ut N 4 Kr 2 u £ ne er s £ d . Wh er 3 u ; h + Pr 2 . ; 2 ge ” 6 or Ed re ... Fe ne 2 » Er .r* » ER re a Be, Kr > a.» £ “sr USE re ” » “ . # v 4 5 « x s ee re Eu 0 = MR A h ir “ + . & ir 7 A ; “ rer ie ar Int‘ + ® 2 € “ ER < » - 2,8 In » 4 54,0%, * #6 EUR « Ep; BIN Fi 25 SEUR,T « . es re ED « ws > “ .* a) 7% 32 % 6 Ge Pr Fi, s 725 # ar : £ Seh e he h N s #, * * a # I * + = * 5 * [ ven ee PAEYEN vorn de DER WAR SL N NN WB & Lieh @20 ARCHIV —*- FÜR MIKROSKOPISCHE ANATOMIE I. ABTEILUNG FÜR VERGLEICHENDE UND EXPERIMENTELLE HISTOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE II. &BTEILUNG FÜR ZEUGUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE BEGRÜNDET VON MAX SCHULTZE FORTGEFÜHRT VON 0. HERTWIG uno W. von WALDEYER-HARTZ HERAUSGEGEBEN VON 0OSKAR HERTWIG IN BERLIN SECHSUNDNEUNZIGSTER BAND MIT 79 TEXTABBILDUNGEN UND 22 TAFELN BERLIN VERLAG'VON JULIUS-SPRINGER 1922 sale Pa A Inhaltsverzeichnis. ERSTESCHEFT. Ausgegeben am 7. August 1922. Heris, Adolf. Studien an den Hautdrüsen der Land- und Sülwasser- gastropoden. Mit 2 Tafeln TRAIL + <. ©. Drahn, F. Ueber den histologischen Bau er Gleitsehne des Musc. biceps brachii beim Pferd. Mit I Tafel Slohr Berg, W. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. Das Verhalten des Fettes in der Leber von Salamandra maculata unter ver- schiedenen Bedingungen der Jahreszeit und der Ernährung. Mit 1 Tafel ee Voß, Hermann. Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente in den Spermien des Menschen. Mit 4 Textfiguren Gutherz, S. Das Heterochromosomen-Problem bei den Verkehr Mit 6 Textfiguren und 2 Tafeln ZN. EEIES UINDIDRITTESCHEFT Ausgegeben am 30. Oktober 1922. Schmidt, W. J. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. Mit I Tatel Tang, E. H. Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums beim Schwein und den anderen Wirbeltieren. Mit 3 Textfiguren . Rabl, Hans, Weitere Beiträge zur nen der Dee des Kiemendarmes beim Meerschweinchen. Mit 3 Tafeln und 23 Textfiguren . Rabl, Hans. Die andline er sminnleise San Nies alenenadnsen Mit 2 Tafeln 1 er Trojan, E. Sinnesorgane und Funktion des een an Mit I Tafel Krüger, Paul. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. Mit 12 Textfiguren und 3 Tafeln Kunze, Alfred. Das physiologische Vorkommen menshalnese: dere stellbarer Lipoide in Hoden und Prostata mit besonderer Berück- sichtigung der Haussäugetiere. Mit 19 Textfiguren VANEHRIT ESP RUEIE TE Ausgegeben am 12. Dezember 1922. Chlopin, Nikolaus. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. Mit 3 Tafeln ’ Maximow, Alexander. Untersuchungen über Blut Kiei Bindeeswene Mit 3 Tafeln ee ER A... l@ 4,2 © Keibel, Franz. Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus (Cynopterus marginatus). Mit Schema A—G und 12 Textfiguren Hirschler, Jan. Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraus- setzungen Autorenverzeichnis. 39 54 77 85 171 387 435 494 ” a Den ‘ an sr un a P i DIEHt [79 = Fe" TyR > ; y1% f . rn IR v R £ x ER Wu RE ‚ ' I « r ® nz Y 1 i f x f 4 a R e j y q A 13 G 4 r rn r N iE 7 r e b> - 7 pi i * ai © 4 B wi 4 en BEN 4 u Ä E f 4 % - Er ki x y D a u = L} Bw r i # u. . En) \ ‚ > s ja Ed TE T i 3 2 ‘ u » ” r “ = = fi I i —ı; 5 u ’ L = E44 j . ni 15878 i = 4 3 2 E g ö ä 5 3 =y | u, Da (ih ee Kr DEIBEITPRENKER? |. Du w at a Zapf‘ a eu Al Fr ah Pest Br; Kr E » Fe ap 2 rt;: une u m N ei j B j Ne Bir * ig LI CE Alend g + 2 irn u% Me b H N E }; . SE. rt ee B PR EER. a NE u TE. FERBLET a ir Ze Le El BEER EEE LE | [22 x iR .: Eee = et Ein. u SEIUT BE TER Tan HUB? SE ES y 218 "A 2a Me a De" Kap a S Allnirmasese rate u De Eee? Ola 2 et = E au, = u Ei a Ale me: we dire Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. Von Adolf Herfs. (Aus dem Zoologischen, vergleichend-anatomischen Institut in Bonn.) Mit 2 Tafeln. I. Geschichtliche Vorbemerkungen. Abgesehen von Swammerdam, der schon (1737) in seiner Bibel der Natur die Hauttuberkeln der Schnecken als ‚‚drüsgen‘ bezeichnet, be- ginnt eine eingehendere Erforschung des Drüseninteguments erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Man hielt zunächst die Hautdrüsen der Schnecken für mehrzellige Gebilde, etwa vergleichbar den Hautdrüsen der Amphibien (vgl. H. Meckel 1846, Th. v. Siebold 1848, Semper 1857, H. Simroth 1876, vgl. auch OÖ. v. Fürth 1903, S. 382). Erst 1866 erkannte Pietro Marchi die einzellige Natur der „Semperschen Schleimdrüsen‘“ (M. Schultze 1867), während Semper schon 1857 (vgl. dort S. 346) die „Farbdrüsen‘ als einzellige Gebilde beschrieb. Man unterschied meist Schleimdrüsen und Farbdrüsen, daneben im Mantelrand Kalkdrüsen (M e k- k el 1846). Mehr oder minder beruhten aber alle diese Resultate auf mehr zufälligen, kleineren Beobachtungen. Die erste eingehende Abhandlung über das Drüsenintegument der Schnecken schrieb Fr. Leydig (1876): „Die Basrediec kKerund Schalte der Gastropoden“..- Bis auf den heutigen Tag ist Leydigs Arbeit die einzige monographische Untersuchung über diesen Gegenstand geblieben. Leydig unterscheidet zwei Haupt- typen der Drüsen: 1. einzellige Schleimdrüsen, 2. mehrzel- lige Kalk- u. Farbdrüsen. Kalk- und Farbdrüsen bilden ein und die- selbe Drüsenart (vgl. Leydig 1876, S. 230 u. 232). Die Sohlendrüsen be- zeichnet Ley dig schon richtig als Schleimdrüsen. Leydigs Autorität hat die Folgezeit so beeinflußt, daß man selbst, als seine Ergebnisse naturgemäß durch bessere technische Hilfsmittel richtig gestellt werden konnten und sollten, noch immer Leydigs Ansichten ungeprüft übernahm (H. Simroth 1909), oder gar wie Plate (1898) im Widerstreit der eigenen Beobachtungen Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 1 2 AGO TELTesnns: mit den übernommenen Anschauungen Leydigs zu geradezu eigenartigen Verwirrungen kommen mußte (siehe unten S. 23). Da so trotz einer Reihe von Arbeiten, die hier zu nennen wären (Nalepa 1883, Vogt u. Yung 1888, Hoyer 1890, Jakobi 1895, Thiele 1897, Plate 1898, Burkhardt 1916 u. a. m.), kein wesentlicher Fortschritt in der Erkenntnis der Schneckenhautdrüsen gemacht worden ist, kann ich auf eine Besprechung dieser Arbeiten verzichten. Erst in den letzten Jahren kam man allmählich zu einer richtigeren Auffassung von der Natur der Schnecken- hautdrüsen (vgl. Beck 1912, Matthes 1914, Wille 1915). Wille ist nach meiner Meinung der einzige, der die Schneckendrüsen richtig auf- gefaßt hat. Da ihm dies aber nicht zum Bewußtsein gekommen ist — er weist nicht einmal auf die großen Gegensätze, die in seiner Auffassung zu der der früheren Autoren liegen, hin —, so blieb die Verwirrung bestehen und mir die Lösung dieses gordischen Knotens überlassen. II. Anatomische Untersuchung. Al@gemeinesüber Hautdrüsen. Ich unterscheide wenigstens für die Landpulmonaten drei Drüsentypen: 1. Kalkschleimdrüsen (= Schleimdrüsen Leydigs und Sempers u. a. Aut.) (Fig. 21). Sie sind dort am besten nach Zahl und Größe entwickelt, wo wie am Mantelrand, Schwanz und den unteren Seitenteilen des Vorderfußes reichlich Kalkschleim abge- schieden wird. Sie fehlen dagegen in der Sohle, deren Drüsen nie Kalkschleim absondern. Legt man z. B. eine in Formol fixierte Schnecke in Alkohol, so wird deutlich, daß der körnige, weißliche Kalkschleim, der gleich auf der Haut konserviert wird, am stärksten auf dem Mantelwulst, dem Schwanz und den untersten Seitenteilen des Vorderfußes sezerniert wird. Sohle und Kopfrücken sind fast ganz frei von Kalkschleim. Behandelt man den konservierten Schleim mit konzentrierter Schwefelsäure, so fallen zahlreiche Gipskriställ- chen aus. Ein weiterer Beleg für meine Auffassung der Schleim- drüsen Leydigs als Kalkschleimdrüsen bildet auch die Tatsache, daß bei Xerophila ericetorum Müll. der Mantelwulst, der hier das sehr kalkreiche Trockenhäutchen bildet, fast ganz von Kalk- schleimdrüsen durchsetzt ist, während hier die übrigen Drüsentypen, besonders die Schleimdrüsen völlig in den Hintergrund treten. In sekretreichen Drüsen kann man übrigens häufig Körnchen beob- achten. Meist sind aber die Drüsen durch Ausstoßen des Sekretes Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 3 beim Abtöten drüsenarm, und der Nachweis der Kalkkörnchen ist dann am fertigen Präparat weniger leicht. Gute Dienste würde zur weiteren Klärung hier sicher die Gefrierschnittmethode am frischen Material leisten. Typisch ist ihre Färbbarkeit mit Hämatoxylin/De- laf., Thionin, Toluidin (u. d. übrigen Schleimfärbungen). Im Gegen- satz zu den echten Schleimdrüsen zeichnen sie sich durch ihre Färb- barkeit mit Bismarckbraun aus. Zuerst mit Hämatoxylin/Del. in- tensiv gefärbt und nachher nur kurze Zeit in Bismarckbraun ge- bracht, verdrängt die Anilinfarbe das Hämatoxylin in den Kalk- schleimdrüsen völlig, und es tritt eine reine Braunfärbung auf. Die Kalkschleimgranula scheinen auch in Wasser viel leichter zu ver- quellen wie die der „echten Schleimdrüsen‘“. Endlich sind die Kalk- schleimdrüsen von den ebenfalls basophilen ‚‚echten Schleimdrüsen‘ durch ihre Form unterschieden. Die Kalkschleimdrüsen sind große bauchige Drüsen von meist sackartiger bzw. flaschenartiger Gestalt (Fig. 21). Der Ausführgang verjüngt sich zum Epithel hin erst ganz allmählich, setzt also nicht scharf vom Drüsenbauch ab, der stets den Kern enthält. BDiesserckhktse nn, :S ch kei m dir,üuss en (Eie.. 22 und” 23 und 14), früher häufig als Kalkdrüsen bezeichnet, wahrscheinlich deshalb, weil man wegen des großen Widerstandes der Schleim- granula gegen Verquellung sie meist als intensiv gefärbte Körnchen in den Drüsen liegen sieht. Und diese Granula hielt man für Kalk- körner. In der Sohle der Landpulmonaten (mit Ausnahme von Buliminus detritus Müll.) kommen nun fast ausschließ- lich ‚echte Schleimdrüsen‘‘ vor. Kalkschleim wird hier bestimmt nicht abgeschieden. Sonst kommen sie aber nur ganz verstreut auf der Körperhaut vor und zwar gerade an den Stellen, die mehr oder minder von der Schale oder sonstwie geschützt liegen. Sie färben sich wie die Kalkschleimdrüsen intensiv mit Mucinfärbungen, besonders auch mit Hämatoxylin/Delaf. Im Gegensatz zu den Kalkschleim- drüsen färben sie sich nie mit Bismarckbraun. Auch ihre Gestalt ist ziemlich abweichend von der der Kalkschleimdrüsen (Fig. 21). Sie sind meist kleine Drüsen, deren Ausführgang sich vielfach scharf von dem kolbigen Drüsenbauch, der den zentral gelegenen Kern enthält, absetzt. Die Drüsenbäuche liegen häufig sehr tief im Binde- gewebe. Sie münden dann durch einen meist überaus dünnen, langen Ausführgang, der erst bei stärkerer Vergrößerung deutlich sichtbar wird, durchs Epithel nach außen. Man könnte allerdings auf den * 4 Adolf+Herfts: Gedanken kommen, die „Schleimdrüsen‘“ für jüngere Stadien der Kalkschleimdrüsen anzusehen, zumal sie mit Ausnahme der Sohle nur sehr zerstreut vorkommen. Gegen diese Auffassung spricht aber, daß das Sekret der Schleimdrüsen in den meisten Fällen wegen der sehr intensiven Färbbarkeit mit Mucinfarben zweifellos reif ist, ferner, daß man auf gefärbten Präparaten im ausgestoßenen Sekret neben dem braunen Kalkschleim zugleich intensiv blau (mit Hä- matox./Delaf.) gefärbten ‚reinen Schleim‘ und obendrein noch mit Eosin rotgefärbtes Sekret der Farbdrüsen findet. Es ist somit un- möglich, die drei Drüsentypen als verschiedene Sekretionsstadien eines Drüsentypes (oder zweier Typen) aufzufassen. Dazu kommt, daß in der Sohle der Landschnecken (Pulmonaten) nur ‚Schleim- drüsen‘‘ vorkommen, nie Kalkschleimdrüsen oder Farbdrüsen (Aus- nahme: Arion emp. FEr.), was doch der Fall sein müßte, wenn sich etwa die Schleimdrüsen später in Kalkschleimdrüsen umwandel- ten. Auch färbt sich der Sohlenschleim stets rein mit Hämatoxylin- Delaf., nie mit Bismarckbraun oder Eosin. 3. ©Die, acidophilen (homogenen) „Farbderusen (zuerst von Gray 1838 erwähnt) Fig. 24. Sie färben'sich im Gegen- satz zu den beiden genannten basophilen Drüsentypen nur mit sauren Farben wie Eosin, Lichtgrün usw. Ihre Gestalt gleicht in etwa den Kalkschleimdrüsen. Der Ausführgang der ‚Farbdrüsen‘“ ver- jüngt sich auch hier ganz allmählich. Auch die Lage des Kerns ist ähnlich wie beim ersten Drüsentyp. In den meisten Fällen ist das reife Sekret homogen, ab und zu granuliert. Es zeigt aber nie nach der Verquellung eine wabige, schaumige Struktur, sondern ist dann stets homogen. In der Sohle des Landpulmonaten, mit Ausnahme von Arion empiricorum F£&r., fehlen acidophile Drüsen völlig. Sie kommen aber sonst und zwar gerade an ungeschützten, stark ausgesetzten Stellen wie Schwanzrücken, untere Seitenregion des Vorderfußes und dem Mantelwulst ziemlich zahlreich vor, be- sonders auch bei den Nacktschnecken. Die acidophilen Drüsen kann man auch ‚„Farbdrüsen‘ nennen, weil sie fast immer ein wenig- stens sehr schwach gefärbtes Sekret führen, bei einigen Formen wie Levantina mardinensis Kob. und besonders bei denArionen ein intensiv gefärbtes Sekret führen, dasbei Arion empiricorum Fe&r. sogar die Rotfärbung der Tiere zu be- dingen scheint. Bei Levantina ist das Sekret der Farbdrüsen grün. Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 5 Interessant ist, daß in den von der Schale bedeckten Teilen der Haut (besonders auf dem Mantelsack) die Drüsen völlig fehlen und zwar stets die acidophilen Drüsen, oder es kommen kleine verstreute basophile Drüsen (besonders ‚echte Schleimdrüsen‘‘) vor. Technik. a) Fixierungsflüssigkeiten: Für Kalkschleim- und echte Schleimdrüsen hat sich Formol 10% (24—48 Stunden) sehr gut bewährt. Es verhindert auch in etwa die Verquellung des Schleimes. Auch Sublimat- Eisessig 5% habe ich vortrefflich gefunden, besonders in einigen Fällen im heißen Zustande, bei Nacktschnecken (je nach der Größe 10—45 Minuten) und kleinen Wasserschnecken (10—15 Min.). Heißes Sublimat tötet sehr schnell ab, verhindert ein so starkes Zusammenziehen des Tieres und so starke Schleimabsonderung wie bei Formol. Ein ganz ausgezeichnetes Fi- xierungsmittel ist für gewisse Fälle auch das Sublimat-Osmiumgemisch nach Mislawsky (gesättigte Sublimatlösung in 0,75% Kochsalzlösung 200 ccm, Osmiumsäure 2% 8 ccm, Fixierungsdauer: 6—24 Stunden). Mislawsky- Gemisch gibt histologisch sehr gute Bilder und hebt die feinsten Zell- und Gewebestrukturen deutlich hervor, besonders Cuticularstrukturen bei Wasserschnecken. b)Färbungen: Alle Vergleichspräparate wurden mit Hämatoxylin- Delafield und Eosin gefärbt. Für gewisse Fälle benutzte ich Eisenhäma- toxylin nach Heidenhain, ferner die typischen Schleimfärbungen, Thionin, Toluidin. Endlich hatte ich mit der Dreifärbung: Hämatoxylin- Delaf.-Eosin-Bismarckbraun (Bismarckbraun als Nachfärbung) zur Unter- scheidung der drei Drüsentypen guten Erfolg. A. Prosobranchia Milne Edwards, Vorderkiemer. Paludina vivipara Drap. (Vivipara contecta Mill.). Ders oh le. In der Sohle kommen sehr zahlreich subepitheliale Drüsen vor, die sich mit Hämatoxylin/Delaf. meist sehr schön hellblau färben. Legt man darauf aber die Schnitte in Bismarckbraun, so wird der blaue Farbstoff ganz verdrängt, und die Drüsen färben sich intensiv hellbraun. Das eigenartige Verhalten dieser Drüsen den beiden Farb- stoffen gegenüber zeigt, daß man die Sohlendrüsen vonPaludina nicht ohne weiteres mit den Sohlendrüsen der übrigen Schnecken homologisieren kann, sondern daß sie eher den Kalkschleimdrüsen der Pulmonaten näher stehen. Die Sohlendrüsen liegen am zahl- reichsten im Vorderteil der Sohle. Im hinteren Abschnitt nehmen 6 A.dolterterf.s: sie an Zahl stark ab. Die Drüsen besitzen meist sehr lange und viel- fach äußerst fein auslaufende Ausführgänge. Interessant ist, daß die Sohlendrüsen meist in Gruppen zusammenliegen, und daß auch ihre Ausführgänge sich enge zu einem gemeinsamen Strange zu- sammenlegen (vgl. Amphipeplea, Fig. 20). Bei schwacher Vergrößerung kann das Bild den Anschein erwecken, als habe man es mit einer vielzelligen Drüse zu tun, die mit einem gemeinsamen Ausführgang ausmünde. Bei stärkerer Vergrößerung aber sieht man sehr deutlich, daß in Wirklichkeit jede Drüsenzelle ihren besonderen Ausführgang hat. Diese Drüsengruppen erinnern zweifellos sehr an die sog. „Paketdrüsen”, die.©. Bürger (1895) aus der Han: der Nemertinen beschrieben und abgebildet hat. Es ist deshalb vielleicht angebracht, die Drüsengruppen der Sohle von Palu- dina und.anderen Formen, wie Amphipeplea (Fig. 20) mit dem gleichen Namen zu belegen. K. W. Hoffmann (1912) meint von den Paketdrüsen der Nemertinen, daß es schwer halten werde, festzustellen, ‚inwieweit die Ausführgänge der einzelnen Drüsen terminal miteinander verschmolzen sind“. Ich konnte nun fest- stellen (Fig. 20, t), daß eine terminale Verschmelzung nicht statt- findet, daß vielmehr gerade terminal sich leicht ein Auseinander- weichen der Ausführgänge feststellen läßt. Auch auf dem dorsalen Teile des Fußvorderrandes, der unter dem Kopfe liegt, münden subepitheliale Drüsen aus von gleicher Natur und Beschaffenheit wie die Sohlendrüsen, die aber meist in- tensiv gefärbte Granula enthalten, während die stärker beanspruch- ten Sohlendrüsen entweder mehr oder minder entleert sind, oder verquollenes Sekret führen. Außer den subepithelialen Drüsen kommen in der Sohle noch epitheliale ‚„‚Kolben- oder Flaschendrüsen‘ vor. Diese pi cheliaten Drüsen; Subepitheliale Drüsen kommen außer der Sohle an keiner an- deren Stelle von Paludina vor. Auch Leydig (1850) beob- achtete subepitheliale Drüsen nur in der Sohle und sonst nirgendwo. An ihre Stelle treten dafür epitheliale Drüsenelemente und zwar „Becherzellen“ und Kolben- oder Flaschen drüsenm Die Becherzellen (Fig. 1 und 2) kommen nur an Stellen mit verhält- nismäßig niedrigem Epithel vor, z. B. im Seitenepithel. Kolben- und Flaschendrüsen finden sich dagegen nur in besonders hohem Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 7 Epithel. In mittelhohem-Epithel findet man verschiedene Ueber- gangsformen von Becherzellen zu Flaschendrüsen. Die Becherzellen haben eine ovale, bauchig eiförmige Gestalt. Es kommen zwei verschiedene Arten von Becherzellen vor: 1. solche, deren Inhalt sich mit Hämatoxylin/Delaf. ganz intensiv dunkelblau-schwarz und mit Bismarckbraun dunkelbraun färben. Ab und zu sieht man (Fig. 1) basal in der Zelle einen großen Kern liegen, der meist völlig (Fig. 2) oder häufig teilweise von dem dunkeln Sekret verdeckt wird. Diese dunkeln Becherdrüsen sind schon bei schwächster Vergrößerung äußerst auffällig. Sie kommen haupt- sächlich in der Seite, dem Verbindungsstück zwischen Fuß und Ein- geweidesack und dem dorsalen vorderen Fußrand vor, sowie auch im Kopfrücken. Neben dieser Art von Becherzellen kommen an den gleichen Stellen 2. solche vor, deren Inhalt aus locker liegenden Sekretschollen besteht, die sich mit Eosin nur blaß rosa färben. Sie kommen bei weitem nicht so zahlreich wie die basophilen Becher- zellen vor, liegen aber überall zwischen diesen zerstreut. An ein- zelnen Stellen (Fig. 2 drö) sieht man, wie sich die (acidophilen) rosa Becherzellen weit nach außen öffnen und ihre Sekretbrocken aus- stoßen. Die Klaschendrüsen- oder Kolbenzellen kom- men hauptsächlich in höheren Epithelien wie auf der Sohle vor (Fig. 3 und 4). Mit wachsender Epithelhöhe wird nun der bauchige Sekretraum nicht sehr vergrößert. Es bildet sich vielmehr an dem ampullenförmigen Sekretraum, der schon nicht mehr die ganze Epi- thelhöhe ausfüllt, ein basaler Fortsatz, so daß der bauchige Sekret- raum der Drüse lediglich in der distalen Epithelregion liegt, während der Fortsatz bis zur Epithelbasis reicht (Fig. 3). In diesem längeren Fortsatz liegt über dem Kern auch noch Sekret, so daß der Fortsatz auch noch teilweise als Sekretraum fungiert. Es kommt so ein Zell- gebilde zustande, das an eine umgekehrte Flasche erinnert. Der Flaschenbauch liegt im distalen Epithelteil, basal setzt sich der Fortsatz als Flaschenhals an. Der Kern sitzt unten an wie der Pfrop- fen auf dem Flaschenhals. Da der Kern so nicht von Sekret be- deckt wird, ist er an fast allen Flaschendrüsen zu sehen (vgl. auch Fig. 3). Ist nun das Epithel wie am Rüssel besonders hoch, so geht auch der sekretführende, flaschenhalsartige Fortsatz mit dem end- ständigen Kern nicht bis zur Basis des Epithels. Der Kern liegt viel- mehr etwa in halber Epithelhöhe. Basal von ihm setzt sich die Zelle 8 Adolf Herfs: in einen äußerst feinen fadenförmigen Fortsatz, der bis zur Basis des Epithels reicht, fort. Auch kann hier je nach der Höhe des Epi- thels der fadenförmige Fortsatz bald länger, bald kürzer sein (Fig. 4). Unter den Flaschendrüsen scheinen auch eosinophile Drüsen vorzu- kommen (Fig. 4 acdrz). Die verschiedenartigen Typen der epithelialen Drüsen zeigen sehr schön die Anpassungsfähigkeit der Drüsenelemente an verschie- dene Epithelhöhen. Im Rüssel scheinen in dem unteren, der Rüsselscheibe genäherten Teil die epithelialen Drüsen nicht so zahlreich vorzukommen wie in dem weiter kopfwärts gelegenen Rüsselstück und im Kopfstück selbst, wo epitheliale Drüsen sehr zahlreich auftreten. Frei von epithelialen Drüsen scheint die Tentakelspitze, das hohe Epithel der Rüsselrinne und die von der Schale bedeckte Mantel- epithelregion zu sein. Ganz vereinzelt kann allerdings auch in diesen Bezirken einmal eine Drüse vorkommen. Auch will ich kurz bemer- ken, daß im Kiemenepithel Becherzellen vorkommen. Cyclostoma elegans Drap. (Ericia elegans Müll.). Bei Cyclostoma kommen als einziger der von mir unter- suchten Landschnecken epitheliale Hautdrüsen vor. Man kann davon 3 Arten Becherzellen unterscheiden: 1. Am häufigsten sind solche, die eine wabige-netzartige Struktur ihres Inhaltes aufweisen. Basal liegt wieder der große, rundliche Kern. Der wabige Inhalt der Zelle ist meist hell und durchsichtig und färbt sich mit Hämatoxylin/Delaf. und Bismarckbraun nur sehr schwach, mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain dagegen hübsch hellgrau. Größe und Gestalt dieser Zellen ist ziemlich ver- schieden. Manchmal sind sie eiförmig oval, sehr häufig in hohem Epithel lang und schmal (Fig. 5). Sie passen sich wieder ganz den ver- schiedenen Epithelhöhen an, doch, wie man sieht, in einer ganz an- deren Weise wie die epithelialen Drüsen von Paludina (vgl. auch Fig. 5 mit 3 und 4). Kolbenzellen mit basalen Fortsätzen habe ich so bei Cyclostoma nie beobachtet. An einigen Stellen beob- achtete ich mit Eisenhämatoxylinfärbung in den hellen Waben schwarze Granula. 2. In weit geringerer Zahl wie diese wabigen Becherzellen kom- men Becherzellen mit eosinophilen Granulis vor. Meist sind die Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 9 Granula nur schwach eosinophil. Es scheint, als ob jedes Granulum in einer weiteren Wabe läge (Fig. 6, acdrz). 3. Dunkelblau-schwarz gefärbte Becherzellen (bei Hämatoxylin- Delaf.-Färbung) kommen nur vereinzelt, vor allem im Rücken vor. Inwieweit diese drei Drüsentypen als selbständige Drüsenformen zu gelten haben, oder inwieweit sie etwa als verschiedene Sekre- tionsphasen eines Drüsentypus aufzufassen sind, muß ich zunächst noch dahingestellt sein lassen. Ich konnte mir darüber noch nicht die gewünschte Klarheit verschaffen. Nun noch etwas über die Verteilung der epithelialen Drüsen über die Körperoberfläche. Wie häufig die Becherdrüsen an manchen Stellen vorkommen, zeigt Fig. 7 ein Epithelstück von der Ventral- seite des Kopfrüssels. Im Kopfrüssel kommen die epithelialen Drüsen überhaupt sehr zahlreich vor. Auch das Tentakelepithel ist reich an Becherzellen, d. h. die Seiten. Der Tentakelkopf aber ist drüsenarm, Simroth (1896—1907) hat sogar im Tentakelkopf die Drüsen ganz vermißt. In der Sohle kommen die Becherzellen nicht sehr zahlreich, aber auch nicht gerade selten vor. Uebrigens hat schon Clapare&de (1858) die Becherzellen in der Haut von Cyclo- stoma beobachtet. Kerne hat er aber nie in ihnen gefunden, PseardeWdnusen, Subepithelial kommt noch ein recht interessanter Zelltyp vor. Er erinnert zunächst an die subepithelialen Kalkschleimdrüsen der übrigen Schnecken (Fig. 8 und 9). Der Inhalt der Zellen besteht aus ‚einer mehr oder minder feinkörnigen Masse, die sich mit Hämatoxy- lin/Delaf. dunkelblau, mit Bismarckbraun dagegen nicht färbt. Die Zellen liegen meist ziemlich dicht unter dem Epithel. Sie kommen in allen Hautbezirken des Fußes wie auch des Mantels überall ziem- lich zahlreich vor. Ihr Kern liegt häufig basal in der Zelle. Zunächst hielt ich diese Zellen für gewöhnliche subepitheliale Kalkschleim- drüsen, wobei allerdings ihr färberisches Verhalten zu Bismarckbraun etwas befremden mußte. Man kann sie aber um so leichter mit sub- epithelialen Drüsen verwechseln: 1. wegen ihrer Lage dicht unter dem Epithel, 2. wegen ihrer zum Epithel hin langgestreckten, und vielfach recht zugespitzten Form, die häufig mit ihrem verjüngten Fortsatz an das Epithel stößt. 3. Häufig liegt, wie schon gesagt, auch der Kern basalwandständig in der Zelle. So erinnern sie (vgl. Fig. 9) in der Tat sehr stark an Kalkschleimdrüsen. Simroth scheint 10 Adolf erfs: sie auch begreiflicherweise für Kalkdrüsen zu halten (vgl. Simroth 1896— 1907. S. 257). Garnault (1887) erwähnt sie nicht. Er sagt nur, daß das Gewebe, besonders das der Mantelpartie, bei Cyclo- stoma sehr reich an Kalk sei. Auch bei Clapare&de (1858) findet sich nichts über diese „Pseudodrüsen‘“, wie ich die fraglichen Zellen zunächst nennen will. Was mich veranlaßt, diese Zellen nicht ohne weiteres als sub- epitheliale Drüsen zu betrachten, ist folgendes: 1. In keinem einzigen Falle konnte ich einen Ausführgang dieser Zellen durchs Epithel ver- folgen, obwohl ich sorgfältig danach gesucht habe. Diese Tatsache ist sehr befremdend, da man doch meistens die Ausführgänge der Drüsen mühelos durchs Epithel verfoigen kann (vgl. Fig. 11, 13, 14.217: 419320=12.): 2. Dazu kommt, daß die Lage des Kerns bei diesen Zellen sehr wechselt und das in einem Umfange, wie ich es sonst bei den Haut- drüsen nie beobachtet habe. Bald liegt der Kern wie bei den Drüsen basalwandständig, bald seitlich, in einer Reihe von Fällen sogar da, wo man den Ausführgang der Drüse erwarten sollte. Ich neige so zu der Ansicht, daß es sich hier wohl um keine subepithelialen Drü- sen, sondern um Zellen bindegewebiger Abkunft handelt. Ich halte es übrigens für wahrscheinlich, daß diese Zellen Kalk führen. B. Pulmonata Cuvier, Lungenschnecken. a) Basommatophora A. Schm., Süßwasserschnecken. Planer bisccorneus.L, Eimmaearsta en lasr Amphipepleaglutinosa Müll. Epitheliale Drüsen kommen bei den Süßwasserschnecken nicht vor. Becherzellenähnliche, mit Eosin sich intensiv rot färbende Zellen kommen vereinzelt im Epithel vor, besonders bei Limnaea (vgl. Abschnitt über blasenförmige Sekretion Fig. 10, 29, 30). Die subepithelialen Drüsen des Ruckens> dr Seite uon.d.des’Mantelsauieres, Es kommen bei den Süßwasserschnecken vor: 1. Kalkschleimdrüsen von bauchiger Form, die aber im Vergleich zu den gleichen Drüsen bei den Landschnecken klein und schmal sind. Sie sind auch wohl bei weitem nicht so zahlreich wie bei den Landpulmonaten. Bei Amphipeplea kommen Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 1] blau-granulierte Drüsen vor, die ich schon wegen der formalen Aehn- lichkeit zu den Kalkschleimdrüsen stellen möchte. Gerade an diesen Drüsen von Amphipeplea konnte ich einiges über die Sekre- tionsstadien beobachten. Zunächst haben wir eine Zelle mit filzig- faserigem Plasma, mit großem Kern und Nukleolus. Ein durce aus ähnliches Stadium haben wir auch bei den acidophilen Drüsen, nur ist im letzten Falle dann das Plasma rötlicher, während es bei den basophilen Drüsen einen bläulichen Ton hat. Die Sekretbildung beginnt stets in dem distalen Teil der Drüse, und hier ist die Sekret- bildung am weitesten fortgeschritten. Der Ausführgang ist meist von dunkelblau-schwarzen Granulis dicht angefüllt. Im basalen Teil liegen die Granula lockerer in einem faserigen Netzwerk. Im Drüsenbauch liegt ein netziges, teilweise vakuolisiertes Plasma von leicht bläulicher Färbung. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man in dem hellen Plasma ein Netz sich ausspannen, in dessen Maschen helle Granula, die noch wie das Plasmawerk gefärbt sind, liegen. Sie scheinen, wie Fig. 19 gr in etwa zeigt, in einer hellen Blase zu liegen und in den Knotenpunkten der sich kreuzenden Netzfasern aufgehängt zu sein. Bei der Reifung des Sekrets wird dann die Fär- bung intensiver, ebenso nimmt gleichzeitig die Größe der Granula zu. Fig 16, bdr scheint ein Erholungsstadium der blau-granulierten Drüsen zu sein, wie acdr in derselben Figur Erholungsstadien acido- philer Drüsen sind. Man sieht in den Zellen mit sonst wasserhellem Inhalt ein leichtes Netz- oder Maschenwerk sich ausspannen, das je nach der Drüsenart blau oder rot gefärbt ist. Aehnliches wird auch für die Erholungsstadien der Wirbeltierdrüsen beschrieben. De Beten sch-Leimd riesen Zscheinen bei AmpMi- peplea und auch bei Limnaea völlig zu fehlen. Sie kommen regelmäßig bei Planorbis corneus vor, wenn auch nur ver- streut zwischen den Kalkschleimdrüsen. Die Schleimdrüsen sind kleine äußerst schlanke Drüsen. Bei schwacher Vergrößerung neh- men sie sich wie abgeschnittene Ausführgänge von Drüsen aus. Bei starker Optik aber sieht man gut, daß es sich um sehr schlanke selbständige Drüsenzellen handelt. Der größte Teil der Drüse be- steht allerdings aus einem feinen, langen Ausführgang, der sich am basalen Ende nur wenig erweitert und dort den Kern enthält, der einen deutlichen Nukleolus besitzt (Fig. 11). Der Inhalt der Drüsen besteht aus meist unverquollenen Granulis, die sich mit Hämatoxy- lin/Delaf. oder Thionin intensiv blau färben, dagegen nicht mit 12 Adolf Herfs: Bismarckbraun. Der Drüsenausführgang erweitert sich vielfach stark ampullenförmig. Die Ampulle dient dann geradezu als Sekret- behälter. Mit einer sehr feinen Oeffnung, die Fig. 11 treffend zeigt, mündet die Ampulle nach außen. Andere Präparate zeigen, daß außer der Epithelanschwellung auch solche (I—3) im Bindegewebe vorkommen können. Wenn nun der Schnitt — was häufig vor- kommt — die Drüse so trifft, daß das Präparat nur die epitheliale Ampulle zeigt, so kann man durch solche Bilder leicht verleitet werden, die Epithelampullen für epitheliale Becherzellen zu halten, mit denen sie in der Tat die allergrößte Achnlichkeit haben. Fig. 12 gibt ein solches Bild wieder, das auch schön das Austreten des Sekretes zeigt. Natürlich fehlen diesen epithelialen Ampullen stets die Kerne. Häufig sieht man auf den Schnitten den epithelialen Ampullen basal noch einen Teil des subepithelialen Ausführganges ansitzen. 3. Die acidophilen Drüsen kommen hauptsächlich an den nicht von der Schale geschützten Stellen, besonders am unteren Seitenrand und am Mantelsaum vor. Zahlreich sind sie aber eigent- lich nirgends. Im Mantelsaum von Planorbis erreichen die acidophilen Drüsen sogar, wenn sie auch nicht zahlreicher als die Kalkschleimdrüsen sind, doch bedeutendere Größe. Auch für diese Drüsen konnte ich bei Amphipeplea einiges über die Sekre- tionsstadien feststellen. Zunächst sieht man im subepithelialen Ge- webe eine bauchige Zelle mit rötlich gefärbtem, filzigen plasmati- schen Inhalt mit großem Kern und großem Nukleolus. Zur Epider- mis hin verjüngt sich die Zelle zu einem Fortsatze von ebenfalls filzig-faserigem Plasma. In einem weiteren Stadium (Fig. 16) sieht man dann, daß sich ın dem Fortsatz direkt unter dem Epithel all- mählich eine Sekrethöhle bildet mit rötlich wässerigem Inhalt, der bei stärkster Optik eine feine schaumwabige Struktur zeigt. All- mählich wächst die Sekrethöhle und gleichzeitig tritt der Protoplas- mateil sehr zurück und umgibt das Sekret (dessen Struktur ich auf den Abbildungen jedesmal als netziges Fachwerk weit schärfer wie in Wirklichkeit hervorhebe) bald wie ein Becher (Fig. 17). Nur um den Kern liegt basal in der Zelle noch eine größere Plasmamasse, die aber auch immer mehr schwindet, bis das Plasma nur noch einen dünnen Wandbelag bildet (Fig. 18), der zum Schluß auch nur noch mit allerschärfster Optik eben nachzuweisen ist. Das Sekret ist in diesen Stadien fast farblos und nur leicht eosinisch gefärbt. Der Kern Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 13 liegt in der reifen Zelle basal wandständig. Manchmal sieht man Zel- len mit völlig wasserhellem Inhalt, der auch bei allerschärfster Ver- größerung keinerlei Struktur besitzt. Ob diese Drüsen zu den acido- philen oder basophilen Drüsen gehört, lasse ich dahingestellt. Die Endstadien beider Drüsengruppen scheinen nach der Sekretaus- scheidung nämlich sehr ähnlich zu sein. Nun muß ich noch einiges erwähnen, was für die einzelnen Ar- ten charakteristisch zu sein scheint. BeiPlanorbiscorneusL. finden sich noch kleine Drüsen mit gelber Eigenfarbe. Sie enthalten meist nur ganz wenige, aber stets auffällig große Granula. Ich habe Granula von 3,5 u Durch- messer beobachtet. Sie besitzen eine gelbe Eigenfarbe und nehmen weder baso- noch acidophile Farbstoffe auf. Höchstens haben einige einen leicht eosinischen Anilug. In fast allen diesen Drüsen liegt ein basaler Kern. Daß es sich um echte Drüsen handelt, geht aus Fig. 13 unzwei- deutig hervor, wo eine solche Drüse mit einem Ausführgang durch das Epithel ausmündet. Diese Drüsen kommen nicht bei jedem Exemplar eben häufig vor. Sie sind bald zahlreicher, bald seltener zu finden. Vielleicht scheiden die Zellen ein chonchiolinartiges Sekret ab. Ob aber diese Zellen den Drüsen entsprechen, die Buchner (1890) aus dem Mantelrand von Planorbis beschreibt, muß ich dahingestellt sein lassen. Er hat dazu die Drüsen zu wenig genau beschrieben, auch bringt er leider keine Abbildung. Vielleicht ent- sprechen die eigenfarbigen Drüsen aber den Zellen, die Vogt und Yung (1888) in Fig. 364 ihres Lehrbuches als ‚„‚birnförmige, gelbe Bläschen enthaltende Zellen‘ bezeichnen. Es handelt sich hier aller- dings nicht um Planorbis, sondern um Helix pomatia. Außer den Hautdrüsen kommen bei Limnaea im Binde- gewebe Zellen von ovaler manchmal einseitig etwas verjüngter Ge- stalt vor. Oberflächlich betrachtet, haben sie wieder viel Aehnlich- keit mit echten Drüsen, zumal sie dicht unter dem Epithel liegen. Gegen ihre Drüsennatur spricht, daß man nie einen Ausführgang beobachtet, und daß die größeren „Granula‘‘, die vielfach von un- regelmäßiger Gestalt sind, eine Schichtung besitzen, wie man sie bei den „Kalkkörpern‘‘ des Bindegewebes beobachten kann. Auch fär- ben sie sich wie die Kalkkörper des Bindegewebes mit Hämatoxylin- Del. blau, dagegen nicht mit Bismarckbraun. Manchmal ist der In- halt feinkörnig und die Zellen erinnern dann an die „Pseudodrüsen‘ 14 AO HaH einT se von Cyclostoma. Ob direkte Beziehungen dieser „Pseudo- drüsen“ von Limnaea mit den Kalkkörpern des Binde- gewebes, die in Fuß und Mantelrand allenthalben zahlreich vor- handen sind, bestehen, lasse ich dahingestellt. Die Sohlendrusen. Bei Planorbis und Amphipeplea kommen in der Sohle hauptsächlich granulierte ‚‚echte Schleimdrüsen‘‘ vor, die, wie ich auch schon bei Paludina erwähnte, zu „Paketdrüsen‘‘ zu- sammenliegen. Besonders deutlich lassen sich die ‚„Paketdrüsen“ bei Amphipeplea beobachten (Fig. 20). Hier sind die Drüsen- bäuche mit den zentral gelegenen Kernen zu einer dichten Gruppe vereinigt. Die Ausführgänge legen sich meist dicht zusammen, daß man die einzelnen Stränge selbst nicht bei allerschärfster Vergröße- rung voneinander unterscheiden kann. Sie trennen sich meist erst ganz unmittelbar unter dem Epithel, um gesondert auszumünden (Fig. 20 bei t, t,, t,). Die Ausführgänge sind von verschiedener Dicke. d.a.g. Fig. 20 zeigt einen überaus feinen und dünnen Ausführ- gang, der sich um den gemeinsamen Strang herumwindet. Man sieht, wie verschlungen häufig die Verflechtung sein kann. Manche Ausführgänge sind dagegen dick und mit größeren Granulationen erfüllt. Diese Erscheinung erklärt sich so, daß die Sekretgranula, die wir in den Zellen meist in feinkörniger Gestalt vorfinden, erst in den Ausführgängen völlig reifen und bei diesem Vorgang nicht unerheb- lich anschwellen. Dadurch werden natürlich die Ausführgänge stark ausgeweitet. Die Verteilung der Drüsen ist im allgemeinen so, daß in der Vordersohle die Drüsen am dichtesten liegen und nach hinten allmählich an Zahi abnehmen. BeiLımnacea scheinen die Sohlen- drüsen keine echten Schleimdrüsen zu sein. Sie färben sich wie beı Paludina (und Buliminus, siehe unten) nur schwach blau mit Hämatoxylin/Del. Bismarckbraun verdrängt bei Nachfärbung jedesmal leicht die blaue Färbung. Die Verteilung der Drüsen ist ganz wie bei Planorbis. Uebrigens scheinen auch bei Planorbis und Amphipeplea vereinzelte Kalkschleim- drüsen über die Sohle verstreut vorzukommen. Interessant ist, daß in der Sohle der Süßwasserpulmonaten regelmäßig, wenn auch nicht gerade zahlreich, acidophile Drüsen vorkommen, die zum Schwanz hin sogar (bei Limnmaea) an Zahl zuzunehmen scheinen. Bei Planorbis kommen auch die kleinen eigenfarbigen Drüsen ver- Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 15 streut in der Sohle vor. Bei Limnaea beobachtete ich sowohl in Sohle wie auch in der Seite noch Drüsen mit gelbem, eigenfarbigen, homo- genen oder gekörnten Sekret. Vielleicht handelt es sich um ähnliche Farbdrüsen, wie ich sie vor allem bei Arionempiricorum Fer. und Levantina kenne. b) Landpulmonaten. PeNapihıbische sehnecken: Suceinmeaputrisk.; De enDschneckeu: ZEulLota-Truc cum - (Mull,), Far acbiestor em ke Tachea, mremoralıse Es Bere ropimile Schweekenzeinhermische.Xero- Bla ertcetorum (Mülk). Bultminus (Zebrina) detritus Müll; ausländische Formen: Xerophila obvia var. dobrutschae vom Doiransee in Mazedonien, Le- vantina mardinensis Kob., Kalkfelsen bei Mardin, Kleinas. Epitheliale Drüsen wie bei den Prosobranchiern, oder ausge- prägte blasenförmige Sekretion kommen bei den pulmonaten Land- schnecken nicht vor (siehe Abschnitt über blasenförmige Sekretion). Dacsertraıtdeiisen. des. Rückens, der. Seite tund des Warte lwulstes. Bei allen diesen Formen kommen an den betreffenden Stellen die 3 Drüsentypen vor: l. Die Kalkschleimdrüsen mit meist verquollenem Schleim. Der Drüseninhalt hat infolgedessen ein schaumig-wabiges Aussehen (Fig. 21). (Näheres über Form, Vorkommen usw. im allge- meinen Abschnitt über Hautdrüsen.) Sie variieren an Größe sehr stark, bei Succinea z. B. kommen reife Stadien von 20—30 u Länge bis 288 u. Länge vor (115 u breit an der breitesten Stelle des Drüsenbauches). Besonders groß und gut entwickelt sind sie bei Succinea,noch stärker aber nach Zahl und Größe beı Eulota. Hier erreichen sie eine Länge von 960—1000 y. und eine Breite von 130—150 u. Eulota zeigt überhaupt von allen Gehäuseschnecken die stärkste Entwicklung der Kalkschleimdrüsen. Bei Arianta und Tachea erreichen die Drüsen bei weitem keine so starke Aus- bildung. Im Schwanzrücken reichen sie bei Arianta nur etwa bis 500 u. tief ins Bindegewebe. Uebrigens scheinen Arianta und Tacheain Verteilung, Zahl und Größe der Drüsen ziemlich über- 16 Adolf Herfs: einzustimmen. Auch die Gebirgsform Arianta arbu- storumvar.alpicolaFe&r., deren Schleim nach D. Geyer besonders zäh und klebrig sein soll, wies nach meinen Untersuchungen keine deutlichen Unterschiede im Verhalten der drei Hautdrüsen- typen von der Niederungsform auf. Bei den xerophilen Schnecken sind die Kalkschleimdrüsen meist groß (größer wie bei den Laub- schnecken), aber nicht gerade zahlreich. Bei Xerophilaeri- cetorumMüll,. reichen sie sogar bis 250—350 u tief ins Gewebe, wasim Vergleich zu der geringen Größe des Tieres einen sehr beträcht- lichen Wert darstellt. Relativ genommen gehen die Drüsen bei Xerophila ericetorum Müll. tiefer ins Gewebe hinein wie bei den übrigen Gehäuseschnecken (vielleicht mit Ausnahme von Eulota).: Schom bei. Buliminus detrit u saMaTEE nimmt die Entwicklung der Kalkschleimdrüsen nach Zahl und Größe (180—250 u, Länge) ab, was in noch stärkerem Grade bei den diekschaligen ausländischen Formen, Xerophilaobviavar. dobrutschaeundLevantina der Fall ist. Die Verteilung der Kalkschleimdrüsen ist bei den xerophilen wie bei den Laub- schnecken die gleiche. Besonders im Mantelwulst sind die Kalk- schleimdrüsen bei allen Gehäuseschnecken sehr zahlreich und groß. In stärkster Entwicklung finden wir sie aber bei den xerophilen Schnecken und bei Helix pomatia ausgebildet, wo ein sehr kalkhaltiges Trockenhäutchen oder ein harter Winterdeckel gebildet wird. Manchmal kann man gerade bei xerophilen Schnecken die „Spitzzweckchen‘, eigenartige, schleifsteinförmige Granula, die bereits Semper (1857) entdeckte, beobachten. Man hat sich viel und lange den Kopf über die Natur dieser Drüsengranula zer- brochen, ohne darüber recht ins Klare zu kommen (vgl. Künkel 1916, S. 6—8). Es handelt sich wie schon gesagt, lediglich um etwas eigenartig geformte Granula von basophilen Kalkschleimdrüsen. Semper hielt sie irrtümlich für Kerne der von ihm noch als viel- zellig betrachteten Kalkschleimdrüsen (= Sempers Schleimdrüsen) (vgl. auch schon Fig. 26). 2. Die „echten Schleimdrüsen“ sind beirStwert nea selten, zahlreicher schon bei Eulota, noch stärker ent- wickelt bei Ariantaund Tachea. BeiXerophila erice- torum Müll. scheinen sie aber wieder seltener zu sein, um bei Buliminus völlig zu fehlen. Beck (1912) führt unter den Haut- drüsen von Buliminus auch ‚„Schleimdrüsen“ an, die aber meinen Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 17 Kalkschleimdrüsen entsprechen und nicht das mindeste mit den echten Schleimdrüsen zu tun haben. Bei Xerophilaobvia var. dobruischae und bei Levantina, die überhaupt nicht sehr drüsenreich ist, kommen wieder die echten Schleimdrüsen vor. Charakteristisch scheint es nun für alle Typen zu sein, daß die Schleimdrüsen an geschützteren, besonders von der Schale zeitweise bedeckten Stellen wie auch im Kopfrücken stärker entwickelt sind, wo die Kalkschleimdrüsen mehr in den Hintergrund treten. = Diewacidoph Her Drüsen. oder Färbdrüsen sind bei Succinea schon recht zahlreich. Ebenso kommen bei Eulota die acidophilen Drüsen zur stärksten Entwicklung unter den Gehäuseschnecken, sicher unter den Laubschnecken. Auch bei Arianta und Tachea sind diese Drüsen noch sehr häufig, doch immerhin weniger zahlreich und weniger groß wie beiEulota. Bei Xerophila und bei Buliminus treten die acidophilen Drüsen (besonders im Schwanzrücken) zahlreich auf. Im Schwanz- rücken werden sie bei Buliminus wohl noch größer als die Kalkschleimdrüsen. Einige Messungen acidophiler Drüsen ergeben: 220, 400, 500, 550 u Länge, bei etwa 20 u Breite. Sie sind also länger, aber schlanker wie die Kalkschleimdrüsen. Xerophilaobvia v. dobr. und Levantina verhalten sich ähnlich wie Buli- minus. Wasnun die acidophile Drüse selbst angeht, so liegt in den Präparaten — wohl infolge der Konservierung — das meist homo- gene Sekret in dem mittleren Zellteil, die Randteile sind frei von Sekret. Die Konservierung (besonders Formol 10%) ruft also eine Schrumpfung des Sekrets hervor. Vgl. Fig. 24. Bei ımz ist die Drüse durch Muskelzüge eingeschnürt. Es scheint mir nicht unwahrschein- lich, daß diese Muskeln bei der Kontraktion die Drüse zusammen- pressen und ihre Entleerung bewirken. Aehnliche Einschnürungen be- obachtet man auch bei den großen Kalkschleimdrüsen von Eulota. Die Sohlendrüsen. Die Sohlendrüsen sind schlanke dunkelgranulierte (bei Häm./Del.-Färbung) Schleimdrüsen, vom Bau und färberischen Verhalten der ‚echten Schleimdrüsen‘‘. Sie liegen bei den meisten Landgehäuseschnecken sehr dicht und zwar am zahlreichsten stets in der Vordersohle; gegen den Schwanz hin nehmen sie an Zahl all- mählich ab. Meist sind diese echten Schleimdrüsen die einzigen _ Hautdrüsen der Sohle. Kalkschleimdrüsen und acidophile Drüsen Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 2 18 Adolf Herfs: fehlen fast gänzlich. Außer den intensiv blau gefärbten Drüsen kommen solche mit rötlich-violetten Granulis vor, deren Kerne meist besonders groß sind. Diese Zellen sind lediglich als jüngere Sekretionsstadien der Schleimdrüsen aufzufassen. Bei Succinea liegen die Sohlendrüsen ziemlich gleichmäßig über den Querschnitt verteilt, bei den übrigen Gehäuseschnecken sind sie meist seitlich etwas zahlreicher. Sie reichen bei Tachea an der tiefsten Stelle etwa 600 u ins Gewebe hinein, bei der kleineren Xerophila ericetorum 600—800 u, bei Xerophilaobviav.dobr. 550—600 u, bei Levantina nur 400—500 u, obwohl sie ganz be- deutend größer ist wie alle angeführten Gehäuseschnecken. Wenn nun auch bei Xerophila ericetorum die Sohlendrüsen nicht zahlreicher wie bei den übrigen Formen sind, so erstrecken sie sich doch bei Xerophila ericetorum relativ und absolut am tiefsten ins Bindegewebe. Eine Ausnahmestellung beanspruchen die Sohlen- drüsenvonBuliminus, die mir keine echten Schleimdrüsen zu sein scheinen. Sie färben sich nämlich mit Hämatoxylin/Delaf. nur hellblau, mit Bismarckbraun dagegen hellbraun. Sie zeigen eine netzartige, schaumige Struktur wie bei verquollenen Kalk- schleimdrüsen. Nach ihren Färbungsreaktionen stehen sie also den Kalkschleimdrüsen nahe. Jedenfalls darf man die Sohlendrüsen von Buliminus keineswegs mit denen der übrigen Landpulmo- naten gleichsetzen. Nach alledem scheinen bei Buliminus detritus die echten-Schleimdrüsen in der ganzen Haut, in Sohle, Rücken, Seite, Schwanz und Mantelwulst völlig zu fehlen. Acidophile Drüsen kommen auch bei Buliminus detritus in der Sohle nicht vor. c) Nacktschnecken. Agriolimax agrestis L, Limax (Heynemannia) maxi- mu.s-cinereoniger Wolf. Arion empiricorum Fe£r. Hautdrüsen des Rückens und der Seite. Epitheliale Drüsen kommen nicht vor. Von subepithelialen Hautdrüsen finden sich: 1) Die Kalkschleimdrüsen, welche wohl am stärksten bei Limax maximus entwickelt sind. Diese Drüsen liegen wie auch die acidophilen Drüsen im Rücken besonders dicht. Bei Li- Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 19 max maximus liegt in der oberen Hautregion bis zu einer Tiefe von 1—1,5 mm eine Drüse dicht neben der anderen, so daß man hier mit Recht den Ausdruck Drüsenhaut gebrauchen kann; denn der tieferliegende, drüsenlose Teil des Hautmuskelschlauches beträgt nur 600—800 u. (= 0,6—0,8 mm). Die Seiten sind bei weitem nicht so drüsenreich. Hier gehen die Drüsen nur 250—500 u. tief ins Gewebe hinein. Im Schild ist die Drüsenschicht bei Limax maximus scheinbar nicht so dicht und geschlossen. Sie reicht dorsal etwa bis 550 u, im lateralen Teil nur 250—300 u. tief ins Gewebe hinein. Bei Agriolimax aber zeigt ein Schnitt durch den Mantelschild eigent- lich doch das drüsenreichste Bild, das mir bisher bei einer Schnecke vor Augen gekommen ist. Hier ist nämlich der Schild in seiner ganzen Dicke nur eine einzige geschlossene, mächtige Drüsenschicht (Fig. 33). Allerdings besteht diese nicht nur aus basophilen, sondern mit diesen untermischt auch aus acidophilen Drüsen. Wie die Hautdrüsen bei den Gehäuseschnecken in den Hauttuberkeln am zahlreichsten lie- gen, so sind sie bei den Nacktschnecken in den Hautkämmen, die besonders stark bei Arion ausgeprägt sind, am besten entwickelt, bei Limaxmaximus vor allem im Rückenkiel des Schwanzes. Was übrigens sonst die Verteilung der Drüsen und vorzüglich der Kalkschleimdrüsen bei den übrigen Nacktschnecken angeht, stimmt sie ziemlich mit Limax maximus überein. Auch Arion ist reich an Kalkschleimdrüsen, wenn auch nicht in dem Maße wie L i- max maximus. Eigenartigerweise liegen bei Arion tiefer im Bindegewebe zahlreiche große Hohlräume, die man vielleicht auf Drüsen, die bei dem gewaltsamen Auspressen des Schleimes beim Abtöten Zerreißungen erlitten haben, zurückführen kann. Nun liegen die Hohlräume stets in den tieferen Gewebeschichten und zeigen in keinem Falle eine Verbindung mit der Außenwelt, ein Umstand,- der nach meinem Urteil in etwa gegen die Drüsen- natur der Gewebelücken spricht. Jedenfalls ist hier eine genaue Un- tersuchung am Frischschnitt erforderlich. Auf einer Reihe von Prä- paraten besteht das Sekret der Kalkschleimdrüsen bei Arion aus den berühmten „Spitzzweckchen‘. Sie können sich mit Hämatoxylin/Delaf. so intensiv färben, daß sie völlig schwarz er- scheinen (Fig. 26). Die Spitzzweckchen scheinen manchmal sehr widerstandsfähig gegen Verquellung zu sein, und können sogar als Spitzzweckchen mit dem Schleim entleert werden, wie man leicht am frischen Schleim von Helix pomatia beobachten kann. 20 Adolf Herfs: Die Drüsen mit den Spitzzweckchen scheinen lediglich ein Stadium der Kalkschleimdrüsen zu sein (vgl. Fr. Le ydig 1876, S. 223 u. 224, ferner diese Arbeit unten 2. „fädige Drüsen‘). Auch bei Agriolimax kommen Kalkschleimdrüsen zahl- reich vor. Nun kommen bei den Nacktschnecken neben den gewöhnlichen Kalkschleimdrüsen 2, fädige Drüsen‘ vor, die in ihrem färberischen Ver- halten wie in der Form den Kalkschleimdrüsen gleich sind. Aller- dings scheinen sie meist kleiner zu sein als jene. Ihr Sekret ist immer fädig ausgezogen (Fig. 25). Manchmal hat man den Eindruck, als ob die Spitzzweckchen fädig verquellen würden, was mir beson- ders auch bei Xerophila ericetorum auffiel. Vielleicht sind die ‚„fädigen Drüsen“ nur ein Stadium der Kalkschleimdrüsen, wo das Sekret ohne Ausnahme von viel Wasser in zähem Zustande verquillt und die Granula sich dabei fädig ausziehen. Jedenfalls stehen die ‚‚tädigen Drüsen“, die bei allen drei Nacktschnecken meist zwischen den Kalkschleimdrüsen verstreut vorkommen, diesen nahe. Bei Arion konnte ich allerdings die fädigen Drüsen fast nur im Atemlochkanal und auf der Unterseite des Schildes beob- achten. Ich will darauf hinweisen, daß Leydig (1876, S. 225 und 226) Drüsen mit Byssusfäden-ähnlichem Inhalt erwähnt. Es handelt sich hier wohl, da Leydig sie zu seinen Schleimdrüsen (= meinen Kalkschleimdrüsen) stellt, um dieselbe Drüsenart wie meine „fädigen Drüsen‘. 3. Die Schleimdrüsen, die bei den Nacktschnecken äußerst gering entwickelt sind. Färbt man ein Präparat mit Häma- toxylin/Del.-Bismarckbraun, so färben sich stets nur ganze ver- einzelte Drüsen blau, die man als ‚‚echte Schleimdrüsen‘‘ wohl be- trachten kann. Am leichtesten und häufigsten lassen sie sich nur in dem sehr drüsenarmen Kopfrücken, der unter den Schild zurück- gezogen werden kann, und ferner auf der Schildunterseite, beides Stellen, die mehr oder minder vor Verdunstung geschützt sind, be- obachten, endlich auch im Atemkanal selbst. Uebrigens ist der Atem- lochwulst, wo der Atemkanal nach außen mündet, eine besonders drüsenreiche Stelle, wo allerdings meist acidophile und Kalkschleim- drüsen ausmünden. 4, Die acidophilen oder Farbdrüsen. Sie sind im Gegensatz zu den gering entwickelten „Schleimdrüsen‘“ bei allen Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 21 Nacktschnecken, besonders bei Arion und Agriolimax sehr stark entwickelt. Doch auch bei Limax maximus sind sie gut vertreten, wenn auch nicht so stark wie die Kalkschleimdrüsen. Immer beherrschen auf einem Schnittpräparat diese beiden Drüsen- arten das Bild vollständig (Fig. 33). Fig. 27 stellt ein junges Anfangs- stadium der Sekretion vor. Das Plasma ist noch faserig, filzig von rötlich-violetter Färbung. Dabei ist der Zellkern ungeheuer groß mit mächtigem Nukleolus. Granula sind in diesem Stadium noch nicht gebildet. Ob er ein Saftraum ist, der der jungen Drüse Nah- rung zuführt, oder ob er als eine Schrumpfungserscheinung anzu- sehen ist, lasse ich einstweilen dahingestellt. Uebrigens scheint im wesentlichen Bildung und Reifung des Sekrets mit den bei Amphipeplea geschilderten Vorgängen übereinzustimmen. — Besonders interessant ist die Betrachtung der acidophilen Drüsen bei Arion empiricorum Fö&r,, die man hier wie auch bei Levantina mit ihrem grünen Farbschleim mit vollem Recht als Farbdrüsen bezeichnen kann. In den Dauer- präparaten färben sich die Drüsen mit Eosin meist intensiv rot. Das Sekret ist entweder homogen oder feingekörnt. Nur ab und zu findet man in diesen Präparaten Drüsen, die noch einen Sekretrest von etwas ausgebleichter gelber Farbe enthalten. Die orangerote Farbe des frischen Sekrets wird, wenn das Tier längere Zeit in Alkohol liegt, ausgezogen. Ferner verlieren die Schnecken infolge des starken Reizes bei der Abtötung sehr viel Sekret, so daß die Drüsen vielfach gar kein oder doch nur sehr wenig Sekret enthalten. So erhält man auf Dauerpräparaten eigentlich gar kein zutreffendes Bild von den Farbdrüsen. Erst Frischschnitte geben eine bessere Vorstellung von den Verhältnissen. Man sieht dann, wie die ganze Rückenhaut dicht mit Farbdrüsen, die mit orangegelbem Sekret gefüllt sind, besetzt ist. Am Frischschnitt lernt man erst verstehen, daß die Rotfärbung der Schnecken hauptsächlich durch die zahlreichen Farbdrüsen und nicht durch Epithelfärbung hervorgerufen wird, wie Künkel glaubt (vgl. Künkel 1916, S. 5). Die Sohlendrüsen. Die Sohlendrüsen der Nacktschnecken sind wie bei den gehäusetragenden Landpulmonaten ‚echte Schleimdrüsen‘“. Sie liegen auch hier wieder in der Vordersohle am zahlreichsten, um gegen das Hinterende an Zahl abzunehmen. Auch scheinen die Drü- 2 Adolf SH eirf s: sen in den Seitenfeldern stärker wie auf der Mittelsohle entwickelt zu sein. Für das lokomotorische Mittelfeld liefert wohl die über ihm liegende Fußdrüse den Hauptschleim. Simroth (1879) behaup- tet sogar, daß im Mittelfeld der Sohle von Limaxmaximus die Drüsen fehlen. Dies trifft nach meinen Beobachtungen aller- dings nicht zu, wenn auch die Drüsen hier weit seltener als auf den Seitenfeldern sind. Bei Agriolimax reichen die Sohlendrüsen etwa 350—500 u, bei Limax maxim u s 600—900 u, bei Arion empiricorum nur 260—500 u tief ins Bindegewebe hinein. Die schnell kriechenden Limaces haben also eine viel stärkere Ent- wicklung der Sohlendrüsenschicht — wie bei Lim. max. überhaupt die Haut drüsenreicher ist wie bei Arion emp. — als die trä- geren Arionen aufzuweisen. Uebrigens fehlen bei Agriolimax und Limax maximus acidophile und Kalkschleimdrüsen in der Sohle völlig, nicht so bei Arion emp., wo auf der Sohle und zwar hauptsächlich auf den Seitenfeldern acidophile Drüsen, wenn nicht gerade sehr zahlreich, so doch sehr regelmäßig auf- treten. Dabei herrschen aber in der Häufigkeit des Vorkommens ziemlich erhebliche, individuelle Schwankungen. Man kann dies schon am lebenden Tier beobachten. Ueber die Seitenfelder ver- teilt sieht man zahlreiche rote Punkte, die von Farbdrüsen her- rühren. Jeder rote Punkt stellt nämlich eine Farbdrüse dar. Häufig sind nun bei besonders rotgefärbten Tieren auch die Seitenfelder der Sohle stark rot gefärbt. Auch auf der Sohlenleiste münden zahlreiche acidophile Farbdrüsen aus. Vereinzelt kommen auf der Sohle von Arion auch Kalkschleimdrüsen vor. Raublungenschnecken, Testacellidae. Daudebardia rufa Drap. Epitheliale Drüsen konnte ich nicht beobachten. Dagegen kom- men wieder alle drei subepitheliale Drüsen vor. . 1. Die Kalkschleimdrüsen, 2...(eosinopkileyr areı. dophile Drüsen. Auf der Körperhaut münden nur wenig Drüsen aus. Beide Drüsentypen sind bei Daudebardia nicht häufig. Daudebardia ist eine drüsenarme Schnecke. Am drüsenreichsten ist wohl noch die Rückenhaut. 3. Die echten Schleimdrüsen kommen nur in der Sohle vor. Sie scheinen übrigens die einzigen Drüsen der Sohle zu sein. Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 23 Im Bindegewebe liegen dann noch häufig Zellen mit großem Kern und fädigem Netzwerk. Es handelt sich vielleicht um Ent- wicklungsstadien der Kalkschleimdrüsen. Daneben kommen ferner noch Zellen vor mit großem, basal im sichelförmigen, wandständigen Protoplasma gelegenem Kern. Das Lumen dieser Zellen ist mit einer homogenen, eosinischen, sekretartigen Masse angefüllt. Ausführ- gänge zum Epithel konnte ich in keinem Falle beobachten. Auch Plate beschreibt sie und zwar als sekretführende Bindegewebs- zellen (Näheres: Plate 1891, S. 529, S. 190 ff.). Ob Plates Deu- tung zutrifft, oder ob diese Zellen nicht doch Beziehung zu den aci- dophilen Drüsen hat, lasse ich zunächst dahingestellt. Es kommen also — um dies noch einmal mit Nachdruck zu betonen — bei Daudebardia rufa Drap. dieselben Drüsen- arten vor wie bei den übrigen Schnecken. Nach Plates Darstellung und Abbildung könnte man aber glauben, es handle sich um völlig andere Zellgebilde. Sokommen nach PlatebeiDaudebardia keine Pigment- und Kalkdrüsen vor. Dagegen sollen zwei Arten von Schleimdrüsen vorkommen: 1. mit Hämatoxylin/Delaf. sich färbende Drüsen. Sie sollen seltener als die Drüsen des zweiten Typus sein. Die ‚„Schleimdrüsen Plates‘ entsprechen wohl den beiden basophilen Drüsenarten, den Kalkschleimdrüsen und den Sohlendrüsen (= echte Schleimdrüsen). 2. mit Hämatoxylin/Delaf. sich nicht färbende Drüsen. Ihr Sekret ist homogen von grauer oder hellgelblicher Färbung. Diese Drüsen entsprechen nun den acidophilen Drüsen, und da ihr Sekret also doch gefärbt ist, d. h. Eigenfarbe besitzt, so kann man sie auch mit Recht als Farb- (Pigment-)Drüsen bezeichnen, zumal da Plate selbst in einigen Fällen (wo die betreffenden Drüsen zufällig wohl ihr Sekret noch in dichterer Masse enthielten) ‚einzellige, unver- zweigte Pigmentzellen‘“ beschreibt (Plate 1891, S. 527). Blasenförmige Sekretion auf der Haut der Schnecken. Soweit ich aus der Literatur ersehen kann, gelang es mir zum ersten Male sog. blasenförmige Sekretion auf der Haut der Süß- wasserpulmonaten als eine allgemeine Erscheinung nachzuweisen. Bei der „blasenförmigen Sekretion‘ wölbt sich der freie distale Teil einer Epithelzelle über die gewöhnliche Epithelhöhe vielfach kugel- oder blasenartig vor. Dieser vorgewölbte Teil wird dann meist als kugelförmige Blase abgeschnürt, die alsdann platzt und Ihren 4 A,do lt .Hents: Inhalt als Sekret ergießt. Entweder sitzt die Sekretblase auf einem dünnen Stielchen oder sitzt unmittelbar der Zelle auf. In manchen Fällen tritt nur eine Vorwölbung der Epithelzelle auf, die sich dann aber nicht abschnürt. Die Zelle öffnet sich vielmehr distal und entläßt ihren Inhalt wie eine gewöhnliche Drüsenzelle, Die ersten Hinweise auf die blasenförmige Sekretion überhaupt finden sich meines Wissens bei H. Hey nold (1874). Er beobach- tete, wie sich an den distalen Zellenden der Schweißdrüsen des äußeren Gehörganges homogene Tropfen abschnürten. Er hielt sie jedoch für Quellungserscheinungen. L. Ranvier (1888, doch schon früher in der französischen Ausgabe: Traite technique d’Histo- logie, Paris 1875 erwähnt) sah gleichfalls solche homogene Gebilde, die ihm Schleim- bzw. Colloidtropfen zu sein schienen. R. Heiden- _ hain beschrieb sie (1883) zuerst aus der tätigen Milchdrüse. F. Henschen (1904) führte dann für diese Art der Sekretion die Be- zeichnung ‚‚blasenförmige Sekretion‘ ein. Auf die sehr ausgedehnte Literatur, besonders was Wirbeltiere betrifft, kann ich nicht näher eingehen (siehe Literaturverzeichnis die mit bl. S. bezeichneten Arbeiten). Hier.nenne ich nur zwei zu- sammenfassende Arbeiten von F. Henschen (1904) und A. N. Mislawsky (1909. Henschen gibt eine kurze Uebersicht bis 1904, die sowohl Wirbeltiere wie Wirbellose behandelt. Mis- lawsky berücksichtigt nur die bei Wirbeltieren beobachteten Fälle, bietet aber eine genauere Uebersicht und ziemlich eingehende Literaturangabe. In den meisten Fällen, wo blasenförmige Sekretion festgestellt wurde, handelt es sich um entodermale Organe z. B. den Darm. In allen Fällen aber, wo sie aus ektodermalen Organen bekannt wurde, handelt es sich stets um verwickeltere Organe von Wirbeltieren wie z. B. die Achselhöhlendrüse der Primaten (Aug. Brinkmann 1909) oder die Seitendrüse von Sorex (K. H. Stamm 1914). Bei Wirbellosen scheint bisher blasenförmige Sekretion auf der Haut kaum bekannt zu sein. Siebert (1913) hat am Epithel der Außen- seite der Mundlappen von Anodonta cellensis typische blasenförmige Sekretion beobachtet. Sehr wichtig ist, daß W. Siebert das Auftreten der Sekretbläschen an noch lebendem Material beobachten konnte. Damit ist bewiesen, daß die Erschei- nungen der blasenförmigen Sekretion durchaus normaler Natur und nicht Kunstprodukte infolge der Fixierungsmittel sind. Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 25 Bei den basommatophoren Wasserschnecken gelang es mir zum ersten Male, blasenförmige Sekretion auf der Körperhaut als eine weitverbreitete Erscheinung nachzuweisen. Dabei konnte ich sogar verschiedene Arten dieser Sekretion beobachten. Zunächst ist für Epithelien, an denen man blasenförmige Se- kretion beobachtet, typisch, daß das Epithel (besonders gut bei Formolfixierung zu beobachten) distal meist nicht glatt abschließt, sondern einen durchaus zackigen, unregelmäßigen Verlauf hat, indem die distalen Zellenden sich stets mehr oder minder vorwölben. So macht das Epithel durchaus den Eindruck wie die Zinnen einer mittelalterlichen Burg. Darum nenne ich ein so beschaffenes Epithel kurz zinnenförmiges Epithel (Fig. 15). Besonders gut ist das zinnen- förmige Epithel bei Wasserschnecken (Pulmonaten), vor allem auf der Tentakelunterseite von Limnaea ausgeprägt. Die Cuticula wird in diesen Fällen einfach mit vorgewölbt. Die Kerne der Zellen sind länglich oval meist basal etwas zugespitzt und sehr groß. In- folge ihres Chromatinreichtums färben sie sich intensiv mit Kern- farbstoffen. Die Kerne liegen meist im basalen Teil der Zelle. In den Achselhöhlendrüsen der Primaten (Mensch, Gorilla, Schimpanse), wie Aug. Brinkmann (1909, S. 518) für den Schimpansen abbildet, kommt typisch zinnenförmiges Epithel vor, Dabei sind die Bilder denen, wie ich sie bei den Schnecken fand, durchaus ähnlich. Nur fehlt, wie Brinkmanns Abbildung zeigt, bei den Primaten die Cuticula, die bei den Schnecken ziemlich gut ent- wickelt ist. Ich halte das zinnenförmige Epithel für ein Anfangsstadium der blasenförmigen Sekretion. Nun ist interessant, daß man an reifen Zellen mit fertig ausgebildeten Bläschen (Fig. 40) keine Cuticula mehr beobachtet. Sie scheint auf irgendeine Art zu schwinden. Entweder wird sie abgestoßen oder sie zerfällt. Genaueres konnte ich über ihr Schwinden noch nicht feststellen. — Aehnliche Beob- achtungen machte auch C. Rengel (1897) für den Darm der Tenebriolarve. Ich führe die betreffenden Stellen im Wortlaut an (S. 20): „Wir finden sehr oft das gesamte Epithel an der Innenseite mit einer homogenen Schicht überzogen. Häufig tritt an die Stelle dieser Schicht ein ganz deutlicher Härchenraum‘“. ... . „Schließlich kann aber auch das Epithel auf der freien, dem Darmlumen zu- gewandten Oberfläche völlig nackt sein.“ — Wie Rengel angibt, kommt nach Adlerz ‚die homogene Schicht den ruhenden Zellen 26 A:d0 SEE sts: zu, bedeutet der Stäbchensaum die beginnende sekretorische Wirk- samkeit des Epithels und erscheinen die Zellen während der Sekre- tion selbst nackt.‘“ — Bei der Haut der Wasserschnecken scheint nun die Stäbchencuticula schon bei der ruhenden, Zelle entwickelt zu sein, bei der tätigen Zelle aber zu schwinden (Fig. 10). Daß man bei den Wasserschnecken in gewissen Fällen eine dicke, homogene Cuticula beobachtet, scheint mir mehr die Folge der Formolfixierung zu sein; bei Sublimat-Osmiumsäure fand ich stets eine Stäbchencuticula. Fig. 10 gibt das Bild einer Epithelstelle, die in voller Sekretions- tätigkeit begriffen ist. Bei I bl liegen Zellen, wo am distalen, freien Zellende eine leichte Ausstülpung beginnt. Bei 2bl ist diese schon erheblich fortgeschritten, dabei ist eine ganz leichte Einschnürung dieser Ausstülpung bereits bemerkbar. Die Einschnürung wird immer stärker und der ausgestülpte Teil der Zellen nimmt dabei Kugel- oder Blasenform an. Der direkt an der Einschnürungsstelle unten an die Blase ansetzende Zellteil verjüngt sich zu einem dünnen Stielchen, auf dem die Blase auf der Zelle aufsitzt (3 bl). So entsteht das Bild des „fruktifizierenden Köpfchenschimmels“ (H. Pabst 1914). Endlich reißt der Stiel an irgendeiner Stelle ab (Fig. 10 a bl), wobei also die Stelle, ob oben oder unten am Stiel ziemlich gleichgültig zu sein scheint. Manchmal sieht man auch auf den Epithelzellen noch die Reste von abgerissenen Stielchen (rst), die dem Epithel ein fransiges Aussehen geben. Todaro (vgl. R. Burian 1916) bildet dies auch für das Epithel des Verdauungsapparates der Sal- pen ab. Bei dieser „köpfchenförmigen Sekretion‘, wie ich diese Art der blasenförmigen Sekretion kurz nennen will, färbt sich der Inhalt des Köpfchens sowie der Stiel schwach mit Eosin genau wie das Zell- plasma, vielleicht noch etwas heller. In anderen Fällen, z. B. im Hymenopterendarm färbt sich der Inhalt der Bläschen ziemlich stark mit Hämatoxylin/Delaf., ist also im Gegensatz zu dem schwach acidophilen Sekret der Schneckenhaut typisch basophil. Bei Formol- konservierung ist der Inhalt der Köpfchen stets homogen, bei Subli- mat/Osmiumsäure zeigen sie vielfach körnigen Inhalt, wie Folke- Henschen (1904) schon für den Verdauungsapparat der Mollus- ken angibt (nach Einwirkung von Sublimatgemischen). Uebrigens zeigen auch die Blasen im Hymenopterendarm nach Einwirkung von Carnoys Gemisch mehr oder minder starke Körnelung. Dasselbe Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 27 beobachtete Deegener im Darm der Deilephilaraupe. Manchmal tragen die Köpfchen auch eine dunkler gefärbte Kappe (Fig. 10 ka). Solche Kappen beobachtete auch Deegener (1909) im Raupendarm von Deilephila, doch glaube ich, daß man Deegeners Erklärung für die Kappenbildung nicht anzunehmen braucht. Er betrachtet sie als eine Art von Doppel- oder Zwillings- blasen (1909, S. 84). Vielleicht ist es einfacher, diese Kappe als ab- gehobene distale Zellbegrenzung aufzufassen. Die köpfchenförmige Sekretion kommt vor allem bei Planor- bis und Limnaea auf der ganzen Oberseite des Fußes und am Mantelwulste sehr häufig und in stärkster Entwicklung vor. Auf der Fußsohle scheint sie dagegen zu fehlen. Ferner habe ich köpfchen- förmige Sekretion ganz einwandfrei bei Succinea beobachten können. Doch kommt sie im Vergleich zuPlanorbisund Lim- naea dort nur in geringer Entwicklung vor. Endlich Konnte ich auf dem Rücken- und Seitenepithel vonArion empiricorum F&r. sicher köpfchenförmige Sekretion beobachten. Doch sind hier die Köpfchen mit ihren Stielchen nicht nur ziemlich selten, sondern auch kleiner wie bei den Wasserschnecken. Uebrigens konnte ich bei Arion sogar auf den Seitenfeldern der Sohle blasenförmige Sekretion beobachten. Bei den übrigen Landschnecken konnte ich bisher keine blasenförmige Sekretion bemerken. Wohl fand ich z. B. bei Xerophila ein unregelmäßiges, zinnenförmiges Epithel, was vielleicht auf das Vorkommen von blasenförmiger Sekretion schlie- Ben läßt. Doch muß hier noch eine genauere Untersuchung weitere Klarheit schaffen. Die Köpfchen, selbst bei Planorbis und Limnaea, sind weit kleiner wie die großen Blasen im Insektendarm (bzw. auch Mol- luskendarm). Wenn man bedenkt, daß sämtliche Figuren über blasenförmige Sekretion mit stärkster (Fig. 10, 28) Vergrößerung gezeichnet sind, wird man verstehen, daß diese Gebilde bei schwa- cher Vergrößerung leicht übersehen werden können. Eine etwas andere Art „‚blasenförmiger Sekretion“ fand ich dann bei Succinea, wo übrigens ja auch köpfchenförmige Sekretion vorkommt. Man sieht (Fig. 28), wie aus den stellenweise recht deut- lichen Oeffnungen von zinnenförmigen Epithelzellen Sekretwolken, wie der Rauch aus einem Schornstein oder die Pinie aus einem Vulkan, ausgestoßen wird. Dabei konnte ich bei diesen Epithelzellen ziemlich deutlich beobachten, wie über dem Kern sich eine etwas 28 Adolf Herfs: hellere Sekretvakuole zu bilden scheint. Ab und zu scheinen gleich- zeitig mehrere, kleinere Bläschen am Kern aufzutreten. Später scheint der Sekrettropfen nach dem distalen Ende zu wandern und durch die Oeffnung als Sekretblase entleert zu werden. Man sieht sie häufig noch im ausgestoßenen Sekret liegen (Fig. 28 sbr). Wegen der häufig pinienartigen Form des ausgestoßenen Sekretes schlage ich für die Art der blasenförmigen Sekretion die Bezeichnung ‚,p i- nienförmige Sekretion‘ vor. Daß die Sekretblase nicht immer als Ganzes abgeschnürt wird, sondern vielfach sich oben öffnet und ihr Sekret entläßt, ist auch von anderen Autoren, so von A. Nicolas (1891) am Urnierenepithel von Säugetieren und von R. H. Stamm (1914) am Epithel der Seitendrüse von Sorex beobachtet worden. In der Seitendrüse von Sorex kommen je nach Alter und Geschlecht der Tiere zwei Arten blasenförmiger Sekretion vor. In einem Falle schnürt sich die kugelige Blase ab, in dem anderen öffnet sie sich und entläßt ihr Sekret durch die Oeffnung, sie bleibt also im Zusammenhange mit der Zelle. Mis- lawsky (1909) hält zwar die Fälle, die Nicolas berichtet, für künstliche Bildungen, die auf ungenügende Fixierung der Zellen zurückzuführen seien. Ich kann dies für die Schneckenhaut nicht annehmen; denn durch die ganz oberflächliche Lage des Haut- epithels werden dessen Zellen schnell fixiert. Dazu kommt, daß man am selben Hautstückchen, von dem man doch wohl annehmen muß, daß das Fixierungsmittel gleichmäßig auf die Zellen einwirkt, sowohl Abschnürung der Sekretblase wie Ausstoßen des Sekretes durch eine distale Oeffnung beobachten kann. Hier möchte ich noch einen eigenartigen Fall anführen, der vielleicht eine Mittelstellung zwischen gewöhnlichen Epithelzellen mit blasenförmiger Sekretion und typischen, epithelialen Drüsen- zellen beanspruchen kann. In der Haut von Planorbis, be- sonders auch in der von Limnaea, finden sich Epithelzellen, die drüsenartig differenziert sind. Die Zelle mit basalem Kern ist meist von einem intensiv acidophilen Sekret gefüllt, das sich z. B. mit Eosin stark rot färbt. Doch sind die Zellen bei weitem nicht so stark aufgetrieben wie gewöhnliche epitheliale Becherzellen. Die Gestalt ist meist flaschen- oder kegelförmig (Fig. 29) und in diesem Falle liegen die Zellen noch völlig im Epithelverbande. Dann wölbt sich allmählich das freie Zellende kuppenartig vor. Die Kuppe wird immer größer und endlich kugelförmig, wobei der sekrethaltige Teil sich bla- Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 29 sig über das Epithel vorwölbt und der im Epithel liegende Teil schmaler wird (Fig. 30). Die vorgewölbte Blase scheint später ab- geschnürt zu werden oder ohne sich abzuschnüren, zu platzen, um ihr Sekret auszustoßen. Fig. 30 hdr zeigt eine ziemlich bauchige Zelle mit basal-wandständigem Kern, deren Inhalt völlig wasserhell ist. Vielleicht handelt es sich um eine sekretorisch tätig gewesene rote Drüse, die vielleicht ein Erholungsstadium darstellt. is und isa in derselben Figur stellen wohl auch Stadien der roten Zellen vor. Il. Biologische Folgerungen aus den anatomischen Ergebnissen. Wenn man die Hautdrüsen der Mollusken ganz allgemein als Gebilde epithelialer Natur ansieht, muß man folgerichtig die epi- _ thelialen Drüsen als das Primäre, die subepithelialen Drüsen als das Sekundäre — etwa bedingt durch das Prinzip der Raumökonomie — betrachten. Nun findet man die ursprünglichere, epitheliale Drüsen- form auch bei den ursprünglicheren Schnecken, den Prosobranchiern, als vorherrschende Drüsenform ziemlich verbreitet. Erklärt kann dieser Befund vielleicht so werden, daß die Haut mit ihren sehr ober- flächlich gelegenen Drüsen, wenn das Tier sich ins Gehäuse zurück- zieht und dieses fest mit dem Deckel schließt, jeder weiteren Ver- dunstung entzogen wird. Diese letztere Erklärung gilt vor allem für Cyclostoma elegans, der, obwohl eine wärmeliebende Form, als einzige der von mir untersuchten Landschnecken fast ausschließ- lich epitheliale Drüsen besitzt. Daß eine Wasserform wie Palu- dinaim Besitze von so oberflächlich gelegenen Drüsen sein kann, ist weniger wunderbar, zumal Paludina stets Wassertier, ge- wesen und geblieben ist, und ihre Haut so in keiner Weise starker Verdunstung ausgesetzt war. Gerade im Vergleich zu Paludina ist es interessant festzu- stellen, daß die Süßwasserpulmonaten auffallenderweise keine epi- thelialen Drüsen besitzen, obwohl ihre Lebensweise im allgemeinen doch mit Paludina übereinstimmt. Diese Tatsache ist so zu “ erklären, daß die Süßwasserpulmonaten ursprünglich Landbewohner waren. Da aber die landlebenden Schnecken so oberflächlich gele- gene Drüsen, wie epitheliale Becherzellen, ohne besondere Schutz- vorrichtung wie Operculum usw. allzustarker Verdunstung und Aus- 30 Adler sHlrerrts: trocknung ausgesetzt wären, so werden die Drüsen in die Tiefe ver- lagert; aus epithelialen werden subepitheliale Drüsen. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Landpulmonaten. Die Schnecken, als ursprüngliche Wassertiere, konnten den Uebergang zum Landleben nur dadurch ermöglichen, daß sie das feuchte Me- dium, aus dem sie herausstiegen, geradezu selbst mit ans Land nahmen. Das konnte wiederum nur geschehen durch starke Aus- bildung der Drüsen, deren Sekret Wasser aufsaugt und festhält. Subepitheliale Drüsen kommen hier nur in Frage, weil sie in Uebereinstimmung mit dem Prinzip der Raumökonomie das Auf- treten der erforderlichen Drüsen erst möglich machen, dann aber durch ihre Verlagerung in die Tiefe vor starker Austrocknung ge- schützt sind. Und gerade sehr wasser- und feuchtigkeitsliebende Formen wie Succinea, oder sehr dünnschalige Laubschnecken wie Eulota besitzen die stärkste Ausbildung subepithelialer Drü- sen, ebenso die Nacktschnecken, deren Haut völlig schalenlos und ungeschützt ist. Für alle diese Formen ist ein besonderer Reichtum an Drüsen charakteristisch. Anders bei den wenig empfindlichen, ziemlich dickschaligen Tacheen. Bei diesen Schnecken würde, da sie selbst die Sonne nicht sehr scheuen, ein zu großer Drüsen- und da- mit ein zu großer Wasserreichtum eine allzustarke Verdunstung er- zeugen. Da dadurch den Schnecken zu schnell und zu viel Wasser entzogen wird, wären sie der Austrocknungsgefahr nur um so stärker ausgesetzt. Hier tritt als Schutz gegen Trockenheit eine festere Schale auf. Auch scheint mir der Schleim von Tachea zäher zu sein wie bei Eulota und so das Wasser stärker festzuhalten. Aehnliche Erscheinungen treffen wir in verstärktem Maße bei den xerophilen Formen. Levantina z. B. ist sehr drüsenarm; und fast alle xerophile Schnecken besitzen eine schr feste, porzellanähn- liche Schale. Xerophila ericetorum, die kein besonders dickes Gehäuse besitzt, hat dafür einen für xerophile Formen auf- fallenden Drüsenreichtum. Wir sehen hier, wie die Natur auf ver- schiedene Art, den gleichen Zweck, Schutz gegen Austrocknung er- reicht. Dieselbe Erscheinung der Abnahme der Drüsenzahl bei be- sonders trockenlebenden Formen findet Herold (1913) auch bei Landisopoden. Das bisher Gesagte gilt zunächst nur für de Kalkschleim- drüsen. Diese Drüsenart dient also wohl in erster Linie dem Trockenschutz, wozu der Kalkgehalt ihres Sekretes sie noch beson- Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 3] ders geeignet macht. Kalklamellen als Schutz gegen austrocknende Wärme findet man schon bei niederen Algen (Simroth 1890). So ist es erklärlich, daß gerade der Schleim und das Bindegewebe der xerophilen Schnecken und der Nacktschnecken besonders kalk- reich ist. Die; Funktion der „echten Schleimdrüsen‘“ scheint dem Einschmieren der Haut und dem Herabsetzen der Reibung zwischen Körperhaut und einem harten Körper (bzw. Schale oder Unterlage) zu dienen. Schleimdrüsen kommen daher hauptsächlich an Körperstellen vor, die stärker der Reibung ausgesetzt sind, so in Hautstellen, die unter der Schale liegen und sich an dieser reiben, oder unter die Schale zurückgezogen werden können wie der Kopf- rücken. Am auffälligsten tritt die Funktion der Schleimdrüsen zur Herabsetzung der Reibung in ihrem Auftreten auf der Sohle auf. Diese Schleimdrüsen, die sonst nur mehr vereinzelt und verstreut in der Haut vorkommen, sind auf der Sohle sehr zahlreich, so daß sie häufig in geschlossenen Gruppen ins Bindegewebe ragen. Diesen Drüsenreichtum braucht die Sohle, die ja beim umherkriechenden Tier stets der Unterlage fest aufliegt, und so sowohl gegen Ver- dunstung wie auch gegen feindliche Angriffe besser wie jede andere Körperstelle geschützt ist, lediglich zum Herabsetzen der an sich beträchtlichen Reibung zwischen Sohle und Unterlage beim Krie- chen. Nur bei einigen Formen (Paludina, Limnaea, Bu- liminus) führen eigenartigerweise auch die Sohlendrüsen Kalk- schleim. Jedenfalls hat aber der große Schleimbedarf zur Vermin- derung der Reibung zwischen Sohle und Unterlage bei Paludina dazu geführt, daß auf der Sohle (und zwar hier allein) die Drüsen dem Prinzip der Raumökonomie gehorchend in die Tiefe sanken. Die acidophilen Drüsen scheinen Wehrfunktion zu haben. Für diese Deutung spricht sowohl die Art wie die Häufigkeit des Vorkommens dieser Drüsen bei den verschiedenen Formen. Bei den operkulaten Prosobranchiern spielen acidophile Drüsen nur eine geringe Rolle. So können diese Schnecken den Nachstel- lungen ja leicht und sicher entgehen, indem sie sich ins Gehäuse, das durch den Deckel fest geschlossen wird, zurückziehen. Stärker sind die acidophilen Drüsen bei den Süßwasserpulmonaten entwickelt. Wahrscheinlich haben sie sich besonders herausgebildet, als die Ba- sommatophoren noch Landbewohner waren. Ueberhaupt haben die acidophilen Drüsen bei den Landpulmonaten stark zugenommen, 32 Adolf Herfs: weil wohl auf dem Lande die langsam kriechenden Schnecken Nach- stellungen leichter ausgesetzt sind wie im Wasser, wo z. B. eine am Wasserspiegel oder an einer Wasserpflanze kriechende Limnaea sich einfach auf den Bodenschlamm des Gewässers fallen läßt. Für die Wehrfunktion spricht nun vor allem die Verbreitung der acidophilen Drüsen auf der Schneckenhaut. Während die Schleim- drüsen meist auf mehr oder minder geschützten Hautstellen vorkom- men, findet man gerade die acidophilen Drüsen am stärksten auf solchen Körperstellen entwickelt, die Angriffen am meisten ausge- setzt sind, wie der Schwanz und vor allem der Mantelwulst, welcher bei der ins Gehäuse zurückgezogenen Schnecke die Schalenöffnung nach außen abschließt. An stark geschützten Stellen wie auf der Sohle, die den Angriffen noch am wenigsten ausgesetzt ist, fehlen die acidophilen Drüsen völlig. Bei den Süßwasserpulmonaten nun, wo nicht der Mantelwulst, sondern die Sohle die Schalenöffnung beim zurückgezogenen Tier schließt, finden wir auf der Sohle auch acidophile Drüsen. Für die Wehrfunktion dieser Drüsen spricht auch die Tatsache, daß die Entwicklung der Kalkschleimdrüsen bei den . Xerophilen durchweg abnimmt, die der acidophilen Drüsen sicher nicht zurückgeht, sondern eher zunimmt. Daß aber die acidophilen Drüsen jedenfalls nicht durch Feuchtigkeit oder Trockenheit in ihrer Entwicklung gehemmt oder gefördert werden, beweist ihr starkes Auftreten bei Eulota einerseits und bei Xerophila erice- torumund Buliminusanderseits. Auch bei den ungeschützten Nacktschnecken, vor allem bei dem trägen Arionemp. Fe&r,, sind diese Drüsen überaus stark entwickelt. Daß das Sekret der Farbdrüsen bei Arion emp. Fer. Wehrfunktion besitzt, be- weist die stark ekelerregende Wirkung des Farbsekrets, wie Si m- roth durch seine Fütterungsversuche im Leipziger Zoologischen Garten zeigen konnte. Welche Bedeutung die blasenförmige-Sekretion für die Schnecken hat, ist mir noch unklar. Ob sie eine ähnliche Wirkung wie die aci- dophilen Drüsen besitzt, muß ich dahingestellt sein lassen. Endlich möchte ich noch einiges über die drüsenarme Daud e- bardia rufa erwähnen. In den sehr verborgenen Verstecken, woDaudebardia lebt, ist die Verdunstung in der feuchtigkeits- schwangeren Luft auf ein Minimum herabgesetzt, ja in den meisten Fällen wohl völlig eingestellt. Die Schnecke lebt so eigentlich noch ganz im feuchten, nassen Medium. Ein besonderer Trockenschutz, Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 33 ein Mitnehmen des feuchten Elements in zahlreichen Drüsenbehältern ist so nicht erforderlich. Zur Einfeuchtung der Haut, sowie um die Reibung beim Kriechen zwischen feuchtem Laub zu vermindern, genügen die wenigen Drüsen völlig. Die versteckte Lebensweise entzieht auch das Tier feindlichen Nachstellungen fast gänzlich. So erklärt sich auch leicht und ungezwungen die gerigge Zahl der acidophilen Drüsen bei Daudebardıa rufa Drap. Die Deutung der anatomischen Ergebnisse nach ökologischen Gesichtspunkten, wie ich sie hier gegeben habe, soll nun nichts weiter als ein allererster Versuch sein: 1. die Funktion der verschiedenen Drüsenformen zu begreifen, und 2. die Einstellung des Organismus auf die wechselnden Mediumbedingungen, denen der Schnecken- körper und besonders die Haut beim Uebergang vom Wasser- zum Landleben und bei der damit verbundenen Eroberung ganz neuer Lebensgebiete — wie Wüste und Steppe — ausgesetzt ist, verstehen zu lernen. Ich bin mir selbst am besten bewußt das Problem keineswegs gelöst zu haben. Doch hat mein Erklärungsversuch auch dann den Zweck erfüllt, wenn er andere — und sei es nur durch Widerspruch — anreizt, dem Problem näherzutreten und in dieser oder anderer Richtung seiner Lösung entgegenzuführen. Für mich war selbst bei der anatomischen Untersuchung stets maßgebend, das Tier als Lebe- wesen und nicht allein als totes anatomisches Objekt zu betrachten. Der lebende Organismus aber ist kein starres, unwandelbares Gebilde im Sınne der alten Konstanztheorie, sondern wie schon Ch. Darwin betonte, gleichsam eine plastische Masse, die von der lebenden und leblosen Umwelt erst zu dem geformt wird, als was der Organismus uns entgegentritt, als ein kleines, doch wohlgefügtes Glied in der großen Einheit des Naturganzen. Vorliegende Arbeit war in allen ihren Teilen ausführlicher an- gelegt und ausgeführt. Die traurigen Zeitumstände mit ihrer Papier- not und allen möglichen anderen Faktoren, die besonders hemmend auf das wissenschaftliche Arbeiten einwirken, haben mich gezwungen, die Arbeit sowohl was Figuren wie was Text angeht, stark zu kürzen. Dadurch war es unvermeidlich, daß manche Punkte nicht so heraus- gearbeitet werden konnten, wie es vielleicht nötig ist, und bei einer ausführlichen Darlegung eher zu erreichen war. Diese Umstände Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 3 34 Adolti Herfs: werden so manche, nur durch die Zeitverhältnisse bedingten Mängel entschuldigen. Doch glaube ich, daß die Arbeit im ganzen durch eine knappere Fassung an Klarheit nichts verloren hat, ja vielleicht wegen ihrer leichteren Lesbarkeit infolge der Kürze den Vorzug vor einer weitläufigen Darlegung besitzt. Es bleibt mir nun noch die angenehme Pflicht, Herrn Pr o- fessor Dr. R. Hesse, meinem hochverehrten Lehrer, für seine vielen Anregungen und das rege Interesse, mit dem er meine Arbeiten stets verfolgt hat, meinen schönsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Prof. Dr. W. J. Schmidt möchte ich hier für seine mannigfaltige Hilfe und für seine wertvollen Ratschläge vielmals danken. Endlich darf ich nicht verfehlen allen, die sonst irgendwie meine Arbeiten unterstützt haben, zu danken, besonders Herrn pP. Dir. =Eir. SH eselhaus und Herrn "ca’rnd. "200 1,.cHrbBgE rath aus Köln, die mir bei der Materialbeschaffung wesentlich behilflich waren. Literaturverzeichnis. Beck;'K. 1912. Jena. Zeitschr. Nat. Bd. 48,5. 191.’ — Bo 1417227 1869. Arch. mikr. Anat. Bd. 5, S. 54 ff. — Buchner, ©. 1890. Beitr. z. Kenntn. d. Baues einheim. Planorbiden. Diss., Leipzig, S. 13—14, 81 ff. — Bürger, 0. 1895. Nemertinen: in Fauna u. Flora d. Golfes v. Neapel, Berlin. — Burkhardt, Fr. 1916. D. Körperepithel v. H. pomatia L., Diss., Marburg, S. 9—21.— Claparetde,Ed. 1858. Arch. Anat. Physiol. wiss. Med. hg. J. Müller, Reichert, Du Bois Reymond. — Flemming, W. 1870. Arch. mikr. Anat. Bd. 6, S. 452, 453, 463—466. — 1877. Arch. mikr. Anat. Bd. 13, S. 825, 830, 847. — v. Fürth, O. 1903. Lehrb. d. chem. Physiol. d. wirbell. Tiere, Jena, S. 382. — Garnault, P. 1887. 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I. ac = acidophil fl - = - Rlimmern ag — Drüsenausführgang kdr = Kalkschleimdrüse b = basophil k7 are cr SeHkeula n = Nukleolus drb = Drüsenbauch sldr — Schleimdrüse drh —= Drüsenhals sist — Schleimstruktur drk — Drüsenkern str — Sekretraum drö — Drüsenöffnung sgr — Sekretgranula drz —= Driüsenzelle ss — Sekretschollen ff — fadenförmiger Fortsatz. Sämtliche Figuren sind mit dem Zeichenapparat nach Abb& gezeichnet. Paludina vivipara. Fig. 1 u. 2. Epitheliale Becherdrüsen aus dem Epithel des dorsalen Vorderrandes des Fußes. Subl./Eis 5%, Hämatox. Del./Eosin, Hom. Imm. 1,5: mm, ‚Apert:4530;.Compl:70&.72, 72321; Fig. 3. Epitheliale Flaschendrüsen aus der hinteren Fußsohle. Subl./Eis. 5%, Hämatox. Del./Eosin, Hom. Imm. 1,8 mm, Apert. 1,30; Compl. Ok.2, 723 :1. Aus den Drüsenzellen austretende Sekretpfropfen spf und über den Flimmern fl sich ausbreitendes basoph. Sekret. Epithel nur im Umriß, einzelne Zellelemente nicht eingezeichnet. Fig. 4. Epitheliale Flaschendrüsen mit fadenförmigem Fortsatz (ff) aus dem Querschnitt des Rüssels, Epithel nur im Umriß. Technik wie Fig. 3. Cyclostoma elegans. Fig. 5 u. 6. Epithel vom Kopfrücken mit epith. Drüsen. Formol 10%, Hämatox. Del./Eosin, Apochr. Hom. Imm. 3,0 mm, Ap. 1,40, Compens. Ok. 12, 1566 : 1. hdr = helle (basoph.) Drüse, acdr — eosinische (acidoph.) Drüse. Fig. 7. Epithel von der Rüsselunterseite mit Becherdrüsen. Ueber- sichtsbild. Form. 10%, Häm. Del./Eosin, Apochr. Hom. Imm. 3,0 mm, Ap. 1,40; Compens. Ok. 4, 522: 1. Fig. 8 u. 9. Pseudodrüsen psdr aus der seitl. Schwanzregion. Technik wie Fig. 7. Planorbis corneus. Fig. 10. Seitenepithel vom Schwanzteil mit blasenförm. Sekretion. Technik wie Fig. 5 u. 6. abl = abgelöste Bläschen; ka = Kappenbildung; I bl, 2 bl, 3 bl = verschiedene Stadien der Bläschenbildung; r st — Reste der Stielchen nach Ablösung der Bläschen; bs,, bs, —= verschiedene Stadien der becherzellenartigen Sekretion, bei bs, — beginnende Vorwölbung, strpr = streifige Protoplasmastruktion im basalen Zellteil. Fig. 11. Basophile Drüse aus der Seite mit ampullenförmiger Anschwel- lung (amp) im Epithel. Mislawsky-Gemisch, Eisenhäm./Heidenhain, Apochr. Hom. Imm. 3,0 mm, Ap. 1,40, Compl. Ok. 8, 1044 : 1. Studien an den Hautdrüsen der Land- und Süßwassergastropoden. 37 Fig. 12. Ampullenartige (epitheliale) Anschwellung einer basophilen Drüse, eine epitheliale Becherzelle vortäuschend, gerade in Sekretionsaus- stoßung begriffen; ste — Stäbchencuticula mit darüberliegendem feinen Saum. Technik wie Fig. 11. Fig. 13. Eigenfarbige Drüsen mit großen, gelben Granulis. Technik wie Fig. 5 u. 6. Fig. 14. Sohlendrüsen, „Paketdrüsen‘; Form. 10%, Häm. Del./Eosin, Hom. Imm. 1,3 mm, Ap. 1,30, Cempl. Ok. 2, 723 : 1. Limnaea stagnalis. Fig. 15. Zinnenförmiges Epithel von der Tentakelunterseite. Technik wie Fig. 5 u. 6. Fig. 29 u. 30. „Becherzellenartige Sekretion.‘ Fig. 29 aus dem Kopf- stück, Anfangsstadien, ampullenartige Anschwellung im distalen Zellteil; Fig. 30 aus dem Seitenepithel, Fortgeschrittene Stadien, ist — ganz junge Stadien noch ohne Sekret. Form. 10%, Häm. Del./Eos. Apochr. Hom. Imm. 3,0 mm, Ap. 1,40, Compl. Ok. 8, 1044 : 1. Amphipeplea glutinosa. Fig. 16, 17, 18. Drüsen vom Schwanzrücken. Verschiedene Sekretions- stadien. Fig. 16 = Anfangsstadium mit Sekretvakuole a. v., drpr — sich in Sekret verwandelndes Protoplasma, r.dr. — Erholungsstadium einer (b) Drüse. Heiß. Subl./Eis 5%, Hämat. Del./Eos., Hom. Imm. 1,8 mm, Ap=1,30, Compl. Ok 2,723. :.1. Fig. 19. Basoph. Drüse aus dem Schwanzrücken. Technik wie Fig. 16—18. Fig. 20. Längsschnitt durch die Schle, amp. — ampullenartige Erwei- terung im Epithel, sdr = Sohlendrüsen (Paketdrüsen). Technik wie Fig. 16 bis 18. Suceinea putris. Fig. 28. Blasenförmige (pinienartige) Sekretion (Seitenepithel). sv = Sekretvakuolen, s.br — Sekretbrocken. Optik wie Fig. 11. Häm, Del.-Eosin, Fotm: 109;: Eulota fruticum. Fig. 21. Kalkschleimdrüse aus dem Mantelwulst. Form. 10%, Häm. DeiEos., Obi- 34, Compk Ok... 4, 167 :1: Fig. 22 u. 23. Granulierte Schleimdrüsen. Fig. 22 aus dem Schwanz, Fig. 23 aus der Seite. Technik wie Fig. 28 s. oben. Buliminus detritus. Fig. 24. Acidophile Drüse mit homogenem Sekret aus der Seite des Schwanzes, mz —= Muskelstränge. Form. 10%, Häm. Del.-Eosin, Obj. 5a, Compl. Ok. 4, 456 : 1. Limax maximus-cinereoniger. Fig. 25. Fädige Drüse aus dem Schwanzrücken. Technik wie Fig. 28. 38 Ado!f Herfs: Studien an den Hautdrüsen usw. Arion empiricorum. Fig. 26. Kalkschleimdrüse aus dem Rücken mit „Spitzzweckchen“ sp.gr. Form. 10%, Hämatox. Delaf./Eosin. Agriolimax agrestis. Fig. 27. Junges Stadium einer acidoph. Drüse aus dem Rücken. pr = Protoplasma, sa — Saftraum?, sak = Saftkanal?. Heiß. Subl./Eis 5%, Häm./Del.-Eosin, Apochr. Hom. Imm. 3,0 mm, Apert. 1,40. Fig. 28 siehe Succinea putris, oben. Fig. 29 u. 30 siehe oben Limnaea stagnalis. Fig. 31, 32, 33. Uebersichts- u. Vergleichsbilder aus der Schwanzseite (bei 31 u. 32). Fig. 33 gleich hinter dem Schild. Fig. 31 u. 32 fixiert mit Form. 10%, Fig. 33 mit heiß. Subl./Eis 5%, alle gefärbt mit Hämatox. Del./Eos., Obj. 3a, Compl. Ok. 2, 103: 1. Fig. 31. Tachea nemoralis. Fig. 32. Eulota fruticum. Fig. 33. Agriolimax agrestis. 39 Ueber den histologischen Bau der Gleitsehne des Musc. biceps brachii beim Pferd. Von Dr. med. vet. F. Drahn, Prosektor des Instituts, (Aus dem anatomischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin. Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schmaltz.) Mit 1 Tafel. Der M. biceps brachii des Pferdes ist überwiegend sehnig aus- gebildet und wird daher zu einem festen kaum nachgiebigen Trage- gurt, der zwischen Scapula und Tuberositas radii ausgespannt ist. Bei festgestelltem Ellenbogengelenk wird er der Träger des Schulter- gelenkes und hindert dieses am Zusammenknicken unter der Last (1). Der größten Dauerbelastung ist dieses Band beim Stehen des Pferdes ausgesetzt, wo es als unermüdbarer Träger der Last wesentlich mit dazu beiträgt, dem Pferde die Möglichkeit zu geben, dauernd stehen zu können. Neben dieser Hauptaufgabe kommt die Muskeltätigkeit des Biceps als Beuger des Unterarms mehr nebensächlich in Betracht, da das Pferd mit einer schwachen Unterarmmuskulatur auskommen kann. Vor dem Schultergelenk bleibt der Tragegurt überhaupt frei von Muskulatur. Die Sehne hat sich hier zu einem Gleitbande um- gestaltet, welches eine Grube besitzt, in die ein dem Pferde eigen- tümlicher Knochenvorsprung, das Tuberculum intermedium humeri, förmlich einhakt. Diese Stelle ist bei Belastung der Bicepsverspan- nung gegenüber dem übrigen Sehnengurt insofern besonders be- ansprucht, als hier außer der Zugbelastung in der Längsrichtung, welche das gesamte Trageband in überall gleichem Maße trifft, durch das Aufliegen des Schultergelenkes ein besonderer Druck von innen nach außen stattfindet. Dieser Druck wird sich vorwiegend mo- mentan bemerkbar machen im Augenblick des Auftretens. Eine 40 5.2D warhin: Maximalleistung an Tragvermögen und Druckausgleichsfähigkeit während jener Momentanbelastung wird erforderlich beim Sprung. Von der ganzen Sehne wird also in der Bewegung zweifellos der- jenige Teil am stärksten in Anspruch genommen, welcher das Schul- tergelenk überzieht. Zu dem schon erläuterten Druck von innen nach außen kommt der Belastungszug in der Längsrichtung der Sehne, der sämtliche Teile gleichmäßig trifft. Während der Be- wegungsbelastung vollzieht zugleich der sulcus intertubercularis humeri auf der Sehne eine Gleitbewegung, weswegen ja auch zwischen beide ein großer Schleimbeutel eingeschaltet ist. Wäre die Ur- sprungssehne des Biceps lediglich als Sehne gebaut, so könnte man zwar annehmen, daß sie sich der oben geschilderten immer wieder- holten kurzen Maximalbelastung in der Schultergegend insofern an- zupassen vermöchte, als sie dem Druck durch Dehnung ausweicht. Es gehört jedoch zum Charakter einer Sehne, daß eine solche tat- sächlich vorkommende Dehnung (1) nur beschränkt sein darf. Ge- mäß der angedeuteten besonderen statischen Beanspruchung ist die Sehne des biceps nicht nur und nicht einmal vorwiegend zur Kraft- übertragung gebaut, sondern ihre Struktur muß wesentlich auf den Druck und seine momentane Steigerung eingerichtet sein, etwa im Sinne eines Puffers. Unter Berücksichtigung dieser Ueberlegung erscheint die Annahme nicht unberechtigt, daß der genannte Sehnenteil einen Sonderschutz in sich selbst trägt. Danach gäbe zu denken, daß nach verschiedenen Angaben die Gleitsehne des Biceps aus Knorpel bestehen soll. Die äußerlich bemerk- bare faserknorpelähnliche Beschaffenheit und knorpelartige Härte wird von Gurkt(2), Leyhß), Franck (4A,Susdorrtd), Ellen De rres Baum (8) erwähnt. Chauveau-Arloing-Lesbre (6) beschrei- ben sie als „fibro-cartilagineux‘, Sisson (7) als „partly cartilagineous‘. Daß Knorpel in Verbindung mit Sehnengewebe auftreten kann, ist bekannt. So beobachtete Lungwitz (9) Knorpelzellen innerhalb des Sehnengewebes beim Einhufer in der Sehne des M. flexor digitorum prof. hinter den Gleichbeinen und hinter dem Strahlbein; außerdem bei struppier- ten Pferden in der Sehne des M. extensor digitorum comm. vor dem Fessel- gelenk. Varaldi (10) beschrieb sie an Sehneninsertionsstellen, ebenfalls beim Einhufer in der Sehne des M. flex. digit. prof. hinter dem Fesselgelenk, außerdem bei der Katze in der Sehne des M. quadriceps cruris und bei der Ziege in der Ursprungssehne des M. biceps brachii. Schaffer (11) ‚erwähnt derartige knorpelähnliche Bildungen in Sehnen dort, wo diese in Knochen oder Knorpel einstrahlen (Ansatz der Achillessehne an den Fersenhöcker, des Lig. teres an den Oberschenkelkopf, der Tricepssehne an das Olecranon, der Quadricepssehne an die Kniescheibe); Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 41 anderseits finden sie sich im Innern von Sehnen besonders an Stellen stärke- ren Druckes (Achillessehne des Frosches und der Vögel, Sehne des Tibialis posticus und des Peronaeus longus beim Menschen, in zahlreichen Streck- und Beugesehnen bei Haussäugetieren); außerdem an Sehnenoberflächen, von welchen aus sich die sesamoiden Einlagerungen mehr oder weniger tief in das Sehnengewebe einsenken. Diese Einlagerungen zeigen alle im wesent- lichen dasselbe Bild: kleinere oder größere Gruppen vesikulöser Zellen er- scheinen zwischen die auseinanderweichenden Bündel fibrösen Gewebes eingelagert. Einzelne dieser Zellen können deutliche chondromukoide Kap- seln besitzen und so ein knorpelähnliches Aussehen bekommen, trotzdem bleiben sie von echten Knorpelzellen verschieden.‘ Schaffer will somit alle diese Zellgebilde, die an den erwähnten Stellen von anderen als Knorpelzellen beschrieben wurden, als „vesikulöses Stützgewebe‘ — und zwar Stützgewebe vom chondroiden Typus — aufge- faßt wissen. (Sein vesikulöses Stützgewebe vom ‚„chordoiden‘“ Typus [12, 13, 14, 15] scheidet für vorliegende Betrachtung ohne weiteres aus.) So findet er (13) in der von ihm als Faserknorpel beschriebenen Einstrahlung der Achil- lessehne in den Tuber calcanei vom Kalb (Arch. f. Entw.-Mech. Bd. 5, 1897, S. 347) ‚zweifellos vesikulöse Zellen zwischen den unveränderten Sehnen- bündeln‘. Nach seiner Angabe (13) „fand Skoda in ausgezeichneter Weise vesikulöses Stützgewebe in den dorsalen Sesamknoten bei der Katze. Das Durchschnittsbild erinnert hier lebhaft an den Sesamknoten der Achilles- sehne vom Frosch, nur erscheinen die blasigen vollkommen homogenen und nicht retraktilen Zellen kleiner und weniger dicht gedrängt‘. Ich führe dies an, da sich in der Bicepssehne nach meinen Untersuchun- gen in ausgebreitetem Maße ein Gewebe findet, welches nach der vorstehen- den Ansicht Schaffers als ‚„vesikulöses Stützgewebe‘ angesprochen werden müßte. Es leuchtet jedoch nicht ohne weiteres ein, daß (lediglich unter Berücksichtigung der Mammalia) ein neuer Begriff dort Platz greifen soll, wo man mit der älteren Bezeichnung ‚Faserknorpel‘ (gegebenenfalls „Knorpeleinlagerungen in Sehnen‘) ohne Schwierigkeit auskommen kann, (Ueber die Berechtigung des ‚vesikulösen Stützgewebes vom chordoiden Typus‘ erlaube ich mir natürlich kein Urteil.) Schaffer selbst macht ja auch einschränkende Bemerkungen (13): „so sehr dieses Gewebe in seinen typischen Formen sich vom Knorpelgewebe unterscheidet, so betätigt es doch, besonders bei höheren Tieren, durch die funktionelle Anpassung Ab- änderungen, welche einen unverkennbaren Uebergang zum Knorpelgewebe darstellen. Besonders deutlich geht die nahe Verwandtschaft beider daraus hervor, daß die Bildungszellen des vesikulösen Stützgewebes gelegentlich Knorpelgrundsubstanz erzeugen und sich in echte Knorpelzellen umwandeln können; ja an manchen Stellen hat es den Anschein, als ob vesikulöse Zellen unter dem Einfluß des funktionellen Reizes in echte Knorpelzellen über- gehen könnten; endlich findet man Skeletteile, die bei den niederen Formen aus vesikulösem Gewebe bestehen, bei höheren aus echtem Knorpel ge- bildet.‘ — ‚Die schon bei niederen Tieren wiederholt erwähnte Neigung der vesikulösen Zellen, durch den funktionellen Reiz in Knorpelzellen über- zugehen, tritt bei den Säugetieren noch viel deutlicher hervor, und so finden 42 Bdrahn: wir viele Sesamknoten in der Tat teils verknorpelt, teils verknöchert. In beiden Fällen jedoch können in der unmittelbaren Nachbarschaft vor- kommende vesikulöse Zellen auf den eigentlichen Ursprung dieser Gebilde hinweisen.‘“ Mit gleichem Recht könnte man logischerweise annehmen, daß derartige wenige ‚vesikulöse‘“ Zellen in ihrer obigen Beziehung zum Faser- knorpel als nicht voll ausgewachsene Knorpelzellen bzw. als Knorpelbildungs- zellen, die in einer gewissen Entwicklung stehen blieben, aufzufassen sind, besonders, da nach Schaffer vesikulöse Zellen ‚sich in echte Knorpel- zellen umwandeln können“. Es ist nichts dagegen einzuwenden, derartige von den ausgebildeten Knorpelzellen abweichende Formen als ‚knorpel- ähnlich‘ zu bezeichnen; das tatsächlich Ueberwiegende in den fraglichen Geweben ist aber doch immer, soweit die Haustiere in Betracht kommen, der Typ der echten Knorpelzelle, und es erscheint verwirrend, wenn hierfür an Stelle eines klaren Begriffes die Vermischung derer zwei propagiert wird. Wie Lungwitz (9) und Varaldi (10) so fand auch Bruhnke (16) in der tiefen Beugesehne des Pferdes Einlagerungen von Knorpelzellen. Ich hatte Gelegenheit, seine Präparate einzusehen; die Zellen sind derart typisch, daß man über ihren Knorpelcharakter keinen Augenblick im Zweifel ist. Dasselbe gilt auch für gewisse sesamoide Bildungen (z. B. in der Carti- lago sesamoidea hinter dem Fesselgelenk des Pferdes), wo die Knorpelzu- gehörigkeit der zelligen Elemente mir zweifellos erscheint. Ebenfalls weist Lotze (17) in seiner ausführlichen Untersuchung der tiefen Beugesehne beim Pferde den Knorpelcharakter der fraglichen Zellelemente unter Aus- schaltung ihrer Zurechnung zum Begriff ‚vesikulöse Zellen‘ nach; es sind Knorpelzellen, die dem Gewebe den Charakter des Faserknorpels verleihen. Er fand zugleich, daß die Ausbildung dieses Gewebes sich an den.drei Stellen des größten Druckes (hinter den Sesambeinen, hinter der Kronbeinlehne und hinter dem Strahlbein) findet. Er weist damit darauf hin, daß ent- sprechend der statischen Beanspruchung das Sehnengewebe strukturelle Veränderungen aufweist und stützt durch seine Befunde den späteren Nach- weis Forssels (18), daß die Funktion einer Sehne für ihren strukturellen Bau bestimmend ist: „hat ein Teil einer Sehne gegenüber den andern Teilen derselben Sehne eine verschiedene Funktion, so kann man auch einen spe- ziellen Bau dieses Teiles nachweisen, und die übrigen Teile haben auch einen ihrer speziellen Funktion entsprechenden Bau“. Auch Dammann (19) und Disselhorst (20) bestätigen, „daß namentlich den Sehnen des Pferdes eine innere Architektur zukommt, deren Entstehungsursache die Zugwirkung ist. Strukturelle Unterschiede treten auch durch fortgesetzte Züchtung nach bestimmten, möglichst divergenten Zuchtrichtungen inner- halb derselben Tierart in Erscheinung; in dieser Beziehung bestehen zwi- schen Vollblut- und Kaltbiutpferden die größten Abweichungen. Dort wo neben der Zugwirkung zugleich Druckwirkung stattfindet, ist dies für die Struktur der Sehne nicht gleichgültig.“ Mit Rücksicht auf die eingangs geschilderte Funktion der Ur- sprungssehne des M. biceps brachii des Pferdes wünschte Herr Pro- fessor Dr. Schmaltz, dessen Anregung vorliegende Studie ent- Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 43 sprungen ist, eine genauere Untersuchung der Struktur dieser in- teressanten Sehne, zugleich auch zwecks Feststellung, inwieweit daran Sehnengewebe oder Faserknorpel beteiligt sind, da die äußere Beschaffenheit auf letzteren Bestandteil schließen läßt. Mit den bisher üblichen Methoden der Sehnenbearbeitung ließ sich aber eine solche Untersuchung kaum ausführen. Es kam daher mit darauf an, eine neue brauchbare Methode der Sehnenuntersuchung zu fin- den. Nach langwierigen Versuchen ist mir dies, wenn auch noch nicht restlos befriedigend, doch insoweit gelungen, als mein Verfahren gestattet, große Uebersichtsschnitte von genügender Feinheit (”—10 w bei kleineren, 15—20 u bei sehr großen Uebersichtsschnitten) herzustellen, um die Struktur in allen ihren Teilen überblicken zu können. Natürlich wurden die einzelnen Befunde mit Hilfe von Gefrierschnitten lebendfrischer Sehnen verglichen und nachgeprüft. Allerdings ergab diese Gefriermethode immer nur kleine Gewebs- fetzen aus den verschiedenen Teilen der Sehne; sie ließen sich daher nur zur Kontrolle der Einzelheiten verwenden, Uebersichten ge- währten sie nicht. Jedenfalls konnte ich dabei feststellen, daß die von mir angewandte Methode, über die ich an besonderer Stelle be- richten will, in keiner Weise das histologische Aussehen des Gewebes ungünstiger beeinflußte, als wir es mit unseren üblichen Fixierungs- und Einbettungsmethoden gewöhnt sind. Gefärbt wurde in ver- schiedener Weise: Hämatoxylin, saures Orcein; sehr gute und be- sonders nüanzierte Bilder ergab eine von mir für einen anderen Zweck ausgearbeitete Modifikation der Mallory-Färbung !), welche absolut sicher arbeitete; Kerne und Sehnenfasern färbten sich rot, Binde- gewebe blau. Nachstehend gebe ich eine Beschreibung des histologischen Aufbaues der Gleitsehne und halte mich dabei an die allgemeinen Durchschnittsbefunde; geringe Abweichungen davon kommen dann und wann vor, doch ohne das Grundprinzip je zu verwischen: !) Moditikationder Mallory-Färbung: 1. Färben in wäßriger Lösung von Rubin-S (tief weinrote Lösung) 5 Minuten. 2. 96% Alkohol + HC1 (2 Tropfen auf die übliche Färb- küvette) + wäßr. Lösg. von Rubin-S, bis zur hellroten Farbe 1 Min. 3. 1% wäßr. Phosphormolybdänsäure + Rubin-S-Lösg. bis Farbe hellrot I Min. Von I in 2, von 2 in 3 ohne Abspülen. 4. Auswaschen in zweimal gewechseltem Ag. dest. 5. Mallory-Lösung 5 Min. 6. Kurz abspülen in 96% Alkoh. + HCI (2 Trpf. auf die Küvette), 7. %—1I Minute in 2. 8. Alk. abs., Xylol, Balsam. 44 ä F.-Drahn: Ein in der Längsrichtung der Sehne durch fast deren ganze Dicke geführter Schnitt (nur von der Außenfläche fehlt ein schmaler Teil) zeigt bei Lupenvergrößerung verschiedene Schichten. Die untere, der Gleitfläche abgekehrte, also nach außen liegende Hälfte (Abb. I A) zeigt sich überwiegend aufgebaut aus kräftigen kompakten Fasersträngen (Abb. Ia), die das Bild beherrschen und zwischen denen hellere Inseln eingeschaltet sind (Abb. Ib), welche aber im Gesamtbild der Strangstruktur gegenüber zurücktreten. Dagegen sind in der oberen, nach innen der Gleitfläche zugekehr- ten Hälfte (Abb. IB) zwar auch breite kompakte Faserstränge vor- handen (Abb. Ic); hier beanspruchen jedoch die Zwischenlager den meisten Platz, die in der Außenhälfte nur als Inseln auftraten (Abb. Id). Ich bemerke vorweg, daß diese Stränge teils aus echtem, zum größten Teil aber aus verändertem Sehnengewebe bestehen, verändert in seinen zelligen Bestandteilen. Die Zwischenschaltungen sind Faserknorpel. Ich werde der Kürze halber die Außenschicht (Abb. I A), in welcher der sehnige Charakter überwiegt, als Sehnen- Faserknorpelschicht bezeichnen, die andere dagegen (Abb. IB) als Faserknorpel-Sehnenschicht. Letztere geht nach innen über in ein schmales Gebiet (Abb. IC), welches zum Teil aus schräg und senk- recht verlaufenden breiten Bindegewebszügen besteht, zwischen welche schräg und horizontal ziehende Stränge eingeschaltet sind. Darüber findet sich ein reiner Faserknorpel (Abb. ID), welcher keine Spur sehniger Beimischung mehr enthält und welcher mit seiner obersten Schicht die eigentliche Gleitfläche der Sehne bildet. Bei Beschreibung der Untersuchungsbefunde über die feinere Struktur gehe ich von innen, von der Gleitfläche, aus und werde die morphologischen Verhältnisse der einzelnen Schichten in ihrer Auf- einanderfolge nach außen, nach der dem Schultergelenk abgekehrten Fläche, näher erörtern. Die innerste Schicht D setzt sich aus typischem Faserknorpel zusammen. Es lassen sich an ihr zwei allmählich ineinander über- gehende Lagen feststellen. In der obersten Lage (Abb. II D,), deren freie dem Gelenk zugekehrte Fläche zugleich das Gleitvermögen sichert, liegen die Bindegewebsfibrillen in leicht gewellten Zügen, die ausschließlich in der Zugrichtung der Sehne verlaufen. Infolge der regelmäßigen Fibrillenanordnung zeigt diese Lage im allgemeinen ein gleichförmiges Aussehen, welches auch durch das Vorhandensein einiger umfangreicherer Fibrillenbündel nicht wesentlich beeinflußt Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 45 wird. Dicht unter der Oberfläche kommt durch engen Zusammen- schluß der Fibrillen ein kompakteres Aussehen zustande, das durch intensive Färbung immer charakteristisch auffällt (Abb. IIg). Hierüber befindet sich eine schmale Zone (Abb. Ile), die keine Fibrillen mehr enthält, von fast homogener Beschaffenheit (eine ganz schwache Körnelung ist wohl auf die Einwirkung der Fixierungs- flüssigkeiten zurückzuführen). Diese Zone färbte sich mit allen Farbstoffen ganz schwach; die Anwendung von Schleimfarbstoffen ergab nie Schleimreaktion. Ich halte die fragliche Zone für hyaline Knorpelgrundsubstanz, mindestens steht sie dieser sehr nahe. Sie gibt der Gleitfläche, makroskopisch betrachtet, neben der Glätte jenes opaleszierende Aussehen, wie es die Knorpelflächen der Ge- lenke aufweisen, nur daß sie im Gegensatz zu letzteren infolge Durch- schimmerns des weißen Grundgewebes heller aussieht. Die Lage D, (Abb. II) ist zwar auch noch reiner Faserknorpel, doch ziehen hier die Fibrillenzüge im Gegensatz zur Lage D, nicht mehr sämtlich in gleichlaufender Anordnung, sondern weben sich in verschiedenster Richtung durcheinander. Das Bild der Schrägzüge und solcher, die senkrecht zur Gleitfläche streben, herrscht vor; daneben zeigen sich auch Querschnitte solcher Bündel, die zwar horizontal, aber quer zur Sehnenzugrichtung eingeschaltet sind (Abb. IIh). Was die Zellen in der Schicht D anbetrifft, so kommen nur typische Knorpelzellen vor, die von denen, wie sie sich im Binde- gewebsknorpel der cartilago intervertebralis beim Pferde finden, nicht zu unterscheiden sind. Mit Rücksicht hierauf und auf Grund des Vorhandenseins einer ausgeprägten Knorpelkapsel um jede Zelle kann nur die Definition „Knorpelzelle‘‘ Anwendung finden. Die Richtigkeit dieser Auffassung, unter Berücksichtigung dessen, daß durch die Vorbehandlung Quellung und Vakuolenbildung ein- getreten sein könne, wurde durch Gefrierpräparate, von der lebend- frisch entnommenen Sehne angefertigt, nachgeprüft. Es zeigten sich hierbei keine abweichenden Bilder. Die Zellen sind besonders zahlreich in der Lage D, und nehmen nach der Tiefe zu (Lage D,) an Zahl etwas ab. Je näher der Gleit- fläche, desto kleiner sind die Zellen. Des öfteren reichen sie (Abb. II 1) in die homogene Oberschicht e hinein; ganz vereinzelt lag auch wohl eine Zelle frei in dieser Zone. Dieses Verhalten der Zellen hat mich neben Aussehen und färberischer Eigenart der Zone e dazu geführt, sie als hyaline Knorpelgrundsubstanz anzusprechen. 46 F..Drahn: Einen Beweis gegen die etwaige Annahme einer Vakuolenbildung würde ich auch neben der charakteristischen Prägung einer Knorpel- kapsel und dem Verhalten des Zellprotoplasmas darin erblicken, daß die im allgemeinen nur sehr schwach bzw. gar nicht gefärbte Kapsel mit saurem Orcein auch färberisch kenntlich wurde. Hierbei färbte sich der Kern lebhaft, das Protoplasma gar nicht, die Kapsel deutlich, aber heller als der Kern. Handelte es sich um Vakuolen- bildung und nicht um eine Kapsel, so dürfte sich an dieser Stelle nichts färben. Die auf die reine Faserknorpelschicht D nach dem Sehnen- innern zu folgende Schicht C (Abb. I und II) ist eigenartig gebaut und mechanisch sehr interessant. Das Hervorstechendste hier sind die in der Schnittrichtung liegenden (Schnitt längs zur Sehnen- zugrichtung) schräg und senkrecht aufwärts steigenden dicken Bindegewebsbalken (Abb. li; Ili). Der Verlauf ihrer Fibrillen und deren färberisches Verhalten (Mallory: blau) charakterisiert sie als Bindegewebe. Eine auch nur teilweise sehnige Struktur habe ich an ihnen nie feststellen können. Die Fibrillenzüge ordnen sich vor- wiegend der Verlaufsrichtung des von ihnen gebildeten Balkens unter; davon entstehen Abweichungen, sobald die Balken ineinander über- gehen, wobei entsprechende. Verzweigung der Fibrillenbündel zu- standekommt. Durch Fibrillenverfilzung an den Uebergangsstellen wird der feste Zusammenhalt der Balken untereinander gewahrt. Nach oben und unten lösen sich die Fibrillenzüge der Schicht C in diejenigen der benachbarten Schichten D und B auf und bewirken so gleichsam eine feste Verankerung. Auch in diesem Bindegewebe sind ausgeprägte Knorpelzellen eingelagert; weitere Zellen finden sich nicht. Die eben geschilderten Bindegewebsbalken bilden auf dem Längsschnitt ein Netzwerk. In den Maschen (Abb. I und .II K) liegt ebenfalls Bindegewebe verschiedenen Aussehens. Nicht wenige kompakte, dicke und plumpe schräggetroffene Bindegewebszüge neigen dazu, sich mit der Mallory-Modifikation rot zu färben; damit weisen sie darauf hin, daß ihnen ein mehr sehniger Charakter zuzu- sprechen ist. Diese „Schräg‘schnitte (Abb. II K!) zeigen, daß in den großen Maschen ein sehr derbes sehniges Bindegewebe in dicken Einzelbündeln verläuft, Züge bildend, welche unter sich gekreuzt schräg von oben nach unten (von Gleitfläche zu Außenfläche) ziehen und dabei quer zur Zugrichtung der Sehne stehen. Zusammen- Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 47 gehalten werden diese derben Bündel durch ein dichtes Gewirr von feinen Bindegewebsfibrillen und -Bündeln, in das die derben Züge zahlreiche Ausläufer hineinsenden. Außerdem sieht man vielfach quergetroffene Bindegewebsbündel, welche dafür sprechen, daß auch in horizontaler Richtung und quer zur Zugwirkung in der Sehne Bindegewebsbündel angeordnet sind. Der gesamte Mascheninhalt ist außerordentlich arm an Zellen; ganz vereinzelt finden sich in ihm Knorpeizellen. Neigung zu ähnlicher konstruktiver Anordnung der Fibrillen erwähnt Lotze (17) für die tiefe Beugesehne des Pferdes an Stellen stärkeren Druckes. In der Schicht B herrscht Faserknorpelstruktur ganz über- wiegend vor. Abb. III zeigt die Anordnung der Fibrillen und ihrer Bündel. Sie laufen in verschiedenster Richtung als breitere Züge, die sich an ihren Enden auflösen und sich mit den Nachbarfibrillen verbinden. Meist geben sie in ihrem Verlauf zahlreiche feine Seiten- zweige an die Umgebung ab. Anderseits findet man auch regellose Filzwerke. Bemerkenswert ist, daß viele Bündel, häufig sehr kräftige und umfangreiche, senkrecht zur Gleitfläche stehen. In diesem Fibrillengewirr sind lediglich Knorpelzellen anzutreffen, die dem Gan- zen das charakteristische Gepräge verleihen. Eingeschaltet in diesen Faserknorpel sind Sehnenzüge. Vielfach verlaufen sie in leicht gekrümmter Bogenlinie in der Zugrichtung der Sehne. Diese Hauptzüge verbinden sich durch zahlreiche Schräg- bahnen und Kreuzweis verflochtene Bündel miteinander (Abb. Ic). Ich sprach von „Sehnen“; richtiger wäre wohl ‚sehnenähnliches‘“ Gewebe. Nur ‚„sehnenähnlich‘ ist dieses Gewebe deshalb, weil zwar das Aussehen der Fasern ganz denen der Sehne gleicht, die Zellen aber zum größten Teil von solchen des echten Sehnengewebes durch- aus verschieden sind. Die Hauptzüge bestehen aus einem ausgepräg- ten parallelfaserigen Bindegewebe, wie wir es sonst nur in der Sehne antreffen; die von diesen Fibrillen gebildeten Fasern schließen sich meist zu derben und umfangreichen Bündeln zusammen. Gerade in der Schicht B aber sind diese Bündel verhältnismäßig kurz; an ihren Enden lösen sich die Fasern in feine pinselförmige Fibrillenbüschel auf, die sich mit den Fibrillen des nebenliegenden Faserknorpels innig verweben (Abb. IV). Sehr klar tritt alles das, was sehnenähn- lichem Gewebe zuzurechnen ist, mit der früher angeführten Mallory- Modifikation zutage: es färbt sich leuchtend rot, während das Binde- 48 F. Drahn: gewebe des Faserknorpels blau tingiert erscheint. Hierdurch heben sich beide Fibrillenarten scharf gegeneinander ab (Abb. IV). Merk- würdig ist in diesen Schichten an dem sehnenähnlichen Gewebe die Zellarmut; nur verhältnismäßig wenige zellige Elemente, und zwar immer nur typische Knorpelzellen, lassen sich in den Faserbündeln ermitteln. Auch ganz frische Gefrierpräparate wiesen die gleiche Erscheinung auf. Die Außenschicht A bietet insofern ein ganz anderes Aussehen, als hier das Bild der derben sehnigen Faserzüge bei weitem über- wiegt. In der Hauptsache finden sich zur Sehnenzugrichtung längs- verlaufende Bündel, zwischen denen ebenfalls zahlreiche Schräg- und Kreuzverbindungen zu sehen sind. Die Aneinanderreihung vieler gleichgerichteter Faserzüge gibt diesem Teil ein kompaktes Aussehen; dazwischen eingeschaltete Inseln von Faserknorpel glei- cher Struktur wie in Schicht B (Abb. III) treten im Gesamtbilde etwas zurück. In Richtung auf Schicht B sind auch in der Schicht A die sehni- gen Züge zelların; lediglich Knorpelzellen kann man in ihnen an- treffen, Sehnenzellen nirgends. Abb. V a zeigt derartige Zellen nach einem Gefrierschnitt von lebendfrischer Sehne, mit Hämalaun ge- färbt. Die Zellen sind groß, jedoch etwas gestreckter als die gerun- deteren Knorpelzellen der eingeschalteten Faserknorpelinseln. Aber sie besitzen die gleiche typische Kapsel, der Protoplasmaleib hebt sich deutlich davon ab. Je mehr wir aber der Außenfläche der Gleit- sehne näher kommen, desto mehr entfernen sich die in den Sehnen- fasern anzutreffenden Zellen von dem ausgeprägten Knorpeltypus. Abbildung VI gibt eine Stelle aus dieser Uebergangszone: die Zellen werden zahlreicher, vereinzelte große Zellen zeigen noch mehr oder weniger deutlichen Knorpelcharakter; daneben überwiegen Zellen, die bereits schmaler sind, aber immer noch eine klare Kapsel auf- weisen. Je weiter nach der Außenfläche, desto mehr verschwindet die Kapsel und es können schließlich nur noch Zellen angetroffen werden, welche in jeder Hinsicht den Charakter von Sehnenzellen zeigen. Abb. V bildet die drei Hauptstadien dieser Zellmodifikation bei gleicher Vergrößerung ab. Die Zellen ließen an dünnen Stellen zweier frischer Gefrierschnitte derselben Sehne unschwer die feineren Einzel- heiten klar erkennen. Abb. Vc zeigt den reinen Sehnenzelltypus, langgestreckte schmale Kerne mit einem schmalen Protoplasmasaum. Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 49 Abb. V b bildet ein Mittelstadium ab, die Kerne sind kürzer und dicker geworden, der Zelleib umgibt als schmale Einfassung den Kern, darum liegt eine heile Kapsel, die aber noch langgestreckt erscheint und keine scharfe Außenkontur zeigt. Abb. Va läßt Knorpelzellen sehen, die auf der Sehnenfaser liegen: der Kern ist noch kürzer und dicker, der Zelleib umfangreicher geworden, die außen scharf konturierte Kapsel, und damit das ganze Zellgebilde, hat stark an Ausdehnung gewonnen. Zweifellos haben wir es hier mit dem allmählichen Ersatz echter Sehnenzellen durch echte Knorpelzellen zu tun, eine Modifikation, welche als Anpassung an die mechanische Funktion der Gleitsehne aufzufassen ist. Die Kapselzellen etwa als vesikulöses Stützgewebe anzusprechen, wäre unangebracht, ja durchaus falsch. Es zeigt sich überall, daß die Kerne stets von einer vielleicht nur ganz schmalen Protoplasmaschicht umgeben sind, von welcher sich bei starker Vergrößerung die hellere, teils geradezu leuchtende Kapsel immer klar abhebt. Vesikulöse Zellen im Sinne Schaffers (13: blasen- förmige Zellen mit festeren Wänden — die blasigen Zellen mit ihrer elastischen Außenschicht (Kutikularmembran, Kapsel) können ver- streut im Gewebe liegen... .) habe ich an keiner Stelle der Biceps- sehne finden können. Das Fehlen der Kapseln in den äußeren Schich- ten, ihr Entstehen und allmähliches Größerwerden unter Gestalts- veränderung des Kernes und Vermehrung des Plasmas zeigt die Stufenfolge in so typischer Form, daß man die Bicepssehne geradezu als demonstratives Musterbeispiel hierfür ansprechen kann. Bereits Lotze (17) spricht von einem ähnlichen Verhalten der Zellen in der tiefen Beugesehne, wie ich es beim Biceps fand: „es ist jedoch zu bemerken, daß vereinzelt auch Knorpelzellen zwischen und in den oberflächlichen Sehnenbündeln zu finden sind, weiter nach dem Sehneninnern werden solche Zellen nicht mehr gesehen.“ Die Ausbildung des Knorpelcharakters in den zelligen Elementen des sehnigen Gewebes muß zweifellos als Folge einer funktionellen Anpassung angesehen werden, wenn auch in bezug auf die allgemeine Grundstruktur — Anordnung und Verlauf der sehnigen Züge, Ein- schaltung von Faserknorpel — eine gewisse erbliche Anlage nicht von der Hand gewiesen werden kann. Beim 7,5 cm Embryo (Nacken-Steißlänge) überwiegen in der äußerst zellreichen Anlage für die Ursprungssehne des Biceps lang- gestreckte Kerne, die sämtlich in gleicher Richtung, der späteren Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 4 50 FeDrahm: Zugachse der Sehne entsprechend, angeordnet erscheinen. Die zwi- schen diesen zellreichen, ‘das Bild beherrschenden embryonalen Sehnenzellen befindlichen gewöhnlichen Bindegewebszellen, runde Formen mit rundem Kern und großem Zelleib, der meist verästelt ist, treten zurück, wenn auch sie nicht gerade selten sind. Der 27 cm lange Foetus (Nacken-Steißlänge) zeigt bereits die Vorbereitung der späteren Gleitsehnenstruktur: in der Innenhälfte Auseinanderweichen der durch langgestreckte Kerne charakteristisch auffallenden Züge der Sehnenanlagen, wobei Verbindung durch Schrägzüge schon stattfindet. Dazwischen schieben sich Inseln runder und verästelter Bindegewebszellen ein, die späteren Faser- knorpelinseln. In der Außenhälfte überwiegen die embryonalen Sehnenzüge, das Bindegewebe dazwischen tritt sehr zurück. Doch zeigt sich auch hier schon eine ähnliche Anordnung wie in der fertigen Sehne, nur daß eben jede Knorpelbildung fehlt. Die bereits fötale Anlage der späteren Knorpelinseln spricht meiner Meinung ebenfalls gegen die Notwendigkeit des Begriffs ‚„vesikulöses Gewebe“ in den erwähnten Sehnen und sesamoiden Bildungen. Ich halte es für zweckmäßiger und durchaus statthaft, in diesem Sinne — in Ueber- einstimmung mit Lungwitz, Varaldi und Lotze — von „Knorpel‘ zu sprechen. Erwähnen muß ich, daß die vorstehende Strukturbeschreibung nur für das Gebiet der Gleitsehne zutrifft und daß auch in dieser Abweichungen vom Typus angetroffen werden, indem der sehnige Charakter gegenüber dem Faserknorpel betont sein kann. Wahr- scheinlich können hier Rasse und Zuchtzweck Modifikationen be- dingen. Nach den Enden der Sehne tritt aber der Knorpel regel- mäßig stark zurück. Wenn auch hier manche Struktureigentüm- lichkeiten, z. B. der Schicht C, noch auf gewisse Strecken erhalten bleiben, so überwiegt doch der sehnige Typus, was soweit geht, daß an die Stelle der Faserknorpelschicht D ebenfalls Sehne tritt, in der fast keine Knorpelzellen mehr sichtbar sind. Die beschriebenen Untersuchungsergebnisse lassen die Berechti- gung meiner vorangestellten Ansicht über die Beanspruchung der Sehne und deren Beziehungen zur Bauart wohl klar erkennen. Druck von innen nach außen, Zug in der Längsrichtung sind die bestimmen- den Faktoren. Der Widerstand gegen den Zug wird gewahrt durch die Gestaltung der Außenschicht, welche einen von einer Sehne am wenigsten abweichenden Bau zeigt und eine bedeutende Zugfestigkeit Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 51 besitzen muß. Dem Druck wird begegnet einmal durch die An- ordnung der Bindegewebs- und Sehnenzüge in der Innenschicht: wie eine Damascenerklinge verflochten muß dieses fibrilläre und faserige Gewebe dem Innen-Ausdruck eine erhebliche Widerstands- fähigkeit entgegensetzen können und dabei durch die Konstruktion der Schicht C, wie vor allem durch die überwiegend kKnorpelige Umwandlung, eine stoßmildernde Elastizität von größter Wirkung entwickeln können. Die Ursprungssehne des m. biceps brachii des Pferdes kann demnach weder allein als Sehne, noch allein als Faserknorpel an- gesprochen werden. Sie ist eine Mischung beider Gewebe, die zu einem Gebilde Anlaß gibt, das mit Rücksicht auf seine eigenartige Kon- struktion einen interessanten Beitrag dafür liefert, wie mechanische Beanspruchung in weitgehender Hinsicht auch dem histologischen Bild ein besonderes Gepräge gibt. Literaturverzeichnis. . Schmailtz, Anatomie des Pferdes. Berlin 1919. . Gur1t, Handbuch der vergl. Anatomie der Haussäugetiere. Berlin 1843. Leyh, Handbuch der Anatomie der Haustiere. Stuttgart 1859, Franck, Handbuch der Anatomie der Haustiere. Stuttgart 1883. Sußdorf, Lehrbuch der vergl. Anatomie der Haustiere. Stuttgart 1895. 6. Chauveau-Arloing-Lesbre, Traite d’anatomie comparee des animaux domestiques. Paris 1903. Tome 1. 7. Sisson, A text-book of veterinary anatomy. Philadelphia and Lon- don 1910. 8. Ellenberger-Baum, Handbuch der vergl. Anatomie der Haus- tiere. Berlin 1915. 9, Lungwitz, Kapitel „Bewegungsorgane‘““ in Ellenberger, Handbuch der vergl. mikrosk. Anatomie der Haustiere, I. Bd. Berlin 1906. 10. Varaldi, Sulla frequente presenza di elementi cartilaginei nello spes- sore dei tendini negli animali domestici. Parma 1901. 11. Schaffer, Ueber Knorpelbildung an den Beugesehnen der Vögel. (Zentralbl. f. Physiol. Bd. 16, 1902, S. 115.) 12. Ders., Ueber den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpel- gewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanzen. (Ztschr, f. wiss. Zool. 70. Bd. 1901.) 13. Ders., Ueber das vesikulöse Stützgewebe. (Anat. Anz. Bd. 23, 1903.) 14. Ders., Ueber das Verhältnis des Chordagewebes zum Knorpelgewebe. (Anat. Anz. 37. Bd. 1910). seunn 4%* BR, Bopmarhn:® 15. Ders., Ueber den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpel- gewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz, III. Teil. (Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. 97, 1911.) 16. Bruhnke, I.D. der Tierärztlichen Hochsch. Berlin 1920. Nicht veröffentlicht. 17. Lotze, Untersuchungen über die Beugesehne am Fuße des Pferdes. l.D. Leipzig 1911. 18. Forssell, Ueber die funktionelle Struktur der Sehnen. (Ztschr. f. Tiermedizin, 18. Bd. 1915, S. 467.) 19. Dammann, Vergleichende Untersuchungen über den Bau und die funktionelle Anpassung der Sehnen. (Arch. f. Entw.-Mech. d. Organ. Bd. 26, Heft 3, 1908.) 20. Disselhorst, Vergleichende Untersuchung über den Bau und die funktionelle Anpassung der Sehnen an den Extremitäten unserer Ar- beitstiere. (Kühn-Archiv, Arbeiten a. d. Idw. Inst. d. Univ. Halle, Bd. III, 1. Halbbd. Berlin 1913.) Erklärung der Abbildungen. Abb. I. Längsschnitt durch die Gleitsehne (nur ein kleiner Teil des Außen- gebietes ist nicht mitgetroffen). Lupenvergrößerung. A. Sehnen-Faserknorpelschicht. B. Faserknorpel-Sehnenschicht. C. Gebiet der gekreuzten Bindegewebsbalken. D. Faserknorpel der Gleitfläche. a. c. Sehnenzüge. b. d. Faserknorpel. i. Bindegewebsbalken. k. Bindegewebe in den Maschen der Schicht C. Abb. II. Längsschnitt durch die Schichten C und D (Zeiß Oc. 4, Obj. D, Tub. 145). D,. Faserknorpel mit parallelen Fibrillenzügen. g. Verdichtungsschicht. e. Homogene Oberschicht (Gleitschicht). D,. Faserknorpel mit verschieden gerichteten Fibrillenzügen. h. Querschnitte von Fibrillenbündeln. f. Knorpelzellen reichen in die homogene Oberschicht e hinein. i. Bindegewebsbalken. k. Bindegewebe in den Maschen der Schicht C. k’. Schräganschnitte von Bindegewebsbündeln sehnigen Charakters. Abb. III. Faserknorpel aus der Schicht B (vgl. Abb. Id) (Zeiß Oc. 4, Obj. D, Tub. 145). Abb. IV. Uebergang von Sehnengewebe in Faserknorpel der Schicht jB (Zeiß Oc. 4, Obj. D, Tub. 145). Färbg.: modif. Mallory; Sehnenfasern dunkel, Fibrillen des Faserknorpels hell. Ueber d. histol. Bau d. Gleitsehne d. Musc. biceps brachii b. Pferd. 53 Abb. V. Verschiedene Zellformen im Sehnengewebe (Zeiß Oc. 4, Oelimmer- sion, Tub. 160). Aus zwei Gefrierschnitten derselben Sehne. a. Knorpelzellen. b. Modifikation zwischen Sehnenzelle und Knorpelzelle. c. Sehnenzellen. Abb. VI. Sehnengewebe mit Kapselzellen (Leitz Zeichenocular, Obj. 6, Tub. 145). Gefrierschnitt. Nachtrag. Die von mir S. 43 erwähnte Methode wurde inzwischen veröffentlicht: Drahn, Neue histologische Technik für Sehnenunter- suchung. Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1921, Nr, 9 u. 10. Die 1920 erschienenen ‚Vorlesungen über Histologie und Histogenese‘ von Schaffer konnten, da vorliegende Arbeit bereits vorher druckfertig war, nicht mehr berücksichtigt werden. 54 W. Berg: Ueber funktionelle Leberzellstrukturen Il. Das Verhalten des Fettes in der Leber von Salamandra maculata unter verschiedenen Bedingungen der Jahreszeit und der Ernährung. Von W. Berg. (Aus dem anatomischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Mit 1 Tafel. In einer früheren Veröffentlichung !) habe ich über Untersuchungen berichtet, durch welche bezweckt wurde, die Beeinflussung der Zell- strukturen in der Leber von hungernden Salamandern nach Fütte- rung cholagoger Mittel, wie Neutralfett, fettsaurem Salz, Galle, gallensaurem Salz, Ammoncitrat festzustellen. Das Ergebnis war, daß die Plastosomen verquollen und z. T. vakuolisiert wurden; sie verschwanden dann z. T. fast vollständig aus dem Zellkörper und bildeten sich, wie in einem Falle zu ersehen war, wieder neu. Ich war mir bei diesen Versuchen wohl bewußt, daß ich bei der Ver- fütterung von Neutralfett nicht nur ein Cholagogon, sondern auch ein Nahrungsmittel einführte, Auf diesen Umstand möchte ich in der vorliegenden Veröffentlichung näher eingehen und in dieser Hinsicht neue Untersuchungen über den Effekt der Fütterung von Neutralfett schildern, durch die ich in letzter Zeit in der Lage gewesen bin, meine früheren Versuche zu ergänzen. Dabei beabsichtige ich, die Erscheinungen der Sekretion in den Leberzellen von denjenigen genauer abzugrenzen, welche durch die Vorgänge bei der Fettauf- nahme selbst hervorgerufen werden, und zu diesem Zwecke zunächst auf das Geschehen in der Leberzelle bei der Fettaufnahme und deren Berg, Di6-Verz#sb; Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 55 Bedingungen, bezüglich deren mir die in der Literatur !) enthaltenen Angaben ergänzungsbedürftig zu sein scheinen, näher zu unter- suchen. Was zunächst die allgemeinen Bedingungen des normalen Auf- tretens von Fett in der Leber betrifft, so verweise ich im einzelnen auf die Literatur ?). Aus dieser greife ich eine Anzahl von Angaben heraus, welche für unsere Betrachtungen als wichtig erscheinen: Fettbildung in der Leber wird nicht nur durch die Verfütterung von Fett oder anderen Nahrungsstoffen hervorgerufen. Es kann auch unter normalen Umständen Fett ohne Nahrungszufuhr von außen in der Leber auftreten. Das vom Darm aufgenommene Fett vermeidet, namentlich bei Säugetieren, zum großen Teil den direkten Weg in die Leber, Mastfettleber entsteht bei Gänsen und Enten erst, wenn die Fettlager des Körpers aufgefüllt sind. Bei Hunden und Kaninchen stieg die Menge des Fettes in der Leber an, wenn die Tiere hungerten ?°). In diesem Zusammenhang scheinen sich die Befunde von Lan g- ley®) und Altmann?) zu erklären, welche das Maximum des Fettgehaltes der Leber von (in der Winterruhe hungernden) Fröschen in den Monaten Februar und März fanden. Möglicherweise besteht hier außerdem ein Zusammenhang mit der im Frühjahr einsetzenden Produktion der Keimdrüsen ®),, Im allgemeinen scheinen die Kaltblüter dauernd relativ größere Mengen von Fett in der Leber zu beherbergen als Warmblüter. Das Fett der ersteren ist meist leichter flüssig ?). Bei dem trägen Stoffwechsel des Salamanders war zu erwarten, daß in seiner Leber die Vorgänge bei der Fettaufnahme sich so langsam abspielen würden, daß eine bequeme Untersuchung der Art und Weise derselben möglich sein würde. Die Fähigkeit dieser Tiere, lange Hungerperioden auszuhalten, ließ, ebenso wie früher beim 1) Altmann ,Lit.-Verz. 1,Arnold2,Heidenhain20,Krehl 23, Meitzner 25, Starke 34. VrießBincer, Lit-Verz. 55 Eischler 16, Gawp:p 17; Na- ee: 29), Oppel:30 S) Gilbert und Jomier, Lit.-Verz. 18, Rathery und Ter- Bo Ile 32, Late. lev; „EBit.-Verz.. 24. 5) Altmann, Lit.-Verz. 1. 6), Deflandre, Lit.-Verz. 9. ”) Deflandre, Lit.-Verz. 9, 56 W.aBsertig: Studium der Eiweißspeicherung in der Leber, erwarten, daß es mög- lich sein würde, durch entsprechende Anordnung die Leber frei von Fett zu erhalten, was bei anderen Tieren auf Schwierigkeiten stößt (s. 0.). Die für den Frosch gemachte Angabe, daß im Frühjahr nach der Winterruhe Fett in der Leber auftritt, war auch beim Salamander nachzuprüfen;; endlich war zu untersuchen, ob ein Zusammenhang der Formveränderungen der Plastosomen, wie sie von mir bei der Sekre- ° tion der Leberzellen festgestellt worden waren, mit der Fettauf- nahme in die Leberzellen besteht; hatte doch eine Reihe von Auto- ren!) eine Funktion dieser Elemente bei der Fettbildung in der Leberzelle angenommen. Bei den jetzt zu beschreibenden Fütterungsversuchen wurde auf die Erzielung einer Mästungs-Fettleber kein Wert gelegt, sondern nur angestrebt, in der möglichst fettireien Leber von Hungertieren das Wiederauftreten von Fett hervorzurufen. Material. Für die Untersuchung standen zur Verfügung: 1. Gut genährte, bald nach dem Einfangen getötete Tiere aus dem Juni 1913 und dem Herbst 1920. 2. Hungertiere: Stichproben aus; a) Hungerperioden von Juni 1913 bis Winter 1914. b) Hungerperioden von Herbst 1913 bis Frühjahr 1914. c) Hungerperioden von November 1919 bis August 1920. 3. Die mit säurefreiem Olivenöl gefütterten Salamander der schon früher ?) erwähnten Serie mit den zugehörigen Kontrolltieren. 4. Eine neue Serie von Salamandern, welche von Herbst 1919 anfangend etwa 9 Monate gehungert hatten. Nach einer Reihe von Kontrollen, welche zum Schluß zeigten, daß der Fettgehalt der Leber bis auf Spuren zurückgegangen war, wurde der Rest der Tiere mit je 1, ccm säurefreien Mohnöls gefüttert und nach 5 Stunden, 23 Stunden, 2 x 24 Stunden, 5 x 24 Stunden getötet. Untersuchungsmethoden. Die Lebern wurden mit dem Rasiermesser in kleine Stückchen geschnitten und fixiert in: 4) Altmann ,Lit.-Verz. 1,Arnold2,Metzner26,Starke34. 2). Berg ,Lit.-Verz. 5b. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 57 1. Kaliumbichromat 5%, 80 Teile, Formol 20 Teile für 2 x 24 Stunden. 2. Zucker-Formol 10 : 1 für 2 Stunden. 3. Flemmingscher Flüssigkeit nach Bendas Rezept für 6—8 Tage. 4. Formalin 10%. Die Präparate zu 1. und 2. wurden nach der Fixation für 7—8 Tage in 3% Kaliumbichromat gebeizt, zu 4. gleichfalls, wenn Celloidin- paraffineinbettung beabsichtigt war; dann erst wurde ausgewaschen. Die Präparate zu 3. wurden in der von Ben da angegebenen Weise mit Chromsäure-Holzessig und Kaliumbichromat gebeizt. Ein Teil der Stückchen von 1. wurde in 1% Osmiumsäure für 8 Tage sekundär osmiert. Die Formalinpräparate wurden zur allgemeinen Orientie- rung verwendet. Die Schnittdicke der Celloidinparaffinpräparate betrug 2 oder 3 u. Gefärbt wurden diese mit Eisenhämatoxylin oder nach Benda. Die Resultate beider Färbungen waren identisch, die Hämatoxylinfärbung bequemer. Die Wirkung der primären oder sekundären Osmierung waren durch andere Fettfärbungen zu kontrollieren. Darauf, daß Osmium- säure außer Fett auch andere Substanzen, von Fett nur einen Teil färbt, ist später nochmals einzugehen; weiter sei daran erinnert, daß osmiertes Fett, namentlich wenn es sich um zarte Strukturen handelt, durch die dem Canadabalsameinschluß vorangehende Be- handlung und durch den Canadabalsam selbst gelöst werden kann. Endlich ist in Canadabalsampräparaten der tinctorielle Unterschied zwischen osmiertem Fett und den gefärbten Plastosomen vielfach nicht überzeugend, namentlich wenn es sich um Eisenhämatoxylin- präparate und feine Fettstrukturen handelt. Es wurden daher zum Nachweis des Fettes neben Canadabalsam- präparaten Gefrierschnitte mit Scharlach-R gefärbt und mit Häm- atein nachgefärbt. Die Scharlachlösung war konzentriert in 70% Alkohol, die Färbedauer 10 Minuten. Der Einschluß erfolgte in Gly- zeringelatine. Zur Beurteilung des chemischen Verhaltens des Fettes diente die parallel mit der Scharlachfärbung angestellte Färbung mit Nilblausulfat !). Hierbei färbt sich das Fett teils rötlich, teils tief blau, teils zeigt es Uebergangstöne von rot zu blau. Diese Färbungs- differenzen hat Aschoff?) zur mikroskopischen Unterscheidung 1) Nach den Angaben von Schmorl, S. 164. VYAschoff, Lit-Verz. 3. 58 W. Berg: zwischen Neutralfetten, freien Fettsäuren, Cholesterinestern und Phosphatiden mit benutzt. Neuerdings hat Boeminghaus!) eine größere Reihe von reinen Fettsubstanzen in bezug auf ihr Ver- halten gegen Nilblausulfatfärbung untersucht und kommt zu dem Schluß, daß Rotfärbung bei Anwesenheit von Oelsäureestern, Blau- färbung bei Anwesenheit von freier Oelsäure, vielleicht allgemein von ungesättigten Fettsäuren auftritt. Aus den verschieden abge- stuften Farbtönen ist nicht mit Sicherheit auf die Art der vorliegen- den Fettstoffe zu schließen. Nach jahrelangem Aufenthalt in For- malin kann es zu einem Umschlagen der anfangs roten in blaue Färbung kommen, offenbar infolge der Spaltung des Fettes durch sich bildende Ameisensäure. Mir scheint aus Boeminghaus’ Re- sultaten hervorzugehen, daß die Anwesenheit von Oelsäure und Oelsäureestern (blau — rot) sicher festgestellt werden kann und daß Uebergangstöne, stetig sich veränderndes Material vorausgesetzt, für Mischungen von beiden charakteristisch sein können. Das Formalinmaterial meiner letzten Serie (4) ist bis zur Unter- suchung nur einige Wochen in Formalin verblieben. Aber auch Sa- lamanderlebern, welche seit 1913 und 1914 in 10% Formalin gelegen hatten, haben noch gute Rotfärbung des Fettes bei Nilblausulfat- färbung gegeben. Um das Verhalten der Fettgebilde gegenüber den Plastosomen festzustellen und nachzuprüfen, ob das erste Auftreten des Fettes in der Zelle in der Substanz der Granula (in der peripherischen Schicht oder der ganzen Breite) statt hat, wie es Altmann und seine Schüler ?2), sowie J. Arnold?) und neuerdings z. B. Du- breuil?) annehmen, war es nötig, beide Arten von Strukturen in denselben Präparaten gleichzeitig untersuchen zu können. Die oben geäußerten Bedenken verboten, sich dabei nur auf osmierte Plastosomenpräparate, in Canadabalsam eingeschlossen, zu stützen. Um nun ein Maximum an Fettsubstanzen neben den Plasto- somen darstellen zu können, bin ich von der üblichen Technik abge- wichen und habe mit Kaliumbichromat-Formalin fixierte und nach- ı) Boeminghaus, Lit.-Verz. 6. ®) Altmann ,Lit.-Verz. 1. Kreh123,Metzmer26,Starke34. >) Arnold, Lit.-Verz. 3. Verf. gibt eine Literaturübersicht über seine zahlreichen einschlägigen Arbeiten. ) Dubrewuil Lat YVerz, 10) Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 59 gebeizte Stücke nach dem Wässern mit dem Gefriermicrotom ge- schnitten, mit Eisenhämatoxylin vor- und mit Scharlach nach- gefärbt. Unter 5 Schnittdicke dabei herabzugehen, erwies sich weder als notwendig noch als praktisch. Eingedeckt wurde (nach Ueberführung in Glyzerin) in Glyzeringelatine. Das Resultat war überraschend günstig. Auch die feinsten Fetttröpfchen waren leuchtend rot, die Plastosomen der entsprechend differenzierten Zellen distinkt gefärbt und in allen ihren wechselnden Formen zu beobachten, welche identisch mit denjenigen in Canadabalsam- präparaten waren. Den für den vorliegenden Zweck nicht sehr we- sentlichen Umstand, daß die Schnitte in Glyzeringelatinepräparaten nicht so gut geebnet sind wie aufgeklebte Paraftinschnitte, und daß diese viel dünner hergestellt werden können, muß man ebenso wie die nicht ganz so günstigen Refraktionsverhältnisse mit in den Kauf nehmen. Bezüglich des Aufbaues der Salamanderleber sei daran erinnert, daß die Parenchymzellen zu Zellbalken und Zellplatten angeordnet sind!). Die Blutkapillaren sind bei hungernden Salamandern weit, ihre Endothelzellen schmiegen sich den Zellbalken resp. Zellplatten eng an. Ihre Kerne sind von denen der Leberzellen, ihr Zelleib ist, namentlich wenn sie längs getroffen sind, vom Protoplasma der Leberzellen gut zu unterscheiden. Die Größe der letzteren ist bei schlecht genährten Tieren viel geringer als bei gut genährten. Die Leber weist eine kortikale Schicht von Iymphoiden Zellen auf, ebenso innerhalb des Parenchyms in Anlehnung an die Gefäße Inseln Iymphoider Zellen ?); diese können Pigment in wechselnder Menge enthalten °). Befunde. KG en ahir&e Terre, Im Juni enthielten die Leberparenchymzellen zahlreiche mittel- große (3—5 u) Fetttropfen, welche über den großen Zellkörper ziem- lich gleichmäßig verteilt waren. Bisweilen fanden sich auch Tropfen von etwa 10 u. Der Fettgehalt der Endothelzellen der Kapillaren war unbedeutend, die enthaltenen Tropfen viel kleiner. In den IFVek BB ra1Ww8 5 Lit.-Verz. 7, 2) Vgl. Oppel, Lit.-Verz. 30. 3) Berg, Lit.-Verz. 5a. 60 W. Berg: Iymphoiden Zellen war Fett recht selten; fetthaltige pigmentierte Zellen wurden nicht gefunden. Mit Nilblausulfat färbten sich die Fetttropfen rot. Im Oktober war der Fettgehalt etwas geringer, aber durch- schnittlich immer noch bedeutender als 2x 24 Stunden nach der Fütterung mit Fett (s. u.). Die Tropfen in den Parenchymzellen waren weniger zahlreich, aber größer, in den Endothelzellen und Iymphoiden Zellen etwas größer und zahlreicher als bei den Sommer- tieren. Die groben Granula der eosinophilen Leukozyten, die zwi- schen den Iymphoiden Zellen nicht selten sind, blieben durch Schar- lach und Nilblausulfat ungefärbt; in den pigmentierten Zellen war kein Fett. Nach Nilblausulfatfärbung war das Fett rot. 27 Dan erdTterie. Hungerten die Tiere seit dem Herbst den Winter über, so be- standen normale Verhältnisse, da die Salamander dann auch im Freien nicht fressen. In den Lebern solcher Tiere erwies sich im Ja- nuar (6. I. 14) das Fett, wenigstens in zahlreichen (makroskopisch) herdförmigen Bezirken als deutlich vermehrt. Gar nicht selten waren Parenchymzellen, welche, ohne ihre Form wesentlich zu verändern, so viel Fett aufgenommen hatten, daß das Protoplasma nur noch in Gestalt einer dünnen kortikalen Schicht vorhanden war, welche durch dünne Stränge mit einem Saum um den Kern verbunden war. Auch der Fettgehalt der Endothelzellen war größer und teilweise sehr be- deutend, ebenso fanden sich zahlreichere und größere Tropfen in den Iymphoiden, ab und zu auch in den pigmentierten Zellen. Nach Nilblausulfatfärbung waren die Tropfen rötlich, in Iymphoiden und Iymphoiden pigmentierten Zellen habe ich ab und zu größere blau- violette Tropfen gesehen und in Endothelzellen feine blaue Tropfen gefunden. ‘ Gefärbten eosinophilen Granulis bin ich nicht begegnet. Material, welches von Salamandern stammte, welche vom Herbst bis Mitte Februar (16. Il. 14) gehungert hatten, zeigte eine Verstärkung der Impletion. Die Parenchymzellen waren gleich- mäßiger und stärker gefüllt; was aber vor allem auffiel, war die starke Anfüllung eines beträchtlichen Teiles der Endothelzellen, in denen sich meist wenigstens einige mittlere Tropfen fanden. Häufig aber war die Impletion so stark, daß die unter gewöhnlichen Um- ständen sehr dünnen Zelleiber durch konfluierte Tropfen ausgedehnt Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 61 und ausgefüllt plastisch ins Innere der Kapiglaren vorsprangen. Auch der Fettgehalt der Iymphoiden Zellen, namentlich in den In- seln, war größer und manchmal beträchtlich. In den pigmentierten Zellen lagen einzelne mittelgroße oder große Tropfen. Da auch im Innern der Gefäße gar nicht selten Leukozyten mit Fett so stark impletiert waren, daß ihr Protoplasma zu einer dünnen Wand ausgezogen wurde und diese sich zwischen den Erythrozyten bis- weilen abplatteten, konnte oft der Anschein entstehen, als ob Fett frei im Gefäße läge. Doch waren auch Tropfen von 6—10 u Durch- messer vorhanden, welche ganz rund waren und keine Andeutung einer Protoplasmahülle zeigten. Färbung eosinophiler Granula habe ich nicht gesehen. Nach Nilblausulfatfärbung waren die meisten _ Tropfen rötlich; einzelne mittelgroße, namentlich in Endothel- und Iymphoiden Zellen blau-violett. Die Bilder sprechen dafür, daß das Fett aus den Gefäßen, inner- halb deren die Leukozyten fetthaltig sein können, in die Endothel- zellen, die Iymphoiden und die Parenchymzellen wandert. Ob nun das Fett von den Endothelzellen phagozytär aufgenommen wird, ob es von ihnen an die Parenchymzellen abgegeben wird, oder ob in diesen die Fettaufnahme parallel und unabhängig vor sich geht, darüber mich zu entscheiden möchte ich vorläufig vermeiden. Wir haben also auch beim Salamander, für den Deflandre!) in ihrer sonst ausführlichen Arbeit nur kurz wechselnden Fettgehalt in der Leber angibt, wie Langley?) beim Frosch trotz des Hunger- zustandes beim Ausgang des Winters eine deutliche Fettleber ge- funden. Wie dieselbe sich beim freilebenden Tiere bis zum Juni weiter verändert, darüber bin ich bisher nichts auszusagen imstande und werde auch in der nächsten Zeit darüber nichts feststellen können, da ich in Königsberg gezwungen bin, die Tiere käuflich aus Berlin zu beziehen, und ich mich nicht darauf verlassen kann, daß im Früh- jahr bezogene Tiere wirklich frisch gefangen sind. Läßt man nun im Herbst gefangene Tiere vom Herbst bis in die warme Jahreszeit hinein hungern, so findet man nach weniger als 7 Monaten (im Juni) noch ansehnliche Mengen von Fett in der Leber in Gestalt von (mikroskopischen) Herden, deren Grenzen teilweise konfluieren. Die zahlreichen Fetttropfen in den Parenchym- zellen haben eine mittlere Größe von 2—3 u; es sind aber auch viel »»Deivandıre,'Lit.-Verz. 9. 2) Langley.Lit.-Verz. 24. 62 W. Berg: kleinere und größere vorhanden. In den mittleren und größeren Tropfen befinden sich häufig Vakuolen. Die Tropfen können dicht gedrängt in den mittleren Partien des Zelleibes gelegen den Kern nach Art einer dicken Hohlkugel umgeben; bei geringerem Fett- gehalt sind sie meist auf der Blutgefäßseite der Zellen eingelagert. Die Tropfen in den Endothelzellen sind klein, in den Iymphoiden Zellen von mittlerem Durchmesser. Die Hauptmasse des Fettes befindet sich in den Parenchymzellen. — Ein Scharlachpräparat ist bezüglich des Fettgehaltes kaum von dem eines mäßig gut genährten Tieres zu unterscheiden. Färbt man aber mit Nilblausulfat, so erhält man eine starke Differenz: bei diesen Hungertieren sind die Tropfen dunkel violett bis blau, nicht rot. Vergleiche Figur 1. Die eosino- philen Granula der Leukozyten sind vielfach blau gefärbt. Hungern die Tiere in der warmen Jahreszeit weiter, so kann man nach etwa 8 Monaten sicher sein, nur noch ganz geringe Spuren von Fett in der Leber anzutreffen. In den Parenchymzellen mag ab und zu noch ein seltener Tropfen liegen; in den Iymphoiden Zellen sind sie etwas häufiger und größer. Durch Nilblausulfat werden sie intensiv blau gefärbt. Auffällig ist die regelmäßige tief blaue Fär- bung der groben Granula der Leukozyten. 3. Gekurterter-Kkerie: a) Fütterung mit 13 ccm Mohnöl, Tötung 5 Stunden nach der Fütterung. Bei der Sektion ist Magen und oberer Dünndarmabschnitt mit ölig-wässriger Flüssigkeit gefüllt, welche im obersten Darmabschnitt stark grün gefärbt ist. Die Leber ist dunkel und entspricht makrosko- pisch derjenigen eines Hungertiers. Die Gallenblase ist mäßig gefüllt. Mikroskopisch zeigt sich im Scharlachpräparat kein Unterschied gegenüber den letzten Hungertieren, nur finden sich ab und zu auch mäßig pigmentierte Iymphoide Zellen, welche wie Figur 2 zeigt, mit Fetttropfen vollgestopft sind. In Nilblausulfatpräparaten sind die Tropfen dunkelblau-violett; dunkelblaue Färbung der Granula der eosinophilen Leukozyten ist nicht selten. Vergleiche Figur 3. In entsprechend fixierten (Kaliumbichromat-Formalin oder Benda) und gebeizten, in Celloidinparaffin eingebetteten und mit Eisenhämatoxylin oder nach Benda gefärbten Präparaten sieht man an den Plastosomen die von mir beschriebenen zellulären Erschei- Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 63 nungen der Gallensekretion !): neben noch intakten, verquollene, schwächer färbbare Plastosomen, die sich teilweise in Hohlkörper verwandelt haben. In einem Teil der Zellen hat die Zahl der ent- haltenen Plastosomen sich deutlich vermindert. Trotz intensiver Färbung der Fetttröpfchen ist jedoch in Eisenhämatoxylin-Scharlach- Glyzeringelatine-Präparaten in oder an den Plastosomen keine Rot- färbung anzutreffen. Figur 4 stammt von einem Eisenhämatoxylin- Canadabalsampräparat. b) Tötung 23 Stunden nach.der Fütterung. Bei der Sektion ist der Magen durch aufgenommenen Sand und Moos gefüllt. Im Dünndarm ist keine Grünfärbung des Inhalts zu bemerken. Der Anfangsteil des Dünndarms ist fast leer; im unteren Abschnitt befindet sich wäßrige, kleine makroskopische Oeltropfen enthaltende Flüssigkeit. Die Leber ist dunkel mit helleren Herden von mäßiger Größe. Im Scharlachpräparat erweisen sich in den Parenchymzellen die Fetttropfen als deutlich vermehrt. Neben kleinen und mittleren (3—4 u) in Gruppen und Reihen finden sich ansehnlich große von 6—10 u, ja bis 15 » Durchmesser. Die Tropfen liegen meist auf der Blutgefäßseite der Zellen. Die Iymphoiden Zellen enthalten mehr Fett als beim vorigen Stadium. Vergleiche Figur 5. In den Endothel- zellen sind nicht selten kleine und mittlere Tropfen enthalten. Nach Nilblausulfatfärbung sind die Tropfen in den Parenchymzellen rötlich bis rotviolett, in den Iymphoiden Zellen rötlich-violett oder blau. Die eosinophilen Granula sind violett, seltener rötlich-violett gefärbt. Die Plastosomen haben sich weiter im Sinne des Fortschreitens der Verquellung verändert, wenn auch nicht in allen Zellen. In Eisen- hämatoxylin-Scharlach-Präparaten war bisweilen (bei Anwesenheit von Fett in den Zellen) ein Befund zu konstatieren, wie ihn Figur 6 wiedergibt. In den Parenchymzellen finden sich neben mehr oder weniger verquollenen Plastosomen aus diesen hervorgegangene Hohl- körper mit ganz ansehnlichen Vakuolen. In der einen der abgebilde- ten Zellen sieht man eine Gruppe von freiliegenden, feinen Fett- tröpfchen, deren jedes kleiner ist, als die Vakuolen, und diese sind frei von Rotfärbung. Da die Fettfärbung im ganzen Präparat inten- siv war, beweist dies, daß die Hohlkörper kein färbbares Fett ent- Ber, Eit,-Verz 9b: 64 W. Berg: hielten. Ebensowenig habe ich, auch nicht in anderen Stadien, jemals Fetthüllen um Plastosomen auftreten sehen. c) Tötung 2 x 24 Stunden nach der Fütterung. Magen und Darm sind bei der Sektion fast leer. Die spärliche Darmflüssigkeit enthält makroskopische Oeltröpfchen. Die Leber ist dunkel mit quer verlaufenden hellen Herden. Die Gallenblase ist auffallend stark gefüllt. In Scharlachpräparaten zeigt sich die Menge des Fettes gegen das vorangehende Stadium stark vermehrt. Die Parenchymzellen enthalten fast durchgängig Fetttropfen, seltener einzeln, als in dich- ten Gruppen, öfters zusammengeflossen zu größeren Tropfen. Der durchschnittliche Durchmesser der Tropfen ist größer als beim Sta- dium b (3—5 u); außerdem aber finden sich in fast jeder Zelle auch feinste Tröpfchen. Das Bild der allgemeinen. Verteilung soli Figur 7 geben. Die Endothelzellen enthalten häufig Fett in kleinen Tropfen. Bemerkenswert ist das Verhalten der Iymphoiden Zellen. Die stark pigmentierten enthalten häufig kein Fett, gewöhnlich aber einen oder den anderen kleinen oder mittleren Tropfen; die mäßig pigmentierten hingegen sind oft stark gefüllt, bisweilen fast oder ganz mit Fett vollgestopft, so daß sie nur an ihren eigentümlichen zerschnürten Kernen zu erkennen sind. Figur 8 zeigt eine Gruppe von zwei solchen Zellen. Der Kern der rechts gelegenen ist angeschnitten. Das Fett ist in kleinen, mittelgroßen und großen Tropfen enthalten. Die Pigmentkörnchen und Einschlußkörper !) sind teils zwischen den Tropfen, teils an’ der Peripherie zusammengedrängt. Figur 9 zeigt eine stark fetthaltige Zelle, daneben eine solche mit wenig Pigment- körnchen und zahlreichen Einschlußkörperchen. Die Fetttropfen sind im Zentrum zusammengeflossen, in der Peripherie meist distinkt geblieben, Pigment fehlt. Danach scheint es, daß Pigment- und Fettgehalt bei diesen Zellen in umgekehrtem Verhältnis zueinander stehen können. Es gelang mir bei der Feinheit der Pigmentkörnchen nicht, fest- zustellen, ob dieselben sich bei der Fettaufnahme im Sinne Alt- manns beteiligen; doch scheint dafür die Zusammendrängung der Pigmentkörnchen durch die Fetttropfen nicht zu sprechen. Auch in den Iymphoiden Zellen, welche den ursprünglichen ein- 1) Vol. Bier, Lit.everz. 5.2 Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 65 fachen Bau und die geringere Größe bewahrt haben, finden sich in der Randschicht wie in den Inseln bisweilen kleinste, seltener kleine und mittlere Tropfen. Vergleiche Figur 10. Bemerkenswert ist, daß sich in eosinophilen Zellen, wie hier eine mit ihren ungefärbten groben Granulis abgebildet ist, bisweilen zwischen diesen feinste rote Kü- gelchen finden. In den gröberen Gefäßen sah ich manchmal runde Tropfen von etwa 5 u Durchmesser ohne nachweisbare Umhüllung durch Proto- plasma. In Nilblausulfatpräparaten sind die Fetttropfen rot bis auf einen Teil der großen Tropfen in den Iymphoiden Zellen, welche violett ge- färbt erscheinen. Vergleiche Figur 11. Eisenhämatoxylin- oder Bendapräparate lassen eine Verän- derung des bisherigen Verhaltens der Plastosomen erkennen, welche derjenigen entspricht, welche ich früher !) von einem mit Ölsaurem Natron gefütterten Salamander beschrieben habe. Statt der plum- pen, verquollenen, verhältnismäßig wenig zahlreichen Gebilde treten zarte, feine, dicht gereihte Stäbchen auf (vgl. Fig. 12), die sich wie ich früher zeigen Konnte, offenbar neu gebildet haben und zwischen denen als Reste der verschwundenen ‚‚alten‘‘ Plastosomen bisweilen große „Hohlkörper‘“ liegen (Figur 13). Sind in der Zelle mehrere Fetttropfen enthalten, so sind die Plastosomen im fettfreien Teil der Zelle dichter angeordnet als in wenig Fett enthaltenden Zellen. Man gewinnt den Eindruck, daß sie durch das Fett zusammengedrängt worden seien. — Die hier beobachteten ‚neuen‘ Plastosomen ent- sprechen in ihrer Ausbildung etwa denen, die ich s. Z. unter Fig. 43 abgebildet habe, oder sind noch etwas kleiner. Stadien wie auf Figur 41 und 42 habe ich diesmal nicht beobachtet. Jedenfalls bestätigt der neue Befund den früheren in erfreulicher Weise. In Scharlach-Eisenhämatoxylinpräparaten fanden sich in Pa- renchymzellen, welche wenig Fett enthielten, zwischen den ‚neuen‘ stäbchenförmigen Plastosomen und den alten verquollenen oder zu Hohlkörpern verwandelten und ohne Zusammenhang mit diesen Ge- bilden kleine und kleinste Fetttröpfchen in größeren und kleineren Gruppen (Figur 14). d) Tötung 5x24 Stunden nach der Fütterung. Bei der Sektion ist der Magen und der Darm fast leer. Die Leber Bere, kLit-Verz, 5b. Archiv f. mikr, Anat. Bd. 96. 5 66 W. Berg: ist dunkel mit herdförmigen hellen Flecken. Die Gallenblase ist gut gefüllt, aber nicht so stark wie bei c). Mikroskopisch ist der Fettgehalt der Leber gegen das voran- gehende Stadium derartig vermindert, daß man Herde findet, welche ebensoviel Fett enthalten mögen, wie vorhin, aber durch Zonen geringeren Fettgehaltes voneinander getrennt sind. Figur 15 soll ein Stück nahe der Randpartie eines solchen Herdes darstellen. Ab und zu bemerkt man ein Vorkommen, das beim vorigen Stadium bisweilen auch, aber seltener zu konstatieren war: nämlich in größeren Fetttropfen ungefärbte Vakuolen. In den Parenchymzellen liegen die Fetttropfen, wenn sie nicht sehr gehäuft sind, auf der Seite der Blutkapillare. Fetthaltige Endothelzellen sind nicht selten. In den pigmentierten Zellen war kaum jemals Fett. In Nilblausulfatpräparaten waren die Fetttropfen meist rötlich gefärbt. Die vakuolenhaltigen Tropfen haben meist einen rot- violetten Ton, der bei größeren Tropfen rein violett sein Kann. In Eisenhämatoxylin- oder Bendapräparaten finden sich in den Leber- zellen feine Plastosomen wie beim vorangehenden Stadium, die aber in vielen Zellen ihrerseits im Verquellen begriffen sind und sich teil- weise in Hohlkörper von kleinem Kaliber umgewandelt haben (Ver- gleiche Figur 16). f Wenn wir unsere Resultate zusammenfassen, so finden wir: 1. Beim Salamander ist der Fettgehalt der Leber am Ende des Winters stark, trotzdem die Tiere seit langer Zeit keine Nah- rung zu sich genommen haben. Ein Zusammenhang mit der Aus- bildung der Geschlechtsprodukte scheint wahrscheinlich. Daß bei Kaltblütern starke innere Umordnungen in diesem Sinne vorkommen können, wissen wir aus den bekannten Untersuchungen Mi e- schers!) am Rheinlachs, der zum Laichen stromaufwärts zieht und dabei ohne zu fressen seine gewaltig sich entwickelnden Keim- drüsen auf Kosten seiner Muskulatur ausbaut. Einen Zusammenhang der normalen Fettleber beim Frosch mit der Entwickelung der Ge- nitalien nimmt auch Deflandre?) an; aus den Beobachtungen von Stieve?°) scheint eine Beziehung zwischen der Menge des Fettes und dem Brünstigwerden bei Triton vulgaris hervorzugehen. ):MLesche ru Yes 2) Deflandre, Lit.-Verz. 9. S\.Stieve, Eit.-Verz.)73b Ueber funktionelle Leberzellstrukturen Il. 67 2. In der warmen Jahreszeit, d. h. wenn frei lebende Salamander Nahrung zu sich nehmen, kann auch nach einer Hungerperiode von 6—7 Monaten in der Leber eine ansehnliche Menge von Fett vor- handen sein, sowohl in den Parenchym- wie den Endothel- und den Iymphoiden Zellen. Dieses Fett enthält aber, da es sich mit Nilblau- sulfat blau färbt, eine relativ nicht unbedeutende Menge von freier Oelsäure. 3. Nach mehr als 8 Monaten Hungerns (im Herbst beginnend) ist das Fett in der Leber bis auf geringe Spuren, welche freie Oelsäure enthalten, verschwunden. Es läßt sich also beim Salamander auch das in der Leber gespeicherte Fett bei entsprechender Anordnung fast ebensogut entfernen, wie das gespeicherte Glycogen oder Eiweiß). 4. Fütterte man Neutralfett, so war nach 23 Stunden zum ersten- mal mit Sicherheit neues Fett in der Leber nachzuweisen, welches sich wie Neutralfett färbte. Saures Fett lag noch in den Iymphoiden Zellen. 5. Nach 2x 24 Stunden waren in der Leber zahlreiche Tröpfchen von Neutralfett enthalten; in den Iymphoiden Zellen kamen daneben mit Nilblausulfat violett sich färbende Tropfen vor, 6. Nach 5x 24 Stunden ist das Fett in den Leberzellen merklich vermindert; in den Parenchymzellen zeigen die Tropfen öfters Va- kuolen und nehmen nach Nilblausulfatfärbung einen violetten Ton an. Daß — was für unsere Gesichtspunkte gleichgültig ist — durch die Fütterung mit Oel nicht so extreme Bilder erzielt werden, wie sie die Fettleber beim Ausgange des Winters zeigen kann, liegt offen- bar an der zu geringen Menge des Gefütterten und der Kürze der Versuchsdauer. Das Verhalten der pigmentierten Iymphoiden Zellen, welche bei geringem Pigmentgehalt viel Fett aufnehmen konnten, bei starker Pigmentierung wenig oder kein Fett enthielten, legt einen Vergleich mit den kupfferschen Zellen bei Warmblütern nahe, welche bei Beladung mit Collargol und dergleichen ihre aktiven (phagozytären) Eigenschaften einbüßen können ?). 7. Die für die Sekretion der Leberzellen charakteristischen Ver- änderungen an den Plastosomen, wie sie von mir schon früher be- schrieben worden sind, treten nach Oelfütterung schon auf, bevor die Leberparenchymzellen von neuem Fett in sich aufgenommen haben. 1) Berg, Lit.-Verz. 5b, wo auch weitere vorangehende Arbeiten auf- geführt sind. 2) Lepehne, Lit.-Verz. 25. 5% 68 W. Berg: Statt der bei diesen Veränderungen verquellenden, z. T. vakuoli- . sierten, verschwindenden Plasmosomen waren 2x24 Stunden nach der Fütterung kleinere feinere, zahlreichere, stäbchenförmige Plasto- somen nachzuweisen, entsprechend dem früher einmal erhobenen Befund, der dadurch bestätigt wird. 8. Eine Abhängigkeit der Veränderung der Plastosomen von dem Auftreten der Fetttropfen in den Leberzellen war nicht nachzuweisen, ebensowenig war mir dies früher bei dem Auftreten gespeicherten Eiweißes in den Leberzellen gelungen. Daß die Leberzellen bei beiden Vorgängen eine höchst aktive Wirksamkeit entfalten, erscheint sicher; es ist aber bisher nicht möglich, ein mikroskopisch sichtbares Substrat dafür in den Zellen nachzuweisen. Wenn wir diese Ergebnisse mit den in der Literatur enthaltenen Angaben vergleichen wollen, so haben wir diejenigen vn Altmann und seinen Schülern !), von J. Arnold?), sowie von französischen Autoren, namentlich Dubreuil ?) zu berücksichtigen. Sie stimmen im Gegensatz zu meinen Resultaten darin überein, daß sie bei der Fettaufnahme in die Zellen eine aktive Beteiligung der korpuskulären, im Zellprotoplasma enthaltenen Gebilde annehmen, welche von Altmannals Granula, vonArnoldals Plasmosomen bezeichnet wurden und welche wir im Anschluß an Me ves Plastosomen ge- nannt haben. Diese Differenz der Resultate scheint durch die Verschiedenheit der angewendeten Technik bedingt zu sein. Was Arnold betrifft, so stützte er sich hauptsächlich auf die Untersuchung vital gefärbter sowie nach-seinen Macerationsmethoden isolierter Zellen, die er selbst nicht als fixierte Objekte ansah. Duesberg®) und Meves?°) haben sich hierüber sehr kritisch ausgesprochen. Ich möchte hier nur bemerken, daß die von Arnold geübte Behandlung für die feinere Zellstruktur nicht gleichgültig sein kann. ‘Für die Jod- kaliummaceration wird von Arnold selbst etwas Quellung zu- gegeben, auch die Möglichkeit, daß Granula aus den gefundenen Körnchenfäden, -Bälkchen, -Netzen, -Membranellen, welche sie ver- binden, austreten könnten. Wenn nun bei der Aufnahme von Fett 1) Altmann, Lit.-Verz. I, Krehl 23, Metzner 25, Starke 34. 2)EAmo ASt Verze2: »),Prenant, Eit-Verz. 0. Danbreu lid: 4) Duesberg, Lit.-Verz. 11. 5) Meves, Lit.-Verz. 27. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 69 Fettkörnchen zwischen den Granulis auftreten, so nimmt Arnold an, daß sie sich dabei an die in den Fäden usw. befindlichen Plasmo- somen bzw. die aus ihnen hervorgegangenen Granula binden, was kaum zu beweisen sein dürfte. Bezüglich der Kritik der Resultate Altmanns und seiner Schüler verweise ich auf,die Ausführungen M. Heidenhains!), denen ich mich im folgenden im wesentlichen anschließe, wenn ich auch auf einzelne Punkte ausführlicher eingehe. Altmann und seine Schüler haben größtenteils mit Material gearbeitet, welches nach der ausgezeichneten Kaliumbichromat- Osmiumsäure-Methode fixiert und in Paraffin eingebettet war. Die Präparate wurden teils in bekannter Weise mit Säurefuchsin gefärbt, in Balsam eingeschlossen, teils ungefärbt in Paraffinum liquidum untersucht. Die Erhaltung der granulären usw. Zellelemente ist vorzüglich, wie die schönen Figuren zeigen. Bei der Färbung werden in den Drüsen aber nur bestimmte Phasen dieser Elemente darge- stellt, so daß die Erkennung des Geschehens in den eigentlichen Drüsen Schwierigkeiten machte. Daß die Plastosomen bei der Se- kretion sich verändern, ist das Ergebnis weit jüngerer Arbeiten ?). Nun fand Altmann in seinen Präparaten von der (nicht maxi- malen) Fettleber von Rana temporaria in einzelnen Zellen osmium- geschwärzte Granula mit rot gefärbtem Zentrum, Metzner in der Fettleber von Gänsen neben sehr großen Fetttropfen geschwärzte Ringgranula mit dem rot färbbaren Rest eines aufgeschwellten zentra- len Granulums im Zentrum. Metzner fand ferner bei Fett- aufnahme in die Zellen der Fettlager neben roten Granulis osmium- geschwärzte Kügelchen, die sich vergrößerten und konfluierten, wobei die Anzahl der vor dem Auftreten des Fettes in den Zellen vor- handenen roten Granula abnahm. Derselbe Autor fand bei neu- geborenen Hunden in denselben Zellen erst graue, dann sich schwär- zende Granula, die zum Teil zusammenflossen. Aehnliches sah Krehl in den Dünndarmepithelzellen von Frosch und Triton. Außerdem aber fanden sich in ungefärbten, in Paraffium liquidum untersuchten Präparaten von der Fettleber des Hühnerembryos und von Gänsen (Metzner), in Hautdrüsen, die ein fettiges Sekret liefern (Altmann), bei der Fettresorbtion im Dünndarmepithel !) Heidenhain, Lit.-Verz. 20, S. 424. BES os Bre.-Verz. 12, Howe m 22,.Mevres27: 70 W. Berg: der Katze (Krehl) in frühen Stadien osmiumgeschwärzte Ring- granula, welche unter Verbreiterung ihres Saumes sich allmählich in Vollgranula verwandelten. — Altmann sah bekanntlich in den Granulis Elemente von extremer biologischer Wichtigkeit. Er wußte, daß er einen Teil der Granula nicht färben konnte; diese, die fuchsingefärbten und die osmiumgeschwärzten hielt er für biologisch gleichwertig. So kam er zu der Anschauung, daß es die Granula sind, welche das interzelluläre Fett bilden unter“ Umsetzung ihrer Substanz, sei es in der Peripherie beginnend (Ringgranula), sei es gleich im ganzen Bereiche derselben (graue, sich" schwärzende Gra- nula). Der Beweis erscheint ihm erbracht durch die Granula mit rot gefärbtem Zentrum; aber auch bei den „Ringeln“ im un- gefärbten Präparat wird ein zentrales ungefärbtes Granulum an- genommen. Nun schwärzen sich, wie M.. Heidenhain hervorhebt, durch Osmiumsäure auch andere Dinge als Fett; dann aber hat Altmann gezeigt, daß Osmiumsäure wohl von Oelsäureestern und Oelsäure, aber nicht von Palmitin- und Stearin reduziert wird; Starket) wies nach, daß ein Teil des osmierten Fettes erst durch die Nachbehandlung mit Alkohol geschwärzt wird, wobei es auf die Konzentration des Alkohols sehr ankommt und absoluter Alkohol osmiertes Fett z. T. lösen kann. Handwerk?) hat diese Befunde allerdings nicht bestätigt gefunden. Weiter kann sich osmiertes Fett im Intermedium oder Balsam lösen, endlich dringt die Osmiumsäure schlecht ins Gewebe ein und auch hieraus können sich Fehlerquellen ableiten. Danach ist, wie M. Heidenhain hervorhebt, weder aus der Graufärbung von Granulis, noch aus dem Befund von Ring- granulis, noch aus demjenigen eines im osmiumgeschwärzten Körn- chen gelegenen, als Rest eines Granulum gedeuteten Gebilde ein zwingender Beweis für die aktive Beteiligung der Granula bei der Fettaufnanme in die Zellen abzuleiten und es war notwendig, eine Ergänzung und Kontrolle dieser Befunde mittelst anderer Methoden herbeizuführen, namentlich für die Leberzelle mit ihren ungleich- artigen Fettstrukturen. Eine solche Ergänzung liegt aber in den Arbeiten der Autoren, welche mit den üblichen Mitochondrienmethoden arbeiteten, nicht 1) Starke, Lit.