am fS¥: :J?^ ■f /: I T ^iTi' 'ß^ . ■/ • */ ARCHIT FÜR NATURGESCHICHTE GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON. IN VERBINDUNG MIT PROF. Dr. LEUCKART IN GIESSEN UND PROF. Dr. R. WAGNER IN GÖTTINGEN HERAUSGEGEBEN Dr. f. H. TROSCHEI., PROFESSOR AN DER FRIEDRICH-WILHELMS-UNIYERSITÄT ZU BONN. SIEBEN UND ZWANZIGSTER JAHRGANG. Erster Dand* Mit zehn Tafeln. Berlin, Nicolaisclie Verlagsbuchhandlung. (G. Parthey.) 1861. i« I / Inhalt des ersten Bandes. Seite Bemerkungen über die Typhlopiden. Von Prof. Jan in Mai- land. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. . 1 üeber einige Fabeln in der Zoologie. Vom Prinzen Maxi- milian zu Wied . 8 Phronima sedentaria. Ein Beitrag zur Anatomie und Physiolo- gie dieses Krebses. Von Dr. H. A. Pagenstecher in Heidelberg. Hierzu Taf. I— III 15 Cunina Köllikeri n. sp. Beitrag zur Naturgeschichte der Ae- giniden. Von Fritz Müller in Desterro. Hierzu Taf. IV. 42 Die Brachiopodenlarve von Santa Catharina. Zweiter Beitrag. Von Fritz Müller in Desterro 53 Ichthyologische Berichtigungen. Von Prof. Rud. Kner in Wien. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber . 57 Die Larvenzustände der Museiden. Eine vorläufige Mittheilung. Von Dr. Rud. Leuckart in Giessen .... 60 Ueber die Hirnbildung des Menschen und der Quadrumanen und deren Verhältniss zur zoologischen Systematik, mit beson- derer Rücksicht auf die Ansichten von Owen, Huxley und Gratiolet. Von R ud o Ip h Wagn er, Professor in Göttingen .......... 63 Ueber Paramaecium coli Malmst. Von Rud. Leuckart in Giessen. Hierzu Taf. V. Fig. A. B 81 Ueber die Familie Homalopsidae. Von Prof. Jan in Mailand. Hierzu Taf. V. Fig. a und b. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber . 87 Ueber die systematische Stellung der Gattung Solarium. Vom Herausgeber. Hierzu Taf. V. Fig. 1—12 ... 91 Ueber eine monströse Forelle. Vom Fürsten zu Salm-Horst- mar. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber . 100 Carcinologische Beiträge von Dr. C. Strahl in Berlin. A. Ueber die Decapodengattung Euxanthus Dana. B. Ueber Cancer Panope Herbst 101 Ueber das Vorkommen von ausstülpbaren Anhängen am Hin- terleibe von Schaben. Von Dr. A. Gers ta e ck er in Berlin 107 4 Inhalt. Seite Eine neue Art des Genus Pegassus Linn. Von Kaup . . 116 Thersites Gasterostei und Leptodera INicothoae. Eine neue Gattung parasitischer Crustacecn und eine neue Nematoden- art. Von Dr. H. A. Pagenstecher in Heidelberg. Hierzu Taf. VI 118 üeber einige kleine Gruben an den Schuppen mancher Schlan- gen. Von J. Reinhardt. Aus dem Dänischen übersetzt vom Herausgeber 127 Die hornigen Kieferplatten des amerikanischen Manatus, Von Dr. K. Möbius in Hamburg. Hierzu Taf. VII . . 148 Beobachtungen über den Bau und die Fortpflanzung der Eleu- theria Quatrcf. Von Dr. A. Krohn , . . . 157 Ueber die Hirnfunctionen mit besonderer Beziehung zur allge- meinen Zoologie. VonRud. Wagner in Göttingen. (Ab- gedruckt aus den Göttinger Nachrichten) .... 171 Verzeichniss der auf meiner Reise in Nordamerika beobachteten Säugethiere. Vom Prinzen Maximilian zu Wied. Hierzu Taf. VIII. (Im Texte steht fälschlich IX) ... 181 Neue Wirbelthiere von Chile. Von Dr. R. A. Philippi und Ludwig Landbeck 289 Ueber die systematische Stellung der Charybdeiden von Fritz Müller in Desterro 302 Polypen und Quallen von Santa Catharina. Olindias samba- quiensis n. sp. Von Fritz Müller in Desterro. Hierzu Taf. IX 312 Ueber die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen. Von Fritz Müller in Desterro 320 Ueber den Unterkiefer der Schlangen und über die fossile Schlange von Rott. Vom Herausgeber. Hierzu Taf. X. 326 Ueber das Gebiss der Gattung Cancellaria. Vom Herausgeber 361 Bemerkuugeu über die Typhlopideu. Von Prof. Jan in Mailand. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. Durch vieljährige Untersuchungen an Tausenden von Schlangen, habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass die genaue Berücksichtigung der seitlichen Beschildung des Kopfes derselben, und die gegenseitige Lage dieser Schil- der wesentlich das Bestimmen der Arten erleichtert, und besonders die Berücksichtigung der Form und Lage der Lippenschilder gegen die an dieselben angrenzenden andern Kopfschilder, wie ich bereits in meinem „Plan d'une Icono- graphie descriptive des Ophidiens *-)" erwähnte. So ein- fach und ganz verschieden von den anderen Familien der Schlangen die Beschildung des Kopfes der Typhiopiden ist, so finde ich dennoch auch bei denselben meine gewonnene Erfahrunor bestätio-t. In Berücksichtigung dieser Verschiedenheit der Kopf- bcschildung, wird man nur das Bestimmen der Typhlops- arten erschweren, wenn man, wie z. B. in Dumcril und Bibron's Erpctologie bei den Beschreibungen derselben, die Schilder mit denselben Namen bezeichnen wollte, wel- che für andere Schlangenarten in der ophiologischen Ter- minologie angenommen wurden , sei es nun nach erstge- nanntem Werke oder nach M er rem. ^') Revue et iMagasin de Zoologie A'o.lO. 1858 vonM. Guerin. Arcliiv f. Naturg. XXVII. Jahrg. I.Ed. 1 2 Jan: Wenn ich in den Beschreibungen anderer Schlangen- familien, wie ich bereits in meinem Prodromus der Gift- schlangen bemerkte , die lerminologischcn Ausdrücke nach Dumeril und ßibron mit gewissen Modifikationen, wie z. B. hinsichtlich der Temporalschilder , die ich nur bis zum Mundwinkel berücksichtige , angenommen habe, so würde diese Annahme bei den einfachen Kopfschildern der Typhlopsarten, wie bemerkt, nur nutzlose Verwirrung der Begriffe erzeugen. Ich bin aber auch der Meinung, dass ohne naturgetreue Abbildungen dieser Schilder, bei manchen Arten auch durch die ausführlichste Beschreibung deren Erkennen nicht ermöglicht wird. Indem ich gerade in dieser Kopfbeschildung die wich- tigsten Unterscheidungsmerkmale finde , und ich hierauf selbst auch die Gattungsunterschiede gründe, so scheint mir nöthig, ehe ich die Charakteristik der Gattungen, deren Re- präsentanten auf der V. und VI. Tafel des ]. Heftes der Sonographie gcneral des Ophidiens, welches ich eben ver- öffentliche, abgebildet sind, anführe, etwas Allgemeines über die Pholidosis der Typhlopiden voranzuschicken. Die Schuppen des Körpers sind durchaus gleich an Grösse bei derselben Art , und bei keiner Art kann man, wie bei anderen Schlangen, verschieden gestaltete oder grössere Schuppen in der Mittelreihe des Unterleibes wahr- nehmen , die Längsschuppenreihen des Körpers habe ich stets nur in gerader Zahl an denselben bemerkt. Von den mir bekannten 66 Typhlopsarten, hat Typhi. Schlegeli ßianc. die meisten nämlich 42, manche Arten 30, 26, 24 und die meisten 20, so wie einige auch 18 in der Mitte des Körpers ; alle Arten der Gattung Stenostoma, deren 18 abgebildet in der Sonographie erscheinen werden, haben 14 Längsreihen. Sowohl am unteren Theile des Kopfes, als am oberen bemerkt man bloss Schuppen, mit einziger Ausnahme von Anomalepis Tab. V, VI. fig. 1 a, welche Beschildung diese Gattung kennzeichnet. Die Beschuppung des unte- ren Theiles des Kopfes liefert nie, und selten der obere Theil desselben in seinen Schuppen Unterscheidungsmerk- male. Schlegel in seinem Texte zu Abbildung seltener Amphibien 1837—44. p. 35 bemerkt schon treffend bei der Bemerkungen über die Typhlopiden. 3 Beschreibung seines Typhi, lumbricalis (Typhlops reticula- tus L. D. B.), welchen ich als Typus für die Gattung- Ty- phlops annehme : „An die Schnauzenschilder stossen auf dem Scheitel drei oder vier Beihen Schuppen, die etwas grösser als die darauf folgenden Bückenschuppen sind, jede dieser Beihen besteht aus drei S ch upp en , die aber nicht alle auf gerade Querreihen vertheilt sind, sondern abwech- selnd stehen." Die zuweilen etwas verschiedene Gestalt dieser Schuppen, wenn solche bei den Individuen derselben Art beständig, kann wohl doch in seltenen Fällen Unter- scheidungsmerkmale darbieten, aber oft findet man bei denselben Abänderungen der Form und Grösse bei einer und derselben Art. Hingegen liefert sowohl das Schnau- zenschild (Bostral) und die seitlichen Schilder des Kopfes die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale, sowohl für Gattungen als Arten, und da ich die von mir angenomme- nen fünf Galtungen, welche auf Tab. V, VI abgebildet sind, hierauf gründe , so scheint mir nicht überflüssig, bevor ich deren kurze Charakteristik erwähne , die Theile des Kopfes, die man im Profile desselben wahrnimmt und die entsprechende Benennung derselben kurz zu erwähnen. Als Typus der Familie Typh. reticulatus und alle mit dem- selben in dieser seitlichen ßeschildung übereinstimmende Arten (S. pl. V. fig. 2 Typhlops Preyssi) angenommen, hat diese Familie vier Lippenschilder (Sc. labialia). Sie bilden den Saum der MundöfTnung, sowohl oben als unten in zu- nehmender Grösse, das letzte oben ist oft auch etwas aus- gerandet. An das Bostral anstossend liegt seitwärts das Nasen- schild (Scut. nasale) , der Kürze wegen Nasal; in diesem liegt das Nasenloch. Eine Bitze führt zu demselben , die Lage derselben und ob dieselbe sich über das Nasenloch und wie weit fortsetzt, ist charakteristisch, ebenso auf welchem Labial diese Bitze entspringt : bei Typhi, reticulatus stets an dem Punkte, wo sich das erste und zweite Labial oben berühren, bei Typhlops anfangs des zweiten Labial, oft steht dieselbe auf dem ersten oder weit zurück auf dem zweiten, bei T. reticulatus geht solche dann auch etwas über das Nasenloch , ohne sich bis zur vorderen Seite des 4 Jan: Nasal fortzusetzen, bei T. Preyssi \\g.2e endet sie beim Nasenloch. — Stets fand ich diese Ritzenlage bei den In- dividuen derselben Art conslant. — Hinter dem Nasen- schilde liegt ein Schild, dessen Gestalt für den Unterschied der Arten zuweilen gute Anhaltspunkte liefert. Dieses Mittelschild, das hinter dem Nasenschilde und vor den Au- gen liegt , kann man als Praeocular bezeichnen, welchem das Augenschild, Ocular, folgt, in welchem mehr oder we- niger sichtbar im oberen Theile desselben das Auge liegt. Hiermit besteht die seitliche Beschildung bei dem Typus Typhlops aus dem Rostral im Profil gesehen, dem Nasal- Praeocular- und Ocularschild. Die Lage der Labialschilder zu den dieselben berüh- renden Schildern ist stets dieselbe bei derselben Art, und daher bei Bestimmungen zu berücksichtigen. Die Trennung der Gattung Ophthalmidion und Ony- chocephalus, die sich von Typhlops dadurch unterscheiden sollen , dass bei letzteren die Nasenlöcher seitwärts , bei ersteren unten liegen; und dass Ophthalmidion einen abge- rundeten , Onychocephalus einen scharfen Schnauzenrand habe, scheint mir keineswegs gut gegründet, denn bei allen Typhlopsarten , wenn man den Kopf von unten betrachtet, sieht man die Nasenlöcher , und es hängt bloss von dem mehr oder minder vorgezogenen Rand der Schnauze und zwar des Rostral und Nasal ab, ob solche mehr oder min- der tief liegend erscheinen , und man bemerkt oft Ueber- gänge , stets sind aber die Nasenlöcher , wenn auch am Rande liegend, von unten sichtbar. Was dann den Unter- schied hinsichtlich des zugerundeten und scharfen Randes betrifft , so kann man wohl hiernach keine Gattung grün- den ; dass dann die Nasenlöcher des scharfen Schnauzen- randes wegen nicht an demselben liegen können, ist na- türlich. Auch bei Stenostoma finden sich Arten mit scharfem Schnauzenrande. S. Tab. V, VL lig. 12. Dem Gesagten zu Folge verschmelze ich wieder diese drei Gattungen in eine, als deren Typus Typhlops reticu- latus ich annehme , höchstens könnte man aus den beiden anderen Gattungen Unterabtheilungen bilden, und vielleicht Bemerkungen über die Typhlopiden. 6 mit minderem Rechte , als wenn man andere mehr unter- schiedene Arten von demselben trennen wollte, z.B. Ty- phlops mirus S. Tab. V, VI. fig. 7, oder Typhlops dispari- lis iig. 6. Die Körperform, die Länge des Schwanzes im Ver- hältnisse zur Breite des Kopfes , so wie dessen Einkrüm- mung und mehr oder minder spitze Endschuppe desselben (Stachel), die Lage des Auges (mit Ausnahme, ob eines der- selben mehr oder minder sichtbar, wo man sich aber leicht täuschen kann, denn wenn die Schlange im Häuten begrilFen, so entdeckt man das Auge nicht, wie ich selbst öfter bei der allbekannten Typhlops reticulatus bemerkt, so z. B. ist Ophthalmidium crassum D. B., wie ich mich am Originalex- emplare dieser von Paris erhaltenen Art überzeugte, nur eine von den vielen Varietäten des Typh. reticulatus), die Längs- und Querreihen, sowohl auf dem Körper als dem Schwänze, zuweilen auch die Afterschuppen (bei allen Ste- nostomaarten ist bloss eine grosse), sind bei Unterscheidung der Arten zu berücksichtigen. Was die Farbe betrifft, so findet man im Allgemeinen braun in allen Nuancen als die vorherrschende , manche Arten variiren auch darin, so z. B. sah ich Typhi, reticu- latus von dem lichtesten olivengrün bis zu dem tiefsten braun , ja sogar oben ganz schwarz, üeberhaupt ist es eine missliche Sache bei Schlangen , welche man nicht le- bend gesehen, und die oft durch lange Zeit in W^eingeist liegend, ganz verbleicht sind , deren natürliche Farbe an- zugeben und bei Beschreibungen hierauf Gewicht zu legen. Ich kann es nicht oft genug wiederholen , dass na- turgetreue Abbildungen weitläufige Beschreibungen ganz entbehrlich machen, die oft, je länger dieselben sind, nur um so weniger sich eignen hiernach Arten zu bestimmen ; daher der Text, welchen ich in der Monographie zu den Tafeln liefern werde, nur das zur Ergänzung derselben Nöthigste enthalten wird , um das Erkennen jeder Art zu erleichtern. Nach dieser kurzen Abschweifung glaube ich indes- sen vorläufig den Besitzer des ersten Heftes der Iconogra- phie mit den Gründen bekannt machen zu müssen, welche 6 Jan: mich boi der Trennung der Typhlopiden in fünf Gattungen leiteten. Alle Typhlopsarten (Epanodonta D. B.) , welche bloss Zähne im Oberkiefer haben , stelle ich in folgende Gattun- gen : Anomalepis, Typhlops, Idiotyphlops, Cephalolepis. Jene, welche nur im Unterkiefer Zähne haben (Cato- donta D. B.), stehen in der einzigen Gattung Steiwstoma. In der Gattung Typhlops selbst habe ich einige Un- terabtheilungen in dem Index des planches bemerkt, welche etwas von dem Typus abweichen , nämlich Ophthalmidium Tab. V, VI. flg. 3. 4, durch den etwas vorgezogenen stark zugerundeten Schnauzenrand ; Onychocephalus Tab. V, VI. flg. 5 , durch den stark vorgezogenen scharfen Schnauzen- rand ; Diophoroiyphhps Tab. V, VI. fig. 6. 7, bei welchen auf dem vierten Labial nicht unmittelbar das Augenschild liegt , sondern ein anderes Schildchen unter demselben sich zeigt; Typhlira Tab. V, VI. fig. 7. 8, welche nur drei Labial haben und das Praeocular mangelt. 1) Die Gattung Anomalepis Tab. V, VI. fig. 1, unter- scheidet sich durch wirkliche Schildchen auf dem Kopfe, hat nur zwei grosse Labial, das Nasal bildet vorne unmit- telbar den Saum des Mundes, über dem zweiten Labial lie- gen zwei Schildchcn, ein kleineres und ein sehr grosses, das Augenschild (Ocular) liegt ausser dem Bereiche des Mundwinkels. 2) Die Gattung Typhlops Tab. V, VI. fig. 2. 3. 4- 3) Die Galtung Idiotyphlops Tab. V, VI. fig. 10. Die höchst verschiedene , eigenthümliche Gestalt des horizontalliegenden Nasal, so wie die unge^vöhniiche Grösse des ersten Labial , da umgekehrt bei anderen Typhlopiden dies stets das kleinste und das letzte das grösste ist, dann auch die Stellung des kleinen Augenschildes bestimmte mich den Typhlops flavoterminatus Peters ^=*) als Gattung aufzustellen , wenn gleich nur .diese eine Art mir bekannt ist, ebenso wie die schon von D. B. erkannte. 4) Die Gattung Cephalolepis Tab. V, VI, fig. U, die sich durch die gleichförmige Beschuppung des Kopfes so- *) Peters, der diese Art als Typhlops flavoterminatus auf- Bemerkungen über die Typhlopiden. 7 wohl oben als seitwärts auszeichnet, und dass das Rostral nicht auf den Kopf hinaufreicht. Eine noch einfachere seitliche Beschildung als die meisten anderen Typhlops haben die Arten der Gattung 5j Slenosloma Tab. V, VI. fig-. 12. 13. 14. 15. Man bemerkt nur zwei Labial iig. 12. 13, oder drei flg. 14. Wenn zwei, so steht das eine gleich hinter dem Na- senschild, welches vorne den Mundsaum bildet, hinter die- sem kleineren Labial folgt dann das Augenschild ebenfalls den Mundsaum bildend, und nach demselben liegt ein gros- ses Labial, über welchem ein ebenfalls grosses Schild, gleichsam ein Postocular-Schild. In den Unterabtheilungen dieser Gattung Tricheilo Stoma Tab. V, VI. flg. 14. 15 liegen nach dem Nasal zwei kleine Labialschilder, sonst wie oben bemerkt. Calodon Tab. V, VI. fig. 13 und Rauiphostoma fig. 12 ist durch das Rostral von den übrigen Stenostomen ver- schieden. Mailand, den 2ß. Dec. 1860. stellte, setzte dieselbe später in seine Gattung Rhinotyphlops und nach den vor ein paar 'fugen erhaltenen Berliner Monatsberichten Sept. Octob. 1860, trennt er solche wieder davon und bildet mit dieser und einer anderen Art, die er T. frontalis nennt, die Galtung Helmintho- phis. Da die Tafeln schon alle abgedruckt sind, so kann ich diese neue Auffassung Peters um so weniger aufnehmen, als sonst auch mir sowohl die Rhiuotyphl. albirostris als llelminthophis frontalis unbekannt sind, und er mir zwar eine Tafel sandte , wo sowohl Uhin. albirostris als Typhlops flavoterminatus, letzterer ganz falsch, abgebil- det sind ; die Beschreibungen sind ungenügend. Heber einige Fabeln in der Zoologie. Vom Prinzen Ilaxiniilian zu Wied. Zur Steuer der Wahrheit scheint es verdienstlich, wenn Beobachter der freien Natur , die auch selbst Jäger sein müssen, ihre Stimme für die Ausrottung gewisser, entweder durch Vorurtheil, Leichtgläubigkeit, falsche oder halbe Beobachtung , oder auch nach Sagen roher Völker blindlings angenommene Irrthümer erheben. Wer in frem- den Welttheilen gereist ist, findet sehr oft Gelegenheit die Art kennen zu lernen, mit welcher die rohen Völker, jene von der Natur zu Jägern bestimmten Menschen, sich mit albernen Erzählungen die Zeit verkürzen. Zum Theil mö- gen sie diese Geschichten selbst glauben , noch häufiger eher suchen sie dieselben dem Fremdlinge aufzubinden, da sie uns für schlechte Jäger halten, welche die Natur wenig kennen. Und hierin haben sie zum Theil recht, denn wie könnten wir es ihnen in jenen undurchdringlichen Urwäl- dern und bei einer glühenden Atmosphäre , mit unseren weit weniger kräftigen Nerven und unserer Verweichli- chung gleich thun ? Sich in dieser Hinsicht wichtig zu machen, uns allerhand Fabeln aufzubinden, ist ihre grösste Freude , bis sie sehen , dass wir nichts auf ihre Aussage geben und selbst Beobachter der Natur sind, dann schwei- gen gewöhnlich alle diese Versuche. Dem rohen Menschen , der nichts Besseres zu erzäh- len weiss, ist dieses wohl zu verzeihen ; allein dass gebil- dete und gelehrte Zoologen heut zu Tage noch die Natur Prinz Maximilian: Ueb. einige Fabeln in d. Zoologie. 9 SO wenig kennen und beobachten, um solche Fabeln unbe- dingt und mit der grössten Leichtgläubigkeit für bare Wahr- heit aufzunehmen , das muss dem Beobachter der Natur bedauerlich erscheinen. Unter den bekanntesten solcher Fabeln oder Irrthümer wollen wir nur drei der vorzüglichsten hervorheben und sie näher betrachten: das Bezaubern der Giftschlangen, die Honig- Nahrung der Fliegenvögel (Trochilidae) und den Respekt vor der Königswürde im Thierreiche. Tiefeingewurzelt und höchst schwer auszurotten sind diese Vorurtheile, indem immer wieder gewichtige Stimmen unter den Zoologen für ihre Vertheidigung auftauchen, ohne dass sie selbst zum Theil Gelegenheit gehabt hatten, die Sache aufzuklären. Also zuerst zur Bezauberung der Giftschlangen. Smith B a r t 0 n war wohl der erste, der seine Stimme in den Vereinigten Staaten von Amerika gegen jene dort vielfältig verbreitete Sage erhob. Ihm folgten einige we- nige Beobachter, welche seine Ansichten bestätigten, ob- gleich später wieder sogar deutsche gelehrte Reisende eine Vertheidigung des alten Vorurtheils versuchten. Jetzt scheint man indessen doch ziemlich allgemein die Wahr- heit eingesehen zu haben , vorzüglich seit der Gründung der in der neueren Zeit zur Mode gewordenen zoologi- schen Gärten. Dort sieht man kleine Thiere , wie Mäuse, Ratten, Eichhörnchen und Vögel unbezaubert auf den ge- fährlichen Schlangen herumtanzen , bis es dem giftigen Feinde gefällt, sie zu erhaschen und zu verschlingen. Ge- wiss würde Dr. Günther *"') u. a. Beobachter im zoologi- schen Garten zu London das Bezaubern der Schlangen be- obachtet und vertheidigt haben, wenn dasselbe in der Na- tur begründet wäre. Wir selbst haben in Amerika ge- fährliche kräftige Klapperschlangen mit anderen Thieren zu- sammengesetzt, sie mehre Tage auf diese Art conservirt und beobachtet, aber nie eine Bezauberung erlebt. Ueber diese ") Siehe dessen interessante iMittheilungen über die Reptilien des zoologischen Gartens zu London, in diesem Archiv Jahrg. XXVI. Heft 1. S. 29. 10 Prinz 31 a X i m i 1 i ii n : Materie ist so viel geschrieben worden, dass es unverant- wortliche Wiederholung sein würde, das Gesagte noch ein- mal hier folgen lassen zu wollen. Aber noch weit unumslösslicher hatte sich in der Uebcrzeugung des Publikums und aller Walurforscher die Honig-Nahrung der Fliegenvögel oder Colibris (Trochili- dae) festgesetzt. Sie war so tief eingewurzelt, dass man sich noch gegenwärtig kaum schmeicheln darf, sie gänzlich ausrollen zu können. Einzelne Summen hatten sich schon längst dagegen erhoben, waren aber gänzlich unbeachtet geblieben. Hierhin gehört zuerst ein Franzose, Herr Bar- bier ■""■) 1778, dann Dr. Brandes, der Uebersetzer von Molina's Naturgeschichte von Chili **-) und Wilson in sei- ner Ornithologie von Nord-Amerika. Nach jenen Beobach- tern, welche die Insekten-Nahrung der Fliegenvögel schon nachwiesen, hatten wir in Brasilien Gelegenheit dieselbe zu bestätigen und weiter auszudehnen. Bei der Präparation eines jeden der zahlreichen Colibris, die wir erlegten, wurde jedesmal der Magen untersucht, und nicht einmal fanden wir Honigschleim oder ähnliche Stoffe in diesen Theilen; dagegen oft dichte Ballen von höchst kleinen Flü- geldecken glänzender Käferchen, Beine von Spinnen und andere Ueberreste höchst kleiner Insekten. Das Gesagte scheint allein schon hinlänglich einen Beweis zu liefern, jedoch den letzten Rest des Zweifels muss die genaue Untersuchung der Colibri- Zunge ver- nichten. Um das Honigsaugen der Fliegenvögel sich leicht zu erklären, nahm man früher an, ihre Zunge sei ein röhren- förmiger Saugapparat, allein diese Ansicht ist doch schon längst aufgegeben, dagegen weiss man bekanntlich, dass sie aus zwei langen , dünnen, rundlichen, dicht neben ein- ander befestigten Muskel-Cylindern besteht, deren Zungen- bein-Hörner, gerade wie bei den Spechten, äusserlich un- ter der Haut des Hinterkopfes hinauf bis gegen die Schna- ') Siehe Dictionnaire des sc. natur. Vol. X. p. 41. ') P. 261. lieber einige Fabeln in der Zoologie. * 11 belwurzel steigen, und auf diese Art einen höchst zweck-» massigen Greifapparat bilden. An ihrer Spitze nämlich theilen sich diese Zungen-Cylinder, und ihre beiden ge- lrennten Schenkel werden nach der Spitze hin häutig und platt, an ihrem Rande aber mit Franzen oder Borsten be- setzt. Auf diese Art bildet die Zunge eine Zange und zu- gleich Tastorgan, dem nicht das kleinste Insekt entwischen kann. Dem Gesagten zu Folge ist der Colibri ein echter Blumenspecht, und wenngleich die Zunge bei diesen bei- den Vögeln sehr verschieden gebildet ist, so existirt in ihrer Hauptbildung und ihrem Mechanismus dennoch sehr viele Aehnlichkeit. Ihr Bau giebt den unumstösslichen Be- weis, dass hier von Honig- Nahrung gar nicht die Rede sein kann. Und so ist es auch! Denn in den Blumenroh- ren zahlreicher Gewächse fanden wir in Brasilien den Ho- nigsal't nie in solcher Menge , dass ihn eine solche Zunge in hinlänglicher Quantität hätte aufsaugen können , um so kräftige lebhafte kleine Vögel zu ernähren. In den Nec- tarinien und Röhren der Blumen fand man gewöhnlich bloss einen klebrigen Ueberzug, den kleine Insekten wohl ab- nagen oder aufsaugen , die Zunge des Fliegenvogels aber nicht ergreifen konnte , diese jedoch fühlt augenblicklich das festsitzende Insekt, ergreift dasselbe und zieht es in den Mund zurück. In demselben Falle sind ohne Zweifel auch die vielen neuholländischen andern Vögel , welche man Honig saugen lässt; sie sind gewiss grösstentheils In- seklivoren. Da wir nun mit dieser neuen Behauptung über die Nahrung der Fliegenvögel aufgetreten waren , so wurden wir anfänglich überstimmt , man blieb bei dem alten Glau- ben, bis endlich einige Zoologen aufmerksam wurden, etwas nachgaben und neben der Honig-Nahrung auch die der In- sekten annahmen. Man benannte noch damals einen Flie- genvogel Trochilus insectivorus , da sie doch alle insecti- vori sind. Als einen Gegenbeweis unserer Ansicht weiKlet man ein, dass man im gezähmten Zustande Fliegenvögel mit Zuckersaft erhalten habe, allein dieses ist kein Beweis. Solche eingesperrte Vögel sind immer bald gestorben, und 12 Prinz M n X i ni i 1 i n n : wenn sie auch das mit Zucker vermischte Wasser annah- nnen, so mögen sie dieses aus Durst gethan haben, da die Colibris viel trinken, wie wir oft beobachteten, auch konnte ihnen die dünne Flüssigkeit keine Nahrung geben und der baldige Tod war die Folge davon. Ohne Zweifel hatte man nicht beobachtet , wenn diese Vögelchen länger am Leben blieben, dnss sie kleine Insekten gefangen hatten, welches unmerklich schnell von Statten geht, und leicht übersehen werden konnte. Der einzige Zoologe, welcher der hier mitgetheilten Materie und unserer Beobachtung Gerechtiakeit wiederfah- ren Hess, war der gelehrte Reisende in Süd-Amerika, Herr Professor Burmeister zu Halle, der aus eigener Ansicht und Untersuchung die Sache gründlich durchschaute, sie bestätigte und eine Beschreibung der Colibri-Zunge gab ^•'), und dessen Feder wir auch jetzt wieder neue, gewiss höchst interessante Entdeckungen und Beobachtungen von der kürzlich vollendeten Reise verdanken werden, welchen wir mit Ungeduld entgegen sehen. So weit über diesen Ge- genstand ; jetzt noch ein paar Worte über den dritten, hier zu erwähnenden Punkt. Der dritte Punkt, dessen hier Erwähnung geschehen sollte, ist die Verehrung der Königswüride, aber nicht im Menschcn-Geschlechte, sondern im Reiche der unvernünfti- gen Thiere. Wer Beobachter der Natur ist, der wird wis- sen , dass Raubthiere sich nicht um einander bekümmern, wenn sie sich begegnen, indem ein jedes seinen eigenen, von den Naturtrieben ihm eingegebenen Weg verfolgt. Des- halb werden sich verschiedene Thierarten in der Freiheit immer ausweichen, aber selten mit einander fechten, und nur da in Collision gerathen , wo der Mensch sie in eine unnatürliche Lage versetzte. Ebenso ist es bei den Vögeln. Die Süd -amerikanischen Geier (Urubu's, Galinazos) sollen, aus Respekt vor dem sogenannten Geier-König (Urubu-Rei), Sarcoramphus papa, zurückbleiben, bis letziorer sich gesät- tigt habe. Diese Sage hat besonders Schomburgk weit- '■•) Siehe Bunneistei's systematische Uebersicht der Thiere Bra- siliens Bd. II. p. 312. lieber einige Fabeln in der Zoologie. 13 läufig vertheidigt, dagegen haben sie andere, wie z. ß. v. Tschudi angegriffen und wir können nur dem letzteren Beobachter beistimmen. Wir haben Geier, Hunde und an- dere Thierc zugleich an demselben Cadaver zerrend gese- hen, aber nirgends eine Rangordnung unter den genannten Gästen beobachtet. Aber auch den Geier -König sahen meine Leute zugleich mit den Urubu's auf einem gefallenen Maulthiere sitzen. Lei(!iTil;n ia. 21 werden. Die Haut der Heteropoden, deren steifer cylindri- scher Leib eine äussere Aehnlichkeit mit dem Haus der Phronima zeigt , ist ebenfalls auf ganz verschiedene Weise gebaut. Es ist übrigens nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich, dass die Häuser von verschiedenen Thier- arten, vielleicht von verschiedenen Thiergattungen entlehnt werden mit ähnlicher Freiheil der Wahl wie bei Pagurus. Alle Exemplare, welche ich erwachsen gefunden, bc- sassen ein Haus und sie waren sämmtlich weiblichen Ge- schlechts. Im Hause aber sah man dann in dichtgedräng- ten Gruppen, in verschiedenen Stufen der Entwickelung und in entsprechend verschiedenen Gestalten die junge Brut ansitzend. So scheint es allerdings, dass das Haus nur dem Brutgeschäfte dient. Wenn Phronima mit ihrem Hause im Meere treibt, so steckt sie nur mit dem Vorderkörper in der Hülle; sie hält sich im Innern mit den lünf vorderen Thorakalfusspaaren fest, während die zwei hintersten Thorakalfusspaare auf den Rücken geschlagen sind und sich an den oberen Theil des hinteren Randes anklammern. So hängt das ganze Abdo- men frei herab und treibt durch seine regelmässige Bewe- gung das Schifflein mit der ganzen Familie rasch voran (Taf. I, flg. III). Das kann man auch im Aquarium beob- achten. Gestört und erschreckt, zieht sich allerdings der Krebs auch wohl ganz ins Haus oder schlüpft hindurch, um es rasch wieder zu ergreifen. Die Bewegung des Abdomen, seiner Schwimmfüsse und weitere Anhänge findet dabei , wie überall unter solchen Verhältnissen statt. Beim Strecken des Schwanzes werden seine Anhänge ausgebreitet, abduzirt und gestreckt und dafür sind ihre Muskeln besonders eingerichtet; wird da- gegen der Schwanz in die gekrümmte Stellung zurückge- führt, so legen sich seine Anhänge an ihn an oder knicken sich unter seinem Schutze ein, die Fläche wird verringert, weniger Widerstand überwunden. Wenn so einmal der Körper vorwärts getrieben wird , so kann nicht auf der anderen Seite ein Wasserstrom von den Abdominalfüssen über die Kiemen weg zum Munde getrieben werden , das kann nur bei einem Rückwärlstr^iben Statt finden. Der S|rom 22 r a - V. n Stecher: sitzen. Auch das Ganglienpaar unter dem Schlünde ist gross , da es durch die Verschmelzung der Ganglien der mit dem Kopfe verbundenen Segmente entstanden ist, wel- che die beiden Maxillenpaare und die Unterlippe tragen. Das nächste Paar länglicher Ganglien entspricht wieder den zwei ersten Thorakalsegmenten , während die fünf folgen- den grösseren Fusspaare getrennte Ganglien besitzen. Die drei ersten Abdominalsegmente haben ebenfalls gesonderte Ganglien aber für die letzten Schwanzsegmente muss ein einziges Ganglion ausreichen, welches sich dicht dem drit- ten kaudalen Ganglion anschliesst. Es finden sich also ausser dem über dem Schlünde liegenden Gehirn elf Ganglien im Bauchmarke. Obwohl dieselben überall die paarige Anordnung erkennen lassen, so ist doch nur bei den sechs ersten eine vollkommene Selbstständigkeit der symmetrischen durch quer überge- hende Fasern verbundenen Hälften erhalten, die Verschmel- zung ist dagegen in den fünf letzten entsprechend der Verschmälerung des Körpers innig. Die Längskommissu- ren bleiben überall paarig. Die ausstrahlenden Nerven verlassen stets direkt die Ganglien, und an den Ganglien, welche mehreren Segmenten angehören, treten mehrere Nervenpaare jederseits aus in einer der Segmentzahl ent- sprechenden Menge, sonst nur ein einziges, natürlich die Commissuren nicht mitgerechnet. In jungen Thieren (Taf. I. fig. I u. II) sieht man den Bauchstrang durch die Decken des Thieres hindurch. Nur das Gehirn und besonders die auf ihm ruhenden Sinneswerkzeuge verlangen eine speziel- lere Betrachtung. Das Gehirn erscheint in die Quere ent- wickelt. Zunächst sind zwei grosse Ganglien unter einan- der durch eine quere Verbindung und an den zipfelförmig ausgezogenen Enden mit den ganz ähnlichen ünterschlund- ganglien durch einen zarten, weiten Schlundring verknüpft (Taf. II. flg. I, a). Von ihnen geht am anderen Ende je- derseits ein schwacher Nerv ab , welcher , wie es scheint, die Muskeln der Oberkiefer versorgt (fig, I, c) und der wie der zunächst folgende in der Zeichnung nach rückwärts geschlagen ist. Ausserdem zieht aber von jedem Hirnganglion ein Phronima sedentaria. 29 starkes Faserbündel in querer Richtung- nacli Aussen, der Träger der höheren Sinneswahrnehmungen. In seinem Ver- laufe giebt dieses Bündel zunächst einen starken Nerven (d) ab, von dem ein Ast zur Antenne, der andere anscheinend zur Oberlippe verläuft. Fast an derselben Stelle entwickelt es sich zu einer starken Anschwellung, welcher die Netzhaut- elemente des oberen Auges aufsitzen (e) und endet schliess- lich mit einer strahlig-en Ausbreitung unter der Netzhaut der unteren Augen (g). Die beiden Augenpaare sind im Wesentlichen gleich gebaut und der Unterschied beruht nur auf den durch die grössere Entfernung der Peripherie von der Nervenanschwel- lung für die oberen Augen nothwendig werdenden Modifi- kationen. Wenn man dazu nimmt, dass die Entfernung der oberen von den unteren Augen erst allmählig so gross wird und sie in jungen Thieren nur durch die Antennen- insertion getrennt werden, so darf man wohl eine ähnliche Theilung des Auges in eine obere und untere Abtheilung annehmen, wie sie z. ß. in mehreren Familien der Käfer durch Ausrandung angebahnt und mehr oder weniger zur Vollendung gebracht wird. Es ist das ein durchaus an- deres Verhalten, als wenn bei niederen Krebsen Au- gen verschiedener Entwickelungzeiten und von wesent- lich verschiedener Bedeutung neben einander in Permanenz bleiben. Die Aulfassung von Forskal, dass die oberen Au- gen gleichsam gestielt seien, ist ganz richtig. Der Theil des Kopfes, dem sie jederseits oben aufsitzen und den man als Scheitel bezeichnen kann , ist seiner Hauptbestimmung nach Träger der Augen und als aus zwei seitlichen Hälften verschmolzen zu betrachten, deren Sonderung jedoch nur durch eine leichte Einbuchtung und die Andeutung einer Scheidewand an der vorderen Fläche eben verrathen wird, Uebrigens setzen sich auch oben an den Seitenwänden dieses eingekehrt konischen Kopftheiles Muskeln fiir die Kie- fer, unten an der Vorderwand für die Oberlippe, am obe- ren Rande des occipitalen Ausschnittes Rücken- und Ma- genmuskeln an. Kräftige Apodemata treten von rechts und links unter den unteren Augen quer in die Schädelhöhle 30 Pagenstecher: ein und g-eben weitem Muskeln für die Mundwerkzeuge Ansatzpunkte. Betrachten wir den Bau der Aug-en speziell, so finden wir zuerst, dass an der Slelle, wo wir die INervcnfasern der Sehnerven sich strahlig ausbreiten sahen, für die unleren Aug-en , oder wo sie eine kuglige Erhebung- bildeten , für die oberen Aug-en, unter sie eine ziemliche Anzahl rund- licher Ganglienzellen eingemengt liegen. Es iindel das jedoch auch an verschiedenen anderen Stellen des Gehirns statt, wo Nerven dasselbe verlassen, am meisten natürlich in den eigentlichen Gehirnganglien , den Ober- Schlundganglien. Ob aus ihnen daselbst neue Fasern hervorgehen oder ob sie in vom Centrum herkommende eingebettet sind , wage ich nicht zu entscheiden. Dann folgt eine grosse Zahl von cylindrischen Elemen- ten, über welche, weil zwischen sie hin körniges rothes Pigment reichlich eingestreut ist, der Ueberblick schwieri- ger wird. Es scheint jedoch zweifellos , dass die Hülle der feinen Nervenfasern (Taf. II. fig. V, a) stark erweitert zur Hülle dieser Cylinder (Taf. II. fig. V, b) wird. Der In- halt bekommt dagegen ein Ansehen wie von krümliger Marksubstanz. Auf diesen Cylindern sitzen nun stäbchenförmige Ele- mente (Taf. II, flg. V, c), welche bis an die Chifindecke oder die dieser unterliegende chitinogene Membran reichen. Diese Släbchen beginnen mit einem sehr feinen Faden, welcher am Beginne ein wenig verbreitert und scharf schräg abge- schnitten erscheint. Man kann dort deutlich sehen , dass sich die Hülle des Cylinders , die anfangs Hülle der Ner- venfaser war, auch als Hülle dieses Fadens fortsetzt. Dieser fadenförmige Anhanof der Stäbchen ist nun bei den unteren Augen sehr kurz , bei den oberen Augen (Ta{[. II. fig. III und IV) sehr lang ausgezogen uud erreichte bei dem grössten von mir beobachteten Exemplare die re- lativ kolossale Länge von 4,5 Mm. bei einer durchschnitt- lichen Dicke von 0,007 Mm. Der Faden hat eben die Bahn vom Gehirne bis zum Scheitel zurückzulegen, und entspricht für die oberen Augen fast der Höhe des Kopfes. An der Peripherie kommt nun ein zweiter angeschwol- Phronima sedentaria. 31 lener Theil der Stäbchen , der aber in Hülle und Inhalt durchaus mit dem Faden übereinstimmend nur in der Ge- staltung- abweicht und dessen Form nun neben der Faden- länge und der Stäbchenzahl zwischen oberen und unteren Augen verschieden ist. Die kolbigen Enden der Stäbchen der unteren Augen sind etwas länger, schlanker und durch eine mittlere Ein- schnürung erscheinen sie deutlicher zweimal angeschwol- len. Die Stäbchen der oberen Augen endigen plumper, birnförmig, die ausgewachsenen etwa 0,1 Mm. breit. Das convexe breite Ende jedes Stäbchens wird, wenn man die Stäbchenschicht aus dem Auge gelöst hat, von Re- sten der sehr feinen von der Nervenfaserscheide herstam- menden Umhüllung überragt , welche hier überall von der äusseren Körperdecke sich abgetrennt hat und im Leben die Lage des einzelnen Stäbchens befestigte. Durch den An- satz dieser feinen Membran an der Chitindecke entsteht den Kolben entsprechend eine sehr leichte Andeutung einer Facettirung, ein pflasterförmiges Ansehen der Chitindecke auch nach Entfernunor der Stäbchen selbst. Die das Auo-e Überziehende Körperhülle bleibt jedoch in Wahrheit eine einfache platte Cornea , an welcher nicht den einzelnen optischen Elementen eine linsenförmige Anschwellung ent- spricht. Es ist klar, dass durch geringe Modifikationen der Ausführung die verschiedenen Arten des Arthropodenau- ges zu Stande kommen und so wie hier wird anderswo der Uebergang aus dem zusammengesetzten Auge mit glat- ter Hornhaut zu der mit facettirter Hornhaut nachweis- bar sein. Die Zahl der Stäbchen betrug bei einem grossen Ex- emplare für jedes der oberen Augen an vierhundert, für jedes der unteren etwa hundert und sechszig. Das Bündel von Stäbchen ist noch von einer gemeinsamen zarten Scheide, dem Neurilemma entsprechend, eingehüllt. Das feinkörnige Pigment , dessen Färbung verschiedene Arten und Intensi- tätsgrade von Roth zeigen kann , liegt auch noch zwischen den Fadenanfängen der Stäbchen ; die Körnchen verlieren aber allmählig die rothe Farbe, und wenn man die Kolben in der Fläche von oben ansieht, so finden sich zwischen 32 Pagen Stecher: ihnen dann nur schmutzig aussehende xMolekeln (Taf. II. flg. VI). Die Substanz der Stäbchen ist von gelblichem, fettigen Aussehen , und stark lichtbrechend , sie geht in den Inhalt der Cylinder nicht allmälig über, sondern setzt sich ge- gen diesen deutlich ab. Wie weit diese Stäbchen trotz der Länge und späte- ren fadenartigen Feinheit das auf den breiten peripheri- schen Enden aufgenommene Licht in Folge des starken Lichtbrechungsexponenten durch totale Reflexion bis zu den Cylindern hin zu leiten vermögen, muss ich dahin gestellt sein lassen. Im Falle , dass diese Stäbchen wirklich allein oder neben anderer Funktion der Lichtleitung dienen, würde dadurch, dass ihre Peripherie breit ist, an der feinen End- spitze des Fadens eine koncentrirte Einwirkung statt ha- ben und sich auf den Inhalt des Cylinders geltend machen, dessen Substanz allerdings das Ansehen hat , als wenn sie rasche Veränderungen erleiden möchte. Es ist vielleicht hier eine vollkommene Sonderung des Vermögens Licht zu leiten und es zur Empfindung zu brin- gen zwischen verschiedenen Substanzen noch nicht eingetre- ten. Uns an das Faktische haltend, können wir nur sagen, dass die Bestandtheile des Sehapparals durch die Nerven- umhüllung bis zur Peripherie kontinuirlich zusammenhängen, in Betreff des Inhalts dagegen bestimmt gesondert sind, und zvvar so, dass die äusserste Abtheilung, aber auch nur diese wenigstens einigermassen zur Leitung von Lichtstrahlen befähigt erscheint. Unter den verschiedenen Bildern, welche uns die End- anschwellungen der Stäbchen in beiden Augen zeigen, bemer- ken wir nicht wenige, welche auf eine Zersetzung der Substanz hindeuten und andere, die uns deutlich beweisen, dass eine Spaltung der Stäbchen und vielleicht neben dieser Art der Vermehrung auch die durch Nachwachsen vom Centrum aus stattfinden könne, für welches dann der Ursprung aus der in Vermehrung begriffenen Ganglienzellenschicht würde abgeleitet werden müssen. Zunächst drängt sich auch hier wieder der oben berührte Gedanke auf, dass solche Ver- hältnisse vielleicht nur zu bestimmten mit der Häutung Phronimn sedentaria. 33 abschliessenden Perioden, die mit der Zeit der Eiablage zusammenfallen, stattfinden möge. Dann scheint jene par- tielle Zersetzung der Substanz in den Kolben mit der Thei- lung zusammenzuhängen, sie gewisser Massen einzuleiten. In einigen Kolben sehen wir die Substanz durchaus gleich- massig, hellgelb, die convexe freie Fläche ganzrandig. Da- nach finden wir Formen, in welchen die centrale Partie etwas klarer erscheint , oder in denen sich einige helle Körnchen angehäuft haben. Wenn die Anhäufung solcher Körnchen oder Moleküle zerfallenden Fettes stärker wird und diese selbst dunkler werden, so zerklüftet der Kolben in der Mitte und indem sich die Körnchen mehr nach bei- den Seiten vertheilen, verlängert sich die Spalte nach beiden Richtungen , erreicht das Ende des Kolbens und geht an der anderen Seite in den Faden über, der bis zur Wurzel hinab sich spaltet. Die umhüllende Membran muss natürlich den Prozess mitmachen. Ausser den Kol- ben, bei welchen durch unvollkommene Trennung, Grösse, Art des Aneinanderliegens die Entstehung durch Theilung klar wird, finden sich auch kleinere, schmale Keulen, wel- che wie nachgewachsen aussehen. Uebrigens ist die Zahl der Stäbchen nach dem Entwickelungszustande sehr ver- schieden. In den unteren Stäbchen ist der Theilungsprozess we- niger deutlich als in den oberen, in ihnen ünden wir ent- sprechend den beiden Anschwellungen einen zweifachen Ausgangspunkt der Körnchenbildung und Spaltung. Diese Bildung körniger Moleküle konnte auch für einen unter Einfluss des Lichts stattfindenden Zersetzungsprozess der Substanz der Stäbchen angesprochen werden, aus welchem dann eher ein Zeugniss für die Natur der Stäbchen als Lichtpercipirender Nervenelemente genommen werden könnte. Eine andauernde Vermehrung der optischen Elemente eines Auges ist natürlich viel leichter möglich, wo nicht jedem Stäbchen eine unveränderliche linsenförmige Facette der Chitinhaut entspricht. Die Antennen, welche einen starken Nervenast erhal- ten (Taf. II. fig. II) sind bei erwachsenen Thieren bestimmt nur zweigliedrig. Das zweite Glied enthält am Ende des .\rcluY f. Naturg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 3 34 Page 11 stech er: Nerven eine Gruppe] von Zellen und ist mit fast zwanzig breiten, weichen, hohlen Tasthaaren besetzt. Von der Muskulatur ist mit Ausnahme der besonders schönen langen Sehne besonders am Rücken nur die für die Bewegungsweise wichtige und oben angedeutete Ein- richtung zu erwähnen, dass die Muskeln, welche den äus- seren Blattanhang der slielförmigen hinteren Caudalglieder- paare nach aussen bewegen, sehr kräftig erscheinen, wäh- rend entgegengesetzte kaum zu bemerken sind. Mit Macht nach Aussen geführt, w^erden diese Theile nach Aufhören der Muskelcontraktion durch den Gegendruck des Wassers in die Lage der Ruhe zurücksinken. Es bleiben uns zum Schlüsse noch einige Bemerkun- gen über die Entwickelung von Phronima, soweit dieselbe aus zweien neben dem erwachsenen Thiere beobachteten jüngeren, unter einander verschiedenen Altersstufen er- schlossen werden kann. Erst hatte ich in jNizza nur die ältere dieser Jugendzustände zahlreich in dem Hause der Mutter gefunden und hielt die Differenzen von den Erwach- senen für zu unbedeutend für besondere Beschreibung. Als ich aber später hier ein Nest voll noch jüngerer Thiere fand , zeigten sich diese wxit mehr verschieden von den Alten, zu deren Form jene für sie die Vermittelung bilden, so dass es wohl der Mühe lohnt, den Vergleich zu ziehen. Es lässt sich durch die Betrachtung der drei Gestalten ein bestimmter Entwickelungsmodus finden, der sich neben Ge- ringfügigem , wie z. B. der Vermehrung der rothen Pig- mentzellen , hauptsächlich in vier Momenten ausprägt. Er beruht darauf, dass in jungen Thieren der Yerdauungsap- parat im Verhältnisse umfänglicher, die der freien Bewe- gung direkt und durch leitende Sinnesempfindung indirekt dienenden Körpertheile weniger entwickelt sind, auch erst allmählig die Scheere, ein vielfach gebrauchtes Instrument des erwachsenen Thieres sich ausbildet. Die erste DifTerenz betrifft den Magen. Derselbe reicht, wie es die Abbildungen 1, 11 und III auf Tafel I zeigen, bei den jüngsten Thieren bis in das fünfte Thora- kalsegment , bei der nächsten Entwickelungsstufe nur bis zum Ende des dritten, bei den ältesten Thieren nur bis in Phroninia sedentaria. 35 das zweite. Noch mehr als durch die Veränderung der hinteren Gränze wird durch die starke Entwidielung- des vordersten Abschnittes des Körpers und des Schwanzes, wovon gleich die Rede sein soll, im Heranwachsen das Yer- hältniss zwischen dem Magen und dem ganzen Körper ein wesentlich anderes. Bei ganz jungen Thieren ist der Ma- gen last halb so lang w ie der Körper, während seine Länge im ausgewachsenen Leibe kaum ein Siebentel beträgt. Trotz- dem wächst absolut der Magen zwischen den kleinsten und dem grössten von mir beobachteten Individuen auf mehr als das Vierfache seiner Länge. Das zweite Moment in den Entwickelungsverschieden- heiten bildet der Schweif. In den jüngsten Thieren steckt derselbe als kurzer Stumpf zwischen den die hintersten Füsse tragenden basalen Fortsätzen der letzten Thorakal- segmente. Seine Gliederung ist zwar zu erkennen, aber die Anhänge der drei ersten Glieder sind, besonders durch die geringe Entwickelung der Grundglieder sehr kurz, ru- dimentär , für die Bewegung von geringer Bedeutung und die hintern Slielanhänge sind nur höckerartig angedeutet. Thiere solchen Alters kriechen wohl mehr an der Wand der Hülle umher, sie werden nicht viel zu schwimmen im Stande sein. In der nächst folgenden Altersstufe ist der Schwanz so geformt wie in der er>!^achsenen , er ist nur im Verhältnisse etwas kürzer. Die Grundglieder der drei ersten Schwanzfusspaare sind dann schmaler als bei Er- wachsenen, mehr denen der letzten Gliedpaare ähnlich, nur dass diese jetzt schon weit mehr gestreckt sind und die von ihnen getragenen Lamellen höchstens mit kurzen Här- chen sparsam besetzt sich zeigen. Die Thiere mögen schon innerhalb des mütterlichen Hauses mehr hin und her ru- dern, die Glieder erprobend, und man findet sie im Pokale nicht selten fern von der Mutter und an andere Gegen- stände, besonders Siphonophorentheile sich anhängend. Die dritte sehr auffallende Verschiedenheit tritt in den verschiedenen Altern belrcifs der Kopflbrm uns entgegen. Die Antennen sind an demselben bei jungen Thieren im Verhältnisse weit grösser und plumper, drei undeutliche Segmente an ihnen zu erkennen. Sie sitzen viel höher am 30 Pagenste eher : Kopfe. Es beruht das darauf, dass die oberen Augen auf viel geringerer Entvvickelung stehen. Erst durcli die starke Hebung dieser wölbt sich der Scheitel so empor und die früher schräge Stirn fällt dann in einer senkrechten oder gar übergeneigten Linie zum Munde herab. Absolut zwar vermehrt sich auch hier die Entfernung des Mundrandes von der Antenneninsertion im Ganzen etwa auf das Fünf- fache, aber der übrige Theil der Linie, welche man über den Kopf weg zum Nacken zieht, steigt etwa auf das Yier- zigfache des anfänglichen Maasses. Dabei entwickeln sich allmälig die vVugen in einer wegen der unendlichen Zart- heit der Elemente wenigstens jetzt an den aufbewahrten Präparaten nicht mehr zu verfolgenden Weise aber jeden- falls unter Vergrösserung und Vermehrung der Stäbchen zu immer beträchtlicherem Umfange, erhalten immer mehr Pigment und rücken weiter von einander ab. In den jun- gen Thieren verrathen Naht-ähnliche Falten ober- und un- terhalb der Antennen eine ursprüngliche Segmentirung des Kopfstückes. Auch die Antennen machen am Kopfe eine Entvvicke- lung durch. Zunächst ist im erwachsenen Thiere eine Ver- schmelzung der zwei letzten Glieder zu einem langen End- gliede eingetreten. Dann aber kommen erst allmälig die Tasthaare zum Vorschein. Ich zähle bei den jüngsten de- ren nur 1—3, bei älteren 4 — 6, alle nahe der Spitze der Antennen, bei Erwachsenen, wie oben angegeben, eine viel grössere Zahl, vertheilt auf eine grosse Strecke des Endgliedes. Die Scheere des fünften Fusspaares endlich, und das ist die vierte der als wesentlich hervorzuhebenden Dif- ferenzen , fehlt den jüngsten Individuen vollständig. Bei ihnen sind die Füsse 3 — 5 sehr gleichartig gebaut. In der nächsten Altersstufe ist die Scheere vorhanden , aber das vorletzte Glied ist verhältnissmässio- sehr breit und der Index ragt weit weniger vor als im Erwachsenen, deren Scheere mehr gestreckt ist. Der Index hat zwar dann schon an der inneren Kante ein paar Zähne, aber die zier- liche Arbeit, die sich später hier zeigt, besonders eine Reihe von 6 — 8 stumpfen Höckern hart an der Einlenkung riuoiiitna sedentaria. 37 des Daumens der Schcere , fehlt noch. Bei ganz jungen Individuen sind die Klauen der drei ersten Fusspaare stär- ker, zum Anklammern, die folgenden sind kaum merklich, aber unter der Haut für die nächste Häutung angelegt deutlich sichtbar. Die in der Entwickelungsgeschichte der Plironima und wohl auch anderer Hyperinen veränderlichen Theilc die- nen vielfach zur Art- und Galtungunterscheidung. So gilt bei Dana (United States exploring expedition T. II. p. 1001) für Phronima atlantica die Gestalt der Scheere als charakteri- stisch, Hyperia, Taura, Scyllopus haben kurze, Anchylomus lange Antennen und ein junger angeblicher Lestrigonus hat kurze Antennen (pl. 67. iig. 7) , während der erwachsene lange besitzt. Trotz der in Betreff der Antennen im Ver- gleiche mit anderen Hyperinen grössern Differenz des An- chylomus gegen Phronima, ist das fünfte Fusspaar dort dem der Phronima am meisten ähnlich und bildet fast eine Scheere. Man könnte in Betreff der Kürze der Schwanzanhänge und des Mangels der Scheere die Hyperia- Arten den jüng- sten Individuen von Phronima gleichstellen , während Da» clylocera schon weiter entwickelt ist. Man kann ferner in der rudimentären Schwanzgestalt der jungen Thiere eine Annäherung zu den Laemodipoda finden , auf welche dann auch die Beschränkung der wirklichen Kiemen hinweist. Obwohl es klar ist, dass die gedachten Verschieden- heiten häufig genug in der That verschiedene Arten kenn- zeichnen, so wird man doch immer bedenken müssen, dass durch sie auch Altersstufen und vielleicht Geschlechtsdilfe- renzen gegeben sein können. Heidelberg, 31. Jan. 1861. Zusatz. „Indem ich zum Schlüsse zum Vergleiche für den Bau der Augen auf die analoge , wenn auch weniger vollstän- dige Beobachtung von Herrn Prof. Gegen baur (Müll. Archiv 1858. p. 82) aufmerksam mache , welche uns ver- muthen lässt, dass eine grössere Zahl von Hyperiden ahn- 38 P a g c 11 s l c c h c r : liehe Verhältnisse zeigt , möchte ich kurz einiger Ergeb- nisse aus Untersuchungen Erwähnung tliun, welche ich zum Vergleiche für diese und andere Punkte in der Organisa- tion der Amphipoden an Gammarus Röselii anstellte. Bei diesem Krebschen löst sich bei dem Schalenwech- sel die Cornea vollkommen glatt vom Auge ab und es lässt sich bei nahe bevorstehender Häutung diese Chitinplatte leicht abheben, worauf dann eine Untersuchung der Zu- sammensetzung des Auges leichter ist. Eine solche künst- lich beschleunigte Häutung habe ich überhaupt zur Unter- suchung der Krebse, insbesondere auch der Daphniden sehr vortheilhaft gefunden. Die abgelöste Cornea zeigt keine Spur von Facetten , ist aber mit zahlreichen feinen Poren durchsetzt. Wo die Chitinplatte an den Rändern, beson- ders an dem Ausschnitte , in welchen sich die betreffende Antenne inserirt , dicker ist , zeigt der Querschnitt einen fasrigen Bau, dem derDentine ähnlich, ein Bild, resultirend aus den zahlreichen Porenkanälchen. Die sogenannten Krystallkörper im Auge von Gamma- rus entsprechen nur dem obersten, der Peripherie zuge- wandten, Theile der Stäbchen von Phronima, der keulen- förmigen Anschwellung. Sie sind unregelmässig stumpf konisch, mit dem breiteren gewölbten Theile nach Aussen der Cornea zugewandt , und nicht an der Basis zu Fäden ausgezogen. Sie enthalten ebenfalls , wie es scheint, nur bei bevorstehender Häutung bläschenförmige Hohlräume und feine dunkle Moleküle. Die Anzeichen bevorstehender Spaltung mögen weniger in die Erscheinung treten, weil eine begonnene Theilung an den kurzen Körpern sich rasch vollenden muss. Diese Körper, welche hier viel eher für rein lichtbrechend gehalten werden können , sitzen unmit- telbar ganz ähnlichen aus dem Nerven hervorgehenden Cylindern auf, wie bei Phronima, aber, da das Pigment, welches die Cylinder umhüllt, nun auch zwischen den Kry- stallkörpern liegt, so ist die Art des Zusammenhangs nicht deutlich. Beim Drucke fallen die Körper lose aus. Zur Zeit der Häutung und in abgelegten Häuten fin- den sich unter dem Chitinpanzer die Conkretioncn, deren Leydig nur fraglich als solcher aus Kalk gedenkt, in Phronima sedentaria. 39 grosser Menge. Ihre Formen sind etwas unbestimmter als bei Phronima. Die chemische Beschaffenheit ist in der voll- ständigen Lösung in Säuren mit starker Gasentwickelung zweifelsohne auch hier hinlänglich bewiesen zu erachten. Auch bei Gammarus geht der Athemstrom unter der Brust sehr deutlich von vorn nach hinten. Liegt das Thier still, so entspricht diesem rücklaufenden Strome ein dorsa- ler von hinten nach vorn, der auf den Seiten des Schwan- zes aus jenem entspringt, dem aber bei Voranbewegungen das Thier gewisser Massen entwischt. Hat man einen Gam- marus in einem Wassertropfen auf der Seite liegen, so können die Strudelbewegungen an der Seite des Schwan- zes und seiner Anhänge Irrthümer veranlassen, eine genaue Beobachtung bewegter feiner Körnchen giebl aber volle Aufklärung. Erklärung der Abbildungen. Taf. I. Fig. I. Ganz junges Thier 47mal vergrössert. a. Scheitel mit dem oberen Auge. b. Magen, c. Vorletz- tes Glied des fünften Fusspaares. d. Schwanz. Fig. II. Etwas älteres, geschlechtlich unreifes Thier 47mal vergrös- sert. Die Buchstaben bezeichnen dieselben Theile. Der Scheitel mit dem Auge und dem Schwänze haben sich mehr entwickelt, das vorletzte Glied des fünften Fusses fängt an einen Scheerenarm zu bilden, der Magen ist verhältnissmäs- sig kürzer. Fig. III. Ein geschlechtsreifes grosses Exemplar in natürlicher Grösse in der knorplichen Hülle. Die Buchstaben bezeichnen die- selben Theile, deren Veränderung in gleicher Art vorange- schritten ist. Fig. IV. Der Kopf von hinten gesehen. lOmal vergrössert. a. Obere Augen, b. Untere Augen, c. Antennen, d. Mus- keln vom Scheitel zu den Kiefern herabsteigend, e. Magendurchschnitt, f. Unterschlundganglien, g. Unter- lippe. >40 I* a g e n s t c c h c r : Taf. II. FijT. I, Das Gehirn und die Bauchganglienkelte , so weit sie im Thorax liegt, vom erwachsenen Thiere, 5mal vergrössert. a. Ueberschlundganglien. b. Unterschlundganglien, v. Ker- ven zu den Oberkiefern und d zu den Antennen und der Oberlippe , zurückgeschlagen, e. Ganglienanschwellung für die oberen Augen, f. Die kolbigcn Enden der Stäb- chen der oberen Augen, g. Sehnervenausbreitung, Gang- lien und Pigmentschicht der unteren Augen. h. Stäb- chen der unteren Augen, i. Ganglien der Kaufüsse und Unterlippe, k, k, k, k, k. Ganglien des ersten und zwei- ten , des dritten, des vierten, des fünften, des sechsten F'usspaars. 1. Ganglien des letzten Thorakalfusspaares. ni, m, m. Ganglien der kaudalen Schwimmfüsse. n. Ge- meinsames Ganglion für die vier letzten kaudalen Seg- mente. yig. II. Antennen, 40mal vergrössert. a. ßasalglied mit Kalkconkrement. b. Endglied mit Tast- haaren, c, c, c und gangliöse?> Nervenendigungen , e. d. Der Nervenstamra , in die Antenne eintretend. Fig. III. Das Gehirn mit den Augen, auf der rechten Seite vollstän- dig, jedoch nur ein Theil der Stäbchen im Zusammenhange gelassen, 35mal vergrössert. Fig. IV. Kolbige Enden der Stäbchen der oberen Augen, 70aial ver- grössert. Fig. V. Ein Abschnitt des unteren Auges bis zu den Sehnervenfa- sern, 35mal vergrössert. a. Die Fasern, b. Die Cylinder. c. Die Stäbchen. Fig. VI. Kolben des oberen Auges von oben betrachtet, 70mal ver- grössert. Taf. 111. Fig. I. Der Schwanz , um die Richtung der Blutbewegung zu zei- gen, von einem kleinen aber geschlechtsreifen Thiere, 35nial vergrössert. a. Der Mastdarm, b, b, b. Blutkörperchen in der Median- linie nach vorn treibend, hinterster Theil des Herzens. Fig. II. Durchschnitte des Hauses. a. Die ganze Wand, öOmal vergrössert. b. Der äusserste Theil , SOOmal vergrössert. c. Stückchen aus der Mitte, 300mal vergrössert. Fig. III. KalUconkrelionen der Haut, 140mal vergrössert. riiiouinia scdcnlaria. 41 Fig. IV, a. Der Kopf von vorn gesehen , vom erwachsenen Thierc mittlerer Grösse, lömal vergrössert. Bei ^ die Schlund - und 3Iagenzähne. Fig. IV, b. Die Schlundzähne isolirt, 150mal vcrgrössert. Fig. V. Der fünfte oder Scheerenfiiss, 6mal vergrössert, mit der Kie- nienplatte a, der IVebenkiemenplatte b, dem Eierstocke c, dem Eileiter d, dessen Oeffnung nach Aussen in e und der (?) Samenlasche f. Fig. VI. Die Mundwerkzeuge, SOmal vergrössert. a. Oberlippe 1 und Oberkiefer 2. b. Erste iMaxille. Basal- glied 1. Aeusserer Lappen 2. Innerer Lappen 3. c. Zweite Maxille. Zahlen wie oben. d. Unterlippe. Ba- salglied 1. Paarige Lappen 2. Unpaarer, verschmolze- ner (innerer) Lappen 3. Cnnina Köliikeri n. sp. Beitrag zur Naturgeschichte der Aeginiden. Von Fritz müUer in Desterro. (Hierzu Taf. IV.) Für die räthselhaftesten Thatsacheii in der in Räth- seln noch so reichen Naturgeschichte der Schirmquallen ist das von K ö 1 1 i k e r ^) beobachtete Vorkommen sechs- zehn strahliger „Stenogaster" im Magen eines z eh n strahl igen „Eurystoma." Die Bedeutung der bis jetzt vereinzelt stehenden Beobachtung ist wenig gewürdigt worden , indem man bald dieses Vorkommen selbst , bald die Verschiedenheit in der Tentakelzahl der beiden For- men als zulällig ansah, — bald also, wie Kolli k er, sie als „unmöglich im Zusammenhange stehende" Arten , bald wieder die Stenogaster einfach als junge Eurystoma auf- fasste. Weder das Eine aber noch das Andere ist zufällig. Stenogaster ist die Brut von Eurystoma, kann sich aber un- möglich in letzteres verwandeln , da die Zahl seiner Ma- gentaschen und Tentakel eine viel grössere ist. Seit März 1859 kenne ich eine achtstrahlige Cunina mit zwölfstrahllger Brut, — Zahlen, die fast genau in dem- selben Verhältnisse stehen, wie die von Kölliker beob- achteten 10 und 16, — erst kürzlich jedoch fand ich Müsse und reichen Stoff zu einer näheren Untersuchung. Die Hoffnung, in der ich sie unternahm, das Räthsel dieser auf- 1) V. Sieb, lind Köll. Zeitschr. für wiss. Zool. 1853. Bd. IV. S. 327. Müller: Cunina Köllikeri. 