sS5£ - t %s-l^* gsö^ w-rMm *m ARCHIV FÜR NATURGESCHICHTE GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ER1CHS0N. IN VERBINDUNG MIT PROF. DR-LEUCKARTIN GIESSEN HERAUSGEGEBEN Dr. F. H. TEOSCHEL, PROFESSOR AN DER FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BONN. DREISSIGSTER JAHRGANG. Erster Band. Mit sechs Tafeln. Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung. (G. Parthey.) 1864. Inhalt des ersten Bandes. Ueber den Bau der Scheerenasseln (Asellotes heteropodes M. Edw.) Vorläufige Mittheilung von Fritz Müller . 1 Die Häutungen der Gespenstheuschrecke (Mantis religiosa). Von Prof. Dr. H. Alex. Pagenstecher in Heidel- berg. Hierzu Taf. I. A. . . . . . 7 Die blasenförmige Auftreibung der Vorderschienen bei den Männchen von Stenobothrus Sibiricus. Von Prof. Dr. H. Alex. Pagenstecher in Heidelberg. Hierzu Taf. I. B 26 Ueber Hydrochoerus capybara. Von Adolph Böcking. 32 Beiräge zur Ornithologie Chiles. Von Dr. R. A. Philipp i und L. Landbeck in Santiago (Accipiter chilensis, Chlorospiza plumbea, Sycalis auriventris) . . 41 Beiträge zur Ornithologie Chiles. Von Luis Landbeck (Dendroica atricapilla, Arundinicola citreola) . . 55 Beobachtungen und Anzeichnungen über die Säugethierfauna Finmarkens und Spitzbergens. Von Malmgren (aus dem Schwedischen) ...... 63 Untersuchungen über den Bau und die Naturgeschichte von Echinorhynchus miliarius Zenker (E. polymorphes) . Von Dr. Richard Gree ff in Bonn. Hierzu Taf. II u. III. 98 Bemerkungen über den Bau des Hinterleibes bei den Forfi- culen. Nachwort zu den Bemerkungen des Herrn Prof. Schaum. Von Dr. Fr. Meinert in Kopenhagen . 141 Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. Von Professor Schaum . . . . • • 145 Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter (Sphin- gidae). Von Dr. A. B altz er in Bonn. Hierzu Taf. IV. 154 Die sogenannte Körnchenbewegung an den Pseudopodien der Polythalamien. Briefliche Mittheilung an den Heraus- geber. Von K. B. Reichert . . . .191 Beschreibungen einiger Amphipoden der istrischen Fauna. Von Prof. Dr. Ed. Grube in Breslau. Hierzu Taf. V. Q20 9 IV Inhalt. Seite (Dexamine brevitarsis, anisopus, leptonyx ; Nicea istrica ; Iphimedia multispinis; Colomastix pusilla; Icridium fuscum) ....... 195 Die Flora des Sumawa-Gebirges nach ihren topischen und verticalen Verbreitungsformen. Von Prof. Johannes Gistel in Freysing bei München . . .214 Zur Orismologie des Hinterleibes von Forficula. Erwiederung auf Dr. M e in ert's Bemerkungen. Von Prof. Schaum 256 Kritische Uebersicht der Fischfauna Finlands. Von Dr. An- ders Johan Malmgren. Aus dem Schwedischen von Dr. C. F. Frisch 259 Ein Wort über die Gattung Herklotsia Gray. Von Fritz Müller 352 Nachtrag zum vorstehenden Aufsatze von MaxSchultze . 359 Ueber die Uterusglocke und das Ovarium der Echinorhynchen. Von Dr. Richard Greeff in Bonn. Hierzu Taf. VI. 361 lieber den Bau der Scheerenasseln (Asellotes heteropodes M. Edw.). Vorläufige Mittheilung von Fritz Müller. Scheerenasseln kommen überall an den europäischen Küsten vor; sie wurden bei Neapel und Nizza, an den Küsten Englands und der Bretagne, Norwegens und Dä- nemarks gefunden und fehlen selbst nicht der salzarmen Ostsee. Da somit überall Gelegenheit zu deren Prüfung ist, scheint es mir nicht unpassend, in Kürze die Haupt- ergebnisse mitzutheilen, die mir die Untersuchung einer hiesigen, kaum von Tanais dubius Kr. verschiedenen Art lieferte. Die Gliederung des Leibes, die Bildung der Füsse, den Bau der Mundtheile des Weibchens fand ich über- einstimmend mit den Angaben Kröyers 1). Der Panzer, der den Kopf und den ersten schee- rentragenden Brustring bedeckt, überwölbt, frei nach unten vorspringend, kleine Höhlen zu den Seiten des Leibes. 1) Vergl. Naturhistor. Tidskrift 4. Bind 1842. S. 1(37 ff. und Ny Räkke 2. Bind 1847. S. 412 ff. Wenn van Beneden (Recher- ches sur la faune litt, de Belgique Crustaces. PI. XVIbis fig. 1—8) dem Hinterleibe nur vier deutlich geschiedene Ringe, allen Füssen der freien Brustringe gleichen Bau und ein kurzes erstes Glied giebt, das den vonKröyer und mir beobachteten Arten fehlt, und wenn er die Kieferfüsse in einer ganz wunderlichen unerhörten Form er- scheinen lässt, so dürften alle diese Abweichungen wohl eher auf einer irrthümlichen Auffassung als auf speeifischen Verschiedenheiten der von ihm untersuchten Art beruhen. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 1 2 Müller: In diesen Höhlen bewegt sich ein von hinten nach vorn gerichteter Wasserstrom, unterhalten wie bei den Zoea und wie bei allen erwachsenen Krabben und Kreb- sen, durch einen, hier lang säbelförmigen Anhang des zweiten Maxillenpaares. — ■ Auch der äussere rückwärts gerichtete Ast des ersten Kieferpaares liegt in dieser Höhle. Besondere Kiemen, wie sie die Diastyliden (Cuma- ceen) haben, konnte ich nicht auffinden; dagegen sind wie bei den Zoea, die Seitentheile des Panzers von sehr reichlichen Blutströmen durchzogen, und sind als Haupt- sitz der Athmung anzusehen. Die Schwimmfiisse des Hinterleibs haben nichts mit der Athmung zu thun ; ich sah nie auch nur ein einziges der grossen Blutkörperchen in ihre langbeb orsteten blatt- förmigen Aeste eintreten. Das Herz erstreckt sich durch die ganze Länge der Brust bis in den ersten vom Panzer bedeckten Ring; seitliche Spalten zum Eintritte des Blutes sah ich im 2ten, 3ten und 4ten Ringe ; die beiden Spalten desselben Ringes liegen einander nicht genau gegenüber. Die Leber besteht, wie bei den Bopyriden, aus einem einzigen Paare von Blindschläuchen, die vom Kopfe bis in den Hinterleib reichen. Im Grunde der oberen Fühler liegt ein Gehörwerk- zeug, eine kleine von ;oben her zugängliche Höhle mit einem Gehörsteinchen. Die frei vorspringenden Augen liegen nach hinten, aussen und unten von den vorderen Fühlern, eine Lage, die sich nicht mit der Annahme eines vor dem Fühler- ringe liegenden Augenringes verträgt 1). Die Augen, wenigstens des Männchens, sind beweg- lich; ihre Chitinhülle (durch Kochen mit Kalilauge und Behandlung mit Säure dargestellt) zeigt in diesem Ge- schlechte stark nach innen vorspringende linsenförmige Verdickungen, die dem Weibchen fehlen. 1) Wie Claus, kann ich die Augen der Krebse nicht als Gliedmassen ansehen. Ueber den Bau der Scheerenasseln. 3 Die vorderen Fühler der Jungen tind der Weibchen sind plump, wenig beweglich , viergliedrig (das 4te Glied winzig) und tragen einen einzigen Riechfaden am Ende des dritten Gliedes. Die Eierstöcke sind einfache Schläuche; die unpaare weibliche GeschlechtsöfFnung liegt am Hinterrande des vorletzten Brustringes. Die Bruttasche, die stets nur wenige, bisweilen nur 1 bis 3 Eier umschliesst, wird gebildet von vier Paar hin- ter den Füssen der vier ersten freien Brustringe befestig- ten Blättern, die für jede Brut sich neu erzeugen. Die Männchen erleiden vor Erlangung der Geschlechts- reife eine bedeutende Verwandlung und finden sich ge- schlechtsreif in zwei verschiedenen Formen. Immer sind ihre vordem Fühler lang, schlank, sehr beweglich, reichlich mit Riechfäden ausgestattet ; es fehlen ihnen alle beweg- lichen Anhänge des Mundes (mit Ausnahme der den Was- serstrom durch die Athemhöhle unterhaltenden Geissein) ; ob ihr Mund geschlossen ist, wurde mir nicht deutlich; ihren Darm fand ich stets völlig leer. Wenn sie also wohl im geschlechtsreifen Zustande nicht fressen, so wer- den sie für diese Zeit des Fastens mit einem reichen Vorrath von Fett ausgerüstet. Die Hoden scheinen, wie die Eierstöcke, einfache Schläuche zu sein; sie münden in eine grosse querovale unpaare Blase, die im letzten Brustringe unter dem Darme liegt, die Geschlechtsöffnungen scheinen an der Spitze zweier kurzen warzenförmigen Vorsprünge zu liegen, die dieser letzte Brustring beim Männchen trägt. Die Samenkörperchen sind Kügelchen von etwa 0,004 Mm. Durchmesser ; an denen ich weder einen Kern, noch strahlenförmige Fortsätze sah; an einer Stelle haben sie einen winzigen warzen- und knopfförmigen Vorsprung. Die gewöhnlichere Form der Männchen erscheint verhältnissmässig etwas breiter als die Weibchen; ihre Scheeren sind von sehr abweichender Form, länger, lang- fingeriger, beweglicher ; die Riechfäden stehen zu je zwei bis drei (sehr selten zu vier) am Grunde des vierten und am Ende dieses und der folgenden Fühlerglieder. Die andere sehr seltene Form, die man wohl kaum einmal 4 Müller: unter 100 gewöhnlichen Männchen findet, schliesst sich in der Form des Leibes und der Scheeren eng an die Weibchen an; ihre vorderen Fühler gleichen denen der gewöhnlichen Männchen, sind aber noch reichlicher mit Riechfäden ausgestattet , indem dieselben an denselben Stellen wie dort zu je fünf bis sieben beisammen stehen. Die Entwickelung ist die der Asseln ; das Junge im Eie ist nach oben gekrümmt, so dass also die vordere und hintere Hälfte der Rückenfläche einander zugewandt sind, wie es schon Rathke bei Ligia und Idothea fand. Die Leibesringe des ausschlüpfenden Jungen sind vollzählig vorhanden ; die Anhänge des Kopfes und der sechs ersten Brustringe sind wohlentwickelt, der längere innere Ast der Schwanzanhänge hat nur drei Glieder, statt der fünf des erwachsenen Thieres; aber es fehlen noch vollständig nicht nur, wie bei vielen anderen Asseln *), das letzte siebente Paar der Brustfüsse, sondern auch die fünf Paar Schwimmfüsse des Hinterleibes. Diese sechs feh- lenden Fusspaare treten später gleichzeitig auf. So weit meine Beobachtungen. Ich weiss nicht, ob Kröyer und van Beneden, die auch von Männchen und Weibchen sprechen, diesel- ben anders, als durch die nichts entscheidende Ab- oder Anwesenheit der Brutblätter unterschieden haben, möchte aber immerhin die Vermuthung wagen, dass nicht nur die beiden von Kröyer bei Madeira gesammelten Formen (Tanais Edwardsii und Savignyi) als Männchen und Weib- chen zusammengehören, sondern ebenso die beiden For- men desOeresunds (T. Curculio und Oerstedii). —Tanais Edwardsii weicht in ähnlicher Weise von T. Savignyi ab, wie das Männchen unserer Art von seinem dem T. Savignyi höchst ähnlichen Weibchen. Diesem Weibchen steht 1) Nach Milne Edwards bei den Cymothoaden, ich fand es ebenso bei den Bopyriden, bei Ligia und Philoscia; nach Unter- suchung ziemlich weit entwickelter Eier vermuthe ich ein gleiches Verhalten bei Idothea und Sphaeroma. Die geringe Entwickelung des siebenten Brustringes bei Serolis macht auch hier ähnliche Ju- gendzustände wahrscheinlich. Ueber den Bau der Scheerenasseln. 5 ebenfalls T. Oerstedii sehr nahe, während allerdings T. Curculio durch die Bildung des Kopfes und der Scheeren sich weit von unserem Männchen, wie von allen Gattungs- genossen entfernt; aber wenn innerhalb derselben Art verschieden gebildete Männchen sich finden, so darf eine weit auseinanderlaufende Gestaltung derselben innerhalb der Gattung nicht auffallen. Ich führe noch zur Stütze dieser Ansicht an, dass im Greifswalder Bodden zwei Formen von Tanais zusammenleben, von denen die eine häufigere dem T. Oerstedii, die andere, wie die Männ- chen unserer Art, weit seltenere, dem T. Curculio sehr nahe steht. Welche Stellung im Systeme gebührt nun diesen Schee- renasseln, die von allen anderen Asseln durch ihre Scheeren, durch ihre Augen, ihre Gehörwerkzeuge, durch ihren der Athmung dienenden Panzer, durch die Lage ihres Herzens, durch ihre fastenden Männchen, durch die der Hinterleibs- füsse entbehrenden Jungen u. s. w. sich entfernen, und er- wachsen, kaum ein wesentliches Merkmal mit ihnen gemein haben? — Die an die Amphipoden, denen ältere Beob- achter sie anschliessen, durch die vorwärts gerichteten Fühler, deren vorderes Paar bei Rhoea zwei Geissein trägt, durch die abweichende Bildung der beiden vorderen und die (wenigstens bei Tanais) verbreiterten Grundglie- der der drei hinteren Fusspaare der Brust, so wie durch Lage und Bau des Herzens erinnern und deren Athmung vollständig wie bei den Jugendformen der Krabben und Krebse vor sich geht? Die Entwickelung scheint mir unzweideutig zu be- weisen, dass sie ächte Asseln sind, dass sie sich nicht den stieläugigen Krebsen und viel weniger noch den Amphipoden annähern lassen , an die die erwachsenen Thiere so vielfach erinnern. Es ist mir ausser zahlreichen Asseln kein Krebs bekannt, der das Ei (oder, wie Ligia, eine anhanglose früheste Larvenhaut *) ) verliesse mit bis zum vorletzten Brustringe vollständig entwickelten Glied- massen, während dieselben dem letzten Brustringe noch 1) Näheres hierüber nächstens. 6 Müller: Ueber den Bau der Scheerenasseln. fehlen. — Dem Amphipoden-Ei scheint stets ein „Micro- pyl- Apparat zuzukommen *) ; die Jungen liegen darin in umgekehrter Weise gekrümmt und verlassen es mit voll- zähligen Gliedmassen. Aber was wollen nun innerhalb der Ordnung der Isopoden die Scheerenasseln bedeuten? — Die Antwort wird verschieden ausfallen je nach den systematischen Grundanschauungen, von denen man ausgeht. Wer die Arten als unveränderliche Bildungen an- sieht, die bei jeder der hundertfach wiederholten Schöpfun- gen fix und fertig aus den Elementen zusammenschössen, und die Urform (den Typus) jeder grösseren oder kleine- ren Gruppe aus den der Mehrzahl ihrer Mitglieder ge- meinsamen Merkmalen aufbaut, der wird natürlich in den Scheerenasseln die von dem Typus der Isopoden am wei- testen abirrende Asselform erblicken. Wer dagegen mit Darwin als Endziel der Syste- matik die Aufstellung eines Stammbaumes der Thier- und Pflanzenwelt, und wer daher als Urform einer Gruppe den gemeinsamen Stammvater derselben betrachtet, der wird im Gegentheile zu der Ansicht geneigt sein, dass unter allen Asseln der Gegenwart die Scheerenasseln mit ihren beweglichen Augen und ihrer Zoea-Athmung der Urassel am nächsten stehen, die vielleicht noch, wie der Urvater aller Malacostraca, eine durch Nauplius und Zoea- formen hindurchgehende Verwandlung zu bestehen hatte. 1) Ich vermisste den „Micropyl-Apparat" bei keinem der zahl- reichen von mir hierauf untersuchten Amphipoden aus den Gattun- gen Gammarus, Amphithoe, Podocerus, Corophium, Orchestia u. a. und fand ihn ebenfalls bei Caprella. Desterro, im Juni 1863. Die Häutungen der Gespeiistkeuschrecke (Mantis religiosa). Von Prof. Dr. H. Alex. Pagenstecher in Heidelberg. (Hierzu Taf. I. A.) In seinem ausgezeichneten Werke über die Europäi- schen Orthopteren sagt L. H. Fischer bei Gelegenheit der Biologie der Mantiden, es scheine noch Niemand beobachtet zu haben, wie oft die Larven sich häuteten, auch sei es ihm selbst nicht möglich gewesen, das am lebenden Insekte auszumitteln ; er vermuthe jedoch nach dem Baue der Flugwerkzeuge, dass aus der vierten oder der fünften Häutung das erwachsene Insekt hervorgehe. Auch mir hat die Durchsicht der betreffenden Lite- ratur darüber nichts ergeben. Als ich nun im vergangenen Jahre bemerkte, dass aus der Eikapsel einer Mantis, welche ich aus Cette mit- gebracht hatte und durch Benzin getödtet zu haben glaubte, in einer Insektenschachtel unbeachtet die jungen Heu- schrecken ausgeschlüpft waren und sich in der Schachtel zerstreut hatten, schien es mir möglich, bei einer besser beachteten ähnlichen Gelegenheit zu einer Ausfüllung jener Lücke zu gelangen. Ich brachte zu dem Ende in diesem Frühjahre wie- der zwei Eikapseln von Mantis aus den Bergen von Men- tone mit und hatte das Vergnügen aus beiden gegen Ende Juni und Anfang Juli die junge Brut ausschlüpfen zu sehen. Theilweise konnte ich dieselbe bis beinahe Mitte August erhalten, ihre Lebensweise studiren und ihre Ent- wickelung verfolgen. 8 Pagenstecher: Dabei wurde, wie wir sehen werden, die Beobach- tung glücklicher Weise bis zu dem Punkte geführt, von welchem an bereits von Fischer die Larvenzustände dargestellt wurden. Sie erfüllte somit ihren wissenschaft- lichen Zweck. Die Hoffnung dagegen, die aus den Ei- kapseln genommenen Thierchen bis zu voller Reife und Bildung neuer Eikapseln verfolgen zu können, scheiterte. Die Form der Kapseln, in welchen die Gespenst- heuschrecken die Eier ablegen, ist für die einzelnen Ar- ten verschieden und von Mantis religiosa durch Abbil- dungen und Beschreibung im Allgemeinen bekannt. Es besitzt diese Kapsel jedoch Einrichtungen, welche für die Entwickelung der jungen Thiere von "Wichtigkeit sind, und welche früher, da ihre Bedeutung nicht bekannt war, wenig gewürdigt wurden. Ich muss mir deshalb erlauben, zunächst die Eikapsel von Mantis religiosa einer etwas genaueren Prüfung zu unterziehn. Diese Eikapsel (Fig. 1) bildet eine gemeinsame Hülle um die sämmtlichen Eier einer Heuschrecke, welche, etwa 120 bis 200 an der Zahl, in ihr in 18 bis 25 Querfächern zu je 6 bis 8 eingereiht sind. Sie entsteht durch theils schaumige, theils blättrige Erhärtung eines Sekretes ac- cessorischer Drüsen und zeigt eine wechselnde Grösse. Während eine der von mir gefundenen über 3 Cm. Länge auf 2 Cm. grösster Breite misst, hat die andere kaum 2 Cm. und 1,5 Cm. in den gleichen Dimensionen. Die Gestalt ist jedoch in der Hauptsache konstant, wenigstens bei den äusseren Bedingungen, unter welchen ich sie fand, nämlich unter Steinen angeklebt. Behufs dieser Anklebung ist eine Fläche abgeplattet; dieselbe ist ein wenig abgestutzt birnförmig. Obwohl diese Fläche durch die Anklebung der Kapsel unter den Steinen mehr oben liegt, muss sie doch als der Boden der Kapsel betrachtet werden. Von diesem Boden aus steigen die Aussenwände in der Quer- und Längsrichtung gebogen empor, so zwar , dass das breitere Ende und die zwei Längsseiten sich einfach convex wölben, das schmalere Ende aber ziemlich tief concav ausgeschnitten ist. Auf der Mitte der gewölbten Fläche verläuft eine Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 9 vertiefte Längsnaht. In dieser findet sich eine Doppel- reihe an der Spitze freier, quer über einander greifender und sich auch in der Längslinie ziegeiförmig deckender dünner Schuppenblättchen , welche den Blättchen der Nadelholzzapfen oder der Hopfenfrüchte ähnlich sehn. Am breiten Ende der Kapsel sind diese Schüppchen nicht deutlich gesondert, mit einander verklebt, am schmalen Ende bildet ihre Doppelreihe die hakig überragende Spitze von dessen Ausbuchtung (Fig. 2). Ihre Zahl entspricht jederseits der Anzahl der Querfächer, beträgt also im Ganzen das Doppelte. Auf den gewölbten Seiten verräth sich die Einthei- limg der Kapsel in Querfächer nur durch leichte Andeu- tung gebogen verlaufender Quernähte, auf dem Boden deutlicher durch quergestellte tiefe Einsenkungen. Bei der inneren Untersuchung zeigt die Kapsel theilweise einen unregelmässig schaumig zelligen, theil- weise einen blättrig gefächerten oder regelmässig waben- artigen Bau. Die schaumig erstarrten Massen bedecken längs den ganzen Langseiten sowohl als vorn und hinten, eine sekundäre Umhüllung bildend, das Fächer- und Wa- bensystem, welches die Eier aufnehmend in der Axe liegt. Ueber den Bau der unregelmässig, zelligen Um- hüllungen ist nichts besonderes zu sagen, sie sind an den Aussenwänden durch die dickere, poröse Rinde glatt ver- strichen und gehn innen allmählich in die Fächerwandun- gen über. Bei der Betrachtung des centralen Fächersystems zur Aufnahme der Eier müssen wir davon ausgehen, dass eigentlich in demselben für jedes Ei eine Büchse bestimmt ist. Solche Büchsen sind auf dem Boden der Kapsel wabenartig neben einander geordnet, wie man das gut erkennt, wenn man bis zu einer gewissen Tiefe von oben aus mit einem Horizontalschnitte die Convexität der Kap- sel abträgt (Fig. 13, b). Man sieht dann den sechseckigen Durchschnitt aller der in einander eingreifenden Bienen- zellen ähnlichen Büchschen. Eine Kapsel, welche ich früher in Nizza fand, zeigt das sehr hübsch durch einen 10 Pagenstecher: Zufall, indem sie von oben bis zu verschiedener Tiefe abgenagt ist. Es stehen sechs bis acht in den einzelnen ziemlich regelmässigen Querreihen, die jedoch nicht querüber ge- rade durchgehen, sondern von rechts und links mit ein- ander abwechseln und so in einander eingreifen. Die eine Querreihe bildenden Büchsen stehen, unten divergi- rend, etwas radiär gestellt (Fig. 4). Oben werden die Büchsen, deren Wände mit einander verschmelzen, mehr und mehr unvollständig und öffnen sich so auf jeder Seite in einen gemeinsamen Raum des einzelnen Querfaches, welchen man wieder bei einem etwas höher geführten Horizontalschnitte erblickt (Fig. 13, a). Zwischen den in der Mittellinie der Rückenfläche der Kaj)sel gelegenen Schüppchen finden diese gemeinsamen Querfachräume ihren Ausgang. Dabei ist die Sonderung der Fächer der einzelnen Querreihen und die der Querreihen unter ein- ander, an sich schon durch die nur wenig mächtigere Entwickelung der Scheidewände in den bevorzugten Rich- tungen , und die nicht ganz strenge Ordnung nicht sehr deutlich, um so schwieriger zu verfolgen, weil die Fächer querüber etwas gebogen verlaufen und ebenso im Auf- steigen erst nach hinten sich erheben und dann oben vorn überneigen (Längsdurchschnitt Fig. 3). Es ist das ganz derselbe Verlauf wie er sich in den schwachen Nähten der Aussenwand (Fig. 1) und der Concavität des einen Endes der Kapsel (Fig. 2) zeigt und wir müssten einen diesen Bedingungen entsprechenden hohlen Schnitt füh- ren, wenn wir genau ein Querfach übersehen wollten. Ein vertikaler Schnitt dagegen (Fig. 4) durchschneidet eine gewisse Anzahl von Fächern oder der ausführenden Wege von solchen an verschiedenen Stellen. Die radiäre Stellung der einzelnen Eier wurde von Fischer erwähnt und gezeichnet, der Beugung der Ausfuhrgänge nach vorn aber von ihm nicht gedacht. Ich habe nie die Ablegung der Kapsel durch das Mutterthier beobachtet. Mit Rücksicht auf die Anklebung des flachen Bodens an Steine, und Verklebung des ge- rundeten Endes mit fremden Gegenständen, Reisern und Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 11 dergleichen, kann man wohl mit Gewissheit annehmen, dass der flache Boden der Bauchseite der Mutter ent- spricht, und dass das concav ausgebuchtete Ende zuletzt gebildet wird. Damit stimmt gut die Richtung der Blätt- chen der Naht und auch Rös eis Angabe, dass das breite Ende eher geboren werde, denn das ausgebuchtete ist das schmalere. Die Eier an diesem concaven Ende schlü- pfen übrigens zuerst aus. Was die Bedeutung der einzelnen Theile der Kapsel betrifft, so giebt die schaumige Umhüllung einen Schutz gegen mancherlei Schädlichkeiten während der gerade bei Mantis eine so lange Zeit erfordernden Entwickelung im Eie. ' Yon noch grösserer Bedeutung aber scheint der Um- stand zu sein, dass der Ausgang der Embryonen aus den Eibüchsen und den gemeinsamen oberen Räumen der Quer- fächer nur zwischen den schuppenförmigen Blättchen der Mittellinie des Rückens genommen werden kann. Viel- leicht ist auch die Beugung in der Richtung dieses Weges mit in Rechnung zu bringen. Um die Bedeutung der genannten Einrichtungen zu verstehen, wollen wir das Ausschlüpfen der jungen Ge- spenstheuschrecken aus der gemeinsamen Kapsel verfol- gen. In der Beobachtung dieses Vorganges, meine ich, liege der wichtigste Abschnitt dieser kleinen Mittheilnng. Dieses Ausschlüpfen besteht nämlich aus zwei Akten, erstens einem Auskriechen aus dem Eie, zweitens einer ersten Häutung des ausgeschlüpften jungen Thieres. Die Eihaut bleibt beim Austreten des jungen Thiers stets auf dem Grunde des Gefaches zurück, in welchem das Eichen sich befand. Man kann sie für die einzelnen ausgeschlüpften Jungen überall nachweisen und sie zeigt sich im oberen Theile zerrissen. Die Eihaut besteht aus einer homogenen durchsich- tigen Membran, auf deren Innenfläche jedoch sehr feine Moleküle, in ziemlich regelmässiger Anordnung anhaftend, helle rundliche Fleckchen umgeben \md den Schein einer epithelialen Auskleidung darbieten. Die Körnchen 12 Pagenstecher: sind bei durchfallendem Lichte dunkel oder färben sich auch durch Farbenzerstreuung. Man sieht das ganz ähn- lich an der Umhüllung des Eis von Musca erythrocephala. Man kann die Körnchen stellenweise vollkommen von der glatten Eihaut entfernen und entgeht so dem Irrthume, man habe es mit einer mit zahlreichen Poren ausgerüste- ten Membran zu thun. Weitere abgelegte Häute, Spuren embryonaler Mau- serungen findet man in der Eihaut nicht. Das aus dem Eie ausschlüpfende Thierchen zeigt in wesentlichen Punkten eine andere Gestalt und ein ande- res Verhalten als die frei umherlaufenden Mantiden. Es hat in der That in diesem ersten Augenblicke des Lebens eine Metamorphose durchzumachen , welche die spätere in dem durch sie erlittenen Wechsel weit übertrifft, bevor es fähig wird nach Art der älteren Formen seinen Lebens- unterhalt zu gewinnen. Es bietet an seinem Leibe Ei- genthümlichkeiten, welche darauf hinweisen, dass diese ganze Phase des Lebens der Mantis nur ihre Bedeutung finde in der Zurücklegung des Wreges aus der Tiefe der gemeinsamen Eikapsel an die Aussenwelt. Diese erste Larvenform von Mantis zeigt ein Kopf- segment, drei deutlich gesonderte ringförmige thorakale und neun abdominale Segmente. Der Kopf ist auf die Brust herabgebogen, der Rücken gewölbt. Am Kopfe sind facettirte Augenflächen von in die Länge gezogener Gestalt, durch welche das dunkle Pig- ment der Augen durchschimmert. An der abgelegten Haut (Fig. 7) scheinen diese Augen einander zu berühren und der Kopf sehr spitz zu sein; das ist aber nur durch das Zusammenfallen so geworden, im Gegentheile er- scheint der Kopf vor der Häutung sehr plump und er- innert auffallend an das Uebergewicht des Kopfes bei Wirbelthierembryonen. Unter den Augenflächen sind die Antennen eingesetzt und die Mundtheile erscheinen in Form eines mit einigen gebogenen und an der Basis durch quer entwickelte Wurzelstücke verbundenen Chi- tinstücken gestützten abgestumpft kegelförmigen Rohres (Fig. 9). xluf den häutig dünnen Theilcn dieses Mund- Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 13 kegeis erliebt sich die Chitindecke zu zahlreichen feinen Körnchen, sonst ist die Umhüllung des Kopfes ohne Zeich- nung. Sie bildet eine etwas kräftigere Kapsel als die Körperdecke und bleibt an der abgelegten Haut steifer. Die facettirten Augenflecken und die Wurzel der Anten- nen sind gelblich, die Chitinstücke des Mundrohrs an den dickeren Stellen sogar dunkelgelb. Am Thorax, welcher den Hinterleib an Breite übertrifft, hängen, zwar vollkom- men frei, aber unbeweglich, die Füsse an. Die geringe Solidität der Chitindecken macht die Zählung der Tarsen- glieder sehr unsicher, es sind hier entweder vier oder fünf anzunehmen. Yom Thorax an erhebt sich auf der Chitindecke, erst in etwas unregelmässiger Zeichnung als wellige Li- nien und stumpfe Papillen, dann, besonders auf dem Ab- domen immer bestimmter in Form von Spitzen und feinen gebogenen Häkchen, eine sehr grosse Zahl kleiner Erha- benheiten, welche endlich die ganze Chitindecke ausser- ordentlich fein bestachelt erscheinen lassen. Statt der stielförmigen Anhänge der weiter entwickel- ten Mantiden finden wir am Ende des Abdomen zwei Fä- den , welche an der verbreiterten Basis ebenfalls mit seinen Stachelhäkchen besetzt, danach zu einer den Körper übertreffenden Länge ausgezogen sind. Die Unthätigkeit der Antennen und Füsse, die Un- vollkommenheit des Mundes, die Bestachelung, die Ver- schiedenheit in der Form der thorakalen Segmente, end- lich die Fadenanhänge des Hinterleibs sind also die we- sentlichen Differenzen dieser ersten Larvenform. Die Stigmenpunkte sind an diesen kleinen Geschö- pfen zu erkennen. In dieser Form verlässt also die junge Gespenstheu- schrecke das Ei, welches in der Tiefe der gemeinsamen Kapsel steht, und dessen gesprengte Schale an dieser Stelle liegen bleibt und wandert an die Oberfläche der Kapsel. Diese Wanderung kommt zu Stande durch Bewe- gungen der Segmente des Leibes gegen einander, welche durch die feinen rückwärts gerichteten Häkchen und Sta- 14 Pagenstecher: chelchen des Thorax und des Abdomen wesentlich unter- stützt werden. Der Körper hebt sich durch Gegenstem- nien und Schieben in Verkürzung und Streckung allmählich ans den Fächern der Kapsel hervor in ganz gleicher Weise, wie sich gewisse Puppen, z. B. die der Sesien, aus den von den Larven bewohnten versteckten Stellen im Innern von Hölzern hervorarbeiten, bevor der Schmetterling ausbricht, gewissermassen, als wenn den zarten Gliedern und Flügeln des erwachsenen Insektes dieser schwierige und gefähr- liche Weg erspart werden sollte. Bei dieser Wanderung der kleinen Püppchen, wie wir wegen ihres sonderbaren Verhaltens diese ersten Ju- genclzustände von Mantis wohl nennen dürfen, ist die Bauchseite nach vorn gewandt. Sie folgt also der klei- neren Krümmung, der Rücken liegt an der stärker ge- krümmten, hintern später obern Wand des zu durchwan- dernden Faches und wir können uns wohl vorstellen, dass hierdurch die Wanderung des nach der Bauchseite zu selbst eingekrümmten Püppchens erleichtert wird. Windet sich nun oben in der mit den sich ziegei- förmig deckenden Schüppchen verkleideten Mittelnaht das Püppchen hervor, so liegt seine Bauchseite der Richtung der Ausgangsspalten zwischen den Schüppchen entspre- chend auf der Naht und der Rücken ist frei. Wenn bei der nun zurückgelegten Wanderung von den auszeichnenden Merkmalen dieses Püppchenzustandes ohne Zweifel der Stachelbesatz die grösste Bedeutung hatte, so kommen nun bei der sehr bald eintretenden ersten Häutung die Fadenanhänge zur Verwendung. Nach- dem die Püppchen mit der Masse des Körpers sich zwi- schen den Schüppchen hindurchgewunden haben, legen sich diese schwach federnd wieder auf einander und in der sich schliessenden Spalte werden die Spitzen der Füsse, besonders der des hinteren Paares, vor Allem aber und überall die langen Schwanzfäden eingeklemmt. So erhält das Püppchen eine Fixation, welche allein das Ausschlü- pfen des Insekts ermöglicht, und welche bei den späteren Metamorphosen der Mantiden durch Anklammern mit den nun aktiv gewordenen Füssen, in anderen Fällen durch Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 15 Ankleben, Anspinnen und andere Einrichtungen er- reicht wird. Die Püppchen sind ausserordentlich zart, weich und blass; ihre Umwandlung erfolgt bei Mantis religiosa in der Freiheit natürlich ebenfalls unter dem Schutze der Steine, an welchen die Kapseln angeklebt waren, oder in seltenen Fällen wohl auch unter dem Schatten des Laubes u. s. w. Es scheint ihnen ziemlich genau zu halten und überhaupt in allen Metamorphosen die Man- tiden ein Bedürfniss zu haben einmal nach erfrischender Kühle, Thau der Nacht oder Schutz durch Schatten und auf der anderen Seite nach kräftiger erwärmender Durch- strahlung durch südliche Sonne. In einzelnen Fällen fand diese erste Häutung schon, gewissermassen verfrüht, innerhalb der Kapsel statt, so dass die Puppenhaut schon auf dem zurückzulegenden Wege liegen blieb, und die kleine Mantis beweglich oben zum Vorschein kam. Meist aber erschien oben das Püppchen, stand etwas aufgerichtet auf der Mittelnaht auf (in normaler Situation, unbeobachtet, unter dem Steine versteckt, würde es herabhängen und natürlich auch die Wanderung leichter haben) und führte nun mit Interval- len der Ruhe den Akt der Häutung aus (Fig. 6, a). Dabei springt zuerst die Chitinhaut auf dem gewölbten Rücken. Dieser Riss verlängert sieh durch Beugung und Streckung des Rumpfes nach vorn bis an die stärkere den Kopf deckende Kappe. Nun drängt sich erst der Mittelkörper hervor, die mittleren Füsse ziehen sich aus den Scheiden. Mit grösserer Mühe und langsamer folgt der Kopf, welchem die Antennen und die vorderen Raub- füsse die Häutung sehr erschweren. Am meisten Zeit erfordert dann endlich das Ausziehen der langen Hinter- füsse, es bleibt unter sonst ungünstigen Umständen nicht selten die Häutung in diesem Akte stecken und das Thier geht gewissermassen an den Füssen gefesselt zu Grunde. Ist die Häutung glücklich beendet, so bleibt die abgelegte Puppenhaut an der Eikapsel hängen und die Reihe dieser Exuvien an den Zahnblättchen in der Mittellinie der Kapsel verräth, dass der Inhalt bereits ausgeschlüpft ist 16 Pagen Stecher: (Fig. 6, b). Da ich die Püppchen selbst in der Entwicke- lung nicht stören wollte, habe ich nur solche abgelegte Häute unter das Mikroskop gebracht, Fig. 7 giebt ihre Abbildung. Die Bedeutung der Einrichtungen der Eikapsel für die erste Häutung der Mantiden ist hiernach klar, die Ausführungswege besonders die federnden Schüppchen Hand in Hand mit den Fadenanhängen der Püppchen sichern das Zustandekommen dieses Aktes. Findet man ein solches Püppchen lose aufliegend auf der Kapsel, oder entfernt man es von derselben, so ist das Thier, wenn nicht die Fadenanhänge zufällig einen anderen Anhalt finden, z. B. in den Exuvien der Geschwister sich ver- stricken, nicht im Stande den zarten Leib und die langen Anfangs sehr weichen und fadig dünnen Gliedanhänge aus der sehr feinen abzuwerfenden Haut loszuwinden. Es bringt dann die Häutung überhaupt nicht oder nur unvollständig zu Stande, indem die Glieder hier oder da von Fetzen der alten Chitindecke umhüllt bleiben. Ent- weder geht dann das Thierchen nach vergeblichen An- strengungen zu Grunde, oder es kommt ein oder das andere Glied während glücklicher Entfaltung des übrigen Leibes in einen verkrüppelten Zustand. Uebrigens wissen die Thiere kleinen Mängeln der Art noch nachträglich abzuhelfen, indem sie die mangel- haft gehäuteten Stellen mit dem Munde putzen und rein nagen. Die geschilderten Eigentümlichkeiten dieses ersten puppenförmigen Larvenzustandes von Mantis in Ueberein- stimmung mit den physiologischen Erscheinungen, sind um so interessanter, als ihnen gegenüber das ganze spä- tere Leben der Heuschrecke eigentlich als ein hinausge- zogener Imagozustand betrachtet werden kann. Die in demselben stattfindenden Häutungen bringen nur noch Veränderungen mit sich, welche, einschliesslich der un- vollkommenen Anlegung und der Fertigstellung der Flü- gel, entweder an und für sich, oder wenigstens, wenn man die bei der Betrachtung der ganzen Gruppe der Orthopteren sich zeigenden Modalitäten mit in Berück- Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 17 sichtigung zieht; als von viel geringerer Bedeutung be- trachtet werden können. Man könnte dann etwa sagen, Mantis macht den Lar- venzustand im Ei ab, jedoch ohne Häutung, verlässt als Puppe (in der Mumienform) das Ei, und bildet im Ima- gozustand in einer Anzahl von Häutungen allmählich die Flügel aus, wobei nebenbei noch einige kleine Verände- rungen erlitten werden. Es erübrigt uns nun die Schilderung der an den aus den Püppchen ausgeschlüpften Mantiden beobachteten Lebenserscheinungen. Wie oben erwähnt wurde, hatte ich bei meinen Un- tersuchungen zwei Eikapseln benutzt. Die aus der ersten zwischen dem 24sten und 26sten Juni nach und nach aus- geschlüpfte Brut ging jedoch durchweg in den ersten Tagen zu Grunde, ehe noch ein einziges der Thierchen angefangen hatte zu fressen. Ich hatte sie in einem kleinen Glaskästchen aufbewahrt, in welches ein befeuch- tetes Stück Rasen gelegt war. Ob der? Wasserdunst, ob die hinter den Glaswänden sich sammelnde Wärme die Veranlassung zum Absterben abgaben, vermag ich nicht zu sagen. Die Brut der zweiten Kapsel fiel vom ersten bis zum sechsten Juli aus. Ich hatte schon im ersten Falle das Ausschlüpfen der Püppchen und die erste Häutung stu- dirt und überliess jetzt diese zweite Kapsel ungestört unter einem kleinen Haufen von Steinen in einem alten Aqua- rium-Kasten sich selbst. Bald zerstreute sich die Brut nach allen Richtungen, ich gewann wenigstens 50 — 60 junge Mantiden. Der geräumige Aufenthaltsort wurde oben mit einem durchlöcherten Papierrahmen geschlossen, nachdem auf dem Boden etwas Rasen niedergelegt und Gruppen von Steinen eingerichtet worden waren. In diesem Ka- sten, der dicht bei einem nach Süden sehenden Fenster stand, wurde es immerhin noch sehr warm, aber die jun- gen Thiere konnten sich doch nach Bedarf entweder schat- tige Stellen wählen oder an der der Sonne ausgesetzten heissen Glaswand umherspazieren. Es kam nun die Frage der Fütterung. Ich glaubte Archiv f. Natura. XXX. Jahr«-. 1. Bd. 9 18 Pagensteclier: erst annehmen zu dürfen, dass, da die ausgeschlüpften Thierchen sich lange Zeit in der Nähe der Brutstätte und auf derselben aufhielten, sie hier wohl auf die ausschlü- pfenden Geschwister lauerten, um solche zu verzehren, bevor sie widerstandsfähig geworden. Ich habe jedoch von diesen brudermörderischen Gelüsten in diesem jugend- lichen Alter keinen Beweis erhalten, wenige Tage später freilich fehlte er nicht. Die ausgeschlüpften Thierchen, wenn vollständig von den Exuvien befreit (Fig. 6, c und Fig. 8, 2) und einige Stunden an der Luft erhärtet, verloren bald eine anfäng- liche Unsicherheit der Bewegungen und wurden sehr behende, dabei blieben sie aber sehr ängstlich. Vor der winzigsten Fliege ergriffen sie die Flucht oder fielen vor Schreck hintenüber. Sie schienen überhaupt die ersten Tage noch keine Nahrung zu begehren. Schon von die- sem frühesten Alter an zeigten sie die Sonderbarkeit und Zierlichkeit der Bewegungen, die Mannichfaltigkeit der Stellungen, welche auch späterhin für die Gespenstheu- schrecken so charakteristisch sind. Dazu wirkt einmal mit die Verschiedenheit der Extremitäten, denn während die zwei hinteren Paare als weit ausgreifende Schreitfüsse den stabförmigen Leib hoch tragen, werden die vorderen, welche schon jetzt durchaus die spätem Raubfüsse dar- stellen, taschenmesserartig zusammengeklappt unter dem erhobenen Vorderleib bereit gehalten zur Verteidigung oder zum Angriffe oder dienen auch beim Klettern. Mehr aber wird der charakteristische Ausdruck in den Stellun- gen von Mantis bedingt durch die Leichtigkeit, mit wel- cher die Stellung des Thorax und noch mehr die des querentwickelten Kopfes am Thorax geändert wird. Es kann eine Mantis ganz gut das Gesicht gerade nach hin- ten wenden. Die Beweglichkeit erinnert dabei zuweilen fast an die kleiner Vögel oder auch anderemale die Selt- samkeit, mit welcher der Kopf am unbeweglichen von den Umgebungen kaum unterscheidbaren Rumpfe gedreht wird, an die Bewegungen des Chamäleons. Ausser der Neigung, rasch in ein Versteck zu flüch- ten , war dabei stets das Bestreben bemerklich zu den Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 19 höchsten erreichbaren Punkten hinaufzuklettern, so dass damals die Raubfüsse beinahe mehr den Namen vonKlet- terfüssen verdienten. Ich kam dadurch auf den Gedan- ken, die Thierchen möchten von Beute leben, welche sie am ersten an der Spitze der Zweige finden könnten, und es fielen mir die Aphiden ein. Später erst, nachdem ich begonnen, solche als Futter darzubieten, sah ich, dass auch ältere Autoren derselben als der Nahrung junger Mantiden gedenken. Auch vor den in den Kasten gebrachten Aphiden (verschiedene Arten, besonders von Rosen, Johannistrau- ben, Mohn und Schneeball) hatten die kleinen Geschöpfe Anfangs eine schreckliche Furcht, hieben höchstens zur Vertheidigung nach ihnen und suchten die an den Spitzen der Vorderschenkel wohl hängen bleibenden wie in Ver- zweiflung abzuschütteln. Es schien fast, wie wenn erst, als nun ein oder das andere Mal die anhängenden Stück- chen ebenso abgenagt wurden, wie früher etwaige Reste der Puppenhaut, die Vorstellung sich bilde, dass das eine Nahrung sei. Bald gingen dann daraus alle die kleinen Kunstgriffe der Behendigkeit und List hervor, mit wel- chen der nun erkannten Beute nachgestellt wurde. Ich brachte ein einziges Exemplar sogar so weit, dass es die mit einem Stäbchen hingehaltene Beute abnahm und frass. Die Mundwerkzeuge sind zu dieser Zeit ganz ähn- lich denen der erwachsenen Thiere und habe ich eine Abbildung derselben gegeben (Fig. 10 von oben, Fig. 11 das Labium von unten). Ich glaube jedoch, dass der mittlere Theil der Unterlippe dreitheilig ist und ausser- dem noch auf seiner Oberfläche ein zu einer Halbrinne gebogenes häutiges Stück liegt, welches als eine echte Zunge betrachtet werden kann (Fig. 10, 1). Ocellen sind nicht vorhanden, aber zwei braune Fleckchen zieren den Scheitel. Dieselben sind durchaus so beschaffen, wie ähn- liche Pigmentflecken am Rücken des Thorax und an an- deren Stellen, fehlen übrigens auch den folgenden Alters- stufen und können nie für Ocellen gehalten werden. Ausser Aphiden frassen später die jungen Mantiden auch Eriosomen und zwar nagten sie speziell deren Wachs- 20 Pagenstecher: fäden ab, ferner Dipterenlarven, endlich auch die Leichen ihrer Geschwister. So sah ich eine aus dem Kopfe einer andern mit Behagen die Weichtheile ausnagen, ohne dass ich jedoch angeben kann; ob sie selbst sie getödtet hatte. Zuweilen schienen sie mir von der grossen Hitze erschöpft, und wenn ich dann Wasser spritzte, so nahmen sie von demselben auf die Yorderfüsse niedergekniet mit dem Munde oder leckten die befeuchteten Vorderfüsse ab. Bis zum elften und zwölften Juli waren viele tüchtig ge- wachsen, man sah sie sehr oft eine Aphide mit den bei- den Vorderfüssen fassen und bis auf die Flügel aufnagen, sie füllten sich sichtlich. Am löten Juli bemerkte ich zuerst eine zweite Häutung, wenn wir das Abwerfen der aus dem Ei mit- gebrachten Haut als die erste bezeichnen, und an diesem Tage und am folgenden häuteten sich die meisten, am lTten noch einige. Es hatte also die hiermit abgemachte Pe- riode des Larvenlebens wahrscheinlich zwölf bis vierzehn Tage gedauert. Die Zahl war schon sehr verringert, einige waren entlaufen und ich fand einzelne weithin in dem Saale unseres Museums zerstreut, andere wurden wohl von den Kameraden aufgezehrt, manche hingen wie ver- trocknet todt an den Grashalmen. Vor, während und nach der Häutung sterben die meisten an Erschöpfung. Fielen sie, ehe die neue Haut erhärtet war, und es geschah das leicht, da sie sich, wie auch sonst bei Be- rührung gern fallen liessen, so waren sie nachher wie o-elähmt. Ich glaubte schwache durch Anfeuchten er- quicken zu können, aber sie starben, wie es schien, um so rascher, auch in diesem Falle wie gelähmt. Wollte man in der Häutung helfen, so gingen sie erst recht zu Grunde, es war eben nichts zu machen. Auch in dieser Häutung brach der Rücken auf und es wurden die Mittelbeine, deren Scheiden am festesten an den Hal- men oder der Glaswand angeklammert hafteten, zuerst ausgezogen, die Hinterbeine zuletzt. Aus der Häutung gingen die Thierchen, die vorher gedunkelt hatten, wie- der heller hervor, der Kopf und Thorax waren entschie- den breiter, das Abdomen war nicht eigentlich gewachsen, Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 21 sondern nur neuer Vergrösserung durch Füllen mit Nah- rung fähig geworden, die frisch gehäuteten. Thiere massen von der Stirn e bis zur Spitze des Abdomen etwa 1 Cm. Ich sah nun eine mehrmals rasch vorüberlaufende Milben (Rhyncholophus) fressen, eine ergriff eine Blattlaus- schlupfwespe (Aphidius), warf sie aber wieder weg, eine andere frass eine Ephemeride in einer Viertelstunde bis auf die Beine, Flügel und ein Stück vom Thorax, welche Reste sie wegwarf. Das Abputzen und Abnagen derFüsse, das Lecken an feuchten Steinen wiederholte sich, die sonderbarsten Stellungen wurden angenommen. Viele lebten über den hauptsächlichen gewissermassen normalen Häutungstermin vom löten bis 17ten Juli hinaus, ohne eine Häutung zu machen; solche brachten aber auch später eine Häutung nicht mehr zu Stande, sie schleppten nur einige Tage ein immer ärmlicheres Dasein voran und gingen endlich im Versuche der Häutung oder auch ohne sie zu Grunde. Ich besass am 26ten Juli vielleicht noch sechs Stück, von denen ich jedoch nur vier in weiterer Beobachtung verfolgen konnte, während zwei auf irgend eine Weise entwischten oder umkamen. Von diesen vieren machte eine vom 31ten Juli auf den Isten August, eine zweite am lsten August eine dritte Häutung durch; bei den beiden anderen trat diese Prozedur erst am Tten und 8ten August ein. Die Häu- tungen fanden wieder unter Anklammerung vorzugsweise der Mittelfüsse und gerade wie früher statt. Die zuletzt (am 8ten) gehäutete frass nachher nicht und starb bereits am 9ten August. Auch die am lsten August gehäutete war schwach ; das grosse Thier von 13 Mm. Länge und mit einer Kopfbreite von 2 Mm., mit gewaltigen Raub- füssen und sehr geschwinde, fiel vor einer Blattlaus vor Schreck um und starb, ohne gefressen zu haben, bereits am 2ten. Die beiden anderen, aus der dritten Häutung glück- lich hervorgegangenen, waren recht munter, obwohl ich der am 7ten August gehäuteten, welche ich als No. 2 be- zeichnen will, wegen der Verspätung der Häutung von Anfang nicht viel zutraute. Man konnte an ihnen die 22 Pagen Stecher: Art zu leben und besonders zu fressen sehr hübsch stu- diren. No. 1 mass am 2ten August bereits 14 — 15 Mm. an Länge und frass eine Blattwespenraupe , eine Speise, welche von jetzt an mehrfach gereicht und gern, sogar an demselben Tage mehrmals genommen wurde. Zu einer Blattlaus brauchte sie nur eine halbe Minute, zu einer Blattwespenlarve von 7 Mm. Länge 25 Minuten. Sie Hess nur die Kopfschale übrig und man kann denken, dass • sich der Leib tüchtig füllte. Sie hielt die Beute mit den beiden Yorderfüssen und frass sie mit ungemein rascher Bewegung der Mundtheile von hinten nach vorn auf. Dabei sah man durch die Chitindecken fortwährend eine wellenförmig gleitende Bewegung der Muskeln des sich rhythmisch zuckend he- benden Hinterleibes. Dieses Thierchen lauerte auch nicht allein auf Beute stillsitzend, sondern lief nach, um sie zu erhaschen. Wenn sie im Fallen nur mit einem Fusse an einem Halme vorbeistreifte, so genügte 'ihr das um sich sofort an demselben Halt zu verschaffen. Die Bewegun- gen waren sehr zierlich, bald schleichend, bald blitzschnell. Selbst beim Belauern von Beute war sie aufmerksam auf Alles ringsum, stets neugierig und ängstlich. Auch am 7ten August frass sie eine Blattwespenlarve, obwohl ihr Bauch sehr voll aussah. No. 2, am Tten August gehäutet, lief sofort flink davon. Am 8ten frass sie hinter einander drei Blattläuse, am zehnten fand ich sie beschäftigt eine Stubenfliege auszunagen. Jedes Beinchen wurde dabei einzeln ausge- bissen und die oberen Segmente geradezu in den Mund hineingeschoben und gefressen, wobei sich der Mund den Knickungen der Gelenke geschickt anzupassen wusste; besonders wurden aber auch der Kopf und die Brusthöhle ausgefressen. Diese Mantis war das einzige Exemplar, welches überhaupt von mir dargebotene Nahrung- direkt annahm; sie war überhaupt dreist, nahm Beute, welche sie fallen gelassen hatte, später wieder auf. Obwohl sie am lOten noch eine Fliege gefangen und dabei recht ausdrucksvoll die Gier, das vorsichtige Hin- und Herwie- Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 23 gen auf den Beinen, wie in Berechnung der Entfernung, das leise Besehleichen, den geschickten Fang und das Wiederergreifen der Entwischten vorgeführt hatte und mich glauben machte, die Verspätung der Häutung sei nun überwunden, fand ich sie doch am Uten Morgens eben gestorben. No. 1 hatte unterdessen schon seit einigen Tagen nichts gefressen und sich sichtlich zur letzten Häutung vorbereitet. Sie war in ausgezeichnetem Futterzustande. An dem sehr heissen Nachmittage des lOten August fand ich sie dann wirklich gehäutet, aber noch mit den zwei hintersten Füssen in den Scheiden der alten Haut ste- ckend und leider todt, so dass damit meine sämmtlichen Beobachtungen abgeschnitten wurden. Die Länge des Thieres nach dieser vierten Häutung, in dem fünften Stadium des Lebens ausser dem Ei, betrug nunmehr gerade 2 Cm. Man wird wohl nicht fehlgehn, wenn man hiernach die je zwischen zwei Häutungen ver- streichende Zeit auf 10 — 14 Tage schätzt. Schlechte Um- stände, wie Gefangenschaft, wirken verzögernd. Die in der letzten Häutung von einem einzigen Exemplare aus meiner gesammten jungen Brut erreichte fünfte Altersstufe (Fig. 8, 5) entspricht sehr deutlich der jüngsten von Fischer gezeichneten Form (Orth. Eur. T. VIII, 1. i) in Grösse und vor Allem in den nun zuerst in Form deutlich geäderter seitlicher Fortsätze des Meso- und Metathorax erscheinenden Flügelrudimente (Fig. 12). Zum wenigsten folgen auf diese vierte Häutung noch drei, durch welche die von Fischer abgebildeten Formen 1. c. 1, k. 1, 1 und 1 entstehen. Auch in der Sammlung unse- rer Universität besitzen wir ein Exemplar der vorletzten Altersstufe 1, 1, welches den erwachsenen an Körpergrösse nicht viel nachgiebt. Mit Einrechnung der ersten Häutung gleich nach Verlassen des Eis haben wir also ausser dem Ausschlü- pfen aus dem Ei wohl sieben Häutungen und acht Alters- stufen für die Gespenstheuschrecken anzunehmen, nicht vier oder fünf, wie Fischer meinte, indem er seine jüngste Form für viel jünger hielt als sie war. Die letzte 24 P a g e n s t e c h e r : Häutung wird dann im Allgemeinen vor Mitte September fallen, was mit der Zeit übereinstimmt, in welcher die erwachsenen gefunden werden. Während der Häutungen vermehrt sich entschieden jedesmal die Zahl der Antennenglieder. Die Stelle, wel- che auf die zwei ersten, dickeren, basalen Glieder folgt, erscheint immer sehr undeutlich gegliedert, und man darf vielleicht annehmen, dass an dieser Stelle hauptsächlich die Vermehrung der Antennengliederzahl zu Stande kommt. Die drei Ocellen finden sich erst mit den Flügelru- dimenten ein, die Zahl der Tarsenglieder beträgt jeden- falls sofort nach der ersten Häutung an allen Füssen fünf. Bei der Leichtigkeit, mit welcher die Brut aus den Eikapseln von Mantis in unseren Gegenden ausfällt, er- scheint es möglich, dieses Insekt in wärmere Gegenden Deutschlands, so weit es sich nicht schon in denselben findet (Breisgau, Oesterreich, früher Frankfurt a. M.) vermittelst jener Eikapseln überzusiedeln. Die Fauna würde an die- sem Thiere einen unterhaltenden Beitrag und unsere Gär- ten einen geschickten Vertilger schädlicher Blattläuse, Blattwespenlarven und anderer ähnlichen Feinde der Ve- getation gewinnen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf die Möglichkeit einer solchen Akklimatisation auf- merksam machen. Erklärung der Abbildungen. Taf. I. A. Fig. 1. Die gemeinsame Eikapsel von Mantis religiosa von der Seite gesehen, in natürlicher Grösse. „ 2. Dieselbe von vorn, ebenso. „ 3. Dieselbe im Längsdurchschnitt, ebenso. „ 4. Dieselbe quer durchschnitten, ebenso. Man sieht ausser den radiär gestellten Eiern an den Seiten die schaumige Umhüllung und oben die durchschnittenen Ausführwege einer grösseren Anzahl von Querfächern. „ 5. Ein Stück Eihaut, vergrössert, „ G. Eine an einen Stein angeklebte Kapsel mit sich hervor- hebenden püppchenförmigen Larven (a), abgelegten Exu- vien (b) und jungen frei beweglichen Mantiden (c) in ver- schiedenen Stellungen, in natürlicher Grösse. Die Häutungen der Gespenstheuschrecke. 25 Fig. 7. Die erste abgelegte Larvenhaut, etwa 40mal vergrössert. n s. 1—5. Die fünf ersten Altersstufen von Mantis religiosa, in natürlicher Grösse. „ 9. Der Mundkegel des ersten Larvenzustandes (des Püppchens) stark vergrössert. a. Antenne, o. Mundöffnung. „ 10. Die Mundtheile des zweiten Larvenzustandes, denen die des folgenden analog sind, von oben gesehen und stark vergrössert. a Basis der Antennen, o ein Theil des facet- tirten Auges, 1 Oberlippe, m a Oberkiefer, mx Unterkiefer, g dessen Galea, mp dessen Palpus, lb Unterlippe, lp de- ren Palpus. „ 11. Die Unterlippe desselben für sich von unten gesehen, stark vergrössert. 1 i Mittlerer gemeinsamer Theil, 1 e Aeusse- rer Lappen, p Palpus, 1 halbrinnenförmige Zunge. „ 12. Der Meso- und Metathorax mit den ersten Flügelrudimen- ten der fünften Altersstufe, vergrössert. „ 13. Ansicht der Eikapsel von oben nach Wegnahme eines Stückes durch horizontalen Schnitt, bei a mit den Querfächern beider Seiten, bei b nach tieferem Schnitte mit den wa- benartig geordneten Zellen für die einzelnen Eier. Heidelberg, den 7. September 1863. jJO Die blaseiiförmige Anftreibniig der Vorderschienen bei den München von Stenobotlirns Sibiriens. Von Prof. Dr. II. Alex. Pagenstecher in Heidelberg. (Hierzu Taf. I. B.) Im Jahre 1854 sprach F i s c h e r in seinen Orthoptera Europaea die Hoffnung aus, dass es durch Untersuchungen an frischen Exemplaren gelingen möge, die Bedeutung der blasenförmigen Erweiterung zu ergründen, durch welche die Vorderschienen der Männchen von Stenobothrus Sibiricus Linn. (Subgenus Gomphocerus Fieber (Thunberg) sich vor denen der Weibchen auszeichnen. Es begegnete mir nun diese sehr interessante kleine Heuschrecke im Jahre 1861 im Canton Wallis auf dem Gorner Grate (8400' über dem Meere) am Rande des Gorner Gletschers. In jener Gegend, welche wohl zu den grossartigsten Alpenpanoramen gerechnet werden darf, in mitten der Bergriesen von einer Höhe bis über 14,000 Fuss, welche sich von den Mischabelhörncrn und dem Monte Rosa zum Matterhorn und weiter hinziehen, hart am Rande des ewigen Schnees und Eises erschallten die Töne dieser Insekten unaufhörlich. Neben dem uns umkreisenden Adler, der Alpendohle, dem durch die zahlreichen Bauten ver- rathenen Murmelthier fast allein dort die Fauna darstel- lend, fr-nden sich dafür diese Heuschrecken zu Millionen. Wohin n ,eh auf dem knappen Alpengrase oder dem Steinschutte der Fuss trat, in allen Richtungen sprangen ihre Schwärme davon. Ich sah diese Art damals zum ersten Male und gab mich an Ort und Stelle, im Riffelhause, durch die seit- Pagenstecher: Die blasenf. Auftreib, b. Stenoboth. Sibiric. 27 same blasenförmige Auftreibung der Vorderschienen der Männchen gereizt, eigentlich zunächst im Gedanken an Gehörwerkzeuge, an die Untersuchung dieser Einrichtung. Die an den frisch gefangenen Thieren begonnene Arbeit vollendete ich später an in Alkohol aufbewahrten, welche sich sehr gut erhalten hatten, so dass ich glauben darf, dass mir nichts Wesentliches entgangen sei. Obwohl diese Untersuchungen kein besonders auf- fallendes Resultat gegeben haben und ich auf sie nur vermuthungs- und versuchsweise eine Erklärung der Be- deutung jener Einrichtung begründen kann, will ich doch, anknüpfend an die vorstehenden Mittheilungen über Mantis, dieselben hier mittheilen. Die anatomische Untersuchung ergab Folgendes : Die vorderen Tibien der Männchen von Stenobothrus Sibiricus sind nach dem Unterende hin stark birnförmig aufgetrieben; bei einer Länge von 5,5 Mm. besitzen sie eine Breite von 1,5 Mm. und eine* grösste Höhenentwicke- lung von 2,5 Mm. Die von ihnen getragenen Tarsen sind gehörig entwickelt und 2,3 Mm. lang. Die Aussenseite, welche unten am stärksten anschwillt, ist im Leben zart grau violet gefärbt, die Innenseite, welche mehr gleichmässig gewölbt erscheint, ist weisslich mit röthlichgelber Mischung. An der Vorder wand ist die Grenze zwischen der dorsalen und ventralen Färbung durch einen schwärzlichen Strich scharf bezeichnet (Fig. 1). Die zarten Farbennüancen wurden im Tode mehr bräunlich. Auf der blassen Unterseite findet man zwei ziemlich parallele Längsreihen schwachgekrümmter schwarzgespitz- ter Häkchen. In jeder Reihe stehen sechs Stück und dann jedesmal noch ein grösserer vom unteren Ende der Reihe etwas nach vorn abweichend dicht an der Insertion des ersten Tarsengliedes (Taf. 1/ B. Fig. 1). In der Substanz der Chitindecke lässt sich eine äussere und eine innere Schicht unterscheiden. Jene ist schuppig, stellenweise bis zur Bildung deutlich gereihter Zähne, welche bis 0,018 Mm. mit ihren Ecken vorragen. Unter ihr liegt eine zweite sehr fein liniirte und gekörnte Chitinhaut (Taf. I, B. Fig. 3). 28 P a g e n s t e c li e r : Auch in der weichen Haut lässt sich von der chiti- nogenen Membran, welche zwischen ovalen, massig ge- kernten Zellen reichliche Mengen mit feinen Molekülen durchsetzter Zwischensubstanz zeigt, eine zweite Schicht grosser grobgekernter Zellen erkennen, welche das An- sehen von Drüsenzellen besitzen. Zwischen ihnen kann man Nervenstämmchen und multipolare Ganglienzellen bemerken (Fig. 4). Die röthliche zarte Beimischung, welche sich eben- sowohl in der grauen Färbung der Oberseite wie in der gelblichweissen der Unter- oder Innenseite erkennen lässt, rührt her von einer der Haut angehörigen Pigmentschicht. In derselben liegen karminrothe Pigmentkörnchen von 0,012 Mm. Länge und 0,006 Mm. Breite, meist ziemlich regelmässig etwa 0,08 Mm. auseinander gestellt, stellen weise aber, besonders an den Ansatzstellen der Muskeln, auch gedrängt und in Gruppen vereint. Dadurch entsteht dann an solchen Stellen eine intensiver rothe Färbung. Diese röthlich pigmentirte Membran setzt sich von den Ansätzen aus über alle Muskeln als Ueberzug fort (Fig. 2). Die blasenförmige Auftreibung der Tibien erwies sich beim Eröffnen zum grossen Theile leer, wenigstens nicht mit festen Substanzen gefüllt. Im Uebrigen enthält sie Muskeln, Nerven und Tracheen. Die Muskeln sind nicht unbedeutend, aber doch nicht so kolossal, dass man denken dürfte, die ganze Auftrei- bung sei nur da, um für sie, behufs kräftigerer Bewegung des Tarsus, grössere Ansatzüächen zu gewinnen. Wir können vier Muskeln unterscheiden, nämlich zwei Flexoren und zwei Extensoren. Jene gehen an die ventrale, diese an die dorsale Seite der Tarsuseinfügung. Die Flexoren überwiegen. Wir bemerken einen Flexor latus, welcher vom Dorsum des Innenraums der Tibia so ziemlich in dessen ganzer Länge entspringt (Fig. 2, c') und einen Flexor tenuis, welcher nur in geringer Stärke an der ventralen Seite oberhalb der Mitte Ursprung nimmt (Fig. 2, c"). Dieser Flexor tenuis tritt alsbald ungefähr in der Die blasenförmige Auftreibimg bei Stenobothrus Sibiricus. 29 Mitte des Gliedes an den Flexor latus heran, verschmilzt mit ihm, verliert seine Selbstständigkeit, vermag nun aber die Thätigkeit des latus, wegen der Verschiedenheit des Ausgangspunktes, bedeutend zu modifiziren, je nachdem er mit ihm wirkt oder unthätig bleibt. Den Verlauf des allerdings sehr geschrumpften Flexor latus kann ich noch in einem getrockneten Exemplare durch die durchschei- nenden Chitindecken erkennen. Ein Extensor longus (c"') entspringt ganz oben, ein Extensor brevis von der unteren Hälfte der ventralen Seite (c'"). Durch den rechlichen Ueberzug haben die Muskeln ein sehr hübsches Ansehen, ihre Cylinder messen 0,02 — 0,025 Mm. in der Breite. Mehr auffallend ist das Verhalten des die Tibia durch- ziehenden Luftröhrenstammes. Die Haupttrachee misst im Oberschenkel nur 0,1 Mm. an Weite. Sie erweitert sich dann aber im Unterschenkel auf 0,275 Mm. und durchzieht in dieser gleichmässigen sackartigen Auftreibung dessen Hohlraum hier und da unter rechten Winkeln starke Aeste entsendend. Die an die Muskeln tretenden Aeste messen über 0,04, ihre nächsten Zweige 0,012 Mm. Die Spiralstreifen des Hauptstammes treten 0,004 — 0,005 Mm. auseinander. In Begleitung des Trachealhauptstamms verläuft ein Nerv, welcher 0,025—0,018 Mm. stark ist. Das wäre das gesammte Resultat der Zergliederung. Versuchen wir nun die Bedeutung dieser Tibialan- schwellung zu erklären, so glaube ich den Gedanken, den ich, wie oben bemerkt, Anfangs hegte, es möchten diese Aufblähungen einen besonderen Gehörapparat ent- halten, nicht festhalten zu dürfen. Der geschilderte Be- fund giebt dafür keinen entscheidenden Anhaltspunkt. Wir haben zwar einen grossen Hohlraum und in demselben eine stark erweiterte Luftröhre, an welcher dichtanliegend der Nervenstamm verläuft. Dieser Nerven- stamm ist jedoch der gewöhnliche des Gliedes ohne Verän- derungen oder Besonderheiten, nirgends mit Einrichtun- gen, welche auf spezifische Sinnesverrichtungen hinweisen 30 Pagenstocher: würden. Die Volumszunahme des Luftröhrenstamms ferner im Vergleiche mit dem Verhalten während des Verlaufs im Oberschenkel, stellt im Verhältnisse zu den austreten- den starken Aesten und der Volumsvergrösserung des ganzen Gliedes. Es bleibt also nur diese letztere zu be- rücksichtigen, welche nicht allein dem Muskelbedürfnisse zugeschrieben werden darf, weil die Muskeln den grossen Hohlraum doch bei weitem nicht ausfüllen. Es scheint demnach, dass wir hier eine Einrichtung vor uns haben, welche in der Form desGliedes eine mechanische Verwendungsmöglichkeit darbietet. Da sich die Einrichtung nur beim Männchen findet, so ist sie muth- masslich für Zwecke der Begattung und speziell zum Festhalten des weiblichen Geschlechts bei der Copula bestimmt. Die sonderbare Gestalt der Tibien geht dabei Hand in Hand mit der ebenfalls von Fischer als in ihrer Bedeutung rathselhaft bezeichneten stärkern Buckelwöl- bung des Notum des Männchens und mit einer bisher nicht beachteten kräftigeren Entwicklung der ganzen vorderen Extremität dieses Geschlechtes , also auch spe- ziell der Hüften und der Femora. Durch das Gemeinsame dieser letzteren Erscheinung, welche sich auch bei verwandten Arten und Gattungen findet, aber allerdings wenig auffallend ist, ist doch eine Art von Verbindung zwischen jener sonderbaren Ausrü- stung und dem gewöhnlichen Verhalten und ein Hinweis auf die Erklärung der Bedeutung gegeben. Ich glaube nicht, dass wir fehl schliessen, wenn wir annehmen, dass die Vorderfüsse der Männchen im Allge- meinen in diesen Fällen deshalb kräftiger sind, um die Weibchen behufs der Copula festzuhalten, und dass das gewölbtere Notum einen grösseren Reichthum von Mus- keln fasst zum gleichen Zwecke. Dabei können dann aber, wie es mir scheint, auch jene birnförmigen Auf- treibungen Dienste thun. Wenn das Männchen das Weibchen umfasst, so dürf- ten sich wohl die vordersten Füsse dem Leibe dort an- legen, wo die Hinterschenkel inserirt sind. Es würden Die blasenförmige Auftreibung bei Stenobothrus Sibiricus. 31 dann vielleicht die Tibien in den engen Raum zwischen dem Hinterbrustbein eingeschoben werden. Da sie nun unten stark verdickt sind; würden sie selbst bei kräftiger Gegenwehr des Weibchens nicht ausweichen und würden in allen Fällen die senkrechte Bewegung der Hinterschen- kel sehr behindern. Ich habe in einer Zeichnung (Fig. 5) dargelegt, wie ich mir die Situation vorstelle, hebe aber ausdrücklich hervor, dass die Darstellung nur auf Vermuthung, nicht auf Beobachtung gegründet ist. Verhält sich die Sache so, so muss der dabei auf die Seiten des Abdomen statt- findende Druck auch dazu mitwirken, die Copulations- organe des Weibchens zur Entfaltung zu bringen. Erklärung der Abbildungen. Taf. I, B. Fig. 1. Die linke Tibia sammt Tarsus eines Stenobothrus Sibiricus (f vergrössert. Colorit des frischen Zustandes. Fig. 2. Dieselbe durch Abschneiden einer Seitenfläche geöffnet ; a die Chitindecke, bb die weiche Haut, c' Musculus flexor latus, c" M. flexor tenuis, c'" M. extensor longus, c"" M. extensor brevis, dd Nervus tibialis, e der erweiterte Tra- chealstamm. Fig. 3. Die Zeichnung der zwei Schichten der Chitindecke bei stärkerer Vergrösser ung. Fig. 4. Die zwei Schichten der Cutis bei stärkerer Vergrösserung. Fig. 5. Ein Paar von Stenobothrus Sibiricus, um den vermuthli- chen Gebrauch der blasenf orangen Tibialerweiterungen (*) des Männchens zu zeigen, im Begriffe die Copula zu voll- ziehen (ideell). Heidelberg, 9. September 1863. Heber Hydrochoerus capybara. Von Dr. Adolph Böcking. Carpincho oder Cubia'i heissen die Spanier und nach ihnen auch die Zoologen den Vierfüssler, welcher von den Brasilianern Capybara, von den Indianern am Apure Chi- quirä und von den Guaranis in Paraguay Capiygua, d. i. Bewohner des Capiy, einer amaryllisartigen Sumpfpflanze, genannt wird ; bei den eingewanderten Europäern ist er allgemein unter dem Namen: „Wasserschwein" bekannt. Ein Schwein ist er aber nicht, führt also diesen Na- men mit Unrecht, sondern ein Nager und zwar nach un- seren heutigen Kenntnissen der Säugethierwelt, deren allergrösster Vertreter. Der alte Erxleben rechnete das Carpincho noch zu den Cavien, Brisson aber trennte es bereits 1762 davon ab und nannte es „Hydrochoerus capybara. Beide sind sich nahe verwandt und gehören zu der Unterabtheilung der Subungulaten, Halbhufer, unterschei- den sich aber ausser in Grösse und Farbe wesentlich dadurch von einander, dass das Carpincho seine drei Hin- terzehen durch halbe Schwimmhäute verbunden, die klei- nere Art getrennte Zehen, und die jederseits vier gleich- langen Kauzähne bloss mit zwei bis drei Lamellen hat, wogegen diejenigen der grösseren Art ungleich sind, besonders der hintere Backenzahn ist sehr lang und zehn und mehr Schmelzfalten besitzen. Diese blätterigen mit scharfeckig gebrochenen La- mellen versehenen Kauapparate sind dem Thiere deshalb nöthig, damit es seine nur aus Vegetabilien bestehende Nahrung breiartig zerkleinern, und so in die trichterförmig sehr eng sich verjüngende Schlundöffnung gelangen las- sen könne. Gröber zermalmtes Futter würde die Speise- röhre nicht passiren können, aber so vorbereitet wie es Bö c kin g: lieber Hydrochoerus capybara. 33 ist, erleichtert es dem Magen seine mechanische Thätig- keit schon , und desshalb ist dieser auch sehr einfach construirt und das ganze Darmsystem nur kurz. Der eigenthiimlichen Hautfalte ; welche bei beiden Geschlechtern die Genitalien umschliesst, gedenkt bereits Rengger, welcher das Thier sehr sorgfältig anatomirt hat; sie ist es, welche den Beobachter der Thiere in ihrer Eigenthümlichkeit den Irrthum begehen lässt zuerst sämmt- liche Individuen für weibliche zu halten, denn man sieht beide Geschlechter beim Uriniren sich hinten nieder- drücken und die genässte Stelle ist stets zwischen und etwas rückwärts der Fährten der hinteren Extremitäten. Ausgewachsen ist bei dem Cubiai zwischen Männ- chen und Weibchen kein bemerkenswerther Unterschied in der Grösse, beide haben dasselbe rauhe graubraune borstige Haar, welches stets zu dreien auf der Haut sitzt und so dick und tief eingewurzelt ist, dass man die Gruppirung noch auf dem verarbeiteten und geschorenen Fell erkennt. Beide haben ohne Nuancirung den vier- eckigen ungeschlachten Rumpf, den dicken vorn scharf schräg nach unten abgestumpften Kopf, aus welchem die mit einer äusseren Furche versehenen grossen Nagezähne hervorblicken. Beide haben statt des Schwanzes nur ein hornig- warziges Rudiment und als Träger des ganzen plumpen Gebäudes die kurzen muskulösen Extremitäten, welche vorn in je vier und hinten in drei Zehen endigen, deren Spitzen die hufartig umschliessenden auch in der Fährte kenntlichen Nägel das Criterium der ganzen Familie sind. Von den Lippen will ich noch bemerken, dass sie wulstig hervorragen und dem Thiere dazu dienen sein Futter, allerlei Sumpf- und Uferpflanzen und junge Baumschösslinge, damit zu fassen, bevor die Nagezähne dasselbe abbeissen. Ans einer gewissen Entfernung auf dem Lande ge- sehen, gleicht das Carpincho nicht übel einem zweijähri- gen Hausschweine; dies und seine laut grunzende Stimme (Azara sucht sie sonderbar genug durch die Silben A-pe wiederzugeben) , welche dasselbe erschreckt von sich Archiv f. Saturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 3 34 Böcking: giebt, mag für den Volksmund ebenso wie das Quieken bei den Cavien den Grund zu der Benennung Wasser- schwein und Meerschweinchen abgegeben haben. Geistige Fähigkeiten verräth das Cabiai gleich den meisten Nagern wenig, und von dem Kunsttriebe, der einige Familien der Ordnung charakterisirt, ist keine Spur bei ihm zu finden, bemerkenswerth aber ist dasselbe durch seine ungemeine Häufigkeit im ganzen tropischen und gemässigt warmen Südamerika. Oestlich der Cordilleren, vom Orinoco bis zum fünf und dreissigsten Grade südlicher Breite, in der Pampa wie im dichten Urwalde, überall wo Buschwerk, die gros- sen Ströme wie kleine Gefliesse umrandet, in jedem nur tiefe Lagunen besitzenden Sumpfe, ja selbst auf den Inseln im Brackwasser der Flussmündungen, selten hingegen an der eigentlichen Seeküste, sieht man seine Pfade im Schilf und Rohr, seine Fährten im Schlamm und auf den Sandbänken. In diesen Abdrücken erblickt man oft die Spur von Jaguaren und der Neuling wird dadurch leicht versucht, diese die Einbildung immer etwas aufregende Erschei- nung in halbverwischten Fährten unseres Thieres überall als ein Zeichen der Anwesenheit von solch unheimlichem Burschen zu schauen. Gottlob giebt es aber nicht so viele Unzen als Car- pinchos und diese Erkenntniss wird den Naturforscher wie Jäger also nicht von seinen Excursionen abhalten, die glyptische Schrift der Thierfährten seinem Geiste vielmehr zu fortgesetzter Forschung und zu einer in einem Lande wie das Südamerikanische Binnenland nie übel angebrachten Vorsicht ermahnen. Am häufigsten habe ich die Carpinchos an den klei- nen Flüssen der Banda Oriental, wie der Aguila, Maciel, Coladeras und der San Salvador sind, und ferner beson- ders auf den Inseln des Paranä, Uruguay und Laplata angetroffen, weniger in den Sumpfgebieten der genannten Gegenden, vor allen aber häufig auf den erwähnten nie- drigen jeder Ueberschwemmung ausgesetzten Eilanden. Ueber Hydrochoerus capybara. 