^^^ ^^^, ':M^:^ m. r-m f;^ * %4-3^ %< •w L^^ ^f^'"^^ 1%^ ^•mfc. vr-^ ^^r-^ ARCHIV FÜR NATURGESCHICHTE. GEGRÜNDET VON A. F. A. WIE GM ANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON UND F. H. TROSCHEL. HERAUSGEGEBEN DR. ED. VON MARTENS, PROFESSOR AN DER FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BERLIN. NEUN UND VIERZIGSTER JAHRGANG. !Erster Band. Mit 13 Tafeln. Berlin, Nicolaische Verlags-Buchhandlung R. Stricker. 1883. Inhalt des ersten Bandes. lieber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern (Lumbriculus variegatus Gr.). Von Dr. G. Bülow in Erlangen 1 Ueber einen auffallenden Geschlechtsdimorphismus bei Psociden nebst Beschreibung einiger neuer Gattungen und Arten Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. (Hierzu Tafel I.) . . 97 Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami Bai. Von Dr. LudwigDöderlein, Conservatar des natur historischen Museums in Strassburg. (Dazu eine Karte Tafel II.) 102 Beiträge zur Kenntniss der Amphibien und Reptilien der Fauna von Corsika. Von Dr. J. von Bedriaga. Hierzu Tafel III-V 124 Nematoden, Trematoden und Acanthocephalen, gesammelt von Prof. Fedtschenko in Turkestan, bearbeitet von Dr. v. L instow in Hameln. Hierzu Tafel VI— IX 274 Die Mundtheile der Rhynchoten. Von Otto Geise. Hierzu Tafel X 315 lieber die Gattung Argenna Thor, und einige andere Dictyni- den. Von Dr. Th. Bert kau in Bonn. Hierzu Tafel XI . 374 lieber die madagascarischen Dytisciden des Königl. entomolo- gischen Museums zu Berlin. Von H. J. Kolbe, Museums- Assistent in Berlin 383 Untersuchungen an Foraminiferen. Von H. Schacko in Ber- lin. Mit Tafel XII und XIII 428 Ueber eine noch nicht beschriebene Nothrus-Art. Von Ludwig Karpelles 455 32/ 16^ Aug. B'"-5 Nr. 6. In diesem Gefäss sind zwei Thiere mit rege- nerirtem Schwanz aber unregenerirtem Kopf; das dritte hatte nur den Kopf neu gebildet, ist im übrigen aber unre- generirt. Es wurden Algen und Wurzeln hinzugethan. Die Temperatur des Wassers betrug 23^2^ C. 18. Juli, Morgens 10 V4. Ein Thier mit regenerirtem Schwanz zeigte eine Einschnürung. Es wurde der Lum- hriciäus in dem Behälter belassen und nichts darin geän- dert, damit nicht etwa diese A ender ung als Ursache der eventuellen Aufhebung der Einschnürung bezeichnet werden könnte. Wenige Minuten später trat, durch ein Zucken des Körpers erzeugt, eine neue Einschnürung kurz vor der schon vorhandenen auf, die jedoch bald wieder verschwand. Dieselbe Erscheinung hatten wir schon häufiger zu be- obachteten Gelegenheit. Es scheint fast, als wenn es voll- ständig von dem Willen des Thieres abhängig sei, an einer beliebigen Stelle des Körpers sich einzuengen und diese Einengung kurz darauf wieder aufzuheben. Wahr- scheinlich wird dieser Willensakt sogar bis zur Trennung in mehrere Stücke gesteigert werden können. Der Blut- strom ging noch ununterbrochen durch den ganzen Körper, ohne irgend welche Abänderung an der eingeschnürten Stelle zu erleiden. In der ganzen Organisation wurde kein weiterer sicht- barer Fehler bemerkt. IV2 war die betreffende Stelle ziemlich missfarben geworden, von nun an begann die Farbe jedoch sich mehr und mehr auszugleichen, so dass 6V4 hieran der Ort der Erscheinung nicht mehr kenntlich war, nur dadurch zeichnete