43 fallenden Thatsache zu lösen , ist leider getäuscht worden. Immerhin scheint mir aber die JVJittheilung meiner Beob- achtungen gerechtfertigt , da sie "wenigstens dienen wer- den , die Aufmerksamkeit aufs Neue jener zu wenig be- achteten Entdeckung Kölliker's zuzuwenden. Nach dem Entdecker jener überaus merkwürdigen Thatsache nenne ich die Qualle, an der ich sie unzählige Male bestätigen konnte, Cunina Köllikeri. Sie gehört zu den häufigeren Quallen unseres Meeres und findet sich namentlich in diesem Sommer in Menge, so dass ich ein- mal in einer Stunde über 50 Stück sammeln konnte. Die glashelle Gallertscheibe der Cunina Köllikeri (flg. 1) wurde bis zu 6,5 Mm, Durchm. beobachtet ; schon bei der Hälfte dieses Durchmessers pflegen indessen alle Theile vollzählig vorhanden zu sein und noch früher schon, vor vollständiger Entwickelung der Randbläschen, tritt die Geschlechtsreife ein. Je nach der Dicke der Gallertscheibe zeigt ihre Rückenfläche verschiedene Wölbungsgrade von ziemlich flacher Scheibenform bis zur Halbkugel. Meist ist die Wölbung nicht gleichmässig, sondern der Scheitel stärker, selbst kuppelartig hervortretend, der mittlere Gür- tel geradlinig niedersteigend oder selbst flach eingesenkt, und der Rand wieder in stärkerer Krümmung abwärts ge- bogen. Der Rand zeigt, dem Ursprünge der Tentakel ent- sprechend, acht schmale, tiefe, unterhalb von der Randhaut überbrückte Einschnitte ; die dadurch gebildeten Lappen sind in der Mitte breiler und bald durch einen einfachen Bogen begrenzt, bald, wenn sie mehr als ein Randbläschen tragen, zwischen je zweien derselben seicht eingekerbt. Von ihrem Rande schlägt sich die massig breite (nicht von Kanälen durchzogene) Randhaut (fig. 2 u. 3, v) , nach innen. Da ihr freier Saum einen Kreis bildet, ist sie na- türlich von sehr wechselnder Breite , am breitesten den Tentakeln , am schmälsten der Mitte der Randlappen ge- genüber. Die Unterfläche der Scheibe ist in der Mitte eben oder fast unmerklich gewölbt, im Umkreise in sanfter Nei- gung abwärts steigend. Den ebenen Theil nimmt derMa- 44 M ü Her: gen ein, dessen Durchmesser etwa der Ilälfle des Schei- bendurclnncssers gleichkommt. Vom Umkreise des Magens bis zum Ursprünge der Tentakel erstrecken sich die acht Magentaschen , die nur durch schmale Scheidewände ge- trennt werden. Diese Scheidewände springen mit einer ab- gerundeten Wulst in den Magen vor und sind von ziem- lich gleichmässiger Breite, weshalb denn natürlich die Ma- gentaschen in gleichem Verhältnisse mit ihrer Entfernung vom Mittelpunkte sich verbreitern. Die flach ausgebreitete untere Magenhaut , die dem frei niederhängenden Magen- rohre anderer Quallen entspricht, gleicht ihnen in wunder- barer Contractililät. Der Mund (tig. 2, 3,4,11), fast stets in langsamer Bewegung, ist bald völlig geschlossen, bald so weit geöfl'net, dass die Eingänge der Seitentaschen und die vorspringenden Wülste der sie trennenden Scheide- wände entblösst werden. In der Regel erscheint er als ganzrandige runde oder eiförmige Oefi"nung von wechseln- der Weite in der Mitte , oder nach jeder beliebigen ande- ren Stelle des Magens verschoben. Diese Kreisform kann er bis zu fast völligem Verschlusse bewahren , oder dann auch die Form einer Längsspalte , eines Kreuzes u. s. w. annehmen (üg. 3). Muskelfasern konnte ich in dieser Ma- genhaut nicht sehen ; sie dürften wohl überhaupt bei Qual- len nur da zu suchen sein, wo rasche Bewegungen in stets gleicher Richtung auszuführen sind, nicht aber als Vermitt- ler langsamer proteusartiger Zusammenziehungen. Ich erwähne bei Gelegenheit des Magens, dass die Nahrung unserer Qualle hauptsächlich in einer kleinen hier sehr häufigen Physophoride (Agalmopsis ?) zu beste- hen scheint , die ich einmal wirklich gefangen sah , wäh- rend ich oft Nesselorgane im Magen der Cunina fand, die mit denen aus den Nesselknöpfen der Agalmopsis vollstän- dig übereinstimmten. In der Magenhöhle und ihren Nebentaschen besteht Flimmerbewegung. Die Tentakel (hg. 5) entspringen mit verdickter Ba- sis in den Einschnitten des Scheibenrandes , dem Grunde der Magentaschen gegenüber, sie verjüngen sich allmählich und enden mit abgerundeter Spitze. Ihre Länge wechselt Ciinina Köllikerl. 45 von noch nicht einem Drittel bis über zwei Drittel des Schei- bendurchmessers ; ihre eigenen Bewegungen sind langsam und unerheblich und dürften sie sich kaum bis zur Hälfte ihrer ofrössten Länsfe verkürzen können. Wie bei ver- wandten Arten werden sie bald strahlig ausgebreitet, wo- bei ihre Spitze leicht abwärts gebogen ist, bald mehr auf- oder abwärts gerichtet. Die angeschwollene Basis des Ten- takels ist aus grossen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt, nach oben geht sie in die aus einer einfachen Reihe que- rer Zellen gebildete Achse über, nach unten setzt sie sich mit einer kegelförmig zugespitzten , geraden oder seltener gebogenen, aus 3 bis 5 grossen Zellen bestehenden Wur- zel in die Gallertscheibe fort. Die ziemlich dünne Rinden- schicht enthält kleine runde Nesselorgane eingelagert, die besonders gegen die Spitze hin dichter gedrängt sind und eine weissliche Trübung oder leicht gelbliche Färbung be- dingen. Eine „scheidenartige Umhüllung,'' die Gegen- baur der Tentakelbasis der Aeginiden zuschreibt, sah ich nicht; man müsste denn die seitlich durch die Randlappen der Gallertscheibe und unterhalb durch die Randhaut ge- bildete Rinne so bezeichnen, in die die Basis des abwärts gebogenen Tentakels sich einlegt. Die Randb lasch en , die ich auch hier, — wenn sie überhaupt Sinnesorgane sind, für Augen halte, sitzen am Saume der Randlappen; bei jüngeren Thieren eins, bei älteren drei an jedem derselben, indem neben jenem ersten noch jederseits ein neues sich bildet. Diese seitlichen Rand- bläschen kann man an verschieden alten Thieren durch alle ihre Entwicklungsstufen verfolgen. Die Randbläschen (flg. 8) sind elliptisch oder verkehrt eiförmig von etwa 0,06 bis 0,08 Mm. Länge und 0,04 Mm. Dicke, sitzen mit stielförmig verdünnter Basis auf und haben meist eine ein- zige rundliche oder elliptische endständige Concretion ; von der Basis zieht sich ein zartcontourirter , feinkörniger Strang zur Concretion , um sie becherförmig zu umfassen. Bisweilen findet sich eine zweite kleinere Concretion unter- halb der endständigen, selten mehrere (hg. 9). Die Aehnlichkeit dieser Randbläschen mit den Gehör- organen der Mollusken und Ringelwürmer ist noch geringer, 46 AI ii 1 1 e r ; als selbst bei Linope, Eucope, Aequorea u.s.w., und es würde kaum noch ein Schimmer von Aehnlichkeit bleiben, wenn sich der mehrfach nacJjgewiesene Verbindungsgang der letztem mit der Körperoberiläche , den ich gleichfalls bei jungen Terebellen ^) sah, als allgemein vorhanden auswei- sen sollte. Oberhalb jedes Randbläschens ist die Gallertsubslanz des Randlappens wulstig verdickt und auf diesem Wulste verläuft centripefal ein bis etwa 0,2 Mm. langer und 0,03 Mm. breiter scharf begrenzter Streifen , dessen Oberhautzellen rundliche Nesselorgane erzeugen. Die Bildung der ent- sprechenden Nesselstreifen beginnt vor dem Auftreten der seillichen Randbläschen. Wie bei anderen Aeginiden wer- den die Randlappen der Scheibe häuhg nach innen umge- bogen , in w elcher Lage dann die Nesselstreifen von den Randbläschen strahlig nach aussen verlaufen (lig. 2, 3). Dem Nervensysteme glaube ich zurechnen zu müssen einmal einen matten am Saume der Randlappen sich hinziehenden Streifen , in dem man zart contourirte Zellen von 0,006 bis 0,008 Mm. Durchmesser unterscheidet, der bei den Randbläschen anschwillt (fig. 8, g) und den schon erwähnten Strang zur Concretion abgiebt, und zweitens ein paar ansehnliche , ziemlich undurchsichtige, weit stärker contourirte Wülste an der Basis jedes Tentakels (fig. 5, g), die ähnliche aber gleichfalls schärfer contourirte Zellen zeigen und zu denen ich wiederholt jenen anderen Streifen verfolgt zu haben glaube. Als b e z e i c h n e n d e E i g e n t h ü m 1 i c h k e i t e n der Cunina KöUikeri dürften aus vorstehender Beschreibung die Zahl der Tentakel und Magentaschen , die Länge der Ten- takel, die Zahl und Form der Randbläschen und die ober- halb derselben liegenden Nesselstreifen hervorzuheben sein. Es ist dabei zu bemerken , dass wenn schon acht die ge- 1) Diese jungen Terebellen, die in eifönnige Sclileimmassen sich hüllend, sehr lange, bis zur Ausbildung der Kiemen, im Meere he-rumtreiben, haben auch das Eigenthümliche, nach dem Verschwin- den der rigmenlflecke des Kopflappens noch ein schwarzes Augen- paar zu entwickeln. Sie scheinen zu Tercbella annulicornis mihi zu gehören. Ciinina Köllikeri. 47 wohnlichste Zahl der Tentakel und Magentaschen ist, doch auch Ausnahmen nicht selten beobachtet werden. Während einiger Tage merkte ich die Tentakelzahl aller untersuch- ten Thiere an und fand dabei 70 mit 8, 4 mit 7, eins mit 6 und eins mit 9 Tentakeln, wobei ich mich überzeugte, dass die 7- und Gstrahligen nicht etwa, was auch vorkommt, aber leicht an den Magentasclien und Randbläschen zu erkennen ist, nur zufällig einen Tentakel eingebüsst hatten. Die grosse Mehrzahl der beobachteten Exemplare tru- gen in reicher Menge junge Brut im Magen und dessen Seitentaschen (fig. 11); nicht selten , bei etwa SOV^ der bruttragenden, wurden gleichzeitig reife, lebhaft wimmelnde Spermatozoiden gefunden; zweimal unter 76 Thieren fan- den sich geschlechtsreife Männchen ohne Brut. Eier wur- den nie gesehen. Die beiden Männchen ohne Brut waren kleinere Thiere ohne seitliche Randbläschen, die Männchen mit Brut hatten ebenfalls grossentheils die Randbläschen noch nicht vollsiändig entwickelt und ihre Brut halte sel- ten schon mehr als vier Tentakel; alle durch Grösse aus- gezeichneten Exemplare hatten nur Brut , meist in allen möglichen Entwickelungszuständen. Es scheint demnach, dass mit dem Erlöschen der Samenbildung die Erzeugung von Brut durch Knospung beginnt , während man a priori eher das Umgekehrte hätte erwarten sollen. Die Bildungsstätten des Samens sind, wie schon durch Leuckart bekannt wurde, die Scheidewände der Magentaschen, um deren freies Ende sie sich hufeisenför- mig herumziehen. Die Spermatozoiden (fig. 10) sind cer- carienförmig mit rundem Kopfe von etwa 0,003 Mm. Durch- messer und zartem, langem Faden. Die frei im Magen und seinen Nebentaschen liegende Brut lässt sich zurück verfolgen bis zu rundlichen klein- zelligen Körpern von 0,03 Mm. Durchmesser, die mit aller Wahrscheinlichkeit herzuleiten sind von etwa gleichgrossen mit verdünntem Stiele aufsitzenden Wucherungen der Ma- genwand (fig. 12). Diese letzteren wurden im Verhältnisse zur Menge der Brut nur selten angetroffen, was aber viel- leicht in der Raschheit ihrer Bildung und Ablösung seine Erklärung findet. Wie die innere Magenfläche, so sind 48 M ü 1 1 e r : auch diese Knospen und so ist die sämmtliche Brut im In- nern des Magens mit zartem Flimmerklcide bedeckt , so zart, dass es kaum genügt, die jüngeren Larven langsam herum zu bewegen. Man muss dieses natürlich, wie die Flimmerhaare selbst, ausserhalb des Magens beobachten; wahrscheinlich weil sie die Brut nur im Magen unter- sucht, übersahen Kolli ker und Gegcnbaur das Flim- inerkleid. Wenn auch durch dieses die Cuninasprösslinge von anderen knospend an Quallen und Hydroiden erzeug- ten Jungen abweichen , so hat doch diese Verschiedenheit durchaus nichts Auffallendes; vielmehr erscheint es natürlich, dass die Oberfläche der Knospe die Eigenlhümlichkeit der Oberfläche theilt, aus der sie sich erhebt. — Leicht ge- denkbar ist es, dass bei anderen Aeginidensprösslingen das Flimmerkleid sich stärker entwickele und sich längere Zeit während des freien Lebens im Meere erhalte und jedenfalls wird die nur auf das Flimmerkleid der jungen Aeginopsis begründete Annahme , dass die Aeginiden ohne Genera- tionswechsel direkt aus dem Eie entstehen, eines neuen und anderweitigen Beweises bedürfen. Bei 0,05 Mm. Durchmesser fängt die Abgrenzung einer äusseren aus kugligen Zellen gebildeten Schicht an, sich bemerklich zu machen (fig. 13); der innere Raum scheint hohl zu sein. Bei 0,08 Mm. Länge wird die Gestalt eiför- mig und bald zieht sich das spitzere Ende in einen Ten- takel aus (fig. 14) mit jNesselzellen an der Spitze und grös- seren quergestellten Zellen im Innern. Ein zweiter Ten- takel tritt auf (fig. 15), die Magenhöhle wird deutlicher (fig. 16) und schon jetzt oder wenig später (fig. 22) öffnet sich der Mund und es lässt sich eine Scheidung der Lei- beswand in zwei Schichten erkennen. Häufig nimmt jetzt das Junge Formen an, die auffallend an Aeginopsis erin- nern durch die zwei gegenüberstehenden oft lang ausge- dehnten und gekrümmten rückenständigen Tentakel. Die Achse der Tentakel entsteht aus der inneren Schicht der Leibeswand als warzenförmige Wucherung, der gegenüber sich in der äusseren Schicht einige Nesselzel- len entwickeln (fig. 19, f). Bald erhebt sich über der zum Zapfen verlängerten Warze auch die äussere Schicht (fig.19, e) Cuniiia Köllikeri. 49 und wird als Rindenschicht von der sich verlängernden Achse mit emporgehoben , während die Nesselzellen sich vermehren , doch aber stets auf die Spitze beschränkt bleiben. Die Ordnuno- des Auftretens der foloentlen Tentakel ZU ermitteln wird sehr erschwert durch ihre ungemeine Contractilitäl, die sie mit dem ganzen Körper theilen und die wunderbar absticht gegen ihre spätere Starriieit. Ten- takel, deren Länge eben noch den Durchmesser des Kör- pers übertraf, sieht man sich vollständig zurückziehen und für schwächere Vergrösserungen , die nicht die Nesselzel- Icn zeigen, verschwinden. Es scheint indess die durch die Stellung der beiden ersten Tentakel angedeutele bilaterale Anordnung sich auch bei der Bildung der folgenden zu behaupten , die paarweise zu den Seiten der durch das erste Paar bestimmten Geraden auftreten. Bei der Nor- malzahl 12 scheint die Reihenfolge die zu sein (fig. 19), dass zuerst ein mittleres Paar (b , b) auftritt, im Kreuz mit dem ersten (a, a) ; dann ein Tentakel zu jeder Seite des ersten, wie des zweiten Tentakels (c, c, d, d); endlich ein Paar vor und ein anderes hinter den mittleren Tentakeln (e, e, f, f ). Nicht selten bleibt die Zahl der Tentakel auf 11 oder 10, seltener auf 9 beschränkt, ein einziges Mal zählte ich deren 13. Ich habe bereits des frühzeitigen Auftretens der Mund- öffnung gedacht; merkwürdiger als dieses aber ist das früh- zeitige Fressen der Jungen. EineCunina hatte eine kleine Agalmopsis gepackt und hielt sie einige Stunden fest , um ihr ein gutes Stück abzuverdauen, worauf der Rest munter weiter schwamm. Die Cunina wurde bald darauf unter das Mikroskop gebracht; es war ein Männchen mit nur wenig jüngerer Brut. Diese Jungen alle halten, so v»'eit sie einen Mund hatten, denselben mit Nesselorganen aus den Ncssel- knöpfen der Agalmopsis (hg. 17, a) gefüllt (fig, 17). Zeilig auch ist in der Magenhöhle der Jungen und besonders leb- haft am Mundsaume Flimmerbewegung sichtbar. Die Tentakel pflegen vollzählig vorhanden zu sein bei Jungen von 0,3 Mm. Durchmesser. Nun beginnt, bei rasch fortschreitendem Wachsthume die Umwandlung in ArcMv f. Naturg. XXVII. Jalirg. l.Bd. 4 50 M ü 1 1 e r : die regelmässig strahlige Form. Der Körper wächst zu einer unterhalb der Tentakel vorspringenden Scheibe aus und er- hält durch sie feste Umrisse. Ihr Umfang ist ein regel- mässiges Vieleck mit anfangs geraden, später einwärts ge- bogenen Seiten, die in ihrer Lage den Tentakeln entspre- chen (flg. 20). An den vorspringenden Ecken entwickeln sich die Randbläschen (iig. 21). Der die Tentakel überra- gende Theil des Körpers scheidet sich in die durchsichti- geren Lappen der Gallertscheibe, die halbkreisförmig zwi- schen je zwei Tentakeln vorspringen und in die zwischen ihnen ausgespannte Randhaut. — Der früher kreisförmige Umfang des 3Iagens wird wellig gebogen; die flachen Buch- ten vertiefen und erweitern sich zu den Magentaschen. Die Nesselstreifen oberhalb der Randbläschen werden deutlich und damit hat das Junge als charakteristischen Theile der Alten. Wie andere ihrer Brutstätte entschlüpfende junge Quallen , z. B. die Sprösslinge der Campanularien, dehnt sich unsere junge Cunina in den ersten Stunden nach dem Verlassen des Magens wie durch Aufquellen merklich aus, indem gleichzeitig die bis dahin trübe Scheibe zu wasser- heller Durchsichtigkeit sich aufhellt. Sie hat nun bis 2 Mm. Durchmesser und gleicht in allen wesentlichen Merkmalen, die Zahlenverhältnisse ausgenommen , der achtstrahligen Cunina. Im Habitus weicht sie besonders ab durch die noch ganz flache Scheibe mit wagrecht ausgebreitetem Rande und dadurch auffallender hervortretender Kerbung, so wie durch die kürzeren Tentakel (V5 des Scheibendurch- messers), die kaum den Scheibenrand überragen. Die Form der Tentakel (fig. 28) ist plumper, ihre Rindenschicht dik- ker, — die Nesselstreifen oberhalb der Randbläschen end- lich (flg. 29) sind noch weit kürzer , als bei der erwach- senen Cunina. Da die Umgrenzung des Magens und seiner Taschen nur schwierig zu erkennen ist, kann man leicht in Versuchung kommen, die Randlappen der Gallertscheibe für Magentaschen zu nehmen ^). 1) Bei Detrachtung der Figuren, die Gegenbau r von seinen Aeginetaarten gicbt, kann ich mich des Verdachtes nicht entschla- Cunina Köllikeri. 51 Jüngere zwölfstrahlige Cunina, wie man sie leicht in der Gefangenschaft züchtet, wurden auch einigemal frei im Meere aufgefischt; ältere bis jelzt noch nicht, und bis dies gelungen , erscheint es ralhsam , alle Erklärungsversuche zurückzuhalten. Ich hob hervor, dass bei den im Magen Knospen treibenden Aeginiden das Flimmerkleid jüngerer Formen nicht für ihre Entstehung aus Eiern beweisend ist und will zum Schlüsse noch eine Beobachtung mittheilen, die es mir wahrscheinlich macht, dass im Gegentheile auch bei dieser Familie ein Aufammen durch Polypen vorkommt. Zu Anfang dieses Jahres fing ich eine Liriope catha- rinensis , der ein langer blassgelblicher Zapfen aus dem Munde hervorhing. Bei näherer Untersuchung ergab sich derselbe als eine aus dichtgedrängten Quallenknospen be- stehende Aehre, deren Ende die Liriope verschluckt hatte (fig. .30). Der frei vorhängende Theil hatte 1,75 Mm. Länge und die grössten Quallenknospen fast 0,5 Mm. Durchmes- ser. Sie waren fast halbkuglig und die gewölbte Fläche sass mit kurzem Stiele an der gemeinsamen Achse fest. Am freien Rande erhoben sich acht halbkuglige Randbläschen mit kugliger Concretion; etwa in der Mitte zwischen Rand und Scheitel sprossten abwechselnd mit den Randbläschen acht kurze plumpe Tentakel hervor. Auf der freien, ebe- nen oder flach gewölbten Fläche der Knospe zeigte sich ein grosser ganzrandiger Mund , der in einen flach ausgebrei- teten Magen führte. Alle diese Eigenthümlichkeiten stimmen mit der acht- strahligen Form von Cunina Köllikeri , während nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit^ irgend einer andern der im Laufe von vier Jahren hier von mir beobachteten Quallen besteht. gen, dass bei den meisten derselben dieser Missgrilf geschehen sei, dass sie also zu Cunina gehören. Auch die Beschreibungen geben nicht die Ueberzeugung des Gegentheils. Ich verweise namentlich auf die Beschreibung und Abbilldung der Aegineta globosa , deren „trichterförmig eingezogener Alagen" mir ein wahres Paradoxon scheint. Es dürfte die ganze Galtung einer neuen kritischen Prüfung zu unterwerfen sein. Müller: Cunica Kollikeri. Erkläruug der Abbildungen. Die Figuren 12 — 21 sind 90mal vergrössert ; die Vergrösserimg der übrigen ist auf der Tafel selbst angegeben. Ueberall bedeutet Z Randlappen der Scheibe, »n 3Iagen, 7^ Nebentasche desselben, t) Kand- haut, g Ganglion. Fig. 1. Cunina Kollikeri n. sp. von der Seite. „ 2. Aciteres und „ 3. jüngeres Exemplar von unten mit eingeschlagenenjRan dlappen. „ 4. Mund des letzteren in verschiedenen Formen, die er in kur- zer Zeit annahm. „ 5. Tentakel von oben. „ 6. Stück Tentakel, um die Längsstreifung und „ 7. ein anderes , um die Zellen der Achse und deren Kerne zu zeigen. „ 8. Randblfischen und Nesselstreifen. „ 9. Randbläschen von ungewöhnlicher Form. „ 10. Fast reife Spermatozoiden, deren Fäden sich langsam zu be- wegen beginnen. ,, 11. Cunina Kollikeri mit Brut im Magen, von unten. „ 12 — 21. Entwickelung der Brut von der festsitzenden Knospe bis zum Auftreten der Randbläschen am regelmässig strah- ligen Thiere. „ 15. Zeigt dasselbe Thier in zwei verschiedenen Formen. „ 17. Junges mit Nesselorganen von Agalmopsis (17, a) im Munde. „ 20. Von unten und 21 von oben. „ 22. Junges bei stärkerer Vergrosserung, um die beiden Schich- ten der Leibeswand und das Flimmerkleid zu zeigen. „ 23. Zellen aus der Tentakelspitze desselben , mit jungen Kes- selorganen. „ 24. Ein Junges in vier verschiedenen Formen , die es in kur- zer Zeit annahm. „ 25. Junge mit auffallend lang ausgestreckten Armen. „ 26. Zwölfstrahlige Cunina nach dem Verlassen der Magenhöhle, von oben. „ 27. Eine andere mit neun Tentakeln, von unten. „ 28. Tentakel und „ 29. Randbläschen und Nesselstreifen von derselben. „ 30. Aehre von Medusenknospen (Cunina ?), aus dem Magen von Liriope cathaiinensis >orhängend. Deslerro, December 1860. Die Brachiopodeiilarvc von Santa Cathariua. Zweiter Beitrag. Von Fritz Müller in Desterro. Die Brachiopodenlarve, die ich vor zwei Jahren auf- fand und beschrieb *") , wurde von mir auch im vorigen und in diesem Jahre wiederholt , wenn auch nur selten, beobachtet ; ihr Vorkommen scheint sich auf den Spätsoju- mer, auf die Monate Februar bis April zu beschränken. Meinen früheren Angaben über die schwärmende Larve habe ich nur einige Bemerkungen über das Schwimmen des Thieres nachzutragen. Ich brachte damals, um etwai- gen Veränderungen bequem mit dem Mikroskope folgen zu können, meine Larven in Uhrgläser, wodurch ich die Gelegenheit verlor, ihr behagliches Umhertreiben im freie- ren Räume zu beobachten. Bringt man die Thierchen in grössere Gläser mit reinem Seewasser, so sieht man sie bald langsam emporsteigen ; die schwach klaffenden Scha- len stehen senkrecht, der Schlossrand nach unten; dicht vor dem Vorderrande breiten sich die acht Arme strahlig und wagerecht aus mit leicht abwärts gebogener Spitze und über die Ebene der Arme ragt der zwischen dem obersten Paare liegende rundliche Knopf empor; die star- ken Borsten des vierten Paares zeigen dabei die in meiner früheren Abbildung gezeichnete Richtung. So treiben sie ■■■) Archiv für Anatomie und Physiologie herausgegeben von Reichert und du Bois Reymoml 1860. p. 72. 54 31 ii 1 I c r : nahe der Oberfläche langsam herum. Bei stärkerer Er- schütterung-, oder auch sonst, ohne erkennbare Ursache, ziehen sie die Arme ein und schliessen die Schalen , die sofort langsam sich umkehren und mit dem Mundrande voraus zu Boden sinken. Werden auf diesem Wcffe die Arme wieder vorgestreckt, so dreht sich auch der Schloss- rand sogleich wieder nach unten. Die Dauer dieses Schwärmstadiums überstieg bei den eingefangenen Larven nie 5 — 6 Tage, meist schon früher setzten sie sich fest, am Boden oder an den Seiten des Glases; in letzterem, fünfmal beobachteten Falle stets den Mund nach unten gerichtet. Die Bauchschale wird dabei stark nach vorn gezogen, so dass ihr Vorderrand den der Rückenschale erreicht oder überragt , und die bis dahin zwischen den Schalen verborgene querovale Platte (der Stiel) tritt hervor, indem sie sich, wie es scheint, um den ausge- buchteten Hinterrand der Bauchschale vollständig herum- dreht und so ihr vorderer Rand zum hinteren wird. Den ersten Tag oder länger hält sich das Thier vollständig zu- rückgezogen und ruhig; dann pflegt es, bei leicht geöff- neten Schalen, die Arme halb vorzustrecken, die dann ab und zu , bald einzeln , bald zu mehreren , zuckend nach innen schlagen, — ganz wie man es bei den Armen der Meeresbryozoen zu sehen gewohnt ist. Nach wenigen Tagen beginnen am Vorderrande ,in dem Räume, der zwischen den zarteren Borsten der Rücken- schale frei bleibt, neue rasch hervorwachsende Borsten her- vorzusprossen. Bei einem Thiere, das etwa nach einer Woche abgelöst wurde, zählte ich deren gegen 20, die meist der Rückenschale angehörten. Die längsten erreich- ten 0,8 Mm. Länge , also das Doppelte des Durchmessers der Schale. Sie sind gerade , farblos, zart contourirt, am Grunde bis 0,006 Mm. dick , in eine feine Spitze auslau- fend , ungegliedert und mit zarten bis 0,02 Mm. langen, schief aufwärts gerichteten Seitenborsten weitläufig besetzt. Die Weichtheile desselben Thieres zeigten keine auffallende Veränderung mit Ausnahme der schon weit vorgeschritte- nen Rückbildung der Sinneswerkzeuge. Die Augen halten sich in Gruppen von etwa 10 schwarzen Punkten aufge- Die Biachiopodenlai ve von Santa Catharina. 55 löst; die früher prallkugligen Gehörblasen waren zu läng- lichen Säckchen zusammengeschrumpft , die eng die jetzt regungslosen Gehörsteinchen umschlossen. Bei etwas älte- ren Thieren vermissle ich jede Spur von Sinneswerkzeu- gen, ohne dass sie deshalb ihre Empfindlichkeit gegen das Licht eingebüsst hätten. Dem vollen Sonnenlichte ausge- setzt, begannen sie sogleich die Rückenschale heftig nach rechts und links zu drehen. Eine meiner Larven hielt sich vier Wochen am Leben; sie setzte sich fest in der INacht vom 12. zum 13. Februar und starb am 13. März , an dem ich ausnahmsweise nicht nach ihr gesehen hatte. So erfuhr ich ihren Tod erst Tags darauf, als schon die Weichtheile fast ganz zerstört wa- ren. Die älteren Borsten der freilebenden Larve schienen noch vollständig vorhanden zu sein. Ausser diesen und den Fiederborsten des Yorderrandes fand sich, etwa in der Mitte zwischen der Mittellinie und dem Ursprünge der grossen Borsten des vierten Paares, jederseits eine gerade, glatte, schief nach hinten vorstehende Borste von 0,2 Mm. Länge, wenig dicker als die stärkeren Hinterborsten, aber weit slärker conlourirt. Höchst auffallend ist es , dass ich , theils schon vor zwei Jahren , nach Abschluss meiner ersten Mittheilung, theils im Laufe dieses Sommers , wiederholt frei im Meere schwimmende Larven aultischte, die offenbar weiter in ihrer Entwickelung vorgeschritten waren , als die ältesten meiner ansässigen jungen Brachiopoden. Ihnen allen fehlte die querovale Platte, iehlte jede Spur von Sinnesorganen, fehlten die Fiederborsten des Yorderrandes und mehr oder weniger vollständig die alleren Borsten. Yon den zarte- ren bogig gekrümmten Borsten waren meist noch einige da und diese schienen unverkürzt, so dass die fehlenden wohl durch Ausfallen verloren gegangen waren. Dage- gen werden die stärkeren Borsten allmählich vom Grunde aus aufgesaugt. So wenigstens die Borsten des vierten Paares. Diese fand ich mehrmals noch in etwa halber Länge vorhanden , den Stiel mit der spindelförmigen An- schwellung verschwunden , während die Spitze durch ihre eigenlhümliche Krünunung und Zähnelung leicht erkennbar 56 Müller: Die I5^acllioI)üdenla^^e von Santa Catharina. blieb. Bei einem anderen unzweifelhaft älteren Thiere war noch etwa V'3 der Länge vorhanden, so dass sie nicht einmal mehr den Schalenrand überragten. Dieses Thier, das älteste, das ich überhaupt untersucht, hatte bis auf diesen schwachen Rest alle älteren Borsten verloren. Dagegen hat- ten die beiden geraden glatten Borsten, die bei jenem älte- sten festsitzenden Thiere kaum aus der Schale hervorzu- treten begannen, die doppelte Länge des Schalendurchmes- sers erreicht und wurden, in dicke Muskelscheiden einge- fügt, von dem Thiere kräftig und lebhaft bewegt, bald wa- gerecht ausgespreitet, bald wieder hinten gekreuzt. Die Weichtheile haben während dieser vollständigen Umgestaltung der Beborstung keine wesentlichen Verände- rungen erlitten. Der rundliche Magen, nach vorn bis zur Mitte des Längsdurchmessers reichend, zeigt noch die bei- den dunklen Flecken jüngerer Larven , die an zwei ähnli- che Flecken gewisser Bryozoenlarven erinnern. Hinten entspringt vom Magen der Darm , um sich an und unter dessen Rande nach rechts und dann nach vorn zu biegen und etwa in der Mitte seiner rechten Seile zu endigen. Vom vorderen Ende des Magens geht die Speiseröhre (bei in die Schale zurückgezogenem Thiere) gerade nach vorn bis halbwegs zum Vorderrande der Schale und biegt dann nach unten um , so dass der Mund wieder nahe vor dem Magen zu liegen kommt. Die Arme, namentlich die beiden mittleren Paare , sind länger und schmächtiger geworden und der Knopf zwischen dem vorderen Paare hat an Um- fang abgenommen. — Gefässe oder ein pulsirendes Herz wurden noch nicht erkannt. Deslerro, Mitte März 1863. Ichthyologisclie BerichtigungCM. Von Prof. Riid. Kuer in Wien. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. Nach langer Pause erlaube ich mir Sie wieder einmal mit einem Schreiben heimzusuchen , da mich einige Ich- thyologica drücken, deren zu entledigen es mich zunächst Ihnen gegenüber drängt, als dem Manne, der das zwar mühevolle aber hochverdienslliche Werk auf sich nimmt, Berichterstatter über die Leistungen im Gebiete der Ich- thyologie zu sein. Das erste meiner Anliegen besteht in einigen Berichtigungen , die ich bezüglich einer von mir im verflossenen Jahre in den Sitzungsberichten der hiesi- gen Akademie veröffentlichten Abhandlung Ihnen mitzu- theilen mich verpflichtet halte. In meinem Aufsatze : „lie- ber einige noch unbeschriebene Fische" kommt Amphisile punctata von Zanzebar als nova species vor : sie ist aber ohne Zweifel identisch mit Peters' Amph. brevispina, die in Ihrem Archiv unter seinen Fischen von Mozambique be- schrieben ist. Der Aerger, den ich über dieses Versehen nachträglich empfand , wird nur einiger Massen durch den Umstand gemildert, dass wenigstens hiedurch für das Sy- stem wieder eine nov. Species erspart ist. — Derselbe Aufsatz bietet eine Gelegenheit über noch zwei andere daselbst vorgeführte Arten Ihnen Aufschlüsse mitzutheilcn, die ich in den letzten Tag-en durch ein sehr freundliches Schreiben unseres gefeierten v. Bleeker's aus Haag er- hielt. Er hält es nämlich für sehr wahrscheinlich , dass mein Ilemirhamphus Bleekeri t=: seinem 11. Bornecnsis sei, wild aber erst mit Sicherheit sich hierüber aussprechen 58 K n e r : können, sobald seine Sammlungen, deren Ankunft in Europa er entgegen harrt, angelangt sein werden. Hingegen er- klärt er mit Bestimmtheit, dass mein Centropus = seinem Amphiprionichthys ist , dessen Beschreibung in Vol. 8 der Tijdschrift enthalten sei. Abgesehen davon, dass sich da- mals das Heft dieser Zeitschrift noch nicht in Wien vor- fand, muss ich bekennen, dass mich der Name Amphiprio- nichthys kaum veranlasst hätte, die Diagnose dieser Gat- tung aufmerksam durchzulesen, da ich nicht den mindesten Verdacht gehabt hätte, mein Centropus werde in dieselbe hineinpassen , denn eine Aehnlichkeit mit Amphiprion, auf die doch der Name hindeutet, fiel mir bei Ansicht meines Centropus durchaus nicht in den Sinn. Ob übrigens meine Art staurophorus synonym mit seinem A. apistus sei , lässt v. Bleeker vorläufig noch fraglich. Den vorhergehenden, mich selbst betrefi'enden Berich- tigungen, erlaube ich mir noch eine andere kleine mitzu- theilen , zu welcher die in Hirem Archiv Jahrg. 1860 im 2. Hefte erschienene Abhandlung Kaup's „über die Chae- todontidae" Veranlassungf giebt. Kaup äussert daselbst S. 134— 135 seine Zweifel an der Existenz und Berechti- gung der Bloch'schen Art: Chaet. ocellatus und giebt an, sie sei seit Bloch nicht wieder aufgefunden worden. Sie existirt aber in der That und Cuvier erkennt sie mit Recht als eigene Art an. Der Irrthum der berühmten Au- toren der Histoire des poissons beruht nur in der Angabe des Vaterlandes; diese Art stammt nicht aus dem indischen Ocean, sondern von dem Antillen-Meere. Das kais. Hof-Na- turalienkabinet besitzt ein Exemplar derselben in Weingeist, aus Cuba, das ihm zufolge des Cataloges von Prof. Popp ig mitgetheilt wurde. Es stimmt völlig mit Bloch's Angabe und Abbildung überein, namentlich bezüglich des schwar- zen Augenfleckes auf der Dorsale, der genau an derselben Stelle steht. Diese Art ist somit sicher von Seba's Fig. 11 auf Tab. 25 verschieden, d.h. von Chaet. sebanus Cuv., der allerdings dem indischen Ocean angehört und synonym mit setifer und auriga Forsk. ist. — Während nun einerseits Kaup den alten Bloch ungerechter Weise bezüglich des ocellatus in Verdacht hat, etwa einem einfarbigen Chaetodon Irhlhyologische Berichtigungen, 69 den Aug^enfleck hinauf idealisirt zu haben, vertraut er an- dererseits der ßloch'schen P'igur in Betreff der unter- brochenen Seitenlinie und der dicken Lippen dermassen, dass er sogar vermulhet, es könne vielleicht diese Art zu den Labroiden gehören. Unser Exemplar des Ch. ocellatus Bloch weicht aber nun vv^eder hinsichtlich der Seitenlinie, noch der Lippen von den übrigen ächten Chaetodonten ab und in diesen Punkten ist Bloch's Figur allerdings als un- genau zu bezeichnen. Die Seitenlinie ist, wie bei allen von mir desshalb untersuchten Arten , eine continuirliche, stets biegt sie aber rasch gegen den Schwanzstiel herab, um dann in halber Höhe bis zur Caudale sich fortzusetzen. Von der Stelle ihrer plötzlichen Senkung wird sie aber häufig undeutlich , da sie nun nicht mehr mit Röhrchen mündet, sondern mit schmalen kurzen Rinnen oder einfa- chen Poren, wobei überdiess noch hie und da eine Schuppe übersprungen wird. Auch die Lippen sind nicht dicker als bei den meisten Chaetodonten und ebenso wenig unterschei- det sich diese Art durch die Schlundknochen. Diess die Berichtigungen , zu deren Mittheilung es mich drängte, sollten Sie dieselben einer Veröffentlichung werth halten, so mögen sie ihnen gelegentlich ein beschei- denes Plätzchen anweisen. Mein Wunsch, unsere Wissen- schaft von Irrungen und unnölhigem Ballaste möglichst zu befreien ist stärker als meine Eitelkeit, die überhaupt nicht zu meinen Hauptgebrechen gehört. Nächstens bin ich so frei, Ihnen die zwei ersten Ab- theilungen meiner Studien über den Flossenbau der Fische zu senden, worüber ich mir im Voraus die Bemerkung er- laube, dass die folgenden Abtheilungen viel ausführlicher be- handelt sind als die Knorpelfische und Weichflosser, bei welchen die Systematik bereits weit leichteres Spiel hat, als bei den Stachelflossern, die noch langer Zeit und vieler Kräfte bedürfen werden , um mit ihnen in systematischer Beziehung nur erst so weit zu kommen, wie wir seit Joh. Müller wenigstens mit den Weichflossern und den Ue- brigen stehen. Wien, d. 18. Februar 1861. Die Laryenziistcäude der Miiscideii. Eine vorläufige Mittheilung. Von Dr. Rud. Lcuckart in Gicsscn. Es ist eine, meines Wissens, sehr allgemein verbrei- tete Annahme, dass die kopfiosen Fliegenlarven bis zu ihrer Verpuppung ' nur solchen Veränderungen unterliegen , die durch ihr Wachsthum und die Anlage ihrer Geschlechtsor- gane herbeigeführt werden. Wo sonst noch Verschieden- heiten zwischen den ncugebornen und den ausgewachsenen Larven beobachtet w'urden, bei den Oestriden (Joly) und den Pupiparen (Leuckart), da glaubte man es bisher mit Ausnahmefällen zu thun zu haben. Diese Ansicht ist eine irrige. Untersuchungen , die ich im Laufe des vergangenen Sommers über die Ent- wickelungsgcschichte verschiedener Museiden angestellt habe, machen es wahrscheinlich, da*ss die zu dieser Gruppe gehörenden Thiere ganz allgemein, wie die oben genann- ten Oestriden und Pupiparen, mehrere von einander ver- schiedene Larvenformen darbieten. Die Verschiedenheiten dieser Larvenformen gehen allerdings nicht so "weit, dass man darüber die genetischen Beziehungen derselben ver- kennen könnte, sind aber trotzdem immer auffallend genug, um das Interesse und die Aufmerksamkeit des Forschers zu fesseln. Am schärfsten sprechen sich die Verschiedenheiten dieser Larvenformen in der Bildung der Mundtheile und der Stigmata (resp. des Tracheenapparates) aus. Leuckart: Die Larvenziistände der Museiden. Gl Indem ich mir Weiteres für eine spätere Älitthei- liing vorbehalte, will ich in Folgendem nur mit wenigen Worten die Hauptuntersciiiede der von mir bei Mnsca vo- mitoria und M. caesarea beobachteten drei Larvenzustände schildern. 1; Stadium (dessen Dauer im Sommer etwa 12 Stun- den). Vordere Sligmen fehlen. Das abgestutzte Hinter- leibsende trägt jederseits zwei dicht neben einander ste- hende, spaltförmige Lufilöcher. Die Mundöffnung ist in der Ruhe eine dreieckige Grube, deren seitliche nach vorn zu convergirende Schenkel eine Chitinleiste tragen, an die sich am Vorderende eine Anzahl kleiner Zähnchen an- schliesst. Beim Oeil'ncn des Mundes weichen die seitli- chen Hornleisten mit ihren Vorderenden auseinander. Die hintere Lippe der Mundöll'nung bildet einen w ulstigen Vor- sprung, neben dem jederseits eine kleine Chitinplatte liegt, von der zwei bogenförmige Chitinfäden nach Aussen lau- fen. Aus der JVlundöffnung kann ein in der Tiefe liegen- der einfacher Haken hervorgeslreckt werden, der auf einem mächtigen Chilingestelle aufsitzt. 2. Stadium (dessen Dauer auf etwa 36 Stunden zu ver- anschlagen). Die beiden hinteren Stigmata sind jederseits in einen Chitinring eingeschlossen. Auf dem zweiten Seg- mente hat sich rechts und links überdiess eine Reihe von 7 — 8 neuen kleinen Luftlöchern gebildet, die dicht neben einander stehen und in denselben Tracheenstamm ein- münden. Die Zahl der Haken im Munde ist auf zwei ge- wachsen, und diese stehen nicht bloss mit dem im Wesent- lichen unverändert gebliebenen Gestelle , sondern auch mit einem queren Chitinbogen in Zusammenhang, der der Un- terlippe angehört und in ähnlicher Weise, wie der Unter- kiefer der Wirbellhiere, auf- und niederklappt. Von dem seillichen Ende dieses Rogens geht statt zweier Chitinfäden eine ganze grosse Menge aus , die fächerförmig nach den Seitenlheilen des Kopfsegmentes ausstrahlen. Sonstige feste Mundtheile fehlen. 3. Stadium (bis zur Verpuppung). Mit dreien Stigmen jederseits am Hinterleibsende. Der Rand des letztern hat G2 Leuckart: Die Larvcnzuständc der Musclden. sich in eine Anzahl conischer Zapfen ausgezogen. Sonst in allen wesentlichen Punkten mit dem zweiten Stadium über- einstimmend. Das zweite und dritte Stadium wird durch eine Häu- tung eingeleitet, die sich in der von mir bei den Pupipa- ren beschriebenen Weise auch auf die Tracheen ausdehnt. Gi essen den 28. März 1861. lieber die Hirnbildiiiig des Menschen und der Qua- druuianen und deren Verliältuiss zur zoologischen Systematik^ mit besonderer Rücksicht auf die An- sichten von Owen^ Iluxley und Gratiolet. Von Rudolph Waguer, Professor in Göttingen. Richard Owen hat bekanntlich vor einigen Jahren eine neue Eintheilung der Säugethiere gegeben, als deren Basis die Bildung des Gehirns, insbesondere der Hemisphä- ren zu betrachten ist ^). Andere anatomische Merkmale dienen zur Ergänzung. Bei den beiden untersten Unter- klassen von den vier, in welche Owen die Säugethiere ein- thcilt, sind die Hemisphären glatt, oder nur mit sehr we- nigen Furchen und Windungen versehen, der Balken (cor- pus callosum) fehlend oder rudimentär, wodurch sie sich den Oviparen Wirbelthieren, insbesondere den Vögeln, nä- hern. Es sind dies die Unterklassen der Lissencephala und Lyencephala (die Edentaten, Cheiropteren, Insektivoren und Nager, die ßeutelthiere und Monotremen), welche dadurch 1) Journal of the proceedings of the Linnean Society of Lon- don. Zoology. Vol. II. 1858. p. 1. Der Herr Herausgeber hat hieraus im Jahresberichte des Archivs von 1857. p. 30 einen Auszug gege- ben, so weit er sich auf Systematik bezieht , auf den ich verweise und den ich nur ergänze, in sofern der Aufsatz Interesse für allge- meine Zoologie und Katurgeschichte des iMenschen hat, wie ich denn die nachfolgende kleine Abhandlung überhaupt nur als eine Ergän- zung meiner neu übernommenen Jahresberichte betrachte, in wel- chen zu solchen ausführlichen Erörterungen kein Raum ist. 04 \V n g n e r : aus der früheren höheren Stellung herausgerissen werden, während die Oundrumanen und Carnivoren , die Einhufer, Zweihufer, Vielhufer und Celaceen die zweite oberste Un- terklasse als Gyrencephala bilden, indem ihr Gehirn (mit Ausnahme der kleinen Krallen-Aeffchen) auf der Oberfläche mit Windungen versehen ist. Sie unterscheiden sich durch den Besitz von Bildungen (Corp. callos. und Windungen), deren Mangel bei den vorigen Ordnungen eine Verwandt- schaft mit den Ovipara beurkundet. Sie besitzen höhere Fähigkeiten und schliessen sich dadurch dem Menschen als Diener und Gesellschafter an. Beim Menschen geht das Gehirn einen weiteren Schritt in der Enlwickelung ein; es legt sich weiter über den Riechlappen und über das kleine Gehirn. Der hintere Theil ist, nach Owen, so entwickelt, dass die Anatomen demselben den Namen eines dritten Lap- pens geben. Er ist dem Menschen eigenthümlich, eben so, wie das hintere Hörn des Seitenvenlrikels und der pes hippocampi minor. Die graue Rindensubstanz erreicht durch die Zahl und Tiefe der W^indungen die höchste Entwicke- lung. Eigenthümliche geistige Fähigkeiten treten auf. Da- her macht Owen aus den Menschen nicht eine eigene Ordnung, sondern eine besondere Subclassis und nennt die- selbe: Archencephala. Owen erklärt in einer Anmerkung, dass er Homo und Pithecus nicht für so verschieden halte, wie der Autor der Records of creation, dass er den Men- schen mit Linne und Cuvier als einen Gegenstand zoo- logischer Vergleichung und Classifikation betrachte. Er sei nicht im Stande, fügt 0. hinzu , Unterschiede zwischen psychologischen Erscheinungen eines Chimpanse und Busch- manns oder eines Azteken mit beschränkter Gehirn -Ent- wickclung zu erkennen. Etwas beschränkend, was insbesondere den zuletzt erwähnten Satz betrifft, scheint mir Owen in seinen des- fallsigen Ansichten bei seinem Auftreten in der letzten englischen Naturforscherversammlung zu Oxford sich aus- gesprochen zu haben. Er sagt hier , dass das Gehirn des Gorilla im Verhältnisse zum menschlichen weit mehr Ver- schiedenheiten zeige, als mit dem der niedrigsten und selbst den meisten problematischen Formen der Quadruma- Ueber die Hirnbildung d. Menschen u. d. Quadrumanen. 65 nen. Die Mängel in der Geliirnstruktur beim Gorilla im Verhältnisse zum Menschen seien immens. Die hinteren Lappen des Menschen zeigten Theile, welche im Gorilla gänzlich fehlten ^). Diesen Erklärungen 0 w c n's war II ux 1 e y mündlich entgegengetreten. Er läugnete , dass der Unterschied im Gehirne der Affen und des Menschen so gross sei, wie dies Prof. Owen behaupte und bezieht sich dabei auf die Dissectionen von Tied em a nn und anderen. Er behauptet vielmehr der Unterschied im Gehirne zwischen dem Men- schen und dem höchsten Affen sei nicht so gross, als zwi- schen dem höchsten und niedrigsten Affen. In einem nicht lange erst erschienenen neueren Aufsatze -) ergänzt H u x 1 e y diese mündlichen Aeusserungen in der british Association. Es ist diess eine gründliche Arbeit , ohne eigene Unter- suchungen, aber mit Zusammenstellung des sehr zerstreuten Materials. Huxley behauptet nun gegen Owen: 1) dass der dritte Lappen weder dem Menschen eigentliümlich, noch für ihn charakteristisch ist, da er bei allen Quadrumanen existire. 2) Dass das hintere Hörn des Seitenventrikels weder eigentliümlich noch charakteristisch für den Men- schen sei, in soferne es auch bei den höheren Quadrumanen existirt. 3) Dasselbe gelte vom pes hippocampi minor. Die für die Vergleichung benutzten Arbeiten von Tiedemann, Owen (illustrated catalogue of the Hunterian Collection), Macartney, Sandifort, Vrolick, IsidoreGeof- froy St. Hilaire, Schröder v. d. Kolk, Gratiolet über Orang - Utang und Chimpanse wurden mit Privatmit- theilungen von Allen Thomson zusammengestellt. Die- ser letztere zergliederte zwei Chimpanse-Gehirne. Er fand Mittel- und Hinterlappen durch eine tiefe Rinne getrennt; der Hinterlappen ist wenig kleiner als beim Menschen , aus- genommen vielleicht in vertikaler Richtung. Nach Isidore Geoffroy decken selbst beim Saimiri, einem amerikani- 1) Nach Berichten über die british Association in der Literary Gazette und im Athenaeuni. 2) On the zoological relations of Man vvith the lower AniniaU. Katural history Reviev^. January 1861. p. 67 — 87. Archiv f. Naturg. XXVI. Jahrg. 1. Bd. 5 G6 Wogneri sehen platyrhinischen Affen , die Lappen der Hemisphären das Cerebellum. — Was das Hinterhorn und den pes hip- pocampi minor betrifft, so sind diese selbst beim AJenschen sehr variabel, so dass lluxley dieselben von geringerer Bedeutung hält. Die Gebrüder Wen z e 1 fanden schon den pes hippoc. minor, öfter fehlend, Longe t erwähnt der Variabilität der Ausdehnung des Hinterhorns. Thomson fand beim Chimpanse einen dem pes hippoc. minor, analo- gen Theil. Huxley glaubt daher „ohne Widerspruchs- geist" die Richtigkeit seiner Behauptung erwiesen zu ha- ben und will den Leser entscheiden lassen , ob die Unter- klasse der Archencephala noch aufrecht erhalten werden könne. Nach seiner Ansicht bestehen zwischen dem mensch- lichen Gehirne und dem der anthropoiden Affen noch fol- gende Differenzen : 1) In den anthropoiden Affen ist das Gehirn kleiner im Verhältnisse zu dem von demselben entspringenden Ner- ven im Menschen. 2) Ebenso ist das grosse Gehirn kleiner im Verhält- nisse zum kleinen Gehirne. 3) Die sulci und gyri sind im Allgemeinen weniger komplex und auf beiden Hirnhälften mehr symmetrisch. 4) Beim Menschen sind die Windungen der Hemisphä- ren mehr abgerundet und tiefer und die Verhältnisse der Lappen unter einander sind verschieden. Der erste Satz ist seit Soem merring allgemein an- genommen, der zweite bis vierte Salz wird durch Schrö- der van der Kolk's, Vrolick's und Gratiolet's Ar- beiten festgestellt. Soe mm erring und Tiede mann sind direkt im Gegensatze in Bezug auf die relativen Propor- tionen der Stärke der Nerven zum Gehirne in den höheren und niederen Menschen- Rassen. In Bezug auf das Cere- bellum scheint nach Tied e man n dieses bei den niederen Rassen etwas grösser. Bei der Hottentotten - Venus führt Huxley die neueren Arbeiten von Gratiolet an, so wie die Stelle bei Ti e d e m a nn , wornach der vordere Theil der Hemisphären etwas schmäler ist , als gewöhnlich bei Europäern. Darauf gründet nun H. die Behauptung, dass wenn wir A das Europäer-Gehirn, B das Buschmanns-Ge- Ueber die llirnbildung d. Menseden u. d. Quadiumanen. 67 hirn, C das Orang-Gehirn in eine Reihe setzen, die Unter- schiede zwischen A und B , wohl ebenso fest bestimmt und von derselben Natur sind, wie die hauptsächlichen zwischen B und C. H. wünscht, dass die Aerzte vom Cap der guten Hoffnung, in Australien und von Indien diese zoologischen Probleme lösen mögen. Sehr entfernt stehe aber Lemur mongos , Stenops tardigradus, Perodictius von den Affen in der Hirnbildung. Der Schluss des Aufsatzes lautet: „Es sei demonstrirbar , dass die Quadrumanen weniger im Ge- hirne vom Menschen, als untereinander abweichen, so dass die Trennung von Homo und Pilhecus in verschiedene Sub- classes, während Pithecus und Cynocephalus in einer Ord- nung beisammen bleiben, durchaus unverträglich ist mit dem Prinzipe der Classification der Säugethiere durch den Hirn- Charakter." Gratiolet's Arbeiten konnte Huxl ey nur zum Theil benutzen. In Bezug auf die Windungsverhältnisse der He- misphären hat dessen klassische Arbeit: Memoire sur les plis cerebraux de l'homme et des Primates in Betreff der Affen so vorzügliche Abbildungen und Beschreibungen ge- liefert, dass durch dies Werk die Quadrumanen zu den in Betreff der Hirnoberflächen am besten gekannten Thieren gehören. Man kann von diesem Werke in der That sagen, dass es seine Vorgänger in dieser Beziehung überflüssig macht. Seitdem hat nun Grati ölet auch über das Gehirn des Gorilla einiges bekannt gemacht ^) und die Verhält- nisse des menschlichen Gehirns zum Affengehirne, nament- lich in Bezug auf Entwickelungsgeschichte , einer neuen Vergleichuug unterworfen -). In Bezug auf den Gorilla zeigt Grati ölet in der That, dass derselbe, während die- ser kolossale afrikanische Affe in der stärkeren Entwicke- lung des Daumens und in der Zahl der Handwurzelknochen dem Menschen näher tritt, als die anderen anthropoiden Affen, schon im Schädel und ebenso im Gehirne dagegen sich mehr den Cynocephalen nähert. Ganz neuerdings 1) Coinptes rendus 1860. Nro. 18. 2) Menioires de la societe d'Anlhropologie de Paris. Tome I. 1860. p.64. 68 VV a g n e I- : kommt derselbe bei Geleo-enheit des Studiums der mensch- liclicn Mikrocephalen-Gehirne auf die Vcrgleiclmng mit den Affen zurück. Er sagt ausdrücklich, dass er mittelst die- ses Studiums sich überzeugt habe , dass die Verschieden- heit des Menschen und Affen „augenscheinlich und anato- misch bewiesen sei." „Indem ich aufmerksam das Gehirn der Affen mit dem des Menschen verglich, habe ich ge- funden, dass im erwachsenen Zustande die Anordnung der Hirnwindungen bei beiden Gruppen dieselbe ist und, wenn man sich bloss hieran hält , so würde mrrn keinen hinrei- chenden Grund haben , den Menschen von den Thieren im Allgemeinen zu trennen. In der That, bei den Affen er- scheinen die Windungen des Schläfe - Keilbeinlappens zu- erst und die des Stirnlappens zuletzt, während beim Men- schen die Stirnlappenwindungen zuerst auftreten, die Schlä- fe-Keilbeinwindungen zuletzt. Es wiederholt sich also die- selbe Reihe der Entwickelungen hier von « nach co, dort von CO nach a. Aus dieser sehr sicher konstatirten That- sache entspringt eine nothwendige Folgerung : Keine liem- mungsbildung kann das menschliche Gehirn dem der Affen ähnlicher machen, als es im erwachsenen Zustande ohne- diess ist. Diese Folgerung wird vollkommen gerechtfertigt durch das Gehirn der Mikrocephalen : im ersten Augen- blicke könnte man dasselbe für das Gehirn von irgend einem neuen unbekannten Affen halten; aber die leichteste Auf- merksamkeit reicht hin, um diesen Irrthum zu vermeiden. Bei einem Affen würde die fissura longitudinalis (hintere Verlängerung der Sylvischen Spalte) immer lang und tief sein. Bei einem menschlichen Mikrocephalus dagegen ist diese Spalte immer unvollständig und manchmal fehlt sie und der Sphenoidallappen ist fast ganz glatt. Diess ist noch nicht alles : bei den Mikrocephalen ist die zweite Ue- bergangswindung (deuxieme pli de passage) zwischen dem Parietal- und Occipital- Lappen immer oberflächlich, wel- ches ein dem Menschen absolut eigenthümliches Kennzei- chen ist. In dem Gehirne der Orangs im Gegentheile ist diese Windung konstant unter dem Deckel (Opercule) des Hinterhauptslappens verborgen. Also mitten unter dem Schwunde zeigen die Gehirne der Mikrocephalen doch den lieber die llirnbildiing d. iMenschen u. d. Qiiadiunianen. 69 menschlichen Charakter; oft sind sie weniger voluminös und mit weniger Windungen versehen, als die Gehirne des Orangs und des Chimpanses, aber sie werden ihnen dadurch nicht ähnlich; der Mikrocephalus, so reduzirt er auch sein mag , wird kein Thier , es bleibt immer ein verminderter Mensch." ..Icli habe untersucht, ob die Mikrocephalie der Geburt vorangeht oder nicht; sie geht ihr unzweifelhaft voran. Bei einem der Mikrocephalen , welchen ich untersuchte, zeigte die allgemeine Form des Gehirns und der Sylvischen Spalte, dass die Monstrosität wenigstens gleichzeitig mit dem fünf- ten Monat war. Es ist wahrscheinlich , dass dieser Zu- stand von irgend einer allgemeinen Ursache abhängt. Un- ter dem Einflüsse einer ursprünglichen Astheniogenie bilden sich Formen, welche von allen Normalzuständen abweichen. Uebrigens ist beim neugebornen Kinde das System der Hirn- windungen in allen seinen Theilen komplett und dasselbe gilt von allen Thieren, welche mit offenen Augen geboren werden; bei den Thieren , welche mit geschlossenen Augen geboren werden, werden die Windungen nicht früher vollendet, als in dem Augenblicke (?) , wo sich die Augenlieder öffnen. Würde die Mikrocephalie später als die Geburt eintreten, so würden die gesammten Hirnwindungen persistiren und nur das ^'olum des Gehirns würde vermindert sein; aber so ist es nicht; die Bewegung des Wachsthums ging vom Anfange an langsamer vor sich, die Krümmung des Gehirns ist verkürzt und frühzeitig vollendet, lange vor dem nor- malen Zeitpunkte. Von Bedeutung ist die enorme Ent- wickelung des kleinen Gehirns bei diesen Wesen, welche niemals die Pubertät erlangen und zeugungsunfähig blei- ben. Diese Thatsache ist sehr ungünstig für die theoreti- sche Anschauung Gall's in Betreif des kleinen Gehirns, sie ist dagegen derjenigen von Flpurens viel günstiger. Die normalen Mikrocephalen bewegen sich mit einer Schnel- ligkeit, Tüchtigkeit und vollkommenen Harmonie; eine sehr starke relative Entwickelung des Rückenmarks und des verlängerten Marks trägt, ohne Zweifel, zu dieser Beweg- lichkeit bei." ,,Auf diese Weise beschränkt sich die Reduktion vor- 70 Wagner: züglich, ja fast ausschliesslich, auf die Halbkugeln des grossen Gehirns. Die äusseren Organe der Sinne sind gross, wohl entwickelt ; die Nerven, welche sich zu den- selben begeben, haben eine Entwickelung, welche die Di- mensionen im Normalzustande überschreitet (?)« „Nachdem ich versucht habe darzulegen , dass die ÄJikrocephalen die materiellen und zoologischen Kennzei- chen des Menschen bewahren, will ich bemerken, dass sie auch die eigenlhümlichen intellektuellen Fähigkeiten be- wahren. Die meisten Mikrocephalen haben eine verständliche Sprache , allerdings sehr wenig reich , aber artikulirt und abstrakt: ihr Gehirn, dem Anschein nach unter dem eines Orangs oder eines Gorilla stehend, ist doch das einer re- denden Seele. Diese angeborene und, so zu sagen, unauslöschbare Virtualität , ist sicher das hervorragendste, das edelste Kennzeichen des Menschen; es ist dies eine auffällige Erscheinung im Verhältnisse zu dieser Vereini- gung ja theilweisen Vernichtung der Intelligenz; auf diese Weise können Krankheit und Schwäche -Anlage (Asthe- niogenie) den Menschen herabsetzen ohne aus ihm einen Affen zu machen." „Diese Microcephalen , eines Theils der Hirnwindun- gen beraubt, sind alle sehr kleine Zwerge. Ich erinnere in dieser Hinsicht an das Wechselverhältniss, das man vor einigen Jahren zwischen der Entwickelung der Hirn-Win- dungen und demjenigen der Grösse wahrzunehmen geglaubt hat. Es ist in der That sicher, dass alle grossen Thiere Hirn - Windungen besitzen , während eine grosse Anzahl kleinerer Thiere derselben entbehrt. Mir scheint jedoch diess Wechselverhältniss durchaus nicht richtig gewürdigt. Es ist nicht, wie man geglaubt hat, die Entwickelung in der Grösse, welche die Entwickelung der Windungen nach sich zieht. Es ist , im Gegentheile, die Entwickelung der Windungen, welche die Entwickelung der Grösse ankündigt, indem jene dieser vorausgeht, nicht bloss im Individuum, sondern in dem Ensemble jeder zoologischen Gruppe. So haben selbst die kleinsten Thiere derjenigen natürlichen Gruppen, welche riesenhafte Thiere enthalten, Windungen, wie geringe auch ihre Grösse sein mag; dahin gehören lieber die Hirnbildung d. Menschen u. d. Quadrumanen. 71 die Wiesel unter den Fleischfressern, die Antilope hempri- chiana (Ehrenb.) und spinigera (Temm.) bei den Wieder- käuern." „Unter den Menschen-Rassen hat die Buschmannsform sehr wenig- komplicirte Windungen; der Stirnlappen stellt besonders einen Grad von Einfachheit dar, welche niemals bei den weissen Rassen vorkommt (?) ausgenommen in einigen Fällen angeborener Idiotie. Es ist dies eine Rasse, deren Körpergrösse sehr geringe ist. Aber die Busch- männer sind jedenfalls weder Mikrocephalen, noch Idioten. Diese für die Organisation genügende Beschaffenheit einer unvollkommenen Hirnform beweist, dass diese Form normal und in gewisser Hinsicht specilisch ist , und dass , wenn diese Buschmänner auch anthropologisch tiefer stehende Menschen sind , so können sie doch auf keine W^eise als herabgekommene Wesen (etres degrades) betrachtet wer- den (?). In der That, ihre Rasse ist fruchtbar; es beweist dies ihre Ausdauer mitten unter unaufhörlichen zerstören- den Einwirkungen, welche dieselben umgeben. Die Rasse ist also nicht degenerirt (?) ; alle neueren Beobachtungen stimmen darin überein, dass jede Degeneration eine baldige Unfruchtbarkeit zum Ausgange hat.« Gratiolet zieht aus allen diesen Beobachtungen den Schluss : „dass der Mensch durch seine physische Orga- nisation eben so absolut verschieden von den höchsten Thieren ist , wie er es nach seiner psychischen Entwicke- lung ist.