35 Dort findet in dem dichten Gewirre von Unterholz, über welches nur die Sances, Laureles, Se'ibo's und Palmen her- vorragen, alles Wild Schutz und eine nie gestörte Ruhe, und dort erblickt man auch die das Thier kennzeichnen- de Loosung, welche länglich eirund wie polirt aussieht, hart zolllang und vier bis fünf Linien dick ist und sehr häufig und reichlich edirt wird und die ich, wenn tant de bruit pour si peu de chose am Orte wäre, niedlich nennen möchte. Diese fast nur mehr Holzfasern enthal- tenden und durch ihren kurzen Aufenthalt im Darmkanale durchaus noch nicht in Fäulniss übergegangenen Excre- mente, welche keinerlei assimilirbare Stoffe mehr enthalten, erklären einestheiis die grosse absondernde Thätigkeit der dem Anatomen nur muskelschwach sich zeigenden Ver- dauungsorgane, die alles was von Nahrungssubstanz in dem Genossenen enthalten ist, kräftig chemisch zersetzen und umbilden, und dadurch anderntheils die Fähigkeit des Thieres ausserordentlich fett zu werden ermöglichen. Weiter als dreihundert Schritte vom Wasser entfernt trifft man das Carpincho nie an ; in bewohnten Gegenden ist es Nachtthier und bringt den ganzen Tag schlafend zu, wird daselbst auch nur einzeln oder paarweise ange- troffen und ist äusserst scheu. Im Innern sieht man das- selbe in jeder Anzahl bis zu Vereinigungen von zwanzig bis dreissig Stücken an den Ufern zerstreut, entweder weidend oder, besonders zur Zeit der Siesta, hundeartig mit gekreuzten Vorderbeinen daliegend und den Kopf erhoben stundenlang, wie eine Statue unbeweglich der Verdauung obliegen. Nähert sich etwas Verdächtiges, von ihm stets eher durch Geruch und Gehör, als durch das Gesicht wahrgenommen, so erhebt es ruhig den Vor- dertheil oder steht ganz auf und blickt unverwandt nach der Richtung der Gefahr hin, geht, wenn es ihm nicht mehr geheuer scheint, in phlegmatischem Schritte den gebahnten Pfad entlang ans Wasser, senkt sich geräusch- los in dasselbe und schwimmt tauchend unter die Ufer- pflanzen, wo es die Schnauze allein über der Oberfläche hält, bis der Eindruck der Störung, der ihm jedoch lange bleibt, wieder verschwunden ist. 36 Böcking: Plötzlich aufgescheucht, lässt es sein lautes Grunzen hören und springt mit den vier Füssen zugleich, Gebüsch und Schilf durchbrechend, in weiten Sätzen mit solcher Kraft schräg ins Wasser, dass ich bei klarer Fluth seinen Körper bis dreissig Fuss unter der Oberfläche verfolgen und aus viel grösserer Tiefe noch die mitgenommene Luft in Blasen aufsteigen sah. Das Cabiai ist überhaupt ein zum Verhältniss seiner Grösse äusserst starkes Geschöpf, und halte ich die im Lande vielfach gehörte Beobachtung, dass man hie und da Individuen antreffe, welche deutliche Male einer Begegnung mit einer der grösseren Katzenarten an sich trügen, keineswegs für Uebertreibung. Es kann dabei selbstverständlich von einem längeren Kampfe nicht die Rede sein, überrascht die Unze aber das Thier nahe am Wasser, so besitzt es, wenn ausgewachsen, Stärke genug den Feind hinein zu schleppen, wo er loslassen muss, denn er kann nicht tauchen; das Carpincho bleibt aber mit Leichtigkeit fünf Minuten unten. Verlegt der Schütze dem Thiere den Pass zum Wasser und verwundet es, so muss er vier starke Hunde haben, die scharf anpacken, wenn sie ihm mit Erfolg wi- derstehen und seiner Meister werden wollen. Ist die Natur der Verwundung so, dass es die Hunde noch überrennen kann, so greift es vorab stets zu diesem Mittel, was ihm auch gelingt und wären der Gegner noch so viele ; ist es aber so getroffen, dass ein Knochen- bruch sein Entkommen verhindert, so setzt es sich muthig zur Wehr und macht den gefährlichsten Gebrauch von seinen langen Schneidezähnen, verendet auch ohne einen Laut des Schmerzes von sich zu geben. Gelingts ihm das Wasser zu erreichen, so stirbt es in der Tiefe und ist dann für den Jäger stets verloren ; es entwickeln sich in dem lauen Wasser sehr rasch die Gase in den Höhlen des Körpers und hierdurch an die Oberfläche gehoben ist es dann bei der bereits eingetretenen Gährung schon allen Gebrauchswerthes baar. Wenn ich, den wüthendsten Stichen der Mosquitos oder einem anderen plötzlichen Besuche auszuweichen, in Ueber Hydrochoerus capybara. 37 die Krone eines Uferbaumes gestiegen war, um von oben aus den Anstand auf die mannichfachen Thiere der dor- tigen Breiten auszuüben , habe ich zum öftern unter mir herschwimmende Cabia'is aus nächster Nähe und durch den Kopf geschossen, immer aber war die Erfolglosigkeit meiner Tödtung dieselbe. Otter und Nutria schwimmen ans Land um zu verenden, oder treiben wenigstens noch lange genug oben auf um gefasst werden zu können, das Carpincho sinkt lautlos unter, eine Beute der Tarrar'is, Dientudo's, Mojarito's, Bagre's und Dorado's oder wie die Fische der Tropen alle Namen haben mögen. Steht der Schütze wohl verborgen und hat übrigens sein Wild gefehlt, so schreckt das Carpincho nicht etwa auf, sondern horcht ruhig, wie noch mehrere andere Thiere derselben menschenleeren Regionen, auf und man hat Zeit einen besser gezielten Schuss zu thun; oder es geht, wenn ihm Witterung von dem Pulverdampfe kömmt, in der eben beschriebenen philosophischen Weise seinem schützenden Elemente zu. Das Wildpret schmeckt nicht sonderlich, es ist selbst in richtiger Weise zubereitet weichlich und seines unge- heuren Fettgehaltes wegen im dortigen Klima nicht ge- sund zu essen. Man schiesst es eigentlich nur, um es als Köder für die Raubthiere zu gebrauchen. Die Unze, der Chibi-guazü, die Gatös del monte, der Aguarü, der Fuchs und die Stink- und selbst Gürtelthiere werden durch den Geruch eines frisch getödteten Carpinchos häufig angelockt und dabei erlegt; besonders die beiden Gatos del monte (Felis yaguarundi und eyra) sind oft schon eine Viertelstunde nach Legung an der verhäng- nissvollen Lockspeise, und können auf andere Weise, we- gen ihrer äussersten Scheue kaum erlegt werden. Was das Familienleben anbetrifft, so lässt sich dar- über nicht viel sagen, es ist ein theilnahmloses Zusammen- sein beim Fressen, wohl mehr durch Anhänglichkeit des Thieres an seinen Geburtsort und den Instinkt der grös- seren Sicherheit bei vermehrter Zahl, als durch Zuneigung der Individuen unter einander hervorgebracht; nur um den November, in welchem die Paarungszeit ist, hört man 38 Böcking: häufiger ihr lautes Geschrei, und ist man in ihrer Nähe, das Plätschern und Springen der Thiere im Wasser. Ob das Männchen monogamisch oder mit mehreren Weibchen zusammen lebe, habe ich aus eigener Beobach- tung nicht constatiren können, ich neige mich aber der Meinung der Gauchos , welche sie polygamisch leben lassen, zu. Im vorgerückten Frühjahre erblickt man die Weibchen mit ihren drei bis vier Jungen schon auf der Weide und zwar friedlich unter und neben den Uebrigen jederlei Alters und Geschlechts. Die Jungen ähneln den Alten durchaus und in allen Stücken, halten sich aber im Gefühl ihrer Wehrlosigkeit stets unmittelbar am Wasser auf. Zu der nämlichen Zeit kann man häufig die Mutter mit den Kleinen Abends ohne Geräusch und langsam in den Bächen stroman schwimmen sehen, wobei die Nach- kommenschaft sich durch etwas hastigere Bewegungen als die Mutter auszeichnet. Die letztere schwimmt den Rücken hoch über das Wasser erhoben , senkt sich aber sobald die Jungen ihr durch Kratzen zu erkennen geben, dass sie müde sind, und lässt sie dann alle auf sich klettern. Dies duldet sie kurze Zeit, wird es ihr zu lang, so schüttelt sie dieselben herunter oder zwingt sie durch Untertauchen zu weiterem Schwimmen. Erweckt man gut verborgen die Aufmerk- samkeit der Gesellschaft in solchem Augenblicke durch ein leichtes Geräusch, wie das nachgeahmte Pfeifen einer Maus, so w-enden sich sogleich alle Köpfe bis an die Augen im Wasser nach dieser Richtung und bleiben so einige Momente unbeweglich ; das Knacken eines Zweiges aber oder ein Ruf und sie tauchen blitzschnell unter, um sich denselben Abend nicht wieder zu zeigen. Ausgewachsen wird das Carpincho viertehalb bis vier Fuss lang und etwas über anderthalb Fuss hoch und erreicht je nach der Jahreszeit ein Gewicht von drei bis vier span. Aroben. Dass das Carpincho zähmbar, unterliegt keinem Zwei- fel, es wird aber selten hierzu gewählt, weil ihm alle und jede geselligen Empfehlungen abgehen. Ich sah längere Zeit ein halberwachsenes Exemplar in Buenos - Ayres, Ueber Hydrochoerus capybara. 3 9 welches auf dem Paseo zwischen den beiden Muelles vergeblich jeden Tag zum Verkaufe ausgeboten wurde; das Thier war gut genährt und durch keine Kette gehal- ten, meistens lag es im Schatten der Ombus und schaute mit leerem Blicke die Vorübergehenden an, zeigte aber keine Anhänglichkeit an den Knaben, der es besass, noch zeigte es Verständniss für dessen Liebkosungen oder die Neckereien anderer; wurden ihm letztere zu fühlbar oder bekam es Hunger, so lief es in seinen nahe dabeigele- genen Hof. Schaden richtet das Carpincho dem Menschen durch- aus nicht an, denn das gelegentliche Benaschen der Was- sermelonen einer Chacra ist nicht in Rechnung zu bringen; ebenso aber auch ist der direkte Nutzen gering, das Fell allein wird gebraucht. Frisch in Streifen geschnitten dient es den Brasilia- nern und Gaucho's beim Bauen der Ranchos dazu, die Bambusröhre quer über die Dachsparren zu binden, später trocknen und schrumpfen diese Riemen unter der Bedek- kung von Binsen oder Palmblättern ein und bilden ein so zähes und festes Dachgefüge, dass es einem starken Sturme widerstehen kann. Gegerbt wird es zu Fussdecken, Pantoffeln u. s. w. benutzt, ist weich und schmiegsam, aber zugleich auch dick und schwammig und so dem Eindringen der Feuch- tigkeit und raschem Verschleisse unterworfen. Bringt man aber von anderer Seite den Haushalt der Natur mit der menschlichen Oeconomie in Bezug auf unseren Nager in Verbindung, so ist uns der Nutzen, den er indirekt durch seine ihm in der Reihe der Thiere auferlegte Mission erfüllt, gewiss von unberechenbarer Bedeutung. Das Carpincho ist es, welches dem Menschen seine der Eigentümlichkeit der dortigen Boden- und Clima- verhältnisse angepasste und lucrative Beschäftigung der Viehzucht in vielen Strichen allein ermöglicht, also im weiteren Sinne einen Hauptfactor der Civilisirbarkeit jenes noch so dünnbevölkerten Continents mit abgiebt. Soll der Mensch auf der nicht zu umgehenden Cul- 40 Böcking: Ueber Hydrochoerus capybara. turstufe des Hirtenlebens neben grossen Raubthieren, die auszurotten selbst in unserer Zeit der Reisen und ver- vollkommneten Waffen noch eine Unmöglichkeit ist, exi- stiren können, so muss, damit das Gleichgewicht des Thierlebens bestehe, ein Mittelglied da sein, auf dessen Kosten und zu unserem Vortheile jene grossen Würger ihr Dasein fristen können. Wo ein solches Mittelglied fehlt, wie im französischen Algier, wo der Mensch nach seiner tausendjährigen Geschichte des Löwen immer noch nicht Meister 'geworden ist, derselbe vielmehr nach wie vor seine Verwüstungen unter den Heerden anrichtet, da ist ein rasches Vordringen milderer Sitten von den Küsten nach dem Innern des Landes zu unmöglich. Das Carpincho ist eine grosse Zeit des Jahres hin- durch die Hauptbeute des Jaguars und Cuguars, des Si- morrons und des Quebranta-huesos (Harpyia americ. Cuv., des Haubenadler), vor allem in der Periode, wo deren junge Brut die Verwüstungen der Alten zu einer Plage der umliegenden Estancias und Plantagen machen würde. Das überall häufige und mit wenig Sinnenschärfe begabte Cabiai beschützt vor allem die Schafheerden durch seine Existenz, und veranlasst jene wander artigen Raub- züge der Jaguarfamilien im Herbste. Und in der That, bei der grossen Häufigkeit der Raubthiere an den Ufern der Tributaire des La-Plata hört man verhältnissmässig selten von Ueberf allen derselben auf die Hausthiere. Dies wissen auch die Gaucho' s. Mit der grössten Sorglosigkeit habe ich dieselben den Bericht aufnehmen hören, dass ich bei meinen Gängen da oder dort verdäch- tige Tatzen abgedrückt gesehen hätte. „Ya sabemos, no faltan los Carpincho ¥ (Wir wissen schon; es ist kein Mangel an Carpinchos) ; war ihre laco- nische Antwort, und wo der Europäer sein laufendes Ei- genthum mit der Büchse Nachts bewacht und sich nutzlos abgemüdet haben würde, schliefen sie ruhig sammt ihrem Vieh, weil die Carpinchos da waren. Enkirch, im Mai 1863. Beiträge zur Ornithologie Chiles. Von Dr. R. A. Philippi und L. Landbeck in Santiago. In seiner Historia fisica y polytica de Chile. Tom. I. p. 235 seq. beschreibt Herr Gay drei verschiedene Ha- bi cht- oder Sperber- Arten, und zwar : 1) Accipiter magnirostria Linn., einen Vogel, welcher über einen grossen Theil von Amerika verbreitet ist. Herr Gay sagt 1. c. , dass er in den mittleren Theilen Ame- rika's gemein genug, in Chile aber selten sei, bei den Araucanern den Namen Nanca, bei den Chilenen Nanqui erhalten habe. Dabei wurden über Lebensart, Nistweise, Farbe der Jungen u. s. w. ziemlich ausführliche Nachrich- ten mitgetheilt, woraus hervorgehen dürfte, dass der Vo- gel nicht so gar selten sein kann. 2) A. püeatus Pr. Max. Prinz Maximilian von Wied, J. Natterer undAg. Saint Hilaire brachten diesen Vogel aus Brasilien und d'Orbigny aus Bolivia und Herr Gay fand ihn in Chile. 3) A. Cooperi Bonap. Eigentlich ein Vogel Nord- amerika's; Herr Gay sagt aber, xlass derselbe über ganz Amerika verbreitet sei und auch in Chile bis nach Ma- gellanos sich finde. Darwin, Pöppig, Kittlitz, Lesson und Cas- sin erwähnen keines Chilenischen Sperbers in ihren Rei- sewerken, ebensowenig Bridges; dagegen war der Freiherr von Bibra von Nürnberg, welcher sich, wenn wir nicht irren, im Jahre 1851 oder 1852 einige Monate 42 Philippi und Landbeck in Chile aufgehalten hat, so glücklich ein Paar chilenische Sperber zu bemerken. Er sagt in seinem Berichte vom Jahre 1853: „Accipüer palumbarius am er icanus Wilson t. 52 fig. 3. Acc. atricapillus Bonap. In Santiago und dem nördli- chen Chile.« „Accipüer pileatus (Falco — Max. Wied) Temm. Col. 205. Ich habe diesen zierlichen schlankgebauten Yogel nur einigemal etwa 12 Stunden von Valparaiso in der Nähe eines Teiches getroffen.« (Hat ohne Zweifel junge Circus cinereus gesehen!) Herr Hartlaub giebt in der Naumannia vom Jahre 1853. p. 220 ein Yerzeichniss der mit Sicherheit als Chi- lenisch bekannten Vögel und führt in demselben zwei Sper- ber-Arten auf, nämlich Nisus pileatus Pr. Max. und Nisus erythro cnemius G. R. Gray. Demnach gäbe es in Chile fünf Sperber arten : 1) Accipiter magnirostris L. nach G ay. 2) — pileatus Pr. Max. nach Gay, Bibra, Hartlaub. 3) — ■ Cooperi Bonap. nach Gay. 4) — palumbarius americ. Wils. nach Bibra. 5) — erythrocnemius G. R.Gray nach Hart- laub. Leider ist uns eine Beschreibung der letzteren Art nicht zugänglich. Wir beide, seit 10 und 12 Jahren in Chile anwe- send und eifrigst bemüht, die hiesigen Vögel so vollstän- dig wie möglich zu sammeln, waren bisher nicht so glücklich wie unsere Vorgänger, denn wir fanden überall von Norden bis Süden nur eine einzige Art, welche sonderbarer Weise keiner der ersten vier oben angeführ- ten angehört, indem sie durch keine der uns bekannten Beschreibungen charakterisirt ist, wahrscheinlich aber, nach dem Namen zu urtheilen, A. oder N. erythrocnemius ist. Da die von uns vielfach beobachtete und erlegte Art in ganz Chile gemein genug ist, so ist nicht anzunehmen, dass sie den erwähnten Naturforschern entgangen sein Beiträge zur Ornithologie Chiles. 43 sollte, um so weniger, als das, was Herr Gay über die Lebensart des Nanqui sagt, selbst mit Einschluss der Vulgairbenennung, ziemlich gut auf unseren Yogel passen könnte, während dagegen die Beschreibung weit entfernt ist, unseren Yogel zu bezeichnen. Die Gründe dieser sonderbaren Abweichung in den Beschreibungen wollen wir nicht näher untersuchen und bemerken nur, dass die Benutzung einzelner Individuen leicht zu Irrthümern Veranlassung geben kann, indem unser Sperber wahrscheinlich drei Jahre zur völligen Aus- bildung seines Hochzeitkleides nöthig hat, dass es also mehrere und zwar so verschieden gefärbte Kleider unse- res Vogels giebt, dass man, ohne die Uebergänge zu be- sitzen, leicht versucht werden kann, alte und junge Yögel für zwei sehr verschiedene Arten zu halten. So z. B. stimmt die Beschreibung der Jungen des A. magnirostris S. 236 in Gay einigermassen mit den Jungen von unse- rem Yogel, nur trifft die Anzahl der Flügel- und Schwanz- binden nicht zu. Da der hiesige Sperber, wie bereits erwähnt, gemein genug ist, so hatte es keine besondere Schwierigkeit den- selben in seinen verschiedenen Alterszuständen, also im Nest- und ausgefärbten *) so wie im Uebergangskleide von jenem in dieses zu erlangen, und wir geben, um allen Verwechslungen und Irrthümern für immer vorzubeugen, hiernach ausführliche Beschreibungen derselben. AcGipiter chilensis nov. spec. Ph. et Ldb. an erythrocnemius R. A. Gray? Artkennzeichen. Der Schwanz hat 5 — 8 helle und ebensoviel dunkle Querbinden und stets eine weisse Spitze. *) Es ist übrigens höchst sonderbar und uns unerklärlich, woher es kommen mag, dass man so äusserst selten alte Vögel findet; so dass es leichter ist, ?0 junge x als nur 1 alten zu erlegen. 44 Philippi und Landbeck: Beschreibung: Männchen. Weibchen. Totallänge (Paris. Maass) > 1' 2" — W V 4" 5'" Schnabel vom Mundwin- kel an — — 9 — 1 — Schnabel über der Bug . — ■ — 9 — ■ 1 — Schwanz — 6 6 — 8 — ■ Breite 21— 2 6 — Flügel vom Bug bis Spitze — 7 8 — 9 — Tarsus — 21 — 26 Mittelzehe ohne Nagel . . — 14 — 16 deren Nagel .... 6 7 Aussenzehe 10 — -1 — deren Nagel .... 5 6 Innenzehe — — 8 11 deren Nagel .... 7 — • — 9 Hinterzehe 7 10 deren Nagel . . . . 7 9 Die Flügel endigen vor der Schwanzspitze .... — 3 6 — 4 3 Männchen und Weibchen sind in der Grösse, aber nicht in der Färbung verschieden, höchstens bemerkt man beim ersteren etwas lebhafteres Rostroth. Schnabel: vordere Hälfte schwarz, Wurzelhälfte schön hellblau ; Wachshaut so wie die nackte mit schwar- zen Borstenhaaren besetzte Haut zwischen Auge und Schnabel, Zügel, gelbgrün bis hellgelb ; Augenlied zitro- nengelb, Auge schwefelgelb, bei Jungen grüngelb; Tarsen grünlichgelb, besonders an den Zehen ; Nägel an der Wur- zel horngraubraun, an den Spitzen schwarz. Alter Vogel. Die ganze Oberseite dunkel russbraun, etwas schimmernd, aber einfarbig, ohne lich- tere Federränder, nur auf der Haube dunkler, fast schwarz. Wangen und Ohren ebenfalls russbraun; Kinn und Kehle weisslich mit schwarzen Schaftstrichen und graubräunlichen Federrändern, so dass diese Stelle etwas trübe aussieht ; die Grundfarbe der übrigen Unterseite bis zum After ist bei sehr alten Vögeln rostbraun, auf der Brust etwas aschgrau überlaufen ; mit feinen schwarzen Beiträge zur Ornithologie Chiles. 45 Schaftstrich en , jede Feder hat zwei bis drei weisse, schwärzlich eingefasste Querbinden oder Querflecken, wel- che nicht überall quer durch die ganze Feder gehen, wo- durch häufig rostbraune mit der Spitze nach unten ge- kehrte Dreiecke gebildet werden ; bei etwas jüngeren jedoch ganz ausgefärbten Vögeln ist das Weiss mehr vorherrschend und alsdann sind die rostfarbigen Bänder schwarz eingefasst. Bei ganz alten Vögeln ist die Schien- beinbefiederung, die Hosen, einfarbig lebhaft rostroth, bei jüngeren ebenso roth, aber jede Feder mit breitem weissen Saume. Die After- und Unterschwanzdeckfedern weiss, bei älteren mit einigen braunen oder schwarzen Spitzen- flecken, bei jüngeren ungefleckt. Die Schwungfedern sind an den Aussenfahnen und vom Ausschnitte der Innenfahne an russbraun mit 6 — 7 schwarzen Querbinden, von der Wurzel bis zum Ausschnitte ist das Russbraun durch Weiss ersetzt, was auch auf sämmtlichen Federn an der Unterseite der Fall ist, indem diese Seite weiss und schwarz qu ergebändert erscheint. Die Unterflügeldeckfedern sind rostroth, die vordem mit dunkeln Spitzenflecken, die hin- tern mit weissen Querbinden. Auf ähnliche Weise wie die Schwungfedern sind auch die Schwanzfedern gezeichnet und gefärbt. Der Schwanz ist auf der Oberseite russbraun mit fünf bis acht schwarzen Querbinden (das Männchen hat gewöhnlich fünf, das Weibchen sechs Binden, acht sind bei letzterem seltene Ausnahmen); die Spitze auf beiden Seiten rein- weiss, die Unterseite schwarz und weiss quergebändert. Die Wurzeln der Kopf-, besonders der Genickfedern, sind schneeweiss, was jedoch nur bei Lüftung dieser Federn bemerkt wird. Jugendkleid: Oberseite graubraun bis schwarz- braun, die meisten Federn an der Spitze rostbraun ein- gefasst und mit verdeckten weissen Querbinden, wovon diejenigen nach der Spitze zu etwas halbmondförmig sind, jedoch bei ordentlich gelegtem Gefieder nicht sichtbar sind. Die Hinterhals- und Nackenfedern haben breite rostrothe Seiten, so dass das Schwarze mehr wie ein grosser Keilfleck erscheint; die Haube ist ebenfalls dunkler 46 Philippi ued Landbeck: als der Rücken und jede Feder zart rostroth gerändert. Bei manchen, besonders Männchen, befindet sich im Genick ein grosser weisser Fleck mit schwarzen Keilstrichen, die Schwung- und Schwanzfedern sind ebenso gefärbt, wie beim alten Vogel. Die Unterschwanzdeckfedern sind aber weiss ohne Spitzenflecken und die Unterflügeldeck- federn ganz licht rostweiss mit runden schwarzen Spitzen- flecken. Die ganze Unterseite ist lehmgelblich mehr oder weniger licht mit schwarzen lanzettförmigen Längsflecken, auf den langen Seitenfedern mit zwei breiten schwarzen Querbinden und einem runden Spitzenfleck, wodurch alle Aehnlichkeit mit dem alten Vogel verschwindet. Bei einigen wenigen Individuen sind nur die Brust- und Bauch- seiten auf die erwähnte Weise gefleckt. Kinn und Kehle ebenfalls mit schwarzen Längsfleckchen. Die Hosen beim Weibchen lehmweiss, beim Männchen roströthlich, jede einzelne Feder mit zwei oder drei braunen Querbinden und einem dunkeln Fleck vor der Spitze, wodurch die Schienbeinbefiederung quergewellt erscheint. Im Uebergangskleide sind die Federn des Ju- gendkleides mit denen des ausgefärbten vermischt. Der chilenische Sperber bewohnt den grössten Theil von Chile, wenigstens bemerkten wir denselben von der Provinz Aconcagua bis nach Chiloe, am häufigsten aber in den Umgebungen der Stadt Valdivia. Er bewoht da, wo es, wie im Süden, grosse Wälder giebt, gewöhnlich die Ränder derselben, in den Central-Provinzen die nie- drigen Ausläufer der Cordillere, Gebüschwälder mit ein- zelnen grösseren Bäumen gemischt, auch Baumfelder, gewöhnlich nicht fern von den Ansiedelungen, indem es hier die meisten kleinen Vögel, Tauben, Drosseln, Fin- kenarten und junge Haushühner giebt, von welchen er ein besonderer Liebhaber zu sein scheint. Stehen in der Nähe eines Gehöftes hohe alte Bäume, so wählt er sich diese aus, um darauf seinem Opfer aufzulauern, auf das er schief hinunterstösst, es mit seinen Krallen ergreift und im ununterbrochenen Fluge durch die Luft davon fährt, bis er eine versteckte passende Stelle findet, auf welcher er seinen Raub verzehren kann. Solcher Stellen Beiträge zur Ornithologie Chiles. 47 findet man viele an den Waldrändern durch ein Häuf- chen Federn des erbeuteten Vogels bezeichnet. Das ziem- lich grosse und starke Weibchen wagt sich zuweilen auch an erwachsene Hühner, ist aber ein streitbarer Hahn in der Nähe, so wird es durch den wüthenden Ueberfall desselben wieder verjagt. Wir schössen einmal in Val- divia in der Zeit einer halben Stunde zwei Weibchen, welche auf unserem Geflügelhofe alte Hühner anfielen. Seine Lieblingsnahrung scheinen aber hauptsächlich Dros- seln zu sein, welche grosse Angst verrathen, wenn ein Sperber langsam durch die Lüfte segelt, um einen Raub auszuspähen. Er erbaut sein Nest aus Reisern, wie der europäische Sperber, in den Astgabeln hoher Waldbäume und heckt vier bis sechs Junge aus. Die Grösse und Farbe der Eier können wir jedoch nicht angeben, da es uns bis jetzt nicht gelungen ist, in deren Besitz zu kommen. Chlorospiza plumbea Ph. et Ldb. Artkenn zeichen: Das alte Männchen. Sämmtliche kleine Federn, so wie die Ränder der Flügel- und Schwanzfedern sind bleigrau; das Weibchen lerchenfarbig gefleckt, Beschreibung: Ganze Länge (paris. M.) . . — 5" 6'" Schnabel lang — — 5 hoch — — 3 breit — -— 2 Schwanz — 2 5 Flügel vom Bug bis zur Spitze — 3 6 Schienbein — 1 4 Ferse — — 10 Mittelzehc — — 9 Aussenzehe — — 7 Innenzehe — — 7 Hinterzehe — — 8 wovon der Nagel die Hälfte einnimmt. 48 Philip pi und Landbeck: Der Flügel endigt 10'" vor der Schwanzspitze. Die lste und 5te Schwungfeder sind gleich lang, die 2te und 3te gleich lang und die längsten des Flügels, die 4te wenig kürzer; die 2te bis 5te an der Spitze deut- lich verengt. Schwanz etwas ausgeschnitten. Der Schnabel ist klein, schwach, seitwärts stark zu- sammengedrückt, der Oberschnabel am Rande besonders stark eingezogen, hornblau, der untere etwas lichter. Iris dunkelbraun, die Augenlieder weiss befiedert. Tarsus und Zehen nicht stark, die langen stark gebogenen, ziemlich spitzigen Nägel stark comprimirt mit Seitenfurchen, horn- braun. Die Hauptfarbe des ganzen Vogels ist ein schö- nes Bleigrau, die Halsseiten und die ganze Unterseite etwas lichter als der Rücken, Bauch und Rücken mit zar- ten olivengrünlichen Federrändern. Sämmtliche Schwung- und Schwanzfedern sind grauschwarz und haben Ränder von der allgemeinen bleigrauen Färbung des übrigen Ge- fieders. Die Unterschwanzdeckfedern sind ziemlich breit weisslich eingefasst, die Unterseite der Flügel ist hell- aschgrau. Das Weibchen ist in der Färbung vom Männ- chen gänzlich verschieden. Die Hauptfarbe ist ein fahles braungrau, oben dunkler, unten lichter, fast schmutzig weiss, auf Kopf, Rücken, Schultern, Hals, Brust und Bauch schwarzbraun gestreift, indem jede Feder einen breiten Längsfleck von dieser Farbe hat ; Bürzel und Oberschwanzdeckfedern aschgrau, bräunlich überlaufen, ohne Fleckung. Flügel- und Schwanzfedern , auch die Deckfedern jener sclrwarzgrau, lichtbraun eingefasst. Die Jungen sind dem Weibchen ähnlich, im Gan- zen aber lichter, mehr fahl gefärbt als dieses. d'Orbigny in seinem Reisewerke Tom. IV, 3. p.361. Tab. 45. fig. 2 beschreibt und bildet einen ähnlichen Vo- gel ab (als Emberiza carbonaria), welcher am Rio negro und Patagonien gefunden wurde. Allein bei genauerer Vergleichung ist unser Vogel nicht damit zu verwechseln, indem E. carbonaria gelben Schnabel und gelbe Füsse (pieds et bec janne brillant, wie d'Orbigny sagt) hat, welche Theile bei unserem Vogel schwarzblau und dun- Beiträge zur Ornithologie Chiles. 49 kelbraun sind; ferner ist bei E. carbonaria die Schnabel- Umgebung und Unterseite des Körpers am dunkelsten schie- ferschwarz, bei unserem Vogel diese Theile am hellsten, endlich ist E. carbonaria auf dem Rücken und den Schul- tern dunkel gestreift, unser Vogel aber ohne alle Flecken. — Grössere Achnlichkeit 'hat das Weibchen von Ch. plumbea mit dem Weibchen von Ch. xanthogramma Gray, allein dieses ist grösser, robuster und hat einen weit dickeren, sperlingsartigen Schnabel , so dass eine Ver- wechselung nicht wohl möglich ist. Die ersten Exemplare dieses Vogels erhielt das Mu- seum im Juli 1854 aus der Nähe der Stadt Santiago, vom Cerro de San Cristobal, wohin sich die Vögel des Schnees halber, welcher ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, die hohe Cordillere, bedeckte, zurückgezogen hatten. Sonst lebt derselbe in Höhen von 6 — 80C0' über dem Meere in den Cordilleren der Provinzen Santiago und Colchagua. Wir fanden den Vogel nicht selten in Las Aranas, Valle larga, Yceba locau. s. w. und ziemlich häufig im December 1860 in der Cordillera der Hacienda, la Puerta, Provinz Colchagua, in einer Höhe von 5—6000', wo er auf kahlen oder mit wenigem Strauchwerk und vielen Steinen und Felsblöcken bedeckten, steilen Abhängen sich aufhielt. Er singt fliegend oder auf den Spitzen der Felsblöcke sitzend, ziemlich unbedeutend, fast wie der chilenische Pieper und Lerchenfink. Er setzt sich auch auf Baum- gipfel und ist nicht scheu. — Er macht ein ziemlich ge- räumiges weiches Nest von Grashälmchen, Federn und Thierhaaren in Felslöchern gewöhnlich unter Gestrüppe und legt 4—5 reinweisse Eier. Seine Nahrung besteht in Sämereien und Insekten. — Weiteres ist über seine Lebensart nicht bekannt. Sycalis auriventris Ph. et Ldb. Artkennzeichen: Die 2te Schwungfeder ist die längste, die lste und 3te sind gleich lang und wenig kürzer als die 2te, die grossen Flügeldeck- und Schwungfedern licht gerändert ohne alles Gelb. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 4 .;;/ 50 Philip pi und Landbeck: Beschreibung : Totallänge 6" Schnabel lang — 5' hoch — 31/2 breit — 3 Schwanz 2 3 Breite 11 ~ Flügel vom Bug bis zur Spitze . 3 6 Schienbein 1 Tarsus — 8 Mittelzehe sammt Nagel .... — ■ 8 Aussenzehe sammt Nagel ... — 6 Innenzehe sammt Nagel .... — 6 Hinterzehe sammt Nagel ... — 7 Die mittleren Schwanzfedern sind um 3"' kürzer als die äussern, der Schwanz bildet also eine schwache Gabel. Oberschnabel ziemlich gebogen, an der Stirn mit einer erhöhten Schneppe verlaufend, vor den weit auseinander stehenden Nasenlöchern ziemlich stark gewölbt aufgetrie- ben, nach vorn sich verschmälernd, aber rundlich; der Unterschnabel gerade und konisch verlaufend, beide Hälf- ten hornblau. Tarsen hornbräunlich, sehr licht, die ziem- lich starken Nägel braun. Iris dunkelbraun. Altes Männchen: Kopf, Hals und die ganze Un- terseite hochgoldgelb, an Brust- und Bauchseiten asch- grau überlaufen, am After weisslich, an den Unterschwanz- deckfedern schwarzgrau gestreift ; auf Kopf und Hinterhals olivengrünlich überlaufen (bei sehr alten Männchen jedoch fast ebenso lebhaft gelb wie die Unterseite). Rücken und Schultern olivengrünlich mit schwarzem Schaftstriche in jeder Feder und weisslichen Rändern; Unterrücken, Bürzel und Oberschwanzdeckfedern gelb, olivengrün überlaufen mit sehr feinen dunkeln Schaftstrichen. Schwanzfedern dunkelbraunschwarz, sämmtliche Federn an der Aussen- fahne breit gelb gekantet und zwar an der äusseren und nach der Wurzel zu breiter und schöner. Flügel etwas Beiträge zur Ornithologie Chiles. 51 lichter braunschwarz, die kleinsten Deckfedern am Buge und Vorderrande olivengelb, sämmtliche übrige Federn fahlgrau eingefasst. Unterseite des Flügels grauweiss, die Deckfedern am Rande des Vorderarmes blassgelb. Altes Weibchen. Es hat im Allgemeinen die- selben Farben wie das Männchen , aber verblichener, schmutziger und heller. Die Rückenfedern haben nicht nur einen dunkein Mittelstrich, sondern der grössere Theil der Federn hat in der Mitte einen graubraunen Fleck, auch die grünlichen Kopifedern sind schwarzbraun ge- fleckt, so dass keine der beiden Farben dominirt. Unter- rücken und Bürzel sind olivengraugrün mit braunen Schaftstrichen und graulichen Rändern. Die seitliche Ein- fassung der Schwanzfedern ist noch am reinsten gelb. Die aschgraue Einfassung der Flügelfedern des Männchens sind hier fahlbräunlich. Die Unterseite ist trübe schwe- felgelb, aber durch fahlweisse Federränder verdeckt ; Hals-, Brust- und Bauchseiten fahlgraubräunlich mit braunen Schaftstrichen. Im Winter kleide sind die lebhaften Farben durch lichte Federränder etwas verdeckt, welche sich im Früh- linge abreiben, wodurch das in reinen Farben prangende Sommerkleid entsteht. Das Gefieder ist im Ganzen harsch oder straff, und es reiben sich daher die zarten Nebenfähnchen der Federn schnell ab, wozu noch das Ausbleichen durch die Sonne kommt, indem der Vogel sich gewöhnlich auf der den Sonnenstrahlen ausgesetzten Felsspitzen aufhält. Gegen Ende des Sommers ist daher die Befiederung in einem etwas defekten Zustande, was der Schönheit des Vogels bedeutenden Eintrag thut. Junger Vogel. Schnabel horngrau, Unterschnabel hell bleigrau. Iris graubraun; Fuss lichthornbräunlich, die Nägel horngrau. Oberseite erdbräunlich, mit rostbräun- lichem Ueberfluge; Bürzel und Oberschwanzdeckfedern ockergrünlich, sämmtliche Federn in der Mitte dunkel. Schwanz schwarz, an den Rändern rostweisslich einge- fasst, an der Aussenfahne der Wurzelhälfte schön grün- lichgelb; sämmtliche Flügelfedern etwas fahlschwarz mit 52 Philipp! und Landbeck: breiten lichtrostfarbigen Einfassungen, welche jedoch an den Schwungfedern erster Ordnung schmal und nur weiss- lich sind. Backen, Seitenhals und Kehle graugelblich, die übrige Unterseite lehmgelb , am After und Unter- schwanzdeckfedern am lebhaftesten, letztere mit dunkeln Schaftstrichen; Unterseite der Flügel atlasglänzend grau. Dies ist die Beschreibung des Männchens. Das Weib- chen ist demselben ähnlich, aber im Ganzen dunkler, mehr braungrau, auf der Oberseite fehlt das Rostfarbige und die dunkeln Flecke der Federmitte sind breiter; die Unterseite ist im Ganzen lichter, Kehle, Hals und Brust wcissgraugelblich, ebenso die Bauchseiten, die Bauchmitte weiss, Unterschwanzdeckfedern wie beim Männchen. Der Federwechsel beginnt im März. Unser Vogel hat grosse Aehnlichkeit mit einigen verwandten Arten, welche die Cordilleren von Bolivia und Peru bewohnen. Am nächsten steht er wohl der Emberiza luteocephala d'Orb. (vergl. dessen Reisewerk T.IY. P.S. p. 360. Tab. 44. fig. 2, wo d'Orbigny sagt: „E. supra tota fusco-cinerea etc., alae dorso concolores, tectricibus minoribus totis, mediis margine tantum, extus flavo-olivascentibus; remigibus nigris, primariis totis, apice excepto, margine extus late flavis, secundariis cinereo mar- ginatis etc.") , mit der er wohl verwechselt werden könnte, wenn man beide nur oberflächlich betrachtet. Bei genaue- rer Yergleichung findet man jedoch bedeutende Verschie- denheiten: 1) in der Rücken-, Bürzel- und Flügelfarbe, welche bei E. luteocephala einfarbig braungrau, ohne alles Gelb oder Grün, bei unserem Vogel aber olivengrün, grau gerändert und schwarz gestreift, auf Bürzel- und Ober- schwanzdeckfedern aber schön gelbgrün ist; 2) in der Farbe der Ränder der Flügelschwung- und Deckfedern, welche bei ersterem grösstentheils lebhaft gelb, bei letz- terem hell fahlgrau sind und keine Spur von Gelb zeigen; 3) in den plastischen Verhältnissen : Beide Vögel sind ungefähr gleich lang, nämlich 160 Mm., bei E. luteoce- phala misst der Flügel vom Bug bis zur Spitze aber nur 85 Mm., bei unserem Vogel dagegen 97 Mm. , wonach derselbe 12 Mm. längere Flügel besitzt, was von grosser Beiträge zur Ornithologie Chile . 53 Bedeutung ist; bei jenem ist der Schwanz 50 Mm., bei diesem 60 Mm. lang, abermals ein Unterschied von 10 Mm. Diese Unterschiede dürften vollkommen geniigen, um beide Vögel specifiseh zu unterscheiden und jede Ver- wechselung unmöglich zu machen. In Peru leben zwei unserem Vogel sehr ähnliche Sycalis- Arten, nämlich: S. chloris und luteiventris Gab., allein beide sind kleiner, schmächtiger mit kürzeren, dickeren Schnäbeln, kürzeren Flügeln, weniger ausgeschnittenen Schwänzen, weicherem Gefieder und mehr grüngelber Färbung, so dass eine Verwechselung auch mit diesen nicht wohl möglich ist. Bei beiden sind Oberflügeldeck- und Schwungfedern hell gelbgrau gekantet, welche Theile bei unserem Vogel grau sind. Diesen recht hübschen Finken , welcher die Stelle der Fringilla nivalis der europäischen Alpen in den An- den vortritt, indem er, wie dieser, die Nähe des ewigen Schnees liebt und diese öden Hochgebirge durch sein mun- teres Treiben einigermassen belebt, wurde von uns bis jetzt nur in den Cordilleren der Provinz Santiago be- merkt, wo er in Yerbaloca, las Araucas, Valle larga, Valle ploma u. s. w. nicht selten ist. Wir fanden ihn z. B. im Februar 1861 alt und jung in ziemlicher Anzahl in der Nähe der Laguna de los Peucriienes und von da aufwärts bis zu einer Höhe von 9000' über dem Meere an Stellen, welche viele Steintrümmer, Felsen, etwas Sumpf, Quellen oder in der Nähe Schnee enthielten. Jüngere Vögel sind sehr zutraulich, alte dagegen ziemlich scheu. Er fliegt mit seinen langen Flügeln Avie der Schneefink, leicht und zierlich, und setzt sich öfters auf die Felsenspitzen und Geröllbrocken, läuft auf der Erde lerchenartig, lässt auch öfters weiche, lerchenartige Locktüne hören, die etwa so ausgedrü ckt werden können ; Weit, weit, w i 1 1 , weit; weit, wie, weit, wie, wi, wie u. s. w. Einen eigent- lichen Gesang hörten wir nicht von ihm; er soll aber wirklich einen besitzen. Sein Nest, das aus Halmen, Haaren und Federn be- steht und dem Neste der Fringilla matutina gleicht, legt 54 Philippiu. Landbeck: Beiträge zur Ornithologie Chiles. er in Felslöchern und Spalten an und legt 4 — 5 weisse, besonders am stumpfen Ende rothbraun getüpfelte Eier. Er scheint zweimal zu brüten, denn zu Ende des Januar hatten einige Paare Eier und andere vollkommen erwach- sene Junge. Er ernährt sich von Sämereien und Insekten und sucht seine Nahrung häufig in den gras- und binsen- reichen Vegas, welche unterhalb der Schneeränder durch das absickernde Wasser entstehen. Beiträge zur Ornithologie Chiles, Ton Luis Landbeck. Der südwestliche Theil Amerika' s, von Peru bis zur Magellanstrasse ist auffallend arm an Vögeln aus der Fa- milie der sogenannten Grasmücken (Curruca, Sylvia etc.), deren berühmteste Art cfie weltbekannte Nachtigall ist. Während Deutschland auf beschränkterem Räume etliche und 30 Repräsentanten dieser zahlreichen Familie zählt, besitzt der erwähnte, weit ausgedehnte Theil Amerika's nur einige wenige Arten und Chile bis jetzt nicht eine einzige. Herr Claudio Gay suchte zwar diesem Mangel in Etwas abzuhelfen und beschrieb in seiner „Historia fisica y politica de Chile zool. Tom. I. p. 318 zwei Arten unter folgenden Namen : 1) Sylvia dorsalis King und 2) Sylvia obscura King. Von ersterer Art bemerkt Herr Gay: „Esta Ave la descubriö King en el puerto del Hanibre" und beschreibt auf S. 321 des oben citirten Werkes denselben. Vogel als Muscisaxicola nigra Gray, die zweite Art aber ist S. 308 als Scytalopus obscurus Gould, wahrscheinlich an der rich- tigen Stelle ebenfalls zum zweitenmal beschrieben, wo- durch also Chile die beiden ihm vindicirten Arten wie- derum eingebüsst hat. Um so interessanter und erfreulicher war es deshalb für mich als ich am 17. Juni 1858 auf meinem Gute Collico, 3/4 Leguas von Valdivia eine wirkliche, wahre Grasmücke entdeckte und erlegte. Da diese von mir 56 Landbeck : aufgefundene Art sowohl für die Wissenschaft als für die Fauna von Chile neu ist, so beschreibe ich dieselbe hiernach. Dendroica *) atricapilla Landb. nov. spec. Artkennzeichen: Stirn, Scheitel bis zum Genick einfarbig kohlschwarz. Beschreibung: Totallänge 5" (paris.M.) Schnabel — 5'" Schwanz 1 6 Breite 8 — Flügel vom Bug bis zur Spitze . 2 6 Schienbein — 10 Tarsus — 8 Mittelzehe — 6 Innenzehe — A}/2 Aussenzehe — 5 Hinterzehe — 5 Schnabel etwas stark und sanft abwärts gebogen ; die Spitzenhälfte desselben seitwärts stark zusammen- gedrückt (comprimirt) und an den Rändern etwas ein- gezogen, während die Wurzelhälfte ziemlich dick und breit ist; die Firste etwas scharfkantig. Nasenloch klein, nahe an der Stirn, an der Basis eines bogenförmigen Ausschnittes und durch eine Membran grösstentheils be- deckt. Die Tarsen und Zehen sind schwach und letztere sehr kurz, mit kaum wahrnehmbaren Schildern bedeckt. Aeussere und Mittelzehe bis zum ersten Gelenke verbun- den. Die erste und zweite Schwungfeder sind gleich lang und die längsten des Flügels. Der Schwanz kaum *) Die Gattung Dendroica ist von Gray aufgestellt und ent- hält die den europäischen Grasmücken am meisten verwandten ame- rikanischen Sänger. Sie unterscheiden sich jedoch von jenen da- durch, dass ihnen die verkürzte erste Schwungfeder fehlt, so dass ihr Flügel nur neun Fittig- oder Schwungfedern erster Ordnung zählt, während die europäischen deren zehn besitzen. Beiträge zur Ornithologie Chiles. 57 merklich abgerundet. — Oberschnabel hornschwarz, Un- terschnabel horngrau, an der Wurzel gelb durchschim- mernd; ebenso die Schnabelränder. Tarsus und Zehen ockergelb; die ziemlich stark gebogenen Klauen hellgrau. — Wangen, Kehle, Hals, Bauch, die Spitzen der grossen Flügeldeckfedern ; die Unterseite der Flügel, ein keilför- miger Fleck an der Spitze der Innenfahne zweier äussern Schwanzfedern jeder Seite, After- und Unterschwanz- deckfedern weiss ; die ganze Oberseite des Kopfes intensiv schwarz, die Kehle, Brust und Bauch an den Seiten schwarz gestreift und gefleckt, ebenso ein Kreis oder Halbring um den Hinterkopf oder Nacken weiss, schwarz- gefleckt , Schwanz und sämmtiiche Flügeldeckfedern schwarz; Rücken und Bürzel schwarz gestreift, jede Fe- der olivengrün eingefasst. An den Brustseiten ein gelb- licher Anflug. Der oben beschriebene Vogel war ein altes Männ- chen mit theilweise erneuertem Gefieder und sehr we- nig entwickelten Testikeln. Der Magen desselben ent- hielt die Reste ganz kleiner Insekten, namentlich glän- zender Laufkäferchen. Er hielt sich zwei Tage lang an der nämlichen Stelle auf, nämlich in einem alten, trockenen Mühlkanale, in welchem viele alte Hölzer umherlagen, auf welchen der Vogel schnell hin- und herlief und sich zuweilen auf kleine an den Rändern des Canals stehende Gebüsche erhob; dabei war er in fortwährender Bewe- gung. Dies ist Alles, was ich über die Lebensart dieses Vogels sagen kann; denn ich habe später, trotz eifriger Nachforschung, kein zweites Individuum mehr aufgefun- den. Woher dieser Vogel mitten im Winter gekommen sein mag, ist nicht zu bestimmen, höchst wahrscheinlich aber entweder vom Süden oder von der Cordillere, indem verschiedene Vögel des Südens und der Cordillere um diese Zeit aus- oder hin- und herwandern. Der hiesige Vogel hat grosse Aehnlichkeit mit eini- gen nordamerikanischen Sängern der Gattung Dendroica, z.B. Sylvia (D.) varia Lath. (Creeping Warbier), welcher in der Hauptzeichnung ziemlich mit demselben überein- kommt, sich aber durch einen weissen Streif längs der 58 Landbeck: Kopfmitte und einen zweiten über dem Auge , so wie durch weissgeränderte Rückenfedern unterscheidet. Arundinicola citreola Landb. nov. spec. d'Orbigny beschreibt in seiner Voyage dans l'Ame- rique meridionale Tome quatrieme, 3. Part. Oiseaux p. 335 eine Arundinicola flaviventris, welche Azara unter dem Namen Tachui vientre amarillo schon früher beschrieben hatte. Beide Forscher fanden den beschriebenen Yogel in Montevideo, Corrientes , Paraguay u. s. w. Einen ähn- lichen — ■ vielleicht denselben — Vogel fand ich im De- cember 1859 in einem Totorale oberhalb Santiago im Thale des Mapocho. Da dieser Yogel jedenfalls für die Fauna chilena, vielleicht auch für die Wissenschaft neu ist, so theile ich — unter Angabe der xVbweichungen von dem von d'Orbigny beschriebenen — eine genaue Be- schreibung mit. Artkennzeichen. Ganze Unterseite gleichmässig citronengelb, an den Brustseiten olivengrünlich. Beschr eibung: Chi. M. Alt paris. M. Totallänge 5" 9'" 5" — lll Schnabel — 6 — 5V2 Schwanz 2 3 2 — Breite 7 — 6 1 Flügel vom Bug bis Spitze 2 2 1 11 Ferse — 9 — 8 Mittelzehe — 9 8 Aussenzehe — 7 — 6V2 Innenzehe — 6 — 5V2 Hinterzehe — 8 — 7V2 Der Flügel endigt vor der Schwanzspitze .... 1 8 1 6 Männchen: Schnabel glänzend schwarz, Iris dun- kelbraun, Tarsus und Zehen braun, Nägel schwarz. Schna- bel stark , fast gerade, ziemlich breit und mit scharfer Firste, Nasenlocher rund und offen, an den Seiten des Beiträge zur Ornithologie Chiles. 59 Schnabels schwarze Bartborsten. Stirn und Scheitel trübe rostbraun, die ganze übrige Oberseite olivengrün, am Bürzel am hellsten. Alle Flügelfedern braunschwarz mit lichten schmalen Kanten. Der Flügel ist abgerundet, die 3te Schwungfeder die längste, die 4te und 5te aber kaum etwras kürzer; ebenso ist der Schwanz abgerundet oder stufig , und die äusserste Feder um 5'" kürzer als die mittelsten. Die Schwanzfedern haben dieselbe Farbe wie die Flügelfedern, mit gelbgrünen Säumen. Zügel und Wangen sind grau, letztere etwas grünlich überlaufen. Die ganze Unterseite lebhaft zitronengelb, an den Hals-, Brust- und Bauchseiten olivengrün überlaufen. Unterseite der Flügel und des Schwanzes gelblich schimmernd, die Deckfedern ersterer schön licht gelb, am Bugrancle rost- bräunlich. Die Befiederung des Schienbeins ist bräun- lich gelb. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch gelbliche Wurzel des Unterschnabels und etwas lichtere Unterflügeldeckfedern , so wie durch dunklere Färbung der Schienbeinbefiederung. Im Uebrigen trägt es die Farben des Männchens. Während der Brütezeit bemerkt man am Bauche des Weibchens einen grossen Brutfleck. Das Winterkleid dieses Vogels ist von dem eben beschriebenen Sommer- oder Hochzeitkleide sehr verschie- den und sieht so aus: Oberschnabel schwarz, Unterschnabel braun, auf der Dillenkante gelb. Iris dunkelbraun, Füsse und Krallen schwarz, die Sohle gelblich weiss. Stirn und Scheitel rostbraun mit dunklern Schaftflecken. Genick, Hinterhals und Rücken olivenbraun, Bürzel- und Oberdeckfedern des Schwanzes lichter; Oberseite der Flügel und des Schwan- zes braunschwarz, die Deckfedern mit rostgelblichen Spit- zen, wodurch zwei lichte Querbinden entstehen. Die Schwungfedern zweiter Ordnung mit gelblichen Aussen- rändern, welche an den drei letzten sehr breit sind. Die Schwanzfedern licht gerändert. Unterseite blassgelb, auf den Wangen, Halsseiten, Brust, Bauchseiten, Schienbeinbe- fiederung und Unterflügeldeckfedern rostfarbig angeflogen. Der junge Vogel im Nestkleide hat einige 60 L a n d b c c k : Aehnlichkeit mit dem eben beschriebenen; weicht aber doch ziemlich ab. Der Schnabel ist ganz flach, deprimirt breit, acht fliegenfängerartig , weissgelb. Der Tarsus fleischfarbig, die Nägel grau. Kopf, Hals, Rücken und Bürzel olivenbraun, im Grunde olivengrün durchschim- mernd; ein Strich über dem Auge, die Wangen und Hals seiten rostgelblich; ganze Unterseite schwefelgelb. Kinn, Kehle und Brust roströthlich überlaufen. Flügel schwarz, sämmtliche grossen Oberdeckfedern an den Spitzen breit rostroth eingefasst, wodurch zwei deutliche Querbinden entstehen. Die Schwungfedern zweiter Ordnung sind ebenso gerändert, die vordem schmal, die hintern breit; ebenso ist der Schwanz. Unterflügeldeckfedern rostgelb. Die Gegend, in welcher ich diesen Vogel zuerst auffand, ist ein ehemaliges Flussbett des Rio Mapocho, welches landwirtschaftlich benutzt und zu diesem Zwecke bewässert wird, wodurch eine Menge grösserer und klei- nerer Schilfpartieen und viele andere hochwachsende Sumpfpflanzen hervorgerufen wurden. In diesen Rohr- dickichten nun lebt der Vogel einzeln und zwar ziemlich versteckt, klettert gewöhnlich niedrig zwischen den Rohr- stengeln umher und erhebt sich nur zuweilen auf höhere Schilfgipfel, um sich umzuschauen. Er fliegt zuweilen auch ziemlich weit hin und wieder, ebenso wie der Siete color (Regulus omnicolor), mit dem er in seiner Lebensart grosse Aehnlichkeit hat. Das Weibchen lebt noch ver- steckter als das Männchen und ist deshalb dessen Erle- gung ein glücklicher Zufall. Er ist im Ganzen scheu und vorsichtig und in seinem sumpfigen Aufenthaltsorte schwie- rig zu beobachten. Er scheint im Ganzen selten zu sein und nicht alle Jahre dieselben Sümpfe zu bewohnen, denn er wurde in den letzten zwei Jahren in der oben näher bezeichneten Lokalität trotz emsiger Nachforschung nicht wieder aufgefunden, obgleich in der physischen Beschaf- fenheit derselben keine Veränderung zu bemerken war. Dagegen wurde derselbe in den Sümpfen von Elalmahue, in der Provinz Colchagua und zwar im Monat März 1862 beobachtet. Dieser Vogel, der Siete color und der Tra- bajador (Synallaxis melanops) sind die wahren Stellver- Beiträge zur Ornithologie Chiles. 61 treter der europäischen Schilfsänger, welche liier keinen Gättungsrepräsentanten besitzen; denn sie leben, fressen und nisten ganz auf dieselbe Weise, erheitern aber nicht wie jene die öden Sümpfe durch lieblichen Gesang, viel- mehr bestehen die von ihnen gehörten Töne in einem Gezirpe, das ziemlich an die Töne der Cicaden erinnert. Im Nestbau hat unser Vogel grosse Aehnlichkeit mit dem Siete color, denn er erbaut auf dieselbe Weise zwischen den Gabeln der Baccharis-Arten, zwischen beisammenste- henden Schilfstengeln oder den Blumenschäften der Totora (Typha angustifolia) und hohen Binsen sein niedliches war- mes Nestchen. So fand ich unter andern am 30. December 1860 in- mitten einer dichten hohen Schilfpartie auf der Gabel einer Baccharis ein eben fertig gebautes Nest dieses Vogels, leider noch ohne Eier. Es stand etwa 5 Fuss hoch über der Erde in einer dreiästigen Gabel und war so schön und zart gebaut, wie nur irgend ein Schilfsängernest, die ganze Höhe von aussen beträgt 4", von innen 2"; oberer äus- serer Durchmesser 3", innerer 1" 3'". Es ist also ver- hältnissmässig ziemlich tief und bildet von aussen einen mit der Spitze nach unten gekehrten Kegel. Das Bau- material besteht nur ans zweierlei Stoffen; aus den sehr feinen, dürren Blüthenspitzen des Schilfes (Arundo phrag- mites) und der Samenwolle der Sauce (^Salix Humboldti), welche beide Pflanzen in der nächsten Nähe häufig wach- sen. Ein anderes Nest, neben welchem das eben erst ausgeflogene Junge sass, war dem beschriebenen ähnlich. Die Eier kann ich leider nicht beschreiben, da ich die- selben bis jetzt nicht erlangen konnte. Ebenso wenig weiss ich über die sonstigen Eigenschaften des Vogels weiteres mitzutheilen und muss "" dieses später nachholen. Nur bemerke ich, dass er fast ausschliesslich von Cocci- nella lebt. Der von d'Orbigny 1. c. beschriebene Vogel, wel- chem der hiesige auffallend ähnlich ist, sieht so aus : A. supra olivaeeo-fusca, pileo paulo obscuriore, rufo induto ; alis fuscis, remigibus seeundariis margine, tectri- eibus apicc albido-iufescentibus ; cauda pallide fusca reetn- 62 Landbeck: Beiträge zur Ornithologie Chiles. cibus mediis iimcorum collisu saepe detritis, subtus tota flavescens, gutture pallidiore. Sur le vivant. Bec noir, la femelle l'a brun en des- sus, plus pale en dessous ; tarses noirs, yeux roux. Longueur totale, 125mill.; de la queue, 40 mill.; du pli de l'aile ä son extremite, 40 mill. ; du tarse au bout des doigts 40 mill.; du bec, 7 mill. ; de l'ongle du pouce, 6 mill. In der Färbung der Oberseite gleicht der eben be- schriebene Yogel so ziemlich dem hiesigen, der Schwanz ist jedoch den Flügeln gleich, gefärbt, die Unterseite ist jedoch nicht gelblich (flavescens), sondern schön citronen- gelb und zwar von der Kehle bis zu den Unterschwanz- deckfedern ganz gleichförmig und erstere ist nicht lichter (pallidiore) als alles Uebrige. Ferner ist beim hiesigen Vogel das Auge dunkelbraun und nicht roth (roux). Ebenso wenig ist das Weibchen in der von d'Orbigny beschriebenen Weise vom Männchen verschieden, son- dern trägt im Allgemeinen die Farben des letztern mit den oben eben angegebenen Ausnahmen. Was nun die Körperverhältnisse betrifft, so weichen auch hierin beide Vögel ziemlich von einander ab. Wenn die Zeichnung von d'Orbigny richtig ist, so hat der hiesige Vogel einen fast doppelt so starken und auch längeren Schnabel, ist überhaupt grösser und robuster als jener. Vergleichung der Grössen-Verhältnisse in franz. Mill. Ar. flaviv. Ar. citreola. Totallänge 125 Mill. 134 Mill. Schwanz 40 „ 53 „ Flügel 40 „ 50 „ Schnabel 7 „ 11 „ Daumennagel ... 6 „ 8 „ Die angeführten Verschiedenheiten sowohl in Fär- bung, als den plastischen Verhältnissen dürften wohl zur Aufstellung des hiesigen Vogels als besondere Art be- rechtigen, wozu noch der Umstand kommt, dass der Vo- gel nirgends weiter nach Süden oder Norden bis jetzt aufgefunden wurde, wonach also kein Zusammenhang der Wohnörter der Vögel von Paraguay, Montevideo u. s. w. mit dem hiesigen denkbar ist. Beobachtungen und Anxeicbiiungcn über die Siiuge- thierfauna Finuiarkens und Spitzbergens. Von A. J. Malmgren. '3' Aus der Uebersicht der Verhandlungen der Königl. Schwed. Academie der Wissenschaften 1863. II. S. 127 — 155. Die folgenden Beiträge zur Kenntniss der Säng- thierfauna Spitzbergens , des nördlichen Eismeeres und Finmarkens beruhen auf den Beobachtungen und An- Zeichnungen, welche ich während der schwedischen Expe- dition nach Spitzbergen 18G1 zu machen Gelegenheit hatte, und welche ich nach der Rückkehr der Expedition nach Tromsö zu Ende des September in Finmarken während eines bis in den Anfang des November verlängerten Auf- enthaltes daselbst fortsetzte. In der Absicht, für das Stockholmer Reichsmuseum Einsammlungen von unteren Meerthieren zu veranstalten , machte ich in der Gesell- schaft meines Freundes, Dr. A. v. Goes mehrere Ausflüge von Tromsö in die umliegenden Scheren. Die lebhafte Berührung , in welche icfr während des Aufenthaltes in den Scheren mit erfahrnen Fischern, Fängern und Har- punirern kam, die oft Theil genommen hatten an dem Fange , welcher von den Städten Finmarkens alljährlich im Eismeere, besonders bei Spitzbergen und Jan Mayen betrieben wird und vertraut mit demselben waren, hat mir Gelegenheit verschafft, hier auch Notizen über die Robben- und Walartigen Thiere Finmarkens im Zusammen- hange mit demjenigen, was ich von Spitzbergen her über diese Thiere kenne, Notizen mitzutheilen. 64 Malmgren: Sorex vulgaris Lin. Da die Grenze der nördlichen Verbreitung der ge- meinen Spitzmaus in Norwegen von Prof. Nilsfon1) in die Nordlande versetzt wird, und Prof. Lilljcborg2) dieselbe ebenfalls nicht in das Verzeichniss der von ihm 1848 in der Gegend von Tromsö observirten Säugthiere aufgenommen hat, so verdient es Erwähnung, dass dieses kleine Thier sehr allgemein in den Scheren zwischen Tromsö und Hammerfest vorkommt und dort Skärmus (Scherenmaus) genannt wird. In der Mitte des October 1861 wurde dieselbe aufRenö, 70° N. B., sowohl innerhalb als ausserhalb der Häuser in Menge angetroffen. In den kleinen Buden, welche die Fischer dort für ihre Gerät- schaften aufgeführt hatten, erhielt man mehrere auf ein- mal in Gefässen und Körben, welche frische Fische ent- hielten, nach denen sie ausserordentlich begierig zu sein schienen. Ursus maritimus Lin. Der Eisbär wird an denjenigen Küsten von Spitz- bergen, an denen in den Buchten und Busen festes Eis liegt oder Treibeis die Gestade umgiebt, sehr häufig an- getroffen; dagegen kommt er dort, wo kein Eis ist, nur ausnahmsweise vor. Die nördlichen und nordöstlichen Küsten sind im Sommer reich an Eisbären, während die westlichen nur dann von ihnen Besuche erhalten, wenn Treibeismassen dort ans Land kommen. Wenn diese das Land verlassen, so gehen die Bären mit und werden dann nicht selten in weiter Ferne vom Lande draussen im Meere angetroffen.. Unter Pari* y's Bootreise über das Eis gegen den Nordpol 1827, tödtete seine Mannschaft zwei Eisbären nahe an 82° 2' N. B. oder ungefähr 20 Meilen von dem nächsten bekannten Lande. Torell und Nor denfkj ö ld, Theilnehmer an unserer Expedition, trafen unter einer 1) Skandinaviens Fauna 1847. I. S. 70. 2) Bidrag tili norra Rysslands och Norges fauna in den Ver- handl. der Acad. der Wies. 1850. IL Bidrag tili norra Rysslands och Norges fauna. Beobachtungen d. Saugethierfauna Finmarkens u. Spitzhergens. 65 geographischen Excursion in die nördlichsten Theile der Inselgruppe Spitzbergens viele Bären und überraschten einige, die zwischen dem Eise umherschwammen. Wenn die Eismassen, welche mit dem kalten Strome von dem Eismeere in den atlantischen Ocean längs der Ostküste von Grönland herabtreiben und an die nördlichen Küsten von Island gelangen, so kommen ein oder mehrere Eis- bären an dieser Insel ans Land, wo sie sonst nie vorhan- den sind. Im Winter ziehen sie sich südlicher mit dem Eise und da besuchen sie auch Beeren-Island. Der Eis- bär gehört der Fauna Finmarkens nicht an, doch hat man dort, nach Th. M. Fries1), 1851 am Kjöllcfjord ein Individuum getroffen und geschossen. Dieses Thier war wahrscheinlich auf einem Stücke Treibeis so weit gegen Süden gekommen, dass das Eis in dem wärmeren Meer- wasser schmolz, worauf das Thier schwimmend Land suchen musste. Der Eisbär ist durch seine Lebensweise an das Eis gebunden. Er lebt von Robben, Phoca hispida Erxl. und Phoca barbata, und Walrossen, welche Thiere sich stets am Eise aufhalten und mit demselben wandern. Er ver- schmäht auchRenthiere nicht, und man hat seinen Magen mit Vegetabilien angefüllt gefunden 2). Die Art und Weise des Eisbären zu jagen geht darauf hinaus, .sich mit List und Ueberrumpelung des Raubes zu bemächtigen. Hat er sich eine bei ihrer Wake schlafende Robbe zu seiner Beute ausersehen, so schleicht er sich langsam und vor- sichtig an dieselbe. Sollte die Robbe inzwischen erwa- chen oder sich unruhig bezeigen, so soll der Bär unbe- weglich liegen bleiben, bis die Robbe von neuem einge- schlafen ist, worauf er sich wieder näher schleicht. Ist er der Robbe so nahe gekommen, dass er sie mit zwei oder drei Sprüngen erreichen kann, so wirft er sich mit 1) Berättelse öfver en Rese i Finmarken 1857 in der Jahres- schrift der Universität Upsala 1860. S. 260. 2) Tore 11 und Nordens kjöld fanden bei einem der Eis- bären, welche sie auf ihrer Bootreise nach der Nordküste des Nord- ostlandes tödteten, den Ventrikel vollgepfropft von Pflanzen. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 5 66 M a 1 m g r e n : der Schnelligkeit des Pfeiles über seinen Raub. Den Menschen fällt der Eisbär nicht, oder wenigstens sehr selten an, nähert sich ihm aber oft dreist und uner- schrocken, wie es scheint, mehr aus gutmüthiger Neu- gierde, als aus Verlangen ihn anzugreifen. Gewöhnlich flieht er bei dem Anblicke eines Mannes. Er widersetzt sich nicht, wenn er angegriffen wird, sondern er flieht; wird er verwundet, so greift er niemals an, was der Land- bär stets thut. Der Eisbär hat zwischen der Haut und dem Fleische eine Schichte von Speck, ein paar Zoll dick, wegen wel- cher ihm von denjenigen, die auf Spitzbergen zum Fang ausgehen, sehr nachgestellt wird. Man schätzt ihn eben so hoch wie ein Walross. Dass er an den nördlichen Küsten Spitzbergens ziemlich zahlreich vorkommt, lässt sich daraus abnehmen, dass unser Fahrzeug elf Stück von dort mitbrachte. Wir sahen bei weitem mehrere, als wir erhielten. Das Weibchen gebiert im Winter ein oder zwei Junge, welche wenigstens zwei Jahre bei der Mutter bleiben sollen. Ursus arctos Lin. Der Landbär zeigt sich selten an den Küsten Spitz- bergens. Nach zuverlässigem Berichte soll vor einigen Jahren ein Bär in Andersdalen am Baisfjord gesehen worden sein. Ganis lag opus Lin. Der Blaufuchs ist das ganze Jahr auf Spitzbergen ansässig und kommt allgemein vor an allen Küsten, am zahlreichsten jedoch an der westlichen, wo er mehr Nah- rung findet. Im Sommer nährt er sich von Vogeleiern und Jungen, im Winter von Schneehühnern und den Brocken, die von den Mahlzeiten des Eisbären übrig bleiben. Der Blaufuchs hat ein verschieden gefärbtes Winter- und Sommerkleid. Das Winterkleid, welches weiss ist, wird zu Ende des Juni oder Anfang des Juli abgelegt und Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 67 von einem schwärzlich blaugrauen ersetzt. Ein von Ma- gister Chydenius in der Nähe von Shoal- Point, 80° 10' N. B. , am 15. Juli geschossener Fuchs war eben dabei den weissen Winterpelz abzulegen, unter welchem ein bläulich-stahlgrauer vorhanden war. Gegen das Ende des August ist das dunkle Sommerkleid weiss geworden. Alle Füchse, die wir um diese Zeit sahen, waren weiss, während sie zu Ende des Juli und Anfang des August dunkelgefärbt waren. Die letzte Farbenveränderung ge- schieht wahrscheinlich durch Ausbleichung. Junge, die eben das Lager verlassen hatten, waren in der Mitte des August dunkelbraun. Lutra vulgaris Erxl., Nils. Der Otter soll in den Scheren bei Tromsö ziemlich allgemein sein, wird aber gewöhnlich nur in geringer Zahl gefangen, dann in Finmarken ist den Bewohnern die Fischerei Hauptsache und die Jagd Nebensache. Odobaenus rosmarus Lin., 1734; Sundevall, Uebers. der Yerhandl. der Acad. der Wiss. 1859. S. 441 ; Trichechus rosmarus Auct. Das Walross ist bei Spitzbergen sehr allgemein, kommt jedoch nicht mehr so zahlreich vor, wie ehemals. Gleichwohl sind noch immer gegen 20 Fahrzeuge von Finmarken alljährlich mit dem Walrossfange beschäftigt. Am zahlreichsten scheint dieses Thier im Sommer an den nördlichen und östlichen Küsten des Landes zu leben, weil dort stets Vorrath an Treibeis vorhanden ist; an den westlichen Küsten wird das Walross dagegen in dieser Jah- reszeit niemals angetroffen, sofern nicht das Treibeis sich dort anlegt. Es hält sich nämlich stets in der Nähe des festen Treibeises auf, weil es gerne auf demselben liegt. Das Walross ist ein geselliges Thier und lebt gerne in grossen Heerden. Es hält sich in der Nähe des Landes auf und geht nur bei seinen Wanderungen in die hohe See hinaus. In der Hinlopen-Strasse sahen wir im Mo- 6ß Malmgren: nate Juli oft Schaaren von 30 — 40 Individuen bei einan- der , man soll jedoch bisweilen Heerden von Hunderten treffen. Im Wasser halten sie sich dicht an einander ge- schlossen und steigen gleichzeitig herauf um Athem zu holen. Das Walross wird um der Zähne und der Haut, be- sonders aber um des Speckes willen gefangen. Die Speck- schicht zwischen der Haut und dem Fleische ist auf dem Rücken gegen drei Zoll dick und am Bauche etwas dün- ner. Es beruht auf einem Irrthume, dass diese Speck- schicht in der Skandinavischen Fauna 1847, I verläugnet wird. Es heisst dort nämlich S. 275: „Bei den Robben, nicht aber beim Wal rosse, liegt zwischen Haut und Fleisch eine dicke Schicht von Speck", und ferner S.317: „Beim Walrosse ist keine Speckschicht unter der Haut; wenn sie Speck haben, so ist dieses mit dem Fleische gemischt. Sie werden nur um der Haut und der Zähne willen gefangen." — Der Speck von einem einzigen Thiere soll eine Tonne Thran geben. In Betreff der eigentlichen Bestimmung der Zähne bin ich im Stande, die nöthige Aufklärung zu geben. Es lässt sich nicht bestreiten, dass dieselben als Waffen an- gewendet werden und als solche auch furchtbar sind; dass sie aber auch als Lokomotionsorgane dienen sollten, ist eine Fabel, und daher der Name Odontobaenus Steenstr. nicht passend. Gleich den Robben bewegen sich die Walrosse nur mit Hülfe ihrer Füsse , sowohl auf dem Eise als an den sandigen Meeresgestaden, an denen sie bisweilen hinaufsteigen, um zu schlafen, oft zu Hunderten neben einander. Die Bestimmung der Zähne ist eine ganz andere und für die Existenz des Walross es bei wei- tem wichtigere, denn nur mit Hülfe derselben kann es zu seiner Nahrung kommen. Ich fand, dass das Walross sich ausschliesslich von zwei Muscheln , Mya truncata und Saxicava rugosa, nährt, welche in einer Wassertiefe von 10 — 50 Faden 3 — 7 Zoll in dem Bodenlehm einge- graben leben. Um an diese zu kommen, muss das Wal- ross sie aus dem Lehm aufgraben. Mit Hülfe seiner stumpfen Kauzähne und der Zunge nimmt es dann das Beobachtungen d. Säugethierfaura Finmarkens u. Spitzbergens. 69 Thier geschickt aus der Schale und verschlingt dasselbe ohne es zu kauen. Bei den vielen erwachsenen, 10 — 11 Fuss langen Weibchen, die ich zu öffnen Gelegenheit hatte, fand ich den Ventrikel stets angefüllt mit fast unzertheil- ten Thieren mit wohlerhalt enem Sipho und Fuss von Mya truncata und Saxicava, letztere in bedeutend geringerer Menge als die erstellen. Die Muscheln waren merkwür- dig gut geschält; unter mehreren Tausenden fand ich nur ein Thier von Mya, an welchem ein Stück von der Schale sass. Ein einziges Mal fand ich auch ein Thier von einer andern Klasse als der Mollusken unter dem Inhalte des Ventrikels im Walrosse, nämlich einen riesenhaften Pria- pulus caudatus, der ebenfalls im Bodenlehm begraben lebt. Nur bei den Erwachsenen fand ich den Ventrikel mit geschälten Mollusken gefüllt; die vorjährigen Jungen dagegen, welche, obgleich schon über ein Jahr alt, immer noch ihre Mutter begleiteten, hatten gewöhnlich gar nichts im Ventrikel oder etwas, das geronnener Milch glich und gewiss auch nichts anderes war. Ihre Zähne waren erst V2 — 1 Zoll lang und reichten nicht bis über die untere Kinn- lade hinab. Es war also ganz klar, dass sie noch nicht im Stande waren, die Lebensweise der Alten zu führen, und ich fand wirklich, bei näherer Untersuchung, Milch in Masse in den Saugwarzen und Eutern der alten Weib- chen, oder in vorliegendem Falle bei den Müttern der über ein Jahr alten Jungen. Dass die alten Weibchen die Mütter dieser Jungen waren, ist ganz gewiss; denn sie wurden in meiner Gegenwart am 13. Juli 1861 aus einer kleinen Schaar gefangen, in welcher kein einziges kleineres Junges vorhanden war, das im Frühlinge oder Sommer dieses Jahres geworfen sein konnte. Weibchen, die neulich geworfen haben, halten sich nämlich, so lange das Junge noch klein ist, mit ihrem Jungen allein auf und nie in Schaaren. Wenigstens traf unser Harpunirer solche Weibchen stets allein noch zwei Monate nachdem sie geboren hatten , und bei den vielen Schaaren von Walrossen, die ich in der Nähe sah, bemerkte ich niemals Junge von diesem Jahre, sondern nur Weibchen mit den Jungen des vorigen Jahres. — Aus diesen Beobachtungen 70 M a 1 m % r o, n : folgt, dass das Walrossweibchcn bis weit in das zweite Jähr hinein sa'ugt, d. h. so lange, bis die Zähne des Jim- gen so gross geworden sind, dass dieselben zum Aufgra- ben der Nahrung aus dem Bodcnlchm angewendet wer- den können, so wie aueli, dass das Walrossweibchcn nicht in jedem Jahn* gebiert. Die Paarung der Walrossc soll zu Ende des Mai oder Anfang des Juni geschehen, was auch dadurch be- kräftigt wird, dass Dr. A. v. (jocs am H.Juli L861 unter 80° N. B. im Uterus eines Walrosswcibchens einen kaum einen Monat alten Fötus gefunden hat, der jetzt In Spiritus im Stockholmer Rcichsmusenni aufbewahrt wird. Die Wal- rossfänger behaupten, die Paarung gescheho „draussen auf der Bank", d. h. auf seichten Stellen einige Meilen von der Küste; dass sie aber zu diesem Zwecke weite Reisen unternehmen sollten, wie Prof. Nilsfon angiebt, wird nicht bestätigt durch die Nachrichten, welche ich von erfahrenen Spitzbcrgsfahrern erhalten habe. Das Weib- chen trägt ungefähr ein Jahr und gebiert im Mai oder Juni nur ein Junges. Wahrscheinlich aber ist die Paa- rungszeit nicht ganz bestimmt, denn noch zu Ende des Juni oder im Juli werden bisweilen Weibchen mit reifem Fötus gefangen. Unsere Expedition brachte an das Reichs- muscum einen solchen mit, welcher aus einem zu Anfang des Juli in der Ilinlopcn - Strasse gefangenen Weibchen geschnitten worden war. Auch der Umstand, dass die Paarungszeit beinahe gleichzeitig mit der Zeit eintrifft, da die Weibchen Junge werfen, spricht für unseren Schlusssatz, dass das Wal- rossweibchcn nicht zwei Jahre nach einander Junge wirft ; denn es ist eben nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Thier mit bestimmter Paarungszeit, das ein ganzes Jahr trägt und fast zwei Jahre lang säugt, schon eine oder zwei Wochen nach dem Gebären wieder empfänglich sein sollte. Auch trifft man Weibchen, die geboren haben, immer allein mit ihrem zarten Jungen, ohne die Gesell- schaft anderer Walrosse, und Walrossfänger haben ver- sichert, dass man niemals ein trächtiges Weibchen iindet, welches das in demselben Jahre geworfene Junge bei Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 71 sich hat, ebenso wenig, wie man ein Weibchen sowohl von dem in demselben als auch im vorigen Jahre gewor- fenen Jungen begleitet sieht. Diejenigen Weibchen, welche im zweiten Jahre säug- ten, und von denen ich in der Mitte des Juli mehrere öffnete, hatten den Uterus immer leer, obgleich die Paa- rungszeit schon vor mehr denn einem Monate gewesen war. Wäre die Conception im Mai oder zu Anfang des Juni geschehen, so hätte der Fötus in der Mitte des Juli nothwendig vorhanden gewesen sein müssen. Da aber dies nicht der Fall war, so war auch seit der letzten Trächtigkeit vor 13 bis 14 Monaten noch keine Paarung geschehen, und da die rechte Zeit für dieselbe jetzt für dieses Jahr längst vorüber wrar, so verblieben diese Weib- chen wahrscheinlich bis zur nächsten Paarungszeit unbe- fruchtet, und diese traf dann erst zwei Jahre nach der Zeit ein, da sie zuletzt geworfen hatten. Wenn wir nun wissen, dass das Weibchen ein ganzes Jahr trägt, so würden also zwischen jeder regelmässigen Ge- burt nicht weniger als drei Jahre v er fliessen, falls es wirklich ein allgemeines Gesetz ist, dass die Wal- rossweibchen sich im Jahre nach der letzten Geburt auf keine Paarung einlassen. Es ist schon angeführt, dass die Zähne des (12 — 13 Monate alten) jungen Walrosses nur etwa V2 — 1 ZoU lang sind, und dass dasselbe seine Nahrung ausschliesslich aus den Saugwarzen der Mutter holt. Ehe das Junge sich selbst auf die Art und Weise der Alten von den im Grunde des Meeres eingebetteten Muscheln nähren kann, müssen die Zähne wenigstens eine Länge von 3 — 4 Zoll erreicht haben. Diese Länge haben sie, wenn das Junge zwei Jahre alt ist. Bei zwei aus "derselben Schaar gefan- genen jungen Walrossen, die von den Fängern für Junge von über zwei Jahren erklärt wurden, waren die Zähne von dieser Länge, und der Ventrikel wurde zur Hälfte von ausgeschälten Mya und Saxicava angefüllt gefunden. Also nährt sich ein zweijähriges Walross un- abhängig von der Mutter, aber bis das Junge dieses Alter erreicht hat, saugt es. Dass das 72 Malmgren: Walrossweibchen zwei Jahre oder wenigstens beinahe zwei Jahre lang säugt, ist nicht zu bezweifeln, und es ist höchst wahrscheinlich, dass es sich der Regel nach nicht eher auf Paarung einlässt, als nachdem es aufgehört hat zu säugen. Weibchen, welche im zweiten Jahre säugen, werden immer mit ihren Jungen in grossen Schaaren versammelt angetroffen , und sie haben einen anderen Aufenthaltsort, als die erwachsenen Männchen. In der Hinlopen-Strasse wurden im Monate Juli nur Weibchen und Junge im zweiten und dritten Jahre gefangen. Von den etwa 30 erwachsenen Walrossen, die unser Harpunirer tödtete, war kein einziges ein Männchen. Wo die er- wachsenen Männchen um diese Zeit sich aufhalten, ist ungewiss. Die Walrossfänger vermuthen, dass sie „auf der Bank", d. h. auf Untiefen in grösserer Entfernung vom Lande, in grossen Haufen umherstreifen, während die Weibchen mit ihren Jungen die Buchten und Meer- busen besuchen und sich im Allgemeinen in der Nähe des Landes aufhalten. Die erwachsenen Individuen beider Geschlechter leben stets in getrennten Schaaren, die Weib- chen für sich und die Männchen ebenfalls für sich. Das Walross wird von keinen Intestinalwürmern belästigt, wenigstens habe ich keine solchen gefunden. Dagegen kommt in den Haaren auf dem Körper des Walrosses ein grösseres Pediculus - artiges Thier sehr all- gemein vor. Das Walross gehört der Fauna Finmarkens nicht an; doch ist dort einmal, 1816, nach Nilsfon (Skand. Fauna I, 1847. S. 321), ein Individuum getödtet. Cystophora cristata Erxl., Nils. : — Phoca Leonina 0. Fabr. , Faun. Grönl. ; Ph. cristata 0. Fabr., Naturhist. Selsk. Skr. I, 2. p. 120. Die Klappmütze oder Blasenrobbe ist gleich der Phoca groenlandica mehr pelagisch als die übrigen rob- benartigen Thiere, und kommt daher selten in der Nähe des Landes vor. An den südwestlichen Küsten Grönlands zeigt sie sich im April, Mai und Juni und hält sich zum Treibeise, mit welchem sie auch von Süden dorthin zu Beobachtungen d. SäugethierfaunaFinmarkens u. Spitzbergens. 