-Verz. 34. ®?) Handwerk, Lit.-Verz. 19. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 71 vor!). Dubreuilz. B. untersuchte (nach Fixation in Kalium- bichromat-Sublimat Formalin und Beizung in Kaliumbichromat) gefärbte Paraffinschnitte. In embryonalen Fettzellen, welche schon einen oder den anderen Fetttropfen enthielten, war der Mitochondrial- apparat in schwer übersichtlicher Umordnung begriffen. In den Mitochondrien erschienen bisweilen anscheinend sich allmählich ver- größernde Vakuolen, deren Wand sich wie die Mitochondrien färbte und deren Zentrum klar blieb. Du breuil nennt diese Vakuolen lipoide Bläschen. Der Unterschied zwischen diesen und den (im Prä- parat gelösten) Fetttropfen besteht nur in der Färbbarkeit der Wand. Aehnliche Bildungen entstanden auch aus stäbchenförmigen Plasto- somen. Es ist hier also nicht der Versuch gemacht worden, fest- zustellen, welcher Natur die Substanz im Innern der „lipoiden Bläschen‘ war, und der Uebergang von lipoiden Bläschen in Fett- vakuolen ist rein hypothetisch. Ich habe mich daher der eingangs beschriebenen Technik be- dient. Es ist zu untersuchen, ob auch sie der Einhaltung des Fettes abträglich gewesen sein kann, und zunächst zu erörtern, was eigent- lich unter Fett zu verstehen ist. Die Umgrenzung des Begriffs ist einfach, wenn es sich um chemisch wohl zu charakterisierende Stoffe, wie z. B. Fettsäuren und deren Verbindungen, schwieriger, wenn es sich um Dinge handelt, welche als verwandt mit diesem eigentlichen Fett aufgefaßt und ge- wöhnlich als Lipoide bezeichnet werden. Vor kürzerer Zeit hat Escher?) wieder darauf hingewiesen, daß die Bezeichnung Lipoid durch ungeeignete Anwendung — in chemischem Sinne — nicht mehr charakterisierbar geworden sei. Er macht Vorschläge zu einer Klassi- fizierung der Fettstoffe, wegen deren Einzelheiten auf das Original verwiesen sei. Hier interessiert die Feststellung, daß die Verwandt- schaft der Cholesterinstoffe mit den Glyzerinestern größer ist, als gewöhnlich angenommen wird, und daß es sich um ziemlich indiffe- rente und stabile Stoffe handelt. Anders ist es mit den leicht zer- setzlichen Lecithinen, die aber die günstige Eigenschaft haben, durch Beizung z. B. mit Kaliumbichromat in schwer lösliche Ver- bindungen überzugehen. Hierauf beruht u. a. die Wirksamkeit der Markscheidenfärbung Weigerts und der Methode Ciaccios?°) !) Vgl. die Zusammenstellung von Prenant, Lit.-Verz. 31, Dub- reuil 10. Y EscheryLlit.-Verz. 14. 21 Cha.cocl 0 Lit-VerzrB. 72 W. Berg: zur histologischen Darstellung der Lipoide. Escher gründet seine Anschauungen auf die Untersuchung einer großen Anzahl rein dar- gestellter Fettstoffe und deren natürlich vorkommende Gemische. Diese Stoffe werden im allgemeinen durch Extraktion von Or- ganen mittelst Aether, Petroläther, Chloroform usw. gewonnen. Ob dabei alles das, was man im mikroskopischen Präparat als Fettstoffe im weiteren Sinne anspricht, extrahiert wird, andererseits aber, ob auch Material extrahiert wird, das man mikroskopisch nicht mehr direkt nachweisen kann, darüber sind die Meinungen dei Autoren geteilt. Fischler und Groß!) finden, daß die Extraktions- methoden mit Mängeln behaftet sind und daß sie in Fällen versagten, in denen mikroskopisch Fett nachweisbar war; Helly?) findet umgekehrt, daß bisweilen im mikroskopischen Bilde das Fett fehlte, wenn die Extraktionsmethoden ein positives Ergebnis gaben. Hierzu möchte ich bemerken, daß ich vor längerer Zeit (ohne es bis- her publiziert zu haben) den Effekt der möglichst gründlichen Ex- traktion des Gewebes durch Chloroform, Petroläther, Aether, Azeton am Rückstand, dem Gewebe selbst, untersucht habe. Ich ging da- von aus, daß bei den gewöhnlichen histologischen Methoden wohl das meiste Fett, aber durchaus nicht alles lösliche fortgeschafft wird, und daß anderseits Präparate, welche lange Jahre in Alkohol gelegen haben, ihre histologische Färbbarkeit einbüßen können. Ließ ich nun freie Mikrotomschnitte etwa 6 Monate lang in den genannten Stoffen liegen, so verminderte sich der charakteristische Unter- schied in der spezifischen Färbbarkeit von Kern und Protoplasma sehr deutlich; viel energischer aber war der Effekt, wenn die Schnitte im Soxlethschen Apparat einige Tage mittelst Chloroform, Petrol- äther oder Aether extrahiert wurden. Ob dabei noch etwas anderes als Fettstoffe in Lösung ging, wäre noch festzustellen. Jedenfalls zeigen diese Ergebnisse, daß kein Parallelismus zwischen dem Resul- tat der Extraktion und dem mikroskopischen Fettnachweis zu be- stehen braucht. Diese Divergenz beweist aber nicht, daß die geübte Färbung mikroskopischer Fettstrukturen versagt hätte, da sehr wohl auch Dinge extrahiert worden sein konnten, deren morpholo- gische Komponenten jenseits von der mikroskopischen Sichtbar- keit lagen und deren Abwesenheit sich nur indirekt z. B. durch den Verlust der Färbbarkeit von Kern und Protoplasma dokumen- 1), Zit, nach Fisch ler ,rLIG-Verz16: 2) ZPL.e Ml’y ., Sit. -Verze21.a,CD. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 73 tiert. Diese Ueberlegungen werden auch durch die Ergebnisse, welche Escher an seinen Fettstoffen erhielt, gestützt: durch Schar- lachrot werden bei Zimmertemperatur gefärbt: Lipochrom, Triolein, Leinöl, Cholesterinester und — nach Beizung mit Kaliumbichromat — auch Lezithine. Nicht gefärbt wurde Tristearin, welches aber für das leicht flüssige Kaltblüterfett in unserem Material kaum in Be- tracht kommt, namentlich bei Fütterungsversuchen, in denen, wie das Auf- und Absteigen der Leberimpletion zeigt, das gefütterte Oel verbraucht wurde. In den mit Kaliumbichromat-Formalin fixierten und nachge- beizten Präparaten dürfen wir also erwarten, durch die Scharlach- färbung nicht nur den Glyzerinester der Fettsäuren, sondern auch die gewöhnlich als Lipoide bezeichneten Stoffe (Cholesterine und Lezithine) gefärbt zu haben. Wenn die Vakuolen der zu Hohlkörpern veränderten Plastosomen dabei ungefärbt blieben, so haben sie offen- bar dergleichen nicht enthalten. Daß sie aus ihnen durch die Vor- behandlung zum Verschwinden gebracht sein könnten, wie dies Bell bei Liposomen nach Formalinfixation, nicht so energisch nach Ciaccios Methode beobachtet hat, glaube ich nicht wegen der relativ bedeutenden Größe der Vakuolen und des Schutzes ihres Innern durch die Vakuolenwand annehmen zu sollen. Bei der Scharlachfärbung löst sich der Farbstoff im Fett; es entsteht nicht ein allerfeinster Niederschlag wie bei der Osmierung }). Abgesehen von dem kurzen Aufenthalt in der Farblösung und dem Alkoholbad vor- und nachher werden nur wäßrige Medien in Anwen- dung gebracht. Die Eisenhämatoxylinfärbung gestattet bei ent- sprechender Differenzierung den Nachweis der gerade noch mikro- skopisch sichtbar zu machenden Elemente, und solche hätten, wenn sie vorhanden gewesen wären, auch in den durchscheinend gefärbten Fettstoffen sichtbar werden müssen. Danach glaube ich, durch die Kombination der Fett- (resp. Lipoid-)Färbung mit der Plastosomenfärbung in den Scharlach- Eisenhämatoxylinpräparaten alles aufgeboten zu haben, was beim gegenwärtigen Stand der Dinge möglich ist, um über die Beziehung der Plastosomen zu der Fettaufnahme der Leberzellen des Salaman- ders Klarheit zu verschaffen. ... Königsberg, Dezember 1920. 1) Enzyklopädie der mikroskopischen Technik, Lit.-Verz. 13. 74 h: 10. 11. W. Berg: Literaturverzeichnis. Altmann, R., Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1890. . Arnold, S., Das Plasma der somatischen Zellen im Lichte der Plasmo- somen-Granula-Lehre und der Mitochondrienforschung. Anatomischer Anzeiger Nr. 43, 1913. . Aschoff,C., Zur Morphologie der lipoiden Substanzen. Zieglers Bei- träge Bd. 47, 1909. . Bell, E.T., The staining of fats in epithelium and muscle fibers. Ana- tomical Record Bd. 4, 1910. .a) Berg, W., Ueber periodische Veränderungen der Salamanderleber mit besonderer Berücksichtigung der Pigmentzellen. 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Duesberg, S., Plasmosomen, apparato reticolare und Chromidial- apparat. Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte Bd, 20, 1911. . Eklöf, H., Chondriosomenstudien an den Epithel- und Drüsenzellen des Magendarmkanals und den Oesophagusdrüsenzellen der Säugetiere. Anatomische Hefte Bd. 51. Enzyklopädie der mikroskopischen Technik. 2. Auflage, Berlin und Wien 1910. Escher, H.H., Grundlagen einer exakten Histochemie der Fettstoffe. Korresp.-Blatt für Schweizer Aerzte 1919, Nr. 43. . Fießinger, N., La cellule hepatique. Revue generale d’histologie Bd. 4, Paris 1911. . Fischler, F., Physiologie und Pathologie der Leber. Berlin 1916. . Gaupp, E., Anatomie des Frosches, III. Abt. 2. Auflage. Jena 1904. . Gilbert, A.et Jomier, J., Sur la teneur du foie en graisse pen- dant l’inanition de courte duree. C. R.d. la soc. de biologie 1. 68. 1904. Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. 75 19. Handwerk, C., Beiträge zur Kenntnis vom Verhalten der Fettkör- per zu Osmiumsäure und zu Sudan. Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie Bd. 15. 20. Heidenhain, M., Plasma und Zelle, 1. Abteilung. Handbuch der Anatomie, herausgegeben von C. v. Bardeleben, Jena 1904, Bd. 8, 1. 21.a) Helly, K., Studien über den Fettstoffwechsel der Leberzellen. Zieg- lers Beiträge Bd. 51, 1911. 21.b) Ders., Weitere Studien über den Fettstoffwechsel der Leberzellen. Zieglers Beiträge Bd. 60, 1914. 22. Hoven, H., Contribution a l’eEtude du fonctionnement des cellules glandulaires. Archiv für Zellforschung Bd. 8, 1912. 23. Krehl,L., Ein Beitrag zur Fettresorbtion. Archiv für Anatomie 1890. 24. Langlev,S.N., On variation in the amount and distribution of fat in the liver cells of the frog. Proc. of the Royal Society, Vol. 39, 1886. Zitiert nach Oppel. 25. Lepehne,.G., Milz und Leber. Zieglers Beiträge Bd. 64, 1917. 26. Metzner, R., Ueber die Beziehungen der Granula zum Fettansatz. Archiv für Anatomie 1890. 27. Meves,Fr., Ueber Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen nach Beobachtungen von Pflanzenzellen. Archiv für mikr. Anatomie Bd. 90, 1918. 28. Miescher, Fr., Die histochemischen und physiologischen Arbeiten. Leipzig 1897. 29. Nagel, W., Handbuch der Physiologie Bd. 2, 1907. 30. Oppel, A., Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie. Jena 1900. III. Teil. 31. Prenant, A., Methodes et resultats de la microchemie. Journal de l’anatomie et de physiologie Bd. 46, 1910. 32. Rathery., Er. et Teiroime,.E. T., Mitochondfries .et "graisse decelable histologiquement dans la cellule hepatique. C. R. d. la soc. de biologie. T. 75, 1913. 33. Schmorl, G., Die pathologisch-histologischen Untersuchungsmetho- den. 8. Auflage. Leipzig 1918. 34. Starke, S., Ueber die Fettgranula der Leber von Rana esculenta. Archiv für Anatomie, 1891. 35. Stieve, H., Der Einfluß von veränderten äußeren Bedingungen auf die Ovarien der Molche. Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. Jena 1920. Figurenerklärung. Gezeichnet wurde mit den angegebenen Apochromaten von Zeiß auf ungefährer Objekttischhöhe mittelst des Zeichenapparats. Die Vergrößerun- gen wurden durch Abtragen der Intervalle eines Objektmikrometers auf die Zeichenfläche ermittelt. Figur 1. Hungersalamander im Juni. Formalin, Nilblausulfat. Objektiv 8 mm, Kompens.-Okular 8. Vergrößerung 370. 76 W. Berg: ‚Ueber funktionelle Leberzellstrukturen II. Figur 2. Gefütterter Salamander, getötet 5 Stunden nach der Fütterung a, Kaliumbichromat-Formalin. Scharlach R, Hämatein. Dieselbe Ver- größerung. Figur 3. Gefütterter Salamander a. Nilblausulfat. Objektiv 2 mm. Kom- pens.-Okular 6. Vergrößerung 950. Figur 4. Gefütterter Salamander a. Kaliumbichromat-Formalin, Eisen- hämatoxylin. Objektiv 1,5 mm. Kompens.-Okular 6. Vergrößerung 1300. Figur 5. Gefütterter Salamander b, getötet 23 Stunden nach der Fütterung. Kaliumbichromat-Formalin, Scharlach R, Hämatein. Objektiv 8 mm, Kompens.-Okular 8. Vergrößerung 370. Figur 6. Gefütterter Salamander b. Gefrierschnitt. Scharlach R, Eisen- hämatoxylin. Objektiv 2 mm, Kompens.-Okular 6. Vergrößerung 950. Figur 7. Gefütterter Salamander c. Getötet 2x24 Stunden nach der Füt- terung. Kaliumbichromat-Formalin. Scharlach R, Hämatein. Ob- jektiv 8 mm, Kompens.-Okular 8. Vergrößerung 370. Figur 8. Gefütterter Salamander c. Scharlach R, Hämatein. Objektiv 2 mm, Kompens.-Okular 6. Vergrößerung 950. Figur 9. Gefütterter Salamander c. Dieselbe Färbung und Vergrößerung. Figur 10. Gefütterter Salamander c. Dieselbe Färbung und Vergrößerung. Zwei Zellen aus der Iympheoiden Randschicht. Figur 11. Gefütterter Salamander c. Nilblausulfat. Dieselbe Vergrößerung Figur 12. Gefütterter Salamander c. Eisenhämatoxylinfärbung. Ob- jektiv 1,5 mm, Kompens.-Okular 6. Vergrößerung 1300. Figur 13. Dasselbe. Figur 14. Gefütterter Salamander c. Kaliumbichromat-Formalin. Ge- frierschnitt. Scharlach R, Eisenhämatoxvlin. Figur 15. Gefütterter Salamander d, getötet 5x 24 Stunden nach der Füt- terung. Kaliumbichromat-Formalin. Scharlach R., Hämatein. Ob- jektiv 8 mm, Kompens.-Okular 8. Vergrößerung 370. Figur 16. Gefütterter Salamander d. Kaliumbichromat-Formalin. Eisen- hämatoxylin. Objektiv 1,5 mm, Kompens.-Okular 6. Vergrößerung 1300. Le. Z. — Leberparenchymzelle. 122. © Aymphoiderzelle: p.l.Z. = pigmentierte Iymphoide Zelle. K. — Kern: 71 Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente in den Spermien des Menschen. Von Dr. Hermann Voß, II. Prosektor am Institut. (Aus dem Anatomischen Institut zu Rostock.) Mit 4 Textfiguren, A. Einleitung. Oxydative, d. h. sauerstoffübertragende Fermente wurden zu- erst von PaulEhrlich (2) im Jahre 1885 durch seine Indophenol- reaktion in den verschiedensten Organen von Säugetieren in vivo nachgewiesen. Diese Indophenolreaktion Ehrlichs, die dann die Grundlage für fast alle späteren Untersuchungen über oxydative Fermente bildete, besteht darin, daß «-Naphthol und Dimethylen- paraphenylendiamin zusammen Indophenolweiß und dann unter Sauerstoffaddition Indophenolblau bilden. Durch diese Reaktion wurden dann auch in Organbreien (R ö h- mann und Spitzer) und in Extrakten von Organen (Poh |) oxydative Fermente oder Oxydasen nachgewiesen. Im Jahre 1907 wurde dann diese Reaktion zuerst von Winkler (16) mikrochemisch angewandt, und zwar wies Winkler damit eine Oxydase in dem Protoplasma menschlicher Leukozyten nach. In den nächsten Jahren wurden mit ihrer Hilfe von einer Reihe von Autoren; (We HL Ss chult ze 112], v. Gier ke [A], ,Gräff’p3l, Katsunuma [6]) oxydative Fermente in den verschiedensten Gewebszellen gefunden. Auch in der Bakteriologie wurde sie mit Erfolg angewandt (s. R.Brandt[1]). Welche Ideen es nun waren, die mich veranlaßten, die Samenzellen!) auf solche oxydativen Fer- !) Wie ich nach Fertigstellung dieses’ Aufsatzes durch eine briefliche 78 Eirentemlarıne Vzonp: mente hin zu untersuchen, kann ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen; ich verweise hier auf eine demnächst von mir erschei- nende Arbeit über ‚die beiden Hauptfaktoren‘“ der traumatischen Parthenogenese‘“!). Auf die Bedeutung solcher Oxydasen in den Spermien werde ich zum Schluß noch kurz eingehen. B. Technik. Bei der Herstellung und Verwendung der zur Indophenolreak- tion notwendigen Lösungen hielt ich mich an die Vorschriften von W.H. Schultze (12), die ich wörtlich anführe: „1. 1 g a-Naphthol wird mit 100 ccm dest. Wasser zum Kochen erhitzt und dann tropfenweise soviel konzentrierte Kali- lauge zugesetzt, bis sich das geschmolzene @-Naphthol vollständig gelöst hat. Die überstehende erkaltete Flüssigkeit ist brauchbar. 2. 1% Lösung von Dimethylparaphenylendiaminbase in dest. Wasser (kalt hergestellt!). Die Lösung ist nach einigen Tagen brauchbar.‘ „Die Lösungen I und 2 werden am besten in dunklen Flaschen aufbewahrt und sind etwa 4 Wochen gebrauchsfähig.“ Nach Herstellung dieser Lösungen verfuhr ich dann auf folgende Weise: Von dem Ejakulat eines gesunden 26jährigen Mannes wurden Ausstrichpräparate hergestellt, die ich lufttrocknen ließ. Irgend- welche Fixierung unterließ ich absichtlich, da hierdurch die Fer- mente leicht zerstört werden können. Dann wurden gleiche Mengen der Lösungen I und 2 zusammengegossen und nach Schultzes Vorschrift ‚sorgfältig filtriert“. In diesem Gemisch wurden dann die Objektträger 5—10 Minuten belassen. Die getrockneten Präparate wurden dann mit der Oelimmersion untersucht. Bemerken muß ich hier noch, daß die so hergestellten Präparate nicht haltbar sind. Schon nach einigen Tagen beginnt ein Abblassen der Farbe, das wahr- scheinlich auf irgendeine reduzierende Substanz in den Samenzellen zurückzuführen ist. Mitteilung von Herrn Privatdozent Dr. M. A. van Herwerden, Ut- recht, erfuhr, hat er zuerst 1913 in den Spermien von Strongylocentrotus und dann 1914 bei Parechinus miliaris oxydative Fermente, die er als Oxy- done bezeichnet, mikrochemisch festgestellt (. van Herwerden, Archives internat. de Physiologie. Bd. 13 u. 14). !) Biolog. Zentralblatt. Bd. 41. August 1921. Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente usw. 79 C. Befund. Bei 800—1000facher Vergrößerung sieht man folgendes: Die Spermien, die infolge des Nichtfixierens teilweise recht deformiert und beschädigt sind, sind in toto ganz schwach blau gefärbt. Der Schwanz läßt keine Besonderheiten erkennen. Am Kopf sieht man bei Flächenansicht in den Randpartien dunkelblaue Stellen, die sich I I I V Die Abbildungen sind mit Himmler, Oelimmersion 1,8 mm (Apertur 1,30) und Abbeschem Zeichenapparat gezeichnet und diese Bildgröße 9 bis 10fach vergrößert. Fig. I. Spermium in Flächenansicht mit „Eimerschem Körperchen‘“. Im Hinterstück besonders starke Oxydasereaktion. Fig. II. Wie I, ebenfalls mit ‚„Eimerschem Körperchen“. Fig. III am häufigsten vorkommend, ohne ‚„Eimersches Körperchen‘“. Fig. IV. Atypisches Bild. Sehr starke Reaktion in der ganzen Randpartie des Kopfes, mit helleren, ovalen Stellen (Vakuolen ?). deutlich von dem mittleren und helleren Teil des Kopfes abheben und sich von dem Hinterstück des Kopfes bis an die Spitze erstrecken, indem sie sich allmählich nach vorne zu verjüngen. Am stärksten ausgebildet sind sie immer im Hinterstück, zum Teil wohl deswegen, weil das Hinterstück von größerer Dicke ist als das Vorderstück. Auch bei ganz schwach gefärbten Präparaten finden sie sich hier, während sie nach der Spitze zu in letzterem Falle fehlen (s. Fig. I—IIN). Ist die Reaktion sehr kräftig gewesen, so können diese 0) Hiemmamın Vzoß: dunkelblauen Stellen in ziemlicher Breite die Randpartien des Spermienkopfes einnehmen. In diesem Fall findet man darin oft hellere Kugelförmige bis ovale Stellen, die wie Vakuolen aussehen; die mittlere Partie des Kopfes bleibt aber auch bei Präparaten mit starker Reaktion farblos und hebt sich somit deutlich von den dunkeln Randteilen ab (s. Fig. IV). Ob diese dunkelblau gefärbten Stellen, an denen also das In- dophenolweiß durch Sauerstoffaddition zu Indophenolblau um- gewandelt wurde, aus Granula bestehen, wie man es in vielen an- deren bereits untersuchten Zellarten gesehen hat, konnte ich nicht feststellen. Meiner Ansicht nach muß man ihre Struktur eher als klumpen- oder schollenförmig bezeichnen, ähnlich etwa den Nißl- schen Tigroidschollen in den Ganglienzellen. Die Deutung dieses Befundes macht keine Schwierigkeiten. Daß es sich bei dem positiven Ausfall dieser Indophenolreaktion wirk- lich um ein Ferment handelt, geht aus einer Beobachtung Winklers (16) hervor. „Daß es sich hierbei um die Wirkung eines Fermentes, einer Oxydase, handelt, zeigt der oben angeführte Versuch, daß das Aufkochen in Wasser genügt, um die Reaktion auszuschalten. Die Oxydase ist zerstört worden. Aus diesem Grunde eignen sich warm fixierte Ausstrichpräparate nicht zur Ausführung der Reaktion.‘ Da man nun bei allen bisherigen Untersuchungen die oxydativen Fermente immer nur im Protoplasma der Zellen gefunden hat und nie im Kern t), so bin ich der- Ansicht, daß diese die Oxydasen ent- haltenden Randpartien des Spermienkopfes protoplasmatischer Her- kunft sind, während die zentrale helle Partie die Chromatinsubstanz enthalten muß. . Auch hier, wie bei anderen Färbemethoden läßt sich keinerlei Struktur dieser Chromatinmasse erkennen. Bisweilen zeigt aber diese mittlere helle Partie des Kopfes noch eine Besonder- heit. Es findet sich nämlich hier bei vielen Spermien, aber nicht bei allen, ein dunkles, punktförmiges Körperchen, etwa von der Größe eines Zentralkörperchens, das meistens von einem deutlich abge- grenzten helleren Hof umgeben ist. Es liegt meistens im vorderen Abschnitt des Kopfes, entweder in der Mitte oder mehr nach dem Rande zu. Die Herkunft und Bedeutung dieses. Körperchens war mir zunächst ganz unklar. Als ich die einschlägige Literatur daraufhin !) Nur eine Ausnahme wäre zu erwähnen. Katsunuma (6) hat im Kern der Purkinjeschen Zellen des Klainhirns feinste Granula gefunden, die um das Kernkörperchen herumgelagert waren. Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente usw. 81 durchsuchte, fand ich folgende Angaben darüber, die ich kurz hier anführen will. Zuerst beobachtet und beschrieben ist es am menschlichen Spermium wohl von Eimer (3) ım Jahre 1874. Vorher soll es Kölliker schon in den Spermien des Stieres gesehen haben. Genau beschrieben und gezeichnet findet man es dann bei G. Ret- zing (11) in seiner 1902 veröffentlichten Arbeit über die Spermien des Menschen. Ich führe seine wichtigsten Angaben darüber hier wörtlich an. „In vielen Spermienköpfen bemerkt man nach Färbung mit Hämatoxylin nach Heidenhain eine Art sehr feiner „punkt- förmiger‘‘ Körper, die sich hierbei intensiv dunkel tingieren und scharf hervortreten, aber auch ohne solche Färbung sind sie als feine ‚„‚glän- zende‘‘ Gebilde sichtbar. In ihrer Umgebung nimmt man in der Regel eine kleine helle Zone wahr, die nach außen hin sehr bestimmt be- grenzt ist. Sie kommen so oft vor, daß ich einmal vermutete, sie seien konstante Bildungen, obwohl sie nicht immer sichtbar waren. In der Regel sind sie nur einfach vorhanden; zuweilen trifft man sie “auch zu zweien in einem Kopf. Gewöhnlich finden sie sich in der Vorderpartie, bald mehr in der Nähe der Spitze oder der Mitte der- selben, bald auch neben der Kante... . Sie sind rätselhafter Natur, und es ist mir nicht gelungen, dieselbe zu enthüllen. Jedenfalls sind sie sehr oft vorhanden, man trifft sie zuweilen in den meisten Köpfen eines Sichtfeldes; in anderen Fällen aber nur hier und da.“ Außer Retziushat Wedderhake (14) dann im Jahre 1905 diese Körperchen — er bezeichnet sie als Eimersche Körper- chen — beobachtet und genau beschrieben. Seine Angaben stimmen im wesentlichen mit denen von Retzius überein. Auch ich konnte sie bei meinen Untersuchungen bestätigen. Ferner hat Wilcox (15) dieses Gebilde im menschlichen Sper- mium gesehen; er erwähnt es aber nur kurz mit folgenden Worten: „In the apex of the head there was frequently but not invariably a small deeply-staining body, whose origin I was unable to deter- mine,“ Ueber die Art und Weise des Vorkommens dieses eigenartigen Körperchens in den Köpfen menschlicher Spermien sind sich also alle Beobachter desselben einig, weniger aber über seine Herkunft. Kölliker und Eimer haben es als einen Rest des Kernkörper- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 6 82 Hermann Voß: chens der Spermide aufgefaßt. Retzius und Wilcox geben an, daß ihnen die Herkunft dieses Gebildes rätselhaft sei. Wedder- hake ist der Ansicht, daß es aus dem Idiozom (M eves) der Sper- mide hervorgeht; es müßte demnach protoplasmatischer Herkunft sein. Ich möchte mich dieser Ansicht anschließen und weiter be- haupten, daß wir es hier mit dem von Lenhossek (7) bei der Ratte beschriebenen ‚„Akrosom‘ zu tun haben. Schon 1874 hat Merkel dieses „Akrosom‘ als Spitzenknopf beschrieben und festgestellt, daß es protoplasmatischer Herkunft ist, Bei der Ratte wurde von v. Lenhossek nachgewiesen, daß es aus der Sphäre (Idiozom, Me ves) hervorgeht. Diese Angaben scheinen auch durch meine Untersuchungen bestätigt zu werden, Denn daraus, daß dieses Körperchen in meinen Präparaten stark dunkelblau‘ gefärbt erschien, also oxydative Fermente enthalten muß, kann man den Schluß ziehen, daß es sich hier um ein’ Gebilde protoplasmatischer Abstammung handelt; denn, wie ich schon weiter oben ausgeführt habe, findet man in den Kernen niemals eine posi- tive Oxydasereaktion. Wirkliche Aufklärung über die Entstehung dieses Körperchens in den Köpfen menschlicher Spermien könnten natürlich nur exakte Untersuchungen über den Umwandlungsvorgang der Spermide in das Spermium beim Menschen liefern. Soweit mir bekannt, stehen solche Untersuchungen noch aus. D. Erörterung. Zum Schluß nun noch einige Worte über die Bedeutung oxyda- tiver Fermente in den Spermien. Aus einer Reihe von Tatsachen, vor allem Untersuchungen von Jacques L oe b über die künstliche Entwicklungserregung, muß man mit Loeb (8, p. 15) den Schluß ziehen, ‚daß eine wesentliche Wirkung des Eindringens des Sper- matozoons ins Ei in der Anregung oder Beschleunigung‘‘ — ich möchte noch hinzufügen: Regulation — ‚von Oxydationsvorgängen be- stehe‘, Diese Ansicht Loebs hat schon durch den makroskopischen Nachweis von Oxydasen in den Samenzellen der Amphibien durch Wolfgang Ostwald (10) eine Stütze gefunden, und nach meiner hier vorliegenden Untersuchung muß ich mich dieser Ansicht Loebs vollkommen anschließen. Wir müssen jetzt m, E. den Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente usw. 83 beiden bisher bekannten Funktionen des Spermiums: erstens der Entwicklungserregung und zweitens der Uebertragung der väter- lichen Erbmasse noch eine für die normale Entwicklung des Eies ganz wesentliche dritte hinzufügen, die ich als eine die Oxydations- vorgänge regulierende bezeichnen möchte. Oxydationsvorgänge spielen sich ja schon im unbefruchteten Ei ab, wenn auch in weit geringerer Intensität als im befruchteten Ei, wie dies durch die quantitativen Untersuchungen Warburgs (13) festgestellt ist. Werden sie aber nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkt durch das Eindringen des Spermiums reguliert, so verlaufen sie in falschen Bah- nen, und das Ei stirbt ab. Das Spermium wirkt also als Lebens- retter des Eies (s. Loeb p. 241). Daß man diese, die Oxydationsprozesse im Ei regulierende Wir- kung des Spermiums auch durch andere Zellen ersetzen kann, z. B. bei der traumatischen Parthenogeness Bataillons habe ich in einer demnächst erscheinenden Arbeit über die beiden Haupt- faktoren der traumatischen Parthenogenese‘ näher ausgeführt. Zum Schluß muß ich noch meinem Kollegen, Herrn Dr. A n- ders, Assistent am hiesigen pathologischen Institut, meinen Dank aussprechen für die freundliche Ueberlassung von I g Dimethyl- paraphenylendiamin, wodurch mir diese Untersuchung überhaupt ermöglicht wurde. Diese Substanz wurde früher von E. Merck hergestellt, ist aber jetzt dort nicht mehr erhältlich !). Leider wurde ich auch durch die mir zur Verfügung stehende geringe Menge so beschränkt, daß ich meine Untersuchungen nicht auch auf Spermien anderer Spezies ausdehnen konnte. Sobald ich wieder im Besitze dieser Substanz bin, werde ich dies nachholen. \ f Ferner danke ich auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geheimrat Barfurth, für die Durch- sicht einiger Präparate und für seine freundlichen Ratschläge bei der Herstellung dieser Arbeit. Literaturangabe. l. Brandt, R., Beitrag zur Kenntnis der Morphologie oxydierender Bakterienfermente. Zentralbl. f. Bakteriologie Bd. 72, 1913, Heft 1/2. 2. Ehrlich, P., Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus. Berlin 1885. !) Jetzt von Dr. Grübler u. Co., Leipzig, zu beziehen. 6* 84 6. 16. H. Voß: Der mikrochem. Nachweis oxydativer Fermente usw. . Eimer, Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samenfäden. Verhandl. d. Phys. med. Gesellschaft in Würzburg 1874. v. Gierke, Die oxydierenden Zellfermente. Münch. med. Wochen- schr. 1911, .S.. 2319. . Gräff, Eine Anweisung zur Herstellung von Dauerpräparaten bei An- wendung der Naphtholblau-Oxydasereaktion. Mit einigen Bemerkungen zur Theorie und Technik der Reaktion. Zentralbl. f. allg. Pathol. Bd. 27, 1916, S. 313—318. Katsunuma, Zur Frage der Naphtholblau-Oxydasereaktion des Nervensystems. Beitr. z. path. Anatom. u. z. allg. Path. Bd. 60, 1914, 92-450. . Lenhossek, M. v., Untersuchungen über Spermatogenese. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 51, 1898, S. 215. . Loeb, J., Die chemische Entwicklungserregung des tierischen Eies. Berlin 1909, S. 15. . Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. Leipzig 1900. . Ostwald, Wolfgang, Ueber das Vorkommen von oxydativen Fermenten in den reifen Geschlechtszellen von Amphibien und über die Rolle dieser Fermente bei den Vorgängen der Entwicklungserregung. Biochem. Ztschr. Bd. 6, 1907, S. 409. . Retzius, G., Weitere Beiträge zur Kenntnis der Spermien des Men- schen und einiger Säugetiere. Biolog. Untersuchungen Bd. X, 1902, S. 45. . Schultze, W. H., Zur Technik der Oxydasereaktion. Zentralbl. f. Allgem. Pathologie Bd. 28. . Warburg, O., Beobachtungen über die Oxydationsprozesse im See- igelei. Zeitschr. f. physiolog. Chemie Bd. 57, S. 6, 1908. . Wedderhake, Zum Bau und zur Histogenese der menschlichen Samenzellen. Anat. Anz. Bd. 27, S. 326—333. . Wilcox, E. V., Human spermatogenesis. Anat. Anz. Bd. 17, 1900, S. 316—318. Winkler, F., Der Nachweis von Oxydase in den Leukozyten mittels der Dimethylparaphenylendiamin-Alphanaphthol-Reaktion. Folia hae- matolog. Arch. Bd. 4, 1907, S. 323. 8) Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. Zwerte Mitverlüurne: Untersuchung der Spermiogenese der weißen Maus. Von DS Guichler.z, Privatdozent der allgemeinen Anatomie und Entwicklungslehre, (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Mit 6 Textfiguren und 2 Tafeln. Inhalt. Seite BeoversslsundiSRBCHniG, Wr nee en a er Il. Darstellung der Befunde RENTE 90 1. Vorbemerkung über die topographische Histologie des Samen- IE ee ee |, 2. Die Spermiogonien . . . ER EN RE D 3.-Die Spermiozyte bis zum Diakinese- Stadium Mar 293 Exkurs zur Lehre von der Spiralstruktur der Chromosomen +96 4. Die Spermiozyten-Mitose . . . . a ee 7) 5. Praespermide und Praespermiden- Mitose TE RE NEN 7:55 DIES ERDE ee er LO SS ee RR. u v MlsErorterung der "Befunde"... a re 1 l. Der Intranuklearkörper der Spermiozyte RS re a) Beweise für seine Heterochromosomen-Natur , . Il b) Wahrscheinliche Analogien aus der Literatur ... 146 c) Bisherige Angaben über Heterochromosomen bei Maus und Ratten var; Be d) Zur Geschichte der Ereechuns 2 Intranuklearkörpers aaTat 2. Die aberranten Chromosomen der Reifungsmitosen . . . . . . 152 86° Se Gumehrengz: Seite IV. Allgemeinere Betrachtungen .„ . .. 2 a l. Zur Frage nach der Funktion der Heterochromespea a / 22 Zu BelitesvonrderChtomosonten-Geiesemer rer V. Endergebnis: a Zee I. Material und Technik '). Bei der Auswahl eines passenden Objektes zur Untersuchung einer Vertebraten-Spermiogenese im Hinblick auf die Heterochro- mosomenfrage wurde ich durch verschiedene Umstände auf die weiße Maus hingelenkt. Einmal durch die Angabe Jordans (23, S. 170), daß er bei diesem Tier in der Spermiozyte ein Struktur- element in Form eines chromatischen Doppelnukleolus gefunden habe, das nicht den leisesten Zweifel an seiner Identität mit einem Geschlechtschromosom zu gestatten scheine. Sodann durch die leichte Beschaffungsmöglichkeit und die Kleinheit des Objekts, welch letztere die Fixation der Geschlechtsdrüse in toto zuläßt. Ein weiterer wichtiger Vorteil war gegeben, als sich, wie zu vermuten war, herausstellte, daß das von Regaud für die Ratte ermittelte Schema der zyklischen Veränderungen während der Samenentwick- lung, seine „topographische Histologie“, mit nur ganz geringfügigen Modifikationen auf die Maus übertragen werden kann: durch die vorbildlich genauen Angaben dieses Autors war mir so die strenge Seriierung der Stadien in wesentlicher Weise erleichtert. Unser Untersuchungsmaterial stammte von 4 Exemplaren der weißen Maus, die sich sämtlich in gutem Ernährungszustande be- fanden. Die Fixation der Hoden erfolgte in toto und zwar in den Gemischen von Carnoy, Zenker, Tellyesniczky, Bouin sowie in einer 1918 von Sanfelice (40) angegebenen Lösung, die mir sowohl in bezug auf die allgemeinen Gestaltverhältnisse von Zelleib und Zellkern als auch in bezug auf viele feinere Details die besten Resultate ergab. Die Formel der Sanfeliceschen Flüssigkeit ist derjenigen von Flemmings starkem Gemisch unter Ersatz der Osmium- säure durch Formalin nachgebildet und lautet folgendermaßen: 1) Betreffs der allgemeineren Gesichtspunkte der Untersuchungsreihe, von der die vorliegende Arbeit einen Teil bildet, sei auf die Einleitung zu meiner ersten Mitteilung (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 94, Festschrift für O. Hertwig, 1920, S. 338 ff.) verwiesen. * Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 87 1% Chromsäure 160 ccm Käufliches Formalin 80 ,, Eisessig LOSCH Die Objekte verbleiben darin 24 Stunden, werden dann 48 Stunden in (öfter gewechseltem) destilliertem Wasser ausgewaschen und in der üblichen Weise durch langsam steigenden Alkohol gebracht. Die Einbettung der Präparate erfolgte nach Uebergang durch Chloroform und Chloroformparaffin in reinem Paraffin; die Schnitt- dicke betrug 3—15 u. Bei der Färbung der Schnitte leisteten mir besonders gute Dienste Regauds (36a, S. 109 u. 37, S. 314 Anm.) Hämalaun- Safranin-Methode (nach Fixierung in Tellyesniczky scher Flüssigkeit), Biondische Lösung (nach Fixierung inCarnoys Gemisch) und Eisenbrasilinnach Hickson (17). Daneben wurden auch Eisenhämatoxylin nach Heidenhain sowie Hämalaun angewandt. Näher möchte ich auf das Brasilinverfahren von Hickson eingehen, da es, obwohl bereits 1901 von diesem Autor lebhaft empfohlen, kaum einen Eingang in die histologische, insbesondere zytologische Technik gefunden zu haben scheint !). Die besten Resultate ergab Hickson das folgende Ver- fahren: 1. 1—3stündige Beize in einer 1%igen Lösung von Eisen- alaun in 70%igem Alkohol. 2. Nach kurzem Abwaschen in 70%igem Alkohol 3—16stündiger Aufenthalt in einer 1,%igen Lösung von reinem Brasilin in 70%igem Alkohol. 3. Nach der Färbung Waschen in 70%igem Alkohol und Einschluß in Kanadabalsam in der üb- lichen Weise. Eine Differenzierung der Präparate in der Eisen- alaunlösung ist nur selten nötig. Als besonders in die Augen fallende Eigenschaften seiner Me- thode hat Hickson bereits treffend die sehr distinkte, tief pur- !) Ich wurde auf das Brasilin durch Vejdovsky (44) und seine Schule aufmerksam, die es — ohne übrigens anzugeben, ob sie bei seiner Anwen- dung die Hicksonsche Eisenalaun-Methode befolgen — besonders zur Aufdeckung der Spiralstrukturen der Chromosomen und des feineren Baues von Heterochromosomen als vorteilhaft angeben. Kürzlich hat J. Mawas (Cpts. rds. Soc. biol. Paris, T. 82, 1919, S. 158) eine Mitteilung über den mikrochemischen Nachweis von Eisen im Gewebe durch reine Brasilinlösung gemacht. Er stellt eine weitere Publikation in Aussicht, welche die Anwen- dung des Brasilins in der histologischen Technik betreffen soll, 88 St Gäustccheimz: purne Chromatinfärbung und die gleichzeitige Gegenfärbung des Zytoplasmas in weniger intensiven, häufig auch noch unter sich ab- gestuften Tönen hervorgehoben, ferner erwähnt er die sehr lebhafte Färbung der roten Blutkörperchen, die sehr Klare des Neurokeratins u. a. Ich sehe den Hauptvorteil des Verfahrens in der Verbindung einer nur mit der Heidenhain-Methode vergleichbaren Schärfe der Strukturdarstellung mit einer nicht bloß auf das Zytoplasma beschränkten, sondern auch in den Kernbestandteilen hervortreten- den weitgehenden Nuancierung, die bereits Vejdovsky für die chromosomalen Strukturen hervorgehoben hat. Bekanntlich ist auch eine einfache Hämalaun- oder Safraninfärbung nuancen- reicher, als die gerade durch ihren Schwarz-Weiß-Charakter aus- gezeichnete Heidenhain- Methode, aber es fehlt hier eben die Schärfe der Zeichnung. Diese seltene in der Eisenbrasilinmethode realisierte Kombination ist so wertvoll, daß ihr gegenüber gewisse Nachteile wenig ins Gewicht fallen, wie die nicht völlige Konstanz mancher Färbungsergebnisse (insbesondere an Nukleolarstrukturen) und die nur schwer zu erzielende Färbung der Zentriolen. Lassen sich doch diese Nachteile leicht beheben, wenn man neben dem Brasilinverfahren die als Universalmethode unerreichte Heiden- hain- Färbung anwendet und auch eine spezifische Chromatin- methode (wie die Biondi sche) heranzieht. Daß die sehr intensive Chromatinfärbung mittels Brasilins, die in ausgezeichneter Weise seine Differenzierung gegen den im Zytoplasma gelegenen, ganz blaß erscheinenden sogenannten chromatoiden Nebenkörper gestattet, gleichwohl keine chemische Reaktion darstellen kann, geht u.a. daraus hervor, daß die aus kondensiertem Chromatin bestehenden Köpfe der reifen Spermien völlig farblos bleiben, wie ich sowohl bei der Maus wie beim Kater feststellen konnte. Hervorzuheben ist noch die scharfe Distinktion der Bindegewebsfibrillen und ela- stischen Fasern, ferner der im Sertolischen Syneytium in ge- wissen Stadien differenzierten Fibrillierung. Die Haltbarkeit der Brasilinpräparate ist eine ausgezeichnete: ich besitze völlig unver- änderte Präparate von 1914. Dies war auch zu erwarten, daHick- son keine Schädigung von Präparaten Konstatieren konnte, die er monatelang direktem Sonnenlicht aussetzte. Ich wäre befriedigt, wenn mein Hinweis dazu beitrüge, der Eisen-Brasilin-Methode die ihr gebührende weite Verbreitung in der Zytologie zu verschaffen, die ihr Erfinder gerade für dieses Gebiet bereits 1901 vorausgesagt Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 89 hat. Die meisten der auf der Tafel I wiedergegebenen Abbildungen sind nach derartigen Präparaten hergestellt. Ich möchte diesen technischen Abschnitt nicht beschließen, ohne eines in der zytologischen Literatur öfter hervortretenden Uebelstandes zu gedenken, der nicht auf einer notwendig mit unserer heutigen Methodik verknüpften Schwierigkeit beruht, sondern lediglich durch die Nichtanwendung einer leicht zugänglichen Tech- nik bedingt ist. Ich meine die häufig zu lesenden Angaben, daß Bestandteile des Zellkernes als Chromatin bzw. als echte Nukleolar- substanz aufzufassen seien, ohne «daß ein für solche Feststellungen zureichendes Färbungsverfahren angewandt ist. Typische Beispiele hierfür bieten die Angaben von Jöürgensen (21) und neuerdings vonBuchner (5), welche glauben, mittels der Safranin-Lichtgrün- Methode basophile Nukleolen durch ihre rote Färbung von den oxy- philen (grün gefärbten) Nukleolen unterscheiden zu können. Buch- ner macht sogar lediglich auf Grund dieser Methode die sehr auf- fällige Angabe, daß bei seinen Objekten (Hymenopteren) die gesamte Substanz der Chromosomen im heranwachsenden Keimbläschen zu einem Nucleolus von oxyphiler Reaktion verdichtet werde !). Das bisher wohl allgemein anerkannte Gesetz, daß stark kondensiertes Chromatin stets basophile Reaktion gebe, würde also hier durch- brochen und damit wäre eine große Unsicherheit in die Unter- scheidungsmöglichkeit von Chromatin und echter Nukleolarsubstanz hineingetragen, da ja schließlich auch irgendein seiner Färbungs- reaktion nach echter Nukleolus ein verkapptes Chromosom dar- stellen könnte. Hätten die genannten Autoren für ihre sehr zahl- reiche Objekte und Stadien umfassenden Untersuchungen noch eine spezifische Methode wie die Biondi sche herangezogen, so wäre ihre in jedem Fall sehr wertvolle Arbeit sicher noch weit auf- schlußreicher geworden. Ich bin mir natürlich bewußt, daß auch die Biondi-Methode keine absolute Garantie für ‚Spezifität‘ bietet. Aber nichts spricht — nach den äußerst konstanten Er- fahrungen an zahlreichen Objekten — gegen die Ansicht, daß hier eine chemische Färbung im Sinne Ehrlichs vorliegt, eine An- sicht, die er ja gerade auch für sein Triacidgemisch vertrat, dessen Modifikation für Schnittfärbung die Biondi- Methode ist, wäh- !) Vgl. hierzu besonders die Schilderung für Tenthredo albicornis (l. c. S.121 1T.), 90 SsGutherz: rend z. B. die Safranin-Lichtgrün-Methode zweifellos echte Nukleolen ebenso intensiv rot gefärbt zeigen kann wie Chromatin und daher keinesfalls als mikrochemische Reaktion angeführt werden darf. Es wäre als ein Fortschritt zu begrüßen, wenn man es sich in der Zytologie zur Regel machte, die drei oben genannten, sich so vor- trefflich ergänzenden und leicht und sicher zu handhabenden !) Methoden: Eisen-Hämatoxylin nach Heidenhain, Eisen-Brasilin nach Hickson und das Biondische Gemisch gewissermaßen als das unerläßliche Minimum der Färbungstechnik in jedem Falle anzuwenden. Die Angaben in der Literatur würden so wesentlich an Klarheit und Vergleichbarkeit gewinnen. ll. Darstellung der Befunde. 1. Vorbemerkung über die topographische Histologie des Samenepithels. Wie bereits erwähnt, verläuft bei der Maus der spermiogene- tische Prozeß nahezu übereinstimmend mit der von Regaud für die Ratte gegebenen Beschreibung. Es wird aber vom Standpunkt der vergleichenden Forschung aus, die jeden morphologischen oder physiologischen Charakter für Verwandtschaftsfragen zu verwerten sucht, von Interesse sein, den genaueren Grad dieser Abweichung kennen zu lernen, zumal wir bereits wissen, daß das Regaudsche Schema sich keinesfalls für alle Säuger anwenden läßt (von den noch nicht zahlreichen exakten Untersuchern auf diesem Gebiet hat Kirillow (24) beim Pferd deutliche, wenn auch nicht sehr weit- gehende, van Hoof (19, S. 363) beim Hunde weitergehende Ab- weichungen gefunden). Es lassen sich die 12 von Regaud unter- schiedenen Stadien eines spermiogenetischen Zyklus ?), für deren ge- nauere Charakterisierung ich auf die Darstellung dieses Autors (36a, S. 142 ff.) verweise, ohne weiteres für die Maus übernehmen, da die wenigen in gewissen Zügen abgeänderten Stadien noch genügend übereinstimmende Merkmale besitzen, um völlig scharf erkennbar zu bleiben. Der wichtigste Unterschied ist der Zeitpunkt, in dem die 1) Das gilt auch für die Biondi-Methode nach der Vorschrift von R. Krause (Kursus der normalen Histologie, 1911, S. 78 ff.): 2) Ueber den Begriff des spermiogenetischen Zyklus siehe S.- 93. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 9] mitotische Teilung der Spermiogonien vom 2. Typus, der sog. Krusten- spermiogonien, einsetzt: von Regaud und in der Folge auch von van Hoof für die Ratte als sehr genau mit dem kurzdauernden Stadium 9 zusammentreffend angegeben, findet sie sich bei der Maus in dem ziemlich langdauernden und dementsprechend häufiger sichtbaren Stadium 11, kann aber auch noch in dem nur kurzen Stadium 10, in seltenen Fällen sogar schon im Stadium 9 ange- troffen werden. Dieser wichtige Prozeß, von dem die Entwicklung der Spermiozyte und damit die Wachstumsperiode der Spermio- genese ihren Ausgang nimmt, ist bei der Maus also nicht so scharf zeitlich präzisiert wie bei der Ratte, doch muß hier bald eine Regu- lation eintreten, da bereits in den frühen Stadien der Spermiozyten- entwicklung sich keine irgendwie nennenswerten Irregularitäten mehr bemerkbar machen. Mit der eben geschilderten Verschiebung hängt es offenbar zusammen, daß bei der Maus Krustenspermio- gonien gewöhnlich erst im Stadium 9 auftreten, während sie nach Regaud bereits für Stadium 8 charakteristisch sein sollen. Für Stadium 8 erwähnt Regaud, daß eine Weiterentwicklung der Spermiozyte nicht zu bemerken sei, bei der Maus ist dagegen ein deutlicher Fortschritt (Vergrößerung der Zelle und des Kerns, Auf- lockerung des Spirems) festzustellen, während hier wiederum die Weiterentwicklung im Stadium 9 nur eine geringfügige ist. Erwähnen wir noch, daß bei der Maus im Stadium 2 die stark herangewachsene Spermiocyte (im Zyklus III ihrer Entwicklung) bereits beginnende Längsspaltung der Chromatinfäden zeigt, was nach Regaud bei der Ratte erst im Stadium 3 erfolgt, so haben wir die wichtigsten Abweichungen registriert, wobei kaum hervorzuheben nötig ist, daß es sich hier nur um die großen Züge des Entwicklungsganges handeln kann, während die feineren zytologischen Details, wie sich aus unserer weiteren Darstellung ergeben wird, natürlich mannig- fache Differenzen aufweisen, die wir ja auch bei sehr nahe ver- wandten Formen niemals vermissen. Betreffs der ‚Amitosen-Frage‘“ bei den Spermiogonien, die von Regaud in positivem Sinne beantwortet wird, möchte ich bemerken, daß- ich ebensowenig, wie van Hoof (18, S. 304) bei der Ratte, mich bei der Maus von einem Vorkommen wirklicher Amitosen überzeugen konnte. Ich fand Mitosen der Staubkern- Spermiogonien noch gegen Ende des langdauernden Stadiums 7 und selbst im Stadium 8, während sie nach Regaud bei der Ratte 92 3.-Gulthierz: im Beginn des Stadiums 7 zuletzt auftreten und dann durch Ami- tosen abgelöst werden sollen }). 2. Die Spermiogonien. Betreffs der Spermiogonien kann ich mich sehr kurz fassen, da ihr Studium nicht den geringsten Anhaltspunkt für das Vor- handensein abweichender Chromosomenformen bietet. Wir finden hier ganz dieselben Zelltypen, die Regaud und andere Autoren für die Ratte beschrieben haben: Zellen (ohne abgegrenzten Zelleib) mit Staubkernen, die ältere Generation, und solche bereits scharf abgegrenzte mit Krustenkernen, die zweite Generation, wobei dahin- gestellt bleiben muß, ob wirklich nur je eine karyokinetische Gene- ration von jeder Sorte vorkommt, wie Regaud für wahrscheinlich hält, der allerdings noch amitotische Prozesse eingreifen und auf diese Weise die Generationenzahl sich vermehren läßt. Von den Staubkernen lassen sich wie bei der Ratte größere und kleinere unterscheiden. Die nach Regauds Hämalaun-Safranin-Färbung in denselben hervortretenden safranophilen Schollen zeigen nach der Biondi- Methode bei den ersteren, wenn auch keine leuchtend rote Färbung, so doch ausgesprochen azidophile Reaktion, bei den kleineren Staubkernen verhalten sie sich teils basophil, teils azido- phil (im selben Kern). Betreffs der Krustenkerne möchte ich be- merken, daß die von den Autoren als ‚„Krusten‘ bezeichneten hämateinophilen (Rega ud) Chromatinbrocken bei der Maus nicht streng auf die Peripherie des Kernes beschränkt sind, wie es nach Regaud bei der Ratte zu sein scheint. Sie finden sich vielmehr auch etwas von der Kernmembran entfernt und selbst inmitten des Kernes; sie zeigen nach der Biondi-Methode basophile Reaktion, außer ihnen finden sich kleine, wenig hervortretende echte Nukleolen. Die Chromosomenzahl der Spermiogonien habe ich nicht näher untersucht. Die schwierige Frage nach der Chromosomenzahl bei den Säugern, an deren Konstanz besonders neuerdings Zweifel laut geworden sind, scheint mir dringend einer eingehenden Spezial- untersuchung zu bedürfen. Ich möchte nur soviel sagen, daß die Chromosomenzahl in meinen Präparaten über 30 zu betragen scheint. _ !) Er selbst vermerkt übrigens, allerdings mit einem Fragezeichen ver- sehen, den Fall einer Mitose in Stadium 8, den er nicht näher diskutiert (36 b, S. 341). Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 93 3. Die Spermiozyte bis zum Diakinese-Stadium. Als für unser Problem wichtigste Zellgeneration erwies sich die Spermiozyte. Ich habe sie daher Schritt für Schritt durch ihre Ent- wicklung verfolgt. Entsprechend unserer Fragestellung gliederte sich hierbei die speziellere Untersuchung in zwei Abschnitte, deren Trennung durch das gerade in der Mitte der Spermiozytenphase er- folgende Auftreten eines Gebildes bezeichnet wird, das mit größter Wahrscheinlichkeit ein Heterochr6;mosom darstellt: bis zu diesem Punkte wurde die gesamte Kernstruktur in den Kreis der Betrach- tung gezogen, um die Vorgeschichte jenes Gebildes möglichst genau aufzuklären, von da an aber der besondere Körper in den Vorder- grund der Untersuchung gestellt und die übrigen Kernprozesse nur insoweit mit herangezogen, als sie in näherer Beziehung zu dem Hauptgegenstand stehen oder für die vergleichende Betrachtung von Wichtigkeit sind. Die Spermiozyten- oder Wachstumsperiode ist von sehr langer Dauer, ihr ist in dieser Beziehung nur die Spermio- histogenese an die Seite zu stellen. Bezeichnet man mit Regaud als spermiogenetischen Zyklus die Gesamtheit der Prozesse, die sich während des Ablaufs der Samenbildungswelle an irgendeiner Stelle eines Samenkanälchens bis zur Wiederkehr des Ausgangs- stadiums abspielen, so erstreckt sich, wie sogleich des näheren er- läutert werden soll, die Spermiozytenperiode über 3 Zyklen, von denen sie den mittleren ganz, die beiden anderen teilweise durch- läuft. Nach dem Vorgange Regauds unterscheide ich 12 Stadien eines Zyklus, dessen Beginn durch die eben vollendete Ausstoßung einer Generation reifer Spermien charakterisiert wird, und bezeichne ein spezielles Stadium des Zyklus mit einer arabischen Ziffer und den betreffenden Zyklus mit einer angehängten römischen Ziffer, Spermiozyte 7 ıı bedeutet beispielsweise eine Spermiozyte im 7. Sta- dium des 2. Zyklus. Nach dieser sehr zweckmäßigen Nomenklatur erstreckt sich die Spermiozytenperiode der Maus vom Stadium 11ı bis zum Stadium 4111 !), umfaßt also nicht weniger als 18 Stadien. Daß die Spermiozyte in mehreren Zyklen erscheint, ist natürlich nur ein anderer Ausdruck für die topographische Tatsache, dab in gewissen und zwar den meisten Stadien (außer den Stadien 6—10) 1) Hierbei wird die Spermiozyten-Mitose nicht mehr miteinbezogen, sondern als besonderes Stadium 5 ı;ı gerechnet. 94 SIEHE TZE zwei Generationen von Spermiozyten im Kanälchen übereinander liegen !). Nachträglicher Zusatz: Zwecks übersichtlicher Veranschau- lichung der topographischen Histologie des Samenepithels habe ich in Text- figur 1 (S. 95) ein Schema aus meinem Aufsatz ‚‚Geschlecht und Zellstruktur‘“ (Die Naturwissenschaften, Jahrg. 8, H. 45, 1920) wiedergegeben. Hier sind drei mehr oder minder weit voneinander entfernte Stadien, 3, 5 und 11 in der Bezeichnungsweise Regauds, in einen und denselben Hodenkanälchen- querschnitt eingesetzt (während in Wirklichkeit in einem solchen Querschnitt nur sehr nahestehende Stadien angetroffen werden), weil sich nur bei dieser Anordnung ein sofort überblickbares, sämtliche Entwicklungsschritte der Samenzelle durch eine kontinuierliche Linie verbindendes Schema herstellen läßt. Es zeigt sich so sehr schön der exakte von der Wand des Kanälchens nach seinem Lumen ablaufende spermiogenetische Rhythmus, der dadurch zustande kommt, daß die allmählich nach innen sich vorschiebenden Samen- elemente unter sich den gleichen Entwicklungsabstand bewahren und daher normalerweise innerhalb irgendeines Kanälchensektors stets ganz bestimmte Zellformen einander zugeordnet sind (z. B. entsprechen einem bestimmten histogenetischen Ausbildungsgrad der jungen Spermien stets Spermiozyten von bestimmter Größe und Kernstruktur). Den Ablauf der spermiogeneti- schen Welle in der Längsrichtung des Kanälchens, der bei der Ratte nach Regaudin Form eines eng gewundenen Spiralbandes erfolgt, habe ich für die Maus nicht genauer untersucht; für den Zweck der genauen Seriierung kommt praktisch vor allem der erst besprochene Rhythmus in Betracht. Sta di wmellg; Wie bereits erwähnt, erfolgt die Teilung der Krustenspermio- gonien in der Regel im Stadium 11, kann aber seltener auch bereits im Stadium 10 und gelegentlich selbst im Stadium 9 vor sich gehen. Man findet auf den Kanälchenquerschnitten, welche Teilungsbilder zeigen, in anderen Bezirken auch die frühesten Stadien der jungen !) Zur näheren Orientierung über den Ablauf der spermiogenetischen Welle verweiseichauf Regaud(36aS. 125 ff.). Ich verzichte daher darauf, die einzelnen Phasen unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Samenepithels näher zu charakterisieren, und möchte nur betonen, daß sich die nach Regaud angenommenen 18 Stadien der Spermiozyte vermöge des sehr exakten Rhythmus der Säugerspermiogenese mit völliger Sicherheit seriieren lassen. Erst bei einem Versuche, diese Stadien noch weiter aufzuteilen, können Schwierigkeiten der Seriierung entstehen. — Die von van Ho0f (18, S. 296 ff.) für die Ratte vorgeschlagene abweichende Einteilung des spermiogenetischen Zyklus halte ich gegenüber Regaud für keinen Fortschritt, da hier ein vorläufig noch hypothetischer Vorgang, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 05 Spermiozyte. Fig. 1 auf Tafel V zeigt eine solche, deren Kern noch Anklänge an die vorhergegangene Telophase, die ovale Form und eine gewisse Polarität in der Anordnung der Chromatinstränge, auf- Schema zur Samenentwicklung der weißen Maus (nach Gutherz, 1920, leicht verändert). Die iiber das Samenepithel gezeichnete Spirallinie verbindet genetisch aufeinander folgende Zellreihen. 3, 5 und I1 bezeichnen das Stadium des Samenepithelsektors nach Regaud. Sertolische Zelle. I Sper- miogonie vom Staubkerntypus. II Spermiogonie vom Krustenkern- typus (in Mitose). IIla Jüngste Spermiozyte (aus der Mitose von II hervorgehend) = Il; nach Regaud. IIlb—e Spermiozyte in der Wachstumsperiode = 311, 5ır, 1111, 31m nach Regaud. IIIf Spermiozyten-Mitose. IV a—d Spermide in der Entwicklung bis zum nahezu reifen Spermium, dem nur noch der plasmatische Rest- körper anhaftet, Die Präspermide und ihre Mitose gehört in das Stadium 6, ist daher im Schema nicht zu sehen. die Ausbildung paralleler Chromatinfäden und ihre Verbindung zu Doppel- fäden im Sinne einer Chromosomen-Konjugation, als wesentliches Eintei- lungsprinzip eingeführt wird, während Regauds Schema den Vorzug völliger Objektivität für sich hat. > 06 S.aeahkern zZ: weist. Die sich hieran schließenden Prozesse sind mit wirklicher Exaktheit schwer zu ermitteln, was bei der Kleinheit der Zellen nicht wundernehmen kann. (Unsere Figuren sind bei 2500facher Vergrößerung gezeichnet.) Während sich manchmal schon auf sehr frühen Stadien (Fig. 2) etwas größere Chromatinkörper finden, in die die vorherigen Chromatinstränge vermutungsweise zer- fallen sind und von denen feine Fäden ihren Ausgang nehmen, scheint in der Regel die Herstellung eines Kerngerüstes auf einem anderen Wege vor sich zu gehen, nämlich in Form einer allmäh- lichen Auflösung der Chromatinstränge. So erkennen wir auf Fig. 3 zum Teil noch gut erhaltene Chromatinstränge, von denen einer (der zweite von links) bei Anwendung der Brasilinmethode an- deutungsweise eine „Spiralstruktur‘‘ wahrnehmen läßt; im übrigen finden sich auch einige Chromatinklümpchen und feine Verbindungs- fäden. Etwas ähnliches zeigt Fig. 4 (Taf. V, ein Kernanschnitt), wo der untere Chromatinstrang etwas an eine Spirale erinnert. Wenn ich an dieser Stelle und inı folgenden mehrfach von einer ‚‚Spiral- struktur‘ der Chromatinfäden spreche, so bedarf das einer näheren Erläu- terung, die ich hier als Exkurs einfügen möchte. Ich muß gestehen, daß ich die in neuerer Zeit zuerst von Kristine Bonnevie!) beschriebenen, dann namentlich von Vejdovsky?:)undK.C. Schneider) bestä- tigten und mit großer Lebhaftigkeit als etwas Wichtiges, ja vielleicht All- gemeingültiges interpretierten Chromosomen-Spiralen zunächst sehr skep- tisch betrachtete, nachdem ein Forscher von der Qualität Boveris‘) in einer eigens auf diesen Punkt geiichteten Untersuchung sich von einem konstanten Vorkommen dieser Bildungen bei Ascaris megalocephala nicht überzeugen konnte (l. c. S. 187). Doch fahndete ich stets in meinen Prä- paraten nach Befunden in dieser Richtung und wurde zum erstenmal darauf hingewiesen, daß hier beachtenswerte Strukturen vorliegen, als ich in ruhen- den Spermiogonien von Gryllus domesticus das Heterochromosom in sehr aus- gesprochener Korkzieherform auffand. Später sah-ich auch ausgezeichnete Spiralbildungen in Spermiozyten von Diestrammena marmorata°) (Locus- tide), vom Kater, der Maus, dem Menschen und dem Perlhuhn ®). Entscheidend 1) Arch. f. Zellforsch., Bd. I, 1908, S. 450. ®) Zum Problem der Vererbungsträger, Prag 1911/12. SyyFestscht. TS Re Hertwig, Bd, A5A910, 5.21 4) Arch. f. Zellforsch. Bd. 3, 1909, S. 181. 5) Jetzt: Tachycines asynamorus. *) Hervorzuheben ist, daß ich niemals an sämtlichen Chromatinfäden eines Kernes oder in allen Kernen eines Schnittes Spiralstruktur fand. Es könnte sich aber um teilweise Zerstörung dieser feinsten Bildungen durch die Präparationsmethoden handeln. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 07 für meine Wertung der Spiralstrukturen war dann die folgende Beobachtung. Man sieht sehr häufig in solchen Zellen, die zum Teil Spiralen erkennen lassen, gewissermaßen als Uebergang zu Chromatinfäden, die aus Körnchen (Chromo- meren oder Chromiolen) aufgebaut scheinen, Fadenformen, die eine schräge Querstreifung aufweisen und beim flüchtigen Hinblicken leicht als Spiralen erscheinen können, während sie bei genauerer Untersuchung nur stellen- weise durch ein bei anderer Einstellung hervortretendes Fädchen zu wirk- lichen Spiraltouren verbunden sind oder eben ausschließlich nur jene schräge Streifung zeigen. Diese Bilder werden von den genannten Autoren ohne wei- teres zu den Spiralstrukturen gestellt, was deren Verbreitungszahl natürlich sehr erhöhen würde, aber mir nicht berechtigt schien. Ich fand nun in der Spermiozyte von bereits beträchtlicher Größe (Stadium 1177) bei der Maus (an Präparaten), die mit Safranin vorgefärbt und dann mit der Eisen-Brasilin- Methode behandelt waren) Spiralen, die sich von der Liningrundlage gelöst hatten und stark ausgezogene Windungen zeigten, so daß ein genauerer Ein- blick in ihren Bau ermöglicht war, und konnte hier die bemerkenswerte Beobachtung machen, daß die Spiralen stellenweise regelmäßig abwechselnd aus breiteren, sehr intensiv gefärbten und aus ganz zarten, blassen halben Umgängen bestanden. Dieser Befund gestattet, auch jene Bilder mit schräger Streifung als volle Spiralen zu interpretieren: es ist leicht verständlich, daß die zarten Teile der Umgänge sich auf der Liningrundlage gar nicht abheben und so dem Beschauer entgehen werden. Ich meine daher, daß dieser jüngste Zweig der Chromosomen-Forschung eine eingehende vergleichende Bearbei- tung, namentlich unter Heranziehung günstiger Objekte, verdient, und be- absichtige, meine Befunde weiter auszubauen und an anderer Stelle eirgehen- der darzustellen. Die Spiralfrage ist natürlich vor allem von großer allge- meiner Bedeutung für die gesamte Auffassung der Kernstrtktur, sie hat aber noch eine sehr wichtige spezielle Seite, nämlich für die Beurteilung des viel umstrittenen Problems der „längsweisen Chromosomenpaarung‘ in der Wachstumsperiode der Geschlechtszellenbildung. Gerade in den Stadien, wo die Autoren, die der letzteren Anschauung huldigen, die Chromosomen- paarung als bereits vollzogen ansehen und zu denen auch die oben er- wähnten Bilder von der Maus gehören, finden sich Spiralen von ausge- zeichneter Klarheit. Sind sie der Ausdruck wirklicher Lebensvorgänge und nicht etwa ein zufälliges Produkt unserer Technik, so wäre gezeigt, daß die vorangehenden Bilder paralleler Fäden nicht einfach als frühe Teilung zu deuten wären, sondern etwas Besonderes darstellen und, wenn auch nicht sicher zu einer Chromosomenpaarung, so doch zu einer Chromatinfaden- verschmelzung führen. Dieser Schluß ist bereits von Vejdovsk y und zwar im Sinne einer Chromosomenverschmelzung gezogen worden. Nur andeuten möchte ich noch, daß nach meinen Beobachtungen an der Maus die von manchen Autoren beschriebene biseriale Anordnung von Chromatin- körnchen auf den betreffenden Stadien sich vielleicht ebenfalls im Sinne der Spiralstruktur wird auffassen lassen. Wenn ich in der vorliegenden 1) Fixation: Tellyesniczkysche Flüssigkeit. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 7 98 Ser Gaukmahleirz: Mitteilung von „Spiralstrukturen‘“ spreche, so sind darunter auch jene Bilder von schräger Streifung der Chromatinfäden, die ich als angedeutete Spiralstruktur bezeichnen werde, mitinbegriffen und ich bitte, dies in dem provisorischen Sinne aufzufassen, in dem es gemeint ist. In Fig. 5 (Taf. V), die schon von einer etwas größeren Zelle stammt, fällt auf, wie von der unterhalb der Kernmitte liegenden unregelmäßig gestalteten Chromatinpartie in verschiedenen, nach oben zu verlaufenden Straßen Chromatin abzuströmen scheint; in dem auf Fig. 6 dargestellten Kern ist wiederum die Tendenz zur Netzbildung durch quere Verbindungen der Chromatinfäden be- sonders ausgeprägt, was namentlich in seiner rechten Hälfte deutlich zum Ausdruck kommt. Das Endergebnis aller dieser verschiedenen Vorgänge, über deren genauen Verlauf ich, wie gesagt, zu keiner ganz befriedigenden Vorstellung gelangt bin, ist die Ausbildung eines ‚„‚Kru- stenkerns‘‘, wie ein solcher auf Fig. 7 dargestellt ist: das Chromatin hat sich hier in Form von Brocken oder platten Schollen vielfach der Kernmembran angelagert, gleichzeitig ist ein noch ziemlich weit- maschiges Kernretikulum entstanden. Achnlich, wie ich es bereits für die Krustenspermiogonien erwähnte, liegen auch hier die Chro- matinbrocken nicht durchaus an der Kernmembran, sondern auch innerhalb des Kerns (Figg. 7—10, Taf. V); die Bezeichnung ‚Krusten- kern‘ trifft also nicht ganz streng zu. Mittels der Brasilinmethode treten, wie übrigens auch bei den Krustenspermiogonien, neben den intensiver gefärbten Schollen blassere und weniger scharf er- scheinende Verdichtungen der Kernsubstanz auf (besonders deut- lich in Fig. 7 und 8), eine Erscheinung, der wohl keine tiefere dif- ferentielle Bedeutung zuzusprechen ist, da bei der Biondi- Färbung sich sämtliche Verdichtungen intensiv blau färben. Echte Nukleolen sind noch schwieriger nachzuweisen, als bei den Krustenspermiogonien, was bei der Kleinheit der Zellen verständlich erscheint und überdies noch darin seine Erklärung findet, daß die rot gefärbten Nukleolen häufig innerhalb der Chromatinverdich- tungen liegen und so leicht verdeckt werden; für die Untersuchung dieser Verhältnisse eignen sich am besten 3 u-Schnitte. Eine etwas herangewachsene Zelle des eben beschriebenen Typus, die das Kernretikulum noch klarer ausgeprägt zeigt, ist auf Fig. 8 Taf. V dargestellt, Die bisher geschilderten Vorgänge lassen sich wohl am einfach- sten dahin interpretieren, daß die aus der letzten Spermiogonien- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 99 Telophase hervorgehenden Chromatinstränge einerseits einem Auf- lösungsprozeß unterliegen, der unter anderem durch Aussendung von feinen Fädchen zur Ausbildung eines Kernretikulums führt, andererseits aber ihre Substanz teilweise stark konzentrieren und in dieser Form namentlich an der Kernmembran ansammeln. Das ist natürlich nur eine Deutungsmöglichkeit. Jedenfalls ist sicher, daß die alleinige Herleitung des Kernretikulums aus einer spiralig gebauten Oberflächenschicht des Chromatinfadens, wie sie die neue- ren Theorien von Bonnevie, Vejdovsky u. a. fordern, für unser Objekt nicht zulässig ist. Das kurzdauernde Stadium 12 bietet keinen wesentlichen Fort- schritt in bezug auf unseren Zelltypus dar, wie Fig. 8 Taf. I zeigt. Stadimtmkır Auch in den beiden folgenden Stadien geben die soeben ge- schilderten, vorzugsweise peripherisch gelegenen Chromatinkörper dem Kern ein eigentümliches Gepräge. In Stadium Ir (Fig. 9 und 10, Taf. V) sind außer der deutlichen Größenzunahme von Zelle und Kern zwei weitere Fortschritte zu verzeichnen: die wesent- liche Verfeinerung des Retikulums, die bei der gleichzeitigen Größen- zunahme des Kerns besonders hoch zu veranschlagen ist, und das Auftreten von intensiver gefärbten und etwas dickeren Zügen in dem feinen Gerüstwerk. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß die letzteren sich an größere Chromatinkörper anschließen oder wenigstens mit der Kernmembran, die vielfach auch kleinere Chro- matinverdichtungen zeigt, in Kontakt stehen: man hat den Ein- druck, als ob die stärker betonten Retikulumzüge von schon vorher vorhandenen Chromatinansammlungen ihren Ausgang nehmen. Es handelt sich bei diesen bald zu längeren Fädchen werdenden Bildungen um nichts anderes als um die erste Erscheinung des Spirems, das sich im Stade nnd 2 bereits voll entwickelt darstellt. Von nun an sind unsere Abbildungen nur noch bei 1700facher Vergrößerung gezeichnet; um aber einen direkten Größenvergleich mit den früheren Stadien zu ermöglichen, ist der Fig. 10 (Taf. V) eine Umrißzeichnung bei 1700facher Vergröße- ‚rung angefügt (Fig. 10a). Das äußerst feine und stark gewunden verlaufende Spirem unseres Stadiums weist im Beginn seines Auf- tretens noch vielfach sehr zarte Querverbindungen auf, die an seine 1% 100 S.:&utherz: Entstehung aus dem Kerngerüstwerk erinnern und in Fig. 11 (na- mentlich links unten) zur Darstellung gebracht sind. Die Chromatin- fädchen können leicht angedeutete Spiralstruktur aufweisen, be- sonders auffällig ist aber ihr häufig zu beobachtender paralleler Verlauf zu zweien (Fig. 12 Taf. V). Die in den vorangehenden Stadien äußerst scharf hervortretende Kernmembran ist jetzt weit weniger deutlich, sie scheint aber nie ganz zu verschwinden, sondern nur, da sie zarter ist, leichter bei der Fixierung zu leiden; sie ist häufig vom Kerninhalt durch einen Spaltraum abgetrennt, ein Verhalten, das sich auch in den folgenden Stadien zeigt, in denen sie wieder deutlicher zu erkennen ist. Nicht selten ergibt sich bei dieser Er- weiterung des Kernraumes, wenn der Fadenknäuel etwas einseitig gelagert ist, ein synapsisähnliches Bild!) (Fig. 12), das allerdings lange nicht so ausgeprägt und konstant ist wie bei den meisten Säugern. Jordan (23, S. 169) hat bereits beim gleichen Objekt auf solche Bilder aufmerksam gemacht, die bemerkenswert sind, weil bei der Ratte das Synapsisstadium ganz fehlen soll. Die meist peripherisch gelegenen Chromatinkörper haben bedeutend an Größe zugenommen. Sie erweisen sich bei genauerer Betrachtung fast stets als im Zusammenhang mit den Spiremfäden, in die sie oft leicht zu- gespitzt übergehen, wie das auf Fig. 43 (Taf. VI) dargestellte Biondi- Präparat besonders deutlich zeigt. Mitunter erscheinen sie langge- streckt, stäbchenförmig (Fig. 12 Taf. V), sind aber meist flache, dem Spirem angeschmiegte Scheiben. Ob in den seltenen Fällen, wo ein solcher Körper vom Spirem isoliert sich darstellt, es sich um der Wirk- lichkeit entsprechende Bilder oder um eine bei der technischen Be- handlung der Präparate bewirkte Abreißung der feinen Fädchen han- delt, muß dahingestellt bleiben. Ich neige zu der Annahme, daß diese Körper Zentren darstellen, in denen beim Wachstum der Zelle aus den von außen eintretenden Stoffen Chromatin angereichert wird, um dann an die Spiremfäden abgegeben zu werden, mit deren Dickenzunahme im folgenden Stadium sie allmählich an Zahl ab- nehmen, um schließlich ganz zu verschwinden. Auf sie würde also die Bezeichnung „Chromoplasten‘ (Eisen) ausgezeichnet passen. In meiner Auffassung bestärkt mich eine Beobachtung, die man gelegentlich an Heidenhain- Präparaten machen kann: von einem intensiv gefärbten Chromoplasten geht ein ebenso !) Das Wort ‚Synapsis‘‘ wird hier und im folgenden im Sinne des synaptischen Kontraktionsstadiums (Synizesis) gebraucht. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 101 lebhaft gefärbter kurzer, z. T. in Körnchen aufgelöster Faden in das im übrigen nur sehr blasse Spirem über; man ist versucht, hier an ein Abströmen von Chromatin in das Spirem hinein zu denken. Die Möglichkeit, daß sich unter den beschriebenen, stets zahlreichen Chromatinkörpern auch ein spezifisches Gebilde vom Werte eines Chromosoms verbergen könnte, habe ich natürlich in Betracht ge- zogen; es hat sich aber nicht der geringste Anhaltspunkt dafür er- geben. Dagegen spricht schon die Unregelmäßigkeit der Gestalt dieser Körper, vor allem aber ihr allmähliches restloses Verschwinden. Um diesen Punkt zu erledigen, möchte ich schon hier angeben, daß sie in dem folgenden Stadium (3ır) sich bereits stark an Zahl ver- mindern, gelegentlich aber ein einzelner derartiger Körper selbst noch im Stadium 7ıı anzutreffen ist. Meine bisherige Schilderung der Spermiozytenentwicklung stimmt, verglichen mit den in der neueren Literatur über die Ratte niedergelegten Angaben, im allgemeinen am besten mit derjenigen von van Hoof (18) überein. Bei Duesberg (7, S. 407) finde ich auf der anderen Seite die Schilderung eines feinen Kernreti- kulums, von dem weder RegaudnochvanHoof etwas bemerkt haben und es als Effekt einer zu intensiven Heidenhain- Färbung zu deuten geneigt sind. Ich möchte hervorheben, daß ich dieses äußerst zarte Retikulum bei der Maus mit aller wünschens- werten Deutlichkeit mit Hilfe der Hickson schen Eisen-Brasilin- Methode, bei der eine Ueberfärbung ganz ausgeschlossen ist, fest- stellen konnte (Lichtquelle: Zeiß’ Mikro-Nernstlampe, die mir auch im übrigen vorzügliche Dienste leistete). Stad-iwm.3iıe Wie uns Figg. 13 und 14 (Taf. V) zeigen, sind im nächsten Ent- wicklungsschritt die Chromatinfäden bereits deutlich dicker, was ich, wie gesagt, mit einer Tätigkeit der Chromoplasten in Zusammen- hang bringen möchte. In diesem Stadium sind zu je zweien über größere oder kleinere Strecken parallel verlaufende Fäden noch häufiger als vorher anzutreffen, was ebenfalls an unseren Figuren hervortritt (besonders schön in Fig. 14 links, wo zwei Fäden an den beiden Enden dicht zusammenliegen, in der Mitte durch einen weiten Spalt getrennt sind). Angedeutete Spiralstruktur der Chromatin- fäden ist nicht selten zu bemerken. 102 SS. Gaistalensze Ss warden Ar bin Die drei folgenden Stadien lassen sich gut gemeinsam besprechen, da sie nur geringe Fortschritte gegeneinander auiweisen. Das Spirem ist beträchtlich dicker geworden; der parallele Verlauf zweier dünner Fäden über weitere Strecken ist nicht mehr anzutreffen, doch zeigen die dicken Fäden öfter an einem freien Ende Aufspaltung (Fig. 15 Taf. V, unten links). Angedeutete Spiralstruktur der Chromatinfäden ist stellenweise gut zu sehen. Im Sinne der Au- toren hat sich jetzt die parallele Konjugation der Chromosomen vollzogen (Amphi- bzw. Pachytänstadium). Ohne zu dieser Frage von grundlegender Bedeutung nach Beobachtungen an nur einem Objekt bereits Stellung nehmen zu können, möchte ich meinerseits doch darauf hinweisen, wie sehr sich derartige Bilder dem Beschauer aufdrängen und wie gut sie sich zu einer Entwicklungsreihe zu schließen scheinen; natürlich wäre zunächst im besten Falle nur eine Chromatinfaden-, nicht eine Chromosomenverbindung bewiesen. Die Schwierigkeit der ganzen Angelegenheit geht schon daraus hervor, daß über die Frage, ob in den betreffenden Stadien das Spirem einheitlich ist oder bereits entsprechend der Chromosomen- zahl in Stücke zerlegt oder, was theoretisch weniger ansprechend wäre und daher kaum erörtert wird, in mehr beliebige, nicht mit einzelnen Chromosomen identische Partien aufgeteilt ist, in der Literatur nicht nur für verschiedene Objekte, sondern sogar für ein und dasselbe Objekt keine Einigkeit besteht. So haben sich z. B. bei der Ratte Regaud und Duesberg für ein einheit- liches Spirem ausgesprochen, während van Hoof (18, S. 308) gerade in den uns beschäftigenden Stadien das Vorkommen freier Fadenenden in großer Zahl in der Nähe der Kernmembran betont und hieraus auf eine Zerlegung des Spirems in Chromosomen schließt. Später werden auch nach diesem Autor die Chromatinfäden immer schwieriger zu ‚„individualisieren‘“ (l. c., S. 310). Er glaubt aber auch jetzt nicht an ein kontinuierliches Spirem, da er noch mehr- fache freie Fadenendigungen (im Inneren des Kerns) beobachten kann. Auch ich fand häufig mehrfache freie Endigungen des Spirems, namentlich an seiner Peripherie, konnte aber andererseits einheit- liche Fadenpartien über sehr weite Strecken verfolgen. Ich glaube mich daher mit Sicherheit für ein diskontinuierliches Spirem aus- sprechen zu können, das jedoch niemals bereits in einzelne Chromo- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 103 somen zerfallen ist. Die in Fig. 15 Taf. V (unten) dargestellten Fäden sind z. T. sicher freiendigend, z. T. ist dies nur mit Wahr- scheinlichkeit zu ermitteln; die Zelle lag ganz innerhalb des 15 u dicken Schnittes. Wir verlassen die Chromatinstruktur der drei uns vorliegenden Stadien mit der Bemerkung, daß sich auf diesen wie auf den vorher- gehenden und den nächstfolgenden Stadien mitunter partielle Verklebungen der Chromatinfäden vorfinden, denen wegen ihres unregelmäßigen Auftretens keine Bedeutung beizumessen sein dürfte, und müssen nun noch eines eigentümlichen Phänomens gedenken, das öfters vom Stadium 5ır an zu beobachten ist: wir sehen hier den bereits oben erwähnten, das Spirem umgebenden hellen Spaltraum, der durch Abhebung der Kernmembran ent- standen ist, an einem Punkte zu einer Nische oder selbst zu einer Art kleinen Kammer erweitert (Fig. 16n, Taf. V), die nach innen zu durch die häufig stark gebogen (mit der Konkavität nach außen) verlaufenden Spiremfäden begrenzt wird !); wie sich bei der Be- trachtung von ganz im Schnitt liegenden Zellen mit Sicherheit ergibt, ist dieser Raum auf den eben besprochenen Stadien fast stets ohne Inhaltskörper. Auf die wahrscheinliche Bedeutung dieses Befundes sowie auf das in Fig. 17 in der Kammer liegende Gebilde (i) kommen wir sogleich zurück. Stadtum 71T: In diesem Stadium (nur gelegentlich schon kurz vorher) tritt ein Gebilde in die Erscheinung, das sich für unser Problem als be- deutungsvoll erweisen sollte, und ich möchte, um das Auffinden dieser wichtigen Entwicklungsphase zu erleichtern, eine kurze Skizze des Gesamtzustandes des Samenepithels (im genauen Quer- schnitt bzw. medianen Längsschnitt eines Kanälchens untersucht) im Stadium 7 entwerfen; übrigens ist dieses das wohl am längsten dauernde aller Stadien und daher nicht selten anzutreffen. Beginnen wir die Schilderung an der Peripherie des Kanälchens, so treifen wir hier dicht unter der Membrana propria in gewissen Abständen die Kerne des Sertolischen Syneytiums, das ich mit Regaud !) In Fig. 16 ist die Kammer besonders stark ausgeprägt. Meist handelt es sich um eine geringere Vorwölbung, so daß der auftretende Raum haupt- sächlich durch das Zurückweichen der Chromatinfäden bedingt wird. 104 SO: Gultahlreltz:: als solches aufzufassen geneigt bin. Sie erscheinen meist mit der Längsachse der Membran parallel gestellt und ihr dicht angeschmiegt, zum Teil sind sie aber bereits senkrecht zur Membran langgestreckt, wie es in späteren Stadien, wenn die Symphorese der Spermien voll entwickelt ist, stets der Fall ist. In den Abständen zwischen den Sertoli-Kernen liegen einmal die Spermiogonien, und zwar aus- schließlich solche vom ersten Typus (mit meist ziemlich voluminösen Staubkernen, ohne deutlich abgegrenzten Zelleib, nicht selten in den verschiedenen Stadien des mitotischen Prozesses anzutreffen), sodann Spermiozyten von mittlerer Größe, die aber häufig noch in einer zweiten Schicht über den geschilderten Zellformen ange- ordnet sind. Es folgt weiter nach innen eine drei bis vier Zellen tiefe Schicht junger, soeben im Stadium 6 durch die Präspermiden- mitose entstandener Spermiden, die durch ihre runden Kerne und polyedrischen Zelleiber ausgezeichnet sind. Endlich schließen sich die mit den Kopfenden peripherwärts ‚gestellten Spermien der vorhergehenden Generation an: sie sind bereits deutlich in Gruppen geordnet, die, etwas zwischen die Spermiden in die Tiefe sich ein- drängend, den Sertoli-Kernen gegenüberstehen und mit ihnen durch die bekannten, fibrillär differenzierten Plasmafortsätze des Syneytiums verbunden sind (Symphorese im Beginn), und im histo- genetischen Prozeß weit fortgeschritten; sie zeigen einen schon völlig kondensierten und ausgebildeten, beilförmigen Kopf; in ihrem birnförmigen, dem Kanälchenlumen zugewandten Plasmaleib ist die Schwanzmanschette noch deutlich zu bemerken, der Achsen- faden ist bereits weit entwickelt. Ein unserem Stadium ungefähr ent- sprechendes Bild von der Ratte hat v. Lenhossek auf Taf. 12 Fig. 1 seiner Abhandlung (26) zur Darstellung gebracht. Zu der uns hier allein interessierenden, weiter etwas heran- gewachsenen Spermiozyte übergehend, finden wir deren Spirem jetzt gegenüber den vorangehenden Stadien wesentlich verdickt, es ist offenbar gleichzeitig mit einem beträchtlichen Wachstum eine Kontraktion des Spirems eingetreten. Seine Fäden zeigen häufig angedeutete Spiralstruktur und an den freien Enden nicht selten Aufspaltung in einen Doppelfaden. Unsere Aufmerksamkeit wird aber in erster Linie durch einen interessanten Vorgang ge- fesselt, der typisch in der folgenden Weise verläuft: es tritt an der Peripherie des Spirems eine verdichtete, homogene Partie von stäbchenförmiger Gestalt und etwa 2—3 u Länge auf, und dieser Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 105 Abschnitt wird vom übrigen Spirem gelöst und samt ihm noch an- hängenden kürzeren oder etwas längeren Chromatinfäden in einer Kernnische deponiert, die ganz derjenigen gleicht, die wir bereits vom Stadium 51 an ohne Inhaltskörper beschrieben haben. Fig. 18 und 19 (Taf. V) zeigen uns den Vorgang der Spiremverdichtung bei i, Fig. 20 die bereits vollzogene Abtrennung der verdichteten Partie (il). Wie aus unseren Figuren hervorgeht, nimmt der Körper bei Anwendung der Brasilin-Methode einen helleren Ton an als das übrige Spirem. Nach der Ablösung tritt dagegen häufig eine sehr intensive Färbung auf (Fig. 21 d); dieser Erscheinung dürfte aber wegen ihrer Inkonstanz keine besondere Bedeutung beizulegen sein. Auf Fig. 18 a sind die an den in Abtrennung begriffenen Körper herantretenden Fäden bereits etwas dünner als das übrige Spirem, man hat den Eindruck, daß sie bald durchreißen werden. Die Figuren 21 a—d zeigen solche, zum Teil recht dünne Fäden dem abgelösten Körper noch anhängend, sie dürften allmählich in den Hauptteil mit einbezogen werden; einen bereits glatten Kontour und etwas unregelmäßige Gestalt weist das abgetrennte Gebilde in Fig. 21 e auf. In Fig. 18 b sitzt die besondere Partie dem übrigen Spirem (von dem nur ein kleiner Teil gezeichnet ist) pilzhutförmig auf, die Verbindungsfäden scheinen zum Stil des Pilzes zusammengebacken zu sein. Nicht selten kann man nach erfolgter Isolierung des Gebildes zwei Spiremfäden von normaler Dicke mit glattem Querschnitt in seiner Nähe endigen sehen, offenbar stellen die beiden freien Enden die Punkte dar, an denen die Abtrennung vor sich ging. In der- artigen Fällen scheint keine Ausziehung der Fäden beim Abtrennungs- prozeß zu erfolgen, wie auch in der auf Fig. 19 dargestellten Zelle nichts hiervon zu bemerken ist. Mitunter findet man auch den Körper vor seiner Abtrennung nur an einem Ende mit dem Spirem in Zusammenhang: hier könnte die Trennung am anderen Ende vorzeitig erfolgt sein, wahrscheinlicher dürfte sein, daß das Gebilde in diesem Falle an einem von vornherein freien Spiremende ent- . standen ist. Die wichtigste Frage, die sich gegenüber dem geschilderten merkwürdigen Vorgange erhebt, ist die, ob es sich hier um die Ent- stehung eines Ausscheidungs- oder eines Umwandlungsproduktes des Spirems handelt. Sprechen für die zweite Deutung bereits Bilder wie das in Fig. 21a (Taf. V) dargestellte, wo der betreffende Körper noch verhältnismäßig lange fädige Fortsätze zeigt und vielleicht 106 8... Gaiktchle tz: auch in seinem Hauptteil aus einer Fadenschlinge besteht, so wurde sie doch erst durch die folgende Beobachtung zur Gewißheit erhoben. Man findet mitunter im Stadium 611 einzelne Spermiozyten, an denen der gewöhnlich erst in 7ır erfolgende Sonderungsprozeß sich bereits vollzogen hat, und hier konnte ich in verschiedenen Fällen konstatieren, daß der abgetrennte Körper noch ganz die unver- änderten Charaktere des Spirems aufwies (Fig. 17, i); wahrscheinlich war infolge des verfrühten Eintretens des Vorganges nicht genügend Zeit zur Kondensation des Gebildes geblieben. Ich gewann so die Ueberzeugung, daß der in der Kernnische isolierte Körper stets das Umwandlungsprodukt eines Spiremabschnittes darstellt; man ist natürlich sofort versucht, den Vorgang mit der Konzentration der Chromosomen in der Prophase in Parallele zu stellen. Wir haben in dem eben geschilderten, am Spirem sich abspielenden Differen- zierungsprozeß die Entstehung eines Gebildes kennen gelernt, das sich von nun an in der Spermiozyte durch ihre sämtlichen weiteren Stadien bis zur Diakinese verfolgen läßt und das dem von v. Len- hossek bei der Ratte 1898 beschriebenen und von ihm so be- nannten Intranuklearkörper völlig homolog ist. Ich werde es daher im folgenden mit diesem Namen bezeichnen. Die Deutung des Intranuklearkörpers als umgewandelten Spirem- abschnittes, die wir zunächst auf rein morphologische Feststellungen gründeten, findet eine ausgezeichnete Bestätigung bei Anwendung der Biondi- Methode, indem das Gebilde sich leuchtend blau oder blau-grün färbt, also eine ausgesprochene Chromatin-Reaktion aufweist. In Fig. 45 (Taf. VI) sehen wir diese Färbungsreaktion wiedergegeben, und zwar ist hier der Intranuklearkörper um eine ganz geringe Nuance blässer als das übrige Spirem; außerordentlich häufig ist aber gar keine Differenz der Färbung zu konstatieren. Dem Intranuklearkörper liegt in dieser Figur ein kleiner echter Nukleolus dicht an. Nur äußerst selten scheinen mehr als ein Intranuklearkörper aufzutreten. Ich finde in meinen Protokollen, die dieses Gebilde natürlich besonders berücksichtigen, nur zwei Angaben dieser Art, wo zwei Intranuklearkörper beobachtet wurden, das eine Mal (Sta- dium 7 11) nur mit Wahrscheinlichkeit, das andere Mal (Stadium 11 11) mit Sicherheit. Nach Regaud (37, S. 326) findet man bei der Ratte den Intranuklearkörper von typischer Größe gewöhnlich nur in der Einzahl, ziemlich selten in der Zweizahl; doch könne man, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 107 namentlich in früheren Stadien, statt eines voluminösen zwei oder drei kleinere Intranuklearkörper antreifen. Nachdem wir die Entstehungsgeschichte des Intranuklear- körpers verfolgt haben, ist es uns möglich, eine Ansicht über die Be- deutung der in den Stadien 51: und 61, beschriebenen Kernnische ohne Inhaltskörper auszusprechen. Ich glaube bei der Häufigkeit dieses charakteristischen Befundes nicht, daß es sich um zufällige Bildungen handelt, habe vielmehr die Ueberzeugung gewonnen, daß uns hier bereits die Nische vorliegt, die für den künftigen Intra- nuklearkörper bestimmt ist. Daß zwei anscheinend selbständig auf- tretende Strukturen sich nachträglich zu einer morphologischen Ein- heit zusammenschließen, darf nicht wundernehmen, haben wir doch Beispiele für derartige Prozesse auch gerade in der Spermiogenese; ich brauche nur an die merkwürdigen Vorgänge zu erinnern, durch die sich aus Teilen des Idiozoms Perforatorium und Kopfkappe des Spermiums entwickeln und so mit dem Kern desselben zu der Einheit des Spermienkopfes zusammentreten. Wir beschließen unsere Schilderung des Stadiums 711 mit der Erörterung der sehr naheliegenden Frage, ob die mit der Bildung der Nische und des Intranuklearkörpers einhergehende eigenartige Po- larität des Zellkernes mit irgendwelchen Verhältnissen im Zell- leibe in Kausalen Beziehungen steht. Es war mir nicht möglich, einen Hinweis in dieser Richtung aufzufinden. Das etwa vom Stadium 51r an namentlich mittels der Biondi- Methode auf- findbare und dann rot gefärbte Idiozom liegt zwar im Stadium 7 ıı häufig am entgegengesetzten Kernpol wie der Intranuklearkörper, man könnte also an eine Anziehung denken, die es auf den Chromatin- knäuel ausübte, was wieder die Nischenbildung begünstigen würde. Doch ist dieses Verhältnis kein konstantes, da das Idiozom, wenn- gleich seltener, auch an anderen Punkten der Kernperipherie, sogar dicht am Intranuklearkörper angetroffen werden kann. In jedem Fall wird eine hier etwa vorhandene Beziehung bereits mit dem Sta- dium 8ıı völlig aufgehoben, indem das Idiozom jetzt ganz beliebig zum Intranuklearkörper gelegen ist, was für alle weiteren Stadien gilt. Dasselbe Verhalten schildert Regaud (37, S. 347) von der Ratte in Bestätigung älterer Angaben von Lenhosseks (26, S. 254). 108 Ss. Galtcherr ze Stadien 81—l21ıı. In den nun folgenden Stadien stellt sich der Intranuklearkörper sehr häufig ganz in der Gestalt und Lage dar, wie ihn v. Len- hosscek in seiner klassischen Darstellung für die Ratte beschreibt (26, S. 251): als linsenförmiges Gebilde, „bald der Kernmembran dicht angelagert, bald auch nicht ganz, aber immer mit der Ober- fläche des Kerns parallel gestellt“, eine Schilderung, die dahin zu ergänzen ist, daß der linsenförmige Körper ganz wie die Augenlinse eine schwächer und eine stärker gewölbte Fläche besitzt und die erstere der Kernmempbran anliegt, mit der sie den Krümmungsradius gemeinsam hat. v. Lenhosscek gibt auch bereits eine anschau- liche Schilderung des besonderen, von den Chromatinfäden frei- gelassenen Raumes, in dem der Intranuklearkörper gelegen ist und den er treffend mit der Luftkammer des Hühnereies vergleicht. Die nicht seltenen Abweichungen im Verhalten unseres Objektes von der Darstellung v. Lenhosseks beziehen sich auf die Form des Gebildes und bestehen meist darin, daß die innere, mehr kon- vexe Fläche nicht so regelmäßig gestaltet ist wie etwa in Fig. 23a (Taf. V), sondern ungleichmäßige Vorwölbung zeigt (Fig. 22a) oder daß der Körper auf der Flächenansicht nicht rund, wie in Fig. 24 b, was der genauen Linsenform entsprechen würde, sondern unregelmäßig begrenzt erscheint (Fig. 23b). Was seine Größen- verhältnisse anbetrifft, so ist bereits in den Stadien 871 und 9ıı (Fig. 22a und b, die gleichzeitig für Stadium 911 gelten können), eine Volumenzunahme gegenüber 711 im allgemeinen deutlich. Beträchtlich tritt eine solche in den Stadien 1011—1211ı hervor (Fig. 23 a und b, Fig. 24 a und b; Stadium 121 ist nicht abgebildet, da es nichts Neues zeigt). Mitunter finden wir einen Spiremfaden in Zusammenhang mit dem Intranuklearkörper (Fig. 23 a), und ich nehme an, daß in solchen Fällen sich die Vorgänge bei der Ent- stehung des Gebildes ein wenig anders wie gewöhnlich abgespielt haben, indem die Abtrennung vom Spirem nur unvollständig erfolgte und so ein Chromatinfaden bis in die Kernperipherie mitgenommen wurde. [Ein derartiger Befund ist nach Regaud (37, S. 328) bei der Ratte weit häufiger.] Lininfäden treten öfter an den Intranuklear- körper heran, scheinen aber in den meisten Fällen völlig zu fehlen, wobei aber wohl in Betracht zu ziehen ist, daß diese zarten Strukturen durch unsere Präparationsmethoden leicht Schaden leiden können. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 109 Der Versuch, auf den uns beschäftigenden Stadien tiefer in die Struktur des Intranuklearkörpers einzudringen, fällt in der Regel negativ aus. Während das Gebilde meist völlig homogen erscheint oder selten nur eine oder mehrere Vakuolen in seinem Inneren zeigt, sieht man gelegentlich eine gerüstartige Struktur ausgeprägt, die noch feiner sein Kann als in Fig. 26 a und b auf Taf. V (nach einem mit Brasilin gefärbten Tellyesniczky- Präparat) und dann geradezu an einen kleinen Zellkern erinnert. Betrachtet man solche Bilder ganz ohne Rücksicht auf die Entstehung des Intranuklear- körpers und seine künftigen Wandlungen, so wird man leicht geneigt sein, hier an eine weitgehende Vakuolisierung zu denken, wie solche bei Nukleolen nach Luboschs (27, S. 23) Beobachtungen am Eierstocksei von Triton infolge des Dünnwerdens der Zwischen- wände der Vakuolen zur Entstehung schaumiger Körper und selbst von „Knäuelfiguren‘‘ den Anlaß geben kann und Carnoy und Lebrun zu der irrtümlichen Auffassung von Nukleolen als ‚‚noy- aux en miniature‘“ geführt hat. Im vorliegenden Falle ist indessen noch eine andere Deutungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen, auf die ich aber erst bei der später zu gebenden zusammenhängenden Erörterung unserer Befunde (S. 138 f.) zurückkommen möchte. Soviel darf aber schon jetzt gesagt werden, daß die meist in unseren Sta- dien sich darstellende Homogenität des Intranuklearkörpers wohl nur eine scheinbare, durch meist gleiche Färbbarkeit und Licht- brechung tatsächlich verschiedener Bestandteile bedingte sein dürfte. Gelingt es auch mittels der von uns angewandten Färbungs- methoden in der Regel nicht, den Intranuklearkörper strukturell aufzulösen, so zeigen sich doch interessante, mit der Entwicklung des Gebildes einhergehende Färbungsveränderungen, außer bei der Heidenhain-Methode, die ihn fast stets intensiv geschwärzt er- scheinen läßt und nur gelegentlich die oben erwähnte Gerüststruktur zur Darstellung bringt. Während mittels Eisen-Brasilins (nach Sanfelices Gemisch angewandt) bald nach dem Abtrennungs- vorgang im Stadium 711 häufig intensive Färbung des Körpers er- zielt wird, erscheint er von Stadium 811 an stets auffallend blaß, wie unsere Figuren zeigen; nur mitunter sind in ihm vereinzelte, intensiv gefärbte kleine Körnchen zu beobachten (Fig. 24 b, Taf. V). Mit Hämalaun (Grübler) gefärbt, stellt sich das Gebilde unmittelbar nach der Entstehung lebhaft blau dar, um nach erfolgter Abblassung in den Stadien 811—9 11 von 101 an nur noch eine sehr blasse Fär- 110 SE@mtkahlerr7: bung aufzuweisen. Regauds Hämalaun-Safranin-Methode !) er- gibt ebenfalls zunächst intensive Blaufärbung, dann erfolgt die Annahme eines blaß rötlichen Tones. Am bemerkenswertesten ist aber das Ergebnis bei einer Anwendung der Biondi- Lösung: die zuerst ausgesprochen blaue oder blau-grüne Chromatinreaktion geht von Stadium 8ır an ganz allmählich durch ein bläu- liches Violett in ein stark rötliches Violett über (Taf. VI, Figg. 46, 47 a und b, 48 a und b), das etwa in Stadium 1111 erreicht wird. Die geschilderten Färbungsänderungen des Intranuklearkörpers über- dauern noch die uns eben vorliegenden Stadien und zwar bis zum Eintritt der bald zu besprechenden Sonderungsvorgänge innerhalb des Gebildes. Es ist hier der Ort, in Kürze der eigenartigen Strukturen zu gedenken, die Regaud (37, 5. 324f.) bei der Ratte entsprechend ihrer bei der Hämalaun-Safranin-Methode sich ergebenden Fär- bungsreaktion als ‚‚corps safranophiles‘“ beschrieben hat und deren Vorkommen ich auch für die Maus bestätigen kann. Es handelt sich hier um kürzere oder längere Partien der Spiremfäden, die meist inmitten derselben, manchmal auch an einem freien Ende liegen und, abgesehen von der schon erwähnten Färbungsreaktion, sich durch homogene Beschaffenheit und glatten Kontur vom übrigen Spirem unterscheiden. Die Angabe Regauds, daß diese Ge- bilde sich ausschließlich an der Peripherie des Spirems dicht unter der Kernmembran finden, trifft für die Maus nicht zu: sie bevorzugen zwar hier ebenfalls diese Position, können aber gar nicht selten auch in Spiremfäden gefunden werden, die inmitten des Kernes liegen; übrigens erwecken Regauds Figuren (z. B. Fig. 98 auf Taf. XIII) starke Zweifel, ob er sich nicht in diesem Punkt geirrt hat. Sodann möchte ich auf die Gefahr hinweisen, die man läuft, verschiedene Dinge in die gleiche Kategorie zu stellen, wenn man nicht die Häm- alaun-Safranin-Methode durch ein spezifisches Färbungsverfahren 1) Das Ergebnis dieser Methode hängt sehr davon ab, in welcher Weise die beiden Farbstoffe in ihrer Intensität gegeneinander ausbalanciert sind. Ich berücksichtige hier und im folgenden nur solche Präparate, die mittels Hämalauns (Grübler) sehr intensiv vorgefärbt waren. Andernfalls prä- valiert im Intranuklearkörper das Safranin so stark, daß er in den ver- schiedenen Stadien keine deutlich verschiedene Reaktion ergibt und daher auch seine später zu schildernden beiden Komponenten sich nicht klar voneinander differenzieren lassen. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. Die kontrolliert. Bei Anwendung der Biondi-Lösung zeigen die „safranophilen Körper‘ etwa vom Stadium I1ıı an ausgesprochen azidophile Reaktion (Rotfärbung), erweisen sich also als aus echter Nukleolarsubstanz bestehend, womit gut stimmt, daB Regaud aus ihnen später (in den Stadien 3 ırı und 4 11) freie rundliche Nuk- leolen hervorgehen läßt. Dagegen sind mittels der Hämalaun- Safranin-Methode bereits auf früheren Stadien (in 9 11-10 ı1) „‚safrano- phile‘“ Gebilde nachzuweisen, die aber durch die Biondi- Färbung sich entweder gar nicht vom Spirem differenzieren lassen oder von denen sich nur einige färberisch wie echte Nukleolarsubstanz ver- halten: offenbar handelt es sich hier ganz bzw. zum Teil um ein- fache Chromatinverdichtungen. Auch dürften die ‚„safranophilen Körper“, die Regaud bereits in der sehr jungen Spermiozyte (Stadien 3ıı und 411) beschreibt, mit den von uns oben geschil- derten Chromoplasten identisch sein. Meine Beobachtungen über die in Frage stehenden Gebilde habe ich nur deshalb angeführt, weil, wie wir sogleich sehen werden, ihr Verhalten eine Analogie in gewissen Prozessen am Intranuklear- körper findet, möchte aber betonen, daß der interessante Vorgang, wie sich hier innerhalb des Chromatinfadens echte Nukleolarsubstanz in so beträchtlicher Menge abscheidet, noch der genaueren Unter- suchung bedarf. Au den Brasilin-Präparaten sind die „safranophilen‘“ oder, wie man wohl besser sagt, azidophilen Körper nicht in einer der Biondi-Methode entsprechenden Weise zur. Darstellung zu bringen (vgl. Fig. 25, Taf. V, wo vielleicht einige intensiv gefärbte Körper in diesem Sinne zu deuten sind). Das kann aber nicht wunder- nehmen, da diese Methode, wie bereits im technischen Teil erwähnt, in bezug auf nukleolare Strukturen keine Konstanz zeigt, was ins- besondere das nähere Studium des bei der Maus sehr kompliziert gebauten Nukleolarapparates des Sertoli-Kernes ergibt !!). St adren Iyr > Die Veränderungen, welche der Intranuklearkörper in diesen Stadien erfährt, lassen sich mit wenigen Worten umschreiben: er nimmt noch etwas an Volumen zu, und es findet an seiner dem Kern- inneren zugewandten Seite — mitunter schon im Stadium 11 !) Ueber die in den eben besprochenen Stadien besonders deutliche Spiralstruktur der Chromatinfäden siehe oben S. 97, 11% Se@itehlenz: (Fig. 25 Taf. V), nicht selten aber erst in 3ır (Fig. 28 Taf. V) — die Abscheidung einer besonders färbbaren Substanz in Form eines Kügelchens oder einer etwas größeren Kappe {Fig. 27 b) statt. Wie die leuchtende Rotfärbung mittels der Biondi- Lösung er- gibt, handelt es sich hier um echte Nukleolarsubstanz; der übrige Teil des Intranuklearkörpers behält zunächst seine rötlich-violette Färbung bei, sobald aber die rot gefärbte Substanz an Volumen zunimmt, tritt eine ausgesprochene Blaufärbung desselben, also Rückkehr zur Chromatinreaktion ein. In gleichem Sinne sprechen, wenn auch nicht so deutlich, die Resultate bei Regauds Häm- alaun-Safranin-Methode und einfacher Hämalaunfärbung: im ersten Falle nimmt das dem Kerninneren zugewandte Ausscheidungsprodukt Safraninfärbung, der der Kernmembran aufsitzende Teil einen, wenn auch nicht sehr intensiven, blauen Ton an; im zweiten Falle erscheint die Färbung der entsprechenden Teile äußerst blaß bzw. blaßblau. Die Brasilin-Methode färbt das gegen das Kerninnere zu gelegene Körperchen tief purpurbraun, während der Rest des Intranuklearkörpers die blasse Färbung der vorhergehenden Sta- dien bewahrt (Taf. V, Figg. 25, 27 b, 28). Was die übrigen _Kernbestandteile betrifft, so sei zunächst er- wähnt, daß das hinsichtlich der azidophilen, innerhalb der Spirem- fäden liegenden Körper für die vorigen Stadien Gesagte auch für die eben behandelten gilt. Man sieht allmählich solche Körper auch frei von den Spiremfäden auftreten, wobei sie noch häufig eine langgestreckte, etwas unregelmäßige Gestalt bewahren (vgl. hierzu Fig. 49 auf Taf. VI, die auf einem etwas späteren Stadium ein der- artiges Gebilde dem Intranuklearkörper anliegend zeigt) und sich nicht stets zu typischen Nukleolen abrunden, wie Regaud es von der Ratte beschreibt. Diese freien Gebilde erreichen nie die bedeutende Größe, welche nach. den Beschreibungen v. Ebners, Regauds und Duesbergs der oder die Nukleolen der Ratte besitzen. Ferner ist hervorzuheben, daß im Stadium 2111 zuerst ein Längsspalt an den Chromatinfäden sichtbar wird, der Kern tritt jetzt in die sogenannte Diplotänphase ein. Nach Regaud ist dieser Vorgang bei der Ratte, wie bereits oben erwähnt, erst im Stadium Sr zu konstatieren, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 113 Sie ardrn em AT Im letzten Stadium der Spermiozytenperiode, zu dessen Be- trachtung wir nunmehr gelangen, spielen sich am Chromatinapparat sehr wichtige, auf die bald folgende Mitose abzielende Veränderungen ab: das Spirem zerfällt in die endgültigen Chromosomen, diese bieten sodann durch Spreizung ihrer Doppelfäden das bekannte Bild des Strepsinems dar und gehen schließlich in die charakteri- stischen Ring-, Achter-, Kreuz- usw. Formen über, welche sich an die Kernperipherie begeben und so das Diakinesestadium herbei- führen }). Gleichzeitig erfährt auch der Intranuklearkörper recht bedeut- same Wandlungen, deren Beginn übrigens mitunter bereits in das Stadium 3ııı fallen kann. Die Abscheidung von azidophiler Sub- stanz an seiner dem Kerninneren zugewandten Fläche nimmt stark zu, bis schließlich die ausgeschiedene Substanz dem Restkörper un- gefähr an Volumen gleichkommt. Zugleich erfährt der letztere eine Gestaltveränderung, indem er in zur Kernmembran tangentialer Richtung wesentlich verkürzt und in senkrechter Richtung hierzu (also nach dem Kerninneren zu) entsprechend verlängert wird (Fig. 29 a und b, Taf. V; die Verschmälerung kann noch weiter gehen als in diesen Figuren): schließlich resultiert ein etwa zylindrischer Körper, dem nach dem Kerninneren zu die azidophile Substanz häufig mit etwas überhängenden Rändern — an einen Pilzhut erinnernd -- aufliegt. Der geschilderten Gestaltveränderung gegenüber drängt sich ungezwungen die Vorstellung auf, es erfahre der Intranuklear- ‚körper bei der Ausscheidung der azidophilen Substanz eine Zu- sammenziehung, vergleichbar der beim Auspressen eines feuchten Schwammes eintretenden Volumen- und Gestaltveränderung. Ich möchte daher bei aller gegenüber dem fixierten Präparat gebotenen Vorsicht für die Deutung eintreten, daß wir hier, da ein äußeres Moment nicht verantwortlich zu machen ist, einen aktiven Kon- traktionsvorgang vor uns haben, der in erster Linie der räumlichen Trennung der verschiedenen Substanzen des Intranuklearkörpers !) Die von Haecker. eingeführte Bezeichnung ‚Diakinese‘“ (d:& auseinander, xivnsıs Bewegung) betont die lose, vielfach wandständige Verteilung der bereits stark kondensierten Chromosomen, welche für die späte Prophase der ersten Reifungsmitose bei Metazoen und Metaphytench arak- teristisch ist. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 8 114 SA GaHkahlertzz:: dient. Es wäre interessant, diese Auffassung im überlebenden Prä- parat, am besten im Explantat nachzuprüfen. Hier würde vielleicht ein Einblick in die genauen zeitlichen Verhältnisse des Vorganges sichere Aufklärung bringen können. Nach Ausscheidung der azi- dophilen Substanz nimmt der Restkörper wieder etwas an Breite (in querer Richtung) unter Verkürzung in der Längsrichtung zu, gewinnt aber nie mehr die frühere Breite zurück. Der nächste Entwicklungsschritt äußert sich darin, daß der aus azidophiler Substanz bestehende Abschnitt des Intranuklear- körpers sich zu einem typischen echten Nucleolus abrundet (Fig. 30 Taf. V) oder wenigstens, wenn ein etwas unregelmäßiges Gebilde resultiert, sich von dem basophilen Abschnitt deutlich absetzt (z. B. Fig. 50a, Taf. VI) !). Der letztere erfährt nun weiterhin eine bemerkenswerte Veränderung, die zwar nicht stets, aber sehr häufig und dann äußerst deutlich zu beobachten ist: er nimmt die Gestalt eines Doppelstäbchens (Fig. 3la, Taf. V; Fig. 50e, Taf. VI) und schließlich einer Vierergruppe (Fig. 3lb und 32, Taf. V) an. Han- delt es sich um ein Doppelstäbchen, so sind die beiden Stäbchen häufig nicht gerade verlaufend, wie in Fig. 50e (Taf. VI), sondern mit den Enden leicht nach außen umgebogen, so daß bei flüchtigem Hinblicken schon das Bild der Vierergruppe entsteht (Fig. 31 a, Taf. V): es liegt offenbar bereits der Uebergang zu einer solchen vor. Das Doppelstäbchen kann senkrecht zur Kernmembran gestellt sein (Fig. 50e, Taf. VI) oder ihr mit einer Stäbchenseite genau oder annähernd aufliegen (Fig. 3la, Taf. V); selten liegen beide Stäb- chen nebeneinander der Kernmembran auf. Mitunter kann man, besonders wenn das Gebilde seine (mit einer Stäbchenseite) der Kernmembran aufsitzende Basis dem Betrachter zuwendet, konsta- tieren, daß die beiden Stäbchen um einen spitzen Winkel gegen- einander verschoben sind, sich also nur noch in ihrer Mitte über- decken; solche Bilder machen es völlig gewiß, daß hier zwei wirkliche Stäbchen vorliegen. Bei günstiger Lagerung gelingt auch ein weiterer Einblick in den genaueren Bau des Doppel- stäbchens: es handelt sich um zwei ziemlich breite Stäbchen, die in der Regel mit ihren breiten Seiten aneinander liegen und infolge einer Durchschnürung in querer Richtung in eine Vierergruppe !) Wir unterscheiden jetzt zweckmäßig am Intranuklearkörper eine basophile (der Kernmembran aufsitzende) und eine azidophile (dem Kern- inneren zugewandte) Partie. N Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 115 zerfallen können. Bekommt man das Doppelstäbchen im optischen Querschnitt zu sehen, so wird das Bild zweier sehr gedrungener, nebeneinander liegender länglicher Körperchen (Stäbchen) ent- stehen, das in der Tat nicht selten zu beobachten ist. Es sei hervorgehoben, daß all diese Strukturen sich an Eisen-Brasilin-Präparaten häufig mit fast schematischer Klarheit darstellen und daher keinesfalls als zufällig bedingte Bilder zu be- trachten sind. Daß sie nicht stets zu schen sind, kann nicht im geringsten wundernehmen. Weiß doch jeder erfahrene Untersucher, daß die Doppelstäbchen und Vierergruppen sicher echter Chromo- somen in der Metaphase sehr häufig in einzelnen Elementen der- selben Chromosomengruppe nicht in ihrem Bau zu analysieren sind, sei es, daß bier vorübergehende Gestaltveränderungen vorliegen, sei es, was wahrscheinlicher ist, daß die Präparationsmethoden die feinen Strukturverhältnisse nicht stets zu erhalten vermögen !). Bei Anwendung der Eisen-Brasilin-Methode tritt häufig jetzt ein Färbungsumschlag in bezug auf die beiden Komponenten des Intranuklearkörpers ein. Während bisher die azidophile Substanz vielfach sehr intensiv gefärbt hervortrat, wird sie jetzt blasser, um schließlich ganz blaß zu werden (Fig. 3la, 32, Taf. V). Gleichzeitig nimmt der basophile Abschnitt an Färbungsintensität zu, erreicht aber gewöhnlich nicht stärkste Intensitätsgrade, indem die Doppel- stäbchen- bzw. Vierergruppenform desselben meist sich noch etwas blasser darstellt als die in Ring- usw. Formen auftretenden Chromosomen. Mitunter sind aber beide Komponenten des Intra- nuklearkörpers sehr lebhaft gefärbt. (Fig. 31b, Taf. V.) Bei dem allmählichen Eintreten des geschilderten Färbungsumschlages wird eine Phase durchlaufen, in der beide Komponenten gleich stark und zwar mäßig lebhaft gefärbt erscheinen. Lassen sich so bei Anwendung des Eisen-Brasilins die beiden Bestandteile des Intranuklearkörpers sehr häufig wenigstens durch die Nuance der Färbung voneinander differenzieren (bei der Hei- denhain-Methode färben sie sich beide gleichmäßig intensiv schwarz), so gelingt mittels des Biondischen Gemisches ihre spezifische färberische Unterscheidung stets in allen Phasen mit völliger Konstanz, wie unsere Figg. 49, 50 a—e, 5la und b auf !) Ferner ist noch in Betracht zu ziehen, daß bei der öfter zu erwartenden Aufsicht auf die eine Breitseite des Doppelstäbchens seine Doppelnatur dem Untersucher entgehen muß. g* 116 S. Gutherz: Taf. VI beweisen. Die beiden letzten Figuren zeigen die azidophile Komponente von der basophilen bereits weit getrennt, was nicht regelmäßig eintritt, da die beiden Komponenten gar nicht selten noch in der späten Diakinese dicht zusammenliegend angetroffen werden. Auf den Figuren 49—50 (Taf. VI) tritt auch eine Struktur der azidophilen Komponente besonders deutlich hervor, die man an Brasilinpräparaten weniger häufig zu sehen bekommt: das ist eine sehr scharf begrenzte, meist oberflächlich gelegene Vakuole, die bei tiefer Einstellung hell aufleuchtet, bei hoher dunkel erscheint. Sie ist offenbar ganz ähnlich der Vakuole, die v. Ebner (8, S. 432) vom Nukleolus der Ratten-Spermiozyte im gleichen Stadium be- schreibt und deren Vorhandensein Regaud (37, S. 332) nicht bestätigen konnte, und dürfte ein Ausdruck dafür sein, daß der Nukleolus bald der Auflösung anheimfallen wird. Es sei her- vorgehoben, daß bei einem Vergleich zwischen der basophilen Kom- ponente des Intranuklearkörpers und metaphasischen Chromosomen meist keinerlei Unterschied in der Färbungsintensität, mit der das Methylerün aus der Biondi- Lösung angenommen wird, fest- zustellen ist. Auch mittels Hämalauns und der Regaudschen Hämalaun- Satranin-Methode lassen sich die beiden Abschnitte des Intra- nuklearkörpers stets voneinander differenzieren.»Bei ersterer Färbung erscheint der basophile Abschnitt zunächst nur etwas kräftiger blau, um in der Diakinese einen intensiveren blauen Ton anzu- nehmen, schließlich fast so dunkel, wie die fertigen Chromosomen in der Metaphase, der azidophile ist dagegen immer äußerst blaß. Bei dem zweiten Verfahren bleibt das Färbungsresultat identisch mit dem der unmittelbar vorhergehenden Stadien: basophiler Ab- schnitt schwach-blau, azidophiler leuchtend rot. Das Ergebnis der von uns angewandten Färbungsmethoden ist für den Intranuklear- körper in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung auf der beifolgenden Tabelle (S. 117) übersichtlich zusammengestellt. Unsere Schilderung des Intranuklearkörpers im vorliegenden Stadium ist noch in zwei Punkten zu ergänzen. Betreffs des zeit- lichen Ablaufes der sich an ihm abspielenden Veränderungen ist zu sagen, daß die mit Langstreckung des Gebildes verbundene Aus- scheidung der azidophilen Substanz (abgesehen von den seltenen Fällen, wo sie schon im Stadium 311 erfolgt) an die Phase des Strepsinems geknüpft ist und die Differenzierung des basophilen LT Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten, puapI9M gejq zued uuep ‘uneigindınd AISUSJUI 3819 :S1yney puawyau -ue Junge] 91aAIs -uoyur yaıyrume “ne13-y9101 Isyaeunz CHZEI 'S) a9yeds ayars Sunuyawzag A9saıp Sunänyaanag IP BANN SSIAUEN (1 304 puayyan9J nejg y9emy9s | |. geig Jsiogne yangaıyas 'neiq 19317 eA1y seMmJ9 Inu 3sy9eunz 704 puajyanaj unJönejg J9po neiq uay9oAıdsaösne pjeq | Ay9S “449J]01A-y9I7701 yJou IsyJeunz NEIS-yI1]}01 [| —— o s—o ne1d-4911J01 19pPo unelgindind Aısuayuı y>1}01-geiq neig-geiq nejq J9y9emyas f | AJOTA-Y9IQA ER ualauulumy wep (q | } 5 | Ily Fe -uL 1 Dun (tz er S 7 S | uoyJs 'MZGg) DON | llle an = € Se | vrsqwauuay 2p (e A3JOLA-YII91 SIA +73J[01A-y9ıne]q | :ZuediagaN weoysmyeume ur | nejggon nejgjan unıönejq .3po neiq yasıuan) saaıjayueg ydeu Spoyyaw-useig | -uasıg SUOSYIIH| HOYBISSULA Jaups | -AyzJıusaA]j9aL yJeu 9poyJaW -UIUBIJBS-Uneje -WeH spne3aN NOySIssH]I A1ay9s -AyzZIJ1usaA] [a] yJeu KDIANIH) unejeurH sung sAoule) ydeu | Sunsg] -ıpworg | JunppIMJug-us}Azomummads J9p uaıpeIg 'snew uaglam J9p I9q 3}Äzou1adg ap vaıpe}s LOUSPaIyISI9A Uap UI (7 (SWOSOWOIYI01273H4) SIOdIONseajynuesuf sap wayeyssA aydstJagueg sep Jagn Iysıssaqgan ayasısejjageL le Se (Grillen E72 Teiles als Doppelstäbchen bzw. Vierergruppe in der Diakinese und zwar bereits in ihrem Beginn, wann die charakteristischen, sich herausbildenden Chromosomenformen noch locker gebaut sind, zur Beobachtung kommt (Fig. 32, Taf. V). Noch in der späten Diakinese (unmittelbar vor der Auflösung der Kernmembran), wo die Chromosomen als gedrungene Ringe, Achterfiguren, Kreuze und Doppelstäbchen sich darstellen, ist die basophile Komponente des Intranuklearkörpers deutlich von ihnen zu unterscheiden: sie zeichnet sich vor ihnen durch die stärkere Konzentration ihres Baues und eine immer noch etwas schwächere Färbung (bei An- wendung des Eisen-Brasilins) aus; der Nukleolus kann auch jetzt noch in Kontakt mit dem basophilen Teil angetroffen werden. Ein zweiter Punkt betrifft den besonderen Raum, welchen der Intranuklearkörper im Kern einnimmt und den wir als Kernnische oder -kammer bezeichnet haben. Diese Bildung tritt, wie es auch Regaud (37, S. 327) in ähnlicher Weise für die Ratte hervorhebt, besonders in den Stadien I1 ıı—1 ııı (Fig. 25, Taf. V) hervor, indem der Kern sich im Bezirk des Intranuklearkörpers in größerer Aus- dehnung vorwölbt, so daß die betreffende Kernachse sich zu der senkrecht dazu stehenden etwa wie 5: 4 verhält. Die Vorwölbung läßt sodann allmählich nach, und im Stadium 411 (Fig. 32, Taf. V) ist der Kern von einer annähernd regelmäßigen Kugelfläche be- grenzt. Doch ist zunächst, in der Strepsinemphase, auch jetzt noch ein besonderer Raum für den Intranuklearkörper reserviert und zwar mit einer interessanten Modifikation, die seiner Gestaltver- änderung entspricht: mit der senkrecht zur Kernmembran erfolgten Langstreckung des Gebildes ist der von Chromatinfäden freie Raum tief ins Kerninnere hineingeschoben, gleichzeitig aber an der ver- schmälerten Basis des Intranuklearkörpers entsprechend verengert; man hat den deutlichen Eindruck, daß die Chromatinfäden ge- wissermaßen das Bestreben haben, sich stets in einem bestimmten Abstand vom Intranuklearkörper zu halten, wobei sie auch dessen Formveränderung gerecht werden. Mit dem Eintritt der Diakinese, indem die Chromatinelemente an die Peripherie wandern und das Kerninnere ganz frei lassen, geht der besondere Raum des Intra- nuklearkörpers verloren, der letztere bzw. nur noch seine baso- phile Komponente liegt nach wie vor an der Kernperipherie und wird jetzt nicht durch einen größeren Abstand von den übrigen Kernelementen getrennt. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 119 In Textfigur 2 ist die von uns ermittelte Entwicklungsge- schichte des Intranuklearkörpers schematisch zusammengefaßt. Die Figur bedarf keiner weiteren Erläuterung als des Hinweises, daß basophile Färbungsreaktion eines Gebildes schwarz, azidophile weiß und Mischfärbung schraffiert dargestellt ist, wobei der allmähliche Uebergang von der basophilen zur ausgeprägten Mischfärbung (in den Stadien 811 bis ca. 11 ıı) im Schema nicht besonders zum Ausdruck s | = 7r Fig. 2. bo - Schema zur Entwicklungsgeschichte des als Hetero- chromosom gedeuteten Intranuklearkörpers in der ? ! c 2 8: % Spermiozyte der weißen Maus. Die rechts stehenden Zahlen bezeichnen die ver- d u 10512, schiedenen, aufeinanderfolgenden Stadien der Sper- miozyte in der Nomenklatur Regauds. naf ee und | ist ein ganzer Spermiozytenkern zur Dar- stellung gebracht, in den übrigen Stadien nur der Intranuklearkörper mit einem Stück der Kern- f Ar 3 membran. Schwarz gehalten ist basophile Substanz Chromatin), weiß azidophile (echte Nukleolarsub- stanz). Schratfierung bedeutet eine färberische Zwi- g schenreaktion, hierbei ist der allmähliche Uebergang von der basophilen zur ausgebildeten h Zwischenreaktion im Schema nicht zum Ausdruck gebracht. Das Spirem in f entspricht dem Stadium | ljı1, in I befindet sich der Kern in einem späteren Hr Diakinese-Stadium. k L gebracht worden ist. Ich möchte es schon jetzt aussprechen, daß ich den Intranuklearkörper bzw. in den späteren Stadien seine baso- phile Komponente als Heterochromosom zu betrachten geneigt bin, muß aber für die eingehende Begründung dieser Auffassung auf die später folgende nähere Erörterung unserer Befunde ver- weisen. Ich werde in diesem Sinne von jetzt an öfter einfach von einem Heterochromosom reden. 120 SAG ut erz: 4. Die Spermiozyten-Mitose. Wenn wir jetzt in die Untersuchung der Spermiozyten-Mitose (Stadium 511) eintreten, so erhebt sich vor allem die Frage, ob sich der von uns als Heterochromosom gedeutete Teil des Intra- nuklearkörpers weiter verfolgen läßt. Betrachten wir eine Prophase sogleich nach Auflösung der Kernmembran, so finden wir die Chro- mosomen großenteils bereits zu stäbchen-, doppelstäbchen- oder vierergruppenartigen Gebilden kKondensiert, unter denen sich stets solche zeigen, die in ihrer Größe dem vermutlichen Heterochromosom etwa gleichkommen; ein mit der Eisen-Brasilin-Methode etwas schwächer gefärbtes Element ist nicht oder nicht mıt Sicherheit zu ermitteln; der echte Nukleolus zeigt sich bisweilen noch, er ist kleiner geworden, verfällt also offenbar der Auflösung. Unter diesen Umständen wäre eine direkte Feststellung des Schicksals des uns interessierenden Gebildes nur möglich, wenn es gelänge, sämtliche Chromosomen zahlenmäßig und in ihren Größen- und Gestalt- verhältnissen restlos vom Diakinese-Stadium der Spermiozyte an bis zur Vollendung der Präspermiden-Mitose, also durch beide Reifeteilungen hindurch, zu verfolgen. Das ist aber eine Aufgabe besonderer Art, von deren Behandlung ich vorläufig abgesehen habe, da sie im besten Falle nur in einem längeren Zeitraum zu lösen sein dürfte. Haben doch mehrere vorzügliche Autoren es für eine Unmöglichkeit erklärt, über diese subtilen Dinge bei Verte- braten, insbesondere auch bei den Säugern, sichere Auskunft zu erlangen, da vor allem die genaue Zählung der Chromosomen hier sehr großen Schwierigkeiten begegnet. Ich behalte mir aber einen Versuch in dieser Richtung vor und möchte nur erwähnen, daß die Chromosomenzahl während der Reifungsteilungen in meinen Präparaten ungefähr 18 zu betragen scheint. Vorderhand sind wir also auf indirekte Kriterien angewiesen, wenn wir während der Reifungsteilungen auf Heterochromosomen fahnden wollen, und hier ist es in erster Linie der als Heterokinese bezeichnete Prozeß, die ungleiche Verteilung von Chromatinelemen- ten bei der Karyokinese, auf den wir zu achten haben. In der Tat lassen sich nun bei unserem Objekt nicht selten Bilder finden, die man leicht geneigt sein könnte, in diesem Sinne zu deuten, nament- lich in der Metaphase der Spermiozyten-Mitose, Die Figuren 34—36 (Taf. V) zeigen uns solche abseits von den übrigen in der Nähe der Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 121 > Spindelpole gelegene Chromosomen. Nach meinen Befunden in der Spermiogenese des Menschen (13, S. 85 Anm. 1 und S. 89) neigte ich zu der Ansicht, daß es sich in solchen Fällen um durch das Prä- parationsverfahren bewirkte Verlagerungen handle, da die beim Menschen mir zu Gesicht kommenden Aequatorialplatten überhaupt sehr unregelmäßige Verhältnisse darboten. Bei der Maus hingegen sind die Aequatorialplatten meist von außerordentlicher Regel- mäßigkeit. Es wäre schwer einzusehen, wie hier einzelne Chromo- somen in so weitgehender Weise verlagert werden sollten, ohne daß die ganze Platte in Unordnung geriete. Ich sehe also hier in den abseits liegenden Chromosomen den Ausdruck wirklicher Lebens- prozesse, möchte aber die Erörterung der mehrfachen Deutungs- möglichkeiten dieser Bilder auf später verschieben und mich zu- 97rr7 Schematische Darstellung von 9 Typen aberranter Chromosomen in der ersten Reifungsteilung der Spermiogenese bei der weißen Maus. nächst hier mit einer Beschreibung der im einzelnen ziemlich ver- schiedenen Verhältnisse begnügen. In Textfigur 3 sind in schematischer Darstellung 9 verschiedene sicher beobachtete Typen solcher abweichender Chromosomen- anordnung in der Metaphase wiedergegeben; außer in Fig. g und i handelt es sich um Spindelfiguren, die sicher ganz im Schnitt lagen, so daß nicht etwa noch weitere, abseits gelegene Chromatinelemente dem Untersucher entgehen konnten, mit Wahrscheinlichkeit war das aber auch bei g und i der Fall. Wir sehen in a, b und c je ein ein- zelnes, dem einen Spindelpol genähertes Chromosom, und zwar ist dasselbe in der ersten Figur schleifenförmig, in der zweiten ring- förmig, (vielleicht aus einer Schleife entstanden, deren Enden ver- klebt sind), in der dritten ein schlankes Doppelstäbchen. Die Figu- ren d und e zeigen ein größeres und ein kleineres Chromosom dem- selben Spindelpol genähert — ein verhältnismäßig häufiger Befund — Fig. f ein größeres Chromosom auf der einen, ein kleineres auf der anderen Seite der Aequatorialplatte. Noch weitere Variationen 122 S. Gutherz: bringen die Figuren g—i, indem in g auf beiden Seiten der Chromo- somenplatte ein größeres mit einem ihm dicht anliegenden kleineren Element zu beobachten ist, in h demselben Spindelpol genähert ein größeres, einfaches und ein aus zwei kleineren Stücken bestehen- den Doppelelement erscheint, das vielleicht als zwei Chromosomen zu deuten ist, und endlich in i der letztbeschriebene Befund da- durch kompliziert wird, daß in der Nähe des anderen Poles noch ein größeres Chromosom zu sehen ist. Zu Fig. i ist noch zu be- merken, daß hier das oben links gelegene Element zweischenkligen Bau besitzt und so an ein stärker konzentriertes Schleifenchromo- som denken läßt. Nehmen wir eine genauere Betrachtung der abseits liegenden Chromatinelemente vor, so zeigt sich, daß sie sehr häufig die, wenn auch meist nur angedeutete Struktur eines Doppelstäbchens (in Fig. 34, Taf. V das rechts gelegene kleinere Chromosom, in Fig. 36 das unten gelegene Chromosom) oder auch einer Vierergruppe aufweisen; man gewinnt also die Auffassung, daß diese Chromosomen den normalen Bau in die Reifungsteilungen eintretender Elemente besitzen und nicht etwa besonders ausgezeichnete, einfachere Struk- turen (Monosomen) unter ihnen sind. Nur selten hat man den Ein- druck, daß es sich bei den abseits liegenden Chromosomen um vor- zeitige Teilung normaler Chromosomen handeln könne, z. B. in Textfigur 3 g, wo die auf den beiden Seiten der Aequatorialplatte liegenden Gebilde vollkommen identisch erscheinen. Sehr wichtig für unser Problem ist der Umstand, daß die abseits liegenden Chro- mosomen in der Mehrzahl der Fälle kleinere Elemente sind, die mit dem von uns in der Spermiozyten-Diakinese beschriebenen He- terochromosom, das nur unter den größeren Chromosomen zu suchen wäre, keinesfalls identisch sind. Nur selten findet man ein abseits liegendes Element in Form einer größeren Vierergruppe, wie es auch Jordan für das gleiche Objekt als gelegentlichen Befund beschreibt (23, S. 170 und Fig. 27 b). Zu unseren Figuren auf Taf. V ist noch zu bemerken, daß es nicht ganz sicher ist, ob das in Fig. 35 abseits liegende Chromosom Schleifenform besitzt oder, wozu ich schließlich mehr neigte, aus einem größeren, gebogenen und einem kleinen Element zusammen- gesetzt ist, und daß in Fig. 36 ein seltener Fall vorliegt, indem hier ein abseits gelagertes Chromosom fast im Niveau der Aequatorial- platte sich befindet (es ist dunkler gehalten wie die übrigen, um an- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 193 zudeuten, daß es nur bei höherer Einstellung deutlich ist), während sonst derartige Chromosomen sich in der Gegend der Spindelpole zu halten pflegen; es könnte sich hier, da die Spindelfigur nicht sicher vollständig im Schnitt enthalten war und das betreffende Chromosom ganz oberflächlich im Schnitt lag, um eine durch das Mikrotommesser bewirkte Verlagerung handeln. Eine Verwechselung des sog. chromatoiden Nebenkörpers mit abseits liegenden Chromosomen, auf deren Möglichkeit von verschie- denen Seiten aufmerksam gemacht wurde, läßt sich durch Anwen- dung der Eisen-Brasilin-Methode vermeiden, indem dieser Körper hierbei nur eine ganz blasse, rötlich-graue Färbung annimmt, während wirkliche Chromosomen intensiv purpurbraun erscheinen. Fig. 32 (Taf. V) zeigt uns einen länglichen chromatoiden Nebenkörper im Diakinesestadium (am oberen Umfange des Kernes, bei anderer Einstellung war noch ein zweites solches Gebilde zu bemerken). Während der Spermiozyten-Mitose sind derartige Körper öfter gar nicht aufzufinden (wie in unseren Figuren, außer in Fig. 39, Taf. V, oben), dagegen läßt sich eine entsprechende Bildung in der Prä- spermiden-Mitose regelmäßig zur Darstellung bringen (Figg. 41 und A ea Tate V). Die eben geschilderten, außerordentlich wechselnden Bilder leiten durch Uebergänge zu seltenen Fällen hin, wo größere un- regelmäßige, verklumpte Gruppen von abseits liegenden Chromo- somen angetroffen werden und die ohne weiteres als Abnormitäten zu betrachten sind. Einen solchen Uebergang stellt offenbar eine Metaphase dar, in der sich, dem einen Spindelpol genähert, zwei Gruppen von aberranten Chromosomen fanden, die eine aus zwei, die andere aus drei Elementen bestehend. Wie häufig ist das Vorkommen abseits liegender Chromatin- elemente? Ist die Häufigkeit dieses Vorkommens von irgend- welchen uns erkennbaren Bedingungen abhängig? Die Beant- wortung dieser Fragen ist natürlich von großer Wichtigkeit für ein näheres Verständnis der eigenartigen Bilder. Will man eine zu- verlässige Vorstellung davon gewinnen, wie sich die Zahl der Zellen ohne aberrante Chromosomen zu derjenigen von Zellen mit solchen verhält, so darf man natürlich bei einer Zählung nur solche Kern- spindeln berücksichtigen, die sicher ganz innerhalb des Schnittes liegen, wo also dem Beobachter keinesfalls ein abweichend gelagertes Chromatinelement entgehen kann. Unter 50 diese Bedingung 124 S.-Gu-BHierz: erfüllenden Metaphasen (in der genauen Seitenansicht der Spindel untersucht) zeigten sich 11 mit aberranten Chromosomen in der oben geschilderten Mannigfaltigkeit, 39 dagegen waren frei von solchen und boten das Bild einer regelmäßigen Aequatorialplatte, wie es in Fig. 33 (Taf. V) wiedergegeben ist. Während man bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck einer ziemlich bedeutenden Häufigkeit der abweichenden Bilder bekommt, zeigt demnach die zahlenmäßige Untersuchung, daß dieselben wesentlich seltener sind. Man könnte daran denken, daß das Vorkommen aberranter Chromosomen an bestimmte Kanälchenabschnitte geknüpft sei oder wenigstens in ihnen prävaliere, also nur in gewissen Zellen gemeinsamer Abstam- mung angetroffen werde. Die Beobachtung ergab indessen keine Stütze für eine solche Annahme, wir können daher auf diesem Wege keinen Einblick in die Bedingungen der betreffenden Vorgänge gewinnen. Auch die mehr peripherische oder mehr zentrale Lage der Kanälchen im Hoden macht keinen Unterschied. Wir erhalten so noch eine Bestätigung der bereits auf andere Weise von uns begründeten Ansicht, daß hier nicht künstliche Veränderungen durch das Fixierungsmittel vorliegen, das vielleicht in peripherischen Partien des Präparats naturgetreuere Bilder erzielen könnte wie in zentralen. Einer Bemerkung bedarf noch das Häufigkeitsverhältnis zwischen den Zellen mit aberranten Chromosomen und den in einer Spermio- ‚genese niemals fehlenden Degenerationserscheinungen, und da ist hervorzuheben, daß die letzteren an unserem Material überaus viel seltener sind als die ersteren. Die Degenerationsvorgänge dürften höchstens an Zahl den seltenen Fällen gleichkommen, in denen größere, unregelmäßige Chromosomengruppen abseits von der Aequatorialplatte liegen. In den folgenden Stadien der Spermiozyten-Mitose finden sich weit seltener sichere aberrante Chromosomen als in der Metaphase. Eine Anaphase mit dem eigentümlichen Bild einer Kette von 4 etwa gleich großen Elementen (a) mitten zwischen den beiden Tochter- platten zeigt Fig. 37, Taf. V (die Chromosomenkette ist hier nur deshalb grau gehalten, um anzudeuten, daß sie in der Tiefe der Zelle liegt; ihre Färbung war intensiv purpurbraun). Es finden sich auch Anaphasen mit aberranten Chromosomen, die dem Spindelpol genähert liegen, also den übrigen Chromosomen voraneilen, wie wir solche nach den an den Metaphasen gemachten Beobachtungen er- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 125 warten müssen. Eine Telophase mit aberrantem, als Doppelstäb- chen erscheinendem Chromosom (a) in der einen Schwesterzelle sehen wır in Fig. 38 (Taf. V). Aehnliches findet sich in den Figg. 39 und 40, wo aber infolge anderer Schnittrichtung nur die eine Schwe- sterzelle zu sehen ist. (In dem der Fig. 39 zugrunde liegenden Prä- parat war bei tieferer Einstellung die andere Schwesterzelle mit Wahrscheinlichkeit zu erkennen und zeigte sich ohne abseits liegende Chromatinelemente). Telophasen, die vielleicht aberrante Chromosomen aufweisen, sind öfter zu bemerken. 5. Präspermide und Präspermiden-Mitose. Da für die Maus das Auftreten von typischen Präspermiden oder Ebnerschen Zellen noch nicht ausdrücklich bestätigt ist und Lukjanow (29, 5. 299f.) bei diesem Objekt nur die beiden Reifungsmitosen bespricht, ohne eines interkinetischen Ruhe- stadiums Erwähnung zu tun, so möchte ich hervorheben, daß wir hier das ganz charakteristische Bild der Ebnerschen Zellen finden, und zugleich die eigenartige von van Hoof (18, S. 321) bei der Ratte gemachte Beobachtung bestätigen, daß der zunächst sehr stark herangewachsene Kern der Präspermide sich beim Ueber- gang zu der Prophase der zweiten Reifungsteilung bedeutend ver- kleinert. Nicht konstatieren konnte ich das von Regaud (37, S. 370 f.) beschriebene, für unser Problem wichtige Auftreten eines dem der Spermiozyte ganz ähnlichen Intranuklearkörpers im frühe- sten Stadium des Präspermidenkerns. Weder in diesem noch in den späteren Stadien der Präspermide konnte ich derartiges mit irgend- einer Sicherheit finden, obwohl ich zahlreiche Präspermiden darauf- hin durchmustert habe. Auch ließ sich nicht irgendeine auffällige Kondensierung chromatischer Substanz in anderer Form beobachten. In der nun folgenden zweiten Reifungsmitose, die mit dem ruhenden Präspermidenkern zusammen das spermiogenetische Sta- dium 6 ausmacht, finden sich abseits liegende Chromosomen viel Seltener als in der ersten Reifungsteilung. Fig. 41 (Taf. V) zeigt eine Metaphase ohne aberrantes Chromosom, Fig. 42 eine Meta- phase mit einem solchen (a), das eine Zusammensetzung aus zwei Teilstücken aufweist. Wie bereits erwähnt, ist hier der chromatoide Nebenkörper (c) stets deutlich und bei Anwendung der Eisen- Brasilin-Methode färberisch gut von den wirklichen Chromatin- elementen zu differenzieren. 126 SCH GEHN Ver: 6. Die Spermide. Die letzte für unser spezielleres Thema in Betracht kommende Phase der Spermiogenese ist diejenige der Spermide, solange ihr Kern nicht in den Kondensierungsprozeß eingetreten ist und also noch eine wohl erkennbare Struktur aufweist, und es fragt sich, ob hier eine Andeutung von Heterochromosomen in Form von chro- imatischen Nukleolen nachzuweisen ist. Keine deutliche Antwort auf diese Frage geben die Eisen-Brasilin- und die Eisen-Hämatoxylin- Methode: hier findet man unregelmäßige Verdichtungen des sehr zarten Kerngerüstes, die sich bei der erstgenannten Färbung häufig aus in zwei Nuancen, rötlich-grau und intensiv purpurbraun, gefärb- ten Bestandteilen zusammengesetzt erweisen. Die Anwendung der Biondi-Lösung führt zu einer klareren Vorstellung, sie zeigt einen meist in der Einzahl auftretenden, leuchtend blau oder blau- grün gefärbten rundlichen oder länglichen Körper !), der in dem ziem- lich chromatinarmen Kernretikulum suspendiert ist und neben dem sich, ihm anliegend oder von ihm entfernt, ein oder mehrere leuchtend rot gefärbte echte Nukleolen vorfinden. Gegen die Annahme, dab hier ein Chromosom-Nukleolus vorliege, spricht der Umstand, daß nicht selten zwei solche Körper sich finden. Bei dieser Inkonstanz seiner Zahl und der sonstigen Chromatinarmut des Kerns möchte ich in diesem Gebilde eher ein Chromatindepot erblicken, wie wir in ähnlicher Weise in dem sehr chromatinarmen Sertoli-Kern der Maus typisch zwei Chromatin-Nukleolen antreffen, die mit einem größeren zwischen ihnen liegenden echten Kernkörperchen zu einem eigenartigen Nukleolenapparat verbunden sind. 7. Zusammenfassung. Die wichtigeren unserer in der Spermiogenese der A: Maus erhobenen Befunde seien in den folgenden Sätzen zusammengefaßt: 1. Das Studium der Spermiogonien ergibt weder im Ruhekern noch während der Mitose einen Anhaltspunkt für das Vorhandensein von Heterochromosomen. 2. Die bei der Ausbildung der jungen Spermiozyte sich abspielenden Veränderungen lassen sich am einfachsten so deuten, daß die aus der letzten Spermiogonientelophase. hervorgehenden 1) Mittels Regauds Hämalaun-Safranin-Methode erweist sich der Körper als saphranophil. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 127 Chromatinstränge einerseits einem Auflösungsprozeß unterliegen, der unter anderem durch Aussendung von feinen Fädchen zur Entstehung eines Kernretikulums führt, andererseits aber ihre Sub- stanz teilweise stark konzentrieren und in dieser Form namentlich an der Kernmembran ansammeln. Die alleinige Herleitung des Retikulums aus einer spiralig gebauten Oberflächenschicht der ursprünglichen Chromatinstränge, wie sie die neueste Theorie der Chromosomenstruktur fordert, ist für unser Objekt nicht zulässig. 3. Indem die Spermiozyte in die sog. Wachstumsperiode ein- tritt, verfeinert sich das Kernretikulum wesentlich. Bald kommt es, von den namentlich peripherisch gelegenen Chromatinansamm- lungen ausgehend, zur Entstehung eines sehr zarten Spirems, das sich zunächst nur als eine leichte Verdickung bestimmter Retikulum- züge darstellt; dementsprechend zeigt das frühe Spirem stets noch Querverbindungen der Spiremfäden. 4, Mit der vollen Entfaltung des Spirems haben die meist peripherisch gelegenen Chromatinkörper bedeutend an Größe zu- genommen und erweisen sich fast stets als in Zusammenhang mit den Spiremfäden stehend. Sie dürften als Zentren aufzufassen sein, in denen beim Wachstum der Zelle Chromatin angereichert wird, um dann an die Spiremfäden bei deren allmählicher Dickenzunahme weitergegeben zu werden (Chromoplasten). In diesem Stadium ist die Kernmembran äußerst zart und zeigt sich mitunter ein synap- sisähnliches Bild. Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß unter den stets zahireichen Chromoplasten ein spezifisches Element vom Werte eines Heterochromosoms verborgen sei. Dagegen spricht auch entschieden, daß die Chromoplasten mit dem Dickenwachstum des Spirems allmählich restlos aufgebraucht werden. 5. Bereits in der Phase des feinen Spirems, noch deutlicher, wenn es bereits etwas verdickt ist, zeigt sich häufig streckenweise ein paralleler Verlauf zweier Fädchen. In den folgenden Stadien mit wesentlich verdicktem Spirem ist nur noch an freien Enden von Fäden Aufspaltung in einen Doppelfaden zu bemerken. Im Sinne der Autoren hätte sich jetzt die ‚längsweise Paarung der Chromosomen‘ vollzogen. Das Spirem ist, da es mehrfach freie Endigungen aufweist, als diskontinuierlich zu betrachten, seine Seg- mente sind aber weit länger, als einzelnen Chromosomen entsprechen würde. Die Spiremfäden zeigen von nun an häufiger als bisher angedeutete, manchmal auch ausgesprochene Spirlstruktur. 128 Ss Giuctherz: 6. Gegen die Mitte der Spermiozyten-Periode (in der Regel im Stadium 7ır nach der Nomenklatur von Regaud, während der Pachytänphase) verdichtet sich ein Teil des Spirems zu einem homogenen, stäbchenförmigen Gebilde von etwa 2—3 u Länge, das unter Ablösung vom Spirem in einer bereits zuvor entstandenen Nische an der Peripherie des Kernes deponiert wird. Daß es sich nicht um ein Ausscheidungs-, sondern um ein Umwandlungsprodukt des Spirems handelt, geht mit Sicherheit aus gewissen Modifikationen des Prozesses hervor. Das ‘Gebilde ist dem bereits seit längerer Zeit in der Ratten-Spermiozyte bekannten Intranuklearkörper homolog und in seiner charakteristischen Lagerung dicht an der Kernmembran konstant bis in das späte Diakinese-Stadium in der Spermiozyte anzutreffen. Der fast stets in der Einzahl, nur äußerst selten in der Zweizahl vorhandene Intranuklearkörper steht mitunter dauernd mit einem Spiremfaden in Zusammenhang. Die in der Bildung des Intranuklearkörpers zum Ausdruck kommende Polarität des Zell- kernes läßt sich nicht zu irgendwelchen Verhältnissen im Zelleibe in kausale Beziehung setzen. 7. Im weiteren Verlaufe der Spermiozyten-Periode macht der Intranuklearkörper streng gesetzmäßige, Schritt für Schritt ver- folgbare morphologische und färberische Wandlungen durch. a) Der zunächst stäbchenförmige Körper nimmt ‚sehr bald (häufig regelmäßige) Linsenform an, wobei seine stärker gewölbte Fläche in das Kerninnere vorspringt, die schwächer gewölbte der Kernmembran anliegt, und wächst allmählich bedeutend heran. Nunmehr findet an seiner dem Kerninneren zugewandten Fläche Ausscheidung von echter Nukleolarsubstanz statt, zunächst in Form eines Kügelchens, bald in größerer Menge. Mit dem Fortschreiten des Ausscheidungsprozesses verschmälert sich der der Kernmembran aufsitzende Restteil des Körpers sehr stark in zur Kernmembran tangentialer Richtung, während er sich gleichzeitig in senkrechter Richtung hierzu verlängert und so Zylinderform annimmt (wahr- scheinlich aktive Kontraktion, die zur Auspressung der Nukleo- larsubstanz führt). Weiterhin kugelt sich die ausgeschiedene Substanz zu einem typischen Nukleolus ab, der allmählich der Auf- lösung anheimfällt, während er an seiner Ursprungsstelle verbleibt oder ins Kerninnere wandert. Der der Kernmembran aufsitzende Restteil wandelt sich im Diakinese-Stadium (wo auch die gewöhn- lichen Chromosomen sich zu ‚bivalenten“ Bildungen ausgestalten) Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 129 zu einem Doppelstäbchen bzw. einer Vierergruppe. In dieser Form und Lage ist er noch kurz vor der die Spermiozytenmitose einieiten- den Auflösung der Kernmembran mit Sicherheit festzustellen. Vgl. hierzu Textfigur 2 auf S. 119. Mitunter zeigt der Intranuklearkörper in seinen mittleren Stadien (vor der Ausscheidung echter Nukleolarsubstanz) eine gröbere oder feinere Gerüststruktur. b) Von den färberischen Reaktionen des Intranuklearkörpers ist am wichtigsten sein Verhalten bei Anwendung der Biondi- Methode. Zunächst rein basophil, geht er durch ganz allmähliche Uebergänge in ein rötliches Violett über, um nach dem Beginn der Ausscheidung der leuchtend rotgefärbten (azidophilen) echten Nukleolarsubstanz ’ sehr bald wieder ausgesprochen basophil zu werden. Am Ausgangs- und am Endpunkt seiner Entwicklung gibt also der Intranuklearkörper bzw. sein der Kernmembran an- liegender Abschnitt typische Chromatinreaktion. Das rötlich- violette Zwischenstadium läßt auf eine innige Durchdringung von Chromatin und echter Nukleolarsubstanz schließen (siehe Erörte- rung der Befunde S. 138 f.). Ueber die sonstigen Färbungsreaktionen des Intranuklearkörpers vgl. die Tabelle auf S. 117. 8. Die Nische oder Kammer, in welcher der Intranuklearkörper liegt und die einerseits durch eine Vorwölbung des Kernraumes, andererseits durch ein Zurückweichen der Chromatinfäden bedingt wird, ist in den mittleren Entwicklungsstadien besonders aus- geprägt. Hier ist der Kern im Bezirk des Intranuklearkörpers so stark vorgewölbt, daß seine durch dieses Gebilde gehende Achse sich zu der senkrecht dazu stehenden etwa wie 5:4 verhält. Mit der später erfolgenden Verschmälerung und Langstreckung des Intranuklearkörpers verschiebt sich auch der ihn umgebende be- ‚sondere Raum in entsprechender Weise, indem er sich an der Basis des Körpers verengert und andererseits tief in das Kerninnere hinein erstreckt; die Chromatinfäden wahren also stets einen be- stimmten Abstand vom Intranuklearkörper. Im Diakinese-Stadium, mit der Anordnung der Chromosomen an der Peripherie des Kernes, verschwindet naturgemäß der für den Intranuklearkörper frei- gehaltene besondere Raum. / 9. Die von Regaud in der Ratten-Spermiozyte beschriebenen „safranophilen Körper“ finden sich auch bei der Maus wieder. Doch zeigt eine Anwendung der Biondi- Methode, daß es sich bei diesen Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 9) 130 Dasuktchtenz: Bildungen, die nach Regaud verdichtete, glatt konturierte Ab- schnitte des Spirems darstellen, um zweierlei Dinge handeln kann, erstens um bloße Chromatinverdichtungen vorübergehender Art (in den frühen Stadien) und zweitens um die Entstehung echter Nukleolarsubstanz im Spirem (seltener in frühen Stadien, regelmäßig und mehrfach vorhanden in den späteren). Das Wesentliche des Vorgangs dürfte daher mit der Bezeichnung ‚‚azidophile Körper“ des Spirems erfaßt sein. Die azidophilen Körper, häufig unregel- mäßig länglich gestaltet, werden in den späteren Stadien öfter auch frei im Kern angetroffen. Ihr Auftreten ist mit der Ausscheidung azidophiler Substanz am Intranuklearkörper in Parallele zu stellen, der in dieser Beziehung die gewöhnlichen Chromatinelemente quantitativ stark übertrifft. 10. In der Prophase der Spermiozyten-Mitose nach Auflösung der Kernmembran läßt sich die basophile Komponente des Intra- nuklearkörpers von den gewöhnlichen Chromosomen, die ganz ähnliche Doppelstäbchen- oder Vierergruppenform zeigen und von denen einige (unter den größeren) ihr an Volumen ungefähr gleich- kommen, nicht mehr unterscheiden. ll. In der Metaphase der Spermiozyten-Mitose finden sich ziemlich häufig (in etwa 20%, der Zellen) abseits, meist in der Nähe der Spindelpole gelegene Chromosomen von wechselnder Größe und Zahl (1 bis etwa 4); auch in bezug auf ihre Verteilung auf die beiden Spindelpole herrscht keine Regelmäßigkeit. Sie zeigen häufig angedeutete Doppelstäbchen- oder Vierergruppenstruktur und ge- hören vorzugsweise den kleineren Chromosomen an. Ihr Auftreten ist nicht auf eine künstliche Veränderung durch die Präparations- methoden, sondern auf wirkliches Lebensgeschehen zurückzuführen; es ist weder an bestimmte Kanälchenabschnitte (also nicht an die Abstammung der betreffenden Zellen) noch an die mehr zentrale oder peripherische Lage der Kanälchen im Hoden geknüpft. Diese Bilder leiten durch Uebergänge zu seltenen Fällen hin, wo größere unregelmäßige, verklumpte Gruppen von abseits liegenden Chromo- somen angetroffen werden. 12. In der Anaphase und Telophase der Spermiozyten-Mitose sind sichere aberrante Chromosomen nur weit seltener zu bemerken. 13. Im Ruhekern der Präspermide findet sich keine An- deutung eines besonderen Chromatinelementes. In der Präspermiden- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 131 Mitose sind aberrante Chromosomen viel weniger häufig als in der Spermiozyten-Mitose. 14. Der im Kern der Spermide meist in der Einzahl, nicht selten aber auch in der Zweizahl auftretende basophile Nukleolus dürfte in Anbetracht dieser Inkonstanz seiner Zahl sowie der sonsti- gen Chromatinarmut des Kernes eher ein Chromatindepot als ein besonderes Chromosom darstellen. Ill. Erörterung der Befunde. Um aus den im Vorstehenden mitgeteilten tatsächlichen Be- obachtungen ein klares Resultat für unser Problem zu gewinnen, sind, wie sich leicht ergibt, namentlich die Fragen nach der Bedeu- tung .des Intranuklearkörpers und der aberranten Chromosomen einer eingehenderen Betrachtung zu unterziehen. 1. Der Intranuklearkörper der Spermiozyte. a) Beweise für seine Heterochromosomen-Natur. Als v. Lenhosscek 1898 die bekannte ausgezeichnete Schil- derung des von ihm so genannten Intranuklearkörpers bei der Ratte entwarf, die zuerst die Aufmerksamkeit der Histologen auf dieses Strukturelement zog, hob er selbst hervor (26, S. 253), daß es ihm nicht möglich war, über „Herkunft und Bestimmung des Gebildes zu einer bestimmten Anschauung zu gelangen‘. Obwohl seitdem eine ganze Reihe von Autoren (v. la Valette St.George 25, Lukjanow 29, Ebner 8 Regaud 36a und. 37, Sch o.en- feld4l,Benda2, Duesberg7,vanHoof19, Jordan 23) sich bis in die neuere Zeit hinein mit dem Intranuklearkörper bei verschiedenen Objekten beschäftigt haben, müssen die von v. Len- hossek aufgeworfenen Fragen auch heute noch als unbeantwortet gelten. Sehen wir von der später näher zu besprechenden Publikation Jordans hier zunächst ab, so kommen für unseren Gegenstand nur die Angaben v. la Valette St. Georges (1898) und Regauds(1910) in Betracht. Wenn der erstere Autor an Safranin- Präparaten in der Spermiozyte von Maus und Ratte ein ‚„‚neben dem Spirem liegendes, oft von ihm durch einen leeren Zwischenraum abgegrenztes, leuchtend gefärbtes Chromosom‘ beschreibt (25, S. 17) und abbildet (Fig. 6, weiße Maus; ‚„Spermatozyt mit getrenntem g%* 132 Se Glgamerz: Chromosom = Intranukleärem Korn‘), so liegt nicht mehr als eine bloße Vermutung vor, die allerdings, wie wir sehen werden, das Richtige getroffen hat!. Regaud spricht in seiner ein- gehenden Untersuchung des Intranuklearkörpers der Ratten- Spermiozyte (37, S. 326 ff.) keine Ansicht über die Funktion des Gebildes aus und auch über seine Entstehung gewinnen wir hier keine irgendwie befriedigende Vorstellung. Zwar beschreibt dieser Autor den Intranuklearkörper gemeinsam mit den ‚‚corps safrano- philes‘“ unter der Rubrik: ‚„Ditferenzierte Teile des Chromatinfadens‘ und ist geneigt, alle diese Gebilde in die von Janssens und Willems (20, S. 164) aufgestellte Nukleolengruppe der ‚Chro- moplasten‘“ einzuordnen. Fragt man aber nach der näheren Be- gründung dieser Auffassung, so zeigt sich, daß Regaud sie ledig- lich auf die Beobachtung stützt, daß der Intranuklearkörper häufig mit Spiremfäden in Verbindung steht und gewisse (übrigens un- spezifische) Färbungsreaktionen mit denselben gemeinsam hat: eine wirkliche Entstehung des Gebildes aus dem Spirem hat unser Autor nicht festgestellt. Duesberg (1908) erklärt für das gleiche Objekt (7, S. 410) geradezu, daß er über Natur, Ursprung und Schicksal des ‚rätselhaften‘“ Intranuklearkörpers nicht mehr habe ausmachen können als v. Lenhossek. In den oben niedergelegten Befunden an der weißen Maus slanhe ich den Ursprung und die Bedeutung des Intranuklearkörpers auf- geklärt zu haben. Während der erstere Punkt sich ohne weiteres aus der Darstellung der Beobachtungen ergibt, bedarf der zweite noch einer näheren Erörterung. Der Umstand, daß der Intranuklearkörper, wie wir genauer verfolgt haben, nicht als ein Ausscheidungsprodukt des Spirems, sondern durch die Umwandlung und zwar die Kondensation eines Teiles desselben entsteht, läßt sich bereits mit einer gewissen Wahr- scheinlichkeit dafür anführen, daß wir hier die (verfrühte) Ent- wicklung eines Chromosoms vor uns haben. Denn bisher ist, wenn wir auch diese Möglichkeit natürlich nicht außer acht lassen dürfen, meines Wissens noch nie mit Sicherheit beobachtet worden, daß aus einem abgetrennten und kondensierten Spiremsegment sich kein Chromosom entwickelt und das betreffende Stück etwa . !) Immerhin muß auf Grund dieser Aeußerung v. la Valette St. George als der Erste bezeichnet werden, der bei Wirbeltieren ein Heterochromosom beschrieb. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 133 den Weg der Degeneration oder sonstiger Veränderungen einge- schlagen habe. Entschieden für die Chromosomen-Natur des Ge- bildes spricht aber seine weitere Geschichte, insbesondere deren letzte Phase, in der wir den Körper in eine azidophile und eine basophile Komponente sich zerlegen sehen, welch letztere die völlig typische Struktur eines Chromosoms (Doppelstäbchen bzw. Vierer- gruppe) annimmt und zwar gleichzeitig mit den in derselben Rich- tung gehenden Veränderungen der gewöhnlichen Chromosomen. In- dem wir die chromosomale Komponente mit völliger Sicherheit bis zu der die Spermiozyten-Mitose einleitenden Auflösung der Kern- membran verfolgen können und nicht die Spur einer degenerativen Veränderung an ihr wahrnehmen, wie ja ihre ganze Entwicklung im Gegenteil entschieden den Charakter eines progressiven Prozesses aufweist, so können wir eigentlich kaum dem Schluß ausweichen, daß das Gebilde in die sich unmittelbar anschließende Mitose mit- eintritt und hier, da auch jetzt sich nicht der geringste Anhaltspunkt für ein der Entartung verfallendes Strukturelement auffinden läßt, ebenso agiert wie die übrigen Chromosomen. Nach meiner Ansicht läßt sich auf diese Weise mit einer an Sicherheit grenzenden Wahr- scheinlichkeit der Nachweis führen, daß wir es hier mit einem wirk- lichen Chromosom zu tun haben, und da das Gebilde in seinem Ver- halten sich so weit von den übrigen Chromatinelementen entfernt, kann es sich der Definition gemäß offenbar nur um ein Hetero- chromosom handeln. Dem eben entwickelten Hauptbeweise für unsere Auffassung lassen sich einige weitere Indizien hinzufügen. Die von uns aus der Formveränderung des Intranuklearkörpers bei Ausscheidung der nukleolaren Substanz erschlossene aktive Kontraktilität stimmt gut zu dem Bilde eines Chromosoms, wie keiner näheren Ausführung bedarf. Ferner wiederholt die völlig konstante Lagerung des Intra- nuklearkörpers an der Kernmembran sowie in einem besonderen Raum typische Eigenschaften von Heterochromosomen. In der letzt- - erwähnten Hinsicht geht sogar der Befund bei der Maus in gewisser Beziehung weiter als bei den meisten untersuchten Insekten, also derjenigen Tierklasse, die besonders durch den Besitz von Hetero- chromosomen ausgezeichnet ist: während bei manchen Insekten (ins- besondere Orthopteren) sich in den Spermiogonien und den Präsper- miden ein Heterochromosom in einem durch eine Scheidewand ganz abgeschlossenen eigenen Raum oder sogar in einem isolierten Kern- 134 SS GE Hatanuertız.: bläschen finden kann, ist in der Spermiozyte die Absonderung des Heterochromosoms meist auf seine peripherische Lage an der Kern- membran beschränkt, wie aus den Abbildungen der Autoren hervor- geht und wie ich mich auch durch besonders hierauf gerichtete Untersuchung bei Gryllus domesticus und Diestrammena marmo- rata (Locustide) überzeugen konnte. Mitunter ist aber das Hetero- chromosom in der Spermiozyte ganz ähnlich wie in unserem Fall durch einen deutlichen Abstand von dem übrigen Spirem geschie- den, so nach Wilson (46, S. 8) bei Pyrrhocoris apterus (Hemipteron) andeutungsweise und vorübergehend, nach demselben 4 & Fig. 4. a) Kern der Spermiozyte von der weißen Ratte im Stadium 4 |]. i der Intra- nuklearkörper, n ein echter Nukleolus. Vergr. 1700 : 1. b) Der Intranuklearkörper i der vorigen Figur bei stärkerer Vergrößerung (3400 : 1). c) Ein Intranuklearkörper desselben Stadiums vom gleichen Objekt in Kantenansicht mit einem Stück der Kernmembran. Vergr. 1700 : 1. Fixation: Flemmings starkes Gemisch; Färbung: Eisen-Häma- toxylin nach Heidenhain. Autor (49, S. 375) in frappierender Uebereinstimmung mit den Befunden bei der Maus bei den Hemipteren Oncopeltus fasciatus und besonders Largus cinctus (Taf. 1V, Figg. 78—80). Eine weitere Stütze meiner Auffassung des Intranuklearkörpers gewann ich aus einer allerdings nur vorläufigen Untersuchung der einschlägigen Verhältnisse bei der Ratte. Schon die Durchmusterung der ersten Schnitte eines in Fle m- min gscher Flüssigkeit fixierten und mit Eisen-Hämatoxylin nach Heidenhain gefärbten Rattenhodens ergab, daß dieses bereits so viel bearbeitete Objekt dem Beobachter immer noch Neues zu bieten vermag. In späten Spermiozyten zeigte der Intranuklearkör- per das ausgesprochene Bild eines Fadenknäuels, wie es in Text- figur 4a (i), b und c wiedergegeben ist. Ich war erst so erstaunt über die Aehnlichkeit des Gebildes mit einem kleinen Spiremkern, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 135 daß ich gar nicht an seine Identität mit dem Intranuklearkörper glauben wollte. Bei näherer Untersuchung mußte ich mich aber hiervon überzeugen. Bei der Seitenansicht in Textfigur 4c kommt die Linsenform des Intranuklearkörpers gut zum Ausdruck. Um den Anblick eines ‚Kerns im Kerne‘ vollständig zu machen, findet sich häufig sogar in ihm ein besonderer kleiner Nukleolus (Text- figur 4a, i), auch glaube ich, angedeutete Spiralstruktur an manchen Teilen des Miniaturspirems erkennen zu können. Den Chromatin- faden, der in derselben Figur den Intranuklearkörper bogenförmig in einem gewissen Abstande umgibt, fasse ich (auf Grund eines Vergleiches mit den Nachbarzellen) nicht als zu ihm gehörig, sondern als mit einem gewöhnlichen Chromosom identisch auf (in dem abge- bildeten Stadium Ar ist das Spirem bereits in die endgültigen Kernsegmente zerfallen). Von den in der Literatur niedergelegten Abbildungen des Intra- nuklearkörpers der Ratte kommt meinem Befunde diejenige am nächsten, welche Duesberg (7) auf Taf. X, Fig. 15 gibt: man sieht hier an der dem Kerninneren zugewandten, stärker konvexen Fläche des Gebildes einen mit Eisen-Hämatoxylin intensiv ge- färbten, etwas gewundenen Randfaden, der zum Teil aus einzelnen Körnern zusammengesetzt erscheint, im grau gefärbten Inneren des Körpers lebhaft tingierte Körnchen, die ebenfalls zu einem Faden angeordnet sind, der dem erst beschriebenen etwa konzentrisch gestellt ist. Vergleicht man hierzu den beschreibenden Text (I. c., S. 409f.), so erfährt man, daß der Autor den Intranuklearkörper aus zwei Bestandteilen aufgebaut sein läßt: aus einer stark färb- baren Rindenschicht, die nicht homogen ist, sondern aus in Reihen angeordneten Körnern (,grains alignes‘‘) besteht, sowie aus einer schwach färbbaren Marksubstanz, in der dunklere Granulationen eingebettet sind. Von Fäden, die nach Art eines Spirems zusammen- hängen, wie ich sie finde, ist also nicht die Rede. Duesbergs Beschreibung läßt sich, wenn sie auch etwas über dieselbe hinaus- geht, noch mit v. Lenhosseks ursprünglicher Schilderung (26, S. 252.) in Einklang bringen, wonach der Intranuklearkörper nicht von homogener Beschaffenheit sei, sondern mehr oder weniger körnigen Bau aufweise und diese (mit Eisen-Hämatoxylin) schwarz gefärbten Körnchen hauptsächlich als Randmikrosomen auf seiner Oberfläche unregelmäßig verteilt seien, öfter auch das Innere des Gebildes zu durchsetzen schienen. Duesbergs Fig. 13 ent- 136 ’ Ss. Gutherz: spricht der Schilderung v. Lenhosseks annähernd, nur daß auch hier stellenweise ein homogener Randfaden zu sehen ist. Mit der Abbildung solcher Strukturen und der Angabe in Reihen ge- ordneter Körnchen hat Duesberg ein neues Moment in die Schilderung des Intranuklearkörpers gebracht. Regaud (35, S. 328) findet beim gleichen Objekt mittels der Eisen-Hämatoxylin- Methode nur einzelne, intensiv gefärbte größere Körner im Inneren des Gebildes. Ich bin nun weit davon entfernt, auf Grund meiner in Text- figur 4 dargestellten Befunde, die sich noch am meisten an Dues- berg anschließen, die Angaben der drei genannten, sicher vorzüg- lichen Beobachter anzuzweifeln, denen meine so außerordentlich auffälligen Bilder keinesfalls entgangen wären. Ich vermute viel- mehr, daß es sich hier um individuelle oder Rassenvariationen der Untersuchungstiere handelt. Hierin bestärkt mich der Umstand, daß auch in einer anderen Beziehung sehr verschiedenartige An- gaben über den Intranuklearkörper der Ratte gemacht worden sind. Während Regaud ihn sehr häufig mit einem Spiremfaden in Verbindung stehen läßt, hebt Duesberg hervor, daß er frei im Kernsaft flottieree. Van Hoof (19, S. 355) endlich hat den Intranuklearkörper niemals vollständig von den chromatischen Fäden trennen können, so daß er sogar an seinem konstanten Vor- kommen zweifelt. Da gerade für Heterochromosomen weitgehende individuelle Variationen, die mit äußerlich erkennbaren Merkmalen der Untersuchungsobjekte in keinem Zusammenhang zu stehen brauchen, besonders durch Wilson (vgl. namentlich 47) bekannt geworden sind, so widerspricht ein solches wechselndes Verhalten keineswegs unserer Auffassung des Intranuklearkörpers als Chro- MOSOMIS. Sehr in die Augen fallend ist die Uebereinstimmung zwischen unseren Befunden an der Ratte und den Beobachtungen, welche Otte (34) an einem unzweifelhaften Heterochromosom, demjenigen der grünen Heuschrecke (Locusta viridissima) gemacht und durch Abbildungen belegt hat !). In Textfigur 5 (S. 137) sind einige besonders interessante dieser Abbildungen reproduziert. Wir sehen hier in a eine junge, in b eine !) Vor Otte hat schon Mc Clung (30) auf ganz ähnliche, aber nicht so stark ausgeprägte Verhältnisse bei verschiedenen Locustiden auf- merksam gemacht. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 137 ältere Spermiozyte, in beiden Fällen im Niveau des in Kanten- ansicht erkennbaren Heterochromosoms dasselbe nochmals in Flächenansicht dargestellt: es besitzt, wie aus Fig. b, noch besser aus anderen, hier nicht wiedergegebenen Abbildungen hervorgeht, eine sehr ähnliche Gestalt wie der Intranuklearkörper, indem es, von der Fläche gesehen, meist einen rundlichen Umriß hat, von der Kante gesehen etwa linsenförmig erscheint (Otte beschreibt es als mehr id a b c—h Big: ‚5, Entwicklungsstadien des Heterochromosoms von Locusta viridissima nach Otte (1907). a junge Spermiozyte, h Heterochromosom in Kanten- und Flächenansicht. b ältere Spermiozyte, h Heterochromosom in Kanten- und Flächenansicht, i und m Idiozom und Mitochondrienkörper (nach der Deutung des Autors). c—h weitere Entwicklungsstadien des Heterochromosoms bis zur Prophase der Spermiocyten-Mitose. oder weniger regelmäßige Platte, deren Flächendurchmesser viel- leicht doppelt oder dreifach so groß ist wie der Querdurchmesser). Wenn unser Autor meint, es sei nicht in den übrigen Kern mitein- bezogen, sondern liege ihm bloß auf, wie das die in a wiedergegebene Figur zeigt, so kann es sich hier um kein regelmäßiges Vorkommnis handeln, da das Gebilde in mehreren anderen Figuren Ottes (z. B. in der von uns unter b wiedergegebenen) deutlich innerhalb der Kernmembran, derselben dicht anliegend, dargestellt ist. Ich vermute demnach, sowie aus meinen eigenen Erfahrungen an anderen Orthopteren, daß es sich hier nur um eine künstliche Verlagerung des Gebildes infolge der Präparationsmethoden oder des Schneidens der Präparate handelt. Bei geeigneter Differenzierung von Eisen- 138 D-GEBENTerT zZ: Hämatoxylin-Präparaten zeigt sich nun, daß das Heterochromosom nicht, wie man es bei den Insekten meist findet, homogen, als ein „Chromosom-Nukleolus‘“ sich darstellt, sondern in ein Spirem auf- gelöst ist, das zunächst (Textfigur 5 a) äußerst fein erscheint, später sich mehr und mehr kKondensiert (ein schon fortgeschrittenes Sta- dium dieses Prozesses in b). Die Figuren c—h (Textfigur 5) zeigen uns sodann, wie mit der weiteren Entwicklung aus dem Knäuel sich ein einfacher Faden entwirrt und schließlich zu einem typischen prophasischen Chromosom sich konzentriert. Ich stehe nicht an, das bei der Ratte oben beschriebene ‚‚Spi- rem‘ des Intranuklearkörpers mit dem des Heterochromosoms von Locusta in Vergleich zu setzen, behalte mir aber eine genauere Untersuchung der Verhältnisse bei der Ratte noch vor. Aus den Beobachtungen von Otte ließe sich vielleicht auch ein Verständnis für die Angabe gewinnen, daß der Intranuklearkörper bei der Ratte mit der weiteren Entwicklung der Spermiozyte verschwinden soll, wie bereits vv. Lenhosscek (26, S. 253) mitteilte und Dues- berg (7, S. 420) noch genauer dahin präzisierte, daß das Gebilde mit dem Eintritt der Quersegmentierung des Spirems, ohne vorher Veränderungen zu zeigen, plötzlich verschwinde. Hier muß an die Möglichkeit gedacht werden, daß der Körper sich in einen mehr oder minder langgestreckten Faden umbilden und so der weiteren Unterscheidung von den übrigen Chromosomen entgehen Könnte. Uebrigens besteht bei der Ratte betreffs des Schicksals des Intra- nuklearkörpers keine Uebereinstimmung der Autoren, da Re- gaud (37, S. 329) denselben erst beim Beginn der Spermiozyten- Mitose zugleich mit der Kernmembran verschwinden läßt und ihn in diesem Zeitpunkt als sehr unscheinbar (,,tres mince‘‘) und schwer erkennbar bezeichnet. Unsere Beobachtungen an der Ratte werfen Licht auf ein Strukturverhältnis, das ich gelegentlich in den Spermiozyten der Maus (besonders im Stadium 1111 und benachbarten Stadien) be- obachten konnte (vgl. S. 109) und auf dessen Deutung ich nun näher zurückkommen möchte. Wir sahen, daß in den bezeichneten Stadien der Intranuklearkörper mitunter eine feinere oder gröbere gerüstartige Struktur aufweist (Fig. 26a und b, Taf. V) und so geradezu an einen kleinen Zellkern erinnern kann. Ich verwies auch bereits auf die naheliegende Möglichkeit, daß es sich um eine bloße Vakuolisierung des Gebildes handeln könne, die eine bedeutsamere Struktur nur Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 139 vortäuschen würde. Auf Grund der Beobachtungen an der Ratte und ihrer schönen Analogie bei gewissen Orthopteren neige ich zu der Ansicht, daß wir hier die mit der erhöhten Stoffwechseltätigkeit eines Chromosoms verbundene gerüstartige Auflockerung eines solchen vor uns haben. Zu dieser Auffassung bestimmt mich auch der Umstand, daß der Intranuklearkörper in der in Rede stehenden Phase hei Anwen- dung der Biondi- Methode eine ausgesprochene Mischfärbung (rötlich-violett) aufweist, die sich durch allmählichen Uebergang aus rein basophiler Reaktion entwickelt hat. Dieses Verhalten läßt sich am einfachsten so deuten, daß der ursprünglich rein chromatische und stark kondensierte Körper sich unter diffuser Bildung von azidophiler Substanz zu einem feinen Gerüst- oder Wabenwerk aufgelockert hat: es läge also eine innige Durchmischung von Chro- matin und echter Nukleolarsubstanz vor, ähnlich wie sie für manche der sog. Amphinukleolen in Protistenkernen geschildert wird !). Der färberische Mischton wäre besonders leicht verständlich, wenn wir uns vorstellen, daß die Wände des basophilen Gerüstwerkes von der azidophilen Substanz bei ihrer Entstehung gewissermaßen durchtränkt sind, aber auch schon zu erwarten, wenn das Gerüst- werk ein sehr feines wäre. Unsere Deutung läßt sich gut mit dem weiteren Entwicklungsgang vereinigen, die nach unserer Schil- derung wahrscheinlich durch aktive Kontraktion erfolgende Aus- scheidung der azidophilen Substanz in Tropfenform fordert geradezu das Bild einer diese Substanz nach Art eines Schwammes enthalten- den Grundmasse.. Auffallen muß allerdings, daß es nur so selten gelingt, ein Gerüstwerk im Intranuklearkörper nachzuweisen. Es könnte aber in der Regel so fein sein und vielleicht auch von der azidophilen Substanz in seiner Lichtbrechung so wenig differieren, daß es der Beobachtung entgehen müßte. Auch scheint es vor einem abschließenden Urteil noch nötig, für die Darstellung dieser Ver- hältnisse besondere Methoden heranzuziehen. Das in den Figg. 26a und b (Taf. V) im Intranuklearkörper abgebildete Gerüstwerk wäre nach unserer Deutung als durch künstliche Vergröberung eines in Wirklichkeit weit feineren Netz- oder Wabenwerkes entstanden zu denken. ı) Vel. F. Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. Jena 1909 S.21: 140 Ss. Guter z: Nachdem wir eine Reihe z. T. sehr schwerwiegender Gründe für die Heterochromosomen-Natur des Intranuklearkörpers beige- bracht haben, fragt es sich nun im besonderen, welchem Typus dieser so vielgestaltigen Bildungen wir das Heterochromosom der weißen Maus etwa einzuordnen haben. Hier weist die Genese des Körpers sogleich in eine bestimmte Richtung. Da wir die Vor- geschichte des Spermiozytenkerns bis zur Abtrennung des Intra- nuklearkörpers eingehend studiert haben, so konnten wir feststellen, daß in letzterem Zeitpunkt (der Amphi- bzw. Pachytänphase der Autoren) das Spirem bereits die Veränderungen durchgemacht hat, welche nach der üblichen Auffassung entscheidend für die Konsti- tution der künftigen Chromosomen der Reifungsmitosen sind: das Heterochromosom hat also, als nicht besonders kenntlicher Teil des Spirems, mit diesem gemeinsam die Stadien des feinen Knäuels, der Parallelisierung der Fäden, des gröberen Knäuels mit z. T. noch deutlichen Doppelfäden und schließlich des dicken Knäuels mit häufig erkennbarer, mehr oder minder deutlicher Spiralstruktur durchlaufen. Nach Ansicht vieler Autoren, die wir uns nicht ohne weiteres zu eigen machen können, wäre also die „Chromosomen- paarung‘ im Entstehungsmoment des Intranuklearkörpers bereits als vollzogen zu betrachten. Wie man sich auch zu diesen theo- retischen Fragen stellen mag, die Annahme, daß das Hetero- chromosom im wesentlichen denselben Bau besitzt, wie die erst später aus dem Verband des Spirems sich lösenden gewöhnlichen Chromosomen, wird "in jedem Falle zu machen sein, da die weiteren Veränderungen des Spirems nur noch in seiner Längsspal- tung und Quersegmentierung bestehen. Diese Ueberlegungen führen uns zu der Anschauung, daß das Heterochromosom, um es in der üblichen Nomenklatur auszudrücken, ein ‚bivalentes‘‘ Chromosom sei, ganz wie die übrigen Chromosomen. In diesem Sinne spricht ebenso entschieden sein gegen das Ende der Spermiozytenperiode hervortretender Bau, denn Doppelstäb- chen und besonders Vierergruppe sind ja von jeher als Prototypen bivalenter Chromosomen bekannt. Werden wir so von vornherein gegen den Gedanken einge- nommen, daß es sich hier um ein Geschlechtschromosom handele — postuliert man doch für derartige Formen gewöhnlich den Cha- rakter eines unpaaren Chromosoms (eines Monosoms) oder eines aus ungleich großen Komponenten zusammengesetzten Chromo- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 141 somenpaares — so finden wir endlich auch in den Reifungsteilungen, wie wir sogleich noch des Näheren erörtern werden, nicht den ge- ringsten Anhaltspunkt für eine ungleichmäßige Verteilung unseres Heterochromosoms, eine Heterokinese; denn schließlich könnte ja auch eine typische Vierergruppe in einer Mitose ungeteilt in die eine Tochterzelle übergehen, wie dies bereits in seltenen Fällen beschrie- Bensist.