er sich von dem übrigen Körper aus, dass er heller war, wohl durch ein theilweises zu Grunde gehen der mit Leberzellen besetzten Blindschläuche des Gelasssystems. lieber Theilungs- und Regeuerationsvorgänge bei Würmern etc. 55 21. Juli. Dasselbe Thier, welches sich am 18. stark eingeschnürt, die Einschnürung aber wieder aufgehoben hatte, wurde als in zwei Theile zerlegt gefunden. Das vordere Stück A"^ mass 23—24 mm, das zweite B"^ unge- fähr 4V4 cm. Die Theilung hatte sich in einem Segment vollzogen. A'*^ bestand völlig aus unregenerirtem Gewebe, B'*^ besass davon noch 21 Abschnitte. Zu bemerken ist, dass die Einschnürung nicht in dem früher eingeengt ge- wesenen Segment stattgefunden hat. Die Länge des unge- theilten Wurmes betrug 6V2 cm. 22. Juli. Schwanzende B'-^ des Thieres (AB)I. Nr. 6 hatte sich fast zwischen zwei Segmenten in die Stücke Bi'*® und B2''^ getheilt. Bi'*^ hat V/2 cm, 62''^ 3V4cm Länge. Die vernarbten Enden hatten eine krankhafte grünliche Farbe. 3. August, Abends. Ein Thier (A B) II. Nr. 6 mit unregenerirtem Kopf, aber regenenerirtem Schwanz hat sich in der Mitte eines Segments in die Stücke A"-^ und B""^ getheilt. A"'^ bestand mit Ausnahme des letzten Segments aus altem Gewebe und hatte die Länge von 2^4 cm, B"'^ mass 3^4 cm. Die Wunden waren vernarbt. 5. August, Nachmittags 574. Die Theilstücke A"'^ und B"-6 vom 3. August haben sich jedes in zwei getheilt. Ai"*^ ist 17 mm lang, A2"'^ 15 — 16. Die Schwanzknospe ist ca. ^4 cm lang, indessen von abweichender Gestalt. Wir haben hier näm- lich zwei Schwänze neben einander, eine Missbildung, die häufiger beobachtet werden kann. Die Stellung der beiden ist folgende: Der längst und überhaupt best entwickelte ist der in der Verlängerung der Körperachse liegende. Nach seitwärts zu, ungefähr zwischen der vertikalen und der horizontalen Ebene, welche durch den Körper des Thieres bei normaler Stellung desselben gelegt werden können, entspringt der zweite kleinere. Bi"*^ misst 15 mm, die Kopfknospe daran Va mm. Die Theilung ist ungefähr zwischen zwei Segmenten eingetreten. Die der Theilungs- stelle zunächst liegenden scheinen b*ei der Trennung in Mitleidenschaft gezogen zu sein, wie wohl aus der grün- lichen Farbe sich vermuthen lässt. B2"*^ hat 2V4— 2V2 cm Länge. 7. August. Die beiden Schwänze von A2""^ sind gut 56 C. Bülow: gewachsen, auch der seitliche. Der Hauptschwanz ist kräftig angelegt, seine Grösse ca. IV4 mm, während der Nebenschwanz noch sehr dünn ist und erst ca. ^k mm erreicht hat. 8. August. Der Hauptschwanz von A2"*^ zeigt schon Ringgefässe, der seitliche nicht; er ist noch ebenso dünn wie am Tage vorher. Bis zum Oktober sind alle Theilstücke zu vollstän- digen Würmern ausgebildet und bedeutend gewachsen. Der Nebenschwanz von A2"'*^ ist verschwunden, der zweite normalere ist bedeutend länger geworden, ohne irgend welche Missbildung zu erfahren. Nr. 6 enthielt am 13. Juni 3 Limibriculi, 2 von ihnen th eilten sich. Thier (A B) I. Nr. 6 A^^ 2Wuli B"6 Thier (A B) IL Nr. 6 A'"6 3. Aug. B"-6 0 Ai"-6 5. Aug. Aa"'^ Bi"-6 5. Aug. Bg"*« Thier (A B) III. Nr. 6 / s blieb ungetheilt. Von den drei in Nr. 7 befindlichen Lumbriculi haben alle regenerirte Schwänze, einer nur 6 alte Segmente und dazu einen neuen Kopf. Als Futter waren Algen und Wurzeln in das Gefäss gethan. 