« Ich stimme den Ansichten Gratiolet's fast in allen Punkten so vollständig bei, dass ich nur in einigen weni- nigen und auch hier mehr dem Ausdrucke, in der bestimm- ten Fassung, welche ich etwas limitiren würde, mir erlaubt habe, ein Fragezeichen beizusetzen. Meine Spezial- Untersuchungen gründen sich auf Zer- gliederung von einigen hundert menschlichen Gehirnen aller Lebensalter beider Geschlechter und verschiedener Ent- wickelungsstufen. Leider habe ich bis zu dieser Stunde keine Gehirne von anderen Rassen , als den europäischen erlangen können. Die von mir in mehreren anatomischen Museen angesehenen waren nicht zur wissenschaftlichen 72 W a g n c r : Verwertliung hinreichend erhalten ^). Von Thiergehirnen habe ich allerdings nur wenige von seltenen Thieren un- tersuchen können. Die Zahl der von mir untersuchten Affengehirne, namentlich frischer, ist sehr klein. Von men- schenähnlichen Affen habe ich selbst nur das eines jungen Orang-Utangs durch die Güte meines Freundes, des Profes- sors Leuckart in Giessen, untersuchen können. Trotz vielfältiger Bemühungen habe ich noch keine Mikrocepha- len-Gehirne erlangen können. In unserer Nachbarschaft (im Dorfe Herberhausen bei Göttingen) sah ich im Hause eines Bauern eine 20jährige mikrocephalische Tochter und einen 14jäbrigen noch stärker mikrocephalischen Sohn und untersuchte deren geistige Fähigkeiten. Die Eltern waren gesund, doch hatte der Vater, ein wohlhabender Bauer, etwas blöden Geist. Die Tochter lebt noch , der Sohn starb vor einigen Jahren , ohne dass die Sektion erlaubt wurde. Die Fälle von Mikrocephalie scheinen in der That viel häufiger zu sein als man glaubt und nach der Selten- heit der Schädel in Sammlungen vermuthen müsste. Zum Glück konnte ich mir einigermassen meine eigenen Erfah- rungen auf andere Weise ergänzen. Wir besitzen nämlich von Säuge!hier- Gehirnen wirklich, was die äussern Ver- hältnisse betrifft, sehr schätzbare Sammlungen von Abbil- dungen, namentlich von Ti ed emann, Leuret, R. Owen u.a. m., welche einer morphologischen Vergleichung wohl zu Grunde gelegt werden können. Am vollständigsten be- sitzen wir in dieser Hinsicht Abbildungen von Affen, na- mentlich den menschenähnlichen, welche Huxley in obi- ger Abhandlung benannt und benutzt hat. Kein Werk ist aber in dieser Hinsicht so vollständig, als das oben citii'te von Gratiolet, welchem mein volles Lob zu spenden ich nicht müde werden kann, nachdem ich dasselbe schon bei meinen neuesten Publikationen wiederholt aussprach -). Um 1) In Bezug auf die Art der Präparation und Conservation der Gehirne, welche nöthig ist (namentlich die Entfernung der Häute) um die Gehirne für Yergleichungen brauchen zu können, verweise ich auf meine nachbenannten „Vorstudien." 2) Vorstudien zu einer wissenschaftlichen Morphologie und lieber die Ilirnbildung d. Menschen u. d. Quadiumanen. 73 nun wenigstens einiges weitere Material mir zu verschaf- fen, bin ich auf den Gedanken gekommen, einen Theil in- teressanter Schädel der B lu menbach'schen Sammlung zu Aufschlüssen über das Gehirn zu benutzen. Herr Prosektor Dr. Teich mann war mir vorzüglich behülflich, dieselben so in der Mittellinie des Sagittaldurchmessers zu durch- schneiden, dass beide Hälften, wenn man sie wieder ver- binden will, durch eine dünne Leimlage leicht zusammen- gefügt werden können. Ich habe sodann die Cavitäten mit Gyps ausgiessen lassen und dadurch eine Reihe von Hirn- formen verschiedener Völker erhalten, welche wirklich den Mangel an Rassen-Gehirnen , deren Beschaffung so unend- lich schwierig ist, theilweise zu ersetzen im Stande sind. Die Gypsgehirne werden mit einem Oellirniss überzogen, welcher leicht trocknet , so dass sich die Modelle gut an- fassen , handhaben und recht gut mit Tinte beschreiben lassen. An einzelnen Gehirnen, besonders jugendlichen, aus den 20er oder 30er Jahren , lassen sich wirklich alle Haupt - Windungszüge nachweisen und selbst bezeichnen. Natürlich erscheinen sie mit der dura mater bekleidet und in Verbindung mit den Meningeal - Arterien. Aber die Physiologie des menschlichen Gehirns als Seelenorgan. Erste Ab- handlung, lieber die typischen Verschiedenheiten der Windungen der Hemisphären und über die Lehre vom Hirngewichte , mit beson- derer Rücksicht auf die Hirnbildung intelligenter Männer. Göttingen 1860. 4. Mit 6 Kupfertafeln. Hier sind fremde und eigene Wägungen von 964 Menschengehirnen tabellarisch zusammengestellt. Abgebildet und genauer beschrieben und verglichen sind: das Gehirn von C. V. Gauss mit dem Gehirne zweier einfacher Männer auf Tab. H, IV, V und VI, die Gehirne von Hausmann (Tab. I. Fig. I und II), von Di- richlet (Tab. II. Fig. II) , von C. F. Hermann (Tab. II. Fig. III), fer- ner die Gehirne eines siebenmonatlichen Fötus, eines Orang-Utangs und eines langarmigen Affen. Die eben vorbereitete Fortsetzung soll das Gehirn des Klinikers C. H. Fuchs und einer Frau in natürlicher Grösse bringen. — An diese Abhandlung schliesst sich eine zweite an: Zoologisch-anthropologische Untersuchungen. I. Die Forschun- gen über Hirn- und Schädelbildung des Menschen in ihrer Anwendung auf einige Probleme der allgemeinen Natur- und Geschichtswissen- schaft. Götlingen 1861 etc.. Die Arbeiten von Reiz ins und Dar- win werden hier der Kritik unterworfen. 74 Wa g n e r : Hauptverhältnisse werden doch klar; die Begrenzung der einzelnen Lappen , ihr Verhältniss zu den Schädelknochen und den Nähten lässt sich bezeichnen. Es bleibt an den- selben, was sehr wichtig ist, die Grundform des Gehirns nachweisbar, während selbst bei den best gehärteten Ge- hirnen im Weingeist diese einigermassen verändert wird. Man kann Messungen der einzelnen Hirn- Abtheilungen daran vornehmen und die inwendig aufgeschlossenen Schä- del auf ihre Windungseindrücke , auf Grösse der Nerven- öffnungen u. s. w. dabei benutzen und vergleichen. Aus- ser den Schädeln der Hauptvölker und einigen abnormen Schädeln, wie der Scaphocephalen , Pyrgocephalen , Platy- cephalen ^) , habe ich auch einen ausgezeichneten Micro- cephalus der B 1 umenba ch'schen Sammlung"^) senkrecht 1) Ich gedenke in einer Fortsetzung meiner „zoologiscli - an- thropologischen Untersuchungen" (in einem vorbereiteten illustrirten Cataloge der Blumenbach'schen Schädelsammlung) und in einem seit lange vorbereiteten projektirten „ethnologisch-anthropologischen At- las" — Unternehmungen , deren Ausführung freilich sowohl von ei- genem körperlichen Befinden als den politischen Conjunkturen be- dingt ist, — die oben genannten Termini neu zu erläutern und mit photographirten Schädelvorstellungen zu belegen. 2) Dieser Schädel, von dem Blumenbach bereits vor 40 Jahren eine wenig mehr beachtete kurze Beschreibung und Abbildung (s. in den Commentationes soc. reg. scientiar. Goettingensis. Vol. II. 1815. De anomalis et vitiosis quibusdam nisus formativi oberrationi- bus) gab, ist mit der Aufschrift von Blumenbachs Hand: „stupidi Bückeburgensis" der anthropologischen Sammlung des physiologischen Instituts einverleibt. Auch besitzen wir von demselben noch in den schriftlichen Belegen zur Schädelsammlung nähere Nachrichten über Entwickelung , Sektion u. s. w. des betreffenden Individuums vom Jahre 1812. Der Fall ist dadurch doppelt merkwürdig, dass dieser Idiot unter allen mir bekannten Mikrocephalen das höchste Alter (31 Jahre) erreichte und wahrscheinlich noch älter geworden sein würde, wenn er nicht verunglückt wäre. — Es freut mich, die dem- nächstige Erscheinung einer ausgezeichneten und vollständigen Be- schreibung eines MiUrocephalen-Schädels und Gehirns meines Freun- des, des Medicinalraths und Professors Theile in Weimar, in Ilenle's Zeitschrift, mit Abbildungen, anzeigen zu können, die ich bereits im- Manuscripte zu sehen Gelegenheit hatte. Dasselbe Heft dieser Zeit- schritt wird zugleich einen interessanten klinischen Fall von Krank- Ueber die Hirnbildung d. Menschen u. d. Quadrumanen. 75 durchsägt und abgeformt aufbewahrt und von anderen so wie von Orang- Schädeln, einen jungen und überaus alten mit hohem Sagitalkamm und sehr stark abgekauten Zähnen auf gleiche Weise benutzt. Die so behandelten Schädel gewähren auch den Vortheil, dass man einzelne Hirn -Ab- theilungen mit weicheren Massen separirt ausfüllen und darstellen kann und so Elemente für vergleichende Wä- gungen erhält. Meine in dieser Beziehung begonnenen Un- tersuchungen sind erst im Anfange und bedürfen noch sorg- samer Wägungen, Messungen und Yergleichungen. Doch hoffe ich bald in unserer K. Gesellschaft der Wissenschaf- ten Mittheilungen machen zu können. Dieselben bestätigen nur meine gegen Retzius jüngst ausgesprochenen Be- denken und zeigen , dass die Hirn-Masse und die wesent- liche Anordnung der Lappen und Windungen doch bei den entgegengesetzten Schädelformen, z. B. abnormen hochkö- pfigen Brachycephalen (Thurmköpfen , Pyrgocephalen) und abnormen Kielköpfen (Scaphocephalen) dieselben bleiben können, indem die Hirnmassen, ähnlich wie bei den künst- lich deform gemachten Schädeln, ohne Quantitätsminderung, sich nur verschieben und Compensationen eintreten. Was nun die Anwendung des Gehirnbaus in der zoo- logischen Systematik betrifft, worauf meines Wissens zuerst Leuret und neuerdings wieder (selbst bei den Amphi- bien, wie den Schildkröten) Agassiz in seinem Werke über die Fauna der vereinigten Staaten hingewiesen haben, so zeigt der Versuch von R. Owen, die Säugethiere nach diesem Prinzipe in grössere Abtheilungen einzutheilen, die- selben interessanten Momente für eine allgemeine Alorpho- logie, wie alle und jede Verwerthung einzelner anatomischer Verhältnisse für die Systematik , aber auch die ganze Schwäche dieses Prinzips. Es geht hier wie mitAgassiz's und J. Müller's Verwendung anatomischer Merkmale in der heit des kleinen Gehirns von Dr. Fiedler in Rostock mit einer mikroskopisch -anatomischen Untersuchung von Dr. Bergmann, so wie eine Fortsetzung meiner „kritischen und experimentellen Unter- suchungen über das kleine Gehirn" bringen. 76 VV a g n c r : Systematik der so schwer zu classiücirendcn Fische. Alle und jede Anwendung einzelner Organisationsverhältnisse auf die Systematik hat etwas sehr bedenkliches. Selbst die durchgreifendsten lassen plötzlich Lücken , nöthigen zu Ausnahmen und zerstören die gerade erforderliche Allge- meinheit. Es ist vielmehr die gegenseitige Relation der einzelnen Organisalionsverhältnisse, die Architektonik der einzelnen Glieder und Elemente des Baues in ihrer Zusam- menfügung, welche hier massgebend ist, als die Anwesen- heit höchst untergeordneter innerer und äusserer Kenn- zeichen einzelner Organe. Alles das Bedenken, welches J. Müller gegen die Merkmale im Baue der Fischschuppen als typische Verhältnisse für die Systematik gegen Aga ss iz eingewendet hat, lässt sich auch wieder, z.B. gegen Mül- ler's Zahlenverhältnisse und Lagerung der Klappen im Bul- bus der Kiemen-Arterie geltend machen. Es ist sehr viel Sinniges und Beachtenswerthes in Owen's Benutzung der Hirnwindungen u. s. w. für die Systematik der Säugethiere und die Wichtigkeit des Or- gans mag auch eher die Hoffnung gewähren, in demselben durchgreifende Verhältnisse zu hnden, deren Schwanken bei untergeordneten Organisationsverhältnissen eher er- klärlich ist. Aber der bis heute nicht scharf deünible, so- gar häufig noch bestrittene Unterschied zwischen rein mor- phologischer und physiologischer Bedeutung aller Organi- sationsverhältnisse, die mir nie ganz klar gewordene und stets zweideutige Aufstellung von morphologischen und physiologisctien Aequivalenten , Analogieen und Homolo- gieen, deren Anerkennung im Allgemeinen ich- durchaus huldige, aber mehr nur als einen Ausdruck einer instink- tiven und dunklen, als einer scharf fassbaren Erkenntniss betrachte, fordern immer zur grossen Vorsicht in diesen Be- trachtungen auf. Die ganze exaktere Richtung unserer Zeit in der Naturforschung wird uns nicht in jene Spiele- reien mit oberflächlichen morphologischen Anr.logieen ver- fallen lassen, v.ie in der Periode der Naturphilosophie. Aber noch lange nicht, vielleicht niemals, wird es gelin- gen, die Causalität morphologischer Bildungen , am wenig- sten in der oraanischen Natur, im Sinne des Begehrens lieber die Ilirnbildung d. Menschen n. d. Quadrumanen. 77 der physikalischen (exakten) Wissenschaft zu begreifen. Gleichwohl strebt der ordnende Geist des Menschen sol- chen Verallgemeinerungen zu und das einfachste Bedürf- niss des Unterrichts erfordert eine solche Behandlung. Bei der speciellen Betrachtung der Hirnwindungen muss es immer auffallen , dass die so hoch organisirten, psychisch entwickelten Vögel , auch die grössten, wie der Strauss, glatte, windungslose Hemisphären haben, wie die niedrig stehenden Säugethiere. Noch ist , selbst in Bezug auf den Menschen, der grössere Reichthum an Windungen bei intelligenten Männern, kein so fest stehendes Faktum, als es bisher schien. Das Gehirn des berühmten Mineralo- gen Hausmann, der noch dazu eine mehr als mittlere Körpergrösse hatte, erinnerte mich in dieser Hinsicht an den Bau bei der Hottentotten-Venus und den siebenmonat- lichen Embryonen. Wir wissen auch nicht , in welchem Zusammenhange die Multiplikation der Endpunkte in der grauen Rinde mit den Fasern der weissen Substanz und den Nerven-Ursprüngen im Gehirn und Rückenmark steht und ob dieselbe eine besondere psychische Bedeutung hat. Dagegen steht die typische Anordnung der Windun- gen, die Formation und Architektonik der einzelnen Lappen des Grosshirns allerdings mit der systematischen Gliederung der Gruppen, der Ordnungen und Familien in innigem Zu- sammenhange. Die Wiederkäuer, die Fleischfresser, die Quadrumanen geben hiefür Belege. Selbst die Genera, wie z. B. die Katzen, die Hunde, lassen sich nach der Anord- nunof ihrer Windungen erkennen. Es ist sehr richtig, dass in Bezug auf höhere oder niedere Entwickelung, Anord- nung der Lappen , Zahl und Verlauf der Windungen nur Thiere einer Ordnung oder einer Familie (überhaupt einer natürlichen Gruppe) unter sich vergleichbar sind. Gerade in dieser Hinsicht muss man aber sagen, dass der Mensch im weiteren Sinne in seiner Hirnbildung durchaus mit den Quadrumanen in eine Gruppe gestellt werden muss, im engeren Sinne dagegen eine abge- schlossene Gruppe für sich bildet. Dies gilt vom architek- tonischen Ensemble der Hirn - Anordnung , von den Ent- 78 Wagner: wickeluiigsstadien , und der Configuration der Hauptwin- dungen ^). Es ist mir nie recht begreiflich gewesen, wie man im Verhältnisse ganz unbedeutende Gehirntheile , welche bei einzelnen menschlichen Individuen selbst sehr wechseln, wie z. B. kürzere oder längere Hinterhörner der Seiten- ventrikel, Anwesenheit des pes hippocampi minor, ja selbst einfache oder doppelte Markkügelchen (Emientiae candican- tes) so sehr urgiren und als wesentliche oder unwesent- liche Merkmale des Menschengehirns , als auszeichnende Anordnungen vor den anthropoiden Affen betrachten konnte. Die Grundformation der Lappenbildung und Anord- nung im grossen, w ie kleinen und Mitlelhirn, die Form und Anlage und gegenseitige Abgrenzung der Lappen im gros- sen Gehirne, der Stammlappen, die Stirn-, Scheitelbein-, Hinterhaupts- und Schläfelappen sind nach einem Plane bei Quadrumanen und beim Menschen geordnet; ebenso die Hauptgrenzfurchen oder Spalten, welche eben die Lappen significant markiren, die Sylvische, die Rolando'sche, die Occipital-Spalte, die Ueberdachung des kleinen Gehirns von den stets stark entwickelten Hinterlappen des grossen Ge- hirns, dies alles giebt , wenn auch in einem Mehr oder Weniger, dem niedersten Affengehirne eine frappante phy- siognomische Aehnlichkeit mit dem Menschengehirne. Wie sehr man ferner auch die von Gratiolet auf- geführten Entwickelungs-Verschiedenheiten anerkennen und urgiren mag, so ist doch eine entschiedene Aehnlichkeit (Analogie und Homologie) zwischen der zeitlichen Folge der Entwickelungsstadien des Gehirns beim Menschen und den Entwickelungsstufen von den kleinen , niederen Affen zu den höchsten anthropoiden vorhanden. Allerdings ha- ben die Stirnlappen beim Menschen schon frühe etwas ei- genthümliches , namentlich durch die frühzeitige Furchen- bildung. Aber zwischen den fast glatten Hemisphären im fünften Monate beim Menschen und den meist faltenlosen 1) Ich verweise in dieser Beziehung anf die entsprechenden Tafeln meiner Icones physiologicae , erste Ausgabe von 1840 und auf meine „Vorstudien/' besonders aber auf den Atlas von Grat i o 1 e t. lieber die Hirnbildung d. Menschen ii. d. Quadrumanen. 79 Hemisphären der Krallen -Aeffchen ist doch eine entschie- dene Aehnlichkeit. Ebenso ist in der grösseren Symmetrie und Sparsamkeit der Windungen beider Hemisphären, den minder reichen und tiefen, mehr massenhaft angelegten, noch nicht getheilten Stirnwindungen im Fötus des Men- schen im sechsten und siebenten Monate einerseits und einer grossen Anzahl von höheren Affen andererseits, bis zu den Gruppen, welche an die anthropoiden anstossen, eine ent- schiedene Aehnlichkeit. Hie höchsten Affen endlich nä- hern sich in Bezug auf grösseren Windungsreichthum, Tiefe der Furchen , selbst Anwesenheit der gyri breves in dem Stammlappen oder der Insel , grössere Asymmetrie u. s. w. mehr und mehr dem Menschen. Immer aber stehen sie un- gemein zurück im Verhältnisse zu der beim Menschen vor- handenen Präponderanz der grossen Hemisphären, nament- lich auch im Verhältnisse zum kleinen Gehirne und ganz durchgreifende Unterschiede finden sich in der Anordnung, Grösse und Abgrenzung der Hinterlappen , welche immer bei den Affen stärker entwickelt sind und deckelartig sich auf einen Theil der Windungen lagern, welche Gratiolet als plis de passage bezeichnet hat i). Völlig übereinstimmend bin ich mit Grat iole t , wenn er keine Verähnlichung, eher eine Verunähnlichung der wenn auch sehr vereinfachten Hirnbildung der Mikrocepha- len mit den anthropoiden Affen annimmt. Auch bei dem Gehirne unseres Mikrocephalus lässt sich an unserem Gyps- Abgusse nachweisen, dass die Hinter- und Parietallappen ganz reduzirt waren, die ersten nahezu fehlten, so dass das kleine Gehirn ganz unbedeckt und doch stark entwik- 1) Dass beim Oiang auch Gyri breves vorhanden sind , was Gratiolet für alle anthropoiden Atfen unbestimmt liess, konnte ich nachweisen. Vergl. meine Vorstudien u. s. w. p. 14. Die Hinler- lappen der AfFen vertragen keine stienge Reduktion von deren Win- dungen auf den Menschen. Dass ich diess doch in den Tafeln zu den Vorstudien versuchsweise gethan habe, dass ich den plis de passage von Gratiolet keine abgesonderte Betrachtung widnjete , geschah aus dem Bedürfnisse, für das menschliche Gehirn eine möglichst ein- fache Terminologie aufzustellen , welche bei Sektionen benutzt wer- den kann. 80 Wagner: Ueb. d. Hirnbild. d. Menschen u. s. w. kelt da lag, während Leim Orang die Hinterlappen gerade sehr stark sind und wie in allen von mir untersuchten do- lichocephalen und brachycephalcn Menschen- Rassen , das kleine Gehirn nach hinten überragen. Es giebt keinen Uebergang vom Menschen-Gehirn zum Affen- Gehirn, so wenig , als vom Menschenschädel zum Affenschädel, ist auch im Mikrocephalus und in den anlhropoiden Affen die Capacität der Schädelkapsel gleich gross, vielleicht in letz- terem selbst grösser , prominiren die Kiefer , rücken die bogeni'örmigen Linien für den Ansatz der Schläfe- Muskeln nach oben und formirt sich hier beim Mikrocephalus eine Art Kamm , so ist doch das Verhältniss der Ober- und Zwischenkiefer, die Bildung der Nasenbeine,, die der Eck- zähne, des Kinnwinkels des Unterkiefers , dann die ganze Configuration, Ausdehnung und Verbindung so vieler Ge- sichtsknochen am Mikrocephalus doch so rein übereinstim- mend mit der menschlichen Bildung, dass dadurch das so- genannte eigentlich typische Verhältniss zu einer absoluten Trennung von allem und jedem Affenschädel, auch dem der sogenannten anthropoiden führt und als fundamental und durchgreifend betrachtet w^erden muss. Nach allem, was wir bis jetzt von normalen und abnormen menschlichen und Affenbildungen kennen , stehen Affen und Menschen relativ so streng von einander geschieden, d. h. ohne alle eigentlichen Uebergänge da, wie Säugethiere und Vögel, wie Schnabelthier und Strauss oder Ente, welche auch nur durch einzelne gemeinsame untergeordnete Organisations- verhältnisse , wie z. B. durch Schnabelbildung, Kloake, Schlüsselbeine , eine oberflächliche Verw-andtschaft zeigen. Alles , was ich weiss und kenne in Zoologie und Physio- logie, widerstrebt solchen weitgreifenden genealogischen Verwandtschaften, Metamorphosen und Uebergängen, wie sie Darwin verlangt. Mensch und Affe sind pri- mitiv und absolut geschiedene Geschöpfe, auch wenn man von allen psychologischen Momen- ten abstrahirt. Tcber Parauiaeciiim (l) coli laluist« Von RuiL Leuckart in Giessen. (Hierzu Taf. V. Fig. A. ß.) Unter dem voranstehenden Namen ist von M a 1 m s t e n in Stockholm vor einiger Zeit ^"*) ein Infiisoriiim beschrie- ben worden, welches im Blind- und Dickdarme des Men- schen vorkommt, bisher aber nur zwei Male, bei gleichzei- tiger Anwesenheit von Geschwüren im Colon, beobachtet wurde. Beide Male war dasselbe in unzähliger Menge vor- handen und im ersten Falle auch nach der Heilung der Gescliwüre, bei fortdauernder Lienterie, nachzuweisen, so dass Malmsten sich der Annahme zuneigt, es möchte diese letztere Krankheit auf den Parasitismus unserer In- fusorien zurückgeführt werden können. Die (von Loven entworfene) Beschreibung des Schmarotzers lautet folgen- dermaassen : Das Thier ist drelirund , eiförmig, vorn etwas zuge- spitzt , je nach der Menge der aufgenommenen Nahrung bald breiter, bald schmaler, letzteres auch dann, wenn es sich, unter fortwährender Achsendrehung im Schleime fortbewegt. Die Länge beträgt ungefähr 0,1 Mm. Auf der äusseren Haut trägt es einen dichten Besatz von Cilien, die in etwas schief hinlaufenden Reihen stehen, ^'orn, seitlich von der Spitze, liegt der mit längeren Wimpern versehene Mund, und der Oesophagus senkt sich leicht erweitert und '■) Ueberselzt in Virchow's Archiv für pathol. Anat, u. Physiol. 1857. B. XII. S. 302. Tab. X. Archiv f. Naturg. XXVIL Jalng. 1. Bd. 6 82 L 0 n c k a r t : clwas gebogen ziemlich weit iiacii innen. Im inneren Pa- renchym bezeichnet mitunter ein dunkler Streifen den Weg eines verschlucklen Bissens. Am hinteren Ende, der Bauch- seile ehvas genähert, liegt der After, der bald etwas her- vorragt, bald eingezogen ist, bald einen mit einigen Windun- gen versehenen Gang durch die Rindenschicht bildet. Der Nucleus ist sehr schwach contourirt , länglich elliptisch, hier und da mit milllerer Einschnürung, wie bei begin- nender Theiluiig. Contracfile Bläschen sind zwei da. Das orössere lieat ganz hinten nahe an der Analöffnung-, das klei- nere etwa in der Mitte der Rückenseite. Die Bläschen con- trahiren sich äusserst langsam und verändern dabei die Form nicht unbedeutend. Bei einigen Individuen wurden sie ver- gebens gesucht. Ausser diesen Theilen zeigten die Thicre im Innern eine grössere oder kleinere Anzahl von ver- schluckten Nahrungsstoffen , meistens mehr oder weniger verdaute Amylumzellen und Fettlropfen. Voranstehendes ist das Einzige, was wir bis jetzt über dieses SchmarotzerinRisorium erfahren haben. Um so mehr freue ich mich, hier eine neue Mittheilung über dasselbe machen zu können. Nicht, dass es mir gelungen wäre, einen neuen Fall vom Vorkommen desselben bei dem Men- schen zu beobachten. Die Mal m sie n'schen Fälle sind bis jetzt noch die einzigen geblieben. Dagegen aber ist es mir gelungen, genau dasselbe Infiisorium im Colon und im Blinddarme eines Haussäugethieres aufzufinden, und zwar so constant und in solcher Menge, dass dadurch auch auf die Möglichkeit einer gelegentlichen Uebertragung in den Men- schen einioes Licht fällt. Das Thier , welches unser Infu- sorium beherbergt, ist das Schwein. Um dasselbe zu beobachten , braucht man nur mit einer längeren Sonde etwas Koth und Darmschleim aus dem Mastdarm hervorzu- holen und unter dem Mikroskope auszubreiten. Man wird dann schon bei Loupenvergrösserung die durch den Kolh hinziehenden farblosen Thierchen unterscheiden. Was ich durch meine Untersuchungen an diesen Schwei- neparasiten festgestellt habe, ist im Wesentlichen eine Bestäiio-uno- der Anoraben von L o v e n und M a 1 m s l e n. Nur in ei nein Puijktc musr ich denselben widersprechen, und Paiainaecimii culi. 83 dieser Puiikf betrilFt die Bildung des Mundes. Lange Zeit habe ich mit den schwedischen Forschern geglaubt , dass unser Parasit einen s ei 1 1 i c h en Mund habe, weil man ihn während der gewöhnlichen Schvvimmbewegung gewöhnlich (Fig. A) rechts oder links neben der Mittellinie liegen sieht. Allein diese Thatsache kann dcsshalb INichts entscheiden, weil der im Ganzen eiförmige Körper beim Schwimmen — nach vorw^ärts und rückwärts — sich fortwährend langsam um seine Achse dreht, und somit denn natürlich nur wäh- rend der kurzen Durchgangszeit durch die Medianebene eine mittlere Lage des Mundes darbietet. Ganz anders ge- stalten sich aber die Verhältnisse, wenn man unser Thier fressen sieht (Fig. B). Bei diesem Geschäfte legt sich das- selbe mit der klaffenden Mundöffnung nach unten auf die Nahrun gssubslanz auf, kriecht auch wohl ohne Verände- rung der Körperhaltung mit den Rändern der Mundöffnung eine Strecke weit vorwärts. J}ie beiden Seitenhälften des Körpers erscheinen dann vollkommen symmetrisch, Mund- trichter und Oesophagus in der Mittellinie, wie bei einem bilateralen Thiere, während die Körpercontouren in der Sei- tenlage des Mundes ungleiche Krümmungsverhältnisse dar- bieten, und Mundtrichter wie Oesophagus dann asymmetrisch nach der gegenüberliegenden Körperfläche emporsteigen. Unter solchen Umständen trage ich kein Bedenken, den Körperbau unserer Thiere nach den Verhältnissen des seitlichen symmetrischen Typus zu deuten, d.h. den Mund als ein Organ der Mittelebene anzusehen. Die Fläche, die denselben trägt, würde dann die Bauchfläche darstellen, die gegenüberliegende als Rückenfläche zu betrachten sein. Die letzlere ist im Ganzen stärker gewölbt, die erstere dagegen, in der Nähe des Mundes wenigstens, abgeflacht. Ist meine Auffassung richtig, dann kann unser Parasit natürlich nicht länger dem durch seitliche Lage des Mun- des ausgezeichneten Genus Paramaecium (dem es die Ent- decker auch nur fraglich zurechneten) verbunden bleiben. Dem Gen. Plagiotoma , dem es Claparede und Lach- mann neuerdings zurechneten, gehört es freilich noch weniger an, da von einer spiraligen Flimmerrinne bei un- serem Thiere auch nicht die geringste Spur vorhanden ist. 84 Leu c k a r l : Am besten und natürlichsten wäre es vielleicht bei dem Gen. Holophrya aufgehoben , wenn man auf Aufstelinng- eines eigenen Genus einstweilen, bis zur näheren Kennfniss der verwandten Formen (aus dem Colon des Pferdes und dem Pansen der Wiederkäuer, zweier Arten, von denen die letztere jüngst von Stein unter dem Genusnamen Isotricha kurz beschrieben wurde), verzichtet. In der Medianlage erscheint die Mundöffnung unseres Schmarotzers als eine dreieckige klaffende Oeffnung, deren eine Ecke nach hinten gerichtet ist. Der vordere Schen- kel dieses Dreieckes gehört der Rückenfläche an. Er stellt gewissermaassen eine schirmförmige Verlängerung dieser Fläche dar, eine Oberlippe, die den Mund überragt und an die Bauchfläche herabdrückt. Die seitlichen Schenkel oder Lippen springen im Ruhezustande bogenförmig nach innen in die Mundhölile vor, während sie beim Fressen von der hinteren Ecke aus divergirend verlaufen. Beim Fressen hat die Mundöffnung also eine beträchtlichere Weite (bis zu 0,012 Mm.), und das um so mehr, als dabei die Lippen zu- gleich trompetenförmig nach vorn vorspringen. Auf die Mundöffnung folgt eine Höhle , die sich all- mählich trichterförmig verjüngt und schliesslich in einen engen Cylinder, den Oesophagus, auszieht. Mundhöhle und besonders Lippen sind mit Haaren besetzt , die eine sehr kräftige, fast rädernde Bewegung zeigen, auch an Länge die Haare des sonst ganz uniformen Wimperkleides vielleicht um das Doppelte überragen und die Nahrungsstoffe in das Innere des Körper hineinwedeln. Bei den Schweinen be- stehen diese Nahrungsstoffe vorzugsweise aus einem fein- körnigen Detritus, nur selten aus Amylumkörnchen. Die Cuticula, die den Körper überzieht und die Flim- merhaare trägt, hat eine sehr derbe Beschaffenheit und eine nicht unbeträchtliche Dicke, ohne sich sonst jedoch irgend- wie auszuzeichnen. Sie liegt auf einer hellen, wenig dicken Rindenschichf, die dann ihrerseits die feinkörnige, hier und da auch mit einzelnen stark lichtbrechenden kleinen Kör- perchen durchsetzte Medullarsubstanz in sich einschliesst. Nur am Vorderende, in der Umgebung der Mundhöhle und des Oesophagus erreicht diese Rindenschicht eine beträcht- Paraiüaccimn coli. 85 licliere Dicke. Hier sieht man in derselben auch eine slrah- ]\ge Zeicliniing-, als wenn sich eine Lage divergirender Fäs- sern bis in den Rand der Oberlippe hinein fortselzle. Wo der Oesophagus an die körnige Medullarsubslanz hinantritt, da ist letztere nach innen eingezogen, wie mit einem seich- ten Eindrucke versehen. Von inneren Organen beobachtefe ich, wie Loven, ausser dem Oesophagus nur Nucleus und contractile Va- cuolen. Der erstere liegt an der Bauchfläche, bald mehr vorn, bald mehr hinten, der Mittellinie angenähert. Er ist nur wenig scharf contourirt , blass und feinkörnig, von länglicher Gestalt, aber nicht gerade, sondern hufeisenför- mig gekrümmt. Die Annahme einer Einschnürung beruht auf einer optischen Täuschung, die durch Einstellung des Mikroskopes auf die Enden des Nucleus bedingt wird. Ein rsucleoius wurde nicht aufgefunden. Ausser den von Lo- ven beschriebenen zv^ei contraclilen Vacuolen sieht man mitunter nocli eine dritte. Eigentliche Contraclionen habe ich an ihnen nicht beobachtet , obwohl darüber kein Zwei- fel ist, dass sie eine wechselnde Füllung besitzen und na- mentlich mitunter so stark ausgedehnt sind (bis 0,02 Mm.), dass sie die äusseren Körperdecken buckelförmig auftreiben. Dagegen aber habe ich an diesen Gebilden eine andere überraschende Beobachtung gemacht, die Beobachtung näm- lich , dass sie sich tropfenartig durch das umgebende Pa- renchym hindrängen und so allmählich von einem Orte zum andern wandern. Die Länge der beim Schweine beobachteten Infusorien wechselt zwischen 0,075 — 0,11 Mm. und beträgt meist 0,09 Mm., bei einer Breite von 0,07 Mm. ■ Die Fortpflanzung ist mir unbekannt geblieben. Nicht einmal Theilung wurde beobachtet. Das Einzige, was mög- lichenfalls auf solche Erscheinungen hinweist, war das (im Ganzen freilich nur seltene) Vorkommen kuglig zusam- mengezogener flimmerloser Individuen (bis zu 0,11 Mm.), deren Körperparenchym bis auf eine Anzahl grösserer Fett- tropfen eine ziemlich gleichmässige , undurchsichtige Be- schaft'enheit besass. Die Cuticula war verdickt, die 31und- öITnung nicht mehr nachzuweisen, obwohl das vordere Kör- 8G Leu (kalt: rai}uiiat( iiirii coli. pcrcnde an der Dicke seiner Rindenschiclit noch deutlich erkannt wurde, auch die Anwesenheit des huleisenföimigen Kernes und der wandernden Vacuolen keinen Zweifel über die Abstammung- unserer Körper zuliess. Ich möchte fast vermuthen, dass die Infusorien in dieser* Form den Darm ihrer Wirthe verlassen, um dann ausserhalb derselben (durch mehrfach wiederholte Theilung ?) sich fortzupflan- zen und in ihren Nachkommen schliesslich wieder einzu- wandern. Gi essen, den 3. März 1861. lieber die Fiuiiilie lloiiialopsidae. Von Prof. J a II in Mailand. (Hierzu Tafel V. Fig. a und b}. Briefliche Mitlheilung- an den Heraugeber. Auf dem Umschlage des 4. Heftes Hires gehaltreichen Archivs bemerkte ich eine freundliche Befürwortung mei- nes Schlangenwerkes , und bitte nur noch , dass Sie auch so gütig sind , eine specieilere Besprechung dieses ersten Heftes mir in einem anderen Hefte nicht zu versagen. Nur wenn von competenten Naturforschern dieses mich schon so viele Opfer kostende Werk der Herausgabe wür- dig befunden wird, und anerkannt, dass die Kenntniss der Schlangen dadurch auch dem Laien zugänglich gemacht, kann ich hoffen, die Anzahl von Abonnenten zu erhalten, welche dessen Herausgabe sichern würde, und deren ich wenigstens 100 nölhig hätte, bloss um die Kosten des Sti- ches und Druckes zu decken. Vor einigen Tagen kam mir das Märzheft der Annais of Natural history London zu Gesiclit und p. 195 las ich zu meinem Erstaunen, dass Günther Behauptungen aus- spricht, welche leicht zur JVluthmassung Veranlassung ge- ben könnten , dass ich die Detailzeichnungen , die mit der grössten wissenschaftlichen Gewissenhafügkeit unter meinen Augen stets ausgeführt werden , ideal entwerfe — oder auch, dass ich ad verba magistri schwöre, oder nur schlecht beobachte. Dieser merkwürdige Artikel scheint sowohl zu meiner Belehrung, als auch zur Diskredifirung meiner Ar- beit geschrieben zu sein. m ' Jan: Auf der ersten Tafel Hess ich die Zahne des Ober- Kiefers des Herpeton abbilden, so wie solche mir und mei- nem Zeichner, der wirklich ein mikroskopisches Auge hat, erschienen, nachdem ich vorsichtig die Scheiden an beiden {weiten der Zähne von denselben entfernt halle, da ich das Kieferbein selbst nicht exstirpiren wollte, wenn gleich da- durch keine Veränderung in der Gestalt des äusseren Ko- pfes stattfindet, und dies sehr leicht zu bewerkstelligen ist. Als ich obenerwähnten Artikel las, so dachte ich wirk- lich , dass ich hinsichtlich der Furchen der Zähne irren könnte, nicht aber darin, dass diese letzte zwei Zähne nicht nur entfernter stehen , sondern auch grösser erscheinen. Die Feuchtigkeit im Munde hätte vielleicht diese Täuschung hervorgebracht haben können. Um daher mich von der Wahrheit zu überzeugen , löste ich nicht nur das Kinn- backenbein, sondern auch das Gaumenbein auf der linken Seite des Kopfes ab, da Dumeril zwar ganz richtig die Anzahl der Zähne m den beiden Kinnbacken angab und, w ie ich nun bestätigen kann , auch richtig voraussetzte, dass die letzten Zähne gefurcht seien, aber die Palatinal- und Plerygoidal- Zähne nicht untersuchen konnte. (Erpet. Gener. T. VII. p. 986. Ich liess von diesen Kiefern eine naturgetreue Zeich- nung entwerfen, welche ich hier mit der Bitte anschliesse, in Ihrem weitverbreiteten Journale , wo doch immer in jedem Hefte Tafeln erscheinen, für dieselbe einen kleinen Raum zu wahren und zu gönnen zur Steuer wissenschaft- licher Wahrheit. Günther ist ein eingefleischter Antagonist des Zahn- systems, von dem ich selbst kein Anhänger bin. Es wird noch lange dauern, bis man eine gründliche Zusammen- stellung der natürlichen Familien der Schlangen nur halb- wegs zu bewirken im Stande sein wird ; aber dass Schlan- gen mit rückwärts gefurchten Zähnen mit anderen , die ganz glatte Zähne haben , in ein und dasselbe Genus ge- stellt werden , wie Günther es thut , das erscheint mir unbegründet und unwissenschaftlich. Weil eben von Herpeton die Rede ist, so bemerke ich z. ß. hinsichtlich der Stellung desselben , dass diese UcLer die Faiiiilif Iloiiialopsidac, 89 Ga-Uung den Homalopsidcn zuzuzälilen ist, deren Physio- gnomie Schlegel in seinem Essai p.332 so irell'end cha- raktcrisirl. Die meisten derselben haben rückwärts gefurchte Zähne. Folgende Gattungen Dumerils nehme ich in diese Familie auf: Homalopsida '''••rückwärts mit zwei gefurchten Zähnen, die von den anderen etwtis entfernt stehen : 1) Herpefon, 2) Hypsirhina, 3) Cerberus, 4j Slc- rorhina , 5) Euroslus, 6) Campilodon, 7) Tri- gonurus, 8) llomalopsis; ^^^'' mit ungefurchten Zähnen : 9) Hydrops, 10) Calopisma, 11) Heliccps, 12) Fi- cimia G r a y. Sic sehen aus dieser Zusammenstellung, dass ich kei- neswegs bei meiner systematischen Eintheilung der Schlan- gen, den in der Herpetologie generale aufgestellten An- sichten huldige. Um nun die natürlich scheinenden Familien zu bilden, stelle ich zuerst die mit gefurchten und ungefurchten Zäh- nen in parallele Reihen. Sie finden in dieser Zusammen- stellung der Homalopsidcn, Schlangen aus den verschieden- sten Familien Dumerils: Die Gattungen Herpeton, Hypsirhina, Cerberus, Euro- stus, Campilodon, Trigonurus und Homalopsis gehören nach ihm in die Familie Platyrhiniens. Die Gattung Stenorhina in die Familie Stenocepha- liens. — A^on der Gattung Stenorhina sind nur zwei Arten bekannt: 1) Stenorhina Degenhardti Berlhold, der sie im Jahre 1842 als Calamaria beschreibt : sie ist synonym mit Stenorhina ventralis D. B.; 2) Stenorhina Fremin- villei D. B. , wovon ich zum Behufe meines Schlangen- werkes das Originalexemplar mitgefheilt erhielt , ist kaum von ersterer Art verschieden, und doch wird sie in dem im vorigen Jahre erschienenen Herpetologiske Meddelel- ser af J. Reinhardt in die Familie der Coronellidae gesetzt. — Bert hold kannte nur ein junges Exemplar, 90 Jan; Ueber die Faiiiilic Hmniilopsidac. Tincl in diesem Aller liat die Sclilanoc wohl iuulj einen Habitus von Calamaria. Bei dem jetzigen Zustande der Ophiologie ist der Faniiliencharakter noch selir viel von den Ansichten und dem Auge des Ilerpetologen , der die Gattungen zusammenstellt, abhängig, und, wie schon Lich- tenstein in der Vorrede des JNomenclator Reptilium Musei Berolinensis 1856 sagt, „wird die Behandlung der liöheren systematisclien Begriffe und ihrer Ausdrücke immer mehr Sache der Willkühr und des Geschmacks." Die Gattung Hydrops steht nach Dumeril Bibron in der Familie der Leptognathiens, welche ganz zu unter- drücken ist, die Gattungen derselben sind in andere Fa- milien unterzubringen. Die Gattungen Calopisma und Helicops gehören nach Dumeril Bibron zu den Isodonten. — Dahin gehört auch Ficimia. lieber die systematisebe Stellung der Gattung Solarium. Vom Herausgeber. (Hierzu Taf. V. Fig. 1—12). Kaum irgend eine Schneckengattung hat im Systeme so ^venig zur Ruhe kommen können, wie die Gattung Solarium. Früher erkannte man ziemlich allgemein in der Schale einige Aehnlichkeit mit der Galtung Trochus, und so stand Solarium in der Nähe dieser weit umfassenden, durch ver- schiedenartigsten Inhalt zu einem wissenschaftlichen Unge- heuer gewordenen Gattung, die man weder abzugrenzen, noch zu charakterisiren vermochte, und die man in neueren Zeiten von den fremden Elementen gereinigt und in zahl- reiche Genera zerlegt hat. Die Abbildungen , welche 1834 in der Voyage de l'Astrolabe von den Thieren von S. perspectivum und va- riegatum erschienen , waren nicht der Art, dass aus ihnen augenfällig geworden wäre, Solarium sei in der Familie der Kreiselschnecken ein fremdes Element. Kiener's Ab- bildung, welche 1838 in seinem grossen Conchylienwerke erschien , musste dies deutlich machen , wenn man aner- kannte , dass allen Trochoiden gestielte Augen neben den Fühlern zukämen; denn in der erwähnten Abbildung bil- den die Augen an der Basis der kurzen dicken Fühler eine vorspringende Wulst. Schon vor langen Jahren hatte ich Gelegenheit das Thicr von Solarium auf die Mundlheile zu untersuchen, und war damals zu der Uebcrzeugung gekommen, dass die Gat- tung zu den Tacnioglossen gehöre, und scizle sie, wie 92 Tioschcl: auch Gray llial, in die damals von mir >\eil gefasste Fa- milie der Litlorinaceen. Hieraul" bezieht sich meine Be- merkung im Archiv für Naturgescliichle 1852. I. p. 156. Leider sind mir meine Nolizen unaullindbar verloren ge- gangen. Ich halte mich deshalb nicht mehr für berechtigt, nach der blossen Erinnerung einen Werth auf diese frühere Untersuchung zu legen. Zugleich muss ich, durch die neu- sten Untersuchungen besser belehrt , Alles zurückzuneli- men, Avas ich damals im Archiv gesagt habe. — J. E. Gray setzte 1847 in den Proceedings of the zoological Society of London p. 151 die Gattung Solarium, für die er den 13oIten'schen Namen Architecloma herstetlte, in die Familie Lillorinidae. Im Jahre 1850 bildete er aus ihr in Figures of Molluscous Animals p. 79 eine eigene Familie Architecto- midae, die er unmittelbar auf die Littorinidae folgen Hess. Bei einer neuen Eintheilung der Kammkiemer (Pro- ceedings of the zool. soc. of London 1853. p. 32 ; Annais XL p. 124) hatte J. E. Gray vergebens nach der Zungenbe- wall'nung von Architectoma gesucht, erklärte daher die Zunge für völlig unbewall'net , und brachte die Familie in seine Froboscidilera Gymnoglossa. Die Gebrüder Adams in Genera of recent Mollusca L p. 241 nennen die Familie Architeclonicidae und setzten sie an das Ende der Probos- cidifera, sich in Betreff des Mangels einer Zungenbewall- nung auf Gray berufend. In Gray's Guide to the sysle- matic distribulion of Mollusca in the British Museum Part L 1857. p. 62 stehen die Architeclomidae wieder zwischen den Familien Pyramidellidae und Tylodinadae unter den Gym- nogiossen. Mörch hat (Malakozoologische Blätter 1859. p. 121) bei S. zonatum gleichialls vergebens die Zungenzähne ge- sucht, steht aber an deshalb eine eigene Abtheilung Aglossa darauf zu gründen , indem dies ein Charakter sei, der beinahe immer vorhanden sei im Larvenzustande, und sich zuweilen im Alter verliere. Wenn ich diese Stelle recht verstehe, so scheint Verf. der Ansicht zu sein, dass die Platten der Kadula im Larvenzustande beinahe immer fehlen , was keinesweges der Fall ist ; jedenfalls ist der Passus etwas dunkel. Ich stimme mit Mörch überein, Ueber die systematische Stellung der Gattung Solarium. i).^ (lass die Abtheiliing" Aglossa auf schwachen Füssen stehf, namentlich deshalb, weil es sich schwer feststellen lässt, ob ihs Gebiss wirklich fehlt , oder ob der Beobachter es nur übersehen hat. Unter diesen Zweifeln habe auch ich mich bemüht, die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob denn wirklich der Gattung Solarium die MundbewaiTnung fehle. Das Re- sultat der verschiedenen Nachforschungen lege ich hier vor, weil es auf die endliche systematische Stellung der kleinen Familie einen entscheidenden Einfluss hat, und weil noch wohl einige Zeit hingehen wird , bevor ich in der Herausgabe meines „Gebiss der Schnecken," an diese Gruppe zu kommen hoffen darf. Zuerst versuchte ich, aus einem Exemplare des Bon- ner Museums von Solarium luteum Phil, aus dem Mittel- meere das eingetrocknete Thier aufzuweichen , und dann dasselbe in Aetzkali-Lösung zu kochen. Es gelang mir die Kiefer und Theile der Radula zu finden. Leider wurde aber die letztere bei ihrer ausserordentlichen Kleinheit nicht so gesehen, dass ich ein vollständiges Glied abbilden konnte. Die einzelnen Platten waren während der Mani- pulation sehr durcheinander gerathen und es ist mir nicht gelungen, die Radula wieder in eine solche Lage zu brin- gen , dass sie der Beobachtung genügt hätten. Einzelne Platten zeigten sich recht deutlich. So viel geht aus dieser Beobachtung unzweifelhaft hervor, dass die Angabe Gray's von dem völligen Mangel einer Mundbewaffnung, wenigstens für diese Art, irrthüm- lich ist. Ja , die Vermuthung wird dadurch ausserordent- lich nahe gelegt, dass auch die anderen Arten eine solche Bewaffnung besitzen. Die Vermutliung zur Gewissheit zu bringen, strebte ich nach Material, namentlich nach Exem- plaren in Weingeist. Herr Dr. E d u a r d v. M a r t e n s hatte die Freund- lichkeit, mir aus dem Berliner Museum ein Thier von So- larium australe zu schicken, welches lange in Weingeist gelegen hatte und nicht sehr gut conservirt war. Ich konnte die äussere Gestalt des Thieres noch sehr gut be- obachten, mich über die Geslalt der Fühler mit der eigen- 94 T r o s (• li c 1 : thümliclicn Furche an der üiilcrseite , von der Lairc der Allgen, des Mundes u. s. w. genau belehren, konnte mich auch überzeugen, dass ein vorstreckbarer Rüssel vorhan- den war; — aber eine Zunge, eine Radula, Kiefer konnte ich bei genauster Nachforschung unter der Lupe nicht auf- finden. Auch als ich nach vergeblichem Suchen die gan- zen inneren Theile, in denen die Mundbewaffnung zu ver- mulhen gewesen wäre , in Aetzkali gekocht hatte , war nichts von irgend einem Gebisstheile zu entdecken. Ich fand mich also mit Gray und Mörch in gleicher Lage, und ich würde das Fehlen des Gebisses für erwiesen g-e- halten haben, wenn ich es nicht bei Solarium luteum ge- funden gehabt hätte. Dass die Gattungen Jrc/2. V sipedon (Lin.)? . . 63. n fasciatus (Lin.) . . 64. 57 vibakari (Boie) . . . 65. r> schistosus (Daud.) Rachiodontidae. 66. Dasypeltis scabra (Lin.) . . . 67. „ palmarum (Leach) . Honialopsidae. 68. Hydrops Maiiii (WgL) . . . 69. Helicops angulatus (Lin.) . . 70. Hemiodontus leucobalius (Schi.) 71. Hydrodipsas elapiformis Pel. 72. Hypsirhina enhydris (Sehn.) 73. Eurostus plumbeus (Boie) . . 74. Homalopsis buccata (Lin.) . . 75. Cerberus boaeformis (Sehn.) . Coluliridae. 76. Rhinechis scalaris (Schinz) 77. Coluber flavescens Gm. . 78. „ geluliis (Lin.) . 79. „ gultatus (Lin.) . 80. 5, eximius (Dek.) . 81. ., conspicillatus (Boie) 82. Elaphis quadrivirgatus (Boie) 83. ., subradiatus (SchL) . lieber Gruben an Schuppen der Schlangen. 143 84. Elaphis pleurostictus (Mus. Berol.) ^) 85. „ allcg-lianiensis (Holbr.) . . 86. Spilotes radiatus (Reinw.) . . . 87. r, melaniirus (Schi.) . . . 88. „ corais (Cuv.) . . . . 89. ,, variabilis (Wied.) . . . 90. Zamenis atrovirens (Shaw) . . . 91. ., hippocrepis (Lin.) . . . 92. „ Cliffordii (Schi.) . . . 93. „ Dahlii (Fitz.) . . . . 94. Coryphodoii pantherinus (Merr.) . 95. „ constriclor (Lin.) ^) . 96. „ korros (Reinw.) . . 97. „ ßlumenbaehii (Merr.) Dryadidac. 98. Herpetodryas carinatus (Lin.) . . 99. Cyclophi.s aeslivus (Lin.) . . . 100. Philodryas viridissimus (Lin.) . . 101. „ Olfersii (Licht.) . . 102. Dromicns margaritiferus (Schi.)? . Keine Gruben Eine Grube. Zwei Gruben. 1) Da einige Verwirrung und Widerspruch in den Angaben über diese Schiauge herrscht, ist es nothvvendig zu benierkeu, dass Herr Professor Peters in Berlin in Folge meiner Aufrage mich gü- tigst benachrichtigt hat, dass Dr. Weinland im Komenclator Rept. et Amphib. Mus zool. Berol. p. 28 mit Unrecht den Coluber pleuro- stictus des Berliner Museuuis zu E. Geoffroy's Gouleuvre ä raies paralleles bringt, und Dumeril und Bibron beschuldigt, eine an- dere Schlange unter diesem Namen beschrieben zu haben. Elaphis pleurostictus in der Erpetologie generale T. VII. p. 244 ist wirklich, wie die französiscl.cn Ilerpetologcn sagen, der ächte Coluber pleu- rostictus 3Ius. Berol., aber sie haben einen Fehler begangen durch die Angabe Montcvideo's als das Vaterland der Schlange; sie ist in Mexiko einheimisch, und daher war auch das Exemplar, welches das Pariser Museum von dem Museum zu Berlin empfing. 2) Bei dieser Schlange haben die Schuppen durch einander theiis eine, theils zwei Gruben, doch am häufigsten zwei. 144 U e i n li a r d t : 103. Dromicus antillensis (Schi.) . . 104. „ Temminckii (Schi.) . . 105. „ lineatus (Liii.) . . . 106. „ melanotus (Shaw) . . Psammophidae. 107. Psammophis crucifer (Merr.) . . 108. „ sibilans (Lin.) . . 109. „ elegans (Shaw) . . 110. Ramphiophis oxyrhynchus (Rhdt.) 111. Coelopeltis lacertina (Geoffr.) Dendrophidae. 112. Bucephalus capensis (A. Smith) 113. „ viridis (A. Smith) ? 114. Chrysopelia rhodopleura (Reinw.) 115. „ ornata Boie . . 116. „ praeornata (Schi.) 117. Dendrophis pictiis (Gm.) . . 118. Leptophis liocercus (Wied.) . 119. „ mexicanus D. et ß. . 120. „ irregularis (Leach.) Dryiopliidae. 121. Dryiophis aciiminatus (Wied.) 122. „ prasinus Reinw. . . 123. Passerita mycterizans (Daud.) Pipsadidae. 124. Thamnodynastes Nattereri (Mik.) 125. Leplodeira rufescens (Gm.) . 126. „ annulata (Lin.) 127. Dipsas multimaciilata Reinw. . 128. „ dendrophila Reinw. . . 129. „ valida Fischer . . . Keine (irubeii Eine (»riibe. Zwei Gruben. Ueber Gruben an Schuppen der Schlangen. 145 130. Leptognathiis nebulatus (Lin.) 131. „ Mikanii (Schi.) . . 132. Dipsadomorphus trigonatus (Sehn.) 133. Pareas laevis (Kühl) . . . . 134. „ carinatus (Reinw.) . . . Keine Gruben. Scytalidae. 135. Prosymna meleagris (Rhdt.) ^^) 136. Simophis rhinostomus (Schi.) . 137. Scytale Neiivviedii D. et B. 138. Oxyrhopus pluinbeus (VVied.) 139. „ cloelia (Daud.) 140. ., formosus (Wied.) . 141. „ petolarius (Lin.) . Lycodontidae. 142. Lamprophis aurora (Lin.) . . 143. Lycophidion Horstokii (Schi.) 144. ßoaedon unicolor (Boie) 145. „ geometricus (Boio) 146. Lycodon aulicus (Lin.) . . 147. „ rufozonatus Cant. 148. Cyclocorus lincatus (Rhdt.) ae. 149. Hoplocephalus Gouldii Gray . 150. Pseudechis porphyriacus (Shaw) 151. Bungarus fasciatus (Sehn.) 152. „ semifasriatus Kühl . 153. :, üaviceps Rhdt. . . Eine Grube. Zwei (iruhen. *) Es lässt sich kaum läujjnen, dass diese Gatlunff. deren Typiis^ ich seiner Zeit als eiiie Calamaria beschrieb, minder giü in die Cala- niarien -Familie passt ; in der Gestalt der Schnauze schliesst sie sich nahe an die Gattung- Simophis, und ich stelle sie vorläufi'alion, wo sie unsere Holzhauer beim Schlagen des Klafterholzes fanden. Sic ist mir weder vor- noch nachher wieder zu Gesicht gekommen. Die sieben Exemplare, welche ich er- hielt, glichen sich, die angemerkten Verschiedenheiten ab- gerechnet, vollkommen. 2. V. pulcerulentus. Die bepuderte Fledermaus. Temmincks Monogr IL p. 2.35- Wagner Suppl. I. p.58T. Beschreibung: Gestalt breit und kurz; Kopf sehr breit, die Ohren weit von einander entfernt: Schnauze sehr kurz, breit abgerundet; Oberkiefer länger als der untere; Nasenkuppe breit, die Nasenlöcher nach der Seite hin ge- Verzeichniss Nordatnerikanischer Säugethiere. 193 Öffnet; Lippen des Mundes stark und fleischig, etwas von Haaren entblösst ; Augen im Pelze verborgen ; Ohren ziemlich kurz, sehr breit eiförmig, beinahe ohne Ausschnitt am Rande; Tragus ziemlich kurz, elliptisch oder eiförmig; vorderer Ohrrand vom Ohrdeckel mit einem Winkel gegen die Stirn vortretend, und dieser Rand ist etwas weisslich gefärbt, bildet dabei eine Falte, vor welcher sich zwischen ihm und dem Kopfe durch Umschlagung eine Art von Ta- sche bildet ; innere Fläche des äusseren Ohres mit Quer- leisten bezeichnet. Ge b is s : Eckzähne kegelförmig und gekrümmt. Vor- derzähne des Oberkiefers jeder Seite zwei , nahe zusam- mengedrängt; im Unterkiefer an jeder Seite drei, mit breit abgestutzter Krone; die Backenzähne des einzigen mir ge- bliebenen Exemplares waren schadhaft, doch befanden sich derselben mehr als vier an jeder Seite eines jeden Kiefers ; sie sind mit starken Spitzen versehen , wovon die kleinste unmittelbar hinter dem Eckzahne steht, die zweite Spitze ist die grösste. Flughaut massig^ stark und lang, an keiner ihrer Flä- chen behaart; Schwanz, Flughaut, die Spitze des massig langen Schwanzes etwa auf 2 Linien Länge frei lassend, an der Oberfläche ihrer Wurzel lang, aber nicht besonders dicht behaart; innere Fusszehe die kürzeste; Sporn bedeu- tend länger als der Fuss; Körperpelz dicht, sanft, an den Obertheilen die Haare ziemlich dicht. Färbung: Ueberall schwarzbraun , an den Ober- theilen am dunkelsten, allein alle Haare an diesen Theilen haben weisse Spitzen; Bauch mehr grau -bräunlich über- laufen, und hier sind die Haarspifzen nicht so rein weiss- lich, sondern mehr bräunlichweiss als an den Obertheilen ; Ohren und Flughäute schwarzbraun. Ausmessung: Ganze Länge 3" 872'"; Länge des Schwanzes 1" 6'"; Länge des Kopfes 8V2'"; Länge des äusseren Ohres an der oberen Seite am Kopfe gemessen 5'"; Länge des sichtbaren Tragus IV2 l^is iVä'"; Breite des Thiercs 9" 10'"; Länge des Fusses 3'"; Länge des Sporns 6 bis 6V2'". Diese Fledermaus erhielt ich am 12. Alai in der Nähe des Punka- Dorfes und am 19. Juli, als nuin Holz für das Archiv f. Naturg. XXVJI. Jalirg. 1. Bd. 13 194 Prinz iM a x i m i 1 i a n zu W i e d : DanipfschifT schlug. Sie bewoluit also die Gegend am L'eau qui court oder von den Punka- bis zu den Mandan- und Monnitarri - Dörlern am Missouri, also wahrscheinlich den oranzen Lauf dieses Stromes. ? 3. V. siibulatus Say. 1) i e F 1 e d e r m a u s mit lanzett- förmigem Tragu s. Beschreibung: Kopf ziemlich klein, Gesicht kurz, Nase breit, an der Yorderfläche gefurcht; Ohren ziemlich gross, elliptisch, am inneren Seitenrande gewölbt, am äus- seren mehr geradlinig, an der Spitze massig zugespitzt; Tragus beinahe die Mitte der Ohrhöhe erreichend, schmal lanzettförmig und zugespitzt. Auge rund und ziemlich gross. Gebiss: Vorderzähne des Oberkiefers vier, wovon zwei gepaart an jeder Seite stehen, etwas kegelförmig zu- gespitzt, zwischen ihnen in der Mitte eine Lücke ; im Un- terkiefer 6 Vorderzähne, kurz, abgestumpft, und mit ein wenig ausgerandeter Krone; bei einem anderen, wahr- scheinlich alten Individuum, fehlten die Vorderzähne in beiden Kiefern , nur stand im unteren an jeder Seite ein gabelförmiger Vorderzahn; Eckzähne kegelförmig; die des Unterkiefers tragen nach vorne eine Nebenspitze; Backen- zähne bilden an jeder Seite hinter den Eckzähnen eine Reihe von 9 Kegelspitzen; die zwei vordersten sind klein, dann folgt eine sehr grosse Spitze, die übrigen sind wieder etwas kleiner, aber sämmtlich stark, nur die letzteren sind wieder etwas kleiner. Es scheinen an jeder Seite des Un- terkiefers 6, an jeder Seite des Oberkiefers 5 bis 6 Ba- ckenzähne zu stehen, zusammengenommen zeigen sie wie gesagt eine Reihe von Kegelspitzen in ihrer Mitte , und haben am inneren Rande einen niederen Höcker. Die Flughaut ist massig lang und breit; Daumen schlank und nicht besonders lang; Seiten-Flughaut äusser- lich am Wurzelgelenke der Zehen befestigt; die 5 Zehen des Fusses sind einander ziemlich gleich, die mittleren nur wenig länger; Sporn länger als derFuss; Schwanz mit aus der Flughaut freier Spitze, 8 Gelenke liegen ausserhalb des Körperpelzes; nur unter den Armen stehen einzelne Haare Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 195 auf der Flughaut, übrig-ens ist sie nackt; Pelz mäuseartig-, dicht und zart, am Bauche wie am Rücken. ¥ ä r b u n g : Obertheile gelblichgraubraun , die Haare an der Wurzel schwarzgrau, an ihrer Spitze gelblichgrau- braun; Bauch und üntertheile gelblichwcissgrau, die Haar- wurzeln schwarzgrau, die Spitzen gelblichweiss; nackte Theile schwarzbraun. Ausmessung: Ganze Länge 3" 1'"; Breite 8" 9'"; Länge des Kopfes T'/j'"; Länge des Schwanzes 1" 3'"; Höhe des Ohres 6'"; Länge des sichtbaren Tragus '2^1 2** \ Länge des Daumens 2^/^'"\ Länge des Sporns ö'/j'"; Länge des Fusses mit dem Nagel 3VV"- Diese Fledermaus, welche ich in meinem Tagebuche unter dem Namen „lanceolatus^ beschrieb, hat viele Aehn- lichkeit mit Say's Vespertilio subulatus, und Temminck versah die demselben mitgetheilten Exemplare mit einem Fragezeichen, obigen Namen aber zugleich auch mit drei solchen Zeichen. Auch mit der folgenden Art hat diese Fledermaus viele Aehnlichkeit, doch scheint sie von ihr verschieden , welches die Verhältnisse des Körpers dar- zuthun scheinen. Ein paar Exemplare dieser Fledermaus erhielt ich zu Bethlehem in Pennsylvanien im Monat August, welche ein- ander vollkommen ähnlich waren. Varietät: Bei einem Halte am 15. Mai Abends am Missouri, erhielt ich ein ähnliches Exemplar, welches die Holzhauer in dem Stamme eines alten Juniperus fanden, das im Allgemeinen vollkommen auf obige Beschreibung passte, allein dessen Färbung etwas abweichend war. Alle Obertheile des Thieres waren sehr schön hell- fahl gelbröthlich , die üntertheile gelblichweiss ; Gesicht, Flughaut und übrige nackte Theile schwarzbraun, welche Färbung gegen einander sehr nett abstach. ? 4. V. brevirostris. Die Fledermaus mit kurzer Schnauz e. Beschreibung: Kopf sehr kurz, Nasenkuppe breit, ein wenig vortretend ; Ohr massig hoch, ziemlich eiförmig, 1 9G Pri nz Maximilian zu \V i e d : (Jer Vorderrand etwas abgerundet, der äussere beinahe geradlinig, unter der Spitze ein wenig ausgeschnitten ; Ohr- deckel ziemlich schmal, beinahe lanzettförmig; der Pelz tritt am Kopie sehr weit vor, so dass die Augen darin gänzlich verborgen sind. Gebiss: Da ich die Exemplare dieser Fledermaus verlor, so kann ich hier die Bildung der Zähne nicht nach- tragen. Die Flughaut ist ziemlich schmal. Daumen lang und schmal, mit grossem gekrümmten Nagel. Schwanz lang, etwa 8 bis 9 Glieder liegen ausserhalb des Pelzes in der Schwanzflughaut, seine Spitze aber ist beinahe IV2 bis 2 Linien lang, frei über die Haut hinaustretend; die 5 Hinter- zehen sind gleich lang, die Nägel zart und scharf ge- krümmt; Sporn ziemlich lang; Pelz dicht, am Bauche mäu- seartig, am Rücken länger; Flughäute nach dem Leibe hin etwas behaart; Penis wie an den europäischen Arten. Färbung: Flughaut und Ohren dunkel schwarz- braun; Obertheile des Körpers dunkel gelblichgraubraun, die Haare an der äusseren Hälfte fahl gelblichgraubraun, an ihrer Wurzel dunkelgrau ; Untertheile weisslichgelbgrau, an den Spitzen sind also die grauen Wurzeln gedeckt, gänzlich von dieser Farbe. Ausmessung: Ganze Länge 3"; Breite 9" 4'"; Höhe des Ohres an der Oberseite öVj'"; Länge des sichtbaren Tragus IV3'"; der Schwanz ist aus dem Pelze frei auf T'ö'"; Länge des Sporns 5'". Ich erhielt diese Fledermaus zu Freiburg in Pennsyl- vanien am letzten Tage des Monats Juli. Sie fliegt schon ziemlich früh am Tage. Wie gesagt hat sie mit der vor- her beschriebenen viele Aehnlichkeit, zeigt aber Verschie- denheiten in ihren Verhältnissen , besonders ist der Kopf viel kürzer, wovon auch die Benennung abgeleitet. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 197 Ord. II. Rapacia. Raubthiere. See. I. Insectivora. Insekten fresser. Farn. 1. Soricina, Spitzmäuse, (ienus Sorex Linn. Spitzmaus. Obgleich mehrere Arten dieser Gattung und Familie in Nord-Amerika vorkommen, so haben wir doch nur eine Art derselben kennen gelernt. 1. S. talpoides Gapper. Die kurzschwänzige S pitz m aus. Sorex brevicaudus Say. Wagner Suppl. II. p. 62. Blarina talpoides Gray. Spencer Baird 1. c. p.37. Beschreibung: Gestalt und Pelz mäuseartig; Kör- per weich, dick und gedrungen; der Rüssel ziemlich breit und stark, seine Kuppe ein wenig gespalten. Unterkiefer sehr kurz; sehr zarte lange Bartborslen stehen rund um den Oberkiefer; Auge ohne Bewaffnung kaum sichtbar, eine höchst kleine längliche Oeffnung, das Augenlied ziemlich nackt; Ohr eine grosse, weite, elliptische senkrecht ge- stellte Oeffnung, die dehnbare Haut rings umher ist dicht behaart, der hintere Rand steht eigentlich nicht vor, kann aber gleich einer Tasche aufgehoben werden, da er doppelt ist. Gebiss kann nicht beschrieben werden, da das Exem- plar verloren ging. Vorderbeine kurz , maulwurfsartig, bis zur Hand behaart; diese mit 5 zarten, fein benagelten Ze- hen, von denen die beiden äussersten kurz, etwa unter sich gleich lang, die 3 mittleren auch einander gleich lang sind, es existirt also keine Daumwarze; Hinterfuss ebenfalls mit 5 Zehen, gebildet wie die Vorderfüsse, nur der Hinterfuss schmäler und länger als der vordere; Hände sehr fein mit kleinen Haaren besetzt, Schwanz rund, glatt, ziemlich kurz, mit kurzen , zarten Haaren ziemlich dicht bedeckt, die am Ende eine kleine Haarspitze bilden; Pelz sehr dicht, weich und maulwurfartig, am Rücken kaum länger als am Bauche. 