(z. B. von’ Demeilt für-Helix-pomatia,:6, S.:117ff.). Es fehlt somit jeder morphologische Hinweis auf ein Geschlechts- chromosom. Will man daher an dieser Deutungsmöglichkeit festhalten, so bleibt nur noch die Annahme übrig, daß der Körper aus zwei zwar morphologisch gleichartigen, aber physiologisch in bezug auf die Ge- schlechtstendenz verschiedenwertigen Hälften aufgebaut sei, deren Verteilung auf die Spermatiden einen physiologischen Dimorphis- mus derselben bedinge. Eine solche Annahme scheint mir aber etwas gekünstelt, weil bisher derartige Fälle nur im Anschluß an Formen mit ungleich großen Komponenten des betreffenden Hetero- chromosomenpaares beobachtet wurden, was in unserem Falle noch aussteht, und es sich stets um eine erst im Laufe der Spermio- zyten-Entwicklung nachträglich erfolgende Vereinigung der beiden Komponenten handelte, während bei der Maus, wo die beiden als verschieden angenommenen Komponenten aus einem gemeinsamen Stücke des Spirems hervorgehen würden, ihre Verschiedenwertigkeit unwahrscheinlicher wird. Hinzu kommen, wie ich bloß andeuten möchte, Gründe physiologischer Natur, welche bei den Verte- braten gegen die Annahme eines das Geschlecht wesentlich mitbe- stimmenden starren chromosomalen Mechanismus!) sprechen: die von R. Hertwig und seiner Schule gezeigte Möglichkeit, bei Am- phibien das Geschlecht noch nach der Befruchtung durch äußere Eingriffe zu bestimmen, sowie die nahen Beziehungen zwischen einer inneren Sekretion der Keimdrüsen und gewissen akzidentalen (sekundären) Geschlechtscharakteren bei den Vertebraten im allge- meinen, die daran denken lassen, daß in diesem Tierkreise — im Gegensatz etwa zu den Insekten — das Geschlechtsschicksal der somatischen Zellen nicht mit einer spezifischen Chromosomen- 1) Nachträglicher Zusatz: Es kann hier nur angedeutet werden, daß durch R. Goldschmidts neue Theorie der Geschlechts- bestimmung (1919) der Chromosomen-Mechanismus seiner „Starrheit‘“ ent- kleidet wird. 142 SP GEUKEI HERTZ garnitur endgültig festgelegt wird, sie sich vielmehr in dieser Hinsicht noch in einem labilen Zustande befinden. Unter diesen Umständen neige ich mehr zu der Ansicht, daß das Heterochromosom der weißen Maus zu solchen Heterochromo- somentypen zu stellen ist, welche bei den Reifungsmitosen gleich- mäßig auf sämtliche Keimzellen verteilt werden und nachweislich nichts mit der Geschlechtsdifferenzierung zu tun haben, da neben ihnen sichere Geschlechtschromosomen angetroffen werden. Ich denke hier in erster Linie an die sog. gepaarten Mikrochromosomen, welche öfter durch abweichenden Konzentrationszustand (Hetero- pyknose) inmitten der Wachstumsperiode der Spermiozyte, stets durch ihre direkt beobachtbare, in der Metaphase erfolgende Kon- jugation !) und meist durch besondere Kleinheit sich auszeichnen, mitunter aber interessanterweise die Größe normaler Chromosomen erreichen können (nach Wilson 48, S. 101, bei Protenor belfragei) und sich dann besonders dem von uns diskutierten Heterochromosom annähern würden. Daß es nicht gelingt, das letztere in einem der bereits aufgestellten Heterochromosomentypen restlos unterzu- bringen, darf bei der außerordentlich großen Mannigfaltigkeit dieser Gebilde und ihres Verhaltens, auf die ich schon in der Einleitung zu dieser Mitteilungsreihe hingewiesen habe, nicht wundernehmen. Je mehr neue Typen wir ermitteln, um so mehr dürfen wir hoffen, aus der Fülle der Erscheinungen allmählich das Wesentliche abstra- hieren und so vielleicht in ihre Bedeutung tiefer eindringen zu können. Stellen wir die Züge, welche unser Heterochromosom von den bisher bekannten unterscheiden oder bei ihm besonders ausgeprägt !) Wenn ich oben mehrfach über die von den meisten Autoren in der Wachstumsphase der Geschlechtszellenbildung angenommene Chromosomen- konjugation mich mit Zurückhaltung ausgesprochen habe, so möchte ich hervorheben, daß für die Heterochromosomen dieser Vorgang in völlig einwandfreier Form im Zustand konzentrierter Chromatinelemente beobachtet wurde. Damit steigt in gewisser Weise die Wahrscheinlichkeit, daß bei den gewöhnlichen Chromosomen ähnliche Vorgänge vorkommen. Doch ist der nähere Ablauf solchen Geschehens, ob Längs- oder Endkonjugation usw., vorläufig noch als durchaus hypothetisch zu betrachten, Zusatz: Neueste Erfahrungen scheinen auch für die gewöhnlichen Chromosomen die Erscheinung der paarweisen Verbindung während der Geschlechtszellenreifung sicherzustellen (Metz und Nonidez, Journ. of exp. Zool., Vol. 32, 1921), Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 143 sind, noch ausdrücklich zusammen! Am meisten auffällig ist die Entstehung des Gebildes aus dem Spirem der Spermiozyte. Ein derartiger Vorgang ist meines Wissens bisher nur einmal in der Literatur geschildert worden und zwar von Boring (3, S. 126) für ein Insekt, die Psocide Cerastipsocus venosus, während sonst in der Regel angegeben wird, daß die Heterochromosomen, falls sie überhaupt als Chromatin-Nukleolen auftreten, bereits aus der letzten Spermiogonien-Telophase in kKonzentriertem Zustande in die junge Spermiozyte übernommen werden !). Die Schilderung von Boring bezieht sich auf die junge Spermiozyte und lautet folgendermaßen: „Ihere is a long piece of the spireme Iying close against the nuclear wall, that stains darker than the rest. This next be- comes more condensed and shorter, appearing as several beads . . . finally it becomes a solid round intensively staining body in the midst of a nucleus with a very ligthly staining spireme.‘ Das so entstehende Heterochromosom wird von unserer Autorin als Monosom aufgefaßt und erweist sich im weiteren Verlauf der Entwicklung als typisches Geschlechtschromosom. Eine zweite Eigenart im Verhalten des "uns beschäftigenden Strukturelements, die hervorgehoben zu werden verdient, ist seine Absonderung in einem besonderen Raum des Kernes, eine Erschei- nung, die bei den meisten bisher untersuchten Heterochromosomen- formen in der Spermiozytenperiode vermißt wird?) und, wenn !) Eine Ausnahme bilden hier die Mikrochromosomen, die ebenfalls inmitten der Wachstumsperiode der Spermiozyte in Heteropyknose über- gehen können, allerdings nicht schon unter Absonderung aus dem Spirem, sondern erst, nachdem sich dieses in einzelne Chromosomen zerlegt hat. Die Mikrochromosomen würden somit auch in dieser Hinsicht eine gewisse Aehnlichkeit mit dem von uns diskutierten Strukturelement aufweisen. Während das Heterochromosom der Maus bis etwa gegen die Mitte der Wachstumsperiode eine mit den übrigen Chromosomen gemeinsame Ge- schichte hat, erstreckt sich also diese gemeinsame Phase bei gewissen Mikrochromosomen noch etwas weiter. Uebrigens sprechen auch manche Angaben über andere Heterochromosomentypen dafür, daß die Chro- matinnukleolen, als die sie auftreten, erst nachträglich in der Spermio- zyte entstehen. So läßt Payne (35, S. 135) bei der Hemipterenart Prio- nidus cristatus die später aus vier Einzelelementen bestehenden Geschlechts- chromosomen erst in der synaptischen Kontraktionsphase (als einheitlichen Chromatinnukleolus) erkennbar werden. 2): Siehe oben S. 133. 144 S-Gutfherz: vorhanden, anscheinend nur selten so ausgeprägt ist, wie in unserem Falle. Wilson (49, S. 375) hat für die von ihm bei He- mipteren beobachteten, zum Teil sehr ähnlichen Bilder betont, daß zwar eine Wand zwischen dem besonderen Raum und den übri- gen Chromatinfäden nicht zu sehen sei, daß man aber bei dem deut- lichen Abstand, welchen die Chromatinfäden stets vom Hetero- chromosom innehalten, den Eindruck hätte, als ob sie einem wohl abgegrenzten Substrat auflägen, und glaubt hieraus schließen zu dürfen, daß das Heterochromosom tatsächlich in einer abgeschlos- senen Kammer des Kernes liege. Eine andere, sehr bemerkenswerte Erklärung dieser Verhältnisses hat Regaud (37, S. 326.) für. den Intranuklearkörper der Ratte versucht und zwar ohne die Möglichkeit zu diskutieren, daß derselbe ein Heterochromosom darstelle. Regaud weist darauf hin, daß die eigentümliche Flucht der Chromatinfäden vor dem Intranuklearkörper sich gut verstehen lasse, wenn man um denselben eine Zone erhöhten osmotischen Druckes annehme, wofür auch direkt die namentlich in bestimmten Stadien deutlich ausgeprägte Vorwölbung des Kernes im Bezirk des Intranuklearkörpers spreche. Mit Regauds Annahme stimmt auch meine oben (S. 118) für die Maus mitgeteilte Beobachtung gut, daß bei der Langstreckung des Intranuklearkörpers der von Chro- matinfäden freie Raum ebenfalls in die Länge gestreckt und senk- recht zur Kernmembran gestellt wird, sich die Chromatinfäden also hierbei in gleichem Abstand von dem Gebilde halten. Endlich wäre noch an eine den Intranuklearkörper umgebende Zone be- sonders zähflüssiger Substanz zu denken, die sich ebenfalls seiner Formveränderung anpassen könnte. Deutet bereits Regauds interessante Hypothese auf einen erhöhten Chemismüs des Intranuklearkörpers, welcher die Entstehung einer molar hochkonzentrierten Lösung in seiner Umgebung zur Folge hätte, so werden wir von dem Vorhandensein eines solchen bei der Maus auch durch den direkten Augenschein überzeugt. Denn sicher ist die so bedeutende Ausscheidung azidophiler Substanz, die wir hier am Intranuklearkörper oder, wie wir jetzt sagen können, am Heterochromosom beobachten, der Ausdruck besonders lebhafter Stoffwechselprozesse. Führt doch die Tätigkeit des Heterochromo- soms allein schließlich zur Ausbildung eines voluminösen echten Nukleolus, mit dem verglichen die safranophilen oder besser azido- philen Körper, welche die gewöhnlichen Chromatinfäden produ- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 145 zieren (vgl. S. 110 f.), nur eine bescheidene Leistung in derselben Richtung darstellen. Nach M. Heidenhain!) wäre die Aus- scheidung echter Nukleolarsubstanz mit dem Aufbau P-reicherer Nukleine in Verbindung zu setzen, man könnte also bei aller ge- botenen Vorsicht hier an eine besondere Form der Chromatin- synthese denken. Aber wahrscheinlich dürfen wir uns über die sich "hier abspielenden Vorgänge keine zu einseitige Vorstellung machen; vielmehr wird die uns gerade sichtbar werdende Substanz nur eine unter vielen sein, darauf deutet ja bereits die osmotische Hypothese Regauds. Ob die erhöhte Ausscheidung azidophiler Substanz eine allge- meinere Eigenschaft der Heterochromosomen darstellt, darüber läßt sich in der Literatur kein sicherer Anhalt gewinnen. Es scheint dieser Frage noch keine besondere Beachtung gewidmet worden zu sein. Nach Payne (35, S. 134) bilden bei der Hemipterenart Prionidus cristatus in der Wachstumsperiode der Spermiozyte die vier Heterochromosomen um sich herum ein gemeinsames großes Plasmosom, also einen Mantel von echter Nukleolarsubstanz, wäh- rend schon auf früheren Phasen der Entwicklung sich dicht neben den zu einem einheitlichen Chromatin-Nukleolus verbundenen Heterochromosomen ein großes Plasmosom fand, über dessen Genese nichts Näheres mitgeteilt wird. Auch sonst wird mehrfach das dichte Zusammenliegen eines echten Nukleolus mit einem Heterochromosom betont, so auch bei Gryllus domesticus. Es liegt hier offenbar noch ein Feld für weitere Untersuchungen vor, das auch für die allge- meinere Frage der Nukleolen-Genese überhaupt manche Aufklärung verspricht. Unsere Beobachtungen bei der Maus, am Intranuklearkörper wie an den Chromatinfäden, stützen die von manchen Autoren angenommenen genetischen Beziehungen zwischen Chromatin ‚und Nukleolen durch einen weiteren sicheren Fall. Für die Ratte wird von mehreren Autoren (v. Lenhossek, Regaud, Dues- berg) auf die große Häufigkeit aufmerksam gemacht, mit der ein gewöhnlicher Nukleolus in nächster Nachbarschaft des Intranuklear- körpers anzutreffen ist, ohne daß aus dieser topographischen ein Schluß auf eine genetische Beziehung gezogen würde. Regaud gibt auch an, daß der Intranuklearkörper aus einer hämateinophilen ı) Plasma und Zelle, 1. Lief., Jena 1907, S. 162. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 10 146 SIGHLBNIENT: und einer safranophilen Partie zusammengesetzt sein kann, was auf die Ausscheidung von echter Nukleolarsubstanz deutet. In jedem Fall erfolgen derartige Vorgänge bei der Ratte nicht nach Art eines völlig typischen Entwicklungsganges, wie er bei der Maus von uns geschildert wurde }). b) Wahrscheimliche-Analogien aus der Literatwe Die eigenartigen Verhältnisse, die wir bei dem als Hetero- chromosom erkannten Intranuklearkörper feststellen konnten und die ihm, namentlich in bezug auf seine Entstehung aus dem Spirem, eine Sonderstellung gegenüber den meisten bisher studierten He- terochromosomen-Typen einräumen, rüsten uns mit neuen Gesichts- punkten aus, wenn wir an eine auf diese Fragen gerichtete Unter- suchung der Vertebraten in größerem Maßstabe herantreten, wie ich eine solche plane ?). Es wird aber auch von Interesse sein, schon 1) Erst nachträglich bemerke ich, daß Vejdovsky bereits 1909 (43, S. 3 ff.) in einer in tschechischer Sprache erschienenen und daher weniger leicht zugänglichen Abhandlung eine Homologie zwischen dem von v. Len- hoss&k beschriebenen Intranuklearkörper und den Heterochromosomen der Insekten aufgestellt hat. Er weist dabei (S. 9) interessanterweise auch gerade auf die oben z. T. wiedergegebenen Abbildungen Ottes hin und macht ebenfalls darauf aufmerksam, daß das von v. Lenhossek und Duesberg für die Ratte angegebene Verschwinden des Intranuklear- körpers sich vielleicht dufch eine Umwandlung desselben in ein typisches Chromosom erklären ließe. Durch meine Feststellungen bei Maus und Ratte hat der von Vejdovsky intuitiv ausgesprochene Gedanke erst eine tatsächliche Grundlage erhalten. Denn das von ihm (l. c.) als Intra- nuklearkörper bzw. Heterochromosom beim Kater beschriebene Gebilde war nichts anderes als ein echter Nukleolus von mitunter eigenartiger Form, wie ich bereits 1912 (13, S.92) angab und bei einer soeben vorgenommenen Nachuntersuchung aufs neue feststellen konnte. 2) Unser Hauptaugenmerk wird hier darauf gerichtet sein müssen, in der Wachstumsperiode der Spermiozyte nicht so sehr nach bereits von vornherein vorhandenen Chromatinnukleolen zu fahnden, sondern vielmehi auf eine etwaige spätere Absonderung von Heterochromosomen von den übrigen Chromosomen zu achten. Wenn z.B. Jordan (23, S. 165—167) für die indische Manguste (Herpestes griseus) das Fehlen von Heterochromo- somen auf die Abwesenheit von Chromatinnukleolen gründet, so wird in einem solchen Falle in Betracht zu ziehen sein, ob nicht Heterochromosomen in anderer Form, ohne ins Auge springende Heteropyknose, dennoch auf- treten. — Unter den niederen Vertebraten scheinen besonders die Selachier Aussicht auf erfolgreiche Untersuchung zu bieten. Der von Moore (33, S. 285 ff.) bei einer Reihe von Selachierarten beschriebene „sekundäre Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 147 jetzt in der Literatur nach Angaben Umschau zu halten, die vielleicht auf ähnliche Verhältnisse hindeuten, wie die von uns bei der Maus aufgefundenen. In der Tat zeigen sich bereits einige Anhaltspunkte in dieser Richtung. Hier ist in erster Linie des bemerkenswerten basophilen Struk- turelementes in der Spermiozyte des Menschen zu gedenken, welches ich 1911 (12, S. 255) kurz erwähnt ‚und 1912 (13) näher beschrieben habe und das von v. Winiwarter (5l) und Jor- dan!) (23) bestätigt wurde. Montgomery (32) fand ebenfalls einen basophilen Körper, bisweilen aber statt eines zwei derartige Gebilde von verschiedener Größe. Das von mir in der Spermiozyte des Menschen beschriebene Strukturelement hat verschiedene Züge mit dem Heterochromosom der Maus gemeinsam, so die Vorliebe, mit der es in der Nähe der Kernmembran gelegen ist und dieser dann meist mit dem Ende seiner langgestreckten Gestalt aufsitzt, sowie seine feinere Struktur, die sich, wenn auch lange nicht so deut- lich wie bei der Maus, als Doppelstäbchen oder Vierergruppe dar- stellt. Wenn ich meine Deutung des Gebildes als Heterochromosom seinerzeit mit einem Fragezeichen versehen mußte, so hatte das, wie ich jetzt meine, seinen Hauptgrund wohl darin, daß ich damals nicht systematisch alle in Betracht kommenden Stadien untersucht habe, sondern nur die am meisten in die Augen fallenden herausgriff. Es soll eine meiner nächsten Aufgaben bilden, die Studien am menschlichen Material von neuem aufzunehmen und dabei meine besondere Aufmerksamkeit der Genese des in Frage stehenden Körpers und seinem nach Montgomery mitunter vorkommen- den doppelten Auftreten zu widmen. Vielleicht gehört ferner hierher der eigenartige Nukleolus, den Benda (2, S. 448) in der Spermiozyte der Marsupialiergattung Perameles als ‚ein merkwürdiges eckiges, oft keilförmiges Gebilde‘ schildert. Der Körper liegt, wie aus Bendas Figuren hervorgeht, mit Vorliebe ganz in der Nähe der Kernmembran und kann auch Nukleolus‘“, den v. Lenhossek mit seinem Intranuklearkörper homo- logisierte, spricht in diesem Sinne. !) Wenn Jordan (23, S. 178) meint, er habe mit meinen Angaben zugleich diejenigen von G uyer (16) bestätigt, so befindet er sich in einem Irrtum, da der letztere Autor, wie ich in meiner Mitteilung von 1912 (13, S. 90) ausführte, den Kern der Spermiozyte in nur unzureichender Weise untersuchte und ihm so gerade das von mir aufgefundene Gebilde ent- gangen ist. 10 * 148 3. Gistcmeirz: die Gestalt eines Doppelstäbchens aufweisen (Taf. 64, Fig. 1 C,). Ich möchte das Gebilde daher nicht, wie es Benda tut, für einen Nukleolus, sondern für den Intranuklearkörper halten und den „linsenförmigen‘‘ Körper, welcher später auftritt und nach unseres Autors Figuren nicht dicht in der Nähe der Kernmembran liegt, im Gegensatz zu Benda, der ihn als Intranuklearkörper anzu- sprechen geneigt ist, für einen gewöhnlichen Nukleolus ansehen. Interessanterweise tritt das ersterwähnte eckige Gebilde, wieBenda genau feststellen konnte, erst in dem von ihm als C, bezeichneten Stadium auf, das, als dichter Knäuel geschildert, ungefähr dem Sta- dium 711 entsprechen dürfte, in welchem der Intra- nuklearkörper bei der Maus und gewöhnlich auch bei der Ratte in die Erscheinung tritt. Als ein Objekt, bei welchem möglicherweise ähn- liche Verhältnisse vorliegen, wie wir sie bei der Maus Fig. 6. Spermiozyte in auffanden, ist endlich das Opossum (Didelphys vir- früher postsyn- A > - aptischer Phase giniana), also ebenfalls ein Beuteltier, zu nennen, von Didelphys . virginiana nach dessen Spermiogenese Jordan {22) untersucht hat. yorcan ID Bei diesem Autor findet sich die auffallende Angabe (l. c., S. 44), daß das Gebilde, welches er in der frühen Spermiozyte . als Heterochromosom deutet, sich weder leicht noch intensiv mit Chromatinfarben tingiert, wie das typische Chromosom-Nukleolen tun, und allmählich so stark an Größe abnimmt, daß sein Erhalten- bleiben nicht mit völliger Sicherheit zu konstatieren ist. Später, vom Synapsisstadium an (l.c., S. 46), finde sich ein völlig Konstanter und intensiv färbbarer Chromatin-Nukleolus, der stets eine feste topo- graphische Beziehung zum Idiozom besitze. Ich vermute nun, daß das anfangs auftretende Gebilde ein gewöhnlicher Nukleolus ist und nur das zweite ein Heterochromosom darstellt, das sich, wie bei der Maus, erst später aus dem Spirem entwickelt. Interessanterweise betont Jordan den häufigen Zusammenhang des zweiten Gebildes mit einem Chromatinfaden, was ebenfalls zugunsten meiner Deutung spricht. In Textfigur 6 habe ich eine Abbildung Jordans wiedergegeben!), welche den in Rede stehenden Körper mit dem einen Ende des kontinuierlichen Spirems verbunden zeigt; nach Auffassung des Autors haben sich in der hier dargestellten frühen Postsynapsis die zuvor schon getrennten Chromatinschleifen wieder zu einem einheitlichen Faden vereinigt. !) Seine Fig. 17 auf Taf. V (verkleinert). Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 149 9 Bisherige Angaben über Heterochromo- Some ee Mauss und. Ratte, Wenn wir auch, wie bereits einleitend bemerkt, eine eingehendere Besprechung der Heterochromosomen-Literatur verschieben wollen, bis wir über eine größere Reihe von Untersuchungsobjekten ver- fügen, fordern doch einige Literaturangaben, die mit dem Thema der vorliegenden Mitteilung in nächstem Zusammenhange stehen, schon jetzt unsere Aufmerksamkeit. Bereits 1902 hat Me Clung (31, S. 224) kurz mitgeteilt, daß er bei einer vorläufigen Unter- suchung des Mäusehodens ein Strukturelement klar zu unterscheiden vermochte, welches dem ‚akzessorischen Chromosom‘‘ der Insekten so ähnele, daß er von einer Identität beider Bildungen überzeugt sei. Ebenfalls ohne nähere Schilderung oder Abbildungen hat dann Guyer 1910 (16) eine entsprechende Angabe für die Ratte ge- macht. Merkwürdigerweise sind beide Autoren auf diese ihre An- gaben später meines Wissens nie mehr zurückgekommen. Eine genauere Untersuchung der Spermiogenese der weißen Maus auf Heterochromosomen hat Jordan vorgenommen und 1914 (23, S. 169—170) über ein positives Ergebnis derselben be- richtet. Doch teilt seine Arbeit mit allen übrigen bisher bei Verte- braten in dieser‘ Richtung vorgenommenen Studien den Mangel, daß sie nicht systematisch auf Grund der topographischen Histo- logie des Samenepithels alle in Betracht kommenden Stadien in strenger Seriierung untersucht, sondern nur gewisse Phasen zur Betrachtung herausgreift. Auf diese Weise erklärt sich wohl in erster Linie, daß unserem Autor fast alle wesentlichen Züge des Heterochromosoms der Maus entgangen sind. Charakteristisch ist z. B. die Angabe, daß in Leptotän- und Diplotänphasen der Spermio- zyte das Heterochromosom sehr häufig in einem hellen Raume liege, der frei von Fäden sei. Die Angabe bezieht sich offenbar auf den besonderen Raum des Intranuklearkörpers, auf dessen Identität mit seinem Heterochromosom der Verfasser übrigens gar nicht zu sprechen kommt. Nun ist aber im Leptotän (das unge- fähr unseren Stadien 211 und 311 entspricht) der Intranuklear- körper noch gar nicht entwickelt und von Stadium 7 1 an (das etwa mit einem frühen Pachytänstadium zusammenfällt), wo er erscheint, liegt er mit völliger Konstanz, nicht nur während der Diplotän- phase, in einem besonderen Raum (bis zum Eintritt der Diakinese). 150 SG uktihre nz: Wenn Jordan schon vor Stadium 7ır ein „Heterochromosom“ annimmt — und er tut dies bereits vom ersten Auftreten der Sper- miozyte an —, so muß, wie aus unserer genauen Verfolgung der betreffenden Stadien hervorgeht, eine Verwechselung mit irgend- welchen Chromatinkondensationen, vielleicht den von uns geschil-. derten ‚„Chromoplasten‘, vorliegen. Als wichtigstes Argument für das Vorhandensein eines Hetero- chromosoms betrachtet Jordan die Feststellung, daß das von ihm so gedeutete Gebilde in den späteren Phasen der Spermiozyten- Entwicklung konstant als Doppelnukleolus auftrete, den er als ein Doppelchromosom (gepaarte Idiochromosomen oder zweiteiliges X-Element) auffaßt !J. Hier hat unser Autor, da er sich nur der Heidenhainschen Eisen-Hämatoxylin-Methode bediente und keine spezifische Färbung anwandte, übersehen, daß der ‚„Doppel- nukleolus‘“ aus zwei völlig verschiedenwertigen Komponenten, einer nukleolaren (azidophilen) und einer chromosomalen (basophilen), besteht. Die feinere Struktur der chromosomalen Komponente als Doppelstäbchen oder Vierergruppe, die uns die Brasilin-Methode in so großer Klarheit zeigte, ist ihm ebenfalls entgangen. Wir müssen daher sagen, daß Jordan seine Diagnose eines Heterochromosoms bei der weißen Maus auf durchaus unzureichende tatsächliche Unterlagen gründete. Während der Reifungsteilungen und in spä- teren Stadien der Spermiogenese konnte dieser Autor kein beson- deres Chromatinelement mit Sicherheit feststellen. Nur gelegentlich finde sich in der ersten Reifungsmitose eine Spindel mit einem großen Chromosom, das den übrigen in der Aequatorialplatte ver- einigten Chromosomen vorauseile. Das von uns häufiger beob- achtete Vorkommen mehrfacher aberranter Chromosomen ver- zeichnet Jordan nicht. d). Zur Gesicht chitrerd ir WErd or Sch in ade Intrass I ee Unserer Betrachtung des Intranuklearkörpers möchte ich noch eine Bemerkung zur Geschichte seiner Erforschung anfügen, da ı) Jordan erwähnt in der Erklärung zu den Fig. 26 und 27 a seiner Tafel, daß der Doppelnukleolus fast konstant an der Kernmembran und dicht am Idiozom gelegen sei. Die letztere Angabe ist unzutreffend, wie aus der Darstellung meiner Befunde (S. 107) hervorgeht (vgl. auch meine Fig. 49 auf Taf. V]). Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 151 ich die von Regaud (37, S. 329 ff.) diesem Gegenstand gewidmete ausgezeichnete Literaturübersicht in einem wichtigen Punkte zu ergänzen habe. Merkwürdigerweise ist nämlich Regaud!) der Entdecker des Intranuklearkörpers, Sanfelice, völlig ent- gangen. Letzterer Autor hat bereits 1888 (38; 39, S. 88) den Intra- nuklearkörper von Maus und Ratte vor Augen gehabt und als etwas Besonderes, dessen Bedeutung er sich nicht erklären konnte, hervor- gehoben, ihn also nicht mit einem Nukleolus identifiziert, während v. Ebner, den Regaudals ersten Autor nennt, nur von einem Nukleolus sprach und später selbst ausdrücklich erklärt hat (8, S. 432), daß er den Intranuklearkörper in seiner Arbeit von 1888 übersehen «habe. Sanfelice charakterisiert die verschiedenen Stadien des Spermiozytenkerns zutreffend als feinen Uebergangs- und dicken Knäuel. Seine erste uns interessierende Aeußerung bezieht sich auf das Uebergangsstadium und lautet so: „De plus, detachee des filaments, le plus souvent dans un des pöles dans le noyau, qui correspond A l’axe le plus long, se trouve une masse fusiforme qui prend la couleur moins que les anses chromatiques. La signification de cette masse m’est parfaitement inconnue.‘ Von dem späteren Stadium heißt es sodann: „Dans ce boyau large on observe aussi, pas toujours vers la peripherie, mais plus souvent vers le centre, des masses isolces, qui se colorent moins que les anses chromatiques et qui ont la forme d’un 8; ces masses, comme les autres, restent pour moi sans explication.‘ In dem erstzitierten Passus finden wir also eine äußerst treffende Schilderung des Intranuklearkörpers in seinem besonderen Raum, bei der auch nicht die Langstreckung des Kerns in bezug auf seine .durch den Intranuklearkörper gehende Achse vergessen wird. Im zweiten Zitat handelt es sich um das namentlich für die Maus cha- rakteristische Auftreten des Gebildes als Doppelkörpers in der letzten Spermiozytenperiode; der Vergleich seiner Gestalt mit einer 8 ist nicht im heutigen Sinne einer Achterfigur, wie wir sie häufig bei den Chromosomen der Diakinese finden, gemeint, sondern soll nur bedeuten, daß zwei etwa rundliche Körper dicht aneinander !) Wie anscheinend allen übrigen Untersuchern des Intranuklearkörpers. 152 S.SGibtilseit.z: liegen, womit ja seine Gestalt im Groben ganz richtig charakterisiert wird. Für die Ratte handelt es sich offenbar um die nicht seltenen Bilder, wo dicht am Intranuklearkörper ein rundlicher Nukleolus angetroffen wird. Wenn Sanfelice angibt, daß in dem späteren Stadium das Gebilde nicht immer an der Peripherie des Kernes, sondern öfter auch gegen das Zentrum zu gelegen sei, so erklärt sich diese kleine Inkorrektheit wohl daraus, daß ihm beim Studium dieser Phase zufällig öfter Bilder vorkamen, in denen der Intra- nuklearkörper mehr oder weniger in der Aufsicht (von der Kern- membran aus gesehen) sich darbot. Die von unserem Autor auf Taf. II Figg. 56 und 57 von der Maus, Figg. 61 und 62 von der Ratte gegebenen Abbildungen ergänzen seine Schilderung in sehr an- schaulicher Weise. Da Sanfelice bereits wesentliche Züge des Intranuklearkörpers gesehen und in der Hauptsache richtig beschrieben hat, so bin ich dem Vorschlage Regauds, das Gebilde als Lenhossekschen Körper zu bezeichnen, nicht gefolgt. Ueberdies wird ja mit seiner Erkenntnis als Heterochromosom ein besonderer Name überflüssig. 2. Die aberranten Chromosomen der Reifungsmitosen. Bereits bei der Darstellung der Befunde (S. 121) habe ich die Gründe mitgeteilt, die mich veranlassen, das Auftreten der aber- ranten Chromosomen nicht für ein Kunstprodukt, sondern für den Ausdruck wirklicher Lebensvorgänge zu halten. Weit schwieriger aber ist es, über die Rolle, die sie spielen könnten, sich eine Vorstellung zu bilden. Wir wollen bei der Erörterung der verschie- denen Möglichkeiten, die für eine Erklärung sich darbieten, von den weniger wichtigen zu den bedeutsameren fortschreiten. Als erste Möglichkeit wäre eine Deutung zu nennen, welche die aberranten Chromosomen als solche gewissermaßen wieder aufhebt. Es könnte sich nämlich um eine Verzögerung in der Ein- ordnung der Chromosomen in die Aequatorialplatte handeln, mit dem nächsten Entwicklungsschritt würde diese Verzögerung wieder ausgeglichen und die betreffenden Chromosomen dann ebenso ge- teilt werden wie die übrigen. In dieser Weise hatv. Lenhossck ähnliche Vorgänge, die er in der Spermiozyten-Mitose bei der Ratte beobachtete, aufgefaßt. Unser Autor sagt (26, S. 264): „Der Vorgang der Hinnötigung der Chromosomen an die Zen- tralspindel geht also nicht gleichzeitig an allen Chromosomen- Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 153 reifen vor sich; ja es kommt vor, daß man in einem Stadium, wo bereits alle Ringe am Spindeläquator sich zu einer schönen Aequatorialplatte aneinander geordnet zeigen, seitlich von der Spindel, frei im Cytoplasma gelegen, noch ein renitentes Chromosom wahrnimmt.“ Wenn v. Lenhossek hier von einer Ringform der Chromo- somen spricht und man daher an eine noch nicht völlig aus- gebildete Metaphase denken könnte, so ist dazu zu bemerken, daß er bald darauf (S. 265) angibt, daß die Chromosomen, sobald sie einmal mit der Spindel in Verbindung getreten sind, in der Regel die Form von plumpen, kurzen Stäbchen erkennen lassen. Er dürfte also bei seiner Bemerkung das Auftreten aberranter Chromosomen in völlig typischen Aequatorialplatten im Auge haben, ganz wie wir es bei der Maus finden. Die Deutung v. Lenhosse&ks scheint mir aus einem be- sonderen Grunde recht beachtenswert. In der Prophase der ersten Reifungsmitose liegen die Chromosomen infolge ihres Auseinander- weichens in dem für die Spermiozyte charakteristischen Diakinese- stadium zunächst ganz in der Peripherie der Spindeltigur, müssen also vielfach, um in die Aequatorialplatte zu gelangen, größere Strecken zurücklegen, und gerade in dieser Mitose finden wir die aberranten Chromosomen besonders häufig. In Spermiogonien-Mitosen der Maus, die ich vielfach zu Gesicht bekam, habe ich aberrante Chromo- somen gar nicht verzeichnet. Indessen konnte ich solche mehrfach in Oogonien-Mitosen bei der Katze beobachten. Es erscheint wün- schenswert, festzustellen, wie oft aberrante Chromosomen bei den verschiedenen Zellformen vorkommen, worüber meines Wissens noch kein Beobachtungsmaterial vorliegt. Gegen die besprochene Deutung läßt sich anführen, daß wir bei der Maus, wenn auch wesent- lich seltener, aberrante Chromosomen auch in Anaphasen und Telo- phasen feststellen konnten. Man könnte aber daran denken, dab beim Zustandekommen der Bilder in der Metaphase mehrere Fak- toren mitwirken, deren einer eben die von v. Lenhosscek dis- kutierte Möglichkeit ist. Wir gelangen nun zu einer Besprechung von Erklärungen für die aberranten Chromosomen, die eine wirkliche ungleiche Vertei- lung dieser Elemente in der Mitose annehmen. Derartige Vorgänge lassen sich, wie aus der geschilderten außerordentlichen Variabilität der betreffenden Bilder hervorgeht, dem von mir in der ersten Mit- 154 3. (GHtetDertzZ: teilung zu unserem Thema (14, 5. 343) aufgestellten Begriff der ‚aty- pischen Heterokinese‘ einordnen: es würde sich also, im Gegensatz zu der bei Geschlechtschromosomen beobachteten typischen Hetero- kinese, um ein keiner bestimmten Regel unterliegendes Ungeteilt- bleiben gewisser Chromosomen bei der Mitose handeln. Im besonderen sind hier wieder zwei Möglichkeiten zu unter- scheiden. Einmal könnten die heterokinetischen Vorgänge Ab- normitäten darstellen, welche die von ihnen betroffenen Samen- elemente aus dem normalen Fortpflanzungsprozeß ausschalten würden. Man könnte von einer derartigen Betrachtungsweise aus die Fragen aufwerfen, ob das Vorkommen der aberranten Chromo- somen an bestimmte Individuen oder Rassen oder an den Zustand der Domestikation geknüpft sei. Man wäre auch versucht, an Ana- logien mit den bei bösartigen Geschwülsten beobachteten asym- metrischen Mitosen (v. Hansemann) zu denken. Sodann aber — und damit sind wir zu den bedeutungsvollsten der von uns diskutierten Möglichkeiten gelangt — müßte auch in Betracht gezogen werden, daß die mit aberranten Chromosomen ausgestatteten Samenfäden im normalen Chromatinzyklus der Art verbleiben, also in derselben Weise an der Fortpflanzung sich be- teiligen wie alle übrigen. Damit wäre natürlich die Lehre von der Konstanz der Chromosomenzahl aufs schwerste erschüttert. Es handelt sich demnach um eine Annahme, die wir nur auf Grund zwingender Argumente machen könnten. Indessen dürfen wir nicht an der Tatsache vorübergehen, daß sich in letzter Zeit die Stimmen mehren, welche Inkonstanz der Chromosomenzahl bei den Verte- braten behaupten. Sohat Wie man (45) für die somatischen Zellen eines menschlichen Embryos ein Schwanken der Chromosomenzahl von 33 bis 38 angegeben. Aus derartigen Angaben ebenso wie aus den von uns mitgeteilten Beobachtungen erwächst die Forderung, die Frage nach der Konstanz der Chromosomenzahl bei den Verte- braten einer möglichst sorgfältigen und auf eine breite Basis von Beobachtungen gestellten Untersuchung zu unterziehen. Wie be- reits mehrfach hervorgehoben, wäre ein in dieser Hinsicht gewon- nener klarer Standpunkt auch für unser spezielles Problem von großer Wichtigkeit. Wenn ich die Frage nach der Bedeutung der von uns geschil- derten aberranten Chromosomen, die vorläufig noch ganz in hypo- thetisches Gebiet führt, in solcher Breite erörtert habe, so geschah Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten., 155 es in erster Linie, weil aus ähnlichen Bildern offenbar die Autoren vielfach auf typische Heterokinese von Geschlechtschromosomen bei Vertebraten geschlossen haben und ich zeigen wollte, auf wie unsicherem Grunde derartige Behauptungen jedenfalls bei den Säugern ruhen. Doch ist zu betonen, daß hier, ganz abgesehen von dieser seiner negativen Seite, ein Gebiet vorliegt, das noch einer näheren, insbesondere vergleichenden Erforschung bedarf und viel- leicht interessante Ergebnisse zeitigen Kann. Vorgänge, die in manchen Zügen an das bei unseren aberranten Chromosomen zu Beobachtende erinnern und sicher atypische Heterokinese darstellen, haben verschiedene Botaniker, neuerdings besonders überzeugend Winge (50, S. 210 ff.), beschrieben. Für die weiße Maus hat Lukjanow schon 1898 (29, S. 299) auf Grund von Beobachtungen aberranter Chromosomen (vgl. seine Fig. 57, Taf. Il, die sich allerdings offenbar auf die zweite Reifungs- mitose bezieht) die Vermutung ausgesprochen, daß in der ersten Reifungsmitose eine ungleiche Verteilung von Chromosomen statt- finden ‘könne, nachdem ‘er einen derartigen Vorgang bei der Pol- zellenbildung von Ascaris mystax (28, S. 403 und Fig. 24) direkt hatte feststellen können !). Derselbe Autor (29, S. 302) berichtet bei der weißen Maus über starke Schwankungen der Chromosomen- zahl in den Reifungsmitosen, deren Bedeutung man noch nicht kenne. Eine genauere Schilderung aberranter Chromosomen -in den Reifungsteilungen der menschlichen Spermiogenese hat Mont- gomery (32, S. 5—12) geliefert. Er glaubt, die äußerst variablen Bilder, die er beschreibt, sämtlich durch die in sehr verschiedener Weise (teils als Heterokinese, teils als Eukinese) erfolgende Vertei- lung zweier Heterochromosomen, eines größeren und eines kleineren, erklären zu können. Aber selbst dieser komplizierte Erklärungs- versuch versagt gegenüber der Fülle der Erscheinungen, z. B. dem Vorkommen von drei Chromosomen an einem Spindelpol der Prä- spermiden-Mitose (l. c., S. 7 und Fig. 47, Taf. V]), so daß unser Autor zu sehr gekünstelten Hilfsannahmen gezwungen ist. Mir scheint, daß hier ganz ebenso regellos wechselnde Bilder vorliegen wie in der Spermiogenese der Maus, Montgomery nimmt an, daß durch die beobachtete ab- !) Schon vor Lukjanow hatte Boveri für Ascaris megaloce- phala entsprechende Abnormitäten beschrieben (Zelienstudien, Heft I, Jena 1887). 156 SGSetchtestz weichende Chromosomenverteilung, die er in der ganz überwiegenden Mehrzahl der von ihm untersuchten Mitosen fand, 4 oder vielleicht 6 verschiedene Sorten von Spermien entstehen. Boring und Pearl (4) dagegen, die in der Spermiogenese des Haushuhnes ebenfalls aberrante Chromosomen zu Gesicht bekamen, verzichten auf eine Erklärung des Phänomens. Sie begnügen sich mit einer sehr genauen zahlenmäßigen Feststellung der aberranten Chromo- somen (ca. 12% in der.ersten, 3% in der zweiten Mitose) und weisen insbesondere durch einen zahlenmäßigen Vergleich mit wirklichen Heterochromosomen bei einem Insekt nach, daß es sich beim Hahn nicht um typische heterokinetische Prozesse handeln Kann. Auch bei der Maus läßt sich aus dem Vorhandensein der aber- ranten Chromosomen, wie sich bereits aus der Darstellung unserer Befunde ergibt, nicht der geringste Anhaltspunkt für eine regel- mäßige heterokinetische Verteilung von Geschlechtschromosomen ableiten. Ich möchte aber noch ausdrücklich hervorheben, daß — abgesehen von der großen Variabilität der aberranten Chromosomen in bezug auf Zahl und Größe — durch ihr relativ seltenes Vorkom- men (in ca. 20% der ersten Reifungsmitosen, während sie in 100% zu erwarten wären !), eine Beziehung derselben zur Geschlechts- differenzierung ausgeschlossen wird. Es fragt sich nur noch, ob nicht ganz unabhängig von diesen Bildern die Möglichkeit hetero- kinetischer Prozesse zuzugeben wäre. In der Tat ist eine solche so lange nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, als nicht die an sämtlichen Chromosomen während der Mitosen sich abspielenden Vorgänge genau festgestellt sind. Es wäre z. B. denkmöglich, daß ein Chromosom, etwa das von uns in der Spermiozyte ermittelte Heterochromosom, ungeteilt in eine Tochterzelle überginge und doch in der Metaphase noch in Reih und Glied mit den übrigen sich aufstellte, daher als heterokinetisch nicht zu erkennen wäre, Diese Möglichkeit ist aber, da bei wirklich Heterokinese erfahrenden Chromosomen Derartiges noch nie beobachtet wurde, so unwahr- scheinlich, daß wir sie völlig vernachlässigen dürfen. Immerhin !) Allenfalls könnte man noch daran denken, daß der heterokinetische Prozeß bei demselben Individuum entweder in der ersten oder in der zweiten Reifungsmitose erfolge, wie das in seltenen Fällen tatsächlich beschrieben wurde. Dann wäre aber die Zahl der aberranten Chromosomen in der zweiten Mitose, wo sie nur spärlich zu finden sind, natürlich erst recht nicht aus- reichend. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 157 wird über diese Frage ein endgültiges Urteil aufgeschoben werden müssen, bis es auch bei Säugetieren gelungen sein wird, die Chromo- somenverhältnisse während der Reifungsmitosen restlos aufzuklären. IV. Allgemeinere Betrachtungen. 1. Zur Frage nach der Funktion der Heterochromosomen. Ueber die spezielle Funktion der Heterochromosomen besitzen wir keine Kenntnis. Das kann nicht wundernehmen, da wir ja in dieser Hinsicht auch für die Chromosomen überhaupt vorläufig noch auf Hypothesen angewiesen sind. Eine Zeitlang schien es allerdings, als ob die für gewisse und zwar die häufigsten Hetero- chromosomentypen festgestellte Beziehung zur Geschlechtsdifferen- zierung gerade für die Heterochromosomen einen sicheren Einblick in das Wesen ihrer Funktion gestatte. Die weitere Entwicklung der Forschung hat indessen gezeigt, daß die Chromatinverhältnisse keineswegs den einzigen für die Geschlechtsbestimmung maß- gebenden Faktor darstellen. War man nun geneigt, den Hetero- chromosomen wenigstens eine sehr wichtige Rolle bei der Mit- wirkung zur Geschlechtsbildung zuzuerteilen, so erfuhr man wiederum eine Enttäuschung, als sich herausstellte, daß weder in bezug auf Chromosomenmasse noch auf Chromosomenzahl eine konstante Beziehung zwischen Heterochromosomen und Geschlecht bei den verschiedenen Tiergruppen besteht. Es muß daher heute die sog. Indexhypothese Haeckers!), welche in dem Auftreten ver- schiedener Chromatinverhältnisse bei den Geschlechtern lediglich ein Anzeichen für die durch andere Faktoren vollzogene Geschlechts- differenzierung erblickt, sehr in Betracht gezogen werden. Auch die Versuche, die Geschlechtschromosomen insofern noch mit Ge- schlechtsdifferenzierungsvorgängen in Verbindung zu bringen, als man sie für die histogenetische Ausbildung der Ei- bzw. Samen- zellen verantwortlich machen wollte, haben nicht zu einer durch- greifenden Anschauung geführt ?). t) Ungefähr gleichzeitig mit Haecker auch von Fick (10, S. 90) ausgesprochen. ?) Nachträglicher Zusatz: Man wird hier einen Hinweis auf die Hypothese vermissen, daß im X-Chromosom die sog. geschlechtsgebun- denen Erbfaktoren enthalten seien. Ich hatte aber beim Schreiben obiger Zeilen nur tatsächliche Ergebnisse im Auge. Die neueste Entwicklung der Forschung (Bridges, Seiler) macht mich übrigens geneigt, nunmehr eine 158 Ss. Gutherz: Unter solchen Umständen muß man schon zufrieden sein, wenn es gelingt, über allgemeinere funktionelle Verhältnisse der Heterochromosomen, z. B. über die Intensität ihrer Funktion, Aufschluß zu gewinnen. In dieser Hinsicht bieten nun unsere Be- obachtungen an der Maus wertvolle Anhaltspunkte. Sehen wir doch “hier, wie ein Heterochromosom die übrigen Chromosomen in bezug auf die Masse ausgeschiedener echter Nukleolarsubstanz wesentlich übertrifft. Muß hieraus auf einen gesteigerten Chemismus im He- terochromosom geschlossen werden, so stimmt damit gut der be- sondere Raum, der für das Heterochromosom durch den stets ge- wahrten Abstand der übrigen Chromatinelemente freigehalten wird und an eine Zone erhöhten osmotischen Druckes in seiner Um- gebung denken läßt. Diese Beobachtungen liefern eine schöne Be- stätigung des von Fick 1907 (10, S. 90) ausgesprochenen Gedankens, daß den Heterochromosomen, trotz ihrer meist gleichen Farben- reaktion für unsere zufällig im Gebrauch befindlichen Farben, vielleicht doch eine besondere chemische Beschaffenheit und damit eine bestimmte, von der der anderen Chromosomen abweichende Bedeutung für den Stoffwechsel der Zelle zukomme. Dagegen stehen unsere Befunde an der Maus in entschiedenem Gegensatz zu einer anderen Anschauung, die auf die Inaktivität der Heterochromosomen den Ton legt und besonders von Groß (11, S. 152 ff.) vertreten wird. Dieser Autor erblickt in dem Unter- bleiben der Teilung gewisser Heterochromosomen (in einer spermio- genetischen Reifungsmitose) sowie in der stark kondensierten Er- scheinungsform als Chromatin-Nukleolen (in der Wachstumsperiode der Spermiozyte) bei diesen und anderen Heterochromosomenformen Anzeichen einer verminderten Tätigkeit gegenüber den gewöhn- lichen Chromosomen. Wenn Groß die ihm wohlbekannten Fälle, in denen Me Clung und Otte von dem an der Kernmembran isoliert liegenden Heterochromosom gewisser Orthopteren die Auf- lockerung zu einem mehr oder weniger feinen Spirem schildern, zur Not noch so deuten könnte, daß hier eine Reminiszenz an die frühere Aktivität und in der Isolierung sowie dem späteren Unter- bleiben einer Teilung in der einen Reifungsmitose bereits der Ueber- gang zur Inaktivität vorliege, so sind derartige Argumente gegenüber kausale Beziehung zwischen Geschlechtschromosomen und Geschlechtsbe- stimmung als so gut wie erwiesen zu betrachten. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 159 den Befunden an der Maus nicht mehr aufrecht zu erhalten )). Können wir hier doch fast zahlenmäßig die höhere chemische Leistung des Heterochromosoms gegenüber den gewöhnlichen Chromosomen registrieren. Ich bin daher mit Otte (34, S. 469) der Ansicht, daß die Heterochromosomen keineswegs stets in ihrer Tätigkeit eingeschränkt erscheinen und es daher durchaus nicht angängig ist, sie allgemein als in Rückbildung begriffen zu be- trachten, wie es Paulmier und (anfangs) Montgomery taten, denen sich später Groß angeschlossen hat. 2. Zur Lehre von der Chromosomen-Geiese. In der Frage nach der Entstehung der Chromosomen im Einzel- leben der Zelle stehen sich bekanntlich zwei große Lehrmeinungen gegenüber: die Kontinuitäts- oder Individualitätslehre (Rabl, Boveri) und die Manöveriertheorie (Fick). ©. Hertwig sieht beide Anschauungen als zur Zeit gleichberechtigte Hypothesen an. Wir sind im Laufe unserer Untersuchungen einigen Beob- achtungen begegnet, die zwar nicht eine unbedingte Stellungnahme zu jenen Theorien erfordern, aber zum Nachdenken in dieser Rich- tung anregen. Wenn wir sahen, wie ein Heterochromosom sich aus einem anscheinend beliebigen Teile des Spirems entwickelt und wie die aberranten Chromosomen sich vielleicht als Elemente inter- pretieren lassen, die eine regellose Verteilung in den Reifungsmitosen erfahren, so sprechen solche Tatsachen bzw. Deutungen natürlich noch nicht entschieden gegen die Kontinuitätslehre. Sie ließen mich aber mit dem Gedanken vertrauter werden, wie sich unsere theo- retischen Vorstellungen zu gestalten hätten, wenn einmal strikte Beweise gegen jene Lehre geliefert würden, wie solchen z. B. die sichere Feststellung einer inkonstanten Chromosomenzahl bei den Vertebraten bedeuten müßte. Ich wurde so zu einem Gedanken ı) Die Position von Groß war übrigens schon stark erschüttert, als v. Baehr (1, S. 396 f. und 420 f.) in seiner Untersuchung der Spermio- genese von Aphis saliceti zeigen konnte, daß das in einer der Reifungs- teilungen in typischer Weise ungeteilt bleibende Heterochromosom (Mono- som) in der Wachstumsperiode der Spermiozyte sich in keiner Weise durch einen abweichenden Konzentrationszustand (Heteropyknose) oder besondere Stellung im Kern von den übrigen Chromosomen unterscheidet, also genau so aktiv wie diese erscheint. Diese wichtige Beobachtung findet sich bereits in früheren Veröffentlichungen v. Baeh rs, wenn auch noch nicht in so völlig gesichertem Nachweis, 160 5. Gurtherz: geführt, der meines Wissens in der Literatur noch nicht deutlich ausgesprochen ist und der vielleicht manche auf diesem Gebiete an- scheinend schroffen theoretischen Gegensätze zu mildern geeignet wäre. Ich erlaube mir daher, ihn als Arbeitshypothese vorzulegen. Suchen wir den Gehalt der beiden über die Chromosomen- Genese aufgestellten Meinungen auf eine kurze Formel zu bringen, so finden wir, daß im Falle der Individualitätslehre die Chromo- somen aus dem Stadium des „Ruhekerns‘‘ durch Umbildung be- reits vorhandener Strukturen hervorgehen, während sie nach der Manöverierlehre durch eine Art ontogenetischen Prozesses aus bloßen Anlagen neu entstehen. Mit anderen Worten: wir haben hier den alten Gegensatz von Evolution und Epigenese, wie bereits Tellyesniczky (42) hervorgehoben hat, für den allerdings die Chromosomen im Ruhekern noch weiter aufgelöst sind, als der Manöverierlehre entsprechen würde. Denken wir diesen Ver- gleich weiter durch, so gestattet er uns eine bemerkenswerte Nutz- anwendung. Bekanntlich sind alle modernen Entwicklungstheo- rien aus epigenetischen und evolutionistischen Elementen zusammen- gesetzt und wir finden bei den verschiedenen Tiergruppen ausge- sprochene Uebergänge zwischen mehr epigenetischer und mehr evolutionistischer Entwicklungsweise, ich brauche nur an die Regu- lations- und die Mosaikeier und ihre Zwischenstufen zu erinnern. Wäre es nun nicht denkbar, daß auch für die Chromosomen-Genese ähnliche Uebergänge existierten und daß diejenigen Tierformen, welche besonders gute Argumente für die Individualitätslehre dar- bieten, an das letzte Ende einer Reihe zu stellen wären, die von einer epigenetischen zu einer evolutionistischen Bildungsweise der Chro- mosomen führt ? Zugunsten einer solchen Annahme lassen sich zwei Gründe anführen. Einmal können wir in manchen Fällen Uebergänge zwischen dem wirklichen Erhaltenbleiben von Chromosomen im Ruhestadium des Kernes und ihrer anscheinend vollkommenen Auflösung direkt beobachten, worauf Fick (10, S. 113f.) aufmerksam machte. So- dann ist die auffällige Tatsache zu verzeichnen, daß gerade die Tier- formen, die der Individualitätslehre ihre besten Stützen lieferten, Ascaris megalocephala und die Insekten, eine stark evolutionistische Entwicklungsweise haben. Das kommt unter anderem sehr schön in der Art zum Ausdruck, wie hier die Geschlechtszellen im nächsten Anschluß an die befruchtete Eizelle entstehen, deren Konstitution Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 161 offenbar möglichst unverändert auf die künftigen Keimzellen über- tragen wird, während sich z. B. bei den höheren Vertebraten die Lehre von der „Spezifität‘‘ der Keimzellen höchstwahrscheinlich nicht streng durchführen läßt. In ähnlicher Weise ist bei den In- sekten kein Einfluß einer inneren Sekretion der Geschlechtsdrüsen auf die akzidentalen (sekundären) Geschlechtscharaktere zu kon- statieren; dagegen ist derselbe bei den Vertebraten bekanntlich sehr weitgehend. Auch hier also bei den Vertebraten labilere, bei den Insekten fester fixierte Verhältnisse! Wir könnten daher auf diesem Wege wohl ein Verständnis dafür gewinnen, daß bei solchen Formen wie Insekten und Nematoden, die von manchen Autoren den Insekten sehr nahe gestellt werden, die Chromosomen-Genese ausgesprochen evolutionistische Züge aufweist. Aus der von uns skizzierten Hypothese ergibt sich eine wichtige Folgerung für die Wahl der Objekte bei künftigen Untersuchungen. Vielleicht bieten ja nach unserem Gedankengange die bisher be- sonders bevorzugten Objekte wie die Insekten und Ascaris sekundär abgeänderte Verhältnisse dar, die das so wichtige Problem nicht in voller Klarheit zu erfassen gestatten würden. Wir werden daher mehr als bisher solche Tierformen in den Kreis der Betrachtung zu ziehen haben, in denen wir nicht so starr fixierte Strukturen wie bei den Insekten vermuten dürfen. Ich denke hier vor allem auch an die Säuger, die bisher auf diesem Gebiet als ‚ungünstige‘ Objekte galten. Auch von solchem Standpunkt aus erscheint eine gründliche Untersuchung der Chromosomenzahl bei den Säugern als ein dringendes Postulat. V. Endergebnis'). l. Eine systematische Untersuchung der Spermiogenese der weißen Maus auf Heterochromosomen zeigte, daß der inmitten der Wachstumsperiode der Spermiozyte auftretende sog. Intranuklear- körper mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein He- terochromosom darstellt. 2. Die in der Prophase der Spermiozyten-Mitose hervortretende Doppelstäbchen- oder Vierergruppenstruktur des Heterochromosoms sowie das Fehlen jedes Anhaltspunktes für eine ungleichmäßige Verteilung des Gebildes in einer der Reifungsmitosen (Heterokinese) 1) Eine genauere Zusammenfassung der Befunde ist S. 126 ff. gegeben. Archiv f. mikr,. Anat. Bd. 96. 11 ‚ 162 Ss. Gutherz: sprechen dafür, daß dasselbe wie die übrigen Chromosomen in beiden Reifungs-Mitosen geteilt wird. Es dürfte von den bisher bekannten Heterochromosomen den gepaarten Mikrochromosomen der Insekten am nächsten stehen. 3. Das Heterochromosom der Maus weist gegenüber den meisten anderen Heterochromosomen folgende Besonderheiten auf: a) Seine Entstehung aus einem Teil des Spirems inmitten der Wachstumsperiode der Spermiozyte (im sog. Pachytän- stadium). b) Seine Ausscheidung azidophiler Substanz in großem Maß- stabe, in bezug auf die es die gewöhnlichen Chromosomen stark übertrifft. c) Seine Lagerung in einem besonderen Raume des Spermio- zytenkernes (an dessen Peripherie), der teils von der Kern- membran, teils von den stets in bestimmtem Abstande vom Heterochromosom sich haltenden übrigen Chromatinfäden begrenzt wird (vermutliche Zone erhöhten osmotischen Druckes in der Umgebung des Heterochromosoms). 4. Auch der Intranuklearkörper der Ratte ist als Hetero- chromosom aufzufassen. Seine vorläufige Untersuchung ergab eine typische Spiremstruktur gegen das Ende der Wachstumsperiode der Spermiozyte (S. 134f.). Hierher gehören wahrscheinlich auch der beim Menschen beschriebene basophile Körper der Spermiozyte sowie ähnliche Bildungen bei Marsupialiern, vielleicht der bei Selachiern aufgefundene „sekundäre Nukleolus‘““. Die Vertebraten sind nach den bei der Maus gewonnenen Gesichtspunkten erneut auf Hetero- chromosomen zu untersuchen, wobei in der Wachstumsperiode der Spermiozyte nicht nur auf von vornherein vorhandene Chromatin- Nukleolen, sondern namentlich auf eine eventuelle spätere Absonde- rung gewisser Chromosomen von den übrigen zu achten sein wird. 5. Das Vorkommen aberranter Chromosomen in den spermio- genetischen Reifungsteilungen (namentlich der ersten) bei der Maus läßt folgende Deutungsmöglichkeiten zu: a) Verzögerung einzelner Chromosomen bei der Einstellung in die Aequatorialplatte, die vor der eigentlichen Teilung wieder ausgeglichen würde. b) Wirkliche ungleiche Verteilung von Chromatinelementen a) unter Ausschaltung der mit abnormer Chromosomenzahl ausgestatteten Spermien beim Fortpflanzungsprozesse, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 163 P) unter Verbleiben der betreffenden Spermien im Chro- matinzyklus der Art (würde im Widerspruch mit dem Satz von der Zahlenkonstanz der Chromosomen stehen). 6. Die Beobachtung starker Stoffwechselprozesse am Intra- nuklearkörper der Maus spricht für eine lebhafte funktionelle Tätig- keit der Heterochromosomen und gegen die Annahme, daß sie allgemein in Rückbildung begriffene Elemente seien. 7. Der Gegensatz in der Erklärung der Chromosomen-Genese zwischen Individualitäts- und Manöveriertheorie läßt sich durch eine Annahme aufheben, welche der letzteren Anschauung einen übergeordneten Standpunkt einräumt. Danach würden die Er- scheinungen, welche zugunsten der Individualitätslehre sprechen, nur in bestimmte, festfixierte Bahnen gelenkte Entwicklungsvorgänge bedeuten, die aus einem ursprünglich labilen Zustand erst sekundär entstanden wären (es würden ähnliche Verhältnisse obwalten wie zwischen epigenetischer und evolutionistischer Entwicklung, zwischen Regulations- und Mosaikeiern). Abgeschlossen Ende Juni 1919). “ Nachbemerkung. Erst mehr als ein Jahr nach Abschluß vorliegender Arbeit wurde mir eine Mitteilung von H. Federley?) bekannt, welche die Spermiogenese einer der Hausmaus nahestehenden Art, Mus silvaticus L., behandelt und für dieses Objekt auch die Hetero- chromosomen-Frage genauer berücksichtigt. Diese Mitteilung unter- scheidet sich von den meisten anderen das letztere Thema behan- delnden sehr vorteilhaft durch ihren kritischen Standpunkt. Aller- dings hat Federley auf eine strenge Seriierung der spermiogene- tischen Stadien, wie sie ihm die ‚„topographische Histologie‘ des Samenepithels ergeben hätte, verzichtet und sich mit dem Heraus- greifen einzelner, ihm besonders ins Auge fallender Stadien begnügt. !) Die Verzögerung in der Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit wurde durch ihre Verwendung als Habilitationsschrift bedingt. Eine kurze, mit einigen Abbildungen versehene vorläufige Mitteilung ist in dem Aufsatz „Geschlecht und Zellstruktur‘“ (Die Naturwissenschaften, Jahrg. 8, H. 45, 1920) enthalten. ?) Beiträge zur Kenntnis der Säugetiergametogenese I. Die Spermato- genese von Mus silvaticus L. Act. soc. scient. Fenn., Tom. 48 Nr. 6, 1919. E1* 164 S. Gutherz: Es ist daher wohl verständlich, wenn er über die Natur des auch bei der Waldmaus vorhandenen Intranuklearkörpers zu keinem ent- schiedenen Urteil gelangt und ihn nur mit Vorbehalt den Hetero- chromosomen einzuordnen geneigt ist. Doch läßt sich seine Dar- stellung, wenn man sie vom Standpunkt meiner vollständigeren Befunde an der Hausmaus überblickt, mit den letzteren wohl in Einklang bringen. So ist Federleys Angabe, daß der Intra- nuklearkörper am auffallendsten im Pachytänstadium sei, vielleicht so zu deuten, daß das Gebilde in demselben Zeitpunkt auftritt wie bei der Hausmaus, die in früheren Stadien, mitunter in der Doppelzahl gefundenen Körper dürften dann Chromoplasten dar- stellen. Auch für die letzte Phase in der Geschichte des Intranuklear- körpers läßt sich möglicherweise eine Analogie mit meinen Befunden konstruieren: vielleicht stellt in Federleys Abbildung des Diakinese-Stadiums (Fig. 12 seiner Tafel), von dem unser Autor auffälligerweise nur wenige Bilder zu Gesicht bekam, das kompakte Doppelstäbchen, das er als ein in der Entwicklung voraus- geeiltes gewöhnliches Chromosomenpaar auffaßt und dem ein Nukleolus naheliegt, das Heterochromosom dar. In den Zwischen- stadien, die nur kursorisch behandelt werden, fehlt eine Angabe über etwaige Ausarbeitung einer echten Nukleolus durch den Intranuklearkörper, was entweder eine Abweichung von den Befun- den an der Hausmaus bedeutet oder bei genauerer Untersuchung in ihrem Sinne noch zu ergänzen sein wird; auf letzteres weist möglicher- weise das Vorhandensein eines größeren Nukleolus in den Figg. 11 und 12 von Federley hin. Eine sichere Heterokinese während der Reifungsteilungen konnte Feder ley ebensowenig wie ich auffinden. Erfreulicherweise befinde ich mich in einigen Punkten, welche nicht die Heterochromesomen-Frage betreffen, mit unserem Autor in guter Uebereinstimmung, wenn er auch meist nur knappe und zum Teil auf wenige beobachtete Bilder gestützte Angaben macht (Fehlen von Amitose der Spermiogonien, Kernretikulum der jungen Spermiozyte, Amphitänstadium). Sehr treffend kennzeichnet F e- derley die Unübersichtlichkeit der Chromosomenverhältnisse bei den Säugern. Dagegen möchte ich mich nicht seiner Vermutung anschließen, daß die in den Sertoli-Kernen in der Regel zu beiden Seiten des größeren echten Nukleolus gelegenen Chromatinnukleolen ein Chromosomenpaar seien!). Der eigenartige Nukleolarapparat in 1) Vgl. hierzu die Bemerkung auf S. 126 vorliegender Arbeit. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 165 den Sertoli-Kernen der Maus und anderer Nager, der übrigens schon alteren "Autoren (So amrelicie, Hermann, Luk) anow) wohlbekannt war, bedarf nach meiner Ansicht noch einer genaueren Untersuchung, die besonders etwaige mit dem jeweiligen spermio- genetischen Stadium einhergehende funktionelle Veränderungen zu berücksichtigen hätte. Dagegen, daß es sich bei den Chromatin- nukleolen (die sich mittels der Biondi- Methode grün oder blau färben, während der zentrale Nukleolus leuchtend rot erscheint), um wirkliche Chromosomen handele, spricht einmal die Inkonstanz ihrer Zahl bei der Hausmaus, indem sich mitunter drei finden, nicht selten aber nur einer vorhanden ist, ferner die manchmal zu beob- achtende verschiedene Größe der in der Zweizahl vorhandenen Körper (wie das auch Federley in seiner Textfigur 1 b abbildet) und schließlich ihre stets absolut kugelige Gestalt. Nebenbei sei erwähnt, daß ich mehrfach sowohl in den chromatischen wie in dem azidophilen Nukleolus des Sertoli-Kernes der Hausmaus Strukturen beobachten konnte: besonders auffällige war ein äußerst feines, etwas exzentrisch gelegenes Korn in chromatischen Nukleolen, namentlich bei Anwendung der Biondi-Methode in dem blasser gefärbten Innenbezirk hervortretend. Berlin, im August 1921. Literaturverzeichnis. 1. 1912. v. Baehr, W. B., Contribution a l’&tude de la caryocinese somatique, de la pseudoreduction et de la reduction (Aphis saliceti). La Geller. 27: 2. 19066. Benda, C., Die Spermiogenese der Marsupialier. Denkschr. med.-wiss. Ges. Jena. 6. Bd. 2. Teil. = R. Semon, Zoolog. For- schungsreisen in Australien usw. 3. Bd.: Monotremen und Marsupialier II. 2. Teil, III. Lieferung. Jena. 3. 1913. Boring, A.M., The odd chromosome in Cerastipsocus venosus. Biol. Bull, Vol. 24. 4. 1914. Boring, A.M. and Pearl, R., The odd chromosome in the spermatogenesis of the domestic chicken. 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I sind mit den wenigen besonders bezeichneten Ausnahmen nach Präparaten angefertigt, die in Sanfelices Flüssig- keit fixiert und mittels Eisen-Brasilins nach Hickson gefärbt waren, diejenigen auf Taf. IInach Biondi- Präparaten (Fixation: Carnoys Gemisch). In den Erklärungen unserer Figuren der Spermiozyte oder von Teil- stücken derselben (Fig. 1—32 auf Taf. I und Fig. 43—51 auf Taf. II) ist stets das betreffende Stadium in der Bezeichnungsweise Regauds an- gegeben. Ieatele Vi Fig. 1. Jüngste Spermiozyte I17, soeben aus der Telophase der letzten Spermiogonienmitose hervorgegangen. Fig. 2—6. Junge Spermiozyten, 11, verschiedene Formen der Auflösung der Chromatinstränge zeigend. In Fig. 4 der Kern nur im Anschnitt getroffen. Fig. 7. Spermiozyte Il. Ausbildung des ‚Krustenkernes‘“. Fig. 8. Spermiozyte 12]. Deutlicherwerden des feinen Kernretikulums. Fig. 9 u. 10. Spermiozyte 17]. Vollendete Ausbildung des feinen Kern- retikulums. Einige Retikulumzüge bereits leicht verdickt. !) Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß in der ersten Mitteilung meiner Untersuchungsreihe (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 94, 1920) die Taf. XXII im endgültigen Druck zu kräftig ausgefallen ist, so daß zahl- reiche feinere Nuancen verloren gingen, z. B. der Färbungsunterschied zwischen der Kapsel- und der Innenschicht des Nukleolus (Fig. I b, 9 usw.). Auch erscheinen die Chromatinfäden und der Zelleib meist im Original viel blasser als auf dieser Tafel. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. 169 10a. Umrißzeichnung der Fig. 10 bei 1700 facher Vergrößerung. 11 u. 12. Spermiozyte 2]j. Feines Spirem und Chromoplasten. In Fig. 12 angedeutetes Synapsisbild, parälleler Verlauf zweier Chromatin- fädchen. 13 u. 14. Spermiozyte 37]. Paralleler Verlauf je zweier Chromatin- fädchen (in Fig. 13 das linke Doppelfädchen nur angeschnitten). 15. Spermiozyte 4 ı. Beginn des Pachytaenstadiums. Am unteren Umfange des Kernes zum Teil sicher freiendigende Chromatinfäden, einer derselben aufgespalten. 16. Spermiozyte 5j1. n Kernnische. 17. Spermiozyte 6 jj. i Intranuklearkörper in Schlingenform in der Kernnische. 18—20. Spermiozyte 7 1. Spirem wesentlich verdickt. i Intranuklear- körper, in Fig. 18a, 18b und 19 noch in Zusammenhang mit dem Spirem, in Fig. 20 bereits abgelöst. 21 a—e. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 7]; nach seiner Ab- lösung vom Spirem (in a, b, d, e in Kantenansicht !), in c in Flächen- ansicht). 22a u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 871 (a in Kanten-, b in Flächenansicht). 23a u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 10 ıı (a in Kantenan- sicht, in Zusammenhang mit einem Spiremfaden, b in Flächenansicht). 24a u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 11j; (a in Kanten-, b in Flächenansicht). 25. Spermiozyte Ijı7. i Intranuklearkörper in der besonders stark ausgeprägten Kernkammer. 26a u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten Ij,ı (a in Flächen-, b in Kantenansicht), Netzstruktur zeigend. Fixation: Tellyes- niczkysche Flüssigkeit; Färbung: Eisen-Brasilin. 27 a—c. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 2 jıı (a und bin Kanten-, c in Flächenansicht). 28. Intranuklearkörper einer Spermiozyte 3;17, in Kantenansicht. 29a u. b. Intranuklearkörper einer Spermiozyte A4yjıı (Beginn), Seitenansicht. Sonderung in die chromosomale (der Kernmembran zuge- wandte) und die nukleolare (dem Kerninneren zugewandte) Komponente. 30. Intranuklearkörper einer Spermiozyte 4]; (Uebergang zur Dia- kinese), in Seitenansicht. Die nukleolare Komponente setzt sich von der chromosomalen ab. 3la u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 4 ıı] (frühe Diakinese), in Seitenansicht. Die chromosomale Komponente in a doppelstäbchen-, in b vierergruppenförmig. 32. Spermiozyte 4jıı (frühe ee Am oberen Umfang des Kernes im Zelleib ein schmaler, langgestreckter chromatoider Neben- körper, ein ebensolches Gebilde bei tieferer Einstellung links vom 1) Bei Abbildung des Intranuklearkörpers in Kanten- oder Seitenan- sicht ist stets ein Stück der Kernmembran mit dargestellt. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 170 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. S. Gutherz: Das Heterechromosomen-Problem usw. Kern unterhalb des Idiozoms. i Intranuklearkörper, oberflächlich im Kern liegend in schräger Aufsicht, seine chromosomale Komponente vierergruppenförmig. 33—36. Metaphase der Spermiozytenmitose (die Spindeln von 33—35 sicher ganz im Schnitt). In Fig. 34—36 aberrante Chromosomen. Vgl. Text 'S. 120Ti. 37. Anaphase der Spermiozytenmitose. Bei a eine aus 4 Teilstücken bestehende Kette aberranter Chromosomen (im Präparat intensiv ge- färbt, in der Zeichnung grau gehalten, um die tiefere Lage anzudeuten). 38. Telophase der Spermiozytenmitose. a aberrantes Chromosom in Gestalt eines Doppelstäbchens. Die Zellen liegen ganz innerhalb des Schnittes. 39. Späte Telophase der Spermiozytenmitose (nur eine Tochterzelle getroffen). 2 aberrante Chromosomen. 40. Dasselbe. I aberrantes Chromosom. Fixation: Zenkersche Flüssigkeit; Färbung: Eisenhämatoxylin nach Heidenhain. 41. Metaphase der Präspermidenmitose, sicher ganz im Schnitt liegend. c chromatoider Nebenkörper. 42. Dasselbe. a aberrantes Chromosom. c chromatoider Nebenkörper. Tartel Vi. 43. Spermiozyte 2]. Chromoplasten, oberflächlich im Kern liegend. 44. Dasselbe. Chromoplast bei mittlerer Einstellung des Kernes, also von der Kernmembran etwas entfernt liegend. 45. Spermiozyte 7jj. i Intranuklearkörper, ihm anliegend ein kleiner echter Nukleolus. An der Kernperipherie links bei tieferer Einstellung eine Chromatinverdichtung, ähnlich wie in Fig. 46 unten. 46. Spermiozyte 7jı (Ende). i Intranuklearkörper. 47 a. Spermiozyte 87]. i Intranuklearkörper, ihm anliegend ein kleiner echter Nukleolus. 47b. Intranuklearkörper desselben Stadiums, von der Fläche gesehen. 48 a. Spermiozyte iyjj (Ende). Bei tieferer Einstellung erscheint links unterhalb des langen (quer verlaufenden) Chromatinfadens ein zweiter isolierter azidophiler Körper. i Intranuklearkörper. : 48b. Intranuklearkörper vom Stadium 27], in Flächenansicht. 49. Spermiozyte 4jı, (frühe Diakinese). Neben der nukleolaren Kom- ponente des Intranuklearkörpers (i) liegt ein langgestreckter azido- philer Körper. 50a u. b. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 3jj], in Seiten- ansicht. & 50 c—e. Intranuklearkörper aus Spermiozyten 4, (frühe Diakinese), in Seitenansicht. In e die chromosomale Komponente in Doppel- stäbchenform. 5la u. b. Umrißzeichnungen zweier Spermiozytenkerne vom Stadium 4 (sehr frühe Diakinese). ch chromosomale, nu nukleolare Kom- ponente des Intranuklearkörpers. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. Von Prof. W. J. Schmidt in Bonn (Zoolog. Institut). Mit Tafel VII. Bei Untersuchungen über Bau und Bildung der Perlmutter- masse!) hatte ich Veranlassung, auch die Schale der als primitive Muschelgruppe bekannten Nukuliden (insbesondere von Nucula nucleus L.), die ja innen mit dieser Substanz ausgekleidet ist, an Schliffen und Kalilauge-Mazerationspräparaten zu prüfen. Dabei stieß ich auf eine sehr eigenartig gebaute Schalenlage zwi- Salrene PeiTost Lacuım umde Perimmetver, die zwar bisher keineswegs übersehen, aber doch mit wenigen Worten ab- getan wurde, aus denen ihre Beschaffenheit in keiner Weise zu entnehmen ist. Am ausführlichsten wird diese Schalenschicht von ihrem Ent- decker W. Carpenter?) (S. 101 a. a. O.)-mit folgenden, von einer Abbildung (Fig. 15, Tab. IV a. a. O.) begleiteten Worten für Nuıceularımat garitana”r beschrieben: ,.... the inner layer has the truly nacreous structure, as might be inferred from its iridescent lustre. In the outer, a small amount of tubular structure may be observed; and here as elsewhere, the tubuli in their course outwards seem to be directed towards the ribs, so as when they reache the surface to leave the spaces between these altogether free, whilst in the deeper parts of the tubular layer the tubuli are chiefly found in these spaces. In fig. 15 is shown a portion of the external layer, the section being made as near the outer surface ı) Siehe Biolog. Zentralblatt 1921, Bd. 41, S. 250. 2 Report on the microscopic structure of shells Part II, in: Rep. Brit. Assoc. Advenc. Sci. for 1848, p. 93—134, pl. —XX. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 2 u 172 Were. ESiehhm dt: as possible; the tubuli are seen to open upon the dark bands aa, bb which correspond with the ribs of the shell, whilst in the translucent intervening spaces some vestiges of cellboundaries may be dis- cerned.- Nach J. Thiele!) (1893, a. a. O. S. 229) besteht das (kalkige) „Ostracum“ von Nucula aus einer inneren Schicht von Perl- mutter ‚und/einer - &u Bie'tie nys,,p i g:mient Verten Zara Die bezügliche Abbildung (Fig. 13 Tab. XI a. a. O.) stellt die ent- kalkte Schale dar und läßt die genannten Schichten nicht erkennen, Doch möchte ich aus später zu erwähnenden Gründen annehmen, daß die „pigmentierte‘ Schicht mit der uns interessierenden Schalen- lage identisch ist. Ferner erwähnt Thiele ein „Hypostracum“ bei Nucula, das von gewöhnlicher Stärke sei. W. Stempell?) (1898, S. 364) betont, daß sowohl die dünn- wandigen Schalen von Malletia chilensis wie auch die dick- wandigen von Leda sulcata, Nucula nuclews ng anderen Nukuliden nur aus dem dünnen Periostracum und der in- neren Perlmutterschicht beständen; eine Prismenschicht sei nirgends vorhanden, was im Hinblick auf die Prodissoconcha vieler Muscheln als primitiver Charakter erscheine. Doch ergänzt er diese nur auf der Untersuchung entkalkter Schalen fußende Mitteilung später °®) (1900 S. 117 Anm.) dahin, daß an Flächenschliffen durch die Schale von Nucula nucleus, in denen die äußersten Schaleniagen getroffen sind, deutlich schmale längsovale Bezirke hervortreten, die in bestimmter Weise längs den Schalenrippen angeordnet und bereits von Carpenter (s. 0.) bei Nucula mare ari taz vollständig richtig beschrieben und abgebildet seien; indessen be- rechtigten diese „winzigen Differenzierungen‘ keineswegs, sie als Prismen aufzufassen. Nach meinen Untersuchungen besteht die Schale vonNucula nuclews aus” drei’ Lagen, ‘dem äußeren Perio strasse der mittleren Rippenlage, wie ich sie bezeichnen möchte — sie ist dasselbe wie Carpenters „tubular structure“ und Ste m- !) Beiträge zur Kenntnis der Mollusken, II. Ueber die Mollusken- schale, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 55, S. 220—251, Taf. XI. ®) Beiträge zur Kenntnis der Nuculiden, in: Zool. Jahrb. Suppl. Bd. IV. Fauna chilensis I. Bd. S. 339—430. Taf. 22—25. ») Zur Anatomie von Solemya togata Poli, in: Zool. Jahrb. Abt. f. Anat., Bd. 13 S. 89—170, Taf. 8—10. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. 173 pells ‚‚längsovale Bezirke‘ — und der inneren Perlmutter- schicht. Dazu kommt noch an den Stellen, an welchen Muskeln ansetzen, sog. helle Schicht. Wahrscheinlich hat Thiele (s. 0.) diese unter seinem Hypostracum verstanden, es ist aber auch eine Verwechslung mit der inneren Perlmutterlage (s. u.) denkbar. Im übrigen aber muß ich Stempell (1898 S. 364 Anm. 1) beistim- men, daß ein Hypostracum als allgemein ausgebildete, besondere innerste Auskleidung der Schale nicht vorhanden ist. Das Periostracum löst sich als dünne Membran leicht von seiner Unterlage, den Rippen, ab, erscheint in durchfallendem Licht gelblich-braun und ist entsprechend den konzentrischen Zuwachsstreifen der Schale scharf gewellt (vel. Fig. 5, Taf. VII). Die Perlmuttermasse zeigt die typische Beschaffenheit, einen Aufbau aus großen Perlmutterblättchen !) (tafelig nach der Basis ausgebildeten Aragonitkristallen), die zu horizontalen Lagen an- geordnet sind. Stellenweise fallen die Grenzen benachbarter Perl- mutterblättchen in übereinander gelegenen Lamellen mehr oder minder zusammen, und damit kommt es neben der Horizontal- zu einer Vertikalschichtung in der Perlmuttermasse, so vor allem in der Nähe der Rippenlage (vel. Fig. 6, Taf. VII). Die Perlmutter- lamellen biegen gegen die Rippenlage hin auf, so daß sie mit deren Unterrand einen spitzen Winkel bilden, dessen Scheitel zur Schalen- peripherie gekehrt ist (vgl. den radialen Querschliff Fig. 2, Taf. VI). Auf tangentialen Querschliffen, die den Zuwachsstreifen der Schale parallel gehen, nehmen die oberen Perlmutterlamellen infolge der Querschnittsform der Rippen welligen Verlauf an; auch auf ihnen ist die genannte Vertikalschichtung sichtbar (vgl. Fig. I, Taf. VII). Aehnlich wie es Rubbel?) (S. 3l2 a.a. O.)fürMargaritana beschreibt, wird die Perlmutterlage bei Nucula durch eine sehr dünne Zone von heller Schicht in eine äußere und innere geschieden. Diese helle Schicht kennzeichnet den Weg, den die Mantellinie während des Schalenwachstums zurücklegte; in dem Maße, wie die Mantelmuskeln ihre jeweilige Anwachsstelle auf- 1) Stempell (1898 a. a. OÖ. S. 364—365) erwähnt, daß die ent- kalkten Conchinhäutchen bei Leda und Malletia, von der Fläche gesehen, polygonale Felderung erkennen lassen; sie ist das Negativbild der Perl- mutterblättchen. ?) Ueber Perlen- und Perlbildung bei Margaritana usw., in: Zool. Jahrb. Bd. 32, Abt. f. Anat. S. 287—366, Taf. 17—18, 1912. 12* E47 174 W. J. Schmidt: gaben, wurde die helle Schicht von der inneren Perlmutterlage überwallt. Auch im Bereich der Schließmuskelabdrücke findet sich helle Schicht, doch macht ihre schwache Ausbildung sie unge- eignet zu näherer Untersuchung. Nach Entfernen des Periostracums, etwa durch vorsichtiges Abschaben mit dem Skalpell, tritt die Rippenlage als eine mattweiße Schicht frei zutage. Sie wird von feinen, nur bei Ver- größerung (am besten mit dem Binokularmikroskop) wahrnehm- baren, aber sehr scharfen Linien durchzogen, die vom Wirbel zum Rand der Schale ausstrahlen — wobei sich ihr gegenseitiger Abstand ständig vergrößert — und senkrecht zu den konzentrischen An- wachsstreifen gerichtet sind. Diese Linien gliedern die Schicht in Rippen, wobei aber zu bemerken ist, daß, wenigstens bei N u- cula nucleus, die einzelnen, plastisch gar nicht oder nur äußerst schwach angedeutet über die Schalenfläche hervortreten, was ihre scharfe Abgrenzung um so auffälliger macht. An der freien Kante der Schale dagegen springt jede Rippe leicht gewölbt vor und bewirkt so die wellige Begrenzung des Schalenrandes. Das Wesen der genannten Linien wurde mir zunächst klar, als ich ein Schalenstück zur Untersuchung der Perlmutter mit 10%iger Kalilauge mazerierte. Während nach einigen Tagen die Perlmutterschicht, erweicht, in blätterige Stücke zerfiel, hatte die Rippenlage anscheinend der Lauge noch ganz widerstanden. Aber bei dem Versuch, die anhaftenden Perlmutterreste mit Nadeln und Messerchen zu entfernen, zerteilte sie sich fortschreitend in stäb- chenförmige Stücke, deren jedes einer Rippe bzw. dem Bruchstück eines solchen entsprach. Diese Beobachtung lehrte somit, daß der äußere Teil der Nuculaschale wie in seinem Aussehen so auch in seinem Verhalten gegen Kalilauge sich von Perlmutter unterscheidet und daß die auf seiner Fläche sichtbaren Linien auf seiner Zusammensetzung aus einzelnen Bauelementen, eben den Rippen, beruhen. Um diesen Zerfall der Rippenlage in ihre Kon- stituenten herbeizuführen, ist die Wirkung der Lauge nicht unum- gänglich nötig; Druck reicht aus, sofern die Rippenlage isoliert vorliegt. Denn mehr als durch den gegenseitigen Zusammenhang der benachbarten Rippen untereinander werden sie durch Ver- mittelung der angrenzenden Perlmuttermasse zu einem Ganzen zusammengehalten: schleift man diese ab, so lockert sich hierbei oft ihr Gefüge bis zum völligen Zerfall in die einzelnen Elemente, Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. 175 Weiteren Aufschluß über die Rippenlage gaben Quer- und Flachschliffe durch die Schale; die ersten wurden sowohl tangential, d. h. quer zu den Rippen als auch radial, längs denselben, geführt. Auf allen unterscheidet sich die Rippen- substanz von der Perlmutter schon für die Betrachtung mit unbe- waffnetem Auge durch ihre geringe Durchsichtigkeit ; bei auffallendem Licht sieht sie weiß, bei durchfallendem bräunlich aus. Schon dieses Verhalten und ebenso die Untersuchung sehr dünner Schliffe und Splitter ergibt, daß die dunkle Färbung der Rippenlage im durchfallenden Licht nicht, wie Thiele (s. 0.) anzunehmen scheint, durch ein Pigment verursacht wird; vielmehr handelt es sich um einen optischen Effekt, um eine Herabsetzung der Durchsichtigkeit infolge zahlreicher Reflexionen an den kristallinischen Elementar- bestandteilen der Rippenmasse. Zwar finden sich zwischen diesen winzige, sehr schwach gelblich gefärbte Körnchen, aber ihre Masse und Färbungsintensität reicht nicht aus, um die Undurchsichtigkeit der Rippenlage zu erklären. Tangentiale Querschliffe (Fig. I, Taf. VII, Nucula sulcata, vgl. auch Fig. 7 und 8) zeigen die einzelnen Rippen gegeneinander und die angrenzende Perlmutterschicht scharf abgesetzt. Aeußere und seitliche Flächen der Rippen sind eben und stoßen unter rechten Winkeln zusammen; die Unterseite der Rippen dagegen springt im Durchschnitt zitzenförmig gegen die Perlmutter vor. So bilden denn die Rippen, räumlich betrachtet, Stäbchen von quadratischem (Fig. 1, Taf. VII) bis rechteckigem (Fig. 8, Taf. VII) Querschnitt, deren Unterseite einen gewölbten First trägt. Die Anwesenheit der Firste bedingt den welligen Verlauf der Grenze zwischen Rippen und Perlmutter, die auf die Lamellierung der letzten zurückwirkt (s. 0.). Gelegentlich kann die Ausbildung der Firsten unregelmäßiger sein (vgl. Fig. 7, Taf. VII). Vergleicht man tangentiale Querschliffe aus dem mittleren Teil der Schale mit solchen von ihrem Rand, dann ergibt sich eine fortschreitende Dickenzunahme der Rippen- lage. Auf die feinere Struktur des Rippenquerschnittes soll erst später im Zusammenhang mit den entsprechenden Bildern in den anderen Schliffrichtungen eingegangen werden. Ein radialer, längs durch die Mitte einer Rippe geführter Querschliff (Fig. 2, Taf. VII) läßt ebenfalls die Rippensubstanz (R) durch ihre dunkle Färbung auf den ersten Blick von der Perl- muttermasse (P) unterscheiden. Beide Schalenlagen berühren sich 176 WaL:Schmidt: in geradliniger, scharfer Grenze. Die Oberkante der Rippe verläuft in leichten Wellenbiegungen, die größere Etappen im Schalen- wachstum markieren. Kleinere, der feinen Fältelung des Perio- stracums (s. 0.) entsprechend, treten als konzentrische Wachs- tumslinien, Kreisausschnitte in die Erscheinung, die ihre Wölbung dem freien Schalenrand zukehren. Diese Schichtlinien finden im Lamellenverlauf der angrenzenden Perlmutter ihre Fort- setzung, kennzeichnen also zur gleichen Zeit angelegte Teile von Rippen- und Perlmutterlage und geben über die jeweilige Gestaltung des freien Schalenrandes und damit auch des ihm anliegenden Mantels Aufschluß. Demnach erhellt, daß die Rippenlage nur vonbeiner schmalen, perip hier isch enIZone auf der Außenseite des Mantels geliefert wird, der am Schalenrand aufgebogen ist und der (bei Nuculanucleus dicken gerundeten) Schalenkante anliegt. Die Schichtlinien der Rippen machen sich natürlich auch auf Flachschliffen durch diese Schalenlage (Fig. 3, Taf. VID in ähnlicher Weise bemerkbar; ihre Wölbung gibt auch hier die Richtung zum Schalenrand an. In solchen Schliffen fügen sich die Schichtstreifen benachbarter Rippen zu wellenförmigen Linien zusammen, die das jeweilige Verhalten des Schalenrandes wider- spiegeln, an dem ja nach dem oben Gesagten {s. S. 174) jede Rippe mit leichter Vorwölbung endigt. Der mittlere Teil jeder Rippe wird von einem dunkleren Längsstreifen durchzogen (Fig. 3, Taf. VII); auch Carpenter (s.o.), dem wir die bisher einzige Abbildung eines Schliffes und zwar Flachschliffes durch die Rippenlage ver- danken, hat ihn zur Darstellung gebracht. Ebenfalls auf dem Quer- schnitt der Rippen (vgl. Fig. I u. 7, Taf. VII) zeichnet sich ihr zen- traler Teil durch dunklere Tönung aus; der radiale Querschliff dagegen läßt diese Erscheinung viel weniger gut wahrnehmen. Carpenters Angaben (s. o.) über den feineren Bau der Rippen bieten kein rechtes Verständnis von ihrer Struktur, selbst wenn man von seinen verkehrten Deutungen, z. B. der Fest- stellung von Zellgrenzen absieht, die sich aus der nun längst über- holten Vorstellung, die Molluskenschale sei eine verkalkte Zell- oder Gewebsmasse, ergeben mußten. Handelt es sich doch vielmehr um kutikulare Sekretionsprodukte, deren Struktur, soweit sie ver- kalkt sind, ganz wesentlich durch die Gestalt der kristallinischen Kalkteilchen bestimmt wird. Das Mantelepithel liefert ein kalkhaltiges Ueber den Aufbau der Schale ven Nucula. 77 Sekret, das sich außerhalb der Zellen durch das Auskristallisieren des Kalkes strukturiert: „geformte Sekrete‘ (Biedermann). Am einfachsten gewinnt man eine Vorstellung vom feineren Bau der Rippen an einem Stückchen dieser Lage, das in der Nähe des Schalenwirbels abgesprengt und daher dünn und für eine Unter- suchung mit stärkeren Vergrößerungen ohne weiteres geeignet ist (Fig. 4, Taf. VI, Nucula radiata). Die oben beschriebene Zuwachsstreifung tritt in dieser Schalengegend fast völlig zurück; dagegen zeigt jede Rippe eine Zeichnung aus feinen Linien, die von ihrer Mitte ausgehen und gerade oder leicht gebogen nach den Seiten ausstrahlen, so daß sie wie gefiedert aussieht, wobei allerdings der Federschaft nur undeutlich ausgebildet ist; die freien Enden der Federäste weisen zum Schalenrand. Diese Zeichnung beruht auf der Zusammensetzung der Rippen aus kleinen, gestreckten Kalk- plättchen, die an den Enden zugespitzt, im übrigen aber nicht streng regelmäßig begrenzt sind. Deutlich Kann man diese Gebilde nur an den abgesplitterten Enden von Rippen erkennen, an denen sie teilweise frei vorstehen; ihre Länge mochte in dem vorliegenden Falle wohl 20 u, ihre Breite etwa 5 u betragen. Sie sind so dicht zusammengefügt, daß sich an der intakten Rippe nur ihre Grenzen in der geschilderten Weise ausprägen. Der fiederartige Aufbau der Rippen läßt sich auch an Schliffen beobachten, sofern sie hinreichend dünn sind (vgl. Fig. 3 und 5, Taf. VII), und zwar stehen hier die konzentrischen Wachstums- streifen annähernd senkrecht zu den feinen, von der Mitte der Rippe ausstrahlenden Strukturlinien. Da das Bild im Flachschliff (Fig. 3, Taf. VII) und radialen Querschliff (Fig. 5, Taf. VII) wesentlich dasselbe ist, so ergibt sich, daß die Kalkplättchen mit ihrer Längs- achse von der Achse einer Rippe aus gleichmäßig schräg nach allen Seiten, zugleich aber wesentlich zum Schalenrand gerichtet sind. Diese Auffassung findet durchaus ihre Bestätigung durch ge- nauere Prüfung des Rippenquerschnittes (Fig. 7 und 8, Taf. VIN): von der Mitte einer jeden Rippe gehen die Grenzlinien der Kalk- plättchen strahlenartig nach allen Seiten aus, wobei ihre Breite nach der Peripherie hin zunimmt. Die Mitte selbst erscheint dunkler und wie punktiert; hier sind Kalkplättchen quer getroffen. Das ganze Bild erinnert außerordentlich an einen Sphärokristall, und daß diese Uebereinstimmung eine wesentliche ist, folgt aus der genaueren, insbesondere optischen Prüfung der Kalkplättchen. 178 WIJ.FSıchmidt: Die Grenzen der Plättchen lassen sich an Schliffen durch Aetzen verdeutlichen (Fig. 6, Taf. VII) und alsdann ergibt sich ihre Gestalt so, wie wir sie nach der Beobachtung an Bruchstellen aufgefaßt hatten, als kleine, an den Enden zugeschärfte Gebilde. Im polarisierten Licht erweisen sich die Plättchen als doppelbrechend, und an den am dünnsten auslaufenden Schliff- rändern, wie sie vor allem nach Actzung vorliegen, läßt sich er- kennen, daß jedes Plättchen vollkommene, einheitliche Auslöschung zeigt, demnach als ein Kristallgelten muß. Ferner konnte ich feststellen, daß die Schwingungsrichtung der schneller sich fortpflanzenden Lichtweile mit der Längsachse der Plättchen zusammenfällt. Nun liegt der Kalk in den Molluskenschalen teils als Caleit, (im hexagonalen System |rhomboedrisch] kristallisierend), teils als Aragonit (rhombisch) vor; in der letzten Form erscheint er z. B. in der Perlmutter als tafelig nach der Basis ausgebildete Kristalle. Da es mir nicht möglich war, Achsenbilder von den kleinen Kriställ- chen, welche die Rippen aufbauen, zu erhalten (Calcit ist einachsig, Aragonit zweiachsig), auch ihre Gestalt keinen Schluß auf die Zu- gehörigkeit zum hexagonalen oder rhombischen System erlaubt, so konnten mikroskopische Untersuchungen hier nicht weiterführen. Deshalb stellte ich an Rippen, die durch Kalilaugebehandlung isoliert und dann nach Möglichkeit unter dem Binokularmikroskop von noch anhaftenden Perlmutterresten befreit waren, de Meigen- sche Kobaltnitratprobe.an. Die fein zerpulverte Rippen- masse wurde beim Kochen in 3% Lösung des genannten Salzes sofort und ausgesprochen lila, was für Aragonit spricht. Dem- nach muß es als äußerst wahrscheinlich gelten, daß die Rippen aus Aragonit bestehen. Trifft dieses Ergebnis zu, dann liegt es nahe, die Längsrichtung der Kalkplättchen als mit der kristallographischen Achse ce zusammenfallend zu betrachten, im Hinblick auf die eben erwähnte Lage der Schwingungsrichtung mit größerer Geschwindig- keit. Rippen und Perlmutter würden also von der gleichen kristallographischen Modifikation des kohlensauren Kalks gebildet. Wie es aber auch mit dem Calcit- oder Aragonitcharakter der Rippenmasse sein möge, sicher ist, daß ihre Bauelemente Kalk- kristalle sind. Demnach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß wie in den Molluskenschalen im allgemeinen, so auch hier die Kristallisationsvorgänge des kohlensauren Kalkes für Bildung und Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. 179 Struktur der Rippen in weitem Umfang verantwortlich zu machen sind. Man kann jede Rippe als einen Sphärokristall auf- fassen, der am Rande der jungen Schale angelegt wurde, dessen Bil- dungspunkt also bei der fertigen in der Nähe des Schalenwirbels liegt ), und ständig mit dem Größerwerden der Schale weiter- wächst. Indem zahlreiche derartige Anlagen dicht nebeneinander am Schalenrand auftreten, beschränken sie sich seitlich gegen- seitig in ihrem Wachstum. Da aber mit der zunehmenden Größe der Schale ihr Rand immer mehr an Ausdehnung gewinnt, können sich die Rippen ständig etwas mehr in die Breite ausdehnen. Nach der Außenfläche der Schale hin ist dem Auswachsen der Rippen durch das Periostracum Halt geboten; nach innen hin steht ihnen zunächst mehr freier Raum zur Verfügung, was nicht nur in der rechteckigen Querschnittsform der Rippen (mit dem der Ober- fläche näher gelegenen Wachstumszentrum [vgl. Fig. 8, Taf. VII), | sondern auch in der Ausbildung der erhabenen Leiste längs der Rippenunterseite zum Ausdruck kommt; schließlich wird auch hier die Vergrößerung des Sphärokristalls durch die Anlagerung von Perlmutter unmöglich gemacht. So bleibt ihm nur eine Wachs- tumsrichtung dauernd frei, die radiale, die mit der Längsrichtung der Rippen übereinfällt. In dieser Richtung verlängert sich das Rippenstäbchen, solange die Schale wächst, wobei die konzen- trischen Wachstumslinien der konzentrischen Schichtung eines Sphärokristalls entsprechen. Jede Rippe stellt also gemäß ihrem Aufbau einen radialen A sisceihimbut.t: au salve ine m -S’iphär okrusta hl dan, dessen Gestalt im einzelnen durch Wachstumsbeschränkung infolge einseitiger Materialzufuhr bedingt ist. Daß Sphäritenkreuze, wie sie dem Durchschnitt von Sphärokristallen im polarisierten Licht zukommen, auf dem Querschnitt der Rippen nur in andeutenden Spuren sichtbar waren, erklärt sich aus Störungen im regelmäßigen !) Ich möchte annehmen, daß die Anfänge der Rippen am Rand der Larvenschale, der sog. Prodissoconcha, zuerst erscheinen. Den strengen Beweis dafür kann ich nicht erbringen, denn die mir zur Verfügung stehenden Schalen erlaubten nicht die Herstellung von Querschliffen durch die Wirbel- gegend, die dünn genug waren, um Vorhandensein oder Fehlen der Rippen auf der dem Wirbel — zu oberst — aufsitzenden Prodissoconcha zu ent- scheiden. Was wir über den Bau der Prodissoconchen anderer Muscheln wissen, läßt es als höchst unwahrscheinlich, ja ausgeschlossen gelten, daß der Larvenschale der Nukuliden bereits die Rippen zukommen. 180 W.4.J8 ehmiudt: Sphäritenaufbau, wie sie bei den Rippen z. B. durch ihre der Schale entsprechende Krümmung, ferner durch die Biegung der Radien auf dem Rippenquerschnitt bedingt ist. Kristallisationsprodukte ganz ähnlicher Art sind die Prismen!) der Unioniden. Auch bei ihnen handelt es sich um Sphäro- kristalle (aus Aragonit), die in der Peripherie der äußeren Mantel- fläche zur Abscheidung kommen und sich durch gegenseitige Wachs- tumsbeschränkung polygonal begrenzen; doch stehen die Prismen mit ihren Längsachsen senkrecht zur Schalenfläche und bieten sich also in der Flächenansicht als Mosaik dar. Da erhebt sich naturgemäß die Frage, ob die Rippen der Nuku- liden vielleicht mit den Prismen (der Unioniden) homologisiert werden können. Hinsichtlich der Lage — zwischen Periostracum und Perlmutter — stimmen Rippen und Prismen überein, auch darin, daß in den jüngeren, letzt gebildeten Schalenteilen diese Schichten gleicherweise an Dicke zunehmen. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber insofern, als immer neue Anlagen von Prismen in der Schalenperipherie auftreten, während die Rippen, nur einmal angelegt, ständig weiterwachsen und daher von be- schränkter Zahl sind. Das hängt mit der verschiedenen Orientie- rung der Längs(wachstums)achsen von Prismen und Rippen zu- sammen; bei jenen steht sie senkrecht zur Schalenfläche, bei diesen geht sie ihr parallel. Nun ist es aber als eine im vorliegenden Zusammenhange höchst bemerkenswerte Tatsache hervorzuheben, daß mit ihrer Längsachse radial in der Schalenfläche gelegene Prismen auch bei einer anderen, ebenfalls primitiven und den Nukuliden sehr nahe- stehenden Muschelgruppe vorkommen; bei den Solemyiden, die mit jenen zu den Protobranchieren vereint werden. Eine genauere, an anderer Stelle zu veröffentlichende Untersuchung der Prismen bei Solemya?°), die hier fast den einzigen kalkigen Bestandteil der Schale ausmachen, hat mir gezeigt, daß diese ') Zur Orientierung über die Prismen der Muscheln verweise ich auf meine Veröffentlichung: Ueber den kristallographischen Charakter der Prismen in den Muschelschalen in Zeitschr. f. allg. Physiol. 1921 (vgl. auch Biolog. Zentralbl. 1921). 2) Die kurze Angabe über die Prismen von Solemya in meiner Veröffentlichung in Zeifschr. f. allg. Physiologle 1921, Bd. XIX, S. 191, ist nicht zutreffend. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. 181 Prismen ebenfalls aus Aragonit bestehen und einen feineren Bau besitzen, der nicht geringe Anklänge an jenen von Nucula darbietet. So grundverschieden aber die Schalen der beiden Protobranchiergruppen, der Nukuliden und Solemyiden, nach ihrer Form und Schichtung auf den ersten Blick erscheinen, in seltsamem Gegensatz zu zahlreichen Uebereinstimmungen im Bau des Weichkörpers, so scheint es nunmehr doch, als ob die un- zweifelhaft enge Verwandtschaft beider Familien auch in gewissen Schalenstrukturen zutage träte. Jedenfalls aber hat die vorstehende Untersuchung gezeigt, daß die Schale von Nucula — ob aller Nukuliden, sei dahingestellt — zwischen Periostracum und Perlmutter eine Schicht von ansehn- licher Dicke und sehr charakteristischem Bau besitzt, die kaum erlaubt, die Struktur der Nukulidenschale als ganz primitiv zu bezeichnen. Damit soll natürlich kein Einwand gegen den ursprüng- lichen Charakter der Nukuliden im allgemeinen erhoben werden; aber es geht nicht etwa an, in der Nuculaschale die — an die Prodissocancha erinnernde — Schale der Urmuschel zu erblicken. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. 1. Tangentialer Querschliff durch die Schale von Nucula sulcata Bronn. R Rippenlage (die einzelnen Rippen im Querschnitt sichtbar), P Perlmutterschicht. Balsam, Vergr. 28:1. Fig. 2. Radialer Querschliff durch die Schale von Nucula nucleus Lm. R Rippenlage (eine Rippe ist längs und mitten durchschnitten), a P äußere, i P innere Perlmutterschicht, h S helle Schicht. Balsam, Vergr. 281: 1, Fig. 3. Flachschliff durch eine Rippe von Nucula nucleus Lm. Balsam, Vergr. 60:1. Fig. 4. Flächenansicht eines kleinen, nahe dem Schalenwirbel abgesprengten Stückes der Rippenlage von Nucula radiata Hanley. Balsam, Vergr. 2: Fig. 5. Nucula nucleus Lm. Radialer Querschliff durch die Rippenlage R und den angrenzenden Teil der Perlmutterlage P; Po Periostraum, nur streckenweise erhalten. Balsam, Vergr. 60:1. Fig. 6. Aus einem radialen Querschliff durch das Grenzgebiet von Rippen- (R) und Perlmutterlage (P) bei Nucula nucleus L. Aetzung mit Salz- säure, Einschluß des Schliffes in Glyzeringelatine. Vergr. 500 : 1. Fig. 7. Aus einem tangentialen Querschliff durch die Rippenlage und die angrenzende Perlmutterschicht von Nucula nucleus Lm. Balsam, VEerer 002. Fig. 8. Querschliff durch eine Rippe von Nucula nucleus Lm. nahe dem Schalenrand. Balsam, Vergr. 60:1. Ueber die Panethschen Zellen sowie die zelben Zellen des Duodenums beim Schwein und den anderen Wirbeltieren. Von Proi-»DrnEr Dr Rate, Director of the national medical College of Peking (China). Mit 3 Textfiguren. Ellenberger hat (im Jahre 1912) über die Panethschen Zellen des Dünndarmes ziemlich genau berichtet. Er behauptet, daß sie auch bei der Katze und beim Hund vorhanden seien, was jedoch die meisten Autoren als Ausnahme bezeichnet haben. Ob sich die Zellen beim Schwein finden, ist noch zweifelhaft (Hdbch. der vergl. Mikroskop. Anatomie der Haustiere, Bd. III, S. 267). Dies hat mich veranlaßt, gerade letztere Frage einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen. Bekanntlich hat Paneth 1888 im Grunde der Lieber- kühnschen Drüsen des Duodenums bei einigen Nagern (Maus, Ratte, Meerschweinchen) eine besondere Art von sezernierenden Zellen feststellen können, die von ihm als Körnchenzellen bezeichnet werden. Diese wurden darauf von verschiedenen Forschern, z. B. Nicolas (9), Bizzozero (93), Solger.(94) usw., außerdem noch von Trautmann, Bloch untersucht, und es wurde fest- gestellt, daß außer dem Menschen, soweit ich weiß, noch mehr als zwanzig verschiedene Tierarten in Betracht kommen. Die wichtigsten derselben stelle ich aus allen Beobachtern wie folgt zu- sammen: 1. Fledermaus, 2. Rhesusaffe, 3. Kaninchen, 4. Meer- schweinchen, 5. Hamster, 6. Eichhörnchen, 7. Murmeltier, 8. Rind, 9. Schaf, 10. Schnabeltier, 11. Schildkröte, 12. Eidechse, Ueber die Panetliıschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 183 18. Triton, 147 Blmdsehleiche; "15. Ratten; 16.’ Frosch; 17. Pferd, TStDEsel, ? 1970 Katze 20. Hund,’ 21W'0possumy "22% Schwein, 23. Carnivora. Von diesen verschiedenen Tieren besitzt der Darm der Einhufer den größten Reichtum an Panethschen Zellen. Dagegen finden sich solche bei den Carnivora überhaupt nicht. Bezüglich der Lie- berkühn schen Drüsen der Katze und des Hundes ist der Tat- bestand der, daß die meisten Autoren vor Trautmann und Bullembier gs erszeBs Pan et, Schmidt Stöhr,.Mar- Des chn erden Horek,. Kleimund®Mölrteryebenfalls keine Körnchenzellen gefunden haben. Ob sich das Duodenum der Ziege ebenso verhält wie das des Schafes, darüber liegt wahrschein- lich noch kein Bericht vor. Nur Ellenberger sagt: „Präparate von der gesunden Darmschleimhaut der Ziege gelangten zufällig nicht zur Untersuchung; bei den wenigen Individuen, die uns zu- gänglich waren, fanden sich Coccidien der Darmschleimhaut.“ Diese Körnchenzellen sind schon seit 32 Jahren bekannt; manche Autoren haben sie genau beobachtet, so daß sie nicht weiter von uns untersucht zu werden brauchen. Jedoch fehlt nach meiner An- sicht durchaus eine klare Erklärung der Granula der Paneth- schen Zellen. Ebensowenig existiert eine genügende Erklärung für die Granula aller übrigen körnchenhaltigen Zellen des Körpers. Unsere Beobachtungen über die Körnchen aller Zellen beziehen sich nur auf deren Größe, Dichte oder Grobheit. Ueber die eigentliche Struktur mancher Granula ist gar nichts Genaues bekannt. Ferner kennen wir von weiteren Eigenschaften nur ihr Verhalten gegen sauere oder basische Farbstoffe; wir nennen sie azidophil oder basophil. Die Frage, aus welchen Ursachen gewisse Granula ent- weder zu den sauren oder zu den basischen Farbstoffen eine Affinität besitzen, und die weitere Frage, was für chemische Bestandteile es sind, die diese Affinität haben, ist ein noch ungelöstes Problem. Zur Erforschung dieser Ursachen reicht weder meine Kenntnis noch meine Zeit aus. Ich will daher aus dem ganzen Fragenkomplex nur ein Problem herausheben und zum Gegenstand meiner Unter- suchung machen, welche Einflüsse die Funktion der Paneth- schen Zellen verändern (namentlich der Hungerzustand), da die bisherigen Beschreibungen sich bloß auf gewisse Zustände des Sekret- stadiums beziehen. Die Funktion dieser Zellen ist von verschiedenen Forschern 184 E:3H; Tang: bereits hervorgehoben worden. So fand Möller, daß die verschie- denen Affinitäten der Granula einer Zelle gegenüber dem Chemismus der Färbungen durch verschiedene Funktionen bedingt sind, wie das z. B. bei Färbung mit dm Biondi-Ehrlich schen Gemisch zutage tritt, wo sie einerseits rot, andererseits gelb, gelbgrün oder dunkelgrün gefärbt werden. Durch die Untersuchungen von Bloch wissen wir ferner, daß die Panethschen Zellen eine Substanz absondern können, die zur Verdauung der Milch dient. Klein und andere Autoren vermuten, die Granula der Pa- neth schen Zellen seien Zymogenkörnchen, die zu den Verdauungs- funktionen eine nahe Beziehung besitzen. Möller fand die Zellen im Drüsenfundus in allen Funktionsstadien. Zimmermann hielt sie für seröse Zellen, Bensley und andere für seröse Zy- mogenzellen; Macallum hält die Granula der Paneth schen Zellen für Prozymogen. Bizzozero bezeichnet diese Zellen als eine jugendliche Form der Schleimzellen; hier fehlen aber die Uebergangsformen zwischen ihnen. Man nimmt ferner an, daß die Panethschen Zellen außer den Mucingranula noch andere Körn- chen enthalten, die entweder aus verschiedenen Substanzen be- stehen oder wenigstens verschiedene Substanzen aus sich produ- zieren. Ich habe nun zuerst die Reaktion der Osmiumsäure gegenüber diesen Granula angewendet und bemerkte unter dem Mikroskop ein eigentümliches Glänzen der Körnchen. Um dieses Glänzen ge- nauer definieren zu können, besonders um die Frage zu beantworten, ob es sich etwa um eine fettähnliche Substanz handle, habe ich sie weiter mit Sudan III und Biondi-Lösung behandelt. Der Aus- fall des Versuches war ganz negativ. Wie oben erwähnt, haben die meisten Autoren den Charakter der Panethschen Zellen und ihre Körnchen noch nicht sicher bestimmen können. Ich will auf diese Untersuchungen jetzt nicht weiter eingehen. Was ich zunächst wissen will, ist das morpho- logische Aussehen dieser Zelle und der in ihr enthaltenen Granula. Wann tritt die bedeutende morphologische Veränderung hervor, während der Verdauung oder im Hungerzustand ? Solche Versuche (und nur Versuche) sind schon öfter gemacht worden. Jedoch die Zeit, auf die sich diese Untersuchungen er- streckten, war zu kurz; meine Vorgänger untersuchten mit Aus- nahme von Miram, der aber über keine Besonderheiten zu berichten Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 185 weiß, gewöhnlich nur 4—6 Stunden, höchstens 24 Stunden nach der Fütterung. Es blieb also bis jetzt noch unbeantwortet, was für eine Veränderung in den Zellen vor sich geht, wenn die Versuchstiere 48, 72, 96 und bis über 170 Stunden gehungert haben. Meine Ver- suchstiere, besonders Schweine, haben bis zu 20 Tage gehungert. Ich gebe zunächst im folgenden eine Uebersicht über mein Material. Es wurden an Wirbeltieren untersucht: 1. Eichhörnchen, 2. Hamster, 3. Katze, 4. Hund, 5. Kaninchen, 6. Maus, 7. weiße Ratte, 8. Meerschweinchen, 9. Igel, 10. Schwein. Ehe ich jedoch meine Befunde mitteile, erscheint es mir zweck- mäßig, meine Erfahrungen mit den verschiedenen Konservierungs- und Fixationsmethoden vorauszuschicken. Hauptsächlich werden zur Untersuchung Panethscher Zellen an- gewendet: Zenkersche Flüssigkeit, Altmannsche Methode, Orth- sche Flüssigkeit usw. (Ellenberger), Bichromat-Sublimat-Alkohol (BensIy), 10% Formalin (Klein), Bichromat-Formalin und Flem- mingsche Flüssigkeit (Trautmann), endlich Müllersche Flüssig- keit oder Formalin (Schmidt). Möller bediente sich eigentlich nur zweier Fixationen, nämlich Bichromat-Formalin und Flemmingsche Flüssigkeit. Anfangs hatte ich zu diesen Methoden keine bestimmte Stellung- nahme. Ich habe alle Methoden versucht und konnte dabei mancherlei Beobachtungen über den Wert derselben für die Färbung der Granula machen. Welche Resultate ich dabei gewann, wird aus der folgenden kri- tischen Betrachtung hervorgehen. A. Bei der Untersuchung der Panethschen Zellen wird die Alkohol- behandlung wahrscheinlich nur selten angewendet. Paneth selbst fand in einem Falle nach Alkoholhärtung nur noch ein Maschenwerk. Ellen- berger erklärte, daß die Granula sich in verdünnten Mineralsäuren und Alkohol lösen. Schmidt empfahl den Alkohol auch nicht und sagte, daß bei der Alkoholkonservierung in 5 Fällen einmal gelegentlich die Körner erhalten wurden. Meist aber wurden sie aufgelöst. Nach meinen eigenen Erfahrungen aber ist das nicht ganz der Fall. Denn unter dem Mikroskop stellen sich die Granula der Panethschen Zellen bei Tieren, welche sie in reichlichem Maße besitzen, z. B. Eichhörnchen, Meerschweinchen, nach Alkoholfixierung um vieles deutlicher dar als bei Anwendung einer anderen Methode, während sie bei Katzen und Hunden gar nicht nachweisbar sind, weil de Panethschen Zellen überhaupt bei diesen Tieren relativ geringer an Zahl, die Zellkörper sehr schmal und die Körnchen der Zellen sehr fein sind. Bei Mäusen und Hamstern habe ich durch diese Methode ebenfalls gute Resultate nicht erhalten. B> Einzelne Forscher (Schafier, Ellenbergeer üsw.) emp- fehlen die Sublimatlösung, wogegen andere, z. BB Schmidt, wider- sprachen. Letzterer behauptet, daß diese Methode in 7 Fällen keine oder nur schlechte Resultate ergeben hat. Ich bin derselben Meinung wie 186 EAH.Tamn'g: Schmidt, weil ich in meinen mit Zenkerscher Flüssigkeit konser- vierten Präparaten in 50 Fällen nur schlechte Resultate hatte. Die Präparate, die teils mit Zenkerscher Flüssigkeit, teils mit Alkohol-Formalin, und zwar bei der gleichen Tierart (Eichhörnchen), in derselben Hungerzeit, nämlich 48 Stunden nach der Fütterung, behandelt wurden, unterschieden sich stark voneinander. Die letzteren waren sehr scharf und deutlich, erstere so dunkel und verschwommen, daß die Zellgrenzen kaum zu erkennen waren. Ich halte demnach die Sublimatlösung für nicht sehr geeignet bei der Unter- suchung dieser Zellen. C. Flemmingsche Flüssigkeit wird auch häufig gebraucht. Nico- las und Trautmann hatten damit gute Erfolge. Paneth und Metzner aber keine. Meiner Meinung nach ist sie jedenfalls besser als Sublimat. Meine allgemein angewendeten Konservierungsflüssigkeiten sind fol- gende: 1. Formalin, 2. Alkohol-Formalin, 3. Zenkersche Flüssigkeit, 4. Flemmingsche Flüssigkeit, 5. Altmannsche Methode, 6. Orth- sche Flüssigkeit, 7. Pikrinsäure, 8. Bichromat-Formalin. Von den häufiger angewendeten Färbungsmitteln gebrauchte ich: l. Eosin-Hämatoxylin, 2. Säurefuchsin, 3. Hämatoxylin-Bismarckbraun, 4. Hämatoxylin-Mucikarmin, 5. Hämatoxylin-Kongorot, 6. Bismarckbraun, 7. Ehrlichs Triacidgemisch, 8. Mucikarmin, 9. Hämatoxylin-Safranin, 10. Methylviolett, 11.van Giesson- Hämatoxylin, 12.van Gieson, 13. Sudan III, 14 Ehrlich-Biondi- Lösung, 15’Heidenhaıns Hämatoxylin-Eisen, 16. Pikrinsäure. Ich gehe nun dazu über, meine Befunde im einzelnen mitzu- teilen. Es erübrigt sich nur noch die Vorausbemerkung, daß die- jenigen Tiere, deren Darm am reichhaltigsten mit Paneth schen Zellen versehen ist, Eichhörnchen und Meerschweinchen sind. Ich verfuhr bei meinen Untersuchungen derart, daß Präparate gemacht wurden, zunächst unmittelbar nach dem Fressen, dann nach 24, 48, 72, 96, 110, 120, 148 usw. bis nach 170 Stunden. I. A. Eichhörnchen, 24 Stunden nach dem Fressen (Technik: Konservierung in Alkohol-Formalin, Färbung mit Eisen-Häma- toxylin). 1. Die Zahl der Zellen im Grunde der Drüsenschläuche ist eine beschränkte. Die Zellgrenzen sind sehr deutlich. Jeder Grund der Drüsenschläuche enthält ungefähr 3, höchstens 6 Zellen. Ich salı einen Querschnitt einer Drüse: Das Lumen wurde von mehr als 10 Zellen gebildet. Der dem Lumen zugekehrte Teil der Zelle war mit Granula gefüllt. Dieser Teil nahm ungefähr V, bis U, der ganzen Zelle ein. An der Basis blieb das den Kern enthaltende Protoplasma unverändert und körnerfrei. Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 187 2. Die Gestalt der Zellen ist rundlich, oval oder unregelmäßig. Die Kuppe der Zellen ist schmaler als die Basis. In diesem Zustande besitzen sie noch nicht die typisch pyramidenförmige Gestalt. Ihre Spitze ist mehr oder weniger kugelig, doch nicht zugespitzt. 3. Der Durchmesser der Zelle, den ich als Mittel aus 10 Mes- sungen erhalten habe, ist durchschnittlich 15,9 u. 4. Die Granula, Körner der Zellen, sind sehr fein und dicht angeordnet. In der Regel liegen sie im oberen Drittel der Zelle, Nach der Basis zu bestehen die Zellen ganz aus nicht verändertem Protoplasma. Gelegentlich findet man eine Zone hellen, nicht ge- körnten, vakuolenartigen Plasmas, welches sich nicht färben läßt. Basalwärts der homogenen Zone liegt ein kugliger Kern, von schwach färbbarem Plasma in geringer Menge umgeben. Die Granula sind meist rundlich und färben sich mit Eosin intensiv. Eine Zwischen- substanz der Körnchen ist gewöhnlich nicht sichtbar, nur selten erscheinen die Zwischenräume zwischen den Körnern relativ breit. 5. Die Form der Kerne ist meist kugelig, mehr oder weniger oval oder zylindrisch. Das Kerngerüst ist nicht deutlich, nur ein oder doch mehrere Kernkörperchen kommen zum Vorschein. Die Kernmembran ist dick, und die Längsachse des Kernes ist mit der der Zelle parallel. In diesem Falle stimmt das Aussehen der P.a- nethschen Zellkerne mit dem der benachbarten Epithelzellkerne überein. Die Formen der Kerne sind vielleicht die normalen oder die in den Anfangsstadien der Sekretion regelmäßig vorhandenen. B. Präparate eines Tieres nach 48stündigem Hungern. l. Zahl der Zellen beläuft sich auf 5—6, höchstens 9 im Grunde einer Drüse; sie ist also gegenüber derjenigen eines Tieres nach 24stündigem Hungern vermehrt. Die Zellgrenzen sind meist un- deutlich, weil die einzelnen Zellen gegeneinander gedrückt sind. 2. Gestalt der Zellen ist überall die typische Pyramidenform; die sehr schmale Spitze reicht bis zum Drüsenlumen, und das relativ breite basale Ende liegt auf der Membrana propria. Doch sind viele Zellformen unregelmäßig. Alle Zellen aber sind mit den Körnchen ausgefüllt. Die Kerne der Zellen liegen an der Seite oder an der Basis. Sie sind ganz abgeplattet. 3. Der Durchmesser der Zelle, den ich durch 10maliges Messen erhalten habe, beträgt 17,7 u. 4. Von den Granula ist der Zelleib ganz ausgefüllt, jedoch enthält manche Stelle innerhalb der Zellen relativ spärliche Körner, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96, 13 188 E. H. Tane: die im schwach gefärbten Plasma zerstreut liegen. Untersucht man sie mit der stärkeren Vergrößerung, so sieht man meist runde Körner, selten eckige Körnchen. In solchen Präparaten ist nicht nur der Zelleib mit Körnchen angefüllt, sondern auch eine Strecke des Drüsenlumens durch sie gleichsam verstopft. In einigen Präparaten findet man einzelne niedrige Zellen zwischen mehreren Paneth- schen Zellen. Ihre Kerne sind arm an Chromatin und stellen ein durchsichtiges, Vakuolen ähnliches Gebilde dar, welches denen benachbarter Epithelzellen dennoch durchaus nicht gleich ist, trotzdem es keine Körner besitzt. Viele Sekretkörnchen ordnen sich in einer schmalen Reihe in dem Drüsenlumen. Das eine Ende der Reihe ist meist mit der Spitze der niedrigen körnerfreien Zellen verbunden. Daraus vermute ich, daß die im Lumen liegenden Körnchen das Sekret dieser Zellen sind, und daß die niedrigen epithelähnlichen Zellen erst nach der Sekretion der Panethschen Zellen zum Vorschein kommen. Zu genauerer Untersuchung benutzt man das Immersionssystem und sieht dann, daß sich viele Körnchen mancher Zellen in den Farbstoffen nicht homogen färben, sondern die Kon- turen der Körner stärker als deren Zentrum. Die Färbbarkeit ähnelt teilweise der der roten Blutkörperchen, aber ihre Größe ist ver- schieden. Diese Erscheinung stellt sich derart dar, als ob ein homo- genes Zentrum von einer stark gefärbten Membran umgeben wäre, 5. Normal große und runde Kerne sind selten, zum großen Teil liegen sie platt gedrückt in der Basis der Zellen. Sie sehen teil- weise halbmondförmig, unregelmäßig oder spindelförmig aus. Die Längsachse ist zu der der Zelle senkrecht und zu der der Muskelkerne der Tunica muscularis mucosae parallel. Viele Zellen haben einen niedrigen pyramidenförmigen Kern in der Basis. Ein solcher Kern ist dann ganz durchsichtig und enthält ein schmales längliches Kern- körperchen. Jedoch ist der Zelleib körnerfrei. Solche Zellformen sind vielleicht auch die Erscheinungen nach der Sekretion der Panethschen Zellen, namentlich im atrophischen Zustande der Körnerzellen. (Im Frühstadium hat niemand die mitotische Tei- lungsfigur in den Panethschen Zellen gesehen und beschrieben. Auch ich selbst habe mit aller Anstrengung gesucht, aber vergebens. Nun entsteht die Frage: wodurch werden die Paneth schen Zellen denn ersetzt? Ich sammele viele Präparate in allen verschiede- nen Hungerzuständen und richte meine Hauptaufmerksamkeit Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 189 darauf, ob alle Paneth schen Zellen vielleicht nach der Sekretion wieder durch die Regenerationstätigkeit neue Körner produzieren. Ob diese Vermutung richtig ist, Kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen.) C. Präparate eines Eichhörnchens nach 72stündigem Hungern. 1. Jeder Drüsengrund besitzt mehr wie 9 Zellen, die aber keines- wegs so regelmäßig angeordnet sind wie diejenigen bei einem Tiere nach 48stündigem Hungern. Sie sind im Drüsenepithel zerstreut. Die zwischen den Panethschen Zellen liegenden Epithelzellen enthalten keine Körner. Die Zellen sind jedenfalls nichts anderes als die Umbildung der Panethschen Zellen. Ich habe auf einem Querschnitt einer kleinen Drüse gesehen, daß ungefähr 10 Kerne das Lumen umgeben. Nur einzelne unweit der Region der Tunica muscularis mucosae liegende Zellen enthalten wenige Körner. Die übrigen sind ganz aus strukturlosem Protoplasma gebildet. Die Kerne sind nicht gleich groß. Sie haben meist Bläschen- oder Hufeisenform. In jedem Falle sind sie von wenig Protoplasma umgeben. Ob diese Zellen die gewöhnlichen Epithelzellen sind, ist zweifelhaft. 2. Meist fließen die Zellen ineinander über und man kann die Zellgrenzen nur sehr schwer erkennen. Der Grund der Drüsen- schläuche besteht meist völlig aus Granula, die sich mit Eosin rot färben. An den Rändern der Körnchenhaufen liegen dann die polygonalen oder länglich-schmalen Kerne. In einem Körnchen- haufen gibt es einzelne modifizierte Kerne, nicht aber jede Zelle hat ihren Kern. Wodurch läßt sich die Zellgrenze unterscheiden ? Ich achte nur auf die Kuppen der Zellen. Dort, wo Kuppen sind und sich bogenförmig abheben, sind die Zellen, eben zählbar. Vom Hals der Zellen bis zur Basis dagegen fließen sie ganz zusammen, so daß Grenzen nicht sichtbar sind. Ob diese Erscheinung die Folge einer innigen Vereinigung oder einer starken Vergrößerung der Zellen ist, läßt sich nicht feststellen. Die typisch pyramidenförmigen Zellen sind in diesen Präparaten selten zu sehen. 3. Der Durchmesser der Zelle beträgt 16,2 u. 4. Die Granula sind sehr groß und kugelförmig, ihre Anordnung ist nicht so dicht. In den eosingefärbten Präparaten sehen wir viele rötlich kleine Körner zerstreut im homogenen Plasma. Das Zentrum der einzelnen Körner ist stark lichtbrechend, aber nach den Rändern zu sind sie verhältnismäßig dunkler, ähnlich den Fettröpfchen, doch verschieden von den intensiv gefärbten Körnern der eosino- 13* 190 EB an: philen Blutzellen. Denn im Bindegewebe der Darmschleimhaut mancher Tiere befinden sich stets viele eosinophile Leukozyten. Der Unterschied wird deutlich beim Vergleich beider Präparate. 5. Der Zellkern ist sehr platt und liegt quer in der Basis der Zelle. Seine Längsachse ist mit der in der Unterlage liegender Muskelkerne parallel. Er färbt sich mit Hämatoxylin stark blau- schwarz. Seine Struktur ist sehr undeutlich. Ebenso verhalten sich das Kernkörperchen und die Kernmembran. Viele Zellen sind ganz von den Körnchen ausgefüllt, so daß ihre Kerne nach einer Seite des Zellkörpers verdrängt werden müssen und an der Basis der Zelle oft nicht zu finden sind. Einige Kerne sind ganz durch- sichtig und enthalten in sich ein ringförmiges Gebilde, das Kern- körperchen. In diesem Zustand zeigen die Kerne alle möglichen Formen, queroval, halbmondförmig, sichelförmig, seltener dreieckig. Gelegentlich finden wir im Grunde der Zelle einen schwach ge- färbten Schatten, bedeckt von zahlreichen Körnchen. Dieser Schatten ist vielleicht der zugrunde gehende Kern. Bemerkens- wert ist, daß, wenn mehrere Zellkerne dicht beieinander liegen, die Grenze nicht deutlich sichtbar ist. Wenn aber der Kern isoliert liegt, ist sein Rand auch nicht glatt, doch ebenfalls nicht eckig. Jetzt ist er in Atrophie begriffen und den atrophischen Kernen der Hassalschen Körperchen der Thymus ähnlich. Das Drüsenlumen ist ganz leer, als wären die Sekretstadien vorbei. Die Spitze mancher dieser Zellen färbt sich mit Eosin stark. Doch kann man keine Granula erkennen; vielleicht sind die Körner zerdrückt. Daran schließt sich eine schmale Zone, ein helles Plasma, als Grundlage, welche viele dunkelrote, grobe Körner enthält. Aber ihre Ränder sind nicht deutlich genug. Unter der Granularzone liegt ein Kern, der ganz durchsichtig ist. D. Präparate nach 96stündigem Hungern (Fix. und Färbg. wie oben). 1. Die Zahl der Zellen ist viel kleiner. Unter schwachen Objektiven ähneln diese Präparate denen der Katze und des Hundes, und an vielen Stellen sind Panethsche Zellen nicht zu sehen. Erst bei starker Vergrößerung erkennt man undeutliche Zellgrenzen. Mit Mühe lassen sich in jedem Drüsengrunde im all- gemeinen ungefähr drei Zellen zählen, seltener 5—6. Außerdem hat jeder Drüsengrund nicht sicher solche Zellen. In einem Gesichtsfeld sind sie nur an wenigen Stellen sichtbar. Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 19] 2. Die Gestalt der Zellen ist mannigfaltig. Abgesehen von der geringen Zahl der Zellen, welche spitz sind und viele undeutliche Körner enthalten, zeigen sie allgemein die Erscheinung des Alterns: sie sind niedrig kubisch, klein kuglig und atrophisch. Pyramiden sind nicht sichtbar. 3. Der Durchmesser der Zellen beträgt 12,3 u, ist also um ein Drittel kleiner als bei Tieren nach 48stündigem Hungern. 4. Die Granula sind sehr fein. Ihre Konturen sind nicht deut- lich. Die meisten bilden am vorderen Ende der Zelle eine von Eosin intensiv gefärbte Zone. Uebrigens ist die Färbbarkeit auch nicht gut. Die meisten Granula sind dunkel. Auf diese Zone folgt eine schwach rötliche, körnerfreie Zone, 5. An den Zellkernen ist auffallend ihre Verschiedenheit von denen nach 72stündigem Hungern. Sie zeigen nicht die Erscheinung der Atrophie, wohl aber die der Anschwellung. Sie sind rundlich oder oval und niemals platt im Zellgrunde. Die Kernmembran ist verdickt, das Kerngerüst ist deutlich sichtbar. Ein Kernkörperchen liegt entweder im Zentrum des Kerns oder exzentrisch, unweit des Kernpoles. Außerhalb des Kernkörpers liegen noch mehrere kleine, färbbare Stücke in Verbindung mit der Kernmembran. Diese Kerne sind ungefähr ein Drittel kleiner als die des benachbarten Epithels. Ihr Chromatin ist auch feiner als das des Epithelzellkerns. Ferner liegen diese Zellkerne im Zellgrunde oft am äußersten Ende der Zelle und haben spärliche hellrot gefärbte Granula. Daher wissen wir, daß sie sicher keine Epithelzellkerne sind. E. Präparate nach 110stündigem Hungern (Technik wie oben). 1. Die Zahl der Zellen im Grunde der Lieberkühn schen Drüse beträgt meist 3—4, zuweilen 5—6. Die Präparate sind von denen nach 96stündigem Hungern erheblich verschieden. Ich hatte nicht erwartet, in jedem Drüsengrunde ausnahmslos die Paneth- schen Zellhaufen zu finden, die das Aussehen haben wie in den Prä- paraten nach 48stündigem Hungern. 2. Was die Gestalt der Zellen betrifft, so liegen viele gruppen- weise im Grunde jeder Drüse zusammen. Ihre Formen sind meist länglich und anschwellend rund. Die gewöhnlichen Pyramiden- formen zeigen sich diesmal nicht. Die Basis ist verbreitert, aber das Ende ist nicht mehr spitz. In anderen Fällen sind mehrere Panethsche Zellen den nach der Sekretion vorhandenen Becher- 192 E.H. Dan: zellen, den sog. offenen Bechern, sehr ähnlich. Solche Zellarten liegen meist an den Rändern der Zellgruppen. Die im Inneren der Zellhaufen liegenden Zellen sind oft schmaler, und die die Ränder bildenden polygonal oder oval; es scheint, daß diese zum Teil in- einanderfließen. An manchen Stellen sind die einzelnen Grenzen zu erkennen. 3. Bei Präparaten von 96stündigem Hungern stellten wir fest, daß der Durchmesser 16,2 u war, mindestens 12,8 u betrug, daß das Sekretionsstadium gerade beendet war und der Zellkörper allmäh- lich zur Schrumpfung überging. In diesen Präparaten aber finden wir plötzlich eine Vermehrung und eine erhebliche Vergrößerung der Zellen. Ich messe wie gewöhnlich 10mal und bekomme 17,2 u als Durchmesser, also ungefähr den bei 38stündigem Hungern. Um diese Zahl zu kontrollieren, messe ich 30mal nach. Sie ist 16,9 u. 4. Mit stärkerer Vergrößerung (Leitz: Ok. 4 Obj. 8) unter- sucht, sehen die Körner undeutlich wie Bläschen aus. Bei Benutzung von Immersionssystemen zeigen sie verschiedene Größe. Sie liegen aneinander und füllen den Zellkörper aus. Die Formen der Granula sind polygonal, strukturlos, mit einem etwas dunkleren Rand als Grenzlinie. Ob diese Grenzlinie von den Zwischensubstanzen ge- bildet ist oder durch die sich berührenden und dadurch in dunklerer Farbe erscheinenden Rändern entsteht, kann ich nicht vollständig entscheiden. Doch habe ich genau beobachtet, daß die äußersten Granula an deren freien Ende, die also keinen Kontakt mit Nachbar- granula haben, ebenfalls solche Konturlinien zeigen. Daher meine ich, es handelt sich nicht um eine Intergranularsubstanz (abge- sehen von gefärbten Granula haben die Panethschen Zellen noch andere nicht färbbare Granula). 5. Die Kerne dieser Zellen sind ebenfalls interessant. In den Präparaten nach 96 Stunden ist die Körnerzone verschmälert, aber die Kerne sind vergrößert. Ob sie sich, wenn die Sekretionstätigkeit ihr Maximum erreicht hat, auflösen, kann ich nicht feststellen. Ge- legentlich finde ich diese Kerne in starker Schwellung begriffen und ganz rundlich, die Kernmembran sehr dick und ein kugeliges Kernkörperchen umgebend. Das Chromatingerüst des Kernes ist sehr fein und den Kernen der Ganglienzellen ähnlich. Außerdem finde ich gelegentlich auch einzelne kernähnliche Gebilde in den Körnerhaufen zerstreut und sehr atrophische Kerne in der inneren Zone der Zellen (doch sind diese mit den basalgekörnten Zellen Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 193 nicht identisch). In diesem Stadium können die Kerne vielleicht löslich sein, weil an manchen Stellen die Kernmembran teilweise fehlt und feine Körner des Zelleibes sich innerhalb des Kerns be- finden (rot färbbar durch Eosin, aber nicht durch Hämatoxylin). Alle Kerne in diesen Präparaten liegen als Bläschen in der Basis der Zellen. Sie sind niemals abgeplattet, halbmond- oder sichel- förmig wie die vorherigen. Il. Meerschweinchen. Die Untersuchungsmethoden bei Meerschweinchen sind die- selben wie bei Eichhörnchen. Die allgemeinen Verhältnisse sind bei beiden Tierarten ungefähr gleich. Aber in allen Hungerstadien erscheint der Durchmesser der Zellen des Meerschweinchens etwas kleiner als der des Eichhörnchens, und die typischen Pyramiden- zellen sind bei ersterem häufiger als bei letzterem. Der Durchmesser der Panethschen Zellen beider Tierarten in den verschiedenen Hungerstadien ist aus folgender Kurvendarstellung (Fig. 1) er- sichtlich. Ein weiterer Unterschied ist der: nach 96stündigem Hungern zeigt das Meerschweinchen viel undeutlichere Granula und geringere Färbbarkeit, sonst aber keine Besonderheiten. Da Hamster und Maus den Hunger nicht lange ertragen können und die Fres- senszeit des Igels mir nicht genau bekannt ist, so habe ich diese 3 Tierarten nicht untersucht. III. Schwein. Ehe ich meine Untersuchungen erläutere, möchte ich die Frage aufwerfen, warum einzig das Schwein unter den anderen Haus- tieren, Rind, Pferd, Schaf, Katze und Hund, keine Paneth schen Zellen haben soll. Die Paneth schen Zellen z. B. von den letzteren zwei Tierarten, welche bis 1910 nicht entdeckt waren, sind seit Trautmann bekannt; daß sie beim Schwein nicht gefunden wurden, liegt vielleicht daran, daß sie durch ungeeignete Technik zerstört wurden. Denn verschiedene Autoren haben über den Cha- rakter dieser Zellen ganz verschiedene Vermutungen gehabt, und die einen behaupteten, es seien muköse, die anderen es seien seröse Zellen; Ellenberger bezeichnete sie als mukoseröse. Solche Theorien können nicht befriedigen, weil die Granula bei den unter- suchten Tieren in den verschiedenen Hungerstadien bis zum Tod niemals die Vorgänge der schleimigen oder serösen Degeneration zeigen. Ferner werden sie von allen, muköse Substanzen spezifisch tingierenden Farbstoffen nicht gefärbt. Daraus erhellt, daß die 194 E! A. "Mate Annahme einer schleimigen Natur der Zelle keine genügende Grund- lage hat. Daß es sich aber um Zymogenkörnchen für die Verdauung der Milch, wie Schmidt sagt, handelt, bezweifle ich. Denn Schmidt untersuchte den Embryo des Hundes, ich dagegen erwachsene Tiere in allen Zuständen von 30 Minuten nach dem Graphische Darstellung des Körnergehalts und der Zellgröße. 31127 4und = 2WT UADOZAÄSNY “ "UBYIULOYYNT USYIUIINYISLEON 24 YB 72 % mM 120 13 170 Stdnach der füferung Fig. 1. Durchmesser der Panethschen Zellen der Eichhörnchen und Meerschweinchen in den verschiedenen Hungerstadien. Fressen bis unmittelbar vor Eintritt des Todes (Reflex der cornea bulbi nicht mehr vorhanden, Brusthöhle eröffnet, Herzpuls noch sichtbar). Die Granula aller Pan et h schen Zellen zeigen nur mikro- skopisch morphologische Differenzen, nicht aber nachweisbare chemische Veränderungen. Deshalb werden sie auch nicht Zymogen- körnchen sein. Ich werfe nun die Frage auf, ob diese Zellen etwa aus den anderen Bestandteilen des Gewebes ihr tatsächliches Leben erhalten können, ob ihr Verhalten im Endstadium der Absonderung ein Zeichen dafür ist, daß die ihr Leben unterhaltenden anderen Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 195 Gewebebestandteile gleichzeitig auch zugrunde gehen. Wenn dem so wäre, so brauchten bei den an Fett reichen Tieren oder auch bei den Carnivoren solche Zellen ihre Wirkung gewöhnlich nicht zu zeigen. (Klein sagte, daß das Duodenum der Carnivoren keine Panethschen Zellen enthält.) Es würden solche Zellen vielleicht nur dann hervortreten, sobald die Körperkraft ganz aufgebraucht ist. Ich beobachtete die Paneth schen Zellen auf einem anderen Wege. Zuerst untersuchte ich bei einem Schwein, das nicht ge- hungert hatte. Ueber die Technik folgende Vorbemerkung: Zunächst arbeitete ich nach den Angaben der Literatur und glaubte daran, daß solche Zellen mit den Verdauungstätigkeiten in inniger Beziehung stehen, nahm also von vornherein auch an, daß sie Zymogenkörnchen besitzen. Die vom Schlachthaus direkt be- zogenen Materialien waren unbrauchbar, weil die Schleimhaut des Materials verletzt war. Dann lieferte mir das Schlachthaus ein anderes Material. Einmal waren diese von einem Tier, das über Nacht nichts gefressen hatte und am Morgen geschlachtet worden war. ein anderes Tier war nach 12 Stunden, ein weiteres 1 Stunde nach dem Füttern geschlachtet worden. Die Resultate waren ganz schlecht. Ich kaufte darauf ein Schwein und entnahm Material eine Stunde nach dem Füttern. Auch hier war das Resultat unbe- friedigend. Ich mußte also einen anderen Weg einschlagen, die Verdauungsuntersuchung unterlassen und beobachtete nur die Hungerzustände. Ich hatte keine Vorstellung davon, bis zu welchem Grade ein Schwein Hunger ertragen kann. Um dieses festzustellen, wog ich jeden Tag einmal das Körpergewicht des Schweines Nr. 9, um später darauf meine Maßnahmen aufzubauen. Das Schwein starb nach 20tägigem Hungern. Die tägliche Abnahme des Körper- gewichtes ergibt sich aus der folgenden Tabelle 1. Am 20. Tage nahm ich kurz vor dem Tode des Schweines Objekte heraus und verwandte darauf folgende 7 Arten Konservierungs- flüssigkeit: 1. Zenkersche Flüssigkeit, 2. Orth sche Flüssigkeit, 3. Flemmingsche Flüssigkeit und 4& Altmann sche Methode, 5. Formalin, 6. Alkohol-Formalin, 7. Bichromat-Formalin. Das Resultat der mikroskopischen Untersuchungen ergibt, daß das Duodenum von der Oberfläche der Schleimhaut bis zum Drüsen- grunde ganz von Becherzellen und Schleimtröpfchen eingenommen ist. Panethsche Zellen dagegen waren hier nirgends aufzufinden. Ich nahm an, daß das Schwein zu lange gehungert habe. Ein wei- 196 E-AH: Tanne: Tabelle 1. Körper- Abnahme- Tage , gewicht | zahl Bemerkung | Gramm | Gramm 1 | 5410 | nn | Vom ersten Wiegen bis zum 8 In A100 A 1310 7. Tage gab es keine bedeutenden 9 3995 105 Veränderungen. Deshalb wurde 10 3880 | 115 ‘in der 1. Woche nicht, sondern 11 3740 140 erst vom 8. Tage ab gewogen. 12 3625 115 ' Das Gewicht nahm täglich durch- 13 3515 110 | schnittlich 160 g ab. 14 3390 125 15 3280 | 110 16 3185 | 5 | 17 3085 110 18 2995 90 19 2940 59 20 2885 55 teres Schwein (14), welches 10 Tage gehungert hatte, wurde mit Chloroform narkotisiert, und dann wurde Material entnommen. Die Tabelle des täglich einmal gewogenen Körpergewichtes zeigt fol- gende Werte: Tabelle 2. Körper- Abnahme- Tage gewicht zahl Gramm Gramm 5620 1 | 5490 | 130 2 5350 | 140 3 5190 160 4 4965 225 6) 4830 133 6 | 4715 5 7, | 4560 | 155 8 | 4440 | 120 9 4325 | 115 10 | 4200 | 125 Das Resultat der Untersuchung ergab diesmal zwischen Schwein 9 und 14 keinen wesentlichen Unterschied, nur zeigten die Sekretions- zustände der Epithelzellen einen mittleren Grad. Von den 7 Arten von konservierten Präparaten waren besonders die mit Alkohol- Pr Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 197 Formalin und Formalin fixierten ganz unbrauchbar. Die Basis der Drüsen bestand ohne Zweifel aus Zylinderzellen. Die mit Zenker- scher Flüssigkeit und Bichromat-Formalin fixierten Paraffinschnitte waren auch schlecht, nur in den mit Flemmingscher Flüssigkeit konservierten Präparaten fand ich an der Basis der Drüsen den Panethschen ähnliche Zellen. Ich kann aber keine bestimmte Behauptung aufstellen, weil die Körnchen sehr undeutlich waren. In den mit Müller - Formalin fixierten Präparaten zeigt sich folgendes: zwischen reichlichen Zylinderzellen war eine Zellart zer- streut, die etwas niedriger war als die Panethschen Zellen anderer Tiere. Ihre Granula waren auch undeutlich. Ihr Kern war regel- mäßig rund. (Die Kerne der Panethschen Zellen in gewissen Hungerzuständen haben ungefähr auch rundliche Form, deswegen kann man allein aus der Form des Kernes keine Diagnose herleiten.) Die Lage der Kerne war nahe am Halse der Zellen. Im allgemeinen sollen diese Zellarten unter diesen Verhältnissen weder mit den ge- wöhnlichen Epithelzellen, noch mit den Paneth schen Zellen ver- wechselt werden, sondern sie stellen nach der Literatur höchst- wahrscheinlich die sog. gelben Zellen dar, welche Schmidt 1905 im Darm des Menschen und des Hundes entdeckt hatte. Ueber die gelben Zellen haben viele Autoren vor Schmidt auch geschrieben, Br Billorcin,), Kuuiltisic hinsk ya Nigolase WEM oekler usw. Aber sie hielten diese Zellen für eosinophile Leukozyten. Erst seit 1905 durch die Untersuchungen von Schmidt kennen wir ihre Gestalt und ihr Verhalten gegenüber Konservierungsflüssig- keiten (Müller-Formalin). Nach Schmidts Beobachtungen kommen sie allenthalben im ganzen Darmkanal des Menschen und des Hundes vor, und wegen ihrer Affinitäten nennt man sie einer- seits chromaffine Elemente und andererseits basalgekörnte Zellen, wenn sie nach ihrer Morphologie betrachtet werden. Auch wenn die Präparate sich nicht gefärbt haben, stellen diese Zellen dennoch in den Schnitten mit einer gewissen Konservierungsflüssigkeit behandelt eine eigentümlich gelbe Farbe zur Schau. Das ist das Herkommen ihres Namens: „Gelbe Zellen‘. Im Jahre 1907 hat Ciaciosieinden Lieberkühn schen Drüsen des Hundes und des Meerschweinchens nachgewiesen. Ebenso haben sie Kaufmann und Kull im Darm des Men- schen, des Igels, der Fledermaus und der Katze gefunden. Suda sah neulich (1918) solche Zellen ebenfalls im Magen-Darmkanal. 198 E.4iER Alkann.g: Als Untersuchungsmaterial wurden von allen früheren Autoren im ganzen nur 7 Tierarten benutzt. Ueber die Schweine und die übrigen Wirbeltiere liegt bis jetzt kein Bericht vor; deshalb will ich meine Objekte beschreiben. Ich untersuchte unter anderem Material auch diese 5 Tierarten: Schwein, Eichhörnchen, Maus, Ratte und Hamster. Tabelle 3. | i Untersucher: Sr | Walz Kull, Kleen, Schmidt 1 Menschen Kaufmann 2 Hund Schmidt, Ciacio, Suda 3 Katze Kull, Suda 4 Igel | Kull 5 Fledermaus | Kull 6 Meerschweinchen Ciacio, Suda 7 ı Kaninchen Suda In einem Präparat von einem Schwein, das ich mit Orth- scher Flüssigkeit fixierte und nachfolgend mit Hämatoxylin-Safranin Fig. 2 Lieberkühnsche Drüse des Schweins (10 Tage ge- hungert). Technik: Fixie- rung: Orthsche Flüssig- keit. Färbung: Safranin. Vergrößerung: 1: 1200. färbte, fand ich eine Zellart, die den Paneth- schen Zellen ziemlich ähnlich war, eine relativ breite Basis und eine runde Spitze hatte (Fig. 2). Bei den in der Tabelle erwähnten Tierarten A und B haben die Paneth schen Zellen verschiedene abwechselnde Formen. Bei der Beobachtung mit mittlerer Vergrößerung hielt ich sie beinahe für Panethsche Zellen. Die Granula waren aber nicht klar. Mit der Immersion sah man nun, daß der Kopf der Zelle das Lumen erreicht und daß die Granula schollenartig durch Safranin rotviolett darge- stellt werden. Man kann diese Granula nicht mit denen der Chromaffinzellen verwechseln, die sich durch Safranin ebenfalls rot färben (nach Ciacio), denn 1. in ein und demselben Präparat finden sich deutlich neben diesen Zellen noch die eigentümlich hellgelben Chrom- affinzellen; 2. die Körner liegen alle an der Spitze der Zellen, also vor dem Kern, und ihre Erscheinung stimmt mit der der Basal- körner nicht überein; 3. die Kerne der gelben Zellen müssen Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 199 verhältnismäßig rundlich, bläschenförmig sein und zu 80% an der Vorderfläche, zu 20% im Zentrum, aber niemals an der Basis liegen. Es ist ohne weiteres klar, daß sie keine gelben Zellen sind. Ob sie aber die gewöhnlichen Becherzellen sind, ist auch nicht sicher. Es enthalten die oberflächlichen Epithelzellen zwar auch gefärbte Substanzen, das sind aber keine Granula, sondern deutliche Schleim- tröpfchen. Das Vorhandensein der Panethschen Zellen im Duodenum des Schweines ist daher noch zweifelhaft, und es wird noch sicherer festgestellt werden müssen, Im Jahre 1905 hat Schmidt geschrieben: „Diese Zellen sollen sich zwischen den Epithelzellen der Darmschleimhaut finden, und zwar besonders gegen den Fundus der Lieberkühn schen Drüsen zu, manchmal 3—4 an einem Fundusschnittbild, doch auch höher oben, wenig oder gar nicht im Oberflächenepithel Ausge- zeichnet sind sie durch einen relativ breiten Teil oder Fuß, der gelb gefärbt erscheint und bei starker Vergrößerung sich aus zahlreichen feinen Körnchen zusammengesetzt zeigt. Diese sind feiner, als es die eosinophile Körnelung der Leukozyten zu sein pflegt, so daß sie gelegentlich fast untereinander verschwimmen. Die Körnchen reichen bis zum Kern, den sie halbkreisförmig umgeben, sie liegen nur auf diesen einen Pol der Zelle beschränkt, der dem Krypten- lumen stets abgewendet ist, sein Querdurchmesser ist größer als der der daneben gelegenen Epithelzellen. Der Kern hat das Aussehen von solchen des Epithels, groß, rund, bläschenförmig, mit feinem, relativ spärlichem Chromatingerüst, er erscheint vielfach etwas größer, vor allem heller und mehr kreisrund als die Kerne der daneben liegenden Epithelzellen. Es ist schwer zu sagen, ob die Zellen mit ihrem körnchenfreien Pol das Drüsenlumen erreichen oder nicht, selbst auf ganz dünnen Schnitten erscheinen sie oft wie angelagert an das Fundusepithel oder wie dazwischengedrängt. — Diese Zellen behalten ihre Farbe bei, wenn die Schnitte mit Alaunkarmin oder Hämatoxylin-Mucikarmin behandelt werden, bei Hämatoxylin- Eosinfärbung erscheinen sie je nach der Differenzierung mehr oder weniger orangegelb getönt. Van Gieson färbt sie intensiv gelb, bei Altmann scher Methode sieht man in einer Reihe von Zellen basal einen feinen rötlichen Staub liegen, der unseren Gra- nulis wohl entspricht — auch in den Brunnerschen Drüsen finden sich gelegentlich einzelne dieser Zellen; der Kern ist hier meist nicht so ausgesprochen rund, weil die Zellen zusammenge- 200 E..HsTang: preßt erscheinen, jedoch ist die Körnelung die gleiche, runde, gelbe.‘ Ciacio (1907) hat inden Lieberkühnschen Drüsen des Hundes und des Meerschweinchens chromophile Zellen (nämlich gelbe Zellen) gefunden und gesagt, daß diese Zellen häufig von der Membrana propria bis in die Hälfte des Epithels, aber nicht in das Lumen reichen. Die Zellkörper werden entweder ganz von Granula ausgefüllt oder durch geringe grobe Körner nur in dem Teil, wo das Lumen liegt, besetzt. Sie färben sich mit Eisen-Hämatoxylin schwarz, mit Safranin rot. Diese Zellen sind konstante Bestandteile der gesamten Wirbeltiere und vielleicht Sekretzellen. Kaufmann (1911) wies im Darmkanal die chromophilen Zellen nach, welche Klein schon im Jahre 1905 beschrieben hatte. Im Jahre 1913 untersuchte Kull den Darmkanal des Menschen, des Igels, der Katze und der Fledermaus, fand aber chromophile Elemente, welche mit den von Kultschinsky beschriebenen chromophilen, basalgekörnten Zellen gar nicht identisch waren. Das schmale Ende erreicht das Lumen, und der Fundus der Zelle ist nicht so breit. Sie liegen nicht bloß inder Lieberkühn schen Drüse, sondern auch im Zottenepithel. Die Körner sind selten und liegen auf dem Kern. Er fand ferner im Darmkanal des Meer- schweinchens chromophile Zellen, welche den oben erwähnten chromophilen Zellen auch nicht ganz gleich waren. Eigentümlich ist es, daß die Körner außer dem schmalen Ende fast den ganzen Zelleib ausfüllen. Er teilte diese Zellen in zwei Arten ein: 1. Die einen liegen in der Gegend der Lieberkühnschen Drüsen und sind an Körnern reiche, große Zellen; sie besitzen einen relativ großen Kern. 2. Die anderen sind Zellen im Zottenepithel; sie haben das Aussehen ungefähr wie das der benachbarten Epithelzellen und besitzen auch ähnliche Kerne wie diese. Nur durch ihre Körner kann man sie von den übrigen Epithelzellen unterscheiden. Das Resultat a) nach Suda, b) eigene Objekte. a) 1. Beim Hund findet man chromophile Zellen nur in den Darm- drüsen und gelegentlich auch im Zottenepithel. Die Form ist immer kegelförmig, ihre Kuppe erreicht das Lumen, die Breite des Fundus und der benachbarten Epithelzellen sind ungefähr die gleiche. Ihr Kern ist ein kugliges Bläschen und arm an Chromatin, Ihre chromo- Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 201 philen Granula liegen gewöhnlich unter dem Kern, seltener auf dem Kern. Durch Futter und Hunger verändert sich ihre Struktur. Die Menge der Zellen kann man nicht feststellen. 2. Bei der Katze ist es gleich wie beim Hund, nur die Zahl der Zellen ist geringer als beim Hunde. 3. Beim Kaninchen ist der Zellkörper klein. Das Lumen ist sehr eng, und das Zellgebilde meist undeutlich. Die Zellen sind gleich denen des Meerschweinchens basal gekörnt. Häufig liegen diese Zellen in den Brunnerschen Drüsen zerstreut. Sie sind meist niedrig zylindrisch. 4. Im Darm des Meerschweinchens fanden sich nach Formalin- fixierung und Färbung.mit Hämatoxylin-Eosin außer denPaneth- schen Zellen noch eine andere Zellart, die feine Körner enthält und dunkel-violett erscheint. Diese Zellen ähneln ganz den chromophilen Zellen, jedoch ist ihre Färbbarkeit verschieden. Man nennt sie azidophile Zellen. Nach der Struktur und Lage sind diese chromophilen Zellen des Darmes solcher Tiere vielleicht nichts anderes als Drüsenzellen. b) Nun will ich kurz meine eigenen Objekte: 1. Kaninchen, 2. Meerschweinchen, 3. Schwein, 4. Eichhörnchen beschreiben. Meine Präparate von der Katze stimmen am meisten mit denen von Suda überein, 1. Kaninchen (Fixierung mit Müller- Formalin). a) Färbung mit Hämatoxylin-Mucikarmin, Die gelben Zellen sind hier ganz gering entwickelt und die Zell- gebilde undeutlich. Sie liegen im Fundus der Lieberkühnschen Drüsen. Der Zelleib ist immer rundlich. Die Zellgebilde umgeben den ziemlich durchsichtigen Kern, der ein rundliches Kernkörper- chen trägt. Das Kerngerüst ist sehr fein. Um den Kern findet man mehrere gelbliche Körnchen. Das Volumen des Protoplasmas ist wahrscheinlich kleiner als das des Kernes, weil die Zellgrenzen von den benachbarten Epithelzellen bedeckt sind. Die Brunnerschen Drüsen enthalten nur eine geringe Zahl gelber Zellen. Deren Kerne sind oval, und die Körnchen des Zellkörpers sind unsichtbar, b) Nach van Giesonscher Methode. Alle Verhältnisse im Duodenum sind gleich den oben erwähnten, An manchen Stellen finden sich niedrige, pyramidenförmige, basal- gekörnte Zellen. Ihre Kerne sind wenig platt. Der Zellkörper stellt 202 ExHr Rain.e: sich in hellgelblicher Farbe dar, was dem Befund von Schmidt widerspricht. Die Lage der Zellen ist beschränkt auf den Fundus der Drüsen. An der Oberfläche der Schleimhaut und im Drüsen- halse findet man sie nicht. c) Mit Triacidgemisch. Die Panethschen Zellen enthalten die groben, rot-violetten Körner; dagegen sind diese in den gelben Zellen sehr fein und gelb- schwarz; gelegentlich sieht man eine feine Körnerschicht, welche von der Basis aus den Kern umgibt, d) Durch Mucikarmin. Die gelben Zellen sind zwischen den Epithelzellen zerstreut. Die Zellgebilde sind hier etwas deutlicher als in den anderen Prä- paraten. Die Körner sind sehr fein, ge- legentlich intensiv gelb gefärbt und liegen in der Basis. Der Zellkörper ist auch kleiner als der der benachbarten Epithelzellen. e) Durch Hämatoxylin-Safranig. In diesen Präparaten habe ch eine gelbe Zelle gefunden. Sie war nicht von den anderen benachbarten Zellen gedrückt. Ihr Kopf lag an einer kon- kaven Fläche des Kernes der Epithel- zelle. Die Gestalt der gelben Zelle war einem Polyp sehr ähnlich. Der Kern ist rund und liegt an der Kopfseite. Die Basis ist schmal wie ein Stiel. An der Hinterfläche des runden Kernes befin- Fig. 3. den sich deutlich gelbe Körner. Das Lieberrk.ühn sche ‘Drüse, ‚des Chyromatingerüstsdes’Kerns’istäschre m Kaninchens. a en Satranın. und wird von 5—6 Kernkörperchen um- Vergrößerung: Leitz 1:1200. "gehen. 'Die: Vorderfläche den! Zellener reicht fast das Lumen (Fig. 3). Die Körnchen dieser Zelle sind hellgelblich und weisen keine Safraninfärbung auf, woraus hervor- geht, daß die Körner nicht alle durch Safranin gefärbt zu werden brauchen, wie allerdings Ciacio behauptete. Ferner können wir aus der Form dieser Zellen verstehen, warum sie undeutlich sind. Denn die Zellen liegen in der Membrana propria mit einem Stiel und werden deswegen leicht von anderen Zellen bedeckt. Das Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 203 dem Lumen zugekehrte Ende der Zelle ist ganz rund; daher kann man sie von anderen Zellkörpern meist nicht unterscheiden. Ob die Zellform im Duodenum des Kaninchens der Fig. 3 entspricht oder die eigentliche ist, ist mir noch nicht genügend klar. 2. Meerschweinchen (Fixierung wie oben). a) Färbung durch Hämatoxylin-Eosin. Meist in der Nähe der hellen, rötlichen Paneth schen Zellen findet man intensiv orangegelbe Zellen, die häufig kugelig sind. Die Zellgebilde sind deutlich. Ihre Körner sind größer als die der Panethschen Zellen. Der Kern ist rund und liegt an der Basis oder in deren Nähe. Körner befinden sich nur an der Vorderfläche des Kerns. b) Durch Hämatoxylin-Mucikarmin. Die Körner haben ihre eigentliche Farbe. Der Zelleib ist rund und enthält einen von Körn- chen umgebenen Kern. c) Durch Hämatoxylin-Safranin. Die Farbe des Zellkörpers ist nicht verändert (gelb). Der Kern liegt im Zentrum. In den Brunnerschen Drüsen finden sich keine solche Zellen. d) Durch Triacidgemisch. Die Körner erscheinen schwarz-gelb; sie liegen mehr an der Spitze der Zelle als an der Basis. e) Durch Hämatoxylin-Kongorot. Der Zellkörper ist gelb, die Körner sind rötlich-gelblich. Häufig findet man sie im Drüsen- fundus, sehr selten im Drüsenhalse. f) Durch Methylviolett. Alle Gewebe werden nicht gefärbt. Nur die chromophilen Elemente haben ein helles, gelbliches Aus- sehen. Der Kern liegt an der Basis. Beim ersten Anblick scheint er wie der der Paneth schen Zellen. Betrachtet man den Drüsen- fundus weiter, so sieht man, daß die Panethschen Zellen hier in Gruppen zusammenliegen. Sie sind schwach lichtbrechend und daran leicht zu erkennen. Die Regel bei den von mir gefundenen gelben Zellen, die ihre Körner an der Vorderfläche des Kerns haben, stimmt mit der von Suda nicht überein. 3. Das Schwein (Fixierung wie oben). Obgleich das Vorhandensein der Panethschen Zellen im Duodenum des Schweines noch zweifelhaft ist, so sind dagegen die gelben ungemein zahlreich. Der Zellkörper ist relativ groß. Seine Struktur ist deutlich. Vielleicht ist das Schwein das beste Material zum Studium der gelben Zellen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96, 14 204 ENER Bang: a) Hämatoxylin-Eosin. Wie leicht zu beobachten, sind die Zahl und der Körper der Zellen bedeutend größer als beim Meer- schweinchen. Die Färbbarkeit des Zelleibes ist stark orangegelb und entspricht dem Bericht von Schmidt. Der Zellkörper ist niedrig kuglig bis niedrig dreieckig. Die Basis ist sehr breit. Da- gegen verschwinden die Spitzen aller Zellen fast ganz zwischen den benachbarten Zellen, weshalb diese nicht leicht zu erkennen sind. Die Kerne liegen an der Vorderseite der Zelle. Der Raum hinter den Kernen ist mit Körnern angefüllt, die ziemlich grob, doch etwas feiner sind als die der Paneth schen Zellen. Die Form des Kerns ist kugelig, entsprechend den Befunden aller Autoren. Aber das Kerngerüst ist sehr dick und zeigt fast keinen Unterschied gegen- über den Kernen der benachbarten Epithelzellen. Auch ist an einigen Stellen das Chromatin nicht mehr deutlich sichtbar. Genauere Untersuchung ergibt, daß die Kerne zum Teil von Granulis bedeckt sind. Die Brunnerschen Drüsen enthalten in geringer Menge diese Zellen ebenfalls. In jedem Drüsenfundus des Duodenums sind 3—4, höchstens 6—8 gelbe Zellen vorhanden, die bis zum Drüsenhalse reichen. Ich fand sie niemals in der Epitheloberfläche. b) Mit Hämatoxylin-Mucikarmin. Die Zahl der Zellen ist sehr groß. Sie haben eine hellgelbliche Farbe. Die Schleimtropfen der Epithelzellen werden von Mucikarmin intensiv gefärbt, deswegen sind die gelben Zellen nicht deutlich. c) Mucikarmin. Die eigentümliche Farbe der gelben Zellen ist gar nicht verändert. Bemerkenswert ist, daß die Kerne queroval an der Basis liegen. Die beiden Enden des Kernes sind ziemlich spindelförmig zugespitzt. Aber die meisten Zellen stellen sich auch basalgekörnt dar. d) Hämatoxylin-Safranin. Der Zelleib mit undeutlichen Gra- nulis ist dunkelrot gefärbt. Die Kerne sind rund und liegen im Zentrum. Nur selten sieht man hohe Zylinderzellen. Ihre Basis ist relativ breit. Der Kern ist platt. Die Granula liegen an der Vorderseite des Kerns. Ob diese Granula durch Safranin stark gefärbt sind, wie Ciacio behauptete, ist noch nicht klar. e) Triacidgemisch. Die Zellgebilde sind nicht klar. Man findet nur den bläschenförmigen Kern von einer granulierten dünnen Plasmazone umgeben. Durch Orange färben sich die Körnchen stark gelb. Das Kerngerüst ist ganz undeutlich und einem Bläs- chen sehr ähnlich. Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 205 f) Bismarckbraun. Im allgemeinen sind die Zellen gelblich. Dies ist keine geeignete Methode. Gelegentlich findet man einen bogenförmigen Zellkopf mit Granulis ausgefüllt. Aber den kern- haltigen Teil, der zwischen die übrigen Epithelzellen eingedrungen ist, konnte ich nicht beobachten. g) Hämatoxylin-Kongorot. Die Zellkörper liegen zerstreut zwischen den Epithelzellen als rundliche oder ovale Formen, Das eine Ende liegt nach der Membrana propria und das andere nach dem Lumen zu. Der Kern ist regelmäßig rund und reich an Chromatin- substanzen. Unter dem Mikroskop ist er intensiv blau. h) Methylviolett. Das Gewebe ist allgemein blau oder nicht gefärbt. Nur das Zentrum der gelben Zellen enthält einen durch- sichtigen Kern. Diese Zellen liegen zwischen den benachbarten Epithelzellen zerstreut. Um den Kern sind viele Granula, die gelb- lich und sehr fein sind, ) Van Gieson. Außer der großen Zahl der gelben Zellen ist nichts besonderes zu sehen. k) Hämatoxylin-Bismarckbraun. Die Färbbarkeit gleicht der Methode f. Die Zellkörper haben ihre eigene gelbe Farbe; der Braun- farbstoff ist ohne Einfluß. Der Kern liegt im Zentrum und färbt sich hellblau. Körner sind nicht sichtbar. 4. Eichhörnchen (nach 72stündigem Hungern und fixiert nach obigen Methoden). Die Körner der gelben Zellen liegen an der Vorderseite der Kerne. Bei allen Färbungen sind sie sichtbar; nur die Zellkonturen bleiben undeutlich. Die Zelleiber sind so klein wie die des Kanin- chens. Man kann sie in allen gefärbten Präparaten, besonders aber in den durch Mueikarmin gefärbten Schnitten leicht beobachten. Ich habe außerdem noch andere Tiere untersucht, die sich mehr oder weniger gleichen, und will sie nicht weiter ausführlich besprechen. Ich stelle sie in Tabelle 4 (S. 206) zusammen, aus welcher er- sichtlich ist, welche Zellen sie besitzen und welche nicht. Jedoch habe ich bei den Tieren dieser Tabelle nur das Duodenum unter- sucht. Die übrigen Organe, z. B. Pankreas, Speicheldrüsen usw. habe ich nicht gleichzeitig untersucht. Ob diese Organe durch den Einfluß des Hungers erhebliche Veränderungen an diesen Zellen er- leiden, ist noch unklar. 14* 206 BE. Rang: Tabelle 4. Imterie | Paneth ° Chromophil Eichhörnchen | E 3+ Meerschweinchen ! B= Kaninchen Sr Sr Hund = Sr Katze = Sr Igel = Ir Hamster — | ar Maus Ar | Ar Weiße Ratte | Z- + Schwein | ? == Gewöhnl. Ratte = er Zusammenfassung. 1. Für alle Wirbeltiere, die die Panethschen Zellen deut- lich besitzen, z. B. Eichhörnchen, Meerschweinchen usw. passen alle Fixierungsflüssigkeiten. Besonders gut ist Alkohol-Formalin. Dieses Gemisch spart Zeit bei der Konservierung und ist nicht teuer. Es nimmt auch fast alle Farbstoffe gut an. Schmidt sagt, daß er mit Alkoholbehandlung nur schlechte Präparate erhalte. Dieselbe ist aber auch für Eichhörnchen und Meerschweinchen geeignet. 2. Bei einigen Tieren, welche die Paneth schen Zellen nicht so deutlich besitzen, z. B. Katze und Hund, können die Paneth- schen Zellen durch Alkohol-Formalin nicht zum Vorschein gebracht werden. Viele Autoren benutzen das Sublimatgemisch. Nach meiner Meinung ist das Gemisch, z. B. Zenker sche Flüssigkeit, durchaus ungeeignet. Auch die Flemmingsche Flüssigkeit ist verwerf- lich, doch ist diese besser als die vorhergehende. 3. Durch die verschiedenen Erscheinungen in allen möglichen Arten der Hungerzustände ist die Struktur und Zahl bzw. die Größe der Panethschen Zellen bekannt. Sie sind ohne Zweifel Drüsen- zellen. 4. Die Affinität der Granula zu Eosin steht unter allen Farb- stoffen in erster Linie. Manche Autoren erklärten die Granula als Schleimkörner. Dies ist wahrscheinlich nicht richtig, weil sie durch die spezifischen Schleimfarbstoffe nicht färbbar sind. 5. Die Gestalt der Paneth schen Zellen im ersten Sekretions- Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums. 207 stadium ist pyramidenförmig. Während der verschiedenen Se- kretionsstadien muß man sie nach der Eigenart ihrer Granula, nach ihrer Färbbarkeit und ihrem Kern usw., nicht aber allein nach ihrer Gestalt, als solche feststellen. 6. Ob im Duodenum des Schweins Panethsche Zellen vor- kommen, ist auch heute noch eine offene Frage. Bei Katze und Hund werden sie mit gewöhnlichen Methoden nicht gefunden (im Duodenum von Katze und Hund und bei der Alkohol-Formalin- fixierung sieht man unter dem Mikroskop, daß der Drüsenfundus nur aus zylindrischen Epithelzellen gebildet ist). Meine Präparate (nach 10tägigem Hungern, undMüller- Formalinfixierung) zeigen den Paneth schen ähnliche Zellen. Ob die Hungerzustände für die Beobachtung noch nicht das richtige Stadium sind oder ob die Behandlung eine ungeeignete ist, muß noch in weiteren Studien entschieden werden, 7. Zum Studium der gelben Zellen bietet das Schwein das beste Material. Die Zahl der Zellen und die Zelleiber an sich sind groß. Die Zellgebilde und die Granula sind sehr klar. Bemerkenswert ist das Verhalten des Kernes in den gelben Zellen anderer Tiere. 8. Die Verhältnisse zwischen den gelben und den Paneth- schen Zellen sind interessant, z. B. das Eichhörnchen, das viele große Panethsche Zellen enthält, hat nur wenige, kleine, un- deutliche gelbe Zellen. Beim Meerschweinchen dagegen sind die Panethschen Zellen nicht so gut entwickelt wie beim Eich- hörnchen. Dagegen sind seine gelben Zellen zahlreicher und relativ groß. Beim Schwein nun sind die gelben Zellen außerordentlich stark entwickelt, während Paneth sche Zellen zu fehlen scheinen. Es würde eine interessante Aufgabe sein, die „Beziehungen zwischen den Panethschen und gelben Zellen‘ eigens zu studieren. Nach Suda sind Veränderungen in der Struktur und Menge der gelben Zellen durch Fütterung und Hunger nicht nachzuweisen. Bei meinen Untersuchungen dagegen hatten die verschiedenen Stadien verschiedene Einflüsse auf den Zelldurchmesser. Aber die gelben Zellen des Schweines veränderten sich verhältnismäßig weniger als die des Eichhörnchens und Meerschweinchens (vgl. Tab. '5). 10. Das Studium der gelben Zellen ist erst im Anfangsstadium, Ich bin der Ansicht, daß Gestalt und Funktion dieser Zellen nicht ohne weiteres erklärt werden können. Das Studium ihrer Morpho- 208 ErH: Famig: logie gibt sicher nicht genügend Aufschluß, und es muß mit anderen Methoden untersucht werden. Il. Ich beobachtete eine polypenartige gelbe Zelle im Kanin- chen-Duodenum, welche vielleicht eine typische Form der eigent- lichen gelben Zellen darstellt, was aber Keineswegs sicher ist. Tabelle 5. Durchmesser der gelben Zellen. Hungerstadien Eichhörnchen Meerschweinchen Stunden u u 24 11,01 | 16,03 48 11,00 | 11,65 72 7,50 | 13,72 96 14,97 1274 110 16,05 15,64 143 — 12,97 170 _- 15,24 Literaturverzeichnis. 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Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Derivate des Kiemendarmes beim Meer- schweinchen. I. Morphologie des thyreo-thymischen Organkomplexes in der späteren Fetalperiode. Il. Die Histogenese der Schilddrüse. III. Die Entwicklung der Arterien der Schilddrüse. Von Hans Rabl, Graz. Mit 23 Textfiguren und Tafel VIII—X. Die vorliegende Arbeit bildet die Fortsetzung meiner Unter- suchungen über die Entwicklung der Derivate des Kiemendarmes beim Meerschweinchen, welche im Jahre 1913 im 82. Bande dieses Archivs erschienen sind. Ich habe dort, ausgehend von einem Stadium von 3,8 mm Körperlänge, die erste Anlage der Schild- drüse, der Beischilddrüsen, der Thymus, des Cervicalbläschens und des ultimobranchialen Körpers und die weitere morphologische Ent- wicklung und histologische Differenzierung dieser Organe bis zu ihrem Verhalten bei einem Embryo von 14,5 mm beschrieben. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Embryonen von 15—85 mm Länge. Das verwendete Material ist in der folgenden Tabelle (siehe nächste Seite) zusammengestellt. Hinsichtlich der Bestimmung des Alters der Embryonen und ihrer Größe, sowie in Betreff der Schnittdicke, Einbettung und Färbung verweise ich auf das im ersten Teile der Arbeit Gesagte. Nur bezüglich des letzteren Punktes muß ich noch ergänzend be- merken, daß ich außer der Hämatoxylin-Eosin-Färbung auch die Färbung nach Giemsa, die Eisen-Hämatoxylin-Färbung nach M. Heidenhain und die Färbung nach Mallory wieder- holt in Verwendung gezogen habe. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 211 Größe | Nummer ie ei anal | Zu | Schnitt- Mutter- a Steißlänge) | NS richtung tieres |, Tagen En | | | | | 16 PR 15 | 1 Teil Zenkersche | | Flüssigkeit (1Z) + 1 Teil | 10% Formol (IF) | quer 16 23 15 | 3 Da N 38 23 19,2 |Helly sche Flüssigkeit M 16 23 | 15,5 | Ze E | N 16 23 | 16 | 35 | sagittal 31 20000, 16,5 'Hellysche Flüssigkeit, quer 31 20 16,5 ” | „ 20 DT 17 LA UE IA A 20 27 17 a | frontal 20 ZT | 18 » | quer 24 28 | 19 | » „ 24 23 In 20 r | frontal 24 2SeM 20 2 quer 6 Pen 21 | z * | (Kopfl. 11 mm) | 6 ? 22 | t r 4 ? 23 | DZ IR = IB | (Kopfl. 13 mm) | | 21 30 25 NZ F LER 22 32 27 | r | 5; 22 32 27 | Z R 15 26 (?) 30 | 12 10E NICHY, 23 38 350 M 2 (Kopfl. 22 mm) 2 ? 68 | DZ OR % (Kopfl. 29 mm) 27 52 | 85 | LATE Bee, I. Die Morphologie des thyreo-thymischen Organkomplexes in der späteren Fetalperiode. Bezüglich der Literatur kann ich mich kurz fassen. Bis zum Jahre 1914 waren über mein Thema vor allem zwei Arbeiten von Wichtigkeit erschienen, die ich auch in meiner ersten Mitteilung bereits angeführt habe: die von Maximow über die Histogenese der Thymus bei den Säugetieren und jene vnRuben 212 HansıRabl: „Zur Embryologie der Thymus und Parathyreoidea beim Meer- schweinchen.‘“ Mit der ersteren gedenke ich mich noch gelegentlich einer späteren Veröffentlichung über die Herkunft der Lymphozyten in der Meerschweinchenthymus und das nähere Schicksal des Cervicalbläschens eingehender zu befassen. Die Ergebnisse, zu denen Ruben gelangt ist, sollen bei der Schilderung derjenigen Stadien, dıe den von ihm beschriebenen entsprechen, angeführt werden. Diese beiden Arbeiten sind, soweit mir bekannt, auch heute noch die einzigen, die sich mit der Entwicklung der Hals- organe des Meerschweinchens näher beschäftigen. Ich will im folgenden einen anderen Gang der Darstellung ein- schlagen, als er für den ersten Teil dieser Arbeit gewählt wurde. Dort habe ich jedes Stadium für sich, sowohl hinsichtlich der grob morpho- logischen und topographischen Verhältnisse, als auch in Bezug auf die histologischen Eigentümlichkeiten der in Rede stehenden Organ- anlagen beschrieben und den Zusammenhang in der Darstellung nur durch die Betonung des Unterschiedes, den jedes Stadium gegenüber dem vorhergehenden aufweist, zu wahren gesucht. Von dieser Verknüpfung der Beschreibung der Organogenese mit der Histogenese soll nunmehr abgesehen werden, da nach der Trennung der dritten Schlundtasche in die Anlage der Thymus und des Epithel- körpers III die Organogenese vollendet ist, und daher nur mehr die Schilderung der weiteren Ausbildung der Organe nach äußerer Form und innerer Struktur erübrigt. Von diesen beiden Prozessen soll zunächst der erstere zur Darstellung gelangen. Um einen Einblick in das Wachstum und die damit verbundene Aenderung in Gestalt und Lage der Organe zu erhalten, habe ich eine Reihe von Rekonstruktionen auf Millimeterpapier bei Pro- jektion auf die Frontalebene ausgeführt (Textfigg. 1—9). Die in den Figg. 1—6 wiedergegebenen Rekonstruktionen wurden bei 50facher, die in Fig. 7 wiedergegebene wurde bei 25facher, die der Fig. 8 zugrunde liegende Rekonstruktion bei 20facher und die der Fig. 9 zugrunde liegende bei l6facher Vergrößerung ausgeführt. Um die Bilder dem Seitenformat anzupassen, wurden die Original- zeichnungen in der Reproduktion verkleinert. Darüber ist die Figurenbeschreibung zu vergleichen. Derartige Rekonstruktionen stehen naturgemäß plastischen Modellen in vieler Hinsicht weit nach, sie haben aber den Vorzug, Lage und Formverhältniss> auch jener Organe zu zeigen, die an einem Modell durch vorgelagerte Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 213 Teile verdeckt werden. Selbstverständlich war ich sorgfältig be- strebt, die Grundbedingung für die Richtigkeit derartiger Zeich- nungen, eine genau senkrecht zur Längsachse gelegene Schnitt- richtung, in jedem Falle einzuhalten. Fig. 1, die sich auf einen 15,5 mm langen Embryo bezieht, unterscheidet sich nur unwesentlich von Textfigur 2, S. 129 meiner Bios]. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 15,5 mm langen Embryo. Der Kontur der Schilddrüse ist in Strichen, der der Thymus in Punkten an- gegeben; der Epithelkörper Ill ist horizontal schraffiert, der Epithelkörper IV vertikal, der ultimobronchiale Körper schräg. Die Wand der Vesicula cervi- calis ist radiär gestreift dargestellt. Die letztere grenzt mit einem kleinen Segment an die Dorsalfläche der Thymus. Der Epithelkörper III liegt dorsal von Carotis communis (mit ganz ausgezogenen Konturlinien dar- gestellt) und Thymus, der Epithelkörper IV und der ultimobranchiale Körper dorsal von ‚der Schilddrüse. — Vergrößerung 30. ersten Arbeit !), welche die analogen Organe bei einem Meerschwein- chenembryo von 14,5 mm darstellt. Abgesehen von jenen Unter- schieden, die auf individueller Variation beruhen —, und diese spielt hinsichtlich der Gestalt und Lage aller hier in Betracht kom- menden Bildungen eine sehr große Rolle — fällt nur eine gering- fügige Vergrößerung einerseits der Schilddrüse, andererseits der 1!) Bei ihrer Erklärung heißt es: „Rekonstruktion derselben Art wie Textfig. 1. Darstellung der Organe in gleicher Weise wie dort.‘“ Leider ist mir in der (klein gedruckten) Erklärung der Fig. I (S. 122) ein sinnstörender Lapsus calami unterlaufen, der hiemit richtig gestellt sei. Beim Vergleiche mit der Stadienbeschreibung im Text ist er übrigens leicht zu erkennen. In den beiden Textfiguren ist nämlich nicht der Epithelkörper III, sondern die Thymus mit punktierter Konturlinie dargestellt. Der Epithelkörper III erscheint horizontal schraffiert. Die Darstellungsweise der einzelnen Organe ist demnach in beiden Arbeiten die gleiche. 214 HiansYRab!: Thymus und des Cervicalbläschens auf. Während dort dıe Länge der Schilddrüse vom unteren Rand des Isthmus zur Spitze der Hörner im Mittel 0,77 mm beträgt, mißt die gleiche Strecke hier 0,382 mm. Es ist dies durch die Rückwärtswanderung des Isthmus bedingt, mit welcher Hand in Hand eine geringfügige Verschmälerung desselben eingetreten ist. Thymus und Cervicalbläschen weisen eine Vergrößerung nach allen Richtungen auf, Beischilddrüse und ultimobranchialer Körper sind dagegen bei beiden Embryonen von ungefähr gleicher Ausbildung. In der Medianebene liegen zwei kleine Bläschen, von welchen das obere als Rest (oder Sproß?) des Ductus thyreo-glossus aufzufassen ist und jenen Bildungen gleicht, die ich in größerer Zahl bei einem Embryo von 12 mm Länge beobachtet und in Textfigur 1, S. 122 meiner früheren Arbeit abgebildet habe. Es liegt in einer ventralen Rinne des im Beginne der Verknorpelung stehenden Körpers des Zungenbeines. Das untere Gebilde befindet sich bereits jenseits des Kehlkopfes, ventral von der Luftröhre und gleicht in seinem Baue dem Hauptorgan. Es muß jedenfalls als ein Teil desselben aufgefaßt werden, der bei der kaudalen Wanderung des Organes zurückgeblieben ist. Bei älteren Embryonen läßt sich an derselben Stelle, an der sich im vorliegenden Falle das Kraniale Bläschen vorfand, eine bald kleinere, bald größere Drüsenanlage nachweisen, die einige Abweichungen vom Bau der Hauptschild- drüse darbietet. Ich gedenke auf ihre Entwicklung und ihr histo- logisches Verhalten in einer besonderen Arbeit einzugehen. Beim erwachsenen Tiere liegt diese akzessorische Schilddrüse teils im Innern, teils in einer tiefen Nische des knöchernen Zungenbeinkörpers und verdient daher den Namen einer Gl. hyoidea. Sie entspricht der von Zuckerkandl beim Menschen entdeckten ‚Glandula suprahyoidea‘. Fig. 2 (S. 215) zeigt die Anordnung der Halsorgane bei einem Embryo von 17 mm Länge. Die Schilddrüse ist von ausgesprochener Hufeisenform, ihr Isthmus mißt in Kranio-kaudaler Richtung 0,24 mm. Der Querdurchmesser der beiden Hörner beträgt im Mittel 0,29 mm, das linke reicht kranialwärts höher als das rechte; die Länge des ersteren beträgt von seiner Spitze bis zum kaudalen Rande des Isthmus 1,2, die des letzteren 1,1 mm. Auch hier sind wieder an mehreren Stellen Teile des Ductus thyreo-glossus erhalten geblieben. Die Thymus hat an Volumen bedeutend zugenommen. Wäh- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 215 rend sie beim Embryo von 15,5 mm beiderseits eine durchschnitt- liche kranio-kaudale Länge von nur 0,38 mm aufweist, mißt hier die rechte Thymus in dieser Richtung 0,58, die linke 0,62 mm. Der Querdurchmesser beträgt ca. 0,38 gegen 0,24 mm des erst beschrie- benen Stadiums. Auch die Cervicalbläschen sind größer, wenn auch nur um ein geringes, als im früheren Falle. Von besonderer Ausdehnung ist die Parathyreoidea III, die auf beiden Seiten einen langgestreckten, strangförmigen Körper Fig. 2. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 17 mm langen Embryo. Die verschiedenen Organe sind in der gleichen Weise wie im vorhergehenden Bilde zur Darstellung gebracht. An der Parathyreoidea III lassen sich 3 Ab- schnitte unterscheiden. Der kraniale liegt größtenteils lateral von der Carotis; nur eine kleine Spitze erscheint ihr ventral vorgelagert. Im folgenden, breitesten Abschnitt umfaßt sie das Gefäß an seiner dorsalen, lateralen und ventralen Seite. Im dritten, dem langen Parathyreoideastrang, liegt sie rein ventral davon. Der Epithelkörper IV liegt wie im früheren Falle dorsal von der Schilddrüse, lateral neben dem N. laryngeus recurrens. Der ultimo-branchiale Körper liegt beiderseits hauptsächlich außerhalb (dorsal) von der Schilddrüse; nur sein kaudales Ende wird von Schilddrüsengewebe umgeben. Vergrößerung 30. bildet, der sich dem äußeren Rande der Thyreoidea anschmiegt und rechts 0,82, links 0,9 mm lang ist. Das kraniale Ende ist — entsprechend seiner Herkunft aus der dritten Schlundtasche — beiderseits verdickt; der übrige Teil muß nach Hansonals Para- thyreoideastrang bezeichnet werden. Parathyreoidea IV und ulti- mobranchialer Körper sind rechts nur schwach entwickelt und von ungefähr der gleichen Größe wie beim jüngeren Embryo, links da- gegen erheblich länger. 