass im Unter- und Öberkiefer ursprünglich bukkal neben dem noch nicht operkularisierten Zahnepithelfelde eine Drüsen- furche vorkam, worin die Zahndrüsen ausmündeten. Beim Gaumenepithelfelde dagegen lag die Furche lingual neben dem Felde, und das Feld wurde von bukkal nach lingual operkulari- siert, während es in den Kiefern in linguobukkaler Richtung ge- schieht. Kommen nun bei einem Tiere sowohl Gl. dentovaginales wie Gl. dentales vor, dann muss man sich vorstellen, dass zwei Reihen von Drüsenanlagen vorkamen, deren eine bei der Oper- kularisation des Zahnepithelfeldes operkularisiert ist, und die zweite nicht. Wie hat man nun die Lippendrüsen und die Gaumendrüsen aufzufassen’ Sind sie ursprüglich Zahndrüsen gewesen, oder sind sie Munddrüsen, welche nicht mit dem Gebiss in Verbindung getreten sind, während die Zahndrüsen ursprünglich auch nicht mit dem Gebisse zusammenhingen, aber sekundär wohl Beziehungen ae Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 405 zum Gebiss bekamen? Die regelmässige Anordnung der Zahn- drüsen macht es meines Erachtens wahrscheinlich, dass ebenso wie zu jeder Haarmatrix eine Talgdrüse gehört, auch zu jeder Zahnmatrix eine Drüsenanlage gehörte. Auch in dieser Hinsicht stimmen beide Epidermisprodukte (Haar und Zahn) wieder überein. Die regelmässige Anordnung der Zähne auf dem Zahnepithelfeld ist eine Eigenschaft aller Epidermisprodukte (Haare, Schuppen usw.), und die regelmässige Anordnung der Drüsen ist die direkte Folge da- von. Ich halte also die Beziehung der Zahndrüsen zum Gebiss für eine primitive und das Verhalten der sogenannten Lippen- und Gaumen- drüsen für ein modifiziertes. Sie haben die Beziehung zum Gebiss verloren. Hängt diese Erscheinung vielleicht mit der Reduktion einiger Zahnmatrixreihen zusammen? (S. Beitrag II, S. 216 ff). Ursprünglich mündete also die Zahndrüse in die Zahnscheide oder auf ihren Rand. (Die Haarbalgdrüse mündet in die Haar- scheide.) Nachdem ein Zahn ausgefallen war, bildete sein Nach- folger eine neue Scheide an derselben Stelle, und die Zahndrüse mündete nun in die neue Scheide. Die Zahndrüse gehörte also zu der Matrix; nicht jeder Zahn, sondern jede Zahnfamilie hatte eine Zahndrüse. ' Ein weiter entwickelter Zustand entstand durch die Anlage einer Drüsenfurche. — Das Resultat dieser Überlegungen ist also, dass nach meiner Meinung ursprünglich neben den Zalın- matrixreihen Reihen von Drüsenanlagen vorkamen. Von einer oder von zwei dieser Reihen treten die Drüsen in Verbindung zum Gebiss ; die übrigen haben diese Verbindung verloren. Schliess- lich sei noch erwähnt, dass die Gaumendrüsen der Krokodile als Drüsen des Zahnfeldoperkulums aufgefasst werden müssen. Für mehr Besonderheiten verweise ich auf meine Mitteilung über diese Drüsen (8). C. Die Mundhöhlendrüsen verschiedener Reptilienarten.') 1. Crocodilus. Es kommen nur die Gl. dentales maxillares linguales vor. 2. Varanus chlorostigma. Im Munddache fand ich vorn eine Drüsen- masse im Nasenseptum; lingual von der Oberkieferzahnleiste befindet sich eine grosse Zahl kleiner, einfacher, alveolärer Schleimdrüsen, welche. keine ') In Beitrag IV findet man Abbildungen, welche auch das Verhalten einiger Munddrüsen wiedergeben. | 406 Martin W. Woerdeman: Beziehung zum Gebiss zeigten. Im Mundboden fand ich links ebenso wie rechts eine kompakte Gl. sublingualis. Lateral von der Unterkieferzahnleiste besteht eine wohlentwickelte Drüsenmasse, welche deutlich aus zwei Drüsen- komplexen besteht. Die labial-oben liegende Drüse mündet mit zahlreichen Aus- führungsgängen auf der Kieferoberfläche; der lingual-untere Teil mündet Kaochen Zahnfcheide ‚Zahn 1 . D leifter 7, En .. EA \\ A 2 Kieferknochen, Fig. 3. A. Frontaler Schnitt durch den Unterkiefer von Önemidophorus. B. Frontaler Schnitt durch den Unterkiefer von Tachydromus (A.5.1.7.). 65:1. C. Frontaler Schnitt durch die Unterkiefer- zahnleiste von Anguis fragilis (A.2.1V.6.). 250:1. Linqual Zahnleifte mit wenigen Ausführungsgängen . auf dem labialen Rande der Zahn- scheiden. Weiter ist der Mund- boden an kleinen alveolären Schleimdrüsen reich. 3. Tupinambis teguixin. Im Munddache sah ich keine Drüsen. Labial von der Unterkieferzahn- leiste kommen wieder kompakte Drüsenmassen vor. Diese Drüsen münden auf dem labialen Rande der Zahnscheiden. Nur ein kleiner labial-obenliegender Abschnitt der Drüsenmasse mündet auf. der Kieferoberfläche. Kleine, zerstreut liegende alveoläre Schleimdrüsen und wohlentwickelte Gl. sublingu- ales kommen auch bei Tupi- nambis vor. 4 Caemidophorus. Wiegmanni stimmt mit Tupinambis überein. Sehr deutlich mündet die lingual- untere Drüse stets auf dem Rande einer Zahnscheide aus. Einen typischen Eindruck der Drüsen bei diesem Tiere gibt Abb. 3a Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 407 5. Ophiops elegans. Im Munddache fehlen Drüsen. Im Mundboden fand ich Gl. sublinguales und einige Drüsen, welche labial von der Unter- kieferleiste auf der Kieferoberfläche ohne Beziehung zum Gebiss münden. 6. Lacerta. Gegenbaur (3) erwähnt eine „Entfaltung von Drüsen, welche den Kiefern folgt, in deren Schleimhaut sie sich zu Einzelorganen ausbildeten, welche, wie es scheint, in ihrer Anordnung Beziehungen zu den Zähnen erkennen- lassen. Von diesen Gl. labiales‘ fehlen die superiores manchen Lacertiliern, während die inferiores konstanter sind.“ Nach Oppel (6) sind diese Drüsen ein Komplex von kleinen Drüsen, welche in eine feine Furche an der Innenseite der Lippe ausmünden. Vogt und Yung teilen mit, dass mit jedem Zahn ein Ausführungsgang korrespondiert. Weiter sollen bei Lacertiliern Drüsen im Gaumen (Ranvier) und Gl. sublinguales vorkommen. Deutlich fand ich bei Lacerta die Anlage der sogenannten Unterlippendrüsen aus einer selbständig aus dem Kieferepithel entspringenden Leiste, welche durch ein stark verdicktes Mundepithel von: der Zahnleiste getrennt war (Schema 1d). Aus der Drüsenleiste entsteht stets im Gebiet einer Zahnfamilie eine Drüse. Diese Drüsen münden später stets auf der ' Schleimhautoberfläche labialneben den Zahnscheiden. In horizontalen Schnitten durch den Unterkiefer kann man sich leicht davon überzeugen, dass neben jeder Zahnscheide ein Ausführungsgang gefunden wird (s. Abb. 56 aus Bolks Odontol. Stud. I. Ausser diesen Gl. dental. infer. fand ich im Mundboden Gl. sublinguales und einige Schleimhautkrypten von drüsigem Aussehen. Im Munddache fehlten Drüsen. 7. Tachydromus tachydromoides. In Oppels Handbuch fand‘ ich über. die Munddrüsen von Tachydromus und Pseudopus keine besonderen Angaben. Im Munddache fand ich keine Drüsen. Im Mundboden kommen Gl. sublinguales vor und einige drüsenartige Schleimhautkrypten unter der Zunge, Lateral von der Unterkieferzahnleiste liegt eine Reihe kleiner Drüsen, welche stets gerade auf dem labialen Rand der Zahnscheide münden. Für jede Scheide besteht eine Drüse mit nur einem Ausführungsgang. 8. Pseudopus apus. Von diesem Tiere habe ich nur den Unterkiefer untersuchen können. Es kommen hier labial von der Zahnleiste Drüsen vor, welche regelmässig mit kleinen Ausführungsgängen auf dem Zahnscheiden- rand ausmünden. Sie besitzen aber auch einige kleine Ausführungsgänge, die auf der. Oberfläche münden. 9. Lygosoma. Reichel hat bei diesem Tiere in „einer von dem weit nach innen ragenden Gaumenfortsatz des Kiefers aus vorspringenden Schleim- hautfalte“ zahlreiche Räume gefunden, mit Epithel bekleidet, welche mit einer grossen Zahl von Ausführungsgängen in die Mundhöhle münden. Er betrachtet sie als einen Teil der lateralen Gaumendrüsen. Diese eigen- artigen Drüsenräume habe ich auch gefunden. Übrigens konnte ich im Munddache keine Drüsen finden. Im Mundboden kommen Gl. sublinguales vor, welche hier aus zahlreichen mit kubischem Epithel bekleideten Räumen bestehen und mit einer grossen Zahl von Ausführungsgängen ausmünden. Labial von der Unterkieferzahnleiste kommen schöne Zahndrüsen vor, welche auf der Schleimhautoberfläche, stets gerade neben den Zahnscheiden, 408 Martin W. Woerdeman: münden, so dass die Zahl der Ausführungsgänge mit der Zahl der Scheiden übereinstimmt. 10. Euprepes sebae. Im Munddache fand ich nur Schleimhautkrypten von drüsigem Aussehen lingual von der Zahnleiste. Im Mundboden befinden sich bukkal von der Zahnleiste wohlentwickelte Drüsen, welche neben den Zahnscheiden auf der Schleimhautoberfläche ausmünden. Auch münden einige Drüsen zwischen den Zahnscheiden aus. Auch Gl. sublinguales kommen vor. 11. Rhodona fragilis. Es kommen vor: Gl. sublinguales, Gl. dentales inferiores und drüsige Schleimhautkrypten lingual von der Oberkieferzahnleiste. 12. Mabouya. Von diesem Tiere konnte ich kein erwachsenes Exemplar untersuchen. Bei Embryonen fand ich die Anlagen von Gaumendrüsen, Gl. sublinguales und Gl. dentales inferiores. Bei einem neugeborenen Tiere . mündeten diese letztgenannten Drüsen auf der Schleimhautoberfläche stets labial neben den Zahnscheiden. Mit jeder Scheide korrespondiert ein Gang. Lingual von Ober- und Unterkieferzahnleiste kommen glanduläre Schleimhaut- krypten vor. ; 13. Anguis fragilis. In der Literatur findet man erwähnt: eine paarige Gl. sublingualis, keine Oberlippendrüsen, dagegen stark entwickelte Unter- 3 lippendrüsen. Nach Leydig liegt unter der Schleimhaut, welche die Ossa vomeris bekleidet, auch eine Drüse, während Reichel eine unpaare mediane Gaumendrüse beschrieben hat. Ich sah die Entwicklung der Gl. dentales inferiores aus einer Drüsen- leiste, welche von der Zahnleiste durch ein stark verdicktes Epithel getrennt war. Hinten im Gebisse bilden die Anlagen von Zahnleiste und Drüsenleiste ein halbmondförmiges Gebilde, das scheinbar mit seiner Konvexität am Mund- epithel hängt (s. Abb.3 c). Aus der Drüsenleiste entsteht. im Gebiete je einer Zahnfamilie eine Drüse. Beim erwachsenen Tiere findet man dann labial von der Unterkieferzahnleiste eine Drüsenmasse, welche mit zahlreichen kleinen Ausführungsgängen neben den Zahnscheiden ausmündet. Mit jeder Scheide korrespondiert ein Ausführungsgang. Die Drüsenmasse besteht also aus ebenso vielen Drüsen wie es Zähne gibt. Sie sind alveolotubulöse Schleim- drüsen. Weiter fand ich in der Choanenfalte einfache acinöse Schleimhaut- krypten, auch lingual von der Oberkieferzahnleiste. Schliesslich Kommen Gl. sublinguales vor. 14. Cyclodus Boddaerti. Nur Embryonen konnte ich untersuchen. Aus Abb. 2 kann man sehen, dass im Unterkiefer eine stark ent- wickelte Drüsenleiste besteht. Diese bildet mehr Drüsenanlagen, als es Zähne gibt. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Zahn- und Drüsenleiste vorn zusammen, hinten im Gebiss dagegen getrennt aus dem Mundepithel ent- springen. Im Oberkiefer findet man labial von der Zahnleiste auch eine Drüsenleiste Die Zahnleiste besteht aus einem sehr dicken peripheren Teil ‘und einem längeren, dünnen Abschnitt, der nach lingual umbiegt. Auf der Grenze der zwei Abschnitte findet man, was Levy (5) das „Zahnleistenknie* nennt. Von diesem Knie geht die Drüsenleiste aus, welche nach labial um- biegt. Die Zahnleiste und Drüsenleiste scheinen also von einer gemeinschaft- lichen dicken Leiste auszugehen. Auf Grund von ähnlichen Beobachtungen Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 409 bei anderen Tieren muss man annehmen, dass die dicke Leiste später zu einer Schleimhautfurche wird. Von dieser Furche geht dann die dünne Zahnleiste aus, und in die Furche brechen die Zähne durch. Aus der Drüsenleiste entstehen von Abstand zu Abstand Drüsen, und diese münden dann später in dieselbe Furche. Die gemeinsame Leiste kann deshalb mit Bolks dentogingivaler Leiste der Säugetiere (2) verglichen werden. Ausser den Anlagen von Unterkiefer- und Oberkieferzahndrüsen fand ich noch die Anlagen kleiner tubulöser Drüsen, welche ohne Beziehung zum Gebiss aus dem Kieferepithel entstehen (wahrscheinlich Gl. labialesı. Die Gl. sublinguales entstehen nicht aus einheitlichen Anlagen, sondern aus zahl- reichen aus dem Mundbodenepithel entspringenden Epithelzapfen. 15. Hemiphyllodactylus typus.. Im Mundboden kommen Drüsen vor, labial von der Zahnleiste, welche sehr unregelmässig auf der Schleimhaut- oberfläche münden. Eine paarige Gl. sublingualis wurde gefunden. Labial von der Oberkieferleiste kommen keine, lingual dagegen, wohl Drüsen vor. Diese letzteren haben keine Beziehung zum Gebiss. Weiter traf ich im Munddach eine Drüsenmasse, die sich bis in das Nasenseptum fortsetzte. 16. Hemidactylus marginatus, Nach Oppel fehlen bei diesem Tiere und bei Gecko die Oberlippendrüsen. Auch ich fand sie nicht; dagegen wurden schwach entwickelte Gl. dentales inferiores angetroffen, welche gerade labial neben den Zahnscheiden ausmünden. Die Zahl der Ausführungsgänge korrespondiert mit der Zahl der Zähne. Die Gl. sublinguales bestehen aus grossen Räumen, die mit zahlreichen Ausführungsgängen ausmünden. Im Munddache kommen lingual von der Zahnleiste Drüsenräume mit kubischer Epithelbekleidung vor. Sie haben zahlreiche Ausführungsgänge, welche keine Beziehung zum Gebiss verraten. In der Choanenfalte kommen drüsige Schleimhautkrypten vor. 17. Gecko. Wiedersheim beschreibt eine paarige Gl. sublingualis. Die ganze Mundschleimhaut besitzt kleine, einfach alveoläre Schleimdrüsen. Lateral von der Unterkieferzahnleiste findet man bei Embryonen eine Drüsen- leiste. Zwischen beiden Leisten liegt ein verdicktes Mundepithel. Mit jeder Zahnfamilie korrespondiert die Anlage einer Drüse. Einige Drüsenanlagen entstehen jedoch zwischen den Zahnfamilien. (Weist das vielleicht darauf hin, dass früher die Zahl der Zähne grösser gewesen ist?) Diese’ Zahn- drüsen münden später neben den Zahnscheiden auf der Schleimhautoberfläche. Zahndrüsen im Munddache fehlen. Wohl kommen kleine Drüsen in der Choanenfalte und im Nasenseptum vor. 18. Iguana sapidissima besitzt labial von der Unterkieferzahnleiste gut entwickelte Drüsen. Diese münden zum Teil in die Scheiden, zum Teil auf der labialen Wand der Zahnscheiden und zum Teil auf der Schleimhaut- oberfläche. Dabei war keine bestimmte Regelmässigkeit zu entdecken. Im Mundboden kommen weiter Gl. sublinguales und zahlreiche Schleimdrüsen vor. Im Munddache trifft man kleine, einfach alveoläre Drüsen lingual von der Zahnleiste, einige Drüsen im Nasenseptum und weiter labial von der Zahnleiste deutliche Gl. dentovaginales (s. Abb, 54 aus Bolks Odont. Stud. I). Sie münden in die labiale Wand der Zahnscheiden, in jede Scheide ein Ausführungsgang. Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt.1. 28 410 Martin W. Woerdeman: 19. Basiliscus hat labial von der Unterkieferzahnleiste Zahndrüsen, welche auf der Schleimhautoberfläche neben den Zähnen ausmünden. Die Zahl der Ausführungsgänge stimmt mit der Zahl der Zähne überein. Weiter kommen im Mundboden zahlreiche Schleimacini vor. Im Munddache wurden keine Zahndrüsen gefunden. Labial neben den Zahnscheiden verläuft eine Schleimhautfurche, welche einer Drüsenfurche sehr ähnlich ist. 20. Agama. Im Mundboden besitzt Agama Gl. sublinguales und GI. dentales, welche in die Zahnfurche ausmünden (Agama besitzt keine besonderen Zahnscheiden). Die Zahndrüsen münden in die Zahnfurche, stets gegenüber einem Zahn. Im Munddache findet man sowohl lateral wie lingual von der Zahnleiste Drüsen, welche unregelmässig in die Zahnfurche ausmünden. 21. Draco volans. Im Mundboden kommen Gl. sublinguales vor. Es besteht eine Zahnfurche. Labial von der Zahnfurche verläuft eine Drüsen- furche. Zwischen beiden Furchen befindet sich eine Schleimhautfalte. Es bestehen Drüsen, welche in den Boden der Zahnfurche münden, solche, welche auf dem Rand dieser Furche ihre Ausmündungsstelle besitzen und schliess- lich solche, welche in die Drüsenfurche auslaufen. Dabei ist keine regel- mässige Beziehung zum Gebiss zu konstatieren. Im Munddache besitzt Draco Drüsen, welche mit zahlreichen Ausführungsgängen sehr unregelmässig in die Zahnfurche, auf deren Rand oder auf der Schleimhautoberfläche aus- münden. Man findet sie labial und lingual von der Zahnleiste. Ich glaube, dass die lingual von der Zahnleiste liegenden Drüsen von Oppel als Gl. palatinae laterales bezeichnet werden. Sie liegen nach ihm in einer vom Gaumenfortsatz aus sich stark nach innen zu vorwölbenden Schleimhautfalte. Die „Lippendrüsen“ sind nach Oppel den Lippendrüsen von Chamaeleo ähnlich, was ich nicht bestätigen kann (s. Chamaeleo). Wohl bin ich mit Oppel einverstanden, dass Draco keine mediane Gaumen- drüsen besitzt. : 22. Calotes jubatus. Die Munddrüsen verhalten sich wie bei Draco. 23. Chamaeleo. Labial von der Oberkieferzahnleiste sah ich eine Drüsenmasse, die deutlich aus zwei Teilen besteht. Der medial untere Teil mündet in die Zahnfurche, die lateral-obere Drüsenmasse dagegen auf der Schleimhautoberfläche. Lingual von der Zahnleiste befindet sich eine grosse . Zahl einfacher alveolärer Schleimdrüsen, aber ich fand auch eine kompakte Drüsenmasse unter der Gaumenschleimhaut, gegen die mediale Fläche des Öberkiefers hin. Auch eine mediane Gaumendrüse wurde gefunden. Das ist also eine Bestätigung der Angaben vonOppel, der bei den Chamaeleoniden paarige Lippendrüsen, paarige laterale Gaumendrüsen und eine unpaarige mediane Gaumendrüse erwähnt. Er beschreibt die lateralen Gaumendrüsen als Komplexe kleiner Drüsen mit zahlreichen Ausführungsgängen. Die hinteren sind acinös. Diese Beschreibung trifft zu. 24. Trogonophis Wiegmanni. Im Unterkiefer und Oberkiefer trifft man labial von der Zahnleiste Drüsen an, welche stets gerade neben einem Zahnrudiment in die Zahnfurche münden, 25. Amphisbaena Darwin. Nach Oppel besitzt dieses Tier keine Gaumendrüsen, aber wohl Lippendrüsen, welche aus kleinen Drüsen bestehen, Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 411 von denen jede einen eigenen Ausführungsgang besitzt. Ich fand eine paarige Gl. sublingualis und Zahndrüsen sowohl im Munddache wie im Mund- boden. Im Boden besteht die lateral von der Zahnleiste liegende Drüsen- masse aus zwei Abschnitten. Der labial-obere Teil mündet zwischen den Zähnen in die Zahnfurche, der medial-untere Teil mündet auch in diese Furche, aber stets gegenüber den Zähnen. Im Munddache verhalten sie sich ebenso. 26. Hatteria punctata. Obwohl ich Hatteria nicht mikroskopisch unter- suchen konnte, habe ich doch aus Harrisons (4) Abbildungen und Be- schreibung genug ersehen, um über die Munddrüsen dieses interessanten Tieres etwas mitteilen zu können. Die Anlagen dieser Drüsen in der Form von Epithelzapfen oder Epithelleisten hat Harrison gesehen. Er spricht über „epithelial ingrowths“. Die Bedeutung der „ingrowths“ war ihm aber nicht stets klar, und dadurch kam er auch zu falschen Erklärungen. . Im Gaumen beschreibt Harrison einen „labial ingrowth“ und einen „lingual ingrowth“. In seiner Abb. 5 sind sie deutlich sichtbar. Zusammen bilden sie in den Schnitten eine halbmondförmige Epithelmasse, gleich wie die Zahn- leiste und Drüsenleiste bei anderen Reptilien. Wir haben denn auch zweifels- ohne in Abb. 5 die Gaumenzahnleiste und die dazu gehörige Zahndrüsen- leiste vor uns. Ich habe schon im vorigen Beitrage deutlich gemacht, dass bei Hatteria ebenso wie bei den Schlangen die Zähne an der lingualen Lamelle der Gaumenzahnleiste entstehen. Harrison dagegen hat diese Erscheinung nicht beobachtet. Er kommt dadurch zu einer Auffassung, die meines Erachtens nicht richtig ist. Ich betrachte den „labial ingrowth‘“ als Gaumenzahnleiste: den lingualen als Drüsenleiste. Die Drüsenleiste des Gaumengebisses liegt also lingual von der Zahnleiste.e Nun beschreibt Harrison wohl, dass der „labial ingrowth“ fast stets unabhängig von den Schmelzorganen sei, aber diese Erscheinung ist leicht zu deuten. Die Drüsen- leiste entspringt scheinbar oft von den Schmelzorganen, gleich wie bei der Anlage der Gaumendrüsen von Crocodilus, und dadurch macht es den Ein- druck, dass sie in innigerer Beziehung zum Gebisse stehe, als der „labial ingrowth“ (die Zahnleiste). Im Unter- und Oberkiefer konnte Harrison nach der Anlage der „ingrowths“ Zahnleiste und „ingrowths“ nur schwer oder gar nicht mehr unterscheiden. Er schreibt z. B.: „As a matter of fact, each of these mandi- bular teeth has a well-marked epidermal ingrowth on its lingual side, but the interpretation of this structure as a residual dental lamina is hardly justifiable, since at a later stage a similar ingrowth is found opposite each tooth in the upper jaw, with the position and appearance of a dental lamina, though the result of its further development is mainly a glandular groove.“ Man kann in beiden Kiefern zwei Epithelleisten erkennen, eine linguale und eine labiale Zweifelsohne ist die linguale die Zahnleiste, die labiale die Drüsenleiste. Diese letztere geht zwischen den Zähnen vom Mundepithel aus, im Gebiete der Zähne dagegen von der labialen Fläche der Schmelz- organe. Dies deutet darauf hin, dass später Gl. dentovaginales vorkommen werden. Aus der Drüsenleiste entsteht eine Drüsenfurche, welche Harrison 28* 412 Martin W. Woerdeman: „labial dental groove“ nennt. Dagegen beschreibt Harrison auch eine „internal dental groove“. Diese Furche ist die zur Zahnfurche umgebildete Zahnleiste, entsteht also. aus dem lingualen „ingrowth‘. Der Zahnleisten- rest geht dann auch von dem Boden der „internal groove“ aus. Auf Grund des Obenstehenden kann gesagt werden: Im Unter- und Oberkiefer von Hatteria kommen labial von der Zahnleiste Drüsenleisten vor. Aus diesen Leisten entstehen Zahnfurchen und Drüsen, welche zum Teil in die Zahnfurche oder auf deren Rand, oder in die Drüsenfurche münden. Auch lingual von den Zähnen entstehen kleine Drüsen, nicht aus einer Leiste, sondern direkt aus der Schleimhaut. Sie können später auch in die Zahnfurche münden. Weiter ist in Harrisons Abb.5 im Unterkiefer auch deutlich die Anlage einer echten Gl. labialis sichtbar. Wahrscheinlich kommen beim erwachsenen Tiere Gl. labiales neben den Gl. dentales vor. Im Gaumen kommt beim erwachsenen Tiere eine Zahnfurche vor, in deren lingualer Wand echte Gl. dentales münden. 27. Pelias berus. Bei der Ringelnatter fand ich im Oberkiefer auch wieder labial von der Zahnleiste eine Drüsenleiste. Diese Leiste war hier besonders stark entwickelt. Es stellte sich heraus, dass die Giftdrüse aus dieser Drüsenleiste entsteht und dass die Leiste, welche nur kurz ist, zum Ausführungsgang wird. Schliesslich entsteht ein Zustand, der mit dem Zustande der dentovaginalen Drüsen zu vergleichen ist. Ausführliche Unter- suchungen habe ich nicht angestellt, es genügte mir festzustellen, dass die Anlage der Giftdrüse sich nicht von jener der echten Zahndrüsen unter- scheidet. Die Giftdrüse ist also als eine modifizierte Zahndrüse auf- zufassen. Bolk (1) hat diese Vermutung schon geäussert. Ausführlicher berichtet über die Anlage der Giftdrüse die Arbeit vonSchmüdderich (”). Ausser den Giftdrüsen kommen auch echte Zahndrüsen vor. Auf die komplizierten Verhältnisse bei den Schlangen soll hier nicht näher ein- gegangen werden. Meine Untersuchungen haben also gelehrt: 1. Dass manche Mundhöhlendrüsen durch ihre Entwicklung in enger Beziehung zum Zahnsystem stehen und die Beziehung auch später beibehalten, 2. dass bei verschiedenen Tieren Drüsen, welche sehr ver- schiedene genetische Bedeutung haben,. mit demselben Namen belegt sind, 3. dass das Studium der Verhältnisse zwischen Mundhöhlen- drüsen und Gebiss vieles dazu beitragen kann, zu einer richtigen Homologisierung der Drüsen bei verschiedenen Tieren zu gelangen, 4. dass die Entstehung des Kiefer- und Gaumenreliefs: (Operkularisation, Zahnfurche, Drüsenfurche, Beitrag des Zahn- leistenepithels an der Kieferbildung) in enger Peoehung zu der Entwicklung des Gebisses steht. Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. 413 D. Literaturverzeichnis. . Bolk, L. Odontologische Studien I. Jena, G. Fischer, 1913. . Derselbe. Über die Gaumenentwicklung und die Bedeutung der oberen Zahnleiste beim Menschen. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop., Bd. XIV, H. 2, S. 241—304, 1911. . Gegenbaur, C.: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Leipzig 1901. . Harrison, H.S.: The development and succession of teeth in Hatteria punctata. Quarterl. Journ. Microsc., Sc., Vol. 44, S. 161—214, 1901. . Levy, H.: Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Zähne bei den Reptilien. Inaug. Dissert. Leipzig 1897 (auch in Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1898). . Oppel, A.: Lehrb. d. vergl. mikrosk. Anatomie d. Wirbeltiere. III. Teil (Mundhöhle usw. von A. Oppel 1900), S. 521. Drüsen der Mundhöhle bei Reptilien. 1 7. Schmüdderich, J.: Beiträge zur Kenntnis der Zahnentwicklung bei der Kreuzotter. Inaug. Dissert., Münster i. Westfalen, (Morphol Arb. aus dem anatom. Institut d. Univ. Münster) 1913. . Woerdeman, M., W.: Über die Gaumendrüsen der Krokodile. Anat. Anz., Bd. 53, Nr. 14, 1920. 414 Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe in der Hirnhaut der Knochenfische. Von Prof, Dr. W. J. Schmidt in Bonn (Zool. Inst.). Hierzu Tafel XV. In den histologischen Übungen für Anfänger, die früher unter Leitung von Prof. Dr. Walter Voigt am Zoologischen Institut in Bonn abgehalten wurden, diente regelmässig als Objekt für die Demonstration frischer Fettzellen das lockere Gewebe, welches sich in der Schädelhöhle mancher Knochenfische über dem Gehirn gelagert findet. Schon vor Jahren, als ich in diesem Kurs assistierte, war mir aufgefallen, dass manche Fische äusserst wenig Fett aufweisen, und als ich einen solchen „unbrauchbaren“ genauer prüfte, sah ich statt der erwarteten, leicht isolierbaren, kugeligen dünnhäutigen Blasen mit wandständigem Kern und grossem eingeschlossenem Fettropfen reich verästelte, mächtige Zellen, die in eine gallertige Masse eingebettet waren. Kürzlich hatte ich Gelegenheit, bei einer Anzahl jüngerer Exemplare von Scardinius erythrophthalmusL. (Rotfeder) diese alte Beob- achtung zu wiederholen und zu erweitern. Jie betreffenden Tiere zeigten nämlich einen spärlichen Fettgehalt des in Rede stehenden Gewebes, indem nach Entfernung der Schädeldecke gar keine oder nur sehr wenige und kleine Fettropfen bemerkbar waren, und als ich ein Stückchen dieses Gewebes unter das Mikroskop brachte, erwies sich, dass die fettführenden Zellen reich verästelt und in weitem Abstand von einander in einer glasklaren Gallerte eingelagert waren. Im Zusammenhang mit der oben genannten Tatsache, dass gelegentlich solche verästelten Zellen ohne Fett mit sülziger Zwischenmasse vorkommen, lag der Schluss nahe, bier finde eine Umwandlung von Schleimgewebe in Fett- gewebe statt, deren Endergebnis der gewöhnliche Zustand dicht gelagerter kugeliger Fettzellen sein müsse. Als ich in der Literatur Nachschau hielt, ob dieses interessante Verhalten schon bekannt und wie es gedeutet sei, stiess ich auf die Arbeit von M. Sagemehl: „Beiträge zur vergl. Anatomie Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 415 der Fische. II Einige Bemerkungen über die Gehirnhäute der Knochenfische“,!) in welchem dargelegt wird, dass bei den Fischen nur zwei Gehirnhäute vorhanden seien, eine mit dem Gehirn innig verbundene „Ggefässhaut“ (= Pia + Arachnoidea) und die nach aussen davon gelegene und von jener ersten durch den einzigen pericerebralen Lymphraum (homolog dem Subduralraum der höheren Wirbeltiere) getrennte „Dura“. In der letzten, sehr voluminiös entwickelten Hülle liegt nach Sagemehl das uns interessierende Fettgewebe, nach aussen (gegen die Schädel- decke) und nach innen (gegen den Subduralraum) durch eine fester gefügte Gewebsmasse begrenzt. Bei Barbus und Perca schildert Sagemehl (a. a. O)) die Fettzellen gleich den bekannten Elementen bei den Säugern. Aber er bemerkt auch, dass sie durch eine weiche und zerfliessende, vereinzelte Kerne aufweisende Zwischenmasse verbunden seien, die jede Spur von Bindgewebsfasern vermissen lasse. Und so kommt er zum Schluss: „Wenn wir einen Versuch machen, dieses eigentümliche Gewebe in eine der bekannten, von den Histiologen üunterschiedenen Kategorien zu stellen, so ist es höchst wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem Schleim- gewebe zu tun haben, dessen Zellen zum grössten Teil mit Fett erfüllt sind, während ein kleiner Rest derselben mit der Inter- zellularsubstanz die zerfliessende Bindegewebsmasse zwischen den Fettzellen abgibt. Es ist somit ein Gewebe, welches zum Schleimgewebe in demselben Verhältnis steht, wie das Fett- gewebe der höheren Wirbeltiere zum gewöhnlichen Bindegewebe“ (a. a. 0. S. 464). Das von Nerven und Gefässen reich versorgte Fettgewebe kommt nach Sagemehlallen Knochenganoiden und der über- wiegenden Mehrzahl der Knochenfische zu; beiden Selachiern, Knorpelganoiden und niedriger stehenden Familien der Knochenfische (Gadiden, Siluroiden, Hecht) findet sich statt seiner typisches Schleimgewebe. So folgert denn der Autor weiter: „Da nun nach der Art der Verbreitung dieser beiden Gewebsformen in der Reihe der Fische kein Zweifel bestehen kann, dass die Formen, deren äussere Hirnhaut aus Schleimgewebe besteht, die primitiveren sind, von denen sich die anderen ableiten lassen, so wird der von mir durch die histiologische Untersuchung 9) Morph. Jahrb., Band IX, 1884, 8. 457, Tafel XXI. 416 WI. Schmidt: des intrakranialen Fettgewebes der Uyprinoiden gewonnene Schluss, dass dieses Gewebe als ein höher differenziertes Schleimgewebe aufzufassen sei, durch die Vergleichung mit niedriger organisierten Formen vollständig bestätigt“. (a. a. O. S. 466). Und in einer An- merkung weist Sagemehl daraufhin, dassdasorbitaleGewebe in dieser Beziehung mit dem interduralen völlig übereinstimme; wo das letzte als Fettgewebe auftritt, hat auch das orbitale Gewebe diesen Charakter, während es die Beschaffenheit von Schleimgewebe besitzt, wo das interdurale Gewebe aus solchem besteht. Sagemehls auf die Vergleichung höherer und niederer Fische gegründeter Schluss, dass sich hier eine Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe vollzogen habe, fanddurch@.Sterzi!) dieontogenetischeBestätigung. Sterzi(a.a.0.S.1148f.) kommt zwar zu einer anderen Auffassung der Meningen bei den Fischen als sein Vorgänger: das Rückenmark sei nur von einer einzigen Hülle umgeben, die sich nach aussen, gegen den Wirbelkanal hin, als „Endorhachis“, nach innen gegen das Rückenmark als „Meninx primitiva“, differenziere, während der mittlere Teil zum „perimeningealen Gewebe“ werde. und ein kontinuierlicher Lymphraum zwischen Endorhachis und Meninx nicht bestehe (S. 1164 a.a. 0). Das erwähnte peri- meningeale Gewebe sei bei den Cyclostomen einem blasigen Bindegewebe ähnlich, bei den Elasmobranchiern und Ganoiden stelle es ein Schleimgewebe dar, bei den Teleostiern Fettgewebe und bei den Dipnoern lockeres Bindegewebe ; so durchlaufe es alle Stadien, welche die Entwicklung des Bindegewebes charakterisierten (S. 1149.) Das Auftreten von Fettgewebe bei den Teleostiern im Gegensatz zu den Elasmobranchiern und Ganoiden hebt Sterzi(a.a.O.S. 1147) als eine bemerkenswerte Weiterentwicklung hervor, weil es genetisch und morphologisch höher stehe als das Schleimgewebe. Bei Embryonen von Scorpaena konnte Sterzi(a.a.0.S.1147) die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe in der Öntogenie unmittelbar verfolgen: „dopo avvenuta la divisionetra endorhachide etmeninge comminciano a deporsi goccie di adipe nelle cellule muccose, che separano queste due membrane“. 9) Ricerche intorna all’ anatomia comparata ed all’ ontogenesi delle meningi e considerazioni sulla filogenesi in: Atti del reale istituto Veneto. t. XL Parte seconda. p. 1101. tom X—XIV anno academico 1900/1901. Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe ete. 417 Wenn somit gemäss vorstehenden Literaturangaben meine eingangs mitgeteilten Beobachtungen zwar auch an anderen Formen schon früber von anderer Seite gemacht und in gleichem Sinne gedeutet waren, so schien mir doch eine etwas ausführlichere Darstellung derselben nicht überflüssig. Denn einmal sind sie bisher mehr vom Standpunkt des vergleichenden Anatomen als des Histologen gewürdigt worden und an Stellen niedergelegt, an denen sie wohl nicht so weiten, für die Gewebelehre im allgemeinen interessierten Kreisen vor Augen kommen, als es die Eigenart des Gegenstandes beanspruchen kann. Dann aber ist der Um- wandlungsvorgang selbst ja nur in den drei obenstehenden Zeilen von Sterzi ganz dürftig geschildert und nicht durch Abbildungen belegt worden. Und schliesslich ist die Herkunft der Fettzellen im allgemeinen noch weiterer Klärung bedürftig, so dass ein Hinweis auf ein leicht zugängliches Objekt, an denen die nun im einzelnen zu besprechenden Vorgänge in grösster Deutlichkeit sich vollziehen, vielleicht manchem erwünscht ist. Zur Untersuchungsmethode sei folgendes bemerkt. Ein so stark wasserhaltiges Gewebe wie das Schleimgewebe ver- trägt jegliches Einbettungsverfahren schlecht, weil Schrumpfuug der Gallerte und damit auch Veränderungen an den Zellen ein- treten. Diesen Weg einzuschlagen erübrigte sich um so mehr, als die Zellen im lebendfrischen Zustand deutlich zu er- kennen und bis in ihre feinsten Verästelungen gut verfolgbar sind. Allerdings ist das frische Gewebe auch sehr leicht verletz- lich, und daher benutzte ich hauptsächlich das folgende Verfahren, welches Bilder von ausserordentlicher Schönheit gibt. Durch einen flachen Schnitt auf der Dorsalseite des Kopfes wurde die Schädelhöhle geöffnet, dann mit der Spitze eines Skalpells eine kleine Menge des nun freigelegten lockeren Gewebes möglichst schonend entnommen und auf einen Objektträger gebracht. Nach kurzer orientierender Betrachtung unter dem Mikroskop (ohne Deckglas) wurde der ÖObjektträger mit der Gewebsmasse nach unten hin einige Minuten dicht über eine geöffnete Flasche mit 2° Osmiumsäurelösung gehalten und so in der bekannten Weise geräuchert. Dann fügte ich zu dem Präparat etwas Wasser und einen Tropfen der genannten Osmiumsäurelösung und legte unter leichtem Druck ein Deckglas auf, das umrahmt wurde. Die schon während der Räucherung begonnene Osmierung der 418 W.J. Schmidt: Fettropfen vervollständigte sich dann im Verlauf einiger Tage, und zugleich bräunte sich das Zellplasma, und die Kerne traten deutlich hervor, während die Gallerte kaum eine Veränderung ihrer glasartigen Durchsiehtigkeit aufwies. So liessen sich. denn an solchen Totalpräparaten Ausläufer und Anastomosen der Zellen, Kernverhältnisse und Fetteinlagerungen mit Leichtigkeit untersuchen, während Schnittpräparate bei der unvermeidlichen Zerstückelung der grossen Elemente, abgesehen von den vorher genannten Nachteilen, viel weniger übersichtliche Bilder geboten hätten. Von einem Fisch in der Grösse, wie ich sie meist ver- wandte (15 cm Länge), konnten zwei derartige Totalpräparate angefertigt werden, Da bei einer solchen Herstellung mit einer sehr langen Haltbarkeit der Präparate nicht zu rechnen ist, fixierte ich in einigen Fällen kleine Portionen der aus der Schädelhöhle herausgenommenen (Gewebsmasse mit Sublimat, brachte sie in Alkohol, liess sie darauf durch leichtes Eintrocknen am Objekt- träger haften und färbte sie dann mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain. Diese Präparate zeigten, in Balsam eingeschlossen, meist nur kleine: brauchbare Stellen. Der Erhaltungszustand der Zellen war befriedigend, wenn auch nicht vergleichbar mit dem- jenigen in den OÖsmiumpräparaten;; wo Fett gelegen hatte, erschienen nun natürlich im Plasma entsprechend grosse Vakuolen. Zu ‘Zeichnungen habe ich diese Sublimatpräparate nicht benutzt. Wie schon Sagemehl für Barbus hervorgehoben hat, wird auch bei Scardinius das Gallert- oder Fettgewebe von Blutgefässen gut versorgt, die ‚sich zu einem Kapillarnetz auflösen, und ebenso wie dort findet sich hier ein zartes, aber reich entwickeltes Nervengeflecht. Dieser Bildungen sowie der schwarzen und gelben Pigmentzellen (die sich vor- nehmlich in der äusseren Lage, der Endorhachis, halten) und der zahlreichen Wanderzellen, die in der Gallerte vorkommen, sei nur kurz gedacht, um dem Leser eine Vorstellung von dem Gesamtaussehen der uns beschäftigenden Gewebsmasse zu geben. Im Folgenden werden wir uns nur mehr mit den fixen Zellen, ihren Einschlüssen und der sie umgebenden Interzellularsubstanz abgeben. Die gallertige Grundmasse ist im lebendfrischen Zustand glasklar, sehr wasserreich, fast zerfliessend. An den Ösmiumsäurepräparaten treten in ihr unter starken Objektiven Uber die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 419 ganz zarte faserige Differenzierungen hervor, die stellenweise netzartig verwoben sind; doch fehlen eigentliche gut konturierte . Bindegewebsfasern. Die* Menge dieser Gallerte war bei der Mehrzahl der von mir untersuchten Tiere im Vergleich zu den Zellen ganz erheblich, so dass selbst dann, wenn die Fettropfen in den Zellen beträchtliche Grösse aufwiesen, die einzelnen Elemente immer noch durch weite Räume voneinander getrennt erschienen; gerade auf diesem Umstand beruhte nicht zuletzt die Übersicht- lichkeit der Bilder. Erst wenn der endgültige Zustand des Fett- gewebes erreicht ist und die zartwandigen, fetterfüllten Blasen solchen Umfang gewonnen haben, dass sie mit unbewaffnetem Auge leicht einzeln kenntlich sind, beschränkt sich die Zwischen- substanz auf die kleinen zwischen den kugeligen Zellen gelegenen zwickelartigen Räume. Die Gallerte entspricht somit in ihrem Aussehen, :ihrer Konsistenz, Struktur und Lage zu den Zellen ganz dem Zustande der auch sonst für ein Schleimgewebe typischen Grundmasse, sei es bei Wirbeltieren oder auch bei Wirbellosen, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass nach ihrer Be- schaffenheit das Gewebe als ein Schleim- oder Gallertgewebe anzusprechen ist. Das Gleiche gilt von den Zellen, wenn wir uns zunächst an solche Exemplare halten, die geringen Fettgehalt aufweisen. Sie sind von ganz erstaunlicher Grösse und treten daher schon unter schwachen Objektiven klar hervor. Die gelben und schwarzen Pigmentzellen, die im Vergleich zu den übrigen, bei Knochen- fischen bekanntlich im allgemeinen kleinen histologischen Elementen wie Riesen erscheinen, nehmen sich neben den Zellen des Schleim- gewebes wie Zwerge aus: man berücksichtige, dass die Mehrzahl der Objekte auf Taf. XV (insbesondere Fig. 1, 2,7, 8) bei nur 250facher Vergrösserung wiedergegeben ist. Ich maß Zellen, die mit ihren Ausläufern im grössten Durchmesser 440 u auf- wiesen und so nach den Neuronen und Eizellen wohl die grössten histolologischen Elemente des Fischkörpers darstellen. (Die Grösse der obengenannten Wanderzellen beträgt 5—”7 «, der Erythro- cyten 12 «, der Melanophoren in der Hirnhaut im expandierten Zustand rund 100 «.) Die Zellen sind reich verästelt (Fig. 1, 2,8, Taf. XV), und zwar gehen in der Regel von dem verhältnismässig kleinen mittleren, kernhaltigen Zellteil nur wenige, allmählich sich ver- 420 W. J. Schmidt: jüngende Ausläufer ab, die sich aber weiterhin mehrfach gabeln und schliesslich-fein zugespitzt endigen. Die Fortsätze verlaufen vom zentralen Zellteil aus nach allen’ Richtungen des Raumes. _ Dort, wo ein Ausläufer sich verästelt oder einen Seitenzweig trägt, spannt sich das Plasma in der Gabelung schwimmhautartig verdünnt aus (vgl. Fig. 2, 7, 8, Taf. XV). Hierdurch erscheinen die Ausläufer streckenweise abgeflacht, und solche Zustände leiten über zu den blattartigen, dünnhäutigen Formen, welche die Äste öfter, sei es in ganzer Ausdehnung, sei es als membranartige Verbreiterung der letzten Endzweige, darbieten können (Fig. 4, Taf. XV). An völlig ungeschädigten Zellen sind die Fortsätze immer glatt konturiert, entweder geradlinig und dadurch von eigentümlich starrem Aussehen (Fig. 2) oder auch in rundlichem Bogen geschwungen ; Elemente, deren Ausläufer unregelmässige Krümmungen oder welligen Verlauf zeigen, sind durch die Prä- paration verletzt, was dann häufig auch in dem stumpfen Ab- schluss der Endzweige zum Ausdruck kommt (Fig. 9, Taf. XV). Das Plasma der Zellen bietet seiner Struktur nach nichts bemerkens- wertes — von den Einschlüssen soll erst unten gesprochen werden. Im mittleren Teil der Zelle findet der Kern seinen Platz. Von rundlichem oder länglichem Umriss, später bei der An- sammlung des Fettes oft durch dieses deformiert (s. u.), ist er entsprechend den Dimensionen des Zelleibes recht gross, meist durchschnittlich 25-40 «. Nach Behandlung mit Osmiumsäure treten ein oder zwei Nukleolen deutlich in ihm hervor, während sein übriger Inhalt feinkörnige Beschaffenheit annimmt. Sublimat- Eisenhämatoxylinpräparate lassen erkennen, dass das Chromatin gewöhnlich in feinen Partikelchen gleichmässig zu einem eng- maschigen Netz angeordnet ist. Gar nicht selten sind zwei- kernige Zellen, und selbst ‚solche mit drei Kernen habe ich beobachtet; derartige Feststellungen sind für Fettgewebe auch schon von anderen Autoren gemacht worden (vgl. z.B. Flem- ming)'!). Die beiden Kerne liegen gewöhnlich nahe beisammen (Fig. 5 und 6, Taf. XV), können aber auch grösseren Abstand voneinander einhalten, etwa wie in Fig. 7 (Taf. XV), bei welcher der mittlere Zellteil stabförmig gestreckt ist und nahe seinen ') Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. VII, 1871, 8. 32, Taf. VI-VII). Über Bildung und Rückbildung der Fettzelle im 1 Bindegewebe und Bemerkungen über die Struktur des letzteren. Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 421 Enden die beiden Kerne enthält; jenseits dieser beginnt alsdann die Verästelung des Zelleibes. Zustände gleich dem zuletzt besprochenen leiten über zur Anastomose der Zellen. Denkt man sich nämlich den zwischen den beiden Kernen der Figur 7 (Taf. XV) gelegenen Zellabschnitt verlängert, so kommt man zu Verhältnissen, wie in Figur 4 dar- gestellt: zwei Zellen stehen mit einander in breitem plas- matischen Zusammenhang. Ein grosser Teil, vielleicht alle in der Gallerte befindlichen Zellen hängen durch Anastomose einiger ihrer Ausläufer zusammen; eine bald grössere, bald kleinere Anzahl der Ausläufer endigt aber frei in der vorhin’ geschilderten Weise. In der Regel sind die verbindenden Ausläufer benachbarter Zellen von geringem Kaliber (Fig 3, Taf. XV); aber mit Rücksicht auf die erst geschilderten breiten Zusammenhänge und die Viel- kernigkeit wird man wohl kaum der Deutung zuneigen, die Zellen seien zunächst isoliert und schickten sich dann miteinander verschmelzende Ausläufer entgegen, sondern es liegt näher, die Anastomosen als Verbindungsstücke zu betrachten, die bei un- vollkommen durchgeführten Zelleibteilungen übrig geblieben sind. Die gegenseitigen Beziehungen der Zellen weichen also insofern von einem vielfach benutzten Schema — und auch oft realisierten Verhältnissen — ab, das das Schleimgewebe als ein plasmatisches _ Netz darstellt, in dessen Knotenpunkten die Kerne, in dessen Maschen die Interzellularsubstanz liegen, als immer ein Teil der Ausläufer jeder Zelle frei in die Gallerte ausstrahlt. Dieses Ver- halten lässt sich bei der Grösse der Zellen mit Sicherheit erweisen. Die Zellen, wie sie eben geschildert wurden, sind nun durch alle Übergangsstufen mit typischen Fettzellen verbunden. Elemente, die ganz frei von Fetteinlagerungen waren, habe ich überhaupt nur selten beobachtet. Vielmehr fanden sich fast stets kleine, stark lichtbrechende, durch Osmiumsäure schwärzbare Tröpfehen in grösserer Anzahl im Plasma zerstreut. Sie halten sich überwiegend im mittleren, kernhaltigen Teil der Zellen und dringen von hier aus mehr oder minder weit in die Ausläufer vor (Fig. 2, 3,4, 7,8 Taf. XV). Bei vielen Zellen erscheint aber ausser diesen feinsten Fetteinlagerungen eingrössererTropfen von sehr verschiedenen Dimensionen. (Fig. 1—7 Taf. XV). Solange er ein gewisses Maß nicht überschreitet, bleibt seine Anwesenheit ohne jeden merklichen Einfluss auf die Zellform. Fast immer 422 W.J. Schmidt: liegt.er im mittleren Teil der Zelle,,in der Nähe des Kernes, ihn zum Teil verdeckend (Fig. 1 und 2 Taf. XV.) Sind zwei Kerne vorhanden, so befindet sich der Fettropfen oft zwischen beiden (Fig. 5—7, Taf. XV). Doch darf man aus dieser Lagebeziehung zwischen Kern und Fettropfen keineswegs schliessen wollen, dass etwa vom Kern ausgehende chemische Einflüsse dafür maßgebend sind, dass etwa der Kern an der „Fettsynthese“ beteiligt sei. Denn nicht nur findet man gelegentlich (Fig. 8, Taf. XV) den Fett- tropfen fern vom Kern in einem Ausläufer gelegen, sondern das Auftreten der erst erwähnten . kleinen Fettröpfchen weist ja deutlich darauf hin, dass sie überall im Plasma zur Ausscheidung kommen können. Vielmehr möchte ich in der Lagebeziehung zwischen Kern und Fettropfen nur den Einfluss physikalischer Momente erblicken: beiderlei Gebilde halten die plasmareichste Partie des Zelleibs ein oder suchen sie auf;' denn lägen sie etwa in einem Ausläufer, so würden sie dessen Oberfläche vorwölben und so lokale Spannungen im Plasma erzeugen; bei deren Aus- gleich müssten sie nach Stellen geringeren Widerstandes, d. h. nach plasmareicheren Zellteilen, verlagert werden oder solche Plasma- massen an sich heranziehen. Se Die Entstehung des grossen Fettropfens erfolgt anscheinend . durch Zusammenfliessen einer Gruppe nahe beieinander gelegener kleiner Tröpfehen, von der Art, wie sie durch das Plasma im ganzen zerstreut vorkommen. Wenigstens konnte ich in einigen Fällen solche Einschlüsse beobachten, die in einem rundlichen vakuolenartigen Raum dicht zusammengedrängt waren (Fig. 4, Taf. XV). In ähnlicher Weise dürfte sich auch das Weiterwachsen des grossen Tropfens vollziehen, der ständig die in seiner nächsten Umgebung befindlichen kleinen in sich aufnimmt. Wenn der Fettropfen so immer mehr und mehr an Umfang gewinnt, tritt eine Veränderung zunächst des mittleren Zellteiles ein: er schwillt an und seine ursprünglich in kon- kaven Bogen verlaufenden Umrisse glätten sich aus, ja werden schliesslich konvex, indem der Fettropfen seine Kugelgestalt dem Zelleib aufzwingt (Fig. 9, Taf. XV). Dabei erscheint er an- fangs noch allseits von einer ziemlich dicken Plasmahülle um- geben, die vor allem reichlich dort ist, wo Kerne sich befinden. Von diesen Stellen geht nunmehr auch die Hauptmasse der Fort- sätze aus; die Kerne werden gewissermassen in die Ausläufer Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 423 hineingedrängt. Diese Raumbeschränkung führt auch zu einer Formänderung der Kerne: ihre dem Fettropfen zugekehrte Seite ist abgeplattet oder gar entsprechend seiner Wölbung aus- gehöhlt. Das tritt besonders schön an den Sublimatpräparaten hervor, in denen der den Überblick hindernde Fettropfen gelöst ist und daher die räumliche Gestaltung der Kerne leichter erfasst werden kann: sie liegen oft wie zwei Kalotten der Vakuole dicht an und halten sich in der Regel an entgegengesetzten Seiten des Fettropfens. Mit dem weiteren Wachstum des Fettropfens verdünnt sich der ihn umhüllende Plasmaüberzug immer mehr und wenn er schliesslich nicht mehr ausreichte, den Fettropfen zu überkleiden, wird das Plasma der Ausläufer dem gleichen Zweck dienstbar gemacht, d. h. die Fortsätze verkürzen sich nach und nach und ver- schwinden schliesslich ganz (Fig. 10 und 11, Taf. XV), Am längsten erhalten sich die Ausläufer an den Stellen der Kerne als kurze, spärlich verästelte Fortsätze, die bald in die dünnen Endzweige übergehen (Fig. 10, Taf. XV). Sind die Ausläufer ganz eingezogen und ist damit auch die Anastomose benachbarter Zellen aufgehoben, dann ist die Form der typischen Fettzelle erreicht (Fig. 11 und 12, Taf. XV): eine mächtige Fettkugel wird allseits von einem dünnen Plasma- mantel umgeben, in dem plattgedrückt und dem Fettropfen dicht angeschmiegt der Kern oder auch mehrere liegen. Die Fettzellen haben auf diesem Stadium einen Durchmesser von 200— 300 «, doch wachsen sie noch weiter und erreichen schliesslich einen Durchmesser von einem halben Millimeter und darüber, d. h. sie nehmen ungefähr den gleichen Umfang ein, wie ehemals die Schleimzelle mitsamt ihren Ausläufern. Auf diesen letzten Stadien _ geht auch die Masse der Interzellularsubstanz erheblich zurück, wahrscheinlich infolge von Wasserverlust. Anzeichen einer be- sonderen Membranbildung bei diesen Zellen habe ich nicht wahrnehmen können; jedenfalls liess der den Fettropfen um- schliessende, im allgemeinen sehr verdünnte, aber in der Kern- gegend noch ansehnliche Mantel keine Gliederung in eine Zell- wand und eine plasmatische Zone erkennen, wie es bei Anwesenheit einer besonderen Membran doch hätte sein müssen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass das Plasma der fertigen Fettzelle eine andere Konsistenz haben mag, als das der jugendlichen. Über- 424 W. J. Schmidt: haupt möchte ich glauben, dass in manchen Fällen, in denen man von einer feinen Membran der Fettzellen hört und liest, es sich dabei um eine bindegewebige Hülle der Fettzelle handelt (vgl. Koelliker, Gewebelehre, 6. Aufl., Bd. 1, 1889, S. 165). Fettgewebe und Schleimgewebe erscheinen auf den ersten Blick als zwei durchaus verschiedene Gewebsformen: hier ver- ästelte, anastomosierende Zellen, die in eine reichliche, stark wasserhaltige Grundmasse eingebettet sind, dort unverästelte, kugelige Zellen, die an Masse bei weitem die spärliche Zwischen- substanz überwiegen und in ihrem Plasma die typischen Fett- einlagerungen besitzen. Und doch hat sich die ganze Form- wandlung der Zellen wesentlich durch den rein mechanischen Einfluss der Fettansammlung vollzogen. Plasma, Kern und Fett können wir als ein System dreier gallertiger bis flüssiger Substanzen betrachten, von denen das ölige Fett die grösste Oberflächenspannung besitzt. Gegenüber den beiden anderen auch an Masse zurücktretenden Komponenten wird es daher seine Kugelgestalt, dem Minimalflächenbestreben folgend, aufrecht er- halten, während diese sich mehr oder minder fügen müssen; der Zelleib gibt die ursprüngliche Form ganz auf, der fest-weiche Kern passt sich den neuen Raumverhältnissen an. Es ist nun sehr bemerkenswert, dass bei Schwund des Fettes in typischem Fettgewebe die Zellen verästelte Form an- nehmen und zwischen sich eine gallertige Grundmasse fassen können; es vollzieht sich also der hier beschriebene Vorgang rückläufig, eine Umwandlung von Fettgewebe in Schleim- gewebe. In der Pathologie weiss man schon seit langem. dass bei der Atrophie des Fettgewebes (besonders des Herz- panniculus) unter Abnehmen oder Schwinden der Fettropfen die Zellen die Form gewöhnlicher verästelter Bindegewebszellen an- nehmen, und durch Ansammlung von seröser zuweilen auch muein- haltiger Flüssigkeit zwischen ihnen die Gewebsmasse durch- scheinend und dem Schleimgewebe ähnlich wird („seröse Atrophie des Fettgewebes“). Koelliker (Gewebelehre, Bd. I, S. 166) erwähnt aus wassersüchtigem Unterhautbindegewebe spindel- und sternförmige, mit drei bis fünf, oft langen Fortsätzen versehene Zellen, die meist nur spärliches Fett enthalten. Ja Flemming!) !) Arch. f. mikr. Anat., Bd. VII, 1871. S. 32. en Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 425 hat darauf hingewiesen, dass dieser Zustand sich schon sehr bald bei hungernden Tieren entwickeln kann und vertritt überhaupt den Standpunkt, dass sich die Fettzelle „zurückbilden kann, zu dem was sie war: zu einer abgeplatteten fixen Bindegewebszelle“ (S. 67); und an anderer Stelle erwähnt er,!) „dass das Protoplasma der Fettzelle bei langsamer Atrophie gewissermassen Zeit behält, seine Gestalt dem Schwunde des Inhalts anzupassen und so all- mählich zu der Form einer Bindegewebszelle zurückzukehren, die es vor der Fettfüllung hatte“ (S. 345). Ferner hat Maximow’) bei entzündlicher Bindegewebsneubildung bei der Ratte festgestellt, dass die Fettzellen durch Auflösung des Fettes sich an Umfang verkleinern, an Masse des Plasmas, besonders in der Umgebung des Kernes, zunehmen, unregelmässige Gestalt aufweisen, zunächst rundliche, dann spitze Ausläufer entwickeln und so die Gestalt von Fibroblasten annehmen. Diese Art der Umwandlung findet sich vornehmlich bei jungen Tieren, bei älteren kommen „zahlreiche Polyblasten herbei, umringen die Fettzelle, zerstören ihre Membran und nehmen schliesslich die Stelle des ehemaligen grossen Fettropfens ein, während der den Kern umgebende Teil des Zellkörpers frei wird und sich in einen Fibroblasten ver- wandelt. Auf diese Weise werden die so oft (u. a. v. Flemming a.a.0).) beschriebenen Bilder der „endogenen Zellbildung“ im Fettgewebe vorgetäuscht“ (a.a.0.,S. 123). Auch im explantierten Knochenmark wurde eine ähnliche Rückbildung der Fettzellen beobachtet) Rückwandlung der Fettzellen in ver- ästelte Elemente vom Typus fixer Bindegewebs- zellenoder Fibroblasten istalso ein weitverbreiteter Vorgang,derauch fürdie Beurteilung der Entstehung der Fettzellen bedeutungsvoll ist. Unter solchen Umständen könnte man in Erwägung ziehen, ob die von mir bei Scardinius in nachembryonaler Zeit ge- machten Beobachtungen nicht vielleicht eine derartige Rück- !) Weitere Mitteilungen zur Physiologie der Fettzellen. Arch. f. mikr. Anat,., ‚Bd. VII, 1871, S. 327, Taf‘ XXVII. . 2) Über entzündliche Bindegewebsneubildung bei der weissen Ratte und die dabei auftretenden Veränderungen der Mastzellen und Fettzellen. In Beitr. z. path. Anat., herausg. v. Ziegler, Bd. 35, 1904, S: 93, Taf. III, IV. ») Vergl. Foot in Zieglers Beiträgen zur path. Anatomie, Bd. 53, 1912 und Rh. Erdmann in Amer. Journal of Anat., Vol. 22, 1917. Archiv f.mikr. Anat. Bd.%. Abt. 1. 29 426 W.J. Schmidt: bildung von Fettgewebe in Schleimgewebe darstellen. Denn wenn auch gemäss der Darstellung von Sagemehl u. Sterzi (s. 0.) in der Hirnhaut der Knochenfische das Schleimgewebe phylogenetisch und ontogenetisch den Vorläufer des Fettgewebes darstellt, so wäre es doch gut denkbar, dass etwa beim Hungern der Fische das Fett schwindet, so dass wieder ein Schleimgewebe in die Erscheinung tritt. Erwähnt doch auch Flemming (a. a. O., S. 67), dass manche Autoren, statt vermeintlicher Bildung, Atrophie der Fettzellen beschrieben haben und hebt besonders hervor, dass ein Fisch, den man nur einen halben Tag gefangen hat, schon ausgesuchte Formen des Fettschwundes (im Bauchfell) zeigen kann. Nun gibt es aber nach Flemming eine Reihe von Kennzeichen, die atrophierende und sich entwickelnde Fettzellen unterscheiden lassen: ich konnte aber weder rundliche Zellen mit verkleinerten Fettropfen oder einem grösseren und mehreren bis vielen kleinen Fettröpfchen beobachten, noch so- genannte „Serumzellen“ auffinden, die an Stelle des Fettropfens eine feinkörnige Masse enthalten; und ebenso wenig sah ich Hohl- räume um die Tropfen herum, die von stärker färbbarem Plasma umgeben waren, oder Zellen mit unregelmässig gestalteten Fett- tropfen, oder ein Zusammenschrumpfen der Fettzellen in ihrer Hülle; schliesslich kamen mir auch Fettzellen mit eingedrungenen Leukozyten (s.o. Maximow) nicht vor Augen. Irgendwelche Anzeichen einer Fettatrophie bot also das Gewebe nicht dar. Ferner aber muss ich betonen, dass ich die stark verästelten und fettarmen Zellen nur bei kleineren Fischen (15 cm Länge) vorfand, bei grösseren, die zusammen mit jenen längere Zeit gehalten waren, nur vollentwickeltes Fettgewebe konstatieren' konnte. So komme ich denn zum Schluss, dass bei Scardinius die Umwandlung des Schleimgewebes in Fettgewebe — mag sie auch in embryonaler Zeit schon einsetzen — doch erst verhältnis- mässig spät zum Abschluss kommt. Die Frage nach der Entwicklung der Fettzellen hat noch keine einheitliche Beantwortung gefunden und ist in mehr als einer Hinsicht strittig. Nach einer neueren zusammenfassenden Darstellung Maurers (Grundzüge der vergl. Gewebelehre, Leipzig 1915) ist hinsichtlich der Herleitung der Fettzellen von den Keimblättern ausser der gewöhnlich angenommenen mesodermalen Entstehung vielleicht auch noch eine ektodermale Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 427 und entodermale in Erwägung zu ziehen. Aber wenn wir uns auch nur auf die dem mittleren Keimblatt entstammenden Fett- zellen beschränken, gehen die Meinungen über die Histogenese dieser Elemente noch ziemlich weit auseinander. Gewöhnlich betrachtet man das Fettgewebe als eine Abart deslockeren Bindegewebes. Koelliker (Gewebelehre, Bd. I, S. 125) definiert es als ein an elastischen Fasern und Zellen ganz armes Bindegewebe, das in seinen Maschen zahlreiche Fettzellen enthält. Maurer (a.a.0.S. 328) hält aber die Entscheidung für sehr schwierig, „ob alle die verschiedenen Fett-, Wander-, Pigment- zellen, welche im Bindegewebe ihre Anordnung finden, wirklich mit diesem Gewebe gleichen Ursprungs sind und ob die Beziehung nicht vielmehr bloss eine rein topographische ist.“ Für eine frühzeitige Differenzierung der Fettzellen und zwar aus rundlichen embryonalen Zellen haben sich. vor allem CO. Toldt und Koelliker ausgesprochen. In seiner Ge- webelehre (Bd. I, S. 99) bezeichnet der letztere die Fettzellen als „Abkömmlinge eines Teiles der ursprünglichen zelligen Elemente der einfachen Bindesubstanz“ und an einer anderen Stelle (S. 123) äussert er: „Wo Fettzellen im Bindegewebe vorkommen, wird ein Teil der ursprünglichen Zellen zur Bildung derselben benutzt und geht durch Ablagerung von Fett in diese Form über.“ Am Eingang des betreffienden Abschnittes heisst es aber: „Das Bindegewebe besteht Keim Embryo ursprünglich einzig und allein aus runden Zellen.“ Demnach sollen gemäss Koelliker auch die Fettzellen durch Differenzierung eines Teiles dieser runden Zellen entstehen. Auch in Prenants Traite d’histologie (Vol. II, 1911, p. 508) werden die Fettzellen im Unterhautbindegewebe auf Anhäufungen rundlicher Zellen zurückgeführt („amas des cellules arrondies“). Neuestens (1920) hat sich auch Schafferim Anschluss an Toldt und Koelliker in seinen Vorlesungen über Histologie dahin ausgesprochen, dass das typische Fettgewebe eine eigene embryonale Anlage besitzt und sich aus grossen, protoplasmareichen membranlosen Zellen (Steatoblasten) entwickelt. Diesen Anschauungen gegen- über, welche eine frübzeitige Differenzierung der Fettzellen an- nehmen und sie somit wenigstens im fertigen Bindegewebe in einen gewissen Gegensatz zu den typischen Elementen (Binde- gewebszellen, Fibroblasten) desselben bringen, stehen solche. 29* 428 W.J. Schmidt: wie sie etwa Flemming (1) vertreten hat, gegenüber. „Es konnte festgestellt werden, dass die Bildung normaler Fettzellen aus Zellen des Bindegewebes erfolgt, die von den Zellen anderer, nicht fettbildender Orte desselben Gewebes in keiner Weise ver- schieden sind. Ich darf ebenso behaupten, dass die Fettzelle nach dem Schwinden ihres Inhalts im Stande ist, sich zu einer fixen Bindegewebszelle mit all ihren Charakteren, wie sie es früher war, zurückzubilden. Ich konnte weiter nachweisen, dass das Auftreten von Fettzellen stets abhängig ist von der unmittel- baren Nähe einer Blutbahn. Daraus ergibt sich durchaus die Identität von fixen Bindegewebs- und Fettzellen:: jede der ersteren, welche durch die Blutzufuhr die Bedingungen dazu erhält, kann Fettzelle werden: dies ist überhaupt der einzige Modus normaler Fettbildung.“ So lehnt Flemming die Ableitung der Fettzellen von besonders prädestinierten Elementen ab (vgl. auch das oben gegebene Zitat aus Maximow über Beziehung zwischen Fett- zellen und Fibroblasten). Von besonderem Interesse ist noch für uns eine Äusserung Flemmings (a. a. O. S. 73) hinsichtlich „einer spezifischen fötalen Fettgewebsentwicklung aus ‚Schleimgewebe‘.“ Er sagt: „Wenn man das gallertige, d. h. mucinhaltige, sehr Hüssig- keits- und zellenreiche Bindegewebe des Embryo Schleimgewebe nennen will, so lässt sich dagegen nichts einwenden; aber so. verhält sich alles embryonale Bindegewebe, und besonders charakte- risierte Zellen für die Fettbildung gibt es darin nicht. Die Fett- zellen entstehen in ihm, wie im erwachsenen Gewebe, an den Blutgefässen aus fixen, dort noch spindel- und sternförmigen Zellen; und wenn in den frühesten Stadien manche oder viele dieser Bildungszellen noch rund sind, so teilen sie diese Eigen- schaft um die Zeit mit den meisten Embryonalzellen, welche diese Gestalt unzweifelhaft später noch ändern.“ In vorliegendem Falle handelt es sich um eine nach- embryonale Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe, . eine frühzeitige und spezifische Differenzierung bestimmter Elemente aus der ganzen bindegewebigen Anlage zu Fettzellen findet hier also nicht statt; liegt doch hier eine fettige Metamorphose eines Gewebes in toto vor, die aber nach den vergleichend anatomischen und ontogenetischen Angaben von Sagemehl und Sterzi (s. o.) durchaus als normaler Vorgang zu gelten hat. Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe etc. 429 Flemming’s vorstehend skizzierte Auffassung hat vor allem durch J. A. Hammar’s') gründliche Untersuchung über das Fett-' gewebe in ihrer allgemeinsten Formulierung Bestätigung erfahren; zugleich aber finden in der Darstellung dieses Autors auch die Befunde von Toldt und Kölliker ihren Platz: alle Fettzellen scheinen aus fixen Bindegewebszellen hervorzugehen, die teils bis zum Auftreten des Fettes ästige Form beibehalten, teils noch vor der Fetterfüllung bedeutend an Volumen zunehmen, sich dicht an einanderlegen und polyedrisch abplatten; erst in diesen poly- gonalen Zellen erscheint das Fett (a.a.O., S. 567). In neuerer Zeit hat der Flemming’sche Standpunkt, dass Fettzellen nur differenzierte Bindegewebszellen sind, auch durch Beobachtungen im Explantat neue Stützen gefunden. N.Ch. Foot?) konnte feststellen, dass die sonst nicht fettführenden Stützzellen der Milz, in fettreichem Plasma kultiviert völlig die Gestalt junger Fettzellen annehmen (a. a. 0., S. 471). Für den Flemmingschen Standpunkt lässt sich auch noch folgende Erwägung ins Feld führen. Die Fähigkeit, Kollagen, Elastin, Chondroitinschwefelsäureverbindungen, bestimmte Kalk- salze zu produzieren, kann als spezifische Eigenschaft besonderer Arten des Bindegewebes (des leimgebenden, des elastischen Gewebes, von Knorpel und Knochen) gelten. Fettanhäufung in den Zellen ist dagegen ein viel weiter verbreitetes (eschehen und kommt in geringem Maße und ge- legentlich wohl bei allen Geweben vor. Reicher Fettgehalt ist ein wohlbekannter Zustand in den Darmepithelien bei der Fett- verdauung und in zahlreichen pathologischen Fällen, bei der sogenannten „[ettigen Degeneration“ (insbesondere des Herz- muskels, der Niereund Leber). Dassnormalerweise eine dauernde und beträchtliche Fettanhäufung nur in Bindegewebszellen erfolgt, ist sicherlich kein Zufall, sondern hängt mit dem trägen dissi- milatorischen Stoffwechsel in der Bindesubstanz zusammen, der allein eine Speicherung solcher Substanzen zulässt, indem !) Zur Kenntnis des Fettgewebes, in Arch. f. mikr. Anat., Bd. 45, 1895, S. 512-574, Taf. XXIX und XXX. Hier eine gute Übersicht der älteren Literatur betr. Fettgewebe. ‚ ®2) Über das Wachstum von Knochenmark in vitro. Experimenteller Beitrag zur Entstehung des Fettgewebes, in Zieglers Beitr. zur path. Anat., Bd. 53, 1912, S. 446— 476, Taf. XXI. 430 W.J. Schmidt: das chemisch verhältnismässig stabile Fett nicht nur an einer Stelle untergebracht wird, wo es lebhaften chemischen Vorgängen nicht hemmend im Wege steht, sondern auch vor allem keine Gefahr läuft, in solche Umsetzungen mit hineingerissen zu werden. Gilt doch auch die pathologische Verfettung bei anderen Geweben als ein Zeichen nachlassender Lebensenergie. So erscheint denn die Fettanhäufung im Bindegewebe als ein Zustand „normaler Verfettung“, und wie die verschiedenen Formen des Bindegewebes nahe verwandt sind, so wird auch das Fett- gewebe nicht von spezifischen Elementen, sondern von den ge- wöhnlichen Zellen, sei es des Schleimgewebes, sei es des lockeren kollagenen Bindegewebes, seinen Ausgang nehmen. Auch in Knorpelzellen findet man oft kleine Fettröpfchen, ja die Pathologie kennt völlige Umwandlung von Knorpel in Fettgewebe. Gerade bei den Bindesubstanzen stösst die Herleitung einer bestimmten Gewebeart von frühzeitig differenzierten Zellen auf besondere Schwierigkeiten. Stehen sich doch die auf den ersten Blick so verschiedenen Gewebeformen wie kollagenes Bindegewebe, Knorpel und Knochen hinsichtlich der Beschaffenheit ihrer Grund- substanz viel näher als es scheinen möchte, indem in allen drei Fällen ausser den Zellen kollagene durch eine mucinhaltige Kitt- masse verbundene Fibrillen vorhanden sind, und sie nur im zweiten Falle durch die Chondroitinschwefelsäureverbindungen, im dritten durch die Imprägnierung der Grundsubstanz mit Kalksalzen ver- deckt werden. Gehen doch auchalle drei Bindegewebsformen aus dem gleichen Muttergewebe, dem embryonalen Bindegewebe (Schleim- gewebe) hervor, das somit seinen Namen mit doppeltem Recht trägt: als die Vorstufe der eben genannten Bindegewebsformen und als ein Füll- und Skelettmaterial, das bei den ersten Gestaltungs- vorgängen des embryonalen Körpers dem formgebenden Wachs- tum der epithelialen Blätter geringen Widerstand entgegensetzt und doch eine gewisse Plastizität besitzt, andererseits aber durch seinen hohen Gehalt an Wasser als sparsames Füllmaterial dem raschen Grösserwerden desOrganismus ohne Materialverschwendung folgt. Die Ausbildung einer festeren Interzellularsubstanz, inner- halb deren eine Verlagerung der zelligen Elemente nur in geringem Umfang oder gar nicht mehr möglich ist, nötigte dem Knorpel in weitem Umfang, dem Knochen ausschliesslich das appositionelle Wachstum auf, gegenüber dem intussuceptionellen der übrigen Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe ete. 431 Bindegewebsformen. Unterschiede im Verhalten der Grund- substanz also sind es in erster Linie, welche die Typen des Bindegewebes bestimmen. Für die Charakteristik des Fettgewebes spielt die Beschaffenheit der Interzellularsubstanz keine Rolle; sie ist nur insofern bedeutungsvoll, als eine beträchtliche An- häufung von Fett im Zellplasma mit einer Volumzunahme der Zellen verbunden ist, die sich ungehemmt nur in einer weicheren Interzellularsubstanz, wie im lockeren Bindegewebe oder Schleim- gewebe, vollziehen kann. Aus diesem Grunde finden wir in der Mehrzahl der Fälle das Fett als Einlagerung im lockeren Binde- gewebe. Die verschiedenen Formen des Bindegewebes entsprechen der vielseitigen mechanischen Beanspruchung der Füll-, Stütz- und Skelettsubstanzen, die gerichtetem oder ungeordnetem Zug und Druck von wechselnder Stärke in feinster Anpassung Wider- stand leisten, und so sind ihre Strukturen, vor allem bei dem Zurücktreten chemischer Tätigkeit, ein Spiegelbild ihrer Funktion. Wie aber eine bestimmte mechanische Leistung oft auf der Grund- lage eines verschiedenen Baumaterials möglich ist und daher im Laufe der Ontogenie und Phylogenie mancherlei Wechsel unter- liegen kann, so gehen auch die verschiedenen Formen des Bindegewebes proteusartig ineinander über. Bei der Umwand- lung von Schleimgewebe in Fettgewebe in der Hirnhaut der Knochenfische übernimmt das Fett in den Zellen die Rolle, welche ehedem die sülzige Masse zwischen ihnen spielte, und trotz dieser beträchtlichen morphologischen Änderung ist die mechanische Leistung eines weichen Füll- und Hüllgewebes zum Schutze des Gehirns dieselbe geblieben; mit der Einlagerung von Fett ist das Gewebe aber zugleich ein Speichergewebe geworden und hat demnach noch eine Leistung chemischer Art im Getriebe des Organismus mit übernommen. 432 W.J.Schmidt: Über die Umwandlung von Schleimgewebe etc. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Die Abbildungen veranschaulichen die Umwandlung der Zellen des Schleimgewebesin Fettzellen, wie siesichim perimeningealen Gewebe von Scardinius erythrophthalmus in nachembryonaler Zeit vollzieht. Sie sind unter Benutzung des Abbeschen Zeichenapparates (Abstand der Zeichenfläche von der Austrittspupille des Mikroskops — 250 mm) nach Totalpräparaten kleiner Gewebsstücken hergestellt, die mit 2°/ Osmium- säure geräuchert, dann in Wasser mit geringem Osmiumsäurezusatz auf- gehoben wurden. Die Fetteinlagerungen erscheinen dunkel (osmiert). Optik bei den Fig. 1, 2, 4, 7—12, Zeiss’ Apochromat 8 mm und Komp. Okular 8, Vergr. 250:1, bei den Fig. 3, 5—6 Zeiss’ Apochromat 4 mm und Komp.- Okular 8, Vergr. 500:1. Fig. 1. Reich verästelte Zelle mit Fettropfen, 250:1. Fig. 2. Ähnliche, nicht ganz vollständige Zelle mit einem grösseren Kate tropfen und zahlreichen kleinen. 250:1. Fig. 3. Zwei Zellen, die durch einen gemeinsamen dünnen Fortsatz ver- bunden sind, die eine mit einem Fettropfen, die andere nur mit kleinen Fetteinlagerungen. 500:1. Fig. 4 Zwei Zellen, die in breitem plasmatischem Zusammenhang stehen ; Verästelungen zum Teil membranartig erweitert; mit grösseren und kleineren Fettropfen, welch letzte stellenweise in Vakuolen zusammengelagert erscheinen. 250:1. Fig. 5 u.6. Zweikernige, verästelte Zellen mit Fettropfen; nur der mittlere Teil des Zelleibes ist dargestellt. 500:1. Fig. 7. Zweikernige Zelle; Fettropfen zwischen den beiden Kernen. 250:1. Fig. 8. Zweikernige Zelle, Fettropfen in einem Ausläufer. 250:1. Fig. 9. Zweikernige, Fig. 10 einkernige Zelle mit grossem Fettropfen; Ausläufer in Rückbildung begriffen. 250:1. Fig. 11 u. 12. Zwei zweikernige Zellen mit, mächtigem Fettropfen, dünner Plasmarinde und darin SInBEIBB TEN abgeplatteten Kernen, ohne Fortsätze. 250:1. 433 Literarisch-kritische Rundschau. Haecker, Allgemeine Vererbungslehre. Dritte umgearbeitete Auflage, mit einem Titelbild und 149 Textfiguren, 444 Seiten. Braunschweig, Fr. Vie- weg und Sohn, 1921. Nach den Neuauflagen der Vererbungslehren von Baur und Gold- schmidt ist jetzt auch die Allgemeine Vererbungslehre von Valentin Haecker in dritter Auflage erschienen. Während die zweite Auflage (1912) in Jahresfrist der ersten folgte (1911), ist bis zum Erscheinen der hier zu besprechen- den dritten Auflage eine durch die Zeitverhältnisse bedingte längere Pause eingetreten. Infolgedessen sind grössere Umarbeitungen und Ergänzungen notwendig geworden, um den Fortschritten der Vererbungslehre gerecht zu werden. An dem Grundplan des Buches brauchte freilich nichts geändert zu werden; denn gerade die in den letzten Jahren sich immer mehr bahn- brechende Anschauung, dass Genetik und Keimzellforschung in engste Be- ziehung treten müssen, wurde von Haecker bereits in den ersten Auflagen seines Buches vertreten. Obgleich somit die Entwicklung, die die Wissen- schaft eingeschlagen hat, für den Autor eine Genugtuung bedeutet, hält er sich jetzt anerkennenswerter Weise von einer Überschätzung dieser Forschungs- richtung frei und erörtert kritisch das Problematische, das der morpho- biologischen Vererbungshypothese anhaftet, so besonders in den Kapiteln über die Chromosomen und Geschlechtsbestimmung und über das Reduktions- problem. Neben der den modernen Genetikern zurzeit geläufigen Annahme der Parallelkonjugation (Parasyndese) wird auch die Möglichkeit einer Meta- syndese eingehend erörtert. Von weiteren Umarbeitungen sind hervorzuheben, dass die Kapitel im dritten Abschnitt, die über das Problem der erworbenen Eigenschaften handeln, grössere Veränderungen erfahren haben, ohne dass jedoch der Autor von seinen früheren, in Sinne Weismanns entwickelten Anschauungen wesentlich abweicht. Vollständig neu ist das 17. Kapitel, das über die Entstehung neuer Anlagen oder exoblastogener Abänderungen handelt. Die in diesem Kapitel besprochenen Forschungsergebnisse (Standfuss, Tower, Kammerer) deutet Haecker in dem Sinne, dass in keinem Fall eine somatogene erbliche Ab- änderung im Sinne Lamarcks stattgefunden hat. — In dem letzten Kapitel des dritten Abschnittes, das eine Kritik der Anschauungen Weismanns bringt, spricht sich der Autor entschiedener als in den alten Auflagen gegen die Determinanten-Theorie aus, auf Grund seiner in dem späteren Kapitel 28 entwickelten Anschauungen über die Entstehung der spezifischen Zeich- nungsmuster der Haut, der Federn usw., für welche Eigenschaften die De- terminanten-Theorie Weismanns gerade besonders ausgebaut war. Im vierten Abschnitt, experimentelle Bastardforschung, sind die neueren Ergebnisse der Mendelforschung berücksichtigt, namentlich werden die Theo- rien, die Abweichungen der einfachen Spaltungsverhältnisse zu erklären ver- 434 Literarisch-kritische Rundschau. suchen, wie die Polymerie-Hypothese, die Annahmen der Bildung unreiner Gameten, der Faktorenkoppelung und der Reduplikation, eingehend erörtert. Eine wertvolle Bereicherung hat das Buch durch Einfügung des fünften Abschnittes, „Rassen und vererbungsgeschichtliche Aufgaben der Entwicklungs- geschichte (Phänogenetik)“, erfahren, in. dem der Verfasser seine schon an anderen Stellen geäusserten Ansichten zusammenfasst. Die Aufgabe der Phänogenetik ist die morphogenetische und entwicklungsphysiologische Unter- suchung der Entstehung von Ausseneigenschaften des fertigen Organismus. Haecker unterscheidet zwischen einfach und komplex verursachten Merkmalen und stellt die Ansicht auf, dass die einfach verursachten, d.h. durch das Zusammenwirken einer geringen Anzahl von entwicklungsgeschichtlichen Prozessen hervorgerufenen Merkmale, klare Spaltungsverhältnisse beim Mendel- versuch zeigen, hingegen die komplex verursachten Merkmale, die eine durch Korrelation gebundene Entwicklung aufweisen, mehr oder weniger grosse Abweichungen von den Mendelschen Regeln erkennen lassen. Nach Haecker ist die Ursache für dieses Verhalten darin zu sehen, dass bei den einfach verursachten Merkmalen die elterlichen Kernsubstanzen nur wenig voneinander different sind, und dass daher zwischen ihnen ein Stoff- oder Energieaustausch, den Haecker abweichend von Morgan in frühere Perioden der Keim- zellenentwicklung verlegt, weniger wahrscheinlich ist, als zwischen zwei _ Kernkomponenten, die in vielen Genen different sind. Auch in der neuen, erweiterten Auflage hat das Buch seine alten Vorzüge beibehalten, fasslich auch für den Anfänger zu sein, ohne darauf zu verzichten, die Schwierigkeiten und Problematik des Forschungsgebietes zu erörtern. P. Hertwig. Die Entwicklungsgeschichte der Tiere. Kritisch untersucht von A. Goette, — Berlin und Leipzig 1921. Vereinigung wissenschaftlicher Verleger. — Mit 102 Textfiguren, 380 Seiten, Mk. 60.—. A. Goette, ehemals Professor der Zoologie an der deutschen Uni- versität Strassburg, hat eine Entwicklungsgeschichte der Tiere heraus- gegeben. Wie er in der Einleitung hervorhebt, soll das Buch weder ein Handbuch, noch ein Lehrbuch für Studierende sein, sondern „vor allem die allgemeinen kausalen Zusammenhänge der organischen Entwicklungser- scheinungen untersuchen und darlegen.“ Goette verzichtet ausdrücklich auf Vollständigkeit des Tatsachenmaterials und gibt dafür eine gross an- gelegte, sehr subjektive Darstellung der theoretischen Vorstellungen und Begriffe, die wir uns vom gesamten Entwicklungsgeschehen bilden. — Um den richtigen Standpunkt zu den Ausführungen zu gewinnen, ist vor allen Dingen im Auge zu behalten, dass Goette Epigenetiker ist. Er lehnt die Präformationstheorie Weismanns ebenso wie den zwischen Präformation und Epigenese vermittelnden Standpunkt Roux’s und O0. Hertwig’s ab und ist der Ansicht, „dass sich für jeden Entwicklungsvorgang der Komplex der nächsten Ursachen stets von neuem bildet.“ Seinen Standpunkt sucht Goette zu erhärten durch die Darstellung der Hauptkategorien der Entwicklung, nämlich der Ontogenese, der Re- generation und der Phylogenese. Den Begriff der Phylogenese fasst Goette Literarisch-kritische Rundschau. 435 freilich nicht im Sinne Haeckels, der die Stammesgeschichte als eine besondere Art der Entwicklung der Ontogenese gegenüberstellt. Er gewinnt den Begriff eines allgemeinen Entwicklungsprozesses der gesamten Tierwelt durch „eine wohlberechtigte Abstraktion“, jedoch kommen als reale Grund- lagen für phylogenetische Untersuchungen nur die konkreten Vorgänge in Frage, die in der Summe aller Ontogenesen bestehen. In dem ersten Abschnitt über die Ontogenese wird 1. die morpho- logische Sonderung, deren Hauptmerkmal die Formbildung ist, und 2. die ge- webliche Sonderung, deren Kennzeichen die Funktion ist, besprochen. Die Trennung in die beiden Kapitel erfolgt nur aus didaktischen Gründen, denn von dem epigenetischen Standpunkt Goette’s aus erscheinen Morpho- und Histogenese nicht als zwei gegensätzliche Erscheinungen, sondern als zwei zusammengehörige Phasen desselben einheitlichen Vorgangs, der Ontogenese überhaupt. In beiden Kapiteln wendet Goette sich scharf gegen die Weismannsche Determinantenlehre. Durch grosse Klarheit zeichnet sich Goette in dem Abschnitt über die Regeneration aus, die er als „einen individuellen Entwicklungsprozess, der anders als die Ontogenese nicht ein ganzes Individuum, sondern nur einzelne Teile eines solchen ersetzt und an Stelle eines Defektes schafft,“ definiert. Besonders glücklich scheint mir die Darstellung auf den Seiten, wo Goette den zum Teil durch dialektische Kunstgriffe hervorgerufenen Unterschied zwischen Regulations- und Mosaikeiern aufhebt. Im dritten Abschnitt wird die Fortpflanzung besprochen, daran schliesst sich als vierter und letzter Abschnitt die Erörterung über die phyletische Leistung der Ontogenese, mit den Kapiteln über die Vererbung und die erblichen Abänderungen, über das biogenetische Grundgesetz, Formbildung und Artbildung. P. Hertwig. RR NAT, ee 4 ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre herausgegeben von OSKAR HERTWIG in Berlin -—— en rn Fünfundneunzigster Band II. Abteilung Mit 10 Tafeln und 2 Textfiguren ' - —— — [a BONN Verlag von Friedrich Cohen 1921 DE No % j I 3 De IM Ur EN re, Eh . ROT, un? I. AN \ EN I AN NR Ann Inhalt. Abteilung II. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 7. März 1921. Seite Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes (Proteus anguineus). II. Teil: Die Wachstumsperiode der Oozyte.. Von H.Stieve, Leipzig. (Untersuchungen, ausgeführt mit Unterstützung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München.) Hierzu Hratels1- N IH und-fTextheur; 0... 42 RE 1 Drittes Heft. Ausgegeben am 15. Juni 1921. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. Von J.Rückert, München. Hierzu Tafel IX und X und 1 Textfigur 203 Bikerarisch-kritische BRndschau. ee a ne a ER Me a2 DT ARERLDN rin Be El I 3 EM SM “ WET SABANaN Enle2, TR . VIE Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes (Proteus anguineus). II. Teil. Die Wachstumsperiode der Oozyte. Untersuchungen, ausgeführt mit Unterstützung aus der Samsonstiftung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München von H. Stieve, Leipzig. Mit Tafel I-VII und 1 Textabbildung. Inhaltsübersicht. Seite Einleitung .. . . N RS ON RB eR SE? ZEN 2 DER SR AR ET Material und Meine, Par DES. NN RE LEER En. Die Entwicklung des Ovar im nn chi N RE NE | Die Wachstunisperiode.der. OBozyten:: U... me DENE 32 1 DheWogonien 2.322. N: ng SE us er SET ER H. Die Oozyten. .. . RR N Re a) Die erste RB echurenole a a b) Die Prophasen der ersten ee IE ET 1..Der dünne richtungslose Knäuel . . ..2...%....37 2. Der polargerichtete Knäuel . ... . Sn rer N 3. Die Entstehung der seitlichen Kater EL EN Run plan ER 4. Der dicke richtungslose Knäuel . . . .. 48 9. Die Längsspaltung des Knäuels und sein Zerfall i in Einzel. chromosomen . . . . 2 ER 3 D. c\) Die zweite KW lietsneriode BE SOSE NEN ER ER a: 75 F. Das oxychromatische Netzwerk Zu nt... 39 2..Das-bäsichromatische Netzwerk, 2 nr Wr 58 3. Die Spaltung der seitlichen Ausläufer . .222.2...6 4. Die Abgrenzung der Einzelchromosomen . . .....64 5. Das Zusammenrücken der Chromosomen . . .2...69 4) Die Verandlarungen im Plasma 7 2 a. 21,76 e) Die Kernmembran ... NE RRRRETLE Tiy III. Oozytenwachstum und Kernelastsi en rt Re {op IV. Zusammenfassung der Befunde und Vergleich mit der En a ZIBOLENEREF NEE Ar a AT NEE Allgemeiner Teil . . ... RN ET a RES PER ST Te I. Die Oogonien und Gassen DREIER Bu 0 ED Perl RI EHLTTOR II. Die polare Orientierung . . ESF N: a) Angaben Jörgensens üben Ben Oheometinausfritt aus dem DR a a NR a LER Archiv f. mikr. Anat. Bd. 95. Abt. II. 1 2 H. Stieve: b) Angaben anderer Untersucher . .. . . 110 c) Angaben Jörgensensüber eine zweite Cramer 113 d) Angaben: anderer-Untersucher «DEN. = Zee 116 III. Das gleichmässig ausgebildete Kerngerüst . . .......119 IV. Die Rückbildung des Netzwerkes durch Isolierung der Chromo- somen %.'.'\, EEE, A EHESTEN 27° 125 a) Befunde der Aare Bert; En. la 125 b) Die Angaben von Carnoy und Dean RE ER 1. Befunde an Tritonen . . . . DE Re 2. Befunde an anderen Anpfihienatten RER Eon. Sc, 3. Beweise gegen die Befunde... ..... a \ V. Die Chromosomen ..... a RE RE VI: Das Linn SUN N Aa MEN © ee VI DiesChromilen ser, 3 ee en RE RER VIII. Die chemischen Veränderungen de. Chrome BER RR u In a), Die Befunde von Retzius..s! rn sa. a BR 135, b) Die Befunde am Chromatin des se = c) ‘DIE: Achromatinhypothese: Kr. a er a oe IX.’ Die Nukleolen . ... . u Na MON er Aa a) Das Auftreten und N en im ne Eee ie U, b). Die Form, Grösse :und Farbreaktion .'. . . .....0.....167 c) Das Verhältnis zu den Chromosomen . . . ........168 d) Die Pfropfnukleolen . . . . REN or e) Die mutmassliche Bedeutung 1 Nüldeöläh ES X: "Schlussbemerkungen! 