198 Prin 7. Maximilian zu W j c d : Färbung: Vorderzähne schwarzbraun ; Ober th eile des Thieres dunkel schwärzlichgrau, beinahe wie an Talpa europaea, auf der Mitte des Rückens mit einem bräunlichen Schimmer. Untertheile aschgrau; Lippen und Mundrand beinahe nackt, röthlich gefärbt, ebenso die vier Hände und Füsse fleischröthlich; alle Nägel an der Wurzel mit einem bluthrothen Flecke, wahrscheinlich beim Tode entstanden. Ausmessung: Ganze Länge 4" ; Länge des Schwan- zes 11'"; Länge des Kopfes 11%'" 5 der Rüssel tritt über den Unterkiefer vor um 3'"; Länge des Vorderlusses mit den Nägeln 4'"; Länge des Hinterfusses bis zur Ferse ey/". Diese Spitzmaus erhielt ich zu Bethlehem in Pennsyl- vanien im Monat August. Das Exemplar ging verloren. Farn. 2. Talpina. Wurfe. Genus Scalops Cu v . W a s s e r w u r f. 1. S. aquaiicus Linn. Der gemeine W. Sorex aquaticus Linn. Sc. canadensis Desm. Wag- ner Suppl. IL p. 104. Sp. Baird 1. c. p. 60. Au- dub. 1. c. L p. 81. Beschreibung: In Gestalt und Farbe gleicht dieses Thier sehr Talpa europaea. Der Rüssel ist nackt und vor- tretend , die Unterlippe sehr kurz, von ihrer Spitze an läuft an der Unterseite des Rüssels eine Längsfurche bis zu der etwas abgeplatteten Nasenkuppe vor. Die Hände sind fünf- zehig, die vorderen sehr breit, nach innen mit einem breiten Callus ; Hinterhände klein und schmal , die Zehen durch Haut verbunden , übrigens gebildet wie an Talpa ; Schwanz beinahe nackt, nur mit einzelnen, höchst feinen, seidenartigen Haaren besetzt. Pelz ganz maulwurfsariig, sehr dicht und zart; die Ruthe des Männchens steht nahe vor dem Schwänze , die Testikel unter dem Pelze ver- borgen. Färbung: Ein schönes Silbergrau, weit heller als Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethierc. 199 an unserem Maulwürfe , an Kopf, Hals und Brust oft etwas blässer, zuweilen ein wenig- bräunlich überlaufen, besonders an den Untertheilen; Rüssel fleischroth, die Hände röthlich- weiss , die Grabeklauen weisslich. — ■ Oefters ist der Pelz des Thieres dunkelg-rau , aber immer w^it heller als an Talpa europaea , und nach dem Lichte schön silberfarben und weisslich schillernd. Ausmessung" eines starken weiblichen Exemplares: Ganze Länge 7" 4'"; Länge des völlig nackten Schwanzes 1" 2V2'"; wovon einige Linien im Pelze verborgen sind; frei oder nackt ist der Schwanz auf 1"3"'; Dicke dieses cylindrischen Schwanzes im Durchmesser V-/^*'', der Rüssel tritt über den Unterkiefer vor um 6'"; Länge des Kopfes 2" 1'"; Länge der Vordersohle mit dem. läng- sten Nagel liy^'"; Länge der Hintersohle mit dem längsten Nagel 9'"; Breite der Vorderhand lOVs'"; Breite der Hin- terhand an der breitesten Stelle 4'"; Länge des längsten Vordernagels 4'"; Länge des längsten Hinternagels IVö'"- Dieses Exemplar erhielt ich am Wabasch in Indiana Ende Decembers, wo diese Thiere häufig sind. Der Wasser -Maulwurf, wie man ihn nennt, kommt überall in Pennsylvanien , selbst im Alleghany - Gebirge ebenso jenseits desselben vor, in Indiana, Illinois, am Ohio und Missisippi, und ersetzt daselbst vollkommen den euro- päischen Maulwurf, mit dem er auch in Gestalt und Le- bensart sehr viele Aehnlichkeit zeigt. Im Aeusseren lin- findet man beinahe keinen Unterschied, und es haben ihn die Zoologen der Verschiedenheiten seines Zahnbaües hal- ber generisch getrennt. Er macht Gänge unter der Erde und wirft ganz ähnliche Erdhaufen auf wie Talpa europaea. Im Monat September erhielt ich mehrere dieser amerikani- schen Thiere lebend. Sie waren ausserordentlich schnell im Graben, und in einem Momente waren sie in der Erde verschwunden, wollte man sie festhalten, so bissen sie hef- tig um sich. Sie waren gequält von sehr vielen, grossen, hellbraunen Flöhen. Aus der völlig ähnlichen Gestalt und Bildung dieses Thieres mit unserem Maulwurfe wird es un- umstösslich, dass dasselbe auch gänzlich dessen Lebensart haben müsse, wie es denn auch wirklich ist. 200 Prinz Maximilian zu Wied: Godnia n 1) giebt interessante Nachrichten von diesem Thiere, auch von einem von Herrn Titian Pcale, dem Besitzer des zoologischen Museums zu Philadelphia, gezähm- ten Individuum. Nach Bartrams Zeugniss glaubte man früher Talpa europaea sei auch in Nord -Amerika einhei- misch; allein schon Thomas Say widerlegte dieses, und es ist jetzt allgemein der Ungrund dieser Annahme bekannt. Nach A u d u b 0 n und anderen Beobachtern variirt Sca- lops , wie unser Maulwurf, in der Farbe. Er geht nicht hoch nach Norden hinauf, weil es dort keine Regenwürmer giebt, dagegen ist er von Canada bis Florida hinab verbrei- tet und S. Baird erwähnt Exemplare aus verschiedenen Gegenden der Union , doch soll er nicht über 50^ nördl. Breite aufwärts verbreitet sein. Am oberen Missouri fand ich ihn so wenig als Au - dubon, er scheint also dort nicht vorzukommen ^). See. II. Carnivora. Raubthiere. Farn. 1. Ursina^ Bären. Genus Ursus Linn. Bär. 1. V. americanus Fall. Der schwarze amerika- nische Bär. Richardson Fauna bor. amer. I. p. 14. Audubon 1. c. p. 127. Tab. 112. S. Baird 1. c. p. 225. Der schwarze Bär ist gegenwärtig in den bewohnten Gegenden der Vereinigten Staaten meist ausgerottet und zeigt sich hier und da nur einzeln noch in bewohnten Ge- genden, dagegen war er zur Zeit unserer Reise im Alle- ghany- Gebirge und an den Grenzen der stark bewohnten Staaten, auch in w^eniger stark bewohnten Gegenden noch vorhanden und in vielen , besonders dem Gebirge, noch 1) S. Godman american Natural-History Vol. 1. p. 84. 2) Den Stern- Maulwurf (Condylura) haben wir nicht zu sehen bekommen, obgleich ich wohl von ihm hörte und ihn auch zuge- sendet bekam, Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 201 häufig. Dort fing man diese Thiere in Baum - oder Schlag- fallen i), oder man erlegte sie mit der Pürschbüchse. Am Ohio kommt er nur noch einzeln vor, am Wabasch in In- diana Avar er schon damals eine grosse Seltenheit, am Mis- sisippi dagegen lebt er noch in ziemlicher Anzahl , doch natürlich nur in den grossen Waldungen; denn er ist ein Thier der Wälder und nicht der Prairies oder offenen Ge- genden, wie die nachfolgende Art. Ebenso fand man ihn noch am unteren Missouri. Im Alleghany-Gebirge, am Missisippi und Missouri , auch an der Mündung des Ohio sahen wir öfters junge Thiere dieser Art lebend bei den Pflanzern, und in ersterem Gebirge bezahlte man ein solches starkes Bä- renfell etwa mit 2 bis 2y2 Dollars. Die indianischen Nationen zogen bekanntlich bedeu- tenden Nutzen aus der Jagd dieser Thiere, indem sie bei- nahe alle ihre verschiedenen Theile benutzten. Fleisch, Fell, Sehnen, Magen, Blase, Knochen, weshalb sie dieses Thier beinahe heilig hielten, ihm Feste und Opfer brachten und bei seiner Erlegung öfters gewisse Ceremonien beob- achteten , wie man sich aus allen älteren Schriften über Nord -Amerika unterrichten kann. Auch die weissen Ein- wanderer in diesem Welttheile benutzen den erlegten Bä- ren sehr gewissenhaft. Das schwärzliche , dem Hammel- fleische ähnliche Wildpret wird von ihnen gern gegessen, das Fett oder Oel stark benutzt und wie Schoolcraft sagt 2) , gegen das Ungeziefer angewendet. Ueber die Liebe , welche dieser Bär für seine Jungen zeigt 3), so wie überhaupt über seine Lebensart und Eigen- schaften findet man in den verschiedenen zoologischen Werken und Reisebeschreibungen die nöthigen Nachrich- ten, unter anderen auch in Capt. Cartwright Tagebuch seines langen Aufenthaltes an der Küste Labrador^). Es giebt eine zimmlbraune Varietät dieses Bären, de- 1) Dieselbe habe ich in dem 1. Theile meiner amerikanischen Reise p. 92 abgebildet. 2) Siehe Governor Cass exped. 1820. p. 183. 3) Bradbury travals etc. p. 35. 4) L. c. II. p. 343. 202 Prinz Maximilian zu W i e d : ren Existenz man hat in Zweifel ziehen wollen; allein ich habe ein solches sehr schönes Thier in der Menagerie des Tower zu London gesehen, und ein Fell bei den Oto - In- dianern am unteren Missouri , wo sonst keine andere Bä- renart vorkommt. — Sabine redet ebenfalls von diesem Gegenstande, und Audubon hat neuerdings diese rost- gelbe Varietät abgebildet und beschrieben. Die Benennungen , welche der schwarze Bär bei den verschiedenen indianischen Stämmen tragt, sind zum Theil folgende : Bei den Eskimaux an der Küste La- brador (nach der Aussage der Brüder Missionäre) Akelak ^). Der Bär mit dem weissen Halsring (Varietät oder Jugendkleid) . . Akelak - kagodalik. Bei den Ojibuäs Machkuä (ach guttural, kuä kurz). „ „ Krih's Kaskitäh-Maskuä^). r ^ Otös \ „ „ Ayowä's \ Montchä (tehämintiä). „ „ Missouri's ) Omähas / «?/// 222 Prinz Maximilian zu Wied: americana zwei Lappen , ^vovoll der erste zweiprctheilt ist, der bei M. curop. einfach; die rechte Lunge hat bei bei- den vier Lappen; im Ganzen sind die Lungen bei jenem etwas grösser. Die übrigen Organe sind gleicliförmig ge- baut, auch der Darmkanal gleich lang, ohne Coecum. — Dasselbe gilt auch von den Geschlechtstheilen und der Afterdrüse. Nur das Os penis zeigt Abweichendes ^). Bei Must. americana ist es dünner, mehr gerade, bei europaea dicker und mejir gebogen, besonders nach vorne. Noch muss ich bemerken, dass der sogenannte Ventriculus Mon- gagni im Larynx bei Must. americana mir merklicli grösser schien, was damit übereinstimmt, dass dieser Ventrikel sehr gross sich bei den Thieren Amerikas zeigt , vornehmlich bei AiTen, aber auch bei Dicotyles torquatus und labiatus, Myrmecophaga u. s. w." Dem Gesagten zu Folge hängt es nun bloss von in- dividueller Ansicht ab, ob man den amerikanischen Wiesel als Varietät des europäischen oder als Species betrachten wolle. Es ist aber heut zu Tage im Gebrauche, alle klei- nen Verschiedenheiten für specifisch trennende Charaktere anzunehmen und zur Aufstellung neuer Genera und Species zu benutzen. AuchAudubon in seiner Naturgeschichte der nord- amerikanischen Säugethiere sagt , er habe bei dem ameri- kanischen Hermelin keinen unterschied von dem europäi- schen aufünden können. Der erstere werde im Winter immer weiss, worin also auch noch eine kleine Verschie- denheit begründet ist, die indessen wohl im Clima ihren Grund haben kann, indem der deutsche Hermelin im Win- ter meist seine braune Farbe behält, und die weissen Exem- plare eine constante Varietät bilden, die in allen Jahres- zeiten weiss bleibt. Der Hermelin des oberen Missouri. Beschreibung eines weiblichen T h i e r e s : Gestalt und Färbung des europäischen Hermelins (d. h. die letztere eines weissen Exemplars, da ich dasThier im Win- 1) Siehe die Abbildung dieser Knochen in natürlicher Grösse Tab. Vlll. flg. 8. Verzeicliniss IVordumniKanisclier Säiigcthiwp. 223 ter erhielt). Der L'nlerkieler ist beinahe um 4'" kürzer als der obere (von der Spitze der Nassenkiippc gemessen); die Ohren erreichen eben die Höhe der Scheitelflärhe, sie sind weit eröd'net, mit kurzem Rande, der nach hinten eine Verdoppelung' zeigt , an ihrer äusseren Seite behaart , der Rand aber auch an seiner inneren Seite; am unteren Rande des äusseren Ohres befindet sich vor der Ohröffnung ein Ausschnitt, inwendig eine quergespannte Haut, den Tra- gus bildend. G e b i s s : Eckzähne gross und nageiförmig, dazwisclien am Oberkiefer 6 kleine, dicht an einandergestellte Schnei- dezähnchen , mit gleich abgestutzten Kronen; im Unter- kiefer, ebenfalls 6 Schneidezähne , die zwei mittleren ste- hen weiter vor , das darauffolgende an jeder Seite mehr zurück, der äusserste an jeder Seite dagegen wieder so Aveit vor als die mittleren, etwa auf diese Art: OoOOoO. Die Zunge hat in ihrer Mitte eine Längsfurche , von wel- cher seitwärts feine Ouerlinien verlaufen , welche , genau besehen, aus Reihen von kleinen Papillen bestehen; ßeine dick, stark und massig kurz; der dritte und vierte Finger sind die längsten, sie sind unter sich gleich lang; die Daumwarze steht am weitesten zurück und ist benagelt; Zeigefinger etwas kürzer als der kleine, welcher weiter zu- rück steht; Vorder- und Hinterzehen durch eine Spannhaut vereint, welche an den vorderen bis zu den hinteren Nä- geln vortritt , an den Hinterfüssen aber nur die halben Ze- hen vereint; sie ist behaart wie die Fusssohle, mit Aus- nahme der Ballenspitzen ; Klauen stark , sanft gekrümmt zugespitzt; Leib lang gestreckt, so dick wie der] starke Hals; Hinterschenkel kräftio- , der Hinterfuss gebildet wie der vordere , aber die Sohlen mehr behaart und die Nägel (Klauen) kürzer als am Vorderfusse. Schwanz zwei Zoll über die Spitze des vorgestreckten Hinterbeines mit dem Fusse hinausreichend ; Testikel länglich, im Leibe verborv^en. Färbung: Die Nasenkuppe ist fahlröthlichbraun, ebenso dieFussballen; das Auge ist schwarz; die Schwanz - spitze ist einen Zoll lang, kohlschwarz ; die Klauen an der Spitze weisslich, an der Wurzel fleischroth, zuweilen blut- rolh, ohne Zweifel weil diese Thiere in Schlingen gefan- 224 Prinz Maximilian zu W i e d : gen werden ; Färbung des Körpers vollkommen wie an dem europäischen Hermelin, weisse Varietät, also ganz sclinee- weiss, der Bauch gelblich überlaufen ; Bartborsten am Ober- kiefer weiss; das Ohr weisslich. Ausmessung: Ganze Länge 13" 8'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 5" 2'"; desselben ohne die Haarspitzen (der Rübe) 4"; Länge des Kopfes 1"11'"; Breite des Kopfes zwischen den Ohren etwa 1"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 7'"; Länge der Augenöifnung SVj'"; vom hinteren Augenwinkel zur vor- deren Ohrbasis ö'/z'"; Länge der Bartborsten 1" 7'". Ausmessung eines starken männlichen Thieres vom oberen Missouri: Ganze Länge 17" 8'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 6" 10'"; Länge desselben ohne die Endhaare 5" 10"'; Länge des Kopfes 2" 2VV"5 Breite des Kopfes zwischen den Ohren 1" 1'"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 8'"; Länge der Augenöffnung 4'"; vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 7'"; Länge der Bartborsten 2"; Länge der Vordersohle bis zum Handgelenke 1" 3'"; Länge der Hintersohle 1" 1'"; Länge des Vordernagels am Mit- telfinger 37^'"; Länge des Hinternagels an demselben Fin- ger 2 V2'"; Länge von der Nase bis auf das Schulterblatt 4"; von da bis zur Schwanzwurzel 6" 4'"; Länge des oberen Eckzahnes S'/j'"; die Schwanzspitze war etwa 1" 7'" lang schwarz; der Körper rein weiss. Das männliche Thier trägt in der Ruthe einen Kno- chen, der bei dem zuletzt gemessenen Hermelin 11 Linien lang war, dünn, V3 seiner Länge gerade, dann schief auf- wärts gebogen, die Spitze mit einem kleinen Höckerchen aufwärts, dieser Knochen hat an der unteren Fläche seines Vordertheiles eine kleine Hohlkehle. Dem hier Gesagten zu Folge sehe ich keinen Grund den Hermelin des Missouri's von dem von New- York für specifisch verschieden zu halten , und ich muss beide für eine und dieselbe Species ansehen. Leider habe ich die Exemplare verloren und kann weiter nichts über dieselben hinzufügen. ■ Dieses Thier kommt in allen von mir bereisten Ge- Verzeichniss Nordameiikanischer Säugethiere. 225 genden vor und soll im Sommer gewöhnlicli braun mit weissem Bauche, im Winter weiss sein, mit Ausnahme der kohlschwarzen Schwanzspitze, welche permanent ist. Ich erhielt im Winter bloss weisse Exemplare, und zwar in ziemlicher Anzahl, da sie in Menge vorhanden waren. Sie sollen in dieser Jahreszeit immer weiss werden, was bei dem verwandten europäischen Thiere nicht der Fall ist. Die Indianer fangen sie sehr geschickt mit Schlingen von Pferdehaaren vor ihren Löchern, welche wir häutig in den Ufern fanden, da man das Thier im Schnee spüren konnte. Die schönen weissen Fellchen werden zu dem indianischen Putze sehr gesucht, besonders als Verzierungen an Mützen, Lederhemden und an den Bogen. Bei den Mandan- und Mönnitarri-Indianern, wo wir einen ganzen Winter verleb- ten , bezahlte man ein solches Fellchen mit 6 Dollars an Werth (etwa 15 fl.) Jene Indianer befestigen zuweilen ganze Felle dieser Art auf ihren Köpfen, als ein Medecine- Zeichen oder Talisman, gewöhnlich aber wurden sie in schmale Streifen geschnitten. Für vier solcher Felle kau- fen die Indianer eine Flinte. — Ungeachtet der starken Nachstellung ist der Hermelin in der Nähe der Mandan - Dörfer noch ziemlich häufig, ich erhielt auch hier in kur- zer Zeit mehrere Exemplare , welche ich sämmtlich durch den Brand des Dampfschiffes einbüssle. Lebensart und Manieren dieses Thieres sind völlig wie bei der europäischen verwandten Art. Nach Capt Lyon^j soll der Hermelin im Norden Gänge unter dem Schnee ma- chen , welches ich in der von mir bereisten Gegend nicht bemerkt habe. Bei den Ojibuäs heisst der Hermelin Tschingöhs; bei den Mandans Mahchpach-Pirakä (ach guttural); bei den Mönnitarris Ohsisa. 2. P. pusillus Audub. Das kleine amerikanische Wiesel. Richards. 1. c. 1. p. 45. 1) Private Journal p. 82. Archiv f. Naturg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 15 226 Prinz Maximilian zu Wicd: Audub. 1. C. II. p. 100. S. Baird I. c. I. p. 159. Beschreibung eines weiblichen Thier- chens: Gestalt und Färbung- in der Hauptsache ganz wie an dem europäischen kleinen Wiesel. Der Leib ausseror- dentlich schlank gestreckt, der Hals sehr lang, Kopf sehr klein; Beinchen höchst kurz und zart, das Schwänzchen sehr kurz. Der Kopf ist klein, schlank, schmal; die Nasenkuppe breit, in ihrer Mitte mit einer kleinen senkrechten Furche; das hochstehende Nasenloch ist nach der Seite hin geöff- net; Bartborsten massig lang, am Oberkiefer über und an den Seiten der Nase , auch oberhalb des Auges stehend ; Auge länglichschmal, dabei glänzend; das Ohr erreicht mit seiner oberen Spitze nicht vollkommen die Höhe des Schei- tels, es ist platt am Kopfe anliegend, eine steife Haut, an der inneren und äusseren Seite behaart , aber sein Rand ist nackt; die Eckzähne sind gross; der Hals ist lang und dabei dicker als der Kopf; Beine und Füsse sehr klein und kurz , der Vorderfuss schmal, zwei mittlere Zehen die längsten, sie sind einander gleich, sowohl Sohle als Ballen waren an dem hier beschriebenen Sommer -Exemplare be- haart, und alle Zehen dergestalt in den Haaren verborgen, dass man sie mit der Lupe kaum sehen konnte und wo- durch auch die halbe Spannhaut der Zehen verborgen wird; der Daumen der Vorderhand ist benagelt; am Hinterfusse 5 Zehen , der Daumen bedeutend kürzer als die übrigen, an allen tritt der Pelz oder die Behaarung über die Nägel hinaus , Sohle und Ballen ebenfalls gänzlich behaart , der Zeigefinger länger als der kleine, die beiden mittleren Ze- hen sind die längsten; Schwanz kurz, streckt man die Hin- terbeine gerade aus, so erreicht er die Spitze derselben, er ist behaart wie der Körper. Färbung: Alle Obertheile haben ein dunkles Grau- braun, beinahe chocoladebraiin, alle Untertheile sind schmut- zig- oder gelblich weiss ; vier Füsse weiss, aber die Vor- derseite des Vorderbeines und Vorderlheil der Ferse des Hinterbeines über dem Fusse sind von der Farbe des Rückens; Vorderseite und Vorderrand des Hinterschenkels Verzeichniss Nordamcrikanischer Säugethiere. 227 und des Beines sind weiss; äussere Seite der Beine, Schwanz und Aftergeg-end haben die Bückenfarbe; Ohrrand weiss- lich, d. Ii. heller als das übrige Ohr; Nasenkuppe bräun- lich. Das Auge ist glänzend schwarz, am Unterkiefer steigt die weisse Kehlfarbe ein wenig über den Mundwinkel hinauf. Ausmessung: Ganze Länge 5" 10'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 11 Vj'"; desselben ohne die Haarspitzen 8'"; Länge des Kopfes 1" '/j'"; Breite des Ko- pfes bei den Ohren 7'"; Höhe des äusseren Ohres Sy^"'; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel BVs'"; Höhe des Thierchens auf den Schulterblättern 1" 2'"; Höhe über den Hüften 1" 6'"^; Länge der Vordersohle 57^^"'; Länge der Hintersohle Tyg'"; Länge von der Nasenspitze bis auf das Schulterblatt etwa 2" 3'"; Länge von da bis zur Schwanzwurzel 2" 7'". Ein ganz weisses, imDecember am oberen Missouri erhaltenes Exemplar. Färbung: Durchaus schneeweiss, ohne Abänderung, nur an der Spitze des Schwänzchens befanden sich einige wenige schwarze Haare; Ohren fleischroth, aussen und am Rande sparsam weiss behaart , innere oder vordere , nach aussen gekehrte Seite nackt ; das Naschen und die Bartbor- sten waren graubraun; Fusssohlen dicht weisslich behaart, so dass man weder Ballen noch Klauen bemerkt. Zur Vergleichung werde ich nachfolgend gegen die Ausmessung dieses weissen amerikanischenWiesels, die eines nur wenig grösseren europäischen setzen, beide auf völlig gleiche Art gemessen : Amerikanisches Europäisches Wiesel. Wiesel. Ganze Länge mit den Haarspitzen . 6" 6V3'" '^" "'" Länge des Schwanzes mit den Haar- spitzen 1" 3'" 1" 5'" Länge des Schwanzes ohne Haar- spitzen — 10"' 1" 2'" Länge des Kopfes — 15'" — 18'" 228 Prinz Maximilian zu Wicd: Amerikanisches Europäisches Wiesel. Wiesel. Breite des Kopfes zwischen den Oh- •en in der Mitte — 6VV" — 10' >/// lOi Länge der Bartborsten — 10'" — 9 Länge der Vordersohle bis zum Handgelenke — 4V2'" — 8 Länge der Hintersohle .... — TVj'" — 10'" Länge von der Nasenspitze bis über das Vorderblalt 2" — — — Länge von da bis zum Schwänze .3" — — — Länge von der Nasenspitze bis zum vorderen Augenwinkel .... — ■ — — ^y^'" Länge der Augenöffnung .... — — — 2V3'" Höhe des äusseren Ohres ... — — — SVs'" Das kleine amerikanische Wiesel hat vollkommen die Lebensart und Manieren des Europäischen, man sagt aber, dass dasselbe im Winter immer weiss werde, obgleich nach Spencer Baird das Gegentheil anzunehmen ist. Im Winter sucht dieses Thierchen die Hütten der Indianer auf, wie auch Dr. King bestätigt, und das von mir eben be- schriebene weisse Winterexemplar dieser Art wurde von demMandan-Chef Matö-Töpe in dessen eigener Hütte erlegt. Dieses amerikanische niedliche Thierchen hat viele Aehnlichkeit mit dem verwandten europäischen Wiesel, doch zeigt es auch wieder einige Abweichungen, so z. B. dass sein Fuss weit mehr behaart ist , als an unserem Thiere, man könnte es füglich dasypus nennen. Ich habe übrigens meine Exemplare verloren und kann keine weitere, nähere Yergleichung anstellen. Die Mandan- Indianer nennen den kleinen Wiesel „Makschipka"; die Mönnitarri's „Ohsissa- isipparui." 3. P. mson Briss. Der Mink. Richardson 1. c. I. p. 48. Audubon 1. c. I. p. 250. Tab. 33. Sp. Baird I. p. 177. Dass der Mink dem europäischen Nörz (Mustela lu- Verzeichniss Nordanierikanischer Säugethiere. 229 treola Linn.) sehr nahe verwandt und höchst ähnlich , ja selbst vollkommen dessen Repräsentant für Nord-Amerika ist , wird von allen Zoologen anerkannt. Man war überall zweifelhaft, ob man diese Thiere für ein und dieselbe Spe- cies ansehen, oder specifisch trennen müsse; es war mir also sehr viel daran gelegen , eine genaue Vergleichung beider Thiere anstellen zu können. Lange trachtete ich vergebens nach einem frischen vollständigen Exemplare des Nörz oder unserer Sumpf -Otter. Ich erhielt zwei präpa- rirte Bälge, den einen aus Pommern , den andern aus Tra- chenberg in Schlesien, die aber zu meinem Endzwecke nicht passend waren. So viel bewiesen sie indessen, dass diese Thierart immer noch einzeln in Deutschland gefun- den werde, obgleich sie im Allgemeinen ziemlich ausge- rottet ist. Ehemals war dieses Thier über ganz Deutsch- land, Polen und Russland verbreitet. Es glückte mir end- lich aus Sarepta , im russischen Asien, das gewünschte Exemplar im Fleische zu erhalten. Seitdem haben wir nun auch in Blasius gehaltvollem vortrefflichen Werke über die deutschen Säugethiere ^) eine gute Beschreibung des Nörz mit allen Ausmessungen erhalten, und da der Ver- fasser sich desselben Maasses bediente wie ich, so wird sich weiter unten eine Vergleichung der Ausmessungen gegen einander stellen lassen. Für jetzt wollen wir den Vison oder Mink genau nach dem Leben und nach vielen Exem- plaren beschreiben und später zeigen, dass er sich in eini- gen Zügen vom Nörz unterscheide, also vorläufig, wenig- stens mit demselben Rechte wie das amerikanische Wiesel (Putorius novaeboracensis oder longicauda Bonap.) , als besondere Species betrachtet werden könne. Beschreibung eines starken männlichen Minks nach dem eben erlegten Thiere: Gestalt der des Iltisses ähnlich, der Kopf etwa ebenso, massig breit; Augen klein , über denselben stehen einige lange Borstenhaare ; Schnauze massig abgerundet, die Nasenkuppe mit einer perpendiculären, wenig tiefen Furche von oben nach unten bezeichnet ; Unterkiefer um drei Linien kürzer 1) Fauna der Wirbeltlnere üeutschlands Bd. I. p. 234. 330 Prinz Maximilian zu Wied: als der obere; Ohren ziemlich kurz, nicht über den Pelz vortretend, an ihrem vorderen Rande oben mit einem Aus- schnitte, am Hinderrande ziemlich geradlinig und an der Basis einer kleinen Verdoppelung sind sie leicht mit kur- zen Haaren besetzt; Bartborsten neben und einige über der Nasenkuppe. Das Gebiss kommt mit dem des Nörz überein; Leib massig schlank; Beine dick und muskulös; am Vorderfusse der vierte Finger der längste, der Daumen am kürzesten , sie sind über die Hälfte ihrer Länge durch deutliche Spann- oder Schwimmhäute vereint, welche un- ten und an ihrem Rande dicht und lang , und an ihrer Oberseite sparsamer behaart sind; Nägel zusammengedrückt, gekrümmt, scharf zugespitzt; Yordersohle behaart, nur die Spitzen der Ballen sind nackt , auch der vorderste Ballen unter der Zehe unmittelbar hinter dem Nagel ist nackt; hinter den Zehen stehen drei Ballen zu einer Hufeisenge- slalt vereint, und an der äusseren Seite der Handwurzel noch einer, alle sind nackt, aber der übrige Theil der Sohle ist behaart; Hinterbeine stark, lang behaart; die Sohle behaart, nur die Ballen auch hier nackt, und diese letz- teren sind auf dieselbe Art vcrtheilt wie an den Vorder- füssen, nur mit dem Unterschiede, dass hinler den Zehen vier Ballen das Hufeisen bilden und dagegen der weiter zurückstehende fehlt; der Mittel- und vierte Finger sind die längsten und einander gleich, der äussersle ist nicht bedeutend kürzer, der Daumen aber bedeutend kürzer; die Behaarung der Zehen reicht über die Spitzen der Nägel hinaus und verbirgt diese zum Theil ; zwischen den drei äusseren Zehen tritt die Schwimmhaut beinahe bis zur Spitze vor , zwischen der dritten und vierten ist sie etwas kürzer; Geschlechtstheile äusserlich nicht sichtbar, nur an der Oeffnung der Ruthe befindet sich ein klei- ner, iy2 Linien langer Haarzopf oder Pinsel; Schwanz etwa so lang wie der Körper ohne Hals und Kopf, ziemlich dick und stark behaart, vielleicht ebenso wie am Htis, oder etwas weniger; Pelz des Thieres dicht und fein, mit einer dichten Grundwolle , dabei längeren glänzenden Stachel- haaren. Das Haar ist etwas kürzer als an dem Marder, hat aber etwa die schöne Farbe und Glanz wie am Zobel. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 231 Färbung-: Das Auge ist schwarz ; Nasenkuppe röth- lichgraubraun; die Zähne weiss: an der Spitze des Unter- kiefers befindet sich ein rein weisser Fleck, der bald etwas grösser, bald kleiner, zuweilen etwas schief gestellt ist; an einigen Exemplaren steht auch am Mundwinkel ein klei- nes weisses Fleckchen; Klauen weisslich; das ganze übrige Thier einförmig von einem schönen, glänzenden, dunkeln Braun, die Grundwolle heller und die langen Haare glän- zend schwärzlichbraun ; Beine und letzte zwei Dritttheile des Schwanzes am dunkelsten braun. Ausmessung: Ganze Länge 21" 5'"; Länge des Schwanzes mit seiner Haarspitze 8" 6'"; ohne die Haar- spitzen 7" 2'": Länge des Kopfes etwa 2" 6'"; Breite des Kopfes zwischen den Ohren 1" 5 bis 6'"; Höhe des Ohres an des Kopfseite 6'"; Breite des Ohres 8'"; Länge von der Nasenkuppe bis zum Auge 11"'; Länge der Augenöffnung 2y5'"; Länge des oberen Eckzahnes SVs'"; Länge des un- teren Eckzahnes 3'"; Länge der Vordersohle mit der läng- sten Zehe und Nagel 1" 7'"; Länge des längsten Vorder- nagels 3'"; Länge der eben so gemessenen Hintersohle von der Ferse an 2" 5'"; Länge des längsten Hinternagels Sy^'"; die längste Bartborste 273'". Innere T heile: Die Zunge ist glatt; das Herz ist kurz, dick und breit; die Leber in mehrere Lappen ge- theilt; der häutigmuskulöse Magen war mit Hasenhaaren und Federn angefüllt. — Testikel unter der Haut verborgen, schmal und jetzt im Winter ziemlich klein; im Penis befin- det sich ein Knochen, welcher bei diesem Exemplare 1" 7'" lang Avar, er ist gerade , an seinem vorderen Dritttheile knieförmig im stumpfen Winkel gebogen, zeigt an der Spitze ein abwärts gekrümmtes Häkchen und auf seiner Ober- fläche eine Längsrinne, die über die gekrümmte Spitze hinabläufl i), die beiden Nieren sind dick, gross und boh- nenförmig; am After an jeder Seite des Mastdarms steht eine gelbe Drüse, welche eine übel- und starkriechende Flüssigkeit absondern; der Geruch ist wohl schwächer als 1) Siehe die Abbildung dieses Knochens Taf. Vlll. fig. 5 in na- türlicher Grösse. 232 Prinz Maximilian zu Wied: der des Stinkthieres, giebt ihm aber nicht viel nach, indem er dem unseres Iltisses gleicht. Weibliches Thier: Gebildet wie das männliche; der weibliche Geschlechtstheil besteht in einer kleinen wenig vom After entfernten Oeffnung. — Der weisse Fleck des Unterkiefers nimmt hier zuweilen diesen ganzen Theil bis zum Mundwinkel ein , ist zuweilen etwas irregulär durch einen braunen Strich getheilt, zuweilen stehen unter dem Halse ein Paar weisse Haare, und auch zwischen den Hin- terbeinen kommen an diesen Thieren zuweilen weisse P'lecke vor. — Geruch sehr streng und iltisartig. Junges Thier: Die Sohlen sind in der Jugend mehr behaart, übrigens alles vollkommen gleich. Varietät: Ein männlicher Mink, im Januar am Wa- basch erlegt , hatte die Testikel unter der Haut schon stark entwickelt unmittelbar vor dem After liegend, weil sich die Ranzzeit nahete. Der Unterkiefer war schief weiss be- zeichnet , also auf der einen Seite etwas mehr als auf der anderen; unter der Brust zwischen den Vorderbeinen ste- hen zwei weisse Flecken hintereinander, welche etwa 6 bis 8 Linien lang sind; die Ruthe , welche mit ihrem Knochen von ihrer Oeffnung bis zu den Testikeln (1" 8'" bis 1" 9'" lang) unter der Haut ausgestreckt liegt, ist an jeder Seite von einem schmalen, weissen Längsstreifen eingefasst, und vor den Testikeln steht an jeder Seite hinter dem weissen Streifen noch ein isolirter weisser Fleck: überhaupt varii- ren diese Thiere öfters mit einzelnen, weissen Fleckchen. Ein Paar der Minke, welche ich erhielt, trugen oben zwi- schen den Schulterblättern und an den Vorderbeinen zwi- schen Haut und Muskeln lange weisse Würmer (Bandwür- mer?) etwas platt und völlig weiss von Farbe, jedoch zusammenffewickelt in einer von der Unterbaut des Thieres gebildeten Blase. Sie waren bedeutend lang, aber ausser- ordentlich weich und zerbrechlich; zerriss man sie , so floss eine schleimige Masse aus, in welcher sie sich auf- lösten. Ich habe diese Würmer leider verloren , wie so viele andere Gegenstände. Einige dieser Würmer zeigten ein paar Tage nach dem Tode des Minks noch Leben. Man Jindel auch völlig weisse Minke hier und da, ein Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 233 solcher hielt sich zur Zeit unserer Anwesenheit bei den Mönnitarri-Dörfern auf, welchem die Indianer eifrig nach- stellten , ohne dass es ihnen bis jetzt gelungen war, ihn zu fangen. Unter sehr vielen Minken, welche ich erhielt, maass der grösste in seiner ganzen Länge 22" 5'" mit den Haarspit- zen des Schwanzes. Länge des Schwanzes mit den Haar- spitzen 8" 6'"; das Gewicht betrug bei einem 21" 4"' lan- gen Exemplare 1% Pfund. Vergleichung desMink mit dem Nor z. Verglei- chende Ausmessung: üer Nörz : Der Mink : nach Blasius nach eigner Erf. Ganze Länge 19" — 21" 5"' Schwanzlänge 5" 6"' 8" 6"' (ohne Haarspitze) 7" 2"' Kopflänge 2" 8"' 2" 6"' Höhe des Ohres .../.. — 5"' — 6"' Ohrbreite — 8%o"' — 8"' (an der Kopfseite) Entfernung zwischen der Schnau- zenspilze und dem Auge . . — 8Vio"' — H'" Länge der Augenspalte ... — 4"' — 2V5'" Vordersohle mit dem Nagel . . 1" 8"' 1" 7"' Hintersohle mit dem Nagel . . 2" 1"' 2" 5"' Vergleichung des Skelettes beider T hier- arten : Zwei Skelette sind zu vergleichen , von welchen das eine, eines Nörz (lulreola) aus Sarepta an der Wolga, 16" in der Länge hält , während ein damit zu vergleichender Mink vom Wabasch 22 Zoll lang ist. 1) Beim Nörz ist die Länge des Kopfes in der des Rumpfes (ganzer Körper ohne Schwanz) nicht vollkommen 4mal enthalten; bei dem Mink vollkommen 5mal. 2) Die Länge des Schwanzes war bei dem Nörz in der des Rumpfes etwas über zweimal , beim Mink etwas mehr als lyjmal enthalten. 234 Prinz Maximilian zu Wied: 3) Schädel und Gebiss zeigen keine bedeutende Ver- schiedenheiten, wenn man abrechnet, dass bei dem jünge- ren JNörze der Schädel mehr glatt, die Kämme und Leisten zur Befestigung der Muskeln weniger slark ausgewirkt und der Oberkopf ein wenig mehr gewölbt sich zeigte. 4) Zahl der Hals- Rücken- und Lendenwirbel waren bei beiden Thieren gleich, 13 ächte und 2 falsche Rippen wa- ren jeder Seite an beiden Thieren vorhanden ; allein am Schwänze zählte ich bei dem Nörz 19, bei dem Mink da- gegen 21 NYirbel , welche dabei weit länger, d. h. mehr in die Länge gezogen waren, wodurch der Schwanz eine be- deutende Länge erhält. 5) Der Oberarm und die UIna sind bei beiden Thie- ren etwa gleich lang, überhaupt die Verhältnisse an Armen und Beinen, so wie den vier Füssen ganz gleich, nur hat der jüngere Nörz bedeutend längere Klauen an seinen Ze- hen als der Mink. Zieht man einen Schluss aus allen diesen Vergleichun- gen, so zeigt sich, dass es mit diesem Thiere gerade so gteht wie mit Putorius novaeboracensis , d. h. beide euro- päische Thiere sind ihren amerikanischen Repräsentanten höchst ähnlich , unterscheiden sich aber besonders durch die grössere Länge des Schwanzes bei den amerikanischen Thieren. Baird führt für die Verschiedenheit des Mink und des Nörz an , der erstere sei grösser und der letztere zeige zuweilen etwas Weiss an seinen Oberlippen; allein diese beiden Punkte haben wenig Gewicht , da ich einen Nörz aus Trachenberg erhielt, der dem Mink an Grösse nichts nachgab, und da ich auch Minke mit weisser Ober- lippe gesehen zu haben mich erinnere. Der Mink ist ein überall in Nord -Amerika zahlreich verbreitetes kleines Raublhier, welches vollkommen die Le- bensart unseres Nörzes oder Sumpfotter zeigt und dabei ein geschickter Schwimmer ist. Er lebt in Uferhöhlen unter alten Baumstöcken, doch meistens in der Nähe des Wassers, wo man überall seine Spuren bemerkt. Er fällt alle kleineren Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 235 lebenden Thiere an , ist den Hühnerställen gefährlich und wir sahen auf dem Pokono, im Alleghany-Gebirge, am hel- len Tage ein solches kühnes Raubthier aus dem Walde her- vorkommen und die Hühner unseres Hauswirllies neben dem Hause angreifen , wobei es jedoch mit seinem Balge bezahlen musste. Zu New-Harmony erlegten wir bei dem Orte ein solches Thier unter einem Haufen Holze, nachdem dasselbe während der Nacht sechs Hühner gelödlet , ihnen das Blut ausgesogen und das Hirn verzehrt hatte. Am Wabasch sahen wir den Mink unter die Wurzeln alter Ufer- stämme in seine Höhle einkriechen. — Er schwimmt sehr geschickt und schnell mit lang ausgestrecktem Körper, und bei Gefahr auf dem Lande sucht er sogleich das Wasser und taucht unter, kann aber nicht lange unter Wasser blei- ben, sondern muss, wie die Fischotter, mit der Nase bald hervorkommen, um Alhem zu holen. Einen übelen Geruch findet man gewöhnlich bei dem frisch erlegten Thiere nicht. Im Winter nähern sie sich häufig den menschlichen Woh- nungen und man fängt und schiesst sie alsdann häutig. Der Mink nährt sich , wenn er sonst kein lebendes Thier fangen kann, auch von Flussmuscheln, die in den dortigen Flüssen sehr gross und mannichfaltig , auch sehr zahlreich sind , daher findet man viele leere Muschelschalen in der Nähe seines Wohnplatzes, selbst auf alten Stöcken mitten im Wasser, wohin er sie trägt und verzehrt. — Die Bewoh- ner jener Gegenden und selbst die Fischer zu Piltsburgh schrieben diese Ueberreste der Moschusratte zu; allein es kann dieses nur vom Mink herrühren, da die erstere von Vegetabilien lebt, und die Verwechselung beider Thiere in dieser Hinsicht ebenso leicht zu entschuldigen ist, wie die des Kuckuks und Sperbers bei uns. Man fängt den Mink in Fallen verschiedener Art am Wabasch und Ohio , aber besonders auch in Schlagfallen, wie sie die Jäger in manchen Gegenden auch bei uns er- bauen , und der Balg des Thieres , welchen die Ameiican- Furcompany in Menge erhält, kostete von 18 bis zu 25 Cents das Stück. Die Benennungen, welche der Mink in Amerika trägt, sind zum Theil folgende : die französischen Canadier nennen 236 Prinz Maximi li an zuWied: ihn le Foutereau; die Ojibuäs „Tschang-goäsch" (zusammen zu sprechen); die Mandans „Mönnika- sünlackä ; die Mön- nitarris „Dacksiia« (u starker Accent und a getrennt); die Assiniboins „Ihkussan" (an französisch). denus Lutra Erxl. Fisehotter. Nur eine Art dieser Gattung scheint in den von mir besuchten Geffenden von Nord-Amerika zu leben, während Baird für die ganze Ausdehnung dieses weiten Landes zwei Arten beschreibt, wovon mir Lutra californica Gray nicht bekannt geworden ist. 1 . L. canadensis Sabine. Die gemeine nordameri- kanische Fischotter. Richardson 1. c. L p. 57. Audubon 1. c. IL p.2. Tab. 51. S. Baird L c. L p. 184. Tab. 38. Beschreibung meiner Reise in Nord-Amerika L p. 211. Beschreibung einer männliclien Otter vom Wabasch, im Monat December erlegt: Gestalt in der Hauptsache ganz die der europäischen Otter , allein Kopf und Schnauze scheinen dicker und breiter zu sein. Gestalt im Allgemeinen gedrungen, stark, Kopf breit, wohl Vä breiter als hoch , auf der Oberfläche nur höchst sanft gewölbt, im Allgemeinen ziemlich flach auf dem Scheitel; Gesicht sehr kurz , Nasenloch , Auge und Mitte des Ohres beinahe in einer Horizontallinie liegend , aus welcher das Auge nur kaum merklich in die Höhe reicht; Nasenkuppe sehr dick, breit, ihr Umfang ist nach vorne sanft abgerun- det , sie misst in der Breite an dem frischen Thiere lOy^ Linien; die ziemlich weilen Nasenlöcher stehen an der Seite ziemlich an dem unteren Winkel der Nasenkuppe: Lippen dickhäutig und neben der Nasenkuppe sanft abge- rundet zurückweichend ; der Unterkiefer ist kurz, schmal und der obere tritt sowohl an der Spitze als an den Sei- ten stark über den ersteren vor , welcher um öy^, Linien Verzeichniss IN'ordameiikanisclier Säugelliiere. 237 kürzer ist als der obere; der Mundrand ist am Oberkiefer um 8'/2 Linien hinter die Spitze der Nasenkuppe zurückgezo- gen; Seiten des Oberkiefers von der Nase auf mehr als die Hälfte ihrer Länge zum Mundwinkel mit vielen langen, starken Bartborsten besetzt, von welchen die hinteren und läjigsten 2" 4V3'" in der Länge messen; hinter dem Mund- winkel steht an jeder Seite des Rachens ebenfalls ein Busch von langen Bartborsten; das Auge ist klein, länglichellip- tisch und der Pelz tritt bis zu dem Rande des nackten Au- genliedes vor; Ohren klein, abgerundet, nach hinten ein wenig kurz zugespitzt , d. h. ihre Axe und Spitze nach hinten geneigt , dabei dicht mit kurzen Haaren bedeckt; Zunge fleischig und ziemlich glatt. Gebiss: Die Eckzähne schon etwas abgenutzt; Vor- derzähne oben 6, die beiden mittleren die kleinsten, die äussersten bedeutend grösser , alle mit ziemlich stumpfer Krone ; im Unterkiefer 6 Vorderzähne, eng zusammen ge- schoben, die mittleren sehr klein , der äusserste an jeder Seite bedeutend grösser, die zwischen stehenden klein und etwas in die Höhe geschoben, aber doch nicht länger, alle ziemlich stumpf; Backenzähne gebildet wie an der europäi- schen Otter, nur war der zweite Zahn von vorne hier etwas länger und mehr zugespitzt, und am Reisszahne waren die äusseren Höcker der Wurzel etwas stärker ausgeprägt. Die Stirn schien gebildet wie an der europäischen Otter; der Hals ist kurz, sehr dick muskulös, beinahe so breit wie der breite Hinterkopf, die Schultern treten etwas vor den Hals heraus, wenn das Thier auf dem Rücken oder Bauch liegt; Leib dick, langgestreckt, fleischig, wie bei allen Ottern. Schwanz kürzer als der Körper, an der Wur- zel sehr breit und muskulös, in seiner ganzen Länge etwas abgeplattet, allmählich an Breite abnehmend und von bei- den Seiten in gerader Linie allmählich zugespitzt, welches bei der brasilianischen Otter verschieden ist, auch fehlt an der europäischen Otter die Abplattung dieses Theiles; die brasilianische Otter hat die Seilenlinie ihres Schwan- zes mehr scharfkantig; die Vorderbeine der nordamerika- nischen sind dick, kurz und muskulös , der Arm am Ellen- bogen etwa C Zoll breit; Vorderfuss sehr stark, kurz, breit, 238 Prinz Maximilian zu Wied: mit kurzen gewölbten Zehen und ziemlich kurzen, bogi- gen , massig zugespitzten , etwas zusammengedrückten Klauen; Zehen mit behaarten Schwimmhäuten verbunden, die in der JVlitte ihres Randes etwas buchtig ausgeschnitten sind; Fuss und Zehen dicht und kurz behaart; der Dau- men ist am kürzesten, dann folgt in Zunahme der Länge der kleine Finger , dann der Zeigefinger , nun der vierte, der Mittelfinger ist der längste. Hinterschenkel und Beine höchst muskulös und stark; Hinterfuss etwas länger und schmäler als der vordere, Verhältniss der Zehen wie vorne, allein der Mittel- und vierte Finger sind gleich lang; Schwimmhäute der Hinterfüsse stärker und weiter vortre- tend als an den vorderen; Vordersohle nackt, bis auf die Vertiefungen und die Seiten der Zehen; hinter dem Nagel hat eine jede Zehe einen dicken Ballen, hinter den Fin- gern stehen 4 Ballen im Hufeisen dicht an einander gereiht, der zweite von aussen , welcher am weitesten vortritt, ist der grösste, ein fünfter Ballen steht unter der Handwurzel; Hintersohle ebenso gebildet wie die vordere, allein es fehlt hier der Handwurzelballen; Klauen der Hinterzehen kurz, wenig gekrümmt , ziemlich stumpf und ein wenig aufge- richtet; Aflerölfnung an der Schwanzwurzel; die Testikel liegen nahe vor dem After unter der Haut verborgen, bil- den aber eine starke Erhöhung, und 6 Linien weit davor befindet sich die Oeffnung für die Ruthe , die mit einem starken Knochen versehen und in gerader Richtung von den Teslikeln vorwärts unter der Haut gefühlt werden kann. — Haar des Körpers ziemlich kurz , dicht , sanft, glänzend, an den Untertheilen kürzer, am Rücken schein- bar ein wenig länger als an der europäischen und brasi- lianischen Otter. Färbung: An allen Obertheilen ein dunkles schwärz- liches Braun, einförmig, auf dem Vorderkopfe kaum merk- lich heller , am glänzendsten und dunkelsten am Rücken und Schwänze; Unterseite des Thieres etwas heller grau- braun, die Haare mehr glatt wie abgeschliffen, anliegend und kürzer, daher heller gefärbt; Seiten des Halses und Unterseite desselben von einem matten liellen bräunlichen Grau, indem hier die V^'urzeln der Haare dunkel und die Verzeichniss Nordamcrikanischcr Säugelhiere. 239 Spitzen heller gefärbt sind, dabei mit einem matten Glänze; die weisse Farbe habe ich an diesen Thiercn nie gefunden, wie dieses bei den brasilianischen der Fall ist, dagegen kommt die hier beschriebene untere Halsfarbe der Wa- basch - Otter beinahe vollkommen mit der der europäischen an diesen Theilen überein; die Nägel sind graubraun mit weisslichen Spitzen; Sohlen dunkel graubraun; Nasenkuppe schwärzlichbraun. Ausmessung: Ganze Länge 3' 9" 5'" (45 Zoll 5 L.); Länge des Schwanzes (auf der Oberseite gemessen) 18" 5'" ; Länge des Kopfes etwa 6"; Breite des Kopfes zwischen den Ohren 4"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 1" 8V3'"; Länge der Augenspalte 5'"; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 1" TYj'"; Breite des Ohres an seiner Basis 7^//"; Höhe des äusseren Ohres 5%'"^ Länge der längsten Bartborsten 2" 4y^"'; Länge des oberen Eckzahnes ÖVs'"? Länge des unteren Eckzahnes 5'"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Schulterknochen 8" 1'"; Länge des Vorderarmes vom El- lenbogen zur Klauenspitze 6"; Länge der Vordersohle 3"; Länge der längsten Vorderzehe ungefähr 1" 6'"; Länge der längsten Vorderklaue ^/^*'* ; Länge der längsten Schwimm- haut an ihrer Mitte gemessen 1" 1%'"; Länge des Hinter- fusses von der Ferse zur Nagelspitze 4" 7y,,'"; Länge der längsten Hinterzehe 2" 1'"; Länge der längsten Hinter- klaue 378'"5 Länge der längsten Hinterschwimmhaut 1" Q'/a'"; Breite der Schwanzwurzel (hinter dem After gemessen) 4"; Breite des Schwanzes in der Mitte seiner Länge 2" 6'" ; Höhe des Schwanzes in der Mitte 1" IV^,'"; Länge von der Nasenspitze bis zur Afteröffnung 28" 8%"' ; Länge vom After biz zur Schwanzspitze \^*' 9"'; Länge von der Ge- schlechtsölfnung bis zum Ende der Testikel 6"; Länge der männlichen Ruthe 4" 3"'; Länge des Knochens in derselben 3" 7"'; Umfang des Kopfes hinter den Ohren 12" 7"'; Um- faiig des Halses 13" 10"'; Umfang .des Leibes hinter den Vorderbeinen 14" 10"'; Umfang desselben vor den Hinter- schenkeln 16" 10"': Gewiclit dieser Otter 21 »/j Pf. 240 Prinz iMaximilian /u Wied: Verglcichung der Ausmessung obiger Fisch- otter mit einer beinahe eben so grossen deut- schen Otter. Amerikanische Otter. Europäische Otter. Ganze Länge .... 3' 9" 5'" 3" 7" 5'" Länge des Schwanzes . — 18" 5'" — 16" 9"' Länge des Kopfes . . . _ 6" — — 5" S'A"' Breite des Kopfes zwi- schen den Ohren . . _ 4" — — 3" 2V2"' Länge von der Nase bis zum vorderen Augen- winkel — 1" 8V3'" — 1" 6"' Länge der Augenspalte . — — 5"' — — ^^U" Länge vom hinteren Au- genwinkel zur vorde- ren Ohrbasis .... — 1" 7V2'" — 1" 9V2"' Breite des Ohres an der Basis — — 72/3"' — — 10"' Höhe des äusseren Ohres — — ÖV*'" — — 5"' Länge des oberen Eck- zahnes — — 54/3'" — ^ 7"' Länge des unteren Eck- zahnes _ — 5'" — — 6"' Länge von der Nasenspitze zur Schulter . . . . _ 8" 1"' — 7" 10"' Länge des Vorderarms vom Ellenbogen zur Klauen- spitze — 6" — — 6" 1'" Länge der Vordersohle . ~ 3" — — 2" 10'" Länge der längsten Vor- derzehe ^1" 6'" — 1" 3'" Länge des längsten Vor- dernagels — — 4V6'" — — 4'" Breite des Schwanzes an der Wurzel .... — 4" — -^3" 6'" Breite des Schwanzes in der Mitte — 2" 6'" — 2" 5'" Länge von der Nasenspitze bis zur Afteröffnung . — 28" 8^/5'" — 24" 4% /// Verzeichniss Nordamerikanischer Sängetbiere. 241 Innere T heile: Der Knochen in der Ruthe der männlichen nordamerikanischen Otter hat, wie bei Lutra brasiliensis, an der oberen Seite seines Vordertheiles eine liefe Rinne oder beinahe Spaltung, und ist mit seiner Spitze sanft abwärts gekrümmt (siehe die Abbildung Tab. VIII. fig. 6). A. Hintertheil des Knochens. B. seine Spitze. C.Ein- schnitt zur Befestigung , a. die Rinne oder der Einschnitt an der oberen Seite des Vordertheiles zur Durchlassung von Gefässen und Flüssigkeiten. Schon aus der Bildung dieses Knochens lässt sich die Verschiedenheit der brasi- lianischen von der nordamerikanischen Otter ersehen , ob- gleich diese Theile an beiden Thieren auch wieder viele Aehnlichkeit zeigen. Die Leber ist gross , in sieben Lap- pen getheilt, zwischen welchen die ziemlich grosse Gallen- blase liegt. Der Magen ist länglich, sanft gekrümmt, mit mehreren Querialten oder leichten Einschnürungen an der Oberseite, Nieren gross , aus vielen eckigen, neben ein- ander liegenden kleineren Theilen zusammengesetzt, die etwas halbkreisförmig in drei Reihen an einander befestigt sind; Magen und Darm mit Ueberresten von Fischen an- gefüllt; der Blinddarm fehlt; Rectum sehr dick und stark, mit einem dicken zähen Schleime angefüllt; Bauchfell und übrige Theile höchst muskulös; die beiden Seitenkanten des etwas flachgedrückten Schwanzes werden vom Fette ge- bildet. Varietäten: Man hat einst am Missisippi eine günz- lich weisse Fischotter gefangen. Die verschiedenen Exem- plare , welche wir erhielten , kamen in allen Stücken mit einander überein. Diese Otter des Wabasch, Ohio, Missisippi und Mis- souri hat vollkommen die Lebensart und Manieren der eu- ropäischen verwandten Art. Sie bewohnt Höhlen in den Flussufern, wo sie ihre zwei , drei bis vier Jungen wirft. Diese kleinen Thiere sollen sogleich laufen können, sobald sie den Leib der Mutter verlassen , wie uns mehrere zu- verlässige Leute versicherten. Das Fell dieser Otter wird gut bezahlt, auch die In- dianer gebrauchen dasselbe zu ihren schönen Anzügen und zur Verzierung. Ganze Otterhemden und lange Binden Aroliiv f. Nalurg. XXVII. Jahrg. 1. Ba. 16 •n r> n 242 Prinz M a x i m i I i a n z u W i e d : dieses Felles sah man bei ihren Chefs und ausgezeichne- ten Kriegern. Man fängt die Ottern in den Vereinigten Staaten mit eisernen Telierfallen und Schlagbäumen. Die Benennungen , welche dieses Thier bei den Na- tionen des Missouri und Missisippi trägt , sind etwa fol- gende : Bei den Ojibuä's Nikihk. .. .. Maschkiegon .... Schgauih - tikuock (letztes Wort kurz zu- sammen gesprochen). ., Assiniboin Ptan oder Petän (an franz., e kaum hörbar). ^ Dacota wie Assiniboin. ., Musquake Kattatawe ( w zwi- schen ü und w, ekurz). „ Sauki (Saki) ..... Kittäh. „ Crih (Cree) Nikitt. .. Wasaji (Osage) .... Tochenängä (ch deutsch guttural). ., ^ Ohto Tohsch-nong-ä (alle Silben gleich). „ „ Omähha Tuhsch - nongä. „ „ Mandan Pähchtekeh (ch gut- tural, e nur halb gehört). „ Mönnitarri Bidda-pöhkä. ^ ,, Arikkara Tschitähpat oder Tschittäh - pätte (e halb ausgesprochen). ., „ Blackfoot Emonähs. Schon in der Beschreibung meiner Reise in Nord- Amerika habe ich gesagt, dass diese Otter als eine von der europäischen verschiedene Specics anzusehen sei, und dass man sie mit noch mehrerem Unrecht mit der Brasilianischen verwechseil habe, wie früher einige amerikanische Schrift- steller thaten, welches nun aber längst widerlegt ist. A u- dubon, Richardson nnd Spencer Baird haben sie richtiger Weise als selbstständige Species behandelt. Mit der europäischen Otter könnte man aber diese nordameri- kanische Art sehr leicht verwechseln , da beide überaus Verzeichniss Noidamerikanischer Säugethiere. 243 viele Aehnlichkeit, besonders gänzlich dieselbe Färbung zeigen. Es sind bei diesen Thieren besonders der Kopf und der Schädel , welche Verschiedenheiten zeigen , auch ist der Schwanz des amerikanischen Thieres etwas mehr abgeplattet u. s. w. Der Schädel der europäischen Otter ist im Verhält- nisse etwas schmäler und länger als der der Amerikani- schen, dabei etwas weniger abgeplattet, da bei der letzteren hinter den Gesichtsknochen oberhalb der Augenhöhlen auf der Oberfläche des Kopfes selbst eine kleine Concavität sich zeigt; an der amerikanischen Otter ist die Nasenöff- nung mehr rund, bei der europäischen eiförmigsenkrecht, übrigens finden sich nur sehr unbedeutende Unterschiede, welche wahrscheinlich durch das etwas verschiedene Alter hervorgebracht sein können. Lutra lataxina der französischen Zoologen kenne ich nicht aus eigener Ansicht. Herr Professor Isidore Geof- froy St. Hilaire, jener ausgezeichnete Zoologe, hat die Güte gehabt, den Otterschädel des Wabasch mit dem der ersteren zu vergleichen, wobei derselbe einige kleine Ver- schiedenheiten des Zahnbaues fand. Spencer Baird zieht Lutra lataxina zu canadensis, worüber ich indessen nicht hinlänglich zu entscheiden vermag. Farn. 3. Ganina. Hunde. Es ist wohl keine Familie der Säugethiere so schwierig für den Zoologen, wie die der hundeartigen Thiere, da sie höchst zahlreich an Arten und Individuen, überall in allen Climaten und Breiten unserer Erde verbreitet , und dabei dem Abändern ganz ausserordentlich stark unterworfen sind. Der Mangel genauer, gründlicher Beschreibungen lässt sich auch auf diesem Felde ganz besonders fühlen, denn unter einem allgemeinen ähnlichen Habitus sind bei diesen Thieren doch oft grosse Verschiedenheiten der äusseren und inneren Bildung vorhanden , und es würden sich ge- wiss Kennzeichen für die Bilduno- mehrerer Gattunoren finden. Bei der grossen Menge der Varietäten der Hunde-Ar- 244 Prinz Maximilian zu Wied: teil in der Farbe, hat man auch viele Species gebildet, wel- che wegfallen müssen , und man geht dabei oft höchst leichtsinnig zu Werke. So ist z. B. über eine von mir für Brasilien beschriebene Fuchsart , Canis Azarae , sehr viel geschrieben und allerhand Deutungen versucht worden, ohne dass jemand sich bemühet hätte, das Originalexemplar bei mir zu vergleichen, und viele haben dasselbe gewiss ganz unrichtig gedeutet. Auch für Nord-Amerika ist eine Fest- stellung der Arten zum Theil nicht leicht, es ist indessen gewiss, dass man dort zwei Arten von eigentlichen Wölfen annehmen könne, den einen in den mittleren und vielleicht östlichen Staaten, und einen zweiten, von Richa rdson be- schriebenen, welcher aus dem Norden an der Westseite des Continents hinab bis nach dem Missouri und den Rocky-Moun- tains verbreitet zu sein scheint. Westlich vom Alleghany- Gebirge, im Staate Indiana , haben wir einen Wolf kennen gelernt, den ich nach genauer Vergleichung nicht von dem europäischen zu unterscheiden vermag, und welcher ge- wiss auch im Alleghany-Gebirge und den östlichen Staaten vorkommt. Dagegen ernähren die westlichen Prairies eine in der Färbung beständig höchst variabele Wolfsart in gros- ser Menge , und diese scheint es mir zu sein, welche der vortreffliche Beobachter, Dr. Richa rdson, beschreibt. Ich werde in den nachfolgenden Zeilen die von mir dort beobachteten Thiere beschreiben , so gut es mir, nach dem Verluste der meisten Materialien noch möglich ist. Geuus Canis Linn. Uuud. A. Lupini. Wölfe. Mit deutlich an den beiden Seiten oder doch an der einen derselben, gelappten Vorderzähnen. 1 . C. Lupus (americanus^ Linn. Der gemeine amerikanische Wolf. Canis occidentalis var. S. Baird 1. c. 1. p. 104. Canis Lupus occidentalis Richards. 1. c. i. p. 60. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. ?4r) Beschreibung einer vom Wabasch erhal- tenen Wölfin ^) : Gestalt gänzlich die des europäischen Wolfes. Färbung: Im Allgemeinen fahl graugelblich, überall mit starken schwarzen Haarspitzen , die an den Seiten des Halses und an den Schulterblättern kleiner und blässer, auf dem Rücken und an den Seiten des Leibes länger und schwärzer sind, besonders ist die Mittellinie dos Rückens recht stark schwarz bespitzt; die Seiten der Hinterschen- kel zeigen weniger schwarze Mischung ; die grosse breite Nasenkuppe ist dunkelbraun; Stirn, Oberkopf und Mitte des Nasen - und Schnauzenrückens sind fahl graubraun, indem hier die Haare an der Wurzel graubraun , dann gelblich und an der Spitze schwarzbraun gefärbt sind; Sei- ten des Oberkiefers oder der Schnauze etwas mehr ins Rothbräunliche fallend ; Einfassung des Rachens oder die Lippen, Unterkiefer und Kehle schmutzig weisslich ; Rand der Augenlieder schwarzbraun. Seiten des Kopfes fahl weisslichgraugelb , mit schwärzlichen Haarspitzen ; inneres Ohr mit langen schmutzigweissen Haaren besetzt; äussere Fläche des Ohres rothbraun, in ihrer Mitte und an den Rändern der Spitze zu beiden Seiten mit schwarzen Haar- spitzen; Hals mit langen starken Haaren, deren Spitzen schwarz sind ; Bauch ungemischt schmutzig graugelblich- weiss; Schwanz fahl graugelb, auf seiner Oberseite, an seinen Seiten, an der Spitze und unterhalb derselben stark schwarz bespilzt; die vier Beine sind fahl gelbröthlich, an den vorderen läuft an der äusseren Seite der oberen Vor- derkante des Vorderarmes ein schwarzgemischter Längs- streifen hinab; innere Seite der vier Glieder ungemischt fahl weissgelblich, Klauen schwarzbraun. Ausmessung: Ganze Länge 4' 9" 9'" (57" 9'"); Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 18" 8'"; dessel- ben ohne die Haarspitzen 14" 9'"; Länge des Kopfes 9" 9"'; 1) Der Versicherung der dortigen Jäger zu Folge, war dieses Exemplar kein starker Wolf, die Wölfinnen sind ohnehin immer ge- ringer als die Wölfe. Er wog 60 amerikanische Pf., etwa 75 unse- res Gewichtes, und war vollkommen so stark wie eine gewöhnliche Wölfin bei uns. 246 Prinz Maximilian zu Wied: Länge von der Nasenspitze bis zum vorderen Augenwinkel 4" OVs'"; Länge der Augenöffnung 8V3'"; Länge vom hin- teren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 3" 4'" ; Breite des Ohres an der Wurzel 2" 8'"; Höhe des Ohres (an der Scheitelseite gemessen) 4" S'/j'"; Umfang des Kopfes vor den Ohren 16" 3'"; Länge des Vorderarmes (vom Ellen- bogen bis in die Mitte des Vordergelenkes gemessen) 8" 6'"; Länge der Vordersohle bis zum Handgelenke 6"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 9" 4'"; Breite des Vorder- fusses 2"; Breite des Hinterfusses 1" OVj'"; Höhe des aus- gestreckten Vorderbeines bis über die Schultern 27"; Höhe des ausgestreckten Hinterbeines bis über die Hüfte 25" 6'"; Umfang des Wolfes hinter den Vorderblättern 2ö" 5"'; Länge des obern Fangzahnes O'/j"'; Länge des unteren Fangzah- nes 9V3"'. Der Schädel des hier beschriebenen Exemplares wurde mit dem eines deutschen Wolfes verglichen und zeigte keine bemerkbare Verschiedenheiten. Das Thier selbst steht jetzt ausgestopft neben seinem europäischen Verwandten, und der Beobachter wird dasselbe schwerlich davon unterscheiden können. Dem Gesagten zu Folge kann ich diesen Wolf nur als identisch mit dem europäischen ansehen, man möge ihn daher Canis Lupus (americanus) nennen. Ich besitze leider keine ganz genaue Ausmessung des europäischen Wolfes, Blas ins hat dagegen einige Maasse desselben angegeben, ob sie aber auf dieselbe Weise genommen sind, wie die meinigen, kann ich nicht sagen. Ich werde diesen Mangel der vergleichenden Ausmessung, so bald ich dazu Gelegen- heit linde, nachzutragen suchen. Der Wolf der mittleren Staaten von Nord-Amerika ist in den grossen Waldungen von Indiana, am Wabasch nicht selten, und in New - Harmony vernahm man ihr Geheul in kalten Nächten. Man fängt sie in Wolfsgruben , starken Tellereisen oder in Schlagfallen. In den Prairies von Il- linois soll man diese Thiere im Winter zuweilen noch in Ru- deln vereint sehen. Es giebt hier graue und röthliche Wölfe wie in Europa, auch schwarze, wie man mir versicherte, und welche Audubon abgebildet hat. Der Balg eines Wolfes gilt in dieser Gegend etwa 50 bis 75 Cents. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 247 Den schwarzen Wolf der Prairies von Illinois beschrie- ben mir die Pflanzer auf nachfolgende Art: „er unter- scheide sich von dein grauen, beschriebenen, durch weni- ger spitzigen Kopf und einen Schwanz , welcher dem des Hundes ähnlich sei , d. h. etwas gebogen und dünner be- haart, auch sollen die Haare daran herabhängen. Dieses Thier wird gross und stark und soll viele Schafe rauben. Man soll sie in Trupps gehen sehen , zuweilen auch mit dem grauen Wolfe gemischt. Da ich übrigens dieses Thier nicht selbst gesehen habe, so kann ich über die Wahrheit der Aussage nicht entscheiden , bezweifle sie übrigens durchaus nicht, und halte diesen schwarzen Wolf für Va- rietät des grauen. Audubon bildet verschiedene Varietäten amerikani- scher Wölfe ab, sein weisser Wolf gehört aber gewiss zu der nachfolgenden Art. üebrigens ist dieser Beobachter der Ansicht, dass alle amerikanischen Wölfe nur Varietä- ten einer und derselben Species seien, welches mir aber nicht richtig scheint. 