73 kommen scheint; während der übrigen Jahreszeiten aber ist sie dort nicht vorhanden. Bisweilen wird die Klapp- mütze an den Küsten von Island und höchst selten von Finmarken, 'öfter jedoch bei Jan-Mayen in den Monaten März und April angetroffen. Doch nicht diese Art, son- dern Ph. groenlandica ist der Gegenstand des grossartigen Robbenfanges, der alljährlich von einer Menge von Fahr- zeugen, grösstenteils norwegischen, bei Jan-Mayen be- trieben wird. Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Fänger und Schiffer, die von Tromsö mit bei dem soge- nannten Jan-Mayen-Fang gewesen, ist es der mondfleckige Seehund, Ph. groenlandica, und besonders ihr neugebornes weisshaariges Junges, das bei Jan-Mayen gejagt und jährlich zu vielen Zehntausenden getödtet wird. Die Klappmütze dagegen wird nur ausnahmsweise getroffen und davon nur eine vergleichsweise unbedeutende Anzahl getödtet. Bei Spitzbergen ist die Klappmütze in den letzten Zeiten nicht mit Gewissheit observirt worden *). Es ist zwar möglich, dass ihre Wanderungen im Sommer sich bis in die Breite von Spitzbergen erstrecken; doch ihre Lebensweise, nach demjenigen, was darüber bekannt ist, scheint einen längeren Aufenthalt in hohen Breiten- graden nicht zu gestatten. Ihre Nahrung besteht nämlich, nach F a b r i c i u s, in grösseren Fischen, welche, so viel man weiss, nicht in dem spitzbergischen Gewässer vor- handen sind. Unter Torell's erster Reise nach Spitz- bergen wurde ein jüngeres Individuum im Treibeise in der Nähe von Beeren-Island gefangen (Nordenfkjöld). Die Klappmütze wird von den Fischern Finmarkens Kiknäbb genannt, und soll sich dort bisweilen im Früh- ling und Vorsommer draussen im Meere, nie aber inner- 1) Härtens und Scoresby erwähnen gleichwohl der Klapp- mütze für das Spitzbergische Meer. Es scheint, als wäre dieses Thier ebenso wie alle übrigen , die der Gegenstand des verheeren- den Eismeerfanges gewesen sind, in starker Abnahme begriffen. Wir sahen auf unserer ganzen Reise nirgends die Klappmütze, ob- gleich Scoresby sagt: „The booded seal is common near Spits- bergen", Arct. Reg. T. p. 511. 74 Malmgren: halb der Scheren zeigen. Darum wird er hier auch sehr selten geschossen. Halichoerus grypus Fabr., Nils. Prof. Lilljeborg hat den grauen Seehund in Fin- marken auf seiner Reise 1848 observirt. Sofern diese Art identisch ist mit dem Grünfälg der Fischerlappen, wie ich aus ihrer Beschreibung allen Grund zu glauben habe, kommt sie an den Küsten Finmarkens spät im Herbste und im Herbstwinter vor, doch nur in geringer Zahl. Es wurde behauptet, der Grönfälg wäre jetzt sel- tener, als vor einigen Decennien. Bei Spitzbergen kommt diese Art nicht vor. Phoca barbata Fabr., Nils. — Storkobbe oder Blakobbe. Norwegische Spitzbergsfahrer; Ha- fert, Norwegen. Diese ist von allen im Eismeere vorkommenden Rob- benarten die grösste und wird sehr zahlreich an den Küsten Spitzbergens angetroffen. Sie wird fast immer allein, niemals in Gesellschaften, wie Ph. groenlandica, auch nie- mals weit von der Küste gefunden. In dem eisfreien Wasser befindet sich diese Art nicht wohl. So lange das Eis in den Buchten und Busen festliegt, hält sie sich eine offene Wake, durch welche sie heraufsteigt, um auf dem Eise zu liegen; ist dieses aber aufgebrochen, so trifft man sie sehr oft auf dem ebenen Treibeise an der Küste. Entfernt sich das Eis weit ins Meer hinaus, so geht der Storkobbe, wie diese Art von den Spitzbergsfahrern ge- nannt wird, nicht mit , sondern sucht solche Küsten auf, an denen etwas Treibeis liegt. Daher ist es eine Selten- heit, diese Art während der Sommermonate an der West- küste von Spitzbergen zu treffen, sofern diese eisfrei ist, was gewöhnlich der Fall ist; doch sobald das Eis, von Süden oder Norden kommend, dieselbe einschliesst, finden sich Walrosse und Storkobber in Menge in den Buchten und Busen ein. Am Nordostlande dagegen, wo die Buch- ten bis weit in den August hinein mit Eis bedeckt sind, und wo stets unweit des Landes eine Menge von festem Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 75 Treibeise vorhanden ist, kommt er recht zahlreich wäh- rend des ganzen Sommers vor. Während unseres Aufent- haltes im südlichen Theile der Hinlopen-Strasse schössen die Fänger eines Walrossfahrzeuges im Laufe von zwei oder drei Tagen zu Anfang August nicht weniger als etwa 60 Stück von dieser einsam lebenden Robbenart. Wir sahen sie oft und mehrere wurden von unserem Har- punirer geschossen. Diese Art lebt hauptsächlich von grösseren Mollus- ken und Crustaceen. Bei allen, die ich zu offnen Gele- genheit hatte, fand ich den Ventrikel gefüllt von grossen Crangon- und Hippolyte-Arten (Crangon boreas, Sabinea septemcarinata, Hippolyte polaris, H. Sowerbyi und H. borealis), Anonyx ampulla in Menge und von einem und dem anderen kleinen Fische (Cottus tricuspis Reinh.). Unter Contenta wurden überdies eine enorme Menge, ge- wiss mehrere Hunderte, Opercula von grösseren Trito- nium-Arten und Natica clausa, so wie Schalen von einer grossen Lamellaria gefunden. Ueber ein Weibchen, das am 1. Juni unter 80° N. B. gefangen wurde, habe ich folgendes in meinem Tagebu- che angezeichnet: „Sie hatte eben das alte graue Kleid abgeworfen, von welchem nur noch einige Haarbüschel stellenweise an den Seiten des Körpers sassen. Das neue Kleid war kurzhaarig, dunkel stahlgrau, beinahe schwarz auf dem Rücken und heller an der Bauchseite. Die Länge bis an die hintere Fussspitze war 8 Fuss 2 Zoll, und bis zur Schwanzspitze 7 Fuss 4 Zoll ; der Umfang dicht hin- ter den vorderen Füssen 5V2 Fuss und über dem Bauche 6 Fuss 2 Zoll ; die dickste Speckschicht auf dem Rücken war 3V2 Zoll dick — alles dänisches (rheinländisches) Maass. Die Temperatur in den Lungen, nachdem die Haut und das Specklager entfernt waren, oder etwa V2 — % Stunde nach Erlegung des Thieres, war 4-27° R. und in der Bauchhöhlung + 30° R. (-f 37,5° C.). Die Untersu- chung geschah so, dass ein gutes Thermometer durch ein mit einem Messer gestochenes Loch in die Brust- und Bauchcavität gebracht wurde. Dass die Lungen abge- kühlter waren, als die übrigen Eingeweide, scheint leicht 76 M a 1 m g r e n : erklärlich zu sein durch die lange Zeit, die sie unter dem Einflüsse der kalten Luft gewesen waren, nachdem das Le- ben aus dem Körper gewichen war. Dass aber die Wärme in der Bauche avität nach dem Verlaufe einer halben, ja vielleicht 3/4 Stunde noch + 37,5 C. betrug, deutet an, dass die Lebenswärme bei den Robben grösser sein muss, als bei den Landsäugethieren, denn bei dem Exemplare, an welchem diese Observationen mit aller möglichen Ge- nauigkeit in Gegenwart der Reisegefährten und mit ihrer Beihülfe angestellt wurden, musste die Körperwärme ge- sunken sein während der langen Zeit, da der Körper in dem eiskalten Wasser ( — 1,1° R.) und auf dem Deck in einer Temperatur von — 4° R. gelegen hatte. Der Ven- trikel war zur Hälfte gefüllt von ungekauten Crustaceen, darunter grosse Individuen von Crangon boreas, Sabinea septemearinata und Hippolyte polaris dominirten. Frag- mente von schon vordauten Fischen, unter welchen ein Cottus tricuspis sich erkennen Hess, waren ebenfalls vor- handen. Was jedoch besonders überraschte, war eine unzählige Menge Intestinalia, Liorrhyncus gracilescens Rud. im Magensacke zu finden, von denen einige sich unter Contentis umherschlängelten, andere aber mit dem Kopfe in der innern Magenwand feststeckten. In der Leber, in den Därmen und im Gekröse sass ebenfalls eine grosse Menge von einem anderen Parasiten, der zu der Familie Cestoideae gehörte, theils lose, theils fest. Es war dies Ru dolphi's Tetrabothrion anthoeephalum. Dieser war auch im Duodenum und in den Dünn-Därmen in solchen Massen, dass ich ihn mit den Händen herausschöpfen konnte. Der Uterus war leer." — An demselben Tage war ein Harpunirer mit seinen Ruderern von einem Wal- rossfänger - Fahrzeuge bei uns an Bord und erzählte, er hätte am Tage zuvor, also am 31. Mai, ein Weibchen von Phoca barbata Fabr. mit einem lebendigen und reifen Fötus gefangen und seine Männer bestätigten dieses ein- hellig. Also gebiert auch diese Robbenort später, als im „Februar oder März". Wenn der „Storkobbe" in der See ist, so ist er sehr leicht zu fangen, denn da ist er nicht scheu. Dumm- Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 77 dreist und neugierig kommt er oft selbst dem Fangboote so nahe, dass er mit der grössten Leichtigkeit geschossen wird; liegt er aber auf dem Eise, so ist er äusserst wach- sam und scheu, und es ist unmöglich zum Schusse zu kommen ohne ein Schiesssegel, wie die Grönländer es anwenden. Ob die Phoca barbata an den Küsten Spitzbergens überwintert, ist eine Frage, die sich mit Bestimmtheit nicht beantworten lässt; doch scheint es mir mehr denn wahrscheinlich zu sein, dass sie dies thut, hauptsächlich aus zwei Gründen: 1) weil sie sich in dem festen Eise offene Waken hält und 2) weil sie sich besonders von Mollusken und Crustaceen nährt, welche sich am Grunde des Meeres aufhalten und im Winter nicht migriren können. Im Appendix zu Parry's Narrative of an Attempt to reach the North-pole 182 T hat J. C. Ross diese Art nicht für Spitzbergen aufgenommen, sondern nur Ph. foetida Fabr. und Ph. groenlandica Fabr. Von der erst- genannten wurden während der Bootfahrt nach dem Nord- pole hin zwei Individuen geschossen, die letztere wurde nur „zufälliger Weise (d. i. einsam) auf losem Treibeise im Westen und Norden von Spitzbergen bis Seven-Islands gesehen". Da er der Phoca barbata mit keinem einzigen Worte erwähnt und es nicht denkbar ist, dass jemand, der in einem Schiffe und einem Boote so viel während des Sommers an den nördlichsten Küsten Spitzbergens umhergereist ist, wie Parry und seine Offiziere, die allgemeinste Robbenart Spitzbergens, was Ph. barbata Fabr. doch ist, sollte übersehen haben, so wage ich den Schluss zu machen, dass J. C. R o s s mit dem Namen Ph. groen- landica die Phoca barbata Fabr. bezeichnet. Was dieser Vermuthung um so mehr Wahrscheinlichkeit verleiht, ist der Umstand, dass Ph. groenlandica Fabr. während des Sommers das Meer bei Spitzbergen nur auf kürzere Zeit und in grossen Schaaren besucht. Hätte Parry's Expe- dition eine solche Schaar auf dem Eise gesehen, so würde J. C. Ross nicht unterlassen haben es anzuführen. In der Nähe der Küste steigt Ph. groenlandica nicht auf das Eis. Ich habe bei der Untersuchung der Vogelfauna 78 Malmgren: Spitzbergens die Erfahrung gemacht, dass die Offiziere, welche 1827 an Parry's Expedition Theil nahmen, den observirten Gegenständen oft ganz falsche Namen ertheil- ten. Dasselbe ist meines Erachtens auch der Fall mit der von ihnen gesehenen Ph. barbata Fabr. * Bei Finmarken kommt diese Art, die dort Hafert genannt wird, sehr selten und dann im Spätherbst und Winter vor. Am Ende des October 1861 wurde ein Hafert im Ersfjord, in der Nähe des Kaifjord bei Tromsö geschossen. Die Individuen, welche sich bei Finmarken zeigen, sind meines Dafürhaltens längs den Küsten des Russischen Lapplands dahin gewandert von Novaja Semlja, woselbst diese Robbenart allgemein ist. Phoca groenlandica Müll., Fabr., Nils. — • Ph. oceanica Lepechin. Während wir in der Hinlopen-Strasse segelten, sah ich einige Schaaren von dieser Art in der Mitte des August. Sie hielten sich in dicht geschlossenen Geschwa- dern, 20 — 30 beieinander, schwammen schnell und schie- nen grosse Eile zu haben. Wenn sie athmen wollten, so erhoben alle auf einmal, dicht an einander geschlossen, ihre Häupter über das Wasser, und tauchten augenblick- lich wieder unter, um in weiter Entfernung dasselbe hurtige Manoeuvre zu wiederholen. Ihre Eilfertigkeit war besonders auffallend, und ich glaubte erst, sie wären auf einer langen Wanderung nach* einer bestimmten Richtung hin begriffen; fand jedoch späterhin, das dieses keines- weges der Fall war, denn die eine Schaar strich nach Norden, eine andere nach Süden hin u. s. w., da es eben ihre Paarungszeit war und die Geschlechter in getrennten Haufen, Männchen und Weibchen für sich, leben, so ist wahrscheinlich, dass ihre Eile sich von dem erwachten Geschlechtstriebe herschrieb. Die südliche Einfahrt in die Hinlopen-Strasse war damals von Treibeismassen gesperrt, gegen Norden aber war das Merr eisfrei. Anderswo sah ich den mondfleckigen Seehund auf der ganzen Reise nicht. Die grönländische Robbe oder der mondfleckige See- hund, wie diese Art von den Dänen und Norwegern ge- Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 79 nannt wird, wohnt nirgends das ganze Jahr hindurch, sondern wandert regelmässig von einer Gegend zur an- dern. Von der Westküste Grönlands wandert sie jährlich zweimal aus. Die erste Auswanderung geschieht im März in der Absicht, auf dem Eise weit vom Lande, entweder in der Mitte der Davis-Strasse oder im nördlichen Theile des atlantischen Oceans, Junge zu werfen. Gegen Ende des Mai kehren sie dann, aus Süden kommend und ihre Jungen mitbringend, in grossen Schaaren an die westli- chen Küsten Grönlands zurück. Zum zweiten Male wan- dern sie zu Ende des Juli aus und kehren zu Anfang des Septembers zurück. Das Ziel dieser Auswanderung ist ebenfalls nicht mit Sicherheit bekannt, die Absicht damit scheint gleichwohl zu sein, die Paarung in Frieden be- treiben zu können, denn bei der Rückkehr unter das Land sind die Weibchen trächtig. Also fällt die Paarungszeit in den August. Wrährend der übrigen Zeit des Jahres halten sie sich in der Nähe des Landes auf, und es wird ihnen eifrig nachgestellt von den Grönländern, welche an den südwestlichen Küsten alljährlich 30 — 36,000 von ihnen tödten sollen. Die grönländische Robbe hat im Winter keine von ihr selbst gemachte Wake in dem festen Eise, wie Ph. barbata und Ph. hispida, sondern versam- melt sich in Menge bei den grossen Oeffnungen im Eise, die von Meerströmen gebildet werden (Fabricius: Na- turvid. Selsk. Skrivt. Bd. L Om Svartsiden Ph. groen- laudica S. 87). Denjenigen Schaaren der Ph. groenlandica, welche sich im Meere zwischen Grönland, Spitzbergen und Novaja Semlja aufhalten, scheint die Insel Jan -Mayen in den Monaten Februar, März und April, oder während der Zeit da sie Junge werfen, ein gemeinschaftlicher Sammelplatz zu sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der grössere Theil derjenigen, die zu Anfang des März in der Davis- Strasse auswandern, ebenfalls nach den Eisfeldern bei Jan-Mayen streben, um dort Junge zu werfen, so gewagt eine solche Vermuthung auch sein mag. Schon Fabri- cius (1. c. S. 116) weiss zu erzählen, dass eben die grön- ländische Robbe mit ihrem Jungen auf dem Eise liegend, 80 Malmgren: im März und April von den sogenannten Robbenschlägern in dem Meere zwischen Ostgrönland und Spitzbergen ge- jagt wird. Von Norwegen aus ist schon lange ein sehr einträglicher Robbenfang mit mehreren Fahrzeugen bei Jan-Mayen getrieben worden und besteht noch jetzt, ob- gleich er, w7ie aller andere Fang im Eismeere, in starker Abnahme begriffen ist. Besonders stellt man dem neuge- bornen mit einer weissen und zarten Wolle bedeckten Jungen der Ph. groenlandica nach. Da dieses, gleich dem Jungen des Halichoerus grypus, nicht eher ins Was- ser geht, als wenn es die Wolle abgelegt hat, selbst wenn es von dem Menschen angefallen wird, so wird es eine leichte Beute des Robbenschlägers. Noch in den letzten Jahren sind viele Zehntausende von jungen und erwach- senen mondfleckigen Seehunden jährlich von den Nor- wegern bei Jan-Mayen getödtet worden. Es wäre interessant zu wissen, ob Halichoerus grypus oder Phoca groenlandica in so grosser Menge auf dem Treibeise in der Mündung des weissen Meeres Junge wrirft und dort der Gegenstand eines einträglichen Fanges ist nach W. Bothlingk l). Nach Pallas und Lepe- chin ist es Phoca groenlandica; doch diese Angabe be- darf der Bestätigung, denn diese Robbenart wirft nicht in der Nähe des Landes Junge, sondern im weiten Oceane auf Treibeis. In Betreff der Fortpflanzung dieser Art haben wir schon erwähnt, dass die Paarung im August geschieht, und dass das Weibchen im März ein weisses, mit Wolle bedecktes Junges auf dem Eise gebiert. Prof. Nilsfon2) hat die Vermuthung hingeworfen , dass das Junge der Ph. groenlandica gleich dem der Ph. vitulina, das Woll- haar schon im Mutterleibe abwürfe, auf Anlass der von Fabricius angeführten richtigen Beobachtung, dass das mit Wolle bedeckte Junge sich niemals im Wasser zeigt. Dass dieses keineswegs der Fall ist, haben wir schon gezeigt, und Fabricius giebt auch zu einer solchen 1) BulletinScientif.de l'Acad. de St. Petersburg T. VII. p. 202. 2) Skand. Fauna 1847. I. p. 290. Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 81 Vermuthung nicht den geringsten Anlass. Er sagt näm- lich (1. c. S.92): „Wenn man auch ein Weibchen in der letzten Zeit der Trächtigkeit fängt, da das Junge voll- kommen reif ist, so findet man doch keine Veränderung in der Farbe desselben, woraus man denn am vernünftigsten schliesst, dass es weiss geboren wird. Nichts desto we- niger sieht man ausser dem Leibe der Mutter niemals ein solches wTeisses Junges im Wasser; die Farbenverän- derung desselben wird also wohl geschehen in der Zwi- schenzeit 1); da es gleich den Alten nicht unter Land ge- sehen wird, und es verliert also wohl an dem Orte, wo es geboren wird, seine ersten weissen Haare/ Bei Finmarken ist diese Robbe vor einer Anzahl von Jahren im Winter ein regelmässig wiederkehrender Gast gewesen, jetzt aber sieht man sie dort selten mehr — eine in die Augen fallende Folge des verheerenden Fan- ges bei Jan -Mayen. Besonders waren es die Jüngern, zur Fortpflanzung noch nicht tauglichen Individuen, welche regelmässig die Küsten Finmarkens besuchten. Sie haben dort viele verschiedene , den verschiedenen Altern ent- sprechende Namen erhalten. Nachdem das Junge seine wollene Tracht abgelegt hat, nennen ihn die Norweger Suulrygg, welche Benennung dem Atärak der Grönländer entspricht. Der Suulrygg zeigt sich bei Finmarken nie vor dem September oder November, da er schon grösser geworden ist und mehrere dunkle Flecken erhalten hat. Da hat er denn auch schon einen neuen Namen erhalten, nämlich Oyskärkobbe (ein Kobbe, d. i. Robbe, gross wie ein Osfass oder eine Schöpfgelte), entsprechend dem Ataifiak der Grönländer, womit das Junge des mond- fleckigen Seehundes während des ersten Herbstes und Winters bezeichnet wird. Der Oyskärkobbe , welcher dort früher zahlreich war, ist jetzt selten; er verlässt Fin- marken im Februar. — Das Junge im zweiten und drit- ten Jahre, welches Storfveiv heisst , fand sich früher 1) Diese Zwischenzeit ist lang genug für den Wechsel des Kleides, denn sie dauert vom Anfange des März bis zum Ende des Mai. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. Q 82 Malmgren: zahlreich zu Ende des April und zu Anfang des Mai zu- gleich mit dem Kreuzerfindungs-Sei (Stockfisch) ein und verschwand nach einigen Wochen wieder. Der Aaben- kobbe oder der erwachsene mondfleckige Seehund zeigt sich sehr selten und dann nur im Winter bei Finmarken. Phoca hispida Erxl. ; F a b r i c i u s , Naturh. Selsk. Skr. I, 2. p. 74; — Ph. foetida Fabr., Fauna Grönl. ; Ph. annellataNils.; Stenkobbe, Norwegen. Von allen Robbenarten geht diese am höchsten hinauf gegen Norden und ist also im Sommer an den nördlichen Küsten Spitzbergens nicht selten, kommt jedoch dort nicht zahlreich vor. Das Eis scheint für das Wohlbefinden dieser Robbe eben so unentbehrlich zu sein, wie für die Phoca barbata. So lange das feste Eis liegt; hält sie sich in den Buchten und Meerbusen, wenn aber das Eis auf- bricht, so begiebt sie sich mit dem Treibeise nach Norden hin. Die Nachbarschaft des Landes scheint für diese Robbe von keiner solchen Bedeutung zu sein, wTie für die Ph. barbata, denn man hat sie oft in weiter Ferne vom Lande angetroffen. P a r r y sah sie unter dem Treibeise unter 823/4°N.B. oder etwa 20 Meilen von dem nächsten bekann- ten Lande, und seine Mannschaft schoss zwei Individuen auf dem Eise während der Reise gegen den Nordpol. Phoca barbata ist an die Küste gebunden, weil sie ihre Nahrung vorzugsweise von dem Meeresboden aus einer Tiefe von höchstens 80— 100 Faden holt; Phoca hispida dagegen lebt von Fischen und Crustaceen in der Nähe der Meeresfläche, welche auch in grösserer Entfernung vom Lande vor- handen sind. Es ist wahrscheinlich, dass die Hauptnah- rung der Ph. hispida in einer kleinen Gadus-Art (Mer- langus polaris) besteht, welche unter dem Treibeise an der Wasserfläche in Menge umherschwimmt, und welchen Parry noch unter 823/4°N. B. fand. — Im Winter hat die Ph. hispida während ihres Aufenthaltes in den Buch- ten und Meerbusen kleine Löcher im Eise, durch welche sie die Nase steckt, um Athem zu holen ; grössere Waken, durch welche sie aufsteigen könnte, um sich auf dem Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 83 Eise zu lagern, dürfte diese Art sich nicht machen, wie Phoca barbata, sondern zu diesem Zwecke grössere Spalten oder Waken benutzen, welche von Strömungen offen ge- halten werden. So erzählt Fabricius (L c. S. 82 — 83), und eben dieses habe auch ich an den finnischen Küsten des bottnischen Meerbusens über ihre Lebensweise kennen gelernt. Ueber die Fortpflanzung dieser Art habe ich von Spitzbergen keine Erfahrung. An der Westküste Finlands wirft das Weibchen zwischen der Mattsmesse (24. Febr.) und Marien (25. März) auf dem Eise am Rande einer grösseren Wake oder Eisspalte ein mit Wolle bedecktes Junges, welches schmutzig grau ist mit schwärzlichem Anstrich auf dem Kopfe und dem Vorderrücken. Das wollene Kleid wird innerhalb eines Monates abgelegt und von einem andern ersetzt, ähnlich dem der Alten. Wenn der„Kut" oder das neugeborne Junge der „Wikar-Robbe", wie man die Phoca hispida an den Küsten Finlands nennt, auf dem Eise liegt, ist er äusserst schwer zu fan- gen, denn er geht bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr sogleich ins Wasser, während dagegen der .,Kut" der grauen Robbe, Halichoerus grvpus, einen solchen Schrecken vor diesem Elemente hegt, so lange er das wollene Kleid trägt, dass er sogleich auf die Eiskante klettert, sobald man ihn in eine Wake wirft. Nach Fa- bricius 1. c. S. 84, gebiert diese Art in Grönland im Februar und im März oder um dieselbe Zeit, wie im Fin- nischen und Bottnischen Meerbusen, so wie am Ladoga. Die Grösse wird auf 3 bis 4 Fuss angegeben, und nach Fabricius und Nilsfon soll sie nie 4V2 schwed. Fuss übersteigen. Dass die erwachsenen und alten Individuen im Bottnischen Meerbusen diesem Maximum bedeutend überschreiten, habe ich selbst nicht selten beobachtet. Die grössten, welche ich gesehen habe, massen beinahe 6 Fuss von der Nase bis an die hinteren Schwimmfüsse und 5J/2 schwed. Fuss bis an die Schwanzspitze. Sogar in den finnischen Landseen Ladoga und Pyhäfelkä soll die ganze Länge der alten Individuen nach der Aussage erfahrener Männer beinahe einen Klafter , d. h. sechs Fuss betragen. 84 Malmgren: Doch in diesen Seen wird diese Robbe gewöhnlich im zweiten und dritten Jahre, selten erwachsen, geschossen. Dasselbe ist nach F a b r i c iu s auch in Grönland der Fall ; ich vermuthe daher, dass dies die Ursache ist, wesshalb die Länge des Thieres zu klein angegeben ist, da sie wahrscheinlich nach den ein- oder zweijährigen Indivi- duen, die man am gewöhnlichsten erhält, bestimmt wor- den ist. Fkoca vitulina (L.) Phipps, Voyage towards the North-pole 1773. p. 185 umfasst die sämmtlichen Robben- arten Spitzbergens ; denn L i n n e hat im Systema Naturae, nach welchem in Phipp's Reise das Verzeichniss über die Thiere Spitzbergens entworfen ist, die Arten des Ge- nus Phoca (sens. strict.) nicht unterschieden. Ph. vitu- lina (L.) Nils., Skand. Fauna I. 1847. p. 276 ist von Spitz- bergen noch nicht bekannt. Mus decumanus Pallas; Nilsion. Die Wanderratte ist in Handelsfahrzeugen nach Tromsö gebracht worden, ist jedoch dort nicht allgemein. Mus musculus Lin. ; Nils. Ist überall in den Häusern der Stadt Tromsö vor- handen ; doch erfuhr ich nichts über das Vorkommen der Hausratte auf dem Lande. Lemmus amphibius'Lm. ; Nils.; Arvicola amphi- bius Blasius, Wirbelthiere Deutschlands 1857. S. 344. In der Gegend von Tromsö ist diese Art auf dem Festlande nicht selten, kommt jedoch in den äusseren Scheren nicht vor. Im Innern des Baisfjord, 69,5° N. B., ist sie ziemlich allgemein und man erzählte, dass sie in den dortigen Kartoffeläckern grosse Vorräthe von den besten und grössten Kartoffeln für ihren Winterbedarf vergräbt. Es war überraschend zu finde^ dass diese Art hier unter fast 70° N. B. ganz dieselbe Lebensart führt, wie im nördlichen Finland, woselbst ich in der Gegend von Kajana zugesehen habe, wie einige von ihren soge- nannten Wintervorräthen aufgegraben wurden, von denen jeder etwa zwei Kappar (ä 175schwed. Kubikdecimalzoll) Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 85 Kartoffeln enthielten. — Die Bälge, welche ich am Bais- fjord erhielt, waren von der braunen Varietät, welche nach Nilsfon den Meergegenden eigenthümlich ist. Das Thier wurde von den Norwegern Waan (spr. : Wohn) genannt. Lemmus agrestis Lin.; Nils. Prof. Lilljeborg hat 1848 diese Art in Finmarken auf dem Festlande gefunden; ich habe sie jedoch dort nicht gesehen. Meine Zeit war nämlich durch andere Arbeiten dermassen beschränkt, dass ich der Micromam- malogie des Festlandes und der Inseln nur eine unbe- deutende, oft gar keine Zeit und Aufmerksamkeit widmen konnte. Lemmus liudsonius (Arvicola) Richards, App. to Parrys 2. Voyage et Fauna boreali-amer. p. 132. Parry fand 1827 auf seiner Bootfahrt nach dem Nordpole ein Skelett dieses Thieres auf dem Eise unter 813/4° N. B. oder wenigstens 15 d. Meilen von dem näch- sten bekannten Lande. Von welchem Lande dieses Skelett herstammt, lässt sich nicht entscheiden, da das Thier über die meisten Polarländer verbreitet ist; dass es jedoch nicht von Spitzbergen war, kann ich mit Gewissheit be- haupten. Auf Anlass dieses Skelett-Fundes von Parry ist diese Art von neueren Schriftstellern unter die spitz- bergischen Thierarten aufgenommen. Nichts kann gleich- wohl unrichtiger sein; denn auf Spitzbergen lebt keine einzige Lemmus-Art. Auf eigene Erfahrung gestützt kann ich anführen, dass an den nördlichen Küsten Spitzbergens keine Thierart von der Ordnung der Nager vorkommt; auch haben T o r el 1, Norden fkj ö 1 d und B 1 o m f tr a n d bei ihren umfassenden geologischen Untersuchungen an den westlichen Küsten Spitzbergens von Beil-Sound bis Hackluyts Headland nirgends Spuren, Gänge oder andere Zeichen von der Anwesenheit einer Lemmus - Art , ge- schweige denn ein Thier von dieser Familie angetroffen. — Lemmus liudsonius ist bisher bekannt von den Hud- sonsbay-Ländern, dem arktischen Archipelagus Amerika'» 86 Malmgren: (Sabine und Richardson), dem Taymyrlande (Mid- dendorff), der Halbinsel Kanin im Osten des weissen Meeres (Ruprecht nach Middend.) und Novaja-Semlja (Baer). An der Westküste von Grönland giebt es keine Lemmus- Art; ander östlichen aber fandScoresby eine Art, welche Dr. T raill unter dem Namen Mus groenlandi- cus beschrieb. Richardson nahm diese Art in die Fauna Bor.-Am. auf und beschrieb sie unter dem Namen Arvi- cola groenlandica als eine von Arv. hudsonius verschie- dene Art; Middendorff dagegen identificirt dieselbe mit Lemmus hudsonius, der wiederum synonym ist mit Myodes torquatus Pall., Middf. Lemmus rufocanus (Hypudeus) Sundevall, K. Yet. Akad. Öfversigt 1846. p.122. — Nils- fon Skand. Fauna 1847. I. p. 365. Diese Art ist bisher in Skandinavien nur von Tornea- und Lulea- Lappmarken bekannt, woselbst sie „auf den Feldern, in den Häusern und in den Zelten der Lappen" am meisten in der Birkenregion vorkommt. Im October 1861 fand ich dieselbe auch sehr allgemein auf Brach- feldern und Wiesen unter den hohen Bergen am Baisfjord (im Andersthale) in der Nähe von Tromsö. In den Häu- sern hatte man sie nicht bemerkt, obgleich sie allgemein auf den Feldern war, wo sie in dem Rasen und Bulten Gänge pflügte. Exemplare brachte ich von dort an das Reichsmuseum mit. Auf den Inseln sah ich sie nicht. Middendorff, „Sibirische Reise" II, 2. S. 114 giebt diese Art an für das russische Lappland 69°, Boganida 71°, Kamtschatka und Altai. Lemmus norvegicus Worm.; Nils. Seit 1860 ist der Berglemming (Fjell -Lemmcl) in Westfinmarken , sowohl auf dem Festlande, als auf den Inseln, sehr zahlreich gewesen. Selbst traf ich ihn nicht in den Scheren, wo er doch nach der Versicherung der Bewohner in Menge vorkommen soll ; auf dem Festlande dagegen fand ich ihn allgemein, z. B. am Bals- und Ulfs- fjord. Man soll diesen Lemming bisweilen in grossen Schaaren zwischen dem Festlande und den Inseln schwim- Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 87 mend antreffen. Es geschieht dann wohl, dass bei diesen gefährlichen Reisen ganze Schaaren umkommen und todt ans Land treiben. Exemplare von Blasfjord sind im Stock- holmer Reichsmuseum deponirt. Cervus tarandus Lin. Das Renthier ist allgemein an den Küsten Spitzber- gens bis hinauf nach Seven-Island, 80°45'N. B., woselbst Tor eil und No r den fkj öld dasselbe noch ebenso gross und fett fanden, wie in südlicheren Theilen von Spitz- bergen. An den grossen Fjorden der Westküste kom- men sie zahlreich vor, besonders am Eisfjord, woselbst alljährlich eine bedeutende Anzahl von den norwegischen Spitzbergenfahrern geschossen wird. Das spitzbergensche Renthier ist überhaupt kleiner, als das skandinavische und erbietet ausserdem einige osteologische Eigentümlichkeiten, auf welche Herr An- derfen neulich aufmerksam gemacht hat 1). Aber das spitzbergensche unterscheidet sich von dem skandinavischen auch dadurch, dass bei jenem während der letzten Hälfte des Sommers eine 2 bis 3 Zoll dicke Schicht von weis- sem und wohlschmeckenden Speck zwischen der Haut und dem Fleische vorhanden ist, was dieser nicht haben dürfte. Diese Fettschicht wird innerhalb einer sehr kur- zen Zeit im Juli gebildet ; denn noch zu Ende des Juni waren die Renthiere an der Treurenberg-Bay mager und kaum essbar ; doch schon zu Ende des Juli waren die an der Brandywine-Bay, 80° 24' N. B., unglaublich fett. Ohne Zweifel dient diese Fettschicht den Thieren im Winter zum Schutze gegen die Kälte; doch ich bin geneigt, der- selben noch eine andere, wichtigere physiologische Be- deutung beizulegen. Ich halte nämlich dafür, dass das Renthier im Winter, wenn der Schnee die überdies äus- serst dürftige Vegetation bedeckt, von welcher es seine Nahrung nimmt, zu nicht unbedeutendem Theile auf Un- kosten dieser Fettschicht lebt. Im Frühling, im Mai oder zu Anfang des Juni , hat das Renthier nach der langen Fastenzeit während des ganzen Winters keine einzige Spur 1) Öfversigt af Kongl. Vct -Akad. Förhandlingar 1862. p. 457. 88 Malmgren: von diesem Fettlager übrig und ist dann so mager und elend, dass es kaum zu essen ist. Delplünus delpkis (L.) Lilljeborg J). Am Morgen des 7. April 1861 sah ich im Weftfjord an der norwegischen Küste in der Nähe des Einlaufes nach Hänningsvär, welches für den von Süden kommen- den Postdampfer der erste Landungsort auf den Lofoten ist, eine ungeheure Menge von gemeinen Delphinen oder Meerschweinen, welche vielleicht \\ Quadratmeile von der Meeresfläche bedeckte und aus mehreren Hunderten, ja vielleicht Tausenden von Individuen bestand. Oft sah man, wie mehrere sich ganz in der Nähe des Dampf- schiffes über das Wasser erhoben, um auf die gewöhn- liche Weise der Delphine Athem zu schöpfen, so dass die Contouren des Kopfes, des Rückens und der Rücken- flosse deutlich unterschieden und aufgefasst werden konn- ten. Gleichzeitig sprangen in grösserer Entfernung vom Fahrzeuge mehrere, oft 5 bis 10 auf einmal, hoch empor, so dass man sehen konnte, dass sie auf der unteren Seite weiss waren, obgleich die Entfernung allzu gross war, als dass die Verbreitung der weissen Farbe über die Seiten der Körper sich hätte beurtheilen lassen können. Die Körperlänge schien etwa 6 — 7 Fuss zu sein, die Stirn war stark convex, die Körperform spulförmig, untersetzt, nach hinten stärker abnehmend, die Rückenflosse hoch, belegen etwas hinter dem dicksten Theile des Körpers, zugespitzt, nach vorn convex, nach hinten concav und etwas nach hinten gebogen, der Rücken und der obere Theil des Kopfes schwarz und die unteren Körpertheile weiss. Wohlbedacht und ohne den geringsten Anstand behalte ich den Namen bei, den ich diesem Delphin beim ersten Anblick beilegte. Die Grösse, die convexe Stirn, die Gestalt des Körpers und die Stellung und Form der Rückenflosse stimmen vollkommen überein mit der Be- schreibung des Delphinus delphis. DerDelphinus acutus (J. Gray) Lilljeb. 1. c. , welcher an der Westküste von 1) Öfversigt af Skandinaviens Hvaldjur, Upsala Univers. Ärsskrift 1861. et 1862, Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 89 Norwegen öfter angetroffen und gefangen zu werden scheint, als Delphinus delphis, weicht von dem von mir observirten Delphin ab durch die bedeutendere Grösse und die langsam abschüssige Stirn. Der zuletzt erwähnte Unterscheidungscharakter fällt sogleich in die Augen, wenn man Rasch's Abbildungen des Delphinus leuco- pleurus Rasch *) ; welcher synonym ist mit D. acutus Gray nach Prof. Lilljeborg, mit einer Contourzeich- nung D. delphis vergleicht. Fischer in Finmarken erzählten, dass sich dort oft im Frühlinge Meerschweine zeigten; unmöglich aber ist es zu entscheiden , ob es Schaaren von D. delphis oder D. acutus Gray sind, welche Finmarken besuchen. Wahr- scheinlich thun dies beide Arten. Orca gladiator (Desm.) Sundevall, K. Yet. Akad. Ofvers. 1861. p. 391. — ■ Grampus gladiator Lillj., Skand. Hvaldjur, p. 15. — Stour-wagn (Finmarken). Martens erwähnt (Spitzb. Reiseb. 1675. S.94) im Zusammenhang mit dem Butzkopf (Hyperoodon rostratus Pont., Lillj.) eines anderen Thieres mit einer dreimal so hohen Rückenflosse, „daher man es für einen Schwertfisch halten könnte". Darunter kann Martens kaum ein an- deres Thier verstehen, als Orca gladiator, der bisweilen im Meere zwischen Finmarken und Spitzbergen ange- troffen wird. An den Küsten von Finmarken zeigt er sich nicht selten und ist allen Fischern unter den Benen- nungen Stour-wagn oder Stour-hynning wohl bekannt. Ob der Name Wagnhund, der in Finmarken allge- mein angewendet wird, für die grosse Delphinenart, die Walfische ans Land treibt, auch dem Orca gladiator bei- gelegt wird, oder ob man sich desselben ausschliesslich zur Bezeichnung des Orca grampus (Desm.) Sund. 1. c. bedient, wie Prof. Lilljeborg meint, wage ich nicht zu entscheiden. Bezeichnen die Fischer mit „Wagnhund- eine von „Stour-wagn" verschiedene Art Orca grampus Desm. (Grampus orca Schi. , Lillj eb.), so muss diese im 1) Nyt Magasin for Naturvidenskab. Bd. IV. Hft. 2. Tab. 11. 90 Malmgren: Sommer allgemeiner in Finmarken sein, als Orca gladia- tor, denn man hört weit öfter von Wagnhunden als von Stourwagnen reden. Vor einigen Jahren sind drei klei- nere Walfische , Balaenoptera rostrata Fabr. , auf einmal von Schwertfischen im Innern des Ulfsfjord ans Land getrieben worden. Im Grötiund, nördlich von Tromsö, sollen sich Schwertfische oft im Sommer zeigen. Im An- fange des October 1861 sah ich einen grossen Delphin im Grötfunde, der wahrscheinlich ein Orca grampus (Desm.) war. Er zeigte sich nur einmal und in weiter Entfernung, daher meine Observation unsicher war. Phocaena communis (Lesson) Lilljeb. I.e. p. 25; — Nife (Finmarken). Der Tümmler ist in Westfinmarken sehr allgemein. In schmalen Fjorden, als im Baisfjord, wird er von den Norwegern im Winter mit Netzen gefangen, die Lappen aber ziehen es vor, ihn zu schiessen. Der Tümmler ist das ganze Jahr in Finmarken. Im Grötfunde sah ich am 9. October 1861 eine kleine Schaar von 3 oder 4 In- dividuen. DelpJmiapterus leucas (Pallas) Lilljeb. — Del- phinapterus Beluga J. C. Boss in Parry's Attempt to reach the North-pole 1827. Der Weissfisch ist an den Küsten Spitzbergens all- gemein. Seichte Ufer im Innern von Fjorden, wo Glet- scherbäche ins Meer fallen und das Wasser von aufge- löstem Lehm trübe ist, sind die liebsten Aufenthaltsörter der Weissfisch-Heerden. Er ist gesellig und wird immer in grossen Schaaren oder Heerden angetroffen, hält sich gerne im seichten Wasser in der Nähe des Ufers auf, entfernt sich selten oder nie von der Küste und ist un- abhängig von dem Treibeise. In der Treurenberg-Bay sahen wir in der Mitte des Juni eine grosse Menge von Weissfischen, obgleich die Bay von Treibeis erfüllt war. Bei den Waygats-Inseln sah ich in der Mitte des August eine zahlreiche Schaar gegen Süden von der Hinlopen- Strasse wandern. In der Lomme-Bay war am 22. August eine ungemein zahlreiche Heerde an der Mündung eines Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzhergens. 91 Gletscherbaches. Im Innern der Wyde-Bay sah Prof. Blomstrand Weissfische in grosser Menge. An den Fjorden der Westküste sind sie ebenfalls in Masse vorhanden. In Finmarken kommt der Weissfisch nicht vor. Doch versicherte ein Fischerlappe auf Hvalö bei Tromsö, er hätte einmal mitten im Winter einige Individuen im Kai- fjord gesehen. Dieses kommt mir nicht unwahrscheinlich vor; denn ich habe selbst in der Mitte des Juli 1856 in dem Innern des weissen Meeres zwischen Kern und So- lovetskoi, 65° N. B., eine zahllose Menge von Weissfischen gesehen1). Wenn der Weissfisch im Sommer das weisse Meer bewohnt, so ist es denkbar, dass seine Winterwan- derungen sich bisweilen in den Westen vom Nordkap erstrecken. An der Ostküste von Asien wandern die Weissfisch -Heerden im Winter bis 52° N. B. hinab und steigen sogar im Amurflusse 40 Meilen hoch ins Land hinein nach L. S ehre nk 2) und Arthur Nordmann3). Der Weissfisch lebt besonders von Fischen. Monodon monoceros Lin., Narhval. Der Narwal hält sich Winter und Sommer vielleicht von allen Säugthieren dem Pole zunächst auf. Er ist stets draussen im Meere unter den Treibeismassen, nie- mals in der Nähe der Küste, wie der Weissfisch, und wird im Sommer nicht an den Küsten Spitzbergens an- getroffen, ausser vielleicht an den allernördlichsten in kal- ten Sommern, da diese von Eis eingeschlossen sind. Parry sah auf der Rückkehr von seiner Bootfahrt gegen den Nordpol einige Individuen unter losem Treibeise unter 81° 10' N. B. , wir aber bekamen auf der ganzen Reise keine Narwale zu sehen. Im Winter ziehen sie sich gegen Süden und halten sich da wahrscheinlich im Meere west- lich von Spitzbergen auf. — An den Küsten des nörd- lichen Grönland und in dem nördlichsten Theile des ark- 1) S. Sandinaviens Hvaldjur von Lilljeborg, p 117. 2) Reisen und Forschungen im Amurlande 1854 — 56. 1, 1. S. 191. 3) Bulletin de la Societe des Naturalistes de Moscou, 1861. III. p. 237. 92 Malmgren: tischen Archipelagus von Amerika scheint der Narwal allgemeiner zu sein, als bei Spitzbergen. Chaenocetus rostratus (Pontoppid.) ; — ■ Monodon spurius 0. Fabr.; — Hyperoodon borealis Nils., 1820; — Hyperoodon rostratus Lilljeb., 1. c. p. 34. — ■ Näbbhval Eschricht : Undersö- gelser over Hvaldyrene, 4. Abhandlung. Auf der Ueberfahrt nach Spitzbergen trafen wir mehr- mals kleinere Walfische, 2 bis 3 zusammen, am 15. — 17. Mai 1861 unter 74,5— 75,5° N. B. und 12— 13» Ö. L. Grw. „Sie waren 4 — 5 Fuss lang, oben schwarz mit grünlichem An- strich, die Körperform spulförmig, nach hinten stärker abnehmend als nach vorne ; der grösste Umfang an der vorderen Körperhalbe; die Rückenflosse zugespitzt, nach vorne convex, nach hinten concav mit nach hinten gebo- gener Spitze, der Kopf nach vorne etwas zusammenge- drückt, mit vertikal sich senkender Stirn (den untern Theil des Kopfes oder den Schnabel sah ich nicht über dem Wasser) ; nur ein Spritzloch war vorhan- den, aus welchem die Luft ohne einen merkbaren Strahl ausgestossen wurde mit einem schwachen Laute, der nur zu hören war, wenn der Walfisch 2 — 30 Faden vom Fahrzeuge entfernt war," Sie kamen dem Fahrzeuge so nahe, dass man sie beinahe mit einer langen Stange hätte erreichen können , und schwammen eine Weile neben oder hinter uns, so dass die Ccntouren der Stirn, des Rückens und der Rückenflosse deutlich aufgefasst werden konnten. Was ich in meinem Tagebuche über dieselben angezeichnet habe, ist oben mit Citationszeichen ange- führt. Hieraus erhellt deutlich, dass die fraglichen Wal- fische Döglinge waren. Die Vermuthung des Professor Eschricht *), dass der „ ButzkopP des Härtens 2) der Dögling ist, halte ich für ganz richtig. Während wir diese Zone des Eismeeres passirten, 1) Undersögelser over Hvaldyrene, wo die 4. Abhandlung ,om Näbbhvalen." 2) Spitzberg. Reisebeschreib. 1G75. S. 93. Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 93 in welcher die Döglinge sich aufhielten, variirte die Tem- peratur des Wassers der Oberfläche zwischen +2°— +3°R., und die Farbe des Meerwassers, durch das Hennegatt gesehen, war schön azurblau. Aber am 18. Mai, da wir uns unter 75° 45' N. B. und 12° 31' Ö. L. Grw. befanden, sank die Temperatur des Wassers am Vormittage in einer einzigen Stunde von +2°— 4- 3°R., bei welchem Grade dieselbe sich während der drei zunächst vorhergehenden Tage ziemlich constant gehalten hatte, hinunter auf 0° bis — 1° R. Gleichzeitig mit der plötzlichen Temperaturverän- derung im Wasser traf auch eine merkliche Veränderung in der Meeresfauna ein, und das Meer, welches schön azurblau gewesen war, wwde plötzlich schmutzig grün von einer Menge kleiner pelagischer Algen. Alles deutete darauf hin, dass wir die Grenze zwischen dem Gebiete des atlantischen Oceans oder richtiger des Golfstromes, für dessen Gewässer die azurblaue Farbe charakteristisch sein soll, und dem Gebiete des kalten Eismeeres überschritten hatten. Unter vielen Veränderungen in der Meeresfauna war das Verschwinden der Döglinge in demselben Au- genblicke, da wir in die Grenze des kalten, schmutzig- grünen Wassers kamen, allzu sehr in die Auge fallend, als dass es hier nicht erwähnt werden sollte. Am 17. und noch in der Nacht vor dem 18. Mai sahen wir ver- schiedene Döglinge , darauf aber während der ganzen Reise nicht früher, als am 14. September auf der Rück- reise nach Norwegen, da wir ungefähr unter 78n N. B. waren. Da kam einDögling unserem Fahrzeuge, Aeolus, ganz nahe und schwamm eine Weile neben uns hin; da jedoch der Aeolns schlecht segelte, so liess uns der Walfisch bald hinter sich. Anmerkungswerth ist, dass die Temperatur des Wassers an der Meeresüäche damals + 3,3° R. war oder ungefähr gleich der am 17. Mai, da wir den Dögling zuletzt gesehen hatten. Es ist wahr- scheinlich, dass die Döglinge sich niemals in kälterem Wasser, als demjenigen, in welchem wir sie am 14. — 17. Mai trafen, aufhalten, und die Grenze ihrer nördlichen Ausbreitung fällt vielleicht zusammen mit der des Meeres von dem erwähnten Temperaturgrade. Hierbei ist gleich- 94 Mal m g rem wohl zu bedenken, dass diese Grenze im Sommer um einige Grade hoher hinaufrückt, als sie im Winter ist, wenigstens im Meere zwischen Grönland und Spitzbergen. An den Küsten von Finmarken ist der Dögling den Fischern wenigstens dem Namen nach bekannt; doch zeigt er sich dort „sehr selten." Am Kaifjord, in der Nähe von Tromsö, erhielt ich von einigen dort ansässigen Fischcrlappen die Notiz, sie hätten in der Nähe von Vengsö im Sommer 18(50 einen todten Dögling auf dem Meere treibend angetroffen. Die Lappen, welche ihn ge- funden, hatten versucht, den Speck zur Speisebereitung anzuwenden, hatten jedoch an demselben eine so äusserst heftig laxirende Eigenschaft befunden, dass ihnen dieses im October 1861 noch in frischem Andenken war, und sie sich beeilten, es sogleich als etwas höchst Sonderba- res zu erzählen. Dieselbe unangenehme Erfahrung haben die Grönländer schon vor langen Zeiten gemacht und daher dem Dögling den Namen Anarnak *) gegeben, der bedeuten soll „cacare faciens." Balaenoptera muaculusl (Comp.) Lilljeb. 1. c p. 42 ; Langrör, Finmarken. Von den Bartenwalen, welche zu verschiedenen Jah- reszeiten die Küsten Finmarkens besuchen, unterscheiden die dortigen Fischer drei Arten, nämlich Seihval, Langrör und Slätbak. Die beiden ersten haben Rückenflossen, die letztere nicht. Langrör (Finnfisch) ist die grösste unter ihnen und kommt im Frühling (März bis Mai) während der Lodde- und Häringfischerei vor, da er bei Finmarken sehr allgemein sein soll. Er soll nach der Beschreibung der Fischer „schlank und langgestreckt, und der längste von allen Walen sein. Er bläst ..sehr hoch" gleich dem Slätbak und hat eine ..Rückenflosse". — Ich vermuthe, dass dieser identisch ist mit dem Rörhval des Professor Lilljeborg, welcher B. musculus (Comp.) ist. Balaenoptera gigas (Eschr.) Lilljeb. 1. c. p. 56 — 57 ? ; Slätbak, Finmarken. Während wir in der Meerenge zwischen Amsterdam- 1) Eschricht's Abhandling om Näbbhvalen- Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens u. Spitzbergens. 95 Island und dem Lande Spitzbergen unter 79° 45' N. B. vor Anker lagen, sah ich am 1. September 1861 zwei kolossale Individuen dieser Art in einer Entfernung von 4 — 500 Faden vom Fahrzeuge ein einziges Mal blasen. In dieser Entfernung konnte ich keine Rückenflosse un- terscheiden; doch die Gefährten, Prof. Norden fkjöld undMag. Chydenius, welche sie kurz zuvor dicht beim Fahrzeuge hatten blasen sehen, versicherten, sie hätten eine solche, obgleich sehr niedrig und weit nach hinten auf dem Rücken befindlich. „Sie hatten einen langge- streckten Körper von ungeheurer Länge ; die Rückenflosse war sehr niedrig, weit nach hinten belegen und in einer Entfernung von 4 — 500 Faden nicht mehr sichtbar; sie blie- sen sehr heftig und hoch, so dass das dadurch entstehende Geräusch in der angegebenen Entfernung als ein starkes Brausen zu hören war ; die ausgeblasene Dampfsäule war gewiss 3 — 4 Ellen hoch; die Körperfarbe liess sich nicht deutlich unterscheiden; in der Ferne aber sahen sie schwarz aus. Nachdem ich sie einmal hatte blasen sehen, verschwanden sie und wurden nicht wieder gesehen, ob- gleich der Tag klar und die See in der Meerenge fast ganz ruhig wie ein Spiegel war. Die Temperatur des Wassers an der Meeresoberfläche war -f- 3,1° R." — Dieses aus meinem Tagebuche. Wie schon erwähnt, soll sich an den Küsten Fin- markens, nach der Angabe der Fischer, nicht so selten ein grosser Walfisch zeigen, der sich von den übrigen dort vorkommenden Walen dadurch unterscheidet, dass er keine Rückenflosse hat. Davon hat er den Namen Slätbak r) erhalten. Da sich vernünftiger Weise nicht annehmen lässt, dass der grönländische Walfisch, Balaena mysticetus, welcher der einzige Bartenwal des höheren Nordens ist, dem die Rückenflosse fehlt, sich jemals bei Finmarken zeigen sollte, so denke ich, es müssen Individuen von Balaenoptera gigas Eschr. sein, welche im Winter bei Finmarken vorkommen und dort von den Fischern Slätbak genannt werden. Denkbar ist es wenigstens, wie 1) D. h. hinten glatt. 96 Malragren: die vergleichsweise unmerklich kleine Rückenflosse *), die sich weit nach hinten befindet, von den Fischern entwe- der gar nicht als solche betrachtet oder auch übersehen wird, welches letztere; nach meiner eigenen Erfahrung, leicht geschehen kann. Nach Scoresby2) soll Balae- noptera Gibbar, welcher nach Prof. Lilljeborg's Ver- muthung mit B. gigas Eschr., im Meere bei Beeren-Island und Novaja - Semla in Menge vorkommen und von See- fahrenden nach Archangel oft für den grönländi- schen Walfisch gehalten worden sein. Scoresby meint, dass diese Art sich zwischen 70 — 76° N. B. aufhält, fügt aber hinzu, dass er im Juni, Juli und August, wenn das Meer eisfrei ist, bei Spitzbergen bis zum 80° N. B. hinaufrückt. Dass es nicht Megaptera boops (Fabr.) Liiljeb. (Ke- porkak Eschricht) ist, den die Fischer Finmarkens Slätbak nennen, halte ich für völlig ausgemacht. Der Keporkak der Grönländer hat nämlich eine Rückenflosse, die sich unmöglich übersehen lässt, und bläst die Luft mit weniger Stärke aus als der grönländische Walfisch und die Ba- laenopterae; der „Slätbak" dagegen bläst „sehr hoch"; seine Art unterzutauchen , nachdem er geblasen 3) , ist dermassen abweichend von derjenigen der Balaenopterae, dass dieses dem sicheren Auge der Fischer gewiss nicht entgehen würde, und endlich ist der Keporkak ein äus- serst seltener Gast an den europäischen Küsten, während er dagegen an den westlichen Küsten von Grönland und in dem westlichen Theiie des atlantischen Oceans allge- mein zu sein scheint. Zwischen Finmarken und Spitzber- gen haben wir ihn niemals gesehen. Ob der Slätbak Finmarkens der Biscaya-Wal oder der Nordkaper, der ein Balaena ist, sein kann, lasse ich unentschieden. Prof. Eschricht (Kongl. Danske Yid. 1) An dem von Möller beschriebenen, 6'8 dänische Fuss langen Exemplare von Grönland war die Rückenflosse nur 4 Zoll hoch. Vergl. Eschricht's Undersögelser etc. 5. Abhandlung. 2) Account of Arct. Reg. I. p.478. 3) Eschricht's Undersögelser over Hvaldyrer, G. Abhandlung. Beobachtungen d. Säugethierfauna Finmarkens U.Spitzbergens. 97 Selsk. Oversigt 1858. p. 226) erwähnt, es hätte sich am 17. Januar 1854 im innersten Theile des biscayischen Meer- busens bei San Sebastian ein Weibchen des Biscaya- Wales, welcher der „Sletbag" der Isländer und der Nordkaper der Walfischfänger ist, mit ihrem Jungen gezeigt. Das Junge wurde getödtet, und das Skelett wird jetzt in Pamplona im nördlichen Spanien aufbewahrt. Balaeneptera rostrata (Fabr.) Lilljeb. In Finmarken kommt ein kleiner Wal, der kleinste in der Familie (Zwergwal) vor, welcher im Frühling, im Mai, die Sei- (Stockfisch-) Züge bis in die Fjorde hinein verfolgt und Seiqual genannt wird. Dieser soll beson- ders den wüthenden Angriffen der Wagnhunder ausge- setzt sein und von ihnen oft ans Land getrieben werden. Vor einer Anzahl von Jahren wurden auf einmal bei Kjofen im innersten Theile des Ulfsfjordes drei Individuen auf einmal auf den Grund gejagt. — Wahrscheinlich wird die Benennung Seiqual auch für B. laticeps (J. Gray) Lilljeb. angewendet. Dieser ist von gleicher Grösse mit Balaenoptera rostrata und kommt, wie es scheint, in Ost- finmarken nicht selten vor. Scoresby l) hat ein Individuum der Balaenoptera rostrata (Fabr.) bei Spitzbergen geschossen; doch ist das dortige Vorkommen dieser Art wahrscheinlich nicht re- gelmässig, sondern zufällig. Wir haben ihn im Spitzber- gischen Meere niemals gesehen. Balaena mysticetus L. Der grönländische Walfisch, der" ehemals im Spitz- bergischen Meere allgemein gewesen ist, zeigt sich dort jetzt niemals. 1) Account of Arctic Regions I. p. 486. ArchiT f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. Untersuchungen über den Bau und die Naturgeschichte von Echinorhynchus niiliarius Zenker. (E. polymorphus.) Von Dr. Richard Greeff in Bonn. (Hierzu Taf. II und III.) Schon seit längerer Zeit mit Untersuchungen über die Anatomie der Echinorhynchen oder Acanthocephalen, dieser für unsere Kenntniss bisher noch in mancher Be- ziehung dunkeln Gruppe der Helminthen, beschäftigt, ■wurde ich im April d. J. (1863) durch eine Mittheilung von Prof. R. Leuckart an die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen*) auf unsere Flussgar- neele (Gammarus pulex) als Wohnthier für Echinorhyn- chen geführt. Leuckart hatte nämlich im Gammarus pulex mehrfach Echinorhynchen mit eingezogenem Halse und unentwickelten Geschlechtsorganen gefunden, in denen er Jugendzustände von Echinorh. proteus vermuthete. Er fasste desshalb den Entschluss, den Gammarus pulex mit reifen Eiern von Echinorh. proteus zu füttern, um durch die meistens durchsichtigen Körperdecken der le- benden Gammarinen die fortschreitende Entwickelung der Echinorhynchen aus dem Eie zu beobachten. Er hatte damit einen augenscheinlich äusserst glücklichen Weg betreten, wovon auch die darauf folgenden interessanten *) Nachrichten von der G. A. Universität u. s. w. No. 22. Hel- mintholog. Experimentaluntersuchungen von Prof. Dr. R. Leuckart in Giessen der Eönigl. Societät vorgelegt am 9. Oct. Greeff: Unters, über Echinorhynchus miliarius. 99 und zum Theil überraschenden Resultate über di« Ent- wickelung von Echinorh. proteus, die in den wesentlichen Zügen in der oben angeführten vorläufigen Mittheilung niedergelegt sind, Zeugniss geben. Ich beschloss nun meinentheils den Echinorh. pro- teus; der mir bisher wegen seiner Durchsichtigkeit, seiner ausgeprägten anatomischen Charaktere, so wie wegen seiner grossen Verbreitung m unseren Fischen als hauptsächli- ches Material zu Untersuchungen gedient hatte, in dem Gammarus pulex selbst ohne vorhergegangene Fütterung aufzusuchen, um so meine eigenen Beobachtungen zu ver- vollständigen und wo möglich die durch das Experiment von Leuckart gewonnenen auf natürlichem Wege zu wiederholen, wurde aber dabei auf eine Reihe zum Theil ganz anderer Untersuchungen geleitet, die im Folgenden mitgetheilt werden sollen, einestheils weil sie eine Be- richtigung für das System enthalten, anderntheils einen weiteren Beitrag zur Naturgeschichte und Anatomie der Echinorhynchen liefern. Als ich mir nämlich, um, wie oben gesagt, den Echinorh. proteus in seinen Entwickelungsstadien im Gam- marus pulex aufzusuchen, aus einem Bache hiesiger Ge- gend eine grosse Anzahl Gammarinen verschafft hatte und, noch unschlüssig, in welcher Weise ich die Unter- suchung vornehmen sollte, die Thierchen in einer flachen Schüssel beobachtete, fielen mir einige wenige mit lebhaft orange - rother Färbung im Innern der Leibeshöhle vor allen andern in die Augen. In der Hoffnung den ge- suchten Parasiten schon gefunden zu haben (da ich auch bei Echinorh. proteus eine röthliche Färbung häufig beob- achtet hatte) brachte ich einen Gammarus mit besonders stark durchscheinendem Roth auf ein Objektglas und wollte, nachdem ich den Kopf abgetrennt, durch vor- sichtiges Auseinanderzupfen des übrigen Körpers den Sitz der rothen Färbung isoliren. Indem ich zu diesem Behufe eine Nadel auf den Schwanztheil des Thierchens aufsetzte, bemerkte ich, wie der rothe Körper im Innern sich nach vorne schob und bei nachfolgendem Drucke mit Leichtigkeit aus dem vorderen abgeschnittenen Rumpf- 100 Greeff: ende hervortrat , und zwar in Gestalt eines lebhaft roth gefärbten eirunden Körnchens, das an seinen Enden etwas abgeplattet und eingezogen war (Taf. IL Fig. 9). Bei weiterer Betrachtung unter massiger Vergrös- serung zeigte sich dasselbe wegen des rothen Farbstoffs im Innern durchaus undurchsichtig, aber von zwei hellen Membranen umschlossen : die erste (Fig. 9, b), durchaus glashell und farblos, lag überall fest an dem äusseren Umfange an , hatte eine Dicke von 0,01 Mm. und schien an den beiden eingezogenen Längsenden umzubiegen und in das Innere des Körnchens einzudringen; die zweite (Fig. 9, a) ebenfalls durchsichtig und strukturlos, aber leicht gelblich-roth tingirt, berührte bloss lose den breiten Umfang des Körperchens, resp. die unter ihr liegende erste Membran, wölbte sich aber über die Längsenden in Form ziemlich langer Hauben oder Zipfel hervor, so dass dieselbe also wie eine spindelförmige weite Kapsel das Körnchen umgab. Yon dieser letztern Membran umschlos- sen mass das Körperchen 2,2 Mm. in der Länge, ohne diese Membran 1,1— 1,2 Mm. Als ich nun im Begriffe war versuchsweise vermit- telst eines Deckgläschens einen schwachen Druck auf dieses eigen thümliche Objekt auszuüben, sah ich zu mei- nem Erstaunen wie an dem einen der vorher, wie oben bemerkt, eingezogenen und abgeplatteten Längsenden eine Wölbung entstand, die sich bald als eine freiwillige Her- vorstülpung eines mit vollkommen ausgebildetem Rüssel, Hakenapparat u. s. w. versehenen Echinorhynchus erwies. Diese Hervorstülpung und der Anblick des schliesslich ausgestreckten Echinorhynchus , wie ich es seitdem zu zahlreichen Malen immer mit demselben Interesse beob- achtet habe, bietet ein höchst anziehendes Schauspiel, das wohl selten durch andere ähnliche Beobachtungen in der niederen Thierwelt an Schönheit übertroffen werden möchte, besonders weil dasselbe so klar und leicht in allen Einzelnheiten zu verfolgen und im Ganzen zu über- sehen ist (Taf. IL Fig. 10). Zuerst drängt sich der mit kleinen Häkchen dicht besetzte vordere Theil des Körpers in unregelmässigen Untersuch, über Ecliinorliynchus miliarius. 101 Wülsten hervor ; aus diesem zieht sich ein langer nach oben konisch zulaufender nackter Hals und endlich tritt der länglich ovale Rüssel mit seinen aus der Tiefe stilett- förmig hervorschiessenden starken Haken, die sich ge- wöhnlich zu neun Querreihen um den Rüssel herumgrup- piren, zu Tage (siehe Fig. 10). Dabei entfaltet sich all- mählich während des Hervorstülpens ein äusserst zierliches hochrothes Gefässnetz über den ganzen hervorgestülpten Theil des Echinorhynchus. Aus dem Körnchen treten nämlich zuerst zwei Haupt-Längsgefässe hervor (Fig. 10, a), die nach allen Seiten hin vielfache Verzweigungen und Anastomosen verbreiten und sich bis zum Beginne des Halses als solche , nämlich als Hauptstämme, verfolgen lassen ; hier, auf der Grenze zwischen dem eigentlichen Körper und dem Halse, da wo die kleinen Körperhäkchen auf- hören, sieht man ein ziemlich starkes Ringgefass (Fig. 10, b), das sich rund um den Grund des Halses ziehend, nach unten hin vollkommen geschlossen ist, d. h. gar keine Verbindungen zeigt, nach oben aber mit anfangs noch die Tendenz zu Ringgefass en zeigenden Kanälen in Ver- bindung steht, welche letztere allmählich in Längsgefässe übergehen, die über den ganzen übrigen Hals bis zum Anfange des Rüssels durch Anastomosen untereinander ein Netz von unregelmässigen in die Länge gezogenen Feldern verbreiten (Fig. 10). Da, wie gesagt, das am Grunde des Halses liegende Ringgefass nach unten ge- schlossen ist, so wird die Verbindung mit den oben be- schriebenen Hauptlängsgefässen des Körpers, die aus dem Körnchen austreten, dadurch bewerkstelligt, dass diesel- ben, wenn sie an das Ringgefass herangetreten sind, sich unter das letztere nach innen durchschieben und in die Gefässe des Halses übergehen. Das Ringgefass wird also von den höher liegenden Kanälen aus gefüllt. Die Ge- fässe des Halses gehen nun schliesslich in das überaus zierliche Gefässnetz des Rüssels über, das aus regelmäs- sig, je nach Zahl und Stellung der Haken, angeordneten vierseitigen Maschen mit abgerundeten Ecken besteht, die sich über den ganzen Umfang des Rüssels hinziehen ; aus der Mitte einer jeden Masche ragt ein Haken hervor. 102 Greeff: Es bleibt jetzt noch ein besonderes Gefässsystem, wenn ich es so nennen darf, zu erwähnen übrig, nämlich die sogenannten Lemnisken. Diese liegen als zwei rund- ovale nach oben convergirende Blätter jederseits in dem vorderen hervorgestülpten Körperabschnitte des Echino- rhynchus (Fig. 10; c) , und zwar zwischen der äusseren Körper - und Gefässhaut einerseits und dem Muskel- schlauch andererseits, und bestehen aus einem den gan- zen äusseren Rand des Blattes umschliessenden Haupt- randgefässe (Fig. 10, c) und einem von diesem nach innen verbreiteten dichten Gefässnetz. Nach aussen hat das Randgefäss gar keine Verbindungen, nach oben in dem convergirenden Ende des Blattes geht es in zwei ne- beneinander laufende Gefässe aus, die sich wie die zwei Hauptgefässe des Körpers unter das Ringgefäss des Halses durchschieben und sich dann wie jene mit den Halsge- fässen verbinden. Es sei erlaubt hier einige Bemerkungen über diese seltsamen Organe, die Lemnisken, anzureihen, indem ich den Gang der Untersuchung kurz unterbreche und meine bisherigen Beobachtungen darüber zusammenfasse. Um an den zur Untersuchung vorliegenden Echinorhynchus anzu- knüpfen, so präsentiren sich hier, wie eben beschrieben, die Lemnisken als zwei, frei in die Leibeshöhle hineinragende Gefässblätter, die anfangs aus einer homogenen durchsichti- gen Grunclsubstanz bestehen, in welche das Kanalsystem eingebettet ist. Später sieht man häufig 0,018 — 0,021 grosse Zellen, deren grosse Kerne eigenthümlich granulirte Con- turen zeigen, besonders an den Rändern der Blätter auftre- ten. Nach oben stehen die Lemnisken jederseits durch besondere Gefässe (siehe oben) mit dem Gefässsystem des Körpers in Verbindung, sind sonst aber vollkommen ge- schlossen, wesshalb also eine Oeffnung nach aussen, wie einige glauben wahrgenommen zu haben, hier bestimmt nicht Statt findet ; eine solche Oeffnung bildet sich auch nicht in der späteren Entwickelung, da das beschriebene Verhältniss auch bei vollkommen ausgebildeten, d. h. ge- schlechtsreif en Thieren , die ich mehrere Wochen nach erlangter Geschlechtsreife untersucht habe, dasselbe bleibt. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 103 Auch an keiner anderen Stelle des Echinorhynchus be- •findet sich eine Oeffnung nach aussen, die z. B. nach Art des Excretions - Apparates der Trematoden mit dem Ge- fässnetze des Körpers in Verbindung stände, ebenso wenig scheint eine Mündung der Gefässe in die* Ausführungs- gänge der Geschlechtsorgane zu existiren, -wenigstens ist es mir niemals bei häufigen und sorgfältig auf diese Punkte gerichteten Untersuchungen gelungen, etwas der- artiges zu sehen. Was mir indessen besonders bemerkenswert!!, er- scheint sind die Unterschiede, die zwischen dem Gefäss- system der Lemnisken und dem des übrigen Körpers beste- hen ; während nämlich der Inhalt des letzteren ein überall gleichmässig hochrother ist, nimmt dagegen die Farbe der Lemnisken sehr bald ein braunrothes Aussehen an; besonders auffallend wird dieser Unterschied, wenn der Echinorhynchus in dem Darme eines für ihn passenden Wohnthieres seine Geschlechtsreife erlangt hat ; alsdann tritt oft in den Lemnisken eine grünlichgraue bis schwarz- graue Färbung ein und zwar zu einer Zeit, wo das Kör- pergefässnetz seine orangerothe Färbung noch unverändert besitzt. Bei anderen Echinorhynchen, wie z. B. bei Echinorh. proteus, clavaceps, tuberosus, angustatus etc. tritt mit der Zeit in den anfangs blassen Lemnisken zu- weilen eine dunkelgelbe oder braungelbe Färbung ein, während der ganze übrige Körper weiss und durchschei- nend ist, so dass hier die Lemnisken bei den grösseren Exemplaren oft mit blossem Auge durch ihre vom übri- gen Körper differente Färbung zu erkennen sind. — Aber nicht bloss in der Farbe des Gefässinhaltes besteht ein Unterschied, auch die Formbestandtheile des In- haltes und die der nächsten Umgebung der Gefässe gestalten sich verschieden zwischen den Lemnisken und dem übrigen Körper; in letzterem besteht nämlich der Gefässinhalt aus einer feinkörnigen Masse (die zugleich Träger des rothen Farbstoffes ist) , während man in den Lemnisken in der weitern Entwickelung grössere, dunkle, unregelmässig gestaltete Körner und Körperchen auftreten sieht, die sich besonders zahlreich ausserhalb der Gefässe 104 Greeff: in den von denselben gebildeten Maschen ablagern und hier oft zu schwärzlichgrauen Klump chen zusammenge- ballt liegen. Nebenbei sieht man constant in und ausser- halb der Gefässe eine beträchltiche Menge grösserer und kleinerer gewöhnlich gelb oder roth tingirter Fetttröpfchen in den Lemnisken. Endlich bemerkt man noch einen eonstanten Unter- schied Sn der Resistenz gegen äusseren Druck u. s. w., was besonders in den jüngeren noch in der Entwickelung begriffenen Formen leicht zu beobachten ist, bei denen an den Gefässwandungen des Körpers oder (da ich be- zweifeln möchte, dass eigene Gefässwandungen hier exi- stiren) an dem die Gefässe bildenden Körperparenchym oft durch den leisesten Druck ein Riss entsteht, worauf die rothe Flüssigkeit ausiliesst, während zu gleicher Zeit die Lemnisken noch unversehrt und gefüllt durchscheinen. Häufig gelingt es sogar leicht, die Lemnisken durch Zer- zupfen der umliegenden Theile unverletzt mit ihrem In- halte zu isoliren, woraus sich schliessen lässt, dass diese Organe einen zähern consistentern Inhalt und ein feste- res Gewebe besitzen. Was nun die Deutung der vorstehenden Beobach- tungen betrifft, so ist leicht ersichtlich, dass dieselben auf ein in den fraglichen Organen vertretenes Excretions- organ hinleiten, welche Ansicht auch schon von anderen Seiten als Vermuthung *) ausgesprochen ist, und durch Obiges eine Bestätigung und theilweise Begründung finden dürfte. Die erwähnten dunklen Körner und Körperchen wären somit als ausgeschiedene Concremente aufzufassen. Dieser Concremente, wie ich noch hinzufügen muss, habe ich übrigens in grösseren und kleineren Klümpchen nicht bloss in den Lemnisken gesehen, sondern auch in deren Nähe oder weiter von ihnen entfernt und zwar frei in der Leibeshöhle flottiren, so dass, wenn der Echinorhyn- chus sich bewegte oder Rüssel und Hals aus- und einzog, diese Concremente im Körper auf- und abwanderten, je *) Gegenbaur: Grundzüge der vergleich. Anatomie p. 164. Anni. 1 und p. 174. Anm. 1. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 105 nachdem sie durch die betreffenden Bewegungen da- oder dorthin gedrängt wurden. Ob diese Dinge von den Lem- nisken aus in die Körperhöhle abgesetzt werden, oder ein direktes Excret des Körpers ausserhalb der Leni- nisken sind; vermag ich durch Beobachtung nicht zu entscheiden; wahrscheinlich ist mir das Erstere, dass näm- lich die, wie oben beschrieben, in den Maschen des Lem- niskengefässnetzes sich ablagernden Concremente durch Anhäufung sich abstossen und in die Leibeshöhle fallen, was um so leichter geschehen kann, da die Lemnisken selbst ja auch frei in die Leibeshöhle hineinragen. Wie diese Excrete und ob dieselben überhaupt wieder aus dem Körper ausgeschieden werden, ferner wie ihre chemische und genauere morphologische Natur sich gestaltet, müssen weitere Beobachtungen lehren *). Schliesslich drängt sich nun noch die Frage auf, in welchem Verhältnisse das Gefässsystem des Körpers zu dem der Lemnisken stehe, ob ersteres bloss der gewisser- massen peripherische Theil der Lemnisken ist oder als selbstständiges eigentliches Blutgefässsystem fungirt. Aus verschiedenen Gründen möchte ich mich der letzteren Ansicht zuwenden: erstens wegen der ausserordentlichen Verbreitung durch Verzweigungen und Anastomosen-Bil- dung über den ganzen Körper, zweitens wegen der in den Gefässen constanten Formbestandtheile, die fast im- mer, besonders in den jüngeren Stadien, in einer gleich- förmigen körnigen, gewöhnlich eigenthümlich (roth) ge- färbten Masse besteht ; drittens aus Gründen , die die Entwicklung des Gefässsystems betreffen und die später angeführt werden sollen. Ebenso werde ich über die in den Lemnisken und sonst im Körper an einigen Eckmorhynchen beobachteten durch die Haut durchscheinenden Vacuolen oder vielmehr grossen Zellen später bei Mittheilungen über die Ent- *) Auf eine Art der möglichen Ausführung dieser Concremente aus der Leibeshöhle möchte ich hier noch aufmerksam machen, die aber bloss das weibliche Geschlecht betrifft, nämlich vermittelst der sogenannten Uterusglocke. 