216 ElamısaRanpı: Die Textfigur 3 bezieht sich auf einen Embryo von 21 mm größter Länge. Die Thyreoidea ist hier noch unsymmetrischer als im früheren Falle, indem das linke Horn gegenüber dem rechten noch weiter kranialwärts reicht als dort. Die Länge des ersteren beträgt 1,3, die des letzteren nur 1,12 mm. Wenn die Drüse somit in kranio-kaudaler Richtung rechts nur wenig, links gar nicht zu- genommen hat, so zeigt sie dafür in transversaler Richtung eine nicht unwesentliche Vergrößerung. Hier beträgt der durchschnitt- liche Durchmesser, soweit er aus den etwas unregelmäßigen Kon- turen zu bestimmen ist, 0,36, während er beim 17 mm langen Embryo Eie.33. Thyreo-thymischer Organkomplex eines Embryo von 21 mm Länge. Dar- stellung der einzelnen Organe wie in Fig. 1. Das aus der rechten Carotis communis entspringende Gefäß ist die A. thyreoidea. Das gleichnamige Gefäß der Gegenseite wurde nicht eingezeichnet. Es ist dort ein Ast der C. externa, welcher von dieser unmittelbar nach ihrem Ursprunge ab- gegeben wird. Vergrößerung 30. eine Länge von nicht ganz 0,3 mm aufweist. Die Länge ihrer dorso- ventralen Achse schwankt, wenn man vom oberen und unteren Pole absieht, zwischen 0,46 und 0,51 mm. Was den Isthmus anbe- langt, so beträgt seine Ausdehnung in der kranio-kaudalen Richtung 0,18, in der dorso-ventralen nirgends über 0,I mm. Im Wachstum der beiden Thymusdrüsen fällt eine Bevorzugung der Längenrichtung auf. Beim 17 mm langen Embryo betrug das Verhältnis der Längsachse zur transversalen ca. 3:2, jetzt aber beträgt es ungefähr 2:1. Die linke Thymus besitzt nämlich eine Länge von ca. 0,9, die rechte von I mm; diesen Maßen steht der Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 217 transversale Durchmesser mit je 0,48 im Mittel gegenüber; der dorso-ventrale Durchmesser beträgt beiderseits ca. 0,5 mm. Ver- gleicht man die Thymusdrüsen in den drei bisher beschriebenen Stadien, so erkennt man, daß sie zu einer Zeit, in der die Thyreoidea nur langsam gewachsen ist, außerordentlich rasch an Masse zuge- nommen haben. Die angegebenen Zahlen sind um so bedeutungs- voller, als die Schilddrüsen außerordentlich reich vaskularisiert sind, und ihre weiten Blutgefäße den Hauptbestandteil des gesamten Organvolumens ausmachen, während das Gewebe der Thymus noch durchaus kompakt ist. Allerdings muß auch hier eine Einschränkung gemacht werden. Wie ich im ersten Teile meiner Arbeit gezeigt habe, geht die Thymus aus dem lateralen Abschnitte der dritten Schlundtasche hervor. Ihre Vergrößerung erfolgt einerseits durch fortschreitende Verdickung der Wand der Schlundtasche selbst, anderseits dadurch, daß diese zunächst kaudalwärts, später auch lateral- und kranialwärts, schließlich noch dorsal- und ventral- wärts Fortsätze entwickelt, welche anfangs eine fingerförmige Gestalt besitzen und die Anlagen der Läppchen darstellen. Im vorliegenden Stadium setzt sich die Thymus aus einem kranialen und medialen, kompakten Teile, den ich als die Stammzone der Thy- mus bezeichnen möchte, und aus einer kaudalen und lateralen, lockeren Partie zusammen, welche aus deren Fortsätzen besteht. Naturgemäß konnten diese nicht in der Rekonstruktion zum Aus- druck gebracht werden. Hier wurde als Rand der Thymus das Ende des jeweilig am meisten nach außen, bzw. nach hinten reichen- den Fortsatzes eingetragen. Da die Fortsätze durch Bindegewebe voneinander getrennt sind, mußte auch dieses bei der Rekonstruk- tion in die Thymus einbezogen werden. Um dieses Zwischengewebe, aus dem später die Septen hervorgehen, welche die Läppchen von- einander trennen, erscheint demnach die Thymus im Bilde größer, als sie in Wirklichkeit ist. Immerhin nimmt es in ihr bei weiten weniger Raum ein, als die zahlreichen Blutgefäße in der Schild- drüse. Das Cervicalbläschen ist von beträchtlicher Größe. Es liegt hier, wie in allen übrigen untersuchten Fällen, in der Stammzone der Thymus, an ihrer dorso-lateralen Ecke. Daß es, der Rekon- struktion zufolge, allseits von Thymusgewebe umschlossen erscheint, hat darin seinen Grund, daß sich die Thymus ventral vom Cervical- bläschen weiter lateralwärts als dieses erstreckt. An seiner lateralen 218 Ela se Rab: und dorsalen Seite wird es von Bindegewebe umhüllt, medial- und ventralwärts grenzt es an Thymusgewebe, von dem es stellenweise nur undeutlich unterschieden werden kann. Das rechte Cervical- bläschen ist in dorsoventraler Richtung von besonderer Ausdehnung. Die Parathyreoideae III sind kürzer als beim 17 mm langen Embryo. Auf der rechten Seite läßt sich ein dünner querer, die dorsale Wand der Carotis communis umgreifender und ein breiter in kranio-kaudaler Richtung, parallel der Carotis communis sich erstreckender Schenkel unterscheiden. Auf der linken Seite ist nur Fig. 4. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 23 mm langen Embryo. Dar- stellung der einzelnen Organe wie in Fig. I. Soferne Epithelkörper III und C. communis übereinander gezeichnet sind, hat man sich ersteren ausschließlich ventral von letzterer liegend zu denken. Das beiderseits aus der C. communis entspringende Gefäß ist die A. thyreoidea. Vergröß. 30. der letztere vorhanden. Parathyreoidea IV und ultimobranchialer Körper zeigen auf derselben annähernd normale Verhältnisse. Rechts dagegen ist ihre Lage eine ganz ungewöhnliche, da diese beiden Organe in keinem anderen Falle am kranialen Pole außerhalb des Schilddrüsenparenchyms angetroffen wurden. Sie sind noch, wie im jüngeren Stadium (vgl. Fig. 36 Taf. X meiner ersten Arbeit), zu einem einheitlichen Epithelkomplex vereinigt, dessen dorsalen Teil der Epithelkörper, dessen ventralen der ultimobran- chiale Körper bildet. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 219 Bei einem Embryo von 23 mm Körperlänge (Textfigur 4) erscheint die Schilddrüse bereits vollkommen in zwei walzenförmige Körper zerlegt, von denen der linke eine Länge von 1,28, der rechte, der sich kaudalwärts stark verjüngt, eine solche von 1,6 mm be- sitzt. Der transversale Durchmesser beträgt in der mittleren Region beiderseits durchschnittlich 0,44, der dorso-ventrale ebenda 0,5 mm. Die Thymus besitzt folgende Maße: Ihre Länge parallel der C. comm. beträgt rechts 1,16, links 1,04 mm, ihr transversaler Durch- messer rechts im Mittel 0,6, links 0,63, der dorsoventrale Durch- messer beträgt beiderseits ca. 0,6 mm. Ihre kraniale Hälfte ist mit Ausnahme des vordersten Endes kompakt. Letzteres besteht wie die ganze kaudale Hälfte aus Fortsätzen der Stammzone, die durch Bindegewebe voneinander getrennt werden und sich unter fort- schreitender unregelmäßiger Verästelung in immer dünnere Zell- stränge auflösen. Diese Stränge sind hier jedoch weniger stark ausgebildet als in der kKaudalen Partie. Das Cervicalbläschen, wie auch seine Lichtung, ist von beträchtlicher Größe. Insbeson- dere erstreckt es sich — was aus der Rekonstruktion nicht er- sichtlich ist — ziemlich weit dorsalwärts. Leider sind aber seine Grenzen gegen das Thymusgewebe noch undeutlicher als im frü- heren Stadium, so daß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen wage, daß sie auch tatsächlich jenen Verlauf besitzen, die Fig. 4 zeigt, so sorgfältig auch bei Anfertigung jener Zeichnung vorgegangen wurde. Bemerkenswert ist ein mit dem Cervicalbläschen nur durch wenige Zellen verbundenes Röhrchen auf der linken Seite, das von einer einfachen Lage hoher Zylinderzellen aufgebaut wird und sich bis an den inneren Rand des M. sterno-cleido-mastoideus erstreckt. Es kann nur als ein Rest des Ductus cervicalis aufgefaßt werden. Die Lage und das Aussehen der Epithelkörper, sowie des ultimo- branchialen Körpers entsprechen bei diesem Embryo der Norm. Der äußere Epithelkörper besteht beiderseits aus einem breiteren, kranialen Anteile und aus einem sich daraus fortsetzenden dünnen Strang. Auf der rechten Seite zeigt der Parathyreoideastrang nahe seinem Ursprung eine Unterbrechung. Die nächste Rekonstruktion (Textfigur 5) stellt den thyreo-thy- mischen Organkomplex eines 27 mm langen Embryo dar. Bei diesem ist es noch zu keiner Spaltung der Thyreoidea gekommen, doch weist der Isthmus bereits eine Lücke auf. Die rechte Hälfte der Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96, 15 220 Hans Rabl: Thyreoidea besitzt, von ihrer kranialen Spitze zum hinteren Rande der Mitte des Isthmus gemessen, eine Länge von 1,54, die linke Hälfte von der kranialen Spitze bis zum Ende des noch jenseits des Isthmus sich erstreckenden, kurzen Fortsatzes eine solche von 1,65 mm. Im transversalen Durchmesser erscheint die rechte Hälfte n 0 Fie,#9; Thyreo-thymischer Organkomplex eines 27 mm langen Embryo. Die Lage der Parathyreoidea III zur Carotis entspricht jener beim 23 mm langen Embryo. Die ultimobranchialen Körper sind bereits ringsum von Schild- drüsengewebe eingeschlossen. Sie liegen am Querschnitte im Zentrum des Organes. Die Parathyreoidea IV der rechten Seite liegt in einer Nische der dorsalen Fläche der Schilddrüse. Von den beiden medianen, akzessori- schen Schilddrüsen zeigt die obere die Eigentümlichkeiten der Gl. hyoidea; die untere besteht aus typischem Schilddrüsengewebe. Die A. thyreoidea entspringt rechts aus der Wurzel der C. externa, links aus der C. communis, gerade unter ihrer Teilung. Vergrößerung 25. von wechselnder Größe. Kopfwärts zugespitzt wölbt sie sich in der Mitte stark medialwärts vor und erreicht hier eine Breite von 0,5] mm, Gegen den Isthmus zu verschmächtigt sie sich ziemlich plötzlich und mißt hier durchschnittlich nur 0,31 mm. Die linke Hälfte ist, wenn man vorderes und hinteres Ende unberücksichtigt läßt, von annähernd gleichem transversalen Durchmesser, der ca. 0,43 mm Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 22] beträgt. Der dorso-ventrale Durchmesser der Schilddrüse hat beider- seits eine mittlere Länge von 0,56 mm. Es erscheint demnach in diesem Falle die Thyreoidea, mit jener des 23 mm langen Embryos verglichen, in allen Dimensionen um kaum mehr als !/,, gewachsen. Um so auffallender ist dagegen wieder die Vergrößerung der Thymus. Die Länge der rechten Thymus parallel der Carotis beträgt 1,5, die der linken 1,65 mm. Der transversale Durchmesser mißt —. wie immer unter Vernachlässigung der beiden Enden — rechts 0,77, links 0,63 mm, der dorso-ventrale Durchmesser beträgt im Mittel 0,75 mm. Daher erscheint die Thymus gegenüber dem früheren Stadium in jeder Richtung um mehr als V gewachsen. Für das Cervicalbläschen und seine Abgrenzung gegen das Thymusgewebe gilt das bei der Beschreibung von Textfigur 4 Gesagte. Es wurde hier, wie in allen übrigen Fällen in der Rekonstruktion der Rahmen seiner Lichtung so eng gezogen, als er mit Sicherheit vom benach- barten Iymphozytenhaltigen Gewebe unterschieden werden konnte. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Wand des Bläschens dicker ist, als es den Anschein hat, indem sie bereits im Begriffe steht, in analoger Weise wie die Thymus umgebaut zu werden. Die Parathyreoideae III lassen in Textfigur 5 die Form einer Schleife mit einem äußeren breiteren und kürzeren und einem inneren schmäleren und längeren Schenkel erkennen. Dieser erstreckt sich auf der linken Seite besonders weit kaudalwärts. Im Schleifenwinkel werden die beiden Schenkel durch den N. hypoglossus vonein- ander getrennt (Taf. VIII, Fig. 1). In dieser Lagebeziehung des Nervs zum Epithelkörper dürfen wir wahrscheinlich die Ursache für die Teilung des letzteren in zwei Schenkel erblicken, indem der Nerven- bogen verhindert, daß der auf ihm reitende Epithelkörper als ein- heitliches Organ kaudalwärts rückt. Es liegen daher auch distal vom Nerven die beiden Teile des Epithelkörpers im gleichen Abstand voneinander wie dort, wo er zwischen ihnen verläuft. In Fig. 2, welche diese Tatsache illustriert, zeigen die beiden Teile des Epithel- körpers eine verschiedene histologische Struktur. Derartige Unter- schiede im Bau kommen sehr oft vor, sind aber nicht an bestimmte Abschnitte des Epithelkörpers geknüpft. — Der laterale Schenkel der Schleife setzt sich hier, wie auf der anderen Seite, kontinuierlich in die Anlage des am weitesten dorsal befindlichen Thymusläppchens fort. In diesem Verhalten drückt sich die gemeinsame Abkunft des Epithelkörpers und der Thymus aus der dritten Schlundtasche aus. 192 739 Hans Rabl: Kranial vom Schleifenwinkel des Hypoglossus liegt der Epithel- körper ungeteilt der dorsalen Fläche des distalen Schenkels des Nervenbogens auf. Wie in diesem Falle besteht auch bei der Mehrzahl der bereits beschriebenen Embryonen das gleiche Verhältnis zwischen Nerv und Epithelkörper. Ich habe darüber bisher nicht berichtet, da es in den Rekonstruktionen nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte, indem der Nerv bei jüngeren Embryonen so schräg gelagert ist, daß di® beiden Abschnitte, in welche der Epithelkörper durch ihn zerlegt wird, nicht nur seitlich nebeneinander, sondern teilweise auch in dorso-ventraler Richtung hintereinander liegen. Fig. 3, Taf. VIII zeigt dieses Verhalten bei einem 17 mm langen Embryo. Es ‚wurde bereits im ersten Teile dieser Arbeit erwähnt, daß der N. hypoglossus gelegentlich seinen Verlauf statt durch den Epithelkörper zwischen diesem und der Thymusanlage hindurch nimmt. Ruben hat auf diesen Umstand großen Wert gelegt und darin die Ursache für die Ablösung des Epithelkörpers von der Thymus erblickt. Dagegen habe ich in meiner ersten Arbeit Stellung genommen, da mir bis dahin bloß ein Fall untergekommen war, in dem der Hypoglossus jene Lage einnahm. Seitdem hat sich aber die Zahl meiner diesbezüglichen Beobachtungen vermehrt, so daß ich nicht umhin kann, seinem Verlaufe tatsächlich einen Einfluß auf die Trennung der beiden Organe zuzuschreiben. Doch kommt hiebei nicht auss hließlich dieser Nerv in Betracht, wie die folgende Zusammenstellung lehrt. Ich schicke voraus, daß eine Uebereinstim- mung zwischen rechter und linker Seite oftmals zu vermissen war. Unter den 20 Embryonen von 15—30 mm Länge, die auf S. 211 angeführt wurden, befinden sich 4 Fälle, in denen der Nerv medial vom Epithelkörper, zwischen diesem und der Carotis, verläuft; 24mal ist der Nerv allseits vom Epithelkörper umscheidet, 12mal zieht er. zwischen ihm und der Thymus hindurch. Naturgemäß besteht unter dieser Bedingung keinerlei Zusammenhang zwischen jenen beiden Organen, er fehlt aber auch noch in weiteren 12 Fällen und gelangte nur in 16 Fällen zur Beobachtung. Unter diese habe ich jedoch auch die vier jüngsten Embryonen aufgenommen, bei welchen Thymus und Epithelkörper noch so ursprüngliche Ver- hältnisse aufweisen, daß ihr Zusammenhang nur als die Folge ihres niederen Entwicklungsgrades aufgefaßt werden muß. Ich glaube demnach schließen zu dürfen, daß die Lagebeziehun- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 223 gen zwischen Epithelkörper und Thymus, abgesehen vom Verlaufe des N. hypoglossus auch noch von Wachstumserscheinungen, die sich teils an ihnen selbst, teils an den sie umgebenden Bindegewebs- zügen und Blutgefäßen abspielen, abhängig sind. Diese Wachstums- vorgänge sind es auch, durch welche die Thymusdrüsen aus ihrer seitlichen Lage später ventralwärts gelangen. Dabei kommt es in jenen Fällen, in denen Thymus und .Epithelkörper verbunden bleiben, zur Ablösung eines kleinen Anteiles der Thymus vom Haupt- körper, welcher als akzessorisches Thymusläppchen seine primäre Lage beibehält. Es entspricht dem zuerst von Kohn bei der Katze beschriebenen ‚äußeren Thymuskörperchen‘“. Während es aber bei diesem Tier einen konstanten Befund bildet, kann es beim Meerschweinchen öfters fehlen. Analoge Bildungen wurden von Kohn außer bei der Katze auch beim Hund, der Ratte und dem Kaninchen, von Schmid bei der Katze, von Schaper beim Schafe, Kürsteiner beim Menschen, Erdheim bei der Ratte und dem Kaninchen, Groschuff beim Menschen und den meisten Haussäugetieren und noch von verschiedenen anderen Forschern beschrieben. Doch sind sie in allen diesen Fällen in- konstant. Nachträglich kann es dann noch durch dazwischen- wachsendes Bindegewebe zu einer völligen Sonderung des Thymus- läppchens vom Epithelkörper kommen, wie die Existenz eines gänzlich isolierten dorsalen Thymusläppchens auf der linken Seite eines 85 mm langen Meerschweinchenembryos beweist (siehe S. 237). In jüngeren Stadien liegt die Stelle, an welcher der N. hypo- glossus die A. carotis c. kreuzt, relativ weiter kaudal als später, so daß man bei ihnen den aus der 3. Schlundtasche hervorgegangenen Organkomplex kranial vom Scheitel des Hypoglossusbogens an- trifft. Dadurch fehlt anfangs jegliche besondere topische Beziehung zwischen Nerv und Schlundtasche. Zu dieser kommt es erst in dem Maße, als sich der Hals entwickelt und die Gebilde der 3. Schlund- tasche kaudalwärts verschoben werden. Indem sie bei dieser Orts- veränderung bis an den Nerv heranrücken, wird dieser schließlich vom Epithelkörper umfaßt, wie das auch an den Rekonstruktionen von Ruben (Fig. 4—7 seiner Arbeit) ersichtlich ist. Dabei tritt auch insoferne eine Aenderung in der Gestalt der Parathyreoidea, sowie in ihrer Lage zur Carotis ein, als jenes hacken- förmige Stück, das ich in Fig. 35 meiner ersten Arbeit abgebildet und auf S. 133 daselbst besprochen habe, verschwindet, Ich 224 Hans Rabl: oebe hier eine weitere Abbildung hievon, die von einem 15 mm langen Meerschweinchenembryo stammt (Fig. 4, Taf. VIII). Man ersieht aus ihr, daß die Parathyreoidea in diesem Stadium medialwärts bis an den N. laryngeus superior heranreicht und hier den ganzen Raum zwischen Vagus und Carotis ausfüllt. Vergleicht man damit Fig. 5 von einem 17 mm langen Embryo, so erkennt man in diesem Raume nur einige venöse Gefäße, der Epithelkörper aber greift weder auf diesem, noch auf irgendeinem anderen, von diesem Embryo stammenden Schnitt auf die Dorsalseite der Carotis dieser Seite hinüber. Er hat sich demnach aus dem erwähnten Raume zurück- gezogen. Etwas anders erscheint die linke Seite desselben Embryos, wie aus Fig. 3 hervorgeht. Denn es findet sich hier Epithelkörper- gewebe, wenn auch nicht rein dorsal, so doch dorso-lateral von der Carotis. Es liegt demnach in diesem Falle wohl ein Ueber- gangsstadium zwischen den ursprünglichen und den späteren Ver- hältnissen vor. Durch welche Momente die Verschiebung des kranialen Endes des Epithelkörpers nach außen und hinten bestimmt wird, läßt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen; wahrscheinlich handelt es sich um eine Aenderung in der Lage der Carotis zum N. vagus, durch welche die Spitze des Epithelkörpers aus seiner ursprünglichen Lage verdrängt wird. Bei jüngeren Embryonen liegt die Carotis inmitten des Bindegewebes des dritten Schlundbogens und steht daher mit der Tasche nirgends in Berührung. Später aber rückt sie dorsal- wärts und preßt sich schließlich so tief in das kraniale Ende der Epithelkörperanlage hinein, daß dieses die besprochene hacken- förmige Gestalt erhält. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß eine weitere dorsale Verschiebung der Carotis schließlich zu einer gänzlichen Verdrängung der Parathyreoidea an dieser Stelle führt. Jedenfalls fehlt jeder Anhaltspunkt für die Vermutung, daß dieser Teil der Parathyreoidea der Degeneration verfalle. Dagegen erhält die in den Textfiguren 2, 4 und 5 in die Augen springende Bildung des Parathyreoideastrangess Hansons durch die Annahme ihre Aufklärung, daß hiebei die Zellen des hackenförmigen Kopfstückes Verwendung finden. Denn sonst wäre die Verlängerung des Epithel- körpers in kaudaler Richtung nicht begreiflich, da man darin in diesem Stadium nur ganz ausnahmsweise Mitosen beobachten kann. In Gegensatz zu den angeführten Embryonen steht der 21 mm lange Embryo (Textfigur 3), indem bei diesem auf der rechten Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 225 Seite die Ausbildung eines Parathyreoideastranges unterblieben ist. Es dürfte dies damit zusammenhängen, daß sich hier — aus- nahmsweise — dorsal von der Carotis noch Epithelkörpergewebe ausbreitet. Indem ich nach dieser Abschweifung zur Besprechung der Textfig. 5 zurückkehre, habe ich noch zu bemerken, daß die Para- thyreoideae IV auffallend weit kaudalwärts verschoben sind. Auf der linken Seite liegt die Parathyreoidea IV noch im Bereiche der | u Ann? Dex \\ \ B N \ I» Fig. 6. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 30 mm langen Embryo. Vergrößerung 25. Thyreoidea, auf der rechten Seite aber bereits kaudal von ihr. Ihre Größe ist die gleiche, wie bei dem um 4 mm kleineren Embryo. Die ultimobranchialen Körper befinden sich an normaler Stelle und sind von normaler Größe. Bei einem Embryo von 30 mm Länge (Fig. 6) finde ich eine Schilddrüse mit noch breitem Isthmus. Ihre Länge beträgt 1,76 mm. Im transversalen Durchmesser mißt jedes der beiden Hörner ca. 0,44, im dorsoventralen 0,62 mm. Von den beiden Thymusdrüsen ist die rechte etwas breiter und kürzer, die linke länger und schmäler. Diese läuft kranialwärts in einen Stiel aus, welcher schließlich unter zunehmender Verdünnung in den transversalen Abschnitt des äußeren Epithelkörpers, welcher den medialen mit dem lateralen 226 Hians«Rabl: Schenkel desselben verbindet, übergeht. Der N. hypoglossus zieht hier durch die auch in der Rekonstruktion sichtbare Lücke zwischen medialem Teile des Epithelkörpers und Spitze der Thymus ventral- wärts. Medial von jenem liegt ein kleines, vom Hauptkörper voll- kommen getrenntes Schilddrüsenläppchen. Die Länge der rechten Thymus beträgt 1,52, die der linken 1,63 mm. Der Aufbau des Organes aus einer Stammzone und den von ihr ausgehenden Fort- sätzen tritt in diesem Stadium deutlich in Erscheinung. Die Stammı- zone entsendet jetzt nach allen Richtungen Fortsätze, nur gegen den Kehlkopf zu besitzt sie eine glatte Fläche. Doch kommt es später auch hier, an der medialen Seite der Thymus, zur Anlage von Lappen, die als Knospen an der Basis der dorsalen und ventralen Aeste auftreten. Von den Fortsätzen der Stammzone sind die kaudalen bei weitem die längsten. Die Gestalt aller Fortsätze ist nicht mehr fingerförmig, sondern im allgemeinen kolbig, indem sie an ihrem Ende breiter als an ihrer Basis sind. Sowohl an diesem, wie an ihren Seiten tragen sie Buckeln, die sich zu sekundären Lappen der blei- benden Thymus ausgestalten. Ruben sagt von der Thymus eines Meerschweinchenembryo von ungefähr gleicher Länge: „Die Thymuslappen sind groß, von ungefähr eirunder Form und auf der äußeren Seite überall stark lobuliert . . .“ Vom Cervicalbläschen ist beiderseits nur mehr eine geringe Spur zu erkennen. Es handelt sich um je eine Gruppe großer, blasen- förmiger Epithelzellen, die an und für sich wohl nichts Charak- teristisches an sich tragen, da Zellen dieser Art gelegentlich auch in den Beischilddrüsen und dem ultimobranchialen Körper vor- kommen, die ich aber deshalb als letzten, erhalten gebliebenen Rest des Cervicalbläschens betrachte, weil sie sich rechts und links an symmetrischen Stellen der Stammzone vorfinden. Was die Beischilddrüsen anbelangt, so erscheint die Para- thyreoidea Ill rechts in vier voneinander völlig unabhängige Stücke zerfallen, von denen drei am kranialen Pole der Thymus gelegen sind, während sich ein langer Strang entlang der ventro-lateralen Kante der Schilddrüse hinzieht. Auf der linken Seite ist ein analoger Strang vorhanden, indessen dort die kranialen Gebilde miteinander zu- sammenhängen. Diese letzteren sind beiderseits teils kompakt und bestehen aus typischem Epithelkörpergewebe, teils sind es Bläschen, deren Wand von hellen, hohen Zylinderzellen gebildet wird. Kaudal- wärts geht je eine Partie des Epithelkörpers in einen kranialen Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 227 Fortsatz der Thymus über. Ruben fand bei dem bereits erwähnten Embryo derselben Entwicklungsstufe die linke Parathyreoidea in zwei weit voneinander liegende Stücke zerlegt — das eine lag gleich der einheitlichen Parathyreoidea der rechten Seite am kra- nialen, das andere am kaudalen Pole der Schilddrüse — und ist der Meinung, daß diese Teilung des Organes auf einer „umfassenden Atrophie des Stranges“ beruhe. Dem muß ich entschieden wider- sprechen, da man in jüngeren Stadien nirgends Anzeichen einer Atrophie beobachten kann. Das Vorkommen multipler Beischild- drüsen, über welches bei anderen Säugetieren bereits seit längerem von verschiedenen Seiten berichtet wurde !), beruht meiner Meinung nach ebensowenig wie das Auftreten akzessorischer Schilddrüsen darauf, daß hier etwa eine Gewebebrücke degeneriert ist, durch welche die voneinander getrennten Teile früher vereinigt waren. Es wird wohl niemand bei Betrachtung der Fig. 6 auf den Gedanken verfallen, daß das hier weit kaudal vom Hauptorgan gelegene große akzessorische Schilddrüsenläppchen jemals mit diesem derart im Zusammenhang gestanden war, daß es erst durch Atrophie eines Streifens von Schilddrüsenparenchym, der es ehemals mit jenem verbunden hatte, isoliert wurde. Dieses Läppchen löste sich viel- mehr — wie mir fast sicher erscheint — selbständig aus dem Ver- bande der Schilddrüse ab, indem seine Elemente rascher kaudalwärts wuchsen oder — was wahrscheinlicher ist — passiv kaudalwärts verschoben wurden, als die Zellen des Hauptorganes. Dafür spricht die stets glatte Oberfläche der Schilddrüse bei dem relativ häufigen Vorkommen akzessorischer Organe dieser Art. Würden diese ihre Selbständigkeit durch Atrophie eines Stieles erlangen, so müßte man wenigstens ab und zu den Resten eines solchen in Gestalt von blind endigenden Fortsätzen der Schilddrüse, die vom Hauptorgan ausgehen und nach der akzessorischen Drüse gerichtet sind, be- gegnen. Derartige Fortsätze sind aber meines Wissens noch nie beobachtet worden. Ebenso dürfte die Aufteilung des Parathyreoidea- stranges in mehrere kleinere Zellenkomplexe (Ruben fand bei einem Meerschweinchenembryo von 27 mm Länge auf einer Seite deren sechs) dadurch bedingt sein, daß die Elemente des Para- thyreoideastranges ungleich schnell nach abwärts rücken und sich !) Eine Zusammenstellung der diesbezüglichen Angaben findet man bei Hanson S. 546, auf welche hiemit verwiesen sei. 228 ‚Hans Rabl: dadurch voneinander trennen. Diese Möglichkeit wurde auch von Hanson in Bezug auf die Entstehung der Parathyreoideae acces- soriae des Kaninchens in Erwägung gezogen. Doch wagte er es nicht, sich dafür zu entscheiden, sondern ließ die Frage, ob die Ent- wicklung derselben aus dem Parathyreoideastrange „durch Aus- einanderwachsen der verschiedenen Drüsenpartien‘ erfolgt, ‚oder ob wirkliche Atrophie gewisser Teile des Stranges vorliegt‘, offen. Ruben vermißte bei seinem Falle ebenso wie bei einem 40 mm langen Embryo eine Parathyreoidea IV gänzlich, Auch Gro- schuff führt das Meerschweinchen unter jenen Säugetieren an, die nur einen Epithelkörper, und zwar den aus der 3. Schlundtasche hervorgegangenen, besitzen. Ich habe bereits in meiner ersten Arbeit hervorgehoben, daß diese Angaben irrtümlich sind, da die Para- thyreoidea IV an meinem Material stets nachweisbar war. Doch ist sie klein und daher leicht zu übersehen. Dagegen ist ein inneres Thymuskörperchen niemals in ihrer Nähe anzutreffen. Die Para- thyreoidea IV liegt bei diesem Embryo in der Kranialen Schild- drüsenregion, auf der rechten Seite in den medialen, auf der linken in den dorso-medialen Rand eingebettet. Was schließlich den ultimobranchialen Körper anbelangt, so erscheint er beiderseits als ein Bläschen von ansehnlicher Größe, das nur wenig kaudal vom inneren Epithelkörper gelegen ıst und an den Querschnitten fast genau die Mitte jedes Schilddrüsenlappens einnimmt. Bis zu diesem Stadium besitzt die Reihe der von mir unter- suchten Embryonen nur kleine Lücken, durch welche das Verständ- nis der morphologischen und histologischen Entwicklung des thyreo- thymischen Organkomplexes in keiner Weise gestört wird. Nun aber folgen die letzten Embryonen in beträchtlichen Abständen voneinander, Die Ursache, warum ich vom Stadium von 30 mm Länge ab auf eine weitere geschlossene Reihe verzichtete, lag darin, daß bei jener Größe das Cervicalbläschen, wie ich eben beschrieben habe, bis auf einen geringfügigen Rest stark vakuolisierter Epithel- zellen in der entodermalen Thymus vollkommen aufgegangen ist. Und es war ja, als ich mich seinerzeit der Untersuchung der Hals- organe des Meerschweinchens zuwandte, vor allem meine Absicht zu entscheiden, ob und bis zu welchem Grade das Cervicalbläschen des Meerschweinchens an der Bildung der Thymus beteiligt sei. Die noch folgenden älteren Stadien wurden teils mit Rücksicht Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 229 auf die Frage nach der Persistenz des Epithelkörper IV, teils mit Rücksicht auf die Histogenese der Thymus sowie hinsichtlich des weiteren Schicksales des ultimobranchialen Körpers untersucht. Auf die beiden letzteren Fragen hoffe ich später noch in besonderen Arbeiten zurückzukommen. Bezüglich der grob-morphologischen Verhältnisse bei dem Embryo von 50 mm Länge (Textfig. 7) sei folgendes hervorgehoben: Bip.T: Thyreo-thymischer Organkomplex eines 50 mm langen Embryo. Die beiden akzessorischen Schilddrüsen in der Medianebene sind durch ihren Bau, welcher von dem des normalen Schilddrüsenparenchyms abweicht, als Gl. hyoideae gekennzeichnet. Vergrößerung 15. Die beiden Schilddrüsenlappen sind walzenförmige, in der sagittalen Richtung leicht abgeplattete Organe, die durch eine zarte Brücke an ihrem hinteren Ende miteinander verbunden sind. Sie sind ungefähr 2,5 mm lang und laufen kaudalwärts ziemlich spitz zu, wobei sie sich nicht nur im transversalen, sondern auch im dorso-ventralen Durchmesser stark verjüngen. In ihrem mittleren Anteile besitzen sie einen Querdurchmesser von 0,6, und einen dorso-ventralen Durchmesser von I mm. Links von der Mittellinie befindet sich eine akzessorische Schilddrüse zwischen Schildknorpel und Körper des Zungenbeines, die offenbar aus Teilen der ersten Anlage hervor- gegangen ist, welche keinerlei nachträgliche Verschiebung erfahren haben. Man erkennt aus ihrer Lage, um welch beträchtliches Stück 230 Hans’Rabit: die eigentliche Schilddrüse im Laufe der Entwicklung kaudalwärts gewachsen ist. Rechts erscheint etwas kaudal von der Mitte des Organes ein Läppchen von diesem abgetrennt, das zum größten Teile nach außen gerückt, zum kleineren der dorsalen Fläche der Hauptschilddrüse angelagert ist. Die Thymusdrüsen haben sich beiderseits zu mächtigen Organen entwickelt. Die Kranio-kaudale Länge der rechten beträgt 3,65, die der linken 3,32 mm. Entsprechend dem ihr zur Verfügung stehenden Raume ist die kraniale Spitze einer jeden derart gelagert, daß an einem Querschnitte durch dieselbe die Längsachse der Quer- schnittsfigur nahezu sagittal gerichtet ist. Diese Gestalt besitzt der “Querschnitt der Thymusdrüsen jüngerer Stadien in jeder Höhe. Dagegen bildet diese Achse an einem Querschnitt durch das kaudale Ende mit der queren Körperachse einen Winkel von nur 20° rechts und 30° links. Demgemäß erscheinen die Drüsen in ihrem größten Teile weder in der sagittalen, noch in der dorso-ventralen Richtung, sondern derart abgeplattet, daß die beiden langen Achsen der unge- fähr elliptischen Querschnitte schräg von der dorso-lateralen zur ventro-medialen Seite verlaufen und demnach einen nach hinten offenen Winkel bilden. Dieser beträgt 50—60°. Von den beiden Achsen ist die der linken Thymus etwas länger, sie mißt 2,5—3,5 mm, während die der rechten eine Länge von 2—3 mm besitzt. Die kurzen Achsen sind beiderseits von annähernd gleicher Größe. Sie betragen ca. 1,1—1,4 mm. Infolge der zunehmenden Verbreiterung und ihrer schrägen Lagerung reicht jede Thymus etwas über die Mittellinie hinaus. Dabei kommt die linke Thymus in einem kleinen Bezirk ventral von der rechten zu liegen. Das dorsalste Läppchen der beiden Thymusdrüsen erstreckt sich besonders weit lateralwärts. Seine Spitze umschließt auf der rechten Seite ein Gewebe, das zum größten Teile aus polygonalen, eng zusammengelagerten, stark vakulisierten Zellen besteht. Es tritt an zwei Punkten bis an die Oberfläche und zeigt denselben Typus, wie jene Zellgruppe, die ich beim 30 mm langen Embryo erwähnt und als epithelialen Rest des Cervicalbläschens gedeutet habe. Mit Rücksicht auf Lage und Gestalt des Thymusläppchens, in dem jene Epithelformation liegt, zweifle ich auch betreffs dieser nicht, daß ihr die gleiche Herkunft zugeschrieben werden muß. Im analogen Läppchen der linken Thymus lassen sich keine Elemente nachweisen, die von den übrigen Thymuszellen verschieden sind. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 231 Die Epithelkörper III liegen, wie dies normalerweise der Fall ist, beiderseits am kranialen Pole der Schilddrüse. Sie sind nur von geringer Größe. Eine strangförmige Verlängerung in kaudaler Richtung fehlt rechts vollständig; links ist sie wohl vorhanden, aber nur auf eine kurze Strecke entwickelt. Auf dieser Seite hängt mit der Parathyreoidea ein Thymusläppchen (äußeres Thymuskörper- chen) zusammen, welches oberhalb der Mitte seiner kranio-kaudalen Ausdehnung mit einer kugeligen Epithelmasse von indifferentem Aussehen verbunden ist, die einen weiten Hohlraum enthält. Auf der rechten Seite finden sich drei derartige Blasen, deren Wände miteinander verschmolzen sind, während die Räume selbst mit- einander in keinerlei Kommunikation stehen. Sie liegen dorsal vom typisch gebauten Epithelkörper und sind von ihm durch Binde- gewebe geschieden. Der Epithelkörper IV ist, wie in allen untersuchten Fällen, wesentlich kleiner als der von der dritten Schlundtasche abstam- mende. Er liegt beiderseits in einer Grube der medialen Fläche der Schilddrüse. Der der rechten Seite liegt in derselben Querebene, wie der entsprechende ultimobranchiale Körper, jener der linken kaudal davon. Der ultimobranchiale Körper endlich ist beiderseits ein Röhr- chen von geringer Länge, aber ansehnlicher Breite, seine Lichtung ist stellenweise unregelmäßig. Er liegt in der Kranialen Hälfte der Schilddrüse, am Querschnitte annähernd zentral. Ich komme jetzt zur Beschreibung des thyreo-thymischen Organ- komplexes bei einem 68 mm langen Embryo (Textfig. 8). Von den beiden Schilddrüsenlappen ist der rechte etwas kleiner als der linke. Jener besitzt eine kranio-kaudale Länge von 3,8, dieser von 4,25 mm. Der dorso-ventrale Durchmesser beträgt bei ersterem 1,2—1,5, bei letzterem 1,2—1,9 mm. Im transversalen Durchmesser besitzt der rechte Schilddrüsenlappen in seinem mittleren Anteil eine Breite von ca. I mm, der linke von 1,1 mm. An der Stelle, wo sich der letztere in den dünnen Isthmus fortsetzt, entsendet er kranialwärts einen 2 mm langen, an seiner Basis breiten, nach oben sich ver- jüngenden Fortsatz, der eine große Achnlichkeit mit dem Lobus pyramidalis der menschlichen Schilddrüse aufweist. Er liegt links von der Mittellinie, ventral vor der Trachea. Oberhalb desselben findet sich in seiner Verlängerung, der Mitte noch weiter genähert, ein 232 Hianis®R.a'bll: zweites Läppchen, das jedoch vollkommen frei liegt und sıch dicht in die Nische schmiegt, welche von den beiden Mm, sternohyoidei gebildet wird. Es reicht bis in die Gegend des Ringknorpels empor. Was die Entwicklung dieser beiden Bildungen anbetrifft, die Ener ..- Fig. 8. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 68 mm langen Embryo. Vergrößerung 15. ursprünglich offenbar zusammengehörten und einen Mittellappen bildeten, so möchte ich den Gedanken ablehnen, daß hiebei der Ductus thyreo-glossus eine Rolle gespielt habe, wie dies vom Pro- cessus pyramidalis des Menschen behauptet wird. Denn ich konnte jenen Gang in keinem Falle so weit nach rückwärts verfolgen. Viel Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 233 ungezwungener erscheint mir die Erklärung, daß der Mittellappen einfach dadurch zustande kommt, daß ein größerer Komplex von Schilddrüsengewebe seine ursprüngliche mediale Lage beibehält. Wie wir sahen, breitet sich die Schilddrüse anfangs nur in der Mittel- linie, ventral von der Trachea aus. So finde ich sie noch bei einem Embryo von 12 mm Länge. Erst dann wachsen ihre äußeren Par- tien dorsalwärts und gelangen dadurch an die laterale Seite der Luftröhre. Durch dieses Wachstum, welches in kranio-kaudaler Richtung fortschreitet, wird die Schilddrüse in die zwei Haupt- lappen zerlegt. Wenn aber die mittlere Partie der Schilddrüse jenem transversalen Zuge widersteht, muß es zur Scheidung des Organes in drei Teile kommen, indem sich die beiden breiteren Flügel von dem schmäleren medialen Lappen ablösen. Nur durch den Isthmus, den in situ verblichenen, kaudalsten Rest, bleibt der Zusammenhang dieser Teile erhalten. Merkwürdigerweise findet sich auch noch hinter dem Isthmus in derselben Lage, den der Mittellappen ein- nimmt, eine akzessorische Schilddrüse, die ich jedoch in die Rekon- struktion nicht aufgenommen habe. Sie beginnt 2,3 mm hinter dem kaudalen Ende des linken Lappens und ist am Querschnitte von dreieckiger Gestalt und ansehnlicher Breite. In noch stärkerem Maße als die Thyreoidea haben gegenüber dem früheren Stadium die Thymusdrüsen zugenommen. Die kranio- kaudale Achse der rechten mißt unter Hinzurechnung eines kleinen, ziemlich weit kaudalwärts aus der Masse hervortretenden Läpp- chens 6,75, die der linken nur 6,35 mm. Dafür sind auf dieser Seite, lateral vom Kehlkopf, drei akzessorische Thymusdrüsen vorhanden. Die größte befindet sich am weitesten kranial, sie ist vollkommen isoliert; dann folgt eine kleine Drüse, welche kaudalwärts in die Parathyreoidea III übergeht, und schließlich liegt dieser letzteren außen ein 3. Läppchen an, in dessen Hilus seinerseits wieder ein abgesprengter Teil des Epithelkörperchens eingelagert ist. — Der transversale Durchmesser der beiden Hauptthymusdrüsen läßt sich wegen ihrer ziemlich unregelmäßigen Gestalt nur annäherungs- weise bestimmen. Er beträgt im Mittel 2,5 mm und erhebt sich in der Gegend der größten Breite der Organe etwas über 3 mm. Die Querschnittsfigur der Drüsen ist ungefähr eine Ellipse, deren lange Achse im kranialen Teile der Organe, wie dies vom kaudalen Ab- schnitte des früheren Stadium beschrieben wurde, schräg von außen und dorsal nach innen und medial gerichtet ist Kaudal- 234 Hans Rabl: wärts neigt sich diese Achse immer stärker nach dem trans- versalen Durchmesser hin und fällt auf der rechten Seite schließlich mit diesem zusammen, während sie bei der linken Thymus mit ihm auch an ihrem Ende noch einen Winkel von mindestens 30° bildet. Es ist demnach die rechte Thymus in ihrem kaudalen Teile in dorso- ventraler Richtung abgeplattet, während sie in ihrem kranialen Abschnitt ebenso wie die linke Thymus in ihrer gesamten Ausdehnung dasselbe Verhalten darbietet, das oben von dem hinteren Ende der beiden Drüsen des 50 mm langen Embryo beschrieben wurde. Was die Länge der beiden Achsen anbelangt, so mißt die lange Achse des Thymusquerschnittes der rechten Seite, wenn man oberen und unteren Pol nicht berücksichtigt, 2,5—3, jene der linken 3—3,5 mm. Dieses Ueberwiegen der langen Achse der linken Thymus über die der rechten wird durch das Verhältnis der kurzen Achsen ausge- glichen, indem die kurze Achse rechts eine Länge von 1,75 bis 2,25 mm, links nur eine solche von 1,5—2 mm besitzt. Die rechte Thymus wird, wie im früheren Stadium, ventral von der linken überlagert. Was die Parathyreoideae III anbelangt, so besteht die rechte aus zwei Teilen: einem kleinen, an der ursprünglichen Bildungs- stätte des Organes gelegenen, ungefähr kugeligen Knötchen und einem 1,5 mm langen Strang. Eine starke Einschnürung in der Mitte deutet darauf hin, daß er im Begriffe steht, sich wieder in zwei hintereinander liegende Teile zu zerlegen. Von der linken Parathyreoidea III habe ich bereits berichtet, daß ihr kraniales Ende in Thymusgewebe übergeht. Hier ist die Bildung eines kau- dalen Stranges ausgeblieben. Die Parathyreoideae IV haben ihre normale Lage an der dorso- medialen Ecke des betreffenden Schilddrüsenlappens. Jene der linken Seite liegt außerhalb der Drüse, die der rechten ist in ihre Rindenschicht eingebettet. Die erstere besteht, abgesehen von den zu einem engen Netz verbundenen Strängen, noch aus zwei kleinen Bläschen, von denen das größere keinen färbbaren Inhalt besitzt und von einer Reihe ungleich hoher Zellen begrenzt wird, während die Wand des anderen von hellen regelmäßigen Zylinderzellen zusammen- gesetzt wird, die eine blaß rosenrote Masse einschließen. Diese Zellen sind weder jenen der Schilddrüsenfollikel, noch denen des ultimobranchialen Körpers gleich, obwohl eine gewisse oberfläch- liche Aehnlichkeit sowohl mit den Elementen des einen, wie des Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 235 anderen Organes nicht geleugnet werden kann. Auch erscheint das Kolloid der Schilddrüse mit Eosin durchwegs viel dunkler rot gefärbt als der Inhalt des Epithelkörperbläschens. Es zeigt sich somit, daß hier ausnahmsweise die 4. Schlundtasche ähnliche Bildungen \ Ü 9 \ ara Ti Sr i h ) [7] \ & x B ’ . u | ' x, H / \ i N 7 NN . v \ 5 = ’ . . N N EN AN “ : N N ( ı : ö y a >. . 3 N en N F * e - . f - L 3 N 4 % [3 L ” \ x ‘ z 4 \ a \ \ e EN ": ‘ £ € ® N m ER 4 ‘ ? E ne io Fig. 9. Thyreo-thymischer Organkomplex eines 85 mm langen Embryo. Dar- stellung der verschiedenen Organe wie in Fig. 1. 8fache Vergrößerung. geliefert hat, wie wir sie bisher nur als Abkömmlinge der 3. Schlund- tasche kennen gelernt haben. Der ultimobranchiale Körper befindet sich wie gewöhnlich in der kranialen Hälfte der Schilddrüse. Die Querschnitte zeigen ihn als enges Röhrchen genau in der Mitte des Organes. Ich wende mich jetzt zur Besprechung des ältesten Meer- schweinchenembryos, dessen thyreo-thymischen Organkomplex ich rekonstruiert habe. Er besaß eine Körperlänge von 85 mm. Seine Thyreoidea zeigt noch einen gut entwickelten Isthmus mit zwei Archiv f. mikr, Anat. Bd. 96. = 16 236 Hans Rabi: Lücken in seiner linken Hälfte. Dahinter setzt sich jeder Lappen noch eine kurze Strecke kaudalwärts fort !). Die Länge des rechten Lappens beträgt 5,1, die des linken 5,3 mm, die Höhe des Isthmus im Mittel 0,37 mm. In der trans- versalen Richtung mißt der rechte Lappen durchschnittlich 1,2, der linke 1,3 mm; die größte Breite beträgt bei beiden 1,5 mm. Der dorso-ventrale Durchmesser besitzt, wenn man vom oberen und unteren Pol absieht, beiderseits eine ungefähre Länge von 1,5 mm. Kranial von der Hauptschilddrüse liegen knapp neben der Medianebene zwei Nebenschilddrüsen, von denen die linke größer, die rechte kleiner ist. Sie sind in jenem Bindegewebe eingebettet, das sich zwischen dem Kehlkopf und den Mm. sterno-hyoidei be- findet, von denen sie unmittelbar überlagert werden. Was die Thymusdrüsen betrifft, so fällt vor allem hinsichtlich ihrer Lage der Umstand auf, daß sich die rechte Thymus, abgesehen von ihrer kranialen Spitze, durchaus auf der rechten Körperseite befindet, während die linke Thymus nahezu zur Hälfte auf die rechte Seite hinübergreift, und dadurch in noch viel weiterem Um- fange, als in den früheren Stadien die ventrale Seite der rechten Thymus bedeckt. Ein gleiches Verhalten beobachtete ich auch bei noch älteren Feten und neugeborenen Tieren. Die Thymusdrüsen erscheinen in diesen Fällen als große, weißliche, weiche, lappige Organe. Später bildet sich die Lappung zurück und die Drüsen werden bei älteren Tieren zu langen, walzenförmigen Körpern mit glatter Oberfläche, die sich in der Mittellinie nicht mehr berühren. Daß der Schwund ihres Parenchyms so weit geht, daß schließlich nur mehr kleine Thymusreste übrigbleiben, welche auf der Vorderfläche der Sub- maxillardrüse liegen, während der größere Teil der Thymusdrüse von Fettgewebe ausgefüllt wird, wie Maziarski angibt, habe ich jedoch nie beobachtet. Möglicherweise lagen dieser Beschreibung abnorme Verhältnisse zugrunde. Die kranio-kaudale Länge der beiden Organe ist beim 85 mm langen Embryo rechts und links vollkommen gleich und beträgt nahezu 10 mm. Die Querschnittsfigur der Thymusdrüsen kann wieder wie in den beiden letzten Stadien mit einer Ellipse oder viel- !) Auch bei einem neugebeorenen Meerschweinchen habe ich einmal einen Isthmus beobachtet. Er bleibt also hier, so wie bei anderen Säuge- tieren, zuweilen erhalten. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 237 leicht besser mit einem Dreieck mit leicht gewölbten Flächen und abgerundeten Spitzen verglichen werden. Ein Unterschied in der Gestalt des kranialen und kaudalen Abschnittes besteht nicht. Die langen Achsen der Querschnittfiguren liegen hier im Gegensatz zu den jüngeren Embryonen einander parallel. Sie verlaufen von der linken dorsalen zur rechten ventralen Seite und bilden mit der sagittalen Richtung einen Winkel von etwa 45—50°. Es geht daraus hervor, daß im Laufe der Entwicklung die mediale Kante der rechten und die laterale Kante der linken Thymus allmählich immer weiter dorsalwärts rückten, während die laterale Kante der ersteren und die mediale der letzteren ventralwärts vorwuchsen. Was die Größe der langen und kurzen Achse des Querschnittes anbelangt, so mißt die erstere links 7, rechts 5 mm. Der größeren Länge der langen Achse links entspricht auf dieser Seite, wie beim 68 mm langen Embryo, eine geringere Breite des Organes in der darauf senkrechten Rich- tung. Indem sich die linke Thymus sowohl nach der Ventral- wie nach der Dorsalseite zuschärft, besitzt sie nur in der Mitte eine größere Dicke, welche im allgemeinen 3 mm beträgt. Dasselbe Maß übersteigt wohl auch der entsprechende Durchmesser der rechten Thymus nicht; dagegen begrenzt sich diese besonders ventral mit stark konvexer Fläche, so daß sie von der Mitte nach den Rändern zu nur um weniges abnimmt. Abgesehen von den beiden großen Hauptthymusdrüsen exi- stiert jederseits ein äußeres Thymuskörperchen. Das der rechten Seite ist von beträchtlicher Größe und liegt lateral von der Schild- drüse; das linke ist klein und liegt neben dem Kehlkopf. Das erstere steht in enger Lagebeziehung zu den drei Körperchen, in welche hier die Parathyreoidea III zerfallen ist. Die beiden kranialen Gebilde liegen dorsal vom Thymuskörperchen; das größere von ihnen befindet sich wieder dorsal vom kleineren, welches letztere sich als dünner Strang noch eine Strecke weit in der Kapsel des Thymuskörperchens kaudalwärts und gleichzeitig medialwärts hin- zieht und schließlich unter Verbreiterung in dichter Anlagerung an ein dorsales Läppchen des Thymuskörperchens endigt. Das große kaudale Epithelkörperchen liegt an der ventro-medialen Ecke des Thymuskörperchens. An jenen Querschnitten, die es in seiner größten Breite zeigen, findet man zwei von Epithelzellen ausge- kleidete Blasen, von denen die eine im Inneren, die andere am Außenrande des Thymuskörperchens gelegen ist. Die Wand der 16* 238 Hans Rabl|: ersteren Blase wird von niederen, zum Teile abgeplatteten Zellen gebildet, die der letzteren von hohen Zylinderzellen mit langen Flimmerhaaren. Diese Blase ist stellenweise von Epithelkörper- gewebe umgeben. — Auf der linken Seite ist bei diesem Embryo ein einheitlicher Epithelkörper vorhanden, der jedoch aus zwei An- teilen, einem schmächtigen Kranialen und einem verdickten kaudalen besteht, die durch einen dünnen Strang miteinander verbunden sind. Auch hier befindet sich eine Blase, deren Wand ebenfalls aus flimmertragenden Zylinderzellen besteht und in deren unmittel- barer Nachbarschaft, aber durch Bindegewebe von ihr getrennt, so wie rechts Streifen von Epithelkörpergewebe eingelagert sind. Die Blase ist sehr geräumig und liegt ein beträchtliches Stück dorsal vom Parathyreoideastrang, von diesem durch die ganze Breite der C. communis getrennt. Ein Vergleich der Epithelkörper der beiden Seiten lehrt somit, daß sie sich in gleicher Richtung entwickelt haben. Ein Unterschied besteht nur darin, daß der Parathyreoideastrang der linken Seite als Verbindung der beiden Hauptanteile des Epithelkörpers erhalten geblieben ist, während sich rechts das kaudale Körperchen vom Strange abgelöst hat und weiter nach rückwärts gewandert -ist, als das der Gegenseite. Hiebei dürfte seine enge Verbindung mit dem Thymuskörperchen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Denn indem dieses kaudalwärts wuchs, wurde das Epithelkörperchen mitgenommen, und da die Verlängerung des Parathyreoideastranges mit dem Wachstum des Thymuskörperchens nicht gleichen Schritt halten konnte, kam es schließlich zur Unterbrechung von jenem. Vermutlich ist diese nur durch Lösung der Zellen voneinander und nicht etwa durch Atrophie derselben zustande gekommen. Denn man kann hier ebensowenig wie in jüngeren Stadien Anzeichen einer solchen feststellen. Es sind vielmehr die Zellen sowohl des rechten wie des linken Parathyreoideastranges von derselben Größe wie die der Epithelkörper; auch sind zwischen ihnen, so wie dort, Blut- gefäße vorhanden. — Will man die an ihrer Bildungsstätte gelegene Parathyreoidea als die Hauptparathyreoidea und das aus dem Parathyreoideastrang hervorgegangene Knötchen als P. accessoria bezeichnen, wie dies in den Arbeiten von Pepere und Hanson geschehen ist, so ergibt sich hier der Fall, daß die P. accessoria beiderseits größer als die Hauptparathyreoidea ist. Der ultimobranchiale Körper liegt jederseits als kleines Röhrchen Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 239 an normaler Stelle. Die beiden inneren Epithelkörper dagegen er- scheinen auffallend weit kaudalwärts verschoben. Besonders der der linken Seite nimmt einen ungewöhnlichen Platz ein, indem er erst jenseits des hinteren Poles der Schilddrüse angetroffen wird. Ueberblickt man die vorstehende Stadienbeschreibung und vergleicht man die vom thyreo-thymischen Organkomplex der jüngsten Embryonen gegebenen Abbildungen mit jenen der ältesten, so fällt als wesentlichstes Ergebnis dieser Untersuchung das ungleiche Wachstum der verschiedenen Schlundderivate auf. So zeigt der ultimobranchiale Körper während der ganzen Dauer der embryonalen Entwicklung keinerlei Größenzunahme. Er erscheint bei einem Embryo von 12 mm nach der Abschnürung vom Schlunde als Röhrchen von 0,32 mm Länge und 0,08 mm Breite, (vel. Textfigur 1 meiner ersten Arbeit), bei einem Embryo von 14,5 mm (ebenda, Textfigur 2) beträgt seine größte Länge, die mit der Längsrichtung des Schilddrüsenhornes zusammenfällt, 0,28, seine Breite senkrecht darauf 0,16 mm. Beim jüngsten Embryo der vorliegenden Reihe von 15,5 mm mißt er in den gleichen Richtungen 0,24 und ebenfalls 0,16 mm und beim ältesten Embryo von 85 mm beträgt seine Länge links 0,31, rechts 0,18 und die Breite links 0,08 und rechts 0,12 mm. Er hat also seine Größe nicht geändert. Erst in der post-embryonalen Periode beginnt er, wie ich aus dem Ver- gleiche meiner embryologischen Serien mit jenen durch die Schild- drüsen neugeborener und älterer Meerschweinchen sehe, zu wachsen, ohne aber einen irgendwie namhaften Umfang zu erreichen. Anders verhält sich dagegen der äußere Epithelkörper. Zwar ist seine Gestalt so unregelmäßig, daß man durch bloße Messungen an den Zeichnungen keinen näheren Aufschluß über seine Wachs- tumsverhältnisse erhält. Immerhin genügt ein Blick auf die Rekon- struktionen, um sich zu überzeugen, daß er in der Tat während der geschilderten Periode an Größe zunimmt. Bei erwachsenen Tieren trifft man ihn regelmäßig in mehrere Stücke zerteilt, von welchen die einen, die konstant vorhanden sind, kranial von der Schilddrüse neben der Carotis, die anderen inkonstanten, die offenbar aus dem Parathyreoideastrange hervorgingen, an der Außenseite der Schild- drüse, aber stets in der Höhe ihrer kranialen Hälfte, gelegen sind. Den Messungen leichter zugänglich ist der bei den Embryonen stets kompakte innere Epithelkörper. In der ersten Zeit läßt sich 240 Hans Rablil: bei ihm, gleich wie beim ultimobranchialen Körper, keinerlei Ver- größerung wahrnehmen. Er besitzt beim Embryo von 15,5 mm eine größte Länge von 0,12 und eine größte Breite von 0,07 mm. Erst bei den folgenden Embryonen zeigt er ein beginnendes Wachstum und erreicht im letzten, beschriebenen Stadium eine ungefähre Länge von 0,3 und eine Breite von 0,18 mm. Beim erwachsenen Meerschwein- chen findet man ihn an der dorsalen Kante der Schilddrüse, bald von ihrem Parenchym allseits umgeben, bald ihr nur angelagert und dann in Fettgewebe eingeschlossen. Bei meinem ältesten Meer- schweinchen, einem 2% Jahre alten Männchen, erscheint es eben- falls in mehrere Teile aufgelöst. Es besteht rechts aus drei, nahe aneinander liegenden Stücken, von denen zwei außerhalb der Schild- drüse, eines in ihrem Inneren gelegen ist. Die beiden ersteren sind von gleicher Größe. Es sind längliche, in transversaler Richtung etwas abgeplattete Körper. Ihr größter Durchmesser ist der kranio- kaudale. Er beträgt 0,38 mm. In dorso-ventraler Richtung messen sie 0,3, in transversaler 0,15 mm. Das im Innern der Schilddrüse befindliche Stück des Epithelkörpers ist kleiner und mehr rundlich. Es liegt in der Nähe des ultimo-branchialen Körpers. Links sind’ nur zwei Stücke vorhanden, beide in den dorsalen Rand der Schild- drüse eingebettet. Viel intensiver als das Wachstum der Epithelkörper ist das der Schilddrüse. Aus den früher angegebenen Zahlen über ihre Aus- dehnung in kranio-kaudaler und transversaler Richtung in den ver- schiedenen Stadien ergibt sich, daß sie während der Entwicklung des Embryos von 15,5 bis zu 85 mm größter Länge in der ersteren Richtung um das Sechsfache, in der letzteren um das Fünffache zunimmt. Dieses lebhafte Wachstum darf vielleicht bis zu einem gewissen Grade auf ihre reichliche Vaskularisation zurückgeführt werden, die wieder eine Folge der besonderen Funktion ihrer Zellen ist, welche anscheinend chemotaktisch auf die Blutgefäße wirken und sie zur weiteren Entwicklung von Sprossen und neuen Gefäßen veranlassen. Daß aber die ausgiebige Ernährung, welche den Schilddrüsenzellen dadurch zuteil wird, die einzige oder auch nur die hauptsächlichste Ursache ihrer starken Vermehrung dar- stellt, ist mir wenig wahrscheinlich. Denn in noch weit höherem Maße als die Schilddrüse nimmt die Thymus während jener Ent- wicklungsperiode an Masse zu, ohne daß sie aber besser mit Blut versorgt würde als die Epithelkörper. Ihr enormes Wachstum er- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 241 hellt am besten aus dem Umstande, daß beim 85 mm langen Embryo der kranio-kaudale Durchmesser 30mal, der transversale 22mal größer als beim 15,5 mm langen Embryo ist. Während also die Schilddrüse in ihrem Wachstume dem Gesamtwachstum des Embryo nur um weniges vorauseilt, vergrößert sich die Thymus in Länge und Breite mindestens 4mal so stark als jene. Diese Tatsache wird allerdings durch die Theorie, daß die kleinen Rundzellen der Thymus eingewanderte Lymphozyten seien, die sich im Inneren des Parenchyms sehr rasch vermehren, ihrer Merkwürdig- keit zum Teile entkleidet. Doch muß dazu bemerkt werden, daß es gerade beim Meerschweinchen, wie Maximow selbst unum- wunden zugibt, außerordentlich schwierig ist, den Beweis für die mesodermale Natur jener Zellen zu erbringen. Ich will auf das viel diskutierte Problem ihrer Herkunft hier nicht näher eingehen. Dagegen muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam ge- macht werden, daß — wie zuerst von Prenant beschrieben wurde — nicht nur in den Iymphoiden Zellen der Thymus, sondern auch in den typischen Epithelzellen Mitosen vorkommen. Diese Beobachtungen Prenants wurden in der Folge vonHammar, Johnson, Maximow und anderen Forschern bestätigt, bzw. ergänzt. Ich selbst konnte in jedem Stadium zahlreiche Teilungen in zweifellosen Epithelzellen auffinden, während die Epithelkörper selbst älterer Feten öfters vergebens danach durchsucht wurden. So erweisen sich zwei Organe, die demselben Mutterboden ent- sprossen sind, nicht nur hinsichtlich ihrer feineren Morphologie und ihrer Physiologie, sondern auch hinsichtlich der Lebhaftigkeit der Fortpflanzung ihrer Zellen von sehr verschiedenem Charakter. Sucht man nach dem Grunde dieser Erscheinung, so kann der- selbe meines Erachtens nach in letzter Linie wohl nur in dem verschiedenen physiologischen Einflusse der von diesen Organen dem Körper zugeführten Stoffe erblickt werden. Aber nicht etwa in dem Sinne, daß die Bedeutung der Thymushormone für den normalen Ablauf der Entwicklung größer als jener der Parathyreoideae oder der Schilddrüse wäre. Darüber vermag die anatomische Untersuchung allein naturgemäß keine Aufklärung zu erbringen. Dagegen läßt sie keinen Zweifel bestehen, — es soll das im nächsten Kapitel bezüglich der Schilddrüse genauer nach- gewiesen werden —, daß die genannten Organe, lange bevor das Tier geboren wird, in Funktion eintreten. Nun sind be- 242 Hans Rabl: kanntlich die Beischilddrüsen im Vergleiche zur Masse des aus- gebildeten tierischen Körpers von sehr geringem Volumen; ihre erste Anlage aber ist eine relativ umfangreiche. Es ist daher an- zunehmen, daß die in der ersten Zeit von ihnen produzierten Sub- stanzen durch eine längere Periode hinreichen, ohne daß die Zahl der Zellen eine erhebliche Vermehrung zu erfahren braucht. Erst wenn der Körper zu einer gewissen Größe herangewachsen ist, sind atıch sie genötigt, das Tempo ihres Wachstums zu beschleu- nigen, um dem Organismus auch fernerhin die zu seinem normalen Bestande nötige Menge von Hormonen zuführen zu können. Wahr- scheinlich kommt es dann durch den Mangel an Hormonen ander- wärts zur Bildung von Substanzen, die als Reiz wirken, der die Zellen zur Vermehrung veranlaßt. Aus dem gleichen Grunde wird im postembryonalen Leben durch die Vorgänge der Regeneration und kompensatorischen Hypertrophie neues Gewebe erzeugt, wenn durch pathologische Prozesse oder einen experimentellen Eingriff die für den normalen Fortbestand des Organismus notwendige Menge einer bestimmten Gewebeart verringert wurde. Die gleiche Ueberlegung erklärt das von Anbeginn an rasche Wachstum der Thymus. Offenbar ist der jugendliche Organismus auf eine beson- ders reichliche Zufuhr der Thymushormone eingestellt. Würde sich daher der Fortschritt in der Entwicklung der Thymus so langsam vollziehen, wie in den Beischilddrüsen, wo er oftmals sogar durch einen Stillstand unterbrochen wird, so müßte dies eine wesent- liche Störung in der Ausbildung von jenem zur Folge haben. ll. Die Histogenese der Schilddrüse. Am Schlusse meiner ersten Arbeit habe ich meine Beobach- tungen über die Entwicklung der Schilddrüse des Meerschweinchens in folgende Sätze zusammengefaßt: „Die Schilddrüse entwickelt sich aus dem Epithel einer medianen Grube des Mundhöhlenbodens in der Region der zweiten Schlund- bögen, indem ihr Grund in mehrere kurze Schläuche auswächst. Diese verbinden sich untereinander und bilden eine netzförmige An- lage mit freien, leicht kolbig verdickten Enden. Während der ganze Komplex kaudalwärts rückt, verdicken sich die Drüsenschläuche zu breiten Zellsträngen oder wachsen flächenhaft zu Zellplatten Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 243 aus. Frühzeitig erscheinen zwischen ihnen zahlreiche, weite Blut- räume, deren Endothel den Epithelzellen unmittelbar anliegt, und die dadurch die Veranlassung bilden, daß die Zellen in diesen Früh- stadien in Sekretion eintreten.‘ Das letzte Stadium, welches ich dort beschrieben habe, betraf einen 14,5 mm langen Embryo. Ueber seine Schilddrüse sagte ich (S. 137): „Bezüglich ihrer histologischen Struktur zeigt sie eine weitere Entwicklung in der bereits eingeschlagenen Richtung, indem sie aus einem Netzwerk von Strängen mit zahlreichen, freien Ausläufern zusammengesetzt erscheint, welchen zahlreiche weite Blutgefäße (Sinusoids nach Minot) unmittelbar angelagert sind. Die Stränge sind teils als lumenlose Röhrchen, von einem einfachen Epithel ausgekleidet, aufzufassen, teils sind sie Züge, aus einer einzigen Zellreihe bestehend, teils breite Balken, in welchen 3—6 Zellen nebeneinander in der Querrichtung liegen. Die erstere Form findet man in der Mitte des Organes, während die Enden desselben, sowohl seiner Hörner, wie das kaudale Ende des Isthmus aus größeren Zellkomplexen bestehen.‘‘ Dasselbe Aussehen wie bei diesem 14,5 mm langen Embryo besitzt die Thyreoidea auch in den jüngsten Stadien der in dieser Arbeit behandelten Reihe. Ganz allmählich aber vollzieht sich darin eine Aenderung, indem an die Stelle der Stränge isolierte Follikel treten. Dadurch, daß die Zahl der Follikel immer mehr zunimmt, beherrschen sie in den späteren Studien das histo- logische Bild, während die undifferenzierten Epithelmassen immer mehr zurücktreten. Bei einem Embryo von 3 cm erscheint die Schilddrüse zu ihrem größeren Teile bereits von Follikeln aufge- baut; vergleicht man aber damit die Schilddrüse eines neugeborenen Tieres, so ergibt sich, daß die Zahl der Follikel in jenem Stadium erst einen geringen Bruchteil der später vorhandenen ausmacht. Es wandelt sich eben das undifferenzierte Epithel einerseits allmählich in Follikel um, während es andererseits durch fortgesetzte Pro- liferation neues Bildungsgewebe liefert. Erst gegen das Ende der Embryonalperiode verschwindet dieses nahezu vollkommen, so daß dann die Schilddrüse fast nur mehr aus Follikeln besteht, die ent- sprechend ihrem Alter eine sehr verschiedene Größe besitzen. Dab das Wachstum der Follikel auch während des extrauterinen Lebens nicht stillesteht, ist längst bekannt. Es beruht zum größten Teile auf Vermehrung des Sekretes, also auf Dehnung der Wand der Bläs- chen; daneben aber zeigen die letzteren in den ersten Lebens- 244 Hans Rabli: monaten auch noch ein aktives Wachstum durch Vermehrung der Zellen ihrer Wand. Genauer betrachtet vollzieht sich die Histogenese der Schild- drüse folgendermaßen: Bei den Embryonen von 15—30 mm Länge äußert sich ihre fortschreitende Differenzierung zunächst darin, daß sie sich immer mehr in ein Netzwerk gleichartig gebauter Stränge, die — wie ich schon oben sagte —, als lumenlose Röhrchen aufgefaßt werden müssen, umgestaltet. Daher nehmen die aus einer einzigen Zellreihe bestehenden Bälkchen an Zahl immer mehr ab (ohne jedoch vollkommen zu verschwinden), indem sie durch quere Teilung ihrer Elemente zu lumenlosen Röhrchen heranwachsen, andererseits werden die größeren kompakten Zellmassen allmählich in dünnere Stränge aufgespalten. Es geschieht dies durch Blutgefäße, von denen der kleinere Teil aus dem Inneren des Organes heraus, der größere, welcher dem oberflächlichen Venennetz angehört, von außen in sie eindringt. Was die topographische Anordnung dieser kompakten Zell- massen anbelangt, so trifft man sie jetzt nicht nur an den Polen des Organes, sondern auch an seiner ganzen übrigen Oberfläche in großer Menge an, während sich im Inneren, gleich wie beim 14,5 mm-Embryo, nur ‚die ein- und zweireihigen Bälkchen ausbreiten. Ich möchte daher die Formationen der ersteren Art als besondere Vegetations- sprossen auffassen. Die kranialen Spitzen der Hörner werden von ihnen fast ausschließlich aufgebaut (Fig. 6, Taf. IX); ebenso finden sie sich reichlich an ihrer lateralen und dorsalen Seite, in geringster Zahl an ihrer medialen Fläche, offenbar deshalb, weil sich die Schild- drüse nach dieser Richtung nur wenig zu verbreitern vermag, da sie hier der Speiseröhre und dem Kehlkopfe, .bzw. der Luftröhre dicht anliegt. Dagegen wird sie an den übrigen Seiten von lockerem Bindegewebe umgeben, in das jene Zellmassen mühelos vorzu- dringen vermögen. Sie verschwinden endgültig zur selben Zeit, in der sich die ersten Follikel aus den Zellbalken differenzieren. In dieser Periode ordnen sich die Bindesubstanzzellen an der Ober- fläche des Organes in mehrere konzentrische Reihen, und bilden damit die Anlage der Kapsel. Gelegentlich läßt sich jedoch eine Schilddrüse beobachten, in der noch vor Entwicklung dieser letz- teren das ganze Organ einen gleichmäßig netzförmigen Bau er- worben hat. Ich sehe dies zum Beispiel bei einem 21 mm langen Embryo, während anderseits jene eines 23 mm langen noch zahl- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 245 reiche unzerlegte, buckelförmige Vorsprünge an ihrer Oberfläche trägt. Ueber die feinere Struktur dieser größeren Zellkomplexe sowie der dünneren Zellbalken vermag ich auf Grund meiner zumeist nur mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten Präparate leider nicht viel auszusagen. Die Zellen sind anfangs jedenfalls wesentlich kleiner als später, wie man aus der dichten Zusammenlagerung der Kerne in den Frühstadien ohne weiteres schließen kann; denn Zellgrenzen selbst sind in diesen nur unter besonderen Umständen zu erkennen. An vielen Längsschnitten der Stränge liegen die Kerne so dicht aneinander, daß sie sich mit ihren Längsseiten fast berühren. Sie haben eine ovale Gestalt, ihre große Achse, deren Länge zwischen 8 und 12 u beträgt, während die kurze 5—7 u. mißt, ist senkrecht zur Längsrichtung des Stranges gelegen. Offenbar handelt es sich um annähernd zylindrische Elemente. Dieselbe Gestalt besitzen jene der äußeren Lage in den Randkomplexen (Fig. 6), während nach einwärts von den letzteren — nach der wechselnden Kernform zu urteilen — polyedrische Zellen folgen. Andere Zellen, insbesondere in den einreihigen Bälkchen, dürften kubisch sein; hier trifft man oft runde Kerne, mit einem Durchmesser von ca. 7 mm. Gelegent- lich findet man auch ovale Kerne, die in der Längsrichtung des Stranges verlängert sind. Das Kerngerüst zeigt keine Besonderheiten. Es besteht zumeist aus einer geringen Zahl (2—5) länglicher Chro- matinklümpchen, die der Membran anliegen und einer größeren Menge im Kerninneren verteilter Körperchen, die wie die ersteren einen Haufen kleinster Chromiolen darstellen. Das Plasma sämtlicher Zellen ist bei den jüngsten Embryonen (15—16 mm L.) sehr kompakt und zeigt eine feine Streifung. Leider konnte die Natur derselben nicht mit wünschenswerter Sicherheit aufgeklärt werden. Möglicherweise beruht sie auf der Gegenwart von Chondriokonten oder Reihen kurzer Plastosomen, wie solche von OÖ. Schulze und Mawas in den Epithelzellen der ausgebil- deten Schilddrüse bei der Maus bzw. beim Kaninchen nachgewiesen wurden. Vielleicht liegt aber auch diesem Bilde eine reihenförmige Anordnung von Sekretkörnchen zugrunde. Isolierte Körnchen, wie solche in manchen Schilddrüsen älterer Embryonen leicht auf- zufinden sind, konnte ich in den frühen Stadien im allgemeinen noch nicht unterscheiden. So macht das embryonale Schilddrüsengewebe zu dieser Zeit zumeist den Eindruck eines Synceytium von faseriger 246 Hans Rabl: Textur mit zahlreichen dichtgedrängten Kernen. Nur die in Teilung begriffenen Zellen — und deren findet man jederzeit eine große Menge — heben sich daraus scharf hervor, da ihr Körper größer und heller und von annähernd kugelförmiger Gestalt ist. In diesem — scheinbaren — Syneytium werden nun die Zell- grenzen in der Weise allmählich sichtbar, daß darin an zerstreuten Stel!en schmale, mit Eosin stärker rot gefärbte glänzende Streifen auftreten (Fig. 7, Taf. IX). Bei ungünstiger Schnittführung hat man den Eindruck, als ob im Plasma stäbchenförmige Gebilde eingebettet wären. Später läßt sich an dünnen Quer- und Längsschnitten der Stränge sehen, daß von diesen stets in der Mitte der Stränge ge- legenen Stäbchen ganz feine Linien nach außen verlaufen, welche leicht als typische Zellgrenzen zu erkennen sind. Ueber die Natur der zuerst auftretenden glänzenden Streifen lehrt eine genaue Unter- suchung mit Immersion, daß es sich hiebei um zwei verschiedene Dinge handelt: einerseits um Sekret, welches in dünnster Schichte die innere, gewöhnlich leicht gewölbte Oberfläche der Epithelzelle bedeckt — ein solcher Streifen ist öfter gebogen und läßt sich bei der Benützung der Mikrometerschraube durch die ganze Dicke des Schnittes verfolgen; andererseits um Schlußleisten, die stets gerade verlaufen und im Gegensatz zu den Gebilden der ersten Art im optischen Querschnitt als Körnchen erscheinen. Uebrigens sind die Schlußleisten nicht überall in gleicher Deutlichkeit vorhanden. Ja, ich habe sie sogar in manchen Anlagen von Follikeln gänzlich vermißt. Da ich leider keine Präparate aus diesen Frühstadien besitze, in denen sie in spezifischer Weise, z. B. mit Eisenhämatoxy- lin, gefärbt sind, vermag ich nicht zu entscheiden, ob sie in jenen Fällen noch nicht entwickelt waren, oder ob sie von Kolloid nur nicht unterschieden werden konnten. Das letztere scheint mir wahrscheinlicher zu sein. Verfolgt man von diesen ersten Anfängen die Vergrößerung der Lichtungen genau, so ergibt sich folgendes: Schon bei dem Embryo von 17 mm Länge trifft man auf einzelne Hohlräume, die einen Durchmesser von 3—4 u haben. Die weitaus meisten aber sind noch kleiner. Sukzessive erweitern sich nun einerseits die bereits bestehenden Lichtungen, andererseits treten immer wieder neue auf. Dabei kommen selbstverständlich auch zahlreiche individuelle Verschiedenheiten vor. So finde ich bei- spielsweise beim 19 mm langen Embryo auch die weitesten Lich- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 247 tungen nur von 34 der Größe eines Zellkernes, und jene der beiden 20 mm langen Embryonen sind nicht größer als die des erwähnten 17 mm langen Embryos. Bei jenem von 21 mm Länge zeigt sich der Fortschritt in der Entwicklung vor allem darin, daß die Zahl der Lichtungen innerhalb der Stränge bedeutend zugenommen hat. Dadurch gewinnen manche von diesen ein perlschnurartiges Aussehen, doch sind die Lumina noch immer eng und die Zell- grenzen nur stellenweise sichtbar. — Die Embryonen von 22, 23 und 25 mm Länge zeigen eine weitere Steigerung in der Differen- zierung des Organes, indem sich die erstgebildeten Follikelan- lagen immer schärfer von dem umgebenden Gewebe abheben; daneben aber erscheinen neue, sekreterfüllte Spalträume, teils in- nerhalb der zentralen Stränge, teils in den kolbenförmigen Vege- tationssprossen an der Oberfläche des Organes. Die Embryonen von 27 mm Länge schließen sich den genannten in jeder Hinsicht an (Fig. 10). Hier finden sich schon einzelne Lichtungen von 10 u Durchmesser; die Zellen, welche sie umkränzen, sind durch zarte Linien deutlich voneinander geschieden, ihr Körper ist bei der an- gewandten Härtung in Zenkerscher Flüssigkeit hell und hebt sich scharf vom leuchtend rot gefärbten Kolloid ab, in dem bereits vereinzelte Vakuolen auftreten. Auch das Schlußleistennetz ist in jedem Falle gut nachweisbar. Die Höhe der Zellen ist je nach dem Entwicklungsgrad der Follıkel verschieden. In den kleinen Fol- likeln mit kleinen Lichtungen von 4—5 u Durchmesser, die noch bei weitem überwiegen, beträgt sie 7—8 u, in den größten Follikeln dagegen besitzen die Zellen bereits eine Höhe bis zu 14 u. — Bei dem Embryo von 30 mm erscheint, wie bereits erwähnt wurde, der größte Teil der Zellstränge in Follikel umgewandelt, unter denen manche bereits eine Lichtung von 12 p Durchmesser besitzen. Zum ersten Male beobachtete ich hier nicht nur kugelige Blasen, sondern auch solche von ovaler Gestalt, ihr Hohlraum zeigt einen Querdurchmesser von ca. 6 u. Neben diesen kugeligen und röhren- förmigen Gebilden gibt es aber immer noch lumenlose Stränge und einreihige Baiken, aus denen sich in den folgenden Stadien neue Follikel entwickeln. Was die mechanischen Vorgänge bei der Bildung der Follikel anbelangt, so dürften daran einerseits aktive Formveränderungen der Epithelzellen, andererseits passive Verschiebungen, denen sie seitens der eingewanderten Bindegewebszellen und vor allem seitens 248 HanssRab]l: der wachsenden Blutgefäße ausgesetzt sind, beteiligt sein. Wenn die ersten mit Sekret erfüllten Interzellularräume im Verlaufe eines Stranges oder im Inneren eines vielzelligen Randkomplexes auf- treten, zeigen die umgebenden Zellen noch keinerlei radiäre An- ordnung. Erst später gruppieren sie sich kreisförmig um die zentrale Lichtung, bewahren aber noch ihre Lage innerhalb des epithelialen Verbandes. Immerhin dürfte der Zusammenhang der Elemente einer Follikelanlage untereinander inniger sein, als jener zwischen ihnen und dem benachbarten, noch indifferenten Bildungsgewebe. Daher ist auch die Annahme gerechtfertigt, daß die Blutgefäße an jenen Stellen am leichtesten ins Epithelgewebe vorzudringen vermögen, an welchen sich die Ablösung eines Follikels einleitet. So wird diese schließlich durch den Druck von jenen vollendet. Die Entwicklung von Schläuchen läßt sich darauf zurückführen, daß innerhalb eines Stranges an getrennten, aber nahe aneinander- liegenden Stellen Kolloidtröpfchen auftreten, welche alsbald zu- sammenfließen, so daß von vorneherein keine kugelige, sondern eine zylindrische Lichtung entsteht, der sich die umgebenden Zellen naturgemäß anpassen müssen. Die hier niedergelegten Beobachtungen stimmen durchaus mit jenen ‚überein, die, »vopr Giwt/kniec hits. Asndiensisiom: Verdun, Hiesselb.ergıu a. in älterer und neuererıZeitiker die Bildung der Follikel und ihrer Lichtungen veröffentlicht wurden. Sie widersprechen gleich diesen der von Wölfler, Lustig, Bozziund Lobenhoffer vertretenen Ansicht, daß die Lich- tungen durch Zugrundegehen einer im Zentrum einer Follikel- anlage gelegenen Zelle oder Zellgruppe entstünden. Wölfler glaubte in dieser Hinsicht zwei verschiedene Arten der Entwicklung der Lichtungen annehmen zu müssen. In dem einen Falle sollte eine einzige zentrale Zelle zugrunde gehen, indem sich ihr Kern aufbläht und dabei abblaßt, bis schließlich an seiner Stelle die Lichtung des Follikels erscheint. Im anderen, häufigeren Falle sollten mehrere Zellen bald gleichzeitig, bald nacheinander im Inneren eines soliden Follikels der Verfettung unterliegen und dadurch den Raum für das Sekret freimachen. Bozzi knüpft die Entwicklung der Lich- tung an das Auftreten der Langendorffschen Kolloidzellen. Er nimmt von diesen an, daß sie eine gewisse Neigung besäßen, zusammenzufließen, so daß sich drei oder vier miteinander ver- einigen, und dadurch den ersten Inhalt eines jungen Follikels dar- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 249 stellen. Aehnlich lautet die Meinung Lobenhoffers, welcher schreibt: ‚Ich konnte beobachten, wie in soliden Strängen von Epithel ein paar zentral gelegene Zellen abstarben und die in ihnen enthaltene Granula in einer homogenen gelben Masse lagen.‘‘ Diese letztere betrachtet Lobenhoffer als Kolloid, so daß er die Bildung des Lumens auf zwei Faktoren zurückführen zu müssen glaubt: auf eine Zelldegeneration und eine Flüssigkeitsausschei- dung }). Ueber die feineren Vorgänge bei der Entwicklung der Lichtung enthält die Arbeit Anderssons die weitestgehenden Aufschlüsse. Nach Andersson besteht die Fähigkeit der Schilddrüsenzellen in der Produktion von zweierlei Sekreten: eines chromophoben und eines chromophilen Sekretes. Das erstere erscheint außerhalb der Zelle in Gestalt der vielumstrittenen Randvakuolen des Kol- loids, das letztere soll den färbbaren Bestandteil des Kolloids liefern. Im Inneren der Zelle bildet dieses Kugeln, die zumeist — besonders die großen — von einem lichten Hofe umgeben sind, welcher wahr- scheinlich ein chromophobes Sekretbläschen darstellt. Die Ent- wicklung der Lichtung schildert Andersson folgendermaßen: „Das erste Zeichen einer beginnenden Entwicklung des Lumens in einem Zellenhaufen ist das Auftreten einer chromophilen Kugel, oft von unbedeutender Größe in der einen oder anderen Zelle. Diese chromophile Kugel zeigt ganz dieselben Reaktionen, als die in den Zellen der ausgebildeten Follikel vorkommenden, und ist wie diese von einem lichten Hofe umgeben. Sie wird von der Zelle ausge- stoßen und kommt zwischen den Epithelzellen zu liegen, fortwährend von dem lichten Hofe umgeben, der jetzt nach außen deutlich eine körnige Begrenzungsmembran zeigt. Diese zwischen den Epithel- zellen liegende chromophile Kugel ist die erste Andeutung des Lu- mens, das also durch die beginnende Sekretionstätigkeit der Epithel- zellen veranlaßt wurde. Die übrigen Epithelzellen bilden indessen in ihren Zellkörpern auch chromophile Kügelchen aus, die nach !) Lobenhoffer hat Andersson ganz ungerechtfertigterweise vorgeworfen, daß er bei der Entstehung der Follikel eine endogene Zell- bildung annehme. Zu dieser Meinung konnte Lobenhoffer aber nur durch die allzuflüchtige Lektüre der sehr sorgfältigen Arbeit des schwe- dischen Forschers gelangt sein, indem er für die Ansicht Anderssons hielt, was dieser als die Ansicht Wölflers zitiert, dersich Andersson selbst keineswegs anschließt. 250 Hans Rap: demselben Orte wie die erste hinausgestoßen werden, mit ihr zu- sammenschmelzen und die Epithelzellen weiter voneinander drängen. In demselben Maß, wie die Sekretion fortschreitet, vergrößert sich auch das Lumen und dehnt sich zwischen einer kleineren und größeren Zahl Epithelzellen aus, welche, wenn die Sekretmasse eine gewisse Größe erreicht hat, sich radiär um dieselbe anordnen, und so das in Fig. 24 wiedergegebene Bild des kleinen ausgebildeten Follikels erzeugen.“ Ich vermag diese Beschreibung zwar nicht in allen Richtungen zu bestätigen, da einerseits die Schnittdecke, andererseits die Fär- bung meiner Serien, die ursprünglich bloß dem Studium der gröberen morphologischen Verhältnisse dienen sollten, eine feinere histo- logische Untersuchung leider nur in ungenügender Weise zulassen. Immerhin gelang es auch mir, in den Zellen der in Anlage begriffenen Bläschen — am deutlichsten bei einem Embryo von 27 mm Länge, dessen Schnittdicke unter 10 u lag — Körnchen aufzufinden (Fig. 8). Sie sind anscheinend von derselben Natur wie jene, die in den Fol- likelzellen der älteren Embryonen, sowie jugendlicher und erwach- sener Tiere in reicher Menge aufgespeichert sind. Solange sich noch keinerlei Anzeichen einer Lichtung bemerkbar machen, erscheinen die Drüsenzellen, wie bereits S. 245 erwähnt wurde, von sehr dichtem Gefüge. Allmählich aber kommt es zu einer Lockerung desselben, die wahrscheinlich auf der Aufnahme von Flüssigkeit seitens der Zelle beruht, wodurch helle Spalträume entstehen, in denen nun Körnchen sichtbar werden. Ausgesprochene Höfe konnte ich jedoch um sie nicht wahrnehmen. Daß sich die Körnchen im Inneren der Zelle mit Eosin nur blaßrosenrot färben, das Sekret im Lumen der Follikel aber von Anfang an ein leuchtendes Rot zeigt, spricht nicht mit Bestimmtheit dafür, daß die Körnchen vor ihrer Lösung noch eine weitere Veränderung erleiden, oder daß noch Substanzen anderer Herkunft im fertigen Sekrete enthalten sind. So sehr das möglich ist, so läßt sich jenes Verhalten doch auch durch die Annahme er- klären, daß das Sekret eine sehr konzentrierte Körnchenlösung darstellt und sich infolgedessen durch eine ebenso intensive Fär- bung auszeichnen muß, durch welche sich schon bei schwacher Ver- größerung eine körnchenreiche von einer körnchenarmen Zelle unterscheidet. Die hier gegebene Beschreibung steht auch im Gegensatz zu der Schilderung Renauts, der zufolge die ersten Lichtungen Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 251 von einer Substanz erfüllt sein sollen, die sich analog dem Schleime verhält, da sie bei Anwendung der Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit Eosin ungefärbt bleibe. Dagegen soll sie sich schwach mit Karmin färben. R&naut betrachtet sie daher weder als Schleim, noch als reifes Kolloid; er bezeichnet sie als „Thyromucoid‘“. Es entsteht aus dem „Thyromucigen‘, das in Form von Körnchen, die sich mit Eosin und Karmin färben, alle Zellen erfüllt. Dieselben Körnchen sind auch in den Zellen der reifen Schilddrüse enthalten, doch ıst hier der Blaseninhalt (Renaut nennt ihn jetzt „Thyrocolloid‘) stark eosinophil. Von diesem Unterschiede zwischen dem Thyro- mucoid und dem Thyrocolloid ist, wie gesagt, an meinen Präparaten nichts zu sehen, vermutlich deshalb, weil ich mich anderer Fixie- rungsflüssigkeiten als Renaut bediente. Darum kann ich ihm keine wesentliche Bedeutung beimessen, und glaube nicht, daß er chemischer Natur ist, sondern wahrscheinlich nur durch eine ver- schiedene physikalische Beschaffenheit des Sekretes im fetalen und postfetalen Leben bedingt wird. Ich wende mich nun der Beschreibung der Schilddrüsen der drei ältesten Embryonen zu, die sich bereits in vieler Hinsicht wie die junger Tiere verhalten. Beim Embryo von 50 mm Länge besitzen die größeren Follikel eine Lichtung von 12 » im Durchmesser. Manche gehen darüber hinaus und erreichen einen Durchmesser von 16 u. Daneben gibt es aber noch kleinere und kleinste in großer Zahl, die nur bei sorg- fältigster Beobachtung mit Rücksicht auf die Anwesenheit von Kolloid im zentralen Interzellularraume als Follikel zu erkennen sind. Andere Zellkugeln enthalten noch kein Kolloid und stellen daher nur Follikelanlagen dar. Im Gegensatze zu den kolloidhaltigen, hohlen Follikeln dürfen sie auch als solide Follikel bezeichnet werden. Bei jüngeren Embryonen waren solche, wie aus der vorstehenden Beschreibung hervorgeht, nicht nachweisbar. Dort erfolgt die Ab- trennung der Follikelanlagen aus dem Netzwerk der Bildungsstränge erst nach dem Auftreten des Kolloids. Die Ursache des neuen Bil- dungstypus dürfte in der enormen Vermehrung der Blutgefäße gelegen sein, durch welche es zur Loslösung solider Zellgruppen kommt, noch ehe sie sich mit Kolloid füllen konnten. Immerhin gibt es neben den kugeligen Follikelanlagen auch noch strangförmige Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96, 17 252 Hans Rabl!: Reste des ursprünglichen Bildungsgewebes, doch ist ihr Vorkommen nur mehr ein spärliches, wie ich mich durch sorgfältiges Studium der Serie überzeugte. Dasselbe ist beim folgenden Embryo der Fall. Bei dem Embryo von 85 mm Länge aber ließen sich weder lumenlose Follikel, noch unzerlegte Zellstränge mehr nachweisen. Die Zellen, welche beim 50 mm langen Embryo die Follikel auskleiden, sind von kubischer, abgestutzt kegelförmiger oder kurz-zylindrischer, nur selten von hoch-zylindrischer Gestalt. Ihre Höhe beträgt durchschnittlich 10—12, ihre Breite 8—11 u. Sie besitzen meist kugelige Kerne, deren Durchmesser im allgemeinen 6—7 u beträgt. Abgeplattete Zellen sind noch nirgends zu beob- achten. Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß der Zellkörper gegen früher wohl etwas gewachsen, gegenüber den Verhältnissen in den späteren Stadien aber immerhin noch von geringer Größe ist. Er zeigt nur eine sehr blasse Eosinfärbung, die in der Hauptsache an eine relativ grobe Körnelung gebunden ist, deren einzelne Elemente eine unregelmäßige Gestalt besitzen und sich nicht durch stärkere Lichtbrechung auszeichnen, so daß sie nur bei sorgfältigster Beob- achtung mit einer Immersionslinse wahrzunehmen sind. Nicht selten erscheinen die Körnchen zu Ketten und Haufen zusammen- geflossen, in anderen Fällen liegen sie scheinbar frei im kaum ge- färbten Cytoplasma oder sind durch äußerst zarte, blasse Fäden miteinander verbunden. Vermutlich sind sie gleich der beim 27 mm langen Embryo beschriebenen Körnchen als Sekretgranula auf- zufassen. An der inneren Oberfläche der Zellen ist zwischen ihnen ein deutliches Kittleistennetz ausgebildet. Die innere Grenzfläche selbst erscheint am Querschnitt zumeist als gerader, mit Eosin stärker rot gefärbter Saum, öfters auch wölbt sich die Zelle ziemlich stark nach einwärts vor und ist dann nur von einer zarten Konturlinie gegen den Follikelinhalt abgesetzt. Neben diesen blassen Zellen finden sich vereinzelt andere, die um eine Schattierung dunkler rot gefärbt und etwas schmäler sind. — Das Kolloid erscheint bald in etwas tieferer, bald in etwas hellerer rosenroter Farbe und enthält in sehr vielen Follikeln kleine Vakuolen. Ausnahmsweise begegnet man auch Follikeln, deren Lumen scheinbar leer, d. h. von einem sehr lockeren, kaum gefärbten Gerinnsel erfüllt ist. Diese liegen stets. ganz oberflächlich und sind von relativ beträchtlicher Größe. Ihre Epithelzellen sind von geringeren Dimensionen (Höhe Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 253 8—10, Breite 6—8 u, daher kurzzylindrisch) und dunkler gefärbt. — Mitotische Figuren finden sich allenthalben, sowohl in den noch soliden, als auch in den bereits kolloidhaltigen Follikeln. Der Embryo von 68 mm besitzt Follikel, von denen viele einen Durchmesser von 20, manche sogar bis zu 25 u besitzen. Nicht selten sind neben kugeligen auch ovale Bläschen vorhanden, wie solche übrigens auch bei dem 50 mm langen Embryo beobachtet werden können. Die Follikel mit farblosem Inhalt zeichnen sich auch hier wieder durch besondere Größe aus. Der größte unter ihnen besitzt — das Epithel mitgerechnet — eine Länge von 84 und eine Breite von 56 u und übertrifft dadurch die ein kompaktes Kolloid führenden Follikel um ein Beträchtliches. Die Höhe der Zellen in den größeren Follikeln schwankt zwischen 8 und 12, ihre Breite zwischen 7 und 10 u. Ab und zu findet man bereits leicht abgeplattete Zellformen, eine Folge der in der Schilddrüse dieses Embryos besonders intensiven Sekretbildung, mit der die Vergröße- rung der Follikel durch Teilung ihrer Zellen nicht Schritt zu halten vermag. Die Zellen sind auch hier in der überwiegenden Mehrheit blaß gefärbt und lassen, wie im früheren Falle nur undeutlich einen körnigen Inhalt erkennen. Zwischen ihnen liegen wieder da und dort, einzeln oder zu mehreren nebeneinander stärker rot gefärbte Zellen, die schmäler als die andern sind und zuweilen sogar eine hochzylindrische Gestalt besitzen. An günstigen Stellen läßt sich erkennen, daß die stärkere Rotfärbung darauf beruht, daß die Körnchen in ihnen wegen der Verschmälerung der Zellen dichter als in den übrigen Zellen beieinander liegen. Die Menge dieser Zellen, sowie die Intensität ihrer Färbung ist etwas größer als bei dem jüngeren Embryo. Es besteht wohl kein Zweifel, dab wir in ihnen die Langendorffschen Kolloidzellen zu erblicken haben. Von der ältesten der von mir untersuchten embryonalen Schild- drüsen habe ich schon S. 251 bemerkt, daß ihre gesamte Epithel- masse bereits zu Follikel differenziert erscheint, wenn auch manche von ihnen vorerst nur eine sehr geringe Lichtung aufweisen. Die durch ihre Größe auffallendsten Follikel dieser Schilddrüse be- sitzen einen Durchmesser von 32—36, einige erreichen ausnahms- weise einen von 40 u. Ihre Gestalt ist nicht selten eiförmig. Wie in den jüngeren Stadien sind auch hier große und kleine Follikel regellos verteilt. Die Zellen sind von ziemlich gleichförmiger Höhe, 125 254 Hiains@Rabl: die im allgemeinen zwischen 10 und 12 gu. liegt, dagegen wechselt ihre Breite in größeren Grenzen (6—12 u). Die Körnelung im Cyto- plasma tritt infolge der größeren Menge von Formalin, die der Zenkerschen Lösung in diesem Falle zugesetzt war, noch weniger deutlich als in den jüngeren Embryonen hervor und ist nur an ganz dünnen Schnitten stellenweise wahrzunehmen. — Der Inhalt der Follikel zeigt an den mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten Prä- paraten die ganze Stufenfolge der Färbung von einem leuchtenden Rot bis zu einem ganz blassen, matten Rosa. Die Follikel, welche einen wasserreichen Inhalt führen, liegen nicht mehr wie früher nur an der Oberfläche des Organes, sondern sind auch in dessen Innerem anzutreffen; immerhin kommen die größeren Gebilde dieser Art auch bei diesem Embryo stets ın der äußersten Reihe vor. Schnitte, die nach der Methode von Mallor y gefärbt wurden, lassen das Kolloid bald in gelber, bald in blauer Farbe erscheinen, wie dies vom Kolloid in den Drüsen erwachsener Tiere und beim Menschen als Folge seiner verschiedenen Konsistenz seit langem bekannt ist. In vielen Follikeln bildet das blaugefärbte Kolloid einen schmalen Saum an der Oberfläche des Epithels, welcher dieses vom gelben Kolloid trennt. Auch nach Färbung mit Eisen- hämatoxylin tritt der Unterschied in der Konsistenz des Kolloides sehr deutlich zutage, indem das kompakte fast schwarz, ein weniger Konsistentes mehr oder weniger grau, das reichlich wasser- haltige nahezu farblos erscheint. Allenthalben sind im Kolloide wandständige Vakuolen zu erkennen. Somit lassen die Schilddrüsen der ältesten Embryonen in Bezug auf das Aussehen der Follikel und ihrer Zellen bereits alle Eigenschaften des ausgebildeten Organes erkennen. Daraus darf wohl gefolgert werden, daß — von nebensächlichen Unterschieden abgesehen — sowohl das Sekret von derselben Beschaffenheit ist, als daß auch seine Ausscheidung durch die Zellen in der gleichen Weise erfolgt wie beim erwachsenen Tiere. Auch die Blut- und Lymphgefäße sind reichlich entwickelt, so daß auch für die Ab- fuhr des Sekretes ausgiebig gesorgt ist. Da aber die Schilddrüse diesen Entwicklungsgrad ganz allmählich erreicht und schon in frühester Zeit die Ausscheidung von Kolloid zwischen die Zellen ihrer Anlage nachweisbar ist, so dürfte ihre Bedeutung für den Or- ganismus schon von diesen ersten Stadien an datieren. Ich muß daher Maurer widersprechen, welcher schreibt (S. 131): „Die Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 255 Kolloidbildung beginnt bei Säugetieren ziemlich spät, gegen Ende der Embryonalentwicklung, oft erst auch nach der Geburt.‘ Worin jene Bedeutung im speziellen besteht, darüber sind derzeit nicht einmal Vermutungen möglich. Nur darauf darf hingewiesen werden, daß der wesentliche Einfluß der Schilddrüse auf den Organismus im allgemeinen schon seit langem in der Steigerung seines Stoff- wechsels erblickt wird. Da der Stoffwechsel im embryonalen Körper zweifellos sehr lebhaft ist und die Grundlage für die Entwicklung (Differenzierung) desselben bildet, dürfte der Schilddrüse ein wichtiger Anteil daran zukommen. Für die Amphibien erscheint diesidurch die von Gudermatsch,z Romeis,. Jarisıch u. a. ausgeführten Fütterungsversuche an Kaulquappen mit Schilddrüsensubstanz erwiesen, indem sich die so ernährten Lar- ven rascher als die normal gefütterten entwickelten. Nach der wohlbegründeten Auffassung von Jarisch hängt dies damit zusammen, daß die larvalen Organe eine beschleunigte Einschmel- zung erfahren }). !) Da das Manuskript dieser Arbeit bereits im Februar 1921 der Re- daktion übersandt worden war, konnte ich in derselben den in den Verhand- lungen der anatomischen Gesellschaft anläßlich ihrer Marburger Tagung er- schienenen Vortrag M. Heidenhains über verschiedene Typen im Bau der Schilddrüse nicht mehr berücksichtigen. Darum muß ich mich an dieser Stelle mit folgenden Bemerkungen begnügen. Die Schilddrüse des Meerschweinchens gehört zu denjenigen Drüsen, welche nach dem Vorschlage Heidenhains als ‚dissoziiert‘“ zu bezeichnen sind. Diese Disso- ziation ist eine vollständige. — Ucber cie Herkunft des gesamten Zell- bestandes eines Follikels von einer einzigen Stammzelle besitze ich keine besonderen Beobachtungen, doch halte ich diese Annahme für sehr wahr- scheinlich, wenn es auch schwer zu beweisen bleibt, daß sich zwischen die Elemente eines Zweizellenfollikels nicht auch noch andere Zellen von außen einschieben. Kleine kompakte Zellgruppen vom Aussehen der Blastoden Heidenhains finden sich auch beim Meerschweinchen, sowohl bei Feten, wie bei jüngeren und älteren Tieren. Im ersteren Falle handelt es sich um solide Follikelanlagen; und ich stimme durchaus mit Heiden- hain überein, daß sie nicht als Knospen von größeren Follikeln produ- ziert werden, sondern Residuen aus der ersten Anlage darstellen. Bezüglich des interfollikulären Epithels größerer Tiere bin ich jedoch zu einer ab- weichenden Ansicht gelangt, welche ich den Fachkollegen bei einer anderen Gelegenheit vorlegen werde. 256 Hans Rabl: Im. Die Entwickiung der Arterien der Schilddrüse. Da die Blutgefäße einen wesentlichen Bestandteil der Schild- drüse ausmachen und — wie ich oben darlegte — auch eine aktive Rolle bei der Ausbildung der Bläschen spielen, schien es mir nicht ohne Interesse, ihrer Entwicklung, speziell jener der Arterien, nachzugehen. Dazu kam, daß ich unerwarteterweise die Beob- achtung machte, daß die beiden Schilddrüsenlappen beim Meer- schweinchen ihr Blut während einer gewissen Embryonalperiode häufig nur von einer einzigen A. thyreoidea — fast immer von der linken — beziehen. Diese verläuft an der inneren Seite der linken Schilddrüse kaudalwärts und versorgt dieselbe durch zahlreiche Aeste. Hierauf biegt sie über die Luftröhre auf die rechte Seite hinüber und kehrt hier wieder kranialwärts zurück, dabei analoge Aeste abgebend. Die Brücke, die das Gefäßsystem des rechten Lap- pens an die Arterie der linken Seite anschließt, entsteht aus Kapil- laren des Isthmus, die mit denen der beiden Schilddrüsenhälften naturgemäß von Anfang an zusammenhängen. Später bildet sich die Brücke wieder zurück, und es wird die Verbindung, welche zwischen den von der A. laryngea dextra gespeisten Kapillaren an der Seite des Kehlkopfes und den lakunären Bluträumen der Schilddrüse besteht, zum Wurzelstück der A. thyreoidea d. ausge- staltet. — Die ersten noch indifferenten Gefäße bilden innerhalb der Schilddrüse ein dichtes Netzwerk. Dieses liefert die Grundlage, auf der sowohl während der ersten Periode die primären Arterien mit ihren Verzweigungen sich entwickeln, wie auch in der folgenden die bleibenden Verhältnisse hergestellt werden. Es ist mır zwar nicht möglich gewesen, diesen Umbau im einzelnen zu verfolgen, zumal ich derzeit aus äußeren Gründen auf die Anfertigung von Plattenmodellen verzichten muß. Aber ich glaube — und die folgende Schilderung der untersuchten Stadien dürfte auch den Leser über- zeugen —, daß kein anderer Schluß hinsichtlich der Entwicklung des Arteriensystems gezogen werden kann. Ich beginne mit der Beschreibung der Arterien bei einem 5,1 mm langen Embryo, bei welchem die Verbindung der Schilddrüse mit der Mundhöhle noch erhalten ist. Das kraniale Ende des Organes liegt hier in der Höhe der Auflösung der beiden ventralen Aorten in die Arterienbögen des ersten und zweiten Schlund- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 257 bogens; ihr kaudales Ende fällt in jene Ebene, in der sich der Truncus arteriosus nach Abgabe der dritten Aortenbögen plötzlich verengt. Um die Beziehungen der Schilddrüse zum Aortensystem an- schaulich zu machen, habe ich untenstehende Frontalrekonstruktion ausgeführt, die in Bezug auf die Weite der Gefäße und ihren Ab- stand in transversaler Richtung vollkommen naturgetreu ist. Sie tut aber den Tatsachen nach zweierlei Richtung Gewalt an: einer- seits konnte die Biegung des Schlundes und der Gefäße nach der ventralen Seite nicht berücksichtigt werden; da aber diese nur sehr gering ist, ist dieser Fehler nicht bedeutend. Ding. A 4.d. Aa. Ah Glth. Fig. 10. Aortensystem und Schilddrüse eines 5,1 mm langen Embryo. Aob. = Aortenbogen, Ao. d. = Aorta dorsalis, Ao. v. = Aorta ventralis, D. th.gl. = Ductus thyreoglossus, Gl. th. = Glandula thyreoidea, Tr. a. — Truncus arteriosus. Das Ursprungsstück des Tr. a. aus dem Herzen ver- lauft senkrecht zur Papierebene, konnte also in der Rekonstruktion nicht zur Darstellung gebracht werden. Die Rekonstruktion war bei S0facher Vergrößerung ausgeführt worden. Die Abbildung wurde gegenüber dem Original auf 34 verkleinert. Andererseits wurden die Gefäße als glattwandige Röhren eingetragen, obwohl sie an zahlreichen Stellen Kleinere und größere, sich vielfach verzweigende Aestchen abgeben, die zur Versorgung der Schlundbogen bestimmt sind. Von ihrer Wiedergabe mußte aus dem Grunde abgesehen werden, weil das Bild sonst zu kompli- ziert ausgefallen wäre. Eine Vorstellung von dem Reichtume der Verästelung des ersten und zweiten Aortenbogens, welcher die des dritten und vierten wenig nachsteht, gibt Textfigur 11. Auch aus den 6. Aortenbögen entspringen mehrere kleine Ge- fäße, welche sich in das dichtzellige Bindegewebe, das die ventrale Wand des Verdauungskanales umgibt, einsenken. Sie verbinden sich hier zu einem Netzwerk, aus dem sich die A. pulmonalis differenziert. 258 Hans Rabl: Dieses bildete bereits den Gegenstand eingehender Untersuchungen seitens mehrerer amerikanischer Forscher. Evans glückte es, dasselbe bei einem 12 mm langen Schweineembryo zu injizieren, er wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß hier ein schönes Bei- spiel von Entwicklung einer Arterie aus einem Kapillarnetze vor- liege. 4Ao.v. Gl.th. 4A.v. Msp. 1. Schlb. 2. Schlt. 2. Schlb. 3. Aob. 3. Schlb. 4o.d. @. S. ——u ag: Ph. Oh. 3. Schlt. Fig. 11. Halsgegend eines Embryo von 5,1 mm Länge. 40fache Vergrößerung. Ch. — Chorda dorsalis, G. s. = Ganglion sympathicum, Msp. = Mund- spalte, Schlb. = Schlundbogen, Schlt. = Schlundtasche, V. j. Vena jugularis. Die übrige Figurenbezeichnung wie in Fig. 10. Schon vorher hatte Bremer das Verhalten dieses Kapillar- netzes bei einer Reihe von Säugetieren untersucht und die Ent- wicklung der A. pulmonalis aus demselben verfolgt. Dabei konnte er auf einen auffallenden Unterschied im Verhalten des Meerschwein- chens gegenüber anderen Säugetieren hinweisen, indem das Kapillar- netz bei diesem Tiere aus seiner kranialen Partie nicht zwei Pul- monalarterien hervorgehen läßt, sondern nur einen einzigen un- paaren Stamm. Etwas Analoges liegt außer beim Meerschweinchen nur noch beim Schweine vor. Diese medial gelagerte A. pulmonalis besitzt entsprechend ihrer Entwicklung zunächst zwei Wurzeln, durch welche sie mit dem linken und rechten Pulmonalbogen zu- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 259 sammenhängt. Später obliteriert eine derselben; beim Schweine die rechte !), beim Meerschweinchen soll es nach Bremer die linke sein. Der allgemeinen Gültigkeit dieser letzteren Behauptung muß ich jedoch widersprechen, da ich, wie die Beschreibung der folgenden Stadien zeigen wird, bald die rechte, bald die linke Wurzel erhalten fand. Auch Fedorow gibt von dem ältesten Meer- schweinchenembryo, bei dem er die Entwicklung der Lungenvenen untersuchte (Embryo von 24 Tagen) an, daß ‚die dünne gemeinsame A. pulmonalis aus dem linken 6. Bogen ausgehe.‘“ — Nach den Beobachtungen Bremers soll das Netzstadium der Pulmonal- arterie beim Meerschweinchen länger als beim Schweine und anderen Säugetieren andauern ?). Ein Wachsmodell des Schlundes dieses Embryos habe ich in meiner Arbeit über die Entwicklung der Derivate des Kiemen- darmes beim Meerschweinchen abgebildet. (Taf. VIII, Fig. 2 zeigt es in ventraler, Fig. 3 in seitlicher Ansicht.) Ebendort finden sich auch Schnitte durch den zweiten und dritten Schlundbogen dieses Sta- diums wiedergegeben, auf denen die Schilddrüse und ihre Lage zu den ventralen Aorten gleichfalls ersichtlich ist. Sie besteht hier aus soliden Röhrchen, die stellenweise miteinander anastromosieren und dadurch ein Netzwerk bilden. Schon in diesem Stadium findet 1) Bekanntlich hat Rathke auf Grund von Untersuchungen an Schweineembryonen angenommen, daß sich die A. pulmonalis bei allen Säugetieren aus dem V. (bzw. VI.) Aortenbogen der linken Seite entwickle. 2) Es sei hier gestattet, auf eine zweite Arbeit Bremers aufmerksam zu machen, in welcher ebenfalls ein Kapillarnetz in der Gegend der Lungen- anlage beschrieben wird, jedoch in einem Stadium, in dem der 6. Aorten- bogen noch gar nicht angelegt war. Es wurde bei Kaninchenembryonen beobachtet und besteht aus Sprossen der ventralen Aorta, daher denn auch nach der Meinung Bremers die daraus hervorgehende Pulmonalarterie nicht als Ast des Pulmunalbogens aufgefaßt werden darf, wie dies bisher üblich war. Der letztere stellt nach ihm vielmehr nur eine Verbindung zwischen der dorsalen Aorta und der Wurzel der Pulmonalarterie dar. — Zu anderen Ergebnissen ist Huntington in einer erst kürzlich er- schienenen, überaus interessanten Arbeit gelangt. Er findet bei Katzen- embryonen von 4—6 mm Länge an der Seite der Lungenanlage ein Kapillar- netz, das anfangs nur mit der dorsalen Aorta vermittels mehrerer Arme zusammenhängt. Der kranialste davon ist die dorsale Knospe des 6. Aorten- bogens, dahinter folgen bis zu 8 analog verlaufende Verbindungen. Dieses Netz, welches Huntington „postbranchiales Pulmenalnetz‘“ nennt, erlangt erst sekundär seinen Anschluß an die ventrale Aorta, indem das ventrale Stück des 6. Aortenbogens bis zur Vereinigung mit ihm auswächst. 260 Eliann's@Rsaspıl: man zwischen den Röhrchen, sowie an ihrer Oberfläche teils engere, teils weitere Blutlakunen, welche mit den Gefäßen, die sich in den zweiten Schlundbögen ausbreiten, zusammenhängen. Als nächstes Stadium beschreibe ich einen Embryo von 7,8 mm Schstl. Der vordere Teil seines Aortensystems und die Lage der Schilddrüse ist in Textfigur 12 dargestellt, auf die Wieder- gabe der Pulmonalbögen wurde verzichtet. Ihre Einmündung in die dorsalen Aorten liegt unmittelbar kaudal von jener der vierten Aortenbögen. Sie ist also an diese herangerückt. Dagegen hat sich ihr Ursprung aus dem Truncus arteriosus von dem der vierten Ao.d Big: 12. Aortensystem und Schilddrüse bei einem Embryo von 7,8 mm Länge. Vergrößerung und Figurenbezeichnung wie in Fig. 10. entfernt. Ursprünglich knapp hinter diesem gelegen, befindet er sich nunmehr am arteriellen Ostium des Herzens. Dadurch wird der Truncus zwischen dem Abgang der sechsten und der vierten Bögen zur Aorta ascendens. Im Bereiche der kranialen Aortenbögen fällt zunächst auf, daß das verschmächtigte vordere Ende des Truncus, aus welchem die ventralen Aorten in früheren Stadien entsprangen, verschwunden ist. Die letzteren entspringen jetzt aus den dritten Aortenbögen. Wahrscheinlich beruht diese Aenderung auf einer Verbreiterung jenes verschmächtigten Endes des Truncus infolge einer Spannung in transversaler Richtung. Dadurch wurde ein gemeinsames Ur- sprungstück für die dritten Aortenbögen und die ventralen Aorten geschaffen, die Carotis communis. Die Verästelung der ventralen Aorten erfolgt in der gleichen Weise wie beim früher beschriebenen Embryo. Man kann hier dieselben Gefäße in derselben Lage wie dort nachweisen, nur erscheinen ihre Ursprünge etwas enger Zu- sammengerückt. Auch ist die Lichtung der Hauptstämme etwas Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 261 kleiner. Sie scheinen sich in ein engmaschiges Netz aufzulösen. — So wie der Ursprung der ventralen Aorta mit dem des 3. Aorten- bogens verschmolz und jene dadurch zu einem Aste von diesem wurde, so rückte auf der linken Seite auch dritter und vierter. Aorten- bogen nahe zusammen, so daß sie nicht mehr unabhängig von- einander, sondern vermittels eines gemeinsamen Stückes aus dem Truncus arteriosus entspringen. Für die Untersuchung der Entwicklung der A. pulmonalis war dieser Embryo wegen der im allgemeinen geringen Blutfüllung seines Gefäßsystems wenig geeignet. Es ist zwar ein deutliches Gefäß zu erkennen, das aus dem linken Pulmonalbogen entspringt; dagegen zeigt der rechte an seiner dorsalen Wand nur einige spitz- winkelige Ausbuchtungen, welche den Eindruck von Trichtern machen, die sich in enge Gefäße fortsetzen; doch lassen sich diese selbst nicht auffinden. Man könnte daher denken, daß hier die rechte Pulmonaliswurzel bereits obliteriert sei. Dem widerspricht jedoch der Befund an älteren Embryonen, bei welchen sie noch erhalten ist. — Bei Embryonen, welche zwischen diesem und dem früher beschriebenen Stadium stehen, und eine größte Länge von 5,5, 6 und 6,5 mm besitzen, ist die Pulmonalis noch nicht differenziert, sondern an ihrer Stelle findet sich, wie bei dem 5,1 mm langen Embryo, ein Netzwerk kleiner Gefäße, das durch mehrere Wurzeln mit den sechsten Aoıtenbögen zu- sammenhängt. Die Schilddrüse beginnt kranial etwas oberhalb der Abgangs- stelle der ventralen Aorta, i. e. der Carotis externa, aus dem dritten Aortenbogen und reicht kaudalwärts bis in die Höhe der Wurzeln der vierten Bögen. Somit hat sie eine Verlängerung in kaudaler Richtung erfahren. — Sie steht eben im Begriffe, in Platten aus- zuwachsen, die sich quer vor den Truncus arteriosus lagern. Die den Platten und restlichen Röhrchen benachbarten, teilweise auch unmittelbar anliegenden Gefäße kommunizieren wie beim jüngeren Embryo mit jenen der bindegewebigen Grundlage der zweiten Schlundbögen, welche von den Aesten der ventralen Aorten ge- speist werden, die aus der Abgangsstelle der Aorta ventralis vom dritten Aortenbogen, d. h. aus der künftigen Teilungsstelle der Carotis communis hervorgehen. Ob auch der Truncus arteriosus Gefäße an dieses Netz abgibt, konnte wegen zu schwacher Blut- füllung nicht mit Sicherheit entschieden werden. Dagegen sah ich 262 Hianıs#B.apl:; bei einem Embryo von 6 mm ein solches Gefäß von der Spitze der Truncus abgehen !). Bei einem Embryo von 10 mm Schstl. (Textfig. 13) erscheint die Schilddrüse bei Betrachtung von der ventralen Seite gegenüber dem früheren Stadium wesentlich gewachsen. Doch ergeben Quer- schnitte, daß sie größtenteils nur eine ganz dünne, zweischichtige Platte darstellt, die an ihren Rändern stellenweise sogar in eine ein- zige Zellage auslauft. Nur an ihrer kranialen Spitze besteht sie aus großen, unregelmäßigen Zellhaufen. In der Höhe des vormaligen Ductus thyreoglossus befindet sich ein kurzes enges Röhrchen, die Anlage einer akzessorischen Schilddrüse, die ich oben mit Rück- sicht auf ihre künftige Lage als Glandala hyoidea bezeichnet habe. Big. 13: Aortensystem und Schilddrüse eines 10 mm langen Embryo. Gl.h. = Glandula hyoidea. Die übrige Bezeichnung wie in Fig. 10. Vergrößerung wie dort. In den Lagebeziehungen der Schilddrüse zu den Aortenbögen ist eine weitere Veränderung dadurch eingetreten, daß sie sich infolge ihres starken Längenwachstums bis über die untere Grenze des Ur- sprunges der vierten Aortenbögen aus dem Truncus arteriosus aus- gedehnt hat. Dasselbe Verhalten konnte auch schon bei einem Embryo von 9,7 mm Länge beobachtet werden. Die Ursprünge des dritten und vierten Aortenbogens sind nun auch auf der rechten Seite eng zusammengerückt, so daß sie ein gemeinsames Wurzel- stück besitzen, das zum Truncus anonymus brachio-cephalicus wird. Ebenso haben sich auch im Bereiche der ventralen Aorten die Aeste derselben einander so weit genähert, daß ihre Ursprünge zusammen- !) Wenn man annehmen dürfte, daß es persistiert hätte, so könnte man darin vielleicht die Anlage einer A. thyreoidea ima erblicken. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 263 fließen und dadurch eine ampulläre Erweiterung zustandekommt. Unter den aus derselben entspringenden Gefäßen fällt jenes am meisten auf, das anfangs rein medial, hierauf nach vorne gegen den Boden der Mundhöhle zieht: die A. lingualis. Ein anderes Gefäß, das jedoch nur auf eine kurze Strecke als selbständiges Rohr zu verfolgen ist, indem es sich alsbald in ein Netz von Kapillaren auflöst, zieht lateralwärts. Es entwickelt sich weiterhin zur Fort- setzung des Hauptstammes. Ebenfalls als Kapillarnetz mit lang- gestreckten Maschen }) tritt in diesem Stadium die A. maxillaris externa auf, die, wie Tan dler nachwies, „den bedeutend stärkeren Anteil der Carotis externa bildet‘. Wenig unterhalb jener ampullären Erweiterung, die infolge einspringender Bindegewebsfalten eine sehr unregelmäßige Gestalt besitzt, befindet sich noch eine zweite Stelle, an welcher die ventrale Aorta Gefäße abeibt. Es ist dies der Punkt, an dem sie unter einem spitzen Winkel vom dritten Aorten- bogen abzweigt. Hier kann man, wie bereits bei der Besprechung des vorhergehenden Stadiums hervorgehoben wurde, mehrere kurze Aussackungen der medialen Wandung wahrnehmen, welche, wie die Serie lehrt, sich in das Gefäßnetz fortsetzen, das die Kehlkopf- anlage versorgt (Textfigur 14). Mit dem kaudalen Abschnitt dieses Gefäßnetzes, welches kranialwärts in das des Mundbodens über- geht, hängt das Blutlakunensystem der Schilddrüse zusammen. Der Abfluß daraus vollzieht sich mittels dreier Venen, von denen zwei größere lateral vom Vagus, den Hypoglossus umfassend, in die äußere Seite der V. jugularis einmünden, während eine kleinere an der medialen Seite des Vagus vorbei in die V. jugularis an ihrer medialen Seite eintritt. Die A. pulmonalis besitzt bei diesem Embryo nur mehr zwei Wurzeln, von denen die linke stärker, die rechte schwächer ent- wickelt ist. Durch ihren Zusammenfluß entsteht ein unpaares genau in der Mittellinie, ventral von der Luftröhre gelegenes Gefäß. Es verläuft in einer Länge von 335 u nach hinten, bevor essich in die Arterienanlagen für die linke und rechte Lunge teilt. Bei zwei jüngeren Embryonen von 9,2 mm und 9,7 mm ist die Entwicklung des unpaaren Rohres aus dem Netze gerade im Gang. Es bestehen hier einerseits nur mehr zwei Wurzeln, die von je einem Pulmonal- !) Aus diesem Grunde wurde von der Eintragung der letzteren zwei Gefäße in die Rekonstruktion Abstand genommen. 264 HanseRan!: bogen abgegeben werden, andererseits hat das Netz, in welches sich dieselben fortsetzen, eine regelmäßige Form angenommen, indem es aus einigen parallel nebeneinander nach rückwärts verlaufenden Längsstämmen und mehreren dasselbe verbindenden queren Brücken besteht. In beiden Fällen ist nicht nur die linke Wurzel des Netzes, sondern auch ein in ihrer Verlängerung gelegenes Röhrchen durch eine größere Weite von den übrigen Gefäßen ausgezeichnet. Ao.d. V.j. Ao.v. 3SA007232Schlt: Fig. 14. Halsgegend, linke Seite, des Embryo von 10 mm Länge. 50fache Vergröße- rung. N. h. = Nervus hypoglossus, N. I. s. = N. laryngeus superior, N. v. = N. vagus, Ph. = Pharynx, V.c. = Vesicula cervicalis, V. j. = V. jugu- laris. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 10 und 11. Bei einem Embryo von 12 mm (Textfig, 15) lassen sich beiderseits an der Teilungsstelle der Carotis communis zwei un- mittelbar hintereinander liegende enge Gefäße unterscheiden, wel- che in rein transversaler Richtung gegen den Kehlkopf verlaufen. Sie gehören offenbar unter jene Gefäße, deren Wurzelstücke schon beim jüngeren Embryo beobachtet und zum Teile in Fig. 14 dar- gestellt wurden. Während sie aber dort gerade aus dem Scheitel jenes Winkels, unter dem die Carotis externa aus der C. communis abzweigt, hervorgingen, erscheint jetzt ihr Ursprung auf das erstere Gefäß beschränkt, also um ein geringes Stück kranialwärts verschoben. Das kaudale Gefäß der rechten Seite ist in Fig. 16 (S. 266) abgebildet. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 265 Trotz ihrer Duplizität glaube ich sie als A. laryngeae auffassen zu müssen. Allerdings wäre es auch denkbar, daß nur die Kaudale Arterie diese Bezeichnung verdient, indessen die Kraniale die spezielle Anlage der A. pharyngea ascendens darstellt. Doch spricht ihre ventrale Lage gegen diese Deutung. Andererseits muß auch er- wogen werden, ob nicht etwa nur das kraniale Gefäß für den Kehl- ! N I Trhre Ao.a. Fig. 15. Aortensystem und Schilddrüse eines 12 mm langen Embryo, 37%sfache Vergrößerung. A. la. = A. laryngea, A. m. e. = A. maxillaris externa, Gl. h. = Glandula hyoidea, Tr. bre. = Truncus brachiocephalicus. Die übrigen Bezeichnungen wie in den vorangehenden Figuren. kopf, das kaudale aber ausschließlich für die Thymus oder die Schild- drüse bestimmt sein könnte. Doch haben beide Möglichkeiten wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Gegen die erstere muß angeführt werden, daß die Thymusarterie bei anderen, älteren Embryonen noch nicht nachweisbar ist, indem sie sich erst spät als selbständiges Rohr aus dem Netze, in dassich die Aa. laryngeae auflösen, heraus- differenziert; gegen die zweite, daß, wo das Anfangsstück der A, thyreoidea bereits histologisch als Arterie unterscheidbar ist, das- selbe knapp neben der Carotis c., zwischen ihr und dem N. laryngeus superior kaudalwärts verläuft und niemals zunächst eine größere Strecke medialwärts zieht. Der arterielle Charakter der genannten Gefäße äußert sich hier — wie überall in den ersten Stadien — in der scharfen Begrenzung ihres Endothels nach außen. Diese fehlt den Gefäßen, solange sie 266 Hans-Rabil: sich noch im lakunären Stadium befinden und stellt somit den ersten Schritt zu ihrer Differenzierung zu Arterien dar!). Sie kommt den letzteren selbst dann noch zu, wenn sich die Lichtung des Rohres vor dem Uebergange in die Venen auf den Durchmesser eines roten Ph. N.is. Gl.h. A.b. N.h. Fig. 16. Halsgegend, rechte Seite, des Embryo von 12 mm Länge. 45fache Ver- größerung. G. s. — Ganglion sympathicum. Die übrigen Bezeichnungen wie auf den vorangehenden Figuren. Blutkörperchens verengt hat. Walırscheinlich muß diese scharf gefärbte Linie auf ein dem Endothel unmittelbar anliegendes Häut- chen, welches als die erste Anlage der Tunica accessoria (vielleicht der Membrana elastica interna) zu deuten wäre, zurückgeführt !) Etwas Aehnliches hat auch E. Müller beschrieben, jedoch bereits von einem wesentlich jüngeren Stadium, in dem ich an meinen Prä- paraten Arterien und Venen noch nicht zu unterscheiden vermochte. Denn er berichtet von einem 5 mm langen menschlichen Embryo: ‚Die Arterien, welche sich im Zentrum der Extremität befinden, heben sich durch eine kräftige Kontur von den Kapillaren ab‘ (1903 S. 504). An anderer Stelle erklärt er das Zustandekommen derselben dadurch, ‚daß das umgrenzende Gewebe wie verdichtet um die Endothelwand zu sein scheint‘. Ein zweites von E. Müller hervorgehobenes Kennzeichen der Arterien, die hellere Eosinfarbe in den Lumina, fehlte in meinen Fällen. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 267 werden. Eine Umhüllung des Endothelrohres durch besondere Mesodermzellen besitzen in diesem Stadium nur die größten Ar- terien. Daher gehört auch jene dichtzellige Masse, in welche die Wurzelstücke der Aa. laryngeae eingebettet sind (Fig. 16), nicht diesen an, sondern stellt nur eine Auflagerung auf das Endothel ihres Muttergefäßes dar, die auch noch ein kleines Stück der Seiten- äste umfaßt. Charakteristischerweise ist die Anhäufung kontrak- tiler Faserzellen an den Abgangstellen von Aesten stets größer, als im übrigen Verlaufe der wachsenden Arterien. Daher ist auch die Carotisgabel durch eine beträchtliche Verdickung ihrer Wand ausgezeichnet. Eine ähnliche, nur schwächere Wandverdickung trifft man dort, wo sich die Carotis externa ampullär erweitert, und in die oben genannten Aeste zerfällt. (Textfigur 15.) Diese sind wesentlich breiter als im früheren Stadium und lassen bei Verfolgung in der Serie bereits einige typische Zweige erkennen. Ich will auf dieselben nicht näher eingehen, um mich von meinem Thema nicht zu entfernen. Dagegen soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Ursprungstelle der Hauptäste noch ebenso un- regelmäßig wie im früheren Stadium gestaltet ist. Auch zeigt da- selbst die Wand der C. externa neben den meist mehrfachen Wurzeln von jenen noch kleinere Aussackungen, welche sich in kleinere Gefäße fortsetzen. Das gleiche Verhalten beobachtet man an jenem Punkt, wo die Aa. laryngeae entspringen. Wie die letzteren verbinden sich auch diese kleinen Gefäße unmittelbar nach ihrem Ursprunge mit dem lakunären Netze der Schlundwand und Kehl- kopfanlage. Von ihrer bildlichen Wiedergabe habe ich, wie in den früheren Fällen, abgesehen. Von jenem Netze werden augenschein- lich die dem Epithel der Schilddrüse anliegenden Gefäße gespeist. Die Schilddrüse ist in ihrem bei weitem größeren Kranialen Teile bereits zu ansehnlicher Dicke herangewachsen, indem sie aus mehreren Reihen kurzer, hintereinander geschichteter und stellen- weise miteinander verbundener Platten zusammengesetzt wird. Nur an ihrem kaudalen Ende erscheint sie noch zu einer einzigen Platte verdünnt. Die Platten bestehen zumeist aus zwei Zellagen, zeigen aber an manchen Stellen bereits Ansätze zu einer weiteren Vermehrung ihrer Schichten. Die Zahl der Blutgefäße, die den Epithelmassen unmittelbar aufliegen, hat sich gegen früher auf- fallend vermehrt. In manchen Fällen werden sie von den letzteren bereits allseitig umgeben, was auf den beginnenden wechselseitigen Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 18 268 Hans Rabl: Einfluß der Blutgefäße und Epithelien hinweist. Dieser Einfluß, welcher die ganze Entwicklung der Schilddrüse beherrscht, tritt am klarsten im Aufbau der akzessorischen Schilddrüsenläppchen zutage. Denn obwohl es in diesen Fällen zur Ausbildung von Schild- drüsengewebe an ungewöhnlichen Stellen kommt, zeigen dennoch die Blutlakunen hinsichtlich ihrer Menge und ihrer Anordnung das gleiche Verhalten wie bei der Hauptschilddrüse. Daraus darf wohl der Schluß gezogen werden, daß die Entwicklung, welche die Blut- gefäße der Schilddrüse einschlagen, insbesondere ihre außerordent- liche Vermehrung, wie bereits im vorhergehenden Kapitel ange- deutet wurde, ganz allgemein von Hormonen des Schilddrüsenge- webes bedingt wird, und nicht etwa in einer ererbten Anlage be- gründet sein Kann. Denn wenn eine solche auch a priori für die typischen Aeste der A. thyreoidea zugestanden werden Könnte, so fehlt doch jeder Anlaß, sie für irgendein anderes kleines, arterielles Gefäß anzunehmen, das nur infolge einer Unregelmäßigkeit in der Ontogenie des Organes — gleichsam unvorbereitet — die Versorgung des akzessorischen Läppchens übernehmen mußte, Bezüglich des Verhaltens der Aortenbögen verweise ich auf Textfigur 15, welche den Fortschritt in der Entwicklung gegenüber dem früheren Stadium deutlich erkennen läßt. Man ersieht daraus, daß der Stamm der Aorta ventralis, d. h. des Anfangsstückes der Carotis externa, welches zwischen den beiden Ursprungstätten..von Arterien gelegen ist, beträchtlich in die Länge gewachsen ist. Ferner fallen der Unterschied in der Weite der dritten und der vierten Aortenbögen sowie die größere Weite des vierten Bogens der linken Seite gegenüber dem der rechten auf. Bezüglich der nicht abge- bildeten kaudalen Aortenbögen wäre die beträchtliche Rückbildung hervorzuheben, welche der rechte Ductus Botalli erfahren hat, wäh- rend der linke eine sehr ansehnliche Größe besitzt. Was die A. pulmonalis anbelangt, so entspringt sie bei diesem Embryo aus der Wurzel des rechten Pulmonalisbogens. Sie verläuft in der Mitte einer Bindegewebsplatte, welche an der ventralen Seite der Trachea befestigt ist, in einer Strecke von 600 ». kaudalwärts. Erst dann teilt sie sich in ihre beiden Aeste. Analoge Verhältnisse bietet die Pulmonalis auch bei den älteren Embryonen dar, so daß davon künftig nicht mehr die Rede sein soll. Die nächste Rekonstruktion (Fig. 17) stammt von einem 14 mm langen Embryo. Seine Schilddrüse erscheint wieder wesent- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 269 lich gewachsen. Die im früheren Falle nur angedeutete Konkavität nach der kranialen Seite ist bereits scharf ausgeprägt und damit ein rechter und linker Lappen angelegt. Ihre Spitzen sind bis zur Bi- furkationsstelle der Carotis communis emporgerückt. Infolge der Entwicklung des Halses und der kaudalen Wanderung des Herzens haben sich die gemeinsamen Carotiden bedeutend verlängert, wie der Vergleich der Fig. 17 und 15 lehrt. Da der Neigungswinkel der C. externa gegen die C. communis wegen der starken Beugung des Kopfes 90° beträgt, so fällt ihr Anfangsstück bei Betrachtung des Embryo von der Ventralseite in die Blickrichtung. Nachdem Eis. ur Aortensystem und Schilddrüse eines Embryo von 14 mm Länge. 37"sfache Vergrößerung. A. ao. = Arcus aortae. Die übrigen Bezeichnungen wie auf den vorhergehenden Figuren. das Verhalten der Externa in ihrem rostralen Verlaufe mit dem Thema der vorliegenden Untersuchungen in keinem Zusammenhange steht, habe ich auf ihre fernere bildliche Wiedergabe verzichtet und nur die Stelle, an welcher sie vom 3. Aortenbogen abzweigt, angegeben. Man hat sich vorzustellen, daß ihr kurzes und weites Anfangsstück aus der Papierebene in senkrechter Richtung heraus- tritt; die seitlichen Grenzlinien desselben decken sich vollkommen mit jenen der Carotis communis, bzw. ihrer Fortsetzung der C. in- terna. Die Aa. laryngeae sind starke Gefäße, die in ihrem Wurzelstück einen Durchmesser von 25 „u besitzen. Sie werden beiderseits von dem erwähnten, in dorso-ventraler Richtung verlaufenden 18* 270 HiansıR a6 1: Anfangsstück der C. externa abgegeben, Ihr Ursprung liegt ca. 0,225 mm von der dorsalen Wand der C. communis entfernt. Kranial von ihnen zweigt aus der C. interna, wie man aus Fig. 17 ersieht, je eine kleine Arterie ab, von der ich es dahingestellt lassen muß, ob sie die Anlage der A. pharyngea ascendens oder der thyreoidea oder etwa eines gemeinsamen Stammes für beide Gefäße darstellt. Sie gibt sofort nach ihıem Ursprunge ein Gefäß dorsalwärts ab und verbindet sich hierauf mit dem Kapillarnetz, das sich an der medialen Seite der Carotis ausbreitet. Sollte dieser letztere Ast für die Schilddrüse bestimmt sein, so würde hier ein abnorm hoher Ursprung der A. thyreoidea vorliegen. Die bei der Beschreibung der jüngeren Stadien erwähnten kleinen Zweige der C. externa, die sich an jenem Punkte von ihr ablösen, wo auch die größeren Stämme entspringen, lassen sich bei diesem Embryo nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Linkerseits konnte ich zwar an zwei Stellen noch eine trichterförmige Aus- sackung der Lichtung des Hauptrohres erkennen, aber nur bei einer davon waren in der Fortsetzung jenes Trichters ein paar lange dünne Zellen aufzufinden, welche möglicherweise Endothelzellen darstellen. Ob dieses Verhalten nur auf ungenügender Blutfüllung oder auf beginnender Obliteration beruht, vermag ich nicht zu ent- scheiden. Jedenfalls scheint die Mehrzahl jener zarten Aestchen bereits zurückgebildet zu sein. — So läßt sich denn auch bei diesem Embryo noch keine direkte Bahn erkennen, auf der das Blut der Schilddrüse zuströmt. Was das Verhalten der dorsalen Aorten anbelangt, so weisen diese bereits deutliche Zeichen von Rückbildung auf; insbesondere in ihrer Mitte sind sie bereits recht dünn geworden. Sie entspringen aus der dorsalen Wand des Truncus brachio-cephalicus, bzw. des Arcus aortae. Hand in Hand mit der fortschreitenden Verschiebung des Herzens in kaudaler Richtung hat sich die Schilddrüse größtenteils von der ventralen Wand dieser Gefäße abgelöst und liegt nunmehr mit ihrem unteren Rande kranial von den 4. Aortenbögen Ich wende mich nun zur Besprechung des Embryo von 14,5 mm Länge, des jüngsten, bei welchem die A. thyreoidea, wenigstens in ihrem Anfangsteil, ausgebildet war. Es ist derselbe, mit welchem ich meine Darstellung der ersten Entwicklung der Derivate des Kiemendarmes abschloß und von dem ich bei meinen Untersuchungen über die Histogenese der Schilddrüse ausging. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 271 Entsprechend dem Größenunterschiede zwischen ihm und dem eben beschriebenen Stadium erscheint auch seine Schilddrüse etwas verbreitert. Auch die C. communis ist länger als dort. Ja, ihre Streckung ist so bedeutend, daß das Wachstum der Schilddrüsen- lappen damit nicht gleichen Schritt halten konnte und ihre Spitzen daher nicht mehr bis zur Bifurkationsstelle heranreichen. Das gleiche Verhalten war auch bei allen älteren Embryonen zu beob- achten. A.ao. Tr. bre. Fig. 18, Schilddrüse und große Arterienstämme bei einem Embryo von 14,5 mm Länge. 37Vsfache Vergrößerung. A. ph. a. = Art. pharyngea ascendens. Die übrigen Bezeichnungen wie in den vorhergehenden Figuren. Die Verhältnisse, wie sie am Ursprunge der A. thyreoidea vor- liegen, zeigen die Figg. 18 und 19. Aus der ersteren geht hervor, daß hier unmittelbar hintereinander drei Arterien aus der C. externa entspringen. Auf der linken Seite ist die kranialste sehr kurz und verbindet sich alsbald mit den Blutgefäßen, die sich im lockeren Bindegewebe an der Oberfläche des Schlundes ausbreiten. (A. pha- ryngea ascendens.) Die folgende zieht in einem Bogen medial- und ventralwärts und gibt dabei zwei starke Aeste ab, die in transversaler Richtung in die dichte Zellmasse der Kehlkopfanlage eindringen (A. laryngea). Rechts fehlt ein Gefäß, das als Pharyngea asc. an- gesprochen werden müßte; dagegen finden sich hier — wie bei dem 12 mm langen Embryo — zwei Aa. laryngeae. Ein ventralwärts ver- 212 HansURabi: laufendes Aestchen der A. laryngea s. dürfte die A. thymi dar- stellen. Knapp kaudal von der, bzw. den Aa. laryngeae liegt beider- seits der Ursprung der A. thyreoidea. Da die C. externa im vor- liegenden Falle die gleiche Lage zur C. communis besitzt, wie im früheren Stadium, so mußte ich mich wie dort begnügen, bloß die Stelle, an der sie von der Communis abzweigt, einzutragen. Gleich der A. pharyngea ascendens d. ist auch die Schilddrüsenarterie nur auf wenigen Schnitten als selbständiges Röhrchen nachweisbar. Ph. Fig. 19: Embryo von 14,5 mm Länge. Ursprung der A. thyreoidea und laryngea. 60fache Vergrößerung. G. n. = Ganglion nodosum. Die übrigen Bezeich- nungen wie in den vorhergehenden Figuren. Schon nach kurzem Verlaufe teilt sie sich, und indem sich die aus dieser Teilung hervorgegangenen Aeste sofort wieder verzweigen und mit dem Gefäßnetze medial von der C. communis anastomo- sieren, erscheint sie als kleines, dieses letztere speisende Stämmchen, Daß man in diesem, trotz noch mangelnder direkter Beziehung zur Schilddrüse, die Anlage der A. thyreoidea erblicken muß, ergibt sich aus zwei Gründen: 1. fehlen bei diesem Embryo die in früheren Stadien bestandenen mehrfachen, analog verlaufenden Zuflüsse jenes Gefäßnetzes — sie sind somit bis auf den einen vollständig Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 273 zurückgebildet; 2. besitzt es den gleichen Ursprung und die gleiche Lage wie die A. thyreoidea älterer Embryonen. Der in Rede stehende Embryo besaß ein Alter von 24 Tagen. Mit ihm stimmte ein anderer vollkommen überein, der zwar etwas jünger, aber trotzdem etwas größer war (23 Tage, 15 mm), indem er den Ursprung der A. thyreoidea gleichfalls bereits erkennen ließ. Auch er war durch den Besitz zweier A. laryngeae ausge- zeichnet, die durch eine Anastomose verbunden waren. Eine solche dürfte wohl in allen Fällen vorhanden sein, wenn sie auch an den übrigen Embryonen nicht nachgewiesen werden konnte. Denn nur durch ihre Vermittlung werden beide Arterien später mit Blut gefüllt, sobald das Wurzelstück der einen von ihnen der Obliteration anheimgefallen ist. Bei zwei anderen Embryonen von ähnlichem Entwicklungs- grade (15 und 15,5 mm Länge) gelang es mir nicht, die A. thyreoidea aufzufinden. Ich führe dies darauf zurück, daß sie hier — wie ver- mutlich auch beim Embryo von 14 mm Länge — einen gemeinsamen Ursprung mit der A. laryngea besaß. In denjenigen Fällen, in denen sie unabhängig von ihr entspringt, ist sie mit Sicherheit erst dann zu erkennen, wenn sich die übrigen kleinen Aestchen der Carotis externa zurückgebildet haben. Was die Beziehungen der A. laryngea zur A. thyreoidea anlangt, so möchte ich hier einschalten, daß die beiden Arterien bei meinen 13 ältesten Embryonen 18mal unabhängig voneinander und 8mal mit gemeinsamer Wurzel aus der C. externa entsprangen. Bei 7 Embryonen besaßen die Arterien selbständige Wurzeln auf beiden Seiten, bei zweien entsprangen sie auf beiden Seiten mittels eines ge- meinsamen Anfangsstückes, bei vieren verhielt sich rechte und linke Seite verschieden. Zur Vervollständigung meiner Erfahrung auf die- sem Gebiete wurden auch erwachsene Meerschweinchen, deren Caro- tiden mit Teichmannscher Masse injiziert worden waren, unter- sucht. Die Injektionen wurden im anatomischen Institut ausgeführt. Eines der Tiere hatte mein verehrter, seither verstorbener Kollege Hofrat Holl selbst die Freundlichkeit, zu injizieren. Das Ergebnis stand mit dem am embryologischen Material erhaltenen in Ueber- einstimmung. Bei einem Tiere erschienen die A. laryngeae als Aeste der Schilddrüsenarterien, bei einem zweiten entsprangen sie selb- ständig aus der Carotis externa, knapp oberhalb des Abganges von jenen, bei einem dritten entsprang die linke Kehlkopfarterie selb- 274 Hans Rabl: ständig, die rechte gemeinsam mit der A. thyreoidea, beim vierten endlich lag der Ursprung der Schilddrüsenarterien abnorm tief, etwa auf halbem Weg zwischen dem Ursprung der Carotis communis und ihrem durch die Abgangsstelle der A. oceipitalis bezeichneten kranialen Ende. Die Arterien verliefen daher kranialwärts und die Aa. laryngeae, die von den Cc. externae an gewohnter Stelle ab- gegeben wurden, besaßen naturgemäß keinerlei Beziehungen zu ihnen !). Beim letzteren Tiere bestand auch eine A. thyreoidea ima, welche aus der Mitte des Truncus communis für die rechte Subelavia und Carotis einerseits und die linke Carotis andererseits hervorging. Sie verlief an der linken Seite der Luftröhre kranialwärts und löste sich in Zweige auf, welche gleich den normalen Schilddrüsenarterien die Schilddrüse an der medialen Seite betraten. So lehrt denn die Untersuchung des ersten Auftretens der Schilddrüsenarterie wie ihres Verhaltens im ausgebildeten Zustande in gleicher Weise, daß sie sich bald aus einem Gefäße differenziert, das direkt aus der Carotis externa entspringt, bald aus einem Gefäß, durch welches die A. laryngea mit den Blutlakunen an der Schild- drüse zusammenhängt. Im ersteren Falle müssen wir dasselbe jenen kleinen, später wieder verschwindenden Gefäßen an die Seite stellen, welche in früher Entwicklungsperiode von der Carotis externa an der gleichen Stelle abgegeben werden, an der auch die größeren Aeste entspringen. Daß es nicht gleichfalls der Obliteration ver- fällt, ist durch seine frühzeitige und innige Beziehung zur Schild- drüseanlage bedingt. Der nächste Embryo, welcher gegenüber dem eben beschriebenen einen merklichen Fortschritt aufwies, besaß einegrößteLänge von 16,5 mm. Hier war auf der linken Seite der Ursprung der A. thyreoidea leicht aufzufinden. Er war weit und das Gefäß piall mit Blut gefüllt. Wie bei den kleineren Embryonen zweigte auch hier die C. externa unter rechtem Winkel von der C. communis ab. Ihr Durchmesser betrug 0,09 mm. Die A. thyreoidea entsprang unmittelbar an der Wurzel der ersteren und zwar von der Ueber- gangsstelle der medialen in die dorsale Seite der Gefäßwand. Nur 0,06 mm rostral von ihr, aber in der Mitte der medialen Wand, lag die Abgangsstelle der A. laryngea. Auf der rechten Seite hin- ı) Einen derartigen tiefen Abgang der A. thyreoidea habe ich, wie ich im folgenden noch berichten werde, auch bei 2 Embryonen beobachtet. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 275 gegen konnte an der Wurzel der C. externa weder eine breite Aus- buchtung noch etwa ein spitz zulaufender Trichter aufgefunden werden, der sich in ein kaudalwärts verlaufendes Gefäß fortgesetzt hätte. Der Ursprung der A. laryngea befand sich hier an der gleichen Stelle wie links. Die A. thyreoidea, die somit nur links ausgebildet war, verlief zunächst 0,07 mm kaudalwärts, darauf gabelte sie sich in ein kleineres dorsales und größeres ventrales Gefäß. Das letztere konnte in der Serie nicht nur bis zur kranialen Spitze des Schilddrüsenlappens, sondern diesem entlang bis zum Isthmus verfolgt werden. Es war dies einerseits wegen seiner gleichbleibenden Lagebeziehung, in seinem kranialen Anteile zur C. communis und im folgenden Anteile zur Schilddrüse, andererseits wegen seiner, wenn auch nur gering- fügigen Wandverdickung möglich. Dadurch konnte die künftige Arterie von den benachbarten Venenlakunen, mit denen sie ver- bunden war und deren Wand lediglich aus Endothel bestand, unter- schieden werden. Was diese Verbindungen anbetrifft, so kommen sie im kranialen Abschnitte nur sehr spärlich vor, daher denn auch das Rohr hier im allgemeinen einen kreisrunden Querschnitt besıtzt. Dagegen liegen sie in der Region der Schilddrüse selbst sehr nahe beieinander und bedingen dadurch eine unregelmäßige Gestalt seines Querschnittes. Der Verlauf der Arterie, wie er sich aus dem Studium der Serie von vorne nach hinten ergibt, ist — näher beschrieben — folgender: Anfangs liegt sie knapp neben der C. externa, von ihr nur durch eine 15 u dicke Bindegewebsschicht getrennt. Weiterhin trifft man sie ventro-medial von der C. communis; und nun rückt sie ganz all- mählich immer mehr in ventraler und medialer Richtung von ihr ab. An der Innenseite wird ihre Wand von der Anlage des knorpe- ligen Gerüstes des Kehlkopfes gestützt; dorsal, lateral und ventra! erscheint sie von einem engmaschigen Venenplexus umlagert (Fig. 9, Taf. X). Dieser macht alsbald der Epithelkörperanlage, welche dor- sal, und der Anlage der Thymus, welche lateral von der Arterie auf- tritt, Platz. In der Folge rückt dann die Thymus ventrolateral, der Epithelkörper dorsolateral und es taucht genau dorsal von ihr die Spitze der Schilddrüse auf. In dem Maße, als sich diese kaudal vom Epithelkörper auch lateralwärts ausbreitet, erscheint dann die Arterie an ihrer ventro-medialen Ecke. Auch hier liegt sie stets von Venen umgeben, die teils zur Schilddrüse, teils zur Thymus in Be- 276 HlamsseRtaibNl® ziehung stehen (Fig. 10, Taf. X). Schließlich verschwindet auch das letztgenannte Organ, während sich der Gefäßplexus nach der Mittel- linie hinüberzieht, so daß man das Gefäßsystem der beiden Lappen in innigster Verbindung miteinander findet. In jener Region, in der die Arterie an der ventro-medialen Ecke der Schilddrüse gelegen ist, konnte ich innerhalb einer Strecke von 360 u 8 Aeste derselben mit Sicherheit feststellen, von denen einige allerdings nicht weit zu verfolgen waren, andere aber nach kurzem Verlaufe in weite Verbindung mit dem benachbarten Plexus traten. So stellt sich auch die Arterie selbst als ein Teil desselben dar, der nur stellen- weise dadurch, daß sich ihm eine spindelförmige Mesodermzelle enger anschmiegt, von den benachbarten Bluträumen ausgezeichnet ist. Endlich fällt auch jene spärliche Anlage der Tunica accessoria weg !). Da die Arterie gleichzeitig ihren Platz an der ventro-medialen Ecke der Schilddrüse verläßt, indem sie weiter ventralwärts herab- zieht und sich in mehrere kleine Zweige aufspaltet, entzieht sie sich der weiteren Beobachtung. An Schnitten durch das Hinterende des rechten Lappens findet man zwar ein Gefäß, welches genau die gleiche Lage, wie die A. thyreoidea auf der linken Seite einnimmt. Doch ist es mir nicht gelungen, dieses innerhalb des medialen Gefäß- plexus auf seinem Wege von der linken zur rechten Seite zu unter- scheiden. Offenbar stand die Arterie eben im Begriffe, sich aus dem Plexus als besonderes Röhrchen herauszudifferenzieren. Eine Folge ihrer unvollständigen Entwicklung im vorliegenden Stadium ist auch die große Weite ihrer Lichtung, worin sie die Gefäße älterer Embryonen mit bereits ausgebildeter Muskelschicht wesentlich übertrifft und den benachbarten Lakunen noch vollständig gleicht. Somit ist dieser Embryo der jüngste, bei welchem die von mir eingangs erwähnte Eigentümlichkeit vieler Embryonen, nur eine einzige Schilddrüsenarterie zu besitzen, nachgewiesen werden konnte. Daß auf der rechten Seite gleichfalls eine Verbindung zwischen den lakunären Räumen der Schilddrüse und der C. externa besteht, kann natürlich nicht bezweifelt werden. Sie wird durch die A. laryngea vermittelt. Doch befinden sich die Aeste derselben vor- !) Die dunkle Konturlinie, die ich beim Embryo von I2 mm Länge an der äußeren Oberfläche des Endothels beschrieben und vermutungs- weise als Anlage der Elastica interna angesprochen hatte, war hier — wahr- scheinlich infolge einer anderen Vorbehandlung der Schnitte — nicht zu sehen. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 277 läufig noch im indifferenten Zustande Auf der linken Seite aber zeigt die A. thyreoidea das für unsere Kenntnis von der Entwick- lung der Arterien überhaupt wichtige Stadium ihrer Differenzierung aus einem engmaschigen Netzwerk. Ich will an dieser Stelle einen Ueberblick über die Blutver- sorgung der Schilddrüse bei meinen älteren Embryonen geben und erst dann zur genauen Beschreibung des nächsten Stadiums über- gehen. Der jüngste bei dieser Zusammenstellung gezählte Embryo ist der eben beschriebene. Es kommen demnach im ganzen 16 Embry- onen in Betracht. Unter diesen befinden 'sich 6, bei denen die A. thyreoidea auf beiden Seiten vorhanden war, 8, bei denen sie bloß links und 2, bei denen das Gefäß bloß rechts bestand. In fast allen Fällen entsprang die Arterie nicht mehr aus der Wurzel der C. ex- terna, sondern aus der Carotis communis. Sie war also kaudalwärts gewandert. Ganz außergewöhnlich tief — analog wie bei einem der vier erwachsenen Meerschweinchen — lag ihr Ursprung bei einem Embryo von 15,2 mm Schstl., dessen Arterie trotz seiner geringen Größe bereits auf eine längere Strecke verfolgt werden konnte, als dies beim 16,5 mm langen Embryo möglich war. Sie war in diesem Falle nur rechts vorhanden. Ihre Abgangsstelle von der C. communis lag 0,6 mm kaudal von deren Bifurkationsstelle, während die beiden Schilddrüsenhörner beiderseits in einem Abstande von nur 0,13 mm vom letzteren Punkte endeten. Da der rechte Lappen eine Länge von 0,77 mm besaß, entsprang demnach die A. thyreoidea in seiner kaudalen Hälfte. Es ist mir darum wenig wahrscheinlich, daß ihre Wurzel ursprünglich an normaler Stelle vorhanden gewesen und später soweit herabgewandert sei. Ich glaube vielmehr, daß hier die A. thyreoidea an normaler Stelle gar nicht angelegt oder alsbald wieder obliteriert war und daß ihre Rolle von einen kaudalen Aest- chen der C. communis übernommen wurde, welches für gewöhnlich nicht erhalten bleibt oder vielleicht auch gar nicht zur Anlage zu kommen pflegt. Die gleiche Ursache möchte ich auch für den tiefen Ursprung der Schilddrüsenarterie in den übrigen Fällen annehmen. Die A. laryngea war auf beiden Seiten an normaler Stelle angelegt, links besaß sie nur eine Wurzel, rechts deren zwei von ungleicher Stärke. Die A. thyreoidea verlief unmittelbar nach ihrem Ursprung in schräg ventro-medialer Richtung durch das Parenchym der Schild- drüse hindurch, gab, an deren ventro-medialer Ecke angelangt, einen auf- und einen absteigenden Ast für den rechten Lappen ab, 278 Hans Rabl: und bog hierauf über die ventrale Wand der Luftröhre hinweg zum linken hinüber. Ihr weiteres Verhalten, sowie das ihrer Aeste war wegen der noch sehr geringen Entwicklung ihrer Wand nicht näher zu verfolgen. — Der 2. Embryo mit einer rechtsseitigen A. thyreoidea besaß eine Scheitelsteißlänge von 25 mm. Hier befand sich der Ursprung des Gefäßes in gleicher Höhe mit der Spitze des Schild- drüsenlappens, ein Verhalten, das als annähernd normal bezeichnet werden kann. Immerhin lag er 0,435 mm hinter der Bifurkations- stelle der C. commmunis. Der Verlauf des Gefäßes war in jeder Hin- Pia Fig. 20. Schilddrüse und Carotiden eines 17 mm langen Embryo. 30fache Ver- größerung. Bezeichnung wie in den früheren Figuren. sicht jenem homolog, den die A. thyreoidea sinistra an den anderen Embryonen darbot. Die Aa. laryngeae zweigten von den Cc. externae an den gleichen Stellen wie in den bisher beschriebenen Fällen ab. Ich wende mich nun zur Schilderung des 17 mm langen Embryos, von dem die nächste Rekonstruktion stammt. (Textfigur 20; vgl. auch Textfigur 2.) Die Schilddrüse ist hier ausgesprochen hufeisen- förmig. Doch darf man nicht etwa aus dem Umstande, daß der transversale Durchmesser der Hörner von derselben Breite wie der kranio-kaudale des Isthmus ist, den Schluß ableiten, daß das Organ überall die gleiche Mächtigkeit besitzt. Es ist vielmehr der Isthmus Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 279 stark in dorso-ventraler Richtung abgeplattet, während die Hörner gerade in dieser von beträchtlicher Dicke sind. Die betreffenden Maße habe ich bereits S. 214 mitgeteilt. Dem Embryo von 14,5mmL. gegenübergestellt, erscheinen die gemeinsamen Carotiden wieder in die Länge gewachsen. Die Aorta dorsalis ist auf der rechten Seite noch nachweisbar, auf ‘der linken bereits verschwunden, Die Aa. laryngeae entspringen wie immer aus den Wurzeln der Cc. externae., Sie sind wegen ihrer dünnen Wandung und der zahlreichen benach- barten Venen leider nur eine kurze Strecke weit von jenen zu unter- scheiden, so daß die Frage nach ihrer Verästelung ungelöst bleiben muß. Die A. thyreoidea ist nur auf der linken Seite vorhanden und stellt ein weites Rohr dar, das 70 u oberhalb der Spitze des linken Drüsenlappens aus der C. communis entspringt und einen analogen Verlauf wie bei dem eben beschriebenen Embryo von 16,5 mm Länge nimmt. Indem sie in ventro-medialer Richtung kaudalwärts zieht, schiebt sich zunächst in den zwischen ihr und ihrem Muttergefäße entstehenden Raume Gewebe des Epithelkörpers ein; dieses wird alsbald durch solches von der Schilddrüse verdrängt, deren Spitze rein dorsal von der Arterie gelegen ist, die sich aber weiter rück- wärts nach außen verbreitert. So gelangt das Gefäß wieder an die ventro-mediale Kante des Organes, wo es auch bei allen älteren Embryonen, mit Ausnahme jenes von 85 mm Länge angetroffen wird. In dieser Lage zieht es nach rückwärts und biegt — noch kranial vom Isthmus — auf die linke Seite hinüber. Diesen Bogen zeigt Fig. 11, Taf. X. Hier läßt es sich noch bis etwa zur Grenze von mittlerem und oberem Drittel des linken Schilddrüsenlappens kranialwärts verfolgen. Es verschmächtigt sich durch Abgabe von Aesten immer mehr, schließlich erscheint es schräg getroffen und verschwindet zwischen den Venen im Bindegewebe an der medialen Seite der Schilddrüse, ohne daß sich seine Beziehung zu ihren weiten Blutlakunen genauer feststellen ließe. Das Gefäß ist ungefähr von gleicher Weite wie beim Embryo von 16,5 mm Länge. Doch ist der Querschnitt größtenteils Kreis- rund, der Durchmesser beträgt ca. 36—40 yp. Die Wand ist von wechselnder Stärke. Bald wird sie nur vom Endothel und jenem zarten Häutchen gebildet, welches ich bereits bei jüngeren Embryonen erwähnt habe; bald erscheinen dem letzteren noch 1—2 Reihen von Mesodermzellen aufgelagert. Doch besitzen diese vorläufig weder in ihrer Gestalt, noch in ihrer Färbung das Gepräge glatter 280 Hans Rabbi: Muskelfasern, wie dies bezüglich jener in der Wand der Carotis oder in noch höherem Grade bezüglich der Faserzellen in der Wand der Speise- und Luftröhre bereits der Fall ist. Bemerkenswerter- weise trägt die Arterie an zwei Stellen ihrer transversalen Strecke ein Divertikel, welches sich durch eine ringförmige Einschnürung vom Hauptstamme absetzt, so daß es zunächst den Anschein hat, als ob der Abgang eines Seitenastes angeschnitten wäre. Die Ver- folgung der Serie aber lehrt, daß dem nicht so ist. Doch glaube ich diesen Befund nicht anders deuten zu können, als daß hier vormals tatsächlich zwei Gefäße zusammenmündeten, von denen sich jedoch eines später zurückbildete. Wenn diese Deutung zutrifft, so wäre in jenen Bildern der gesuchte Beweis für die Herkunft des medialen Arterienbogens aus dem an jener Stelle vormals gelegenen Gefäß- netze gegeben. Was die von der Arterie ausgehenden Aeste anbelangt, so habe ich mit Bestimmtheit wohl nur 7 zählen können, doch muß als sicher angenommen werden, dab noch andere existieren, welche nur einer- seits wegen ihrer Kleinheit und ihrer starken Kontraktion, anderer- seits, weil ihr Ursprung ungünstig getroffen wurde, nicht in ein- wandfreier Weise beobachtet werden konnten. Die in Fig. 20 einge- tragenen Aeste entspringen bald aus der medialen, bald aus der dorsalen Seite des Hauptgefäßes und nehmen ihren Weg an der medialen Fläche der Schilddrüse dorsalwärts. Ueber ihr Verhalten im Inneren des Parenchyms ließ sich leider in keinem Falle etwas Genaueres ermitteln. Meine Vermutung, daß in Wirklichkeit mehr Aeste von der A. thyreoidea abgegeben werden, als sich mit Be- stimmtheit nachweisen lassen, gründet sich auf das Verhalten ihrer Wand, welche — wie eben erwähnt wurde — sowohl bei diesem wie bei dem vorher beschriebenen Embryo bereits stellenweise die Tunica accessoria in ihrer ersten Anlage zeigt. Denn mit ihrem Auf- treten muß die Neubildung von Gefäßen aufhören, da ja bekanntlich bloß die Kapillaren die Fähigkeit besitzen, durch Sprossung neue Kapillaren zu erzeugen. Diese Fähigkeit dürfte somit der A. thyreoi- dea innerhalb jenes Zeitraumes zukommen, in dem sich die Embryo- nen bis zu einer Länge von 16—17 mm entwickeln. Bei einem nächstälteren Embryo von 18 mm Länge ist die Arterie nicht nur in ihrer ganzen Ausdehnung bereits von Spindelzellen umlagert, sondern dieselben sind stellenweise bereits in zwei Schichten an- geordnet. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 281 Nachdem im vorstehenden die erste Anlage der A. thyreoidea dargelegt wurde, interessiert es nun weiter, wie sich in jenen Fällen, in denen zunächst die Arterie nur auf einer Seite zur Ausbildung gelangt, die definitiven Verhältnisse mit einer Arterie auf jeder Seite entwickeln. Denn daß dies die Norm darstellt, möchte ich nicht nur aus dem übereinstimmenden Verhalten der von mir unter- suchten erwachsenen Meerschweinchen erschließen. Auch Tan d- ler, der anscheinend eine größere Zahl von Meerschweinchen in- jizierte, hätte sich jedenfalls nicht mit der einfachen Feststellung begnügt: ‚Die Arteria carotis communis gibt in der Höhe des Larynx ventralwärts die Arteria thyreoidea, dorsal die Arteria occipitalis ab‘, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, eine andere Versorgungsart der Schilddrüse zu beobachten. Ebenso weiß Krause beim Kaninchen von keiner Varietät in betreff der A. thyreoidea (superior) zu berichten, während allerdings beim Menschen von demselben Autor ein querer Verlauf der A. thyreoidea über das Lig. crico- thyreoideum, ein Fehlen oder eine nur geringe Größe der A. thyreoidea der einen Seite und ihr Ersatz durch jene der anderen als Varietäten angegeben werden. Es mag ja auch beim erwachsenen Meerschwein- chen derartiges vorkommen, jedenfalls gehört dies aber zu den Seltenheiten, während sich bei den Embryonen — wie aus meinen oben angeführten Zahlen hervorgeht — in mehr als 50%, nur eine einzige Arterie vorfindet. Es steht daher außer Zweifel, daß sich in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle nachträglich auch auf der anderen Seite eine A. thyreoidea ausbildet. Auf welcher Grund- lage sich dieser Prozeß vollzieht, habe ich bereits in der Einleitung dieses Kapitels mit wenigen Worten gekennzeichnet; es ist jetzt meine Aufgabe, ihn eingehender zu schildern. Ich will von einem Embryo von 3 cm Länge ausgehen, dessen Schilddrüse ich bereits S. 225 beschrieben habe. Der Verlauf ihrer Hauptarterien ist aus Textfigur 21 ersichtlich. Die A. thyreoidea entspringt hier viel weiter kaudal als im früheren Falle, indem ihr weiter Trichter 0,72 mm hinter der Gabelungsstelle der C. communis gelegen ist. Das Verhalten der dort befindlichen Gefäße ist das gleiche, wie bei jüngeren Embryonen. Die C. externa zweigt auch hier unter rechtem Winkel ventralwärts ab, so daß ihr Anfangs- stück, aus welchem die A. laryngea hervorgeht, in der Rekonstruk- tion nicht ersichtlich gemacht werden konnte. Dagegen erkennt man daselbst ihre Teilung in’ zwei Aeste, von welchen der dünnere die 282 Hians#R ab1: nach außen und dorsalwärts ziehende Fortsetzung des Hauptrohres, der weitere den gemeinsamen Stamm für die A. lingualis und maxil- laris externa darstellt. Die A. laryngea gibt beiderseits einen an- sehnlichen Zweig kaudalwärts für die Thymus ab, außerdem aber rechts noch einen Ast, der zunächst ein Gefäß für den Epithel- Ein-p21} Schilddrüse mit den Carotiden und der Verästelung der A. thyreoidea bei einem 30 mm langen Embryo. A. thy. = Art. thymi, Gl. th. a. — Glandula thyreoidea accessoria. Die übrigen Bezeichnungen wie in den vorhergehenden Figuren. 30fache Vergrößerung. körper entläßt und hierauf an den Kehlkopf herantritt, an dessen Seite er nach rückwärts zieht. Sein Ende war nicht mit Sicherheit zu erkennen. Dagegen fanden sich im lockeren Bindegewebe ventral von der Schilddrüse einige kleine Gefäße, die sich als dorsalwärts ziehende Abkömmlinge von ihm darstellten. Diese legen sich schließ- lich der ventralen Fläche der Schilddrüse unmittelbar an und ver- schwinden in deren dichtzelliger Kapsel. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 283 Die A. thyreoidea zieht über die ventrale Fläche des linken Schilddrüsenlappens in medialer Richtung kaudalwärts, wobei sie ein paar kleine Gefäßchen (Textfigur 21), an ihr Parenchym abgibt. An der ventro-medialen Kante angelangt, entsendet sie ein starkes Rohr (3) dorsalwärts, das kranialwärts zurücklauft und sich in einen auf- und einen absteigenden Ast spaltet, welche im lockeren Binde- gewebe, das die Nische zwischen Kehlkopf und Speiseröhre aus- füllt, gelegen sind und an diese, sowie an die Schilddrüse Zweige abgeben. Das nächste Gefäß (4) nimmt einen ventro-medialen Verlauf gegen den M. sterno-hyoideus. Nun folgt ein starker Ast (5) mit kaudaler Verlaufsrichtung, der sich aus der dorsalen Wand der Arterie ablöst und dorsalwärts zieht, bis er die ventrale Wand der Speiseröhre erreicht. (Diese Strecke seines Verlaufes konnte in der Rekonstruktion nicht zur Darstellung gebracht werden.) Von da an verläuft er analog den oben erwähnten Arterien zwischen dieser und der Luftröhre. Unmittelbar hinter dem Ursprunge dieses Ge- fäßes liegt der eines anderen (6), welches ebenfalls kaudalwärts zieht; doch verbleibt es in der Fortsetzung des Hauptstammes an der ventro-medialen Seite der Schilddrüse. Schon an dieser Stelle liegt die A. thyreoidea der Schilddrüse nicht mehr unmittelbar an, sondern erscheint von ihr in ventraler Richtung abgerückt. Nun biegt sie über die Luftröhre hinüber, wobei sie genau in der Mittellinie einen Ast (7) an den Isthmus abgibt und kehrt hierauf kaudalwärts zurück. An dieser zweiten Umbiegungsstelle entspringt aus ihrer dorsalen Wand ein kleines Gefäß (8), das dorsalwärts zieht und nach kurzem Verlaufe in die Schilddrüse eindringt, und aus ihrer ventro-medialen Wand ein größeres (9), das in einem Bogen kranialwärts verläuft, dabei eine beträchtliche Zahl kleinster Zweige entläßt und sich später der Kehlkopfmuskulatur so innig anschmiegt, daß sein ferneres Ver- halten nicht mit Sicherheit festzustellen war. In ihrem weiteren kranialen Verlaufe nimmt die A. thyreoidea auf der rechten Seite anfangs die gleiche Lage an der ventro-medialen Kante der Drüse ein, wie auf der linken. Später schiebt sie sich zwischen ihr und der Luftröhre dorsalwärts vor, und teilt sich schließlich in der Höhe der dorsalen Wand der letzteren in zwei Gefäße, welche die gleiche Lage und Verlaufsrichtung wie jene besitzen, die von der Arterie in gleicher Höhe auf der linken Seite abgegeben wurden; nur daß das kaudale Gefäß rechts (10) bis weit über die Schilddrüse hinaus Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 19 284 EianseRarbil: zu verfolgen ist, während links das gleiche Gebiet von zwei hinter- einander liegenden Gefäßen versorgt wird. Das Kraniale der beiden Gefäße, die eigentliche Fortsetzung des Hauptstammes, biegt in einer Entfernung von 150 u von der Spitze des rechten Hornes kaudalwärts um, zieht wieder ventralwärts herab und senkt sich etwa in der Mitte des dorso-ventralen Durchmessers der Schilddrüse in diese ein. Was die Wand der beschriebenen Arterien anbelangt, so läßt sich an den größeren unter ihnen bereits eine deutliche Schichtung der Muskelhaut erkennen; die kleineren besitzen noch rein kapillären Bau. Es gilt dies sowohl für die kleineren Zweige der Hauptäste der A. thyreoidea wie für einige aus der letzteren selbst hervor- gehenden Gefäßchen (z. B. 1 und 2). Infolge Kontraktion der Muskel- fasern ist die Lichtung sämtlicher Arterien, soferne sie damit aus- gestattet sind, ziemlich eng. Die A. thyreoidea selbst besitzt am Ursprunge einen Durchmesser von 40 1; doch verringert er sich durch Abgabe der Gefäße für die linke Hälfte der Drüse so sehr, daß er an der Stelle, an welcher das Rohr die Luftröhre kreuzt, nur mehr 20 u beträgt. Ueberblickt man das Verhalten der Arterien auf der rechten Seite dieses Embryos, so ist man zunächst im Zweifel, welcher der Aeste später in Anastomose mit der A. laryngea tritt und dadurch zum Hauptstamme für den rechten Schilddrüsenlappen wird. Der Vergleich mit älteren Stadien lehrt jedoch mit Bestimmtheit, daß für jene Verbindung nur das mit 9 bezeichnete Gefäß in Frage kom- men kann. Denn es verläuft an der ventralen Seite der Schilddrüse kranialwärts und muß daher mit dem ebenda kaudalwärts sich entwickelnden Zweige der A. laryngea zusammentreffen. Ich wende mich nun zur Erörterung der Arterienverhältnisse bei den Embryonen von 50 und 68 mm Länge. Die beiden Carotiden erscheinen bei ihnen durch einen geschlossenen Gefäßbogen ver- bunden, dessen linker und rechter Schenkel als linke und rechte Schilddrüsenarterie kaudalwärts zieht, während der Scheitelpunkt _ des Bogens — entsprechend dem Verhalten der linken Schild- drüsenarterie jüngerer Embryonen — über der Trachea, Kranial vom Isthmus gelegen ist. Bei beiden Embryonen entspringt die A. thyreoidea sinistra aus der C. communis, die dextra aus der C. externa. Sie ist auf dieser Seite augenscheinlich aus jenem Aste der A. laryngea hervor- Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 285 gegangen, welcher beim 3 cm langen Embryo außen, neben dem Kehlkopfe kaudalwärts zog. Dieser hat allmählich so sehr an Mäch- tigkeit zugenommen, daß das ursprüngliche Stammgefäß jetzt nur mehr als dünnes Zweiglein desselben erscheint. Es entspringt aus der Kuppe des Bogens, den die A. thyreoidea zu Beginn ihres Ver- laufes bildet (vgl. Textfigur 22) und behält die Richtung von deren Fig. 22; Die Schilddrüse mit ihrem Arteriensystem bei dem 68 mm langen Embryo. A. Igl. = Art. Iymphoglandulae, R. C. i. — Ast der Carotis interna. Die übrigen Bezeichnungen wie in den früheren Figuren. 15fache Vergrößerung. Wurzelstück bei. Auch dies spricht zugunsten der Auffassung, daß anfangs die Hauptmenge des Blutes dem Kehlkopf zuströmte, während sich das für die Schilddrüse bestimmte Gefäß erst später, ihrem Bedürfnisse entsprechend, erweiterte. Die A. laryngea sinistra erscheint dagegen, wie eben erwähnt, als direkter Ast der C. externa, welcher von ihr an jener Stelle abgegeben wird, wo sie den mäch- tigen Truncus communis für die Aa. lingualis und maxillaris externa 19% 286 Hans Rabl: entläßt, indessen sie selbst sich nach außen wendet. Die Kehlkopf- arterie gabelt sich alsbald in das kleinere Stammgefäß und in ein größeres, das für die Thymus bestimmt ist. Dasselbe erscheint rechts naturgemäß als Ast der Schilddrüsenarterie. Was den Verlauf und die Verästelung der Schilddrüsenarterie im speziellen anbelangt, so will ich mich begnügen, nur über jene Befunde zu berichten, die ich beim 68 mm langen Embryo erhoben habe. Zwar habe ich auch den jüngeren Embryo genau durch- gearbeitet und rekonstruiert; doch möchte ich meine Darstellung nicht allzusehr mit Detailangaben belasten und kann auf dieselben um so leichter verzichten, als die Unterschiede in der Anordnung der Gefäße zwischen beiden Stadien nur geringfügiger Natur sind. Ich beginne wieder mit der Beschreibung der linken A. thv- reoidea. Der Trichter, mit dem sie aus der C. communis entspringt, ist weit und liegt 0,5 mm kaudal von der Stelle, an der die A. occipi- talis die Carotis verläßt. Die Occipitalarterie gibt unmittelbar an ihrem Ursprunge einen kleinen Ast kranial- und medialwärts ab, der an seiner Wurzel die Carotisdrüse trägt. Dasselbe Gefäß, eben- falls mit der Carotisdrüse verbunden, ist auch rechts vorhanden. Hier wird es aber nicht von der Oceipitalarterie, sondern von einer anderen Arterie vom gleichen Kaliber wie diese abgegeben, welche gemeinsam mit ihr aus der Carotis entspringt und entlang der medialen Fläche der Bulla ossis tympani eine kleine Strecke weit kranial- und lateralwärts zu verfolgen ist. In dieser muß ich die C. interna erblicken, welche somit im vorliegenden Falle aus- nahmsweise nicht obliterierte. Es ist daher auch der linkerseits aus der A. occipitalis abgehende Zweig als vormaliger Ast der C. in- terna aufzufassen !). Der Verlauf der A. thyreoidea entspricht im ganzen demjenigen Verhalten, welches auf Grund der Befunde bei jüngeren Embryonen zu erwarten war. Im Genaueren stellt er sich folgendermaßen dar: Nach ihrem Ursprunge lagert sich die Arterie in eine die kraniale !) Bei diesem Embryo sind sämtliche Venen so stark mit Blut gefüllt, daß die Schilddrüse einem Schwamme gleicht, dessen spärliche Gerüst- substanz — die in Entwicklung begriffenen Follikel — einen viel geringeren Raum als die weiten Blutlakunen in Anspruch nehmen. Auch die Lymph- gefäße, die im vorliegenden Stadium nur äußerst zartwandige, rein endo- theliale Röhrchen darstellen, erscheinen durch ein feinkörniges Gerinnsel prall gefüllt, so daß sie aufs deutlichste hervortreten. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 287 Schilddrüsenfläche tief einschneidende Furche, durch welche der kraniale Pol in einen breiteren dorsalen und einen schmäleren ven- tralen Lappen zerlegt wird. Noch innerhalb der Furche gibt sie zwei unbedeutende, in der Rekonstruktion nicht berücksichtigte Gefäße ab, welche zur Versorgung der benachbarten, ventralen Partie der Schilddrüse dienen. Der dorsale Lappen ist dagegen an das Gefäßsystem des dorsal angrenzenden Fettgewebes ange- schlossen, welches dem Gebiete der Carotis interna zugehört. In der erwähnten Furche verläuft die Arterie medialwärts und gibt an der medialen Seite der Schilddrüse angelangt einen starken Ast (1) dorsalwärts ab. Daß sein Abgang der Rekonstruktion nach an der ventralen Fläche der Drüse erfolgt, ist dadurch bedingt, daß die dorsale Kante der Drüse näher an die Mittellinie heranreicht als die ventrale. Er zieht anfangs in kaudaler Richtung und nähert sich hiebei immer mehr dem Hilus der Drüse, welcher sich in der Mitte ihrer medialen Fläche befindet. Dort entläßt er zunächst in einer Entfernung von 3 mm von seinem Ursprung einen kleinen Ast dorsalwärts, der nach kurzem, kranialen Verlaufe in das Drüsen- parenchym eintritt, vorher aber noch kleinere Reiser zur Kapsel abgibt. Hierauf entsendet er fast von einem und demselben Punkte aus vier weitere dünne Aeste nach verschiedenen Richtungen und dringt schließlich selbst zwischen die Follikel vor. Neben ihm liegt die größte, das Blut abführende Vene, welche im vorliegenden Falle einen Durchmesser von 0,2 mm besitzt. Die Arterie ist hingegen kontrahiert und weist nur eine Lichtung von 0,03 mm auf. Sie zerfällt im Inneren des Organes in zwei gleich große Aeste, welche sofort wieder je einen kleinen Ast abgeben. Die ersteren verlaufen ungefähr in der Mitte der Drüse innerhalb bindegewebiger Septen kaudalwärts und lösen sich schließlich in Zweige auf, von denen die Abkömmlinge des einen Astes für den dorsalen, die des anderen für den ventralen Teil des Hornes bestimmt sind. Den nächsten Zweig der A. thyreoidea (2) bildet ein kleines Gefäß, das von ihr nach außen abgegeben wird. Es zieht zunächst ventro-lateral von seinem Muttergefäß schwanzwärts und tritt hierauf dort, wo wieder eine starke Vene aus der ventro-medialen Kante der Schilddrüse hervorkommt, ins Innere derselben ein. Der 3. Ast erscheint von besonderer Weite, doch ist seine Wandung nur dünn. Unmittelbar nach seinem Ursprung teilt er sich in ein größeres kraniales und ein kleineres kaudales Rohr. Das erstere 288 Hans Rabil: rückt in seinem Verlaufe dorsalwärts; schließlich zerfällt es in zwei, abermals nach entgegengesetzten Richtungen strebende Gefäße, von denen das kraniale schon nach kurzem Verlaufe eine neue Teilung eingeht. Alle diese Gefäße lösen sich in Zweige auf, die teils in die Wand der Speiseröhre und des Schlundes, teils in die der Luftröhre und in die Kehlkopfmuskulatur eindringen. Das kleinere kaudale Rohr ist für die Schilddrüse bestimmt, in die es aber erst nach einem längeren Verlauf entlang ihrer medialen Fläche eintritt. Nur 0,25 mm hinter dem 3. verläßt ein 4. kräftiger Ast die Schilddrüsenarterie in lateraler Richtung. Er lagert sich der ventralen Fläche der Schilddrüse an und gibt mehrere Zweige an sie ab. Ein 5. Ast entspringt 0,27 mm kaudal vom letzteren. Er gabelt sich in zwei Gefäße, die gleich ihrem Muttergefäß eine kau- dale Verlaufsrichtung besitzen und mit ihren Endästchen sowohl die Schilddrüse als das zwischen ihr und der Luftröhre, sowie das ventral von derselben gelegene Bindegewebe versorgen. Das mediale Gefäß dient auch der Blutversorgung jenes größeren, dem Isthmus angehörenden, jedoch über ihn kaudalwärts emporreichenden Lap- pens, den ich bereits S. 231 erwähnt habe. 70 » hinter dem Ursprung dieses 5. Astes teilt sich die A. thyreoidea in zwei große Stämme: der eine zieht als anastomotische Arterie zwischen dem Gefäß- system der rechten und linken Drüsenhälfte quer über die Trachea hinüber, der andere (6) verläuft in der ursprünglichen Richtung kaudalwärts weiter. Hiebei verschiebt er sich jedoch entlang der Luftröhrenwand dorsalwärts und gelangt so allmählich von der ventro-medialen an die dorso-mediale Kante der Drüse. Schließlich dringt er mit mehreren Endästen von der dorsalen Fläche aus in ihr Inneres ein. Auf seinem Wege lösen sich mehrere Zweige von ihm ab. Die kleinsten darunter teilen sich noch innerhalb des Binde- gewebes zwischen Luftröhre und Schilddrüse auf, andere, größere dringen in die letztere ein; endlich müssen zwei Gefäße noch be- sonders erwähnt werden, welche gleich den Enden von Ast 3 zur Versorgung der Wände von Trachea und Oesophagus dienen. Sie liegen, wie diese, in der Nische zwischen den genannten Gebilden. Das eine Gefäß verläuft kranialwärts, dem kaudalen Zweige von Ast 3 entgegen, das andere zieht kaudalwärts und läßt sich noch eine weite Strecke über den kaudalen Schilddrüsenpol hinaus verfolgen. Das Verhalten der auf die rechte Seite hinüberbiegenden Fort- setzung der Schilddrüsenarterie ist folgendes: Zunächst entsendet Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 289 sie fast genau in der Mittellinie ein starkes Gefäß kaudalwärts (7), welches in seinem Verlaufe eine große Uebereinstimmung mit dem eben geschilderten 6. Hauptaste erkennen läßt. Wie dieser liegt es anfangs an der ventro-medialen Kante der Schilddrüse, rückt aber später entlang der Luftröhrenwand allmählich dorsalwärts und be- tritt sie erst an ihrer dorsalen Kante. Schon vorher gibt es aber mehrere, ziemlich bedeutende Zweige ab, die von der medialen Seite in die Drüse eintreten; andere kleinere Gefäße scheinen auf das umgebende Bindegewebe beschränkt zu bleiben. Nach Abgabe dieses Astes rückt das Stammgefäß an die ventro-laterale Seite der Luftröhre und entsendet hier eine kleine Arterie (8), welche zu- nächst kaudalwärts verlauft und hierauf die Schilddrüse an ihrer Innenseite betritt. Fast gegenüber dem Ursprunge dieses G.fäßes gibt die A. thyreoidea medialwärts einen kleinen Ast ab (9), der an der Umbiegungsstelle der ventralen in die rechte Seite der Trachea kranialwärts bis zum Kehlkopf emporsteigt, in den er von der kau- dalen Seite eindringt. Verfolgt man die Serie in kranialer Richtung weiter, so findet man nach 0,1 mm, daß sich die A. thyreoidea in zwei, nahezu gleich große Aeste spaltet, welche beide die kraniale Richtung einschlagen. Der eine Ast (10) zieht sofort dorsalwärts, der andere, nur um weniges dünner (11) verbleibt dagegen ventro-lateral von der Luftröhre. Der erstere gabelt sich an der Uebergangsstelle der äußeren in die dorsale Seite der Luftröhre angelangt, in zwei weite, aber dünn- wandige Aeste, welche in der Rinne zwischen Luft- und Speise- röhre, der eine in kranialer, der andere in kaudaler Richtung weiter- ziehen. Sie versorgen diese beiden Organe und entsprechen dem- nach sowohl ihrer Lage wie ihrer Funktion nach jenen Arterien, welche auf der linken Seite von 3. und 6. Hauptaste abgegeben werden. Doch sind sie stärker als jene, da sie ja die einzigen sind, welche rechts für diesen Zweck in Betracht kommen. — Die gleiche Anordnung der Rr. oesophagei und tracheales zeigte — wie wir sahen — auch der 3 cm lange Embryo. Der Ast 11 gibt unmittelbar an seiner Wurzel eine Arterie in lateraler und kaudaler Richtung ab, welche an der ventromedialen Kante in die Schilddrüse ein- tritt; er verläuft hierauf 0,8 mm gerade kopfwärts und mündet schließlich in die weite linke Schilddrüsenarterie. Der Verlauf dieser letzteren ist folgender: Sie zieht zunächst medialwärts zum Kehlkopf, an den sie sich anschmiegt und gewinnt 290 HanseRanbıl: damit jene Lage, welche beim 3 cm langen Embryo von einem Äste der A. laryngea beobachtet werden konnte. Ihre oberen Aeste sind sämtlich für den Kehlkopf bestimmt und kKranialwärts gerichtet, die ersten drei (die A. laryngea ist dabei nicht mitgezählt) nehmen dabei einen dorsalen, der 4. und stärkste einen ventralen Verlauf. Die ersteren versorgen die äußeren Muskeln, der letztere dagegen tritt durch das Lig. crico-thyreoideum medium ins Innere des Kehl- kopfes ein; vorher gibt er einen Ast an den M. sterno-thyreoideus ab. Bei Verfolgung der Serie von vorne nach hinten findet man, daß die Spitze des Schilddrüsenhornes in nicht unbeträchtlicher Entfernung dorsal von der A. thyreoidea sichtbar wird. Indem es sich aber schwanzwärts im dorso-ventralen Durchmesser immer mehr verbreitert, kommt die Arterie schließlich auch auf dieser Seite an seine ventro-mediale Kante zu liegen. Der erste für die Schilddrüse bestimmte Ast wird von ihr erst ca. I mm unterhalb der Spitze abgegeben; er zieht noch ein beträcht- liches Stück an ihrer ventralen Fläche entlang, ehe er in sie eindringt. Als zweiter folgt das anastomotische Gefäß zur mächtigen A. thıy- reoidea sinistra. Darauf rückt die Arterie dorsalwärts und dringt in den in der Mitte der medialen Seite der Schilddrüse befindlichen Hilus ein, wo sie sich analog dem auf der linken Seite sub 1 be- schriebenen Aestchen in eine größere Zahl starker Zweige aufteilt. Wie aus Textfigur 22 ersichtlich, liegt das die rechte Schild- drüsenarterie mit der linken verbindende Gefäß genau in der Verlän- gerung des ersteren, so daß es dem durch dieselbe herabströmenden Blute die günstigste Bahn bietet, um zur Kaudalen Häfte des rechten Drüsenlappens zu gelangen. Dadurch wird seine Versorgung durch die Arterie der linken Seite allmählich überflüssig. Beide Prozesse: die Ausgestaltung des Astes 11 zur Fortsetzung des Hauptstammes der rechten A. thyreoidea und die Rückbildung des quer vor der Trachea gelegenen Teiles der linken dürften Hand in Hand gehen und sich gegenseitig ursächlich bedingen. Das Endresultat besteht mutmaßlich darin, daß nach der Unterbrechung der Verbindung zwischen dem Arteriensystem des linken und rechten Lappens die starken und symmetrisch gelagerten Aeste 6 und 7 zu den Enden der linken bzw. rechten Drüsenarterie werden. Ein beinahe noch günstigeres Zwischenstadium zwischen dem Embryo von 3 cm Länge und den älteren Tieren mit symmetrisch ausgebautem Arteriensysteme darf man in dem von 5 cm erblicken. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 291 Denn einerseits schließt er sich hinsichtlich Lage und Verlaufes des auf die rechte Seite hinüberbiegenden Endstückes der linken Schilddrüsenarterie enge an die jüngeren Embryonen an, anderer- seits ist die Anastomose zwischen den Arterien der beiden Seiten sehr leicht nachweisbar und die Lage der rechten Arterie in ihrem ersten Abschnitte eine derartige, daß kein Zweifel bestehen kann, daß sie — wie bereits mehrfach betont wurde — jenem Aste homolog ist, den die A. laryngea bei jüngeren Feten an der äußeren Seite des Kehlkopfes kaudalwärts sendet. Ihr Abstand von der ventralen Fläche der Schilddrüse ist in dieser Region noch beträchtlicher als beim 68 mm langen Embryo; erst gegen ihr hinteres Ende, wo sie als Fortsetzung der linken Schilddrüsenarterie erscheint, nähert sie sich der Drüse immer mehr und mehr. Das für die kraniale Partie der Drüse bestimmte große Gefäß, welches bei diesem Embryo schon ebenso wie bei dem älteren ausgebildet ist, muß daher auch eine lange Strecke in dorsaler Richtung zurücklegen, um den Hilus zu erreichen. Dadurch wird schon jetzt der Eindruck hervorgerufen, daß es nur einen Ast darstellt, während der Hauptstamm dadurch charakterisiert ist, daß er seine Lage zur Drüse nur allmählich ändert. Untersucht man einen Schnitt, der knapp oberhalb des Scheitels des Arterienbogens geführt ist, so findet man eine voll- kommene Symmetrie, indem rechts und links an der ventro-medialen Kante des Schilddrüsenhornes je eine Arterie gelegen ist. Nur ist jene der linken Seite von viel größerem Durchmesser, als die der rechten. Man darf wohl mit Sicherheit annehmen, daß dieser Unter- schied in dem Augenblicke schwindet, in welchem die transversale Strecke der linken Arterie obliteriert, und damit der rechten Schild- drüsenhälfte die gesamte Blutmenge durch die rechte Arterie allein zugeführt wird. Leider besitze ich kein Stadium, an welchem man die Öblite- ration des medialen Gefäßbogens beobachten könnte. Der älteste Embryo (85 mm Länge), der mir zur Verfügung steht, besitzt zwei Schilddrüsenarterien, von welchen man annehmen muß, dab von Anfang an die eine nur die rechte, die andere nur die linke Schild- drüsenhälfte versorgt habe, da sie getrennt von den Kehlkopf- arterien entspringen. Trotzdem habe ich auch in diesem Falle eine Rekonstruktion der Arterien vorgenommen, um das Verhalten ihrer Aeste unter den gewöhnlichen Bedingungen mit denjenigen, welche sie bei bestehender Anastomose zeigen, vergleichen zu 292 Elan saRatbıl: können. Das Resultat meiner diesbezüglichen Untersuchungen ist folgendes: Die A. thıyreoidea s. entspringt aus der C. communis, die A. thyreoidea d. aus der C. externa. Es hat somit auf dieser Seite keine Wanderung der Gefäßwurzel in Kaudaler Richtung stattge- funden. Beide Schilddrüsenarterien verlaufen zunächst kranial- wärts, schlingen sich hierauf im Bogen um die Spitze der Drüse \IG- Ir thy. la. Bie-228: Die Schilddrüse mit ihrem Arteriensystem bei dem 85 mm langen Embryo. Tr. th.-la. = Truncus thymo-laryngeus, V. H. = Ventraler Hauptast. Die übrigen Bezeichnungen wie in den früheren Figuren. 12fache Vergrößerung. und ziehen an ihrer medialen Seite herunter. Auf der Kuppe des Bogens entlassen sie je einen starken Ast (1), welchen man als ven- tralen Hauptast bezeichnen kann, denn er ist von ansehnlicher Länge und wird in seinem ganzen Verlaufe nahe dem Uebergange der medialen in die ventrale Fläche der Schilddrüse angetroffen, während die A. thyreoidea selbst nahe dem Uebergange der medialen in die dorsale Fläche gelegen ist. Was das nähere Verhalten der Schilddrüsenarterien anbelangt, Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 293 so ergibt sich aus Textfigur 23 bezüglich jener der linken Seite, daß sie nach Abgabe des ventralen Hauptastes zunächst einen kleinen Zweig lateralwärts zur dorsalen Kante der Schilddrüse (2) und hierauf einen etwas größeren medialwärts entsendet (3). Dieser ist für die Wand der Speiseröhre bestimmt. Es folgen drei weitere Aeste an die Schilddrüse (4—6). Schließlich teilt sich die Arterie in zwei große Gefäße, die anfangs in transversaler Richtung neben- einander liegen. Das laterale, das eine etwas größere Weite besitzt (7), rückt allmählich in den Hilus hinein, gibt dorsalwärts einen starken Ast ab, der rasch in dünne Zweige zerfällt, welche die dorsale Region der Schilddrüse versorgen und spaltet sich hierauf im Inneren des Organes in zahlreiche Gefäße auf, die zwischen den Follikeln ver- schwinden. Das mediale Gefäß behält die frühere Verlaufsrichtung der A. thyreoidea bei. Es entsendet in seinem weiteren kaudalen Verlauf mehrere kleine Aeste an die Schilddrüse, an die Wand der Luft- und Speiseröhre sowie für das umgebende Gewebe (8&—15). Die für die Schilddrüse bestimmten Aeste treten teils an der dor- salen, teils an der medialen Seite in das Organ ein. Der stärkste darunter ist der letzte, der an Weite seinem Muttergefäß nur wenig nachsteht, und sich in ein größeres kraniales und ein kleineres dor- sales Gefäß teilt. Der Endabschnitt der Schilddrüsenarterie ist noch über das Organ hinaus als starkes Rohr, das in der Nische zwischen Luft- und Speiseröhre gelegen ist, kaudialwärts zu verfolgen. Der ventrale Hauptast (1) ist zum größten Teile für die Schild- drüse allein bestimmt; immerhin entsendet auch er einige Zweige an die Wand der Luftröhre. Sein erster kräftiger Zweig zieht kranial- wärts zur ventralen Muskulatur des Kehlkopfes. Ungefähr an der Grenze zwischen kranialem und mittlerem Drittel der Drüse teilt sich der Hauptast, nachdem er bereits vorher mehrere kleine Gefäße an die Drüse abgegeben hatte, in zwei große Aeste, von welchen der eine alsbald an die ventrale Seite der Drüse rückt, um von da in ihr Inneres einzudringen, während der andere seine ursprüngliche Lage beibehält und sich erst am Isthmus in mehrere Zweige auf- teilt, welche das Organ an seiner ventro-medialen Kante betreten. Die Verästelung der rechten Schilddrüsenarterie vollzieht sich in folgender Weise: Nach Abgabe des ventralen Hauptastes (1) entläßt sie zunächst ein Gefäß kranialwärts zum Schlunde (2), dann ein dünnes Zweiglein zur Schilddrüse (3) und als 4. Ast ein starkes Gefäß, das sofort in den Hilus eintritt und sich analog dem 7. Aste 294 Hans Rabl: der linken Arterie verhält. Gegenüber der Abgangsstelle des letz- teren entspringt ein kleiner Zweig, der in dorso-medialer Richtung zur Speiseröhre zieht (5). Etwas unterhalb folgt ein analoger, der für die Luftröhre bestimmt ist (6) und ihm gegenüber liegt der weite Ursprungstrichter eines Gefäßes vom Kaliber des 4. Astes. Dieses rückt an der dorsalen Kante der Schilddrüse nach außen, verdünnt sich immer mehr durch Abgabe zahlreicher Zweige, die alle in die Schilddrüse eindringen und verschwindet ungefähr an der Grenze von mittlerem und hinterem Drittel derselben. Nun folgt eine längere astlose Strecke der Hauptarterie; weiterhin gibt sie mehrere dünne Zweige (8, 10, 13, 14) an die Wand der Luft- und Speiseröhre und drei starke Aeste (9, 11, 12) an die Schilddrüse ab. Als dünnes Rohr setzt sie sich schließlich noch weit jenseits des Schilddrüsenpoles kaudalwärts fort. Der ventrale Hauptast dieser Seite ist im oberen Teile seines Verlaufes glatt. Als erster Ast tritt ein Gefäß auf, das in ventro- medialer Richtung nach vorne zieht und vollkommen dem oben erwähnten, für den Kehlkopf bestimmten Gefäße der rechten Seite entspricht. Es folgen mehrere Aeste, die in dorso-lateraler Richtung zur Schilddrüse ziehen und an der ventro-medialen Ecke in sie eindringen. Der stärkste davon ist der 3. in der Reihe, nach dessen Abgabe der Rest des Hauptstammes ventralwärts rückt. Er ent- sendet noch einen 4. Ast in dorsaler Richtung und lagert sich schließ- lich in die Rinne zwischen die Mm. sterno-hyoidei und thyreo- hyoidei ein, die er mit seinen Endzweigen versorgt !). Was die Venen anbelangt, so vereinigen sie sich zu einem Längs- gefäß, das neben dem ventralen Hauptaste der Arterie nach rück- wärts zieht und am Hinterende der Schilddrüse in die V. jugularis interna einmündet. Vergleicht man auf Grund der vorstehenden Beschreibung die Verästelung der Arterien bei diesem Embryo mit jener bei den 50 und 68 mm langen Embryonen, so ergeben sich einige recht auf- fallende Verschiedenheiten. Doch sei nur eine hervorgehoben: das anscheinende Stammgefäß liegt hier dorsal, während es bei den jüngeren Embryonen am Uebergang der medialen in die ventrale Seite, also an der Stelle des ventralen Hauptastes gelegen ist. Auch !) Der M. thyreo-hyoideus fehlt auf der linken Seite. Das gleiche Ver- halten habe ich auch bei anderen Tieren beobachten können. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 295 bei den letzteren findet sich ein Gefäß in der seitlichen Rinne zwischen Speiseröhre und Luftröhre. Aber dieses Gefäß — manch- mal sind es auch mehrere Gefäße, die hintereinander liegen — ist ein Ast des ventralen Hauptstammes, nicht der Hauptstamm selbst. Dasselbe finde ich auch bei solchen Embryonen, die mit dem 85 mm langen Fetus darin übereinstimmen, daß sie gleichfalls zwei voneinander isolierte Schilddrüsenarterien besitzen. Auch bei diesen liegt das Hauptgefäß ventral und entsendet dorsalwärts bald nur einen, bald mehrere Zweige, welche gleich dem Stamme der Schilddrüsenarterie beim ältesten Embryo in der Nische zwi- schen Luft- und Speiseröhre weiterziehen. Es ist daher möglich, daß auch beim letzteren ursprünglich das meiste Blut der Schild- drüse auf dem Wege des ventralen Hauptastes zugeführt wurde, daß also dieser anfangs auch hier die eigentliche Schilddrüsen- arterie bildete, und daß sich das dorsale Gefäß erst später zur Hauptarterie der Drüse entwickelte. Die Veranlassung zu dieser Aenderung im Gefäßsysteme müßte in dem Umstande erblickt werden, daß die für die Schilddrüse bestimmten Aeste des dorsalen Längsstammes allmählich eine größere Bedeutung gewannen als jene der ventralen. Sehen wir doch beim 85 mm langen Embryo die größten Aeste, die in das Parenchym der Drüse eindringen — rechts ist es der 7., links der 4. und 7. Ast —, aus dem dorsalen Längs- gefäße hervorgehen, während sie bei den jüngeren Embryonen ausschließlich Aeste des ventralen Rohres sind. Die zweite Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden muß, ist die, daß beim älteren Embryo ein Ausnahmefall vorliegt, indem hier von Anfang an das dorsale Längsgefäß das ventrale an Größe übertraf und die größeren Aeste zur Schilddrüse entsandte. Dafür spricht, daß die beim erwachsenen Meerschweinchen bestehenden Verhältnisse sich unmittelbar an die bei der Mehrzahl der Embryonen beobachteten, nicht aber an die vom 85 mm langen geschilderten anschließen. Eine sichere Entscheidung in dieser Frage kann wegen der geringen Zahl der vorliegenden Vergleichsobjekte natürlich nicht gefällt werden. Zum Schlusse sei es mir gestattet, die Erfahrungen, die mir das Studium der Arterienentwicklung der Schilddrüse gebracht hat, zur Erörterung einiger Fragen betreffend die Entwicklung der Arterien im allgemeinen zu verwerten. Dabei möchte ich meinen 296 FramisaRr asbıle Standpunkt in denselben neuerlich kennzeichnen. Es sei gleich im voraus bemerkt, daß ich nichts von dem zurückzunehmen habe, was in meiner Arbeit über ‚Die erste Anlage der Arterien der vor- deren Extremitäten bei den Vögeln‘ niedergelegt ist. Vor allem muß nochmals hervorgehoben werden, daß die Ge- fäße, welche durch lange Zeit allein in der Schilddrüse nachweisbar sind, weite Röhren darstellen, die den epithelialen Platten, Strängen und Bläschen direkt anliegen, und deren Wand nur von einem dünnen Endothel gebildet wird. Minot hat bekanntlich Gefäße dieser Art in einer größeren Zahl von Organen beschrieben und für sie den Namen ‚Sinusoids‘“ vorgeschlagen. Sie verbinden sich vielfach miteinander und bilden dadurch einen engmaschigen Plexus. Ich habe denselben zwar nicht nach der Methode der plastischen Rekonstruktion dargestellt, jedoch mich durch Zeichnung der auf- einander folgenden Schnitte und durch Vergleich derselben mittels Pausen von den zahlreichen Anastomosen, welche jene Röhren untereinander eingehen, in vielen Fällen überzeugt. Der Plexus wird von Aesten der C. communis und C. externa gespeist und besitzt sein Abflußrohr in der V. jugularis. Doch hat man sich selbstverständlich nicht vorzustellen, daß das Gefäßsystem der Schilddrüse von seiner Umgebung isoliert sei; es steht vielmehr mit den Gefäßen des benachbarten lockeren Bindegewebes in innigstem Zusammenhang. Auch diese bilden einen Plexus, welcher sich aber von dem der Schilddrüse vor allem durch die größere Weite seiner Maschen unterscheidet. Er vermittelt den Uebergang des eng- maschigen Schilddrüsenplexus in die zuführenden Arterien und abführenden Venen. Ich zweifle nicht, daß diese Gefäßnetze denjenigen gleichen, welche Evans teils an Hühner-, teils an Säugetierembryonen durch Injektion nachgewiesen hat. Auch dort sind überall bald enge, bald weitmaschige Plexus vorhanden, welche sich von dem seit langem bekannten Gefäßplexus der Area vasculosa von Embryonen nur insoferne unterscheiden, als sie nicht in einer Ebene, sondern zumeist im Raum entwickelt sind. Die Weiterentwicklung der Gefäßnetze erfolgt in der Weise, daß die Differenzierung der Gefäßwand sowohl von der arteriellen wie von der venösen Seite aus immer weiter fortschreitet und dadurch immer neue Teile des Plexus in Arterien bzw. Venen umgewandelt werden. In vielen Gefäßnetzen kommt es auch zu einer bedeutenden Rückbildung Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 297 bestehender Verbindungen, durch welche erst das Hauptgefäß isoliert wird. Dieser Prozeß dürfte aber im vorliegenden Falle keine große Rolle spielen, denn die Zahl der sicher nach- weisbaren Hauptäste der A. thyreoidea ist, wie wir sahen, bei jüngeren Embryonen nicht größer, sondern vielmehr — offenbar wegen ihrer geringen Weite — kleiner als bei den älteren Feten. Er erscheint nur insoferne von Bedeutung, als ihm diejenigen Teile des Plexus zum Opfer fallen müssen, welche in der ersten Anlage die direkte Verbindung der arteriellen Lakunen mit den venösen vermitteln, da arterio-venöse Anastomosen in der Schilddrüse un- bekannt sind !). Das Kapillarsystem, welches im ausgebildeten Organe diesen Uebergang besorgt, glaube ich als Neubildung be- trachten zu müssen, da es mir schwer vorstellbar erscheint, daß sich die weiten Lakunen des Embryo in die engen Kapillaren des erwachsenen Tieres umgestalten könnten. Die hier vertretene Auffassung von der Entwicklung der Ar- terien deckt sich im großen und ganzen mit jener, welche von Elze als ‚„‚Netztheorie‘‘ bezeichnet und in einer Arbeit, deren zweiter Teil erst im Jahre 1919 erschienen ist, aufs lebhafteste bekämpft wurde. Es obliegt mir daher die Aufgabe, mich mit dieser näher zu befassen. Nach Elze besagt die Netztheorie, ‚daß das Blutgefäß- system in Form eines ‚indifferenten Kapillarplexus‘ angelegt werde, aus dem erst sekundär Arterien und Venen infolge Bevorzugung einzelner Bahnen durch den Blutstrom herausgebildet würden“ (1913, S. 221). Bezüglich des Ausdruckes ‚‚indifferenten Kapillarplexus‘“ sei auf das Obengesagte verwiesen. Der Plexus ist indifferent, soferne er mit Rücksicht auf die noch fehlende akzessorische Gefäßwand der ihn zusammensetzenden Röhrchen weder arteriellen noch venösen Charakter an sich trägt. Da dieses Merkmal aber gerade den Cha- rakter der Kapillaren ausmacht, muß Elze ohne weiteres zuge- geben werden, daß in jenem Ausdruck ein Pleonasmus gelegen ist. Immerhin lassen, wie ich hinzufügen muß, gewisse Teile der Plexus eine typische Lagerung im allgemeinen nicht vermissen. Dadurch ist es möglich, die späteren Hauptstämme von ihren Aesten zu !) Arterielle und venöse Lakunen sind ihrem Baue nach natürlich nicht verschieden. Ich verstehe unter ersteren diejenigen, die sich an Arterien anschließen, unter letzteren jene, aus denen das Blut direkt in die Venen abfließt. Die ersteren werden zu Arterien, die letzteren zu Venen. 298 Hans Rabl: unterscheiden, wenn auch die letzteren die gleiche Weite wie die ersteren besitzen. Ich erinnere nur daran, daß die in Differenzierung begriffene Schilddrüsenarterie lediglich an ihrem Verlaufe medial von der Drüse zu erkennen ist. In ähnlicher Weise sind die künf- tige Aorta und die künftige V. umbilicalis durch ihre Lage als Rand- gefäße eines Plexus vorgezeichnet (Evans, 9). In anderen Fällen erscheint allerdings der Plexus anfangs völlig regellos angeordnet. Offenbar aus diesem Grunde erhebt Elze gegen die Netztheorie den Vorwurf, daß sie ‚‚in ihren Konsequenzen dazu führen würde, ... der vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Gefäßsystems ihre Grund- lage zu entziehen‘ (1913, S. 221). Dazu möchte ich bemerken, daß es allerdings befremden mag, bei dem Embryo der einen Tierklasse ein Netz vorzufinden, wo bei dem einer anderen ein glattes Rohr gelegen ist. Man darf aber nicht vergessen, daß auch im ersteren Falle die Arterie bereits angelegt ist, indem sie von Anfang an einen Faden dieses Netzes darstellt. Nur läßt sie sich wegen ihrer vielen seitlichen Verbindungen und vielleicht auch wegen ihres unregel- mäßigen Verlaufes zunächst nicht weiter verfolgen. Daher tritt sie erst in dem Maße in Erscheinung und wird ihre Homologisierung möglich, als sie sich aus dem Netze herausdifferenziert. Den breitesten Raum in den Ausführungen Elzes nimmt seine Polemik gegen Thoma ein, in welcher er die Ungültigkeit der histo-mechanischen Gesetze dieses Forschers zu erweisen sucht. Damit glaubt er die Netztheorie an ihrer Wurzel zu treffen, was ich jedoch nicht zugeben kann. Denn die Thomaschen Gesetze weisen nur auf jene Momente hin, von welchen nach der Meinung ihres Autors die Differenzierung von Arterien und Venen aus dem Kapillarplexus abhängig ist. Wären diese Gesetze auch als unrichtig widerlegt, so wäre damit noch nicht gesagt, daß die Differenzierung nicht durch andere Faktoren bedingt sein Könnte. Ohne auf Elzes Kritik des ersten und zweiten Gesetzes ein- zugehen (das dritte beschäftigt sich mit der Histogenese der Gefäß- wand und wurde daher von Elze außer Betracht gelassen), muß ich bezüglich des vierten Gesetzes gestehen, daß ich in der Beurteilung desselben einer Meinung mit Elze bin. Das vierte histo-mecha- nische Gesetz Tho mas lautet nach der im Jahre 1911 gegebenen Formulierung: ‚Die Neubildung von Kapillaren ist abhängig von dem in den Kapillaren herrschenden Blutdruck und stellt sich an denjenigen Stellen der Kapillarbezirke ein, an welchen der zwischen Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 299 dem Kapillarinhalte und der Gewebsflüssigkeit bestehende Druck- unterschied einen gewissen Schwellenwert p überschreitet. Dieser Schwellenwert ist jedoch in den verschiedenen Kapillarbezirken je nach den Eigenschaften der die Kapillaren umgebenden Gewebe verschieden groß‘ (S. 36). Demgegenüber bin ich mit Elze der Ueberzeugung, daß nicht der Blutstrom, sondern das Bedürfnis der wachsenden Gewebe nach den im Blute enthaltenen spezifischen Nährstoffen — nach Elze ist es vor allem das Sauerstoffbedürfnis der Gewebe — die erste Anlage der Gefäßplexus bedingt und für ihre weitere Ausbildung richtunggebend ist. Uebrigens darf nicht unerwähnt bleiben, daß, als Tho ma obigen Gedanken zum ersten- mal aussprach (1893), er hinzufügte: „Es ist dies zunächst eine Hypothese, doch darf man von dieser Hypothese aussagen, dab sie alle vorliegenden Erfahrungen erklärt und neue Ausblicke er- öffnet.“ Gleichzeitig gab Th o ma aber auch derselben Anschauung Ausdruck, welche ich soeben der seinen gegenübergestellt habe. Er schreibt nämlich: „Der Ausgangspunkt und die Ursache der Gefäßbildung ist in dem Stoffwechsel der Gewebe zu suchen“ (S. 49). Und an anderer Stelle: ‚Der Gewebsstoffwechsel bestimmt aber außerdem, wie man wohl annehmen darf, die für die einzelnen Organe charakteristische Anordnung und Gestaltung der Kapillaren und den sehr ungleichen Gefäßreichtum des Kapillargebietes“ (S. 48). Ich stimme mit Elze darin überein, daß neben dieser Auf- fassung für das vierte histo-mechanische Gesetz kein Platz ist. Daß Beziehungen zwischen der Neubildung der Kapillaren und der Druckdifferenz innerhalb und außerhalb derselben bestehen können, will ich nicht bezweifeln. Falls der Gewebedruck größer als der in den Kapillaren herrschende Druck ist, so dürfte er die Bildung von Sprossen verzögern; ist er geringer, so dürfte er sie erleichtern. Wie aber erklärt es sich, daß in dem lockeren Bindegewebe rings um die Schilddrüse der Plexus weitmaschiger ist, die Vermehrung der Kapillaren also in viel geringerem Grade erfolgt als zwischen den Epithelmassen der Drüse selbst, die den sprossenden Blut- gefäßen sicherlich einen beträchtlichen Widerstand entgegensetzen ? Das schließt die Annahme, ‚‚daß Steigerung des Blutdruckes Kapillar- neubildung veranlasse“, wohl mit Sicherheit aus. Denselben Standpunkt nimmt auch Roux ein. Indem er auf einige Tatsachen hinweist, die seiner Meinung nach mit dem vierten histo-mechanischen Gesetze Thomas unvereinbar sind, fährt Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 20 300 HansRabl: er fort: ,„... Ich leite dagegen die Vermehrung der Zahl der Blut- kapillaren von der gesteigerten Größe ihrer spezifischen Funktion, von verstärkter Diffusion durch ihre Wandung hindurch, infolge verstärkten Stoffverbrauchs im zugehörigen, sich aktiv selbst er- nährenden Parenchym ab“ (1911, S. 201). Die genauere Vorstellung Roux’ über die Ursache der Neubildung der Kapillaren, welche er auf ihre Funktion zurückführt, geht aus folgenden Sätzen hervor: „Als diese Funktion der Kapillaren betrachte ich den Hindurchtritt von Stoff durch die Kapillarwandung zufolge der osmotischen Permeabilität der Wandung: je mehr Stoff vom Parenchym ver- braucht wird, um so mehr ist die äußere Wand der Kapillare osmotisch für die am meisten verbrauchten Stoffe entlastet, um so mehr diffun- diert von diesen Stoffen hindurch. So paßt sich erstens die Kapillar- wand qualitativ an besseren Verbrauch jedes Organes an (s. Ges. Abh. IS. 314). Und wenn die mittlere Verbrauchs- und daher auch die mittlere Diffusionsgröße steigt, wird nach meiner Auffassung an den Stellen stärkster Diffusion der Kapillarschlinge der besondere Mechanismus der Sprossung der Kapillarwand ausgelöst, die Spros- sen nähern sich einander entsprechend dem von mir an Furchungs- zellen nachgewiesenen „zytotropischen Vermögen“ (Arch. Ent.- Mech. I) und bilden eine neue, den Bezirk teilende Kapillare, und so neue kleinere Ernährungsbezirke. Also durch den Verbrauch, nicht durch den Blutdruck wird diese Regulation bewirkt. Dieser Modus scheint mir mehr zu angemessener Regulation geeignet als die Vermittlung durch den Blutdruck in der Kapillare und entspricht mehr dem allgemeinen Prinzip. der funktionellen Anpassung. (1912, S. 201.) Auch Evans, der im übrigen ein Anhänger der Thoma- schın Theorien ist, betont, daß die Kapillaren nicht gleichmäßig nach allen Richtungen auswachsen und dadurch sukzessive in die verschiedenen Zonen eindringen, sondern daß sie offensichtlich durch den Charakter und die Bedürfnisse der verschiedenen Gewebe ge- leitet werden, indem sie die einen früh, die anderen bemerkenswert spät erreichen. Daher gibt es während aller Frühstadien im Wachs- tum des Embryo vaskularisierte und nicht vaskularisierte Bezirke (1909, S. 514). Von großer Bedeutung erscheint in diesem Zusammen- hang auch das von Evans beobachtete Verschwinden von Gefäßen, aus gewissen Bezirken, das Hand in Hand mit der fortschreitenden Differenzierung der Gewebe stattfindet. So wird beispielsweise die Anlage der vorderen Extremität anfangs von einem gleichmäßig Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 301 verteilten Kapillarnetz durchzogen ; später treten aber darin Regionen auf, welche von den Kapillaren gemieden zu werden scheinen. Es sind die Stellen, an denen die Knorpeln und Muskeln zur Differen- zierung gelangen. Wenn es demnach einerseits als feststehend angesehen werden darf, daß sich der Gefäßplexus in seiner ersten Anlage unabhängig von mechanischen Bedingungen entwickelt, so dürften doch anderer- seits die Wirkungen des Blutstromes bei seiner ferneren Um- bildung in Arterien und Venen von maßgebender Bedeutung sein. Hierin stimmen Thoma, Roux und Elze überein. Ich verweise auf Tho mas erstes histo-mechanisches Gesetz, demzu- folge das Wachstum des Querdurchmessers, also des Umfanges der Gefäßlichtung abhängig von der Geschwindigkeit des Blutstromes ist. Auch Ro ux sagt, obgleich er dieses Gesetz verwirft: „... Da- gegen werden die Gestalt und Weite der Lichtung, sowie die Dicke der Wandung größtenteils durch nach innen von der Gefäßwand gelegene Faktoren; durch die Eigengestalt des Blutstrahles, durch die Blutmenge, den Blutdruck und durch das intermittierende oder kontinuierliche Strömen des Blutes verursacht‘ (1910, S. 70). Von besonderer Wichtigkeit ist ferner folgende Stelle: „Alle Blutgefäße werden als Kapillaren angelegt. Ein Teil derselben wächst zunächst selbständig weiter. Vielfach aber werden durch Steigerung des mittleren Blutdruckes und der mittleren durchfließenden Flüssig- keitsmenge entsprechend gelegene Kapillaren bei Vergrößerung des Netzes an den Zufuhr- s. Verteilungsstellen des Blutes zu Arterien, an den Sammelstellen zu Venen umgebildet‘‘ (1895, S. 815). Selbst Elze gibt zu, daß neben anderen Eigenschaften des Gefäßbaumes „die Dicke und der Bau der Wand, die Weite!) und Gestalt der 1) Die Weite eines Gefäßes beruht bei gleichbleibender Spannung auf dem Flächenwachstum seiner Wand. Solange die Wand nur aus Endothel- zellen besteht und das Gefäß daher den Charakter einer Kapillare besitzt, wird seine Weite meiner Meinung nach wohl in erster Linie durch die In- tensität des Stoffwechsels des unmittelbar von ihm versorgten Gewebes bestimmt. Erst wenn es zur Entwicklung der akzessorischen Gefäßhaut kommt, dürften die Faktoren des Blutstromes zu größerer Wirksamkeit gelangen. Doch bleibt der Gewebestoffwechsel auch dann noch die letzte Ursache der an den Gefäßwänden sich abspielenden Vorgänge, nur daß sein unmittelbarer Angriffspunkt, nicht die Wand der Arterie, sondern die der nachgebildeten Kapillaren ist. Das lehren auch die genauen Un- tersuchungen Thomas, deren Ergebnisse er folgendermaßen zusammen- 20 302 Hans Rabl: Lichtung, d. h. die Kreis- oder Ellipsenform‘“, ‚im wesentlichen als Anpassungen an die Bedingungen des Blutstromes bzw. durch die Faktoren des Blutstromes bedingt erscheinen‘ (1919, S. 86). Auf die Verhältnisse in der Schilddrüse angewendet, heißt das also: Während die Entwicklung und Vermehrung der Blutlakunen zwischen den Epithelien auf der Tätigkeit von Faktoren beruhen, welche außerhalb der Blutgefäße lokalisiert sind, muß die Differen- zierung der A. thyreoidea und ihrer Aeste aus dem Plexus auf eine Beeinflussung ihrer Wände durch den Blutstrom selbst zurück- geführt werden. Trotz der Gegnerschaft Elzes gegen die Netztheorie im all- gemeinen glaube ich, daß er im vorliegenden Falle meinen Ausfüh- rungen beipflichten dürfte, da er immerhin für gewisse Gefäße ihre Entwicklung aus Netzen zugibt. (A. spinalis anterior des Schweines, Nabelvene und Hirnvene des Huhnes, teilweise auch die Arterien der Hand.) Unter Hinweis auf diese Fälle schreibt er: „Betrachtet man die eben erwähnten Beispiele näher, so findet man, dab die netzförmigen Vorstadien der späteren Stämme sich in Körperbezirken finden, in denen ein sehr lebhaftes Wachstum statt- findet und also ein großer Sauerstoffbedarf besteht, was übrigens auch Evans (1909 a, S. 294) hervorhebt. Den Ausführungen im ersten Teil dieser Studien (1913) entsprechend werden in diesen Bezirken sehr frühzeitig Kapillarnetze gefunden. Die starken Wachs- tumsvorgänge erfordern die große Austauschoberfläche, welche ein Kapillarnetz im Gegensatz zu einem einfachen Rohr bietet, weshalb eben statt des einfachen Rohres ein Kapillarnetz gebildet wird. Da dieses Netz an Stellen gelegen ist, wo später nach fort- geschrittener Entwicklung ein einfaches Rohr genügt, muß es als selbstverständlich betrachtet werden, daß nicht noch ein neues Ge- fäßrohr in dieses Gebiet einwächst, sondern Teile des ursprünglichen Netzes zum Aufbau des einheitlichen Rohres verwendet werden. faßt: „Man wird somit unmittelbar darauf hingewiesen, daß das Kapil- largebiet einen wesentlichen Einfluß auf die Strömung des Blutes in den Arterien ausübt. Im Anschluß an die Ergebnisse des vorhergehenden Kapitels kann man sich vorstellen, daß die ÖOrganparenchyme selbständig die Blutmenge bestimmen, welche in der Zeiteinheit ihre Kapillaren durchströmt. Sie bestimmen damit selbstverständlich auch die Blutmenge, welche in der Zeiteinheit durch die zuführenden Arterien der Organe und durch das Herz abfließt‘“ (1893 S. 83). Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 303 Daß dieser Entwicklungsgang aber eine sekundäre Anpassung dar- stellt, ist ebenso sicher, wie daß es nicht die Faktoren des Blut- stromes sind, die die Ausbildung des einfachen Rohres bedingen.‘ Zum letzten Satze sei zweierlei bemerkt: erstens, daß nicht nur in diesem Falle, sondern überhaupt die jeweilige Blutversorgung eines Bezirkes als Anpassung an die Bedürfnisse desselben auf- gefaßt werden muß; zweitens, daß es erst bewiesen werden müßte, daß die Faktoren des Blutstromes bei der Ausbildung des einfachen Rohres keine Rolle spielen. Erklärt doch, wie wir sahen, selbst Elze, daß der Bau der Gefäßwand durch sie bestimmt wird. Das heißt doch nichts anderes, als daß sie es sind, die eine bevor- zugte Kapillare in ein Arterienrohr umzuwandeln vermögen. Ebenso muß auch der Wegfall jener Faktoren in überzähligen Aesten deren Rückbildung begünstigen. Da Elze die Gültigkeit der Netztheorie für gewisse Ge- fäße zugibt, sehe ich den Grund nicht ein, warum er sie für andeıe, insbesondere für die großen, zurückweist. Haben doch gerade die prächtigen Injektionspräparate von Evans und die plastischen Rekonstruktionen anderer amerikanischer Forscher die- selben Verhältnisse in der Anlage der großen wie deı kleineren Ge- fäße aufgede.kt. Man betrachte nur die Figg. 1, 2und3beiEvans (S. 504). Hier erscheint zu beiden Seiten des Medullarrohres ein Netzwerk, das sich weiterhin nach rückwärts in jenes fortsetzt, welches die Region des Primitivstreifens umfaßt und dessen medialer Abschluß die Anlage der Aorta bildet. Die Aorta erscheint somit — wie bereits oben erwähnt wurde — als Randgefäß, das sich nur durch seine Lage, aber — mit Rücksicht auf den geringen Ent- wicklungsgrad des Embryo — noch keineswegs durch den Bau seiner Wand von den übrigen Teilen des Netzes unterscheidet. Ihre Differenzierung aus demselben erfolgt dadurch, daß ihre zahlreichen Aeste atrophieren, während sie selbst teils durch Dehnung, teils durch Einbeziehung benachbarter Maschen des Netzes an Weite zunimmt. Es ist derselbe Weg, auf dem beispielsweise die A. spinalis anterior gebildet wird, nur daß das Gefäßnetz, aus dem sich die Aorta differenziert, frühzeitig auftritt, während die A. spinalis anterior aus einem Netze entsteht, das aus der medianen Vereinigung zweier symmetrisch angelegter Netze hervorgeht. Oder bildet viel- leicht die Lage der Aorta als Randgefäß ein Hindernis, um ihre Entstehung nach der Netztheorie zu erklären? Ich meine, daß man 304 Hans Rabi: den äußersten Faden eines Netzes, soferne er von gleicher Dicke und Beschaffenheit wie die übrigen Fäden desselben ist, dem Netze ebensowohl zurechnen muß, wie jene. Uebrigens erscheint ja auch die Umbilicalvene in ihrer ersten Lage als Randgefäß eines Netzes; und doch führt sie Elze unter jenen Gefäßen an, von deren Ent- wicklung aus einer netzförmigen Anlage auch er überzeugt ist. Daß es Gefäße gibt, die von vorneherein als glatte Röhren angelegt werden (V. cardinalis anterior und posterior des Huhnes, ferner die Segmentalgefäße), wie Elze (1913, S. 97) unter Beziehung auf die Beobachtungen von Evans hervorhebt, beweist lediglich, daß die Netztheorie nicht allgemeine Gültigkeit besitzt. Doch wurde dies auch von keiner Seite behauptet. Vielleicht darf man auch jene Erscheinung vom physiologischen Standpunkte aus be- urteilen. Danach würde die Erklärung für die astlose Anlage eines Gefäßes darin zu suchen sein, daß zur Ernährung des von ihm durch- strömten Gebietes ein einfaches Rohr genügt. Dieselbe Bedingung beherrscht, wie Elze zeigte, die Gefäßentwicklung der Anamnier. Schließlich muß noch der speziellen Arteriennetze gedacht werden, die zuerst von Erik Müller (1903) in den Anlagen der vorderen Extremitäten des Menschen beobachtet und in ihrer Be- deutung für die Entstehung der Varietäten der Armarterien ge- würdigt wurden. Durch diesen Nachweis erhielt die Hypothese von Baader, der sich alsbald Krause angeschlossen hatte, wonach ‚das arterielle System in seinen Grundlagen nicht wesent- lich von dem venösen verschieden sei“, indem es ein „Netzwerk“ darstellt, „welches die Gewebe aufs vollständigste durchdringt‘“, eine teilweise Bestätigung. Müller zeigte aber weiters, daß das Netzwerk kein gleichmäßiges ist. „Die Arterien werden vielmehr als ganz bestimmte Bahnen angelegt‘ (S. 560). ‚Aus dieser Anlage, die einen deutlichen Netzcharakter besitzt, geht die bleibende freie Arterienverästelung durch eine stärkere Ausbildung gewisser Teile und eine Verödung anderer Teile hervor‘ (S. 529). Es ist derselbe Weg, auf dem sich auch die Arterien des Gefäßhofes von Embryonen aus dem ‚indifferenten Kapillarnetze‘“ entwickeln. Daß in dem einen Falle von einem arteriellen, im anderen von einem indifferenten Netzwerk gesprochen werden darf, beruht lediglich darauf, daß sich die Elemente des einen nachweisbar nur zu Arterien, die des anderen aber auch zu Venen entwickeln. An die Beobachtungen Müllers schlossen sich in der Folge Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 305 die von mir bei der Ente, von Svensson bei Lacerta muralis, De Vriese beim Menschen und von Göppert bei der Maus angestellten, in welchen arterielle Netze teils an der Basis der Ex- tremitäten, teils in diesen selbst nachgewiesen wurden. Müller selbst dehnte seine Untersuchungen auf das Gefäßsystem des Pin- guins (Pygoscelis papua) und der Selachier aus. In seiner Kritik dieser Arbeiten bestreitet Elze, daß es sich in den darin beschrie- benen Bildungen um Netze handle. Sie dürfen vielmehr nur als Insel- bildungen und Anastomosen von Arterien aufgefaßt werden. Wo liegt aber die Grenze zwischen einem Systeme anastomosierender Arterien mit kapillarer Wandung und einem embryonalen Kapillarplexus ? Daß eine Gefäßanordnung, welche aus Längsstämmen be- steht, die durch mehrere quere Aeste verbunden werden, wie sie beispielsweise im Plexus axillaris arteriosus (E. Müller) oder im Systeme der Kiemenarterien verwirklicht ist, als Netz bezeichnet werden darf, läßt sich nicht bestreiten. Wenn es trotzdem Elze für richtig hält, hier statt von einem Netze von einem System anastomosierender Arterien zu sprechen, so geschieht dies offenbar im Hinblick darauf, daß die Maschen dieses Netzes eine typische, durch Vererbung bedingte Lage besitzen. Die Bezeichnung ‚Netz‘ dagegen erscheint ihm, wenn ich ihn richtig verstehe, nur auf solche Bildungen anwendbar, die, wie die Kapillarnetze in den Organen, in ihrem Verhalten durch die physiologischen Bedürfnisse der Gewebe bedingt und daher in mehr regelloser, der Variabilität einen breiten Spielraum gewährenden Weise angeordnet sind. Diese Unterscheidung ist natürlich eine willkürliche, so dab niemandem aus der Anwendung des Wortes ‚Netz‘ auch auf die Verbindungen typischer Arterien ein Vorwurf gemacht werden kann. Trotzdem bin ich gerne bereit, mich dem Vorgange Elzes an- zuschließen, wenn die Verhältnisse im Einzelfalle hiezu berech- tigen. Für das System der Kiemenarterien mag diese Berechtigung zugegeben werden. In vielen anderen Fällen dagegen fehlt uns noch ein genügender Einblick in die entwicklungsgeschichtlichen Vor- gänge, um abwägen zu können, welchen Anteil bei der Entwicklung eines Gefäßes die Vererbung und welchen die physiologischen Ver- hältnisse des zu ernährenden Gebietes und die mechanischen Be- dingungen, unter denen das Blut dahin gelangt, besitzen. Darum hat auch Roux in vorsichtiger Weise nur bezüglich der Entwick- lung der „typisch gelagerten größeren Blutgefäße und ihrer typischen 306 Hanser abl: Hauptäste‘‘ den Lehrsatz aufgestellt, daß ihre Anlage unabhängig von der Funktion, lediglich durch selbständige Vererbung erfolge !). Aber auch hier muß auf Grund der neueren Erfahrungen in Rück- sicht gezogen werden, daß die meisten größeren Blutgefäße der Amnioten ein Netzstadium durchlaufen. Ich verweise in dieser Hinsicht auf das oben über die Anlage der Aorta Zitierte. In der Entwicklung dieses primären Netzes erscheinen die Einflüsse der Vererbung und der unmittelbaren Lebensbedingungen des jugendlichen Organismus aufs innigste miteinander verquickt. Denn während es zum größten Teile seine Entstehung — nach Elze — dem Sauerstoffbedürfnis der Gewebe verdankt, stellt sein medialer Randteil, aus dem die Aorta hervorgeht, eine phylo- genetisch alte Bildung dar. In gleicher Weise muß m. M. n. auch die Herausdifferenzierung der Aorta aus jenem Netze auf beide Entwicklungsprinzipien zurückgeführt werden. Daß in diesem späteren Stadium neben der Anordnung und den biologischen Eigen- schaften der zu ernährenden Zellen auch noch den im strömenden Blute wirksamen Kräften eine große Bedeutung zukommt, kann wohl nicht von der Hand gewiesen werden. In ähnlichen Bahnen vollzieht sich auch die Entwicklung der Arterien in den Extremitäten. Bezüglich der Aa. subelavia und femoralis gelangte Evans zur Ueberzeugung, daß sie sich aus Kapillarplexus entwickeln, während Elze gerade aus den Ab- bildungen dieses Forschers die gegenteilige Behauptung ableitet. Die Wahrheit scheint mir, wie in so vielen Fällen, auch hier in der Mitte zu liegen. Daß Anastomosen zwischen den multiplen Sub- klavien der Frühstadien vorkommen, läßt sicht nicht bestreiten. (Eiv24:n8.8, «Fig: 2:2) 7195 GO p pie Mextiigun SE vgl. auch meine Textfigur 8, die ich allerdings, — wie ich jetzt gerne zugebe, irrtümlicherweise — als Längsspaltung gedeutet habe.) Immerhin ist die Zahl dieser Verbindungen eine geringe, !) Er wurde hiezu durch verschiedene teils von ihm selbst, teils von anderen Forschern gemachten Erfahrungen veranlaßt, unter denen folgende angeführt seien: Selbständige Ausbildung des Sinus terminalis des Hühnchens bei fehlendem Embryo, also bei fehlender Strömung des Blutes; eine größere Weite der A. pulmonalis bei menschlichen Embryonen, als zur Ernährung der nicht fungierenden Lunge erforderlich ist; fortschreitende Ausbildung des Gefäßsystems trotz Lähmung des Herzens durch Gifte (1895 S. 83, 84; ferner 1911 S. 198). Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 307 so daß in der Tat die meisten Subklavien astlos die Basis der Ex- tremitätenknospe erreichen. Die Entwicklung der Subelavia aus einem Netz kann daher meiner Meinung nach nicht in Abrede ge- stellt werden, bildet jedoch nur ein ausnahmsweises Vorkommnis. Daß die Verbindungen der Subklavien innerhalb des Rumpfes so spärlich sind, während sich in der Extremitätenanlage ein aubßer- ordentlich engmaschiger Plexus ausbreitet, dürfte sowohl durch die anatomischen, wie physiologischen Verhältnisse bedingt sein. Denn im Rumpfe verlaufen einerseits die weitesten Gefäße des Körpers und liegen anderseits die Zellen ziemlich locker; in der Extremitäten- anlage hingegen, in welcher sich die Zellen dicht zusammenhäufen, bedürfen sie infolge ihrer raschen Vermehrung einer besonders reichlichen Nahrungszufuhr. Auch die von mir angenommene Umbildung des Kapillar- plexus in der Armanlage zur A. brachialis und ihren Aesten wird von Elze bekämpft. Er stützt sich dabei u. a. auf Göppert, aus dessen Arbeit nicht entnommen werden könne, „daß die peri- pheren Armarterien aus diesem Netze hervorgehen. Vielmehr er- scheint von vorneherein in der auswachsenden freien Extremität der weißen Maus ein von dem axillaren Plexus ausgehender axial gelegener Arterienstamm, an dem wohl eine Anzahl von Insel- bildungen zu beobachten sind, welche durch Anastomosen benach- barter Aeste der Hauptarterie zustande kommen, nicht aber ist die Arterie selbst irgendwann Teil eines Netzwerkes.“ Ich meine dem- gegenüber, daß die von Göp pert beschriebenen „Inselbildungen“ hinreichen, um die dadurch erzeugte Gefäßformation als ein Netz erscheinen zu lassen. Ich verweise beispielsweise auf Göpperts Textfigur 25, welche in der Mitte der Extremität an Stelle eines ein- fachen Gefäßstammes eine große und mehrere kleine Maschen zeigt. Wahrscheinlich sind auch diese Netze als die Folgezustände des gesteigerten Stoffwechsels jener Regionen aufzufassen. Wenn ich mich zum Schlusse der Entwicklung der Schild- drüsenarterie wieder zuwende, so glaube ich, darin ein glänzendes Beispiel für die Richtigkeit der Netztheorie gefunden zu haben. Insbesondere der Umstand, daß die Schilddrüsenarterie der rechten Seite oftmals aus einem Seitenästchen der Arteria laryngea hervor- geht, beweist, ‘daß sie hier nicht auf Grund eines mystischen Ver- erbungsmechanismus angelegt wird, sondern daß das Bedürfnis des wachsenden Schilddrüsengewebes es ist, wodurch eine Reihe hinter- 308 Hans Rabli: einander liegender Kapillaren, welche Teile eines Plexus sind und sich von den anderen Teilen desselben nur dadurch unterscheiden, daß das Blut durch sie mit dem geringsten Widerstande zur Thyreoi- dea gelangt, schließlich zur mächtigen Arteria thyreoidea ausge- staltet wird. Bezüglich jener Fälle, in denen die Schilddrüsenarterie unabhängig von der A. laryngea direkt aus der C. communis ent- springt, könnte allerdings die Möglichkeit zugegeben werden, daß sie hier jenen Blutgefäßen beizuzählen ist, welche nach Roux eine Periode I des selbständigen, d. h. von der Funktion unabhängigen : Bildens, Erhaltens und Rückbildens besitzen. Dadurch würde sich die große Regelmäßigkeit in ihrer Anlage erklären. Doch kann diese Erscheinung auch dadurch bedingt sein, daß die Gewebe, zu deren Ernährung jene Gefäße bestimmt sind, stets die gleiche Lage und gleiche Anordnung ihrer Teile besitzen und sich in gleicher Weise entwickeln. Denn in einem Gewebe von derartig typischen Eigenschaften müßten auch die auf rein funktionellem Boden ent- standenen Gefäße immer wieder in der gleichen Lage und Anord- nung anzutreffen sein. Daß die Netztheorie aber auch auf die genannten Fälle Anwendung finden darf, geht daraus hervor, daß sich auch hier der gleiche Gefäßplexus zwischen der Schilddrüse und dem Abgange der ventralen Aorta vom 3. Aortenbogen aus- breitet. Der Unterschied zwischen den beiden Bildungsarten be- steht nur darin, daß dieses Netz im ersten Falle nach Rückbil- dung seiner mehrfachen Zuflüsse aus den Carotiden lediglich durch die A. laryngea gefüllt wird, während im anderen noch ein zweites Zuflußrohr, die A. thyreoidea, zur weiteren Ausbildung gelangt. Sollten aber auch die Gegner der Netztheorie trotz dieser schein- bar unanfechtbaren Beweise das Anfangsstück der A. thyreoidea — wenigstens in diesem Falle — durch die Vererbung gegeben be- trachten, so dürften sie doch mit mir darin übereinstimmen, daß für den weiteren Verlauf der Arterie in erster Linie ihre Funktion, in zweiter die Gesetze der Hydrodynamik maßgebend sind. Ebenso klar erscheint es, daß die Anlage der Aeste der Schilddrüsenarterie keine vererbte ist. Dafür spricht einerseits die große Variabilität derselben, welche die Folge der Variabilität ist, die sich in der feine- ren Struktur des Organes kundgibt, andererseits die direkte Be- obachtung ihrer Differenzierung aus dem weitmaschigen Plexus lakunärer Bluträume, dessen Aufbau lediglich durch das Bedürf- nis des versorgten Gewebes bestimmt wird. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 309 10. NE 14. 15. 16. I: Verzeichnis der angeführten Arbeiten. „Andersson, ©., Zur Kenntnis der Morphologie der Schilddrüse. Arch. f. Anat. u. Entw.-Gesch. 1894, Supplementband. Baader, A., Ueber die Varietäten der Armarterien des Menschen und ihre morphologische Bedeutung. Bern 1866. Bozzi, E., Untersuchungen über die Schilddrüse. Zieglers Beiträge. 18. Bd. 1895. Bremer, J. S., On the Origin of the Pulmonary Arteries im Mam- mals. Americ. Journal of Anat. V. 1. 1902. 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A. 0. — Arteria ocecipitalis. A. th. = A.Mhyreoidea. Big. — Blutgefäß. C:=iC: — Carotis communis. ExRE: — Carotis externa. C. th. = Cartilago thyreoidea. Epk&'70 = Epithelkörper. Ezk — Endothelzellkern. BD: — Pollikel. Gens; — Ganglion sympathictm. Gzgr. — Ganglienzellgruppe. IB} — Lichtung in einem Thyreoideastrang bzw. in einem in Ab- schnürung begriffenen Follikel. N.h! — Nervus hypoglossus. N. I. s. = Nervus laryngeus superior. N..v. — Nervus vagus. Oe. — Oesophagus. Th. — Glandula thyreoidea. Thstr. = Aus Thyreoideazellen bestehender Strang. Thy. — .Thymus. Thz — Thyreoideazellen. Tr! —Trachea. Ubr. K. — Ultimobranchialer Körper. V. — Vene: Vınei — Vesicula cervicalis. v4 — Vena jugularis. Beiträge z. Entwicklungsgesch. der Derivate d. Kiemendarmes usw. 313 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Tafel VIII, zu Kapitel I. l. Aus einem Querschnitt durch die Gegend des Kehlkopfes eines 27 mm langen Embryos. Linke Seite. Der Hypoglossus zieht zwischen dem kleineren medialen und dem größeren lateralen Anteile des Epithel- körpers III ventralwärts. Vergrößerung 70. 2. Aus einem Querschnitte desselben Embryos. Der Schnitt liegt 110 X hinter dem in Fig. I wiedergegebenen. An Stelle des Hypo- glossus befindet sich hier zwischen medialem und lateralem Teile des Epithelkörpers ein Streifen Bindegewebe. Die Thymus ist an ihrer kranialen Spitze getroffen und zeigt die von der Stammzone in Kranialer Richtung sich erstreckenden Fortsätze quer geschnitten, Die Ganglien- zellgruppe am oberen Rande des Bildes ist einem dünnen Nerven ein- gelagert, der sich kKranialwärts bis zum Hypoglossus verfolgen läßt. Dieselbe Vergrößerung. 3. Aus einem Querschnitt durch die Gegend des Kehlkopfes eines 17 mm langen Embryos. Rechte Seite. Der Hypoglossus durchschneidet den Epithelkörper und zerlegt ihn wieder in einen lateralen und medialen Anteil. Der letztere besteht aus zwei getrennten Zellhaufen. — Die gleiche Vergrößerung. 4. Aus einem Querschnitte durch die Gegend des Kehlkopfes eines 15 mm langen Embryos. Linke Seite. Der Epithelkörper liegt nicht nur lateral, sondern auch dorsal von der Carotis. Die Thyreoidea ist gerade an ihrer Spitze getroffen. — Dieselbe Vergrößerung. 5. Aus einem Querschnitt durch die Gegend des Kehlkopfes des 17 mm langen Embryos. Linke Seite. Der N. vagus ist gerade an seiner Austrittsstelle aus dem Plexus nodosus getroffen. Einzelne Ganglienzellen sind ihm noch beigemischt. Die Ganglienzellgruppe gehört der Wurzel des N. laryngeus superior an. Dieselbe Vergrößerung. Tafel IX, zu Kapitel Il. 6. Querschnitt durch die Spitze des rechten Schilddrüsenlappens eines 17 mm langen Embryos. Die Drüse besteht aus Strängen, die eine Breite von mehreren Zellen besitzen und zwischen denen weite Venen liegen. Einige Drüsenzellen in Teilung. — Vergrößerung 140. 7. Aus der Schilddrüse eines 15,5 mm langen Embryos. Ein zwei- reihiger Strang, in dem an verschiedenen Stellen Lichtungen auftreten, — Vergrößerung 450. 8. Aus der Schilddrüse eines 27 mm langen Embryos. Anastomo- sierende Zellstränge, von denen sich stellenweise Follikel abschnüren, dazwischen Venen. Die Zellgrenzen sind deutlich, die Lichtungen im Innern der jungen Follikel sternförmig, von Kolloid erfüllt. Die Drüsen- zellen enthalten Körnchen. Der ultimobranchiale Körper steht in direktem Zusammenhang mit den Schilddrüsensträngen. — Vergröße- rung 450, 314 H. Rabl: Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. Derivate d. Kiemendarmes. Fig. Fig. Fig. Tafel X, zu Kapitel III. 9. Aus einem Querschnitt durch den Hals eines 16,5 mm langen Embryos. Die A. thyreoidea ist 20 f vor der kranialen Spitze der Schilddrüse getroffen. Sie liegt neben dem Kehlkopf, von einem Venen- netz umgeben. — Vergrößerung 150. 10. Derselbe Embryo. Der Schnitt liegt 420 ı kaudal von dem in Fig. 11 abgebildeten. Die A. thyreoidea verläuft an der ventromedialen Kante der Schilddrüse. — Vergrößerung 150. ll. Aus einem Querschnitt durch den Hals eines 17 mm langen Em- bryos. Die A. thyreoidea ist an der Stelle getroffen, an der sie die Trachea kreuzt, um von der linken auf die rechte Seite zu gelangen. — Vergrößerung 120. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meer- schweinchen. Von Hans Rabl, Graz. Mit Tafel XI—XII. Bekanntlich hat Stieda und nach ihm eine Reihe von For- schern die Ansicht vertreten, daß die Carotisdrüse aus der dritten Schlundtasche entstehe. Daher habe ich gelegentlich meiner Unter- suchungen über das Schicksal dieser letzteren meine Aufmerksamkeit auch der Entwicklung der Carotisdrüse geschenkt, um zu einer eigenen Anschauung über das Bestehen bzw. Fehlen genetischer Beziehungen zwischen Schlundtasche und Carotisdrüse zu gelangen. Doch haben mich meine Untersuchungen zum selben Ergebnis ge- führt, zu welchem Kastschenko schon im Jahre 1887 und seit- her zahlreiche andere Forscher, von denen ich nur Paltauf, Jakoby, Verdun, Fusari und Kohn nenne, gekommen waren, indem sie mich von der absoluten Unabhängigkeit beider Bil- dungen überzeugten. Allerdings liegt die Carotisdrüse oftmals un- mittelbar kranial von der Spitze des Epithelkörpers; ja, in einer Querschnittserie durch einen 18 mm langen Embryo befand sich auf der rechten Seite das hintere Ende des einen und das vordere Ende des anderen Organes in unmittelbar aufeinander folgenden Schnitten und bei einem Embryo von 20 mm Länge wurden sogar die obere Spitze des Epithelkörpers an der äußeren und Carotis- drüsenzellen an der ventralen Seite dieses Gefäßes an einem und demselben Querschnitte in einem Abstande von nur 105 u ange- troffen. Aber doch bestand selbst in diesem Falle kein Zusammen- hang der beiden Organe, Im allgemeinen aber ist die zwischen ihnen liegende Strecke wesentlich größer, denn der Epithelkörper Archiv f. mikr, Anat. Bd, 96. 21 316 Hans Rabl: reicht gewöhnlich nur bis zur kaudalen Grenze der Carotisteilung hinauf, die Carotisdrüse aber liegt dem untersten Ende der Ca- rotis interna an und erstreckt sich fast niemals bis in die Region der Carotis communis hinab. Dazu kommt, daß der Epithelkörper die Carotis communis an ihrer dorsalen und äußeren Seite um- lagert, die Carotisdrüse aber sich vor allem an der ventralen Seite der Carotis interna ausbreitet, Uebrigens ist nicht die Lage der beiden Organe zu den Gefäßen, die sie immerhin erst nachträglich erlangt haben könnten, allein für ihre Unabhängigkeit voneinander beweisend, sondern ebensosehr das verschiedene Aussehen ihrer Zellen. Unter meinen Meerschwein- chenembryonen finde ich die Zellballen der Carotisdrüse zuerst bei einem Embryo von 17 mm Länge von charakteristischem Ge- präge (Taf. XI, Fig. 5). Ihre spezifischen Elemente besitzen einen großen, ovalen Kern mit einem zarten, nur an wenigen Knoten- punkten verdickten, chromatischen Gerüste und einen feinwabigen Zellkörper. Dieser färbt sich mit Eosin blaß rosarot, nur die äußerste Grenzschicht tritt in einem dunkleren Ton hervor. Im Vergleich zu diesen Zellen sind jene des Epithelkörpers noch heller, ihre Außen- zonen dagegen dunkler und daher noch schärfer gegen den Inhalt abgesetzt und die Kerne, unter denen man mehr kugelige als ovale antrifft, erscheinen von einem gleichmäßigen und dichten Netzwerk von Chromatin erfüllt. Zwischen den in diesem Stadium vorerst in geringer Zahl ausgebildeten Zellballen finden sich in scheinbar regel- loser Verteilung Bindesubstanzzellen, Blutgefäße und Nerven. Außer- dem enthält die Drüsenanlage noch Züge und Haufen eng zusammen- gelagerter, sich unscharf gegeneinander abgrenzender, kleiner Zellen mit stark färbbarem Körper und einem chromatinreichen, meist kugeligen Kerne, die einerseits an die spezifischen Zellballen an- grenzen, andererseits einen dichten Belag der Nervenstämmchen besonders an der der Drüse zugekehrten Seite bilden. Fast alle oben genannten Autoren, welche die epitheliale Her- kunft der Drüsenzellen der Glandula carotica bestritten, haben sich für deren bindegewebige Natur ausgesprochen. Nur Kohn er- klärte sie auf Grund histologischer und embryologischer Studien für chromaffin und leitete sie von Neurozyten des Sympathicus ab !). !) In histologischer Beziehung besaß Kohn einen Vorgänger in Stil- ling, der im Jahre 1890 die Entdeckung machte, daß in der Carotisdrüse Zellen vorkommen, welche sich analog den Elementen der Marksubstanz Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 317 Ich will im folgenden über diese Arbeiten berichten. Leider sind sie mit Ausnahme jener Kohns nur sehr knapp gehalten. Die Angaben Kastschenkos beziehen sich auf die Entwicklung der Carotisdrüse des Schweines. Bei Embryonen von 14—15 mm NL. er- scheint ihre erste Anlage ‚als ein verlängerter ellipsoider Knoten, welcher die A. carotis interna gleich an der Teilungsstelle der Carotis communis umgreift. Derselbe stellt anfangs nichts anderes als eine Verdickung der Adventitia dar“. Er besteht aus zellreichem Bindegewebe und geht an den beiden Enden in die dünne Bindegewebsschicht der Adventitia über. „Bei Embryonen von 30 mm NL. umzieht die Carotisdrüse die Carotis interna nicht mehr gleichmäßig, sondern die erstere ist von der Seite der Carotidenteilung verdickt und von der entgegengesetzten Seite her ver- dünnt. Bei noch älteren Embryonen findet man die Drüse noch mehr gegen den Teilungswinkel der Carotis communis verschoben. Gleichzeitig zeichnet sich jetzt die Drüse durch außerordentlich zahlreiche und relativ starke, von der A, carotis interna stammende Gefäße aus.‘‘ — Ein anderes Gebilde, welches als Anlage der Drüse hätte aufgefaßt werden können, war in keinem untersuchten Entwicklungsstadium zu bemerken. Ausführlicher schildert Paltauf die Entwicklung der Carotisdrüse beim Kaninchen. Er schreibt: ‚Die ersten Andeutungen fanden sich bei einem 14 Tage alten Embryo von 10,8 mm Sch.-Länge als eine zellreiche Verdickung der Gefäßwand besonders an der inneren und hinteren Peripherie etwas oberhalb der Teilung, in welcher bereits kapillare Gefäße wahrzunehmen waren, Die Anschweliung liegt hinten direkt dem G. plexif. nervi vagi an, welches an der lateralen Seite zwischen ihr und der Vene verläuft. Von der Pharynxwand erscheint die Anschwellung stellenweise durch einen zarten Nerv begrenzt, sonst ist dieselbe nur durch den Reichtum der Kerne, die entsprechend der Gefäßadventitia, also mehr konzentrisch geschichtet, markiert.‘‘ Schon bei einem Embryo von 12,5 mm Länge erscheint die Drüse als ein Knötchenförmiges Gebilde, dessen Grenzen nur mehr gegen die seitliche Schlundwand undeutlich sind. Es wird von der Adventitia der Carotis umschlossen, enthält mehrere weite Arterienstämmchen und besteht aus Zellen, die sich in nichts von denen der übrigen Gefäßwand unterscheiden. In der weiteren Entwicklung wird die Zellwucherung reich- licher und das Organ beginnt sich von der Gefäßwand zu differenzieren. — Aehnlich wie beim Kaninchen erwies sich auch die Anlage der Drüse bei einem 16 mm langen Katzenembryo, indem die Wand der Carotis interna an umschriebener Stelle verdickt und reich vaskularisiert war. Da dieser letztere Umstand nach der Ansicht Paltaufs die auffälligste Eigen- tümlichkeit des Organes bildet, kam dieser Forscher zum Schlusse, daß die der Nebenniere, die schon damals auf Grund embryologischer Untersuchungen dem sympathischen Systeme zugerechnet wurden, mit chromsauren Salzen bräunen. Er schließt daher: ‚Dieses Knötchen, dessen drüsige Struktur von Luschka nachgewiesen worden ist, muß also nunmehr den Neben- nieren an die Seite gestellt werden.‘ N N 318 Hans Rabl: spezifischen Zellen desselben als Perithelien im Sinne Eberths auf- zufassen seien. — In gleicher Weise wurden sie auch von Marchand auf Grund der Untersuchung älterer menschlicher Feten und von Verdun, dem Säugetierembryonen verschiedener Arten und Entwicklungsstadien zur Verfügung standen, gedeutet. Jakoby untersuchte die Entwicklung der Carotisdrüse der Katze und konnte sie bis zu Embryonen von 15 mm Länge mit aller Deutlichkeit zurückverfolgen. Das Organ legt sich als eine bindegewebige Verdickung der Adventitia der Carotis communis in der Gegend ihrer Teilungsstelle an und ist schon früh dadurch ausgezeichnet, daß ein Gefäß ins Innere sich abzweigt. Die Vaskularisation nimmt allmählich zu und verleiht dem Organ sein Gepräge. Die Arbeit Fusaris war mir leider im Original nicht zugänglich. Dem Berichte Kohns entnehme ich, daß Fusari, der die Entwick- lung der Carotisdrüse des Menschen untersuchte, dieselbe von der Media der Carotis commuris an ihrer Teilungsstelle ableitete. Die Anschauung, die in den vorstehend referierten Arbeiten vertreten wird, dürfte heutzutage wohl nur mehr wenige Anhänger besitzen. Sie wurde durch Kohn erfolgreich bekämpft, dessen Darstellung der embryologischen Vorgänge dadurch wesentlich gestützt wird, daß sie sich in vollkommener Uebereinstimmung mit den Ergebnissen der histologischen Untersuchung der ausgebildeten Carotisdrüse befindet. Kohn bediente sich zur Unter- suchung der Entwicklung der Carotisdrüse gleich Kastschenko Schweineembryonen. Die von diesem Forscher beschriebene Verdickung der Adventitia der Carotis interna fand auch er bei einem Embryo von 16 mm N.-S-Länge bereits angelegt, doch vermochte er nicht in ihr die An- lage der Drüse zu erblicken, weil sie keine charakteristischen Zellen enthält. Die Arterienlichtung erwies sich im Bereiche der Verdickung vielfach stern- förmig, indem zahlreiche kleine Gefäße aus ihr entspringen. Diese werden von einer mehrschichtigen, zirkulären Zellscheide umgeben. — Bei einem 25 mm und einem 29 mm langen Embryo erscheint neben dem Lumen des Arterienrohres ein damit zusammenhängendes Netzwerk größerer und kleinerer Gefäße, welche innerhalb eines zellreichen, aus konzentrischen Lagen bestehenden Gewebes verlaufen. Die Gefäßwand wird von Nerven umhüllt, welche teils aus dem Vagus-, teils aus dem Sympathicusganglion stammen und zahlreiche Zellen vom Aussehen der kleinen rundlichen Zellen des Sympathicus enthalten. Unter diesen beginnen erst bei Embryonen von 40-45 mm Länge Unterschiede zutage zu treten, indem ein Teil davon „eine gewisse Regelmäßigkeit der Anordnung‘ zeigt, die sich vor allem in ihrer Vereinigung zu kleinen Gruppen äußert. Die Elemente derselben lassen sich zwar gegeneinander nicht abgrenzen, sind anscheinend aber größer als die kleinen, leukozytenhaft dicht beisammenliegenden übrigen Zellen des Nervengeflechtes, auch ihre Kerne sind heller und größer. Kohn faßt diese Zellen als die erste Andeutung der Carctisdrüse auf und leugnet, „daß sie aus jenen Zellen hervorgehen, welche die Verdickung der Gefäß- wand bilden. Trotz der noch wenig vorgeschrittenen Differenzierung sind sie bereits genügend charakterisiert, um von den „Gefäßwandzellen‘“ gut Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 319 unterschieden werden zu können. Sie sind klein und rundlich, letztere größer, mit länglichem, spindelförmigem Kern, erstere zeigen die unverkenn- bare Tendenz, Ballen zu bilden, diese bleiben diffus angeordnet und ver- raten nicht die geringste Neigung, sich zu Zellhaufen zu gruppieren“ (S. 122). — Bei der weiteren Entwicklung wird einerseits die Wand der Carotis in- terna immer dicker, das Gefäßnetz bildet sich besonders nach der ventralen Seite zu aus, Zweigchen, die früher nur ‚in die dicke Gefäßwand eingegraben waren, treten nun selbständig mit stärkeren Wandungen hervor‘, anderer- seits vermehren sich auch die zwischen ihnen in den Faserzügen des Nerven- geflechtes neben den Ganglienzellen liegenden Zellballen. Mit den an Schweineembryonen gewonnenen Ergebnissen befanden sich auch die Verhältnisse, welche Kohn bei einem 20 mm langen Ratten- embryo und einem 46 mm langen Hundeembryo beobachtete, in bestem Einklang. Von ersterem berichtete er, daß die Verdickung der Wand der Carotis interna dorsal begann, sich aber bald gleichmäßig über den ganzen Umfang des Rohres erstreckte; die Carotisdrüse aber lag zwischen den Carotiden, vollständig getrennt von der Wand der Carotis interna. Ihre Zellen waren noch nicht zu bestimmten Formationen gruppiert; in Aus- sehen und Größe verhielten sie sich den kleinen Sympathicuszellen ähn- lich. „Deutlich genug sieht man sie übrigens oft gleich Nervenzellen in Nerven eingelagert.“ — Beim Hundeembryo von 46 mm Länge lag die Carotisdrüse der Carotis externa an, von der aus sie auch mit Blut versorgt wurde, indessen sich die Carotis interna wie in den übrigen Fällen durch eine stark verdickte Wand auszeichnete. Das Organ war ‚in ein dichtes Nerven- geflecht eingelagert, das zahlreiche Ganglienzellen führt‘. Schließlich verdanken wir Kohn auch noch einige Angaben über die Carotisdrüse oder das „Paraganglion intercaroticum‘, wie er sie mit Rücksicht auf ihre von ihm behauptete Zugehörigkeit zum sympathischen Systeme be- zeichnet, beim Menschen, welche in seiner Arbeit über die Paraganglien nieder- gelegt sind. Bei einem Embryo von 22 mm beschreibt er sie mit folgenden Worten: „Sie erscheint als eine Ansammlung schwer definierbarer Zellen an der medialen und ventralen Fläche der Carotis interna, knapp über der Teilungsstelle. Die Zellen stimmen in ihrem Aussehen weder mit den klei- neren, dunkler gefärbten Ganglienzellen des interkarotischen Geflechtes völlig überein, noch mit chromaftinen und am allerwenigsten mit den Zellen der verdickten Gefäßwand der Carotis interna. Ein bestimmter Rückschluß auf ihre Herkunft wäre aus diesem Entwicklungsstadium nicht möglich; esspricht aber auch nichts dagegen, daß sie ebenso wie ich dies beim Schweine nachgewiesen habe, aus embryonalen sympathischen Zellen hervorgehen‘ (S. 277). Auch von einem 24 mm langen Embryo ließen sich über das Wesen der Carotisdrüse noch keinerlei Aufklärungen gewinnen. Erst ein Embryo von 27 mm Länge zeigte die Drüse aus kleinen Zellballen zusammen- gesetzt, deren Abkunft aus dem anliegenden sympathischen Ganglion „un- schwer‘ zu erkennen war. Die Zellen sind in diesem Stadium von den chrom- affinen noch recht verschieden, „ähneln den sympathischen Ganelienzellen, sind aber größer und weniger dicht angeordnet, aber lange nicht so hell und zart, wie die der Paraganglien“. Im Vergleiche mit den Paraganglien 320 HamisaRarbil: an der Bauchaorta erfolgt ihre Entwicklung nur langsam und selbst bei einem Embryo von 50 mm zeigt die Carotisdrüse den allgemeinen Typus der chromaffinen Organe noch nicht in ausgesprochener Weise. Im Artikel über die Entwicklung der chromaffinen Organe und der Nebenniere im Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen von Keibel undMall beschreibt Zuckerkandl die Anlage der Carotis- drüse bei einem 19%, mm langen Embryo. Er gibt auch eine Abbildung darüber, auf der man einen dunklen Streifen dichtzelligen Gewebes, aus- gehend vom Ganglion sympathicum, entlang der medialen Wand der Caro- tis interna ventralwärts verfolgen kann. Nach der Deutung Zucker- kandls besteht derselbe aus ‚„sympatho-chromaffinem Gewebe, welches auch das Material für die spezifischen Zellen der Carotisdrüse liefert. An einem 28 mm langen Embryo ist die Differenzierung in parasympathische Zellen schon durchgeführt‘. Indem ich jetzt zur Schilderung meiner eigenen Befunde an Meerschweinchenembryonen übergehe, muß ich vorausschicken, daß sich dieses Material von dem von Kohn benützten stark unterschei- det, so daß es nur unter Zuhilfenahme verschiedener Hypothesen möglich ist, die daran beobachteten Bilder mit der Theorie Kohns in Einklang zu bringen. Ich halte mich daher für verpflichtet, ihr nur mit großer Zurückhaltung gegenüberzutreten. Immerhin bin ich in der Lage, eine andere Reihe von Beobachtungen dieses For- schers zu bestätigen, so daß ich die Möglichkeit, daß die Zellen der Carotisdrüse vom Sympathicus abzuleiten seien, nicht völlig von der Hand weisen kann. Bei dem schon erwähnten Embryo von 17 mm Länge ist das Bindegewebe zwischen Carotisdrüse und sympathischem Ganglion so spärlich, daß man imstande ist, jede in diesem Raume befindliche Zelle und Faser auf ihre Natur und Herkunft zu prüfen (Taf. XI, Fig. 4). Nach den Befunden, die Kohn, allerdings an älteren Schweineembryonen, erhoben hat, möchte man erwarten, hier einen Plexus sympathischer Nervenfasern mit eingelagerten Zellen anzu- treffen, welche teils das Aussehen junger Ganglienzellen, teils das chromaffiner Zellen darbieten und das Ganglion. mit der Drüsen- anlage verbinden. Doch sind hier weder Nervenfasern, noch Zellen, die sich durch besondere Größe, Gestalt oder Farbe von den Meso- dermzellen unterscheiden, zu entdecken. Außerdem liegt unterhalb des Ganglion eine weite Vene, die ein natürliches Hindernis für etwa aus jenem ventralwärts vorrückende Zellen bilden würde. Untersucht man von diesem Stadium ausgehend das Verhalten der Drüsenanlage bei jüngeren Embryonen, so zeigt sich, daß man Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 321 dieselbe auch bei solchen von 16 und 15 mm Länge (Fig. 3) noch unterscheiden kann. Doch sind hier die oben beschriebenen großen hellen Zellen noch nicht zur Differenzierung gelangt. Dagegen lassen sich wie dort, dunklere nur undeutlich begrenzte Zellstränge von verschiedener Breite nachweisen, welche der ventralen, medialen und lateralen Seite der Carotis interna aufgelagert erscheinen. Die Wand dieses Gefäßes selbst besteht aus 2—3 Reihen länglicher, konzentrisch angeordneter Zellen, die sich dem Endothel innig an- schmiegen und jedenfalls als die Anlage der Media aufzufassen sind. Mit Rücksicht auf die Verteilung jener Stränge, welche der der späteren Zellballen entspricht, sowie auf den Umstand, daß innerhalb derselben bei älteren Embryonen die ersten Drüsenzellen auftauchen, glaube ich, in ihren Elementen Vorstadien von diesen erblicken zu müssen. Ihre enge Verbindung mit den Drüsenzellen ist auch in Fig. 4 deutlich zu erkennen. Zum besseren Verständnisse derselben habe ich in Fig. 5 die in jener sichtbaren, bereits ausgebildeten Drüsenzellen samt ihrer Umgebung bei starker Vergrößerung abge- bildet. In der Mitte liegen die großen Zellen mit chromatinarmen Kernen, medial- und dorsalwärts schließen sich daran die kleinen Zellen mit kleinen, dunklen Kernen und dunklerem Protoplasma. Verfolgt man die Entwicklung der Carotisdrüse in rückläufigem Sinne noch weiter, so trifft man auf Bilder, wie sie in Fig. 2 und | von einem 12 und einem 10 mm langen Embryo wiedergegeben sind. Die Schnitte wurden mit Rücksicht auf ihren Abstand von der Teilungsstelle der Carotis communis ausgewählt, weil daraus die Lage der Drüse leicht bestimmt werden kann. An ersterem kann man bereits eine Anhäufung von Zellen an der ventralen Seite der Carotis interna nachweisen. Ich glaube dieselbe nicht als indifferente Verdickung der mesodermalen Gefäßwand auffassen zu dürfen — eine solche ist auch später nicht nachweisbar —, sondern meine vielmehr, daß sie bereits auf der Anlagerung jener besonderen, hier aber noch nicht differenzierten Zellstränge beruht. — Beim jüngsten Embryo erscheint die Carotis interna als weites Endothelrohr in das zellreiche Mesodermgewebe des 3. Schlundbogens eingegraben, ohne daß eine besondere Verdichtung desselben in ihrer Umgebung bestünde. Ich habe diese zwei Abbildungen mitgeteilt, weil jeder Leser, der auf dem Boden der Kohn schen Lehre steht, annehmen dürfte, daß der Zusammenhang zwischen Drüsenanlage und sympathischem Ganglion, der beim 17 und 15 mm langen Embryo nicht kenntlich 322 Hianıs’R abi: ist, vielleicht doch in jüngeren Stadien in irgendeiner Form nach- weisbar sei. Aber das Gegenteil davon ist der Fall, wie die beiden Figuren lehren. Denn einerseits sind bei ihnen die Nerven dünner und liegen die Mesodermzellen dichter beisammen, so daß die Ver- hältnisse weniger übersichtlich sind als bei älteren Embryonen, andererseits stellt sich die Entfernung zwischen Drüsenanlage und sympathischem Ganglion um so größer heraus, je jünger der unter- suchte Embryo ist. Man muß daraus schließen, daß die Drüsen- anlage im Laufe der Entwicklung dorsalwärts vorrückt. Daß nicht umgekehrt das Ganglion eine ventrale Verlagerung erfährt, geht aus der Lage der beiden Organe zum Schlunde hervor, welcher in jener Region den Kehlkopf hufeisenförmig umfaßt. Bei allen Embryonen von 15 bis mindestens 30 mm Länge trifft man nämlich das Ganglion genau seitlich vom medianen Anteile des Schlundes, während die Drüse beim 15 mm langen Embryo unterhalb der ven- tralen Kante desselben gelegen ist und erst bei Embryonen von 22—25 mm in die gleiche Frontalebene wie das Ganglion einrückt. — Das letztere ist bei Embryonen, welche eine Länge von 15 mm über- schritten haben, ein wohlbegrenztes Knötchen von ovalem Quer- schnitt, in jüngeren Stadien allerdings nur ein Haufen locker bei- sammenliegender Zellen (Fig. 1 und 2). Doch besitzen sie einen voluminöseren Körper und sind stärker färbbar als die umgebenden Mesodermzellen, so daß sie sich von ihnen genügend unterscheiden. Somit muß eine vorurteilslose Prüfung der geschilderten Ver- hältnisse zunächst zur Bestätigung der älteren Ansicht führen, dab die spezifischen Zellen der Carotisdrüse mesodermaler Herkunft sind !), da keinerlei Veranlassung zu bestehen scheint, sie vom Sympathicus abzuleiten. Und doch wage ich es — wie schon oben gesagt wurde — nicht, eine genetische Beziehung zwischen ihm und der Drüsenanlage gänzlich in Abrede zu stellen. Denn die Verfol- gung der betreffenden Serien in Kaudaler Richtung zeigt an man- chen Stellen eine enge Vermischung von Zellen, die jenen der Carotisdrüse vollkommen analog sind, mit nervösen Elementen, die hier schon von allem Anfang an vorhanden ist. Ich will wieder die Verhältnisse beim 17 mm langen Embryo zum Ausgangspunkt meiner Darstellung machen. ') In den älteren Auflagen des Stöhrschen Lehrbuches der Histo- logie werden sie als den Plasmazellen ähnliche Bindegewebszellen bezeichnet. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 323 Am Ende des Halses, in der Querschnittshöhe des 6. Spinal- ganglienpaares trifft man innerhalb eines kleinen Nervenstämmchens, welches vom Grenzstrang über den dorsalen Umfang der Carotis communis hinüber zum N. laryngeus recurrens zieht, auf eine kleine Gruppe großer, blaßgefärbter, ovaler Zellen, umgeben von einem ' Kranze kleinerer, dunklerer. Die Gruppe ist nur von geringer Aus- dehnung und verschwindet nach wenigen Schnitten wieder. Doch schon in der Höhe des 7. Halswirbels taucht abermals ein Kom- plex von Zellen auf, die gleich den eben beschriebenen, unbe- denklich als ‚chromaffin‘‘ zu bezeichnen sind, diesmal größer als der frühere und nicht medial, sondern lateral von der Carotis communis, zwischen ihr und dem Grenzstrange gelegen. Be- sonders auf der rechten Seite ist diese Zellmasse sehr beträchtlich und erstreckt sich nach abwärts bis an die Herzbasis. Sie ist größer als die Carotisdrüse und stellt einen wohlumgrenzten ‚„chromaffinen Körper‘ nach der Nomenklatur Kohns dar, dessen Elemente bereits durchwegs von typischem Aussehen sind. Man könnte ihn als Paraganglion caroticum inferius bezeichnen. Auch bei den Embryonen von 16 und 15 mm Länge sind an den gleichen Oertlich- keiten die gleichen Gebilde vorhanden; nur fehlen darin vorerst — sowie in der eigentlichen Carotisdrüse — die ausgebildeten chromaffi- nen Zellen, mit ihrem charakteristischen zarten Plasmagerüste. Im- merhin zeigen nicht alle Elemente die gleiche Größe und Farbe, so daß man zur Annahme berechtigt ist, sie stünden eben im Begriffe, aus der kleineren Jugendform in die größere des späteren Zustandes überzugehen. Von den sympathischen Ganglienzellen sind sie in diesem Stadium kaum zu unterscheiden. Bei Embryonen bis zu 15 mm Länge lassen sich zwischen den Neurocyten des Sympathicus keine wesentlichen Unterschiede nachweisen. Allmählich aber treten innerhalb der Ganglien zwei Zelltypen, auf welche bereits Kohn aufmerksam gemacht hat, immer schärfer hervor. Es sind einerseits kleine Zellen mit chromatimreichem Kerne und schmalem Zell- körper, andererseits große Zellen, die sich immer mehr dem typischen Aussehen fertiger Ganglienzellen nähern (Fig. 6). Die Entwicklung dieser beiden Zelltypen beim Menschen wurde von Streeter beschrieben. Die ersteren, welche sich zu den künftigen Kapselzellen ausbilden, nehmen im allgemeinen das Zentrum, die letzteren die Oberfläche der Ganglien ein. Zwischen den beiden Arten von Zellen finden sich aber auch später noch solche von primärem, indifferentem 324 Hans'Rab!: Aussehen. Ihnen gleichen die Phaeochromoblasten. Wie die Gan- glienzellen liegen sie in den geschilderten Fällen ausnahmslos zwischen Nervenfasern, deren Zusammenhang mit dem Grenzstrange leicht festzustellen ist. In der Mitte der chromaffinen Körper aber sind die Zellen meistens so dicht zusammengedrängt, daß hier die Nerven- fasern bei der gewöhnlichen Färbung mit Hämatoxylin und Eosin durch sie vollkommen verdeckt werden und es den Anschein hat, als ob ein derartiger Körper eine vollkommene Unterbrechung des Nervs darstellen würde. Er gleicht an solchen Stellen hinsicht- lich seiner feineren Sträktur vollkommen jenem mächtigen Para- ganglion, das ventral von der Bauchaorta zwischen den Zwischen- nieren gelagert ist. Außer im Verlaufe sympathischer Nerven fand ich chromaffine Zellen auch in sympathischen Ganglien; allerdings nicht bei den bisher besprochenen jungen Stadien, sondern erst bei älteren Embryo- nen, da sich ja nur die vollkommen ausgebildete chromaffine Zelle mit Sicherheit von einer jugendlichen Ganglienzelle unterscheiden läßt. Fig. 6 zeigt eine Gruppe derartiger Zellen aus dem Ganglion cervicale supremum eines 30 mm langen Fetus. Analoge Komplexe wurden auch im folgenden Ganglion des Grenzstranges bei älteren Embryonen regelmäßig angetroffen. Diese Beobachtungen bilden eine Bestätigung der Angaben von Kose und Kohn über das weitverbreitete Vorkommen von chromaffinem Gewebe im Sympathicus. Kose faßte das Ergebnis seiner Untersuchungen über die Beziehung der chromaffinen Zellen zum Sympathicus in folgende Worte zusammen: „Sie kommen in allen seinen Abschnitten, am Halse, in der Brust und im Bauche, sowohl im Grenzstrang, als auch in seinen übrigen Verzweigungen, in Ganglienknoten und Nerven unregelmäßig zerstreut vor.‘“ Und Kohn äußerte sich ebenso: ‚Kleinere und größere chromaffine Körper (Paraganglien) und Einlagerungen finden sich im ganzen Grenzstrang und an den perpheren, insbesonders an den abdominalen Geflechten.‘“ Auch andere Forscher haben bereits chromaffine Zellen an der Herzbasis beobachtet: Wiesel und Busacchi beschrieben sie beim Menschen, Trinci bei Säugetieren und Rep- tilien. Für mich war jene Feststellung deshalb von besonderem In- teresse, weil sie mich nicht nur die Richtigkeit der erwähnten, in der Literatur vorliegenden Angaben lehrte, sondern auch nötigte, aus der absoluten morphologischen Identität der chromaffinen Zellen Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 325 des Sympathicus mit den Zellen der Carotisdrüse auf ihre gleiche Herkunft zu schließen. Nun erfolgt aber die Entwicklung des chrom- affinen Gewebes an den genannten Oertlichkeiten in so inniger topischer Beziehung zu den jungen Sympathicuszellen, daß man darin geradezu einen Beweis für ihre gemeinsame Herkunft erblicken möchte. In der Tat gründet sich auch die herrschende Lehre von der ektoblastischen Natur der chromaffinen Zellen, zu der ich selbst in meiner Erstlingsarbeit einen Beitrag lieferte!), vor allem auf diese innige Zusammenlagerung der beiden Zellarten. Es mußte daher das Verhältnis der Carotisdrüse zum Sympathicus noch weiter unter- sucht werden, um eventuell doch jenen Weg aufzuspüren, auf dem Zellen der gemeinsamen Anlage an die ventrale Seite der Carotis interna gelangt sein konnten. Bevor ich auf die Ergebnisse meiner diesbezüglichen Unter- suchungen eingehe, muß ich vorausschicken, daß sich im Hinblick auf die Topographie von Drüse und sympathischem Ganglion im Laufe der Entwicklung vier Perioden unterscheiden lassen. In der ersten werden die beiden Organe durch Bindegewebe, Blutgefäße und vor allem durch das Ganglion nodosum vagi getrennt. Dieses Verhalten beobachtet man bei Embryonen bis zu 22 mm Länge. In der zweiten Periode hat die Drüse das Ganglion erreicht und liegt ihm unmittelbar an (Fig. 6); in der dritten, welche von den Embryo- nen von 50 und 68 mm Länge (s. die Tabelle S. 211 der vorstehenden Arbeit) repräsentiert wird, besitzt das Ganglion am Querschnitt eine birnförmige Gestalt und erscheint dorsalwärts gerückt, während die Drüse nunmehr ihre Lage bewahrt. Zwischen ihr und dem Ganglion breitet sich ein zellarmes, lockeres Bindegewebe aus, das von zahlreichen Nervenstämmchen durchkreuzt wird. Nur das bald dünn auslaufende, bald knopfartig verdickte ventrale Ende des Ganglion liegt annähernd in derselben Frontalebene wie die Drüse. In der vierten Periode endlich, welcher der 85 mm langen Embryo angehört, liegt das ganze Ganglion lateral von ihr. Daß zur Zeit, in der sich beim Meerschweinchen die ersten chromaffinen Zellen in Kontakt mit der Wand der Carotis interna differenzieren, keine direkte Nervenleitung vom sympathischen Ganglion zur Drüse nachweisbar ist, habe ich bereits früher hervor- !) Die Entwicklung und Struktur der Nebennieren bei den Vögeln, dieses Archiv, 38. Bd. 326 BlrasnıseaRranbile gehoben. Das Gleiche gilt auch für die älteren Embryonen aus der ersten Periode. Die einzige Ausnahme wurde bei einem 19 mm langen Embryo beobachtet, bei welchem aus der ventralen Spitze des sympathischen Ganglions der rechten Seite ein nur 5 u dicker Nerv entsprang, der in die kraniale Spitze der Carotisdrüse eindrang. Er war von zarten Zellen mit langen schmalen Kernen — anscheinend jungen Scheidenzellen — begleitet, die keinerlei Aehnlichkeit mit jungen chromaffinen Zellen darboten. — Schon in dieser Periode liegt die Drüse innerhalb eines engen Nerven- geflechtes. Doch besitzt dasselbe, wie die Untersuchung älterer Stadien lehrt, zum größten Teile nur eine vorübergehende, rein topische Beziehung zu ihr. Vor allem ist es der N. glossopharyn- geus mit seinen Schlundästen, ferner der N. vagus mit mehreren Zweigen, welche den Drüsenzellen innig angelagert sind. Was das nähere Verhalten des ersteren anbelangt, so ist darüber folgendes zu sagen: Nachdem sich der Glossopharyngeus vom Vagus getrennt hat, verläuft er in ventro-medialer Richtung kaudalwärts und gelangt dadurch allmählich ventral vor die Carotis interna. Diese ist bei Embryonen von 15—16 mm Länge in jener Region noch von ansehn- licher Stärke, erscheint aber bei Embryonen von 17—19 mm Länge bereits als enges Röhrchen und ist in noch älteren Stadien rostral von der Glandula carotica nur mehr ein kurzes Stück weit an der ventralen Kante des sympathischen Ganglion als unscheinbares Gefäß zu verfolgen. Bei den Embryonen der dritten und vierten Periode hat sich die Carotis interna sogar im Bereiche des Ganglion zurückgebildet. Das arterielle Gefäß, mit welchem das Paraganglion von nun an verknüpft ist, ist nicht die Carotis interna selbst, sondern ein ehemaliger Ast derselben, welcher sich nunmehr als Ast der A. oceipitalis darstellt (vgl. Textfig. 22 der vorstehenden Arbeit) !). Diese Befunde stehen in Uebereinstimmung mit jenen Tandlers, wonach die Carotis interna beim erwachsenen Meerschweinchen zum größten Teile zurückgebildet ist ?). An der Stelle, an welcher der Glossopharyngeus die Carotis interna Kreuzt, teilt er sich in den Ramus lingualis, welcher die Ver- !) Nur in einem einzigen Falle war die Carotis interna eine Strecke weit zu verfolgen (l. c. S. 286). ?) „Nur ein Teil, der an den Circulus arteriosus anschließt, resp. als Bestandteil in denselben aufgenommen ist, also bis zum Abgange der A. ophthalmica, ist gut entwickelt“ (Tandler S. 65). Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 327 laufsrichtung des Hauptstammes beibehält, und in I—3 Rami pharyngei, die zunächst kaudalwärts ziehen und hierauf medial- wärts gegen den Schlund abbiegen. Im ersten Teile ihres Verlaufes liegen sie nebeneinander; in der Folge aber werden sie durch das Paraganglion auseinander gedrängt, so daß sowohl an der ventro- lateralen wie an der ventro-medialen Ecke desselben je ein Nerv zu liegen kommt (Fig. 3, 4). Die Stelle, an der sie medialwärts abbiegen, liegt nahe dem hinteren Pole der Drüse. Von dort ziehen sie einer- seits in transversaler, andrerseits in dorso-medialer Richtung ihrem Ziele zu und verschwinden schließlich zwischen den dichtgelagerten Zellen der Schlundwand. Ueberdies verlaufen in dieser Region noch Fasern, welche, aus dem Spalt zwischen Carotis interna und Ganglion nodosum hervortretend, den medialen Umfang dieser Arterie bogen- förmig umgreifen und sich gleichfalls dem Schlunde zuzuwenden scheinen. Ihre Herkunft konnte ich leider nicht feststellen, da jener Spalt so eng ist, und die ihn durchziehenden Fasern daher so stark zusammengeschoben werden, daß sie sich einzeln nicht verfolgen lassen. Wie um die dorso-mediale Seite schlingt sich ein gleiches, nur etwas dünneres Faserbündel auch um die dorso-laterale Seite der Carotis. Sein näheres Verhalten mußte gleichfalls im Dunkel ge- lassen werden. Unter den von der medialen Seite der Drüse dem Schlunde zu- strebenden Nerven ist einer durch seine Länge und seinen geraden Verlauf ausgezeichnet. Er zieht neben dem Vagusganglion dorsal- wärts und biegt erst gegen den Schlund ab, nachdem er das sympa- thische Ganglion erreicht hat. Es dürften somit ‚seine Fasern vor allem für die Mitte der dorsalen Schlundwand bestimmt sein. Ein Stück von ihm ist in Fig. 3 bei * abgebildet. Es ist offenbar der- selbe Nerv, auf den bereits Paltauf aufmerksam gemacht hat. An der Stelle, wo er am sympathischen Ganglion vorbeizieht, hat es den Anschein, als ob er Fasern an dasselbe abgeben bzw. aus dem- selben aufnehmen würde. Doch ließen sich mangels einer spezifi- schen Färbung die näheren Beziehungen der Nervenfasern zu den Ganglienzellen nicht weiter feststellen. Jedenfalls halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß dieser Nerv in jenem Abschnitt seines Ver- laufes, welcher von der Carotisdrüse zum sympathischen Ganglion reicht, nicht ausschließlich aus zerebralen Fasern für den Schlund besteht, sondern auch sympathische führt, die in umgekehrter Richtung vom Ganglion ventralwärts ziehen. wo DD 0.) KHiramısaksanbil: Dürfen wir die chromaffinen Zellen der Carotisdrüse nach wie vor als Abkömmlinge der Sympathogonien, um mit Poll zu sprechen, auffassen, so scheint es mir demnach am wahrscheinlich- sten, daß jener Nerv als Leitgebilde für die vom sympathischen Ganglion vorrückenden Phäochromoblasten dient. Natürlich läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß sie auch unabhängig von ihm in diffuser Verbreitung durch das lockere Bindegewebe ventral vom Ganglion an die Carotis interna heranwachsen. Doch sind beide Annahmen rein hypothetischer Natur und durch keiner- lei Beobachtung gestützt. Denn so wenig man in jenem Binde- gewebe Zellen von besonderer Art unterscheiden kann, so wenig begegnet man auch an der Oberfläche des fraglichen Nervs Zellen von besonderem Aussehen. Ob dies nur ein Mangel der Methode — wie immerhin möglich — ist, oder auf den tatsächlichen Verhält- nissen beruht, können nur weitere Untersuchungen aufklären. Schließlich wäre bei dieser Gelegenheit noch eine letzte Möglich- keit hinsichtlich der Herkunft der chromaffinen Zellen zu erörtern. Da sich in der Anlage der Carotisdrüse wohl zerebrale, nicht aber sympathische Fasern in einer jeden Zweifel ausschließenden Form nachweisen lassen, könnte nämlich die Frage aufgeworfen werden, ob es sich in den spezifischen Zellen jenes Organes nicht etwa um einen neuen Zelltypus, um chromaffine Zellen zerebraler Herkunft, handle. Zugunsten dieser Vermutung ließe sich die Tatsache verwerten, dab die Zellen der Carotisdrüse gegenüber der Behandlung mit chrom- hältigen Lösungen nicht in gleicher Weise wie jene anderer Paragang- lien reagieren, indem sie sich im allgemeinen schwächer als diese färben. Dies gilt nach den Erfahrungen Kohns besonders für die Carotisdrüse der Maus, der Ratte und des Meerschweinchens. Pende und Tarozzit!) berichten dasselbe für die Carotisdrüse des Men- schen. Doch läßt sich dreierlei dagegen einwenden: erstens, daß die Carotisdrüsenzellen hinsichtlich ihrer Struktur durchaus mit den chromaffinen Zellen aller übrigen Regionen übereinstimmen, anderer- seits aber unter den letzteren gleichfalls Verschiedenheiten im Grade ihrer Bräunung vorkommen, zweitens daß Zellen vom Aussehen der Carotisdrüsenzellen bisher nur als Begleiter sympathischer Ganglien- zellen beobachtet wurden und drittens, daß man an den Zweigen des Glossopharyngeus und Vagus zwar zahlreiche Ganglienzellen, 1) Zitiert nach Busarcchirik e.) Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 329 niemals aber noch chromaffine Zellen beobachtete. Dieses letzte Argument bildet jedenfalls den schwerwiegendsten Einwurf gegen jene Hypothese, die so wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß sie noch von keinem Forscher ausgesprochen wurde und die ich nur diskutiere, um keine Seite des Problems außer acht zu lassen. Könnte man aber analoge Zellen wie in der Carotisdrüse auch an anderen Aesten des Glossopharyngeus oder Vagus beobachten, so würde ich keinen Augenblick Bedenken tragen, auch die Drüsenzellen in genetischen Zusammenhang mit den Ganglien dieser beiden Nerven zu bringen, weil dadurch mit einem Schlage alle Bilder ihrer Entwicklung eine befriedigende Erklärung fänden. Ich habe daher die Ganglienzellen, welche die Verästelung des Glosso- pharyngeus in der Zunge begleiten, und jene, welche am Ursprung der Vagusäste aus dem Plexus nodosus angehäuft sind, einer ge- nauen Untersuchung unterzogen, aber keine andersartigen Zellen darunter angetroffen. Sie sind alle von gleichem Aussehen, von Anfang an durch ihren großen Kern charakterisiert und zeigen in keinem Stadium ihrer Entwicklung eine Aehnlichkeit mit den jugend- lichen chromaffinen Zellen, wie dies bezüglich der Zellen in den sympathischen Ganglien ohne weiteres zugegeben werden muß. In der zweiten Periode unterscheidet sich das Paraganglion intercaroticum hinsichtlich der Anordnung seiner Nerven nur wenig von der ersten. Leider schließt meine Erfahrung darüber bei einem Embryo von 30 mm Länge ab. Bei diesem findet man noch, wie bei den jüngeren Embryonen, sowohl die Fasern des Glossopharyngeus wie des Vagus in unmittelbarer Berührung mit seiner Oberfläche, teilweise sie auch durchsetzend. Immerhin hat sich die Lage der Drüse zu diesen Nerven etwas verschoben. Bezüglich des Glosso- pharyngeus läßt sich schon bei der vergleichenden Untersuchung der Embryonen aus der ersten Periode feststellen, daß der Abstand der Drüse von seiner Teilungsstelle in den Zungenast und die Schlund- äste immer mehr wächst. Dieser Prozeß nimmt in der zweiten Periode seinen Fortgang und führt schließlich dazu, daß der Nerv in der dritten Periode jeden Kontakt mit der Drüse verliert. Zum Beweise seien folgende Zahlen mitgeteilt: Bei dem Embryo von 17 mm Länge beträgt die Entfernung der rostralen Spitze der Drüse von der Tei- lungsstelle des Nervs 80 u, bei einem Embryo von 19 mm 120, bei einem Embryo von 20 mm 160, bei einemEmbryo von 21 mm ca. 180, bei einem solchen von 22 mm 180—190 und bei zwei Embryonen 330 Hans Rabl: von 23 und 25 mm je 210—240 u. In den letzteren Fällen war jene Distanz deshalb nicht genau festzustellen, weil der Glossopharyngeus beim weiteren Wachstum in der Gegend seiner Teilung immer mehr in die transversale Richtung umbiegt und daher an Querschnitten immer schräger getroffen wird. Daher ergibt hier die Berechnung der Größe jener Strecke durch Zählung der zwischen ihren Endpunkten gelegenen Schnitte nur ein annäherndes Resultat. Die Teilungsstelle befindet sich hier nicht wie früher ventral von der Carotis interna, bzw. jenem kleinen Gefäße, welches in den späteren Stadien als Fortsetzung dieser Arterie betrachtet werden muß, sondern lateral. Sie liegt demnach relativ näher rostral als in der ersten Periode. Die Drüse wird wie dort von den Rr. pharyngei umschlossen, die weiter- hin in mehrere Aeste geteilt, dem Schlunde zustreben. Was den Vagus anbelangt, so bietet das Paraganglion inter- caroticum in der zweiten Periode dadurch etwas andere Verhältnisse dar, daß es im Verlaufe derselben dem Bereiche des Ganglion nodosum entrückt wird. Auch diese Verschiebung wird natürlich schon in der ersten Periode eingeleitet. Während nämlich die Drüse bei Embryonen von 17—19 mm ihrer ganzen Länge nach dorsalwärts vom Ganglion nodosum, dessen kaudale Spitze bis zur Gabelung der Carotis communis hinabreicht, bedeckt erscheint, weist sie in den folgenden Stadien, bei Embryonen von 20 bis 25 mm, diese Lage nur mehr in ihrer kranialen Hälfte auf. Von einer Länge der Em- bryonen von 27 mm an aber endigt das Ganglion bereits ein beträcht- liches Stück kranial von ihr. Es zeigt somit eine relative Verschie- bung in rostraler Richtung. Gleichzeitig rückt es auch dorsalwärts, so daß sich seine Entfernung von der Drüse immer mehr vergrößert. Um so enger gestaltet sich dagegen in diesem Stadium ihre Be- ziehung zum Ganglion cervicale supremum. Würde man bei Unter- suchung der Entwicklung der Carotisdrüse erst von diesem Stadium ausgehen, so könnte kein Zweifel über die Herkunft ihrer Zellen auftauchen; doch läßt sich Schritt für Schritt verfolgen, daß sie jene Beziehung erst allmählich gewinnt. Ursprünglich weit ventral vom sympathischen Ganglion gelegen, gelangt unser Organ mit der Carotis interna an die laterale Seite des sympathischen Ganglion und lagert sich ihm schließlich unmittelbar an. Nur der N. laryngeus superior, der bekanntlich aus dem kaudalen Ende des Ganglion nodosum hervorgeht und sich zwischen Carotis interna und sym- pathischem Ganglion durchzwängen muß, um in sein Verbreitungs- Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 331 gebiet zu gelangen, unterbricht an einer Reihe von Schnitten den Kontakt der beiden Gebilde. Leider ist jener Engpaß so schmal, daß man über den Verlauf der Fasern dieses Nervs innerhalb desselben ebensowenig eine klare Vorstellung gewinnen kann, wie dies in der ersten Periode hinsichtlich jener Nerven der Fall ist, die im schmalen Raume zwischen Arterien- wand und Ganglion nodosum verlaufen. Wie dort, konnte ich auch hier ein bogenförmiges Bündel beobachten, das an der medialen Seite der Arterienwand entlang zog und sich mit dem medial von der Drüse verlaufenden Schlundaste des Glossopharyngeus zu ver- einigen schien. Ich glaube darin einen Ramus communicans des Vagus zum Glossopharyngeus erblicken zu dürfen. Ob dieser aber vom Laryngeus superior oder vom N. pharyngeus vagi oder etwa unabhängig von beiden vom Ganglion nodosum abzweigt, vermag ich nicht zu entscheiden. Er wird stets von einem Komplex chrom- affiner Zellen begleitet. Dieser zeigt an Querschnitten eine charak- teristische keilförmige Gestalt (Fig. 6), indem er nach oben spitz ausläuft, nach unten aber sich verbreitert. — Ein gleiches, nur dünneres Faserbündel wie das beschriebene, findet sich, wie früher, auch an der dorso-lateralen Seite der Arterie. Auffallenderweise trifft man aber in diesem zu keiner Zeit der Entwicklung der Carotis- drüse chromaffine Zellen. Die Beziehung dieser letzteren zum sympathischen Ganglion besteht übrigens in dieser Periode nicht bloß in der unmittelbaren Anlagerung, wie Fig. 6 zeigt, sondern auch darin, daß nunmehr Ganglienzellen in die Drüse hineinwachsen. Ich sehe dies zuerst bei einem Embryo von 27 mm Länge. Es geschieht von der ventro- lateralen Ecke des Ganglion aus. Ob außerdem auch noch Fasern aus der lateralen Seite des Ganglion direkt in die Drüse eindringen, läßt sich zwar nicht mit Sicherheit ausschließen, ist aber angesichts der glatten Oberfläche, die das Ganglion der Drüse zukehrt, wenig wahrscheinlich. Dagegen treten aus der ventralen und medialen Fläche des Ganglion 3—5 Nerven heraus, welche gegen den Schlund verlaufend, sich am Aufbau des Plexus pharyngeus beteiligen. Außerdem verlassen feinste Nerven das sympathische Ganglion auch außerhalb des Bereiches der Drüse an verschiedenen Stellen, und ziehen nach der Carotis zu, in deren Wand sie verschwinden. Es ist möglich, daß auch sie sich in ihrem weiteren Verlaufe der Drüse zu- wenden, und somit in diesem Stadium eine wesentlich reichlichere Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 22 332 Hanms’Rabl!: Verbindung zwischen ihr und dem sympathischen Ganglion her- stellen, als früher bestanden hatte. Bezüglich des zwischen der medialen Seite der Drüse und der medialen Seite des Ganglions verlaufenden Nervs, der mir als Ver- bindung der beiden Organe in der ersten Periode von besonderer Bedeutung erschien, bestehen jetzt wesentlich andere Verhältnisse, so daß es unmöglich ist, diese auf die früheren mit Bestimmtheit zurückzuführen. Offenbar tragen die Wachstumsverschiebungen, welche beide Organe, wenn auch nur in geringem Grade, erfahren haben, die Schuld, daß jener Nerv nicht mehr die gleiche Lage wie früher einnimmt. Der älteste Embryo, der ihn noch annähernd in der früher beschriebenen Gestalt zeigte, besaß eine größte Länge von 21 mm. Bei dem folgenden Embryonen bin ich in Verlegenheit, ihn mit Sicherheit zu bestimmen, so daß ich von seiner Beschreibung in diesen Stadien absehen möchte. Möglicherweise wird er später an jener Stelle, wo er an dem sympathischen Ganglion vorbeizieht, infolge Verbreiterung des letzteren allmählich davon umwachsen. Denn er scheint dann darin sein Ende zu finden, während aus dem Ganglion ein selbständiger Nerv an den Schlund herantritt. Ich wende mich jetzt zur Darstellung des Verhaltens der Drüse und ihrer Nerven bei den Embryonen der 3. Periode. Da sie in Alter und Größe weit auseinanderliegen, müssen sie einzeln beschrieben werden. Beim 50 mm langen Embryo ist die Carotis interna — wie be- reits angegeben wurde — in Rückbildung begriffen. Ihr Ursprung fällt mit jenem der A. occipitalis zusammen. An dieser Stelle ist sie im vorliegenden Falle sehr stark kontrahiert, so daß ihre Lichtung fast verschlossen und ihre Wand von beträchtlicher Dicke erscheint. Unmittelbar nach ihrem Ursprunge teilt sie sich in zwei Gefäße, von welchen ich das feinere, nach außen ziehende für den Rest des Hauptstammes halte. Mit dem anderen, medialen Gefäße ist die Carotisdrüse verbunden. Ihre topische Beziehung zu demselben ist fast die gleiche wie früher gegenüber der C. interna, nur breitet sich ihr größerer Anteil nunmehr ventro-lateral von dieser Arterie aus, während er früher ventro-medial von der C. interna lag. Die Drüse besitzt in kranio-kaudaler Richtung eine Ausdehnung von 380 u und endigt 60 u rostral vom Ursprunge der Carotis interna. Ihre Zellen haben wenig Farbe angenommen; sie grenzen sich un- scharf voneinander ab, besitzen einen ovalen Kern mit zartem Ge- Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 3393 rüst und liegen in Ballen beisammen, zwischen denen sich kern- reiches Bindegewebe und Blutkapillaren ausbreiten. Außer an ihrer dorsalen Seite wird sie ringsum von Nerven umgeben, die größten- teils dem Vagus angehören. Der Glossopharyngeus erscheint mit dem sympathischen Gang- lion durch einen dünnen Faden verbunden, der vom Hauptstamme medialwärts abzweigt, die ventrale Seite der Carotis interna kreuzt und sich schließlich ins Ganglion einsenkt. Die Drüse selbst wird von ihm nicht berührt. Vom Vagus kommen wieder wie früher zwei Nerven in Betracht, welche in der Nähe der Drüse verlaufen und Fä- den zum Plexus abgeben, der sie umspinnt: der Laryngeus superior und der Pharyngeus. Der dickste unter diesen Fäden schiebt sich zwischen Arterie und Drüse hindurch und entspricht somit jenem Nerv, den ich bei jüngeren Embryonen in bogenförmigem Verlaufe an der lateralen Seite der Drüse beobachtet hatte. Der Sympathicus entsendet kranial von ihr einen Ast in ventro-kaudaler Richtung, welcher weiter zur Carotis externa zieht, aber lateralwärts ein Faser- bündel abgibt, das unter der Carotis interna verläuft und schließ- lich zwischen den Zellen der Drüse verschwindet. Ein anderer feiner Nerv löst sich vom ventralen Ende des Ganglion ab, welches an die- ser Stelle der Carotisdrüse sehr nahe liegt und zieht in gerader Rich- tung zu ihr hinüber. Einen Schnitt durch das Paraganglion des 68 mm langen Embryo zeigt Fig. 7. Die chromaffinen Zellen sind zu Ballen und Strängen vereinigt, die miteinander zusammenhängen. Zwischen ihnen liegt wie früher viel zellreiches Bindegewebe mit Gefäßen. An der Ober- fläche des Paraganglion breitet sich ein engmaschiger Venenplexus aus. In den Drüsenzellen kann man bei starker Vergrößerung eine sehr feine Granulierung wahrnehmen. Die Wand der Arterie, wel- cher die Drüse anliegt, zeigt keine größere Dicke, als ihrer Weite entspricht und befindet sich im erschlafften Zustand. Dagegen erscheinen die kleinen Arterien, welche im Hilus der Drüse liegen und durch jene gespeist werden, stark kontrahiert und ihre Media daher mindestens ebenso dick als die ihres Muttergefäßes. — Die Natur der Nerven ist in diesem Falle nur schwer zu bestimmen, da die aus dem Vagusganglion, das dorsal vom sympathischen ge- legen ist, herabziehenden Nerven sich so eng den aus dem letzteren entspringenden anschmiegen, daß man die dadurch gebildeten Pakete nicht mit Sicherheit entwirren kann. Immerhin hat es den An- 22* 334 Hans Rabl: schein, als ob auch hier die beiden der Drüse zunächst liegenden großen Nerven vom Vagus stammten; der eine davon ist in Fig. 7 abgebildet (*). Er liegt der medialen Seite von Drüse und Carotis interna unmittelbar an, der andere verläuft zwischen Drüse und Arterie. Sie scheinen wieder Aeste des N. laryngeus superior zu sein. An der Außenseite des Paraganglion liegt der Hypoglossus. Der Glossopharyngeus verläuft weit rostral vor dieser Region. Ueber die Beziehungen zum Sympathicus vermag ich aus dem an- gegebenen Grunde nichts Genaues auszusagen. Die Carotisdrüse der vierten Periode zeigt in ihrem histologi- schen Verhalten gegenüber dem Embryo von 68 mm Länge keine Veränderung. Dagegen liegen die beiden Ganglien hier wieder etwas anders als dort, indem das Ganglion nodosum seine dorsale Lage unmittelbar ventral vom ersten Wirbel beibehalten hat, das sym- pathische Ganglion aber wieder ventralwärts herabgerückt ist und nun — wie bereits erwähnt — neben der Drüse lagert. So kann man nicht fehlgehen, wenn man alle von der dorsalen Seite auf das Para- ganglion zustrebenden Nerven als Zweige des Vagus betrachtet, indessen man in jenen, welche von der lateralen Seite kommen, solche des Sympathicus erblickt. Was die ersteren betrifft, so ist ihre Zahl eine sehr beträchtliche; die einen umziehen die laterale, andere die mediale Seite der Drüse, feine Fäden senken sich auch direkt in ihre dorsale Fläche ein. Vom Sympathicus zweigt Kaudal von der Drüse ein starker Ast ab, welcher sich ventral vom Wurzel- stück der A. oceipitalis, in dem wir den Anfangsteil der weiterhin obliterierten A. carotis interna erblicken müssen, in ein reiches Fa- serwerk auflöst, das zur Bildung des Plexus caroticus bestimmt sein dürfte, zum Teil aber auch von der. kaudalen Seite in die Drüse eintritt. Ich bin damit am Ende meiner Darstellung der Entwicklung des Paraganglion intercaroticum angelangt und glaube aus meinen Serien in Bezug auf die Frage nach seiner Herkunft soviel heraus- geholt zu haben, als bei genauer, kritischer Untersuchung mög- lich war. Trotzdem ist das Ergebnis ein sehr unbefriedigendes. Ich habe daher lange gezaudert, die vorliegende Arbeit, welche größtenteils schon im Jahre 1916 vollendet war, zu veröffentlichen. Daß ich mich schließlich doch dazu entschloß, hat seinen hauptsächlichsten Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 335 Grund darin, weil auch hinsichtlich der Frage nach der Natur der Marksubstanz der Nebennieren immer wieder die Behauptung auf- taucht, daß sie sich aus dem Mesoderm differenziere, Ich verweise in dieser Hinsicht auf die Arbeiten von Goormaghtigh, wel- cher die Entwicklung der Nebennieren bei den Vögeln (Huhn) und Säugetieren (Maus) untersuchte, und von Bruni, der diese zuerst an Froschlarven, später an Embryonen von Gongylus, vom Huhn und von der Ratte studierte. Ich muß gestehen, daß ich ohne Kennt- nis der Entwicklung der Carotisdrüse des Meerschweinchens nicht gezweifelt hätte, daß jene Autoren auf Irrwegen wandeln. Doch die im vorstehenden beschriebenen Beobachtungen mahnen zur Zurückhaltung im Urteil. Ich will ihnen zwar angesichts der zahl- reichen Einzeluntersuchungen, die über die Entwicklung des chrom- affinen Systems vorliegen, keine entscheidende Bedeutung beimessen, glaube aber immerhin, daß sie zu weiteren Nachforschungen an an- deren Tieren auffordern. Vielleicht ist gerade die Carotisdrüse, deren Zugehörigkeit zum chromaffinen System außer jedem Zweifel steht, berufen, in der Frage nach der Herkunft desselben eine wichtige Rolle zu spielen. Zum Schluß seien die hauptsächlichsten Ergebnisse der vor- liegenden Arbeit kurz zusammengefaßt. l. Die erste Anlage der Carotisdrüse des Meerschweinchens erscheint bei Embryonen von 12 mm als eine Anhäufung von Zellen an der ventralen, medialen und lateralen Seite der Carotis interna. 2. Diese Zellen lassen sich. zunächst von den sie umlagernden und zwischen ihnen eingestreuten Mesodermzellen nicht unter- scheiden. Erst bei fortschreitendem Wachstume des Embryo ge- winnen sie allmählich den Charakter der chromaffinen Zellen. 3. Das sympathische Ganglion liegt anfangs dorsal von der Drüsenanlage und wird von ihr durch den medialen Anteil des Gan- glion nodosum vagi, durch Blutgefäße und Bindegewebe geschieden. Innerhalb des letzteren lassen sich weder vor, noch zu der Zeit, in der die ersten Zellstränge der Drüse auftauchen, irgendwelche Ge- bilde auffinden, die als Phäochromoblasten zu deuten wären. 4. Erst bei Embryonen, die eine Länge von 20 mm überschritten haben, liegen sympathisches Ganglion und Drüse eng aneinander und erst. dann erscheinen einerseits Ganglienzellen in der Drüse, und Drüsenzellen im Ganglion, so daß man eher an einen sekundären 336 Hanısb Ra bil: Austausch von Zellen als an einen primären Zusammenhang der beiden Organe denken möchte. 5. Ebenso ist die Verbindung des sympathischen Ganglion und der Drüse mittels Nerven anfangs nur eine spärliche. In der ersten Periode der Entwicklung der Drüse sind es vor allem Fäden des N. glossopharyngeus, welche an ihrer Oberfläche verlaufen, später werden diese von Aesten des N. vagus abgelöst und auch die Zahl der sie umspinnenden Sympathicusfasern nimmt zu. Doch konnte kein Präparat gefunden werden, das die am nächsten liegende An- nahme beweisen würde, daß diese Nerven als Leitgebilde fungieren, denen entlang die Phäochromoblasten an die Stelle, wo später die Drüse sichtbar wird, herabwachsen. Angeführte Arbeiten. 1. Bruni, A, C., Sullo sviluppo delle formazioni chromaffini in Rana esculenta Linn. Anat. Anz. 42. Bd. 2. Derselbe, Appunti sullo sviluppo del sistema nervoso simpatico negli Amnioti. Arch. Sc. Med. Vol. IX Nr. 9, 1916. 3. Busacchi,P., I corpi cromaffini del cuore umano. Arch. italiano d’anatomia e d’embriologia Vol. IX. 4. Eberth, C. J., Ueber die Blut- und Lymphgefäße des Gehirnes und Rückenmarkes. Virchows Archiv, 49. Bd. 1870. 5. Fusari, R., Contributo allo studio delle formazioni paratircidee nell’ embrione umano. Giornale della R. Accademia di Medicina di Torino, Vol. V., 1899. 6. Goormaghtigh, N., Organogenese et histogenese de la capsule surrenale et du plexus coeliaque (Chez les Oiseaux et chez les Mammi- feres). Annales et Bulletin de la Societ€e de Medecine de Gand, Vol. V, 1914. 7. Jakoby, M., Ueber die Entwicklung der Nebendrüsen der Schild- drüse und der Carotisdrüse. Anat. Anzeiger, 12. Bd. 1896. 8. Kastschenko, N., Das Schicksal der embryonalen Schlund- spalten bei Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat., 30. Bd. 1887. 9. Kohn, A., Ueber den Bau und die Entwicklung der sog. Carotis- drüse. Arch. f. mikr. Anat. u. Entw.-Gesch., 56. Bd. 1900. Hier findet man sowohl die histologische wie embryologische Literatur über die Carotisdrüse sehr sorgfältig zusammengestellt. 10. Derselbe, Chromaffine Zellen; chromaffine Organe; Paraganglien. Prager med. Wochenschrift, 27. Jahrg. 1902. ll. Derselbe, Das chromaffine Gewebe. Ergebnisse d. Anat. u. Entw.- Gesch., 12. Bd. 1902. 13. 14. 15. 22. 21. 28. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 337 Derselbe, Die Paraganglien. Arch. f. mikr. Anat. u. Entw.-Gesch., 62. Bd. 1903. Kose, W., Ueber das Vorkommen ‚‚chromaffiner‘“ Zellen im Sym- pathicus des Menschen und der Säugetiere. Sitz.-Ber. d. deutsch. naturwiss. Vereines f. Böhmen ‚Lotos‘‘ 1898. Luschka, H., Ueber die drüsenartige Natur des sog. Ganglion intercaroticum. Arch. f. Anat., Physiol. u. naturwiss. Medizin, 1862. Marchand, F., Beiträge zur Kenntnis der normalen und patho- logischen Anatomie der Glandula carotica. Internat. Beiträge z. wissen- schaftl. Medizin, Festschrift f£e R. Virchow, 1891. Paltauf, R., Ueber Geschwülste der Glandula carotica nebst einem Beitrage zur Histologie und Entwicklungsgeschichte derselben. Zieglers Beiträge, 11. Bd. 1892. Poll, H., Die vergleichende Entwicklungsgeschichte der Neben- nierensysteme der Wirbeltiere. 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R.i.n.1l.s. = Ramus internus nervi laryngei sup. R. n. gl. = Ramus nervi glossopharyngei. Schlt. — Schlundtasche. Va Vene: V. j. = Vena jugularis. Sämtliche Figuren außer Fig. 5 sind bei 200facher Vergrößerung ge- zeichnet, Fig. 5 bei 500facher. Fig Fig. Fig. Fig Mit Ausnahme von Fig. 7 wurde stets die rechte Seite abgebildet. Tafel XI. . 1. Embryo von 10 mm Schlt.-Länge. Der Schnitt trifft die C. i. 120 u kranial von der Bifurkationsstelle der C. communis. Sie wird von einem anscheinend gleichartigen Gewebe umgeben, das noch keinerlei Differenzierung in Stränge erkennen läßt. Das Ganglion des Grenz- stranges ist von unregelmäßiger Gestalt und greift mit Fortsätzen in das Bindegewebe hinein, die jedenfalls durch herauswachsende Ganglien- zellen bedingt sind. 2. Embryo von I2 mm Länge. Der Schnitt liegt 200 f vor der Teilungs- stelle der C. communis, zeigt also die Region, in der später die Spitze des Karotidenknötchens sichtbar wird. An der Ventralseite der C. i. sind etwa 7 Zellreihen zu unterscheiden, die sich vom benachbarten Mesoderm durch die dichtere Zusammenlagerung ihrer Elemente ab- heben. Die Umrisse des G. s. sind noch immer unregelmäßig, die Ab- grenzung desselben gegen das umgebende Gewebe ist stellenweise unscharf. 3. Embryo von 15 mm Länge. Der Schnitt zeigt das hintere Ende der Drüsenanlage, 110 fe vor der Teilungsstelle der C. communis. Die Zellen an der ventralen, medialen und lateralen Seite der C. i. haben sich bereits zu Strängen geordnet. . 4. Embryo von 17 mm Länge. Vorderes Ende der Drüsenanlage, Fig. Fig. Fig. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. 339 von der Wand der C.i., die hier gerade die A. occipitalis abgibt, durch etwas Bindegewebe geschieden, mit einigen bereits differenzierten und zahlreichen noch jungen chromaffinen Zellen. 250 } vor der Bifur- kationsstelle der C. communis. 5. Ein Teil der in Fig. 4 abgebildeten Drüsenanlage bei stärkerer Vergrößerung. Tafel XII. 6. Die Carotisdrüse bei einem 30 mm langen Embryo. Sie besitzt eine Länge von 310 fı und reicht mit ihrem hinteren Ende bis zur Tei- lungsstelle der C. communis. Der Schnitt liegt 230 vor derselben und 40 fı vor dem Abgange der A. o. aus der C. i. 7. Die Carotisdrüse eines 68 mm langen Fetus. Der Schnitt geht ungefähr durch die Mitte der Drüse. Er liegt 360 x vor dem Ursprunge der A. o. An der Oberfläche der Drüse liegen zahlreiche prall mit Blut gefüllte Venen, Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. Von Prof. Dr. E- Trojan. (Aus dem Zoologischen Institut der Deutschen Universität in Prag.) Mit Tafel XIII. Die letzten embryologischen, morphologischen und vergleichend anatomischen Studien am Stachelapparat der Hymenopteren haben über alles klargetan, daß der Bienenstachel, wenngleich normaler- weise den Blicken des Beobachters verborgen, doch eine äußere Hautbildung ist, da er zum Teil direkt aus der Körperhaut, zum Teil aus ihren äußeren Anhängen entsteht. Es ist vor allem der grundlegenden Arbeit Zanders (1899) zu danken, daß man sich die Vorstellung zu eigen machen Kann, wie bei der Arbeitsbiene der 7. Abdominalring unvergleichlich stark nach hinten vorwächst und die drei letzten Abdominalsegmente nach innen aufnimmt; die chitinigen 'Skeletteile des Stachels gehen trotz ihrer weitgehenden Umformung, wie sie bei der Ausbildung eines so hochkomplizierten Defensivorganes erfolgen mußte, letzten Endes auf einfache Tergit- und Sternitplatten, bzw. auf die 3 Paar Gonapophysen, wie sie in ihrer ursprünglichsten Form an einer Locustiden-Legeröhre frei entwickelt sind, zurück. Die nachstehende Tabelle gibt die homo- logen Teile übersichtlich wieder: die 2 Stechborsten identisch den Gonapophysen I, „ 2 Winkel ee dem Sternit VIII, „ Schienenrinne ” den Gonaphysen II, „ 2 oblongen Platten ” dem Sternit IX, „ 2 Stachelscheiden Br den Gonapophysen III, „ 2 quadratischen Platten + dem Tergit IX, ‚„ 2 Tergitplatten ar dem Tergit VIII!). Als unpaares Stück sekundären Charakters kommt das Gabel- bein hinzu. !) Eigentlich seinen stark chitinisierten Seitenteilen. Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 341 Der Bienenstachel. Um das Verständnis der vorliegenden Spezialuntersuchungen zu erleichtern, sei zunächst eine kurze Beschreibung des Bienen- stachels mit Rücksicht auf die hier in Frage kommenden Hart- gebilde vorausgeschickt: Der wesentlichste Bestandteil des Stachel- apparates ist die Schienenrinne (Taf. XIII, Fig. 1, 6, 8, 9, 11, 13 Sr) mit den beiden Stechborsten im Innern, ein steif chitiniges, gerades, doppelwandiges Gebilde, das vorn breit kolbig aufgetrieben ist, sich nach hinten verjüngt und in eine förmliche Kanüle übergeht. Die Ränder dieser Rinne sind nach unten gekehrt und laufen über den Kolbenteil in zwei Chitinbogen, die Schienenrinnenbogen (Taf. XIII, Fig. 1, 9 Srb) aus, die sich unter allmählicher Divergenz nach auf- wärts und rückwärts krümmen und in ihrem weiteren Verlaufe flächig zu den sogenannten oblongen Platten (Taf. XIII, Fig. 1 O) verbreitern; diese letzteren flankieren den Kolbenteil in einer wenig geneigten, eher nahezu vertikalen Stellung. Von ihren unteren Rändern stülpt sich bruchsackartig eine innerseits reich behaarte Membran ein, die den Kolbenteil ganz einhüllt, d. i. der Schienen- rinnenwulst (Taf. XIII, Fig. 1 Srw); er teilt sich nach hinten in zwei Seitenflügel, die mit den verlängerten Fortsätzen der oblongen Platten die beiden hohlen Stachelscheiden (Taf. XIII, Fig. 1 Sch) bilden. Es steht heute außer jeder Diskussion, daß die oblongen Platten auf den Sternit des 9. Abdominalsegmentes zurückzuführen sind, genauer gesagt ist ihm der Schienenrinnenwulst homolog und die oblongen Platten bilden bloß seine verdickten Seitenteile. Die Schienenrinne entspricht dem Paar 2. Gonapophysen, die eine dorsale Verschmelzung miteinander eingegangen sind. Ihre ventralen Ränder klaffen etwas auseinander und tragen in ihrer ganzen Länge, ja selbst bis auf die Schienenrinnenbogen eine Leiste (Taf. XIII, Fig. 6, 8 L), die im Querschnitt einer Eisenbahnschiene nicht un- ähnlich sieht. Diese ist einem Falz (Taf. XIII, Fig. 6, 8, IOF) an einer jeden der beiden Stechborsten (Taf. XIII, Fig. 2, 5, 6, 8, 10, 14 St), die der ganzen Kontur der Schienenrinnenränder selbst bis auf die Schienenrinnenbogen hier als sog. Stechborstenbogen (Taf. XIII, Fig. 1, 9 Stb) folgen, genau angepaßt; durch diese Einrichtung ist die Art der Bewegung der Stechborsten gegeben: sie gleiten von vorn nach hinten immer in derselben Bahn. Dadurch, daß sie median eng aneinander gepreßt sind, schließen sie die 342 Er Trpipan: Schienenrinne ventral ganz ab und bilden mit ihr so den Gift- kanal (Taf. XIII, Fig. 6, 8, 11, 13 G). Die Stechborsten der Biene sind dünne, pfriemenähnlich, hohl und tragen am Hinterrande be- kanntlich Widerhäkchen (Taf. XIII, Fig. 2 W), 7—10 an der Zahl, die, je weiter gegen die Spitze, um so enger beisammen stehen. Die Sinnesorgane. Schon Sollmann (1863, S. 530) wollte im Innern dieser Stechborsten Nerven und Tracheen gesehen haben, ein Befund, den noch keiner der späteren Autoren bis jetzt bestätigt hat. Fen- ger (1863) und Kraepelin (1873) behaupteten, es bestünden feine Porenkanälchen hinter den Widerhäkchen und eine Reihe amerikanischer Forscher wie Cheshire (1886), Cook (1904), Cowan (1904) und Arnhart (1906) rechneten mit dieser Tat- sache und sehen das Stachelgift aus jenen Poren heraustreten. Snodgrass (1910, S. 81) konnte bei seinen Versuchen kein einzigesmal eine solche Wahrnehmung machen und er bedauert nur, daß er bei seinen histologischen Untersuchungen nicht mehr Erfolg gehabt habe, um in der Frage der Porenkanälchen klar zu sehen. Wahrscheinlich aber haben sie, so glaubt er, überhaupt keine Ver- bindung mit dem Giftkanal, sondern sind geschlossen; er ist vor- sichtig genug und bildet sie auch so ab (l. c. S. 82). Sollte es sich aber doch einmal herausstellen, daß sie offen sind, dem Giftaustritt dienen sie niemals, denn er hat als erster genau solche Kanälchen anderwärts gefunden, wo eine Verbindung mit dem Giftkanal ab- solut nicht existiert, nämlich auf der Oberfläche der Schienenrinne; dort kommen sie aus dem Lumen derselben, also einem Teil der Leibeshöhle heraus und könnten eher Ausführungsgänge von Haut- drüsen sein — eine Vermutung, für die er allerdings nichts Positives anzuführen weiß. Nur wer die Unbilden beim Schneiden des Chitins im Mikrotom kennt und dazu die winzigen Dimensionen des Objektes in Betracht zieht, wird begreifen, wie mühsam es ist, brauchbare Schnitte von jenen Porenkanälchen, dazumal sie einen gekrümmten Verlauf nehmen, zu bekommen. Und doch ist die Schnittmethode hier un- erläßlich, wenn auch Totalfärbung ganzer oder abgebrochener Stech- borsten mit Methylenblau, Hämatoxylin und Safranin schon auf die richtige Spur führen kann. Man sieht da nämlich, bei Blaufär- bung besonders schön, daß die Achse der Stechborste die Farbe an- Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 343 genommen hat, besonders intensiv gegen das Ende. Hier (Taf. XIII, Fig. 2) zeigt sich in Abständen deı Widerhäkchen eine feine Seiten- abzweigung hinter der anderen, gewöhnlich mit 4 Häkchen korre- spondierend und zwar dem vorletzten bis fünftletzten. Jede diese Abzweigung zieht zunächst nach dem First des Widerhäkchens, biegt aber knapp, bevor sie ihn erreicht, zur Seite nach der Basis des Häkchens um. In der Regel legt sich die Stechborste im Kanadabalsam so, daß die Seitenzweige in die Tiefe des Gesichts- feldes tauchen und daher die Oberfläche der Borste überhaupt nicht zu berühren scheinen. Dies mag Snodgrass und vielleicht auch andere schon irregeführt haben. Ohne Tinktion muß man ge- nau zusehen, um diese Abzweigungen als Porenkanälchen zu ent- decken. Besser lassen sie sich an der Schienenrinne verfolgen, denn dort gibt es ihrer viel mehr und die Aussichten beim Schneiden sind günstiger als bei der Stechborste, die zu spalten immer ein Spiel des Zufalls bleiben wird. Es ist die Außenwand det hohlen Schienen- rinne von jener Stelle, wo sie sich verjüngt bis an das Ende, die mit jenen Gebilden übersäet ist (Taf. XIII, Fig. 4, 6, 9Si). Sie haben auch einen krummen Verlauf. Unmittelbar, bevor sie die Oberfläche er- reichen, sind sie stark eingeschnürt (Taf. XIII, Fig. 4), so daß man von einer sanduhrförmigen Ausmündung sprechen kann. In der Achse des Kanälchens färbt sich bei Anwendung obiger Farbstoffe ein äußerst feines Fäserchen (Taf. XIII, Fig. 4, 6 N), das nach innen im Lumen der Schienenrinne in die Längsrichtung derselben um- biegt. Es zieht zu einer Bipolaren, ist also eine Nervenfaser (Taf. XIII, Fig. 3 B). Solcher Nervenzellen gibt es an der Lumenwand viele; sie sind nach der Längsrichtung der Schienenrinne orientiert und groß genug, um am Querschnitt (Taf. XIII, Fig. 6B) als polsterartige Verdickungen der Seitenwände im Hohlraum der Schienenrinne beobachtet zu werden. dazumal sie nicht vereinzelt bleiben, sondern stellenweise übereinander liegen. Eine Nervenfaser zieht von einer jeden in der Richtung nach vorn gegen die Leibeshöhle. Es ist kaum möglich, diesen nervösen Apparat mit Drüsen zu verwechseln, denn erstens ist in den Porenkanälchen stets nur ein äußerst dünner Faden in der Achse ausgefärbt, nicht aber das ganze Lumen des Kanälchens, was bei Vorhandensein eines Sekretes hie und da doch angetroffen werden müßte und zweitens weisen die zelligen Ele- mente die typische Form bipolarer Nervenzellen auf. Der große Kern mit seinem auffälligen Nukleolus läßt kaum etwas Raum für 344 E: Tirlonan: das Zellplasma übrig; es gleicht beinahe einer dicken Zellmembran. Drittens sammeln sich die Fasern, die von den Zellen körperwärts ziehen, rechts und links in der Schienenrinne zu deutlichen Nerven. Bei der Biene lassen sich all diese Verhältnisse wegen der geringen Dimensionen schwerer beobachten; nimmt man aber die gleichen Studien am Stachelapparat der Hummel oder gar der Hornisse vor, dann liegt die Sache außerordentlich klar und muß einen jeden von der Richtigkeit obiger Angaben überzeugen (Taf. XIII, Fig. 8 n). Es handelt sich also um Sinnesorgane an jenen Teilen des Stachelapparates, die in die Wunde eingebohrt werden. Sie dürften der Wahrnehmung des Druckes dienen und ihre Anwesenheit, wie sich aus dem nachfolgenden ergeben wird, für den Besitzer von besonderer Bedeutung sein. Der Mechanismus der Giftentleerung. Daß die Schienenrinne den Giftabflußkanal darstellt, darüber ist wohl kein Wort zu verlieren. Sollmanns (1863, S. 528) Meinung, daß das Gift zwischen den klaffenden Stechborsten auf der Unterseite durchtrete und nach hinten abfließe, sowie eine andere Fengers (1863, S. 166), daß die hohlen Stechborsten Giftkanäle sind, gelten seit Kraepelin (1873, S. 298), der den richtigen Zweck der Schienenrinne zum erstenmal erkannte, als erledigt. Nichtsdestoweniger ist bis jetzt trotz wiederholter ein- gehender Bearbeitung des Akuleatenstachels gerade der feinere Mechanismus des Giftapparates nicht zur Genüge klar gewesen. Für einen jeden Giftkanal, der sich wie bei Apis melifica in einen vorderen, weit aufgetriebenen und einen hinteren, nahezu kapillaren Teil gliedert, erwächst aus physikalischen Gründen die Notwendig- keit einer Einrichtung, die das Gift zum Uebertritt aus dem ersteren in den letzteren veranlaßt, da zumal jenes durchaus nicht leicht- flüssig ist und doch so rasch als möglich in genügender Menge aus- treten soll. Dieser, um es gleich zu sagen, auf die Giftflüssigkeit auszuübende Druck kann nicht auf Muskelkontraktion der Giftblase (Taf. XII, Fig. 1 Gb) oder des Giftblasenhalses (Taf. XIII, Fig. 1, 9 Gi) zurückgeführt werden, wie es die drei obengenannten Autoren und später noch Beyer (1890, S. 59) tat, weil eine Muksulatur an jenen Stellen erwiesenermaßen überhaupt nicht besteht. Vielmehr es handelt sich hier um mechanische Vorrichtungen einer Art Druck- pumpe, wie sie im Grunde genommen bereits Carlet (1884) vor- Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 345 schwebte, aber in Ermangelung erschöpfender Kenntnis der ana- tomischen Einzelheiten eine allgemeine Anerkennung nicht er- langen konnte. Und dem letzteren Umstande gerade ist es ZUuZu- schreiben, daß die letzten beachtenswerten Publikationen über den Bau der Biene in der Giftentleerung nicht übereinstimmen. Während nämlich Snodgrass (1910, S. 80) inCarlets Sinne den Stempel der Pumpe die Gifttlüssigkeit vor sich hertreiben läßt, wird diese nach Zander (1911, S. 42) „beim Vorgehen der Stech- borsten durch die Hemmplättchen in den hinteren Teil der Stachel- rinne gewischt‘‘. Dieser allgemein gehaltenen Ausdrucksweise sind ebenso unbefriedigende Abbildungen beigegeben. Sie sind zumeist dem in seine Teile zerlegten Apparat entnommen, während zur richtigen Beurteilung des Mechanismus Schnitte durch den Stachel- apparat nach allen 3 Richtungen des Raumes nottuen, die allein ein richtiges Bild von der natürlichen gegenseitigen Lage der Teile während des Stechaktes zu geben vermögen. Wenn man eine Stechborste aus ihrer Verbindung mit der Schienenrinne loslöst, so bemerkt man an der Stelle, wo der Schaft der Stechborste in den Stechborstenschenkel übergeht, makro- skopisch noch gerade als ein winziges Knötchen ein Chitingebilde, das sonst im Kolbenteil der Schienenrinne verborgen liegt. Bringt man eine isolierte Stechborste in ein Uhrschälchen mit Wasser oder Glyzerin, so kann man durch Erschütterung bewirken, daß sie sich um ihre Achse dreht, so daß man jenes Gebilde von allen Seiten besehen kann. Es ist ein chitiniges, nach hinten umgebogenes Häk- chen, der Membranträger (Taf. XIII, Fig. 5, 7, 10, 11, 13, 14 M). Genau betrachtet hat er die Gestalt eines Kreisringviertels mit einer schief gegen die Mediane der Schienenrinne abgestutzten Endfläche. Er ist hohl und kommuniziert mit dem Hohlraum der Stechborste, ohne mit ihr in starrer Verbindung zu sein, denn seine Chitinwand zeigt an der Ansatzstelle (Taf. XIII, Fig. 10, 14a) eine schwach- chitinisierte Zone; diese häutig gebliebene Stelle gestattet dem Membranträger Elongationen nach der Außenseite, eine Einrichtung, die, wie später gezeigt wird, höchst zweckmäßig ist. Der Membranträger hat zweierlei Anhänge; einen seitlichen und zwei terminale. Der erstere hängt als ein Täschchen von hellem, durchsichtigen Chitin, das durch einige Streifen versteift ist, mit der Konkavität gegen das Stechborstenende an der von der Me- diane abgekehrten Seite (Taf. XIII, Fig. 7, 10, 11, 13, 14 T). Die 346 E; Trojan: Nische, die auf diese Weise entsteht, hat einen etwa halbkreis- förmigen Umriß und ergänzt sich mit jener der anderen Stechborste, wenn sie symmetrisch daneben liegt, genau zu dem Kaliber des Kolbenteils der Schienenrinne (Taf. XIII, Fig. 13 T). Die schief abgestutzte Endfläche des Membranträgers ist nicht flach, sondern hat zwei längliche Gelenkshöcker (Taf. XIII, Fig. 7, 14 Gh); diese passen in die Gelenkspfannen zweier bisher mit dem unzutreffenden Namen ‚„Hemmplättchen‘ bezeichneten Membranen (Taf. XIII, Fig. 5, 7, 11, 13 V). Das sind zwei genau gleich große, zarte, glashelle Chitinplättchen von Halbkreisform. Ihre Basis ist verdickt und gibt radiale Versteifungsfasern nach Art des Flügel- geäders ab. Ein Vergleich dieser Membranen mit häutigen Insekten- flügeln ist ganz zutreffend, denn an Querschnitten stellt es sich heraus, daß sich eine jede von ihnen aus zwei dicht aneinander liegenden Lamellen zusammensetzt. Sie sind höchstwahrscheinlich auch wie die Flügel als Bläschen angelegt worden und die Kommuni- kation mit dem Hohlraum des Membranträgers, also der Leibes- höhle, in Form zweier feiner Poren (Taf. XIII, Fig. 7 P) ist nach- gewiesen. Es kann leicht geschehen, daß im mikroskopischen Prä- parat statt zweier Membranen nur eine zu sehen ist, weil sie sich gegenseitig überdecken. Dagegen kommen die beiden basalen Ver- dickungsstreifen mit den Gelenkspfannen immer deutlich zum Vorschein, weil sie gemäß der schiefen Ansatzfläche der korrespon- dierenden Gelenkshöcker hintereinander liegen. Die Gelenke sind, wie alle Schnitte zeigen, nicht unansehnlich im Vergleich zur Zart- heit des Objektes. Wie die Flügel der einen Seite einer Doppeltür tun sich beide Membranen zugleich auf und zwar die der rechten Stechborste nach links und die der linken nach rechts. Der Aus- schlag der Bewegung der Membranen ist durch die Konstruktion der Gelenke derart begrenzt, daß er niemals 90 Grad überschreitet, mit anderen Worten, die Membranen können nicht umschlagen. Das ist äußerst wichtig, denn nur unter einem rechten Winkel er- gänzt sich ihre halbkreisförmige Fläche mit dem oben erwähnten Seitentäschchen desselben Membranträgers zu dem Kaliber des Schienenrinnenkolbens. Und wie erstaunlich präzise der Mechanis- mus angelegt ist, erhellt daraus, daß sich die schiefe Endfläche des Membranträgers parallel zur Mediane des Stachelapparates ein- stellt, wenn ihre beiden Membranen das Maximum des Ausschlages erreicht haben (Taf. XIII, Fig. !1). Man muß annehmen, daß sie Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 347 sich in ihrer Wirkung verstärken, zumal sie auch sonst in keiner anderen Lage als der parallelen angetrofien werden. Bevor in die Beschreibung des Vorganges der Giftentleerung eingegangen wird, ist es nötig, eine bisher ebenfalls übersehene ana- tomische Eigentümlichkeit des Bienenstachels zu erwähnen. Der Kolbenteil der Schienenrinne besteht eigentlich aus zwei ungleich weiten Röhrenstücken, einem vorderen, breiteren und einem hin- teren, fast dreimal so langen engeren Stück. Der Giftblasenhals ist bei seinem Eintritt in den ersteren dieser Teile von nahezu halb- kreisförmigen Querschnitt. Während seine seitlichen Wände und auch die dorsale unmittelbar in die Schienenrinne übergehen, wölbt sich sein Boden in Form eines ansehnlichen Wulstes vor und bildet einen Keil, der das Spatium zwischen den auseinandergehenden Stechborstenbogen vollständig ausfüllt (Taf. XIII, Fig. 12, 13 K). Der Giftblasenhals trägt an seinem Eintritt in die Schienenrinne 3 Versteifungsstäbchen, ein dorsales und zwei seitliche (Taf. XIII, Fig. 12 Vst). An die beiden letzteren ist ein Paar nach abwärts divergierender feiner Muskeln inseriert. Das andere Ende derselben heftet sich an die proximalen Enden der Schienenrinnenbogen (Taf. XIII, Fig. 1, 9Srb) an. Dieses Muskelpaar übt bei seiner Kon- traktion einen seitlichen Zug auf den Giftblasenhals aus, so daß sich dessen Dorsal- und Ventralwand bis zur Berührung nähern, die Oeffnung somit verschließen. Hört die Kontraktion der beiden Muskeln auf, so würden die Wände des Giftblasenhalses kaum oder gar nicht auseinandergehen. Das Oeffnen besorgt nun ein Muskel, der im gleichen Niveau wie die Schließmuskeln an der ventralen Wand des Giftblasenhalses ansetzt und mit seinen Fasern in das Innere des Keiles zieht und diesen in dorsoventraler Richtung durch- läuft; er bildet seine Füllmasse, In der Ausgangsstellung liegen die beiden Membranträger zu bei- den Seiten des Keiles ganz vorn im Schienenrinnenkolben (Taf. XIII, Fig. 12 M). Die Doppelmembranen stoßen wie zwei Paar hinter- einander gefaltete Hände median zusammen (Taf. XIII, Fig. 13 V). Der Giftblasenhals ist offen. Setzen sich nun beide Stechborsten zum Stechen gleichzeitig in Bewegung, so bleiben die Blättchen in jener Stellung, während sich die Seitentaschen an den Membranträ- gern wie vom Wind gespannte Segel aufblähen und dadurch das Lu- men der Schienenrinne vollkommen abschließen (Taf. XIII, Fig. 13T). Sie wirken als Stempel und pressen die Luft heraus. Der Raum, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 28 348 E! Trojan: den sie hinter sich zurücklassen, ist luftverdünnt und füllt sich in- folge der Saugwirkung, die um so wirksamer wird, je weiter der Stempel in den engeren Teil der Schienenrinne vordringt, mit neuem Sekret aus der Giftblase an. Weil der Schienenrinnenkolben an seinem Ende konisch wird und die zusammengefalteten Blättchen bei der Bewegung vorangehen, erreicht der Stempel nicht ganz die Hinterwand des Kolbens, sondern läßt einen freien Raum vor sich übrig. Dadurch wird aber das Vollsaugen der Schienenrinne ver- hütet. Jetzt schließt sich der Giftblasenhals. Beı der umgekehrten Bewegung der Stechborsten nun werden die Membranträger bei dem nicht prallvoll getüllten Zustand leichter durchgezogen und lassen neben den Seitentäschchen, die infolge ihrer Konstruktion (Taf. XIII, Fig. 10) zweckmäßig zusammenklappen, ein wenig Raum frei; hier kann das Gift durchsickern. Die Stempel sind endlich wieder in die Ausgangsstellung zurückgekehrt und ihr Spiel beginnt von neuem, allerdings mit dem Unterschiede, daß sie nicht Luft, sondern das Giftsekret nach außen pressen; zugleich saugen sie ein neues Quan- tum desselben aus der Giftblase heraus. Am Ende der Schienenrinne bildet sich ein Gifttröpfchen, das mit einem jeden neuen Stempel- stoß Zufluß bekommt. Diese Art der Umkehrbewegung der Stech- borsten zu zweien auf einmal dürfte, wie aus der Zahl der mikro- skopischen Präparate hervorgeht, die seltenere sein, was leicht zu begreifen ist, da sich 1 Borste den Weg zu seinem ursprünglichen Platze durch die angesammelte Flüssigkeit leichter bahnt als zwei. Nicht nur, daß das Seitentäschehen nachgibt, die Doppelmem- branen stellen sich infolge des Druckes in die Längsrichtung der Schienenrinne: der Widerstand ist somit auf das Minimum herab- gesetzt. Es geschieht auch, daß die eine Borste ohne ihre Nachbarin zum Stich vorgeht; ist es z. B. die rechte, so legen sich die Doppel- membranen unter einen rechten Winkel nach links um; rechts tut sich das Seitentäschechen am Membranträger auf. Auch diese Vor- richtung schließt allseits bis an die Wände der Schienenrinne an und zwar wieder um so fester, je weiter sie in den engeren Teil gerät. Man kann auch hier nicht anders als von einer vollkommenenStempel- vorrichtung sprechen, die einerseits Gift vor sich hertreibt und andrer- seits neues nachsaugt. Das Zurückgehen der Stechborsten erfolgt in gleicher Weise, wie oben beschrieben; die linke darf sich nicht früher in Bewegung setzen, als bis die rechte in der Ausgangsstellung Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 349 eingetroffen ist, da sonst der, wenn auch geringe Druck, den der rechte zurückkehrende Stempel auf das aufgesaugte Gift ausübt, leicht die Membranen des linken Membranträgers zum Aufklappen nach rechts bringen würde. Dadurch wäre aber der Weg versperrt und zwar sowohl für den rechten Stempel als auch für den linken, der nunmehr zum Stich nicht ausholen könnte. Insolang er aber in der Ausgangsstellung verharrt, können seine Doppelmembranen nicht umschlagen; daran hindert sie der oben erwähnte mediane Wulst, der Keil. Es geht endlich aus der Musterung der Schnitte hervor, daß beide Stechborsten unmittelbar hintereinander zum Stechen in Be- wegung geraten, wobei z. B. die rechte vorangeht (Taf. XIII, Fig. 11). . Die Blättchen ihres Membranträgers legen sich nach links um und gleich darauf folgt die linke Stechborste; ihre Doppelmembranen tun sich nach rechts auf; die Seitentäschchen spannen sich an beiden wie die Segel. So gehen die Stempel hart hintereinander; ihre Be- wegung erfolgt schleifend, kontinuierlich, nicht ruckweise. Wesent- lich anders ist die Rückkehr. Zuerst geht jene Stechborste, die sich später in Bewegung setzte, in die Ausgangsstellung zurück und ist sie in dieser nahezu angelangt, folgt ihr die andere. Wäre dem nicht so und gingen sie knapp hintereinander, dann könnten sich die Doppelmembranen der ersteren nicht in die Längsstellung begeben, verblieben also in querer Lage, was auf die Bewegung nur hemmend wirken würde. Bei allen diesen Bewegungen funktioniert der Verschlußapparat zweck- und regelmäßig; er öffnet sich, wenn sich die Stempel von ihm entfernen, so daß neues Gift aus der Giftblase nachgesaugt wer- den kann und er schließt sich, sobald sich ihre Bewegung umkehrt, damit das aufgesaugte nicht in die Giftblase zurückgedrängt wird. Es leuchtet ein, daß zwei Stempel neben- oder dicht hinter- einander mehr vermögen als jeder einzeln und daß daher jene beiden Bewegungsarten dann in Verwendung kommen, wenn das Insekt eine besonders starke Saug- bzw. Druckwirkung erzielen will, d. i. zum Beispiel der Fall, wenn aus der Giftblase gegen Ende des Stech- aktes die letzten Reste herausgesaugt werden sollen oder wenn der Stachel in ein dichtes Gewebe eingebohrt worden ist und das Gift nur unter großem Druck aus dem Giftkanal herausgepreßt werden kann. In solchen Fällen ist auf die gar zu zarten Blättchen wenig Verlaß und sie werden daher bei der Stempelwirkung ganz aus- 23% 350 Br Trojan: geschaltet (Taf. XIII, Fig. 13) oder es wird ihre Wirkung durch Doppel- stempelbildung erhöht (Taf. XIII, Fig. 11). Die Einrichtung einer Saug- und Druckpumpe ist also eine komplette: der Verschluß- apparat des Giftblasenhalses funktioniert als Bodenventil, die An- hänge des Membranträgers als Kolbenventil; die Stechborsten sind die Kolbenstangen und der schlanke Endteil der Schienenrinne das Ansatzstück des Pumpenstiefels. Ein Ausweichen der Stempel mitten im Wege ist ausgeschlossen. Die ersten Ansätze zur Erkenntnis dieses feinsten Mechanismus gehen weit zurück. Emergenzen, je eine an jeder Stechborste, hat schon Sollmann (1863) beschrieben. Er sah jede in ein bieg- sames, durchsichtiges Häutchen übergehen, das ihm an die Innen- wand der Schienenrinne angewachsen zu sein schien, ein Irrtum, den Fenger (1863, S. 153) noch in demselben Jahre richtiggestellt hat; doch hat auch dieser Autor bloß ein Blättchen gesehen. Ebenso spricht Kraepelin (1873, S. 293) stets nur von einer „dünn- häutigen, durch zahlreiche Chitinstrahlen gestützten Membran“ an einer dünnen, von jeder Stechborste senkrecht abstehenden Chitin- platte. Er ist der Ansicht, daß sie die Grenzen der Verschiebung der Stechborsten zu normieren hat. Carlet (1884, 1888, 1890), auf dessen großes Verdienst, die Funktion des Stachelapparates der einer Druckpumpe gleichgesetzt zu haben, bereits eingangs hinge- wiesen wurde, hat die Voraussetzungen für einen solchen Vergleich in dem feinen Bau nicht zur Genüge erkannt. Statt deı Doppel- membran sah er nur ihre Versteifungsfasern und vergleicht sie mit Puderquasten bzw. Handbesen; die Seitentäschehen der Membran- träger sollen nach seiner Vorstellung die Form von Kugelkalotten haben, während sie in Wirklichkeit, wenn man es schon auf einen Vergleich ankommen läßt, eher dem Mantel eines Kegelstutzes ähneln. Endlich legte Carlet viel Wert darauf, daß eine Gift- kammer im Pumpenstiefel zustande kommt. Dabei ging er von der Ansicht aus, daß die beiden Stempel beim Zurückziehen der Stech- borsten niemals bis hart an die Vorderwand der Schienenrinne heran- kommen, sondern selbst in der äußersten Stellung einen Raum übriglassen, der immer mit Giftflüssigkeit erfüllt ist. Nach vor- liegenden Untersuchungen muß das Vorhandensein einer sogenann- ten „Giftkammer“ in Abrede gestellt werden. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß sich die ventrale Wand des Giftblasen- halses als Keil in das Innere der Schienenrinne vorwölbt. Dieser [@y| Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 3 bahnt in idealster Weise eine möglichst dichte Annäherung der Stempel an die Ausmündung des Giftblasenhalses an. Das Gift muß aus dem großen Reservoir, der Giftblase herausgesaugt werden; dazu ist zwar eine geringe Saugwirkung notwendig; eine solche wäre aber bedeutend vermindert, vielleicht gleich Null, wenn die Stempel beim Bestehen der Carlet schen „Giftkammer‘ vom Bodenventil weit entfernt wären. Ja, noch ein zweites! Der Pumpenstiefel verjüngt sich nach hinten zu und gestattet nicht, daß die Stempel bis an die Hinterwand des Kolbenteils herantreten. Wäre vorn schon den Stempeln ein Teil ihrer Bahn durch die „Giftkammer‘ benommen, wäre sie so auch hinten um ein Stück verkürzt: die Bewegungsmöglichkeit der Stechborsten würde auf das Minimum herabsinken. Carlet glaubt, die „Giftkammer“ zum Schutze des Giftes vor Zersetzung fordern zu müssen. Das leuchtet nicht ein; zur Spei- cherung größerer Giftmengen dient die Giftblase. In dieser ist das Gift bei dem tadellosen Verschlußapparat des Giftblasenhalses vor dem zersetzenden Einfluß der Luft viel besser ıufgehoben als hinter den Stempeln, in der „Giftkammei‘“. Bayer (1890) hat für die Doppelmembranen den Terminus „Hemmplättchen“ in die Literatur eingeführt. Obzwar ihn Car- lets Beschreibung je zweier Chitinfaserbüschel an jedem Piston hätte auf zwei Blättchen bringen können, dazumal er auch ihre chitinigen Basalverdickungsleisten sah, spricht er nur von einer einfachen Membran. Auf einem Irrtum beruht ferner seine An- nahme, daß der Membranträger durch ein Gelenk mit der Stech- borste verbunden sei; es handelt sich vielmehr, wie oben gezeigt wurde, bloß um eine schwächer chitinisierte Stelle. Janet (1898) beschrieb den Stachelapparat der Ameisen. Abgesehen von der Verschlußvorrichtung sind die Stempel im Ver- gleich zu früheren Autoren am ausführlichsten behandelt: insbe- sondere ist das Vorhandensein der Doppelblättchen festgestellt. In der Annahme einer „Giftkammer‘ aber wird Carlet beigestimmt. Ueber den Zusammenhang der Doppelmembranen und Seitentäsch- chen mit ihrem Träger und ihre Beweglichkeit sagt Janet nichts. Snodgrass(1910, S. 81) folgt in der Erklärung der Funktion des Giftapparates als einer Saug- und Druckpumpe den französischen Autoren, bringt aber wie jene nicht genug Beweismaterial für seine Ansichten, wie es bei einem derart feinen Mechanismus notwendig „66 352 BR: ist. Wenn er dazu nur von einem akzessorischen Blättchen (ge- meint „Hemmplättchen‘) spricht, so ist es geradezu unerklärlich. BeiZander (1911, S. 32, 42) sei mit Genugtuung konstatiert, daß er zwei „Hemmplättchen‘ an jeder Stechborste unterscheidet, ohne allerdings auf die Feinheiten ihrer Konstruktion einzugehen. Auch von den Seitentäschehen der Mempbranträger sagt er nichts. Die Bewegungen der Stechborsten lassen sich bei schwach narkotisierten Tieren, denen man die Stachelhöhle von der einen Seite bloßlegt, mit dem Zeiß’schen Binokular prächtig beob- achten. Sie sind im Anfange sehr lebhaft, verlangsamen sich all- mählich, sowie sich der am Ende der Schienenrinne vortretende Gift- tropfen vergrößert. Hat dieser annähernd den Umfang der Gift- blase erreicht, hört die Borstenbewegung auf, mag man das Tier reizen, so viel man will. Bestenfalls kommen nur ungenügende Zuckungen zustande, die kaum die Spitzen der Stechborsten aus der Schienenrinne hervortreten lassen. Hat man den Gifttropfen mit einem Pinselchen abgestreift, so dauert es eine Weile, bis sich die Giftblase wieder angefüllt hat, worauf das Tier auf einen Reiz zu einer neuen Attacke übergeht und die Stechborsten gehörig aus- stößt. Tritt aber der Augenblick ein, daß die sezernierende Tätig- keit der Giftdrüse nach einigen solchen Versuchen infolge großer Inanspruchnahme ganz versagt, dann verfällt die Biene in einen lethargischen Zustand. Sie reagiert auf fortgesetzte Reize wenig und in langen Pausen. Da jede Stechborste ihre eigene Bewegungsmuskulatur besitzt, kann die Biene einerseits bei gleichzeitiger Bewegung beider Stech- borsten die doppelte Kraft in Anwendung bringen, andererseits wird sie bei abwechselnder Tätigkeit der Stechborsten nicht so rasch ermüden. Alle diese Betrachtungen lassen es erklärlich erscheinen, daß an den äußersten Enden des Stachelapparates Sinnesorgane zweck- dienlich sind. Kommt es doch darauf an, nicht unnötig Muskel- energie und Gift zu vergeuden, wo es nicht notwendig ist, also nach Bedarf die doppelten oder einfachen Stempel in Anwendung zu bringen; welche von beiden, das hängt von dem Milieu ab, in das der Einstich erfolgt. Von seiner Beschaffenheit geben jene Sinnes- organe die erste Nachricht und werden so zu wahren Regulatoren der gesamten komplizierten Stachelmuskulatır. 1906 1890 1911 Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. 3993 Literaturverzeichnis. Arnhart, L., Anatomie und Physiologie der Honigbiene. 99 S. 4 Taf., 53 Fig. Beyer, O.W., Der Giftapparat von Fce:mica rufa, ein reduzierter Organ. Jen. Ztschr. f. Nat., 25. Bd. S. 26—112. Carlet, G. Sur une nouvelle piece de aiguillon des Melliferes et sur le mecanisme de l’expulsion du venin. Ann. Soc. Ent. de France. Tome 99 S. 206. Cheshire, F. R., Bees and bee keeping, 2 Vls. London. Cook, A. J., The bee keeper’s quide, 18th. ed. Chicago. Cowan, T. W., The honey bee, 2 d. ed. London. Fenger, W. H., Anatomie und Physiologie des Giftapparates bei den Hymenopteren. Arch. f. Nat., 29. Jahrg. S. 139—178, Taf. IX. Kraepelin, K., Untersuchungen über den Bau, Mechanismus und Entwicklungsgeschichte des Stachels der bienenartigen Tiere. ZAUSCHTE TS WISS 2.008928 Bd 32 289 Ta 2X NV RVE Snodgrass, R.E., The anatomy of the honey bee. U.S. Dep. of agriculture, Techn. ser. Nr. 18, p. 1—162. Sollmann, A., Der Bienenstachel. Ztschr. f. wiss. Zool., 13. Bd. 8..928, Taf. XZXXVI: 9 Zander, E., Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. Ztschr. f. wiss. Zool., 66. Bd. S. 289—333, Taf. XVIII, XIX. Zander, E., Der Bau der Biene. Stuttgart. Mit 149 Abbild. u. 20 Taf., S. 182. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII. Zeichenerklärung. — bipolare Ganglienzelle. Sch — Stachelscheiden. — Stechborstenfalz. Si == Sinnesorgane. — Giftblasenhals. Sr = Schienenrinne. — Giftblase. Srb —= Schienenrinnenbogen. — Gelenkshöcker. Srw — Schienenrinnenwulst. — a Keil St = Stechborste. — Schienenrinnenleiste. Stb = Stechborstenbogen. — Membranträger. 7er Seitentäschchen. Nerv: re = Trachea. — Schienenrinnennerv, V == Doppelmembranen. — ÖOblonge Platte. Vst = Versteifungsstäbchen. — Poren. W == Widerhäkchen. 354 E. Trojan: Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. Alle Figuren, ausgenommen Nr. 8, beziehen sich auf Apis mellifica. Fig. Fig. Fig. Fig. Il 2: S% 4 Der Stachelapparat von Apis mellifica in situ. Vergr. 30. Das Ende einer Stechborste. Vergr. 50. Eine Nervenzelle aus dem Innern der Schienenrinne. Vergr. 1000. Ein Sinnesorgan von der Oberfläche der Schienenrinne. Ver- gr. 600. Membranträger mit Doppelmembranen. Vergr. 50. Querschnitt durch die Schienenrinne und Stechborsten. Ver- gr. 150. Querschnitt durch den Membranträger. Vergr. 150. Querschnitt durch die Schienenrinne (Kolbenteil) und Stech- borsten bei Vespa crabro. Vergr. 100. Die Schienenrinne. Vergr. 60. Querschnittserie durch eine Stechborste in der Höhe des Membran- trägers nach 1, 2, 3, 4, 5 der Fig. 14. Vergr. 80. Sagittalschnitt durch den Kolbenteil der Schienenrinne. Ver- er. 80. Sagittalschnitt durch die Ausmündung des Giftblasenhalses. Ver- gr. 100. Sagittalschnitt durch den Kolbenteil der Schienenrinne. Ver- gr. 80. Membranträger mit dem Seitentäschchen. Vergr. 100. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. I. Furchung und Anlage der Keimblätter. Von Dr. Paul Krüger, Privatdozent für Zoologie an der Universität Bonn. Mit 12 Textfiguren und Tafel XIV—XVI. Inhalt. Einleitung. Beschreibender Teil: Uebersicht über die Furchung von Lepas Die Entwicklung des Eies von Scalpellum scalpellum: Vorbereitende Stadien, 1.—4. Teilungsschnitt (I—16-Zellenstadium). 5.—8. Teilungsschnitt (16—32—118— ? 236-Zellenstadium). Gastrulation und Mesodermbildung. Die Zellfolge der ‚„‚primären‘‘ Mesoderm- und Entodermzellen. Zusammenfassung. Zur Phylogenie der Cirripedien. Einleitung. Der unterschiedliche Gehalt tierischer Eier an Nährsubstanzen hat infolge seines Einflusses auf den Entwicklungsgang der Eier zur Aufstellung verschiedener Furchungstypen geführt. Dabei er- weist sich aber der Grad der Beeinflussung bei den einzelnen Tier- gruppen als ein wechselnd hoher. Kaum bemerkbar erscheint er z.B. beiden Mollusken. Nach den Untersuchungen vonConk- lin führt bei dem sehr dotterreichen Ei von Fulgur die Ver- mehrung der Nahrungsdottersubstanzen zwar zu einer Aenderung 356 Paul Kruser: des relativen Größenverhältnisses der Makro- und Mikromeren, nicht aber zu einer solchen des für viele Mollusken charakteri- stischen Spiraltypus. Innerhalb der Vertebraten lassen sich in Zusammenhang mit dem Dottergehalt alle Uebergänge vom inäqualen zum diskoidalen Typus auffinden. Am ausgeprägtesten ist der Einfluß des Dotters auf die Furchung der Crustaceen- Eier: von Formen mit dotterarmen Eiern, die sich annähernd äqual oder inäqual teilen und determinativen Entwicklungsgang besitzen, zu solchen mit rein superfizieller, nicht determinativer Furchung gibt es „vielfach vermittelnde Typen, welche den Uebergang von holoblastischer Keimbildung zur superfiziellen herstellen‘, bei denen „die Eier in den ersten Stadien der Furchung sich vollständig durchteilen und nur zum Schluß die Herrschaft über das Dotter- material verlieren, woraus sich eine anfangs totale, später super- fizielle"RBurchung,ergibt " (KorscheltsundHeid'ier, 32.ps2T) Interessant sind die Verhältnisse bei dn Entomostraken: dotterarme Eier und solche mit geringem Dottergehalt besitzen eine determinative Entwicklung, sei es, daß sie sich total (Polyphe- mus) oder superfiziell (Moina) furchen; dotterreiche Eier ge- hören dem meroblastischen Typus an, der aber weniger verbreitet ist. Eine Ausnahme machen die mit reichlichem Dottermaterial versehenen Wintereier der Daphniden und die Eier von C y- prisincongruens, die sich zwar total adäqual furchen, aber dem nicht determinativen Typus zuzurechnen sind. Kü hn (1913) macht besonders auf die Abänderungsmöglichkeiten, die ‚ein deter- minativer Entwicklungsgang durch die Zunahme des Eies an Dotter erfahren kann‘, aufmerksam. Auf zweierlei Weise kann die Be- wältigung des Dotters erreicht werden: entweder indem ‚‚der Dotter bei zunächst noch totaler Furchung allen Zellen gleichmäßig zugeteilt wird, oder aber die Blastomeren in verschiedenem Maße damit ausgestattet werden‘. Der letztere Modus kann ‚‚zu einer immer mehr inäqualen Furchung führen, bei der das Teilungstempo der mit Dotter beladenen Entodermzellen immer mehr verlangsamt wird‘. Dieser Weg ist nach den Untersuchungen von Bigelow bei der Furchung von Lepas angebahnt. Der gesamte Dottervorrat wird bereits zu Beginn der Furchung der großen Urentodermzelle zu- geteilt. Beim Verschluß des Blastoporus hat diese sich erst auf 2 vermehrt. Bei noch reichlicherem Dottergehalt wird — wenigstens soweit Untersuchungen vorliegen bei den parasitären Cope- Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 397 Boden! EL aemargius muricatus, Pandurustsinwa- tus und einem Dichelestiiden — die entodermale Dotter- masse nicht mehr durchfurcht, sondern durch in ihr entstehende „Dotterzellen‘“‘, aus denen später die Mitteldarmanlage hervorgeht, bewältigt. Textfigur 1. Ei von Scalpellum scalpellum im optischen Durchschnitt: Protoplasma punktiert; eingezeichnet: Ei von Lepas anatifera !), mit Eimembran und 2. Richtungskörperchen. Beide kurz vor Beginn der 1. Furchungsteilung. Vergr. 220 fach (Zeiss obj. D. oc. 2. Abbescher Z.-A., Objekttischhöhe).- Es wäre nun von Interesse zu erfahren, ob auch dotterreiche Cirripedien-Eier den bei Lepas begonnenen Schritt in gleicher Weise wie die eben erwähnten Copepoden zu Ende ı) Sämtliche Figuren von Lepas anatifera sind Bigelow (1902) entnommen, z. T. vereinfacht. Vergr. wenn nicht besonders an- gegeben, 365 fach. 398 Paulıkrügdr: führen, ob durch die schärfere Ausbildung des telolecithalen Baues der Furchungsverlauf als solcher beeinflußt oder der determinative Charakter verwischt wird. — In ganz eıheblich größerem Maße mit Dotter beladen als die Eier der Lepadiden und Bala- niden ist das Ei voa Scalpellumscalpellum. Wie ich bereits in ‘meinen „Studien an Cirripe dien‘ mitteilte, "bE- tragen die größten Durchmesser des Eies vonLepasanatifera 0,166 mm und 0,113 mm, wohingegen das Ei von Scalpellum scalpellum 0,5 mm und 0,38 mm mißt, eine Vergrößerung, die im wesentlichen durch den Dotter herbeigeführt worden ist. Unter der Annahme, daß die beiden Eier Rotationsellipsoide dar- stellen, bedeutet es eine Volumenvermehrung auf das 34fache. Textfig. 1 (S. 357) mag eine Vorstellung von den Größenverhält- nissen beider Eier und der in ihnen befindlichen Dottermengen geben. Beide sind bei gleicher Vergrößerung gezeichnet. Aehnliche Maße und Verhältnisse zwischen Protoplasma und Dottersubstanzen weisen auch die übrigen mir zur Verfügung stehenden Eier anderer Scalpellumarten (Calantica trispinosa Leach, Smi- lium Peronii J.. E.iGray, Ss. sexcornutumgee bry,5sealpellum Stearnsii Pilsbiry) auf "Derraere Eindruck solcher sich furchender Scalpellum-Eier ist der einer diskoidalen Furchung, als welche ich sie auch ursprünglich ge- deutet hatte (1920). Es handelt sich aber nur um eine scheinbar diskoidale Furchung. Die eingehendere Untersuchung, vor allem Schnittpräparate, zeigte, daß trotz der außerordentlichen absoluten und relativen Vermehrung des Dottergehaltes der tota! inäquale Furchungstypus, wie er beim Lepadiden-Ei vorliegt, nicht verändert worden, sondern daß nur die Ungleichheit zwischen der riesigen Makromere und der sich von ihr abschnürenden Mikromeren aufs äußerste gesteigert ist. Wieweit nun doch der Verlauf und der Charakter der Karen. beeinflußt ‚wird, soll die spezielle Beschreibung zeigen. Untersuchungen über die Entwicklung der Eier von Scal- pellu m- Arten liegen kaum vor. A. Lang macht in seiner Mit- teilung über ,‚‚die Dotterfurchung von Balanus‘ (1878) eine kurze Angabe über die Differenzierung des Eies von Scalpellum vulgare in zwei Teile: einen ‚feinkörnigen viel kleineren‘ und einen „fettreichen grobkörnigen‘‘, und bildet ein ungefurchtes Ei, ein 3—4-Zellenstadium, sowie ein solches mit etwa 30 Zellen ab. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 359 Auf diese Figuren bezieht sich auch Groom (1894): „The basal plane is figured as oblique, and I. divides in a longitudinal plane.“ Das Material, das mir zur Verfügung stand, ist das gleiche wie das zu meinen „Studien an Cirripedien‘ benutzte. Die Unter- suchung wurde sowohl an Totalpräparaten wie an Schnitten ausge- führt. Leider hatte sich der Dotter im Laufe der Jahre so verändert, daß er durch die Farbstoffe mehr oder weniger mitgefärbt wurde und durch kein Intermedium vollkommen aufgehellt werden konnte. In den meisten Fällen mußte deshalb die Zellkappe abgetragen werden, ein Verfahren, das leider nur selten gute und vollständige Präparate ergab, da die protoplasmatische Hälfte des Eies in Al- kohol, auch starken, sehr leicht zerriß, andrerseits der Dotter in dem aufhellenden Medium so hart wurde, daß es meist zu unregel- mäßigen Sprüngen, die den Zusammenhang der Zellen zerstörten, kam. Große Schwierigkeiten beim Zerlegen in Schnittserien be- reiteten sowohl Eimembran wie Dotter. Jene verhinderten oft das Eindringen des Paraffins oder Celloidins, dieser blieb trotz doppelter Einbettung in Paraffin und Celloidin brüchig. Ein Abpräparieren der Eimembran oder Anstechen der Eier auf älteren Stadien erwies sich als nicht angängig oder möglich. Ich darf wohl sagen, dab diese technischen Schwierigkeiten in Verbindung mit dem so ab- weichenden Furchungsverlauf die Untersuchung zu einer sehr müh- samen gestalteten. Eier eines Geleges führen in der Regel alle den gleichen Teilungsschritt aus. Beschreibender Teil. In meiner Darstellung des Entwicklungsganges des Eies von Scalpellum scalpellum werde ich mich eng an die Schilderung der Furchung von Lepasvon Bigelo w anschließen. Um einen Vergleich beider Formen leichter zu ermöglichen, werde ich auch die gleiche Nomenklatur anwenden. Ohne die Kenntnis der Verhältnisse bei Lepas hätten sich der Zusammenhang der einzelnen Teilungsschnitte und die Ausbildung der Keimblätter nur schwierig feststellen lassen. Ich gebe zunächst einen kurzen Ueberblick über den Verlauf der Furchung bei Lepas. (Bige- low, p. 73—74.) Die Furchung von Lepas ist total, inäqual und regelmäßig. Normalerweise werden Stadien von 2, 4, 8, 16, 32 und 62 Zellen ge- 360 Paul Krüger: bildet. Zellen einer Generation können ihren Schwesterzellen in der Teilung voranschreiten, die folgende Teilung dieser Zellen erfolgt aber erst dann, wenn alle anderen Zellen die entsprechende Teilung vollendet haben. Die erste Furchungsebene ist nahezu parallel zur Längsachse des ellipsoiden Eies und teilt es in eine kleine vordere Zelle (Mikromere) und eine große hintere dotterhaltige (Makromere). Die Ebene der zweiten Furchung steht senkrecht zur ersten, wobei eine zweite Mikromere von der Makromere abgeschnürt wird, während die erste Mikromere sich in zwei Zellen von gleicher Größe teilt. Die dritte Furchungsebene ist im wesentlichen senkrecht zu den beiden vorangehenden. Durch diese Teilung wird eine dritte Mikro- mere von der Dottermakromere, die nun rein mesentoblastisch wird, getrennt. Die drei Mikromeren enthalten den ganzen Ektoblast und liefern durch ihre aufeinander folgenden Teilungen das Blasto- derm. Bestimmte Zellen des Blastoderms, die sich von den beiden ersten Mikromeren ableiten, werden zu einem Teil des Mesoblastes. Die dritte Mikromere enthält nur Ektoblast. In der vierten Teilung wird eine Mesoblastzelle von der Makromere, die von jetzt ab allein den Entoblast darstellt, abgetrennt. Das 16-Zellenstadium wird also von 14 Abkömmlingen der drei Mikromeren, einer Mesoblastzelle und einer Entoblastzelle (Dottermakromere) gebildet. Die Entoblast- Dottermakromere wird fast ganz von den 14 kleineren Zellen, die das Blastoderm bilden, eingehüllt, nur ein kleiner Teil bleibt am Blasto- porus frei. Die Mesoblastzelle liegt am hinteren Rande des Blasto- porus. Während der fünften Furchung teilen sich sämtliche 16 Zellen, während der sechsten alle mit Ausnahme der beiden Entoblast- zellen, so daß ein 62-Zellenstadium hervorgeht. Die beiden Meso- blastzellen sinken dabei, noch ehe sie sich teilen, unter das Blasto- derm, während dieses sich über dem Entoblast und damit über dem Blastoporus schließt. Zur gleichen Zeit teilen sich 4 Blastoderm- zellen, die am vorderen und an den seitlichen Rändern des Blasto- porus liegen, parallel zur Oberfläche. Diese so unter dem Blastoderm entstandenen Zellen bilden ‚einen Teil des Mesoblastes. Dieser stammt also zum Teil von einer Zelle, die vom Entoblast während der vierten Furchung (16-Zellenstadium) abgeschnürt wird, zum anderen Teil von 4 Zellen, die vom Blastoderm während der sechsten Furchung abgetrennt werden. Die Gastrulation ist von epibolischem Typus und ist das Ergebnis der Ausdehnung der Blastodermzellen über die Entoblast-Dottermakromere. Während der sechsten Teilung Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 361 schließt sich das Blastoderm gewöhnlich über dem Blastoporus, der den ventralen und hinteren Teil des zukünftigen Embryos angibt. Die Entwicklung des Eies von Scalpellum scalpellum. Yorbereitende seadren, Die Ausbildung des telolezithalen Baues des Scalpellum- Eies erfolgt während der Kopulation der beiden Geschlechtskerne. Ursprünglich, im heranwachsenden Ei, erfüllt der Dotter gleich- mäßig das ganze Ei, nur um den zentral gelegenen Kern und zwischen den Schollen und Oeltropfen lassen sich dünne Stränge feinkörnigen Protoplasmas nachweisen. Wandert der Kern nach der Peripherie zur Abstoßung der Richtungskörperchen, so tritt kaum eine Ver- mehrung des um ihn befindlichen Protoplasmas ein. Die erste Reifungsspindel (Taf. XV Fig. 13) liegt inmitten einer kleinen Insel. Während der zweiten Reifungsteilung kommt es bereits zu einer etwas größeren Ansammlung, aber erst während der Kopulation der Geschlechtskerne erfolgt ein stärkeres Zusammenfließen, so daß das Protoplasma als tiefer Pfropf in den Dotter hineinragt (s. Krüger, 1920, Taf. 3, Fig. 43). Anscheinend sammelt es sich auf dem Weg, den der Eikern auf seiner Wanderung zur Peripherie durch den Dotter gebahnt hat. Es kommt dann zu einer schärferen Sonde- rung der beiden Bestandteile, bis schließlich das feinkörnige Proto- plasma als kleine Kappe, in deren Mitte der Kopulationskern liegt, dem Dotter aufsitzt (Taf. XIV Fig. 9 und Taf. XV Fig. 12). Die größte Dicke dieser Haube liegt bei normal ausgebildeten, d. h. nicht zusammengedrückten Eiern in deren Längsachse und beträgt etwa den dritten Teil derselben. Bei Aufsicht, vom animalen Pol, er- scheinen beide Teile als zwei Kreise, deren Durchmesser sich wie 1:2 verhalten. Es liegt also gerade das umgekehrte Verhältnis wie bei Lepas vor: dort überwiegt das Protoplasma den Dotter etwa in gleichem Maße wie bei Scalpellum der Dotter das Protoplasma. Auch bei Lepas erfolgt die Sonderung der Nähr- substanzen im abgelegten Ei zur gleichen Zeit, während der Aus- bildung der zweiten Reifungsspindel und der Kopulation der Pro- nuclei. Welcher Reiz für diese Umlagerung der Materialien aus- schlaggebend ist, vermag ich nicht zu sagen. Da sie gleichzeitig mit den Reifungsteilungen beginnt, könnten diese in Frage kommen, Möglicherweise gibt auch das eindringende Spermatozoon den An- 362 Paul Krüger: stoß. Leider ist es mir, wie allen früheren Untersuchern, auch dies- mal nicht geglückt, den Zeitpunkt festzustellen. Kühn (1913) vermutet, daß bei Polyphemus ‚die Richtung der Nahrungs- resorption die spätere Hauptachse des Eies bestimmt‘, und daß „der Beginn der Ausbildung der polaren Differenzierung der Ei- zellen bei den Cladoceren allgemein in die Zeit fällt, da sich die ursprünglich gleichwertigen Keimzellen in Gruppen von je 4 zusammenlegen‘. ‚Die Region, welche in der wachsenden Eizelle in erster Linie die Resorption zu leisten hat, wird zum vegetativen Pol.‘‘ Bei Einstellung der Richtungsspindel ist die polare Differen- zierung des Cladoceren-Eies bereits fertig, beim Cirri- pedien-Ei beginnt sie auf diesem Stadium erst sichtbar zu werden. Eine Beziehung zu den im ganzen Umkreis des heran- wachsenden Eies liegenden abortiven Ovarialzellen (s. Krüger, 1920, p. 132; Taf. 3 Fig. 5) läßt sich nicht nachweisen. 1.—4. Teilungsschritt (l—16-Zellenstadium). Bereits bei der ersten Furchungsteilung zeigt sich der Einfluß des größeren Dottergehaltes. Wie bei Lepas steht die 1. Furchungs- spindel senkrecht zur Hauptachse des Eies (Taf. XIV Fig. 9), verläuft also die 1. Furchungsebene meridional (Taf. XIV Fig. I u. Taf. XV Fig. 14, Textfig. 