17. Juli, Mittags 12 Uhr. Ein Thier mit regenerirtem Schwanz wurde in 2 Stücke A'*"^ und B''^ getheilt gefun- den. A'*"^ ist 3 cm lang, es besteht zum grössten Theil aus altem Gewebe mit ein paar neuen Segmenten am Hinterende. Das Schwanzstück B ist 3V2 cm lang und nur aus primär regenerirtem Gewebe gebildet. Die Thei- lung hatte im Segment stattgefunden. Beide A"' und B'"^ zusammen messen 6V2 cm. 21. Juli, Nachmittags 4. Das abgeschnürte Schwanz- ende des Thieres (A B) I. Nr. 7 hat sich noch einmal getlieilt, doch musste diese Selbstoperation schon am Tage vorher vor sich gegangen sein, da beide Stücke Bi'*^ und Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 57 B2''' Schwanz- resp. Kopfknospe gebildet hatten; jene war ca. V4 mm, diese V2 mm lang. Bi'*'^ mass 17 mm, h/'^ 24 mm. Die Theilung war im Segment erfolgt. 30. August. Ein yollkommen regenerirtes Thier zeigte eine ein Segment umfassende Einschnürung. Auch hier erfolgte keine Theilung. Ende September sind noch alle Thiere, ohne dass weitere Theilungen zu verzeichnen wären, vorhanden, wenn auch natürlich in Grösse und Ausbildung verschieden von denjenigen des vorhergehenden Monats. In Nr. 7 waren am 13. Juli 3 Lumhriculi, nur einer theilte sich. Thier (A B) L Nr. 7 A'-7 17. Juli B-'' B/^^^^STAugTBa'-^ Thier (A B) IL Nr. 7 blieb ungetheilt. Thier (A B) III. Nr. 7 blieb ungetheilt. Gefäss Nr. 11 wurde mit 4 kleinen Lumhriculi be- setzt. Der erste war ca. 2 cm laug und hatte regeuerirten Kopf und regenerirten Schwanz. Der Kopf war erst so wenig ausgebildet, dass Segmente mit unbewaffnetem Auge noch nicht zu unterscheiden waren. Die Schwanzregene- ratiousknospe war noch kürzer als der angelegte Kopf: (Demnach ist das vorliegende Stück wohl irgend ein Bi eines getheilten Wurmes.) Thier 2 hatte ca. 31/2 cm Länge und ebenfalls einen unfertigen Kopf. Thier 3 war 3 cm gross mit Kopfknospe und regenerirtem Schwanz. Liim- briculus 4 mass ungefähr 4^4 cm, hatte einen alten Vor- derkörper, einen alten, regenerirten Schwanz und eine Schwanzknospe. In den Behälter wurden Algen gethan. 1. August, Morgens 11 V4. Das im Vorhergehenden unter 4 genannte Thier, jetzt mit (A B) I. Nr. 11 bezeich- net, hatte sich bedeutend vergrössert. Am 13. Juli mass es ja nur 2^4 cm. Dicht hinter einer Gefässschlinge war eine Theilung in die Stücke A'-*» und B"" eingetreten. 58 C. Bülow: • A'**^ besteht tbeils aus altem Gewebe, theils ist es primär regenerirt. Seine Länge ist 27 mm. Stück ß'-" enthält nur 5 Segmente primären Gewebes, das übrige ist seeundär regenerirt, es misst 374—3^2 cm. Hiernach berechnet sich die Grösse des ungetheilten Thieres auf 60— 62 mm; es ist also in 18 Tagen um ca. 3,5 cm gewachsen. 8. August. Das Schwanzende B'*^^ des Thieres (Aß) I. Nr. 11 hat sich in zwei Theile zerlegt, Bi'-i^ und B2''**. Bi'*Ai misst 16— 17 mm, ß^'*^^ 2V2 cm. Bis zum 12. Oktober hat sich ausser in der Grösse und der Ausbildung nichts verändert. In Nr. 11 waren am 13. Juli 4 Würmer, nur einer von ihnen hat sich getheilt. Thier (AB) I. Nr. 11 Bi'-ii 8. Aug. B2'"» Thier (A ß) II. Nr. 11 blieb ungetheilt. Thier (A ß) III. Nr. 11 blieb ungetheilt. Thier (AB) IV. Nr. 11 blieb ungetheilt. Ebenfalls vier Thiere wurden in Nr. 12 gesetzt. 