106 Greeff: wickelungsgeschichte einige Angaben anreihen können, da dieselben, wie ich schon hier bemerken kann, bloss Reste embryonaler Bildung sind. Nach dieser Excursion erlaube ich mir zu dem anfänglich angenommenen Gange der Untersuchung zu- rückzukehren. Aus dem ursprünglich im Gammarus pulex gefundenen rothen Körnchen haben wir also jetzt einen Echinorhynchus vor uns, der besteht (siehe Fig. 10) : aus einem länglich ovalen Rüssel mit gewöhnlich neun um denselben herumlaufenden Querreihen starker Haken, aus einem von dem Rüssel etwas abgesetzten, noch oben ko- nisch zulaufenden langen nackten Halse, aus dem bauchi- gen mit kleinen Häkchen dicht besetzten Vordertheil des Körpers und endlich aus dem von dem vorigen durch einen ziemlich tiefen Einschnitt abgegrenzten anfänglichen Körnchen, dem nunmehrigen eigentlichen Hauptkörperab- schnitt, dem sich noch ein kurzes Schwanzstück anschliesst, das sich mittlerweile aus dem hinteren Ende des Körn- chens hervorgestülpt hat, und in welchem die mit einander anastomosirendcn Ausläufer der beiden Längsstämme des Körpers und zuweilen auch das untere Ende der Ge- schlechtsorgane durchschimmern. Von den beiden oben beschriebenen glashellen Mem- branen ist die äussere , lose umliegende (Fig. 9, a) , von dem hervorgestülpten Rüssel durchbrochen und hängt faltig und zerrissen um den Echinorhynchus, die zweite glashelle Haut liegt wie anfänglich an dem Körnchen fest an, geht aber nicht über dasselbe nach oben und unten hinaus. Die Härte und Resistenz des letztern gegen äusseren Druck ist dieselbe geblieben, wie vor der Her- vorstülpung: durch ein Deckglas lässt sich dasselbe ebenso wenig wie vorher zerdrücken, sondern weicht unter dem- selben zur Seite aus. Um so zarter ist der obere her- vorgestülpte Theil des Echinorhynchus : ein leichter Druck (wie schon oben bei den Lemnisken erwähnt) reicht hin einen Riss in den Gefässen oder dem Parenchym des Körpers hervorzubringen. Zuweilen entsteht sogar wäh- rend des Hervorstülpens durch die dadurch bewirkte Spannung ein spontaner Riss. Die rothe feinkörnige Masse Untersuch, über Echinerhynchus miliarius. 107 drängt sich nämlich aus dem unteren Körperabschnitte in die in der Hervorstülpimg begriffenen Theile, injicirt die letzteren nach allen Richtungen hin, wirkt dadurch erigirend und gestaltgebend auf dieselben und nimmt durch die Spannung und das Bestreben in die folgenden Gefässbahnen einzudringen, einen, wie mir scheint, we- sentlichen Antheil an der weiteren Hervorstülpung. Wird nun diese Gefässspannung grösser als die Resistenz des zarten Gewebes, so entsteht durch Sprengung der oben erwähnte Riss, wobei natürlich die Flüssigkeit in kurzer Zeit ausströmt und das Thier in Folge dessen ohne Zwei- fel zu Grunde geht , selbst wenn es auch auf dem zu seiner Entwickelung passenden Boden sich befände. Im Vorstehenden sind die wesentlichen Charaktere unseres Echinorhynchus, so weit sich dieselben am leben- den Thiere ohne Verletzung desselben wahrnehmen las- sen , angegeben. Ehe ich nun zur Beschreibung der weiteren anatomischen Verhältnisse und zu Bemerkungen über die Entwickelung übergehe, scheint es mir zweck- mässig, die Stellung des fraglichen Parasiten im Systeme zu erörtern, besonders da derselbe bisher keine ihm ge- bührende inne gehabt hat. Der einzige wirkliche Beobachter dieses Echinorhyn- chus im Gammarus pulex ist J. C. 'Zenker in seiner im Jahre 1832 veröffentlichten Commentatio de Gammar. pulicis hist. natur. etc. In dieser Abhandlung über den Bau, die Naturgeschichte und den Blutumlauf des Gam- marus pulex beschreibt er am Schlüsse des ersten Theils (p. 17 ff.) drei neue Parasiten, die er im Gammarus ge- funden, nämlich zwei Echinorhynchen, Echinorh. miliarius und E. diffluens, und als neues Genus einen Ectopara- siten unter dem speciellen Namen Syphonostoma parasi- ticum. Der letztere ist, nebenbei gesagt, weder ein neuer Parasit noch überhaupt ein solcher, sondern ein Rotifer, wie sowohl aus der Beschreibung Zenker's, der freilich die ausgestreckten Räderorgane und deren Wim- perung nicht gesehen zu haben scheint, und aus der man- gelhaften Abbildung hervorgeht, als ich auch seihst sehr häufig als zufälligen Begleiter an den Beinen und Kiemen 108 Greeff: des Gamraarus Räderthiere habe anhängen und umher- kriechen sehen *). Von den beiden Echinorhynchen ist der erste, der von Zenker so benannte Ech. miliarius (von milium Hirsekorn) unzweifelhaft der von mir oben beschriebene. Der zweite Echinorh. diffluens ist keine besondere Species, sondern nur eine frühere Entwickelungsstufe des Echin. miliarius. Man könnte der Echinorhynchi diffluentes (der leicht zerfliessenden, daher der Name) eine ganze Reihe von mehr oder minder verschiedenen Formen, die aber sämmtlich Vorstufen in der Entwickelung von Echin. mi- liarius sind, aufzählen. Es hat sich hier nämlich der Körper noch nicht zu dem festen eirunden Körnchen erhärtet wie bei der Endstufe, dem Echin. miliarius, son- dern ist noch äusserst weich, so dass die geringste Ma- nipulation (zuweilen geschieht dieses auch spontan), hin- r eicht, die zarte Membran zu sprengen und den Inhalt ausfliessen zu machen, was den oberflächlichen Anblick gewährt als zerflösse das ganze Thier. Ausser Zenker scheint von Siebold (s. dieses Archiv I. S. 64. Anm. 1) den Echin. miliarius gesehen zu haben aber nicht im Gammar. pulex, sondern im Fluss- krebs (Astacus fluviatilis). Er sagt nämlich, dass er einen Echinorhynchus, dessen Körper schön orangeroth gefärbt war und der mit Zenker's Echin. miliarius aus dem Gammar. pulex übereinzustimmen schien, sehr oft an dem Darme des Flusskrebses habe anhängen sehen. Da nun der Echin. miliarius im Gammarus pulex niemals nach *) Der Gammarus pulex ist oft eine wahre Fundgrube für Protozoen, Räderthiere u. s. w. verschiedener Art, die an dessen Beinen, Kiemen und den übrigen Körpertheilen hängen und umher- kriechen; besonders häufig fand ich an den Kiemen schöne Formen von Acineten. Auch traf ich sehr oft im Darme des Gammarus auf die Gregarina longissima v. Sieb. (Zeitschrift für wissenschaftl. Zool. I. p. 34) , die daselbst angegebene andere Form (Fig. 29, y) ist jedenfalls eine besondere Species, keine Entwickelungsform von Greg, longiss. Ferner sah ich sehr häufig zwischen den Leberschläuchen des Gammarus eine eingekapselte Cercarie, deren geschlechtsreife Distomenform ich nicht genau bestimmen konnte. Untersuch, über Echinohynckus miliarius. 109 Art der ausgebildeten geschlechtsreifen Echinorhynchen am Darme oder sonstwo anhängt , sondern nach Zurück- legnng seiner ihm im Gammarus zugewiesenen Entwicke- lung mit eingezogenem Rüssel und Halse, wie oben aus- führlich beschrieben, als eirundes Körnchen, sogar von besonderen Häuten umschlossen, frei in der Leibeshöhle (niemals, nach meiner Beobachtung, im Darme) liegt, so vermuthete ich in dem von v. Siebold gesehenen Echi- norhynchus eine weitere Entwickelungsstufe des Echin. miliarius und habe in Folge dessen mehrere hundert ältere und jüngere Flusskrebse, die mit den unsere Echi- norhynehen häufigst enthaltenden Gammarinen in dem- selben Bache zusammenlebten, sorgfältig untersucht, aber einen Echinorhynchus weder im Darme noch in der son- stigen Leibeshöhle gefunden. Jedenfalls glaube ich, ge- stützt auf meine späteren Erfahrungen über die schliessliche Entwickelung zur Geschlechtsreife des Echin. miliarius mit Sicherheit annehmen zu können dass, wenn der Echi- norhynchus, den v. Siebold im Flusskrebs fand, wirk- lich Echin. miliarius war, derselbe keine höhere, jeden- falls keine Entwickelung zur Geschlechtsreife daselbst erlangt und das war mir bei der Untersuchung der Punkt, auf dessen Entscheidung es mir ankam. Ausser diesen beiden Autoren erwähnt keiner (so- weit mir die literarischen Quellen zugänglich sind) des Echin. miliarius nach eigener Beobachtung*, die übrigen Angaben beziehen sich sämmtlich auf Zenker, so Du- jardin (Hist. natur. des Helm. p. 542), Die sing (Syst. Helminth. Vol. IL p. 7). Der letztere Helminthologe nimmt die Beobachtungen Zenker's und v. Siebold's in Be- treff der Echinorhynchen-Natur der beiden Parasiten mit solchem Zweifel auf, dass er den Echin. miliarius und diffluens in die zweifelhafte Gesellschaft der Gregari- nen verweist und aus denselben eine Gregarina miliaria und G. diffluens bildet, und gereicht es mir desshalb zur Genugthuung an dem Echin. miliarius einen Akt der Ge- rechtigkeit vollziehen und ihm sein natürliches Recht im System wieder sichern zu können, wenn auch nicht als selbständigen Echin. miliarius, da derselbe, wie wir weiter 110 Greoff: sehen werden , bloss der Jugendzustand eines als ge- schlechtsreifen "Wurmes längst gekannten und verbreite- ten Echinorhynchus im Darme eines Wirbelthieres ist. Ich hatte nämlich bald erkannt, dass der Echin. mi- liarius im Gammar. pulex niemals seine Geschlechtsreife erlangt, sondern in Form des rothen eirunden Körnchens seiner Uebertragung in den Darm eines für seine weitere Entwickelung sich eignenden Wirthes harrt. Um letzte- ren aufzufinden beschloss ich, bevor ich zum Experiment meine Zuflucht nähme, fürs erste den natürlichen Weg zu versuchen, indem ich die Wirbelthiere, die möglicher- weise Echinorhynchen beherbergen könnten , aus der nächsten Umgebung des Gammar. pulex aufsuchte. Es war mir allerdings bald eine gewisse Aehnlichkeit des Echin. miliarius mit dem in Wasservögeln verbreiteten Echin. polymorphus Brems, aufgefallen, die meisten An- gaben der Autoren sprachen indessen dagegen, besonders in Betreff der Jugendzustände des Echin. polymorphus, indem derselbe hier einstimmig als über den ganzen Körper mit kleinen Häkchen besetzt beschrieben wurde. Um also sicher zu gehen, verschaffte ich mir zunächst sämmtliche Arten der Fische, die mit den Gammarinen denselben Bach bewohnten , so viel ich ihrer habhaft werden konnte, und diese waren Cobitis taenia, Cyprinus carpio, Carassius vulgaris und Cottus gobio, fand aber in keinem von diesen Fischen einen Echinorhynchus, der mit dem fraglichen Echin. miliarius hätte in Zusammen- hang gebracht werden können. Ein gleiches negatives Resultat ergab die Untersuchung verschiedener Frösche und Tritonen, die in erweiterten Becken des Baches sich fanden, deren Untersuchung ich allerdings ohne beson- dere Hoffnung auf Erfolg bloss der Vollständigkeit wegen vornahm. Ich ging nun zu den Warmblütern über und wurde dabei natürlich zuerst auf Wasservögel und zwar Enten geführt, auf die ich schon früher mein Augenmerk ge- richtet, da ich ihrer mehrere an einer Mühle, die an dem Bache oberhalb des hauptsächlichen Fundortes meiner Gammarinen gelegen war, bemerkt hatte. Da ich von diesen Untersuch, über Echinorchynchus miliarius. 111 Enten vorläufig keine erhalten konnte, so musste ich hier den, um mich so auszudrücken, natürlichen Weg verlas- sen und zum Experimente übergehen. Ich kaufte des- halb anderweitig zwei junge Enten und fütterte sie gleich- zeitig jede mit einer Schüssel voll lebender Gammarinen, die im Ganzen 50 60 Echinorhynchen enthalten mochten, die sie mit grosser Begierde frassen. Am vierten Tage nach der Fütterung tödtete ich eine Ente und fand an dem unteren Darmstücke fest anhängend fünf Echino- rhynchen, die durch ihre orangerothe Farbe sofort in die Augen fielen ; meine Freude war nicht gering, als ich nach kurzer Untersuchung sämmtliche als unzweifelhaft identisch mit Echin. miliarius constatiren konnte. Am siebenten Tage nach der Fütterung untersuchte ich die zweite Ente und fand diesesmal 14 Echinorhyn- chen ganz in derselben Weise wie bei der ersten Ente am Darme anhängen. Ich konnte nun auch durch Verglei- chung der Echinorhynchen aus der ersten und zweiten Ente verschiedene Entwickelungsgrade in Bezug auf Eier- und Spermatozoiden - Bildung feststellen ; an der zweiten Reihe fand ich sogar schon deutliche Zeichen der statt- gehabten Begattung, die, wie v. Siebold, glaube ich, zuerst beobachtete, in einem eigenthümlichen (hier grün- lich gefärbten) hutförmigen Aufsatz auf der Schwanz- spitze des Weibchens besteht, und die als Abdruck des männlichen glockenförmigen Umfassungsorgans beim Coi- tus oder vielmehr als dieses losgerissene Organ selbst angesehen wird *). Ich beschloss nun ferner einen Versuch im Grossen zu machen und fütterte demnach eine junge Ente acht Tage lang mit Ausnahme eines einzigen Tages, an dem mir das Material ausgegangen war, täglich mit einer grossen Schüssel voll Gammarinen, so dass die Ente *) Das fragliche Gebilde möchte wohl am ehesten ein Sekret der im männlichen Geschlechtsapparate verbreiteten und zum Theil stark ausgebildeten Drüsen (besonders der unterhalb der Hoden lie- genden sechs grossen Schlauchdrüsen) sein. 112 Greeff: täglich weit über 100 Echinorhynchen erhielt, und fand am achten Tage ein dem vollkommen entsprechendes Resultat im Darme der Ente, dessen unteres und mittle- res Stück buchstäblich wie besät oder vielmehr bespickt (denn sie hatten sich fast alle fest in den Darm einge- bohrt) mit Echinorhynchen in verschiedenen Entwicke- lungsstufen war. Alle liessen sich mit Leichtigkeit als zu E. miliarius gehörig erkennen. In den nächsten acht Tagen wiederholte ich dasselbe Experiment an einer an- deren jungen Ente und fand am achten Tage ein noch ergiebigeres Resultat. Mittlerweile hatte ich auch zwei Enten aus jener oben erwähnten Mühle, die täglich auf dem Wasser, aus dem ich meine Gammarinen bezog, verkehrten, erworben, und fand in beiden dieselbe Echinorhynchen- Art wie die, die ich durch künstliche Fütterung im Entendarme aus Echin. miliarius erzogen hatte, in grosser Menge vor. Es war nun also durch den Kreis dieser Untersuchungen aufs unzweifelhafteste festgestellt, dass der im Gammar. pulex zur Geschlechtsreife nicht gelangende Echin. miliarius im Darme der Ente nach wenigen Tagen geschlechtsreif wird und sich demnächst hier begattet und ferner, dass aus den reifen ins Wasser abgesetzten und von den Gammarinen demnächst verschluckten Eiern dieses Enten-Echinorhyn- chus der Echin. miliarius Zenk. im Gammar. pulex sich entwickelt. Dass dieser Parasit kein anderer wie der unter dem Namen Echin. polymorphus durch Bremser, Jas- soy: De Echinorh. polymorph. Brems, dissert. inaug. 1820 ins System eingeführte aber schon früher vielfach be- schriebene und bekannte Echinorhynchus der Enten und anderer Wasservögel war, konnte nun ebenfalls trotz der mit meinen Beobachtungen über die Jugendzustände di- vergirenden Angaben Anderer leicht festgestellt werden. Dieser Echinorh. polymorphus hat überhaupt bisher eine sehr unsichere Stellung im Systeme inne gehabt und seit seiner Entdeckung über ein Dutzend verschiedener Namen zum Theil auf Annahme besonderer Arten gegründet, geführt, bis man dieselben allmählich auf die Art und den Namen Echinorh. polymorphus vereinigte. In neuerer Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 113 Zeit ist wiederum durch G. Wagen er*) einer dieser vereinigten als besondere Species abgetrennt worden, näm- lich Echinorh. filicollis Rudolphi **). Es hat mir trotz vieler hierauf gerichteten Untersuchungen nicht gelingen wollen, im Darme der Ente einen Echin. filicollis als be- sondere Species von Echin. polymorphus zu unterscheiden. Wagener führt leider die unterscheidenden Merk- male beider Arten nicht an bis auf eins, das aber nur in gewisser Beziehung charakteristisch ist, nämlich die Ver- schiedenheit des Eies und der embryonalen Haken. Die letzteren (nämlich Ei und Haken) sind freilich durch Wagener mit solcher Bestimmtheit als durchaus diffe- rent bei Echin. polymorphus und E. filicollis beschrieben und gezeichnet, dass diese Angaben eine höchst interes- sante Bereicherung unserer Kenntnisse über die Echino- rhynchen hoffen lassen, besonders wenn diese charakteristi- schen Verschiedenheiten der Embryonen auch auf die übri- gen Arten ausgedehnt werden könnten, als die sind, die bis jetzt darauf untersucht worden sind***). Leider habe ich für meinen Theil auch durch diese Punkte, selbst bei sorgfältiger Prüfung die Ueberzeugung von der Existenz eines vom Echin. polymorphus verschiedenartigen Echin. filicollis im Darme der Ente nicht gewinnen können. Ich habe bei allen reifen Echinorhynchen- Eiern aus dem Darme der Ente immer nur eine Ei- und Hakenbildung wahrgenommen, die mit der von Wagener für Echin. filicollis beanspruchten Aehnlichkeit hat, die von ihm ge- zeichneten grossen Haken der Embryonen des Echin. polymorphus mit Wurzel und Kralle, nach Art der Tae- nien-Haken, habe ich nicht gesehen. Ich muss desshalb *) Helminthe-logische Bemerkungen u. s. w. in Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. IX. p. 78. **) Entozoor. hist. nat. IL p. 2SfJ. ***) Wagen er hat schon auf Grund der Verschiedenheiten der Stacheln und der äusseren Form der Embryonen eine embryonale Classification in drei Hauptformen aufgestellt (Beitr. zur Entwickel. der Eingeweidew. S. 83), deren weitere Ausdehnung und Bestätigung ebenfalls noch zu hoffen steht. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 8 114 Greeff: vorläufig mein Urtheil über die Verschiedenartigkeit von Echin. polymorphes und filicollis bis auf weitere günstigere Untersuchungen zurückhalten und werde desshalb den vor- liegenden Echinorhynchus mit dem bisher gebräuchlichen Namen als Echin. polymorphus bezeichnen. Im Folgenden will ich nun die Hauptentwickelungs- formen von Echin. polymorphus, wie ich sie durch direkte Beobachtung (ohne Fütterung der Gammarinen mit Echi- norhynchen - Eiern) aus dem Gammarus pulex gewonnen habe, mittheilcn, beanspruche indessen keines wcges eine ins Einzelne gehende Entwiekelungsgeschichte zu liefern, wie sie schon von Leuckart für Echin. proteus in den Hauptzügen vorgezeichnet ist und wie sie ohne Zweifel das Fundament für die Entwickelung der Echinorhynchen im Allgemeinen bilden wird, sondern beabsichtige nur die für Echin. polymorphus wichtigsten Thatsachen nach eigenen Beobachtungen mitzutheilen, indem ich für die vorhandenen Lücken die Schwierigkeit der Untersuchung geltend machen möchte , da schon die frühesten Ent- wickelungsformen sich alsbald mit einem dichten rothen Farbestoff erfüllen, der den Einblick ins Innere des sich heranbildenden leben den Thieres unmöglich macht, aus welchem Grunde auch keine Form innerhalb ihres Wir- thes (des Gammar. pulex) beobachtet werden konnte, sondern alle aus letztern isolirt werden mussten, worauf erst durch vorsichtige Manipulation der weichen und (wie Zenker sagt) leicht zerfressenden Formen die innere fortschreitende Organisation zur Anschauung gebracht werden konnte. Die reifen Eier von Echin. polymorphus (Taf. IL Fig. 1) haben durchschnittlich eine Länge von 0,1 Mm. und in ihrer Mitte eine Breite von etwa 0,02 Mm., indem sie nach den Längsenden zu sich allmählich verschmälern, haben also eine länglich spindelförmige Gestalt und um- schliessen in zwei Häuten, einer dünneren leicht faltigen (Fig. I, a), die aber selten und dann nur in geringerem Masse, in die bekannten eigenthümlichen Falten, die bei E. proteus fast regelmässig alle reifen Eier umhängen, zerfällt, und einer derbem (b), welche letztere oben und Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 115 unten in Oehre oder Knöpfe auf einem konischen Halse aufsitzend ausgezogen ist, den im Innern gelagerten Em- bryo (c). Der letztere zeigt einfache Verhältnisse, die in den Hauptpunkten schon von v. Siebold (Burdach's Pysiolog. II. Bd. 2. Auflage, S. 195) erkannt und beschrie- ben worden sind: ein länglicher, ovaler Körper von 0,061 Länge und 0,014 Breite, der im Centrum einen dichten Haufen von Körnern einschliesst, welcher eben- falls von ovaler Gestalt ist. Der übrige Theil des Innen- raums ist ganz mit sehr feinkörnigem hellen und zähen Protoplasma erfüllt, in dem man besonders in der Um- gebung des Körnerhaufens und nach dem Kopfende zu noch vereinzelte grössere Körner unregelmässig dazwi- schen liegen sieht. Ausser diesen Gebilden bemerkt man bei starker Vergrösserung an dem Kopfende mehrere feine bogenförmig um das nach einer Seite etwas schräg abgestutzte Kopfende herumlaufende Längsstriche, die als die embryonalen Haken oder vielmehr Stacheln angese- hen werden und eine bestimmte Anordnung zu haben scheinen: es präsentiren sich nämlich, wenn man eine grössere Reihe von reifen Eiern nach einander betrachtet, zwei Hauptbilder in Bezug auf die Stellung dieser Häk- chen: bei dem ersten laufen acht gleichmässig lange und überhaupt durchaus gleichmässig gestaltete Striche schräg über das Kopfende, bei dem zweiten sieht man zwei die Mitte einnehmende längere gerade Striche und zu beiden Seiten von diesen in einem spitzen Winkel auf denselben zulaufend jederseits vier kürzere Striche (d). Das letztere Bild scheint den Embryo in seiner vorderen oder Rücken- fläche zu zeigen, während das erstere ihn in der Seiten- lage vorführt, so dass also im Gauzen vier längere Häk- chen, nämlich in der Mitte der vorderen und hinteren Fläche jederseits zwei, und zwischen diesen auf beiden Hälften des Kopfscheitels jederseits herumlaufend acht, also im Ganzen sechszehn kleinere Häkchen vorhanden sind. Zwischen den beiden längeren Strichen in der Mitte oben an der Scheitelfläche sieht man häufig ein Grübchen, von G. Wagen er (Zeitschrift f. wissensch. Zool. IX. S. 78 ff.) als constantes Gebilde der Echinorhyn- 116 Greeff: chen-Embryonen (Kopfporus) genauer beschrieben •). Ob die oben gegebene Darstellung der in der Mitte liegen- den längeren Striche als Häkchen die naturgemässe ist, weiss ich nicht; Leuckart beschreibt sie als „blosse Verdickungen der Cuticula, die der contractilen Substanz des Embryonalkörpers einen festen Insertionspunkt dar- bieten", welche Ansicht um so begründeter erscheint, da Leuckart die Bohrbewegungen der Embryonen zu be- obachten Gelegenheit hatte und dabei sah, dass die beiden Leistchen nach innen eingezogen und zusammengeklappt wurden. Diese Beobachtung ist mir bis jetzt entgangen und ich habe desshalb geglaubt in Anbetracht der ver- schiedenen Species meine Wahrnehmungen in obiger Weise wiedergeben zu müssen. Unterhalb der um den Kopfscheitel herumlaufenden Häkchen sieht man gewöhnlich noch mehrere Reihen einer kurzen sehr feinen Strichelung, die allmählich ab- wärts steigend als eine feine Punktirung sich verliert. G. Wagener (Zeitschr. f. wissens. Zool. IX. Taf.YI. Fig. 15) giebt noch ferner an als in der Leibeshöhle der Embryo- nen, besonders von Echin. filicollis vorhanden „zwei aus Körnern bestehende lange Körper, welche lebhaft an die Lemnisken erinnern". Ich habe dieselben nicht wahrneh- men können, keinenfalls sind sie aber die ersten Anlagen der Lemnisken, da diese letzteren erst in einer viel spä- teren Entwickelungszeit ihren Anfang nehmen. Das jüngste Stadium (Taf. IL Fig. 2) der weiteren embryonalen Entwickelung von Echin. polymorphus im Gammar. pulex nach Durchbrechung der Eihäute, hatte ungefähr die Gestalt eines Hühnereies mit der Spitze nach unten, nur etwas mehr in die Länge gezogen; die em- bryonalen Haken waren noch deutlich sichtbar, der ganze Innenraum wurde aber schon durch eine grosse Menge rother und gelber Körnchen ausgefüllt, in welcher der *) An einer anderen Stelle (Beitr. z. Entwickel. der Eingew. S. 83) bezeichnet er dieses Gebilde als ein rLoch, das man als das Maul der Embryonen ansehen" könne. Dieses Loch führe wiederum bei dem Embryo von E. tuberosus in einen kurzen Sack. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 117 ursprüngliche embryonale Körnerhaufen nur gewachsen und mit dichteren und vergrösserten Körnern durch- schimmert. Es mass in der Länge 0,08 und in der grössten Breite 0,03 Mm. Das zweite Stadium (Taf. IL Fig. 3) ist schon ganz in den eigenthümlichen Bildungsprozess eingetreten, der von nun an die weitere Entwickelung von Echin. polymor- phus auszeichnet. Es stellt ein fast kugeliges hochrothes Körnchen von 0;15 Mm. Durchmesser, das einige verhält- nissmässig grosse helle und runde Räume im Innern durchscheinen lässt und von einem glashellen etwas sich abhebenden Häutchen umschlossen ist; sonst ist bei äus- serer Betrachtung nichts distinktes an oder in diesem Objekte wahrzunehmen. Auch die embryonalen Haken scheinen schon abgefallen zu sein, wenigstens habe ich sie nicht mehr sehen können , obschon ich ein solches Körnchen aus dem Gammarus isolirt und unverletzt mit starker Yergrösserung betrachten konnte. Legt man ein feines Deckgläschen auf dieses Körn- chen, so wird die es umhüllende zarte Membran sofort gesprengt und eine rothe körnige Masse, die eine sehr lebhafte Molekularbewegung zeigt, fliesst alsdann aus und mit ihr die hell durchscheinenden runden Vacuolen, die sich jetzt als 0,02 — 0,03 Mm. grosse Zellen mit einem grossen häufig unregelmässig gestalteten und mehreren kleinen Kernen und einem hellen feinkörnigen Protoplasma um dieselben herum präsentiren. Das ist aber nicht Alles was die Membran umschlossen hielt: zwischen der flüssi- gen rothen Körnersubstanz und den grossen Zellen und mit diesen zu gleicher Zeit aus der gesprengten Membran herausgedrängt, wird gewöhnlich (wenn es nicht von der rothen Körnermasse u. s. w. bedeckt ist), ein länglich ova- les Gebilde von 0,12 Mm. Länge und 0,02 Breite sichtbar, farblos und durchscheinend, dessen Innenraum mit grös- seren und kleineren Kernen, die in lebhafter Vermeh- rungsthätigkeit begriffen zu sein scheinen, ganz erfüllt ist. Dieses Gebilde, das man sehr leicht als den schon im Embryo des Eies sichtbaren ovalen Körnerhaufen er- kennt, hat sich nun zu dem eigentlichen Embryonalkern 118 Greeff: consolidirt und sich von seiner Umgebung, die sich aus dem anfänglichen hellen feinkörnigen Protoplasma in die obige flüssige Körnersubstanz mit den grossen Zellen umgebil- det hat, als gewissermassen selbstständiges Centrum ab- geschieden. Ungefähr in der Mitte dieses Embryonal- kernes gewahrt man einen kleinen runden Ballen von constant grösseren Körnern wie die des übrigen Innen- raums. Dieser Ballen, der sich auch durch eine feine Umgrenzung und durch ein stärkeres Lichtbrechungsver- mögen von seiner Umgebung abzeichnet , ist die erste sichtbare Anlage einer inneren Organisation und zwar, wie sich aus der weiteren Fortbildung ergiebt, die des Zeugungsapparates (Hoden oder Ovarium). Um das Hauptverhäitniss des Embryos auf diesem Stadium noch einmal zusammenzufassen, so besteht das- selbe also aus einer Membran (die ursprüngliche Embryo- nalhaut), welche kugelförmig einen Inhalt von flüssiger rother Körnersubstanz, in der grosse Zellen suspendirt sind, umschliesst. In diesem flüssigen Inhalte liegt voll- kommen frei, ohne mit Membran oder Inhalt irgend wie in Zusammenhang zu stehen, der Embryonalkern. Dieses Yerhältniss bleibt nun während sowohl die Membran wie der gesammte Inhalt stetig wächst ; aus der kugligen Gestalt des Körnchens wird allmählich wie- derum eine ovale und wenn dasselbe eine Länge von 0,3 Mm. erreicht hat, hat der im Innern eingeschlossene Embryonalkern schon weitere wesentliche Organisations- Fortschritte gemacht. Zuerst tritt in dem oberen Theile die Umgrenzung der Rüsselscheide, die tief in den Innen- raum nach unten hineinragt, hervor. Unterhalb der Rüs- selscheide liegt der oben erwähnte centrale kleine Ballen von grösseren Kernen aber stärker und von einem mit einzelnen kleinen Fetttröpfchen besetzten hellen Hof, der vom unteren Umfange der Rüsselscheide ausgeht, eingefasst. Dieser Hof ist die erste Bildung des späte- ren die Zeugungsorgane umschliessenden sog. Ligamentum Suspensorium. Ligament und Geschlechtsorgane sind also nicht, wie man wohl angenommen hat, identisch, da jedes für Untersuch, über Echinorhynchns miliarius. 119 sich entsteht, eins nach dem andern, und in verschiede- nen Entwickeiungsformen. Nach unten schliessen sich an den hellen Hof noch zwei aneinanderliegende oder, wie es oft den Anschein hat, mehr oder minder in ein- ander geschobene viereckige helle , ebenfalls mit Fett- tröpfchen besetzte Stücke an, und an diese beiden ein drittes etwas längeres und mehr ovales Endstück, das neben den Fetttröpfchen in seinem Centrum auch noch eine feine dankelkörnige Substanz enthält. Diese drei Stücke, die also mit dem oben sogenannten Hof (Liga- ment) denselben Entwickelungstypus zeigen, repräsentiren die späteren Ausführungsgänge des Geschlechtsapparates. Schon vor dem Eintritte der oben bezeichneten Grösse (0,3 Mm.) des Embryos, sieht man noch eine weitere Veränderung an demselben auftreten. Das ursprüngliche embryonale Häutchen hebt sich nämlich beim weiteren Wachsen immer mehr von dem Embryo ab, so dass es denselben bald in Form einer weiten Kapsel umgiebt, wäh- rend zu gleicher Zeit unter ihr eine neue Begrenzungs- schicht für die rothe Substanz sich bildet, die sich in kurzer Zeit als eine selbstständige Membran manifestirt. Fig. 4 stellt ein solches Körnchen von 0,5 Mm. Länge mit seinen beiden Membranen vor, die äussere (a) abste- hende durchsichtige hat sich mittlerweile leicht röthlich- gelb tingirt, die zweite neugebildete umschliesst in derber Contour den Embryo. Der Embryonalkern (Fig. 4, A) im Innern ist fast ebenso lang wie der ganze Embryo- nalkörper und scheint sich immer mehr zum eigentlichen Echinorhynchus herauszubilden, da er sich jetzt schon als den Träger fast der gesammten Organisation darstellt. Die Hauptfortschritte gegen das vorige Stadium betreffen die Geschlechtsorgane. Der centrale Körnerballen ist be- deutend gewachsen und hat sich entweder in zwei Theile getheilt (Hoden) oder liegt noch ungetheilt (Fig. 4, a) aber vergrössert auf derselben Stelle (Ovarium). Der anfängliche den centralen Ballen umschliessende Hof (Fig. 4, b) entwickelt sich immer mehr zu dem die Hoden oder Ovarien umhüllenden sogenannten Ligament; das- selbe lässt deutlich zwei Theile erkennen, die von be- 120 Greeff: sonderen Stellen am Grunde der Rüsselscheide ausgehen und das Ovarium oder die Hoden als dritten ebenfalls von der Rüsselscheide entspringenden Theil zwischen sich fassen. Auch die drei Abschnitte unterhalb des Körner- ballens (siehe oben) haben sich geändert, besonders beim weiblichen Geschlechtsapparate, hier sehen dieselben, um mich eines bekannten Bildes zu bedienen, fast aus wie ein Bandwurmkopf mit zwei anhängenden Gliedern (Fig. 4, c). Der erste Abschnitt, der den Kopf vorstellen würde und der früher von viereckiger Gestalt war, hat sich um das Zweifache verlängert, ist oben in eine stumpfe Spitze, die gegen den centralen Ballen (Ovarium) gerichtet ist, ausgezogen und hat auf jeder Seite eine grosse Ausbuch- tung erhalten, in denen wiederum beiderseits eine grosse Zelle (den Saugnäpfen vergleichbar) liegt, deren äussere Contour durch einen Kreis von regelmässig gestellten Fetttröpfchen bezeichnet ist. Die beiden folgenden Ab- schnitte haben sich gegen früher bloss durch ihre grös- sere Länge und dadurch geändert, dass jetzt in der Längsrichtung durch beide ein continuirlicher, feiner Ka- nal zieht, der mit dunkler körniger Substanz erfüllt ist. Im oberen Theile des Embryonalkernes hat sich die Rüsselscheide mit dickeren Wandungen umgeben und lässt in ihrem unteren Abschnitte einen Haufen äusserst zarter Zellen (d), die auf Zusatz sehr verdünnter Essig- säure aber nur für kurze Zeit deutlich werden, als das spätere Ganglion erkennen, während in dem oberen Ab- schnitte eine feine Längsstreifung (e) mit Fetttröpfchen durchsetzt sich bemerklich macht — der spätere Retractor proboseidis. Auch die sogenannten Retinacula oder viel- mehr Retractor es reeeptaculi proboseidis sind meist jetzt schon, oder etwas später als zwei zarte Bändchen rechts und links von der Rüsselscheide nach aussen ziehend, wahrzunehmen. So ist also schon in diesem Stadium fast die ganze innere Organisation eines Echinorhynchus in dem Em- bryonalkern ausgeprägt und in voller Entwickelung be- griffen. Eines höchst eigenthümlichen Umstandcs muss ich Untersuch, über Echinorhynchus iniliarius. 121 liier noch erwähnen, der hauptsächlich die eben beschrie- benen Entwicklungsstufen betrifft und der zu gleicher Zeit zur Erörterung des wichtigsten und für dieEntwicke- lungsgeschichte der Echinorhynchen charakteristischen Verhältnisses führen wird. Wenn man nämlich einen Em- bryo in der Gestalt des beschriebenen rothen Körnchens in der Grösse von 0,3 — 0,5 Mm. isolirt und ohne einen Druck darauf angewandt zu haben, unter dem Mikroskope beobachtet, bemerkt man zuweilen, dass an einer Stelle der Oberfläche die umschliessende Membran (oder wenn schon zwei vorhanden sind, beide) wTie von einem inneren Drucke nach aussen getrieben wird, so dass hier die runde Form in eine zugespitzte, konische übergeht. Nicht lange so platzt die Hülle an dieser Spitze und der Embryonal- kern, der ja vollkommen frei in seiner flüssigen Umge- bung liegt , schlüpft sofort an der aufgerissenen Stelle mit seinem Vordertheile hervor und befreit sich oft selbst- ständig ganz von seiner Hülle, indem er deutlich eine willkürliche Bewegung für kurze Zeit erkennen lässt. Dieser Umstand ist desshalb so eigenthümlich, weil man hiernach glauben sollte, der Embryonalkern sei in der That der eigentliche Embryo, der sich allein zum Echi- norhynchus ausbilde, während die umschliessende Hülle bloss eine provisorische Kapsel sei, die zur bestimmten Zeit durchbrochen oder abgeworfen werde, um den ein- geschlossenen Wurm zu befreien. Das geschieht aber keinesweges bei normaler Entwickelung, sondern sowohl die Hülle wie der zwischen Embryonalkern und Hülle befindliche Inhalt persistiren und verwachsen allmählich mit dem Embryonalkern, indem sie sich zu wesentlichen Organtheilen des Echinorhynchus umbilden, nämlich die Hülle zur äusseren Haut und der rothkörnige Inhalt mit den Zellen zu dem später so reichen Gefässnetz und den Lemnisken. Die Erkenntniss dieses seltsamen Vorgangs verdan- ken wir den Untersuchungen Leuckart's an Echin. proteus und sie wird jedenfalls eine der wichtigsten und interessantesten Entdeckungen in der Entwickelungsge- schichte der Echinorhynchen bleiben. 122 Greeff: Es existiren also nach dem Obigen hier gewisser- massen zwei Theile oder Abschnitte des ganzen Embryo- nalkörpers, von denen der eine im andern entsteht, aber jeder für sich und ohne mit dem anderen im Zusammen- hange zu stehen. Jeder dieser beiden Theile entwickelt für sich eigene Organe unabhängig vom anderen. Der innere, der Embryonalkern, der Qualität nach der be- deutendste, enthält, wie oben ausgeführt, die Geschlechts- organe, Rüsselapparat u. s. w., und umgiebt sich mit der innersten Haut des Echinorhynchus , der Muskelhaut. Dem äusseren Theile ist die Bildung der beiden folgenden Häute zuertheilt, nämlich der Gefässhaut mit Einschluss der Lemnisken und der derben chitinigen äusseren Haut. Haben beide Theile eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht, so vereinigen sie sich zum vollständigen Thiere. Nur das äusserste glashelle, leicht gelblich tingirte, ursprüngliche Embryonalhäutchen (Fig. 4, a), das sich, wie oben beschrieben, allmählich von der Oberfläche des Embryonalkörpers abgehoben hat und denselben nun wie eine weite Kapsel umgiebt, ist freilich bloss eine Schutz- membran, die nur so lange bleibt, wie der Echinorhyn- chus im Gammarus, aber sofort abgeworfen wird, wrenn der Parasit in den Darm seines eigentlichen Wohnthiers (Ente u. s. w.) gelangt. In Bezug auf dieses embryonale Häutchen scheint ein Unterschied in der Entwickelung zwischen Echin. proteus und polymorphus zu bestehen, da nach Leu- ckart's Angaben, diese Cuticula bei Echin. proteus viel früher als bei E. polymorphus noch während der Ent wickelung im Gammarus abgeworfen wird. Bei dem embryonalen Hakenapparate findet das umgekehrte Ver- hältniss statt; dieser fehlt bei Echin. polymorphus schon in den frühesten Entwickelungsstadien (bei einer Grösse von 0,15 Mm.), während er von Leuckart bei E. pro- teus erst bei einer Länge des Embryo von 1 Mm. ver- misst wurde, wobei freilich in Rechnung zu bringen ist, dass der Embryo von Echin. proteus sich schneller streckt und ungefähr das Vierfache der LeLnge von E. polymor- phus im Gammarus pulex erreicht. Auch in dem Gros- Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 123 senverhältnisse des Embryonalkernes zum ganzen Em- bryonalkörper besteht ein nicht unbedeutender Unterschied; während nämlich bei E. polymorphes die Länge des Embrvonalkernes schon gleich nach den ersten Stadien beinahe dem längsten Durchmesser des Embryonalkörpers entspricht und fortan mit dem letztern mehr oder minder gleichen Schritt hält, wächst bei Echin. proteus der Em- bryonalkörper über seinen Kern um das Fünf- bis Sechs- fache und noch weiter hinaus, worauf der Kern erst all- mählich in den ihn weit umschliessenden Körper hinein- wächst. Diese und noch andere unwesentliche Unterschiede scheinen indessen nur durch die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Species bedingt zu sein. Was nun die weitere Entwickelung der Organe im Embryo, die in ihren ersten Anlagen und ihrer nächsten Fortbildung oben beschrieben wurden, betrifft, so will ich mich vorläufig darauf beschränken, für den Endpunkt der Entwickelung des Echin. polymorphes im Gammarus pulex, der schon früher als Echin. miliarius Zenk. in Rücksicht auf seine äusseren Charaktere, sein Gefässsy- stem, seine Stellung im Systeme u. s. w. ausführlich be- handelt worden ist, eine eingehendere anatomische Dar- stellung der Hauptorgane zu geben, indem ich zu gleicher Zeit, so weit die gemachten Beobachtungen dieses ge- statten, bei den einzelnen Organen Rückblicke auf deren vorhergehende Entwickelungsformen werfe und auf der andern Seite, wo es erforderlich scheint, die Entwickelung bis zur Geschlechtsreife verfolge. Vorher mögen indessen noch einige hauptsächliche äussere Entwickelengsformen ohne Rücksicht aef ihre innere Organisation bis zem Stadiem des Echin. miliaries, wie ich sie enverletzt aes dem Gammares isolirt beob- achtet habe, Platz finden. Wenn der Embryo die zuletzt oben beschriebene Form eines ovalen Kernes (Taf. II. Fig. 4) erreicht hat, streckt sich derselbe sehr rasch end bei einer Länge von engefähr 1 Mm. tritt an dem vorderen Theile eine Wöl- beng (Taf. IL Fig. 5) end aef dieser ein konischer Za- pfen (Rüssel) hervor. Die grossen Zellen scheinen noch 124 Greeff: immer als helle Räume im Innern durch, sowohl ihre Zahl wie ihre Grösse hat zugenommen, so dass die letztere jetzt oft 0,07 — 0,1 Mm. im Durchmesser erreicht, mit grossen zerklüfteten und unregelmässig gestalteten Kern- massen erfüllt. Um bei dieser Gelegenheit über das Wesen und die Bedeutung dieser schon mehreremal erwähnten eigen- thümlichen grossen Zellen meine Beobachtungen mitzu- theilen, so erscheint mir zuvörderst, dass diese Gebilde trotz ihrer Grösse streng genommen keine vollständigen Zellen, sondern nur freie Kerne mit grossen Kernkörpern sind; die Jüngern Formen dieser Art und zwar schon von ansehnlicher Grösse (0,01 — 0,02 Mm.) sind entschie- den bloss Kerne mit einfachem Kernkörper, in welchem letzteren ein durch verschiedenes Lichtbrechungsvermö- gen u. s. w. distinktes Gebilde nicht existirt. In den spä- teren grösseren Stadien ist der Inhalt in mehrere Körper getheilt und sehr unregelmässig gefaltet, so dass hier eine derartige Unterscheidung schwieriger wird, indessen bleibt auch hier im Innern immer ein grösseres Gebilde, das als der ursprüngliche und Ausgangs-Körper für die übrigen anzusehen ist und dieser ist von einfacher und gleichmässiger Substanz. Es wäre das also ein gewiss seltenes Beispiel von sehr grossen freien Kernen *). Was nun die Bedeutung dieser obigen fraglichen Gebilde für die embryonale Entwickelung anbelangt, so scheinen mir dieselben zweifellos die Vermittler der Ge- fässbildung mit natürlichem Einschlüsse der Lemnisken zu sein. Wenn sie nämlich die angegebene Grösse bis zu 0,1 Mm. erlangt haben, hat der Inhalt eine, wie schon oben erwähnt, sehr unregelmässige Gestalt, die oft deut- lich ein verzweigtes oder strahlenförmiges Ansehen an- genommen hat ; besonders die letztere Form ist häufig und scheinen dann die Strahlen von einem excentrisch gelegenen derben Knotenpunkte auszugehen. Diese Bil- *) Derartige freie Kerne kommen übrigens in den ausgebü- deten Echinorhynchen auch auderwärts, besonders m Geschlechts- apparate und der Rüsselscheide (siehe unten) sehr zahlreich vor. Untersuch, über Echinorhynchus ruiliarius. 125 düngen sind nicht etwa das Resultat einer Gerinnung der Kernkörper- oder Protoplasma-Massen im Innern, sondern es präsentiren sich dieselben Bilder, wenn die fraglichen Kerne frisch in einer Eiweisslösnng untersucht werden. Es fehlt mir indessen noch die direkte Beobachtung des Ueberganges der Kerne zu dem Gefässnetze und muss ich mich desshalb vorläufig mit dieser Mittheilung be- gnügen. Die flüssige rothe körnige Substanz, in der die Kerne suspendirt sind, ist der, wie es den Anschein hat, den Gefässen präformirte Gefässinhalt, denn diese Substanz ist im Embryonal - Körper vor jeglicher Gefässbildung ganz dieselbe wie die, welche später in dem fertigen Ge- fässnetze circulirt, und das ist ein weiterer Grund (wie schon oben bei den Lemnisken angedeutet), warum ich für das ganze Gefässnetz des Körpers nicht bloss eine exeretorische Funktion, wie für die Lemnisken, anneh- men möchte. In Bezug auf die obigen grossen Kerne oder Zellen möchte ich hier ferner noch eine Vermuthung anfügen, die ich auch schon früher bei den Bemerkungen über die Lemnisken berührt habe, dass nämlich die an manchen ausgebildeten Echinorhynchen in den Lemnisken und durch die Körperhaut durchscheinenden zellenartigen Vacuolen, die v. Siebold zuerst beobachtete, Ueberbleibsel dieser bei derEntwickelung des Gefässsystems nicht verwendeten Kerne sind, was mir um so wahrcheinlicher ist, da diese Vacuolen auch aus Kernen mit unregelmässig gebildetem grossen Kernkörper bestehen, und weder in constanter Zahl noch an constanten Stellen der Lemnisken oder des Körpers vorkommen und oft an dem einen Thiere gesehen und an dem anderen derselben Species vermisst werden. Taf. IL Fig. 6. Hier hat die erste äusserlich sicht- bare Gefässbildung am Rüssel und die erste Andeutung des früher beschriebenen Ringgefässes am Halse Statt gefunden. Die grossen Zellen sind meistens nicht mehr oder nur undeutlich und sehr spärlich an Zahl durch- scheinend. Die äussere glashelle Schutzmembran schliesst nun wie ein weiter Mantel den Embryo ein. Die eigent- 126 Greeff: liehe äussere Kürperhaut hat sich zu einer derben Mem- bran entwickelt und zeigt bei starker Vergrösserung ein körniges Aussehen. Fig. 7 ist eine weiter entwickelte Form. Am Rüs- sel, der sich häufig ganz umgebogen hat und dem Halse aufliegt, hat die Hakenbildung begonnen und am Körper sind zwei Einschnürungen sichtbar, deren in diesem Sta- dium oft mehrere vorkommen; die sich aber später bis auf eine (unterhalb der kleinen Körperhaken) wieder aus- gleichen. Diese Entwickelungsform scheint es hauptsäch- lich zu sein, die Zenker (de Gammar. pul. hist. nat. etc., siehe oben) unter dem Namen E. diffluens gemeint hat, indem er den letzteren beschreibt, als versehen mit einem „trunco oblongo , per intervallos coaretato facillime dif- fluente." Fig. 8 stellt den Echinorhynchus dar in der Ein- stülpung begriffen; diese erfolgt, sobald die kleinen Kör- per- und die grossen Rüsselhaken ein gewisses Stadium der Ausbildung erreicht haben. Dieselben wachsen mit stumpfer Spitze aus den Gefässfeldern des Rüssels, die mit einer schwärzlichen körnigen Substanz erfüllt sind, hervor. Zu gleicher Zeit sieht man jetzt die Lemnisken durchscheinen ; durch schwache Compression ^treten die schon zum Theil gebildeten Gefässnetze in den Lemnisken und dem Vorderkörper und Halse hervor. Bei dem Akte der Einstülpung wirken neben der Thätigkeit der Haut- muskulatur hauptsächlich der Retractor proboseidis und die beiden Retractores reeeptaculi. Fig. 9 ist der vollkommen eingestülpte Echinorhyn- chus, wovon unsere Untersuchung ausgegangen war, das in der Leibeshöhle des Gammarus pulex liegende rothe feste Korn, das seiner Uebertragung in den Darm eines für seine weitere Entwickelung sich eignenden Wirbel- thieres (Vogel) harrt. Dieses Korn hat sich noch unter der weit umliegenden Kapsel (Fig. 9, a) mit einer zweiten Schutzmembran umgeben und zwar in Form einer fest- anliegenden durchaus glashellcn ziemlich dicken Haut (Fig. 9, b). Dieselbe liegt bloss an den Seitenwänden des Kornes an und ragt weder über dieselben hinaus noch Untersuch, über Echinorliynchus rniliarius. 127 überzieht sie die im Innern liegenden eingezogenen Tlieile des Echinorliynchus. Während des eingezogenen Zu- stande^ erfährt sowohl das Gefässnetz als auch die übri- gen Organe eine Weiterbildung bis zu einem gewissen Grade. Fig. 10 ist der ausgestülpte und gestreckte Echin. rniliarius nach Entfernung ans dem Gammar. pulex mit dem vielverzweigten Gefässnetze und den Lemnisken, die oben eine ausführliche Erörterung gefunden haben. Indem ich nun zur Darstellung der übrigen Haupt- organsysteme (Körperbedeckungen, Muskulatur, Nerven- system und Geschlechtsorgane) übergehe, bemerke ich, dass ich mich hauptsächlich auf die speciellen Beobach- tungen an Echin. rniliarius resp. E. polymorphes beschrän- ken werde (wie das überhaupt in dem Plane der vorlie- genden Mittheilungen lag), ohne hier Organisationsver- hältnisse anderer Echinorhynchen, die, wenn auch nicht im Prinzipe des Bauplanes, so doch in morphologischer Hinsicht eine ziemliche Mannichfaltigkeit darzubieten schei- nen, eingehender zu berücksichtigen, wesshalb ich auch die an verschiedenen Echinorhynchen gemachten man- cherlei Einzelbeobachtungen ausgezeichneter Forscher wie Dujardin (Ilist. natur. des Helm.), vor allen v. Sie- bold (Burdach's Physiologie IL 2. Aufl. S. 195 ff., Lehrb. der vergl. Anat. u. s. w.), G. Wagener (Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Eingeweidewürmer S. 79, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie IX. S. 77) u. A. hier nicht in speciellen Vergleich ziehen kann*). Die Körperdecken von E. rniliarius bestehen, abge- sehen von den beiden glashellen Schutzmembranen, aus drei differenten Häuten, nämlich der äusseren Haut, der subcutanenGefässhaut und der Muskelhau t. Die erste umschliesst als derbe ziemlich feste und dicke Membran *) Vor Kurzem hat Prof. H. A. P agen steche r in Heidelberg anatomische Abbildungen über Echinorh. proteus (Zeitschr. für wiss. Zoolog.) veröffentlicht, die ich um so weniger in Betracht ziehen konnte, da sie mir erst zu Gesicht gekommen sind, nachdem ich die vorstehenden Beobachtungen schon vollkommen abgeschlossen hatte. 128 Greeff: den eigentlichen Körper (das oben sogenannte Korn) und überzieht dann in dünnerer Schicht nach unten die Schwanzspitze und nach oben Hals und Rüssel. Die hi- stologische Struktur dieser Haut beginnt schon in der frühesten Entwickelung eine körnige zu werden; bis zum Stadium des Echin. miliarius nimmt sie an Dicke bedeu- tend zu und man unterscheidet dann im Querschnitte ge- wöhnlich mehrere körnige Schichten, von denen die äusserste sich besonders scharf und gleichmässig abgrenzt, diese letztere hat anfänglich auch noch ein körniges Aus- sehen, zeigt aber, sobald der E. miliarius in dem Darme der Ente sich zur Geschlechtsreife entwickelt hat, ge- wöhnlich deutlich eine feine Querstreifung. Die Quer- streifen sind dunkel , die Intervalle heller, beide folgen ziemlich regelmässig auf einander, so dass sie ungefähr das Bild eines einreihigen äusserst feinen Cylinderepithcls gewähren. Auf der Oberfläche gesehen präsentirt sich wiederum ein körniges Gefüge. Nach dem Obigen ist mir nun wahrscheinlich, dass die Körner und Querstriche der Ausdruck von Poren sind, durch die auf der ganzen Körperoberfläche Wasser und Nahrungsflüssigkeit aufge- sogen und in das Innere des Körpers geleitet wird. An anderen Echinorhynchen-Arten ist mir die quergestreifte äussere Schicht nicht so deutlich geworden, bei einigen habe ich sie sogar ganz vermisst, hingegen findet sich bei allen der körnige Bau. Die subcutane Gefässhaut, deren muthmass- liche Entwickelung u. s. w. oben besprochen worden ist, liegt (besonders in den ausgebildeten Thieren) der äus- seren Haut fest an und wird beim Abziehen der letztern zugleich mit abgestreift. Die Zwischensubstanz des Ge- fässnetzes ist eine glashelle homogene mit kleinen Fett- tröpfchen besetzt. Die in der Gefässhaut der Lemnisken auftretenden eigenthürnlichen Zellen sind schon früher erwähnt worden. Ob diese Gefässe eigene Wandungen haben, ist mir zweifelhaft, in den jüngeren Thieren schei- nen sie entschieden zu fehlen. Die Muskelhaut besteht aus breiten bandartigen Längs- und Quer- , oder vielmehr Ringfaserzügen. Die Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 129 Längsfasern sind vorherrschend, die queren sparsam, bloss an einigen Stellen reichlicher. Zwischen diese Muskel- bänder sind überall grosse Zellen und Kerne eingelagert. Was die einzelnen im Körper liegenden Muskeln betrifft, so haben dieselben zum Theil andere histologische Bildung. Der Retractor proboscidis ist ein Muskelschlauch innerhalb der Rüsselscheide, der an der unterern Fläche der Rüsselspitze enfspringt und im Grunde der Rüssel- scheide endigt. Wie beim Hautmuskelschlauch sind auch hier bandartige Längsfasern vorhanden, während statt der Querbänder eine sehr feine um den Schlauch herumlau- fende Querstrichelung sichtbar ist. Die beiden Retractores receptacnli proboscidis Taf.III. Fig. 1, d) stellen breite Bänder dar, in deren Mitte ein Strang wellenförmig verlaufender continuirlicher Längs- fasern liegt. Dieser Strang fährt an seinem Anheftungs- punkt an den Körperwandungen in ein strahlenförmiges Büschel von feinen Fasern aus. Von diesen Anheftungs- stellen gehen die Muskeln schräg nach oben und innen, durchbohren die Rüsselscheide und endigen innerhalb der- selben mit einer rundlichen Anschwellung., die gewöhnlich eine einzelne grössere Zelle enthält (Taf. IL Fig. 1). Als Nervensystem der Echinorhynchen kennen wir durch die Entdeckung v. Siebold's das im untern Dritt- theile des Retractor proboscidis liegende Ganglion (Taf. III. Fig. 1, G); ein ovaler Haufen von besonders bei jüngeren Thieren aufs deutlichste hervortretenden Ganglienzellen. Nach meinen Beobachtungen gehen von dem Ganglion vier Hauptnervenstämme (Fig. 1, A) aus, zwei nach oben und zwei nach unten. Jeder Hauptstamm setzt sich ge- wöhnlich aus zwei Bündelchen (siehe Fig. 1, a'), deren jedes wiederum zwei Primitivfasern enthält , zusammen, so dass also ein Hauptbündel aus vier Primitivfasern be- steht. Sie gehen vereinigt, aber jede Faser ihre Selbst- ständigkeit bewahrend, so dass man sie im günstigen Falle einzeln nebeneinander gelagert verfolgen kann, im ge- schlängelten Verlaufe nach oben , und scheinen erst im oberen Theile der Rüsseischeide einzelne Fasern wieder abzugeben. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. q 180 Greeff: Ausser diesen Hauptstäinmen konnte ich gewöhnlich noch sechs Primitivbänder vom Ganglion direkt ausgehend beobachten (siehe Fig. 1), eins nach oben und eins nach unten, je zwischen den beiden Hauptstämmen, dann jeder- seits eins in die Wandungen der Rüsselscheide und ebenso eins in die Retractores receptaculi eintretend. Die Pri- mitivfasern sind homogene zarte Bänder mit feinen Con- turen und ohne Scheide, in die während des ganzen Ver- laufs einzelne kleine Fetttröpfchen eingestreut sind. Im oberen Theile der Rüsselscheide habe ich con- stant vier grosse freie Kerne (Fig. 1, b) mit einem oder mehreren Kernkörperchen beobachtet, deren Bedeutung mir durchaus räthselhaft ist. Sie stehen mit den Nerven- fasern in keiner Verbindung und wandern je nach den Bewegungen des Retractor probosciclis in der oberen Hälfte der Rüsselscheide auf und ab. Ganz ähnliche Kerne, ebenfalls vier (Fig. 1, e) liegen ganz im Grunde der Rüs- selscheide. In den Wandungen der Rüsselscheide sind zuweilen aber weder in constanter Zahl noch an bestimmten Stellen ovale grössere oder kleinere Zellen (Fig.l,c) eingelagert, an denen ich, was indessen durch die Derbheit der Wan- dungen sehr erschwert ist, einigemale Ausläufer nach oben und unten glaube gesehen zu haben, und die ich desshalb für Ganglienzellen halten möchte. Den nun folgenden Bemerkungen über die Ge- schlechtsorgane muss ich vorausschicken, dass ich die in denselben vielfach vorkommenden eigenthümlichen Zellen und Kerne, deren Bedeutung mir zum grossen Theile dunkel geblieben ist, vorläufig nur vorübergehend erwähnen werde, da ich es nicht für förderlich halte blosse Vermuthungen darüber auszusprechen, und muss ich "dess- halb hauptsächlich auf die beigegebenen Abbildungen (Taf. II.) verweisen. Der weibliche Geschlechtsapparat (Taf. IL Fig. 2) besteht aus vier Haupttheilen : A dem Ovarium , B der sogenannten Uterusglocke, C dem Eileiter und D der Geschlechtsmündung nach aussen. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 131 Das Ovarium (A), ein einfaches muskulöses Blatt, in dessen Maschen die Entwickelungszellen der Eier ein- gelagert sind , von unregelmässiger mehr oder minder länglich - ovaler Gestalt , befestigt sich an der Rüssel- scheide und wird vom sogenannten Ligamentum Suspen- sorium j das in zwei getrennten Partieen von der obern und untern Seite des Rüsselscheidengrundes entspringt (Fig. 2, a), eingeschlossen, so dass man also das Ovarium als die Zwischenwand zwischen den beiden Ligamentthei- len ansehen kann. Nach abwärts wird das Ovarium zu einem hohlen Schlauch, der mit dem ihn umschliessenden Ligamente in die obere Oeffnung der Uterusglocke eintritt. Die Ligamentblätter bestehen hauptsächlich aus Muskelfa- sern, und sind von leicht zerreisslicher Beschaffenheit, in- dem sie gewöhnlich, wenn man den Geschlechtsapparat zu isoliren versucht, mit ihren unteren Enden aus der Glocke sich losreissen, so dass sie alsdann um das vollkommen freigelegte Ovarium in faltigen zusammengezogenen Bän- dern herumhängen (Fig. I, a). Was die Entwickelung der Eier betrifft, so haben wir oben schon die Bildung des Ovariums aus einem Körnerballen als der ersten An- lage einer inneren Organisation erörtert. Die Körner vermehren und vergrössern sich und haben sich auf dem Stadium des E. miliarius zu grossen das Ovarium bedek- kenden Zellen umgebildet, die in ihrem Innern ein dunkel- körniges Protoplasma mit einzelnen Fetttröpfchen und fast immer mehrere selten nur einen Kern erkennen lassen. Diese letzteren sind in lebhafter Theilung begriffen, so dass bald die ganze Zelle mit grösseren und kleineren Kernen erfüllt ist. Eine weitere Entwickelung dieser Zellen als ihre strotzende Anfüllung mit Kernen erfolgt, so lange der E. miliarius im Gammar. pulex bleibt, nicht. Sobald der erstere indessen in den Darm eines für ihn passenden Vogels übergegangen ist, entwickelt sich, wahr- scheinlich erst durch den Contakt mit den Spermatozoi- den jede einzelne Zelle zu einem ganzen Ballen von Zel- len, indem die Kerne im Innern sich sämmtlich in kurzer Zeit zu vollständigen jungen Zellen ausbilden. In der ersten Zeit haben diese Ballen noch eine eigene Membran, 132 Greeff: später fehlt dieselbe und sie werden dann durch eine verkittende Zwischensubstanz zusammengehalten. In der weitern Entwicklung nun nehmen einzelne der jungen Zellen innerhalb oder an der Peripherie des Ballens eine länglich-ovale Gestalt mit etwas zugespitzten Längsenden an, indem zu gleicher Zeit ein körniges Pro- toplasma in ihrem Innern erscheint, während die übrigen runden Zellen noch mehr oder minder hell sind. Bald nachdem die jungen Zellen die ovale Gestalt angenommen haben, lösen sie sich von dem Ballen ab, und bilden sich dann allmählich zu den reifen Eiern aus, wie sie früher beschrieben worden sind. Es wurde oben bemerkt, dass die das Ovarium umschliessenden Ligamenttheile von leicht zerreisslichem Gefüge sind, woraus erklärlich , dass die- selben häufig, oder in der Regel, von der immer wach- senden Menge der gegen sie andrängenden grossen Eier- ballen und der reifenden und zur Reife gelangten einzel- nen Eier an der einen oder anderen Stelle gesprengt werden. Die Eierballen mitsammt den selbstständigen Eiern fallen dann vom Ovarium ab und in die Leibeshöhle, die allmählich durch die immer sich nachdrängenden Eier- massen mit letzteren fast ganz erfüllt ist. Diese in der Leibeshöhle lose flottirenden Eierballen sind die v. S i e- bold'schen losen Ovarien. Die reifen Eier der Leibes- höhle können nun nicht auf direktem Wege durch den vom Ovarium sich fortsetzenden hohlen Schlauch in den Eileiter gelangen, um durch diesen nach aussen abgesetzt zu werden, und ist desshalb zu dieser Vermittlung ein eigenes Organ bestimmt, die ebenfalls von v. Siebold entdeckte sogenannte Uterusglocke (Fig. I, B). Diese letztere ist mannichfachen Formverschiedenheiten bei den einzelnen Arten der Echinorhynchen unterworfen. Bei Ech. polymorphus besteht dieselbe aus einem weiten mus- kulösen Sack , dessen obere trichterförmige Oeffnung (Fig. 2, c) dazu bestimmt ist die reifen Eier ans der Lei- beshöhle aufzunehmen, zu welchem Behufe, wie v. Si e b o ld in treffender Weise (Burdach' s Pysiol. II. p. 195 ff.) schil- dert, der Trichter sich fortwährend erweitert und verengt (Schluckbewegungen macht), um die Eier heranzuziehen Untersuch, über ' Echmorhynchus miliarius. 133 und aufzunehmen. Die aufgenommenen Eier werden nun vermittelst der von dem Trichter nach unten sich fort- pflanzenden peristaltischen Bewegungen durch die Glocke in den Eileiter geführt. Diejenigen Eier, die sich noch nicht vom Bereiche des Ovariums abgelöst haben, werden von diesem , wenn sie ihre Keife erlangt haben, auf di- rektem Wege durch den in die Glocke eintretenden Schlauch, in den Eileiter gebracht. Dieser Schlauch zeigt in der Glockenhöhlung eine sackartige Erweiterung (Fig. 2, d), von dem schliesslich ein enger Kanal (e) in den Eileiter mündet. Ausserdem durchziehen noch zwei besondere Kanäle mit einer oder mehreren Erweiterungen, in welchen letzteren gewöhnlich eine oder zwei grosse Zellen liegen, die Glockenhöhlung von oben nach unten, und münden in den engen Endkanal des Ovarial-Schlau- ches. Dieselben scheinen Drüsen mit ihren Gängen zu sein, die ihr Sekret in den Eileiter ergiessen. Eben dieselbe Funktion als ein- oder mehrzelligen Drüsen scheint den übrigen in der Uterusglocke verbrei- teten grossen oft merkwürdigerweise mit srahlenförmi- gen Stachelchen rundum besetzten Zellen und Kernen zuzukommen, was besonders durch die Untersuchung der geschlechtsreifen Thiere bestätigt wird, bei denen man die einzelnen Drüsenschläuche, die die Zellen umkleiden, deutlich erkennt. Vom oberen Theile der Glocke gehen zwei eigenthümliche hohle Fortsätze mit dicken musku- lösen Wandungen (g) nach aussen, die bei den ausge- bildeten Thieren mit reifen Eiern oft ganz erfüllt sind (Receptacula oder Taschen für die Eier). Zwei ähnliche Fortsätze, die sich aber bei näherer Betrachtung als zwei gestielte Zellen ( h ) präsentiren,' befinden sich am unteren Theile der Glocke, die wiederum als Drüsen zu fungiren scheinen. Die Glocke geht nun nach unten in den langen Eileiter (C) über, der mit einer Erweiterung beginnt, allmählich nach abwärts laufend sich verschmälert, dann wiederum ebenfalls allmählich in eine sackartige Erwei- terung übergeht, die mit einer unteren Einschnürung en- det, von der dann der Kanal in gleichmässiger Weite 134 Greeff: in gerader Richtung nach unten geht, um schliesslich mit einer letzten Erweiterung in die eigenthümliche Ge- schlechts Öffnung nach aussen (D) überzugehen. Diese letztere besteht aus einem obern in den Eileiter hinein- ragenden und zur Aufnahme der Eier bestimmten becher- förmigen Trichter D, i, der sich nach unten verengt, dann wieder in eine ovale Erweiterung übergeht, sich wieder verengt und dann mit einer dritten Erweiterung am unte- ren Leibesende nach aussen endigt , so dass der ganze Apparat ungefähr die Gestalt eines hohen Kelchglases hat. Die beiden unteren Anschwellungen und das untere Stück des oberen becherförmigen Trichters sind von einem Rahmen (Fig. D, m) eingefasst , der als die Fortsetzung des Eileiters angesehen werden kann, und in seinen Wan- dungen gewöhnlich eine oder mehrere ovale Zellen (o) einschliesst. Ausserdem liegen noch innerhalb des Rah- mens an wechselnden, gewöhnlich aber in den Fig. 2, D gegebenen Stellen 5 — 6 grosse Zellen von ähnlichem Baue wie die obigen. Immer aber in constanter Zahl und Stellung sind zwei grosse freie Kerne gerade über der obern trichterförmigen OefYnung sichtbar. Die samenbereitenden Organe des männlichen Geschlechtsapparates (Taf. III. Fig. 4) sind bei allen Echinorhynchen zwei rundovale, bald über- bald in schrä- ger Richtung nebeneinander liegende Hoden (Fig. 4, a), die vom Ligamentum Suspensorium , das wiederum wie beim Ovarin m in zwei Portionen vom Rüsselscheidengrunde entspringt, mehr oder minder eingehüllt sind. Von jedem Hoden führt ein eigenes Vas deferens nach unten. Beide treten zuerst mit einer trichterförmigen Erweiterung aus dem oberen Theile der Hoden hervor, steigen etwas convergirend als gleichmässig enge Kanäle nach unten, gehen während der ersten Hälfte ihres Verlaufes beider- seits wiederum in eine kolbenförmige Erweiterung über und münden, zwischen den sechs schlauchförmigen grossen Geschlechtsdrüsen sich durchwindend, nachdem sie kurz vor ihrem Ende zu einem einzigen Kanäle verschmolzen sind; rchliesslieh entweder direkt in den Penis oder in den unteren Thcil der vom Penis aufsteigenden Samcnblase. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 135 In den jüngeren Entwicklungsstufen (vor dem E. miliarius) ist das Gefüge der Hoden ein maschiges, in das tiberall kleine Zellen mit ein oder mehreren das Licht stark brechenden Kernen eingelagert sind, welche letztere durch fortschreitende Theilung, ganz in. ähnlicher Weise wie die Ovarialzellen sich vermehren und zuletzt die Zellen ganz erfüllen. Auf diesem Stadium bleibt nun wiederum die Entwickelung stehen, so lange der Pa- rasit im Gammar. pulex bleibt. Den Uebergang dieser Zellen in die Samenzellen der geschlechtsreifen Thiere habe ich noch nicht genau verfolgen können, es scheint mir indessen, dass jeder einzelne Kern in den Zellen sich zu einem Samenfaden umbildet. Die letzteren sind von äusserst feiner haarförmiger Gestalt und wie mir scheint, ohne ein verdicktes Ende. Wegen ihrer Feinheit sind sie meistens schwer zu sehen, ihre Bewegungen sieht man nur wenn man sie in einer Ei weisslösung* untersucht; sie erscheinen alsdann in büschelförmiger Gruppirung. In Wasser suspendirt zerfallen sie* sehr bald in kleine krümlige zusammengerollte Stückchen, Nachdem das Ligamentum Suspensorium die Hoden verlassen, setzt es sich als ein gleichmässig breites mus- kulöses Band nach unten hin fort, in welches gewöhnlich sechs zuweilen auch nur fünf lange schlauchförmige Drü- sen , mit ihren blinden oberen Enden den Hoden zuge- wandt, eingebettet sind (Fig. 4, c). Bei den meisten Echinorhynchen- Arten haben dieselben eine birnförmige Gestalt, bei E. polymorphus stellen sie in ihrer ganzen Länge gleichmässig dicke Schläuche dar, von denen vier in der Regel gleich an dem unteren Hoden beginnen, die beiden anderen später, so dass die letzteren oft um die Hälfte kürzer als die ersteren sind. Sie scheinen nicht in den Penis zu münden, sondern in der Nähe desselben direkt nach aussen. In E. miliarius sind sie mit grob- körniger heller Substanz erfüllt, nach erlangter Geschlechts- reife strotzen sie von einem dunkleln feinkörnigen, ziem- lich dickflüssigen Sekret. Neben den Drüsen erscheinen auch wiederum mehrere grosse Zellen sowohl direkt un- terhalb der Hoden wie auf und zwischen den Drüsen, Ob 136 Grecff: dieselben mit letzteren in Beziehung stehen, vermag ich nicht zu entscheiden. Vom Penis aus und mit demselben an dessen hinte- rem Theile in Communication stehend, erhebt sich nach oben bald gerade in der Mitte auf den schlauchförmigen Drüsen liegend, bald mehr zur Seite gebogen eine grosse Samenblase (d); die gewöhnlich vier; zuweilen auch nur drei oder zwei, grosse helle Kerne mit einem oder mehreren dunkeln Kernkörperchen enthält und die mir als Analoga der in der Rüsseischeide zweimal oben und unten (siehe Fig. 1) vorkommenden vier Kerne bemerkenswerth erschei- nen. Zu beiden Seiten des unteren Theiles der Samenblase zeigt sich ferner ebenfalls constant in der äusserenWand des Ligam. Suspensorium eine durch ihre Grösse und ovale Ge- stalt besonders ausgezeichnete Zelle (Ganglienzelle?) (e) und gleich unter dieser wiederum beiderseits ein nach aussen vorspringender grösserer Haufen von runden Zellen (f), die eine grosse Aehnlichkeit mit Ganglienzellen ha- ben, bei denen ich aber eins der wesentlichsten Merkmale, nämlich Ausläufer von Nervenfasern, mit Sicherheit nicht constatiren konnte. Was nun die höchst eigenthümliche Endmündung der männlichen Geschlechtstheile, das eigentliche Copu- lationsorgan anbelangt, so besteht dasselbe aus einem mit zwei seitlichen starken Muskeln (g) versehenen glocken- förmigen Saugapparat (h), in deren Mitte der von einem Längskanale durchzogene Penis liegt, von der ungefähren Gestalt einer Lanzette mit der Spitze nach unten und mit dem auf einer sanften Verschmälerung aufsitzenden Knopfe nach oben *). Theils auf, theils in der unmittel- baren Nähe des Penis gewahrt man wiederum mehrere grössere und kleinere Zellen und Kerne, die zweifelsohne wie die übrigen mannigfaltigen Einzelgebilde dieser Art mit den betreffenden Organen in irgend einer funktionel- len Beziehung stehen. 1) Bei E. proteus habe ich einigemale den Penis mit feinen Stacheln besetzt gesehen ganz in der Weise, wie sich das bei den Cestoclen und Trematoden in der Regel findet. Bei E. polymorphus habe ich mich nicht von deren Anwesenheit überzeugen können. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 137 Die erwähnten beiden seitlichen Muskeln (g) des Apparates liegen im ruhenden Zustande mit ihem oberen Ende rechts und links vom Penis in eine nach aussen gerichtete rundliche Scheibe aufgestellt und umgreifen mit ihren unteren Ausläufern beiderseits die Saugglocke, an welche sie sich befestigen. Ihre Wirkung ist, einen seitlichen Druck und zu gleicher Zeit einen solchen nach unten auf den Saugapparat auszuüben, so dass der letztere bei der Begattung behufs der Umfassung des hinteren weiblichen Leibesendes ganz aus der männlichen Ge- schlechtsöfihung herausgedrängt werden kann. Die Saug- glocke selbst (h) ist fast ganz aus muskulösen Elementen zusammengesetzt: ausser den reichlichen Längs- und Ringfasern sind um die Glocke herum von oben nach unten greifende fingerförmige Klammer- oder Haftorgane (siehe Fig. 3 k) gewöhnlich auf jeder Hälfte 8 oder 9 angebracht. Von dem mittleren Theile des Glockenum- fangs zum Theil auf, zum Theil zwischen den Haftorganen liegen wiederum gewöhnlich zwei Reihen ziemlich regel- mässig gestellter grosser freier Kerne. Nachträglich will ich noch die Resultate einiger weiterer Fütterungsversuche, die ich mit E. miliarius an- gestellt habe und die vielleicht, obgleich noch fragmen- tarisch, nicht ohne Interesse sein dürften, kurz mittheilen. Nachdem ich nämlich, wie oben berichtet, zu wiederhol- ten Malen den E. miliarius als E. polymorphus in Enten zur Geschlechtsreife erzogen, beschloss ich weitere Füt- terungsversuche an anderen Thieren zu machen, um einen Einblick in die ungefähren Grenzen des noch möglichen Parasitismus von E. polymorphus zu gewinnen. Ich wählte dazu fürs erste unseren Haushahn, in dem bisher überhaupt niemals Echinorhynchen gefunden worden sind, wesshalb ich allerdings auf ein günstiges Resultat wenig Hoffnung setzte ; um so mehr war ich überrascht als ich in dem ersten Hahnen, 'den ich drei Wochen nach der ersten Fütterung untersuchte ein ganz ähnliches Resultat wie in den Enten fand: der Darm war ganz mit ausge- bildeten Ech. polymorphus» besetzt, die sich durch nichts 138 Greeff: in Bezug auf ihre geschlechtsreife Entwicklung von den Enten -Echinorhynchen unterschieden. Weniger Glück hatte ich mit Versuchen an Tauben, deren ich zwei mit allerdings nur wenigen Echinorhynchen fütterte. Bei der Untersuchung des Darmes beider fand ich keine Echino- rhynchen mehr vor. Ebenfalls entschieden negative Resultate gaben fer- nere Versuche, die ich an Fischen (Cyprinus carpio und Carassius vulgaris) und an Amphibien (Rana esculenta und Triton cristatus) machte, denen ich mit grosser Mühe Echinorhynchen beibrachte 1), da sie in der Gefangen- schaft zum Fressen der Gammarinen oder isolirten Echi- norhynchen keine Lust verriethen. Bei den Thieren, an denen die Fütterung gelungen war, gingen die leicht wie- der auffindbaren rothen Echinorhynchen entweder unverän- dert wieder ab, oder ich fand sie im Darme noch gerade so wie ich sie eingeführt; einige hatten sich freilich aus- gestülpt, waren aber dann abgestorben ; genug sie kamen nicht über das Stadium des E. miliarius hinaus. Erklärung der Abbildungen. Taf. IL Fig. 1 . Reifes Ei von E. polymorphus aus dem Darme der Ente durch Fütterung mit E. miliarius. Natürliche Grösse: 0,1 Mm. in der Länge und 0,02 Mm. in der gross ten Breite. Fig. 21 Embryo von E. polymorphus nach Durchbrechung der Ei- häute im Gammarus. Natürliche Grösse: 0,08 Mm. in der Länge und 0,03 Mm. in der Breite. 1 ) Ich bediente mich dazu, nach mehreren anderen vergeblichen Versuchen, zuletzt eines elastischen Katheters, den ich am unteren Ende oberhalb der gewöhnlichen seitlichen Oeffnungen abschnitt und abrundete; in diese untere Oeffnung schob ich mehrere Echinorhyn- chen in Form der geschilderten rothen Körnchen hinein, und führte dann den Katheter vorsichtig durch die Speiseröhre in den Magen ; hier angekommen blies ich leise in die obere Oeffnung, um die Echi- norhynchen-Ladung in den Magen zu entleeren , wobei freilich der Uebelstand häufig eintrat, dass zu viel Luft in den Magen und Darmkanal eingeblasen wurde , dem die meisten , besonders die Fische, kurze Zeit darauf erlagen. Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. 139 Fig. & Embryo in weiterer Entwicklung. Natürliche Grösse im Durchmesser 0,15. „ 4. Natürl. Grösse 0,5 Mm.\ „ 5. „ „ 1 Mm.l Weitere Entwickelungsstufen von „ (',. ,. „ 1,5 Mm. j E.polymorphusimGammar. pulex. „ 7. „ „ 1,8 Mm.) „ 4A. Der im Innern des Embryo (Fig. 4) gelagerte Embryonal- kern, a. Erstes Entwickelungsstadium des Ovariums (cen- traler Körnerhaufen), b. Das den centralen Körnerhaufen umschliessende Ligam. Suspensorium, c. Erste Bildung der Uterusglocke. d. Ganglion im unteren Theile der Rüssel- scheide. e. Retractor proboscidis. „ 8. Weitere Entwickelungsform nach eingetretener Haken- und Gefässbildung des Rüssels in der Einstülpung begrifien. Natürliche Grösse 1,8 Mm. „ 9. Vollkommen eingestülpter Echinorhynchus mit zwei glas- hellen Schutzmembranen (a u. b) umgeben. Natürl. Grösse ohne Schutzmembran. 1 Mm. ,. 10. Derselbe nach erfolgter freiwilliger Hervorstülpung. a. die beiden Hauptlängsgefässstämme mit ihren Verzweigungen und Anastomosen. b. Ein Ringgefäss. c. Die Lemnisken. Natürliche Grösse 2,2 Mm. Taf. III. Fig. 1. Nervensystem von E. polymorphus innerhalb der Rüssel- scheide gelegen. G. Ganglion, a. Die vier Hauptnerven- stämme. a'. Die den Hauptstamm zusammensetzenden Bün- del von je zwei Nervenfasern, b. und e. Vier grosse Kerne im oberen und unteren Theile der Rüsselscheide , deren Bedeutung unbekannt ist. c. Länglich ovale Zellen (Gan- glienzellen?) in der Rüsselscheidenwand. d. Die Rectracto- res receptaculi proboscidis. „ 2. Weiblicher Geschlechtsapparat von E. polymorphus. A. Ovarium. B. Uterusglocke. C. Eileiter. Fig. ?, D. End- mündung nach aussen, a. Ligamentum Suspensorium, b. Fortsetzung des Ovariums nach unten als hohler Schlauch, c. Obere trichterförmige OefFnung der Uterusglocke, d. Erweiterter Ovarialschlauch innerhalb der Uterusglocke, e. Ausgang des letztern in den Eileiter. f. Zwei besondere die Uterusglocke durchziehende Kanäle, die in den Ova- rialschlauch münden, g. Eiertaschen, h. gestielte Zellen. Fig. 2, D. Weibliche Geschlechtsöffnung nach aussen, i. obere becherförmige Oeffnung. k. Erste Anschwellung. 1. Zweite Anschwellung und Mündung nach aussen, m. Rahmen um 140 G-reeff: Untersuch, über Echinorhynchus miliarius. den unteren Theü des Ausführungsapparates, n. Zwei freie Kerne im untersten Theile des Eileiters. Fig. 3. Männlicher Geschlechtsapparat. a. Hoden, b- Vasa deferentia. c Schlauchförmige Drü- sen, d. Samenblase. e. Grosse ovale Zelle in der Wand des Ligam. Suspensorium (Ganglienzelle?), f. Zellenhaufen von nicht zu bestimmender Bedeutung (Ganglion?). g. Seitliche Muskeln um die Saugglocke seitlich zusammen und nach unten zu drücken, h. Saugglockc. i. Penis, k. Haftorgane der Saugglocke. Bemerkungen über den Bau des Hinterleibes bei den Forficulen. (Nachwort zu den Bemerkungen des Hrn. Prof. Schau m.) Von Dr. Fr. ffleinert in Kopenhagen. Der Hr. Prof. Schaum hat in diesem Archive Jahrg. 29. Heft 3. (1863) p. 365 ein Paar Punkte in mei- ner Dissertation „Anatomia Forficularum" zum Gegenstande seiner Kritik gemacht. Da ich die Richtigkeit der Re- sultate dieser Kritik nicht anerkennen kann, erlaube ich mir hiermit in aller Kürze seine Bemerkungen zu beant- worten, und die Richtigkeit der von mir aufgestellten An- sichten festzuhalten. Dass Prof. Schaum sich nicht hinreichend in La- treille's Theorie von dem Verhältnisse zwischen Thorax und Hinterleib hinein gesetzt hat, erhellt aus mehreren seiner Aussagen; genüge es hier hervorzuheben, dass er die Benennung Segmentum mediale zu L atr eill e hinführt, obschon sie gar nicht in dessen Schriften vorkommt. Und er hat ebenso wenig meine Dissertation mit der Aufmerk- samkeit gelesen, die von einem Criticus gefordert wer- den kann. Er meint an einer Stelle einen merkwürdigen Mangel an Logik bei mir entdeckt zu haben, und sagt bei dieser Gelegenheit: „Das von Meinert als Lamina supraanalis bezeichnete, hinter dem Zangenträger gelegene und nach unten umgebogene Stück führt diesen Namen wie Lucus a non lucendo, insofern es zu dem After in gar keiner Beziehung steht, nicht über, sondern weit hin- ter demselben gelegen ist." Der hier in Rede stehende Theil des Skeletes heisst jedoch bei mir die ganze Ab- handlung hindurch: Analplade, Lamina analis (Fischer), und da letztgenannter Ausdruck auch in dem kurzen, lateinischen Auszuge gebraucht wird, den ich am Schlüsse gegeben habe, kann Prof. Schaum nicht einmal seine 142 Meinert: Entschuldigung in den Schwierigkeiten suchen, die man vermuthen muss, dass eine weniger bekannte Sprache ihm darbieten würde. Die Benennung „Lamina supraana- lis" kömmt nur einmal in meiner Dissertation vor, und an dieser Stelle zeige ich deutlich durch den Context, durch Citationszeichen und durch die Anführung von Schaum's Figur *),*dass es die neunte — meine letzte — Rücken- schiene (oder das neunte Dorsalsegment) ist, Schaum's Zangenträger, die hiermit durch die von Schaum selbst gebrauchte Benennung bezeichnet wird. Prof. Schaum trifft auf diese Weise nicht mich, sondern nur sich selbst, mit seinem Scherze. Seine Beweise dafür, dass seine Lamina supraanalis nicht als Segment betrachtet werden darf, sind 1) dass ihr kein Ventralhalbring (Bauchschiene) und 2) kein Gan- glion entspricht und 3) dass schon das vorhergehende Seg- ment keine Stigmen (Spirakeln) habe. Auf No. 1 antworte ich, dass die neunte Rücken- schiene (Lamina supraanalis Schaum) an der unteren Seite ein Paar trianguläre Platten hat, welche ich mit West- wood (Introd. I. p. 401 vergl. meine Diss. p. 43) fort- während als Bauchschiene betrachte. Prof. Schaum macht gegen diese Auffassung geltend, dass a) der After sich nicht an der Spitze dieser Theile, sondern vor der Basis, am Anfange der Spalte öffne, und b) dass diese Theile (Platten) weder durch ein Gelenk noch durch eine Naht mit dem vorhergehenden Vertralhalbringe (Bauchschiene) verbunden sind. Die Ursache, dass der After sich nicht an der Spitze meines neunten Segmentes öffnet, muss gewiss darin gesucht werden, dass der After wegen der Muskeln, , welche die Zweige der Zange in Bewegung setzen sollen, länger vorwärts an der unteren Seite 2) 1) P.45 ,.hvis han (Schaum) ikke havde betragtet vor niende og sidste Skinne som en Tillägsplade" („lamina supraanalis" fig. V, c) ; deutsch: „wenn er (Schaum) unsere neunte und letzte Schiene nicht als eine Anhangsplatte („lamina supraanalis" fig.V. c) betrach- tet hätte." 2) Aus dem nämlichen Grunde fallen auch die Stinkdrüsen der Larve und der Nymphe im letzten Segmente weg bei dem Imago. Bemerk, üb. d. Bau des Hinterleibes bei den Fornculen. 143 gerückt werden musste, so dass er bei den Forficulen, nicht, wie Prof. Schaum sagt, vor, sondern hinter der Basis, zwischen den Platten der Baiichschiene zu liegen kömmt, und da, meines Wissens, bis jetzt noch keine andere Insektenform mit einer solchen Zange beschrieben ist, kann dieses vereinzelte Verhältniss in Bezug auf die Lage des Afters (immer vorausgesetzt, dass es vereinzelt ist) leicht in dieser Weise erklärt werden. Es ist eben- falls anzunehmen, dass die starke Entwickclung der Zange die letzte Bauchschiene von der vorhergehenden entfernt hat, und so wie ich schon vorher (vgl. meine Diss. p. 43) eine Bekräftigung meiner Deutung der zwei triangulären Platten als die neunte Bauchschiene durch die entspre- chende Bildung der Bauchschienen des siebenten und des achten (rudimentären) Segmentes des Weibchen zu finden geglaubt habe, so glaube ich auch, dass durch die Ent- fernung dieser beiden unzweifelhaften Bauchschienen von der vorhergehenden sechsten Bauchschiene und die An- schliessung derselben an der folgenden Schiene (meiner neunten gespaltenen Bauchschiene) ein vollständiger Be- weis gegeben wird, dass eine solche von Prof. Schaum verneinte Scheidung zweier auf einander folgenden Seg- mente möglich ist und hier wirklich Statt findet. Seinen zweiten Beweis dafür, dass die bestrittenen Theile nicht als Segment zu betrachten sind, findet Prof. Schaum in dem Mangel an einem entsprechenden Gan- glion. Aber haben denn alle die übrigen Körpersegmente auf jeglichem Stadium ihr eigenes Ganglion? Hierauf muss man gewiss Nein antworten. Ich lege kein Ge- wicht darauf , dass die Zahl der Ganglien bei den Ima- gines immer geringer ist als die der Segmente; der Um- stand aber, dass ihre Zahl, selbst in dem Lebensstadium des Thieres, worin sie am grössten ist, doch immer ge- ringer als die der Segmente ist, und dass sie uneinge- denk der Umbildung der Segmente bei dem Imago in grösserem oder geringerem Grade eingeschränkt wird, so dass man annehmen muss, dass ihr grösseres oder geringeres Zusammenfliessen und ihr theilweises Ver- schwinden von der Veränderung der Segmente unabhän- 144 Meinert: gig sei — scheint mir hingegen wohl Aufmerksamkeit zu verdienen und zu beweisen, wie geringes Gewicht man auf die Anwesenheit eines Ganglions legen kann, wenn es darauf ankommt zu entscheiden, in wiefern irgend ein Theil als Segment betrachtet werden muss. Uebri- gens muss ich in diesem speciellen Falle verneinen, dass das Segmentum mediale sein Ganglion hat, oder dass das dritte Brustganglion bei den Forh'culen irgend eine Spur von einer Verschmelzung mehrerer Ganglien zeigt; und hinter dem Brustganglion findet man nur sechs Ganglien, von denen das letzte sich an die sechste und nicht an die achte (Prof. Schaum's letzte) Bauchschiene stützt. Die dritte Einwendung des Herrn Professors, dass sich schon das achte — sein neuntes — ■ Segment durch Mangel an Spirakeln als das letzte zeige, geht davon aus, dass man niemals hinter dem letzten spirakeltragenden Segmente: dem achten Segmente des Hinterleibes (wenn man das Segmentum mediale mitrechnet), mehr als ein Segment finde. Wenn dieser Satz als richtig angenom- men wird, beläuft sich die höchste Zahl der Segmente zu zwölf im Ganzen (ohne den Kopf) : drei Brustsegmente und neun Bauchsegmente. In der Abhandlung in den Annais behauptet Prof. Schaum auch dieses ausdrück- lich. Aber eben wie ich in meiner Dissertation von dem ausgegangen bin, dass die typische Zahl der Körperseg- mente — ohne den Kopf — dreizehn ist, so muss ich auch dieselbe Ansicht hier noch ferner festhalten. Bei sehr vielen Larven zeigen sich hinter dem letzten spira- keltragenden Segmente noch deutlich zwei Segmente, von denen das letzte sogar mit Bewegungswerkzeugen verse- hen sein kann — als zum Beispiel mit Afterfüssen oder sogenannten falschen Füssen bei den Schmetterlingsrau- pen, Kletterhaken bei den Gyrinenlarven u. s. w. Eine nähere Ausführung dieser Betrachtungen würde jedoch hier zu weit führen. Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. Von Prof. Schaum. Die durch ihre Entwickelung so merkwürdige In- sektenfamilie der Strepsipteren oder Stylopiden ist zuerst von Bur meist er (Handb. d. Naturgesch. 1837) als eine Gruppe der Coleopteren betrachtet und in die unmittelbare Nähe der in Blatten schmarotzenden Rhipi- phoriden- Gattung Symbius Sundev. (Isis 1831. Tab. VIII) = Hhipidius Thunb. gestellt worden. Später sind dieser Ansicht Newman, Schiödteund andere Entomologen, in der neuesten Zeit ist ihr La cor daire beigetreten, der die Stylopiden im 5. Bande seiner Genera des Coleopteres als eine den Rhipiphoriden sich anschliessende .Käferfamilie behandelt, und bei dieser Gelegenheit einige von mir zu Gunsten dieser Ansicht geltend gemachte Gründe und Entgegnungen auf die dagegen erhobenen Einwände mit- getheilt hat. Auch Le Conte hat in seinem vor Kurzem erschie- nenen Werke „Classification of Coleoptera ofNorth-Ame- rica" die Stylopiden mit Rücksicht auf ihre Organisa- tionsverhältnisse und ihre Entwickelung neben die Rhipi- phoriden gestellt. In dem Berichte über die entomologi- schen Leistungen im J. 1861 (dies. Arch. XXVIII. 2. S. 328) ist von Dr. Gerstaecker hierzu die Bemerkung ge- macht: „Welche Charaktere hat ein Strepsipteron mit einem Käfer gemein? — keinen. Wo sind die Ueber- einstimmungen in der Lebensweise ? — Die Strepsipteren leben parasitisch von Hymenopteren, die Meloiden-Larven nähren sich von Honig; beide haben also in der Ent- Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 10 146 Schaum: "Wickelung nichts mit einander gemein. In Ele- mentarbüchern sollte man Absurditäten doch am wenigsten für baare Münze ausgeben." Dr. G e rsta eck er schliesst die Strepsipteren in seinem Berichte den Neuropteren mit vollkommener Verwandlung an und führt sie selbst in einem Elementarbuche, einem kürzlich erschienenen Hand- buche der Zoologie S. 78 als 3. Zunft der Neuropteren auf. Ohne hier weiter den Ton zu beachten, dessen sich der Referent einer von ausgezeichneten Entomologen (Burmeister, Lacordaire) vertretenen Ansicht ge- genüber bedienen zu dürfen glaubt, hoffe ich durch ein- fache Darlegung der Thatsachen, von denen die Ent- scheidung abhängt, jeden Zoologen, der sich für den Gegenstand interessirt, in den Stand zu setzen, sich ein seibstständiges Urtheil in Bezug auf die Stellung der Strepsipteren zu bilden. Die Strepsipteren bestehen eine vollkommene Meta- morphose und haben im männlichen Geschlechte Mund- theile (Mandibeln, Taster), die zwar rudimentär sind, weil die Imagines nur wenige Stunden leben, aber auf den Typus der kauenden Mundtheile zurückzuführen sind. In diesen beiden Beziehungen stimmen die Strepsipteren so- wohl mit den Coleopteren als mit den Neuropteren überein. Die Charaktere der Neuroptera und Coleoptera sind in dem erwähnten Handbuche wörtlich in folgender Weise angegeben. Neuroptera (S. 68) „mit vollkommener Verwandlung, beissenden Mundtheilen, freiem Prothorax und häutigen Vorder- und Hinterflügeln." Coleoptera (S. 80) „mit vollkommener Verwandlung, beissenden Mundtheilen, freiem stark entwickelten Pro- thorax und harten hornigen Vorderflügeln (Flügeldecken). Der Unterschied zwischen beiden Ordnungen liegt dem Handbuche zufolge demnach allein darin, dass die Neuropteren häutige , die Käfer harte hornige Vorder- flügel haben; denn der freie stark entwickelte Prothorax der Coleopteren soll doch wohl nicht einen Gegensatz zu dem bloss freien der Neuropteren bilden, unter denen Gattungen wie Corydalis, Mantispa einen weit stärker Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. 147 entwickelten Prothorax haben als viele Co]eopteren-Gat- tungen. Ein weiterer physiologischer Unterschied der beiden Ordnungen, der zwar mit der häutigen oder hornigen Beschaffenheit der Vorderflügel zusammenhängt, aber auch eine ganz andere Muskulatur des Thorax voraussetzt, be- steht darin , dass die Neuropteren mit beiden Flügelpaa- ren, die Coleopteren nur mit den Hinterflügeln fliegen. Die Stellung der Strepsipteren bei den Coleopteren oder Neuropteren hängt also in erster Linie davon ab, ob die Vorderflügel derselben häutig oder hornig und ob beide Flügelpaare oder ob nur die Hinterflügel den Flug ausführen. Von dem Prothorax, der bei den Strepsipteren sehr verkümmert ist, hat man vorläufig ab- zusehen, da derselbe ja den obigen Diagnosen zufolge sowohl bei den Neuropteren als bei den Coleopteren frei ist. Die Vorderflügel der Strepsipteren sind nach S. 78 des Handbuchs «in Form kleiner an der Spitze aufge- rollter Stummeln." Sind das häutige Vorderflügel? Sind das Organe, die am Fluge betheiligt sind? Eine Gleichstellung dieser Stummel mit den häutigen geäd er- teil Vorderflügeln der Neuropteren ist völlig unstatthaft, weil in den Ordnungen mit zwei häutigen am Fluge be- theiligten Flügelpaaren (Neuropteren, Hymenopteren, Le- pidopteren) niemals die Vorderflügel allein verkümmern und bei der überwiegenden Bedeutung dieser Organe für den Flug auch gar nicht verkümmern können. Es ver- kümmern in diesen Ordnungen bisweilen beide Flügel- paare (unter den Neuropteren bei Boreus), aber nirgends ist die Function des Fluges den Hinterflügeln übertragen. Die Vorderflügel der Strepsipteren stellen aber im Leben dieser Thiere gar keine aufgerollten Stummel dar, wie Smith, der Gelegenheit gehabt hat, sie lebend zu beobachten1), ausdrücklich hervorhebt; sie verändern 1) Die ausserordentliche Seltenheit der Strepsipteren und ihre Lebensdauer von nur wenigen Stunden ist die Ursache, dass nur einzelne Entomologen sie lebend beobachtet haben. 148 Schaum: bei der Zartheit des Käfers sehr bald nach dem Tode ihre Form und der Zustand derselben in getrockneten Exemplaren gestattet daher kein Urtheil über die Be- schaffenheit derselben im Leben. Die Stelle von Smith (Trans. Entom. Soc. IL Ser. IV. p. 116) lautet wörtlich: „The texture of all parts of the body of a male ßtylops is of so delicate a nature that within two hours after death the entire appearence of the insect is changed bea- ring no more resemblance to the living creature, than a shrivelled mummy does to the once graceful Egyptian, the remarkable lateral appendages of the thorax (an einer anderen Stelle pseudelytra genannt) which in life were rounded on one side and flattened on the other, become entirely changed in form." In der nach dem Leben entworfenen Abbildung von Smith (a. a. 0.) zeigt der Vorderflügel von Stylops die unverkennbarste Analogie mit den verkümmerten weit auseinander gerückten und klaffenden Flügeldecken der Käfergattungen Symbius und Atractocerus (auf die auch schon Westwood Introd. to the mod. classif. IL p. 293 aufmerksam macht, obwohl er nur getrocknete Exem- plare untersucht hat) ; er ist lederartig und ohne Ge- äder; wie eine Flügeldecke. Eine solche Bildung der Vorderflügel steht im vollständigen Gegensatze mit dem wesentlichsten Charakter der Neuroptera. Bei dieser Bildung der Vorderflügel sind selbstver- ständlich die Hinterflügel die einzigen Flugorgane der Strepsipteren. In dem oben erwähnten Handbuche wird zwar S. 79 als ein Argument für die Stellung der Strepsi- pteren unter den Neuropteren die Uebereinstimmung in der radiären Aederung der Hinterflügel angeführt : »nur dass dieselbe bei den Strepsipteren noch entschiede- ner und reiner hervortritt." Die Hinterflügel haben aber weder in der Entwickelung noch in dem Geäder ein Analogon unter den Neuropteren, wohl aber haben sie es in der Käfer-Gattung Atractocerus, wie dies schon Westwood in seinem classischen Werke „Introduction to the modern Classification of insects 1840. IL p. 293" (welches noch heute die einzige gute Einleitung in das Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. 149 Studium der speciellen Entomologie ist) ganz richtig her- vorhebt. Auch ist die radiäre Anordnung des Geäders in viel höherem Grade charakteristisch für den Hinter- flügel der Käfer als für die der Neuropteren. Ehe wir jetzt zu der Entwicklung der Strepsipte- ren übergehen, haben wir noch die Argumente ins Auge zu fassen, die etwa für die Stellung bei den Neuropteren beigebracht sind und die Einwendungen, die gegen die Verbindung mit den Coleopteren erhoben werden. In dem oben erwähnten Handbuche der Zoologie S. 79 heisst es „die Familie (die Strepsipteren) schliesst sich durch ihre wesentlichen Charaktere (etwa durch die Beschaffen- heit der Vorderflügel ?) naturgemäss den Neuropteren und unter diesen zumeist den Phryganiden an. Mit den letz- teren (Phryganiden) stimmt sie in der bei den Coleopte- ren niemals vorkommenden Bildung des Prothorax, den verlängerten freien Vorder- und Mittelhüften, den ver- kümmerten Mundtheilen, von denen die Unterkiefer mit der Unterlippe verschmolzen sind, so wie auch in der ra- diären Aederung der Hinterflügel überein, „nur dass die letztere hier noch entschiedener und reiner hervortritt;" beweisend sind für diese Verwandtschaft auch die von Newport an den Hinterleibsringen der Strepsipteren nachgewiesenen kiemenartigen Respirations-Organe. Die Strepsipteren werden also nicht weil sie in dem Hauptcharakter (der Beschaffenheit der Vorderflügel) mit der Ordnung der Neuropteren übereinstimmen, der viel- mehr im vollen Widerspruche mit der oben angeführten Diagnose der Neuropteren steht, sondern weil sie in einigen secundären Charakteren mit einer zu den Neu- ropteren gestellten Familie (^Phryganiden) übereinkommen sollen, den Neuropteren angeschlossen. Von diesen secun- dären Charakteren wurde die radiäre Anordnung des Ge- äders in den Hinterflügeln schon oben als charakteristisch für die Käfer bezeichnet. Kiemenartige Respirations- organe haben an den Larven der Strepsipteren weder Klug noch v. Siebold beobachtet (vergl. dieses Archiv 1843. S. 154); auch Newport hat sie nicht nachge- wiesen, vielmehr drückt er sich hierüber höchst vorsichtig 150 Schaum: so aus (Trans. Linn. Soc. XX. p. 345) : In the larvae there appeared to he eight pairs of bagshaped dark bodies at the sides of the abdominal segments, sitnated in the place of the respiratory organs of other insects. From their dar- kened appearance and from their resemblance to bran- chial sacs they may perhaps he regarded as imperfect respiratory organs of the nature of branchiae. Und eine solche Vermuthung, die nicht entfernt als Thatsache hin- gestellt ist, und die sich gar nicht auf die definitive Larve, sondern auf das erste Stadium derselben zu beziehen scheint , soll für die Verwandtschaft der Strepsipteren mit den Phryganiden „beweisend" sein. Auf die freien, verlängerten Vorder- und Hinterhüften hat man in einem Falle kein Gewicht zu legen, in dem es sich, wie hier, um die Ordnungen der Insekten handelt. Es bleiben also für die Verwandtschaft der Strepsipteren mit den Phryganiden und die darauf begründete Stellung der- selben unter den Neuropteren nur die Argumente übrig, dass die Mundtheile verkümmert sind und der Prothorax wie bei den Phryganiden gebildet ist. Eine Verkümme- rung der Mundtheile, mit der stets eine Verwachsung der einzelnen Theile verbunden ist, begründet aber an sich keine Verwandtschaft. Die Mundtheile sind vielmehr in allen Ordnungen der Insekten bei einzelnen Gattungen und zwar bei solchen, die im Imago-Zustande keine Nah- rung zu sich nehmen, verkümmert, unter den Orthopte- ren beiEphemera, unter den Dipteren bei den Henopiern, unter den Lepidopteren bei vielen Bombyciden. Die Ver- kümmerung der Mundtheile ist daher auch kein Argu- ment gegen die Stellung der Strepsipteren bei den Kä- fern, es sind eben Käfer mit verkümmerten Mundtheilen, wie die Phryganiden Neuropteren mit verkümmerten Mund- theilen, wenn sonst nach der Beschaffenheit der Vorder- flügel die Strepsipteren Käfer, die Phryganiden Neuro- pteren sind. „Mit den Phryganiden stimmen die Strepsipteren in der bei den Käfern niemals vorkommenden Bildung des Prothorax überein." Nach den Diagnosen der Phry- ganiden (S. 75) und der Strepsipteren (S. 78 des Hand- Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. 151 buchst bestellt diese Bildung darin, dass der Prothorax kurz und ringförmig ist. Ringförmig ist ein Prothorax, wenn er aus einem einfachen Ringe besteht und nicht in ein Notum und Sternum zerfällt. Ein solcher Prothorax, der nur einen einfachen Ring darstellt, findet sich aber unter den Käfern ganz allgemein in der Abtheilung der Rüsselkäfer. Andererseits ist es keineswegs festgestellt und an getrockneten Exemplaren gar nicht festzustellen, dass der sehr wenig entwickelte Prothorax der Strepsi- pteren nicht aus einem Notum und Sternum besteht. Es bleibt also nur, dass der Prothorax bei den Phryganiden und Strepsipteren kurz, bei den Coleopteren frei und stark entwickelt ist. Wenn nun die Phryganiden und Strepsipteren, obwohl sie einen kurzen Prothorax haben zu den Neuropteren gestellt werden, zu deren Ordnungs- charakteren nach S. 68 ebenfalls ein freier Prothorax ge- hörte, so beweist dies einerseits, dass die oben angeführte Diagnose auf die numerisch grössere Hälfte der Neuro- pteren (die Phryganiden) nicht passt, andererseits,- dass in der Entwickelung des Prothorax ein Charakter für die Ordnung der Neuroptera nicht gegeben ist. Die Entwickelung des Prothorax hat auch In der Ordnung der Hymenoptera nicht die durchgreifende Be- deutung, die man ihr gewöhnlich beilegt; allermeist ist er hier zwar, wenigstens das Notum desselben, sehr re- ducirt, aber in der Familie der Pompiliden, z. B. bei Salius, recht wohl ausgebildet. Dass in den Ordnungen der hemimetabolen Insekten (Orthopteren, Hemipteren) der Prothorax entsprechend der Bildung der Vor- der flu gel bald frei, bald mehr oder weniger verküm- mert ist, hat Erich son (Germ.-Zeitschr. f. Entomol. I. S. 156) ausführlich erörtert. Die Kürze des Prothorax beweist also Nichts für die Stellung der Strepsipteren un- ter den Neuropteren, die grossentheils einen freien Pro- thorax haben und kann nur dann als Argument gegen die Stellung derselben bei den Coleopteren verwerthet werden, wenn man nicht zugeben will , dass der Protho- rax m dieser Ordnung ausnahmsweise und zwar im eng- sten Zusammenhange mit der Verkümmerung der Vorder- 152 Schaum: flügel, verkümmern könne, wie er sich ausnahmsweise unter den Hymenopteren bei Salius stark ausbildet. In diesem Falle hat man die Strepsipteren als eine kleine selbstständige Ordnung zu betrachten, die mit den Co- leopteren in der vollkommenen Metamorphose in dem Besitze (rudimentärer) kauender Mundtheile, in der Bil- dung der Flügel und mit gewissen Coleopteren, wie sich zeigen wird, in einem sehr eigenthümlichen Entwicke- lungsvorgange übereinstimmt, sich aber durch den ver- kümmerten Prothorax unterscheidet 1). Wenn man aber in anderen Fällen einzelne Formen einer Ordnung ein- reiht, obwohl einer oder der andere von den Charakteren dieser Ordnung bei ihnen nicht zur Ausbildung kommt, wenn man z. B. die Gattung Braula mit Rücksicht auf gewisse Organisationsverhältnisse und auf ihre wie in der Dipteren- Abtheilung der Pupiparen vor sich gehende Entwickelung, mit den Dipteren verbindet, obwohl sie wesentliche Charaktere dieser Ordnung, die Schwinger und die typische Mundbildung, nicht besitzt, so kann man mit vollem Rechte auch die Strepsipteren zu den Käfern stellen. Dass die Lebensweise der Strepsipteren mit der der Meloiden, so weit sie die Nahrung der Larve betrifft, übereinstimme, ist nie behauptet worden. Es ist aber, und mit Recht, behauptet worden, dass sie in dieser und in anderer Beziehung mit derjenigen der Käfer- Gattung Mhipidius (Symbius) übereinsimmt, die in Blatten, wie die Strepsipteren in Wespen schmarozt, und deren wurm- förmiges Weibchen ebenso wenig wie das „wurmartige" Weibchen der Strepsipteren, das Wohnthier, in dem es sich entwickelt, verlässt. Mit den Meloiden (Meloe und Sitaris, und wahrscheinlich auch mit Rhipidius, dessen Metamorphose nicht vollständig bekannt ist) stimmen aber die Strepsipteren in dem sehr merkwürdigen Entwicke- 1) Auf einen von anderer Seite erwähnten Unterschied, dass die Vorderflügel , wenn die Thiere fliegen, bewegt werden, gehe ich hier nicht nochmals ein, sondern verweise in dieser Beziehung auf Lacordaire Gen. d. Col. V. II. p. 092). Die Stellung der Strepsipteren im Systeme. 153 lungsvorgange, der von Fabre Hypermetamorphose genannt und bisher in dieser Weise nur bei den Meloi- den und Strepsipteren beobachtet ist, überein, und der darin besteht , dass eine provisorische Larve aus dem Ei kommt, die dazu bestimmt ist, das Thier in die Verhält- nisse überzuführen, in denen es sich weiter entwickelt, und dass aus dieser provisorischen Larve eine zweite definitive Larve von ganz abweichender Form bei der ersten Häutung hervorgeht. Zur Anatomie und Physiologie der Dämnierungsfalter (Spliingidae). Von Dr. A. Baltzer in Bonn, (Hierzu Taf.IV.) Um eine nähere Einsicht in die Organisation Ver- hältnisse der Lepidopteren zu gewinnen, beschäftigte ich mich näher mit der Gruppe der Dämmerungsfalter (Sphin- gidae), zu denen die Gattungen Smerinthus Latr., Sphinx L., Acherontia Ochs. u. s. w. gehören. Dieselben sind schon ihrer äusseren Gestalt, ihrer Grösse und oft prachtvollen Färbung, ihrer eigentüm- lichen, halbnächtlichen Lebensweise halber von Interesse; wegen ihrer verhältnissmässigen Seltenheit scheint ihr in- nerer Bau weniger untersucht worden zu sein als der der leichter zugänglichen Tagfalter, trotzdem ihre Grösse und entwickelte Organisation hierzu einladen !). 1) Yon Literatur stand mir zu Gebote: Swammerdamm: „Biblia naturae," Leyden 1738, s. Tom. II, Tab. XXXVI, wo die in- neren Theile von Vanessa urticae abgebildet sind. K. A. Ramdohr „Ueber die Verdauungs Werkzeuge der Insekten," Halle 1811; s. Tab. XVIII (Verdauungsorgane von Zygaena filipendulae). Herolds: ,.Entwickelungsgesckichte der Schmetterlinge, anatomisch und phy- siologisch bearbeitet," Cassel und Marburg 1815. Herold giebt in dieser Schrift eine gründliche Untersuchung aller Theile von Pontia brassicae, hauptsächlich mit Berücksichtigung der Entwicklungsge- schichte. L. Suckows „Anatomisch-physiologische Untersuchungen der Insekten und Crustenthiere." Ersten Bandes erstes Heft, Heidel- Baltzer: Zur Anat. u. Phys. d. Dämmerungsfalter. 155 Es standen mir folgende Species zu Gebote: Smerinthus ocellatus L.; Abendpfauenauge. Smerin- thus tiliae L., Lindenschwärmer. Sphinx ligustri L., Li- gusterschwärmer. Sphinx elpenor L.; Weinschwärmer. Ich verschaffte mir dieselben im Puppenzustande, bewahrte sie den Winter über sorgfältig auf und begann, als im Frühjahre die Schmetterlinge nach vollendeter Entwicklung ausschlüpften , sofort die Untersuchung. Mitte Mai erhielt ich die ersten Exemplare von Sm. tiliae, darauf folgte Sm. ocellatus (fast nur in weiblichen Indi- viduen), Ende Mai erschien Sph. elpenor, Anfang Juni bekam ich die ersten Exemplare von Sph. ligustri. Im Allgemeinen zeigen die Organisationsverhältnisse der Sphingiden ziemliche Uebereinstimmung mit denen der übrigen Lepidopteren, ich übergehe daher manche Organ- systeme und greife namentlich zwei Punkte heraus, ein- mal gewisse eigenthümliche als Sinnesorgane zu deutende Gebilde an den Fühlern und dann die Geschlechtswerk- zeuge. Auf jene Gebilde machte mich mein verehrter berg 1818, behandelt Gastropaclia pini (zur Gruppe der Bombyciden gehörig), ebenfalls mit Hervorhebung der Entwickelungsgeschichte. Speziell über die Sphingiden stand mir zu Gebote Newporfs ausgezeichnete Abhandlung „on the nervous System of the Sphinx ligustri, •' Part II, in den philos. transactions 1834, p. 389, Tab. XIV etc., wo auch (in Fig. 13) eine Gesammtansicht über die inneren Theile gegeben ist. In Wagner's Icones etc. Tab. XXIV, Fig. 5 findet sich eine Abbildung der Verdauungsorgane von Acherontia atropos. Vergl. ferner Burmeister's Atlas zum ersten Theile des Hand- buchs der Entomologie Tab. XIII, Fig. 28—31 (vier kleine Abbildun- gen die männlichen Geschlechtstheile von Deilephila galii betreffend). Was die Sinnesorgane der Fühler anbelangt, so diente mir als Grundlage Leydig's ausgezeichnete Abhandlung: ,. lieber Ge- ruchs- und Gehörorgane der Krebse und Insekten" in Dubois und Reichert's Archiv 1860, p. 265. Vergl. ferner Perris: „Memoire sur le siege de l'odorat dans les articules," in den Annales des sc. nat. Tome XIV, 1850, p. 149. Vergl. ausserdem: C. Th. v. Siebold: „Lehrbuch der ver- gleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere." Burmeister: „En- tomologie," erster Band mit Atlas. Gerstaecker: zweiter Band des Handb. der Zoologie von Peters, Carus und Gerstaecker. 156 Baltzer: Lehrer, Hr. Prof. Troschel, durch L e y d i g's Abhand- lung „Ueber Geruchs- und Gehörorgane der Krebse und Insekten" aufmerksam. Ich beziehe mich im Folgenden, was die Fühler anbelangt, fortwährend auf diese ausge- zeichnete Abhandlung. Histologische Untersuchungen lagen nicht in meiner xAbsicht. Die Fühlergebilde der Dämmerungsfalter. Die Fühler der Dämmerungsfalter sind bekanntlich anders gestaltet als die der Tag- und Nachtfalter. Die zier- liche Form der einzelnen Glieder der Schmetterlingsfühler, ihre bei den Männchen oft so elegante Behaarung u. s. w. kannte man schon verhältnissmässig früh; weniger war man von jeher über die Funktionen, die die Fühler aller Insekten als Sinnesorgane besitzen, einig. Die verschie- denen Hypothesen über die Sinnesfunktionen der Insek- tenfühler findet man an anderen Orten angeführt. Der Hauptmangel der früheren Ansichten lag darin, dass sie sich nicht auf genaue anatomische Untersuchung der Fühler gründeten, sondern nur auf Vermuthungen und gelegentliche Beobachtungen an lebenden Thieren in der Natur. Zwar war man über die Befähigung der Insekten mittelst der Fühler zu tasten nie im Zweifel, wohl aber über die Gehör- und Geruchsorgane der Insekten, die man bald da-, bald dorthin versetzte. Leydig nun hat in seiner oben erwähnten Abhandlung der Sache eine neue Wendung gegeben. Gestützt auf genauere anatomi- sche Untersuchung und äussere Beobachtung kommt er zu dem Resultate, dass bei Krebsen und Insekten an den Antennen neben gewissen zum Tasten bestimmten Füh- lergebilden andere Gebilde;; auftreten, welche als Geruchs- organe gedeutet werden müssen. Auf diese Gebilde wurde ich gleich anfangs auf- merksam, das Studium von Leydig's Arbeit gab mir die Deutung. Ich stellte mir die Aufgabe diese Verhält- nisse bei den vier oben angeführten Arten der Sphingiden genau zu prüfen, um mir ein eigenes Urtheil zu erwer- ben. Leydig hat von Schmetterlingen Acherontia atro- Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 157 pos (den Todtenkopf) und Catocala nupta (das rothe Ordensband) untersucht. Jener gehört der Gruppe der Sphingiden an, Catocala nupta der der Noctuiden oder Eulen. Die von mir untersuchten vier Arten zeigten , was die Fühlergebilde anbelangt, nichts wesentlich Neues, ich kann die Resultate Leydig's im Allgemeinen nur be- stätigen, indessen hoffe ich doch das Folgende über die Fühlergebilde Gesagte möge in Anschluss an Leydig's Arbeit etwas Weniges zur Ergänzung und Erweiterung beitragen. Leydig giebt in seiner Abhandlung S. 288 über A. atropos und C. nupta Folgendes an: „Sehr empfehlens- werth sind ferner aus der Ordnung der Lepidopteren einzelze Abend- und Nachtfalter. An den dunkeln, bor- stenförmigen Fühlern der Catocala nupta z. B. kommen folgende verschiedene Hautfortsätze zur Beobachtung : 1) Schüppchen, 2) lange, geradeausstehende, starke Bor- sten, 3) um vieles kürzere und schwächere nach vorne gekrümmte Haare und endlich 4) kegelförmige Gebilde, welche zweifelsohne in die Categorie der obigen specifi- schen Körper gehören, und zwar erinnert die Weise, wie sie über die Antenne vertheilt sind, lebhaft an gewisse Krustenthiere. Das Endglied der Antenne nämlich trägt einen grossen Kegel von dunklem , hornigen Aussehen, dann die nächstfolgenden Glieder ebenfalls je einen von 0,0057—0,00856"' langen, dessen besondere Form man auf der Fig. 12 erkennen mag. Die Kegel erstrecken sich weit nach hinten, denn ich kann sie bis über die Hälfte der Antenne hinaus verfolgen. — Besonders schön ist ein Präparat, welches ich von einer frischen Ache- rontia atropos in Canadabalsam aufbewahrt habe. Die Antenne zerfällt in Ringel, welche breiter als hoch sind; an der einen Seite deckt ein dichter Beleg von Schüpp- chen die Segmente, während die grössere, von Schüpp- chen freie Fläche einen zierlichen Haarbesatz hat. (Jedes Haar kommt aus einer Grube, mit denen bei gewisser, die Haare grösstenteils verschwinden lassender Fokalein- stellung die Haut übersäet erscheint). Man erkennt nun 158 Baltzer: aber an jedein Antennengliede wieder sehr deutlich 1) die gewöhnlichen in Masse vorhandenen Haare, welche spitz zulaufen und alle nach vorn gekrümmt sind, 2) in der Nähe des hinteren Gelenkrandes in bestimmter Lagerung einige cylindrische Stäbe, welche nicht gebogen sind, son- dern geradeaus stehen, auch nicht spitz zulaufen, sondern stumpf aufhören; am meisten aber markirt sich 3) je am Vorderrande eines Segmentes ein eigenthümlicher Kegel, dessen Breite an der Basis 0,0057"' beträgt, die Länge 0,01 142"'. Er ist im Innern hohl und seine Cuticula ist hellbraun gefärbt." Dies ist dasjenige, was Leydig über die Fühlerge- bilde der Lepidopteren anführt. Ich untersuchte namentlich die Fühler von Smerin- thus ocellatus $, wo die fraglichen Gebilde am deutlich- sten auftraten und verglich hierauf die drei übrigen mir zu Gebote stehenden Arten. Ein Spinner (Notodonta dictaea -j) , den ich gerade zur Hand hatte, zeigte die- selben Verhältnisse in ausgezeichneter Weise. Um Anordnung und Lage der Fortsätze an den Fühlern der Sphingiden zu verstehen, muss man sich zunächst über die Struktur des ganzen Fühlers ins Klare zu bringen suchen. Wir wählen dazu einen Fühler von Sm. ocellatus $. Derselbe ist oberhalb des Auges nahe dem Rande desselben eingelenkt und beschreibt eine aus Fig. 6 er- sichtliche Biegung. Er entspringt aus einer knotigen An- schwellung, verdickt sich deutlich gegen die Mitte zu und verschmälert sich wiederum gegen die Spitze ; c. 50 ein- zelne Ringel setzen denselben zusammen. Diese Ringel oder Glieder haben die aus den Fig. 1 und 4 ersichtliche Form: im Allgemeinen rundlich, beiderseits und unten etwas kantig ; oben abgeplattet, gewölbt, unten mit stum- pfer Kante. Ihrer Wölbung wegen schliessen sie nicht eng aneinander, sondern wie aus Fig. 1 (die ein einzelnes, durch Trennung von den andern erhaltenes Glied von der Gelenkfläche aus darstellt) ersichtlich ist, nur mit den Rändern i i. Die Gebilde, wie Leydig sie anführt, treten nun in Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 159 folgender Weise auf. Oben befinden sich die Schüpp- chen; die einen starken Beleg bilden (Fig. 4 und Fig. 2,aa). Sie sind von derber, horniger Struktur, verschieden lang, im Allgemeinen mehrfach länger als breit, vorn ausgeran- det oder ausgeschnitten bis zugespitzt. Sie liegen dach- ziegelförmig in Reihen neben- und übereinander , nicht immer regelmässig. An den Querschnitten (Fig. 1, a a) sind sie ebenfalls sichtbar. Die Unterseite der Fühler ist schuppenlos, an ihr befinden sich die Haargebilde, die kürzeren, vorn zugespitzten und gebogenen Haare (Fig. 5, bb) und die langen überall gleich dicken , steifen Borsten (Fig. 4, dd). Die eigentümlichen, bräunlichen Kegel finden sich an jedem Gliede. Sie treten in der Regel einfach, manchmal auch paarig auf. Ihre Einfügungsstelle ist vorn, unten, wo das Segment abgerundet ist. Sie sind schräg nach der Spitze des Fühlers zu gerichtet, ungefähr so lang oder wenig länger als die gewöhnlichen Haare, viel kürzer als die steifen Borstenhaare. Die genauere Form zeigen die Abbil- dungen (Fig. 4 u. 5). Von breiterer Basis ausgehend, ver- jüngen sie sich nach oben. Manchmal schienen sie mir mit ihrer Basis auf einer Art Aufsatz zu sitzen. Die Spitze er- scheint bei den einen ganz abgerundet, bei den anderen abgestutzt. Dieselbe ist etwas dunkler gefärbt. Im In- nern sind die Kegel hohl, ihre Wandungen scheinen weichhäutiger Natur zu sein, sie sind durchscheinend. Wie Fig. 5 zeigt, läuft unten eine Art stumpfen Kieles über alle Segmente hin. Darauf sitzen die Kegel auf. Anfangs schien es mir als seien nicht alle Segmente mit Kegeln versehen. Sie verschwanden nämlich etwa vom zwölften Gliede an, von der Spitze aus gerechnet. Ley- dig konnte sie bis über die Hälfte^ der Antennen hinaus verfolgen. An diesem Verschwinden ist aber nur eine schraubenförmige Drehung Schuld, die der Fühler be- schreibt. Fig. 6 zeigt dieselbe. In der Lage A scheinen die Fortsätze in der Nähe des zehnten Segmentes aufzu- hören, dreht man den Fühler aber herum, so bemerkt man bei dieser Lage B, dass sie mit derselben Regelmäs- sigkeit auf allen übrigen Segmenten auftreten. Auf jedem Segmente steht der Kegel auf der entsprechenden Stelle, 160 Baltzer: nämlich auf der der mit Schuppen belegten Seite entge- gengesetzten. Könnte man den Fühler so um sich selbst drehen, dass die schraubenförmige Biegung aufgehoben würde, dass also die die Schuppen tragende Seite genau nach oben, die andere genau nach unten zu stehen käme, so würden auch in der Lage A alle Kegel sichtbar sein. Die Kegel treten, wie erwähnt, an einigen Segmen- ten paarig auf, eine Regel lässt sich indessen nicht er- kennen. In Fig. 4 kommen solche paarige Kegel am fünften, sechsten und den folgenden Gliedern vor, weiter unten treten sie indessen wieder einfach auf. Nie fand ich sie in grösserer Zahl als zu zweien. Solche paarige Kegel stehen dicht nebeneinander und divergiren etwas nach aussen. 'In Fig. 1 ist ein Segment mit doppelten Kegeln von der Gelenkfläche aus gesehen abgebildet. Das Endglied Fig. 3 zeigt auffallender Weise keinen grösseren Kegel, dafür schienen mir aber zwei ganz kleine Kegelchen (c'c') nahe der Mitte zu aufzutreten. Das Endglied würde also in dieser Beziehung eine Ausnahme bilden. Dies Endglied ist überhaupt eigenthümlich gestaltet. Wie aus Fig. 3 ersichtlich, ist es vorn abgerundet, der Schuppenbeleg (a) ist sehr ausgebildet, er ragt vorn ganz bedeutend über das Glied hinaus, jedenfalls um die wei- che, zarte Unterseite, wo die empfindlichen Sinnesorgane sich befinden, vor Stössen und harten Berührungen zu schützen. Von den erwähnten, steifen Borstenhaaren (d) befinden sich mehrere an diesem Gliede, namentlich vorn an der Spitze. Vergegenwärtigen wir uns nochmals lebhaft die Ke- gel und die langen Borsten, so muss uns namentlich die Regelmässigkeit und die Gleichmässigkeit ihres Auftre- tens bedeutungsvoll erscheinen. Nicht mit regellosen Epidermisgebilden, wie Schuppen und Haare sie darstellen, haben wir es hier zu thun, jene Gebilde hängen offenbar tiefer und inniger mit der Oekonomie des Thieres zusammen. Ein Fühler von Sphinx ligustri $ zeigt im Wesent- lichen dieselben Bildungen. Die obere Seite ist schnee- weiss, die untere braunschwarz. Jene trägt, wie bei Sm. Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 161 ocellatus §, die Schuppen, die die Ursache der weissen Färbung sind. Sie liegen ebenfalls in nicht ganz regelmäs- sigen Reihen neben und aufeinander. Die dunkle Seite hat ein körniges Ansehen und ist mit feinen Häärchen besetzt. Die rundlichen Segmente schliessen hier fester aneinander als bei Sm. ocellatus $. Die vier Gebilde sind alle vorhanden. Abweichend verhält sich die Spitze des Fühlers. Schon mit blossem Auge sieht man, dass der Fühler vorn an der Spitze sich auffallend nadeiförmig verdünnt. Unter dem Mikroskope erscheinen die letzten Segmente sehr locker ineinander geschachtelt und ab- weichend von den übrigen geformt. Das letzte Glied ist etwa dreimal so lang als die übrigen, an der Spitze der- selben stehen einige der erwähnten Borsten, alle nach vorn gerichtet, ausserdem zierliche zweispitzige Schuppen und kurze Häärchen. Die Kegel treten an den nächst- folgenden Segmenten aufs deutlichste auf. Sie erscheinen weit vorgestreckt , im Uebrigen nicht verschieden von denen bei Sm. ocellatus ?. • Auch einige Männchen dieser Thiere untersuchte ich, jedoch konnte ich leider wegen mangelnden Materials nicht sicher entscheiden, ob sie Kegel haben oder nicht. Anscheinend fehlen sie ; es handelt sich indessen darum den den Männchen eigentümlichen, oft ungemein zier- lichen Haarbesatz zu entfernen, der die Kegelchen, na- mentlich wenn sie klein sein sollten, zu verdecken wohl im Stande ist. Bei einem Spinner (N. dictaea Fig. 7 u. Tab XXXII; Suckow, Tab. IV, Fig. 22. Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 177 tend dicker, als die untere Hälfte der Vasa deferentia. Nicht weit von der Einmündung der letzteren geht von der Vesicula seminis der lange, gewundene Ductus eiacu- latorius (dd) ab, der mit seinem Ende hinten in den Penis eintritt. Er, der Ductus eiaculatorius, wie auch die Ve- sicula und die Vasa deferentia haben alle die gleiche weissliche Färbung. Das Merkwürdigste an dem ganzen männlichen Ap- parate ist unstreitig der Penis, den man, wie ich glaube, noch nie einer genügenden Untersuchung unterworfen hat1). Die Aftergegend des männlichen Thieres verhält sich etwas anders als beim Weibchen. Der Hinterleib des Männchens ist daselbst zugespitzt und läuft oft in einen Haarpinsel aus. Bei Sm. tiliae wird an dieser Spitze durch klappenartige Theile eine Art Höhlung hergestellt, in der man bei gelindem Drucke deutlich den Penis wahrnehmen kann. Er tritt zwischen zwei mir nicht näher bekannten Haken hervor, die dem Männchen bei der Begattung zum Festhalten der weiblichen Theile dienen werden. Die .Hinterleibsspitze von Sph. elpenor d* zeigt Fig. 17. Schon mit blossem Auge erkennt man am Penis drei Haupttheile : 1) den Penisstiel (Fig. 20,1); 2) das keulenförmige Ende (m); 3) eine Art Halter (k), in welchem der Penis sich hin und her schiebt. Diese Gebilde finde ich weder von Suckow, noch von Herold oder Jemand anderem beschrieben. Die Fig. 20, 21, 22 und 23 stellen den Penis von Sm. tiliae 1) H erold bildet ihn von P. brassicae mit den umgebenden Theilen ab (Tab. IV, Fig. 4 und Fig. 3). Ueber den Penis selbst erfährt man aus der Figur nichts näheres. Gar keinen Aufschluss giebt die Abbildung der männlichen Geschlechtsorgane von G. pini bei Suckow (Tab. IV, Fig. 22). Burmeister, s. dessen Abbildun- gen zum ersten Theile des Handbuchs der Entomologie (Tab. XIII, Fig. 28— 31). bildet die Spitze des Hinterleibes und den Penis von Deilephila galii ab. Der Penis von. Sm. tiliae hat eine ganz andere Form, den Halter zeigt Burmeister's Abbildung nicht. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 1 % 178 Baltzer: dar. In Fig. 20 erscheint er in natürlicher Grösse mit den umgebenden Tlieilen. Man bemerkt , dass er die unmittelbare Fortsetzung des Ductus eiaculatorius ist. Die Bezeichnungen sind (1) für den Penisstiel, (m) für die Keule, (k) für den Halter. Ausserdem ist der Dickdarm (g) sichtbar, der nach oben sich in den Dünndarm (e) fort- setzt. Der Penis entspringt aus dem fleischigen Ende des Ductus eiaculatorius. Seine Basis ist von dichten Muskel- bündeln (Fig. 21, n) umgeben, durch deren Contraktion und Ausdehnung er bewegt wird. Schiebt man diese Umhüllungen etwas zurück, so bemerkt man, dass der Penisstiel unten knieförmig gebogen ist. Dieser Stiel ist im Innern hohl. Er ist braun gefärbt, steif und hornig. Auffallend setzt sich oben die weiche zarte Endkeule (m) ab. Sie lässt sich leicht zerdrücken, während der Stiel hornig und hart ist. Ihre Farbe ist gelblich. Vorn be- sitzt sie eine trichterförmige Vertiefung, in welcher die Oeffnung liegt und die mit nach auswärts gerichteten Borsten besetzt ist. Der Halter (Fig. 21 u. 22, h) scheint dazu bestimmt dem Penis als Stützpunkt zu dienen und ihn in einer gewissen Lage zu erhalten. Der Penis steckt in ihm wie die Serviette im Serviettenring. In der Mitte ist der Halter gleich einem Sattel ausgebogen, an den Rändern erhöht und verdickt. Seine Farbe ist braun, wie die des Penisstieles. Isolirt man den Stiel (Fig. 23), so sieht man die erwähnte knieförmige Biegung aufs deutlichste , auch oben ist der Penisstiel in natürlicher Lage etwas gekrümmt. Die weiblichen Geschlechtsth eile. Wenn man bei den männlichen Geschlechtswerkzeu- gen der Sphingiden von einer besonderen Complikation nicht gerade sprechen konnte, so gilt das desto mehr von den weiblichen. Eine Reihe von Anhangsdrüsen treten hier auf, deren jede ihre Funktion hat. Der ganze Apparat giebt ein hübsches Bild von dem Zusammenwir- ken verschiedener Faktoren zu einem gemeinsamen Zweck, dem nämlich, das Ei zu erzeugen und es, nach gehöriger Vorbereitung nach aussen zu befördern. Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 179 Alle vier von mir untersuchten Specics zeigten fol- gende Haupttheile der weiblichen Geschlechtstheile J) : 1) Zwei Eierstöcke mit gemeinschaftlichem Ausfüh- rungsgange (Fig. 25, k 1 m). 2) Die Samentasche, Receptaculum seminis (Fig. 26, r' r'j r'"). 3) Ein paariges Kittorgan, Glandulae sebaceac sive collcteriae (Fig. 25, n op.) mit gemeinschaftlichem Aus f ü h r u n g s g a n g C . 4) Eine Begattungstasche, Bursa copulatrix (Fig.25,u). 5) Die äussere Scheide, Vagina. Die sehr entwickelten Eierstöcke fallen beim Auf- schneiden eines weiblichen Thieres sogleich ins Au^c. bei einiger Geduld gelingt es trotz dem alle Thcile um- spinnenden Fettkörper und den Tracheen, die einzelnen Organe zu unterscheiden und über die Art ihrer Einmün- dung ins Reine zu kommen. Die Anordnung im Allgemeinen ergiebt sich aus Fig. 25 bei Sm. occllatus. Fig. 26 zeigt dieselben Thcile von Sph. ligustri $. Der Mastdarm und die beiden Eierstöcke münden bei m aus (Fig. 25 und Fig. 26). In Figur 25 ist auch Dickdarm, Dünndarm und Magen sichtbar. Oberhalb der Einmündung des Mastdarmes ( vom After aus ge- rechnet) mündet das Kittorgan in den Ausführungs- gang des Eierstockes. Es ist an seinen beiden bau- chigen Anschwellungen (Fig. 25, oo) und den langen gewundenen Enden (pp) leicht zu erkennen. Das Rec. seminis ist nur in Fig. 26, r' r" r'" sichtbar. Das Kitt- organ war paarig, hier haben wir > ein einfaches Organ. Es mündet oberhalb des Kittorganes gleichfalls in den Eierstock ein. Die Bursa copulatrix (Fig. 25, u), ein höchst interessantes Organ, ist in Fig. 25 durch die Eier- stöcke verdeckt, in den Fig. 27 und 28 ist sie besonders 1) Vergl. diese Theile bei V. urticae: Swammerdamm, Tab. XXXVI, Fig. 8j bei P. brassicae: Herold, Tab. IV, Fig 1 und Tab.XXXIII; hei G. pini: Suckow, Tab VI, Fig. 29. 180 Baltzer: abgebildet. Sie stellt einen kurzen Beutel dar, für den der Name Begattungstasche sehr passend gewählt ist, er bezeichnet zugleich Form und Funktion dieses Theiles. In Fig. 26 ist der kleine Ausführungsgang sichtbar, mit- telst dessen Tasche und Eierstöcke in Verbindung stehen. Betrachten wir nun die angeführten Theile im Ein- zelnen und zwar zunächst die Eierstöcke. Dieselben lagern sich breit über die anderen Organe hin. Mit ihrem muskulösen Enden inseriren sie sich an die Rückenwand. Schneidet man diese beiden Enden ab und schlägt die Eierstöcke zurück, so erhält man die Ansicht Fig. 25. Jeder der zwei Eierstöcke besteht aus vier langen schnur- förmigen Eierreihen (kk). Sie sind hier nur zum Theil abgebildet. Die vier Reihen des einen Eierstockes ver- einigen sich zu einem Stamme (1), der mit dem entspre- chenden Stamme des anderen Eierstockes zusammen- tritt zu dem gemeinschaftlichen Ausführungsgange (m). Die Eierstöcke sind in der That die zierlichsten Gebilde, die man sich denken kann. Wie die Perlen einer Perlenschnur reihen sich die Eier hintereinander auf. Sie stecken in den durchsichtigen, glashellen Eier- röhren, eines hinter dem anderen. Diese farblosen gal- lertartigen Röhren bemerkt man kaum. Sie sind ela- stisch , die Eier sind in sie hineingepresst, wodurch die Röhren bauchig ausgedehnt werden. Im Zwischenräume der Eier haben die Röhren ihre gewöhnliche Weite. Je weiter vom Ausführungsgange die Eier liegen, desto klei- ner werden sie , schliesslich wie Pünktchen. Die vier getrennten Reihen nähern sich und verschmelzen endlich miteinander zu einem Strange, der mit seinem muskulösen Ende an die Rückenwand sich heftet. An diesem End- theile sind die Eichen farblos, weiter nach vorn zu haben sie eine lebhaft grüne Färbung. Sie sind bei Sm. ocel- latus elliptisch, schön perlmutterglänzend. Eine consi- stente , derbe Epidermis verleiht dem Eiinhalte den nö- thigen Schutz. Das Thier legt die Eier auch ohne vor- hergegangene Befruchtung am zweiten oder dritten Tage, nicht auf einmal, sondern nach und nach. Die unbefruch- teten Eier erhalten aber bald einen Eindruck und schrum- Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 181 pfen zusammen, woraus sich ihre Untauglichkeit ergiebt. Nie gehen Räupchen aus solchen Eiern hervor. Interessant ist die Frage, wie denn die Eichen, wenn das Thier sie nach und nach legt, in den Eiröhren vor- wärts geschoben werden. Jedenfalls dadurch, dass hinten neue Eier nachwachsen, die bei zunehmendem Wachsthum die reiferen Eier vorwärts schieben. Dieser Nachwuchs hat indessen seine Grenze, denn beim Oeffnen solcher Exemplare, die schon gelegt haben, erscheint der Eier- stock bedeutend kleiner. Die elastischen Eiröhren mögen wohl durch Contraktionen ihrer Wandungen an der Her- ausbeförderung der Eier mitwirken. Hiilfs- und Anhangsorgane der weiblichen Geschleehts- theile sind Samen- und Begattungstasche, sowie das Kitt- organ. Die Samentasche (Fig. 26, r' r" r'") mündet weiter oben als das Kittorgan, d. h. weiter vom After entfernt, in den gemeinschaftlichen Ausführungsgang (m) der bei- den Eierstöcke. Man unterscheidet an ihr 1) den Aus- führungsgang (V), 2) die birnförmige Anschwellung (r"), 3) das lange, dünne, blinde, gewundene Ende (r'"j. Wie bei den Speichelgefässen , so wird auch hier beim Zer- reissen der äusseren Membran eine innere Röhre sichtbar. Sollte deshalb dieses Organ nicht neben der Funktion als Behälter der Samenfäden noch eine andere haben? Bei Sph. elpenor ist die Samentasche am Ende kurz zwei- hornig. Die Eichen können den Ausführungsgang der Samentasche nicht passiren ohne daselbst befruchtet zu werden, Samenfäden wird man natürlich nur dann in der Samentasche finden, wenn eine Begattung stattgefun- den hat. Am Kittorgane (Glandulae sebaceae sive colleteriae) unterscheidet man drei paarige Theile und einen unpaa- ren, den gemeinschaftlichen Ausführungsgang. Die bei- den langen, blinden, gewundenen Enden (Fig. 25 u. 26, pp) haben unten eine Anschwellung (oo). Jede der beiden Anschwellungen setzt sich in einen dickeren Stamm fort, und diese beiden Stämme vereinigen sich zu dem kurzen gemeinschaftlichen Ausführungsgange (n\ An der Verei- 182 Baltzer: nigungsstelle befindet sich eine kleinere Anschwellung (Fig. 26, o'). Das ganze Kittorgan ist durchsichtig wie Glas. Seine bekannte Funktion ist die eine Art Leim zu bereiten. In dem Momente, wo das Ei sich am Aus- führungsgange des Kittorgans vorbeischiebt, wird es mit diesem Leime überzogen und haftet dann dort, wo der Schmetterling es ablegt. Bekanntlich wissen diese Thiere sehr wohl, an welche Pflanzen sie die Eier befestigen müssen, um dem sich entwickelnden Räupchen die ihm nöthige Nahrung zu verschaffen. Dieser Leim versieht seine Dienste sehr gut, es gehört ein gewisser Druck dazu, um die Eier von ihrer Unterlage, loszureissen. Das merkwürdigste Organ ist die Begattungstasche (Bursa copulatrix). Suckow bildet sie bei G. pini ab, sie findet sich auch bei anderen Insekten, doch zeigt sie bei den Sphingiden Eigenthümiichkeitcn, namentlich was das Vorhandensein eines Gebildes bei Sph. elpenor an- belangt, welches ich für ein Reizorgan halte. Die Begattungstasche (Fig. 27 nat. Gr. Fig. 28 vergr.) zeigt zwei Haupttheilc: 1) die sackförmige Tasche selbst, 2) den verbindenden Gang zwischen der Tasche und dem Ausführungsgange der Eierstöcke. Aus der äusseren Scheide gelangt man unmittelbar in die Tasche hinein. Sic ist in hohem Grade muskulös, ihre Wandungen sind derb und dehnbar. Der kurze Verbindungsgang entspringt von der Basis der Tasche und geht quer hinüber nach dem Ausführungsgange der Eierstöcke. Er mündet ge- rade gegenüber dem Receptaculum seminis. Bei Sphinx elpenor untersuchte ich die Tasche näher und fand eine ungemein zierliche Struktur an ihr vor. Die ganze Tasche hat ungefähr die Form eines Daumens. Man kann je nach der Verschiedenheit der Struktur an der Tasche drei Partien unterscheiden, eine obere (Fig. 28, u";), eine mitt- lere (Fig. 28, u") und eine untere (Fig. 28, u'j. Die mitt- lere Partie (u") zeigt regelmässige ring- oder wellenför- mige Bänder auf der derben Wandung. Auf der unteren Partie (u') dagegen beobachtete ich, dass diese Bänder ganz unregelmässig, spiralig verliefen und stärker entwickelt waren als auf dem Thcile u". Zwischen den spiralig ver- Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 183 laufenden Bändern bemerkte ich eingelagerte Zellen. Offenbar wird diese Struktur durch die Lagerung und Schichtung der Muskeln bedingt, wodurch die Ringe und Spiralen gebildet werden. Die Oeffnung gegen die Scheide zu ist mit t bezeichnet. Der obere Theil des Organes (Fig. 28, u"') zeigt die erwähnte Struktur nicht, dagegen ist in ihm ein merkwürdiges Gebilde vorhanden, welches ich bei Sph. elpenor beobachtete. Schon mit blossem Auge sieht man an der inneren Wandung des oberen Theiles der Tasche einen braunen Streifen. Ich finde nirgends seiner Erwähnung gethan und beschreibe ihn daher genauer. Fig. 29 zeigt ihn vergrössert, seine Struk- tur erhellt am besten aus der Figur selbst. Auf beiden Seiten eines helleren Längsstreifens stehen hornige braune Schuppen. Sie sind quer gestellt und die der einen Seite schauen mit ihren Spitzen nach der entgegengesetzten Seite, wie die der anderen. Die Schuppen lagern daeh- ziegelförmig aufeinander, sind unten breit, oben gerundet, mit einer kleinen aufsitzenden Spitze versehen. Diese Spitze ist dunkler gefärbt. Die braune Farbe des Strei- fens rührt von der braunen Farbe der Schuppen her. Man hat, wenn man mit einer Nadel über die Schuppen hin- fährt , das Gefühl als striche man über ein Reibeisen, denn die Schuppen sind stark, hart und hornig. Was die Deutung dieses sonderbaren Schuppenbesatzes anbe- langt, so glaube ich der Wahrheit am nächsten zu kom- men, wenn ich ein Reizorgan darin sehe, bestimmt bei der Begattung die Eiaculation des Samens zu vermehren. Die Begattungstasche hat zunächst die Funktion den Penis aufzunehmen, der durch die äussere Scheide in das Organ hineingeschoben wird. Der entleerte Same bleibt zunächst in der Tasche selbst, Tbald aber gelangen die Samenfäden vermöge ihrer schlängelnden Bewegung durch den Verbindungsgang in den Ausführungsgang des Eier- stockes und schlüpfen, da sie in Masse vorhanden sind, in das Rec. seminis. Es wird keinem Eichen gelingen unbefruchtet vorbei zu kommen, denn von der Samen- tasche und von der Begattungstasche her dringen die Samenfäden auf dasselbe ein. 184 Baltzer: v. Siebold (s. dessen vergl. Anat. S. 644, unten) erwähnt bei Melitaea, Zygaena tf. s. w. zwei kleine, ver- ästelte Drüsenorgane, welche kurz vor der äusseren Schei- denöffnung münden und einen zur Begattung anregenden Riechstoff absondern sollen. Bei den Sphingiden schei- nen solche nicht vorzukommen. Es bleibt schliesslich übrig Form und Lage der äus- sern Scheide zu besprechen. Die äussere Scheide von Sph. ligustri $ ist Fig. 30, von der Bauchseite aus gesehen, dargestellt. In Wirk- lichkeit, wenn das Thier auf seinen Füssen steht, liegt sie unter dem After. Ihrer Einrichtung bei anderen Schmetterlingen ist nirgends genauer Erwähnung gethan. Oberhalb des Afters (in der Figur) gelangt man in die Scheide hinein, die sich nach hinten in die Begattungs- tasche fortsetzt, s ist der Verbindungsgang zwischen Be- gattungstasche und Eierstock. Im Scheideneingang lie- gen rechts und links zwei klappenartige Theile (Fig. 30, vv), in der Mitte ein rinnenförmiger Theil (w). Am After sind deutlich die beiden nierenförmigen Afterklappen (kk) und die Afteröffnung (1) sichtbar. Den After umschliesst der hornige Ring (p). Die (in der Fi- gur) obere Seite dieses Ringes hat einen fleischigen Wulst (p'). Es sei mir verstattet, eine Deutung dieser einzelnen Theile zu versuchen. Die hornigen, festen Klappen, sowie der Afterring dienen jedenfalls zunächst als Stütz- und Haltpunkte für die weichen Theile, die sich an sie anfügen. Die Klappen der Scheide sichern derselben die gehörige Geräumigkeit. In der mittleren Rinne kann sich !der Penis bequem hin und her schie- ben, wobei er auf den fleischigen Wulst aufzuliegen kommt. Durch letzteren Umstand wird seine Bewegung gleich- falls erleichtert. In der natürlichen Stellung des Thieres liegt die Rinne oben, die Fig. 30 zeigt ja die Ansicht der Theile von der Bauchseite aus. Wrenn die Rinne zunächst bestimmt ist den Penis aufzunehmen, so sollte man er- warten sie läge unten. Erinnert man sich indessen an die Krümmung des Penisstiels (Fig. 23 u. 24), so ergiebt sich der Sachverhalt leicht. Der fleischige Endkolben Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 185 des Penis wird bei der Begattung sich nicht am Boden der Scheide, sondern eben seiner Krümmung halber, an der Decke der Scheide der Rinne entlang hinschieben und deshalb ist die Rinne daselbst angebracht. Wenn man sämmtliche den After umgebende Weich- theile entfernt, so bleibt schliesslich ein festes horniges Gerüst übrig, welches nach aussen den erwähnten After- ring bildet und an welches sich unten die hornigen Klap- pen der Scheide anlehnen und stützen. Ich will dieses Gestell Aftergerüst nennen. Dasselbe hat mehrere hornige Fortsätze, an denen man oben noch die sich davon inse- rirenden abgerissenen Muskeln sieht. In Fig. 18 ist nicht das Aftergerüst, aber wenigstens die Form dieser Stüt- zen (im) angedeutet. Ihre Zahl ist vier. Da sie den mus- kulösen Partien zum festen Ansatzpunkte dienen, will ich sie Afterstützen nennen. Es bietet vielleicht Interesse, noch einen kurzen Ver- gleich anzustellen zwischen dem inneren Baue der Sphin- gidenund dem anderer Lepidopteren. Soviel mir von Lite- ratur zugänglich war, ist nämlich untersucht worden: V. urticae (Verdauungs- und Geschlcchtswerkzeuge) von Swammerdamm. P. brassicae (alle Theile) von Herold. Z. filipcndulae ( Verdauungs Werkzeuge) von Ram- d ohr. G. pini (alle Organe) von Suckow. So übereinstimmend im Allgemeinen der Bau der Lepidopteren ist , gewisse Differenzen finden sich doch vor. Bei V. urticae und P. brassicae bilden die betref- fenden Autoren nur einen Saugmagen ab l) und zwei Samenblasen2). P. brassicae hat eine einhornige Samen- tasche 3). Der blinde Anhang des Dickdarms, den P. bras- sicae besitzt, findet sich in S wamm erdamms Abbildung 1) Swammerdamm, Tab. XXXVI, Fig. ]. Herold, Tab. III, Fig. 12. 2) Swammerdamm, Tab. XXXVI, Fig. 2. Tab. IV, Fig. 7. 3) Herold Tab. IV, Fig. 1, u y p und Tab. XXXII. Swam- merdamm bildet Tab. XXXVI, Fig. S keine Samentasche ab, 186 Baltzer: von V. urticae nicht. Die Speichelgefässe, sagt S wam- mer dämm, besitzen bei V. urticae einen gemeinschaft- lichen Ausführungsgang *), Herold bildet einen solchen nicht ab Nach Swammerdamm besässc der Magen von V. urticae zwei Abtheilungen , P. brassicae besitzt nach Herold nur eine. Zygaena filipendulae unterscheidet sich nach Ram- d oh r s Abbildung auffallend von allen übrigen durch das Vorhandensein von zwei Saugmägen 2), der Magen hat der Abbildung zufolge zwei Abtheilungen , der Dickdarm besitzt keinen blinden Anhang. G. pini nach Suckow besitzt überhaupt keinen Saugmagen3), der Magen hat eine Abtheilung, der Dick- darm zeigt deutlich den blinden Anhang. Das Rec. se- minis ist zweihornig 4), bei den obigen Tagfaltern war es einhornig. Nach meinen Erfahrungen über die Sphingiden ist hier durchgängig nur ein einziger Saugmagen vorhanden, der blinde Anhang kommt allen zu. Die beiden bei den Tagfaltern getrennten Samenblasen fand ich bei Sm. tiliac verbunden zu einem kreisförmigen Gefässe. Das Rec. seminis scheint theils ein-, theils zweihornig zu sein. Für die Systematik scheinen mir die Unterschiede zwischen den verwandten Familien der Zygaenen und Sphingiden von Interesse zu sein. Dieselben werden äusserlich dadurch unterschieden, dass jene Nebenaugen besitzen, diese nicht, ferner durch den Bau der Flügel- rippen, der Fühler u. s. w., dazu käme nun von anatomi- scher Seite hinzu, dass die Zygaenen zwei Saugmägen besitzen und keinen Blinddarm, die Sphingiden einen Saugmagen und stets einen Blinddarm. ' 1) Swammerdamm, Tab. XXXVI, Fig. 1. 2) S. Ramdohr's Abh. Tab. XVIII, Fig. 1. 3) S. Suckow's Abb. Tab. II, Fig. 10. 4) Tab. VI, Fig. 2\\ Zur Anatomie und Physiologie der Dämmerungsfalter. 187 Erklärung der Abbildungen. Taf. IV. Gleiche Theile sind mit gleichen Buchstaben bezeichnet. Fig. 1. Ein einzelnes Fühlersegment von Sm. ocellatus $ von der Gelenkfläche aus gesehen, aa Der Schuppenbeleg, bb Die gewöhnlichen Haare, c Ein Kegelpaar, h Die innere Höh- lung des Segmentes, ii Ränder, mittelst denen die Segmente zusammenhängen. „ 2. Ein einzelnes Fühlersegment von Sm. ocellatus £ von oben gesehen, aa Der Schuppenbeleg, c Der Kegel. „ 3. Spitze des Fühlers von Sm. ocellatus $ von unten gese- hen, a Der Schuppenbeleg, c Der Kegel des vorletzten Segmentes. c' c' Kleinere Kegel des letzten Segmentes. d Tastborsten. „ 4. Endtheil eines Fühlers von Sm. ocellatus $ von oben ge- sehen, aa Schuppenbeleg, bb Die gewöhnlichen Haare, cc Die Kegel (auf dem fünften und sechsten Segment dop- pelt auftretend), c' Kleinerer Kegel des letzten Segmentes, dd Tastborsten. „ 5. Stück eines Fühlers von Sm. ocellatus $ von unten, um den Kiel zu zeigen, auf dem die Kegel eingefügt sind, b Die gewöhnlichen Haare, cc Die Kegel, f Der Kiel. „ 6. Ein Fühler von Sm. ocellatus $, in zwei verschiedenen Lagen, um die schraubenförmige Biegung und die dadurch bedingte Verrückung der Kegel sichtbar zu machen. In der Lage A (die normale) verschwinden die Kegel am zehnten Segmente, weil sie auf die andere Seite rücken. In der Lage B sind alle Kegel sichtbar. Bezeichnung der übrigen Theile wie in Fig. 4. „ 7, 8, 9. Die drei Stücke des zerschnittenen Fühlers eines Spinners (ISTotodonta dictaea) rf. „ 7. Mittlerer Theil des Fühlers von N. dictaea 3*. bb. Die gewöhnlichen Haare, cc Die Kegel, dd Die Tastborsten, ee Die langen Rippen, deren jedes Segment zwei hat. „ 8. Unterer Theil des Fühlers von N. dictaea . s. w. aber häufig vorhanden. Die Eiche erscheint nur in den mittleren Thälern und in geschüzten Hängen. Hier wird Winter- und Sommerkorn, Hafer und Flachs mit Erfolg gebaut ; Obst gedeiht nur in den gen Ost und Nord geschützten Lagen gut. Eine bedeutende Fläche nehmen die Birkenbergo ein, welche meistens licht mit Birken und horstweise mit Fichten bewachsen sind, in einem Umtriebe von 20 bis 30 Jahren abgetrieben, nach dem Abtriebe 3 Jahre lang zum Feldbaue benutzt und dann der Viehweide hingege- ben werden. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 221 Im dritten Bezirke herrschen in den höheren Lagen Fichten und Föhren vor, welche letztere Holzart eine immer grössere Ausbreitung gewinnt und hiermit wecheln Bir- kenberge ab. Die Thalwände der Donau bestehen mei- stens aus Niederwald, welche Birken, Hainbuchen, Roth- buchen, Ahorne, Eschen, Eichen, Ulmen, Erlen und ver- schiedene Straucharten, unter diesen auch die Pimpernuss und den Elzbeerbaum beherbergen. Im ganzen Bezirke wächst die Eiche zu einem schö- nen Baume und gedeiht das Obst in vorzüglichem Grade ; am Fusse des Gebirges werden alle Cerealien, auch Han- delsgewächse mit Erfolg gebaut. (Winnebeger, Vers, einer geogn. Bcschr. d. baier. Waldes. Pas. 1851.) In Beziehung auf die Gebirgsarten ist zu bemer- ken, dass die Holzgewächse unter günstigen Verhältnissen auf dem Gneis-, Granit-, Glimmerschiefer- und Horn- blende-Boden sehr gut, auf dem Diluviallehm gut, auf dem Diluvialkiese aber, wo er zu Tage liegt, nur die Föhre und Birke kümmerlich gedeihen. -Dignoscitur sie ex sola plantarum inspectione subjeeta terra et solum" Linne, philos. botan. §.334. Das Glimmerschiefergebiet des Waldes und die Ge- genden um Viechtach, Kötzting u. s. w. sind phytologisch noch ganz unerforscht und Verf. selbst ward durch Gicht- leiden, welche ihn in Folge seiner vielen durchgemachten Alpentouren und grossen Reisen im Interesse der Wissen- schaft und auf Kosten seiner Gesundheit, von einer beab- sichtigten Erforschung desselben ernstlich abgehalten. Ueber die vertikale Verbreitung der selteneren Pflan- zenformen des Sumawa-Gebirges diene Nachstehendes, ein Auszug aus einem grösseren Werke des Verfassers. Die Bergflora des Sumawa-Gebirgs ist entweder ziem- lich arm, oder noch so ziemlich unerforscht. Letztere allein über mich zu nehmen, geht über meine Kräfte. Der Hauptfehler aller phytologischen Reisen besteht darin, dass solche nicht zu allen Monaten, sondern nur im Herbste unternommen werden. Anthoxanthum odoratum, Adenostyles albifrons, Hie- racium alpinum, Cineraria crispa, Delphinium elatius, Fe- 222 Gistel: sttica rubra, Luzula albida, Salix myrtilloides und sile- siaca, Isopyrum thaiictroides L., Polygala niontana, Arnica montana, Nuphar luteum, Empetrum nigrum , Orobus albus etc. habe ich sowohl auf dem Arber, als am Drei- tannenriegel, Plöckenstein, Keitersberg, am Zwergeck bei Zwiesel, Rhachel, dem grossen und kleinen, auf dem Sie- bensteinfelsenberg beim Lusen, Plattenhausen, Ossa, Lu- sen, Hirschenstein und Hausstein der Rusel angetroffen. Den Gipfel dieser Berge lieben Carex leporina, Aira flexuosa, Solidago virgaurea, Hieracium murorum, Rubus idaeus und die unten nach der Gradation näher bezeich- neten Pflanzen. Von der vertikalen Erhebung der Bäume und Sträucher war bereits oben die Rede. Achillea ptarmica; fast auf allen Alpen von 2 — 3000'. Aconitum multifidum Rchb. 3000', cammar.Jacq.3000', anthora 2CC0', halleri 4000', variegatum 2000'. Agrostis rupestris Scop. 3000'. Aira flexuosa, Arbergipfel 4568', caespitosa desgl. Alchemilla fissa Schu. 4-50C0', aldrovanda vesic. 