2.4... yo. Erwähnte Arbeiten N Na Re RS Erklärung der Ahpdimsen 2 an a Ne a Er ER ER > Einleitung. Von den verschiedenen Bestandteilen, aus welchen sich der Zellkern zusammensetzt, haben vor allem zwei die Aufmerksam- keit der Untersucher zu fesseln vermocht, die Chromosomen und die Nukleolen. Von den ersteren wissen wir, dass sie während der Kernteilung in einer für die einzelnen Arten feststehenden Normalzahl vorhanden sind, bei der Mitose selbst eine Längs- spaltung erfahren und während des interkinetischen Ruhestadium ein den ganzen Kern meist ziemlich gleichmässig durchsetzendes Gerüst bilden, in welchem die Einzelchromosomen für unsere | Untersuchungsmethoden nicht abgrenzbar sind. In ihren grund- legenden Arbeiten haben fernerhin in erster Linie Boveri, Van Beneden, Rückert und Oskar Hertwig den Nach- weis geführt, dass die Zahl der Chromosomen während der Reifung der Geschlechtszellen in zwei rasch aufeinanderfolgenden Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 3 Teilungen halbiert wird und haben erneut darauf hingewiesen, welch hohe Bedeutung den Kernschleifen in der ganzen Lebens- tätigkeit der Zelle zukommt. Im Gegensatz dazu besteht über die Natur der Nukleolen noch recht wenig Klarheit. Sicher wissen wir von ihnen nur, dass sie kleine, meist kugelfürmige, homogen oder auch vakuolisiert erscheinende Gebilde darstellen, die im ruhenden Kern meist nur in geringer Zahl nachgewiesen werden können und während der Teilung vollkommen verschwinden. In grösserer Anzahl kommen sie nur in den wachsenden Eizellen vieler Tierarten vor. Gewöhnlich zeigen alle in einem Kern befindlichen Nukleolen das nämliche färberische Verhalten, das meist in einem gewissen (Gegensatz zu dem der Chromosomen steht, seltener findet man in einer Zelle zwei Arten von Kernkörperchen, die sich durch ihre verschiedene Affinität zu verschiedenen Farbstoffen auszeichnen. Stets bleiben, so lauten wenigstens die Angaben der meisten Untersucher übereinstimmend, die Nukleolen von den Chromosomen morphologisch vollkommen getrennt, eigentlich nur Carnoy und Lebrun (1897-1901) sowie Lubosch (1902) versuchten den Nach- weis zu führen, dass in der Eireifung der Urodelen die Chromo- somen sich zeitweise in Nukleolen verwandeln, aus denen sie später wieder hervorgehen. Eine gewisse Vertiefung hat unsere Kenntnis der Nukleolen ‚erst in neuerer Zeit erfahren, in erster Linie durch die Anwendung neuer Methoden, so der Doppel- und Dreifachfärbungen und Ver- dauungsversuche, andererseits durch ausführliche vergleichend- anatomische Untersuchungen an den Eiern verschiedener, teils nahe verwandter, teils weit entfernter Tierarten, wie sie besonders Jörgensen (1913) ausführte. Er stellte zunächst fest, dass die Nukleolen stets im Kern selbst entstehen, und zwar mit Ausnahme der „Abschmelzungs- nukleolen“ unabhängig von den Chromosomen. Inwieweit diese letztere Feststellung richtig ist, soll erst im folgenden nachgeprüft werden, jedenfalls wurden durch Jörgensen die Angaben Montgo- merys (1599) und Buchners (1910) widerlegt, welche darzutun versuchen, dass die im Plasma verstreuten Mitochondrien in den Kern einwandern und dort zu Nukleolen umgewandelt werden. Des weiteren zeigte Jörgensen, dass die Masse und Struktur der Nukleolarsubstanz vollkommen unabhängig ist von der Masse der 1* 4 H. Stieve: Chromosomen, von. der Zellgrösse und dem Dotterreichtum, auch vom Wachstum der Zelle und der Ernährungsart des Eies. Er bewies also, dass wir es in den Nukleolen mit äusserst variablen Gebilden zu tun haben. Anlässlich seiner Spekulationen über die Natur der Nukleolen und ihre Bedeutung für die Tätigkeit der Zelle kommt Jörgensen zu dem Schluss, die Kernkörperchen seien. „während des Eiwachstums dauernd im Eikern vorhandene aktive Zellorganellen“. Diese Anschauung stützt sich in erster Linie auf den histo- logischen Bau der Nukleolen, aus welchem ihre lebhafte, für das Zellenwachstum so bedeutende Funktion erkennbar sein soll und wendet sich gegen die hauptsächlich von Haecker (1895) vertretene auf die Untersuchungen Rückerts (1892) gestützte Anschauung, die Nukleolen- seien keine Kernorgane, sondern lediglich Ab- scheidungsprodukte der Chromosomen. Im allgemeinen hat ja diese letztere Anschauung mehr Wahrscheinlichkeit für sich, denn bei der grossen Gesetzmässigkeit, die sich sonst in der Entwicklung aller lebenswichtigen Gebilde des Tier- und Pflanzenkörpers äussert,, erscheint es wenig wahrscheinlich, -dass einer Gewebsstruktur, die in jeder Hinsicht, sowohl in bezug auf Form, Grösse und chemische Reaktion, als auch auf die Zeit ihres Auftretens, wie auf ihre Anwesenheit überhaupt so ungeheuren Schwankungen unterworfen ist, grössere entwicklungsgeschichtliche Bedeutung zukommt. Und dies umsomehr, als bei ganz nahe verwandten Arten, deren Ei- entwicklung im übrigen bis in die kleinsten Einzelheiten in den nämlichen Bahnen verläuft, die Nukleolen häufig ganz verschiedenes:. Verhalten zeigen können, ja, in einem Fall vollkommen fehlen, im anderen aber bei einer Tierart mit sonst ganz gleicher Ei- entwicklung sehr reichlich vorhanden sind. Trotzdem scheint aber das morphologische Verhalten der Kernkörper bei einigen niederen Tierarten darauf hinzuweisen, dass ihnen doch eine gewisse aktive Tätigkeit zukommt und dass sie auch dazu dienen können, den Substanzaustausch zwischen Plasma und Kern zu regeln. Sehr wesentlich zur Stütze dieser Anschauungen haben die Untersuchungen Buchners (1918) am Hymenopterenei beigetragen, in welchem nach einer reichlichen Vermehrung der Nukleolarsubstanz des Kernes im Plasma kleine nukleolenähnliche Chromatinklumpen auftreten, aus denen sich in der Folgezeit kleine, dem Eikern in. bezug auf ihre Struktur sb | Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. vollkommen gleiche Nährkerne entwickeln. Allerdings kann, wie Buchner selbst angibt, auch hier die unmittelbare Abhängigkeit der im Plasma auftretenden Chromatinkörner von den Nukleolen nicht bewiesen werden, ihre engen Beziehungen zu der Substanz der Kernkörper gehen jedoch deutlich daraus hervor, dass mit dem Auftreten und fortschreitenden Wachstum der Nährkerne im Plasma ein progressiver Schwund der Nukleolen im Zellkern einhergeht. Dieses Wechselverhältnis beweist jedoch noch nicht, ‘ob den Nukleolen dabei tatsächlich eine aktive Rolle als Zellor- ganellen zukommt oder ob sie, was nach den vorliegenden Befunden wahrscheinlicher erscheint, auch in diesem Falle nur Abscheidungs- produkte des Chromosomenchromatins darstellen, die in irgend- einer gelösten Form den Kern verlassen und im Plasma zur Neu- bildung von Kernen verwendet werden. Im grossen und ganzen sind es also drei Anschauungen über die Natur der Nukleolen, die sich gegenüberstehen, die erste betrachtet sie als Zellorganellen, die zweite als Chromosomen- abscheidungsprodukte, die dritte als vorübergehende Formzustände der Chromosomen, durch welche die Kontinuität dieser Gebilde unterbrochen wird. Im letzteren Falle wären Uhromosomen und Nukleolen nichts anderes als die Manifestation verschiedener Ent- wicklungszustände der nämlichen Substanz, des Chromatins. Auch die zweite Annahme fordert einen Zusammenhang, beziehungs- weise eine Abhängigkeit der Nukleolen von den Chromosomen, während die erste Hypothese die vollkommene morphologische Unabhängigkeit beider Strukturen zur Grundlage hat. Wollen wir also unsere Kenntnis über die Natur der Kern- körper erweitern, so handelt es sich in erster Linie darum, die Frage zu beantworten: sind die Nukleolen morphologisch ganz oder teilweise von den ÖÜhromosomen abhängig oder nicht. Von vornherein ist es ja klar, dass in jedem Falle gewisse Wechselbeziehungen zwischen beiden Gebilden bestehen müssen, da sie ja beide der grösseren (Gewebseinheit des Kernes untergeordnet sind. Aber erst wenn das Abhängiekeits- verhältnis der beiden Substanzen voneinander geklärt ist mag es möglich sein, dem weiteren, wesentlich schwierigeren Problem näher zu treten, ob nämlich den Kernkörperchen im Zelleben eine aktive Rolle als selbsttätigen Zellorganellen zukommt, oder ob sie lediglich Abscheidungsprodukte sind, die später in der einen 6 H. Stieve: oder anderen Form ausgestossen werden und im Zelleib dann untergehen oder aber zur Bildung des Chromidium, beziehungs- weise irgend einer anderen Struktur beitragen. Am geeignetsten für solche Untersuchungen erscheinen die Eier der Amphibien: einerseits wegen ihrer beträchtlichen Grösse, andererseits weil in ihnen Chromosomen sowohl als auch Nukleolen eine Ausbildung erlangen, wie wir sie bei kaum einer anderen Zellart' in gleicher Vollkommenheit vorfinden. Und unter den Amphibien selbst musste wieder der Grottenolm (Proteus anguineus Laur) das günstigste Objekt liefern, weil er sich ja unter allen: Tieren durch die Grösse seiner Zellelemente auszeichnet und so die Aussicht eröffnet, genauen Einblick auch in die frühesten Stadien der Eientwicklung zu gewähren. Gerade in ihnen spielen sich ja die wichtigen Vorgänge ab, deren Kenntnis für die Erklärung aller weiterem Entwicklungsprozesse als Grundlage dienen müssen. Leider ist ihnen von Seite der früheren Untersucher in der Ei- entwicklung der Urodelen nicht immer genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht worden. Die Eireifung des Grottenolmes wurde schon zweimal unter- sucht, zuerst von V. Schmidt (1905) und später von Jörgensen (1910). Bei einer Durchsicht der beiden Arbeiten fallen aber ganz erhebliche Widersprüche auf, welche die mitgeteilten Unter- suchungsergebnisse zeigen und sie allein dürften schon Veranlassung genug sein, das fragliche Objekt einer Nachprüfung zu unterziehen, ganz abgesehen davon, dass sowohl Schmidt als auch Jörgensen bei der Auswahl der zu untersuchenden Tiere denkbarst unvor- sichtig zu Werke gingen und auch nur eine äusserst geringe Anzahl von Ovarien untersuchten. Beide Forscher gestehen selbst zu, dass ihr Material vollkommen ungenügend war und beklagen diesen Umstand aufs heftigste. Der Übersichtlichkeit halber sei es gestattet, die haupt- sächlichsten Ergebnisse ihrer Untersuchungen hier kurz wieder zu geben, ausführlicher werde ich auf sie bei der Besprechung meiner Befunde zurückkommen. V. Schmidt (1905) untersuchte die Ovarien von 5 Proteus- weibchen, die er zum Teil in fixiertem Zustand erhalten hatte, zum Teil nahm er die Konservierung selbst vor und zwar in Petersburg. Die betreffenden Tiere hatten sich also mehrere Tage, I Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. vielleicht aber auch Wochen auf der Reise befunden. Die Er- gebnisse seiner Untersuchungen sind folgende: Die jüngsten Eizellen liegen in Nestern beieinander, daneben finden sich aber auch ‚einzel liegende Oogonien. In ihren Kernen besteht das Gerüst aus einer Substanz, die sich bei Doppelfärbung mit Safranin- Lichtgrün blaugrün oder grau tingiert, an den Kreuzungsstellen des Netzwerkes finden sich grobe Körner, die sich grellrot färben. Demnach sind zwei Arten von Chromatin vorhanden, die eine ist stets feinkörnig und acidophil, sie färbt sich mit Lichtgrün und anderen Farbstoffen, die andere ist grob- _ körnig, basophil, färbt sich mit basischen Farben und hält auch das Heidenhainsche Hämatoxylin wesentlich stärker fest. Die basichromatische Substanz kommt auch häufig in Form von Nukleolen vor. Neben den Oogonien finden sich Oozyten, mit grösserem, meist exzentrisch gelegenem Kern. Protoplasma ist in reichlicherer Menge als in den Oozyten vorhanden, es erscheint feinkörnig, der Zentralkörper ist deutlich zu erkennen. Dabei lassen sich ver- schiedene Formen der Oozyten unterscheiden, die kleinsten zeigen ein reichverzweigtes Gerüst von Oxychromatin, das stellenweise eine strangförmige Anordnung erkennen lässt, ihm sind feine basichromatische Körner aufgelagert. Manchmal erscheint das gesamte Chromatin in einer Hälfte des Kernes zusammengezogen. Die zweite Form zeigt meist eine durchweg strangförmige An- ordnung des Chromatins, die Stränge bestehen aus oxychroma- tischer Substanz, der wiederum das Basichromatin in feinen Klumpen angelagert ist. Sie durchziehen das ganze Kerninnere in der Richtung von einem Pol zum andern, aber auch hier finden sich wieder Fälle, in denen das gesamte Chromatin an einer Seite des Kernes zusammengezogen ist. Schmidt beobachtet hier die polare Orientierung des kontinuierlichen Knäuels. In allen Zellen mit derartig strangförmiger Anordnung ger Chromatins lässt sich keine Kernmembran erkennen. Während des weiteren Wachstums der Oozyte entstehen an den Strängen oxychromatische seitliche Sprossen, die sich wesent- lich verlängern und schliesslich eine Verteilung des Chromatins im ganzen Kern bewirken. Die Stränge selbst sind noch durch die dichtere Anordnung des Chromatins gekennzeichnet und auf ihnen lagert sich das Basichromatin in grossen Klumpen und S H. Stieve: Schollen auf. Sämtliche Stränge konvergieren gegen die Haupt- masse der Zellsubstanz, der entgegengesetzte Kernpol ist meist mehr oder weniger frei von Strängen. Die Kerne erscheinen „polar differenziert“. Allerdings bezieht Schmidt diese letztere Bezeichnung hauptsächlich auf die Lage des Kernes in der Zelle. Bei noch grösseren Öozyten erscheint das Oxychromatin netzförmig im ganzen Kern verteilt, jede Spur der strangförmigen Anordnung ist verloren gegangen, das Basichromatin ist in ver- hältnismässig spärlicher Menge in einzelnen Nukleolen vertreten. Daneben kommen auch gelappte, unregelmässig geformte Kerne vor. In der Folgezeit nimmt der Kern stark an Grösse zu, während der Zelleib gewissermassen im Wachstum zurückbleibt. Im Kern findet sich jetzt ausschliesslich Oxychromatin, das in Gestalt von feinkörnigen Zügen und Balken den klaren Kernsaft durchsetzt, die basichromatische Substanz ist in Form von kleinen Nukleolen an der Peripherie angeordnet. In der Folgezeit werden die oxychromatischen Balken dichter, kompakter und zwischen ihnen entstehen Vakuolen, die mit klarem Kernsaft ausgefüllt sind. Im weiteren Verlauf der Entwicklung, während sich auch wichtige Veränderungen am Protoplasma vollziehen, nimmt der Kern sehr beträchtlich an Grösse zu. Die oxychromatische Substanz ist noch immer zu einem feinen Netzwerk angeordnet, das meistens den ganzen Kern gleichmässig durchsetzt oder aber grössere, mit klarem Kernsaft gefüllte Vakuolen freilässt. Manch- mal sind jedoch deutliche oxychromatische Stränge von verschiedener Länge sichtbar. Unmittelbar unterhalb ‘der Kernmembran finden sich grosse basichromatische Nukleolen, die stets vollkommen homogen ercheinen. Bei den grössten Oozyten, die überhaupt zur Beobachtung kamen, die jedoch noch verhältnismässig sehr jungen Stadien der Eientwicklung entsprechen, ist von der früheren feinkörnigen, oxychromatischen Substanz nichts mehr zu erkennen, nur in der Mitte des Kernes findet sich ein feines Maschenwerk, das aus zarten oxychromatischen Fibrillen besteht, die manchmal mit feinen Körnern von Basichromatin durchsetzt sind. Daneben finden sich noch ‚Körnerhaufen, die besonders in der Umgebung der in grösseren Mengen vorhandenen Randnukleolen dichter erscheinen. Je nach der angewandten Fixierungsflüssigkeit weist die Struktur der Kerne in allen Stadien ziemlich erhebliche Unter- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. B) schiede auf, stets ist in den mit „Chromessigsäure nach Flem- ming“ fixierten Präparaten die oxychromatische Substanz in geringerer Menge vorhanden als .bei anderen Konservierungs- methoden. Schmidt ist deshalb der Anschauung, dass durch den Einfluss der Chromessigsäure eine partielle Lösung der ‘oxychromatischen Substanz erfolgt, die bei längerer Dauer der Einwirkung zu ihrem völligen Verschwinden führt, besonders dann, wenn statt der Chromessigsäure das starke Flemmingsche Gemisch verwendet wird. Durch Sublimatgemische wird im Gegensatz dazu das Oxychromatin gut dargestellt. Die basichromatische Substanz unterliegt unabhängig von der Fixierung grossen Mengenschwankungen. Die Struktur des Protoplasma erscheint in den jüngsten Oozyten netzförmig, den Fäden des Netzes sind feine Mikrosomen eingelagert. während des Wachstums erscheint im Zelleibe eine körnige Substanz, die sich durch grössere Färbungsintensität auszeichnet, sie stellt den Dotterkern dar und ist als dunkler Fleck in unmittelbarer Nähe des Kernes wahrzunehmen. In späteren Perioden ist um den Kern eine grobkörnige Substanz gelagert, die dann während der weiteren Entwicklung wieder verschwindet. Später entstehen allenthalben im Kernsaft feine Fibrillen, welche im allgemeinen in konzentrischer Richtung um den Kern verlaufen. Tiere, die längere. Zeit in Gefangenschaft gehungert haben, unterscheiden sich von gut gefütterten durch den Bau des Protoplasma der grösseren Oozyten. Allerdings kommt dieser Beobachtung inso- fern nur eine bedingte Bedeutung zu, als die Ovarien der beiden in Frage stehenden Individuen mit verschiedenen Konservierungs- mitteln behandelt wurden, ein Umstand, der ebensogut für die im Schnitt beobachteten Verschiedenheiten im Bau des Plasma verantwortlich gemacht werden kann. Der Dotterkern tritt unmittelbar während des „Synapsisstadium“ auf und entsteht nach der Anschauung Schmidts aus Kernsubstanzen, die in gelöster Form aus dem Kern austreten. Ein direkter Übertritt von Chromatin in das Plasma konnte jedoch nicht festgestellt werden. Die sehr sorgfältigen Untersuchungen Schmidts kranken, wie der Autor selbst angibt, vor allem an der Unzulänglichkeit und schlechten Beschaffenheit des Materials und beschränken sich nur auf einen .sehr kurzen Abschnitt der Eientwicklung. 10 H. Stieve: Trotzdem konnten sie schöne Ergebnisse zeitigen und deutlich beweisen, dass der Olm gerade wegen der beträchtlichen Grösse seiner Zellen wohl geeignet ist, über so manche noch dunkle Frage in der Eientwicklung der Amphibien Aufschluss zu geben. Sechs Jahre später unternahm Jörgensen an ebenso unzu- länglichem Material eine Nachprüfung der Schmidtschen Arbeit. Obwohl aber dieser Forscher ganz richtig einsah, dass es von grosser Wichtigkeit sei, nur die Ovarien frisch gefangener Tiere zu verwerten, hielt er sich doch bei der Auswahl seines Materials nicht an diese Regel. Zuerst liess er sich fünf, später nochmals drei Olmweibchen aus Adelsberg kommen, wie lange sie sich in Gefangenschaft oder auf dem Transport befunden hatten, wird nicht angegeben. die von Jörgensen angewandte Bezeichnung „frisch gefangen‘ ist ja ein äusserst dehnbarer Begrifl. Ange- nommen den Fall, die Tiere seien unmittelbar nach der Gefangen- nahme in die Versandgefässe gelangt, was für jeden, der die näheren beim Fang der Olme obwaltenden Umstände kennt, äusserst zweifelhaft erscheint, so war doch immer die lange Bahnfahrt mit allen ihren Veränderungen, vor allem der Aufenthalt in Metall- gefässen, im warmen Wasser zu überstehen, alles Umstände, die nicht ohne Einfluss auf den Allgemeinzustand und den Bau der Övarien geblieben sind. Dies geht schon daraus hervor, dass selbst Jörgensen drei von seinen acht Olmen wegen allzu starker Degenerationsvorgänge in den Ovarien nicht verwerten konnte. Die anderen Tiere hielten der Prüfung stand, selbstverständlich, es fehlte ja an wirklich einwandfreiem Vergleichsmaterial. Es fällt ja überhaupt auf, dass Jörgensen, der doch als Zoologe wenigstens einigermassen dieLebensgewohnheiten des untersuchten Tieres kennen und beachten sollte, die Eizellen vollkommen wie selbständige Individuen behandelt, ohne jede Rücksicht auf das Muttertier, das sie trägt. Weder über Alter noch über Grösse oder Ernährungszustand der Olme werden irgend welche Angaben gemacht. Ganz abgesehen aber davon, dass das untersuchte Material‘ von äusserst fragwürdiger Herkunft war, verwendete Jürgensen zur Fixierung besonders der jüngeren Stadien in der Hauptsache das starke Flemmingsche Gemisch, das beim Gebrauch noch dazu auf 50 Grad erhitzt wurde. : Angeblich waren die damit erzielten Ergebnisse ganz ausgezeichnet. Jörgensen übersieht aber voll- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 11 kommen die grossen Nachteile, die stets mit der Anwendung des starken Flemmingschen Gemisches verbunden sind, Nachteile, die Flemming selbst sehr wohl kannte, die auf der Wirkungsweise ‚der Osmiumsäure beruhen. Ich habe sie im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich beschrieben und werde später nochmals auf sie zurück- kommen, verweise jedoch schon hier auf die obigen Ausführungen Schmidts, die sich ganz mit meinen Ergebnissen decken. Jörgensen unterscheidet in der Eientwicklung vier grosse Abschnitte. Auch er findet in allen Ovarien Oogonien, in deren Kernen zahlreiche basichromatische Brocken liegen, die durch achromatische Lininbrücken verbunden sind. Die meisten Oogonien liegen nesterweise beieinander und befinden sich im Ruhestadium, es kamen jedoch auch Oogonienteilungen zur Beobachtung. Der Kern der jüngsten Oozyten erscheint gleichmässig homogen, nur einige Nukleolen liegen als die letzten Reste des Chromatins in ihnen. Demnach findet eine vollkommene Zerstäubung des Chromatins sfatt, wie sie zustande kommt, konnte nicht beobachtet werden, da ..die Rekonstruktionsstadien von der Tochterplatte zum Ruhekern leider fehlen“. Die Nukleolen färben sich basophil und stehen dadurch im Gegensatz zum acidophilen Kernsaft. In der nunmehr folgenden Wachstumperiode treten innerhalb des Kernes feinste achromatische Körner auf, die ihre alte Baso- ‚philie wieder erlangen und sich zu einem feinen Monospirem anordnen. Dieses Leptotän kontrahiert und segmentiert sich und ordnet sich dann zum „‚Bukettstadium“ an. Ein synaptisches Stadium wird nicht beobachtet. Während dieses „Bukettstadium“ sind einzelne Chromosomen vorhanden, die einen mehr oder weniger deutlichen Längsspalt aufweisen. Sie zeigen sehr ver- schiedene Länge, nach der Ansicht Jörgensens der Ausdruck ver- schiedener Kontraktionszustände. Die Zahl der Chromosomen wurde nicht ermittelt, wie Jörgensen überhaupt in der ganzen Arbeit den Zahlenverhältnissen nicht die geringste Beachtung schenkt. In der Folgezeit werden die Chromosomen zarter und feiner, sie verlieren schliesslich ihre Färbbarkeit und zwar zuerst in der Gegenpolseite des Kernes, gleichzeitig entstehen in den farblos gewordenen Kernabschnitten Tropfen von intensiv färb- barem Chromatin. Nach einiger Zeit sind die Chromosomen vollkommen farblos. Während der polaren Orientierung selbst erleidet die Kernmembran an der Polseite eine Kontinuitätstrennung, 2 H. Stieve: hier werden grosse Stücke der Chromosomen ausgestossen, be- ziehungsweise es fliesst eine reichliche Menge Chromatins von ihnen ab und gelangt so in das Plasma, um dort eine fädig krümelige Masse zu bilden. Im weiteren Verlauf der Entwicklung gehen diese Gebilde, offenbar die von Heidenhain als Pseudo- chromosomen beschriebenen Einschlüsse, wieder zugrunde. Allerdings kann diese polare Abgabe von Chromatin auch unterbleiben, in diesem Falle tritt auch keine Zerstäubung der Chromosomen ein. Die betreffenden Kerne sollen vielmehr später an Hyperchromasie zugrunde gehen. Gewöhnlich folgt auf das „Bukettstadium“ das Stadium der zweiten Zerstäubung des Chromatins und zwar bildet sich dieses verschieden stark aus, im einen Fall kann die Zerstäubung eine so vollkommene sein, dass auch die letzten Reste der Chromosomen verschwinden, im anderen überdauern vereinzelte achromatische Chromosomenreste die Zerstäubung. Während dieses Zustandes färbt sich der ganze Kerninhalt mit Safranin, ist also basophil, und zwar ist die Intensität an beiden Polen verschieden stark. Normaler- weise treten im Kern während der Zerstäubung Vakuolen auf. Später erfolgt die Rekonstruktion der Chromosomen und zwar genau in umgekehrter Reihenfolge wie ihre Zerstäubung stattfand, sie führt zur Bildung eines dichten chromatischen Netz- werkes, das den ganzen Kern schliesslich gleichmässig durchsetzt. Nunmehr beginnt das starke Grössenwachstum der Oozyte. Dabei strömt das Chromatin in bestimmten Bahnen, den idealen Längs- achsen der Chromosomen, zusammen und so kommt es zur Aus- bildung der Lampenzylinderputzerchromosomen, die anfänglich durch seitliche Ausläufer zusammenhängen, sich aber mehr und mehr individualisieren, indem die Ausläufer sich verkürzen. Zeit- weise erscheinen alle seitlichen Ausläufer der Chromosomen deutlich längsgespalten. Der Eintritt in die Spindel der ersten Reifungsteilung kam nicht mehr zur Beobachtung. Besondere Aufmerksamkeit wendet Jörgensen dem Studium der Nukleolarsubstanz zu. Meist tritt sie in Form von Rand- nukleolen auf, in den früheren Stadien entstehen diese an der Kernmembran selbst, als feinste Kügelchen während des Stadium der maximalen Chromatinzerstäubung, in den späteren Stadien als Degenerationsnukleolen, die von der Chromosomensubstanz abschmelzen. Die Randnukleolen vergrössern sich im Verlauf D: EI EL EN WERDET ie a ac a Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 15 des Kernwachstums bis zu einem Durchmesser von 16—18 u. Die kleineren Formen sind vollkommen homogen, von einer ge- wissen Grösse ab treten aber Vakuolen in ihnen auf, deren Vergrösserung hauptsächlich die Grössenzunahme bedingt. Die Randnukleolen bleiben während der ganzen Entwicklung unmittel- bar unterhalb der Kernmembran liegen und sind nicht zu ver- wechseln mit stellenweise im Kerninnern auftretenden Chromatin- verklumpungen, von denen sie sich grundlegend unterscheiden. Eine Umwandlung von Chromosomen in Nukleolen findet niemals statt, dagegen können sich Chromatinteile, und zwar besonders häufig bei Tieren, die längere Zeit in Ge- fangenschaft gehungert haben, zu nukleolenartigen Gebilden verklumpen. Insbesondere bildet auch das Chromatin, welches bei der Ausbildung der kleinen Richtungschromosomen von den Lampenzylinderputzerformen in grosser Menge abschmilzt, ‚‚un- organisierte Konglomerate von den allermannigfaltigsten Formen“. Im Anschluss an diese Feststellungen widerlegt Jörgensen überzeugend durch theoretische Auseinandersetzungen die Rück- schlüsse, welche Carnoy und Lebrun und später Lubosch an ihre Beobachtungen über die Nukleolen der Tritoneneier knüpfen. Auch der Bau des Plasma wird eingehend untersucht und beschrieben, ich will jedoch hier nicht näher auf diese Befunde eingehen. Die anscheinend äusserst eingehenden Untersuchungen Jörgensens sind durch eine überaus grosse Anzahl von vor- trefflichen Abbildungen belegt. Sie kranken aber vor allem, wie schon erwähnt, ebenso wie die Schmidtschen, an der kritiklosen Auswahl des Materials, das eben vollkommen unzureichend war. Schon früher (1918) habe ich auseinandergesetzt, dass für em ‚Tier, das gewöhnlich unter so ganz gleichmäßigen Bedingungen lebt wie der Olm, selbst ein nur kurzer Aufenthalt in den Transport- gefässen eine sehr tiefgreifende Schädigung bedeutet, die sich in ihren Wirkungen auf den Bau der Ovarien geltend machen muss. Wie meine Untersuchungen an Haushühnern (1918a) dargetan haben, genügen ja schon ganz geringfügige Veränderungen im umgebenden Medium, um schwerwiegende Degenerations- erscheinungen an den Ovarien, eine vollkommene Unterbrechung der normalen Eientwicklung zu bewirken, und diese schädigenden Einflüsse mussten sich beim Olm doppelt stark geltend machen. 14 H. Stieve: Weder Jörgensen noch Schmidt haben den von ihnen beschriebenen Abschnitt der Wachstumsperiode in lückenloser Reihenfolge beobachten können, bei genauerem Zusehen handelt es sich ja in den Zeichnungen und Beschreibungen Jörgensens auch nur um einige wenige Stadien, die immer nur in anderer Färbung und Darstellung wiederkehren und deren Aufeinanderfolge keineswegs klar erscheint. Die Seriation der frühen Entwicklungs- stadien bietet ja in der Eientwicklung der Amphibien, auch solcher - Arten, die jederzeit leicht in frischem Zustand zu erlangen sind, grosse Schwierigkeiten, ebenso die Erklärung der an den grösseren Eiern gemachten Befunde, ich brauche hier nur auf die starken prinzipiellen Widersprüche zu verweisen, die sich in den Arbeiten über die Oogenese der Tritonen finden, wo sich die Ergebnisse von Born (1892) und Janssens (1904) einerseits, von Carnoy und Lebrun (1897—1901) und Lubosch (1902) andererseits diametral gegenüber stehen. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass alle oder wenigstens sehr viele der verschiedenen be- schriebenen Zellbilder mehr oder weniger beeinflusst waren von den äusseren Verhältnissen, in denen sich das betreffende Individuum in der letzten Zeit seines Lebens befunden hatte. Hauptsächlich von diesem Gesichtspunkt aus habe ich die erneute Untersuchung der Eientwicklung des Grottenolmes in Angriff genommen nachdem ich zuerst die Spermatogenese be- arbeitete, wo die Verhältnisse wesentlich klarer und günstiger lagen. Meine Arbeiten begannen im Jahre 1914, wurden durch den Krieg häufig auf sehr lange Zeit unterbrochen, und erst jetzt gelang es mir, einen vorläufigen Abschluss zu erreichen, obwohl auch mein Material, sehr reichhaltig zwar im Vergleich zu dem meiner Vorgänger, nicht so vollständig ist, als ich ursprünglich erwartet hatte. In erster Linie fehlen auch mir die letzten Stadien der Eientwicklung, die Bildung der Richtungschromosomen und die Reifungsteilungen selbst. Wenn ich trotzdem schon jetzt zu einer Veröffentlichung meiner Untersuchungsergebnisse schreite, so geschieht dies hauptsächlich deswegen, weil ich über die Stadien der frühen Eientwicklung, die ganze Wachstumsperiode des Eies vollkommen ins Klare gekommen bin, da ich sie an einer grösseren Anzahl von Tieren in lückenloser Reihenfolge beobachten konnte, andererseits auch deshalb, weil, selbst ruhigere Zeiten als jetzt vorausgesetzt, es doch äusserst fraglich erscheint, Die Entwicklung der Keimzellen des Groöttenolmes. 15 ob es bei der scheuen und verborgenen Lebensweise des Olmes überhaupt jemals gelingen wird, die letzten Stadien der Eient- wicklung in genügend grosser Anzahl zu erhalten. Die erste Anregung zu diesen Untersuchungen erhielt ich durch meinen hochverehrten Lehrer Herrn Geheimrat Rückert in München, dem ich auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank aussprechen möchte. Desgleichen bin ich der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München zu grossem Dank ver- pflichtet, welche mir aus den Mitteln der Samsonstiftung mehr- mals hohe Beträge zur Förderung meiner Untersuchungen über- wiesen hat. Material und Technik. Einerseits um die Wirkung der verschiedenen Konservierungs- flüssigkeiten aus eigener Erfahrung kennen zu lernen, andererseits aber um den Einfluss des Gefangenlebens auf die Keimzellen der Olme zu untersuchen, liess ich mir im Frühjahr: 1914 zehn Olme aus Adelsberg schicken. Die Tiere waren beim Sinken des Wasserspiegels gefangen worden, hatten sich nur zwei Tage auf der Bahnfahrt befunden und kamen in verhältnismässig gutem Zustand in meine Hände. Sie wurden teils sofort, teils erst nach längerer Gefangenschaft getötet und die Keimdrüsen in der verschiedensten Weise konserviert, eingebettet und gefärbt. Unter den Tieren befanden sich acht Weibchen. Nach diesen Voruntersuchungen begab ich mich nach Adels- berg selbst, um dort einwandfreies, frisches Material zu erhalten. Über die näheren beim Fang obwaltenden Umstände, sowie über meine Beobachtungen an freilebenden Olmen, besonders auch über die Art und Weise der Fortpflanzung habe ich schon früher (1918a) berichtet. Im ganzen erbeutete ich selbst bezw. mein Olmjäger 17 Weibchen. Einen weiteren Olm, der sich seit dem Jahre 1912 in Gefangenschaft befunden hatte, erhielt ich noch im Jahre 1919 durch den bekannten Münchner Herpetologen H. Sellmayr, dem ich auch hier meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Meine Untersuchungen erstrecken sich also im ganzen auf 26 oder nach Abzug der 9 zu Vergleichszwecken benützten auf 17 Ovarien. Im Vergleich zu den früheren Untersuchungen ist mein Material also sehr reichhaltig, es erfüllt jedoch nicht die 16 H. Stieve: 3edingungen, die sonst bei Untersuchungen über die Eientwicklung- gestellt werden müssen, da es ja nur in einem einzigen Monat gesammelt wurde. Dieser Übelstand wurde jedoch zum Teil wenigstens dadurch wieder ausgeglichen, dass die Tiere ganz verschiedenes Alter — dies glaube ich aus der verschiedenen Körpergrösse entnehmen zu dürfen — und auch ganz ver- schiedenen Entwicklungszustand der Keimdrüsen zeigten. Der Umstand, dass wir über das Freileben des Olmes, vor allem über die Art und Weise seiner Fortpflanzung, noch so gut wie gar nichts Sicheres wissen — alle hierhergehörigen Mitteilungen stützen sich ja nur auf die bei der Sektion gemachten Befunde oder aber auf die an gefangenen Tieren angestellten Beobachtungen, und gerade diese letzteren besitzen nur äusserst geringen Wert, da es niemals gelingt, einen Olm im Aquarium auch nur an- nähernd unter den gleichen Bedingungen wie an seinem natürlichen Aufenthaltsort zu halten — machte sich recht störend geltend. Als Grundlage für die nachfolgenden Beschreibungen dienten stets, soweit nicht ausdrücklich anderes bemerkt ist, die Ovarien der 17 in der Zeit vom 20. April bis 8. Mai 1914 frisch ge- fangenen Olme. Unmittelbar nach der Gefangennahme wurden die Tiere durch Chloroformdämpfe getötet, die Ovarien im ganzen herausgenommen, dann der Quere nach in Stücke geschnitten und in die verschiedenen Konservierungsflüssigkeiten gebracht. Die von Born (1394) anempfohlene Eröffnung des Ovarialsackes unterliess ich, einerseits weil bei ihr zuviel Eier verletzt werden und andererseits weil sie nach meinen an Ovarien von Tritonen und an denen der 8 Versuchstiere gemachten Erfahrungen ohne jeden Einfluss auf den Erhaltungszustand der Eier und deshalb also ganz überflüssig ist. Bei den meisten Ovarien konnte aller- dings im Schnitt eine geringe Deformation der Eier als Folge des gegenseitigen Druckes festgestellt werden, es ist jedoch fraglich, ob es sich dabei tatsächlich um den Einfluss der Fixierung oder nur um die Festhaltung normaler Formverhältnisse handelt. Zeigen doch auch die Oozyten anderer Tiere, z. B. der Vögel, während der Wachstumsperiode häufig starke Abweichungen von der Kugelform, durch gegenseitigen Druck entstandene Ab-- plattungen, die sicherlich nicht auf die Fixierung zurückgeführt werden können. Die sehr beträchtliche Grösse der einzelnen Oozyten und Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 17 besonders ihrer Kerne — in den grössten beobachteten Follikeln betrug der Durchmesser des Keimbläschens mehr als 500 u, — brachte es mit sich, dass die Ovarien des Olmes nur sehr schwer wirklich einwandfrei konserviert werden konnten. Besonders unangenehm machte sich der Umstand geltend, dass es kaum, ja man kann sagen bei grösseren Oozyten überhaupt niemals gelingt, Kern und Plasma gleichzeitig einwandfrei darzustellen, sie verhalten sich den einzelnen Agentien gegenüber ganz ver- schieden. Die meisten Konservierungsflüssigkeiten erzeugen Schrumpfungen, entweder im Kern oder im Plasma und diese haben dann die Entstehung von mehr oder weniger breiten Schrumpfzonen zur Folge, wobei die Kernmembran bald am Plasma, bald am Chromatingerüst hängen bleibt. Da die An- wendung ungeeigneter Konservierungsflüssigkeiten unter voll- kommener Nichtbeachtung ihrer schädlichen, zerstörenden Wirkungen neben der kritiklosen Auswahl des Materials einer der Hauptgründe für die unzutreffenden Befunde Jörgensens ist, so muss ich mich hier etwas ausführlicher mit den rein technischen Fragen aufhalten, um so mehr als sie für die Unter- suchung der Ovarien aller Amphibien von Bedeutung sein dürften. Neben zahlreichen anderen Gemischen, die sich von vorn- herein als vollkommen ungeeignet erwiesen, verwendete ich die nachfolgenden Flüssigkeiten und zwar soweit nichts anderes bemerkt wird, durchweg kalt, das heisst bei Zimmertemperatur. 3ei Erhitzung der Flüssigkeiten auf 30—50 Grad und darüber waren die erzielten Ergebnisse durchweg schlecht. Es sei nun gleich hier bemerkt, dass in fast allen Kernen zwei Arten von Chromatin, Basi- und Oxychromatin vorkommen, welche sich den einzelnen Konservierungsflüssigkeiten gegenüber ganz verschieden verhalten. Es kamen in Anwendung: 1. Konzentrierte wässerige Sublimatlösung mit einem Zusatz von 5°/o Eisessig. Die damit erzielten Ergebnisse waren im allgemeinen gute, wenn wir nur die kleinsten Oozyten bis zu 60 « Durchmesser betrachten, sogar sehr gute. Das Plasma wird ebenso wie der Kern mit seinen zwei Chromatinarten gut dar- gestellt. Bei grösseren Oozyten ist allerdings nur die Konser- vierung des Plasma eine einwandfreie, am Kern sind häufig Schrumpfungserscheinungen zu beobachten, welche sich zunächst Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 2 18 H. Stieve: im geschlängelten Verlauf der Kernmembran kenntlich machen. Häufig zieht sich aber auch der ganze Kerninhalt zusammen und ist dann durch einen breiten, weissen Spalt von der Membran, an der nur vereinzelte kleine Gewebspartikel kleben bleiben, getrennt. In anderen Fällen erscheint der ganze Kern rund, seine Oberfläche glatt, in seinem Inneren finden sich aber zahl- reiche Vakuolen, die nur von homogener Flüssigkeit erfüllt sind, während sonst das ganze Kerninnere von einem feinen Gerüst eingenommen wird. Auch diese Form muss ich für Fixierungs- produkte halten, da sie nur bei der Anwendung von Sublimat- eisessig beobachtet wurden. In anderen Fällen wieder erscheint die ganze Masse des Chromatingerüstes stark geschrumpft und nimmt als kleiner Klumpen von wechselnder Gestalt nur die Mitte des Kernes ein, der im übrigen seine kreisrunde Form bewahrt hat. Die beschriebenen Veränderungen finden sich hauptsächlich an Kernen, deren ganzes Inneres ursprünglich von einem gleichmässigen Gerüst durchsetzt war, diese zeigen sich überhaupt äusserst empfindlich gegenüber allen Konservierungs- methoden. 2. Alkohol-Chloroform-Eisessig in dem von Carnoy an- gegebenen Mengenverhältnis. Zur Konservierung des Plasma ist dieses Gemisch vollkommen ungeeignet, da es in ihm starke Zerreissungen und ungleichmässige Ausfällung der einzelnen Sub- stanzen erzeugt. Ganz ausgezeichnet eignet es sich dagegen zur Darstellung der Kerne, diese erscheinen stets kreisrund, die Membran liegt immer ganz glatt, ohne jede Falte, niemals findet sich ein Schrumpfraum ‘an ihrer Innenseite. An ihrer Aussen- seite befindet sich meist ein mehr oder weniger breiter Proto- plasmasaum, auf den dann breite Spalträume oder grosse künstliche Plasmavakuolen folgen. Zerreissungen des Chromatingerüsts sind selten, dagegen beobachtet man hie und da, besonders bei mittel- grossen Oozyten und zwar nur bei solchen, die unmittelbar unter- halb der Oberfläche des Ovar gelegen sind, also dem Einfluss der Konservierungsflüssigkeiten besonders stark ausgesetzt waren, dass das gesamte Basichromatin von der Oberflächenseite nach der Tiefe zu geschwemmt ist und dort als halbmondförmiges Gebilde dem Inneren der Kernmembran anliegt, ohne dass sonst die Struktur des Kernes irgendwie beeinflusst wird. Die typische Lage genau gegenüber der Oberfläche des Ovar beweist, dass Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 1%) es sich tatsächlich um Ausschwemmurgsvorgänge handelt, eine Erscheinung, auf die übrigens in letzter Zeit auch Schaffer (1919) hingewiesen hat. Hie und da kann man auch beobachten, dass das Basichromatin nur aus der einen Hälfte des Kernes ausgeschwemmt ist, dieser Abschnitt liegt dann stets näher der Oberfläche des Ovar und erscheint bei sonst gleicher Struktur wesentlich heller gefärbt als die tieferen Kernabschnitte. Die eben beschriebenen Veränderungen finden sich übrigens bei Anwendungen aller Gemische, welche zu mehr als 50°/o aus absolutem Alkohol zusammengesetzt sind, am stärksten treten sie bei Anwendung von 96°/o Alkohol, der im übrigen die Kerne der tiefer gelegenen Zellen recht gut darstellt in Erscheinung. Auch bei Verwendung von Sublimat-Alkohol-Chloroform-Eisessig in verschiedenen Mischungsverhältnissen treten die nämlichen Erscheinungen zu Tage, und auch hier machen sich die be- schriebenen Veränderungen des Protoplasma geltend, das offenbar in höchstem Maße gegen das rasche Eindringen von Alkohol empfindlich ist. 3. Alkohol-Eisessig (absoluter Alkohol S0°/o, Eisessig 20 °/o) stellt die Kerne, besonders die der grossen Follikel, gleichfalls in sehr schöner Weise dar, obwohl sich hie und da auch die oben erwähnten Ausschwemmungserscheinungen zeigen. Die Wirkung auf das Plasma ist jedoch denkbar ungünstig, dieses erscheint auf Schnitten wegen der massenhaft stattfindenden Zerreissungen oft siebartig durchlöchert. Die eben erwähnten drei Gemische erwiesen sich in den Vorversuchen am geeignetsten und wurden darum in erster Linie angewendet. Es sei jedoch erwähnt, dass auch Pikrinsäure- Sublimatmischungen und das Gilsonsche Gemisch gute Ergeb- nisse zeitigten, die jedoch die der oben erwähnten Flüssigkeiten nicht erreichten. 4. Starkes Flemmingsches Gemisch. Jörgensen fasst sein Urteil über dieses Fixierungsmittel folgendermassen zu- sammen: „Vorzüglich für die Kerne junger Stadien. Unent- behrlich für die Darstellung der interimistischen und definitiven Fettspeicherungen“. Die zweite Hälfte des Satzes besitzt nach meinen Erfahrungen bedingte Richtigkeit. Doch auch zur Dar- stellung der Fettmassen lässt sich das Flemmingsche Gemisch ebensogut durch jede beliebige andere Fixierungsflüssigkeit 2% 20 H. Stieve: ersetzen, die gleichfalls Osmiumsäure enthält.!) Der erste Satz ist, wie ich auf Grund meiner Beobachtungen, die sich ja auf ein wesentlich grösseres Material erstrecken als die Erfahrungen Jörgensens, falsch. Denn wie ich schon im ersten Teil der Arbeit betont habe, ist das Flemmingsche Gemisch vollkommen ungeeignet zur Fixierung der Kerne, gleichgiltig ob es in schwacher‘ oder starker Konzentration, kalt oder auf 50 Grad erwärmt angewendet wird. Schon bei Anwendung schwächerer Ver- grösserungen lassen sich starke Schrumpfungserscheinungen an allen Oogonien und Oozyten feststellen, bei Verwendung der kalten Flüssigkeit erscheint zwar der Erhaltungszustand der kleineren Zellen bei oberflächlicher Betrachtung recht gut, die Kerne sind kreisrund, ihre Membran glatt und das Plasma der kleineren Oozyten wenigstens leidlich erhalten. Geradezu verhängnisvoll sind die Zerstörungen, welche diese starke Lösung nach ihrer Erwärmung auf 50 Grad im Inneren der Kerne anrichtet. Die Wirkungsweise lässt sich sehr einfach dahin zusammen- fassen: das Basichromatin vermag dem Einfluss der Osmiumsäure, denn hauptsächlich um deren Wirkung handelt es sich, stand-- zuhalten, das reine Oxychromatin wird jedoch vollkommen zerstört. Als Folge davon erscheinen Kerne, die nur von einem oxy- chromatischen Gerüst erfüllt sind, vollkommen homogen, die basichromatischen Nukleolen liegen scharf von der Umgebung abgesetzt im sonst strukturlosen Kern. Auch andere Strukturen,. so das Liningerüst oder die Körnung des Kernsaftes, werden mehr oder weniger vollkommen zerstört. In manchen Fällen kann diese Wirkung der Osmiumsäure von Vorteil sein, so besonders ') Dabei ist nur zu beachten, dass die osmierten Granula durch absoluten Alkohol zum Teil gelöst werden, es empfiehlt sich also Gefrier- schnitte herzustellen und in Glycerin einzuschließen, ein Verfahren, das ich seiner grossen Umständlichkeit halber jedoch nur ganz wenig anwendete. Vielmehr beliess ich die Stücke nach der Wässerung mindestens 24 Stunden in 40° Alkohol, führte dann sehr langsam weiter in steigenden Alkohol und setzte der Anweisung Heidenhains (1907) folgend dem 70 °/o Alkohol, in dem die Stücke wieder 24 Stunden lang verblieben, eine geringe Menge von Natriumsulfid zu. Dadurch erzielt man eine sehr ausgiebige Schwärzung aller osmierten Granula. Sie kann übrigens auch noch später mit Erfolg angewendet werden, wenn nämlich die aufgeklebten Schnitte nach der in. gewöhnlicher Weise erfolgten Entparaffinierung in Natriumsulfid-Alkohol gebracht werden. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 21 dann, wenn es sich um die Ermittlung von Zahlenverhältnissen der Chromosomen während der Mitose handelt. Hier bestehen die einzelnen Schleifen ausschliesslich aus Basichromatin und heben sich nach Zerstörung aller anderen Zellstrukturen besonders gut von der Umgebung ab. Im allgemeinen muss aber die Osmiumsäure und alle aus ihr zusammengesetzten Gemische als ungeeignet zur Untersuchung der Kernstrukturen bezeichnet werden, eine Tatsache, die schon von vielen Seiten, so besonders von Flemming selbst, betont wurde, die ‚aber merkwürdigerweise gerade beim Studium der Ei- und Samen- entwicklung immer und immer wieder ausser Acht gelassen wird. Ein weiterer Nachteil der Flemmingschen Mischung ist ihr langsames Eindringungsvermögen, in ihrer vollen Wirkung zeigt sie sich fast nur in den obersten Schichten der Gewebe. In tiefere Abschnitte der konservierten Organstücke gelangt sie überhaupt nicht, diese scheiden also fast vollkommen für die Untersuchung aus. Dagegen findet sich zwischen diesen beiden Zonen der stärksten und der schwächsten Wirkung ein allerdings nur schmaler Gewebsstreifen, in dem die Kerne leidlichen Konser- vierungszustand zeigen. Die Ovarien jüngerer Olme sind aber meist so dünn und gestatten eine Einwirkung auf die Eier von allen Seiten, dass hier die Zonen nicht abgegrenzt sind. Dagegen konnte ich häufiger, besonders bei Kernen in den grossen dotter- reichen Follikeln, beobachten, dass nur der der Oberfläche des Ovar zugewandte Teil die beschriebene Zerstörung des Oxy- chromatins zeigt. der andere aber leidlich erhalten ist. Ja bei grösseren Follikeln von mehr als 2 mm Durchmesser ist der Einfluss auf die zentral gelegenen Kerne meist in der Weise zu erkennen, dass der ganze Kern geschrumpft und in seinen Rand- partien stärker beeinflusst ist als in der Mitte. Leider sah ich mich genötigt, einerseits zur Nachprüfung der Jörgensenschen Befunde, um die auf der Osmiumssäurewirkung beruhenden Veränderungen des Kernes genauer zu untersuchen, andererseits auch zur Darstellung der Fetteinlagerungen einen Teil des wertvollen Materials mit starker Flemming scher Lösung zu fixieren und dadurch für die eigentliche Untersuchung grösstenteils zu verderben. Falls im folgenden Beobachtungen an Flemming fixiertem Material angeführt werden, so ist dies in jedem einzelnen Fall erwähnt. DD 1585) H. Stieve: Die Weiterbehandlung der fixierten Stücke war im grossen und ganzen die nämliche, wie ich sie für die Hoden angegeben habe, doch musste auch hier noch mit der schädlichen Wirkung des Alkohols gerechnet werden. Bei längerem Verweilen in 96 °/o oder absolutem Alkohol machten sich nämlich auch an den gut fixierten Stücken noch Schrumpfungserscheinungen geltend. Dass diese nicht von der beim Einschmelzen in Paraffin notwen- digen Erwärmung herrührten, bewies der Umstand, dass sie auch, und zwar besonders stark, an Celloidinpräparaten auftraten. Dem- nach bot die Celloidineinbettung keinerlei Vorteile. sondern neben ihrer grossen Umständlichkeit recht erhebliche Nachteile und wurde deshalb ausser zu Versuchszwecken nicht angewendet. Bei der Paraffineinbettung wurde im allgemeinen nach den Vorschriften von Carnoy und Lebrun (1900) verfahren, die Stücke wurden langsam in 96 °/o*'Alkohol überführt, verblieben in ihm höchstens 3 Stunden und wurden dann unmittelbar in Chloroform-Alkohol gelegt. Hierin verblieben sie zwei bis drei Stunden, dann ebenso lange in reinem Chloroform und wurden dann in kaltgesättigte Chloroform-Paraffinlösung, zusammen mit mehreren Stücken harten Paraffıns, in den Brutschrank bei 37 Grad gestellt. Nach 30 Minuten hatte sich soviel Paraffın weiter gelöst. dass die Mischung bei Zimmertemperatur vollkommen erstarrte, die Stücke kamen nun unmittelbar aus dem Chloroform- Paraffin in reines Paraffin bei 52 Grad und wurden dann ein- gebettet. Bei diesem Verfahren waren Schrumpfungserscheinungen selten, vollkommen vermeiden liessen sie sich jedoch nie. Alle Ovarien wurden in Serien geschnitten, die Schnittdicke betrug 10 «, dünnere Schnitte haben bei der beträchtlichen Zellgrösse keinen Wert. Es wurden auch Untersuchungen ganzer mit Boraxkarmin oder Cochinellealaun stückgefärbter und in Nelkenöl aufgehellter Kerne ausgeführt, sie lieferten im allgemeinen keine klarerern Ergebnisse als die Beobachtung der Schnitte. Von Färbungen verwendete ich im grossen und ganzen die nämlichen Methoden wie bei der Spermatogenese, die Dreifach- färbung nach Flemming lieferte auch hier wieder schöne Bilder. Allerdings zeigte es sich leider mehr und mehr, dass die Färbung nicht haltbar ist, wenigstens jetzt nicht, wo zum Auswaschen kein völlig reines Xylol, zum Einschluss kein einwandfreier Balsam verwendet werden kann. Meine vor dem Krieg angefertigten Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 23 Präparate zeigen grösstenteils die Farben in alter Klarheit, je mehr ich aber gezwungen war, mit Kriegsmaterial zu arbeiten, desto weniger haltbar erwiesen sich die Farben. Es mag sein, dass auch die schlechtere Beschaffenheit der Farbstoffe selbst an diesem Verhalten schuld ist. Die Heidenhainsche Eisenhäma- toxylinmethode lieferte auch hier wieder schöne Bilder und war besonders bei der Untersuchung der jüngsten und ältesten Stadien wertvoll. Wie schon V. Schmidt angibt, färbt sie das Basichromatin tief schwarz, das reine Oxychromatin aber so gut wie garnicht. Auch die Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi- Heidenhain lieferte gute Bilder, ich verwendete stets die nach der Vorschrift von Grübler in Leipzig angefertigte Mischung. Zur deutlichen Unterscheidung der beiden Chromatinarten verwendete ich besonders häufig Doppelfärbungen, in erster Linie mit Safranin-Lichtgrün, Boraxkarmin-Lichtgrün und Eosin-Methyl- grün. Sie lieferten alle gute Ergebnisse. Delafield-Erythrosin eignet sich dagegen nicht so gut, da das Delafieldsche Eisen- hämatoxylin zum Teil auch oxychromatische Substanzen mitfärbt. Da die gewöhnlichen Doppelfärbungen, bei denen die beiden Farbstoftlösungen hintereinander angewendet werden jedoch im allgemeinen ziemlich ungleichmässige Ergebnisse liefern, ganz verschieden nach der Anwendungsdauer und der Konzentration der beiden Flüssigkeiten, auch verschieden bei wechselnder Aussentemperatur und Schnittdicke, so versuchte ich den saueren und basischen Farbstoff gleichzeitig zur Anwendung zu bringen, in der Art und Weise, wie dies auch bei der Biondischen Methode geschieht, um so eine elektive Färbung der beiden Chromatinarten zu erzielen. Die besten Ergebnisse zeitigte eine Mischung von Methylgrün mit Eosin. Von beiden Farbstoffen wurden !/a°/o wässrige Lösungen hergestellt und auf 50 cem der Methylerünlösung 1 eem der Eosinlösung zugesetzt. Darin verblieben die Schnitte 24 Stunden lang, wurden dann rasch in 70 "o Alkohol abgespült, über 96 °/o Alkohol in absoluten und Xylol überführt und dann rasch in Balsam eingeschlossen. Meine Untersuchungen erstrecken sich in erster Linie auf den Bau des Kernes und die Veränderungen des Chromatins, die Beobachtungen über das Plasma und seine Einschlüsse sollen im folgenden nur soweit berücksichtigt werden, als sie zum Verständnis der Vorgänge im Kern notwendig sind. Von einer 24 H.:Stieve: eingehenden Untersuchung der Plasmaentwicklung und Dotter- bildung nahm ich Abstand und zwar aus dem Grunde, weil ich zur Überzeugung gekommen bin, dass keines der angewendeten Fixierungsmittel die Plasmastrukturen wirklich einwandfrei, so wie es den Verhältnissen im Leben entspricht, darstellt. Die Bilder waren zu verschieden und ihre Mannigfaltigkeit nahm mit der Menge des untersuchten Materials stets zu, immer wieder entdeckte ich neue Formen, von denen ich nicht sagen konnte, ob sie den natürlichen Verhältnissen wirklich entsprachen oder nur eine Folge der Fixierung waren. Die Untersuchung des Plasmas kann meines Erachtens nur bei ausgiebigem Vergleich mit frischem Material vorgenommen werden. Die Entwicklung des Ovar im ganzen betrachtet. Es ist wohl grundsätzlich verfehlt, die Keimzellen, so wie dies leider bisher fast stets geschehen ist und wie esauch Jörgensen tut, gleichsam wie ganz selbständige Organismen zu betrachten, ohne jede Berücksichtigung des Alters und Entwicklungzustandes des Individuum, dem sie angehören. Denn die Keimzellen sindebensowiejedesandereGewebe TeiledesGesamt- organismusundalssolcheallenVeränderungen,denen dieser unterliegt, unterworfen. Als Vorbedingung für die Bearbeitung jeder Oogenese und Spermatogenese gehörte also eine gründliche Kenntnis der Lebensgewohnheiten und vor allem der Fortptlanzungsverhältnisse der betreffenden Tierart. Beim Olm sind wir in dieser Hinsicht übel daran, da wir weder über seine Lebensweise, vielweniger noch über seine (seschlechtstätig- keit etwas Sicheres wissen. Ich habe mich redlich bemüht, durch eingehendes Studium der einschlägigen Arbeiten und durch gewissenhafte, in den Grotten selbst ausgeführte Beobachtungen wenigstens einige Klarheit über das Leben der Olme zu bekommen. In der Literatur fand ich so gut wie keine genaueren Angaben. Die Untersuchungen von Chauvins (1883), Zellers (1889) und Kammerers (1912) erstrecken sich nur auf unter weit von den im Freien herrschenden Verhältnissen abweichenden Bedingungen gefangen gehaltene Tiere und besitzen deshalb für unsere Unter- suchungen nur äusserst geringen Wert. Meine an Ort und Stelle in den Grotten gemachten Beobachtungen habe ich schon früher (1918, a) veröffentlicht, ich kann sie dahin zusammenfassen, Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 25 «dass ich den Olm für ein eierlegendes, also im Gegensatz zu der Anschauung Kammerers nicht für ein lebendig gebärendes Tier halte, obwohl er durch aussergewöhnliche Verhältnisse unschwer zu letzterer Fortpflanzungsart gebracht werden kann. Ausserdem scheint mir, aus Gründen. die ich schon früher auseinandergesetzt habe und auch unten noch näher anführen werde, die Vermutung sehr naheliegend, dass der Olm unter den stets gleichbleibenden Verhältnissen, in denen er in den Grotten lebt, in seiner Fortpflanzung im Gegensatz zu den meisten anderen Tierarten nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden ist, sondern dass bei den einzelnen Individuen die 3runst zu ganz verschiedenen Zeiten auftritt. Darauf deutet der sehr verschiedene Entwicklungszustand der Keimdrüsen hin, den ich bei mehreren zur selben Jahreszeit gefangenen und so- fort untersuchten Tieren nachweisen konnte. Wenn wir bei einem ‚anderen urodelen Amphibium oder irgend einem anderen Tier mit regelmässig wiederkehrender Brunftperiode die Keimdrüsen einer grösseren Anzahl von Individuen zur selben Jahreszeit untersuchen, dann finden wir bei allen Tieren den nämlichen Entwicklungszustand der Gonaden vor. Der Synehronismus der Entwicklung geht sogar soweit, dass alle Weibchen einer Art, wie ich durch Beobachtungen an der Dohle (1918 b) bestätigen konnte, in der nämlichen Woche, ja fast am nämlichen Tag zu legen beginnen. Eine Ausnahme von dieser Regel machen nur solche Arten, die entweder keinen zyklischen Ablauf der Geschlechts- tätigkeit zeigen, wie z. B. die Hausmaus, bei ihnen finden wir die Keimdrüsen nach der Pubertätszeit ständig auf dem Höhepunkt der Entwicklung und nur die Ovarien sind in gewisser Hinsicht von der Trächtigkeit und Laktation abhängig. Oder aber bei Tieren, die dank der besonderen bei der Fortpflanzung obwaltenden Umstände mehr oder weniger von den äusseren Umständen unabhängig sind, so z. B. der Alpensalamander, auch bei ihm können mehrere zur gleichen Zeit getötete Weibchen ganz verschiedenen Entwicklungszustand der Ovarien und auch der im Uterus befind- lichen Embryonen zeigen, obgleich die Männchen eine zyklische Entwicklung der Keimdrüsen besitzen. Meine in Adelsberg frisch gefangenen Olmweibchen sind in der folgenden Tabelle, geordnet nach der Körpergrösse, zusammen - gestellt. 26 H. Stieve: Länge des Tieres!) | Grösse des Ovar | Durchmesser der grössten in Millimetern in Millimetern Follikel in Mykren 1 115:7:° 10: 2,0 543 2 140 11:2,0 392 3 145 7:12 236 4 150 10:2,2 | 495 5 150 112235 555 6 170 14: 2,0 | 368 7 180 13:2,0 | 433 8 195 13: 2,0 | 425 g 210 | 15:22 | 533 10 210 | 14:2,3 | 515 11 215 42:9,0 | 3000 12 220 | 21:31 921 | 2,9 I Aus dieser Zusammenstellung ist nun folgendes zu ersehen: Unter den untersuchten Weibchen befinden sich im ganzen nur 7, die nicht ausgewachsen sind, alle anderen aber zeigen eine Grösse, bei der schon die Möglichkeit der Fortpflanzung gegeben ist. Wir dürfen ja einen Olm von 19 cm Gesamt- länge und darüber als ausgewachsen oder wenigstens als fort- pflanzungsfähig bezeichnen, jedenfalls gebar ein von Nusbaum (1907) gefangen gehaltenes 19,5 cm langes Weibchen lebendige Junge und eines der von mir gefangenen Männchen von 19,5 cm (Gesamtlänge zeigte gut entwickelte Geschlechtsdrüsen. Im grossen und ganzen entsprach die Grösse der. Övarien, die etwa den gleichen Bau zeigten wie die unserer einheimischen Tritonen, mit nur dem Unterschied, dass weniger Follikel zu erkennen waren, etwa der Grösse des Individuum, sie war ihrer- seits wieder abhängig vom Entwicklungszustand der Oozyten. Bei kleineren Tieren erschienen dementsprechend auch die Ovarien kleiner, bei grösseren etwas grösser. Die genauere histologische Untersuchung und Messung der einzelnen Eier zeigte jedoch, dass die Grösse der grössten Fol- likel nicht immer direkt proportional zur Grösse des Ovars war.) ‘) Von der Nasenspitze bis zur Schwanzspitze gemessen. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 27 Es lassen sich nämlich nach der Grösse der Follikel die Övarien ohne weiteres in drei Gruppen einteilen, solche, bei denen die grössten Oozyten einen Durchmesser von unter 400 4 besitzen, solche, bei denen sie 400 — 600 u messen, und solche, bei denen sie noch grössere Ausdehnung zeigen.!) In die erste Gruppe gehören die Weibchen Nr. 2, 3 und 6, alles kleine, also wahrscheinlich sehr junge Tiere. In die zweite Gruppe gehören Olm Nr. 1, 4, 5. 7, 8, 9, 10 und 13, also fast die Hälfte aller gefangenen Weibchen, die dritte Gruppe zerfällt wieder in zwei Unterabteilungen, bei vier Tieren, Nr. 14, 15, 16 und 17, besitzen die grössten Follikel etwa 650 « Durchmesser, in zwei Fällen waren noch grössere vorhanden und zwar bei Olm 12 solche von 921.., bei Olm 11 solche von 3000 « Durchmesser. Dieser letztere unterschied sich auch rein äusserlich von allen anderen dadurch, dass er deutlich alle Zeichen der Brunft an sich trug, ebenso liess bei der Sektion der Zustand der Eileiter erkennen, dass die Eiablage in nicht allzuferner Zeit erfolgt wäre. Nach den Angaben von Chauvins (1883) und Zellers (1889) beträgt die Grösse der abgelegten Olmeier ohne Gallerthülle etwa 4 mm, nach denen Kammerers (1912) jedoch nur 3 mm, sie unterliegt also wie bei allen Tieren starken indi- viduellen Verschiedenheiten. Da wir es hier mit einem verhält- nismässig kleinen, nur 19,5 em langen Individuum zu tun haben, so ist die geringe Eigrösse nicht merkwürdig, wissen wir ja auch von anderen Tieren, so z. B. von den Haushühnern, dass mit zunehmendem Alter der Tiere die Eigrösse an Ausdehnung gewinnt. Die histologische Untersuchung ergab nun, dass bei diesem Tier, wenn wir die bei Tritonen vorgefundenen Verhältnisse, die sicherlich sehr ähnlich liegen. zum Vergleich heranziehen, die am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittenen Eier wenn auch nicht unmittelbar, so doch sehr kurz vor der Ablage standen, ') Alle Messungen an den Schnitten wurden mit Hilfe des Zeiss’schen Objektschraubenmikrometers ausgeführt. Wenn die hier angegebenen Maße etwas von denen, die ich früher mitteilte (1918 a), abweichen, so beruht dies darauf, daß ich seinerzeit die Messungen makroskopisch oder unter der Lupe am ganzen Ovar vornahm, diesmal aber an den Schnitten. Die jetzt mitgeteilten Befunde sind also wesentlich genauer, die Differenzen sind jedoch so klein, dass sie kaum in Betracht kommen. 28 H. Stieve: ‚jedenfalls befand sich in ihnen das Keimbläschen schon auf der Wanderung vom Innern zur Oberfläche des Follikels. Hier wie bei allen Tieren war nun die grösste Eiform nicht nur in einem einzigen Exemplar vertreten, sondern in jedem Ovar zeigten die 40—60 grössten Follikel fast genau den näm- lichen Durchmesser und auch den gleichen Entwicklungszustand. Aus dieser Tatsache dürfen wir wohl schliessen, dass beim Olm ebenso wie bei den Tritonen die in einer Fortpflanzungsperiode abzulegenden Eier sich vollkommen gleichzeitig und gleich- mässig entwickeln. Neben diesen grössten fanden sich aber in allen Ovarien noch zahlreiche Oozyten von etwa 40 «. Durchmesser, in denen die chromatische Substanz die so bezeichnende polare Orientierung aufwies. Zwischenstadien zwischen diesen kleinen und den jeweils grössten im Ovar vorhandenen Follikeln fanden sich stets nur in sehr geringer Zahl. Das Wachstum der Eier erfolgt demnach offenbar schubweise, indem wie oben erwähnt jeweils eine Serie von Follikeln sich gleichmässig vergrössert und schliesslich inner- halb eines kurzen Zeitraumes ausgestossen wird. Was aber an den Ovarien ganz besonders auffällt, ist der Umstand, dass sich bei allen Tieren Vogonien, Oogonienteilungen und zugrundegehende Oogonien nachweisen lassen. In den Ovarien der kleineren Olme (Nr. 1—7) waren die Oogonienteilungen zahl- reich und in allen Teilen des Ovar aufzufinden, bei den grösseren viel spärlicher, jedoch auch in allen Abschnitten des Organs. Auch Jörgensen fand in den Ovarien seiner Olme Oogonienteilungen und vermutet, dass sie Nachzügler der embryonalen Massenver- mehrungen seien. Soweit wir dies bisher wissen, erfolgt ja bei allen weiblichen Tieren eine Neubildung von Keimzellen nur während des embryonalen Lebens, hier werden zum Beispiel beim Menschen nach den Untersuchungen von Hansemann (1909) etwa 48000 Oozyten angelegt, bei der Dohle berechnete ich die Zahl der in einem Ovar gebildeten Eizellen auf 25000. Während des individuellen Lebens entwickelt sich dann nur ein Teil dieser Oozyten und wird ausgestossen, während der grösste Teil der physiologischen Degeneration anheim fällt. Die eigentliche Wachstumsperiode der Oozyten beginnt hier erst, nachdem die Oogonienteilungen längst vollkommen zum Abschluss gelangt sind. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 29 Anders beim Olm, bei ihm findet in den Ovarien jugendlicher Tiere noch eine recht lebhafte Vermehrung der Oogonien statt, während die Oozyten schon eine sehr beträchtliche Grösse erlangt haben, also schon längst in die eigentliche Wachstumsperiode ein- getreten sind. Aber auch beim ausgewachsenen Tier verlieren die Oogonien ihre Teilungsfähigkeit nicht, sondern erfahren auch hier eine fortdauernde, wenn auch nur sehr geringe Vermehrung. Aus dem gruppenweise stattfindenden Wachstum der Oozyten dürfen wir jedoch den Schluss ziehen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach auch beim ausgewachsenen Tier, wahrscheinlich jeweils nach der Ablage der Eier, eine stärkere Vermehrung der Oogonien erfolgt. Jedenfalls dürfen wir aus den vorgefundenen Verhältnissen den Schluss ziehen, dass in den Ovarien des Olmes während der Entwicklungszeit, die sich weit über die embryonale Entwicklungs- zeit des Tieres hinauserstreckt, eine starkeVermehrung der Oogonien statthat und dass die erste Gruppe von jungen Oozyten dann bald in die Wachstumsperiode eintritt. Während dessen schreitet aber die Vermehrung der Oogonien fort, bis ein gewisser Normal- stand erreicht ist. Von da ab erfolgt nur eine sehr geringe fort- dauernde Öogonienvermehrung, hauptsächlich dazu bestimmt, den durch den dauernd in allen Ovarien in mehr oder weniger hohem Maß stattfindenden Ausfall durch Degeneration auszu- gleichen. Wahrscheinlich erfolgt nach der Ablage einer Serie von Eiern jeweils eine etwas stärkere Vermehrung der Oogonien, da die Gesamtmasse der in einem Ovar vorhandenen Oozyten sehr klein ist und selbst bei nur sehr wenigen Fortpflanzungsperioden nicht genügt, um den Bedarf an Eiern für das ganze Leben zu decken. Wie aber der äusserst verschiedene Entwicklungszustand der Ovarien mehrerer zur selben Zeit gefangener, ausgewachsener Olme sehr wahrscheinlich macht — auch bei männlichen Tieren lassen sich dieselben Verhältnisse feststellen — ist die Fort- pflanzung beim Olm nicht an eine bestimmte Zeit im Jahre gebunden. Sie findet entweder das ganze Jahr hindurch bei einzelnen Tieren oder, so wie diesKammererannimmt, regelmässig zu bestimmten Zeiten wenigstens zweimal in einem Jahre statt. In bezug auf die Gesammtentwicklung zeigt also das Ovar des Olmes grundlegende Unterschiede gegenüber den Ovarien der anderen daraufhin untersuchten Lebewesen. Sichere Angaben 30 H. Stieve: über die Ausbildung der Eierstöcke besitzen wir ja nur bei Säuge- tieren und Vögeln, Beobachtungen, die ich selbst an Tritonen ausführte, zeigten mir jedoch deutlich, dass auch bei diesen Tieren die Eientwicklung sich allerdings vollkommen abhängig vom Wechsel der Jahreszeiten, aber doch in ähnlicher Weise wie beim Olm abwickelt, und es erscheint deshalb wahrscheinlich, dass überhaupt bei allen Urodelen während des ganzen individuellen Lebens eine Neubildung von Oogonien stattfindet. Dies mag der Entwick- lungsmodus für die niederen Tiere sein,. während bei den Warm- blütern, und zwar ausschliesslich bei ihnen, die Vermehrung der OÖogonien nur während des Embryonallebens statthat. Die Entwicklung der Ovarien beim Olm zeigt bis in kleine Einzelheiten eine genaue Übereinstimmung mit der der Hoden. Wie dort findet auch hier eine fortdauernde Vermehrung von Oogonien bez. Spermatogonien statt, die nur dazu dient. um den durch die Degeneration vereinzelter dieser Gebilde gesetzten Ausfall zu decken. Wie im Hoden, so findet im Ovar wahr- scheinlich einmal im Jahre eine stärkere Vermehrung der Geschlechtszellen statt, welche die in einer Fortpflanzungsperiode zur Ablage kommenden Keimzellen liefert. Ich habe im vorigen des öftern erwähnt, dass in den Ovarien stets eine mehr oder weniger grosse Anzahl von Oogonien deut- liche Zeichen des beginnenden Unterganges zeigen, gelappten Kern, pyknotische Degeneration oder staubartigen Zerfall des Chromatins mit nachfolgender völliger Auflösung des Kernes, im Plasma anfangs aussergewöhnliche Fettansammlungen, auf die später die völlige fettige Entartung der Zelle folgt. Bei ge- nügend langem Suchen lassen sich diese Bilder in jedem Ovar nachweisen. Äusserst selten sind aber bei frisch gefangenen, in keiner Weise geschädigten Tieren zugrunde gehende Oozyten. Im Gegensatz zu den Ovarien höherer Tiere, wo die Massen- degeneration der Oozyten ein physiologisches Vorkommnis dar- stellt, muss beim Olm das Zugrundegehen einer Oozyte, ganz gleichgiltig, auf welchem Stadium es erfolgt, als Ausnahme be- zeichnet werden, wennschon sich in den meisten Ovarien ver- einzelte, aber ich betone ausdrücklich, auch nur ganz vereinzelte degenerierende Oozyten nachweisen lassen. (ranz anders verhält es sich mit den Tieren, welche kürzere oder längere Zeit den schädigenden Einflüssen des Gefangen- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 3l lebens ausgesetzt waren. Bei ihnen finden sich stets zahlreiche zugrundegehende Oozyten, in deren Kernen das Chromatin alle möglichen Formen des Unterganges zeigt. Vor allem können wir bei ihnen in jüngeren Oozyten häufig eine Verklumpung des gesamten im Kern enthaltenen Chromatins feststellen, sie zeigen dann Bilder, wie sie V. Schmidt als Synapsis beschreibt, deren ausschliessliches Vorkommen in Ovarien schwer geschädigter Tiere jedoch deutlich genug das Pathologische der fraglichen Bilder beweist. Der Einfluss veränderter äusserer Bedingungen auf die Tätigkeit der Keimdrüsen und damit auf den histologischen Bau der Oozyten ist ja ein ungeheuer starker, auf seine Bedeutung für das Verständnis der Vorgänge in der Oogenese habe ich schon früher des öfteren hingewiesen und gezeigt, dass auch eine sehr kurz dauernde Gefangenschaft bei bis dahin freilebenden Tieren tiefgreifende Veränderungen an den Ovarien und besonders im Bau der Kerne der Follikel hervorrufen kann. Haben wir schon bei Haustieren mit einer derartigen schädigenden Wirkung der veränderten äusseren Bedingungen zu rechnen, um wieviel tiefgreifender muss sich der Einfluss des Gefangenlebens bei einem Tier geltend machen, das wie der Olm für gewöhnlich unter ganz gleichbleibenden äusseren Bedingungen lebt. Zuerst die meist ziemlich unsachgemässe Behandlung durch die Fänger, dann der tage- und wochenlange Aufenthalt in engen Gläsern oder in kleinen schmutzigen Wassertümpeln in dem Keller der Adelsberger Bauern, die Beeinflussung durch das Licht, vor dem der Olm früher dauernd geschützt war, schliesslich die Bahnfahrt im sauerstoflarmen Wasser der Transportgefässe. die meist aus Blech bestehen, das ja auch eine gewisse schädigende Wirkung hervorruft, wie der Umstand beweist, dass es nicht gelingt, Olme in Aquarien, in denen irgend welche Eisenteile mit dem Wasser in Berührung kommen, für längere Zeit gesund zu halten. Alle diese Schädigungen stehen im schärfsten Gegensatz zu dem früheren ruhigen Leben des Olmes, in völliger Dunkelheit, bei einer Temperatur von 4—6 Grad, im sauerstoffreichen Wasser der Grotte. Es ist ganz klar, dass bei einem an solche Verhältnisse gewöhnten Tier eine wenn auch nur sehr kurz dau- ernde Gefangenschaft schwerste Schädigungen des Allgemeinbe- findens und damit tiefgreifende Degenerationserscheinungen an 32 H. Stieve: den Ovarien hervorruft, denen derjenige unbedingt zum Opfer fällt, der wie Schmidt und Jörgensen bei der Auswahl des Materials nicht mit der nötigen Vorsicht zu Werke geht. Bei der folgenden Beschreibung der Eientwicklung werde ich ausschliesslich die an unbeeinflussten Ovarien vorgefundenen Verhältnisse be- rücksichtigen und auf die durch das Gefangenleben erzeugten Veränderungen nur soweit notwendig bei der Besprechung der: Befunde im allgemeinen Teil zurückkommen. Die Wachstumsperiode der Oozyten. I. Die Oogonien. Wie schon erwähnt, finden sich Oogonien in den Övarien aller Olme ohne jeden Unterschied in bezug auf die Grösse des Tieres und die Ausbildung der Oozyten. Sie stellen Zellen von rundlicher oder auch mehr längsovaler Form dar. Ihre Grösse unterliegt ziemlich erheblichen Verschiedenheiten, sie schwankt zwischen einer Kerngrösse von 17—24u und einer Gesamtgrösse von 30—40 u. Der Kern ist meist kreisrund oder schwach längs- oval, die Kernmembran ist deutlich, der Kernsaft klar. (Abb. 1.) Er ist durchsetzt von einem feinen Gerüst, dessen Fäden ein Netzwerk bilden, indem sie sich häufig überkreuzen. Es färbt sich mit saueren Farben, besteht also sicher in der Hauptsache aus Oxychromatin. Ihm sind allenthalben mehr oder weniger grosse Klumpen von Basichromatin angelagert, so besonders an den Kreuzungsstellen der Fäden. Die grössten unter diesen Brocken besitzen einen Durchmesser von 3—4 u und zeigen rauhe, höckerige Oberfläche, sie scheinen vollkommen homogen zu sein, jedenfalls gelingt es niemals, mittels keiner Fixierungs- oder Färbemethode, in ihnen Vakuolen oder verschieden tingierte Schichten nachzuweisen. Manchmal besitzen sie Kugelgestalt und glatte, ganzrandige Oberfläche und erinnern so an Nukleolen. Echte oxychromatische Nukleolen finden sich dagegen in den Oogonien niemals. Das Protoplasma zeigt feine netzige Struktur, die das Netzwerk bildenden Fäden sind aus feinen Körnern zu- sammengesetzt, erscheinen also perlschnurartig. Irgend welche Einlagerungen finden sich im Plasma nicht, hie und da vereinzelte Fettkörnchen, die Sphäre ist im Ruhestadium nicht deutlich dar- stellbar, sehr klar erscheint aber gewöhnlich der Zentralkörper, Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 33 der meistens zweigeteilt ist. Jede ältere Oogonie ist von 2—4, selten mehr Follikelzellen umgeben, welche sie scharf gegen das umschliessende Gewebe abtrennen. Die Oogonienteilung vollzieht sich in der nämlichen Weise, wie die Mitose der grossen Spermatogonien, beide Zellarten stimmen überhaupt im Bau und sonstigen Verhalten vollkommen überein. Nach einer Verteilung des gesamten im Kerne enthaltenen Basi- chromatins auf die Fäden des Gerüstes kommt es zur Ausbildung eines Monospirems, das sehr bald, noch bei bestehender Kern- membran, in die einzelnen Chromosomen zerfällt (Abb. 2). Ihre Zahl beträgt ebenso wie in den Spermatogonien 18. Während der Ausbildung der Spindel und der Anordnung der Chromosomen in der Äquatorialplatte erfahren die Oogonien noch eine geringe Vergrösserung, ihr Durchmesser beträgt jetzt 33— 40 u, selten noch mehr. Die Chromosomen sind untereinander von gleicher Dicke, aber sehr verschiedener Länge und Form. Auch hier finden wir wieder die nämlichen Gestalten wie in der Spermatogenese, die sich in der gleichen Weise in der Äquatorialplatte einordnen, nämlich so, dass die hufeisenförmig gekrümmten mit der Konvexität gegen die Zellmitte gerichtet mehr am Rande des Sternes gelegen sind, die kleinen stäbchen- und punktförmigen aber mehr gegen die Mitte zu. Das Auseinanderweichen der Tochterchromosomen erfolgt auch hier sehr rasch, so dass sich im Mutterstern meist schon 36 Einzelchromosomen nachweisen lassen. (Abb. 3.) Besonders deutlich tritt diese Erscheinung bei der Polansicht zu Tage. Das weitere Auseinanderrücken der Chromosomen, die Bildung der Tochtersterne und Tochterzellen erfolgt wieder in der nämlichen Weise wie bei den Spermatogonien, es erübrigt sich also, darauf näher einzugehen. An einigen Zellen konnte ich jedoch eine Erscheinung beobachten, deren Feststellung mir in der Spermatogenese nicht gelungen ist. Noch während der Aus- bildung der Tochtersterne, unmittelbar nach der Trennung der Chromosomenspalthälften, ist besonders bei Flemming fixierung an den Tochterchromosomen häufig ein deutlicher Längsspalt zu erkennen. (Abb. 4.) Auf die Bedeutung dieser Erscheinung werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen. In den Ovarien älterer, ausgewachsener Tiere finden sich die Oogonienteilungen nur ganz vereinzelt, in denen der jüngeren Tiere weit zahlreicher, manchmal sogar ziemlich häufig, hier betreffen sie hier und da Archiv f. mikr. Anat. Bd.9. Abt. II. 3 34 H. Stieve: auch alle Gebilde einer Cyste, als deutlicher Beweis für ihre rhythmisch stattfindende Vermehrung. II. Die Oozyten. a) Die erste Wachstumsperiode. Aus den Teilungen der Oogonien gehen schliesslich die OÖozyten hervor, die sich in ihrem Bau zunächst kaum von ihnen unterscheiden. Die kleineren vorgefundenen Formen stellen Zellen mit kreisrundem, seltener etwas längsoval geformtem Kern dar, der einen Durchmesser von etwa 15 u besitzt, während die ganze Zelle eine Grösse von 20—25 u aufweist. Der Kern zeigt deutliche Membran und klaren Kernsaft, das Kerngerüst besteht aus einem feinen oxychromatischen Fadenwerk, an dem sich das Basichromatin in Klumpen von verschiedener Grösse anlagert und zwar so dicht, dass vom eigentlichen oxychromatischen Gerüst nur wenig zu erkennen ist. Die grössten Klumpen finden sich wieder an den Kreuzungsstellen der Fäden und haben einen Durchmesser von 2—3g2. Dabei lässt es sich wieder nicht entscheiden, ob das Kerngerüst ein echtes Netzwerk darstellt oder lediglich von einem einzigen Faden gebildet wird, der sich selbst oftmals überschneidet. Das Plasma zeigt den nämlichen Bau wie bei den Oogonien, die Sphäre ist kaum darstellbar, der Zentralkörper meist gut zu erkennen, er erfährt noch während der Telophase der letzten Oogonienteilung eine Spaltung. Die eben beschriebenen Zellen liegen zumeist in Gruppen beieinander, umgeben von einer Anzahl von Follikelzellen. (Abb. 5.) Die Zellgrenzen sind oft nicht sehr deutlich darzustellen, das ganze Gebilde erweckt daher häufig fast den Anschein eines Synzytium, ohne jedoch jemals ein solches zu sein. Wie nämlich die Entstehungsweise und Weiterentwicklung der Oozyten deutlich beweist, handelt es sich bei ihnen stets um Einzelindividuen, die sowohl in Hinsicht auf den Kern als auch auf den Plasmaleib vollkommen selbständige Gebilde darstellen. Bei entsprechender Färbung lassen sich auch stets die Zellgrenzen anschaulich machen. Gewöhnlich finden sich 4, selten 6 oder 8, manchmal auch 14 bis 16 Oozyten in einer Gruppe, mehr konnte ich niemals nachweisen. Dabei darf wohl als sicher angenommen werden, dass alle diese von einer gemeinsamen Follikelhülle umgebenen Gebilde Abkömmlinge einer einzigen Oogonie sind, wie ja auch Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 3: alle in einer Spermatozyste beieinanderliegenden Spermatozyten von einer Spermatogonie abstammen. Während des folgenden Wachstums drängen die Follikelzellen sich erst ziemlich spät zwischen die einzelnen Oogonien und umgeben jede von ihnen mit einer Follikelhülle, sie so voneinander isolierend. Die junge Oozyte vergrössert sich oftenbar ziemlich rasch und besitzt bald eine Grösse von 23—40 u, bei einem Kern- durchmesser von 18— 24 «; sie unterscheidet sich jetzt vor der Aus- bildung des Knäuels in keiner Weise mehr von den Oogonien. (Abb. 6, 7). Echte Nukleolen finden sich in den Oozyten auf diesem Stadium niemals. Im Anschluss an die eben angeführten Tatsachen mag wohl die Frage zu erörtern sein, was denn überhaupt dazu berechtigt, von der Anwesenheit von Oogonien in den Ovarien des Olmes zu sprechen. In den Ovarien anderer Wirbeltiere finden sich ja, soweit wenigstens unsere bisherigen Kenntnisse reichen, aus- schliesslich Oozyten, mit Beendigung der Embryonalentwicklung ist ihre Neubildung abgeschlossen und im Ovar des jungen Tieres ist dann die ganze Menge von Oozyten vorhanden die später jemals zur Ablage kommen kann. Beim Olm verhält sich dies wie schon erwähnt anders, denn bei ihm finden sich in den Ovarien aller Tiere, auch der vollkommen ausgewachsenen, alten Individuen, immer noch einzelne Oogonienteilungen. Sie betreffen hier stets einzelliegende Zellen, wohingegen sie bei den jüngsten unter- suchten Individuen wesentlich zahlreicher, stellenweise auch gruppen- oder nesterweise auftreten. Durch die Tatsache des Vorhandenseins der Vogonienteilungen in den Ovarien älterer Tiere allein ist aber schon der Beweis der Anwesenheit von Oogonien geliefert. Jedoch auch noch durch eine andere Erscheinung. Wie die Spermatogonien in den Hoden, so wachsen auch die Vogonien zu einer bestimmten Grösse heran, ohne in Hinsicht auf Form und Bau des Kernes wesentliche Veränderungen zu erfahren. Haben sie jedoch eine bestimmte Ausdehnung erreicht, so teilen sie sich entweder, oder sie gehen zugrunde. Ihnen fehlt also noch die ungeheuere Wachstumsenergie, die wir später bei den Oozyten finden. Der Vorgang der Oogoniendegeneration vollzieht sich unter Ausbildung von unregelmässig gelappten, oft auch ring- oder hantelförmigen Kernen und ist von aussergewöhnlich starken 3* 36 H. Stieve: Fettansammlungen im Protoplasmaleib begleitet. Im Hoden sind die nämlichen unregelmässigen Kernformen nachzuweisen und sind dort bezeichnend für die grossen Spermatogonien. .In genau den gleichen Formen und Grössen finden sie sich aber mehr oder weniger zahlreich in allen Ovarien, als deutlicher Beleg dafür, dass beim Olmweibehen jeden Alters noch ein Zugrundegehen von Oogonien stattfindet. Genauer beschreiben werde ich alle diese Zellformen erst in einem späteren Teil dieser Arbeit, hier nur soviel, dass Jörgensen diese Degenerationsstadien zwar als regressive Formen erkannt hat, er bezeichnet sie jedoch als Oozyten, ein Fehler der in seiner Unkenntnis der Spermatogenese bedingt ist. In den Hoden sind die fraglichen Kerne schon bei den verschiedensten Urodelenarten beschrieben worden und auch der (segenstand zahlreicher wissenschaftlicher Kontroversen gewesen. So erblickt Meves (1897 u. a. a. OÖ.) in ihnen keine Rückbildungs- vorgänge, sondern progressive Formen, welche zu einer Vermehrung durch direkte Teilung führen. Auch ich konnte in den Oogonien stellenweise direkte Teilungen beobachten, das heisst die Entstehung von zwei oder mehr kleinen Kernen aus einem grossen. Es handelt sich dabei stets um Rückbildungsvorgänge, um den Zerfall eines grossen Kernes, dem dann stets der völlige Untergang der Oogonie folgte. Es sei jedoch schon hier darauf hingewiesen, dass nicht jede Einlagerung von Fett im Plasmaleib der Oogonien und Oozyten unbedingt ein Zeichen der beginnenden Degeneration ist, vielmehr" finden sich in beiden Zellarten, allerdings erst nach der Beendi- gung der ersten Wachstumsperiode, kleine eingelagerte osmierte (Granula, besonders in der Umgebung der Sphäre, die nicht als Zeichen der Rückbildung aufgefasst werden können. Auch unter den Oozyten finden sich stellenweise Rückbildungs- formen, jedoch nur sehr selten, und ihr Untergang verläuft unter anderen Erscheinungen als die Degeneration der Oogonien. Er wird stets durch einen völligen Zerfall des Kerngerüstes eingeleitet, wobei das Chromatin staubförmig im ganzen Kern zerstreut wird, nur die grösseren Klumpen bleiben noch längere Zeit erhalten. Der Kernsaft erscheint dann vollkommen homogen, bei Anwendung der Heidenhainschen Hämatoxylinmethode färbt er sich grau- gelblich, bei Safranin-Lichtgrün-Färbung hellgrün, bei Dreifach- färbung nach Flemming schmutzig braunrot. Die grossen — SS) Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. Chromatinklumpen nehmen die für das Basichromatin bezeichnenden Farben gut auf und setzen sich dann besonders scharf vom homogenen Kernsaft ab. Bald aber zerfallen auch sie, der Kern erscheint dann vollkommen strukturlos, er verliert seine Form, seine Membran zerreisst und die ganze Zelle wird resorbiert. Wie gesagt, sind solche Bilder im Ovar frisch gefangener Olme äusserst selten, der langsame Verlauf und die geringe Zahl der Oogonien- teilungen bedingt offenbar kein so erhebliches Missverhältnis in der Kernplasmarelation das ich ja früher (1918 b) für die Massen- degeneration der jüngsten Oozyten, die sich bei vielen Tierarten nachweisen lässt, verantwortlich gemacht habe. Vielmehr zeigen die jüngsten Oozyten schon verhältnismässig recht grossen Plasmaleib. Wichtig ist dabei aber, dass bei Anwendung der Flemming- schen Lösung als Fixierungsmittel künstlich ganz ähnliche Bilder erzeugt werden können, nämlich Oozyten, in deren Kernen keine Spur des Gerüstes, sondern nur die gröbsten Chromatinklumpen nachweisbar sind. Denn in Ovarien, die mit dem fraglichen (semisch behandelt wurden, zeigen die Kerne aller oberflächlich gelegenen Oozyten und Oogonien homogenen Kernsaft, der sich mit sauren Anilinfarben ganz gleichmässig tingiert und in dem nur einige grosse oxychromatische Klumpen zu erkennen sind. Auf die Tatsache, dass das Flemmingsche Gemisch sich bei der Konservierung der jüngsten Oozytenkerne in dieser Art und Weise äussert, ist, wie ich schon in der Einleitung erwähnt habe, oft genug hingewiesen worden, ich muss sie nur im folgenden noch des öfteren erwähnen, weil sie Jörgensen vollkommen unbekannt war. b) Die Prophasen der ersten Reifungsteilung. 