2. Canis Dariabilis. Der veränderliche Wolf. Diagnose: Ohr kürzer und mehr abgestumpft als am östlichen Wolfe, Schnauze dicker; Vorderbeine gewöhn- lich ohne den schwarzen äusseren Längsslreifen; Farbe von der gewöhnlichen grauen bis zur rein weissen variirend. Lewis and Clarke Reise. ßeschr. meiner Reise in Nord-Amerika. Audubon 11. p. 156 mit Abbild. ? Richardson 1. c. 1. (Canis Lupus occidentalis) p. 60. Sp. Baird 1. c. p, 105- Var. Canis nubilus Say. Dieser Wolf scheint von dem der östlichen Staaten verscliieden zusein, und schon Lewis and Clarke spre- chen diese Ansicht aus. Beschreibung eines starken männlichen, am 12. D e c e m b e r bei P^ o r t Clarke erlegten Wol- fes von der gewöhnlichen grauen ^' a r i e t ä I : Gestalt in der Hauptsache die des europäischen Wolfes, 248 Prinz Maximilian zu Wied: allein das Ohr ist etwas kürzer und weniger zugespitzt, die Schnauze scheint etwas dicker zu sein, dabei variiren diese Wölfe weit mehr, und meist ins Weisse, welches bei den östlichen nicht der Fall zu sein scheint, auch werden sie nicht völlig so stark wie unser europäischer WoU". Ge- biss dem des letzteren ganz ähnlich. Färbung: Ziemlich wie an dem oben beschriebenen Wolfe vom Wabasch; allein das Gesicht weicht etwas ab. Iris im Auge fahl gelblichgraubraun, nach der Pupille hin etwas dunkler , bei dem lebenden Thiere weisslichgrau, gelblich überlaufen und am Rande dunkler punctirt, um die Pupille herum gelbbraun ; Umgebung der Augen , Backen und Seiten der Schnauze weisslich; Stirn grau gemischt, der Schnauzenrücken bis zur Nasenkuppe hinab ist röth- lichfahl : die kurzen abgestumpften Ohren sind fahl gelblich- grau, Rücken und alle Obertheile des Thieres gelblichgrau mit starken schwarzen Haarspitzen; vier Beine, Bauch und alle unteren Theile ungefleckt weisslich; der Längsstreifen auf den Vorderbeinen , den man an No. 1 bemerkt, ist mir bei diesem veränderlichen Wolfe nie vorgekommen. Ausmessung: Ganze Länge 4' 10" 3'"; Länge des Schwanzes 1'6"6'"; Länge desselben ohne die übertreten- den Spitzenhaare 15"; Länge des Kopfes 10" 2"'; Breite des Kopfes vorne zwischen den Ohren etwas 4"; Höhe des Ohres an der Scheitelseite 3" 5"'; Breite des Ohres an der breitesten Stelle 2" Sy^"'; Länge von der Nasenspitze zum vorderenAugenwinkel4"8V2"'; Länge der Augenöffnung 8"'; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 3" 8"'; Höhe des Vordergestelles bis auf die Schultern 2' 4" 7"'; Höhe des Hintergestelles 2' 3" 2"'; Länge der Vordersohle bis in das Fussgelenk 6" 5"': Breite der Vor- derfährte (des Vorderfusses an der Sohle) 2" 7"'; Länge der Fersensohle 9" 2"'; Breite der Hinterfährte 2" 3"'; Länge des oberen Eckzahnes 1" 2"' (er war abgenutzt und stumpf, daher der Wolf schon all), unterer Eckzahn noch mehr abgenutzt und abgestumpft ^). Gewicht des beschrie- 1) Durch das Zerbeissen der in der Prairie umherliegenden Knochen und zahlreichen Skelette nutzen diese Wölfe ihre Zähne ge- wiss früher ab als andere. Verzeichniss Nordameiikanischer Säugethiere. 249 benen Wolfes in seinem im Winter ausgehungerten Zu- stande 58 Pf. amerikanisch. Der Knochen in der Ruthe dieses männlichen Wolfes hielt 4 Zoll 7 Linien in der Länge. Er war beinahe ge- rade und zeigte nur kleine wellenförmige Biegungen seines Randes , dabei eine lange Hohlkehle oder Rinne , welche etwas vor der Spitze an der Oberseite endete; am Leib- ende war dieser Knochen ein wenig abwärts gebogen (siehe die Abbildung dieses Knochens in natürlicher Grösse Tab.VIlL flg. 1). Die Wölfin ist gewöhnlich etwas kleiner, ihre Fär- bung in der beschriebenen grauen Varietät nicht verschie- den. Die grösste Wölfin , welche ich maass , hielt in der Totallänge 4' 6" 10'"; der grösste männliche Wolf 5 Fuss. Varietäten: Der veränderliche Wolf des oberen Missouri ändert in der Farbe sehr stark ab, und man findet diese Thiere von der beschiebenen grau- und schwarzge- mischten Färbung bis zu der ganz rein weissen in allen Abstufungen und Uebergängen in ein und derselben Truppe, doch sieht man nie eigentlich gefleckte. Oft ist das Thier ganz weiss , oft gelblichweiss , oft w eiss mit schwärzlichen Haaren auf dem Rücken , oft auch befindet sich nur der Schwanz an seiner Oberseite mit schwarzen Haarspitzen besetzt, oder der Rücken etwas grau oder schwärzlich ge- mischt, und wie gesagt bemerkt man alle diese Färbung in einem Rudel vereint, was einen eigenen Anblick giebt; doch sind mir auf unserer Reise den Missouri aufwärts bei weitem mehr weisse als graue Thiere dieser Art zu Ge- sicht gekommen. Ein Hauptcharakterzug dieser Species scheint es mir zu sein, was mir alle dortigen Jäger ver- sicherten, dass diese Wölfe ihre Jungen immer in Erdhöh- len oder Bauen werfen, und nicht, wie der östliche und der europäische Wolf, über Erde. Beschreibung einer ganz rein weissen Wöl- fin, welche in ihren Ausmessungen etwas abwich. Sie hatte in der Hauptsache die beschriebene Gestalt, 250 Prinz Maximilian zu Wied: allein der Kopf schien etwas mehr schlank. Die Farbe war gänzlich rein weiss; Wasenkuppe schwärzlich; Iris im Auge wie oben beschrieben. Ausmessung: Ganze Länge 4' 8"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 17" 2'"; desselben ohne die Haarspitzen 14" 6"'; Länge des Kopfes 9" 6"'; von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 4" 5"'; Länge der Augenspalte 872'"? ^om hinteren Augenwinkel zur vorde- ren Olirbasis 2" 10"'; Höhe des Ohres (am Kopfe gemes- sen) 8" 2V2'"; Breite des Ohres an der breitesten Stelle 2"; Breite des Kopfes vorne zwischen den Ohren 3"; Höhe des Yordergestelles, die Rückenhaare angelegt, dabei Fuss und Nägel ausgestreckt 25" 6"'; Hintergestell ebenso gemes- sen 26" 9"'; Länge des abgenutzten und etAvas abge- brochenen oberen Eckzahnes IOYj"'. Diese Wölfin erlegten wir in der Abenddämmerung in der Prairie, als wir sie umher traben sahen, indem wir uns hinter einem Ufer verbargen und die Hasenstimme nachahmten. Sie kam darauf auf etwa 80 oder 90 Schritte herbei , und wurde mit der Büchse erlegt. Sie wich in ihren Verhältnissen von den übrigen dortigen Wölfen etwas ab, der Kopf schien schmäler und der Schwanz länger und dünner behaart, sie könnte deshalb leicht eines jener Ba- starde von Hund und Wolf gewesen sein, die dort öfter vorkommen sollen. Meine Beschreibung dieses veränderlichen Wolfes scheint mit der von Richardson gegebenen ziemlich übereinzustimmen, und es könnte, wie es mir scheint, wohl sein, dass diese Wolfsart von Norden in den westlichen Gegenden bis zum Missouri und den Rocky-Montains hinab verbreitet wäre. Am oberen Missouri sind diese Thiere sehr zahlreich und es verging kein Tag, wo wir ihrer nicht welche, oft sehr viele sahen. Zu Fort Pierre, Fort Clarke, auch M'Kenzie sah man sie am hellen Tage in der Prairie herum traben und mit einander scherzen. Sie waren höchst kühn, kamen auch besonders Morgens und Abends den in- dianischen Dörfern sehr nahe. Oeflers belaufen sie sich daselbst mit den indianischen Hunden, und es entstehen dadurch , wie gesagt , Bastarde , mit deren Beschreibung Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 251 man sich vorzusehen hat. S a y's Canis nubilus ist wahr- scheinlich Varietät des beschriebenen Wolfes, auch die wei- ter oben beschriebene weisse Wölfin würde ich zu den Bastarden zählen, wie schon gesagt ^). Alle lebenden Thiere der Prairie werden von diesen durch ihre Zahl besonders gefährlichen Raubthieren gejagt. Man braucht nur einen Flin- tenscluiss zu thun , so sieht man schon in der Ferne die bunte Gesellschaft der Wölfe heranziehen. In einiger Ent- fernung setzen sie sich auf die Kruppe nieder und beob- achten den Jäger. Abends und in der Nacht hört man ihr Geheul überall. Ist ein Thier angeschossen , so folgen sie augenblicklich der blutigen Spur und der Jäger muss sich sehr beeilen , wenn er nicht zu spät kommen will. Im Schlamme versunkene Thiere in der Zeit der niedrigen Ge- wässer sind ihnen angenehme Versammlungspunkte , der Schlamm wird alsdann von ihren Fusstritten (Fährten) fest- getreten. Wo die Bülfelheerden umherziehen lindetman auch diese Art der Wölfe, in Gesellschaften von 10 bis 30, doch mehr habe ich wohl nicht zusammen gesehen. Besonders in der Strenge des Winters sind sie sehr dreist, sie heulen alsdann heftig und es sind öfters Indianer in den Missouri- gebüschen von ihnen angefallen worden. Das Geheul ist dem der indianischen Hunde sehr ähnlich , die auch nahe mit ihnen verwandt zu sein scheinen. Lebensart und Ma- nieren sind übrigens denen des europäischen Wolfes ähn- lich. In den Beschreibungen der amerikanischen Reisen- den findet man vielfältig Nachrichten von den Wölfen, be- sonders bei Lewis und C 1 a r k e , A u d u b o n und ande- ren, auch bei Governour Gass^j, wo Schooleraft Nachrichten über die Wolfsarten des Missisippi gab. Boss Cox 3) erzählt von der Art wie die Prairie - Wölfe das Wildpret jagen sollen; allein diese Nachricht scheint mir etwas abenteuerlich und es ist uns nie etwas Aehnliches 1) Siehe die Beschreibung meiner Reise, wo sich viele IXach- richten über diese Thiere finden. 2) Exped. 1820. 3) Siehe dessen Werk p. 191 ii. 212. 252 Prinz x\I a x i ni i I i a n i u W i e d : vorgekommen , noch von den dortigen Jägern bestätigt vv'orden. Die Höhlen dieser Wölfe, in welchen sie im Monat April 4 bis 9 Junge werfen sollen, haben wir in der Prai- rie häufig gefunden und alsdann im Schnee gespürt, dass die Bewohner am frühen Morgen eingekrochen waren. Spä- ter wenn die Jungen etwas heranwachsen, suchen sie diese Erdhöhlen nicht mehr auf. Die Indianer fangen die Wölfe in Fallen oder schies- sen sie bei einen Raube auf dem Anstände, indem sie häufig ihre gestorbenen und verhungerten Hunde im Schnee hin- ausschleifen. Den Balg verkaufen sie an die Pelzhandel- Campagnie, verzieren auch ihre Anzüge damit, oder tragen Streifen von Wolfsfell um den Kopf, oder als Medecine- zeichen. Einige Benennungen des Wolfes bei verschiedenen Indianerstämmen sind die nachfolgenden: Bei den Ojibuäs heisst der Wolf . Ma-i-gän (kurz zu- sammen gesprochen). „ „ Omäha's Schänton (on franz.). der graue Wolf . . . Schänton - son ( on franz.). der schwarze Wolf . . Schänlon sobbä. „ „ Otos Schänton. der graue Schänton Schkah. der schwarze .... Schänton sä-uä. „ „ Osagen (Wasaji's) . . . Schomikasse (e ganz ausgesprochen). „ „ Dacotäs Schuk-töketscha- tanka. „ „ Assiniboins Schunk- togitsche (e halb). „ „ Arikkaras der graue Wolf Szirihtsch - tehu- nehnoch. der weisse Wolf . . . Szirihtsch -slähka. „ „ Blackfeet , Sikkapehs. ., „ Chayennes Hoh-ni (nikurz). „ „ Kutanä's Kachki od. Kachkin (ach guttural). Yerzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 253 Bei den Mandan's Chäratä (cha gult). der graue Wolf . . . Chäratä -chöttä. der weisse Wolf . . . Chäralä schöttä. der schwarze Wolf . . Chäralä psih. „ „ Mönnitarris der graue Wolf Sähscha (schakurz). der weisse Wolf . . . Sähsch-attäki. der schwarze Wolf . . Sah - tschüpischä. Townsend hat einen Lupus gigas aus den Ebenen von Columbia beschrieben, der sich durch die Grösse, Kürze des Schwanzes als auch Bildung des Schädels auszeichnen soll. Ich kenne diesen Wolf nicht und Baird hat ihn auch nicht als besondere Species aufgenommen. o. C. latrans Say. Der Prairie-Woll. M. Long exped. to Rocky-Mont. Vol. L p. 168. Richards, faun. bor. amer. l. p. 73. Audubon IL p. 150. Tab. 71. S. Baird 1. c. I. p. 113. Coyote der Mexikaner. Beschreibung eines weiblichen Thieres. Die Gestalt ist wolfsartig, steht aber doch mehr in der Mitte zwischen Wolf und Fuchs, die Beine sind höher als am Fuchse, der Schwanz kürzer, der Kopf kleiner und mehr schlank als am Wolfe , daher mehr fuchsartig. Die Schnauze ist lang und etwas mehr zugespitzt als am Wolfe, der Kopf oben breit, die schwarze Nasenkuppe feucht; Bartborsten lang , ähnliche Haare stehen über dem Auge und hinter dem Mundwinkel, das Ohr ist steif, stark, ziem- lich zugespitzt, gebildet wie am Wolfe, an seiner inneren Fläche stark behaart. Das Gebiss ist stark; Vorderzähne |, von den oberen ist der äusserste an jeder Seite länger als die übrigen, dabei etwas kegelförmig zugespitzt, die vier mittleren ha- ben einen kleinen Flügel oder Seitenlappen an jeder Seite. im Unterkiefer ist der äusserste Zahn jeder Seite grösser, 254 Prinz Maximilian zu Wied: die beiden mittelsten Zähne oben und unten (d. h. in bei- den Kiefern) sind etwas kleiner als dieübrigren, alle Schnei- dezähne des Unterkiefers haben ebenfalls einen Seitenflü- gel oder Seitenlappen ; Eckzähne lang , kegelförmig und sanft gekrümmt; Backenzähne |; im Oberkiefer zuerst ein kleiner Spitzzahn, eine einfache kurze Spitze, dann fol- gen zwei grössere und längere , welche hinten eine kleine Nebenspitze oder ein Knöpfchen zeigen , nun der grosse Reisszahn (carnassiere) mit zwei Spitzen wovon die vor- dere stark und zugespitzt , die hintere kürzer und mehr stumpf ist ; hinter dem Reisszahne steht ein breiter Zahn, aussen mit zwei aufeinanderfolgenden Kegelspitzen , nach innen mit etwa 3 Höckern , welche kürzer sind, der letzte Zahn ist gebildet wie der zuletzt beschriebene, aber weit kleiner und seine zwei Kegelspitzen sind kurz. — Im Un- terkiefer steht vorne ein kleiner Spitzzahn, dann folgen 8 einspitzige, lange Zähne, welche nach vorn und hinten etwas verlängert sind , der dritte hat nach hinten eine starke Nebenspitze ; hinter diesem folgt der grösste Zahn mit zwei starken Kegelspitzen , von welchen die vordere kürzer und mehr stumpf ist, und neben dieser hinteren derselben steht nach innen eine kleine Nebenspitze; dann folgt ein kleiner Zahn mit zwei Höckern neben einan- der , nun ein grösserer mit vier gepaarten Höckern , wo- von die vorderen die grossesten , und zuletzt ein klei- nes rundliches Zähnchen , das in seiner Mitte eine Längs- furche trägt. Des Hals des Prairie-Wolfes ist kurz, der Leib dick, beide Theile wolfsartig, also mehr dick und nicht so schlank als am Fuchse; Vorderfuss : zwei mittlere Zehen gleich lang, der Zeige- und kleine Finger einander gleich lang und bedeutend kürzer als die mittleren ; Daumen weit zu- rückstehend ; alle fünf Nägel massig gross, sanft gekrü?nmt, etwas zusammengedrückt; Ballen der vier Zehen nackt, ziemlich eiförmig, hinter denselben steht ein grosser etwas breit herzförmiger Ballen, indem derselbe an den Seiten etwas ausgeschweift ist; unter dem Handgelenke steht ein kleiner , rauher , etwas zugespitzter Ballen in der Mitte ; Hinterfuss ebenso gebildet, hat aber nur vier Zehen, da Verzeichniss Nordanierikanischer Säugethiere. 255 der Daumen fehlt; Ballen und Verhältniss der Zehen wie vorne, nur ist der herzförmige Ballen etwas kleiner; Schwanz dick, wolfsartig, reicht ohne die übertretenden Haare bis zum Fresengelenke hinab, und mit seinen Haar- spitzen bis zur halben Ferse, das ganze Thier ist kürzer, hö- her und dicker als der europäische Fuchs. Weiblicher Ge- schlechtstheil wie am Wolfe und Fuchse. Zunge mit zar- ten feinen Papillen besetzt und mit bogig parallellaufenden oder concentrischen Querleisten auf ihrem Hintertheile be- setzt, welche am Vordertheile fehlen. Färbung: Nasenkuppe schwarz; Farbe des gan- zen Thieres schmutzig gelblichgrau, auf Ohren und Na- senrücken gelbröthlich, auf Oberhals, Rücken, Oberseite und Spitze des Schwanzes mit schwarzen Haarspitzen ; Sei- ten des Halses, Vorderblatt, Hinterschenkel, Vorder- und Hinterbein an der äusseren Seite hell rostroth oder rost- gelb ; Untertheile und innere Seite der Beine weisslich ; Ohren rostgelb, hier und da mit schwärzlichen Haarspitzen, ihre innere Seite mit weisslichen Haaren bedeckt; Stirn und Umgebung der Augen hellfahl bräunlichgrau mit weiss- lichen Haarspitzen; Schnauzenrücken röthlichgelb, grau ge- mischt; Einfassung des Oberkiefers oder Lippenrand weiss- lich; Bartborsten schwarz; der Unterkiefer an der äusse- ren Seite schwärzlich eingefasst , übrigens weisslich; das Haar auf Hals und Rücken ist 472 Zoll lang, dicht, an der Wurzel aschgrau , dann bis zu 2/3 seiner Länge gelb- röthlich, dann mit einer schwarzbraunen Binde, dann wie- der weisslich und an der Spitze schwarzbraun; in den Sei- len des Thieres ist das Haar nur l^ Zoll lang, an der Wurzel aschgrau, dann fahl graugelb, alsdann weisslich und an den Spitzen schwarzbraun, doch gilt dieses nur von den längeren einzelnen Stachelhaaren , die hier weit sparsamer sind als am Rücken , daher haben die Seiten weit weniger schwarze Haarspitzen, als die Obertheile ; Hüften und Ober- Iheil der Schenkel ein wenig mehr schwarz bespitzt oder gemischt als der Rücken; Nägel bräunlichschwarz. Ausmessung: Ganze Länge 3' 6" 10'"; Länge des Schwanzes 15" 5'"; desselben ohne die Haarspitzen 10" 11"'; Länge des Kopfes 7" öy,'" ; von der Nasenspitze zum vor- 256 Prinz Maximilian zu Wied: deren Augenwinkel 3" 5'"; Länge der Augenspalte Oy^'"; vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 2" 9'"; Breite des Kopfes vorn zwischen den Ohren 3" 2 bis 3'"; Höhe des Ohres (an der Scheitelseite gemessen) 3" 1^^|^'*'^, Breite des Ohres (an der breitesten Stelle) 2" 3 bis 4'"; Vordergestell des Thieres 1' 7" 6'"; Hintergestell auf den Hüften (der Fuss ausgestreckt) 1' 7" 8'"; Länge der Vor- dersohle bis zum Handgelenke 3" 11'"; Länge der Hinter- sohle bis zur Ferse 6" IV2'"; Länge des längsten Vorder- nagels 8'"; längster Hinternagel 6'"; Länge des oberen Fangzahncs 8'"; des unteren 7'"; Umfang des Leibes hin- ter den Vorderblättern V 4" 6'"; Umfang vor den Hinter- schenkeln 1' 5" 2'"; Umfang des Halses in seiner Mitte 11" 2'"; Umfang des Kopfes hinter den Ohren 10" IV2'". Innere Theile: Der ganze Körper ausserordentlich fett, die Haut wie bei den Bären und Wölfen fest an den Muskeln hängend; jeder Lungenflügel war in drei Lappen getheilt; die Leber in fünf Lappen, die Gallenblase, lebhaft grün , zwischen den Lappen der Leber gelegen , von der Grösse einer Wallnuss; Milz gefärbt wie die Leber, 6 Zoll lang, schmal; die Länge des Darmkanals vom Magen ab- wärts, betrug bei einem solchen Wolfe von 3' 6" 4"' Länge — 8' 8" 4"'. — Der Magen war an diesem Exemplare durch den Schuss zerstört. Ein männliches Thier: Gestalt und Färbung in der Hauptsache wie beschrieben , allein die Hinterbeine waren stärker und lebhafter rothbraun gefärbt. Ausmessung: Ganze Länge 3' 7"; Länge des Schwanzes 14" 6"'; desselben ohne die Haarspitzen 12" 8V/"; Länge des oberen Eckzahnes 7%"'; des unteren 7"'; Länge des Kopfes 7" 8"'; Höhe des Ohres 3" 11"'; Breite des Ohres 2" 5 bis 6'". Ein anderer männlicher Wolf: Er war der grösste, welchen ich erhielt und maass in der ganzen Länge 3' 7" 7'"; Länge des Schwanzes mit den Haaren 14" 2'"; desselben ohne die Haarspitzen 11" 3'"; Länge des Kopfes 7" 9'"; der obere Eckzahn 81/2'"; der untere 8'"; Höhe des Ohres vom Scheitel an 3" 11'"; Breite des Ohres 2" 5 bis 6'". Yerzeichiiiss Nordainerikanischer Säugethiere. 257 Innere Theile: Der Magen war massig* gross, zu- sammengekrümmt, die Leber in sieben grössere Lappen gelheilt, ausserdem mit einigen kleinen Nebenzipfeln ; Tes* likel ganz ausserordentlich klein, wie ich sie noch bei keinem Thiere beobachtete ; der Knochen in der Ruthe hielt bei einem 3' 7" langen Exemplare 2" 4'" in der Länge; er war in der Hauptsache gebildet wie an Lupus variabi- lis , aber ein wenig mehr gebogen, wie die Abbildung Tab.VIIL Fig. 2 zeigt, a die Hohlkehle. In dem Schlünde dieses Thieres befand sich Mist und Koth, ein Zeichen von dem Hunger, den diese Thiere im Winter zuweilen leiden. Varietäten: Ein anderes männliches Thier dieser Art war im Allgemeinen mehr weisslich gefärbt, besonders an den Seiten ; an den vier Beinen sah man nur sehr we- nig Rostgelb; Schnauzenrücken bis zum Stirnabsatze rost- gelb, Stirn und Scheitel weisslichgraugelb. Der Prairie-Wolf wurde zuerst von T. Say beschrie- ben , und verschiedene Schriftsteller haben seiner Erwäh- nung gethan; allein nirgends hat man ihn bis jetzt genau nach dem Leben beschrieben. Er ist weit über das Innere von Nord-Amerika verbreitet, worüber die nöthigen Anga- ben bei Audubon zu linden sind. In den westlichen Ebenen des Missouri bis zu den Rocky-Mountains, am Red- River, Saskatschauan und in Mexico hält er sich auf, denn der dortige Coiote ist dasselbe Thier, wie ich mich durch den Augenschein überzeugte, und wie auch Ferd. Rö- mer vcrmuthet. Nur einzeln oder paarweise haben wir diese Thiere beobachtet , nie aber in Rudeln , wie die veränderlichen Wölfe. Sie haben die Lebensart unseres europäischen Wolfes und rauben alles was sie bezwingen können, glei- chen auch in Hinsicht der Schlauheit vollkommen unseren Wölfen und Füchsen. Des Nachts kommen sie bis in die indianischen Dörfer und im Winter sieht man sie oft auch am Tage umher traben , wie unsere Wölfe und Füchse bei tiefem Schnee und Kälte. Sie bewohnen in der Ranzzeit selbst gegrabene Baue oder Höhlen, wo sie ihre sechs bis, wie man sagt, 10 Jungen werfen, und zwar im Monat April. Schon vor dieser Zeit, im Januar und Februar, ihrer Ranz- Arolüv f. Natixrg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 17 268 Prinz M r x i in i I i a n z u \Y i e d : zeit, verniiuiiil man ihre Stimme in der Prairie , ein dem des Fuchses ähnliches, am Ende etwas gezogenes Bellen, woher die Benennung „lalrans'' und „Barking- Wolf" des Audubon. In dieser Zeil hat auch der Prairie - Wolf einen strengen Geruch wie der europäische Fuchs. Der hier beschriebene Wolf ist ein hübsches Thier und viele indianische Munde gleichen ihm in der Gestalt nicht wenig, auch ist zu vermuthen, dass Vermischungen zwischen beiden Thieren zuweilen vorkommen. — Die Fährte oder Spur des Prairie -Wolfes ist weit kleiner als die der ächten Wölfe ^ etwa zweimal so gross als die un- seres Fuchses , übrigens gestaltet wie am veränderlichen Wolfe , vielleicht ein wenig mehr rund , der Hinterballen scheint bei dem Wolfe nach vorne mehr zugespitzt zu sein, und die beiden herzförmigen Flügel sind deulicher. Die- ses Thier ist, wie gesagt, sehr listig; es geht schwieriger in die Falle als Wolf und Fuchs. Der Balg hat keinen Werth und die Pelzhandel-Compagnie beachtet ihn nicht. Bei einigen indianischen Nationen trägt unser Wolf die nachfolgenden Benennungen: Bei den Ojibuä's Mischtatähsä. „ „ Olo's Schah -monnikassih. „ „ Omäha's Mikkasseh. „ „ Dacota's Mihtscack- sih. ^ „ Mandan's Schähäcke. y, „ Mönnitarri's .... ßöhsa. „ „ Arikkara's .... Pachkälsch. „ „ Blackfeet Senipäh. B. Vulpini. Füchse. 4. C. fulcus Desm. Der rot he amerikanische F uchs. Richardson 1. c. I. p. 91. Audubon 1. c. II. p. 263. Tab. 87. Spencer Baird 1. c. 1. p. ]23. Wenn wir die verschiedenen zoologischen Schriftstel- ler über Nord-Amerika vergleichen, so hnden wir bei ihnen Verzeichnis9 Nordamerikanischer Säugethiere. 259 allen für die mittleren Staaten dieses Continentes nur zwei gewiss feststehende Arten von Füchsen aufgeführt, den rothen , der dem europäischen sehr ähnlich ist, und den grauen, dessen Seiten des Halses lebhaft fuchsroth gefärbt sind. Beide sind sehr leicht kenntlich von einander zu unterscheiden, und ihre Unterschiede sind von Audubon und Baird bereits sehr richtig und gut angegeben worden. Mit dem europäischen Fuchse kann der graue ameri- kanische (C. virginianus oder cinereo-argenteus) gar nicht verwechselt werden , dagegen wohl Canis fulvus, der sehr viele Aehnlichkeit mit demselben zeigt. Schon Richard- son gab eine Vergleichung dieser beiden rothen Füchse, Audubon und Baird in ihren grossen Werken thaten dasselbe, und der letzlere zählt u.a. zu den Verschieden- heiten beider, die grössere Dicke des Schwanzes bei der amerikanischen Art. Dass mir dieser Zug nicht standhaltig scheine, muss ich hier bekennen; denn wir finden bei den europäischen Füchsen abwechselnd ebenso stark behaarte an diesem Theile. Dagegen unterscheiden sich beide Thiere ausser den kleineren Verschiedenheiten in der Gestalt, durch eine etwas verschiedene Färbung, die mehr hell- gelbe Mischung der Obertheile, durch das längere und wei- chere Haar am Balge des amerikanischen und durch die an den Vorderfüssen gelbröthlich oder weiss gefärbten Spit- zen der Zehen desselben. Audubon nennt die Zehen- spitzen „fulvous« (gelbroth) und so habe ich sie auch be- funden , d. h. bei einem Exemplare aus New- York, dage- gen bei einem anderen aus Pennsylvanien waren sie gänz- lich schwarz (eine Ausnahme), jedoch bei denen vom obe- ren Missouri waren diese Zehenspitzen immer gänzlich rein weiss, wovon man bei dem europäischen nichts beobachtet. Diesen letzteren Zug übersahen Richards on und Baird gänzlich, wie es mir scheint, und welches mir auffallend ist, da er jedenfalls ein hübsches Unterscheidungskennzei- chen von dem europäischen abgiebt. An den prachtvollen Exemplaren dieser Füchse, wel- che wir im kalten Winter am oberen Missouri erlegten, und welche ich leider sämmtlich verlor, war jener Zug höchst nett und constant ausgeprägt. 260 Trinz M a .\ i iii i 1 i i. n tu \\ i e d : Dem Gesagten zu Folge müsste man die von A u d u - 1) 0 n gegebene Diagnose auf folgende Art abändern, v>ie evS mir scheint: „V. supra rurescenle-flavus, sublus alliidns, peetore cano, pedibus nigris, digitis apice fulvis, saepe al- bis." Was die übrigen Nachrichten über obige Fuchsarten anbotritrt, so sind sie von den amerikanischen Zoologen schon hinlänglich abgehandelt, ich Avill daher noch hinzu- fügen, \^as auf die von mir bereisten Gegenden Bezug hat, und besonders den schönen rothen Fuchs des oberen j\1is- süuri genau nach dem Leben beschreiben und vergleichende Ausmessung desselben mit dem pennsylvanischen und dem europäischen geben. B e Schreibung des rot henFuchses vom obe- r^en Missouri, nach einem im Winter erlegten weiblichen ganz f r i s ch en Th i er e : Gestalt in der Hauptsache die des europäischen Fuchses, allein Kopf und Füsse ein wenig abweichend. Die Schnauze (die beiden Kiefer von den Backen an) scheint schmäler und länger als am europäischen Fuchse, die Haare an den Backen und der Slirn sind weit länger, wodurch diese Theile mit der Schnauze einen w^eit stärkeren Winkel oder Absatz bilden , auch scheinen die Ohren vielleicht ein wenig höher zu sein. Der Kopf scheint bei dem amerikanischen Fuchse (auch der Schädel) mehr platt gedrückt; die sehr langen, zarten und lockeren Haare der Kehle, der Backen und des Halses stre- ben im Leben vorwärts und bilden einen feinen, langhaa- rigen und lockeren vortrefflichen Pelz, der bei der gering- sten Luflbewegung auf- und abwärts wallt; die langen Haare an den Backen bilden vollkommen vorwärts stre- bende, dichte Büschel, beinahe wie an Felis tigris, welches dem europäischen Fuchse gänzlich iehlt, die Füsse sind unten durch ihre Behaarung etwas dicker, die Sohle gänzlich mit Telz bedeckt, nur die kleinen Spitzen der Ballen sind nackt; die Klauen scheinen länger als am europäischen Fuchse zu sein; die vier Beine sind hoch und stark , der Schwanz dick , ausserordentlich dicht und lang behaart, der ganze Balg, wie gesagt, mit langen, dichten, höchst zarten und lockeren, weichen Haaren bedeckt. Der Kopf ist abgeplattet, die Schnauze schmal verlän- Veizeirhniss I\'oi(l;itnei ilüiiiischer Säiigclhicif. 2G1 gert, gerade vortretend, die Commissur der Mundränder und die Linie des Nasenrückens laufen parallel, daher erscheint die Schnauze dünn und abgeplattet; Nasenkuppe wie am eu- ropäischen Fuchse; von ihr läuft nach dem Rande der Ober- lippe eine kleine unbehaarte schwarzbraune Hautfurche hinab; Bartborsten lang und sanft gekrümmt; über jedem Auge steht ein Büschel von ähnlichen, aber etwas kürzeren Bartborsten, älinliche stehen unter dem Auge , so wie einzelne kürzere Borsten am Unterkiefer zerstreut sind; Auge wie am euro- päischen Fuchse , es steht nahe über dem Mundwinkel und wenig entfernt vom Nasenrücken; Commissur der Augen- lieder ziemlich horizontal, ihre Ränder sind nackt, das Auge selbst mit einer starken Nickhaut versehen; Stirn und Oberkopf zwischen den Ohren sehr abgeplattet, am Nasenrücken nur höchst sanft gewölbt aufsteigend ; Ohren sehr gross , breit zugespitzt , aussen und innen stark be- haart, besonders stehen am inneren Vorderrande sehr lange (1" 4 bis 5'" lange) Haare; Beine hoch und stark, die Füsse durch die Behaarung dicker erscheinend ; Daumen sehr kurz, der Mittelfinger der längste, alle fünf Vorderzehen, den Daumen nicht ausgenommen, mit starken, langen, s-.inft gekrümmt zugespitzten, zusammengedrückten und unten ein wenig ausgehöhlten Klauen versehen; Hinterfuss vierzehig, die Klauen kürzer und höher als vorne, bei den mittleren Zehen ziemlich gleich lang ; zwischen allen Zehen der Vor^- der- und Hinterfüsse befindet sich dichte Behaarung, daher ist die Vordersohle dicht mit Pelz bedeckt, nur zeigt sich unter einer jeden der vier Vorderzehen ein kleiner, nack- ter, schwärzlicher Ballen, auch steht unter dem Gelenke des Vorderfusses ein kleiner Ballen im Pelze versteckt, den man nur fühlen, aber nicht sehen kann; Hintersohle eben so gebildet; Sohle der Ferse so wie ganzes Bein sehr dicht, aber etwas rauh und lang behaart und mit dichter Grundwolle versehen ; Schwanz dicht und lang behaart, legt man ihn über den Rücken des Thieres aufwärts, so erreicht seine Spitze etwa die Mitte des Halses. Pelz des Thieres überall sehr dicht und lang, mit ausserordentlich dichter Grundwolle; von der Nasenkuppe bis zu den Augen ist die Behaarung kurz, dicht und glatt, Backenhaare zum Theil 2% Zoll lang, Stirn- 2(>2 Prinz Maximilian zu >\ i c d : und Scheilelhaare 1 Zoll bis 1" 2'" lang; Haare an der Seile und auf der Höhe des Halses 3% Zoll lang, am Unterhalse 2y2 Zoll, auf dem Hinterrücken 2'/2 , am Bauche 2\/n Zoll lang; der Schwanz missl mit seinen lockeren Haaren an der dicksten Stelle etwa 5 Zoll im Durchmesser, und das Haar ist an der Schwanzwurzel 3 Zoll 6 Linien , in der Mitte dieses Theiles 3 Zoll 1 Linie lang. Färbung: Nasenkuppe und Bariborsten schwarz, der nackte Rand der Augenlieder schwarzbraun; das Auge selbst ist lebhaft gelbroth , wie am europäischen Fuchse ; Pupille scheinbar rund, wie an jenem ; Umgebung des Auges leb- haft gelb- oder fuchsroth; Nasenrücken blass gelblich, an seinen Seiten etwas dunkler; Rand des Oberkiefers (Lip- penrand) und Backen weisslich; Unterkiefer hell graubraun ; innere Seile des Ohres weisslich; äussere Fläche dessel- ben an ihrer Wurzel fahl röthlichgelb , Spitzenhälfte des Ohres schwarzbraun oder schwarz, während beim europäi- schen Fuchse an der Basis des Ohres jeder Seite nur ein gelber Fleck steht, Kehle hell aschgrau, die Haare an der Wurzel aschgrau mit langen starken weissen Haarspitzen, welche die graue Frabe beinahe verdecken, indem dieselbe nur durchschimmert; Brust und Unterhals weiss, mit grauen Wurzeln der Haare; Bauch und Unterseite des Körpers schwärzlichgrau mit blasseren Haarspitzen , ebenso ist ein Feld an der inneren Fläche der Hinterschenkel gefärbt; vorderer Rand der Hinterbeine weiss, und diese Farbe läuft an der vorderen Innenseite des ganzen Hinterbeines hinab ; innere Seite des Vorderbeines hell gelbroth , in ihrer Mitte hinab weisslich; vordere und äussere Seite des Vorderbeines , so wie die Ferse des Hinterfusses und die vier Füsse bräunlichschwarz oder schwarz, allein die Spit- zen aller Zehen oberhalb der Klauen gelblichweiss; Hals, Vorderrücken, Wurzel des Vorderarmes schön lebhaft hell gelbroth, auf dem Scheitel mehr wachsgelb; Mittel-, Hin- ter-Rücken und Schenkel weisslich, auf den Obertheilen mit starken rothbraunen Haarspilzen , allein alle Haare der Obertheile haben graubräunliche Wurzeln; unterer Theil der Hinterschenkel nach aussen rostgelb, graubraun gemischt; Schwanz an der Oberseite an den Haarwurzeln fahl grau- Veizeithniss iVordainerikaiiischer Saugethiere. 1,'(J3 braun, dann weissgelblich , «lie Spitzen rothbraun und schwarzbraun gemischt; Seilen des Schwanzes hell graugelb (wolfsfarbig); die Haare in der Mitte unter der Schwanz- spitze mit langen schwarzbraunen Spitzen ; Spitzenhaare des Schwanzes lang und eine weisse starke Blume bildend, wie an unserem Fuchse. Ausmessung: Ganze Länge 3' 6" 10'"; Länge des Schwanzes (mit den Haarspitzen) 1' 7"; Länge desselben ohne die Endhaare 15" 4'"; Länge des Kopfes 6"; von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 2" Oy^"'; Länge der Augenspalte 7%"; Länge vom hinleren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 1" 2"'; Höhe des Ohres (am Schei- tel gemessen) 3" 472"'; grösste Breite des Ohres 3" 4V2'"; Länge der Vordersohle bis zum Ballen des Handgelenkes 3" 8"'; Länge des längsten Vordernagels 8"'; Länge def Hinlersohle und Ferse mit dem längsten Nagel 6" 2y2"' ; Länge des längsten HinternageJs 8"'; Umfang des Kopfes vor den Ohren 9" 4"'; Umfang des Halses 8" 8"'; Umfang des Leibes in der Dünnung 10" 10"'; Umfang hinter den Vorderbeinen 12" 9'"; Höhe des Thieres vorne mit ausge- strecktem Fusse 16" 11'"; Höhe des Hintergestelles (ebenso gemessen) 18" 4V2'"; Länge der längsten Barlborslen 4"; Länge des oberen Eckzahnes 87^'"; Länge des unteren 6'", Innere Theile: Im Rachen ist der Gaumen mit Querleisten bezeichnet; Zunge ziemlich zugespitzt, mit höchst feinen Papillen besetzt, also ziemlich glatt zu nennen, an ihrem Hintertheile stehen stärkere, mehr rauhe, mit blossem Auge sichtbare Papillen; die Linea alba ist stark und deutlich; Blase ziemlich klein, im geleerten Zustande viel- fältig und dicht längsgefaltel; Leber in fünf eigentliche Lappen gelheiU, die aber mehrere kleinere Einschnitte zei- gen ; Magen zusammengekrümmt, in seiner grössten Län- genausdehnung hielt er fangefülll) 3"2'"; Herz dick, 2" 5"/ lang mit seinen beiden Ohren, im Durchmesser 1" 5 bis 6"' haltend; Lunge sehr gross, der linke Flügel in drei, der rechte in vier Lappen getheilt, wovon der eine ziemlich in der Mitte liegt. Der Schädel dieses Fuchses ist sehr abgeplattet, mehr als beim europäischen Fuchse, das Auge steht hoch am i4i 264 Frinz Maximilian z u VV i e d : Kopfe. — Die Bemerkungen über das männliche Tliier die- ser Art sind leider verloren gegangen , so wie alle Exem- plare vom oberen Missouri. V ergl e ic hende Ausmess ung zweier etwa ein- jährigen Füchsinne n vonNew-York und von Deutschland. Amerikanische Deutsche Füchsin. Füchsin. Ganze Länge mit den Haarspit- zen des Schwanzes ... 2' IC" 3' 3" Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 14" 5'" 15" 9"' Länge des Schwanzes ohne die Endhaare 11" 5"' 13" 7"' Länge des Kopfes .... 5" 6"' 6" — Höhe des Ohres (am Kopfe ge- messen) 2" 8"' 3" 10"' Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel . . 2" 6 bis 7"' 2" 7 Länge vom hinteren Augenwin- kel zur vorderen Ohrbasis 1" 9"' 1" 5"' Der rothe nordamerikanische Fuchs ist mir schon im Alleghany-Gebirge vorgekommen, und ich erhielt ihn aus den Staaten New-York und Pennsylvanien. Die am oberen Mis- souri erlegten Exemplare wichen in einigen kleinen Zügen von denen der östlichen Staaten ab , daher lasse ich hier die Ausmessung eines geringen weiblichen Fuchses aus New-York und eines starken desselben Geschlechtes vom Missouri folgen : Fuchs aus New-York. Vom Missouri. Ganze Länge ... 2' — 10"' 3' 6" 10 Länge des Schwanzes (mit den Haarspilzen) — 14" 5'" 1' 7" Länge des Schwanzes (ohne die Haarspitzen) — 11" 5'" — 15" 4 Länge des Kopfes . , — 5" 6'" — 6" — Höhe des Ohres . . — 2" 8'" — 3" 4%'" Von der Nase zum Auge — 2" 6-7'" — 2" 9V5 Vom Auge zum Ohre — 1" 9'" — 1" 2'" \4i4 \U4 444 Veizeichniss Koidsunciikunisclur Sängelhicrc. 265 Die amerikanischen Reisenden haben nun seitdem einen Fuchs in der Nähe des grossen Salt -Lake der Mormonen kennen gelernt, welcher Baird Vulpes macrourus genannt hat, da er sich durch grössere Länge des Schwanzes aus- zeichnet, und ich vermulliete anlänglich, mein rolher Mis- souri-Fuchs könne identisch mit diesem langgeschwänzlen sein. Wenn wir aber die Ausmessungen, wie lolgt, von Spencer Baird's Werk entlehnen, so muss doch mein Missouri-Fuchs zu Vulpes iulvus gezählt werden. V e r g 1 e i c h u n g der M a a s s e des \ f u 1 v u s vom oberen Missouri mit V. macrourus Baird (nach engl is ch em M a a sse). Canis Cjinis fiijvus. macrourus. Von der Nase zur Schwanzspitze . . 41" 33" Schwanz ohne die Haarspitzen . . . I2Y2" IS" Schwanz mit den Haarspitzen . . . 17" 22" Das Verhältniss zwischen Körper und Schwanz ist bei macrourus auffallend von fulvus verschieden, ich kenne den letzteren nicht, muss folglich den von mir beschriebe- nen rothen Missouri-Fuchs als eine kleine Varietät dessen der östlichen Staaten betrachten. Ich habe viele Felle des Missouri-Fuchses verglichen und sie in der Hauptsache ein- ander sehr ähnlich befunden, doch giebt es auch hier Va- rietäten, wie bei allen Füchsen der Erde. Sie sind manch- mal mehr schwärzlich, mehr dunkelbraun, und dem Schwänze fehlt oft die weisse Spitze oder Blume, wie wir dies auch sehr häufig bei unseren Füchsen beobachten können, wo der oberflächliche Beobachter Brand- und Birkfüchse als verschiedene Species betrachtete. Das gewöhnliche Vor- kommen dieses schönen Missouri- Fuchses ist aber das oben beschriebene hell rölhlichgelbe, und man könnte die- sen Fuchs , der Farbe zu Folge , füglich den Goldfuchs nennen. Die Lebensart dieses Fuchses ist vollkommen die des europäischen, wenn man ausnimmt, dass er in den westli- chen Gegenden weniger die Waldungen bewohnt und sich mehr in den offenen Prairies aufhält. Oefters findet man 26G IMnK Maximilian tu W i e d : ihn in den Prairie - Hügeln und den dort befindlichen Hö- hen - Züg-en, welche ihm Schutz gegen die rauhe Wilterung gewähren. Seine vier bis fünf Junge wirft er in Erdhöh- len oder Bauen, wie alle Füchse. 31an fängt ihn in Schlag- fallen und kann ihn auch reizen, wie unseren Fuchs, in- dem man die Stimme des Hasen oder das Vogelgezwitscher nachahmt. Er zieht mit den Wölfen den Bisonheerden nach und die Indianer wissen aus der Erfahrung, dass er da selten ist, wo jene wilden Rinder Sich weggezogen haben. Sein Balg ist sehr schön und wird im Pelzhandel gesucht. Die Anglo-Amerikaner nennen ihn den rothen Fuchs (Red-Fox), bei einigen indianischen Nationen trägt er nach- folgende Namen : Bei den Ojibuä's Uagöhsch (allgemeiner Name) man setzt die Farbe hinzu. „ „ Wasaji (Osagen) . . Schongrescha. „ „ Ohtos Mischäkä- schudjä (j französisch). „ „ Assiniboin's .... Schonga-schane. (e halb ausgesp.). Mandan's Hirütt-sä. r) „ „ Monnitarri's .... Ehchockuschi-säotta. „ „ Arikkara's Tschiwaküh-küss. » » Crihs (Crees) .... Machkeh - siss (ach guttural). 5. C. vlrginianus Gmel. Der dreifarbige Fuchs. Canis cinereo-argenleus Sclireb. Richardson 1. c. I. p. 98. Audub. u. Bachm. I. p. 162. Tab. XXI. S. Baird 1. c. 1. p. 138. Dieser bekannte schöne Fuchs ist über den grössten Theil von Nord - Amerika verbreitet, geht aber nach Ri- chardson nicht ganz nördlich hinauf, da ihn dieser vor- treffliche Beobachter nicht zu sehen bekam. In Pennsyl- vanien, Indiana, Illinois u. a. Staaten ist er gemein, kommt auch vor bis zu den Rocky- Mountains und Audubon Verzeichniss Nordanierikanischcr Säiigethiere. 2(57 giebl über diesen Geg-enstand weitere Nachrichten. Har- lan und Godman sagen, diese Thierart lebe auch in Pa- raguay und nach Pöppig in Chili ^); allein es ist mög- lich, dass ich selbst an diesem Irrthum Ursache bin, indem ich in meinen brasilianischen Beschreibungen dieselbe An- sicht aussprach. Beide Füchse, der virginische und der Aguara-chay des Azara, haben nämlich in der abwechseln- den Mischung ihrer Haare an den Obertheilen einige Aehn- lichkeit; allein als ich den virginischen Fuchs näher kennen lernte , erblickte ich sogleich , dass er eine ganz andere Gestalt und Verhältnisse habe. Seine Beine sind viel hö- her, der Kopf kleiner und der Schwanz kürzer und mehr dickbuschig, die Klauen stärker und grösser, das Ohr ist grösser und stärker und die Farbe der Obertheile mehr schwarz, die Seiten des Halses dagegen sehr schön fuchs- roth, während die Färbung des brasilianischen Fuchses nur fahl graugelblich und ohne besondere Abzeichen sich zeigt. Zu New-Harmony am Wabasch sah ich ein solches Thier an der Kette. Kam man ihm zu nahe ohne von ihm gekannt zu sein , und besonders wenn er mit fressen be- schäftigt war , so gnurrte er wie ein Hund. Er ist nicht so stark und läuft nicht so anhaltend wie Vulpes fulvus, was die amerikanischen Jäger bei ihren Fuchsjagden zu Pferd bestätigt finden, wie schon Richardson erwähnt. Von den Hunden gestellt, soll er sogleich Schutz auf einem Baume suchen, in eine Erd - oder Baumhöhle einkriechen. Ein ausgewachsenes Exemplar dieses Fuchses, welches ich im Monat März zu New - Harmony erhielt , hatte den Knochen in der Ruthe 1" 1'" lang, sanft doppelt gebogen, und am Vordertheile aufwärts gekrümmt, wie Tab. Vlll. Fig. 3 zeigt, er ist ziemlich dreikantig, von oben stark ausgehöhlt in a, und hat unten in der Mitte eine stark vor- tretende Längskante und an jeder Seite derselben eine starke Hohlkehle, oder Va seiner Länge am Wurzeltheile eine Längsaushöhlung. Die Mandans nennen diesen Fuchs den weissen, Hi- rütt-schöttä. Obgleich dieses Thier von den Indianern 1) Siehe Pöppig's Reisen Bd. I. p.ol4. 268 Prinz AI a x i in i I i a ii tu ^^' i c d : am oberen Missouri gekannt ist, so ist er mir dort doch nicht vorgeküMJinen. 6. C, velox Say. Der Prairie- Fuchs. T. Say in Major Longs exped. lo Rocky-Mount. Beschreibung meiner Reise in Nord-Amerika. Audubon 1. c. II. p. 13. S. ßaird 1. c. I. p. 133. Der Name Kit -Fox, welchen dieser niedliche kleine Fuchs im westlichen Nord - Amerika bei den Pelz - Jägern trägt, wurde von Richardson und Capt. Back auf den vorhergehenden Fuchs angewendet, was wohl bloss einer Verwechselung zu Folge geschah^). Say beschreibt den westlichen Kit-^Fox nach einer unvollständigen Haut, allein nicht bloss der Name, sondern auch die Eigenschaften, dass er sehr klein sei und ausserordentlich schnell laufe, setzen es ausser Zweifel, dass Say von diesem Thiere redet, welches ich nachfolgend genau nach dem frischen sehr vollständigen Exemplare beschreiben werde, deren ich viele in Händen hatte, aber sämmllich leider verlor, auch haben wir ein ganzes Jahr lang ein solches Thierchen lebend besessen. Beschreibung: Gestalt vollkommen die des euro- päischen Fuchses , nur mehr schlank und zierlich , dabei kaum halb so gross wie ein erwaclisener europäischer Fuchs. Der Kopf ist schlank und die lange Schnauze sehr zugespitzt; die schwarze Nasenkuppc ist immer feucht; Bart- borsten lang und schwarz; über dem Auge stehen auch einige ähnliche lange Haare, die aber weiss gefärbt sind; Auge wie am deutschen Fuchse gestaltet, lebhalt, die Pu- pille scheint rund zu sein; Ohren stark, oben zugespitzt, inwendig mit langen Haaren besetzt; Zunge schmal und und ziemlich glatt; Beine zierlich und schlank; Vorderfuss 1) S. Capt. Bacli nanat. of Ihe arctic Land -Exped. p. 498. Hier wird deutlicli von ihm als dem lileinsten der nordameiilianisclien Füchse geredet, allein fälschlich auf C. cinereo - argenteus bezogen, und ebenso Richardson im Append. zu Capt. Backs Keise. Verzciclinis.-} ^ü^dame^iki^Ilij!cllc^ Säiigelhiere. 20^ mit 5 Zehen , die zwei minieren sind läng-er als die übri- gen, der Daumen steht weit zurück, alle sind mit füchsar- tigen gelirümmfcn Klnuen versehen; Hinterfuss mit 4 eben so gebildeten Zehen; Schwanz lang und dick behaart, wie am deutschen Fuchse; männliche Geschlechlstheile ebenfalls wie an dem letzteren gebildet und mit Pelz überzogen ; das Gebiss kann ich leider nicht beschreiben , da ich alle Ex- emplare und selbst die Schädel verlor. Färbung: Nasenkuppe und nackte Einfassung der Augenlieder schwarzbraun; die Iris im Auge grünlichgrau mit dunkler Pupille; ßarlborsten an der Nase schwarz, da- bei 3V2 Zoll lang, die über dem Auge stehenden sind weiss- inneres Ohr mit weisslichen Haaren angefüllt; alle Ober- Iheile des Thieres hellfahl gelbroth, die Haare an der Wur- zel von genannter Farbe, an den Spitzen weisslichgelb, und unter der Spitze beiindet sich zwischen beiden Farben eine rölhlichgraubraune Stelle; Schwanz gefärbt wie der Kör- per, aber seine Spitze ist schwarz: Stirn und Oberkopf sind ein wenig dunkler gefärbt als der Rücken, indem die Haare hier eine graubraune Mischung haben; der Nasen- rücken hat die Farbe des Kopfes, er ist gelbroth, allein die beiden Seitenflächen der Schnauze , von der Nasenkuppe bis zum Auge hinauf, sind schwärzlich gefärbt; Unterkieler und alle Untertheile des Thieres , so wie die Vorderseile der Hinterbeine sind weisslich gefärbt ; das Hinterbein ist längs der weisslichen Vorderkante hinab, sowie der Schen- kel an seiner äusseren Fläche röthlichbraun; Gegend um die Ohrwurzel hell röthlichgelb , ebenso der obere Theil der Seiten des Halses. Gegen den Winter hin sind die Obertheile des Thie- res mehr fahl bräunlichgrau überlaufen, indem alle Haare alsdann starke weisse Spitzen zeigen , und ebenso der Schv.anz, jedoch sind hier die Haare nicht weisslich, son- dern mehr schwärzlich bespitzt, die Unterseite dieses Thei- les rothbräunlich gefärbt. Innere Th eile : In der Ruthe des männlichen Fuch- ses beündet sich ein Knochen, der bei dem eben beschrie- benen Exemplare ]" T'/a'" lang war. Er ist gerade und dem des Wolfes sehr ähnlich, vorne zeigt er eine etwas kolbige 270 Prinz Maximilian x ii W i e d : Spitze, hinter dieser ist er rund und verdünnt, dann nach oben rinnenförinig ausgehöhlt, am Hintertheile zugespitzt, und von der Seite betrachtet macht er zwei kleine wellen- förmige Biegungen. (Siehe die Abbildung dieses Knochens in natürlicher Grösse Tab. VIII. fig. 4). Der Magen ist zu- sammengekrümmt und war mit Stücken von Fellen, Leder, theils mit allerhand Beeren , Haaren und Ueberresten von Mäusen und mit Heuschrecken (Gryllus) angefüllt, wovon diese Füchse in den Prairies hauptsächlich leben müssen. Die Leber scheint in 7 grössere und kleinere Lappen ge- lheilt zu sein ; fett waren diese niedlichen Füchse im Monat October durchaus nicht. Ausmessung: Ganze Länge 2' 8" 7'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspilzen 12"; desselben ohne die Endhaare 10" 2"'; L*änge von der Nasenspitze zum vorde- ren Augenwinkel 2"; Länge der Augenspalte 8"'; Länge vom hinleren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 1" 7"'; Höhe des äusseren Ohres 2" 1"'; Breite des Ohres an der Wurzel 1" 6"'; Breite des Kopfes zwischen den Ohren 1" 11"'; Länge des Kopfes 4" 8"'; Höhe des Vorderge- slells (mit ausgestrecktem Fusse und Zehen) 11" 8"'; Hin- tergestell (ebenso gemessen) 13" ; Länge des längsten Vor- dernagels 7'"; Länge des längsten Hinlernagels 6"'; Länge des oberen Fangzahnes 5'"; des unteren 472'"« Weiblicher Fuchs: Länge 2' 6" 9"'; Länge des Schwanzes mit den Endhaaren 12" 3"'; Länge des oberen Fangzahnes 6"'. Der kleine Fuchs dieser Beschreibung ist über die ganzen westlichen Prairies bis zu den Rocky -Mountains verbreitet, ich kann aber nicht sagen ob er in- und jen- seits dieses Gebirges vorkomme. Man sieht ihn gewöhnlich einzeln umherstreifen und er gräbt sich Höhlen in den Hügeln und Ufern, wo das Weibchen im April seine 4 bis 8 Jungen wirft. Oefters verbirgt er sich, besonders bei schönem Wetter, auch über der Erde, im Gebüsche oder in den höheren Pflanzen der Prairie. Besonders im Win- ter kommt er den menschlichen Wohnungen sehr nahe, um daselbst den Abfall aufzusuchen. Seine Lebensart ist ganz die des europäischen Fuchses und er ernährt sich von Mäu- Verzeichniss Nordamerikanischcr Säugelhiere. 271 scn, Heuschrecken, Fröschen, Käfern und allen anderen lebenden Thieren , die er bezwingen kann, ohne Zweifel auch von todten Thieren Seine Stimme ist ein lauter rau- her Kehllaut, der viele Aehnlichkeit mit der des europäi- schen Fuchses hat, man hört sie besonders in der Paar- oder Ranzzeit, im Februar und März. Diese kleinen Thiere sind ausserordentlich schnell Im Laufe, viel schneller als die übrigen Arten, und ein Pferd soll sie nie einholen können , dabei laufen sie selten ge- rade aus, sondern hin und her, welches das Einholen noch erschwert. Sie thun im Laufe einige weite Sprünge, ste- hen dann still, mit ausgestrecktem Halse hoch aufgereckt und sehen sich um, dann geht es blitzschnell weiter. Man fängt sie zuweilen in ihren Höhlen mit Schlingen, die man in der Röhre aufstellt und dann das Thier von Hunden zu Bau treiben lässt , oder man gräbt sie aus, reitet ihnen auch zuweilen an und schiesst, aber da es gewöhnlich weit ist, mit der Kugel, welches einen höchst fermen Schützen verlangt. Die gewönliche Art sich ihrer zu bemeistern, geschieht durch Fallen , welche man mit Fleisch anködert, jedoch der Balg hat wenig Werth und die Compagnie bringt dieses Pelzwerk nicht in den Handel, da das Haar weder sehr weich noch lang ist. Gewöhnlich sind diese Füchse sehr von Flöhen ge- plagt, wie auch die W'ölfe der Prairies. Jung aufgezogen werden sie sehr zahm und sind als- dann allerliebste Schoosslhierchen. Ich besass ein solches, das dem niedlichsten Schoosshündchen nichts nachgab. In der Ruhe legte sich mein kleiner Fuchs rund zusammen auf ein Häufchen und bedeckte die Schnauze mit dem dicken Schwänze. Das Feuer suchte er im kalten Winter sehr und verbrannte sich dabei häutig den Balg. Als er schon beinahe ein Jahr alt war, spielte er noch immer sehr gerne. Wenn ich ihn rief, so sprang er sogleich von seinem Lager auf, kam zu mir, schmeichelte und leckte mir die Hände, und besonders wenn ich an meinen Kleidern kratzte oder klopfte, so kam er herbei gesprungen, stieg an mir in die Höhe, rannte wieder fort, drückte sich platt auf den Boden, sah mich schelmisch an , rannte dann wieder im Zimmer 272 Tri HZ Maximilian zu Wied: herum und gab einige Stimmen des Wohlbehagens von sich, dann machte er Bogensätze in die Luft, bis er wieder her- bei kam, um sich kratzen und liebkosen zu lassen, welches ihm ganz besonders viel Vergnügen gewährte. Um ge- kratzt zu sein kam er auch leise herbei , nahm uns die Hand oder das Bein in den Rachen und schmeichelte auf diese Art. Seine Luft- und ßogensprünge waren oft sehr unterhaltend. Im Monat Februar hatte er weit w^eniger Ruhe als zuvor, suchte auch beständig nach einer Gelegen- heit um zu entkommen, weil es jetzt die Ranzzeit war. Er ging alsdann häufig an die Thür und kratzte mit den Pfo- ten daran. Er war ausserordentlich klug, merkte sich und behielt alles, auch schmeichelte er beständig, wenn er irgend einen Endzweck erreichen wollte. Häufig ergriff er mit den Zähnen den ersten besten Gegenstand, zerrte ihn herum, rannte dann schnell fort, versteckte sich, kam eben so schnell wieder, machte Bocksprünge und dergleichen Possen mehr. — Wir hatten ihn gelehrt das Plötchen zu geben, wie einen kleinen Hund und er that es wenn er gekratzt sein wollte. Im Frühjahre Hess er, wie gesagt, seine sehr laute Kehlstimme öfters hören, drei- bis vier- mal hinler einander. Sie ist lauter und rauher als bei dem europäischen Fuchse, hat aber dennoch einige Aehnlichkeit mit derselben. Sie klingt sehr sonderbar und wir waren von Anfang dadurch sehr überrascht, man glaubte nicht, dass sie von einem so kleinen Thiere kommen könne. Ratten und Mäuse frass dieser kleine Fuchs beson- ders gern und wir setzten ihn deshalb auf einen über uns befindlichen Boden , wo ein grosser Vorrath von Mais auf- geschichtet lag, dem die Ratten und Mäuse sehr gefährlich waren. Hier setzte man ihn Abends hinauf und hörte nun in der Nacht die Jagd über unseren Köpfen umhertoben. Am Morgen nahm man ihn dann wieder herunter und be- merkte wie wohl er es sich hatte schmecken lassen, denn er war dick aufgelrieben. Hatte er eine Maus gefange?., so tödtete er sie nicht sogleich, sondern spielte erst damit, wie es die Katzen ebenfalls zu thun pflegen. Bei dem Fressen eines solchen Thieres fing er immer mit dem Kopfe an und kauele wie die Katzen auf der Seile mit den Vei'zeichniss Nordainerikanischer Säugethiere. 273 Backenzähnen, indem er den Kopf schief stellte, dann beleckte er sich das Maul und öfters auch die kleinen Vorderpföt- chen. Hatte er keinen Hunger mehr, so verscharrte er den Rest seiner Mahlzeit, schob mit der Nasenspitze die Erde darauf, oder in einen Winkel und deckte ihn wohl zu. Er frass im Allgemeinen weniger , trank aber sehr oft, jedoch auch nicht viel auf einmal. Gekochtes Fleisch liebte er nicht besonders , desto mehr aber rohes. — Die Vögel frass er ausserordentlich gern. Sein Geschlechtstrieb er- wachte als man am 19. Februar eine geschossene Füchsin (Canis fulvus) in das Zimmer brachte, wo er sich befand. Er wurde sogleich sehr lebendig, gab zweierlei Stimmen von sich , den lauten Kehlton und kurzen stotternden oder murksenden , etwa wie „murk, murk !" Als ich im April den Missouri hinabreiste biss er während der JNacht den Strick entzwei, an dem er angebunden war und entwischte zu unserer aller Kummer, denn der kleine Fuchs war der Liebling aller meiner Leute , und ich hatte gehoift diese noch unbekannte Thierart glücklich lebend nach Europa zu bringen. Bei den Ojibuäs heisst dieser Fuchs , Ma-igan-nähs. „ „ Mandans . . Ohcha (6h Accent, ch guttural). „ „ Mönnitarris . Ehchochka (ch guttural). „ „ Arikkaras . Tschiuähk (u und a getrennt). „ „ Osagen . . . Schongrescha- schinga. Audubon's Beschreibung scheint von der meinigen abzuweichen, auch behauptet er diesem Fuchs komme der Name velox nicht zu, wovon ich aber doch das Gegentheil bezeugen kann. Er soll nach diesem Schriftsteller nicht weiter nördlich als bis zum Saskatschawan verbreitet sein, was ich wohl glaube, und in Texas und Californien komme er nicht vor. — Audubon's Abbildung gleicht sehr we- nig der Natur. Ich habe unter diesen Füchsen nie ein auf diese Art gefärbtes Exemplar gesehen. Spencer Baird hat auch eine Beschreibung mitgetheilt, die gewiss genau nach vielen Exemplaren dieses Thieres und gewissenhaft entworfen ist. Archiv f. Naturg. XXYII. Jahrg. 1. Bd. 18 274 Prinz Maximilian zu W i e d : Nachträglich noch ein paar Worte über den indiani- schen Hund am Missouri, der allen jenen Nationen ein wich- tig-es Hausthier geworden ist. Er wird bei ihnen in grosser Menge angetroffen, dient ihnen als Nahrungsmittel in Zeiten derNoth, als einziges Zugthier, indem er vor die Schlitten und Lasten gespannt und bepackt wird, sowie zur Jagd. Es cxistircn daselbst , wie gesagt , mehrere Kassen von Hun- den, von welchen die gemeinste und verbreitetste ein gros- ses dem Wolfe ähnliches Thier ist, mit starkem Kopfe, aufgerichteten , zugespitzten Ohren , langem buschigen Schwänze, schwarz, weiss, oder von diesen Farben gefleckt, zuweilen auch grau , ganz wie der Wolf. Diese Hunde bellen nicht, sondern heulen nur, sind gegen Fremde sehr falsch und fallen dieselben an , wenn man die indianischen Dörfer betritt. Eine zweite Varietät ist kleiner und mehr schlank, hat daher etwas mehr Aehnlichkeit mit dem Fuchse oder Eskimaux-Hunde, unterscheidet sich aber in der Farbe nicht bedeutend von dem grösseren Hunde. Endlich findet man unter den Indianern auch Hunde, jedoch nur einzeln und selten , welche mehr den europäi- schen Jagdhunden ähneln , und die sie ohne Zweifel von den Pelzhändlern erhielten. — Diese Hunde bellen und sind oft gefleckt, oft auch gänzlich rothbraun oder gelbroth. — - Ueber den Nutzen , welchen der Hund den Indianern ge- währt, siehe die Beschreibungen der verschiedenen Reise- berichte, so wie auch des meinigen. Fam. 4. Feiina, Katzen. Genus Felis Linn. Katze. A. Leoninae ^ Löwen. Gross, ungefleckl mit langem Schwänze. 1. F. concolor. Linn. Der Cuguar. Audub. et Bachm. 1. c. IL p. 305. Tab. 96. 97. S. ßaird. 1. c. I. p. 83. Wir haben auf unserer nordamerikanischen Reise den Verzeichniss Nordanierikanischer Säugethiere. 275 dortigen sogenannten Panther im wilden Zustande nicht zu sehen bekommen , wolil aber in Menagerien. In den Ver- einigten Staaten ist dieses Thier nun grossentheils ausge- rottet, in anderen weniger bewohnten Gegenden schon sehr seilen geworden. In den grossen Waldungen von Indiana, am Missisippi und Missouri kommt es noch einzeln vor. In den Rocky-Mountains und den Black-Hills soll der Panther oder Cuguar nicht selten sein. Bei den Blackfoot-India- nern sieht man eine Menge grosse Felle dieser Thiere, wel- che sie mit Tuch verbrämen und zu schönen Pferdedecken verarbeiten. Auch die Köcher für die Pfeile sind bei sehr vielen Missouri-Indianern aus diesem Felle gemacht, wobei alsdann dnr lange Schwanz mit Tuch gefüttert und verziert herabhängt. Sie bezahlen solche Felle oft sehr theuer. Ehemals war diese Thierart überall verbreitet, ist aber jetzt in den bewohnten Gegenden ausgerottet. Die Anglo- Amerikaner nennen den Cuguar „Panther" oder Painter. „ Ojibuäs Mischipischü. „ Osagen Ingrönga (ga kurz). ,, Omähas Ingrönga- sindä-snaddäh. „ Mandans Schuntä-Haschka (der lange Schwanz). „ Mönnitarris .... Ihtupäh -ächtia (äch Zun- genspitze, i u. a getrennt). Vollkommen treue Abbildungen des nordamerikanischen Cuguar hat Audubon Tab. 96 u. 97 gegeben. B. Lynces, Luchse. Mit mehr oder weniger abgekürztem Schwänze, meist einen Haarpinzel an der Spitze des Ohres. 2. F. rufa Güld. Der Rothluchs. ?Richardson 1. c. I. p. 103. Audub. 