2000'. Alisma ranunculoides 3000'. Allium schoenoprasum 3500', sibiricum W. 3400', sco- rodoprasum L. 3—4000'. Alyssum saxatile 2000'. Andromeda polifolia, Arbersümpfe 3000'. Anemone pratensis 2100', halleri 2115', narcissi- flora 3C00', hepatica 1900'. Arabis petraea 4000', sudetica Taus. 4500'. Archangelica officinalis Hoffm. 4500'. Arrhenatherum elatius M. K. 4500'. Asperula odorata (Ulrichsberg) 1997'. Astragalus bohemicus 2112'. Avena planiculmis Schrad. 2000'. Bupleurum longifolium var. 3319'. Calamagrostis epigeios Rth. Rhachel 4200', halleriana, Arbergipfel 4200'. Calla palustris, Rusel 2600'. Campanula glomerata 2600'. Cardamine trifolia, Dreisesselb. 4000', resedifolia4100'. Carduus defloratus 2500'. Die Flora des Sumawa- Gebirges. 223 Carex maxiina 2 — 4000'. compacta Hop. 3500', sa- xatilis, Arbergipfel 4000—4500', ovata Good, Rhachel (grosser) 4400', brizoides, Dreisesselb. 4000', divulsa Good 4000', cyperoides Schrk. 3560', steliulata Good, Dreisesselb. 4000', montana 2000—4000', pauciflora , Lightf. 3000', irrigua (Rhachel) 4400', decolorans Wimm. 4300'. Carlina acanlis 2000'. Cephalanthera pallens Rieh. 3500'. Chaerophyllum aureum (Deschenitzersee) 2100'. Chondrilla prenanthoides Vill. Dreisesselb. 4000'. Chrysosplenium alternifolium, ebenda. Circaea alpina, ebenda und Freiung (1681'). Cineraria crispa Jacq. 3099', spathulaefolia Gmel. Plattenhausen 4256', integrifolia, Arbermitte 2200'. Convallaria verticillata, Dreisesselb., Lusen 4000'. Cypripediurn calceolus, Dreitannenriegel 3700'. Crepis grandiflora Taus. Falkenstein 4100'. Danthonia decumbens, Hirschenstein 3390'. Delphinium elatum, Almberg 3509'. Dentaria enneaphylla, Dreisesselb. 4000', bulbifera, ebenda. 3800'. Dianthus deltoides 3900'. Doronicum pardalianches, Dreisesselb., Lusen 4200', mathioli Taus. 4000'. Drosera intermedia Hayne 3000'. Elatine triandra Schrk., Rhachel 4000', 4200'. Empetrum nigrum, ebenda, Dreisesselberg. Epilobium trigonum Schrk. 3000', palustre, Zwie- sel 1790'. Erica carnea, Dreisesselb. 4000', tetralix , ebenda 3— 400CK. Eriophorum alpinum, ebend. und Rusel 2700', latifo- lium, Zwiesel 1700'. Erythronium dens canis, Lackaberg 4000'. Festuca gigantea Vill. 1860', drymeia M. K. Keiters- berg 3200', varia, ebenda, Galega officinalis 2300'. Gentiana pannonica Scop., Rhachel kl. 4322', aestiva Schm., Dreisesselb. 4000', purpurea, ebend., punctata Rha- chel 4400', lutea, Rhachel, Lusel 4200—4400'. 224 Gistel: Gnaphaliurn norwegicum Gunn., Siebensteinfelsen- berg 4050', hoppeanum Koch 3038'. Hedysarum obscurum i960'. Helichrysum margaritaceum, Zwiesel 1790'. Hieracium alpinum 4250', var. nigrescens W., cbend., var. decipicns Taus., ebend., murorum, Arberwiesen, pi- losella, ebend., pratenseTsch., ebend., gothicum, Lusen4200'. Helleborus niger 3509'. Hypochaeris uniflora Yill. 4000'. Imperatoria ostruthium, Rusel 2750'. . Inula ensifolia, Kötzting 1282', Isnardia pal. 4004'. Juncus conglomeratus, Deschenitzersee 2000', trifidus, Arberniitte, sudeticus Willd., Arberkuppe. Lilium martagon, Dreisesselkuppe, bulbiferum, Ru- sel 2760', Linaria alpina MilL, Freyung. Linnaea borealis Gronov 1791'. Listera ovata R/Br. 1861', cordata, Flohenbogen 3360'. Luzula maximaDC, Rissloch am Arber, spicataDC, Keitersberg 3260'. Meum anethifolium, Arberkuppe, athamanticum Jacq. Ossa 4100', mutellina Gaert., Arber, Rhachel, Ossa. Montia fontana 2000'. Mulgedium alpinum Less., Dreisesselb. etc. 2 — 4000'. Myrrhis odorata, Waldhäuser 2842—2430'. Nymphaea semiaperta KL, Deschenitz. Orchis sambucina Rusel, Arber etc. Parnassia palustris 1997', Ulrichsberg und tiefer hinab. Pedicularis sceptrum Carolinum 980'. Peristylus viridis Lindl., Rhachel 4200'. Peucedanum oreoselinum Mnch., Fladnitz. Phyteuma nigrum Schm., Oberfraunau 2173. Pinus mnghus Scop., var. pumilio Haenke, Arber, Rhachel u. s. w., Pinguicula alpina 2000'. Potentilla canescens Pers., Falkenstein 4100'. Prenanthes muralis, Dreisesselb. und tiefer. Primula minima (Waldhäuser) 2842'. Pyrola secunda, ßogenberg 1356'. Ranunculus aconitifolius, Dreisessel. 2 — 4000. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 225 Rhamnus pumila L., Quelle der Moldau. Rhodiola rosea 3350'. Rhynchospora alba Vahl., Lackaberg 4000', fusca R. et S., Musirhäusel am Darrstein 2954'. Rubus liirtusW.K. und chamaemorus,Deschenitz 2000'. Rnmex sanguineus, Oberfrauenau 2170'. arifolius All. Almberg 3509'. Sagina saxatilis Wimm., Klingenbrunn 2576'. Sanicula europaea, Rusel. Saxifraga hypnoides, Dreisesselb. 40C0', museoides, 3800', hirculus, Arber. Sedum rubens Hnke., Keitersberg 3200', renexum, Almberg 3309'. Selinum carvifolium, Rhachel 4200'. Senecio paludosus Uuds. var. Arberfuss 2164', gla- bratus Koch, Klingenbrunn 2574', lyratifolius Rchb., Rhachel 43U0', subalpinus Koch., Hirschenstein 3392'. Seseli varium Trevir. 3307' und tiefer. Silcne nemoralis W. K., Grafenau 1864'. Sonchus alpinus, Dreitannenriegel etc. 3770'. Soldanella montana, Fürsteneckl495; Dreisesselb.3000'. Sorbus aria Crtz. Dreisesselb. 3200'. Sparganium ramosum Huds. Deschenitzersee 2000'. Spergula morrisonii 1356'. Streptopus amplexifolius DC, Dreisesselb. etc. Arber 2C00— 2099', Toneldia calyculata Wahlbg. 4200'. Teucrium scorodonia, Rusel 2759'. Thesium alpinum, Lackaberg 3800'. Thysselinum palustre, Deschenitzersee. Tiientalis europaea, Dreisesselb., Ossa, Lusen 4000', 4200', Plattenhauscn 4250', Almberg *) (steigt herab). Trifolium spadiceum, Rusel 2610'. Valeriana sambueifolia Mikan, Metten 956'. Yeratrum lobelianum 3600' und tiefer. Veronica henningii Opiz. Dreisesselb. oder Plöcken- stein 3500', bellidioides 37C0'. *) Auf dem Almberg ist das höchst gelegene Ackerfeld des Sumawa. Der Almberg gehört dem Grenzgebirgsrücken an. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 15 226 Gistel: Willemetia apargioides 4200'. Lycopodium selago, (u. var. recurvum) Arberwälder 3900', inundatum, Arbersee, alpinuin, ebenda. Woodsia ilvensis, Arberwälder 3700 — 800'. Asplenium septentrionale Sw. 2300 — 3000'. Blechnum spicant Roth 1900'. (Vogelsangberg.) Allosoms crispus Bernh. 2000'. (Keitersberg.) Struthiopteris germanica, Metten 980'. Die Bemerkung des sei. Zuecarini (Vegetationsgrup- pen Bayerns), dass die Pflanzen der Südalpen nie die Donau überschreiten, wird das Hauptverzeichniss der Pflan- zenwelt des Sumawagebietes einigermassen widerlegen. Vor 311 Jahren schon bestieg der arme vom Schick- sale grausam verfolgte grosse Botaniker Pierre del' Ecluse (1553) die Gebirge des Sumawa um zu sammeln; nach ihm Joachim Camm erarius (1588), der die Pflanze Streptopus amplexifolius Dec. auf dem Arber (im Monte arbario) aufgefunden. (Vgl. Hort. med. 1588.) Dem zufolge waren diese Gelehrten die allerersten Botaniker, welche die Zinnen dieses Gebirges bestiegen hatten. Lange darauf herborisirten erst Ignaz Poschin- ger, jedoch nur umFrauenau (vgl. Schrank bayr. Flora. 1.21. Vorw.), und Prof. Hunger (Benedictiner von Nie- deraltaich) botanisirte nur um St. Oswald um 1786 u. 87. In den neunziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts hat der gelehrte J. B. Elger (eigentlich Oelgg er) Mit- glied des 1803 aufgelösten Benedictinerstiftes Metten um die botanische Exploration der Umgegend von Metten und des übrigen Waldgebietes unvergängliche Verdienste er- worben und sogar ein schönes Werk voll Pflanzen von eigener Hand gezeichnet und gemalt, davon hinterlassen, das noch im Besitze der wieder hergestellten Abtei Met- ten sich befindet. Oelgg er starb zu Deggendorf und hinterliess ein ziemlich grosses Herbarium (etwa 12 Fo- liobände voll eingeklebter Pflanzen), das nun in der Abtei Metten aufbewahrt wird. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 227 Ein nicht so günstiges Schicksal hatte das Herbar des im Jahre 1852 zu Passau verstorbenen Domvicars Leop. Reuss, der eine Flora von Reichersberg und von Nie- derbayern herausgegeben und den Wald emsig durch- forscht hat. Ein Apotheker, der das Reussische Herbar auctionaliter erstanden, was ein Berg gewesen sein soll, benutzte nur das Löschpapier, die Pflanzen warf er weg. Verfasser botanisirte im Böhmerwalde 1832, vor sei- ner südländischen Reise mit dem Naturforscher Grafen Jeni son-Wal wor th ; dann in den Jahren 1850, 51, 55, 56 — 59, soweit es seine Leiden zugelassen. Einst er- schien eine Copie von Reuss Flora in der Isis, die nur das Verdienst des Abschreibern hat und in den fünfzigern ver- irrte sich ein Narr in die böhmischen Wälder, der die Flora in einem Jahresausflug erforscht zu haben die Arroganz hatte. — In Prof. Schnizleins Flora von Bayern, in analytischer Wxeise abgefasst, ist der Böhmer- wald so viel als — • ignorirt, was keineswegs auffallen kann, da nicht ein einziger wissenschaftlich gebildeter Botani- ker seit Oelgger das Sumawagebiet, resp. den südli- chen Theil desselben, dessen Waldungen allein zweimal- hunderttausend Tagwerke von 125 D Meilen Flächenraum einnehmen, erforscht hat und es noch eine lange Zeit dauern wird, bis ein vollständiges Bild der Vegetations- gruppen davon aufgestellt werden kann. Hier sei noch des Schullehrers zu Deggendorf, der, leider mit spärlichen Hülfsmitteln versehen, recht fleissig in der Umgegend seines Wohnorts sammelt und besonders gut einzulegen versteht, lobend erwähnt. Zur Orientirung über die von mir selbst beobachte- ten Pflanzenspecies erachte ich für nöthig, mehre Stand- orte gemäss ihrer geographischen Lage und barometrischen Verhältnisse aufzuführen. 228 Gistel Ortsangaben nach Lamont' seilen u. s. w. barometrischen Messungen in Pariser Fuss. Namen. Höhe. Vorherrschende Bodenunterlage. Bergspitzen des Grenzgebirges. Plöckenstein oder Dreisesselberg Lusen Grosse Rhachel Kleine Rhachel Ossa Grenzgebirgsrücken. Almberg (zwischen dem Plöckenstein und Lu- sen; ein Plateau) Siebensteinfelsen (östl. vom Lusen) Plattenhausen ' * • * I ^ § S3 Ruckowitz (Abfall gen gross. Regen) . > o | 5- Zwergeck (zwischen Regen und Ossa) I cf g- Südabfall des Grenzgebirges. Finsterau (Dorf) Heilstein \ Oberes Waldhaus I £P Schönauer Diensthütte 1 tr Altschönau (Försterhaus) / £ ^ Rhachel schachte! f ^jCfq Bärenlochschachtel „> Steinschachtel / er K" Guglöd (Dorf) ?L£ Klingenbrunner Diensthütte . . . . 1 s p Geisberg (grosser) I t"1 Oberfrauenau (Nordwestfuss des Rhachels) 1 g Lohberg am Fusse des Ossa .... I 2j Rittsteig (Kirche) ■ Bergzng des Frauenwalds. Wollaberg (Signal) Frauenwald Hauzenberg (Südwestfuss des Zugs) .... Staffelberg (bei Hauzenberg) Pfaffenreuterberg 4003 4258 4496 4322 4002 3509 4052 4256 4004 4201 2138 3038 3644 3020 2268 3717 3768 3764 2475 3038 2611 2173 1991 2602 2419 2933 1709 2440 2438 Porphyrgr. Gneissgranit Gneissgranit Glimmersch. Porphyrgr. Gneissgranit Glimmersch. Porphyrgr. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 229 Namen. Höhe. Vorherrschende Bodenunterlage. Bergzug des rinchnacher Hochwaldes. Klingenbrunn (Wirthshaus zwischen Rhachel und rinchnacher Hochwald) Flanitzer Glasfabrik Eschenberg (höchster Punkt des Bergzugs) . . Habichtstein Wagensonn (Felsspitze) Holleruck Dreikegelspitz Rinchnacher Waldhaus • Asberg (höchster Punkt auf der Chaussee nach Zwiesel) Bergzug des Arbers. Arber Keittersberg (höchste Spitze) . . . Rabenstein (Südwestfuss des Arbers) Bodenmais (am Südfuss desselben) . Die Frath (Seitenzweig des Arbers) Weissenregen (Nordwestabhang) . . Wettzeil (auf Einsattelung) . . . Neunussberg (Schloss. am Südabhange) Hohebogen (isolirter Berg) . . . Neukirchen (am Fusse desselben) . Höhen des Donaugebirges. Sonnenwald: Jacklriegel (höchster Punkt) . .. Sturmriegel Aschenstein Darrstein: Musirhäusel Neusang (Wirthshaus; höchstes Ackerland da- selbst) Klingenberg (bei Rusel; südl. höchster Gipfel) . Dreitannenriegel (Nordgipfel) . Wolkenscheid (zwischen Regen und Deggendorf, Quelle) Hausstein (auf Rusel , Bergvorsprung) . . . Oberbreitenau (Dorf in Bergeinsattelung) . . Geisberg Muschenriederberg Krackel , . . . . Predigtstuhl Hirschenstein Oedenwies (Forsthaus auf dem Gebirgsrücken) . Kagelberg Glashüttenriegel (Fels ober Engelmar) . . . 2578 197 3217 2685 2970 2708 2567 2774 2418 4568 3267 2019 2164 1524 1819 2178 o362 1521 3033; 2992' 2971 2953J 2954! 3774' 3772 2758 2777 3274 o609 3649 3133 3336! 3392 3107; 31741 3219i Gneissgranit Glimmersch. Gneiss Porphyrgr. Gneiss 230 Gistel: Namen. Vorherrschende Bodenunterlage. Am nordöstlich. Abfalle des Donaugebirges. Bischofsmais (Dorf, unter Breitenau, am Ge- birgsfusse) Hilgenreut (Dorf am Fusse des Sonnenwald) Am Südwestabhange. Garham (Dorf ober Vilshofen) Ulrichsberg (Kirche am Südabhange) .... Rammünz (Wirthshaus) Todtenackerberg Brücke im Kolbachthale (am Gebirgsfusse) . . Degernberg (Kapelle) Oberaltaich Bogenberg (isol. Berg an der Donau) .... Buchberg (östlich von Mitterfels) Dachsberg (nordöstlich von da) Stallwang (Post) Gefälle. Zwischenland : im Flussgebiete des Regens. Oberfrauenau (Glashüttengut) Frauenau (Brücke an der Flanitz) Zwisel Kirchberg Kötzting (am weissen Regen) Runding (Schlosshof) Haidstein (Berg bei Kötzting) Cham (Stadtkirche) Buchberg (bei Cham) Weissenstein (Ruine auf dem Pfahl) .... Neurandsberg Fürth . . . . Im Flussgebiete der Hz. Oberkreuzberg (Kirche) Ramersberg bei Schönberg (Ruine) Frauenberg bei Grafenau Perlesreut Fürsteneck Blumersberg (Anhöhe bei Tittling) .... Engelburg (Schlossgiebel) Fürstenstein (Schlosshof) . . ' Oestlich von der Hz. Unterkreuzberg (Kirche) Freyung (Kirche) . 2048 2002 1508 1997 2320 2243 1077 1706 1005 1356 2598 2365 1111 2173 1791 1796 2041 1282 1680 2404 1217 1825 2258 1817 1376 2440 1800 2260 1687 1495 1818 1917 1794 2350 1681 Gneiss Jung. Granit Porphyrgr. Gneiss Porphyrgr. Quarz Porphyrgr. Glimmersch. Porphyrgr. Porphyrgr. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 231 Namen. Hohe. Vorherrschende Bodenunterlage. Röhrenbach Kaltenstein Hutthurn Kelberg (Kirche) Thürnau (Schloss) Strasskirchen Untergriesbach (Kirche) Thurnreuterborg bei Wegscheid Radberg Umgegend von Passau: am linken Ufer der Donau. Freudenhain Oberhaus 1296- Hals (Ruine) Oed (hinter Hals) 1589 1760 1474 1509 1437 1378 1748 2514 2711 Porphyrgr. V Jung. Granit Porphyrgr. 1098, Jung. Granit 1309; 11301 Diorit 1269! Jung. Granit Der grösste Theil dieses Gebietes besteht aus pri- mitiven Gebirgsarten in nachstellenden Formationen: Gneiss-, Granit- und Glimmerschiefer: Gneiss-Granit , Glimmerschiefer. Massiger Granit, — a. Porphyrrtiger Granit, b. Gebirgsgranit. Jüngerer Granit. Untergeordnet : 1) Granulit. 2) Hornblendegestein. 3) Diorit. 4) Aphanit. 5) Serpentin. 6) Quarzfels. 7) Dolomit und körnig-blättriger Kalk. 8) Besondere Lagerstätten und Gänge. Diluvianische Gebilde. Muschelsand, Tegel. Geschiebe und Schuttland. Löss. Lehm und Mergel. 232 Gistel: Die periodischen Phänomene an den Pflanzen des Sumawa im Hinterzuge. (Temperaturen zwischen 6°,9 und 1°,6 mittlerer Wärme.) Namen der Pflanzen. Aufblühen mittleres von 1856—1859. frühestes spätestes. Fagus sylvatica . . . Taxus baccata ... Pinus Larix .... Pinus sylvestris . . . Pinus mughus Scop. Pinus picea L. . . . Pinus Abies L. . . . Sorbus aucuparia . . Acer platanoides . . Rubus suberectus And. Rubus glandulosus Bell. Lychnis viscaria . . . Viscum album . . . 5. Juni 15. Mai 17 Mai 14. Mai 10. Juni 16. Mai 15. Mai 28. Juni 25. Mai 6 Juli 30 Sept. 28. Nov. 22. Juni 1. Juni 10. Mai 9. Mai 10. Mai 2 Juni 10. Mai 8. Mai 20. Juni 23. Mai 1. Juli 29 Sept. 25. Nov. 20. Juni 10. Juni 28. Mai 16. Mai 17. Mai 22. Juni 20. Mai 17. Mai 1. Juli 30. Mai 10. Juli 5. Oct. 3. Dec. 25. Juni Namen der Pflanzen. Blattfall mittlerer vonL .., . ... . 1856-1859. frühester, spatester. Acer platanoides Sorbus aucuparia 15. Dec. 20. Dec. 2. Dec 16. Dec. 31. Dec. 28. Dec. Das Fichtelgebirge (Mons piniferus), ehemals zu dem alten Norgau gehörend, der seine Begrenzung gen Eger, Coburg, Bamberg, Nürnberg und die Oberpfalz hatte, ist als ein Vermittlungsglied zwischen dem Böhmerwalde ei- nerseits und dem voigtländischen und fränkischen Gebirge anderseits zu betrachten. Aus diesem Grunde wurde bei der Enumeration der sumawaischen Pflanzen ver- gleichende Rücksicht hierauf genommen und im Texte stete Nachweisung des Fehlens oder Vorhandenseins ge- pflogen. Ueber die Flora des Fichtelgebirgcs ist unter gleichem Titel von J. C. Meyer und Fr. Schmidt (Apotheker in Baireut und Wunsiedl) zu Augsburg 1854 Die Flora des Sumawa-Gebirges. 233 eine Schrift von hohem Interesse erschienen, welche dem Verf. zum Anhaltspunkte bei dieser comparativen Arbeit gedient hatte. *) Die Czechen nennen den gegenseitigen transalpinen Theil der böhmischen Wälder (Czesky Les), oder die süd- östlichen Abhänge des gabretischen Gebirges „Surnawa"; wesshalb der Verfasser der Flora Sumawae diesem der vagen Bezeichnung „Bayerwald" oder „Böhmerwald" den Vorzug gegeben. Wenn ursprüngliche Ländercomplexe von grosser Ausdehnung, wie der Nordgau zum Exempel in Stücke und Stücklein zerbröckelt werden, ist es, wie im Natursystem, angezeigt, diesen Fragmenten den pas- sendsten wenn auch neuesten Namen zu vindiciren. Naturforschern, welche dieses so viel als unerfor- schte höchst interessante Gebiet zu bereisen gesonnen sind, seien nachstehende Anzeichnungen zugeeignet! In floristischer Beziehung mögen, was Phaneroga- men betrifft, ausser Reuss's niederbayrischer Flora .noch Sternberg's Wanderungen (1816) nachgelesen werden. Was die Algen anlangt, so ist über die des Sumawa noch nichts explorirt; eben so wenig über die gnomen- haften secundären Zellenpflanzen, die Pilze, an denen diese sylvose Zone als die Urquelle jener Tausenden von Pilzen, welche im Sumawa den unlieblichen Namen „Hadersau" führen, und welche vor einem Decennium etwa als Zim- merdecorirnng in Mode gewesen, besonders reich ist. Die Cryptogamisten haben diesen unverwüstlich scheinenden Pilzen den Namen Polyporus pes caprae, perennis, pictus u. s. w. ertheilt, deren Bestandteile jedoch bald in trok- *) Anmerk. d. Herausgebers. Dem nun folgenden ausgedehnten Verzeichniss der phanerogamischen Pflanzen, welches die Species von 518 Genera enthält, und die Standorte nach eigenen mühevollen Beobachtungen des Herrn Verfassers angiebt, glaube ich, so werth- voll es ist , in unserem Archiv keinen Platz verstatten zu dürfen. Es eignet sich besser für eine ausschliesslich botanische Zeitschrift. Hoffentlich wird sich bald eine Gelegenheit zur Veröffentlichung des- selben geeigneteren Ortes ünden. 234 Gistel: nen Grabzunder verstäuben, auch wenn sie überfirnisst worden sind, denn der Cis boleti, der sie zerstört, kömmt, so scheint es, mit ihnen zugleich auf die Welt. Die Haupterfordernisse, Feuchtigkeit, Wärme, geeig- neter Boden, wenig Licht, finden die Pilze in Sumawa's un- endlichen Forsten geboten, um ihr geschlechtsloses und doch eierlegendes Dasein, dessen Genesis tiefe Nacht ver- birgt, gleich den schwarzen Schatten des Urwalds, sich im- merwährend fortspinnt, endlos zu machen. Ausser den köstlichen essbaren Pilzen begegnen dem, der diese unwegsamen, von überstürzten Baumleichen (Ra- nen) und Felsblöcken verbarrikadirten Wälder betritt, noch folgende systematisch bestimmte Gattungen und Arten : Polyporus ovirtus Schaef.. brumalis F., deformis F.. umbellatus F. (Eichhase), sulfureus Bull., giganteus P. (mesentericus Schaef.), ni- dulans F. (versicolor Schaef.), borealis F. (albus Schrk. bayr. Flora), fomentarius L. (igniarius Schrk.), igniarius Lin. (hippocrepis Schrk.), pinicola Swarz (fulvus Schaef.), zonatus Nees et F. (niulticolor Schaef.), versicolor Lin. (atrorufus Schaef.) , vulgaris F. (papyraceus Schrk.), perermis L. (coriaceus Schaef.), suaveolens Lin., pes caprae Pers., confluens Alb. Schw., intybaceus Fr. (giganteus Fl. dan., frondosus Schrk.), giganteus (Pers.) Fr., amorphus Fr., erubescens Fr., abieti- nus (Pers.) Fr. etc. Boletus bovinus L., rubellus Krombh., elegans Schum., luteus L. (granulatus Lin.), variegatus Sw., olivaceus Schaef., edulis Bull, (bulbosus Schaef.), luridus Schaef, nigricans L. (bovinus Seh., luteus Schrk.), regius Kronibh., Satanas Lenz, (sanguineus Krombh.), sub- tomentosus Lin. Agaricus vaginatus Bull, mit Var. griseus Schrk., procerus Scop. (lazarus Schrk.), robustus Alb. Schw., anniophilus Lasch (hy- pnorum Schrank; um Windberg in Unzahl), viseidus L. (fuscus Schrk. Zwiesel), srobiculcatus Scop. (crassus Schrk.), terminosus Schaef. (pseudonymus Schrk.), fuliginosus F. (cinnamomeus Schrk. non Lin.), ruber DC. (diversicolor Schrk.?), integer L. (ruber Schaef.), umbo- natus Gmel. etP. (Mitterfels), scorodonius F. Agdh. (parasitus Schrk.), androsaceus L., stipticus Bull, (semipetiolatus Schaef. Windberg) etc. Paxillus? melacloon Schrk. (Cham.) Daedalea latissima Fr. (Ploeckenstein, Duschelbergerforst), quer- cina Ag. (Lin.). Trametes perennis L. (coriaceus Schaef.), Pini Fr. Hyperrhiza inquinans Rab. (Zwiesler Waldhaus). Polysaccum crassipes DC Pompholyx sapidum Corda (um Regen). Die Flora des Sumawa-Gebirges. 235 Geaster rufescens Fr. (Cham.). Fistulina hepatica Schaef. Hydnum repandum L., coralloides Scop., squalinum F. (Du- schelberg), pinastri Fr. Craterellus clavatus P. (elveloides Wulf, et Schrk.) (Eschel- kamm). cornucopiae L. Thelephora radiata Fr. Guepinia helvelloides DC. (Frauenau und Zwiesel , von Poschin- ger, Firmiansrent. etc.). Ciavaria flava Fr. (fastigiata Schrk.); Botrytis Pers. (coralloides Sehr.), fastigiata L. (pratensis P.), museoides L. (corniculata Schaef.)3 rugosa Bull, (damaecornis Schrk.), suecica Fr. (rubella Schaef.), pi- stillaris Lin., ligula Schaef. (pistillar. Schrk.), viscosa Pers. Schizophyllum commune F. (alneus Lin.) (Bogen). Hericium stalactiticum Schrk. (Ueberall wo Schwemmholz von Fichten und Tannen aufgeklaftert wird, jedoch zwischen den engen Zwischenräumen der Holzstösse. wo er sich entwickelt. Am vollstän- digsten erhält man Exemplare aus dem Holzgarten von Steinweg am Regenflusse. Verf. hat viele disponible Exemplare im Weingeist). Morchella bohemica Kromb. (um Regen, Kötzting, Bogen, Neureichenau). Gyromitra esculenta Pers. (Deggendorf). Helotium serotinum P. Hysterium elatinum Ach., melaleucum Fr. Phacidium Yaccinii F. (Rhachel und Arber). Cordyceps militaris L., typhinna Per. Xylaria polymorphe Pers. Diatribe lenta Tode. Sphaeria tephrotricha F. (auch im Baireutschen). Eine Menge Arten dieser Gattung. Phallus impudicus L. (nur um Winzer im Donauthale unter Vilshofen getroffen. Wächst schnell und hat einen Geruch wie Men- schenleiche. Heisst um Handlab „Teufelsei*'). Elaphomyces cervinus Corda. — Byssus jolithus L. Die Flechtenk unde des Sumawa hat in neuerer Zeit durch einen rastlosen und gediegenen Lichenographen Hr. A. v. Kr empelhuber Licht und Begriff (170 Arten) erhalten. Leider sammelte dieser Forscher nur einmal im Gebiete (Flora 1854. No. 13). Es kommen vor: Usnea barbata Fr. und var. florida L. nebst hirta L. Evernia jubata Fr. (mit var. bicolor Ehrh. und jubata L.), ochroleuca Fr., divaricata L., prunastri L., furfuracea. Ramalina calicaris Fr., pullinaria Ach. Cetraria tristisWeb-, islandica L., cucullata (Beil.), nivalis L., 236 Gistel: glauca Kremp. (Dreisessel mit var. fallax), sepincola (Cham.), pina- stri Schreb., aculeata L ., juniperina L. Nephroma resupinatuin L. Peltigera aphthosa L. (Bucheck), caninaL., rufescens Fr. (Bu- check), polydactyla Fr., horizontalis L., venosa L. Sticta pulmonaceaL. (u. var. pleurocarpa Schaer.), sylvatica L. (Bucheck). Parmelia tiliacea Ehrh., Borreri Turn., saxatilis (und var. omphalodes), panniformis, aleurites Hoff., physodes L. (var. vittata und encausta Gm.), sinuosa Sm., perforata Wulf., pertusa Schrank, perlata (beide auf dem Dreisessel), caperata L., conspersa Ehrh., incurva Pers., ambigua Wulf. (var. albescens), olivacea L., fahlunen- sis L., stygiaL. (var. lanata) , dendritica Pers., parietina L., ciliaris L., stellaris L., caesia Hoffm., pulverulenta Schreb. lanuginosa Ach. (Bucheck), microphylla Sw., saxicola Pollich., murorum Hoffm., cervina Pers. (und var. smaragdulum Ach.), cinerea L. (mit var.), gibbosa Ach., atra Huds., subfuscaL., (und var.), cateilea Ach., albella Hoffm., pallescens L., tartarea Hoff'm. (und var. corticola, auf Plöckenstein), rubra Hoffm., badia Pers., ventosa L., vitellina Ehrh., orosthea Fr., glaucoma Ach., cenisia Ach., scruposa L., atroalba (mit var. irrigua Flotow. Bucheck), obscura, sophodes, varia. Thelotrema lepadinum Ach. Stereocaulon tomentosum Fr., coralliimmFr., denudatum Flot. Cladonia pyxidataL. (mit 2 Formen), chlorophaeaFlke., ochro- chlora Flke., gracilis L. (variae formae) , cervicornis Ach. , degene- rans Flke., fimbriataL. (formae variae), carneolea Fr., amaurocraea Flke., cornucopioides L. (mit var. pleurofa Flke), bellidiflora Ach., deformis L. (Dreisessel), digitataL., macilenta Ehrh. (Bucheck), bra- chiataAch., furcata Schreb., squamosa Hoffm., rangifera L. (var. sylvatica Ach. und alpestris L.), arbuscula Flotow, uncialisL., ? ver- micularis Sw. Baeomyces roseus P. Biatora byssoides L. — triptophylla Ach., muscorum L., atro- rufa Dicks., cimadophila Ehrh., decolorans Hoffm., vernalis. anomala, polytropa Ehrh. (mit var. intricata Schrad. und sulphurea Hoffm.), lucida, rivulosa Ach. (mit var. Kochiana Hepp.), griseo - atra Flotow, uliginosa Schrad., viridi-atra Stenh., aurantiaca Lightf., ferruginea Huds. (mit var. festiva Ach.). Lecidea Dubenii Fr., Wahlenbergii Ach., sabuletorum (mit var, enteroleuca Fltw.), miliaria Fr , arctica Fr., squalida Ach., citrinella Ach., sanguinaria L., parasema Ach., enteroleuca Ach. (Dreisessel), caesio-pruinosa Schaer., albo -caerulescens Wulf., spilota Fr., conti- gua Hoff, (und var. a. Fries. Um Bucheck; dann mehreren Aen- derungen), platycarpa Ach., confluens Web., ambigua Ach. (var. lac- tea Flke.), obBcurata Schaer., atro-alba L. (mit vielen Varietäten), Die Flora des Sumawa-Gebirges. 237 petraea Schaer. En., lugubris Smrf., fusco-atra L., armeniaca Ram., aglaea Smrf., atro - virens L. (mit einer Abart), viridi - atra Flke, melanophaea Fr. (Urceolaria oederi Seh.). Umbilicaria pustulata L. (Bucheck), polyphylla L. (mit var.), hyperborea Ach., erosa Web , cylindrica L. (mit var ), vellea L. Opegrapha varia Pers., atra Pers., herpetica Ach., scripta. Trachylia tympanella Ach., tigillaris Ach., chlorina Stenh. Calicium lenticulare Ach., trichiale Pers., hyperellum Whlbg., chrysoeephalum Turn., roseidum Fl. (adspersum P.), curtum Turn. Coniocybe furfuracea L. Sphaerophoron coralloides Pers., fragile L. Endocarpon miniatum L. (und var. complicatum Ach.), fluvia- tile Web. (Bucheck), sinopicum Whlbg. Pertusaria communis DC. (und var. a. u. Form : sorediata Kprlhbr. auf dem Dreisesselstein). Segestrella thelostoma Hartm. (Bucheck). Sagedia gibbosa Fr. Verrucaria macularis Wallr. , nitida Schrad., glabrata Ach., epidermidis. Pyrenothea leueoeephala Ehrh. Collema rupestre Schaer. (Bucheck), cyanescens Schaer. Leptogium atroeephalum (mit var. lophaeum Schaer.), musci- cola Sw. Diese Flechten vertheilen sich auf einigen Stationen also: Bei Passau (am linken Donaustrande; auf Gneiss): Peltigera rufescens , Collema rupestre, Endocarpon miniatum (mit var. cana Krplhbr. sehr häufig um Hauzenberg), Lepraria chlo- rina, Baeomyces roseus, Parmelia sinuosa, pulverulenta, saxatilis, bor- reri, tiliacea (sämmtlich an Obstbäumen), conspersa, dubia, olivacea, asperata, lanuginosa (steril wie die nächste), orosthea, atra, subfusca (mit var. campestris Schaer.), Hagenia ciliaris und Ramalina calica- ris (beide auf Obstbäumen). Bei Hauzenberg (auf Granit und Gneiss): Parmelia sinuosa, pulverulenta, saxatilis, physodes, caperata, dubia, saxicola, glaueoma, caesia, olivacea, dendritica, perforata, con- spersa, badia mit var. polytropa («. campestris, ß. acrustacea), sub- fusca mit var. conferta. Lecanora coaretata y. elacista Schaer. Le- eidea fumosa , confervoides mit var. concreta und fusco - atra, pe- traea. Parmelia vitellina. Biatora lucida, ferruginea mit var. festiva Schaer. Cladonia macilenta, fimbriata (in diversen Formen), squa- mosa, degenerans , furcata (var. subulata und recurva) , cenotea, chlorophaea. Peltigera rufescens, polydaetyla, canina. Endocarpon smaragdulum Schaer. Stereocaulon corallinum. Nephroma resupi- 238 Gistel: natum, scruposa a vulgaris, cinerea, gibbosa. Verrucaria macularis a contigua und var. acrotella. Umbilicaria pustulata pollinaria. Lichenen auf dem Dreisessel : Biatora icmadophila, triptophylla var. pezizoides Schaer. En. Cladonia squaraosa, deformis (forma scyphosa, crenulata, centralis, cylindrica), degenerans (forma tubaeformis, simpliciuscula, margina- lis, centralis), furoata, racemosa, spinosa, gracilis, turbinata, s'qua- mulosa Schaer., cliordalis, pallida, carneola, rangiferina (forma vul- garis, sylvatica et alpestris). Peltigera horizontalis , polydactyla. Evernia jubata (var. bicolor, ochroleuca). Cetraria juniperina, glauca, islandica (die schmallappige Form). Evernia furfuracea. Parmelia saxatilis a (var. penniformis) , physodes (var. vittata) , lanuginosa, ventosa, tartarea (saxicola et forma sorediata Krplhbr.) , cenisia, scruposa («. vulgaris). Umbilicaria polyphylla («. glabra ß. floccu- losa). Lecidea geographica (a. contigua, ß. alpicola, y. atrovirens Schaer.). Biatora rivulosa («. saxicola, ß. Kochiana), lucida. Stereo- caulon corallinum. Sphaerophorus coralloides. Cladonia stellata («. uncialis). Auf dem Dioritfels von Wolfstein : Ilamalina pollinaris. Peltigera horizontalis. Parmelia olivacea, conspersa, saxatilis, atra, murorum. Urceolaria gibbosa. Lecidea silacea, confervoides , geographica. Biatora lucida. Stereocaulon corallinum. Endocarpon miniatum, rupestre. Collema atrocaeruleum. Auch in dieser Richtung ist schon vor 70 Jahren ein Anfang gemacht worden, da v. Poschinger Usnea ca- pillaris etc. an Schrank sandte. Diese ist Bryopogon capillare (Dillen.) = Usnea citrina Schrk. Fl. (u. arenaria Fries). Die in der bayerischen Flora erwähnte Usnea hip- potrichioides Web. ist eine Form von barbata, welche Verf. bei seinem stabilen Aufenthalte im Sumawa oft gesam- melt hat. Solch ein längeres Verweilen ist unbedingt nöthig , um zu allen Jahreszeiten die Vegetation beob- achten zu können, wie es dem Verf. gegönnt ward. Bis- her haben die Botaniker auf ihren Streifzügen binnen wenigen Tagen im Sturm zu nehmen gewähnt, was nur successive und leise durch eine lange Zeit hindurch ge- wonnen werden kann. Auch nicht auf der breiten Heer- strasse findet man, was dem Gewöhnlichen fremd ist; der Forscher soll sie grundsätzlich vermeiden. — Es mögen noch einige Namen vom Verf. aufgelesener Flechtenformen eine Stelle finden: Stereocaulon quisquiliare Hoffm. (Felsenklüfte im Bisthums- Die F lora des Sumawa-Gebirges. 239 walde); incrustatum Flk. (um Heiligenblut); paschale (Lin.) Acliar. (Bogen, Steinach, Maut etc.) ; Biatora pineti? ? Fr. (Duschelberg etc.); Lecanora gelida (Lin.) Ach. (Hirschenstein); Gyalecta odora Ach. (Gneissblöcke in den Keitersbergen) ; Yerrucaria laevata Ach., cata- lepta Schaer. (häufig) ; Cladonia papillaria (Ehrh.) Duf. ; Solorina saccata Ach. (Winzer) ; Pyrenula gibbosa Achar. (Kötzting, Heiligen- blut etc.) ; Sphaeromphale thelostoma Rabhst. ; Sagedia clopima Fr. ( auf Gneiss bei Neureichenau) ; Umbilicaria proboscidea DC. forma rigida Hoffm. Einen längeren Aufenthalt erheischt die Erforschung der vielen Formen aus der Ordnung der moosartigen Ge- wächse. Aus dieser Ursache sind die beiden Familien derselben äusserst nothdürftig theils oder gar nicht er- forscht worden. Die Lebermoose, an denen der Sumawa als gesegnet erklärt werden kann, haben ausser den man- gelhaften aber unausgesetzt gepflogenen Untersuchungen durch mehrere Jahre an den Standorten und in allen Jah- reszeiten; welche Verf. dieser so vernachlässigten Ord- nung zuzuwenden die Freude gehabt, bisher auch nicht einen Beobachter gefunden und dürfte noch vieles, sage vieles zu entdecken und zu berichtigen sein. Was Verf. davon neben seinen Hauptzwecken aufzufinden und zu be- stimmen im Stande gewesen, soll hier verzeichnet wer- den, mit den Bemerkungen, dass eine nicht kleine Zahl, die natürlich nicht aufgeführt werden konnte, noch der systematischen Bestimmung entgegen sieht und Verf. be- reit und froh sein wird, solche einem Fachkundigen an- vertrauen zu können. Im Sumawa erscheinen: Plagiochila asplenioides M. N. (gemein auf Waldwiesen), un- dulata M. N. ; Mastig obry um resupinatum Poll. (compactum M. N.), trilobatum (L.) Nees (häufig um Regen etc.) ; Liochlaena lanceolata Nees (Windberg u. s. w.) ; Jungermannia -.barbata Nees (mit var. quinquedentata L. Moore, sehr gemein), bicuspidata (Linn. In vielen Formen häufig), nov. gen. trichophylla (Weiss.) ; Calipogeia tricho- manis forma communis = Lichenastrum trichomanes Dillen, (überall im Sumawa); Lepidozea reptans (Schrk.) Nees = Lichenast. multi- fidum Dil. (überall) ; Frullania tamarisci (L.) Nees. (Im Moose, Nat- ternberg, Freyung u. s. w.), dilatata (L.) Nees (Passau) ; Schrankia epiphlaea (Schrk.) (Jungermanni. Dillen, tab. 72. fig. 34 B) ; Metzgeria furcata Nees (überall unter Moosen, z. B. Deggendorf) ; Aneura pin- guis (L.) Nees (in Gräben bei Altach, Bogen und an der Wallfahrts- kirche daselbst) ; Marchantia polymorpha Lin. (Regen, Hals, Pas- 240 Gistel: sau u. s. w.); Grimaldia dicliotoma (triloba et trianclraScop. Jungerm); Rebouillia hemisphaerica (Pal) Rad. (Oberaltach); Blasia pusilla Mich, (am Silberberg bei Bodermiais); Anthoceros punctatus, lae- vis L.; Chiloscyphus polyanthus (Lin.) Nees (überall in Gebirgsbä- chen, auf Steinen), pallescens Dumort. (sehr häufig zwischen Moos) ; Harpanthus flotovianus Hpe. (in den Sümpfen des Arbers u. s. w. häufig) ; Lophoclea heterophylla Nees (überall in den Hochforsten zwischen Moosen); Jungermannia Taylori Hook, (häufig auf tieflie- genden Wiesen), curvifolia Dicks, (in den Sümpfen der Forste ge- mein) ; Mülleri Nees (zwischen Hypnen zahlreich), divaricata Engl. Bot. (auf allen Mooren häufig), setiformis Ehrh. (auf Bergen und in Thälern, -auf Flechten nicht selten), incisa Schrad (überall), socia Nees (Neureichenau und Klafterstrass mit anderen, jedoch selten), porphyroleuca Nees (häufig auf nackten Bergen) ; Scapania rosacea Corda (häufig in Wirths- und Kellergärten um Deggendorf u. s. w.), umbrosa Nees (um Viechtach , auf Felsen gemein) ; Sphagnoscelis communis (Dicks.) Nees (auf allen Brüchen durch den Hinter- und Mittelzug) ; Gymnomitrium coralloides Nees (unter dem Gerolle der Lusenkuppe), concinnatum Lightf. Corda (in Räsgen auf allen Berg- kuppen) ; Jungermannia undulata Nees (Lin.) (in mannichfachen For- men unter fast allen Moosen), Bartlingii Nees (häufig auf Felsen um Kötzting); Sarcoscyphus Funkii W. et M. Nees (überall auf Felsblöcken). (Ueber Octospora Schrank bayr. Flora, mit den Arten immarginata, pallida Schrk., scutellata L. und applanata Hed- wig, mehreres in einer besondern Schrift); Riccia fluitans L. (Münsterweiher an Deggendorf) , natans L. (Weiher zu Nieder- altach); Targionia germanica (forma subovata) Corda (Freyung, gute Art?,; Grimaldia fragrans (Balb.) Corda (Hengersberg); Fe- gatella conica (Lin. , Marchant. Schrank) Corda (Maria Handlab) ; Aneura pinnatifida Nees (Ahornöd bei Freyung); Pellia epiphylla Nees (in der Schlucht vor der Rusel links); Blyttia Lyellii Nees (Hook.) (Neureichenau und Deggendorf) ; Lejeunia serpyllifolia (Dicks.) Libert. (Passau); Frullania fragilifolia Taylor und Rabenhorst (auf Felsen, im ,.Landl" beobachtet); Madotheca navicularis Nees (Vie- chtach und Neureichenau u. s. w.), porella Nees (Sümpfe um Frey- ung) ; Radula complanata ( L. ) Dumort. ( Die Form plumulosa Nees s. hfg. unter Moos in allen Forsten des Hinterzugs); Ma- stigobryum deflexum Nees, ß. elongatum Nees (an Felsen des Hir- schenstein) ; Ptilidium ciliare (L ) Nees (sehr gemein auf der Rusel beim Gasthause); Physiatium cochleariforme Nees (Steinach, Oberaltach). Sehr wichtig erscheint des zu früh dahin geschwun- denen Freundes Hrn. Forstraths Winneberger Ver- such einer geognostischen Beschreibung des bayrischen Wal- des (Passau 1851, auf eigene Kosten) für alle Ordnungen Die Flora des Sumawa-Gebirges. 241 dieser Zellenpflanzen als auch für die Gefässpflanzen. Was Yerf. über die in der Isis vor vielen Jahren publi- cirte Flora (ein Raub aus Reuss) geäussert, findet zu- gleich hier Anwendung, indem (wie Winneb erger in dem Vorworte seiner Schrift selbst andeutet) derselbe Pla- giarius die mündlichen Mittheilungen Winneberger's benutzend — für Eigenes ausgab, was er genommen hatte. Anlangend die Flora der eigentlichen Moose (Laub- moose), hat der selige Th. G um bei 139 Arten, welche sein trefflicher Bruder Hr. Bergmeister Wilhelm Gü ru- bel auf einem geognotischen Ausflüge durch den Suma- wa aufgesammelt, in der Flora (1854. No. 12) systematisch bestimmt und bekannt gemacht. Es sind aber viele Moose anderer Gegenden hiebei aufgeführt worden. Das wenige, was dem Yerf. während seines Aufent- haltes aufgestossen, aufzuführen möchte an der Stelle sein; doch sollen jene Moosarten, welche der vielver- diente W. Gümbel in seinem „Beitrag" aufgeführt hat, weiter unten enumerirt werden. Auf eine Angabe der Standorte kann Verf., der Weitläufigkeit wegen , sich nur ausnahmsweise einlassen. Zu bemerken steht, dass er in seinem encyclopädischen Taschenbuche für allgem. Naturgeschichte Jahrgg. I. (Berlin 1865. Thiele) Skizzen aus der Flora Sumawa mitzutheilen beabsichtige. Laubmoose des Sumawa. Andreaea rupestris Hedw., alpina Hedw. Sphagnum compactum Brid. (S. cymbifolium Ehrh. auf der Arberkuppe), subsecundum Nees. Pleuridium alternifolium Brid., nitidum Hedw. Brucliia palustris Müll. Pyramidium tetragonum Brid. Enthosthodon curvisetus Müll. (Freyung). Tetraplodon mnioides (Lin.) Bru. Seh. (Donauthal und Hin- terzug). Tayloria serrata Br. Seh. (Keitersberge, Plöckenstein u. s. w.). Splachnum vasculosum Lin. (auf dem Plöckenstein, N. W.). Desmatodon latifolius Brid. (Frauenau), flavicans Bruch. Barbula rigida Schul., unguiculata Hed., paludosa Schw., tor- tuosa Web. M , subulata Brid. Triebe- stonium tophaceum Bird., pallidum (Schreb.) Hedw. Leucobryum vulgare Hampe. Arcihv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 10 242 Gistel: Gymnostomurn rupestre Schw. Hymenostonmin tortile Fürnr. Weisia apiculata Nees (firnaians Reut.). Cynodontium Bruntoni Br. (Kötzting, Griesbach u. s. w.). Rhabdoweisia denticulata Br. Encladium verticillatum Bruch. (Lin.). Brachyodus trichoides Nees. Seligeria pusilla Br. Blindia acuta Br. Seh. Trernatodon arabiguus Schw. (Häufig). Dicranum cerviculatum Hedw., montanum Hedw., spurium Hedw., undulatum Ehrh. Thysanomitrium flexuosum Schw., turfaceum Br. Campylostelium saxicola Br. Seh. Rhacomitrium sudeticum Garov. (Rissloch am Arber)., micro- carpon Bird. (gemein). Grimmia ovata Web. M., leueophaea Grev. ? Encalypta vulgaris Hedw., rhabdocarpa Schw. Orthotrichum Sturmii Hop. Hörn., Drummondii Hook. ?, pu- milum Schw., fallax Br. (Reuss), rivulare Turn., Lyellii Hook. Catascopium nigritum Dick. Brid. (auf allen Hochmooren). Meesia uliginosa Hedw. (wie voriges), longiseta Hedw., tristi- cha Br., Seh.. Amblyodon dealbatus Palis (Zwislerwaldhaus). Bryum uliginosum Br. Seh., Zierii Dicks. , crudum Schreb., Wahlenbergii Schw., pyriforme Hedw., intermedium Brid., pseudo- triquetrum Schwaegr. , Duvalii Yoit. , cyclophyllum Schwaegr., ro- seum Schreb. Cinclidium stygium Sw. (in allen Hochmooren, z. B. denen des Rhachels, Dreisesselb. u. s. w.), aretienm Br. (ebenda). Mnium hornum Lin. (häufig), serratum Brid . spinulosum Br. (unter dem gemeinen spinosum) , rostratum Schwaegr., cuspidatum Schrank, Hedw. (äusserst häufig), medium Br., Seh., palustre Hook., Schw. (Sümpfe ; auch die Form polycephalum Brid.). Georgia repanda Rbhst., Ehrh. (Funk.), Browniana Dicks.). Timmia megapolitana Hedw. (gemein). Catharinea (Atrichum) hereynica Ehrh. Polytrichum gracile Menzies, piliferum Schreb. (wie voriges, gemein), commune Lin. Buxbaumia aphylla Hall., Lin. (gewöhnlich). Cinclidotus fontinaloides (Dill.) Palis, riparius Walk. Anoectangium compactum Schwaegr. Fontinalis antipyretica Lin. (überall). Leptohymenium striatum Schw. (Lin.), filiforme Hueb. Anomodon curtipendulus Hook., Tay! (gemein). Die Flora des Sumawa-Gebirges. 243 Leskea complanata (Lin.) Hedw., trichomanoides Hedw., po- lyantha Hedw., subtilis Hedw. (alle gemein). Hookeria lucens (Lin.) Smith (gemein auf den Höhen u. s. w.). Hypnum tectorum Brid. (Var. von dimorphum), recognitum? Hedw., alopecurum Lin., revolvens Swar. (Abart von aduncum), lycopodioides Schwaegr., rugosum Ehrh., scorpioides Dill, et Lin., mammillatumBrid., (Var. des häufigen cupressiforme), Mühlenbeckii Bruch., pallescens Palis., squarrosum Lin. Schrk. , brevirostre Ehrh., striatum Schreb. , polymorphum Hook., Halleri Lin. fil., umbratum Ehrh. (auch um Baireut), reflexum Sta r., Stockesii Turn., sylvaticum Lin., ruscifolium Neck., murale Neck., cordifolium Hedw., cuspida- tum Lin., stramineum? Dicks., trifarium Web. M;, curvatum Sw., serpens L. (mit Yar. sehr gemein), fluviatile Sw., riparium Lin., albicans Neck., Vaucheri Lesq., lutescens Huds., rutabulum Lin. Neckera sciuroides Lin. Fissidens incurvus Schwaeg., bryoides (Lin.) Hedw. Hr. Gümbel hat noch nachstehende Moose, welche ich der Vollständigkeit der Aufzählung wegen anführe, (und in des Verf. Herbar in vielen Doubletten sich befinden und Freunden zu Diensten stehen), gefunden: Auf dem gneisigen Arber. Andreaea alpina Hedw. ; Bartramia pomiformis Hedw. ; Dicra- num gracilescens W. et M, polycarpon Ehrh., subulatum Hedw., Grimmia incurva Schw. , uncinata Kaulf. ; Amblystegium subtile Br. eur.; Brachythecium reflexum Br. eur.; Hylocomium splendens Br.; Hypnum praelongum L. , uncinatum Hedw.; Plagiothecium denticu- latum Br., undulatum Br. ; Plagygyrium repens Br. ; Pogonatum al- pinum Brid.; Sphagnum acutifolium Ehrh., cuspidatum Ehrh.; Rha- comitrium canescens Brid., heterostichum Brid. ; Rhabdoweisia schisti Br.; Weisia crispula Hedw. Auf dem grossen granit- und glimmerführenden Ossa: Andreaea RothiiWeb. M. ; Bartramia pomiformis Hedw.; Bryum bimum Schreb. , elongatum Dicks., inclinatum B. et Seh., pallescens Schw.; Dicranum congestum Brid., gracilescens W. et M., polycarpon Ehrh.; Grimmia uncinata Kaulf.; Hylocomium splendens Br. eur.; Hypnum ineurvatum L., praelongum L., uncinatum Hedw.; Plagio- thecium denticulatum Br., pulchellum Br., undulatum Br. ; Plagygy- rium repens Br. , Pogonatum alpinum Br.; Sphagnum cuspidatum Ehrh., acutifolium Ehrh. ; Barbula alpina B. et Seh. ; Distichium ca- pillaceum Br. ; Rhacomitrium aciculare Br., canescens Br., heterosti- chum Br. ; Rhabdoweisia fugax Br. eur. Uebrigens finden sich noch auf dem Gebiete Sumawa's nachfolgende Arten: 244 Gistel: Bartramia fontana Schw.: halleriana Hedw., pomiformis Hedw. Aulacomnium androgynum Schw , palustre Schw. Bryum alpinum L., argenteum L. , bimum Schreb. , caespiti- cium L., capillare Hedw., elongatum Dicks., inclinatum B. Seh., nu- tansSchr., pallens Sehr., pallescens Schwgr. ; Mnium spinosum Schw., undulatum Hedw. Diphyscium foliosum Mohr. Ceratodon purpureus Brid. Dicranum congestum Brid., flagellare Hedw., gracilescens W. et M., heteromallum Hedw., longifolium Hedw., polycarpon Ehrh., Sauteri Bryol. eur. (Falkenstein), scoparium Hedw., strictum Schleich., subulatum Hedw. Dicranodontium longirostre Br. Oncophorus glaueus Br. (stets nur steril). Encalypta ciliata Hedw. (Rhachel). Fissidens adiantoides Hedw. Fontinalis squamosa L. (in allen Waldbächen; steril). Funaria hygrometrica Hedw. (stets fast auf alten Kohlenmei- lern mit Marchantia polymorpha). Physcomitrium fasciculare B. Seh. (im Gebiete von Bogen. Gistel). Grimmia alpestris Schi., ineurva Schw., uncinata Kaulf , obtusa Schw. (Rhachel, Keitersberg), pulvinata Hook, (auch um Deggendorf und Passau. G.). Schistidium apocarpum B. et Seh., confertum B. et Seh. Hedwigia ciliata Hedw. (allenthalben). Pterygophyllum lucens Br. (diese Hookeriacee ist häufig in Wasserrinnen). Amblystegium serpens Br. (Hirschenstein), subenerve Br. (Süs- senbach), subtile Br. (Arber), tenuissimum Br. Brachypodium glareosum Br. eur. (Süssenbach). Brachythecium plumosum Br. eur. (Hfg.), reflexum Br. (sehr verbreitet), velutinum Br. eur. (ebenso), graniticum Gümb. (spec. ined. bei Süssenbach). Climacium dendroides W. et M. (Hirschenstein). Heterocladium dimorphum Br. eur. Hylocomium loreum Br. eur. (überall), splendens Br., trique- trum Br. (ebenso bei allen). Hypnum aduncumL. (Hirschenstein), crista castrensis L. (überall), cupressiforme L. (ebenso), fluitans L. (bei Hirschenstein), ineurva- tum, longirostre Ehrh., purum L. (gemein), protuberans Bruch i lit., praelongum L. (wie vorig, sehr verbreitet), Schreberi Dill, (ebenso), strigosum Hoffm., uncinatum Hedw. (eines der gemeinsten im Sumawa). Isothecium myosuroides Br. eur. (auch im Sumawa). Limnobium palustre Br. eur. (Bach). Die Flora des Sumawa- Gebirges. 245 Plagiothecium denticulaturn. Br. eur., pulchellum Br., silesia- cum Br. (überall durch den ganzen Sumawa), undulatum Br. (ebenso). Plagygyrium repens Br. (weit verbreitet). Pterigynandruni filiforme Hedw. (Hirschenstein auf Buchen). Rhynchostegium depressuni Br. (Firmiansreut , Herzogsreut. Gistel). Pterogonium gracile Swar. Pylaisaea polyantha Br. eur. (Steinach). Thujidium abietinum Br. eur. (überall und überall steril), ta- marisciuum Br. ebenso). Anomodon viticulosus Hook, (weit verbreitet). Leskea polycarpa Hedw. Neckera crispa Hedw. (Hirschenstein), pennata Hedw. Orthotrichum anomalum Hedw. (häufig), cupulatum Hrnsch. (um Deggendorf und Moos. Gist., auf Gneiss bei Schwarzeck), Hut- chinsiae Hook, et Tayl. (Viechtach) , pallens Br. , rupestre Schi., speciosum Nees, stramineum Hrnsch. Acaulon muticum C. M. (Donauschlamm bei Deggendorf). Phascum bryoides Dicks. (Hutthurm), cuspidatum Schreb. (durch alle Züge). Atrichum undulatum Pal. B. (sehr gemein). Pagonatum alpinum Brid. , aloides Br. (gemein), nanum Br., urnigerum Br. (Falkenstein). Polytrichum formosum Hedw. (sehr verbreitet), juniperinum Hedw. (Gneis). Schistostega osmundacea W. et M. (als Vorkeimgebilde bei Fichtelberg ; längst als Goldmoos berüchtigt ; phosphorescirt wie Tetraphis pellucida). Sphagnum acutifolium Ehrh. in allen Sümpfen des Sumawa, aber am häufigsten ist das nächste), cuspidatum Ehrh., cymbifolium Ehrh., squarrosum Pers. Splachnum ampullaceum L. Barbula aloides B. et Seh., alpina B. et Seh., convoluta Hedw. (um Winzer), fallax Hedw. (auf Mauern um Niederaltach angeflogen), muralis (Kapellenmauer am Arber). Didymodon rubellus Br. eur. (im Ilzgebiete auf Detritus). Distichium capillaceum Br. eur. (grosser Ossa). Rhacomitrium aciculare Brid., canescens Brid. (häufig), hete- rostichum Br., lanuginosum Br. Trichostomum rigidulum Sm. (Hirschenstein), homomallumBr. Bhabdoweisia fugax Br. eur. (Gneis - und Glimmerschiefer), Schisti Br. eur. Weisia crispula Hedw. (Falkenstein, Hirschenstein u. s. w.) Die Fauna hat Verf. vorläufig durch Veröffentli- 246 Gistel: chung der Phytozooen und Würmer Bayerns theilweise in seiner Zeitschrift Vacuna (Bd. IL 1856) bekannt gemacht, welcher die Ergebnisse anderartiger Forschungen, nament- lich aus dem Gebiete der Malacozoologie und Entomo- gnosie nachfolgen werden. Vor dreissig Jahren ist so manches im Sumawa hausende Gethier in der südländi- schen Reise des Grafen Rudolph v. Jenison-Wal- worth (redigirt von dem Verf.) im Appendix zum III. Bde. beschrieben, wie auch in der Vacuna eine Ueber- sicht der von ihm um Passau, Vilshofen und im Sumawa beobachteten Hymenopteren und hartschaligen Kerfe be- kannt gegeben worden. Schliesslich, zur Orientirung der Naturforscher, wel- che den Sumawa zu besuchen gedenken, einige dieses Ge- birgsland berührende Anzeichnungen ! Die höchste Zone der Böhmischen Wälder (Cesky Les) befindet sich auf dem Areale des Sumawa. Die geogra- phische Lage dieses nahe an 81 Quadratmeilen bedecken- den Alpenlandes ist verschieden : einmal ist es unter dem 48° 48' 48" N. Br. und 31° 12' 27" 0. L. (Wolfstein) ge- legen, dann unter 48° 36' 5" N. Br. und 31° 27' 6" 0. L. (Wegscheid, 1230' U.d.M.); oder unterm 49° 04' 48" N. Br. und 30° 33' 05" 0. L. (Viechtach, 1516' U.d.M. — Regen liegt 1842', Kötzling 1244', u.d.M.); endlich unter dem 480 51/ 32" N. Br. und 39° 47' 43" 0. L. (Grafenau, 1585' ü. d. M. Vergl. des Verf. Geogr. u. Statist, d. Kö- nigr. Bayern 1856 S. 19. u. 185) ; während Baireut im Fich- telgebirge 1019' ü. d. M., etwa unter dem 50° 19' 2" N. Br. und 29° 36' 0. L. (Hof 1455' ü. d. M.) gelegen ist. Dieses Land hat der Verf. in einer Monographie vollständig be- schrieben. Verschiedene Flüsse nehmen aus den Seen und Mo- rästen des Sumawa ihren Ursprung : der kleine Regen, die Ohen (Aehen, die später andre Namen annehmen), die Mol- dau (am Rhachel) und die Uz ; der weisse Regen (aus dem kleinen See des Arbers) ; die grosse Mihel (am Dreisesselb.; durchströmt das östreichische Mihelviertel). Die Grösse der Herabstimmung der Temperatur beträgt 2° (vergl. Gistel: physis. Geogr. des Königr. Bayern. Erl. 1855. Die Flora des Sumawa-Gebirges. 247 S. 303). — Was dem Sumawa fehlt, das sind die Seen, welche den südbayrischen Alpen eine unaussprechliche Anmuth verleihen. Das Gebirge ist desshalb ernst, wie jede Gegend, der ein offnes Gewässer, das Auge jeder Landschaft, fehlt. Die Augen des Sumawa sind nur Guin- pen oder der Austrocknung nahende Moräste, auf den höchsten Rücken der Alpen gelegen; denn der Desche- nitzersee ist bereits auf böhmischem Territorium (bei bay- risch Eisenstein) und der Freudensee (auch Feuersee genannt) bei Hauzenberg, unbedeutend. Sämmtliche Flüsse brausen in tiefen Rinnsalen oder Schrunden dahin, der Donau zueilend. Ausnahmen machen der offene Regen und die südöstlich dann nördlich abströmende Moldawa, deren Wiege, wie gesagt, der mächtige See des Rhachels ist, der, rings von einem düstern Coniferenwalde umstellt, in melancholischer Schönheit hoch (3360y) am Südabhange sich ausbreitet und dessen schwärzlichbraune, immerwäh- rend geglättete Oberfläche glänzend gleich einem Spiegel erscheint. Der Pausilipp der Ilzstadt bei Passau ist gleichsam das Einzugsthor, das der Wanderer, der den Sumawa bereiset, zu passiren hat. Die aufstrebenden Urgebirgsmassen sind die Propylaeen für den Geognosten, Lichenologen, Bryologen, wie für den Landschaftskünstler. Die hohe Rusel führt den Forscher wieder in das Donau thal hinab nach Deg- gendorf, in die freie weite heiterere Welt hinaus; sie ist als der Ausgangspass anzusehen aus der erhabenen schweigsamen und verrufenen Landschaft. Der sog. Bis- thnmwald , in welchem der hochromantische Dreisessel, der Lusen u. s. w. gelegen sind, ist weit romantischer, als jeder andere Theil des Gebiets, wenn man die hoch- romantischen (schottländischen) Wildnisse und malerischen Eigentümlichkeiten des Arwa (Arber, aber so nennt ihn im Sumawa kein Mensch; nur Schriftsprache), seinen schö- nen See, die Wasserfälle des Rissbaches, das merkwürdige Rissloch und was über alles geht, die Aussicht von seinem Königshaupte ausnimmt. Zu Freyung erblickt man den Gipfel des Lusen, den unter allen Kuppen des Landes lichtgefärbtesten (durch Lecidea geographica u.a. der Varie- 248 Gistel: tat alpicola Schaer.). Von liier aus theilen sich die Strassen nach Neureichenau mit dem Dreisessel, nach Böhmen und nach Grafenau und dem Lusen. Von Freyung nach Kreuzberg sind V/2 Stunden und von da gelangt man durch Wälder und über trockene Wiesen gehend, bald nach Maut. Man verlässt das neue Försterhaus und den schönen Pfarrhof, um nach 1 Stunde nach Finsterau zu kommen. Der Weg führt durch Wald und über luftige Höhen (im Sumawa weht immerwährend Wind). Herr- liche Aussicht nach Böhmen hinunter in unübersehbare Wälder, welche sich terrassenförmig, fast durch gar keine Culturen unterbrochen, fortsetzen. Gefühl grossartiger Einsamkeit und tiefer Verlassenheit! Dennoch ist alles auch in seiner Einförmigkeit noch lieblich wegen der sanften Färbung des Lufttons, denn solche Linien und Farbenharmonie an heitern Abenden versöh- nen den Reisenden mit Jedem und Allem. Jener Dunst- ton verhüllt alles Nackte, Zerrissene, Sonnenverbrannte hier ebenso gut wie auf der göttlichen Insel, auf welche die himmlische Sichel fiel. Wie dort mischen sich Ho- hes und Wildes, Erhabenes und Romantisches, Schauer- liches und Idyllisch-Freundliches. Die Bilderstudien eines Freundes aus der oberen Waldzone des Sumawa in dieser Nähe aufgefasst, erregten ob ihrer reizenden Perspectiven und des eigentümlichen Farbenspiels der Luft im Kunst- vereine zu München allgemeine Bewunderung. Hier blauen die Hintergründe, wie in Italien und die Forste nehmen, wenn Regen bevorsteht, tiefschwarzes Colorit an. Auf dem Wege nach Maut und Finsterau hat man, von Freyung kommend stets den Lusen, nach welchem indessen immer noch 2 bis 3 Stunden durch die unüber- sehbaren Forste sich hinziehen, zur Linken, in drohen- der Nähe. Von Finsterau Ausflug ins Böhmische lohnend, nach Buchwald. Einsames Forsthaus; K. Kais. Förster Tatra, ein gastlicher, rüstiger Greis; Urbild eines Forst- mannes. Aussergfield ist gleichfalls böhmisch. Man befindet sich in einer Gegend, wo es noch vor 80 Jahren von Bären nur so wimmelte. Die letzten wurden etwa 1810 — 15 geschossen. Eber, die Hr. B. C otta Die Flora des Sumawa-Gebirges. 249 hieher versetzt, gibt es nicht. Wölfe hat es gegeben (die sind in Carantanien noch zu Hause). Ein kürzerer Weg, der nächste, führt von Freynng in zwei Stunden nach Kirchl, einem freundlich gelege- nen Dorf. Von hier aus ist ein Führer zu nehmen. Auf einem neugebahnten Forstwege, der durch einfache Holzarbeiter sogar in den Hochbauten, worunter natür- lich keine Brücken, indessen immerhin respectable Unter- lagen über Schlünde und Risse zu verstehen, recht brav ausgeführt ist, gelangt man bis nahe an den Gipfel des Lusen, wo er jedoch uns verlässt und ein rauher, steiniger Pfad anhebt, der hier und da von tiefem Moorgewässer un- terbrochen wird, an welchem im Hochsommer, Ende Julis das ätherisch reine Sternchen der Trientalis europaea und der dunkelblaue Eisenhut in seiner tückischen Pracht blüht. Im Sommer kommt am Lusen jedoch nur sehr vereinzelt Gentiana lutea und pneumonanthe und häufig im Herbste G. Amarella vor. Die Scenerie ist grossartig wild und schauerlich. Ranen (Baumleichen) strecken ihre knochenbleichen Arme aus und erinnern an die künstlerischen Phantasien Moriz's Schwind, der solche Ranen personificirt hat. Hier ist auch der Ort der superlativsten Holzverschwendung ! Arme dürfen die gefallenen Stämme der Tannen aufarbeiten; doch hiezu braucht es weitschichtiger Umwege und Gnaden. Der Gipfel dieses mächtigen Berges (4163', der Ke- gel misst allein an Höhe 250') ein chaotisches Durcheinan- der von Granitfragmenten, stellt einen stumpfen Kegel vor und scheint, nach Hrn. v. Kre mp elhuber's treffli- cher Bemerkung, von einer schönen grüngelben Farbe wie übertüncht, was von den vorweg genannten Flechten her- rührt, welche die meist tafelförmigen Granittrümmer über- ziehen und einen überraschenden Anblick gewähren. .,Es wird nicht leicht einen Ort, bemerkt abermals treffend der genannte Naturforscher, geben, wo Lecidea geogra- phica in solcher Schönheit und in solcher üppigen Ent- wickelung und weiten Verbreitung wie hier vorkömmt." Aber auch andere Flechten (Parmelien, Umbilicarien, Leei- deen, Stereocauleen, Cladonien und schmallappige Cetra- 250 Gistel: rien) tragen mit den 2 — 3" breiten Rasen von Sphaero- phc-rus fragilis, zur Nuancirung der Färbung des vielleicbt vor tausend Jahren schon eingestürzten Kegels des Lusen bei. Welche Höhen müssen die Giganten des Sumawa vor dieser unendlich scheinenden Zeit eingenommen haben! Welche Aussicht hatte damals der kleine Mensch auf dem Gipfel, da die gegenwärtige fast nicht schöner mehr sein kann ? Der arroganteste Bursche, wenn er hier oben zwischen Himmel und Urschutthaufen steht, spürt eine Portion Demuth. Aufgeschrecktes Auerwild eilt mit schwerem und schnarrenden Fluge durch die Luft und senkt sich über die tiefer liegenden Tannen wipfel ein. Entweder schon im Hinaufweg, oder, wofern man nach Kirchl zurück will, auch im Herabsteigen wäre der Tummelplatz der Tetrao- nen zu besehen! Einsames kleines Diensthaus für Forst- leute, von einem braven Holzhauer bewohnt, der Bier und Proviant mühsam heraufträgt. Hier findet man we- nigstens guten Willen, ein gutes Glas Bier und einen Rettig! Die Hütte ist gut gebaut und von einem viereckigen, mit starken Palissaden verzäunten Platz umgeben, wie in den Prairien eines anderen Welttheiles. Tiefe Ruhe. Hinausblick in weite blauduftige Forste. Buchen- und Tannengesäusel; Amselgesang, Meisengewisper und Fin- kenschlag; ein Schrei aus rauher Kehle von einem Raub- federspiel mittlerweile. Keine Viertelstunde und der Tummelplatz für Auer- hahnwild ist erreicht — das sogenannte Grossalmeierschloss — eine hohe Gneiswand von schöner malerischer Bil- dung. Fernsicht auf tausend und aber tausend Wipfel und fern sich dehnende Hochwälder. Es rührt sich da unten Alles wipfelseelig und scheint mit dem Winde Plaisir zu treiben. Abwärts steigend schlägt der bedächtig gewordene Wanderer die Richtung nach St. Oswald ein, das er bin- nen 2 Stunden erreicht. Wer einen Führer zum Tragen der Gesteine bei sich hat, sehe sich öfter nach diesem Die Flora des Sumawa-Gebirges. 251 nm; damit es ihm nicht wie meinem Freunde Win n eb er- ger gehe , dessen Führer von Zeit zu Zeit die geogno- stischen Handstücke absichtlich aus dem Sacke zu verlie- ren wusste ! Nicht im Posthause zu Freyung, auch nicht beim Reichenberger, wo Verf. mehrere Monate logirte, bringe man seinen müden Leib zur Ruhe — länger als es sein muss; wohl aber lange und länger zu St. Oswald im Brauhause , das man nicht genug empfehlen kann, weil es das Diadem der Gasthäuser des ganzen Sumawa ist. Von hier aus unternehme der Forscher seine Touren und er wird fortwährend zufrieden dahin zurückkehren; denn aller Weisheit Ausgang ist das leibliche Wohlergehen. Auch von St. Oswald aus besteigt man den licht-lichenir- ten Lusen. Die Tour von Freyung nach Bucheck ist äusserst gering, doch lohnend für den Botanisten. In dem engen langen Felsenthal, vom Sau- und Röschwasser durchraset, bewundert man die Bizarrerie der Granitblöcke, die allent- halben hier durch-, auf- und unter einander liegen und des vegetativen Lebens dasige Triebkraft in perennirender Feuchtigkeit. Hier vermag man zur rechten Zeit die ächte Soldanella montana einzusammeln , an einem Tage tau- send Exemplare, wie die Arnica montana auf den Berg- lehnen zu Millionen, und wie Digitalis purpurea. Auch liefert diese Leite die schönsten Flechten (Parmelia lanu- ginosa, Collemen, Sticten, Endocarpen, Segestrellen, Le- eideen, Cladonien und Peltigeren) z. B. von Umbilicaria pustulata ungewönliche handgrosse Exemplare! Hier und in der nahen Leite (Schlucht) von Buch- berg i alle Namen sind da botanisch^ — in der Welt des Hol- zes — : wie Ahornöd u. s. w.) ist vom Verf. in Bayern wohl zum ersten Male der seltene einsiedlerisch lebende amphibische Potamophilus acuminatus aufgefunden wor- den, den er in der Pfalz wieder einmal getroffen hat. Wie an schönen und seltenen Vegetabilien ist der Sumawa auch an interessanten Gliederthieren nicht arm, wovon beispielsweise einige vom Verf. längst beschriebene Formen die hier zu Plause sind, angeführt werden sollen. 252 Gistel P antagasta (Hallomenidae). Caput parvum angusta- tum, antice angustius, postice subconvexum. Clypeus sub- acuminato-productus. Oculi laterales. Antennae breves, procul ab oculis insertae, deceroarticulatae , crassae, arti- culo 1° incrassato magno cylindrico, 2° 3°que brevibus, 4° 5° et 6° incrassatis dentiforniibus ; caeteris quatuor de- presso-rotundatis, subcylindricis, ultimo truncato. Prono- tum angustatum, medio convexissimum, subreflexo-margi- natum; foveola una utrinque antice maiorique una posticali mediana impressa. Scutellum elongato-subtrigonum. Elytra pronoto paullo latiora; parallela, immarginata , humeris subconvexis, posticem versus devexa, apicibus acuminatis. Corpus alatum. Alae obscurae. Pedes simplices, antici quadriarticulati, articulo basali apicalique longissimis, medii quinque - articulati ; femoribus subincrassato - compressis, tibiis denticulatis. (Pedes postici desunt.) Typus generis. P. paradoxa: tota nigra ; capite subscrobiculato; pronoto impresso -punctatissinio, trifoveolato; scutello nigro ; ely- tris castaneis, utrinque longitudinaliter striato-punctatis, profunde novemseriatis, setis disparsis obtectis , margini- bus anticis anteliumeralibus fuscis. Magnitudo Elateris (Ampedi) sanguinei. Antennarum articulis 2° 3nque basa- libus ferrugineo-rubris. Ar gante (Gistel in Jenison's Reise Append. zum III. Bde. und injenis. Doubl. Cat.) (Buprestidae). Caput rotundatum; frons impressa; oculi oblongi laterales. An- tennae breves, vel acutius vel obtuse serratae, tenues. Pronotum breviusculum, transversale, late profundeque emarginatuni, lateribus ante medium rotundato-dilatatum, ad basin angustatum; basi profunde bisinuatum, angulis lateralibus pro parte prominulis, subacuminatis; inaequali superficie, late depresso — dilatatis lateribus, antico con- vexo disco , longitudinaliterque elevato-birugoso. Elytra lateribus apicem versus integris; apice oblique truncato. Subtus carina elevata pectorali femoralique carens. — Ty- pus: Buprestis moesta Fabr., Zetterst., Gyllenh. Der Spaziergang von Freyung nach Grafenau mag 4 Stunden beanspruchen. Zuerst Heschmühle , schönes Gebäude am sausenden Reschbache; dann Bierhütte ; grosse Die Flora des Sumawa-Gebirges. 253 Brauerei. Bier zwar nicht gehaltlos, doch dürfte der Brauer bei seinem guten Willen und guten Kenntnissen endlich die unzweckmässigen Rauchdörren mit englischen Dörren vertauschen , um dem Bier den unangenehmen Beigeschmack des Rauches, der häufig auch in Grafenau und Umgegend getroffen wird, zu nehmen. In der Mitte des Weges zwischen Freyung und Grafenau liegt Pfarr- dorf Hohenau. Reinlich und ziemlich wohlhabend. Un- erwartet in solcher Einsamkeit das gute Gasthaus der Wittwe Moosbauer. Gute Weine; Reinlichkeit; gute Betten. Auch beim Krämer Kr ottenthaler finden an- spruchlose Reisende gutes und billiges Quartier. Von Hohenau weg nach Grafenau liegt das unbedeutende Dörf- lein Saldenau, welches einen Schatz birgt — ein Christus- bild in Oel von unbekannter Meisterhand — (vielleicht von Eyck). Durch freundliche Dörfchen und stets wech- selnde Thäler und Höhen — alles mit Tannen bewach- sen — gelangt man nach Grafenau, das man von Freyung kommend, nicht eher gewahrt, bis man dicht davor steht. Charakter tiefer Einsamkeit des sich vom Hügel in einen Kessel hinabziehenden Städtchens ; rings von Wald- hügeln umschlossen. Ferne kranewitblaue Wälder ! Das Herz will einem wehe thun. Dies ist der Eindruck fast aller Fernsichten im Sumawa. Gute Gasthäuser beim Enthammer; desgleichen bei Schmierdorfer (omi- nöser Name !) Glasschleife von Schmitzberger ; thätig und mit viel Kunstsinn begabt, bescheiden, aber ohne Unter- stützung und desshalb kümmernd. Von Grafenau % Stunde nach Bärnstein, einst Raub- schloss. Blick in wilde Leiten, die durch ihre herrlichen Buchenmassen das Auge erfreuen; Bärnstein selbst ist verschwunden. Die Gebäude, in denen zuletzt das Land- gerichtspersonal herrschte, sind neu und uninteressant. Von der Burg nur wenige Spuren der Reste, die, noch vor 20 Jahren ziemlich bedeutend, mit sacrilegischer Hand zerstört wurden, um Steine und, o Einfalt! Schätze zu gewinnen. Tiefe Gewölbe noch vorhanden, deren Oeffnungen jedoch, um Gefahr des Hinabstürzens zu ver- meiden, verschüttet. In einem Burgverliessloche fand 254 Gistel: Verf. vor einigen Decennien eine zoographische Rarität : Bufo Roeselii. Die imposanteste Ruine, wie auch die wohlerhal- tenste des ganzen Sumawa ist Hildegardsberg im Do- nauthale bei Vilshofen. Von hier aus botanische und entomologische Streifziige zu unternehmen, wird Keiner bereut haben. Die seltensten Lepidopteren und eine Menge Buprestiden (namentlich die Föhren liebende Chalcophora mariana in Unzahl) belohnen reichlich. Auch giebt es in Vilshofen gute und billige Gasthöfe. Die Gasthäuser in Bodenmais, Zwiesel und Regen sind passabel aber un- passabel theuer. Es wird gut sein, wie in Italien, vorher zu accordiren ; da der Ureinwohner des Gebietes blutwenig danach fragt, ob der Fremde wiederkomme. Die Bärnsteiner Leite, in welcher sich die wilde Grafenauer Ohe (Ache, Aha, daher Altach) von Fels zu Felsen stürzt, schäumend und wasserreich, wimmelnd von Forellen. Charakter ungebändigter Wildheit. Man fängt an , mit unverantwortlichem Leichtsinne die herrlichsten Stämme, den Schutz der Wände , niederzuhauen. Wolfstein ist geognostisch merkwürdig, da es auf einem Ungeheuern Dioritblocke, völlig ilsolirt dasteht, wie eine Landinsel (was die Slaven „vic" nennen, z.B. Oster- witz in Kärnten). Der Dreisessel, zu dem man von Freynng fahrend in drei Stunden gelangt, ist bequem zu ersteigen. Man übernachtet beim „Rosenberger" oder zu Neureichenau im guten Gasthause (treffliches und billiges Hühnerge- flügel). Schöner Menschenschlag — Colonisten aus allen Ländern. — Der Aufsteig zum Dreisessel und Plöcken- stein ist der lohnendste aller Bergexcursionen, in pitto- resker sowohl als naturhistorischer u. s. w. Hinsicht. Auf die Beschreibung verzichtend verweist Verf. auf seine Monographie des eben besprochenen Alpenlandes. Der Urwald des Duschelberger Königsreviers, den man auf- wärts durchzieht, zeigt die Ranen oder richtiger Rahnen, wie sie als alte, dürre Bäume, allen Rindenüberzugs gänz- lich entblösset, aber hier meist noch stehend, neben schon dahingeschleuderten ein grosses Schlachtfeld der Die Flora des Surnawa-Gebirges. 255 Natur darbietend sich mannichfach wiederholen. Aus einer hohlen Bahne zog Verf. einst einen lebenden Ve- spertilio serotinus, welchen er noch besitzt. Von St. Oswald besuche man den Rhachel; von Zwiesel aus den Arber und den Falkenstein, den Silberberg u. s. w., doch nie ohne Führer. Grosses Gewicht lege man auf die Empfehlung eines solchen. Die Kuppe des Arbers zu gewinnen sind vier gute fuchsgemessene Stunden erfor- derlich. Auch der Arber hat einen einsamen See; denn ringsumher ist die Einsamkeit ein Urton. Zwischen Gneis- gruppen trägt der König des Gebirges eine Kapelle — über der noch eine schönere — der Himmel — sich befin- det, der mehr geeignet ist, Andacht zu entzünden. Auf der Rusel lasse man sich zum Hausstein führen, um ganz Niederbayern mit einem Blicke zu überschauen und im Fernungsdufte den Rand der Südalpen zu erspähen, wo es noch weit schöner ist als im — Sumawa. Zur Orismologie des Hinterleibs von Forficula. (Erwiderung auf Dr. M e i n e r t's Bemerkungen.) Von Prof. Schaum. In den Bemerkungen über den Bau des Hinterlei- bes bei den Forficulen (d. Archiv 1864. S. 14) stützt Dr. Me inert seinen Ausspruch „dass ich mich nicht hinrei- chend in Latr eille's Theorie von dem Verhältniss zwi- schen Thorax und Hinterleib der Insekten hineingesetzt habe* mit der Behauptung „dass ich die Bezeichnung Segmentum mediale auf Latr eil 1 e hinführe, obgleich sie gar nicht, in dessen Schriften vorkommt." Zur Kritik dieser Aeusserungen wTird es genügen, hier auf Cuvier's Regne animal. T. V. p. 428 (Paris 1829) und auf Latreille's Cours d'Entomologie p. 231 u. 232 (Pa- ris 1831) zu verweisen. Am ersten Orte sagt Latr eille wörtlich „ce demi - segment , que dans mon memoire sur les appendices articules j'ai nomme segment mediaire," am anderen wörtlich „j'ai nomme ce segment (premicr arceau abdominal) devenu thoracique mödiaire."*) Mit der Angabe, dass Dr. Meinert das kleine Chi- tinstück an der Basis der Zangen von Forficula Lamina supraanalis genannt habe, habe ich ein mir unerklärliches Versehen begangen, indem M. es Lamina analis nennt, und nehme ich das in Bezug auf jenen Terminus Ge- sagte hiermit zurück. *) Es mag hier beiläufig erwähnt werden, dass in keinem der mir bekannten neuern "Werke, welche über die Organisation der In- sekten handeln, das sehr eigenthümliche Verhältniss dieses Segmen- tes zur Sprache gebracht ist. Schaum: Zur Orismologie d. Hinterleibs von Forficula. 