1. Der dünne richtungslose Knäuel. Hat die Oozyte einen Durchmesser von etwa 40 u bei einer Kerngrösse von etwa 26 .« erreicht, dann ist der erste Teil der Wachstumsperiode beendet, es folgt nunmehr ein Stillstand in der Grössenzunahme, während dessen äusserst wichtige Veränderungen am Kern und Plasma vor sich gehen. Zunächst bildet sich ein Monospirem aus, das in den grösseren Klumpen angesammelte Basichromatin verteilt sich gleichmässig auf die oxychromatischen Fäden des Kerngerüstes, deren Zusammenhang deutlich und deutlicher wird. Es gelingt jetzt leicht, einzelne Fadenteile über sehr lange Strecken kontinuierlich zu verfolgen, Gabelungen 38 H. Stieve: kommen nicht vor, wohl aber echte Überkreuzungen. Der ganze: Faden besteht dabei aus einzelnen, verschieden dicken basichro- matischen Körnern, die stellenweise so dicht aneinander gereiht sind, dass die verbindende oxychromatische Grundsubstanz des Fadens (Linin?) nicht mehr zu erkennen ist. Während dieser Vorgänge entstehen im Kern auch meist ein oder mehrere Nukleolen (Abb. 8). Sie liegen als kleine kreisrunde Gebilde mit glatter Oberfläche frei im Kernsaft und besitzen gewöhnlich nur einen Durchmesser von etwa 1—1,5« in seltenen Fällen erreichen sie aber eine erheblichere Grösse, bis zu 4« und sind dann von einem mehr oder weniger grossen Hof umgeben, in welchem der Kernsaft klar und frei von den Zügen des Fadens erscheint. Alle Nukleolen färben sich intensiv mit basischen Farbstoffen, die kleineren erscheinen dabei vollkommen homogen, die grösseren lassen häufig konzentrische Schichtungen, niemals jedoch Vakuolen- bildung erkennen und erscheinen meist heller als die kleinen Nukleolen, die in ihrem Farbton vollkommen dem der Körner des- Fadens entsprechen. Mit dem Fortschritt der Entwicklung wird die Ausbildung des Fadens immer deutlicher, mehr und mehr verschwinden die Überkreuzungen bis schliesslich ein kontinuierliches Spirem in zahlreichen Windungen, ohne jede Regel und bestimmte Richtung im Verlauf gleichmässig den ganzen Kern durchsetzt. Auch jetzt sind fast stets noch Nukleolen nachzuweisen (Abb. 9). Während dieser tiefgreifenden Veränderungen am Kern spielen sich auch am Plasmaleib wichtige Vorgänge ab. Zunächst können schon jetzt vereinzelte kleine Granula erkannt werden, die sich mit Osmiumsäure intensiv schwärzen und so deutlich von der sonst gleichmässig netzig gebauten Grundsubstanz abstechen. Ausserdem beginnt sich die Umgebung der Zentriolen dunkler zu färben, in diesem Bezirk erscheinen massenhaft kleine Körnchen, zunächst den Strängen des Plasmanetzes angelagert, die sich mit Eisenhämatoxylin schwarz, im übrigen aber mit sauren Kernfarb- stoffen tingieren. Meist liegen auch jetzt noch mehrere Oozyten umgeben von einer gemeinsamen Follikelhülle in Gruppen beieinander, unter dem Einfluss des Wachstums haben sie häufig eine bestimmte Lagerung zueinander eingenommen, nämlich so, dass die grossen runden Kerne alle an der Peripherie der Gruppe gelegen sind. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 39 Der Plasmaleib erscheint dabei nach einer Seite und zwar nach der Mitte der Zellgruppe zu zipfelförmig ausgezogen und an dieser Stelle findet sich gewöhnlich die Sphäre. Diese besondere Lagerung der Zellen lässt sich rein mechanisch erklären. Es wird nämlich der grosse Kern stets an die Peripherie der Gruppe gedrängt, wo er mehr Platz findet, während der kleine Raum zwischen den Kernen einer Gruppe durch Protoplasmaausziehungen ausgefüllt wird. Offenbar stellt das Plasma eine weichere plastischere Substanz als der Kern dar und schmiegt sich deshalb den umgebenden Gewebspartien an, während der Kern stets Kugelgestalt besitzt und seinerseits einen Druck auf die Gewebsteile ausübt. Die eben beschriebene Anordnung findet sich, wie schon ge- sagt, bei den Oozyten häufig, fast ebensooft erblickt man jedoch andere Gruppierungen, die stets auch veranlasst sind durch den Druck der umgebenden Gewebspartien und manchmal Veran- lassung geben zur Bildung ganz bizarrer Zellformen. Stets aber liegt dabei die Zone in demjenigen Teil des Zelleibs, der die grösste Ansammlung von Protoplasma enthält. Die Form der Oozyte und die Lage der Zone ist also abhängig von dem Druck der angrenzenden Gewebspartien und der durch diesen bedingten Gestaltung des Protoplasmaleibes. Ist der auf eine Gruppe ein- wirkende Druck von allen Seiten gleichmässig, so nimmt die ganze Gruppe Kugelgestalt an, die Kerne rücken mehr an die Oberfläche und dadurch werden die einzelnen Oozyten radiär angeordnet. Nur in sehr seltenen Fällen ist schon in diesem Stadium eine einzelne Oozyte von einer besonderen Schicht von Follikel- zellen umgeben und dadurch scharf abgegrenzt. Die Follikelzellen selbst besitzen meist längsovalen oder dreieckig geformten Kern und feinen, sehr schmalen, stark über die Oberfläche der Zell- gruppe abgeplatteten Plasmaleib. Die Zahl der Follikelzellen, welche zur Abgrenzung einer Oozytengruppe dient, ist ganz verschieden. Die Lage der Zone im Plasmaleib ist in Flemmingpräparaten manchmal durch eine Ansammlung osmierter Granula gekenn- zeichnet, die so dicht sein kann, dass in ihrem Bereich von den körnigen Plasmastrukturen nichts mehr zu erkennen ist. In anders fixierten Zellen lässt sich auch jetzt noch die feine Körner- ansammlung und ein doppeltes Zentriol im Bereich der Sphäre leicht nachweisen. Bemerkenswertistdabeijedoch, dassalle diese 40 H. Stieve: Granulaeinlagerungen im Zelleib, sowohl was ihr Vorkommen überhaupt, als auch besonders ihre Menge betrifft, sehr starken individuellen Schwan- kungen unterworfen sind. Bei frisch gefangenen Tieren ist ihre Masse fast nie eine sehr grosse, sie finden sich zwar in den meisten daraufhin untersuchten Ovarien hier und da, doch nur seltener und zwar besonders bei grösseren Tieren können sie in keiner einzigen Oogonie und Oozyte beobachtet werden, mit Aus- nahme natürlich der Rückbildungsformen, bei denen sie stets vorhanden sind. Wodurch diese Unterschiede bedingt sind, ob sie mit der Ernährung des Individuum in Zusammenhang stehen oder durch andere äussere Verhältnisse veranlasst werden, lässt sich nicht fest- stellen. Die Unterschiede finden sich ja ebenso bei frisch gefangenen Tieren als auch bei solchen, die schon längere Zeit im Aquarium gehalten wurden, ja selbst bei Hungertieren, eine Tatsache, die wohl dafür zu sprechen scheint. dass die Menge des eingelagerten Fettes unabhängig von der Ernährung ist. Auf keinen Fall leitet sie eine beginnende Degeneration ein. 2. Der polar gerichtete Knäuel. Der dünne, richtungslose Knäuel bleibt nicht lange bestehen, unmittelbar nach seiner vollkommenen Ausbildung beginnt die polare Orientierung des Fadens und zwar zuerst in demjenigen Teil des Kernes, der der Sphäre zunächst liegt. Hier verlieren die einzelnen Turen ihre Richtungslosigkeit, sie lagern sich parallel zueinander und verlaufen senkrecht zur Kernoberfläche. An dieser angelangt, biegen sie scharf spitzwinkelig um, verlaufen zunächst gerade in den Kern zurück und verschwinden dann wieder im ungeordneten Teil des Knäuels (Abb. 10, 11). Der Faden selbst erfährt während dieser Vorgänge wieder Verände- rungen seines Baues. Während er bis zu dieser Zeit als kompaktes, stellenweise spindelförmig aufgetriebenes Gebilde von recht ver- schiedener Dicke erschien, das nach seinem färberischen Verhalten zu schliessen zum allergrössten Teil aus Basichromatin besteht, wird er nunmehr dünner und dünner und wird nurmehr von einer grossen Anzahl perlschnurartig aneinandergereihter Körner von sehr verschiedener Grösse gebildet, die durch schwache Brücken von Oxychromatin miteinander verbunden sind. Bei Safranin- Lichtgrünfärbung erscheinen die Körner rot, die Verbindungs- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 41 brücken grün, der Faden gleicht also jetzt einer Kette von roten Korallenkugeln, die an einer grünen Schnur aufgereiht sind. Parallellagerung einzelner Abschnitte des Fadens ist auch im nichtgeordneten Teil des Kernes auf kurze Strecken zu be- obachten, sie stellt jedoch stets nur zufällige Lagebeziehungen dar. Meist finden sich auch jetzt noch vereinzelte basichromatische Nukleolen im Inneren des Kernes, wohingegen keinerlei Linin- oder sonstige oxychromatische Brücken zu erkennen sind, welche die einzelnen Fadenabschnitte miteinander verbinden. Die Orientierung schreitet nun fort, sie vollzieht sich ohne jeglichen Zerfall des Fadens, einzig und allein dureh Konzen- tration des Chromatins. Als Folge davon erscheinen die geordneten Abschnitte etwas dicker als die ungeordneten, doch ist dieser Unterschied nicht sehr erheblich, wohl ein Zeichen dafür, dass bei der Konzentration gleichzeitig überflüssiges Chromatin ab- fliesst. Hand in Hand damit erfahren die Nukleolen eine Ver- mehrung, sie finden sich grösstenteils im Inneren des Kernes und besitzen meist kugelrunde Gestalt und einen Durchmesser von 2—3u. Hier und da findet man aber auch unmittelbar unter- halb der Kernmembran, dieser selbst fest angedrückt kleine, halb- mondförmige Nukleolen. Gleichzeitig mit den eben beschriebenen Veränderungen im Kerne spielen sich auch entsprechende Vorgänge im Plasma ab. Die Zone verdichtet sich mehr und mehr und erscheint bald als dunkler, ziemlich scharf abgegrenzter Fleck im hellen netzigen Plasma gelegen. Die körnigen Einlagerungen vermehren und vergrössern sich dabei und stellen jetzt häufig feine Fadenzüge dar, die sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwärzen und bei Doppelfärbungen saure Farben stark aufnehmen (Abb. 11). Es sind dies diejenigen Gebilde, die Heidenhain (1900) als Pseudo- chromosomen bezeichnet hat, eine Benennung, zu der neben dem färberischen Verhalten die entfernte Ähnlichkeit in der Form eine gewisse Berechtigung gibt. Besonders auffallend ist an dem eben beschriebenen färberischen Verhalten, dass es bei der Heidenhainschen Methode dem des Basichromatins, bei allen anderen Färbungen aber mehr dem des Oxychromatins und der übrigen Plasmastrukturen entspricht. Auch in diesem Zeitpunkt können der Zone osmierte Granula eingelagert sein, sie sind auch bei Sublimateisessigfixierungen deutlich als Vakuolen zu 42 H. Stieve: erkennen, sie können jedoch ebenso häufig fehlen. In diesem Fall erscheint die Sphäre völlig kompakt. Eine geschlossene Sphärenkapsel lässt sich nicht darstellen, sehr deutlich erkenn- bar sind jedoch auch jetzt die beiden Zentralkörper, die im (regensatz zu dem bei der Spermatogenese festgestellten Ver- halten meist weit auseinander liegen (Abb. 13). In bezug auf ihr Lageverhältnis zum Kern lassen sie keinerlei Regel erkennen, eine sie verbindende Gerade trifft in ihrer Verlänge- rung den Kern entweder senkrecht oder berührt ihn tangential oder erreicht ihn überhaupt nicht. Von allergrösster Bedeutung ist das Verhalten der Sphäre zum Kern. Stets liegt sie durch eine zwar schmale aber auf allen Präparaten bei entsprechender Schnitt- richtung sehr deutlich erkennbare Plasmazone vom Kern getrennt (Abb. 11, 12, 13). Die Kernmembran ist dünn, aber doch deutlich, stets vollkommen intakt und an keiner Stelle des Kernes vorgebuchtet. Niemalsfindetindiesem Stadium eine Anlagerung des Kernes an die Zone statt, eben- sowenig ist jemals ein direkter Austritt vonChroma- tintropfen oder gar ganzen Chromosomenteilen aus. dem KernindasPlasma zu beobachten. Das verschiedene, bei Doppelfärbungen deutlich erkennbare Verhalten der fädigen Sphärenstrukturen und der Chromosomen widerlegt deutlich genug die direkte Abhängigkeit dieser beiden Gebilde voneinander, die bei Anwendung der Heidenhainschen Hämatoxylinmethode vor- getäuscht werden kann. Es braucht wohl auch nicht erwähnt zu werden, dass durch besondere Schnittrichtung oder ungünstige Lagerung der Zellen die völlige Trennung der Zone vom Kern verwischt sein kann oder wenigstens nicht ganz klar zum Ausdruck kommt. Derartige seltene Bilder berechtigen jedoch niemals dazu, die Sphärenstruk- turen in ihrer Entstehung unmittelbar auf die Chromosomen zurückzuführen. Denn wie schon gesagt, lässt sich niemals ein direkter Durchtritt von Chromatin durch die stets nachweisbare Kernmembran beobachten, womit jedoch nicht unbedingt bestritten werden soll, dass ein solcher Durchtritt in gelöster, für uns nicht nachweisbarer Form stattfinden könnte. Beweisen lässt er sich auf keinen Fall. Wie schon erwähnt, liegen die Sphären mehrerer zu einer Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes, 43 Gruppe gehörigen Oozyten häufig dicht beieinander. Da die Kerne einer von gemeinsamer Follikelhülle umgebenen Gruppe sich stets auf dem gleichen Entwicklungszustand befinden, so geht die polare Orientierung in der Art und Weise vonstatten, dass der Faden- verlauf in allen Kernen gegen die Mitte der Gruppe zu gerichtet ist. Auch hier handelt es sich aber lediglich um zufällige, in der besonderen Form der Zellen bedingte Gruppierungen, die durch keine gemeinsame Ursache bedingt sind, denn die polare Orien- tierung in jedem einzelnen Kern wird einzig und allein durch die zu ihm gehörige Sphäre bewirkt. Liegen die Zonen mehrerer Zellen eben aus äusseren Gründen beieinander, so erfolgt die Orientierung in allen Kernen scheinbar nach einem gemeinsamen Zentrum, liegen sie jedoch, wie dies ebenso häufig zu beobachten ist, in verschiedenen Teilen der Gruppe, dann ist von einer gemeinsamen Orientierung nicht die Rede. Es ist klar, dass Bilder der ersteren Art besonders auftällig sind und bei entsprechender Schnittrichtung die polare Orientierung sehr schön zeigen, höhere Bedeutung für die Entwicklungsvorgänge kommt ihnen jedoch nicht zu. Die Veränderung in der Struktur und Lage des Fadens schreitet stetig, wenn auch sehr langsam fort, indem sich das Spirem dauernd als Folge der weiteren Konzentration des Chromatins verdickt. Dabei bleibt die Zusammensetzung aus einzelnen basichromatischen Körnern, die durch oxychromatische Brücken verbunden sind, erhalten, nur ändern die einzelnen Körner ihre Gestalt, sie erscheinen bald nicht mehr rund, kugelförmig, sondern als kleine, anfangs plumpe Stäbchen, deren Längsachse senkrecht zur Verlaufsrichtung des Fadens steht, so dass die beiden Enden frei in den klaren Kernsaft ragen. Häufig erscheinen sie in der Mitte leicht spindelförmig verdickt, oft auch leicht S-förmig gebogen. Ihre Länge ist sehr verschieden, je nachdem wie weit die Ordnung des Fadens fortgeschritten ist, immer aber sind in der Gegenpol- seite des Kernes die Stäbchen länger als in der der Sphäre zu- gekehrten Hälfte, in welcher die Turen parallel verlaufen. Durch die Ausbildung dieser Stäbchen, die sich bald über den ganzen Kern erstreckt, erfährt das Spirem, das auch jetzt noch seine Kontinuität vollkommen bewahrt, eine nicht unwesentliche Verbreiterung. Trotzdem sind die Kernbilder in diesem Zustand wesentlich übersichtlicher als im Stadium des dünnen, richtungs- 44 H. Stieve: losen Knäuels, da das Spirem als Folge der Konzentration des Basichromatins wesentlich verkürzt ist und in seinen Turen im allgemeinen nur leicht gebogenen Verlauf zeigt. Die Zahl der Nukleolen erfährt dauernd eine Vermehrung. in ihrer Form und (srösse lassen sich keinerlei Veränderungen feststellen. Wenn sich die Orientierung im ganzen Kern vollzogen hat (Abb. 12, 13, 14), so erkennt man deutlich, dass nicht alle Faden- turen gleichlang sind, nicht alle verlaufen quer durch den ganzen Kern. Eine ganze Anzahl von ihnen beginnt zwar in der Gegenpol- seite unmittelbar unterhalb der Oberfläche des Kernes, wo sie in schlangenförmigen Windungen verlaufen und zieht schliesslich in der Polseite gerade, oder in leichter Krümmung der Kernoberfläche folgend gebogen, bis zu derjenigen Seite der Kernmembran, die der Sphäre gegenüber liegt. Dort erfolgt die scharfe spitzwinkelige Umbiegung und dann verläuft der Faden wieder ziemlich gestreckt in die Gegenpolseite zurück, um dort im grossen Bogen erneut seine Verlaufsrichtung zu ändern. Während aber alle Fadenturen ‚die Kernoberfläche an der Polseite berühren, erreicht nur ein Teil die Kernmembran an der Gegenseite, ein Teil gelangt nur bis zur Kernmitte oder etwas weiter und biegt schon dort im grossen Bogen um. Freie Endigungen des Fadens können in diesem Zustand niemals beobachtet werden, auch in der Polseite, unmittelbar unterhalb der Kernmembran, wo die scharfe Umbiegung der Turen erfolgt, bleibt eine Kontinuität vollkommen gewährt, wie sich besonders gut in sehr dünnen Schnitten oder an Flemming- fixierten Präparaten beobachten lässt (Abb. 14). Die ganze Umwandlung des dünnen richtungslosen Knäuels in den polargerichteten Knäuelvollzieht sichalso ohne Jede Kontinuitätstrennung, einzig und allein durch die Konzentration des Chromatins und die Um- lagerung und Gestaltsveränderung dereinzelnen den Faden bildenden Körner. Ob dabei eine kontraktile, im Inneren des Fadens gelegene Substanz, etwa das Linin, eine Rolle spielt, lässt sich nicht entscheiden, da die fragliche Masse mit keiner Fixierungs- und Färbungsmethode nachgewiesen werden kann. Die Anzahl der Fadenturen in den Oozyten lässt sich jetzt an günstigen Stellen leicht ermitteln, nämlich dann, wenn der Schnitt durch die Polseite des Kernes, nahe der Sphäre geführt ist. Man erhält dann die Querschnitte der hier parallel verlaufenden Faden- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 45 turen (Abb. 15, 16). Ihre Zahl beträgt 36, nur in Ausnahmefällen konnte ich weniger ermitteln, ist also gleich der doppelten Normal- zahl der Chromosomen. Da nun jede Fadentur zweimal getroffen sein muss, so enthält jeder Kern in diesem Zustand °%/a oder 18 Fadenturen, ihre Anzahl entspricht demnach im polargerichteten Knäuel der Normalzahl der Chromosomen. Und ebenso wie die einzelnen Chromosomen von äusserst verschiedener Länge sind, so zeigen auch die Fadenturen, wie schon erwähnt, ganz ver- schiedene Länge. Der eben beschriebene Kernzustand wurde früher ja meist als „Buquetstadium“ bezeichnet, eine Benennung, die wie ich schon bei der Schilderung der Spermatogenese (1920) ausein- andersetzte, verwirrend wirkt. Ein Längsspalt an den Chromosomen kann in diesem Zustand hier und da beobachtet werden, niemals aber eine Verschmelzung grösserer Teile der parallelgelagerten Abschnitte des Fadens. Schon in den ersten Zeiten der polaren Orientierung, wenn diese sich nur auf einen schmalen Abschnitt der Polseite des Kernes erstreckt (Abb. 10, 11), sind 36 Faden- turen vorhanden, die hier noch wesentlich dünner als später erscheinen. Ihre Verdickung erfolgt jedoch nicht durch Kon- jugation, sondern durch die Konzentration des Chromatins, wie ja die eben geschilderten Zahlenverhältnisse deutlich genug be- weisen, sie zeigen das nämliche Verhalten, wie ich es auch ın der Spermatogenese beschrieben habe. Das Erscheinen des Längs- spaltes wird gewöhnlich dadurch bedingt, dass die einzelnen, das Spirem bildenden Körner deutlich paarweise nebeneinander liegen. Aber auch in solchen Zellen sind stets 36 doppelte Fadenturen nachzuweisen und nicht nur 18, wie es nach erfolgter Parallelkonjugation der Fall sein müsste. Auch während der ganzen zuletzt beschriebenen Vorgänge bleibt die Kernmembran deutlich erhalten und erfährt niemals eine Kontinuitätstrennung. Dagegen verändert die Zone gegen das Ende der polaren Orientierung ihr Aussehen etwas, sie ver- grössert sich ziemlich beträchtlich, die körnigen Einlagerungen vermehren sich, dagegen sind die fädigen Substanzen meist nur in geringer Zahl nachweisbar. Auch jetzt finden sich noch häufig osmier- bare Granula und dementsprechend bei anderer Fixierung Vakuolen, auch die Zentriolen sind noch zu erkennen. Daneben finden sich jedoch häufig noch zahlreiche kleine, tiefschwarze zentriolenähn- 46 H. Stieve: liche Körner. Das übrige Plasma zeigt den gewöhnlichen Bau, hier und da gleichfalls Einlagerungen osmierter Granula. In vereinzelten Fällen finden sich in ihm auch bei Anwendung anderer Konservierungsmethoden kleine, homogene Körner von 1—3 u Durchmesser, die saure Kernfarbstoffe aufnehmen und bei Heidenhainfärbung hellgrau erscheinen (Abb 12). Über ihre Bedeutung vermag ich nichts anzugeben. 3. Die Entstehung der seitlichen Ausläufer. Wie die grosse Menge der in allen Ovarien vorgefundenen Kerne auf dem fraglichen Stadium beweist, bleibt die polare Orientierung des Fadens sehr lange bestehen. Während dieser Zeit finden die beschriebenen Veränderungen an der Zone statt, hier und da tritt wohl auch schon jetzt eine geringe Vergrösserung des Plasmaleibes ein, während der Kern seine ursprüngliche (Grösse bewahrt. An der chromatischen Substanz vollziehen sich aber weiterhin tiefgreifende und für die ganze folgende Eient- wicklung äusserst wichtige Veränderungen, die zunächst ohne Einfluss auf die Lage der Fadenturen bleiben. Sie sind gekenn- zeichnet durch die Ausbildung seitlicher Ausläufer, die mit einer völligen Veränderung der Farbreaktion einhergeht. Zunächst besteht der ganze Faden noch aus einzelnen spindelförmigen, quergestellten, basichromatischen Stäbchen, die sich mittels der Heidenhainschen Hämatoxylinmethode tiefschwarz tingieren, bei Safranin-Lichtgrünfärbung dunkelrot erscheinen, ebenso bei Dreifachfärbung nach Flemming, bei Eosin-Methyl- grünfärbung und der Biondimethode dunkelblaugrün. Die Stäb- chen besitzen ziemlich beträchtliche Länge und dadurch erinnert der Bau des Fadens schon jetzt ausgesprochen an die schon so häufig geschilderten Lampenzylinderputzerchromosomen, allerdings mit der Besonderheit, dass die verdickten Mittelpartien der Stäb- chen eine zentrale, den eigentlichen Faden darstellende Körnerreihe bilden. Nach und nach verändert nun das Chromatin seine Farb- reaktion, zwar nimmt es die basischen Anilinfarben noch auf, es zeigt sie jedoch nicht mehr in der gleichen Reinheit wie früher, sondern etwas undeutlicher, schmutziger. Am deutlichsten kommt dies bei der Biondi-Heidenhainmethode zur Geltung, wo die Uhromosomen mehr und mehr bläulich werden. Gleichzeitig ver- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 47 längern sich die beiden in den Kernsaft ragenden Enden der Stäbchen fortdauernd, zeigen meist etwas gewundenen Verlauf und verändern dabei ihre Reaktion vollkommen. Sie verlieren die Aufnahmefähigkeit für Eisenhämatoxylin und basische Farb- stoffe, zeigen aber eine hohe Affinität für saure Farben und erscheinen demnach bei Safranin-Lichtgrünfärbung grün, bei Dreifachfärbung naclı Flemming gelb, bei der Biondimethode blauviolett. Mittels der Heidenhainschen Methode sind sie nur als graugelbliche, dünne Stränge sehr undeutlich nachzuweisen, obwohl durch sie die zentralen Partien des Fadens auch jetzt noch besonders schön dargestellt werden. Mit der stärkeren Ausbildung der seitlichen Ausläufer, die sich in der Folgezeit dauernd verlängern, verkleinern sich die zentralen basichromatischen Partien des Fadens mehr und mehr, sie erscheinen bald wieder nurmehr als eine perlschnurartige Körnerreihe (Abb. 15). Am deutlichsten kommt diese Er- scheinung wieder bei Flemming fixierung zur Geltung, durch die ja alles Oxychromatin, also die nunmehr vollkommen oxychroma- tischen seitlichen Ausläufer zerstört werden, während die basichromatische zentrale Körnerreiie gut erhalten bleibt (Abb. 14). Die Zahl der Kernkörper erfährt eine dauernde langsame Vermehrung, besonders nehmen die halbmondförmigen der Kernmembran angelagerten Randnukleolen stetig an Zalıl zu (Abb. 14). Nach und nach werden nun die seitlichen Ausläufer immer länger und erscheinen bei stärkster Differenzierung bald nicht mehr als kompakte Fäden, sondern als Körnerreihen, deren Einzelgebilde sich mit sauren Farben tingieren und offenbar durch eine schwer darzustellende Bindesubstanz (das Linin ?) zusammengehalten werden. Allerdings erscheint dieser Bau nicht in allen Präparaten deutlich, und es ist fraglich. ob es sich hier nicht wieder um Fixierungsartefakte handelt, eine Annahme, die ja bei der Untersuchung so feiner, an der Grenze des Sichtbaren liegenden Gebilde stets im Bereiche der Möglichkeit liegt. In der Spermatogenese habe ich häufig für die . oxychromatische Substanz im ganzen die Bezeichnung Linin gebraucht, ich will hierauf jedoch erst im theoretischen Teil der Arbeit eingehen. Wenn die seitlichen Ausläufer schon einen erheblichen Grad der Ausbildung erlangt haben, verliert die Sphäre ihre bis dahin 48 H. Stieve: meist kugelrunde Gestalt und formt sich zu einem grossen. halbmondförmigen Körper um, der dicht an den Kern heranrückt. Vakuolen und osmierte Granula finden sich auch jetzt noch häufig in ihr, äusserst selten dagegen fädige Bildungen. Auch die Zentriolen sind jetzt schwerer darstellbar. Meist besteht die ganze Zone aus feinsten Körnern, die sich intensiv mit Eisen- hämatoxylin schwärzen (Abb. 17, 18). Die seitlichen Ausläufer der einzelnen Fadenabschnitte verflechten sich nach und nach zu einem dichten Netzwerk, das die einzelnen Fadenturen miteinander verbindet (Abb. 17). Ich möchte gleich hier bemerken, dass abgesehen von der schweren Nachweisbarkeit der Zentriolen und den zuletzt geschilderten Veränderungen der Sphäre bis zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung der Oozyten sich in jeder Hinsicht vollkommen identisch mit der der Spermatozyten abspielt, erst jetzt treten grundsätzliche Unter- schiede in der Ausbildung zutage. Aus diesem Grunde konnte ich mich bei der Schilderung der Vorgänge bisher kurz fassen, Angaben über die feineren Einzelheiten finden sich in der Beschreibung der Spermatogenese. Während aber in den Spermatozyten die seitlichen Ausläufer bald abschmelzen und nur noch vereinzelte Lininbrücken längere Zeit bestehen bleiben, erfahren die Ausläufer in der Eientwicklung, unbeschadet der sonstigen Vorgänge ım Kern, eine mächtige Ausbildung, die im Zusammenhang mit der Veränderung der Farbreaktion nunmehr im Vordergrund der Erscheinungen steht. 4. Der dicke richtungslose Knäuel. Zunächst geht ebenso wie in den Spermatozyten auch in den Oozyten die polare Orientierung des Fadens verloren, dieser durchzieht den Kern wieder richtungslos, seine Turen zeigen aber nicht geschlängelten, sondern höchstens leicht gewundenen und in der Hauptsache ziemlich gestreckten Verlauf. Der Faden besteht aus einzelnen ganz kleinen basichromatischen Körnern. von denen die zahlreichen oxychromatischen Ausläufer in den klaren Kernsaft ‘gehen, diesen mehr oder weniger vollkommen durchsetzen und sich dabei untereinander verflechten. Am Faden selbst ist jetzt meistens ein mehr oder weniger deutlicher Längs- spalt zu erkennen, wenigstens an einzelnen seiner Abschnitte. Er besteht hier aus einer doppelten Reihe von Körnern, die sich mehr Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 49 oder weniger weit voneinander entfernen und so knopfförmige Öffnungen entstehen lassen (Abb. 17). Die Nukleolen haben eine weitere Vermehrung erfahren, sie liegen jetzt hauptsächlich unter- halb der Membran. Wenn zwar aber, wie schon erwähnt die Verlaufsrichtung des Fadens in diesem Zustand keine so regelmässige ist, als im Zustand der polaren Orientierung, so zeigen seine Turen doch in der Hanptsache auch jetzt noch eine Verlaufsrichtung von der Gegenpolseite zur Polseite, nur liegen sie nicht mehr so parallel zueinander wie früher, sondern überschneiden sich im Bild häufig, ohne sich jedoch zu berühren. Freie Enden finden sich aber noch nicht, die Kontinuität des Fadens ist also noch immer vorhanden. Grössere Verschiebungen seiner einzelnen Teile verhindern jedoch wahrscheinlich die seitlichen Ausläufer. Bei Flemmingfixierung kommen diese letzteren Stadien nicht mehr deutlich zur Darstellung, der Kernsaft erscheint hier wieder vollkommen homogen, da ja das ganze oxychromatische, von den seitlichen Ausläufern gebildete Strukturenwerk zerstört ist, aber auch der Faden selbst wird jetzt, besonders in den obersten Schichten des Ovar, häufig so stark angegriffen, dass er auf längere Strecken seines Verlaufs oft auch mittels der Eisenhämatoxylin- methode nicht mehr darstellbar ist. Dieser Umstand beweist deut- lich, dassauch feinere Strukturen desBasichromatins bei direkter stärkster Einwirkung durch Osmium- säure zerstört werden können. Hier sei übrigens noch bemerkt, dass ich die als Synapsis bezeichnete Zellform, deren Zustandekommen ja gewöhnlich in das Stadium der polaren Orientierung verlegt wird, in keinem Ovarıum der frisch gefangenen Olme mittels keiner Fixierungs- und Färbemethode habe nachweisen können, ebensowenig wurde sie von Jörgensen beobachtet. Die fraglichen Formen, welche V.Schmidt nachweist, sind also sicher nichts anderes als der Ausdruck beginnender Rückbildung, verursacht durch schädigende äussere Einflüsse. Ich werde auf sie erst in einem späteren Teil der Arbeit. bei Besprechung der Rückbildungsvorgänge im Hoden und im Ovar zu sprechen kommen. Während der Ausbildung des dicken, richtungslosen Knäuels hat die Oozyte wieder in geringem Maße an Grösse zugenommen. Der Kerndurchmesser beträgt nunmehr 26— 28 u der der ganzen Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 4 50 H. Stieve: Zelle 35—42 u die Vergrösserung ist also auch hier eine äusserst geringe, und man kann ruhig sagen, dass das Wachstum der Oozyte bis zu diesem Zeitpunkt unterbrochen war. Offenbar haben die tiefgreifenden Veränderungen der Kernstruktur die ganze Energie der Zelltätigkeit beansprucht, so dass keine Mög- lichkeit zur Vergrösserung vorlag. Erst während der folgenden Vorgänge setzt das eigentliche Wachstum der Oozyte ein. Wie in der Spermatogenese, so unterliegen auch in der Oogenese die Zellenmaße beim Olm ziemlich beträchtlichen individuellen Schwankungen, die nämlichen Stadien können bei verschiedenen Tieren, ja selbst beim gleichen Individuum in bezug auf ihre (rösse erheblich differieren, Unterschiede in den Kernmassen von 2—3 ua sind nichts Aussergewöhnliches. In der Folgezeit treten diese Unterschiede noch viel stärker zutage und sind dann offenbar auch wenigstens in geringem Maße vom Alter des Individuum abhängig. 5. Die Längsspaltung des Knäuels und sein Zerfall in Einzelchromosomen. Sobald der Faden seine polare Orientierung vollkommen aufgegeben hat, spaltet er sich der Länge nach in zwei Tochter- fäden. Der Vorgang hat ja zum Teil schon während der polaren Orientierung begonnen und sich dort in Gestalt der zweireihigen Körneranordnung, später in Form der ösenförmigen Öffnungen im Verlauf des Fadens gekennzeichnet, die ja auch nichts an- deres sind. als eine an verschiedenen Stellen gleichzeitig be- ginnende Längsspalturg. Diese schreitet sehr rasch über das ganze Spirem hin fort, das bald aus einem Doppelfaden besteht, dessen beide Teile zunächst noch den gleichen Bau zeigen wie der Mutterfaden, das heisst, sie bestehen aus je einer zentralen basichromatischen Körnerreihe, von der aber gleichfalls nach allen Richtungen hin in den Kern feinste oxychromatische Aus- läufer gehen und sich untereinander verflechten. Ob diese Ausläufer sich gleichfalls durch Längsspaltung teilen, lässt sich bei ihrer geringen Grösse nicht entscheiden. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass der schon in’ den Telophasen der letzten Oogonienteilungen deutlich an den Tochterchromosomen zu er- kennende Längsspalt (Abb. 4) während der ganzen bisherigen Oozytenentwicklung bestehen bleibt und erst jetzt wieder deutlich Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 5l in Erscheinung tritt. Dementsprechend wären also die Ausläufer aus den Chromosomenspalthälften hervorgegangen und ihre Längs- ‚spaltung wäre nicht notwendig. Die beiden Tochterfäden rücken nicht ganz auseinander, sie entfernen sich kaum weiter als 2—3 u voneinander, verlaufen für längere oder kürzere Strecken parallel, vereinigen sich auch 'wieder auf kurze Strecken, so dass hier der Längsspalt nicht zu ‘erkennen ist, um dann wieder auseinander zu weichen. Wenn ‚eine solche Vereinigung sich nur auf einen einzigen Punkt erstreckt, so erweckt es den Eindruck, als ob sich hier die beiden Tochterfäden kreuzen. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht entscheiden. ; Unmittelbar nach der Längsspaltung des Fadens, oft noch während sich diese vollzielit, erfolgt der Zerfall in einzelne Chromosomen. Die erste Erscheinung, welche diesen Vorgang kennzeichnet, ist das Auftreten von freien Endigungen im Kerne. Offenbar erfolgt aber der Zerfall nicht vollkommen gleichzeitig, sondern zunächst nur an einzelnen Stellen, wenigstens lassen sich anfangs nur ganz vereinzelte freie Endigungen nachweisen, im übrigen aber der Faden noch auf lange Strecken hin ununter- brochen verfolgen. Erst später tritt dann der vollkommene Zerfall ın Einzelchromosomen, beziehungsweise Chromosomenpaare ein. Währenddessen schreitet die Ausbildung der seitlichen Ausläufer und Hand in Hand mit ihr die Verkleinerung der zentralen Körnerreilien, das heisst der Abbau des Basichromatins stetig weiter fort und gerade diese Tatsache macht die Ver- hältnisse äusserst verwickelt und erschwert die Beobachtung. In den Ovarien junger Olme, also solcher von unter 19 cm Ge- samtlänge, sind die zentralen Körnerreihen jetzt meist so klein, dass sie kaum mehr deutlich dargestellt werden können, wohin- gegen das oxychromatische, von den seitlichen Ausläufern ge- bildete Netzwerk sehr dicht erscheint und gleichfalls die Beobachtung erschwert (Abb. 20). Klarer liegen die Verhält- nisse in den Ovarien grösserer, das heisst ausgewachsener Tiere, in denen der Abbau des Basichromatins anscheinend langsamer erfolgt und der ganze eben geschilderte Vorgang sich auf einen längeren Zeitraum erstreckt, währenddessen die Oozyte nicht unbeträchtlich an Grösse zunimmt und dadurch auch die Über- sichtlichkeit des Bildes vermehrt. Hier gelingt die Darstellung 4* 52 H. Stieve: der Chromosomenpaare auch nach dem Zerfall des Fadens mit allen Färbungsmethoden noch leicht, auf grösste Schwierigkeiten stösst aber auch hier die Feststellung der Chromosomenzahl (Abb. 18). Mit Hilfe des Rekonstruktionsverfahrens, das heisst indem von einer Zelle eine grosse Anzahl von Einzelbildern: der verschiedenen Ebenen auf Pauspapier gezeichnet und dann übereinandergelegt wurden, gelang es jedoch mehrmals die Anzahl der Chromosomenpaare mit ziemlicher Sicherheit zu ermitteln, sie beträgt im Durchschnitt 18, ist also gleichder Normalzahlder Chromosomen, häufig wurden mehr, selten weniger Paare gezählt, niemals aber betrug die Zahl der sicher abgrenzbaren Paare weniger als 14. Nach dem Verschwinden der polaren Orien- tierung zerfällt demnach in der VOozyte der Knaual in die Normalzahl längsgespaltener Chromosomen. Bei Anwendung des heissen Flemmingschen Gemisches erschienen die Kerne jetzt meist vollkommen homogen, offenbar sind die zarten zentralen Körnerreihen nicht imstande dem Finfluss der Osmiumsäure Widerstand zu leisten. Nur in den Ovarien älterer Tiere gelingt es in den tieferen Schichten des Organs die Körnerreihen zu erhalten, während die oxychromatischen Ausläufer vollkommen zerstört werden. In diesem Falle liegen dann die Verhältnisse klarer, die Zahlenermittlung gelingt leichter und ausserdem lässt sich bier noch folgendes feststellen: Die einzelnen Chromosomenpaare sind untereinander von ganz ungleicher Länge, bald finden sich sehr grosse Gebilde, die länger sind als der ganze (Juerdurchmesser des Kernes, bald aber auch sehr kurze, welche kaum ein Drittel der besagten Grösse besitzen. Die beiden Spalthälften eines Paares sind stets gleich lang. was ja nur selbstverständlich sein kann, da sie durch Längsspaltung eines Einzelgebildes entstanden sind, sie überkreuzen sich meist mehrmals und bilden dadurch die bekannten Figuren. Im grossen und ganzen entfernen sich aber die Spalthälften sowohl an ihren Enden als auch zwischen zwei Überkreuzungen sehr weit vonein- ander, der Abstand kann 4—6 u betragen (Abb. 19). Auch während dieser Vorgänge erfährt die Zahl der Nukleolen noch eine Vermehrung, sie finden sich noch immer in der Haupt- sache unmittelbar unter der Membran. Das Plasma zeigt den gewöhnlichen Bau, es erfährt jetzt meist eine ziemlich beträchtliche (| cs Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. Vergrösserung. während der Kern selbst, besonders bei jungen Tieren, nur wenig an Grösse zunimmt. Sein Durchmesser beträgt 28—30 u, der der ganzen Vozyte 40—45 u. Die Zone verändert ihren Bau nicht, doch sind die Zentriolen jetzt nicht mehr nachweisbar. Auch jetzt finden sich häufig im Plasma Einlagerungen osmierter Granula, hauptsächlich im Bereiche der Zone, deren körnige Strukturen sie vollkommen verdecken können. c) Die zweite Wachstumsperiode. I. Das oxychromatische Netzwerk. Nach und nach verkleinern sich auch in den Oozyten älterer Tiere die basichromatischen Körner der Chromosomen immer mehr und stellen schliesslich nurmehr kleinste spindelförmige, quer- gestellte Gebilde dar, welche ohne deutliche Grenzen in die seitlichen Ausläufer übergehen. Sie verlieren nach und nach auch mehr und mehr ihre Aufnahmefähigkeit für basische Farbstoffe, erscheinen zunächst missfarben und schliesslich vollkommen oxy- chromatisch. Nunmehr versagt die Heidenhainsche Hämatoxy- linmethode vollkommen, sie stellt im Kern nur ein undentliches hellgraues Gerüstwerk dar, an dem sich keinerlei Einzelheiten erkennen lassen, desgleichen sind die Kernstrukturen, was nach dem Vorhergesagten eigentlich selbstverständlich ist, mit typischen Kernfarbstoffen nicht anschaulich zu machen, sehr deutlich dagegen mit saueren Plasmafarben, bei Doppelfärbungen. Hier erkennt man jetzt noch deutlich die Chromosomen (Abb. 21), sie zeigen die typischen Lampenzylinderputzerformen ohne zentrale Körner- reihen, die Lage ihrer Längsachsen wird durch die dichtere Verflechtung der Fäden und anfangs noch durch die allerdings nur wenig hervorstechende, intensivere Färbung gekennzeichnet. Die seitlichen Ausläufer verflechten sich untereinander in mannig- faltiger Weise und bestehen jetzt stets aus allerfeinsten Körner- reihen, eine Erscheinung die besonders deutlich bei der Biondischen Methode zur Geltung kommt (Abb. 23). Nach und nach wird das Netzwerk, das die Ausläufer bilden, dichter und dichter und im gleichen Maße lockern sich die zentralen Partien der Chromo- somen auf und verschwinden dadurch im übrigen Kernbild. Dann besteht das ganze Kerngerüst aus einem feinsten, gleichmässigen (Geflecht oxychromatischer Körnerreihen (Abb. 24). Von einem Zerfall oder Verschwinden der Chromosomen kann 54 H. Stieve: bei dem ganzen Vorgang nicht die Rede sein, es handelt sich nur um die starke Ausbildung der bekannten Chromatinfadenstränge, die mit einem Umschlag in der Farbreaktion, bedingt durch chemische Umsetzungen in der chromatischen Sub- stanz einhergeht. Mit dem völligen Verschwinden des Basichromatins aus den Uhromosomen treten im Kerne dauernd neue Nukleolen auf und zwar einerseits in seinem Inneren, eingelagert zwischen den seit- lichen Ausläufern, andererseits unmittelbar unterhalb der Kern- membran (Abb. 23, 24, 25). Im ersteren Falle erscheinen sie kreisrund, im letzteren halbkugelig, da sie der Kernmembran flach angedrückt sind. Einige von ihnen sind sehr klein, gerade an der Grenze der Sichtbarkeit, andere grösser. Ihre Vermehrung: erfolgt in gleichem Maße wie die basichromatische Substanz in den Chromosomen an Menge abnimmt. Die Oberfläche der Nukleolen ist glatt, sie färben sich schwach aber ausgesprochen mit basischen Farbstoffen. Vakuolen sind an ihnen noch nicht feststellbar, nur an den grösseren bemerkt man hier und da konzentrische Schichtung. Die Grösse der Oozyte beträgt jetzt 50—60 «, die des Kernes 36—40 u, es hat also ein erhebliches- Wachstum stattgefunden. Ich will hier wieder besonders darauf hinweisen, dass durch Osmiumsäure dieses oxychromatische Netzwerk vollkommen und restlos zerstört wird. In diesem Falle erscheint der Kern wieder homogen, färbt sich leicht oxychromatisch und nur die Nukleolen heben sich deutlich von der Umgebung ab. Im Vorhergehenden habe ich die Ausbildung des oxychro- matischen Netzwerkes beschrieben, so wie sie sich gewöhnlich bei kleinen, also jungen Olmen beobachten lässt. Bei älteren, grösseren Tieren vollzieht sie sich im Grund genommen in genau der gleichen Art und Weise, nur erstreckt sich bei ihnen der Vorgang über etwas längere Zeit und während des Verschwindens des Basi- chromatins findet ein beträchtlicheres Kernwachstum statt. Oder mit anderen Worten, das Basichromatin bleibt länger in den Chromosomen erhalten. Dabei handelt es sich jedoch um keinen grundsätzlichen Unterschied, denn auch bei jungen Tieren lassen sich die Chromosomenpaare oft noch in recht großen Oozyten nachweisen, so zeigt Abb. 22 eine Oozyte aus dem Ovar von Olm 6, sie besitzt einen Kerndurchmesser von 34:38 u bei einer Zellgrösse: Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 55 von 42:58 « und doch sind die Chromosomenpaare noch deutlich zu erkennen, die zentralen Körnerreihen bestehen aus Basichromatin das sich intensiv mit Eisenhämatoxylin tränkt. Dementsprechend lassen sich im ganzen Kern fast keine Nukleoleu nachweisen, Im Plasma ist die halbmondförmige Zone sehr deutlich zu erkennen. In den Ovarien älterer Tiere bleiben die Chromosomen aber häufig noch länger deutlich als Einzelindividuen nachweisbar, so zeigt Abb. 27 eine Oozyte von 66:52 «u Durchmesser mit einem Kern von 36:45 « Grösse. Hier sind sehr deutlich noch die Lampenzylinderputzerformen zu erkennen, deren zentrale Partien sich bei der Dreifachbehandlung nach Ehrlich-Biondi- Heidenhain blaugrün färben, während die längeren seitlichen Ausläufer die in nur geringer Anzahl den ganzen Kernsaft durchsetzen blau-violett erscheinen. Sehr deutlich ist hier auch, besonders in der Mitte der Zelle, die paarweise Verschlingung der Chromosomenspalthälften zu erkennen und entsprechend der Tat- sache, dass noch so gut wie keine Abgabe von Basichromatin aus den Chromosomen stattgefunden hat, sind fast keine Nukleolen vorhanden. Aber selbst wenn jegliche Spur von Basichromatin aus den Chromosomen verschwunden ist, durchsetzt das oxychromatische Netzwerk zunächst noch nicht immer den ganzen Kern gleichmässig, häufig lassen sich vielmehr in ihm solche Stellen nachweisen, welche der Lage der Chromosomen entsprechend von einem sehr dichten Netz ausgefüllt sind, und zwischen ihnen finden sich bald längliche, bald kreisrunde Bezirke, in denen das Netzwerk wesentlich lockerer ist. In den dünnen Schnitten wirken sie wegen ihres helleren Aussehens fast wie Vakuolen (Abb. 25, 26, 25, 29). Diese helleren Bezirke können noch sehr lange im Kerne nachweisbar sein, denn erst nach und nach breitet sich das dichte Netzwerk auch über sie aus, so dass dann der Kern in allen Abschnitten gleichmässigen Bau zeigt, entsprechend der voll- kommen gleichmässigen Ausbildung des Gerüstes (Abb. 30, 31). Auch während der zuletzt geschilderten Vorgänge vermehrt sich die Zahl der Nukleolen ebenso wie ihre Grösse fortdauernd. Sie treten jetzt noch immer teilweise im Inneren des Kernes auf, teils auch unmittelbar unterhalb der Membran und nehmen rasch an Grösse zu. Sie bestehen durchweg aus Basichromatin, die kleineren von ibnen nehmen jedoch die Farbstoffe nicht so gut auf und 56 H. Stieve: erscheinen deshalb wesentlich heller als die grösseren. Wenn sie einen Durchmesser von etwa 2 u erreicht haben, erscheinen sie gewöhnlich auch nicht mehr wie früher vollkommen homogen, sondern zeigen eine konzentrische Schichtung, offenbar als Zeichen ihrer, durch Anlagerung neuer Substanzen erfolgenden Ver- grösserung. Hand in Hand mit den eben beschriebenen Veränderungen vergrössert sich auch der Plasmaleib der jungen Oozyte, etwa im gleichen Maße wie der Kern. Sein Bau verändert sich dabei nur wenig, er zeigt nach wie vor netzige Struktur. Die Zone ist jetzt nur schwer nachweisbar, dagegen finden sich häufig, jedoch keineswegs immer, osmierte Granula im Plasma. In der Mehrzahl der Fälle lagern sie sich dem Kern entweder nur an einer Seite halbmondförmig oder auch allenthalben in Gestalt einer Hohlkugel an. Ihre Grösse ist ebenso wie ihre Menge sehr verschieden, die grössten können einen Durchmesser von 5—4 u und darüber erreichen, während die kleinsten eben noch nach- weisbar sind. Die Dicke der betreffenden Granulazone, durch die offenbar die Sphäre verdeckt wird, kann sehr gering sein, manchmal ist sie jedoch auch sehr beträchtlich und füllt fast den ganzen Plasmaleib aus. An Sublimatpräparaten erkennt man die Einlagerungen als mehr oder weniger grosse Vakuolen. Hat das oxychromatische Netzwerk den höchsten Grad der Ausbildung erlangt, dann durchsetzt es den ganzen Kern voll- kommen gleichmässig, irgendwelche helleren Partien sind nicht mehr nachweisbar. Es besteht aus feinsten Fäden, die sich an gut fixierten Kernen oft auf sehr lange Strecken hin ohne jede Unterbrechung verfolgen lassen, sich dabei häufig gegenseitig überschneidend. (Abb. 29). An den Kreuzungsstellen findet sich gewöhnlich eine leichte Verdiekung. Auch jetzt noch werden die Fäden von einzelnen perlschnurartig aneinandergereihten Körnern gebildet die sich jedoch häufig nicht deutlich darstellen lassen. In diesem Fall erscheint der Faden glatt und nur die. Auftreibungen an den Kreuzungsstellen sind zu erkennen. (Abb. 30). Während der Dauer seines Bestehens erfährt das Uhroma- tingerüst aber stets eine gewisse Veränderung, durch die der körnige Bau der Fäden deutlicher wird. Ihre Oberfläche rauht sich gewissermassen auf, nach allen Seiten hin entstehen kleine knopfförmige Höcker und Vorsprünge, durch die die (Gesamt- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes 57 masse des Fadens vermehrt und verdickt wird. (Abb. 31). Die Auftreibungen an den Ueberkreuzungsstellen kommen dann nicht so deutlich zur Geltung. Immer erscheint es aber fraglich, ob an diesen Ueberkreuzungen tatsächlich eine Verschmelzung zweier Fäden statthat, oder ob die Verdiekungen nur ein Kunstprodukt der Färbungen darstellen. Wie schon erwähnt bestelt das gesamte Netzwerk jetzt ausschliesslich aus Oxychromatin und besitzt nur äusserst geringe Aufnahmefähigkeit für basische Farbstofte, die sich jedoch nur bei Abwesenheit von sauren Farbstoffen geltend macht. Mittels der FEisenhaematoxylinmethode ist das Gerüst kaum darstellbar. Diese Tatsache hat sicherlich sehr viel zur Entstehung der An- schauung beigetragen, dass in dem fraglichen Zustand eine voll- kommene Zerstäubung des Uhromatins erfolgt. Die Nukleolen haben sich im der letzten Zeit nur mehr wenig vermehrt und liegen grösstenteils unmittelbar unterhalb der Kernmembran, sie erscheinen zumeist kreisrund, die halb- mondförmig der Kernoberfläche angepressten Formen sind selten. Im Kerninneren finden sich nur noch vereinzelte Nukleolen, die sich gewöhnlich durch besondere Grösse auszeichnen, ihr Durchmesser beträgt 6—7 u und darüber, während der der Randnukleolen 2—3 u selten überschreitet. In bezug auf ihre Farbreaktion zeigen sie folgendes Verhalten: Mittels der Eisenhämatoxylin- methode färben sich die kleineren durchweg tief schwarz, die grösseren lassen meistens eine Schichtung erkennen, sie werden von einem helleren Kern gebildet. um den sich eine dunkle Mantelzone lagert. In den grossen zentralen Nukleolen finden sich meistens (Abb. 31) mehrere Vakuolen, die hellgrau, bei längerer Differenzierung sogar weiss erscheinen. Bei der Drei- fachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heidenhain sind die Nukle- olen dunkelblauviolett, die Vakuolen farblos, bei Safranin-Licht- grünfärbung rot, die kleineren etwas heller als die grösseren, ihre Vakuolen sind farblos. Methylgrün nehmen sie in diesem Zustand fast nicht an, die Nukleolen zeigen also kein sehr ausgesprochenes Verhalten gegenüber von Farbstoffen, sie erscheinen vielmehr auch bei Doppelfärbungen meist missfarben. Im Bau des Plasma sind keine Veränderungen vorgegangen. Stets ist jetzt jede einzelne Oozyte durch Follikelzellen vollkommen von der Umgebung abgegrenzt, ihre Verteilung auf der Öber- 58 H. Stieve: fläche ist jedoch keine gleichmässige (Abb. 28). Vielmehr liegen: die Follikelzellen in Gruppen beieinander und zeigen sowohl in Hinsicht auf den Kern, als besonders den Plasmaleib sehr ver- schiedene Grösse und Form. Sie bilden jedoch stets ein Synzytium, ınittels keiner Konservierungs- und Färbemethode lassen sich (Grenzen zwischen den zu einer Oozyte gehörenden Follikelzellen nachweisen. Die Grösse der ganzen Zelle beträgt jetzt 80 — 90 u, die des Kernes 55—65 u. Das basichromatische Netzwerk. Mit der vollkommenen Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes ist wieder ein wichtiger Abschnitt in der Ent- wicklung der Oozyte beendet, auf den eine Periode folgt, die in erster Linie durch die starke Grössenzunahme gekennzeichnet ist. An dieser beteiligen sich Kern und Plasma, das letztere allerdings in etwas stärkerer Weise. Gleichzeitig gehen aber auch Veränderungen an der chromatischen Substanz vor sich, die zunächst hauptsächlich wieder an der veränderten chemischen. Reaktion zu erkennen sind. Während der Vergrösserung der Oozyte behält zunächst das Chromatingerüst seine bisherige Struktur vollkommen bei, Hand in Hand mit der Ausdehnung des Kernes nehmen auch die Chromatinfäden, beziehungsweise die einzelnen sie zusammen- setzenden Körner an Grösse zu, die Maschen des Netzwerkes werden weiter (Abb. 43, 55). Dank dieser Veränderungen gewinnt das Kernbild wesentlich an Übersichtlichkeit, auch ist das Gerüst jetzt nicht mehr so hinfällig gegenüber den einzelnen Fixierungs- mitteln. Vakuolen im Kern sind fast niemals mehr zu beobachten. Die Gesamtmasse der Fäden besteht nach wie vor aus Öxychromatin, doch bemerkt man bald, in einzelnen Kernen etwas früher, in anderen etwas später, dass vereinzelte der Fadenkörner ihre chemische Reaktion wieder ändern und auch bei Anwesenheit saurer Farbstoffe vorzugsweise basische aufnehmen (Abb. 55). Anfangs sind diese basichromatischen Körnchen eben mit den stärksten Vergrösserungen nachweisbar, sie nehmen aber in der Folgezeit an Grösse zu. Mit ihrem Auftreten gewinnt das ganze Kerngerüst seine Aufnahmefähigkeit für Eisenhämatoxylin wieder und ist von jetzt ab mit. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 5% der Heidenhainschen Methode stets sehr gut dar- stellbar. Die Nukleolen sind zu dieser Zeit so gut wie ganz aus den zentralen Teilen des Kernes verschwunden, finden sich jedoch in sehr grosser Anzahl unterhalb der Membran, ja man kann sagen, dass die Randnukleolen, was ihre relative Menge betrifft, in diesem Zustand den Höhepunkt der Ausbildung erreicht haben. Sie bestehen nach wie vor aus Basichromatin, die grösseren unter ihnen besitzen hellere, nur ganz schwach färbbare Vakuolen. Der Durchmesser der Randnukleolen beträgt 1—4 u, selten mehr, die Form ist gewöhnlich die der Kugel, nur ausnahmsweise finden sich auch jetzt noch halbkugelförmige unter ihnen, die mit ihrer abgeplatteten Seite der Kernmembran zugewendet sind. Niemals liegen jedoch jetzt die Nukleolen so wie früher der Kernmembran unmittelbar an, sondern stets trennt sie von dieser eine, wenn auch nur schmale, so doch deutliche Schicht von Kernsaft. In diesem Stadium, wenn also die Nukleelen im Verhältnis zur Kern- grösse ihre höchste Zahl erreicht haben und eben das erste Auftreten basichromatischer Substanz in den Chromosomen zu beobachten ist, beträgt der Kerndurchmesser 80—90 « der des ganzen Follikels etwa 150 « (Abb. 55, 43). Während der folgenden raschen Vergrösserung der Oozyte schreitet der eben geschilderte Vorgang fort, die basichromatische Substanz in den Fäden vermehrt sich zusehends, ohne dass sich im übrigen, abgesehen von der zunehmenden Grösse der betrefienden Teile, wesentliche Veränderungen am Kerngerüst abspielen. Dieses wird nun deutlicher und deutlicher und hebt sich bei jeder Art der Färbung scharf von dem schwach oxychromatischen Kernsaft ab. Dank der erheblichen Dicke seiner einzelnen Fäden, beziehungsweise dank der beträchtlichen Grösse der einzelnen diese zusammensetzenden Chromiolen vermag es jetzt den Einflüssen der Fixierungsmittel weit besser stand zu halten als früher, ja es ist sogar auch in den obersten Schichten des Ovar mittels der Osmiumsäure darstellbar. Doch finden sich jetzt häufig Kernbilder, wie ich sie eingangs bei Besprechung der Technik erwähnt habe, in denen das Chromatin besonders bei Anwendung von alkoholhaltigen Konservierungsmitteln aus der einen Seite des Kernes ausgeschwemmt ist. Es liegt dann stets als halbmondförmige, dunkle Schicht auf der der Oberfläche 60 H. Stieve: : des Ovar abgewendeten Seite des Kernes, während in der anderen Hälfte das Kerngerüst äusserst blass erscheint. Bei Flemming- fixierung ereignet es sich jetzt häufig, dass die schädliche Wirkung der Osmiumsäure sich nur in der oberflächlich gelegenen Hälfte des Kernes geltend macht, sie erscheint dann mehr oder weniger vollkommen homogen, während die andere, tiefer gelegene Hälfte die Strukturen deutlich erkennen lässt. Ich halte es für überflüssig, derartige Kernformen, die zweifellos nichts anderes sind als Folgen der ungleichen Ein- wirkung sehr langsam oder aber sehr rasch eindringender Fixierungsmittel auf das empfindliche Gerüst sehr grosser Kerne, hier in Abbildungen wieder zu geben, ich möchte nur betonen, dass alle die Formen, welche in diesem Zustand einen halbseitigen Unterschied im Bau ihrer Kernstrukturen zeigen, nichts anderes sind als Fixierungsartefakte, die unter keiner Bedingung in den normalen Gang der Oozytenentwicklung eingereiht werden dürfen. Jörgensen, der von dieser einseitigen Wirkung der Konservierungsmittel nichts weiss, bildet eine ganze Reihe der- artiger Kerne ab und knüpft an ihre Beschreibung weitläufige Spekulationen. Die Nukleolen erfahren während des zuletzt beschriebenen Kernwachstums keine oder wenigstens keine nennenswerte Ver- mehrung, womit jedoch nicht gesagt sein soll, dass überhaupt keine Neubildung von Nukleolen mehr stattfindet. Wie ein Vergleich eines Kernes in diesem Stadium mit dem zuletzt beschriebenen ohne weiteres lehrt, erscheint ihre Anzahl ım Vergleich zur Kerngrösse entschieden vermindert (Abb. 55 und 56), obwohl absolut etwas vermehrt. Sie bestehen noch durch- weg aus Basichromatin, die grössten besitzen einen Durchmesser von 5—7 u und erscheinen sehr stark vakuolisiert, grosse helle Vakuolen sitzen auch oft dem eigentlichen Nukleolus in Form eines Bläschens auf (Abb. 60). Die Grösse der Oozyte beträgt nunmehr etwa 250 «, die des Kernes 120—130 u. Auch im Plasma spielen sich während dieser Zeit wichtige Veränderungen ab, auf die ich aber erst später und zwar ganz kurz im Zusammenhang eingehen werde. Nach und nach, während Kern und Plasmaleib fortdauernd an Grösse zunehmen, erfährt auch das Basichromatin in den Chromosomen eine dauernde Vermehrung, so stark, dass schliess- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 61 lich alles Oxychromatin im Kerngerüst umgewandelt ist (Abb. 57). Dieses besteht nunmehr ausschliesslich aus basichromatischen Fäden, die den ganzen Kern in der gleichen Weise wie früher vollkommen gleichmässig durchsetzen und so ein netzartiges Gerüst bilden. Auch jetzt lässt es sich noch nicht entscheiden, ob es sich tatsächlich um ein richtiges Netzwerk handelt, oder lediglich um eine riesige Anzahl von wirr durcheinander liegenden Einzelfäden. Die Zusammensetzung der Fäden aus einzelnen Körnern ist nach wie vor bei entsprechender Differenzierung deutlich zu erkennen, an den Kreuzungsstellen verändern die Fäden meist ihre Verlaufsrichtung und hier finden sich geringe Verdickungen, die dem Kernbild ein besonderes (repräge verleihen (Abb. 35). Echte Gabelungen lassen sich jedoch nie beobachten. Allerdings ist die Basizität des Gerüstes jetzt keine so aus- gesprochene wie bei den Chromosomen der Teilungen, bei Dreifach- färbung nach Flemming erscheint das Gerüst violett, bei Methylgrün-Eosin-Färbung aber blaurot, als deutliches Zeichen dafür, dass die Fäden, wenngleich ihr Säuregehalt gegenüber den früheren Stadien sich wesentlich vermehrt hat, doch auch noch grössere Mengen basischer Substanzen enthalten. Ungeachtet ihrer äusserst langsamen Vermehrung haben die Nukleolen im Vergleich zur Kerngrösse weiterhin an Zahl abgenommen. Ihre Grundsubstanz besteht aus Basichromatin und färbt sich meist sehr intensiv. wesentlich dunkler als die der Chromosomen, die Vakuolen erscheinen daneben wesentlich heller. Die Grösse der Nukleolen beträgt jetzt bis zu 8 u, selten mehr, sie finden sich hauptsächlich unterhalb der Membran und nur ganz vereinzelt treten im Kerninneren kleine Nukleolen auf, die sich zunächst nur schwach färben und keinerlei Struktur zeigen (Abb. 61). Mit der vollen Basizität hat auch das Kern- gerüst wieder eine hohe Widerstandsfähigkeit erlangt und ist mittels aller Konservierungs- und Färbemethoden leicht darzustellen. Bei einem Kerndurchmesser von 160—180 u besitzt der Follikel jetzt eine (Grösse von etwa 400 u. Während der ganzen zuletzt geschilderten Vorgänge hat sich das Chromatingerüst in allen seinen Teilen gleichmässig und direkt proportional zum Kernwachstum vergrössert und auch stets den ganzen Kern vollkommen ausgefüllt. In den Ovarien einiger Olme konnte ich jedoch nach Fixierung mit Sublimateisessig 62 H. Stieve: oder Pikrinsäure - Sublimat auch Bilder beobachten, wie sie Abbildung 32 wiedergibt, in denen das Chromatingerüst nicht den ganzen Kern ausfüllt, sondern wie früher zu Beginn der Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes „vakuolisiert“ und vor allem von der Kernmembran durch eine mehr oder weniger breite Saftschicht getrennt erscheint. Derartige Bilder sind in der Oogenese der Amphibien von Carnoy und Lebrun beschrieben und in der Art erklärt worden, dass ein ungleich- mässiges Wachstum des Kernes und des Chromatingerüstes statt- hat, indem sich etappenweise immer der Kern und dann wieder das Gerüst vergrössert. Bei der Seltenheit derartiger Bilder und vor allem in Hinblick auf die Tatsache, dass ihr Vorkommen an die Anwendung bestimmter Fixierungsmittel gebunden ist, halte ich einen solchen Wachstumsmodus nicht für wahrscheinlich, ich glaube die fraglichen Formen vielmehr als Kunsterzeugnis erklären zu müssen. Dagegen spricht allerdings der gute Er- haltungszustand der ganzen Zellen und besonders des Kernsaftes, der stets sehr deutliche, feine netzige Struktur zeigt. so wie dies in der Folgezeit die Regel ist. Nur die Nukleolen, die stets in unmittelbarer Nähe der Kernmembran liegen bleiben, erscheinen häufig von einem hellen Hof umgeben. Uarnoy (1897) wählt für diesen Zustand die ebenso unzutreffende als unschöne Be- zeichnung „Magma“.') Von höherer theoretischer Bedeutung sind die fraglichen Formen auf keinen Fall, es mag ja immerhin sein, dass in manchem Kern eine grössere Ansammlung von Kernsaft stattfindet, durch welche die Membran zeitweise etwas vom Chromatingerüst, mit dem sie ja niemalsin unmittelbarem Zusammenhang steht, abgerückt wird. Irgend welche Verbindungen zwischen ihr und den Uhromosomen sind ja ebensowenig wie zwischen ihr und den Kern- körpern jemals nachweisbar, mit Ausnahme der halbmondförmigen Randnukleolen. Mit der Ausbildung des basichromatischen Netzwerkes ist abermals ein wichtiger Abschnitt in der Eientwicklung beendet, der hauptsächlich dadurch gekennzeichnet ist, dass von der Aus- bildung des oxychromatischen Netzwerkes an der Kern während seines, in diesem Zeitabschnitt sehr beträchtlichen, Wachstumes, !) 70 ucyua der Salbenrückstand, ich sehe wirklich nicht ein, was ein solcher mit dem Kerngerüst in diesem Zustand zu tun hat. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 63 von einem ganz gleichmässigen (Gerüst erfüllt ist, in dem die einzelnen Chromosomen nicht voneinander abgegrenzt werden können. Die Länge ihrer seitlichen Ausläufer ist eine zu beträchtliche, ihre Verflechtung eine zu innige und deshalb muss jeder Versuch, ein einzelnes Chromosoma zu isolieren, auch in ganz dicken Schnitten missglücken. Wenn sich aber auch die Individualität der Chromosomen hier nicht unmittelbar beweisen lässt, so ist doch, und dies möchte ich ausdrücklich betonen, die Kontinuität des Chromatins auch während des ganzen bisherigen Vozytenwachstums in keiner Weise durch irgend ein „Zerstäubungs- stadium“ unterbrochen. 3. Die Spaltung der seitlichen Ausläufer. Hat sich bis dahin das Chromatingerüst ganz gleichmässig mit dem Kern vergrössert, ohne seine morphologische Struktur zu verändern, so machen sich jetzt neue Erscheinungen an ihm geltend, welche gleichfalls eine Obertlächenvergrösserung bewirken, aber auch wesentliche Veränderungen in der Zusammensetzung des ganzen Gerüstes zur Folge haben. Zu Beginn der im folgenden beschriebenen Periode besitzt das Gerüst immer noch eine Struktur wie sie Abb. 55 darstellt, es besteht nämlich aus einzelnen Fäden, die sich zwar häufig überschneiden, jedoch niemals spalten oder gabeln. In der Folgezeit treten jedoch in allen Teilen des Grerüstes, dessen Fäden wesentlich an Dicke zugenommen haben und deren Oberfläche wohl als Folge der Zusammensetzung aus einzelnen Körnern rauh und höckerig erscheint, schlitz- und ösenförmige Öffnungen auf, bedingt durch eine Längsspaltung der einzelnen Fäden auf kurze Strecken. Diese Öffnungen erweitern sich, die beiden Tochterteile des Fadens treten auseinander, spalten sich wieder und so bildet sich nach und nach ein Maschenwerk aus, wie es Abb.36 und 44 und angedeutet auch Abb. 57 wiedergibt, das durch seine häufigen Spaltungen und Gabelungen gekennzeichnet ist. Das Chromatin erfährt jetzt also eine weitere Oberflächen- vergrösserung, es wächst jedoch nicht mehr im gleichen Verhältnis wie der Kern und infolgedessen erscheinen seine einzelnen Maschen weiter, zwischen ihnen erkennt man den schwach oxychromatischen Kernsaft, der von einem allerfeinsten, eben noch erkennbaren oxychromatischen Gerüst durchsetzt ist. 64 H. Stieve: Während der eben beschriebenen Spaltungsvorgänge verändert das Chromatin abermals, wenn auch sehr langsam, seine Farb- reaktion. Es zeigt jetzt wieder wesentlich geringere Aufnahme- fähigkeit für basische Farbstoffe und erscheint deshalb bei jeder Färbemethode missfarben, bei Safranin-Lichtgrünfärbung grünrot, bei Methylgrün-Eosinfärbung rotgrün, bei Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heidenhain grünviolett, bei Dreifach- färbung nach Flemming aber noch immer violett. Offenbar finden jetzt wieder sehr starke chemische Umsetzungen in den Uhromosomen statt, diese bestehen jetzt aus einer Mischung von Basi- und Oxychromatin und besitzen deshalb keine bestimmt gerichtete Farbentendenz. Ausgezeichnet ist dagegen jetzt ihre Aufnahmefähigkeit für das Hämatoxylin, mittels der Heiden- hainschen Methode lässt sich das Gerüst in diesem Zustand am deutlichsten darstellen, ausserdem noch, wie schon erwähnt mittels der Flemming methode, wo seine Fäden leuchtend violett erscheinen. Es macht überhaupt den Eindruck, dass das Gentiana- violett eine gewisse Mittelstellung zwischen den sauren und basischen Farbstoffen einnimmt und infolgedessen derartige Mischsubstanzen gut durchdringt. Im reinen Basichromatin wird es ja durch das Safranin, im Oxychromatin durch das Orange G verdrängt. Die Nukleolen erfahren während dieser Zeit wieder keine oder eine nur äusserst geringe Vermehrung. Sie finden sich nach wie vor fast ausschliesslich unterhalb der Membran und bestehen aus Basichromatin, ihre Grundsubstanz färbt sich dunkel, die Vakuolen hell (Abb. 62). Der Nukleolendurchmesser beträgt bis zu 84, die Gesamtgrösse der Oozyte etwa 500.«. die des Kernes 235 —250 «, und immer noch sind die Einzelchromosomen im chromatischen Netzwerk nicht abzugrenzen. 4. Die Abgrenzung der Einzelehromosomen. Ziemlich bald jedoch ist die Vermehrung des Chromatins, die Verbreiterung des chromatischen Netzwerkes beendet. Wenn die Oozyte eine Grösse von etwa 600-700 u, der Kern einen Durchmesser von etwa 300 u erreicht hat, beginnt das Bild an Übersichtlichkeit zu gewinnen, zuerst nur bei schwacher Vergrösserung in dicken Schnitten, später auch bei Anwendung stärkster Linsensysteme und in ganz dünnen Schnitten sind die einzelnen Ohromosomen zu erkennen, als deutliche Züge in dem Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 65 sonst gleichmässigen Netzwerk, in deren Bereich die Fäden dichter verschlungen nach einer gemeinsamen Achse zusammen- strömen (Abb. 45). Aber nur im Bereiche dieser angenommenen Achse erscheint das Netzwerk so dicht wie früher, in allen anderen Bezirken des Kernes verschwinden einzelne Chromatin- fäden oder aber das Netzwerk hält hier in seiner Ausbreitung nicht gleichen Schritt mit dem Wachstum des Kernes und deshalb erscheinen diese Stellen heller. Im Bau der einzelnen Fäden selbst lassen sich keine Veränderungen nachweisen, sie erscheinen noch immer rauh, aus einzelnen Körnern zusammengesetzt, ihre Basizität ist mehr und mehr verloren gegangen, sie nehmen alle ausgesprochenen Farb- stoffe nur in geringem Maße auf, erscheinen deshalb stets missfarben und nur bei Anwendung der Flemmingschen Dreifach- färbung oder der Heidenhainschen Eisenhämatoxylinmethode wirklich stark und deutlich tingiert. Bezeichnend für den jetzigen Zustand der Kerne ist auch das Auftreten zahlreicher freier Endigungen der Chromatinfäden im Kernsaft, der nach wie vor feine netzige Struktur zeigt. Auch dieses sein Netzwerk unterliegt jedoch gewissen Veränderungen, indem nämlich an den Über- kreuzungsstellen der einzelnen Fäden deutliche oyxchromatische Verdickungen auftreten, die jedoch Hämatoxylin aufnehmen. Die Chromosomen zeigen jetzt wieder ausgesprochen die zuerst von Rückert beschriebene und als Lampenzylinderputzer bezeichnete Form, das heisst sie bestehen ausschliesslich, wie ja eigentlich während der ganzen bisherigen Entwicklung aus quer zu ihrer Längsachse verlaufenden Fäden. Zum Unterschied jedoch gegen die bei der Entstehung nachgewiesenen Formen zeigen die seitlichen Ausläufeı jetzt zahlreiche Gabelungen, ösen- und schlitz- förmige Öffnungen und ganz verschiedene Länge, zum Teil erstrecken sie sich weit in den Kernsaft, lange über den Bezirk des einzelnen Chromosoma hinaus, wo sie im Wirrsal des Netz- werkes bald der Beobachtung entschwinden. Auf Querschnitten bieten die Uhromosomen jetzt die bekannten sternförmigen Bilder, auf denen die Struktur besonders schön zum Ausdruck kommt. Und noch eine Eigenschaft der Chromosomen tritt jetzt wieder in Erscheinung, allerdings nur auf dicken Schnitten und bei der Beobachtung ganzer Kerne, wo sich ihr Verlauf über Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 5) 66 Hresııllewie: grössere Strecken zusammenhängend verfolgen lässt, eine Eigen- schaft. die wir zum letzten Mal nach dem Zerfall des richtungslosen Knäuels beobachten konnten. Soweit sich dies nämlich bei der ungeheuren Grösse der Objekte überhaupt feststellen lässt, so liegen je zwei Chromosomen paarweise, in der bekannten Art und Weise umeinander geschlungen beieinander, genau so wie vor der Ausbildung des Netzwerkes (Abb. 47). Die Nukleolen erfahren während dieser Vorgänge eine zwar nur geringe Vermehrung, jedoch eine sehr erhebliche Vergrösserung, ihre Gesamtzahl erscheint im Vergleich zur Kerngrösse immer noch gering. Einige von ihnen erreichen aber jetzt einen Durchmesser von 17 u und darüber, sie übertreffen an Ausdehnung also die ganzen Kerne der kleinsten Oozyten. In der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle liegen sie auch jetzt noch unmittelbar unterhalb der Membran, es treten jedoch im Kerninneren ver- einzelte, meist sehr kleine neue Nukleolen auf. Sie bestehen durchweg aus basichromatischer Substanz und zeigen zahlreiche Vakuolen. Ihre Form ist meist kugelig oder als Folge der starken Vakuolisierung unregelmässig höckerig, halbmondförmige, der Kernmembran angelagerte, kommen jetzt nie mehr zur Beobachtung. Der zuletzt beschriebene Vorgang am ÜUhromatingerüst schreitet immer weiter fort: viel rascher als der Kern an Grösse zunimmt, schmelzen die seitlichen Ausläufer ab und dadurch gewinnen die Ohromosomen an Deutlichkeit. Die einzelnen sie bildenden Fäden erfahren zunächst noch keine wesentliche Dicken- verminderung und zeigen nach wie vor deutlich den bisherigen körnigen Bau (Abb. 38, 46). Als grobe Fäden, die sich stellenweise noch gabeln und verzweigen, aurchsetzen sie in äusserst spärlichen Zügen den ganzen Kern, nur im Bereich der Chromosomen zeigen sie innigere Verflechtung. Der Kernsaft bleibt dabei klar, das feine ihn durchsetzende Netzwerk wird etwas dichter und enger, die Verdickungen an den Überkreuzungsstellen deutlicher und verleihen so bei schwacher Vergrösserung dem ganzen Kern ein fein granuliertes Aussehen. Dabei vermehrt sich die Zahl der Nukleolen fortdauernd, in Hinsicht auf ihre Grösse und Form zeigen sie wenig Veränderungen, wohl aber in bezug auf ihre chemische Zusammensetzung. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen zeigt zwar noch den eben Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 67 geschilderten Bau und besteht ausschliesslich aus Basichromatin, nach wie vor lässt sich eine dunkle Grundsubstanz unterscheiden, in der helle Vakuolen eingelagert sind. Diese sind entweder in die Gesamtmasse der Nukleolen eingeschoben (Abb. 65) und zeigen dann meist schaumige Struktur oder sie sitzen der eigentlichen intensiv gefärbten Grundsubstanz in der Form von zum Teil sehr grossen blasigen Gebilden auf (Abb. 64). Vielfach finden sich jedoch auch andere Bilder (Abb. 65, 66, 67). Auch bei ihnen besteht die Grundsubstanz der Nukleolen aus Basichromatin, sie färbt sich dunkel und ist von hellen Vakuolen durchsetzt, die Masse der Pfropfnukleolen, die auch hier häufig schaumige Struktur aufweisen, färbt sich jedoch ausgesprochen oxychromatisch. Meist sitzen den basichromatischen Haupt- nukleolen ein bis zwei derartige Pfropfnukleolen auf, es finden sich jedoch auch Bilder, in denen drei und vier, ja selbst fünf Pfropfnukleolen vorhanden sind, deren Gesamtmenge die Masse des Mutternukleolus sogar übertreffen kann. Sehr klar kommen alle diese Bilder bei Safranin-Lichtgrün- färbung zur Anschauung, wo die Grundsubstanz des Hauptnukleolus rot, die der Pfropfnukleolen hellgrün erscheint, häufig von einem feinsten rötlichen Netzwerk überzogen, durch das ihre schaumige Struktur besonders deutlich zur Geltung kommt. Besonders schön zeigen sich diese Verhältnisse aber — und das möchte ich aus Gründen, die ich weiter unten noch ausführlicher erörtern werde, besonders erwähnen und auch durch eine Abbildung belegen (Abb. 67) — bei derprogressiven Methylgrün-Eosinfärbung, wo die Nukleolen dunkelgrün, die Pfropfnukleolen aber leuchtend rot erscheinen. Ihre Schaumstruktur kommt dabei sehr deutlich zum Ausdruck und bietet Bilder wie der Protoplasmaleib eosinophiler Blutzellen. Doch sei hier bemerkt, dass die beiden eben erwähnten Färbungen sich nicht ganz gleich verhalten. Bei Eosin-Methylgrünfärbung überwiegt meist das Eosin, bei Safranin- Lichtgrünfärbung aber meist das Safranin. Im einen Fall ist also der saure, im anderen der basische Farbstoff der stärkere und dementsprechend fallen die Bilder aus. Verwendet man statt des Safranin Boraxkarmin in Verbindung mit Lichtgrün, so ist das Liehtgrün stärker und tritt deshalb mehr in den Vordergrund. Alles sind deutliche Beweise dafür, dass die einzelnen Farbstoffe, selbst wenn sie für den Chemiker gleichermaßen sauer, beziehungs- Hr 68 H. Stieve: weise alkalisch erscheinen, doch nicht ganz gleichwertig sind und dementsprechend verschiedene Wirkungen hervorrufen. Bei der Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heiden- hain kommen die Unterschiede nicht so deutlich zum Ausdruck, hier erscheinen die Mutternukleolen dunkelblaugrün, die Pfropf- nukleolen rotviolett. Die Dreifachfärbung nach Flemming stellt wegen der oben erwähnten Figenschaft des Gentiana-- Violettes die Unterschiede im Bau der Nukleolen nicht deutlich dar. diese erscheinen hier zumeist dunkelblaurot, die Vakuolen etwas heller, teilweise die Pfropfnukleolen rotgelb. Die Flemming- färbung eignet sich überhaupt weniger zur Darstellung dieser und der folgenden Stadien, da das Liningerüst des Kernes und der Kernsaft selbst etwas von Gentiana gefärbt werden, also sehr dunkel blaurot erscheinen!) und deshalb die Strukturen der Kernelemente nicht so scharf zum Ausdruck kommen lassen. Dass die Eisenhämatoxylinmethode zum Studium der Nukleolar- strukturen ungeeignet ist, braucht wohl nicht erwähnt zu werden, im besten Fall lässt sie die Vakuolisation der grösseren Nukleolen erkennen und daneben die Pfropfnukleolen etwas heller erscheinen. Doch kommt diese Tatsache häufig nicht so sehr zur Geltung, da ja die Pfropfnukleolen meistens von einer feinen, basichromatischen Schicht überzogen sind, die das Eisenhämatoxylin intensiv aufnimmt und dadurch die darunter liegenden Strukturen verdeckt. Mittels des Delafieldschen Eisenhämatoxylins lassen sich gleichfalls die Einzelheiten an den Nukleolen nicht deutlich nachweisen. Mit dem weiteren Fortschreiten der Eientwicklung erfahren die einzelnen Fäden, welche die Uhromosomen bilden, nicht nur eine wesentliche Zahlenverminderung und Verkürzung ihrer Länge, sondern auch eine hochgradige Dickenverringerung und gerade dadurch gewinnt das Kernbild ganz wesentlich an Übersichtlichkeit (Abb. 39 und 47). Bei sonst gleichbleibender Struktur des Kern- saftes treten die Einzelchromosomen jetzt deutlicher und deutlicher‘ hervor, sehr schön ist an günstigen Schnitten jetzt oft ihre paarweise Verschlingung zu erkennen. Dass diese nicht häufiger‘ zur Beobachtung kommt, hat darin seine Begründung, dass die (Grösse des Einzelchromosomenpaares immer noch eine sehr beträchtliche ist, sie beträgt mindestens 150—200 4, in der Länge: und etwa 20 « für das Einzelchromosom, 40—80 # für das Paar !) Herrührend von der Mischung des Gentiana mit Orange G. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 69 in der Breite. Bei einer Schnittdicke von 10 w, ist ein Kern ‚jetzt auf 40—50 Schnitte verteilt. Es ist klar, dass bei derartigen Grössenverhältnissen selbst mittels des Rekonstruktionsverfahrens die Feststellung der Chromosomenzahl, so wichtig sie an und für sich wäre, nicht gelingt. Auch die Untersuchung ganzer Kerne führte leider zu keinem befriedigenden Ergebnis. Mit der Dickenverringerung verschwindet auch langsam die rauhe Oberfläche der Chromatinfäden und der körnige Bau ist nicht mehr so deutlich zu erkennen. Die Gabelungen und Verästelungen der Ausläufer werden seltener, meist gehen die seitlichen Fäden auch nicht mehr über den Bereich des Chromosoma hinaus, und nur vereinzelte erstrecken sich weit in den Kern. Ob sie eine Verbindung der einzelnen Paare vermitteln, lässt sich nieht entscheiden. Die Nukleolen verändern ihr Verhalten zunächst nicht weiter, auch im übrigen bietet der Kern weiterhin ‚das eben beschriebene Bild. 5. Das Zusammenrücken der Chromosomen. Nach und nach verschwinden dann alle längeren Ausläufer der Chromosomen, die nunmehr wieder als deutlich isolierte Einzelgebilde, beziehungsweise Paare im Kernsaft liegen, der seine Struktur nicht mehr verändert hat. Die einzelnen, das eigentliche Chromosoma bildenden @uerfäden nehmen dabei fortdauernd an Länge ab, wodurch die Grösse des Einzelgebildes sehr erheblich herabgesetzt wird. Mit zunehmender Verkleinerung rücken dann die Chromosomen mehr und mehr in der Mitte des Kernes zusammen (Abb. 43—50). Dass es sich dabei tatsächlich um ein, sei es aktives oder auch passives Zusammenrücken handelt und nicht einfach um ein Verharren in der früheren Lage, während der Kern sich im ganzen vergrössert, beweist ohne weiteres der Umstand, dass der ganze von den Chromosomen eingenommene Raum jetzt wesentlich kleiner ist als ehedem, während der Kern selbst sich nurmehr wenig vergrössert. Die einzelnen Fäden zeigen noch immer feinsten körnigen Bau und allenthalben mehr oder weniger dicke kolben- und spindelförmige Auftreibungen, besonders an ihren Enden (Abb. 40), als deutlichen Beweis für die fortschreitende Abschmelzung. Nach und nach werden dadurch die queren Fäden immer kürzer und gleichzeitig bildet sich in der Mitte des Chromosoma eine feine 70 H. Stieve: Körnerreihe aus, die sich ausgesprochen basichromatisch färbt, während die seitlichen Ausläufer noch immer missfarben erscheinen (Abb. 50). Mit der zunehmenden Verkleinerung der Chromosomen erfährt die Zahl der Nukleolen eine ganz ungeheure Vermehrung. Allenthalben entstehen in der Umgebung der Chromosomen massenhaft kleinste basichromatische Kugeln, die sich anfangs zwar nur schwach färben, bald völlig frei im Kern liegen, häufig aber auch den Chromosomenfäden angelagert sind und so deutlich ihre Entstehung durch Abschmelzen von den Fäden beweisen. Daneben finden sich auch sehr zahlreiche grosse und sehr grosse Nukleolen und zwar in erster Linie in der breiten Zone von Kernsaft, welche den zentralen Chromosomenhaufen umgibt. Unmittelbar unterhalb der Kernmembran sind sie jetzt kaum mehr anzutreffen. Die Form der Nukleolen ist in der Hauptsache die gleiche geblieben, die meisten von ihnen sind annähernd kugelförmig und bestehen aus Basichromatin mit zahlreichen eingelagerten Vakuolen. Der Grad der Vakuolisation unterliegt sehr grossen Schwankungen, ebenso die Aufnahmefähigkeit für Farbstoffe. Man findet zwar auch jetzt noch einzelne, besonders sehr grosse Nukleolen, die sich in der gleichen Weise wie früher sehr intensiv tingieren (Abb. 68), die überwiegende Mehrzahl erscheint jedoch wesentlich heller und färbt sich bei Safranin-Lichtgrünfärbung nur hellrot bis rosa, bei Methylgrün-Eosin-Färbung aber blaugrün, Öxychromatische Pfropfnukleolen kommen auch jetzt noch zur Beobachtung, aber auch sie nehmen die Farben nicht mehr so stark auf wie früher. Neben diesen mehr oder weniger kugelförmigen Kernkörpern: finden sich jetzt aber auch zahlreiche Gebilde, die wesentlich andere Formen zeigen. Schon die kleinsten, in unmittelbarster Nähe der Chromosomenausläufer gelegenen Abschmelzungsnukle- olen zeigen die verschiedenste Gestalt, bald sind sie mehr birnförmig, bald wurstförmig, häufig verschmelzen zwei oder mehrere von ihnen miteinander und geben dann Veranlassung zur Entstehung von entsprechenden Bildern. Aber auch die grösseren Nukleolen verändern jetzt häufig ihre Form. Es sprossen zunächst kleine Knospen aus ihnen hervor (Abb. 71), die mehr oder weniger weit in den Kern hineinragen. Meist sieht man an einem Nukleolus Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 1: nur einen solchen Vorsprung, dieser kann sich seinerseits wieder teilen (Abb. 69) und so zwei Tochterknospen zur Entstehung dienen. Oder es können aus einem Nukleolus zwei und mehr Knospen hervorgehen, die dann ihrerseits wieder zusammentliessen, verschmelzen und so zur Bildung ringförmiger Figuren führen (Abb. 70). Alle Nukleolen, welche derartige Erscheinungen zeigen, sind sehr stark vakuolisiert und nehmen Farbstoffe meist nur schwach auf. Die Knospen selbst können aus der Grundsubstanz der Nukleolen hervorgehen oder aber von den Pfropfnukleolen gebildet sein, manchmal bestehen sie aus zwei Substanzen, die färberisch entgegengesetztes Verhalten zeigen. So gibt Abb. 69 einen Nukleolus mit einer oxychromatischen Knospe wieder, der eine sekundäre basichromatische Knospe aufsitzt. Ob es jemals zur völligen Abschnürung der Knospen, also zur Bildung von Tochternukleolen kommt, vermag ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden, jedenfalls finden sich zahlreiche Bilder, in denen die Verbindungsbrücke zwischen Nukleolus und Knospe nur sehr dünn ist, die also einen solchen Vorgang sehr wahrscheinlich machen. Die Knospen können an Nukleolen jeder Grösse auf- treten. In sehr vielen Fällen kann man aber auch beobachten, dass der Nukleolus vollkommen im Kernsaft zertliesst (Abb. 72). Er formt sich zu einem länglichen, wurstförmigen Gebilde um, an dem sich zahlreiche seitliche Auswüchse, Knospen und Höcker vorfinden, ausserdem ring- und schlitzförmige Öffnungen, kurz es entstehen die bizarrsten Formen. Dabei erscheint die Grundsubstanz immer noch vollkommen von kleinsten Vakuolen durchsetzt, sie färbt sich jedoch nur mehr äusserst schwach. Bei Anwendung der Eisen- hämatoxylinmethode erscheinen jedoch auch diese Gebilde ganz gleichmässig schwarz und lassen so unter Umständen eine Verwechslung mit Chromosomenteilen, die bei anderen Färbungen unmöglich ist, zu. Schliesslich zerfallen alle diese zerfliessenden Nukleolen und gehen dann im Kernsaft unter. Die Gesamtgrösse der Oozyte beträgt nunmehr etwa 3000 « der Durchmesser des Kernes 450 — 500 u, die Grösse der Nukleolen ist sehr verschieden, die kleinsten von ihnen sind eben noch nachweisbar, die grössten haben einen Durchmesser von 18—20 u und darüber, allerdings nimmt ihre Ausdehnung in der Folgezeit sehr rasch ab. 72 H. Stieve: In diesem Stadium lassen sich, wie aus den Abbildungen 48—50 zu ersehen ist, in jedem Kern zwei Bezirke unterscheiden, ein zentraler, in dem sich die Chromosomen und zwischen ihnen massenhaft kleine und mittelgrosse Nukleolen, das heisst solche von bis zu 8 « Durchmesser, befinden, ausserdem massenhaft zerfliessende Nukleolen, in den verschiedensten Formen. Er hat einen Durchmesser von 200—300 « (Abb. 49), nimmt also wenn man seinen Kubikinhalt berechnet, weniger als die Hälfte des ganzen Kernvolumens ein und ist von der chromosomenfreien Schicht umgeben. Diese besteht nur aus Kernsaft, in dem deutlich das feine Gerüst zu erkennen ist, es wird nach wie vor aus ganz dünnen oxychromatischen Fäden gebildet, an deren Kreuzungs- stellen sich feinste Verdickungen finden, welche dem Kernsaft ein gekörntes Aussehen verleihen. In dieser Randzone finden sich Nukleolen aller Grösse, hauptsächlich aber auch die sehr grossen von mehr als 10 « Durchmesser mit ihren zahlreichen Knospen, Vollkommen zerfliessende Nukleolen sind in diesem Bezirk nicht oder nur äusserst selten nachweisbar. Die Breite dieser Kernsaft- zone beträgt in den grössten beobachteten Zellen bis zu 250 u. Selbstverständlich ist die Grenze zwischen den beiden Kernschichten keine scharfe.!) Durch fortdauerndes Abschmelzen der seitlichen Ausläufer verkleinern sich die Chromosomen mehr und mehr und gleichzeitig treten die dunkelgefärbten Körner in ihrer Achse immer deutlicher in Erscheinung. Der grosse zentralgelegene Chromosomenhaufen schrumpft zusehends zusammen. In derjenigen ÖOozyte, in der ich den höchsten Grad der Entwicklung beobachten konnte (Abb. 50) liegen die Chromosomen auf einem kaum 160 « im Durchmesser haltenden Raum in der Mitte des Kernes zusammengedrängt. Sie zeigen noch die typischen Lampenzylinderputzerformen, die seitlichen Ausläufer erscheinen nach wie vor missfarben, während die zentralen, nunmehr deutlich ausgebildeten Körnerreihen ausgesprochen basichromatisch sind und sich scharf abheben. Sehr schön ist bei vielen der Chromosomen nunmehr wieder die 1) Jürgensen unterscheidet in diesem Zeitpunkt, weniger auf Grund seiner eigenen Uutersuchungen, als hauptsächlich im Anschluss an die Beobachtungen Borns (1894), drei Zonen im Kern, eine Abgrenzung die sich nur in ganz vereinzelten Oozyten durchführen lässt und wohl stets durch zufällige Lagerungen der Nukleolen bedingt ist. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 13 paarweise Umschlingung zu sehen, auch jetzt zeigen sich wieder die bekannten S-, X förmigen und doppelgekreuzten Figuren, wohl ein deutlicher Beweis dafür, dass die Chromosomen während des ganzen Bestehens des Netzwerks ihre gegenseitigen Lagebeziehungen nicht geändert haben. Von allergrösster Bedeutung wäre nunmehr wieder die Ermittlung der Zahl der in einem Kern enthaltenen Chromosomen gewesen. Wer die ganzen Vorgänge der Eientwicklung, angefangen von der Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes bis zu dem zuletzt beschriebenen Stadium, aufmerksam verfolgt hat, für den kann wohl kein Zweifel bestehen, dass abgesehen vom Verhalten der Nukleolen alle Veränderungen im Kern nichts anderes sind als Gestaltsveränderungen der Chromosomen. Diese waren als Einzelindividuen zuletzt als längsgespaltene, paarweise umeinander geschlungene Fäden zu erkennen, sind als solche dank der starken Entwicklung und Verschlingung ihrer seitlichen Ausläufer im Kerngerüst unseren Blicken entschwunden und tauchen dann in der gleichen Art und Form, auch im gleichen gegenseitigen Lage- verhältnis wieder auf. Es erscheint wohl äusserst wahrscheinlich, dass es sich im einen wie im anderen Fall nur um die nämlichen Gebilde handeln kann, auch wenn sich die Individualität der Einzelgebilde während des Bestehens des Netzwerkes nicht nach- weisen lässt Wohl gemerkt aber nur die Individualität der Einzelchromosomen, die Kontinuität dergeformtenchro- matischen Substanz lässt sichinallen Stadiendirekt beweisen, sie wird in der Eientwicklung des Olmes niemals durch irgendwelche „Zerstäubungsstadien“ unterbrochen. Aber auch die Annahme der Kontinuität der Einzelchromo- somen erscheint mir wenigstens nach den vorliegenden Befunden eine logische Folgerung, wenngleich sie sich nicht direkt beweisen lässt. Jedenfalls wird ihre Annahme wesentlich gestützt durch die vorgefundenen Zahlenverhältnisse. Da, wie ich im ersten Teile der Arbeit gezeigt habe, in die erste Reifungsteilung der Spermatozyten neun Tetraden, bestehend aus 18 zu je zweien endweise vereinigten, längsgespaltenen Chromosomen eintreten, so müssen wir wohl annehmen, dass auch in der Oogenese derselbe Fallstatt hat, denn nirgendsim Tier- oder Pflanzenreich ist ein Fall bekannt, in dem sich Ei- und Samen- 74 H. Stieve: entwicklung in Hinsicht auf die Anzahl der Chromosomen verschieden abspielen. Die spätere in der Amphimixis erfolgende Vereinigung der beiden Geschlechtszellenkerne fordert ja ohne weiteres ihre morphologische Gleichwertigkeit. Schon diese Verhältnisse berechtigen uns also zu dem Schluss, dass aus dem CUhromatingerüst der Oozyte wieder die Normalzahl längsgespal- tener Chromosomen hervorgeht, also ebensoviele als seinerzeit zu seiner Bildung beigetragen haben. Allerdings wäre es auch denkbar, dass die Konjugation der Chromosomen während des Bestehens des Gerüstes stattfindet und hauptsächlich aus diesem Grunde ist eine Feststellung der Ühromosomenzahl in dem zuletzt beschriebenen Stadium erwünscht, andererseits auch um den Nachweis zu führen, dass tatsächlich keine Neubildung von Chromosomen aus Nukleolen stattfindet. Von einigen Autoren besonders GCarnoy und Lebrun und Lubosch, auch von Sonnenbrodt (1908) und Rhode (1903), wird ja eine solche behauptet, und wenn sie sich auch beim Olm ohne Zählung vollkommen ausschliessen lässt, ich werde später darauf zurück- | kommen, so waren doch bestimmte Zahlenangaben erwünscht. Ich habe mich nun bemüht, mit Hilfe des Rekonstruktions- verfahrens die Ohromosomenzahl in dem in Abbildung 50 wieder- gegebenen Kern zu ermitteln, das sehr langwierige Unternehmen führte jedoch zu keinem vollbefriedigenden Ergebnis, da es nicht möglich war, den auf 14 Schnitte verteilten Chromosomenhaufen restlos zu entziffern. Immerhin gelang mit grösster Wahrschein- lichkeit die Abgrenzung von 16 Chromosomenpaaren, beziehungs- weise besser gesagt 16 längsgespaltenen Chromosomen. Diese Zahl kommt der Uhromosomennormalzahl sehr nahe, und da ich auch in anderen ähnlichen Zellen zu ähnlichen Ergebnissen kam, so dürfen wir wohl annehmen, dass während des Bestehens des Kerngerüstes keine Konjugation der Chromosomen stattfindet, dass aus ihm vielmehr die Normalzahl längsgespaltener Chromo- somen hervorgeht, also die nämlichen Gebilde, aus denen das Netzwerk ursprünglich entstanden ist. Was die Anzahl der grossen Nukleolen betrifft, so hat sie sich während der zuletzt beschriebenen Vorgänge wieder etwas verringert, im Zustand ihrer höchsten Ausbildung, wie dies etwa Abb. 49 darstellt, beträgt sie 1000—1500, jetzt aber nurmehr 900—700. Sie nimmt also während der letzten Entwicklungs- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 75 vorgänge nachweisbar ab, eine Erscheinung, die sich ja mit dem unmittelbar zu beobachtenden Nukleolenzerfall erklären lässt. Der Ausfall ist offenbar grösser als der Ersatz, der ständig durch Abschmelzen der seitlichen Chromosomenausläufer erfolgt. Die Zahl der kleinen und kleinsten Nukleolen zu ermitteln ist voll- kommen ausgeschlossen, sie beträgt mehrere tausend. Auch in diesen Zellen kann man noch drei Arten von Nukleolen unterscheiden, nämlich grosse von 7—12 u« Durchmesser welche in der Hauptsache unmittelbar um den zentralen Chromo- somenhaufen gelegen sind und diesen umgeben, so wie die einzelnen Forts eine Festung. Sie bilden zwei, allerdings nicht an allen Stellen deutlich nachweisbare Reihen. (Ganz vereinzelte grosse Nukleolen finden sich auch noch in dem breiten Kernsaftraum, der den Chromosomenhaufen umgibt und im übrigen den näm- lichen Bau wie früher zeigt. Unmittelbar unterhalb der Kern- membran liegen nurmehr ganz vereinzelte grosse Nukleolen. Wie sich deutlich beobachten lässt und auch bei einem Vergleich der Abbildung 49 und 50 zu erkennen ist, folgen die grossen Nukle- olen in der Hauptsache den Chromosomen bei ihrer Wanderung in die Mitte des Kernes und erfahren dabei eine beträchtliche Verringerung ihrer Gesamtzahl und Grösse. Allerdings lässt sich nicht sicher feststellen, ob bei den Nukleolen überhaupt ein ÖOrtswechsel im Kern stattfindet oder ob nur ständig die peripheren, älteren zugrunde gehen, während gleichzeitig fort- dauernd in der Umgebung der ÜUhromosomen neue entstehen. Ich halte diese letzte Annahme für äusserst wahrscheinlich. Neben den grossen Nukleolen finden sich in allen Bezirken des Kernes noch mittlere und kleinere, gleichmässig verteilt in der Kernsaftzone, hier meist kugelrund, weit zahlreicher, oft zu Gruppen angeordnet und die merkwürdigsten, oben schon be- schriebenen Formen zeigend im Bereiche der Ohromosomen. In bezug aufdie Farbreaktion sind keine Veränderungen eingetreten, die Nukleolen sind basichromatisch, blassen jedoch mehr und mehr ab, die zerfliessenden Formen erscheinen ganz hell. Auch jetzt finden sich noch oxychromatische Pfropfnukleolen. Die Kerngrösse beträgt jetzt 450:520.« und hat damit ihre grösste Ausdehnung erreicht, allerdings erfährt der Kern eine gewisse Abplattung, welche eine erheblichere Grösse, als tatsäch - lich vorhanden, vortäuschen kann. Gleichzeitig verändert er 76 H. Stieve: seine Lage im Follikel, die bisher stets eine zentrale war und beginnt gegen die Oberfläche zu zu wandern. Dabei bleibt seine Membran aber nach wie vor glatt, ohne irgend welche Pseu- dopodien oder sonstige Ausbuchtungen zu zeigen. Die Veränderungen im Plasma. Die zuletzt beschriebenen Kernstadien sind die am weitesten in der Entwicklung vorgeschrittenen, die ich beobachten konnte. Ich will nur noch ganz kurz in grossen Zügen die Veränderungen schildern, welche sich während des gleichen Zeitabschnittes im Plasma abspielen und kann mich in dieser Beziehung um so kürzer fassen, als sich hier meine Befunde zum grossen Teil mit denen Jörgensen’s decken. Während der Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes besitzt das Plasma noch immer den nämlichen Bau wie in jüngeren Oozyten, es zeigt feine netzige Struktur. Die einzelnen Fäden des Netzwerkes sind von Körnerreihen gebildet und nehmen mit zunehmender Grösse des Follikels an Dicke und damit auch an Deutlichkeit zu, gleichzeitig erweitern sich die Maschen des Netz- werkes. In unmittelbarster Umgebung des Kernes erscheinen die Fadenzüge stets dichter gelagert als an der Peripherie und zeigen hier meist eine gewisse konzentrische Schichtung und wesentlich geringere Maschenweite. In vielen Oozyten, aber wie ich immer betonen muss, keines- wegs in allen, sammeln sich jetzt mehr oder weniger grosse Massen osmierbarer Granula in der unmittelbarsten Umgebung des Kernes an, diesen bald halbmondförmig, bald von allen Seiten einschliessend. Die Grösse der einzelnen Granula unterliegt beträchtlichen Verschiedenheiten, die kleinsten von ihnen sind eben noch nach- weisbar, die grössten besitzen bis zu 6 « Durchmesser. Diese zentralen, in unmittelbarer Umgebung des Kernes gelegenen Granulamassen — ob es sich bei ihnen um Fett handelt, können wir nicht mit Sicherheit entscheiden, da wir ja als Anhaltspunkt nur ihr Verhalten der Osmiumsäure gegenüber haben, — sind hauptsächlich in Follikeln nachweisbar, die eine Grösse von 100—150 u besitzen. In noch grösseren Follikeln verschwinden die Granula wieder vollkommen. Ihr Vorkommen unterliegt sehr starken Schwankungen, bei einigen Olmen sind sie in den meisten Oozyten des Ovar, welche die fragliche Grösse besitzen, zu erkennen, bei andern fehlen sie » Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 7 vollkommen. Ob ihr Vorkommen mit dem Ernährungszustand des Tieres in Zusammenhang steht, vermag ich nicht zu entscheiden. Nach dem Verschwinden der Granula bleibt der Bau des Plasma zunächst unverändert, und erst wenn die ÖOozyte einen Durchmesser von etwa 800 «u erlangt hat und im Kern sich eben wieder die Einzelchromosomen abzugrenzen beginnen, dann treten auch im Plasma erneute Granulaeinlagerungen auf, diesmal aber an der Peripherie. Sie scheinen von den Follikelzellen abgesondert zu werden. Diese erfahren nämlich in der fraglichen Epoche und schon vorher eine sehr lebhafte Vermehrung und überziehen jetzt die ganze Oozyte in ziemlich gleichmässiger Schicht. Ihre Kerne zeigen noch immer den nämlichen Bau wie früher, ihr Plasmaleib hat aber seine Struktur verändert, er erscheint blasig, vakuolisiert und scheint gewissermassen aus einer schaumigen Masse zu bestehen. Hie und da findet man auch, besonders bei grösseren Follikeln, in dem Plasmaleib der Follikelzellen Gruppen osmierter Granula eingelagert. Nach wie vor bilden die Follikelzellen ein Synzytium, irgend welche Zeilgrenzen sind an ihnen nicht zu erkennen, dies lässt sich besonders schön auf Flachschnitten durch die Hülle eines Follikels zeigen. Während des Zusammenrückens der Chromosomen in der Kernmitte erfolgt im Plasma die Anhäufung des gelben Dotters, die verhältnismässig rasch vor sich geht und eine sehr beträchtliche Vergrösserung des ganzen Follikels zur Folge hat. Was das Verhalten der Zone betrifft, so konnte ich sie zuletzt nach dem Zerfall des dicken, richtungslosen Knäuels nachweisen. In dieser Zeit verschwinden gewöhnlich die Zentral- körper, ob durch Zerfall oder durch Verlust ihrer Färbbarkeit, vermag ich nicht festzustellen, die fädigen Strukturen werden etwas undeutlicher und die ganze Zone erscheint nunmehr als dunkle, nicht sehr scharf abgegrenzte Einlagerung im Plasma, die dem Kern halbmondförmig anliegt. In der Folgezeit erschweren dann die häufig auftretenden Fetteinlagerungen sehr die Beobachtung, und in vielen Zellen gelingt es trotz genauester Durchmusterung aller Schnitte nicht, auch nur eine Spur der Zone im Plasma nachzuweisen. Sobald die Oozyte jedoch eine Grösse von etwa 150 4: erlangt hat, sind im Plasmaleib neue Einschlüsse zu erkennen, die früher wahrscheinlich durch Fettmassen verdeckt waren. Es mag aber 78 H. Stieve: auch sein, dass sie tatsächlich neu gebildet werden. In der Hauptsache sind es kugel- und wurstförmige Gebilde, welche sich ausgesprochen oxychromatisch färben und an allen möglichen Stellen des Plasma zu beobachten sind. Nach Flemmingfixierung erscheinen sie meist grauschwärzlich, auch sie enthalten also osmierte Granula, und es ist möglich, wenn auch nicht unmittelbar zu beweisen, dass sie aus den osmierten Granulis hervorgegangen sind. Später, in grösseren Öozyten, treten dann konzentrisch geschichtete lange Fadenstrukturen auf, die Jörgensen ganz vortrefflich beschrieben und abgebildet hat, auf die ich also nicht näher einzugehen brauche. Dagegen erwähnt Jörgensen nicht eine besondere Art der Plasmaeinschlüsse, die ich in allen Oozyten von 100—500 u Durchmesser nachweisen konnte und denen in theoretischer Hinsicht sicherlich eine hohe Bedeutung zukommt, da sie offenbar die Reste der Sphäre, wenigstens ihrer Fadenstrukturen, sind. Nach Verschwinden der osmierten Granula erkennt man nämlich in Oozyten der genannten Grösse, meist nur 20—30 u von der Oberfläche des Kernes entfernt, bei genauer Durchmusterung stets eine dunkle Stelle von 10—15, allerhöchstens 20 « Durch- messer. Sie wird gebildet von einer Verdichtung des Plasma, in der die netzigen Strukturen nicht erkennbar sind, dagegen sind hier massenhaft feine spindelförmige Fäden angesammelt, die gewöhnlich wirtelförmig angeordnet sind. Ihre Länge beträgt 8—12 u, ihre Dicke in der Mitte kaum 1 «, an beiden Enden sind sie spitz ausgezogen und erinnern in ihrer Form an Oxyuren Meist besteht die ganze Einlagerung ausschliesslich aus derartigen Fäden, welche sich im Gegensatz zu den übrigen Plasmastrukturen intensiv mit basischen Farben tingieren, bei Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heidenhain dunkelgrün, bei der Dreifach- färbung nach Flemming aber rot erscheinen und besonders schön mittels der Heidenhainschen Eisenhämatoxylinmethode tiefschwarz dargestellt werden (Abb. 33). Manchmal zeigt aber die Einlagerung auch in grösseren Zellen noch, ebenso wie früher die Sphäre, körnigen Bau und lässt dann stets eine deutliche konzentrische Schichtung erkennen, zwischen den feinen Körnern sind die Fäden deutlich zu sehen (Abb. 34). Im weiteren Verlauf der Entwicklung lockert sich der Fadenhaufen mehr und mehr, die einzelnen Plastosomen verteilen Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 73 sich im Plasma und scheinen dabei auch noch eine Vermehrung durch Längsspaltung zu erfahren, wenigstens erblickt man in den meisten Oozyten von mehr als 300 « Durchmesser im ganzen Plasma vereinzelte solcher Fäden. die häufig längsgespalten er- scheinen. Die Ansammlung an einer Stelle bleibt dabei noch verhältnismässig lange erhalten, gewissermassen als Zentrale, von der aus die Plastosomen auswandern. Offenbar erfolgt hauptsäch- lich in ihr eine Neubildung der feinen Fäden. Schliesslich lockert sie sich mehr und mehr auf und bei Oozyten von 600 « Durch- messer und darüber lässt sie sich nie mehr nachweisen, dagegen allenthalben die einzelliegenden fädigen Gebilde in allen Teilen des nunmehr schon recht grossen Plasmaleibes. Sie sind mit allen Fixierungs- und Färbemethoden leicht darstellbar und können so lange nachgewiesen werden, bis die Massenanhäufung der grossen Dotterschollen sie vollkommen verdeckt. e) Die Kernmembran. Die Kernmembran bildet sich in den jungen Oozyten während der Telophasen der letzten Oogonienteilung aus und bleibt von da ab während des ganzen von mir untersuchten Abschnittes der Eientwicklung erhalten, stets deutlich nachweisbar, ohne irgend eine Unterbrechung ihres Zusammenhanges. Sie färbt sich mit sauren Farbstoften. ist aber auch mittels der Eisenhämatoxylin- methode darstellbar, wo sie hellgrau erscheint. Ihre Dicke nimmt während des Oozytenwachstums progressiv zu, ist also propor- tional zur Grösse des Kernes. Dementsprechend ist die Membran an grösseren Zellen leichter darzustellen und deutlicher nach- weisbar als an kleinen. Bei den allergrössten beobachteten Kernformen nimmt ihre Dicke jedoch wieder ab. An ihrer Innenseite steht die Kernmembran in Verbindung mit den Fasern des Liningerüstes, an ihrer Aussenfläche mit den netzigen Strukturen des Protoplasma. Dies erkennt man deutlich an schlecht fixierten Zellen, bei denen Plasma oder Kern geschrumpft ist. Je nach der Art des angewendeten Konser- vierungsmittels folgt die Membran dann entweder dem Zug des schrumpfenden Plasma oder dem des Liningerüstes.. Von Plasma- einschlüssen lagern sich die osmierten Granula häufig der Kern- membran unmittelbar an und erfahren dabei eine mehr oder weniger hochgradige Abplattung. Im Kerninneren finden sich 80 H. Stieve: unmittelbar unterhalb der Membran in vielen Stadien der Ent- wicklung Chromosomen, bezw. ihre seitlichen Ausläufer, die jedoch niemals an ihr ansetzen. Dagegen liegen ihr die Nukleolen häufig unmittelbar an und erfahren dabei eine starke Abplattung. In diesem Falle lässt sich kein Zwischenraum zwischen Nukleolus und Membran nachweisen. Ob allerdings die Chromosomen, be- ziehungsweise ihre seitlichen Ausläufer, durch Vermittlung des Linins mit der Membran verbunden sind, vermag ich nicht zu entscheiden, ich halte es aber für wahrscheinlich. Das oxy-- chromatische Netzwerk füllt ja den Kern vollkommen aus und reicht scheinbar bis unmittelbar an die Kernmembran heran, wegen des gleichen färberischen Verhaltens lassen sich hier Lininbrücken und Chromatinfäden nicht unterscheiden. Sobald das Gerüst jedoch basische Farbstoffe wieder aufnimmt, erscheint es stets durch eine mehr oder weniger breite Spalte von der Membran getrennt. Die Kernmembran ist stets vollkommen glatt, der Kern rund oder leicht elliptisch geformt, beziehungsweise dann, wenn er in den grossen Follikeln seine zentrale Lage verlässt, auf der der Follikeloberfläche zugekehrten Seite abgeplattet. In dieser Form lassen sich die Kerne jedoch nur mittels Alkohol-Chloroform- Eisessig, die kleineren auch mittels des Flemmingschen Ge- misches darstellen, bei allen anderen Fixierungsmethoden erscheint ihre Oberfläche meist etwas unregelmässig gewellt und höckerig. Wie jedoch die beiden genannten Fixierungsmittel einwandfrei beweisen, ist normalerweise die Kernoberfläche vollkommen glatt. Irgend welche amöboide Fortsätze, wie sie schon mehrmals bei Amphibieneiern beschrieben wurden, besonders von O. Schultze (1857) und Fick (1899), sind stets auf die schlechte Fixierung zurückzuführen. ') Stets war die Kernmembran nur einfach, eine doppelte Membran, wie sie besonders von Loyez (1905—1906) und D’Hollander (1905) beschrieben wird, konnte ich nie beobachten, sie kann jedoch, wie ich schon früher (1918 b) erwähnt habe, !) Alle im vorhergehenden und folgenden mitgeteilten Maße wurden ausschliesslich an tadellos fixierten Oozyten gewonnen, die Messungen der kleinen Zellen wurden mittels des Okularmikrometers, die der grösseren Zellen mittels des Zeißschen Objektschraubenmikrometers ausgeführt. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 81 durch besondere Lagerung, welche das Messer beim Schneiden hervorruft, vorgetäuscht werden. Wie schon des öfteren ausdrücklich betont wurde, war der Zusammenhang der Kernmembran niemals auch nur im geringsten unterbrochen, ein direkter Übertritt von Chromosomen oder anderen Substanzen vom Kern ins Plasma oder umgekehrt findet sicher nicht statt. Da jedoch der Kern zweifellos alle zu seinem Aufbau und Wachstum notwendigen Stoffe aus dem Plasma bezieht, so muss doch ein reger Substanzenaustausch durch die Kernmembran stattfinden. Dieser kann also nur in vollkommen gelöster Form, in einer mikroskopisch nicht anschaulich zu machenden Art und Weise erfolgen. In den grösseren Oozyten liegen die Dotterschollen dem Kern unmittelbar an, auch noch während seiner Wanderung zur Öozytenoberfläche ist ein solches Verhalten festzustellen. Die Entstehung einer von Dotterschollen entblössten, nur von einer feinen körnigen Masse erfüllten Zone um den Kern konnte ich niemals festellen, vielleicht nur deshalb, weil die von mir untersuchten Oozyten noch nicht weit genug in der Entwicklung fortgeschritten waren. Möglich ist jedoch auch, dass durch die angewendete Fixierung die Ausbildung der fraglichen Zone verhindert wurde. Bekanntlich sind ja eine ganze Reihe von Untersuchern, besonders Bambeke (1870), OÖ. Hertwig (1893. und Carnoy (1399) der Anschauung, sie stelle nichts anderes als ein Fixierungsprodukt dar, wohingegen O. Schultze (1887), Fick (1893), Lebrun (1901 b) und King (1908) diese Zone für ein natürliches Vorkommnis halten, entstanden durch die bei der naturgemässen Verkleinerung des Zellkernes austretenden Kern- bestandteille. Meine Beobachtungen sprechen mehr für die erste Annahme. III. Oozytenwachstum und Kernplasmarelation. Von grosser Wichtigkeit für die Beurteilung der ganzen Vorgänge, die sich bei der Oozytenentwicklung abspielen, ist auch noch die Kenntnis der Zeitdauer, welche die einzelnen Abschnitte der geschilderten Veränderungen beanspruchen. Leider bin ich jedoch nicht in der Lage, hierüber so genaue Angaben zu machen, wie es mir früher bei der Eientwicklung der Dohle (1918 b) möglich war, da mein Olmmaterial ja nur in einem Zeitraum von drei Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. II. 6 82 H. Stieve: Wochen gesammelt wurde. Die an ihm gemachten Erfahrungen lassen aber immerhin auch gewisse Rückschlüsse auf die Zeitdauer der einzelnen Vorgänge zu. Es ist klar, dass in einer Keimdrüse diejenigen Zellformen am häufigsten aufgefunden werden, in denen die Gonozyte während ihres Entwicklungsganges am längsten verharrt, vorausgesetzt natürlich, dass in einer Keimdrüse tatsächlich alle Stadien der Gonozytogenese gleichzeitig vorhanden sind. Dass dies in den Ovarien des Olmes nur äusserst selten der Fall ist, habe ich schon früher auseinandergesetzt, aber trotzdem gestatten die vor- gefundenen Verhältnisse recht weitgehende Schlüsse. Denn ein Stadium muss in umsomehr einzelnen Ovarien und umso häufiger vorhanden sein, je länger es dauert, wohingegen die Anwesenheit eines kurzdauernden Stadiums weit seltener ist, seine Auffindung bleibt mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Wenn wir also ein und dieselbe Zellform sehr oft inden Ovarien nachweisen können, dann berechtigt uns dieser Umstand zu dem Schluss, dass die Oozyten während ihrer Entwicklung sehr lange in diesem Zustand ver- weilen. Und andererseits wird eine Zellform, die sich nur bei wenigen Tieren in geringer Zahl vorfindet, sicherlich nur ein kurzdauerndes Stadium darstellen. Oder mit anderen Worten: aus dem gegenseitigen Häufigkeitsverhältnis lassen sich Schlüsse auf die Zeitdauer der einzelnen Formen ziehen, wie ich dies ja schon bei der Beschreibung der Samen- entwicklung dargetan habe. Zwei Oozytenformen sind es nun, die sich in allen Ovarien ohne jede Ausnahme in allergrösster Menge finden, nämlich das Stadium der polaren Orientierung und das Stadium des oxy- chromatischen Netzwerkes während seiner Umbildung zum basi- chromatischen Netzwerk, also der Zustand der Oozyte, wo bei einer Kerngrösse von 160—280 u die Follikelgrösse 300— 600 « beträgt und das ganze Kerninnere gleichmässig von einem Chromatingerüst erfüllt wird. Im Vergleich zu diesen beiden treten alle anderen Kernformen weit an Häufigkeit zurück. Wenn wir aber unter den übrigbleibenden Stadien eine Abstufung in der angegebenen Art und Weise vornehmen, dann lässt sich der zeitgemässe Ablauf der Entwicklungsvorgänge etwa folgendermassen darstellen: Die jungen Oozyten wachsen gleich nach der Rekonstruktion Die Entwicklung der Kelmzellen des Grottenolmes. 83 des Kernes sehr rasch zu einer Grösse von etwa 40 « und einem Kerndurchmesser von etwa 26—28 «u heran, während dieser Zeit erfolgen, abgesehen von der Grössenzunahme, keine wichtigen Änderungen in der Zusammensetzung des Kerngerüstes. Bei gleichbleibender Kern- und Plasmagrösse vollziehen sich hierauf wichtige Veränderungen im Kern, die Ausbildung des dünnen, richtungslosen Knäuels, seine polare Orientierung, schliesslich noch seine Umwandlung in den dicken, richtungslosen Knäuel. Alle diese Stadien, in erster Linie aber die polare Orientierung, nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Im Gegensatz dazu geht der Zerfall des Knäuels in die Chromosomen und die Ausbildung des den ganzen Keru gleichmässig durchsetzenden Gerüstes wieder verhältnismässig rasch vor sich, und während dieser Zeit erfahren Kern und Plasma eine, wenn auch nur geringe Vergrösserung. Nunmehr beginnt das eigentliche Oozytenwachstum, jedoch vergrössern sich Kern und Plasma äusserst langsam, wobei gleichzeitig das Chromatingerüst, ohne im Bau wesentliche Umgestaltungen zu erfahren, wieder seine chemische Reaktion ändert. Dieser Zeitabschnitt geht ohne scharfe Grenze in den nächsten über, der auch noch durch seine äusserst lange Dauer gekennzeichnet ist und vor allem dadurch, dass bei ziemlich gleichmässiger Vergrösserung von Kern und Plasma das Chromatin- gerüst eine auch an der veränderten chemischen Reaktion deutlich erkennbare Umgestaltung erfährt, welche die Iso- lierung der Einzelchromosomen bewirkt. Am Ende dieses Ab- schnittes misst der Kern etwa 350 «, der ganze Follikel aber etwa 1000 u. Nunmehr erfolgt offenbar verhältnismässig rasch die An- sammlung des gelben Dotters, würde sie längere Zeit beanspruchen, dann müssten sich mit Dotter beladene Oozyten in weit mehr Ovarien auffinden lassen. Aus dieser Zusammenstellung geht ohne weiteres hervor, dass wir in der Oozytogenese zwei Wachstums- perioden unterscheiden können, eine erste, die mit der Entstehung der Oozyte beginnt und bis zur Ausbildung des dünnen richtungslosen Knäuels dauert und eine zweite, die mit der Ausbildung des oxyehromatischen Netzwerkes beginnt und wahr- 6* 84 H. Stieve: scheinlich bis zum Austritt des Eies aus dem Ovar anhält. Betrachten wir nun noch die Kernplasmarelation während dieser Zeitabschnitte. Gleich nach ihrem Entstehen besitzen die Öozyten eine- Kerngrösse von 15 u bei einer Gesamtgrösse von 120 «, der Kubikinhalt des Kernes beträgt demnach etwa 1800 cbu, der des Plasma!) 2400 «, das Verhältnis des Kernes zum Plasma ist also 1800:2400, die Kernplasmarelation gleich 1:1.4. Ist das erste Oozytenwachstum beendet, das heisst zur Zeit der beginnenden Ausbildung des lockeren, richtungslosen Knäuels, so beträgt der Durchmesser des Kernes etwa 26 «, der der ganzen Oozyte etwa 40 ı, woraus sich für den Kern ein Kubikinhalt von 9200 eb«, für den Plasmaleib ein solcher von 24000 cbu: berechnet. Verglichen mit den kleinsten Oozyten hat sich der Kerninhalt also auf das Fünffache seines früheren Volumens, der des Plasma aber auf das Zehnfache vermehrt, das Plasma ist also in diesem Zeitabschnitt wesentlich rascher gewachsen, und dadurch wurde das anfangs bestehende Missverhältnis zwischen Kern und Plasma wieder ausgeglichen. Die Kernplasmarelation beträgt jetzt 1:2,6. Während der ganzen langen Dauer der polaren Orientierung bis zur Ausbildung des dicken, richtungslosen Knäuels verändert die Oozyte ihre Grösse so gut wie gar nicht, zur Zeit des Zerfalls des Fadens in einzelne Chromosomen beträgt ihr Durchmesser etwa 44 u, der des Kernes 28 «, daraus berechnet sich für den Kern ein Kubikinhalt von 11500 cb«, für den Plasmaleib ein solcher von 33000 cb«. Kern und Plasma haben demnach gleichmässig an Grösse zugenommen, die Relation beträgt 1:2,8. Auch während der Ausbildung des oxychromatischen Netz- werkes vergrössern sich beide Zellanteile gleichmässig, Nach dem Verschwinden des letzten Basichromatins aus den Chromo- somen beträgt der Oozytendurchmesser etwa SO «, der des Kernes 50 «. daraus berechnet sich wieder für den Kern ein Inhalt von 65500 cb«, für das Plasma ein solcher von 210000 cb, die Kernplasmarelation ist 1:3,2, hat sich also in ganz geringem Maße zugunsten des Plasma verschoben, das eine Vermehrung auf das 6,3 fache seines früheren Volumens erfahren hat, der Kern aber nur eine solche auf das 5,6fache. Allerdings sind. !) Inhalt des Plasma — Inhalt der ganzen Zelle abzüglich des Kerninhaltes un Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 5 die bei den letzten drei Stadien in der Kernplasmarelation fest- gestellten Unterschiede so gering, dass sie wohl in den Bereich der individuellen Schwankungen fallen dürften. Man kann daher ruhig sagen, das gegenseitige Verhältnis hat sich während dieser ‚Zeit nicht verschoben. Im Zustand der vollen Ausbildung des oxychromatischen -Gerüstes beträgt der Kerndurchmesser ungefähr 65 u, der des ganzen Follikels 100 «, daraus berechnet sich ein Kerninhalt von 143800 cb«, ein Plasmavolumen von 381000 cbu, beide haben sich wieder auf das Doppelte vergrössert, auch jetzt ist die Kernplasmarelation noch gleichgeblieben, sie beträgt 1:2,7. In der Folgezeit, während des erheblichen Wachstums der Oozyte, verschiebt sie sich aber recht erheblich zugunsten des Plasma. Während der Ausbildung des basichromatischen Netzwerkes entspricht einer Kerngrösse von 88 « eine Follikelerösse von 168 u, was einem Rauminhalt für den Kern von 357000 cebu, für das Plasma von 2130000 cb« entspricht. Die Kernplasmarelation beträgt 1:5,8, hat sich also wesentlich zuungunsten des Kernes verändert. Hat der Kern etwa 120 « im Durchmesser, so beträgt die Oozytengrösse 240 «, der Inhalt des Kernes 905000 eb«, der des Plama 6360000 cb«u, die Kernplasmarelation ist 1:7, hat sich also abermals, wenn auch nur unbedeutend, zugunsten des Plasma verschoben. Zur Zeit der Ausbildung des basichromatischen Netzwerkes hat der Kern durchschnittlich eine Grösse von 170 #, die Oozyte eine solche von 400 « erlangt. Aufeinen Kerninhalt von 2456000 cb« kommt eine Plasmamenge von 30940000 cb«, die Kernplasma- relation ist nunmehr 1:12. | Pei einer Kerngrösse von 280 wu beträgt zur Zeit der beginnenden Isolierung der Chromosomen der Oozytendurchmesser etwa 700 «, der Kubikinhalt des Kernes beträgt demnach jetzt 11400000 eb«, der des Plasma 168200000 ebı, die Kernplasma- relation ist 1:15, im Vergleich zu den jüngsten Oozyten ist bis zu dieser Zeit der Plasmaleib zehnmal so rasch gewachsen als der Kern. Einer Kerngrösse von 288:368 « und einer Follikelgrösse von 780:992 « entspricht ein Inhalt des Kernes von 18500000 ebu, 86 H. Stieve: ein solcher des Plasmas von 345700000 cbu, die Kernplasma- relation ist 1:19. Von diesem Zeitpunkt an beginnt dann die Anhäufung der grossen Dottermassen und mit ihr das rasche Wachstum des Plasmaleibes, während der Kern seine Grösse nicht mehr so erheblich verändert. Der grösste untersuchte Follikel hatte einen Durchmesser von 3000 «, der Kern eine Grösse von 374:520 u. Der daraus. berechnete Kubikinhalt des Kernes beträgt 46800000 cb«a, der des Plasma etwa 14112000000 cbu (14 cbmm). Die Kernplasma- relation ist 1:300, so gewaltig hat während dieser Zeit die Dotter- ansammlung das gegenseitige Verhältnis verschoben. Im ganzen hat sich der Kern während der Wachstumsperiode der Oozyte von einem Durchmesser von 15 « auf einen solchen Tabelle 1. Grösse in u Kubikinhalt in cba an N | RE TPRE F FN ep laser Stadium: | relanıan Kern Ooznte| Kern | Plasma Ken Jüngste Oozyten ., 15) 20 1 800 2400| 1:1,4 Dünner, richtungs- | loser Knäuel . . | 26| 40] 9200, 24000| 1:2,6 Dicker, richtungs- loser Knäuel . . | 2838| 44| 11 500 | 33.000.) 12:28 Ausbildung des oxy- | chromatischen | Netzwerkes. . . 50) 80 | 65 500 210000) 1:3,2 Oxychromatisches Netzwerk ... 65 100 144000 381000 | 1:2,7 Umwandlung des oxychromatischen | | Netzwerkes. . . 88| 168 357 000 | 2130000| 1:5,8 Umwandlung des | | oxychromatischen | | Netzwerkes. . . 120) 240 905000 6360000 1:7 Basichromatisches | | Netzwerk. . „©... 170| 400 , 2456 000 30 940 000 | 1:12 Beginnende Isolie- rung der Chromo- SOMen?. re 280° 700 11400000 168200000) 1:15 Isolierung der COhro- | | mosomen. . . ..368:288 886 18500000 | 345700000 | 1:19 Zusammenrücken | | | der Chromosomen | 374 :520 | 3000 ' 46 800 000 114 112 000 000 | 1:300 | Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 87 von 374:520 « vergrössert, seinen Kubikinhalt von 1800 cbu auf 46800000 cbu, also auf das etwa 26000fache, während sich die Plasmamenge von einem Kubikinhalt von 2400 auf einen solchen von 14112000000 ebu, also fast um das 6000000fache vergrössert. Man muss sich derartige Zahlen vor Augen führen, um zu verstehen, welch enorme Stoffwechselvorgänge dazu gehören, um ein solches aussergewöhnliches Wachstum einer einzigen Zelle zu ermöglichen Allerdings beteiligen sich ja an der Vergrösserung in der letzten, durch die Anhäufung des grobscholligen Dotters gekennzeichneten Wachstumsperiode auch die Follikelzellen, sie sondern die Haupt- masse des Dotters ab, der gewissermassen wie ein Fremdkörper im eigentlichen Ooplasma liegt. Der Übersichtlichkeit halber habe ich die Grössenverhältnisse in der beifolgenden Tabelle (Tabelle I) nochmals zusammengestellt, aus ihr ist sehr klar das gegenseitige Grössenverhältnis der beiden Oozytenteile zu ersehen. Während der ganzen Wachstumsperiode verschiebt sich also die Kernplasmarelation dauernd zuungunsten des Kernes. Im ersten Teil der Entwicklung vergrössert sich dieser zwar sehr rasch, offenbar aber nur so lange, bis die nach jeder Teilung eintretende physiologische Verdopplung der in den Tochterzellen vorhandenen Chromatinmenge erfolgt ist. Während dieser Zeit wird auch das normale Verhältnis der Kernplasmarelation her- gestellt, das bei den somatischen Zellen des Olmes etwa 1:3 beträgt. In diesem gegenseitigen Verhältnis verharren dann die Textabbildung 1. .eoe. eo... Kern 15 Kern 26 u Kern 28 u Kern 50 # Kern 65 4 Kern 83 Oozyte 20 # Oozyte 40 u Oozyte 44 u Oozyte 82 u Oozyte 100 4 Oozyte 168 4 Relation1:1,4 Relation1:3,6 Relation1:38 Relation1:32 NRelation1:27 Relation 1:5,8 GEBEN! N N ap ® '® ® 9 ® Kern 120 u Kern 170 4 Kern 280 u Kern 368:288 u Kern 374:520 4 Oozyte 240 u Oozyte 400 u Oozyte 700 u Oozyte 890 u Oozyte 3000 4 Relation 1:7 Relation 1:12 Relation 1:15 Relation 1:19 Relation 1:300 Ss8 H. Stieve: ÖOozyten während der ganzen polaren Orientierung, also während der Prophasen zur ersten Reifungsteilung und erst nach dieser Zeit tritt, während Kern und Plasma, das letztere allerdings wesentlich stärker, sich vergrössern, eine sehr erhebliche Ver- schiebung in der Kernplasmarelation zu ungunsten des Kernes ein, im Anfang nur langsam, im letzten Teil der Entwicklung aber sehr rasch. In Textabbildung 1 habe ich das gegenseitige Mengenver- hältnis der beiden Zellanteile ohne Berücksichtigung des Kern- wachstums schematisch wiedergegeben, dabei ist der Kern schwarz und stets gleich gross gezeichnet. das Plasma aber weiss, man sieht seine erhebliche Zunahme. Wie gross während dieser Zeit das Wachstum des Kernes ist, lehren am besten Abb. 41—50, die alle bei gleicher Vergrösserung gezeichnet wurden. Die Gesamtmasse des Chromatins entspricht dabei jedoch nicht immer der Kerngrösse, nur im Anfang der Wachstumsperiode vermehrt sie sich direkt proportional zum Kern, von der Zeit der beginnenden Isolierung der Chromosomen aus dem chromatischen Netzwerk an aber bildet sich die Gesamtchromatinmasse wieder zurück, sie hat in dem von mir beobachteten letzten Stadium ungefähr eine Ausdehnung wie zur Zeit des basichromatischen Netzwerkes, denn sie nimmt einen Raum von 160 « Durchmesser ein. Unsere Erfahrungen an anderen Objekten, nicht zum wenigsten die bei der Spermatogenese gesammelten, berechtigen jedoch zu dem Schluss, dass die Masse des Uhromatins noch weiterhin zu- rückgebildet wird, und dass bei der Reifungsteilung die Chromo- somen in den Oozyten die gleiche Grösse besitzen wie in den Spermatozyten, dass die Gesamtmasse des Chromatins dann also etwa so gross ist wie im Zustand der polaren Orientierung. IV. Zusammenfassung der Befunde und Vergleich mit der Spermatozytogenese. Bevor ich auf die Besprechung der hier mitgeteilten Befunde eingehe, möchte ich noch kurz den Entwicklungsgang der Oozyte, so wie ich ihn auf Grund der Beobachtung einer sehr grossen Zahl von Zellen im Vorhergehenden geschildert habe, zusammen- fassen und mit den bei der Untersuchung der Spermatogenese gemachten Feststellungen vergleichen. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 89 Die Oogonien entsprechen in ihrem Bau, Aussehen und sonstigen Verhalten vollkommen den grossen Spermatogonien ‚des Ruhehodens, sie besitzen wie diese grossen Kern mit netzigem Chromatingerüst, vergrössern sich langsam und teilen sich direkt. Derartige Ergänzungsteilungen finden sich in den Övarien von Tieren jeden Alters. Vereinzelte Oogonien gehen stets zugrunde und bilden bei der Degeneration gelappte, hantel- und ringförmige Kerne, ebenso wie in der Spermatogenese. Bei fortschreitender Entwicklung teilen sich die Vogonien ‚öfters hintereinander, mutmasslich erfolgt in den Ovarien jeweils nach Ablage der Eier eine etwas stärkere Oogonienvermehrung, das Endergebnis dieser Teilungen sind die Oozyten. An den Tochterchromosomen ist während der Teilung häufig ein sekundärer Längsspalt zu beobachten. Alle von einer Oogonie abstammenden Oozyten liegen zu- nächst von einer gemeinsamen Follikelhülle umgeben beieinander, aus der Zahl der in einer Zyste vereinigten Zellen lassen sich Rückschlüsse auf die Zahl der stattgehabten Teilungen ziehen. Gewöhnlich finden sich 6—8, seltener 14—16 Oozyten beieinander, und angenommen, ihre Vermehrung war entsprechend der mono- phyletischen Entstehung eine rhythmische, dann dürfen wir auch annehmen, dass jede Oozyte aus drei, höchstens vier Oogonien- vermehrungsteilungen hervorgegangen ist. Bei den Spermatogonien findet gleichfalls zu Beginn der Geschlechtsperiode eine lebhafte Vermehrung statt,nach Beendigung der Teilung finden sich aber in jeder Zyste, umgeben von einer gemeinsamen Follikelhülle, ungefähr 64, beziehungsweise 123 Sper- matozyten, die Spermatogonien teilen sich 6—7 mal nacheinander, also wesentlich öfter als die Oogonien. Trotz der vollkommenen Übereinstimmung im sonstigen Verhalten zeigen die Spermatogonien und Oogonien in diesem Punkte also wesentliche Unterschiede, indem bei den letzteren die Teilungsmüdigkeit (R. Hertwig) viel früher eintritt als bei den ersteren. Und trotzdem erscheinen die jüngsten Sperma- tozyten und Oozyten wieder fast vollkommen identisch gebaut, beide besitzen im Verhältnis zum Kern einen sehr kleinen Proto- plasmaleib, bei beiden besteht ein Missverhältnis in der Kern- plasmarelation. Dieses führt in der Spermatogenese hie und da zum Untergang einzelner Spermatozyten, in der Oogenese 90 H. Stieve: konnte ich in Ovarien frisch gefangener Tiere keine zugrunde gehenden jüngsten Oozyten beobachten. Es mag sein, dass dies auf Zufall beruht, möglich wäre jedoch auch, dass eben durch die geringere Anzahl der Teilungen die Kräfte der Oozyten nicht so sehr in Anspruch genommen werden. Wenn uns also im mikroskopischen Bild die jüngsten Oogonien und Spermatogonien auch voll- kommen gleich gebaut erscheinen, so besteht doch zwischen beiden ein grundlegenderphysiologischer Unterschied, indem die ersteren nicht die Fähigkeit besitzen, sich oft nacheinander rasch zu teilen. Trotzdem oder gerade deshalb, weil nicht die ganze Kraft der Oogonien in den Vermehrungs- teillungen erschöpft wird, wohnt den jüngsten Öozyten eine wesentlich höhere Wachtumsenergie inne als den Spermatozyten, und gerade auf dieser Eigenschaft,und zwarausschliesslich aufihr, beruht der tiefgreifende Unterschied zwischen den beiden Arten von Geschlechtszellen, deren Entwicklung sich im übrigen, wie ich gleich hier bemerken will, vollkommen gleich abspielt. Was die Follikelzellen der Ovarien betrifft, so entsprechen sie in Hinsicht auf ihren Bau und ihr sonstiges Verhalten voll- kommen denjenigen Gebilden des Hodens, die ich als Zystenzellen bezeichnet habe, auf ihre Entstehung und Ausbildung will ich erst in einem späteren Teil der Arbeit zurückkommen. Ich möchte jedoch noch ausdrücklich betonen, dass sich in den Ovarien des Olmes keine Zwischenzellen, ja überhaupt keine Gebilde auffinden lassen, welche sich mit diesen vergleichen liessen. Die jungen Oozyten besitzen grossen Kern und verhältnis- mässig sehr kleinen Plasmaleib, sie wachsen in der Folgezeit rasch zu einer bestimmten Grösse heran, wobei das Plasma eine relativ stärkere Substanzvermehrung erfährt als der Kern. In dessen Innern befindet sich ein oxychromatisches Gerüst mit an- gelagerten basischen Chromatinbrocken, es lässt sich schwer entscheiden, ob es sich um ein Netzwerk oder einen einzigen Faden handelt. Auch in allen diesen Punkten stimmen die Oozyten voll- kommen mit den Spermatozyten überein, die erste Vergrösserung Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 97 der Eizellen entspricht demjenigen Abschnitt der Spermatogenese, den ich als ihre eigentliche Wachstumsperiode bezeichnet habe, weil nach ihr keine wesentliche Vergrösserung der Spermatozyten mehr stattfindet. Nach ihrer Beendigung vollziehen sich äusserst wichtige Veränderungen am Kern, die nichts anderes sind, als die Vorbereitung auf die erste Reifungsteilung. Während ihres Ablaufes steht auch das Wachstum der Oozyte vollkommen still. Ein etwas stärkeres Wachstum der Oozyten gegenüber den Spermatozyten macht sich übrigens auch in dieser ersten Ver- grösserungsperiode geltend, die Unterschiede sind jedoch so gering, dass sie bei der sonstigen völligen Übereinstimmung der Vorgänge nicht ins Gewicht fallen. Es kommt nunmehr in der Oozyte zur Ausbildung eines Mono- spirems, das als dünner, richtungsloser Knäuel den Kern ohne jede Regel in seinem Verlauf durchsetzt. Noch während seiner Ausbildung erfährt die Oozyte eine geringe (srössenzunahme seine vollkommene Entwicklung können wir als äusserste Grenze für die erste Wachstumsperiode der Oozyte und als endgültigen Abschluss des Wachstums der Spermatozyte, in der seine Aus- bildung in der nämlichen Weise erfolgt, bezeichnen. Der kontinuierliche Faden erfährt dann eine wesentliche Verkürzung und Verdicekung, bedingt durch Konzentration des Basichromatins und gleichzeitig eine polare Orientierung, indem alle seine Schleifen gegen diejenige Stelle der Kernmembran zu verlaufen, welche der Sphäre gegenüber gelegen ist. Dabei bleibt die Kontinuität des Fadens erhalten, es erfolgt kein Zer- fall in einzelne Chromosomen, ihre Zahl kommt aber in der Anzahl der Schleifenturen zum Ausdruck, die stets gleich der Chromosomennormalzahl ist. Alle diese Vorgänge sind in der Ei- und Samenentwicklung vollkommen identisch, und ich möchte auch hier nochmals betonen, dass eine Parallellagerung und nachträgliche Verschmelzung einzelner Abschnitte des Fadens niemals stattfindet, die Parallelkonjugation lässt sich also mit vollkommener Sicherheit ausschliessen. Während der ganzen Zeit der polaren Orientierung bleibt die Kernmembran, wie über- haupt während der Oozytenentwicklung, deutlich kontinuierlich erhalten, ein direkt zu beobachtender Austritt von Chromatin in das Plasma findet nicht statt. Ihren Anfang nimmt die Orientierung stets in der Polseite 92 H. Stieve: des Kernes und breitet sich von da über sein ganzes Inneres aus. Sobald sie vollendet ist, gehen aus den einzelnen basichro- matischen Körnern, beziehungsweise aus den quergestellten Stäbehen, welche den Faden bilden, oxychromatische seitliche Ausläufer hervor, gleichzeitig verringert sich die Grösse der zentralen Körner. Auch in dieser Hinsicht besteht noch vollkommene Über- einstimmung mit der Samenentwicklung, denn auch bei ihr kommt es im Zustand der polaren Orientierung zur Ausbildung seitlicher Ausläufer, und erst von diesem Zeitpunkt ab machen sich Unterschiede bei den beiden Arten von Geschlechtszellen geltend. In den Spermatozyten erfahren nämlich die seitlichen Ausläufer sehr bald eine Rückbildung, sie schmelzen ab und nur noch oxychromatische Lininbrücken vermitteln die Verbindung zwischen den Chromosomen, in der Oogenese bleiben sie während der ganzen nächsten Zeit, der eigentlichen Wachstumsperiode der Oozyte, bestehen und erfahren eine ungeheuere Verlängerung und Vermehrung. Aber trotz dieser Unterschiede verlaufen die grundlegenden Entwicklungsvorgänge in den nämlichen Bahnen. In den Oozyten verschwindet die polare Orientierung des Fadens, wie in den Spermatozyten, es kommt zur Ausbildung des dicken, richtungs- losen Knäuels. der unmittelbar nach seiner vollen Entwicklung, ja häufig sogar schon vorher, eine Längsspaltung erfährt. Über- haupt erscheint es ja überaus wahrscheinlich, dass der in den Telophasen der letzten Oogonienteilung an den Chromosomen auftretende Längsspalt während der ganzen zuletzt beschriebenen Vorgänge erhalten bleibt, aber erst jetzt, wo ein tatsächliches Auseinanderrücken der Spalthälften erfolgt, deutlicher in Er- scheinung tritt. In den Spermatozyten ist der dicke richtungslose Knäuel mangels der Anwesenheit der seitlichen Ausläufer deutlicher und schöner, die Längsspaltung klarer zu erkennen. Der längsgespaltene Faden zerfällt nunmehr in die Normal- zahl von Uhromosomen, die dementsprechend gleichfalls jeweils längsgespalten erscheinen, eine Tatsache, die trotz der starken Ausbildung der seitlichen Ausläufer auch in den Oozyten sehr deutlich in Erscheinung tritt. Auch in diesem Punkte besteht völlige Übereinstimmung Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 93 in Ei- und Samenentwicklung, und wir können deshalb sagen, dass bis zum Zerfall des Fadens in die Normalzahl längsgespaltener Chromosomen sich die Entwick- lung der beiden Arten von Geschlechtszellen, ab- gesehen vom Verhalten der seitlichen Ausläufer, in jeder Beziehung in der gleichen Weise abwickelt. Erst von da ergeben sich die grundlegenden Unterschiede. Die Spermatozyte erfährt nämlich kein weiteres Wachstum, sondern die Chromosomen rücken, nachdem sie sich vorher zu je zweien endweise vereinigt haben, in den Äquator der ersten Reifungsteilung ein. Bei der Oozyte wird dieser Vorgang auf lange Zeit, Wochen ja Monate unterbrochen, durch das zweite Wachstum der Oozyte, das nunmehr beginnt und zu einer unge- heueren Vergrösserung von Kern und Plasma führt. Und während bis zu diesem Zeitpunkt die Vorgänge im Kerninnern sich fast ausschliesslich an den Chromosomen abspielten, treten nunmehr noch neue Körper in Erscheinung und lenken die Aufmerksam- keit des Untersuchers auf sich : die Nukleolen, die bis zu diesem Zeitpunkt in nur verhältnismässig geringer Anzahl vorhanden waren. Gleichzeitig vollziehen sich an den Chromosomen wichtige chemische Umsetzungen, die in dem verschiedenen färberischen Verhalten einen beredten Ausdruck finden. Während die zentralen basichromatischen Körnerreihen kleiner und kleiner werden und schliesslich vollkommen ver- schwinden, wachsen die seitlichen Ausläufer mehr und mehr in die Länge, verflechten sich und bilden so ein dichtes Netzwerk, das schliesslich den ganzen Kern gleichmässig durchsetzt. Gleichzeitig treten zahlreiche basichromatische Nukleolen auf, die jedoch bald fast ganz aus dem Kerninneren. verschwinden und sich dann nur mehr als Randnukleolen unter der Membran finden. Das Chromatingerüst erfährt nunmehr eine erhebliche Massenzunahme, zunächst durch ein Hand in Hand mit der Ver- grösserung des Kernes gehendes Wachstum, später durch massen- hafte Spaltung seiner einzelnen Fäden. Dabei verändert es seine chemische Zusammensetzung. Zuerst nur an einzelnen Stellen, später an allen seinen Teilen nimmt es basische Farbstoffe auf und wandelt sich so schliesslich zum basichromatischen Gerüst um. Gleichzeitig spielen sich die mannigfaltigsten morphologischen 94 H. Stieve: Veränderungen an den fast ausschliesslich unter der Kernmem- bran gelegenen Nukleolen ab. Hat der Kern schon fast seine endgültige Grösse erlangt, so verändert das bis zu dieser Zeit vollkommen gleichmässig gebaute Chromatingerüst abermals seine Struktur und mit ihr die chemische Reaktion, es nimmt von jetzt ab saure und basische Farbstoffe auf und erscheint deshalb missfarben. Einzelne Fäden verschwinden, und dadurch erscheinen die Chromosomen wieder abgrenzbar. Mit der zunehmenden Verringerung des Chromatins werden sie deutlicher und deutlicher, gleichzeitig vermehrt sich die Zahl der Nukleolen. Mit diesem Wiedererkenrbarwerden der Chromosomen ist das hauptsächlichste Wachstum des Kernes vollendet, es beginnt nunmehr im Plasma, das sich bis zu dieser Zeit nicht wesentlich stärker als der Kern vergrössert hat, die Anhäufung des Nahrungsdotters, welche zu einer beträchtlichen Vergrösserung des Plasmaleibes führt. Mit dem fortschreitenden Abschmelzen der seitlichen Aus- läufer gewinnen die Chromosomen wieder an Deutlichkeit, schliess- lich tritt in ihrem Inneren wieder eine basichromatische Körner- reihe auf und man erkennt jetzt, dass sie nach wie vor paarweise miteinander verschlungen sind. Mit ihrer zunehmendenVerkleinerung rücken sie mehr und mehr in der Kernmitte zusammen, wo sie schliesslich auf einem kleinen Raum zusammengedrängt liegen. Die Nukleolen erfahren während aller dieser Vorgänge erhebliche Veränderungen, sie sind in der Hauptsache basichro- matisch, jedoch lagern sich ihnen oxychromatische Pfropfnukleolen an. Viele von ihnen gehen im Kernsaft unter, viele werden neugebilde. Auch sie ziehen sich mehr und mehr von der Kernmembran ab und in das Innere des Kernes zurück. Auf Grund unserer Erfahrungen an anderen Objekten dürfen wir wohl schliessen, dass die Chromosomen, sobald sie sich auf die nämliche Grösse zurückgebildet haben, welche die Chromosomen in den reifenden Spermatozyten besitzen, in die erste Reifungs- teilung eintreten. Ob sich die endweise Konjugation der Chromo- somen während der Ausbildung des Netzwerkes oder erst später vollzieht, lässt sich nicht sicher entscheiden, nach den vorgefundenen Zahlenverhältnissen ist der letztere Modus allerdings äusserst wahrscheinlich. Ganz abgesehen von den eben beschriebenen Veränderungen Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 95 am Kern vollziehen sich auch im Plasma Veränderungen, welche Ei- und Samenentwicklung miteinander vergleichen lassen. Ich meine die Entwicklung der Sphäre und der Zentriolen. Auch hier geht die Entwicklung anfänglich in gleichen Bahnen. In der Spermatogenese bleiben die Zentralkörper aber stets deutlich nachweisbar und spielen dann bei der Teilung die bekannte wichtige Rolle, die Sphäre zeigt im Zustand der polaren Orien- tierung des Knäuels dunkles Aussehen und Einlagerung vereinzelter fädiger Strukturen, die Pseudochromosomen Heidenhains. Ösmierte Granula im Bereiche der Sphäre wie im Plasma über- haupt sind in den Spermatozyten äusserst selten. In der Oogenese zeigt die Sphäre zunächst das gleiche Ver- halten, jedoch entziehen sich die Zentralkörper bald der Beobach- tung, sei es, weil sie zerfallen, oder aber, von den in grosser Menge vorhandenen körnigen und fädigen Einlagerungen verdeckt werden. Diese gehen nicht wie in den Spermatozyten zugrunde, sondern erfahren eine erhebliche Vermehrung und werden schliess- lich im ganzen Plasmaleib verteilt. Wenn wir die Eientwicklung, ebenso wie die Samenentwicklung in einzelne Stadien einteilen und als Richtschnur für sie das Verhalten der Chromosomen nehmen, so erhalten wir folgendes Ergebnis: I. Dogonien. II. Oozyten. a) Erste Wachstumsperiode. Netzartige Verteilung des CUhromatins. b) Prophase der ersten Reifungsteilung. 1. Dünner richtungsloser Knäuel. 2. Polargerichteter Knäuel. 3. Beginn der Entstehung der seitlichen Ausläufer. 4. Dicker richtungsloser Knäuel. 5. Längsspaltung des Knäuels. 6. Zerfall des Knäuels in Einzelchromosomen. c) Zweite Wachstumsperiode. 1. Ausbildung des oxychromatischen Kerngerüstes. 2. Oxychromatisches Kerngerüst. 3. Umwandlung des oxychromatischen in das basichro- matische Kerngerüst. 4. Basichromatisches Kerngerüst. 96 H. Stieve: (Di . Vergrösserung des Gerüstes durch Fadenspaltung. . Abschmelzen der seitlichen Ausläufer. A. Wiedererkennbarwerden der Chromosomen. B. Ausbildung der zentralen basichromatischen Körner- reihen. 7. Zusammenrücken der Chromosomen in der Kernmitte. d) Erste Reifungsteilung. Falls die endweise Konjugation, wie dies wahrscheinlich ist, erst nach dem Wiedererkennbarwerden der Chromosomen erfolgt, so muss vor d) noch als Prophase der ersten Reifungsteilung die Pseudoreduktion durch Tetradenbildung eingeschoben werden. Bei der Einteilung habe ich die in der Spermatogenese angewendeten und dort ausführlich begründeten Bezeichnungen eingesetzt, sie deuten die Identität der Vorgänge in Ei- und Samenentwieklung an. Unterschiede bestehen, wie ja schon erwähnt, hauptsächlich darin, dass in der Eientwicklung die Aus- bildung der seitlichen Ausläufer während der polaren Orientierung nur beginnt, in der Samenentwicklung aber beginnt und zum Abschluss kommt. Der dicke richtungslose Knäuel ist in der Oozyte aus den schon mehrfach erwähnten Gründen nicht so deutlich ausgebildet wie in der Spermatozyte, wegen seiner hohen theoretischen Bedeutung glaube ich jedoch auf seine Erwähnung in der Einteilung nicht verzichten zu können, denn auch in der Eientwicklung ist es ganz klar, dass der Zerfall des Fadens in einzelne Chromosomen erst dann er- folgt, wenn die polare Orientierung verloren ge- gangen ist. Doch nicht nur in der Entwicklung der Keimzellen selbst, auch in der Ausbildung und dem Verhalten der Follikelzellen lässt sich die Identität bei den verschiedengesehlechtlichen Vor- gängen erkennen. Die Oogonien sind ebenso wie die grossen Spermatogonien stets durch eine Follikelhülle vollkommen von der Umgebung abgetrennt, einer Oogonie sind meist drei oder vier Follikelzellen angelagert. Nur selten erblickt man zwei, dann meist sehr kleine Oogonien von einer gemeinsamen Follikel- hülle umgeben. Wohl stets handelt es sich bei solchen Bildern um jugendliche Gebilde, die soeben aus einer Teilung hervor- gegangen sind. Während der Vermehrung der Oogonien, deren Endergebnis die Oozyten sind, bleiben die aus einer Mutterzelle {er} Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 97 entstandenen Gebilde von einer gemeinsamen Follikelhülle um- schlossen, man findet dann häufig und zwar in allen Ovarien Gruppen von Oozyten, die ohne weiteres durch ihre Lage die gemeinsame Entstehung kundtun und neben den unmittelbar zu beobachtenden ÖOogonienteilungen ein unwiderlegbarer Beweis dafür sind, dass in den Ovarien des Olmes im Gegensatz zu denen der meisten anderen daraufhin untersuchten Tiere stets noch eine Neubildung von Oozyten statthat. Eine solche ÖOozytengruppe lässt sich ohne weiteres einer Samenzyste des Hodens gegen- überstellen. Die gemeinsame Follikelhülle bleibt nun während der ersten Wachstumsperiode des Eies bestehen, auch noch über diese hinaus, bis zum Zerfall des Knäuels in Einzelchromosomen. Wenn auch in diesem Zeitabschnitt, besonders gegen sein Ende zu, zahlreiche Follikelzellen schon ihre Protoplasmafortsätze zwischen die einzelnen Oogonien.. hineinschieben und so ihre Abgrenzung vorbereiten, so muss doch bis dahin jede Oozytengruppe immer noch als ein Ganzes bezeichnet werden. Denn auch jetzt noch macht sich die gemeinsame Abstammung stets darin geltend, dass alle in einer Gruppe beieinanderliegenden Oozyten den gleichen Grad der Ausbildung zeigen, eine Erscheinung, die besonders deutlich im Zustand der polaren Orientierung zu beobachten ist. Die Ernährung einer Oozytengruppe erfolgt bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam von den umgebenden Follikelzellen und auch in dieser Tatsache stimmen sie vollkommen mit den gleichen im Hoden nachweisbaren Verhältnissen überein. Erst wenn die zweite Wachstumsperiode der Oozyte beginnt und damit ihr Entwicklungsgang von dem der Spermatozyte ab- weicht, tritt auch eine Veränderung im Verhalten der Follikelzellen ein, und erst von da ab wird die Oozyte in bezug auf ihre Ernährung wirklich selbständig. Die Follikelzellen umgeben nunmehr jede einzelne Oozyte mit langen Protoplasmafortsätzen, wenn schon sie noch nicht gleichmässig auf ihre Oberfläche verteilt sind. Und jetzt erst zeigt die Oozyte auch Selbständigkeit in bezug auf ihre Form. Denn während bis dahin der Plasmaleib vollkommen dem Druck der umgebenden Gewebspartien angepasst, meist nach einer Seite zipfelförmig ausgezogen war, nimmt er jetzt stets mehr oder weniger die Form einer Kugel an. Gleichzeitig vermehren sich die Follikelzellen, zunächst langsam, in der späteren Zeit Archiv f. mikr. Anatomie. Bd.9. Abt. I. 7 98 H. Stieve: während der Ansammlung des grobscholligen Dotters aber sehr rasch, und breiten sich gleichmässig über die Oberfläche der Oozyte aus. Erst von dem Zeitpunkt ab, wo die Entwicklung der beiden Geschlechtszellenarten eine verschiedene ist, treten also Verschiedenheiten im Verhalten der Follikelzellen auf. Auch die Follikelzellen lassen also die Über- einstimmung der Vorgänge im ersten Teil der Ge- schlechtszellenentwicklung, die Unterschiede in den späteren Stadien deutlich erkennen. Allgemeiner Teil. 1. Die Oogonien und Oozyten. In den Ovarien aller untersuchten Olme sind sowohl Oogo- nien als auch ganz junge Oozyten nachweisbar. Was den Bau ihres Kernes und Plasmaleibes betrifft, so unterscheiden sie sich so gut wie gar nicht voneinander, auch in bezug auf die Grösse besteht kein Unterschied. In den Kernen beider Zellarten befindet sich ein Netzwerk, wahrscheinlich nur von einem einzigen Faden gebildet, an dem basichromatische Körner angelagert sind. Vielleicht erscheinen die Vozyten etwas chromatinreicher, da in ihnen der Faden häufig fast ganz von den basichromatischen Körnern gebildet wird. Der einzig wirklich stets vorhandene Unterschied zwischen den beiden Zellarten besteht in den umgebenden Follikelzellen. Die grossen Oogonien sind stets von einer einfachen Follikel- hülle umschlossen und so deutlich gegen die Umgebung abge- setzt. Erst wenn die Vermehrung eintritt, so liegen nach der ersten Teilung 2, nach der zweiten Teilung 4, nach der dritten S Oogonien in einer gemeinsamen Follikelhülle. Da es jedoch zwischen zwei Teilungen der Oogonien stets zu einer voll- kommenen Rekonstruktion des Kernes kommt und da diese jungen Gebilde dann gleichfalls zu mehreren von einer gemein- samen Hülle umgeben sind, so lässt sich auch von solchen gruppenweise beieinanderliegenden Zellen niemals mit Sicherheit sagen, um welche der beiden Formen es sich handelt. Nur wenn eine grössere Anzahl, 14—16 Zellen, in einer Gruppe beieinander liegen, darf man schliessen, dass bei ihnen keine weitere Ver- mehrung mehr erfolgt, denn niemals konnte ich mehr Oozyten Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 99 in einem Komplex beieinander liegend nachweisen. Die Abgren- zung von Einzeloogonien erfolgt aber niemals erst so spät, sondern immer gleich nach der ersten Teilung. Die Unterscheidung zwischen Oogonien und Oozyten ist also keine morphologische, sondern eine physiologische, Oozyten sind Oogonien, welche zunächst die Teilungsfähig- keit verloren haben, dafür aber mit einer ausser- gewöhnlichen Wachstumsenergie begabt sind. Die in einer Gruppe beieinander liegenden Zellen, gleich- gültig ob dies nun ÖOogonien während der Vermehrung oder Oozyten sind, stammen also stets von einer einzigen Mutteroogonie ab. Jörgensen bezweifelt diese monophyletische Abstammung, da er die Oogonienteilungen „immer nur einzeln und niemals nesterweise“ auftreten sah. Er beobachtete eben nur die Er- gänzungsteilungen. nicht die Vermehrungsteilungen, auch gibt er nicht an, ob er die Övarien jüngerer oder älterer Tiere untersuchte, das letztere ist mir wahrscheinlicher, denn hier treten die Oogonienteilungen vor der Eiablage tatsächlich immer nur ganz vereinzelt auf. Bouin (1901), Lam s (1907) und King (1908) weisen in den Ovarien der von ihnen untersuchten Anuren durch- weg nesterweise Oogonienteilungen nach, im Hoden ist dies ja eine ganz allgemeine Erscheinung. Und zwar findet Bouin bei Rana temporaria in einem Neste 16 oder 32 Zellen, in anderen Fällen aber auch nur 4, hier dürfte es sich um Oogonien handeln, deren Teilungsfähigkeit noch nicht erschöpft ist. King macht keine Angaben über die Zahl der Zellen, sie stellt nur fest, dass sich nicht immer alle in einer Zyste beieinander liegenden Oogonien gleichzeitig teilen, eine Tatsache, auf die in der Sperma- togenese besonders Gurwitsch (1911) hingewiesen hat. Durch sie wird die Erscheinung erklärt, dass die Zahl der in einer /yste vereinigten Zellen nicht immer eine Potenz von zwei ist, was bei einer vollkommen rhythmischen Vermehrung der Fall sein müsste. Zwischen den einzelnen Teilungen wird stets ein voll- kommener Ruhekern rekonstruiert, eine so rasche Aufeinanderfolge der Mitosen, wie ich sie während der Spermatogenese beobachten konnte, findet im Ovar also nicht statt. In der Interkinese erfolgt ebenso wie im Hoden stets eine vollkommene Abschnürung der einzelnen Zellen voneinander, so dass in jedem Nest die Tr 100 H. Stieve: einzelnen Oogonien, beziehungsweise Oozyten, vollkommen von- einander getrennt liegen. Allerdings ist die Zellmembran nur sehr dünn und färbt sich ebenso wie die netzigen Strukturen des Plasma nur schwach oxychromatisch. Auf keinen Fall ist aber jemals ein Synzytium vorhanden. Meine Beobachtungen stimmen hier mit denen von Jörgensen und Bouin überein. Im Gegensatz dazu lässt Knappe (1886) im Bidderschen Organ die Oozyten ein Synzytium bilden und Batallion (1891) findet, dass die einzelnen Zellen eines „Follikels“ sich nicht völlig individu- alisieren, da man bei ihnen niemals eine vollkommene Abgrenzung des Protoplasma feststellen könne. Seine Beobachtungen erfuhren durch Gemil (1896) eine Bestätigung, wurden jedoch von Bouin widerlegt. Von anderen Objekten hat Wassermann (1913) bei Zoogonus mirus festgestellt, dass sich in den einzelnen Nestern der zu einer Oogonie gehörige Plasmabezirk nicht abgrenzen lässt. Auch im Ovar des Olmes ist die Abgrenzung der Oogonien gegeneinander häufig sehr schwierig, sie gelingt jedoch stets dann, wenn mit irgend welchen Plasmafarben stark überfärbt wird. Ich glaube deshalb bestimmt, dass alle Beobachtungen über Oogonien oder Spermatogoniensynzytien durch ungenügende Technik bedingt sind, zum Teil auch dadurch, dass dieser Frage keine grössere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. V. Sehmidt unterscheidet Oogonien und Oozyten in der Hauptsache nach der Grösse und dem verschiedenen Bau des Kernes. Die beiden hier beschriebenen Zellformen bezeichnet er kurzweg als Oogonien, wozu ja eine gewisse Berechtigung vorliegt, denn eine vollkommen sichere Unterscheidung der Oozyten gelingt erst dann, wenn sich im Kern der dünne richtungslose Knäuel ausgebildet hat und sich zur polaren Orientierung anordnet. Die Oogonienteilungen vollziehen sich nach dem Modus ge- wöhnlicher Zellteilungen, nur fällt bei ihnen eine Erscheinung auf, die ich in der Spermatogenese nicht beobachten konnte, die aber auch Jörgensen erkannte und sehr schön abbildet, es ist dies das Auftreten eines sekundären Längsspaltes an den Tochter- chromosomen, unmittelbar nach ihrem Auseinanderrücken aus dem Mutterstern. Auch diese Erscheinung wurde schon des öfteren bei anderen Objekten festgestellt, zuerst von Rückert (1893) im Keimbläschen des Selachiereies. Er konnte nachweisen, „dass der Spaltungsvorgang der Fäden beim Übergang des Ureies Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. r01 zur Eimutterzelle“, das heisst unmittelbar nach oder noch während der letzten Teilung des Ureies, stattfindet. Im Hoden des Olmes konnte ich diese Bilder nicht nach- weisen, doch schreibt Rabl (1885), dass er „an stark gelockerten Tochterknäueln aus dem Hoden von Proteus“ öfters wahrgenommen habe, dass die chromatische Substanz hier nicht kompakte Stränge bilde, auch nicht „die Form der Pfitznerschen Körner“ zeige, sondern nur in äusserst feinen Körnern in blasse Stränge ein- gelagert erschien, wie ich dies ja auch feststellen konnte. Des weitern folgert Rabl, dass „die Körner manchmal in Doppelreihen zu liegen scheinen, so dass es aussieht, als ob die Knäuelfäden der Länge nach gespalten wären. Dies dürfte jedoch niemals der Fall sein, und ich nehme an, dass die scheinbare Längsspaltung dadurch zustande kommt, dass die Körnchen in den hyaloplas- matischen Strängen nicht gleichmässig verteilt sind, sondern hauptsächlich an deren Oberfläche liegen. Betrachtet man dann einen Knäuelfaden im optischen Längsschnitt, so muss eine Längs- spaltung vorgetäuscht werden.“ Der frühzeitig an den Tochterchromosomen auftretende Längsspalt ist jedoch keinesweges eine Eigenschaft, welche aus- schliesslich den Geschlechtszellen zukommt. Vielmehr beschreibt Heidenhain (1907) bei Epithelzellen der Kiemenblätter von Salamandra, dass hier in der Metakinese der Teilungen, noch während die Tochterchromosomen vielfach mit ihren Enden zu- sammenhängen, ein sekundärer Längsspalt zu erkennen ist. Dieses Auftreten des Längsspaltes ist von allergrösster Bedeutung, denn es erklärt ohne weiteres, wie ich ja schon in der Spermatogenese auseinandersetzte, die zahlreichen Mitteilungen über eine angebliche Parallelkonjugation der Chromosomen. Denn wenn der Spalt auch während der Ausbildung des Kerngerüstes, zum Teil auch während der Spirembildung und der polaren Orientierung für unsere Untersuchungsmittel nicht nachweisbar ist, sondern erst am dicken richtungslosen Knäuel, wenn die Spalthälften tatsächlich auseinanderrücken, wieder deutlich in Erscheinung tritt, so ist mit seiner Anwesenheit doch stets zu rechnen. Jörgensen unterscheidet Oogonien und Oozyten in der Weise, dass in den Oogonien das Chromatin netzartige Verteilung zeigt, während es in den jüngsten Oozyten eine vollkommene 102 H. Stieve: Zerstäubung erfährt. Dabei stellt er einen „auffälligen Reaktions- wechsel“ des Kerninhaltes fest, der bei Zweifachfärbungen zur Beobachtung kommt. „Während dieser nämlich in den Oogonien während der Vermehrungsperiode stark basichromatisch war und sich lebhaft (z. B. mit Safranin) färbt (Fig. 16, Taf. 33), hat die junge Tochteroozyte unmittelbar nach der letzten Teilung diese Färbbarkeit eingebüsst. Der Kerninhalt färbt sich intensiv mit Liehtgrün und anderen sauren Plasmafarben.“ Im Gegensatz dazu konnte ich in den jungen Oozyten bei einwandfreier Konservierung in den Övarien frischgefangener Tiere niemals eine Zer- stäubung des Chromatins und einen Reaktions- wechsel nachweisen, stets erschien in ihnen das Kerngerüst wie in den Oogonien oxychromatisch, die angelagerten Klumpen aber basichromatisch. Nur in zwei besonderen Fällen konnte ich die von Jörgensen beschriebenen Formen auffinden, nämlich: 1. In allen Ovarien, die mit Flemmingscher Lösung fixiert waren und zwar hier in grösster Menge. Alle nur einigermassen oberflächlich gelegenen Zellen, gleichgültig ob Oogonien oder Oozyten, zeigten dann den fraglichen Zustand in mehr oder weniger starker Ausbildung und 2. In den Ovarien von Tieren, die in Gefangenschaft ge- halten waren. Wie ich schon früher (1918b) des längeren auseinander- gesetzt habe, sind die jüngsten Oozyten gleich nach Beendigung der Oogonienteilungen wahrscheinlich wegen ihrer, auch beim Olm nachweisbaren ungünstigen Kernplasmarelation weniger wider- standsfähig als später und unterliegen deshalb besonders leicht irgend welchen schädigenden Einflüssen. Selbst bei kurzdauernder Gefangenschaft geht eine grosse Anzahl von ihnen zugrunde und zwar unter dem Bilde der Chromatolysis, des staubförmigen Chromatinzerfalles. Aber auch physiologischerweise gehen beson- ders bei Tieren, bei denen eine starke Oogonienvermehrung statt hat und dementsprechend eine grosse Teilungsmüdigkeit, bedingt durch sehr ungünstige Kernplasmarelation eintritt, eine grosse Anzahl der jüngsten Oozyten unter den nämlichen Erscheinungen zugrunde. Da Jörgensen nur die Ovarien von Olmen untersucht hat, welche einige Zeit in Gefangenschaft gehalten und schweren: Schädigungen ausgesetzt waren, so ist es selbstverständlich, dass Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 1053 er auf die fraglichen Stadien stossen musste, die er dank seiner Unkenntnis der betreffenden Einflüsse in die normale Oogonese einreiht. Aber auch die unzweckmässige Auswahl der Fixierungs- mittel spielt bei seinen Untersuchungen eine Rolle. Er verwendet in der Hauptsache das starke Flemmingsche Gemisch, noch dazu bei einer Temperatur von 50 Grad, ohne auch nur zu ahnen, dass durch ein solches Verfahren das Oxychromatin in seinen feineren Strukturen vollkommen zerstört wird. Ich habe darauf schon im ersten Teil der Arbeit hingewiesen und auch gezeigt, dass Flemming selbst (1895) betont hat, dass das Chromatin der jüngsten Spermatozyten und ÖOozyten mittels seines Gemisches sich nicht darstellen lässt). Diese Tatsache kann nicht scharf genug betont werden, denn ihrer Nichtbeachtung haben wir, neben der Unkenntnis der physiologischen und pathologischen Rückbildungsvorgänge in den Keimzellen, wohl in erster Linie die Einschleppung und hart- näckige Verteidigung der Lehre von der Chromatinzerstäubung in den jüngsten Gonozyten zu verdanken. Es ist auffällig, dass viele Forscher, so besonders v. Winiwarter und Sainmont (1900, 1912) welche gleichfalls das fragliche Stadium beschreiben, aus- schliesslich oder wenigstens fast ausschliesslich Flemming fixiertes Material untersuchten, ohne auch nur mit einem Wort die schädlichen Einflüsse dieses Mittels zu erwähnen. Sie alle wurden getäuscht durch den guten Erhaltungszustand, welchen die Zellen in bezug auf ihre Form aufweisen. In der Oogenese beschreibt wohl als erster Bouin (1901) das fragliche Stadium, nachdem es schon vorher in der Sperma- togenese von Ascaris megalocephala durch Van Beneden und Julin (1880) „entdeckt“ wurde. Auch Bouin hat neben anderen Flüssigkeiten das Flemmingsche Gemisch zur Fixierung verwendet und ausserdem in erster Linie degenerierende Kerne mit völlig zerstäubtem Chromatin, deren Membran sogar schon verschwunden war, in die normale Oogenese eingereiht. Lams beschreibt das Vorkommen der Zerstäubung ebenfalls, ebenso Gemil, wohingegen King seine Abwesenheit bei Bufo ausdrücklich betont. !) Nach meinen Erfahrungen wird auch das Kerngerüst der Oogonien und Spermatogonien in den oberflächlichsten Schichten des, Ovar durch Osmiumsäure zerstört. 104 H. Stieve: Ich habe schon früher nachgewiesen, dass alle die erwähnten Mitteilungen auf Einschaltung von Rückbildungsformen in die normale Oogenese beruhen und will deshalb hier meine Erörte- rungen nur auf die Untersuchungen von Jörgensen beschränken. Nach seinen Angaben und Abbildungen folgt die Zerstäubung unmittelbar auf das Diasterstadium der letzten Ogonienteilungen (Taf. 33, Fig. 8 l. e.), in dem die Chromosomen noch einzeln liegen und äusserst deutlich erkennbar sind. Die Ausbildung der Tochtersterne, ihre Abschnürung, die Entstehung der Kernmem- bran wird nicht beschrieben. Es folgt vielmehr sofort das Stadium Abb. 9 (Tafel 33 1. ce.) In dem Kern der dort abgebildeten Oozyte ist mit Ausnahme einiger nukleolenähnlicher Gebilde keine Spur von irgend welcher geformten chromatischen Substanz zu erkennen und auch diese Nukleolen sind ein Kunsterzeugnis, sie stellen ‘die Überreste der grossen, den Kreuzungsstellen der oxychromatischen Fäden angelagerten Basichromatinklumpen dar, an denen die Höcker und Auswüchse durch die Osmium- säure vernichtet sind, denn normalerweise finden sich in den jüngsten Oozyten keine oder nur ganz vereinzelte Nukleolen, die wahrscheinlich auch nichts anderes sind als Uhromatin- ansammlungen mit glatter Oberfläche. Über die Rekonstruktion des Kerngerüstes vermag Jörgen- sen auch nichts zu berichten, nur in vereinzelten sehr seltenen Fällen beobachtete er in der homogenen Kerngrundsubstanz das Auftreten feiner achromatischer Körner, die schliesslich bei zu- nehmendem Wachstum basophil werden und dann zur Bildung eines Monospirems zusammentreten. Der Vorgang vollzieht sich aber nur in den Gedanken Jörgensens, er wird in keiner Weise durch Abbildungen belegt, vielmehr stellen Fig. 10 und 11 (Taf. 33 l. ce.) noch ganz typische „Zerfallsstadien“ dar, während die nächste Zelle!) (Fig. 13, Tafel 33 1. c.) ein sehr deutliches Chromatingerüst in netziger Anordnung zeigt und in ihrem Bau vollkommen denjenigen Zellen entspricht, die ich als jüngste Oozyten erkannt habe. Dieses ist also das Stadium, welches sich an die Oogonien- teilung anreiht, die ganzen Zerstäubungsstadien sind gewaltsam und ohne jeden Übergang in die Entwicklungsreihe eingeschoben worden. Bemerkenswert ist dabei die Feststellung Jörgensens, 2) Abb. 12 ist ein Degenerationsstadium. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 105 dass die jüngsten Oozyten in grosser Menge zugrunde gehen, sie werden von einer „Massenvernichtung heimgesucht“. Als erstes Anzeichen des beginnenden Untergangs sieht er die Faltung der Kernmembran und die Ansammlung von Fett im Oozytenleib an. Das erstere ist stets das Zeichen eines schon weiter fort- geschrittenen Zerfalles, wohingegen die Anwesenheit osmierter Granula ein ganz gewöhnliches Vorkommnis darstellt, das weder für noch gegen den degenerativen Charakter einer Zellform verwendet werden kann. V. Schmidt hat keine Chromatinzerstäubung beobachtet, ob- wohl er seine Olme zum Teil erst nach längerer Gefangenschaft untersuchte. Bemerkenswert ist dabei, dass er zur Konservierung keine Osmiumsäure verwendet hat. Born(1894), Lubosch (1902) und Janssens (1904) erwähnen in der Oogenese von Triton das Zerstäubungsstadium nicht, eben- sowenig Carnoy und Lebrun (1907 —1901), auch von ihnen hat, ganz abgesehen davon, dass sie den jüngeren Entwicklungsstadien überhaupt keine oder nur geringe Aufmerksamkeit zuwendeten, keiner Osmiumsäure zur Fixierung benützt. Degenerationsformen, gekennzeichnet durch die mehr oder weniger starke Lappung des Kernes, die Verklumpung oder Zerstäubung des Chromatins und die starke Fettansammlung im Plasmaleib konnte ich nur unter den Oogonien nachweisen, geradeso wie sie im Hoden nur bei den Spermatogonien vorkommen. Der Untergang ‘der Oozyten, der in der Hauptsache, ja man kann nach meinen Beobachtungen sagen beim Olm ausschliess- lich, durch schädigende äussere Einflüsse bewirkt ist, vollzieht sich immer unter dem Bilde der Chromatinzer- stäubung. Jörgensen unterscheidet zugrunde gehende Oogonien mit deutlich erkennbarem Chromatingerüst und zugrundegehende Oozyten mit zerstäubtem Chromatin. Die fraglichen Bilder stellen jedoch durchweg Oogonien dar, die Verschiedenheit der Kernbilder wird nur durch den verschiedenen Einfluss der Fixierungsmittel bewirkt. Ich stimme mit Jörgensen vollkommen darin überein, dass alle Kerne mit gefalteter Membran, die nicht regelmässige Kugel- oder Ellipsoid-Form zeigen, soweit ihre Gestalt nicht durch die Fixierung oder den Druck der umgebenden Gewebspartien beeinflusst ist, stets Degenerationsstadien darstellen, werde hierauf jedoch erst in einem späteren Teil der Arbeit zurückkommen. 