1. c. I. p. 2. Tab. 1. S. Baird 1. c. I. p. 90. B a i r d nimmt für Nord-Amerika drei Arten von Luch- sen an, von welchen ich jedoch nur zwei kenne, den nor- dischen und den der mittleren Staaten , von welchem ich 276 Prinz AI a x i m i 1 i a n zu W i e d : nachfolgend ein weibliches , aber nicht starkes Exemplar beschreiben werde, welches ich in den grossen Waldungen von Indiana erhielt. Beschreibung eines weiblichen Luchses im Winterhaare: Gestalt sehr schlank und dünnleibig, mit hohen, starken, sehr muskulösen Beinen, dicken Pfoten mit kolossalen, einziehbaren Klauen, kurzem an der Spitze oben schwarzen Schwänze , ziemlich kleinem Kopfe mit massig hohen Ohren, die nur einen sehr kleinen Haarpinsel tragen. Der Kopf ist gebildet wie an Felis concolor, also acht kat- zenartig , die Schnauze kurz, massig stumpf, mit ziemlich kleiner Nasenkuppe und langen Bariborsten am Überkiefer; die Stirn steigt mit einem Absätze vom Nasenrücken auf, ist abgerundet und bis zwischen die Ohren hin abgeflacht; die Backen breiten sich aus, an ihrem unteren Theile unter dem Ohre steht, wie beim Tiger und dem Cuguar, ein Busch von verlängerten Haaren, der etwas seit- und hin- abwärts hinaus tritt. Augen massig gross mit starker Nickhaut und grosser runder Pupille; Augenwinkel vorn schief hinabgeneigt; Ohren massig hoch und breit, massig zugespitzt , von innen länger behaart als aussen, an ihrer Spitze steht ein kleiner Pinsel von Haaren, nur 3 bis 4'" lang und sehr dünn; Rachen oben im Gaumen mit erhöh- ten Querleisten bezeichnet ; Gebiss sehr scharf und stark, mit langen Eckzähnen ; Zunge rauh wie an der Hauskatze ; Hals kurz und stark; ganzer Körper höchst schmal und von den Seiten zusammengedrückt , wie an der Katze, die Schultern ebenfalls, dabei aber stark; Vorderbeine hoch, dick rundlich muskulös, mit starken dicken Pfoten oder Füs- sen und sehr starken , grossen platt zusammengedrückten Klauen, welche in ihren Scheiden vorborgen liegen; Vor- derfuss wie an der Hauskatze gebildet; der Leib ist so platt , dass er , wenn das Thier auf der Seite liegt, kaum 3 Zoll hoch ist; Hinterbeine schlank, dabei zierlich und muskulös, wie an der Katze; Hinterfuss mit vier Zehen, die zwei mittleren länger und gleich lang, die äussere und innere einander ebenfalls gleich lang, wie an der Katze; am Vor- derfusse steht inwendig eine kurze Daumwarze mit einer grossen zusammengedrückten, fest anliegenden und etwas Yerzeichniss Kordamcrlknnischer Säugcthiere. 277 abwärts gerichteten Klaue, die an ihrer unteren Wurzel eine kleine nackte Stelle, oder eine Art von Ballen zeigt; der Vorderfuss hat unter jeder der vier Zehen einen rund- lichen, nackten Ballen, hinter den Zehen steht ein ähnli- cher grosser, etwas herzförmiger, der an den Seilen etwas ausgebuchtet ist, und hinter diesem, unter dem Handge- lenke, ein etwas zugespitzter, rauher, schmal kegelförmi- ger Ballen, von beinahe 5 Linien Länge; an der Hinter- sohle ist es ebenso, die Ballen sind aber etwas mehr läng- lich, besonders der Herzballen, der vorne etwas stumpf und mehr in die Länge gezogen ist; Schwanz sehr kurz, nicht völlig fünf Zoll lang, an der Spitze abgerundet und kurz behaart, massig dick, etwas weniges dichter und mehr wollig oder weicher behaart, als der Rücken; After- und Geschlechtsöffnung nahe unter dem Schwänze, wie an der Hauskatze; Behaarung der Obertheile im December ziem- lich kurz, auf dem Hinterrücken etwa 1 Zoll 3 Linien lang (die einzeln darin vertheilten Slachelhaare sind länger), sie bildet bloss die etwas sanfte, zartwollige Grundbehaarung; Bauch und innere Seite der Schenkel mit zarten, weichen 272 Linien langen Haaren besetzt, übrigens verhält sich die Behaarung wie an der Katze. Färbung: Nasenkuppe röthlichbraun; Einfassung des Auges und der Lippen schwarzbraun , ebenso der Augen- winkel; Iris im Auge breit feurig gelbraun, oder gelb; Bartborsten weiss; alle Obertheile des Thieres von der Na- senkuppe bis zum Schwänze haben eine Mischung von fahl röthlichgraubraun und schwarz , indem die Haare an der Wurzel fahl graubraun , dann schwarzbraun und an der Spitze weisslichgclb gefärbt sind; es stehen aber zwischen ihnen einzelne längere schwarze Stachelhaare; die Stirn zeigt einige Reihen kleiner, schwarzbrauner Fleckchen, die zwischen den Ohren einen gefleckten Schild bilden , der nach hinten von einer hufeisenförmigen Linie oder schwarz- braunen Zeichnung eingeschlossen ist; von der oberen weissen Einfassuno- des Auofes treten zwei kurze weisse streifen nach der Stirn hinauf; Ohr an seiner äusseren Fläche an der Wurzel mit einem starken schwarzen Quer- streifen, seine ganze Mittelfläche ist weisslich, die obere 278 Prinz Maximilian zu Wie d: Spitze aber, so wie ein grosser Theil des Randes an bei- den Seiten, so wie der kleine dünne Haarbusch an der Spitze kohlschwarz; innere Behaarung- des Ohres fahl gelb- lichweiss ; Backen auf weissgrauem Grunde mit drei etwas bogenförmig abwärts gekrümmten, dann nach dem Ohre hin- aufgerichteten und zuletzt nach dem langen Backenbarte an dem hinteren Winkel des Unterkiefers hinablaufenden Strei- fen, wo man aber nur noch den unteren von ihnen wahr- nimmt, die beiden anderen haben schon früher aufgehört; der genannte längste Streifen färbt den hinteren Theil des Backenbartes schwarzbraun, dessen vordere Haare gemischt sind, von denen aber die längsten lange weisse Spitzen haben; zu beiden Seiten der Nasenkuppe stehen an der Oberlippe vier kurze horizontal parallellaufende Streifen, aus welchen die Bartborsten zum Theil entspringen ; Kinn und Kehle sind weisslich ; doch stehen an der letzteren zwei kurze, schwärzliche, winkelförmig gegen einander gestellte Streifen , nach vorne gegen einander geneigt; Gegend hinter den Ohren fahl röthlich ; Seite des Halses mehr grau und schwärzlich gemischt; Vorderblätter, Hin- terschenkel und Seiten des Thieres zeigen eine Mischung von röthlichen , schwärzlichen und weisslichen Haaren, an den Beinen mit verwaschenen, rundlichen, dunkel grau- braunen und röthlichen Fleckchen , welche an den Vor- derbeinen weniger sichtbar sind, als an den hinteren; Brust fahl röthlich, mit langen weissen Haarspitzen, doch bemerkt man an diesem Theile zuweilen ein Paar undeut- liche punktirte oder gefleckte Querlinien; die langen Haare des Bauches und der inneren Seite der Beine sind fahl röthlichweiss mit vielen schwarzen Fleckchen; an der in- neren Seite des Vorderarmes stehen zwei starke schwarze Querbinden, so wie kleine Fleckchen, und an der inneren Seite der Schenkel sind die schwarzen Flecken gross; Hinterfläche der Schenkel röthlichbraun, ins Rostrothe zie- hend; Fussballen schwärzlich, die ganze Sohle beinahe schwarz und diese Farbe zieht an den Hintersohlen hinauf, nur ist sie an ihrem oberen Theile weniger dunkel, sie reicht bis gegen die Ferse hinauf; Schwanz an der Unter- seite weisslich , an seinen Seiten röthlich , an der Ober- Verreichniss Nordamerikanisrher Säugethiere. 279 Seite , wie am Rücken des Thieres , aber an der Schwanz- spitze befindet sich ein breiter schwarzer Flecken, der die- selbe aber nicht gänzlich , sondern nur halb umgiebt, und oberhalb dieses grossen schwarzen Endfleckens bemerkt man noch ein Paar undeutliche, schwarze Querstreifen auf der Oberfläche; Klauen der Zehen weisslich. — Im Sommer ist diese Luchsart mehr rothbraun gefärbt und mehr mit kleinen Flecken bezeichnet, da die weisslichen Haarspitzen mehr fehlen. Diese Species ist übrigens unter den Luch- sen leicht zu unterscheiden. Ausmessung: Ganze Länge (mit den ziemlich kur- zen Haarspitzen des Schwanzes) 2' 9"; Länge des Schwan- zes 4" 7'", doch treten die längsten Haarspitzen noch ein wenig über diese Länge hinaus ; Länge des Kopfes etwa 4" 8'"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augen- winkel 1"6%'"; Länge der Augenspalte 8V5'"; Länge vom vorderen Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 2" Öy«'"; Breite des Ohres über dem Kopfe 1" 9'"; Höhe des Ohres an des Kopfseite (ohne den Haarpinsel) 2" 3'" ; Länge des Haarpinsels an der Spitze des Ohres 3 bis 4'"; Länge des Backenbartes 1" 8'"; Länge der Bartborsten 3" 4'"; Länge des oberen Fangzahnes 6'"; des unteren 5Vä'"J Höhe des Vordergestelles 15" 9'"; Länge des Hintergestelles (mit ausgestreckter Fussspitze) 17" 2'"; Umfang des Vorder- beines unter dem Ellenbogen 4" 8"'; Umfang der Vorder- pfote (oder des Fusses) 4"; Länge der längsten Vorder- klaue 772"'; Länge der Klaue des Daumens 7"'; Breite der stärksten Klaue an ihrer Wurzel S'/s"'; Länge der Vorder- sohle bis zum Handgelenke 2" 8"'; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 5" 8"'; Umfang der Hinterpfote 3" 7"'; Länge der längsten Hinterklaue öVö'''^ Breite des Scheitels zwischen den Ohren etwa 2" 3"'; Umfang des Thieres hinter den Vorder-Blätlern 12" 10"'; Umfang in der Mitte des Leibes 11" 8"'; Umfang vor den Hinterschenkeln in der Dünnung 11" 2"'; Gewicht 15 amerikanische Pfund. Innere T heile: Der äusserlich sehr schmale schlanke Körper ist ohne alles Fett; Schenkel und Beine höchst mus- kulös; der Bulbus des Auges ist gross; Kaumuskeln sehr stark; Schädel etwas flach und breit; Herz dick und breit; 280 Prinz Maximilian zu Wied: Leber in 7 Lappen getheilt , davon sind einige gross, die übrigen klein; Gallenblase schmal und länglich; zwischen einem grossen und einem kleinen Lappen der Leber gele- gen; Zwerchfell muskulös; Nieren dick, 1" 8'" lang; Magen beinahe 4" lang, länglich geformt, mit mehreren Querfal- ten oder Einschnürungen ; innere Magenfläche ein wenig faltig, mit grüngelblichem Magensafte angefüllt, gänzlich leer; Urinblase im angefüllten Zustande eiförmig, im Durchmesser 2" TVV" haltend, gestaltet wie ein grosses Truthühnerei. Ein jüngeres weibliches Thier, am 12ten Januar erhalten: es war jung, ohne Zweifel vom vergangenen Frühjahre, also etwa 10 Mo- nate alt: Ganze Länge 21" 1'"; der Pelz war grob, etwas uneben und kurzhaarig, übrigens in allen Stücken mit dem vorherbeschriebenen Luchse übereinstimmend ; den Ohren fehlte der Spitzenpinsel noch gänzlich , der lange Backen- busch war noch undeutlich; Sohlen und Fersen noch nicht so schwarz, nur schwärzlichgrau ; Haare des Leibes roth- bräunlich und weiss gemischt, auf dem Rücken mit schwarzen Spitzen; Hinterbeine rothbräunlich, dunkler gefleckt; Vorder- beine rothbraun, klein dunklerschwärzlich gefleckt, an der inneren Seite weiss, mit drei schwarzen Querbinden und sol- chen Flecken ; obere Barthaare schwarz, die unteren weiss. Innere Theile: Wie früher beschrieben, allein der Körper mehr fett, das Netz gänzlich mit Fett durchwach- sen; Leber dunkel rothbraun, in sieben Lappen getheilt; nur ein Stückchen Fleisch befand sich in dem Magen, des- sen innere Fläche in Längsfalten gelegt war. Altes männlich es Thier, w^ahrsc heinlich im Sommerpelze: Ich kann die B'ärbung nur nach dem ausgestopften etwa 3 Fuss langen Thiere angeben. Umge- bung des Auges und ein Fleck an jeder Seite der Nasen- kuppe sind weiss; Vorderkopf rothbraun ; Backen weisslich mit 3 bis 4 gebogenen schwarzbraunen Längsstreifen, von welchen die unteren schon unmittelbar hinter der Nasen- kuppe beginnen; Kinn weiss; Unterhals röthlich; die vier Beine und Hinterschenkel überall mit runden kleinen schwarz- braunen Fleckchen bezeichnet, übrigens wie da« oben be- schriebene Weibchen. Verreichniss Nordamerikanischer Säugethierc. 2S1 Der Rothluclis ist noch gegenwärtig über alle waldi- gen Theile von Nord-Amerika verbreilet und wir erhielten die beiden beschriebenen Exemplare in den grossen Wal- dungen am Wabasch mitten im Winter. Einige Landleute wollten hier behaupten es gebe zwei Arten von Luchsen in Indiana , wovon die eine kürzeren Schwanz und Beine habe; allein Herr Thomas Say, ein tüchtiger und auf- merksamer Beobachter der Natur , der lange in dieser Ge- gend lebte, wollte nur eine Luchsart für das mittlere Nord- Amerika gelten lassen , und so ist es auch ohne Zweifel. Macht man doch in Europa Kalbs- und Katzen -Luchse, Brand- und Birk- Füchse, Hunds- und Schweins- Dachse u. s. w. , und alle gehören unumstösslich nur einer Art an. Dass übrigens im höhern Norden von Amerika eine zweite Luchsart vorkomme, davon kann man sich in den Magazinen der grossen Pelzhandlungen überzeugen. Der Rothluchs der mittleren Staaten wird dort die wilde Katze, Wild-Cat oder auch wohl Catimount genannt. Jetzt kommt er nur noch in zusammenhängenden Waldun- gen, besonders den Gebirgen , z. B. den AUeghany's vor, ist daselbst aber nicht selten. Wie alle grössern Raub- thiere ist er übrigens nirgends sehr häufig , doch erhielt ich in Indiana in kurzer Zeit zwei Exemplare, mehrere andere sind ohne Zweifel erlegt worden , wovon ich keine Nachricht bekam. Im Jahre 1832 soll man auf Fox-Island ^) kurz vor unserer Ankunft , einen besonders starken Luchs erlegt haben, der leider nicht conservirt wurde. Sie wer- den entweder in Fallen gefangen, oder mit Hunden gejagt, welche sie auf die Bäume treiben, da der Luchs sehr geschickt klettert. Dort oben drückt er sich auf einen Ast, und sieht nur mit dem Kopfe hervor. Deshalb waren auch die bei- den Exemplare, welche ich erhielt, mit der Kugelbüchse durch den Kopf geschossen. Den einen derselben hatte man 12 Miles von Harmony erlegt, sechs Schüsse waren nach seinem Kopfe in grosser Höhe geschehen, bis er herabge- schossen wurde. 1) Siehe die Beschreibung von INevv-IIaiinony in dem 1. ßande meiner Reisebeschieibunff. 282 Prinz Maximilian zu Wied: Wie bekannt ist der Luchs ein für alle kleineren Arten des Wildes sehr gefährliches Faubthier. Auch in Nord- Amerika behauptet man , dass er von den Bäumen auf das Wild herabspringe , was aber dennoch nicht erwiesen ist und sich meines Wissens dem deutschen Jäger nicht be- stätigt hat. In Amerika soll er besonders den jungen im Walde umher laufenden zahmen Schweinen nachstellen. Das Fell dieses Luchses ist schlecht und er wird da- durch ganz vorzüglich gut von dem canadischen oder nörd- lichen Luchse unterschieden. Das Haar des Rothluchses bleibt Winter und Sommer kurz , selbst bei der strengsten Kälte, und man bezahlte ein solches zu New-Harmony am Wabasch nur mit 25 bis 27 Cents; dagegen giebt Felis canadensis ein langes und lockeres, dabei feinhaariges Pelz- werk, welches weit höher im Preise steht. Mehrere Zoologen haben für Nord -Amerika mehrere Arten von Luchsen angenommen; allein ich glaube mit Godman, dass nur zwei bestimmt verschiedene Thiere dieser Art für dieses Land festzusetzen sind, da alleRaub- thiere in der Färbung etwas variiren. Wenn man mit Ka- fines qu e jede Farbenvarietät zur Species erheben wollte, so könnten wir in Europa fünf bis sechs verschiedene Ar- ten von Füchsen und wenigstens drei verschiedene Luchs- arien aufstellen. Dergleichen Irrthümer können aber nur da vorkommen, wo man die Natur bloss im Zimmer be- obachtet. Eine gute Abbildung von Felis rufa hat Fr. Cuvier im dritten Bande seiner grossen Zoologie ^) unter dem Namen „Chat-Cervier adulte" gegeben. Bei den Ojibuä's heisst der Rothluchs Aeh-säbban (letztes Wort kurz). „ „ Ojibuä's der nordische Luchs (Le Loup - Cervier der Ca- nadier) Pischü. „ „ Mandans der Rothfuchs . . Schuntä-pussä (der bunte Schwanz -). 1) S. Hist, natur. des Manimifercs par GeolTroy et Fr. Cuvier. 2) Pussähsch oder puhsälisch, es ist bunt oder gefleckt. Verzeichniss Kordamcrikanischer Säugethierc. 283 Ord. III. Marsupialia. ßeiitel-Tliiere. Nur eine Art aus dieser Ordnung kommt bekanntlich in Nord-Amerika vor , welche noch gegenwärtig- überall ge- funden wird. Genus Didelphys Linn. Beutcl-Thier. Für die südamerikanischen Beutelthiere haben wir in der neueren Zeit wichtige Beiträge mit schönen Abbildun- gen, durch Herrn Professor Burmeister erhalten, ande- ren vielleicht sehen wir noch entgegen, welche dieser ge- lehrte Reisende uns mittheilen dürfte. Ich will hier nur gelegentlich bemerken , dass Didelphys aurita meiner bra- silianischen Beiträge ^) von Burmeister ebenfalls wie- der verkannt worden zu sein scheint. Die beiden von mir an jenem Orte unter den Benennungen „D. marsupialis und aurita" beschriebenen Thiere sind nicht identisch ; denn wenn die weiblichen Thiere beider Arten sich durch dop- pelte Ohrhöhe unterscheiden , so kann man sie gewiss für verschiedene Arten halten. Bei meinem marsupialis hält das äussere Ohr 1" 1'", bei aurita 1" 10'" in der Höhe; ich kann also mit Burmeister's aurita nicht einverstanden sein, unter welchem , wie es mir scheint, zwei Arten ver- borgen sind. B u rmeister's Abbildung 2j stellt augen- scheinlich meinen marsupialis dar, aber bei meinem aurita ist das Ohr ganz anders gestaltet, übrigens haben beide Thiero viele Aehnlichkeit, nur ist der Kopf bei aurita grösser und stärker. — Der Name Gambä entscheidet nichts , weil die Brasilianer beide Arten unter demselben verwechseln. 1) Bd. II. p. 395. 2) Erläuterungen zur Fauna Brasiliens. Tab. 111. 28i Prinz Maximilian zu Wied; 1. D. virginiana Shaw. Das nord amerikanische B c u t e 1 1 Jii e r oder Opossum. Alldllbon und Bachm. 1. c. II. p. 107. Tab. Gß. Spencer ßaird 1. c. I. p. 232. Beschreibung ^) eines weiblichen T h i e - res nach dem Leben: Gestalt dick, gedrungen, der Körper breit , mit dichtem , ziemlich langem Pelze be- deckt; Gestalt beinahe bärenarlig, Kopf schweinsartig, etwas kegelförmig zugespitzt, der Rachen sehr gross, bis unter die Mitte des Auges gespalten. Auge ziemlich klein, rat- tenartig, länglich, bräunlichschwarz; Nasenkuppc gross, breit, nackt, vorne durch eine perpendiculäre Furche oder Hohlkehle etwas gespalten: Unterkiefer nur BYi^'" kürzer als der obere; Ohren massig gross, an der Basis schmä- ler , in ihrer Mitte am breitesten, oben abgerundet, dabei nackt, häutig, glatt; Beine kurz, stark und muskulös; Ze- hen am Vorderfusse wenig ungleich in der Länge, der Mit- telfinger der längste ; die Nägel sind kurze , scharf ge- krümmte Klauen; Füsse behaart, oben an den Fingern ist die schuppige Haut sichtbar, indem hier nur einzelne kleine, sehr zarte Haare stehen; Hinterhände behaart wie die Vor- derfusse; drei mittlere Finger ziemlich gleich lang, der Daumen dick und stark, mit rundlichem, stumpfen Kuppen- nagel ; Vordersohle mit sechs beinahe gepaart stehenden fleischröthlichen Ballen , die Hintersohle mit vier starken Ballen; Nägel der Hinterzehen etwas grösser, mehr aufge- richtet und abstehend als an den Vorderzehen ; der Beutel dieses Thieres ist ringsum durch eine Hautfalte angedeutet, er wird weit und breit geöffnet , an seiner inneren Fläche mit dichtem Pelze bedeckt; Schwanz wie an den Mäusen, mit regelmässigen , denen der Fische in der Gestalt ähnli- chen Hautschuppen bedeckt , zwischen welchen dünne, zarte, anliegende, weissliche, nach der Spitze hin strebende Haare eingepflanzt sind , er ist muskulös , mit unterwärts 1) Wenn dieses Thicr gleich sehr beliannt ist , will ich doch die Beschreibung nachdem lebenden oder frischen Thiere hier folgen lassen. Vcrzcichniss Norclainerikanischer Säugctiiiere. 285 cing-erollter Greüspilze ; die Zunge desThieres ist an ihrem vorderen Rande ein wenig gefranzt , auf ihrer Mitte mit stari^en, rauhen, rückwärts strebenden Papillen besetzt, an ihrer Unterseite zeigt sie einen vortretenden Äiittelstreifen über ihre Länge hinab; das Gebiss ist bekannt; Gaumen mit starken, rückwärts gericliteten Querleisten besetzt; der Pelz des Thieres besteht aus einer sehr dichten, über einen Zoll langen Grundwolle, in welcher weit längere, glänzende Haare vertheilt sind; diese sogenannten Stachelhaare mes- sen auf dem Rücken über zwei Zoll sechs Linien in der Länge; Beine an ihren unteren Theilen nur mit Wolle be- deckt , hier und da stehen darin einzelne kurze Stachel- haare vertheilt; Haar des Kopfes, besonders an beiden Kie- fern, sehr dicht, wollig und ziemlich kurz; lange Bartbor- sten am Ober- und Unterkiefer, über dem Auge und vor- deren Ohre; die längsten derselben, oder die Barihaare halten drei Zoll in der Länge. Färbung: Der Kopf ist weiss, der Rand der Augen- lieder schwärzlich; Nasenkuppe und Lippenrand bräunlich- fleischroth; Ohren schwarz , matt glänzend, die Spitze auf 2'/3 Linien breit röthlichweiss ; vier Beine schwarzbraun, ebenso die vier Füsse , die erstem mit einzelnen, weissen in der schwarzbraunen Wolle vertheilten Haaren; die vor- dere Hälfte der Zehen oder Finger röthlichweiss ; ganzer Körper weisslich, die Wolle des Rückens mit schwarzbrau- nen Spitzen, die langen darin stehenden Stachelhaare glän- zend weiss; Schwanz an der Wurzel schwärzlichbraun, der Vordertheil; mehr als die Hälfte betragend, schmutzigweiss ; am Oberkiefer stehen schwarze und weisse Bartborsten, weisse am Unterkiefer, gelblichweisse vor den Ohren, und einige schwarze oberhalb des Auges. Ausmessung: Ganze Länge 26" 2'" ; Länge des Schwanzes 11" 3'"; Länge des Kopfes 3" 11"'; Länge von der Nasenspitze bis zum vorderen Augenwinkel 5"'; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis l"5y2"'; Höhe des Ohres an der Scheitelseite 1" 8V-»"'; Breite des Ohres über seiner Mitte 1" V^^"'; Länge der Vordersohle mit dem Nagel 1" 7"'; Länge der Hintcrsohle von der Ferse zur Nagelspilze 2" ly^"'; Breite des Scheitels zwi- 286 Prinz Maximilian zu W i e d : sehen den Ohren etwa 1" 7'"; Länge des längsten oberen Fangzahnes 4'"; des längsten unteren 3'"; der Scliwanz ist nackt auf 8" 10'" seiner Länge. Ein männliches Thier: Gestalt und Färbung wie am Weibchen, von Leib dick und gedrungen, die Ohren an der Spitze nur mit einem kleinen fleischfarben weissli- chen Flecke bezeichnet , der in der Breite etwas variirt, indem man ihn zuweilen gross, zuweilen klein antrifft ; Te- stikcl mit weisslicher Wolle bedeckt, an einer dünnen, nackt- häutigen , schwärzlich gefärbten und hinten und vorne weisslich gcrandeten 7 Linien langen Hautverbindung auf- gehängt; die Ruthe ist nach hinten gekehrt, ihr Vorder- theil, wie bekannt, gespalten und gleich zwei Hörnern beide Theile zugespitzt gegen einander einwärts gewölbt; die Testikel selbst sind unter ihrer Haut schwarz und hän- gen , wie gesagt, an dünnem Strange; der Körper dieser Thiere ist gewöhnlich mit einer dicken Lage von Fett überzogen. Ausmessung: Ganze Länge 25" 7'"; Länge des Kopfes 4" 2'"; Länge des Schwanzes 10" 3"'. Ein vorzügliches grosses männliches Thier, am 2len Januar erhalten, hatte folgende Ausmessung. Die Eckzähne waren so kolossal, dass sie nicht gänz- lich unter den Lippen verborgen werden konnten , wes- halb sie 4 Linien lang über den Unterkiefer herab traten; Ohren ziemlich kurz, breit, oben abgerundet, an der Spitze kaum merklich weiss, ja man kann sagen, das Weisse fehlte hier an der Spitze, und nur bei genauer Betrachtung be- merkte man oben an der Spitze einen schmalen, w^eisslich- fleischfarbigen Rand ; Farbe des Schwanzes sehr schmutzig, ohne Zweifel vom Schleifen auf dem Boden , der Wurzel- theil nur blass schwärzlich gefärbt. Dieses Individuum war unter sehr vielen Thieren dieser Art , die ich erhielt, das grösste und gewiss sehr alt. Ausmessung: Ganze Länge 31" 8V2"'; Länge des Kopfes 5" 2"'; Länge von der Nasenspitze bis zum verde- Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 287 ren Augenwinkel 2" 3'"; Länge der AugenöiTnung 6V(>'"; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 2"; Breite des Ohres an der Basis Ty^'"; Länge des oberen Fangzahnes 8'"; Länge des unteren 5'"; Länge der Vor- dersohle 2"; Länge der längsten Vordcrzche II y^'"; Länge des längsten Vordernagels 5'"; Länge der Hintersohle 2" 5V2'"; Länge des Hinterdaumens Ty^'"; Länge der läng- sten Hinterzehe 10'"; Länge der längsten Hinterklaue 572'"? Länge der Testikel OV^'"; Länge der Verbindungshaut, an welcher sie hängen etwaöyi'"; Länge des Haares auf dem Vorderrücken 2" 6'"; Länge desselben am Hinterrücken 3" 2-3'"; Umfang des Kopfes vor den Ohren 9" 5'"; Umfang des Halses 9" 1'"; Umfang hinter den Vorderblättern 13" 10'"; Umfang vor den Hinterschenkeln 14" 8'"; Umfang des Schwanzes an der Wurzel 3" 8V2'"; in seiner Mitte 2" 6'"; Gewicht des Thieres 11 amerikanische Pfund. Im Magen Ueberreste von kleinen Thieren, Haut und Fleisch. Die weiblichen Thiere scheinen viel mehr Weiss an dem oberen Tlieile des Ohres zu tragen als die männlichen. Das Opossum der Amerikaner ist über den grössten Theil von Nord - Amerika verbreitet , geht aber nicht viel weiter nördlich als New-York , bei Audubon findet man sehr weitläufige Nachrichten über dieses Thier und seine Verbreitung. Am oberen Missouri kommt es gar nicht vor, in Pennsylvanien findet man es noch , und in Indiana war es sehr gemein. Seine Lebensart hat Audubon vortreff- lich beschrieben. Es ist ein gefrässiges Raubthier, vor welchem man vorzüglich die Hühner- und Taubenhäuser zu wahren hat. Im gezähmten Zustande ist es ein stupi- des Thier, das den Rachen sogleich weit aufsperrt, sobald man sich ihm nähert, übrigens sich aber kaum von der Stelle bewegt. In bewohnten Gegenden sind sie nächtliche Thiere, man sucht die Waldungen mit Hunden ab, um sie zu fan- gen. Die Hunde beissen das Thier todt, oder es besteigt einen Baum, wird verbellt und dann herab geschossen. Ein gezähmtes Beulelthier dieser Art, welches ich besass, suchte dunkle Winkel auf. Zum Schlafen legte es sich rund zu- sammen, wie der Fuchs. Er frass bald die ihm hingewor- fenen Vögel, hatte besonders viel Durst, welchen es durch 288 Prinz Maximilian zu W i e d : Aufsperren des Rachens zu erkennen gab. Sein Geruchs- sinn mussle sehr scharf sein , denn es bewegte die Nasen- kuppe iiäufig hin und her , um den Geruch der umgeben- den Gegenstände zu bekommen. — Ueber die Fortpflanzung dieser Thiere spricht Au dubon lang und breit, man kennt jetzt vollkommen den Hergang jener merkwürdigen Fort- pflanzungsweise, worüber ich keine Gelegenheit fand, Be- obachtungen anzustellen. — Ich erhielt indessen weibli- che Thiere mit 10 bis 12 starken Jungen. Man erzählt in Nord-Amerika eine Menge von Fabeln von diesen sonderbaren Thiercn. Ein übrigens scheinbar ziemlich instruirter Pflanzer erzählte mir u. a., er habe bei dem wTiblichen Opossum nie einen Uterus finden können, es sei gewiss , dass diese Thiere keine Innern Geschlechts- theile besässen , und man sei in den Prairies von Illinois überzeugt , dass das Männchen das Weibchen in die Nase befruchte , worauf dieses die Samenfeuchtigkeit mit jenem Theile in den Beutel bringe, wo alsdann die Jungen an den Zitzen aufwüchsen. Bei den Deutschen in Pennsylvanien trägt das Beu- telthier den Namen ßassem, die Anglo-Amerikaner nennen es Opossum. Bei den Osagen heisst es Sindiäschtä. „ „ Otos Ik-scha-mina (zusammen ge- sprochen) d. h. der sich niederlegt oder schläft mit Lachen. (Fortsetzung im nächsten Jahrgange.) Erklärung der Abbildungen. Taf. VIII. Fig. 1. Penisknochen des Lupus variabiiis. „ 2. „ „ Canis latrans. „ 3. „ „ „ virginianus. „ 4. ,, „ „ velox. „ 5. „ „ Pulorius vison. „ G. ,. der Lutra canadensis. „ 7. „ von Procyon lotor. „8. n des Hermelin vom Missouri, Neue Wirbelthiere von Chile. Von Dr. R. A. Philipp! und Ludw. Landbeck. A. lammalia. Im Januar d. J. wurde ein Weibchen einer, wie es uns scheint, noch unbeschriebenen Fledermaus in der Cor- dillere von Santiago in einer Höhe von c. 7000 Fuss ge- fangen , welche in der Mitte zwischen Vespertilio velatus (Plecotus velatus Is. Geoffr.) und V. chiloensis steht und namentlich der ersteren nahe kommt. W^ir haben ihr den Namen Vespertilio montanus beigelegt und glauben , dass sie durch folgende Diagnose zu unterscheiden ist. Vespertilio montanus Ph. et L. auriculis amplis, oblon- gis, disiunctis; trago angusto elongato; cauda truncum di- inidium aequante; pilis in parte superiore corporis murinis, in inferiore cinereo albis; facie supra nigra; antibrachio 20 lin. longo, caudam tertia parte superante. Da die wesentlichen Unterschiede zwischen Y. velatus und montanus in den Verhältnissen der Körpertheile beru- hen, so lasse ich die Masse beider Arten hier folgen. Länge des Länge Länge d. Länge Ausbrei- Körpers mit der Schwan- des Vor- tung der dem Kopf. Ohren. zes. derarms. Flügel. V. velatus *) 24 Lin. U-16Lin.3) 22 Lin. 22 Lin. 9% ZolH) V. velatus ^) 28 Lin. 14 Lin. 23 Lin. 25 Lin. 12 Zoll V. montanus 26 Lin. 9% Lin. 14% Lin. 19% Lin. 10 Zoll 1) Nach der Beschreibung bei Gay. 2) Nach dem Exemplare unseres Museums. 3) Auf der Abbildung bei Gay gemessen; das eine Ohr missl 14j das andere 16 Linien. 4) Scheint ein Druckfehler zu sein. Archiv f. Nalurg. XXVIL Jahrg. 1. Bd. 19 290 r h i 1 i p p i und Landbeck: Wie man hieraus sieht, ist bei V. velatus der Schwanz weit länger, so lang wie der Vorderarm, während er bei V. montanus bedeutend kürzer ist. Auch der Vorderarm ist bei V. montanus etwas liürzer. In noch auffallenderem Grade ist dies bei den Ohren der Fall. Die Färbung zeigt ebenfalls Verschiedenheiten. Der obere Theil des Gesichts ist bei V. montanns beinah schwarz, bei V. velatus hell röthlichbraun; der obere Theil des Körpers ist bei unserer neuen Art mäusegrau, bei V. velatus röthlichgrau; die Ohren und die Flughaut sind bei V. montanus schwärzlich- grau; bei velatus röthlichbraun. Der Bauch ist bei unse- rer Art ebenfalls etwas dunkler. In der Gestalt der Ohren ist auch eine kleine Verschiedenheit, aber da diese Theile durch das Eintrocknen sich etwas verändert haben können, so will ich kein Gewicht darauf legen. Leider hatte Herr Landbeck die Fledermaus ausgestopft ohne vorher den Zahnbau genau zu noliren, so dass ich hierüber nichts sa- gen kann. B. Ares. 1. Upucerthia albiventris Ph. et L. Artkennzeichen: Die Mitte längs der Unterseite so wie ein Längsfleck auf den meisten grossen Schwung- federn weiss. Beschreibung: Länge 7", Schnabel 8'", Schwanz 2" 8'", Flügel vom Bug bis Spitze 3" 9'", Schienbein 1" 3'" Tarsus 1" 1'", Mittelzehe IOV2", Aussenzehe 7V2", Innen- zehe 7'", Hinterzehe 8'", der Nagel allein 5'". Schnabel lang, dünn, gerade , ziemlich bachstelzenar- tig, schwarz. Iris dunkelbraun; Tarsus dunkelbraun; Nä- gel schwach gebogen nicht sehr lang, schwarz. Die Haupt- farbe der Oberseile ist ein düsteres Erdbraun, auf dem Rük- ken, Bürzel und Oberschwanzdeckfedern mit dunkel rost- braunem üeberfluge; der Zügel , so wie die Ohrfedern bis zum Genick haben die Erdfarbe des Scheitels. Die kleinen und grossen Flügeldeckfedern der 2ten Ordnung sind lich- ter als der Rücken, mehr hellgraubraun mit rostgelblichen , Neue Wirbellhiere von Chile. 291 Rändern, die Daumenfedern braunschwarz , der Flügelrand vor und unter denselben weiss, die zehn Deckfedern Ister Ordnung gelblichwciss mit braunschwärzlichen Spitzen. Die 3te und 4te Schwungfeder sind gleich lang, die Iste so lang wie die 7te. Die Schwungfedern sind braunschwarz ; auf der [nnenfahnc der 4ten Schwungfeder ist ein weiss- licher Längsflcck, welcher im ersten Drittel von der Wurzel an gerechnet, beginnt und 6'" vor der Spitze verläuft; auf den fünf folgenden Federn befinden sich ähnliche Flecke, welche sich aber auch auf die Aussenfahne erstrecken und einen etwa 10'" langen weissen Spiegel bilden; die folgen- den bis vor die letzten Schwungfedern haben einen hellen rostweisslichen Fleck auf dem ersten Drittel, wodurch ein zweiter gelber Spiegel gebildet wird , das 2te Drittel be- deckt ein kohlschwarzer Fleck und von da bis zur Spitze sind die Aussenfahnen hell rostbraun gefärbt. Die zwei mittlem Schwanzfedern sind einfarbig fahl erdbraun, die übrigen schwarz , die äusserste mit rostfarbiger Spitzen- hälfte, die 2te mit kleinerer rostfarbiger Spitze, die 3te mit rostfarbigem Keilfleck in der Spitze. Auf der Unterseite des Flügels weisse Deckfedern und quer über den Flügel eine gelblichweisse Querbinde. Die Unterseite des Schwanzes hat die Farbe und Zeichnung der oberen , nur matter und undeutlicher. Vom Nasenloche bis zum Genick zieht sich über das Auge hin eine weissgelbliche Binde. Die Haupt- farbe der ganzen Unterseite ist gelblichwciss, an Kinn und Kehle am reinsten, an der letzteren hat aber jede Feder eine schwärzliche Spitze, wodurch dieser Theil getüpfelt erscheint; Unterbrust und Bauchmitte sind ungefleckt weiss, die Brust- und Bauchseitenfedern sind graubraun, letztere wie die Schenkel-, After- und Unterschwanzdeckfedern in hell rostbräunlich übergehend. Dieser Vogel lebt in der Gegend von Arica in Peru und stammt aus der Sammlung des verewigten Frobeen in Arica. Anmerkung. Auf den ersten Anblick erscheint der hier beschriebene Vogel mitUpucerthia vulgaris Lafren. d'Orb. identisch und er hat auch in der Zeichnung sowohl als in der Färbung sehr grosse Aehnlichkeit. Er weicht jedoch 292 riiilippi und Landbeck: in folg-endcn wesentlichen Punkten von der erwähnten Art ab. 1) Der Schnabel ist bei unserem Vogel länger, ge- rader, schmäler und niedriger, also im Ganzen schlanker und schwächer als bei U. vulgaris, welcher Unterschied so bedeutend ist , dass er auf den ersten Blick auffällt. 2) Der Tarsus ist bei U. albiventris um IV2'" länger als bei U. vulgaris und sämmtliche Nägel weniger gebo- gen, sondern mehr gerade und stumpfer, was auch auf eine andere Lebensart hindeutet. 3) Bei U. albiventris ist der B'lügcl um 5'" länger als beim vorigen. 4) Der grösste Theil der Unterseile ist beinahe rein weiss, während derselbe bei U. vulgaris schmutzig ölgrau- bräunlich ist. Diese Unterschiede sind so bedeutend , dass sie die Grenzen klimatischer Abänderung überschreiten und zur Aufstellung einer besonderen Art berechtigen. Beobach- tungen am lebenden Vogel würden die Sache zur sicher- sten Entscheidung bringen. 2. Larus Frobenü Ph. et Ldb. Artkennzeichen: Flügel und Schwanz fast ganz schwarz. Beschreibung: Ganze Länge 1' 7", Schnabel 1" 10'", Schwanz 4" 6'", Flügel vom Bug bis zur Spitze 1' 1" 6'", Schienbeins", Ferse 2" 3'", Mittelzehe 2", Aussenzehel"10'", Innenzehe 1" 6'", Hinterzehe 3"'. Die Flügelspitze überragt die Schwanzspitze ungefähr um 1". Die Iste Schwungfeder die längste. Der Schnabel ist hoch, seitwärts stark zusammengedrückt, der Kieferast- winkel stark vorspringend , so dass der Schnabel vor dem Nasenloche höher als hinter demselben ist, der Oberschna- bel ziemlich stark abwärts gebogen ; das Nasenloch steht ziemlich in der Mitte des Schnabels und beginnt 5'" vor der Spitze der Seitenbefiederung des Oberschnabels ; das Nasenloch ist Syj'" lang und sehr schmal. Der Schnabel ist grünlichgelb, der vordere Theil vom Nasloche bis Spitze Nene Wirbellhiere von Chile. 293 lackröthlich , in der Milte dieser Spitzenhälfte auf dem Oberschnabel ein grosser hornschwarzer Fleck, welcher auf dem Schnabelrücken die grösste Ausdehnung hat und sich sodann schnell verschmälert, so dass auf dem Unter- schnabel nur noch eine Spur davon bemerkt wird. Das Augenlied ist weiss beliedert, der nackte Rand gelblich. Iris wahrscheinlich dunkel. Tarsus und Schwimmhäute blass- gelb, Nägel schwarz. Die Hinterzehe sehr kurz, verküm- mert, der Nagel konisch zugespitzt. Kopf, Hals, die ganze Unterseite , die Spitzen der meisten Schwungfedern 2ter Ordnung , die Oberschwanzdeckfedern , Wurzel und Spitze des Schwanzes weiss ; der Oberrücken beginnt am Hinter- halse mit Schwarzgrau und verläuft in die dunkel schiefer- schwarze Färbung des Rückens, Schultern und Flügel. Die sechs ersten Schwungfedern jedes Flügels sind sammt de- ren Schäften einfarbig schwarz, die vier übrigen Schwung- federn Iter Ordnung haben kleine weisse Spitzen, die sich auf den Spitzen der Schwungfedern 2ter Ordnung so ver- grössern, dass sie bei der letzteren über 1" lang sind, und wodurch eine sehr hübsch abstechende weisse Querbinde über die Flügel entsteht. Die Spitzen, etwa 6'" breit, sämmt- licher Steuerfedern sind weiss, die Spitzenhälfte des Schwan- zes sodann schwarz , die äusserste Feder an der Aussen- fahne ganz weiss, die zwei mittelsten fast bis an die Wur- zel ganz schwarz , die übrigen an der Wurzelhälfte weiss. Der Flügelrand ist auf der untern Seite weiss, die kleinen Unterflügeldeckfedern hellgrau, die grossen weiss. Die Reschreibung ist einem im August 1854 vom ver- ewigten A. Frobeen in Arica erlegten alten weiblichen Vogel entnommen und wir haben zu Ehren des eifrioen Sammlers demselben seinen Namen beigelegt. 3. Larus einer eo-caudatus Ph. etLdb. Artkennzeichen: Die sechs mittlem Schwanzfe- dern aschgrau, die seitlichen weiss. Reschreibung: Ganze Länge 1' 2", Schnabel 1" 3'", Schwanz 3" 6'", Flügel vom Rüg bis zur Spitze 10" 9'"; überragt die Schwanzspitze um 2", Schienbein 2" 6'", Tar- 294 P h i 1 i p p i und L a ii d b e c k : sus 1" 6'", xMiltelzehe 1" 4'", Aussenzehc 1" 3'", Innen- zehe 1" 1'", Hinterzehe 4'", die nackte Stelle des Schien- heins üher dem Fersengelenke 9'". Alter Vog-el im Ueberg-ange vom Winter- zum Sommerkleide. Schnabel kirschroth mit hellro- ther Spitze und vor dieser mit schwarzem 3'" breiten Quer- bande. Derselbe ist an der Wurzel ziemlich breit, 5'", verschmälert sich regelmässig bis vor das Nasloch, wo er noch 2'" Querdurchmesser hat, und ist von da an bis zur Spitze gleichmässig zusammengedrückt ; das Nas- loch beginnt in der Mitte des Schnabels und ist 3'" lang; an der Wurzel ist der Schnabel 5'" hoch ; die Spitze stark abwärts gebogen. Die Iris ist dunkelbraun; der nackte Theil des B'usses rothbraun ; die Nägel horn- schwarz. Stirn, Kinn , Kehle , Wangen und drei Viertheile des hinteren ümfanges des Auges sind weiss, erstere Theile mit einzelnen schwarzen Federn vermischt; der übrige Theil des Kopfes bis Genick und Gurgelseiten russschwarz. Der ganze Hals bis Oberrücken, die Bürzel- und Ober- schwanzdeckfedern , so wie die drei äusseren Schwanzfe- dern jeder Seite, die ganze Unterseite sammt Flügel- und Unlerschwanzdeckfedern schnceweiss, an Brust und Bauch mit rosenrothem Anfluge, wie bei L. ridibundus, glaucodes und mehreren anderen Arten. Rücken, Mantel, Flügel und sechs mittlere Schwanzfedern schön dunkel aschgrau, letztere am hellsten. Sämmtliche Schwung - und die längsten Schul- terfedern haben weisse Spitzen, wovon erstere gewöhnlich 6'" lang sind. Die Aussenfahne der ersten — längsten — - Schwungfeder ist schwarz, welche Farbe auch die Spitze der Innenfahne auf 3" lang herein einnimmt, die vier zunächstfol- genden Schwungfedern haben vor der weissen Spitze ein breites schwarzes Querband, welches sich auf der Aussen- fahne mehr nach der Wurzel zu erstreckt, als auf der In- nenfahne, auf welcher vielmehr das Schwarze einen run- den weissen Ausschnitt nach Form der Federspitzen zeigt. Bei zusammengelegten Flügeln erscheint die Spitze auf 3'" herein kohlschwarz mit drei weissen Flecken. Der Schaft der ersten Schwungfeder ist auffallend gefärbt: so weit die schwarze Spitze der Fahnen reicht , ist derselbe ebenfalls Neue Wirbelthiere von Chile. 295 schwarz, von da an bis zur Wurzel an beiden Seiten schwarz gestreift und in der3Iitte weiss; bei den Schäften der übri- gen Schwungfedern wiederholt sich dieselbe Zeichnung nur weniger auffallend, indem, was bei jener schwarz ist, bei dieser grau erscheint. Das vollständige Sommerkleid unterscheidet sich von dem eben beschriebenen nur dadurch, dass der ganze Kopf bis Genick, Wangen, Kinn und Kehle dunkel schieferschwarz ist und nur hinter dem Auge durch einen kleinen weissen Halbmond ausgezeichnet ist. ■ — Im reinen Winterkleide da- gegen ist der Kopf weiss, vor dem Auge und am Ohre mit schwarzem Fleck. Junger Vogel im ersten Frühlingskleide. Schnabel im Ganzen dunkler , die vordere Hälfte braun- schwarz, die Wurzelhälfte schwarzroth, die äusserste Spitze durchsichtig hellbraun. Der nackte Rand ^es Augenliedes dunkelroth, Fuss dunkel rothbraun. Das Schwarz des Ko- pfes erstreckt sich nicht über den Schnabelwinkel herab, ist weniger intensiv, sondern mehr braunschwarz mit vielen weissen Spitzenrändern der einzelnen Federn. Der Schwanz ist mehr silbergrau, also heller gefärbt als beim Alten. Die vier ersten Schwungfedern jeder Seite einfarbig braun- schwarz, die folgenden sind gefärbt wie bei dem alten Vogel. Das Jugendkleid zeigt dieselben Zeichnungen wie bei Larus ridibundus und glaucodes und ist stets durch eine schwarze Schwanzfeder-Binde ausgezeichnet. Diese kleinste der chilenischen Möven ist an der chi- lenischen Küste nicht häufig und nicht überall verbreitet; ich bemerkte dieselbe im September 1859 in den Häfen von Tome und Valparaiso. Das Museum besitzt aber auch einen alten Vogel im Sommerkleide aus der Gegend von Arica in Peru. €. Amphibia. 1. Leiosaurus torquatus Ph. L. post mortem supra obscure griseus, concolor, sub- tus e caerulescente albidus, torque gulae atro ; cauda cor- pus multo superante. 29G rhili ppi und Landbeck: Von Herrn Germain in der Nähe von Concepcion gefunden. Dimensionen: Länge des Körpers vom Schwänze bis zum After 3 Zoll 5 Lin. , des Kopfes von der Ohröff- nung bis zur Schnauze 12 Lin.; Breite des Kopfes 9 Lin., Höhe desselben SVjLin., Länge der Mundspalte 10 Linien; Länge der Vorderbeine von der Achsel bis zur Spitze der längsten Zehe 16 Linien; Länge der Hinterbeine 2 Zoll 2 Linien; Länge des Schwanzes 5 Zoll. Der Kopf ist oben flach; eine deutliche Kante scheidet den Scheitel von den Schläfen ; die Schnauze ist stumpf. Die Nasenlöcher sind kreisrund und liegen in der Linie, die von der Schnauze zu den Augenliedern führt. Zwischen der Nasenschuppe und dem seitlichen Winkel der Rostral- schuppe liegt eine einzige Schuppe ; man zählt deren fünf zwischen den beiden Nasenschuppen. Die Platten, welche den oberen Theil des Kopfes bekleiden, sind klein, eckig und etwas gewölbt ; sie werden von einem Bogen begrenzt, dessen Convexität nach hinten sieht und dessen Ende die Augenbrauen berühren. Auf jeder Seite dieses ßogens ist der Kopf mit kleinen Schüppchen bedeckt, welche mit de- nen des Rückens übereinkommen. Die Seitentheile des Kopfes zeigen flache Platten, grösser und in die Länge ge- streckt zwischen den Augen und dem Maul , kleiner und nur so lang wie breit in der Gegend hinter dem Auge. Ebenso sind die Labialschuppen in dem hinter den Augen liegenden Theile auffallend kleiner als die vorderen. Im Gegenthelle sind die Schuppen , welche den unteren und vorderen Theil der Augenhöhle begränzen, schmal, und die am hinteren Theile des Augenhöhlenrandes breit und denen der Schläfen ähnlich. Die Rostralplatte ist zweimal so lang wie hoch, siebeneckig, und ihre Seitenränder stehen senk- recht. Die Kinnschuppe ist beinah dreieckig, und fast so hoch wie breit. Die übrigen Schuppen des Unterkiefers nehmen rasch an Grösse ab , und ist dieser Theil grössten- theils mit glatten, sechseckigen, sehr regelmässigen Schup- pen bekleidet. Die Ohröffnung ist gross , oben etwas schmaler, fast birnförmig, und das Paukenfell wenig sicht- bar. Die Schuppen an den Seiten des Halses hinter den Neue Wirbeltbiere von Chile. 297 Ohren sind sehr klein , und gleichen halbkugeligen Wärz- chen. Der Rücken wird von kleinen, sechseckigen, glatten Schuppen bekleidet, die keine besonders regelmässigen Querreihen bilden. Es ist keine Spur von Kamm vorhan- den. Die Schuppen des Bauches sind fast dreimal so gross wie die des Rückens, gleichfalls sechseckig und regelmäs- siger gestellt. Die des Schwanzes bilden Wirbel, sind glatt und eben , und auf der Rückenseite schmaler als auf der Bauchseite. Der Schwanz ist etwas seillich zusammenge- drückt. An der Kehle ist eine tiefe Querfalte, und an den Seiten des Halses bemerkt man einige unregelmässige Fal- ten. Die Schuppen, welche den oberen Theil der Vorder- beine bedecken , sind sechseckig , glatt , quergestellt und viel grösser als die Schuppen des Rückens ; die auf der Unter- seite der Vorderbeine sind kleiner, zeigen aber sonst keine Verschiedenheit. Die Zehen sind etwas zusammengedrückt, ziemlich kräftig ; die innere ist die kürzeste, die dritte und vierte sind von gleicher Grösse und am längsten , darauf folgt an Länge die zweite; die äussere ist länger als die innere, aber kürzer als die zweite. Eine einzige Reihe Schuppen bekleidet die Unterseite der Zehen , und diese sind glatt und breiter als lang. Bei den Hinterbeinen ist der Hintertheil der Schenkel mit ebenso kleinen Schuppen wie der Rücken bedeckt; die Schuppen des vorderen und unteren Theiles aber sind ebenso gross wie die des Bau- ches. Die Zehen sind sehr ungleich; die innere ist sehr kurz, die drei folgenden nehmen rasch an Länge zu, und die äussere ist so lang wie die zweite. Es sind weder Schen- kelporen noch Bauchporen vorhanden. Die Zunge ist kurz , ziemlich dick und etwas ausge- randet. Die Zähne (wenigstens die vorderen) sind drei- spitzig , doch ist die mittlere Spitze weit grösser als die seitlichen. Es sind Gaumenzähne vorhanden. Die Farbe des einzigen Individuums, welches das Mu- seum besitzt, ist dunkelgrau, auf dem Rücken beinahe schwärzlich, auf dem Bauche heller, ins Bläuliche ziehend, ohne alle Flecke und Zeichnungen; nur die Kehlfalte ist mit einer tiefschwarzen Binde eingefasst und der Schwanz zeigt dunklere Querbinden. Ich habe keine Nachricht wie 298 Philippi und Landbeck : die Färbung des lebenden Thieres gewesen ist, und weiss auch nichts über seine Lebensweise. 2. Leiosaurus valdivianus Ph. L. post mortem supra fuscus, maculis fasciisve trans- versis varie pictus, cauda corpus subaequante. In der Provinz Valdivia, selten. Auf dem Grundstücke S. Juan, welches ich in Valdivia besitze, fingen meine Arbeiter im Nov. 1860 ein Individuum dieser Eidechse auf einem Baume; sie behaupten, das Thicr wäre auf dem Baume recht flink, auf dem Erdboden aber langsamer und unbeholfener gewesen. Zwei Monate spä- ter fingen meine Kinder ein zweites , etwas kleineres Ex- emplar, das auf einem Malten sass und bestätigten die An- gabe meiner Knechte. Dies letztere Thier habe ich vier und zwanzig Stunden lebendig gehabt und einen merk- würdigen Farbenwechsel daran beobachtet. Ich hatte es unter ein umgestülptes Glas geslellt und fand den anderen Morgen, dass die lebhafte Färbung desselben einer dunkeln schwärzlichen Platz gemacht hatte, und dass alle Zeichnung so gut wie verschwunden war. Ich vermuthete, dass eine mangelhafte Oxydation des Blutes in der eingeschlossenen Luft die Ursache dieser Erscheinung wäre, und legte ein Hölzchen unter das Glas , so dass frische Luft einströmen konnte, und in der That kehrte bald die ursprüngliche leb- hafte Färbung wieder. Dimensionen : grösseres kleineres Länge des Rumpfes von der Spitze Individ. Individ. der Schnauze bis zum After . 3 Z. 4L. 3 Z. — L. Länge des Schwanzes , vom After an gemessen 3„3„ 3„5„ Länge des Kopfes, vom Ohre bis zur Schnauzenspitze . . . . — „11 „ — - „ 10 „ Breite des Kopfes — „ Sy^j,, — „ 8 „ Höhe desselben — ^ „ 8 ,, • — w '^ ?? Länge der Mundspalte . . . . — „ 9V2?? — ?? 9 „ Länge der Vorderbeine von der Achselhöhle bis zur Spitze der längsten Zehe 1 „ 1%^ 1 „ 2 „ Länge der Hinterbeine .... 1 „ 11 „ 1 „ 10 „ Neue Wirbelthiere von Chile. 299 Die Gestalt des Kopfes ist genau wie bei der vorigen Art und die Bescliuppung desselben ist ebenso, mit gerin- gen Ausnahmen. Die Schuppen, welche im vorderen Thcile der Wangen auf die Labialschuppen folgen, sind in den zwei oder drei ersten Reihen beim L. valdivianus sehr viel kleiner, die Kinnschuppe ist weit höher als breit und die Schuppen auf der Unterseite des Unterkiefers sind weit kleiner als bei L. torquatus; auch die Schuppen, wel- che die Beine bekleiden, sind kleiner. Das kleinere Indivi- duum , welches einen verhältnissmässig längeren Schwanz besitzt, zeigt in der Mittellinie des Rückens vom Hinter- kopfe an bis zur Mitte des Rumpfes eine Reihe erhabener, vortretender Schuppen ; beides ist vielleicht Geschlechtsver- schiedenheit. Die Zehen scheinen mir bei L. valdivianus etwas kräftiger als bei L. torquatus zu sein, stehen aber in demselben Verhältnisse zu einander. Die Vorderzähne sind ein klein wenig grösser und die seitlichen Spitzchen derselben undeutlicher. Zunge, Gaumen, Ohren , Kehlfalle und die seitlichen Falten des Halses zeigen keine Verschie- denheit. Die Färbung scheint ziemlich variabel zu sein. Das grössere Individuum erscheint jetzt auf dem Rücken grau- braun mit schwärzlichen Querbinden, die beim Hinlerkopfe anfangen und auf dem Schwänze besonders deutlich sind. Diese Binden sieht man auch auf den Beinen bis zu den Zehen. Der Untertheil des Körpers ist schmutzig grau- braun. Das kleinere Exemplar erscheint jetzt dunkelbraun, fast einfarbig und mit Mühe erkennt man an den Seiten Spuren von Flecken; der Bauch ist hellgrau. Im Leben war das Thier sehr hübsch und lebhaft gefärbt. Die Grund- farbe der Oberseite war dunkelbraun, auf jeder Seite sah man sieben , blasse halbmondförmige , schwarz eingefasste Flecke, deren Convexität nach oben sah; unter denselben zeigten die Seiten weissliche Tropfen, die nach dem Bauche hin mehr oder weniger zusammenflössen und Querbinden über denselben bildeten. Bläuliche Querbinden verbanden auf dem Rücken die halbmondförmigen Flecke der Seiten, Schwanz und Beine waren hellbraun mit dunkeln, schwarz eingefassten Querbinden. Die Kehle war bräunlichgelb mit 300 r h i 1 i p p i und L a n d b c c k : weissen Flecken, und diese gelbe Färbung" zog sich jeder- seils bis zum oberen Rande des Ohres. Hinter der Kehl- falte sah man einen schwarzen Fleck , der sich mit dem schwarzen Rande des dritten , halbmondförmigen Fleckes jederseits vereinigt. Die Gegend unter dem Auge war hell- braun mit zwei bläulichweissen Flecken im hinteren Theile. Der Bauch war gelb ins Rostfarbene ziehend. 3. Fhryniscus guttatus Ph. Phr. supra verruculosus, niger, guttis sulfureis (posl mortem albidis) in medio dorsi per series longitudinales dispositis ornatus; subtus antice pariter granulatus; pedi- bus manibusque luteis (post mortem albidis); digitis manus liberis, pedis semipalmalis. Findet sich in der Cordillere von Santiago in mehr als 10,000 Fuss Meereshöhe, im Valle largo. Dies ist die kleinste Chilenische Kröte , denn sie ist nur 1% Linie lang und 5 Linien breit. Sie ist von Ge- stall sehr gedrungen; von der stumpfen Schnauze geht jederseits eine schwach convexe Linie bis zu der Mitte zwischen Vorder- und Hinterbein, wo der Körper seine grösste Breite hat , von wo aus sein ümriss einen Halb- zirkel beschreibt, dessen Scheitelpunkt der After ist. Die Beine sind kurz und dünn. An den Vorderfüssen ist die erste Zehe die kürzeste , die zweite ist so lang wie die vierte, und die dritte ist die längste; an den Hinterfüssen nehmen die Zehen regelmässig von der ersten bis zur vierten an Länge zu , und die fünfte ist so lang wie die dritte. Alle Zehen sind etwas flach gedrückt, oder richti- ger jederseits mit einem kleinen Saume versehen. Die Haut, welche die Zehen der Hinterfüsse verbindet, ist ziem- lich kurz. Der ganze Körper ist mit kleinen aber ziem- lich spitzen Warzen bedeckt; die des Tarsus sind grösser, entfernter , unregelmässiger , fast so gross wie die des Handtellers oder der Fusssohle. An der Hand - und Fuss- wurzel sind je zwei grössere Höcker. Das Kinn, die Brust, der vordere Theil des Bauches sind fein gekörnclt, aber der hintere Theil des Bauches und der untere Theil der Schenkel haben eine glatte graugelbe Haut. An der Stelle Neue Wirbelthiere von Chile. 301 der Parotis ist eine massige Anschwellung-, von einer Linie im Durchmesser, die im grossesten Theile ihres Umfanges eine schwefelgelbe Einfassung hat. Die Oberseite des Thie- res ist schwarz mit zahlreichen im Leben lebhaft schwe- felgelben Tüpfeln oder Tropfen , die , wenn das Thicr in Spiritus geworfen wird, bald gelb werden. Diese Tropfen bilden Längsreihen, und sind namentlich die beiden mittle- ren, welche sehr nahe bei einander stehen, auffallend re- gelmässig. Die oberen Augenlieder sind gleichfalls mit gelben Pünktchen gesprenkelt. Das Knie, der untere Theil der Vorder- und Hinterschenkel und der hintere Theil des Unterleibes sind hellgrau; die Brust, der vordere Theil des Bauches , der obere Theil des Vorderarms und der Unterschenkel sind dunkelgrau; Handteller und Fusssohle sind im Leben lebhaft gelb, nach dem Tode aber, wenn das Thier einige Zeit in Alkohol gelegen hat, weisslich. Santiago den 17. Juni 1861. lieber die systematische Stellung der Charybdeideu. Von Fritz Müller in Desterro. Die E seh s Chol t z'sche Abtheilung der Discophorae phanerocarpae bildete eine wohlumschriebene Gruppe eng- verwandter Thiere, verbunden durch eine grosse Zahl ge- meinsamer Merkmale: die Scheibe ein flaches, glattes Ku- gelsegment, aber beim Schwimmen starker Wölbung fähig, mit gekerbtem Rande, in dessen Einschnitten, stets in der Achtzahl , die Randkörperchen mit in Säuren unlöslichen Krystallen; keine Randhaut; um den Mund vier Arme und mit ihnen wechselnd, in besonderen Gruben, die Geschlechts- theile als krausenförmig gefaltete, bogig gekrümmte Bän- der; an gleicher Stelle die Magenfäden u. s. w. — Der Mund freilich bald frei geöffnet (Medusiden), bald ge- schlossen und statt seiner zahlreiche Oeffnungen an den Armen (Rhizostomiden); allein diese Eigenthümlichkeit der Rhizostomiden, so bedeutungsvoll sie jedenfalls ist für ihre ganze Ernährungsweise, störte doch nicht die mor- phologische Einheit der Gruppe , da sie unschwer aus der gewöhnlichen Mundform sich ableitete ^). Einige später 1) Gegenbaur (Zeitschr. f. wiss. Zool.VIII. S. 210 Anm.) erklärt die Polystomie der Rhizostomiden für ein mit dem allge- meinen Plane der Medusen unvereinbares Paradoxon und bezweifelt selbst das Faktum. Das Faktum ist leicht zu constatiren und neuer- dings wiederholt , auch von mir , conslatirt worden. Auch die Er- klärung scheint mir ziemlich ,auf der Hand zu liegen. Eine tempo- räre Polystomie, wenn man es so nennen will, kann man leicht Müller: Ueber die systematische Stellung der Charybdeiden. 303 entdeckte etwas abweichende Formen der Medusiden thaten ebenfalls der Einheit des Gesammtbildes , das sie nur ver- vollständigten , keinen Eintrag 1). — Ein Anderes aber ist es mit der Familie der Charybdeiden, die Gegen- baur seinen Acraspeda , den Es chschol tz'schen Phane- rocarpae anreihte. Die Charybdea marsupialis Per. und mehr noch die von mir beschriebenen Tamoya haplonema und quadrumana stellen sich fast in allen wesentlichen Zü- gen ihres Baues jenem allgemeinen Bilde aufs ScIirofTsle entgegen : eine Glocke mit tiefgefurchten Seiten und brei- ter Randhaut, fast keines Formwechsels fähig; die Rand- körperchen in der Vierzahl, fern vom Rande, in tiefen Ni- schen an der Aussenfläche der Glocke; ein langer Mund- trichter nach Art der Thaumantias ; Geschlechtstheile als breite häutige Platten in den weiten Seitentaschen des Ma- gens und daher fern von den Magenfäden ; Fangfäden auf eigenthümlichen keulen- oder bandförmigen Fortsätzen, ein scharf ausgeprägtes Nervensystem u. s. f. Fast noch auffallender tritt den gew öhnlichen Medusen in der äusseren Form, und nur diese ist bekannt, die Cha- rybdea periphylla Per. entgegen ; gleichsam eine Tamoya, quadrumana mit auf 16 vermehrten und ihrer Fangfäden beraubten bandförmigen Anhängen. bei Hydroidquallen sehen, wenn sich die Ränder eines vielgefalteten vierlappigen Mundsaumes da und dort an einander legen. So wird auch die Folystomie der Rhizostomiden entstehen durch Verwachsung der häutigen Blätter, die die Arme der Phanerocarpen umfassen. Wo die Oeffnungen der Arme die Form langer Spalten haben, die sich oft in ricmenförmige Tentakel fortsetzen , wie bei einer Cephea der südbrasilianischen Küste, kann über diese Entstehungsweise kaum ein Zweifel bleiben. Schwieriger zu erklären scheint die Durchbrechung des Armstiels, oder sein „Entspringen mit vier Wurzeln," wie es bei derselben Cephea und nach Forskai bei C. ocloshjla vorkommt. 1) So Nausithoe Köll. mit ihren acht überaus einfachen Ge- schlechtsdrüsen und Trichoplean. g. mit Randkörpern in tiefen Nischen auf der Unterflärhe und 2 Zoll von dem ungetheilten Rande der zwei Spannen im Durchmesser haltenden Scheibe. Unter den älteren minder genau gekannten Arten ist \\oh\ Medusa Pcrsea Fursk. (Rhizostoma Eschsch.) trotz des ungetheilten Randes und der grossen Randhaut mit Sicherheil zu den „Acraspeda^' zu stellen. 304 Müller: Vermittelnde Uebergangsformen sich vorzustellen zwi- schen den Charybdeiden einer-, den Medusiden und Rhizostomiden andererseits, oder auch beide Gruppen herzuleiten aus einer gemeinsamen Grundform, die wesentlich mehr enthielte , als die allgemeinen Züge aller Hydromedusen, scheint somit kaum thunlich. Das an- schaulich frische Bild der Eschscholtz'schen Phanero- carpen würde schattenhaft verblassen durch die Auf- nahme der Charybdeiden, und jedenfalls wäre ihre Vereinigung eine durchaus unnatürliche. Und doch, wenn man die übliche Zweitheilung der Scheibenquallen beibehalten will, an der die Systeme von Forbes, Lütken und Gegen bau r nichts geändert ha- ben , als die Namen ^) , und die selbst da wiederkehrt, (in Bezug auf die Quallenformen) , wo die Discophorae , und mit Recht , nicht mehr als systematische Einheit anerkannt werden, wie in den Acalephenund Hydroiden von R. Leuckart, so können die Charybdeiden nur un- ter den höheren Scheibenquallen ihre Stelle finden, mit denen sie wenigstens noch die Magenfäden und den in Säuren unlöslichen Inhalt der Randkörper gemein haben. Noch ferner stehen sie , das bedarf keiner weiteren Erör- terung, der Quallenbrut der Hydroiden. Schon bei Gelegenheit der Beschreibung der Ta- rn oyen gedachte ich deshalb einer wohl vorzuziehenden Dreitheilung der Scheibenquallen und vermuthete , dass diese sich auf die Entwickelungsgeschichte würde stützen lassen. Früher schon , wenn auch später erst die Kunde davon in mein Exil drang, hatte R. Leuckart demselben Gedanken folgend, die Abtheilung der Ceratostera gebildet, aber bald wieder aufgegeben. Denn jene Vermuthung hat sich 2) Nicht den Grund oder das Eintheilungsprincip , wie Ge- genbaur -will. Eschscholz betrachtet keineswegs die „Keim- wülste" weder als einziges , noch wichtigstes Merkmal der Phanero- carpen ; schon er stellt, wie Gegen bau r, die Einschnitte des Ran- des voran und kennt sehr wohl „den häutigen weichen Binglappen am Rande der Scheibe" als gemeinsames Merkmal seiner Crypto- carpen. Ueber die systematische Stellung der Charybdeiden. 