2 u. 3). Während es aber nun bei Lepas zu einer Rotation des Eies innerhalb der Eimembran um 90° kommt, so daß die Teilungsebene scheinbar zu einer äquatorialen wird (Text- figur 4), unterbleibt diese Drehung bei Scalpellum. Deszwer teren wird aber durch die 1. Teilung der Dotter nicht mitbewältigt, er bleibt ungefurcht. Die Teilungsfurche schneidet so weit ein, als das Protoplasma reicht. Der mit dem Dotter in Verbindung bleibende Teil des Protoplasmas ist im allgemeinen etwas kleiner als der abgeschnürte (Taf. XIV Fig. 1). Dieser wird nach der Durch- furchung durch eine Membran von dem darunterliegenden Dotter abgetrennt. Schnitte durch die Keimscheibe lassen deutlich den Textfigur 2'). 2-Zellenstadium, von der Seite. ı) Sämtliche Textfiguren von Scalpellum sind bei gleicher Ver- größerung (Zeiss obj. D. oc. 2) gezeichnet und auf ?, verkleinert. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 363 Unterschied in der Abgrenzung beider Teilprodukte gegen den Dotter erkennen (Taf. XV Fig. 14). Damit ist auch erwiesen, dab die Furchung des Scalpellum-Eies nur eine scheinbar dis- koidale ist, in Wirklichkeit eine extrem inäquale darstellt. Die erste Mikromere ab? steht der riesigen, nur wenig Bildungsdotter ent- haltenden, aber nahrungsdotterreichen Makromere cd? gegenüber. Sie erscheint auf letztere gelegt. Da die Eimembran das Ei sehr dicht umschließt, kommt es nicht wie bei Lepas zu einer Ro- tation innerhalb der Hülle oder zu einer Abkugelung der Mikromere. Textfigur 3. Textfigur 4. 2-Zellenstadium, vom animalen Pol; Vor- Lepas. bereitung zur 2. Furchungsteilung. 2-Zellenstadium. Beachtenswert ist ferner, daß das Protoplasma der Makromere cd? eine größere Affinität zu Farbstoffen besitzt, als das der Mikromere ab?. Es färbt sich mit Boraxkarmin dunkler rot, ebenso mit He i- denhainschem Hämatoxylin intensiver und nimmt mit Dela- fieldschem Hämatoxylin einen mehr rotbraunen Ton an, wäh- rend ab? rein blau erscheint. Wie bei Lepas kommt es nun beim nächsten Teilungsschritt häufig zu einem Voraneilen von ab?, so daß a® und b? schon von- einander getrennt sind, wenn der Kern von cd? noch die frühe Ana- phase der Teilung zeigt, und daß vorübergehend ein 3-Zellenstadium zu beobachten ist (Textfigur 5). Zu Beginn der 2. Teilung sind beide Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 24 364 Plan loRT er: Spindeln gleich gerichtet, senkrecht zur ersten (Textfigur 3). Im weiteren Verlauf der Teilung kommt es aber zu einer Drehung oder Verschiebung von ab?, so daß die Spindelebenen sich in der Ver- längerung schneiden (Textfigur 5, Taf. XIV Fig. 2). Dadurch wird erreicht, daß meistens a? und b? nur an c® grenzen. Man vergleiche damit das 4-Zellenstadium von Lepas (Textfigur 6). Es dürfte auch hierin der Einfluß des Dotters, der zu einer schärferen Aus- bildung des bei Lepas angedeuteten Verhaltens geführt hat, zu suchen sein. Bigelow beschreibt für Lepas, daß in der ersten Mikromere (ab?) die Spindel zentral gelegen ist, in der Dotterzelle Textfigur 5. Textfigur 6. 3-Zellenstadium. Lepas. 4-Zellenstadium, von der Seite. (cd?) sie sich dagegen näher dem Zentrum des protoplasmatischen Teils, näher dem animalen Pol befindet. Mit dem Voranschreiten der Teilung wird diese Spindel mehr geneigt, bis sie mit einem Ende in die Dottermasse, die am vegetativen Pol der Dotterzelle liegt, hineinreicht. Bei Scalpellum liegen beide Spindeln zentral im Protoplasma ihrer Zelle. Eine Neigung der Spindel in der Dotter- zelle erscheint im Hinblick auf den passiven Widerstand des Dotters nicht möglich, die beiden Blastomeren a? und b? werden aus ihrer Lage gedreht und durch die sich von der Makromere abschnürende zweite Mikromere c? von derselben abgedrängt. ab? hat sich äqual geteilt, cd? inäqual, wobei zwar d®? tatsächlich bedeutend größer als c® ist, ihr protoplasmatischer Teil aber kaum mehr als c? beträgt. Hinsichtlich des färberischen Verhaltens zeigt sich wieder der gleiche Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 365 Unterschied wie auf dem 2-Zellenstadium: a®, b? und c® färben sich mit Delafieldschem Hämatoxylin blau, d® fast braunrot. Zwischen dem 4-Zellen- und $-Zellenstadium scheint kein langdauerndes Ruhestadium aufzutreten; wenigstens zeigten die Kerne aller mir vorliegenden Eier mit 4 Zellen bereits die Vorbe- reitungen zur nächsten Teilung. Dabei eilen die einen den anderen voraus, und zwar stets a® und b?, in weit stärkerem Maße als auf dem vorhergehenden Stadium, eine Erscheinung, wie sie auch Bigelow an Lepas beobachteie und die sich im Laufe der Furchung immer mehr verstärkt. Während sich a? und b# gleich- zeitig teilen, hinkt c? und noch mehr d? nach, so daß Eier mit 6 und 7 Zellen auftreten. Das Endresultat ist aber das 8-Zellen- stadium. Ueber die Stellung der Spindeln zueinander und zur Längsachse des Eies läßt sich Kaum etwas Charakteristisches aus- sagen, da einmal die Eier durch den gegenseitigen Druck in der Mantelhöhle des Hermaphroditen meistens Gestaltsveränderungen erlitten haben (von ursprünglich ellipsoider Form zu ganz un- regelmäßig gestalteten Körpern), andrerseits wird eine Orientierung der Spindeln nach allen möglichen Richtungen dadurch herbei- geführt, daß die Blastomeren immer mehr über die große Dotter- zelle geschoben werden. Die Blastomeren a®?, b? und die zweite Mikromere c? teilen sich wieder äqual, die Makromere d? inäqual im gleichen wie oben für den zweiten Teilungsschritt geschilderten Sinne und schnürt dabei nach Bigelow die dritte Mikromere d?°°? ab. Leider lag mir gerade von diesem Stadium nur sehr wenig Material vor, das sich außerdem noch schlecht färbte. Immerhin läßt sich aus den wenigen einigermaßen guten Präparaten folgendes erkennen. In den Beziehungen der Zellen hinsichtlich der Lage zueinander macht sich der Dotter in verstärktem Maße bemerkbar. Die Anordnung der Zellen bei Lepas ist folgende: at"! und a? '? liegen auf der linken Seite des Eies und sind symmetrisch zu den auf der rechten Seite liegenden Zellen c* "! und c* '? (Textfigur 7 a); in der Mediane befinden sich die Abkömmlinge von b?, von denen b?'! an die Dotterzelle d?'! grenzt und b*'? am vorderen Ende des Eies liegt (Textfigur 7b); die dritte Mikromere d?'* liegt gleichfalls in der Medianlinie nach dem animalen Pol zu. Es ist eine deutliche Bi- lateralität in der Anordnung der Zellen festzustellen. Man vergleiche nun damit das 8-Zellenstadium von Scalpellum (Taf. XIV 24* 366 Paul Krüger: Fig. 3). Die streng gesetzmäßige Zugehörigkeit wie bei Lepas wird vollkommen vermißt, ebenso läßt sich keine symmetrische Anordnung erkennen. Die dritte Mikromere d* ? erscheint seitlich herausgeschoben. Die übrigen Zellen liegen ungefähr in einem Kreis, dessen Mittelpunkt der noch auf dem Blastoderm liegende Richtungskörper einnimmt. (BeiLepas wird er bereits auf diesem Stadium unter das Blastoderm verlagert.) Die Abkömmlinge von ab?: a1, at"2, p4 1, p2'2 wurden bereits durch den 2. Teilungs- schritt durch die dritte Mikromere c?® von der Dotterzelle d? ge- trennt und werden jetzt durch die Zellen c*"! und c?*® noch weiter a Textfigur 7. b Lepas. — 8-Zellenstadium. a) vom animalen Pol; b) von der Seite. von dieser entfernt. Nach Bigelow liegen beiLepas die Zellen at 1 p2"1 c4'1 um den vegetativen Pol, d. h. grenzen an d? 1 und aneinander und liefern künftighin den „sekundären Mesoblast‘“, Bei Scalpellum ist von diesen Zellen b? °! weit ab von d? 1 gelagert und allein c*'! steht noch mit der Dotterzelle in Verbindung. Da, wie später gezeigt werden wird, auch bei Scalpellum von zwei Stellen des Blastodermrandes aus die Mesodermbildung beginnt, ist eine Zurückführung dieses Prozesses auf die gleichen Zellen wie bei Lepas wahrscheinlich nicht möglich. Es mag hier schon ge- sagt werden, daß bei der Unregelmäßigkeit des Furchungsverlaufes es ausgeschlossen erscheint, bestimmte Zellen früher Stadien als die Mutterzellen des ‚sekundären Mesoblastes‘‘ zu bezeichnen. — Von Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 367 den Zellen des 8-Zellenstadiums hebt sich wiederum das Plasma der Dotterzelle d? ! ab. Sie enthält bei Lepas nur noch „primären Mesoblast‘‘ und Entoblast. Ihr Kern zeigt eine von den Kernen der Blastodermzellen abweichende Struktur, auf die später noch zurückgekommen werden soll. Ein eigentliches „Ruhestadium‘“ scheint vielleicht ganz zu fehlen, zum Unterschied von Lepas. Wiederum sind es die „‚proto- plasmatischen‘“ Zellen, die sich zuerst zur nächsten Teilung schicken. Während in den Zellen at, at'2, b2 1, bp? die Tochterplatten auseinanderzurücken beginnen, finden sich in ec?! und c?*'? fein- fädige Knäuel, verharren d?'! und d!‘? noch in Ruhe (Taf. XIV Fig. 3). Gelegentlich verzögert sich auch b*'? gegenüber a®"!, at 2 und b*°1. Von der 4. Furchungsteilung ab kommt es nun nicht mehr zu irgend einem scharf umschriebenen Stadium, bei dem alle Kerne sich in Ruhe befinden. Es ist vielmehr ein ununter- brochenes Hinüberfließen von einem Schritt zum andern, das viel- leicht schon beim ersten Teilungsschritt einsetzt. Wenn die sich zuletzt teilenden Kerne die Anaphase erreicht haben, beginnen die ersten bereits wieder den nächsten Teilungsschritt, haben ihn schon zum Teil zurückgelegt. So kommen zwischen dem 8- und 16-Zellen- stadium solche mit I1 und 12 Zellen zur Beobachtung: oZellem ar 1-H as DE rg 12 Zellen: a8 4—1, Hs- 2-1 ca 21, geeei Ein 14-Zellenstadium, das zu erwarten wäre, da c*'? und c*‘! sich vor d?'2 und d?'! teilen, hat mir nicht vorgelegen. Auf dem 16- Zellenstadium haben bei Lepas sich die ‚„protoplasmatischen‘‘ Zellen weit über die Dotterzelle gebreitet; Eier mit relativ wenig Dotter zeigen den Blastoporus nahezu geschlossen (Textfigur 8 c). Demgegenüber bilden die Blastomeren bei Scalpellum noch eine kleine Keimscheibe, die auf der großen Dotterzelle d?: schwimmt (Taf. XIV Fig. 4). Nach Bigelow hat sich in der 4. Teilung der „primäre Mesoblast‘ d?. von der Dotterzelle d? '! ab- geschnürt und kommt in der Medianlinie auf der dorsalen Seite des Embryos (animaler Pol) zu liegen (Textfigur 8a). Zu beachten ist die bilaterale Anordnung der Zellen: Die den „sekundären Mesoblast‘ enthaltenden Zellen ad '2, b? 2 und c? '* berühren die entodermale Dotterzelle d’°! an ihrem vorderen und seitlichen Rande (Text- figur 8b). BeiScalpellum wird durch die 4. Furchungsteilung 368 Paul Krüger: die Mesoblastzelle d? *? wiederum seitlich herausgeschoben, so daß die Symmetrie noch mehr gestört wird, werden die Abkömmlinge von b#'1:p° 2 und b?'! noch weiter von dem protoplasmatischen Teil der Dotterzelle d? *! abgedrängt, von den „sekundären Meso- blastzellen‘‘ bleiben nur noch a®'? und c?'? mit ihr in Berührung, b5 2 liegt weit ab. Das Protoplasma der Dotterzelle d’ '! und der Mesoblastzelle d’ 2 hebt sich, als Abkömmling von d?'!, durch seine Färbbarkeit von den übrigen Zellen ab. Textfigur 8. Lepas. — 16-Zellenstadium. a) vom animalen Pol; b) vom vegetativen Pol; c) von der Seite. 5.—8. Teilungsschritt (16—62—118—? 236-Zellen- stadium). Normalerweise führt die 5. Teilung zu einem 32-Zellenstadium, die 6. zu einem solchen mit 64 und die 7. zu einem mit 128 Zellen. Nun zeigt aber bereits die 5. Teilung von Lepas eine starke Verzöge- rung in der Teilung der Abkömmlinge von d? 1: d? ? bereitet sich zur Teilung vor, wenn die Blastodermzellen die ihre vollendet haben. „The yolk-cell (entoblast, d’ !) is the last cell to undergo the fifth cleavage; it commonly divides about the time that the blastoderm cells prepare for the next (sixth) cleavage; but at times the cleavage of the entoblast is so delayed as to be nearly simultaneous with the sixth cleavage of the blastoderm cells.“ Das 32-Zellenstadium Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 369 ist infolgedessen nicht scharf fixiert, gleitet vielmehr allmählich in das nächstfolgende über. Es sind wieder die 28 Blastoderm- zellen, die die 6. Teilung zuerst vollenden. Treten die resultierenden 56 Zellen in Ruhe, so beginnen die beiden ‚primären Mesoblast- zellen‘ d® * und d® 3 die 6. Teilung. Die beiden Entoblastkerne d® > und d® *! bleiben bis zu einem späteren Stadium (während der 8. Teilung, ca. 122—240 Zellen) in Ruhe. In der 7. Teilung erfolgen die Teilungen der übrigen Zellen mehr oder weniger synchron. Das Ergebnis der 6. Teilung ist also ein Stadium mit 62 Zellen. Es prägt sich in diesem Verhalten Zieglersan Nematoden-Eiern gefundenes ‚‚Gesetz der differenten Teilungszeiten‘“ (1895) als auch Haeckers ‚Gesetz der zunehmenden Phasendifferenz‘‘ (1897) aus, deren Gültigkeit Kühn für die Furchung von Polyphe- mus feststellte. Daß diese Geseizmäßigkeit durch einen relativ größeren Dottergehalt des Eies in verstärktem Sinne beeinflußt wird, zeigt die Furchung von Scalpellum. Wir haben gesehen, daß bereits auf dem 2-Zellenstadium das Protoplasma der Dotterzelle cd? sich oft später teilt als die Mikro- mere ab?. Beim nächsten Teilungsschritt eilen deren Abkömmlinge a® und b? der zweiten Mikromere c? voraus und diese wieder der Dotterzelle d?. Verstärkt wird diese Differenz beim Uebergang vom 8- zum 16-Zellenstadium: a® 2, a® ‘1, p**2, b2 "1 beenden die Tei- lung, wenn c?°*? und c?'! sie beginnen und die dritte Mikromere d?‘2 und die Mesentoblastzelle d*'! noch ruhende Kerne aufweisen. Durch den 4. Teilungsschritt werden, nach Analogie der Verhält- nisse bei Lepas, die zu bestimmten Keimblättern in Beziehung stehenden Zellen endgültig voneinander getrennt. Die Phasendiffe- renz zwischen den Teilungen der Kerne vergrößert sich immer mehr. Je später sich die Zellen von der Dotterzelle abgelöst haben, um so später erfolgen ihre Teilungen, zuletzt die der Dotterzelle d’ '! selbst. Diese teilt sich erst, wenn alle übrigen Zellen die 5. und 6. Teilung vollendet haben, zum Teil sich zur 7. anschicken. Es folgt also auf das bereits zur nächsten Teilung hinneigende 16-Zellen- stadium als nächstes schärfer umschriebenes das 62-Zellenstadium, wobei das 32-Zellenstadium, das bei Lepas wohl ausgebildet ist, vollständig übergangen wird. Dazwischen lassen sich noch andere, mehr oder weniger deutlich abgetrennte Stadien unterscheiden. Der Teilungsrhythmus ist immer der, daß die Blastodermzellen den Mesoderm- und Entodermzellen vorauseilen: die Teilungswelle 370 Paul Krüger: läuft zweimal über die Zellen und beginnt zum dritten Male, ehe die Entoblastzelle d? *! sich in zwei teilt. Ich gebe zunächst eine Uebersicht der einzelnen zwischen dem 16- und 62-Zellenstadium liegenden Etappen. Zu jedem aufgeführten Stadium füge ich die am meisten Wahrscheinlichkeit besitzende Analyse bei. Ob auf späterem als dem 31-Zellenstadium stets die Abkömmlinge von ab? vorauseilen und nicht vielmehr weitere Un- regelmäßigkeiten auftreten, vermag ich nicht sicher zu entscheiden. In der Uebersicht und graphischen Darstellung (Taf. XVI) habe ich die stets gleiche Reihenfolge angenommen. Eine absolut genaue Zurückführung aller Zellen eines gegebenen Stadiums auf die des vorhergehenden ist nach dem 16-Zellenstadium nicht mehr möglich. 16 Zellen: | AR (Bl. — Blastoderm, ) bar 222, = 22 ine Vo esltine.o EM 7 — >Mespderng Bly os: 2 E. = Entoderm.) | dar2 3 7 2 Ruhe: M. d +2 D— 1 „ ” E. d az — 1 „ „ 16 24 Zellen: (as) .. Ir I 16 in Ruhe. Bi es-4:, N la N ne 6%, V. Teile: IM de — 1, Vorbereitung zur V. Teilung. BE. d oz! = 1 „ „ ” „ „ 24 27 Zellen: | ana ei 1b. 810% 7722 in Ruhe: BL. | 000-5 c s*-1 | Ei x la ah 3 „ V. Teilung. M. d> 2 — |] ,‚, Vorbereitung zur V. Teilung. E. d DSF — | „ „ ” „ „ 27 28 Zellen: ae | be 215 724 An Rune Bl. | c | UREESERRZZE NZ HVASRENUNP. M. d Fi . — 1 „ „ Eds — 1 , Vorbereitung zur V. Teilung. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. Dzi Sn, Zellen: au | 6 + 8-1 Bl. 8.1 [ — 28 in Ruhe. [ar IMesidnor2 — ga lerVankellume: Exrndsr2 — | ,„ Einstellung zur Aequatorplatte (V. Teilg.). 31 Zellen: Anke! | besss 21 | — 24 in VI. Teilung. 8-1 Bl. Es des — ZA Rune M. d 6 = —— 2 „ „ Eieder ! — 1 , V. Teilung (Aequatorplatte). 31 39 Zellen: [& Wwele=ir} 1620 Ruhe: bj 8-1] } Bl. F SE a 16.5, VR Teilung: dia Bi 7 2 Ruhe M. d 62 4-3 = 2 „ „ rg Er — Oo EN Teilung. 39 47 Zellen: men ; nn I ei — 32 in Rule, Bl.) os. »1 — 8 , VI. Teilung. las er RENTE: IN, sal 88 ee —. „ „ I, oe eV esleil1g* 47 48 Zellen: [a Az | Dos tz 34 in Rune: Bl. ce?’ | | Bee EEE NL Teilung: | diem 35,17 4 ,,. Vorbereitung’zur'VT. Teilung: M. d s a = 2 „ „ „ „ „ Eardia ni —elr 1. V.sDeiltnp® 48 32 Zellen: auns | Bi 42 in. Ruhe. BI. Yer-ıcn] I; mer Zr VJ: Teilung ds: 85 — 4 , Vorbereitung zur VI. Teilung. M. d s “ 62 > 2 „ „ 2} ib} „ Ede eV. Teilung. 312 Paul Krüger: >36 Zellen: | ag bez 8 nsRuühe: Bee] la 5 374 VI» Teilime:- M. da mr Vorbezeitune zur VI Teiime Erkennt 2 7 MRühe- 56 58 Zellen: am els—1 | b 7 16—1 | T BI I. ee oz an eRune. I d ?- 16-13 | la ELF — 2, v3 Teilung: M.cheinte zei N Y254, 0 Vorbereitung zur VI> Teulunp 29 Jelbzr. — Deere: 58 60 Zellen: Aa | b 7 16—1 | Se 56 in Ruhe. | d 7. 16-9 M. d$ == = 2, VI. Teilung oder noch ‘in Vorbereitung. Eraae 2172 7,25, Ruhe: 60 62 Zellen: Bı. | ? — 26 11V II. Teilung. ei? — 30 „ Vorbereitung z. VII. Teilung, teils in Ruhe. Mesrdeäe 2552 Te ER Her Era 2 1 — 7277 VI. SKeilung* 62 Das Auffallendste an dieser Generationsfolge ist die außerordent- !iche Verlangsamung im Teilungstempo der Mesodermzellen d? ** und d$ 43, vor allem aber der Entodermzellen d? '! und d® 1, Die Mesodermzelle d? '? vollendet ihre 5. Teilung auf dem 31-Zellensta- dium, wenn bereits 24 Blastodermzellen schon in der 6. begriffen sind, und der 5. Teilungsschritt in der Entwicklung des Scalpellum- Eies wird gar erst auf dem 56-Zellenstadium zu Ende geführt, wenn die Entodermzelle d? ! in ihre beiden Abkömmlinge d® '? und d$ *! geschieden ist, wenn 48 Blastodermzellen schon den 6. Teilungs- schritt ausgeführt haben. Ein 62-Zellenstadium tritt wohl sicher auf, doch möchte ich die mir vorliegenden Eier dieses Stadiums als nicht normal! betrachten. Sie stammen aus einem Gelege, dessen Eier sämtlich sich durch einen ganz unregelmäßigen Teilungsverlauf auszeichneten. So zeigten sie die Teilungen nicht an bestimmte Zonen gebunden, wodurch es auch nicht möglich war, bestimmte U Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 313 Zellen als in Teilung befindlich zu bezeichnen. Der Teilungsrhythmus erscheint verwischt, während er auf späteren Stadien, an Eiern ande- rer Gelege wieder deutlich zu bemerken ist. Zudem ließen einzelne Mitosen nur ca. 16 Chromosome an Stelle der normalen 32 erkennen, Das normale 62-Zellenstadium muß sich aber gleichfalls aus 56 Blasto- dermzellen (den gleichen wie das 60-Zellenstadium), 4 Mesoderm- zellen, d’ 85, und den beiden Entodermzellen d$ * ?=1 zusammen- setzen. Die 4 Mesoderm- und 2 Entodermzellen finden sich auch noch auf dem nächsten Stadium, dem 118-Zellenstadium. Von diesem lagen mir eine ganze Anzahl Eier vor, so daß seine Deutung sicher ist, um so mehr sich die Mesoderm- und Entodermzellen aufs deutlichste abheben: 118 Zellen: aus 1 De a : Bl. a1 fer 112 in Ruhe. | d 8 32—17 | ad — 4 ,, Vorbereitung zur VII. Teilung. E. d 6.21 —— 2 „ „ „ VI. ”’ 118 Es kommt dann vielleicht nach Durchteilung der Mesoderm- und Entodermzellen zu einem 124-Zellenstadium. Da es mir aber nicht zur Verfügung stand, kann ich nicht sagen, ob nicht doch die Blastodermzellen mit dem nächsten Teilungsschritt beginnen und ihn zum Teil zu Ende führen, ehe die Mesoderm- und Entoderm- zellen sich durchgeschnürt haben. Das letzte mit Sicherheit be- stimmte Stadium war ein solches mit 221 Zellen: 221 Zellen: | al | b Ei) 64—1 | 4 t 1 — 194 in Ruhe. Bl. \ C 964-1 f nR | d?: 61-63 | aeszaıZizg 5rteilsd) N aVSeLeilunosrtenlsz(lO)Ein Vorbereitung, IMsades 2109 — 8 in Vorbereitung zur VIII. Teilung. Ba dan es, , 7 BEHVLT: 3» 221 Nach Durchteilung aller Blastodermzellen würde ein Stadium mit 236 Zellen, nach Durchteilung auch der Mesoderm- und Entoderm- zellen ein solches mit 248 Zellen resultieren. Wie groß der Unterschied in der Teilungsgeschwindigkeit der einzelnen Zellsorten ist, mag noch folgende Tabelle zeigen. Es sind nur 374 Paul Krüger: die Stadien aufgeführt, bei denen es jedesmal zu einer Verdoppelung der Blastodermzellen gekommen ist. Diese teilen sich stets erst dann weiter, wenn sämtliche Blastodermzellen die gleiche Zell- generation erreicht haben; daß unter ihnen dennoch gleichfalls Unterschiede im Teilungsrhythmus vorhanden sind, ist bereits er- wähnt, soll hierbei aber unberücksichtigt bleiben. Stadium Blastoderm Mesoderm Entoderm 16 = 14 = 1 22 1 31 — 28 + 2 1 1 62 == 56 + 4 + 2 118 == 112 BE 4 + 2 2 236 — DD + 8 Zr 4 Die Vermehrung beträgt also bei den Blastodermzellen das 16fache, bei den Mesodermzellen nur das 8fache und bei den Entoderm- a Textfigur 9. b Lepas. — 32-Zellenstadium. a) vom vegetativen Pol; b) optischer Sagittalschnitt. zellen gar nur das Afache. Die Teilungsgeschwindigkeiten verhalten sich also wie 4:2:1. Es sollen nun noch die einzelnen Stadien etwas genauer be- trachtet und mit den entsprechenden von Lepas verglichen werden. Das 32-Zellenstadium von Lepas (Textfigur 9) zeigt noch die gleiche regelmäßige Anordnung der Zellen wie die vorher- gehenden Stadien. Der Blastoporus hat sich noch mehr verkleinert, die Dotterentoblastzelle ist fast vollständig von den Blastoderm- zellen bedeckt. Am hinteren Rand des Blastoporus liegen die beiden „primären Mesoblastzellen‘“ d$ '* und d$'®, vorn und seitlich wird . Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 379 c Textfigur 10 (a—d). d Lepas. — 62-Zellenstadium. a) vom vegetativen Pcel, primäre Mesoblast- zellen (d ®°®, d#° #) noch nicht vom Blastcderm überwachsen, Blastoporus nahezu geschlossen, hinteres Paar der sekundären Mesoblastzellen (a '*°, c’"5) an den Seiten des primären Mesoblastes; b) optischer Sagittalschnitt des gleichen Eies, vorderes Paar von sekundären Mesoblastzellen (b ° '°, b’*?) und zwei Entoblastkerne (d ®°!, d®' 2); c) vom vegetativen Pol, 56 Blastodermzellen, 4 sekundäre Mesoblastzellen (a?'®, b’'’, b''®, c?"5, gebrochene Linien), 2 sich teilende primäre Mesoblastzellen (d®.®, d®**, punktierte Linien); d) Sagittalschnitt. 376 Paul’Krüger: er von den 4 Mesektoblastzellen a® 3, °p8°3, b°*, c&=3Tpesrenzt. Das 32-Zellenstadium wird bei Scalpellum übergangen, da die Teilung von d? ! sich weiter verzögert. Zum Vergleich muß also das 31-Zellenstadium herangezogen werden. Auf ihm läßt sich nun eıne genaue Bezeichnung aller Furchungszellen nicht mehr durch- führen. Durch ihre Ausbreitung in Form einer Kalotte läßt sich der Zusammenhang mit bestimmten Zellen des 16-Zellenstadiums kaum nachweisen. Nur für die in unmittelbarer Nachbarschaft des proto- plasmatischen Teils der Entodermzelle d?’°! befindlichen Zellen läßt sich auf Grund ihrer verzögerten Teilung und charakteristischen Färbung mit einiger Sicherheit ihre Herkunft bestimmen. Es sind einmal die sich durch ihre Färbung abhebenden ‚primären Mesoderm- zellen‘ d®°* und d®'® und dann die Abkömmlinge von d?*?3: ds 855, die in gleichem Sinne verspätet in die 6. Teilung treten. -- Als nächstfolgendes Stadium iindet sich bei Lepas das 62-Zellen- stadium, dessen Entstehung bereits geschildert ist. Der Blastoporus ist gewöhnlich geschlossen. Während der Teilung sinken die beiden primären Mesoblastzellen d$°*, d®°3 unter das Blastoderm, der sekundäre Mesoblast (a? '5, b? '°, b? 5, c” "5) wird gleichfalls unter das Blastoderm verlagert, indem sich die Zellen durch eine Ebene parallel zur Oberfläche abschnüren (Textfigur 10b und c). Eine Abgrenzung der einzelnen Teilungsschritte läßt sich bei der Fur- chung von Scalpe!llum nur dann herbeiführen, wenn man einen Teilungsschritt dann als beendet betrachtet, wenn sämtliche Blastodermzellen die gleiche Teilung ausgeführt haven. Der 5. Tei- lungsschritt beginnt dann mıt dem 16-Zellenstadium, geht über ein solches mit 24, 27, 28, 30 Zellen zum 31-Zellenstadium. Während des 6. Teilungsschrittes treten Stadien mit 39, 47, 48, 52, 56, 58, 60 und 62 Zellen auf. Ein solches Uebergangsstadium ist in Text- tigur 11 (39 Zellen) abgebildet. Zu beachten ist der Streifen sich teilender Zellen, während zu beiden Seiten ruhende Zellen vor- handen sind: auf der animalen Seite bereits geteilte, die also die 6 Teilung schon beendet haben, auf der vegetativen Seite, an den protoplasmatischen Teil der Dotterzelle grenzend, die noch nicht in die 6. Teilung getretenen Blastodermzellen d$' 85° und die Meso- dermzellen d$ 43, Besonders hervorzuheben von diesen verbin- denden Stadien sind das 52- und das 56-Zellenstadium. Zwischen beiden vollendet die Entodermzelle d’ * ! die 5. Teilung. Das dadurch erreichte 56-Zellenstadium (Taf. XIV Fig. 6) läßt sich natürlich Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 317 gar nicht mehr mit dem bei Lepas durch den 5. Teilungsschritt gebildete 32-Zellenstadium vergleichen. In ihrer Ausbildung zeigen das 52- und 56- wie auch das 62-Zellenstadium nichts Besonderes gegenüber den früheren. Die Zellen bilden immer noch erst eine einschichtige Haube, die dem Dotter aufsitzt und diesen noch nicht bis zur Hälfte bedeckt. Als Zellen bestimmter Herkunft lassen sich nur die beiden Mesodermzellen d® °* und d® 3 und die beiden Textfigur 11. Textfigur 12. Scalpelium. — 39-Zellenstadium. Die Lepas. — ca. 250-Zellen- Entodermzelle d ?® ° ! liegt im Präparat stadium. Sagittalschnitt. unter den Blastodermzellen, Entodermzellen d® '? und d®°! an ihrer Färbung und ihren Lage- beziehungen erkennen. Spätere Stadien der Entwicklung von Lepas sind von Bige- low nicht mehr genau ausgezählt worden. Das nächstfolgende schätzt er auf 122 Zellen. Alle mit Ausnahme der beiden Entoblast- zellen haben sich geteilt. Die Mesoblastzellen liegen dicht gedrängt beieinander, so daß ihre verschiedene Herkunft nicht mehr zu er- kennen ist. Zwischen diesem Stadium, und dem nächstfolgenden (auf ca. 250 Zellen geschätzten) beginnen die Mesoblastzellen sich lebhaft zu teilen, so daß es zur Ausbildung eines Bandes von Meso- blastzellen kommt (Textfigur 12). Bei Scalpellum wird die weitere Entwicklung der Keimblätter auf viel spätere Stadien ver- schoben. Es macht sich besonders darin der große Gehalt an Dotter 378 Paul OK ülgreir: bemerkbar, der auf die gleiche Weise wie bei Lepas nicht be- wältigt werden kann. Zunächst führt die 7. Teilung zu einem wohl umschriebenen 118-Zellenstadium (Taf. XIV Fig. 7). Die Zellen bedecken nun einen größeren Teil der Eioberfläche, so daß sie bei Betrachtung von oben nicht mehr alle gesehen werden können. Um solche Stadien auszählen zu können, muß die „Keimscheibe‘ abpräpariert und in eine Ebene gebreitet werden. Dadurch gehen natürlich der Zusammenhang und die Lagebeziehungen der Zellen zueinander verloren. Aber auch ohne diese künstliche Zerstörung lassen sich solche ebensowenig wie auf den vorhergehenden Stadien erkennen. Nur die 4 Mesodermzellen d? * °®”5 und die beiden Ento- dermzellen d® °”1 heben sich deutlich heraus. Eine Betrachtung der Abbildung zeigt, daß von den Blastodermzellen sich die an die Mesoderm- und Entodermzellen grenzenden zuletzt geteilt haben. Ihre Kerne liegen noch deutlich paarweise zusammen und haben noch nicht die volle Größe erreicht. Die Mesodermzellen bereiten sich gerade zur 7. Teilung vor, wobei sich ihre Kerne durch ihre Größe von den übrigen unterscheiden. Die Kerne der Entodermzellen haben die späte Metaphase der 6. Teilung erreicht. Schnitte durch die Zellkappe zeigen, daß sie immer noch einschichtig ist (Taf. XV Fig. 17). Auf dem letzten mir vorliegenden Stadium, dem 221- Zellenstadium, lassen sich nur noch die 4 Entodermzellen d? * #1 durch ihre dunkle Färbung und ihre Lage am Rande der „Keim- scheibe‘ mit Sicherheit unterscheiden. Die Teilungsschritte und Zellenzahlen weiter zu verfolgen, scheiterte an der Schwierigkeit des Materials. Gastrulation und Mesodermbildung. Die weitere Entwicklung des Scalpellum- Eies verläuft so, daß durch die fortschreitenden Teilungen die Zellen immer mehr über den Dotter wachsen. Der von Zellen freigelassene Teil verengt sich beständig, um schließlich ganz geschlossen zu werden. Der Keim gleicht dann einem durch superfizielle Furchung entstandenen. Inzwischen haben aber zwei andere Prozesse eingesetzt. Auf welchem Stadium sie beginnen, läßt sich schwer feststellen. Auf einer Schnitt- serie konnte ich ungefähr 350 Kerne zählen. Es ist dann der Dotter bis auf ein Drittel etwa von Zellen bedeckt. Zu dieser Zeit kommt es zu einer schnelleren Teilungstolge der Entodermzellen, die dabei in den Dotter einwandern (Taf. XV Fig. 18), und zwar, wie es Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 379 scheint, auf im Dotter vorgebildeten Bahnen. Auch im Dotter selbst kommt es nun zu einer Vermehrung dieser „Dotterzellen‘. Sie liefern später das Epithel des Mitteldarmes, der auch beim älteren Nauplius noch ganz mit Dotter gefüllt ist und nur aus einem äußerst dünnwandigen Sack mit ganz flachgedrückten, sich dunkel färben- den Kernen besteht. Der Dotter selbst ist dann frei von Kernen. Die Dottermenge ist zu groß, um in die Darmzellen aufgenommen werden zu können. Demgegenüber besitzt der Nauplius von L e- pas schon kurz vor dem Ausschlüpfen einen Darm mit Lumen, das mit denen des Oesophagus und Enddarm in Verbindung steht. Die Dotterentodermzellen-Pyramiden haben sich in die Mitteldarm- zellen umgewandelt, ihr Dotter ist vollständig aufgebraucht, noch ehe die zweite Häutung erfolgt. Die Bewältigung des Dotters findet beiScalpellum erst auf einem viel späteren Embryonalstadium und auf andere Weise statt: bei Lepas in den Darmzellen, bei Scalpellum außerhalb derselben im Lumen des Darmes. Gleichzeitig mit dr Einwanderung der Ento- dermzellen in den Dotter und ihrer epibolischen Ueberwachsung durch das Blastoderm erfolgt die Ein- wucherung der Mesodermzellen, also ebenfalls auf einem viel späteren Zeitpunkt als bei Lepas. Dort wurden die 2 „primären“ und 4 ‚sekundären‘ Mesoblastzellen während der 6. Teilung, auf dem 62-Zellenstadium, unter das Blastoderm ver- lagert, wo sie einen völlig geschlossenen Ring um den inneren Blasto- porusrand bilden (Textfigur 10c). Die Mesodermbildung bei Scal- pellum steht nun sehr stark unter dem Einfluß des Dotters. Infolge des unvollkommenen Verschlusses des Blastoporus ist eine ringförmige Anlage von wenigen Zellen nicht möglich. Der Meso- dermwulst besitzt etwa die Gestalt eines Hufeisens und setzt sich aus einer ganzen Anzahl von Zellen zusammen. Am geschlossenen Ende des Bogens fanden sich auf einem Schnittpräparat 4 große in Teilung begriffene Zellen, während sämtliche übrigen Zellen keinerlei Anzeichen einer solchen aufwiesen. Möglicherweise handelt es sich um 4 „‚primäre‘‘ Mesodermzellen, Abkömmlinge von d’ ' °°°, deren Teilung so lange verzögert ist (Taf. XIV Fig. 8). Entoderm- zellen sind auf diesem Stadium 16 vorhanden: d’ 1671, Sie liegen deutlich zu je 2 beieinander und noch in 2 Gruppen entsprechend ihrer Herkunft von den bereits getrennten d® °? und d® '! des 118- Zellenstadiums (Taf. XV Fig. 18). Auf der einen Seite ist die Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 25 380 Bias laRor iger: Einwucherung des Mesoderms eine etwas bedeutendere als auf der anderen. Fig. 22 Taf. XV stellt den optischen Durchschnitt eines solchen Eies dar. Eine ähnliche Mesodermbildung beschreibt Mc Clendon für die oben erwähnten parasitischen Copepoden. Er deutet die sich von der Mitte der ventralen Seite der Zellkappe abschnürenden 4 Zellen als Urgeschlechtszellen. Leider ließen sich diese fraglichen Zellen bei Scalpellum nicht weiter verfolgen, vor allem auch nicht feststellen, wann in der Entwicklung des Hermaphroditen die Trennung in die Anlage des Hodens und des Ovariums erfolgt. Die Zellfokge. der.„primären”,.M eso. der mes nd En; t.0 dern ze] lesn. Bigelow gibt für die Furchung von Lepas an, daß es möglich ist, nach Färbung mit Boraxkarmin, die Blastodermzellen- kerne schneller zu differenzieren als die Mesoblast- und Entoblast- kerne und daß sich die Entoblastkerne intensiver färben als die des Mesoblastes. Ich habe schon zu Beginn dieser Schilderung der Furchung des Scalpellum-Eies darauf hingewiesen, daß sich bereits auf dem 2-Zellenstadium ein Unterschied im färberischen Verhalten des Protoplasmas der Dotterzelle gegenüber dem der Mikromere zeigt, und daß vom 8-Zellenstadium ab der Kern der Dotterzelle (Entoderm) sich durch eine besondere Struktur auszeichnet. Diese Verhältnisse sollen noch einmal kurz im Zusammenhang dargestellt werden. Der Stammbaum der Entoderm- und primären Mesoderm- zellen ist folgender: Jalr 8 e 1. Mikro- ‚des-a B% = mere, D: » 2. Mikro- z d?°z.|e Zalbe mere, = g 3. Mikro- dö5°: Zi Eis e mere = \ 4 Y 5, Pe: s |5 € 2 £ d 4.2 fe) A RZ Ba Nasa & ; 4 Na 22% 3 N ar.s]: Otter N 475 m snrsefee] N Akromere, N ‚ds-: A "wıapoJug Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 381 Das Plasma des ungefurchten reifen Eies zeigt keinerlei strukturelle Unterschiede. Die Sonderung in die beiden Plasmaarten muß also während der ersten Furchungsteilung erfolgen, doch lassen sich dafür keine morphologischen Anhaltspunkte finden. Beachtenswert ist nun aber, daß die Plasmakappe genau meridional geteilt wird, die beiden resultierenden Zellen nicht übereinander, sondern neben- einander gelagert werden, ohne daß es zu Verschiebungen derselben kommt. Die Lage des Eies ist eben durch den mächtigen Dotter fixiert. Da sich nun in dem färberischen Verhalten des Plasmas der beiden ersten Blastomeren deutlich Unterschiede zeigen, so müssen entweder bereits bei der Scheidung des Dotters vom Plasma Bezirke verschiedener Art in letzterem gebildet werden oder deren Trennung findet erst während der 1. Furchungsteilung statt. Für die letztere Möglichkeit sprechen die Verhältnisse beim Lepas-Ei, wo durch die Schiefstellung der Spindel die Plasmabeschaffenheit der beiden ersten Blastomeren herbeigeführt wird. Dieser Färbungsunterschied zeigt sich nun bis zum 8-Zellen- stadium nur an eine Zelle gebunden: an d? und d!'!, die die An- lagen sowohl für die Urmesoderm- wie Urentodermzelle enthalten. Bei deren Trennung auf dem 16-Zellenstadium weisen beide, d? '? und d?!, das gleiche färberische Verhalten auf. Für die Mesoderm- zellen erlischt für unsere Wahrnehmung diese Fähigkeit bei ihrer Teilung in 4 Zellen (d? 5°) auf dem 118-Zellenstadium. Dagegen lassen die Entodermzellen sie so lange erkennen, als überhaupt noch deutlichere Mengen von Protoplasma um die Kerne vorhanden sind, d. h. bis nach der Gastrulation, Ich erwähnte bereits, daß von d!'! ab die Entodermzellen- kerne Differenzen in Aussehen und Ausbildung der Spindeln gegen- über den Kernen der Blastodermzellen zeigen. Dieser Unterschied ist auch Groom aufgefallen: ‚It is to be noted that the division of these cells (die 16 „yolk-entoderm-cells‘“ des fertigen Nauplius vor dem Schlüpfen) is not accompanied by any of the karyokinetic figures such as occur in the case of both ectoderm and mesoderm cells, the process being apparently direct.‘“ Das verschiedene Aus- sehen der Kerne beruht auf einer stärkeren Färbbarkeit des Kern- saftes und einer dichteren Anordnung der Chromatinfäden. Diese größere Dichte wird in den Prophasen der Teilung durch eine weit- läufigere Verteilung der Chromosomen ersetzt. Es dauert sehr viel länger als in den Blastodermzellen, bis die Chromosomen sich ; 25% 382 Paul Krüger: in die Aequatorplatte eingestellt haben (Taf. XV Fig. 21), selbst nach Auflösung der Kernmembran finden sie sich noch in unregel- mäßiger Lagerung (Tat. XV Fig. 20). Auf späten Metaphasen erscheinen die beiden Teilprodukte lang ausgezogen (Taf. XIV Fig. 11). Es erinnert dies an die Verhältnisse bei den parasitischen Copepoden, bei denen die Spindeln der Entodermzellen in gleicher Weise gedehnt erscheinen. Zusammenfassung. Ueberblicken wir die Furchung des Scalpellum-Eies, so zeigt es sich, daß durch die absolute und relative Zunahme des Dotters gegenüber dem Ei von Lepas der Furchungscharakter nicht ver- ändert, daß dagegen der inäquale Typus bis zum Extrem ausge- bildet worden ist, derart, daß der Kern der Dottermakromere völlig die Herrschaft über den Dotter verloren hat und daß zu dessen Bewältigung dieser erst auf späten Stadien durch die in ihn ein- wandernden Entodermzellen zerklüftet und erst nach seiner Auf- nahme in das Darmlumen resorbiert wird. Dabei kommt es zu einer außerordentlichen Verlangsamung im Teilungsrhythmus der Zellen. Die Abkömmlinge der ersten Mikromere ab? teilen sich annähernd synchron. Bedeutender sind bereits die Unterschiede in der Zell- folge der zweiten Mikromere c?. Ganz erheblich verzögern sich dann die Zellgenerationen der dritten Mikromere d* ?. Ihren Höhe- punkt erreicht die Verlangsamung bei den ‚primären‘ Mesoderm- und den Entodermzellen. Um diese Zunahme der Phasendifferenz anschaulicher zu machen, habe ich versucht, die Zellfolgen graphisch darzustellen (Taf. XVI). Durchgehende Linien bedeuten, daß die betreffenden Kerne sich in Ruhe befinden; unterbrochene Linien zeigen die Vorbereitung zur Teilung an, Kreuzchen die Teilung selbst. Die Blastodermzellen sind schwarz ausgezogen, grün die „primären“ Mesodermzellen, rot das Entoderm. Normalerweise wird ein Teilungsschritt dann als beendet betrachtet, wenn sämtliche Zellen ihn ausgeführt haben. Begrenzt man bei der Furchung des Scalpellum-Eies die einzelnen Teilungsschritte in gleicher Weise, so ergeben sich, da inzwischen bestimmte Zellen bereits den nächsten vollendet haben, folgende Zellfolgen: Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. 389 I. Teilungsschnitt: 1—2 Zellen; normal: 1—2 Zellen. I. 24 R ae II. a 4-8 N ET. IV. r Se EI V. Ä 10 DE ER v1. B Bene ea, Die differenten Teilungszeiten nehmen immer mehr zu, je mehr die Urmesoderm- und Urentodermzellen herausgesondert werden. In analoger Weise verstärkt sich der Sondercharakter ihrer Kern- strukturen mit zunehmender Isolierung. Es bleibt nur noch zu erwähnen, daß auch der determinative Cha- rakter durch die Dotterzunahme eine Abschwächung erfährt. Sicher erhalten bleibt nur die prospektive Bedeutung der Entodermzellen, aus denen ausschließlich der Mitteldarm hervorgeht. Unsicher er- scheint die determinative Bedeutung der ‚„Urmesodermzellen‘“. Gänzlich verloren geht die streng gesetzmäßige Anordnung der Ektoderm- und „sekundären“ Mesodermzellen. Sie bekommen mehr den gleichmäßigen Charakter von Zellen superfizieller Furchung. Die Mesodermbildung geht aber dennoch von den Rändern der „Keimscheibe‘ aus, vielleicht von bestimmten Zellen anderer Her- kunft als bei Lepas, doch lassen sich dafür keine morphologischen Anhaltspunkte geben. Innerhalb der Gruppe der Ascothoracica dürften äln- liche Verhältnisse wie sie zwischen der Entwicklung der Lepa- diden- und de Scalpellum-Eies bestehen, vorhanden sein. Die Eier vonLaura Gerardiae sind klein, 0,187 und 0,16 mn im Durchmesser und dotterarm. Knipowitsch hatte ihre Furchung als eine superfizielle gedeutet, doch hat schon Bigelow darauf hingewiesen, daß es sich in Wirklichkeit um den total in- äqualen Typus handelt. Demgegenüber sind die Eier der Dendr o- gaster-Arten groß, 0,45 mm lang, und sehr dotterreich. Bei ihnen dürfte der gleiche Entwicklungsgang wie beim Scalpel- lum-Ei vorliegen. Aus hinterlassenen Papieren von Otto Le Roi entnehme ich, daß er ihn als einen diskoidalen ansah, also der gleichen Täuschung anheimfiel wie ich zu Beginn meiner Unter- suchung. Zum Schluß möchte ich noch ganz kurz auf eine andere Frage eingehen. Sie betrifft die Phylogenie der Cirripedien. In meinen „Studien“ hatte ich geglaubt, mich der Theorie Hoeks an- 384 Paul Krüger; schließen zu müssen, wonach die ältesten Cirripedien Scal- pellum -ähnliche Formen seien, d. h. solche mit zahlreichen Kalkschildern am Capitulum und daß aus ihnen durch Reduktion dieser sich de Lepadiden, mit nur 5 Kalkschildern, entwickelt haben. Nun hat inzwischen Broch, der sich dm Darwin- schen Standpunkt anschließt, sicher nachgewiesen, daß auch bei Formen mit zahlreichen Capitulumschildern, wie Mitella, onto- genetisch sich zuerst fünf anlegen: zwei Skuta, zwei Terga und die Carina, und es erst danach zu einer Vermehrung dieser Zahl kommt, die phylogenetisch ältesten Cirripedien also wohl sicher solche mit diesen fünf primären Kalkschildern sind. Mit dieser Annahme stimmen nun die Befunde der vorliegenden Untersuchung gut überein. Es dürfte wohl sicher sein, daß der Dottergehalt der Eier etwas sekundäres ist, daß dotterarme Eier in ihrer Entwicklung also die ursprünglicheren Verhältnisse aufweisen. Nun besitzen die Lepadiden dotterarme Eier mit einer an primitivere Gruppen erinnernden Furchung, während die Scalpellidae dotterreiche Eier besitzen, deren Entwicklung sich auf die der Lepadiden zurückführen läßt. Es spricht also auch dies dafür, daß die phylo- genetisch ältesten Cirripedien solche mit 5 Kalkschildern sind. Literaturverzeichnis. Amma, K., Ueber die Differenzierung der Keimbahnzellen bei den Copepoden. Arch. f. Zellf. Bd. VI 1911, S. 497—576. Bigelow, M. A., The early development of Lepas. A study of cell- lineage and germ-layers. Bull. Mus. comp. Zoöl. Harvard College. Vol. XL. 1902 p. 61—144. Bovallius, C., Embryologiska studier. I. Om Balanidernas utvekling. Stockholm 1875. Broch, Hji., Die Plattenentwicklung bei Scalpellum Strosmii M. Sars. Kgl. Norske Vidensk. Selsk. Skrift. 1912 p. 3—14. 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VI. Teilung. Metaphase (gleiche Vergr.). Tafel XV. Bildungsprotoplasma mit Aequatorplatte der 1. Furchungsteilung. Ei mit 1. Richtungskörperbildung. 2-Zellenstadium, meridionaler Schnitt. 24-Zellenstadium, meridionaler Schnitt. ca. 30-Zellenstadium, von der Seite in Ansicht der Urentoderm- und Urmesodermzelle. 118-Zellenstadium, meridionaler Schnitt. Beginnende Entodermzelleneinwanderung (in 2 Gruppen, d ® * 16-1), Blastodermzelle, Metaphase der VI. Teilung (apochr. 2 mm, n. A. ARoca): Aequatorplatte von d’.!, V. Teilung (gleiche Vergr.). Aequatorplatte von d®'!, VI. Teilung (gleiche Vergr.). Einwucherung des Mesoderms. Ei im optischen Durchschnitt. Tafel XVI. Zellfolge von Scalpellum. Schwarz: Blastoderm, grün: Mesoderm, rot: Entoderm, durchgehende Linien: Kern in Ruhe, unterbrochene Linie: Kern in Vorbereitung, Kreuzchen: Kern in Teilung. Das physiologische Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide in Hoden und Prostata mit besonderer Berücksichtigung der Haussäugetiere. Von Tierarzt Dr. Alfred Kunze, Assistent am Veterinärinstitut der Universität Königsberg. Aus dem Veterinärinstitut und Zoolog. Institut der Universität Breslau. (Direktoren: Prof. Dr. Casper und Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Doflein.) Mit 19 Textabbildungen. Einleitung. Wie nur wenige andere Organe hat der Hoden als Gegenstand zahlreicher histologischer Untersuchungen gedient. Die komplizier- ten Zellverhältnisse der Tubuli seminiferi, in die erst nach vielen Irrtümern einige Klarheit gebracht wurde, die noch heute umstrittene Bedeutung der Zwischenzellen und der starke Wechsel der Textur- verhältnisse, dem gerade dieses Organ in den verschiedenen Alters- stufen ausgesetzt ist, boten hierzu die Veranlassung. Wohl keine der diesbezüglichen Arbeiten läßt das im Testikel auftretende Fett unerwähnt, viele derselben beschäftigen sich eingehend damit. Wie bei den übrigen fetthaltigen Organen trat auch beim Hoden mit Auftauchen des Lipoidbegriffes die Fettfrage in ein neues Sta- dium. Dabei war besonders die Rolle, die die Drüse im Cholesterin- haushalt des Säugetierkörpers spielt, für die neuen Untersuchungen der leitende Gesichtspunkt. In allerjüngster Zeit lenkten die Ver- suche Steinachs (37), die Umstimmung der Sexualität und Ver- jüngung durch Transplantation der Keimdrüsen betreffend, und die Operationen des Wiener Chirurgen Lichtenstern (39) die Auf- 388 Alfred Kunze: merksamkeit in erhöhtem Maße auf die innere Sekretion der Sexual- drüsen. Die Frage nach dem chemischen Charakter der im Hoden so reichlich auftretenden Fettstoffe erschien daher von allgemeinerem Interesse, zumal in anderen Drüsen mit innerer Sekretion wie Neben- niere, Hypophyse, Thymus, Pankreas in neuerer Zeit die verschie- denartigsten Lipoide nachgewiesen wurden. Der Begriff „‚Lipoid‘“ schwankt in seiner Umgrenzung noch zu sehr, als daß mit ihm gearbeitet werden dürfte, ohne ihn vorher zu definieren. Geprägt wurde er von Overton gelegentlich dessen Studien über Narkose im Jahre 1901. Overton verstand unter Lipoiden fettartige Stoffe, in denen die organischen Narkotika löslich sind. Er dachte dabei besonders an Cholesterin, Lecithin, wohl auch Protagon. Seither hat der Begriff mancherlei Wandlungen erfahren; er wurde weiterhin mit Myelin (Kaiserling und Orgler), doppeltbrechender Substanz, Protagon, Lecithin (Ciaccio) identi- fiziert. Einigermaßen einheitlich wird die Definition des Begriffes Li- poid nach 1911. In diesem Jahre bezeichnet der schwedische Physio- loge und Chemiker Ivar Bang in einer umfassenden Monographie der Lipoide diese als Stoffe nicht eiweißartiger Natur, die in den organischen Lösungsmitteln wie Aether, Alkohol, Chloroform und Benzol löslich sind. Da den meisten neueren Arbeiten diese Defi- nition zugrunde liegt, will ich ihm im nachstehenden folgen. Nach Bang gehören demnach zu den Lipoiden: l. Die Neutralfette, Fettsäuren, Seifen: N- und P-freie Lipoid- stoffe der aliphatischen Reihe. . Die Cholesterine: N- und P-freie Lipoidstoffe der aromatischen Reihe. 3. Die Phosphatide: N- und P-haltige Lipoidstoffe. 4. Die Cerebroside: N-haltige aber P-freie Lipoide. Die für den Fernerstehenden geläufigsten Begriffe „Protagon“ und „Lecithin‘“ finden sich nicht unter diesen vier Gruppen. Wie die neuere Zeit erwiesen hat, ist das erstere nur ein Gemisch von Fettsäureverbindungen mit verschiedenem Phosphorgehalt, dessen Komponenten in 3 und 4 vertreten sind. Das letztere aber kann durch die Mittel der Histologie noch nicht mit der genügenden Sicher- heit nachgewiesen werden. DD Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 389 Festzustellen, welchen von den oben genannten Körpern die bis- her schlechthin als Fett bezeichneten Organbestandteile des Säuge- tierhodens angehören, war meine besondere Aufgabe. Historische Uebersicht. In der Literatur finden sich zahlreiche Angaben über morphologische Befunde von ‚Fett‘ im Menschen- und Tierhoden. Ist doch nächst der Leber der Testikel eines der ersten Organe, in denen das Vorhandensein von Fett den Anatomen bekannt war. Eine ausführliche Zusammenstellung der bis 1898 auf diesem Gebiete erschienenen Arbeiten gibt Engelmann in seiner veterinär-medizinischen Dissertation ‚Ueber das Vorkommen von Fett im kryptorchidischen und normalen Hoden‘. Ehe ich diese Literatur- übersicht durch Weiterführung ergänze, sei es mir gestattet, auf einige der grundlegenden Arbeiten unter besonderer Berücksichtigung des Hunde- hodens etwas näher einzugehen '). Wenn behauptet wird, daß Leydig, der Entdecker der Zwischen- zellen ?), 1850 als erster auch das Fett in diesen gefunden hat, so ist diese Fassung meiner Ansicht nach nicht ganz richtig. Es scheint mir gerade für unsere Frage sehr interessant, daß das Fett der Zwischenzellen vor diesen von Leydig gesehen wurde. Erst die Beobachtung von ‚Fettkörn- chenklumpen mit eingeschlossenen bläschenförmigen Kernen“ gabLeydig die Veranlassung zu der Entdeckung von Zellen, in denen diese Fettklümpchen eingeschlossen sind. Erst in einer allgemeinen Zusammenfassung am Ende seiner Arbeit „Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane und Anal- drüsen der Säugetiere‘ sagt er von diesen Fettkörnchen: ‚,.... ihre halb- flüssige Grundmasse mag sich wohl auch zu einer Zellmembran verdichten, wenigstens zieht bei manchen Säugetieren um den ganzen Körnerhaufen eine scharfe Kontur, auch ist bisweilen der ganze Habitus so, daß man von einer fertigen Zelle sprechen kann“. Leydig hält die Zwischensubstanz für Bindegewebe. Auch intratubulär hat er als einer der ersten Fett gesehen, das er als Degenerationserscheinung auffaßt. Von der Prostata des Hundes erwähnt der gleiche Autor, daß ‚ihre Drüsenzellen einen feinkörnigen Inhalt, hin und wieder auch sehr kleine Fetttröpfchen besitzen‘. ‚In anderen Fällen‘, fährt er fort, ‚besonders bei ganz jungen Hunden, sehe ich die Zellen der Prostata vollkommen hell !) Auch Veröffentlichungen, die sich auf die Zwischensubstanz des Hodens allein ohne Rücksicht auf das in ihr auftretende Lipoid erstrecken, muß ich zum Teil heranziehen, da, wie wir im folgenden sehen werden, häufig innige Beziehungen zwischen Lipoid und Zwischensubstanz, was Menge und Bedeutung anlangt, bestehen. Su. Der Irrtum Piatos, Renhosseksiw 2, die-Köllıiker dieses Verdienst zuschreiben, hat in einer historischen Notiz Stiedas 1897 (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48) eine ausführliche Widerlegung gefunden. 390 AlfredKunizie: und klar ohne geformten Inhalt.‘“ Er sieht hierin den Ausdruck verschie- dener Stadien der Sekretion. Eingehende Beobachtungen über die Zwischensubstanz des Hodens der Säugetiere veröffentlichte Hofmeister 1872. Was den Hoden des Hundes betrifft, so betont er, daß er Exemplare aus allen Altersstufen unter- sucht hat. Er geht jedoch auf die speziellen Befunde in den verschiedenen Altersperioden, im besonderen, was den Fettgehalt der Zwischenzellen be- trifft, nicht ein, sondern erwähnt nur kurz, daß ‚‚die Fettbildung schon früh- zeitig einzutreten scheine, da mehrere junge Hunde (von ca. 3 Monaten) bereits reichliches Fett in den Zwischenzellen zeigten. Allgemein stellt er fest, daß ‚‚die Fetttröpfchen manchmal in geringer Anzahl vorhanden seien, häufiger die ganzen Zellen ausfüllen“. Hinsichtlich der Form dieser Fett- tröpfchen gibt er an: „Sie sind von sehr variabler Größe, übersteigen jedoch nie die Größe eines farbigen Blutkörperchens und fließen auch nie, mögen sie die Zellen auch noch so dicht gedrängt ausfüllen, zu größeren Tropfen zusammen, was außerhalb der Zellen leicht zu beobachten ist.‘“ Bei manchen Hunden sah Hofmeister eine so starke Durchtränkung der Zellgruppen und Zellstränge mit Fettkörnchen, daß Zellgrenzen und Kerne verschwan- den. Besonders erwähnenswert ist folgende, die Fetttröpfchen in den Zwi- schenzellen des Menschen betreffende Beobachtung Hofmeisters: „Die Verteilung derselben im Innern der Zellen unterliegt keiner Regel. Oefter sammeln sie sich auf einer Seite des Kerns zu rundlichen Gruppen oder sie füllen die halbe oder gar die ganze Zelle dicht aus; selten sind sie über die ganze Zelle einzeln verstreut oder fehlen gänzlich.“ Die von Le y- dig als allgemein gültige Regel vermutete Abhängigkeit der Zwischen- substanz in lokaler Beziehung vom Gefäßsystem erkennt Hofmeister nicht an. Er spricht diesen Zellen einen „epithelialen Charakter‘ zu, läßt sie aber von Bindegewebszellen abstammen. Auch Mihalkovics (11), der speziell den Hoden des Hundes und Katers auf seine Gewebsverhältnisse prüfte, fiel der reiche Fettgehalt der Zwischenzellen auf; er fand ihn bei einem ausgehungerten Hunde unvermin- dert. Jacobson untersuchte eine große Anzahl von Hundetestikeln mitt- leren Alters. Er erwähnt nur kurz ‚„Fettkörnchen verschiedener Größe in den Zwischenzellen‘“‘. Immerhin ist Jacobsons Schilderung der An- ordnung und des Charakters der Zwischenzellen des Hundes für die Zwecke der gegenwärtigen Arbeit bemerkenswert. Die 4 Jahre vorher von Wald- eyer für die Zwischenzellen und andere protoplasmareische Bindegewebs- zellen vorgeschlagene Bezeichnung „perivaskuläres Zellengewebe‘ verwirft Jacobson bezüglich des Hundehodens als nicht den Tatsachen ent- sprechend. Er hebt hervor, daß ‚diese Zellansammlungen, obwohl auf den ersten Blick epithelialen Charakters, mit wahrem Epithel in keine Berüh- rung kommen“, und widerlegt auch die Anschauung Harveys von der nervösen Natur der Zwischenzellen. Bei pathologischen Prozessen findet er diese stark vermehrt. In exakter Weise hat von Ebner das Verhalten des Fettes in den Tu- buli seminiferi der geschlechtsreifen Ratte studiert. An der Hand sehr in- Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 391 struktiver Abbildungen zeigt er in seiner Arbeit „Zur Spermatogenese bei den Säugetieren‘ den Vorgang einer Fettwanderung vom Fuße der Sertoli- schen Zellen in die Protoplasmalappen der Spermatoblasten bzw. die Proto- plasmaanhänge der Spermatiden während deren Umwandlung in Spermien und die Rückwanderung des Fettes nach Abstoßung der Samenfäden. v. Eb- ner hält die Fettkörnchen für „das Endprodukt eines Ernährungsstromes‘“ zugunsten der Spermatozoiden (Spermatiden). Wenn er bei der zentripetalen Wanderung morphologisch Fett im Halse der Spermatoblasten nicht nach- weisen kann und bei Osmierung von Hodenschnitten anfangs sich erst eine diffuse Schwärzung der Protoplasmalappen bemerkbar macht, sieht er hierin einen weiteren Beweis für die nutritive Funktion des Fettes, das eben, um seinen Zweck zu erfüllen, den in Umbildung begriffenen Spermatiden am besten in gelöstem Zustande zugeführt wird. Folgender Satz v. Ebners muß hervorgehoben werden: „An solchen Präparaten (behandelt mit doppelchromsaurem Ammoniak und Färbung mit salpetersaurem Rosanilin) kann man sich erst mit voller Bestimmtheit überzeugen, daß das Fett nirgends in den freien Hodenzellen (Zellen der Wandschicht, Henlesche Zellen [Spermatozyten. D. Verf.], Samenzellen [Präspermatiden und Spermatiden. D. Verf.]) vorkommt, sondern ausschließlich nur in den Sertolischen Zellen und Spermatoblasten, in den lappenförmigen Anhängen der Spermatozoen und endlich in freien abgelösten solchen Lappen.‘ Endlich finden wir bei v. Ebner die Ansicht Browns erwähnt, daß die großen osmierbaren Kugeln, die um die Kerne der Sertolischen Zellen auftreten, nicht einfach Fett seien, da sie sich auch mit Gentianaviolett tingieren. Diese Schlußfolgerung sieht v. Ebner aber nicht als stich- haltig an, da ja auch Fett sich tingieren ließe. In einer Arbeit des Jahres 1895 beschäftigt sich vv Hansemann mit den Zwischenzellen des Hodens. Hier wie an anderer Stelle hebt er als erster ausdrücklich den physiologischen Charakter des extra- wie intratubu- lären Hodenfettes hervor: „Auch die Fettkörnchen, die in den Zellen oft schon im jugendlichen Alter auftreten und unter ganz physiologischen Ver- hältnissen in den Zellen gefunden werden, sind nicht als regressive Meta- morphose im pathologischen Sinne zu verstehen, sondern gehören zur Natur der Zellen, etwa wie bei den Zellen der Nebennierenrinde.‘ Hansemann tritt energisch für die bindegewebige Natur der Zwi- schenzellen ein. Einmal, weil er beim aus dem Winterschlaf erwachenden Murmeltier an ihrer Stelle nur Bindegewebe fand und anderwärts Ueber- gangsformen zu gewöhnlichen Bindegewebszellen sah, andererseits wegen der Eigenschaft der Interzellularsubstanz der Zwischenzellen, sich nach van Gieson rot zu färben. Jedoch sieht er die Zwischenzellen als Elemente mit ganz besonderer Funktion an, die ihrer Ausbildung entsprechend quanti- tativ wechselt. Ueber die Art ihrer Arbeitsleistung spricht er keine Vermu- tung aus. Im Gegensatz zu Jacobson findet er benannte Zellen nur bei kachektischen Zuständen vermehrt, bei interstitieller Orchitis daeesen zugrunde gehend. 392 Alfred Kunze: 1897 erweitert Plato den Gedanken der Fettströmung Ebners dahin, daß er diese, wenigstens beim Katerhoden, aus den Zwischenzellen beginnen und von da nach dem Zentrum der Tubuli fortschreiten läßt. Trans- portwege für das Fett sind nach ihm in der Wand der Tubuli gelegene prä- formierte Kanäle, die er zuerst gesehen hat und als den wichtigsten Befund seiner Arbeit selbst bezeichnet. Er wirft sogar die Frage auf, ob nicht ganze Zwischenzellen durch diese Lücken in die Tubuli einwandern und sich zu Sertolischen Zellen umwandeln können, eine Frage, die noch in demselben Jahre durch Bardeleben aufgegriffen und bejaht wurde. Diese Auf- fassung kann indessen heute als aufgegeben bezeichnet werden. Als Zweck der Fettkörnchenströmung bezeichnet Plato die Ernäh- rung der Samenzellen. Die Bedeutung der Zwischenzellen fällt für ihn mit der des Fettes als des ‚‚wesentlichen Inhalts‘‘ derselben zusammen. Sie bilden demnach ein ‚‚trophisches Hilfsorgan‘“: „..... so stellen die inter- stitiellen Zellen in ihrer Gesamtheit ein Zwischenorgan dar, eingeschaltet zwischen dem Ernährungsmaterial zuführenden Blutstrom und der Bildungs- stätte der Geschlechtsprodukte, bestimmt, die Zufuhr zu letzteren zu regeln.‘ Wie wesentlich seiner Auffassung nach das Fett für die Zwischenzellen ist, geht aus seiner Definition derselben hervor: „Nur diejenigen intertubu- lären Zellen des funktionierenden Hodens darf man als ‚‚interstitielle Zellen‘ bezeichnen, welche Fett oder Pigment oder beides enthalten.‘ Wie Hansemann läßt auch Plato die Zwischenzellen aus fixen Bindegewebszellen entstehen. Er sucht die Frage auf dem Wege der Ent- wicklungsgeschichte zu klären, in dem er systematisch die Hoden ausge- wachsener und fötaler Kater, von älteren zu jüngeren Tieren übergehend, untersucht. Im Zwischengewebe dieser Tiere findet er außerordentlich zahl- reiche Fettkörner, so daß ‚‚sie in osmiertem Zustande sowohl den Bau der einzelnen Zellen als die Struktur der ganzen Zwischensubstanz verdecken‘“. Der Hoden des Hundes ist für ihn nach dem Typus des Mäusehodens ge- baut, d. h. „viel intratubuläres, wenig intertubuläres Fett‘. Plato hegt als einer der ersten Zweifel an der Neutralfettnatur der durch Osmiumsäure tingierten Körnchen und bezeichnet sie nur, den An- gaben der älteren Literatur folgend, als Fett, obgleich er ‚eine genaue che- mische Analyse derselben für sehr wünschenswert‘ hält. Seine Vermutung, daß es sich nicht um gleichartige Fettkörper handelt, stützt sich auf die ver- schiedene chemische Affinität derselben zu Osmiumsäure. Diesbezüglich stellt er folgendes fest: ‚Die Intensität der Schwärzung mit Osmium hat die verschiedensten Grade. Vom tiefsten Deckschwarz bis zur leichtesten Bräunung finden sich alle Schattierungen. Selbst die einzelnen Körner sind zuweilen an einer Seite dunkler als an der anderen. Auffallend ist ferner, daß bei der allmählichen Entfärbung, der diese Präparate leider alle anheim- fallen, einzelne Körner bevorzugt werden, während andere in unmittelbarer Nähe noch lange Zeit ihre tiefe Farbe behalten.‘ Mit Hofmeister hält er übrigens genetische Beziehungen zwischen Fett und Pigment für wahrscheinlich und vermutet, daß bei Tieren, in deren Zwischensubstanz er kein Fett nachweisen konnte, weniger oder gar nicht osmierbare Vorstufen desselben vorhanden sind. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 393 Die Zahl der Zwischenzellen wie ihr Fettgehalt steht nach Plato im umgekehrten Verhältnis zur Funktion bzw. zum Fettgehalt der Tubuli seminiferi. Gegen die Platosche Auffassung einer Fettwanderung wendet sich Beißner. Wenn ein Fetttransport zum Zwecke der Ernährung der Sper- mien nötig ist, soll sich dieser nur nach Art der Fettresorption im Darm- kanal vollziehen. Beobachtungen über die verschiedenartige Färbbarkeit der Fettkörnchen der Zwischenzellen mit Osmiumsäure sowie über die ver- schiedene Haltbarkeit der Tinktion bestätigt er. Gelegentlich von Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Spermatogenese und akuten sowie chronischen Allgemeinerkrankungen hat auch Cordes auf das Auftreten von Fett im Testikal sein Augenmerk gerichtet. Er kommt zu dem Ergebnis, daß allen Hoden die Anwesenheit von Fett von der Pubertätszeit an bis ins höchste Alter eigentümlich ist und einen physiologischen Zustand darstellt. Dabei berücksichtigt er jedoch nicht das Verhältnis zwischen dem Fett inner- und außerhalb der Kanälchen. Bezüglich der intratubulären Fettkörnchen gibt er an: „Was die Anordnung derselben betrifft, so sieht man sie in den Zellen, die der Kanälchenwand anliegen, am reichlichsten und größten. Nach dem Lumen zu werden sie etwas spärlicher und auch kleiner. Ein weiteres Ergebnis seiner Arbeit ist die Feststellung, daß Allgemeinerkrankungen, auch wenn sie die Spermatogenese stark beeinträchtigen, insbesondere kachektische und marastische Zustände, den Fettgehalt des Hodens nicht beeinflussen, ein Ergebnis, das er selbst mit der von ihm angenommenen nutritiven Funktion des Fettes nicht in Einklang bringen kann. 1898 lieferte Friedmann eine Arbeit über die Zwischensubstanz und den Fettgehalt des Hodens, die sich besonders mit den Anuren beschäf- tigt. Aus seinen Beobachtungen bei diesen und vergleichenden Untersuchun- gen bei Säugern, Reptilien und Vögeln geht hervor, daß die Zwischensubstanz in ihrer Ausbildung der Hodentätigkeit direkt entspricht. Aus der Tatsache, daß bei den Raniden im Winter überhaupt keine interstitielle Substanz vorhanden ist, diese sich aber im Sommer vollständig regeneriert, und aus dem Auftreten von Uebergangsformen zwischen Bindegewebs- und Zwischen- zellen (auch bei Säugern) folgert er die bindegewebige Natur der Zwischen- substanz. Ihre Aufgabe besteht nach ihm in der Ernährung der Samen- bildungszellen; er stellt jedoch den Satz auf: „Völlig reife Spermatozoen be- dürfen einer Ernährung durch Osmiumsäure reduzierende Substanzen nicht mehr,“ Auch Friedmann hat eine Fettwanderung in korpuskulärer Form vom interstitiellen Gewebe in die Tubuli durch Lücken derselben gesehen, glaubt jedoch, daß der ursprüngliche und Hauptsitz des Fettes im Hoden von Rana viridis intratubulär ist, eine Annahme, die nach ihm auch für die Säugetiere (Präparate von Schweineembryonen) wahrscheinlich ist. Die, gegenteilige Auffassung Platos u. a. führt er darauf zurück, daß diese nicht genügend frühe Embryonalstadien untersucht haben. Erst nach Verbrauch des primären intratubulären Fettes tritt nach ihm ein Ersatz aus der Zwischensubstanz ein. 394 ANGE BeidYKtumzie: Den chemischen Charakter der die Osmiumsäure reduzierenden Sub- stanzen läßt er absichtlich außer acht; er hegt Zweifel, daß es sich immer um Neutralfette handelt. An einer Stelle erklärt er: „Es fiel mir auf, daß zu dieser Zeit (Spermatogenese und reichliche Zwischensubstanz) das intra- tubuläre Fett im allgemeinen von Osmiumsäure viel intensiver geschwärzt ist als das interstitielle.‘ In seiner eingangs erwähnten Dissertation sucht Engelmann speziell das Mengenverhältnis zwischen intra- und extratubulärem Fett in den verschiedenen Altersstufen zu ermitteln. Der Verfasser kommt dabei zu dem Schluß, daß der weitaus größere Fettgehalt bei jugendlichen, noch nicht geschlechtsreifen Individuen dem interstitiellen Gewebe zukommt, die Samenkanälchen dagegen erst zur Zeit der Geschlechtsreife einen stär- keren Fettgehalt aufweisen. Den Hoden des Hundes betreffend, stellt er fest, daß sich hier ‚zur Zeit der Geschlechtsreife noch reichlich Fett im interstitiellen Gewebe und nur wenig Fett im Innern der Tubuli, zwischen den Spermatozoen‘“ findet. Da aber nur 4 Tiere von unbestimmtem und zwar etwa dem gleichen Alter zu Gebote standen, daher jeglicher Anhalt zu einer Vergleichung fehlt, glaubt der Autor keine Schlüsse aus diesen Befunden ziehen zu dürfen. Durch Engelmannsan so umfangreichem (132 Testikel) und ver- schiedenartigem Material ausgeführte Untersuchungen ist der von Hanse- mann, Plato, Cordes u. a. betonte physiologische Charakter des Hodenfettes von neuem, und, falls noch irgend Zweifel bestanden, endgültig erwiesen worden. Im Gegensatz zu Cordes aber, der (speziell beim Men- schen) das Fett erst von der Pubertät an auftreten läßt, meint Engel- mann, daß der Fettgehalt des Hodens nicht an eine bestimmte Alters- grenze gebunden sei. Dem intratubulären Fett schreibt er trophische Funk- tionen bezüglich der Spermatozoen zu, deutet aber das in den Zwischenzellen gelegene als Nährmaterial für die sich entwickelnden Samenkanälchen. Für eine Fettwanderung aus der Randzone bzw. aus den Leydigschen Zellen nach dem Zentrum der Tubuli hat er Anhaltspunkte nicht gewonnen. Engelmann ist unter den bisher genannten Autoren der erste, der Fett mit Sudan und Scharlachrot, den seit 1896 in die mikroskopische Tech- nik eingeführten Azofarbstoffen, färbte; er wandte meist eine konzentrierte alkoholische Lösung an. In einer Abhandlung über ‚„Fettinfiltration und -degeneration stellt G. Herxheimer (14) 1902 die Organe zusammen, bei denen bis dahin Fett normalerweise gefunden wurde. Für vorliegende Uptersuchung ist seine den Katerhoden betreffende Feststellung von Interesse: „Beim Katerhoden weicht das Verhältnis des Fettes im Parenchym und im interstitiellen Ge- webe des Hodens von dem des Menschen und aller anderen untersuchten Tiere ab, wie auch Referent feststellen konnte. Die Fettrandzone scheint ihm einen wechselnden Zustand, aber keinen Artcharakter zu bedeuten. Platosche Kanäle hat er nie sehen können. In der Beurteilung der Funk- tion des Hodenfettes stimmt er mit Engelmann überein. Den gleichen Standpunkt nimmt Herxheimer in der Festschrift für Joh. Orth 1903 ein, wo er als Gegenbeweis gegen eine aus den Zwischen- Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 395 zellen nach dem Tubulus gerichtete Fettströmung folgendes anführt: „Da es sich also doch nicht um eine einmalige Ueberwanderung des Fettes aus dem interstitiellen Gewebe in die Hodenkanälchen, sondern um eine fortgesetzte Bildung des Fettes im interstitiellen Gewebe handeln müßte, so spricht schon dieser Umstand, daß man nach der Geschlechtsreife stets weniger Fett im interstitiellen Gewebe findet, als vorher, dagegen, daß das für die Spermatozoen als Reservematerial dienende Fett aus dem interstitiellen Gewebe stammte.‘ Auch in der letztgenannten Arbeit räumt er jedoch dem Katerhoden eine Ausnahmestellung ein. Eine Klarlegung der Funktion des bei diesem Tiere auch zur Geschlechtsreife massenhaft auftretenden interstitiellen Fettes behält er sich für spätere Untersuchungen vor. Auf die Prostata beziehen sich in der ersterwähnten Arbeit Herx- heimers nur folgende Worte: „Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, daß ich auch die Prostata in mehreren Exemplaren auf Fett untersuchte, aber kein solches fand. Auch sonst sah ich in der Literatur keine Angaben darüber,‘ Wie sehr Herxheimer von der physiologischen Funktion des Fettes in allen Drüsenzellen überzeugt ist, zeigt sein als allgemein aufgestellter Satz, daß eine normale Quantität Fett als ein Zeichen der Tätigkeit, des Stoffwechsels der Drüsenzelle aufzufassen sei, daß dies nicht Krankheit, sondern gerade Leben bedeute (14). InKöllikers ‚Handbuch der Gewebelehre‘, Ausgabe 1902, erwähnt v. Ebner Fett in den Zwischenzellen wie innerhalb der Tubuli, insbeson- dere den Sertolischen Zellen, hebt aber an zwei Stellen hervor, daß „größere Fettkörnchen in den Samenzellen unter normalen Verhältnissen durchaus fehlen“. Bezüglich der Spermatiden erklärt er: „Schon kurz vor der. Sper- matoblastbildung bemerkt man jedoch im Plasma einzelne äußerst kleine Fetttröpfchen.‘“ In der Zwischensubstanz sieht er ein trophisches Hilfs- organ für die Samenbildung und zählt ihre Zellen dem Bindegewebe zu, die aber ‚infolge ihrer morphologischen Eigenschaften Elemente eigener Art darstellen, die mit keiner sonst bekannten Art von Bindegewebszellen iden- tisch sind“. Ueber Prostatafett erwähnt v. Ebner nichts, führt aber, die Pro- statasteine betreffend, an: „Die geschichteten Steine sind doppelbrechend und zeigen unter dem polarisierenden Mikroskope ein dunkles Kreuz und 4 helle Quadranten.“ Eine 1904 erschienene Veröffentlichung Thalers unterzieht die Fettverhältnisse im menschlichen Testikel einer erneuten eingehenden Prü- fung. Zur Darstellung des Fettes bedient Thaler sich wieder der Osmium- säure, da er glaubt, daß die näheren topischen Verhältnisse bei der durch das Gefriermikrotom im Verein mit dem Bau des Hodens bedingten Schnitt- dicke nicht klar genug zutage träten. Er findet stets Fett, das, im kindlichen Alter sehr spärlich, von der Pubertätszeit an mit zunehmendem Lebensalter eine konstante Vermehrung erfährt. Im besonderen gilt dies von dem intra- tubulären Fett, das sich mit Beginn der Mannbarkeit in einer von der Wand der Kanälchen nur wenig entfernten Randzone anordnet, die nur bei patho- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96 26 396 Alfred Kunze: logischen und senilen Störungen der Spermiogenese verloren geht. Außer in den Sertolischen Zellen ist Fett intrazellulär nur in den Spermatiden und Protoplasmalappen der unreifen Spermien nachweisbar, jedoch nur in so fein verteilter Form, daß der Eindruck der Fettrandzone nicht beeinträchtigt wird. Spermatogonien und Spermatozyten sind stets fettfrei. Hochgradig fetthaltig erweisen sich die Tubuli im Senium. Bezüglich des extratubulären Fettes stellt er fest, daß ‚‚die Gesamt- menge des interstitiellen Fettes von der Zahl der Zwischenzellen abhängig ist, jedoch nur so weit, als ausgereifte Organe in Betracht gezogen werden“. Bei senilen Hoden mit geringgradigen Degenerationserscheinungen sind die Leydigschen Zellen vermehrt, schwinden aber fast gänzlich bei zuneh- mender Antrophie. Eine Abhängigkeit der Fettmenge von akuten Allgemein- erkrankungen ist nicht, von chronischen kaum, nachweisbar. Korrelative Beziehungen zwischen extra- und intratubulärem Fett sowie Hinweise auf eine nach dem Tubulus gerichtete Fettströmung hat Thaler nicht gefunden; da ihm auch Beziehungen zur Spermiogenese nicht zu Gesicht kamen, spricht er dem Fett trophische Funktionen bezüg- lich der letzteren ab und schreibt ihm die Rolle zu, die es auch in andern drüsigen Organen physiologischer Weise besitzt. Die Vermehrung im Alter wäre auf den entsprechend der Drüsenfunktion verminderten Verbrauch zurückzuführen. Als erster Autor erbringt Thaler für die schon von anderer Seite aus- gesprochene Vermutung den Beweis, daß es sich im Hoden um chemisch verschiedene Fettarten handele. Die Untersuchung im polarisierten Lichte ergibt, daß einige wenige, wohl im Zwischengewebe vorkommende Tropfen, die im Alter an Menge und Größe zunehmen, anisotrope Eigenschaften haben. Mit Kaiserling nennt er sie „Myelinkörnchen‘“. Einen auffallenden Unterschied zwischen intra- und extratubulärem Fett stellt Thaler auch im Verhalten zu Osmiumsäure fest. Von der Pubertät an zeigen sich nämlich ‚zwischen kugligen und gleichmäßig osmier- ten Formen in den Kanälchen in sehr verschiedenen Längenverhältnissen kleinste, nur partiell osmierbare Gebilde von ganz typischem regulärem Charakter. Zumeist sind es kuglige Körnchen mit osmierter Mantelschicht und einem mehr oder minder exzentrisch gelagerten, angeschwärzten Binnen- raum, der sich scharf von dem geschwärzten peripheren Teile abgrenzt‘. Die „vakuolären‘‘ Formen nehmen mit dem Alter zu, so daß ‚im höheren Lebensalter das Fettbild der Kanälchen gänzlich durch letztere Formen beherrscht wird“. Wie Thaler angibt, wurden ähnliche Fettformen von anderen auch in Pankreas, Nebenniere, Hypophyse, Thyreoidea ge- sehen und meist als im Verlauf der Osmierung und Einbettung entstandene Kunstprodukte erklärt. Mit Erdheim glaubt er jedoch auf Grund seiner Versuche an die Präexistenz dieser Formen und nimmt chemisch-differente Fettarten als Ursache der verschiedenartigen Affinität zu Osmium an. Die Chemie dieser Fette berührt er nicht näher, Bei Tinktion mit Scharlachrot und Sudan III tritt die Strukturverschie- denheit der Fettelemente nicht hervor. Bei F. Munck finden wir bezüglich der Prostata in einer Abhand- Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 397 lung über ‚‚Lipoide Degeneration‘ eine ähnliche Angabe, wie die von Herx- heimer schon 1903 gemachte (Fehlen von Studien über die Fettverhält- nisse der Prostata). Kasai prüft 1908 die Schwankungen, denen die Menge der Zwischen- zellen in den verschiedenen Altersstufen beim Menschen unterworfen ist. Er bestätigt die schon lange bekannte Tatsache, daß die Leydigschen Zellen beim Fötus am stärksten entwickelt sind, nach der Geburt abneh- men, zur Zeit der Pubertät eine vorübergehende Vermehrung erfahren und im höheren Alter wie bei tuberkulösen Leiden zunehmen. Von 10 untersuch- ten Tierarten erwähnt er bei Katze und Hund reichliches Fett in den Zwi- schenzellen. Er vermutet eine innere Sekretion der letzteren. Im „Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haus- tiere‘“ 1911 erwähnt Schmaltz das Hodenfett an verschiedenen Stellen. Nach ihm zeigt es sich intratubulär neben feinen Körnchen in den Plasma- lappen der unreifen Spermien in größeren Tropfen häufig in Form einer Randzone und kommt besonders den Sertolischen Zellen und dem Grunde ihrer Protoplasmafortsätze zu. Diese Anordnung tritt besonders schön bei Hengst, Eber und Schafbock in Erscheinung. Dem Hunde fehlt fast immer eine eigentliche Randzone, zentrale Fettkörnchen aber sind häufig. Dem- selben eigentümlich ist auch ein hoher Fettgehalt der Zwischenzellen. In- dividuelle und zeitliche Schwankungen der Fettmenge in der Zwischen- substanz bildet nach Schmaltz wohl die Ursache für die hierin häufig abweichenden Angaben der Autoren. Sämtlichem Hodenfett schreibt Schmaltz direkt oder indirekt trophische Funktionen bezüglich der Spermiogenese zu und möchte die Zellen Sertolis, um ihrer Bedeutung gerecht zu werden, als ‚„Ammenzellen‘ bezeichnet wissen. Für die Fettströmung Platos scheinen ihm die Saft- lücken der Membrana propria eine ausreichende Möglichkeit zu bieten und die Annahme besonderer Kanäle nicht erforderlich. Die Zwischenzellen sind nach Schmaltz zweifellos Abkömmlinge des Bindegewebes; ihre Abhängigkeit vom Nährzustand des Tieres (Winter- schlaf, Masteber), ihre Vermehrung bei Entzündungen und Entartungen des Hodens — ‚ihre Zunahme entspricht einem Fehlen oder Abnehmen der Hodentätigkeit‘“ —, die anscheinend mit Grundsubstanz gefüllten Fugen zwischen ihnen und nicht zuletzt der charakteristische Fettgehalt sprechen ihm dafür. Der Succus prostaticus und somit auch das Sperma enthalten allgemein Lezithinkörperchen. In seiner Abhandlung ‚Zur Morphologie der lipoiden Substanzen“ erwähnt Aschoff unter den im Sinne von Ciaccio lezithinhaltigen Zellen auch die Zwischenzellen des Hodens. Aschoff empfiehlt aber eine vorsichtige Beurteilung dieser Tatsache, da Ciaccio seine Versuche mit Lezithin und Protagon angestellt habe, diese Substanzen aber, wie oben erörtert, chemisch rein kaum zu erhalten sind oder überhaupt nicht exi- stieren. Einer eingehenden Betrachtung der doppeltbrechenden Substanzen im Hoden wandte sich als erste Marie Dunin Karwicka zu. Sie unter- suchte 20 menschliche Testikel und fand in 17 Fällen doppeltbrechende 26 * 398 atRedeKeunze: Tropfen mit Kreuz. Sie erwähnt, daß sie viermal über 100 Kugeln aniso- troper Substanz in einem Präparat bei Individuen von 42—53 Jahren sah, im Durchschnitt aber nur 5—10 zutage traten. Von den beigegebenen Ab- bildungen zeigt die des Hodens die wenigsten Sphärokristalle. Im Gegensatz zu Thaler hat sie dieselben in jedem Alter — auch bei einem 4 Wochen alten Kinde — festgestellt. Die Lage schildert sie folgendermaßen: ‚Die doppeltbrechende Substanz liegt häufig um die Gefäße herum, und ich habe doppeltbrechende Tropfen sogar in der Adventitia gesehen. Sie lagern sich auch gern in der bindegewebigen Hülle der Hodenkanälchen unmittelbar unter dem Epithel ab, so daß es mir in manchen Fällen schwer zu entscheiden war, ob sie auch hier und da nicht in den Epithelien selbst zu liegen kommen. — Die Gruppierung der doppeltbrechenden Lipoide ist eine ungleichmäßige und sozusagen herdförmige. Die lipoidhaltigen Zwischenzellen haben gut färbbare Kerne. — Sie werden häufig von isotropen Fetttropfen begleitet.“ Der allgemeine Ernährungszustand hat nach ihr sicherlich keinen Ein- fluß auf die-Menge der doppeltbrechenden Substanz im Hoden. Hervorzu- heben ist, daß Karwicka meist nur ungefärbte Präparate untersucht hat; die komplizierten Färbemethoden nach Fischler, Smith, Ciaccio hat sie gar nicht angewandt, da ihr der physikalische Nachweis der Lipoide als der sicherere erscheint. Im Schnitte sind nach ihr die doppelt- brechenden Körper schwerer als im Zupfpräparat zu entdecken, da die er- forderliche Schnittdicke von 5—10 kaum zu erreichen sei. Karwickakommt zu dem Schluß, daß der Hoden neben der Hypo- physe und Nebenniere ein physiologischer Lipoidspeicher sei. Was die Bedeutung der anisotropen Lipoide des Hodens anlangt, stimmt Karwicka der Vermutung zu, de Erdheim für die Schilddrüse aus- gesprochen hat, „daß gerade die doppeltbrechenden Lipoide mit der inneren Sekretion etwas zu tun hätten. — Die Lokalisation in den Zwischenzellen des Hodens spricht weder dafür, noch dagegen, da die Funktion dieser Zellen noch unbestimmt ist; übrigens ist es nicht ganz auszuschließen, daß gerade dieselben an der inneren Sekretion des Hodens beteiligt wären“. Die Unbeständigkeit des Auftretens der Sphärokristalle erklärt sie mit einem ‚wechselnden, vielleicht periodischen Zustand‘ der Drüse. Kawamura, der die Lipoide auf ihre morphologische Darstellbar- keit außerhalb wie innerhalb des Körpers eingehend geprüft hat, und dem wir nebst Asch offdie Aufstellung von Gruppenreaktionen zur Differential- diagnostik dieser Substanzen verdanken, weist bei Betrachtung der Lipoid- befunde im menschlichen Körper auf den Hoden hin, in dem er nach den An- gaben der Literatur doppeltbrechendes Fett vermutet. Bezüglich der Prostata bestätigt er die Befunde anisotroper Substanzen im Sekret: „Im Prostatasekret sind zahlreiche runde oder fast runde, farb- lose oder fast farblose Gebilde suspendiert. Sie können die Größe einer roten Blutzelle erreichen und sind als Lezithinkörner oder Lezithinkügelchen bekannt. Nach Posner und Rapport werden sie von den Epithelien sezerniert und nehmen gelegentlich doppeltbrechenden Charakter an.‘ Das Drüsengewebe selbst betreffend, schließt Kawamura sich den Angaben Schlagenhaufers an: ‚In mehreren normalen Prostatae konnte ich Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 399 seinen Befund für die Drüsenepithelien bestätigen; niemals ist die doppelt- brechende Substanz in den noch festsitzenden Epithelzellen nachweisbar, doch zeigen die doppeltbrechenden Körper, die im Sekret suspendiert sind, die gleiche Beschaffenheit, wie die doppeltbrechende Substanz an allen andern Stellen; sie bestehen daher alle aus Cholesterinestern. . . .. Die Smith-Dietrichsche Methode fällt bei den nicht brechenden Körpern positiv aus.‘ Ueber die Entstehung und Abstammung der im Sekret ent- haltenen Lipoide äußert er sich folgendermaßen: „,. . . . so glaube ich doch sicher annehmen zu müssen, daß wenigstens ein Teil der im Sekret enthalte- nen Körnchen aus denen entspringt, die in den Epithelzellen eingebettet sind. Ebenso sicher ist es, daß diese Körner keine gewöhnlichen Fettkörner darstellen, sondern aus irgendeiner lipoiden Substanz bestehen. Es ist schwer zu sagen, wie sich die doppeltbrechende Substanz im Sekret bildet, ob sie durch die Umwandlung der intrazellulären Körner entstanden ist, oder in irgendeiner Weise z. B. aus der Sekretflüssigkeit auskristallisiert oder durch die Wand der Drüsenkanälchen zwischen den Epithelzellen ausgewandert ist. Ich möchte mich der Ansicht Schlagenhaufers anschließen, die dahin geht, daß die Prostatazellen reich an lipoider Substanz sind, in- folgedessen leicht mit doppeltbrechender Substanz beladen werden können.“ In Landois’ „Lehrbuch der Physiologie“ gibt Rosemann an: „Die Zwischenzellen des Hodens sind Bindesubstanzzellen und enthalten ein eigentümliches Fett.‘ Lezithin, Cholesterin, Fette kommen nach ihm in der Samenflüssigkeit vor. Ferner lesen wir dort: „Der Schwanz der Sper- matozoen enthält außer Eiweiß reichlich fettartige Substanzen: Lezithin, Cholesterin sowie ein echtes, sehr ölsäurereiches Fett.‘ Löwenthal untersuchte 1916 den Hoden auf seine Beziehungen zum Cholesterinstoffwechsel. Die Vermutung, daß solche bestehen, wird durch den Umschwung, den der gesamte Fetthaushalt des Körpers nach der Kastration erfährt, nahegelegt. Als Versuchstier benützt er das Ka- ninchen und findet ‚bei oberflächlicher Untersuchung anscheinend regellos in den Zwischenzellen und den epithelialen Elementen liegende größere und kleinere Lipoidkörnchen. ... Die Gebilde färbten sich mit Sudan leuch- tend rot, mit Nilblau dunkelblau und zeigten keine Doppelbrechung; sie bestehen also entweder aus reinem Cholesterin oder stellen eine Lösung davon oder von seiner Estern in anderen Lipoiden oder ineinander dar.‘ Eine Ver- minderung oder Vermehrung dieser Substanzen kann er bei hypercholesterinä- mischen Zuständen, z. B. nach Nebennierenexstirpation oder im Hunger- zustand, nicht beobachten. Bei seinen weiteren Versuchen verfuhr er chemisch. Es ergab sich in der Hauptsache, daß der Testikel kein cholesterinspeicherndes Organ ist, somit nicht dem reticuloendothelialen Apparate Aschoff-Landaus angehört, der den intermediären Cholesterinstoffwechsel vermittelt. In seinem Werke über ‚Innere Sekretion‘ erwähnt Bied| ‚„osmierbare und mit Hämatoxylin-Kupferlack (nach Rega ud) färbbare lipoide Körn- chen‘ in den Zwischenzellen, die diesen im Verein mit Pigmentkörnchen und Kristallen eine strukturelle Aehnlichkeit mit sezernierenden Drüsenzellen verleihen und somit ein Moment für die Annahme einer inneren Sekretion 400 Alfred Kunze: der Zwischensubstanz darstellen. Daselbst finden wir auch eine Zusammen- stellung der vielseitigen, sich oft widersprechenden oder eine mehrfache Deutung zulassenden Angaben über die Frage, welchen Gewebsbestand- teilen des Hodens die innere Sekretion zuzuschreiben, speziell welches die Bedeutung der Leydigschen Zellen sei. Biedl selbst mißt diesen Zellen eine innere Sekretion bei, hält daneben aber eine trophische Funktion für wahrscheinlich. In der Deutung der Zwischenzellen um ein gutes Stück vorwärts ge- bracht haben uns die seit ca. einem Jahrzehnt von Steinach ausge- führten Versuche mit Transplantation von Keimdrüsensubstanz. Sie haben uns wohl sicher die Belanglosigkeit der Samenzellen und ihrer Vorstufen, jedoch die Wichtigkeit der Zwischensubstanz für die Hormonbildung des Hodens gelehrt. Die Fragestellung lautet heute also: bestreiten deLeydig- schen Zellen, die ‚„Pubertätsdrüse“ Steinachs die innere Sekretion allein oder sind auch die Sertolischen Zellen daran beteiligt? Sagt doch Steinach selbst in seiner neuesten Veröffentlichung über ‚Die Ver- jüngung durch experimentelle Neubelebung der alternden Pubertätsdrüse‘ bei Besprechung der histologischen Veränderungen des transplantierten Hodens: ‚Von der Atrophie der Samenzellen weniger betroffen werden die Sertolischen Zellen, von denen ein großer Teil intakt bleibt. Es ist da- her weiter unentschieden, ob auch diese — aber keinesfalls sie allein — bei der inkretorischen Tätigkeit beteiligt sind. Gewisse Uebereinstimmung der Struktur, ferner die ähnliche Widerstandsfähigkeit könnte auf eine Analogie der funktionellen Veranlagung schließen lassen.‘“ Trotz seiner Folgerungen ist aber Steinach von der epithelialen Natur der Zwischenzellen nicht überzeugt und spricht ihnen auch als Bindegewebszellen inkretorische Fähig- keiten zu, wie nach seiner Angabe Schottländer dies für die binde- gewebigen Elemente der Follikel vermutet. Steimach konnte bei alternden Ratten eine Atrophie der Zwischen- zellen wahrnehmen. Er beschreibt dieselbe folgendermaßen: ‚Die Puber- tätsdrüse sowohl in der Zahl als in der Struktur ihrer Elemente vermindert; die vereinzelt liegenden Le y di g schen Zellen, was auf vermindertes Wachs- tum, ihr Protoplasma sehr wenig oder gar nicht granuliert, was auf ge- schädigte Innensekretion und Aktivität hinweist; ein Teil der Zellen ganz degeneriert.‘“ Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung wie Biedl| bezüglich der Funk- tion der Zwischenzellen kommt Lipschütz in seinem Werke „Die Puber- tätsdrüse und ihre Wirkungen‘ 1919: „Die Annahme, daß die Zwischen- zellen als Vermittler zwischen Blut und Samenbildungszellen fungieren, steht aber in Wahrheit in keinem Gegensatz zur Auffassung, daß die Zwischen- zellen innersekretorisch wirksam sind. Es wäre möglich, daß sie die tro- phische Funktion gegenüber den Samenbildungszellen mit den innersekre- torischen Funktionen gegenüber den anderen Teilen des Organismus ver- einen. Auch kommt in Betracht, daß die Zwischenzellen zusammen mit den Nährstoffen auch spezifische Stoffe an die Samenbildungszellen auf direktem Wege abgeben könnten, spezifische Stoffe, welche die anderen Teile des Organismus erst auf dem Blutwege erreichen. Wie wir oben erwähnt Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 401 haben, ist es ja nicht ausgeschlossen, daß die Zwischenzellen auch das Ge- schlecht der generativen Zellen bestimmen.‘ Die Frage nach der Herkunft der Zwischenzellen hält er hinsichtlich der Bedeutung der letzteren für gänzlich belanglos. Eine innere Sekretion der Sertolischen Gewebselemente der Tubuli erscheint ihm sehr unwahr- scheinlich. Aus der Literaturübersicht erhellt, daß das Vorkommen des als ‚‚Fett‘“ bezeichneten Stoffes im Hoden von Tier und Mensch schon lange bekannt ist. Anfangs als Degenerationserscheinung aufgefaßt — Lubarsch neigte als einer der letzten dieser Annahme zu —, kann heute durch die Ab eiten- von Cloitidlesser JEin sellimtatnıın , Elleiexchleiimer, Thaler die physiologische Natur des ‚Fettes‘ als unbestritten gelten, Auch über die örtliche wie zeitliche Verteilung desselben besteht zur Zeit eine einheitliche Auffassung: In allen Altersstufen ist intra- wie extra- tubulär Lipoid nachweisbar und zwar ist vor der Pubertät das Zwischen- gewebe bevorzugt, nach Eintritt derselben aber Lipoid besonders innerhalb der Tubuli anzutreffen. Bezüglich der Anordnung des intratubulären Fettes in einer Randzone bestehen Meinungsverschiedenheiten, in dem ein Teil der Autoren diese als Artcharakter, ein anderer als Funktionszustand be- zeichnet. Eine Korrelation zwischen Hodenfett einerseits, Nährzustand und All- gemeinerkrankungen andererseits haben die meisten Arbeiten nicht kon- statieren können. Der Zweck des Fettes wird verschieden beurteilt. Das intratubuläre wird im allgemeinen als Nährmaterial für die Samenbildungszellen ange- sehen. Dagegen ist die Deutung des extratubulären Fettes noch heute eine stark umstrittene Frage. Manche Autoren schreiben auch diesem direkt trophische Funktion bezüglich der Spermiogenese zu und nehmen daher eine Fettströmung durch die Tubuluswandung an. Engelmann, Herxheimer, Thaler sehen diese Aufgabe aber nur als indirekte an, indem das Fett zunächst Bildungsmaterial für die in Entwicklung be- griffenen Tubuli seminiferi darstelle. Die neuere Zeit bringt das Hoden- lipoid mit der inneren Sekretion des Organes in Verbindung. Verhältnismäßig wenige Arbeiten beschäftigen sich mit der chemischen Natur des Fettes. Wir sehen Zweifel an der Einheitlichkeit derselben schon beiv.Ebner auftauchen, weiterhin von Plato, Beißner, Fried- mann zum Ausdruck gebracht. Sie nehmen bei Thaler bestimmtere Formen an; stellt er doch durch Untersuchung im polarisierten Lichte Chole- sterien im menschlichen Hoden fest. Karwicka zeigt uns, daß dieses einen normalen und zum Teil nicht unbeträchtlichen Bestandteil desselben darstellt, Durch mikrochemische Reaktionen werden Lipoide, die keine Neutral- fette sind, in den Zwischenzellen des Menschen zuerst von Ciaccio er- kannt und ebendort durch Hämatoxylin-Kupferlack von Regaud zur Dar- stellung gebracht. 402 AlfrediKun ze: Bezüglich der Hodenlipoide läßt die Literatur also eingehende Arbeiten vermissen: 1. über die mikrochemische Differenzierung der Fettsubstanzen im menschlichen wie tierischen Hoden, 2. über das Auftreten von doppeltbrechenden Lipoiden im tierischen Hoden. Versuche, die Bedeutung der Zwischenzellen auf histologischem Wege durch Feststellung ihrer Menge, Anordnung ihres Zellcharakters, Fettgehaltes zu bestimmen, führten bisher zu keinem sicheren Ergebnis. Ganz spärlich sind die in der Literatur vorhandenen Angaben über die Lipoide der Prostata. Technik. Vor Anführung meiner eigenen Untersuchungen sei es mir ge- stattet, über die von mir angewandte Technik einige Angaben zu machen. Das Material von Hund und Katze entstammte meist mit Zyankalium vergifteten Tieren, das übrige wurde bei Kastrationen und Sektionen gewonnen. Entnahme wie Verarbeitung erfolgte in möglichst frischem Zustande. Nur solche Organe kamen zur Ver- wendung, die makro- wie mikroskopisch keine pathologischen Ver- änderungen aufwiesen. Von der frischen Drüse (Hoden und Prostata) wurden Zupf- präparate in Glyzerin angefertigt und vor sowie nach einviertel- stündigem Erwärmen im Paraffinschrank oder zweimaligem Erhitzen über der Spiritusflamme auf 60 bis 70° und Abkühlen im polari- sierten Lichte untersucht. Zur leichteren Orientierung schaltete ich hin und wieder ein Gipsplättchen Rot I. Ordnung zwischen Polari- sator und Objekt ein. Besondere Vorteile durch Abkühlen auf dem Gefriermikrotom, wie Aschoff sie bei Untersuchung von Ka- ninchenorganen erwähnt, habe ich nicht gesehen. Bei geschlechts- reifen Hunden wurden auch Ausstriche von Prostatasekret auf Doppelbrechung geprüft. Was die Technik der Untersuchung mit dem Polarisations- mikroskop, die Eigenschaften und die Deutung der flüssigen Kristalle betrifft, verweise ich au Ambronn, Chalatow, Kaiser- ling, Lehmann. Zur Kontrolle wurden anfangs Präparate der Nebenniere des Hundes, die, wie Kamamura und Berndt nachwiesen, reichlich flüssige Kristalle enthält, derselben Behandlung auf dem gleichen Objektträger unterzogen. Auch bei negativem Hodenpräparat in Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 403 großer Menge auftretende Sphärokristalle erwiesen dabei die Rich- tigkeit der angewandten Technik. Zur Anlegung von möglichst dünnen Gefriermikrotomschnitten wurden ca. % ccm messende Organstückchen der Einwirkung von 10%, wäßriger Formollösung (= 4% Formaldehydlösung) für meist 20 Stunden unterworfen. Auch diese Schnitte wurden ungefärbt in der oben angegebenen Weise auf Anisotropie untersucht. Von der Anwendung der Kali- lauge als Aufhellungsmittel, das zur Verdeutlichung der Kristalle von mancher Seite (Karwicka) empfohlen wird, nahm ich bald Abstand, da ich hierbei störende Bildung doppeltbrechender Fremd- körper beobachtete. Die Wahrnehmung Karwickas, daß Sphärokristalle im Gefrierschnitt schwerer erkennbar sind als im Zupfpräparat, muß ich bestätigen. Ist die Menge der anisotropen Substanz gering, so fällt die Untersuchung des Gefrierschnittes häufig negativ aus. Der im Anschluß an die Untersuchung des ungefärbten Materials erfolgende färberische Nachweis der Lipoide wurde mit Ausnahme der Methode Ciacciosan Gefrierschnitten ausgeführt. Ich rich- tete mich dabei nach den Angaben Herxheimers in seiner „Technik der pathologisch-histologischen Untersuchung‘. Als Scharlachrot-(Fettponceau-)Lösung benützte ich die azeton- haltige, in der ein Verweilen der Schnitte von 2—3 Minuten genügt und somit eine Lösung der Lipoide durch den nur 70% Alkohol nicht zu befürchten ist. Hämatoxylin-Delafield diente mir zur Kern- und Plasmadarstellung. Bei Färbung mit Nilblausulfat ließ ich eine gesättigte wäßrige Lösung 10 Minuten lang einwirken und differenzierte in 1%, Essig- säure. Stets wandte ich auch die komplizierten Methoden der Lipoid- färbung nach Fischlerund Lorain-Smith an (Hämatoxy- linlackbildung nach vorheriger Beizung mit Cuprum acetic. bzw. Kalium bichromic.). Die durch Dietrich für die Methode L o- rain-Smith empfohlene Vornahme des 5stündigen Färbens bei, 37—40° C führt zur stärkeren Tinktion. Nach Fischler und Smith färben sich Lipoide grau-schwarz-blau, das übrige Gewebe ockerfarben. Zwecks Ueberführung der in wäßrigen Flüssigkeiten löslichen Na- und K-Seifen in die unlöslichen Ca-Verbindungen fixierte ich Archiv f, mikr. Anat. Bd. 96 26a AOA lan @dal )X Kim 72@8 Material in gesättigter Lösung von Calc. salicylicum in 10%, Formol, wie Aschoiff es empfiehlt. Zur Bestätigung, daß es sich bei den nach den bisher genannten färberischen Methoden dargestellten Stoffen wirklich um Lipoide handelte, wurden ab und zu Kontrollschnitte der Behandlung mit Alkohol-Xylol-Alkohol unterzogen. Die dann stets ausbleibende Re- aktion erwies die Spezifität der Methoden. Die einzige Probe, bei der Paraffineinbettung zu Verwendung kam, und die auch ständig ausgeführt wurde, ist dienach Ciaccio (Chromierung und Färbung der nun der Alkohol-Xylolbehandlung trotzenden Lipoide mit Scharlachrot). Die Angaben Kasari- noffs waren hierin für mich maßgebend !). In einigen Fällen färbte ich mit Neutralrot in 1%, wäßriger Lösung und nach Golodetz (Formalin-Schwefelsäure). Bei längerer Aufbewahrung in 10% Formol beobachtete ich ein starkes Nachlassen der Färbbarkeit der Lipoide mit Scharlachrot. Die Angaben Kasarinoffs über die Beständigkeit der Ciaccio- Lipoide habe ich nicht nachgeprüft. Die Osmiumsäure habe ich zur Lipoiddarstellung nicht an- gewandt, da sie, wie lange bekannt, nicht ganz spezifisch ist, eine Differenzierung in chemischer Hinsicht nicht zuläßt, die Vorzüge der Paraffinschnitte mir aber gleicherweise durch die Methode Ciaccio geboten wurden. Es ist” von: vielen "Seiten [Ah der Harldenz Mine Kraus (32)] darauf hingewiesen worden, daß diese Methoden der morphologischen Darstellung nichts Näheres über den absoluten Lipoidgehalt eines Organs aussagen. Ich bin mir dessen bewußt. Immerhin hat doch Landau speziell für die Nebenniere des Menschen einen Parallelismus der Quantität der morphologisch und chemisch darstellbaren Lipoide nachweisen können. Ich halte es daher für wahrscheinlich, daß auch im Hoden und der Prostata Zellen mit reichlich morphologisch nachweisbarem Lipoid ein hoher absoluter Gehalt an solchem zu- kommt. Meine Befunde habe ich zwar zum Teil an Individuen mit All- 1) Auch nach I1tägigem Verweilen in Xylol der nach Ciaccio be- handelten Organstückchen sah ich noch starke Tinktion mit Scharlachrot, so daß die Fixierung der Lipoide eine sehr nachhaltige zu sein scheint. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 405 gemeinerkrankungen erhoben, glaube sie aber aus folgenden Grün- den als physiologisch hinstellen zu können: il. Die in Frage kommenden Organe zeigten weder makro- noch mikroskopisch pathologische Veränderungen. 2. Von kastrierten normalen Tieren stammende Testikel boten dasselbe Bild. Ueberblick über die Lipoidbefunde '). (ElkumnedeS2 Eee.) Beginnen wir den Ueberblick über die Lipoidbefunde bei den einzelnen untersuchten Tierarten mit dem Hunde. Die Untersuchung im polarisierten Lichte läßt anisotrope Li- poide bei Il von 32 Tieren erkennen. Vereinzelt fallen diese positi- ven Befunde vor die Pubertätszeit °), treten aber von ca. 3 Jahren ab mit zunehmender Konstanz auf. Die Sphärokristalle sind spärlich — im Durchschnitt 3—4 im Präparat — verschieden groß und liegen vereinzelt oder in kleinen Gruppen im Zwischengewebe. Bei leichtem Erwärmen geht die Anisotropie verloren. Die Färbung mit Scharlachrot hat stets ein positives Ergebnis. Extratubulär ?) findet sich das Lipoid von Jugend an in reicher Menge. Die Zwischenzellen sind häufig strotzend von Tropfen er- füllt, die die Größe eines farbigen Blutkörperchens erreichen können, meist aber kleiner sind. Ein Konfluieren findet selten statt. Zwi- schenzellen ohne Lipoid sind kaum zu sehen. Die Färbung mit Schar- lachrot läßt uns daher häufig, besonders bei jüngeren Hunden, die zwischen den Tubuli gelegenen Räume deutlich in Form eines Netzes hervortreten. Die Maschen dieses Netzes werden durch die Gesamt- heit des tingierten Zwischenzellenlipoids, dessen Löcher durch die !) Die Untersuchungsprotokolle gelangen wegen Raummangels nicht zur Veröffentlichung. Ich verweise diesbezüglich auf Maschinenschrift- exemplare dieser Arbeit, die als Dissertation 1920 in der Staatsbibliothek Berlin, den Bibliotheken der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin und des anatomischen Institutes derselben niedergelegt sind. ?) Der Beginn der Pubertät fällt, wie ich aus dem histologischen Ver- halten der Tubuli ersah, beim Hunde ungefähr in den 8. Monat (Auftreten der ersten Spermatozyten); mit ca. IO Monaten erscheinen die ersten Sper- mien. 3) „Extratubulär‘ hier wie im folgenden = „in den Zwischenzellen‘“, da die wohl auch im Faserbindegewebe vorkommenden Lipoidtropfen gegen diejenigen der Zwischenzellen an Menge völlig zurücktreten. 26a 406 Aulinierdekeltnezie: hinsichtlich ihrer Lipoidmenge ganz zurücktretenden Tubuli gebildet (Fig. 1 u. 2). Während Anordnung und Quantität des Lipoids der einzelnen Leydigschen Zelle nach der Pubertät Aenderungen kaum unterworfen ist, findet zugleich mit einer Verringerung der Zwischen- substanz von ca. 4 Jahren ab auch eine Verminderung des extra- tubulären Gesamtlipoids statt. Die Differenz in der Menge des Zwi- schenzellenlipoids zwischen jungen und alten Tieren ist aber bei wei- tem nicht so groß wie die des intratubulären in den verschiedenen Altersstufen. Innerhalb der Tubuli sind durch Scharlachrot darstellbare Lipoide fast stets zu finden. Vor der Pubertät ist ihre Menge ver- ee ’ I GCENAEN | We. Men Nat = $] EV > 1 e - : ne Put: 7 Me der u 4 Ri 2 1 2: Fig. 1. Aus dem Hoden eines 6 Mon. alten Hundes. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 60fach. Fig. 2. Aus dem Hoden eines 2 Jahre alten Hundes. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 60fach. schwindend klein, erfährt jedoch mit Beginn derselben eine erhebliche Vermehrung in im Alter steigendem Maße. Bemerkenswert ist die Anordnung: In mittlerer Körnung — ca. 1,5 u. groß — sieht man die Lipoidtröpfchen vor der Geschlechts- reife unregelmäßig über den ganzen meist lumenlosen Tubulus ver- teilt. Der Eintritt derselben zeigt die Lipoide in häufig größeren Tropfen — bis ca. 5 u — in den peripheren Teilen des Tubulus und sehr fein in den Spermatiden. Mit eintretender Spermienbildung bemerken wir sie fein- und mittelkörnig zwischen den Spermien und in deren Protoplasmalappen, häufig einen zentralen Ring (Fig. 2) bildend, der das Lipoidbild des Tubulus beherrscht, während man Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 407 sie peripher in geringerer Zahl zu Gesicht bekommt. Mit Störung der Spermiogenese geht diese typische Anordnung verloren und eine regellose Verteilung greift um sich. Auch in der Membrana propria und den Zellen des Rete Testis kann Lipoid auftreten. Das für Scharlachrot Gesagte gilt auch für die Ergebnisse der Nilblaufärbung. Die Tatsache, daß die Zahl der Lipoidkörnchen, besonders der feineren, häufig hierbei geringer erscheint als bei Scharlachanwendung, soll später erörtert werden. Fig. 3. Aus dem Hoden eines 8 Wochen alten Hundes. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 500fach. Fig. 4. Aus dem Hoden eines 8 Mon. alten Hundes. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 250fach. Die Methode Fischler ergab bei 2 Tieren, Hund 28 und 30, Resultate, die ich als positive bezeichnet habe. Die Reaktion ist aber so spärlich oder undeutlich, daß es sich hier wohl, wenn über- haupt, so doch nur um einen Zufallsbefund handelt. Bei den nach Lorain-Smith behandelten Präparaten ist, außer bei Hund 10 und 12 immer eine positive Reaktion vorhanden. Sie tritt extratubulär meist in mittlerer Stärke auf, ist aber großen Schwankungen, auch hinsichtlich der Intensität der Tinktion, unter- worfen. Letzteres gilt auch in bezug auf die intratubulären Lipoide. Eine Zunahme dieser nach Eintritt der Geschlechtsreife ist aber 408 Alfred Kunze: hier unverkennbar. Die Anordnung entspricht allgemein der bei Scharlachrot geschilderten. (Fig. 3, 4 und Ile). Deutlich ist auch feinste Körnelung der Spermatiden und Plasmalappen der Sper- mien nachweisbar. Die Behandlung der Präparate nach Ciaccio zeitigt stets ein positives Ergebnis und hat die konstantesten Resultate. Deutlich ist nach der Pubertät ein Sinken des extratubulären, ein Ansteigen des intratubulären Lipoidgehaltes zu ersehen. Letzterer zeigt nie so hohe Grade wie bei Verwendung des Scharlachrots am Gefrier- BEN DAL? we u Fe 3 ee... x a Pur ” $ ER 44 “ 5 y ®: Pr = 2 ea Se 8 ar Bi © = ei 28 8 nen ee süß @ ® a Re \ er > 2 Beil N ’ “ ® OR, ) R) > St du Be 7 8 roh ee = 3 TE SE i.. = ee a .. PX} a5 Py r * EI, HT FTT TREE vo. ee ee, ah 2,2 908 Ele € e’ 9 N Tas 3 ® S e re Be stds 8 97 sie 0 „Oase Te 5% ® > ;B® or m £ I ee a » PS \G 7966 » D7 PN 0% R 2 X 4 e ds ga e 8 “. ET) De 4 % ERS Eon 2, iv 5 = am ® u Ph: ® va 13 ®© 8a 78 9% ” ®%:; ? .o = en ee N u N II FE Te PR % % 8 Ai an, no, ca de 9% 2) ‚ee x a ® BET ig we NER % gs @ 3 G& z\ x 9 door Pr 7 © 022 RU E ge ® 180 2% 8 ” „u n % in | Fr No * ' & -»& = Ay (wel 3 € s EN ne 8 "ehr ee ® ‘ pi fan) en Dun @: r na NN = > 2 e Ye F Hlues 0 OR o Ss w .% 5) 7 Ps 4 as Pat a I D8 6 Fig. 5. Aus dem Hoden eines 4 Wochen alten Hundes. Behandlung nach Ciaccio. Vergrößerung ca. 250fach. Fig. 6. Aus dem Hoden eines 2 Jahre alten Hundes. Behandlung nach Ciaccio. Vergrößerung ca. 250fach. schnitt. Im Beginn der Pubertät macht sich nach Ciaccio eine vorübergehende Vermehrung des intratubulären Lipoids geltend. Im übrigen ist die Anordnung die gleiche wie bei Scharlachrot. Allerdingserinnere ich mich nicht, so ausgeprägte zentrale Ringzonen wie im Gefrierschnitt gesehen zu haben (Fig. 5 und 6). Das Verfahren von Golodetz war, wo angewandt, negativ. Durch Neutralrot konnte ich sichere Resultate nicht erzielen. Wie in den übrigen intratubulären Geweben ließen sich Lipoide auch in riesenzellenartigen Gebilden, die im Lumen der Kanälchen von Hund 14 und 15 auftraten und dort näher beschrieben sind, nach- 2 I DS I a Ts tel BT DT Ta ee a N = bee erg Ben ange) ua ausser q ++ al ++ af PP | I Zu el I ee | | ae) I SIG ug £ ee be ‘a as rel In Set + '3 ia elle (an se a a |), Ra: 7 u - — — — — — _ A19]49SI4 &) es l I a] el 1] | ir) ze al Wi] Te N ne I & Il + a a ade We ER + + Jap sel ae + a el a = 7 Be 3 a N a 9 Bi Pr u ee at + 304 = ‘a 4 Si "AI | A A | Dar IE ESS + IE ++ 'q } - [1EUIS © | ypaıq _ — ı FR a Bu 1 SS, N = Ki j ö I -pddoq Do —— = = — — —— = ————o —= = 7 91 A9qN 91 G Gl O1 9 G v © G I 5 u — Te ER; 19yıV o a | Be = = a TEE RENT N A z x 2 = a east] 210] | il AD s=n1 ZEN ee = oe ++ a| ++ a| ++ a | #4 a @)++ al+4+r a +44 al #344 a |+4H a AH alt Ha OD < | a „Er: Er 2 I N a te! — el N a el en S ale ee ne u ee er tt tel Wehen Se Be een ee - Aw rn er er e we | en en Sum — — — \ A9]UOSIJ = + FI ++] — A el IIGDE Sl Te KT | N || NEIqIIN = Gele et a| + SUN neh ana ars ie ae ae ee ellusu a get 4 iS + CH HT | ai el — 3 Kool e Basel NET — 1 | + ıN u = a Eee ga | wann aleinahlas, | + "g Peg | REIN ae 4 4 ei ++ '7 ‚ -IEUIS > | | | R | | u9aıq =: = 1 E- Feen | = ” 2) = n I -Jaddoq = | | S wuapE EHE z 01 6 Beste 9 G Ve 8 et 2 ge Ze a 2 : _ — —— | 193] V - 9JeuowW uayaoMmN EZ 2 a Are, Zar Pr ER e a me = a "sapuny Sp UapoY wı apunjagpıodıT ı3p Sunjjajsuawiwesnz aydsılejjageL 410 AMTedaRtunzie: weisen (Fig. 11a). Die Riesenzellen sind offenbar mit Gebilden iden- tisch, die ich bei Bied]| folgendermaßen geschildert fand: ‚Nach Kyrle verlaufen in den den Röntgenstrahlen ausgesetzten Hoden zwei Prozesse nebeneinander, ein degenerativer und ein regenerativer Vorgang. In der ersten Phase zeigt sich die Degeneration der Epi- thelien, wobei riesenzellenartige Bildungen auftreten, wie sie Ma- ximow bei der Heilung von Hodenverletzungen beschrieben hat und wie sie nach Mazetti anscheinend schon de norma bei der stetig vor sich gehenden Destruktion der Epithelien und Resorption der Zerstörungsprodukte vorkommen.“ Da mir pathologische Veränderungen bei den genannten beiden Hoden nicht zu Gesicht kamen, muß ich Mazetti beistimmen, daß diese Zellformen mitunter schon normalerweise auftreten. Seine Erklärung jedoch, daß diese zur Resorption des stets in Destruktion begriffenen Epithels dienen, ist nicht ohne weiteres einleuchtend. Zwar weisen die Lipoideinschlüsse auf solch eine Tätigkeit hin. Wenn ihnen aber diese Funktion allgemein obläge, hätte ich sie sicher öfter finden müssen und wohl besonders in Hoden mit lebhafter Spermien- bildung oder bei älteren Tieren. Auffallenderweise befanden sich meine beiden Tiere aber gerade in der Pubertät. Sollte dies reiner Zufall sein? Beziehungen zwischen dieser und den in Rede stehenden Bildungen wären wohl denkbar, wenngleich ich bei dem geringen Material bestimmte Folgerungen nicht zu ziehen wage. Kat err(s lie we). Doppelbrechung tritt dreimal in geringem Umfange im Zwi- schengewebe auf. Scharlachrot zeigt uns extratubulär stets große Mengen von Lipoiden, die die des Hundes bei weitem übertreffen. Zum Teil ist dieser Lipoidreichtum auf die größere Quantität des Zwischen- gewebes zurückzuführen, andererseits sind die Lipoidtropfen selbst meist beträchtlich größer als beim Hunde. Zusammenfließen ist häufiger als sonst zu beobachten (Fig. 7 S. 411). Auch intratubulär ist in allen Fällen die Reaktion positiv. Die Lipoide sind hier jedoch sehr spärlich. Sie finden sich in ähnlicher Verteilung wie beim Hunde. Auch hier tritt erst mit Beginn der Spermiogenese !) eine Vermehrung und regelrechte Verteilung in !) Unter „Spermiogenese‘‘ verstehe ich hier wie im folgenden die im Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 411 die Erscheinung. Jedoch kommt es bei der geringen Menge der Lipoide nie zur Bildung einer hervortretenden zentralen Ring- oder peripheren Randzone. Nilblau verhält sich allgemein wie Scharlachrot. Die Reaktion ist in der Hauptsache violett bis dunkelblau (Fig. 8). Im Gegensatz zum Hunde sehen wir die Methode Fischler dreimal und zwar bei ausgewachsenen Tieren deutlich positive Re- Fig. 7. Aus dem Hoden eines jugendlichen Katers. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 250fach. sultate ergeben. Diese zeigen sich in verschieden großen grau- bis blauschwarzen Tropfen in den Zwischenzellen, die ein farbiges Blut- körperchen an Größe übertreffen können, aber insgesamt nur einen kleinen Teil des durch Scharlachrot dargestellten Lipoids ausmachen. Neutralrot färbte dreimal extratubuläre Lipoide und zwar in denselben Fällen, wo auch Fischlers Methode positiv war. Zwei- mal gab die Reaktion der bei Scharlachrot kaum nach (Fig. 9). Die Färbung nach Smith zeitigte extratubulär die gleichen Resultate wie Scharlachrot. Innerhalb der Samenkanälchen habe ich nie etwas feststellen können (Fig. 10, S. 413). weiteren Sinne, d. h. ich bezeichne damit den Vorgang, der mit der Bildung anders gearteter Zellgenerationen seitens der Archispermiozyten beginnt. Ausgebildete Spermien brauchen dabei nicht aufzutreten. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 27 Alfred Kunze: Ciaccio läßt in den Zwischenzellen blaß orangerot gefärbte Lipoide erkennen. Häufig erscheinen die Tropfen am Rande stärker = % ".. En 4 +47 i = 3 N f = ME PR -- al Fig. 8. Aus dem Hoden eines ausgewachsenen Katers. Färbung mit Nilblau. Vergrößerung ca. 250fach. Fig. 9. Aus dem Hoden eines jugendlichen Katers. Färbung mit Neutralrot. Vergrößerung ca. 250fach. tingiert, blasig; Form und Anordnung derselben wie bei Scharlachrot. Die Umrisse der Tropfen sind schärfer ausgeprägt und es offenbart sich hier besonders schön, wie gering die Neigung zum Konfluieren Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 413 ist, auch wenn sie so dicht gedrängt die Zellen ausfüllen, daß sie teilweise ihre Kugelform einbüßen (Fig. I1b). In kleinerer Menge als bei Scharlachrot sehen wir intratubulär Lipoide in gewohnter Verteilung auftreten. Einier (4 Tiere): Form und Anordnung des Lipoids bei allen 4 Tieren mit der bei Nr. 1 unter Scharlachrot beschriebenen übereinstimmend. Tubulus enthält an Zellen nur die Sertolis und Archispermiozyten. 10. Ile Fig. 10. Aus dem Hoden eines jugendlichen Katers. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 250fach. Fig. Il. a) Riesenzelle aus dem Tubulus eines in der Pubertät befindlichen Hundes. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 500fach. b) Gruppe von Zwischenzellen aus dem Hoden eines jugendlichen Katers. Behandlung nach Ciaccio. Vergrößerung 250fach. c) Zug von Zwischenzellen aus einem interlobulären Septum des Hodens eines 4 Mon. alten Hundes. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 500fach. Doppeltbrechende sowie nach Fischler nachweisbare Sub- stanzen sind nicht vorhanden. Die Methoden Scharlachrot, Nilblau und Ciaccio ergeben öfters sehr geringe Mengen feinkörnigen Lipoids in den bekannter- weise sehr zahlreichen Zwischenzellen des Ebers. Intratubulär zeigen dagegen die eben genannten Methoden, aber ZIG 414 Alfred Kunze: auch dienach Smith Lipoide in so reicher Anzahl und großen Tropfen, wie ich sie bei keinem anderen Tiere gesehen habe. Die Tropfen besitzen meist die gleiche ansehnliche Größe von 5 u und mehr Fig. 12. Aus dem Hoden eines Schweines von ca. 6 Wochen. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 60fach. Fig. 13. Aus dem Hoden eines gegen 4 Mon. alten Ebers. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 250fach. und sind ohne jede Regel über den ganzen Tubulus verstreut. Ein Unterschied im Farbenton zwischen Scharlachrot und Ciaccio ist kaum wahrzunehmen. Ringformen sind nicht ausgeprägt (Fig. 12 und 13). Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 415 Bei gleichzeitiger Färbung nach Smith und mit Scharlachrot nehmen die intratubulären Tropfen einen rötlichbraunen Ton an. Man sieht in diesem Fall weder ausgesprochen schwarze noch rote Tropfen. Die mit Scharlachrot dargestellten Lipoidpunkte sind also dieselben wie die auf Smith reagierenden. Ein überraschender Befund ergab sich bei nochmaliger Färbung von Präparaten, die vor ca. 10 Wochen nach Ciaccio behandelt waren und so lange im Paraffinblock eingebettet gelegen hatten. Bei der genau gleichen Arbeitsweise zeigten sich nämlich die durch Schar- lachrot gefärbten intratubulären Tropfen nicht mehr als volle rote Kreisfläche, sondern die Tinktion war auf einen kreissegment- oder : B "Pl rg ee: ee kr, # Fig. 14. Aus dem Hoden eines ca. 4 Mon. alten Ebers. Behandlung nach Ciaccio. Vergrößerung ca. 500fach. sichelförmigen Bezirk, dessen Enden mehr oder weniger die alte Form umschlossen und dann das Bild eines Siegelringes boten, des ehemali- gen Kreises beschränkt, während dessen übriger Teil völlig farblos den Eindruck einer Vakuole machte. Diese Erscheinung war an fast allen Tropfen wahrnehmbar (Fig. 14). Auf die Deutung derselben will ich später eingehen. Zeseles DroJc.k (8 Tiere): Auch der Hoden des Ziegenbocks läßt bei jugendlichen oder in der Pubertät befindlichen Tieren stets durch Scharlachrot und 416 AerdeRKeungzze: Nilblau tingierbare Lipoide erkennen. Sie sind im allgemeinen spärlich und treten im besonderen innerhalb der Tubuli in beachtens- werter Menge erst mit der Pubertät in Erscheinung. Wir finden sie hier in gröberen Tropfen meist peripher, während die Zwischenzellen die lipoide Substanz nur in sehr feiner Körnung enthalten. Doppeltbrechende sowie nach Fischler und Smith nach- weisbare Körper habe ich nicht gefunden. Die Methode Ciaccio läßt in der Zwischensubstanz stets eine positive Reaktion erkennen, die sich in dem Auftreten feinster Körnchen oder einer diffusen, aber ausgesprochenen Rötung des Zelleibs kundtut. Innerhalb der Samenkanälchen sieht man bei Tieren mit Spermiogenese mittelgroße Lipoidtropfen, die den peri- pheren Teil des Tubulus bevorzugen und teils Siegelringform er- kennen lassen. Elleserskt le lisesn): Beim Hengst sind extra- und intratubulär einwandfrei Lipoide nur durch Scharlachrot und nach Ciaccio nachzuweisen. Her- vorzuheben ist die bei beiden Methoden zutage tretende diffuse Rötung des Plasmas der Leydigschen Zellen und die geringe Tinktion der blasig erscheinenden extratubulären Lipoidtropfen bei CTareicTo: Reastzlez2 2 verze): Doppeltbrechende Substanzen sind in einem der untersuchten Rattenhoden, und zwar nur in Spuren, vorhanden. Scharlachrot zeigt uns neben sehr spärlichen lipoiden Sub- stanzen in den Zwischenzellen solche bei den kurz vor und in der Geschlechtsreife stehenden Tieren in reichlicher Menge in einer ausgesprochenen intratubulären Randzone, die verhältnismäßig schmal unweit der Tubuluswandung zwischen Sertoli-Kernen und den Spermatozyten gelegen ist (Fig. 15). Eine Lichtung erfährt diese Zone in den Spermien enthaltenden Samenkanälchen zu- gunsten einer zentralen Anordnung des Lipoids in der Spermien- gegend. Nilblau läßt Besonderes nicht erkennen; Färbung nach Fisch- ler ist negativ. Die Smith sche Reaktion ist bei beiden Tieren wenig ausge- prägt; die durch Scharlachrot zutage getretenen Lipoidtropfen haben nur eine sehr blasse Farbe angenommen. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 417 Eine starke Differenz zwischen beiden Ratten besteht im Aus- fall der Methode von Ciaccio. Wir sehen bei dem jugendlichen Fig. 15. Aus dem Hoden einer jugendlichen Ratte. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 60fach. % N &s j 408 7 & 2) 4, * . © :&; * 3-47 3 ® s ® Pi ® @ m = 2: 5 > EI Ks As eo © ” Ic ” 3 “ ‚@ “; .. e E) 7 = IR \g: 8 “'® s (0 _ & % vs a: 5 3 ve Pfr ” R © © % & P oe 2 .. ® @ ®- ® 8 6 Ey u} p2) L] ©“ 5 & ) a: 3 8 = en, Bett Dad 16 2 00 ‚re En E 7 ie . 5 & => [2 P6 e; “ & & ,® 1.29} Y 3988 u°" $ LETARS u Fi j 2 je ° er [7 2 & 28 o y 29 a ® Aal # „enge! 9.9 ® 3) e Fig. 16. Aus dem Hoden einer in der Pubertät befindlichen Ratte, Behandlung nach Ciaccio. Vergrößerung ca. 250fach. Tiere intratubulär eine starke an Intensität der Färbung wie Menge der Lipoide der gebräuchlichen Scharlachrot-Färbung nichts nach- gebende Reaktion (Fig. 16), bei der geschlechtsreifen Ratte dagegen 418 II ETEdERN INeZIe: trotz gleich intensiver Reaktion des Gefrierschnittes auf Scharlach- rot ein völlig negatives Ergebnis des Verfahrens nach Ciaccio. Der extratubuläre Lipoidgehalt der Ratte ist in jedem Falle verschwindend gegenüber dem intratubulären. Mensch (107Eo. den). Doppeltbrechende Lipoide treten in der Mehrzahl der Fälle auf. Ihr Vorhandensein ist an kein bestimmtes Lebensalter geknüpft. In größerer, mitunter sehr starker Menge finden sie sich jedoch erst Fig. 17. Aus dem Hoden eines 17 Jahre alten Menschen. Gruppe von Sphärokristallen im Zwischengewebe. Vergrößerung ca. 250fach. nach Eintritt der Pubertät. Sie sind dann oft so zahlreich wie bei keinem der bisher zur Untersuchung gelangten Tiere. Die häufig recht ansehnlichen Sphärokristalle liegen gruppen- weis angeordnet im Zwischengewebe und verlieren bei Erwärmen ihre Anisotropie (Fig. 17). Das Verfahren nach Golodetz ist, auch bei stark auftreten- der Doppelbrechung, negativ. Die mit Scharlachrot tingierbaren Lipoide zeigen sich intra- wie extratubulär in allen Hoden; sie sind in der Jugend, mit Aus- nahme des Neugeborenen, sehr spärlich, weisen aber nach Eintritt der Pubertät eine starke Vermehrung auf, die sich in besonderem Maße auf die intratubulären Körnchen bezieht. Bei letzteren kann man häufig im geschlechtsreifen Hoden von einer Randzone sprechen, wenngleich diese infolge ihrer Breite auch nie so ausgeprägt wie etwa bei der Ratte erscheint. Zentrale Lipoidkörnchen werden Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 419 zwischen den Spermien und auch in den Spermatiden sichtbar (Fig. 18). Die Nilblau-Reaktion ist violett und zeigt keine Besonderheiten. Die Behandlung nach Fischler hat nie ein positives Er- gebnis. Die Methode Smith fällt beim Neugeborenen innerhalb wie außerhalb der Tubuli positiv aus; sie ist dann bis zur Pubertät ne- gativ, um nach Eintritt derselben fast stets einen mittleren Lipoid- Fig. 18. Aus dem Hoden eines 17 Jahre alten Menschen. Färbung mit Scharlachrot. Vergrößerung ca. 60fach. gehalt nachzuweisen, der sich im höheren Alter ganz auffallend intratubulär zeigt (Fig. 19). Die Stärke der Tinktion ist erheblichen Schwankungen unterworfen. Form und Verteilung der lipoiden Sub- stanzen ähnelt der bei Scharlachrot geschilderten. Auch die Behandlung der Präparate nach Ciaccio läßt uns, den Neugeborenen ausgenommen, vor der Pubertät kaum etwas erkennen. Nach Eintritt derselben weist sie in den Zwischenzellen konstant Lipoide in mittlerer Menge nach; auch intratubulär ist dann meist durch sie darstellbares Lipoid in verschiedener Menge vorhanden. Quantitative Beziehungen zwischen den Methoden von Smith und von Ciaccio sind intratubulär oft nicht nachweis- bar, vielmehr ist auch bei stärkster Tinktion nach Smith die Reak- tion nach Ciaccio sehr blaß. Ringformen zeigten sich hier und da in allen Teilen des Hodens. 420 Alfred Kunze: Vergleichende Behandlung der Hodenlipoide. Ueberblicken wir nunmehr die bei den einzelnen Tierarten gewonnenen Ergebnisse vergleichend, zunächst in quantitativer und topographischer Beziehung, so ergibt sich folgendes: In den Hoden aller untensüuchten Nez arten wurden physioloegischerwieiseintra- wie EUR artTebiurk ar Eisprortd ee ere zuende: Entgegen früheren Untersuchungen muß festgestellt werden, daß prinzipielle Unterschiede in der Verteiling der Lipoidmasse Fig. 19. Aus dem Hoden eines 59 Jahre alten Mannes. Behandlung nach Smith. Vergrößerung ca. 250fach. auf beide Hodenbezirke bei den verschiedenen Tierarten nicht zu beobachten waren. Nur quantitativ treten solche hervor. Indien Zwisich enswbstanz’schwankt dieser Po a.damıe nıge7 stark, Vediorech- mehr, 2102 SEI nussneE: au die Tierarnteals anders ZA er In höchstem Grade und in größten Tropfen sehen wir hier die Lipoide beim Kater, wo ich die Angaben Platos bestätigen kann, daß nämlich von den Lipoidtropfen die Struktur des Zwischengewebes verdeckt wird (Fig. 7—10). Es folgen Hund und Mensch. Je spärlicher die Lipoide, desto seltener kommt es zur Bildung größerer Tropfen. Die Neigung zum Konfluieren ist aber Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 42] gering. Die Verteilung der Tropfen in der Zelle unterliegt keiner Regel. Besondere Beziehungen zwischen den Leydigschen Zellen und den Gefäßen habe ich nicht gesehen. Ihr häufig lokal vereintes Auftreten erklärt sich meiner Ansicht nach genügend dadurch, daß beide auf die intertubulären Räume angewiesen sind. Enage sensatz zu dem.extratubwlaren richten.sich die Schwankungen des intratubulären Lipoidge- BalbsemehrzmachzdemAlterzals nach der Tierart. Er ist vor der Pubertät meist verschwindend klein und erfährt erst mit Eintritt derselben eine Vermehrung. Die Verteilung der lipoiden Substanzen innerhalb des Samen- kanälchens ist bei allen untersuchten Tieren entsprechend. Sie ist regellos vor der Pubertät und hängt später vom Stande der Spermio- genese ab. Man findet die Lipoide dann feinkörnig zentral, gröber — die Tropfen sind häufig größer als die der Zwischenzellen — peripher. Ist die Lipoidmenge groß, so kommt es zur Ausbildung entsprechender Zonen; die Extreme stellen der Hund mit einer zentralen und die Ratte mit einer peripheren Zone dar. Die so sehr wechselnden Angaben über eine Randzonenstellung beruhen meiner Ansicht nach auf einer verschiedenen Auffassung des Begriffes „Randzone“ und ungenügender Berücksichtigung des Gesamtlipoidgehalts des Tubulus. Durch meine Untersuchungen kam ich zu der Auffassung, daß die sog. Randzone — d. h. mit Vorliebe in den peripheren Teilen des Tubulus gelagertes Lipoid — kein Artcharakter (Plato), sondern ein Funktionszustand (Herxheimer) ist. Sie ist zwar bei den verschiedenen Tierarten entsprechend der Menge der intratubulären Lipoide verschieden ausgeprägt, es ist aber nicht angängig, auf Grund dieser Erscheinung eine Einteilung der Hoden vorzu- nehmen. Dale Ar esibslkdeien. or se in er Eiprondr and zone sit Mentoren Vonnzdieseiltivera it, alkssovareikmrerh r2vzon diem Biomsttomszustamd. des Hodensund der Men ee desire onelaren- Ei po LES 2HmAan ee Die Angaben Thalers über einen allgemein erhöhten Fett- gehalt des Hodens des Neugeborenen kann ich für den Menschen hinsichtlich aller auftretenden Lipoide — das Cholesterin ausge- nommen — bestätigen. 422 Alfred Kunze: Bei vielen Testikeln konnten lipoide Substanzen auch in der Membrana propria des Tubulus nachgewiesen werden. Plato- sche Kanäle habe ich nicht gesehen. Außer in Form von Körnchen und Tropfen machten sich Lipoide ab und zu auch in diffuser Tinktion der Zellen bei allen positiv ausfallenden Methoden bemerkbar. Die Zwischensubstanz war da- durch besonders häufig ausgezeichnet. Welches ist nun die chemische Natur der im Hoden festgestellten Lipoide ? Da mit Ausnahme der von Golodetz keine der angewandten Methoden für ein einzelnes Lipoid spezifisch ist — auch für Neutral- fette besitzen wir bis heute keine solche —, führt uns nur eine Ver- gleichung der durch die verschiedenen Verfahren erhaltenen Resul- tate zur Lösung dieser Frage. Wir erreichen unser Ziel auf dem Wege des Ausschlusses. Meine Ueberlegungen bauen sich auf der Grundlage auf, die Kawamura durch seine Gruppenreaktionen gegeben hat. Auf Grund des stets negativen Ausfalls der Methode Golo- detz können wir freies Cholesterin sowie Cholesterin-Fettsäure- gemische von vornherein als wesentliches Hodenlipoid ausschließen !). Auch Fettsäuren und Seifen kommen im allgemeinen nicht in Betracht. Nur beim Kater bestehen die in 3 Fällen durch Häma- toxylin-Kupferlack einwandfrei tingierten Substanzen des Zwischen- gewebes aus Fettsäure. Die auf diese Behandlung auch reagierenden Seifen kommen hierbei nicht in Frage, da sie durch die Fixierung des Organs in einer Wasser enthaltenden Flüssigkeit hätten gelöst werden müssen. Als chemische Grundlage für die anisotropen Lipoide kommen, da diese beim Erwärmen ihre Doppelbrechung verloren, nur Cho- lesterinester und Cholesterin-Fettsäuregemische in Betracht. Der negative Ausfall der Methode Golodetz spricht für erstere. Zwar könnte man einwenden, daß die im Zwischengewebe so häufig positiv sich erweisende Smithsche Probe ja auch Cho- lesterin-Fettsäuregemische darstellt. Die in den meisten Fällen un- geheure Differenz im Mengenverhältnis läßt aber eine Identität der !) Es handelt sich hierbei natürlich immer nur um die morphologisch nachweisbaren Lipoide. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 423 durch die Untersuchung im polarisierten Licht und nach Smith gefundenen Lipoide als ausgeschlossen erscheinen. Auch beim Menschen mit seinen mitunter sehr zahlreichen Sphärokristallen im Zwischengewebe ließen sich keinerlei Beziehungen zwischen beiden Methoden erkennen. Außerdem besteht kein Grund, bei den in den Zwischenzellen durch Smith festgestellten Körpern einen anderen chemischen Charakter anzunehmen als bei den sehr häufig zu gleicher Zeit auftretenden und in gleicher Intensität sich tingierenden intra- tubulären Substanzen, die ganz gewiß keine Cholesterin-Fettsäure- gemische sind. Die Färbung des Gefrierschnittes mit Scharlachrot ließ eine Differenzierung der Lipoide in chemischer Hinsicht nicht zu, da Intensitätsunterschiede im Farbenton von rot bis gelb und farblos, wie sie von anderer Seite beschrieben wurden, innerhalb des Gewebes nicht in ausreichender Weise zutage traten. Es steht jedoch fest, daß die sich rot färhenden Körnchen zum großen Teil denen ent- sprechen, die auch durch die Methoden von Smithund Ciaccio sichtbar wurden. Sehr deutlich Konnte man dies am Hoden des Ebers mit seinen exquisit großen intratubulären Lipoidtropfen sehen, die sich alle gleichzeitig nach Smith und mit Scharlachrot färbten und dann einen diffusen bräunlichen Farbenton annahmen. Ebenso wurden Vakuolen von gelöstem Neutralfett, die bei der Größe der Tropfen bei Färbung nach Ciaccio nicht hätten über- sehen werden können, nicht sichtbar. Es waren somit beim Eber die mit Scharlachrot dargestellten Tropfen die gleichen wie die bei den Färbungen nach Smith und Ciaccio erscheinenden. Auf die Vakuolenbildung (Sichel-, Siegelringform) der Ciaccio- präparate, die erst längere Zeit nach Einbettung bemerkbar wurden, komme ich später zurück. Da häufig bei anderen Tieren die durch Fettponceau darge- stellten Lipoidgranula zahlreicher erscheinen als die durch die übrigen Methoden zutage geförderten, Kommt wohl auch Neutral- fett in selbständigen Körnchen im Hoden von Tier und Mensch von, —- | Aehnlich wie bei Scharlachrot soll auch bei Nilblau durch den Farbenton — rötlich bis tiefblau — eine Unterscheidung der ein- zelnen Lipoide möglich sein. Bezüglich des innerhalb des Hoden- gewebes gelegenen Lipoids kann ich dies nicht bestätigen. Ich fand stets einen violetten, mehr oder weniger ins Blaue spielenden Farben- 424 AlstirierdisKKsuhngzie: ton, bei dem sich nicht beurteilen ließ, wie weit daran der stets blaue Untergrund des Plasmas beteiligt ist. Dieser Umstand, daß das Blau sowohl im Plasma wie im reagie- renden Lipoid vorkam, ist wohl auch dafür verantwortlich zu machen, daß ich bei Anwendung des Nilblaus häufig weniger Lipoide sah als bei den anderen Methoden. Ich kann hiermit Holthusens Bemerkung beipflichten: „Die Färbung des Fettes auch bei langer Einwirkung des Farbstoffes ist nicht intensiv genug, um auch die feineren und feinsten Fetttropfen und Granula mit genügender Deutlichkeit vor dem blauen Grundton hervortreten zu lassen.‘ Außerhalb des Gewebes sah ich ab und zu rosa gefärbte Tropten. Beziehungen zwischen Farbenton und Ausfall der komplizierten Methoden fielen mir nicht auf). Hinsichtlich meiner Ergebnisse bei Nilblaufärbung kann ich sagen: sie weisen auf Lipoide im engeren Sinne hin, ohne Neutral- fette auszuschließen. Was besagt nun die bei den meisten Tieren häufig so stark positiv ausfallende Methode von Smith? Es werden durch sie nach Kawamura dargestellt: Die Phos- phatide Sphingomyelin und Kephalin, Cerebroside, Cholesterin- Fettsäuregemische, Cholesterin-Kephalingemische, Fettsäuren und Seifen. Da, wie schon erwähnt, in unseren positiven Fällen, im be- sonderen auch intratubulär, das Kriterium der Doppelbrechung fort- fällt, sind Sphingomyelin, Cerebroside, Cholesterin-Fettsäure- und Cholesterin-Kephalingemische auszuschließen; Fettsäuren und Seifen konnten wir schon vorher eliminieren. Es bleibt somit das Phosphatid Kephalin von den durch Ka- wamura untersuchten Lipoiden als diejenige Substanz übrig, die den positiven Ausfall der Methode von Smith veranlaßte. Ebenso weist die Ciaccio-Probe, die die konstantesten positiven Resultate lieferte, da Cholesterin-Kephalingemische, Fettsäuren und Seifen ausfallen, mit Notwendigkeit auf das Kephalin als maßgebend für den positiven Ausfall der Reaktion hin. Es ist in diesem Zusammenhang von großem Interesse, daß bereits auf extraktiv-chemischem Wege Kephalin im Hoden des Hundes nachgewiesen wurde (ÖOppenheimer 1910). Ich erhielt 1) Die Beurteilung des Farbentones hat frisch zu erfolgen, da, wie ich feststellen konnte, sich beim Liegen der Präparate eine Nachbläuung (Bil- dung von Fettsäuren?) einstellt. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 425 von dieser chemischen Feststellung erst nach Abschluß der vor- liegenden Arbeit Kenntnis. Eine gewisse Schwierigkeit in der Deutung der Ergebnisse der beiden letztgenannten Methoden stellt der Umstand dar, daß das Verfahren nach Smith, das ja auch Kephalin nachweist, häufig negativ war, auch wo die Methode von Ciaccio stark positive Resultate aufwies. Umgekehrt war besonders intratubulär bei älteren Individuen der stark positive Ausfall nach dem Verfahren von Smith nicht im entferntesten mit dem nach Ciaccio zu vergleichen. Auf die meist größere Dicke des Gefrierschnittes bei Smith läßt sich diese Differenz nicht zurückführen, da auch bei stark positiver Reaktion nach Ciaccio die Reaktion nach Smith ausblieb und auf diese Weise ja auch nur der negative Ausfall nach Smith erklärt wäre. Ebenso einseitig wäre die Annahme einer größeren Affinität einer der beiden Methoden zu Kephalin. Wie bei Lipoiduntersuchungen vorläufig leider noch immer nicht allzuselten, ist eine glatte und widerspruchslose Auflösung hier z. Z. nicht möglich. Berücksichtigen wir jedoch, daß man bei Scharlachrot und Nil- blau kaum nebeneinander Farbennuancen auftreten sah, obgleich, wie die anderen Methoden ergaben, doch die verschiedenartigsten Lipoide vorhanden waren, daß sich ferner meist dieselben Lipoid- körner nach diesen Methoden sowie nach Smith und Ciaccio tingierten, berücksichtigen wir schließlich, daß die Intensität der Färbung, besonders bei dem Verfahren von Smith, hin und wieder auch bei dem Verfahren von Ciaccio, sehr schwankte und nach letzterer Methode Ringformen auftraten, so drängt sich wohl die Erklärung auf, daß wir es bei den Lipoidgebilden des Hodens von Tier und Mensch nicht mit chemisch reinen Substanzen zu tun haben, sondern daß diese Gemische verschiedener Lipoide darstellen. Kephalin und Neutralfett sind höchst wahrscheinlich die Haupt- komponenten dieser Gemenge. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, daß daneben auch andere, nur nach Smith darstellbare Lipoide im engeren Sinne (z. B. Sphingomyelin und Cerebroside) in wechselnder Menge im Tropfengemisch enthalten sind, was die Fälle erklären würde, in denen Smiths Reaktion im Gegensatz zu Ciaccio stark positiv war. Daß solche Lipoide sich hierbei nicht durch Doppelbrechung 496 Srliumerde Komanezae kenntlich machten, wäre wohl auf ihre Vermischung mit anderen Substanzen zurückzuführen. Bezüglich des Verhaltens von intra- und extratubulärem Lipoid in chemischer Beziehung ergab sich: In allem Eällen, in denen’sich- Lipotide Tin beiden Hodenbezirken differenzieren ließen, stimmten sie histochemisch "überein. Ich möchte noch Gelegenheit nehmen, auf die bei Behandlung nach Ciaccio auftretenden Ringformen näher einzugehen. Sie erbrachten mir zwar unter anderem den Beweis für das Vorhanden- sein verschiedener Lipoide im Tropfen, jedoch halte ich diese Ge- bilde morphologisch für Kunstformen, die im Verlaufe der Paraffin- einbettung entstanden sind, da ich sie bei keiner der anderen Me- thoden — auch nicht bei Doppelfärbung mit Smith und Schar- lachrot — zu Gesicht bekam. Sie zeigen uns also nicht etwa die natürliche Art der Lipoidverteilung im Tropfen an. Diese ist, wie aus meinen Befunden hervorgeht, eine diffuse. In seinen „Leeithinzellen“ sieht Ciaccio die Ringbildung der Lipoidtropfen als präexistent an und erklärt ihre Entstehung durch eine von seiten dieser Zellen bewirkte allmähliche Umwand- lung der ursprünglich neutralen Fette in Phosphatide von der Pe- ripherie der Tropfen her. Für die Hodenlipoide trifft diese Erklärung sicher nicht zu, wie mich die nachträgliche Entstehung ähnlicher Formen im Hoden des Ebers lehrte. Ich denke mir die Ausbildung der Ringformen folgendermaßen: Nach Lösung der durch die Chromierung nicht fixierten Be- standteile des Tropfens ziehen sich die übrig bleibenden Lipoide infolge von Adhäsion an die Wand des Plasmaraumes zurück und bilden auf diese Weise die Wand einer Hohlkugel, die sich je nach Schnittführung im Präparat als Kreis mit mehr oder weniger hellem Zentrum oder zentraler Vakuole zeigen muß. Halbmond- und Sichel- formen erklären sich durch ungleiche Stärke des Lipoidmantels. Warum der beschriebene Vorgang sich im Eberhoden langsamer abspielt, steht dahin, Dafür, daß er hier noch weiter als bei den anderen untersuchten Tierarten vorschreitet, ist wohl die Größe der Tropfen im Verein mit ihrer isolierten Lage verantwortlich zu machen: Die Kohäsion der Lipoidteilchen überwiegt allmählich die infolge der verhältnismäßig geringeren Oberfläche kleinere Ad- häsion zur Plasmawand, der Lipoidmantel zerreißt und der durch Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 427 Lösung lipoider Substanzen entstandene Hohlraum zeigt sich nun- mehr außerhalb der übriggebliebenen Lipoidmasse als eine Vakuole von entsprechender Form. Wie verhält es sich nun mit den von Thaler beschriebenen „vakuolären‘‘ Formen des Hodenfettes? Er fand diese bei Osmie- rung nur intratubvlär mit im Alter steigendem Maße. Scharlachrot verwischte diese Strukturverhältnisse. Darin, daß auch die bei Osmierung entstehenden Ringformen auf verschiedene Lipoide innerhalb des Tropfens hinweisen, stimme ich mit Thaler überein. Denn daß die Lipoide je nach ihrem chemischen Charakter durch Osmiumsäure hinsichtlich Tinktion und Fixierung verschieden beeinflußt werden, und zwar die Lipoide im engeren Sinne in geringerem Maße, geht aus mehreren Mit- teilungen in der Literatur hervor. So sagt Orgler in seiner Disser- tation 1898: ‚„‚Osmiert lösen sich die ‚Nebennierenkörper‘ in Xylol, Chloroform, Bergamotteöl zum Unterschied von gewöhnlichem Bett Wenn jedoch Thaler meint, daß die anscheinend in der Ring- form sich äußernde strenge Trennung der verschiedenen, einen Lipoidtropfen zusammensetzenden Substanzen präexistiert, muß ich widersprechen. Ich glaube, daß seine Ringformen in gleicher Weise entstanden sind wie die bei meinen Ciaccio- Präparaten. Auch daß Thaler sie bei Scharlachrotfärbung nicht sah, spricht für meine Auffassung. Der Unterschied zwischen den durch die Os- mierung und den durch die Ciaccio- Methode erzeugten Ringen besteht nur darin, daß bei ersteren die Ringe selbst aus Neutral- fetten dargestellt werden und die Phosphatide sich trotz Osmierung gelöst haben, während die letzteren aus Phosphatiden bestehen und das Neutralfett verschwunden ist. Die von Thaler beobachtete Vermehrung der intratubulären Ringformen im Alter steht in Einklang mit dem dann häufig auch stark positiven Ausfall der Smith schen Reaktion. Unterschiede hinsichtlich der Ringbildung zwischen intra- und extratubulärem Lipoid, wie Thaler sie gesehen, konnte ich nicht wahrnehmen. Die Bedeutung der Hodenlipoide. Wenden wir uns schließlich der Frage nach der Bedeutung der Hodenlipoide zu. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 28 428 Alfred Kunze: Da experimentelle Untersuchungen nicht in den Rahmen der gegenwärtigen Arbeit fielen, kann ich diesbezüglich nur Vermutungen äußern. Daß das regelmäßige Vorkommen nicht nur von Neutralfetten, sondern auch von anderen Lipoiden im Hoden ein physiologisches ist, wurde bereits mehrfach betont. Durch meine Untersuchungen wurde die chemische Ueberein- stimmung zwischen intra- und extratubulärem Lipoid festgestellt. Cholesterinester nehmen eine Ausnahmestellung ein, treten aber hinsichtlich ihrer Menge ganz zurück. Das in den Samenkanälchen gefundene Lipoid, sowohl das periphere, wohl den Sertolischen Zellen angehörende, als das zentrale in den Spermatiden, den Plasmalappen der Spermien und zwischen diesen auftretende, verhielt sich, wie wir sahen, mikro- chemisch gleich. Beide stehen höchstwahrscheinlich — die Art ihrer Verteilung weist wohl darauf hin — in enger Beziehung zur Spermio- genese. Hierfür spricht auch das Ergebnis der chemischen Unter- suchung der Spermien; sie ergab, daß die Spermatozoen fast nur aus „Nukleoproteiden, Fetten und Lipoiden‘“ bestehen (Oppen- heimer und Landois)'). Sie benötigen also zweifellos große Mengen von Lipoiden zu ihrem Aufbau. Auch der histochemische Nachweis phosphorhaltiger Lipoide ist bei dem Phosphorbedürfnis der Spermien (Nukleoproteide!) in diesem Zusammenhange wohl von besonderem Interesse, Man darf daher aus dem Vorstehenden den Schluß ziehen, daß die intratubulären Hodenlipoide Bildungs- material für den spermiogenetischen Prozeß abgeben, daßihnen also seine trop hiscıchretBed eut unerzuko mm to damit ihr Zweck erschöpft ist, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls ergaben sich für eine weitere Funktion, insbesondere die Inkretion, keine Anhaltspunkte. Unsicherer ist die Deutung der Lipoide der Zwischenzellen. Immer wieder und, wie oben gezeigt, besonders neuerdings ist auf die Zwischensubstanz als Sitz der inneren Sekretion des Hodens hingewiesen worden. Auf Grund experimenteller Untersuchungen steht heute eine solche Funktion außer Zweifel. Wenn aber als schützender Beweis für eine inkretorische Drüsentätigkeit der !) Das mitunter positive Verhalten der Spermienköpfe gegenüber Fischlerund Smith könnte damit wohl in Verbindung zu bringen sein. Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 429 Zwischenzellen das Auftreten von Lipoiden in ihnen hervorgehoben wurde, so ist dies nicht zulässig. Die bloße Anwesenheit von Lipoiden, auch der im engeren Sinne, gestattet, wie meine Untersuchungen er- gaben, keinen Schluß auf eine lipoidbedingte inkretorische Tätigkeit der sie enthaltenden Zellen. Und wenn Karwicka und Löwen- thal den Cholesterinestern der Zwischensubstanz beim Menschen für das Zustandekommen der inneren Sekretion eine besondere Be- deutung zuschreiben möchten, so glaube ich dies außer aus prin- zipiellen Gründen schon deshalb ablehnen zu müssen, weil meine Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigten, daß diese Stoffe im allgemeinen im Hoden eine ganz untergeordnete Rolle spielen !), Für eine inkretorische Bedeutung der Lipoide der Zwischen- substanz haben meine Untersuchungen also keine Anhaltspunkte geliefert. Damit ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, daß sie viel- leicht doch mit derselben in irgendwelchem Zusammenhang stehen. Hingegen scheint mir die chemische Uebereinstimmung der extratubulären mit den intratubulären Lipoiden auf eine andere Funktion der ersteren hinzudeuten: auf dieErgänzung der Beiden Spreumirolaten es an ver branuchrten) intra tubulären Lipoide. Damit würde der Gegensatz zwischen beiden in physiologischer Hinsicht aufgehoben sein. Ich bringe hierdurch einen erneuten Beweis für die trophische Funktion der Zwischenzellen des Hodens. Prostata. Mit-Rücksicht auf die noch ganz ungenügende Kenntnis der Lipoide der Prostata, insbesondere das Fehlen differenzierender Stu- dien über die Lipoide dieser Organe bei den Haussäugetieren, möchte ich anhangsweise das Ergebnis einer gleichzeitig mit der des Hunde- hodens vorgenommenen Untersuchung der Prostata dieses Tieres mitteilen. Es ergab sich hierbei folgendes: Durch Scharlachrot und Nilblau darstellbare Lipoide finden sich in den Prostataepithelien in meist feinen, basal um die Kerne ge- lagerten Körnchen in jedem Lebensalter. Ihre Menge unterliegt größeren Schwankungen — wohl als Ausdruck verschiedener Sta- dien der Drüsentätigkeit — und erweist sich als unabhängig von !) Auch in betreff der Samenbildung fällt dem Cholesterin und seinen Verbindungen offenbar keine besondere Aufgabe zu. 28 * 430 ANSTIEIdIRRHEENEZIEE Alter, Nährzustand, Krankheit. Auch in den Trabekeln tritt solches Lipoid hier und da in Erscheinung, wo es sich im Musculus pro- staticus gern in kurzen Reihen anordnet. Nach Eintritt der Pubertät, zu der die Ausbildung der Drüse in engster Beziehung steht — erst mit ihr beginnt unter mächtigem Wachstum die Bildung der makroskopisch auffallenden Hügel, der Drüsenlumina und der typischen Prostata-Epithelien, die der Drüse das charakteristische mikroskopische Aussehen verleihen —, fällt die Prüfung nach Ciacc1io öfters positiv aus. Der nun auch produ- zierte, milchig aussehende Succus prostaticus enthält neben iso- tropen sehr zahlreiche anisotrope Lipoidtropfen. Bei der im Alter so häufig auftretenden Degeneration der Drüse verschwindet an- scheinend dieses spezifische Sekret. Die Befunde Schlagenhaufers und Kawamuras, daß sich niemals doppeltbrechende Lipoide in den festsitzenden Epithelzellen finden, kann ich für den Hund bestätigen und auf die losgelöst in der Sekretflüssigkeit schwimmenden Epithelien erweitern. Auch die Prüfung auf freies Cholesterin nach Golodetz fiel trotz reichster Anisotropie des Sekrets in den Drüsenzellen negativ aus. Eine positive Reaktion der isotropen Lipoide nach Smith, die Kawamura angibt, habe ich beim Hunde nicht gesehen. Ich kann mich daher der Ansichtt Kawamuras, daß die Lipoide der Prostataepithelien keine gewöhnlichen Fette sind, für den Hund nur bedingt anschließen, nämlich nur in bezug auf ge- schlechtsreife Tiere. Hinsichtlich der näheren chemischen Natur dieser Gebilde wage auch ich keine Entscheidung zu treffen, da von den komplizierten Methoden der Lipoiddarstellung nur die nach Ciaccio-—- und auch sie nur schwach — positive Resultate hatte. Die in der Jugend auftretenden Prostatalipoide bestehen nach meinen Ergebnissen wohl ausschließlich aus Neutralfetten. Die doppeltbrechenden Substanzen des Sekretes sind, da ihre Anisotropie beim Erwärmen verloren geht, als Cholesterinester oder Cholesterin-Fettsäuregemische anzusehen und ihre Bezeichnung als „Lecithinkügelchen‘ als veraltet zu verwerten. Wenden wir uns nach diesen der Natur der Prostatalipoiden geltenden Feststellungen der Frage nach der Entstehung der Ch otesterinsubsta wzenzdes Sekteres zu. Kawamura, der diese Frage am Menschen studierte, führt drei Möglichkeiten an: Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 431 l. Auskristallisation aus der Sekretflüssigkeit — was die Frage, wie die Stoffe dahin kommen, nicht aus der Welt schafft; 2. Umwandlung der intrazellulären Lipoidkörner — das wäre also Sekretion durch die Drüsenzellen nach Posner und Rap- port (24); 3. Auswanderung zwischen den Epithelzellen — d. Ih. wohl, die Lipoide werden ohne Vermittlung der Drüsenzellen aus dem Blute ausgeschieden. Hierzu kommt vielleicht noch 4. eine Bildung durch Zerfall von Epithelien analog der Mamma in Frage. Ohne die anderen Möglichkeiten mit Sicherheit ausschließen zu können, glaube ich doch als wesentliche Bildungsweise der in Frage stehenden Gebilde des Prostatasekrets eine Entstehung der- selben in der Sekretflüssigkeit nach vorhergegangener Sekretion hierzu notwendiger Bestandteile durch die Epithelien annehmen zu müssen. Es wäre dies also eine Kombination der beiden ersten von Kawamura angeführten Entstehungsmöglichkeiten. Hierfür scheint mir das gleichzeitige Auftreten von intrazellulären, nach Ciaccios Methode positiven Lipoiden mit doppelbrechenden Substanzen im Sekret zu sprechen. Wie Kawamura die recht wenig besagende Vermutung Schlagenhaufers, daß die Prostatazellen infolge ihres Lipoidreichtums leicht mit doppeltbrechender Substanz beladen werden können, trotz seiner diesbezüglichen negativen Befunde an- nehmen konnte, ist nicht verständlich. Mit dem Lipoidreichtum sind doch offenbar die morphologisch darstellbaren Lipoide gemeint; das an sie chemisch oder physikalisch gebundene Cholesterin oder seine Ester müßten bei ihrer großen Quantität zweifellos intra- zelluläre Anisotropie hervorrufen, die nie gesehen worden ist. Was die Bedeutung der Lipoide in Prostatasekret betrifft, kann ich hierüber keine Vermutungen äußern, da die morpho- logische Untersuchung hierfür keine Anhaltspunkte lieferte. Daß es sich um eine Cholesterin-Exkretion handelt, wie eine solche nach neueren Untersuchungen bei Hypercholesterinämie durch die Leber erfolgt, glaube ich mit Rücksicht auf den akzessorischen Charakter der Drüse in Abrede stellen zu müssen. 432 Alt ediKun'zie: Zusammenfassung der Ergebnisse. Als Ergebnisse meiner Arbeit möchte ich zusammenfassen: l. Die bisher als ‚Fett‘ beschriebenen physiologischen Organ- bestandteile des Hodens sind chemisch nicht einheitliche Substanzen, sondern stellen ein Gemenge verschiedener Lipoide dar, unter denen neben Neutralfett die Lipoide im engeren Sinne, wie es scheint, im besonderen das Kephalin eine hervorragende Rolle spielen. Cholesterinester sind mit Ausnahme des geschlechtsreifen Men- schen nur in Spuren im Zwischengewebe vorhanden. Lipoide im engeren Sinne und Neutralfette kommen meist in demselben Tropfen vereint vor; sie sind innerhalb des Tropfens nicht an bestimmte Regionen gebunden, sondern innig gemischt,- vielleicht ineinander gelöst. 2. Die Verteilung der Lipoide auf die zwei Hauptgewebsarten des Hodens, ihre Menge und Anordnung innerhalb derselben ent- spricht im allgemeinen der bereits früher hinsichtlich des ‚‚Fettes“ beschriebenen; sie kommen vor der Pubertät in ansehnlicher Menge meist nur im Zwischengewebe vor. Mit Beginn derselben treten sie reichlich, in mit dem Alter zunehmendem Maße, auch innerhalb der Samenkanälchen auf, während sie dann extratubulär häufig eine Abnahme zeigen. Ihre Quantität ist vom Ernährungszustand des Individuums unabhängig. 3. Zwischen den einzelnen untersuchten Tierarten bestehen, die Chemie, Verteilung, Menge, Anordnung der morphologisch nach- weisbaren Lipoide betreffend, nur quantitative Unterschiede. Die sogenannte Randzone stellt keinen Artcharakter, sondern einen Funktionszustand des Hodens dar; der Grad ihrer Ausbildung hängt von der Menge der intratubulären Lipoide und somit allein in gewisser Weise auch von der Tierart ab. 4. Die Hauptfunktion des intratubulären sowie des histo- chemisch mit ihm völlig übereinstimmenden extratubulären Lipoids ist höchstwahrscheinlich die Unterhaltung des spermiogenetischen Prozesses. Die Zwischenzellen des Hodens stellen also — neben einem in- kretorisch tätigen — auch ein trophisches Hilfsorgan für die Spermio- genese dar. 5. Die Prostata des Hundes enthält in allen Altersstufen morpho- logisch darstellbare Lipoide; während die in den Drüsenepithelien Das physiolog. Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide usw. 433 selbst gelegenen sich stets als isotrop erweisen und zum großen Teil aus Neutralfetten bestehen, zeigen die im Prostatasekret auf- tretenden größtenteils starke Anisotropie und stellen Abkömmlinge des Cholesterins dar. Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Professor Casper und Herrn Geheimrat Doflein für die Ermöglichung und Unterstützung meiner Arbeit sowie Herrn Dr. med. et phil, Arndt für seine bereitwilligst erteilten wertvollen Ratschläge meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. g, 10, Literaturverzeichnis. . Abderhalden: Lehrbuch der physiologischen Chemie, 1914. . Ambronn: Anleitung zur Benutzung des Polarisationsmikroskopes, 1892. . Aschoff: Zur Morphologie der lipoiden Substanzen. Zieglers Beitr. Bd. 47, 1910. . Bang: Chemie und Biochemie der Lipoide. Wiesbaden 1911. Beißner: Die Zwischenzellen des Hodens und ihre Bedeutung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 51, 1898. . Berndt: Ueber das Vorkommen morphologisch darstellbarer Li- poide in der Thyreoidea des Hundes. Vet.-med. Diss. Gießen 1920. Biedl: Innere Sekretion. 1916. Chalatow: Ueber flüssige Kristalle im tierischen Organismus. Frankfurter Zeitschr. f. Pathol. Bd. 11, 1913. 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Aus dem Institut für Histologie und Embryologie an der Medizinischen Akademie zu St. Petersburg, (Direktor: Prof. Dr. A. Maximow.) Mit Tafel XVH— XIX. I. Einleitung und Literatur. Um sich vom ‘Wesen einer bestimmten Art von lebendiger Substanz eine möglichst erschöpfende Vorstellung zu bilden, genügt es nicht, ihre Struktur, ihre Entwicklungsgeschichte und ihre Funk- tionen unter normalen Verhältnissen zu erforschen. Es ist außerdem notwendig, alle ihre latenten Eigenschaften aufzuklären, zu wissen, wie sie sich bei verschiedenen äußeren Existenzbedingungen verhält, was sie bei einer von den störenden, hemmenden Einflüssen der anderen Teile des vielzelligen Organismus befreiten Entwicklung hervorbringen kann, d. h., was für prospektive Entwicklungs- potenzen ihr innewohnen. In der Terminologie von H. Driesch ausgedrückt, zeichnet sich jede bestimmte Art von lebendiger Substanz durch eine besondere, ihr eigene, sog. „„Entelechie‘ aus. Je genauer wir diese letztere bestimmen, desto vollständiger wird unsere Vorstellung von den biologischen Eigenschaften der be- treffenden Substanz. Die Erforschung der Entelechie und der Entwicklungspotenzen der Gewebe des Säugetierorganismus kann natürlicherweise in den verschiedensten Richtungen und mit den mannigfaltigsten Me- thoden betrieben werden. Solange aber ein bestimmtes Gewebe, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 29 436 Nikolaus Chlopin: welches uns im gegebenen Falle interessiert, im normalen Verbande mit den übrigen Teilen des normalen Organismus verbleibt, kann es von den unzähligen, in ihrer Wirkung zum größten Teil ganz unkontrollierbaren Einflüssen dieser Teile nicht unabhängig sein und folglich auch seine Entwicklungspotenzen nicht in vollem Um- fange frei entfalten. Nur eine einzige Methode scheint mir heut- zutage den idealen Forderungen in den angedeuteten Beziehungen in hervorragendem Grade zu genügen — das ist die von R. Harri- son begründete und von A. Carrelund M. Burrows weiter ausgearbeitete Methode der Gewebskulturen außerhalb des Or- ganismus, Die Mehrzahl der Forscher, die mit Gewebskulturen gearbeitet haben, interessierte sich dabei vor allem für Fragen von allgemein- biologischem Charakter, wie z. B. Wirkung des Milieus auf das wachsende Gewebe, allgemeine Wachstumstypen usw. Die histo- logischen, histogenetischen und histochemischen Probleme wurden meistens, wenn überhaupt, nur an zweiter Stelle behandelt und die dabei erzielten Resultate scheinen mir sehr widersprechend zu sein. Ich will an dieser Stelle die zahlreichen Arbeiten, die dem allgemein-biologischen Studium der Gewebskulturen gewidmet sind, nicht näher besprechen, sondern werde mich auf diejenigen be- schränken, die sich speziell auf Fragen von histogenetischem oder zytologischem Charakter beziehen; ihre Anzahl ist bis jetzt, wie gesagt, nicht sonderlich groß. Erschöpfende Literaturangaben über Gewebskulturen findet man bei Krontowsky und Pole w (35), O:P-P%e7!(82), Un Ten ar t 655), 0. Her tw1 2720) 02 Was die Wachstumsart des Explantats im allgemeinen betrifft, so gilt für jede Gewebskultur als typisch ein zentraler nekrotischer Herd und eine periphere, lebendige, aus wuchernden Zellen bestehende Zone. Von hier aus dringen in das umgebende Medium in radiärer Richtung Zellstränge oder einzelne isolierte Elemente vor. Es entstehen dabei die bekannten Bilder, die man ‚‚grasartiges‘‘ oder ‚spießförmiges‘‘ Wachstum nennen könnte. Als Resultat dieses Wachstums wird das Explantat von einer „Wachs- tumszone‘ oder einer „Zone neugebildeten Gewebes‘ umsäumt. Die Kul- turen der verschiedensten Gewebe geben in dieser Beziehung ganz ähnliche Resultate. Es mag gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß dies „extensive Wachstum‘ unbedingt die Anwesenheit eines festen, faserigen Substrats im Nährmedium voraussetzt; als solches funktioniert meistens das Fibrinnetz des geronnenen Plasmas, dieselbe Rolle kann aber auch von jeder anderen passenden Substanz gespielt werden, z. B. von dünnstem Ueber „in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 437 Seidengewebe, Spinngewebe oder sogar einfach von der unteren Oberfläche des Deckgläschens in der feuchten Kammer, Die lebenden Zellen des Ex- plantats offenbaren nämlich einen ausgesprochenen Stereotropismus (Har- rison 29) — sobald sie mit irgendeinem festen Gegenstand in Berührung kommen, platten sie sich an dessen Oberfläche ab und benutzen die letztere als Stütze bei ihren Verschiebungen und Bewegungen. Die Frage des Schicksals und der Wechselbeziehungen der verschiedenen Gewebe im Explantat kann bis jetzt keineswegs als geklärt gelten. Eine An- zahl Autoren behauptet (Congdon 20, Lambert und Hanes 39, Oppel51), daß die Gewebe in vitro ihre Spezifität beibehalten und sich eventuell sogar weiter differenzieren (Awrorow und Timofejewsky |). Andere sind hingegen der Meinung, daß die Gewebe in vitro unter dem Einfluß der Gesamtheit der neuen Existenzbedingungen ihre Unterscheidungs- merkmale einbüßen und einer progressiven Rückdifferenzierung anheim- fallen (Champy 13—18, Foot 24, 25, Uhlenhut 55-57). Am genauesten ist bis jetzt in dieser Richtung wohl das Bindegewebe untersucht worden, da sein Wachstum in vitro am meisten in die Augen fällt; die für dies Wachstum typischen Bilder werden allgemein als das notwendige Merkmal einer jeden lebensfähigen Kultur betrachtet. Das obenerwähnte „‚‚grasartige‘‘ Wachstum erscheint gerade für das Binde- gewebe überaus charakteristisch, Bereits Carrel hat die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, daß im wachsenden Bindegewebe zwei distinkte Zelltypen zu unterscheiden sind: spindelförmige oder mit Ausläufern versehene und runde oder amöboide Zellen, Es ist ihm sogar gelungen, Reinkulturen von diesen beiden Zellarten zu bekommen (6); dabei sollen die runden amöboiden Zellen bei weiterer Züchtung auf Seidenstoff ihren Charakter ändern, sich in spindlige Zellen verwandeln und ein netzartiges Gewebe bilden, Wenn wir uns an die von Maximow (44) eingeführte Klassifikation der Bindegewebselemente im erwachsenen Organismus halten und von ihrem Standpunkt aus das Verhalten der verschiedenen Zellen des Binde- gewebes in vitro beurteilen, so müssen wir vor allem der Fibroblasten Er- wähnung tun, die wohl die größte Lebensfähigkeit offenbaren. Sie sind es eben, die in den Gewebskulturen als die obenerwähnten spindel- und stern- förmigen Zellen auftreten und das ‚grasartige‘‘ Wachstum bedingen, Sie hypertrophieren in vitro, speichern Fett und eigentümliche Granula im Protoplasma und können bei passenden Existenzbedingungen, wie es scheint, unbegrenzt lange in diesem Zustande verbleiben. Das Endothel der Blut- kapillaren steht ihnen sehr nahe und kann zum Teil schon in den ersten Tagen des Lebens außerhalb des Organismus von den Fibroblasten nicht mehr unterschieden werden. Andererseits bewahren aber viele Kapillaren im Explantat während langer Zeit ihre Spezifität und bleiben mit ihrem Endothel zwischen den Fibroblasten im unveränderten Zustande erhalten. Was die sog. „ruhenden Wanderzellen‘“ und die mit ihnen verwandten Retikulumzellen des Iymphoiden Gewebes u. dgl. betrifft, so geben sie in vitro amöboiden, phagozytierenden, polyblastischen Formen Ursprung. Diese Elemente verfallen aber bei gewöhnlicher, mit Zerschneidung des Explan- 29 * 438 NK oO Pat SICH 1opın: tats verbundener Transplantation der Kulturen mit der Zeit der Degene- ration und verschwinden allmählich. Dasselbe bezieht sich auch auf amöboide freie Zellen anderer Art. In den Kulturen von Iymphoidem Gewebe können übrigens die Lymphozyten unter bestimmten Bedingungen sich auch pro- gressiv entwickeln und sogar in myeloide Elemente verwandeln. Auf der anderen Seite können sie in demselben Explantat aus Retikulumzellen neu entstehen (Maximow 45—49). Viele Autoren haben Entstehung vielkerniger phagozytierender Riesen- zellen in der Umgebung von Fremdkörpern in vitro beschrieben (L a m- bert 37,38, Lambert und Hanes39, Weil58). Sie müssen natür- licherweise aus Bindegewebszellen entstehen, aber aus welchen und auf welche Weise, diese Frage wird von den einzelnen Autoren in sehr ver- schiedenem Sinne entschieden. Ueber Veränderungen des Knorpels in vitro haben Awrorow und Timofejewsky(l)undChampy (14) geschrieben. NachChampy erleidet der Knorpel eine langsame rückläufige Differenzierung, wobei die Grundsubstanz allmählich verschwinden soll, während die Zellen vonein- ander nur durch ihre Kapseln abgegrenzt erscheinen. Ueber das Schicksal der Blutelemente in vitro sind die Angaben ganz widersprechend. Während die gekörnten Leukozyten (bei Huhn und Schild- kröte) nach Champy und Kritch (19) dabei Anaplasie zeigen und sich angeblich in ungranulierte Zellen zurückverwandeln sollen, haben Awro- row und Timofejewsky (l) im Gegenteil in Kulturen von mensch- lichem leukämischem Blut Verwandlung der Lymphozyten in Makrophagen, Riesenzellen und sogar richtige spindlige und sternförmige Bindegewebs- zellen beobachtet. Wachstum von quergestreiften Muskeln in vitro ist bis jetzt nicht ge- sehen worden. Was die glatten Muskeln betrifft, so will Champy (15) in Kulturen der Harnblasenwand von Kaninchen ihre Wucherung und Anaplasie zu Bindegewebe beobachtet haben. Noch dürftiger sind unsere Kenntnisse über das Verhalten des Epithel- gewebes in vitro. Versuche mit Züchtung von ektodermalem Epithel außer- halb des Organismus sind von Oppel, Osowsky und Uhlenhut veranstaltet worden. Oppel (50, 51) hat gezeigt, daß das Epithel im Explantat sich in Form von zusammenhängenden Schichten verschieben kann und daß es dabei über von Epithel entblößte Gewebsmassen gleitet und dieselben umhüllt. Aehnliches hat auch Osowsky (53) gesehen. Demgegenüber beschreibt Uhlenhut (55) in Froschhautkulturen ‚‚gras- artiges‘‘ Wachstum des Epithels und dessen Auflösung in einzelne, spindlige, den Bindegewebszellen ähnliche Elemente. Mit den Schicksalen des ento- und mesodermalen Epithels beschäftigen sich die Arbeiten von Champy (13. 16, 18) — er legte Kulturen an von erwachsenem und embryonalem Gewebe von Niere, Thyreoidea und diversen Drüsen des Darmtraktus. Auch hier soll nach ihm die Haupteigentümlich- keit der Veränderungen in Prozessen der rückläufigen Differenzierung be- stehen. Dies äußert sich darin, daß das Epithel vor allem seine speziell differenzierten Apparate einbüßt und sich in ein indifferentes Epithel ver- Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 439 wandelt. Man konstatiert dabei Veränderungen im Chondriom, Verlust des Bürstenbesatzes, der Heidenhainschen Stäbchen u. dgl. Infolge- dessen sind z. B. verschiedene Harnkanälchenabschnitte voneinander nicht mehr zu unterscheiden. Später büßt das Epithel auch die Abgrenzung vom Bindegewebe ein und verschmilzt mit dem letzteren zu einem gemeinsamen indifferenten Gewebe, welches aus regellos zusammengefügten Zellen von unbestimmter Form besteht. Am zähesten wird die scharfe Abgrenzung von demjenigen Epithel beibehalten, welches irgendeinen Teil der Oberfläche des Explantats über- kleidet hat; schließlich wird es aber auch hier von dem allgemeinen Schicksal ereilt. Eine ziemlich intensive Epithelwucherung haben Awrorow und Timofejewsky (l) in Lungenkulturen gesehen. Die Mehrzahl der Autoren hebt als die charakteristische Eigenschaft des Epithels in vitro sein Wachstum in Form von zusammenhängenden Membranen oder Schichten hervor. Carrel und Burrows (11, 12) beschreiben dies Wachstum in Schichten und Schläuchen in Kulturen der Schilddrüse und Niere. Lambert und Hanes (39) notieren, daß das Wachstum in Form von Schichten (sheets of cells) nur in Kulturen vor- kommt, welche Epithel enthalten (z. B. in Darmkulturen). M. R. Lewis und W. H. Lewis (42) fanden schichtenförmiges Wachstum an der unteren Oberfläche des Deckgläschens in Kulturen von Organen vom Hühnerembryo in Lockescher Flüssigkeit. Dabei sollen allerdings die Zellschichten, die den Charakter eines Synzytiums zeigen, dem Mesenchym angehören, während nur die Schichten, in denen man mittels Versilberung Zellgrenzen konstatiert, dem Epithel entstammen (Magen, Darm, Nierenkanälchen, Allantois u. a. Organe). Wucherung von Nervenelementen in vitro ist bis jetzt nicht beobachtet worden. Nervenzellen von Amphibienlarven (Harrison 26—28) und Säugern (Ingebrigtsen 31, 32) können aber lange Zeit in vitro am Leben bleiben und dabei lange Ausläufer, Nervenfasern bilden. Die von Champvy (17) beobachteten Mitosen in den M üllerschen Fasern der Netzhaut beweisen die Fähigkeit der neuroglialen Elemente zur Wucherung im Explantat. Was die zytologischen Eigenschaften der Gewebskulturen betrifft, so verfügen wir in dieser Beziehung nur über sehr spärliche Angaben, da die größte Mehrzahl der Autoren keine passenden histologischen Methoden an- wandte. Vor allem wäre zu notieren, daß die Zellvermehrung in den Kul- turen nach der dominierenden Meinung auf dem Wege der Karyokinese erfolgen soll. Doch wird von mehreren Seiten bestimmt auch auf die Mög- lichkeit der Amitose hingewiesen, sogar auf deren dominierende Bedeutung (Champy 16, Foot 24-25, Drew 23, Sundwall 54, Uhlen- hut 57). Der letztgenannte Forscher will in Froschhautkulturen in den Epithelzellen sowohl Mitose als auch Amitose gefunden haben, wobei die beiden Prozesse durch eine Reihe von Uebergängen verbunden sein sollen (Mitosen mit verklebten Chromosomen, Chromosomenentstehung im Kern bei intakter Kernmembran usw.). 440 Nikolaus Chlopin: Die feinste Struktur des Protoplasmas und des Chondrioms in den Zellen der Gewebskulturen ist vonM. R. Lewis und W.H. Lewis (43) studiert worden. Leider sind aber die von ihnen angewandten Methoden recht unzulänglich gewesen. Sehr interessant sind die schon oben erwähnten Resultate vonChampy (16). Er fand, daß die für die hoch differenzierten Drüsenzellen typischen stäbchenförmigen Chondriosomen sich in vitro in lange, geschlängelte, fadenförmige Chondriokonten verwandeln, die sonst nur dem gewöhnlichen indifferenten Epithel eigen sind. Die mit den Chon- driosomen nicht identischen Heidenhainschen Stäbchen sollen zer- fallen und resorbiert werden. In Verbindung mit den Chondriosomen stehen besondere siderophile Granula, die sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färben und in den Kulturen sehr früh erscheinen. Es ist seit langem bekannt, daß sich in den Zellen in vitro große Mengen von glänzenden Fetttröpfchen anhäufen. Lambert und Hanes (39), welche diese Eigentümlichkeit zuerst notiert haben, erklären dies keineswegs für einen degenerativen Prozeß, sondern für den Ausdruck einer mit den Altmannschen Körnern verbundenen „granulären Fettsynthese‘“. Auch Champy (16) bringt die Fetttröpfchen mit den Chondriosomen in Ver- bindung. Maxim ow (45), der die Entstehung der Fetttröpfchen ausführ- lich beschreibt, sieht die Chondriosomen zuerst zu Mitochondrien zerfallen und sich weiter durch Hypertrophie in eigentümliche grobe Granula ver- wandeln. Diese letzteren sind für die Zellen in Bindegewebskulturen überaus charakteristisch und können sich nachträglich in Fetttröpfchen verwandeln. M. R. Lewis und W. H. Lewis (43) haben hingegen irgendwelche Be- ziehungen zwischen Chondriosomen und Fetttröpfchen nicht konstatieren können. Nach Krontowsky und Pole w (34) können in alten absterbenden Kulturen mitunter auch Lipoide auftreten. Maximow hat hingegen immer nur Neutralfett gesehen und die Lipoidreaktionen gaben ihm immer negative Resultate. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist vor allem das Studium der morphologischen Eigenschaften und der Wechselbeziehungen der verschiedenen Gewebe in den Kulturen von Teilen von Säugetier- embryonen. Abgesehen von der Evolution des Explantats als Ganzes sind folgende Fragen speziell berücksichtigt worden. Bleibt die Spezifität der Gewebe und vor allem die normale scharfe Abgrenzung des Epithels vom Bindegewebe in vitro er- halten oder nicht ? Ist außerhalb des Organismus eine weitere spezifische Diffe- renzierung der Gewebe möglich oder kann sie bei normaler Ent- wicklung des Embryo nur unter dem Einfluß der anderen Körper- teile geschehen ? Es erhellt, daß bei solcher Fragestellung diejenigen embryonalen Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 441 Gewebe das passendste Untersuchungsobjekt abgeben müssen, welche viele noch nicht ausgelöste Entwicklungspotenzen enthalten und sich durch besonders große Plastizität und intensive aktive Wachstumsfähigkeit auszeichnen. Dementsprechend sind als Ma- terial für die Explantation epithelreiche Organe gewählt worden — der Darm, die Extremitätenanlagen und die Niere. Hierdurch wurde Gelegenheit geboten zur Bestimmung des Schicksals dreier verschiedener Epithelarten in vitro: des Epithels ektodermalen, entodermalen und mesodermalen Ursprungs, außerdem auch des Mesothels der Serosa, dessen Eigenschaften noch sehr wenig auf- geklärt sind, und schließlich des Mesenchyms und seiner Derivate. Ich muß gleich an dieser Stelle bemerken, daß mein Nieren- material sich leider nur auf zwei Versuchsserien beschränkt. In Anbetracht der Kompliziertheit dieses Organs und besonders der eigentümlichen Histogenese seines epithelialen Apparates können die sich auf so dürftigem Material basierenden Resultate keinen Anspruch auf Vollkommenheit erheben. Da jedoch die jetzigen Zustände in Rußland eine baldige Erneuerung der wissenschaft- lichen Arbeit kaum erhoffen lassen, sehe ich mich genötigt, die Resultate, über die ich verfüge, schon jetzt mitzuteilen. Die vorliegende Arbeit ist im Laboratorium für Histologie und Embryologie an der Medizinischen Militärakademie zu St. Pe- tersburg auf Vorschlag und unter unmittelbarer Leitung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Prof. Dr. A. Maximow, ausgeführt worden. Ich ergreife die Gelegenheit, um Herrn Prof. Dr. A. Maximow an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen für das große Interesse und stete Wohlwollen, das er meinen Studien entgegenbrachte und für die mir zuteil gewordene Hilfe mit Rat und Tat. II. Material und Methoden der Untersuchung. Die Technik der Gewebskulturen ist so oft und so ausführlich beschrieben worden, daß ich mich ganz kurz fassen kann. Als Material dienten mir Kaninchenembryonen verschiedenen Alters (13—57 mm Länge), außerdem in je einem Falle ein 5 Tage altes neuge- borenes Kaninchen und ein Meerschweinchenembryo von 10 mm Länge. Das Nährplasma wurde gewöhnlich aus dem Carotisblut eines jungen, ge- sunden Kaninchens (resp. Meerschweinchens) (nicht der Mutter) gewonnen und mit destilliertem Wasser im Volumverhältnis von 2 zu I verdünnt. Eine Serie der Extremitätenkulturen wurde in Trypanblau enthaltendem Nähr- 442 Nikolaus Chlopin: plasma angelegt, um Vitalfärbung der in vitro wachsenden Zellen zu er- zielen. Die Embryonen wurden in warmer Ringerscher Lösung prä- pariert und Gewebsstückchen von 0,5—1,0 mm Durchmesser mittels eines Spatels in den vorher auf das Deckgläschen der feuchten Kammer gebrachten Tropfen Plasma übertragen. Als feuchte Kammer mit hängendem Tropfen dienten mir große, sehr dicke Objektträger mit einer runden, etwa 3,5 cm weiten und mehrere Millimeter tiefen Aushöhlung in der Mitte, die von einem mit Vaseline und Paraffin umrandeten quadratischen Deckglas von 40 mm Seite bedeckt wurde. Zur Verlängerung des Lebens der Explantate außerhalb des Organismus wurden ferner auf die übliche Art und Weise Transplantationen in frisches Nährmedium gemacht. Da die embryonalen Gewebe sehr rasch wachsen, andererseits aber das Nährmedium auch rasch erschöpfen und schädlichen Einflüssen gegenüber sehr empfindlich sind, ist es notwendig, die Trans- plantation nicht seltener, als jeden 4. Tag zu wiederholen. Nach Oeffnen der feuchten Kammer wird das Explantat herausgeschnitten, in Teile zer- legt, im Ringerbad gewaschen und von neuem in der gewöhnlichen Weise in einen frischen Plasmatropfen übergeführt. Die Kulturen wurden erstens im lebenden Zustande studiert, zweitens in toto fixiert (mit Carnoy) und gefärbt (mit Dalafield’s Häma- toxylin), drittens, und das war die größte Mehrzahl, mit Zenker- Formol (ZF) oder mitt Champ y (Ch) fixiert und dann, nach Ablösung mittels eines Rasiermessers des in Alkohol erhärteten Tropfens vom Glase, in Zelloidin eingebettet. Von diesen eingebetteten Kulturen wurden der Oberfläche des Deckgläschens und der Kultur parallel geführte Schnittserien gemacht und mit Eosin-Azur (EAz) oder Eisenhämatoxylin (Eh), respektive mit Fuchsin S-Thionin-Aurantia nach K ul! (K) gefärbt. II. Die allgemeine Topographie der Gewebskulturen im hängenden Tropfen. Bevor ich zur Beschreibung der Kulturen der einzelnen unter- suchten Organe übergehe, will ich vorerst einiges über die allge- meinen Wachstumserscheinungen der Explantate im hängenden Plasmatropfen berichten. Der vom Organismus abgetrennte Organ- teil stellt nicht bloß ein Aggregat einer bestimmten Anzahl von Zellen vor, sondern muß als eine in gewissem Sinne selbständige Einheit, als ein Individuum betrachtet werden, welches sich einer weiteren Existenz und Entwicklung nur in dem Falle fähig erweisen kann, wenn sich ein Gleichgewichtszustand zwischen ihm und der Gesamtheit der äußeren Faktoren etabliert. In der Tat kann man auch in jeder Gewebskultur mit größerer oder geringerer Deut- lichkeit dies Bestreben des Explantats bemerken, sein Leben als neues Individuum mit den neuen äußeren Bedingungen in Einklang Ueber „in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 443 zu bringen. Wenn der Gleichgewichtszustand zwischen dem Ex- plantat und der Außenwelt hergestellt ist, wird sich dasselbe ent- wickeln und diese oder jene individuelle Besonderheiten offenbaren. Beim Studium der Kulturen ist folglich auch auf die Evolution des Explantats als eines Ganzen zu achten. Die verschiedenen Teile des in den hängenden Plasmatropfen explantierten Keimstückchens gelangen naturgemäß in ganz un- gleichmäßige Bedingungen. Die peripheren und vom Glas ent- fernten Teile befinden sich in günstigeren Verhältnissen, sowohl was die Nährmaterial- und Sauerstoffzufuhr, als auch die möglichst rasche Entfernung der toxischen Stoffwechselprodukte durch Diffusion betrifft. Deswegen muß auch ihr Schicksal in vitro ver- schieden sein. An der Peripherie liegt dem Glase unmittelbar eine Schicht von Zellen an, welche sich durch Wachstum und aktive Bewegung aus dem Explantat in radiärer Richtung hervorschieben. In der Mitte des Keimstücks erblickt man in diesem Niveau je nach dem Alter der Kultur verschieden aussehende Degenerations- bilder bis zu völliger Verwandlung in körnigen Detritus. In einer gewissen Ausdehnung von der Oberfläche des Glases nach unten erscheint auch nur die periphere Schicht des Keimstückes lebendig und entwicklungsfähig, während die tiefer gelegenen Abschnitte auch hier meistens deutliche degenerative Veränderungen offen- baren. Je weiter wir nach unten zur freien Oberfläche des hängen- den Tropfens rücken, desto kleiner wird der Degenerationsherd und endlich kommt man zu einem Niveau, wo das ganze Explantat an einem der Glasoberfläche parallelen Schnitte aus lebenden, wachsenden und wuchernden Zellen besteht. Im umgebenden Fibrinnetze und in den verflüssigten Bezirken des Mediums befindet sich gewöhnlich eine größere oder geringere Anzahl von freien emigrierten und wandernden Zellen. Es muß jedoch bemerkt werden, daß das gewöhnliche, von sehr zahlreichen Autoren beschriebene und zur Genüge bekannte radiäre Einwachsen der Gewebselemente in das umgebende Medium durchaus nicht immer stattfindet. In sehr zahlreichen Fällen, be- sonders wenn sich das Fibrin in der Umgebung des Explantats verflüssigt, fehlt das radiäre ‚sonnenförmige“ Wachstum voll- ständig; trotzdem bleibt dabei das Explantat lebendig und man bemerkt an demselben sogar besonders interessante Verwand- lungen Gewöhnlich rundet sich dabei das Explantat mehr oder 444 Nikolaus Chlopin: weniger vollständig ab und flottiert entweder ganz frei in der Flüssig- keit oder es erscheint am unverflüssigten Fibrin mittels dünner Zellstränge aufgehängt. Die periphere Schicht besteht hier aus lebenden Elementen, während der zentrale Teil mehr oder weniger ausgedehnte Degeneration aufweisen kann. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß die einzelnen Kulturen in meinen Experimenten ganz außerordentlich mannigfaltige in- dividuelle Variationen zeigten, ohne daß man die Ursachen davon bestimmen könnte. Die Veränderungen der Explantate in vitro können also zwei Typen vorstellen: 1. Extensives Wachstum — es äußert sich indem schon erwähnten allbekannten radiären, in das umgebende Medium gerichteten Auswachsen und Vorschieben einzelner oder zu Grup- pen und Zügen verbundener Zellen. Zur Verwirklichung dieses Wachstums ist das Vorhandensein eines passenden Substrates (Fibrin, Deckglasoberfläche u. dgl.) notwendig; die Fähigkeit der Zellen, sich solchen Oberflächen anzuschmiegen und an ihnen sich zu bewegen, wird als Stereotropismus (Harrison) bezeichnet. Wenn das Explantat allseitig nur von Flüssigkeit umgeben ist, wird echtes extensives Wachstum niemals beobachtet; statt dessen kann hier mitunter ein anderes Phänomen auftreten — die Iso- lierung und Abschilferung der oberflächlich gelegenen Zellen, wobei solche frei werdende Elemente meistens sofort eine kugelige Gestalt annehmen und im folgenden allmählich degenerieren. Ob nur schon dem Zerfall geweihte, oder auch noch ganz lebenskräftige Zellen sich auf die beschriebene Weise isolieren können, ist schwer zu sagen. Anzeichen der Nekrobiose sind an ihnen jedenfalls durch- aus nicht immer zu konstatieren. 2. Innere "Verwandkbuneren und’ Umbaeee nicht von Emigration von Zellen begleitet werden und mit der oben erwähnten Abrundung des Explantats und mit Struktur- veränderungen in seiner peripheren, lebendigen Schicht einhergehen. Es sind Erscheinungen, die sich zweifellos den sogenannten Regu- lationen anreihen und weiter unten ausführlich beschrieben werden. In den meisten Kulturen sind beide Typen verwirklicht — ein bestimmter Teil der Peripherie des Explantats zeigt extensives Wachstum und erscheint hier infolgedessen mit dem Fibrin engstens Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 445 verbunden, während die übrige Oberfläche abgerundet und frei erscheint. Wenn das Leben in vitro lange dauert und das Gewebe mehrere Male transplantiert wird, was natürlicherweise mit starker mecha- nischer Schädigung des zarten Objektes verbunden ist, wird die ursprüngliche Topographie des Explantats immer mehr und mehr alteriert und schließlich erhält man oft nur einzelne, im Nähr- medium ungleichmäßig zerstreute Zellen. Es erhellt daraus, dab die Verwandlungen, die das Explantat als Ganzes in vitro durch- macht, nur an Kulturen der ersten Generation erfolgreich erforscht werden können oder an Kulturen, die höchstens I—2mal trans- plantiert wurden und also relativ kurze Zeit (im Durchschnitt 5—6, jedenfalls nicht länger als 9—10 Tage) außerhalb des Organis- mus existierten. Uebrigens erscheint diese Zeitperiode für embryonale Gewebe vollkommen genügend, um sehr zahlreiche, unter den normalen Verhältnissen verborgene prospektive Potenzen in Er- scheinung treten zu lassen. Außerdem scheint sich nach noch nicht publizierten Untersuchungen von Prof. A. Maximow diese Ein- schränkung auf die von sehr jungen Embryonalstadien gemachten Gewebskulturen nicht zu beziehen. Hier können die Lebenspro- zesse und der innere regulatorische Umbau im abgerundeten, in verflüssigtem Nährmedium schwebenden Explantat während langer Zeit weiterdauern, sogar trotz zahlreicher Transplantationen. IV. Darmkulturen. A. Allgemeine Bemerkungen und Beschreibung der Kontrollpräparate. Es wurden 3 Versuchsserien veranstaltet, mit einem 3 Kaninchen- embryonen von 33, 45 und 57 mm Länge entnommenem Material. In der ersten und dritten Serie wurden keine Transplantationen gemacht und das explantierte Gewebe wurde bis zum 5.—6. Tag seines Lebens in vitro untersucht. In der zweiten Serie wurden zahlreiche Kulturen mit Hilfe von Transplantationen weiter ge- züchtet, bis zu einer Dauer von 24 Tagen. Der embryonale Darm wurde in Querstückchen von 0,5 bis 1,5 mm Länge zerschnitten, wobei gewöhnlich an jedem Stückchen auch ein Teil vom Mesenterium hängen blieb. Dies Explantat hatte folglich meistens die Form eines kurzen geraden oder ge- bogenen Zylinders. 446 Nikolaus Chlopin: In Kontrollpräparaten vom normalen Darm sieht man, daß der letztere im Inneren von einschichtigem Zylinderepithel be- kleidet ist, welches bei den Embryonen von 33 und 45 mm auf einer noch ganz ebenen Fläche ruht und keine Zotten bildet. Beim Embryo von 57 mm sind Zotten bereits vorhanden, z. T. als un- bedeutende fingerförmige Epithelausstülpungen mit einem typi- schen verdichteten Mesenchymherd an der Spitze, z. T. schon gut entwickelt und bereits mit einer Kapillarschlinge versehen. Unter dem Epithel liegt eine Schicht von lockerem Mesenchym mit Blut- gefäßen, welches nach außen an die Myoblasten der künftigen Muskularis grenzt. In den Myoblasten aller drei Embryonen waren bereits deutliche Myofibrillen vorhanden. Die äußerste Schicht wird vom Mesothel des Peritoneums gebildet. Das Mesenterium besteht aus einem lockeren Mesenchymnetz mit darin verlaufenden Gefäßen und ist von Mesothel bekleidet. Die meistens nur aus einer Endothelschicht bestehenden Gefäße erscheinen mit kern- haltigen Erythrozyten und Leukozyten erfüllt. B. Topographie der Darmkulturen. Infolge der Kontraktion der Myoblasten, die mit dem Alter des Embryos immer deutlicher wird, kann die Topographie der verschiedenen Teile der Darmwand beim Herausschneiden aus dem Embryokörper stark alteriert werden. Beim Embryo von 33 mm ist diese Kontraktion noch unbedeutend, so daß das Epithel mit dem darunter liegenden Bindegewebe nur leicht ausgestülpt wird und einen nur geringen Teil der äußeren Oberfläche des Darm- stückchens an dessen Enden bedeckt. Die Darmmuskularis beim Embryo von 57 mm hingegen kontrahiert sich in solchem Grade, daß das umgekrempelte Epithel schon einen großen Teil der äußeren Oberfläche überlagert und wenn das Darmstückchen kurz genug geraten ist, kann es passieren, daß es vom Epithel vollständig ein- gehüllt wird. Das lockere Mesenchym der künftigen Mucosa, welches dem Epithel bei seiner Ausstülpung und Umkrempelung folgt, erscheint dabei stets stark geschwollen und ödematös, so daß die beiden Enden des Darmstückchens sich stark verdicken und das ganze Explantat eine hantelförmige Gestalt erhält. Vom zweiten Tage an, mitunter auch schon am ersten, verfällt ein bedeutender Teil des Explantats der Degeneration, die meistens unter der Erscheinung der Kernpyknose oder Karyorrhexis ver- Ueber „in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 447 läuft. Es degeneriert gewöhnlich der größte Teil der Myoblasten und die tiefer gelegenen Schichten der künftigen Mucosa. Im Lumen des Darmstücks sammelt sich reichlicher, körniger Detritus an, der auf Kosten der abfallenden und degenerierenden Epithelzellen entsteht. Im übrigen kann das im Inneren des Darmstückchens verbleibende Epithel, trotz der augenscheinlich recht ungünstigen Existenzbedingungen, während längerer Zeit vollständig lebens- kräftig bleiben (besonders beim Embryo von 33 mm), oft sogar ungeachtet der vollständigen Degeneration der ganzen anliegenden Mesenchymschicht (Fig. 1). Unter dem Einfluß der Lebensbetätigung der Gewebe der explantierten Darmstücke erfährt das umgebende Nährmedium Veränderungen. An den Stellen, wo das Fibrinnetz dem Epithel anliegt, wird es rasch aufgelöst, jedenfalls infolge der Wirkung von proteolytischen, vom Epithel ausgearbeiteten Fermenten, Wo hingegen dem Fibrinnetz entblößtes Bindegewebe anliegt, beginnt extensives Wachstum des letzteren; seine Zellen dringen einzeln oder in Zügen in radiärer Richtung zwischen die Fäden des Fibrinnetzwerkes hinein und auf diese Weise entsteht das typische Bild des „‚grasförmigen‘“, ‚strahligen““ Wachstums, wie es schon so viele Male von den Autoren für Gewebskulturen verschiedenster Provenienz beschrieben worden ist (Carrel, Burrows, Ma- ximow u. a.). Besonders energisch wächst das Mesenchym des Mesenteriums, wo letzteres vom Mesothel entblößt ist. An der äußeren Oberfläche des Darmes können meistens ins Fibrin nur einzelne dünne Züge von Bindegewebszellen auswachsen, dort, wo sie durch die deckende Epithel- resp. Mesothelschicht hindurchdringen. Wenn das Epithel das ganze dem Explantat anliegende Fibrin verflüssigt hat, so kann das Bindegewebe nicht hervorsprossen und das abgerundete, kugelige Explantat schwimmt frei in der Flüssigkeit. Das umgekrempelte Epithel erscheint an seinen Rändern abgeplattet, schiebt sich auf dem darunterliegenden Gewebe vor und bedeckt mit der Zeit einen immer größeren Teil der äußeren Oberfläche des Explantats. Es kann mitunter auch auf die Binde- gewebszüge herübergleiten, die das Explantat mit dem Fibrin verbinden und dieselben umscheiden. Diese aktive Bewegung des Epithels in Form von zusammen- 448 Nikolaus Chlopin: hängenden Schichten, die auf dem darunterliegenden Gewebe vorwärts gleiten, ist von Oppel(5l) und Osowsky (53) schon beobachtet worden. Sie kann als eine überaus charakteristische Eigenschaft des Epithels in Gewebskulturen angesehen werden und war in allen meinen Versuchen vorhanden. Wenn sich die von den beiden Enden des Darmstückchens aus vorschiebenden Epithel- schichten begegnen, verschmelzen ihre Ränder und auf diese Weise entsteht die schon oben erwähnte vollständige Epithelbekleidung des Explantats. In besonders großer Anzahl entstanden solche freie abgerundete und mit Epithel überzogene Körper in der Ver- suchsserie, die vom Embryo von 57 mm Länge gewonnen wurde. In 5—6 Tage alten, abgerundeten Explantanten kann das ganze Gewebe unter dem Epithel vollständig degenerieren. In solchen Fällen umhüllt eine lebende Epithelschicht allseits eine ausgedehnte Detritusmasse. Nur im untersten, dem Luftraum der feuchten Kammer zugekehrten Abschnitte der Kugel kann man in solchen Fällen mitunter eine dünne Schicht lebenden Bindegewebes unter dem Epithel bemerken. Außer gelegentlichen, ganz unregelmäßigen Auswüchsen, die an den Darmstückchen in vitro auftreten können, läßt das mit der darunterliegenden Mesenchymschicht an den Enden hervor- gepreßte und umgekrempelte Epithel merkwürdige Gebilde von echt organoidem Charakter entstehen. An den äußeren, ange- schwollenen Enden der explantierten Darmstückchen entwickeln sich richtige Zottenanlagen. Besonders deutlich waren sie in den dem 33 mm langen Embryo entstammenden Kulturen. Es muß dabei besonders notiert werden, daß Kontrollpräparate dieses Darmes noch keinerlei solche Anlagen aufwiesen. Die betref- fenden Gebilde haben das Aussehen von fingerförmigen, von Epithel bekleideten Auswüchsen und sind im Inneren von lockerem Mesenchym ausgefüllt, welches an der Spitze einen verdichteten synzytialen Herd mit zahlreichen Kernen bildet (Fig. 6). Dieser letztere scheint dabei das Primäre zu sein und geht der Epithel- ausstülpung voraus. Die im Darm älterer Embryonen vorhandenen normalen Zottenanlagen haben ein ganz ähnliches Aussehen; des- wegen ist es schwer zu entscheiden, ob die in den Darmkulturen vom 57 mm langen Embryo ebenfalls beobachteten Auswüchse außerhalb des Organismus entstanden sind, oder bereits im Embryo vorhanden waren. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere, 449 Mit den beschriebenen zottenähnlichen Gebilden erscheint in den meisten Fällen der größte Teil der äußeren, von Epithel über- zogenen Oberfläche des Explantats besetzt; ausgenommen sind bloß die Stellen, wo sich das vordringende, abgeplattete Epithel befindet oder noch das Mesothel erhalten ist. Die Präparate solcher Explantate bieten infolgedessen ein sehr eigentümliches Bild — die Oberfläche der Darmstückchen erscheint fast überall mit an den Enden abgerundeten, mitunter ziemlich langen zylindrischen Auswüchsen besetzt. Die Struktur der letzteren ist verschieden, je nach ihrem Entwicklungsstadium. Das Gesagte bezieht sich auf nicht transplantierte Kulturen. Was nun die Transplantationen anbetrifft, so wird dabei, wie schon gesagt, die ursprüngliche Struktur des Explantats gewöhnlich von Grund aus in atypischer Weise modifiziert. Oft wird nur Bindegewebe transplantiert, welches in diesem Falle sein unregelmäßiges extensives Wachstum fortsetzt. Wenn auch das Epithel in das neue Medium mit herüberkommt, so bildet dasselbe mit dem Bindegewebe nicht mehr, wie früher, ein organi- sches Ganzes; trotzdem bleibt es aber vom Bindegewebe doch immer ganz scharf abgegrenzt und erscheint als zusammenhängende Zellschicht, die verschiedene, meist abgerundete Flächen bedeckt und im Gegensatz zum Bindegewebe niemals spitze Auswüchse bildet. In einer Kultur von 24 Tagen hatte das Epithel eine abge- schlossene zystenähnliche Höhle gebildet (Fig. 7). Mit ihren freien Enden waren die Epithelzellen hier nach der Höhle zu gerichtet; die letztere enthielt Flüssigkeit mit spärlichen schwebenden abge- rundeten und degenerierenden Zellen. Draußen dauerte auch in diesem Falle das gewöhnliche üppige extensive Wachstum des Bindegewebes ungestört fort. Die Bindegewebszellen waren mit der äußeren Oberfläche der Epithelzyste mittels ihrer langen Ausläufer verbunden. Was die karyokinetischen Figuren anbetrifft, so waren sie in allen Kulturen sehr zahlreich, ausgenommen die ganz alten nicht transplantierten, wo die Wachstumserscheinungen überhaupt voll- kommen unterdrückt waren. 450 Nikolaus Chlopin: C. Die Verwandlungsprozesse der einzelnen Gewebe. a) Epithel. Die Gestalt und die innere Struktur der Darmepithelzellen sind in den Kulturen ziemlich verschieden, was sowohl von den jeweiligen topographischen Bedingungen als auch selbstverständ- lich vom Alter der Kultur abhängt. Die geringsten Veränderungen im Vergleich mit den Kontroll- präparaten erleiden in Kulturen jüngeren Datums die Epithel- zellen, die sich in den zentralen Teilen der umgekrempelten, die äußere Oberfläche des Darmrohrs bekleidenden und die oben ge- schilderten Zottenanlagen bildenden Epithelschicht befinden, außer- dem, in einigen Kulturen vom 33 mm langen Embryo, auch das im Darmlumen verbleibende Epithel. Sie behalten im allgemeinen ihre ursprüngliche regelmäßige zylindrische Gestalt und erscheinen durch eine Grundmembran von dem darunterliegenden Gewebe abgegrenzt. Mit ihren beiden Polen sind sie miteinander stets aufs engste verbunden. Zwischen ihren Seitenflächen hingegen sieht man oft mehr oder weniger bedeutende Zwischenräume, in welchen dann aufs deutlichste die Interzellularbrücken hervor- treten. Ihr homogenes, an EAz-Präparaten etwas basophiles Proto- plasma enthält gewöhnlich ziemlich große Vakuolen, die übrigens auch in den Kontrollpräparaten vorhanden sind. Was diese Va- kuolen enthalten, darüber läßt sich nichts Bestimmtes sagen. An ChK-Präparaten erblickt man im Protoplasma hauptsächlich der langen Zellachse entsprechend orientierte zahlreiche, dünne, ge- schlängelte Chondriokonten. In einzelnen Epithelzellen kann man schon am ersten Tage des Lebens in vitro Fett entdecken, ihre volle Entwicklung erreicht jedoch die Ausarbeitung des Fettes erst am dritten oder vierten Tage. Zu dieser Zeit enthalten alle Epithelzellen an der äußeren Oberfläche des Explantats je 1—3 große Fetttropfen, die stets am basalen Pol, unterhalb des Kernes liegen (Fig. 2). Ueberaus charakteristisch ist außerdem die Entwicklung eines sehr deutlichen dicken Kutikularsaumes an der äußeren, an das Nährmedium grenzenden Oberfläche der Epithelzellen. Besonders deutlich tritt er an ChK-Präparaten hervor, wo er intensiv gelb gefärbt erscheint. Den Epithelzellen, die im Inneren des Darm- stückes verbleiben, fehlt dieser Saum, ebenso wie die Fetteinschlüsse, Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 451 stets, desgleichen vermißt man ihn auch in den Kontrollpräparaten an den Epithelzellen des normalen Darmes des betreffenden Embryos. Es ist daraus ersichtlich, daß diese speziell differenzierte Struktur als das Resultat einer unmittelbaren Reaktion von seiten des leben- den Protoplasmas auf die neuen anormalen, jedenfalls mit der Zellernährung verbundenen Existenzbedingungen angesehen werden muß. Außerdem waren noch folgende hier und da in einigen Darm- epithelzellen des Explantats vorkommende Einschlüsse zu notieren: große unregelmäßige Schollen, augenscheinlich von Eiweißnatur, die sich nach EAZ intensiv blau färben und durchsichtige farblose Kristalle in Form von rhombischen Täfelchen — wahrscheinlich CaCO,. Die Bedeutung dieser Gebilde bleibt unklar; was die Her- kunft der CaCO,-Kristalle anbelangt, so entstammen sie natürlich der Ringer schen Lösung, die sowohl Ca”-, als auch CO ',-Ionen enthält. Der Kern der beschriebenen Epithelzellen hat meistens eine regelmäßig ovale Form, besitzt eine scharf konturierte Membran und 2—3 große Nukleolen, die sich besonders an ChK-Präparaten tiefrot färben. Deformationen kann man an den Kernen nur in den Fällen und an den Stellen beobachten, wo die Zellen dicht aneinander gepreßt erscheinen. Die im Inneren des Darmlumens verbleibenden Epithelzellen zeichnen sich manchmal durch eine auf Kosten ihrer Höhe ein- tretende Verbreiterung aus. Die Ursachen dieser Formveränderung sind erstens in dem Hervorschieben eines großen Teiles der Epithel- schicht nach außen und zweitens in der Degeneration und Ablösung vieler Epithelzellen im Darmlumen selbst zu erblicken, wodurch die bleibenden Zellen gezwungen werden sich abzuplatten, um die Kontinuität der Epithelschicht zu wahren. Sehr bedeutend verändert erscheint die Gestalt der Epithel- zellen dort, wo sich die Epithelschicht mit ihrem Rande aktiv vor- schiebt. Solche Stellen findet man, wie oben erwähnt, erstens an der äußeren Seitenfläche des Darmstückchens, zweitens an der Oberfläche der freien, in das Fibrin eindringenden Bindegewebszüge. Mit der Annäherung an den Rand der Epithelschicht bemerkt man, wie die Zellgrenzen in derselben sich zuerst in der Richtung des Vordringens neigen und wie die Zellen sich dann immer mehr und mehr auf der Oberfläche des darunterliegenden Gewebes ab- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 30 452 Nikolaus Chlopin: platten. Der Uebergang des regelmäßigen Zylinderepithels zum abgeplatteten kann in den einen Kulturen mehr plötzlich, in den anderen mehr allmählich geschehen. Im allgemeinen bleiben bei allen den beschriebenen Verände- rungen die Epithelzellen von den Bindegewebselementen scharf geschieden und als solche leicht kenntlich. Etwas schwieriger wird die Abgrenzung der beiden Zellarten bloß an den Stellen, wo sich das Epithel an der Oberfläche der erwähnten, ins Fibrin einge- drungenen Bindegewebszüge vorschiebt, die ja meistens auch aus platten, zugespitzten, einander eng anliegenden Elementen bestehen, die in ihrer äußeren Gestalt den Epithelien recht ähnlich sind. Be- sonders groß können hier die Schwierigkeiten mitunter noch in den Fällen werden, wo die Schnittrichtung die Epithelschicht nicht senk- recht getroffen hat und infolgedessen auch die membrana propria nicht klar hervortritt. Uebrigens scheint die letztere an vielen solchen Stellen auch vollständig zu fehlen und das ist leicht er- klärlich, wenn man bedenkt, daß bis zu ihrer Ausbildung an der ge- gebenen, vom Epithel eben erst überzogenen Stelle immerhin eine gewisse Zeit verstreichen muß. Es ist also klar, daß die beschriebenen Tatsachen keineswegs in dem Sinne eines Ueberganges von Epithel in Bindegewebe ge- deutet werden können, wie es z. Be. Champy in analogen Fällen tut. Im Gegenteil, alles spricht dafür, daß die beiden Zellarten in bezug auf Struktur, Funktion und Entelechie voneinander ganz unabhängig und verschieden sind. Ausführlicher werde ich diese Frage am Ende meiner Arbeit berühren bei der Zusammenfassung der Resultate aller meiner Versuche. Die angeführte Beschreibung bezieht sich auf das in vitro in lebensfähigem Zustande verbleibende Epithel. Bei ungünstigen Existenzbedingungen kann das Epithel mancherlei degenerative Veränderungen zeigen. In alten (5—6 Tage), lange nicht aufge- frischten, hauptsächlich dem Embryo von 57 mm entstammenden Kulturen verfallen die Epithelzellen einer sehr starken Vakuolisation, wodurch ihre Form ganz alteriert wird. Sie blähen sich auf und ver- wandeln sich in Blasen, wobei vom Protoplasma nur die äußere membranähnliche Schicht und einzelne dünne Fäden übrig bleiben, während der Kern schrumpft und gewöhnlich zur Peripherie abge- drängt wird. Am deutlichsten tritt dies im Epithel der oben be- schriebenen Zottenanlagen auf, die dadurch vollständig deformiert Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 453 werden. Auch in solchen Fällen können aber die Zellen am aktiv sich vorschiebenden Rande der Epithelschicht ziemlich unverändert bleiben. Die beschriebenen blasigen, degenerierenden Epithelzellen ver- lieren allmählich ihre gegenseitige Verbindung, fallen ab und flot- tieren frei in der das Explantat umgebenden Flüssigkeit. Uebrigens können mitunter auch anscheinend normale Epithelzellen sich aus dem Verbande mit den übrigen loslösen, sich abrunden und in die Flüssigkeit abfallen. Trotz ihres am Anfange normalen Aussehens können aber solche Elemente doch nicht als lebensfähig angesehen werden. Sie verfallen rasch der Degeneration und es treten in ihnen nachträglich auch dieselben Blasen auf. Als pathologische Erscheinung muß außerdem wahrscheinlich auch die in einigen Kulturen beobachtete Abschnürung von kleinen Protoplasmatröpfchen an den Epithelzellen betrachtet werden. Auf Grund des Geschilderten Kann man die Vermutung aus- sprechen, daß zur Erhaltung der Lebensfähigkeit des Epithels unbedingt die ungestörte gegenseitige Verbindung seiner Zellen und vielleicht noch das Vorhandensein irgend eines festen Sub- strates, wenn es auch nur tote Detritmassen ‚sind, notwendig ist. Es ist ohne weiteres klar, daß die abgerundeten, abgelösten und degenerierenden Epithelzellen von ebenso veränderten Elementen anderer Provenienz oft gar nicht zu unterscheiden sind. Was die mitotische Kernteilung anbetrifft, so findet man Mitosen im Epithel in Kulturen von sehr verschiedenem Alter. Selbst das Epithel, welches sich tief im Inneren des Darmstück- chens befindet, bewahrt die Wucherungsfähigkeit. Die Figuren haben stets ein ganz normales Aussehen und die Spindel erscheint gewöhnlich der Oberfläche der Epithelschicht parallel orientiert. Amitose habe ich niemals beobachtet. b) Das Mesothel. Das Mesothel, d. h. das einschichtige platte Epithel der Serosa, ist außerhalb des Organismus weniger widerstandsfähig, als das beschriebene Epithel; es macht auch ganz andere Veränderungen durch, wobei das Schicksal des Mesenteriummesothels sich auch vom Schicksal des Mesothels der Darmrohroberfläche unterscheidet. Das letztere verändert sich rascher und intensiver. Im Laufe des ersten und zweiten Tages blähen sich seine Zellen kissenartig auf. 30* A454 Nikolaus Chlopin: Zum Unterschied vom Epithel bleiben sie dabei vorläufig ohne Vakuolen, dafür häufen sie aber zahlreiche unregelmäßig gelagerte feine Fetttröpfchen an. Allmählich verlieren sie die Verbindung miteinander und mit dem darunterliegenden Gewebe, nehmen kugelige Form an und fallen ab, um in der umgebenden Flüssigkeit endgültig zu degenerieren. Die Struktur dieser sich abrundenden Mesothelzellen ist sehr charakteristisch. An ZFEAz- und an ZFEh- Präparaten erscheint ihr dunkel gefärbtes, basophiles Protoplasma jetzt durch und durch mit feinen runden Vakuolen erfüllt und infolgedessen wabig (Fig. 3). Der Kern bekommt ein etwas ge- schrumpftes, eckiges Aussehen, nimmt eine exzentrische Lage ein und ist an seiner inneren Seite mit einer Vertiefung versehen. Hier befindet sich die von Vakuolen ganz freie Sphäre. An ChK-Prä- paraten erscheinen die Vakuolen als schwarze Fetttröpfchen (Fig. 4). Die zwischen den letzteren und um die Sphäre herum angeordneten Chondriosomen haben den Charakter von Mitochondrien oder sehr kurzen Chondriokonten. Die oberflächliche homogene Protoplasma- schicht in diesen Zellen färbt sich dabei intensiv gelb und imponiert als Kutikularsaum, der mit dem für das Epithel oben beschriebenen eine gewisse Aehnlichkeit hat. An den Stellen, wo das auf der äußeren Oberfläche des Darmstückchens vordringende Epithel an das noch intakte Mesothel herankommt, bilden die abgerundeten Zellen des letzteren am Epithelrande wallartige Erhebungen. Das sich vorwärts schiebende Epithel scheint hier die weniger wider- standsfähige Zellart, das Mesothel, gewissermaßen abzuhebeln. Was das Mesothel des Mesenteriums betrifft, so verändert es sich langsamer und scheint sich nicht so leicht abzurunden und abzufallen. Ihm geht zwar die Fähigkeit, auf dem darunterliegenden Gewebe vorwärtszugleiten und Defekte zu überkleiden, ab. Doch kann man an den Stellen, wo seine Zellschicht intakt ist, trotz der eng anliegenden Fibrinschicht, ein aktives Wachstum des Binde- gewebes niemals bemerken. Dort hingegen, wo das Bindegewebe vom Mesothel entblößt erscheint, also z. B. an den Schnitträndern des Mesenteriums, tritt dies Wachstum stets ein. Die Funktionen des Mesothels im Explantat scheinen also rein passiver Natur zu sein; seine beschriebenen Veränderungen machen nicht den Eindruck einer progressiven Evolution, sondern sind eher als regressive Erscheinungen, als langsame Degeneration zu betrachten, Dies wird auch durch das vollständige Fehlen von Ueber ‚in vitro‘ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere, 455 Mitosen in zweifellosen Mesothelzellen bekräftigt. In älteren trans- plantierten Kulturen ist das Mesothel überhaupt nicht mehr auf- zufinden. Das Mesothel muß auf Grund der beschriebenen Erscheinungen für ein besonderes, spezifisch differenziertes, sowohl in morpho- logischer als auch in physiologischer Hinsicht deutlich charakteri- siertes Gewebe erklärt werden. Seiner genetischen Beziehungen zu den anderen Geweben werde ich weiter unten, im Abschnitte, der dem Mesenchym gewidmet ist, gedenken. ec) Das Mesenchym und seine Derivate. Das Mesenchym erweist sich in vitro als außerordentlich lebens- fähig, wie es für das embryonale Bindegewebe auch von anderen Autoren schon oft beschrieben worden ist (CCarrel, Burrows und viele andere); es offenbart dabei weitgehende Fähigkeiten zu progressiver Entwicklung und Differenzierung. Je nach den topo- graphischen Bedingungen kann es in den verschiedenen Bezirken einer Kultur sehr verschiedene Eigenschaften erhalten. Das Mesenchym, welches vom umgekrempelten, sich vorschieben- den Epithel bedeckt erscheint, erleidet verhältnismäßig wenig Veränderungen; es stellt ein weitmaschiges, sehr lockeres Netzwerk aus gewöhnlichen anastomosierenden Sternzellen vor und erscheint in hohem Grade ödematös. Seine homogene gallertige Zwischen- substanz bildet unter dem Einfluß der Fixierung feinfädige Ge- rinnsel, An ChK-Präparaten enthält das Zellprotoplasma gewöhn - lich kurze gerade oder gebogene dünne Chondriokonten. Aus diesen indifferenten Elementen können sich nun in vitro erstens einzelne Wanderzellen mit amöboidem, mehr oder weniger basophilem Protoplasma differenzieren. Außerdem entstehen aus denselben die oben beschriebenen Zellansammlungen, die unter dem Epithel in den Zottenanlagen liegen. Diese Ansammlungen vergrößern sich allmählich weiter sowohl durch Angliederung neuer Zellen als auch durch mitotische Wucherung der eigenen Zellkerne. Dabei erhalten sie sehr rasch synzytialen Charakter, indem die Zellgrenzen in ihnen undeutlich werden. Besonders klar tritt dies in den Darmkulturen vom 33 mm-Embryo hervor. Am 3.—4. Tage und später konstatiert man sowohl in den Mesenchymzellen als auch in den erwähnten Synzytien das Auf- treten ziemlich zahlreicher runder Fetttröpfchen, die im Zellkörper 456 Nikolaus Chlopin: unregelmäßig zerstreut liegen und durch die Osmiumschwärzung sehr leicht zu demonstrieren sind. In den älteren, 5—6 Tage alten Explantaten, deren Oberfläche zum größten Teil vom Epithel bekleidet ist, verfallen die in der Tiefe oder an der Glasoberfläche gelegenen Mesenchympartien der Nekrose, so daß das Epithel auf weiten Strecken, wie schon oben erwähnt, unmittelbar toten Detritusmassen anliegen kann. Die Degenerationserscheinungen der Mesenchymzellen sind ziemlich typisch: der Kern erleidet Pyknose, mitunter auch Karyorrhexis, im Protoplasma treten gewöhnlich mehrere allmählich wachsende Tropfen auf, die sich an ChK-Prä- paraten mit Fuchsin S intensiv rot färben. Die ganze Zelle ver- wandelt sich schließlich in ein Häufchen solcher Tropfen und zerfällt. Es können mitunter jedoch auch abweichende Nekrobiosebilder beobachtet werden. Ziemlich unverändert bleibt das Mesenchym des Mesenteriums, wo die Mesothelbekleidung intakt erscheint. Degenerationserschei- nungen werden hier nicht gefunden, was auch nicht wundernehmen kann, da die Gewebsschicht ja äußerst dünn und dem Sauerstoff leicht zugänglich ist. Ganz eigentümliche Eigenschaften erhalten die oberfläch- lichsten Mesenchymschichten an den Stellen, wo dies Gewebe un- mittelbar an das äußere Medium grenzt. Die Zellen platten sich hier ab, ordnen sich parallel der freien Oberfläche an und bilden durch dichte Aneinanderlagerung eine Art Kapsel, von welcher aus nachträglich das gewöhnliche aktive ‚‚grasartige‘‘ Einwachsen in das Fibrin beginnen kann. Besonders deutlich offenbart sich diese Erscheinung an der Seitenfläche des Darmrohres, nachdem sich hier die abgerundeten Mesothelzellen abgelöst haben und das darunter liegende Mesenchym freiliegt. Da das angrenzende Fibrin an solchen Stellen in der Regel bereits verflüssigt ist, tritt hier kein aktives Wachstum ein und die neugebildete kapselartige Mesenchym- schicht ersetzt das frühere Mesothel. Sehr tiefgreifend sind die Veränderungen im Mesenchym, welches in das Fibrinnetz eingewachsen ist und sich von der Beeinflussung von seiten der Nachbargewebe gewissermaßen emanzipiert hat. Das Aussehen der von diesem Mesenchym gebildeten Wachstums- zone wechselt von Fall zu Fall, offenbar je nach den speziellen nicht näher zu kontrollierenden Existenzbedingungen des Ex- plantats, Ueber ‚in vitro‘ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 457 Gewöhnlich ordnen sich die ins Fibrin eingedrungenen Mesen- chymzellen in Form eines zusammenhängenden lockeren Netzes mit vorwiegend radiär gerichteten Elementen an. In vielen Fällen sieht man auch viele ganz isolierte Zellen, besonders in den am meisten nach der Peripherie zu gelegenen Bezirken. Denselben Charakter von unregelmäßigen Netzen offenbart ferner das Mesen- chym, welches in den transplantierten Kulturen an den Rändern des Gewebsstückchens hervorwuchert. In den Fällen letzterer Art ist es meistens schon ganz unmöglich zu bestimmen, ob die betreffenden Mesenchymzellen dem ursprünglichen aus dem Organismus ex- plantierten Keimstück angehören, oder außerhalb des Organismus neu gebildet wurden. Die weitere Evolution der aus dem Organis- mus in reinem, epithel- und mesothelfreien Zustande explantierten Mesenchymteile bietet nämlich keine wesentlichen Unterschiede im Vergleich mit dem Schicksal der in vitro durch Teilung ent- standenen Mesenchymelemente dar. In anderen Fällen, wenn das Mesenchym dem Rande einer durch Verflüssigung des Fibrins entstandenen Höhle entlang wächst, hat es das Aussehen einer zusammenhängenden, aus parallelen, eng aneinander gelagerten Zellen bestehenden Membran. Hier erhält man Bilder, die sehr an Epithel erinnern. In den Fällen endlich, wo das Mesenchym durch den schmalen Zwischenraum zwischen dem umgekrempelten Epithel und dem noch intakten Mesothel hervorsprießt, legen sich seine Zellen zu einem dünnen, an einem Ende mit dem Fibrin verwachsenen Strange zusammen, an welchem dann das Explantat aufgehängt erscheint. Der Strang erscheint als Regel in seinem Verlauf allseitig von Flüssig- keit umgeben, welche sich hier als Resultat der Verflüssigung des Fibrins durch die vom Epithel ausgeschiedenen Fermente ansam- melt. In seinen an die strahlenförmig sprossenden Mesenchymzüge unmittelbar angrenzenden Teilen bleibt das Fibrinnetz stets unver- flüssigt. Im Gegenteil, seine Fasern werden hier gröber, sie zeigen eine dichtere Lagerung und erscheinen mitunter in Form von dicken, welligen Bündeln angeordnet. Dies beweist, daß es außer den morphologischen Unterschieden zwischen Epithel und Bindegewebe auch noch andere, vielleicht viel wichtigere Unterschiede funk- tionellen Charakters geben muß, die sich unter anderem im Chemis- mus des intrazellulären Stoffwechsels offenbaren. Ein bedeutender Teil der ins Fibrin eingewucherten Mesen- 458 Nikolaus Chlopin: chymzellen verändert sich trotz Beibehaltung der typischen Aus- läufer doch in ganz gründlicher Weise. Diese Zellen vergrößern sich um das Vielfache ihres ursprünglichen Umfanges. Eine be- sonders starke relative Hypertrophie erleidet dabei das Protoplasma. Dadurch erhalten die Zellen eine vollkommene Aehnlichkeit mit den von Maxim ow in vitro studierten wuchernden Fibroblasten der erwachsenen Tiere. Ihre äußere Form variiert bedeutend, in Abhängigkeit von den jeweiligen äußeren Existenzbedingungen, vornehmlich topographischen Charakters. Am häufigsten kommen spindlige, spießähnliche oder unregelmäßig verzweigte Formen vor; doch können einige Zellen sich auch mehr oder weniger unter Ein- ziehung der Ausläufer abrunden, wobei von den letzteren nur kurze spitze Dorne übrig bleiben. Wenn die letzten Reste der Ausläufer verschwinden, können sogar vollkommen runde Elemente entstehen, die wohl als Uebergangsstadien zu den weiter unten beschriebenen Wanderzellen gelten müssen. Die Zellen, die den Rand einer mit Flüssigkeit erfüllten Höhle im Fibrin umsäumen oder an der unteren Deckglasoberfläche liegen, platten sich gewöhnlich stark ab und erscheinen als dünne, poly- gonale, mit fein zugespitzten, an den Enden und Rändern ganz durchsichtigen Fortsätzen versehene Protoplasmakörper. Gerade diese Zellexemplare fallen durch ihre exzessive Größe auf, die die gewöhnlichen Ausmaße einer Mesenchymzelle um das Vielfache übertrifft. Das am Anfange homogene Protoplasma der Mesenchym- zellen, welches nach entsprechender Bearbeitung meist nur kurze Chondriokonten enthält, beginnt schon in den ersten Tagen des Lebens in vitro runde Granula von wahrscheinlich eiweißartigem Charakter auszuarbeiten. Nach ZFEAz erscheinen sie rosa, nach Eh schwarz und nach ChK rot gefärbt. Außerdem kommen in denselben Zellen Fetttröpfchen in verschiedener Anzahl und Va- kuolen vor, manchmal in solcher Menge, daß das ganze Protoplasma einen wabigen Bau erhält. Dieses letztere Aussehen ist besonders für die oben erwähnten kontrahierten und abgerundeten Zellen typisch. Solange die Zellen lebensfähig sind, bleiben die Fetteinschlüsse fein, wenn hingegen Nekrobiose eintritt, vergrößern sie sich und fließen zu großen, den Zellkörper deformierenden Tropfen zusammen. Die Menge der Granula und der Fetttröpfchen in nicht sehr alten Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 459 Kulturen unterliegt überhaupt sehr bedeutenden Schwankungen: sie können ganz fehlen, oder sie sind spärlich, oder aber sie füllen fast den ganzen Zellkörper aus. In gewissen Fällen können auch ausschließlich die einen oder die anderen vorkommen. Diese Schwan- kungen müssen natürlich von dem funktionellen Zustande der be- treffenden Zelle und von den äußeren Existenzbedingungen ab- hängen. Es ist möglich, daß die beschriebenen fuchsinophilen Körner mit den Fetttröpfchen, andererseits aber auch mit den Chon- driosomen in genetischen Beziehungen stehen; dafür ließen sich die Beobachtungen von Maxim ow (45) anführen. In alten, mehrmals transplantierten Kulturen ist von allen Einschlüssen in den Zellen am reichlichsten das Fett vorhanden; zwischen den Fetttröpfchen bleiben dabei oft nur ganz dünne Proto- plasmalamellen übrig. Trotzdem scheinen solche Zellen ihre volle Lebenskraft zu bewahren; sie wuchern weiter und sie sind es zweifel- los, die das Zellmaterial der Carrelschen „unsterblichen‘ Kul- turen ausmachen und als die in vitro widerstandsfähigsten und dauerhaftesten Elemente erscheinen. Diese Mesenchymzellen mit so gründlich verändertem Aussehen könnten wohl schon Fibro- blasten genannt werden. Im folgenden werde ich sie mit diesem Namen bezeichnen. Im Protoplasma der hypertrophischen Fibroblasten, die sich auf der Oberfläche des Deckglases abplatten und nicht zu massen- haft Einschlüsse enthalten, differenzieren sich gewöhnlich eigen- tümliche dünne, gerade, drahtförmige Tonofibrillen, die wohl als Reaktion auf den taktilen Reiz erscheinen. Sie treten vor allem sehr schön an Eh-Präparaten, übrigens auch nach ChK hervor, wo sie sich in der gleichen Weise wie die Chondriosomen rot färben. Sie sind mit den drahtähnlichen Fibrillen identisch, de Maximow bei aseptischer Entzündung in den Fibroblasten beschrieben hat, die im neugebildeten Granulationsgewebe unmittelbar der Ober- fläche des Fremdkörpers anliegen. Was den Kern der beschriebenen Zellen betrifft, so besitzt er alle Eigenschaften des Fibroblastentypus: er hat eine regelmäßige ovale, selten leicht nierenartige Form, ist sehr fein und hell kon- turiert, enthält feinstes zerstäubtes Chromatin und 2—3 Nukleolen. In den großen abgeplatteten Zellen stellt er auch ein sehr großes plattes Ellipsoid vor. Eine Ausnahme bilden die sich kontrahie- renden stacheligen Zellen — hier sind die Kerne weniger regelmäßig, 460 Nikolaus Chlopin: oft von eckiger Gestalt und nähern sich in dieser Beziehung den Kernen der Wanderzellen. In allen Kulturen können aus den embryonalen Mesenchym- zellen in vitro typische Wanderzellen entstehen. Mit dem Alter der Kultur nimmt ihre Zahl bedeutend zu. Das Typischste an ihnen ist ihre äußere Form — sphärisch, ohne fixe Ausläufer, wie bei den Fibroblasten, dafür aber mit unregelmäßigen amöboiden Pseudo- podien versehen. Das Protoplasma erscheint entweder homogen oder schaumig infolge der zahlreichen in ihm enthaltenen Vakuolen. Es ist möglich, daß die schaumigen Rundzellen direkt durch Ab- rundung aus den oben beschriebenen Zellen mit den stacheligen Fortsätzen entstehen. Die amöboiden Zellen mit homogenem, mehr oder weniger basophilem Protoplasma entsprechen hingegen wahrscheinlich den gewöhnlichen Iymphozytoiden oder histiogenen Wanderzellen, wie sie bei der normalen Entwicklung des Embryo im Mesenchym auftreten (Fig. 5). Sehr viele von den in vitro auftretenden Wanderzellen erhalten eine vollkommene Aehnlichkeit mit den für den Entzündungsprozeß charakteristischen sog. Polyblasten. Sie sammeln sich in der Um- gebung von zufällig ins Explantat gelangten Fremdkörpern, z. B. von Baumwollfasern an und können dabei durch Verschmelzung miteinander mehrkernige Riesenzellen oder sogar umfangreiche Synzytien bilden, wie dies gewöhnlich bei Bildung von Fremd- körperriesenzellen im Organismus zu geschehen pflegt. Im Zellkörper dieser amöboiden Polyblasten und der aus ihnen entstehenden Riesenzellen trifft man oft große Kristalle in Form von rhombischen Tafeln, deren ich schon bei der Beschreibung des Epithels Erwähnung getan habe. Diese phagozytierten Kristalle verfallen allmählich der Auflösung, wobei sich ihre Ecken abrunden und die Umrisse undeutlich werden. An Stelle des Kristalls bleibt schließlich nur eine größere oder kleinere Vakuole übrig. Um die Kristalle herum, die wegen ihrer Größe nicht von einzelnen Zellen verschlungen werden können, entstehen durch Konfluenz der Poly- blasten 2-, 3- und mehrkernige Riesenzellen. In den Fällen, wo die Kulturen durch Bakterien infiziert wurden, offenbarten die beschriebenen polyblastischen Wanderzellen eine energische Phagozytose den Mikroorganismen gegenüber. In zwei 19tägigen (mehrmals transplantierten) Kulturen vom 45 mm-Embryo fand ich eigentümliche Gebilde, deren Ursprung Ueber „in vitro‘“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 461 mir nicht ganz klar geblieben ist — im gewöhnlichen lockeren neu- gebildeten Bindegewebe lagen ziemlich umfangreiche rundliche Massen von feinkörnigem Detritus, umhüllt von mehreren Schichten eng aneinander geschmiegter platter oder polygonaler Zellen. Es werden wohl zufällig ins Explantat hineingelangte Tropfen von Vaselinöl oder Paraffin gewesen sein, die von Mesenchymzellen eingekapselt wurden. Endlich sei noch hervorgehoben, daß wenn einzelne, aus dem Verbande mit den übrigen abgelöste Mesenchymzellen in verflüssigte Partien des Nährmediums gelangen, sie sich immer abrunden und früher oder später degenerieren. d) Das Endothel. In älteren transplantierten Kulturen bleibt im Mutterstück das Endothel der Blutgefäße vom umgebenden Mesenchym scharf abgegrenzt. Im Lumen sammelt sich gleichzeitig Flüssigkeit an und verwandelt die Gefäße in große unregelmäßige Höhlen, in denen stellenweise Reste degenerierter Blutelemente flottieren. In der Zone des neugebildeten Gewebes hingegen ist das Endothel der Blutgefäße meistens nicht mehr zu unterscheiden. Es ist wohl möglich, daß es sich hier in gewöhnliche Fibroblasten verwandelt hat, wie es auch von Maximow (45) für einen Teil der Gefäbß- kapillaren des erwachsenen Bindegewebes beschrieben worden ist. e) Die glatten Muskelzellen. Was die Myoblasten der explantierten Darmwand betrifft, so scheinen sie wenig lebensfähig zu sein. Sie verfallen einer baldigen Degeneration; eine Rückdifferenzierung zu gewöhnlichen Binde- gewebszellen habe ich nicht gesehen. Solange sie noch leben, er- blickt man in ihnen an ChK-Präparaten deutliche Myofibrillen. Außerdem trifft man in ihnen mitunter auch ringförmige fuchsino- phile Granula, die wohl als Chondriosomenderivate anzusehen sind, und Fetttröpfchen. Alles das sind jedenfalls Erscheinungen degene- rativer Art. Mitosen habe ich in ihnen in vitro nicht gesehen. Aus dem Angeführten erhellt, daß das indifferente Mesenchym der Darmwand in vitro durch Differenzierung folgende 3 Zellarten liefern kann: 1. Fibroblasten; 2. Wanderzellen von mehr Iymphoidem oder mehr polyblastischem Typus; 3. Zellen von unbestimmtem Mischcharakter mit kurzen dornenähnlichen Fortsätzen. - 462 Nikolaus Chlopin: V. Kulturen der Extremitäten. A. Allgemeine Bemerkungen .und-Besehreibunmse des Kontroll ra na ase, Es wurden im ganzen 5 Serien von Extremitätenkulturen her- gestellt: von Kaninchenembryonen von 13, 18 und 45 mm Länge und von einem Meerschweinchenembryo von 10 mm Länge. Die eine von den zwei dem Kaninchenembryo von 18 mm entstammen- den Kulturserien wurde mit trypanblauhaltigem Blutplasma her- gestellt. Die Lebensdauer der Kulturen betrug 4—14 Tage und wurde in einem Falle, bei entsprechender Zahl (6) von Transplan- tationen, bis zu 39 Tagen verlängert. An den Kontrollpräparaten erhält man folgende Befunde. Die Extremitätenanlage ist von einem zweischichtigen, aus eng aneinanderliegenden Zellen bestehenden Epithel überzogen; die basale Zellage ist kubisch oder zylindrisch; die oberflächliche, das Periderm, besteht aus platten Zellen. Beim Embryo von 45 mm findet man bereits Haaranlagen. Das Mesenchym, welches unter dem Epithel ein lockeres Aussehen hat, besteht aus gewöhnlichen spindeligen und sternförmigen Zellen. Beim Embryo von 45 mm enthält es eine geringe Anzahl von Wanderzellen. In den zentralen Partien bildet das Mesenchym ein kompaktes prochondrales Ge- webe, dessen Ansammlungen die äußere Form der künftigen Ex- tremitätenknochen bereits erkennen lassen. Aus diesem Vorknorpel sieht man hie und da auch schon echten Knorpel hervorgehen. Bei den jüngeren Embryonen ist der letztere noch ziemlich spärlich, bei dem älteren findet man ihn bereits in allen Knochenanlagen der Extremität. Die Knorpelzellen liegen eng aneinander und zwischen ihnen befinden sich dünne Schichten von Zwischensubstanz, die sich mit Azur violettrot färben. Die aus einer einzigen Endothel- schicht bestehenden Gefässe erscheinen mit kernhaltigen Erythro- zyten und spärlichen Lymphozyten des zirkulierenden Blutes erfüllt. Die mehrkernigen einander parallel gelagerten Myoblasten bilden die Anlage der Muskulatur und sind beim älteren Embryo bereits sehr zahlreich. In allen genannten Geweben sieht man zahlreiche Mitosen. B. Die Toposraphie der Extremitaten ku lan: Die explantierten Stückchen der Extremitätenanlagen haben eine verschiedene, mehr oder weniger unregelmäßige Form und be- Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 463 stehen in den meisten, typischen Fällen aus Epithel, Mesenchym und Knorpel; Myoblasten wurden nur in wenigen Kulturen gefunden. In selteneren Fällen enthielt das Explantat kein Epithel und keinen Knorpel. Schon am ersten oder zweiten Tage erscheint der der Oberfläche des Explantats, besonders dem Epithel anliegende Fibrin- bezirk verflüssigt und imponiert als eine mit eiweißhaltiger Flüssig- keit gefüllte Höhle von größeren oder kleineren Dimensionen. Dort, wo die Mesenchymzellen des Explantats an der Ober- fläche ohne Epithelbekleidung nackt liegen, platten sie sich ab und ziehen sich der Oberfläche parallel aus, sich eng aneinander- schmiegend. Es entsteht auf diese Weise eine Art Kapsel, die das Gewebe vom äußeren Milieu abgrenzt. Der auf diese Weise erreichte Gleichgewichtszustand erweist sich aber nur an denjenigen Stellen stabil, wo sich zwischen dem abgekapselten Mesenchym und dem Fibrinnetz Flüssigkeit befindet. Wenn jedoch das Fibrin dem Mesenchym unmittelbar anliegt, so beginnen die Bindegewebs- zellen bald in das erstere in radiärer Richtung einzeln oder in Zügen einzudringen und bringen auf diese Weise auch hier das oben er- wähnte typische ‚grasartige‘‘ Wachstum zustande. Einen etwas anderen Charakter hat das Wachstum des Bindegewebes an den Wänden der verflüssigten Räume hier platten sich die Mesen- chymzellen stark ab und schieben sich in zusammenhängenden Schichten vor. In alten, 4- oder mehrtägigen Kulturen können zwei solche an der Wand des Hohlraumes vorrückende Schichten einander begegnen und verbinden sich dann zu einer kontinuier- lichen wandständigen Schicht. Die dem Hohlraum zugekehrte Oberfläche der letzteren ist entweder glatt, oder es entstehen hier einzelne abgerundete Zellen, während die dem Fibrin anliegende äußere Oberfläche das gewöhnliche grasartige Wachstum zeigen kann. Außerdem kann die den verflüssigten Raum auskleidende Bindegewebsschicht von innen auf einer gewissen Strecke auch vom Epithel bedeckt sein, das stark abgeplattet ist und sich eben- falls vorschiebt; das Epithel kann hier übrigens auch unmittelbar auf der Fibrinoberfläche eine zusammenhängende Schicht bilden, ohne darunterliegendes Bindegewebe. Im Hohlraum selbst flot- tieren meist in größerer oder geringerer Anzahl sowohl epitheliale, als auch bindegewebige abgerundete freie Zellen. Wenn die Verflüssigung des Fibrins besonders rasch eintritt, haben einige explantierte Mutterstückchen augenscheinlich nicht 464 Nikolaus Chlopin: genügend Zeit, sich am Fibrin anzuheften; sie bleiben dann voll- ständig isoliert und schwimmen frei in der Flüssigkeit. Sie nehmen dabei stets eine ganz regelmäßige kugelige Form an und erscheinen an ihrer Oberfläche teilweise von Epithel, wenn das letztere vor- handen ist, teilweise oder ganz von konzentrisch ausgezogenen und abgeplatteten Mesenchymzellen umhüllt. Solche abgerundete Explantate machen den Eindruck von kleinen selbständigen Orga- nismen, die sich vom umgebenden Medium isoliert haben und ein eigentümliches eigenes Leben führen. Am deutlichsten tritt diese Tendenz zur Abrundung und Abgrenzung von der Außenwelt als neues organisiertes Ganzes in den Extremitätenkulturen von den jüngeren Embryonen hervor. In den dem 45 mm langen Embryo entstam- menden Kulturen dominieren, im Gegenteil, in den meisten Fällen gewissermaßen die anarchischen Tendenzen des Mesenchyms, näm- lich das extensive Wachstum mit diffusem Einwuchern ins Fibrin. Wenn das Explantat nur wenig Epithel enthält, so breitet sich das letztere nicht über die Oberfläche des Stückchens aus, sondern es biegt sich, im Gegenteil, mit der gewesenen äußeren Oberfläche nach innen ein, seine Ränder schließen sich zusammen und es erscheint dann allseits von Bindegewebe umhüllt. Solche in wucherndes Bindegewebe eingesprengte Epithelinseln bleiben stets vom ersteren scharf abgegrenzt und haben eine gewisse äußere Aehnlichkeit mit den Perlen in karzinomatösen Neubildungen. Auch in den Extremitätenkulturen verfallen natürlicherweise größere oder geringere Teile des Explantats, die sich in ungünstigen Existenzbedingungen befinden, der Degeneration. C;, Die Verwandlungen der einzelnen Gewebe a) Das Epithel. Die Veränderungen des ektodermalen Epithels in vitro sind, wie wir es oben auch beim Darmepithel gesehen haben, je nach den topographischen Bedingungen in der gegebenen Kultur verschieden: die zentralen Partien der Epithelschichten unterscheiden sich mitunter ziemlich bedeutend von den Randpartien, wo als Regel aktives Vorwärtsgleiten auf dem darunterliegenden Gewebe statt- findet. Der größte, zentrale Teil des Epithels behält seine frühere Lage auf der Oberfläche des Mesenchyms und verdickt sich ge- wöhnlich mit der Zeit in ziemlich bedeutendem Grade, indem die Zahl seiner Zellschichten im Laufe von einigen Tagen bis zu 4 oder Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 465 5 steigt. Zwischen den Zellen der tieferen Lage erscheinen dabei sehr deutliche Zellbrücken. Die äußere Form der Zellen der basalen und intermediären Schicht bleibt ohne bedeutsame Veränderungen und bietet Keine Besonderheiten. Die Peridermzellen erleiden hingegen deutlichere Modifikationen. Dies bezieht sich vor allem auf die Kulturen jüngerer Embryonen. Die Zellen färben sich schwächer, an der freien Ober- fläche ihres Protoplasmas entsteht eine Art fester Membran. Durch große Vakuolen wird zugleich der Zellleib aufgebläht und verwandelt sich allmählich in eine riesige Blase, die die gewöhnlichen Ausmaße der Zelle um das Vielfache übertrifft. Dies braucht durchaus nicht immer mit irgendwelchen degenerativen Veränderungen im Kerne einherzugehen und scheint überhaupt nicht einen so ausgesprochen nekrobiotischen Charakter zu haben, wie die oben beschriebene Vakuolisierung der Darmepithelzellen. Es wird wohl eher ein physiologischer Prozeß sein, welcher sehr an die Quellung der Peri- dermzellen bei normalen Embryonen in späteren Stadien erinnert; bloß geht er hier bedeutend weiter. Besonders deutlich treten diese Veränderungen in 9tägigen einmal transplantierten Kulturen hervor (Fig. 8). Die Chondriosomen in den Epithelzellen haben das gewöhnliche Aussehen von ziemlich kurzen Chondriokonten. Fett findet man in ihnen nur in geringen Quantitäten und nur in einigen wenigen Kulturen. An der Peripherie der Epithelschicht, wo ihr aktives Vorwärts- gleiten auf der Oberfläche des Mesenchyms oder Fibrins stattfindet, kann sich das Epithel, im Gegenteil, abplatten und einschichtig werden. Die Abplattung tritt hier auch dann ein, wenn das Epithel mehrschichtig bleibt. Da die vorwärtsgleitenden Epithelzellen dabei nur ganz unbedeutende Vakuolen enthalten, müssen wir sie nicht für Peridermzellen, sondern für Elemente der tieferen Schich- ten erklären. Was die Abgrenzung des Epithels vom Mesenchym betrifft, so ist hier dasselbe zu wiederholen, was ich bereits bei Beschreibung der Darmkulturen gesagt habe: es ist keine rück- läufige Differenzierung des Epithels zu konstatieren, ebensowenig wie Verwandlung in ein vom Mesenchym nicht zu trennendes in- differentes Gewebe. .-t} Ganz besondere Eigenschaften besitzen die Epithelschichten, die sich außerhalb des Mutterstückchens unmittelbar auf der Fibrin- 466 Nikolaus Chlopin: oberfläche, ohne dazwischenliegendes Bindegewebe ausbreiten. Solche Epithelschichten (sheets of epithelium der amerikanischen Autoren) bestehen aus platten, mit den Rändern eng aneinander- gefügten, oft etwas vakuolisierten Zellen. Sie können mit stumpfen oder spitzen Fortsätzen in das angrenzende Fibrin eindringen, im Gegensatz zu den aus Bindegewebszellen bestehenden Schichten isolieren sich aber hier niemals einzelne Zellen von der Verbindung mit den übrigen, die Zellschicht bleibt kontinuierlich, löst sich nicht auf und es findet kein ‚„‚grasartiges‘“ Wachstum statt. Mitosen sind hier sehr oft zu finden. Die Epithelzellen in diesen Schichten haben auch meistens deutliche zytologische Besonderheiten — während sich in Bindegewebszellen, wie oben beschrieben, meistens zahlreiche Granula anhäufen, ist das Protoplasma der Epithel- zellen fast vollkommen granulafrei, dafür enthält es aber oft Va- kuolen. Vitale Farbenspeicherung ist an diesen Elementen, wie ja auch zu erwarten war, nicht zu konstatieren (Fig. 10). In den oben erwähnten ‚Epithelperlen‘ unterscheiden sich die im Inneren befindlichen Peridermzellen von den peripheren Zellen der Basalschicht durch ihre hellere Färbung und leichte Blähung; letztere ist hier allerdings weniger ausgesprochen, als in den Peridermzellen, die auf der freien Oberfläche bleiben und an das äußere Milieu grenzen. Dieser Unterschied zwischen den zentralen und peripheren Zellen der Epithelinseln erhöht noch mehr die Aehnlichkeit der letzteren mit den Epithelperlen der Karzinome. Dort, wo die eine Seite der Epithelinsel vom Mesen- chym nicht umhüllt ist, verfallen die Epithelzellen einer sehr starken Vakuolisierung und Blähung und bilden auf der Oberfläche des Explantats eine Art Rosette, die mit dem zentralen Teil der Perle durch einen aus Epithelzellen bestehenden Stiel verbunden ist. Mitosen kommen im Epithel der Kulturen aller Stadien reich- lich vor. b) Das Mesenchym. Die allgemeinen Eigenschaften des vom Extremitätenmesen- chym in vitro gebildeten Gewebes entsprechen im großen und ganzen den oben für das Darmmesenchym beschriebenen. Hier, ebenso wie dort, wird neben Mesenchymbezirken, die ihren embryo- nalen Charakter bewahren, an anderen Stellen Entstehung ver- schiedener neuer Zelltypen durch progressive Differenzierung be- obachtet. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 467 Es entstehen also erstens die bereits oben beschriebenen, mit Ausläufern versehenen fibroblastenähnlichen Zellen, andererseits runde Zellen. Unter den letzteren kommen in den Kulturen der Extremitäten die oben für die Darmkulturen beschriebenen Rund- zellen mit schaumigem Protoplasma und stachelförmigen Fortsätzen nicht vor. Dafür entstehen hier aber amöboide Wanderzellen in recht großer Menge und ihre Anzahl wächst noch bedeutend mit dem Alter der Kultur. Nach den morphologischen Eigenschaften kann man auch unter ihnen wieder mehrere Typen unterscheiden. Die gewöhnlichste Unterart, die in allen Kulturen zu finden ist, wird von Elementen gebildet, die wahrscheinlich den primitiven histiogenen Wanderzellen des Mesenchyms bei normaler embryo- naler Entwicklung entsprechen (Maximow). Sie besitzen baso- philes Protoplasma und ihre Form ist entweder vollständig kugelig oder ihre Oberfläche erscheint von zahlreichen pseudopodienartigen Auswüchsen besetzt, deren Form bedeutend variieren kann (Fig. 9). Diese Elemente kommen sowohl in dem mesenchymatischen oder fibroblastischen in vitro neugebildeten Gewebsnetz vor, als auch in dem das Explantat umgebenden Fibringerinnsel und außerdem kommen sie auch frei in Flüssigkeit flottierend vor. Aehnliche Zellen sammeln sich auch an den zufällig ins Explantat hineinge- kommenen Fremdkörpern an und funktionieren dabei als phago- zytierende Polyblasten. Sie können dabei unter Wahrung ihres Amöboismus zu Riesenzellen verschmelzen. Durch weitere Diffe- renzierung können sie ferner auch makrophagenähnliche Formen erzeugen — große Wanderzellen mit schon deutlich oxyphilem Proto- plasma und mit zahlreichen verschlungenen, in Vakuolen einge- schlossenen, größeren oder kleineren Detritusteilchen oder tafel- förmigen Kristallen. Die kristallhaltigen Zellen können besonders große Dimensionen erreichen. Einen anderen Charakter haben Rundzellen, deren Protoplasma aufs dichteste mit nach ZFEAz rosaroten, nach ZFEh schwarzen groben Körnern erfüllt erscheint. Sie entstehen ebenfalls aus Mesen- chymzellen, aber, wie es scheint, aus solchen, die in vitro bereits begonnen haben, sich in der Richtung der Fibroblasten zu differen- zieren und bereits ein reichliches, mit Körnchen erfülltes Proto- plasma besitzen. Sie scheinen besonders leicht unter dem Einfluß von ungünstigen Existenzbedingungen zu entstehen; sie sind dem- entsprechend besonders zahlreich in Kulturen, die lange Zeit ohne Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 31 468 Nikolaus Chlopin: Auffrischung des Nährbodens geblieben sind und befinden sich vor allem in den tieferen Teilen des Explantats. Ihre äußere Form ist unregelmäßig kKugelig, kann aber infolge gegenseitigen Druckes polygonal werden. Die groben, den Zellleib durch und durch aus- füllenden Granula können infolge sehr dichter Lagerung ebenfalls aus runden zu eckigen werden. Der Kern erscheint in solchen Zellen mechanisch stark deformiert, er wird zur Peripherie des Zellleibes abgedrängt, verfällt der Schrumpfung und verkleinert sich bedeutend, Doch können auch in solchen, bereits auf dem Wege der Nekrobiose stehenden Elementen mitunter Mitosen vorkommen. Sobald im Kerne deutliche degenerative Veränderungen auftreten, fängt ein Teil der Granula im Protoplasma an, einen bläulichen Farbenton durch das Methylenazur anzunehmen. Wenn schließlich vollständige Degene- ration eintritt, kann der Kern nicht mehr unterschieden werden und die Zelle zerfällt zu einem Häufchen blauer und rosafarbener Körn- chen. Es ist klar, daß es in diesem Falle kaum möglich ist, genau den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem die progressive Evolution und Differenzierung durch degenerative Veränderungen ersetzt wird. Bis zum Auftreten der ausgesprochenen degenerativen Merkmale er- innern die beschriebenen Elemente sehr an die Zellformen, die in Kulturen des gewöhnlichen lockeren Bindegewebes erwachsener Säugetiere aus den sog. „ruhenden Wanderzellen‘ entstehen (Maxi- mow). Was die Beobachtungen anderer Autoren betrifft, so schei- nen mir die beschriebenen Zellen den ‚„Rundzellen‘“ zu entsprechen, die neuerdings Busse (3) in Bindegewebskulturen beobachtet hat. Besonders deutlich tritt die Differenzierung der Mesenchym- zellen zu Fibroblasten und zu makrophagenähnlichen Elementen in den Kulturen hervor, die mit trypanblaugefärbtem Plasma be- reitet werden. Es hat sich herausgestellt, daß die betreffenden Rundzellen oder Makrophagen schon bei einem sehr jungen Embryo (18 mm) unter den angegebenen Bedingungen eine sehr ausgespro- chene Vitalfärbung zeigen. Bereits am zweiten Tage des Lebens in vitro erscheinen sie mit dunkelblauen Trypankörnern erfüllt (Fig. 11). In den Zellen vom Fibroblastentypus begegnet man solchen Granulis nur selten und in spärlicher Anzahl. c) Blutgefäße und Blut. Die Blutgefäße verwandeln sich gewöhnlich in unregelmäßige, durch Flüssigkeit ausgedehnte Hohlräume, wobei das Endothel Ueber „in vitro‘ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 469 während langer Zeit vom umgebenden Gewebe scharf geschieden bleibt. Was die geformten Elemente des Blutes betrifft, so bleiben sie in den den jüngeren Embryonen entstammenden Kulturen während ziemlich langer Zeit unverändert; noch am vierten Tage des Lebens in vitro konnte man in den kernhaltigen Erythrozyten Mitosen beobachten. d) Knorpel und Vorknorpel. Der Knorpel der beiden jüngeren Kaninchenembryonen (von 13 und 18 mm Länge) verändert sich in vitro in anderer Weise, als der Knorpel des Embryo von 45 mm Länge; es ist für die beiden Prozesse eine gesonderte Beschreibung zu geben und ich werde mit dem ersten beginnen, Es stellt sich heraus, daß der Knorpel der jungen Embryonen eine bedeutende Lebensfähigkeit in vitro offenbart. In Kulturen von sehr verschiedener Dauer kann man außer Bezirken mit totem, sich nicht mehr färbendem Knorpel auch solche Stellen finden, wo der letztere lebendig erscheint und sogar unzweifelhafte pro- gressive, wenn auch atypische Evolution zeigt. Das bezeugen Mitosen, die man sowohl im Knorpelgewebe selbst als auch im umgebenden Vorknorpelgewebe findet, und ferner eigentümliche Veränderungen der Zwischensubstanz und der Zellen selbst. Die Zwischensubstanz verfällt schon in den ersten Tagen des Lebens in vitro einer deutlichen Verflüssigung und erlangt dabei schleimartigen Charakter. Fixierungsflüssigkeiten erzeugen in ihr dementsprechend ein netzartiges Gerinnsel, welches aus feinen ver- flochtenen Fäden besteht. Zugleich erscheint auch das Verhalten den Farben gegenüber verändert — an ZFEAz-Präparaten erhält die Zwischensubstanz einen sich dem rotvioletten immer mehr nähernden Ton und färbt sich im allgemeinen heller. In einigen Fällen ist die Veränderung so stark, daß sich die Zwischensubstanz mit Azur gar nicht mehr färbt, sondern nur das Eosin zurückhält und eine ganz leichte rosenrote Färbung zeigt. Dabei bleibt der größte Teil der Zellen lebendig und sie fahren fort, zu wuchern. In vielen Fällen der beschriebenen Veränderung der Knorpel- grundsubstanz erweisen sich die die Zellen enthaltenden Hohlräume, die Kapseln, relativ bedeutend vergrößert; die Zellkörper erscheinen dabei mit den Wänden derselben nur durch einzelne dünne Aus- läufer verbunden. Solche Bilder lassen an die Möglichkeit der 312 470 Nikolaus Chlopin: Teilnahme der Knorpelzellen selbst an der Resorption der von ihnen früher ausgearbeiteten Zwischensubstanz glauben. Mit den beschriebenen Veränderungen in der Zwischensubstanz gehen auch Veränderungen in den Zellen einher. Vor allem treten infolge der Verflüssigung und Aufhellung der ersteren die Zellen- anastomosen deutlich hervor. Die äußere Form der Zellen entspricht auch immer weniger und weniger der Form der Kapselhöhlen, die ja, wie gesagt, an Umfang gewinnen. Stellenweise können die Scheidewände zwischen benachbarten Kapseln auch ganz schwinden. Die Zellen ziehen sich in die Länge, nehmen eine spindelähnliche oder unregelmäßige Form mit vielen Ausläufern an, in der Regel bleibt aber die gegenseitige Verbindung durch Anastomosen er- halten. Im Protoplasma tauchen schon in den ersten Tagen des Lebens in vitro Fetttröpfchen auf, die an ZFEAz-Präparaten ein wabiges Aussehen desselben verursachen. Die Chondriosomen er- scheinen als kurze Chondriokonten. Der Kern erleidet keine aus- gesprochenen Veränderungen — er ist kugelig, oval oder etwas eingekerbt, besitzt eine deutliche Membran, ein Liningerüst mit Chromatinteilchen und 3—4 eckige Nukleolen. In einer Stägigen Kultur war die Metamorphose des Knorpels noch weiter gediehen. Derselbe befand sich hier an der Oberfläche des explantierten Stückchens und grenzte unmittelbar an einen verflüssigten Hohlraum im Fibrin. Hier erschien die Zwischen- substanz an Masse bedeutend reduziert und hochgradig verflüssigt. Die Knorpelzellen hatten schaumiges Protoplasma und besaßen in den tieferen Teilen des Knorpels unregelmäßige und ästige Formen, an der Oberfläche desselben erschienen sie aber wieder abgerundet und man konnte sie hier zum Teil vollständig frei werden und in der Flüssigkeit schwimmen sehen (Fig. 12). In vielen Fällen resultieren die eben beschriebenen Verände- rungen des Knorpelgewebes in vitro darin, daß es mit seinen zahl- reichen netzartig anastomosierenden sternförmigen Zellen, nach fast vollkommenem Schwund der ehemaligen Zwischensubstanz, von dem umgebenden Mesenchym kaum mehr unterschieden und abgegrenzt werden kann (Fig. 13). Was das dichte Vorknorpelgewebe betrifft, welches die wach- senden Knorpelinseln allseitig umhüllt und in dieselben ohne scharfe Grenze übergeht, so bleibt es in vitro vorerst ohne deutliche Ver- änderungen und kann sogar vielleicht eine Zeitlang das Appositions- Ueber ‚in vitro‘ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 471 wachstum fortsetzen ; wenigstens dauert in seinen Zellen die mitotische Wucherung fort. Später lockert es sich bedeutend auf, obwohl die Zellen im großen und ganzen ihre der Oberfläche des Knorpels parallele Orientierung beibehalten. Auch in vitro bleibt es jeden- falls vom Knorpel selbst niemals scharf abgegrenzt, sondern geht allmählich in denselben über. Es wäre aber falsch zu glauben, daß die beschriebenen Ver- änderungen des Knorpels in allen Kulturen in ein und demselben bestimmten Stadium beobachtet werden. Es ist schon oben ange- geben worden, daß die allgemeine Evolution der Explantate in vitro in Abhängigkeit von ganz unbestimmbaren Einflüssen, von Fall zu Fall, außerordentlich starken individuellen Schwankungen unterworfen erscheint. In besonders hohem Grade gilt dies nun gerade für den Knorpel, denn dieses Gewebe kann sich in verschie- denen Kulturen der gleichen Serie und des gleichen Alters in ganz verschiedenen Stadien der Veränderung befinden; das eine Mal metamorphisiert es äußerst rasch, das andere Mal bleibt es lange Zeit ohne nennenswerte Veränderungen. Was den Knorpel in den Kulturen vom Embryo von 45 mm Länge betrifft, so erwies er sich hier verhältnismäßig viel weniger lebensfähig; seine Zellen degenerieren meistens ziemlich rasch; in der Zwischensubstanz bemerkt man aber nur die ersten Stadien der oben beschriebenen Veränderungen — Vergrößerung der Knorpel- kapseln und Erweichung. In den meisten Kulturen findet man hier in den Kapseln statt der Zellen nur mehr oder weniger ge- schrumpfte Schollen, die sich mit Eosin rosa färben. Vor der voll- ständigen Degeneration kann sich im Protoplasma der Knorpel- zellen auch Fett anhäufen. e) Die Myoblasten. Bezüglich des Schicksals der Myoblasten in vitro kann ich vorläufig keine bestimmten Aeußerungen machen, da ich diese Elemente mit Sicherheit bloß in 3 Kulturen konstatieren konnte, die dem Embryo von 18 mm Länge entstammten und 3 resp. 4 Tage alt waren. Das Wahrscheinlichste ist wohl, daß die Myoblasten bei den gegebenen Bedingungen in vitro einfach nicht existieren können und sehr rasch zugrunde gehen. In den beiden genannten Kulturen hatten sie das Aussehen abgegrenzter, vielkerniger, zylin- 472 Nikolaus Chlopin: drischer Fäden, die inmitten von lockerem Mesenchym unregel- mäßig zerstreut lagen. An ZFEh-Präparaten waren in ihnen Fibrillen wohl sichtbar, Querstreifung war aber nicht vorhanden. VI. Kulturen der Niere. A. AllgemeineBemerkung.en'undBreschr ei buae die rK oInt nolpr ap ara e | Zum Explantieren wurden benutzt die Nieren von einem Ka- ninchenembryo von 33 mm Länge und von einem 5 Tage alten neugeborenen Kaninchen; die Kulturen wurden bis zu 5 resp. 3 Tagen fortgeführt. An den Kontrollpräparaten der Niere vom 33 mm-Embryo findet man bereits ziemlich viele Glomerulus-Generationen; es ist möglich, Schritt für Schritt ihre Entstehung und weitere Ent- wicklung zu verfolgen. Die jüngsten Glomeruli haben das Aus- sehen von Epithelkugeln, später von Bläschen mit exzentrischem Lumen und erscheinen in den peripheren Teilen des Organs inmitten des nephrogenen Gewebes gelagert. Dieses letztere besteht seiner- seits aus spindeligen und mit Ausläufern versehenen Zellen, welche ziemlich dicht, aber ganz unregelmäßig angeordnet sind und ohne jede scharfe Grenze in das etwas tiefer gelegene lockere Mesenchym übergehen. Die zuerst kugelförmige Glomerulusanlage nimmt all- mählich durch Ausdehnung, Abplattung und Krümmung eine S-förmige Gestalt an und teilt sich in zwei Abschnitte. Aus dem ersten entsteht bekanntlich durch Einwachsen eines Gefäßknäuels die Bowmansche Kapsel und der Glomerulus selbst; der zweite verbindet sich mit dem aus dem primitiven Ureter hervorgehenden Sammelröhrchen, wächst stark in die Länge, legt sich in Windungen und liefert die verschiedenen Abschnitte der gewundenen Kanälchen. Unter diesen letzteren unterscheidet man mit Leichtigkeit den auf- steigenden Schenkel der Störk schen oder, später, den absteigen- den Schenkel der Henleschen Schleife, die sich durch ihr unbe- deutendes Kaliber auszeichnen. Inzwischen nimmt das zuerst schalenförmige Malpighische Körperchen seine endgültige kuge- lige Form an. Was die Sammelröhrchen anbelangt, so sieht man sie allmählich zu Kanälen von größerem Durchmesser zusammen- fließen und schließlich in das Nierenbecken einmünden. Die Epithelzellen der verschiedenen Harnkanälchenabschnitte bieten wesentliche Unterschiede in ihren zytologischen Besonder- Ueber ‚in vitro‘ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 473 heiten. Das bekanntlich aus dem Wolffschen Gange hervor- gehende Epithel des Beckens und der Sammelröhrchen zeichnet sich durch seine sehr bedeutende Höhe aus. Seine Zellen haben Säulenform und besitzen einen ganz durchsichtigen Leib, welcher gleichsam aus einer einzigen großen Vakuole mit einer dünnen Protoplasmahaut an der Peripherie besteht, und einen runden oder elliptischen, nahe am freien Zellpol gelegenen Kern. Mit der Verminderung des Kalibers der Kanälchen werden die Zellen immer niedriger und an Protoplasma reicher und nähern sich in der Form den kubischen Zellen der gewundenen Kanälchen. Diese letzteren Zellen zeichnen sich außer der kubischen Form noch durch ihren abgerundeten kuppelförmigen, ins Kanälchenlumen hineinragenden Pol, durch das an EAz-Präparaten intensiv rötlich- violett gefärbte Protoplasma und durch den regelmäßigen, kuge- ligen, am basalen Zellpol gelegenen Kern aus. An der Grenze zwi- schen den geraden und gewundenen Kanälchen erscheint der Ueber- gang des einen Epitheltypus in den anderen keineswegs abrupt, sondern der eine wird allmählich durch den andern mittels in- differenter Elemente von Zwischencharakter ersetzt. Ein ganz anderes Aussehen hat endlich das noch indifferente Epithel der jungen Anlagen der gewundenen Harnkanälchen, die sich im kugelförmigen, S-förmigen oder etwas späteren Stadium befinden. Seine Zellen schließen sich nach ihrem Charakter noch unmittelbar an die Elemente des metanephrogenen Gewebes an und unterscheiden sich von den letzteren hauptsächlich nur durch ihre mehr regelmäßige ‚epitheloide‘“ Anordnung. Ihr Protoplasma ist ebenso, wie in den metanephrogenen Zellen, etwas basophil und erscheint an ZFEAz-Präparaten dunkelblau gefärbt. Auch die Grenzen zwischen diesen epithelialen Anlagen und dem meta- nephrogenen Gewebe sind keineswegs überall deutlich zu nennen. Letzteres entspricht übrigens auch dem jetzt anerkannten Ent- stehungsmodus der gewundenen Harnkanälchen (Keibel und Mall 33). Was die Malpighischen Körperchen anbelangt, so ist in vielen von ihnen der später verschwindende Spalt zwischen vis- zeralem und parietalem Blatt der Bowmanschen Kapsel noch deutlich sichtbar; das letztere Blatt zeichnet sich noch während langer Zeit durch bedeutende Höhe seiner Zellen aus und wird erst später vollkommen platt. 474 Nikolaus Chlopin: Im Mesenchym verlaufen zahlreiche aus einfachem Endothel bestehende Gefäße. Eine deutliche Kapsel geht der Niere in diesem Entwicklungsstadium noch ab; das Organ erscheint einfach von Mesenchym umgeben. In allen Geweben konstatiert man überaus zahlreiche Mitosen. Ich habe mich bei der Schilderung der Kontrollpräparate der Niere absichtlich etwas länger aufgehalten, weil dies Organ mit seinem epithelialen Apparat besonders kompliziert gebaut erscheint und außerdem eine doppelte Genese hat und ferner, weil das meso- dermale Epithel ganz besondere Eigenschaften besitzt, die es dem Bindegewebe viel näherstehend erscheinen lassen, als dies für das ekto- oder entodermale Epithel der Fall ist. Die weiter unten be- schriebenen Verwandlungen der verschiedenen Epithelien der Niere in vitro werden diesen prinzipiellen Unterschied zwischen dem mesodermalen Epithel einer- und dem ekto- und entodermalen Epithel andererseits in ein besonders klares Licht setzen. B. Dig Topographie der Nierenkulturen. Da die Kulturen der embryonalen Niere einer- und die der neugeborenen Niere andererseits nicht unwesentliche Unterschiede bieten, will ich vorerst die Erscheinungen schildern, die sich in allen Kulturen der embryonalen Niere abspielen. Weiterhin werde ich die Besonderheiten der Nierenkulturen vom neugeborenen Kanin- chen notieren. Die explantierten Nierenstückchen haben am Anfang eine mehr oder weniger unregelmäßige Form und bestehen meistens aus allen das Organ zusammensetzenden und oben beschriebenen Elementen. Die Evolution des Explantats setzt sich, wie gewöhnlich, aus zwei Momenten zusammen: aus dem extensiven, in das umgebende Fibrin eindringenden Wachstum und aus den inneren Verwandlungen im Keimstück. Schon im Laufe der ersten 18 Stunden nach der Explantierung verdichten sich die Zellen des nephrogenen Gewebes und bilden eine verdichtete kapselartige Schicht, wie es vorher auch für die Kulturen des Darmes und der Extremitäten beschrieben worden ist. Das weitere Schicksal des Explantats hängt davon ab, wie rasch das angrenzende Medium verflüssigt wird. Wenn letzteres früher geschieht, als das Gewebe ins Fibrin einwuchern konnte, so nimmt das Gewebsstückchen eine ziemlich regelmäßige Ueber ‚‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 475 abgerundete Form an, indem es sich wahrscheinlich durch Auf- nahme und Adsorption von Wasser noch etwas aufbläht, und flottiert frei in der Flüssigkeit. In solchen Fällen treten Erscheinungen inneren regulatorischen Charakters auf den ersten Plan. Im ent- gegengesetzten Falle bleibt das Explantat mit dem unverflüssigten Fibrin entweder durch einzelne Stränge von Bindegewebszellen in Verbindung, welche in das Nährmedium einwuchern, oder es tritt auf einem größeren oder geringeren Teil seiner Oberfläche das gewöhnliche ‚„‚grasartige‘‘ Wachstum ein. Wenn nur ein Teil des ans Gewebe grenzenden Fibrins der Verflüssigung verfällt, so wird, wie immer, an der Wand der dadurch gebildeten Höhle das Vor- dringen zusammenhängender Zellschichten beobachtet. Ungeachtet dessen, daß die zelligen Elemente des nephrogenen Gewebes von den mesenchymatischen an und für sich nicht zu unterscheiden sind, spricht vieles dafür, daß das energische extensive Wachstum nur von seiten dieser letzteren stattfindet. Das nephro- gene Gewebe hingegen bildet an der Oberfläche des Mutterstück- chens eine Art Kapsel und gibt nachher nur sehr spärliche einzelne Zellen ab, die ins Fibrin eindringen; dabei ist übrigens die Möglich- keit nicht ausgeschlossen, daß auch diese letzteren nicht dem nephro- genen Gewebe selbst, sondern dem Mesenchym angehören, welches vom ersteren histologisch zwar nicht differenziert werden kann, jedoch mit anderen prospektiven Potenzen begabt ist, die bei Vor- handensein neuer äußerer Einflüsse entfaltet werden. Dort, wo kein extensives Wachstum vorhanden ist, schiebt sich das Epithel der durchtrennten Kanälchen (resp. der Nierenkelche und des Beckens) unter Abplattung seiner Zellen auf die Oberfläche des Keimstückes vor und kann allmählich den größten Teil des- selben bedecken (Fig. 14). Wenn es unterwegs einem ins Fibrin ein- gewucherten, die mit Flüssigkeit gefüllte Höhle frei durchziehen- den Strange von Bindegewebe begegnet, so verläßt die Epithelschicht die Oberfläche des Keimstückchens, biegt sich um und gleitet am Strange weiter. Solche Explantate weisen auf der einen, dem ver- flüssigten Bezirke des Nährbodens zugekehrten Seite eine ebene, von Epithel überzogene Oberfläche auf. Auf der anderen Seite liegt ihnen die Fibrinmasse mit den in dieselbe eingewucherten Zellen eng an. In den verflüssigten Teilen des Nährbodens schwimmen dabei, wie gewöhnlich, isolierte abgerundete Zellen umher, die sowohl mesenchymatischen, als auch epithelialen Ursprungs sein können. 476 Nikolaus Chlopin: Wenn in einen Plasmatropfen zwei Gewebsstückchen explan- tiert wurden, so entsteht zwischen den beiden manchmal eine binde- gewebige Brücke, die eine bedeutende Ausdehnung erreichen kann. Auch sie kann auf einer mehr oder weniger bedeutenden Ausdehnung mit Epithel bekleidet sein. Nach der enormen Zahl der vollkommen normalen Mitosen in allen Geweben zu urteilen, muß die Wachstumsenergie dieser Kulturen außerordentlich groß sein. Dies bezieht sich im Speziellen auch gerade auf das Nierenepithel. Obwohl dieses Gewebe mit einer unvergleichlich geringeren Fähigkeit zum echten extensiven Wachs- tum begabt erscheint, als das Mesenchym, und im Gegensatz zum letzteren in vielen Kulturen gar keine ins umgebende Medium gerichtete Auswüchse bildet, findet trotzdem in allen Fällen im Inneren der Explantate selbst zweifellos intensivste Epithelwucherung und atypisches Wachstum der Harnkanälchen während gewisser Zeit statt. Als Resultat des Wachstums und der Wucherung aller in der Kultur befindlichen zelligen Elemente gelingt es erstens fast immer, eine mehr oder weniger deutliche Volumsvergrößerung des explan- tierten Gewebsstückchens als Ganzes zu konstatieren. Andererseits geht an der Peripherie stets das übliche üppige Wachstum des Mesenchyms in Form von radiär ins Fibrin eindringenden spieß- förmigen Elementen einher, ein Wachstum, welches wir ‚exten- sives‘ oder in Analogie mit der für die Pathologie der Neubildungen gebrauchten Bezeichnung „‚infiltrierendes‘“ nennen könnten. Da in den Kulturen stets Kanälchen und Malpighische Körperchen aller möglichen Entwicklungsstadien gefunden werden können, angefangen mit den sich aus dem nephrogenen Gewebe eben erst absondernden, so erscheint die Vermutung sehr plausibel, daß die normalen histogenetischen Prozesse in vitro fortgesetzt werden und sich weiter abwickeln. Inwiefern diese weitere Ent- wicklung als typisch betrachtet werden kann und wie weit sie im- stande ist fortzuschreiten, darüber kann leider das Material, über welches ich momentan verfüge, keinen Aufschluß geben. Doch haben wir guten Grund, schon a priori vorauszusetzen, daß die Existenzbedingungen außerhalb des Organismus den Entwicklungs- gang des Explantats jedenfalls in andere Bahnen werden lenken müssen, die von denen beim normalen Geschehen im intakten Organismus bedeutend abweichen. Ueber ‚‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 471 Für die Kulturen der Niere des neugeborenen Kaninchens wurden Stückchen von der Rindensubstanz gebraucht. In diesen Kulturen fällt vor allem üppiges ungeordnetes Wachstum des Binde- gewebes und stellenweise Entstehung synzytialer ins Fibrin ein- dringender Membranen aus dem Kanälchenepithel auf. Die ein- zelnen Elemente des Explantats offenbaren hier eine nur beschränkte gegenseitige Abhängigkeit und es tritt im Explantat die Bestrebung nicht auf, sich von der Außenwelt zu isolieren und ein neues Ganzes zu bilden. Auf den ersten Plan tritt im Gegenteil in den meisten Fällen ungeordnetes ‚„anarchisches““ Wachstum. Der zentrale Teil des Explantats verfällt meistens in gewöhn- licher Weise der Degeneration; dabei wird das Bindegewebe von diesem Schicksal oft früher erreicht, als das Epithel und dement- sprechend trifft man mitunter noch halbwegs lebende Kanälchen inmitten von Detritusmassen. C: Die Verwandlungsprozesse in den einzelnen Geweben. a) Das Epithel. Die verschiedenen Epithelarten der embryonalen Niere be- wahren in vitro ihre zytologischen Besonderheiten. In den Kulturen können wir ebenso wie in den Kontrollpräparaten das aus dem Wolffschen Gang einer- und aus dem metanephrogenen Gewebe andererseits hervorgehende Epithel mit genügender Deutlichkeit unterscheiden. Am letzteren bemerkt man die verschiedenen Stadien seiner Differenzierung aus dem metanephrogenen Gewebe. Das Epithel der jüngsten, eines Lumens noch entbehrenden Kanälchen unterscheidet sich vom nephrogenen Gewebe nur durch die regelmäßigere Anordnung der Zellen; es erscheint aber für ge- wöhnlich vom genannten Gewebe doch schon durch eine deutliche Membrana propria abgegrenzt. Dort, wo die letztere noch fehlt, sieht man denselben allmählichen Uebergang zwischen nephrogenem Gewebe und Epithel, wie es oben für die normalen Kontrollpräparate beschrieben worden ist. Daß wir es in solchen Fällen mit dem um- gekehrten Prozeß, d. h. mit einer rückläufigen Differenzierung des Epithels der wachsenden Kanälchen und seiner Rückverwandlung wieder in indifferentes Gewebe zu tun hätten, wiees Champy (16) für die Gewbe in vitro überhaupt und speziell auch für die Niere annimmt, dafür scheinen mir keine genügenden Gründe vorzuliegen. 478 NıkKkoba us. Chopin: Die älteren, bereits ziemlich hoch differenzierten Kanälchen bewahren ihre morphologischen Besonderheiten im Explantat un- verändert, ungeachtet des fortdauernden Wachstums und der Wucherung ihrer Zellen. In ihrem Lumen sammeln sich oft Detritus- massen an, die zum Teil wohl aus degenerierenden und abfallenden Epithelzellen entstehen, zum Teil vielleicht auch vom Sekret der Epithelzellen gebildet werden. In den Malpighischen Körperchen verfällt der Gefäß- knäuel ziemlich oft der Degeneration und Schrumpfung; in solchen Fällen kann sich der Spaltraum zwischen dem parietalen und dem viszeralen Blatt der Bowman schen Kapsel bedeutend erweitern, während die Zellen des parietalen Blattes höher, mitunter fast kubisch werden (Fig. 14). Eine Verwandlung der Bowman schen Kapsel in ein von den anderen Harnkanälchenabschnitten nicht mehr unterscheidbares Röhrchen, wie dies von Champy (l. c.) beschrieben wird, habe ich nicht beobachten können. Die geraden Kanälchen zeichnen sich sowohl durch ihre Weite als auch durch den Charakter ihres Epithels aus; die Zellen des letzteren sind hoch und stark vakuolisiert (Fig. 14, Sr.). Die Wuche- rungsenergie dieses Epithels scheint außerdem viel geringer zu sein, als dies beim Epithel aus dem metanephrogenen Gewebe der Fall ist. Irgendwelche wichtige Veränderungen habe ich an diesen Elementen in vitro nicht beobachten können. Die beschriebenen Erscheinungen beziehen sich auf das Epithel der Kanälchen, die beim Explantieren in den tieferen Teilen des Keimstückchens geblieben sind. Ganz andere Erscheinungen treten am Epithel der Kanälchen hervor, die beim Herausschneiden des Keimstückchens durchtrennt wurden und folglich an der freien Oberfläche des Explantats klaffen. Hier werden röhrenförmige Auswüchse, die eine echte Regeneration der Kanälchen als solcher anzeigen würden, niemals beobachtet. Es tritt vielmehr wieder nur die Grundeigenschaft eines jeden Epithels hervor, welcher Provenienz es auch sein mag — die Fähig- keit, freie Gewebsoberflächen mittelst aktiver Bewegung zu über- decken. Das sich über die freie Oberfläche des Explantats vor- schiebende Epithel kann dabei seinen Charakter etwas modifizieren, was auch nicht wundernehmen kann, wenn man die vollständig neuen, anormalen Existenzbedingungen in Betracht zieht. Dennoch sind die Teile der Oberfläche, die vom Epithel verschiedenen Ur- Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 479 sprungs überzogen werden, meistens deutlich zu unterscheiden — man erkennt erstens das indifferente Epithel der jüngsten Kanälchen, zweitens das mehr kubische Epithel der älteren Abschnitte der gewundenen Kanälchen und drittens die vakuolisierten, hellen, säulenförmigen, am Rande der Epithelschicht aber abgeplatteten Zellen der Sammelröhren und der Kelche. Was die Formverände- rungen der Epithelzellen betrifft, die beim Vorwärtsgleiten der letzteren stets beobachtet werden, so wäre hier dasselbe zu wieder- holen, was bereits früher vom Epithel der anderen Organe gesagt worden ist. Eine genaue Beschreibung dürfte sich also erübrigen und ich beschränke mich bloß auf die Bemerkung, daß diese Ver- änderungen am schönsten an den säulenförmigen Epithelien des Wolffschen Ganges hervortreten. Von anderen Veränderungen im Epithel, welches auf die Ober- fläche des Explantats hervordringt, muß noch das Auftreten eines dicken Kutikularsaumes an der freien Oberfläche der Zellen erwähnt werden. Diese Struktur ist den oben beschriebenen ähnlichen Ge- bilden am Epithel des Darmes und der Extremitäten gleichzu- stellen. Auch Champ y (16, 18) notiert in seinen Arbeiten über die Kulturen der Niere und der Thyreoidea das Auftreten eines Kutikularsaumes, den er ‚ourlet cuticulaire‘‘ nennt. Zwischen den Epithelzellen treten recht häufig Interzellular- brücken auf; es ist dies besonders hier aus dem Grunde interessant, weil solche Strukturen sonst beim normalen Nierenepithel nicht konstatiert werden können. Eine plausible Erklärung dafür mag in dem Umstande gesucht werden, daß die Gewebe in vitro infolge Adsorption von Wasser stets etwas ödematös werden. In den oberflächlich gelegenen Epithelzellen sammelt sich Fett, wenn überhaupt, nur in geringer Menge, in Form einzelner kleiner Tröpfchen am basalen Zellpol an. Das Oberflächenepithel bleibt vom darunterliegenden Gewebe stets vollkommen scharf abgegrenzt. In den Nierenkulturen vom neugeborenen Kaninchen scheint das Epithel gewöhnlich nicht mehr imstande zu sein, die Oberfläche des Explantats zu überziehen, da hier das interstitielle Bindegewebe äußerst energisch wuchert und ins Fibrin eindringt. Dafür äußert sich hier die aktive Epithelbewegung in anderer Weise — die durch- trennten Kanälchen ziehen sich stark in die Länge und bilden syn- zytiale Epithelstränge oder Epithelmembranen, die zwischen den 480 Nikolaus Chlopin: bindegewebigen Elementen unregelmäßig zerstreut liegen; in man- chen Fällen können auch kleine zystenähnliche Hohlräume ent- stehen. Da es nun in der Literatur positive Angaben darüber gibt (Champ y 16), daß solche Epithelstränge sehr rasch, schon wenige Stunden nach der Explantation, ihre scharfe Abgrenzung vom Bindegewebe verlieren und an ihren Enden typisches ‚‚grasartiges‘ Wachstum geben, welches vom Wachstum des Bindegewebes gar nicht zu unterscheiden sei, habe ich auf diese Verhältnisse ein be- sonderes Augenmerk gerichtet. Die betreffenden Bilder sind aller- dings ziemlich mannigfaltiger und schwieriger Natur und sind durchaus nicht immer leicht zu deuten. Immerhin bleibt aber in der erdrückenden Mehrzahl der Fälle die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe vollkommen distinkt und oft ist sogar noch eine deutliche membrana propria vorhanden. Wenn das Harnkanälchen einer ins Fibrin zungenförmig einwachsenden Epithelschicht Ur- sprung gegeben hat, so erzeugt die letztere auch niemals solche dünne, spitze, spießförmige Ausläufer, wie sie für das ‚‚grasartige‘ Wachstum so typisch sind, sondern sie behält stets ganz gleich- mäßige, wellige oder leicht zackige Umrisse. Wie bereits erwähnt wurde, fehlen in solchen Epithelschichten deutliche Zellgrenzen; sie erscheinen vielmehr als zusammenhängende synzytiale Protoplasmamassen mit eingestreuten Kernen. An Serien- schnitten gelingt es meistens, die Verbindung eines solchen Syn- zytiums mit einem oder mit mehreren Kanälchen zu ermitteln. Der sich vorwärtsschiebende Rand des Synzytiums erscheint, wie gesagt, meistens zungenförmig zugespitzt und sehr verdünnt und durchsichtig. Diese Tatsache kann in Parallele gesetzt werden mit der Abplattung der epithelialen Elemente an den Stellen, wo das Epithel in der oben, z. B. für die Darmkulturen, beschriebenen Weise über die Oberfläche des Mesenchyms gleitet. In der größten Mehrzahl der Fälle ist, wie gesagt, die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe sehr deutlich. Wenn jedoch die Schnittfläche die Grenze schräg getroffen hat, kann sich das Bild bedeutend ändern und besonders trügerisch wird das letztere an den Stellen, wo der Epithelstrang oder die Epithelschicht am Rande keilförmig verdünnt und zugleich von reichlichen Bindegewebs- zellen umgeben erscheinen. Hier kann es allerdings den Anschein haben, als ob die Abgrenzung des Epithels vom Bindegewebe tat- sächlich verloren gegangen und das Epithel in einzelne in unge- Ueber „in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 481 ordneter Weise wuchernde Zellen zerfallen wäre. Eine genauere Untersuchung der betreffenden Stellen und ihre Vergleichung mit den anderen Teilen des Präparats, wo das Epithel von spärlicherem Bindegewebe begleitet erscheint, lehrt jedoch stets mit vollkommener Eindeutigkeit, daß die eventuell vorhandenen einzelnen wuchernden und vordringenden Zellen nicht dem Epithel, sondern dem über oder unter dem letzteren gelegenen Bindegewebe angehören. Die Epithelschicht kann hier zwar äußerst dünn und ganz durchsichtig sein, ihre Umrisse erscheinen aber stets doch als eine ganz deutliche und ununterbrochene, selbständige Linie. Die Fig. 15 und 16 stellen zwei solche synzytiale Epithelschichten dar. Die erste (Fig. 15) ist in einiger Entfernung von ihrem freien Rande schräg durchschnitten. Der freie Rand in der zweiten (Fig. 16) ist hingegen genau in die Schnittebene gefallen. Die im Fibrin am Rande der Epithelschicht zerstreuten Spindelzellen können keines- wegs als Produkte der Rückdifferenzierung des Epithels betrachtet werden. Sie gehören zweifellos dem die Epithelschicht begleitenden Bindegewebsstrange an, welcher unterhalb des Epithels liegt und an demselben Schnitte bei entsprechender Drehung der Mikrometer- schraube klar hervortritt. Die unterhalb des Epithels gelegenen Fibroblasten sind auf der Fig. 16 unter Fbl. in einem etwas dunkleren Ton gehalten. Auf diese Weise bestätigt das genaue Studium solcher Stellen von neuem, daß die Lehre von der Spezifität des Epithels zu Recht besteht und daß sogar das Epithel mesodermalen Ursprungs seine scharfe Abgrenzung vom Bindegewebe in vitro stets beibehält. Die oben beschriebenen Stellen könnten natürlich bei ungenügender Technik sehr wohl als Beweise für Uebergang des Epithels mitsamt dem Bindegewebe in eine gemeinsame indifferente mesenchym- ähnliche Zellmasse gelten. Im Epithel der Nierenkulturen vom neugeborenen Kaninchen habe ich Mitosen fast gar nicht beobachtet — dadurch unterscheidet sich das Nierenepithel beim Neugeborenen von demselben Gewebe des Embryo, welches ja, wie wir gesehen haben, in allen Stadien des Lebens in vitro sehr energisch wuchert. Es wäre noch hinzuzufügen, daß an mit Eh gefärbten Prä- paraten im Protoplasma der synzytialen Epithelschichten stellen- weise dünne gerade Tonofibrillen hervortreten. 482 Nikolaus Chlopin: b) Metanephrogenes Gewebe. Das nephrogene Gewebe findet sich im embryonalen Nieren- explantat meistens in bedeutender Menge und erscheint dabei mitsamt den in ihm eingeschlossenen Kanälchenanlagen meistens an der äußeren Oberfläche des Keimstückchens gelagert. In den einen Fällen wird es mit der Zeit von dem sich vorschiebenden Epithel überzogen. In anderen bleibt an ihm zufällig eine größere oder geringere Menge von lockerem Mesenchym aus der Umgebung der Niere haften. Obwohl es nun weder im Organismus, unter normalen Bedingungen, noch im Explantat möglich ist, dieses Mesen- chym vom nephrogenen Gewebe histologisch deutlich abzugrenzen, bleiben diese beiden Gewebe in vitro doch immer vollkommen selbständig und voneinander unabhängig. Das nephrogene Gewebe zeichnet sich stets durch die sehr kompakte und dichte Lagerung seiner Elemente aus. Die letzteren platten sich an der Peripherie ab und bilden konzentrische Schichten, wobei sich in ihnen Fetttröpfchen in ziem- lich bedeutender Menge ansammeln können. Das extensive Wachstum an der freien Oberfläche des nephro- genen Gewebes ist immer sehr schwach ; man sieht immer nur einzelne spärliche Zellen sich isolieren und in das unverflüssigte Fibrin ein- dringen; ihrem Aussehen nach können sie dabei von gewöhnlichen Mesenchymzellen meistens gar nicht unterschieden werden. Die beschriebenen Tatsachen — einerseits Neubildung epi- thelialer Harnkanälchen, andererseits das Fehlen einer scharfen Abgrenzung von Mesenchym, sprechen entschieden dafür, daß das metanephrogene Gewebe die Fähigkeit besitzt, sich auch in vitro, wie im normalen Embryo, in den genannten zwei Richtungen weiter zu differenzieren. Es stellt das direkteste, am wenigsten differen- zierte Derivat des embryonalen Mesoderms im Vergleich mit den anderen, viel höher differenzierten Geweben desselben Ursprunges vor. Dementsprechend müssen in ihm auch sehr reichliche und mannigfaltige prospektive Potenzen angenommen werden. Ob diese letzteren bereits auf bestimmte besondere Zellgruppen verteilt sind, die bloß voneinander mittels unserer Methoden histologisch nicht genügend unterschieden werden können, oder ob das ganze Zellmaterial des metanephrogenen Gewebes noch als ein vollkommen äquipotentielles System aufgefaßt werden muß, bleibt vorläufig noch unentschieden. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 483 Jedenfalls stimmt die niedrige Differenzierungsstufe des metanephrogenen Gewebes sehr gut mit der hervorragenden Lebens- fähigkeit und der energischen Wucherung desselben in vitro überein. c) Mesenchym, Was das interstitielle Mesenchym oder Bindegewebe der embryo- nalen Niere betrifft, so bietet seine Evolution in den Nierenkulturen keine Besonderheiten im Vergleich mit den oben beschriebenen Befunden in den Kulturen der anderen Organe. Es zeigt einerseits intensive mitotische Wucherung, andererseits — die übliche Dif- ferenzierung zu spindeligen oder sternförmigen Fibroblasten und verschiedenartigen runden amöboiden Elementen. Bei Reizung durch Fremdkörper entstehen, wie gewöhnlich, Polyblasten. In einigen Zellen begegnet man großen Kristallen in Form von rhom- bischen Täfelchen, die auch schon vorher beschrieben wurden. In den Nierenkulturen vom neugeborenen Kaninchen beobachtet man ein sehr üppiges extensives Wachstum der mitotisch wuchern- den Bindegewebszellen; hier dringen ins Fibrin neben typischen Fibroblasten besonders zahlreiche amöboide Elemente ein, die jedenfalls aus den mobilisierten ruhenden Wanderzellen entstanden zu denken sind. d) Endothel der Blutkapillaren. Während der ersten 5 Tage des Lebens in vitro zeigen die Blut- kapillaren im interstitiellen Gewebe der Niere keine deutlichen Veränderungen. Ihr Endothel bleibt vom umgebenden Gewebe stets scharf geschieden. VII. Zusammenfassung und Schluß. Bei Durchsicht der Literatur über Gewebskulturen und der beschriebenen Resultate meiner eigenen Experimente fallen vor allem die überaus starken individuellen Schwankungen des Ent- wicklungsprozesses der Gewebe in vitro trotz anscheinend ganz gleichartiger äußerer Bedingungen auf. In einem Teil der Fälle erscheint es wohl möglich, die Verschiedenheiten in der Entwick- lung der einem bestimmten Organ entstammenden Kulturen durch zufällige qualitative oder quantitative Schwankungen der morpho- logischen Zusammensetzung des Explantats zu erklären, je nach zufälliger Anwesenheit oder Fehlen irgendeines Gewebsbestandteils, je nach der verschieden geratenen topographischen Verteilung oder Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 32 484 Nikolaus Chlopin: der relativen Masse der einzelnen Gewebe. Doch erscheint eine solche Erklärung durchaus nicht in allen Fällen möglich. Sehr oft können einander anscheinend ganz ähnliche Keimstückchen in vitro nicht nur in verschiedenem Tempo, sondern auch in ganz verschie- denen Richtungen evolutionieren. Hier sind die Ursachen offenbar nicht in den Keimstückchen selbst, sondern in den verschiedenen äußeren Einwirkungen zu suchen, denen das Explantat bei der An- fertigung der Kultur ausgesetzt worden war. Es ist ohne weiteres klar, daß die Prozedur des Explantierens und die damit verbundenen Manipulationen stets mit zahllosen, manchmal gar nicht berechenbaren und bestimmbaren Zufällig- keiten verbunden sind, die, wie gering sie auch sein mögen, jede für sich auf das lebende Gewebe einen bleibenden Einfluß ausüben müssen. Hierher gehören: der verschiedene Grad der zugefügten mechanischen Schädigung, des Traumas beim Zerstückeln, die stärkere oder schwächere Abkühlung oder Erwärmung, die mehr oder weniger bedeutende Veränderung der osmotischen Bedingungen infolge Verdunstung usw. Außerdem können ja auch die geringsten Schwankungen in der Zusammensetzung des Nährmediums nicht ohne Einfluß bleiben. Bloß wenn wir alle diese Möglichkeiten in Betracht ziehen, sind wir in der Lage, es zu verstehen, warum z. B. das Bindegewebe das einemal das Fibrin verflüssigt und fast gar kein extensives Wachstum zeigt, das anderemal umgekehrt das Substrat unverflüssigt läßt und ein üppiges Wachstum entfaltet, warum der Knorpel in den einen Fällen in vitro sehr rasche, in den anderen fast gar keine oder nur äußerst langsame Veränderungen erleidet oder warum das Epithel die freien Oberflächen mit von Fall zu Fall so ungleichmäßiger Schnelligkeit überzieht usw. Aus diesem Grunde sind heutzutage Schlußfolgerungen allge- meinen Charakters über die Entwicklungsweise der Gewebskulturen nur mit großer Vorsicht zu konstruieren. Die Experimente geben uns keine Antwort auf die Frage, was in vitro geschehen muß, sondern sie zeigen uns bloß an, was dabei aus dem einen oder dem anderen Gewebe oder aus einer bestimmten Zellart werden kann. Die oben beschriebenen Resultate meiner Untersuchungen führen uns vor allem mit großer Deutlichkeit die außerordentliche Plastizität der embryonalen Gewebe vor Augen, ihren reichen Be- stand an prospektiven Potenzen und ihre ganz ungewöhnliche Empfindlichkeit äußeren Einflüssen gegenüber. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere, 485 Ferner fällt es bei genauer Beurteilung derjenigen Geschehnisse in den Explantaten, die oben als regulatorische Prozesse qualifiziert wurden, z. B. Ueberdeckung der freien Oberflächen durch das Epithel, Bildung bindegewebiger Kapseln usw., auf, daß die Er- scheinungen in den Gewebskulturen eigentlich, im Prinzip, mit den Erscheinungen bei der Regeneration recht viel Gemeinsames haben. In der Tat, der Unterschied ist hier bloß quantitativ: in dem einen Fall wird ein kleiner Teil dem ganzen Tierorganismus abgenommen und der letztere hat den Verlust in dieser oder jener Weise zu decken, in dem anderen hat sich ein kleiner von der Hauptmasse des Or- ganismus abgetrennter Teil in seiner nunmehr selbständigen Existenz zurechtzufinden. Es erscheint uns ganz natürlich, wenn wir im ersten Falle schon im voraus erwarten, daß die große, bei weitem überwiegende Masse des Organismus, die sich infolge des kleinen Verlustes kaum merklich verändert hat, ihre regulatorischen Fähig- keiten auf die Wiederherstellung des Ganzen richten und daß eine mehr oder weniger vollkommene Regeneration stattfinden wird. Im Falle des Explantats, wo von Einflüssen von seiten des ganzen Organismus keine Rede sein kann, können wir nun mit demselben Rechte erwarten, daß die der lebenden Substanz innewohnenden regulatorischen Tendenzen auch das isolierte Keimstückchen ver- anlassen werden, seine Existenz in der Eigenschaft einer neuen, vom ursprünglichen Organismus ganz verschiedenen individuellen Einheit den künstlich geschaffenen ungewöhnlichen äußeren Lebens- bedingungen anzupassen. Auf diese Weise könnten die in vitro selbständig existierenden Explantate gewissermaßen als ‚harmonische (resp. komplexe) äquipotentielle Systeme“ (H. Driesch 22) betrachtet werden. Die oben erörterten experimentellen Tatsachen geben uns dazu, wie mir scheint, eine genügende Berechtigung. Die von mir beschriebenen Tatsachen bezeugen, daß die Evo- lution eines kleinen Teilchens des mehrzelligen Organismus in vitro von folgenden drei Faktorengruppen bestimmt wird: erstens — von den prospektiven Potenzen der Elemente, die das Explantat zusammensetzen; zweitens — von den noch vor der Isolierung vom ganzen Organismus übernommenen morphogenetischen Impulsen; und drittens — von der Summe der neuen Existenzbedingungen; zur letzten Kategorie gehören auch die oben erwähnten zufälligen Einwirkungen bei der Prozedur des Explantierens. 322 486 Nikolaus Chlopin: In der ersten Zeit seines selbständigen Lebens offenbart das Explantat wohl stets die Tendenz, sich von der Außenwelt möglichst abzugrenzen, sich der letzteren gegenüber als Individuum, als Ganzes zu behaupten. Wie unter anderem auch die noch unver- öffentlichten Befunde von Prof. A. Maximow zeigen, scheint sich diese Neigung besonders deutlich in den Gewebskulturen von sehr jungen Embryonen zu offenbaren. In den Kulturen der Ex- tremitäten und der Niere tritt die Abnahme der Fähigkeit zu solchen regulatorischen Veränderungen mit vorschreitendem Alter des Organismus sehr deutlich zutage. Während die regulatorischen Prozesse in den den jüngsten, 13, 18 und 33 mm langen Embryonen entstammenden Kulturen auf den Vorderplan treten, sieht man sie in den dem älteren, 45 mm langen Embryo und dem neugeborenen Kaninchen gehörenden Kulturen größtenteils durch die ungeordnete Wucherung der Gewebe ersetzt. Die Neigung zur Unterordnung der Idee des Ganzen ist jedoch nicht allen Geweben des embryonalen Organismus in gleichem Grade eigen. Vom Epithel und zum Teil auch vom Mesothel wird diese Eigenschaft unter allen Umständen offenbar, vom Binde- gewebe hingegen nur in dem Fall, wenn das umgebende Nährmedium den Zellen keine Möglichkeit bietet, mittels aktiver Bewegungen in dasselbe einzudringen. Im entgegengesetzten Falle treten auf den ersten Plan, wenn man so sagen darf, die anarchischen Eigenschaften des Bindegewebes hervor und dies äußert sich bekanntlich in dem oben beschriebenen extensiven Wachstum. Die einzelnen aus Bindegewebszellen bestehenden Züge und Netze können schon keineswegs als organische Individualitäten angesehen werden, sondern bloß als zufällige Kombinationen isolierter Zellen. Wenn also das Epithel das ganze Explantat oder einen be- deutenden Teil der Oberfläche desselben überzieht oder wenn infolge rascher Verflüssigung des Nährmediums an der Oberfläche des Explantats eine bindegewebige Kapsel entsteht, gewinnt die Idee des Ganzen die Oberhand. In solchen Fällen können bei Vorhanden- sein der entsprechenden prospektiven Potenzen echte organoide Gebilde entstehen, wie zum Beispiel die oben beschriebenen An- lagen der Darmzotten. Wenn dies nicht geschieht, so löst sich das Explantat rasch in einen bloßen Haufen von verschiedenen Zell- gruppen auf. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 487 Welchem Geschick das Explantat als Ganzes aber auch ver- fallen mag, sein epithelialer Anteil behält als Regel doch in hohem Grade die frühere Selbständigkeit und bleibt überall scharf um- schrieben — als Epithelperlen zerstreut inmitten des ungeordnet wuchernden Bindegewebes, oder als Stränge und Schichten von verschiedener Form, oder als hohle Epithelblasen. Isolierte, einzelne Epithelzellen erweisen sich als nicht lebensfähig und verfallen rasch der Degeneration. Von welchen biologischen oder physikalisch- chemischen Eigenschaften der Epithelzellen ihre Fähigkeit abhängt, mit ihresgleichen zusammenhängende, vom übrigen Gewebe scharf abgegrenzte Komplexe zu bilden, können wir vorläufig nicht er- mitteln, es ist aber möglich, daß die Existenz der mehrzelligen Organismen als selbständiger Individuen zum Teil gerade durch diese Eigenschaften des Epitheils ermöglicht wird. Ohne Epithel kann man sich einen mehrzelligen tierischen Organismus kaum vorstellen. In den Gewebskulturen tritt mit besonderer Prägnanz der Gegensatz zwischen dem Epithel und dem Bindegewebe hervor. Keine einzige von mir untersuchte Epithelart hat sich als fähig erwiesen, nach Art des Bindegewebes extensives Wachstum zu geben und ins Fibrin in Form einzelner Zellen vorzudringen. Eine progressive Rückdifferenzierung des Epithels, geschweige denn eine Anaplasie desselben zu Bindegewebe, wurde nicht beobachtet. Die Befunde vonChampvy, der u.a. in Nierenkulturen Verwandlung des Epithels der gewundenen Kanälchen in indifferentes Binde- gewebe beschrieben hat, habe ich nicht bestätigen Können. Bis zu einem gewissen Grade können sogar Epithelien ver- schiedener Herkunft in vitro ihre typischen Merkmale bewahren; wenn sie sich verändern, so entstehen dabei gewöhnlich doch zyto- logisch differente Produkte. Alle Epithelarten scheinen die Fähigkeit zu haben, an ihrer freien Oberfläche Kutikularsäume zu bilden. Das Epithel kann nicht nur auf dem Bindegewebe vorwärts- gleiten und auf diese Weise freie Oberflächen des Keimstückes überziehen, sondern es kann auch auf unorganisierten festen Sub- stanzen, wie z. B. auf Fibrin, in zusammenhängenden Schichten wachsen. Epithelschichten mesodermaler Herkunft nehmen dabei gewöhnlich synzytialen Charakter an. Ueberhaupt scheint das mesodermale Epithel sich vom ekto- und entodermalen in seinen biologischen Eigenschaften bedeutend zu unterscheiden. 488 Nikolaus Chlopin: Das Mesothel erscheint einerseits, ebenso wie das Epithel, als Antagonist des Bindegewebes, läßt an den Stellen, wo es intakt geblieben ist, das anarchische Wachstum des letzteren nicht zu und kann das Gewebe von der Außenwelt scharf abgrenzen. Anderer- seits verlieren aber seine Zellen dort, wo sie mit verflüssigtem Nähr- boden in Berührung kommen, sehr leicht die gegenseitige Ver- bindung (Cytarme nach Ro ux’ Terminologie); sie kontrahieren sich, fallen ab und geben dabei den sehr charakteristischen oben beschriebenen histologischen Bildern Ursprung. . Das embryonale Bindegewebe behält auch außerhalb des Organismus die Fähigkeit, sich zu morphologisch und physiologisch verschiedenen Elementen zu entwickeln. Außer den gewöhnlichen spindeligen oder sternförmigen Zellen vom Fibroblastentypus gibt es hier verschiedenartigen Amöbozyten Ursprung, die zum Teil mit denjenigen Wanderzellen identisch sind, die bei fortgesetzter nor- maler Entwicklung des Embryo in späteren Stadien entstehen würden. Außerdem haben seine Zellen die Fähigkeit, sich unter Umständen durch Einziehung aller Ausläufer vollständig abzurun- den. Bei Anwendung der Methode der vitalen Trypanblaufärbung in vitro können aus dem Mesenchym sehr junger Embryonen (18 mm) auch die für den erwachsenen Organismus typischen Makrophagen entstehen, die in ihrem Protoplasma Farbstoffkörner speichern. Bei Reizung des Mesenchyms durch zufällig ins Explantat hinein- gekommene kleine Fremdkörper entstehen aus seinen Zellen Ele- mente von Polyblastentypus, die in vitro phagozytisch tätig sind und auch durch Konfluenz vielkernige Riesenzellen bilden können. In den Fibroblasten können sich Tonofibrillen differenzieren. Alle diese Veränderungen sind den Erscheinungen der asep- tischen Entzündung im erwachsenen Organismus sehr ähnlich. Das Knorpelgewebe macht in vitro eine Art atypischer Entwick- lung durch; seine Veränderungen laufen auf Verflüssigung und Resorption der Zwischensubstanz und Verwandlung der Zellen in gewöhnliche Bindegewebszellen hinaus. Der Knorpel älterer Em- bryonen erweist sich als wenig lebensfähig. Das nephrogene Gewebe scheint in vitro die Fähigkeit zu be- halten, sich sowohl in der Richtung des Epithels als auch in der Richtung des Bindegewebes zu entwickeln. Es muß dementspre- chend als eine embryologisch sehr niedrig differenzierte Gewebsart betrachtet werden. Ueber ‚in vitro“ Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. 489 Wenn die Zellen eines beliebigen Gewebes in verflüssigtes Nährmedium geraten, runden sie sich ab und verfallen unter den gewöhnlichen Bedingungen allmählich der Degeneration. Die Epithelzellen offenbaren dabei die geringste Widerstandsfähigkeit. Literaturverzeichnis. 1.Awrorow und Timofejewsky. Versuche über Gewebs- kulturen außerhalb des Organismus. Tomsk, 1914 (russisch). Dasselbe in Virchows Archiv, Bd. 216, 1914. 2. Burrows, Montrose T. The tissue culture as a physiological method. Publications of Cornell Univ. Medic. College; Studies from the Departm. of Anatomy, Vol. IV, 1913—1914. 3. Busse, ©. 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Causal-morphologische Zellenstudien. IV. Mitteilung: Die Explantation von Säugetiergeweben — ein der Regulation von seiten des Organismus nicht unterworfenes Gestaltungsgeschehen. Arch. f. Entwicklungsmech., Bd. 34, 1912. Derselbe. Causal-morphologische Zellenstudien. V. Mitteilung: Die aktive Epithelbewegung ein Faktor beim Gestaltungs- und Er- haltungsgeschehen. Arch. f. Entwicklungsmech., Bd. 35, 1913. Derselbe. Explantation (Deckglaskultur, in vitro-Kultur). Zentrbl. f. Zool. u. allgem. u. exper. Biol., Bd. 3, 1913. Osowsky, H. E. Ueber aktive Zellbewegungen im Explantat von Wirbeltierembryonen. Arch. f. Entwicklungsmech., Bd. 38, 1914. Sundwall, J. Tissue proliferations in plasma medium. Bull. 81, Hyg. Lab., U. S. Publ. Health and Mar. Hosp. Serv., Washington, 1912. Uhlenhut, Ed. Cultivation of the skin epithelium of the adult frog, Rana pipiens. Journ. Exper. Med., Vol. 20, 1914. Derselbe. Changes in pigment epithelium cells and in pigment cells of Rana pipiens induced by changes in environmental conditions. Journ. Exper. Med., Vol. 24, 1916. 492 Nikolaus Chlopin: 57. Derselbe. Die Zellvermehrung in den Hautkulturen von Rana pipiens. Arch. f. Entwicklungsmech., Bd. 42, 1916. 58. Weil, G. C. Spontaneous and artificial development of giant cells in vitro. Journ. Pathol. and Bacteriol., Vol. 18, 1913. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVH—XIX. Ausführliche Erklärung im Text. Die Figuren wurden mit Hilfe des Ab beschen Zeichenapparates auf der Höhe des Objekttisches entworfen und mit möglichster Naturtreue ausgeführt. Allen Abbildungen liegen Zelloidinschnittpräparate zugrunde. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: E — Epithel; Bg = Binde- gewebe (Mesenchym); D — Detritus. Tafel XVII. Fig. 1. Darmkultur, 3 Tage alt. Totalabbildung eines der Längenachse des Keimstückchens parallel geführten Schnittes; L —= Darm- lumen, das mit Detritus gefüllt ist; Myb = Myoblasten; A = un- regelmäßige Auswüchse ins Nährmedium, darunter einer mit Epithel überzogen. Fixfert mit ZF}; gefärbt’ mit EAZ; Obj. Leitz 3, Ok72. Fig. I—4. Kaninchenembryo von 33 mm Länge. Fig. 7”. _Kaninchenembryo von 45 mm Länge; 24tägige Darmkultur. Epithelzyste von wucherndem Bindegewebe umgeben. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAzZ;’O0bj. Leitz/3, 0k73: Fig. 14. Kaninchenembryo von 33 mm Länge; 4tägige Nierenkultur. Totalabbildung des mit Epithel ganz überkleideten Keimstück- chens; MK = Malpighisches Körperchen; MK’ — dasselbe mit verdicktem parietalem Blatt der Bowmanschen Kapsel; Ka — ganz junge Kanälchenanlagen;, gH —= gewundene Harn- kanälchen; Sr — Sammelröhrchen verschiedenen Kalibers. Kixiert mit ZF: gefärbt mit BAz.'Obj. Leitz 37073: Tafel XVII. Fig. 2. Darmkultur, 5 Tage alt. Ein Teil der die äußere Oberfläche des Explantats überziehenden Epithelschicht; K — Kutikularsaum; F — Fetttröpfchen; zahlreiche Chondriokonten im Zellprotoplasma. Fixiert mit Ch; gefärbt mit K; Obj. Hom. Imm. Leitz !/.,a, Ok. 3; Fig. 3. Darmkultur, 4 Tage alt. Die sich von der Seitenfläche des ex- plantierten Darmstückchens ablösenden Mesothelzellen (M). Fixiert mit ZF; gefärbt mit Eh; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,. a, Ok. 2. Fig. 4. Darmkultur, 4 Tage alt: 3 abgelöste kugelförmige Mesothelzellen mit Fetteinschlüssen im Protoplasma. Fixiert mit Ch; gefärbt mit K; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,. a, Ok. 4. Ueber „in vitro“ Kulturen d. embryonalen Gewebe d. Säugetiere. 493 Fig. 5. Kaninchenembryo von 45 mm Länge; 19tägige Darmkultur. Eine Wanderzelle mit Chondriosomen im Protoplasma; neben dem Kern befindet sich die Sphäre. Fixiert mit Ch; gefärbt mit K; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,. a, Ok. 4. Fig. 6. Kaninchenembryo von 33 mm Länge; 4tägige Darmkultur. 3 in vitro gebildete Zottenanlagen; L = Darmlumen. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Zeiß Apochr. 8 mm, Komp.-Ok. 4. Fig. 8. Kaninchenembryo von 13 mm Länge; 9tägige Extremitäten- kultur. Blasenförmig aufgeblähte Peridermzellen (P); B = Basal- schicht des Epithels; Interzellularbrücken deutlich sichtbar. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,,a, Ok..2. Fig. 9. Kaninchenembryo von 18 mm Länge; 13tägige Extremitäten- kultur. Ins Fibrin eingewucherte Mesenchymzellen, die sich in Fibroblasten (Fbl) und amöboide Wanderzellen (Wz) differenziert haben. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,, a, Ok. 2. Fig. 15. Neugeborenes Kaninchen; 3tägige Nierenkultur. Ins Fibrin hinein- wachsende synzytiale Epithelschicht. Fig. 16. Dieselbe Kultur. Epithelschicht mit einem dicht anliegenden Bindegewebsstrange darunter; Wz — Wanderzelle. Fixiert mit ZF; gefärbt mit Eh; Obj. Imm. Leitz !/,, a; Ok. 2. Tafel XIX. Fig. 10. Kaninchenembryo von 18 mm Länge; 3tägige Extremitäten- kultur. Flächenschnitt durch eine ins Fibrin hineinwachsende Epithelschicht mit einer Mitose (x). Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,,a, ORT2. Fig. 11. Dieselbe Kultur. Mph — Makrophagen mit Trypanblaugranulis im Protoplasma. Dasselbe Obj., Ok. 3. Fig. 12. Kaninchenembryo von 18 mm Länge; Stägige Extremitäten- kultur. Rückläufige Differenzierung des Knorpels; K = Knorpel- zellen, die eine unregelmäßige Form angenommen haben, Z — verflüssigte Zwischensubstanz; Ka — abgerundete, in der Flüssig- keit frei flottierende Knorpelzellen. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,.a, Ok. 3. Fig. 13. Kaninchenembryo von 13 mm Länge; ötägige Extremitäten- kultur. Knorpel mit fast gänzlich resorbierter Zwischensubstanz und anastomosierenden Zellen; x — Mitose. Fixiert mit ZF; gefärbt mit EAz; Obj. Hom. Imm. Leitz !/,.4; 03: Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. VH. Ueber „in vitro“ Kulturen von Iymphoidem Gewebe des erwachsenen Säugetierorganismus !). Von Prof. Dr. Alexander Maximow, St. Petersburg. Mit Tafel XX—XXIl. 1. Einleitung. Die Methode der Gewebskulturen außerhalb des Organismus hat eine große Bedeutung für die morphologische Wissenschaft. Außer dem allgemeinen Interesse, welches das Studium der Histo- logie der sich in vitro selbständig entwickelnden Gewebselemente bieten muß, erlaubt diese Methode eine ganze Reihe von rein morpho- logischen Fragen auf experimentellem Wege zu lösen. Die im normalen Gewebe oft sehr dicht gelagerten Zellbestand- teile weichen im Explantat infolge aktiver Bewegungen und mit Wachstum verbundener Verschiebungen weiter auseinander und 1) Die Hauptresultate der vorliegenden und der beiden nachfolgenden Arbeiten sind von mir schon im Jahre 1916 gewonnen worden. Eine kurze vorläufige Mitteilung darüber ist in den Comptes rendus de la societe de biologie, Paris, T.80, 1917, erschienen. Die Experimente, die schon in den letzten Monaten des Jahres 1916 nur unter unsäglichen Mühen und Ent- behrungen fortgeführt werden konnten, mußten mit dem Ausbruch der russischen Revolution gänzlich abgebrochen werden. Seitdem habe ich mein Material nicht vervollständigen können, obwohl fortwährend neue Probleme auftauchten. Auch die Literatur fehlte mir vollständig. Da alle Hoffnungen auf eine Besserung der Arbeitsverhältnisse schwanden, habe ich beschlossen, das vorhandene Tatsachenmaterial trotzdem zu bearbeiten und zu veröffentlichen, bitte aber um Nachsicht wegen der möglichen Defekte in den angegebenen Richtungen. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 495 treten infolgedessen deutlicher hervor, zumal sie sich dabei noch vergrößern oder auch progressiv differenzieren können. Dies er- möglicht eine viel tiefere und ausführlichere histologische Analyse des Gewebes, als im gewöhnlichen mikroskopischen Präparat; es treten mitunter zellige Elemente mit großer Deutlichkeit hervor, die im normalen Gewebe kaum sichtbar sind. Da in den normalen Geweben des erwachsenen Organismus meistens kein sehr bedeutender Zellverbrauch, folglich auch keine nennenswerte Regeneration und keine Entwicklungs- und Ver- wandlungsprozesse stattfinden, treten die genetischen Beziehungen der einzelnen Zellarten zueinander kaum hervor. Im Explantat wird dieser Zustand von Grund aus geändert — die verschiedenen Zellformen fangen an, sich in dieser oder jener Richtung zu verändern und oft konstatiert man dabei ganz unerwartete Verwandlungs- erscheinungen. Die physiologischen, fünktionellen Wechselwirkungen der ver- schiedenen Zellen eines Gewebes, ihre Abhängigkeit voneinander, ihre Fähigkeit zur isolierten Existenz in Reinkultur usw., können in den Gewebskulturen ebenfalls sehr leicht einer experimentellen Prüfung unterzogen werden. Eine sehr wichtige morphologische Aufgabe ist bekanntlich die Aufklärung der sog. prospektiven Entwicklungspotenz einer bestimmten Zellart. Nirgends sind nun die Bedingungen zur Er- reichung dieses Zieles so günstig, wie gerade in den Gewebskulturen außerhalb des Organismus — hier können die lebenden Zellen einzeln, oder in Reinkultur, unter Ausschaltung aller Einflüsse der anderen Teile des Organismus in ihrer selbständigen Entwicklung studiert werden. Es ist aller Grund zur Vermutung vorhanden, daß unter solchen Verhältnissen eventuell ganz neue und unerwartete End- resultate erhalten werden könnten. Endlich gibt uns die Methode der Gewebskulturen die be- quemste und einfachste Möglichkeit, die Wirkung der verschie- densten äußeren Agentien physikalischer, chemischer oder bio- logischer Natur auf ganz bestimmte Zellarten zu erproben, unter Vermeidung aller störender und maskierender Einflüsse sekundärer Art, wie sie im Organismus notwendigerweise immer mitspielen. Die mir bekannte, ziemlich umfangreiche Literatur über Ge- webskulturen weist nur recht spärliche Arbeiten morphologischen und histologischen Charakters auf; die eben aufgezählten Probleme 496 Alexander Maximow: werden darin kaum gestreift. Außerdem ist auch die histologische Methodik in den meisten Fällen für die Lösung solcher Aufgaben kaum passend gewesen. Die morphologische Hämatologie und die Histologie des Binde- gewebes, auf deren Gebiete ich seit langer Zeit arbeite, schienen mir gerade ein besonders passendes Terrain für die Anwendung der neuen Methode in den angegebenen Richtungen zu sein. Die Un- einigkeit, ja sogar Verwirrung, die hier in den Vorstellungen über die genetischen und physiologischen Beziehungen der verschiedenen Zellformen noch immer herrscht, könnte sehr wohl durch zweck- mäßige Fragestellung und entsprechende Einrichtung des Experi- ments mit den Gewebskulturen auf die kürzeste, schnellste und sicherste Weise beseitigt werden. In meiner 1916 erschienenen Arbeit (26) habe ich über die Kulti- vierung von gewöhnlichem lockeren Bindegewebe des erwachsenen Kaninchens in vitro berichtet. Die Zellen wuchern und entwickeln sich und besonders die Fibroblasten erweisen sich als lebenskräftige Elemente, die sogar nach vielen Transplantationen, nach 60 Tagen, keine Abschwächung ihrer Lebensfähigkeit offenbaren und außer- halb des Organismus vielleicht unbestimmt lange existieren und wuchern können. Kurze Angaben über andere, vor allem hämatopoetische Ge- webe wurden von mir damals nur anhangsweise beigefügt. In der vorliegenden Arbeit sollen die sich auf das Iymphoide Gewebe be- ziehenden Resultate eine eingehende Besprechung erfahren. Obwohl das Iymphoide Gewebe der Lymphknoten erwachsener Säugetiere so oft untersucht wurde, ist seine Zusammensetzung in vielen Beziehungen auch jetzt noch nicht vollkommen aufgeklärt. Vor allem gilt es festzustellen, was für verschiedene distinkte Zell- formen dies Gewebe aufbauen. Man unterscheidet bekanntlich im Iymphoiden Gewebe das aus fixen Elementen bestehende netzartige Stroma und die in den Maschen des letzteren befindlichen freien Elemente. 1. Das Stroma wird aufgebaut von sich verzweigenden und anastomosierenden Retikulinfasern verschiedener Dicke, die ein netz- artiges Gerüst bilden, welches sich stellenweise verdichtet — z. B. an der Peripherie der Follikel, an den Trabekeln und in der Adven- titia der Gefäße; in den tätigen Keimzentren hingegen lockert es sich auf, wird weitmaschiger und dünner. In den Sinuswänden ist das Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 497 Netz besonders dicht, so daß es hier auf Schnitten eine richtige Membran vortäuscht (Ferguson 17, 18). Die Fasern sind überall von einer synzytialen Protoplasmaschicht von sehr wechselnder, manchmal äußerst geringer Dicke umscheidet. Stellenweise sam- melt sich dies Protoplasma an der Oberfläche der Fasern zu Zell- körpern an, welche unscheinbare, sehr chromatinarme und helle, gefaltete Kerne enthalten (Fig. I und 2, Sz). Diese Teile des Syn- zytiums werden bekanntlich als Retikulumzellen bezeichnet. Es sind fixe Zellen, aber, wie längst bekannt, befindet sich ein geringerer oder größerer, manchmal der größte Teil von ihnen schon beim normalen Tier in mehr oder weniger tätigem, mobilisierttem Zu- stande. Die Zellkörper der Retikulumzellen erscheinen dann ver- größert, angeschwollen, abgerundet, oft sogar vom Synzytium voll- ständig abgelöst und frei, enthalten gelbliche Pigmentkörnchen und offenbaren eine sehr energische Phagozytose verschiedenen kor- puskulären Elementen, z. B. Erythrozyten usw., gegenüber. Dies sind die längst bekannten, noch fixen oder schon freien ‚„Makro- phagen‘ retikulären Ursprungs. Es ist ferner bekannt, daß die Retikulumzellen außer der Fähigkeit zur Phagozytose, auch Nephro- zytencharakter besitzen — schon das ruhende retikuläre Synzytium, noch viel mehr die aktiven, tätigen Abschnitte desselben, und vor allem die Makrophagen, haben eine sehr ausgesprochene elektive Fähigkeit, verschiedene kolloidale Stoffe, z. B. gewisse saure Farb- stoffe der Benzidingruppe, Karminlösungen, auch kolloidale Metalle in ihrem Protoplasma in Granulaform, außerdem aber auch Lipoide, Pigmente, sicherlich auch noch viele andere Stoffe zu speichern (So kdmia n.n8 19420, Esch as.ch.ün. 29, Ki yon 0,2223): In bezug auf diese physiologischen, nephrophagozytischen Eigen- schaften sind die Retikulumzellen des Iymphoiden Gewebes den Retikulumzellen der Milz und des Knochenmarks, den überall im gewöhnlichen lockeren Bindegewebe zerstreuten ruhenden Wander- zellen (Klasmatozyten), den Zellen der täches laiteuses im Netz und ihren Abkömmlingen, den freien Zellen des Peritonealexsudates, den Kupfferschen Zellen der Leberkapillaren, vielleicht auch den Endothelzellen einiger anderen Blutkapillaren, z. B. in den Nebennieren, gleichzustellen (Tschaschin 29, H. Downey 13, 14, H. Evans 16). Zusammen mit all den genannten Ele- menten bilden sie einen großen, biologisch sehr wichtigen, über den ganzen Organismus zerstreuten Zellstamm, den von Landau 498 Alexander Maximow: undMc Nee (24) sogenannten ‚‚retikulo-endothelialen Stoffwechsel- apparat.‘“ Von den eigentlichen Retikulumzellen im Iymphoiden Gewebe der Lymphknoten unterscheiden manche Autoren diejenigen Zellen, die einerseits die Oberfläche der Follikel und Markstränge, anderer- seits die innere Oberfläche der Kapsel und Trabekel, wohl auch die die Sinuslumina durchziehenden Fasern bekleiden, eine mehr oder weniger platte Form besitzen und nach Bearbeitung mit Silber- nitrat mitunter sogar schwarze Grenzen zeigen können. Sie werden von ihnen „Endothelzellen“ genannt und offenbar als direkte Fort- setzung des Endothels der afferenten Lymphgefäße betrachtet. Diese Scheidung erscheint mir jedoch kaum gerechtfertigt. Es mag richtig sein, daß die die Sinus umsäumenden Zellen etwas stärker Karmin speichern, als die übrigen Retikulumzellen (K i- yono), doch kann dieser Unterschied selbstverständlich nicht als entscheidend aufgefaßt werden, und ich stimme mit Downey (13) vollkommen überein, wenn er für die fraglichen Zellen den Namen „Endothel‘ entschieden verwirft und sie von den gewöhnlichen Retikulumzellen nicht unterschieden wissen will. Wenn sie auch tatsächlich die Fortsetzung des Endothels der Lymphgefäße vor- stellen, so ist eben anzunehmen, daß im Lymphknoten das Endo- thel durch besondere platte Nephrophagozyten ersetzt ist, ebenso wie dies in den intralobulären Leberkapillaren mit einem größeren oder geringeren Teil der endothelialen Elemente der Fall ist. Wie die in meinem Laboratorium von $S. Alfejew ausgeführten, noch nicht publizierten Untersuchungen über die embryonale Histo- genese der Lymphknoten der Säugetiere zeigen, kann man in den Anlagen dieser Organe die Entstehung sowohl der Retikulumzellen des Stromas, als auch der Zellen der Sinuswände aus einem gemein- samen primitiven mesenchymalen Synzytium verfolgen und dabei zwischen den beiden Zellarten gar keine Unterschiede bemerken, außer der respektiven Lage im Innern des Gewebes oder an der Wand der zu den Sinus transformierten Lymphgefäße. Ueber die Existenz besonderer Zellen von Fibroblastencharakter im Iymphoiden Gewebe neben den Retikulumzellen wird in der Lite- ratur nichts berichtet. Da nun die Gerüstfasern jedenfalls vom Protoplasma ausgearbeitet sein müssen, so werden als ihre Erzeuger im allgemeinen dieselben synzytial verbundenen Retikulumzellen angesehen. Unzweifelhafte Fibroblasten gibt es wohl in Kapsel Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 499 und Trabekeln — diese stehen jedoch mit dem eigentlichen Iymphoi- den ‚Gewebe der Follikel und der Markstränge nicht in direkter Berührung. Außer alledem gehören natürlich zu den fixen Elementen des Iymphatischen Gewebes noch die Endothelzellen der Blutgefäße. Diese haben bekanntlich in einem Teil der Kapillaren (wahrschein- lich den venösen — genau wäre das nur an Injektionspräparaten zu ermitteln) ein ganz eigentümliches Aussehen — sie bilden eine sehr dicke epithelartige Schicht ohne deutliche Zellgrenzen, so daß solche Gefäße eher wie Drüsengänge aussehen. Gerade in diesen Gefäßen beobachtet man stets eine sehr intensive Immigration ins Blut von im Gewebe entstandenen kleinen Lymphozyten. 2. Die freien Zellen des Iymphoiden Gewebes werden repräsen- tiert von den Lymphozyten der verschiedensten Kategorien, den kleinen, mittleren und großen und den Monozyten. Ihre Beziehungen zu einander und zu den Retikulumzellen sind sehr kompliziert und noch lange nicht aufgeklärt. Darüber werde ich aber in dieser Ab- handlung nicht sprechen. Nun hat Babkina (l) in meinem Laboratorium seinerzeit gefunden, daß bei künstlich durch Einführung blander Fremdkörper hervorgerufener aseptischer Entzündung der Lymphknoten beim Kaninchen ein Granulationsgewebe entsteht, an dessen Aufbau von den frühesten Stadien an sowohl typische Fibroblasten, als auch Retikulumzellen und Lymphozyten Anteil nehmen. Die Fibroblasten stammen dabei durchaus nicht nur aus der Kapsel und den Trabekeln, sondern das Iymphoide Gewebe selbst erweist sich als eine sehr ergiebige Quelle dieser Elemente. Sie bauen die Grundlage des entzündlichen Bindegewebes im Knoten auf, während aus den Retikulumzellen große Mengen phagozytischer Polyblasten entstehen. Es muß also auf Grund dieser Experimente im Iymphoiden Gewebe doch die Existenz echter fibroblastischer Elemente in latentem Zustande angenommen werden. Unter normalen Verhält- nissen können sie nicht deutlich unterschieden werden, treten aber bei Wirkung entzündlicher Reize sofort klar hervor. Es schien mir schon im voraus verlockend, dies Problem der Prüfung mittels der Gewebskulturmethode zu unterwerfen. Außer- dem interessierte mich auch überhaupt das Verhalten des Iymphoiden Gewebes im Explantat; denn diese Bindegewebsart spielt jedenfalls eine besonders wichtige Rolle im Organismus; sie steht dem embryo- Archiv f. mikr, Anat. Bd. 96. 33 500 Alexander Maximow: nalen Zustande wahrscheinlich noch ziemlich nahe und ihre zelligen Bestandteile müssen mit besonders mannigfaltigen und ausgiebigen Entwicklungspotenzen ausgestattet sein. Endlich sind mit der Frage der zelligen Zusammensetzung dieses Gewebes auch sehr wichtige speziill hämatologische Probleme verknüpft. Miine Eiwartungen haben sich im allgemeinen erfüllt. Ich erhielt eine Reihe von Resultaten, die den Charakter des Iymphoiden Gewebes von einem neuen Standpunkt beleuchten und im besonderen die Entwicklungsfähigkeit der Lymphozyten betreffen. Die vor- liegende erste Arbeit sucht die zellige Zusammensetzung der fixen Elemente des Retikulums aufzuklären und berichtet über das allgemeine Schicksal des erwachsenen Iymphoiden Gewebes im Explantat. 2. Material und Methoden. Wenn die bisherigen Arbeiten über Gewebskulturen in vitro die histo- logischen Probleme entweder gar nicht oder bloß schwach gestreift haben, so beruht dies wohl vor allem auf der Unzulänglichkeit der von den Autoren gebrauchten Untersuchungsmethoden. Außer dem Studium der lebenden Kulturen wurden meist nur mit Formo! fixierte und in toto gefärbte Präpa- rate untersucht. Schnitte wurden nur selten und meist auch nach recht unpassender Fixierung, z. B. mit Osmiumsäure, gemacht. Intoto-Präparate können aber wohl eine Vorstellung geben von den allgemeinen Wachstums- verhältnissen in der Kultur, können sogar sehr schön sein, für histologische und zytogenetische Studien passen sie aber nicht. Ueber die Technik der Anfertigung der Kulturen brauche ich nicht ausführlich zu berichten. Einiges habe ich darüber bereits in meiner früheren Arbeit gesagt. Als Nährmedium gebrauchte ich von erwachsenen, aber jungen Kaninchen nach dem üblichen Verfahren aus der Carotis gewonnenes Plasma, welches ich im Verhältnis von 2 Teilen zu I Teil mit destilliertem Wasser verdünnte. Als feuchte Kammern dienten mir große, 8 mm dicke Objektträger mit einer 35 mm weiten, 4 mm tiefen, runden Aushöhlung in der Mitte, die von einem quadratischen Deckgläschen von 40 x 40 mm Seite bedeckt wurde. Die zum Explantieren bestimmten Lymphknoten wurden demselben oder einem anderen Kaninchen entnommen, und zwar benützte ich meistens die große Knotenansammlung, die in der Wurzel des Mesenteriums liegt und als Pancreas asellii bezeichnet wird. Kleine Stückchen von Rinde oder Mark wurden in warmer Ringerscher Lösung rasch in sehr feine, 0,25 bis 0,3 mm messende Partikelchen zerteilt und diese letzteren dann in die noch flüssigen, auf die Mitte der Deckgläschen gebrachten, nicht zu kleinen, flachen Plasmatropfen versetzt. Nach Gerinnung des Plasmas wurden die Deckgläschen in der üblichen Weise umgedreht und über der Vertiefung des Objektträgers mit Vaseline und Paraffin befestigt. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 501 In den meisten Fällen benützte ich jedoch nicht einfaches ver- dünntes Plasma, sondern Plasma mit Zusatz von Gewebsextrakt, was be- kanntlich die Wachstumsenergie des Explantats stark erhöht. Aus be- sonderen Gründen, die aus meinen folgenden Arbeiten ersichtlich sein werden, wählte ich Knochenmarkextrakt. Seine Wirkung erwies sich als überaus günstig. Das aus den beiden Femurknochen desselben oder eines anderen jungen Kaninchens aseptisch gewonnene rote Mark wurde in einem kleinen sterilen Porzellanmörser mit 5 ccm autogenen oder homogenen Serums während 5—6 Minuten sorgfältig zerrieben und die halbflüssige Masse dann während 6—10 Minuten bei hoher Geschwindigkeit zentrifugiert. Die auf diese Weise gewonnene, ganz klare, rötliche, gar keine zelligen Elemente oder sonstigen geformten Partikelchen enthaltende Flüssigkeit wurde dem Plasmatropfen auf dem Deckglas noch vor dem Einlegen des Gewebsstück- chens in denselben hinzugefügt, im Verhältnis von I Tropfen Extrakt zu 2 Tropfen Plasma. Diese Plasmaextraktmischung koagulierte meistens sehr rasch. Wie bekannt (Burrows 3, 4) kontrahiert sich mit der Zeit das Fibrin und preßt den flüssigen Teil des Gerinnsels, das Serum, aus. In meinen Experimenten war diese Erscheinung aus mir unbekannten Gründen in den einzelnen Fällen, je nach der Provenienz des Plasmas, überaus ver- schieden stark ausgeprägt, und besonders viel Flüssigkeit wurde oft gerade bei Knochenmarkextraktzusatz ausgepreßt. Wenn nun der hängende Tropfen mit der Kultur im Thermostat viel Flüssigkeit auspreßt, fließt die letztere regelmäßig gegen den Rand des Deckgläschens ab; das Explantat befindet sich dann in einer nur äußerst dünnen Schicht von Nährsubstrat, das Wachs- tum wird beeinträchtigt und außerdem tritt sehr leicht Infektion mit Bak- terien oder Schimmelpilzen ein und die Kultur geht zugrunde. Aus diesem Grunde kann ich nur empfehlen, alle frisch hergestellten Kulturen nach Verschluß und Verlötung des Deckglases mit Paraffin sofort wieder um- zudrehen und mit dem Deckglas nach unten, evtl. über zwei Streichhölzern, in den Thermostat zu stellen. Statt des hängenden Tropfens bekommt man folglich einen liegenden und trotz der Auspressung von Serum bleibt er in der Regel scharf begrenzt und das Wachstum geht ungestört weiter fort. Die Nichtbefolgung dieser Regel hat mir am Anfang viel Mühe gekostet und viel wertvolles Material zerstört. Irgendwelche Unbequemlichkeiten erwachsen aus dieser kleinen Aenderung der Technik nicht — zur Beobach- tung in frischem Zustande im Nuttalschen Thermostat hat man die betreffende Kultur jedesmal bloß sehr rasch und geschickt umzudrehen und nach Schluß der Untersuchung wieder in die umgekehrte Lage zu bringen. Uebrigens ist es zweifellos, daß das oft wiederholte und lange dauernde Studium einer üppig wachsenden Kultur unter starker Vergrößerung bei starker Beleuchtung für das wuchernde Gewebe sehr schädlich ist und die progressive Entwicklung des Gewebes in hohem Grade beeinträchtigt, Man sollte folglich aus einer gleichartigen Kulturserie immer nur ein paar Exemplare speziell für die Untersuchung in frischem Zustande bestimmen und die übrigen, für die Fixierung bestimmten, nur von Zeit zu Zeit und möglichst rasch unter schwacher Vergrößerung inspizieren. 33% 502 Alexander Maximow: Die zur Weiterzüchtung bestimmten Kulturen wurden am 4.—5. Tage des Wachstums geöffnet, das explantierte Stückchen zusammen mit der peripheren Zone neugebildeten Gewebes aus dem Gerinnsel herausgeschnitten, in der gewöhnlichen Weise in warmer Ringerscher Lösung weiter zer- teilt, während 10—15 Minuten gewaschen und die Teilchen in neuen Glas- kammern in neue, evtl. mit Gewebsextrakt vermischte Plasmatropfen eingepflanzt. Auf diese Weise gelingt es, wie ich es schon in meiner früheren Arbeit berichtet habe (26), das Leben und Wachstum nicht nur embryo- nalen, sondern auch erwachsenen Gewebes in vitro während langer Zeit zu unterhalten. Die Manipulationen des Herausschneidens und Zerstückelns des lebenden Gewebes bei jeder Transplantation üben jedoch auf die Zellen sicherlich eine sehr ungünstige Wirkung aus. Außerdem ist es meistens nicht möglich dabei in besonders zielbewußter Weise zu verfahren und besonders interessante Stellen für die Weiterzucht in schonender Weise herauszugreifen. Oft genug passiert es, daß gerade die wichtigsten und interessantesten Neubildungen, die bei Beobachtung im lebenden Zustande aufgefallen waren, bei der Trans- plantation verloren gehen, sei es, daß sie einfach im Ringer-Bad nicht mehr aufgefunden werden können, sei es, daß sie vom überaus klebrigen, sich stark kontrahierenden alten Fibrin umhüllt, verdeckt, erstickt und an der Weiterentwicklung verhindert werden. Das idealste wäre es ja, einen Apparat zu konstruieren, der es ermög- lichen würde, ein bestimmtes Gewebsstück ohne Transplantation und ohne mechanische Eingriffe in einem konstanten, sich stetig erneuernden Nahrungs- strom zu züchten. Solche Apparate sind auch von Burrows (3, 4) und Romeis (28) empfohlen worden. Ueber die mit Hilfe derselben erreichten Resultate habe ich jedoch in der mir zugänglichen Literatur nicht viel ge- lesen. Die mehr als bescheidene Ausstattung meines Laboratoriums ge- stattete mir nicht die Konstruktion und Handhabung eines solchen Apparates. Ich habe dem Ziel auf einem anderen, einfacheren Wege näher rücken wollen. Meine Aufgabe war es, das Explantat in der feuchten Kammer auf einem solchen festen Substrat wachsen zu lassen, welches einerseits die Trans- plantation ohne Zerrung und Zerstückelung des Gewebes, andererseits die Beobachtung im lebenden Zustande ermöglichen würde. Ich benützte zu diesem Zwecke runde Deckgläschen von ca. 20 mm Durchmesser. Vor der Anfertigung der Kultur bringe ich einen kleinen Tropfen Ringer- Lösung auf die Mitte des großen quadratischen Deckgläschens und lege darauf das runde Gläschen, welches am ersten haften bleibt. Der Tropfen Plasma und das Gewebsstück werden auf das runde Gläschen gebracht. Bei der Transplantation genügt es also, nach Eröffnung der Kammer das runde Gläschen vom quadratischen abzuheben und mit dem darauf sich ausbreitenden Gewebe in das Ringer-Bad zu tun. Später kommt das runde Glas in eine neue Kammer, wieder auf die Oberfläche des quadratischen Deckgläschens und auf den alten ausgewaschenen Tropfen mit dem Gewebe kommen neue 2—3 Tropfen Plasma mit Extrakt. Diese Manipulation habe ich mehrere Male wiederholen können und im Laufe von 15—16 Tagen erhält man dabei ein sehr ausgiebiges Wachstum. Die Gewebsschicht be- Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 503 deckt in manchen Fällen fast die ganze Oberfläche des runden Deckgläschens. Ein Nachteil bleibt dabei natürlich — die sich mit jeder Transplantation verdickende Fibrinschicht, die sowohl das Beobachten im frischen Zustande als auch das Leben und Atmen des Gewebes selbst beeinträchtigen muß. Schon in meiner früheren Arbeit habe ich von der besonderen Wichtig- keit der vollkommenen histologischen Methodik in Anwendung auf die Ge- webskulturen gesprochen. Wer sich in den verschiedenen Zellformen der Gewebskulturen zurechtfinden und die histogenetischen Wechselbeziehungen derselben aufklären will, kann sich nicht mit in toto-Präparaten begnügen, sondern muß lückenlose Serienschnitte machen und als Fixierungsmittel nicht nur Formol oder Osmiumdämpfe gebrauchen. Auch Paraffin darf nicht als Einbettungsmasse dienen, da in ihm gerade die zarten Gewebs- kulturen besonders stark schrumpfen. Es ist viel leichter, eine üppig wach- sende Gewebskultur zu bekommen, als von dieser selben Kultur eine gute Schnittserie herzustellen. In toto fixierte und gefärbte Präparate von Gewebskulturen sind notwendig, aber nur in sehr beschränktem Umfange, da sie, wie gesagt, nur einen allgemeinen Ueberblick der Topographie ge- statten. Zu ihrer Herstellung gebraucht man am besten Fixierung in Car- noys Alkohol-Chloroform-Eisessig-Gemisch und protrahierte Färbung mit sehr verdünntem Delafieldschem Hämatoxylin. Für Schnittserien fixiere ich entweder mit Zenker-Formol (ZF), oder, wenn ich Chondriosomen und Fett studieren will, nach Champy (Ch). Das Deckglas muß mit dem geronnenen Tropfen nach unten auf der Flüssigkeit schwimmen. Die Fixierungszeit braucht bei ZF nicht länger als I—2 Stunden, bei Ch 24 Stun- den zu sein. Bis zum 95° Alkohol bleibt die Kultur am Glase. Nachdem der Tropfen in diesem Alkohol fest geworden ist, schneide ich ihn mittels eines sehr dünnen, geraden, auf der einen Seite plan geschliffenen und mit demselben Alkohol reichlich befeuchteten Rasiermessers von der Glasober- fläche glatt ab. Bei einer gewissen Uebung gelingt dies ganz gut und auf dem Glase bleibt keine einzige Zelle haften. Sodann wird das dünne, sehr zerbrechliche, in der Form einem platten Kugelsegment entsprechende Objekt vorsichtig entwässert, in Zelloidin eingebettet und nach meiner Methode in eine lückenlose, der Glasoberfläche parallele Serie von 5—8 u Dicke zerlegt. Zur Färbung gebrauche ich nach ZF Eosin-Azur (EAz), nach Ch Fuchsin-S-Thionin-Aurantia nach Kull (K). Die in der letzten Zeit stark in Schwung gekommene Methode der vitalen Farbstoffspeicherung im Säugetierorganismus (Goldmann, Tschaschin, Kiyono |. c. usw.) ist natürlicherweise auch mit der Methode der Gewebskulturen in vitro kombiniert worden. Hofmann (2I) hat z. B. embryonale Leber in trypanblauem Plasma gezüchtet. Schon in meiner früheren Arbeit habe auch ich über Aehnliches berichtet. In der vorliegenden Untersuchungsreihe habe ich die vitale Färbung der Gewebs- kulturen in großem Umfange betrieben. Bloß habe ich jetzt, statt des in dem mikroskopischen Präparat schwer zu fixierenden Trypanblaus, nach dem Vorgange von Ribbert (27) und Kiyono (22, 23) Lithium- karmin angewandt. Dieser Farbstoff wird in bestimmten Zellen der Kulturen des Iymphoiden Gewebes reichlich gespeichert und bleibt bei den verschieden- 504 Alexander Maximow: sten histologischen Bearbeitungen, selbst nach ZF-Fixierung, vorzüglich erhalten. Zuerst habe ich ihn derart angewandt, daß ich dem für die Plasma- entnahme bestimmten Kaninchen in die Ohrvene kurz vorher eine große Dose Karmin injizierte. Später setzte ich statt dessen einfach dem normalen Plasma bei seiner Verdünnung mit destilliertem Wasser einige Tropfen steriler Lithiumkarminlösung zu bis zur gewünschten Färbungsintensität; in diesem in vitro gefärbten Plasma wuchs das Gewebe ebensogut. 3. Die frühesten Stadien des Lebens des Iymphoiden Gewebes in vitro. Das Auftreten der charakteristischen Zellfiormen. Im Laufe der ersten 24—30 Stunden bieten die mit gewöhn- lichem Plasma und mit Plasma mit Knochenmarkextrakt herge- stellten Explantate des Iymphoiden Gewebes keine besonderen Unterschiede. Infolgedessen kann man die Präparate beider Serien zusammen beschreiben. Eine sog. ‚latente‘ Periode der Entwicklung in vitro konnte ich nicht bemerken — sofort nach dem Einlegen des Gewebsstück- chens in den Plasmatropfen beginnen bei passender Temperatur bestimmte Erscheinungen sich abzuspielen, deren weitere Entwick- lung ich im folgenden beschreibe. Das erste, was man bemerkt, ist die Auswanderung verschie- dener aktiv beweglicher Zellen aus dem explantierten Gewebsstück in das Fibringerinnsel. Nach 24 Stunden ist das Explantat schon in weitem Umkreise von sehr zahlreichen amöboiden, Pseudopodien bildenden Elementen von verschiedener Größe umgeben, die nach außen an Zahl allmählich abnehmen, unmittelbar an der Gewebs- oberfläche in dichten Schwärmen herumkriechen. In vielen Kulturen verfällt ein größerer oder geringerer, im Inneren des Explantats gelegener Teil des Gewebes schon in den ersten 24 Stunden der Nekrose. Die Ausdehnung der letzteren variiert außerordentlich, offenbar je nach den Zufälligkeiten bei der Bereitung der Kultur — der größeren oder geringeren Dauer der Abkühlung oder Quetschung des Gewebes usw. Das eine Mal ist nur eine ganz kleine Gewebsinsel nekrotisch, in anderen Fällen bildet umgekehrt das am Leben gebliebene Gewebe nur einen schma- len Saum an der Peripherie einer ausgedehnten toten Masse. Ebenso verschieden ist auch das Aussehen der letzteren. Wenn im nekrotischen Gewebsteil alle Zellen ohne Ausnahme tot sind, so stellt er im ZFEAz-Präparat eine mehr oder weniger Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 505 dichte, feinkörnige oder faserige Masse vor, deren Grundfarbe rosa ist, die aber durch und durch von blaugrün gefärbten (in Natur gelben) Pigmentkörnchen durchsetzt ist und außerdem zahllose gröbere rundliche oder eckige rosa Schollen mit dunkelblauen Chromatineinschlüssen enthält — Reste toter Lymphozyten. Diese nekrotische Masse selbst geht jedenfalls aus dem beim Herausschnei- den des Stückchens schrumpfenden retikulären Gerüst mit seinem synzytialen Protoplasma hervor, wie die Pigmentkörnchen be- weisen; außerdem besteht sie aber zum Teil vielleicht auch noch aus geronnenem Plasma. Sehr oft bleiben jedoch verschiedene Gewebselemente in der nekrotischen Zone lebendig. Meistens sind es, wie ich es weiter unten beschreibe, kapilläre Blutgefässe mit den sie begleitenden Fibro- blasten, oder auch einzeln und in Gruppen mitten im Detritus zerstreute retikuläre Makrophagen. Es versteht sich von selbst, daß auch im lebenden Gewebe im explantierten Stück überall zwischen den vollkommen normal und lebenskräftig gebliebenen Zellen in größerer oder geringerer Anzahl degenerierende oder schon tote Zellen zerstreut liegen. Der größte Teil derselben gehört zu den Lymphozyten (Fig. 1, 2, 3, 4 y). Infolge der reichlichen Emigration verschiedener Zellen wird das lebendige Gewebe in den peripherischen Schichten des Explan- tats im Laufe der ersten 24 Stunden lockerer und zellärmer. Dieser Umstand erleichtert naturgemäß in hohem Grade die Unterscheidung der einzelnen Zellarten voneinander. Was vor allem die Lymphozyten betrifft, so verfällt eine wech- selnde Anzahl von ihnen, wie schon erwähnt, sofort der Degeneration. Die am Leben gebliebenen erscheinen in den frühesten Stadien an und für sich kaum verändert (Fig. 1, 2, 3, 4 Lmz und Glmz). Wie im normalen Iymphoiden Gewebe, so zeigen sie auch im Explantat zahlreiche Mitosen (Lmz’ und Glmz’). Ihre Lagerung ist im explan- tierten Stückchen natürlich viel unregelmäßiger, als im normalen Gewebe; außerdem sind sie jetzt in den peripherischen Schichten infolge der fortdauernden Emigration im allgemeinen spärlicher und lockerer angeordnet. Die Follikel sehen vollkommen normal aus, selbst dann, wenn sie frei herausgeschält erscheinen (Fig. 3). Dies ist leicht zu erklären, wenn man bedenkt, daß das retikuläre Stroma an ihrer Peripherie ein sehr dichtes und augenscheinlich ziemlich resistentes, festes Netz bildet. 506 Alexander Maximow: Die schon im normalen Iymphoiden Gewebe stets deutlich zutage tretende Fähigkeit der Lymphozyten zu amöboider Bewegung offenbart sich in den Gewebskulturen schon in den frühesten Stadien in intensivster Weise, besonders wenn das Plasma mit Markextrakt vermischt ist, wobei auf die Zellen wahrscheinlich besonders starke chemotaktische Reize einwirken und vor allem natürlich in der peripheren Zone des Gewebsstückchens. Sowohl in den großen und mittelgroßen, als auch den typischen kleinen Lymphozyten bildet das basophile, nach ZFEAZz dunkelblaue Protoplasma Pseudo- podien; oft streckt sich die ganze Zelle bei ihrer Bewegung wurst- förmig in die Länge (Fig. 1, 2, 3, 4 Glmz und Lmz). Die Bewegung ist vor allem radiär nach dem Nährplasma (F) zu gerichtet; die Zellen zwängen sich dabei zwischen anderen benachbarten Zellen, zwischen Fasern, durch die Maschen des retikulären Netzes hin- durch und geben oft Bilder, die mit ihrem hantelförmig zerschnürten Kern an die Emigration aus den Gefäßen bei Entzündung erinnern (Fig. 2 Glmz). Der größte Teil der im Laufe der ersten 24 Stunden aus dem Gewebe emigrierenden Zellen stellt kleine Lymphozyten vor. Man erkennt sie bei Betrachtung in lebendem Zustande sofort an ihrer geringen Größe, an der eckigen oder wurmförmigen Gestalt, der glasigen, vollständig homogenen Beschaffenheit des Protoplasmas und den relativ langsamen Bewegungen. Diese Beschaffenheit der Säugerlymphozyten in vitro entspricht vollkommen den Eigenschaf- ten der vonWassen(30)in Gewebskulturen beobachteten Lympho- zyten der Amphibienthymus. Am Schluß des ersten Tages kann man in ziemlich vielen Lympho- zyten, vornehmlich den kleinen, die beginnende Verwandlung in Plasmazellen bemerken (Fig. 1 Plz). Neben dem Kern erscheint eine halbkugelige helle Sphäre, während die Peripherie des Zelleibes die starke Basophilie beibehält. In denselben frühesten Stadien habe ich ferner in vielen kleinen amöboiden Lymphozyten im baso- philen Protoplasma neben dem Kern das Auftreten sehr spärlicher, aber ziemlich grober, nach ZFEAZ roter Granula gesehen; mitunter findet man übrigens, wenn auch viel seltener, ganz ähnliche ge- körnte Lymphozyten auch in normalen Lymphknoten. In den späteren Stadien des Lebens. in vitro verschwinden die Granula wieder. Welcher Art die erwähnten Granula sind, kann ich nicht sagen; man könnte vermuten, daß es temporär stark vergrößerte Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 507 azurophile Körner sind. Endlich wäre noch zu bemerken, daß man an den Lymphozyten in vitro sehr oft dieselbe Abschnürung von kleinen Plasmateilchen bemerkt (Fig. 3), wie dies von Downey und Weidenreich (15) und von Downey (12) seinerzeit in den Lymphknoten beschrieben wurde. Gleich in den ersten Stunden des Lebens außerhalb des Organis- mus bemerkt man an den Retikulumzellen des Iymphoiden Ge- webes, besonders in den äußersten Schichten des Explantats, deut- liche Zeichen einer aktiven Reaktion auf äußere Reize. Die Erschei- nungen sind denjenigen bei der Entzündung der Lymphknoten sehr ähnlich. Ohne vorerst bedeutend anzuschwellen, lösen sich die Retikulumzellen aus dem synzytialen Verbande des Stromas los und verwandeln sich in freie, stark amöboide, phagozytierende, polyblastenähnliche Zellen (Fig. I, 2, 4 Rtz). Nach 24 Stunden sind aber viele von ihnen auch schon deutlich hypertrophiert und es fängt in ihnen karyokinetische Teilung an (Fig. 3, Rtz, Rtz’). Sie gehorchen in einem vielleicht noch höheren Grade, als die Lymphozyten, dem positiv chemotaktischen Reize des umgebenden Nährmediums und man sieht sie überall aus den peripherischen Gewebsschichten in das Fibrin (F) auswandern. Sie sehen überaus charakteristisch aus, so daß man sie auch ohne Vitalfärbung sofort identifizieren Kann. Der in der Grundform rundliche Kern nimmt bei den Bewegungen der Zelle die verschiedensten unregelmäßigen Formen an und kann sich besonders in den weiter ins Fibrin vor- gedrungenen Zellen in einen vielfach zusammengefalteten Sack oder langen, mehrfach zerschnürten Schlauch verwandeln (Fig. 1 und 2, Rtz). Das ist natürlich keine stabile Formveränderung, sondern eine temporäre, rein passiv durch die amöboide Bewegung verursachte. Der Umriß des Kernes, seine Membran, ist sehr zart und hell; desgleichen ist das Innere sehr blaß, da das Chromatin nur einzelne, sehr spärliche und hellgefärbte Brocken bildet und außerdem nur ein oder mehrere kleine, ebenfalls schwach färbbare Nukleolen vorhanden sind. Das Protoplasma bildet sehr poly- morphe, manchmal lange, ästige Pseudopodien und erscheint oft im ganzen stark in die Länge gezogen; es ist stets sehr blaß, von hellen, großen und kleinen Vakuolen durchsetzt und enthält eine größere oder geringere Menge von gelblichen Pigmentkörnchen, die nach EAz intensiv bläulichgrün gefärbt erscheinen. Diese letztere Eigenschaft stellt, wie wir später noch sehen werden, ein 508 Alexander Maximow: sehr wichtiges Merkmal für die Identifizierung der Retikulumzellen vor. Außerdem kommen im Protoplasma der Retikulumzellen sehr oft auch rundliche, ziemlich große, schwach azidophile Granula vor (Fig. 2, Rtz in der Mitte), die denjenigen sehr ähnlich sind, die ich seinerzeit in den ruhenden Wanderzellen des lockeren Bindegewebes außerhalb des Organismus beschrieben habe (26). Fetttröpfchen sind vorläufig, in den frühesten Stadien, noch sehr spärlich oder fehlen ganz. Die phagozytische Tätigkeit der mobilisierten Retikulumzellen ist schon nach 24 Stunden in vollem Gange. Man findet in ihnen größere oder geringere Mengen verschlungener Teilchen von ver- schiedenem Aussehen und Herkunft. Meist sind es nach EAz rote oder dunkelblaue Schollen — Reste toter Lymphozyten (Fig. 1, Rtz in der Mitte). Die beschriebenen retikulären Polyblasten bewegen sich viel rascher und dringen deswegen bei ihrer Emigration ins Fibrinnetz viel weiter vor. Im frischen, lebenden Präparat sind sie an ihrer Größe und an ihrem amöboiden, vakuolären, Pigment enthaltenden Protoplasma sofort kenntlich. Während man nun, wie oben gesagt, im gewöhnlichen Präparat eines normalen Lymphknotens im Iymphoiden Gewebe keine anderen Zellen, außer den retikulären Elementen und den Lymphozyten, ermitteln kann, sieht man in den Gewebskulturen sofort, schon in den ersten 24 Stunden des Lebens in vitro, noch eine dritte, wohl charakterisierte Zellart auftauchen — die Fibroblasten. Sie treten überall einzeln oder in kleinen Gruppen zwischen den Lymphozyten und den Retikulumzellen auf und scheinen sich ebenso wie die letzteren von den Balken des retikulären Gerüstes abzulösen. Be- sonders deutlich sieht man sie immer an der Peripherie der Follikel schichtenweise angeordnet (Fig. 3, Fbl). Ferner findet man sie stets in der Umgebung der Kapillaren und auch sonst einzeln im Innern der Follikel und in den Marksträngen. Es ist leicht, die Fibroblasten von den anderen Zellarten, speziell den Retikulumzellen, zu unterscheiden (Fig. 1, 2, 3 Fbl). Sie besitzen in den Kulturen von Anfang an die charakteristischen, von mir schon seit langem beschriebenen Eigenschaften (25). Der zuerst noch sehr schmächtige, später hypertrophierende Zelleib erscheint in zwei oder auch mehrere spießförmige Zipfel ausgezogen. Echte Pseudopodien werden nicht gebildet, im eigentlichen Sinne Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 509 amöboid sind die Zellen also nicht, obwohl sie sich in allen Rich- tungen leicht verschieben können. Außer Chondriosomen und dem Zellzentrum, die mittels besonderer Methoden demonstriert werden können, enthält das Protoplasma keinerlei geformte Bestandteile. Der Kern ist überaus typisch — sehr regelmäßig oval, äußerst zart und fein konturiert, enthält er außer einem blassen Liningerüst feinsten, hellen Chromatinstaub und 2—3 große, eckige Nukleolen. Unter dem Einfluß des formativen Reizes nehmen die Fibroblasten an Umfang allmählich zu und das Protoplasma erhält temporär eine ausgesprochene Basophilie. Schon nach 24 Stunden erscheinen die Zellen deutlich geschwollen und in vielen von ihnen fängt auch schon mitotische Teilung an (Fig. 2 Fbl’). Die platten, spindeligen oder sternförmigen Zellen schieben sich in radiärer Richtung nach außen hin vor und man sieht sie nach 30 Stunden mit ihren spieß- förmigen Ausläufern an der Peripherie des Explantats ins Fibrinnetz hineinragen. An der Peripherie der Follikel ist der Prozeß der Los- lösung und Abblätterung der Fibroblasten stets mit besonderer Klarheit zu beobachten. Es versteht sich von selbst, daß die beschriebenen Erscheinungen sich auf Fibroblasten beziehen, die dem Iymphoiden Gewebe selbst, nicht etwa den Trabekeln oder der Kapsel angehören. Wenn diese letzteren Teile im Explantat vorhanden sind, so erkennt man sie sofort mit Leichtigkeit; sie geben in diesen Fällen natürlich auch eine sehr ergiebige Quelle für wuchernde Fibroblasten ab. Was die Blutgefäße betrifft, so bleiben sie dort, wo sie nicht zusammen mit den anderen Gewebsteilen abgestorben sind, in der ersten Zeit zum größten Teil unverändert. Die Endothelien scheinen äußeren schädlichen Momenten gegenüber sehr widerstandsfähig zu sein — wenigstens trifft man sehr oft ausgedehnte nekrotische Gebiete, wo ausschließlich nur die Blutkapillaren am Leben ge- blieben sind. Die Endothelröhren, die entweder aus gewöhnlichen langgezogenen Zellen mit spindligen Kernen oder aus einer epithel- artigen, sehr dicken, synzytialen Schicht bestehen, erscheinen an solchen Stellen unmittelbar von der oben beschriebenen, rosa ge- färbten, mit Pigment und Chromatinschollen bestreuten Detritus- masse umgeben, und durchziehen sie in verschiedenen Richtungen. In ihrem Lumen befinden sich zum Teil noch normale, zum Teil schon degenerierende Erythrozyten und Lymphozyten. An einigen Stellen, besonders an der Peripherie des Stückchens, 510 Alexander Maximow: bemerkt man jedoch an den Blutkapillaren, vor allem an den mit dickem Endothel, wichtige Veränderungen. Die Zellgrenzen wer- den deutlich, weil die einzelnen Endothelzellen auseinanderweichen; der zellige Inhalt des Gefäßes tritt heraus (Fig. 4, L). Die Kerne der Endothelien nehmen Fibroblastencharakter mit Nukleolen an, das Protoplasma bildet eckige oder spießförmige Auswüchse und zeigt eine mehr oder weniger ausgesprochene Basophilie (Fig. 4, Ed). Schließlich, und zwar sehr rasch, bekommt man auf diese Weise einen Haufen lose zusammengefügter Fibroblasten, die sich von den übrigen Fibroblasten nicht mehr unterscheiden lassen. Auch hier haben wir dieselbe Erscheinung vor uns, wie bei der Entzündung im lockeren Bindegewebe, wo ich ebenfalls die Ver- wandlung des Endothels kleiner Kapillarvenen in Fibroblasten, die ins Gewebe übergehen, beobachtet habe. Aus der angeführten Beschreibung erhellt, daß man im ex- plantierten Iymphoiden Gewebe schon nach 24—30 Stunden, ab- gesehen vom Gefäßendothel, drei distinkte, voneinander scharf geschiedene Zellarten mit einer an gewöhnlichen mikroskopischen Präparaten vom normalen Gewebe unerreichbaren Klarheit unter- scheiden kann — die Lymphozyten, Retikulumzellen und Fibro- blasten. Dieselben drei Zellarten treten ja, wenn wir von den hier noch aus dem zirkulierenden Blute stammenden Elementen absehen, auch bei der Entzündung der Lymphknoten auf (Babkina). 