257 Ich hatte den Beweis, dass die dreieckigen im Hin- terleibe verborgenen Platten am Grunde der Zangen von Forfiicula, nicht, wie Dr. Mein er t annimmt, den letzten Banchhalbring darstellen können, damit geführt, dass der After sich dann an der Basis des letzten Bauchhalbringes öffnen würde *), wo er sich bei keinem anderen Insekte befindet, und dass diese Platten gar nicht mit dem vor- hergehenden Bauchsegmente verbunden sind. Statt irgend ein anderes Insekt zu nennen, bei dem der After eine andere Stelle als die unter dem letzten Rücken- und über dem letzten Bauchharbringe (an der er nach meiner Deu- tung der Theile auch bei Forficula gelegen ist) einnimmt, glaubt Dr. Meinert diese Argumente mit der Annahme entkräften zu können, dass bei den Forficulen die Ent- wickelung der Zangen eine Veränderung- in der Lage des Afters und die Trennung des Bauchhalbringes von dem vorhergehenden zur Folge haben könne. Meinert's Auffassung führt aber auch noch zu anderen Consequen- zen, die ebenso triftige Gründe gegen die Richtigkeit der- selben liefern als die Lage des Afters. Wenn die drei- eckigen Platten den letzten Bauchhalbring darstellten, so würden bei Forficula die Anhänge eines Segmentes (die Zangen) zugleich mit dem Rücken- und mit dem Bauch- halbringe desselben Segmentes verbunden sein, ein Fall der auch nicht weiter vorkommen dürfte. Es würden ferner die Forficulen auch darin von allen anderen Insek- ten abweichen, dass der letzte Bauchhalbring in beiden Geschlechtern gleich, der ihm vorhergehende aber ver- schieden gebildet ist. Bei den anderen Insekten ist es gerade der letzte Bauchhalbring, der sich in den beiden Geschlechtern ganz verschieden verhält. *) Ich habe gesagt vor der Basis der dreieckigen Platten, Dr. Meinert sagt hinter derselben. Es ist dies ein ganz unwesent- licher Punkt, das Wesentliche ist, dass der After an der Basis des letzten Bauchhalbringes liegen würde. Wenn die Platten im Hinter- leibe -verborgen sind, so liegt die Afteröffnung ein wenig hinter der Basallinie derselben, wenn sie aber bei Bewegungen der Zange her- vortreten, oder wenn man sie hervorpresst, so liegt die Afteröffnung vor der Basallinie, wie ich dies gerade in Bezug auf den letzteren Fall gesagt hatte. Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. yj 258 Schaum: Zur Orismologie d. Hinterleibs von Forficula. Wenn ich aus diesen Gründen die dreieckigen Platten nicht als den letzten Bau chhalbring ansehen kann, sondern sie ihrer Lage und Verbindung wegen als Grundtheile der Zangen bezeichnet habe, so fällt auch jeder Grund fort, die grosse obere Endplatte des Hinterleibes bei Forficula als Rückenhalbring eines Segmentes zu betrachten; sie ist vielmehr völlig der Lamina supraanalis der Locusten analog, ein am Hinterleib angebrachtes Skelettstück, wel- ches den After, wie die Oberlippe den Mund, von oben bedeckt. Die Zangen, welche diese Platte trägt, sind die Analoga der bei den Locusten an demselben Stücke angebrachten Raife. Dr. M einer t hält, wie aus dem Schlüsse seiner Bemerkungen hervorgeht, an seinen Bezeichnungen fest, weil er von der Ansicht ausgeht, dass die typische Zahl der Hinterleibsringe bei den Insekten nicht neun sondern zehn ist, und weil er diese zehn Ringe bei den Forficulen nachweisen will. Auch bei vielen Larven sollen sich hin- ter dem letzten stigmentragenden (8.) noch zwei deutliche Segmente zeigen, von denen das letzte sogar oft mit Be- wegungsorganen (Afterfüssen , Kletterhaken) ausgestattet ist. Der Vorstellung, die ich mit einem Segmente ver- binde, entspricht aber der hintere dieser beiden Theile (das angebliche 10. Segment) nicht *), da er nur in einem vortretenden Afterrohre besteht; auch da nicht, wo er mit Bewegungsorganen versehen ist ; es wäre im letzten Falle erst nachzuweisen, dass diese Organe von Muskeln dieses Theils bewegt würden. Bewegliche Anhänge befinden sich auch als Raife und Zangen an der Lamina supraana- lis der Orthopteren, berechtigen aber nicht, die letztere als einen Segmenthalbring zu bezeichnen, da sie nicht von be- sondern Muskeln dieses Theils bewegt werden. *) Dass ein Einschnitt in der Körperbedeckung eines Insekts für sich allein noch nicht zur Annahme eines Segmentes genügt, beweist u. A. der in zwei Abschnitte getheilte Kopfring mancher Dipterenlarven (der Larven von Cecidomyia, der Oestriden). Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlaiids. Von Dr. Anders Johan fflalnigren. Aus dem Schwedischen von Dr. C. F. Frisch. Die ersten Nachrichten über die Fischfauna Finlands hat P.A. Gadd geliefert in seinem o,.Förfök tili Ichthyo- logia Fennica", aufgenommen in Abo Tidningar 1771, S. 153 und 163, so wie 1772. S. 364 u. 372. Sein Verzeich- niss, welches offenbar mit Leitung der Arbeiten Linne's entworfen ist und sich nur in sehr wenigen Fällen auf eigene Erfahrung oder Autopsie gründet, nimmt leider all- zuviele Arten auf, welche niemals an unsern Ostseeküsten gefunden sind und dort niemals gefunden werden können, als dass man diesem „Versuche" das Verdienst zuschrei- ben könnte, zur Verbreitung der Kenntniss über die ichthyologischen Verhältnisse unseres Landes wesentlich beigetragen zu haben. Von grösserem Werthe ist Dr. Radloff's Verzeichniss der Fische Alands1), welches, wenn auch keineswegs vollständig, vor Gadd's Arbeit den Vorzug besitzt, dass die Bestimmungen und die sy- stematischen Benennungen richtig sind bis auf drei Aus- nahmen. Mit Leitung dieser Vorarbeiten von Gadd und Ra dlo ff arbeitete S adelin in Fauna Fennica II, 1819 ein allgemeines Verzeichniss über die Fischarten aus, welche nach seiner Ansicht der Fauna Finlands angehör- ten. Alle von Gadd und Radioff angeführten Arten nahm er ohne die geringste Bedenklichkeit auf, und die Anzahl solcher, die unmöglich unserer Fauna ange- 1) Beskrifning öfver Aland 1795. S. 232. 260 Malmgren: hören können, wurde von Sadelin noch mit einigen Arten vermehrt. Durch ein solches Verfahren wurde der ichthyologische Theil seiner Fauna Fennica gänzlich un- brauchbar. Die vielen darin vorkommenden ungereim- ten Angaben zur Widerlegung aufzunehmen, würde uns allzu weit führen und überdies für die Wissenschaft von gar keinem Nutzen sein. Set den Zeiten Sadelin's hat kein Zoolog es bei uns der Mühe werth erachtet, mit Anwendung der nöthigen Kritik die sparsamen Notizen über die Fischfauna Fin- lands zu sammeln, welche zerstreut in den verschiedenar- tigsten Schriften zu finden sind, oder selbst diesen Theil unserer Fauna einer gründlichen , auf eigene Erfahrung gestützten Bearbeitung zu unterwerfen. Wenn ich jetzt mit einer, hauptsächlich auf eigene Erfahrung gegrün- deten Darstellung über die Grundzüge der Fischfauna Finlands hervorzutreten wage , so geschieht dieses mit dem Bewusstsein, dass auch dieser Versuch in mancher Rücksicht noch unvollständig und vieler Zusätze und Ver- besserungen bedürftig ist. Gleichwohl hege ich die Hoff- nung, dass dieser Aufsatz für eine künftige vollständigere Bearbeitung der Fischfauna Finlands nicht ganz un- brauchbar befunden werden wird. Das Gebiet, von dessen Fischfauna diese Abhand- lung die Grundzüge darzulegen bestimmt ist, wird nicht eingeschlossen von den nach Gutdünken gezogenen Gren- zen, welche Finland in politischer Hinsicht von den an- grenzenden Staaten absondern, sondern vielmehr von den sogenannten natürlichen Grenzen Finlands. Im Norden grenzt unser Fauna- Gebiet an den Waranger -Fjord und das Eismeer, im Westen an den bosnischen Meerbusen, im Süden an den finnischen, und im Osten an das weisse Meer und an die tiefen Waldgegenden zwischen diesem Meere und dem östlichen Ufer des Ladoga-Sees. Zwi- schen dem bosnischen Meerbusen und dem Waranger- fjord ist gegen die Skandinavische Halbinsel keine natür- liche Grenze vorhanden, daher wir uns hier mit der po- Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 261 litischen begnügen müssen, die wir uns bis an den inner- sten Theil des Warangerfjordes fortgezogen denken. Die natürliche östliche Grenze von dem weissen Meere bis an den Ladoga wird gebildet von den weiten mit tiefem Walde bedeckten Heiden und Sandrücken mit dazwischen liegenden Morästen, welche sich von der südwestlichen Ecke des weissen Meeres in südwestlicher Richtung im Westen des Onega-Sees bis an das östliche Ufer des Ladoga ausbreiten.) Näher bestimmt meinen wir, dass diese Grenze gezogen werden müsse im Osten des Sees Wig und des Flusses Wig in fast gerader Richtung nach der Gegend des östlichen Ufers des Ladoga, wo die po- litische Grenze ist. Von hier wird die Grenze in süd- westlicher Richtung quer über den Ladoga fortgeführt bis in die Gegend südlich von Kexholm, wo die politi- sche Grenze wiederum mit der natürlichen zusammenfällt. Das Flussthal der Newa, das des Swir und den Onega- see können wir nicht zu den natürlichen Grenzen Fin- lands zählen, denn hier begegnet uns schon ein so mäch- tiges mittel-europäisches und russisch-asiatisches Element in der Fauna und Flora, dass die Grenze hier nicht län- ger scharf oder natürlich wird. Flussthäler und Land- seen können im Allgemeinen nicht als natürliche Gren- zen dienen, während dagegen ausgedehnte Sandfelder mit tiefen und mächtigen Wäldern eine weit sichrere Scheide- mauer zwischen verschiedenen Fauna- und Floragebieten bilden. Diese Gebiete bestehen hier auf der einen Seite in dem skandinavisch-finnischen und auf der anderen in dem mitteleuropäischen und russisch-asiatischen. Die sämmtlichen skandinavischen Naturforscher, die finnischen mit eingerechnet, welche sich ein Verdienst um die finnische Naturgeschichte erworben haben, als W. Nylander, J. E. Bonsdorff, A. v. Nord mann, Th. Saelan und M. v. Wright, haben angenommen, und einige , z. B. W. Nylander und W. L i 1 1 j e b o r g, mit deutlichen und klaren Thatsachen bewiesen, dass die natnrhistorische Grenze zwischen dem skandinavisch-fin- nischen und dem russisch-sibirischen Gebiete von dem weissen Meere und dem Landstriche zwischen diesem 262 Malmgren: Meere und dem Ladoga gebildet wird. Wenn auch ich diese Grenze als die einzige natürliche aufstelle, so ge- schieht das nicht in Folge eines willkührlichen Einfalles oder auf den Grund eines bequemen Autoritätsglaubens, sondern in Uebereinstimmung mit der Forderung der Naturnotwendigkeit. Alles im Westen dieser Grenze ist skandinavisch-finnisch, sei es in geognostischer, zoolo- gischer oder botanischer Hinsicht, ja ich möchte geneigt sein hinzuzufügen auch in ethnographischer. Im Osten beginnen Russland und Sibirien. Die Anzahl der bis jetzt innerhalb des auf solche Weise begrenzten Finlands mit Bestimmtheit gefundenen Fischarten beträgt 80; doch ist dabei wohl zu bedenken, dass ein ansehnlicher Zuwachs in unserer Fauna von un- serer Küste des Eismeeres und des weissen Meeres zu er- warten ist, wenn diese erst der Gegenstand sorgfältiger Untersuchungen werden wird. Die von dieser Küste bis jetzt mit Gewissheit bekannten Fische bestehen aus 33 Arten, von denen 7 ausschliesslich vom weissen Meere bekannt sind, nämlich : Cottns quadricornis, Liparis linea- tus , Anarrhichas pantherinus, Platessa Dvinensis , Gadus Navaga, Gadus Saida und Clnpea Harengus v. membras. Von den übrigen 26 Arten leben 23 auch in West-Finmar- ken, die übrigen 3 Arten dagegen gehören der hochnordi- schen Meerfauna an, nämlich : Liparis barbatus Spitzber- gen, Phobetor tricuspis Grönland und Spitzbergen, und Aspidophorus decagonus nur Grönland. Es bestätigt sich also auch bei der Fischfauna, was man aus vielen Grün- den zu vermuthen Anlass hat, dass die marine Fauna an dieser Küste eine Mischung von Thierformen ist, die drei verschiedenen Stämmen oder Fauna-Gebieten angehören, nämlich dem skandinavisch - europäischen, dem grönlän- disch - spitzbergenschen und dem russisch - sibirischen. Das russisch - sibirische Element tritt im weissen Meere schon an der westlichen Küste desselben merklich hervor, ist aber an der östlichen besonders deutlich ausgeprägt. Es lässt sich auch voraussehen, dass von der Ostsee- seite und vielleicht auch von dem südlichen Theile des Ladoga die eine und die andere, unsere Gestade zufällig Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 263 besuchende Art künftig in der Fauna Finlands einen Platz erhalten wird, und es wäre mit keiner Schwierigkeit verbunden, schon im Voraus ein Verzeichniss über diese möglichen Acquisitionen zu entwerfen ; doch muss ein solches Verfahren vermieden werden, weil es leicht zu Missbräuchen und Missverständnissen Anlass geben kann. Es ist früh genug, dieselben in die Fauna zu introdu- ciren, wenn sie erst in unserem Faunagebiete angetroffen worden sind. Unsere eigentlichen Süsswasserfische, 38 Arten bil- dend, kommen auch in der skandinavischen Halbinsel vor, doch mit Ausnahme zweier, nämlich der über ganz Finland verbreiteten Cobitis barbatula, so wie des Pelecus eultratus, welcher bis jetzt mit Gewissheit nur vomLadoga bekannt ist. Beide stammen augenscheinlich aus dem euro- päischen Russland her. Denselben Ursprung haben bei uns auch Cobitis Taenia, Petromyzon Planeri und viel- leicht auch Gobio fluviatilis und Aspius rapax. Die übri- gen 32 Arten sind skandinavischen Ursprunges. Von un- seren eigentlichen Süsswasserfischen fehlen 5 (vielleicht 7) Arten in der Ostsee, nämlich Petromyzon Planeri, Sal- mo alpinns, Coregonus Nilssonii, Cobitis barbatula, Silu- rus Glanis, (Coregonus Maraena und Aspius rapax). Die übrigen 31 Arten leben in unseren Scheren zusammen mit 21 Arten eigentlicher Meerfische. Von diesen letzt- genannten sind 10 gemeinsam mit dem Eismeere ; die übrigen haben ihre eigentliche Heimath in der Nordsee und fehlen im Eismeere. Die Meerfische , welche der nördliche Theil der Ostsee mit der Nordsee gemeinsam hat, welche aber an unserer Küste des~Eismeeres noch nicht angetroffen wor- den, sind: Cottus bnbalis, Spinachia vulgaris, Gobius ni- ger, Gobius minutus, Rhombus maximus, Ammodytes lan- ccolatus , ßelone vulgaris , Clupea Sprattus , Siphostoma Typhle, Nerophis Ophidion und Acipenser Sturio. Mit Ausnahme von Clupea Sprattus und vielleicht Nerophis Ophidion sind alle diese Arten bei uns nur zufällig vor- kommende, d. h. sie pflanzen sich, so weit bekannt, an unseren Küsten nicht fort. Keine derselben geht weit 264 Malmgren: hinein in den bosnischen und finnischen Busen, die mei- sten kommen sehr sparsam vor und viele, z. B. Rhombus, Ammodytes, Acipenser und Belone, zeigen sich an un- seren südwestlichen Küsten in grossen, kräftig ausgebil- deten einzelnen Individuen, welche letzterwähnte That- sache an die Hand giebt, dass diese nur wandernde Fische sind. Die Seltenheit und geringe Verbreitung dieser Arten an unseren Küsten, so wie der Umstand, dass bei uns gewöhnlich nur grosse Individuen gefangen werden, beweist deutlich, dass sie in dem nördlichen Theile der Ostsee nicht einheimich sind, sondern durch das Oresund in die Ostsee eingewandert und von dort an unsere Küsten gelangt sind. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit auf die Arten von Meerfischen in dem nördlichen Theile der Ostsee, welche mit denen des Eismeeres gemeinsam sind, so fin- den wir, dass es sich mit ihnen ganz anders verhält. Die Eismeerfische, welche auch in der nördlichen Ostsee an- getroffen werden, sind: Cottus Scorpius, Cottus quadri- cornis, Cyclopterus Lumpus, Liparis barbatus, Centrono- tus Gunellus, Zoarces viviparus , Platessa Flesus, Gadus Morrhua, Clupea Harengus v. membras und Lampreta marina. Wir finden gleich beim ersten Blicke unter die- sen Arten solche, die von allen Meerfischen bei uns am zahlreichsten vorkommen, und die in den innersten Thei- len des bottnischen und finnischen Meerbusens ansässig sind. Ich brauche hier nur aufmerksam zu machen auf den Strömling (Clupea Harengus v. membras), See- skorpion (Cottus Scorpius), Seebul (Cottus quadri- cornis), Dorsch (Gadus Morrhua) und die Flunder (Patessa Flesus). Alle diese pflanzen sich an unseren Küsten überall fort und zeigen sich hier vollkommen ein- heimisch. Sie gleichen ihren Stammeltern im Eismeere in allen Theilen und weichen von ihnen nur ab durch ihre im Allgemeinen geringere Grösse. Die Ostseefor- men sind klein, verkrüppelt, mager, fast verhungert in Vergleich mit den entsprechenden Repräsentanten im Eismeere. Ich erinnere nur an Cottus Scorpius, der bei uns~höchstens 7 — 10 Zoll lang wird, im Eismeere dage- Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 265 gen gewöhnlich 14 — 16 Zoll, Gadus Morrhua, von dem bei uns nur 2 — 6 Pfund schwere Individuen gefangen werden, der aber im Eismeere eine Grösse von 10 — 40 Pfund erreicht, Cvclopterus Lumpus, Zoarces viviparus u. a., welche sämmtlich im Eismeere unvergleichlich grösser werden als an unseren südlichen und westlichen Küsten. Dagegen sind diejenigen Arten, welche sich bei uns nicht fortpflanzen und augenscheinlich durch das Oresund in die Ostsee gekommen sind, im Allgemeinen wenig- stens eben so gross, wie in dem Westmeere. Von eini- gen in der nördlichen Ostsee höchst seltenen Arten, als Lampetra marina und Centronotus Gunellus, von denen es über allen Zweifel erhaben ist, dass sie nur auf ihren Streifzügen in das Innere der Ostsee unsere Küsten be- suchen, sind die in der Ostsee gefangenen Individuen die grössten, welche ich gesehen habe. Unter den Meerfischen, welche der nördlichen Ost- see und dem Eismeere gemeinsam sind , giebt es ausser- dem drei Arten, die auf unsere Aufmerksamkeit ganz besonders Anspruch machen, nämlich: Cottus quadricor- nis, Liparis barbatus und Clupea Harengus v. membras. Diese kommen nur in den nördlichen Theilen der Ostsee vor, fehlen jedoch gänzlich in den südlichen Theilen der- selben und an der ganzen westlichen Küste Skandina- viens. Es kann daher keinem Menschen einfallen anzu- nehmen, dass diese durch das Oresund in die nördli- chen Theile der Ostsee gekommen sind. Der Prof. S. Loven hat in den letzten Jahren die besondere Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf einige kleine Thierarten von maritimem Ursprünge gerichtet, welche nach und nach entdeckt worden sind im Wener, Wetter, Uleäträfk, Rehja, Höytiäinen, Pyhäfelkä, Ladoga und in der Ostsee. Diese werden als der Nord- see und dem atlantischen Ocean völlig fremde befunden, mehrere derselben aber, z. B. Idothea entomon, Gamma- rus loricatus, Halieryptus spinulosus und Polynoe Sarsi sind schon in ihrer kraftvollsten Entwickelung in den kältesten Theilen des Eismeeres gefunden worden. Prof. Lovön hat mit Recht den Erklärungsgrund dieser Eis- 266 Malmgren: meerthiere in der Tiefe unserer grossen Landseen und in der Ostsee in einem ehemaligen Zusammenhange zwi- schen der Ostsee und dem Eismeere gesucht. Während der zweiten Hälfte der s. g. Glacialzeit stand der grösste Theil des Festlandes Finlands und des mittleren Schwe- dens unter das Meer gesenkt, und die Ostsee, welche sich damals wahrscheinlich nicht so weit gegen Süden er- streckte, wie in unseren Tagen, auch nicht mit der Nord- see in Verbindung stand, war damals ein grosser Busen des Eismeeres. Durch die fortgesetzte Hebung des skan- dinavischen Nordens wurden allmählich die Ostsee von dem Eismeere und die grossen Landseen nach und nach von der Ostsee abgeschieden. In demselben Verhältnisse, wie das Meerwasser in der abgeschiedenen Ostsee den Charakter des Landseewassers annahm , starb die höchst wahrscheinlich reiche Meerfauna aus, mit Ausnahme eben dieser Eismeerthiere, die dort und in unseren Land- seen noch fortleben. — Dieses ist in dem kürzesten Aus- zuge die von Prof. Loven dargestellte Erklärung, und wir nehmen dieselbe unbedingt an und machen davon hier eine Anwendung, um die Frage zu erörtern, deren Lösung wir uns vorgesetzt haben. Seit jener Zeit, da das weisse Meer mit der Ostsee zu- sammenhing, lebt noch der Seebul im Wetter und Ladoga, so wie im bottnischen und finnischen Meerbusen. Dieser Fisch kommt, wie schon erwähnt, in der südlichen Ost- see und im ganzen Westmeere gar nicht vor, lebt jedoch, kräftig entwickelt, im weissen Meere und weiter östlich wahrscheinlich in dem ganzen kalten asiatisch-amerika- nischen Eismeere bis an die s. g. Parry-Inseln (Melville Isl.). Liparis barbatus, dieser seltene hyperboräische Dop- pelgänger aus derselben längst entschwundenen Zeit, führt ein hinsterbendes Leben in den nördlichsten Thei- len der Ostsee, während seine Stammeltern in üppigem Wohlbefinden bei Spitzbergen und Kamtschatka leben. Der kleine Strömling (Clupea Harengus v. membras), der so zahlreich an unseren Küsten ist, zählt zwar eine entfernte Verwandtschaft mit den grösseren Formen des Häringes in der südlichen Ostsee und im Westmeere, ist Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 267 jedoch nicht identisch mit diesen, sondern mit einem in jeder Hinsicht ähnlichen Strömling im weissen Meere. Wenn dem mm so ist, dass diese drei Fischarten als an unseren südlichen und westlichen Küsten von der Zeit her fortlebend gedacht werden müssen, da die Ost- see noch ein Busen des Eismeeres war, warum sollte das nicht auch der Fall gewesen sein mit anderen Fischarten, auf welche die Veränderung in der Beschaffenheit des Meerwassers keine tödtende Wirkung ausübte ? Mehrere gewichtige Gründe zwingen mich zu der Annahme, dass auch folgende Arten gleichzeitig und auf gleichem Wege in den nördlichen Theil der Ostsee gekommen sein müs- sen, nämlich: Cottus Scorpius, Cyclopterus Lumpus, Zoar- ces viviparus, Gadus Morrhua und vielleicht auch Platessa Flesus. Die Gründe, auf welche ich diese meine Ansicht baue, sind hauptsächlich folgende : 1) Diese Arten sind nebst Cottus quadricornis und Clupea Harengus v. membras die allgemeinsten unter allen unseren Meerfischen, sie sind in den innersten Thei- len der Scheren ausgebreitet und pflanzen sich auch an unseren südlichen und westlichen Küsten fort. Dagegen sind die aus der Nordsee stammenden, durch das Oresund eingewanderten Arten im Allgemeinen selten; sie gehen nicht weit hinein in den bottnischen oder finnischen Meerbusen, vermeiden die inneren Scheren, und man weiss mit Gewissheit nur von einer einzigen Art, Clupea Sprattus, dass sie sich an den südwestlichen Küsten Fin- lands fortpflanzt. 2) Diese Arten sind in der nördlichen Ostsee im Allgemeinen weit kleiner als im Eismeere und im West- meere, welches beweist, dass die Ostseeformen degene- rirt sind. Fände eine noch fortdauernde Einwanderung durch das Oresund statt — und ich kann nicht einsehen, warum diese nicht länger fortdauern sollte, wenn sie ein- mal angefangen hatte — so müssten die fraglichen Arten in der Ostsee keineswegs degenerirt sein, denn es ist faktisch, dass die meisten Arten , von denen bewiesen werden kann, dass sie durch das Oresund in den nördli- chen Theil der Ostsee gekommen sind, vollkommen so 268 Malmgren: gross und kräftig entwickelt sind, wie die im Kattegat und in der Nordsee lebenden. 3) Es streitet gegen alle Erfahrung und vernünftige Naturordnung, wenn man annehmen wollte, diese Arten wären aus ihrer eigentlichen Heimath, dem salzigen Meere mit seinem reichen Ueberflusse an Nahrungsmitteln, frei- willig in die innersten Theile der Ostsee eingewandert, um dort ein dürftiges Leben zu führen und eine degene- rirte Nachkommenschaft fortzupflanzen. In der nachfolgenden Darstellung der Fischarten Finlands bin ich dem ziemlich allgemein angenomme- nen Systeme J. Müller's gefolgt; doch mit den Verän- derungen , wozu die Fortschritte der Wissenschaft Anlass gegeben haben. I. Teleostei. Acanttiopteri. l. Fam. Percoidei. Perca L. Barsch 1. P. fluviatilis L. Artedi, Genera piscium p. 39. n. 1. „ Descript. spec. pisc. p. 74. n. 1. „ Synon. nom. pisc. p. 66. n. 1. Perca fluviatilis L. Syst. natur. edit. XII, 1. p. 481. n. 1. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschlands II. p. 66 Taf. 52. ,, Pallas, Zoographia Kosso-Asiatica III. p. 248. „ CuvieretValenciennes, Histoire natur. des Pois- sons 4to II. p. 14. „ Kröyer, Danmarks Fiske I. p. 1. „ W. v. Wright, Ek ström et Fries, Skandin. Fiskar Taf. I. fig. 1. „ Nilsson, Skandin. Fauna IV. p. 5. ^ „ Heckel u. Kner, Die Süsswasserfische der Oester- reichischen Monarchie p. 3. „ S i e b o 1 d , Die Süsswasserfische von Mitteleuropa p. 44. The Perch Yarrel, British Fishes, 3. edit. IL p. 112. Schwedisch Abborre. Finnisch Ahven. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 269 Der Barsch ist ein im ganzen Lande vorkommen- der Süsswasserfisch. Er ist eben so zu Hause in den Scheren Finlands und des bottnischen Meerbusens, wie in Flüssen, Seen und Sümpfen bis hoch hinauf in Lapp- marken (Kilpisjaur, 69° N. B.). Die Laichzeit ist zu verschiedenen Zeiten in den verschiedenen Strömen und variirt sogar ganz bedeutend in einem und demselben Gewässer wegen der Unregelmässigkeit des Aufbruches der Eisdecke. Man kann annehmen , dass die Laichzeit im ganzen Lande von dem Anfange des Mai bis zur Mitte des Juni eintrifft. Luciopera Cuv. 3. IL, Sandra Cuv., Zander. Artedi, Gen. pisc. p. 39. n. 2. „ Descript. spec. pisc p. 76. n. 2. „ Syn. nom. pisc. p 67. n. 2. Perca Lucioperca L. Syst. Natur, edit. XII, 1. p. 481. n. 2. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschlands II. p. 62. Taf. 51. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p.247. Lucioperca Sandra Cuv. etVal. Hist. nat. des Poiss. II. p.81. Taf. 15. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 32. „ Nilsson, Skandin. Fauna IV. p. 22. „ Heckel u. Kner, Süsswasserf. d . Oesterr.M. p. 8. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 51. Schwedisch Gös. Finnisch Ktiha. In den meisten unserer tiefen Landseen von 66,5° N. B. bis in das südlichste Finland kommt der Zander vor und wird in nicht geringer Menge mit Netzen und Ha- men gefangen. Ich habe ihn in Uleäträfk, Pielisjärvi, Ladoga !) gefunden, so wie auch in mehreren Landseen in Satakunta , als: Kyröfelkä, Karijärvi in Luvia; Ifo- järvi in Saftmola und Joutsjärvi in Kulla. Nach Dr. Widegren2) ist der Zan der in dem Kirchspiele Ofver- 1) In British Museum wird ein Individuum dieses Fisches aus dem Ladoga aufbewahrt, nach Günther, Catalogue of the Acan- thopterygian Fishes in British Museum I. p. 75. 1859. 2) Om Fiskfaunan och Fiskerierna i Norrbottens Län 1860 S. 4 (Reisebericht an die Landwirtschaftliche Akademie). 270 Malmgren: Torneä vorhanden. In Nyland kommt er an mehreren Orten vor, z. B. im Art-See. In den westliehen Scheren Fin- lands habe ich diesen Fisch nicht angetroffen, was auch übereinstimmt mit der Angabe des Prof. Sundevall1), dass er gänzlich in den Stockholmer Scheren fehlt ; dage- gen wird er an der Südküste östlich von Helfingfors ziem- lich allgemein gefangen. Doch scheint er der Ostsee nicht ganz fremd zu sein , denn N i 1 s f o n hat ihn ein- mal von dort erhalten, und Eckström2) hat ihn in den Scheren bei Mörkö, südlich von Södertelje, gefangen. Radioff führt ihn auch für Aland auf. Das Laichen wird auf hartem, steinigen Boden in einer Tiefe von 2 — 4 Faden verrichtet. In Uleäträfk, Jouts- järvi n. a. fällt die Laichzeit in das Ende des Juni, im Ladoga soll sie schon im Frühlinge sein Acerina Cuv. 3. A. cernua L. Kaulbarsch, Schroll. Artedi, Gen. pisc. p.40. n. 4. „ Descr. spec. pisc. 80. n. 3. „ Syn. nom. pisc. p. 68. n. 4. Perca cernua L Syst. Nat. XII, 1. p. 487. n. 30. Bloch, Fische Deutschi. IL p. 74. Taf. 53. fig. 2. „ Pallas, Zoogr. R. -Asiat. III. p. 245- Acerina vulgaris Cuv. et Val. Hist. nat. d. Poiss. III. p. 4. Taf. 41. „ W. v.Wright, Ekströni et Fries, Skand. Fis- kar Taf. 1. fig. 2. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 28. „ Heckelu. Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. M. p. 19. „ (Perca cernua) Kröyer, Danm. Fiske I. p. 43. Acerina cernua Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 58. The Ruffe Yarrel, Brit. Fish. 3. ed. IL p. 122. Schwedisch Gers. Finnisch Kiiski. Der Kaulbarsch ist allgemein in allen fliessenden Gewässern Finlands bis hinauf an den Polarkreis ; auch kommt er an den Küsten des bosnischen und finnischen Meerbusens in Menge vor. In Hvittisbofjärd (nördlich von 1) Berättelse om Fiskeriet i Stockholms Läns skärgärd 1851 in Stockholms Läns Hushällningssällskapets Handlingar, Heft 6. S. 83. 2) Mörkö-fiskar, K. Vetenskaps Akad. Handlingar 1831. S. 94. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 271 Björneborg) wird der Kaulbarsch in grosser Menge im Winter mit Eisnetzen gefangen. Laicht früh im Frühling. 2. Fam. Triglidae Kaup. *) a. 8 cor 'paenini (Kaup) Günther. 2) Sebastes Cuv. 4. S. norvegicus Müll. Perca marinct L. Fauna Svec. edit. alt. p. 118 (pro parte). Perca norvegica 0. Müller, Prod- Zool. Danic. p. 46. n. 390. „ Fabricius, Fauna Grönl. p. 167. n. 121. „ Ascanius, Icon. rer. nat. Taf. 16. Sebastes ?wrvegicus Cuv.etVal. Hist. nat. d.Poiss. IV. p. 240. Taf. 87. „ Kröyer, Danmarks Fiske I. p. 159. „ „ Naturhist. Tidskr., iiyRaekkel. p. 270. b Nilsson, Skand. Faun. IV. p. 91. The Bcrgylt and Nortcay HaddockY arrel Brit. Fish. 2. ed. II. p. 72. Couch, Fishes IL p. 3. fig. 58. Schwedisch Kungsßsk. Finmarken Ouer, Uer. Dieser Fisch ist längs der ganzen Westküste Nor- wegens allgemein bis an das Nordkap. Wie weit er im Osten an der europäischen Eismeerküste vorkommt, ist nicht bekannt; doch in dem Warangerfjörd kommt er vor nach Exemplaren, die E. Nylander und M. Gadd von dort geholt haben. Lilljeborg erwähnt desselben nicht von Schuretskaja. Bei Grönland kommt dieser Fisch vor und vielleicht auch bei Spitzbergen, denn Scoresby 3) erwähnt unter dem Namen von Mullus barbatus? eines rothen, zwölf Zoll langen Fisches, der einem Seehunde aus dem Maule genommen wurde und vortrefflich schmeckte, als er gekocht wurde. b. C ottini (Kaup) Günther. 2) Cottus L. 5. C. goMo L., Kaulkopf, Koppen. Art edi, Gen. pisc. p. 48. n. 2. 1) Archiv für Naturgesch. 1858. S. 329. 2) Catalogue of the Acanthopterygian Fishes in British Mus. IL S. 87. 3) Account of the Arctic Regions I. S. 541. 272 Malmgren: Artedi, Descr. pisc. p. 82. n. 1. „ Syn. nom. pisc. p. 76. n. 1. Coltvs gobio L. Syst. Nat. edit XII, 1. p.452. n. 6. Bloch, Fische Deutschi. II. p. 12. Taf. 39. fig. 1. 2. Pallas, Zoogr. R.-Asiat. III. p. 125. „ Cuv. et Val., Hist. Nat. d. Poiss. IV. p. 106. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 141. ,, W. v. Wright , Ekström et Fries, Skand. Fiskr. Taf. 7. fig. 2. „ Nil s s o n; Skand. Fauna IV. p. 64. „ He ekel et Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. M. p. 27. „ Siebold, Süsswasserf. von Mittelem*, p. 62. Cottus affinis Hecke 1, Ann. des Wiener-Museums II. p. 145. The river Bullhead Yarrel, British Fishes IL p. 48. Schwedisch Stensimpa. Finnisch Kivihala (Kajana), Rantala- tikko, Rantamaihho (Ladoga). Heckel hat 1. c. den skandinavischen Cottus gobio als eine eigene Art unter dem Namen Cottus affinis auf- gestellt, in der Vermuthung, dass diese Art verschieden wäre von seinem in dem mittleren Europa vorkommenden Cottus gobio. Ekström J) hat nämlich aus Irrthum angegeben, dass die Strahlen der Bauchflossen bei dem schwedischen C. gobio an der Spitze getheilt sind, und in dem Texte zu Skandin. Fiskar Taf. 7. Fig. 2 ist diese Angabe in so weit bestätigt worden , als es dort heisst, dass die Flossenstrahlen dieses Fisches im Allgemeinen eine Neigung zeigen, sich an der Spitze zu theilen. Aus diesem Grunde nahm Heckel den skandinavischen C. gobio für eine eigene Art an und gab ihm den Namen C. affinis, obgleich er keine Exemplare davon gesehen hatte. Diese imaginäre Art ist darauf in einige systema- tische Arbeiten aufgenommen worden, z. B. in Catalogo metodico dei pesci europei di C. Bonaparte S. 95 und in Charles Girard's2) A monograph of the Cottoids, S. 5, wesshalb es nicht überflüssig sein dürfte, hier zu er- wähnen, dass Prof. Sundevallin Vetenskaps Akade- miens öfversigt 1851. S. 186 schon die Unnahbarkeit der 1) Mörkö Fiskar, Kongl. Vetenskaps Akademiens Handlingar 1831. S. 309. 2) Smithsonian contributions to knowledge Vol. III. Art. 3. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 273 ArtHeckel's deutlich dargetlian hat. Der skandinavi- sche Fisch hat nämlich die Strahlen der Bauchflossen an der Spitze eben so ungetheilt wie der mitteleuropäische, und wenn sich eine scheinbare Andeutung zu einer Thei- lung in den Strahlenspitzen zeigt, so beruht dieses auf einer feinen Falte in der Haut der Strahlen, keineswe- ges aber auf einer Theilung der Strahlenspitze selbst. Ueber ganz Finland kommt der gemeine Kaulkopf sehr allgemein vor in Flüssen und Bächen bis an den Polarkreis hinauf (Widegren 1. c.) und wird auch sehr zahlreich gefunden an den Ufern der Scheren des bos- nischen und finnischen Meerbusens, so wie auch im La- doga, auch kommt er wahrscheinlich in anderen grösseren Seen des Landes vor. Er hält sich in einer Tiefe von 1 — 3 Fuss unter Steinen auf. Die Exemplare von Kajana und einigen anderen Orten Finlands zeichnen sich aus durch 3 — 4 undeutliche dunkle Querflecken an den Bauch- flossen, die nach und nach verschwinden, wenn der Fisch in Spiritus aufbewahrt wird; doch gehören sie nichts desto weniger der fraglichen Art an, denn ich habe Ge- legenheitgehabt, sie mit solchen zu vergleichen, die keine Flecken an den Bauchflossen haben, und keine Charak- tere gefunden, welche zu einer Artenunterscheidnng be- rechtigen könnten. Von Cottus poecilopus *), der bei 1) Eine dem C. gobio nahe stehende Art, welche in Schweden an verschiedenen Stellen gefunden worden ist und wahrscheinlich auch in Finland nicht fehlt, obgleich sie hier noch nicht angemerkt worden, ist: Cottus poecilopus Heckel, Ann. des Wiener Museums IL S. 145. Taf. 8. Fig. 1 u. 2. „ Nilsson, Skandinavisk "Fauna IV. S. 67. „ Heckel u. Kner, Süsswasserf. d. Österr. M. S. 31. „ v. Siebold, Süsswasserf. von Mittelem-, S. 64. Diese Art, welche in Skandinavien zuerst in den Stockholmer Sche- ren von Prof. Sundevall angetroffen wurde, scheint in dem nörd- lichen Schweden allgemeiner zu sein als C. gobio. Widegren hat dieselbe in Quickjock und Nyström*) in Jemtland gefunden, wo- *) Jakttagelser rörande faunan i Jemtlands vattendrag, Aka- demisk Afhandling, Stockholm 1863. p. 3. (Beobachtungen über die Fauna in den Gewässern Jemtlands.) Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 18 274 M a 1 m gren: uns« noch nicht angetroffen worden ist, lässt er sich leicht durch den dem C. gobio charakteristischen nach oben ge- krümmten oberen Stachel auf dem Vordeckel, so wie da- durch unterscheiden, dass die Bauchflossen die Analöff- nung bei weitem nicht erreichen. Die Laichzeit trifft zeitig im Frühlinge vor dem Aufgange des Eises ein, denn in der Mitte des März habe ich in der Kajana Elf Individuen gefangen , die voller Rogen und Milch waren, dagegen im Anfange des Mai nur ausgelaichte Exemplare erhalten. Im nördlichen Finland wird er im Winter als Köder für Aeschen und Forellen ange- wendet. 6. Cottus scorpius L., Seeskorpion. Artedi, Gener. pisc. 49. n. 3. „ Descript. spec. pisc. 86. n. 3. „ Syn. nom. 77. n. 3. C. scorpius L-, Syst. Nat. XII, 1. p. 452. n. 5. Bloch, Naturg. Fische Deutschi. II. p. 18. Taf. 40. „ Pallas *), Zoogr. R. -Asiat. III. p. 130 (pro parte). „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 130 et 583. „ W. v. Wright, Ekströra et Fries, Skand. Fisk. p. 23. Taf. 5. fig. 1—2. Nilsson, Skand. F. IV. p. 68. Cuv. et Val., Hist. d. Poiss. IV. p. 117. Sea scorpion Yarrel2), Brit. Fish. 3. ed. II. p. 54. selbst sie die einzige Art des Geschlechtes zu sein scheint. Es sind also Gründe vorhanden zu der Vermuthung, dass sie bald auch in unserem Lande entdeckt werden wird, daher ich hier ihren Art- Charakter aufnehme : „Der Mund breit, reicht bis unter die Augen, die Bauchflossen schmal, gezeichnet mit einigen dunklen Querflecken und so lang, dass sie gut die Analöffnung erreichen; der obere Kiemendeckel klein und fast gerade." 1) Unter dem Namen Cottus scorpius hat Pallas I.e. sowohl unseren gewöhnlichen C. scorpius L. als auch eine ihm nahe ste- hende Art von Kamtschatka begriffen, welche Cuv. u. V al. IV. p. 126 beschrieben und Cottus jack benannt haben. 2) Ich bezweifle keinesweges , dassYarrel's Sea scorpion mit unserem Cottus scorpius identisch ist, muss aber doch anmer- ken, dass seine Abbildung schlecht und fast unkenntlich ist, weil Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 275 Father-Lasher Couch, Fishes of the Brit. Isl. II. (1863) p. 8. Taf. 60. (Die Figur schlecht.) Schwedisch Rötsimf a, Simpa, Horkel (Hvittisbofjärd) ; Finnisch Simppu. Der Seeskorpion, welcher eigentlich ein Meerfisch ist, kommt ziemlich allgemein an den südlichen und west- lichen Küsten Finlands vor , wenigstens bis hinauf nach Uleäborg. Auch kommt er vor längs der Küste des Eis- meeres von dem Warangerfjörd bis an den innersten Thcil des weissen Meeres nach Mittheilungen des ver- storbenen Candidaten G. Selin, welcher 1861 Exem- plare aus der Gegend von Kola an das finnische Mu- seum geliefert hat. Im Westen des Nordkap ist er aus- serordentlich häufig und erreicht dort eine ungemeine Entwickelung. Ich habe in Tromsö Exemplare gesehen, die 14 — 16 Zoll lang waren. Die Laichzeit ist im bottnischen und finnischen Meer- busen vom Ende des November bis zum Anfange des Januar. 7. Cottus bubalis Euphr. „ K. Vet. Akad. H. 1786. p. 65. Taf 3. fig. 2. 3. „ Cuv. et Val., Hist. d. Poiss. IV. p..l20. Taf. 78. „ Kröyer, Danm. Fisk. I. p. 118 et 582. W. v. Wright, Fries, Ekström, Sk. Fiskar p. 27. Taf. 6. fig. 1. 2. „ N i 1 s s o n, Skand. Fauna IV. p. 74. Father-Lasher Yarrel, Brit. Fishes. 3. ed., II. p. 58. Bubalis Couch, Fishes of the Brit. Isl. IL p. 11. Taf. 61. (Schlecht und falsch colorirt.) Schwedisch Oxsimpa. Auch diese Art ist eigentlich ein Meerfisch und wir nehmen ihn in die finnische Fauna nur auf als zufällig vorkommend. Er wird bisweilen zusammen mit dem See- skorpion in den Stockholmer Scheren und am südwestli- chen Aland gefangen, ist jedoch sehr selten. Im bott- nischen Meerbusen, nördlich von Aland kommt diese Art ihr die Occipital-Stacheln fehlen. Doch ist zu bemerken, dass diese bisweilen auch bei unseren Exemplaren des C. scorpius beinahe verschwinden. 276 Malmgren: nicht vor, ist auch, so viel ich weiss, nicht an den nörd- lichen Küsten des finnischen Busens gefangen worden. An der Westküste von Norwegen ist dieser Fisch sehr allgemein bis hinauf nach Finmarken, woselbst Kröyer ihn gleich im Westen des Nordkap bei der Ebbe beinahe eben so allgemein fand, wie den C. scorpius. Es ist da- her glaublich, dass diese Art auch an unseren Eismeer- küsten, wenigstens im Warangerfjörd vorkommt. 8. Cottus quadricornis L., Seebul, Seebol. Artedi, Gen. pisc. p. 48. n. 2. „ Descr. spec. pisc. p. 84. n.2. „ Syn. nom. p. 77. n. 2. Cottus quadricornis L. Syst. Nat. XII, 1. p. 451. n.2. „ Pallas, Zoogr. R-Asiat. p. 127. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. III. p. 170. Taf. 108. Cuv. et Val. Hist. d. Pois. IV. p. 123. „ W. v. Wright, Fries et Ekström, Skand. Fisk. p. 30. Taf. 7. fig. 1. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 140 et 583. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 80. Colins hexacornis Richardson *), Fauna B.-Americ. III. p.44. The horned Bullhead Yarrel, Brit. Fishes, 3. edit. II. p. 64. Four-horned Cottus Couch, Fishes II. p. 15. Taf. 63. Schwedisch Hornsimpa, Ulk. Finnisch Merihärkä (Ladoga). Nach Ri chardso n's *) eigener Angabe ist sein C. hexacornis identisch mit C. quadricornis der englischen Verfasser. Ob aber der englische C. quadricornis mit unse- rem finnischen identisch ist , das ist sehr zweifelhaft, denn die Beschreibungen sowohl Y arrel's als Couch's sind dermassen unvollständig und oberflächlich, dass man aus ihnen keine Schlusssätze ziehen kann. Zwar citiren beide in der Synoymie Bloch's Abbildung unseres Cot- tus quadricornis; doch die Abbildungen, welche diese Verfasser selbst von dem englischen C. quadricornis lie- fern, sind schlecht und fast unerkennbar. Sind diesel- 1) Belcher, the last of the Arctic Voyage II. p. 349 und Yarrel, Brit. Fishes, dritte von Richardson besorgte Ausgabe IL p. 64 (synon.). Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 277 ben getreu, so weicht der englische Fisch von dem un- srigen wenigstens eben so sehr ab, wie ihr Cottus groen- landicus von unserem C. scorpius. Da ich aber den 0. groenlandicus für nichts anderes ansehen kann, als für eine hochnordische Rassenveränderung oder Varietät un- seres C. scorpius, so nehme ich an, dass auch der eng- lische C. quadricornis von dem unsrigen nicht als eine eigene Art abgeschieden werden kann, sondern wahr- scheinlich nur eine Varietät ist, in ihrer Entstehung ana- log mit derjenigen, welche im Wetter und im Ladoga vorkommt. Der Seebul fehlt gänzlich in den Meeren, welche die Westküsten Skandinaviens bespülen, und ist auch in dem südlichen Thcile der Ostsee eine grosse Seltenheit, dagegen aber in den nördlichen und östlichen Theilen der Ostsee höchst gemein. Von dem Wettersee ist er seit alten Zeiten her bekannt, und ich fand ihn auch im Ladoga in einer Tiefe von 40 — 80 Faden sehr allgemein vorkommend. Pallas hat angegeben, dass diese Art auch im Baikal und im Jeneseiflusse vorkommt, und dass sie allgemein'ist im Eismeere und bei Kamtschatka; wenn aber Tilesius in Zoogr. R-Asiat. III. P. 127 in einer Note hinzufügt, dass er in drei Jahren bei Kamtschatka kein einziges Individuum gesehen hat, so dürfte das Vor- kommen im Eismeere mit um so mehr Grund bezweifelt werden können , als die Art damals noch nicht an den Eismeerküsten von Europa oder bei Grönland und Spitz- bergen gefunden worden war. Es war daher äusserst wichtig, dass der leider allzu früh verewigte Cand. G. Sei in 1861 von Kantalahti am weissen Meere ein gros- ses und schönes Exemplar an das finnische Museum mit- brachte. Sabine hat in Supplement to the Appendix of Parrys first Voyage 1819 — 20 angeführt, dass Parry's Expedition bei der Melville- Insel in dem arktischen Ar- chipelagus Amerikas zwei 5 — 6 Zoll lange Individuen eines Cottus erhalten hat, die „in jeder Hinsieht mit der Beschreibung und Abbildung des Cottus qua- dricornis in Bloch's Ichthyologie III, Taf. 108 278 Malmgren: ü b er ei ns timmten". Richardson nahm schon an, als er seinen C. hexacornis von der Nähe der Mündung des Kupferminen-Flusses in das Eismeer beschrieb, dass Sa- bin e's C. quadricornis vielleicht sein C. hexacornis war. Dies hat er späterhin auch bestätigt und erklärt, dass sein C. hexacornis mit C. quadricornis identisch ist. Da es jedoch aus Yarrel's Beschreibung und Abbildung höchst zweifelhaft wurde, ob sein C. quadricornis wirklich mit dem des L i n n e und Bloch identisch war, obgleich diese in die Synonymie aufgenommen wurden, so verblieb es auch ungewiss, ob Richardson's C. hexacornis und Sa- bin e's C. quadricornis wirklich identisch wären mit un- serem Fische dieses Namens. Jetzt dagegen, seitdem Sei in den Cottus quadricornis im weissen Meere ent- deckt hat, verfällt dieser Zweifel, und daher halten wir dafür, dass Sab in e's und Richardson's Angaben von dem Vorkommen dieser Art an der Melville-Insel und an der Mündung des Kupferminenflusses Vertrauen ver- dienen. Der Cottus quadricornis L. kommt also vor in dem Eismeere von dem weissen Meere an östlich längs der nördlichen Küsten von Asien und Amerika bis an die Parry-Inseln (Melville Insel) und die Mündung des Ku- pferminenflusses, scheint aber hier allmählich in dem nördlichen Archipelagus Amerikas aufzuhören, denn von der Baffins-Bay oder von den Küsten Grönlands ist er bis jetzt noch nicht bekannt. In dem Gebiete des atlan- tischen Oceans fehlt er gänzlich , ausgenommen an den Küsten Englands, woselbst er, wie es scheint, in gerin- ger Anzahl und mit einem so sehr veränderten Aeussern auftritt, dass man, nach den Abbildungen zu schliessen, gleich in den Verdacht verfallen muss, dass die Art hier nicht mehr in ihrer rechten Heimath ist, sondern auftritt als ein Doppelgänger von einer längst entschwundenen Zeit — wir meinen die Glacialzeit. Da der Seebul gänzlich an den Westküsten Skan- dinaviens fehlt und in der Ostsee so selten ist, dass, so viel mir bewusst, noch kein Exemplar in Dänemark an- getroffen ist, so ist es unmöglich anzunehmen, dass dieser Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 279 eigentliche Bewohner des Eismeeres in die Ostsee einge- wandert sein sollte. Wir müssen daher einen anderen Weg für diese Einwanderung annehmen, und dieser Weg geht über das weisse Meer, den Onega und Ladoga in den finnischen Meerbusen. Die Zeit für diese Einwande- rung fällt zusammen mit derjenigen Zeit, da der grössere Theil von Finland noch unter Wasser stand und die Ost- see ein Busen des Eismeeres war. Erinnerungen aus dieser Zeit bilden die im Wretter, W7ener, Uleäträfk, Höy- tiäinen, Ladoga und in der jetzigen Ostsee gefundenen merkwürdigen marinen Thierformen, welche in dem Ge- biete des atlantischen Oceans fehlen, und in denen Prof. S. Loven1) wirkliche Bewohner des Eismeeres erkannt hat, die noch jetzt an den kältesten Küsten von Spitzbergen und Grönland in ihrer grössten Entwickelung leben. Zwischen den Exemplaren aus dem Wetter und aus dem Ladoga habe ich keinen bemerkenswerthen Unter- schied gefunden. Beide weichen ab von den im finnischen Meerbusen und im weissen Meere vorkommenden durch geringere Grösse, bleichere Körperfarbe und kleinere knöcherne Höcker an dem Kopfe. Diese sind nämlich bei der Landseeform nicht versehen mit schwammartig ausgebreiteten und unebenen Kronen, wie bei der Meer- form. Doch steht die Ladoga-Form durch ihren übrigen Habitus der im Finnischen Meerbusen lebenden näher, als die Form des Wetters, oder mit anderen Worten, sie ist eine wirkliche Uebergangsform zwischen dem Seebul 1) Den für die Frage interessirten Leser muss ich verwei- sen auf die Abhandlungen von Prof. Love n ,.Om nägra i Wettern och Weiiern funna Crustaceer" (Ueber einige im Wetter und Wener gefundenen Crustaceen) in Wetenskaps Akademiens Öfversigt 1861. S. 285. ..Till frägan an Ishafsfaunans fordna utsträckning öfver en del af Nordens Fastland ' (zu der Frage über die ehemalige Er- streckung der Eismeerfauna über einen Theil des Festlandes des Nordens) ebendaselbst 1862. S. 463, so wie auf die noch nicht im Druck erschienenen Verhandlungen bei der Zusammenkunft der Naturforscher in Stockholm 1863, in welche ein von Prof. Lov&ai gehaltener öffentlicher Vortrag über die Ostsee-Fauna aufgenommen werden wird. 280 Malmgren: des Wetters und des finnischen Meerbusens. Das von Sei in aus dem weissen Meere geholte Exemplar weicht in keiner Hinsicht ab von denen im finnischen Meerbusen. Die Laichzeit trifft gleichzeitig mit der des See- skorpions. Phobetor Kröyer. 9. Ph. tricuspis Reinhardt. Cottus triscuspis Reinhardt, Danske Vid. Selsk. Naturh. og Mat. Afhandl.V. p.52. och VII. p. 117. C. gobio 0. Fabrieius, Faun. Grönlandica No.115. p.159. Coltus tricuspis Nilsson, Skand. Fauna. IV. p. 78. Lilljeborg, K. Vet. Ak. H. 1850. IL p. 309. Phobetor tricuspis Kröyer, Naturh. Tidskr. ny Raekke,I. p. 263. „ „ Gaimard's Voyage en Skandinavieetc, Poissons Planche 4. fig. 1 a — c. An den Küsten von Grönland und Spitzbergen ist diese Art sehr allgemein. Als europäisch ist sie bekannt seit 1848, da Prof. Lilljeborg sie bei Schuretskaja an der Eismeerküste der russischen Lappmarken fand. Ich bin im Stande, hier die Grenze ihrer westlichen Ver- breitung an dieser Küste bis in den Warangerfjord aus- zudehnen, nachdem ich mehrere grössere Individuen von dort, mitgebracht 1856 von E. Nyla nd er und M. Gadd, gesehen und geprüft habe. Im Westen des Nordkap ist diese hochnordische Art weder von Kröyer noch Lill- jeborg noch von mir angetroffen worden. c. Gataphracti Günther1). Aspidophorus Lacep. lO. A. decagonus Bl. Cottus calaphractus Fabr. Faun. Grönl. p. 155. n. 112. Agonus decogonus Bloch-Schneider, Syst. Ichthyol. 1801. 1. p. 105. Taf. 27. Aspidophorus dccagonus Cuv. et Val., Hist. d. Poissons IV. p. 163. „ Reinhardt, Danske V.-Selsk. Naturh. og Mat. Afh.V. p.53. och VII. p. 119. „ Kröyer, Naturh. Tidskr., ny Raekke, 1844. I. p. 243. 1) Catalogue of the Acanthopt Fishes in Brit. Mus. II. p. 87. Kritische Uebersicht der Fisch- Fauna Finlands. 281 Aspidophorus decagonus Gaymard's Voyage etc., Zoologie Poissons Planche 5. fig. 1. ,, Nilsson Skand. Fauna IV. p. 88. Junger Fisch: Aspidophorus spinosissimus Kröyer. Naturh. Tidskr., ny Raekke I. p. 250. „ Gaymard's Voyage etc., Zoologie Poissons, Planche 5. fig. 2 (a — d). Dieser Fisch wurde zuerst beschrieben von O. Fa- bricius in Faun, groenl. unter dem Namen Cottus cata- phracius. Bloch hat ihn späterhin unter einem neuen Namen Agonus decagonus beschrieben, aber aus Miss- verständniss sein Vaterland nach Ostindien verlegt. Rein- hardt der A eitere hat diesen Irrthum berichtigt und gezeigt, dass sowohl diese Art als auch Aspidophorus monopterygius BL, der von Bloch ebenfalls fehlerhaft für Ostindien (Tranquebar) angeführt wird, nur an den Küsten Grönlands lebt und vorkommt. Ausserdem wird für Grönland noch eine Nominalart angeführt, nämlich Aspidoph. spinosissimus Kröyer. Keine von diesen Arten ist zuvor als europäisch bekannt. Wenn ich nun diesen Fisch zum ersten Male in die Fauna von Europa einführe, so geschieht dieses auf den Grund eines einzigen kleinen Exemplares, gefangen 1856 von E. Nylander l) und M. Gadd im Warangerfjord und dem Museum der Universität Helsingfors zugehörig. Un- ser Exemplar ist ein Junges, wenig grösser als das von Kröyer unter dem Namen Aspidophor. spinosissimus als eine verschiedene Art beschriebene und abgebildete. Auch stimmt Kröyer's Beschreibung und Figur des Aspid. spinosissimus so ganz mit unserem Exemplare über- ein; dass kein Zweifel über ihre Identität aufkommen kann. Doch ist nach Steenstrup's und Lütken's2) 1) Dr. Nylander hat in Öfversigt af Finska Wetenskaps Societets Förhandlingar 1S56 — 57. S. 77 aus Irrthum diesen Aspid. catapkractns genannt. An derselben Stelle wird Centronolus gunel- lus vom Warangerfjord der Name Lumpenus maculatus beigelegt. 2) ,.Om Ungerne af de nordiske Aspidophor us-Arter og om de Forandringer , som disse undergaae med Alderen" (Ueber die 282 Malmgren: gemeinschaftlichen Untersuchungen Kröyer's Aspid. spinosissimus nur ein Junges des Äspidophorus dacago- nus Bl. Die nähare Beschreibung unseres Exemplares über- gehe ich hier, ich will nur erwähnen, dass ich an unse- rem 35 Mm. langen Exemplare 5 Paar Schilde zwischen den Rückenflossen und 5 Paar zwischen 'Anus und der Afterflosse gezählt habe. Der After ist wie bei Kröyer's Exemplar nach hinten vorgedrängt zu einer kegelförmi- gen Anschwellung. Die Bartfäden sind genau so, wie Steenstrup und Lütken sie bei Kröyer's Origi- nalexemplar beschreiben. Die Flossenstrahlen an unse- rem Exenplare sind : I. Rückenfl. 6, II. Rückenfl. 8, Brustfl. 15 und Afterfl. 8. 3. Farn. Scomberoidei (Cuv.) Heck, et Kner. Gasterosteus l) L. 11, G-. aculeatus L. Stichling. Artedi, Gen. pisc. p. 52. n. 1. p Descr. spec. pisc. p. 96. n. 1. „ Syn. nom. pisc. p. 80. n. 1. Gasterosteus aculeatus L, Syst. Nat. XII. ed., 1. p. 489. n. 1. 0. Fabricius, Fauna Grönl. n. 122. p. 169. „ Bloch. Fische Deutschi. II. p. 79. Taf. 53. fig. 3. Gaster acanlhus aculeatus Pallas, Zoogr. R.-Asiat. III. p. 229. Gasterosteus aculeatus Kröyer, Danm. Fiske I. p. 169. ,. W. v. Wright, Fries et Ekström, Skand. Fiskar, Taf. 4. fig. 1 (a— b). „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 103. „ He ekel et Kner, Süsswasserf. d. Oester- reicli. Mon. p.38. „ S i e b o 1 d, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 66. Jungen der nordischen Äspidophorus- Arten und über die Verände- rungen, welche diese im Alter erleiden) in Videnskab. Meddel. fra det Naturhist. Forening i Kjöbenhavn 1861. 1) Wir halten es für das Richtigste , Hecke l's und K n e r's Beispiele folgend, das Genus Gasterosteus auf die Familie Scombe- roidei Cuvier's und Müller's hinüberzuführen. Günther hat, Catal. of Acanlh. Fislies in Brit Mus. 1859. I p. 1. für dieses Ge- nus eine eigene Familie Gasteroidei gebildet. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 283 G. Irachurus et G. leiurus Cuv. et Tal., Hist. d. Poissons IV. p. 352. Taf. 98. fig. 1 et 4. The rovgk.-tailed Stickleback) Yarrelj BrR> 3> ed) jt p.75et83. The smooth- tailed SlickleLackj G. loricatus v) Reinhardt s. Danske Y.-S. Nat. og Mat. Afh. VII. p. 114 och 119. Schwedisch Spigg. Finnisch Raulakala (Ladoga). Der dreistachlige Stichling ist äusserst zahlreich an den südlichen und westlichen Küsten Finlands, im Ladoga und in mehreren Landseen bis hinauf nach Lapp- marken. Wahrscheinlich kommt er längs unserer ganzen Eismeerküste vor, denn L i 1 1 j e b o r g fand G. trachurus Cuv. in Archangel, und in Finmarken ist er westlich vom Nordkap äusserst allgemein. Der bei uns am allgemein- sten vorkommende gehört zu der Varietät trachurus Cuv.- G. leiurus Cuv. (= G. gymnurus Cuv.) ist seltener, und ich habe ihn an unserer südlichen und westlichen Küste (Kaskö) gesehen, wenn auch in unvergleichlich geringe- rer Anzahl als den vorigen. S u n d e v a 1 1 2) erzählt , er habe in den Stockholmer Scheren einen Stichling mit 4 Rückenstachelstrahlen gefangen; er nennt denselben G. 4t-8pi7iosa und hält ihn für eine bloss individuelle Varietät der gewöhnlichen Art. Wahrscheinlich ist Jenyns' und Yarrel's G. spinulosvs ebenfalls nichts anderes als eine ähnliche individuell Varietät, obgleich Günther, Acanth. Fishes in Brit. Mus. I. p. 5, ihn als eigene Art beibe- hält. Günther hat sonst G. gymnurus Cuv. (= leiurus Cuv.), G. semiarmatus Cuv et Val., G. semilorioatus Cuv. et Val., G. trachurus Cuv. et Val. und G. noveboracensis Cuv. et Val. (der zuletztgenannte von Grönland und Nordamerika) als eine einzige Art zusammenstellt. Couch geht noch weiter, indem er Yarrel's alle fünf Arten, ja auch G. brachyoentrus Cuv., der von He ekel und 1) Kröyer. Danmarks Fiske , merkt an, dass G. loricatus Rhdt. von Grönland identisch ist mit G. trachurus Cuv. 2) Berättelse om Fiskerierne i Stockholms skärgärd 1855 (Bericht über die Fischereien in den Stockholmer Scheren) in Stock- holms Läns Hushällningssällskaps Handlingar (Verhandlungen der Ilaushaltungsgesellschaft in Stockholms Län), Heft 6. S. 178. 284 * Malmgren: Kner als eine sichere Art betrachtet wird, und O. spi- nulosus Jenyns als eine einzige zusammenschlägt. 12. G-asterosteus pungitius L. Kleiner Stichling. Artedi, Gen. pisc. p. 52. n.. 2. „ Descr. spec. pisc. p. 97. n. 2. „ Syn. nom. pisc. p. 80 n. 2. G. pungitius L. Syst. Nat. XII. ed., I. p. 491 n. 8. „ Bloch, Naturg. d. F . Deutschi. II. p. 82. Taf. 53. fig. 4. Gasteracanthus pungitius Pallas, Zoogr. R. -Asiat. III. p. 228. Gasterosteus pungitius Cu v. et Val. IV. Hist. n. des Poissons p. 370. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 188. „ W. v. Wright, Fries etEkström, Skand. Fisk., Taf. 4. fig. 2. Nilsso n, Skand. F. IV. p. 110. „ Siebold, Süsswasserf. v. Mitteleur. p. 72. The Ten-spined Stickleback Yarrel, Brit. Fish. 3. ed., II. p. 91. Schwedisch Tiotaggad spigg , Benunge , Benhäst (Nyland). Finnisch Ranlakala (Ladoga). Diese Art ist bei uns eben so allgemein wie die vorhergehende, wenn auch nicht so zahlreich. Im bos- nischen und finnischen Meerbusen, im Ladoga und in einem Sumpfe in Hyrynsalmi (nördl. von Kajana) kommt sie in Menge vor. Auch aus Lappmarken habe ich Exem- plare gesehen, und Lilljeborg fand ihn bei Archangel ; doch fehlt er an unserer Eismeerküste, so wie auch an der Westküste Skandinaviens. Das Laichen wird gleichzeitig mit dem vorherge- henden vom Ende des Juni bis zum Anfange des Juli verrichtet Spinachia Flem. 13. Sp. vulgaris Flem. Dornfisch, Seestichling. Artedi, Gen. pisc. p. 52. n. 3. „ Syn. nom. p. 81. n. 3. Gasterosleus spinachia L. Syst. Nat. XII. ed. I. p. 492. n. 10. Bloch, Naturg.FischeD.il. p. 84. Taf. 53. fig. 1. Cuv. et Val., Hist. d. Poiss. IV. p. 370. „ W. v. Wright, Ekström etFries, Skand. Fiskar p. 21. Taf. 4. fig. 3. Nilsson, Skand. F. IV. p. 112. The Fifteen-spined Stickleback Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. 1. p. 93. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 285 Spinachia vulgaris Fleming-, British Anim. 1828. p. 219. n. 165. „ Kröyer, Danra. Fiske I. p. 193. Couch, Fishes of Brit. Isl. I. p. 180. Taf. 38. Schwedisch Ta ngsp igg . Diese Art ist sehr selten an den südlichen und süd- östlichen Küsten Finlands und fehlt vermuthlich in dem ganzen bottnischen Meerbusen. Die einzigen finnischen Exemplare , welche ich zu sehen Gelegenheit gehabt habe, sind von Arthur Nordmann in der Gegend von Helsingfors genommen und werden in dem Museum der Universität zu Helsingfors aufbewahrt. Der Dornfisch ist ein Meerfisch, der in der südlichen Ostsee und beson- ders in der Nordsee vorkommt, aber in Finmarken und an unserer Eismeerküste fehlt. 4. Fam. Gobioidei. Gobius L. 14. €}-• niger L. Meergrundel. Art edi, Gen. pisc. p. 28. „ Syn. nom. p. 46. n. 1. G. niger L. Syst. Nat. XII. ed. I. p. 449. Fries, Vet. Akad. Handl. 1838. p. 242. „ Bloch, Naturg. der F. D. IL p.5. Taf. 38. fig. 2— 5. „ W. v. Wright, Sund, et Ekström, Skand. Fisk. p. 157. Taf. 36. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 382. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p 219. „ Cuv. et Val.. Hist. d. Poissons XII. p. 7. The black Gobij Yarrel, Br. F. 3. ed., IL p. 318. Roch Goby Couch, Fishes of Br. Isl. IL p. 153. Taf. 98. Schwedisch Smörbult. Dieser Fisch ist ziemlich selten und kommt in dem Gebiete unserer Fauna nur an den südlichen und süd- westlichen Küsten Finlands vor. Exemplare von Bothby und Helsingfors werden im Universitätsmuseum zu Hel- singfors verwahrt. 15. Gobius minutus Gmel. G. minulus Gm. Syst. Nat. I, 3. 1199' „ Cuv. et Val., Hist. d. Poiss. XIL.p.29. Fries, Vet. Ak. H. 1838. p. 242. 286 Malmgren: O. minutus Kröyer, Danm. Fisk. I. p. 407. Nil ss on, Skand. F. IV. p. 222. The Spotted Goby Yarrel, Brit. Fish. 3. ed. IL p. 325. Schwedisch Sabbih (Stockholmer Scheren). In den nördlichen Stockholmer Scheren soll diese Art nach Prof. Sundevall in Menge vorhanden sein, wesshalb sie ohne Zweifel auch bei Aland und an der südlichen Küste Finlands vorkommt; doch ist ihre geo- graphische Verbreitung bei uns noch unbekannt. In dem finnischen Museum werden Exemplare, wahrscheinlich aus der Gegend von Helsingfors, verwahrt. 5. Fam. Discoboli J) Cuv. Cyclopterus L. 16. C. lmiipug L. Seehase. Artedi, Gen. pisc. p. 62. „ Syn. nom. p. 87. Cyclopterus lutnpusL. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 414. n. 1. (excl.var. ßety). „ 0. Fabricius, Fauna Grönl. n. 92. p. 131. Bloch, Nat. d Fische Deutschi. III. p. 103. Taf.90. „ Pallas, Zoogr. R.-Asiat. p. 72. „ Kröyer, Danm. Fiske IL p. 490. „ Gaymard's Voyage etc. Zool. Poiss. Planche 8. Nil s s o n, Skand. Fauna IV. p. 232. The Lump Sucker Yarrel, British Fishes , 3. ed. IL p. 343, Lump fish Couch, Fishes IL p. 183. Taf. 105. Lumpus Anglorum D. H. Stör er, A History of the Fishes of Mas- sachusets, Memoires of American Acad. 1863. Vol. VIII, 2. p. 402. Taf. 32. fig.2. Junger Fisch: Cyclopterus minutus Pallas, Spicil. Zool. fasc. VII. p. 12. Taf. 3. fig. 7-9. 1) Cuvier hat in Regne Animal LT. p. 344. 1829 diese Familie unter Malacopterygii gleich hinter Plenronectidae. gestellt. J. Mül- ler hat diesen Fehlgriff berichtigt und die Verwandtschaft dieser Familie mit Gobioidei unter Acanthopteri gezeigt. Wenn er aber Discoboli und Gobioidei zu einer einzigen Familie vereinigt, so wird diese Gruppirung höchst unnatürlich. Die meisten neueren Ichthyologen sind darin einig, dass Gobioidei und Discoboli als Fa- milien getrennt werden müssen. Bonaparte nennt die Familie Discoboli Cuv. in seinem ,.Catalogo" Cyclopteridae , welche Benen- nung wir gerne adoptirt hätten, wenn nicht Discoboli die ältere wäre. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 287 Cyclopterus minulus 0. Fabricius, Fauna Grönl. n. 94. p. 135. „ Fries, Vet. Acad. Hand. 1838. p. 226. Taf. 4. fig. 1 (a— c). Schwedisch Sjurygtj. Diese Art ist nicht selten an der südlichen und westlichen Küste Finlands, wenigstens gegen Norden bis Quark cn (»wischen Wasa und Umeä). Man fängt sie in verschiedenen Geräthen, am meisten aber früh im Früh- linge in Strömlingsnetzen (Sastmola). — In Finnmarken ist der Seehase sehr gemein und heist dort Rognkjegsc. Längs unserer ganzen Eismeerküste von dem Waranger- fjord (E. Nicander und M. Gadd) bis an das weisse Meer (G. Selin) scheint er ebenfalls allgemein zu sein. Gegen Westen ist er verbreitet bis Island, Grönland und die Ostküste von Nordamerika. Auch bei Spitzbergen kommt ein Cyclopterus vor, doch bin ich jetzt nicht im Stande zu sagen, ob es dieser oder C. spinosus (Fabr.) Kr. *) ist. Liparis Art. 2) ltf. Ii. Iiarbatus Ekstr. Liparis barbcdus Ekström, Yet. Akad. Handl. 1832. p. 168. Taf. 5. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 237. (excl. syn.). Cyclopterus liparis S adelin. Fauna Fenn, p 41. Dieser merkwürdige Saugfisch ist bis jetzt mit Gewiss- heit nur von dem nördlichen Theile der Ostsee bekannt. Südlicher als vor Ostergöthiand ist er niemals angetroffen worden, wohl aber mehrmals in den Stockholmer Sche- ren und im Bottenmeere, z. B. bei Neder-Calix. Das3 er auch an unseren Küsten gefunden wird, leidet keinen Zweifel, denn Sandelin's Cyclopterus liparis, von wel- chem es in Fauna Fennica p. 41 heisst: „perrarus ad nostra littora advena", kann nicht gut ein anderer als dieser Fisch sein. An den Küsten Dänemarks 3) oder an den 1) Naturhist. Tidskrift. 2. Raekke II. p 2G2 und Gaimard Voy. Zool. Poiss. PI. 4. Fig. 2 (a— e). 2) Syn. pisc. p. 117. 3) K r ö y e r nimmt ihn zwar unter Dänemarks Fische auf in der Vermuthung, dass die in der Ostsee gefundenen Exemplare 288 Malmgren: westlichen Küsten der skandinavischen Halbinsel ist er niemals angetroffen worden. Dagegen hat Prof. S. Lo- ven1) nach der sorgfältigsten Untersuchung und Ver- gleichung dieses Ostseefisches mit einem im Stockholmer Reichsmuseum verwahrten Liparis von Kamtschatka nicht den geringsten Unterschied zwischen denselben gefunden. In der Hinlopen Strasse an der Ostküste von Spitzbergen fing ich einen 6 Zoll langen Liparis, welcher verschieden ist von den anderen an der Westküste Spitzbergens vorkom- menden Arten, welchen ich aber bei der Vergleichung mit Ostsee-Exemplaren für identisch halten musste mit L. bar- batus Ekström. Es erscheint mir daher als wahrscheinlich, dass auch die Liparis- Art, deren Lepechin2) erwähnt un- ter dem Namen Cyclopterus liparis L., als vorkommend an den Küsten des weissen Meeres, identisch ist mit Liparis barbatus Ekström. Es ist möglich, dass das weisse Meer auch noch andere Arten dieses Geschlechtes enthält, wel- ches reichlich in dem kalten Eismeere repräsentirt ist — ■ nur von Grönland hat Kröyer4) nicht weniger als 4 Arten beschrieben — ; in demselben aber kann kaum eine Art fehlen, welche gemeinschaftlich ist für die nörd- liche Ostsee, Kamtschatka und Spitzbergen. Dieser Fisch scheint also eine von den wenigen hochnordischen Thier- arten zu sein , welche noch fortleben seit der Zeit , da die Ostsee mit dem Eismeere in Verbindung stand. Bei der Vergleichung eines 4V2 Zoll langen Exem- plares aus der Ostsee mit einem 6 Zoll langen von der Ostküste Spitzbergens fand ich die vollständigste Ueber- einstimmung in den Proportionen des Körpers, der Form der Flossen, der Gestalt des Kopfes, dem Zahnbaue, der Anzahl und Lage der Poren am Kopfe , ja sogar in der durch das Sund eingewandert sein sollten, sagt jedoch ausdrücklich, dass er nie an den dänischen Küsten gesehen worden ist. Seine, so wie auch Nilsson's, Synonymie ist unrichtig, denn Yarrel's Sea-Snail gehört sicherlich einer anderen Art als der unsrigen an. 1) Wetenskaps Akademiens Öfversigt 1862. p. 465. 2) Novi comment. Acad. Petrop. Tom. XVIII. p. 122. 3) Naturh. Tidskr. 3. Raekke. Heft 2. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 289 Farbenzeichnung. Auch die Anzahl der Flossenstrahlen stimmt auf eine überraschende Weise überein, mit Aus- nahme der Rücken- und Afterflosse, von denen jede bei dem Exemplare von Spitzbergen 4 Strahlen mehr hat als das von der Ostsee, eine Erscheinung, die vielleicht ihren Grund in der grossen Verschiedenheit der Körperlänge hat. Die Haut ist bei dem in Spiritus gelegten Exem- plare sehr weit und sitzt ganz lose gleich einem Mantel um den Körper. Die Zahl der Flossenstrahlen wurde befunden: bei einem 6 Zoll 1. Ex. v. Spitzb. : 32 in der Brustfl., 36 in der Rückenfl., 32 in der Aftern1, und 12 (10-f t) in der Schwanzfl. Bei einem 4 Zoll 1. Ex. v. der Ost- see : 32 in der Brustfl., 32 in der Rückenfl., 28 in der Afterfl. und 12 (10 4-}) in der Schwanzfl. In dem Lappen der Brustflosse ist bei beiden unter den aus der Haut hervorstehenden Strahlen der fünfte am längsten. Die Schwanzflosse hat 10 Strahlen, welche die gerade Schwanz- spitze erreichen und einen kürzeren oben, einen unten, wodurch die ganze Anzahl 12 wird. 18. Liparis lineatus Lepecliin. Liparis lineatus Lepecliin, Nov. comment. Acad. Petropolitanae 1774. Tora. XVIII. p. 222. Taf. 5. fig. 2. 3. Gmelin, Syst. Nat. ed. XIII, 1. 1478. Diese Art ist gefunden in der Mündung des weissen Meeres bei Triostrowa an unserer russischen Lapplands- küste und beschrieben von Lepechin. Ob sie identisch ist mit einem von Tromsö von. Kröyer als neu beschrie- benen Liparus lineatus l), lässt sich unmöglich mit Gewiss- heit entscheiden. Inzwischen ist über diese Frage ein äusserst heftiger Streit entstanden zwischen Dr. Lüt- ken 2), welcher dieselben für identisch hält, und Professor Kröyer3), der sie fortwährend trennt. 1) Ib. 2. Kaekke. Heft 2. S. 284 und Gaymard Voyage etc. Zoolog. Poisson PI. 13. fig. 2 (a— g). 2) Vidensk. Meddel. fra det Naturhist. Foren, i Kjöbenhavn 1860-62. 3) Naturh. Tidskr. 3. Raekkes. Heft 2 et 3. Archiv für Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 19 290 Malmgren: 6. Fam. Blennioidei. Centronotus Bl. 19. Cent. Gunellus L. Butterfisch. Artedi, Gen. pisc. p.27. n. 5. „ Syu. spec. 45. n. 5. Blennius Gunellus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 443. n. 9. Bloch, Naturg. d. F. Deutschi. II. p. 18G. Taf. 71. fig. 1. Ophidion imbcrbe L. Fauna Sv. 2. ed. p. 114. Centronotus gunellus Bl o ch-S chneider, Syst. Ichthyol, p. 167. „ W. v. Wright, Ekström et Fries, Skand. Fiskar p. 105. Taf. 25. fig. 1. Gunellus vulgaris Cuv. etVal., Hist. des Poissons XI. p. 309. „ Kröyer, Danm. Fiske I. p. 340. „ Nils s on, Skand. Fauna IV. p. 200. The spotted Gunnel (Muraenonles guttata Lacep ) Yarrel, Brit. Fish. 3. ed. n. p. 376. Schwedisch Teisteßsh. In Westflnniarken ist dieser Fisch äusserst allgemein und wird leicht bei der Ebbe gefangen, besonders in der Springzeit. Von dem Warangerfjord haben E. Nylan- d e r und M. G a d d ein kleines bei Pejsen gefangenes Exemplar mitgebracht. Wie weit gegen Osten diese Art an unserer Eismeerküste geht, ist noch unbekannt. — An der Westküste Skandinaviens , so wie auch in dem süd- lichen Theile der Ostsee kommt er vor, doch so nördlich, wie im Alands-Meere ist er nicht früher als zu Anfange dieses Jahres angetroffen worden , da ein 8 Zoll langes Exemplar zwischen dem Leuchtthurme Svartklubben und Signilsfkär von Dr. H. Widegren mit einem Grund- kesser gefangen wurde. So viel mir bewusst, ist diese Art zuvor an der Südküste Finlands nicht gefunden worden. Zoarces Cuv. SO. *. vivipartiH L. Aalmutter. Artedi, Syn. nom. pisc. p. 45. n. 7. Blennius viviparus L. Syst. Nat. XII. ed. 1. p. 443. n. 11. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. II. p. 188. Taf. 72. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 291 Zoarces viviparus Cuv. et Val., Hist. d. Poissons. XI. p. 335. „ Kröyer, Danmarks Fiske I. p. 355. „ W. v. Wright, Fries et Ekström p. 36. Taf. 8. % 1. The viviparous Blenmj Yarrel, British Fishes, 3. ed. IL p. 380. „ Couch, Fishes ofBrit. Isl. p.239. Taf. 116. Schwedisch Tunglake, Slcnlake (Hvittisbofjärd). Die Aalmutter ist keinesweges selten an den süd- lichen Küsten Finlands, wo man sie oft in Netzen erhält zusammen mit Breitlingen und Strömlingen, deren Rogen sie mit Begierde verzehren soll. Wie weit dieser Fisch gegen Norden an unserer westlichen Küste verbreitet ist, ist noch nicht bekannt, doch noch nördlich von Björne- borg (Hvittisbofjärd) ist er den Fischern wohl bekannt un- ter dem Namen Stenlake, und Widegren führt ihn auch für die Scheren von Norrland an. Nur 6 — 9 Zoll lange Exemplare erhält man an unseren Küsten. — In Finnmarken, wo er bedeutend grösser wird, ist er im We- sten des Nordkap sehr allgemein und heisst dort Tarfpräl (norweg. Tara, schwed. Tang = Tang, Seetang). Dass dieser Fisch auch weit östlich vom Nordkap vorkommt, erhellt daraus, dass Cand. Fellman im Sommer 1863 an das finnische Museum ein kleines Exemplar aus dem Kola- busen mitgebracht hat. Wahrscheinlich fehlt er auch im weissen Meere nicht. Anarrhichas L. £1. A. lupus L. Seewolf. Artedi, Gen. pisc. p. 23. „ Syn. pisc. p. 38. Anarhichas Ivpus L. Syst. Nat. XII. ed. I. p. 430. „ 0. Fabricius, Fauna Grönl. p. 138. n. 97. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschlands III. p. 19. Taf. 74. „ Pallas, Zoogr. Eosso-Asiat. III. p. 80. „ Cuv. et Val., Hist. d. Poissons XI. p. 349. (pp.). „ Kröyer, Danmarks Fiske I. p. 369. „ W. v. Wright, Fries et Ekström Skand. Fiskar. p. 39. Taf. 8. fig. 2. ,. Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 208. The Wolf-ßsh Yarrel, Brit. Fish. 3. ed. II. p.384. llaf-kati. 292 Malnigren: Dieser Fisch kommt zahlreich an den Küsten Islands, Finmarkens und Grönlands vor. Pallas führt ihn für das nördliche Eismeer an. Die letztere Lokalangabe wahr- scheinlich nach Bloch, welcher sagt, Fische Deutsch- lands III. S. 21, er besitze ein in der Nähe von Peters- burg gefangenes Exemplar. Nach Nil sfon und Kröyer geht der Seewolf höchst selten durch das Sund in die Ostsee, und da der Fisch in späteren Zeiten, so viel be- kannt, niemals in dem oberen Theile der Ostsee ange- troffen ist, so erscheint Bloch's Angabe als zweifelhaft und beruht wahrscheinlich auf einem Irrthume. An der südlichen und westlichen Küste von Finland ist er niemals gefunden worden. An unserer Eismeerküste kommt er nach einer in Finnmarken erhaltenen zuverlässigen Angabe vor, und vom weissen Meere habe ich ein Exemplar im Reichsmuseum zu Stockholm gesehen, das nebst anderen Fischen von dem Consul Fleischer in Archangel ein- gesendet worden ist. In der Gegend von Tromsö habe ich ihn oft gesehen. 