305 bekanntlich als durchaus unbegründet erwiesen. Krohn sah die Pelagia noctüuca sich ohne ßrutwechsel entwickeln, während Busch die Brut der kaum gcnerisch zu sondern- den Chrysaora bis zur Polypenform verl'olgle. Unter den Hydroiden haben Gegenbaur das Trachynema ciliatum, und ich die Geryonia (Liriope) catharinensis als wahrschein- lich direkt aus dem Ei erwachsend kennen gelehrt, wäh- rend im Gegentheile die nur auf das Flimmerkleid der jun- gen Aeginopsis gebaute Annahme einer direkten Entwicke- lung der Aeginiden durch die flimmernde Brut im Magen der Cunina KölUkeri ihre Stütze verlor. Trotzdem ist die damals mir vorschwebende Gruppi- rung der Scheibenquallen durch jede neue Untersuchung immer plausibler geworden. Es scheint mir, dass hier, wie so manches Mal, die unbefangene Anschauung der älteren Beobachter das Rechte getroffen, indem sie mit der Charybdea marsupiaUs und periphylla die Ch. bitentaculata vereinigten , die heute als Aeginopsis mediterranea J. Müll, oder Aeg. bitentaculata Köll. ^) in der Familie der Aegini- den Ggb. am Ende der Cryptocarpen zu stehen pflegt. Nicht dass ich die Vereinigung von Charybdea und Aegi- nopsis in dieselbe Gattung, oder auch nur, nach dem Bei- spiele von L ü t k e n, in dieselbe Familie befürworten möchte; aber ich meine, dass die Familien der Charybdei- den und Aeginiden Ggb. zu einer den Siphono- p hören, Hydroiden und Acalephen (im Sinne R. Leuckart's) gleich werthigen Gruppe der Hy- dromedusen zu vereinig en seien. Die höchstorga- nisirte aller bekannten Hydromedusen , und vielleicht aller Coelenteraten , die Tamoya quadrumana mit den, wie es schien, die tiefuntersle Stufe in der Reihe der Quallen be- hauptenden Aeginiden zusammenzustellen , die zum Theil selbst, wie Eurystoma Köll. , nur mit der durch die Rand- haut theilweise geschlossenen Aushöhlung der unteren Kör- 1) Die abweichende Färbung darf liaum als Altunterschied gel- ten in einer Thiergruppe, wo, wie bei den Acalephen (Rhizostoma, Chrysaora u. a.) und Hydroiden (Coryniorpha) , die reichste Mannich- faltigkeit der Färbung innerhalb der Art fast als Regel gelten kam:. Archiv f. Natiirg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 20 306 Jläller: perfläche verdauten i), schien mir freilich lange Zeit etwas waglich. Seit ich eine gerade diesem Eurystoma in Form, wie in der Entwickelung der im Magen knospenden Brut höchst ähnliche Art selbst eingehender untersuchen konnte, und seit mir Esch s chol tz's treffliches „System der Acalephen" wieder zur Hand ist, ist mir dieses Beden- ken geschwunden und ich halte jetzt meine Ansicht für hinreichend begründet, um sie der Beurlheilung der Zoolo- gen vorlegen zu dürfen. Von der Unvereinbarkeit der Charybdeidenmit den Acalephen R. Lt. ist schon gesprochen. In ganz ähnlichem Gegensatze stehen die Cunina , Aeginopsis und ihre VerwandJen zu den übrigen Cryptocarpen oder den Hydroidquallen. — Die Scheibe dieser letzleren, obwohl von sehr wechselnder Form, ist doch stets ganz- randig , und wie bei den Acalephen glatt, oder etwa mit schwach vorspringenden von der Mitte des Rückens aus- gehenden Leisten versehen; sie haben stets Strahlgefässe und Ringkanal, und zwar erstere, ausser bei sehr grosser Menge, in fester Zahl; Randbläschen, wenn vorhanden, sind stets rundlich und sitzend; die Randfäden, von sehr wech- selndem Bau, nehmen doch stets die unmittelbare Nähe des Ringgefässes ein. In der Bildung der Geschlechtstheile endlich schliessen sich die Hydroidquallen den Acalephen oder Phanerocarpen an; denn, obschon von ungemeinem Formenreichthum, dessen äusserste Bildungen indessen durch eine ziemlich engschliessende Reihe von Zwischenformen verbunden sind, — von dem mundlosen Geschlechtskolben der Corymorphaquallen bis zu den dichtgedrängten Bäumchen längs der Strahlgefässe der Olindias^)^ — so 1) Ich glaubte diese wohl irrthümliche Darstellung Köl 1 ik er's nicht bloss auf degenba ur's Autorität hin anzweifeln zu dürfen, dessen Angaben ich bei anderen Quallen nicht immer ganz bewährt gefunden hatte , und noch weniger auf Grund eines aprioristischen „allgemeinen Planes der Medusen." 2) Olindias n. g. Habitus Aev Thaumanlias mediferranea Ggb.y vier Strahlgefässe und zahlreiche (bis über 100) rücklaufende Ge- fässe ; am Rande äusserst dehnbare Fangfäden und wenig bewegliche Tentakel , beide hohl und von unbestimmter Zahl ; am Grunde der lieber die systcnjatische Stellung der Charybdeiden. 307 nehmen sie doch stets die äussere Wand des Gastrovascu- lärsystems ein und entleeren ihre Produkte nach aussen. — Dagegen ist die Scheibe der Cunina um] ihrer Verwand- ten häufig, wo nicht immer, am Rande gekerbt i), und, wie bei den Charybdeiden, von mehr weniger tiefen, mehr weniger weit auf die Rückenfläche sich fortsetzenden Für- chen durchzogen; der Magen hat breite Seilentaschen in oft schwankender Anzahl , nie Strahigefässe oder Ringka- nal; die Randbläschen sind meist gestielt; die Tentakel, nie die Zahl der Magentaschen überschreitend , sind stets rückenständig, oft sehr fern vom Rande entspringend; aus- serdem sind sie bald durch eine eigenthümliche Starrheit, bald wieder durch „eine bei anderen Medusen gar nicht bemerkte Beweglichkeit" (Eschsch.) ^) ausgezeichnet. Die Tentakel paarweise die Randbläschen; (jeschlechtstheile baumförmig verästelt längs der Strahigefässe. — Verniuthlich sind auch die „Fang- fäden"' an den Strahlgefässen von Melicertum nichts anderes als Ge- schlechtstheile , und dies um so eher als auch in der Bildung der Randfäden Olindias zunächst an Älelicertun» sich anschliesst. — Als Uebergangsbildung von magenständigen zu peripherischen Geschlechts- theilen lässt sich, um mich nicht auf noch unbeschriebene Formen zu berufen, seihst Lizzia Köllikeri anführen, wo nach Gegen bau r's von mir an einer verwandten Art bestätigter Beobachtung, die dem Magen anliegende Geschlechtsdrüse von einem Aste des Strahlgefäs- ses durchzogen ist. 1) Gegenbaur ist der Ansicht, dass der Besitz eines Velum's einen uneingeschnittenen Rand des Körpers voraussetze, und aus die- sem Grunde, wie es scheint, leugnet er gegen E schsc h o 1 tz, Kol- li ker und im Widerspruche mit sich selbst, die Kerbung des Ran- des der Aeginiden. Denn bei Aegineta flavescens lässt er die Gal- lertsubstanz sich in beträchtlicher Dicke auf die Magentaschen fort- setzen ; dazwischen also sind nur häutig überspannte Lücken oder Einschnitte der Gallertsubstanz, d. h. „des Körpers," da bei den eines Ringgefässes entbehrenden Aeginiden doch nur das Aufhören der Gal- lertsubstanz die Grenze zwischen Körper und Velum bezeichnen kann. Wie die Muskelhaut der Unterfläche sich bei den Aeginiden über einen gekerbten Rand fortsetzt, so kann die Randhaut auch wieder bei ganzrandiger Scheibe fehlen , — selbst bei Hydroidquallen ; ich vermag wenigstens keine Spur derselben aufzufinden bei einem klei- nen, stets mit uingestülpter Scheibe schwimmenden Campanularia- sprösslinge, Tintinnahuluni rcsupinatum n. sp. 2) So bei Aegina sulfurea , wie sie in Eschsch. System S. 9, 308 Müller: Geschlechlsslofl'e der Cunina bilden sich im Innern der Sei- tentaschen und zwar in den seitlichen Winkeln derselben, von wo ihre Bildungsstätte hufeisenförmig von einer Tasche zur andern sich hinüberzieht. Nach alle dem ist die Verbindung der Cunitia, Äegino^ psi's U.S.W, mit den Hy droiden eine ebenso lockere und gezwungene, durch keinerlei Uebergänge vermittelte, wie es die der Charybdciden mit den Ac a 1 ep h e n ist. Wenn also die Ausscheidung dieser beiden Familien aus ihrem jetzigen Verbände keinem ernstlichen Bedenken un- terliegen dürfte, so scheint ein solches auch ihrer Vereini- gung nicht entgegenzustehen. Wohl liegt zwischen Ca- nina und Tamoya eine weite Kluft, aber nicht weiter als zwischen den tentakel-, äugen- und mundlosen Quallen von Corymorpha und Olindias, zwischen 'Nausithoe und Ce- j)}iea^ — eine Kluft wie zwischen junger Brut und erwach- senem Thier, über die die Phantasie leicht durch Zwischen- stufen einen allmählichen Uebergang findet, — und nicht eine durch unvereinbare Merkmale errichtete Scheidewand. Von den seichten Furchen in der fiachen, leicht gekerbten, oft schon (nach Gege nbaur) knorpelharten Scheibe meh- rerer Cunina führt die Zwischenform der Aegina citrea zu Charybdea marsupialis und zu den complicirten Glocken der Tamoyen, während auch den beiden äussersten Gattun- gen, die weder bei Hydroiden noch Acalephen beobachtete Verbindung einer Randhaut mit nicht ganzrandiger Scheibe als gemeinsames Merkmal zukommt. Von der flach ausge- spannten Magenhaut der Cunina mit ihrem einfachen pro- teusartigen Munde, wie sie sich ähnlich bei Aeginela, Po- lyxenitty Aeginopsis bitentaculata wiederholt , leiten die vier oder Aeg. citrea, wie sie S, 113 heisst. Die zweite Eschscholtz'sche Art, Aegina rosea , dürfte von dieser zu trennen und zu Cunina zu stellen sein, da es nach Es chs eh o Itz's Abbildung (Taf. 10. Fig. 3 a) natürlicher scheint, dem 3Iagen sechs dem Ursprünge der Tentakel gegenüber ansgebuchtete Nebentaschen , als deren zwölf zuzuschrei- ben. — Wenn man mit Gegenbaur die Aeginiden durch „starre Tentakel" kennzeichnet, so ist die Wahl des Namens nach einer durch das gerade Gegentheil vor allen anderen Medusen ausgezeichneten Art nicht als besonders glücklich zu bezeichnen. Ucber die systematische Stellung der Charybdeiden. 309 Arme am Munde der Aeginopsis Lavrenlii Brdt. zu der Ma- genbildung der Charybdea und Tamoya. Ebenso lässl.sich die Form der Geschlechtstheile von Tamoya zwanglos aus denen diQxCunina herleiten, aber weder die eine noch die andere auf die bei Hydroiden und Acalephen entwickelte Grund- form zurückführen. Wenn Tamoya quadrumana eine ganze Reihe ganz neuer , bei Cunina selbst nicht angedeuteter Theile, wenn sie ein wohlentwickeltes Nervensystem hat, so liegt darin nichts Auffallendes; einige derselben, wie die acht fingerförmigen Fortsätze im Grunde der Glocke und die dendritischen Drüsen , fehlen ja spurlos selbst noch der T. haplonema. Wesentlich verschieden ist allerdings die Bildung der Randkörperchen; allein theils wissen wir noch nichts über die Entwickelung derselben bei Charybdea und Tamoya^ noch über ihren Bau bei den Zwischenformen Aegina citrea und Aeginopsis Laurentü , theils ist ihr Unterschied nicht erheblicher als zwischen den Augenflecken und Randbläs- chen der Hydroiden. Ebenso ist die Tentakelbildung eine durchaus abwei- chende, — aber immerhin durch ihren rückenständigen Ursprung den Randfäden der Hydroiden und Acalephen ge- meinsam sich entgegenstellend. Die Tentakel der Cunina sind starr, die der Tamoya contractu; aber auch die der jungen Cuninabrut sind letzteres. Die Tentakel der Cunina sind solid , die der Tamoya hohl ; aber hohle und solide Tentakel zeigen auch sonst nächstverwandte Gattungen, wie die verschiedenen Campanulariasprösslinge ^) ; ja beiderlei 1) Den Campanulariensprösslingen mit soliden, wenig bewegli- chen Tentakeln, ganz ähnlich denen der Campunularien selbst, schlage ich vor, den D a ly e I l'schen Namen Tinlinnahulvm zu lassen; es scheint, dass sie stets schon mit einer grösseren Tentakelzahl geboren werden. Hierher gehört auch Eucope polysfijla Ggb. AVas Gegen- baur bei dieser Art als rundliche in die Substanz der Scheibe ge- richtete Auftreibungen des Ringgefässes beschreibt und abbildet, 'dürf- ten nach dem nahe verv>andtcn Tinlinnabulum resupinalum n. sp. zu schliessen, die verdickten Wurzeln der Tentakel sein. Die Campa- nulariensprösslinge mit hohlen, an der Basis erweiterten, sehr con- Iraktilen Fangfäden, die beim Freiwerden deren stets nur vier, und 310 Müller; Formen finden sich gleichzeitig oder nacheinander bei dem- selben Thiere (Liriope). Also auch hierin dürfte ein Grund gegen die Vereinigung unserer beiden Familien nicht zu suchen sein; was aber besonders für dieselbe spricht, ist, dass es zur Zeit nicht einmal möglich ist, eine scharfe Grenze zwischen beiden zu ziehen und die mittleren For- men mit Sicherheit der einen oder der anderen zuzuweisen. So Aegina citrea^ welche durch die Form der Glocke, durch die Vierzahl der Arme und die grosse Beweglichkeit der Tentakel, und Aeginopsis Laurentii , welche durch die vier Arme am Munde den höheren Formen sich anschliesst. So auch Charybdea periphylla Per. , welche durch die Gestalt der Randanhänge an Tamoya qnadrumana erinnert , aber durch die Vielzahl derselben von den übrigen Charyb- d e i d e n sich entfernt. Ich möchte demnach dieCharybdeiden in folgen- der Weise dem Systeme der Hydromedusen einreihen: Uydromedusae. 1. Röhren quallen, mit Einschluss der freien Ge- schlechtslhiere (Chrysometra). 2. Hydroiden. a. Tubularinen nebst den Hydroidquallen ohne Sinnesorgane oder mit Augenflecken. b. Sertularinen nebst den Hydroidquallen mit Randbläschen ^). von vier weiteren die ersten Spuren zu haben scheinen {Eucope Ggh.y excl. E. polystyla) , haben meines Erachtens Anspruch auf den Ka- men Thawnanlias ; denn es scheint mir kaum zweifelhaft, dass zu ihnen und nicht zur Th. mediterranea Ggb. die beiden Eschscholtz'- schen Thaumantiasarten zugehören , und für sie wäre also bei einer Trennung der Gattung der alte Name zu erhalten. 1) Gegenba u r ist meines Wissens der Erste gewesen, der bei dci]^ Hydroidquallrn die systematische Wichtigkeit der Ocellcn und Raif^hJäschen hervorgehoben und auf die Verschiedenheit der Rand- fäden jjewicht gelegt hat, wie denn überhaupt die von ihm aufge- ste|,lt^)ni<'{^nj}iien der „Craspedota^' durch Natürlichkeit und nicht aus- sc^|ijBsslf.che^jB^|onung eines Merkmals sich sehr vortheilhaft vor den vop,Fp^be;^jjUail, selbst von Lülken voi geschlagenen auszeichnen. üeber die systematische Stellung der Charybdeiden. 311 In BezuQ^ auf Enlwickelungr finden sich in dieser Gruppe: «) Polypen ohne freie Geschlechlsthiere. ß) Polypen mit freien Geschlechtsthieren. y) Freie Gesclilechlsthiere ohne Polypen (Trachy- nema, Liriope). 3. Acalephen R. Lt. (Discophorae phanerocarpae Eschsch.). a. Einmündige (Medusidae Eschsch.). b. Vielmündige (Rhizostomidae Eschsch.). 4. Aeginoiden (Aegineae Lütk.). a. Niedere. Cunina (mit Aegina rosea Eschsch.); Aegineta; Polyxenia; Aeginopsis bitentaculata. b. Höhere, Charybdeiden. Aeginopsis Lau- rentii (?); Aegina (citrea); Charybdea (marsu- pialis); Tamoya ; Periphylla (Ch. periphylla Per.). Desterro, Mai 1861. und als bequemer Ausgangspunkt für weitere systematische Versuche di-eneu können. Künftigen Bearbeitern möchte ich besonders ein© sorgfältige Beachtung der Randfäden empfehlen , durch die, wie es scheint, u. a. eine schärfere Umschreibung der Geryoniden und T hau m an t i a d en Ggb. möglich sein wird. Polypen uud ((iialleii von Santa Catharina. Olindias samhaquiensis n. sp. Von Fritz Müller in Desterro. (Hierzu Taf. IX.) Beschreibungen vereinzelter neuer Tliiere, die nur die Zahl der schon verzeichneten Arten anschwellen, ohne einen tieferen Einblick in ihren Bau , einen freien Ueberblick über ihre verwandtschaftlichen ßeziehunsren zu gewähren , sind im Allgemeinen mehr geeignet, den Fort- schritt der Wissenschaft zu erscliweren , als zu fördern, indem sie nur den zu bewältigenden Stoff und nicht auch entsprechend die zur Bewältigung nöthige Kraft mehren. Wenn daher ihre Veröffentlichung einer Rechtfertigung be- darf, so würde sie für die farbenprächtigste Scheibenqualle unserer Küste theils in dem eigenthümlichen Baue ihrer Geschlechtstheile, in der Anordnung ihrer Gefässe, Rand- fäden und Randbläschen liegen, die sie zu einer vor vielen merkwürdigen und lehrreichen Art machen , theils in dem Lichte , das von ihr aus auf einige ältere wenig bekannte Formen zu fallen scheint, — wenn mir nicht schon dadurch ausführlichere Miltheilungen über sie geboten wären, dass ich ihrer bereits wiederholt anderweitig Erwähnung ge- than 1). Olindias samhaquiensis erscheint zu Zeiten, namentlich im Winter, bei ruhiger See in grosser Menge in der Nähe 1) In diesem Archiv 1859. Bd. I. S. 314. Z. 6 v. u. steht durch einen Druckfehler Plindias statt Olindias. Müller: Polypen und Quallen von St. Calharina. 313 des Ufers. Ich sah sie zuerst im Winter 1856 bei der Ortschaft Sambaqui, nördlich von Desterro, an der Westküste der Insel Santa Catharina. Die glashelle Scheibe ist farblos , seltener leicht röthlich angehaucht, und von mittlerer Festigkeit i). Sie wurde bis zu 108 Mm. Durchm. beobachtet, doch nur einmal unter vielen Hunderten; in der Regel schwankt der Durch- messer geschlechtsreifer Tliiere zwischen 50 bis 70 Mm. ; ■ — das jüngste, noch völlig geschlechtslose Thier , das zur Be- obachtung kam, hatte 16 Mm. Durchmesser. — Die Oberfläche der Scheibe bildet im Zustande der Ruhe einen flachen Ku- gelabschnitt, dessen Höhe etwa V'3 bis y^ des Durchmessers beträgt. In der Mitte springt die Gallertsubstanz als stark gewölbter Hügel nach unten vor, wodurch hier ihre Dicke etwa Yö des Durchmessers erreicht; am Rande des Hügels, dessen Durchmesser etwa 7^, des Durchmessers der Scheibe misst, ist sie nur noch halb so dick und verjüngt sich von da an allmählich nach dem Scheibenrande zu. Die quergespannte Rand haut ist ziemlich schmal, aber wie die stark entwickelte 3Iuskelschicht der Unter- fläche kräftiger Zusammenziehungen fähig, die die Scheibe des schwimmenden Thieres mehr als halbkuglig krümmen (flg. 5). Dabei pflegt sich die Unterfiäche gürtelweisc stär- ker zusammenzuziehen und dazwischen bleiben scharf vor- springende Parallelkreise, die der Unterfläche das Ansehen einer Crinoline mit ihren Reifen geben. Aufl'allende Grup- pen von INesselzellen fehlen der Scheibe; einzelne ünden sich unterhalb in der Nähe des Randes. Die Ansatzstelle des Magens bildet ein Viereck, dessen Seiten etwa V^ des Scheibenhalbmessers betragen. Von hier hängt der Magen als mundwärts beträchtlich er- weitertes Rohr nieder, und erreicht, wenn das ruhende Thier ihn, wie tastend, umherschwingt, fast die Länge des Schei- benhalbmessers. Der Mundrand ist krausenartig gefaltet und in vier Zipfel ausgezogen, die den Ecken des Magen- 2) Die Festigkeit der hier häufigeren grösseren Scheibcnqual- len ordnet sich in aufsteigender Reihe etwa wie folgt: Medusa, Chry- sapra, Olindias, Cepbeu, Mesoneroa, Tamoya. 314 Müller: priindes in ihrer Lage entsprechen. Einzelne Nesselzellen finden sich überall auf der innern flimmernden Magenwand; ein Saum aus dichtgedrängten, länglichen, etwa 0,02 Mm. lano-en Nesselzellen umzieht den Mundrand. o Von den Ecken des Magengrundes gehen vier ziem- lich weite Strahlgefässe zum Ri nggef äss e des Ran- des und von diesem wieder eine grosse Zahl blinder Ge- fässröhren rücklaufend dem Mittelpunkte zu. Rei jenem grössten Thiere wurden zwischen zwei Strahlgefässen 27 rück laufende Ge fasse gezählt. Rei jüngeren Thieren lässt sich an der verschiedenen Länge dieser Gefässe er- kennen, dass sich zunächst eines in der Mitte zwischen zwei Strahlgefässen bildet, dann eines in der Mitte jedes so ge- bildeten Achtelkreises. Weiter ist strenge Regelmässigkeit ihres Auftretens selten zu verfolgen. Die ältesten und läng- sten dieser Gefässe reichen bis in die Nähe des Magens. Ihr Verlauf ist in der Regel in gerader Linie mittelpunkt- wärts. Abweichungen davon, Theilungen der rücklaufen- den Gefässe , Verbindungen derselben unter sich oder mit den Strahlgefässen kommen öfter vor. Ich vermuthe, dass diese Unregelmässigkeiten , meist wenigstens , Folge von Verletzungen sind. Den Rand hält eine dreifache Reihe in Form und meist auch in Färbung auffallend verschiedener Anhänge besetzt. Zu äusserst eine Reihe Tentakel von wenig veränder- licher ungefähr dem Halbmesser der Scheibe gleichkom- mender Länge. Sie pflegen in Zahl und Lage mehr oder weniger genau den Strahl- und rücklaufenden Gefässen zu entsprechen. Die den Strahlgefässen entsprechenden ste- hen ziemlich hoch (bis etwa 4 Mm.) über dem Rande; kaum tiefer die 4 dazwischenliegenden; dann folgen 8 merklich tiefer stehende, dann 16 wieder tiefer; was darüber hin- ausgeht, und ihre Zahl steigt oft über 80 und selbst 100, steht dicht am Rande. Die Tentakel sind hohl und mit dem Ringgefässe in Verbindung, zu dem sich von dem Ursprünge der etwas rückenständigen eine nach dem Ringgefässe zu stark verengte Verbindungsröhre (fig. 4, v) hinzieht. Nes- selwülste, deren dichtgedrängte, langgestreckte Nesselzellen doppelt so lang sind wie die des Mundsaumes, umgeben die Polypen und Quallen von St. Catliarina. 315 Tentakel , bald quer, bald schief gestellt, selten aber voll- ständige Ringe bildend. In der Ruhe sind die über dem Rande steJienden Tentakel meist schief nach aussen und oben gerichtet mit sanft abwärtsgebogener Spitze, die an- deren hängen nach unten. Diese letzteren sind , wie das erwähnte geschlechtslose Thier bewies, dem sie noch fehl- ten, die jüngere. V/ahrscheinlich entstehen alle unmittel- bar am Ringgefässe und entfernen sich bei fortschreiten- dem Wachsthume der Scheibe von demselben, so dass also die Höhe ihrer Anheftung ihr Alter anzeigen und dass die Ordnung ihres Auftretens dieselbe, wie bei den rücklaufen- den Gefässen sein würde. Nach innen von den Tentakeln, am Rande selbst, steht in weit grösserer, etwa dreifacher Zahl, die Reihe der Fangfäden, die sich fast immer durch verschiedene Fär- bung, wesentlicher aber durch ungemeine Dehnbarkeit von jenen unterscheiden. Auch sie sind hohl und am Ursprünge nicht erweitert, sondern verengt; ihre Nesselzellen, die denen der Tentakel gleichen, sind in meist ringförmige Wülste geordnet. Zusammengezogen sind sie etwa von der Länge der Tentakel , können sich aber über fusslang ausdehnen. Diese Ausdehnung scheint mir hier, wie in ähnlichen Fällen (Liriope, Eucope u. s. w.) , eine rein pas- sive zu sein, ein allmähliches langsames Erschlaffen. Wenn Olindias mit zusammengezogenen schopfartig nachschlei- fenden Fangfäden herumgeschwommen ist und sich dann ruhig schwebend in einem hohen Glase hält, von Zeit zu Zeit durch einen leichten Ruck ihrem langsamen Nieder- sinken entgegenwirkend, so sieht man, während die älteren Tentakel strahlig sich ausbreiten, die Fangfäden ganz all- mählich sich senken und ausdehnen; die verbindenden farb- losen Fäden zwischen den anfangs dichtgedrängten Nessel- wülsten entschwinden dabei fast dem Auge und man glaubt einen dichten Regen goldener Perlen zu sehen; am Roden des Glases bilden die niedergesunkenen Enden ein dichtes Gewirr von Schlangen, aus dem ab und zu einzelne plötzlich in die Höhe zucken, um sich wieder langsam und anschei- nend nur dem Gesetze der Schwere folgend niederzusen- ken, so dass dieser goldene Regen der Danae ununterbro- 316 Müller: chen fortdauert. — Man hat gemeint, dass beim Zusammen- ziehen der Fangfäden der Scheibenquallen Flüssigkeit aus denselben in die Gefässe übertreten müsse , da sie dabei nur unbedeutend an Dicke zunehmen, aber dabei vielleicht ausser Acht gelassen, dass bei gleichbleibendem Inhalte die Länge im umgekehrten qu a d ra t isch e n Verhältnisse der Dicke sich ändert, dass also z. B., wenn der Faden von zwei Fuss auf einen Zoll sich zusammenzieht, die Dicke noch nicht ganz 5mal grösser wird. Dem Augenscheine nach — und eine Messung dürfte kaum ausführbar sein, — ist mir die Aenderung der Dicke diesem Verhältnisse ganz entsprechend vorgekommen. Endlich findet sich eine ebenfalls ansehnliche Zahl (gegen 200 bei einem Thiere von 45 Mm. Durchmesser) ganz kurzer Randanhänge, die an die keulenförmigen Anhänge der Thaumantias mediterranea Ggb. erinnern, aber hohl sind. Vielleicht sind es nur junge Fangfäxlen. Bei dem mehrfach erwähnten geschlechtslosen Thiere waren die Fangtäden verhältnissmässig weit kürzer und viel weniger zahlreich (20 bis 30), die Tentakel länger als bei erwachsenen Thieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass, wie bei Liriope, noch jüngere Formen nur Tentakel besitzen. Die Rand bläschen (hg. 4) sitzen paarweise am Ursprünge der Tentakel; sie sind rundlich oder ellipsoidisch von 0,2 Mm. Durchmesser mit einfacher lichtbrechender Kugel von 0,03Mm., die wie bei Liriope befestigt ist. Ihr, Inhalt ist meist wasserhell; ein paarmal sah ich feine Körn- chen darin herumtreiben, wie von Flimmerhaaren bewegt. Die Geschlechts theile (üg. 2) nehmen den gröss- ten Theil der Slrahlgelässe ein, nur eine kleine Strecke in der Nähe des Magens freilassend. Sie treten zuerst auf als einfache walzenlörmige Ausstülpungen der Gefässwand, die sich später unregelmässig baumartig verästelt (fig. 3), und bis über 8 Mm. Länge erreichen können. Sie flimmern nicht nur innen , wie alle Gefässe, sondern auch auf ihrer äusseren Oberfläche , unter der sich Samen oder Eier bil- den. Hoden und Eierstöcke zeigen für das unbewafl'nete Auge keine Verschiedenheit. Bei einem Thiere mittlerer Polypen iiud Quallen von St. Catharina. 317 Grösse zählte ich gegen 30 Bäumchen an einem Strahl- gefässe. Vielfach verschiedene Färbung bei Thieren dersel- ben Art ist häufig bei Polypen und Quallen (Gorgonia, Corymorpha , Cephea, Chrysaora u. s.w.); schwerlich aber dürfte hierin ein anderes Thier unserer Olindias gleich- kommen. Man denke sich alle Mischungen von Gelb, Roth, Braun, Schwarz, — in allen Abstufungen von leisem An- fluge bis zu voller Sättigung; und in allen möglichen Zu- sammenstellungen an Fangfäden und Tentakel, Gefässe und Geschlechtstheile, Magen und Nesselsaum des Mundrandes vertheilt. Besonders häutig erscheinen Fangfäden, Rand- stummelchen und Geschlechtstheile gelb (Schwefel-, gold-, orangegelb) , die Gefässe rosenroth , der Magen gelb oder morgenroth mit dunklerem Nesselsaume, die Tentakel braun; häutig auch sind Fangfäden, Gefässe und Mundsaum rosen- roth , die Tentakel brennend ziegelroth , die Geschlechts- theile gelblichweiss. Bisweilen ist das ganze Thier farb- los bis auf den blassrosenrothen Mundsaum, mennigrothe Tentakelspitzen und leicht gelblich getrübte Geschlechts- theile, — oder wieder, um aus der endlosen Menge ver- schiedener Färbungen noch das Gegentheil hiezu hervor- zuheben , die Fangfäden sind schwefelgelb , die Tentakel rothbraun, die Randstummelchen und Geschlechtstheile schwarz , die Gefässe schwarzbraun , der Magen bräunlich mit gelbem Saume. — Die Färbung der Gefässe hat ihren Sitz in der der Scheibe zugekehrten Wand (s. fig. 2), das Ringgefäss ist stets farblos. An Fangfäden und Tentakeln ist der körnige Farbstoff besonders an den Nesselwülsten angehäuft. — . Bei den Thieren desselben Schwarmes, d. h. bei den gleichzeitig an der Küste erscheinenden, pflegt eine bestimmte Färbung vorzuherrschen , wie z. B. an manchen Tagen nur gelbe, an anderen fast nur rothe Fangfäden ge- sehen werden. Im Magen der Olindias finden sich öfters Fischreste; als Schmarotzer trifft man an ihr bisweilen Philomedusa Vogtii. Es ist bezeichnend für die Unsicherheit , die noch in der Anordnung der Scheibenquallen herrscht, dass der Ver- 318 Müller: such, Olinäias in die Systeme von Eschscholtz, For- bos, Lüt ken, Gegenbaur einzureihen, sie zu den Oceaniden von Eschs cli ol tz, den Geryoniden von For- bes, den Aequoreaden von Lütken führt, ohne dass sie weder mit Oceania, noch mit Geryonia oder Aequorca Aehn- lichkeit hat, und dass sie in Gegenbaur's System gar nicht Ph\tz findet, da sie durch die Randbläschen von den Thaumantiaden, durch die Bildung der Geschlechtstheile von den Eucopiden ausgeschlossen wird. Die einzige Gattung, zu der sie verwandtschaft- liche Beziehung zu haben scheint, ist iMe/tcer/wwi Oken; auch bei diesen finden sich Randfäden von verschiedener Grösse und in verschiedener Höhe angeheftet, und ausser- dem bis jetzt völlig räthselhafte Fäden („cirri« Eschsch.) längs der Strahlgefässe , die vielleicht im Hinblicke auf ülindias als Geschlechtstheile gedeutet werden dürfen. Als Gattungs merk male von Olindias lassen sich vorläufig die folgenden hervorheben: Magen ein häutiges Rohr; Strahlgefässe 4, mit baumförmig verästelten Ge- schlechtstheilen besetzt; zahlreiche rücklaufende Gefässe; äusserst dehnbare Fangfäden und weniger bewegliche Ten- takel^) in grosser, unbestimmter Zahl; beide hohl und mit dem Ringgefässe in Verbindung; Randbläschen paarweise am Grunde jedes Tentakels. Dester r 0 , Juni 1861. 1) Mit den von mir bei Liiiope als Tentakel bezeichneten An- hängen haben die der Olindias im Gegensatze zu den Fangfäden ge- mein: die mehr rückenständige Anheftung, die geringere Dehnbar- keit, und wahrscheinlich das frühere Auftreten im Laufe der Ent- wickelung. Auch auf eine nähere Beziehung zum Nervensysteme scheint die Lage der Randbläschen an ihrem Ursprünge hinzuwei- sen. Trotzdem also die Tentakel der Olindias hohl sind, die der Liriope nicht , glaubte ich sie mit gleichem Namen bezeichnen zu dürfen. Polypen und (^unllen von St. Catharina. 319 Erklärung der Abbildungen. Taf. IX. Fig. 1. Olindias samhaquiensis , ruhig im Wasser schwebend, nat. Grösse. Von den Fangfäden hat nur der kleinere Theil der Länge Platz gefunden. Fig. 2. Geschlechtstheile eines anderen Thieres , in seitlicher An- sicht, nat. Grösse. Fig. 3. Einzelne Geschlechtsbäumchen , um die Art der Verästelung zu zeigen. Fig. 4. Randbläschen , vergr. r Ringgefäss. t Tentakel, v Verbin- dungsröhre zwischen beiden. Fig. 5. Schwimmendes Thier , im senkrechten Durchschnitte, f Fang- fäden, h. Randhaut. lieber die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen. Von Fritz Müller in Desterro. Bei strahligen Thieren ist nur das Vorn vom Hinten, oder das Oben vom Unten, bei zweiseitigen Thieren gleichzeitig das Vorn vom Hinten und das Oben vom Unten verschieden. Strahlige Thiere sind durch so viel Ebenen , als Strahlen vorhanden , zweiseitige durch eine einzige Ebene in symmetrische Hälften theilbar; strahlige Thiere haben eine Achse , den Durchschnitt jener Ebenen, zweiseitige nur jene Mittelebene und keine Achse. In ein-. Fächer Zahl können bei strahligen Thieren nur die in der Achse liegenden Theile vorhanden sein; alle Theile in der Mitte und auf der Grenze der Strahlen wiederholen sich in einfacher, alle anderen Theile in doppelter Strahlenzahl. Bei zweiseiligen Thieren können in einfacher Zahl alle in der Miltelebene liegenden Theile auftreten und alle Theile ausserhalb dieser Ebene sind paarweise vorhanden. Lässt man die Trennungsebenen der Strahlen mit Bei- behaltung ihrer gegenseitigen Lage um die Achse sich drehen, so wird durch dieselben fortwährend das Thier in congruente Stücke geschnitten ; zweiseitige Thiere sind überhaupt nicht in congruente Stücke zerlegbar. Jeder einzelne Strahl eines Strahlthieres ist zweiseitig symmetrisch ; zweiseitige Thiere sind durch ihrer Längsrichtung parallele Ebenen nicht in Stücke theilbar, die selbst wieder zweiseitig symmetrisch wären. Bei paariger Strahlenzahl, also bei 2-, 4-, 6strahligen Thieren schneidet ausserdem jede durch die Achse gelegte Ueb. d. angebliche Bilateralsymmetrie d. Rippenquallen. 321 Ebene den Körper in congruente Hälften und jeder dieser Durchschnitte wird selbst wieder durch die Achse in con- gruente Hälften getheilt. Zweiseilige Thiere sind (wie auch die Strahlthiere mit ungerader Strahlenzahl), überhaupt nicht in congruente Hälften theilbar; — einerechte Hälfte lässt sich nicht durch eine linke ersetzen und aus zwei rech- ten Hälften congruenter Thiere nicht ein ganzes Thier ma- chen. Würden dagegen zwei congruente paarig-strahlige Thiere auf gleiche Weise in congruente Hälften geschnitten, so würden sich beliebige zwei dieser vier Hälften zu einem ganzen Thiere zusammenfügen lassen. Jede durch die Mitte eines Strahls gelegte Ebene, so wie jede Trennungsebene zweier Strahlen theilt paarig-strah- lige Thiere in zweiseilig angeordnete Hälften. Die Hälften eines zweiseitigen Thieres , rechts und links von der Mit- telebene, sind, jede für sich betrachtet, nicht mehr zwei- seitig angeordnet. Leicht Hesse sich die Reihe dieser Merkmale, die scharf und schroff die strahlige von der zweiseitigen Anordnung des Thierleibes scheiden , noch weiter fortspinnen. Ich breche sie hier ab , denn schon höre ich fragen : wozu überhaupt diese müssige Aufzählung selbst verständlicher Unterschiede zwischen Dingen , die Niemand je verwech- seln kann ? Genügt es nicht , einen Seestern neben einem Krebse gesehen zu haben, oder selbst nur die Bezeich- nungen slrahlig und zweiseitig zu hören , um nie in Zwei- fel zu kommen, welche der beiden Anordnungsweisen man vor sich habe? — Man sollte es meinen; doch den Be- weis des Gegentheils liefern u. a. die Rippenquallen. Nach allen angeführten Merkmalen und wie man auch sonst sich die Begriffe mathematisch zergliedern möge, ergeben sie sich als vollkommen slrahlige und zwar zweistrah- lige Thiere und zeigen diesen Bau in vollster Regel- mässigkeit und strengster Durchführung ausgeprägt, ohne die leiseste Spur eines Ueberganges zu zweiseitiger An- ordnung. . — und doch scheint die herrschende Ansicht des Tages die entgegengesetzte zu sein. Vorsichtig zweifelnd spricht sich Burmeister aus: „die Rippenquallen schei- nen nach beiden Typen gebaut zu sein, doch herrscht eine Archiv f. Naturg. XXVH. Jahrg. 1. Bd. 21 822 Müller: reguläre Eiform vor '^).^ ■ — Andere betrachten sie geradezu als „zweiseitig-symmetrische'* Thiere, oder doch als Ueber- gangsform „vom Radiärtypus zum bilateral-symmetrischen> So Agassi z ^j, Vogt, Gogenbaur. Die gewichtigen Stimmen solcher Gegner nöthigten mich zu einer etwas umständlicheren Auseinandersetzung des an sich allerdings höchst einfachen Gegenstandes; mit dieser Auseinander- setzung der Unterschiede zwisciien strahligen und zwei- seitigen Thieren ist zugleich auch schon mein Beweis für die Stellung der Rippenquallen unter den ersteren gegeben. Es bleibt mir übrig, die Gründe der entgegenstehenden An- sicht zu besprechen , die ich leider nirgends in den mir zugänglichen Schriften zusammenhängend dargestellt linde. Die nächste Veranlassung, die Rippenquallen als zwei- seitige Thiere oder als Mittelding zwischen diesen und den strahligen anzusehen, hat wohl die „von zwei Seiten com- primirte" Körperform vieler Arten und namentlich die lang ausgezogene Bandform von Cestum gegeben, Indem Vogt den „symmetrischen Typus" am deutlichsten ausgeprägt findet, und auch Gegenbau r „die Bilateralsymmetrie ihren Gipfel- punkt" erreichen lässt. Konnte nun diese auffallende Form des Venusgürtels wohl Anlass geben zu einer neuen Prü- fung seines Rechtes als Strahlthier, so kann sie doch so wenig als Beweis dagegen gellend gemacht werden , als etwa die Kugelgestalt eines eingerollten Sphäroma dasselbe aus der Reihe der zweiseitigen Thiere ausschliesst. — Die Rippenquallen als zweistrahlige Thiere aufgefasst, verliert zudem jene Bandform alles Auffallende; neben die Cydip- pen mit kreisrundem Querschnitte stellen sich dann die Cestum in ganz ähnlicher Weise, wie neben die kugligen Echinus die langstrahligen Asterien und Ophiuren. Einen zweiten Grund zur Annahme einer „Bilateral- symmetrie" scheint die Zweizahl verschiedener Theile, der Trichteröffnungen, Mundschirme , Magengefässe, Senkfäden u. s. w. abgegeben zu haben. — „Selbst bei den sonst ra- diär gebauten Beroen" findet Gegenbaur in den beiden 1) Geschichte der Schöpfung. 6. Auflg. S. 330. 2) IVacli den Jahresberichten von V. Carus und R! Leu ckart Ueber die angebliche Bilaleralsymmetrie der Rippenquallen. 323 Trichteröffnungen „die bilaterale Symmetrie angedeutet ^)" und lässt die beiden Senkfäden der Cydippen u. a. „nach bilateraler Symmetrie" vertheilt sein 2). In Zweizahl vor- handen ist nun allerdings sogar die Mehrzahl der Theile zweiseitiger Thiere; die Vertheilung aber dieser doppelt vorhandenen Theile bei den Rippenquallen, ihr ausschliess- liches Vorkommen in zwei aufeinander senkrechten Ebenen, weit entfernt, Beweis „bilateraler Symmetrie" zu sein, ist vielmehr etwas damit durchaus Unverträgliches und ver- bunden mit der Vierzahl aller Theile ausserhalb dieser Ebe- nen-ein sicheres Kennzeichen zweistrahliger Anord- nung. Ganz abgesehen übrigens von den oben aufgestell- ten Merkmalen strahliger und zweiseitiger Thiere , so ist zu verwundern , dass man den Widerspruch nicht bemerkt hat, der darin liegt, gleichzeitig die TrichteröfFnungen und die Senkfäden als bilateral-symmetrisch zu betrachten. Sind es die TrichteröfFnungen, so liegen z. B. bei Mnemia die Schmalseiten und Mundschirme rechts und links, die Brei- seiten mit Senkfäden ^j und Magengefässen oben und un- ten. Sind es die Senkfäden, so finden sich die Breitseiten und Magengefässe rechts und links , die Schmalseiten, Mundschirme und Trichteröffnungen oben und unten. Eine Annahme führt die andere ad absurdum. Bei beiden An- nahmen ist überdiess , im Widerspruche mit dem wesent- lichsten Grundzuge zweiseitigen Baues, kein Unterschied zwischen Bauch und Rücken vorhanden. Eine weitere hierher gehörige Bemerkung G egen - baur's ist mir unverständlich geblieben. Es soll bei den Ctenophoren der Radiärtypus der Cölenteraten in den bi- lateral-symmetrischen übergehen, „indem an zwei symme- trischen Körperhälften eine überwiegende Ausbildung der einzelnen Theile erfolgt *)." Da das Thier nicht mehr als zwei Hälften hat, also die beiden Hälften mit überwiegen- 1) Dieses Archiv XXII. Bd. 1. S. 170. 2) Ebenda S. 176. 3) Die bei Mnemia Schweiggeri Eschsch. zwar sehr winzig sind, aber nicht fehlen. 4) Grundzüge der vergl. Anatomie S. 67. 324 Müller: der Ausbildung der Theile das ganze Thier ausmachen, so begreift man nicht, wo die in der Ausbildung zurückblei- benden Theile Raum hnden. Wollte man aber unter .,Hälf- ten" nur gegenüberliegende Körpertheile verstehen, — und man ist allerdings gewohnt, in naturgeschichtlichen Werken eine ganz neue mathematische Sprache zu finden, — . so würde auch eijensowenig das bei Rippenquallen vorkommende, als ein für „bilateral-symmetrischen Typus" bezeichnetes Ver- hältniss ausgesprochen sein. Oder sind etwa die Trichter- öffnungen und Mundschirme überwiegend ausgebildete Ma- gengefässe und Senkfäden, oder auch umgekehrt? — Oder sind unsere eigenen Arme und Reine überwiegende Aus- bildungen irgend welcher Theile unserer Rücken- und RauchÜäche ? In gewohnter einlach lichtvoller Weise hat C. Vogt in den zoologischen Rriefen ^) die Unterschiede zwischen strahligem und zweiseitigem Raue auseinandergesetzt. Nach dieser seiner eigenen Darstellung hätte er die Rippenqual- len unbedingt als vollkommen strahlig gebaut bezeichnen müssen. Und doch hat auch er von dem „langen Quer- band" des Venusgürtels sich irren lassen, das, wie er in „Ocean und Mittelmeer" bemerkt, „durch einen Schnitt, wel- chen man quer auf die Achse des Randes führt , in zwei vollkommen gleiche Hälften gespalten werden kann, in de- nen sich auch nicht die mindeste Spur einer radiären An- ordnung erkennen lässt;" — es genügt, hinzuzusetzen: „so wenig, als in einem einzelnen Strahle irgend eines ande- ren Strahlthieres ," um zu zeigen , dass die nicht zu be- streitende Thatsache nichts gegen die strahlige Anordnung des Thieres beweist. Und macht man noch darauf auf- merksam , dass die Hälften in der That vollkommen gleich, d. h. nicht bloss symmetrisch, sondern congruent sind , und dass jede derselben eine zweiseitige Anordnung erkennen lässt, so ist damit eine Eigenthümlichkeit bezeich- net, die wohl allen paarig-strahligen Thieren, aber nicht einem einzigen zweiseitigen zukommt. Sind aber nicht, wenn auch vollkommene Strahlthiere, 1) Bd. 1. S. 64 u. 65. üeber die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen. 325 schon als zweistrahlig- die Rippenquallen den zwei- seiligen Thieren näherstehend, als andere mehrstrahlige Thiere, und somit immerhin als Mittelglied zu betrachten? Ich meine : Nein. — Die nur in dem Namen liegende schein- bare Aehnlichkcit verschwindet , sobald man „zweiseitig^- mit „nicht strahlig'^ vertauscht. Im Gegentheile, je gerin- ger die Zahl eines thierischen oder pflanzlichen Theiles, um so sicherer pflegt sie festgehalten zu werden. Und so wäre auch hier zu vermuthen, dass, je geringer die Strah- lenzahl, um so strenger durchgeführt der slrahlige Bau sein werde , und dass ein Uebergang in andere Anord- nungsweisen sich eher bei hoher, als bei niederer Strah- lenzahl werde finden lassen. Die Erfahrung bestätigt diese Vermuthung: abgesehen von den Echinodermen, bei denen Johannes Müller's Scharfblick überall Spuren zweisei- tiger Anordnung erkannte, so finden sich solche unler den Cölenteraten, z. ß. bei der 12strahligen Philomedusa Vogtii und bei der jungen Brut der ebenfalls vielstrahligen Cu- nina Köllikeri. In vollster Strenge dagegen zeigt sich der strahligc Bau bei vielen vierstrahligen Scheibenquallen und bei den zweisirahligen Rippenquallen, die also auch in die- ser Beziehung als ächte Cölenteraten sich ausweisen. ■ '" Desterro im Juni 1861. Heber den Unterkiefer der Schlangen und über die fossile Sehlange von Rott. Vom Herausgeber. (Hierzu Taf. X). Die Schlangen haben neuerlich viele Zoologen zu ge- nauerem Studium angezogen. Man ist bestrebt die Clas- sification dieser Thiere fester zu begründen, und namentlich die grösseren oder oberen Abtheilungen, etwa Unterordnun- gen und Familien sicherer zu charakterisiren, als es früher und bis in die neueste Zeit der Fall war. Schlegel, dessen Classification lange Zeit die beste war, und die ge- wiss viel Gutes hat, so dass sie von manchen Zoologen noch heute den neueren Versuchen vorgezogen wird, Hess sich bei seiner Eintheilung mehr durch die Physiognomie leiten als durch feste, exclusive Charaktere, so dass sich Schwie- rigkeiten ergeben, namentlich für die Nichtgeübten, Schlan- gen nach seinem Systeme zu bestimmen. Dumeril und Bibron betraten mit allen Conse- quenzen einen neuen Weg, indem sie den Zahnbau, das Gebiss, als den massgebenden, als den Charakter ersten Ranges annahmen. Dieser Weg hatte an sich viel Anlok- kendes, und wenn ich auch deneix, welche sich bemühen, die D u meri 1- ßi bro n'schen Erfolge herabzusetzen, und das Fehlerhafte ans Licht zu ziehen , um ein besseres Sy- stem an die Stelle zu setzen, nicht als ein unbedingter Verlheidiger der Eintheilung der genannten und berühmten Verfasser entgegen treten kann und will , so möchte ich doch hervorheben, dass dieselben schon dadurch viel Gutes geleistet haben, dass sie die Schlangenkunde von Neuem T rose hei: Ueb. den Unterkiefer der Schlangen. 327 aufgefrischt, und dass sie einen unter allen Umständen vorzüg- lich wichtigen Charakter, wie das Gebiss bei allen Thieren anerkanntermassen ist, conserjuent bei allen ihnen zugäng- lichen Schlangen untersucht und verglichen haben. Bei einem so grossen Unternehmen konnten hier und da Flüch- tigkeiten, ja Fehler mit unterlaufen; das ist auch reichlich geschehen, aber der Arbeit wird darum doch ein bleibendes Verdienst nicht abzusprechen sein. Alle neueren Versuche müssen auf den Schultern von Schlegel und Dumeril-Bibron stehen; Alle werden die Physiognomie und den Zahnbau berücksichtigen müssen. Es wird aber darauf ankommen, auch andere Charktere zur Gellung zu bringen und an möglichst vielen Organen zu prüfen, ob sie nicht einen irgendwie brauchbaren Charak- ter abgeben. Vielleicht bestand der grössle Fehler D u- meril's und Bibron's darin, dass sie einen Charakter, der bereits Gellung hatte, in den Hintergrund schoben, ich meine das Vorhandensein oder Fehlen von rudimentären Hintergliedmassen. Doch es liegt nicht in meinem Plane hier in eine Kritik der ophiologischen Systeme einzugehen. Ich möchte .es nur entschuldigen , rechtfertigen , dass ich im Begriffe stehe die Leser auf eine kleine Eigenthümlichkeit bei den Schlangen aufmerksam zu machen, die bisher meistens ganz übersehen , oder doch nur sehr beiläufig beachtet wor- den ist. Wie ich es für verdienstlich gehalten habe , dass Reinhardt auf einen Charakter an den Schuppen der Schlangen aufmerksam gemacht hat, der bisher kaum be- achtet worden war , und deshalb oben seine Abhandlung in der Uebersetzung mittheille , so glaube ich auch , die folgende Mittheilung dürfe auf die Beachtung der Ophiolo- gen Anspruch machen, weil sie auf eine kleine Eigenthüm- lichkeit aufmerksam macht, die einen Wink für die natür- liche Classification der Schlangen giebt. Bevor ich auf den Gegenstand selbst, des Foramen mentale und die Verhältnisse des Unterkiefers überhaupt, komme, wiederhole ich die schon oft gemachte Bemerkung, dass die Zoologie und die vergleichende Anatomie den Pa- 328 T r 0 s c h e I : läontologen schon viele sehr werthvolle Entdeckungen ver- danken. Für die Vergleichung der oft sehr dürftigen ani- malischen Reste vorweltlicher Perioden wird es nothwen- dig , einzelne Theile der lebenden Thiere genauer und gründlicher zu betrachten , als es die Zoologen gewohnt sind, weil sie an zahlreichen Organen hinreichende Diffe- renzen finden, um ihre Objecte zu unterscheiden. Der Paläontolog muss einzelne Knöchelchen, einzelne Knochensplitter vergleichen , um Unterschieden nachzuspü- ren, die zwar oft kleinlich erscheinen , die aber doch An- leitung geben den natürlichen Verwandtschaften des Thiers auf die Spur zu kommen , welchem einst die Reste ange- hörten. Auch in unserem Falle hat mich der Wunsch eine fos- sile Schlange, welche in der Braunkohle des Siebengebirges bei Rott vorkommt, zu bestimmen^ veranlasst die folgenden vergleichenden Untersuchungen über den Unterkiefer der Schlangen anzustellen. Durch Herrn William Nevill hatte ich für das na- turhistorische Museum zu Bonn eine fossile Schlange be- kommen. Einige Exemplare derselben Schlange waren bereits früher im Museum vorhanden; ich hatte sie mit dem Namen Coluber papyraceus belegt, und Dr. W. Fischer hatte sie in seiner Dissertation „De serpentibus quibusdam fossilibus. Bonnae 1857" unter diesem Namen beschrieben. Auch Hermann v. Meyer hatte ein Exemplar, ich ver- muthe eines der im Bonner Museum aufbewahrten, durch den Herrn Oberberghauptmann v. Dechen zur Ansicht und Bestimmung in Händen gehabt. Er hatte die Schlange als Tropidonotus bestimmt, und ihr den specifischen Namen T. atavus '"') beigelegt. Nach diesen älteren Exemplaren Hessen sich nur ziem- lich allgemeine Schlüsse auf die systematische Stellung die- ser Schlange machen , die nicht weiter reichten, als dass sie der Ordnung der Aglyphodonten Dum. Bibr. angehöre, dass sie keine Giftschlange gewesen sei. Durch das neu aufgefundene Exemplar ist es mir gelungen, der Bestim- ) Leonhard und Bronn N. Jahrbuch. lieber den Unterkiefer der Schlangen. 329 mung dieser fossilen Schlange näher zu treten, indem einige Thoile des Kopfes vortrefflich erhallen sind. Vor allen zo- gen die beiden Unterkieferäste meine Aufmerksamkeit auf sich, von denen der rechte von der Aussenseite, der linke von der Innenseite sichtbar ist , und die beide ihre Zähne noch vollständig besitzen. Der Kopf liegt so, dass man seine Gaumenfläche sieht , der linke Oberkiefer mit seinen Zähnen und der Zwischenkiefer sind erkennbar, aus den Resten des Kopfes ist nicht viel zu machen. Die Wirbel- säule liegt auf dem Rücken, so dass überall die Bauchseite dem Beschauer zugewendet ist. Sie kreuzt sich leider gerade mit dem Anfange des Schwanzes, so dass diese Stelle nichts mehr erkennen lässt. Ich komme am Schlüsse dieser Abhandlung noch ein- mal auf die Bestimmung der fossilen Schlange zurück. Bei der Vergleichung des Unterkiefers, von dem das Os dentale vollständig vorliegt, mit denselben Theilen der im Bonner Museum vorhandenen Schädel lebender Schlan- gen fiel mir sogleich auf, dass das Foramen mentale eine sehr verschiedene Lage hat. Da aber die Anzahl der Schä- del des Bonner Museums nur klein war, so fasste ich den Entschluss gelegentlich mein Augenmerk in anderen Samm- lungen hierauf zu richten und eine möglichst grosse Zahl von Schlangen auf das Foramen mentale zu untersuchen, um vor der Veröffentlichung das Gesetz, welches ich gleich anfangs zu erkennen glaubte , fester zu begründen. Ich habe die iin Berliner anatomischen Museum aufbewahrten Schlangenschädel mit der Erlaubniss des Professor Rei- chert verglichen. Eine besonders reiche Ausbeute hatte ich beim Besuche des Britischen Museums, wo mir die un- beschränkte Benutzung von Dr. Gray und unter der Bei- hülfe des Dr. Günther gestattet wurde. Den genannten Personen sage ich für die zuvorkommende Freundlichkeit den besten Dank. Eine grosse Zahl von Schädeln fand ich im Britischen Musenm in einer Sammlung , die von Herrn Parzudaki in Paris gekauft und mit den Namen, nach Dumeril und Bibron bestimmt, versehen war. So habe ich nunmehr nicht weniger als 119 Species verglichen, die 63 Genera und 20 Familien angehören; somit 330 T r 0 s c h e 1 : bleiben nach D u in eri 1 ßibron noch 88 Genera, aber nur 4 Familien übrig, von denen ich nicht Gelegenheit gehabt habe, die Unterkiefer zu sehen. Die erste Bemerkung, welche ich zu machen habe, ist die, dass den Schlangen nur ein einziges Fo- ramen mentale in jedem Unterkiefer zukommt. Diese Thatsache ist um so wichtiger, als hierin ein neuer noch nicht beachteter Unterschied zwischen den Schlangen und Eidechsen liegt. Letztere besitzen immer eine grössere Anzahl Foramina mentalia. Ich kenne keine Eidechse, die in dieser Beziehung den Schlangen gliche. Besonders be- gierig war ich die Schädel derjenigen Eidechsen zu sehen, welche wegen des Mangels oder der Verkümmerung der Gliedmassen und wegen der langstreckigen Körpergestalt früher den Schlangen zugezählt wurden, also unsere Blind- schleiche Anguis fragilis, die Galtungen Amphisbaena und Pseudopus. Alle zeigen sich auch in dieser Beziehung als wahre Eidechsen. Amphisbaena alba (Fig. ]) habe ich im Berliner ana- tomischen Museum untersucht. Das Os dentale ist mit vier Löchern zum Austritt der Gefässe und Nerven versehen, die hinter einander in einer Reihe, unter dem 3. 4. 5. und 6. Zahne liegen und ziemlich gleiche Abstände von einan- der zeigen. Pseudopus Pallasii (Fig. 2) zeigt an einem Skelete des Bonner Museums fünf Foramina mentalia des Unterkiefers, die eine Längsreihe bilden. Das erste liegt vor dem zwei- ten, das letzte unter dem achten Zahne. Anguis fragilis (Fig. 3) hat vier Löcher, welche eine Längsreihe längs des Körpers des Os dentale bilden. Sie sind unregelmässig aber iongitudinal, wie wenn die dünne Decke des im Kiefer liegenden Kanals hier oder da durch- brochen ist. Dadurch ist es auch zu erklären , dass die Löcher an dem linken Kieferaste etwas anders auftreten als am rechten. Bei den Schlangen habe ich nur als sehr seltene Aus- nahmen zwei Foramina mentalia gefunden. So besitzt ein Exemplar von Leptophis liocercus ( sub nom. Dendrophis ahaetullae bestimmt) des Berliner anatomischen Museums Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 331 zwei Löcher , die unter dem 5. und 6. Zahne liegen und von denen das vordere vor der Mitte, das andere hinter der Mitte des Körpers des Os dentale liegt. Diesen Fall muss ich um so mehr für eine individuelle Abweichung erklären, als an zwei Exemplaren im Britischen Museum nur eine Oeffnung vorhanden ist, die etwas langstreckiger und unter dem 7. und 8. Zahne gelegen ist. Ob etwa das Berliner Exemplar falsch bestimmt war, muss ich dahin gestellt sein lassen. — Ein zweites Beispiel hat mir ein Exemplar von Herpetodryas dendrophis im Britischen Museum dargeboten, wo die Löcher vor dem 6. und 7. Zahne angebracht sind, und beide hinter der Mitte des Körpers des Os dentale lie- gen. — Endlich besitzt ein Skelet von Acrochordus java- nicus, das ich aus einem grossen Weingeistexemplare, wel- ches dem Bonner Museum durch Dr. Bleeker geschenkt wurde, präpariren Hess, an jeder Seite des Unterkiefers zwei Löcher Das sind die einzigen Beispiele die mir von einer Vermehrung der Foramina mentalia bei Schlangen vorge- kommen sind. Von deren Verminderung kenne ich nur einen Fall; das Loch fehlt nämlich auf dem rechten Unter- kieferaste bei einem Exemplare des British Museum von Xenopeltis unicolor gänzlich. Dies ist ohne allen Zweifel als individuelle Abweichung zu deuten; denn theils ist es auf dem anderen Unterkieferaste vorhanden, theils besitzt ein Exemplar des Bonner Museums das Loch in beiden Kie- fern sehr wohl entwickelt. Hiernach ist das einfache Foramen men- tale eine Eigenthümlichkeit der Schlangen, den Eidechsen gegenüber. Bei einer Vergleichung der Unterkiefer der Schlangen mit einander fällt zunächst eine sehr verschiedene Lage des Foramen mentale , ob weiter nach vorn oder weiter nach hinten , in die Augen. Das Os dentale nimmt vorn die ganze Höhe des Kiefers ein, nach hinten läuft es in zwei Fortsätze aus, einen oberen und einen unteren, die einen spitzen V^^inkel mit einander bilden, mit welchem sie das vordere Ende des Os articulare umfassen. Ich will bei den folgenden Vergleichungen den vorderen Theil zwischen 332 T r 0 s c h e 1 : der Spitze des ganzen Kiefers und der Spitze jenes von den Fortsätzen umfassten Winkels als den Körper des Os dentale bezeiclinen und werde alle Messungen nur auf die- sen beziehen , so dass die hinteren Fortsätze ausser Acht gelassen werden. Es wird hauptsächlich darauf ankommen, in welchem Theile der Länge dieses Körpers das Os den- tale das Foramen mentale liegt, namentlich ob vor der Mitte, oder hinter der Mitte. Da das Foramen mentale im- mer eine gewisse Ausdehnung hat, ja zuweilen ziemlich lang gezogen ist, so wird es nothwendig, auch für die Mes- sung eine bestimmte und gleichmässige Vorschrift zu ge- ben, und so habe ich ein für allemal den hinteren Rand des Foramen als die Lage desselben bestimmt. Das Fora- men ist zwar zuweilen punktförmig und rund , sehr oft jedoch ein wenig langgezogen, ja zuweilen sehr langstrek- kig, auch wohl nach vorn in eine lange Furche verlängert, die sich mehr oder weniger der Spitze des Unterkiefers nähert und es sehr erschwert , die vordere Grenze des Loches genau festzusetzen. Demnach bestimme ich nach dem hinteren Rande des Loches die Lage des Loches selbst. Auf eine mathematische Genauigkeit kann es natürlich hier- bei niemals ankommen , denn so genau stimmen die ver- schiedenen Specimina derselben Art nicht überein. Aber eine solche Genauigkeit der Uebereinstimmung, wie sie das Augenmaass erkennt , finde ich allerdings , wenn ich von einzelnen individuellen Abweichungen absehe , die man monströs nennen könnte und wie ich oben einige angege- ben habe. Als ein Gesetz glaube ich erkannt zu haben, dass bei allen Schlangen mit Rudiment von Becken und Hinter- gliedmassen, also allen Peropodes , des Foramen mentale vor der Mitte des Zahnbeinkörpers liegt , dass dagegen bei allen anderen Schlangen das Foramen hinter der Mitte beginnt. Unter den Peropodes habe ich keine Ausnahme ge- funden. Jedoch ist hier zu bemerken, dass Xenopeltis uni- color, welche ich nach einem Exemplare des Bonner und einem anderen des Britischen Museums untersucht habe, sehr übereinstimmend das Loch hinter der Mitte des Zahn- lieber den Unterkiefer der Schlangen. 333 beins hat, also nicht zu der Familie Holodonta Dum. Bibr. gehört. Ich kann freilich auch an unserem Weingeist-Ex- emplare keine Spur von Rudimenten der Hintergliedmassen finden und daher nicht begreifen , weshalb diese Gattung von Dumeril und Bibron in die Nähe von Tortrix ge- stellt wird. Der Unterkiefer (Fig. 4) hat einen kurzen Kör- per und einen sehr langen oberen Fortsatz, der reichlich dreimal so lang ist wie der Körper, während der unlere Fortsatz etwa gleiche Länge mit dem Körper hat. Die Zähne , welche die ganze Länge des Os dentale mit Ein- schluss des Fortsatzes besetzen, sind dicht aneinander ge- drängt, alle von fast gleicher Länge und 29 an der Zahl. Das kreisrunde Foramen liegt auf V^ der Länge des Kör- pers des Os dentale. Etwas anders steht es mit den Ausnahmen unter den Schlangen, die der Hintergliedmassen entbehren. Hier habe ich zu bemerken, dass bei einigen Leptognalhina, wie Ra- chiodon scaber und Petalognathus nebulatus, ferner bei einigen Diacranterina, wie Xenodon gigas, Zamenis floru- leatus, Dromicus antillensis ,und Dromicus Temminckii, das Loch in der Mitte des Körpers des Os dentale liegt, ja noch vor dieselbe tritt. Bei beiden Familien liegt, wie wir unten sehen w^erden, das Loch immer der Mitte nahe, wenn auch sonst hinter ihr , so dass diese Familien der Familie der ßoen nahe kommen. Bei Chloroechis angusticeps Gün- ther endlich , so wie bei Psammophis elegans ist das Loch entschieden vor der Mitte angebracht; eine Ausnahme, von der ich ungewiss bin, ob sie Avirklich diesen Arten zu- kommt, oder ob sie als eine individuelle Abweichung sich ergeben wird , wenn man mehrere Exemplare untersu- chen kann. Man sieht aus diesen angeführten Beispielen, dass das Gesetz nicht ein unumstössliches ist , indessen wenn ich gegen die wenigen Ausnahmen die sehr zahlreichen Fälle in die Waagschale lege , in denen das Gesetz zutrifft, so wird man mindestens es als eine sehr allgemein geltende Regel gelten lassen müssen , dass die Lage des Foramen mentale nach den Gattungen und Familien verschieden ist, und dass in den weitaus meisten Fällen aus dieser Lage 334 T r o s c h e I : ein Schluss auf die systematische Stellung der Schlange gezogen werden kann. Obgleich ich , wie schon oben erwähnt, dieses Merk- mal für das Leben und die Organisationsverhältnisse der Schlangen nicht für an sich einflussreich und wesentlich an- sehen kann, so wird es doch nicht uninteressant sein, das- selbe noch weiter durch die einzelnen Familien zu verfol- gen. Wir wollen prüfen, ob die Lage des Foramen men- tale innerhalb der einzelnen Familien übereinstimmt, um für den Fall der Bejahung dieser Frage darin eine Unter- stützung der Natürlichkeit der Familie zu erblicken. Ausdrücklich möchte ich mich aber vor dem Verdachte bewahren , als wollte ich die Lage des Foramen mentale als einen Charakter ersten Ranges auffassen. Ich will sie nur als einen Prüfstein anerkannt wissen, der uns hier und da für die Natürlichkeit des Systemes einen Wink zu ge- ben im Stande ist. Namentlich werde ich nachweisen, dass dieser Prüfstein für den Fall, welcher mich zu dieser Un- tersuchung geleitet hat , nämlich für die Bestimmung der fossilen Schlange aus der Braunkohle von Rott von mass- gebender Wichtigkeit ist. Hierauf werde ich am Schlüsse dieses Aufsatzes zurückkommen. Familie üolodonta. Dumeril und Bibron vereinigen hier alle Peropo- des , welche Zwischenkieferzähne besitzen. Ich habe aus dieser Familie 3 Python, 2 Tortrix und 1 Xenopeltis un- tersucht. Python tigris L. (molurus), P. natalensis und P. Se- bae stimmen sehr gut mit einander überein. Das Os den- tale übertrifft an Länge das Os articuiare, der ganze Kiefer ist gedrungen und kräftig. Das Foramen liegt auf dem ersten Drittel des Körpers des Os dentale, unter dem vier- ten Zahne, und bildet ein längliches Oval. P. tigris ist in Fig. 5 abgebildet. Aus der Gattung Tortrix habe ich T. scylale (Fig. 6) im Bonner und im britischen Museum, T. fasciatus im Ber- liner Museum untersucht. Beide Arten sind ganz gleich. lieber den Unterkiefer der Schifingen. 