1) ist ca. 3 cm lang und hat eine Schwanzknospe von V2 mm. 2) misst etwas über 2 cm, es hat eine Kopfknospe von 'V4 mm. Die Länge von 3) beträgt 3V2 cm. Es hat dieser Lumbriculus einen ausgebildeten regenerirten Kopf. 4) ist ungefähr 4 cm gross und hat ein Kopfknospe von 74 mm Länge, einen älteren, wahrscheinlich primär regenerirten Mitteltheil und einen dann seeundär regenerirten Schwanz. Das Futter bestand aus Algen und feinen Wurzeln. 14. Juli, Abends 7 Uhr. Das unter 4) näher charak- terisirte Thier hat sich getheilt in ein vorderes A'-'^ ca. 20 mm langes, mit der jetzt 1 mm grossen Kopfknospe und in ein Schwanzstück von 27—28 mm. Das Kopfende von }3'-i2 xv'iYi[ von drei älteren regenerirten Segmenten gebildet, Ueber Theilungs- uud Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 59 der übrige Theil besteht aus dem zuletzt entstandeneu Gewebe. Die Wunde ist gut vernarbt, Knospen sind noch nicht angelegt, doch ist dies schon am Mittag des nächsten Tages geschehen. 1. August, Morgens. Thier 1), jetzt (A B) IL Nr. 12 bezeichnet, welches ja einen unregenerirten Kopf und am 13. Juli nur eine Schwanzknospe besass, hat sich in die Theile M"'^^ und B"i2 zerlegt. Die Theilung hat im Seg- ment stattgefunden. Das Kopfstück ist aus dunkelbraunem Gewebe gebildet, seine Länge beträgt 30 — 31 mm. Der Schwanztheil B''^ hat noch ein altes Segment, das übrige ist primär regenerirt und misst ungefähr 37^ cm. Fast ein gleiches Wachsthum war, in gleicher Zeit, wenn wir uns noch einmal daran erinnern wollen, bei Thier (A B) L Nr. 11 zu verzeichnen gewesen. Eine weitere Theilung hat bei 3), jetzt (AB ) III Nr. 12, stattgefunden in A""»^ mj^l B"'-i2. K'"'^^^ ist 21 mm lang und besteht mit Ausnahme des früher regenerirten Kopfes aus altem Gewebe. Das zweite hintere Theilstück hat 1(5 alte Segmente und eine Länge von 372—3^4 cm. Die Thei- lung war im Segment eingetreten. Auch hier ist das Wachsthum des Schwanzes ungefähr gleich dem des TheiL thieres (AB) L Nr. 11. 4. August, Nachmittags. A""*^ hat eine ca. 2 mm lange Schwanzknospe; es wurde eine Kothcntleerung be- obachtet. Die Kopfknospe von B "•^- ist V4 i"iii- Aus dem After des 172 mm langen neuen Schwanzes A'"'"^ fand ebenfalls eine Ausleerung von Faeces statt. Bis zum 12. Oktober sind noch alle Theilthiere am Leben und gut weiter gewachsen und ausgebildet. Fassen wir die Resultate, die sich aus den Beobach- tungen ergeben, kurz zusammen, so haben wir folgendes Hauptsächliche hervorzuheben. 1. Es findet eine Selbsttheilung des Körpers bei Lumhriculus statt; sehr häufig trennt sich das Hinterende oder Schwanzstück noch einmal. 2. Es vermögen diese Thiere sich an beliebigen Stellen des Körpers einzuschnüren, können auch diese Ein- schnürungen wieder aufheben. Gingen sie zu weit, so 60 C. Bülow: erfolgt gewöhnlich eine theilweise Obliteration der con- traktilen Gefässanhäuge. 3. So weit beobachtet werden konnte, erfolgte nach einer Theilung stets eine Regeneration. Die Theilthiere vermögen sogar eine Grösse zu erreichen, welche diejenige des Mutterthieres übersteigt. 