22. Aiiarrliiclias pantherinus Zouiew. A. panlhcrinus BasilZouie w, ActaPetropolit. 1781. 1. p. 271. Taf. 6. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 76. Fab er1) hält diesen Fisch nur für eine Varietät des gewöhnlichen A. lupus, und Valenciennes, Hist. des Poissons XL p. 359, ist unbedingt derselben Ansicht. Ich meine aber dennoch, man müsse die Art beibehalten, theils weilZouiew's Beschreibung und Abbildung meh- rere wichtige Charaktere enthält, welche jungen Indivi- duen des Anarrliiclias lupus nicht zukommen, theils auch darum, weil Stecnstrup2) und Kröyer3) von V a 1 e n- 1) Fische Islands S. 70. 2) Skandinaviska Naturforskare mötets Förhandlingar (Ver- handlungen der Zusammenkunft skand. Naturforscher) 1842 und Bo- naparte Catal. dei pesci europei p. 69. 3) Danske Videnskabs Selskabs Översigt (Uebersicht der Dan. Gesellsch. der Wissenschaften) 1844. S. 140 und Gay mar d Yo- yage etc. Zoologie, Poissons PI. 19, woselbst eine schöne Figur des Anarrhichas denticulatus Kr. mitgetheilt wird. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 293 ciennes' Anarrh. lupus, der eine collective Art zu sein sich bewiesen hat, wenigstens schon drei wohlgeschiedene Arten abgesondert haben, welche alle in dem nördlich- sten Theile des atlantischen Oceans entweder bei Island oder Grönland leben. Bei Island leben An. Lupus L., An. egcrti Steenstrup und An. latifrons Stnstr., und bei Grönland An. lupus L., An. denticulatus Kr. und An. minor? Fabr. (Glahns Fisch). Keine von diesen kann verwechselt werden mit unserem An. pantherinus, wel- cher zuerst von Laxmann im weissen Meere entdeckt und von Zouiew I.e. beschrieben wrorden ist. Später- hin wurde er von Lepechin im nördlichen Eismeere wieder gefunden. Darum ertheilen wrir der Art einen Platz in unserer Fauna. Malacopteri ). A. Malacopteri subbracliii. 7. Fam. Pleuronectidae. Rhombus Cuv. 23. Rli. maximus L. Steinbutte. Artedi, Gen. pisc. p. 18. n. 9. „ Syn. nom. pisc. p. 32. n. 7. Pleuronectes maximus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 459. n. 14. „ Bloch, Naturg. d. FischeDeutschl.il. p 53. Taf. 49. Rhombus maximus Cuvier, Regne Animal. 2. ed. IL p. 340. „ Kröyer, Danm. Fiske IL p. 424. „ Nils son, Sk. Fauna IV. p. 636. The Turbot Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 634. Schwedisch Pigghvar, Pigyhvirf (Björneborg). Nicht besonders selten an unseren südlichen und westlichen Küsten bis in Quarken (zwischen Wasa und Unieä) hinauf. Im Hvittisbofjärd fängt man ihn biswei- 1) Diese Unterabtheilung umfasst J. Müller's Anacantkini, Pharyngognathi malacopterygii und Physostomi. 294 M a 1 m g r e n len, doch dürfte er gegen Norden kaum über den Quar- ken hinaus gehen. Ist weder in Finnmarken noch im Eismeere vorhanden. £4. Pleuronectes Flesus L. Flunder. Artedi, Gen. pisc. p. 17. n. 4. „ Descr. sp. pisc. p. 59. n. 4. „ Syn. pisc. p. 31. n. 2. Pleuronectes ßesus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 457. n. 7. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. II. p. 39. Taf. 44. „ Pallas, Zoogr. Eosso-Asiat. p.421. „ W.v.Wright, Ekström, Sundevall, Skand. Fiskar p. 215. Taf. 55. „ Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 618. The Flunder Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 612. Platessa ßesus Cuvier, Regne animal II. p. 339. „ Kröyer, Danm. Fiske II. p.276. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 77. Mit den Augen auf der linken Seite. Pleuronectes passer L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 459. n. 15. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. II. p. 57. Taf. 50. Schwedisch Flundra. Finnisch Kampela Maarian kala (Sata- kunta). Die Flunder ist allgemein und wird an den südlichen und westlichen Küsten Finlands in Menge gefangen. Im bottnischen Meerbusen kommt sie bis an den Quarken ziemlich zahlreich vor, von dort ab gegen Norden jedoch sparsamer. Sie wird dort an vielen Orten in Netzen ge- fangen, z. B. bei Enfkär vor Björneborg. In Finmarken an unserer Eismeerküste ist sie ebenfalls allgemein. Von dem Warangerfjord haben *E. N y 1 a n d e r und M. G a d d Exemplare geholt, und Prof. Lilljeborg fing sie bei Archangel. — Herr Insp. Ho Im b er g nennt in seinen Jahresberichten über die Fischerzeugimg Finlands un- sere Flunder unrichtig Pleuronectes patessa; eine Art, welche zwar in den südlichen Theilcn der Ostsee vor- kommt, aber gänzlich in den Scheren von Mörkö (Ek- ström) und Stockholm (Sundevall) fehlt. Zwar giebt Nilsfon sie für Aland an, aber auf Sadelin'b Aucto- Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Fililands. 295 rität. S adelin aber hat wahrscheinlich seine Angabe aus R ad 1 o f f s Beskrifning öfver Aland 1795 S. 232 geschöpft, woselbst nur zwei Flunderarten für Aland angegeben werden, nämlich Pleur. flesus und Platessa. Die letztere Benennung ist jedoch offenbar unrichtig, denn der Fisch, welcher darunter verstanden wird , kann unmöglich ein anderer sein als Rhombus maximus , welcher nebst Pla- tessa flesus dort vorkommt und ziemlich oft gefangen wird. Eine andere Flunder ist dort nicht vorhanden nach demjenigen, was ich habe erfahren können. — Platessa flesus tritt bei uns oft so auf, dass die ganze Augen- Seite von zackigen Schuppen rauh ist. Dies ist Gottsche's1) Sandskrubbe. Uebergänge zwischen dieser und der ge- wöhnlichen (Mudd erskrubbe G.) sieht man überall, daher Kröyer sie mit Recht nicht einmal als Varietäten unterscheidet. Ä5. Platessa Svinensis Lilljeborg. K. Vet. Ak. Handl. 1850. II. p. 306. Taf. XX. fig. 1—2. „ Nilsson, Sk. Fauna IV. p. G17. Diese Art ist bis jetzt nur vom weissen Meere be- kannt, woselbst Prof. Lilljeborg sie bei Archangel fand. Einige kleine Individuen habe ich in Fischfuhren von Kern am weissen Meere gefunden. Die Russen brin- gen nämlich alljährlich in das nördliche Finland bedeu- tende Quantitäten gefrorner Strömlinge (Selti), welche sie im Herbstwinter in den südwestlichen Theilen des weissen Meeres in Eisnetzen fangen. £6. Platessa Llmaiida L. Glahrke oder Kliesehe. Art edi, Gen. pisc, p. 17. n. 2. „ Descr. sp. pisc. p. 58. n. 2. „ Syn. norn. pisc. p. 33. n. 9. Pleur onectes limanda L. Syst. Nat. ed. XII, 1, p. 457. n. 8. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. II. p. 45. Taf. 46. W. v. Wright, ßfcström Sundevall, Sk. Fiskar p. 150. Taf. 34. ,; N i 1 s s o n , Sk. Fauna IV. p. 627. 1) Archiv für Naturgesch. 1635. II. S. 147. 296 M a 1 m g r e n : Plalessa limanda Cuvier, Regne animal, 2. ed. IL p. 339 et 340. „ Kröyer, Danm. Fiske IL p. 298. The common Dab Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 628. Schwedisch Sandßundra, Sandsküdda. In Finmarken und. an unserer Eismeerküste ist diese Art allgemein, wenigstens bis Schuretskaja, wo Prof. Lilljeborg sie genommen hat; doch ist mir nicht be- kannt, dass sie an irgend einer von unseren Ostseeküsten vorkommen sollte, obgleich Prof. Nilsfon in seiner Skan- dinavisk Fauna IV. 8.628 dieses angiebt. Ek ström hat sie nicht unter die Fische von Mörkö aufgenommen, auch hat Sundevall sie nicht in den Stockholmer Scheren angetroffen. In dem südlichen Theile der Ostsee kommt sie vor. £¥. Platessa limaiidoides Bloch. Pleuronectes limaiidoides Bloch, Naturg. d. Ausl. Fische III. p. 24. Taf. 106. „ W. v. Wright, Fries, Ekström, Sk. Fiskar p. 117. Taf. 27. „ Nils so n, Sk. Fauna IV. p. 629. Plalessa limaiidoides Kröyer, Danm. Fiske IL p. 358. The long-roufjh Dab Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 625. Schwedisch Lerskäo'da. Von dem Warangerfjord sind einige grosse Exem- plare von E. Nylander und M. Gadd mitgebracht worden, woraus erhellet, dass diese Art weit östlich vom Nordkap vorkommt. Sie geht nicht in die Ostsee hinein und wird daher bei uns niemals angetroffen. llippoglossus Cuv. £8. H. vulgaris Flem. Heiligebutt, gemeine Heilbutte. Artedi, Gen. pisc. p. 17. n. 3. ,, Syn. spec pisc. p. 31. n. 3. Pleuronectes hippoglossus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 456. p 4. „ Fabricius, Fauna Grönl. n. 117. p. 161. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. IL p. 47. Taf. 47. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p.421. „ Gairaard's Voyage etc. Zoologie Poiss. Planche 14. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 297 Le grand Fletan Cuvier, Regne Animal 2. ed. IL p. 340. Uipyoglossus maximus Minding, 1832 Lehrb. d. Naturg. d. Fische. Gott sehe, Archiv f. Nat. 1835. II. p. 164. „ Kröyer Danm. Fiske II. p. 381. Nils s o n, Sk. Fauna IV. p. 631. Hippoglossus vulgaris Fleming 1828 Hist. of Brit. Animals. ,, {The Holibut) Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 630. „ D. H. Stör er, Memoires of Americ. Acad. Vol. VJ, 2. P. 370. Taf. XXX. fig. 1. Schwedisch Hälleßundra, Norwegisch Queite. Der Heiligebutt ist von der Ostküste Nordamerikas und Grönlands ausgebreitet über den nördlichen Theil des atlantischen Oceans bis an unsere Eismeerküsten, wo er noch bei Kola von den Russen in Menge gefangen wird (Pallas). In Westfinmarken und längs der gan- zen Westküste von Norwegen ist er allgemein; doch geht er nicht in die Ostsee hinein. 8. Fam. Gadoidei. tiadus (L.) Cuv. £9. in. Morrhua L. Dorsch. Artedij Syn. nom. p. 35. n. G. Gadus Morrhua L. Syst. Nat. XII, 1. p. 436. n. 3. „ Fabricius, Fauna Grönl. n. 102. p. 146. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. IL p. 145. Taf. 64. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 181. „ W. v. Wright, Ekström, Sundevall, Skand. Fiskar p. 191. Taf 47. „ Kröyer, Danm. Fiske IL p. 1. „ Nils so n, Sk. Fauna IV. p. 527. Morrhua vulgaris Cuv. Regne Animal 2. ed. IL p. 331. The common Cod Yarrel, Brit. Fishes, ed. I. p. 524. Jüngerer Fisch. Artedi, Gen. pisc. p. 20. n. 4. „ Syn. nom. pisc. p. 35. n. 4. „ Descr. spec. pisc. p. 63. n. 4. Gadus callarias L. Syst. Nat, ed. XII, 1. p. 436. n, 2. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. IL p. 142. Taf. 03. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. p. 182. Gadiis barbatus L. Syst. Nat. XII, 1. p. 437. n. 5. Schwedisch Torsk. Finnisch Turska. 298 Malmgrcn: In dem finnischen Meerbusen ist der Dorsch allge- mein ; dasselbe ist auch der Fall in dem bottnischen Meerbusen bis zum Quarken ; von dort aber wird er sel- tener und dürfte kaum weiter gegen Norden als bis Uleä- borg gehen. Widegren erwähnt seiner nicht unter den Fischen von Norrbotten. In Strömlingsnetzen fängt man ihn oft, doch legt man auch an vielen Orten sowohl Hamen als Garne für den Dorsch aus. Die gewöhnliche Grösse ist 2—4 Pfund; doch wird er an vielen Stellen, z. B. bei Kaskö mit Hamen in grösserer Tiefe von weit grösseren Dimensionen gefangen. — In Finmarken so wie auch im Warangerfjord werden Dorsche in grosser Menge gefangen. Nach Lepechin1) kommt er auch im weissen Meere (Kantalahti) vor. Bei Grönland und Island ist er allgemein. Wahrscheinlich ist auch Morrhua Americana D. H. Storer 2), die bei New-Foundland den Gegenstand der grössten Fischerei auf Erden bildet , der Art nach nicht von .unserem Dorsch verschieden. Bei Beeren-Island soll man, nach einer in Finmarken erhal- tenen Angabe, Dorsche gefunden haben, von Spitzbergen aber ist er nicht bekannt. Bei den Lofoten sind nach offiziellen Angaben jähr- lich über 20000 Mann mit der Dorschfischerei während der Laichzeit (Januar bis März) beschäftigt, und der jähr- liche Fang wird durchschnittlich auf nicht weniger als 20 Millionen Fische veranschlagt. 30. Gaclus Navaga Koelreuter. CI. Navaga Koelreuter, Nov. Comment. Acad. Petrop. Tom. XIV. p.484. Taf.12. „ Pallas, Zoogr. Eosso-Asiat. III. p. 19G. „ Lilljeborg, Vet. Ak. Ilandl. 1850. II. p. 305. Diese Art ist allgemein im weissen Meere, wo er nach Lepechin in grosser Menge mit Hamen im Oc- tober und November gefangen wird. In Fischfuhren von 1) ISu\i (.'oiiimt.'iil Apa4 Petropiol, luiu, jlVJ.I1. p. 513 (die Note). 2) ..Fislies of Massachusetts,- Mcinoires of Americ. Acad. Vol. VI, 2. p.343. Plate27. fig. 1. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 299 Kern habe ich unter Strömlingen einige Individuen ge- funden. Man unterscheidet sie leicht von der vorherge- henden Art durch ihre eigenthümlichen Processus trans- versa welche unten ausgehöhlt sind und mit hohlen, am Ende geschlossenen und abgerundeten Spitzen endigen, ähnlich dem Ende des Rohres an einer Schreibfeder. — Im Westen des weissen Meeres ist diese Art nicht ge- funden worden. 31. Oaclus Saicla Lepechin. Gadvs Saida Lepechin, Nov. Comment. Acad. Scient. Petrop. Tom. XVIII. p. 512. Taf. 5. fig. 1. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 199. Wird im weissen Meere im Herbste nebst Gadus Navaga gefangen , von den Russen aber wegen seines losen und trockenen Fleisches verachtet. Nach Lepe- chin's Beschreibung zu urtheilen ist dies eine gute Art; ich selbst habe sie nicht gesehen. 3». Gadus Aeglefinus L. Schellfisch. Artedi, Gen. pisc p.20. n. 5. „ Syn. nom. pisc. p. 36. n. 7. „ Descr. spec p. 64. n. 5. Gadus Aegleßnus L. Syst. Nat. XII. ed. I. p 435. n. 1. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutsclil. p. 138. Taf. 62. „ Cuvier, Regne Animal 2. ed. II. p. 331. „ W. v. Wright, Fries et Ekström, Skandin. Fiskar p. 86 Taf. 19. „ Kröyer, Danmarks Fiske II. p. 42. „ Nilsson, Skandin. Fauna IV. p. 550. The Haddok Yarrel, British Fishes 3. ed. I. p. 536. Morrhua aeglefmus D. H. Stör er, Mem. of Amer. Acad. Vol. VI, 2. p.355. Taf. XXVIII. flg. 1. Schwedisch Kolja. Finmarken llyse. Der Schellfisch ist höchst allgemein in Finmarken und an unserer Eismeerküste, wenigstens im Waranger- fjord (E. Nylander u. M. Gadd). Ob er weiter gegen Osten bis an die Küste des weissen Meeres vorkommt, ist nicht bekannt, scheint aber glaublich zu sein, denn Kröyer hat ihn bei Spitzbergen gefangen. Bei Grön- land ist er nicht vorhanden, wohl aber bei Island und 300 Malmgren: nach S torer an der Ostküste von Nordamerika. In die südliche Ostsee geht der Schellfisch höchst selten hinein; in dem nördlichen Theile derselben ist er noch niemals gefunden worden. 33. Gadus carwonarius L. Köhler, Kohlenmund. Artedi, Gener. pisc. 20. n. 2. „ Syn. spec. pisc. p. 3. 34. n. 2. Gadus carbonarius L Syst. Nat. XII. ed. I. p. 438. n. 9. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutsch!. II. p. 164. Taf. 66. „ W. v. Wright, Ekstr. et Suudevall, Skand. Fiskar p. 195. Taf. 48. Le Merlan noir Cuvier, Regne Aninial 2. ed. II. p. 332. Merlangus carbonarius Kröyer, Danm. Fiske II. p. 102. Gadus vircns Nilsson, Sk. Fauna IV. p 559. The Coalfish Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 554. Jüngerer Fisch. Gadus virens L. Syst. Nat.XII. ed. I. p. 438. n. 7. Schwedisch Sej. Allgemein in Finmarken und an der Eismeerküste der russischen Lappmarken. Bei Kola soll nach der Mittheilung des Cand. G. Selin diese Art hauptsächlich der Gegenstand der Fischerei sein. Er kommt auch nach Phipps, Ekstr öm und Kröyer bei Grönland und Spitzbergen vor; ich selbst habe ihn dort nicht gesehen. In die Ostsee begiebt er sich selten, und fehlt gänzlich in dem nördlichen Theile derselben. Lota Cuv. 34t, I<. Molva L. Leng. Artedi, Gen. pisc. p. 22. n. 9. „ Syn. noni. p. 36. n. 9. Gadus Molva L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 439. n. 12. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. IL p. 174. Taf. 69. Lola Molva Cuvier, Regne Animal IL p. 333. „ Kröyer, Danm. Fiske. IL p. 153. Molva vulgaris Nilsson, Skand. Fauna IV. p 5.3. The Ling Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 569. Schwedisch Longa. Der Leng wird in Finmarken an Leinen in grossen Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 301 Tiefen von 80 — -200 Faden gefangen. Wie weit er an dieser Küste gegen Osten geht, ist unbekannt; im Wa- rangerfjord aber soll er nach sicherer Angabe noch vor- kommen. Von Grönland ist der Leng nicht mit Sicher- heit bekannt, so wie auch nicht von Spitzbergen ; ob- gleich Faber, Naturgesch. der Fische Islands, dies an- giebt. In der Ostsee fehlt er gänzlich. 35. L»ota vulgaris Cuv. Quappe, Rutte. Artedi, Gen. pisc. p.22. n. 10. „ Descr. spec. p. 107. „ Syn. nom. p. 38. n. 13 et p. 111. n. 2. Gadus Iota L. Syst. Nat. XII. ed. I. p. 440. n. 14- „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschl. II. p. 177. Taf. 70. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. p. 201. Lola vulgaris Cuvier, Regne Animal 2. ed. II. p. 334. „ W. v. Wright, Ekström, Sundevall, Skand. Fiskar p. 170. Taf. 41. „ Kröyer, Daum. Fiske II. p. 169. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 580. „ H e c k e 1 et K n e r, Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 313. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 73. The Burbot Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 572. Schwedisch Lake. Finnisch Made, Mae, Malikka. In allen Gewässern Finlands, sowohl in Landseen und Flüssen bis hinauf nach Utsjoki Lappmark, als auch in den Scheren des bottnischen und finnischen Meerbusen sehr allgemein. Wird meistens im Winter mit Reusen unter dem Eise, so wie im Frühling und Herbste mit Hamen gefangen. Laicht im Januar und Februar. - Brosmius Cuv. 36. Brosmius vulgaris Cuv. Gadus Brosme O. Müller, Prodr. Zool. Dan. 41. n. 340. „ Ascanius, Icon. rer. nat. Tab. 17. Gadus Lubb Euphrasen, Vet. Ak. Handl. 1794. p. 223. Taf. 8. Gadus brosma Cuvier, Regne Animal 2. ed., II. p. 334. Brosmius vulgaris Kröyer, Danm. Fiske II. p. 215. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 597.' 302 Malmgren: Gadus Brosma Gaimard's Voyage en Scand. Island etc. Zool. Pois- sons Planche 5. The Torsk, or Tvsk Yarrel, British Fishes I. p. 591. Schwedisch Lubb. Norwegisch Brosme. Kommt in Finmarken ziemlich allgemein in grossen Tiefen vor. Von dem Warangerfjord haben E. Nylan- d e r und M. G a d d ein grosses Exemplar für das Mu- seum der Universität zu Helsingfors mitgebracht. Ist nie- mals in der Ostsee angetroffen worden. B. Malacopteri apodes. 9. Fam. Ammodytidae. Ammodytes L. 37, Jl. lanceolatus Le Sauv. Tobiasfisch, Sandaal. Ammodytes lanceolatus Le Sauvage, Bullet, des Sc. 1825. Febr. „ W. v. Wright, Ekström et Sundevall, Skand. Fiskar Lat. Text. p. 127. Ammodytes tobianus Cuvier, Regne Animal 2. edit, II. p. 360. „ Bloch, Naturgesch. der Fische Deutschi. III. p.24. Taf. 75. „ W. v. Wright, Ekström et Sundevall, Skand. Fiskar Taf. 54. „ Kröyer, Dänin. Fiske III, 1. p. 575. „ N il s s o n, Skand. Fauna IV. p. 652. The sand-Eel Yarrel, Brit. Fish. 3. edit. I. p. 89. Schwedisch Tobiskung. An sandigen Küsten in den Scheren von Aland und Abo dürfte der Tobiasfisch nicht ganz selten sein, denn unsere Museen besitzen von dort mehrere Exemplare. Es ist nicht bekannt, dass dieser Fisch an einer anderen von Finlands Küsten gefunden worden ist. 38. Ammodytes lancea Cuv. Ammodytes lancea Cuvier, Regne Animal 2. edit., II. p. 360. „ Kröyer, Danmarks Fiske 111,1. p.593. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 656. The sand Launce Yarrel, British Fishes 3. edit. I. p. 94. Schwedisch Blatobis. Finmarken Siil. In Finmarken kommt dieser Fisch allgemein an Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlande. 303 sandigen Meeresufern vor, wo er sich zur Zeit der Ebbe im Sande V2 — 1 Fuss tief verbirgt und dann leicht mit Hülfe eines Spatens gefangen wird. Von dem Warangerfjord haben E. Nylander und M. Gadd Exemplare geholt, und Lilljeborg fand ihn bei Schuretskaja. Er ist also weit im Osten des Nordkap verbreitet, kommt dagegen aber nicht an unseren Ostseeküsten vor. Hier wird er von der vorhergehenden Art ersetzt, welche wiederum an den Eismeerküsten gänzlich zu fehlen scheint. Prof. S u n- devall fand Amm. lancea ebenfalls nicht in den Stock- holmer Scheren, wohl aber Amin. la?iceolatusIje Sauv. An den Küsten von Skäne (Schonen) kommen beide Arten zusammen vor. 10. Fam. Muraenoidei. Anguilla Thunb. 39. Anguilla vulgaris Flem. Aal. Artedij Gen. pisc. p. 24. n. 1. „ Descr. spec. pisc. p. 66. n. 1. „ Syn. nom. pisc p.39. n. 1. Muraena anguilla L. Syst. Nat. XII, 1. p. 426. „ Bloch, Naturg. d. F. Deutschi. III. p. 4. Taf. 73. „ Pallas, Zoogr. R.-Asiat. III. p. 71. Nilsson, Skand. F. IV. p.661. Anguilla vulgaris Fleming, British Anim. p. 199. „ Cuvier, Regne Animal 2. edit. II. p. 349. „ Siebold, Süsswasserf. v. Mittelem*, p. 342. Anguilla migratoria Kröyer, Danm. Fiskelll, 1. p. 616. Anguilla fiuviatilis He ekel u. Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. Mo- narchie p. 319. Anguilla aculiroslris Yarrel, Brit. Fish. 3. ed. I. p. 44. Anguilla latiroslris Yarrel, Br. F. 3. ed., I. p. 62. © Schwedisch AI. Finnisch Airokas (Kajana), Angeriainen (Sa- takunta), Ängeri (Ladoga). Der Aal kommt im bottnischen und finnischen Bu- sen, so wie auch in den meisten Seen und Flüssen vor, welche mit dem Meere in Verbindung stehen. Ob er auch in Lappmarken gefunden wird, ist mir unbekannt. Pallas führt ihn zwar für die Flüsse an, welche sich in 304 Malmgren: das weisse Meer ergiessen, Prof. Lilljeborg aber fand auf seiner Reise in dem nördlichen Russland den Aal nur in Novaja Ladoja. Ich selbst bin nur im Stande gewesen seine nördliche Ausbreitung im Lande bis in die Gegend von Ka Jana zu verfolgen, wo man ihn bisweilen im Uleä- Träsk (— See) «) erhält (Ö4V2° N. B.). Im Ladoga ist er ziemlich allgemein ; aber es sieht fast so aus, als ob der Imatrafall seiner Verbreitung in das weite Wassersystem des Saimen ein unüberwindliches Hinderniss in den Weg legte, denn ich habe ihn in Savolaks niemals gesehen, auch nicht gehört, dass er dort vorhanden sein soll. Es ist wahrscheinlich, dass der Aal nach der Eröffnung des Saima-Kanales in den Saimen einwandern und sich dort allmählich Orientiren wird, wie es schon in dem Wenersce der Fall gewesen ist. Die Aalbrut konnte nämlich an den Trollhättefällen nicht hinaufkommen, und darum fehlte ehe- mals der Aal imWener ; seit der Eröffnung des Trollhättc- kanales aber bediente er sich dieses Kanalweges und kommt jetzt regelmässig im Wener und in den Gewässern vor, welche mit diesem See in Verbindung stehen. Bei uns kommen zwei Formen des Aales vor, nämlich eine mit breitem und stumpfen und eine mit schmalem und zuge- spitzten Kopfe; doch findet man oft Zwischenformen, welche unter keine von diesen beiden Arten gebracht werden können. Dass sie nicht verschiedenen Arten an- gehören, lässt sich nicht bezweifeln , obgleich mehrere neuere Ichthyologen, z. B. Yarrel und Kröyer dieses annehmen. Prof. Sundeva 11 2) vermuthet, dass möglicher Weise der Geschlechtsunterschied diese Verschiedenheit bedingt. — An den Küsten von Frankreich machen die Fischer einen Unterschied unter 4 Arten von Aalen (Cu- vier). Yarrel und Kröyer unterscheiden 3 Arten, aber Nilsson und Siebold haben diesen Arten mit 1) Im nördlichen Skandinavien bezeichnet man mit „Träsk", das ist Sumpf, einen Landsee, der jedoch gewöhnlich keine bedeutende Tiefe hat, und dessen Wasser nicht ganz klar ist. 2) Stockholms Läns Hushällningssällskaps Handlingar. Heft 6. S.93. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 305 Recht alles Artenrecht abgesprochen. — Ueber die Fort- pflanzung des Aales hat man bei uns keine Erfahrung. Ueber diese Frage herrscht immer noch grosse Unge- wissheit, da man noch keine solche Individuen angetrof- fen hat, von denen es über allen Zweifel erhaben gewesen wäre, dass sie Männchen wären. Untersuchungen über diesen Gegenstand würden von grossem Interesse sein, und ich kann hier die Vermuthung nicht zurückhalten, dass bei uns Aland ein ganz besonders passender Ort sein würde zur Anstellung solcher Untersuchungen, da der Aal dort in Menge vorkommt und beinahe das ganze Jahr hindurch mit Gabeln und Hamen gefangen wird. — Anmerkenswerth ist, dass der Aal in allen Flüssen fehlt, welche sich in das schwarze Meer ergiessen, obgleich er übrigens im mittelländischen Meere allgemein ist. C. Malaeopteri abdominales. 11. Fam. Siluroidei. Silurus L. •4(h Silurus {jlaiiis L. Wels, Waller. Artedi, Gen. pisc. p. 82. n. 2. Descr. spec. pisc. p. 110. n. 1. Silurus Glanis L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 501 n. 2. Bloch. Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 242. Taf. 34. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 82. Cuv. et VaL, Hist. d. Poiss. XIV. p. 241. Taf. 409. „ Kröyer, Danm. Fiske III. 1. p. 120. Nilsso n, Skand. F. IV. p. 359. „ Heckel u. Kner. Süsswasserf. d. Oesterr. M. p. 308. „ S i e b o 1 d, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 79. The sly Silurus Yarrel, Brit. Fishes. 3. ed.. 1. p. 454. Schwedisch Malfish. Finnisch Sähe, Säkiä, Monni (Sadelin). In Finland kommt, so viel mir bewusst, der Wels nur in denSeen um Tavastehus vor. P. A. Gadd be- richtet in Abo Tidningar 1772 S. 366, dass der Wels „bisweilen in dem Kirchspiele Hattula in den Seen um Archiv für Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 20 306 Malmgren: Tavastehus gefangen wird, und oft so gross ist, dass ein Paar Ochsen erforderlich sind, um ihn von der Stelle zu bringen". S adelin sagt von Silurus glanis in Fauna fennica p. 46: „Interdura captus in lacu Wanajanvesi paroecia Hattula et alibi circa Tavasteburgum, nee non in paroecia Kangasala, nonnunquam etiam in lacubus illis profundioribus Keitele et Kolima paroecia Wiitasaari." Die Angabe von dem Vorkommen des Welses in allen diesen Seen bedarf gleichwohl der Bestätigung. Mit Ge- wissheit weiss man nur, dass er in den Seen bei Tavastehus vorhanden ist, aber dort höchst selten gefangen wird. In diesem Jahre (1863) soll dort ein solcher gefangen wor- den sein, und wahrscheinlich schreibt sich ein im fin- nischen Museum verwahrtes Exemplar ebenfalls aus der Gegend Tavastehus her. Eine Angabe des Herrn Holm- berg x), dass der Wels im Höytiäinen vorhanden sein soll, erlaube ich mir, gestützt auf Nachrichten, die ich im Sommer 1862 an Ort und Stelle selbst eingezogen habe, zu bezweifeln. 12. Farn. Acanthopsides Heckel et Kner. Cobitis L. 4H. C. l>arl>atula L. Schmerle, Bartgrundel. Art edi, Gen. pisc. p. 2. n. 2. „ Syn. nom. p. 2. n. 2. Cobitis barbatula L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 499. n. 2. „ Bloch, Naturg. der F. D.I. p. 224. Taf. 31. fig.3. Pallas, Zoogr. R.-Asiat. III. p. 164. Cuv. et Val., Hist. Nat. d. Poissons XVIII. p. 10. Taf. 520. „ Kröyer, Danm. Fiske III. 1. p. 539. „ W. v. Wright, Ekström et Sundevall, Lat. Text p. 125. Taf. 53. 1) Underdänig berättelse om resultatet af anställda undersök- ningar, beträffande orsakerna tili fiskets aftagande i Finland etc. (Unterthäniger Bericht über das Resultat angestellter Untersuchun- gen in Betreff der Abnahme der Fischerei in Finland u. s. w.). Helsingfors 1859. S. 5. Kritische Uebersicht der Fisch- Fauna Finlands. 307 Cobitis barbatula Nils so n, Skand. Fauna IV. p. 343. „ Heckel u. Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. M. p.301. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 337. The Loach, Loche or Beardie Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 446. Schwedisch Grünling. Finnisch Jauhoturpa (Kajana) ; Kiven- nuoliainen; Kitvriima (Suvanto i Wiborgslän). Dieser kleine Fisch ist allgemein im ganzen Lande. Er hält sich in Strömen und Flüssen in seichtem Gewäs- ser unter Steinen auf. Wie weit gegen Norden seine Verbreitung sich erstreckt, weiss ich nicht ; in ganz Ka- janalän aber (65° N. B.) ist er noch allgemein. In ganz Savolaks und Karelen, im südlichen Österbotten (Storän) und in Sakunta kommt er ebenfalls vor, doch nirgends in den Scheren. In Sordavala erhielt ich von dem Apothe- ker Relander Exemplare von Uguniemi , welche 6 — 7 schwed. Zoll lang waren. Die gewöhnliche Länge ist nur 3—5 Zoll. Die Laichzeit ist im Frühlinge zu Anfang des Juni. Es ist sehr merkwürdig, dass diese Art weder auf der skandinavischen Halbinsel noch in Dänemark vorkommt obgleich sie in ganz Finland, Russland, Deutschland und England allgemein ist. Der Fisch, den W. v. Wright abgebildet hat in Skandinaviska Fiskar Taf. 53, war von Kuopio in Finland. 48. Cobitis taenia L. Dorngrundel , Steinpitzger, Steinbeisser. Artedi, Gen. pisc. p. 2. n. 1. „ Descr. spec. pisc 4. n. 1. „ Syn. nom. pisc. p. 3. n. 2. Cobitis taenia L. Syst.Nat. ed. XII, 1. p.499. n. 3. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 221. Taf. 31. fig. 2. ,, Pallas Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 166. Cuv. et Val. Hist. nat. Poiss. XVIII. p.44. Botia Taenia Kröyer, Danm. Fiske III. p. 564. Cobitis taenia Nilsson Skand. Fauna IV. p. 345. ,. Heckel et Kner. Süsswasserf. der Oesterr. Monar- chie p. 303. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 338. The spined Loche Yarrel, Brit. Fishes. 3. ed., p.446. Schwedisch JSissöga. 308 Malmgren: Während die vorige Art in Finland allgemein ist; in dem übrigen Skandinavien aber fehlt, verhält es sich mit dieser Art beinahe umgekehrt , denn sie ist im süd- lichen und mittleren Schweden so wie auch in Däne- mark allgemein, fehlt aber beinahe ganz in Finland. P. A. Gadd *) sagt zwar, Cobitis taenia „ist in Tavastland be- kannt unter dem Namen Lettomadet" ; aber er hat augen- scheinlich die Namen verwechselt, denn Cobitis iaenia ist, so viel ich habe erfahren können, in Tavastland nicht vor- handen, wohl aber Cobitis barbatula. Sandelin nimmt in seine Fauna Fennica ausser Cobitis barbatula auch Cobitis taenia auf, augenscheinlich aber auf Gadd's Au- ctorität. Von den beiden finnischen Exemplaren, die ich zu sehen Gelegenheit gehabt habe, und welche beide in Helsingfors in dem Museum der Universität aufbewahrt werden, ist das eine in Björkösund in der Nähe von Wi- borg von Herrn L. Krohn genommen worden, und das andere ist von dem Kirchspiele Mohla in Wiborgs län. Also kommt diese Art in dem südöstlichsten Theile des Landes vor, wahrscheinlich aber sehr wenig verbreitet, denn in der Gegend des Ladoga fand ich sie nicht, 13. Fam. Cyprinoidei. Carassius Nilss. 43. C. vulgaris Cuv Karausche. Var. a. Karausche oder Seekarausche. Artedi, Gen. pisc. p. 4 n. 7. „ Descr. spec. p. 29. n. 15. „ Syn. nom. p. 5. n. 5. Cyprinus Carassitts L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 526. n. 5. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 69. Taf. 11. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. p. 297. „ Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poiss. XVI. „ W. v. Wright, Sundevall et Ekström, Skand. Fiskar p. 140. Taf. 31. „ Nilss ou, Skand. Fauna IV. p. 291. Carassius vulgaris Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 294. 1) Abo Tidningar 1772. p. 365. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 309 Carassius vulgaris He ekel u.Kner, Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. G7. „ Siebold, Die Süsswasserfische von Mitteleu- ropa p. 98. The crucianCarp Yarrel, Brit. Fishes. 3. ed. I. p. 364. Var. b. Giebel- oder Teichkarausche. Cyprinus Gibclio Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 71. Taf. 12. ,, Nilsson, Skand. Fauna. IV. p. 294. Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poiss. XVI. „ Heckel u. Kner , Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 70. Cyprinus carassius v. b. gibelio, W. v. Y/right, Sundeva 11 et Ekström, Skand. Fiskar p. 140. Taf. 32. The prussian Carp Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 368. Nach Siebold gehören noch als Syn. hieher : Carassius Moles et Carassius oblongus Heckel u. Kner, Die Süss- wasserf. d Oesterr. Monarchie p. 71. fig. 32. und p. 73. fig. 33. Schwedisch Ruda. Finnisch Ruutana, Kouri. Es ist Ekström's1) Verdienst dargelegt zu haben, dass Cyprinus Gibelio Bl. nur eine degenerirte Form des Cyprinus Carassius L. ist. Siebold hat in seinem vor- trefflichen Werke „die Süsswasserfische von Mitteleuropa 1863" nicht allein Ekström's Ansicht adoptirt, sondern auch die Reduction noch weiter geführt und gezeigt, dass auch Cyprinus Moles Cuv. et. Val. und Carassius oblongus Heck, et Kner. zu Linne's Cyprinus Carassius gehören. Die Karausche ist ziemlich allgemein im südlichen und mittleren Finland sowohl in Tümpeln mit Moder- grund als auch in seichten Meerbusen und Landseen in den Scheren (z. B. Quarken). Am weitesten gegen Nor- den habe ich sie in Paldamo (64,5° N. B.) in einem klei- nen Tümpel angetroffen, wohin sie versetzt worden sein soll. Die Teichkarausche ist seltener. Das finnische Mu- seum besitzt Exemplare derselben aus Kikkalampi bei 1) Kongl. Wetenskaps Akademiens Handlingar 1838, übersetzt von Creplin (Beobachtungen über die Formveränderungen bei der Karausche) in Oken's Isis 1840. S. 145 und Skandinaviens Fiskar, 310 Malingren: Sordavala, gesammelt von J. J. Chydenius und J. E. Fu ruhj elm. Tinea Cuv. 4H. Tinea vulgaris Cuv. Schleihe. Artedi, Gen. pisc. p. 4. n. 6. „ Descr. spec. p. 27. n. 14. „ Syn. nom. 5. n. 7. Cyprinus Tinea L. Syst. Nat. ed. XII. p. 526. n. 4. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 83. Taf. 14. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 296. „ W. v. Wright, Ek ström, Sundevall, Skand. Fiskar p. 205. Taf 52 Tinea vulgaris Cuv. et Val. , Hist. nat. d. Poissons XVI. p. 246. Taf. 484. „ Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p.351. „ Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 297. „ Heckel et Kner, Süsswasserf. der Oesterr. Monar- chie p. 75. fig. 34 et 35. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 106. The Thench Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 389. Schwedisch Lindare , Sutare. Finnisch Suutari , Tnutain (Kexholm). In Finland kommt die Schleihe nur in dem südli- chen Theile des Landes in kleineren Landseen und seich- ten Meerbusen in den innersten Scheren vor. Sie wird in den Sümpfen um Kexholm und in Kronoborg gefun- den nach J. J. Ch yd e n i us *). Th. Sälan hat an das finnische Museum Exemplare aus den Inga-Scheren ge- liefert. Die Grenzen der nördlichen Verbreitung der Schleihe lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen, wahrscheinlich aber geht sie bei uns nicht über 62° N. B. hinaus. In Wasa-, Uleäborgs- und Kuopiolän fehlt sie nach meiner Erfahrung gänzlich , und wahrscheinlich ist sie auch nicht in Satakunta , Tavastland und Savolaks vor- handen, obgleich einige Angaben Sadelin's Anlass zu der Vermuthung geben, dass sie in den südlichen Thei- len der zuletzt erwähnten Landschaft vorkommen soll. 1) Sällskapets pro Fauna et Flora Fennica notiser (Notizen der Gesellschaft pro F. et Fl. F.), Ny serie (Neue Serie) L S. 90. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 311 Gobio Cuv. 45. Cr. fluviatilis Cuv. Gründling, Gressling. Artedi, Gen. pisc. p.4. n. 10. „ Descr. spec. p. 13. n. 5. „ Syn. nom. p. 11. n. 20. Cyprinus Gobio L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 526. n. 3- „ Bloch, Naturgesch. der Fische Deutschi. I. p. 57 Taf. 8. fig. 2. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 295. Gobio fluviatilis Cuv. et Val., Hist. d. Poiss. XVI. p. 230. Taf. 481. Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 334. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 300. „ Heckel u. Kner , Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 90. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 112. The Gudgeon Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 383. Schwedisch Sandkrypare. Von diesem Fische habe ich nur ein einziges Exem- plar gesehen, das von L. Krohn in Björkösund südlich von Wiborg gefangen ist. Er kommt also wenigstens im südlichen Theile von Wiborgs län vor. Abramis Cuv. 46. .Vbr. JElrama L. Brachsen, Blei. Artedi, Gen. pisc. p. 6. n. 16. „ Descr. sp. p. 20. n. 10. „ Syn. nom. p. 4. n. 2. Cyprinus Brama L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 531. n. 27. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 75. Taf. 13. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 325. „ W. v. Wright, Ekström, Sundevall, Skand. Fiskar p. 175. Taf. 42. Abramis Brama Cuv. et Val., Hist. des Poiss. XVII. p. 7. ,, Kröyer. Danm. Fiske III. p. 369. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 324. „ Heckel et Kner, Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 104. ,, Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p 121. The Bream Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 397. Nach Siebold gehören noch hieher: Abramis velula Cuv. et Val., Hist. d. Poissons XVII. p. 45. 312 Malmgren Abramis vetula Heckel et Kner. Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 108. Abramis microlepidotus Cuv. et VaL, Hist. d. Poiss. XVII. p. 32. Abramis argyreus Cuv. et VaL, Hist. d. Poiss. XVII. p.33. Junger Fisch. Cyprinus iridi flava, pinna ani ossiculorum, viginli seplem Artedi, Gen. pisc. p. 3. n. 4, Descr. sp. p. 23. n. 12, Syn. nom. p. 13. n. 28. Cyprinus Farenus Ekström, K.Vet. Ak. Handl. 1830. p. 175. Taf. 5. Linnes Cypr. farenus Syst. Nat. XII, 1. p. 532. n. 30 gehört zu Abr. Ballerus. Schwedisch Braxen. Finnisch Lahna. In den Scheren des botanischen und finnischen Meer- busens, so wie in allen grösseren Gewässern des Landes, Landseen und Flüssen, bis an den Polarkreis kommt der Brachsen allgemein vor. Die Grenzen der Lappmarken soll er nicht überschreiten (Widegren). Die Laichzeit des Brachsens trifft im Mai und Juni ein. Das Laichen geschieht nach übereinstimmender Aussage der Fischer an drei verschiedenen etwa durch eine Woche getrennten Zeiten. Die Kleineren laichen früher, die Grössten zu- letzt. In Satakunta (Kulla) heisst die erste Laichzeit Lehtikutu und die dritte Kesäkutu. Am Ladoga bezeichnet der gemeine Mann den Brachsen während der verschiedenen Laichzeiten mit verschiedenen Namen. Der- jenige, welcher zuerst im Frühlinge laicht, heisst Tou- kolahna, der darauf folgende Kesä-lahna, und der zuletzt laichende He'elm ä-lahn a (J. J. Chydenius). 4t7, Abramis Vimba L. Zärthe, Russnase. Artedi, Gen. pisc. p. 6. n. 16. „ Syn. spec p. 18. n. 8. „ Syn. nom. p. 14. n. 32. Cyprinus Vimba L. Syst. Nat. ed. XII. p. 531. n. 25. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 38. Taf. 4. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 322. Abramis Vimba Cuv. et Val., Hist. d. Poissons XVII. p. 48. „ Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 400. „ Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 322. „ Heckel u. Kner, Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 109. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 313 Abramis Vimba Siebold, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 125. Schwedisch Vimba. Finnisch Sulkava (Ladoga). Im finnischen und bottnischen Meerbusen kommt die Zärthe allgemein vor, und wird an vielen Orten in grosser Menge gefangen, z. B. bei Borgä und im Käll- fjärd (nördlich von Björneborg), wenn sie im Frühlinge in die Flüsse hinaufsteigt um zu laichen. Die Zärthe wird auch im Ladoga gefunden und heisst dort Sulkava; doch kommt sie, so weit ich habe erfahren können, in unseren übrigen grossen Landseen nicht vor. — Lector Strömborg hat mir mitgetheilt, dass die Fischer in Borgä zwei Arten der Zärthe unterscheiden, welche zu verschiedenen Zeiten laichen und während der Laichzeit eine verschiedene Farbentracht annehmen. Möglicher Weise ist die zweite Art HeckeTs neue Art Abramis melanops, die sich durch eine weniger langgestreckte und stumpfere Schnauze auszeichnet, und welche Siebold geneigt ist, nur als eine solche Varietät der A. Vimba L. anzusehen, die nicht aus den Flüssen ins Meer wandert und sich auf solche Weise dem Einflüsse des Meerwas- sers entzieht. Blicca Heck. 48. B. Björkna (Artedi). Blicke, Güster. Artedi, Gen. pisc. p. 3. n. 3. „ Descr. spec. p. 20. n.9. ,, Syn. nom. p. 13. n. 27. Cyprinus Blicca Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 65. Taf. 10. „ W. v. Wright. Ekström et Fries, Sk. Fiskar p. 64. Taf. 12. Leuciscus Blicca Cuv. et Val., Hist. nat. des Poissons XVII. p. 23. Abramis Blicca Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 389. Abramis Björkna Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 328. Blicca argyroleuca Heckel u. Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 120. Blicca Björkna Siebold, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 138 (Excl. syn. L. Syst. Nat.) The white Bream Yarrel, Brit. Fishes 3. ed. I. p. 403. Nach S i e b o 1 d gehören noch hieher : Blicca Laskyr (Cyprinus) Güldenst, Pallas Zoogr. Rosao-Asiat. III. p. 326. 314 Malmgren: Abramis micropteryx Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poiss. XVII. p. 32. Abr. erythroplerus Cuv. et Val.. Hist. nat. d. Poiss. XVII. p. 43. Schwedisch Blicca, Björkna, Panka, Braxenpanha. Finnisch Lopperi (Sordavala), Varolainen (Kmno). Diese Art ist im südlichen Finland ziemlich allge- mein, die Bestimmung ihrer nördlichen Verbreitung in unserem Lande stösst aber noch immer auf grosse Schwie- rigkeiten, da die Fischer sie überall mit dem jungen Brach- sen verwechseln. Im Sommer 1859 entdeckte ich die Güs- ter im Kirchspiele Kümo, wo sie Varolainen genannt wurde. Späterhin fand ich, dass sie in unseren südlichen Scheren keines weges selten ist, und 1862 erfuhr ich, dass sie im Ladoga allgemein vorkommt. Wahrscheinlich ist sie über das ganze südliche Finland ausgebreitet, wenig- stens bis zum 62° N. B. In ganz Österbotten, im nörd- lichen Savolaks und im nördlichen Karelen ist sie nach meiner Erfahrung nicht vorhanden. Im Ladoga soll das Laichen in seichten mit Gras bewachsenen Busen im Monate Juni geschehen. — Cypri- nus gibbosus Pallas Zoogr. Rosso-Asiat. p. 324 ist wahr- scheinlich unsere Blicca Björkna Art. PeleCUS Agass. 4:9. P. cultratus L. Sichling, Ziege. Cyprinus cultratus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 531. n. 28. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 331. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 255.Taf. 37. Leuciscus cultratus Cu v. et Val., Hist. nat. d. Poissons XVII. p. 245. Abramis cultratus Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 340. Pelecus cultratus Kröyer, Danm. Fiske III. p. 511. „ Heckel u. Kner. Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 126. „ Siebold, Die Süsswasserf. v. Mitteleuropa p. 152. Schwedisch Shärbraxen. Finnisch Miehkahala (Sakkola). Bei uns kommt dieser Fisch nur im Ladoga vor, wo er am meisten in dem südwestlichen Theile des Sees im Kirchspiele Sakkola gefangen wird. — Uebrigens ge- hört die Art eigentlich den Wassersystemen des schwar- zen und kaspischen Meeres an, kommt aber auch in dem südlichen Theile der Ostsee vor, aus welcher er in die Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 315 norddeutschen Flüsse hinaufsteigt. Nur zufällig und so viel bekannt seit L i n n e's Zeiten nicht gefangen an der Ostseeküste von Skane (Schonen). Uebrigens fremd für die skandinavische Halbinsel. AlburnUS (Kond) Heckel. 50. A. lucidus Heck, Ückelei, Laube. Art edi, Gen. pisc. p. 6. n. 18. „ Descr. sp. p. 17. n. 7. ,, Syn. nom. p. 10 n. 19. Cyprinus alburnus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 531. n. 24. „ Bloch, Naturgesch. der Fische Deutschi. I. p.54* Taf. 8. fig. 4. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 321. W. v. Wright, Ekstr. et Sundevall, Skand. Fiskar p. 203. Taf. 51. Leuciscus alburnus Cuv. et Val., Hist d. Poiss. XVII. p. 202. Aspius alburnus Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 485. Abramis alburnus Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 337. Alburnus lucidus Heckel u. Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 131. „ Siebold, Die Süsswasserf. V.Mitteleuropa p. 154. The Bleah or Blich Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 438. Siebold zählt noch hieher : Alburnus brericeps Heckel u Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. Mo- narchie p. 131. Leuciscus alburnoüles Cuv. et Val., Hist. nat. des Poissons XVn. p. 186. Schwedisch Loja. Finnisch Salahka, Salkko. Von dem südlichsten Finland bis hinauf an die Tor- neä-Elf (Widegren) kommt dieser Fisch ganz allge- mein in den meisten grösseren Landseen und Flüssen vor. Die nördlichste Stelle , wo ich selbst ihn gefangen habe, ist Hyrysalmi (65° N. B.) in Kajana Län. In dem Wassersysteme des Saimen und im Ladoga ist er sehr allgemein, ebenso an vielen Orten in Satakimta. Auch in den Scheren des bottnischen und finnischen Meerbu- sens kommt der Ückelei in Menge vor. 316 Ma lmg rem Aspius Agass. 51. A. rapax Pallas. Rapfen, Schied. Artedi, Gen. pisc. p. 6. n. 19. ,, Descr. sp. p. 14. n. 6. Syn. nom. p. 14. n. 31. Cyprinus aspius L. Syst. Nat. XII, 1. p. 530. n. 22. Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p 48. Taf. 7. C. rapax Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. p. 311. Leuciscus aspius Cuv. et Val., Nist. nat. des Poiss. XVII. p. 196. Abramis aspius Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 334. Aspius rapax Kröyer. Dänin. Fiske III, 1. p. 500. „ Heckel u. Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Mo- narchie p. 142. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 169. Schwedisch Asp. Finnisch Teuta. - Nach Mittheilung des Lectors J. E. Ström borg soll dieser Fisch bei Teutkoski inElimä wo er Teuta ge- nannt wird, in Menge gefangen werden. In dem Museum der Universität zu Helsingfors werden Exemplare aufbe- wahrt, doch ohne sichere Lokalangabe. Auf meinen Rei- sen im mittleren , nördlichen, östlichen und westlichen Finland habe ich diese Art nirgends angetroffen, auch keine Notizen über ihr Vorkommen erhalten, woraus ich schliesse, dass sie bei uns eine geringe Verbreitung hat und vielleicht auf das östliche Nyland, das südliche Ta- vastland und das südliche Savolaks beschränkt ist. Idus Heck. 58. I. melanotus Heck. Aland, Nerfling. Artedi, Gen. pisc. p.5. n. 14. „ Descr. spec p. 6. n. 1. „ Syn. nom. p. 14. n. 30 u. p. 7. n. 11. Cyprinus Idus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 529. n. 17. Cypvinus Jeses L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 530. n. 20. „ Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 45. Taf. 6. Cyprinus Idus Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. p. 316. „ W. v. Wright, Fries et Ekström, Skandin. Fiskar p. 59. Taf. 11. Cypvinus Jeses Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poiss. XVII. p 120. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 317 Leuciscus Idus Kröyer, Danm. Fiske III. p. 447. „ Nils so ii, Skand. Fauna IV. p. 306. Idus melanotus Hecke 1 u. Kner, Die Süsswasserf. d. Oesterr. Mo- narchie p. 135. „ Siebold, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 176. The Ide Yarrel, British Fishes 3. ed. I. p. 418. Schwedisch hl. Finnisch Säy?ie, Säynäjä. Der Aland ist einer der allgemeinsten Fische in ganz Finland bis hinauf an den Polarkreis (Karesuando). An den Küsten des bottnisclien und finnischen Meerbu- sens kommt er in grosser Menge vor, am zahlreichsten dürfte er aber dennoch in unseren Landseen, Flüssen und Strömen leben. — Die Laichzeit ist früh im Frühlinge. Scardinius Bonap. 53. Sc. erythrophthalmug L. Rothauge, Rothfeder. Artedi, Gener. p. 3. n. 2. „ Descr. sp. p. 9. n. 2. „ Syn. nom. p. 4 n. 3. Cyprinus erythrophthalmus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 530. n. 19. „ Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 28. Taf. 1. „ W. v. Wright. Fries- et Eks tröm Skand. Fiskar. p. 74. Taf. 16. Cyprinus erytrops Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III. p. 317. Leuciscus erythrophthalmus Cuv. et Val. , Hist. nat. des Poissons XVII. p.80. „ Kröyer, Danm. Fiske III. p. 421. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p 313. Scardinius erythrophthalmus Heckel u. Kner, Die Süsswasserf. d. Oesterr. Monarchie p. 153. „ Siebold, Die Süsswasserf. von Mittel- europa p. 180. The Red-eye, or Rudd Yarrel. Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 411. S i e b o 1 d führt hieher auch : Scard. macrophlhalmus Heckel und Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie jd. 160. Schwedisch Sarf. Finnisch Sorica. Kommt im finnischen und im südlichen Theile des bottnischen Meerbusens vor, ist aber nirgends besonders allgemein. Im Norden nimmt er ab und ist schon bei Björneborg ziemlich selten. Es ist mir nicht bekannt, dass 318 Malmgren: dieser Fisch in irgend einem von unseren Landseen lebt, wenigstens habe ich ihn im Innern des Landes niemals gesehen. Weder J. J. Chydenius noch ich haben ihn im Ladoga gefunden. LeUCiSCUS (Rond) Sieb. 54, JL. rutilus L. Rothange, Plötze. Artedi, Gen. pisc. p.3. n. 1. „ Descr. spec. n. 10. n. 3. „ Syn. nom. 10. n. 18. L. rutilus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 529. n. 16. Bloch, Naturg. d. Fische Deutsch! I. p. 32. Taf. 2. r Pallas, Zoogr. Kosso-Asiat. p. 317. Leuciscus rutilus Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poissons XVII. p. 97. „ Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 435. „ W.v. Wright, Fries et Ekström Skand. Fiskar p. 72. Taf. 15. Nilsso n, Skand. Fauna IV. p. 316. „ He ekel u. Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 169. .. Siebold, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 184. The Iioach Yarrel, British Fishes 3. ed. I. p. 433. Siebold zählt hieher auch: Leuciscus rutiloidesSel., Leuciscus pretsinus Agass ., Leuciscus Selysii Heck., Leuciscus Pausingeri Heck. Schwedisch Mört. Finnisch Särhi. Die Plötze ist höchst allgemein in allen Gewässern Finlands von dem bottnischen Meerbusen bis an das rus- sische Karelen und von dem finnischen Meerbusen bis an die Tundren Lappmarkens. Squalins Bonap. 55, Sq. Cephalus Aitel, Dickkopf. Artedi, Gen. pisc. p. 5. n. 12. „ Syn. pisc. p. 7. n, 10. Cyprinus Cephalus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 527. n. 6. (Excl. syn. Mus. Ad. Frederici.) „ W. v. Wright, Ekström et Fries, Skand. Fiskar p. 67. Cyprinus Jeses W. v. Wright, Ekström et Fries, Skand. Fiskar Taf. 13. Kritische Uebersicht der Fisch- Fauna Finlands. 319 Cyprinvs Idus Bloch, Naturg. d. Fisrche Deutschi. I. p. 253. Taf. 36. Leuciscus Dobula Cuv. et Yal., Hist. nat d. Poiss. XVII. p 129. Leuciscus Cephalus Kröyer. Daum. Fiske III, 1. p. 482. Leuciscus latifrons Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 309. Squalius Dobula Heckel u. Kner. Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 180. Squalius Cephalus Siebold, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 200. The Chub Yarrel, Brit. Fishes 3. edit. I. p. 421. (excl. syn.) S i e b o 1 d rechnet hieher : Leuciscus frigidus Val. Schwedisch Färna. Finnisch Tvrcas, Turppa (Björneborg.) Im Sommer 1859 fand ich diesen Fisch bei Björne- borg in der Kumo-Elf, wo er nicht selten ist, und bei der Lachsfischerei von Klockarsand bisweilen 8 — 10 Pfund schwer gefangen wird. Auch in der Kapellengemeinde von Norrmark wird er in nicht geringer Anzahl im Früh- ling und Sommer gefangen, wenn er aus dem Meere in die Flüsse hinaufsteigt um zu laichen (?). Nach der Mit- theilung des Staatsrathes Herrn Nordmann kommt er auch bei Stockfors in der Kymmene-Elf vor, von wo auch Exemplare in dem Museum der Universität zu Helsing- fors verwahrt werden. Uebrigens kommt er meines Wis- sens bei uns in keinem Landsee vor. Die Verbreitung dieser Art an unseren Küsten ist noch nicht bekannt. Sandelin's Cyprinus asmiis gehört ohne Zweifel hieher, denn er legt dieser Art den finnischen Namen „Turpa* bei, welcher richtig unserem Squalius Cephalus L. zu- kommt. Nach Angabe dieses Verfassers soll dieser Fisch auch in Iskmo im Kirchspiele Mustasaari vorkommen. 56. Squalius ILeuciseus L. Hasel, Häsling. Artedi, Gen. pisc. p. 5. n. 13. „ Desc spec. p. 12. n. 4. Stamm. „ Syn. nom. p. 5. n. 4. Stamm, (Excl. syn. Grisl. Augustae.) Cyprinus Grislagine L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 529. n. 14. (Excl. cit. Act. Upsal. 1774.) C. leuciscus L. Syst. Nat ed. XII, 1. p. 528. n. 12. Cyprinus leuciscus Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. III. p. 141. Taf. 97. fig. 1. „ Pallas. Zoogr. Rosso-Asiat. p. 318. 320 M a 1 m g r e n : Leuciscus Grislagine Kröyer, Danmarks Fiske 111,1. p.472. ,. Ni 1 s s o ii, Skand. Fauna 1Y. p. 303. Cyprinus Grislagine W. v. Wright, Ekström et Fries, Skand. Fiskar p. 69. Taf. 14. Squalius leuciscus Siebold, Die Süss wasserf. von Mitteleuropa p.203. Nach Siebold gehören noch hieher: Cyprinus Dobnla L. Syst. Nat. p. 528. n. 13. Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. II. p. 42. Taf. 5. „ Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 463. Leuciscus roslrahts, L. vulgaris, L. rodens et L. lancastriensis Cuv. et Val. Hist. nat. des Poiss. XVII. Squalius lepusculus. Sq. chalybaeus, Sq. rodens, Sq. leuciscus, Sq. ro- stralus Heckel u. Kner, Süsswasserf. d. Oesterr. Monarchie. Leuciscus Dobula, L. vulgaris et L. lancastriensis Yarrel, British Fishes: m. fl. Schwedisch Stamm. Finnisch Seipi (Osterbotten), Korpiainen (Ryska Karelen) Korpus oder Korpsärki (n. Ladoga). In dem mittleren und nördlichen Finland ist dieser Fisch höchst allgemein in grösseren Landseen und Flüs- sen. In der Kemi- und Torneä-Elf steigt der Hasel hinauf bis weit in die Läpp marken hinein. In den Sche- ren des bottnischen Meerbusens kommt er ebenfalls vor, wenn auch sparsam. In dem russischen Karelen habe ich ihn im Flusse Kern in der Nähe der Mündung des- selben ins weisse Meer erhalten. An dem nördlichen Ufer des Ladoga nennt man ihn Korpus oder Korp- särki und bei Päjäne Mo rakk a nach Herr Holmberg. Phoxinus Agass. 57. Ph. laevis Agass. Elritze, Pfrille. Art edi, Gen. pisc. p. 4. n. 9. ,. Descr. spec. p. 30. n. 16. Syr. nom. p. 13. n. 29. et p. 12. n. 23. Cyprinus phoxinus L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 528. n. 10. C. aphya L. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 528. n. 11. Cyprinus phoxinus Bloch, Naturgesch. der Fische Deutschi. I. p. 60. Taf 8. fig. 5. „ Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. III, 1. p 330. Leuciscus phoxinus Cuv. et Val., Hist. nat. d. Poissons XVII. p. 270. Phoxinus aphya Kröyer. Danmarks Fiske III, 1. p 524. Leuciscus phoxinus Nilsson, Sk. Fauna IV. p. 319. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 321 Phoxinus laevis He-ckel u. Kner, Die Süsswasserf. der Oesterr. Monarchie p. 210. „ S i e b o 1 d, Die Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 222. The Minnow, or Pink Y^rrel, Brit. Fishes 3. edit. I. p. 442. Schwedisch Elriza, Mudd. Finnisch Spitalikala. In den Scheren des bottnischen und finnischen Meer- busens allgemein, so wie auch im Innern des Landes in den meisten Landseen und Flüssen bis weit hinein in Lappmarken. 14. Fam. Salmonidae. Die skandinavischen Arten des Geschlechtes Core- gonus sind bis auf die neuesten Zeiten wenig bestimmt, verkannt oder auch gar nicht bekannt gewesen. Die Darstellung des Prof. Nilsson über die Schnäpelarten Schwedens in seiner bei uns allgemein benutzten, übri- gens verdienstvollen Arbeit „Skandinavisk Fauna IV*, leidet an bedeutenden Mängeln sowohl hinsichtlich der Bestimmung und Begrenzung der Arten als auch in •Be- treff ihrer Synonymie. Er hat zu einer einzigen Art wenigstens drei gute Arten zusammen geschlagen, Core- gonus oxyrhynchus L., Coregonus lavaretus L. und Gore- gonus fera Widegren (non Jurine"), und als eine eigene Art das Junge des wirklichen Coregonus lavaretus L. aufgenommen. Doctor Widegren hat das Verdienst, in seinen „Bidrag tili kännedomen om Sveriges Salmo- nider- (Beiträge zur Kenntniss der Salmoniden Schwe- dens) nicht allein diese Irrthümer berichtigt, sondern auch eine vollständige auf gute Charaktere gegründete Dar- stellung der bis jetzt in Schweden ^bekannten Arten des Geschlechtes, mit Ausnahme der kleinen Maränen, gelie- fert zu haben. Zwar bin ich mit Dr. Widegren ver- schiedener Ansicht, nicht allein in Fragen, welche die Synonymie betreffen, sondern auch in der Frage über die Begrenzung und Auffassung wenigstens einer von seinen Arten, Coregonus fera Widegren, welche meines Erachtens zwei gute Arten nmfasst, nämlich Coregonus Maraena Bl. und Coregonus Widegreni ; doch dieses hält mich nicht ab, in der Hauptsache seinen verdienstvollen Archiv f. Naturg. XXX. Jahrg. 1. Bd. 21 322 Mal mg reu: Aufsatz der nachfolgenden Darstellung über die mir be- kannten Schnäpelarten Finlands zum Grunde zu legen. Coregonus Art. 58. C. lavaretus L. Artedi. Gen. pisc. p. 10. u. 2. Descr. sp. p. 37. n. 1. „ Syn. nom. pisc. p. 19. n 2. v. a. Salmo Lararetus L. Syst. nat. ed. XII. 1. p. 512. n. 15 (p. p.). „ Pallas, Zoogr. R. -Asiat, p. 395 (p. p.). Coregonus lararetus Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 55 (excl. syii. Coreg. Maraena VA.). n Nils son, Sk. Fauna p. 458. (junger Fisch!) Widegren, V. Akad. Öfvers. 1862. p. 67. (excl. syn. Der Schnepel Bl ) Taf. 6. fig. 3 et Taf. 9. fig. 3. Coregonus o.ryrhgncliusx. ß. Knubbsik Nils son, Skand. Fauna p. 453 (excl. syn. C. Maraena Bl. et Val.). The Powan, Coregonus Cepedei (P am eil) Yarrel, British Fishes 3. ed. I. p.314. Schwedisch Sik. Finnisch Siiha. Ar tc liarakt er. Die Oberkinnlade, welche beiden älteren bedeutend, bei den jüngeren aber wenig länger ist, als der Unterkiefer, endigt in einer stumpfen, fleischigen Anschwellung zwischen den Nasenhöckern. Die Entfer- nung von der Schnauzenspitze bis an die hintere Kante des Auges gleich der Entfernimg des vorderen Jiandes des Auges bis zur. hinteren Kante des Vorderdeckels. Der vertikale Durchmesser des Auges (1 — 2 Mm.J kleiner als der horinzontale. Die Breite der ScJinauze immer merk- bar (1 — 2 Mm.J grösser als die Höhe. Der Körper langgestreckt- ausgezogen, spindelför- mig; die Contur des Rückens in schwachem Bogen gebogen, ohne plötzliche Senkungen bei den Flossen zu bilden. Der Zwischenkiefer fast vertikal abwärts stehend. Das Auge, fast V/2 Augendurchmesser von der Schnau- zenspitze entfernt, ist ungefähr ömal in der Ivopflänge enthalten. Die Farbe auf dem Rücken dunkel, an den Seiten mehr oder weniger stahlbläulich silberweiss; die Schnauze dunkelgrau; Iris silberweiss, bisweilen schwach Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 323 in messinggelb spielend, mit dunklerem Obertheile. Die Pupille gewöhnlich schwach gewinkelt in der vorderen Kante, bisweilen fast rund. Die Schuppen der Seiten- linie 90 — 100. Anzahl der Flossenstrahlen: Rückenfl. 14, Bauchn. 12, Aftern. 15—16, Schwanzfl. 19. Diese Art ist bei uns die am allgemeinsten vor- kommende des ganzen Geschlechtes. Im bosnischen und finnischen Meerbusen, so wie in allen grössern Gewäs- sern des inneren Landes wird sie in grosser Menge ge- fangen, besonders vor ihrer Laichzeit, wenn sie in die Flüsse oder auf Untiefen hinaufsteigt um zu laichen. Das Laichen geschieht nämlich nicht immer in Flüssen, sondern oft auch in stillem Wasser, das 2 — 3 Faden tief ist Die gewöhnliche Grösse ist 1 — 3 Pfund. In dem südlichen Theile der Ostsee scheint diese Art von dem Schnäpel der Deutschen, welche der rechte Coregonus oxyrhynchus L. ist , entsprochen zu werden. Diese letztere Art lebt auch im Wener und Wetter und an den schwedischen Küsten der Ostsee, daher sie wahrscheinlich auch an den südwestlichen Kü- sten von Finland gefunden werden wird. Ich nehme da- her hier ihren von Widegren gegebenen Artcharakter nebst ihrer Synonymie auf : Coregonus oxyrhynchus L. Schnäpel. Artedi, Gen. pisc. p. 10. n. 4. „ Syn. nom 21. n. 4. Salmo oxyrhynchush. Syst. Nat. ed. XII, 1. p. 512. n. 18. Salmo Lavaretus (Der Schnepel) B lo ch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 163. Taf. 25. Coregonus oxyrhynchus Val., Hist. d. Poissons XXI. p. 356. Taf. 630. „ Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p.76. Widegren, Vet. Akad. Öfvers. 1862. p.61 (excl. syn. Coreg. hiemalis Jurine) Taf. 6.fig. 2. „ S i e b o 1 d, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 259. Artcharakter. Der Kopf Mein, dünn und zuge- spitzt; die Oberkinnlade länger als der Unterkiefer y und konisch zugespitzt; die Entfernung von der Schnauzen- spitze bis an die hintere Kante des Auges ist bedeutend länger, als die Entfernung von der vorderen Kante des 324 Malmgren: Auges bis an die hintere Kante des Vordeckels ; die Rückenflosse befindet sich verhältnissmässig weiter nach hinten, und die hintersten Strahlen sind kürzer als 'bei den beiden folgenden Arten (Coreg. fera und Coreg. la- varetusj. 59. Coregonas Maraena Bloch (non Nilsson). Grosse Maräne. Salmo maraena Bloch, Naturg. der Fische Deutschi. I. p. 172. Taf. 27. Coregonus Maraena Va 1., Hist. nat. d. Poissons XXI. p. 351. Taf. 629. „ Siebold, Süsswasserf. von Mitteleuropa p. 263 (excl. syn. Art., Linn. Kr.) Coregonus fera Widegren, K. Vet. Ak. Öfvers. 1861. p. 64. (p. p.) Finnisch Walkea-siika (Ladoga.) Artcharakter. Die Schnauze fast gerade abge- stutzt, sehr stumpf ; der vordere Theil derselben schwach abschüssig gegen die Spitze des Unterkiefers ; die Oberkinn- lade länger als der Unterkiefer , die Breite desselben zwischen den Nasenhöckern merklich grösser als seine Höhe, die Augen rund, der Vertikaldiameter gleich dem Horinzontaldiameter. Der Körper sehr hoch, gedrungen; der Kopf dick, konisch und merklich höher in Verhältniss zu seiner Länge, als bei der folgenden Art; der Rücken niedri- ger hinter der Rückenflosse als vor derselben, eben so hinter der Fettflosse, wodurch seine Contour durch plötz- liche Senkungen treppenförmig abgetheilt wird ; die vor- dere Seite der nach unten gegen die Spitze des Unter- kiefers langsam abschüssigen Schnauze hat die Gestalt einer rechtwinkligen Fläche (nicht quadratförmig, wie bei der folgenden Art). Die Schuppen der Seiten- linie 85—91. Diese Art kommt ziemlich allgemein im Ladoga vor, wo sie "Walkea-siika genannt wird. Sie lebt in grossen Tiefen und wird meistens im Winter mit Eis- netzen gefangen, so wie auch im Herbste, im Monate Sep- tember, auf 2 — 3 Faden tiefen Untiefen, auf welche sie zum Laichen emporsteigt. Die gewöhnliche Grösse ist 5—8 Pfund, doch soll man oft 10—12 Pfund schwere Individuen erhalten. Von anderen Gegenden Finlands Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 325 habe ich diese Art bis jetzt noch nicht gesehen; doch lässt sich vermuthen, dass sie bei uns bis Lappland ver- breitet ist und als identisch mit dem sogenannten Lapp- sik befunden werden wird. 60. Coregonus Widegreni. Goregonvs fern Widegren {non Jurine), Bidrag tili känned. om Sveriges Salmonider, K. Vet. Akad. Handl. 1862. p. 64. Taf. 18. fig. 1—2 (excl. syn.) (p. p.). Finnisch Walamka-siika (Ladoga). Artcharakter. Die Schnauze stumpf, schräge nach hinten gegen die Spitze des Unterkiefers abgestutzt, die Oberkinnlade länger als der Unterkiefer ; die Höhe derselben gleich der Breite zwischen den JSlasenh Ockern; die Augen beinahe rund; der Vertikaldiameter beinahe ganz gleich mit dem Horizontaldiameter ; die Entfernung von der Nasenspitze bis an den vorderen Hand des Auges etwas grösser, als ein Augendiameter. Von- der vorigen Art, welcher diese gar sehr gleicht, unterscheidet sie sich durch einen besonders nach vorne bei weitem dünneren langgestreckteren Kopf, schlan- kere Körperform, Gestalt der Schnauze, geringere Grösse und spätere Laichzeit. Der Kopf ist in Verhältniss zu der Länge desselben bedeutend niedriger als bei der vo- rigen Art und sehr zusammengedrückt; der Körper ist ebenfalls niedriger und langgestreckt, aber nicht spin- delförmig, wie bei C. lavaretus L., sondern erreicht seine grösste Plöhe gleich hinter dem Kopfe ; die nach unten gegen die Spitze des Unterkiefers stark sich senkende vordere Seite der Schnauze gleicht einer quadrati- schen Fläche. Die Schuppen der Seitenlinie unge- fähr 90. Die Farbe, wie bei der vorhergehenden, dunkel auf dem Rücken und silberblank an den Seiten. Die Iris silbergrau stark in messinggelb spielend. Die Pu- pille nach vorne stark gewinkelt. Grösse 1 — 3 Pfund. Die Laichzeit zu Ende des November und Anfang des December. In dem nördlichen Theile des Ladoga kommt diese Art an den tiefsten Stellen vor und wird meistens wäh- 326 Malmgren: rend der Laichzeit zu Ende des November und in der ersten Hälfte des December in einer Tiefe von 50 — 100 Faden mit eigenthümlichen Netzen, die dort Saima- verkot heissen, gefangen. Dr. Widegren hat mir gütigst ein Exemplar seines Coregonus fera aus dem Wettersee mitgetheilt, wodurch ich jetzt nach einer de- taillirten Vergleichung im Stande bin, seinen Coreg. fera mit meinem Coregonus Widegreni aus dem Ladoga zu identificiren. Gleichwohl sehe ich mich genöthigt, für diese Art einen neuen Namen vorzuschlagen, denn Wi d e- gren's C. fera umfasst nicht allein diese Art, sondern auch die vorhergehende, G. Maraena Bl. Der Name ist überdies unrichtig, denn Jurine's Coregonus fera aus dem ßodensee hat, nach Rapp's ]) Beschreibung und schöner Abbildung zu schliessen, einen relativ kürzern und höhern Kopf, nicht so weit nach hinten ausgezo- gene Kiemendeckel und kürzere Flossen. Die vordere Seite der Schnauze senkt sich auf Rapp's Figur weit weniger nach hinten gegen die Spitze des Unterkiefers, als an unserer Art. Durch das alles kommt Coregonus fera Jurine vorn Bodensee unserem Coregonus Maraena Bloch weit näher als unserer Coregonus Widegreni, welche identisch ist mit Widegrcn's Coregonus fera vom Wetter. Siebold ist sogar geneigt, Coregonus fera Ju- rine für eine Lokalform des C. Maraena Bl. zu halten. — Die Verbreitung dieser Art bei uns zu bestimmen ist noch unmöglich. Ausser von dem Ladoga habe ich sie auch von unseren südlichen Scheren gesehen. 61. Coregonus Vilssonii Val. „ Val., Hist. nat. des Poissons XXI. p. 363. Taf. 631. „ Nilsso n, Skand. Fauna IV. p. 460. „ Widegren, Bidrag tili Sveriges Salm. p.71. Taf. 10. fig. 3—4. Diese Art ist beschrieben in Prof. Nils fon's Fauna, wesshalb ich ihren Artcharaktcr hier nicht aufzunehmen brauche. Sie kommt im Ladoga vor, von wo der Staats- 1) W. Kapp, die Fische des Bodensees. Taf. 2. Kritische Uebersicht der Fisch-Fauna Finlands. 327 rath Nord mann ein Exemplar an das Museum der Universität in Helsingfors mitgetheilt hat, und höchst wahrscheinlich auch in anderen von unseren Landseen. Dr. Widegren hat (1. c. S. 73) eine neue Schnä- pelart des nördlichen Schwedens beschrieben unter dem Namen Goregonus megalops, deren Artcharakter ich hier mittheilcn zu müssen glaube, weil sie möglicher Weise auch bei uns vorkommt: „Beide Kiefer gleich lang; die Breite der Oberkiun- lade grösser als die Höhe; der Zwischenkiefer gerade herabsiehend; Nase und Stirn breit mit der Schnauze vor den Augen krumm nach unten gebogen; die Augen gross, sind kaum mehr als dreimal in der Kopf länge enthalten ;tt Die grössten von dieser Art haben eine Länge von 200 Mm. Alle bisher in Finland bekannten Schnäpelarten leben zusammen in dem Ladoga. Auf meiner Reise im Sommer 1862 hörte ich von den dortigen Fischern noch eine Art von Schnäpel erwähnen, welche sie Musta- Süka nannten, die ich aber leider zu sehen keine Gele- genheit hatte, wesshalb ich jetzt kein Urtheil über ihre wahre Natur zu geben im Stande bin. Vielleicht bildet diese eine eigene Art. 6£. C. altoula Lin. Kleine Maräne, Artedi, C4en. pisc. p. 9. n. 1. ,. Descr. spec. p. 40. n. 2. ,. Syn. nom. pisc. p. 18. n. 1. C. albula L. Syst.Nat. ed. XII, 1. p.512. n. 16. Salmo albula Pallas, ZoogT. Rosso-Asiat. p. 413. „ maraenula Bloch, Naturg. d. Fische Deutschi. I. p. 176. Taf. 28. fig. 3. Coregonus albula Kröyer, Danm. Fiske III, 1. p. 93. „ Cuv. etVal., Hist. Nat. d. Poissons XXI. p. 379. Taf. 633. „ Nilsson, Skand. Fauna IV. p. 465. „ Siebold, Die Süsswasserf. V.Mitteleuropa p. 265. The Yendace Yarrel, Brit. Fishes, 3. ed. I. p. 324. Schwedisch Siklöjo. Finnisch Muihku (n. Österbotten), Muje (Savolaks), Reäpys (Kexholm). In den meisten von unseren grösseren Landseen und Flüssen kommt die kleine Maräne in Menge vor. Sie 328 Ma Imgren wird mit Garnen in grosser Masse gefangen in Kajana Län, Savolaks, Karelen, Tavastland und Satakunta. Im bottnischen Meerbusen ist sie ebenfalls vorbanden und wird dort an vielen Orten, z. B. bei Jakobsstad, gefan- gen. Die Nordgrenze dieser Art dürfte mit dem Polar- kreise zusammenfallen. Sie variirt selbst in einem und demselben Landsee an Grösse und Gestalt gar sehr. Die gewöhnliche Länge beträgt 4 — 6 Zoll ; doch kommt sie im Ladoga 12 — 14 Zoll larrg vor. In einem kleinen Tüm- pel an der Landspitze von Koutaniemi bei Uleaträsk er- hält man sie eben so gross wie im Ladoga. — Die Laich- zeit fällt in das Ende des October und den Anfang des November. Bei Archangel kommen noch zwei Schnäpelarten vor, welche dadurch, dass der Unterkiefer bei beiden länger ist als die Oberkinnlade unserer kleinen Maräne (Muikka) nahe stehen. Die eine wird dort von den Russen Nelma genannt und dürfte Coregonus leucicldhys Güldenst. ( J^ ^%^ s#^ >s »C gj^i ^ ,/ A ^5 p &^ S5» - ^ l.' JP ^ » -^= j^^^^f* 2* l fe 1 «lag p