106 H. Stieve: Il. Die polare Orientierung. a) AngabenJörgensens über den Chromatinaustrittaus dem Kern. Nachdem die jungen Oozyten ziemlich rasch zu einer be- stimmten Grösse herangewachsen sind, die der endgültigen Grösse der Spermatozyten entspricht, bildet sich in ihrem Inneren ein kontinuierlicher Chromatinknäuel aus, der zunächst den Kern in regellosen Windungen gleichmässig durchsetzt. Ohne dass ein Zerfall in einzelne Uhromosomen eintritt, ordnet er sich dann polar an, indem zuerst in der Polseite, schliesslich im ganzen Kern die einzelnen Fadenturen eine bestimmte Richtung annehmen, das heisst, gegen den der Sphäre gegenüber liegenden Teil der Kernmembran zu verlaufen. Die Orientierung erfolgt ohne jede Kontinuitätstrennung des Fadens, einzig und allein durch seine Verkürzung und Verdickung, infolge der Konzentration des Chromatins. Dabei bleibt die Kernmembran stets deutlich erhalten, ein direkter Durchtritt von Chromatin in das Plasma findet nicht statt. Der Vorgang vollzieht sich in identischer Weise wie in der Spermatogenese, die Anzahl der Fadenturen ist auch hier gleich der Chromosomennormalzahl, eine Parallelkonjugation oder über- haupt eine Reduktion der Chromosomen findet während der polaren Orientierung, wie sich durch die zahlenmässige Fest- stellung erweisen lässt, sicherlich nicht statt. Ich will hier nicht nochmals auf die Einzelheiten dieses Prozesses eingehen, sondern verweise auf meine diesbezüglichen Ausführungen im ersten Teil. Bemerken möchte ich nur, dass der hie und da an den Chromo- somen erkennbare Längsspalt, wie die Zählung ohne weiteres ergibt niemals der Ausdruck einer Reduktion ist. Vielmehr dürfte es sich bei ihm lediglich um das Wiedersichtbarwerden des schon in den Telophasen der letzten Oogonienteilungen zu beobachtenden Spaltes handeln. Jörgensen hat die Entwicklung der polaren Orientierung nicht beobachtet, sein Material ist ja, wie er selbst (Seite 457) angibt unzureichend. Die Entwicklung des dünnen richtungslosen Knäuels konnte er zwar feststellen, er lässt aber diesen Knäuel zerfallen, indem er die Prophase einer Oogonienteilung in die Oozytenentwicklung einschaltet. In ihr sind die einzelnen Chromo- somen, wirr im Kern liegend, deutlich zu erkennen, so etwa wie es meine Abbildung 2 wiedergibt. Ein solches Stadium kommt Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 107 aber bei den Oozyten nicht vor, der Knäuel erfährt hier vor der polaren Orientierung keinen Zerfall. Darüber, wie die polare Orientierung eigentlich zustande kommt, macht sich Jörgensen überhaupt keine Gedanken, sie ist einfach auf einmal da. Er unterlässt auch jegliche Zahlenermitt- lung, die doch gerade für die fraglichen Vorgänge von ausschlag- gebender Bedeutung wäre und untersucht die Formen nur an mit heissem Flemmingschen Gemisch fixierten Zellen, weil sich durch sie „die Kernverhältnisse während der Wachstumsperiode bei weitem am zuverlässigsten“ darstellen lassen. Wie schwer der Irrtum ist, in den Jörgensen sich gerade mit dieser Fest- stellung begibt, werde ich im folgenden zeigen können. Auch Jörgensen beobachtet die Zusammensetzung des Fadens aus einzelnen Körnern und stellenweise das Auftreten eines Längsspaltes. Die verschiedene Länge der Fadenturen sucht er mit einem verschiedenen Kontraktionszustand der einzelnen Chromosomen zu erklären. eine Anschauung, die keinerlei Wahr- scheinlichkeit für sich hat, denn bei verschieden starker Zusammenziehung von an und für sich gleichlangen Gebilden müsste doch der Unterschied in der Länge durch entsprechende Dickenzunahme ausgeglichen werden. Die einzelnen Fadenturen sind jedoch in diesem Zustand stets gleich dick. Ausserdem erkennen wir ja auch bei den Oogonienteilungen, dass die einzelnen Chromosomen bei gleicher Dicke ganz verschiedene Länge besitzen, es sind eben Gebilde von ganz unterschiedlicher Grösse, eine Tatsache die im Stadium der polaren Orientierung deutlich zum Ausdruck kommt. Wenn von anderen Forschern wie z. B. von Popoff (1907), Buchner (1909) und D’Hollander (1905) und verschiedenen anderen von einer Zusammenziehung des chromatischen Fadens gesprochen wird, dann handelt es sich stets um eine gleichmässige Kontraktion aller Teile, die meistens zur sogenannten „Synapsis“ führt, mit der verschieden starken Kontraktion einzelner Chromo- somen, die Jörgensen annimmt, haben diese Vorgänge, die ja überhaupt keine normalen Verhältnisse darstellen, nichts zu tun. Während der polaren Orientierung zerfällt nach Jörgensen die Kernmembran an der Polseite, die Chromosomenenden treten scheinbar in das Plasma aus und schmelzen ab. Dabei zeigt sich, dass die aus dem Kern in das Plasma ausgestossenen „scheinbaren 108 H. Stieve: Chromosomenenden“ eine etwas andere Struktur aufweisen, als die Chromosomen innerhalb des Kernes. (Fig. 5 u. 6, Taf. 441. c.) Sie sind nämlich grobkörnig oder besser gesagt grobschollig und wesentlich plumper und kompakter als die Chromosomen innerhalb des Kernes. Jörgensen glaubt deshalb annehmen zu müssen, dass nicht die Chromosomenenden selbst austreten, sondern dass nur „Chromatin von ihnen abfliesst“. Diese Beobachtungen Jörgensens stehen im schärfsten Gegensatz zu den Ergebnissen meiner Untersuchungen. Bei keiner der vielen Zellen mit polar orientiertem Knäuel, die ich im Ovar und früher im Hoden des Olmes beobachtete, konnte ich Lücken in der Kernmembran feststellen, diese war vielmehr stets sehr gut erhalten, in keinem der Stadien konnte ich den Austritt von Chromosomen oder auch nur ihren unmittelbaren Zusammenhang mit den fraglichen Plasmaeinschlüssen feststellen. Diese waren vielmehr stets sehr deutlich durch eine schmale, helle Plasma- schicht von der Kernmembran getrennt. Aber auch mittels keiner Fixierung und Färbung gelang es mir ähnliche Bilder zu erzeugen, wie Jörgensen sie beschreibt, auch bei gefangen gehaltenen Olmen, bei denen sich zahl- reiche Zellen des fraglichen Stadium im Zustand der Rückbildung befanden. Ich fand in ihnen häufig eine starke Zusammenziehung der ganzen Chromatinmasse nach der Polseite des Kernes zu, dieser war jedoch stets durch eine deutliche Membran vom Plasma abgesetzt. Auch beim Zugrundegehen von Zellen bleibt die Kernmembran solange deutlich erhalten, bis das ganze Chromatin zerfallen ist, erst dann erfolgt seine Verteilung im Plasmaleib. Dabei möchte ich auch gleich bemerken, dass ich die synapsis- ähnlichen Kontraktionsformen, wie sie jaauch Schmidt schildert, nur bei gefangen gehaltenen Tieren feststellen konnte, niemals in den Ovarien frisch gefangener Olme. In ihnen liess sich die Synapsis aber auch nicht durch die verschiedensten Konservierungs- mittel erzeugen, ein deutlicher Beweis für meine früher (1918 b) geäusserte Ansicht, dass es sich bei dem synaptischen Phänomen nicht einfach, wie dies besonders der von Wassermann (1912) geäusserten Ansicht entspricht, um die ungünstige Wirkung der Konservierungsmittel handelt, sondern um einen besonderen, allerdings pathologischen Zustand der Zelle, der sich in der Neigung des Chromatins zu verklumpen äussert. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 109 Bemerkenswert ist dabei, dass die betreffende Rückbildungs- erscheinung erst nach längerer Schädigung durch das Gefangen- leben eintritt, bei Tieren, welche 6—8 Tage nach dem Fang getötet wurden, konnte ich noch keine synaptischen Stadien nachweisen, dagegen in grosser Menge bei einem Weibchen, welches erst vier Wochen nachdem es in meinen Besitz gelangt war, untersucht wurde. Dies erklärt ohne weiteres die Erscheinung, dass Jörgensen, dessen Material in Hinsicht auf den fraglichen Punkt zwar auch nicht einwandfrei, jedoch nur verhältnismässig kurzdauernden Schädigungen ausgesetzt war, keine Verklumpung des Uhromatins feststellen konnte, wohl aber V. Schmidt, dessen Tiere nach seinen eigenen Angaben zum Teil längere Zeit in Gefangenschaft gehungert hatten. Im Zustand der polaren Orientierung sind die Oozyten also zweifellos widerstandsfähiger und erliegen deshalb erst später den schädigenden Einflüssen, als unmittelbar nach ihrer Entstehung, eine Tatsache, die sich aus den Unter- schieden in den Untersuchungsergebnissen beweisen lässt und die vielleicht in der verschiedenen Kernplasmarelation begründet sein mag. Übrigens ist auch V. Sehmidt nicht imstande während des Synapsisstadium an den Oozyten eine Kernmembran nachzuweisen, und auch er hält die Möglichkeit für gegeben. dass während dieser Zeit Kernsubstanzen in den Zelleib austreten und dort zur Bildung des Chromidium führen. Zu dieser Anschauung bringt ihn vor allem die Tatsache, dass gerade während der polaren Orientierung des Knäuels die Mitochondrien eine Zunahme erfahren. Dies entspricht auch meinen Beobachtungen, nach Buchner (1910) gehört sogar die Lokalisierung der Mitochondrien im Zelleib gegenüber den „Enden der Chromosomen“, beziehungsweise da wir es ja mit keiner Endigung, sondern nur mit einer scharfen Umbiegung des kontinuierlichen Fadens zu tun haben, gegenüber diesen scharfen Umbiegungen, und ihre bedeutende Massenzunahme unbedingt zur Charakterisierung des „Bukettstadium“. Dagegen lässt sich nun vor allem einwenden, dass der fragliche Mitochondrienkomplex im Zelleib schon zu erkennen ist, lange bevor die polare Orientierung beendet ist, also zu einer Zeit, in der das lückenlose Bestehen der Kernmembran noch von keiner Seite bestritten wird und dass ausserdem die hauptsäch- lichste Vermehrung der Mitochondrien erst nach dem Verschwinden 110 H. Stieve: der polaren Orientierung erfolgt, also erst dann, wenn von einem Durchtritt durch die nunmehr wieder wesentlich leichter als vorher nachweisbare Membran nicht mehr die Rede sein kann. Darüber kann ja nicht der geringste Zweifel bestehen, dass in dem fraglichen Stadium eine Beziehung zwischen Sphäre und dem Chromatinknäuel besteht, sie äussert sich ja in dem Umstand, dass alle Fadenturen gegen die Sphäre zu verlaufen. Wahr- scheinlich macht sich eben schon jetzt der richtende Einfluss der Zentralkörper geltend. Ein solcher Einfluss ist jedoch keine ausserordentliche Erscheinung, denn auch bei somatischen Mitosen sehen wir häufig, dass die Chromosomen schon lange vor dem Zerfall der Kernmembran die gesetzmässigen Lagebeziehungen zum Zentriol einnehmen, welche die Bildung der Äquatorial- platte vorbereiten. In manchen dieser Fälle sind auch die Fasern der Zentralspindel schon innerhalb des Kernes ausgebildet. (Guignard 1899.) Am schlagendsten bewiesen aber wird der richtende Einfluss des Zentriols bei intakter Kernmembran inner- halb des Kernes durch die Beobachtungen von Morse (1909), der in der Spermatogenese von Blattiden ein „Bukettstadium“ beschreibt, das nach zwei Zentriolen, die nahe beieinanderliegen, zu orientiert ist, ähnlich wie beim Olm, wo ja auch das Zentriol meist zweigeteilt ist. Bei Blattiden weichen aber die beiden Zentriolen auseinander und teilen dabei das „Bukett“, bis sich im Kern zwei „Tochterbuketts“ finden, welche nach den sich diametral gegenüber liegenden Zentriolen zu orientiert sind und mit den flachen Bogen ihrer Schleifen gegen das Kerninnere sehen. Während des ganzen Vorganges bleibt die Kernmembran deutlich erhalten. Wenn es sich dabei nun auch, entgegengesetzt der Anschauung Morses, wahrscheinlich um pathologische Vorgänge handelt, so beweisen sie doch, dass morphologische, zu tief- greifenden Umlagerungen der Chromosomen führende Beziehungen zwischen Plasma und Kerneinschlüssen auch durch die Kern- membran hindurch, während ihres Erhaltenseins bestehen können, sie berechtigen jedoch noch nicht zu der Annahme, dass ein direkter Austausch von kompakten Substanzen zwischen den beiden Zellanteilen stattfindet. b) Angaben anderer Untersucher. Ein solcher wurde ja früher gerade während des Zustands der polaren Orientierung mehrmals beschrieben, so schildert vor Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 111 allem Buchner (1909) das völlige Verschwinden eines ganzen Heterochromosoma bei gleichzeitiger starker Vermehrung des Mitochondrialapparates. Aber gerade dieser Forscher äussert sich in seiner letzten Arbeit (1918) in ganz anderem Sinne als früher über die Möglichkeit des direkten Übertrittes von ungelösten Substanzen aus dem Kern ins Plasma. Jedenfalls lässt sich in der Oogenese des Olmes, ebenso wie in der Spermatogenese, ein solcher Austritt nicht nachweisen, die fraglichen Mitteilungen Jörgensens beruhen also auf Irrtum. Desgleichen sind die Angaben unzutreffend, welche darzutun versuchen, dass im Zustand der polaren Orientierung schon ein Zerfall in einzelne Chromosomen stattgefunden hat. Die Kontinuität des Knäuels lässt sich vielmehr deutlich beweisen, besonders auf ganz dünnen Schnitten erkennt man sehr gut, dass in der Polseite lediglich eine scharfe Umknickung, jedoch keine Kontinuitäts- trennung statthat. Übrigens stellt auch Jörgensen in den meisten seiner Abbildungen während der polaren Orientierung die Kern- membran recht deutlich dar, im Protoplasma die Sphäre mit dem Chromidialapparat scharf vom Kern getrennt. Nur auf zweien seiner Bilder (Tafel 35, Abb. 1, Tafel 44, Abb. 61 c.) ist tatsäch- lich eine Durchbohrung der Membran und ein direkter Zusammen- hang des Chromidium mit den Chromosomen zu erkennen. Born, Lubosch, Carnoy und Lebrun haben die polare Orientierung des Knäuels nicht gesehen, was bei den beiden ersteren nicht zu verwundern ist, ihre Untersuchungen erstrecken sich ja nur auf die Ovarien ausgewachsener Tiere während der Fortpflanzungszeit und bei diesen ist, wie ich mich durch eigene Untersuchungen an Salamandra maculosa und atra, sowie an den verschiedensten Tritonenarten überzeugen konnte, das Stadium im Gegensatz zum Olm nicht vorhanden. Sehr schön lässt es sich dagegen besonders bei Tritonen in den Ovarien junger Tiere oder älterer Tiere nach der Eiablage im Herbst nachweisen, auch Jörgensen konnte es hier finden und gibt (1913) eine sehr gute Abbildung einer Zelle in dem betreffenden Zustand, in welchem die Kernmembran deutlich erhalten ist, also oflenbar kein Chromosomenaustritt erfolgt. Auch Janssens erwähnt die polare Orientierung des Knäuels in der Oogenese von Triton. Es ist bezeichnend für die Untersuchungen von Carnoy und Lebrun, dass sie dieses auffällige und für das Verständnis der 712 H. Stieve: Reifungsvorgänge so wichtige Stadium in ihrer zehnjährigen „Galeerensträflingsarbeit“ vollkommen übersehen haben. Obwohl sie einzelne Tiere aller Altersstufen zu allen Jahreszeiten beob- achtet und Tausende von Schnitten miteinander verglichen haben, so sind doch die Angaben über die ersten Stadien der Entwick- lung denkbar lückenhaft. Nach ihren Mitteilungen weisen die kleinsten Eier von Salamandra maculosa einen Kerndurchmesser von etwa 18 .« auf, in ihnen findet sich ein kontinuierlicher Faden. Dieser wandelt sich bald in Nukleolen um, welche später zerfallen und dann meistens zur Bildung des „Magma“ führten. Auch bei Pleurodeles findet sich in den jüngsten Oozyten ein kontinuierlicher Faden, der während des Wachstums der Oozyte verschwindet, wohingegen beim Axolotl das Spirem sich zunächst wieder in Nukleolen verwandelt und dann zur Bildung des Magma führt. Auch bei Tritonen soll sich der Vorgang in ganz ähnlicher Weise abspielen. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei Anuren, hier bleibt der Chromatinfaden längere Zeit erhalten. Die Untersuchungen von Carnoy und Lebrun über diese ersten Stadien sind denkbar lückenhaft, jeder, der sich auch nur für kurze Zeit mit der Untersuchung des Ovar eines urodelen Amphibium beschäftigt hat, wird dies ohne weiteres bestätigen können. Meine diesbezüglichen Kenntnisse erstrecken sich auf die Ovarien der drei genannten Arten, besonders von Triton vulgaris habe ich seit dem Jahre 1909 über 100 Ovarien von teils frisch gefangenen, teils in verschiedenster Art beeinflussten Individuen untersucht und zu Vergleichszwecken herangezogen. die Ergebnisse dieser Arbeit werde ich jedoch erst dann veröffent- lichen, wenn ich sie in der vorgenommenen Form zum Abschluss gebracht habe. Ich werde mich jedoch im Folgenden noch des öfteren auf meine Beobachtungen stützen. Die beiden Belgier schildern nur den kleinsten Teil der vorhandenen Zellformen und geben sich auch nicht die geringste Mühe, die verwickelten und äusserst wichtigen Vorgänge nur einigermassen zu erforschen. Ihr Augenmerk richtet sich eigent- lich nur auf diejenigen Zellen, in denen Nukleolen vorkommen, denen sie ja ganz besondere Eigenschaften zuschreiben. Was Carnoy und Lebrun schildern, sind, wie ich gleich hier betonen möchte, nur Kerne mit voll ausgebildetem Monospirem und dann Die Entwicklung der Keimzellen der Grottenolmes. 115 wieder solche mit mehr oder weniger vollkommen entwickeltem oxychromatischen Netzwerk. Erst von diesem Stadium ab widmen sie dem Kern wirklich ihre Aufmerksamkeit, die ganze vor- hergehende Periode haben sie nicht beobachtet oder wie z. B. bei Triton nur äusserst ungenau und nicht den Tatsachen ent- sprechend geschildert. Über Oogonien, ihre Teilungen und die Zahlenverhältnisse der Chromosomen, die gerade für Unter- suchungen, wie sie hier ausgeführt werden, von allergrösster Be- deutung wären, werden keine Angaben gemacht. Ich brauche deswegen auf die Befunde der beiden Theologen erst bei der Besprechung der späteren Stadien näher einzugehen und kann mich nun wieder den Schilderungen Jörgensens zuwenden. e) Angaben Jörgensens über eine zweite Chromatinzerstäubung. Nach seinen Angaben werden nach der polaren Orientierung die Ühromosomen in der Gegenpolseite farblos, gleichzeitig bilden sich auf ihnen Tropfen von intensiv färbbarem Chromatin, bis schliesslich eine vollkommene Zerstäubung aller Chromosomen erfolgt und der Kern dann wieder gleichmässig homogen aussieht, ebenso wie unmittelbar nach der Entstehung der Oozyten, nur die Nukleolen liegen als deutlich abgrenzbare Gebilde in ihm. Bei manchen Individuen verschwinden die Chromosomen restlos, bei einem(!) Tier aber überdauern achromatische Reste die Zer- stäubung. Auch hier hat sich Jörgensen wieder durch die Wirkung der Flem mingfixierung, die er ja ausschliesslich zum Studium der jetzt besprochenen Kernformen benützte, täuschen lassen, Alle seine Mitteilungen sind nichts weiter als ausführliche Schilde- rungen der verschiedenen Wirkung der ÖOsmiumsäure Auf Tafel 54 (l. ec.) gibt er in Abbildung 1 ein Stadium der polaren Orientierung wieder, in dem die ÖÜhromosomen deutlich erkennbar sind, es handelt sich um eine der frühen Formen, bei denen noch genügend Basichromatin im Faden vorhanden ist. Besonders lehr- reich ist dann Abbildung 2 (Tafel 34 1. e.), eine Gruppe von polar orientierten Zellen, in der häufig auffindbaren Anordnung mit randständigen Kernen und zentral gelegenen Sphären. Die - Wirkung der Osmiumsäure macht sich wieder hauptsächlich in den oberflächlichsten Schichten geltend, nur hier sind die Chromo- somen zerstört, während sie in den tiefer gelegenen Teilen der Archiv f.mikr. Anat. Bd.9. Abt.II. 8 114 H. Stieve: Kerne noch gut erhalten sind. Also einer der bezeichnenden Fälle, in denen sich das geringe Eindringungsvermögen der Osmiumsäure geltend macht, und an solche Bilder knüpft Jör- gensen seine phantastischen Spekulationen über die einseitige Chromatinabgabe der Chromosomen, das Chromatin soll von der Polseite her „ausgezogen“ werden und deshalb verblassen die gegenüber liegenden Kernteile zuerst. Abbildung 3, 4, 5 und 5a (Tafel 34 ].c.) stellen dann Kerne dar, in welchen das oxychromatische Gerüst schon mehr oder weniger stark ausgebildet ist, aber durch die Osmiumsäure voll- kommen zerstört wurde. Derartige Formen konnte ich in allen mit Flemmingscher Mischung fixierten Ovarien nachweisen, sie finden sich stets in ihnen, aber auch nur in ihnen, und beweisen eben die Tatsache, dass alle feineren oxychromatischen Kern- strukturen der Osmiumsäure nicht standhalten können. Auch Jörgensens Abbildung 13, 14 und 15 (Tafel 35 1. c.) sind nichts anderes als Fixierungsartefakte. Dagegen stellen Abbildung 6, 7 und 8 (Tafel 44 1. cc.) sowie Abbildung 7, 8 und 12 (Tafel 35 1. c.) Zellen dar, die vielleicht wegen ihrer günstigen Lagerung dem schädigenden Einfluss nicht so sehr ausgesetzt waren und bei denen dementsprechend wenigstens Teile der Chromatinstruktur erhalten sind. An einigen dieser Kerne ist dabei wieder die verschiedene Fixierung der beiden Hälften zu erkennen, auf die ja besonders Schaffer (1919) aufmerksam gemacht hat. Dass die Erzeugung derartiger einseitig fixierter Kerne ein besonders bei Osmiumsäurebehandlung häufiges Vorkommnis ist, beweisen auch Veränderungen, welche Fuchs (1891) an den oberflächlichen Epithelzellen von Pinguicula und ebenso an einem Flügelfell (1892), das lebend in Flemmingsches Gemisch gebracht wurde, feststellen konnte. Die Kerne waren alle an die Basalseite der Zellen ver- lagert, das Chromatin in ihnen gleichfalls an der basalen Seite zusammengedrängt. Dadurch entstehen im Kern zwei Zonen, eine helle, die gegen die Oberfläche des Organs zu gelegen ist und eine dunkle, die sich in der Tiefe befindet. Dass Jörgensen neben diesen schlecht fixierten Kernen aber auch normale Zellbilder gesehen hat, beweist eine ganze Reihe seiner Abbildungen, die nach Zellen gezeichnet wurden, die mit - Sublimateisessig fixiert waren. In ihnen stellt er die einzelnen Stadien in der gleichen Weise dar, wie ich es hier getan habe. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 115 So zeigt die linke Zelle von Abbildung 6 (Tafel 35 1. c.) einen gut ausgebildeten dicken, richtungslosen Knäuel, auf Abbildung 10° (Tafel 44 1. c.) ist sehr schön der Zerfall des Knäuels und die paarweise Verschlingung der Chromosomen zu erkennen, desgleichen zeigt Abbildung 9 (Tafel 35) einen Kern, den Jörgensen für ein pathologisches Stadium hält, in dem aber recht deutlich die einzelnen Chromosomen zu erkennen sind. Das fragliche Stadium soll dadurch zustande gekommen sein, dass in der jugendlichen Oozyte während der polaren Orientierung die Chromatinabgabe und die Bildung von Degenerationsnukleolen unterblieben- ist, ebenso später die Zerstäubung des Chromatins, und dass deshalb die Chromosomen zu so grossen. dicken Gebilden heranwachsen. Welcher Umstand allerdings dazu berechtigt, alle diese Vorgänge als „pathologisch“ anzusehen, wird nicht auseinander gesetzt. Von Wichtigkeit ist dabei nur, dass Jörgensen selbst angibt, die Ausstossung von Chromatin könne auch unterbleiben, sie sei also keineswegs ein allgemein zu beobachtender Vorgang. Was die eigentliche Zerstäubung des Chromatins nach der polaren Orientierung betrifft, so unterscheidet Jörgensen zwei Formen, nämlich erstens die unvollständige Zerstäubung, bei welcher achromatische Chromosomenreste erhalten bleiben und zweitens die vollständige Zerstäubung, bei der jede Spur der Chromosomen verschwindet. Im ersten Fall soll die Chromatin- rekonstruktion rascher und auf den Bahnen der persistierenden Chromosomenreste, im zweiten Fall aber langsamer erfolgen, hier ist die Anlage der Chromatingranula vollkommen diffus. „Jeden- falls infolge des Mangels von Chromosomenresten hat das heran- wachsende Chromatin keinerlei Sammelstellen und Kristallisations- bahnen“, deshalb die diffuse Chromatinbildung. Dabei kommt es bei der Neubildung des Uhromatinnetzes im Inneren des Kernes zur Ausbildung von Kernsafträumen, die in der Folge eine recht beträchtliche Grösse erlangen können. Alle diese Formen stellen jedoch nichts anderes dar, als Kerne, die in verschieden starker Weise durch die Osmiumsäure beeinflusst sind. Bemerkenswert für die ganze Art der Darstellung Jörgensens ist dabei nur, dass er hier angibt, die Chromosomen werden vollkommen zerstäubt und wenige Seiten später des langen und breiten auseinander- zusetzen versucht, dass auch in diesen Fällen Chromosomenreste, allerdings für uns unsichtbar, die Zerstäubung überdauern. 8*+ 116 H. Stieve: Bei der Beschreibung der Befunde habe ich deutlich gezeigt, dass die Uhromosomen nach eingetretener Längsspaltung ihre- seitlichen Ausläufer sehr stark verlängern und nach Abgabe des- Basichromatins ein äusserst feines Netzwerk bilden, das bei jüngeren Tieren sehr rasch, bei älteren erst etwas langsamer den ganzen: Kern ausfüllt. Bei diesen letzteren findet man häufig das Kern- innere nur teilweise durchsetzt von den Zügen oxychromatischer Kernfäden und zwischen ilınen grosse Räume, die lediglich von Kernsaft eingenommen werden. In diesem Stadium, wo das Ohromatin ausschliesslich aus oxychromatischer Substanz ohne- jede, oder jedenfalls nur mit ‚ganz geringer Beimengung von Basichromatin besteht, zeigt es wieder eine hochgradige Hinfällig- keit gegenüber der Einwirkung der Osmiumsäure, die um so grösser ist, je stärker es der schädigenden Wirkung ausgesetzt ist. In erösseren Kernen hat sich dann das Chromatingerüst, zum Teil wohl als Folge der zunehmenden Basizität, derartig verstärkt, dass es auch der Osmiumsäure stand zu halten vermag und von diesem Zeitpunkt ab decken sich meine Befunde wieder, wenigstens. was das Verhalten der Chromosomen betrifft, mit denen Jör- gensens. d) Angaben anderer Untersucher. Von anderen Autoren haben in der Eireifung der Amphibien das Stadium der polaren Orientierung nur Lams (1907), King (1908) und Janssens (1904) beschrieben. Lams schildert unter Anlehnung‘ an die Mitteilung Bouins (1901) in den jüngsten Oozyten nach einer anfänglichen pulverförmigen, wie ich früher nachgewiesen habe, pathologischen Zerstäubung des Chromatins die Ausbildung‘ eines kontinuierlichen Knäuels, dieser segmentiert sich, die einzelnen Chromosomen ordnen "sich polar an und erfahren dann eine: Zusammenziehung (Synapsis). Hierauf bildet sich der Chromatin- faden wieder zu einem dicken, kontinuierlichen Spirem um, das- bald darauf eine Längsspaltung erfährt und schliesslich abermals in einzelne Chromosomen zerfällt, die zu Chromatinfadensträngen umgewandelt werden. Im Grunde genommen hat Lams bei Rana temporaria die nämlichen Vorgänge beobachtet, wie ich beim Olm, zuerst die Ausbildung des dünnen richtungslosen Knäuels, dann seine Orien-- tierung. Dass in der Zwischenzeit ein Zerfall in einzelne Chromo- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. EF7 somen erfolgt, erscheint äusserst unwahrscheinlich, da ja nach dem Verschwinden der Orientierung wieder ein kontinuierlicher Faden, der dicke richtungslose Knäuel, vorhanden ist, der dann in der gleichen Weise wie bei Proteus zerfällt und zu Lampen- zylinderputzerchromosomen umgewandelt wird. Über die Synapsis brauche ich mich hier nicht näher auszulassen. Helen King beschreibt die frühe Entwicklung der Oozyten bei Bufo lentiginosus, es kommt hier zur Ausbildung eines konti- nuierlichen Fadens, der ohne deutlich nachweisbare Orientierung eine Zusammenziehung (Synapsis) erfährt. Allerdings erfolgt diese Zusammenziehung häufig nach der einen Seite des Kernes hin, es wird jedoch nicht angegeben, ob gerade dieser Abschnitt der Sphäre zunächst liegt. Später verteilt sich der Faden wieder gleichmässig im ganzen Kern und ist jetzt wesentlich dicker als früher. Er erfährt hierauf eine Längsspaltung und zerfällt dann in einzelne Chromosomen, die wie der Faden selbst, aus zwei „Schwesterhälften“ bestehen. Sie winden sich später umeinander und bilden sich dann schliesslich zu Chromatinfadensträngen um. Im Gegensatz zu den basichromatischen Nukleolen ist. das Chro- matin dieser Chromosomen oxychromatisch. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Synapsis fast stets im Stadium der polaren Orientierung des Knäuels zustande kommt, dann dürfen wir wohl schliessen, dass auch Bufo hier keine Ausnahme macht. Die starke pathologische Zusammenziehung des Chromatins in diesem Zustand lässt eben keinerlei Einzel- heiten in der Zusammensetzung des Knäuels erkennen. Auch die polare, oder wenigstens einseitige Lage im Kerninneren lässt ja die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass es sich auch hier um eine Zusammenziehung des polargerichteten Knäuels handelt. Ist dies der Fall, dann decken sich die Befunde Kings vollkommen mit meinen beim Olm erhobenen, auf Einzelheiten brauche ich wohl nicht mehr hinzuweisen. Wichtig ist vor allem, dass King den Unterschied in der chemischen Reaktion zwischen Chromosomen und Nukleolen so klar darstellt und gegenüber von anderen Autoren, vor allem von Carnoy und Lebrun betont. Allerdings gebraucht sie die Bezeichnungen Basichromatin und Oxychromatin anders als das sonst üblich ist. Später beobachtete King dann neben den Lampenzylinderputzerchromosomen fädige glatte Gebilde, die aus Nukleolen entstehen, mit den Chromosomen jedoch nichts 118 H. Stieve: zu tun haben. Es handelt sich hier offenbar um zerfallende Kernkörper. Bouin schenkt der eigentlichen Oogenese keine grosse Auf- merksamkeit, seine Untersuchungen beschäftigen sich in der Hauptsache mit der Differenzierung der Oogonien und Follikel- zellen und nur nebenher mit der Entwicklung der Oozyten. Er stellt zunächst eine staubförmige Verteilung des Chromatins fest, dann entsteht ein basichromatisches Netzwerk, aus diesem ent- wickelt sich ein kentinuierlicher Faden, der schliesslich in basi- chromatische Körner zerfällt. Seine Aufnahmefähigkeit für Safranin: verringert sich aber und man erblickt zwischen den einzelnen Körnern eine oxychromatische Bindesubstanz. Diese bleibt bestehen und führt schliesslich zur Bildung eines oxychromatischen Kern- gerüstes, dem nur einige wenige basichromatische Nukleolen ein- gelagert sind. Wenn nun auch Bouin alle diese Vorgänge recht kurz und zum Teil auch ungenau schildert, so ist er doch der erste. der den Reaktionswechsel der chromatischen Substanz beobachtet hat. Er glaubt allerdings, dass die eigentlichen Chro- mosomen zugrunde gehen und statt dessen oxychromatische Fäden neu entstehen, dies ist jedoch nur eine unrichtige Deutung richtiger Befunde. Nach Born (1894), der ja den frühesten Stadien der Ei- entwicklung nur sehr geringe Aufmerksamkeit schenkt, und vor allem ebensowenig wie Carnoy und Lebrun und Lubosch auf die chemische Reaktion Rücksicht nimmt, löst sich in den jüngsten Oozyten von Triton das primitive Kerngerüst auf, indem sich seine einzelnen Teile verbreitern und in immer feinere Körner und Fäden zerfallen, es entstehen schliesslich gröbere und feinere Wolken, welche die Überreste der Chromosomen darstellen, bis sich endlich die chromatische Substanz im ganzen Kern gleich- mässig verteilt, so dass ihr Nachweis, wohlgemerkt mit basischen Farben nicht mehr gelingt. Der angebliche Zerfall der Chromosomen in feine Körner und schliesslich in „Wolken“ bis zur gleichmässigen Verteilung im ganzen Kern ist auch hier nichts anderes als die Entstehung- der Lampenzylinderputzerformen, die dank ihres Farbumschlages sich bei Anwendung reiner Kernfarbstoffe der Beobachtung ent- ziehen. Auf die Befunde von Lubosch (1902), der in seiner ganzen Anschauung und in der Deutung seiner Befunde in der Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 119 Hauptsache zwischen der Auffassung vonRückert und Born einer- seitsund CarnoyundLebrun andererseits hin und her schwankt und versucht, diese prinzipiell verschiedenen Ansichten durch einen Kompromiss zu vereinigen, werde ich erst später zu sprechen kommen. IN. Das gleichmässig ausgebildete Kerngerüst. Auf die weiteren Veränderungen, die sich an der chroma- tischen Substanz nach dem Verschwinden der polaren Orientierung abwickeln, auf die Ausbildung des dicken richtungslosen Knäuels, seine Längsspaltung und den Zerfall in einzelne Chromosomen brauche ich hier nicht nochmals näher einzugehen. Die Vorgänge spielen sich gerade so ab wie bei der Samenreifung und erscheinen nur durch die Anwesenheit und die starke Ausbildung der seit- lichen Ausläufer verwickelter. Ich möchte nur nochmals betonen, dass nach dem Zerfall des Knäuels die Normalzahl, also 18 längs- gespaltene Chromosomen vorhanden sind, ein deutlicher Beweis dafür, dass während der polaren Orientie- rung keine Reduktion, gleichgültig auf welche Weise, erfolgt. Die Chromosomen selbst besitzen während dieser Zeit die typische Form der Lampenzylinderputzer, sie bestehen aus quer- gestellten oxychromatischen Fäden, die anfänglich . vorhandenen zentralen Körnerreihen erfahren nach und nach eine wesentliche (Grössenabnahme ihrer Einzelgebilde und verschwinden schliesslich ganz. Gleichzeitig vermehrt sich die Zahl der Nukleolen recht wesentlich, sie bestehen aus Basichromatin, färben sich jedoch zunächst noch nicht sehr intensiv. Die starke Verlängerung und innige Verflechtung der seit- lichen Chromosomenausläufer führt schliesslich zur Ausbildung eines den ganzen Kern vollkommen gleichmässig durchsetzenden oxychromatischen Netzwerkes. Der Vorgang spielt sich bei jüngeren Individuen rascher ab als bei älteren, bei diesen bleiben einerseits die zentralen Körnerreihen länger bestehen, andererseits breiten sich die seitlichen Ausläufer nicht so rasch aus, so dass in den zentralen Bezirken der Chromosomen schon das endgültige Netz- werk gebildet sein kann, während andere Partien des Kernes noch frei von Chromatinfäden sind. Es handelt sich hier jedoch nur um graduelle Unterschiede und keinesfalls um zwei verschiedene Formen der Eientwicklung. 120 H. Stieve: Noch während der Ausbildung des oxychromatischen Kern- gerüstes beginnt auch das eigentliche Wachstum der Oozyte, welches zunächst zu einer ziemlich gleichmässigen Vergrösserung von Kern und Plasma führt. Hand in Hand damit vergrössert sich auch das Kerngerüst, seine einzelnen Fäden werden dicker und deutlicher und erfahren dabei gleichzeitig chemische Ver- änderungen, die ihren sinnfälligen Ausdruck darin finden, dass sie nach und nach wieder ‘die Fähigkeit zur Aufnahme basischer Farbstoffe erlangen. In den späteren Abschnitten des Kern- wachstums erfährt dann das wieder stärker basichromatische Chromatingerüst eine weitere Vergrösserung durch teilweise Spaltung seiner Fäden. Während der Ausbildung des Gerüstes finden sich zahlreiche Nukleolen im ganzen Kerninneren, später hauptsächlich im der Peripherie, unmittelbar unterhalb der Membran. Äusserst wichtig sind bei allen diesen Vorgängen die tiefgreifenden chemischen Veränderungen, welche die chro- matische Substanz erfährt, sie sind ein deutliches Zeichen der äusserst regen Tätigkeit der Zelle. Auf sie werde ich erst später zurückkommen und will hier zunächst wieder die Befunde der anderen Autoren besprechen. PX Das kritische Chromosomenstadium in der ganzen Eient- wicklung, das heisst dasjenige, in welchem ihr Nachweis am schwersten gelingt, ist zweifellos dann vorhanden, wenn das ganze Uhromatingerüst ausschliesslich aus feinen, stark oxychro- matischen Fäden besteht. Diese nehmen im allgemeinen basische Farbstoffe nur sehr schlecht auf, obwohl sie sich auch mit Safranin schwach darstellen lassen, aber nur dann, wenn keine entsprechende Gegenfärbung angewendet wird und auch kein (entianaviolett mit den Schnitten in Berührung kommt. Dagegen lassen. sie sich sehr deutlich mit allen sauren Farbstoffen anschaulich machen, so besonders mit Lichtgrün, Eosin und Säurefuchsin, sehr gut auch mittels des Gentianaviolett und Orange G und auch leidlich mittels des Delafieldschen Hämatoxylins. Es ist jedoch nicht möglich, sie mittels der Heidenhainschen Eisenhämatoxylin- methode anschaulich zu machen, auch nicht, wenn nach der Vor- schrift Heidenhains (1907 S. 152) nur kurz gebeizt und sehr kurz extrahiert wird. Diese Tatsache ist von besonderer Bedeutung. Worauf diese besondere Reaktion beruht, vermag ich nicht fest- zustellen, sie ist um so merkwürdiger, als ja sonst durch die Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 121 Heidenhainsche Methode alle Kerneinschlüsse ohne Rücksicht auf ihr chemisches Verhalten gleichmässig schwarz dargestellt werden. Die Tatsache, dass das Gerüstwerk auch gewisse basische Farbstoffe, allerdings nur bei Abwesenheit von sauren aufnimmt, ‚darf nieht verwundern. Denn wie Heidenhain angibt, sind alle Eiweisskörper „gewissermassen sauer-basischer Natur“, vermögen also sowohl Farbbasen als auch Farbsäuren aufzunehmen. Die hier festgelegten Unterschiede treffen also nur insofern zu, als das Oxychromatin vorzugsweise saure, das Basichromatin vorzugsweise basische Farbstoffe aufzunehmen befähigt ist. Am empfindlichsten gegen alle die Unterschiede erweist sich das Methylgrün, denn es tingiert das Chromatin nur dann, wenn die Basophilie sehr stark ausgebildet ist. Allein oder gleichzeitig mit Eosin angewendet, stellt es nach meiner Erfahrung das feinste Reagens auf basi- chromatische Kernstrukturen dar. In Schnitten, die nur mit Methylgrün gefärbt sind, erscheinen alle Kerne im Zustand des oxychromatischen Gerüstes vollkommen farblos. dagegen sind sehr schön die basichromatischen Ansammlungen während des Kern- wachstums zu erkennen. Neben dem besonderen Verhalten gegenüber von Farbstotten seinem Reaktionswechsel, besitzt das gleichmässig ausgebildete Gerüst der wachsenden Oozytenkerne noch eine weitere Eigen- schaft, die wohl geeignet erscheint, viele Befunde anderer Autoren zu erklären, nämlich eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber von Fixierungsmitteln aller Art. Besonders schädigend wirkt auch hier wieder die Osmiumsäure, welche das Gerüst bald im ganzen Kern, bald nur in seiner oberflächlich gelegenen Seite mehr oder weniger vollständig zerstört, schädigend wirken. beziehungsweise können wirken, auch alle stark alkoholhaltigen Flüssigkeiten, da sie offenbar eine lösende Wirkung auf das Chromatin ausüben und es so aus den oberflächlichen Bezirken in die tiefer gelegenen Abschnitte des Kernes ausschwemmen. Bei der beträchtlichen Zell- grösse machen sich diese Erscheinungen besonders sinnfällig geltend. Dank seiner Unkenntnis dieser Tatsachen hat Jörgensen sich auch hier wieder täuschen lassen. Ausführlich schildert er eine ganze Reihe von mehr oder weniger schlecht und einseitig fixierten Kernen als normal und steht dabei immer noch unter dem Eindruck der längstverschwundenen polaren Orientierung des Kernes, von der zu dieser Zeit keine Andeutung mehr vor- 122 H. Stieve: handen ist. Die ersten normalen Bilder, die er gibt, stammen von Kernen, in denen die Isolierung der Einzelchromosomen beginnt, in denen also schon eine Rückbildung des Chromatin- gerüstes statthat. Auffällig ist mir dabei nur, dass er diesen Vorgang schon in Kernen von 100:150 u beobachten konnte, während ich ihn frühestens bei einem Kerndurchmesser von 250 u fand. Die früher schon erwähnte Erscheinung der individuellen Grössen- und Entwicklungsunterschiede kommt hier also besonders deutlich zur Geltung. Das oxychromatische Netzwerk selbst und seine ganze Ent- stehung ist Jörgensen entgangen, ebenso hat er das basi- chromatische Gerüst nicht beobachtet, er macht jedoch auf die Unterschiede in der Chromatinreaktion aufmerksam, insofern als er alle Teile der Chromosomen, die ein, wenn ich mich so aus- drücken darf, amphoteres Verhalten zeigen, in denen also die bekannte Janusnatur der Eiweisskörper besonders deutlich zur Geltung kommt, kurzerhand als oxychromatisch bezeichnet. Auf die direkten und indirekten Beweise, die Jörgensen für die Chromosomenkontinuität ins Treffen führt, will ich hier nicht näher eingehen, er begeht ja bei seinen ganzen Spekulationen, wie ihm schon von vielen Seiten vorgeworfen wurde, eine Petitio prineipii, indem er folgert: weil die Uhromosomen die Träger der Erbschaftsanlagen sind, darum können sie nicht ganz zerstäubt werden und berücksichtigt nicht, dass wir ja gerade versuchen wollen, aus dem Verhalten der Chromosomen überhaupt irgend welche Anhaltspunkte für die Rolle zu finden, die sie bei der Vererbung spielen. Die ganzen Auseinandersetzungen Jörgensens wirken hauptsächlich deshalb äusserst befremdend, weil sich ihr Inhalt in keiner Weise mit den von Jörgensen mitgeteilten, allerdings ja meist unzutreffenden Beobachtungen in Einklang bringen lässt. Wie kann man die Kontinuität und Wichtigkeit von Gebilden beweisen, die angeblich zweimal während der Ei- entwicklung vollkommen zerstäubt werden und von denen zudem während der polaren Orientierung noch grosse Stücke an das Plasma abgegeben werden? Es erscheint nur zu berechtigt, wenn die Gegner der Chromosomenkontinuitätslehre solche in keiner Weise fundierte Beweise nicht anerkennen. Besonders merkwürdig erscheint dabei die Angabe, dass während der Wachstumsperiode der Oozyten bei Proteus eine Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes.. 123 kritische Periode der Chromosomen, wie sie von anderen Forschern beschrieben wird, nicht bestehe. Der fragliche Zeitpunkt, auf den zuerst Rückert (1892) bei Selachiern, später dann Born (1894) bei Tritonen und Mar&chal (1906) bei Chordaten aufmerksam macht, ist nichts anderes als derjenige Zustand während der Entstehung der Lampenzylinderputzerformen, in dem alles oder fast alles Basichromatin aus den Chromosomen verschwunden ist, diese sich also mit den üblichen Kernfarbstoffen nicht oder nur äusserst schwer nachweisen lassen. Was Jörgensen darstellt, ist die Isolierung der Chromosomen aus dem gleichmässig aus- gebildeten Netzwerk, wenn man sich so ausdrücken darf, schon ein Rückbildungsvorgang, der unter Abgabe des Trophochromatins zur Verkleinerung der Chromosomen führt, wohingegen die Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen ein progressiver Vorgang ist, der in einer wesentlichen Uhromatinvermehrung besteht und während dessen sich die kritische Periode _ findet. Und gerade sie ist beim Olm besonders stark und schön aus- gebildet. Jörgensen konnte sie aber nicht erkennen, da er ja die ganze Entstehung der Lampenzylinderputzerformen, die schon während der polaren Orientierung beginnt, zwar in ihren Anfangs- gründen gesehen hat und auch recht gut abbildet (Tafel 35, Fig. 1, 7 und 8, Tafel 34, Fig. 1 und 2). Er erkennt sie jedoch nicht, bezeichnet sie vielmehr als Lininbrücken, offenbar auf Grund ihres chemischen Verhaltens. Ich gebe zu, dass es schwer, ja unmöglich ist, Öxychromatin und Linin zu unterscheiden, umsomehr- als wir ja überhaupt nicht imstande sind sicher anzugeben, welche Substanzen eigentlich Linin sind, jedoch hätte Jörgensen aus der überaus grossen Ähnlichkeit der fraglichen Figuren mit den späteren, in denen er selbst die Lampenzylinderputzerformen erkennt, über die Natur der Gebilde ins Klare kommen müssen. Von anderen Autoren hat bei Urodelen zunächst Born die Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen beobachtet, jedoch auch nicht richtig erkannt, obwohl er sich auf die grundlegenden Untersuchungen Rückerts beziehen konnte. Er beschreibt die Ausbildung von Einzelchromosomen im Keimbläschen, die von „Höfen oder Mänteln einer dunkel gefärbten Substanz umgeben sind“. Die Höfe werden in der Folgezeit immer feiner, während der zentrale Faden sich fortdauernd verdünnt, bis schliesslich nurmehr die früheren „Körnerhöfe“ als wolkenartiee Züge das 124 H. Stieve: Innere des Keimbläschens durchziehen. Das ist die kritische Periode. Born bezeichnet als Chromatin nur das Basichromatin, er hat sehr genau die Ausbildung der Chromatinfadenstränge beobachtet und nur dem Oxychromatin nicht genügend Aufmerk- samkeit gewidmet. Die dunklen, körnigen Höfe sind aber nichts anderes als die oxychromatischen seitlichen Ausläufer. Lubosch und Janssens haben dann später in den fraglichen Stadien die Chromosomen nachgewiesen. >> Im Gegensatz zu Jörgensen hat V. Schmidt die Aus- bildung des oxychromatischen Netzwerkes sehr gut beschrieben. Ausdrücklich erwähnt er, dass während der letzten Stadien der „Synapsis“ die oxychromatischen Stränge nicht glatt sind, „sondern das Aussehen von Lampenbürsten haben“. Das Basichromatin ist ihnen in Gestalt feiner Kugeln eingelagert. Nach und nach lösen sich diese Stränge mehr und mehr auf und bilden ein oxychromatisches Netzwerk, in dem anfangs noch Lücken vorhanden sind, das aber später den ganzen Kern gleichmässig durchsetzt. Die Beobachtungen stimmen vollkommen mit meinen überein und bilden für mich eine angenehme Bestätigung meiner Befunde gegenüber von Jörgensen, der den. Schmidtschen Unter- suchungen so gut wie gar keine Beachtung schenkt. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen des Chromatins stellt Schmidt auch fest, dass die Zahl und besonders die Grösse der Nukleolen, ebenso wie die Intensität ihrer Färbbarkeit dauernd zunimmt. Die Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes hat er nicht feststellen können, denn die grösste von ihm beobachtete Vozyte stellt noch ein verhältnismässig junges Stadium dar. Bei Annren schildert Schultze (1886) Kerne mit vollkommen zerstäubtem Chromatin, aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei ihnen, insoferne nicht Rückbildungsvorgänge zur Beobachtung kamen, um die nämlichen’ Stadien, die ich eben besprochen habe. Dass Bouin das oxychromatische Netzwerk j beobachtete, habe ich schon erwähnt. King beschreibt bei Bufo die Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen, es kommt jedoch nicht zur Entwicklung eines voll ausgebildeten oxychromatischen Netzwerkes, vielmehr schmelzen die seitlichen Ausläufer wieder ab, noch bevor alles Basichromatin aus den Chromosomen geschwunden ist. Im Grunde genommen handelt es sich um den gleichen Vorgang wie bei Proteus, nur erlangen die seitlichen Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 125 Ausläufer keine so vollkommen gleichmässige Ausbreitung über den ganzen Kern, vielleicht deshalb, weil sein Wachstum kein so intensives ist. In ähnlicher Weise wie King schildert auch Loyez (1905/06) die Chromosomenentwicklung in der Oogenese von einer ganzen Reihe von Tierarten, ihre Untersuchungen sind aber, wie ich schon früher zu zeigen Gelegenheit hatte, grössten- teils an nicht einwandfreiem Material ausgeführt und zudem äusserst ungenau. Lams, dessen Beobachtungen sich im übrigen fast vollkommen mit meinen decken, stellt auch noch die Umwandlung der längsgespaltenen Chromosomen in die Chromatinfadenstränge fest. Auch er beobachtet die verringerte Aufnahmefähigkeit für saure Farbstoffe bei diesen Gebilden und widerlegt ausführlich die Befunde Bouins. Ältere Stadien hat er nicht untersucht. Auf die Befunde von Carnoy und Lebrun werde ich erst am Ende des nächsten Abschnittes im Zusammenhang ein- geben, sie haben aber, und das sei gleich hier bemerkt, bei allen untersuchten Objekten die Ausbildung des oxychromatischen (rerüstes in ihren verschiedenen Modifikationen beobachtet, nur lassen sie das Chromatingerüst teilweise aus den Nukleolen entstehen. Im Gegensatz dazu muss ich ausdrücklich feststellen, dass das ganze Kerngerüst ausschliesslich von den Chromosomen beziehungsweise von den seitlichen Ausläufern gebildet wird, während die Zahl und Grösse der Nukleolen gleichzeitig progressiv zunimmt. Sie unterscheiden sich vom Chromosomenchromatin in diesem Zeitabschnitt grundlegend durch die Farbreaktion und sind dauernd ohne jeden Zusammenhang mit den Chromosomen. IV. Die Rückbildung des Netzwerkes durch Isolierung der Chromosomen. a) Befunde anderer Autoren. Während des ganzen Bestehens und Wachstums des Kern- gerüstes, auch noch während der Spaltungsvorgänge, die sich an seinen Fäden vollziehen, sind die Chromosomen oder die ihnen zukommenden Kernbezirke nicht gegeneinander abzugrenzen, die Verflechtung des Fadenwerkes ist zu dicht und innig, die Über- kreuzungen zu häufig, als dass ein solcher Versuch von Erfolg begleitet werden könnte. Während dieser ganzen Zeit erfährt auch die Zahl der Nukleolen keine erhebliche Vermehrung, obwohl eine Zunahme der gesamten Nukleolarsubstanz, deutlich ersichtlich 126 H. Stieve: aus der Vergrösserung der Einzelgebilde, zu erkennen ist. Wenn der Oozytenkern dann einen Durchmesser von etwa 250 u erreicht hat, beginnen in ihm regressive Vorgänge, die seitlichen Ausläufer der Chromosomen werden resorbiert, schmelzen ab und als Folge davon treten die einzelnen Chromosomen wieder deutlich in Erscheinung. Sie verringern ihre Grösse mehr und mehr und rücken gleichzeitig in der Kernmitte zusammen. Hand in Hand damit erfahren die Nukleolen eine ganz ungeheuere Vermehrung an Zahl und Masse, die grösseren von ihnen bleiben dabei dauernd morphologisch von den Chromosomen getrennt, die kleineren hängen teilweise mit den Einzelfäden der Chromosomen zusammen und man kann häufig erkennen, wie durch Abschmelzung von den Chromosomen neue Nukleolen gebildet werden. Daneben geht auch eine grosse Zahl der Nukleolen zugrunde, sie werden unter Entstehung der mannigfachsten Formen aufgelöst, eine Umwandlung von Nukleolen in Chromosomen oder in Teile von solchen tritt jedoch niemals ein. V. Schmidt hat dieses Stadium der Bientwieklung nicht mehr beobachtet, auch Jörgensen hat nur den Anfang dieses Abschnittes gesehen und hier decken sich seine Befunde im grossen und ganzen mit meinen. Hauptsächlich in bezug auf die Kerngrösse gehen unsere Beobachtungen auseinander, indem bei allen von mir untersuchten Olmen die fraglichen Stadien erst ' wesentlich später auftreten. Auch Jörgensens Beschreibung des Baues der seitlichen Ausläufer, die er als Rami bezeichnet, ‘ decken sich mit den meinen, nur konnte er auf sehr frühen Stadien, auf denen der Kern sonst noch gleichmässig von einem Chromatinfadenwerk erfüllt ist, des öfteren einen deutlichen Längsspalt an sämtlichen „Rami“ beobachten, während ich den Spalt nur an einzelnen Stellen sah, er führt dann zu den ösen- förmigen Öffnungen, die ja nichts anderes darstellen als eine weitere Oberflächenvergrösserung des Netzwerkes. Sehr richtig weist Jörgensen darauf hin, dass die Verkleinerung der Chro- mosomen unter erheblichen Substanzverlusten vor sich geht und nicht einfach durch Konzentration des CUhromatins bedingt ist, auch er beobachtet das Abschmelzen einzelner seitlicher Aus- läufer, häufig erscheinen an ihnen knollige oder spindelförmige Verdickungen, die dann später als „Pseudonukleolen“ abgestossen werden. Was aus diesen Abfallsprodukten in der Folgezeit wird, Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 127 vermag er nicht anzugeben, er betont aber ausdrücklich, „dass sowohl die Rekonstruktion des Chromatins (Tafel 34, Fig. 6—9 und Tafel 36. Fig. 1—5) wie auch die Kristallisation der Chro- _mosomen aus dem Kernretikulum morphologisch vollkommen unabhängig von den Randnukleolen verläuft“. Auf- lösungs- und Zerfallsfiguren von den Nukleolen hat er nicht gesehen, was darin seine Begründung hat, dass diese erst in späteren Stadien auftreten, wo die Chromosomen schon recht erheblich in der Kernmitte zusammengerückt sind. Auch den letzteren Vorgang hat Jörgensen nur im Anfangsstadium beobachtet und deshalb auch die Ortsveränderungen der Nukleolen nicht gründlich studieren können. Für die Masse der zusammen- gerückten Chromosomen wählt er den von Born geprägten Ausdruck „Zentralkörper“, eine Bezeichnung, die zu Missverständnissen Veranlassung geben kann, da sie häufig auch für die Zentriolen angewendet wird und die ausserdem die Verhältnisse nicht gut kennzeichnet, handelt es sich doch nicht um einen einzelnen Körper, sondern um viele auf engem Raum zusammengedrängte Einzelgebilde. In fast der nämlichen Weise schildert auch Born und später auch Janssens die Rückbildung der Chromosomen, beide weisen nach, dass aus den früheren Chromatinfadensträngen in der gleichen Weise wie es zuerst Rückert bei Selachiern beschrieb, die Richtungschromosomen hervorgehen. Die nämlichen Verhältnisse fand King bei Bufo, Mar&chal (1907) bei den ver- schiedenen von ihm untersuchten Arten und Levi (1909) bei Amphibien, alle diese Forscher betonen die Unabhängigkeit der Chromosomen von der Nukleolarsubstanz. Allerdings nimmt Born eine Konzentration, keine Abschmelzung des Chromatins an, eine Anschauung, die bei den enormen Grössenunterschieden der einzelnen Stadien jedoch nicht haltbar ist. Die Untersuchungen von Iwakawa (1882) sind zu unvollständig, als dass ich hier näher auf sie einzugehen brauche. Oskar Schultze (1887) stellt fest, dass in bestimmten Zeiten der Eientwicklung bei Rana keine Chromosomen im Keim- bläschen nachweisbar sind und vertritt als erster die Anschauung, dass die in der ersten Reifungsteilung vorhandenen Öhromosomen aus Nukleolen hervorgegangen seien. Allerdings sind seine Angaben nur sehr kurz, seine Beobachtungen nicht sehr eingehend, 128 H. Stieve: sie beschäftigen sich in erster Linie mit anderen Fragen, weshalb ich sie gleichfalls nicht in diese Besprechungen einzubeziehen brauche. Besonders wichtig sind dagegen die allerdings leider nur kurzen Mitteilungen von Janssens (1904), die im grossen und ganzen eine Bestätigung der Bornschen Untersuchungen bilden, jedoch deshalb von fast ausschlaggebender Bedeutung für die Entscheidung der Frage nach .der Möglichkeit einer Entstehung‘ von Chromosomen aus den Nukleolen sind, weil sie durch Zahlen-- angaben belegt werden. Während der polaren Orientierung sind in den jüngsten Oozyten 12 Chromosomen vorhanden, die während der ganzen Eientwicklung bestehen bleiben. Auch wenn sie während der langen Zeitperiode manchmal so bedeutende Ver- änderungen erleiden, dass man sie oft kaum erkennen kann. so- bleiben sie doch stets unabhängig von den Nukleolen. Zwölf Chromosomenpaare treten schliesslich zur Bildung der ersten Richtungsspindel zusammen. Diese Mitteilungen Janssens, denen leider die angekündete ausführliche Arbeit nicht gefolgt ist, widerlegen die Angaben von Carnoy und Lebrun und die von Lubosch. Ich selbst habe eine grosse Anzahl von Tritonovarien untersucht und konnte mich davon überzeugen, dass sich in ihnen die Eientwicklung in der gleichen Weise: abspielt wie beim Olm, allerdings erfahren die Nukleolen eine noch stärkere Ausbildung und dementsprechend sind die Rück-- bildungsvorgänge an ihnen noch wesentlich zahlreicher und fallen mehr in die Augen. Während der ganzen Eientwicklung findet niemals eine Umbildung von Nukleolen in Chromosomen statt, eine Umwandlung in fädige Elemente, die schliesslich zerfallen, kann jedoch eintreten, genau in der gleichen Weise wie beim Olm. Lubosch hat ja bekanntlich nachzuweisen versucht, einer- seits in Anlehnung an die Untersuchungen von Rückert und Born und andererseits, um die Befunde von Carnoy und Lebrun zu bestätigen, dass sich im Keimbläschen der Tritonen die- Chromosomenentwicklung auf zweierlei Art abspielt. Im ganzen schildert er die Vorgänge der späteren Eireifung — die Anfangs- - stadien, besonders die polare Orientierung, deren Vorhanden- sein Janssens (1904) Jörgensen (1913) und ich selbst nach- weisen konnte, werden nicht erwähnt — wie folgt: Das primitive Kerngerüst der Oozyten verfeinert sich, ohne völlig zu verschwinden, . a Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 129 gleichzeitig wandern Nukleolen von der Peripherie ins Kerninnere, um sich dort in mannigfacher Weise aufzulösen und zu zerfallen. „Die Endformen dieser Auflösungen sind Fäden, die schliesslich von den bereits bestehenden Fäden des Kerngerüstes nicht mehr zu unterscheiden sind.“ Gleichzeitig werden aber wieder neue Nukleolen gebildet, die schubweise ins Kerninnere einwandern und dort zerfallen. Wenn sich der „Zentralkörper“ zu bilden beginnt, so besteht er nicht nur aus lampenzylinderputzerförmigen Chromosomen, sondern auch aus anderen „mannigfach geformten Chromosomen“. Es ist nach der Anschauung von Lubosch sicher, dass die in diesem Stadium vorkommenden Ghromosomen zum Teil aus den Nukleolen entstanden sind. „Für alle bestehenden Chromosomen diesen Ursprung nachzuweisen, ist mir nicht möglich gewesen.“ Weiterhin wandern dann Nukleolen von der Peripherie ein, zerfallen und dienen so immer wieder zur Entstehung neuer Chromosomen. Dass aber bei Triton nur 12 Chromosomen vorhanden sind, dagegen mehrere hundert Nukleolen, welche sich angeblich in Chromosomen auflösen, hat Lubosch nicht beachtet, seine Untersuchungen wurden ja ohne Rücksicht auf die Zahlenver- hältnisse und auf die erheblichen Grössenunterschiede, die sich an den Chromosomen während der Eientwicklung finden, ausgeführt und haben schon aus diesem Grunde keine höhere Bedeutung. Vor allem ist sich aber Lubosch nicht recht darüber ins Klare gekommen, was eigentlich ein Chromosoma ist. Er betrachtet jedes einzelne im Kerninneren liegende Fädchen, wohl imAnschluss an die von Carnoy und Lebrun geäusserte Anschauung, als Chromosom, nach dieser Ansicht müssten also zeitweise hundert- tausende von Chromosomen im Kern liegen, die untereinander nicht nur in bezug auf ihre Grösse, was ja möglich wäre, sondern auch auf ihre Reaktion ganz verschieden sind. Ich werde im einzelnen auf diese Befunde, auf welche die nämlichen Einwände zutreffen, wie auf die der beiden Belgier, bei der Besprechung ihrer Arbeiten eingehen und will hier nur Stellung nehmen gegen den Versuch von Lubosch, die Lehre von der Kontinuität und die von der Diskontinuität der Chromosomen dadurch vereinigen zu wollen, dass man nur einen Teil der Richtungsspindelchromo- somen auf die gleichen Gebilde der letzten Oogonienteilung zurück- führt, andere aber aus Nukleolen neu entstehen lässt. Denn ganz Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. II. 9 130 H. Stieve: abgesehen davon, dass sich ein solcher Beweis nur an Hand von Zählungen, die Lubosch ja nicht ausgeführt hat, bringen liesse und auch abgesehen davon, dass das gegenseitige Mengenverhältnis ein solches Vorkommnis ausschliesst, widerspricht es jedem Natur- gesetz, dass zwei in ihrem Bau und in ihrer Funktion ursprüng- lich gleiche Gebilde nach ganz verschiedenem Entwicklungsgang wieder zur gleichen Form zurückkehren. Die Tatsache, dass selbst Lubosch für einen Teil der Chromosomen die Kontinuität nicht bestreiten kann, wobei er nicht anzugeben vermag, wieviele von den überhaupt vorhandenen Chromosomen dies sind, beweist deutlich genug, mit welcher Unsicherheit er selbst seinen Befunden gegenüber steht. Tatsache ist eben nur, dass sich zahlreiche Nukleolen unter Bildung fädiger Strukturen auflösen, es ist jedoch ganz verfehlt, solche Gebilde einzig und allein wegen der Ähnlichkeit ihrer Form als Chromosomen bezeichnen zu wollen. b) Die Angaben von Carnoy und Lebrun. 1. Befunde an Tritonen. Ich will nun im folgenden versuchen, die Befunde von Carnoy so kurz wie möglich zu besprechen. Es ist dies keine leichte Aufgabe, denn die Schilderungen, welche die beiden Theo- logen geben, sind äusserst verwickelt und unübersichtlich und enthalten sehr viele Widersprüche. Ich empfehle daher jedem, der sich genauer mit ihren Aufsätzen beschäftigen will, zuerst die ausführlichen Referate Ficks (1898—1903) zu lesen und dem Rat dieses Autors folgend, mit dem Studium der zweiten Abhandlung (1898) zu beginnen, da sie noch verhältnismässig am klarsten abgefasst ist. Ich wähle sie aber auch noch aus dem Grunde zum Ausgangspunkt meiner Besprechungen, weil sie die Eireifung der Tritonen behandelt, ein Objekt, das mir aus eigener Anschauung wohl bekannt ist. Ganz allgemein fällt an den Ausführungen der beiden Belgier auf und erschwert das Verständnis ihrer Auseinandersetzungen, dass sie fast nie ein Stadium unmittelbar vom vorhergehenden ableiten oder wenigstens abzu- leiten versuchen, sondern stets ein Auflösungsstadium zwischen- schalten. Ausserdem befremdet den Leser, wie dies auch Fick bemerkt, die Art und Weise, wie die Arbeiten anderer Autoren kritisiert werden. In den Eiern aller untersuchten Tritonen bildet sich zunächst Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 131 ein kontinuierlicher Faden aus. Dass dieser, wie die neueren Untersuchungen von Janssens und Jörgensen gezeigt haben, die verschiedensten Entwicklungszustände durchmacht, unter anderem auch eine polare Orientierung erfährt, wird nicht erwähnt, es fällt überhaupt auf, dass die beiden Belgier eigentlich nur denjenigen Stadien grössere Aufmerksamkeit schenken, in denen sie Nukleolen nachweisen können. In der Folgezeit zerfällt der Primärfaden und zwar auf dreierlei Art und Weise, nämlich erstens durch Irradiation, das heisst unter Bildung seitlicher Aus- läufer, in der gleichen Art, wie ich es hier beim Olm beschrieben habe. Man vergleiche dazu nur die Abbildung 3a (Tafel VII. c. 1898) und wird die vollkommene Übereinstimmung mit den hier beschriebenen Stadien erkennen, wie ja überhaupt die vorzüglichen Abbildungen Carnoys sehr viel dazu beitragen, das Verständnis der Arbeit zu erleichtern, wenngleich sie häufig gerade das Gegenteil von dem beweisen, was im Text beschrieben wird. Nach und nach verschwindet der primitive Faden vollkommen, das heisst es entsteht ein den ganzen Kern gleichmässig durchsetzendes Netzwerk (Abb. 4A, 5A, 6 T Tafel VI 1898 ]. c.), das oxychro- matische Gerüst, dessen Herkunft und Identität mit den Chromo- somen nicht erkannt wird. Dagegen werden die Randnukleolen einzig und allein auf Grund ihres färberischen Verhaltens als Überreste der Chromosomen bezeichnet. In anderen, allerdings seltenen Fällen erfolgt die Auflösung des primitiven Fadens in ein Magma, das heisst das oxychromatische Netzwerk erfüllt nicht von allem Anfang an den ganzen Kern, sondern erscheint anfangs, so wie ich es besonders bei älteren Tieren beobachten konnte, vakuolisiert. Bei einem Individuum erfolgte die Auflösung noch auf etwas andere Weise, wie jedoch aus den Abbildungen deutlich zu ersehen ist (Abb. 160, 170, 18C, Tafel VIl. ce), handelt es sich auch hier um die Ausbildung eines oxychromatischen Gerüstes, das sich nur langsam ausbreitet. Manchmal kann aber der Kaden auch schon in ganz kleinen Öozyten in primäre Nukleolen zerfallen. Die fraglichen Abbildungen, die diesen Vorgang beweisen sollen, zeigen durchweg (Abb. 8 T 9 C Tafel VI) sehr kleine Kerne mit gut ausgebildetem Kerngerüst und grossem Nukleolus. Solche Formen finden sich allerdings in den Övarien der Tritonen, sie stellen aber keinen Zerfall des - Fadens dar, sondern jüngste Oozyten, zum Teil sogar Oogonien 9%* 132 H. Stieve: mit netzartig ausgebreitetem Chromatin, aus dem sich dann das. Spirem erst in der Folgezeit entwickelt. Aber alle diese Vorgänge sollen trotz ihrer Verschiedenheit stets nur zu dem einen Ergebnis. führen: Der primitive Faden ist verschwunden, den Kern durch- setzt ein gleichmässiges Netzwerk. in dem die Nukleolen einge-- lagert sind. Dieses Netzwerk ist stets das oxychromatische Netz- werk, es färbt sich intensiv mit sauren Farbstoffen und wird von den Chromosomen selbst gebildet. Carnoy und Lebrun haben den Farbumschlag des Chromatins nicht erkannt, sie bezeichnen lediglich das Basichromatin als Chromatin und halten dement-- sprechend das oxychromatische Netzwerk für anderweitige Kern- strukturen. Nach einiger Zeit beginnen dann die primären Nukleolen: sich aufzulösen, sie bilden fädige Strukturen und zwar kann sich dieser Vorgang wieder in verschiedener Art und Weise ab- spielen. In Ausnahmefällen kann es zur Ausbildung wurstförmiger, netzartiger Gebilde und eines sekundären Magma kommen. Dabei wird überhaupt nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass wie dies wohl den Tatsachen entspricht, einfach das primäre Magma bestehen bleibt, und da dieser Zustand nur in Ausnahmefällen beobachtet wurde, so mag es sich hier wohl um aussergewöhnliche,. vielleicht sogar um Rückbildungsvorgänge handeln. Die physio- logischen Rückbildungsvorgänge sind den beiden Belgiern ja ebenso wie Lubosch vollkommen unbekannt, vielmehr reihen sie jede Kernform, die sich im Ovar findet, in den normalen Ent- wicklungsgang der Oozyte ein. Sie erwähnen allerdings, dass die- Ovarien gefangen gehaltener Tiere schwere Veränderungen zeigen, welcher Art diese aber sind, wird nicht angegeben. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erfolgt aber die Auflösung der primären Nukleolen in Form von Weihwasserwedeln (Goupillon), ein Vergleich, der nicht gerade gut ist, aber den beiden Untersuchern wohl sehr nahe lag, seltener von Schlangenfiguren. Es handelt sich dabei stets um die bekannten Lampenzylinder- putzerformen, die nur bei verschiedener Schnittrichtung, je nach-- dem, ob sie auf dem Längs-, Quer- oder Schrägschnitt betrachtet werden, verschieden aussehen. Wie aus den Abbildungen zu ersehen ist, handelt es sich in beiden Fällen um den nämlichen Vorgang, es ist nichts anderes als die Isolierung der Einzel- chromosomen aus dem Kernnetz, die in der gleichen Art und. ZT u Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 133 Weise vor sich geht, wie ich es beim Olm beschrieben habe und wie sie früher Jörgensen in so klarer Weise dargestellt hat. Den Beweis, dass diese Formen aus den Nukleolen hervor- gegangen sind, bleiben die beiden Belgier schuldig, sie zeigen nur, dass einige der Nukleolen unter Bildung fädiger Figuren zu- grunde gehen. Dies soll nicht: bestritten werden, völlig ausge- schlossen ist es jedoch, dass alle die massenhaften Chromatin- fadenstränge, welche in diesem Zeitpunkt den ganzen Kern aus- füllen (Abb. 21 T 25 C Tafel VI.c.), aus den Nukleolen entstanden sind, zumal da die Nukleolen in der gleichen Art und Weise wie früher unterhalb der Kernmembran liegen. Wenn also tatsächlich schon in diesem Zeitabschnitt ein Zerfall von Nukleolen statthat, so führt dieser doch niemals zur Neubildung von Chromosomen. Carnoy und Lebrun helfen sich nun in der Weise, dass sie immer wieder neue Nukleolengenerationen entstehen lassen, während die alten zur Bildung der fraglichen Chromatinfiguren verwendet werden und prägen dabei den Satz, dass niemals eine Chromosomenfigur unmittelbar in die andere umgewandelt wird, ‘ohne Einschaltung eines Nukleolenstadium. Den. Beweis für alle diese Behauptungen bleiben aber die beiden Belgier schuldig, sie können weder dartun, dass tatsächlich eine so grosse Anzahl von Nukleolen zugrunde geht, als zur Bildung der „Weihwasserwedel“ und „Schlangenfiguren“ notwendig wäre, noch können sie die Entstehung neuer Nukleolen beweisen, noch auch die Behauptung rechtfertigen, dass die Fadenstrukturen sich wieder in Nukleolen umwandeln. In Wahrheit stellen die verschiedenen, angeblichen Auflösungsformen der Nukleolen nichts anderes dar, als ver- schiedene Entwicklungsstadien der Chromosomen, die auseinander hervorgingen, ohne zwischengeschaltete Verwandlung in Nukleolen. ‘ Es ist richtig, wir sehen bei der Untersuchung der Ei- und Samenentwicklung in den Schnitten nur einzelne Stadien, sie aneinanderzureihen, ist die Aufgabe des Forschers und es können dabei, wie die zahlreichen Auseinandersetzungen über die mögliche Seriierung zeigen, verschiedene Auffassungen zustande kommen. Es ist aber unzulässig und durch keine Tatsache begründet, zwei Stadien, deren unmittelbare Aufeinanderfolge deutlich erkannt werden kann und bei denen die Identität der vorhandenen Gebilde ohne weiteres klar ist, durch ein nirgends auffindbares Zwischen- stadium zu trennen. 134 H. Stieve: Der zweite Abschnitt in der Eientwicklunge von Triton ist nach den Angaben von Carnoy und Lebrun in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass die „Auflösungsfiguren“ nicht mehr den ganzen Kern einnehmen, sondern nur dessen Mitte und von einer hellen Zone umgeben sind, die ständig an Breite zunimmt. Mit anderen Worten, in dieser zweiten Periode rücken die Chro- mosomen in der Kernmitte zusammen. Abbildung 25 (Tafel VI. ce.) gibt eines der typischen Bilder wieder und kann ohne weiteres mit meiner Abbildung 49 verglichen werden. In der Mitte des Kernes soll wieder Neubildung und Auf- lösung von Nukleolen erfolgen, die neugebildeten kleinen Nukleolen wandern nach der Peripherie aus. Dabei werden in diese Periode ohne jede Rücksicht auf die Kerngrösse auch Stadien eingereiht, in denen das oxychromatische Netzwerk noch besteht, so stellt Abbildung 31 (Tafel VII l.c.) einen solchen Kern dar, in dessen Innerem zahlreiche, zum Teil zerfliessende Nukleolen liegen, nach meinen Erfahrungen handelt es sich hier um nichts anderes als um den Anschnitt eines Kernes, bei dem die an der Oberfläche gelegenen Nukleolen in das Kerninnere projiziert werden. Dass bei Tritonen Auflösungsformen der Nukleolen tatsächlich vor- handen sind. darüber kann schon nach den Untersuchungen Luboschs kein Zweifel mehr bestehen, auch ich konnte sie nachweisen. Ebenso sicher ist aber, dass diese Auflösungsfiguren niemals zur Bildung von Chromosomen führen, sondern nur zum Untergang der Nukleolarsubstanz. Als Beweis dafür will ich erstens die Angaben von Janssens anführen und weiterhin auf meine eigenen hier mitgeteilten Untersuchungen hinweisen, in denen ich ja den Zerfall der Nukleolen beschrieben habe. Auch bei Tritonen vollzieht er sich in der gleichen Weise, die Unabhängigkeit von den Chromosomen beweist neben der ver- schiedenen Struktur vor allem die Tatsache, dass sich eben der völlige Zerfall unmittelbar beobachten lässt. Carnoy und Lebrun ergehen sich in weitläufigsten Schilderungen dieser Nukleolenauflösungsfiguren und suchen an ihrer Hand die Entstehung und den abermaligen Zerfall der Chromosomen zu beweisen. Sie bringen auch zahlreiche Bilder von diesen Vorgängen, zeigen dann auch wieder Schnitte, die nicht durch die Mitte des Kernes geführt sind und den zentralen Chromosomenhaufen überhaupt nicht treffen (Abb. 34, Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 155 Tafel VII l. c.) oder nur die umgebenden Nukleolarpartien (Abb. 32a, Tafel VII l.c.). Durch sie soll bewiesen werden, dass in manchen Stadien jede Spur der Fadenstrukturen ver- schwunden ist. Schliesslich erfolgt dann eine Wanderung der Nukleolen von der Peripherie nach der Mitte des Kernes. Es ist richtig, jeder Untersucher kann sich davon an Tritonenovarien überzeugen, dass in den grösseren Follikeln ebenso wie beim Olm die anfänglich nur unterhalb der Kermembran liegenden Nukleolen sich später ausschliesslich im Kerninnern finden. Ob es sich dabei aber um ein aktives Wandern handelt, lässt sich nicht beweisen, bei der gerade in diesem Abschnitt besonders intensiven Neubildung von Nukleolen wäre auch der Fall denkbar, dass die peripheren Kernkörper, unter denen sich ja zahlreiche Auflösungs- figuren finden, zugrunde gehen, die zentralgelagerten aber jeweils neu entstehen. Bei der Neubildung der Chromosomen entstehen hie und da „zufällig“ teils körnige, teils fädige Paare, die in der bekannten Weise umeinandergeschlungen sind, manchmal sollen aber die nämlichen Bilder durch Knickung und Verschlingung eines einzigen Fadens zustande kommen. Im Grunde genommen, dies lässt sich einerseits aus den Abbildungen von Carnoy und Lebrun ersehen, andererseits beweisen es die Schilderungen von Born und Janssens und auch ich vermag es auf Grund meiner eigenen Untersuchungen zu bestätigen, vollzieht sich die Reifung des Tritoneneies, was die Chromosomen betrifft in, der nämlichen Weise wie beim Olm, nur die Nukleolen zeigen etwas anderes Verhalten, sie sind in grösserer Anzahl vorhanden und gehen unter auffälligeren Erscheinungen zugrunde. Stets bleiben jedoch die Chro- mosomenvollkommen unabhängigvon den Nukleolen, bei ihren Abschmelzungsvorgängen dienen sie diesen zwar zur Entstehung, niemals gehen sie jedoch aus ihnen hervor. Carnoy und Lebrun begehen weiterhin noch einen Fehler, auf den nach ihnen auch wieder Lubosch verfallen ist, sie unterschätzen nämlich die Einzelgrösse der Chromosomen. Im Zustand der beginnenden Isolierung hat eine einzige Lampen- zylinderputzerform eine Länge von 200—300 «u und eine Dicke von 40—60 u, an einem oder dem anderen seitlichen Ausläufer hängt hie und da ein kleiner Abschmelzungsnukleolus, vielleicht täuscht auch die Schnittrichtung den Zusammenhang mit einem 136 H. Stieve: der grossen vakuolisierten Nukleolen vor, die einen Durchmesser von 16—18 u besitzen. Und aus diesem doch recht kleinen Gebilde soll das Chromosom entstehen! Die Annahme ist ungefähr so, als wollten wir behaupten, eine Siegelwachsstange sei aus einem der kleinen Tropfen entstanden, die beim Gebrauch von ihr abschmelzen. Nach den Bildern der genannten Autoren kann aus einem Nukleolus höchstens einer der seitlichen Ausläufer entstehen und was bedeutet dieser im Vergleich zur Grösse des ganzen Chromosomenindividuum, das aus tausenden derartiger Gebilde zusammengesetzt ist. Der Nukleolus müsste dauernd wieder neue Substanzen aus dem Kernsaft aufnehmen und anderer- seits immer wieder von neuem fädige Gebilde erzeugen, also gewissermaßen nur die Werkstätte sein, in der die riesigen Chro- mosomen gemacht werden, eine Annahme, die nicht wahrscheinlich ist und auch von Carnoy und Lebrun nicht gemacht wird. Nur in der späteren Zeit der Eientwicklung wäre eine Entstehung der kleinen Richtungschromosomen aus den Nukleolen auf Grund des gegenseitigen Grössenverhältnisses möglich, hier beweist aber stets die isolierte Lage der beiden Gebilde ihre vollkommene Unabhängigkeit, ganz abgesehen davon, dass sich die Chromosomen in diesem Zustand leicht und für den unbefangenen Beobachter zwangsmässig auf die früheren Chromosomen zurück- führen lassen. Wie ich also nochmals betonen möchte, "nicht die Beob- achtungen von Carnoy und Lebrun sind falsch, die abgebildeten Kernformen sind richtig und entsprechen den tatsächlich vor- handenen Bildern, nur die Schlussfolgerungen sind falsch, indem einerseits das oxychromatische Netzwerk, dessen Ausbildung über- sehen wurde, nicht als Chromosomenabkömmling erkannt, anderer- seits die Nukleolenauflösungsfiguren falsch gedeutet wurden und schliesslich deshalb, weil zahlreiche, weder vorhandene noch auch abgebildete Stadien zwischen die vorhandenen Formen eingeschaltet wurden. 2. Befunde an anderen Amphibienarten. Im weiteren Verlauf meiner Besprechungen will ich mich nun zunächst der Beschreibung der Eientwicklung von Salamandra maculosa zuwenden, da ich auch dieses Objekt aus eigener An- schauung kenne. Auch hier soll nach den Angaben der beiden Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 137 Belgier der primitive Kernfaden in der ersten Entwicklungsperiode entweder unmittelbar in primitive Nukleolen zerfallen oder aber in einzelne Teilstücke, die dann in der Folgezeit verschwinden und zwar wieder bei verschiedenen Individuen in der verschiedensten Art und Weise. Dies ist ja bezeichnend für die Untersuchungen vonCarnoyundLebrun, dass fast jedes Individuum seine besondere Oogenese hat. Entweder die Auflösung geht unter Bildung von strahlig gebauten Figuren oder unter Ausbildung eines Magmas vor sich. Im ersten Fall wandern die Chromatinkörner längs der „wie die Borsten einer Flaschen- oder Zylinderbürste ange- ordneten Plasmafäden“ auseinander und führen zur Bildung se- kundärer Nukleolen. Die fraglichen Bürsten sind jedoch, wie aus den beigegebenen Abbildungen deutlich zu ersehen, auch aus der Beschreibung zu erkennen ist, keine Plasmagebilde, sondern die oxychromatisch gewordenen Chromosomen. Auch die primären Chromosomen können in ein Magma zerfallen oder aber den ver- schiedensten schlangen- usw. förmigen Figuren zur Entstehung dienen. Alle diese, in der ersten Entwicklungsperiode gebildeten Figuren zerfallen dann schliesslich körnig. Die Abbildungen, die dies beweisen sollen (Fig. 11 und 28, Tafel Il. c. 1897) zeigen im Kern ein sehr schön ausgebildetes Netzwerk und zahlreiche Randnukleolen, die einzelnen Stadien, die zu dieser Form hin- führen (Tafel Il. ec.) sind nichts anderes, als die nämlichen Stadien, die ich hier-in der Oogenese des Olmes beschrieben habe. Man kann deutlich die Veränderungen der einzelnen Chromosomen erkennen, die schliesslich zur Bildung des oxychromatischen Netz- werkes führen. Carnoy und Lebrun beachten aber diese Bilder kaum, sondern messen auch hier wieder vereinzelten zugrunde gehenden, beziehungsweise stark vakuolisierten Nukleolen die Hauptbedeutung bei. Im zweiten Entwicklungsabschnitt lösen sich bei Salamandra die Nukleolen wieder in der verschiedenen Art und Weise auf und führen zur Bildung der „Figures höterogenes“, der Lampen- zylinderputzerformen, die nur in den verschiedenen Entwicklungs- zuständen etwas verschieden aussehen. Ihre Entstehungsweise aus den Nukleolen wird zwar in der Beschreibung dargetan, sie ist jedoch aus den Abbildungen (Tafel Il 1897 1. c.) nicht zu er- kennen. Aus ihnen ist vielmehr sehr deutlich zu ersehen, wie die Chromatinfadenstränge sich unmittelbar aus dem Kerngerüst heraus- 138 H. Stieve: differenzieren und zwar vollkommen unabhängig von den Nukleolen. die nur selten in der Nähe der Chromosomen gelegen sind und dadurch ein Abhängigkeitsverhältnis für einzelne kleine Abschnitte vortäuschen können, besonders da zu diesem Entwicklungsstadium auch diejenigen Kernformen gerechnet werden, in denen die Lampenzylinderputzerformen sich durch Abschmelzen ihrer seit- lichen Ausläufer zurückbilden. Die dabei entstehenden kleinen Nukleolen werden wieder als Muttersubstanz für die ganzen Chromosomen bezeichnet. Die stärkste Rückbildung der Lampenzylinderputzerformen fällt aber erst in den dritten Abschnitt der Entwicklung, in dem auch die bekannten Chromosomenpaare vorkommen, die jedoch wieder nichts anderes sein sollen als zufällige Auflösungsfiguren der Nukleolen. Es erscheint allerdings sehr merkwürdig, dass von den 1200 im Ei vorhandenen Kernkörpern sich nur 26 in solche paarweise verschlungene Fäden auflösen. Durch Abbildungen auch nur einigermassen überzeugend belegt wird der Vorgang nicht, die fraglichen Skizzen stellen wieder nur (Abb. 51 T III) zufällige Lagebeziehungen dar. Dabei dauert dieses dritte Stadium äusserst lange, denn die neugebildeten Fadenstrukturen zerfallen immer wieder in Körner und bilden neue Nukleolengenerationen, die ihrerseits wieder neuen Fadenstrukturen zur Entstehung. dienen. In gleicher Weise wie bei Salamandra maculosa soll sich auch die Eientwicklung bei Pleurodeles Waltlii Mich. abspielen, auch bei ihm bildet sich ein primitiver Faden aus, der anfangs das ganze Kerninnere durchsetzt, sich dann aber in der Mitte des Kernes zusammenzieht. Hier beobachten die beiden Belgier eine synapsisähnliche Erscheinung, nach der Zeichnung (Fig. 2a und b, Tafel 4 1897 1. ec.) wahrscheinlich ein Fixierungsprodukt, das sofort zur Aufstellung einer neuen Art von Eientwicklung benützt wird. Der Faden wird dann chromatinärmer, indem die ihn zusammensetzenden Körner sich auf das Kerngerüst verteilen, am Rande entstehen sekundäre Nukleolen. Bei einem (!) Individuum konnte auch Magmabildung beobachtet werden, bei einem anderen, und diese Beobachtung ist besonders wichtig, zerfiel der primäre Kernfaden in Nukleolen, aus denen schon in der ersten Periode paarweise verschlungene Chromosomen, Chromatinfadenstränge, Weihwasserwedel usw. entstanden. Bei diesem Tiere haben die a 0 aD 5 m BETEWT Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 159 beiden Theologen also auch das frühe Auftreten der paarweise verschlungenen Chromosomen feststellen können. In der zweiten Periode bilden sich dann im Kern wieder die bekannten Chromosomenformen, deren unmittelbare Entstehung aus dem Kerngerüst besonders deutlich in Abbildung 9 und 10 (Tafel 4, 19971. c.) zu erkennen ist, die aber die Verfasser wieder ohne jeden Grund von Nukleolen ableiten, nur gestützt auf die Tatsache, dass einzelne kleine Fäden mit im Inneren des Kernes gelegenen Nukleolen zusammen zu hängen scheinen. Die dritte Periode vollzieht sich geradeso wie beim Salamander, auch in ihr gehen also Fadengebilde zugrunde und erstehen dann erneut aus den Nukleolen, ein Vorgang, der nur durch Abbildungen einzelner isolierter Nukleolen, die in zufälligen Lagebeziehungen zu Chromosomen stehen, zu belegen versucht wird. Die betreffenden Skizzen zeigen grösstenteils in Rückbildung begriffene Chromatin- fadenstränge, die stellenweise vorhandenen Abschmelzungsnukleolen werden wieder als die Muttergebilde bezeichnet, aus denen die Chromosomen entstanden sein sollen. Ausserdem wurden einige wenige Exemplare von Axolote untersucht, seine Eientwicklung nimmt eine gewisse Mittelstellung zwischen Salamander und Triton ein, sie gleicht in ihren ersten beiden Abschnitten mehr der des ersteren, im dritten der des - letzteren. Der primäre Faden löst sich oft in eine grosse Zahl einzelner Körperchen auf, häufig entsteht ein mehr oder weniger stark vakuolisiertes Magma. Verhältnismässig bald lösen sich dann die primären Nukleolen wieder auf und zwar in der Mehr- zahl der Fälle unter Bildung von „Flaschenbürstenformen“, seltener von „Schlangenformen“, die in ihren Zügen und Windungen den ganzen Kern durchsetzen. In der zweiten Periode entstehen dann neuerdings Lampenzylinderputzerformen in hervorragend schöner Ausbildung, in der dritten wandern wieder alle oder fast alle Nukleolen in die Kernmitte und bilden dort einen dichten Haufen. Aus einer ganz geringen Anzahl der massenhaft vorhandenen Kernkörper entstehen dann neuerdings fädige Gebilde, die ähnlich wie früher die Flaschenbürsten wieder häufig paarweise umeinander geschlungen sind. Wieder werden einzelne Nukleolen abgebildet, in deren Innerem deutlich ein zusammengerollter Faden zu erkennen ist. Derartige Bilder, allerdings nicht in so stark schematisierter Form, können durch hochgradig vakuolisierte Nukleolen vorge- 140 H. Stieve: täuscht werden. Im übrigen ist aber gerade die Eientwicklung des Axolotl für diese Besprechungen sehr lehrreich, man betrachte nur die sehr guten Abbildungen auf Tafel XIII (18981. e.), sie entsprechen fast vollkommen denen, die ich hier vom Olm gegeben habe, die Entstehung jedes Stadium aus dem vorhergehenden ist bei ihnen ganz selbstverständlich, deutlich erkennt man in Ab- bildung 1—5 (l. ec.) die Entstehung des oxychromatischen Netz- werkes durch Ausbildung der seitlichen Ausläufer, Abb. 6 (l. c.) stellt einen der bekannten halbseitig fixierten Kerne dar, Abb. 7—9 {l. e.) prächtig die Isolierung der Einzelehromosomen, 10—12 (l. c.) ihr Zusammenrücken in der Kernmitte. Und zwischen jedem dieser Stadien sollen die Chromatinfiguren sich wieder vollkommen zu Nukleolen umbilden und dann wieder neuentstehen! So wenigstens nehmen die beiden Belgier an, ohne ihre Angaben. irgendwie beweisen zu können. Warum werden gerade diese Zwischenstadien nicht abgebildet ? : Was die Anuren betrifft, so untersuchten Carnoy undLebrun Alytes obstetricans, Bombinatur igneus, Bufo calamita, Bufo vul- garis und Rana temporaria. Sie konnten bei allen diesen Arten im Grunde genommen die nämlichen Entwicklungsstadien wie bei Urodelen nachweisen, ich will auf ihre Befunde hier jedoch nicht näher eingehen, sie stehen, soweit Untersuchungen von anderen Autoren über die nämlichen Objekte (Bufo, King) vorliegen, in . offenkundigem Gegensatz zu diesen und es dürfte auf sie wohl das Nämliche zutreffen, wie auf ihre‘ über Urodelen mitgeteilten Befunde. 3. Beweise gegen die Befunde. Garnoy und Lebrun haben, und das will ich hier nochmals ausdrücklich betonen, im allgemeinen gut und scharf beobachtet, das zeigen deutlich genug ihre zahlreichen Abbildungen. Ihre Aufmerksamkeit wendeten sie jedoch nur den späteren Stadien der Eientwicklung zu, die früheren Abschnitte wurden nur ganz oberflächlich untersucht, sie begehen jedoch grosse Fehler, denn erstens verwendeten sie fast ausschliesslich zu ihren Färbungen das Delafieldsche Eisenhämatoxylin,'das wieauch Janssens (1904) betont, fast niemals ganz klare Bilder liefert, und vor allem keine sichere Unterscheidung der Chromosomen und Nukleolen ermöglicht. Doppelfärbungen mit sauren und basischen Farben wurden von CarnoyundLebrun kaum angewendet undschon aus diesem Grunde Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 141 mussten ihnen viele Irrtümer unterlaufen. Denn wie Janssens ganz richtig bemerkt, kommt es häufigvor, „dass gewisse Nukleolen in diesem Stadium!) dadurch, dass sie sich in unmittelbarer Nähe der Chromosomen befinden, die Bilder trüben. .... Wenn man die Präparate mit dem Beleuchtungsapparat nach Abbe untersucht, kann man über ihre Bedeutung in Irrtum geführt werden. Deshalb ist es leicht zu erklären, dass Carnoy und Lebrun, welche keine andere Methode kannten, dazu gekommen sind, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Nukleolen und Chromosomen anzunehmen. Aber wenn man einen aplanatischen Immersionskondensor anwendet, kann kein Zweifel über die wahre Erklärung bestehen bieiben. Die Chromosomen sind unabhängig von den unglückseligen Nukleolen, obwohl sie manchmal sich ganz nahe dabei befinden.