4. Schwanz- und Kopfknospe legten sich bei einer Temperatur, die nicht unter 21« C. herabsank, in 1—2 Tagen an. 5. Schon in den ersten Tagen wurde Kothentleerung durch die neue Schwanzknospe hindurch zu wiederholten Malen bemerkt. Die nächsten Versuche sind angestellt, um zu sehen, ob schlecht oder gar nicht genährte Lumhriculi sich auch theilen. Zu diesem Zweck wurden in ein Gefäss Nr. 8 drei von diesen Würmern gethan; einer war vollständig, ein zweiter hatte einen regenerirten Schwanz, der schon recht dunkel geworden war, der dritte besass ebenfalls einen regenerirten Schwanz, doch von weit hellerer Farbe, als es derjenige des zweitgenannten Thieres war. Alle Lum- hriculi sind ziemlich gross, ungefähr 6 cm. Es wurde kein Futter in das Aquarium gethan, als Wasser aber gemeines Brunnenwasser verwandt. 22. Juli. Zwei der Thiere waren aus dem Wasser herausgekrochen und fast durch Vertrocknen zu Grunde gegangen; das eine zeigte noch schwache Lebensäusse- rungen, das andere lebte nur an zwei verschiedenen Stellen des Körpers. 23. Juli, Abends l^U Uhr. Das erste der herausge- krochenen Thiere musste sich vollkommen erholt haben, da es abermals das Wasser verlassen hatte, diesmal aber dabei vollständig zu Grunde gegangen war ; von dem zweiten Thier hatte sich ein Stück des Körpers (17 Seg- mente) erholt, der übrige grösste Theil war leblos. 24. Juli, Morgens. Das letzte noch vollständige Thier hatte den Behälter verlassen und war durch Eintrocknung ums Leben gekonnneu. Das Stück von 17 Segmenten lebt und hat sogar Kopf- und Schwanzregenerationsknospen Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 61 angesetzt. Die letztere ist zwar die längere, doch ist sie weit dünner als jene. Nr. 9 enthielt 3 Lumbriculi von verschiedener Grösse, alle mit regenerirtem Schwanz. Bei dem einen war das neue Hintersttick erst 5 mm lang. Futter wurde keins in das Gefäss gethan. 18. Juli. Das Thier mit dem kleinsten regenerirteu Schwanz hatte das Wasser verlassen und war an den Glas- deckel gekrochen; da es jedoch noch von etwas Flüssig- keit umgeben war, hatte eine Eintrockung noch nicht statt- gefunden, so dass es, als es wieder ins Wasser zurück- versetzt wurde, sich benahm, als wenn es dasselbe über- haupt nicht verlassen gehabt hätte. Am Boden des Ge- fässes befand sich relativ viel weisser Koth, er bestand überwiegend aus kohlensaurem Kalk, wie sich leicht durch Keagentien nachweisen Hess. Bei seiner Auflösung blieben nur minimale Spuren von organischer Substanz zurück, vielleicht von Infusorien oder anderen niederen Organismen herrührend. Am 29. Juli wurden wieder 2 Thiere an den Wänden des Gefässes vertrocknet und ohne Leben aufgefunden. Das Theilstück aus Nr. 8 wurde zu dem einen noch übrig gebliebenen Thier hinzugesetzt und jenes Gefäss ander- weitig verwandt. I.August. Das Stück des Lumbricultts hat eine Länge von 14 — 15 mm erreicht. In dies ;,Hungeraquarium^^ wurden noch drei weitere Thiere von möglichster Grösse gethan. Eins ist bis auf die Schwanzspitze unregenerirt, das zweite von der Mitte an neu gebildet, das neue Gewebe aber schon recht dunkel, das dritte hat vielleicht einen regenerirten Kopf, sicher einen langen nochrothen, reproducirten Schwanz. Es sind somit jetzt fünf Thiere in dem Behälter. 