4. Allgemeiner Charakter der Kulturen des Iymphoiden Gewebes. Die allgemeinen Eigenschaften der Kulturen des Iymphoiden Gewebes sind sowohl im lebenden Zustande und an fixierten und gefärbten in toto-Präparaten, als auch an Serienschnitten zu stu- dieren. Sofort nach Herstellung der Kultur erblickt man ein unregel- mäßig rundliches, scharf umschriebenes Gewebsstück; wie oben beschrieben, wird es bald nach der Explantation von einer immer wachsenden Anzahl von emigrierenden Zellen umgeben. In den folgenden Tagen plattet sich das Stückchen gegen die Oberfläche des Deckgläschens ab, seine Konturen werden unscharf, es erhält an der Peripherie radiär gerichtete spitze Vorsprünge und beginnt sich zu umgeben mit einem Ring von neugebildetem Gewebe, welches schon makroskopisch als mehr oder weniger breiter grauer Saum unterschieden werden kann. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 5ll Einen sehr großen Unterschied voneinander zeigen die Gewebs- kulturen im gewöhnlichen Plasma und im Plasma mit Zusatz von Knochenmarkextrakt. Die letzteren wachsen unvergleichlich viel rascher und üppiger und die progressiven Entwicklungserscheinungen in ihnen sind, wie ich es weiter zeigen werde, viel mannigfaltiger. Außerdem existieren aber stets sehr große Unterschiede in quanti- tativem und qualitativem Sinne auch innerhalb der beiden genannten Gewebskulturgruppen, je nach der einem bestimmten Lymphknoten entstammenden Kulturserie und endlich rein individuelle Unter- schiede sogar zwischen den einzelnen Kulturen einer Serie. Die Ursachen aller dieser Verschiedenheiten sind kaum zu definieren. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Serien mögen vom ur- sprünglichen Charakter des explantierten Gewebes, von den Eigen- schaften des angewandten Plasmas oder Markextraktes abhängen. Die Ursachen der rein individuellen Unterschiede der einzelnen Kulturen einer Serie müssen in ganz unkontrollierbaren Schwankun- gen der technischen Manipulationen bei der Herstellung der Kul- turen liegen. Vor allem hängt das verschiedene Aussehen der Kultur, wie schon oben erwähnt, von dem Vorhandensein und der Ausdehnung der Nekrose ab. Ferner treten je nach den unbekannten verschiedenen äußeren Existenzbedingungen in der betreffenden Kultur bei der Entwick- lung und Differenzierung des Gewebes die einen oder die anderen Zellformen in den Vordergrund. Wenn das Wachstum im allgemeinen relativ schwach ist, be- sonders in den ohne Markextrakt bereiteten Kulturen, gewinnen die Fibroblasten entschieden die Oberhand. Sie bilden ein sehr dichtes Gewebe und strahlen an der Peripherie in Form dünner, spitzer Stacheln in radiärer Richtung in das Gerinnsel aus. Die meisten Lymphozyten gehen in solchen Fällen zugrunde, und auch die Retikulumzellen sind spärlich. In vielen Fällen sehr üppigen Wachstums bilden die wuchernden Fibroblasten eine ausgedehnte Gewebsschicht von lockerem Gefüge und zwischen ihnen und draußen, am Rande der neugebildeten Zone, im Fibrin, häufen sich in unzähligen Mengen wuchernde Retikulumzellen von verschiedenem Aussehen und Größe an. Sie beherrschen das ganze histologische Bild der Kultur und bilden stellenweise sogar echte Reinkulturen. 512 Alexander Maximow: In anderen Kulturen wieder, die ebenfalls ein üppiges Wachs- tum zeigen, nehmen die Lymphozyten die erste Stelle ein und be- völkern in dichten Mengen das explantierte und neugebildete Ge- webe. In solchen Fällen konstatiert man meistens auch eine pro- gressive differenzierende Entwicklung der Lymphozyten. Manche Serien zeichnen sich dadurch aus, daß sich im Ex- plantat große Blasen von verschiedenem Charakter entwickeln, die Flüssigkeit und eine größere oder geringere Anzahl schwebender Zellen enthalten. In anderen Fällen treten am Rande der Neu- bildungszone radiär ins Fibrin vordringende hohle, am Ende zu- gespitzte Röhren auf, die wie Gefäßsprossen aussehen (Fig. 6). Echte Verflüssigung des Fibrins, wie sie die Regel ist bei An- wesenheit von Epithel im Explantat, kommt in den Kulturen des Iymphoiden Gewebes im allgemeinen nicht vor. Man findet statt dessen oft an der Peripherie der Neubildungszone Resorption des verdichteten Gerinnsels durch phagozytische Polyblasten. Dafür wird aber, wie ich es schon erwähnt habe, sehr oft aus dem Gerinnsel reichliche Flüssigkeit ausgepreßt. In der letzteren können sich dann an der freien Oberfläche der Kultur große Massen von ver- schiedenen, frei schwebenden, sehr intensiv wuchernden Zellen an- sammeln. In solchen Fällen wird die histologische Bearbeitung der Kultur zu einer sehr schwierigen Aufgabe, denn beim Eintauchen in die Fixierungsflüssigkeit werden die Massen der freien Zellen zum größten Teil fortgeschwemmt. Die Zellart, die die Grundlage einer jeden Kultur des Iymphoiden Gewebes in vitro bildet, sind jedenfalls die Fibroblasten. Wie oben gesagt, fangen sie schon nach 24 Stunden an, sich am Rande des Explantats in radiärer Richtung ins Gerinnsel vorwärtszuschieben. Im Laufe des zweiten Tages findet man in ihnen sehr zahlreiche Mitosen und durch diese Wucherung entsteht die oben erwähnte Zone des neugebildeten Gewebes, die sich im folgenden immer mehr und mehr verbreitert. Sie besteht aus parallel oder netzförmig, dichter oder lockerer angeordneten Fibroblasten. Vorübergehend können sich einzelne Fibroblasten von den übrigen isolieren und weit ins Fibrin vordringen. Im allgemeinen haben sie jedoch eine ausgesprochene Neigung, miteinander in Verbindung zu bleiben. Die Oberfläche des Deckglases ist eine besonders beliebte Stelle für die wachsenden, wuchernden, und vorwärtsgleitenden Fibroblasten (Fig. 5, Fbl). Hier ordnen sie sich vor allem in einer Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 313 dünnen Schicht an, platten sich dabei stark ab und stellen dadurch ein vorzügliches Objekt für zytologische Beobachtungen in lebendem Zustande, besonders auch während der Mitose (Fig. 5, Fbl’) vor. Außerdem strahlen spießförmige, spindlige Fibroblasten auch überall von der Oberfläche des Gewebsstückchens in die Masse des Plasma- tropfens aus. Wenn sich das Explantat mit der Zeit im ganzen abflacht, ordnen sich die Fibroblasten an dessen freier Oberfläche in Form einer dichten Schicht an, die aus in verschiedenen Rich- tungen verlaufenden Streifen parallel gelagerter, platter Zellen be- steht. Diese Schicht ist natürlich nur an Schnittserien sichtbar. Während die nach außen vordringenden Fibroblasten, wie bekannt, stets radiär gerichtet sind (Fig. 5, 6, 7 Fbl), ändert sich ihre Lage später, indem sie zuerst, temporär, oft deutlich zirkulär angeordnet erscheinen, um dann, in den älteren, inneren Schichten der Neubildungszone, wieder mehr unregelmäßige, netzartige, mehr oder weniger dichte Geflechte aus sternförmigen Zellen zu bilden. In den Maschen dieser Geflechte liegen die verschiedenen anderen weiter unten beschriebenen Zellarten einzeln, in Gruppen, oder auch in großen Haufen zerstreut; in den Fällen letzterer Art können sich die Maschen oft in ausgedehnte Höhlen verwandeln und die die Höhle umsäumenden Fibroblasten nehmen den Charakter flacher „Mesothelzellen“ an. Auch im explantierten Keimstück selbst gehen während der Entwicklung der peripheren Wachstumszone tiefe Veränderungen vor sich; das Gewebe lockert sich auf, die nekrotischen Massen wer- den von den lebenden Zellen durchdrungen und zum Teil resorbiert, und die wuchernden Fibroblasten bilden schließlich auch hier ein unregelmäßiges netzartiges Gerüst von verschiedener Dichtigkeit, untermischt mit hypertrophierten Retikulumzellen, Lymphozyten- haufen, Gefässen und nekrotischen Massen. Die Konturen des ehe- maligen Gewebsstückchens werden auf diese Weise bald verwischt und das explantierte umgebaute Gewebsstück geht ohne deutliche Grenzen in die Neubildungszone über. Wenn sich im explantierten Gewebsteil zufällig ein Stück der fibrösen Kapsel des Lymphknotens befindet, bleibt dies Stück lange Zeit als solches kenntlich, weil es eine große Menge welliger paralleler Kollagenbündel, mitunter auch Gruppen von Fettzellen enthält. Es wird in solchen Fällen stets zum Zentrum einer sehr energischen Fibroblastenentwicklung. 514 Alexander Maximow: Ganz eigentümliche Bilder entstehen, wenn auch ein größerer Abschnitt eines Randsinus explantiert wurde. Die Sinushöhle, die meistens zum Teil vom Kapselrest, zum Teil von dem neu- gebildeten Fibroblastengeflecht oder von den dichten Lymphozyten- massen eines Follikels begrenzt erscheint, dehnt sich durch An- sammlung von Flüssigkeit noch weiter aus und erscheint von einer Unzahl dickerer und dünnerer, netzartig verzweigter und anastomo- sierender, glasheller, gequollener Retikulumfasern durchzogen. Das zierliche, durch Flüssigkeit ausgespannte Fasernetz ist überall von kernhaltigem Protoplasma umscheidet. Zum Ende des 5. Tages kann der Durchmesser der sich auf der Deckglasoberfläche ausbreitenden, platten, scheibenförmigen, am Rande sich verdünnenden, im Zentrum dickeren Gewebskultur bei Wachstum in Plasma mit Markextrakt 3—4 Millimeter erreichen. Im Einklang mit Burrows (4) habe auch ich dabei gefunden, dab das Gewebsexplantat eine desto größere Ausdehnung erhält, je dünner (bis zu einer gewissen Grenze) die Plasmaschicht ist. Die großen amöboiden polyblastischen Wanderzellen, die, wie wir sahen, schon in den ersten 24 Stunden aus den Retikulum- zellen entstehen, wandern während der ganzen Wachstumszeit der Kultur immer weiter ins Plasma und können auf diese Weise in einzelnen Exemplaren bis an den Rand des Tropfens vordringen. Man erblickt in ihnen dabei sehr häufig Mitosen. In der von den wuchernden Fibroblasten gebildeten Neubildungszone, auch an ihrem Rande, zwischen den radiär vordringenden Fibroblasten, sind sie stets in wechselnder, meistens sehr großer Anzahl vorhanden und liegen hier einzeln oder in Gruppen zerstreut (Fig. 5 und 6, Rtz). Während sie draußen, im Plasmagerinnsel, intensive amöboide Bewegungen ausüben, und dementsprechend die unregelmäßigsten Formen mit oft langen, verzweigten Pseudopodien annehmen, er- scheinen sie im Bereich des Gewebes mehr hypertrophisch, manch- mal sehr groß, rundlich, oft, wenn in Haufen gelagert, auch poly- edrisch. Außerdem zeichnen sich diese großen ‚endothelioiden‘“ oder „epithelioiden‘ Retikulumzellen im Gewebe meist durch be- sonders reichlichen Gehalt an gelben, nach EAz grünlichen Pigment- körnchen und an Fetttröpfchen aus. In den älteren, 5—b6tägigen Kulturen ist manchmal die ganze zentrale, dickere Partie der Kultur von zahllosen, sehr großen, pigmentgranulierten, kugeligen Reti- kulumzellen erfüllt. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 515 In sehr vielen Kulturserien, die mit Markextrakt gemacht wurden, scheinen die Existenzbedingungen gerade für die Retikulum- zellen besonders günstig zu sein. Sie machen verschiedene Verwand- lungen durch, die ich in weiteren Arbeiten beschreiben werde und stellen bei dem Vordringen der radiären Fibroblasten ins Plasma deren Avantgarde vor. Außerdem sammeln sich in solchen Fällen an der freien Oberfläche des Explantats in der ausgepreßten Flüssig- keit zahllose Scharen solcher Wanderzellen retikulären Ursprungs in frei schwebendem Zustande an. Infolge starker mitotischer Wucherung einerseits, der Hypertrophie andererseits entstehen hier Zellen der verschiedensten Größe. Sie zeigen dabei sehr interessante Beziehungen zu den Lymphozyten, die hier meist ebenfalls in großen Mengen versammelt sind. Ganz ähnliche hypertrophische und wuchernde Retikulumzellen findet man eventuell auch in den oben erwähnten Höhlen im Gewebe selbst. lass Ueber die aus den beschriebenen polyblastischen Retikulum- zellen durch weitere Entwicklung entstehenden verschiedenen neuen Zellformen werde ich in einer anderen Arbeit berichten. Vorläufig möchte ich nur noch bemerken, daß sie bei Anwesenheit von Karmin- oder Trypanblauplasma samt und sonders gefärbte Granula in größerer oder geringerer Menge speichern und dadurch schon im lebenden Zustande und bei schwacher Vergrößerung leicht zu er- kennen sind. Die Lymphozyten verhalten sich in den Kulturen ohne und mit Markextrakt sehr verschieden. In den ersten gehen die ins Gerinnsel während der ersten 24 Stunden in großer Anzahl emigrierten Lymphozyten schon am zweiten Tage sämtlich zugrunde. Auch die später aus dem Ge- webe hervorkriechenden werden von demselben Schicksal erreicht. Im Gewebe verfällt hier auch stets ein größerer oder geringerer Teil der vorhandenen Lymphozyten der Degeneration, so daß man die typischen azidophilen Schollen mit den stark tingiblen Chromatin- teilchen, die Reste toter Lymphozyten, wohl in jeder Kultur in wechselnder Menge und Verteilung antreffen Kann; die oben be- schriebenen nekrotischen Massen bestehen zum großen Teil ja auch aus toten Lymphozyten. Es ist also klar, daß von allen Zellelementen des Iymphoiden Gewebes die Lymphozyten die am wenigsten widerstandsfähigen sind und daß sie vor allem außerhalb des Gewebes, frei im Nähr- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 34 516 Alexander Maximow: medium, als isolierte Zellen, nicht existieren können. Das entspricht übrigens auch den Angaben von Wass&n (30) über die Thymus- Iymphozyten. Im Gewebe selbst hingegen, sowohl in der neugebildeten Zone, als auch im Keimstück, bleiben sehr viele Lymphozyten wäh- rend langer Zeit in lebenskräftigem Zustande und zeigen hier so- gar bis zum 5. Tage karyokinetische Teilungen. Sie liegen zwischen den Fibroblasten und Retikulumzellen einzeln oder in Gruppen zerstreut (Fig. 5, Lmz). Manchmal sieht man sogar ganze gut er- haltene Follikel oder Teile von solchen; ihre zuerst scharfen Grenzen werden allmählich verwischt, indem die Lymphozyten mittels amöboider Bewegungen nach allen Seiten auseinanderkriechen und die benachbarten Gewebsteile infiltrieren. Sehr oft findet man größere Mengen frei schwebender Lymphozyten in der Flüssigkeit der oben erwähnten Höhlen und Sinusreste. Auffallenderweise sammeln sich sehr oft schon während der ersten 2—3 Tage sehr große dichte Mengen von Lymphozyten, vornehmlich kleinen, im Lumen der erhalten gebliebenen kapillaren Blutgefäße an. Sie gelangen hierher durch aktive Immigration durch das Endothel, und werden wohl durch besondere positiv chemotaktisch wirkende Stoffe angelockt (Fig. 6 L). In den mit Knochenmarkextrakt bereiteten Kulturen, wo auch die anderen Zellarten, die Fibroblasten und Retikulumzellen, viel üppiger wuchern und sich entwickeln, sieht man den deutlichsten Unterschied im Vergleich mit den Kulturen im einfachen Plasma gerade an den Lymphozyten. Die in den ersten 24 Stunden emigrier- ten gehen allerdings auch hier sehr bald zugrunde, die im Gewebe verbleibenden Lymphozyten erscheinen aber, trotz der auch hier von Fall zu Fall hervortretenden starken Unterschiede, unvergleich- lich viel lebensfähiger. Sie wuchern viel stärker, ihre Zahl ver- größert sich zusehends, sie bevölkern das Gewebe in großen Men- gen, kriechen überall umher und schlagen, wie ich es in einer anderen Arbeit zeigen werde, sehr verschiedenartige Wege der pro- gressiven Entwicklung ein. In vielen Fällen sammeln sie sich an der freien Oberfläche der Gewebsmasse in der ausgepreßten Flüssigkeitsschicht, zusammen mit den oben erwähnten wuchernden freien Retikulumzellen, in unzähligen Mengen in schwebendem Zustande an. Auch hier offen- baren sie eine außerordentliche Lebenskraft. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. ol Was die kapillaren Blutgefäße betrifft, so habe ich schon er- wähnt, daß das Endothel sehr widerstandsfähig ist und daß in der ersten Zeit des Lebens in vitro ein Teil der Kapillaren mit dickem Endothel sich in Fibroblastenzüge verwandelt (Fig. 4). Die meisten Kapillaren bewahren aber ihre Spezifität inmitten der anderen Ge- webe. Wovon diese Verschiedenheit im Schicksal der verschiedenen Gefäße in ein und derselben Kultur abhängt, ist unmöglich zu sagen. Die bleibenden Kapillaren können ihre ursprüngliche, regel- mäßig zylindrische Gestalt bewahren, oder sie erweitern sich durch Ansammlung von Flüssigkeit zu unregelmäßigen, weiten, kavernösen Räumen, die z. T. von noch intaktem, manchmal sehr dickem, epithelartigem Endothel, z. T. schon einfach von Fibroblastennetzen begrenzt erscheinen. Wie bereits oben erwähnt wurde, können sich in allen diesen unveränderten oder veränderten Kapillaren zahl- reiche große und kleine Lymphozyten und freie Retikulumzellen durch Immigration ansammeln. Sie degenerieren dann hier zu- sammen mit den schon von früher her vorhandenen Erythrozyten oder bleiben auch umgekehrt in schwebendem Zustande während langer Zeit am Leben. Solche mit totem Detritus oder mit noch lebenden Zellen strotzend gefüllte Kapillaren sieht man mitunter ausgedehnte nekrotische Massen durchziehen. In einigen Kulturen vom 3.—5. Tage sieht man die Kapillaren in der Neubildungszone echte Gefäßsprossen treiben. Auch die durch Flüssigkeit ausgedehn- ten und mit schwebenden Zellen erfüllten Gefäße bilden oft nach der Peripherie gerichtete spitze, Konische, seltener keulenförmig abgerundete Sprossen, die aber niemals die mit ihnen zusammen in derselben Richtung vordringenden Fibroblasten überholen (Fig. 6). In manchen Fällen können übrigens solche Gebilde wohl auch aus den Lymphgefäßen entstehen, die zufällig mit einem Kapselstück explantiert wurden. Wenn Stücke größerer Gefäße, kleiner Arterien oder Venen, sich im Explantat befinden, bleiben die Elemente ihrer Wand meistens während der ganzen Lebensdauer der Kultur vollkommen unver- ändert, abgesehen von Wucherung und Auseinanderweichen der Fibroblasten ihrer Adventitia. Die glatten Muskelzellen der Media zeigen am 5. Tage und später zum Teil Zeichen der Degeneration mit Kernpyknose. In einzelnen seltenen Fällen scheinen einige von diesen Zellen das Aussehen von Fibroblasten anzunehmen, so 34 * 518 Alexander Maximow: wie es seinerzeit Champ y (10) beschrieben hatte. Doch halte ich mich nicht für berechtigt, daraus sichere Schlüsse über eine wirkliche Anaplasie der glatten Muskelzellen zu ziehen. Das Zusammenwirken aller beschriebenen Erscheinungen von seiten der verschiedenen Zellarten im Explantat bedingt das von Fall zu Fall sehr verschiedene Aussehen der Kulturen. Bei Be- trachtung derselben auf der Höhe ihrer Blütezeit, etwa am 4. Tage des Lebens in vitro, erhält man oft ein histologisches Bild, welches sehr an die entzündlichen Veränderungen des Iymphoiden Gewebes erinnert. Nach 5—6 Tagen zeigen die Kulturen Zeichen des Stillstandes der Entwicklung und der beginnenden regressiven Veränderungen. Mitosen werden nicht mehr gefunden, die Zellen, unter denen sich besonders die an der Glasoberfläche liegenden Fibroblasten sehr stark vergrößern, erfüllen sich mit Fetttröpfchen, die Lymphozyten vor allem fangen an, rasch zu degenerieren. Um das Leben des Ge- webes zu verlängern und seine Entwicklung fortzusetzen, muß man die Kultur nach 4—5 Tagen des Lebens in vitro in neues Nähr- medium transplantieren. In den Fällen, wo die Kultur von Bak- terien infiziert wird, kann man mitunter während längerer Zeit, während 1—2 Tagen, eine Symbiose der lebenden Zellen und Mikro- organismen konstatieren; schließlich stirbt jedoch das Gewebe immer ab. Die Lymphozyten gehen zuerst zugrunde; die Retikulum- zellen und die Fibroblasten bleiben längere Zeit am Leben, wobei die ersteren bis zu ihrem Tode die Bakterien sehr energisch phago- zytieren. Auch bei Infizierung der Kultur durch Schimmelpilze braucht das Gewebe nicht sofort zu sterben. Man kann oft Myzel- fäden von lebenden Fibroblasten und Retikulumzellen eng um- schlossen liegen sehen. 5. Das in vitro-Leben der Kulturen bei weiteren Transplantationen. Bei der gewöhnlichen Transplantation der Kulturen mittelst Zerschneidens, Waschens und Einlegens in neues Nährmedium geht die weitere Entwicklung in den einen Fällen besser, in den anderen schlechter vor sich, je nachdem das Gewebe vom alten Fibrin mehr oder weniger vollkommen befreit wurde. Wenn die alte Fibrin- hülle erhalten bleibt, kann das Gewebe, wie schon oben erwähnt, ganz erstickt werden und nach längerem Verweilen in inertem Zu- stande schließlich zugrunde gehen. In den zahlreicheren günstigen Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 519 Fällen sind es wiederum die Fibroblasten, an denen sich in den neuen Kulturgenerationen vor allem die Entwicklungsprozesse zeigen. Die Fibroblasten fangen sofort nach der Transplantation an, ins Plasma in radiärer Richtung in einer an das Wachstum von Gras erinnernden Weise vorzudringen. Sie teilen sich mitotisch und bilden in derselben Weise, wie in der primären Kultur, eine sich im Laufe von 4—5 Tagen immer mehr und mehr verbreiternde Neubildungszone von netzartigem Gefüge. Auch in den weiteren Generationen übt die Beifügung von Knochenmarkextrakt zum Nährmedium einen sehr deutlichen stimu- lierenden Einfluß auf das Wachstum aus. Während also die Fibroblasten bei fortgesetzter Transplantation immer weiter wuchern, vermindert sich bei jeder Transplantation die Zahl der sie begleitenden anderen Elemente, der Retikulum- zellen und Lymphozyten, besonders der letzteren. Nach 3—4 Trans- plantationen findet man meist keine Lymphozyten mehr, die Reti- kulumzellen können in einzelnen Exemplaren noch nach 5—6 Trans- plantationen gefunden werden, schließlich verschwinden aber auch sie. Auf diese Weise bekommt man bei weiterer Fortsetzung der Transplantationen schließlich eine Reinkultur von großen, manch- mal riesigen, spindelförmigen oder platten, mit breiten spießförmigen Ausläufern versehenen Zellen — typischen Fibroblasten. Das End- resultat der Transplantation ist also auch beim Iymphoiden Gewebe dasselbe, wie bei Explantation von gewöhnlichem lockeren Binde- gewebe (Maximow, 26). Und ebenso wie dort, scheinen auch diese, aus dem Iymphoiden Gewebe hervorgehenden Fibroblasten in Reinkultur bei günstigen äußeren Bedingungen unbegrenzt weiter existieren und sogar wuchern zu können. Die zuletzt beschriebenen Tatsachen brauchen uns jedoch keineswegs zum Schlusse zu führen, daß den Retikulumzellen und Lymphozyten eine solche Fähigkeit zu zeitlich unbeschränkter Existenz außerhalb des Organismus unbedingt abkomme. Es scheint, daß diese Zellarten bei der gewöhnlichen Transplantation bloß deswegen so rasch aussterben, weil sie den mit dem Zerschneiden verbundenen mechanischen Insulten gegenüber weniger widerstands- fähig sind. Es ist ja bekannt, daß es Carrel (6) gelungen ist, eine Reinkultur nicht nur von fixen Bindegewebszellen, sondern auch von Wanderzellen zu bekommen, Es ist sehr wahrscheinlich, daß 520 Alexander Maximow: diese Zellen gerade den Retikulumzellen oder den ruhenden Wander- zellen entsprachen. Mir ist es bis jetzt, wohl infolge der mehr als dürftigen Einrichtung meines Laboratoriums, nicht gelungen, solche Reinkulturen von Wanderzellen zu erhalten. Ich habe aber bei An- wendung der oben beschriebenen Methode der runden Deckgläschen eine fortdauernde, sich auf eine immerhin ziemlich lange Zeit er- streckende parallele Entwicklung aller Zellarten erzielt. Die bei dieser Versuchsanordnung wuchernden und immer weiter auseinandergleitenden Fibroblasten bedecken schließlich nach 3—4 Transplantationen, nach im ganzen 12—15 Tagen des Lebens in vitro, den größten Teil der Oberfläche des runden Deckgläschens mit ihrem dichten netzartigen Gewebe (Fig. 7, Fbl). Im letzteren sieht man meistens nach den verschiedensten Richtungen verlaufende, immer weiter sprossende endotheliale Gefäßröhren (V), die jetzt nur in Ausnahmefällen erweitert sind und zelligen Inhalt oder Detritus enthalten. Am Rande des Gewebes sieht man meistens besonders deutlich schöne, leere, sprossende Kapillaren in das noch freie Fibrinnetz eindringen (Fig. 8). Das Gefäßendothel scheint also in den meisten Fällen auch in den älteren Kulturen seine spezi- fischen Eigenschaften unverändert zu bewahren. Auf die beschrie- bene Weise entstehen Bilder, die sehr an die Organisation von Thromben erinnern. Baitsell (2) hat bekanntlich in Gewebskulturen (später auch im Organismus) die Entstehung einer eigentümlichen, an das Kollagen erinnernden, faserigen Zwischensubstanz zwischen den Fibroblasten aus sich verdichtenden Fibrinfäden des Plasmagerinnsels beschrieben. Auch in meinen Experimenten, besonders in den eben beschriebenen alten Kulturen auf den runden Deckgläsern, habe ich das Fibrinnetz zwischen den an der Peripherie des Gewebes ins Plasmagerinnsel radiär vordringenden Fibroblasten sich stark verdichten sehen. Diese aus dem verdichteten Fibrinnetz selbst entstehenden Massen haben indessen durchaus nicht immer das Aussehen von Faserbündeln, sondern stellen oft mit EAz sich intensiv rosa färbende, große, eckige, körnige oder fast homogene Klumpen vor. Sie scheinen jedenfalls im folgenden wieder resorbiert zu werden und nicht direkt in bleibende faserige Zwischensubstanz überzugehen. In den mehr zentral gelegenen, also älteren Teilen der Neubildungszone, werden sie zwischen den wuchernden und sich netzartig verflechtenden Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. Sal Fibroblasten aufgelöst und verschwinden. In einigen Fällen kann man sich überzeugen, daß die aktiveRolle dabei von großen amöboiden Polyblasten retikulären Ursprungs gespielt wird, die die Klumpen in dichten Reihen umsäumen. Andererseits kann aber kein Zweifel darüber herrschen, daß in dem in vitro neugebildeten Gewebe zwischen den Fibroblasten, in den späteren Stadien, etwa vom 5. Tage an, tatsächlich eine eigentümliche faserige Zwischensubstanz entsteht. Ihre Fasern verlaufen teils auf der Oberfläche der Zellen und an ihren Rändern und umsäumen sie dann in Form von parallelen Streifen, teils bilden sie zwischen den Zellen durch ihre Verzweigungen ein filzartiges Flechtwerk. Sie färben sich blau nach Mallory und nehmen bei der Imprägnation der (mit ZF fixierten) Schnitte nach Biel- schowsky zum Teil eine tief schwarze (in den jüngeren Stellen), zum Teil eine goldbraune Färbung (in den älteren Stellen) an. Wegen der Unmöglichkeit neues frisches Material speziell zu diesem Zwecke zu erlangen, habe ich die Frage der wahren Natur der beschriebenen Fasern, die nur auf mikrochemischem Wege zu lösen wäre, vorläufig unentschieden lassen müssen. In den Lücken zwischen den auf dem runden Deckglase aus- gebreiteten Fibroblasten befinden sich zahlreiche, einzeln und in kleinen Gruppen verteilte Retikulumzellen, die jetzt zum größten Teil den Charakter großer, fett- und pigmenthaltiger Makrophagen mit sehr deutlichen Zytozentren besitzen (Fig. 7, Rtz). Auch in der über der Gewebsschicht befindlichen, dicken Fibrinschicht und in der die letztere bedeckenden ausgepreßten Flüssigkeit sieht man viele, meistens große, weiter wuchernde Retikulumzellen. An der Peripherie des immer weiter vordringenden Gewebes zwischen den radiär gestellten Fibroblasten und Gefäßsprossen wird nach wie vor die Avantgarde von stark amöboiden, polymorphen, poly- blastischen Retikulumzellen gebildet. An der Oberfläche des Glases bilden die letzteren zahlreiche Riesenzellen. Alle diese Retikulum- zellen erscheinen hier vollkommen lebensfähig und zeigen gar keine Neigung zum Aussterben. Die Lymphozyten sind jetzt viel spärlicher geworden; man kann sie aber sowohl innerhalb der Gewebsschicht selbst, als auch auf ihrer Oberfläche in dem Fibrin finden. Sie scheinen sich nicht mehr so energisch wie früher zu vermehren und man sieht oft degenerierende Exemplare. Die früheren großen Mengen toter 522 Alexander Maximow: Lymphozyten haben sich inzwischen zum größten Teil aufgelöst. Jedenfalls sind aber auch jetzt Lymphozytenmitosen keine Selten- heit. Ferner kann man auch in diesen alten, mechanisch nicht ge- störten Kulturen in gewissen, wenn auch seltenen Fällen eine in verschiedenen Richtungen verlaufende differenzierende Entwick- lung der Lymphozyten konstatieren. Wir sehen also, daß es vor allem auf die Methodik der Trans- plantationen ankommt. Bei Erfüllung der idealen Bedingungen, nämlich bei Vorhandensein eines passenden Substrates, bei Siche- rung eines fortwährenden Nahrungsstromes und genügender Sauer- stoffzufuhr, bei rechtzeitiger Entfernung der Stoffwechselprodukte und Vermeidung grober mechanischer Eingriffe, wäre es vielleicht doch möglich, alle drei Zellformen des Iymphoiden Gewebes, näm- lich die Fibroblasten, Retikulumzellen und auch die Lymphozyten außerhalb des Organismus unbeschränkt lange weiter zu züchten. 6. Zusammenfassung und Schluß. In den frühesten Stadien des Lebens des Iymphoiden Gewebes außerhalb des Organismus treten in demselben mit großer Klarheit und Schärfe drei distinkte Zellarten hervor — Fibroblasten, Reti- kulumzellen, Lymphozyten. Die kapillaren Blutgefäße bewahren zum größten Teil ihre Selbständigkeit. In einzelnen von ihnen treten die Endothelzellen auseinander und verwandeln sich in Fibroblasten. Die Beifügung von Knochenmarkextrakt zum Nährmedium übt eine starke stimulierende Wirkung auf die Entwicklung aller genannten Zellarten aus. Die Fibroblasten hypertrophieren, fangen am zweiten Tage zu wuchern an und dringen in radiärer Richtung als spindel- oder spießförmige Zellen ins Nährmedium ein. Sie bilden mit ihren dichten oder lockeren netzartigen Geflechten die Grundlage der sich allmählich verbreiternden, wachsenden Zone des neugebildeten Gewebes. Die Retikulumzellen verwandeln sich in polyblastenähnliche, große, amöboide Zellen, in phagozytäre Makrophagen, die ebenfalls mitotisch wuchern und zum Teil in großen Mengen ins Nährmedium emigrieren, zum Teil im Gewebe bleiben und hier besonders stark hypertrophieren. In vielen Fällen bilden sie infolge besonders energischer Vermehrung große Reinkulturen schwebender amöboider Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 523 Zellen in der das Explantat bedeckenden, aus dem Fibringerinnsel ausgepreßten Flüssigkeit. Die Lymphozyten sind die am wenigsten widerstandsfähige Zellart. Die ins Nährmedium emigrierenden und sich vom Gewebe weit entfernenden Exemplare gehen stets zugrunde. In den mit gewöhnlichem Plasma bereiteten Kulturen machen sie im Explantat keine besonderen Veränderungen durch. In Kulturen mit Knochen- markextrakt offenbaren sie hingegen im wachsenden Gewebe eine hohe Lebensfähigkeit, vermehren und entwickeln sich progressiv und können sich zusammen mit freien, schwebenden Retikulum- zellen in erweiterten Gefäßen, Sinusteilen oder in der das Explantat bedeckenden Flüssigkeitsschicht anhäufen. Bei gewöhnlicher, mit Zerschneidung des Explantats ver- bundener Transplantation sterben die Retikulumzellen und Lympho- zyten allmählich aus, und es bleiben schließlich in Reinkultur, ebenso wie bei verlängerten Transplantationen der Kulturen des gewöhn- lichen lockeren Bindegewebes, nur die Fibroblasten übrig. Diese letzteren scheinen die Fähigkeit zu besitzen, außerhalb des Organis- mus bei günstigen Existenzbedingungen während unbeschränkter Zeit weiter zu leben und sich zu vermehren. Bei Transplantationen auf konstantem, festem Substrat in Form eines runden Deckgläschens kann das Explantat im Laufe von 15 Tagen auf der Oberfläche des Glases eine Ausdehnung von 8 mm und darüber erreichen. Hier entwickeln sich außer den Fibro- blasten auch die Retikulumzellen in befriedigender Weise weiter und auch die Lymphozyten bleiben,am Leben. Die Endothelröhren der Kapillargefäße durchziehen das neugebildete Gewebe und bilden Sprossen. Zwischen den Fibroblasten entsteht eine eigentümliche faserige Zwischensubstanz. Auf Grund der vorliegenden Untersuchung und meiner früheren Arbeit (26) können wir den Schluß ziehen, daß das explantierte gewöhnliche lockere Bindegewebe und das Iymphoide Gewebe eines erwachsenen Säugetiers in einem passenden Nährmedium außerhalb des Organismus nicht nur leben, sondern auch wachsen kann. Die Zellen, die sich im Organismus passiv verhalten, teilen sich in vitro mitotisch. Für eine Annahme einer zeitlichen Beschränkung dieses Wachstums auf eine bestimmte Periode fehlt es dabei an Tatsachen. Die Möglichkeit, daß das Wachstum und die Entwicklung bei günstigen Bedingungen unbegrenzt lange fortdauern könnten, ist 524 Alexander Maximow: nicht von der Hand zu weisen. Im Gegensatz zu Burrows und Neymann (5), nach welchen das Gewebe außerhalb des Organis- mus nur fähig sein soll, eine Zeitlang weiter zu leben, wobei seine Zellen nur auf Kosten anderer Nachbarzellen oder im Gewebe selbst schon früher vorhandener Nahrungsvorräte sich verschieben und in ihrer Struktur modifizieren, muß ich besonders betonen, daß es sich hier um richtige progressive Entwicklung, um echtes Wachstum, um Zunahme der lebenden Substanz an Masse und um echte karyo- kinetische Wucherung handelt. Amitose habe ich nicht beobachten können. Alles dies geschieht auf Kosten aktiver Nahrungsaufnahme aus dem umgebenden Medium, dem geronnenen Plasma. Daß sich die verschiedenen Zellarten nicht nur gleichartig ver- mehren, sondern daß sie sich außerhalb des Organismus auch pro- gressiv entwickeln und ihre latenten prospektiven Entwicklungs- potenzen entfalten können, werde ich in weiteren Arbeiten zeigen. Endlich habe ich auch von den Kulturen des Iymphoiden Ge- webes, wie seinerzeit von den Kulturen des gewöhnlichen lockeren Bindegewebes, keineswegs die Ueberzeugung gewinnen können, daß die verschiedenen Zellarten außerhalb des Organismus stets einer rückläufigen Differenzierung, einer Anaplasie verfallen, wie es Champy (7—10) und Champy und Kritch (11) wol- len. Sie verwandeln sich keineswegs alle in eine einzige, gleich- mäßige, indifferente embryonale Zellart. Nicht nur so hoch spezi- fisch differenzierte Zellarten, wie das Nierenepithel, sondern die gewöhnlichen Fibroblasten, Retikulumzellen und Lymphozyten lassen sich alle durch eine lange Reihe von Kulturen als typische, mit be- stimmten Eigenschaften begabte Zellrassen verfolgen. Das hindert die Zellen keineswegs, sich in bestimmten Fällen in typischer Weise regressiv oder progressiv zu verwandeln. Von einer allgemeinen Anaplasie kann aber jedenfalls nicht die Rede sein. Literatur. l. Babkina. Veränderungen de Gewebe der blutbildenden Organe bei aseptischer Entzündung derselben. Inaug.-Diss., St. Petersburg, 1910 (Referat in Fol. häm. Zentralorgan, Bd. 11, S. 202). 2. Baitsell. The origine and structure of a fibrous tissue, which appears in living cultures of adult frog tissues. The Journ. of experim. Medicine, Vol. 21, 1915. 10. 11. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 525 Burrows. The tissue culture as a physiological method. Trans. of the Congress of Amer. Phys. a. 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Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: Ed — Blutkapillarenendothel; Ed’ — Endothelzellenmitosen; F = Fibrin; Fbl = Fibroblasten; Fbl’ = Fibroblastenmitosen; Glmz — große Lymphozyten; Glmz’ = Mitosen großer Lymphozyten; L — Gefäßlumen; Lmz — kleine Lymphozyten; Lmz’ —= Mitosen kleiner Lymphozyten; Plz — Plasmazellen; Rtz — Retikulum- zellen; Rtz’ — Retikulumzellenmitosen; Sz = Kerne des retikulären Syn- zytiums (ruhende Retikulumzellen); V = Blutkapillaren; y = Reste toter Zellen, vornehmlich Lymphozyten. Fig. 1. Schnitt von einem Explantat von 26 Stunden; ZFEAz. Teil der Peripherie eines Follikels mit ins Fibrin (F) eindringenden Fibro- blasten (Fbl), mobilisierten, pigmenthaltigen und phagozytierenden Retikulumzellen (Rtz) und Lymphozyten (Lmz). Fig. 2. Aehnliche Stelle von einer anderen Kultur desselben Stadiums; ZFEAz. Deutlich zu sehen Auflockerung der peripheren Gewebs- schicht des Follikels mit gequollener faseriger Zwischensubstanz (t). Im Follikel große phagozytierende Retikulumzellen (Rtz); Rtz”” = Retikulumzelle mit einem Kristall von kohlensaurem Kalk; Rtz’””’ — Retikulumzelle mit azidophilen granulären Einschlüssen. Fig. 3. Schnitt durch die Peripherie eines glatt ausgeschälten explantierten Follikels, 28 Stunden (ZFEAz), Die die Oberfläche bekleidenden Fig. 4. Figr:5, Fig. 6. Bier -T. Eig.&: Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 927 Fibroblasten (Fbl) und die darunter liegenden Retikulumzellen (Rtz) geschwollen. Zwischen den Lymphozyten, außer Zerfalls- produkten toter Zellen, zahlreiche abgeschnürte Protoplasma- teilchen. Schnitt durch den peripherischen Teil eines Explantats von 22 Stun- den; ZFEAz. Kapillare mit geschwollenem Endothel (Ed), dessen Zellen auseinandertreten und Fibroblastencharakter gewinnen, Teil eines in toto-Präparates einer Kultur von 3 Tagen (mit Knochen- markextrakt); Carnoy - Hämatoxylin. Zu sehen ist der Rand der dünnen, sich an der Oberfläche des Deckglases vorwärts schiebenden neugebildeten Gewebszone; das Fibrinnetzwerk ist nicht abgebildet. Im unteren Teil der Zeichnung sieht man die ältere, mehr zentral gelegene, dickere Gewebsschicht mit vielen Lymphozyten, im oberen Teil die Schicht platter, z. T. sehr großer wuchernder Fibroblasten (Fbl, Fbl’) mit relativ spärlichen, z. T. hypertrophischen, rundlichen Retikulumzellen. Draußen, am Rande des Gewebes, im Fibrin, energisch kriechende, stark amöboide Reti- kulumzellen; s — an der Glasoberfläche liegende, in große platte Scheiben verwandelte Fibroblasten. Eine andere Stelle an Rande derselben Kultur. Weite, dünnwandige, mit lebenden Lymphozyten (L) erfüllte Gefäße, ins Nährmedium spitze Sprossen treibend. Schnitt durch den Rand der auf der Oberfläche eines runden Deck- gläschens wachsenden neugebildeten Gewebszone; 3 Transplan- tationen, 15 Tage; Totaldurchmesser der vom Gewebe auf dem Glase eingenommenen Fläche ca. 9 mm; ZFEAz. Zwischen den geflechtartig miteinander vereinigten wuchernden Fibroblasten (Fbl, Fbl’) Retikulumzellen von verschiedener Größe und Aussehen und sprossende, leere, kollabierte Kapillaren (V). In diesem Bezirk fast keine Lymphozyten. Schnitt durch den Rand einer ähnlichen Kultur auf rundem Deck- glas, 1 Transplantation, 8 Tage; ZFEAz. Ins Fibrin hinein spros- sen Kapillaren mit Mitosen im Endothel (Ed’). Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus (Cynopterus marginatus). Von Franz Keibel, Berlin, Mit Schema A—-G und 12 Textfiguren. l Unter dem Material, welches mein im Kriege gefallener Freund Prof. vv. Berenberg-Goßler hinterlassen und das mir seine Frau zur Verfügung gestellt hat, befindet sich auch eine Reihe von Embryonen einer Großfledermaus, die v. Goßler während eines Aufenthaltes in Niederländ.-Indien im Oktober und November 1909 gesammelt hat. Die Präparate sind mit Cynopterus marginatus be- zeichnet. Von der Embryologie der Großfledermäuse ist bis dahin wenig bekannt. Außer den Veröffentlichungen Selenkas und seines Schülers Rudolf Goehre über Pteropus edulis L. kommt nur noch eine größere Arbeit J. H.F. Kohlbrugges über „Befruch- tung und Keimbildung bei der Fledermaus Xantharpya amplexi- cauda (in den Verh. der Akad. der Wissenschaften in Amsterdam 1913) in Betracht. Xantharpya ist nach Max Weber (Die Säuge- tiere 1914, S. 399 [Weber schreibt Xantharpyia]) eine nahe Ver- wandte der Cynopterus. Cynopterus und Xantharpya gehören mit Pteropus zu den Pteropodinae einer Unterfamlie der Pteropodidae. Das mir zur Verfügung stehende Material ist nur gering und hat leider durch die lange Aufbewahrung sehr gelitten, dennoch erhalte ich einige neue, von den Angaben Selenkas, Goehres und Kohlbrugges abweichende Ergebnisse. Diese betreffen im wesentlichen die Festsetzung des Eies und die Bildung der Plazenta, während das Material zu lückenhaft war und zu sehr gelitten hatte, Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 529 um über die Furchung, Entoderm- und Mesodermbildung Aufschluß zu gewähren, so wünschenswert besonders mit Rücksicht auf Koh |- brugges Arbeit eine Aufklärung nach dieser Hinsicht gewesen wäre. Für meine Untersuchung kommen I1 Genitalien und Teile von Genitalien in Betracht. Sie wurden nach dem äußeren Aussehen geordnet und in Serien zerlegt, wobei sich herausstellte, daß die Auf- reihung nicht genau dem Entwicklungsgrade entsprach. Die Schnitt- richtung wurde durchweg senkrecht zur Längsachse des Uterus- hornes gewählt. In 2 Uteri wurde kein Ei gefunden (Cyn. m. | und 3), wohl aber in dem einen dieser Uteri reichliche Spermien (Cyn. m. 3), während in dem anderen vergeblich auf Spermien ge- fahndet wurde. Ich schicke hier einige Angaben über die weiblichen Genitalien von Cynopterus marginatus voraus. Die Ovarien, welche ein deutliches, mit den Resten des Wolffschen Ganges in Verbindung stehendes Rete ovarii zeigen, liegen in einer Bursa ovarii, welche nur eine enge Verbindung mit der übrigen Bauchhöhle aufweist. Die Tuben beginnen mit einem ampullären Teil mit Fimbrien. Fimbrien und ampullärer Teil der Tube sind mit flimmerndem Zylinderepithel bekleidet, dem zweiten — nennen wir ihn den isthmischen Teil der Tube, fehlt das Flimmerepithel. Daraus ohne weiteres zu schließen, daß die Eier durch die Muskelkontraktionen der Tube und nicht durch die Flimmerbewegung dem Uterus zugeführt werden, ist nicht angängig, weil ja auch die Flimmern der Fimbrien und der Pars ampullaris tubae auf die in dem flimmerlosen Teil der Tube sich fortbewegenden Eier ein- wirken können. Der Uterus ist ein Uterus bicornis, der innerlich bis zur Einmündung in die Vagina vollständig geteilt ist. Jede der Uterus- hälften zerfällt in zwei durch ihr Epithel scharf gesonderte Ab- schnitte. Der proximale Teil ist mit Zylinderepithelien bekleidet und hat längere Drüsen, während der distale Teil eine Bekleidung von Schleimzellen zeigt, die auch die kurzen schlauchförmigen Krypten austapeziert. Die ungeteilte Vagina ist von vielgeschichtetem Platten- epithel ausgekleidet, das auch den unteren Rand des Uterusseptums überzieht. Ich gebe nun zunächst mit Hilfe von einigen schematischen Zeichnungen eine Darstellung davon, wie ich mir die Festsetzung des 530 Franz Keibel: Eies bei Cynopterus und die Bildung seiner Plazenta nach den von mir erhobenen Befunden vorstelle, dann schildere ich meine Befunde als Belege für meine Auffassung und bespreche endlich die Angaben von Selenka, Goehre und Kohlbrugge und die der Autoren über die Kleinfledermäuse, soweit sie für meine Unter- suchungen in Betracht kommen. Ich nehme an, daß das Ei — ich habe stets nur eines ge- funden und das entspricht ja den Angaben anderer Forscher — Schema A. Schema B. Schema A. Querschnitt durch ein Uterushorn mit im Lumen frei schwimmendem Ei. Das Mesometrium M oben. Schichten von außen nach innen: 1. Serosa, 2. Muscularis, aus äußerer (quergeschnittener) Längsmuskulatur und innerer (längsgeschnittener) Ringmuskulatur be- stehend, 3. Mukosa mit Epithel und Drüsen. Im Uteruslumen schwebt frei das Ei. Schema B. Längsschnitt durch ein Uterushorn in der Ebene des Mesc- metrium M. Die Schichten wie in Schema A, die Längsmuskulatur ist natürlich längs, die Ringmuskulatur quer getroffen. Das Uterusepithel und der proximale Teil der Drüsen durch den wuchernden Tropho- blast zerstört. Trophoblast in Zytotrophoblast und Spongiotropho- blast gesondert. Die Grenze zwischen Zytotrophoblast und Spongio- trophoblast punktiert. Proximal und distal vom Ei das Uteruslumen verlegt. Das Entoderm umgibt den Embryonalknoten, tapeziert die ganze Innenfläche des Eies aus und schiebt sich zwischen Embryonal- knoten und Zytotrophoblast ein. sich im Uteruslumen, also wenigstens annähernd zentral inseriert, wie das die Schemata A und B darsteilen. Die Insertionsstelle liegt in der Nähe der Einmündung der Tube in das Uterushorn. Nach Kohlbrugge kann bei Xantharpya ein Eibläschen mit voll entwickeltem, das ganze Ei auskleidenden Entoderm noch frei im Uteruslumen schweben. Schema A zeigt einen Querschnitt durch den Uterus an der Stelle, an der sich das Ei kurz vor seiner Fest- setzung befindet. Seine äußere Schicht, sein Trophoblast, wird Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 531 alsbald sich dem Epithel, welches die Falten des Uterus, zwischen denen die Drüsen münden, überkleidet, anlegen, es zum Schwunde bringen und sich so ringsum in die Uterusschleimhaut einfressen. Gleichzeitig obliteriert unmittelbar proximal und distal von der Insertionsstelle des Eies durch Wucherung der Schleimhaut das Ute- ruslumen, und gegen die Teile der Uterusschleimhaut, welche das Uteruslumen verlegen, wächst der Trophoblast auch vor. Schema B (S. 530) soll diese Verhältnisse veranschaulichen. Es stellt einen Längsschnitt des Uterus in der Ebene des Mesometriums dar. Das Ei ist ganz vom Entoderm umwachsen und hat sogar den Embryonalknoten vom Trophoblast abgedrängt. Im Embryonal- knoten selbst sind die zentralen Zellen in Zerfall begriffen und er- füllen einen Hohlraum, den man als primitives Amnion zu bezeichnen pflegt. Das Embryonal- gebilde liegt nach der mesometrialen Seite. Der Trophoblast wuchert gegen die Uterusschleim- haut und bringt sie und die zentralen Teile der Drüsen zum Schwunde, während die peripheren Teile der Drüsen kräftig wuchern, sich schlängeln und erweitern. Der Trophoblast gliedert sich dabei in zwei Schichten, in den dem Eiinnern zu- Querschnitt durch gekehrten Zytotrophoblasten und den mit der a Se Resorption des mütterlichen Gewebes betrauten ung zu Schema B. Spongiotrophoblasten. Diese Zerlegung des Tro- phoblast ist in den Schemata B und C zur Anschauung gebracht worden. Schema C stellt wieder einen Schnitt senkrecht zur Längsachse des Uterushornes dar. In der Uterusschleimhaut sind nicht mehr die ganzen Drüsen in ihrem Verlaufe zu erkennen, sondern infolge der Wucherung und Schlängelung erscheinen viele mit Epithel ausgekleidete Hohlräume. Die zentralen sind erweitert, ihr Epithel ist verdünnt, zum Teil auch von der Unterlage gelöst, es scheint hier zeitweise doch die Bildung einer Embryotrophe vor- zuliegen, wie das für Kleinfledermäuse Großer (1909, S. 182) und Frommel 1888 angeben, v. Beneden dagegen (1888°, S. 26) bestreitet. Einen in seiner Orientierung der des Schema C entsprechenden Schnitt zeigt Schema D auf S. 532. Der Spongio- trophoblast hat sich weiter ausgebreitet und der Zytotrophoblast sendet zottenartige Sprosse in ihn hinein. Der Spongiotrophoblast ist durchsetzt von mütterlichen Blutgefäßen, deren Wand nur Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 35 M. Schema C. 532 Franz Keibel: aus Endothelien besteht. Diese Endothelien müssen also dem wuchernden Trophoblast Widerstand leisten können. Nicht ausge- schlossen ist, daß auch sie sich aktiv verhalten, also eine gegen- seitige Durchwachsung von Trophoblast und Blutgefäßen statt- findet. Degeneration der Gefäßendothelien und Abstoßung dersel- ben in das Gefäßlumen habe ich in den von mir beobachteten Stadien nicht feststellen können. Selbstverständlich ist dadurch nicht ausgeschlossen, ja es ist wahrscheinlich, daß sie später, wie für Kleinfledermäuse angegeben wird, eintritt. Bildung von Blut- körperchen habe ich in der Plazenta- anlage nie zu Gesicht bekommen, auch scheinen mir die von anderer Seite dafür ins Feld geführten Be- obachtungen nicht beweiskräftig zu sein. Bemerkenswert ist, daß in dem rings um das Ei vorwachsenden Tro- phoblastsynzytium peripher die Kerne besonders stark wuchern und in grö- e” AN \ STIEG / > , NN & S\_ TEE WENNS SO ea I—— GV ES Fre er : SEE Beren Gruppen angeordnet sind; Schema D. außerdem zeigen sie die Eigentüm- Querschnitt. Im Embryonal- lichkeit, sich mit Boraxcarmin stark knoten ist die primitive Am- nionhöhle (im Schema punktiert) aufgetreten. Der Zytotropho- blast treibt kräftige Zapfen in den Spongiotrophoblast vor. Im übrigen vgl. die Erklärungen zu den Schemata A—C. zu färben. Ob sich solche mit Ker- nen erfüllte Schollen von ihrem Mut- terboden loslösen und selbständig vorwachsen, konnte ich nicht ent- scheiden. Auch in der Blutbahn fand ich keine vielkeringe Schollen. Diese Trophoblastwucherungen finden sich auch in den Teilen des Eies, welche in das proximal und distal er- halten gebliebene Uteruslumen sich vorwölben. Daß sowohl proxi- mal wie distal hier vor der Einwucherung des Trophoblast eine voll- ständige Abriegelung der Eikammer durch die Uterusschleimhaut erfolgt ist, der Trophoblast also an den Eipolen nicht frei in das Uteruslumen vorwächst, läßt sich dadurch beweisen, daß auch an beiden Eipolen das dichte Gefäßnetz, also mütterliches Gewebe im Plazentarlabyrinth vorhanden ist. Im weiteren Verlauf der Entwicklung findet nun eine Heraus- schälung eines Teils der Eikapsel aus der Uterusschleimhaut statt. Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 533 Die Schemata E und F geben eine übersichtliche Darstellung dieses Vorganges. Im antimesometrialen Gebiet des Eies findet proximal und distal beginnend an der Grenze, bis zu welcher der Trophoblast vorgedrungen ist und zwar im Bereich der hier stark erweiterten Drü- sengebiete eine Spaltbildung statt, die von früh an mit dem proxi- malen und distalen erhaltengebliebenen Uteruslumen in Verbindung a Schema E. Längsschnitt in der Ebene des Mesometrium M. Das Ei schält sich antimesometrial aus der Uterusschleimhaut heraus. Der pro- ximale und der distale Teil des Uteruslumens steht mit den ent- stehenden Spalträumen in Verbindung. Die Linie a—b deutet die Lage eines Schnittes, wie er in Schema F wiedergegeben ist, an, Für das übrige vgl. die Erklärungen zu Schema A—D. steht. Auch auf die mesometriale Seite der Eikapsel greift dieser Vorgang über, doch wird hier natürlich der Zusammenhang nicht vollständig gelöst, weil ja die Verbindung zwischen Mutter und Frucht unter allen Umständen erhalten bleiben muß. Daß es an der antimesometrialen Seite zu einer vollkommenen Lösung kommt, nehme ich auf Grund der Beobachtungen vonSelenka,Goehre und Kohlbrugge an, vorgelegen hat mir ein solches Stadium 35% 534 Fran zekteibieil: nicht, doch durfte ich wohl auch daraus, daß ich die Lösung an der antimesometrialen Seite weiter vorgeschritten fand als an der mesometrialen, schließen, daß die Sache sich so verhält. Die Epithel- zellen der distalen Wand der erweiterten Drüsenräume, in deren Bereich die Aufspaltung stattfindet, liefern alsbald eine zusammen- hängende Epithelbekleidung der neugebildeten Begrenzung des Uteruslumens, welche sich proximal und distal an die vorhandene anschließt. Eine Bekleidung der abgespaltenen Wand der Eikapsel Sp Schema F. Schema eines Querschnittes, an der Stelle a—b des Schemas E. Das dem Zytotrophoblast aufliegende Entoderm ist tangiert, es ist hell mit parallelen Längslinien dargestellt. Der anti- mesometriale Spaltraum Sp. läßt sich nur streckenweise nachweisen und dürfte in Rückbildung begriffen sein, wie das ja auch die Zellen der inneren Wand der erweiterten Drüsenabschnitte, in dessen Bereich die Aufteilung er- folgte, sind. Schema E gibt einen Längsschnitt durch das schwangere Uterus- horn in der Ebene des Mesometriums. Die Aufspaltung ist an der antimesometrialen Seite noch nicht vollständig, aber weiter vor- geschritten als an der mesometrialen. Die Spaltbildungen haben an die proximalen und distalen Abschnitte des Uteruslumens An- schluß gefunden und das Uterusepithel geht ohne Unterbrechung in das Epithel der distalen Wand der Spalten über, Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 535 Schema F gibt einen Schnitt, wie er sich am proximalen und am distalen Ende des Eies ergibt, wenn man senkrecht zum Uterus- horn schneidet. Die Schnittrichtung ist auf dem Schema E durch a—b angedeutet. Wir sehen die Spaltbildung hier nur an der meso- metrialen Seite. Die Eiwand ist nur tangential getroffen. Ein Bild von dem Verhalten nach vollendeter Abspaltung gibt Schema G. Es handelt sich wieder um einen Schnitt in der Ebene des Meso- Schema G. Schema eines Längsschnittes in der Ebene des Mesometriums. Die Schleimhaut ist auf der antimesometrialen Seite vollständig aufgespalten, der Spaltraum steht proximal und distal mit dem Uteruslumen in Verbindung. metriums. Die Lumina des proximalen und des distalen Endes des Uterushorns stehen wieder miteinander in Verbindung. Wenn man die Vorgeschichte nicht kennt, so würde man daran denken können, ein Einfressen des jungen Eies in die Schleimhaut anzu- nehmen. Das sich interstitiell entwickelnde Ei würde dann den dem Uteruslumen zugekehrten Teil der Schleimhaut als Decidua capsularis vorgewölbt haben, wie wir es beim Menschen annehmen. Wächst nun das Ei stark und geht der antimesometriale Abschnitt 536 Franz Keibel: der Plazenta infolge der Dehnung zugrunde, so daß nur noch eine becherförmige Plazenta übrig bleibt, so könnte man auch hier wieder an einen primären Zustand denken. Das Ei würde von einer Falte der Uterusschleimhaut umwallt, und so käme die becherförmige Plazenta zustande. Wir werden sehen, daß SelenkaundGoehre zu dieser Auffassung gekommen sind. Nachdem ich jetzt an Schematen dargelegt habe, wie sich mir die Festheftung des Eies von Cynopterus marginatus und die Bil- dung‘ seiner Plazenta darstellt, sei kurz das Material besprochen, das mir vorliegt. I. In den Genitalien des Cynop- terus marginatus I wurde kein Ei gefunden, ebensowenig Spermien. Die Verhältnisse der einzelnen Teile des Genitaltraktus liegen so, wie sie geschildert sind. II. In dem Uterus von Cynopterus marginatus 3 waren reichliche Sper- mien vorhanden. Auf den Schnitten durch die Tube lassen sich keine oder nur ganz vereinzelte Spermien Biest. _ Querschnitt durch ein Uterus- horn (Cgn. marg. 3a). Von außen ö E > : nach innen: 1. Serosa. 2. Mus- fNachweisen. Ein Eindringen von cularis (Längsschnitt dunkler, Spermien in die Uterusschleimhaut Ringschnitt heller, 3. Mukosa wurde nicht beobachtet. In einem mit gewucherten Drüsen. Im Oyarium war ein jedenfalls nicht Uterus und den Drüsenlumina : . 3 2 5 > ganz frisches Corpus luteum, ein Ei zahlreiche Spermien (nicht darge- stellt). Oben das Mesometrium ‚aber fand sich nicht. Wenn es nicht (M.) Vergr. 40:1. übersehen, was ich kaum glaube, oder bei dem Färben verloren ge- gangen ist, müßte dies Corpus luteum der vorigen Schwangerschaft angehören und man könnte geneigt sein, eine Stelle des dazuge- hörigen Uterushornes, das sich von Zellen entblößt zeigt, als die Plazentarstelle dieser Schwangerschaft anzusprechen. Zur Ent- scheidung dieser Frage reicht das Material nicht aus, die Lage der fraglichen Stelle liegt übrigens entfernter von der Einmündungs- stelle der Tube, als die Insertionsstelle der sonst beobachteten Eier. Fig. 1 gibt einen Querschnitt durch das eine Uterushorn; die Mesometriumseite liegt nach oben. Unter der Serosa finden wir Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 537 die quergeschnittene Längsmuskulatur, nach innen davon die Ring- muskulatur längs getroffen. In der Schleimhaut haben wir kräftig entwickelte Drüsen. Im Uteruslumen ist ein Stück abgestoßenes Epithel angedeutet. Die Spermatozoen sind nicht zur Darstellung gebracht. III. Mit Cynopterus marginatus 2 ist das Genital bezeichnet, in dem ich das jüngste der beobachteten Eier fand. Es handelte sich um ein Bläschen von größtem Durchmesser von 0,6 und kleinstem Durchmesser von 0,5 mm. Der einen Wand dieses Bläschens liegt ein Zellklümpchen an, das im größten der Querschnitte 8 Zellkerne aufweist. Eine Zona pellucida läßt sich nicht mehr nachweisen. Das Ei liegt mitten im Uteruslumen und ist auf 7 Schnitten von 10 u getroffen. Zwischen den Falten der Uterusschleimhaut münden die zahlreichen schon hypertrophierten und geschlängelten Drüsenschläuche ein. Ich nehme an, daß das Ei sich an dieser Stelle des Uterus festsetzen wird und zwar zentral. Dafür, daß es zwischen die Falten der Uterusschleimhaut oder gar in die Drüsenlumina einwandern könnte, ist es jetzt schon zu groß. Dazu dürfte es etwas geschrumpft sein, während auf der anderen Seite auch das Uterus- lumen ebenfalls durch Schrumpfung größer erscheint, als es während des Lebens war. Daß auch noch größere Eier als das hier gefundene bei Xantharpya frei im Uteruslumen liegen, geht aus der schon zitierten Angabe (S. 530) von Kohlbrugge hervor. Die Schleimhaut des Uterus ist von einer inneren Ring- und einer äußeren Längsmuskulatur umgeben. Nach oben in der Figur finden wir das Mesometrium mit einer Arterie und einer Vene. Fig. 2 (S. 538) zeigt diese Verhältnisse. Der Schnitt ist bei 80/, Vergs. mit dem Greilschen Zeichenapparat entworfen und bei der Wiedergabe auf 1, verkleinert worden. Fig. 3 gibt einen Schnitt tubenwärts; der Schnitt erscheint im wesentlichen ebenso wie die, welche das Ei bergen. IV. Das nächstältere Stadium finde ich bei dem Cynopterus marginatus 4. Das Uteruslumen ist an der Insertionsstelle des Eies vollkommen verlegt. Diese Insertionsstelle ist in der Nähe der Tubenmündung gelegen. Die Embryonal- (und Amnion-)anlage ist ein kugliges Gebilde, das sich auf 16 Schnitten von 10 u nachweisen läßt. Sie besteht aus einem kugligen soliden Innenkörper, der von Entoblast ringsum umgeben ist, so daß auch der Trophoblast durch eine dünne Meso- 538 Franzu/Keübel: blastschicht von dieser Ektodermkugel, die auf 14 Schnitten von 10 u getroffen ist, abgetrennt ist. In der Kugel beginnt sich im Inneren Zellzerfall und damit die Bildung einer primitiven Amnionhöhle vorzubereiten, ein richtiges Lumen ist aber noch nicht aufgetreten. Das Entoderm hat den ganzen Hohlraum des Eies umwachsen und ursprünglich unzweifelhaft dem Trophoblast dicht angelegen, es hat'sich aber durch chrumpfung gelöst. An seiner .äußeren Big... Fio23. Fig. 2. Querschnitt durch ein Uterushorn mit frei darin schwimmendem Ei (Cyn. marg, 2b). Keine Spermien im Uterus. Im übrigen vgl. die Erklärung zu Fig. I. Vergr. 40:1. Fig. 3. Schnitt tubenwärts von dem der Fig. 2. Die Schichten der Mus- cularis sind nicht zur Darstellung gebracht (Cyn. marg. 2b). Vergr. 40:1. Fläche hat es eine deutliche kutikulare Haut, eine Membrana prima gebildet. Im Gebiet der Embryonalanlage ist das Entoderm ver- dickt. Die Figuren 4 und 5 geben Schnitte durch Uterus und Ei im Gebiete der Embryonalanlage. Die Schnitte sind bei 80/, mit dem Greilschen Apparat gezeichnet und auf 4 verkleinert. Blut- gefäße sind nicht dargestellt. Embryonalgebilde und Entoblast Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 539 sind oben geschildert. Der Trophoblast zeigt zwei Lagen, von denen die äußere, der Plasmoditrophoblast, die sehr viel dickere ist und kräftig gegen die Drüsenschicht der Uterusschleimhaut vorwächst; ihre ungefähre Grenze ist durch den Farbton und durch Punktie- rung angegeben. Nach außen von der Uterusmucosa folgt die Mus- cularis, mit einer inneren Ring- und einer äußeren Längsfaserschicht. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 4. Querschnitt durch ein Uterushorn mit Ei (Cyn. marg. 4a). Solider Embryonalknoten (schwarz), Entoderm, wo es dicker ist, weiß, schwarz gestrichelt, wo es dünner ist als einfache Linie dargestellt. Das Entoderm hat sich vom Zytotrophoblast abgelöst. Die periphere Grenze des Spongiotrophoblasten punktiert. Zahlreiche Lumina gewucher- ter Drüsen in der Schleimhaut. Die Gefäße sind nicht dargestellt. Vergr. 40:1. Fig. 5. Querschnitt durch dass. Uterushorn, wie Fig. 4 (Cyn. marg. da), weiter distal (scheidenwärts). Vgl. die Erklärung zu Fig. 4. Vergr. 40:1. Cervixteil des Uterus und Vagina verhalten sich in diesem Sta- dium wohl noch, wie beim nicht schwangeren Tiere, wenigstens so, wie vor Festsetzung des Eies. ı Fig. 6 zeigt einen Schnitt quer durch den Cervixteil des Uterus bei 40/, Vergrößerung. Ein Septum teilt das Lumen in zwei etwa gleiche Hälften, es ist in der Mitte muskulös und rechts und links von Schleimhaut überzogen. Die Muscularis des Uterus besteht aus einer Längs- und einer Ringfaserschicht. Der Ueberzug von 540 Franz Keibel: Schleimzellen auf der Schleimhaut ist durch einen gestrichelten hellen Saum wiedergegeben. Daß wir uns bereits der Vagina nähern, zeigt der obere dünnere Teil des Septum und sein Epithel. Wir haben hier im Gebiete des Septums rechts zwei Inseln von vielfach geschichtetem Pflasterepithel — durch dunklen Ton kenntlich ge- macht —, links eine solche Insel am Septum und eine im benachbarten Teil der Seitenwand. Fig. 7 zeigt dann einen Schnitt durch den Bezirk der Vagina. Der untere Rand des Septums ist noch getroffen, doch ist er schon Fig. 6. Querschnitt durch die Cervix des gleichen Uterus (Cyn. marg. 4 c), wie Fig. 4 und 5. Das Schleimepithel (Becherzellen) ist hell und gestrichelt dargestellt. Oben am Septum und an der linken Seite bereits vielgeschichtetes Pflasterepithel wie in der Vagina, durch dunkle Tönung wiedergegeben. Vergr. 40:1. von vielschichtigem Plattenepithel überzogen. Auch der größte Teil der sonst im Schnitt getroffenen Schleimhaut ist bereits von vielschichtigem Pflasterpithel überzogen, doch finden sich rechts wie links im oberen Gebiet der Abbildung noch von Becherepithel überzogene Stellen der Schleimhaut. Außerhalb der Schleimhaut haben wir innen Ringmuskulatur, außen Längsmuskulatur. V. Bei Cynopterus marginatus 6 ist das Ei wohl etwas jünger wie bei Cynopterus 5. Das Embryonalgebilde ist auf 22 Schnitten von 10 u getroffen. Die primitive Amnionhöhle ist in Bildung be- Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 541 griffen und mit Zelldetritus erfüllt. Der Dottersack ist bis auf das äußerste geschrumpft. Eine Membrana prima ist nachzuweisen. Die Insertionsstelle des Eies liegt der Tubenmündung in den Uterus ganz nahe. Außerhalb der Schleimhaut haben wir innen Ringmuskulatur, außen Längsmuskulatur, Fig. 7. Querschnitt durch das proximale Ende der Vagina des gleichen Embryo (Cyn. marg. 4c). Das distale Ende des Uterusseptum ist noch getroffen. Das hell dargestellte Schleimepithel ist zum größten Teil durch das dunkel getönte vielschichtige Pflasterepithel ersetzt. Merer.: 40:1: Die Figuren 8 und 9 geben bei 40facher Vergrößerung Schnitte durch das Ei. Fig. 8 zeigt einen Schnitt etwa durch die Mitte des Embryonalgebildes. Trotz der starken Schrumpfung ist die Er- haltung der einzelnen Zellen nicht schlecht. Der Trophoblast ist in Zytotrophoblast (innen) und Spongiotrophoblast (außen) aufgeteilt. Der Zytotrophoblast treibt zottenartige Fortsätze in den Spongio- trophoblast hinein. Die äußere Grenze des Trophoblast ist durch Punktierung und durch den Farbenton bezeichnet. Die Gefäße sind im Trophoblast ebensowenig wie in der Schleimhaut zur Darstellung gebracht; dagegen die Drüsen der Schleimhaut. Gegenüber der Ansatzstelle des Mesometriums finden wir im Schleimhautgebiet eine Spaltbildung. Diese liegt dicht nach außen von der Grenze zwischen Trophoblast und Schleimhaut. 542 Franz Keibel: Fig. 9 zeigt einen Schnitt, der das Ei nahe seinem proximalen Ende getroffen hat. Der Schnitt ist durch das äußere Gebiet des Trophoblast gegangen; die Kernwucherungen in diesem Gebiet sind durch die dunkeln Flecke angedeutet. Das Uteruslumen liegt meso- Fig. 8. Querschnitt durch Uterus und Ei des Embryo (Cyn. marg. 6). M. meso- metrium; Sp. Spaltraum in der Schleimhaut an der antimesometrialen Seite des Eies. Die Blutgefäße sind nicht dargestellt. Im übrigen vgl. den Text. Vergr. 40:1. metrialwärts. Die Schleimhaut zeigt gewucherte und zum Teil stark erweiterte Drüsen. Die Schichten der Muscularis sind in der Figur nicht gegeneinander abgegrenzt. Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 543 Fig. 10 und 11 geben bei 150facher Vergrößerung genaueres Detail. In Fig. 10 ist von links nach rechts dargestellt: die Uterus- serosa, die aus äußerer Längs- und innerer Ringmuskulatur be- stehende Muscularis, dann die Schleimhaut mit ihren hypertrophi- schen Drüsen und den Gefäßen. An der Grenze von Schleimhaut Fig. 9. Ein Schnitt durch Uterushorn und Ei von Cyn. marg. 6, tubenwärts von dem in Fig. 8 wiedergegebenen Schnitt. Die Schichten der Mus- cularis sind nicht angegeben. Das Ei ist tangiert, so daß nur noch der Spongiotrophoblast mit seinen Kernwucherungsherden getroffen ist. Diese Herde sind durch dunkle Flecke angegeben. Veregr. 40:1. und Ei haben wir die Kernwucherungen des Spongiotrophoblasten; von der Innenseite sehen wir die Zytoblastzotten in den Spongio- trophoblasten vorwuchern. Das Endothel in den Gefäßen des Tropho- blast ist gut erhalten. Selbstverständlich kann es sich hier nur um mütterliche Gefäße handeln, denn Blut und Gefäße des Embryo sind überhaupt noch nicht angelegt. 544 Franz Keibel: Fig. 11 zeigt bei der gleichen Vergrößerung (150: 1) die Spalt- bildung im Gebiete der mütterlichen Schleimhaut ganz nahe der Grenze, bis zu der der Spongiotrophoblast vorgedrungen ist. Auch in dieser Figur folgen von links nach rechts aufeinander: Serosa; Mus- Ein Schnitt durch Uterus und Eiwand von Cyn..marg. 6. Vergr. 150:1. Von links nach rechts: 1. Serosa, 2. Muscularis, die Längs- schicht (außen) ist quer, die Ringschicht (innen) ist längs getroffen. In der Schleimhaut Gefäße und erweiterte Drüsen 3. Nach innen davon das Plazentarlabyıinth mit Blutgefäßen. Vom Zytotrophoblast wachsen Fortsätze in den Spongiotrophoblast ein. Das Entoderm, das sich vom Zytotrophoblast abgelöst hatte, ist nicht dargestellt, nor- mal liegt es ihm dicht an. cularis mit äußerer (quergeschnittener) Längs- und innerer (längs- geschnittener) Ringmuskulatur. Dann kommt die Schleimhaut mit ihren erweiterten Drüsenräumen und in dieser Schleimhaut der bereits beschriebene Spalt. Von den eröffneten Drüsenräumen läßt sich das Epithel auf die Wände des Spaltes verfolgen, die wenigstens Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 545 teilweise von ihm bedeckt werden. Nach innen von dem Spaltraum überzieht nur eine ganz dünne Schicht Mucosa die Außenfläche des Trophoblasten (genauer des Spongiotrophoblasten), wir kommen dann gleich auf die Kernwucherungen des Spongiotrophoblasten. as R . k TR \ er ir A = € 1 | al a #\ 5) Pr be > BE 12! A An Al: Ay Wer BER MIR Bier ll. Ein Schnitt durch Uterus und Eiwand von Cyn. marg. 6, in dem die Spaltbildung (Sp) im Gebiet der Schleimhaut aufgetreten ist. Er- weiterte Drüsen und Einmündung von Drüsen in den Spaltraum. Sonst die Verhältnisse wie in Fig. 10. Vergr. 150:1. Die Endothelien der mütterlichen Gefäße sind im Bereiche des Spongiotrophoblasten gut erhalten. In manchen der Gefäßlumina kann man auch mütterliches Blut (nicht dargestellt) nachweisen. Der Zytotrophoblast, der dem innen hin folgt, enthält keine Gefäße. Er entsendet nach außen in den Spongiotrophoblasten Zotten. Von den Gefäßen ist er immer durch eine Schicht des Spongiotrophoblasten getrennt. Spongiotrophoblasten nach 546 Franz Keibel: Bei ungestörter Lage liegt innen vom Zytotrophoblasten das Entoderm, es hat sich in dem vorliegenden Präparat abgelöst und ist nicht zur Darstellung gebracht. Von den Stellen des Eies, an die später die Allantois gelangt, wachsen dann Allantoiszotten mit Fig. 12. Querschnitt durch Uterus und Ei. Die Schichten wie in den frühe- ren Figuren. Die mit Detritus gefüllte Amnionhöhle wesentlich größer. Die Schichten des Trophoblasts (Zytotrophoblast und Spongiotropho- blast) sind nicht zur Darstellung gebracht, ebensowenig die Gefäße im Trophoblastgebiet, In der Schleimhaut sind die Räume, welche als Gefäße anzusprechen sind, durch Andeutung der Endothelkerne her- vorgehoben, die anderen Lumina gehören Drüsen an. Vergr. 150: 1. fötalen Blutgefäßen in die Zytotrophoblastzotten hinein, wie das Goehre (1892, Taf. XLII, Fig. 4) wohl richtig darstellt. Wir haben dann fötales Blut, fötale Gefäßwand (jedenfalls im wesent- lichen Endothel), Zytotrophoblast, Spongiotrophoblast — bis hier Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 547 also fötale Gebilde —, dann mütterliche Gefäßwand (Endothel) und mütterliches Blut. Schwindet dann später noch, wie man nach den über Kleinfledermäuse vorliegenden Angaben auch für die Großfledermäuse vermuten kann, auch das Endothel der mütter- lichen Gefäße, dann haben wir ganz ähnliche Verhältnisse wie beim Menschen, bei dem das mütterliche Blut auch in den Lakunen des Spongiozytoblasten kreist, ein Endothel in diesen Räumen freilich nie nachzuweisen ist. VI. Das Ei von Cynopterus marginatus 5 ist etwas größer als das eben beschriebene. Seine Insertionsstelle liegt ganz in der Nähe der Einmündung der Tube in den Uterus. Das Embryonal- gebilde ist auf 28 Schnitten getroffen, nur wenig kleiner ist der kuglige Innenkörper, in dem nun eine mit Detritus erfüllte, nicht unbeträchtliche Höhle aufgetreten ist, die nach der üblichen Nomen- klatur |primitive Amnionhöhle zu nennen wäre. Der Innenkörper ist durch Entoblastzellen vollkommen vom Trophoblast getrennt. Die Entoblastlage ist stark geschrumpft, eine Membrana prima ist vorhanden. Der Trophoblast ist in Zytotrophoblast und Spongio- trophoblast gesondert und der Zytotrophoblast wächst zottenartig in den Spongiotrophoblast vor. Vom in der Eikapsel gelegenen mütterlichen Gewebe sind nur die Kapillaren und gegebenen Falles das in ihnen enthaltene mütterliche Blut vorhanden. In der Fig. 12, welche die Verhältnisse bei diesem Ei übersichtlich darstellt, ist die Aufteilung des Trophoblast in seinen Einzelheiten nicht wieder- gegeben. Ebenso sind die Blutgefäße im Trophoblastgebiet nicht dargestellt worden und auch in der Schleimhaut sind nur einige wenige angedeutet. Die Verhältnisse liegen im wesentlichen gerade so wie bei Cynopterus marginatus 6. VII. Der Embryo von Cynopterus marginatus 8 ist etwa auf dem gleichen Stadium, wie der von Cynopterus marginatus 5. Das Embryonalgebilde ist auf 20 Schnitten von 10 u getroffen. Es weist eine mit Detritus gefüllte primitive Amnionhöhle auf. Der Embryo- nalknoten ist durch Entoderm vom Trophoblast abgedrängt. Das Endoderm ist bei diesem Ei nicht geschrumpft, sondern liegt dem Zytotrophoblast dicht an; eine Membrana prima ist an ihm nach- zuweisen. Die Insertionsstelle des Eies liegt in der Nähe der Einmündung der Tube in den Uterus. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 36 548 Franz Keibel: Die Verhältnisse liegen im übrigen so, wie sie bei Cynopterus marginatus 6 (unter V) genauer geschildert sind. VIII. Das Embryonalgebilde von Cynopterus marginatus 10 ist auf 33 Schnitten zu 10 u getroffen. Eine primitive Amnionhöhle ist in Bildung begriffen und mit Detritus erfüllt. Das Entoderm ist stark geschrumpft, eine Membrana prima ist nachzuweisen. Die Insertionsstelle des Eies liegt in der Nähe der Einmündungsstelle der Tube in den Uterus. Im übrigen finden sich dieselben Verhältnisse, wie bei Cynopterus marginatus 6. IX. Das Ei von Cynopterus marginatus 11 zeigt als Besonder- heit zwei mit Detritus gefüllte Höhlen im Embryonalgebilde. Da einige Schnitte ausgefallen sind, lassen sich die genauen Ver- hältnisse nicht feststellen. Das Entoderm des Eies ist stark ge- schrumpft, eine Membrana prima ist vielfach deutlich nachzu- weisen. Die Insertion des Eies erfolgte in der Nähe der Einmündung der Tube in den Uterus. Die sonstigen Verhältnisse wie bei Cynop- terus marginatus 6 (unter V). X. Das Ei von Cynopterus marginatus 7 ist ein wenig weiter entwickelt als die eben beschriebenen, einander sehr nahestehenden. Man kann bei ihm schon von Keimschild und Amnion sprechen. Die Amnionhöhle ist mit Detritus erfüllt. Durch den Keimschild gehen 34 Schnitte von 10 u. Das Entoderm liegt bei diesem Ei dem Zytotrophoblast dicht an. Die Mesoblastverhältnisse habe ich nicht klarlegen können. Die Insertionsstelle des Eies liegt der Einmün- dung der Tube in den Uterus ganz nahe. Besondere Sorgfalt wurde bei diesem Ei der Abgrenzung des mütterlichen gegen das embryonale Gewebe gewidmet. Es ergab sich nach verschiedenen Methoden eine scharfe Ab- grenzung des mütterlichen gegen das fötale Gewebe derart, daß bis zu der Zone, bis zu welcher der Trophoblast mit seiner äußeren Schicht, dem Trophospongioblast vorgedrungen war, Drüsen und bindegewebiges Fasergerüst vollkommen fehlten, dagegen wurde der Trophoblast bis nahe zu der Schicht des Zytotrophoblast, die den Hohlraum des Eies umgibt, von mütterlichen Gefäßen durchsetzt, freilich von ihm immer durch eine Lage von Spongiotrophoblast getrennt. Die Wand dieser Gefäße selbst besteht nur aus Endo- thelien; in den Gefäßen ließ sich mütterliches Blut nachweisen. Daß es sich nur um mütterliche Gefäße handeln konnte, ergab sich aber — und ebenso liegen die Verhältnisse, wie schon hervorge- Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 549 hoben, in den jüngeren Stadien — daraus, daß fötale Gefäße und fötales Blut ja bis jetzt noch gar nicht angelegt sind. Die von mir angewandten Methoden waren die Silberimpräg- nationsmethode von Bielschewski-Maresch, welche ich ja mit gutem Erfolg bereits bei der menschlichen Plazenta angewandt hatte (vgl. Keibel, Ueber die Grenze zwischen mütterlichem und fötalem Gewebe; Anat. Anz. Bd. 48 1915/16 und derselbe, Die Trans- plantationsstelle eines ganz frühzeitig abortiv ausgestoßenen mensch- lichen Eies; Arch. f. mikr. Anat. Bd. 90, 1918). Ich verfuhr im wesentlichen nach Schmorls Angaben, doch gaben mir einige von Prof. Berg gütigst angegebenen Modifikationen die besten Resultate. Ergänzt wurde die Silbermethode durch die Methode von van Gieson und durch die Pikrinsäure-Fuchsinmethode von Hansen, die zu dem gleichen Ergebnis führten. Es wird also nicht! etwa wie das Gefäßnetz in der Leber das Blutgefäßnetz innerhalb des Trophoblast durch Gitterfasern begleitet und ge- stützt. Die Insertion des Eies findet in der Nähe der Einmündung der Tube in den Uterus statt. XI. Das Ei von Cynopterus marginatus 9 ist in seiner Entwick- lung nicht unwesentlich weiter als das eben beschriebene, doch ist die Serie leider unvollständig und die Embryonalanlage ist verletzt. Der Keim ist wohl im Primitivstreifenstadium, die ziemlich weite Amnionhöhle ist mit Detritus erfüllt. Das Entoderm ist nicht geschrumpft und liegt dem Zytotropho- blast an, eine Membrana prima ist vorhanden. Es macht den Ein- druck, als ob die Decke der Amnionhöhle teilweise vom Zytotropho- blast gebildet wird. Die Insertion des Eies hat in der Nähe der Tubenmündung in den Uterus stattgefunden. Wenden wir uns jetzt zur Literatur, so erfahren wir aus der- selben, daß bei den Kleinfledermäusen die Eier in sehr frühen Sta- dien in den Uterus gelangen können. So berichtet Ed. v. Beneden (Anat. Anz. Bd. 16, 1899), daß bei Vespertilio murinus das Ei bereits im Vierzellenstadium in den Uterus gelangt, der größte Teil der Furchung also im Uterus verläuft. Nicht so früh kommen nach Kohlbrugge (1913) bei Xantherpya die Eier im Uterus an. Seine Textfiguren 13 und 14 und die Tafelfiguren h und i stellen Eier dar, welche sich noch in der Tube befanden. Es kann also schon in der Tube zur Bildung des 365 550 Franz Keibel: Embryonalknopfes (Bouton embryonaire) und zur Sonderung des Trophoblast kommen. Für die Festsetzung des Eies bei Pteropus edulis kommen die Figuren Selenkas und Goehres in Betracht und zwar die Figuren 3, 4, 5 und 9 der Tafel XLI und die Figuren 3 und 5 auf Tafel XLII. Fig. 3 Taf. XLI zeigt, daß das Ei sich an der meso- metrialen Seite des Uterus festsetzt, und zwar an der das eigentliche Uteruslumen begrenzenden Wand des Uterus. In der Umgebung der Insertionsstelle des Eies erhebt sich dann nach Selenka ein Wall von Uterusschleimhaut und umwächst das Ei becherartig, wie das die Figuren 5, 8 und 9 auf Tafel XLI und Figur 3 und 5 auf Tafel XLII zeigen. Ob die abgebildeten Präparate richtig ge- deutet sind, steht dahin, man könnte daran denken, daß z. B. R in Figur 3 Tafel XLII nicht den Rand des Uterusgewebes darstellt, sondern daß von R aus eine dünne gedehnte Schicht von Uterus- schleimhaut über die Oeffnung des Bechers zieht, die der Beobach- tung entgangen ist; doch es ist übel, fremde Figuren zu deuten, auch kommen ja bei nahen Verwandten sehr beträchtliche Abweichungen in der Plazentarbildung vor; ich erinnere dabei nur an die doppelt implantierten Fruchtblasen bei Affen; jedenfalls liegen die Verhält- nisse bei Cynopterus marginatus anders, als sie nach den Angaben von Selenka und Goehre bei Pteropus edulis sind. Sehr ähnlich wie bei Cynopterus scheint die Entwicklung in vieler Beziehung bei Xantharpya zu verlaufen, doch machen die starken Schrumpfungserscheinungen, welche sowohl das Kohl- bruggesche wie das Goßlersche Material zeigt, bei der Deu- tung der Schnitte große Vorsicht nötig. Ich habe mich daher auf die Besprechung der Entwicklung des Entoderms und des Mesoderms gar nicht eingelassen und will auch Kohlbrugges Angaben darüber hier nicht diskutieren. Nur auf zwei Dinge will ich kurz eingehen, auf das, was Kohlbrugge die dorsale Kappe nennt, und auf die Frage nach dem Einwachsen der Trophoblastzotten in Uterindrüsen. Kohlbrugge sagt: „Die dorsale Seite des Knotens liegt dem Trophoblast an, ist aber mit diesem ‚nicht verbunden“. Wir werden nun sehen, wie sich eine Haut zwischen Trophoblast und Knoten schiebt, wodurch beide also vollständig voneinander ge- trennt werden. Diese Haut nenne ich die dorsale Kappe, sie bildet sich (be)vor sich das Amnion zeigt.‘“ Die meisten Zellen der dorsalen Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 591 Kappe sollen aus dem Knoten, andere aus den Zellen der ‚Nabel- blase“, also dem Entoderm stammen. Hubrecht, dem die Präparate vorgelegt wurden, soll sie für Mesoblast erklärt haben. Meine Präparate lassen darüber keinen Zweifel, daß die Zellen, welche frühzeitig den Knoten vom Trophoblast abdrängen, dem Entoderm angehören. Ueber das Einwachsen der Trophoblastzotten in die Uterindrüsen sagt Kohlbrugge folgendes: „Figur m zeigt, wie der Tropho- blast Zotten hervorgehen läßt. Diese dringen in die Drüsenschläuche der Mucosa ein. Auf Figur o deuten die dunkeln Punkte an der Innenseite der Drüsenschläuche an, daß diese alle durch solche Chorionzotten austapeziert sind. Weiter zeigt die sich anlegende Plazenta Durchschnitte größerer Blutgefäße. Es umfaßt die Pla- zenta den Embryo wie ein Kelch. Der Teil der Uterusmucosa, welcher an der Plazentabildung keinen Anteil nimmt, wird immer dünner und dünner, so daß schließ- lich der ausgewachsene Embryo durch diese dünne Umhüllung hindurchscheint.‘“ Die Verhältnisse von Kohlbrugges Figuren m und o, besonders auf o, entsprechen so sehr Verhältnissen, wie ich sie selbst beobachtet habe, daß ich es wagen darf, sie anders zu deuten. Das, was Kohlbrugge als tr (Trophoblast) bezeichnet, ist nur der Zytotrophoblast mit seinen Zotten, die Zugehörigkeit des äußeren Blattes des Trophoblast, des Spongiotrophoblasten oder Plasmodi- blasten, zum Trophoblast hat Kohlbrugge nicht erkannt, und aus denselben Gründen kommt Kohlbrugge zu seiner Deutung der Figur 0. Die von Chorionzotten austapezierten Drüsenkanäle sind mütterliche Blutgefäße mit Endothelbelag, umgeben von einer Lage von Zellen des Spongiotrophoblasten. Das was Kohlbrugge als Schnitte größerer Blutgefäße anspricht, sind jedenfalls zum größten Teil Schnitte durch Uterin- drüsen. Auf den Vergleich mit den Verhältnissen bei Kleinfledermäusen will ich hier nicht eingehen, da mir kein Material von diesen Tieren zugänglich ist. Auffallend ist, daß bei den Kleinfledermäusen der Sitz der Plazenta antimesometrial, bei den Großfledermäusen mesometrial ist. Daß in den von mir untersuchten Stadien die Endothelien der im Spongiotrophoblast (Plasmodiblast) gelegenen mütterlichen Kapil- 552 Franz Keibel: laren nicht wuchern und in den mütterlichen Kreislauf abgestoßen werden, wie das v. Beneden (1899, S. 326) für Vespertilio murinus beschreibt, wurde schon hervorgehoben (vgl. auch Nolf, 1895), doch ist damit natürlich nicht gesagt, daß nicht in späteren Stadien dieses Endothel noch zugrunde geht. Ebenso habe ich bereits gelegentlich bemerkt, daß in den von mir untersuchten Stadien der Plazenta sich keine Bildung von mütterlichem Blut nachweisen ließ. Nach den Beschreibungen und Bildern, die von einem solchen Vorgange gegeben werden, möchte ich allerdings vermuten, daß eine solche Blutbildung überhaupt nicht vorkommt. Die Frage, ob das Ektoderm über der „fosse amniotique‘“ zugrunde geht, ist von van der Stricht für V. noctula verneint worden (Diskussion zu v. Benedens Vortrag, 1899). Für Miniopterus Schreibersii gibt Da Costa (1920) neuerdings an, daß die im Embryonalknoten entstehende primordiale Amnion- höhle ihre dorsale Wand verliert, und daß so „un espace thropho- ectoblastique‘“ entsteht. Erst sekundär bilde sich „‚debutant par les replis ectoblastiques“ ein definitives Amnion und eine definitive Amnionhöhle. Bei einem der untersuchten Stadien von Cynopterus (Cyn. 9 XI) hatte ich auch den Eindruck, daß die ursprüngliche Decke des Amnion, wenigstens teilweise geschwunden war, doch ist der Zustand des Präparates so schlecht, daß ich keinen besonderen Wert auf es legen kann. Zudem scheint ja nach den sich wider- sprechenden Angaben von van der Stricht und Da Costa bei verschiedenen Arten die Sache verschieden zu liegen. So dürfte ihr vielleicht nicht allzuviel theoretische Bedeutung zukommen. Jedenfalls will ich hier davon absehen, die Theorien des Amnion zu erörtern. Frau vv. Berenberg-Goßler sei auch an dieser Stelle dafür gedankt, daß sie mir das kostbare Material zur Verfügung stellte, Frau Prof. Berg dafür, daß sie mir bei der Herstellung der Zeichnungen half. Literatur. Allen, Harr., On the embryos of bats Contrib. Zool. Lab. Univ. Pennsilvania Vol. I. Beneden, Ed. van, Lettre sur les placentas discoides. Comptes rendus hebdomaires de la Soc. de Biol. 9. Nov. 1888 (an Duval). Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus. 553 Derselbe, De la fixation du blastocyste ä la muqueuse uterine chez le murin (Vespertilio murinus). Bulletins de l’academie royale des sciences, des lettres et des beaux arts de Belgique. T. XV. 18882. Derselbe, De la formation et de la constitution de la placenta chez le murin (Vespertilio murinus). Bull. de l’academie belgique. T. XV. 1888°. Derselbe, Recherches sur les premiers stades du developpement du Murin (Vespertilio murinus). Anat. Anz. Bd. 16. 1899. Derselbe, Recherches sur l’embryologie des mammiferes. I. De la segmentation, de la formation de la cavite blastodermique et de l’em- bryon didermique chez le murin. Arch. Biol. T. XXVI. 1911. II. De la ligne primitive, du prolongement cephalique, de la notochorde et du mesoblaste chez le lapin et chez le murin. Arch Biol. T. XXVII. 1912. Hrsg. von Brachet. Beneden, Ed. van, et Julin, Recherches sur la formation des annexes foetales chez les mammiferes (lapin et cheiropteres). Arch. de Biol. T. V. 1885. | da Co'sta, A. Celestino, Sur le processus de formation de l’amnios chez Miniopterus Schreibersii Natterer. Compt. rend. d. sc. de la soc. de biol. 31. Mai 1899. T. 82. p. 588. 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Obwohl die Tatsachen den Ausgangspunkt unseres Wissens auf dem Gebiete der Biologie, wie auch anderer Wissenschaften, ausmachen und man sehr oft die Worte zu hören bekommt ‚mehr experimentieren und weniger theoretisieren‘, so ist es doch all- bekannt, daß die Tatsachen nur insofern und derart erkannt werden können, inwiefern und auf welche Art die zu ihrem Erkennen ge- brauchten Methoden dies erlauben und möglich machen. ‚Das Was‘ hängt von „dem Wie‘ ab und es ist eben „das Was“ nur ein solches, kein anderes, weil „das Wie“ in diesem Falle eben ein solches und kein anderes ist. Im Werdegang vieler Wissenschaften wird man wohl leicht Beispiele dafür finden, daß zwei Forscher, die von der- selben faktischen Basis ausgingen, zu ganz verschiedenen, ja manch- mal sogar zu sich gegenseitig ausschließenden Verallgemeinerungen gelangten, eben deswegen, weil „das Wie‘, weil die Methode des Erkennens der Tatsachen, bei jedem von ihnen verschieden war. Dieser Erscheinung begegnen wir auch auf dem Gebiete der Biologie und wir begegnen ihr auch dann, wenn wir das vitalistische Erkennen als außerhalb von Biologie gelegen betrachten und uns nur im Be- reiche des mechanistischen Erkennens bewegen. Wenn wir nun das 556 ran Ein rsschh ext: Gebiet des biologischen Erkennens derart begrenzen, so finden wir im Bereiche des mechanistischen Erkennens zweierlei Methoden: das analytische und synthetische Erkennen. Das analytische Erkennen zerlegt, setzt Grenzen, isoliert, unterscheidet und weist Verschiedenheiten nach; es strebt also eines von dem anderen abzugrenzen und somit Begrenzte zu schaffen, die in ihrer Reihe das Diskontinuierliche geben. Das synthetische Erkennen fügt zusammen, meint Kontinuitäten festzustellen, weist Aehnlichkeiten und Gleichheiten nach; indem es im Verschiedenen das Gemeinsame zu erkennen strebt, beseitigt es gewissermaßen die bestehenden Grenzen und setzt an Stelle der Begrenzten Un- begrenzte, aus denen sich das Kontinuierliche ergibt. Beiderlei Erkennen haben nun aber das Gemeinsame, daß sie potentiell ins Unendliche fortgeführt werden können, woraus folgt, daß sie prak- tisch immer künstlich begrenzt werden müssen. Da das kausal-analytische Erkennen (Roux) als eine Unterart des analytischen Erkennens uns weiter und tiefer auf die Gründe des organischen Geschehens und Bestehens einzugehen erlaubt als das deskriptiv-analytische, deswegen wollen wir es in den folgenden Zeilen ganz besonders in Erwägung ziehen. Wir wollen an Hand eines Beispieles versuchen, zu zeigen, inwiefern gewisse Begriffe, die der Biologie entsprungen, ihre Begründung im analytischen, und inwiefern sie dies im synthetischen Erkennen haben; wir sagen: inwiefern, nicht: einzig; denn praktisch läßt sich das analytische Erkennen vom synthetischen nicht trennen; nur in einem Falle wird die eine, im andern die andere Methode mehr in den Vordergrund gestellt, worüber nicht Notwendigkeiten, also nicht logische Mo- mente, sondern das subjektive des Forschers, gewöhnlich unbewußt, entscheidet; daß nun viele Forscher mit wenigen Methoden arbeiten, dies kommt davon, daß die einen dem Subjektiven der anderen. zustimmen und durch ihre Zustimmung, also durch Konvention, die Methoden der Forschung begründen und ihrer Zahl nach ein- schränken. Als Beispiel soll uns ein so allgemeiner biologischer Begriff wie der der Vererbung dienen. 2. Genetische Beziehung der Generationen. Wenn von Vererbung gesprochen wird, so muß vorausgesetzt werden, daß es eine Reihe von Generationen gibt; nicht jede Reihe Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 557 von Generationen kann aber als Voraussetzung dienen, sondern nur diejenige, von welcher es feststeht, daß die Glieder dieser Reihe voneinander abstammen, also wie wir sagen, in genetischer Bezie- hung stehen; wenn Generation 5 von Generation a abstammen kann, so heißt das, daß es in Generation a etwas geben muß, welches zu Generation a gehört und zugleich die Entstehung, folglich auch die Abstammung der Generation b möglich macht; dieses Etwas muß ein Gemeinsames, also wenigstens ein Aehnliches sein, welches in beiden Generationen vorhanden ist. Gemeinsames wird synthetisch erkannt, es ist die Bedingung der genetischen Beziehung. Genetische Beziehung ist somit synthetisch begründet; logisch begründet ist sie aber nicht, denn sie setzt Gemeinsames voraus, dieses ist aber ebensowenig, wie Aehnliches, Gleiches und Verschiedenes logisch begründet; folglich ist sie konventionell begründet. Ohne genetische Beziehung gibt es aber keine Vererbung. Genetische Beziehung ist somit eine logische Bedingung des Begriffes Vererbung, obwohl sie selbst nur konventionell begründet ist. 3. Abgrenzung der Generationen. Wenn von Vererbung gesprochen wird, so muß, wie gesagt wurde, vorausgesetzt werden, daß es eine Reihe von Generationen gibt, die in genetischer Beziehung stehen; würde der Vorgang, wel- chen wir Vererbung nennen, sich im Bereiche einer Generation oder eines Individuums abspielen, so würde dies eben keine Vererbung sein. Soll also von Vererbung gesprochen werden, so muß es eine Reihe, wenn nur aus zwei Generationen zusammengesetzt geben. Sind nun also wenigstens zwei Generationen dazu nötig, so müssen wir wissen, welches die erste und welches die zweite ist, wir müssen zwischen ihnen eine Grenze ziehen können !); kann nun diese Grenze logisch begründet sein? Nein, wir müssen sie auf dem Wege der Konvention gewinnen und sagen z. B. die zweite, die abstammende Generation beginnt vom Stadium der ersten Furchungsteilung; dies wird aber ebenfalls so wenig logisch begründet sein, wie wenn jemand sagen würde, der Anfang der zweiten Generation ist in ein älteres Furchungsstadium oder in die Proontogenese zu verlegen, wie dies sonst manche tun. Und wo sind die ‚natürlichen‘ Grenzen !) Hirschler, J., Ueber die theoretische Fassung des Problems der Vererbung erworbener Eigenschaften (Archiv f. mikrosk. Anatomie 1917). 998 Yan ıHirschler: der Generationen bei ungeschlechtlicher Vermehrung? Da nun eine bestimmte Generation nur dadurch erkannt wird, daß wir ihr, wie gesagt, konventionell einen Anfang geben und dadurch von der unmittelbar aszendenten Generation abgrenzen, dies weist darauf hin, daß der Begriff ‚Generation‘ analytisch begründet ist, seiner- seits aber eine logische Begründung für den Begriff „Vererbung“ abgibt; denn ohne Generationen ist Vererbung nicht zu denken. 4. Das Vererbte. Wenn wir annehmen, daß Vererbung stattfindet, so muß voraus- gesetzt werden, daß es ein Vererbtes gibt. Zwar ist das Vererbte eine Folge der Vererbung und das Vererbbare ihre Bedingung, dennoch erkennen wir die Vererbung (wenigstens gewöhnlich derzeit) aus ihren Folgen, nicht aus ihrer Bedingung; dies schließt natürlich nicht die Möglichkeit aus, daß wir sie einmal vielleicht auch aus ihrer Bedingung in voraus sagen werden können. Ist nun Vererbung ohne des Vererbten nicht möglich, so fragt es sich, was ist das Ver- erbte. Gleich in voraus kann gesagt werden, daß das Vererbte durch das Unvererbte erkannt wird, ist also vor allem ein solches, weil es vom Unvererbten verschieden ist; der Begriff ‚‚des Vererbten‘“ ist also vor allem analytisch begründet. Aber dasselbe kann auch vom Unvererbten gesagt werden, denn wir werden sehen, daß das Un- vererbte eben durch das Vererbte erkannt wird; wir wollen auch hier gleich betonen, daß sowohl ‚‚Vererbtes‘ wie auch ‚‚Unvererbtes‘“ konventionell begründet sind. 5. Das neuerworbene Vererbte und das Typische. Auf die Frage nach der Begründung des Vererbten müssen wir etwas ausführlicher eingehen; dazu zwingt uns der Umstand, daß der Begriff des Vererbten kein einheitlicher ist, indem, in der Literatur, von dem neu erworbenen Vererbten und von dem längst erworbenen, also von dem vererbten Vererbten, als von zwei Un- gleichen, gesprochen wird. Manche Autoren (z. Be Semon) sind der Ansicht, daß das neu erworbene Vererbte sicherer als das ver- erbte, das vererbte Vererbte dagegen nur unsicher als das Vererbte erkannt werden kann. Dies ergibt sich aufs deutlichste aus den folgenden Worten Semons!) (S. 31): „Wenn wir nun solche !) Semon, R., Der Stand der Frage nach der Vererbung erwor- Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 559 Fälle (d. h. Fälle in welchen das Vererbte als solches zu erkennen ist) mit als Belege heranziehen, in denen die ersten Einwirkungen auf längst vergangene Generationen stattgefunden haben . . . so ent- zieht sich in allen diesen Fällen ein überaus wichtiger Teil des... Vorganges der experimentellen Kontrolle... . Die eigentliche Schaffung der Disposition muß hier doch immer ... . . erschlossen werden.... Deshalb bin... ich der Ansicht, daß ein durchschla- gender Beweis nur auf Grund solcher Fälle geführt werden kann, in denen... der Zustand vor Eintritt der Reizwirkung ..... unter . experimenteller Kontrolle gehalten werden kann.‘‘ Von experi- menteller Kontrolle kann aber nur in diesen Fällen gesprochen wer- den, wo das Vererbte neu oder jedenfalls unlängst erworben wurde. Nur bei dieser Kontrolle erkennen wir, nach Semon, sicher das vererbte, also das, was ohne Zweifel vererbt ist. Andere Forscher, vor allem Roux, sind dagegen in dieser Frage einer anderen Mei- nung. So sagt Roux!) (S. 420, Terminologie): ‚Typisch bezeichnet die dem Typus, also bei Lebewesen die dem Stamme entsprechen- den Eigenschaften. Das sind... sehr lange dauernde, also durchaus bewährte Eigenschaften. Da diese Eigenschaften vererbte sind, hat Roux für den Gebrauch dieses Wortes (d. h. des Wortes „Iypisch‘“), zur kausal-analytischen Forschung, seine Bedeutung etwas verallgemeinert, indem er als typisch alles seit mehreren Gene- rationen im Keimplasma ‚Determinierte‘“ also auch Vererbbare bezeichnet ..... .“ Einige Zeilen weiter lesen wir: „Eine neu auf- getretene vererbbare Eigenschaft stellt aber noch keinen wahren Typus dar.... Zum Typus gehört... daß er viele Generationen hindurch erhalten bleibt. Der Sinn dieser Worte kann nur so ver- standen werden, daß Ro ux nicht das neu erworbene, sondern das durch viele Generationen im Keimplasma ‚Determinierte‘, also das typische, als das vollkommen Vererbte, und somit als das zweifellos Vererbte ansieht. Ist aber das längst erworbene Vererbte das zweifellos Vererbte, so muß es als solches erkannt werden kön- nen, denn wenn es als solches nicht erkannt werden kann, so sind wir in Unsicherheit, ob es das echte Vererbte ist. Woran erkennen nun das Vererbte diejenigen Forscher, welche das neu erworbene bener Eigenschaften (Fortschritte d. Naturwissenschaftlichen Forschung Bd. 2, 1911). !) Roux, W., Terminologie der Entwicklungsmechanik d. Tiere und Pflanzen (Leipzig 1912). 560 Nanurlinsichiteft: Vererbte als das zweifellos Vererbte ansehen und woran wiederum diejenigen, welche als dieses das längst erworbene betrachten ? 6. Das neuerworbene Vererdte. Wenden wir uns zuerst dem neuerworbenen Vererbten zu. Wenn von Vererbtem, also auch von neuerworbenem Vererbten, gesprochen wird, so verstehen wir darunter ein Merkmal, eine Eigen- schaft, eine Reaktionsweise. Wir setzen somit voraus, daß wir ein gewisses Merkmal oder eine Eigenschaft ganz isoliert von anderen Eigenschaften und Merkmalen des Organismus als vererbt erkennen können, als ob diese Eigenschaft oder ein gewisses Merkmal nicht von anderen Eigenschaften und Merkmalen bedingt oder verursacht wäre. Diese Voraussetzung, die analytisch begründet ist, ist natür- lich auch konventionell, wir meinen eine gewisse Eigenschaft von allen anderen Eigenschaften des Organismus abgegrenzt zu haben, obwohl wir wissen, daß diese Abgrenzung mangelhaft ist. Wollen wir nun eine neuerworbene Eigenschaft darauf prüfen, ob sie ver- erbbar ist und ein Vererbtes geben kann, so richten wir nach der Fassung Weismanns, Semons u. a. das Experiment folgendermaßen ein: Ein Organismus, der in Milieu », neben an- deren Eigenschaften, eine Eigenschaft « besitzt, wird in Milieu m gebracht, was zur Folge hat, daß die Eigenschaft a sich ändert und zu a, wird. Die Nachkommenschaft dieses Organismus wird von ihrem Anfange, also, konventionell, von der ersten Furchungs- teilung ab, in Milieu » aufgezogen und entwickelt in einem gewissen Alter wiederum die Eigenschaft a,. Die Eigenschaft a, stellt uns der Meinung der genannten Autoren gemäß, das neuerworbene Vererbte dar, sie wird ihrerseits deswegen für das Vererbte angesprochen, weil sie bei Ausschluß des Originalreizes (Se mon) bestehen bleibt, somit vom Milieuwechsel unabhängig ist und dadurch eben von dem Unvererbten verschieden ist, welches beim Milieuwechsel nicht bestehen bleibt und somit seine Abhängigkeit vom Milieu zutage legt. Denken wir uns aber, daß wir den Organismus, von welchem eben die Rede war und welcher sich in Milieu » befindet, ganz genau kennen, und nehmen an, daß seine Eigenartigkeit eindeutig und ausschließlich nur durch zwei Eigenschaften, also z. B. durch die Eigenschaften a und 5 bestimmt ist. Wir versetzen diesen Organis- mus aus Milieu » in Milieu m und sehen, daß die Eigenschaft a zu a, wird. Da wir nun aber auch alle anderen Eigenschaften dieses Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 561 Organismus, also in unserem Falle die (zweite) Eigenschaft b kennen, so kann hier zweierlei vorkommen; die Aenderung der Eigenschaft a in a, kann die Eigenschaft 5 unverändert lassen oder es kann die genannte Aenderung der Eigenschaft a eine Aenderung der Eigen- schaft 5 in db, zur Folge haben. Dies müssen wir annehmen, wenn wir nicht den Boden der mechanistischen Denkweise verlieren wollen. Ziehen wir nun die Nachkommen dieses geänderten Organismus wiederum in Milieu n auf und stellen fest, daß a, bestehen bleibt, so kann dies, mechanistisch genommen, nur dann zustande kommen, wenn sich die Eigenschaft 5, in 5b, umwandelt, oder, angenommen die Eigenschaft 5 blieb beim Uebergang von Milieu n in m unverän- dert, wenn sie (d. i. die Eigenschaft 5) sich jetzt bei der Rückkehr des Organismus aus Milieu m in n in 5, umwandelt. Wenn nun a, beim Uebergang aus Milieu m in n bestehen bleibt, so ist dieses Be- stehen nur unter der Bedingung möglich, daß sich bin d, oderb, in b, umwandelt. Besitzt also das a, eine Bedingung, so heißt dies, daß es bedingt ist. Nun ist aber das a, das Vererbte, und es sollte somit nicht vom Milieu abhängen und von diesem bedingt sein. Anderer- seits ist es nun aber für einen mechanistisch denkenden Biologen sicher, daß a, nur deswegen beim Milieuwechsel bestehen bleibt, weil es unmittelbar durch den Uebergang 5 in 5b, oder 5b, in db, be- dingt ist; b, respektive d, machen also seine unmittelbare Bedingung, nach seiner Rückkehr in Milieu n, aus; daraus folgt, daß b respektive b, bei Anwesenheit a, in Milieu n unmittelbar durch dieses Milieu bedingt sind; a, ist dann aber mittelbar durch das Mileu » bedingt, also doch durch das Milieu bedingt, obwohl es das Vererbte ist. Wenn wir also das Milieu als Bedingendes und die Eigenschaften, von denen wir annehmen, daß sie uns alle bekannt sind, als sich gegenseitig Bedingendes und Bedingtes auffassen, so gibt es kein vom Milieu unabhängiges und unbedingtes, also auch kein Vererbtes. Wir sprechen also von dem Vererbten beim Einhalten der genannten Versuchsanordnung nur deswegen, weil wir alle Eigenschaften des Organismus nicht kennen und weil wir glauben eine gewisse Eigen- schaft von den anderen isolieren zu können. Der Begriff des Ver- erbten ist also, bei dieser Versuchsanordnung, vor allem durch den Begriff Eigenschaft (oder Merkmal, Reaktionsweise) begründet. Die Grundlage dieses Begriffes ist, wie gesagt wurde, das analytische Erkennen; der Begriff selbst ist konventionell. Wir können aber statt von Bedingendem und Bedingten, ou o)) ID TansHieschler: welche Begriffe dem Konditionismus (Verworn) eigen sind, von Ursachen und Folgen sprechen; in dieser Beleuchtung, welcher sich der Kausalismus bedient, wird uns der Begriff ‚‚Vererbt‘“ wiederum in einer anderen Form erscheinen: Nehmen-wir an, daß ein Organis- mus bei Temperatur » lebt und daß bei dieser Temperatur die Eigen- schaften a und 5b vollkommen seine Eigenartigkeit bestimmen. Diesen Organismus versetzen wir in Temperatur m und sehen, daß a sich in a, umwandelt. Die Aenderung a in a, kann entweder zur Folge haben die Aenderung 5 in 5, oder nicht. Nun ziehen wir die geänderten Nachkommen dieses Organismus wiederum bei Tem- peratur n auf und sehen, daß a, unverändert bleibt. Was hat nun hier beim Temperaturwechsel m in n geschehen müssen, nur dies, daß entweder 5 in d, oder 5, in d, sich umänderten und daß ihre Aen- derung zur Ursache der Konstanz des a, wurde; «a, ist also auch ver- ursacht, seine Ursache liegt außerhalb von ihm. Wenn wir nun aber trotzdem a, als das Vererbte ansehen, so kommt das davon, daß wir alle übrigen Eigenschaften des Organismus nicht kennen und somit nicht berücksichtigen können, aber auch davon, daß wir das Milieu in eine Reihe von Faktoren (wie Temperatur, Licht, Druck) zerlegen, die wir Ursachen nennen und hernach feststellen, daß eine gewisse Eigenschaft z. B. a, trotz Schwankungen eines Faktorenkomplexes oder eines Faktors, z. B. der Temperatur, un- geändert besteht, ihm also gegenüber als Unverursachtes erscheint. Da aber die mechanistische Denkweise kein Unverursachtes zuläßt und außerhalb von a, keine Ursache seines Bestehens gefunden wird, so wird die Ursache in a, verlegt und dieses als selbst-bestehend (Roux) betrachtet. Wenn wir also bei der kausalen Fassung das a, als Vererbtes ansehen wollen, so müssen wir voraussetzen, daß das Beharren des a,, trotz des Temperaturwechsels, nicht durch die Aenderungen anderer Eigenschaften des Organismus verursacht ist und daß einzelne bekannte Faktoren oder bekannte Faktorenkom- plexe das ganze Milieu eindeutig bestimmen. Wenn nun aber zu- gegeben wird, daß einzelne bekannte Faktoren oder Faktoren- komplexe das ganze Milieu bestimmen, was sich auch keineswegs beweisen läßt, so muß vorausgesetzt werden, daß sich einzelne Faktoren (oder Reize), die das Milieu ausmachen, ebenso, wie ein- zelne Eigenschaften des Organismus, von anderen trennen lassen; dies ist aber nur auf dem Wege des analytischen Erkennens und auf dem Wege der Konvention zu erreichen; logisch begründet, also Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 563 beweisbar, ist dies aber nicht. Der Kausalismus ist dem Konditionis- mus vielleicht insofern überlegen, daß er offen von Milieufaktoren spricht, während der Konditionismus das ganze Milieu als Bedingen- des ansieht, obwohl es, in Praxis, nur aus einzelnen seiner Faktoren zu erkennen ist, was wiederum zur Voraussetzung hat, daß das Milieu aus sehr (aus unendlich) vielen Faktoren zusammengesetzt ist. Bleiben wir nun aber noch beim neuerworbenen Vererbten, so muß hervorgehoben werden, daß Semon dieses keineswegs nur dann als solches zu erkennen glaubt, wenn die Nachkommen bei Aus- schluß des Originalreizes, überhaupt das Neuerworbene aufweisen. Es liegen nach ihm (s. Semon: Die Mneme) schon dann zureichende Gründe vor, das Erworbene als das Vererbte anzusprechen I. wenn die Nachkommen, bei Ausschluß des Originalreizes, in seiner Original- intensität, also bei Anwesenheit des ‚Originalreizes‘‘, in geschwäch- ter Intensität, das Neuerworbene in seiner Originalform aufweisen, aber auch dann, 2. wenn die Nachkommen, bei vollkommenem Aus- schluß des Originalreizes, das Neuerworbene nicht in origineller, sondern in geschwächter Form manifestieren; in diesen beiden Fällen spricht er von einem unvollkommenen Vererbten; andere Forscher (z. B. Baur)!') bezeichnen diese Erscheinung als Nach- klang. Wir sehen daraus, daß Se mon sehr liberal vorgeht, wenn. es sich um die Fassung des Neuerworbenen Vererbten handelt und würde die sub 2. erwähnte Versuchsanordnung wirklich exakt ausgeführt werden können, wie sie in praxi nicht ausgeführt werden kann, so würden sich schon aus den Versuchen Tatsachen ergeben, die unvollkommen Vererbte, also Uebergangsformen zwischen dem vollkommen Vererbten und dem Unvererbten, liefern und somit dem Begriffe des Vererbten eine bedeutende Ungenauigkeit auf- prägen. Schwieriger dagegen könnte die Deutung derjenigen Fälle sein, die bei der sub I. erwähnten Versuchsanordnung stattfinden, vorausgesetzt die praktische Möglichkeit einer exakten Versuchs- anordnung in bezug auf das Milieu. — Denn wenn wir sehen, daß die Nachkommen eines Organismus, der beim Uebergang aus Tem- peratur 10° in Temperatur 20° ein Merkmal A entwickelte, selbst dieses Merkmal bei geschwächter Intensität des Originalreizes, also bei Temperatur 15° entwickeln, so liegt die Möglichkeit vor, daß in 'ı) Baur, E., Einführung in die experimentelle Vererbungslehre (Berlin 1911). Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 31 564 Jana Tgschdler: diesem Falle wirklich ‚Unvollkommene‘“ Vererbung vorkommt, daneben ist aber auch die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß Temperatur 15° ebenfalls dazu ausreicht das Merkmal A neu zu ent- wickeln; dann würde natürlich überhaupt keine Vererbung des Merkmals A stattfinden. Kontrollversuche könnten hier nur unter der Bedingung klärend wirken, daß wir alle Merkmale des Organis- mus mit Ausnahme des Merkmales A unberücksichtigt lassen werden. Was würden wir aber sagen, wenn dieses Merkmal A bei den Nach- kommen nicht nur bei vollkommenem Ausschluß des Originalreizes, also bei Temperatur 10°, sondern auch bei Temperatur 5° noch erhalten bleibt; wir würden es dann vielleicht als über-vollkommen Vererbt ansehen. — Diese Fragen stelle ich nur deswegen, um zu zeigen, daß wenn auch alle genannten Mängel der Versuche zu be- seitigen wären, das Vererbte, im Grade seiner Vollkommenheit, nur nach einem konventionell begründetem Maße zu erkennen wäre, welches in einer streng formulierten Versuchsanordnung uns vor- liegen müßte. 7. Das Typische. Wie erkennen wir nun aber das längst Vererbte, das sich durch viele Generationen bewährt hat und seitens Roux das Typische genannt wird? Wir werden uns darüber am besten an einem Bei- spiele klar werden, und wählen uns dazu folgendes: Wenn wir einer Amphibienlarve zwei Hautstücke derart vertauschen, daß wir Hautstück A aus seinem natürlichen Orte » auf den Ort m, Hautstück B dagegen aus seinem natürlichen Orte m auf den Ort n verpflanzen und hernach sehen, daß die Entwicklung (z. B. des Farbenkleides) dieser Hautstücke auf den vertauschten Orten so verläuft, wie sie verlaufen würde, wenn die Hautstücke an ihren natürlichen Orten geblicben wären, so sagen wir, die Entwicklung dieser Hautstücke verläuft unabhängig von äußeren Einwirkungen des Organismus, oder, wie Driesch dies bezeichnet, autonom. Diese Aussage ist aber nur dann berechtigt, wenn wir voraussetzen, daß das Milieu ') an Stelle m, also kurz gesagt, wenn das Milieu m, in welchem sich Hautstück A entwickelt, verschieden ist von dem Milieu an Stelle », also von Milieu n, in welchem es sich entwickelt hätte, wenn es nicht 1) Das Wort Milieu gebrauchen wir bei diesem Beispiele nur im Sinne „inneres Milieu‘, also nicht Umwelt des Organismus. Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 5{°5 in Milieu m verpflanzt worden wäre. Denn wäre Milieu » Milieu m gleich, so würden wir keinen Grund haben zu behaupten, daß dieser Vorgang unabhängig vom Milieu abläuft, oder abgelaufen ist. Die Differenz des Milieu n vom Milieu m können wir aber nur auf diese Weise feststellen, daß wir uns überzeugen, daß einzelne Faktoren des Milieu » verschieden sind von den analogen Faktoren des Milieu m; alle Faktoren eines Milieus ist es doch unmöglich zu prüfen, denn wir kennen sie nicht, können somit ein Milieu nicht restlos in Faktoren zerlegen. Würde nun die Kenntnis einzelner Faktoren eines Milieus dieses eindeutig bestimmen, so könnten wir dann sagen, daß Milieu r vom Milieu m verschieden ist, oder daß sie sich gleich sind. Nun wissen wir aber (aus Erfahrung), daß einzelne Faktoren keineswegs das Milieu, weder als Verursachendes (als Ursache), noch als Bedingen- des (als Bedingung) bestimmen. Folglich können wir auch nicht wis- sen, daß in unserem Falle Milieu » von Milieu m verschieden ist. Was können wir also nur machen, wir können nur feststellen, daß einzelne Faktoren in Milieu » von diesem in Milieu m verschieden sind und dies für einen konventionell nicht logisch begründeten Beweis dafür ansehen, daß Milieu n als Ganzes und Verursachendes von Milieu m als Ganzem und Verursachendem verschieden ist. Wir können weiter feststellen, daß die Entwicklung durch diese Faktoren unbeeinflußt bleibt, uns also, in bezug auf diese Faktoren, als etwas Unverursachtes erscheint; wir behaupten dann, was kon- ventionell, nicht logisch, begründet ist, daß das Milieu kein die Ent- wicklung Verursachendes ist, da es nun aber im mechanistischen Denken kein Unverursachtes gibt, sagen wir, die Ursachen der Ent- wicklung der Hautstücke liegen zwar nicht von außen, aber sie sind doch da, sie liegen in den Hautstücken selbst, es sind dies eben die determinierenden Faktoren von Roux, die die Eigenartigkeit, also das typische und vererbte der Entwicklung ausmachen und sie als ein Selbstgeschehendes determinieren. Wenn wir aber dies zu- geben, so müssen wir voraussetzen, daß es eine Eigenartigkeit also ein Typisches gibt und daß das Typische des Hautstückes A von diesem des Hautstückes B verschieden ist, denn sonst könnten wir doch nicht sagen, daß die Hautstücke sich im vertauschten Milieu so entwickeln, wie wenn sie sich entwickelt hätten, wenn sie in ihrem natürlichen Milieu geblieben wären. Das Typische eines Hautstückes erkennen wir aber ebenso, wie das Milieu; nach einigen Eigenschaften dieses Hautstückes, nach einigen seiner determinierenden Faktoren; 31% 566 VahıHigschler: wir nehmen an, daß einige determinierende Faktoren eindeutig das Typische bestimmen können, was natürlich nicht logisch, sondern konventionell begründet ist; daraus folgt, daß auch die Verschie- denheit zwischen dem Typischen der Hautstücke A und B eben nur so begründet sein kann und da nun das Typische, also das Selbst- geschehende und Selbstbestehende (Ro ux), nur derart begründet ist, daraus folgt weiter, daß wir nicht einmal sagen können, daß ein- zelnen Faktoren des Milieus gegenüber sich das Typische als das Unverursachte darstellt, denn es könnten seitens dieser Faktoren solche Eigenschaften des Typischen beeinflußt werden, die wir eben nicht kennen. — Dann aber würde das Typische vom Atypischen (Roux) gar nicht zu unterscheiden, also auch nicht zu erkennen sein. — Fassen wir das Gesagte nochmals kurz zusammen, so kommen wir zum Schluß, daß das Typische nur unter folgenden Voraussetzun- gen (Bedingungen) zu erkennen ist: 1. daß es im Milieu Milieufakto- ren (realisierende Faktoren nach Roux) gibt, 2. daß einzelne Milieufaktoren oder Komplexe dieser das Milieu eindeutig deter- minieren, 3. daß es im Organismus oder in seinen Teilen determinie- rende Faktoren (Eigenschaften) gibt, 4. daß einzelne determinierende Faktoren, oder deren Komplexe, den Organismus, respektive einen Teil dessen, eindeutig bestimmen. — Das scheinen uns die haupt- sächlichsten Voraussetzungen zu sein, auf welchen das kausal- analytische Erkennen aufgebaut ist und auf welchem die Kausal- analytische Forschungsrichtung fußt. Alle diese Voraussetzungen sind aber nur dann berechtigt, wenn wir annehmen, daß es ein Verursachendes und ein Verursachtes oder ein Bedingendes und ein Bedingtes gibt. — Diese Voraussetzung zeigt uns das Gemeinsame, welches sowohl dem Kausalismus, wie auch dem Konditionismus, zukommt; soll ein Organismus oder sein Teil darauf geprüft werden, ob er Bedingtes oder Verursachtes ist oder nicht ist, so muß er seinem Milieu, also dem eventuell Be- dingendem oder Verursachendem, gegenübergestellt und als ein von diesem Verschiedenes und Abgegrenztes erkannt werden Können. Nun läßt sich aber weder der Organismus noch sein Teil abgrenzen; dies lehrt uns die alltägliche Erfahrung und darüber sind sich die Stifter der kausal-analytischen Forschungsrichtung in der Biologie im Klaren; die Stoffwechsellehre hat uns mit einer langen Reihe von Substanzen bekannt gemacht, die sich im Organismus befinden Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 567 und von denen wir nicht wissen, ob sie dem Organismus oder dem Milieu angehören, ob sie noch nicht Lebendiges geworden, oder ob sie schon kein Lebendiges mehr sind. Der Streit darum, was in der Zelle als Lebendiges also Protoplasmatisches und was als Unbelebtes, als Paraplasmatisches, also als Milieu, zu betrachten ist, erfüllt doch die ganze zytologische Literatur. Das Fehlen von Grenzen zwischen dem Organismus und dem Milieu betont auch ganz unzwei- deutig in seinen Schriften Roux, obwohl dies zu weniger erfreu- lichen Schlüssen in bezug auf den Wert des kausalen und auch des konditionalen Erkennens führen könnte. Das konditionale Erkennen würde dem kausalen vielleicht in dieser Beziehung überlegen sein, daß es das Bedingte auch gleich- zeitig als das Bedingende dessen, durch welches es selbst bedingt wird, auffaßt, während das Verursachte nicht zum Verursachenden dessen werden kann, durch welches es selbst verursacht wird; der Kausalismus erkennt also nur ein Nacheinander der Dinge, der Konditionismus ein Nach- und Nebeneinander dieser. Dies hat zur Folge, daß sich letzterer in den am },besten‘‘ mechanistischen, also in den exaktesten Naturwissenschaften (Physik und Chemie) ein- gebürgert hat und deswegen scheint Vervorn recht zu haben, wenn er auch für die Biologie fordert: ‚„Konditionismus nicht Kau- salismus.‘“ Wenn wir nun das Erkennen des Neuerworbenen Vererbten mit dem Erkennen des Typischen vergleichen, so sehen wir, daß beide dieselben Mängel aufweisen, denn beide fußen auf denselben kon- ventionell begründeten Voraussetzungen; daraus folgt, daß sich beiderlei Vererbte in bezug auf ihre ‚Echtheit‘ gleichkommen und daß eines von ihnen dem anderen bezüglich ihrer „Vollkommenheit‘ nicht überlegen ist. Obwohl sich nun einerseits die Mängel des Er- kennens daraus ergeben, daß die Voraussetzungen, auf denen es fußt, konventionell begründet sind, so ist andererseits hervorzuheben, daß diese Voraussetzungen, nämlich die Begriffe ‚„Milieufaktor‘, „Eigenschaft des Organismus‘‘, „Organismus“ oder ‚Teil des Or- ganismus“ und ‚Milieu‘, welche analytisch gewonnen sind, not- wendig für das Erhalten des Begriffes ‚‚des Vererbten‘ sind. Würden wir die Faktoren, die Eigenschaften, die Grenze zwischen dem Organismus und dem Milieu fallen lassen und Kontinuität schaffen, so müßten wir den Begriff ‚des Vererbten‘ einfach begraben; dies wäre aber zu radikal vorgegangen, hauptsächlich deswegen, weil 568 Jan.Hiws;chler: auch der Begriff des ‚‚Kontinuierlichen‘ nur konventionell und nicht logisch begründet ist. 8. Das Vererbte als Konstantes. Dem Begriffe des Vererbten kommt aber noch eine Eigenschaft zu, ohne welcher er nicht zu halten wäre, das ist nämlich die der Konstanz; die Konstanz des Vererbten ist von der Konstanz des Unvererbten dadurch verschieden, daß sie sich bei Inkonstanz des Milieu bewährt, sie ist also eine Folge der scheinbaren ‚‚Unabhängig- keit“, welches das Vererbte dem Milieu gegenüber äußert und von welcher im vorangehenden Kapitel die Rede war. Nicht jedes Kon- stante aber, wenn es Sich auch dem Milieu gegenüber als ‚un- abhängig‘ erweisen würde, könnte als Vererbtes angesprochen wer- den; dies kann nur unter der Bedingung geschehen, daß dieses Kon- stante eine gewisse Dauer besitzt, welche ihm erlaubt, von einer ge- . wissen Generation wenigstens auf die nächstfolgende zu übergehen. Uebergeht es auf die folgende Generation nicht, so ist es ein Kon- stantes, kein Vererbtes. Obwohl nun die Dauer eines Konstanten auch darüber ent- scheidet, ob es als Vererbtes angesprochen werden kann, oder nicht, so sehen wir doch, daß die Dauer, die bei einer Tier- oder Pflanzen- art genügt, um das Konstante als Vererbtes anzusprechen, bei einer anderen noch lange nicht dazu ausreichen wird; vergleichen wir nur das Tempo, in welchem sich die Generationen einer Drosophila, mit diesem, in welchem sich die Generationen des Menschen folgen; welche große Differenz in der Dauer, um das Konstante im ersten und im zweiten Falle als Vererbtes bezeichnen zu können. In bezug auf die minimale Dauer ist also das als Vererbtes zu qualifizierende für jede Art und vielleicht auch Varietät verschieden, so daß dies, was bei schneller Generationsfolge zum Vererbten wird, kann bei langsamer Generationsfolge auch bei viel längerer Konstanz nicht zum Vererbten werden. Haben wir nun aber die zeitliche Konstanz des Vererbten im Auge, so muß weiter betont werden, was vielleicht paradoxal klingt, daß wenn auch die Dauer des Konstanten dazu ausreicht, um es als das Vererbte zu bezeichnen, es doch während dieser Dauer keines- wegs konstant ist, sondern im Gegenteil eine sehr erhebliche Inkon- stanz aufweist. Denn um das Konstante als Vererbtes auffassen zu können, muß es während der Embryonalentwicklung aus dem la- Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 569 tenden Zustand in den wahrnehmbaren übergehen, es muß also eine Reihe von Aenderungen durchlaufen. Das Vererbte besitzt somit eine nur relative Konstanz, die es dem Unvererbten näher rückt; es besitzt im Bereiche einer gewissen zeitlichen Konstanz auch eine gewisse zeitliche Inkonstanz zugleich. Wenn es sich nun um einen Biotyp handelt, so sollte das Ver- erbte nicht nur eine zeitliche, sondern auch, man könnte sagen, eine räumliche Konstanz aufweisen, das heißt es sollte bei allen Individuen die gleichzeitig leben und ein und derselben Generation angehören, dasselbe sein; nun sehen wir aber, daß es dies nicht ist, auch wenn die ganze Generation in ‚demselben‘ Milieu gehalten wird; es zeigt uns dann eine gewisse Variationsbreite und eine gewisse Streuung, die wir eben nur auf die nicht zu beseitigenden, obwohl geringen Milieu-Verschiedenheiten zurückführen müssen; ist nun aber das Vererbte in bezug auf seine Konstanz schon geringen Milieu- schwankungen gegenüber so empfänglich, so ist ihm auch eine ge- wisse Inkonstanz eigen; es besitzt also im Bereiche einer gewissen Konstanz auch eine gewisse Inkonstanz und wird dadurch dem, bei Milieuschwankungen, Inkonstanten, also dem Unvererbten näher gerückt. Daß es aber doch eine gewisse relative Konstanz besitzt, dies ist, wie bekannt, dadurch bewiesen, daß die Nachkommen eines extremen Minus- oder Plus-Varianten uns wiederum dieselbe Variationsbreite und Streuung des Vererbten geben. Wenn wir nun, trotz räumlicher und zeitlicher Inkonstanz des Vererbten, dieses dennoch als Konstantes bezeichnen, so kommt das davon, daß wir trotz der Aenderungen, welchen das Vererbte unter- liegt, es als solches zu erkennen glauben auf Grund der Voraus- setzung, daß ihm in allen seinen verschiedenen Zuständen doch ein Gemeinsames zukommt; daraus folgt nun, daß die Konstanz des Vererbten ein synthetisch begründeter Begriff ist; synthetisch be- gründete Begriffe sind aber doch schließlich, wie bekannt, konven- tionell begründet; trotzdem ist der Begriff der Konstanz zur Erhal- tung des Begriffes des Vererbten notwendig; ohne Konstanz könnte es doch kein Vererbtes geben. In einem der vorangehenden Kapitel haben wir gesagt, daß das Vererbte nur deswegen bei Milieuschwankungen seine Konstanz beibehalten Kann, weil andere Eigenschaften des Organismus sich ändern und durch ihre Aenderung, also durch ihre Inkonstanz, das Bestehen der Vererbten als Konstanten ermöglichen. Daraus würde 570 Jan iBsichhhert: der Schluß zu ziehen sein, daß je mehr konstante Eigenschaften der Organismus besitzt, desto mehr veränderliche Eigenschaften er auch besitzen muß; dieser Schluß wird vielleicht aus diesem Grunde einen gewissen Wert besitzen, weil er uns erlaubt, die merkwürdige und solange, denn durch eine Reihe von geologischen Formationen andauernde Konstanz mancher Arten zu verstehen, deren nächste Milieugesellschaft (d. h. andere Organismen) teilweise Veränderun- gen unterlag, teilweise ausgestorben ist. Eine lange andauernde Art- konstanz kann also, bei veränderlichem Milieu, nur aus einer aus- giebigen Inkonstanz gewisser Arteigenschaften erklärt werden. Am paläontologischen Material, welches uns nur in Bruchteilen vorliegt, wird das Erkennen dieser inkonstanten Eigenschaften ge- wöhnlich unmöglich sein; es sollte dagegen zu erkennen sein an re- zenten Arten, die anderen, also sehr veränderlichen Arten gegen- über, eine große räumliche, also geographische, wie auch klimato- logische Konstanz aufweisen und statt an verschiedenen Stellen des Erdballs Varietäten und Lokalrassen, oder an demselben Orte, zu verschiedenen Jahreszeiten, Saisonformen ‚zu bilden, eine merk- würdige Konstanz aufweisen, die wohl jedem Faunisten und Floristen allzugut bekannt ist. Die Bedingungen der Artkonstanz trachtete man bisher, im allgemeinen, nur ganz dürftig zu erforschen, denn das Interesse der Biologie war, unter dem Einflusse der bekannten Deszendenz- und Evolutionstheorien, fast ausschließlich der Ver- änderlichkeit der Arten und zwar, ihrer wahrnehmbaren Veränder- lichkeit, zugewendet. Die wahrnehimbare Artkonstanz setzt aber bei Milieuschwankungen eine „unwahrnehmbare‘“ Inkonstanz voraus, die, wie uns scheint, nicht deswegen unwahrnehmbar geblie- ben ist, weil sie nicht zu erkennen war, sondern deswegen, weil man nur wenig trachtete, sie zu erkennen. Für diese Frage liegt also vor uns noch ein großes, wenig bebautes Arbeitsfeld. Die Erkenntnis der Bedingungen, unter welchen Temperaturkonstanz bei Warm- blütern, oder Gewichtskonstanz bei Fischen, oder Farbenkleid- konstanz bei Amphibien stattfindet, geben für diese Frage positives Material ab. Wie aber die Konstanz mancher Eigenschaften eine Inkonstanz anderer voraussetzt, so läßt sich die Sache umdrehen und man kann vermuten, daß so manche Inkonstanz einer Eigenschaft durch die Konstanz einer anderen bedingt wird; dies muß mit voller Sicherheit behauptet werden in denjenigen Fällen, wo wir mit periodischer Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 571 Inkonstanz (wie z. B. bei Saison-, Di- und Polymorphismus) der Ar- ten zu tun haben. Wenn nun aber eine gewisse Eigenschaft, bei ge- wissen Milieuschwankungen, inkonstant ist und durch die Konstanz einer anderen bedingt wird, so kann es leicht vorkommen, daß beim Ausbleiben von Milieuschwankungen sie konstant wird und eine Aenderung der vorher konstanten Eigenschaft hervorruft; dies könnte der Weg sein, auf welchem, ohne Ausmendeln, Mutationen gebildet werden, die wir eben deswegen als endogene bezeichnen, weil das Milieu konstant ist oder wenigstens keine größeren Schwankungen aufweist. — Doch wollen wir diese Frage hier nur streifen. 9. Das Vererbte als Mendelndes. Eine weitere Eigenschaft des Vererbten ist, wie bekannt, die, daß es nach stattgefundener Kreuzung rein herausmendelt. Unter welchen Bedingungen kann nun dies geschehen ? Wir wollen darauf an einem Beispiele Antwort geben und wählen dazu einen womöglich einfachen Fall: Setzen also voraus, daß das Milieu für die Dauer der Eltern-, Kinder- und Enkelgeneration (P, F,, F,) unverändert bleibt, daß die Befruchtung außerhalb des elterlichen Organismus stattfindet und daß monohybride Kreuzung zustande kommt. Kreu- zung muß natürlich Befruchtung sein und Befruchtung ist Trans- respektive Implantation einer Geschlechtszelle in (oder auf) die andere, ergo muß für das Verhältnis beider Geschlechtszellen und somit auch für das Verhältnis der in jeder von ihnen enthaltenen Erbeinheiten (Gene) dasselbe gelten, was in bezug auf das Verhält- nis der transplantierten Hautstücke zum übrigen Organismus, in einem der vorangehenden Kapitel, hervorgehoben wurde. Mono- hybride Kreuzung setzt voraus, daß die Geschlechtszellen nur in einer Eigenschaft (in einem Gen) verschieden sind und in bezug auf alle anderen Eigenschaften sich gleich sind. Nehmen wir nun an, daß wir alle Eigenschaften der einen und der zweiten Geschlechts- zelle kennen und daß die Zahl ihrer in jeder Geschlechtszelle zwei beträgt. Eine Geschlechtszelle A besitzt also eine Erbeinheit d, die zweite Geschlechtszelle B besitzt eine Erbeinheit D, wobei D über d dominiert; bezüglich der zweiten Eigenschaft sollen sich gemäß unserer Voraussetzung (monohybride Kreuzung) beide Geschlechts- zellen gleich sein. Wenn wir nun aber, auf Grund des vorhergesagten, annehmen, daß Erbeinheit d in Geschlechtszelle A und in Milieu N durch die zweite Eigenschaft / bedingt ist, so kann die Erbeinheit Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. 312 JanHirschler: D in Geschlechtszelle 5 und in Milieu N nicht durch dieselbe zweite Eigenschaft /, sondern durch eine andere f, bedingt sein. Wenn wir also sagen, daß monohybride Kreuzung eine Kreuzung bedeutet, bei welcher, in demselben Milieu, zwei Geschlechtszellen teilnehmen, die sich voneinander nur in einer Eigenschaft unterscheiden, so ist dies, streng genommen, unmöglich, indem, aus vorgenannten Gründen, bei Anwesenheit des Milieus N die Formeln der Geschlechtszellen nicht d f und Df, sondern df und D f, lauten müssen. Wie wird nun aber die Formel der Zygote lauten ? Es ist nun unmöglich, im voraus auszuschließen, daß der Zygote die Formel Dadff, nicht zukommen wird, mit großer Wahrscheinlichkeit ist aber zu erwarten, daß, in den meisten Fällen, die Gene, die sich nach erfolgter Kreuzung in einer neuen physiologischen Situation befinden, ihre Konstanz nur deswegen beibehalten, weil die sie bedingenden Eigenschaften / und f, (oder nur eine von ihnen) sich umändern und dadurch die Erhaltung der Genen-Konstanz (der Genen-Reinheit) ermöglichen. Haben nun die Eigenschaften f und /, eine regulierende Aenderung durchgemacht und sich z. B. in /, und f, umgewandelt, so müssen sie, bei der Ausreifung der Geschlechtszellen in Generation F, wiederum zu ihrem früheren Zustande zurückkehren, d. h., wierum zu f und f, werden, denn nur dann können die reifen Geschlechtszellen die For- mel df und Df, haben. Es ist also für die meisten Fälle der Kreuzung, welcher reines Herausmendeln der Vererbten (der Gene) folgt, eine derartige regulierende Aenderung der die Konstanz des Vererbten bedingenden Unvererbten (nicht Gene) anzunehmen, wie wir eine solche schon vorher, bei der Vererbung der neuerworbenen Eigen- schaften postuliert haben. Ist demnach aber so, so könnte gefragt werden, was eigentlich das Vererbte ist ? 10. Ist das Vererbte das Regulierende oder das Regulierte? Ist als Vererbtes dasjenige anzusprechen, welches bei Schwan- kungen des inneren Milieus (z. B. bei Kreuzung u. Transplantation), wie auch des äußern (Einfluß der Umwelt), seine Konstanz während einer Reihe von Generationen behält, oder vielleicht dasjenige, wel- ches regulierenden Aenderungen unterliegt, durch welche die zuvor genannte Konstanz mancher Merkmale, weswegen wir sie eben als Vererbte betrachten, geschaffen wird? Ist doch dieses Regulierende, welches sich plastisch den Milieuschwankungen anpaßt, weswegen Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ und seine Voraussetzungen. 573 wir es eben als Unvererbtes ansprechen, doch dasjenige, welches zur Bedingung des Konstanten ist und, anthropomorphisch gesprochen, dafür trachtet, daß gewisse Eigenschaften des Organismus konstant bleiben. Je größer und vielseitiger die Plastizität dieser Regulierenden, also Unvererbten ist, desto besser ist doch das Vererbte in seiner Konstanz, Milieuschwankungen gegenüber, gesichert. Vielleicht würde es nun aus diesen Gründen eher angehen, dieses, sich dem Milieu anpassende, als das Vererbte zu bezeichnen. Dies klingt na- türlich paradoxal; wir sind an Hand unserer Erwägungen in einen Gedankenkreis geraten, aus welchem nicht leicht ein Ausgang zu finden ist. Diese Situation war aber leicht zu erwarten, denn ‚,... wir (wollen), sagt ©. Hertwig!), „nicht vergessen, daß wir in Wirk- lichkeit von allen den komplizierten Prozessen, von dem ganzen Kraftwechsel oder der Dynamik eines..... Organismus noch sehr wenig wissen und daß hiedurch nicht zum wenigsten die ganze Vererbungsfrage eine so dunkle ist“. Dennoch versuchen wir aus dieser Situation einen Ausweg zu finden. Der Konditionismus, welcher derzeit Chemie und Physik beherrscht (und in diesem Gedankenkreise muß sich der mechanistisch „veranlagte‘“ Biologe bewegen), kennt kein einseitig Bedingtes, sondern jedes Bedingte ist zugleich ein Bedingendes demgegenüber, durch welches es selbst bedingt wird. Folglich könnten wir sagen, daß das Konstante und somit auch das Vererbte nicht nur durch das Inkonstante und Unvererbte bedingt ist, sondern, daß es selbst wiederum das Inkonstante und Unvererbte bedingt. — Das Kon- stante und das Vererbte würde also als solches nicht nur durch ein gewisses Bedingtsein seitens des Inkonstanten und Unvererbten ge- sichert sein, sondern auch dadurch, daß es das Inkonstante und Un- vererbte auf eine gewisse Weise zu bedingen imstande ist. Diese Eigenschaft ist aber zugleich auch die Grundeigenschaft des Un- vererbten. Wir kommen somit nochmals zum Schluß, daß sich das Vererbte dem Unvererbten nicht streng gegenüber stellen läßt, was schon vorher mehreremale hervorgehoben wurde. 11. Vererbung und Konstanz. Am Ende meiner Erwägungen angelangt, sei noch darauf hin- gewiesen, daß sowohl die Begriffe ‚Vererbtes‘“ und ‚Vererbung‘, ı) Hertwig, O., Allgemeine Biologie (Jena 1912). 574 J. Hirschler: Ueber den Begriff ‚Vererbung‘ usw. wie auch die Begriffe „Konstantes‘ und ‚Konstanz‘ relativ sind, d. h. daß sowohl Vererbtes und Vererbung, wie auch Konstantes und Konstanz nur solche in bezug auf gewisse, nicht auf alle, Milieu- schwankungen sind, während sie, anderen Milieuschwankungen gegenüber, als Variables (Unvererbtes) und Variabilität oder als Inkonstantes und Inkonstanz (Labilität) erscheinen können, wobei es schon nebensächlich erscheint, ob das Vererbte als konstant Be- stehendes (Evolutionisten), oder konstant Wiederkehrendes (Epi- genetiker) betrachtet wird. Behalten wir diese beiden Begriffspaare im Auge, so ist natürlich leicht zu erkennen, daß der Bereich der Begriffe „Konstantes“ und „Konstanz“ ein viel breiterer ist, indem er auch dem Gedankenkreise des Physikers und Chemikers angehört, während die Begriffe ‚‚Vererbtes“ und ‚Vererbung‘, die der Biologie entsprungen und sich auf sie beschränken, nichts mehr, als nur eine gewisse Art der Konstanz und des Konstanten umfassen. Angesichts dessen, daß die Biologie immer mehr Physik und Chemie zu werden trachtet und durch die Annäherung an diese Wissen- schaften in ihrer Entwicklung gefördert wird, würde es vielleicht für die Zukunft angehen, die Termini ‚Vererbtes‘‘ und ‚Vererbung‘ wegzulassen und an ihre Stelle, für die entsprechenden Begriffe, die Bezeichnungen Generationskonstantes und Generations- (Art-) konstanz zu setzen. Diese Aenderung würde den Anschauungen des Altmeisters der Biologie, Nägeli!) entsprechen, welcher klar hervorhob, daß die Aussage, die Artkonstanz sei eine Folge der Vererbung, eigentlich nur eine Redewendung ist; in der Tat ist Ver- erbung Artkonstanz selbst. Die vorangehenden Zeilen habe ich nicht mit der Absicht ge- schrieben, Mängel und Schwächen eines biologischen Hauptbegriffes nachzuweisen, sondern in der Ueberzeugung, daß die Kenntnis un- serer Unkenntnis zur Förderung des Konstanzproblems der Arten beitragen wird. 1) Nägeli, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- lehre (1884). 575 Autorenverzeichnis. Berg, W. Ueber funktionelle Leberzell- strukturen II. Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere. Mit 3 Tafeln. S. 435. Drahn, F. Ueber den histologischen Bauı der Gleitsehne des Musc. biceps brachii beim Pferd. Mit I Tafel. 5. 39% Gutherz, S. Das Heterochromosomen- Problem bei den Vertebraten. Mit 6 Textfiguren und 2 Tafeln. S. 85. Herfs, Adolf. Studien an den Haut- drüsen der Land- und Süßwasser- gastropoden. Mit 2 Tafeln. S. 1. Hirschler, Jan. Ueber den Begriff „Vererbung‘‘ und seine Voraus- setzungen. S. 555. Keibel, Franz. Zur Entwicklungs- geschichte einer Großfledermaus | (Cynopterus marginatus). Mit Schema A—G und 12 Textfiguren. SaD14. Krüger, Paul. Die Embryonalent- wicklung von Scalpellum scalpellum L. Mit 19 Textfiguren und 3 Ta- Tel. .'S. 398. Kunze, Alfred. Das physiologische Vorkommen morphologisch dar- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 96. Mit 1 Tafel. S. 54. Chlopin, Nikolaus. Ueber ‚in vitro“- stellbarer Lipoide in Hoden und Prostata mit besonderer Berück- sichtigung der Haussäugetiere. Mit S. 387. Untersuchun- | 19 Textabbildungen. Maximow, Alexander. gen über Blut und Bindegewebe VII. Mit 3 Tafeln. S. 494. Rabl, Hans. Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Deri- vate des Kiemendarmes beim Meer- schweinchen. Mit 3 Tafeln und 23 Textfiguren. S. 210. Rabl, Hans. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschwein- chen: "Mit 2. Tafeln? S7 318; Schmidt, J. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. Mit 1 Tafel. She ı Tang, H. E. Ueber die Panethschen | Zellen sowie die gelben Zellen des ' Duodenums beim Schwein und den anderen Wirbeltieren. Mit 3 Figu- ten in Rext. S. 182. | Trojan, E. Sinnesorgane und Funk- ' tion des Bienenstachels. Mit I Taf. | :.8..340. | Voß, Hermann. Der mikrochemische | Nachweis oxydativer Fermente in ' den Spermien des Menschen. Mit 4 Textfiguren. S. 77. an h ’ER AOE 1197 er er rt BAER TE TH NE ul Aurtenigiähr tr “ er d I 5 j R Pa au) h, Te} N z ya “. j A ars u; j #7 er 1 Er ur Wr : e 2 ei 1 ! KA UN Ke j E N f' Aa Di iR a j ’ Pu ad & 3 r - 1 wa: Br: DET: j rc} 4 In | Der na re i j iR i 2 a: L Fi sinnalsviarusroinär Zu Fi i ‚ \ et e| LAU i bi ie DR ne aan. 105adllsT2” \-Uaasaall MIEHRUE TG sat "Tarabunzaf. Re Baia DIET IM JE ng RUN Ast A EI en, Tadel ‚au Bi ER 7 Aeshbliddsizer Kl fawa). Ba Aadene Pe Pr REIT IFRRENT LE: SIUNERSR nit Bar!‘ ehe gay ays stieg IH Fur Wo j ' ” AR ullaT CI ARE | marbeinahdtaig .usD Bi. Us Iukttiael BCE? Anoht br] as, 32 Hl 248. Orks oral Ba al nat Ja TLELLUEERERTIE E EIP EP Pi Fear en uraleant ash I: ana Dur, til asaisileg, ; Gas rare A f N tu. TR noieaga oa Medi rl) Haulanıe rs sl] Ba Ida 1-08 2..lalktr. E bau ii fi Dion ssm" mad yalybal) Era us oh Hs "asillh, ah ee erg Aland br Anika rind Bub VB REN Ha TUE TE Kurt. 00 Ita Were a Hella a ale ur i B nr BEN 4 zumıe)k, , anläd, le a j h ‚ e x He 7% 7 aan so mar aM er > OU - N 5 +4 ws Ti . k f u #20 R zie 14 i Isla mIalde Hi ale LER PRIILEITINE u Bil Hab be) ee ont Tarneie m Hr ‚rk "ls B SB A iea,in Bo} Me 3 Bnn Na . ‚ es F . rt ; Ar IE YJarT Bis Aa HEILER 158 ’ i a Pe wa 5 # EU ee. RE a ET R ı |Tr07 <2 ulm ee er ruralineg 1: Bu ch amd iA Aare naktiage insbe Talaauig salayde vo ge I nu tea, Ita ar BlOHAENIGE Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. 2bl Tafel I. Abl bl Bes == rst | IN (, A / abl 7 > : acdrz amp dag aq Herfs, Studien an den Hautdrüsen. drk+n Fig. 14. Verlag von Julius Springer in Berlin. Tafel II. Archiv f. mikroskop, Anatomie. Bd. 96. Me — drh ji H i ie mEz sist i H F m ll - drb — Ä acdrz spigr— drb Fig. 24. drk kdrz Verlag von Julius Springer in Berlin. Herfs, Studien an den Hautdrüsen. “ “4 un. Y Archiv Emikroskop. Anatomıe Ba. XCW Abt.1. Taf I Werner u. Winter, Franklurt”M. ir u ir) ee 10 a A eerr Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. 965 Berg, Über funktionelle Leberzellstrukturen. Werner u. Winter, Frankfurt a, M. Verlag von Julius Springer in Berlin. are 8% 5 Ba, , Vergr. Fig. 1-10: 2500, Fig. 10a-42: 1700. Gutherz, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. A - j Archiv Emikroskop. Anatomie Bd. 96 Tak WI Vergr. 1700. Werner u. Winter, Frankfurt a. M. Verlag von Julins Springer in Berlin Gu the rz, Das Heterochromosomen-Problem bei den Vertebraten. “ in ” Er - ar « Ä £ ” e x R ’ % Eu 1 ” <; ’ . x 22 # 2, Fa 2 u" 4 #7 % er hf . E r4 ae PFYAH Archiv f. mikroskop. Anatomie bd. 9%. Taf. vl. Schmidt, Schale von Nucula. Verlag von Julius Springer in Berlin Arch. f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. Tafel VII. Osth: Epk. N... V. C. th. Te Rabl, Kiemendarm beim Meerschweinchen. Verlag von Julius Springer in Berlin. Tafel IX. Kio7a 17. Verlag von Julius Springer in Berlin. 5 — = ” [ng N Uhstr. Fig. 6. ‚ Kiemendarm beim Meerschweinchen. iv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. 5 Fi . . \ Rn WB, pr 5 na % . DER ae Y y X ” nr . en afyr bl Pr Fe u) in En u „ Arch. f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. Tafel X. Gain Asth. GCoe N. 9% Oe. Thstr: O.e G.s Tr. A. th. | Rabl, Kiemendarm beim Meerschweinchen. Verlag von Julius Springer in Berlin. 2 n, ‘ Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. Tafel XI. @. 8. N.N. 4.d. G.n.v. Pr. 3. y; @. 5. N.h. G.n.v. @. S. gl.-ph. R. ph. n. Fig. 3. R. n. gl.-ph. [2 Ar Dre = Dre J. Dre. N. RR. ITI. Sehlt. gl.-ph. R. n. gl.-ph. Fig. 5. R.n. gl.-ph. Gt. 4. Dre. R. nn. gl.-ph. Alro: Fig. 4. Verlag von Julius Springer in Berlin. Rabl, Carotisdrüse beim Meerschweinchen. ehiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. A. Dre. AO: ®o 2 ee N 022 A. Drz. R. ph. n. gl.-ph. I, Dr2n Di nel: abl, Carotisdrüse beim Meerschweinchen. Tafel XII. A. Dr2. Fig. 6, ge® Ee > ar de * \- A\) IN }3 ER as dr YPaoe TI e RR N N rn Pr R. e.n.l. Verlag von Julius Springer in Berlin. - Y [mE w £ 7 Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. | Fig. 9. Fig. 8. Bio, 7. Fig.6. Trojan, Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. Verlag von Julius Springer in Berlin. eu Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. Krüger, Die Embryonalentwicklung. ’ © a e | os STIL DIE UNLLLLERT EN Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 96. Krüger, Die Embryonalentwieklung. Tafel XV. Verlag von Julius Springer in Berlin. oo ” , “3 u vi, 73. j zZ ' Li n RE i ah 7 m: 13 N = . 2 nr \ j re 2 L ' 5 IE @ IP £ nn I. | Per Ve, 2 » ker, 2 # I 4 j i I I) ’ .; [ > » % I B . Imen,, m - f' n ar y) EA + A b \ Per N | a ö je: 1, j = ‚ ig u = 2 u nn va B j 07 urıs er’. [ie 1} : 5 u Be! DE | Su. 4, 28 N I an N Fe a HN | - ger R or - FR Pen a E yir ö ’ Er r R MIST. u u n | Bee, a 4 ı = Pr P N “ y Ä in ’ nr 62 4 vi Mi ie KK m REDE I Dre re u IN Se ji j £ ne : I sy Ne Bu MR, ya 2 N ar ee De u Den re, 1. 5 N e Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 96. Tafel! XV. Ei 1 ab? ee 25 I 2| a b’ 5 r & ee] = Y 9 [R Al & 5 ei nr m | #2 41 ar? 47 —ı ee 8 N | | 2 2 , 557 | | i IV & a8": BER 2 os a ni. d?3 a52: 57 ae Fan au z | ne. ‘ zu un oo 2 Bi 267 : x, es | R Ss To u \3 ar _ ı $p8 I a! a 97 In Een ie en ns Ce Gets ee 3 Fi re] 33 eu RE ER: : - ; ! : H i : ae a Ä : D N - FF Ermannmi: iz in h ; : : ! : ! I 39 If: jereri ii ee: = = Inn De Hd 48 2 52 a | De 67 56 Pi 58 Min Fl 60 r are =) EESEFESSSSEREREREREFEE ET DEE | Ge. ir: tiere III Ei 0m a832- 9932-7 6832-7 Be? 7 EEE —_ En Tr Pr A ı 4 ZN a?6#17 6I°6#- 7 cI6#-7 Gel 369 474-7 22 DIT II mh Krüger: Die Embryonalentwicklung,. Verlag von Julius Springer Berlin. Photolith. u. Druck v. Hans Müncheberg Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd. 96 Taf XV os os ou? ® .n u hee wi MX" ME 94H : . R Verlag von Julius Springer in Berlin Chlopin, Über „in vitro“- Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere R PEN - # ® U + K% » ei F > > Fi > 5 D Jbl, nu # = « NE . 5 Be; Be = - „> Wr « i & ” & P # Pi i 27 Fe a 4 .. * . i Pan . u P a, Bl ein Bi. ) P PN; AoE MENT #2 p a Fe aM De r} f N a # Archiv F mikroskop. Anatomie Bd. 96 Tak xy Verlay von Julius Springer in Berlin Chlopin, Über „in vitro“- Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere £ nrw >. e au f Ds 5 ir rar ee ae dry ab unatiu -"oalie m Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd.96 /0 Chlopin, Über „in vitro“- Kulturen der embryonalen Gewebe der Säugetiere Taf XIX 12 Verlag von Julius Springer in Berlin i % ’ 7 4 I var = mie w a 3 M . pe: ’ i 4 x fi Pe er RE Er A are 2 2 ya\ a I ns ee Archir f. mikroskop. Anatomie Bd. 96. i ü i Verlag von Julius Springer in Berlin Maximow, Untersuchungen über Blut- und Bindegewebe VII. EAzEZ er zen j en = B 3 L ng vw A u, ha] ge, Ze 7 “ U > —_ PB Se m a j Zu | [084 u 5 Fi 7 re m Gr E ö . » N 5 PH N ur ee a r_ Ur OR Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 96. Gimz’ Maximow, Untersuchungen über Blut- und Bindegewebe VI. Verlag von Julius Springer in Berlin war r 5 RT a nr Taf. XXI. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 9%. "Rtz Ritz 2 Ki Js Rtz Verlag von Julins Springer in Berlin Maximow, Untersuchungen über Blut- und Bindegewebe VII. ARCHIV MIKROSKOPISCHE ANATOMIE Il, ABTEILUNG FÜR VERGLEICHENDE UND EXPERIMENTELLE HISTOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE I1. ABTEILUNG FÜR ZEUGUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE BEGRÜNDET VON MAX SCHULTZE FORTGEFÜHRT VON 0. HERTWIG und W. von WALDEYER-HARTZ HERAUSGEGEBEN VON 0SKAR HERTWIG IN BERLIN SECHSUNDNEUNZIGSTER BAND, ERSTES HEFT MIT 10 TEXTABBILDUNGEN UND 6 TAFELN (AUSGEGEBEN AM 7. AUGUST 1922) BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1922 II Archiv für mikroskopische Anatomie. 96. Band. Das Archiv für mikroskopische Anatomie erscheint in zwanglosen, einzeln be- rechneten Heften, die zu Bänden von ca. 40 Bogen vereinigt werden, Je 4 Hefte bilden ı Band. Die Verfasser erhalten von Arbeiten, die nicht mehr als ı4, Bogen (24 S.) Um- fang haben, 100 Sonder-Abdrucke, von größeren Arbeiten 60 unentgeltlich, weitere auf rechtzeitig geäußerten Wunsch gegen Berechnung. Manuskriptsendungen sind zu richten, an Herrn Geheimrat Professor Dr. Oskar Hertwig, Berlin-Grunewald, Wangenheimstraße 28, Verlagsbuchhandlung Julius Springer in Berlin W 9, Linkstr. 23/24, Fernsprecher: Amt Kurfürst, 6050—6053. Drahtanschrift: Springerbuch-Berlin Reichsbank-Giro-Konto u. Deutsche Bank, Berlin, Dep.-Kasse C Postscheck-ffür Bezug von Zeitschriften: Berlin Nr. 201 20 Julius Springer, Be- Konten zugsabteilung für Zeitschriften; für Anzeigen, Beilagen und Bücher- bezug: Berlin Nr. 118 935 Julius Springer. 96 Band. Inhaltsverzeichnis. 1. Heft. Seite Herfs, Adolf. Studien an den Hautdrüsen der Land- und SE Mit ;2 „Tateln gut nun em j ANB SayRenE 5 1uW 1 Drahn, F, Ueber den Eakkblegnahen Bau der Gleitsehne des Musc. MEIN brachii beim Pferd, Mit ı Tafel .. . . . EEDWELER era ar 1 Ve ME Berg, W. Ueber funktionelle AED II... Mit r' Tafel a rn Voß, Hermann. Der mikrochemische Nachweis oxydativer Fermente in den Spermien des Menschen. Mit 4 Textfiguren . . . 2. 2.2..2.2.797 Gutherz, S., Dr. Das Heterochromosomen-Problem bei den IN Er EDLER Mit ‚6. Texthzuren! und ‚2. Tafeln ul NE a a a a ee =] IM IE VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLINWoE ANATOMIE DES MENSCHEN Ein Lehrbuch für Studierende und Aerzte Erster Band: BEWEGUNGSAPPARAT von HERMANN BRAUS 0.0. Professor an der Universität, Direktor der Anatomie Heidelberg Mit 400 zum großen Teil farbigen Abbildungen 1921. In Ganzleinen geb. Preis M. 96.— (und Teuerungszuschlag) Der zweite Band erscheint im Sommer 1922, der dritte Anfang 1923 en H] VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN W 9 Einführung in die allgemeine Konstitutions- und Vererbungs- pathologie. Ein Lehrbuch für Studierende und Aerzte. Von Dr. HERMANN WERNER SIEMENS. Mit So Abbildungen und Stamm- bäumen im Text. (VIII, 230 S.) 1921. Preis M. 64.— Vorlesungen über allgemeine Konstitutions- und Vererbungs- lehre. Für Studierende und Aerzte. Von Dr. JULIUS BAUER, Pri- vatdozent für innere Medizin an der Wiener Universität. Mit 47 Text- abbildungen. (IV, 185 S.) 1921. Preis M. 36.— Die konstitutionelle Disposition zu inneren Krankheiten. Von Dr. JULIUS BAUER, Privatdozent für innere Medizin an der Wiener Universität. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 63 Textabbildungen. (XI, 650 S.) 1921 Preis M.88.—;, gebunden M. 104.— Konstellationspathologie und Erblichkeit. Von Dr. N. PH. TEN- DELOO, Professor der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie an der Reichsuniversität Leiden. (IV, 32 S.) 1921. Preis M. 8.60 Restitution und Vererbung. Experimenteller, kritischer und syn- thetischer Beitrag zur Frage des Determinationsproblems. Von Pro- fessor Dr. VLADISLAV RÜZICKA, Vorstand des Instituts für all- gemeine Biologie und experimentelle Morphologie der Medizinischen Fakultät in Prag. (Aus Roux, »Vorträge und Aufsätze über Ent- wicklungsmechanik der Organismen«, Heft 23.) (II, 69 S.) 1919. Preis M. 10.— Studien über Vererbung und Entstehung geistiger Störungen. Herausgegeben von ERNST RÜDIN in München. IH. Zur Klinik und Vererbung der Huntingtonschen Chorea. Von Dr. JOSEF LOTHAR ENTRES, Oberarzt an der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing. Mit 2 Tafeln, ı Textabbildung und 18 Stammbäumen. (Heft 27 der »Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie«.) (IV, 150 S.) 1921. Preis M. 88.— HIEZU TEUERUNGSZUSCHLÄGE SRlaken SEIRIREFTTFEFTITHITTFTISHETSTISTITETTATTFHRTET TFT N f 9 VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN Wo9 SIT 9) Soeben erschien: FISTOFPATHOLDOGIE DES NERVENSYSTEMS NG NIIT von Dr. W. SPIELMEYER 9 Professor an der Universität München 2 Erster Band 9 Allgemeiner Teil 9 Mit 316 zum großen Teil farbigen Abbildungen (VIII, 494 S.) 2 SNSX Preis M, 648.—, in Ganzleinen geb. M. 696.— Soeben erschien: KÖRPERBAU UND CHARAKTER Untersuchungen zum Konstitutionsproblem und zur Lehre von den Temperamenten von Dr. ERNST KRETSCHMER ISTITITEF ENTER N Privatdozent für Psychiatrie und Neurologie in Tübingen ö Mit 32 Textabbildungen (VIII, 196 S.) © Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage ö Preis M. 84.—, in Ganzleinen geb. M. 126.— 6 6 Soeben erschien: \ 2 DER BEGRIFF DER GENESE | IN PHYSIK, BIOLOGIE UND of ENTWICKLUNGSGESCHICHTE ö Eine Untersuchung zur vergleichenden Wissenschaftslehre O | von 6 KURT LEWIN 6 Privatdozent der Philosophie 2 an der Universität Berlin & Mit 45 zum Teil farbigen Textabbildungen (XIV, 240 S.) 2 Preis M. 136.— a G 6) SH In ZU BEZIEHEN DURCH JEDE BUCHHANDLUNG IS KINS\S\O\T\O\O\ONI\G\IITNEXG\ONIAIGN\G\ HISNONO\ HNSISNONO\FISXKONG\S\ SON S\ I G\ HANSI AH ANNIKA MIN INANANNE) Hierzu eine Beilage der Verlagsbuchhandlung Julius Springer in Berlin W 9 ARCHIV MIKROSKOPISCHE ANATOMIE I. ABTEILUNG FÜR VERGLEICHENDE UND EXPERIMENTELLE HISTOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE I. ABTEILUNG FÜR ZEUGUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE BEGRÜNDET VON MAX SCHULTZE FORTGEFÜHRT VON 0. HERTWIG uno W. von WALDEYER-HARTZ HERAUSGEGEBEN VON 0SKAR HERTWIG IN BERLIN SECHSUNDNEUNZIGSTER BAND, ZWEITES UND DRITTES HEFT MIT 64 TEXTABBILDUNGEN UND 10 TAFELN (AUSGEGEBEN AM 30. OKTOBER 1922) BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1922 a. II Archiv für mikroskopische Anatomie. 96. Band. Das Archiv für mikroskopische Anatomie erscheint in zwanglosen, einzeln be- rechneten Heften, die zu Bänden von ca. 40 Bogen vereinigt werden, Je 4 Hefte bilden ı Band. Jeder Verfasser erhält auf Bestellung von seiner Arbeit 100 Sonderabzüge unentgeltlich, sofern die Arbeit ı1% Bogen Umfang nicht überschreitet. Von längeren Arbeiten werden 60 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert, Darüber hinaus bestellte Exemplare werden berechnet. Die Herren Mitarbeiter werden jedoch in ihrem eigenen Interesse dringend gebeten, sich, wenn irgend möglich, mit der kosten- frei zur Verfügung gestellten Anzahl zu begnügen, und falls mehr Exemplare un- bedingt erforderlich sind, deren Kosten vorher vom Verlage zu erfragen, um un- liebsame Ueberraschungen zu vermeiden. Herrn Geheimrat Professor Dr. Oskar Hertwig, Berlin-Grunewald, Wangenheimstraße 28, Verlagsbuchhandlung Julius Springer in Berlin W 9, Linkstr. 23/24, Fernsprecher: Amt Kurfürst, 6050—6053. Drahtanschrift: Springerbuch-Berlin Reichsbank-Giro-Konto u. Deutsche Bank, Berlin, Dep.-Kasse C Postscheck-ffür Bezug von Zeitschriften: Berlin Nr. 20120 Julius Springer, Be- Konten yzugsabteilung für Zeitschriften; für Anzeigen. Beilagen und Bücher I bezug: Berlin Nr. 118935 Julius Springer. 96 Band. Inhaltsverzeichnis. 2./3. Heft, Seite Schmidt, W. J. Ueber den Aufbau der Schale von Nucula. Mit ı Tafel. 171 Tang, E. H., Dr. Ueber die Panethschen Zellen sowie die gelben Zellen des Duodenums beim Schwein und den anderen Wirbeltieren. Mit 3 Textfiguren 182 Rabl, Hans. Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Derivate des Kiemendarmes beim Meerschweinchen. Mit 23 Textfiguren und 3 Tafeln 210 Rabl, Hans. Die Entwicklung der Carotisdrüse beim Meerschweinchen. Mit 2 “Tafeln u 218#.,..%4. : I TREO EEE Trojan, E., Dr. Sinnesorgane und Funktion des Bienenstachels. Mit ı Tafel 340 Krüger, Paul, Dr. Die Embryonalentwicklung von Scalpellum scalpellum L. Mit"19 Textigurenund.'3 Tatfeln’# 520. Sa Ba N a a Kunze, Alfred, Dr. Das physiologische Vorkommen morphologisch darstell- barer Lipoide in Hoden und Prostata. Mit 19 Textabbildungen . . . 387 IE IIIJIITIUNIIIIIILIJIUIITIUNIIIIIII III] IIIJIIIIIIIIIITIIIIJTTTEILLIHIJIJ TI] ILLIUNIJIDLIIN N „uU VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLINWo REPETITORIUM DER HYGIENE UND BAKTERIOLOGIE in Frage und Antwort. Von Professor Dr. W. SCHÜRMANN, Universität Gießen. Vierte, verbesserte und vermehrte Auflage. g. bis ı5. Tausend. (VIIL, 224 S.) 1922. Preis M. 360.—. LEITFADEN DER MIKROPARASITOLOGIE UND SEROLOGIE mit besonderer Berücksichtigung der in den bakteriologischen Kursen ge- lehrten Untersuchungsmethoden. Ein Hilfsbuch für Studierende, praktische und beamtete Ärzte. Von Professor Dr. E, GOTSCHLICH, Direktor des = Hygienischen Instituts der Universität Gießen, und Professor Dr. W. SCHUR- MANN, Privatdozent der Hygiene und Abteilungsvorstand am Hygienischen = Institut der Universität Halle a.S. Mit 213 meist farbigen Abbildungen. (VII, 361 S.) 1920. Preis M. 752.—, gebunden M. 856.—. | DT ST DILL ITITT LU TTTTTTTTTTTTTTTTTTTTT TTTTTTTTTTTTTTTTTTTTT T INNE VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN WO9 Vorträge und Aufsätze über Entwickiungsmechanik der Organismen unter Mitwirkung von zahlreichen Gelehrten herausgegeben von Professor Wilhelm Roux Heft 31: Die Geltung der von W.Roux und seiner Schule für die onto- genetische Entwicklung nachgewiesenen Gesetzmäßigkeiten auf dem Gebiete der phylogenetischen Entwicklung. Ein Beitrag zur Theorie der Stammesentwicklung (Theorie des phylogenetischen Wachstums) von HER- MANN KRANICHFELD. 1922. G.Z. 4,5 Heft 30: Die Prinzipien der Streifenzeichnung bei den Säuge- tieren. Abgeleitet aus Untersuchungen an den Einhufern von Dr. phil. et med. HANS KRIEG in Tübingen. Mit 58 Abbildungen im Text. 1922, G.Z.5 Heft 29: Die allgemeine Biologie als Lehrgegenstand des medi- zinischen Studiums. Ein Gutachten vorgelegt den Regierungen Mitteleuropas von Professor Dr. VLADISLAV RUZICKA in Prag. 1922. G.Z. 1,5 Heft 28: Über die Vorstellbarkeit der direkt bewirkten Anpas- sungen und der Vererbuug erworbener Eigenschaften durch das Prinzip der virtuellen Verschiebungen. Ein Beitrag zur theo- retischen Biologie von Dr. OTTO JACKMANN in Sangerhausen. Mit 15 Abbildungen im Text. 1922. 6.2. 5 Heft 27: Das Evolutionsproblem und der individuelle Gestal- tungsanteil am Entwicklungsgeschehen. Von Professor Dr. FRANZ WEIDENREICH, früher Straßburg, z. Z. Maunheim. 1921. G.Z. 8 Heft 26: Die Grundprinzipien der rein naturwissenschaftlichen Biologie und ihre Anwendungen in der Physiologie und Pathologie. Von D. ERWIN BAUER, Prag. 1920. G.Z. 6 Heft 25: Teratologie und Teratogenese. Nach Vorlesungen, gehalten an > E) der Wiener Universität im W.S. 1911/12 von HANS PRZIBRAM. 1920. G.2.7 Heft 24: Die quantitative Grundlage von Vererbung und Art- bildung. Von Professor Dr. RIOHARD GOLDSCHMID"T (Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem). Mit 28 Abbildungen im Text. 1920. Vergriffen. Heft 23: Restitution und Vererbung. iixperimenteller, kritischer und syn- thetischer Beitrag zur Frage des Determinationsproblems von Professor Dr, VLADISLAV RÜZICKA, Vorstand des Institnts für allgemeine Biologie und experimentelle Morphologie der Medizinischen Fakultät in Prag. 1919. Vergriffen. Heft 22: Die Regulationen der Pflanzen. lin System der teleologischen Be- griffe in der Botanik. Von Dr. phil. EMIL UNGERER. 1919. G.Z. 17 Heft 21: Das Kontinuitätsprinzip und seine Bedeutung in der Biologie. Von Dr. JAN DEMBOWSKI. 1919. G.2.9 Die eingesetzten Grundzahlen (@.Z.) entsprechen dem ungeführen Guldmarkwert und ergeben mit dem Umrechnungsschlüssel (Entwertungsfaktor), zur Zeit: 80, vervielfacht den Verkaufspreis. DI mm u Han BT EEE TEE A Zaren N (MAIS Lee a TER En SE ET EEE ET ET u ET ET ET N EEE a a a a a a EEE ED DE TR RT a ER ET TE U DE TR DD TR DT ER EN I ee En Tr EEE Er U EEE ar TO ES OR EIKE CR TSECRCHETR BIETE UCSENDTCT De nn 7 | Wir suchen zu kaufen: Archiv für mikrosk. Anatomie alle Serien und Einzelbände, sowie komplette Exemplare. Zahlen hohe Preise und erbitten Angebote (möglichst mit Preisforderung). Wir sind auch jederzeit Käufer aller Medizinischen Zeitschriften und_ Bibliotheken. K. F. Koehlers Antiquarium, Leipzig, Täubchenweg 21 Bezugsquelle für alte u. neue Bücher, Zeitschriften und der Vaabihl-Büchereien. = JHINUNININININININININNINININILINLNI INNEN E VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN W9 - Vorlesungen über vergleichende Anatomie von Otto Bütschli Professor der Zoologie in Heidelberg 1. Lieferung: Einleitung; Vergleichende Anatomie der Protozoen; Integument und Skelett der Metazoen. Mit Textfigur 1—264. (VII, 401 8.) Unveränderter Neudruck. 1921. G.Z. 18 2. Lieferung: Allgemeine Körper- und Bewegungsmuskulatur; Elek- trische Organe und Nervensystem. Mit den Textfiguren 265—451. (IV, 401—644 8.) Unveränderter Neudruck. 1921. Preis G.Z. 16,3 3. Lieferung: Sinnesorgane und Leuchtorgane. Mit den Textfiguren 452— 122. (XIV, 643—931 8.) 1921. n Die eingeselzten Grundzahlen (G.Z.) entsprechen dem ungefähren Goldmarkwert und ergeben mit dem Umrechnungsschlüssel (Entwertungsfaktor), zur Zeit: 80, vervielfacht, den Verkaufspreis. SINN UNI INN Druck von H. Laupp jr in Tübingen. NN NE LUDLLULUUN DE NULLNNUN LM ING ARCHIV MIKROSKOPISCHE ANATOMIE I. ABTEILUNG FÜR VERGLEICHENDE UND EXPERIMENTELLE HISTOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE ER. II. ABTEILUNG 2. FOR zeucnes UND VERERBUNGSLEHRE ; 2 SI BEGRÜNDET VON YA MAX SCHULTZE FORTGEFÜHRT VON 0. HERTWIG uno W. von WALDEYER-HARTZ HERAUSGEGEBEN VON 0OSKAR HERTWIG + IN BERLIN SECHSUNDNEUNZIGSTER BAND, VIERTES HEFT MIT 12 TEXTABBILDUNGEN UND 6 TAFELN (AUSGEGEBEN AM 12. DEZEMBER 1922) BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1922 II Archiv für mikroskopische Anatomie. 96. Band. 4. Heft. Das Archiv für mikroskopische Anatomie erscheint in zwanglosen, einzeln be- rechneten Heften, die zu Bänden von ca. 40 Bogen vereinigt werden. Je 4 Hefte bilden ı Band. Jeder Verfasser erhält auf Bestellung von seiner Arbeit 100 Sonderabzüge unentgeltlich, sofern die Arbeit 24 Seiten Umfang nicht überschreitet. Von längeren Arbeiten werden 60 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert, Darüber hinaus bestellte Exemplare werden berechnet. Die Herren Mitarbeiter werden jedoch in ihrem eigenen Interesse dringend gebeten, sich, wenn irgend möglich, mit der kosten- frei zur Verfügung gestellten Anzahl zu begnügen, und falls mehr Exemplare un- bedingt erforderlich sind, deren Kosten vorher vom Verlage zu erfragen, um un- liebsame Ueberraschungen zu vermeiden. Manuskriptsendungen sind bis auf weiteres zu richten an die Verlagsbuchhandlung Julius Springer, Berlin W 9, Linkstraße 23/24, Fernsprecher: Amt Kurfürst, 6050—6055. Drahtanschrift: Springerbuch-Berlin Reichsbank-Giro-Ronto u. Deutsche Bank, Berlin, Dep.-Kasse C een Tau Bezug von Zeitschriften: Berlin Nr. 20120 Julius Springer, Be- zu,sabteilung für Zeitschriften; für Anzeigen. Beilagen und Bücher- K - F Sa her bezug: Berlin Nr. 118935 Julius Springer. 96. Band. Inhaltsverzeichnis. . 4. Heil Seite Chlopin, Nikolaus. Ueber »in vitro« Kulturen der embryonalen Gewebe deriSangetiere: Mt, Tafeln na nn VER ae Brno me Maximow, Alexander. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. Mit 3 Tafeln ae er BR ee a a ERS Ir rn ya Ne Keibel, Franz. Zur Entwicklungsgeschichte einer Großfledermaus (Cynopterus marginatus). Mit Schema A—G und ı2 Textfiguren . . . . 2... 514 Hirschler, Jan. Ueber den Begriff »Vererbung« und seine Voraussetzungen 555 AUTOTEenNVerzeich Musi. I. Sc lee bu EN ee 2 a ee Ep EI EEE EEE ER EEE EREERISENERE 5 VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN W u: Bl Ei BE Da: = PRAKTIKUM DER GEWEBEPFLEGE . R ryn T =] ODER EXPLANTATION BESONDERS E u i en .. BR a DER GEWEBEZUCHTUNG. 5 & Von H ei DR. PHIL. RHODA ERDMANN, bs = Privatdozent der philosophischen Fakultät = u an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. KR n Mit 101 Textabbildungen. 1922. G.Z. 4.5. Ei [2 El _ ja = Die Grundzahl (@.Z.) entspricht dem ungeführen Vorkriegspre s und eryibt mit dem jeweiligen = RI Zıtwertungsraktor (Umrechuungsschlüssel) vervielfacht den Verkaufspreis Urcber den zur Zeit IA Ki geltenden Umrechnungsschlüssel geben alle Buchhandlungen sowe der Verlag bereitwill gst [A | Auskunft. u EREIGNETE Archiv für mikroskopische ‚Anatomie. 96. Band. 4. Heft. II —. MER IE ER IE ER I ER ER DE EEE DE ER DE ED ER ER DD TR NT EZ TR HE ZT TE HZ TR RD DR DR DD RD A N RD TR GR VERLAG VON JULIUS SPRINGER IN BERLIN W 9 Mikroskopie und Chemie am Krankenbett. Begründet von Hermann Lenhartz, fortgesetzt und umzearbeitet von Professor Dr. Erieh Meyer, Direktor der medizinischen Klinik in Höttingen. Zehnte, vermehrte und verbesserte Auflage. Mıt 196 Textabbildungen und einer Tafel. 1922. Gebunden G.2. 12. Leitfaden der Mikroparasitologie und Serologie mit besonderer Berücksichtigung der in den bakteriologischen Kursen ge lehrten Untersuchungsmethoden. Ein Hilfsbuch für Studierende, praktische und beanıitete Aerzte Von Professor Dr. E Gotschlich, Direktor des Hy- gienischen Instituts der Universität Gießen, und Professor Di. W, Sehür- mann, Privatdozent der Hygiene und Abteilungsvor-tand anı Hyzienischen Institut der Universität Halle a.S. Mit 213 meist farbigen Abbildungen. 1920. G.2. 9,4; gebunden G.Z. 12. Bepetitorium der Hygiene und Bakteriologie in Frage und Antwort. Von Professor Dr. W. Schürmann, Univer- sität Gießen. Vierte, verbesserte und vermehrte Auflage. 1922. G.2. 4,5. Methodik der Blutuntersuchung. Mit einem Anhang: Zytodiagnostische Technik. Von Dr A. Domarus, Direktor der inneren Abteilung des Auguste-\iktoria Krankenhauses, Berlin-Weißensee. Mit 196 Abbildungen und 1 Tafel 1921. (Aus Enzyklopädie der klinischen Medizin, Allgemeiner Teil.) G.2. 18,6. Technik der klinischen Blutuntersuchung. Für Studierende und Aerzte. Von Oberarzt Dr. A. Pappenheim, Berlin. 1911. 6.2.2. Taschenbuch der prakt. Untersuchungsmethoden der Körperflüssigkeiten bei Nerven- und Geistes- krankheiten. Von Dr. V. Kafka, Hamburg-Friedriclisberg. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr, W. Weygandt,. Zweite Auflage. In Vorbereitung. Die Grundzahlen (@.Z.) entsprechen den ung(führen V rkrie spreisen und erjeben mit dem jeweiligen Entwertungsfaktor (Umreehnungsschlüssel) vervielfacht den Verkaufspreis, Ueber den zur Zeit yel- I & (SP Y 1 u = | = = [1 = [1 ® [ = = [I [1 [ u [I 1 ws [| u u 1 [1 [ u u [1 u 8 = [1 = = = u u 1 [| = = [| [1 [| [| [1 [| = 1 = = = u u [} u [| u [ u 5 a = = u = [| = [1 = [1 [1 = = u u ® [1 = [_ = s u [_ [_ ” [_ [_ L_ L L [ L_ [| “ ® L [_ [_ ® u [> ® [_ [ E [> [ ® L_ L_ u L. = a tenden Umrechnumgsschlüssel geben alle Buchhandlungen sowie der Verlag bereitwilligst Auskunft. L “ ® |SEENEEEREBENEEEENEEEEEREEEEEEENEEEEEEREREENENEENERSESEHSUEEENEEERERNENEERNEENENNENENEEEEEENEEENEENENNERERENENE BEEEBENBSENB Lubscbubenhebehenbunbunnhenhehenbunndunbunhendenunhenbonbenonbunbednbunhunhunbnbhhhnh IT TI TI IT TI TI TTITIITITTIT III ITTITTT a en nn | . _ INNIIHNIIIHINNUIINENENIHEHUEUANENUIUNENEIUKUIUINUDUUUAILLETEILINNRNEKRE = UL LU W K Archiv für mikroskopische Anatomie. 96, Band. 4. Heft. Wi... ARCHIV MIKROSKOPISCHE ANATOMIE Hrsg. von O Hertwig, la Valette, St. George und W. Waldeyer. Forts. von Max Schultzes Archiv für mikroskopische Anatomie. Band ı—95 erschien in den Jahren 1865— 1921 im Verlage der Firma Friedrich Cohen in Bonn. Diese sämtlichen Bände sind mitallenVerlags rechten in den Besitz unserer Firma übergegangen. Ab Band 96 eısche Hi die Zeitschrift bei der Firma Julius Springer, Berlin. se e Zeitschriftenliteratur Deutschlands und wohl auch der ‘gesamt ven® Welt darstellt, ist jedoch nur eine ganz beschränkte hundert Bänden gedruckt worden. So kommt es, daß zelnen Bände, die auf uns übergingen, erschrecken macht sich dadurch ein Neudruck von etwa 90 ken ie dem heutigen Geldstande in Deutschland viele Millione werden. Dieser Neudruck auf anastatischem Wege wird trotzdem im Läufe der nächsten Jahre von uns durchgeführt werden. Ein Teil der Bände, besonders die Bände 3, 5, 6—9 waren bereits vor 45 Jahren im Buchhandel vergriffen. So kommt es, dafs viele der wissen- schaftlichen Bibliotheken und Gelehrten des In- und Auslandes nur unvoll- ständige Reihen besitzen, Im Antiquariatshandel kommt die Reihe nur sehr selten vor, ebenso wie einzelne Bände. Zur Unterstützung des Unternehmens bitten wir alle Besitzer von Reihen, besonders die Herren Bibliothekare, um Angabe, welche Bände in ihren Exemplaren fehlen, damit beim Neudruck eine entsprechende Anzahl Exem- plare der einzelnen Bände reserviert und belegt werden. Wir bitten um Meldung des Bedarfs bis zum ı. Februar 1923. Nach Ablauf dieses Termines werden nur noch vollständige Reihen verkauft oder vorgemerkt werden. Ueber den Preis läßt sich vorläufig noch nichts sagen, da die Verhält- nisse in Deutschland ständig wechseln. Es ist ausgeschlossen, daß voll- ständige Reihen unter 600—800000.— Mark und einzelne Bände unter 6--8000.— Mark verkauft werden können. Dieser Preis ist sehr niedrig, da bei Erscheinen jeder Band weit mehr als 20 Goldmark gekostet hat. Zum Zwecke des Neudrucks brauchen wir (evtl. im Tausch unter Nachzahlung eines Aufgeldes) noch einige einzelne Bände oder voll- ständige Keihen. Wir bitten um freundliches ausführliches Angebot, da beim Besitz von 2 Exemplaren eines jeden Bandes der Neudruck billiger durchgeführt werden kann. LEIPZIG, K. F. KOEHLERS ANTIQUARIUM. im November 1922. Täubchenweg 19. ININUNINININ III UNI U Druck von H. Laupp jr in Tübingen. Von dieser Zeitschrift, die eine der wertvollsten der wissenschäftlichen \ © lage AR einigen ER KYR en a UUNNUNLLNEUUUUNUENNLNN MEHR EL TAmERKBE Hr Sen Tmmmmmmmm SU Bh KENT “u. ? KUN una “urn, DEREN *r gr rn Eurer X ® gt HARRSR e % RR « ver Hr ME ” KRIENH DR E Y, na AN “ Er u. 4,21 Fr: Ze =. Aa Sr ie EZ er“ Er i j Ute Va tır Be 3 1 Dary; * ne), A DEE ir