“ Aber auch ohne den aplanatischen Kondensor lässt sich die voll- kommene morphologische Unabhängigkeit der beiden in Frage stehenden Gebilde durch entsprechende Färbungen leicht'nachweisen, mit Ausnahme der kleinen Abschmelzungsnukleolen, bei welchen aber der ganze Gang der Entwicklung und die Grössenverhältnisse jede Entstehungsmöglichkeit der riesigen Chromosomen aus den winzigen Nukleolen ausschliessen. Carnoy und Lebrun bezeichnen: als Chromatin nur das Basichromatin und zwar jede beliebige, im Kern auffindbare Substanz dieser Farbreaktion, ohne jede Rücksicht auf ihr morpho- logisches Verhalten, als Chromosomen aber „jeden fädigen Bestand- teil des Kernes“, gleichgiltig wie lang und wie dick er ist und in welcher Anzahl er sich vorfindet. Von dem Farbumschlag, den die Chromosomen durchmachen können, wissen die beiden Theologen nichts. Dabei widersprechen sich ihre Angaben häufig, in späteren Arbeiten widerlegen sie selbst ihre früheren Befunde, manchmal leiten auch sie eine Chromosomenform unmittelbar auf die andere zurück, obwohl im allgemeinen betont wird, dass dieser Fall niemals eintritt, dass vielmehr stets zwischen zwei verschiedene Fadenbildungen eine Nukleolengeneration einge- schoben ist. Und was besonders bezeichnend für die Art ihrer Untersuchung ist, die beiden Belgier sehen gewissermassen den Wald vor lauter Bäumen nicht. In Kernen, die vollkommen von Chromatinfadensträngen ausgefüllt sind, beobachten sie eine Stelle, die den Anschein erweckt, dass einer der vielen tausende von !, Dem dritten Entwicklungsstadium. 142 H. Stieve: Fäden, die den. ganzen Kern durchsetzen, aus einem Nukleolus entstände und schon knüpfen sie lange theoretische Erörterungen an diese Bilder, des Inhalts, der ganze Kern sei inzwischen verändert, alle Chromosomen in Nukleolen umgewandelt und wieder neugebildet worden. Sie ergehen sich also in Einzelbeschreibungen kleiner Nebensächlichkeiten, ich erinnere nur an die „Gänse- füsschen“ am Ende der Chromosomen, ohne dem ganzen Kernbild, der (Gesamtentwicklung, entsprechende Aufmerksamkeit zuzu- wenden. Für gleiche Gebilde, die jedoch in einer kleinen Neben- sächlichkeit verschieden sind, prägen sie neue Namen. So kommt es, dass ihre Abbildungen, wie ich im Vorhergesagten oft zeigte, häufig das Gegenteil von dem beweisen, was sie sollen, ‚nämlich die Kontinuität der Chromosomen, wenigstens zwischen zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Stadien. Diese sind eben nicht nur beliebige im Kern auftretende Fadenstrukturen, sondern Ge- bilde, welche die mannigfachsten Veränderungen in Hinsicht auf Form, Grösse und chemische Reaktion durchlaufen können, bald nur aus einem einzigen kurzen Faden bestehen, bald aber aus einer grossen Menge von Fäden, die zusammen das Vielfache des früheren Raumes. einnehmen. Ganz abgesehen von den zahlreichen Widersprüchen, welche die Arbeiten von Carnoy und Lebrun enthalten, wirft auch die Tatsache, dass die beiden Theologen in ihren späteren Schriften ihre eigenen, früher mit viel Temperament vertretenen Ansichten, z. B. über die Reifungsteilungen, selbst widerlegen, ein eigen- tümliches Licht auf die Ergebnisse der Untersuchungen, und es fällt deshalb schwer, ihren Angaben höhere Bedeutung beizumessen, auch dann, wenn sie noch nicht durch andere Beobachtungen widerlegt sind. Befremdend wirkt auch die Art und Weise, mit der Carnoy und Lebrun ihre Kritik an den Arbeiten anderer Autoren einsetzen. Wie Fick in seinem Referate (1900) sehr treffend bemerkt, pflegt besonders Carnoy „jede kleine Ab- weichung von seinen Beobachtungen stark zu betonen, von den . zahlreichen Übereinstimmungen jedoch nicht zu reden“. Dadurch wird dann geschickt verschleiert, dass grosse Teile der angeblichen Entdeckungen von Carnoy und Lebrun, wahrscheinlich sogar alles, was an ihren Untersuchungen richtig ist, schon von anderen Forschern beschrieben wurde. Dabei werden diesen anderen Untersuchern, so besonders Born und Rückert, die ihre RZ Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 143 theoretischen Erörterungen nur auf die tatsächlich vorgefundenen Zellbilder stützen, lebhafteste Phantasie und Voreingenommenheit vorgehalten. Aber gerade dieser Vorwurf kann Carnoy und Lebrun selbst am allerersten gemacht werden, da sie ja jeweils zwischen zwei beschriebene und abgebildete Stadien ein Nukleolen- stadium, das gar nicht besteht und deshalb auch gar nicht abgebildet werden kann, einschieben. Bezeichnend ist ja, dass die Untersuchungen von Carnoy und Lebrun, die in den wesentlichen Punkten mit allen gründ- lichen früheren Arbeiten nicht übereinstimmen, ausgenommen vielleicht die Untersuchungen von Iwakawa und Schultze, in der Folgezeit, so oft sie nachgeprüft wurden, sich grösstenteils als unrichtig erwiesen. Ich erwähne nur nochmals die Unter- suchungen von Janssens und auch die Arbeit von Lubosch, der, und das ist äusserst wichtig, zwar die Kontinuität der Chromo- somen nicht bestreiten kann, ob alle, oder wie er annimmt, nur ein Teil der Chromosomen persistieren, lässt sich dank der nicht ausgeführten Zählungen nicht beweisen, dabei aber die Richtigkeit der Carnoyschen Einzelbilder bestätigte. Er geriet so in eine unhaltbare Auffassung über die Reifungsvorgänge im Kerne und zwar nur deshalb, weil er sich über den Begriff des Chromosoma, ebenso wie die beiden Belgier selbst, nicht ins Klare gekommen ist und auch jedes kleine im Kern vorhandene fädige Gebilde für ein Chromosom hält. Obwohl ich hier in der Hauptsache nur diejenigen grösseren Arbeiten berücksichtigen kann, welche sich mit der Eireifung der Urodelen beschäftigen, se muss ich doch im Anschluss an die obigen Besprechungen auch der Rückertschen Arbeit über die Selachier Erwähnung (1892) tun und zwar deshalb, weil in ihr zum ersten Mal die Kontinuität der Chromosomen in der Eireifung nachgewiesen wurde. Meine hier mitgeteilten Befunde über Proteus decken sich in den Hauptsachen mit den Rückertschen, obwohl es bei Selachiern in der frühen Eientwieklung anscheinend nicht zur polaren Orientierung des Fadens kommt, ebensowenig in der späteren zur vollen Ausbildung eines oxychromatischen Netzwerkes. Die Chromosomen verlieren zwar ihre Aufnahmefähigkeit für basische Farben in hohem Maße und erscheinen deshalb undeutlich, ihre seitlichen Ausläufer erreichen jedoch niemals eine solche Länge, dass sie den ganzen Kern gleichmässig durchsetzen. Infolge- 144 H. Stieve: dessen sind die Einzelchromosomen immer noch zu erkennen, ihre Kontinuität wird vor allem auch durch sehr sorgfältige Zahlenermittlungen bewiesen, ein Verfahren, das leider die meisten späteren Untersucher nicht angewendet haben. Carnoy und Lebrun geben nun an (1898 Seite 165), die Eireifung von verschiedenen Fischen studiert zu haben: „Chez tous cesanimaux la vesicule germinativese comporte essentiellement, pendent son developpment, comme chez les batraciens“. In einigen: ganz knappen Sätzen wird die Eientwicklung von einem halben Dutzend Fischarten beschrieben, „unaufhörlich“ erfolgt die Neu- bildung und Auflösung von Nukleolen. Der Hauptfehler Rückerts soll darin bestehen, dass er die Kontinuität der Chromosomen beweisen kann. Mit der kurzen Kritik der beiden Theologen ist die grundlegende Arbeit Rückerts nicht widerlegt, dagegen hat sie durch die äusserst sorgfältige und gründliche Untersuchung von Mare&chal (1907) in allen wichtigen Punkten, so besonders in der Frage der Chromosomenkontinuität, ihre volle Bestätigung: gefunden. Ausdrücklich betont dieser Forscher, dass die Chre- mosomen bei Selachiern innerhalb der Kernmembran während der ganzen Wachstumsperiode der Oozyte erhalten bleiben, sie unter- liegen zwar einer starken, nicht vollständigen Entfärbung, der Reaktionswechsel wurde nicht beobachtet, da keine Doppelfärbungen angewendet wurden, erhalten sich aber stets deutlich als gepaarte Elemente. Die Nukleolen können sich zwar .in fädige Gebilde umwandeln, diese haben jedoch mit den Chromosomen als solchen nichts zu tun. Der einzige Autor, der bisher die Befunde von Garnoy und Lebrun an Urodelen bestätigte, ist Fick (1899). Da seiner‘ vorläufigen Mitteilung jedoch nicht die ausführliche, durch Abbildungen belegte Arbeit- gefolgt ist, so kann ich sie nicht in diese Besprechungen einbeziehen, ich kann nur feststellen, dass Fick selbst früher auf Grund seiner Untersuchungen am Axolotlei (1893) zu der Anschauung gelangt war, man müsse „bei der grossen Übereinstimmung der Objekte auch für den Axolotl ein Erhaltenbleiben des chromatischen Kerngerüstes in der ganzen Entwicklung des Keimbläschens im Sinne Rückerts und Borns“ annehmen und erst später diese seine Anschauung grundlegend geändert hat. Auch Rhode (1903) beschreibt in der Entwicklung des. 4,7 mu acc Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 145 Froscheies sehr ausführlich die Umwandlung der Nukleolen in Chromosomen, ein Vorgang, der sich während der Oogenese oftmals wiederholen soll. Dabei stellt er aber fest, dass die Nukleolen sich in bezug auf ihre Aufnahmefähigkeit für Farbstoffe ent- gegengesetzt verhalten wie die Chromosomen, eine Tatsache, die ihm selbst Bedenken ob der Richtigkeit seiner sonstigen Schluss- folgerungen macht, er hilft sich jedoch durch die Annahme, die Nukleolen änderten bei ihrer Umgestaltung in Chromosomen ihre Farbreaktion. Im Gegensatz zu den Angaben von Garnoy und Lebrun soll aber beim Frosch die Auflösung der Nukleolen durch fortgesetzte Teilung und Sprossung erfolgen. Die ganze Betrachtungsweise Rhodes ist dabei nicht originell, sondern steht vollkommen unter dem Einfluss der Lehre Carnoys. Überblieken wir also nochmals kurz alle über die Eireifung der Amphibien vorliegenden Mitteilungen, so können wir sagen, dass aus allen Abhandlungen, besonders dann, wenn wir die Abbildungen der betreffenden Autoren betrachten, die große Übereinstimmung der Befunde hervorgeht. Die Unterschiede in der Beobachtung erklären sich hauptsächlich mit der unvorsichtigen Auswahl oder der schlechten Konservierung des Materials, schliesslich noch ın der einseitigen Berücksichtigung gewisser Färbemethoden, unter Missachtung der Tatsache, dass der Begriff der Chromosomen ein morphologischer ist. an keine bestimmte chemische Reaktion gebunden. Nach Ausschaltung der ersten angeblichen Zerstäubungs- stadien des Chromatins unmittelbar nach der Entstehung der ÖOozyten lässt sich die Kontinuität der Chromosomen bei den Urodelen also für eine ganze Reihe von Arten beweisen, für andere nach kritischer Prüfung der entgegengesetzt lautenden Befunde äusserst wahrscheinlich machen. V. Die Chromosomen. Vergegenwärtigen wir uns nochmals kurz die Veränderungen, welche die Chromosomen als solche während der Eientwicklung durchmachen, und versuchen wir dabei, einen Einblick zu gewinnen in die Bedeutung, welche allen diesen verwickelten Vorgängen zukommt. Dabei bezeichne ich als Chromosomen die ‚Einheiten, welche während der ganzen Keimzellenentwicklung in einer be- stimmten Anzahl erhalten bleiben und sich bald mit Basichromatin, Archiv f. mikr. Anat, Bd.9. Abt. II. 10 146 H. Stieve: bald mit Oxychromatin beladen, dabei die verschiedensten Formen annehmend. Gleich nach der Entstehung der jüngsten Oozyten sind sie als isolierte Gebilde nachweisbar, die zunächst nur aus Basichromatin zu bestehen scheinen und einen deutlichen Längsspalt aufweisen. Ihre Substanz erfährt dann eine starke Auflockerung, und dabei erfolgt, wahrscheinlich auch durch Aufnahme neuer Substanzen eine Trennung in zwei verschieden reagierende Teile, eine oxychroma- tische, den eigentlichen Kernfaden bildende Grundmasse und eine basichromatische, die in kleinen Körnern dem Faden angelagert ist. Dieses Spirem verlängert sich so stark, dass es den ganzen Kern in vielfachen Zügen durchsetzt, sich dabei selbst häufig überschneidend und erst nach Ausbildung dieses Kernbildes, wenn die Hauptmasse des Gerüstes aus Oxychromatin besteht, ist die junge Oozyte zu Grössenwachstum befähigt. Eigentlich können wir schon hier von einem Farbumschlag der Chromosomen sprechen, denn die Hauptmasse des in ihnen enthaltenen (Gerüstes besteht nunmehr im Gegensatz zu dem Verhalten bei den Mitosen aus Oxychromatin, nur sind diesem eben zahlreiche Basichromatinklumpen angelagert, so dass der Farbwechsel nicht so deutlich in Erscheinung tritt. In diesem Zustand wächst die Oozyte bis zu einer gewissen Grösse heran, verändert dabei ihren Bau nicht, wohl aber erfahren beide Chro- matinarten eine gleichmässige Vermehrung, das oxychromatische Netzwerk dehnt sich aus, die basichromatischen Körner ver- grössern sich. Nach einiger Zeit kommt das Oozytenwachstum vollkommen zum Stillstand und dann erfährt das Basichromatin wieder eine Vermehrung, gleichzeitig verkürzt sich der Faden unter Ver- minderung (oder Konzentration) der in ihm enthaltenen oxy- chromatischen Substanz. Dadurch verschiebt sich das gegenseitige Mengenverhältnis der beiden Chromatinarten abermals, bis schliess- lich der Faden wieder fast ausschliesslich aus Basichromatin zu bestehen scheint. \ (Lockerer, richtungsloser Knäuel.) Während dieser Vorgänge treten vereinzelte basichromatische Nukleolen auf. Nunmehr durchläuft der Faden verschiedene Stadien, die alle nichts anderes sind, als Vorbereitungen zur ersten Reifungs- teilung. Zu diesem Schluss berechtigt uns die Analogie der Vorgänge mit den in der Spermatogenese beobachteten Erschei- | Ki A a 2 Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 147 nungen. Sobald dieser Prozess jedoch auf einem bestimmten Grad der Entwicklung angelangt ist, nämlich dann, wenn die Orientierung des Fadens eine vollkommene ist, beginnt sich die -oxychromatische Substanz wieder zu vermehren, sie tritt in Gestalt von seitlichen Ausläufern auf, die allenthalben in den Kerı sprossen. Gleichzeitig erfährt das Basichromatin wieder eine Substanzver- minderung in den Ühromosomen und Hand in Hand mit ihr ver- mehrt sich die Zahl der basichromatischen Nukleolen. Die Vorbereitungen auf die erste Reifungsteilung werden durch diese Vorgänge zunächst noch nicht unterbrochen, sie dauern vielmehr noch fort, der Faden spaltet sich der Länge nach und zerfällt noch in einzelne Chromosomen, aber gleichzeitig erfährt die oxychromatische Substanz eine ungeheure Vermehrung, die seitlichen. Ausläufer verlängern sich und durchsetzen bald den ganzen Kern in mehr oder weniger’ dicht verflochtenen Zügen, in denen anfangs noch die ursprüngliche Lage der Chromosomen zu erkennen ist. Hand in Hand damit verkleinern sich die basichromatischen, den Ühromosomen eingelagerten Körnchen und im gleichen Maße, wie sich ihre Substanz verringert, erfahren die Nukleolen im Kerninneren eine Vermehrung und Grössen- zunahme, sie treten aber auch unmittelbar unterhalb der Kern- membran auf. Sclfliesslich durchsetzt den ganzen Kern ein rein oxychro- matisches Netzwerk, gebildet durch die seitlichen Ausläufer der Chromosomen, aus denen das Basichromatin vollkommen ver- schwunden ist. Nur in den Nukleolen findet sich noch Bası- chromatin. Jetzt, wenn die Gesamtmasse der Chromosomen eine riesige Oberflächenvergrösserung erfahren hat und das Kerninnere vollkommen gleichmässig durchzieht, beginnt das eigentliche starke Wachstum der Oozyte, das zu einer ungeheuren Vergrösserung von Kern und Plasma führt. Anfangs behält das Kerngerüst dabei seine Oxophilie, bald aber beginnen einzelne seiner Körner wieder basische Farbstoffe aufzunehmen und dieser Prozess breitet . sich über alle Teile der Chromosomen aus, bis schliesslich, wenn Ikern und Zelle schon eine erhebliche Grösse erlangt haben, das in seinem Bau unverändert gebliebene Chromatingerüst wieder basophil ist, allerdings nicht so ausgesprochen, wie die Kern- schleifen während der Mitose. Dieser Zustand dauert jedoch nicht lange, während Kern . 10* 148 H. Stieve: und Plasma noch immer stark an Grösse zunehmen, vergrössert das Gerüst seine Oberfläche durch Spaltung einzelner Teile seiner Fäden, ohne dabei seine chemische Reaktion zu ändern. Wenn dann die chromatische Substanz durch alle diese Veränderungen das mehrmals Tausendfache des früheren Volumens erreicht hat, dann verlangsamt sich das Kernwachstum, dagegen beginnt jetzt eine ausserordentliche Grössenzunahme des Plasma, bedingt durch die Anhäufung des gelben Dotters. Die Nukleolen erfahren während dieser ganzen Zeit nur eine geringe Vergrösserung, keine wesentliche Zunahme ihrer Zahl, die Gesamtmasse des in ihnen aufgespeicherten Chromatins vermehrt sich ungefähr im gleichen Verhältnis zur Kerngrösse. Während des starken Plasmawachstums bildet sich dann das einheitliche Kerngerüst zurück und dadurch erscheinen die Einzelehromosomen wieder deutlich abgrenzbar im Kerne, Hand in Hand mit diesem Vorgang spielen sich wieder chemische Ver- änderungen an der chromatischen Substanz ab, sie nimmt von jetzt ab basische und saure Farbstoffe ziemlich gleichmässig auf, ist also amphoter. Der Kern vergrössert sich nurmehr wenig, die Chromosomen bilden sich durch Abschmelzung ihrer seitlichen Ausläufer mehr und mehr zurück und gleichzeitig erfährt die Zahl und Masse der Nukleolen eine ungeheure Vermehrung, um so beträchtlicher, je stärker die Chromosomen an Grösse abnehmen. Und doch nimmt die Zahl der Kernkörper nach einer kurzen sehr starken Vermehrung, obwohl gleichzeitig immer wieder neue Nukleolen gebildet werden, langsam ab. Später tritt im Zentrum der Chromosomen wieder eine basichromatische Körnerreihe auf, sie bilden wieder kleine, rein basichromatische Fäden, welche, der Schluss ist auf Grund unserer Kenntnisse, die wir an.anderen Objekten gewonnen haben, berechtigt, die durch das Wachstum der Oozyte unterbrochene Vorbereitung zur ersten Reifungsteilung fortsetzen und beenden. Konnten wir also in der Entwieklung der Oozyte vier Abschnitte unterscheiden, nämlich l. Erstes an II. Prophasen der ersten Reifungsteilung, III. Zweites Wachstumsstadium. IV. Erste Reifungsteilung, so können wir dementsprechend auch verschiedene Zustände den Ta er a Br Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 149 Chromosomen unterscheiden, nämlich in der folgenden Art und Weise: Während des ersten Wachstumsstadium netzartige Verteilung des Oxychromatins mit Anlagerung basischer Körner. Während der Prophasen zur ersten, Reifungsteilung vor- wiegend basichromatische Fäden. Während der zweiten Wachstumsperiode wechselnde Reaktion der Chromosomen, sie ist anfangs rein oxychromatisch, später vorwiegend basichromatisch und dann amphoter. Während der zweiten Reifungsteilung rein basichromatische Chromosomen. Dabei wirken jeweils während der Vorbereitung zur Teilung und während der Teilung selbst die Chromosomen als Einzel- individuen, in der Form kleiner, scharf abgegrenzter basichro- matischer Fäden. Während der Wachstumsperiode aber wirken die Chromosomen vorwiegend als physiologische Einheit, als gleich- mässig den ganzen Kern durchsetzendes, hauptsächlich oxychro- matisches Netzwerk. Während der Wachstumsperiode erfährt nicht nur das Oxychromatin, sondern auch das Basichromatin eine Vermehrung. Der Übergang einer dieser Perioden in die andere erfolgt dabei nicht ruckweise, sondern langsam, allmählich und dement- sprechend sind in den Übergangszeiten die Farbreaktionen des Chromatins nicht so ausgesprochen. Die einzelnen Sätze brauchen nach allem Vorhergesagten nicht besonders erläutert zu werden, ebensowenig brauche ich hier nochmals zu betonen, dass die Kontinuität der chromatischen Substanz durch alle diese Veränderungen nicht unterbrochen wird. Die Kontinuität der Chromosomen als Einzelindividuen lässt sich - dagegen jeweils während der Wachstumsperiode nicht dartun, da eben im Zustand des den ganzen Kern gleichmässig durch- setzenden Netzwerkes die Abgrenzung der Einzelchromosomen nicht gelingt. In diesem Fall wirkt der ganze Kern eben als Einheit, und es kommt auch in seinem Inneren nicht jedem einzelnen Chromosoma ein bestimmter Bezirk zu, so wie dies ‘der Anschauung Boveris und Rabls entsprechen würde. Die seitlichen Ausläufer verflechten sich viel zu innig miteinander, so dass von einem einzelnen, scharf abgrenzbaren Bezirk nicht gesprochen werden kann. “ 150 H. Stieve: Jedoch auch in diesem Falle ist die Kontinuität der Chro- mosomen eine logische Forderung, wir sehen ja die nämlichen Gebilde in der gleichen Anzahl und demselben Lageverhältnis, nämlich paarweise umeinander geschlungen, ursprünglich das- Kerngerüst bilden und schlieslich wieder aus ihm hervorgehen. Es können also hier wieder die nämlichen Schlussfolgerungen gezogen werden, die ich bei der Besprechung des interkinetischen Ruhestadium der Präspermatiden angewendet habe. Sie sind in diesem Fall um so zutreffender, als ja in der Eientwicklung einzelner Tierarten sich die Kontinuität der Chromosomen direkt beweisen lässt, ich erwähne nur die Selachier (Rückert, Marechal) und einzelne Vogelarten (Stieve). Auch lässt sich hier wieder die Frage aufwerfen, was haben die ganz verwickelten Vorgänge, die polare Orientierung und Längsspaltung des Knäuels, schliesslich sein Zerfall in Einzel- chromosomen, die wie die analogen in der Samenreifung zu beobachtenden: Verhältnisse deutlich genug beweisen, nichts anderes sind, als die Prophasen der Reifungsteilung und die sinn- gemässe Vorbereitung der Einzelehromosomen auf sie, überhaupt noch für einen Zweck, wenn alle in lang anhaltender Zelltätigkeit gesetzten Veränderungen an den Chromosomen während der Aus- bildung des Netzwerkes wieder zerstört werden ? Gerade hier lässt sich der zuerst von Rückert (1892) gebrauchte, dann hauptsächlich, wenn auch in etwas anderem Sinne von Fick (1905— 1907) angewendete Vergleich der taktischen Verbände am besten anwenden. Während der Mitose haben die Chromosomen einzig und allein die sinngemässe Verteilung der wichtigsten im Kern enthaltenen Substanzen auf die beiden Tochterzellen zu gewährleisten und dies geschieht am besten und leichtesten durch zahlreiche kleine Einzelindividuen, deren jedes eine bestimmte Aufgabe hat. Während des Kernwachstums aber dienen alle Chromosomen nur dem einen gemeinsamen Zweck, nämlich durch entsprechende chemische Veränderungen Kern und Zelle zu vergrössern, hier muss die Menge der wirksamen Substanz möglichst ausgedehnt und direkt proportional der zu leistenden Arbeit sein, die wieder abhängig ist von Zellgrösse und Intensität des Wachstums. Alle Chromosomen haben hier eine gemeinsame Aufgabe zu lösen und dementsprechend verflechten und verschlingen sich hier die riesig vergrösserten seitlichen Ausläufer, sie wirken. a Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 151 gemeinsam als ein Ganzes. Sobald aber die gemeinsame Arbeit beendet ist, das heisst, wenn der Kern die entsprechende Grösse erlangt hat, treten die Chromosomen wieder als Einzelgebilde in Tätigkeit, als deutliches Zeichen dafür, dass sie auch in der Zwischenzeit ihre Individualität nicht verloren haben. Die ungeheueren Veränderungen, welche dabei an der chro- mosomalen Substanz vorgehen, machen sich nicht nur rein äusserlich in der verschiedenen Grösse, sondern vor allem auch in dem chemischen Verhalten geltend. Die Veränderungen in der Reaktion, welche die Chromosomen durchmachen, sind mit die auffälligste Erscheinung, die wir bei der Eireifung beobachten können und eine der Hauptursachen, die zur Entstehung der Theorie vom Verschwinden der Chromosomen geführt hat. Die Kernschleifen selbst haben ja ursprünglich ihren Namen von ihrem Verhalten den basischen Farben gegenüber bekommen, da sie sich mit ihnen eben besonders intensiv tränken. Dem- entsprechend ist der Begriff des Chromatins, beziehungsweise der verschiedenen Chromatinarten, in erster Linie ein morphologischer und kein chemischer, wie dies schon Zacharias (1901, 1902) und später Heidenhain (1907) auseinandersetzte. Wie aber weiterhin die im Anschluss an die Untersuchungen Mieschers (1897) und Zacharias (1898) ausgeführten Beobachtungen beweisen, ist das, was wir als Chromatin in den fixierten Präparaten mittels verschieden reagierender Farbstofflösungen darstellen, selbst in der gleichen Zellart, auf dem nämlichen Entwicklungszustand nicht unbedingt der gleiche Körper. Vielmehr hängt die Zusammen- setzung des Chromatins sehr stark von der Vorbehandlung ab, die das betreffende Präparat erfahren hat. Wir dürfen demnach nur dann Rückschlüsse aus dem färberischen Verhalten auf die Reaktion, beziehungsweise die chemische Zusammensetzung und ihre Veränderungen bei irgend einer Substanz ziehen, wenn die Befunde an Objekten gewonnen sind, die in ganz gleicher Weise vorbehandelt wurden. VI. Das Linin. Neben dem Kernsaft, der im allgemeinen oxophil ist und keinerlei Struktur aufweist, können wir unter Anlehnung an die Erörterungen Heidenhains (1907) noch zwei Substanzen unter- scheiden, die sich fast in jedem Kern nachweisen lassen, nämlich 152 H Stieve: das Linin und die Chromiolen. Die letzteren stellen die kleinsten morphologischen Einheiten in den Kernen dar, sie vermehren sich wahrscheinlich durch Teilung und besitzen je nach der Aufgabe, die sie zu erfüllen haben verschiedene chemische Zusammensetzung, die sich auch in ihrer verschiedenen Aufnahmefähiskeit für die einzelnen Farbstoffe äussert. Sie werden zu bestimmten Formationen vereinigt und durch das Linin, eine nach der Annahme einzelner Forscher hochgradig kontraktile Substanz, deren morphologischer Nachweis in den Chromosomen bis jetzt noch nicht einwandfrei gelungen ist, zusammengehalten. Denn das, was wir im allgemeinen in den Kernschleifen als Linin ansprechen, ist nichts anderes als Oxychromatin, vielleicht auch eine Mischung von beiden Substanzen, wie es sich ja überhaupt nur schwer feststellen lässt, ob im Einzelfall die vorgefundene Kernstruktur aus Linin allein oder aus einem Liningerüst mit eingelagerten Oxychromiolen besteht. Im allgemeinen müssen wir als Kennzeichen für das Chromatin die Nachweisbarkeit der einzelnen Chromiolen fordern und können demnach als Linin nur solche Kernstrukturen betrachten, die vollkommen homogen erscheinen. Dabei dient das Linin in der Hauptsache dazu, eben diese einzelnen Ühromiolen mit einander zu verbinden, in anderen Fällen stellt es aber auch die Vereinigung dar zwischen den einzelnen im Kerne liegenden Chromosomen, beziehungsweise zwischen einzelnen Abschnitten des kontinuierlichen Fadens. Im ersten Fall braucht die Gesamtmasse des Linins nur eine sehr geringe zu sein, wenn allerdings alle die tiefgreifenden Veränderungen, welche die Chromosomen in bezug auf ihre Gestalt während der Mitose erleiden, nur auf verschiedenen Kontraktionszuständen des Linins beruhen sollen, wie dies ja Heidenhain annimmt, dann müsste die Gesamtmasse des Linins eine sehr grosse sein oder es müsste einen ganz aussergewöhnlichen Grad von Kontraktilität be- sitzen, sehen wir ja häufig die Chromosomen in ganz kurzer Zeit auf ein Drittel oder weniger der früheren Länge zusammenschrumpfen. Aber selbst wenn wir im Linin eine Substanz von so hohem Kontraktionsvermögen zu erblicken hätten, liessen sich doch durch diese Eigenschaften allein noch nicht alle die Formveränderungen erklären, welche die Chromosomen selbstverständlich ohne Abgabe von Chromatin erleiden. Dass die riesigen Veränderungen während der Vogenese so, wie dies Born annimmt, durch Konzentrations- ” Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 153 vorgänge bewirkt werden können, erscheint wohl ausgeschlossen, darauf wurde schon von verschiedenen Seiten hingewiesen. Eben- sowenig können sie aber der Ausdruck verschiedener Kontraktions- zustände des Linins sein. Wenn nämlich der chromatische Faden sich unter gleichzeitiger Dieckenzunahme verkürzt, dann behalten niemals die einzelnen Chromiolen ihre frühere Grösse und Lage bei, wie dies ja doch der Fall sein müsste, wenn die Formver- änderungen nur durch die Lininsubstanz bedingt wären. Bei den fraglichen Vorgängen findet vielmehr stets auch ein oft recht erhebliches Wachstum und eine sehr starke Vermehrung der Chromiolen, selbstverständlich auch eine Verschiebung gegeneinander statt, alles Vorgänge, die deutlich genug zeigen, dass alle Ver- änderungen an den Chromosomen niemals durch eine einzelne Substanz bedingt sind, sondern stets Vorgänge darstellen, welche in der Struktur des ganzen Bildes begründet sind und durch die Umgestaltung aller Einzelteile hervorgerufen werden. Andererseits ist aber der lageordnende Einfluss der Linin- brücken auf die Einzelchromosomen nicht zu bestreiten, wir sehen ihn deutlich genug bewiesen durch die Tatsache, dass in allen den Fällen, wo die Lage der Chromosomen durch Organe des Zelleibes geregelt wird, wie z. B. während der Kernteilungen oder der polaren Orientierungen durch die Zentriolen, keine Lininbrücken vorhanden sind, wohingegen während des Bestehens der Lininbrücken ein von anderen Elementen ausgehender richtender Einfluss nicht erkannt werden kann. Am deutlichsten zeigt sich dies in den Prophasen der Teilung, wie ich ja im ersten Teil der Arbeit aus- einandergesetzt habe. Was den formgebenden Einfluss des Linins auf die Einzel- chromosomen betrifft, so wäre nur denkbar, dass seine verschiedene Menge hier in erster Linie in Betracht kommt. In den Chromo- somen der Teilungsfiguren liegen die Chromiolen meist sehr eng beieinander, die sie verbindende Lininsubstanz kann demnach nur in ganz geringer Menge vorhanden sein, wohingegen schon in den Telophasen der Teilungen bei der Rekonstruktion der Tochterkerne eine viel lockerere Lagerung der Chromiolen zu beobachten ist, als Beweis dafür, dass hier die Bindesubstanz eine sehr starke Auf- lockerung oder, was wahrscheinlicher ist, eine Vermehrung erfährt. Was das Verhalten des Linins den verschiedenen Farbstoffen gegenüber betrifft, so färbt es sich im allgemeinen oxychromatisch, 154 H. Stieve: reagiert also basisch. Wir müssen jedoch annehmen, dass in bestimmten Zeiten auch das. Linin seine Reaktion verändern kann und dann basische Farbstoffe aufnimmt, denn in den Schleifen der Teilungsfiguren lassen sich zwischen den basichromatischen Chromiolen keinerlei oxychromatische Brücken nachweisen. Es ist möglich, dass es sich hier nur um schlechte Differenzierung handelt, da eben die stark schmierenden Kernfarbstoffe nicht ge- nügend ausgezogen werden, wahrscheinlicher, erscheint jedoch, dass auch beim Linin eine Reaktionsumkehr eintreten kann wie bei den Chromiolen selbst. Auf Grund unserer heutigen Kenntnisse können wir also bloss annehmen, dass das Linin eine Substanz im Kerninneren ist, die dazu dient, die einzelnen Uhromiolen, beziehungsweise die aus ihnen gebildeten Chromosomen, in bestimmter Art und Weise zu vereinigen. Als Bindemittel kommt ihm demnach ein formgebender Einfluss für die Kernstrukturen zu. Ob das Linin aber durch aktive Kontraktion Veränderungen in der Form und der Lage der Chromosomen hervorrufen kann, vermögen wir noch nicht zu entscheiden. VIl. Die Chromiolen. Im Gegensatz zum Linin haben wir in den Chromiolen die eigentliche wirksame Substanz der Chromosomen zu erblicken. Sie stellen kleine Gebilde dar, die gewöhnlich kugelförmig er- scheinen. manchmal zeigen sie jedoch auch spindel- oder birnen- förmige Gestalt. Ihre Grösse schwankt in ziemlich weiten Grenzen, sie kann gerade an der untersten Grenze der mikroskopischen Nachweisbarkeit liegen, kann jedoch auch erheblich grösser sein, so dass der Durchmesser des Einzelgebildes 1,5 «# und mehr beträgt. Heidenhain nimmt für die Chromiolen eine konstante Grösse an und setzt sie der der Zentriolen gleich, eine Annahme, die beim Olm sicher nicht bestätigt wird. Über die chemische Struktur dieser, die Grundsubstanz der Chromosomen bildenden Körper vermögen wir nicht viel anzugeben, als sicher können wir nur annehmen, dass wir es mit Eiweisskörpern zu tun haben, die jedoch je nach den verschiedenen Funktions- zuständen, in denen sich die Zelle befindet, ganz verschiedene chemische Reaktion und dementsprechend auch verschiedene Färb- barkeit zeigen. Ursprünglich betrachtete man ja als Chromatin | | Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 155 nur saure Eiweisskörper, welche sich intensiv mit basischen Farb- stoffen tränken und stellte ihnen alle basisch reagierenden Kern- bestandteile als Kernsaft und Linin gegenüber. Schon Flemming (1876—1878) machte aber darauf auf- .merksam, dass besonders bei Anwendung von bestimmten Kern- farben, welche wie das Alaunkarmin und das Hämatoxylin keine ganz reine Tingierung der Chromosomen bewirken, sich auch der Kernsaft mit färbt. Und zwar zeigt er fein gekörntes Aussehen, welches Flemming für ein Produkt der Fixierung anspricht. Die gleiche Wahrnehmung machte später Heidenhain (1890) bei Verwendung der Biondischen Lösung, aber „mit dem auf- fallenden Resultate, dass nur die Chromatingerüste das, Methyl- grün aus der Lösung aufnehmen (Basichromatin), während das an- gebliche, Kernsafteiweiss“ (Oxychromatin) sowie die Nukleolen sich in kräftiger Weise in der roten Nuance des Säurefuchsins färben.“ In einer ganzen Reihe weiterer Arbeiten (bes. 1892— 94) legte Heidenhain dann dar, dass ausser dem basophilen Kerngerüst im Kerne noch eine oxophile Grundlage vorhanden sei, beide be- stehen aus feinsten Körnern, den Chromiolen, ein Ausdruck, der ursprünglich von Eisen (1900) geprägt worden war. Sie stellen drehrunde Kügelchen von der „Grösse eines mittleren Zentral- körpers“ dar, haben also einen Durchmesser von 0,3—0,4 u. Im einzelnen will ich hier nicht auf die Untersuchungen Heidenhains eingehen, sie sind für die folgenden Ausführungen hauptsächlich deshalb von Bedeutung, weil in ihnen zuerst darauf hingewiesen wurde, dass das Chromatin im Kern nicht nur durch solche Substanzen repräsentiert wird, dfe sich basisch färben, sondern auch durch oxophile Gewebsstrukturen. Nach den Aus- führungen von Heidenhain sind Basi- und Oxychromatin jedoch zwei verschiedene Substanzen und nicht, wie sich dies später heraus- stellte und auch hier dargetan werden soll, nichts anderes als verschiedene Funktionszustände ein und des- selben Grundstoffes. Mosse (1902, 1904) machte dann darauf aufmerksam, dass unter allen Körperzellen die Nerven- und Eizellen eine ganz be- sondere Stellung einnehmen, nämlich insoferne, als in ihnen das Chromatin nicht basophil, sondern neutrophil sei, wohingegen der Nukleolus wie gewöhnlich eine geringgradige Basophilie zeige. 156 H. Stieve: Mosse gibt dabei nicht an, was für Eizellen, beziehungsweise auf welchem Entwicklungszustand die Eizellen die fragliche Eigen- schaft besitzen. Seine Untersuchungen veranlassten aber Retzius (1911), der Frage nach der chemischen Reaktion des Chromatins in den verschiedenen Entwicklungszuständen der Zelle weiter nachzugehen. VII. Die chemischen Veränderungen des Chromatins. a) Die Befunde von Retzius. Retzius stellte zunächst an mit dem Ehrlich-Biondischen Ge- misch behandelten Eiern von Echinodermen fest, dass die Chromo- somen des Spermienkopfes bis zum Zusammentreffen mit dem Eikern grün erscheinen, die des Eikernes selbst dagegen rötlich. Nach der Verschmelzung der beiden Kerne erscheinen jedoch alle Chromosomen rot und nehmen erst wenn der Kern sich zur Teilung anschickt, wieder grüne Farbe auf. Diese erhält sich dann durch das ganze Spindelstadium, auch noch zu Beginn der Tochterzellen- bildung, um erst später wieder in die rote Farbe umzuschlagen. In einer ganzen Reihe von Arbeiten (1911) untersuchte Retzius dann die Eireifung der Asteriden, von Ascaris megalocephala und verschiedenen anderen Tierarten, ausserdem das Verhalten der Nervenzellen und der Spermien, alles in erster Linie in Hinsicht auf die Reaktionsweise des Uhromatins gegenüber verschiedenen Farbstoffen und kommt schliesslich zu folgendem Ergebnis: Schon in einem sehr frühen Stadium findet sich in den Eiern der Echinodermen kein mittels des Biondigemisches grün färbbares Chromatin. Die Körner der Fäden sowohl, als auch die Nukleolen nehmen vielmehr nur eine rötliche bis violette Färbung an. Die Chromosomen der Reifungsteilung, welche aus dem rot-violetten Nukleolus entstehen sollen’) färben sich dagegen wieder grün und behalten diese Farbe während der beiden Reifungsteilungen bei, danach erscheint jedoch das Uhromatin des Zellkernes rot und erleidet während der Befruchtung die oben erwähnten Ver- änderungen. Im Gegensatz dazu behalten bei Ascaris die Körner der Chromosomen in den Eiern bis zur Abgabe der Richtungs- !) Diese Anschauung hat sich wie die neuesten Untersuchungen Buchner s (1918) zeigen, als irrtümlich erwiesen, denn auch bei Echinodermen bleiben die Chromosomen während der ganzen Eientwicklung morphologisch vom Nukleolus unabhängig. f > \ Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 157 körper ihre grüne Farbe, der Nukleolus erscheint dunkelrot. Erst wenn sich der Eikern ausbildet, verändert sich auch wieder die chemische Reaktion, die Chromosomen zerfallen in rote Stücke. Am Spermiumkopf spielt sich der nämliche Vorgang ab. Während der ersten Furchungsteilung erscheinen die Chromosomen blau- grün, verändern aber bei der Ausbildung der Kerne ihre Farb-: reaktion wieder und zwar tritt dieses Verhalten in gleicher Weise bei jeder weiteren Teilung zutage. Bei sehr zahlreichen untersuchten Tierarten färben sich nach den Angaben von Retzius die Köpfe der Spermien grün, während der Samenentwicklung erscheinen gleichfalls die Chromosomen in den Teilungsphasen grün, wohingegen in den vorhergehenden und nachfolgenden Kernstadien das Chromatingerüst sich rot färbt. In den Kernen der Nervenzellen ist die chromatische Substanz rötlich oder rotviolett. In erster Linie die Befunde an reifenden und sich teilenden Eiern zeigen dabei deutlich, dass es sich bei allen diesen Vorgängen nur um verschiedene Funktionszustände ein und derselben Substanz handelt, „von chemischen und physikalischen Veränderungen in der Zelltätigkeit herrührend“. In Berücksichtigung der Ergebnisse chemischer Untersuchungen nimmt nun Retzius an, dass die Chromosomen des Spindelstadium vorwiegend aus Nukleinsäure bestehen, wohingegen im Chromatin der Zellen des interkinetischen Stadium die Eiweißstoffe relativ vermehrt, die Phosphorsäure vermindert sei. Wie dem auch sei, morphologisch von grösster Wichtigkeit ist dabei, dass ein und dieselbe Substanz, nämlich das Chromatin, in verschiedenen Funktions- zuständen der Zelle bei gleicher Fixierung ganz ver- schiedenes Verhalten gegenüber den Farbstoffen zeigen kann. Wir sind deshalb auch nicht berechtigt, nur auf Grund des färberischen Verhaltens das Basi- und Oxychromatin als zwei morphologisch verschiedene Substanzen anzusehen, eine Tatsache, die übrigens schon Heidenhain in Erwägung gezogen hat. Er glaubt nämlich (1894), man dürfe die Basi- und Oxy- chromatine nicht als unveränderliche Körper auffassen, sondern es bestehe die Möglichkeit, dass sich ihr chemisches und dadurch färberisches Verhalten durch Aufnahme und Abgabe von Phosphor- säure verändere. „Meine heutige Meinung geht also dahin, dass die Affinitäten der chromatophilen Mikrosomen der Kerngerüste 158 H. Stieve: gegenüber den basischen und sauren Anilinfarbstoffen sich nach gewissen physiologischen Zuständen des Kernes oder der Zelle . regulieren, in betreff deren wir bisher eine genauere Einsicht noch nicht haben.“ Wenn daher im vorhergehenden oder folgenden voneinem Verschwinden der einen und Neuerscheinen der anderenChromatinart in den Kernschleifen ge- sprochen wird, so ist dies durchweg nur so zu verstehen, dass die chromosomale Substanz ihre chemische Reaktion verändert, nicht aber, dass ein vollkommener Austausch der Chromatinmassen vor sich geht. Dass bei dem Reaktionswechsel vereinzelte der Chromatinkomponenten an den Kern abgegeben, beziehungsweise aus ihm bezogen werden, ist aber selbstverständlich. b) Die Befunde am Chromatin des Amphibieneies. Betrachten wir nun mit Berücksichtigung der eben erwähnten: Tatsachen die Vorgänge bei der Reifung der Eizelle des Olmes. In ihr tritt zunächst eine relative Vermehrung des Oxychromatins ein, die mehr und mehr zunimmt. Das Basichromatin bleibt in seiner Menge zunächst gleich, das heisst, es vermehrt sich in gleichem Verhältnis zum Anwachsen der Kerngrösse und erfährt wäbrend der Prophasen der ersten Reifungsteilung wieder eine Verminderung, um dann für die erste Zeit der Wachstumsperiode vollkommen aus den Chromosomen zu verschwinden. Dieser Vorgang hat nun zur Folge, dass das Innere der Oozyte in einer gewissen Zeit nur von einem rein oxychromatischen Gerüst ausgefüllt ist. Diese Erscheinung kommt jedoch in ihrer vollsten Ausbildung nur bei der gleichzeitigen Anwendung von zwei ver- schieden reagierenden Farbstoffen zur Geltung, und nur da zeigt es sich, dass die Chromiolen eine höhere Affinität zu sauren Farbstoffen besitzen, als zu basischen. Bei alleiniger Anwendung basischer Farben, also der „eigentlichen“ Kernfarben, kann man dagegen erkennen, dass die Chromosomen auch in diesem Stadium die Basophilie "nicht vollkommen verloren haben, sondern unter gewissen Bedingungen auch jetzt noch mit einzelnen typischen Kernfarben, allerdings nur schlecht darstellbar sind. Die einzelnen Farbstoffe verhalten sich in dieser Hinsicht aber ganz verschieden, so stellt Gentianaviolett die oxychromatischen Chromosomen besser u Zu Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 159 dar als Safranin, wohingegen das Methylgrün sie überhaupt nicht zu färben vermag. Im Vergleich mit rein-, beziehungsweise überwiegend basichromatischen Strukturen erscheinen jedoch die oxophilen Chromosomen ‚stets wesentlich schwächer gefärbt, eine Tatsache, auf welche schon Rückert (1892) bei der Untersuchung der Eireifung der Selachier aufmerksam gemacht hat, er vermutete schon damals, dass sie durch chemische Veränderungen der chro- matischen Substanz bedingt sei. Den Beweis dafür, dass alle Veränderungen, welche der Histologe mittels der Färbung im mikroskopischen Schnitt dar- stellt, tatsächlich ihre Begründung in chemischen Umsetzungen haben, erbrachte erst in neuester Zeit N&mec (1910), er zeigte, dass das Chromatin des ruhenden Kernes im heissen Wasser koagulierbar und unlöslich ist. „Wenn sich aber der Kern zur Teilung anschickt, wird das Uhromatin immer schwieriger koagu- liert und leichter aufgelöst, dicht vor der Metaphase erreicht es in dieser Beziehung den Höhepunkt!“ Wohl der erste, der den Farbumschlag des Chromatins in der Eireifung festgestellt hat, ist V.Schmidt, wie ich schon. in den vorhergehenden Auseinander- setzungen mehrmals betont habe. Er schildert ausführlich den körnigen Bau des oxychromatischen Netzwerkes und beobachtet in den grössten untersuchten Oozyten auch noch das erste Auftreten basichromatischer Körnerreihen, also den Beginn der wiederkehrenden Basophilie. Auch Bouin (1906) sah bei Rana temporaria das veränderte Verhalten des Kerninhaltes in der reifenden Oozyte, gibt auch sehr gute Abbildungen der fraglichen Stadien, er hält aber in Anlehnung an Carnoy und Lebrun die basophilen, dem oxy- chromatischen Netzwerk eingelagerten Nukleolen für die Überreste der Chromosomen, das Kerngerüst selbst bezeichnet er als „Reseau nucl&aire acidophile“, und stellt es auf gleiche Stufe mit dem Liningerüst des Kernsaftes, ein Fehler, der schon sehr häufig. begangen wurde. Jörgensen weist in seiner Arbeit gleichfalls auf die veränderte Farbreaktion der Chromosomen „vor und nach der Zerstäubung“ hin, wendet aber den verschiedenen Zuständen des Chromatins nur wenig Aufmerksamkeit zu. Sehr ausführlich beschäftigt er sich dagegen in seinen Zellstudien (1913) mit den fraglichen Erscheinungen. Dort schildert er zuerst eine Sperma- 160 H. Stieve: togonienteilung von Proteus, ob grosse oder kleine, wird nicht angegeben, seine Beschreibung weicht etwas von der im ersten Teil dieser Arbeit gegebenen ab, nämlich insofern, als Jörgensen weit grössere Chromatinmengen als ich ‚darstellt, doch kann der Unterschied durch die verschiedene Fixierung bedingt sein. Des- gleichen beschreibt er den Entwicklungsgang einer jungen Oozyte von Triton, in ihr kommt es zur Ausbildung der polaren Orien- tierung, ‚während deren Bestehens die Chromosomen rein basi- chromatisch sind. „Während der diplotenen und dietyenen Stadien büssen die Chromosomen neben ihrer polaren Orientierung auch diese ihre Färbbarkeit ein (Fig. 9, Tafel 4), in dem Maße, wie sie sich im Kernraum zerstreuen, beginnen sie, sich oxychromatisch zu färben, bis sie schliesslich nur ganz wenige (Fig. 10, Tafel 4) und endlich überhaupt keinebasischen Chromiolen mehr aufweisen.“ Im Anschluss an diese Beobachtungen wird auch noch in Verdauungsversuchen nachgewiesen, dass das Basichromatin, gleich- gültig ob es in der Form der Uhromosomen oder Nukleolen auf- tritt, für Pepsinsalzsäure unverdaulich ist, wohingegen das Oxy- chromatin leicht aufgelöst wird. Jörgensen stellt dann das. Gesetz der umgekehrten: Reaktionsweise der Kernkompenenten des wachsenden Eies auf, welches die eben beschriebenen Er- scheinungen als Grundlage nimmt und folgert, dass das Chromatin der Ruhekerne oxychromatisch, das der Mitosen aber basichro- matisch sei. Dieses „Gesetz“ ist jedoch nicht vollkommen richtig — von einem Gesetz zu sprechen, ist bei allen diesen biologischen Vor- gängen an und für sich sehr gewagt, es handelt sich höchstens um eine Regel — denn wir sehen, dass: 1. in ruhenden Kernen der Gewebszellen, auch der Eifollikel- zellen das Chromatin fast ausschliesslich in der basichromatischen Form vorhanden ist, das Oxychromatin ist nur in Gestalt der . keineswegs in allen Kernen nachweisbaren „echten Nukleolen“ vertreten und 2. in der wachsenden Eizelle auch nur anfangs nach der Unterbrechung der Prophasen zur ersten Reifungsteilung das Kerngerüst rein oder fast rein basisch reagiert, also grösstenteils aus Oxychromatin besteht, dass dagegen später, auch während des Wachstums selbst stets Basichromatin vorhanden ist und dass schliesslich während der ganzen Rückbildung der seitlichen Aus- un 2 1 ke a 573 u 377 RK ’ \ Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes, 161 läufer die chromosomale Substanz ausgesprochen amphoter reagiert, also neben dem Oxychromatin sicherlich auch Basichromatin enthält. So einfach wie Jörgensen sich dies vorstellt, sind also die chemischen Vorgänge in der Zelle nicht. Das verschiedene chemische Verhalten erklärt aber okne weiteres die sonst unver-’ ständliche Tatsache, dass die Chromosomen im Anfang der zweiten Wachstumsperiode mittels der Heidenhainschen Hämatoxylin- methode nicht dargestellt werden können, sondern erst von dem Zeitpunkt ab, wo sich auch saure, also phosphorhaltige Eiweiss- körper in ihnen finden. Die in Frage stehenden Erscheinungen können wir also dahin erklären, dass in den rasch wachsenden Kernen nur anfangs Oxychromatin auftritt, später aber, wenn die Vergrösserung lang- samer fortschreitet und keine sehr erhebliche Vermehrung des Chromatins stattfindet, sowohl Basi- als auch Oxychromatin vor- handen ist. | Dadurch lassen sich auch die Erscheinungen, welche wir in somatischen Zellen beobachten können, mit den bei der Eireifung festgestellten in Einklang bringen. Nach jeder Teilung findet während des „proportionalen Kernwachstums“ (Boveri 1904) eine Chromatinvermehrung statt und zwar auf das Doppelte des unmittelbar nach der Teilung vorhandenen Volumens. Während dieser Zeit verhält sich das Chromatin oxophil. Hat aber der Kern seine endgültige Grösse erlangt, so besteht sein Gerüst wieder ausschliesslich aus Basichromatin, das selbstverständlich befähigt sein muss, die dem ruhenden Kern zukommenden spezifischen Funktionen zu verrichten. Die nämlichen Vorgänge beobachten wir zunächst während der ersten Wachstumsperiode der Oozyte, die ja auch nichts anderes darstellt, als die Zeit des proportionalen Kernwachstums. Nach seiner Beendigung schickt sich die junge Eizelle zur . ersten Reifungsteilung an. Noch während der Prophasen selbst aber, zuerst Hand in Hand mit ihnen, findet dann ein neues . ungeheures Kernwachstum statt, das nach und nach die Teilungs- erscheinungen zum Stillstand kommen lässt. Mit der riesigen Substanzvermehrung verliert das Chromatin seine Basophilie mehr und mehr. Sobald sich jedoch das Kernwachstum verlangsamt, sammelt sich offenbar wieder Phosphorsäure im Chromatin an und bewirkt dessen veränderte chemische Reaktion und nunmehr, Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. IT. ig! 162 H. Stieve: am basichromatischen Kerngerüst, vollziehen sich Spaltungsprozesse, die äusserlich, obwohl sie sich immer nur auf ganz kurze Bezirke erstrecken, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Auseinanderrücken der Chromosomenspalthälften während der Teilungen besitzen. Die folgende Rückbildung der Chromosomen ist dann gleichfalls wieder von chemischen Umsetzungen begleitet, in den seitlichen Ausläufern befinden sich saure und basische Substanzen, die abgestossen werden. Schliesslich sammelt sich in den zentralsten Teilen der Chromosomen offenbar sehr viel Säure an und bewirkt dadurch die Bildung der zentralen basophilen Körnerreihen. Oder mit anderen Worten: bei jedem Wachstum der chromatischen Substanz sowohl in Körperzellen, als “auch in Geschlechtszellen findet zuerst eine Ver- mehrung der basischen Eiweißsubstanzen statt, sie erfolgt unter recht erheblicher Oberflächen- vergrösserung und diese befähigt die Chromosomen ihrerseits, neben der wichtigen Vermittlung des Substanzaustausches mit dem Kernsaft, indenZeiten des verlangsamten oder gänzlich stillstehenden Wachstums grosse Mengen von Phosphorsäure aufzunehmen, die dann ihrerseits den deutlichen Reaktionsumschlag bewirkt. Während des Zellwachstums kommt den Chromosomen eine sehr umfangreiche, wichtige Tätigkeit zu, desgleichen findet sicher- lich auch während der sogenannten Kernruhe, soweit wir von einer solchen überhaupt sprechen dürfen, eine je nach der Aufgabe der betreffenden Zelle regere oder geringere Kerntätigkeit statt, die sich jedoch nicht in der chemischen Reaktion des Chromatins geltend macht. Während der Mitose spielen die Chromosomen nur eine passive Rolle. Sie verändern zwar aus Ursachen, die in ihnen selbst gelegen sind, ihre Form, die Verteilung auf die Tochterzellen erfolgt jedoch wahrscheinlich einzig und allein durch die Tätigkeit der Zentriolen und Spindelfasern, also von Gebilden, welche dem Plasmaleib der Zellen angehören. c) Die Achromatinhypothese. Ich habe im Vorhergehenden des öfteren auf die hohe Bedeutung hingewiesen, die den chemischen Veränderungen der Chromatinsubstanz in bezug auf die Frage nach der Chromosomen- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 163 kontinuität zukommt und gezeigt, dass eine ganze Reihe von Angaben, welche das Verschwinden der Chromosomen aus dem Kern darzutun versuchen, auf die Unkenntnis dieser Veränderungen gestützt sind. Die von Waldeyer (1888) geprägte Bezeichnung Chromosomen kennzeichnet ja in erster Linie die Haupteigenschaft dieser Gebilde während der Mitose und hat deshalb bei sehr vielen Forschern zu dem Missverständnis geführt, die nämlichen Gebilde dann, wenn sie die eine hervorstechende Eigenschaft infolge chemischer Umsetzungen verloren haben, für ganz andere Strukturen zu halten, Dem muss nun entgegengehalten werden, dass der Begriff der Chromosomen ein rein morphologischer ist, der vollkommen unabhängig von der Farbreaktion und der äusseren Gestalt auf die bestimmten Einheiten im Kerninnern angewendet wird. Hertwig (1912) gebraucht hauptsächlich die Bezeichnung „Kernsegmente“, besser als dieses hybride Wort ist wohl der meines Wissens zuerst von Flemming geprägte Ausdruck Kernschleifen, der eine gute deutsche Bezeichnung darstellt. Es dürfte allerdings wohl schwer halten, bei der allgemeinen Ver- breitung und Anerkennung, die das Wort Chromosomen in der ganzen Welt gefunden hat, jetzt eine andere Nomenklatur ein- zuführen. Dies ist ja schliesslich auch nicht nötig, sobald stets im Auge behalten wird, dass die Chromosomen Gebilde sind, die sich zeitweise mit intensiv färbbarer Substanz beladen. Einzig undallein diese übliche, aber vollkommen unberechtigte Verknüpfung des Begriffes der Chromosomen mit der basichro- matischen Substanz war es, die Haecker (1907—1911) dazu führte, an die Stelle der Chromosomenerhaltungshypothese die Achromatinhypothese zu setzen. Sie trifft allerdings insoferne das Richtige, als es gar nicht notwendig ist, wie ja schon des öfteren, so besonders von Boveri, betont wurde, dass die in Frage stehenden Gebilde wirklich intensive Färbbarkeit besitzen. Die Achromatinhypothese verlegt aber die Vererbungsträger in das alveolär strukturierte Grundplasma des Kernes und erblickt in den Chromosomen nicht eine Zusammenscharung der basichro- matischen Chromatinkörper, sondern eine „stark färbbare (vor- wiegend basophile) Verdichtung des alveolären Karyoplasma selber“. Auch Strasburger (1907) ist der Ansicht, dass nicht die Substanz, die gewöhnlich als Chromatin bezeichnet wird, die Erbsubstanz sein kann, sondern das Gerüstwerk des Kernes. 1% 164 H. Stieve: Oftenbar ist aber sowohl das alveoläre Karyoplasma Haeckers- als auch das Kerngerüst Strasburgers nicht mit den feinen Lininstrukturen des Kernsaftes identisch, sondern mit dem gleichmässig ausgebreiteten oxychromatischen Chromosomen- netzwerk. Im Grunde genommen ist jedoch ursprünglich die Hypothese von der Chromosomen-Kontinuität an und für sich. nichts anderes als eine Achromatinhypothese, weder Boveri und Rabl noch auch Rückert haben die Behauptung aufgestellt, dass die Chromosomen als basichromatische Körper erhalten bleiben, sie fordern vielmehr nur die Persistenz von gewissen Einheiten, die in irgend einer, wahrscheinlich mit unseren Hilfs- mitteln zeitweise nicht nachweisbaren Form die Kernruhe über- dauern. Dabei mag es sich um basichromatische, oxychromatische, amphotere oder vielleicht auch um solche Gebilde handeln,- die zeitweise überhaupt keinen der bisher verwendeten Farbstoffe aufnehmen. Mit der veränderten chemischen Reaktion und dem Fehlen. der Phosphorsäure im Oxychromatin hängt wahrscheinlich ja auch die äusserst geringe Widerstandskraft der Chromosomen in den fraglichen Entwicklungsstadien zusammen. Sie macht sich zunächst . bei allen Verdauungsversuchen geltend, wo die Anwesenheit der Pepsin-Salzsäure ihre sehr rasche Auflösung herbeiführt, während die basichromatischen Substanzen weit länger Widerstand leisten. Sie tritt aber auch bei der Anwendung von bestimmten Fixierungs- mitteln, so besonders der Osmiumsäure, zutage, die eine voll- kommene Auflösung des Oxychromatins zur Folge hat, und diese Tatsache hat die besonders von v. Winiwarter und Jörgensen vertretene Ansicht von der Chromatinzerstäubung‘ aufkommen lassen. Die fragliche Erscheinung wird hauptsächlich in ganz jungen Gonozyten und in Oozyten zu Beginn der zweiten Wachstumsperiode beobachtet, also in den Stadien, in denen der Phosphorsäuregehalt der chromatsichen Substanz am ge- ringsten ist. Schliesslich kommt aber die geringe Widerstandskraft des Chromatins wachsender Kerne noch sehr deutlich bei den physio- logischen und pathologischen Rückbildungserscheinungen zum Ausdruck, äussere Schädigungen, welche Degenerationsvorgänge im Ovar zur Folge haben, betreffen in erster Linie Kerne mit. starkem Überwiegen des Oxychromatins, die nämlichen Formen, De Tl TE 2 De > EU dl Zi a EEE ET Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 165 ‚auf die sich auch der Einfluss der Osmiumsäure am deutlichsten geltend macht. Und alle diese Tatsachen wurden bisher zu wenig erkannt und zu wenig berücksichtigt und haben die Irrlehre von der -Chromatinzerstäubung begründet und gestützt. IX. Die Nukleolen. a) Das Auftreten und die Anordnung im Kern. Die chemischen und morphologischen Veränderungen der Chromosomen zeigen einen unverkennbaren Zusammenhang mit anderen Formelementen des Kernes, nämlich mit den Nukleolen, deren Verhalten während der Eireifung des Grottenolmes im folgenden noch kurz besprochen werden soll. Im allgemeinen bezeichnet man als echte Nukleolen oxy- chromatische, kugelförmige Gebilde. Es sind dies die schon von Schleiden und Schwann beschriebenen Kernkörperchen, für welche Auerbach (1890) die Bezeichnung erythrophile Nukleolen, Rosen (1892) Eunukleolen, Carnoy (1884) Nueleoles plasmatiques und Macallum (1896) Plasmosomen geprägt hat. Derartige oxy- chromatische Nukleolen kommen in den Keimzellen des Olmes nicht vor. Hier finden sich nur kugelförmige Gebilde, von den zahl- reichen Einschlüssen will ich ebenso wie von den Pfropfnukleolen zunächst absehen, deren Grundsubstanz ausgesprochen basophil ist und mit Amen sollen sich die folgenden Ausführungen haupt- sächlich' befassen. In der jungen Oozyte während der ersten Wachstumsperiode finden sich anfangs keine, später meist 1—2 kleine, kaum 2 u im Durchmesser haltende Nukleolen, die sich schwer, häufig über- haupt nicht von den basophilen, dem Gerüst eingelagerten Körnern unterscheiden lassen. Mit voller Sicherheit lässt sich ihre An- 'wesenheit erst während der Ausbildung des dünnen richtungslosen Knäuels feststellen, wo 1—2, seltener mehr, bis zu 3 « grosse Nukleolen frei im Kernsaft liegen. Dieser Zustand bleibt noch während der Anfangsstadien der polaren Orientierung bestehen. Erst wenn in den späteren Abschnitten der Eireifung die seit- lichen Ausläufer sich zu bilden und die basichromatische Substanz in den Chromosomen zu schwinden beginnt, vermehrt sich die Zahl der Nukleolen wesentlich, die grösseren von ihnen finden sich im Kerninneren, kleinere als Randnukleolen unmittelbar unterhalb 166 H. Stieve: der Kernmembran. Diese Vermehrung dauert nun in der Folge- zeit so lange an, bis das oxychromatische Gerüst ganz ausgebildet und alles Basichromatin aus den Ghromosomen verschwunden ist. In dieser Zeit findet sich dann in den Kernen, sowohl im Inneren als auch hauptsächlich an der Peripherie, eine relativ sehr grosse Anzahl von Nukleolen. Die zentral gelegenen sind meist kreisrund, seltener unregelmässig gestaltet, die grösseren zeigen in ihrem Inneren Vakuolen, die Randnukleolen sind an ihrer, der Kern- membran angelagerten Seite abgeplattet und erscheinen deshalb halbkugelförmig. Während des nun folgenden Kernwachstums tritt keine oder wenigstens keine deutlich erkennbare Vermehrung der Nukleolen ein, sie vergrössern nur ihren Durchmesser etwa in gleichem Maße wie der Kern an Grösse zunimmt. Dabei verschwinden die im Kerninneren gelegenen Nukleolen fast vollständig, es finden sich also fast ausschliesslich Randnukleolen. Diese sind jedoch jetzt etwas von der Kernmembran abgerückt, sie erscheinen Kreisrund, ihre Oberfläche ist glatt und nur hier und da durch Vakuolen- bildung höckerig gestaltet. Abgeplattete, der Kernmembran direkt anliegende halbkugelförmige Gebilde finden sich jetzt nicht mehr. Wenn sich dann später das Kernwachstum verlangsamt, die Einzelchromosomen sich zu isolieren und in der Kernmitte zu- sammenzurücken beginnen, dann erfährt die Zahl der Nukleolen eine starke Vermehrung. Grosse Kernkörper von bis zu 20 u Durchmesser liegen noch immer innerhalb der Kernmembran, kleinere und kleinste entstehen im ganzen Bereich des Kernes in der Umgebung der Chromosomen, sie sind zum Teil den seit- lichen Ausläufern angelagert. Gleichzeitig zerfliessen zahlreiche der grossen Nukleolen und gehen schliesslich unter. Während des weiteren Zusammenrückens der Chromosomen in der Kernmitte findet sich die überwiegende Mehrzahl der grossen Nukleolen stets am Rande des zentralen Chromosomen- haufens, nur vereinzelte von ihnen bleiben unterhalb der Kern- . membran oder nahe an ihr liegen. Die Gesamtzahl der grossen Nukleolen verringert sich dabei zusehends, während dauernd kleine Nukleolen neugebildet werden und zwar nur in unmittelbarer Umgebung der Chromosomen. Was die Zahl aller in einem Kern vorhandenen Nukleolen betrifft, so unterliegt sie sehr grossen individuellen Schwankungen. N Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes, 167 Zu Beginn der Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes beträgt sie etwa 10—30, wenn das Gerüst vollkommen den Kern durch- setzt etwa 400—600. Im Zustand der höchsten Entwicklung, also dann, wenn die Chromosomen in der Kernmitte zusammen- zurücken beginnen, finden sich etwa 1000-1300 grosse Nukleolen neben unzähligen mittleren und kleinen, später in den letzten von mir beobachteten Entwicklungsstadien 500—600 grosse Nukleolen, auch die Zahl der kleineren und mittleren hat dann stark abgenommen. x Während der Oozytenentwicklung findet also zweimal eine starke Nukleolenvermehrung statt, beide Zeitabschnitte sind durch einen Zustand getrennt, in dem lediglich eine Vergrösserung, aber keine nachweisbare Neubildung von Nukleolen statt findet. b) Die Form, Grösse und Farbreaktion. Was die Grösse der Nukleolen betrifft, so ist sie im all- gemeinen direkt proportional zur Kerngrösse, das heisst in kleineren Zellen sind sie kleiner, in grösseren grösser. Doch hat ihre Ausdehnung meist zu Beginn der Ausbildung des Netzwerkes im Kern ihren Höhepunkt erreicht, von da ab nimmt lediglich ihre Zahl zu. Gebilde von mehr als 20 « Durchmesser kommen nur bei den Degenerationsfiguren der Nukleolen zur Beobachtung Alle diese Regeln und Zahlenangaben treffen jedoch nur auf die grössten in einem Kern liegenden Nukleolen zu, neben ihnen finden sich meistens noch kleinere bis herab zu solchen, die gerade noch nachgewiesen werden können. Was ihre Form betrifft, so erscheinen die Kernkörper im allgemeinen kreisrund, kugelförmig. Die im Inneren auftretenden Vakuolen können jedoch an der Oberfläche mehr oder weniger starke Vortreibungen, Buckel und Höcker erzeugen. Seltener besitzen sie mehr längsovale Gestalt oder Eiform. Die der Kern- membran angelagerten Nukleolen erscheinen, wie schon erwähnt, halbmondförmig. Sehr wesentlich beeinflusst wird die Gesamtform der Kernkörper durch das Auftreten von Pfropfnukleolen, die ihren Mutternukleolen gewöhnlich halbkugelförmig aufsitzen und dadurch die mannigfaltigsten Formen hervorrufen, je nach der Zahl und Grösse ihrer Komponenten. In den grossen Eiern finden sich dann bei den zugrunde gehenden Nukleolen die verschiedensten Gestaltsveränderungen, bald in Form ein- oder mehrfacher Knospen, 168 H. Stieve: bald in der Gestalt, dass der ganze Nukleolus zerfliesst und dann die verschiedensten schlangen- und wurstförmigen Gebilde darstellt. Die Grundsubstanz der Kernkörper färbt sich stets basichro- matisch und zwar während ihrer Entstehung um so intensiver, je grösser der einzelne Nukleolus ist, der Inhalt der Vakuolen erscheint gleichfalls basichromatisch, jedoch wesentlich heller, bei ihm finden sich keinerlei erhebliche Farbunterschiede in bezug auf die Grösse. Im Gegensatz dazu ist die Grundsubstanz der Pfropfnukleolen rein oxychromatisch. Bei den degenerierenden Nukleolen der grössten Eier nimmt die Intensität der Färbbarkeit stark ab, hier erscheint die Grundsubstanz nur hellrot und zwar _ um so heller, je weiter der Zerfall fortgeschritten ist. Die Heidenhainsche Hämatoxylinmethode stellt alle Nukleolen als tiefschwarze, gewöhnlich vollkommen homogene Kugeln dar, nur bei stärkster Differenzierung gelingt es, die Vakuolen einiger- massen zur Anschauung zu bringen, die Pfropfnukleolen erscheinen etwas heller als die Mutternukleolen. c) Das Verhältnis zu den Chromosomen. Während der ganzen Dauer ihres Bestehens bleiben Nukleolen und Chromosomen morphologisch unabhängig voneinander, aller- dings nur insoferne, als niemals ein Chromosoma oder ein Teil eines solchen aus einem Kernkörper entsteht. Dagegen erscheint es zweifellos feststehend, dass bei der Rückbildung der seitlichen Chro- mosomenausläufer neue Nukleolen unmittelbar durch Abschmelzen gebildet werden. Dieser Vorgang lässt sich bei den verschiedensten Färbemethoden nachweisen, ist also nicht, wie Buchner (1918) dies annimmt, nur ein Kunsterzeugnis der Heidenhainschen Hämatoxylinmethode. Doch kommen, wie gesagt, derartige Bilder nur in den letzten Stadien der Eientwieklung zur Beobachtung, die vorher auftretenden Nukleolen entstehen frei im Kernsaft, morphologisch von den Chromosomen vollkommen unabhängig. Aber trotz der gegenseitigen körperlichen Unabhängigkeit besteht doch zweifellos ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zwischen diesen beiden auffälligen Kernbestandteilen, indem nämlich mit jeder Verminderung der basichromatischen Substanz in den Chromosomen eine Vermehrung und Vergrösserung der Nukleolen einhergeht. Das erste Mal ist dieser Vorgang während der Ausbildung des oxychromatischen Gerüstes zu beobachten, we r\ ne ee Se u m 2 Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 169 wenn das Basichromatin vollkommen aus den Chromosomen schwindet, das zweite Mal während der Rückbildung der seitlichen Ausläufer, die allerdings nicht rein basichromatisch sind, aber doch zweifelsohne, wie ihr färberisches Verhalten anzeigt, viel Basichromatin enthalten. Wenn in den späteren Entwicklungs- stadien trotz der starken Verminderung der Chromosomensubstanz Zahl und Grösse der Nukleolen abnimmt, so hat dies lediglich seine Begründung darin, dass in diesem Zeitabschnitt eine sehr grosse Menge von Kernkörpern zugrunde geht und offenbar ist hier der Ausfall grösser als der Zuwachs. Dabei erfolgt die Vermehrung und das Zugrundegehen der Nukleolen stets langsam, kontinuierlich, niemals in einzelnen Schüben oder Generationen, so wie dies besonders Carnoy und Lebrun und Lubosch annehmen. Auch bei Triton konnte ich in den Eiern kein schubweises Auftreten der Nukleolen beobachten, ein solcher Entwicklungsmodus kann jedoch in den letzten Abschnitten der Eientwicklung vorgetäuscht werden und zwar durch die verschiedene Lage, welche die Kernkörper hier ein- nehmen. Zuerst finden sie sich unterhalb der Membran und später am Rande des zentralen Chromosomenhaufens. Diese Feststellung geschieht jedoch unbeschadet der Tatsache, dass die Vermehrung der Nukleolen in gewissen Zeitabschnitten viel lebhafter ist als in anderen und zeitweise, nämlich während des Bestehens des gleichmässigen Kerngerüstes, fast ganz zum Still- stand kommt. Man kann hierin wohl eine periodische Vermehrung erblicken, die sich jedoch grundlegend von der schubweisen Vermehrung unterscheidet, wie sie die oben erwähnten Autoren annehmen. Für das innige Wechselverhältnis zwischen Nukleolen und Chromosomen sprechen ja auch ohne weiteres die gegenseitigen Lagebeziehungen. Während des ersten Auftretens finden sich die Nukleolen im ganzen Kern und zwar vorzüglich in seiner Mitte zwischen den Chromosomen, erst mit der stärkeren Aus- breitung der seitlichen Ausläufer verschwinden die zentralen Kernkörper und gleichzeitig erfährt die Zahl der Randnukleolen eine stärkere Vermehrung. Ob sie dabei im Kerninnern resorbiert ‚oder einfach, wie dies ja auch denkbar wäre, durch das sich mehr und mehr ausbreitende Netzwerk an die Randpartien verdrängt werden, lässt sich nicht entscheiden. 170 H. Stieve: In der Folgezeit sind dann die Nukleolen im Kerninneren äusserst selten, auch in der Zeit der stärksten Vermehrung finden sich die grossen von ihnen nur an der Peripherie des Chromosomen- haufens, auch dann, wenn er sich in der Mitte des Kernes zusammenzieht, während in seinem Bereich massenhaft kleine neue Kernkörperchen auftreten. Ob dabei tatsächlich eine zentral- wärts gerichtete Wanderung der Nukleolen stattfindet, oder ob die peripheren stets resorbiert, ausgeschieden, die zentralen aber durch das massenhafte Abschmelzen der Chromosomenausläufer neu gebildet werden, lässt sich nicht sicher entscheiden. Ich halte jedoch den letzten Vorgang für wahrscheinlicher, der ungeheure Substanzverlust, den die Chromosomen gerade in dieser Zeit erfahren, würde wohl die Neuentstehung einer sehr grossen Anzahl von Nukleolen erklären. Dass gleichzeitig eine sehr erhebliche Menge von Nukleolen zugrunde geht, lässt sich ja nicht nur aus dem färberischen und morphologischen Verhalten, sondern auch aus der tatsächlich nachweisbaren Abnahme ihrer Zahl feststellen. Wenn allerdings Jörgensen annimmt, dass es wohl ein leichtes wäre, „die einstigen Randnukleolen von den zentralen bizarren, unregelmässigen Chromatinkonglomeraten des Zentralkörpers zu unterscheiden“, so kann ich ihm darin nicht beipflichten. Ein tatsächlicher Unterschied besteht nur zwischen den zugrunde gehenden und den, wenn man sich so ausdrücken darf, noch intakten Nukleolen. Dagegen finden sich auch im Bereich der Chromosomen stets kleine und mittelgrosse kreisrunde, zum Teil auch vakuolisierte Nukleolen, die durch kein besonderes Merkmal von den Randnukleolen abstechen, und wenn Born starke färberische Differenzen zwischen den beiden Nukleolenarten nachweisen konnte, so kann ich dem nur entgegenhalten, dass mir dies weder bei Proteus noch auch bei Triton gelungen ist, und ich glaube deshalb die Bornsche Angabe nur auf die Degenerations- nukleolen beziehen zu müssen. ; Die Nukleolen entstehen also in der letzten Kernwachstums- periode, zum Teil wenigstens, unmittelbar durch Abschmelzen von seit- lichen Chromosomenausläufern. Der Vorgang lässt sich unmittelbar beobachten, an den Enden einzelner Ausläufer, oft auch in ihrer Mitte, bilden sich dicke Klumpen, die sich zunächst noch amphoter, jedoch intensiver als die Chromosomen selbst färben. Später erkennt man diese Gebilde dann im Kernsaft, bald einzeln, bald Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 171 zu mehreren beieinander: liegend, sie färben sich jetzt schwach basichromatisch und können unmittelbar nach ihrer Loslösung als Nukleolen angesprochen ‘werden, denn als solche sind alle nicht zu den Chromosomen gehörigen Chromatinklumpen im Kerninnern, ohne Rücksicht auf ihre Form und Grösse, zu bezeichnen. Mannigfache Übergangsbilder leiten dann von diesen Formen zu den grossen Randnukleolen, dabei können wir, wie ja bei der Untersuchung am fixierten Objekt überhaupt, den einzelnen Gebilden niemals ansehen, ob es sich um regressive oder progressive Formen handelt. Es wäre schliesslich auch denkbar, dass die kleinen Abschmelzungsnukleolen unmittelbar nach ihrem Entstehen wieder zugrunde gehen, sicher beweisen, wie dies Jörgensen will, lässt sich ein solcher Vorgang jedoch nicht. Aber nicht nur aus dem morphologischen Verhalten, auch aus der chemischen Reaktion der Nukleolen lässt sich ihre Abhängigkeit von den Chromosomen äusserst wahrscheinlich machen. In der ersten Zeit ihres Entstehens, wenn in den Chromosomen die basichromatische Substanz ab-, die oxychromatische zunimmt, bestehen die sich neubildenden Nukleolen ausschliesslich aus Basichromatin, sie behalten diese Reaktion auch bei und besitzen im Zustand des basichromatischen Kerngerüstes die nämliche Reaktion wie die Chromosomen, färben sich allerdings wesentlich intensiver als diese. Beim Abschmelzen der seitlichen Ausläufer bestehen die Chromosomen nicht, wie dies Jörgensen und Buchner annehmen, ausschliesslich aus Oxychromatin, sondern sie enthalten, wie ihr mikrochemisches Verhalten deutlich genug beweist, neben dem Oxychromatin auch Basichromatin und dementsprechend finden wir vom Zeitpunkt des Abschmelzens an in den Nukleolen neben der basichromatischen Grundsubstanz die oxychromatischen Pfropfnukleolen. Ihr Vorkommen hat Jörgensen bei Proteus nicht beobachtet, es ist jedoch in jeder Hinsicht von höchster Bedeutung. Bemerken möchte ich nur noch, dass für das innige Abhängigkeitsverhältnis der Nukleolen von den Chromosomen auch die Tatsache spricht, dass in den Spermatozyten während der polaren Orientierung des Knäuels, obwohl sich an ihm seitliche Ausläufer bilden, doch keine Nukleolen auftreten, da eben die basichromatische Substanz im Faden kaum verringert wird. p 172 H. Stieve: c) Die Pfropfnukleolen. Im vorhergehenden habe ich immer die Bezeichnung Pfropf- nukleolen angewandt, sie kennzeichnet dasselbe, was Montgomery (1898) als Paranukleolen bezeichnet hat. Schon Flemming (1876), der wohl zum ersten Male auf die fraglichen Gebilde hingewiesen hat, unterscheidet Haupt- und Nebennukleolen, wohingegen Wilson (1904) die Bezeichnung akzessorische Nukleolen anwendet. Nach den Ausführungen von Montgomery soll der Hauptnukleolus den Nukleolen der Körperzellen gleichwertig sein, der Neben- nukleolus sich von ihm durch die geringe Aufnahmefähigkeit für spezifische Farben auszeichnen. Im Gegensatz dazu muss ich gerade das umgekehrte Verhalten feststellen, denn im wachsenden Ei von Proteus verhält sich der Hauptnukleolus chemisch ent- gegengesetzt, der oder die Nebennukleolen aber ebenso wie die Kernkörper der Somazellen. Wenn jedoch nur eine basische Farbe zur Anwendung kommt, dann sind die Pfropfnukleolen allerdings an ihrer blasseren Tinktion zu erkennen, sie färben sich ungefähr in der gleichen Weise wie das Oxychromatin der Chromosomen bei alleiniger Anwendung basischer Lösungen. Haecker (1893 bis 1899) bezeichnet alle oxychromatischen Nukleolen der Gewebs- zellen als Nebennukleolen, alle basichromatischen Kernkörper aber als Hauptnukleolen. Alle Ausdrücke, sowohl Pfropfnukleolen, als auch Neben-, ‘ Para- und akzessorische Nukleolen, sind ursprünglich jedoch rein morphologische Bezeichnungen, die zunächst nur auf Grund der Tatsache geprägt wurden, dass sich einem grossen Kernkörper ein oder mehrere kleinere anlagern, die sich von ihn in bezug auf die Färbung in irgend einer Art und Weise unterscheiden, sei es nun durch die geringere Intensität oder das entgegen- gesetzte chemische Verhalten. Nach dieser Auffassung kann also der Nebennukleolus sowohl basi- als auch oxychromatisch sein, wenn er nur ein vom Hauptnukleolus verschiedenes Verhalten zeigt, und es ist nicht angängig, einen allem Anschein nach nur aus einer einzigen Substanz bestehenden Körper, so wie es die Nukleolen der Somazellen sind, nur auf Grund des färberischen Verhaltens als Nebennukleolus zu bezeichnen. Im gleichen Sinne äussert sich auch Montgomery, der als Hauptregel angibt, dass der Hauptnukleolus zuerst imi Kern erscheint, während die Paranukleolen erst gegen Ende der Wachs- Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 173 tumsperiode des Eies, so wie dies auch hier geschildert wurde, zum Vorschein kommen. Heidenhain (1907) legt auf diese Tatsache besonderes Gewicht, da sie ja ein Beweis dafür ist, „dass die Nukleolarsubstanz im Kern zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Portionen niedergelegt wird“. Obst (1899), der die Ausbildung der Nukleolen bei Mollusken und Spinnen unter- suchte, stellte fest, dass in den kleinsten Eiern meistens „echte Nukleolen“ vorkommen, während die Nebennukleolen erst später auftreten, sie können jedoch später die Hauptnukleolen an Grösse bei weitem übertreffen. R. Hertwig (1898) unterscheidet bei Patella Plastin- und Chromatinnukleolen, die ersteren entstehen zuerst. und nehmen dann Chromatin in sich auf, dadurch werden dann die eigentlichen Chromatinnukleolen gebildet. Seine Anschauungen erhielten später durch die Untersuchungen von Popoff (1907) ihre Bestätigung, sie lassen sich jedoch mit vielen anderen Erscheinungen, so auch mit den hier mitgeteilten, nicht gut in Einklang bringen. So weist auch Jörgensen (1913) in seiner sehr ausführlichen Arbeit darauf hin, dass in vielen Fällen die Chromatinnukleolen schon vor den Plastinnukleolen entstehen, dass ferner auch beide Nukleolar- substanzen nebeneinander bestehen und vollkommen unabhängig voneinander auftreten können. Ich will hier nicht näher auf die verwickelten Nukleolar- verhältnisse der niederen Tiere eingehen, sondern nür soviel fest- stellen, dass beim Olm stets die basichromatischen (Chromatin-) Nukleolen zuerst entstehen und erst nach ihnen die oxychroma- tischen (Plastin-) Nukleolen. Allerdings kann ich darin keine Widerlegung der Hertwigschen Anschauung über die Zusammen- setzung der beiden Kernkörperarten, so wie Jörgensen dies tut, erblicken, denn es wäre ja schliesslich auch denkbar, dass durch Abgabe von Chromatin die Plastinnukleolen aus den Chro- matinnukleolen hervorgingen. Da das Auftreten der Oxychromatin- nukleolen beim Olm jedoch stets mit dem Abbau der Chromosomen zusammenfällt, erscheint es mir näherliegend, hier den Zusammen- hang zu suchen in der Art und Weise, dass die von den Chromo- somen abschmelzenden oxychromatischen Substanzen zum Aufbau der Pfropfnukleolen, die basichromatischen aber zum Aufbau der Hauptnukleolen verwendet werden. 174 H. Stieve: Dabei muss ich aber mit Jörgensen betonen, dass zwei IKerneinschlüsse, die uns bei irgend einer Färbung als gleiche Substanzen erscheinen, doch chemisch vollkommen verschieden gebaut sein können, und dass wir deshalb mit unseren Schlüssen äusserst vorsichtig sein müssen. Gerade hierfür liefern uns die Nukleolen während des Eiwachstums ein gutes Beispiel. In der Zeit der Ausbildung: des oxychromatischen Netzwerkes im Kern erscheint nämlich ihre Grundsubstanz bei Safranin-Lichtgrünfärbung hellrot, später dunkelrot, es handelt sich offenbar um die nämlichen Substanzen, nur in verschiedener Konzentration. Wendet man dagegen Methylgrün-Eosinfärbung in der eingangs angegebenen Art an, dann erscheinen die Nukleolen der kleineren Eier rot, also oxychromatisch und erst nach der beginnenden Abschmelzung der seitlichen Ausläufer smaragdgrün. Dies beweist deutlich genug, dass in der bei Safranin-Lichtgrünfärbung hellrot erscheinenden Substanz neben den sauren auch basische Bestandteile vorhanden sind, denn die kräftige Eosinfärbung verdrängt hier das schwächere ' Methylgrün. Ich betone diese Tatsache ausdrücklich gegenüber vonLubosch (1914), der der Anschauung ist, „dass Doppelfärbungen ausnahms- los unbefriedigende Ergebnisse hätten, dass es insbesondere niemals gelänge, im wachsenden Keimbläschen von Triton basichromatische Elemente mit Methylgrün in smaragdgrüner Farbe zu färben.