16. August. Zwei der Thiere sind herausgekrochen und vollständig vertrocknet, unter ihnen auch das wieder ganz gewordene Stück aus dem Behälter Nr. 8, Das unter dem ersten August zuletzt näher beschriebene Thier mit dem langen regenerirten Schwanz hat sich so getheilt, dass noch Vs des Vorderthieres A aus neuen Segmenten besteht, 62 C. Bülow: Die Länge von A ist 2V4 cm, B misst 3— 3V2 cm. Rege- nerationsknospen sind schon an beiden Theilen angesetzt. Alle Thiere sind langsam in ihren Bewegungen. Tempe- ratur des Wassers: 2P C. Weitere Theilungen können bis Anfang Oktober nicht constatirt werden, die Thiere sind noch alle am Leben. Ohne Futter werden auch die 3 Lumhriculi in Nr. 10 gelassen. Der grösste hatte Kopf und Schwanz regenerirt, die zwei anderen waren klein, nur 3 cm lang; beide be- sassen am Schwanz eine Regenerationsknospe von ca. Vä mm Länge. Am 18. Juli war eins der Thiere herausgekrochen, konnte aber noch früh genug wieder ins Wasser zurück- versetzt werden, um am Leben erhalten zu bleiben. Vom 19. ist das gleiche zu bemerken. Am 24. wurden zwei vertrocknet an den Gefässwänden aufgefunden. Am 5. August ist auch das letzte auf gleiche Weise zu Grunde gegangen. Bemerkungen: Von den 12 zur Beobachtung gekom- menen Individuen, welche ohne Futter während der Zeit vom 13. Juli bis Anfang Oktober gelassen wurden, hat sich nur einmal ein Thier getheilt, die überwiegende Zahl der übrigen hatte die Tendenz die Gefässe zu verlassen; sie gingen meist bei diesem Versuch zu Grunde. Die nun folgenden Experimente und Beobachtungen wurden nur zu dem Zweck gemacht, um die Bonne t'schen Angaben auf ihre Richtigkeit liin zu prüfen, sie können indessen nicht Anspruch auf eine ebenso grosse Ausgedehnt- heit erheben, da hier nur Monate verwandt wurden, während jener Forscher Jahre dazu verbrauchte. 21. Juni. Die Länge des zum Versuch dienenden Lumhriciilus betrug ungefähr 9 cm. Er wurde fast in der Mitte durchgeschnitten. Der erste Theil bewegte sich unmittelbar nach der im Wasser vorgenommenen Operation 2 — 3 Secunden lang sehr lebhaft, darauf wie wenn nichts geschehen wäre. Das zweite Stück blieb nach dem Zer- schneiden vollkommen bewegungslos liegen, dann begann sich der Schwanz wie tastend hin und her zu schlängeln, üeber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 63 während das Vorderende dieses Stückes vollkommen ruhig blieb. Nach einigen Minuten schon begannen sich die Wunden zu schliessen. Bei der Operation hatte ein kaum merklicher Blutverlust stattgefunden. Der Schnitt war so geführt, dass die Mitte eines Segments getroffen war; schon in den beiden nächstfolgenden Körperabschnitten hatte die Blutcirkulation ihren gewöhnlichen Verlauf. Nach ungefähr 20 Minuten war der Zustand der Wunden ein solcher, als wären sie vollkommen vernarbt. Eine besondere Empfind- lichkeit dieser Stellen konnte nicht bemerkt werden, fast schien das Gegentheil obzuwalten. Die Bewegungen des Schwanzes B waren lebhafter, als man sie an ganzen Thieren bemerken kann, während das vordere kopflose Ende sich bewegt, ganz wie Bonnet es beschreibt; es ist indessen noch hinzuzusetzen, dass den Bewegungen in sofern die Sicherheit mangelt, als das Thier nicht immer auf dem Bauch weiterschreitet, sondern ab und zu auch wohl diese oder jene Seite oder gar der Rücken nach unten zu liegen kommt. Während nach Verlauf von ca. einer Stunde die Blutwelle im ersten Theil A vom vor- letzten Segment, dem ersten unversehrten, beginnt, geht