335 Das Os dentale ist wenig länger als das articulare und fügt sich an letzteres in einer senkrechten , nach vorn ein we- nig convexen Linie an, oder der Winkel, welchen die bei- den Fortsätze des dentale einschhliessen ist sehr stumpf, fast gleich zwei Rechten. Das Foramen liegt ganz eigen- thümlich weit vorn, nahe der Kieferspitze, unter dein zwei- ten Zahne. Alles spricht für Familien-Verschiedenheit von Python. Wir werden gleich sehen , dass der Unterkiefer mehr Aehnlichkeit mit Cylindrophis hat. Von Xenopeltis unicolor , die ich im Bonner und im Britischen Museum untersucht habe , ist schon oben ange- geben , dass sie nach meiner Ansicht nicht hierher gehört. Nach dem Zahnbaue würde sie in die Familie Isodonta gehören (Fig. 4). Familie Apr oterodonta. Von den Gattungen, welche bei Dumeril und Bi- bron dieser Familie zugezählt werden , weicht Cylindro- phis, von der ich C. rufa (Fig. 8) untersucht habe, von allen übrigen durch die vordere Lage des Foramen unter dem zweiten Zahne in ganz gleicher Weise ab, wie in der vorigen Familie Tortrix , und mit dieser letzteren Gattung stimmt Cylindrophis so nahe überein, dass es scheint, als müssten beide Gattungen zu einer eigenen Familie vereinigt werden. Selbst das Verhältniss des Dentale zum Articulare hat viel üebereinstimmendes, wenn gleich bei Cylindro- phis die gleich langen Fortsätze des Dentale einen tiefen spitzen Winkel bilden , mit welchem sie das Vorderende des Articulare umfassen. Die übrigen Gattungen , deren Unterkiefer mir be- kannt ist (Boa constrictor, Eunectes murinus und Epicrates cenchris) , stimmen in der Gestalt und den VerhäKnissen dieses Knochens, wie in der Lage des Foramen überein. Das Dentale mit seinen gleich langen Fortsätzen übertrifft das Articulare an Länge; das Articulare hat dicht hinter dem oberen Fortsatze des Dentale einen nach oben gerichteten Fortsatz, der einem Kronfortsatze vergleichbar ist, und das Foramen liegt genau auf der Mitte des Körpers des Den- 336 T r o 8 c h e 1 : lale, unter dem vierten oder fünften Zahne. (Vergl. Fig. 7, welche i\en Unterkiefer von Boa constrictor darstellt.) Auch Eryx jaculiis hat das Foramen an derselben Stelle unter und etwas vor dem vierten Zahne, aber der dem Kronfortsatze ähnliche Vorsprung- ist nicht vorhanden. Familie A er o chordin a. Die beiden untersuchten Arten dieser kleinen, sehr charakteristischen Familie, Acrochordus javanicus und Cher- sydrus fasciatus , stimmen in der Bildung des Unterkiefers überein. Das Dentale hat bei beiden sehr ungleiche Fort- sätze, der obere ist viel länger als der untere; der Körper ist kürzer als der obere, länger als der untere Fortsatz. Der freie Theil des Articulare hat ungefähr die Länge des ganzen Dentale. Das Foramen beginnt hinter der Mitte des Körpers des Dentale , ist aber ein längliches, spalten- förmiges Loch, welches bis vor die Mitte reicht, so dass es ebensoweit vom hinteren wie vom vorderen Ende ent- fernt ist. Wenigstens fand ich es so bei drei Exemplaren von Chersydrus fasciatus. Des Exemplares des Bonner Mu- seums von Acrochordus javanicus habe ich schon oben als einer seltenen Ausnahme erwähnt , weil es zwei Löcher besitzt, das eine hinter, das andere vor der Mitte. Dächte man sich die beiden Löcher vereinigt , dann würde unge- fähr ein Spaltloch entstehen, wie es bei Chersydrus fascia- tus vorhanden ist , und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Species ein solches Loch als Regel zukommt, von der unser Fall nur eine individuelle Abweichung bildet. Familie Calamarina. Aus dieser Familie habe ich nur zwei Arten, Rabdo- soma crassicaudata von Caraccas und Trachischium rugo- sum Günther von Nepaul, beide im Britischen Museum un- tersuchen können. Bei ersterer sind die Fortsätze des Den- tale sehr kurz, und das Articulare länger als das Dentale; bei letzterer sind gleich lange Fortsätze, das Dentale ver- hältnissmässig länger , länger als die Hälfte des Körpers Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 337 dieses Knochens. Das Foramen liegt bei den beiden weit nach hinten , nahe dem Winkel , bei letzterer Art beginnt es sogar eigentlich unter dem Scheitelpunkte des Winkels selbst. Es liegt bei Rabdosoma crassicaudatum unter dem fünften bis sechsten bei Trachischium rugosum unter dem siebenten bis achten Zahne. Familie Coryphodonta. Von der einzigen von Dumeril und Bibron hier- hergezogenen Gattung habe ich vier Arten untersucht: C. pantherinus, constrictor, mento-varius und korros. Der freie Theil des Articulare ist ungefähr so lang wie das Dentale, dessen oberer Fortsatz länger ist als der untere. Das Ar- ticulare steigt schräg nach vorn und unten herab, so dass es mit dem Dentale einen stumpfen nach oben concaven Winkel bildet und trägt oben fast in ganzer Länge eine lamellenartige Erhöhung, die wohl einem Kronfortsatze ver- glichen werden kann. Das Foramen liegt hinter der Mitte des Körpers des Dentale, ungefähr auf % der Länge, un- ter dem sechsten und siebenten Zahne. Bei einem Exem- plare des Britischen Museums von C. pantherinus, welches als Skelet aufgestellt ist, liegt es unter dem vierten Zahne; ich muss jedoch um so mehr an der richtigen Bestimmung zweifeln , als ein anderes Exemplar , ein Schädel aus der oben erwähnten Sammlung von Parzudaki in Paris, von jenem abweicht und der so eben gegebenen Beschreibung, so wie den übrigen erwähnten Arten dieser Gattung ent- spricht. Familie Isodonta. Aus dieser Familie habe ich fünfzehn Arten, die sie- ben Gattungen angehören, untersucht. Ich finde bei allen, dass der Zahnrand etwa so lang ist wie der hinter ihm lie- gende freie Theil des Articulare, und dass der letztere eine Lamelle trägt , die dem Kronfortsatz zu vergleichen , die aber verschieden entwickelt sein kann; meist erreicht sie den Zahnrand nicht. Das Foramen liegt überall hinter der Mitte des Körpers des Dentale. — Nach meinen Notizen und Zeichnungen kann ich nicht sagen, dass zwischen den Archiv f. Natiirg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 22 338 . Troschel: Formen dieser Unterkiefer eine rechte Uebereinstimmung stattfände; da ich jedoch die Kiefer selbst jetzt nicht mehr vergleichen kann , so miiss ich mich begnügen über die einzelnen Arten, die ich untersuchte, einige Bemerkungen beizufügen. Günther '"*) hat diese Gattungen in vier ver- schiedene Familien vcrtheilt; Dendrophis in die Dendrophi- dae , Herpelodryas in die Dryadidae , Spilotes, Rhinechis, Elaphis in die Colubridae, Ablabes rufula in die Coronel- lidae, während sich Ablabes triangulum unter den Colubri- dae findet. Die Verschiedenheiten des Kiefers correspon- diren nicht diesen Familien , so dass durch diese Einthei- lung eben solche Verschiedenheiten in einer Familie bei einander verbleiben würden. Bei Dendrophis picta von Borneo und Java ist der obere Fortsatz des Dentale nicht viel länger als der un- tere; das Foramen liegt auf y^ der Länge des Körpers dieses Knochens, und ist ein ovales Loch. Bei allen vier untersuchten Arten der Gattung Her- pelodryas ist der untere Fortsatz des Dentale etwa halb so lang wie der obere. Bei H. aestivus liegt das Foramen unter dem 6. Zahne nahe dem Winkel zwischen den Fort- sätzen, und weiter nach hinten als bei den übrigen Arten, bei denen es auf Y5 der Länge des Körpers angebracht ist. Bei H. carinatus (Fig. 9) liegt es unter dem 9. Zahne, bei H. fuscus unter dem 13. Zahne, bei H. Boddaerti un- ter dem 14. Zahne. Bei beiden letzteren ist der Unterkie- fer überhaupt viel langstreckiger und niedriger, das Den- tale mit einer viel grösseren Anzahl von Zähnen besetzt. Bei H. dendrophis sind, wie schon oben bemerkt, an dem Exemplare des British Museum von Caraccas zwei Fora- mina vorhanden, von denen das vordere auf ^/^ der Länge, das hintere nahe dem Winkel liegt. Die drei untersuchten Arten von Spilotes weichen von einander beträchtlich ab , obgleich sie in der verhält- nissmässigen Kräftigkeit übereinstimmen. Bei Sp. korais (Fig. 10) ist der untere Fortsatz des Dentale viel kürzer als *) Catalogue of Colubrine Snakes in the Collection of Ihe bri- tish Museum. London 18.58. Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 339 der obere, das Foramen liegt nahe dem Winkel unter dem 7. Zahne. Bei Sp. variabilis ist der untere Fortsatz nur wenig kürzer als der obere, das Loch, unter dem 7. Zahne gelegen , beginnt etwas entfernter von dem Winkel, und ist länger, nach vorn spitz bis gegen die Mitte des Körpers des Dentale auslaufend. Sp. poecilostoma (Fig. 11) endlich hat den oberen Fortsatz reichlich doppelt so lang wie den unteren und wird sehr eigenthümlich durch den Umstand, dass auf dem Körper des Dentale nur vier grosse Zähne stehen, während auf dem Fortsatz zehn viel kleinere, gleiche, höchstens halb so lange Zähne angebracht sind; das Fo- ramen beginnt unter dem vierten Zahne und ist ziemlich langstreckig. Auch das Articulare ist durch seine grössere Länge von den übrigen Arten abweichend. Rhinechis scalaris hat einen sehr kurzen unteren Fortsatz des Dentale, höchstens den vierten Theil der Länge des oberen erreichend; das Foramen liegt nahe dem Win- kel und ist ein länglich ovales Loch. Das Articulare trägt nahe der Mitte seiner Länge eine spitze Erhebung, wodurch es ganz eigenthümlich wird, wenn man nicht ge- neigt sein sollte, diese Erhebung mit der von Python zu vergleichen, die jedoch dicht hinter dem Fortsatze des Dentale ziemlich steil aufsteigt. Bei Elaphis guttatus liegt das Foramen als ein läng- liches vorn spitziges Loch auf % der Länge des Körpers des Dentale unter dem 6. Zahne, nicht ganz bis zur Mitte reichend, der untere Fortsatz ist halb so lang wie der obere. Bei E. Aesculapii liegt das Foramen ganz ähnlich, unter dem 6. Zahne beginnend, zieht sich aber in eine Furche aus, die sich deutlich bis zum Vorderende des Kiefers er- streckt. Bei Ablabes rufula und triangulum beginnt das eiför- mige Loch ungefähr auf y^ der Länge des Körpers des Dentale; der untere Fortsatz ist etwas kürzer als der obere. Das Foramen von Calopisma abacurum (Farancia fa- sciata) beginnt unter dem 6. Zahne auf % der Länge des Dentale und reicht bis auf die Mitte; der untere Fortsatz ist halb so lang wie der obere. Der ganze Unterkiefer ist sehr kräftig gebaut. 340 T 1- o s c h e 1 : Nach dem Zahnbaue glaube ich , Xenopeltis unicolor müsse in diese Familie gestellt werden. Der Unterkiefer (Fig. 3) ist schon oben beschrieben. Familie Lyco donta. Die beiden untersuchten Arten dieser Familie haben eine gute Uebereinstimmung. Bei beiden sind die vorderen Zähne entschieden grösser als die hinteren, welche auf dem obe- ren Fortsatze und dem hinteren Theile des Körpers des Dentale stehen , was dem Kiefer ein eigenthümliches An- sehen giebt. In dieser Beziehung gleicht ihnen der in der vorigen Familie besprochene Spilotes poecilostoma, der dort durch diese Anordnung der Zähne störte. Bei Lycodon aulicus, den ich im Bonner Museum un- tersuchen konnte, stehen vorn 2 bis 3 grössere Zähne, und dann folgt von der Mitte des Körpers des Dentale ein Dutzend kleinerer Zähne, die den Rand bis zum Ende des oberen Fortsatzes einnehmen. Dieser Fortsatz ist etwas kürzer als der untere. Das Foramen liegt auf y^ der Länge, und ist ein ovales Loch, welches von der Mitte weit ent- fernt bleibt. Bei Lamprophis aurora ist der obere Fortsatz um ein Unbedeutendes länger als der untere. Vorn auf dem Den- tale stehen vier grosse Zähne , die von vorn nach hinten grösser werden; dann folgen kleinere Zähne, hinter der Mitte des Körpers des Dentale beginnend bis zum Ende des oberen Fortsatzes. Das Foramen beginnt auf Va der Länge des Körpers des Dentale und erreicht die Mitte, so dass es unter dem vierten grössten Zahne liegt. Familie Lept ognat ha. In der von Parzudaki in Paris gekauften Samm- lung von Schlangenschädeln des Britischen Museums zu London findet sich ein als Leptognathus bestimmter Schä- del, an dessen Unterkiefer die Zähne von hinten nach vorn an Grösse beträchtlich zunehmen und bei dem das Foramen auf dem ersten Drittel der Länge des Körpers des Dentale, lieber den Unterkiefer der Schlangfen. 341 also etwa wie bei den Pythonen liegt. Ich habe um so mehr Grund anzunehmen , dass dieser Schädel falsch bestimmt sei, als ich durch die Güte meines Freundes Dr. Günther sogleich Gelegenheit fand mehrere Arten dieser Familie nach Weingeistexemplaren zu untersuchen, bei denen allen ich das Foramen richtig hinter der Mitte und nahe dem Winkel des Dentale fand. Unter ihnen war auch ein von Günther richtig bestimmtes Exemplar von Pelalognathus nebulatus von Berbice im Norden von Honduras. Es scheint eine Eigenthümlichkeit dieser Familie zu sein, dass der obere Fortsatz des Dentale kürzer oder doch schwächer entwickelt ist als der untere. Auffallend zeigt sich dies bei Dipsadomorus Indiens und Ischnognathus Dekayi , wo der obere Fortsatz sehr kurz ist , minder auffallend bei Stremmatognathus Catesbyi. Bei Rachiodon scaber, den ich in Berlin untersuchen konnte , ist der untere Fortsatz viel kräftiger, daher der Winkel nahe dem oberen Rande, aber beide Fortsätze gleich lang. Das Foramen liegt bei dieser Art auffallend nach vorn, fast auf der Mitte. Familie Syncranteria. Jan vereinigt diese Dumeril'sche Familie mit des- sen Coryphodonten. Ich habe 2 Arten Leptophis , 7 Tro- pidonotus und 4 Coronella untersucht. Im Allgemeinen linde ich bei ihnen das Os dentale geschweift, d. h. das Vorderende herabgesenkt , den oberen Fortsatz etwas ge- hoben ; einen Familiencharakter möchte ich aber doch darin nicht finden, weil es nicht immer deutlich ausgesprochen ist, auch in anderen Familien vorkommt. Der Zahnrand des Dentale hat ungefähr die Länge des freien hinter ihm gelegenen Articulare, dessen Kronforlsatz ähnliche Lamelle den Zahnrand nicht erreicht. Das Foramen liegt bei allen hinter der Mitte des Körpers des Os dentale. Aus der Gattung Leptophis habe ich L. liocercus in drei Exemplaren und L. margaritiferus untersucht. Von dem Berliner Exemplar von L, liocercus , welches zwei Foramina besitzt, ist schon oben die Rede gewesen. Der obere Fortsatz des Dentale ist etwas länger und kräftiger 342 T r 0 s c h e 1 : als der untere; darin stimmt das Exemplar mit den beiden anderen überein, bei denen nur ein Foramen vorhanden ist, das aber langstreckig- ist und etwa die Länge der beiden Löcher des Berliner Exemplars einnimmt. — Bei L. mar- garitiferus, wovon ich ein Exemplar von Caraccas aus der Parzudaki'schen Sammlung im Britischen Museum unter- sucht habe , ist der obere Fortsalz kürzer und schwächer als der untere, so dass man hiernach die Schlange der Familie Leptognatha zuschreiben möchte. Das Foramen liegt unter dem 12. Zahne, beginnt auf y^ der Länge und reicht bis zur Mitte des Körpers des Os dentale. lieber die Arten von Tropidonotus, nämlich T. rhodo- gaster, natrix (Fig. 12), quincunciatus, fasciatus, spilogaster, viperinus und bipunctatus kann ich nur berichten, dass das Dentale mehr oder weniger geschweift, der obere Fortsatz desselben doppelt so lang ist wie der untere, und dass das Foramen auf 2/3 bis % der Länge des Körpers des Dentale liegt und meist eine länglich ovale Oeffnung ist. Der Unterkiefer von Coronella, wovon ich C. laevis, getalus, girondica und cana untersucht habe, verhält sich ähnlich, doch ist die Verschiedenheit der beiden Fortsätze des Dentale geringer , weil der obere weniger entwickelt ist als bei Tropidonotus. Familie JJicranteria. Im Allgemeinen finde ich keinen wesentlichen Unter- schied im Unterkiefer von der vorigen Familie. Das Den- tale ist häufig in derselben Weise ein wenig ausgeschweift, der obere Fortsatz ist stets länger, meist doppelt so lang wie der untere. Der Zahnrand ist fast gleich dem hinter ihm liegenden freien Articulare, im Allgemeinen zeigt sich aber die Neigung zum Zurücktreten gegen letzteren. Nur bei Liophis cobella und Xenodon typhlus ist das Dentale etwas länger und bei Amphiesma stolatum ist es sogar be- trächtlich länger, reichlich lYjmal so lang, als das Articu- lare. Das Foramen liegt in den meisten Fällen näher der Mitte als bei der vorigen Familie und ist länglich. Wenn CS aber auch öfters mit dem vorderen Ende die Miüc er- lieber den Unleikiel'er der Schlangen. 343 reicht, so liegt es doch entschieden mit dem Anfange hin- ter der Mitte , nur bei Xenodon gigas fand ich an einem Exemplare der Parzudaki'schen Sammlung das rundliche Foramen in der Mitte des Körpers des Dentale. Dieser Schädel schien jedoch einem sehr alten Thiere angehört zu haben und der Unterkiefer war vorn so abgerundet, dass vielleicht derselbe als etwas monströs oder als krankhaft betrachtet werden könnte. Untersucht sind aus dieser Familie Dromicus anguli- fer, Cursor, antillensis und Temminckii ; Periops hippocre- pis; Zamenis viridiflavus und florulentus ; Liophis cobella und Merremii; Amphiesma stolatum ; Helicops angulatus; Xenodon severus , viridis, gigas und typhlus; Heterodon platyrhinus. Familie 0 xycephala. Die einzige untersuchte Art dieser Familie ist Dryi- nus nasutus nach einem Exemplare des British Museum aus Indien. Das Os dentale ist kürzer als das Articulare, sein Körper ist viel länger als die Fortsätze, deren oberer etwa doppelt so lang ist wie der untere. Dabei ist die Mitte des Dentale tief sattelförmig eingesenkt, wodurch der Knochen in drei Abschnitte getheilt wird : einen vorderen convexen , einen mittleren concaven und einen hinteren convexen, der dem oberen Fortsatze entspricht. Auf dem vorderen convexen Theile stehen vier grössere Zähne, der übrige Rand ist mit kleinern Zähnen besetzt, wodurch man auffallend an die Lycodonta erinnert wird. Das Foramen erscheint bei der beträchtlichen Länge des Körpers des Dentale weit von dem hinteren Winkel entfernt, liegt aber in der That hinter der Mitte und sein Hinterrand auf V3 der Länge (Fig. 13). Familie St enocephala. Auch aus dieser Familie habe ich nur eine Art un- tersuchen können, nämlich Erythrolamprus venustissimus. Das Dentale ist kürzer als das Articulare und verhält sich zu ihm wie 2 : cJ; letzteres ist stark gekrümmt, d. h. nach 344 T r 0 s c h e 1 : oben concav; das Foramen ist ein längliches Loch, welches ganz hinter der Mitte liegt. Die Forlsätze des Dentale sind kurz, der obere wenig länger als der untere. Familie Anisodonta. Psammophis elegans , moniliger und punctatus sind untersucht. Sie haben viele Aehnlichkeit mit Dryinus na- sutus , was für die Vereinigung eines Theiles der Oxyce- phala mit dieser Familie, wie sie Jan vorgeschlagen hat, zu sprechen scheint. Bei Ps. elegans (Fig. 14) stehen auf dem vorderen convexen Theile des Dentale zwei grosse Zähne der ganze übrige Theil ist mit viel kleineren Zähnen be- setzt. Der obere Fortsatz ist doppelt so lang wie der un- tere. Das Foramen liegt auf der Mitte. — Bei Ps. moni- liger stehen auf dem vorderen convexen Theile drei grös- sere Zähne, dann folgen nach einer Lücke etwas kleinere Zähne. Das Foramen liegt nahe hinter der Mitte. Bei Ps. punctatus stehen vorn vier Zähne bei einander, von denen der dritte der grösste, dann folgen nach einem kleinen Zwi- schenräume zwei etwas kleinere, und den hinteren Theil des Zahnrandes nimmt eine grössere Anzahl noch kleinerer Zähne ein, die nach hinten allmählich kürzer werden. Familie Platyrhina. Die Länge des Zahnrandes übertrifft oder gleicht dem Articulare. Das Foramen liegt hinten nahe dem Winkel auf 2/3 oder % der Länge des Körpers des Dentale. Bei Homalopsis und Cerberus ist eine hohe abgerundete Kron- fortsatz-Lamelle vorhanden. Eine Aehnlichkeit mit der vo- rigen kann ich nicht finden. Bei Hypsirhina enhydris ist der obere Fortsatz des Zahnbeins fast doppelt so lang wie der untere; das Loch ist klein, rund und liegt weit hinten nahe dem Winkel. Homalopsis und Cerberus stimmen ausser der hohen Lamelle des Articulare auch darin überein , dass die vor- deren Zähne grösser sind und nach hinten allmählich ab- nehmen. lieber den Unterkiefer der Schlangen. 345 BeiCerberus boaeformis (cinereus) ist der dritte Zahn der grösste, das Loch liegt unter dem siebenten und läuft nach vorn in eine Spitze aus. Bei Homalopsis buccata (Fig. 15) ist der erste Zahn der längste , das runde Loch liegt bei H. buccata unter dem fünften, bei H. quinquevit- tata unter dem achten Zahne. Familie Scytalina. Bei Brachyruton plumbcum, Oxyrhopus Sebae und Chry- sopelea ornata , ist der Zahnrand ungefähr von gleicher Länge mit dem Articulare; die Zähne nehmen von vorn nach hinten etwas an Länge ab. Die Kronfortsatz-Lamelle ist niedrig und nimmt fast die ganze Länge des Articulare ein. Das Foramen liegt auf V3 der Länge des Körpers des Dentale. Der obere Fortsatz des Dentale überwiegt den unteren. Familie Dipsadina. Mit Ausnahme von Coelopeltis insignitus, die nicht hierher gehört, haben die untersuchten Arten viel Gemein- sames. Der Zahnrand ist im Allgemeinen etwas kürzer als das Articulare hinter ihm, der obere Fortsatz ist länger und stärker entwickelt als der untere, die Zähne sind ziemlich gleichförmig. Das Foramen liegt weit hinten nahe dem Winkel, oder doch mindestens y^ der Länge. So ist es bei Dryophylax Schottii und Olfersii , bei Dipsas trigonata, annulata, Nattereri , Smithi, rhombeata und bei Anholodon (Leptogathus) Mikanii. Coelopeltis insignitus dagegen hat vorn grössere Zähne, die von den kleineren auf dem hinteren Theile des Den- tale scharf abgesetzt sind, und gleicht dadurch Psammophis, Dryinus und den Lycodonten. Das Foramen liegt auf % der Länge des Körpers des Dentale. Ich muss jedoch hierbei bemerken , dass die beiden Exemplare, welche ich im britischen Museum -untersuchen konnte, einigermassen von einander abweichen. Der Unterkiefer von einem Ex- emplare aus Algier in der Parzudaki'schen Sammlung be- sitzt vorn vier grosse Zähne, die in Zwischenräumen von 346 T r 0 s c h c 1 : einander getrennt stehen , das Foramen ist langstreckig und liegt unter dem Räume zwischen den grösseren und kleineren Zähnen. Ein anderes Exemplar des britischen Museums von Montpellier ist viel kräftiger gebaut, trägt vorn sechs grössere Zähne, denen nach einem kleinen Zwi- schenräume die übrigen wenig kleineren Zähne folgen. Unter diesem kleinen Zwischenräume liegt das rundliche Foramen , auf V^ der Länge beginnend. Die Vermuthung liegt nahe, dass eines der Exemplare nicht richtig be- stimmt war. Familie C onocerca. Bei allen aus dieser Familie untersuchten Arten übertrifft das Articulare an Länge den Zahnrand des Dentale ziemlich beträchtlich, so dass sich ihre Längen annähernd verhalten wie 3 : 2. Elaps lemniscatus , frontalis und fulvius tragen auf dem kurzen Dentale meist nur vier Zähne , die ziemlich entfernt stehen. Bei einem Exemplare des Berliner anato- mischen Museums der erstgenannten Art fand ich neun Zähne, was mir die Bestimmung verdächtig macht. Die Fortsätze des Dentale sind kurz , der obere kürzer als der untere und sehr kurz. Das Foramen bildet eine kurze Längs- spalte, die ganz hinter der Mitte des Zahnbeinkörpers liegt und das dritte Viertel der Länge dieses Knochentheils ein- nimmt. Bei Trimesurus porphyreus ist der obere Fortsatz des Dentale doppelt so lang wie der untere, so dass der Zahn- rand dem Articulare weniger an Länge nachsteht als bei den übrigen Gliedern dieser Familie. Das Foramen beginnt auf % der Länge des Zahnbeinkörpers. Der Unterkiefer von Alecto curta hat sehr viele Aehn- lichkeit mit dem der vorigen Art; doch ist der untere Fort- satz des Zahnbeins länger und nimmt reichlich V3 der Länge des oberen ein. Foramen wie beim Vorigen. Sepedon haemachates hat das Articulare fast doppelt so lang wie den Zahnrand. Der untere Fortsatz des Den- tale ist kaum halb so lang wie der obere. Das Foramen beginnt noch hinter ^/^ der Länge des Zahnbeinkörpers. lieber den Unterkiefer der Schlangen. 347 Bei Bungarus arcuatus und anniilaris ist das Aiticu- lare iVjmal so lang wie der Zahnrand; der obere Fortsatz des Zahnbeins etwas länger als der untere. Foramen klein und beginnt auf V^ der Länge des Zahnbeinkörpers. Naja tripudians und haje habe ich in mehreren Exem- plaren untersucht, die aber etwas von einander abweichen. Der obere Fortsatz des Dentale ist gleich dem unteren oder auch wohl etwas kürzer; das Foramen beginnt auf 7^ der Länge des Zahnbeinkörpers. Die bishergenannten Arten dieser Familie lassen sich leicht in 3 Gruppen unterscheiden : die Elaps zeichnen sich durch den sehr kurzen oberen Fortsatz aus; bei Bungarus bildet der ganze Zahnrand eine gleichmässige Linie; bei Trimesurus , Alecto , Sepedon und Naja richtet sich der obere Fortsatz nach oben, so dass der Zahnrand geknickt erscheint und von den Schenkeln eines stumpfen Winkels gebildet wird. Bei allen liegt das Foramen hinter der Mitte. Ganz abweichend ist der Unterkiefer von Dendraspis angusticeps (Naja angusticeps Fig. 16) gebaut. Der Zahn- rand ist lyamal in der Länge des Articulare enthalten. Das Zahnbein trägt vorn auf der Spitze einen sehr hohen Zahn, der durch eine breite Lücke von den übrigen Zähnen, die auf dem oberen Forsatze stehen, abgesetzt ist. Unter der Zahnlücke liegt das Foramen und zwar vor der Mitte. Da- durch macht dieser Kiefer eine rechte Ausnahme und scheint die Auffassung Günther's, der eine eigene Familie aus der Galtung Dendraspis bildet, zu rechtfertigen. Familie Platycerca. Die beiden untersuchten Arten sind Hydrophis schi- slosus und pelamidoides , beide von Malabar und beide im Britischen Museum untersucht. Bei beiden ist der Zahn- rand gleich dem freien Rande des Articulare; bei ersterer ist der obere Fortsatz des Dentale doppelt so lang , bei letzterer wenig länger als der untere. Sehr verschieden an Gestalt sind die Foramina. Bei H. schistosus beginnt es nahe dem hinteren Winkel des Dentale und bildet ein längliches Oval, so dass es mit dem Vorderrande das Drit- 348 T r o s c h c 1 : tel des Körpers des Dentale noch nicht erreicht. Bei H. pelamidoides (Fig. 17) beginnt es dicht vor und unter dem Winkel und erstreckt sich als eine lange und schräg nach oben gerichtete Spalte, die zwischen dem ersten und zwei- ten Zahne endet, weit nach vorn, so dass das Foramen zwei Drittel der Länge des Zahnbeinkörpers einnimmt. Dies ist das langstreckigste Foramen, welches mir vorgekommen ist. Familie Viperina. Die drei Gattungen Pelias , Vipera und Echidna , von denen ich aus dieser Familie die Unterkiefer gesehen habe, stimmen nicht bloss unter sich , sondern auch mit den mir bekannten Gattungen der folgenden Familie recht gut über- ein, so dass der Unterkiefer für die Natürlichkeit der Ab- theilung Solenoglypha spricht. Besonders fällt die Länge und die Gestalt des Os articulare auf, welches mindestens (bei Pelias berus) 3y4mal so lang ist, wie der Körper des Dentale , dabei von dem Gelenke herabgebogen und in der Nähe des Gelenkes an der oberen Seite mit einem blatt- artigen abgerundeten Aufsatze versehen. Es scheint dieser Aufsatz, ein Processus coronoideus, zum Ansätze kräftigerer Muskeln bestimmt, die dann bei der Länge des Kiefers um so kräftiger wirken müssen, als ihnen die Anfügung an den Hebel nicht günstig ist , so dass hier die Geschwindigkeit des Bisses begünstigt wird. Bei allen liegt das Foramen hinten nahe dem Winkel zwischen den Fortsätzen des Dentale. Bei Pelias berus verhält sich der Zahnrand zu dem freien Rande des Articulare wie 1 : 173, dagegen der Kör- per des Dentale zum ganzen Articulare wie 1 : SV*- Der obere Fortsatz des Dentale ist etwas länger als der untere. Das Foramen ist eine schmale Spalte, die auf % des Zahn- beinkörpers beginnt und auf % der Länge endet. Die Längenverhältnisse der einzelnen Theile sind bei Vipera aspis und ammodytes sehr ähnlich; auch die Lage des Foramen ist ähnlich, nur erscheint es kürzer, mehr wie ein länglich rundes Loch. Echidna gabonica, untersucht im anatomischen Museum Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 349 ZU Berlin, nach einem Exemplare von Boror, hat den läng- sten Unterkiefer von allen, der Körper des Dentale (Fig. 18) verhält sich zum ganzen Articulare wie 1 : 67^; der obere Fortsatz des Dentale ist länger als der untere , aber beide länger als der Körper , und beide sind schmal und der Winkel zwischen ihnen breit abgerundet. Das runde Fo- ramen liegt nahe dem Winkel aber weit unten, dem unte- ren Rande viel näher als dem oberen. — E. arielans ist ähnlich, doch verhält sich der Körper des Dentale zu dem Articulare wie 1 :4V2, ^^^^^ ^^^ Zahnbeinkörper länger ist als seine Fortsätze, das gleichfalls runde Foramen liegt auch weiter nach vorn, nämlich anf ^/.^ der Länge des Körpers. Ganz ähnlich verhält es sich mit E. elegans, nur dass hier der Körper des Dentale sich zum Articulare verhält wie 1 : 5, also etwas kürzer ist. Familie Crotalina. Schon bei der vorigen Familie habe ich auf die nahe Verwandtschaft hingewiesen, welche durch die Beschaffen- heit der Unterkiefer angedeutet wird. Von der Gattung Crotalus habe ich drei Arten unter- sucht: horridus, durissus und rhombifer. Der Körper des Dentale verhält sich zum Articulare wie 1:5; die Fort- sätze sind kürzer als der Körper, der obere etwas länger als der untere. Das Foramen liegt nahe dem Winkel. Bei Trigonocephalus ist das Articulare kürzer als bei der vorigen Gattung; der Körper des Dentale verhält sich zu dem Articulare wie 1 : 372 t)is 4^/^. Bei einem Schä- del von T. tigrinus (Fig. 19) fand ich die Fortsätze kürzer als den Körper des Zahnbeins und beide ziemlich gleich lang, so dass der Zahnrand sich zu dem freien Rande des Articulare verhält wie 1:27^,, ähnlich bei T. nexus; bei T. piscivorus dagegen sind die fast gleichen Fortsätze län- ger als der Körper, so dass der Zahnrand ebenso lang wird, wie der freie Rand des Articulare. Bei allen liegt das Foramen nahe dem Winkel und etwas nach unten hinab- gesenkt. Der Zahnbeinkörper von ßothrops verhält sich zu dem 350 T r o s c h e 1 : Arliculare wie 1 : 5, ist also etwas l^ürzer als bei Trigo- nocephalus und gleicht dem vonCrotalus; die Fortsätze sind aber liier länger , fast so lang wie der Körper , so dass der freie Zahnrand bei B. jaracara sich zum freien Rande des Articulare verhält wie 1 : 2V25 bei B. viridis und lan- ceolatus wie 1 : V/^. Bei ersterem sind beide Fortsätze fast gleich , bei beiden letzteren ist der obere doppelt so lang wie der untere. Das Foramen liegt bei allen dreien nahe dem Winkel. Mögen diese Angaben über die Unterkiefer der Schlan- gen als ein Material für weitere Versuche einer natürlichen Classification dieser interessanten Thiergruppe verzeichnet bleiben. Sie werden mindestens den Beweis liefern, dass es noch zahlreiche Gesichtspunkte in der Zoologie giebt, denen noch keine hinlängliche Aufmerksamkeit geschenkt und deren Bedeutung noch nicht gebührend anerkannt worden ist. Ich will aus dem Vorhergehenden einige Folgerungen hervorheben, die vorzugsweise wichtig für die Systematik werden könnten. Die Länge des Unterkiefers und das Verhältniss des Zahnbeins zum Gelenkbcine haben in sofern eine Wichtig- keit, als hierdurch die Hebelkraft bedingt wird. Je weiter der Zahntheil des Kiefers vor dem Muskelansatze hervor- ragt, um so kräftiger werden die Muskeln wirken müssen, um die Bewegung des Kiefers zu bewirken , und um so mehr wird die Geschwindigkeit begünstigt. Je kürzer da- gegen der Kiefer ist, um so kräftiger werden die Schlangen beissen können. Auffallend am längsten ist das Articulare bei den eigentlichen Giftschlangen (Solenoglypha Dum. Bibr.), und bei ihnen liegt zugleich die dem Kronfortsatze zu ver- gleichende Lamelle am weitesten nach hinten; hier kommt es also auf die Schnelligkeit des Bisses an. — Am kürze- sten ist das Arliculare bei den Stummelfüssern und bei ihnen findet die Anfügung der bewegenden Muskeln am weite- sten nach vorn statt ; hier ist also für die Kräftigkeit des Bisses Fürsorge getragen. Zwischen beiden Extremen lie- Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 351 gen alle übrigen Schlangen. (Leider habe ich aus der Dumerirschen Ordnung der Opoterodonlen keine Schlange untersuchen könnenj. Es scheint fast , dass die Ernährung der Kiefer und die damit zusammenhängende Oeffnung für den Auslrilt der Gefässe im Zusammenhange stehen: denn bei den Schlangen, deren Zahnbein über das Articulare überwiegt , tritt die innere Höhlung weit nach vorn und öffnet sich frühestens auf der Mitte des Zahnbeinkörpers; bei den Solenoglypha dagegen liegt das Kinnloch immer am Hinterende des Zahn- beinkörpers , nahe dem Winkel zwischen den beiden Fort- sätzen. Wie schon oben erörtert ist, scheinen mir die Peropo- des naturgcmäss in drei Familien zu zerfallen; Tortricina, Pylhonina und Boina. — Unter den Solenoglypha werden die beiden alten Familien der Vipern und der Grubenottern beizubehalten sein. Die Gattung Chloroechis Günther (Naja angusticeps Smith; Dendraspis angusticeps Schi.) ist zwar in sofern eine echte Giftschschlange , als sie bloss einen einzigen Giftzahn im Oberkiefer hat, aber der Unterkiefer bestätigt es, dass sie von ihnen entfernt 'zu halten sei. Diese Gattunff hat mit einer Anzahl von Schlangen aus der mittlem Ab- theilung das Gemeinsame, dass auf dem Unterkiefer zweier- lei Zähne stehen, vorn grössere und hinten, meist durch einen beträchtlichen Absatz davon getrennt, kleinere Zähne. Solche sind die Gattungen Dryinus, Psammophis, Trimcsu- rus , Alecto, Sepedon , Naja — also die Familien Oxyce- phala und Anisodunta aus der Dumeril'schen Ordnung Opi- sthoglypha , so wie die Gattung Coelopeltis, welche in die Familie der Dipsaden wegen dieser Eigenschaft des Unter- kiefers nicht passt, und die Familie Conocerca aus der Ord- nung Proteroglypha mit Ausnahme der Gattungen Elaps und Bungarus. Es kann nicht meine Absicht sein, nach diesem Cha- rakter die genannten Familien von den übrigen zu trennen, um so weniger als auch bei der Galtung Spilotes unter den Isodonten und bei der Gattung Lamprophis , die ich allein aus den Lycodonten untersucht habe, ganz ähnliche Unter- 352 T r 0 s c h e 1 : kiefer vorhanden sind. Ich hebe aber die Eigenthümlich- keit der Unterkiefer hervor , weil gerade bei ihnen eine weiter vorgerückte Lage des Foramen mentale auftritt, die sogar bei Dryinus nasutus, bei Lamprophis aurora, bei Psam- mophis moniliger fast als Ausnahme von der Regel gelten könnte, weil das Loch sich der Mitte des Zahnbeinkörpers nähert, und bei Chloroechis angusticeps und Psammophis elegans entschieden zur Ausnahme wird, weil es unzwei- felhaft vor der Mitte liegt. Man wird also diese Ausnahmen unter allen Umstän- den, wenn man auch bloss den Unterkiefer einer Schlange vor sich hat, als solche erkennen und sie von dem Unter- kiefer einer Boa oder eines Python unterscheiden können. Einer Unterscheidung oder weitern Eintheilung der Aglyphodonten nach Ausschluss der Peropodes , der Opi- sthoglyphen und Proteroglyphen will ich mich enthalten, weil ich doch nur das wiederholen könnte, was schon bei den einzelnen Familien gesagt ist. Nach genauerer Einsicht in das Verhalten so zahl- reicher Unterkiefer von Schlangen aus den verschieden- sten lebenden Familien wende ich mich nun noch einmal zu der Bestimmung der bereits oben p. 328 erwähnten fos- silen Schlange von Rott. Dies ist um so nothwendiger, als meiner gewonnenen Ansicht eine paläontologische Au- torität, Herr Hermann von Meyer jüngst entgegenge- treten ist. Diese Schlange der Braunkohle des Siebengebirges hat folgende Literatur. V. Meyer in Leonard und Bronn Neues Jahrbuch 1851. p.678. Verhandl. des naturh. Vereins für Rheinland und West- phalen. Bd. IX. 1852. p. 502. Coluber papyraceus Trosch. ib. 1854. p. XIX. Tropidonotus atavus v. Meyer Leonh. u. Br. N. Jahrb. 1855. p.336. Coluber papyraceus Trosch. bei Fischer de Ser- penlibus quibusdam fossilibus Diss. inaug. Bonnae 1857. p.26. lieber den Unterkiefer der Schlangen. 353 Morelia papyracea Troscli. Verhandl. Naturh. Ver. für Rheinland u. Westphalcn. Bd. XV. 1858. p. CXXVII. Leonh. u. Br. N. Jahrb. 1859. p. 237. Coluber (Tropidonotus ?) atacus v. Meyer Palaeonto- graphica. Bd. VII. 1860. December p. 232. Taf. XXV. Morelia papyraceaTrosch. inv.Dechen Geognosti- scher Führer in das Siebengebirge. Bonn 1861. p. 326. Da in den beiden älteren Notizen von den Jahren 1851 und 1852 der Schlange noch keine Benennung beigelegt worden ist, so unterliegt es keinem Zweifel, dass meine Benennung vom Jahre 1854 die älteste ist. Es ist also nicht richtig, wenn H. v. Meyer Palaeontographica VII. p. 235 sagt, ich habe seine Notiz übersehen und sie hier- auf Coluber papyraceus genannt; vielmehr hat er meine frühere Notiz übersehen. Dies konnte um so leichter ge- schehen, als dieselbe nur in den Berichten über die Sit- zungen der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde enthalten war, wo ich die Schlange vorge- zeigt hatte. An sich würde ich fortan ebensogern der Schlange den specifischen Namen atavus vergönnen, wie papyraceus; ich beharre auf letzterem wahrlich nicht aus eitelen oder selbstsüchtigen Motiven. Die Priorität ist jedoch die un- parteiische Schiedsrichterin. Uebrigens sei hier bemerkt, dass gegen den Namen atavus nach meiner Auffassung auch das spricht, dass diese Schlange nimmermehr der Vorfahr oder Ahne unserer lebenden Nattern gewesen ist, sondern einer ganz anderen Gruppe, den Pythoniden, an- gehört hat, die auf unserem europäischen Erdtheile jetzt nicht mehr vertreten wird. Der Name papyraceus wird um so bezeichnender, als ich zu der entschiedensten Ue- berzeugung gekommen bin , dass in der Papierkohle von Rott, so weit die bisherigen Funde es zu beurtheilen ge- statten, nur eine Schlangenart vorkommt. Viel wichtiger als die Entscheidung des dieser Schlange gebührenden Species -Namens ist die Beantwortung der Frage, welcher Familie , welcher Gattung dieselbe ange- höre. Hier handelt es sich nicht um eine Priorität, sondern um die Beurtheilung der zu ermittelnden Charaktere. Archiv f. Naturg. XXVII. Jahrg. 1. Bd. 23 354 T r 0 s c h e 1 : Bereits im Jahre 1858 habe ich mein Augenmerk auf die Beschaffenheit des Unterliiefers und namentlich auf die Lage des Foramen mentale gerichtet, und kam zu dem Re- sultate , welches ich auch jetzt noch, und zwar mit viel grösserer Sicherheit, behaupten kann. H. V. Meyer hat sich gegen diese Ansicht ausge- sprochen, und da ich nicht voraussetzen kann, dass allen Lesern , die sich für die Entscheidung der Frage interes- siren, die Palaeontographica zur Hand sind, so lasse ich hier wörtlich die Argumente folgen, welche dieser berühmte Paläontologe für seine Auffassung und gegen die meinige (Palaeontographica VIL p. 237) vorbringt, folgen : „Diese Schlange aus der Braunkohle des Siebengebir- ges war nicht giftig und gehörte jener grossen Abtheilung an, deren Ober- und Unterkiefer mit völlig glatten Zähnen sich darstellen. Es sind dies die Colubrinen- förmigen Schlangen, unter denen die fossile zunächst an das Genus Tropidonotus erinnert. Dieses Genus gehört nach Dume- ril und Bibron (Espetologie VII, 1. p. 525. 549. t. 76. flg. 4) zur famille des Syncranteriens, welche sich dadurch auszeichnen soll , dass die letzten Zähne des Oberkiefers länger und stärker sind als die davorsitzenden, von denen sie kein freier Raum trennt, und dass in Form und Krüm- mung alle Zähne gleich sind. Für Tropidonotus wird her- vorgehoben , dass die zwei oder drei oberen Zähne des Oberkiefers gewöhnlich um die Hälfte länger oder stärker seien, als die Vorsitzenden. Zwar habe ich letzteres bei der fossilen Schlange nicht wahrgenommen, bei denen die hin- teren Zähne kaum stärker zu sein scheinen als die Vorsit- zenden; es musste mich aber doch die grosse Ueberein- stimmung in Form und Krümmung der eine ununterbrochene Reihe bildenden Zähne , nebst anderen Aehnlichkeiten im Knochenskelet veranlassen, die Schlange zu den Colubrinen, und zwar in die Nähe von Tropidonotus zu stellen. Die- ses Genus ist bekanntlich sehr reich an Species, von denen Dumeril und Bibron (p. 554) selbst bekennen, dass es schwer sei , Kennzeichen zur leichten Unterscheidung auf- zufinden. Es kommen dabei hauptsächlich die Beschuppung des Kopfes und Rumpfes, so wie die Färbung, mithin Theile üeber den Unterkiefer der Schlangen. 355 in Betracht, welche an fossilen Schlangen nicht überliefert sein können, und es werden diese Kennzeichen sogar zur Unterscheidung von Genera, namentlich auch von Genera, die Tropidonotus nahe stehen, angewendet, so dass man sich ausser Stand sieht zu beurtheilen, welchem Genus eigent- lich eine fossile Schlange angehört. Hier steht der Paläon- tolog an Grenzen, die ihm der nur mit lebenden Formen beschäftigte Zoolog gesetzt hat , dessen Methoden der Un- terscheidung unmöglich von einem richtigen Gesichtspunkte geleitet sein können, wenn sie auf Grund einseitiger Kenn- zeichen zersplittern, statt nach der Summe der Kennzeichen zu gruppiren." Ich unterbreche hier die Argumentation des Verfas- sers, um das bisher Gesagte zu widerlegen. Dass unsere Schlange zu den nicht giftigen gehöre , darüber sind wir einig. Tropidonotus hat im Oberkiefer hinten 2 — 3 grössere Zähne , das hat die fossile nicht , aber dennoch soll sie mit Tropidonotus verwandt sein, weil die Form der Zähne ähnlich sei und weil sie in ununterbrochener Reihe stehen. Beides lässt sich von vielen Schlangen sagen, na- mentlich auch von den Pythoniden, um die übrigen nicht zu erwähnen, weil sie hier nicht in Betracht kommen. Fer- ner wird auf andere „Aehnlichkeiten im Knochenskelete" verwiesen , von denen aber Verf. keine nähere Angaben macht, und von denen es mir erlaubt sein mag bis auf wei- teres anzunehmen, dass es solche Aehnlichkeiten sein mö- gen, die allen oder doch vielen Schlangen zukommen. Wor- auf gründet sich also die Verwandtschaft zu Tropidonotus? Auf einigen unwesentlichen Merkmalen, die vielen Schlan- gen zukommen, und die zur Geltung kommen sollen, trotz- dem der eigentliche Charakter (nämlich die grösseren Hin- terzähne im Oberkiefer) durchaus fehlt. — Verf. sagt fer- ner, man sehe sich ausser Stande zu beurtheilen, welchem Genus eigentlich eine fossile Schlange angehört, nämlich nach den von den Zoologen bisher angewendeten Merkmalen, und der Paläontolog stehe an Grenzen, die ihm der Zoologe gesetzt habe. Wo sind diese Grenzen? Mag der Palacontolog doch selbst Zoolog sein; mag er doch selbstan denjenigen Organen, die überliefert werden konnten, Charaktere auflinden, die 356 T r o s c h e 1 : zur Feststellung der Verwandtschaft fossiler Formen zu ver- wenden sind. Der Zoolog wird es ihm sehr Dank wissen, wenn durch den Paläontologen die Kenntniss der Skelete vermehrt wird, und wenn er auf Differenzen aufmerksam ge- macht wird, die auch als zoologische von Wichtigkeit wer- den müssen. Der Verf. fährt fort: „Die fossile Schlange war lang, schlank, wohl ohne Zweifel cylindrisch, der Uebergang in den Schwanz geschah allmählich, wie auch der Schwanz sich nur allmählich zu- spitzte. Der Kopf war nicht stärker als der Rumpf und platt, der zwischen den hinteren Kieferenden liegende Hals war anfangs schwächer, ging aber bald zur Stärke des Rumpfes über. Die Zähne sind einander sehr ähnlich, klein, hakenförmig, glatt, sie stehen nicht gedrängt, keiner zeich- net sich durch auffallende Grösse aus. Alles dies stimmt mit Tropidonotus, selbst dass die zwei oder drei hintersten Zähne des Oberkiefers von den Vorsitzenden nicht durch eine Lücke getrennt werden , nur kann ich nicht finden, dass diese hintersten Zähne des Oberkiefers merklich grös- ser wären als die Vorsitzenden. Das Paukenbein ist dem in Tropidonotus natrix ähnlich und in letzterem Thiere nur etwas länger und schräger hinterwärts gerichtet, wodurch die Wirbelsäule scheinbar tiefer in den Schädel hineinragt. Auch ist das Zitzenbein kürzer als das Paukenbein, die Nasenbeine entsprechen sehr gut der lebenden Species; dagegen ist das Zahnbein ein kräftigerer Knochen. Die Wirbel gleichen denen der Colubrincn." Das fügt Verf. noch zur Begründung seiner Bestim- mung als Tropidonotus hinzu. Ich glaube wir kommen da- durch nicht wesentlich weiter. Wieder wird der Mangel des Hauptcharakters , der grösseren Hinterzähne im Ober- kiefer beseitigt , als wenn er nicht so wichtig wäre. Da- gegen beruft sich Verf. auf das Paukenbein, Zitzenbein und die Nasenbeine. Ich will gern glauben , dass in diesen Knochen Unterschiede für die verschiedenen Schlangenfa- milien aufgefunden werden könnten , aber so viel mir be- kannt, sollen sie erst noch aufgefunden werden. Gewiss aber geht aus den Vergleichungen des Verf. gar nicht hervor, dass die Schlange mehr mit den Tropidonotus verwandt Ueber den Unterkiefer der Schlangen. 357 sei, als mit den Pylhoniden. Die Wirbel sollen denen der Colubrinen gleichen; ich frage, wodurch unterscheiden sie sich von denen der Pythoniden? Ein genauestes Studium der Schlangenwirbel möchte wohl interessante Resultate liefern. Mir hat es nicht gelingen wollen, durch Verglei- chung zu entscheiden, üb die fossile Schlange, ihren Wir- beln zufolge, zu den Pythoniden oder zu den Tropidonotus gehört. INur das Eine möchte ich hier beifügen, dass die seitlichen Fortsätze der ersten Schwanzwirbel bei einem kürzlich aufgefundenen Exemplare unserer Schlange , wel- ches im Besitze des Herrn Oberberghauptmann v. Dechen ist, genau ebenso gabiig getheilt sind , wie ich es bei Py- thon tigris linde. Nun geht H. v. Meyer über zu der Widerlegung meiner Ansicht, dass die Schlange zu den Pythoniden ge- höre, indem er sagt: „Später fand Tr ose hei durch Vergleichung mit den Skeleten von fünfzehn lebenden Species nicht giftiger Schlan- gen, dass das Foramen mentale bei allen mit Rudimenten vom Becken und hinteren Gliedmassen versehenen Schlan- gen in der vorderen Hälfte, bei allen denjenigen Schlangen aber, die Becken-Rudimente und hintere Gliedmassen nicht besitzen, in der hinteren Hälfte des Zahnbeines (Os dentale) liege. Da nun bei der fossilen Schlange, die er, wie be- reits angeführt, anlangs auch für eine Colubrine gehalten hatte , das Foramen mentale in der vorderen Hälfte des Zahnbeins auftritt, so glaubt er annehmen zu müssen, dass sie zu ersterer Gruppe gehöre , in der sie sich nach der Zahnbildung zunächst an die Pythoniden anscbliesse. Die letzten Zähne des Oberkiefers seien winzig klein und da- durch von den versitzenden auifallend verschieden , worin der Charakter der Gattung Morelia liege, in die er daher die Schlange unter dem Namen Morelia papyracea bringt.'' „Die Gattung Morelia Gray (Dumeril et Bibron, erpet. VI. p. 377. 383) besitzt aber eine andere Kopfform, indem sie einen kurzen Kegel darstellt, der an der Basis aufgetrieben aussieht und am Ende stark abgestumpft er- scheint. Auch ist der Schwanz bei ihr nur wenig verlän- gert. Die hinteren Zähne des Oberkiefers sind gegen 358 T r o s c h c 1 : die übrigen ausserordentlich kurz. Alles dieses passt nicht auf die fossile Schlange, an der ich auch, ungeachtet ihrer trefflichen Erhaltung, nichts von knöchernen Becken-Ru- dimenten und hinteren Gliedmassen wahrnehmen konnte. Das Foramen mentale liegt allerdings in der vorderen Hälfte des Zahnbeins, woraus indess nur zu schliessen sein wird, dass die Lage dieses Loches in Schlangen von sehr ver- schiedener Natur sich ähnlich verhalten könne, und daher nicht zu den untrüglichen Kennzeichen gehöre. Ein Skelet von Morelia stand mir nicht zu Gebot, wohl aber von Py- thon, einer Schlange derselben Abiheilung, bei der das Foramen mentale allerdings in der vorderen Hälfte des Zahnbeins auftritt. Bei Tropidonotus natrix fällt diese Oeff- nung in die ungefähre Mitte , wenn man die Länge des Zahnbeins nur bis zu dem hinteren, zur Aufnahme des Ge- lenkbeins bestimmten Einschnitt annimmt. Dehnt man aber die Länge des Knochens so weit aus als er wirklich hinter- wärts reicht und mit Zähnen bewaffnet ist , so fällt die Oeffnung auch in die vordere Hälfte , wiewohl nicht so weit nach vorn, als in der fossilen Schlange.« Verf. beruft sich zunächst zur Widerlegung meiner Be- stimmung darauf, dass Morelia eine andere Kopfform habe, und dass ihr Schwanz nur wenig verlängert sei. Die Kopfform möchte sich schwer aus den zerdrückten Schädelresten aus der Braunkohle so genau erkennen lassen, um einen erheb- lichen Werlh darauf zu legen; den Schwanz linde ich bei unserer Schlange nicht zu lang, um ihr den Eintritt in die Pythonidenfamilie unbedingt streitig zu machen. Die win- zig kleinen letzten Zähne des Unterkiefers habe ich an einem Exemplare, welches H. v. Meyer freilich nicht ge- sehen hat, wirklich beobachtet, während an seinen Exem- plaren der hintere Theil des Oberkiefers überhaupt nicht so überliefert ist, dass er sich zur Untersuchung der Zähne geeignet hätte. Immerhin ist es sehr willkührlich, wenn ein ausdrücklich als von mir beobachtet angegebenes Kenn- zeichen so kurzweg als nicht beachtenswerth beseitigt wird. Wie der Mangel der grossen Hinterzähne vorhin zu Gunsten der Ansicht des Verf. für unerheblich angesehen wurde, so bemüht er sich jetzt das positive Merkmal in üeber den Unterkiefer der Schlangen. 359 der Lage des Foramen mentale ebenfalls zu seinen Gunsten abzuschwächen. Hierüber brauche ich jedoch , nachdem diese meine Abhandlung vorliegt, kein Wort mehr zu ver- lieren. Doch der einzig erhebliche Einw^and gegen meine An- sicht bleibt noch zu erwähnen übrig, dass sich nämlich an allen aufgefundenen Exemplaren, trotz der trefflichen Er- haltung, nichts von knöchernen Becken- Rudimenten und hinteren Gliedmassen wahrnehmen lasse. — -Wenn der Nach- weis geliefert wäre, oder werden könnte, dass wirklich die Gliedmassenrudimente fehlten, dann würde der Beweis vor- liegen, dass mein oben aufgestelltes Gesetz wegen der Lage des Foramen mentale falsch sei. Aber dieser Nachweis kann nicht geliefert werden. Das Gliedmassenrudiment der Riesenschlangen liegt so, dass wenn man sich ein solches Skelet gequetscht denkt, dasselbe nur dann deutlich von den Rippen zu unterscheiden wäre , wenn ein glücklicher Zufall es in eine besonders günstige Lage gebracht hätte. Es können daher noch zahlreiche Abdrücke unserer fossi- len Schlange aufgefunden werden , bevor man im Stande sein wird das Gliedmassenrudiment mit Sicherheit nachzu- weisen. Unter keinen Umständen kann ich zugeben, dass in dem Vermissen desselben an den zwei bisher aufgefunde- nen Stücken mit vollständigem Schwänze, von denen Hr. V. Meyer eines gesehen hat, der Beweis liege, dass solche Rudimente überhaupt nicht vorhanden gewesen wären. Nach meinen vielfachen und eingehenden Untersuchun- gen der Unterkiefer der Schlangen, kann ich nunmehr, selbst nach gewissenhafter Berücksichtigung der Darstellung H. v. Meyer's, in dessen Figur 1 der überlieferte Unterkie- fer in allen seinen Theilen vollständigst den Pythoniden entspricht, nicht anders als auf meiner früher ausgesproche- nen Bestimmung beharren und der fossilen Schlange von Rott den Namen Morelia papyracea kräftigst erhalten. 360 Trost- hei: Ueber den Unterkiefer der Schlangen. Erklärung der Abbildungen. Taf. X. Fig. 1. Unterkiefer von Amphishaena alba. ,, 2. „ „ Pseudopus Pallasii. „ 3. „ „ Anguis fragills. „ 4. „ „ Xenopellis unicolor. ^% 5. „ „ Python tigris. . 6. „ ,. Tortrix scytale. ,, 7. „ „ Boa constrictor. „ 8. „ „ Cylindrophis rufa. « 9. „ „ Herpetodryas carinatus. „10. » „ Spilotes Korais. „ 11. n ,. Spilotes poecilostoma. „12. „ „ Tropidonotus natrix. „13. „ „ Dryinus nasutus. „ 14. „ >j Psammophis elegans. „ 15. i? „ Homalopsis buccatus. „ 16. „ „ Chloroechis (Dendraspis) angusticepi „ 17. „ :•> Hydrophis pelamidoides. „ 18. „ „ Echidna gabonica. „ 19. „ „ Trigonocephalus tigrinus. Heber das Gebiss der Gattung Cancellaria. Vom Herausgeber. In dem laufenden Jahrgange dieses Archivs p. 91 habe ich Gelegenheit genommen , das Gebiss einer Schnecken- gattung, Solarium, zu beschreiben, von welcher man ange- nommen hatte , ihr fehle eine Zungenbewaffnung gänzlich. Am Schlüsse jener kleinen Mittheilung sprach ich die Ver- muthung aus , die Zungenbewaifnung werde sich, wie bei den übrigen Familien der sogenannten Gymnoglossen, Acu- sidae und Architectomidae , auch bei den Pyramidellidae und Gancellariadae wohl noch finden lassen. Ich bin glücklicherweise schon heute im Stande, das Vorhandensein des Gebisses für die letztgenannte Familie nachzuweisen, und so würde nur noch ein Zweifel über die Pyramidellidae und Eulimidac übrig bleiben. Bevor ich jedoch zu der Beschreibung des Cancella- rien- Gebisses schreite, muss ich noch darauf aufmerksam machen, dass zu der Zeit, als obenerwähnte Mittheilung über Solarium gedruckt wurde, mir der erste Theil des 23. Bandes der Transactions of the Linnean Society of London 1860 noch nicht bekannt war. In demselben ist p. 69 eine interessante Abhandlung von JohnDenis Mac- donald enthalten: „Further observations on the metamor- phosis of Gasteropoda, and the affinities of certain genera, with an attempted natural distribution of the principal fa- milies of the ordre," welche bereits am 16. Februar 1860 der Linnean Society vorgelegt war. Dort hat Mac donald bereits das Gebiss von Solarium richtig erkannt. Wenn ich somit Macdonald die erste Entdeckung zugestehen 362 T r o s c h e 1 : muss , SO gereicht es mir zu grosser Befriedigung, dass derselbe für die systematisciie Stellung der Gattung zu we- sentlich denselben Resultate gekommen ist, wie ich. Ich glaube die Gattungen Janthina , Scalaria und Solarium als ebenso viele Familien nebeneinander stellen zu müssen ; Macdonald dagegen vereinigt die Gattungen Scalaria und Solarium in eine Familie, die er Scalariidae nennt. Er giebt auch von dem Gebisse der Gattung Scalaria an , dass die äusseren Zahnplatten zwei Spitzen besässen. Nach den Angaben Loven's sind sie nur einspilzig; ich selbst habft noch keine Scalaria untersuchen können. Doch ich wende mich zu der Gattung Cancellaria, um eine Notiz über das Gebiss, vorläufig ohne Abbildung, zu geben , indem eine solche in dem nächsten Hefte meines „Gebiss der Schnecken« erscheinen wird. An einem Exemplare von Cancellaria crenifera Sow., welches mir Steenstriip aus dem Kopenhagener Museum Christiani octavi zur Untersuchung anzuvertrauen die Güte hatte, fand ich einen vorstreckbaren Rüssel, und in ihm eine sehr kleine Mundmasse, in deren Mitte ein schmaler Längsslreifen deutlich zu sehen war, der die muskulöse Mundmasse nach hinten weit überragte. Dieser Streifen ist^die Radula mit ihrer Bewaffnung. Auf ihr liegen in zwei Reihen lange sehr dünne , bandförmige Platten, mit dem freien Ende nach vorn gerichtet. Die Länge dieser einzelnen Platten habe ich nicht genau ermitteln können , weil es schwer hielt, eine ganze Platte unversehrt zu isoliren , aber sie sind verhältniss- mässig sehr lang. Ihre Breite beträgt im grössten Theile ihres Verlaufes 0,035 Mm. , gegen das freie vordere Ende verschmälern sie sich jedoch bis auf 0,01 Mm. , um sich dann, am abgestutzten Ende selbst, wieder spatelförmig zu erweitern und eine Breite von 0,0225 Mm. zu erreichen. Die Ecken des abgestutzten Endes sind abgerundet. Bei sehr starker Vergrösserung hat eine solche sehr dünne Lamelle jederseits am Rande eine doppelte Contour- linie. Die Fläche der Platte ist durch zwei sehr deutliche longitudinale Linien in drei Felder getheilt, von denen das mittlere etwas breiter ist als die seitlichen und bei durch- lieber das Gebiss der Gattung Cancellaria. 363 fallendem Lichte etwas dunkler gefärbt ist, eine Folge da- von, dass es dicker an Masse ist als die Seitenfelder. Die letzteren sind gleichsam flügeiförmige oder saumartige Er- weiterungen des Milleltheils. In dem Mitteltheile sieht man einen engen Kanal die ganze Platte der Länge nach durchziehen. Derselbe ist in allen Theilen schwach geschlängelt, am engsten und re- gelmässigsten jedoch in dem schmalen Theile, bis er sich nahe dem Ende der Platte verliert. Der Kanal schlängelt sich jedoch nicht in einer Ebene, sondern verläuft in einer lang ausgezogenen Spirale. Die OefTnung selbst mit ihren Contouren habe ich nicht finden können; es leidet jedoch keinen Zweifel, dass eine solche vorhanden ist, Der Kanal behält überall, so weit man ihn verfolgen kann, ein gleich weites Lumen. Wohin gehört demnach unsere Gattung Cancellaria ? Die langen , nach vorn gerichteten Platten in zwei Reihen hönnen nur auf die Gruppe Toxoglossa hindeuten. Die Ge- stalt derselben weicht zwar stark von den pfeilförmigen Zähnen der Conus, Pleurotoma und Terebra ab , indessen der die Platte der Länge nach durchsetzende Kanal setzt es ausser Zweifel, dass diese Platten zur Leitung einer Flüs- sigkeit bestimmt sind und lassen keine andere Wahl unter den bekannten Gruppen als die der Toxoglossen, wo nun- mehr die Cancellarien eine eigene Familie bilden müssen. Ob bei den Cancellarien, wie bei den Conus ct., eine Speicheldrüse (Giftdrüse) vorhanden ist, weiss ich noch nicht zu sagen. Ueberhaupt ist mir die Wirkung der zar- ten, spateiförmig endenden Platten durchaus dunkel. Sie sind zum Stechen nicht geeignet; um als Meissel wirken zu können, erscheinen sie zu schwach und biegsam. Nun bleiben noch die Pyramidellidae und Eulimidae als sogenannte Gymnoglossen übrig. Von ihnen sagt auch M a c d 0 n a 1 d 1. c, dass sie keine Mundbewaffnung besässen. Mir selbst ist noch nicht die Gelegenheit geworden, eine Art dieser Familie zu untersuchen. Ich werde aber in meinem Argwohne , dass auch sie ein Gebiss besitzen, durch die von Solarium und Concellaria bekannt geworde- nen Thatsachen nur bestärkt. 364 Tioschel: Ueber das Gebiss der Gattung Cancellaria. ,, Bei der Gattung Thetis L. in der Familie der Trito- niaceen habe ich wiederholt vergebens nach einer Zunge gesucht. Bonn im November 1861. Druckfehler. Seite 99 Zeile 13 und 19 anstatt Scheide lies Schneide. „ 181 „ 5 anstatt IX lies VIII. Bonn, Druck von Carl Georgi. Paiendiecher del. er. oeKimdl iilli. f^f 1861 Pa^ensteclier del ['j.Y. Sehiriidi lith. 18(il Tni; Pagsnsiecher del 3 1/ ^ ^ C.F. 3:;}imidt lith. TaF IV. 1861. Taf . \. Fw J Fig.B. Fig. a . r^.h. (SS^<^^'^^<^'^t^'^^^^'yasiS^ ^^^^5^ .Fia./a Auicr del F üclrmu.: Taf.V Fagensrecher de] C.F. Schmidt IIA. l'af.Vl! 1861 Taf.Mll B^.3. \Fu/.^. Autor del. C.r.-ScKmidt lüK li. IX.. -«i^__ TafX 4. v-'C ■#---_ ^^^^^-^^:p JLlÄj£ui ^W» JC v3Ä\»l-^m /#. /Ij^^MÜ^^--—^^^^ ^^£1-2. ./fWi' rrvsoM- sr ■-m^ ,v ■*% » =1^ ^3^1 .^^^3^ -^^^ f^yi