“ Auch bei Triton gelingt es nämlich, wie ich mich des öfteren überzeugte, leicht, in den älteren Eiern die Nukleolen smaragdgrün darzustellen, und zwar auch bei Anwendungen von Mischungen, bei denen, wie Lubosch dies ja ausdrücklich fordert, „die Kern- substanzen ihr Wahlvermögen offenbaren müssen“. Hier zeigt sich häufig genug, dass die Randnukleolen sich in genau der gleichen Weise tingieren wie das Chromatingerüst der Soma- und Follikel- zellen. Dass aber trotz dieser völligen Übereinstimmung bei der Anwendung der Doppelfärbung doch noch ein Unterschied besteht zwischen dem Chromatin der älteren Randnukleolen und dem der ruhenden Kerne, zeigt andererseits die Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heidenhain, bei der es niemals gelingt, die Nukleolen rein smaragdgrün darzustellen, sie zeigen vielmehr immer einen etwas bläulichen Ton. Dies ist nur ein Beweis für die äusserst verschiedene Wertigkeit der einzelnen von uns als basisch oder sauer bezeichneten Lösungen, sowie für die äusserst Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 1) ‚ verwickelte Zusammensetzung der einzelnen Zellbestandteile. Wenn wir aber auch auf Grund dieser Tatsache keine bestimmten Schlüsse auf die Art der in den einzelnen Gewebsstrukturen ent- haltenen Substanzen ziehen können, so ist doch das veränderte chemische Verhalten ein und desselben Gebildes, das sich bei Anwendung derselben Methode im Verlauf der Eientwicklung geltend macht, im Gegensatz zu der Auffassung Luboschs ein zweifel- loser Beweis dafür, dass in den fraglichen Strukturen tiefgreifende Veränderungen vor sich gehen. In gleicher Weise müssen wir im Auftreten der Pfropf- nukleolen ein wichtiges Zeichen für die sich im Kern abspielenden chemischen und morphologischen Veränderungen erblicken, das in bester Übereinstimmung steht mit den Umgestaltungen, welche die Chromosomen im gleichen Zeitabschnitt erfahren. Kurz zu- sammengefasst können wir daher sagen, dass jeweils während der Bientwicklung mit dem Verschwindenirgend einer Substanz aus denChromosomen die Vermehrung der nämlichen Substanz in den Nukleolen einhergeht. Eine Ausnahme scheint nur bei der Umbildung des oxychroma- tischen in das basichromatische Kerngerüst stattzufinden, denn hier sehen wir gleichzeitig in den Chromosomen und Nukleolen, in den letzteren allerdings stärker, die Affinität für basische Farbstoffe zunehmen. Dabei handelt es sich aber nicht um die Abstossung des Oxychromatins und Neubildung von Basichromatin in ‘den Chromosomen, sondern lediglich um eine unmittelbar zu beobachtende Umwandlung dieser Substanz in jene. Sie vollzieht sich wahrscheinlich einfach durch Zunahme der Phosphorsäure und diese betrifft Chromosomen und Nukleolen in ganz gleicher Weise, der Kern wird eben im fraglichen Abschnitt im ganzen säurereicher. Diese letzten Feststellungen lassen es also wohl als ziemlich sicher erscheinen, dass die Nukleolen aus Substanzen entstehen, welche von dem hauptsächlich auf den Kernschleifen angesammelten Chromatin abgesondert werden. Während der verschiedenen Perioden der Eientwicklung kommen den Chromosomen eben ganz verschiedene Aufgaben zu, eine Tatsache, die sich nicht nur in der veränderten Form, sondern auch deutlich in der verschiedenen Reaktionsweise äussert. Und wenn wir mit der Tatsache rechnen müssen, dass die beiden Chromatinarten durch Aufnahme und 176 H. Stieve: Abgabe von Säure auseinander entstehen, beziehungsweise in- einander übergehen können, so findet doch ganz zweifellos Hand in Hand mit diesen Umsetzungen auch ein lebhafter Substanz- austausch mit dem Kernsaft statt, der deutlich genug in der äusserst verschiedenen Grösse der Chromosomen während der einzelnen Entwicklungsstadien zu erkennen ist. Die dabei zu beobachtenden Unterschiede sind ja viel zu gross, als dass man sie in der Art und Weise, wie dies Born und später Heiden- hain- versuchte, mit der verschiedenen Konzentration oder Kon- traktion der nämlichen Masse erklären könnte. Sonach können wir also die Nukleolen im Keimbläschen des wachsenden Eies als Abkömmlinge der in den Kernschleifen angesammelten chromatischen Substanz bezeichnen. Ich betone dabei ausdrücklich, dass sie nicht Abkömmlinge der Chromosomen selbst sind, über deren Form und Grösse wir ja eigentlich nichts Genaues wissen. Die Chromosomen stellen vielmehr zeitweise sicher sehr kleine, für uns nicht direkt nachweisbare Gebilde dar, und die Nukleolen entstehen nur als Abkömmlinge derjenigen chro- matischen Substanz, mit der sich die Chromosomen zeitweise beladen. Dabei lässt sich die Abhängigkeit der Nukleolen in vielen Fällen, besonders in der letzten Periode des Eiwachstums, unmittelbar beobachten. Hier schmelzen Tropfen der chromo- somalen Substanz ab, vereinigen sich zu mehreren miteinander und führen so zur Bildung der grossen Kernkörperchen. Im Anfang der Eientwicklung dagegen lässt sich das Abhängigkeitsverhältnis nur vermuten, da.eben mit der Abnahme des Basichromatins in den Chromosomen die Entstehung und Vergrösserung der Nukleolen einhergeht. Der Übertritt von einer Struktur in die andere findet dabei offenbar in so feiner Form statt, dass er mit unseren optischen Hilfsmitteln nicht nachgewiesen werden kann. Als weitere Entstehungsmöglichkeit käme schliesslich noch | die unmittelbare Aufnahme von Substanzen aus dem Plasma in Frage und zwar in erster Linie für diejenigen Nukleolen, welche halbmondförmig der Kernmembran angedrückt sind, also mit dem Plasmaleib durch eine sehr grosse Fläche in Berührung stehen. Diese Auffassung vertritt bekanntlich Montgomery. Dagegen lässt sich nun einwenden, dass die fragliche An- lagerung nur in ganz bestimmten Zeiten zu beobachten ist, während der polaren Orientierung des Fadens und darüber hinaus, bis zur at hs FR: ea Bi nn a nd u a Hehrfccr Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 177 Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes. Es ist richtig, gerade in diesem Zeitabschnitt findet eine sehr lebhafte Nukleolen- Neubildung statt, aber auch hier zeigt nur ein kleiner Teil der neuentstehenden Kernkörper die fragliche Lagerung, die Mehrzahl von ihnen liegt als kreisrunde Gebilde mehr oder weniger weit von der Membran entfernt, zum Teil tief im Inneren des Kernes und beweist so deutlich genug, dass hier Neubildung und Wachs- tum von Nukleolen unmittelbar im Kernsaft, also durch direkte Ansammlung von im Kern suspendierten Substanzen erfolgt. Da sich diese zentralen, beziehungsweise überhaupt die in keiner Beziehung zur Kernmembran stehenden Nukleolen in keiner Weise, weder in bezug auf die Färbbarkeit noch auf ihren sonstigen Bau grundlegend von den plattgedrückten Randnukleolen unter- scheiden, so ist eigentlich kein Grund vorhanden, für beide Gebilde eine verschiedene Entstehungsart anzunehmen. Und da die zen- tralen Nukleolen die zu ihrem Aufbau nötigen Substanzen sicher aus dem Kern entnehmen, so muss wohl auch für die peripheren der gleiche Entstehungsmodus angenommen werden. Dass der Kernsaft selbst aber die Nukleolen unabhängig von den Chromo- somen neubildet, erscheint gleichfalls äusserst unwahrscheinlich, denn nach allem, was wir bisher wissen, können wir als funktio- nierende Teile der Kernsubstanz nur das Chromatin ansprechen. e) Die mutmassliche Bedeutung der Nukleolen. Demnach sind also die Nukleolen reine Erzeug- nisse der Kerntätigkeit, aufgebaut aus Substanzen, dievomChromosomenchromatinabgesondertwerden. (segen diese Annahme scheint nur die Tatsache zu sprechen, dass auch in der Zeit des Kernwachstums, wo das ganze Innere von einem gleichmässigen Gerüst erfüllt wird, das sich fortdauernd vergrössert, ein, wenn auch nur geringes Wachstum der Nukleolen statthat. Hier geht also die Vergrösserung aller, vielleicht auch die Neubildung einzelner Kernkörperchen nicht mit dem gleich- zeitig zu beobachtenden Schwund der in ihnen neuauftretenden Substanzen in den Chromosomen einher. Jedoch besteht auch hier die Möglichkeit, und wir sind eigentlich zu dieser Annalıme gezwungen, dass bei den starken chemischen Umsetzungen, die gerade in dieser Zeit in den Chromosomen stattfinden, und die in der veränderten Farbreaktion einen sehr beredten Ausdruck finden. Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 12 178 H. Stieve: gleichzeitig mit dem Aufbau neuer Substanzen auch andere abgegeben werden, aus denen dann die Vergrösserung der Nukleolen erfolgt. Im grossen und ganzen deckt sich meine hier geäusserte Anschauung mit der von Vejdowsky (1911—12) geäusserten, denn auch dieser Forscher nimmt an, dass „nicht die Kernsubstanz im allgemeinen, sondern nur die Chromosomen allein sich an der Bildung der Nukleolen beteiligen.“ Auch mit der Ansicht Haeckers lässt sie sich in Einklang bringen, der ja in seiner Kernexkretions- theorie fordert, dass die Nukleolen als eine Art Exkret bei der Kerntätigkeit entstehen. Da die morphologische Abhängigkeit der Nukleolen von den Chromosomen ja nur in den letzten Stadien der Eientwicklung bewiesen werden kann, so ist es nicht möglich festzustellen, ob in den Nukleolen nur Ausscheidungsprodukte der Chromosomen allein, oder auch andere bei der Tätigkeit des Kern- saftes, sofern wir ihm überhaupt eine solche zuerkennen wollen, was nach meiner Ansicht nicht statthaft ist, entstehende Exkrete angehäuft werden. Ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Anschauungen dürfte daher nicht bestehen, beide erblicken in den Nukleolen nur eine Art von Schlacken, die bei der Kern- funktion abfallen. Da aber die wichtigste und wahrscheinlich alleinige aktive Substanz im Kern das Chromatin ist, so dürfte auch ihr der hauptsächlichste, beziehungsweise alleinige Anteil bei der Nukleolenbildung zukommen. Wenn wir aber auch die Nukleolen in bezug auf ihre Ent- stehung vom Uhromosomenchromatin ableiten können, so ist damit noch nicht die Frage über ihre Bedeutung geklärt. Bevor ich jedoch versuche, sie zu beantworten, will ich noch diejenigen Befunde besprechen, welche zunächst der Chromatinentstehungshypothese der Nukleolen .zu widersprechen scheinen. In erster Linie wendet sich Jörgensen in seinen Zellenstudien (1913) scharf gegen diese Annahme und betont zunächst, Haecker habe zweierlei Arten von Nukleolen, die im-Eikern vorkommen können, nicht auseinander gehalten, nämlich: 1. „Die Einukleolen, wie sie in jedem Ei von Anfang an vorhanden sind und wegen ihres riesigen Wachstums oft allein als Einukleolen imponieren“ und 2. „Abschmelzungsnukleolen, die sich ja sehr häufig gegen Ende des Eiwachstums als kleine kompakte Flüssigkeitströpfchen an den Chromosomen abscheiden.“ a en sn Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 179 Dagegen lässt sich nun vor allem einwenden, dass zunächst im Ei, das heisst in den jüngsten Oozyten, keine Nukleolen vor- handen sind, dass die „in jedem Ei von Anfang an vorhandenen Nukleolen“ also gar nicht bestehen. Wir können nur von Nukleolen reden, die sehr früh im Ei auftreten. Ausserdem besteht aber kein grundlegender Unterschied zwischen den beiden von Jörgensen geprägten Nukleolenarten, morphologisch wie chemisch zeigen die „Einukleolen“ in ihren kleinsten Formen das nämliche Verhalten wie die „Abschmelzungsnukleolen“, beide vergrössern sich rasch und es besteht nicht der geringste Grund zu der Annahme, dass die Abschmelzungsnukleolen sehr schnell untergehen. Im Gegenteil, in der ersten Zeit ihres Auftretens beweist die erhebliche Ver- grösserung und Vermehrung der Nukleolarsubstanz im Ei von Proteus und Triton gerade das Gegenteil. Jörgensen selbst stellt bei fast allen von ihm untersuchten Objekten das gleichzeitige Verschwinden des Basichromatin aus den Chromosomen und Auftreten und Wachstum der Einukleolen fest, und es heisst wohl den Dingen Gewalt antun, wenn man hier jeden ursächlichen Zusammenhang zu leugnen versucht. Es ist dabei selbstverständlich, dass in den grossen Kernen wachsender Eier, in denen sich eine ungeheuere Menge tätiger Chromatinsubstanzen befindet, auch wesentlich mehr Nukleolen gebildet werden, als in den kleinen Kernen solcher Eier, in denen die Follikelzellen oder andere Nährvorrichtungen einen Teil der Arbeit übernehmen, die anderenfalls dem Eikern zukommt. Eine grosse Maschine, die erhebliche Arbeit leistet, wird auch mehr Schlacken liefern bezw. mehr produzieren können als eine kleine, und dementsprechend dürfen wir wohl annehmen, dass die Menge der Nukleolarsubstanz stets direkt proportional ist, der von der CUhromosomensubstanz geleisteten Arbeit. Am stärksten ist dabei die Abscheidung der Nukleolen in denjenigen Abschnitten der Eientwicklung, in denen sehr lebhafte Umsetzungen in den Chro- mosomen stattfinden, also während der Ausbildung des oxy- chromatischen Netzwerkes, wo die Prophasen der ersten Reifungs- teilung duıch die zweite Wachstumsperiode unterbrochen werden und dann wieder gegen Ende dieses Zeitabschnittes, wo sich die grossen aktiven Wachstumschromosomen in die kleinen passiven Teilungschromosomen umformen und dabei den grössten Teil ihrer Masse in Form von Nukleolen abgeben. 12* 180 H. Stieve: Jörgensen scheint allerdings diese Annahme zu wider- legen, denn er weist an zahlreichen Beispielen nach, dass die Menge der Nukleolarsubstanz keineswegs immer proportional zu der Menge der chromosomalen Substanz ist, man findet vielmehr selbst bei ganz nahe verwandten Tierarten direkt entgegengesetzte Verhältnisse. Allein Jörgensen stellt seine Forderung falsch, denn die Menge der Nukleolarsubstanz braucht nicht proportional zu sein der Menge der chromosomalen Substanz, sondern nur proportional der Kerntätigkeit. Es ist dabei klar, dass die Menge der Nukleolen dann am grössten sein muss, wenn am meisten Substanzen aus den Chromosomen abgegeben werden, also in der letzten Zeit der Eireifung. Ausserdem kommt hier noch ein weiterer Faktor zur Geltung, nämlich die Geschwindigkeit, mit der die Nukleolen wieder untergehen, im Kernsaft aufgelöst oder an das Plasma abgegeben werden. Ist diese sehr beträchtlich, so können bei gleicher Chromatinleistung doch recht erhehliche Unterschiede bestehen. Wir können uns ja heute noch kaum einen rechten Begriff machen von der Tätigkeit der Chromosomen, und es ist deshalb auch unrichtig, so wie Jörgensen dies tut, zu behaupten, es seiganz undenkbar, die ungeheuren Massen von Nukleolarsubstanz des Skolopendraeies als Sekretionsprodukte der wenigen oxychromatischen Fäserchen hinzustellen. Eine solche Behauptung berührt ebenso, als wenn man bei einem Vergleich der im Verlauf einer Woche abgesonderten Speichelmenge mit den Speicheldrüsen wegen des gegenseitigen Volumens die Möglich- keit bestreiten wollte, dass die kleinen Drüsen eine solche Menge von Sekret geliefert hätten, oder aber wenn man wegen des gleich- falls vorhandenen scheinbaren Missverhältnisses in der Grösse des. abgesonderten Dotters und der Follikelzellen bestreiten wollte, dass so kleine Zellen so viel Dotter absondern können. Die Bildung der Nukleolen erfolgt ja nicht plötzlich, indem sie gewissermassen auf einmal von den Chromosomen ausgehustet werden, so wie sich dies ungefähr Jörgensen vorstellt, sondern kontinuierlich, sie sind das Produkt einer langdauernden Tätigkeit des Chromatins und aus diesem Grunde spielen die gegenseitigen Grössenver- hältnisse dabei gar keine Rolle. Dabei möchte ich übrigens be- merken, dass in der Eireifung mancher Tiere, so z. B. des Olmes und auch der Tritonen, während des letzten Abschnittes die Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 181 rasche Entstehung der Nukleolen aus den abschmelzenden Chro- mosomenausläufern auch auf Grund des gegenseitigen Mengen- verhältnisses leicht denkbar wäre. Weit schwerwiegender als die Einwände Jörgensens sind diejenigen, die Buchner (1918) gegen die Chromosomenentstehung der Nukleolen anführt. Er stellt. bei einer ganzen Anzahl von Insekten im Eikern eine starke Vermehrung der Nukleolarsubstanz fest, eine Beobachtung, die zunächst in keinem Gegensatz steht zu meinen: bisherigen Auseinandersetzungen, da während der fraglichen Periode sicherlich eine äusserst lebhafte Chromatin- tätigkeit statthat, als deren Folge die Nukleolen entstehen können. Später treten dann im Plasma kleinste Chromatinklümpchen auf, um sie bildet sich jeweils ein Nährkern aus mit Membran, Kern- saft und Liningerüst, das heisst oxychromatischem Uhromatingerüst, der zu beträchtlicher Grösse heranwächst. Während dieses Wachs- tums entstehen in seinem Inneren zahlreiche Nukleolen. Diese “Trophonuklei enthalten also alle Bestandteile eines Kernes, nur wie sich in ihrer Unfähigkeit, sich mitotisch zu teilen, deutlich erkennen lässt, keine Chromosomen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass nicht auch in ihrem Inneren — mir wenigstens erscheint dies nach den Schilderungen und Abbildungen Buchners sehr wahrscheinlich — die tätige Struktur das Chromatin ist. Seine Anwesenheit ist ja nicht an die Anwesenheit der Chromosomen | gebunden, wir können, um im Rückert-Fickschen Vergleich der taktischen Verbände zu bleiben, das Chromatin der Tropho- nuklei als einen ungeordneten Haufen von Soldaten, sagen wir Bolschewisten, betrachten, denen zwar die Führung fehlt und damit auch die Fähigkeit, taktische Verbände zu bilden, die aber doch alle das gleiche Ziel verfolgen und so lange gut funktionieren, bis an sie die Aufgabe herantritt, eine taktische Frage, die Zell- teilung zu lösen. Hier macht sich dann der Mangel an Führung wegen des Fehlens der ordnenden Stäbe, der Ühromosomen, geltend und deshalb kann die Teilung nicht zustande kommen. In dieser Hinsicht bieten die fraglichen Untersuchungen also keinerlei Schwierigkeiten bei der Erklärung der Nukleolen- entstehung, nur in dem einen Punkt, dass sich der fragliche Nährkern um einen kleinen, ursprünglich isoliert im Plasma ent- stehenden Nukleolus ausbildet. Es handelt sich hier jedoch um eine rein persönliche Auffassung Buchners, denn es bleibt der 182 H. Stieve: Anschauung jedes Einzelnen überlassen, das kleine im Plasma entstehende Basichromatinkügelchen, dessen morphologische Ab- stammung von der Nukleolarsubstanz des Kernes sich, wie Buchner selbst angibt, nicht beweisen lässt, als Nukleolus oder aber als kleines Chromatinklümpchen anzusprechen, vergleichbar einem der kurzen Teilungschromosomen, wie wir sie in den Geschlechtszellen vieler Tiere finden. Ein Beweis für die autogene, vom Chromo- somenchromatin unabhängige Entstehung der Nukleolen sind die fraglichen Mitteilungen keinesfalls. Dagegen spricht eine andere Beobachtung Buchners wieder für meine Annahme. Wenn nämlich in den Nährkernen die Nukleolarsubstanz als Folge der lebhaften Chromatintätigkeit sich stark vermehrt, dann verschwindet sie gleichzeitig im Hauptkern. Buchner hält es deshalb für wahrscheinlich, dass die Nukleolen des Hauptkernes zur Bildung der Nebennukleolen verwendet werden, eine Erklärung, die zunächst zwar sehr einleuchtend ist, sich jedoch nicht auf die morphologischen Tatsachen stützt, denn die fragliche Überwanderung der Nukleolarsubstanz lässt sich nicht nachweisen. Viel einfacher ist dagegen die Erklärung, dass das Verschwinden der Nukleolarsubstanz im Hauptkern darauf beruht, dass in ihm mit zunehmender Vergrösserung der Nebenkerne die: Tätigkeit der Chromosomen erlischt und dass deshalb keine neuen Nukleolen abgesondert, die alten aber aufgelöst werden. Dagegen ist in der gleichen Zeit die Chromatintätigkeit in den Neben- nukleolen, die ja, wie Buchner selbst annimmt, zur Entlastung des Hauptkernes dienen, eine äusserst lebhafte und dementsprechend auch die Neubildung von Nukleolen eine sehr ausgiebige. Ich glaube also gezeigt zu haben, dass der Annahme, die Nukleolen seien Abscheidungsprodukte des Öhromosomenchromatins, keinerlei Tatsachen widersprechen. Es bleibt jedoch noch die Frage zu erörtern, welche Funktion den Nukleolen während des Eiwachstums zukommt, ob sie entsprechend der Haecker- Vejdowskyschen Annahme wertlose Abbauprodukte sind, oder aber entsprechend der Jörgensenschen Anschauung aktive‘ Zellorganellen. Jörgensen begründet seine Meinung (1913) haupt- sächlich mit der morphologischen Struktur der Nukleolen und den mannigfachen Veränderungen, welche sie im Verlaufe der Eireifung durchmachen, „die nur als Strukturen einer stark funktio- nierenden Substanz verständlich sind... . Wären die Nukleolen Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 153 wertlose Stoffwechselprodukte, so würden sie entsprechend ihrer Passivität bei ihrer flüssig-viskösen Beschaffenheit die inaktive Kugelform mit minimalster Oberfläche annehmen. Dies ist ja nun in der Tat in einzelnen Eiern der Fall. Daneben zeigen uns aber sehr viele andere Eier eine ganz spezifische Oberflächen- vergrösserung der Nukleolarsubstanz, die in manchen Fällen an Chromosomen erinnern.“ Dagegen lässt sich nun vor allem einwenden, dass es immer äusserst gewagt ist, aus der morphologischen Struktur einer Gewebsart ohne weiteres Rückschlüsse auf ihre Funktion zu ziehen. Wir können zwar mit Sicherheit sagen, dass mit der fädigen Ausbildung eines Gebildes dessen Oberfläche und damit auch der Einfluss auf die umgebende Struktur vergrössert wird. Anderer- seits aber vergrössert sich auch umgekehrt der Einfluss der um: gebenden Struktur auf das Gebilde selbst mit der Vergrösserung der Oberfläche, und es kann demnach die Resorption eines Gebildes mit grosser Oberfläche rascher stattfinden, als die eines Körpers mit kleiner Oberfläche. Wir sehen dementsprechend auch, dass gerade untätige, zugrundegehende Substanzen unter den mannig- faltigsten Bildern zerfliessen!) und aufgelöst werden. Alle die verschiedenartigen Bilder. welche Jörgensen von den Nukleolen bei den verschiedensten Tierarten bringt, können deshalb niemals ihre aktive Tätigkeit beweisen, sondern sie lassen sich ebenso gut, ja viel einfacher als Zerfallserscheinungen deuten, zumal da wir im Ei von Proteus und Triton die Nukleolen häufig genug unter Bildung solcher fädiger oder wurstförmiger Figuren zugrunde gehen sehen. Wir wissen ja auch, dass zur Zeit der Reifungs- teilungen alle Nukleolen aus den Eiern verschwunden sind und die bizarren Formen, die wir vorher an ihnen erkennen können, sind nichts anderes, als die Einleitung dieses unbedingt stattfindenden Zerfalles. Montgomery erblickt in den verschiedenen Formen der Nukleolen den Ausdruck amöboider Bewegungen, eine Annahme, die keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich hat. Rhumbler (1893) ist dagegen gleichfalls der Ansicht, dass die fraglichen Verände- rungen Auflösungsvorgänge darstellen, bedingt durch chemische, im Inneren der Nukleolen stattfindende Umsetzungen. !) Ich erinnere an die zugrundegehenden Kerne, die ja auch die mannigfaltigsten Formen zeigen. 154 H. Stieve: Man kann auch ruhig sagen, dass alle Strukturen, welche die Nukleolen zeigen, mehr für ihre passive als ihre aktive Rolle sprechen. Die konzentrische Schich- tung während des Entstehens spricht ebenso wie das Verhalten der Pfropfnukleolen für eine einfache appositionelle Vergrösserung, die ja auch mehr den Charakter des Passiven an sich trägt, da sie an die Vergrösserung der Kristalle erinnert. Die Vakuolisation, die ja schon bald nach der jeweiligen Entstehung eintritt, zunächst mit dem weiteren Wachstum Hand in Hand geht und schliesslich während des Zerfalles ihren Höhepunkt erreicht, deutet auch schon den beginnenden Untergang an, wahrscheinlich dringt Kern- saft in das Innere der Nukleolen ein ‚und resorbiert ihre Substanz mehr und mehr, bis schliesslich das ganze extrem stark vakuoli- sierte Gebilde schaumig zerfliesst und aufgelöst wird. Ein solcher Zerfall findet während des ganzen Eiwachstums, besonders aber während der letzten Periode statt und erklärt ohne weiteres die Tatsache, dass in den ältesten Kernen der grössten Follikel weniger Nukleolen vorhanden sind, als in jüngeren. Es geht wohl nicht an, alle diese Erscheinungen, so wie Buchner und Jörgensen dies tun, als Beweis für die aktive Tätigkeit der Nukleolen anzusehen. Aber auch die Lage der Nukleolen im Kern selbst spricht gegen ihre aktive Beteiligung am Zellstoffwechsel. Wären sie wirklich aktive Zellorganellen, die in unmittelbarer Beziehung zum Wachstum des Plasmaleibes ständen, so müssten sie sich stets unmittelbar unter der Kernmembran, ihr möglichst dicht angelagert finden, denn nur so könnte ihr Einfluss auf das Plasma voll zur Geltung kommen. Im Gegensatz dazu sehen wir aber, dass die Nukleolen auch durch ihre Lage die Abhängigkeit von den Chromosomen beweisen, sie finden sich doch stets am Rande des zentralen Chromosomenhaufens, entfernen sich also zu einer Zeit, in der das stärkste Plasmawachstum statthat, also gerade dann, wenn ihr Einfluss auf den Zelleib am stärksten sein müsste, am weitesten vom Felde ihrer angeblichen Tätigkeit. Wie schon mehrmals erwähnt, halte ich es dabei für äusserst wahrscheinlich, dass keine Wanderung der Nukleolen stattfindet, sondern dass aus den in grosser Menge abschmelzenden Chromo- somenausläufern immer neue Nukleolen gebildet und an den Rand des Chromosomenhaufens geschoben werden! Auf ihrem Wege | Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 185 dorthin erfahren sie eine dauernde Vergrösserung und werden dann sehr rasch im Kernsaft aufgelöst. Mit der Feststellung, dass die Nukleolen auf Grund ihres morphologischen und mikrochemischen Verhaltens aller Wahr- scheinlichkeit nach als passive Strukturen anzusehen sind, soll jedoch nicht gesagt sein, dass ihre Substanz, so wie dies Haecker und Vejdowsky annehmen, vollkommen wertlos für den Zell- haushalt ist. Im Gegenteil, es erscheint mir wenigstens äusserst wahrscheinlich, dass die Nukleolarsubstanz auf irgend eine Art in gelöster Form aus dem Kern in das Plasma gelangt und dort zum Aufbau des Dotters, vielleicht auch zur Bildung der Plasto- somen verwendet wird. Die starke Anlagerung der Randnukleolen während der ersten Zeit der Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes, die sicherlich nicht dazu dient, um Substanzen aus dem Zelleib in den Kern zu überführen, könnte vielleicht dazu dienen, den Durchtritt von gelöster chromatischer Substanz durch die Kernmembran zu bewerkstelligen, die dann zum Aufbau des Chromidialapparates verwendet wird. Dieser erfährt ja in der fraglichen Zeit eine erhebliche Vergrösserung, die sich nicht mit einem unmittelbaren Übertritt von Chromosomenchromatin in das Plasma erklären lässt. Wie ich auch schon in der Einleitung erwähnt habe, ist es ja äusserst unwahrscheinlich, wenigstens wenn wir die sonstige Regelmässigkeit in den Entwicklungsvorgängen berücksichtigen, dass einer Substanz, die wie die der Nukleolen in jeder Hinsicht so ungeheuren Schwankungen unterliegt, eine höhere aktive Tätig- keit zukommt. Wie die Untersuchungen von Jörgensen gezeigt haben, ist ja die Masse und Struktur der Nukleolen vollkommen unabhängig von der Ausbildung der oxychromatischen Chromo- somen — soweit wir nur das gegenseitige Mengenverhältnis, nicht aber die Funktion im Auge behalten — ausserdem vom Wachstum des Kernes und des Plasma, von der Ernährung der Eier und der systematischen Stellung des Tieres. Es bleibt also nur die Annahme möglich, dass die Nukleolen als Abscheidungs?! produkte des Chromosomenchromatins abhängig sind von der Intensität dieser Tätigkeit und der Art und Menge der weiter- leitenden Substanzen. Sie verhalten sich in dieser Hinsicht ähnlich wie die Dottermenge der einzelnen Eier, die ja auch ganz unab- hängig von der Stellung der betreffenden Tierart ungeheuren 186 H. Stieve: Schwankungen unterworfen ist. Ganz nahe verwandte Tiere können sehr grosse dotterreiche Eier ablegen und wieder nur sehr kleine, seradeso, wie die Eigrösse bei nahe oder entfernt verwandten Arten gleich gross sein kann, je nach der Aufgabe, die den einzelnen Eiern zukommt. Demnach hätten wirdie Nukleolen als Abscheidungs- produktedesChromosomenchromatins zu betrachten, sie werden im Kernsaft aufgelöst undihre Substanz gelangt schliesslich in das Plasma, um dort in uns noch unbekannter Weise verwendet zu werden. Ihre ganze Rolle ist eine passive, siedienenlediglichals Speicherundregelndadurch die Intensität des Stoff- wechsels von Kern und Plasma. Schlussbemerkungen. In kurzen Sätzen lassen sich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen über die Eientwicklung des Grottenolmes folgender- massen zusammenfassen: 1. In den Ovarien aller Tiere finden sich neben den Oozyten auch Oogonien. Sie befinden sich niemals in einem völligen Ruhezustand, sondern wachsen stets langsam weiter. Haben sie ihre endgültige Grösse erlangt, so teilen sie sich entweder auf indirektem Wege oder sie gehen zugrunde. 2. Direkte Teilungen der Oogonien kommen nicht vor. 3. Die Oozyten entstehen durch drei bis vier, wahrscheinlich rasch aufeinanderfolgende Oogonienteilungen. 4. In den jüngsten Oozyten ist ein netzähnliches Chromatin- gerüst vorhanden, aus dem am Ende des proportionalen Kern- wachstums ein kontinuierlicher Knäuel entsteht. 5. Der Knäuel erfährt eine polare Orientierung, seine Kon- tinuität bleibt während dieses Vorganges gewahrt, die Lagever- änderungen erfolgen unter dem Einfluss der Sphäre durch Konzen- tration des Chromatins. 2 6. Noch während der Orientierung entstehen am Faden allenthalben seitliche Ausläufer, die bald den ganzen Kern durchsetzen. 7. Nach dem Verschwinden der polaren Orientierung teilt sich der Faden in die Normalzahl von 18 längsgespaltenen Chromo- somen, deren Spalthälften umeinander geschlungen sind. Dann Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 157 verlängern sich die seitlichen Ausläufer und bilden schliesslich ein gleichmässiges Netzwerk, in dem die Einzelehromosomen nicht abzugrenzen sind. 8. Gegen Ende der Wachstumsperiode isolieren sich die Chromosomen wieder aus dem Kerngerüst und zeigen jetzt die gleiche paarweise Umschlingung, wahrscheinlich auch die nämlichen Zahlenverhältnisse wie früher. 9. Die Kontinuität der chromatischen Substanz wird durch kein Zerstäubungsstadium unterbrochen, sie lässt sich also beweisen. 10. Während der ganzen Eireifung verändert das Chromo- somenchromatin mehrmals die chemische Reaktion. 11. Die Nukleolen entstehen grösstenteils in der Zeit der polaren Orientierung des Fadens und den nächstfolgenden Ent- wicklungsstadien. ihre Zahl bleibt sich dann lange gleich und erfährt während der Rückbildung der Chromosomen eine wesent- liche Vermehrung, schliesslich wieder eine Verminderung. 12. Das Verhalten der Nukleolen lässt stets eine gewisse Abhängigkeit von den Chromosomen erkennen, in der letzten Zeit der Eientwicklung lässt sich die Entstehung von Nukleolen durch Abschmelzung von Chromosomenteilen unmittelbar beobachten. 13. Die Nukleolen gehen in grosser Zahl im Kernsaft zu- grunde und können dabei die verschiedensten Figuren bilden. 14. Eine Entstehung ganzer Chromosomen oder einzelner Chromosomenteile aus Nukleolen findet niemals statt, ebensowenig verwandeln sich die Chromosomen jemals in Nukleolen. 15. Die Kernmembran bleibt während der ganzen Eient- wicklung erhalten, ein Übertritt geformter Substanzen aus dem Kerninneren ins Plasma und umgekehrt findet nicht statt. 16. Die Nukleolen sind Erzeugnisse der Kerntätigkeit, auf- gebaut aus Substanzen, die yom CUhromosomenchromatin abge- sondert werden. Sie sind keine wertlosen Abfallsprodukte, sondern Substanzen, die wahrscheinlich zum Aufbau des Plasma verwendet werden. Ich habe im vorhergehenden die Eientwicklung des Grotten- olmes so geschildert, wie ich sie während meiner langjährigen Beobachtungen als richtig erkannte. Dabei war mein Bestreben einzig und allein darauf gerichtet, wenigstens etwas Klarheit in ein bisher noch ziemlich dunkles Gebiet der Entwicklungsgeschichte 188 + +H: Stieve: zu bringen. Die Mitteilungen meiner Vorgänger in der Unter- suchung des gleichen Gegenstandes habe ich, soweit sie meinen Befunden widersprachen, zu widerlegen versucht und war dabei stets bemüht, die Gründe ausfindig zu machen, die nach meiner Anschauung für die falschen Beobachtungen verantwortlich waren. Immer war ich auch bestrebt, vollkommen sachlich zu bleiben und das um so mehr, als ja der, dessen Untersuchungen ich in erster Linie widerlegte, nicht mehr lebt, also selbst nicht in der Lage ist, auf meine Einwände zu antworten. Sollte ich jedoch in meinen Auseinandersetzungen an der einen oder anderen Stelle nach der Ansicht meiner Leser zu scharf gewesen sein, so bitte ich dies zu entschuldigen. Wir leben in einer Zeit, in der die Gewalt mehr denn je regiert. Der grösste Teil dieser Arbeit wurde in Leipzig niedergeschrieben, in einer Zeit, da der Pöbel herrschte und seine Wut auch an den Mitgliedern der Universität ausliess. Jeder aber ist nur ein Kind der Zeit, in der er lebt, man möge mich deshalb entschuldigen, wenn vielleicht irgendwo in diesen Ausführungen die innere Erbitterung über die Lage, die jetzt jeder gute Deutsche empfindet, zum Ausdruck gekommen ist, obwohl ich mich redlich bemühte, bei meinen wissenschaft- lichen Auseinandersetzungen nicht in den Ton zu verfallen, der jetzt in der neuen, angeblich glücklichen Zeit allgemein üblich ist. Erwähnte Arbeiten. Auerbach, L., 1890: Zur Kenntnis der tierischen Zellen I. Über zweier- lei chromatinophile Kernsubstanzen. Sitzungsberichte d. Kgl. Preuss. Akad. der Wissensch. Berlin. Bambeke, van, 1870: Sur les trous vittelins que pr&mitent les oeufs fecondes des Amphibiens. Bull. Acad. roy. des sciences de Belgique. Ser. 2. Bd. 31. \ Bataillon, E., 1891: Recherches anatomiques experimentales sur la metamor- phose des amphibiens anours. Ann. de l’universit€ de Lyon. Bd. 2. 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Zeller, M., 1889: Über die Fortpflanzung des Proteus anguineus und seine Larve. Jahreshefte des Vereines für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I- VII. Alle Abbildungen wurden mit dem Zeichenapparat nach Abbe entworfen, der Zeichentisch befand sich 4 cm höher als der Objekttisch. Die Tubuslänge betrug stets 160 mm. Tafel TI. Abbildung 1—31 Vergrösserung: Zeiss Apochromat hom. Imm. 2 mm, num. Ap. 1,30. Compens.-Ocular 8. - Abb. 1. Oogonie. Fix. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 24 „, ganze Zelle 33:40 «. Feines, oxychromatisches Kerngerüst, mit zahlreichen eingelagerten basichromatischen Klumpen. Im Protoplasma zwei scharf umschriebene dunkle Punkte (Zentriolen), keine abgrenzbare Sphäre. Zelleib scharf von der Umgebung ab- gesetzt, war von Follikelzellen umgeben. Abb. 2. Prophase einer Oogonienteilung, unmittelbar nach dem Zerfall des Spirem in einzelne Chromosomen. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 28:21 „, ganze Zelle 32:34 „. Im Kern sind 18 einzelliegende Ohromosomen vorhanden. Die Sphäre ist auf dem Schnitt nicht getroffen. Abb. 3. Oogonienteilung. AÄquatorialplatte in Polansicht, rekonstruiert aus 2 Schnitten. Sublimat -Eisessig.. Hämatoxylin Heidenhain. Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 13 194 Abb. 4. Abb. 5. Abb. 6. » Abb. 7. Abb. 8. Abb. 9. Abb. 10. Abb. 11. Abb. 12. H. Stieve: Zellgrösse 34:36 „. Es sind 36 einzelliegende Chromosomen vor- handen, die sich jedoch teilweise gegenseitig überdecken. Oogonienteilung. Äquatorialplatte schräg zur Symmetrieachse der Spindel getroffen. Beginn der Tochtersternbildung. Rekonstruiert aus 3 Schnitten. Flemming stark. Safranin-Lichtgrün. Zellgrösse 42:36 u. Im ganzen sind 39 einzelliegende Chromosomen zu er- kennen, von denen wahrscheinlich mehrere zu.einem Chromosom gehören, jedoch bei der Rekonstruktion verlagert wurden. Die meisten dieser Ohromosomen zeigen sehr deutlich ausgebildeten Längsspalt, obwohl die Teilung der Chromosomen schon vollzogen ist, wir es also mit Tochtergebilden zu tun haben. Gruppe von jungen Oozyten. Sublimat-Eisessig.. Hämatoxylin Heidenhain. Zu der Gruppe gehört noch eine +4. gleichgebaute Zelle, die im nächsten Schnitt gelegen ist. Zellgrenzen deutlich, Kern-- grösse ungefähr 15 „, Zellgrösse 20—25 „. In den Kernen feines oxychromatisches Gerüst mit basichromatischen Einlagerungen. Wachsende Oozyte. Sublimat-Eisessig.. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 15:21 a, Zelle 23:30 „. Oxychromatisches Gerüst mit sehr reichlicher Anlagerung von Basichromatin. Sphäre nicht im Schnitt getroffen. Die Zelle lag mit 7 ganz gleich gebauten Oozyten in einer von Follikelzellen scharf abgegrenzten Gruppe. Oozyte gegen Ende der ersten Wachstumsperiode. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 23 „, Zelle 25:38 „. Dem oxy- chromatischen Gerüst lagern sich zahlreiche basichromatische Brocken an. Im Plasma die beiden Zentriolen gut erkennbar, keine ab- grenzbare Sphäre. Sehr grosse Oozyte am Ende der ersten Wachstumsperiode. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 29 „, Zelle 34 u. Beginnende Spirembildung, das NEUN besteht fastausschliesslich aus Basichromatin. Im Kernsaft sind 3 Nukleolen zu erkennen, der grösste zeigt deutlich et, Bau und ist, von einem chromatinfreien hellen Hof umgeben. Dünner, richtungsloser Knäuel. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 22:26 », Zelle 33:35 „. Der ganze Faden besteht aus basichromatischen Körnern, im klaren Kernsaft 2 basi- chromatische Nukleolen. Beginn der polaren Orientierung des Knäuels. Sublimat-Eisessig. Safranin-Lichtgrün. Kern 24 a, Zelle 28 a. (Die Sphäre liegt auf dem nächsten Schnitt.) Der Faden besteht aus basichromatischen Chromiolen, ein basichromatischer Nükleolus. Fortschreiten der polaren Orientierung. Sublimat- Eisessig. Häma- toxylin Heidenhain. Kern 24 », Zelle 28:32 u. Der basichromatische Faden beginnt sich aufzulockern. Ein basichromatischer Nukleolus. Kernmembran deutlich. Im Plasma die Sphäre gut zu erkennen, in ihr stärkste Ausbildung der Plastosomen. Polargerichteter Knäuel. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Herden hain. Kern 28 „, Zelle 34:45 „. Die zentralen Fadenpartien be- ö _ Abb. Abb. ‚Abb, Abb. Abb. Abb. Abb. 14. LT Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 195 stehen aus Basichromatin, die gut ausgebildeten seitlichen Ausläufer aus Oxychromatin. Kleiner basichromatischer Nukleolus. Die Sphäre zeigt blasse Fadeneinlagerungen. Polargerichteter Knäuel. Sublimat-Eisessig. Safranin-Lichtgrün. Kern 25:30, Zelle 36:38 „. Das Basichromatin bildet nurmehr die zentralsten Teile des Fadens, die seitlichen Ausläufer vollkommen oxychromatisch, Sphäre erscheint vakuolisiert in ihr, 2 intensiv färbbare Körner (Zentriolen). 2 Polar gerichteter Knäuel. Flemming. lHämatoxylin Heidenhain. Kern 22:28 „, Zelle 36:40 „. Als Folge der Fixierung ist nur das Basichromatin erhalten, die oxychromatischen seitlichen Aus- läufer sind zerstört. Zahlreiche Randnukleolen. Die Sphäre zeigt Einlagerung von osmierten Granulis und von mehreren kleinen Körnchen. Polargerichteter Knäuel. Sublimat-Eisessig. Ehrlich-Biondi-Heiden- hain. Schnitt durch die Polseite des Kernes senkrecht zum Ver- lauf der Fadenturen. 36 Turen sind quergeschnitten, der Kern erscheint sehr klein, da die Zeichnung nur den Anschnitt darstellt. Polargerichteter Knäuel. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heiden- hain. Schnittrichtung und Erklärung wie bei Abbildung 15. Der Schnitt liegt jedoch etwas näher der Kernmitte als dort. auch hier sind 56 Fadenquerschnitte zu erkennen, Dicker richtungsloser Knäuel. Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain, sehr stark differenziert. Kern 28 u, Zelle 32:40 u. Die aus basichromatischen Chromiolen bestehenden zentralen Partien des Fadens zeigen stellenweise deutliche Längsspaltung. Die seitlichen Ausläufer ausschliesslich oxychromatisch, durch die Färbung nur schlecht dargestellt. Sphäre halbmondförmig, mit körnigen Ein- lagerungen, erscheint vakuolisiert. Zerfall des Knäuels in einzelne Uhromosomen. Rekonstruiert aus 2 Schnitten, Sublimat-Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 38:30 u, Zelle 36:50 «. 18 längsgespaltene Chromosomen, be- stehend aus basichromatischen Körnerreihen mit oxychromatischen Ausläufern. Sphäre sehr gross, halbmondförmig, stark vakuolisiert mit reichlicher Körnereinlagerung. Zerfall des Knäuels in einzelne Chromosomen. Flemming stark, Hämatoxylin Heidenhain. Kern 27:30 u, Zelle 38:32 „, zeigt sehr deutlich die paarweise Umschlingung der Chromosomen. Das Oxychromatin ist durch die Einwirkung der Osmiumsäure zerstört, infolgedessen sind die seitlichen Ausläufer nicht erkennbar. Die Abbildung zeigt nicht die ganze Zelle, sondern nur die in einem Schnitt liegenden Chromosomen. Stärkere Ausbildung der seitlichen Ausläufer. Sublimat-Eisessig. Safranin-Lichtgrün. Kern 27 „, Zelle 45:52 „. Die seitlichen Ausläufer sind schwach dargestellt, die basichromatische Substanz ist nur in ganz geringer Menge vorhanden. Kleine basichromatische Nukleolen im Inneren des Kerns und unterhalb der Membran. b 13* 196 Abb. Abb. Abb, 2 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. 22. 24. 28. H. Stieve: Tafel II. Stadium wie Abb. 20. Sublimat-Eisessig.- Safranin-Lichtgrün, stark mit Lichtgrün überfärbt. Kern 28:30 „, Zelle 38:46 a. Die seitlichen Ausläufer sehr deutlich erkennbar, nur in den zentralsten Partien der Chromosomen findet sich noch reines Basichromatin.- Mehrere basichromatische Randnukleolen. Paarweise umschlungene Chromosomen. Sublimat-Eisessig. Hämä- toxylin Heidenhain. Kern 34:38 „, Zelle 42:58 „. Die zentralen Partien der Chromosomen sind eben noch erkennbar, die seitlichen Ausläufer schwach dargestellt. Im Plasma halbmondförmige Sphäre, die körnig, mit vereinzelten punktförmigen Einlagerungen erscheint und nicht vakuolisiert ist. Oxychromatisches Netzwerk. Sublimat-Eisessig. Methylgrün-Eosin. Kern 32:34 u, Zelle 42:50 «. Das ganze Kerngerüst besteht aus “den zu einem Netzwerk verflochtenen seitlichen Ausläufern, an vereinzelten Stellen sind die Chromosomen noch als dichtere Züge zu erkennen. Zahlreiche basichromatische Nukleolen. Oxychromatisches Netzwerk. Sublimat-Eisessig. Safranin-Liehtgrün. Kern 32:40 u, Zelle 44:52 „, der ganze Kern durchsetzt von oxychromatischen Ausläufern, nirgends mehr eine Andeutung der zentralen Chromosomenpartien zu erkennen. Zahlreiche grössere und kleinere basichromatische Nukleolen im Kerninneren, wenig Randnukleolen. \ Ausbildung des oxychromatischen Netzwerks im Ovar eines älteren Tieres. Sublimat-Eisessige. Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi- Heidenhain. Kern 40 u, Zelle 45:70 a. Das Kerngerüst besteht aus Chromatinfadensträngen, die sich netzartig verflechten, da- zwischen weniger dichte Partien. Nukleolen zum Teil vakuolisiert. Wachsende Oozyte aus dem Ovar eines älteren Tieres. Sublimat- Eisessig. Hämatoxylin Heidenhain. Kern 50 a, Zelle 63:100 a. Oxychromatisches Netzwerk, das noch nicht ganz gleichmässig im ganzen Kern verteilt ist. Zahlreiche Nukleolen aller Grössen, besonders am Rand. Langes Sichtbarbleiben der Chromosomen. Sublimat-Eisessig. Safra- nin-Lichtgrün. Kern 36:45 a, Zelle 52:66 a. Chromosomen deut- lich paarweise angeordnet, zeigen Lampenzylinderputzerformen und ‚bestehen aus Basichromatin, vereinzelte längere seitliche Ausläufer sind oxychromatisch. Im ganzen Kern keine Nukleolen. Noch nicht vollkommen ausgebildetes oxychromatisches Netzwerk. Sublimat-Eisessig. Dreifachfärbung nach Ehrlich-Biondi-Heidenhain. Kern 47:54 u, Zelle 73:84 „. Das chromatische Netzwerk durch- setzt in dichten Zügen den Kern, dazwischen hellere Partien, die noch fast frei von Chromatinfäden sind. Zahlreiche Nukleolen, hauptsächlich im Inneren des Kernes, wenig Randnukleolen. Follikel- zellen ungleichmässig über die Oberfläche der Oozyte verteilt. - Abb. 29. Abb. 30. Abb. 31. Abb. 32. Abb. 33. Abb. 34. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 197 Etwas weiter vorgeschritten als Abb. 28. Sublimat-Eisessig. Methyl- grün-Eosin. Kern 60:64 a, Zelle 96:100 «. Auch hier durchsetzt das Netzwerk den Kern noch nicht ganz gleichmässig. Die Zu- sammensetzung der oxychromatischen Ausläufer aus einzelnen Körnern ist sehr deutlich zu erkennen. Zahlreiche Nukleolen, grösstenteils unterhalb der Membran, zum Teil vakuolisiert. Vollkommen ausgebildetes oxychromatisches Netzwerk. Sublimat- Eisessig. Safranin-Lichtgrün. Kern 40:56 z, Zelle 80:96 «. Die einzelnen Fäden, deren Zusammensetzung aus Körnern hier nicht so deutlich zur Geltung kommt, sind auf lange Strecken hin zu verfolgen, nur an den Kreuzungsstellen sind kleine Körnchen zu erkennen, die sich gleichfalls oxychromatisch färben. Zahlreiche Randnukleolen, nur vereinzelte Nukleolen im Innern des Kernes. Tafel III. Öxychromatisches Netzwerk. Alkohol-Chloroform-Eisessig. Safranin- Lichtgrün. Kern 56:63 u, Zelle 88:100 a. Das Netzwerk durch- setzt den ganzen Kern vollkommen gleichmässig, es besteht aus feinen Fäden, die allenthalben stark aufgerauht. höckerig erscheinen, stellenweise deutliche Zusammensetzung aus einzelnen Körnern zeigen. Nur an ganz vereinzelten Stellen sind glatte Fadenstücke zu erkennen. Einige grosse Nukleolen im Kerninneren, mit zahl- reichen Vakuolen, ziemlich reichlich Randnukleolen. Basichromatisches Netzwerk. Sublimat-Eisessig. Dreifachfärbung nach 'Ehrlich-Biondi-Heidenhain. . Vergrösserung Zeiss Apochromat Homogene Immersion 2 mm. Num. Ap. 1,30. Comp.-Oe. 4. Kern 130:140 a, Zelle 220: 260 „. Das chromatische Netzwerk durch- setzt den Kern im allgemeinen ganz gleichmässig und ist nur durch eine schmale, unregelmässige Zone von der Kernmembran getrennt. In ihr ist deutlich die netzige Lininstruktur zu erkennen. Zahlreiche Randnukleolen, zum Teil von hellem Hof umgeben. Ausschnitt aus dem Plasmaleib einer Oozyte von 220 :250 «. Kern- durchmesser 88 „, Vergrösserung wie Abbildung 1. Sublimat-Eis- essig, Safranin-Lichtgrün. Die Lage des Kerns ist in der Zeichnung angegeben. Im Plasma eine Gruppe von spindelig-fadenförmigen Plastosomen als dichter Haufen eingelagert. Ausschnitt aus dem Plasmaleib einer Oozyte von 320 : 600 „ Grösse, Kern 145 «. Vergrösserung wie bei Abbildung 1. Sublimat-Eis- essig. Hämatoxylin Heidenhain. Die dem netzig gebauten Plasma eingelagerte Plastosomengruppe besteht grösstenteils aus konzen- trisch geschichteten Körnern, zwischen ihnen vereinzelte fädige- spindelige (rebilde. Tafel IV. Abb. 35—40 stellen die Veränderungen der Uhromosomen während der letzten Zeit des Oozytenwachstums dar, Abbildung 35 schliesst sich unmittelbar an Abbildung 32 an. Vergrösserung wie bei Abbildung 1. Die Kreisaus- 198 H. Stieve: schnitte besitzen einen Durchmesser von ungefähr 60 „, bei Abh. 40 75 u. Fixation: Alkohol - Chloroform - Eisessig. Färbung Hämatoxylin Heidenhain. Abb.35. Kern 134 a, Zelle 320 :400 «, entspricht ungefähr dem auf Tafel V Abbildung 43 dargestellten Stadium. Das Chromatin bildet ein Netzwerk, in welchem keine Einzelchromosomen zu erkennen sind, die Fäden des Netzwerkes sind auf lange Strecken hin verfolgbar, keine Gabelungen, nur echte Überkreuzungen. An den Über- kreuzungsstellen häufig knotige Verdickungen. Zahlreiche Rand- nukleolen. Abb. 36. Kern 176:240 „, Zelle 480:570 «. Entspricht dem Stadium der Abbildung 44. Die Fäden des Netzwerkes zeigen rauhe Oberfläche und allenthalben ösenförmige Spaltungen von verschiedener (Grösse, stellenweise auf längere Strecken parallelen Verlauf der beiden Spalthbälften. Zahlreiche echte Gabelungen der Fäden. Im Kern- saft ist das feine Liningerüst zu erkennen. Abb. 37. Beginnende Isolierung der Einzelehromosomen. Kern 280 u, Zelle 650 „, entspricht dem Stadium Abbildung 45. Das chromatische Netz- werk ist wesentlich lockerer und erscheint nur in der unmittelbaren Umgebung der hromosomenachsen noch so dicht wie früher, Chroma- tinfäden rauh, wenig Gabelungen. Kernsaft hell, das Liningerüst deutlich, an den Überkreuzungsstellen seiner Fäden feinste Körner. Ahb. 38. Weitere Isolierung der Chromosomen. Kern 288:368 w, Zelle 780:992 «, entspricht dem Stadium Abbildung 46. Chromatinfäden deutlich körnig gebaut, hauptsächlich in der Nähe der Chromosomen» achsen gelegen, nur vereinzelte Fäden durchziehen den Kern auf längere Strecken. Kernsaft und Liningerüst wie bei Abbildung 37. Abb. 39. Fortschreitende Chromosomenisolierung. Kern 326:382 „, Zelle 892:997 a. entspricht Stadium Abbildung 47. Die Chromosomen zeigen Lampenzylinderputzerformen, die seitlichen Ausläufer sind dünn und kurz, sie bilden grösstenteils Schleifen, nur vereinzelte ‚ sind auf weitere Strecken im Kernsaft zu verfolgen. Kernsaft und Liningerüst wie bei Abbildung 37. Abb. 40. WVollendete Isolierung der Chromosomen. Kern 338 : 492 „, Zelle 2800 : 3000 z, entspricht dem Stadium Abbildung 49. In der Zeich- nung ist nur der Teil eines Chromosoma zu erkennen, das deutliche Lampenzylinderputzerformen zeigt, die seitlichen Ausläufer sind dünn, an ihnen zahlreiche Abschmelzungsnukleolen. Kernsaft und Liningerüst wie bei Abbildung 37, im Kernsaft allenthalben Nukleolen von verschiedenster Grösse. Tafel V. Abb. 41-50 stellen das Kernwachstum und die dabei stattfindenden Veränderungen im Bau der chromatischen Substanz dar. Gezeichnet sind nur die Kerne. Vergrösserung: Zeiss Objektiv Apochromat 4 mm, Comp.- Oe. 4.) Fixation durchweg Alkohol-Chloroform-Eisessig. Färbung: Häma- toxylin-Heidenhain-Orange G. { = - 4 ’ ') Bei der Wiedergabe wurde Abb. 41—50 um ein Drittel verkleinert. Abb. 41. Abb. 42. Abb. 43. Abb. 44. Abb. 45. Abb. 46. Abb. 47. Abb. 48. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 199 Polargerichteter Knäuel. Kern 26:28 a, Zelle 30 «. Nur die basichromatische Substanz ist eingezeichnet, die Chromosomen be- stehen nur in ihren zentralen Partien aus Basichromatin, die seit- lichen Ausläufer sind oxychromatisch. Keine Nukleolen. Voll ausgebildetes, oxychromatisches Netzwerk. Kern 53:56 a, Zelle 80:85 ». Das ganze Kerninnere ist von dem oxychromatischen Netzwerk erfüllt, das hier schwarz gezeichnet ist, im Schnitt aber braun erscheint. Nukleolen im Kerninneren und unterhalb der Membran, zum Teil vakuolisiert. Ausbildung des oxychromatischen Netzwerkes. Kern 128 «, Zelle 300 a. Das Kerngerüst, welches den ganzen Kern gleichmässig durchsetzt, besteht in der Hauptsache aus oxychromatischen Strängen, denen feinste basichromatische Körnchen eingelagert sind. Im Kerninneren keine Nukleolen, dagegen zahlreiche Randnukleolen. Basichromatisches Netzwerk. Kern 176: 240 „, Zelle 482:530 „. Das sanze Kerngerüst besteht aus Basichromatin, die einzelnen Fäden zeigen körnigen Bau, häufig Spaltungen und aus diesem Grunde für kurze Strecken doppelten Verlauf. Zahlreiche Rand- nukleolen, jedoch im Verhältnis weniger als bei Abbildung 43. Beginnende Isolierung der Chromosomen. Kern 280 „, Zelle 650 «. Der ganze Kern durchsetzt von Chromatinfäden, die zentralen Partien der Chromosomen sind durch die dichtere Lagerung dieser Fäden deutlich gekennzeichnet. Sie verlaufen zum Teil als lange, vielfach gewundene Fäden auf weite Strecken in den Kern, bestehen jedoch teilweise auch nur aus kurzen Schleifen. Randnukleolen in verhältnismässig geringer Zahl vorhanden, im Kerninneren ver- einzelte basichromatische Nukleolen. Fortschreitende Isolierung der Einzelchromosomen. Kern 288 :368 x, Zelle 780 : 992 v. Die Chromosomen bilden typische Lampenzylinder- putzerformen, die einzelnen, sie zusammensetzenden Fäden bestehen aus zierlichen Körnerreihen. Die seitlichen Ausläufer besitzen ganz verschiedene Länge. Allerdings sind nur einzelne von ihnen auf grössere Strecken hin zu verfolgen. Nukleolen sowohl im Inneren als an den Randpartien, in diesem Schnitt wenig getroffen. Weitere Isolierung der Einzelchromosomen. Kern 320: 400 „, Zelle 960:140 „. Durch weiteres Abschmelzen der seitlichen Ausläufer haben sich die Chromosomen verkleinert und heben sich jetzt sehr deutlich ab. Stellenweise, besonders in der Mitte des Schnittes, ist ihre paarige Anordnung zu erkennen. Sie sind noch immer gleichmässig im ganzen Kern verteilt. Einzelne der Ausläufer ziehen weit in den Kernsaft, der ein feines oxychromatisches Linin- .gerüst zeigt, an den Kreuzungsstellen seiner Fäden sind kleine Körner eingelagert. Grosse Nukleolen finden sich fast ausschliesslich an den Randpartien, kleine auch im Kerninneren. Fortschreitende Isolierung der Uhromosomen, Kern 360:480 , Zelle 2800 : 2700 ». Die einzelnen Ohromosomen stellen deutlich isolierte Gebilde dar, die aus einzelnen quergestellten Fäden, Schlingen 200 Abb. 49. Abb. 50. H. Stieve: und Maschen bestehen. An diesen finden sich zahlreiche kolbige und birnförmige Auftreibungen und Verdickungen: Abschmelzungs- nukleolen. Alle Chromosomen beginnen sich in der Mitte des Kernes zusammenzuziehen, sie sind von einer schmalen hellen Kernsaft- zone umgeben. In ihr zahlreiche grosse Nukleolen, zum Teil un- mittelbar unterhalb der Kernmembran. In allen Abschnitten des Kernes kleine und kleinste Nukleolen. Tafel VI. Zusammenrücken der Chromosomen. Kern 359 : 512 u, Zelle 2800::2850 „. Die Chromosomen kleiner als in Abbildung 48, zeigen sonst im grossen und ganzen den nämlichen Bau und nehmen nur die Mitte des Kernes ein. In der breiten umgebenden hellen Zone massenhaft grosse Nukleolen, kleinere Nukleolen in allen Teilen des Kernes, besonders auch im Bereich des zentralen Chromosomen- haufens. Stärkstes Zusammenrücken der Chromosomen in der Kernmitte, Kern 374 :520 u, Zelle etwa 3000 „. Die dicht beieinanderliegenden Chromosomen zeigen deutlich Lampenzylinderputzerformen, mit sehr gut ausgebildeten zentralen Körnerreihen. Die paarweise Umschlingung kommt an einzelnen Stellen sehr deutlich zur Geltung. Die grossen Nukleolen hauptsächlich am Rande des Chromosomen- haufens, kleinere Nukleolen in allen Teilen des Kernes. Tafel VII. Abb. 51—57 stellen die Veränderungen in der chemischen Reaktion der chromatischen Substanz während der ersten Zeit des Oozytenwachstums dar, bis zur Ausbildung des basichromatischen Netzwerkes. Nur die Kerne sind gezeichnet. Vergrösserung Zeiss Apochromat hom. Imm. 2 mm., num. Aper. 1,30 Comp.-Oe. 4. Fixation Alkohol-Chloroform-Eisessige, Färbung Safranin- Lichtgrün. N Abb. 51. Abb. 52. Abb. 53. Abb. 54. Junge Oozyte. Kern 15:18 „, Zelle 21:30 „. Oxychromatisches Netzwerk mit Einlagerung von zahlreichen kleinen basichromatischen Körnern. Vereinzelte basichromatische Nukleolen. Polargerichteter Knäuel. Kern 22:32 u, Zelle 34:36 „u. Der Faden besteht aus basichromatischen Körnern, von denen nach allen Seiten oxychromatische Ausläufer in den Kern gehen. Nukleolen basichromatisch. Entspricht etwa Abbildung 41. Längsgespaltene, paarweise verschlungene Chromosomen. Kern 29:34 u, Zelle 38:49 „. Die Chromosomen bestehen fast aus- schliesslich aus quergestellten, oxychromatischen Fäden, nur in vereinzelten ist noch eine feine basichromatische Körnerreihe zu erkennen. Zahlreiche basichromatische Nukleolen im ganzen Kern. Oxychromatisches Netzwerk. Kern 58:60 „, Zelle 85:95 „. Der ganze Kern von einem oxychromatischen Netzwerk erfüllt, in dem keine Spur von Basichromatin nachweisbar ist. Basichromatische \ | r Abb. 55. Abb. 56. Abb. 57. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. 201 Nukleolen hauptsächlich unterhalb der Membran. Entspricht etwa Abbildung 42. Öxychromatisches Netzwerk. Kern 86:88 a, Zelle 130:176 w. ‚Kern vollkommen durchsetzt von oxychromatischen Fäden, an denen sich jedoch schon Einlagerungen kleiner basichromatischer Körner zeigen. Massenhaft basichromatische Randnukleolen, zum Teil vakuolisiert. Entwicklung des basichromatischen Netzwerkes. Kern 120 u, Zelle 240 «a. Auch hier ist der Kern ganz von einem oxychromatischen Gerüst erfüllt, dessen Fäden jedoch sehr zahlreiche basichromatische Körner eingelagert sind. Zahlreiche, basichromatische, zum Teil vakuolisierte Randnukleolen, entspricht etwa dem Stadium Abb. 43. Basichromatisches Netzwerk. Kern 170 a, Zelle 360:440 «. Der ganze Kern von basichromatischen Fäden durchsetzt. die rauh er- scheinen und stellenweise Verdickungen, hie und da auch spaltförmige Öffnungen zeigen. Zahlreiche basichromatische Nukleolen, zum Teil vakuolisiert. nur ganz vereinzelt im Kerninneren, grössenteils unter- halb der Membran. Tafel VII. Abh. 58—72 stellen das Verhalten der Nukleolen dar. Vergrösserung: Zeiss -hom. Imm. 2 mm., num. Ap. 1,30, Comp.-Oc. 12.) Fixation Sublimat- Eisessig. Färbung: Safranin-Lichtgrün, nur bei Abbildung 67 Färbung Methylgrün-Eosin. Abb. 58. Abb. 59. Abb. 60. Abb. 61. Abb. 62. Öxychromatisches Netzweik. Kern 47:49 u, Zelle 66:92 „. Das chromatische Gerüst erscheint vollkommen hellgrün, die Nukleolen hellrot. Kern 80 u, Zelle 168:172 „. Das gleichmässig den ganzen Kern durchsetzende Netzwerk besteht aus hellgrünen oxychromatischen Fäden, denen vereinzelte basichromatische Körner eingelagert sind. Die Nukleolen hellrot, ihre Vakuolen rosa. Die Plasmastrukturen erscheinen dunkelgrün. Kern 124:110 a, Zelle 240 :250 a. Stellt im grossen und ganzen ein ähnliches Stadium wie Abbildung 59 dar, nur sind die Nukleolen grösser, sehr stark vakuolisiert. die hellrosa gefärbten Vakuolen erscheinen teilweise wie Pfropfnukleolen. / Kern 124:165 „, Zelle 400 u. Das Chromatingerüst, in dem dann die Spaltung der einzelnen Chromosomen beginnt, erscheint dunkel- rot, die grossen Nukleolen dunkelrot mit hellroten Vakuolen, im Kerninneren vereinzelte kleine hellrote Nukleolen. Kern 368:224 u, Zelle 720:869 u. Die Chromosomen zeigen schmutzig-graugrüne Farbe, die Nukleolen, znm Teil von sehr be- trächtlicher Grösse, erscheinen dunkelrot, mit hellrosafarbigen Vakuolen. Abb. 63,64. Nukleolen aus Zellen von ähnlicher (irösse wie Abbildung 62, mit sehr grossen Vakuolen, die zum Teil schaumige Struktur auf- !) Bei der Wiedergabe wurde Abb. 58—72 um ein Drittel verkleinert. Abb. Abb Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.” H. Stieve: Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes. weisen. Die Farbe des Chromatingerüstes ist angegeben, ebenso bei den folgenden Abbildungen. 65, 66. Nukleolen mit sehr schön ausgebildeten Pfropfnukleolen, Kern 330 :392 u, Zelle 980:1010 «. Die Grundsubstanz der Nukleolen ist basichromatisch, sie erscheint dunkelrot, durchsetzt von zahl- reichen hellrosa gefärbten Vakuolen, die Pfropfnukleolen sind oxy- chromatisch, grün. Die Chromosomen erscheinen schmutzig grünrot, .67. Nukleolus aus der nämlichen Zelle wie Abbildung 65 und 66, bei Methylgrün-Eosinfärbung. Die Grundsubstanz erscheint dunkel- grün, die Pfropfnukleolen leuchtend rot. schaumig. Die Chromo- somen sind dunkelrotviolett. 65—72. Nukleolen aus Kernen mit zentralgerückten Chromosomen, Kerndurchmesser etwa 450 a, Zelldurchmesser 2500—3000 a. Die Chromosomen erscheinen durchweg schmutzig grünrot (Abb. 70), ihre zentralen Körnerreihen, soweit. sie vorhanden sind, dunkelrot. 68. Grosser dunkelroter, wenig vakuolisierter Nukleolus, besteht durch- weg aus Basichromatin. 69. Stark vakuolisierter, basichromatischer Nukleolus mit einer oxy- chromatischen Knospe, die gleichfalls sehr stark vakuolisiert erscheint. Ihr sitzt eine weitere, hellrosa gefärbte, gleichfalls vakuolisierte sekundäre Knospe auf. , “0. Grosser Nukleolus mit zwei Knospen, die wieder zusammenfliessen. Besteht durchweg aus stark vakuolisiertem, hellrosa gefärbtem Basi- chromatin. 71. Kleiner basichromatischer Nukleolus mit beginnender Knospen- bildung, Grundsubstanz hellrot, sehr stark vakuolisiert. ‘2. Vollkommen zerfliessender Nukleolus, Grundsubstanz hellrot, sehr stark vakuolisiert. Zahlreiche, sehr kleine, hellrote Nukleolen. N 203 Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. Von J. Rückert, München. Hierzu Tafel IX und X und 1 Textfigur. I. Einleitung. Die Entwicklung der Dottersackgefässe der mero- blastischen Eier verdient nicht bloss um ihrer selbst willen unter- sucht zu werden, obwohl sie schon an sich des Interessanten genug bietet. Ihre genaue Kenntnis erscheint vielmehr vor allem deshalb wünschenswert, weil sie die Voraussetzung ist für eine einwandfreie Vergleichung der primären oder Darm-Venen- stämme in den verschiedenen Wirbeltiergruppen. Stellt doch eine Vene des Dottersackes des meroblastischen Eies nicht etwa einen Neuerwerb dieser Eiform, nicht ein (Gebilde sui generis dar, sondern sie ist — und das gilt auch für die Arterie — von einem Darmgefäss verwandter holoblastischer Eier abzuleiten. Für den Dottersack selbst gilt die Abstammung aus der dotter- haltigen ventralen Darmwand der holoblastischen Eiform eines systematisch niedriger stehenden Verwandten längst als etwas Selbstverständliches. Die Homologisierung der zugehörigen Blut- gefässe dagegen ist für die Wirbeltiere noch keineswegs in befriedigender Weise durchgeführt. So ist eine Lücke in unserer Kenntnis der Dottergefässentwicklung der Selachier die Ursache gewesen, weshalb dieses Gefäßsystem sich bislang weder mit den Darmvenen der holoblastischen Anamnier, noch mit dem Dotter- gefäßsystem der Amnioten homologisieren liess, sondern an- scheinend völlig isoliert steht. Und dieser mangelnde Zusammen- hang trägt in letzter Instanz wiederum Schuld an der Unklarheit, die in der Auffassung der primären intraembryonalen Darmvenen- stämme, der V. subintestinalis und der V. omphalo-mesenterica und deren Beziehungen zueinander herrscht. Bei der Bearbeitung der ersten Gefässentwicklung für das Hertwigsche Handbuch sind Herr Kollege Mollier bei den Archiv f. mikr. Anat. Bd.95. Abt. II. 14 204 J. Rückert: holoblastischen Anamniern und ich bei den meroblastischen Wirbeltiereiern diesen Fragen nachgegangen, haben aber unsere einschlägigen Untersuchungen, da unsere Aufgabe im wesentlichen auf die Histiogenese der Gefässe beschränkt war, dort nicht zur Darstellung gebracht. Doch habe ich wenigstens die Blutanlagen und die übrigen extraembryonalen Gefässe von Torpedo damals nicht bloss histiogenetisch, sondern ihres besseren Verständnisses wegen zugleich morphogenetisch behandeln zu müssen geglaubt und habe im Anschluss hieran auch einige für meine Auffassung grundlegende vergleichend embryologische Gedanken in knapper Form wiedergegeben. Eine ausführliche Darstellung der Morpho- logie der ersten Venenbahnen hatten wir späteren Publikationen vorbehalten müssen. Diese letzteren liegen nun nahezu druck- fertig vor und zwar von mir eine Arbeit über Torpedo und von einer Schülerin Molliers, Frl. Dr. Hartmann, eine solche über Amphibien. Da einer Veröffentlichung der beiden Abhandlungen in Hinsicht auf die kostspieligen Abbildungen zurzeit Schwierig- keiten im Wege stehen dürften, trenne ich ein kleineres, für sich selbständiges Kapitel, die Dottersackgefässe von Torpedo, von meiner Arbeit ab und publiziere es hiermit gesondert, gleich- sam als einen Vorläufer des Ganzen. Dazu eignet es sich auch insofern, als es einige Grundlagen für die Hauptarbeit liefert. II. Literatur. Das Dottergefäßsystem der Selachier hat bisher nur für die Squaliden Pristiurus und Sceyllium eine zusammenhängende Dar- stellung gefunden. Balfour (1378) hat als erster bei Pristiurus die Dottersackgefässe und ihre Entwicklung in den Grundzügen richtig erkannt, doch lässt seine Beschreibung in den Einzelheiten an Genauigkeit zu wünschen übrig, auch die Figuren sind ziemlich schematisiert. Seine Darstellung leidet vor allem daran, dass in den jungen Stadien die Anordnung der Mesoderm- oder Gefäss- zone des Blastoderms, auf der doch die ganze Beschreibung fussen müsste, unberücksichtigt bleibt, wie denn auch in den Abbildungen die Gefässe dementsprechend frei auf das Blastoderm aufgesetzt wurden. Es findet dieser Mangel darin seine Erklärung, dass Balfour ein peripheres Mesoderm (Rückert== peristo- males Mesoderm. Rabl) nicht gekannt hat. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies 205 Diese Lücke hat später H. Virchow in zwei Mitteilungen (1895 und 1897a) ausgefüllt, die eine ausführlichere und bis ins Einzelne sorgfältige Beschreibung der Dottergefässentwicklung von Pristiurus und Scyllium bringen. Beim erstmaligen Studium dieser Arbeiten ist es mir aber ebenso ergangen wie Hoch- stetter: ich habe, obwohl ich den Gegenstand doch einiger- massen zu kennen geglaubt hatte, manches nicht verstanden, hauptsächlich wohl deshalb nicht. weil dem Text keine Abbildungen beigefügt sind. Es.gibt eben entwicklungsgeschichtliche Vor- gänge, von denen man sich ohne Illustrationen kaum eine richtige Vorstellung machen kann, und dazu gehört die Umwachsung des Squalidendotters durch die Gefässe. So war es gewiss gerechtfertigt, dass Hochstetter (1905) das Thema nochmals in Angrift genommen hat. In einer mit instruktiven Figuren versehenen Arbeit hat er ein klares Bild von der Entwicklung der Dottergefässe und ihrer Ausbreitung über das Ei für Scyllium stellare entworfen. Es bestätigt die Virchowsche Darstellung in den meisten Punkten und erweitert sie in mehrfacher Hinsicht. Mit dieser gründlichen Arbeit dürfte unsere Kenntnis der Dottergefässentwicklung der Squaliden vorerst zu einem gewissen Abschluss gebracht sein. Die Entwicklung der Dottergefässe bei dem von mir be- arbeiteten Torpedo weicht von derjenigen bei den Squaliden so erheblich ab und ist im Gegensatz zu dieser eine so einfache, dass ihr Verständnis durch eine Voranstellung des Verhaltens der Squaliden eher erschwert als gefördert werden würde. Des- halb werde ich erst am Schluss meiner Beschreibung dieses Objekt zum Vergleich heranziehen. Von der Dottergefässentwicklung von Torpedo sind vor meiner eigenen zusammenfassenden Darstellung im Hertwig- schen Handbuch (1906) nur einige Bruchstücke bekannt geworden durch gelegentliche Angaben in Arbeiten von Ziegler (1892) und H. Virchow (1897a), auf die ich, soweit nötig, an ge- eigneter Stelle eingehen werde. Ill. Beschreibender Teil. (Torpedo ocellata.) Stadium 1. Wir gehen von einem Stadium von Torpedo oc. mit 28 Rumpf- somiten aus. Da von den Autoren zu dieser Zeit vier kaudale Kopfsomiten als „Urwirbel“ erechnet werden, so würde der pP ” g ) 14* 205 J. Rückert: Embryo nach der üblichen Zählung 32 Urwirbel besitzen. Es sind vier, noch geschlossene, Visceraltaschen vorhanden, deren zweite vor dem Durchbruch steht. Das Herzrohr ist mit Aus- nahme eines noch engen bezw. geschlossenen Bulbusabschnittes durchweg eröffnet und steht durch die ebenfalls schon durch- gängigen Mandibulararterien mit dem weiten Kopfsinus und durch diesen mit der Aorta in Kommunikation. Die Vena subintestinalis stellt ebenfalls ein Hohlgefäss dar und erstreckt sich nach hinten bis fast an die Kloakenanlage. Bei diesem Entwicklungszustand der intraembryonalen Ge- fässe zeigt das Dottergefäßsystem ein Verhalten, das in Fig. 1, einer nach einem Plattenmodell hergestellten Abbildung des Blastoderms, dargestellt ist. Die Mesoderm- oder Gefässzone umschliesst, der vorausgegangenen Entwicklung des peripheren Mesoderms entsprechend, ringförmig das mesoderm- oder gefäss- freie Feld (gf). Ihre vordere Hälfte ist schmäler als die hintere. Die letztere steht an ihrem medianen Rand jederseits mit dem Embryo in Verbindung in der Ausdehnung des noch ziemlich langen Darmstiels (ds). Letzterer ist in der Abbildung horizontal durchschnitten dargestellt, um durch Entfernung des Embryo den von ihm gedeckten Teil des Blastoderms sichtbar zu machen. An dem intakten Modell ragt der das vordere Drittel des Embryo bildende Kopf frei oberhalb der gefässfreien Zone nach vorne vor bis nahe an deren Vorderrand. Ebenso erstreckt sich ein knappes hinteres Drittel des Embryo, sein Hinterrumpf und Schwanz, frei über den kaudalen Rand des Blastoderms hinaus. Das Übersichts- bild der Fig. 4 stellt zwar ein etwas älteres Stadium dar, gibt aber doch eine brauchbare Vorstellung von der Ausdehnung des Blastoderms auf der Dotterkugel in der vorliegenden Entwicklungs- periode. Betrachten wir nun die Gefässzone der Fig. 1 etwas näher. Die Blutinseln sind hier bereits in bluthaltige Endothelröhren umgewandelt, die mit den übrigen blutleer angelegten Hohl- gefässen ein einheitliches, dichtes Kapillarnetz bilden. Doch lassen sich auf Schnitten noch die meisten der ehemaligen Inseln an ihrer starken Füllung mit Blutzellen erkennen. Ein Teil der in der Flüssigkeit locker suspendierten Zellen ist schon in die übrigen Gefässe des Blastoderms abgeschwemmt und von da in den Embryo gelangt, wo sie im Herzen, in der Mandibulararterie, Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 207 und besonders zahlreich im Kopfsinus gefunden werden. Die kaudalen Exemplare des ehemaligen Kranzes der grossen Blut- inseln sind gemäss ihrer verspäteten Entstehung in der Entwicklung etwas zurückgeblieben, ihre Zellen füllen noch dicht gedrängt das Lumen aus, und die untere Endothelwand ist noch untertig. Doch ist zu berücksichtigen, dass die Auflösung der Blutzellen- masse in den einzelnen gleichaltrigen Keimscheiben des Stadiums verschieden weit vorgeschritten ist. Der Abschluss der Area vasculosa nachinnen, gegen die gefässfreie Zone, ist an den einzelnen Randabschnitten dieses kartenherzförmigen Feldes ein ungleicher. Am Hinterrand des letzteren wird er durch ein Endothelrohr gebildet, das sich frühzeitig angelegt hat und ein etwas weiteres Kaliber besitzt als die nach rückwärts angrenzenden Gefässe. Dadurch gibt es sich schon jetzt als ein Gefäßstamm kund. Es stellt die kaudale paarige Fortsetzung des Herzschlauches auf dem Dotter dar und ist demgemäss als eine Vene aufzufassen: wir nennen dieses Gefässpaar die vorderen Dottervenen. Die beiden gleich- starken Gefässe senken sich unmittelbar hinter dem Sinus venosus des Herzens an der vorderen Darmpforte steil zum Dotter herab und ziehen, indem sie seitlich auseinanderweichen, jederseits in einem nach vorn konvexen Bogen zwischen dem Hinterrand der gefässfreien Zone und dem vorgebuchteten Vorderrand der extra- embryonalen Leibeshöhle (dc) lateral bis zum Seitenrand der letzteren, wo sie mehr oder weniger scharf und spitzwinklig nach vorn umbiegen, um dann in vorwärtsgerichtetem Verlauf den Seitenrand des gefässfreien Feldes gegen die Gefässzone ab- zugrenzen. Auf dieser weiteren Strecke ändert sich der Charakter des Gefässes. Es hebt sich jetzt nicht mehr so deutlich als ein selbst- ständiger Stamm von den angrenzenden Gefässen der A. vasculosa ab, weil die letzteren hier kräftiger sind als im Bereich des Dottercöloms, und es zeigt einen stark geschwungenen Verlauf. So stellt es vorerst nichts weiter als eine Verbindung der innersten, gegen das gefässfreie Feld vorspringenden Gefäßschlingen und -sprossen der Area vasculosa dar. Aber gerade in der Zusammen- fassung dieser letzteren gibt sich schon die Anlage des Gefäss- stammes kund, besonders am rechten Rand des mesodermfreien Feldes der Fig. 1, wo der Vorgang weiter vorgeschritten ist als 208 J. Rückert: links und namentlich gegenüber dem vorderen Rand des Feldes, wo die einzelnen Gefäßsprossen der Area noch völlig unverbunden sind. Vorne kann also von der Anlage eines die Gefässzone nach innen abgrenzenden Gefäßstammes noch keine Rede sein. Die rechte und linke Dottervene sind vielmehr auf diesem Blastoderm nach vorne zu noch völlig voneinander getrennt. Indessen vereinigen sich noch im Verlauf des vorliegenden Stadiums von vier geschlossenen Viszeraltaschen die Dottervenen mit ihren vorderen Enden zu @inem das gefässlose Feld allseitig umschliessenden Ringgefäss, der „inneren Ringvene“, wie ich sie zur Unterscheidung vom Sinus terminalis, der „äusseren Ringvene“, im Hertwigschen Handbuch benannt und daselbst in Fig. 792 abgebildet habe. Diese von mir als halbschematisch bezeichnete Figur ist durch Oberflächenuntersuchung der intakten Keimscheibe gewonnen, doch wurde die Kontinuität der inneren Ringvene an den Schnitten bestätigt. An einem weiteren Embryo dieses Stadiums mit 29 links- und 30 rechtsseitigen Rumpf- segmenten, also 33 und 34 Urwirbeln, habe ich neuerdings eben- falls den geschlossenen Venenring an. Schnitten festgestellt. Das (Gefäss übertrifft in diesem Zustand durch sein meist weiteres Volumen und seine tiefere Einsenkung in den Dotter die Mehr- zahl der übrigen Dottergefässe und steht in dieser Hinsicht nur mit der gleich zu beschreibenden äusseren Ringvene auf gleicher Stufe. Die periphere Begrenzung der Area vasculosa wird durch ein Ringgefäss gebildet, das beim Blastoderm der Fig. 1 sich noch im Zustand einer wandungslosen, in den Dotter ein- gegrabenen Rinne, der Randrinne (tr, gelb in der Abbildung), wie ich sie nenne, befindet. Diese schon sehr frühzeitig, noch vor den Endothelröhren der Area, angelegte Lakune verläuft in zahlreichen Biegungen dem Rande des Blastoderms entlang, ist von sehr ungleicher Breite und Tiefe, streckenweise gerade in dieser schon vorgerückten Zeit ihres Daseins ganz verstrichen. Doch kommt hier in Betracht, dass sie auf der weichen Dotter- unterlage vermutlich schon intra vitam steten Schwankungen unterliegt und auch im Präparat durch den jeweiligen Erhaltungs- zustand des Objektes beeinflusst ist. Ihre Begrenzung bildet gegen die Tiefe zu das Dotterentoderm, gegen die Oberfläche eine dünne Lage ungespaltenen Mesoderms, welche in der Regel jetzt nicht mehr bis zum Keimscheibenrand heranreicht. Die Rand- Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 209 rinne entbehrt im abgebildeten Zustand nicht nur des Endothel- belages, sondern auch der eingeschwemmten Blutzellen, die in den echten Gefässen der Area jetzt allgemein vorkommen. Daraus lässt sich folgern, dass die Lakune nicht in offener Verbindung mit den letzteren steht. Nur das vom hinteren Blastodermrand nach vorn zum Embryo einbiegende paarige Endstück der Rinne hat schon seine Endothelauskleidung erhalten. Diese beiden zur- zeit noch kurzen (Gefässe setzen sich kranial, indem sie an der hinteren Darmpforte nach aufwärts umbiegen, in die Subintestinal- venen des Embryo fort (in Fig. 1 an der Mündung quer durch- schnitten). Es sind dies die Dottervenen (hd), die vorerst, solange neben ihnen noch vordere Dottervenen existieren, als hintere zu bezeichnen sind. Bei Keimscheiben, die nur wenig älter sind als die der Fig. 1 (Embryonen von 29—30 Rumpfsomiten) und noch dem Stadium von vier Visceraltaschen angehören, ist statt der Rand- rinne ein epithelial ausgekleidetes blutzellenhaltiges Rand gefäss; die definitiveRingvene, aufgetreten. Der Entwicklung dieses (sefässes ist in meiner zusammenfassenden Arbeit eine ausführliche Darstellung gewidmet, aus welcher ich hier nur einen kurzen Auszug gebe. Die Vene entsteht hiernach nicht, wie ich früher (1903 und 1906 S. 1108) geglaubt hatte, dadurch, dass die Lakune einen Endothelbelag erhält, sie geht überhaupt nicht aus der letzteren hervor, sondern stellt eine Neubildung dar, welche an ihre Stelle tritt. Sie kommt dadurch zustande, dass der grossen- teils in sich geschlossene Rand des (refässnetzes der Area vascu- losa sich peripher gegen den Blastodermrand, also an den Ort der bisherigen Lakune, vorschiebt, wobei dessen z. T. stark vor- springende Schlingen und blinde Buchten entsprechend der Aus- breitung über eine ausgedehntere Fläche sich strecken und aus- gleichen. Das letztere geschieht allmählich, daher man noch nach der Fertigstellung des Ringgefässes einen stark geschwungenen Verlauf desselben wahrnimmt. So erklärt sich, dass anscheinend plötzlich und unvermittelt am Blastodermrand an Stelle der Lakune ein fertiges ununterbrochen durchlaufendes und durch zahlreiche Kommunikationen in die Area vasculosa sich eröffnendes Ring- gefäss erscheint (vergl. Fig. 2 vom jüngsten Embryo des nächsten Stadiums). Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass der äussere Venen- 210 J. Rückert: ring des Blastoderms in analoger Weise aus dem Netz der Area vasculosa hervorgeht wie der innere, nur mit dem Unterschied. dass er einen Vorläufer in Gestalt einer Ringlakune besitzt, die er, an ihre Stelle tretend, ersetzt. Nur das am vorderen Cölom- rand quer zum Herzen verlaufende paarige Endstück der inneren Ringvene, der Stammteil der vorderen Dottervenen, der sich früh- zeitiger anlegt, geht aus selbständigen Gefässzellenketten hervor, wie die ersten Gefäßstämme des Embryo. Zusammenfassend ist über das Stadium von vier Visceral- taschen (Modell der Fig. 1) zu sagen: dass das gesamte Gefäss- netz des Blastoderms noch ein rein venöses ist, denn es steht mit dem Embryo durch zwei Venenpaare in Verbindung, deren vorderes in das kaudale Herzende und deren hinteres in die zur- zeit noch paarigen Subintestinalvenen des Embryonalkörpers sich fortsetzt. Stadium 2. Wir gehen bei der Beschreibung dieses Stadiums von einem Embryo mit fünf Visceraltaschen aus, dessen zweite und dritte eröffnet sind und der 34 Rumpfsomiten, also 38 Urwirbel, besitzt. Die nach einem Plattenmodell seiner Keimscheibe hergestellte Fig. 2 lässt erkennen, dass das Dottergefäßsystem inzwischen eine fundamentale Umgestaltung erfahren hat. Dieselbe besteht kurz ausgedrückt darin, dass der innere Venenring sich in einen von der Aorta gespeisten Arterienring (da) umgewandelt hat, der durch radiäre Seitenzweige sein Aortenblut in das Kapillar- netz der Area vasculosa entsendet, von wo es sich in der äusseren, jetzt einzigen, Ringvene (rs) sammelt, um von da durch die hinteren, jetzt einzigen, Dottervenen (dv) in die Subintestinal- vene abzufliessen. Es ist somit jetzt ein arteriell-venöser Kreis- lauf auf dem Dotter hergestellt und zugleich auch im Embryonal- körper, woselbst die Subintestinalvene kranial ihren Anschluss an das venöse Herzende erreicht hat. Wie diese Umgestaltung des Dotterkreislaufs sich vollzieht, habe ich im Hertwigschen Handbuch der Entwicklungsgeschichte (1906, Bd. I, S. 1116) summarisch dargestellt. Ich habe seitdem den Vorgang bis in seine Einzelheiten verfolgt und in meiner noch nicht veröffentlichten Arbeit unter Berücksichtigung der intra- embryonalen Gefässverhältnisse genauer beschrieben. An dieser Stelle begnüge ich mich mit einem Auszug aus dieser Darstellung: Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 211 Es wandelt sich die rechte vordere Dottervene in eine Arterie, die Dotterarterie, um, dadurch. dass ihr proximales Endstück in geringer Entfernung hinter seiner Einmündung in den Sinus venosus des Herzens sich mit der Aorta verbindet und sich gleich- zeitig vom Herzen abtrennt. Die Aortenverbindung geschieht aber nicht direkt, sondern, wie P. Mayer (1886) entdeckt hat, durch Vermittlung von rechtsseitigen Quergefässen, die, wie ich bald darauf (1888) nachgewiesen habe, Vornierenquergefässe sind. Mayer nahm an, dass die Quergefässe sich in die rechte Längs- vene des Vorderrumpfes, seine „Subintestinalvene“, eröffnen und dass von dieser aus dann die Dotterarterie als ein Seitenast auf den Dotter hinauswachse, ein Irrtum, der dadurch bedingt war, dass er die längst vorher angelegte vordere Dottervene nicht gekannt hat. Ich habe dann vor einigen Jahren (Rückert 1917) gezeigt, dass die Vornierenquergefässe zunächst in ein bis dahin nicht beachtetes „Längsgefäss“ der Vorniere münden, das ventral von ihnen in kraniokaudaler Richtung verläuft. Das kraniale Ende dieses Gefässes ist es nun, das unter Vermittlung eines aus dem Darmgefässnetz entstandenen Verbindungsstückes mit der rechten Dottervene in Kommunikation tritt. So weit ist der Vorgang im Stadium unserer Fig. 2 gediehen. Im weiteren Ver- lauf der Entwicklung bleibt von den fünf bis sechs (bei Torpedo) angelegten Vornierengefässen, wie Mayer und ich festgestellt haben, nur eines, bei Torpedo das zweite oder das dritte, erhalten und wird so zur definitiven Wurzel der Dotterarterie. Die Dotterarterie setzt sich somit genetisch zusammen: 1. aus einem Vornierenquergefäss, 2. aus dem im Verlauf der Weiterentwicklung sich verkürzenden Vornierenlängsgefäss, 3. aus dessen kurzem Verbindungszug zum proximalen Ende der rechten Dottervene, 4. aus der rechten Dottervene selbst. Dieses letztere Hauptstück der Arterie steigt demgemäss an der Seite der vorderen Darmpforte zum Blastoderm hinab und verläuft auf diesem in der Bahn des arterialisierten inneren Gefässringes, der sich in das Gebiet 5. der ehemaligen linken Dottervene fortsetzt. Diese letztere wird damit zum Endstück der Dotterarterie. Im Stadium von unserer Fig. 2 mündet dasselbe, dem ursprünglichen Venen- verhältnis entsprechend, in den Sinus venosus des Herzens ein und ist an dieser Stelle, wie sein Querschnitt in Fig. 2 zeigt, noch weit offen. Infolgedessen muss das Aortenblut, nachdem 212 J. Rückert: es den Arterienring von rechts nach links durchlaufen hat und hier durch Abgabe zahlreicher Dotteräste geschwächt worden ist, seinen Rest noch in das venöse Ende des Herzens entsenden. Diese Störung des Kreislaufs wird bald darauf durch Abtrennung des Gefässes vom Herzen beseitigt, womit der geregelte arteriell- venöse Dotterkreislauf hergestellt ist. Den Randsinus (rs) habe ich schon bei Stadium 1 vor- greifend behandelt. Die Fortsetzung desselben zum Embryo, die hinteren, jetzt einzigen Dottervenen (dv), welche im vorigen Stadium der Fig. 1 ganz kurze Gefäßstücke waren, haben inzwischen an Länge zugenommen. Dies hängt damit zusammen, dass die kaudale Anheftungsstelle des Embryo an das Blastoderm (hintere Nabelwand), die im vorigen Stadium noch mit dem Hinterrand des letzteren zusammenfiel, sich jetzt in einiger Entfernung vor diesem befindet oder andersausgedrückt, dass der hintere Blastodernı- rand über die hintere Nabelwand nach hinten ein Stück weit kaudal sich verschoben hat. Infolgedessen müssen die Dottervenen, um vom Randsinus aus den Embryo zu erreichen, über die betreffende Strecke des Blastoderminneren nach vorne verlaufen. Sie ziehen beiderseits der Mittellinie, die rechte in Fig. 2 zufällig gegabelt, und lassen zwischen sich einen schmalen gefässfreien Streifen des Blastoderms, die sogenannte „Dotternaht“. Nachdem die Venen unter das Ektoderm des Embryonal- körpers gelangt sind, liegen sie zwischen diesem und der hinteren Darmpforte, also zwischen der hinteren Hautnabel- und der hinteren Darmnabelwand. Hier konfluieren sie miteinander und mit den sich ebenfalls vereinigenden beiderseitigen Subintestinalvenen zu einem gemeinschaftlichen grossen Sinus, dem bekannten „Venen- sack“ (quer durchschnitten in Fig. 2), für den sich zur Unter- scheidung von dem Kopfsinus die Bezeichnung „Kaudalsinus“ empfiehlt. Dieser Venenraum weitet sich alsbald noch stärker aus, so dass er eine Zeitlang das mächtigste Gefäss des Embryo bildet, um danach sich wieder zur gewöhnlichen Stärke der Sub- intestinalis zurückzubilden, in deren vorderem Endstück er aufgeht. Zum Schluss sei noch auf das Übersichtsbild der Fig. 4 verwiesen, welches das Grössenverhältnis des Blastoderms und Embryos zur Dotterkugel bei Torpedo in 1'/s facher Vergrösserung für das beschriebene Entwicklungsstadium demonstriert. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 213 Stadium 3. Diesem Stadium liegen drei einem gemeinsamen Muttertier entnommene Embryonen mit 60—61 Urwirbeln (57—58 Rumpf- somiten) zugrunde. Von sechs vorhandenen Visceraltaschen sind die 1.—5. eröffnet, am 2.—4., andeutungsweise auch am 5. Visceral- bogen, sind die äusseren Kiemen in Gestalt je eines Knopfes angelegt. Die Keimscheiben dieser Eier sind, wie das Übersichtsbild der Fig. 5 zeigt, seit dem vorigen Stadium (Fig. 4) merklich ge- wachsen. Der Nabelstiel, der bisher die Form einer sagittal aus- gedehnten Platte besass, hat sich durch fortschreitende Abtrennung des Embryo vom Dotter zu einem auf dem Querschnitt schon fast rundlichen Strang („Nabelstrang“) verkürzt. Der Ausbreitung des Blastoderms entsprechend hat die Gefässzone desselben erheb- lich an Ausdehnung zugenommen, während das zentrale, vom Arterienring umschlossene, gefässfreie Feld im Gegensatz hierzu sich nicht nur relativ, sondern absolut verkleinert hat. Von einem zweiten Ei dieses Stadiums ist in Fig. 3 das Oberflächenbild des Blastoderms nach Abtrennung des Embryos bei stärkerer Vergrösserung dargestellt. An ihm verfolgen wir das nähere Verhalten der Gefässe und zwar zuerst der Dotter- arterie.e Am Stamm dieses Gefässes ist seit dem vorigen Stadium eine wesentliche Änderung vor sich gegangen. Das an der rechten Seite der vorderen Darmpforte zum Dotter absteigende Anfangsstück der Arterie hat das an der linken Seite der Darm- pforte wieder zum Embryo hinaufziehende Endstück derselben sich einverleibt, so dass jetzt vom Embryo aus eine einheitliche Arterie in den Nabelstrang gelangt, die sich in ihrem weiteren Verlauf!) in zwei, den beiden Hälften des Arterienringes ent- sprechende, Äste gabelt. Der Blutstrom im inneren Ringgefäss hat damit seine Richtung — und zwar nunmehr zum zweiten Male — geändert. In unserem Stadium I hatte das Dotterblut sich in der Bahn der beiden vorderen Dottervenen zum Sinus venosus hin, also kordipetal, bewegt. (S. beistehendes Schema 1.) Ein solcher Vorgang muss stattgetunden haben, wenn auch zu jener Zeit ein geordneter Dotterkreislauf noch nicht eingeleitet !) Die Teilungsstelle der Dotterarterie war an dem Objekt der Fig. 3, weil durch die Wand des Nabelstrangs gedeckt, nicht mit Sicherheit zu erkennen. Auf den Schnitten kann man die beiden Arterienäste weiter nach aufwärts in den Nabelstrang verfolgen, als in der genannten Abbildung. 