sie in dem zweiten Stück ß bis zu der äussersten Spitze. Das Wasser hatte 25,5» C. 22. Juni, Morgens 9 Uhr. Das hintere Ende des Thieres A zeigt sich unverändert, das vordere von B dagegen hat einen gelbrothen Flecken als Zeichen, dass die Regeneration bereits ihren Anfang genommen hatte. Die Bewegungen des Thieres waren jetzt sicher, nicht mehr so hin und her- schwankend; es blieb die Rückenseite stets nach oben gerichtet. Temperatur des Wassers 24^ C. 23. Juni, Morgens 9 Uhr. Auch das hintere Ende von A hat begonnen sich zu regeneriren. Es ist eine Knospe von ca. 0,3— 0,4 mm von hellgelbem Aussehen ge- bildet worden. Die Blutwelle nimmt im letzten Segment ihren Anfang. Der Kopftheil von B ist ebenfalls gewach- sen, doch nicht in dem Masse wie A. Seine Länge beträgt 0,2— 0,3 mm. Beobachtet man die Thiere auf ebener Fläche nur in Bezug auf ihre Bewegungen, so kann man zu der Meinung kommen, vollkommen ausgebildete vor sich zu 64 C. Bülow: haben. Sind beide Theile in den im Gefäss liegenden Algenhaufen gekrochen, so bemerkt man wie B gerne mit dem Schwanz voran sich Bahn bricht, während bei A dies immer mit dem Kopf geschieht. Temperatur des Wassers 25« C. 24. Juni, Morgens 10 Uhr. Der regenerirte Schwanz von A niisst 0,9 mm; am reichlichsten mit Blut erfüllt ist er auf der Rücken- und Bauchfläche, der Lage des Rücken- und Bauchgefässes entsprechend. Die Blutwelle nimmt schon in dem ältesten Theil des regenerirten Schwanzes nahe dem alten Segment ihren Anfang. Der Kopf von B hat eine Länge von 0,5 mm erreicht, er wird sehr gut mit Blut versorgt. 26. Juni, Nachmittags 6^4 Uhr. Das Schwanzende von A ist ca. 2,1 mm lang. Das Thier ist sehr lebhaft. Die Blutwelle beginnt im neuen Schwanz kurz vor dem After und geht von da in regelmässigem Tempo durch den ganzen Körper. Es sind schon Segmente im regenerirten Stück unterscheidbar an den Gefässschlingen, von denen sich bereits eine Anzahl gebildet hat. Was das Stück B anlangt, so ist hiervon zu bemerken, dass es sich in zwei Theile zerlegt hat, von denen der vordere eine ungefähre Länge von 1,9 — 2 cm, der hintere eine solche von 3,4— 3,6 cm hat. Die Theilung musste indess schon am Tage vor der Beobachtung stattgefunden haben; denn beide Theil- stücke hatten schon Regenerationsknospen angesetzt, das erste Bi natürlich eine Schwanzknospe, das zweite B2 eine Kopfknospe. Beide waren wohl gleich lang, indessen noch nicht messbar gross. So agil wie A waren Bi und B2 nicht, namentlich nicht letzteres. In dem Algenversteck kroch es immer mit dem Hinterende voran. Der Kopf von B, war 1,2— 1,3 mm lang. Das Rückengefäss setzt sich bis zu 2/3 der Länge in diesen Theil fort und bildet dort eine deutlich erkennbare Schlinge. Der Leydig'sche Lymphraum ist schon durch seine grössere Helle zu unter- scheiden. Ein wohl ausgebildeter Mund ist noch nicht vorhanden. 