214 J. Rückert: war, denn die im Embryo, stellenweise zahlreich, vorhandenen Blutzellen haben, da die Bahn von der Subintestinalis und damit von den hinteren Dottervenen zum Herzen damals noch nicht hergestellt war, nur auf dem Wege der vorderen Dottervenen in den Embryo gelangen können. Im Stadium 2 war mit der Um- wandlung des inneren Venenrings in einen Arterienring für die 1 2 3 VW / rechte Hälfte des letzteren eine Umkehr in der Richtung des Blutstromes eingetreten (Schema 2). Und nun hat im Stadium 3 (Schema 3) durch die Verschmelzung des linksseitigen Endstückes des Ringgefässes mit dem rechtsseitigen Anfangsstück desselben der Blutstrom auch in der linken Hälfte des Ringes die entgegen- gesetzte Richtung eingeschlagen, so dass er jetzt von beiden Seiten her in denselben eintritt, um sich von da durch die Seitenäste auf den Dotter zu ergiessen, eine Anordnung, welche an die Einrichtung des menschlichen Hohlhand- und Sohlenbogens und an die Arkaden der Darmgefässe erinnert. Auch im Bau des arteriellen Ringgefässes hat eine wesentliche Umgestaltung eingesetzt. In das von ihm umschlossene, bisher völlig gefässfreie Feld sind zahlreiche dünne Seitenäste von allen Stellen der Arterie aus vorgedrungen. Ein Teil von ihnen endet nach kurzem Verlaufe blind, die Mehrzahl aber geht in ein feines, weitmaschiges Netz über, das schon einen beträchtlichen Teil der ehedem gefässfreien Zone erfüllt. Das ist besonders im rechts- seitigen Abschnitt der bei unserem Objekt in antero-posteriorer Richtung stark verkürzten und gelappten Zone der Fall. Infolge dieser Netzbildung ist das Ringgefäss an seinem vorderen Umfang schon stellenweise reduziert und namentlich an einer etwa der Mitte des Bogens entsprechenden Stelle völlig aufgelöst. An anderen Stellen der Fig. 3 bilden die zwei Gabeläste der Arterie und auch einzelne grössere Zweige von diesen gleich- falls ein Netz, das aber sehr engmaschig ist, so dass meist nur kleinere, kettenartig aneinandergereihte Blastoderminseln inner- Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 215 halb des Strombettes des Gefässes zutage treten. Der Charakter eines einheitlichen Hauptgefässes bleibt daher bei dieser Anordnung trotz der Maschenbildung gewahrt. Ob auch hier eine Auflösung der Arterie angebahnt wird, ist schwer zu entscheiden, denn erstens kommen die gleichen Inselbildungen innerhalb eines Gefäßstammes auch bei der Verschmelzung der beiden Dotter- venen vor (s. unten), die doch nicht ab- oder umgebaut werden, und zweitens bleiben solche Gefässe, so z. B. die beiden am Hinter- rand der gefässfreien Zone verlaufenden Gabeläste des Arterien- stammes. trotz ihrer vorübergehenden Netzbildung im weiteren Verlauf der Entwicklung erhalten. Es ist also sehr wohl möglich, dass diese das Strombett unterbrechenden Inseln später wieder eliminiert werden. Möglich ist es aber auch, dass die Netzbildung wirklich zu einem Abbau alter und einem Aufbau neuer Bahnen führt. Ein solcher Vorgang läuft tatsächlich in früherer Ent- wicklungszeit an dem intraembryonalen Stamm der Dotterarterie ab, der dadurch aus seiner anfänglich nach unten und vorne ge- richteten in eine nach hinten absteigende Lage gebracht wird. Dort konnte ich mit Hilfe von Rekonstruktionen aller einschlägigen Entwicklungsstadien den Prozess schrittweise verfolgen, wie ich an anderer Stelle dartun werde. Bei dem vorliegenden Objekt dürfte dies schon wegen der individuell schwankenden Arterien- verästelung schwer durchzuführen sein. Ich muss daher die Bedeutung der innerhalb des Arterienstammes selbst auftretenden Netzbildung offen lassen. Um das erste Auftreten der beschriebenen Veränderungen zu verfolgen, habe ich die Keimscheibe eines jüngeren Embryos mit 49—50 Rumpfsomiten, also 53—54 Urwirbeln und sechs Visceraltaschen, von denen die 1.—4. offen und die 5. im Durch- bruch war, an einer Querschnittserie untersucht. Es ergab sich, dass hier bereits das linke Endstück der Ringarterie sich in das rechte Anfangsstück derselben breit eröffnet an einer Stelle, die noch vor der Anheftung des Darmstiels an den Dotter liegt. Von da ab verläuft das jetzt stark verengte linke Gefäss gegen- über dem rechten am linken Umfang des Darmstiels noch ein Stück hinten und aufwärts in der Richtung gegen den Nabel des Embryo zu, erreicht ihn aber nicht, sondern endet, indem es um den vorderen Umfang des Darmstiels nach rechts umbiegt, in dem rechtsseitigen Hauptgefäss. Noch weiter nach aufwärts lassen 216 J. Rückert: sich nur mehr einige spärliche und fragliche Reste des linken (efässes verfolgen. Es bricht also das linke Gefäss in das nahe bei ihm gelegene rechte durch und bildet sich oberhalb der Ein- mündungsstelle zurück. So kommt eine einfache rechts und vorne am Darmstielabsteigende Arterie zustande, die sich in ihrem weiteren Verlauf in zwei Äste gabelt. Die Ringarterie ist bei diesem jüngeren Embryo noch als kräftiges Gefäss ununterbrochen erhalten. Innen von ihr in der gefässfreien Zone sind zwar schon Sprossen von ihr aufgetreten, aber in viel geringerer Ausdehnung als in der Altersstufe der Fig. 3. Die Vaskularisierung des gefässfreien Feldes steht erst im Beginn. Trotzdem ist diese Zone schon stark eingeengt, in querer Richtung sogar erheblich mehr als bei den Embryonen des Stadiums der Fig. 3 und 5. Man sieht daraus, dass die Einzelvorgänge der Umgestaltung bei den verschiedenen Individuen zeitlich sich verschieben. Wenn wir die beschriebenen Vorgänge zusammenfassen, so haben wir gesehen, dass 1. durch Verschmelzung der beiden Endstücke der Dotterarterie ein einheitlicher, in einen rechten und linken Ast sich gabelnder Stamm des Gefässes entsteht, und dass 2. gleichzeitig durch das Auftreten innerer Seitenäste des Arterienringes, die sich zu Netzen ausbilden, eine Vaskularisierung der gefässfreien Zone und eine Auflösung des Ringgefässes ein- geleitet wird. Damit erscheint ein späterer Zustand (s. Stadium 4) angebahnt, in welchem die beiden Gabeläste der Arterie radiär nach vorn in das Blastoderm hineinziehende Seitenäste abgeben, welche die ehedem gefässfreie Zone, soweit sie nicht. seitlich an ihr vorbeiziehen, direkt durchlaufen. Es ist von Interesse, dass die Überleitung in diesen neuen Zustand nicht einfach dadurch geschieht, dass radiäre Seitenäste der Arterie direkt angelegt werden, um dann als kollaterale Bahnen sich mächtig auszubilden und so die Verödung des Ringgefässes herbeizuführen, sondern dass der Vorgang durch die Einschaltung eines (Gefässnetzes kompliziert wird. Der Arterienring (ebenso wie der äussere Venenring) ist früher aus einem Netze aufgebaut worden, und er. durchläuft bei seinem späteren Abbau wieder den nämlichen primitiven Zustand, aus welchem sich dann erst sekundär die neuen Bahnen herausdifferenzieren. Es findet also keine direkte Umgestaltung der einen Bahn in die andere statt, sondern Abbau Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 217 der alten und Neubau der jungen durch Zwischenschaltung eines indifferenten Netzes. Der Sinus terminalis hat sich seit dem Stadium 2 nicht verändert. Die ihn fortsetzenden Dottervenen sind infolge der inzwischen erfolgten weiteren Ausbreitung des Blastoderms nach hinten erheblich länger geworden. Auch haben sie sich jetzt weitgehend miteinander vereinigt. Nur in der hinteren Hälfte der von der Randkerbe der Keimscheibe bis zur Anhef- tungsstelle des Nabelstrangs gelegenen Strecke sind sie noch durch ein schmales Blastodermseptum, das sich vorn in getrennte Inseln auflöst, voneinander geschieden. In den Nabelstrang eingetreten, steigt dann das hier anscheinend durchweg unpaare Gefäss schräg nach vorn empor gegen den hinteren Umfang des Darmstiels, wo es in Fig. 3 quer durchschnitten endet. Das zwischen den beiden Ringgefässen gelegene ausgedehnte Feld der Area vasculosa hatte bisher (Fig. 1 und 2) den primitiven Zustand eines gleichartig gefügten Netzes bew ahrt Wenn auch dessen Maschen in verschiedenen Abschnitten der Area eine sehr ungleiche Weite aufwiesen, ein Verhalten, das übrigens wohl von zufälligen Füllungszuständen mit beeinflusst wird, so waren doch nirgends bestimmte Hauptbahnen in ihm zu erkennen. Das Netz war ein durchaus indifferentes. In seinen „Studien zur allgemeinen Entwicklungsgeschichte des Blut- gefäßsystems“ betont Elze (1913), dass die Gefäßstämme der Anamnier- embryonen im Gegensatz zu denen der Amnioten nicht aus einem Kapillarnetz hervorgehen, sich also nicht der neueren, besonders durch Evans vertretenen Auffassung der Gefässentwicklung fügen. Den Grund für diese unvollkommenere Versorgung mit Blut erblickt Elze in dem weniger lebhaften Stoffwechsel dieser Embryonen, deren geringerer Sauer- stoffbedarf auf anderen Wegen als durch das Blutgefäßsystem, so besonders durch direkte Aufnahme von der Haut aus, gedeckt werden kann. Wie verhalten sich hierzu die Selachier? Der Bildungsmodus ihrer intraembryonalen Gefässe, speziell der ersten Venenstämme, wird an anderer Stelle von mir ausführlich dargelegt. Hier begnüge ich mich mit dem Hinweis, dass diese Gefässe, wie die vorgenommenen Rekonstruktionen lehren, zwar nicht als die völlig einheitlichen Stämme auftreten, als welche sie später vorliegen, sondern, dass ihre Anlagen anfänglich vielfach durch Lücken unterbrochen sind. Aber diese netzförmige Anordnung, wenn man sie so nennen will, tritt hier innerhalb einer bestimmten, von vornherein kenntlichen Bahn, eben derjenigen des Gefäßstammes, auf. Das ist ein ganz prinzipieller Unterschied gegenüber der Entwicklung von Gefäß- stämmen durch Ausweitung einzelner Bahnen eines indifferenten Netzes, wie 218 J. Rückert: es Evans für seine Objekte auf Grund von Injektionen vertritt. Im ersteren Fall ist das Primäre der Gefäßstamm, im letzteren das Kapillarnetz. Anders wieder liegen die Dinge auf dem Dotter der Selachier. Elze weist selbst darauf hin, dass hier die Gefässe von vornherein in Form eines Netzes aufzutreten „scheinen“. Nach den mir vorliegenden Platten- modellen von Torpedo kann ich, zum wenigsten für dieses Objekt, das primäre Auftreten eines Kapillarnetzes auf dem Dotter mit aller Bestimmtheit ver- treten. Auch auf dem Dotter von Salamandra legt sich, wie Frl. Dr. Hartmann ebenfalls an Plattenmodellen festgestellt hat, ein gleichmässiges, ziemlich dichtes Netz primär an. Das lässt sich mit dem Gedankengang Elzes nicht wohl in Einklang bringen. Elze setzt sich auch mit den ihm offenbar -unbequemen Dottergefässen der Anamnier nicht weiter aus- einander, wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn er nicht andererseits bei den Sauropsiden sich gerade auf diese Gefässe stützen würde. Wer das Dottergefäßsystem genetisch verständlich machen will, darf eben nicht nur dessen respiratorische Funktion in Betracht ziehen, wenn diese auch, wie man Elze zugeben wird, ein sehr gewichtiger Faktor ist. So wachsen beispielsweise bei den Selachiern gleichzeitig mit der Ausbreitung des Dottergefässnetzes die äusseren Kiemen zu langen Fäden heran, einem gewiss wirksamen Respirationsorgan. Ob dieses für sich allein, d. h. ohne Mitwirkung des Dottergefäßsnetzes, den Sauerstoffbedarf des Embryo decken kann, ist nicht bekannt, liesse sich aber experimentell wohl ermitteln. Jeden- falls muss für das primäre Auftreten ‘des Kapillarnetzes auf dem Dotter vor allem der Umstand mit berücksichtigt werden, dass auf letzterem die Entstehung und Reifung der Blutzellen stattfindet. Die Blutinseln bilden sich ja, indem sie Ausläufer treiben, in ein Kapillarnetz um. Auf die Be- ziehungen der Dottergefässe alter Stadien zur Blutreifung gehe ich dabei gar nicht ein, ebensowenig auf die Möglichkeit einer direkten Aufnahme von Bestandteilen des Nahrungsdotters in den Kreislauf. Ich begnüge mich, auf den Zusammenhang zwischen der frühen Blutbildung und der Entwicklung des primären Kapillarnetzes auf den Dotter hinzuweisen. Dieser erklärt den merkwürdigen Unterschied, welcher in der Dottergefässentwicklung zwischen Selachiern und Knochenfischen besteht, meines Erachtens in ein- facher Weise. Bei den Teleostiern wird bekanntlich das Blut nicht auf dem Dotter gebildet, sondern innerhalb des Embryos, in dem dahin verlagerten blutbildenden Material, der sogen. intermediären Zellmasse. Infolgedessen fehlt hier auf dem Dotter das primäre Kapillarnetz der Selachier und Am- phibien Da aber das Gefässnetz des Dotters offenbar noch für bestimmte andere Funktionen gebraucht wird, kommt es nachträglich, wenigstens bei einem Teil der Knochenfische, doch noch zur Ausbildung und zwar, weil auf dem Dotter das blut- und gefässbildende Material fehlt, durch nachträgliches Einwachsen vom Embryo aus. Dass diese Funktion in der Tat, wie Elze annimmt, eine respiratorische ist, dafür scheint mir das Verhalten der pelagischen Knochenfischeier zu sprechen. Die meisten dieser Eier bilden überhaupt keine Gefässe auf dem Dotter aus (Wenckebach 1886). Dies erklärt sich ungezwungen durch die Annahme, dass hier verschiedene Fak- Im Pie sr ee ee. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 219 toren, wie die meist geringe Grösse dieser Eier, ihre freischwimmende Lebensweise und die Durchlässigkeit der Eihülle sowie des Embryo selbst zusammenwirkend den unmittelbaren Gasaustausch zwischen den embryonalen Geweben und dem umgebenden Wasser in dem Maße begünstigen, dass ein besonderes respiratorisches Gefässnetz überflüssig wird. Auch eine Ver- gleichung der Dottergefässe der eierlegenden und der lebendig gebärenden Teleostier wäre von Interesse. Das letztere gilt auch für die Selachier, wobei diejenigen lebendig gebärenden Formen, deren Dottersäcke angeblich in innige Beziehungen zur Uteruswand treten, besonders zu berücksichtigen wären. Diese Andeutungen, die sich leicht noch vermehren liessen, mögen zeigen, dass solche biologischen Fragen, wie die vorliegende, ziemlich kompli- ziert und bei den einzelnen Tierformen recht verschieden gelagert sind so dass sie nicht durch eine einzige Formel gelöst werden können. Hier bleibt der Forschung noch ein weites Feld. Dasselbe eröffnet zu haben, ist aber ein entschiedenes Verdienst von Elze. Dieses primitive Verhalten hat sich nun inzwischen geändert. Wie Fig. 3 zeigt, sind jetzt kräftige, auf längere Strecken durch- laufende Seitenzweige des Arterienstammes und seiner beiden Gabeläste entstanden, die sich ihrerseits wieder verästeln, bevor - sie im Kapillarnetz enden. Und dabei fällt es auf, dass diese Differenzierung bis jetzt ganz überwiegend in der hinteren Hälfte der Area vasculosa vor sich gegangen ist, während vorn noch das ursprüngliche Netz sich fast unverändert erhalten hat. Da nun diese zuerst sich ausbildenden Äste vom ungeteilten Stamm der Arterie und der hinteren Hälfte des Arterienbogens aus- gehen, woselbst die Stromwiderstände geringer sind als in der das vordere Blastodermgebiet versorgenden vorderen Bogenhälfte, so kann man diese Art der Gefässentwicklung als einen Beleg für das erste der drei von Thoma (1893) aufgestellten „histo- mechanischen Prinzipien“ betrachten. Das Torpedoblastoderm erscheint für die Beweisführung Thomas günstiger als die von ihm selbst angezogene Area pellueida der Hühnerkeimscheibe, in welcher die postulierte Gefässerweiterung (als „vererbte Form“) schon vorhanden ist, bevor der Kreislauf einsetzt. Dies hat kürzlich Elze (1919) als einen Mangel in der Beweisführung Thomas beanstandet. Bei Torpedo dagegen ist der Kreislauf längst im Gange, wenn in dem indifferenten Gefässnetz die ersten Arterienäste sich ausbilden. Stadium 4. Von diesem Stadium stehen mir wiederum drei dem Uterus eines einzigen Muttertieres entnommene Eier zur Verfügung, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 95. Abt. II. 15 220 J. Rückert: von welchen eines in Fig. 6 abgebildet ist. Von zwei Embry- onen dieser Eier wurde die Länge auf 13 und 15 mm festgestellt. Ihre grösste Breite im Bereich der Brustflossen, welche für die Altersbestimmung dieser späteren Entwicklungsstufen von Torpedo vor allem Beachtung verdient, betrug knapp 2 mm. Die Mund- öffnung ist noch deutlich in die Länge ausgezogen, die sechste Visceraltasche geöffnet. Von den sieben vorhandenen Visceralbogen tragen der zweite bis fünfte schon (keulenförmig angeschwollene) Kiemenfäden, deren längste !/; mm messen, am sechsten Bogen ist deren Anlage noch eine knopfförmige. Die grössten Durch- messer der drei zum Teil in die Breite, zum Teil in die Länge verzerrten Keimscheiben betrugen 20:9, 20:10 und 17:12 mm, während im vorigen Stadium bei Fig. 3 die entsprechenden Maße- 10:7 mm ergeben hatten. Etwa der sechste Teil des Dotters ist vom Blastoderm umwachsen. Die Dotterarterie zeigt bei den drei Embryonen des Stadiums alle wünschenswerten Zwischenstufen von dem bisherigen zu ihrem definitiven Zustand. Im Blastoderm der Fig. 6 ent- sendet der das Dottercölom umfassende rechte Ast der Dotter- arterie zwei starke nach vorn verlaufende Zweige, welche die bisherige gefässfreie Zone radiär durchsetzen und sie in drei Teile zerlegen. Auch vom linken Arterienast gehen solche Zweige nach vorn und verbinden sich dabei untereinander, so dass die ehemalige gefässfreie Zone auf dieser Seite sich nicht mehr mit Sicherheit identifizieren lässt. Die beiden Gabeläste der Dotter- arterie setzen sich jetzt, ihre transversale Hauptrichtung beibe- haltend, bis tief in das Blastoderm hinein fort!), wobei sie ausser den vorderen auch zahlreiche hintere Zweige für die kaudale Hälfte der Keimscheibe abgeben. In dieses Gebiet teilen sie sich mit Ästen, welche weiter proximal, sei es aus dem noch unpaaren oder schon zweigeteilten Stamm der Arterie, entspringen und das Dottereölom durchsetzend besonders die medianen Teile des hinteren Blastodermgebietes versorgen. Diese Gefässverteilung war schon im vorigen Stadium angelegt (vergl. Fig. 3). Der jetzt erzielte Fortschritt besteht darin, dass auch für die vordere Hälfte des Blastoderms, in welcher bisher das primitive Netz '!) Die Ausbildung dieser queren Hauptäste erfolgt in der gradlinigen Fortsetzung des zweigeteilten Stammes, entsteht also auch in der Richtung des geringsten Widerstandes. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 221 erhalten war, kräftige Arterienzweige zur Ausbildung gekommen sind, und dass damit die Durchbrechung und Rückbildung des Arterienringes weiter gediehen ist. Auf dem zweiten Ei unseres Stadiums ist von dem Ring- gefäss nichts mehr erhalten, aber zwischen den Gabelästen des Arterienstammes erkennt man noch die frühere gefässfreie Zone an ihrer schwächeren Vaskularisierung. In dem dritten Blastoderm des Stadiums ist auch dieser letzte Anklang an die frühere Ge- staltung des Dotterarteriensystemes geschwunden. Die nach vorn gerichteten Äste der Arterien sind bei dieser am weitesten entwickelten Area vasculosa kräftiger geworden und kommen dem ursprünglichen queren Hauptast an Stärke gleich, so dass man diesen jetzt nicht mehr als den Stamm ansprechen darf. Die Venen bieten im vorliegenden Stadium nichts Be- sonderes dar. Stadium 5. In diesem Stadium zeigt der Embryo infolge der Ent- wicklung seiner Brustflossen schon den Übergang zur Rochenform, emen Habitus, welcher an denjenigen von Squatina erinnert. Bei einer Länge von 2 Zentimetern misst er im Querdurchmesser der Brustflossengegend 7,5 mm. Die übrigen Altersmerkmale des Embryo, die quer geöffnete Mundspalte, die langen Kiemen- fäden usw. sind aus den Figuren 7a und 7b ersichtlich. Das Ei ist jetzt fast zur Hälfte von Blastoderm umwachsen und verdankt dieser Hülle einen Halt, so dass es sich bei der Konservierung nicht mehr so stark abplattet wie die nackte Dotterkugel der vorausgegangenen Stadien. Die Dotterarterie. Die nach vorn gerichteten Arterien- äste (Fig. 7a) treten schon getrennt vom Nabelstrang aus auf den Dotter über. Ihre Verteilung daselbst, ebenso wie die der weiter hinten über den Boden des Dottercöloms austretenden Äste (Fig. 7b). ist im wesentlichen die gleiche wie im vorigen Stadium. Die Dottervene ist bei allen drei Eiern dieses Stadiums in ihrem kaudalen, etwa die Hälfte betragenden, Abschnitt paarig, aber wie bisher nur durch ein ganz schmales Septum getrennt. Im Bereich der immer noch kenntlichen Randkerbe des Blasto- derms (Fig. 7b) liegt der Dotter nicht mehr frei zutage, viel- mehr ist das kleine, dreieckig ausgeschnittene Feld durch den etwas breiter gewordenen Randsaum gedeckt. 15* De J. Rückert: & Die „Dottersacknaht“ Seit Balfours Monographie gilt es als ausgemacht, dass bei der Umwachsung des Selachier- eies die beiden Seitenhälften des hinteren Blastodermrandes kaudal von der Anheftungsstelle des Embryo, d. i. der hinteren Nabel- wand, sich median vereinigen, wodurch erstens der Embryo von seiner randständigen Lage aus in das Innere des Blastoderms gelangt, und zweitens das Dotterloch verengt und schliesslich geschlossen wird. Schon wegen der Schlussfolgerungen, welche man in Hinsicht auf die Gastrulation aus diesem Umwachsungs- modus gezogen hat, dürfte es der Mühe wert sein, zu unter- suchen, ob und inwieweit eine solche „Dottersacknaht“ (H. Virchow) wirklich gebildet wird. Ist doch ein Nachweis oder auch nur ein Wahrscheinlichkeitsbeweis für einen solchen Vorgang bislang von niemanden erbracht worden. Bei Embryonen vom Stadium der Fig. 2 und solchen, die zwischen Fig. 2 und Fig. 3 liegen und bis zu 46 Urwirbel besitzen, fand ich an der noch kurzen Dottersacknaht ein Merkmal, welches unsere Frage präzis zu beantworten gestattet. Hier sieht man näm- lich auf Querschnitten durch den über die hintere Nabelwand hinaus- ragenden Blastodermstreifen an der Stelle medianen „Naht“ eine den Darmstiel des Embryo nach hinten fortsetzende Leiste, welche den bei der Abschnürung des Embryo vom Dotter auf diesem zurückgebliebenen ventralen Rest des Darms darstellt. Stellen- weise hat dieser „Darmrest“, wie ich ihn nennen will, noch die ‘Form einer offenen Falte bewahrt, deren Lumen der Darmlichtung entspricht. Nach hinten zu wird die Leiste niedriger, um bei den einzelnen Embryonen nach kürzerem oder längerem Verlauf zu verstreichen. Bei einem Embryo von 46 Urwirbeln konnte ich den Darmrest bis zur Randkerbe verfolgen, also über die ganze Länge der sogenannten ‚‚Dotternaht‘“, die sich hier über eine Ausdehnung von acht Urwirbeln des darüber gelegenen ab- geschnürten Embryonalleibes erstreckt. An der Randkerbe stellt sich der Übergang zum freien hinteren Blastodermrand in der Weise her, dass sich vom Boden der Falte aus Dotter in diese einschiebt und sie an ihrer Spitze spaltet. Von da ab trennen sich dann die beiden Hälften des Blastoderms und weichen, durch den sich verbreiternden Dotter der Randkerbe geschieden, seitlich ausein- ander. Die beiderseits vom Darmrest verlaufenden Dottervenen biegen an dieser Stelle dem Rande folgend in den Terminalsinus um. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 223 Es folgt hieraus, dass bis zu dem beschriebenen Stadium von einer nahtförmigen Vereinigung der beiden Hälften des hinteren Keimscheibenrandes keine Rede sein kann. Es liegt hier in Wirklichkeit, wie der Darmrest beweist, ein früher mit dem Embryo verbundener, also ungeteilter Blastodermabschnitt vor, Eine Dotternaht wird allenfalls vorgetäuscht dadurch, dass die beiden Dottervenen auf der fraglichen Strecke zumeist paarig neben der Mittellinie verlaufen, soweit sie sich noch nicht über den Darmrest hinweg streckenweise miteinander vereinigt haben. Um Missdeutungen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die Ausdehnung des jeweils vorhandenen Darmrestes keinen Rückschluss auf die Länge des vom Dotter abgeschnürten Embryonalstückes gestattet. Die Abtrennung des Embryo vom Dotter erfolgt, wie ich hier’ einschalte, im wesentlichen durch eine kaudale Verschiebung der vorderen Nabelwand, während die hintere ihr gegenüber nur wenig nach vorne rückt. Dieses Ver- halten habe ich, weil es für das Verständnis der Venenentwicklung von grundlegender Bedeutung ist, eingehend verfolgt und dabei durch Urwirbelbestimmungen die Lageverschiebung der fraglichen Punkte festgestellt. Indem ich bezüglich aller Einzelheiten auf meine ausführliche Gefässarbeit verweise, begnüge ich mich hier mit der einfachen Feststellung der Tatsache, gegenüber der mir unverständlichen gegenteiligen Angabe von Rabl (1892), nach welcher der „Dotterstiel sich allmählich von hinten nach vorne zusammenziehen“ soll. Wenn nun trotz der geringfügigen kau- dalen Abschnürung des Embryo ein ziemlich langer Darmrest später auf dem Dotter gefunden werden kann, so erklärt sich das einfach durch ein nach der Abtrennung des Embryo ein- getretenes kaudales Auswachsen des hinteren Blastodermrandes. Dadurch wird der Darmrest nachträglich in die Länge ausge- zogen, was übrigens auch darin zutage tritt, dass er nach hinten niedriger wird und bei einem Teil der Embryonen unmerklich verstreicht. Bei Embryonen mit mehr als 46 Urwirbeln liess sich die Annahme der Dottersacknaht zwar nicht mehr mit Hilfe des Darm- restes strikte widerlegen, aber trotzdem ist man berechtigt, die- selbe auch für die vorliegende spätere Entwicklungszeit abzu- weisen. Ausschlaggebend erscheint mir in dieser Hinsicht die Tatsache, dass an dem gefässfreien Randsaum des Blastoderms, 224 J. Rückert: an welchem die Verschmelzung der beiden Keimscheibenhälften vor sich gehen müsste, niemals die Spuren eines solchen Vor- gangs wahrzunehmen sind. Dieser Saum, er mag wie in Fig. 7b sich auf die Randkerbe beschränken oder wie in Fig. 3 zwischen die paarigen Endabschnitte der (nach hinten ausgewachsenen) Dottervene ein Stück weit eingeschoben sein, ist stets durchaus einheitlich. Niemals ist er durch einen Längsspalt oder eine Nahtlinie auch nur auf eine ganz kurze Strecke geteilt, was doch ‘ der Fall sein müsste, wenn die beiden Hälften des hinteren Blastodermrandes miteinander median verwachsen würden. Wie wir sehen werden, kommt eine nahtartige Vereinigung der Blasto- dermränder ganz zuletzt beim Verschluss des schon engen Dotter- loches in der Tat zustande, aber dann tritt die von mir postu- lierte Nahtlinie auch in aller Deutlichkeit zutage. So ist man zu der Annahme berechtigt, dass die Umwachsung des Torpedodotters auch in den vorliegenden späteren Stadien ebensowenig wie in den jüngsten mit einer medianen Vereinigung der beiden Hälften des hinteren Blastodermrandes unter Bildung einer „Dottersacknaht‘‘ vor sich geht. Es vollzieht sich vielmehr die Ausbreitung der hinteren Blastodermhälfte über den Dotter in der gleichen Weise wie die der vorderen, nämlich durch ein- faches Auswachsen derselben. Die Dottervenen wachsen dabei in die Länge auf Kosten ihres eigenen Materials, nicht dadurch, dass sie die angrenzenden Teile des Randsinus sich sukzessive einverleiben, was ich noch in meiner Darstellung des Gegen- standes im Hertwigschen Handbuch (Bd. I, S. 1118) im An- schluss an die allgemeine Annahme einer schon während der Umwachsung des Eies stattfindenden Dottersacknahtbildung ver- treten habe. Wenn mit der „Dottersacknaht‘“ auch der lineare „Blasto- porusschluss“ für die vorliegende Entwicklungszeit bei Torpede und sehr wahrscheinlich auch bei den Squaliden (s. unten) hin- fällig wird, so braucht deshalb die Deutung des Umwachsungs- randes der Selachier als eines modifizierten Urmundrandes nicht aufgegeben zu werden. Gerade die langsam sich ausbreitende Keimscheibe von Torpedo zeigt in jungen Stadien am grösseren Teil ihres Randes Merkmale, die nur im Sinne eines Blastoporus- randes gedeutet werden können. | Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies 225 Stadium 6. Der Embryo hat jetzt (Fig. 8a und b) durch die Ausbreitung seiner Brustflossen die Rochenform erreicht und misst im grössten Querdurchmesser 11 mm. Das Blastoderm hat ungefähr zwei Drittel des Eies umwachsen und zwar auf der vorderen Hälfte der Dotterkugel ein grösseres Gebiet als auf der hinteren, wie ein Vergleich der Fig. Sa mit Fig. Sb lehrt. Die Arterie, welche in ihre zwei Hauptäste gegabelt den Nabelstrang verlässt, zeigt bei dem abgebildeten Objekt in der Art ihrer Aufteilung eine auffallende Ähnlichkeit mit den viel jüngeren Keimhäuten der Fig. 3 und 6 insofern, als man in dem vor dem Nabelfeld des Dotters gelegenen Gefässbezirk noch aus- gedehnte Reste des Arterienringes und ein von ihm umschlossenes fein vaskularisiertes „gefässfreies Feld‘‘ erkennt. Der Blastodermrand mit der Ringvene umspannt nun, nachdem er den Äquator der Dotterkugel überschritten hat, einen Eiabschnitt von geringerem Durchmesser als zuvor. Als Folge davon bemerkt man eine Zusammenschiebung desselben, die sich besonders deutlich an der Randkerbe in einer Faltung der Ring- vene ausprägt. Es ist sehr charakteristisch, wie zu dieser Stelle hin die in die Vene mündenden Gefässäste sich ebenfalls zu- sammendrängen. Die von dem Faltenkranz umgebene Bucht des . Randes, die ausgedehnter ist wie die bisherige Randkerbe, wird vom Blastodermsaum überzogen, der aber auch jetzt noch keine Spur einer Naht aufweist. Die Bucht lässt sich schon jetzt mit dem vorderen Endstück des späteren Dotterverschlussfeldes (siehe Stadium 7) identifizieren. Der übrige Blastodermrand zeigt eben- falls, besonders hinten (Fig. Sb), Falten, die aber viel flacher sind als an der Randkerbe. Stadium 7. Das Entwicklungsstadium, bis zu welchem ich meine Unter- suchung ausdehnen Konnte, ist in Fig. 9a u. b abgebildet. Die Länge des Embryo beträgt 4 cm, seine grösste Breite 2 cm. Der infolge von Resorption schon merklich kleiner gewordene Dotter ist von der Keimhaut bis auf ein kleines Dotterloch umwachsen. Fig. 9a zeigt in der Ansicht von vorn das früher beschriebene Verhalten der Dotterarterie, Figur 9b in der Ansicht von hinten und unten die Dottervene, die am vorliegenden Objekt 226 J- Ruckert: durchweg, d. h. bis zu der auch jetzt noch kenntlichen Rand- kerbe, unpaar geworden ist, während sie bei einem anderen gleich- altrigen Ei in ihrem kaudalen Drittel sich noch paarig erhalten hat. An der Randkerbe der Fig. 9b setzt sich die Dottervene in den stark verengten und gefalteten Randsinus fort, dessen Form bei den drei untersuchten Geschwistereiern des Stadiums eine wechselnde ist. Ausser durch die Faltung zeigt sich der Effekt der konzentrischen Zusammenziehung des Randsinus auch in der dichten Zusammenschiebung der in ihn mündenden Gefäßäste. Das von der Randvene umschlossene zackige Feld entspricht nicht, wie man bei flüchtiger Betrachtung glauben könnte, dem Dotterloch, denn es ist, abgesehen von einer kleinen Stelle, durch Keimhaut gedeckt: ich bezeichne es als „Verschlussfeld*. Das Blastoderm des Verschlussfeldes lässt in Fig. 9b keine Gefässe erkennen und sticht dadurch scharf von der übrigen Keimhaut ab. In seinem kaudalen verschmälerten Endzipfel findet sich eine kleine, knapp 2 mm lange elliptische Öffnung, in welcher der Dotter frei, d. h. nicht von Keimhaut überzogen, zutage liegt. Dies ist das Dotterloch. Ein zweites nicht abgebildetes Ei bietet die gleichen Verhältnisse des Oberflächenbildes, nur mit dem Unterschied, dass das Verschlussfeld erheblich enger und von regelmässigerer, elliptischer Form ist, dass das Dotterloch nur wenig hinter seiner Mitte liegt und an jeder Randvene eine Unterbrechung wahrnehmbar ist. Das Verschlussfeld mit dem Dotterloch entspricht nicht dem der Insertionsstelle des Nabelstrangs gegenüberliegenden Punkt des Eies, also, wenn man für das etwas deformierte Ei die Kugelgestalt zugrunde legt, nicht dem unteren Eipol, sondern einer Stelle, die nach hinten und oben von diesem zu suchen ist, die somit der hinteren Eihälfte angehört. Es hat daher bei der Umwachsung des Dotters der vordere Rand des Blastoderms einen. weiteren Weg zurückgelegt als der hintere. Der Unterschied war schon in früheren Stadien bemerkbar, scheint aber besonders in der späteren Umwachsungszeit sich geltend gemacht zu haben, denn seit dem Stadium der Fig. 8 hat die Länge der Dottervene nicht oder zum mindesten nicht erheblich zugenommen, im Gegensatz zu der von den Arterienästen durchsetzten vorderen Blastodermhälfte, welche an der inzwischen vollzogenen Um- wachsung des unteren Eidrittels den ganz überwiegenden Anteil hat. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 227 Um über die Art des Dotterlochverschlusses Auf- klärung zu erhalten, habe ich von einem dritten Ei unseres Stadiums den betreffenden Blastodermabschnitt auf Serienschnitten untersucht. Fig. 10 gibt bei stärkerer Vergrösserung das Ober- flächenrelief dieser Gegend wieder. Im oberen Teil der Abbil- dung erkennt man die Endstücke der beiden Dottervenen, die hier nicht vereinigt sind. Sie halten die Hauptrichtung der in Fig. 9b dargestellten Gesamtvene inne und verlaufen im all- gemeinen parallel, abgesehen von einer Ausbiegung des linken, erheblich stärkeren Gefässes. Etwas oberhalb der Fig. 10 war eine ähnliche Biegung des rechten Gefässes vorhanden. Diese leichte Faltung der Vene scheint darauf hinzudeuten, dass in- folge der beginnenden Einschrumpfung des Dottersackes die beiden Endpunkte der Gefässe sich nicht ihrem Längenwachs- tum entsprechend voneinander entfernt, also sich relativ einander etwas genähert haben. Zwischen den beiden Venen liegt ein mit schwachen Gefässen versehener Streif, der sich auf den Schnitten nicht wesentlich vom übrigen Blastoderm unterscheidet und insbesondere kein Merkmal zeigt, das auf eine abgelaufene Nahtverschmelzung am hinteren Blastodermrand hinweist. Wenn sich die Randkerbe, deren Lage hier übrigens nicht mehr festzustellen ist, seit dem vorigen Stadium überhaupt gegen den unteren Eipol weiter ver- schoben hat, so ist dies somit wie bisher durch einfaches kaudales Auswachsen ‚vor sich gegangen. Gehen wir nun in der Fig. 10 weiter abwärts gegen das Dotterloch und dessen Umgebung zu. Hier fällt am linken Rand des Verschlussfeldes zunächst wieder ein stark gewundener Rand- sinus, die Fortsetzung der linken Dottervene, in die Augen. Nach unten nähert sich das Gefäss dem Dotterloch und verläuft, schwach und undeutlich geworden, in geringer Entfernung von dessen linkem Rande, eine zackige Linie bildend, weiter. Auf Schnitten lässt sich das Gefäss hier durchlaufend verfolgen. Die rechte engere Dottervene setzt sich gleichfalls in einen wellig verlaufen- den Abschnitt des Randsinus fort, der, im Oberflächenbild undeutlich und mehrfach unterbrochen, rechts vom Dotterloch nach abwärts zieht. Auch dieses Gefäss lässt sich auf den Schnitten kontinuierlich bis zum unteren Ende des Verschlussfeldes ver- folgen. Das Verhalten der Ringvene stimmt also mit demjenigen 228 J. Rückert: der beiden übrigen Eier des Stadiums (vergl. Fig. 9b) überein, abgesehen von ihren, im Öberflächenbild undeutlichen, stark ver- engten Abschnitten, die auf eine im Gang befindliche Rückbildung hindeuten. Innen vom Venenring sind nur im oberen linken Abschnitt des Verschlussfeldes eingedrungene Gefässzüge bei der Oberflächen- betrachtung sichtbar. Der übrige Teil des Feldes, welcher die unmittelbare Umgebung des Dotterloches bildet, zeigt im Gegen- satz hierzu sowie zum gesamten übrigen Blastoderm eine glatte, anscheinend gefässlose Beschaffenheit. Die aufgeworfenen Ränder des Dotterlochs rufen, wie H. Virchow (für Scyllium) ganz treffend bemerkt, den Eindruck einer im Verschluss begriffenen Narbe hervor. Peripher werden die narbigen Ränder von der rudimentären Ringvene umsäumt. Weiter nach abwärts gegen den unteren Eipol zu vereinigen sich diese Ränder zu einem Streifen, der sich auf eine Strecke von 4—5 mm in das Innere des Blastoderms hinein verfolgen lässt. Hier ist der narbige Verschluss abgelaufen, eine echte, unzweifelhafte Dottersacknaht gebildet worden. An den Naht- streifen treten von beiden Seiten her dünne Stränge, anscheinend feinere Dottergefässe, im spitzen Winkel heran. Welchen Bau lassen nun diese Narbenränder auf Schnitten erkennen und welche Vorstellung muss man sich auf Grund ihrer Struktur von dem Dotterlochverschluss machen ? Beginnen wir mit dem Dotterpfropf. Ich hatte erwartet, in ihm einen frei zutage liegenden Nahrungsdotter auf den Schnitten anzutreffen. Dies ist aber nicht der Fall. Der Dotter ist vielmehr innerhalb des Dotterloches von einer homogenen Plasmaschicht überzogen, einer Substanz, wie sie sonst an der Dotteroberfläche nur in der Umgebung der Merocytenkerne sich findet. Auf dem Dotterpfropf bildet sie eine zusammenhängende Schicht, die aber auffallender Weise von solchen Kernen völlig frei ist. Am Rand des Dotterlochs erfährt diese Schicht eine bedeutende Verdickung, und reicht, noch weiter peripher, als eine mächtige Platte bis zur Randvene. Hierbei wird sie gegen die Peripherie zu von Merocytenkernen bevölkert, die nach ihrer Verteilung zu schliessen, ihren Ausgang von dem mächtigen, unter der Randvene gelegenen Kernlager nehmen („Randsyneytium* H. Virchow). Gegen die Oberfläche schliesst sich an die Plasma- Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 229 platte die tiefste Schicht der Keimhaut, das Dotterentoderm, an. Dieses besteht aus ziemlich grossen, hellen Zellen, die unter dem Randgefäss, also direkt über dem Randring der Merocytenkerne, in viel stärkerer Anhäufung auftreten als weiter peripher im ge- wöhnlichen Blastoderm und ersichtlich von dem Kernlager reichlichen Zuwachs, wenn nicht überhaupt ihre gesamte Entstehung nehmen. Man erblickt in Menge Bilder, welche das Vorsprossen und die Abschnürung der hellen, kleinkernigen Zellen von der oberen Fläche der Merocyten und den Anschluss derselben an die dar- überliegende epithelial geordnete Entodermschicht demonstrieren. Das auf diese Weise wuchernde Entoderm!) fliesst nun nach innen zu in das Narbenfeld ab, woselbst die Plasmaplatte von einer dicken mehrschichtigen Entodermlage überdeckt wird. Peripher ist diese Schicht mit ihrer merocytenhaltigen Unterlage noch ver- bunden, aber nach innen, in der Richtung gegen das Dotterloch zu, wo diese Elemente fehlen, liegt sie der Plasmaunterlage frei auf, und erscheint besonders noch weiter gegen das Loch zu von ihr durch einen Spaltraum abgehoben. Sie wird hier ersichtlich frei über den Dotter zur Einengung des Loches vorgeschoben. Das Entoderm ist von einer dünnen Gefäßschicht und diese wieder von dem feinen Ektoderm überzogen, während das Mesoderm, das über dem Randgefäss noch als dünnes Doppelblatt unter- schieden werden kann, hier nicht mehr deutlich ist, sondern sich in der Gefässplatte verliert. Auf den eigenartigen Inhalt der Gefässe der Region soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Diese Strukturverhältnisse zeigen, dass der Verschluss des Dotterloches sich in folgender Weise vollzieht. Einmal lagert sich eine Plasmaschicht über den Dotterpfropf, die sich ver- mutlich von dem in der Umgebung des Randsinus befindlichen Merocytenlager über ihn vorschiebt und jedenfalls von hier aus — ganz allmählich und langsam — sich mit Merocytenkernen erfüllt. Zweitens rückt das über dem Merocytenlager des Keim- hautrandes befindliche und von ihm durch Sprossung und Ab- schnürung von Zellen gespeiste und verstärkte Dotterentoderm ebenfalls zentralwärts vor, indem es eine dünne Gefäßschicht und ') H. Virchow (97a) lässt bei Scyllium die Verdickung an den Rän- dern des Dottersackspalts ausser durch das „Syneytium“ noch durch das Ektoderm bedingt sein. Das trifft für Torpedo nicht zu. Hier ist das Ektoderm ganz dünn und nur das Entoderm verdickt. 230 J. Rückert: das feine Dotterektoderm mit sich nimmt. Diese verdickte Ento- dermschicht schiebt sich zunächst frei über die kernlose Plasma- schicht vor, verbindet sich aber später ganz allmählich mit ihr nach dem jeweiligen Erscheinen der Merocyten in derselben, womit dann ‘der Überzug des Dotters die Beschaffenheit des übrigen Blastoderms erlangt hat. Dass die Vereinigung der vorwachsenden Ränder linear erfolgt, lässt sich schon aus der elliptischen Form des Dotterlochs im vorliegenden Stadium entnehmen. Bewiesen wird der Vor- gang dadurch, dass das die Öffnung umgebende Narbenfeld sich nach unten, d.h. in der Richtung gegen den unteren Eipol zu, tatsächlich in einen Nahtstreifen fortsetzt. Auf Schnitten zeigt der Streifen allerdings keine Nahtstruktur, kein Septum oder eine entsprechende Bildung, was darauf hinweist, dass die jeweils zusammentreffenden Abschnitte der beiden Ränder sofort miteinander verschmelzen. Dass aber der Streifen wirklich der Ausdruck einer vollzogenen linearen Vereinigung des sich ‘nach oben anschliessenden, klaffenden Teiles des Narbenfeldes ist, wird dadurch bewiesen, dass er auf den Schnitten genau die gleiche Struktur hat wie dieser und an seinen beiden Seitenrändern von der Fortsetzung der in den Dotter versenkten Ringvene begrenzt wird. Wenn man ihn auf der Schnittserie verfolgt, kann man sogar erkennen, in welcher Richtung der Verschluss erfolgt ist. Es ist dies gegen das Dotterloch zu’ geschehen. In der Nähe des letzteren werden die beiden Gefässe noch durch eine breite kernlose Plasmaschicht getrennt, auf der das vorgewachsene Blastoderm mit seinem dicken geschichteten Entoderm aufliegt. Gegen den unteren Eipol zu verschmälert sich diese jugendliche Verbindungszone schrittweise, indem die älteren Randstrukturen gegen die Mitte vorrücken: zuerst die Merocyten in der Plasma- schicht nebst dem: organisch mit dieser Dotterunterlage ver- bundenen, weniger geschichteten Entoderm und zuletzt die Rand- vene selbst, wie immer auf der jeweilig stärksten Anhäufung von Merocyten aufruhend. Die beiden Venen werden dabei stetig unansehnlicher, lassen sich aber bis zum Ende des Nahtstreifens durch den zwischen ihnen in der Tiefe gelegenen Plasmarest, der sich von allen Strukturen der Naht am längsten erhält, von den übrigen Gefässen der Umgebung leicht herausfinden. Erst mit dem Schwund der Plasmaschicht am Ende des Nahtstreifens hört jede Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 231 Unterscheidungsmöglichkeit desselben von dem übrigen Blasto- derm auf. Der Umwachsungsvorgang des Dotters durch das Blastoderm stellt sich somit in seiner Gesamtheit folgender- massen dar. Der weitaus grössere Teil der Dotterkugel wird durch einfaches Herabwachsen der Keimhaut von ihr umschlossen. Die von den Autoren angenommene nahtförmige Vereinigung der beiden Hälften des Hinterrandes unter Einbeziehung des Rand- sinus in das hintere bezw. untere Ende der Dottervene findet dabei nicht statt, sondern die letztere wird einfach durch Eigen- wachstum, zusammen mit dem Blastoderm, verlängert (s. Kap. 5 und 6). Dabei schreitet die nur von den Arterienästen erfüllte vordere Hälfte der Keimhaut im Wachstum der hinteren, besonders in späterer Entwicklungszeit, voran, infolgedessen das Dotterloch nicht an den unteren Eipol, sondern nach hinten und oben von ihm auf die hintere Eihälfte zu liegen kommt. Erst wenn die Eikugel bis auf ein Dotterloch von mässigem Umfang umwachsen ist, erfolgt der Verschluss der letzteren linear durch eine Bildung, für die man den Namen „Dottersacknaht“ schon mit Rücksicht auf einen an der Oberfläche sichtbaren Nahtstreifen beibehalten kann, obwohl es sich strukturell um eine sofortige totale Ver- schmelzung der Blastodermränder, nicht um eine Nahtverbindung derselben im eigentlichen Sinne des Wortes handelt. Diese „Naht“ kommt durch Vereinigung der linken und rechten Hälfte des auf die untere Eihälfte vorgewachsenen ehemaligen Vorderrandes der Keimhaut zustande, welche vermutlich in Form von zwei Vor- buchtungen oder Lappen vorwachsen und sich dann linear an- einanderlegen in der Richtung vom unteren zum oberen Eipol, also gegen den hinteren Blastodermrand zu. Dieses Auswachsen wird noch nachträglich demonstriert durch die stark spitzwinklige Richtung der Gefässe gegen die Nahtlinie. Hierbei wächst wahr- scheinlich die linke Hälfte etwas stärker aus als die rechte, weil die Nahtlinie mitsamt dem Dotterloch von der Richtung der Dottervene nach rechts abgelenkt ist (Fig. 10), eine Verschiebung, die auch am Dotterloch der Fig. 9b und noch deutlicher am dritten Ei des gleichen Stadiums zutage tritt. Die Länge des linearen Dotterlochschlusses beläuft sich an dem Ei der Fig. 10, an welchem ich die Verhältnisse genauer 232 J. Rückert: untersucht habe, auf 7 mm, wovon 5 mm auf die fertige Naht und 2 mm auf das noch ofiene Loch gerechnet sind. Zum Schluss soll das Schicksal des Randsinus erörtert werden, die Frage, ob und inwieweit er beim Dotterlochschluss der Dottervene einverleibt wird. Dass das letztere Gefäss bei der Ausbreitung des hinteren Blastodermrandes nur durch Eigen- wachstum sich verlängert, wurde S. 224 und 225 bis zum Stadium der Fig. 9b dargelegt. Von da bis zum vorliegenden Stadium der Fig. 10 hat sich an diesem Verhalten nichts geändert, denn wie die letztere Abbildung und die Schnitte durch ihr Blastoderm lehren, ist von einer Dottersacknaht zwischen den hinteren Enden der beiden Dottervenen auch jetzt nichts zu sehen (S. 227). Der an ‘die Venen sich anschliessende Teil des Randsinus hat sich stark gefaltet, was auf einen konzentrischen Verschluss des zugehörigen Abschnittes des Dotterloches hinweist, also ebenfalls gegen eine Nahtbildung spricht. Dass dieser gefaltete Abschnitt des Sinus als kaudales Endstück der Dottervene erhalten bleibt, ist sehr wohl möglich. Für das Ei der Fig. 10 kommt hierfür aber wohl nur die linke, kräftig ausgebildete Hälfte in Betracht, während die rechte Hälfte des Ringes schon jetzt dafür vermutlich zu stark rückgebildet erscheint. An dem Ei der Fig. 9b sind aller- dings beide Hälften des Sinus- gleichstark, aber der Vorgang ist hier noch im Rückstand, wie die grössere Ausdehnung des Ver- schlussfeldes lehrt. Immerhin ist damit zu rechnen, dass möglicher- weise wenigstens bei einem Teil der Eier beide Hälften des an die Dottervenen anschliessenden Ringsinus in dieses Gefäss schliess- lich noch einbezogen werden. Im Bereich der Dottersacknaht hingegen ist der Ringsinus noch stärker rückgebildet und zwar umsomehr, je älter die betreffende Nahtstelle ist, so dass hier die Persistenz desselben als bleibender Bestandteil der Dottervene noch weniger wahrscheinlich ist, wenn ich sie auch nicht strikte in Abrede stellen kann. Ich muss also, um zusammenzufassen, auf Grund des mir zur Verfügung stehenden. Materials es als möglich, wenn auch nicht als sicher annehmen, dass beim Dotter- lochschluss an die Dottervene ein unpaares oder paariges End- stück, sei es aus dem ganzen verengten Randsinus oder nur einem Teil desselben, angebaut wird, während der weitaus längere proximale Abschnitt der Vene durch ein mit der Ausbreitung des hinteren Blastodermrandes einhergehendes Längenwachstum der Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 235 ursprünglichen, durch Abtrennung vom Embryo entstandenen An- lage des Gefässes sich ausbildet. IV. Vergleichendes. 1. Die Squaliden. Es wurden von mir schon im Hertwigschen Handbuch (Bd. I, S. 1122) die Squaliden Pristiurus und Scyllium mit Torpedo in Hinsicht auf die Entwicklung der Dottergefässe und die Umwachsung des Eies verglichen. Auf Grund der vor- stehenden Beschreibung der Vorgänge bei Torpedo kann ich diesen Gegenstand jetzt eingehender und, wie ich hoffe, in leichter ver- ständlicher Form behandeln als damals. Als hauptsächliches Vergleichsobjekt wähle ich wie dort Scyllium stellare als den einzigen Squaliden, dessen Dottergefässentwicklung mit Hilfe einer Serie naturgetreuer Abbildungen bisher anschaulich dar- gestellt worden ist. Da ich auf diese Arbeit, die wir Hoch- stetter verdanken, im folgenden stetig Bezug nehmen muss, empfehle ich, bei der Lektüre dieses Kapitels dieselbe zur Hand zu nehmen und ihre Figuren neben die meinen zu halten. Mein Ausgangsstadium mit dem rein venösen Dottergefäss- system (s. Fig. 1 von Torpedo) kann hier übergangen werden, weil nichts darüber bekannt ist, ob auch bei den Squaliden die Dotterarterie in Form von zwei zum Sinus venosus des Herzens verlaufenden Venen, den „vorderen Dottervenen“, angelegt wird. Dass aber in einem so grundlegenden Entwicklungsvorgang Über- einstimmung zwischen den zwei Unterordnungen der Selachier sich künftig herausstellen wird, ist nicht zu bezweifeln. Eine Vergleichung ist erst möglich von dem Zeitpunkt an, in welchem die Dotterarterie als vorhanden angegeben wird (Fig. 1 von Seyll. st. nach Hochstetter). Hier tritt uns gleich von vornherein die entscheidende Tatsache vor Augen, dass der anscheinend so tiefgreifende Unterschied in der Dottergefäss- bildung bei beiden Unterordnungen der Selachier nur dadurch bedingt ist, dass infolge der viel schnelleren Umwachsung des Squalideneies die gefässfreie Zone desselben der Gefässzone in ihrer räumlichen Ausbreitung erheblich voraneilt, weil das am Rand gelegene gefässbildende Material frühzeitig auf einen im Verhältnis zu seiner Masse zu grossen Umfang verteilt wird. Infolgedessen müssen hier zwei zeitlich getrennte Umwachsungs- 234 J. Rückert: vorgänge unterschieden werden: Bei den Squaliden wird zuerst der Dotter durch die bis auf eine schmale Randzone gefässfreie Keimhaut umscheidet und erst viel später wird seine Umwachsung durch die Gefäßschicht vollendet, während bei Torpedo die sämtlichen Schichten des Blastoderms sich gleichzeitig und langsam über den Dotter ausbreiten. Dadurch erscheint der Vorgang bei dem letzteren Objekt wesentlich vereinfacht. Ob bei den Squaliden auch die Ausbreitung des Mesoderms mit derjenigen der (refäss- schicht gleichen Schritt hält, ist nicht festgestellt, darf aber auf Grund unserer Kenntnisse der Dottergefässentwicklung von Torpedo als sehr’ wahrscheinlich angenommen werden. Dass ferner bei Pristiurus die Umkleidung des Eies durch die Keimhaut lang- samer erfolgt als bei Scyllium, ist bekannt. Doch ist der Unterschied geringfügig gegenüber der einen ganz anderen Um- wachsungstypus bedingenden Verzögerung des Vorgangs bei Torpedo. Wir gehen nun auf die Einzelheiten ein und vergleichen zunächst das Stadium der Fig. 1 von Hochstetter, in welchem die Dotterarterie bereits angelegt ist, mit einer entsprechenden Altersstufe von Torpedo. Da der Scylliumembryo dieser Figur 34 Urwirbel besitzt, steht er dem Alter nach zwischen den Torpedo- embryonen meiner Fig. 1 und 2 mit 32 und 38 Urwirbeln. Der Unterschied in der Ausdehnung des Blastoderms ist ein grosser und springt besonders in die Augen, wenn man das Übersichts- bild meiner Fig. 4 zum Vergleich heranzieht. Es ergibt sich, dass die etwas jüngere Keimscheibe von Scyllium sich zu dieser Zeit schon mächtig ausgebreitet hat und zwar allein auf Rechnung des bei Torpedo kleinen zentral gelegenen gefässfreien Feldes. Die Gefässzone, welche dieses Feld ringförmig umschliesst, ist reduziert, zunächst am hinteren Umfang des Blastoderms auf einen schmalen sichelförmigen Streifen, der beiderseits vom Embryo liegt. Der konkave Vorderrand des Streifens wird „von einem Blutgefäss eingenommen, in welchem wir“, nach Hoch- stetter, „die Anlage der Dottersackarterie erkennen“, das aber, wie ich hinzufügen möchte, in dieser Zeit vielleicht noch als vordere Dottervene anzusprechen ist. Im Sichelfeld selbst „sind deutlich eine grössere Anzahl von Blutinseln wahrzunehmen‘. An seinem konvexen Hinterrand ist weder jetzt noch in den folgenden Stadien eine dem Randsinus entsprechende Vene im Flächenbild sichtbar, doch ist das Mündungsstück einer hinteren Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies 235 Dottervene in die Subintestinalis angelegt. Am seitlichen und vorderen Umfang der Keimscheibe wird die Gefässzone nur durch einen ganz schmalen Blastodermring gebildet, der im Ober- flächenbild noch keine Gefässe, aber nach den Beobachtungen von H. Virchow (95) schon bei erheblich jüngeren Pristiurus- embryonen peripheres Mesoderm und Blutinseln (letztere schon bei Embryonen von 10 Urwirbeln) enthält. Es geht hieraus hervor, dass schon in diesem frühen Um- wachsungsstadium die Gefässzone von Scyllium erstens in ihrer räumlichen Ausdehnung gegenüber derjenigen von Torpedo, wenn auch nicht absolut, so doch relativ, d. h. im Vergleich zum gefäss- freien Feld, bedeutend im Rückstand ist. Das topographische Verhältnis der beiden Zonen zueinander steht bei diesen Scyllium- embryonen von 34 Urwirbeln auf einer Stufe, wie sie sich bei Torpedo annäherungsweise in ganz jungen Stadien, beim Auftreten des peripheren Mesoderms, also noch vor der Urwirbelbildung, zwischen dem Mesodermring und der mesodermfreien Zone findet. Und zweitens lehrt die Vergleichung der beiderlei Figuren, dass bei Seyllium die Gefässbildung auf dem Dotter auch ihrem Ent- wicklungsgrad nach auffallend hinter derjenigen von Torpedo zurückgeblieben ist. Da innerhalb des Embryonalkörpers die (efässentwicklung einen solchen Unterschied zwischen beiden Selachierformen nicht aufweist, liegt die Annahme nahe, dass auch diese Differenz durch das raschere Blastodermwachstum von Scyllium und die dadurch bedingte Verteilung des gefässbildenden Materials auf einen grösseren Raum verursacht ist. Nachdem das Blastoderm von Scyllium schon den Aquator des Eies überschritten hat (Fig. 2 von Hochstetter), ist die Gefässzone beiderseits vom Embryo, wo sie noch ihre weitaus stärkste Entfaltung aufweist, kaum länger als dieser und nur etwa doppelt so breit wie er. Die dieses Gefässfeld kranial be- grenzende Dotterarterie rückt in ihrem weiteren Verlauf immer noch dicht an den Blastodermrand heran, so dass der ganze übrige Teil der Gefässzone nach wie vor einen ganz schmalen Saum darstellt. Auch nach fast vollendeter Umwachsung des Eies, im Stadium des Dotterloches (l. c. Fig. 3 und 4), ist die Gefässzone in der Umgebung dieser Öffnung noch ein schmaler, besonders ventral (am ehemaligen Vorderrand) fein auslaufender Streif. (Gegen das Archiv f. mikr. Anat. Bd.9. Abt. II. 16 236 IeRueikernt: Innere des Blastoderms zu wird er von der Dotterarterie bzw. deren Anlage begrenzt, gegen den Dotter, d.h. den freien Keim- hautrand zu, durch einen von H. Virchow (97a) entdeckten gefärbten Saum, welcher einer noch immer nicht sichtbaren, aber der Anlage nach in ihm enthaltenen Randvene entspricht. Von der Mitte des hinteren Blastodermrandes setzt sich der gefärbte Saum kranial in das Innere der Gefässzone hinein fort, in welcher er median zum Nabelfeld des Embryos zieht. Diese Strecke der gefärbten Linie entspricht somit ihrer Lage nach der vom Rand- sinus zum Embryo verlaufenden Dottervene von Torpedo. Hoch- stetter nimmt an, dass die Gefässanlage an diese Stelle vom Keimhautrand aus durch Dottersacknahtbildung gelangt sei. Ich sehe aber den Beweis einer solchen Nahtbildung bis zum vor- liegenden Stadium des offenen Dotterloches nicht als erbracht an, sondern halte es für wahrscheinlicher, dass die Ausbreitung des ehemaligen hinteren Blastodermrandes, wie bei Torpedo, einfach durch kaudales Auswachsen sich vollzieht, wobei die Anlage der Dottervene sich durch Eigenwachstum entsprechend verlängert. Schon bei einem Scylliumembryo mit 55 Urwirbeln (vergl. Hochstetters Fig. 5a und b), der also noch um 5 Urwirbel jünger ist als derjenige meiner Fig. 4, ist die Umwachsung des Eies vollendet und das Dotterloch durch eine mediane Naht ge- schlossen. Sie liegt wie bei Torpedo in der hinteren Eihälfte oberhalb des unteren Eipols. Zu beiden Seiten von ihr verlaufen, auf Schnitten nachweisbar, die Dottervenen, welche durch einen unpaaren Stamm sich in die Subintestinalvene des Embryo fort- setzen. Dass hier wie bei Torpedo gegen Ende der Umwachsnngs- periode wirklich eine lineare Vereinigung der Blastodermränder, also eine „Dottersacknaht“, zustande kommt, geht aus den Ab- bildungen (I. c. Fig. 5 und Fig. 6) hervor. Die beiden Dottervenen zur Seite der Naht sind also wie bei Torpedo die median ver- lagerten Randvenenhälften. Sie verschmelzen später miteinander (ob stets? vergl. 1. c. Fig. 10b), und dieser an der Dottersacknaht gebildete Venenabschnitt bleibt erhalten, während sein Schicksal bei Torpedo mangels älterer Stadien von mir nicht festgestellt werden konnte. Die Gefässzone hat zurzeit des Dotterlochverschlusses sich noch nicht über die Hälfte des Eies ausgebreitet. Sie vollzieht nun allmählich die vollständige Umwachsung desselben. Ihre Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 237 Form und damit auch diejenige des sie begrenzenden, jetzt fertigen Arterienringes ist komplizierter als bei Torpedo. Zu beiden Seiten des Dottersackspaltes nämlich, wo sie von vornherein in der Ausbreitung am meisten zurückgeblieben war, stellt sie auch nach dem Nahtschluss einen nur schmalen Streifen dar, welcher zungenförmig über ihren verbreiterten vorderen Abschnitt nach hinten und unten hinausragt. Wie bei dieser Anordnung der Verschluss der gefässfreien Zone durch die Gefäßschicht sich vollzieht. bei welchem die aufeinander treffenden Abschnitte des Arterienringes unter sich verschmelzen, kann, da dies ohne Belang für einen Vergleich mit Torpedo ist, ausser Betracht bleiben. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Umwachsung durch die Gefässzone bei Scylliumembryonen von 24'!/s mm fast vollzogen ist und dass sie in der vorderen Eihälfte, und zwar mittels eines (Querspaltes, vor sich geht. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Dotterarterie von Scyllium nicht wie diejenige der älteren Torpedostadien schon in ihre Äste gespalten den Nabelstrang verlässt, sondern dass sie als ein ungeteilter Stamm median durch die Gefässzone zieht, um sich erst an deren vorderen Rand in ihre den Arterien- ring bildenden beiden Äste zu gabeln. Diese Zweiteilung findet im Grunde an der gleichen Stelle statt wie bei Torpedo, nämlich an dem hinteren, d.h. dem Embryo zugewandten Rand der gefäss- freien Zone. Nur bleibt bei Torpedo dieser Rand am Nabelfeld liegen, während er sich bei Scyllium infolge des kranialen Aus- wachsens des gefässfreien Feldes und des Nachrückens der sich hinten anschliessenden Gefässzone unter Mitnahme des Arterien- stammes weit nach vorn und abwärts über den vorderen Eipol hinweg vorschiebt. Es erstreckt sich infolgedessen bei Seyllium der einheitliche Arterienstamm vom Nabel bis zur Verschluss- stelle der Gefässzone, also bis fast an den unteren Eipol. Im Ganzen verlaufen also über den Dottersack von Seyllium vom Nabel aus zwei mediane Gefäßstämme, eine über den hinteren Umfang des Eies absteigende Vene (wie bei Torpedo) und eine ihr über den vorderen Umfang des Eies nach abwärts und hinten entgegenstrebende Arterie (bei Torpedo in Äste aufgelöst.) Die Umwachsung des Squalideneies durch die Keimhaut muss im Vergleich zu derjenigen des Torpedoeies, wie ich schon früher (1906) ausgeführt habe, als der ursprünglichere Entwicklungs- 238 J. Rückert: modus angesprochen werden, weil sie sich erheblich rascher voll- zieht und damit den entsprechenden Entwicklungsvorgängen an den holoblastischen Anamniereiern näher steht. Die Tatsache, dass bei den Squaliden der Prozess trotzdem in seinen Einzel- heiten komplizierter verläuft wie bei Torpedo, spricht nicht gegen diese Auffassung, sondern liefert nur einen Beweis für die Er- scheinung, dass phylogenetisch primitivere Entwicklungsvorgänge an sich nicht die einfacheren zu sein brauchen. Für die Unter- suchung der Dottergefässentwicklung ist aber Torpedo aus dem angegebenen Grunde jedenfalls das weitaus günstigere Objekt. 2. Die Amnioten. Die Ableitung der Dottergefässe der Selachier von den Darmgefässen der holoblastisch sich entwickelnden Anam- nier muss ich auf meine in der Einleitung erwähnte Hauptarbeit _ verschieben. Aber eine Vergleichung derselben mit den Dotter- sackgefässen der Amnioten ist auch ohne Berücksichtigung der Amphibien möglich und von mir bereits früher für Reptilien, Vögel und Säugetiere (1906 S. 1198, 1240 und 1255) durchge- führt worden. - Die Möglichkeit einer solchen Homologisierung beruht, um hier nur die Hauptsache herauszuheben, auf dem von mir erbrachten Nachweis, dass die Dotterarterie der Selachier aus einem Venenpaar hervorgeht, welches als kaudale Fortsetzung des Herzschlauches direkt zum Dotter verläuft, also der frühen Anlage der Venae omphalo-mesentericae der Amnioten homolog ist. Durch die Umgestaltung dieses Venenpaares in die Dotterarterie fallen die Selachier hinsichtlich ihres Dottergefäss- systems aus der Reihe der übrigen Wirbeltiere heraus. Ihre Dotterarterie ist derjenigen der meroblastischen Amnioteneier nicht vergleichbar. Es besteht nur insofern eine inkomplette Homologie, als zu ihrem Aufbau Bestandteile jener von der Aorta zur Darmwand verlaufenden Quergefässe, aus welchen die Dotter- arterien der Amnioten entstehen, mit verwendet werden (vergl. Rückert 1917 S. 449). Dieser Zusammenfassung möchte ich hier noch eine weitere Betrachtung anschliessen. Bei den Amnioten haben sich die Venae omphalo-mesentericae als Abflussbahnen des venösen Dotter- sackblutes erhalten. Damit wurden die in die Subintestinalis mündenden hinteren, später einzigen, Dottervenen der Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 239 Selachier überflüssig. Sie sind mitsamt der Subintestinalis, ihrer Fortsetzung in den Embryonalkörper, bei ihnen zu Verlust gegangen. Da der periphere Anteil dieses Gefässzuges, der Rand- sinus, sich bei den Amnioten erhalten hat, ist aber die Frage aufzuwerfen, ob nicht auch die weiteren Bestandteile desselben, wenigstens in rudimentärer Form, bei ihnen zur Anlage kommen. Ich finde einen Anhaltspunkt hierfür in der Beschreibung, welche Hochstetter (1888, $S. 577) von einem „nur kurze Zeit be- stehenden“ Venenpaare des Hühnerembryos gibt, das „zu beiden Seiten neben der Darmrinne“ zu den Venae omphalo-mesentericae verläuft. Dieselben gehen hinten aus einem kurzen, in der Median- linie ventral vom Enddarm gelegenen gemeinschaftlichen Stamm hervor. „Die linke stärkere der beiden Venen hängt gewöhnlich mit der das Blut aus dem dem Schwanze gegenüberliegenden Abschnitte des Sinus terminalis rückführenden Vene zusammen.“ „Mit der kranial fortschreitenden Abschnürung des Darmes zu einem Rohr verlängert sich die ventral von ihm gelegene Vene. Nach der hundertsten Bebrütungsstunde verschwindet sie gänzlich“. Nach dieser Schilderung muss ich annehmen, dass tatsächlich beim Hühnerembryo eine Subintestinalis nebst hinterer Dottervene vorübergehend angelegt wird. München, den 4. März 1920. Zitierte Literatur. Balfour, 1878: A Monograph on the Development of Elasmobranch Fishes. London 1878. Elze, 1913: Studien zur allgemeinen Entwicklungsgeschichte des Blut- gefäßsystems. I. Teil. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, 1913. Derselbe, 1919: Studien usw. II. Teil. ibidem Bd. 92, 1919. Hochstetter, 1888: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. Morphol. Jahrb., Bd. 13, 1888. Derselbe, 1905: Über die Entwicklung der Dottersackzirkulation bei Seyllium stellare. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 66, 1905. Mayer, P., 1896: Über die Entwicklung des Herzens und der grossen Gefäßstämme bei den Selachiern. Mitteil. der zool. Stat. Neapel, Bd. 7, 1886 87. 240 J. Rückert: Rabl, C., 1892: Über die Entwicklung des Venensystems der Selachier. Leipzig 1892. Derselbe, 1896: Über die Entwicklung des Urogenitalsystems der Selachier. Morph. Jahrb., Bd. 24, 1896. Rückert, 1888: Über die Entstehung der Exkretionsorgane bei Selachiern. Archiv. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1888. Derselbe, 1903: Über die Abstammung der bluthaltigen Gefässanlagen beim Huhn und über die Entstehung des Randsinus beim Huhn und bei Torpedo. Sitz.-Ber. d. k. b. Akad. d. Wiss., Bd. 32, 1903. Derselbe, 1906: Die Entstehung des Blutes und der ausserembryonalen Ge- fässe in den meroblastischen Eiern. Handbuch der vergl. und experi- mentellen Entw.-Gesch. der Wirbeltiere. Herausg. von O. Hertwig Bd. I, 1906. Derselbe, 1917: Über die Glomeruli der Vorniere von Torpedo und deren arterielle Gefässe. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 89, 1917. Thoma, 1893: Untersuchungen über die Histogenese und Histomechanik des Gefäbsystems. Stuttgart 1893. Virchow, H., 1895: Über die Entwicklung des Gefässbezirkes auf dem Selachier-Dottersacke. Ges. naturf. Freunde, Berlin 1895. Derselbe, 1897a: Über Dottersacknaht und primären Kreislauf bei Sceyllium., Daselbst Mai 1897. Derselbe, 1897b: Über Unterschiede im Syneytium der Selachier nach Ort, Zeit und Genus. Daselbst Juli 1897. Derselbe, 1898: Über Blutinseln und Gefässbezirk von Torpedo ocellata. Daselbst 1898. s Wenckebach, 1886: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- fische. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 28, 1886. Ziegler,H.E.u. F., 1892: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Torpedo Archiv f. mikr. Anat., Bd. 39, 1892. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX und X. Fig. 1. Area vasculosa (blau) eines Embryos von Torpedo ocell. mit 52 Urwirbeln. Nach einem Plattenmodell. Der Embryo ist durch einen den noch langen Darmstiel durchtrennenden horizontalen Längsschnitt abgeschnitten. de Dottercölom. ds Darmstiel auf dem Schnitt. gf Gefässfreies (mesodermfreies) Feld. hd hintere Dottervenen quer abgeschnitten. vd vordere Dottervenen quer ab- geschnitten. rr (gelb) Randrinne (wandungslose Lakune). Ver- grösserung 15:1. Fig. 2. Area vasculosa (rot) eines Embryos von Torp. ocell. mit 38 Ur- wirbeln. Nach einem Plattenmodell. Darmstiel wie in Fig. 1 durchschnitten dargestellt. Ebenso die Dotterarterie da und Dotter- vene dv. rs (blau) Randsinus (Randvene von Endothel bekleidet). Sonstige Bezeichnungen wie in Fig. 1. Vergr. 15:1. Fr N Fig. Fig. Fig. Fig F er g Fig Fig. Über die Entwicklung der Dottersackgefässe des Selachiereies. 241 3. 5. 6. Area vasculosa eines Embryos von Torpedo ocellata mit 60—61 Urwirbeln. Nach einer Oberflächenansicht des Blastoderms ge- zeichnet. Der Nabelstrang quer durchschnitten mit Darmstiel (ds), Dotterarterie und Dottervene. Vergr. 10:1. g. 4—9. Torpedoeier verschiedener Stadien mit Blastoderm und Embryo bei einer etwa 1'!/»fachen Vergrösserung. Fig. 4 — das Ei der Fig. 2 (Stadium 2). Embryo mit 38 Urwirbeln. Schräg von oben gesehen. Ei eines Embryos mit 60—61 Urwirbeln. Schwesterei der Fig. 3. Stadium 3. Von der Seite gesehen. Stadium 4, Länge der Embryonen 13—15 mm in Alkohol. Von oben gesehen. . 7au.b. Stadium 5. Länge der Embryonen 2 cm, grösste Breite in der Brustflossengegend 7,5 mm. Das Ei fast zur Hälfte vom Blasto- derm umwachsen. 7a von vorn, 7b von hinten gesehen. . 8a und b. Stadium 6. Grösste Breite des Embryo 11 mm. Zwei Drittel des Eies vom Blastoderm umwachsen. 8a von vorne, Sb von hinten. | . 9a und b. Stadium 7. Länge der Embryonen 4 cm, grösste Breite 10. 2 cm. Das Ei bis auf ein kleines Dotterloch umwachsen. 9a von vorn, 9b von hinten gesehen, Dotterloch und Dottersacknaht nebst Umgebung von einem Torpedoei aus dem Stadium 7. Schwesterei von dem der Fig. 9. Die Zeichnung ist so orientiert wie Fig. 9b. Die paarige Dottervene oben ab- geschnitten. Die stärkere linke setzt sich nach unten in den zusammengezogenen stark gefalteten Randsinus fort, die rechte schwächere lässt diese Fortsetzung nur undeutlich erkennen. An das Dotterloch schliesst sich nach unten und rechts eine Dotter- sacknaht an. Vergr. 5:1. Fig. 1-3 von Frl. Bachhammer, die sich auch der mühsamen Herstellung der Plattenmodelle der Fig. 1 und 2 unterzogen hat. Fig. 4—9 von Herrn Fritz Skell. Die mattgelbe Farbe des Torpedodotters ist in den Figuren 4—9 nicht ganz naturgetreu wiedergegeben. Literarisch=kritische Rundschau. Dr. med. Kurt Laubenheimer: Lehrbuch der 'Mıikrophotographie. Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Das im Verlag von Urban & Schwarzenberg im Dezember 1920 er- schienene Lehrbuch der Mikrophotographie von Dr. med. Kurt Laubenheimer, a. 0. Professor für Hygiene und Bakteriologie an der Universität Heidelberg, kommt sicherlich einem Bedürfnis weiter Kreise nach einer leicht fasslichen und doch erschöpfenden Anleitung der Mikrophotographie entgegen. Erobert sich doch die photographische Wiedergabe eines Präparates, eines mikro- skopischen Schnittes mit Recht ein immer grösseres Feld in unseren wissen- schaftlichen Arbeiten. Von der richtigen Voraussetzung ausgehend, dass die vollkommene: technische Beherrschung des Mikroskopes notwendig ist für das Zustande- kommen einwandfreier mikroskopischer Aufnahmen, bespricht der Verfasser auf den ersten 65 Seiten den Bau und die Anwendungsmöglichkeiten des so- sinnreich erdachten, in seiner sachgemässen Handhabung aber komplizierten modernen Mikroskopes. Die klare und übersichtliche Darstellung wird fraglos- vielen die vollständige optische Ausnutzung ihrer wertvollen Instrumente erleichtern. Die weiteren Kapitel, die über die gebräuchlichsten Aufnahmeapparate- sowie über deren Aufstellung und die zu wählenden Lichtquellen handeln, sind namentlich für diejenigen von Bedeutung, die in die Lage kommen, für wissenschaftliche Zwecke photographische Arbeitsräume einzurichten. Das Studium der Verwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Typen erleichtert die Orientierung und wird Missgriffe bei der Anschaffung der so kostspieligen: Apparate verhindern. Im weiteren beschreibt der Verfasser die Technik der Aufnahme, die Herstellung der negativen und positiven Bilder. Die Darstellung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl dem Anfänger die Belehrung über die nötigen Grundlagen gibt, als wie auch dem Geübteren Auskunft über die Vorrichtungen, die für schwierigere Aufgaben notwendig werden. So handelt ein besonderer Abschnitt über die Aufnahmen bei Dunkel- feldbeleuchtung, mit ultraviolettem oder polarisiertem Licht, sowie über stereoskopische und Reihenaufnahmen. Auch der Mikrophotographie in natür- lichen Farben wird ein Kapitel gewidmet. Besonders dankenswert erscheint mir auch eine kurze Darstellung der gebräuchlichsten Reproduktionsverfahren. Bei den heutigen Kosten, die dem Verlag und dem Autor durch die Veröffentlichung von Abbildungen erwachsen, erleichtert die Kenntnis der Reproduktionsmöglichkeiten die zweckmässige Wahl in hohem Grade. — Das 220 Seiten starke Buch ist mit zahlreichen Abbildungen, sowie einigen Tafeln versehen und kostet broschiert Mk. 36.—, gebunden Mk. 50.—. Bei den heutigen Preisen der photographischen Materialien wird das Studieren dieses Buches sicher vorteilhafter sein als das Probieren ohne genügende Kenntnisse. PB... 0 u u ll am un Km I an LU ‚Archiv £ruikroskop Anatomie Bd.XCV. Abt.I UL a WI Schmudt vez. =, ee BA MEM Taf. I. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. RE V., Abt. I W. J. Schmidt gez. r % b er 2) = STE ; uf: 2 W.J. Schmidt vee. Wernera Winter Banklart =. m ka Taf. IV. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XCV., Abt. I W. J. Schmidt gez. Archiv.£mikroskop Anatomie Bd XCV. Abt! Werner k Winter Frankfurt im, Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. XCV Abt. I Dr. Hammerschlag . m a F ® = Fa 2 @ z I nn a A nn _ og Eı r2 = ur 2 T a © ä . nf EL — Archiv Kmikroskop. Inatomie Ba. XCV AbLI län Taf Vu . f . j - » « a 1 \ ” ? 2 4 — i « ‘ * P a R 5 ’ 2 ; f . f - ”- N ‘ \ . e R N > . * ‚ N - , [ r % $ "Br MN 3 = » . er [3 r a . De 5 U 27 ‘ . > 2 ' h Beet RT. x - R ui ° Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XCV Abt. I Berber 40/1 Deutscher 40/1 & er Zn EN Embryo 6.—7. Mon. 102/1 Neugeborener 70/1 Este 102/ yo 3 Ant: HR IT I Yes Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XCV Abt. I Berber 102 1 10 \D4% Bee Te = EEE E SE ZN 4 = & » j N J s } | ) 2 \\ \ i } \ ' 1 Yan FI? s N en ee Taf. IX Ovambo 40/1 SA ons a Er he a WEN SE Archiv f. mikroskop. Anatomie Ba. XCV Abt. I Ovambo 102/1 FE a = En 5 ; I x — — > > > a = | Er IST et 2 = eG PO 3 E Fr — —g2 NN. A az ev ER ur ZZ Ion N sr RS 7 Al? Zi N x % Na . 102,1 ınese Ch . « N BAR er 2 RR" hs Es A 27 I ’ » Er: aan" 2 2 er Y r ’n a“ Bi Wi“ R er Arn # Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XCV Abt. I Javane 102/1 Taf. XI Cercopithecus sabaeus 70/1 £: = E - en v nr mn fr « su ıN x x N AIIy \ ER | ee i a 1 nt Bel hg Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XCV Abt. I En Australier 40/1 Australier 40/1 Archiv £K mikroskop. Anatomie Bd. XCVAbt./ Taf NH mm RR . 76: je . ” 0% el Sue °\ = W.J. Schmidt yez. Werner winter Frankfurt”. = | Tak kV Archiv Emikroskop. Anatomie Ba. XCV Abt.] 1 BUG nl 22 M Sa Werner u Winter. Frankturt'il. W..J. Schmidt gez. N en Inn 3 mann = mern het a a ehe > mon m ge a anf ee 1 j } i ” h f ! r) r m - ur r h ” ! PR ar f „ , 5 T h k m D Az Sr Nah, unge, u... v Br PR‘ er a i A hal 2.7 RE Archiv [ mikroskop. Anatomie Ba. XCV _elbt. I 1J. Schmidt gez. BI. Tal XV .« An de ei er Dr EEE et a de 0 ne a » wi \ ” j A nd re ee ee EEE 3 rn’ Taf I. neue Archiv Emikroskop. Anatomie Ba. XCV Abtn ‚ICE H.Stieve Taf I Werner u. Winter Frankfurt” M. Ss, I NS RS = K OS = I ES Q N S = S SI RG S _ I S B> I S nn S BT DI RS SS H'Stieve.ger. .e & ab —- ”. Bu. m Taf II. Abt Archiv Emikroskop. Anatomie Ba. XCV N. gr N “ wu j =; h, Archiv Emikroskop. Anatomie Bad, XCV IbEH ET ar AI Y RN en a RL ne AR EEE: BER ERRET rs Te Hötieve. gez. läf I. 39 ch NUT - fg (S SHINE Er BER = ® R CR NE Se ER NTE REN Y ENIZN, ? DESSEN ES CREERTÄNNT n ARE) EN W N Ye | 7. Ve (7 ws Ye RSS NEN ER TR, SE DEE DON IR EN SENSE Ei Erf ANSTEIGEN) LERNEN EG BE? A ne INT EN / HR IE ISUOÄTNZ, EEE ZEETIHELINSANTE RE ES. ES 2 RRTE a RER RE rn N AHBBAEN N au BR en Werner u Waren Fankturt®M. | x Taf V Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. XCV AbEH. | r a8 ER N RR NE RISCEN R pe 3 Ze ER She Ar Q UNSER, N HER N # BRBTT SER =? II I I TFT 7 Werner u. Winzer Frankfurt”M H.ötieve. gez. Archiv Emikroskop. Anatomie bd.XCV ben, Taf Mm. H-.Stüeve.gez - Werner u Winter Banklurt”M en Sr —e., e 5 Te r lun KA EIZE r A a Ale H.. E ‚Irchn U muikroskop. Inatomie Bd. XCV . Ibe. H- \ BERSINITSTERANE RR EAN RR =& ES I R FIRE Sn G er SE % RE EL R “ he! AL RR BE ER DN4, RS 532 ALT » . m = Ar Po; IF 4 r . e » Pair un e ‘® ws ” DNS * 0 . 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HERTWIG ud W. von WALDEYER-HARTZ in Berlin Fünfundneunzigster Band Erstes und zweites Heft Mit 13 Tafeln und 1 Textfigur BONN Verlag von Friedrich Cohen 1920 Ausgegeben am 7. März 1921 Inhalt. Wilhelm von Waldeyer-Hartz. Ein Nachruf von Oskar Hertwig. Abteilung l. Untersuchungen über Bau und Lebenserscheinungen von Bursella spumosa, einem neuen Ciliaten. Von Prof. Dr. W. J. Schmidt im Bonn (Zool. Inst.). Hierzu Tafel I—IV. Zur Kenntnis des Situs inversus und der mit demselben häufig verbundenen Anomalien im Bereiche der großen Abdominalvenen. Von Dr. Felix v. Werdt, Privatdozent für patho- logische Anatomie und I. Assistent am pathologisch- anatomischen Institut in Innsbruck. (Aus dem patho- logisch-anatomischen Institut der Universität in Innsbruck, Vorstand Hofrat Prof. Dr. G. Pommer) Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. Vorläufige Mitteilung. Von Rudolf Keller, Prag . Be Zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen und der Lid- ränder. Von Franz Klee. (Aus dem Anatomischen Institut der Universität Bonn) Hierzu Tafel V. Zur Morphologie der Erythroblastenkerne. Von Dr.R. Hammerschlag Hierzu Tafel VI. Abteilung Il. Die Entwicklung der Keimzellen des Grottenolmes (Pro- teus anguineus). II. Teil: Die Wachstumsperiode der Oozyte. Von H. Stieve, Leipzig. (Untersuchungen, ausge- führt mit Unterstützung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München) Hierzu Tafel I—-VII und 1 Textabbildung. Seite 37 61 65 83 Die Herren Mitarbeiter des „Archiv für mikroskopische Anatomie“ erhalten 30 Sonderabdrücke umsonst. Weitere gewünschte Exemplare werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert. Kr Ei ih Ar N ö Pe S2 ne Wr Ka IE DE FR a AI ra . £ Fe VENEN DE, iv , er. ch ” RE r ee Edi NE ® DRAHT, Soeben erschien: Wilhelm von Waldeyer-Hartz Lebenserinnerungen 430 Seiten mit Porträt und ausführlichem Namensregister. Preis geheftet M. 38.—, geb. M. 44.— Verlag Friedrich Cohen in Bonn. Ernst Leitz, Wetzlar —— (ptische Werke — Zweiggeschäfte: Berlin NW., Luisenstrasse 45 New York, 30 East 18th Street. Mikroskope, Mikrotome Projektionsapparate mit Leitz - Reflektor Mikrophotogr. Apparate . Man verlange kostenfrei: il, Binokulares Mikroskop —— Katalog N3 = Druck von Aug. Weishrod, Frankfurt a. M. ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre begründet von MAX SCHULTZE fortgeführt von O0. HERTWIG und W. v. WALDEYER-HARTZ herausgegeben von OSKAR HERTWIG in Berlin - m)... Fünfundneunzigster Band Drittes Heft Mit 10 Tafeln und 20 Textfiguren Il VERLAG VON FRIEDRICH COHENINBONN Ausgegeben am 15. Juni 1921 INHALT. Abteilung l. Seite Elektroanalytische Untersuchungen. Von-Rudolr Keller II ee Hierzu 3 Textabbildungen. Uber das Auftreten der elastischen Fasern in der Tier- reihe, über das Verhalten derselben in der Wangen- haut bei verschiedenen Menschenrassen und über Bindegewebe und Sprache. Von P. Schiefferdecker. Ausgeführt mit Unter- stützung der Preuss. Akademie der Wissenschaften und: der ‚Rhein. Ges. f: wiss.'Forschung: '...,. .. 152 Hierzu Tafel VII—-XII. Die Panzerhaut der Weichschildkröte Emyda granosa und die funktionelle Bedeutung ihrer Strukturen. Von Prof. Dr. W.J. Schmidt in Bonn (Zool. Institut) 186 Hierzu Tafel XIII und XIV und 8 Textabbildungen. Über die Lochkerne der Iymphatischen Randschicht der Leber und des Mesenterium von Triton alpestris. Von Susanna Levy, approb. Ärztin, Berlin. Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Dahlem bei Berlin . 247 Hierzu 5 Textfiguren. Abteilung Ill. Über die Entwicklung der Doitersackgefässe des Selachier- eies. Von..J: Rückert,- München „N mir 2ER Hierzu Tafel IX und X und 1 Textfigur. Literarisch-kritische Rundschau; .... =. ae. Fee Die Herren Mitarbeiter des „Archiv für mikroskopische Anatomie“ erhalten 30 Sonderabdrücke umsonst. Weitere gewünschte Exemplare werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert. Manuskriptsendungen werden künftig entweder an Herrn Geheimrat Professor Dr. Oskar Hertwig in Berlin-Grunewald, Wangenheimstrasse 28, oder an die Verlagshandlung zur Weiterleitung an vorstehende Adresse erbeten. Soeben erschien: Wilhelm von Waldeyer-Hartz Lebenserinnerungen Zweite Auflage 430 Seiten mit Porträt und ausführlichem Namensregister. Preis geheftet M. 40.—, geb. M. 55.— Verlag Friedrich Cohen in Bonn. LE IL EL PER 7 es OSERSCHZERESO VREEREHEERSCTETR 0 Ernst Leitz, Wetzlar — (ptische Werke —= : Zweiggeschäfte: Berlin NW., Luisenstrasse 45 New York, 30 East 18th Street. Mikroskope, Mikrotome Projektionsapparate mit Leitz - Reilektor Mikrophotogr. Apparate Man verlange kostenfrei: Katalog N3 SEELEN IE ENTE Binokulares Mikroskop Druck von Aug. Weisbrod, Frankfurt a. M f ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung | [I fE | für Zeugungs- und Vererbungslehre = Re begründet von 4 MAX SCHULTZE # fortgeführt von O0. HERTWIG und W. v. WALDEYER-HARTZ herausgegeben von OSKAR HERTWIG in Berlin m... Fünfundneunzigster Band Viertes Heft Mit 1 Tafel und 34 Textfiguren er M VERLAG VON FRIEDRICH COHEN IN BONN Ausgegeben am 12. November 1921 INHALT. Abteilung l. Seite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Beitrag IV. Uber die Anlage und Entwicklung der Zähne. Von Martin W. Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institut der Universität Amsterdam 265 Hierzu 31 Textfiguren. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Zähnen und Gebiss der Reptilien. Beitrag V. Über die Beziehungen der Mundhöhlendrüsen zum Zahnsystem. Von Martin W. Woerdeman, ehemal. Assistenten am Anatomischen Institut der Universität Amsterdam 396 Hierzu 3 Textfiguren. Über die Umwandlung von Schleimgewebe in Fettgewebe in der Hirnhaut der Knochenifische. Von Prof. Dr. W. J. Schmidt in Bonn (Zool. Inst.) 414 Hierzu Tafel XV. Literarisch-kritische Rundschau . . . 2. 2. 202.2..433 Die Herren Mitarbeiter des „Archiv für mikroskopische Anatomie“ erhalten 30 Sonderabdrücke umsonst. Weitere gewünschte Exemplare werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert. Manuskriptsendungen werden künftig entweder an Herrn Geheimrat Professor Dr. Oskar Hertwig in Berlin-Grunewald, Wangenheimstrasse 28, oder an die Verlagshandlung zur Weiterleitung an vorstehende Adresse erbeten. eg») er Angebote älterer Bandreihen des Archiv für mikr. Anatomie LLLTTTITHLTTITTHTTTTTTTTTDTTTTTTTTTTTTTTTTTTUDTTTTTTTETETDDPTTTITTDTTEETUT TEE TUTT TU TTETTUTTETTIIETTTDUTTTTTITTTTTTTTTTIETTDTTITTETTTTTTTTTIT sind jederzeit erwünscht. Friedrich Gohen / Verlag / Bonn. — Optische Werke — : Zweiggeschäfte: Berlin NW., Luisenstrasse 45 New York, 30 East 18th Street. Mikroskope, Mikrotome Projektionsapparate mit Leitz - Reflektor Mikrophotogr. Apparate Man verlange kostenfrei: —— Katalog N3 En SE SIEDLER EIELES LEONE ILS WISE ES EN RENTE EEE TER N NSS ZELTE LERNEN RD CT WEDESELEH, EEE LE LET LEGT ERSTELLER ERSETZEN EEE I Druck von Aug. Weisbrod, Frankfurt a.M. FR a Y DEE NUER N H\ AR a " A; n OWEN N: W e nt, AT aaa, rartete Sr AT AL A YAEN Kal ı" e 7 ; eh Cy IL ar > ED Eur Eich > x IR % LEN en 2.» 7 en Me ws ew) I; ‘ EC) ACHTE HR Nett re ;* i “ PAR AN) Er De ar rer er ” ‚ . ud et “