27. Juni, Nachmittags 6V4 Uhr. Der regenerirte Schwanz von A ist 3.5 mm. Die Anzahl der deutlich sieht- lieber Theilungs- und Regeneration svorgänge bei Würmern etc. 65 baren Gefässschlingen hat sich vermehrt. Das regenerirte Gewebe hat eine hellgelbe Farbe, von der sich die rothe des Blutes scharf absetzt. Ungefähr zwischen dem ersten und zweiten Viertel der Länge des Thieres ist ein con- traktiles Gefäss der linken Seite etwas verkrüppelt, wahr- scheinlich, wenn wir aus beobachteten Fällen schliessen dürfen, durch Einschnürung des Körpers an dieser Stelle und Wiederaufhebung derselben entstanden. Der Kopf von Bi ist 1,4—1,5 mm und mit deutlichen Gefässschlingen ver- sehen. Die Schwanzknospe hat ungefähr die gleiche Grösse. Das Vorderende von B2 hat eine kleine Kopfknospe ange- setzt; sie ist noch nicht messbar. Temperatur des Wassers: 240 C. 28. Juni 7 Uhr. Schwanz von A 6,2— 6,4 mm. Kopf von Bi ca. 2 mm, Schwanz 0,7 — 0,8 mm. Mit dem Kopf vermag es sich schon festzuhalten. Kopf von B2 0,4 — 0,5 mm. Das ganze Stück 3,5—3,6 cm. Temperatur 22 V2^ C. 30. Juni, Morgens IOV4 Uhr. Es ist abermals eine Theilung eingetreten in dem schon ziemlich gross gewor- denen Thier A mit dem unregenerirten Kopf. Die Theilung war nicht in der Mitte des Thieres vor sich gegangen, sondern es verhielt sich ungefähr das Kopfstück Ai zum Schwanzstück A2 wie 3:4. Ai mass 2,9 cm, A2 4 cm. Die Zerlegung in zwei Stücke war aller Wahrscheinlichkeit nach in der Nacht oder am frühen Morgen vor sich ge- gangen; denn die betreffenden Enden hatten noch keine Regenerationsknospen angesetzt, wohl aber waren die Wun- den vollkommen vernarbt. Dass in dem Blutcirkulations- system des regenerirten Schwanzes eine Neubildung von Gefässen stattgefunden haben musste, zeigte eine ober- flächliche Betrachtung. Er hatte eine weit röthlichere Farbe angenommen als in den vorhergehenden Tagen. Loupen- vergrösserung zeigte denn auch, dass das von den Gefäss- schlingen ausstrahlende Geflecht an Reichthum bedeutend zugenommen und contraktile Anhänge zu bilden begonnen hatte. Diese Anhänge wurden von Leydig entdeckt und beschrieben. An so jungen Schwänzen, wie es der vor- liegende einer ist, sieht man besonders schön die Contrak- tionserscheinungen. Seine Länge betrug 10 mm. Bi : Kopf Archiv für Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 5 66 C. Bülow: 2,3mm, Schwanz 1,6 mm. B2: Im lV2mm langen Kopf einige dunkle Punkte, von altem Gewebe herrührend. 1. Juli, Morgens 9V2 Uhr. Ai und A2 haben an den Theilstellen kleine Regenerationsknospen angesetzt. In seinen Bewegungen ist Ao lange nicht so geschickt wie Ai. Ao: Schwanz 11,7 mm. Bi: Kopf 2,5 mm, Schwanz 2,5 mm. Bo: Kopf 1,6 mm. Temperatur des Wassers: 230 C. 2. Juli, Morgens 9 Uhr. Die Knospen von Ai und A2 sind gewachsen, die von Ai, also die Schwanzknospe, ist deutlicher durch ihre röthere Farbe. Der Schwanz von A2 ist sehr unruhig, er ist annäherungsweise 12^4 mm lang. Bi : Kopf 274 mm. Die Segmente sind ohne Loupe zu er- kennen; Schwanz 3V2mm. B2: Kopf 2 mm. Temperatur des Wassers: 22« C. 3. Juli, Morgens 10 Uhr. Ai: Schwanz 1mm; Ag: Kopf V2 nim, Schwanz konnte der Unruhe wegen nicht gemessen werden. Bi : Kopf 2^8 mm, Schwanz 4V2 mm. B2: Kopf 2V6nim. Temperatur des Wassers: 24^ C. 4. Juli, Morgens 9V4 Uhr. Ai: Schwanz IV2 mm. A2: Kopf V4 nim, Schwanz ungefähr 17 mm. Bi: Kopf 3 mm, Schwanz 6 V2 mm. B2: Kopf 2V2 mm. Temperatur des Was- sers: 241/2'^ C. 7. Juli, 11 Uhr. Von Ai wurde der Schwanz abge- schnitten und zwar so, dass noch ein halbes Segment an dem alten Vorderheil sitzen blieb. Gleich nach der Ope- ration öffnete und schloss sich abwechselnd der After des Stückes A4 eine Zeit lang. Bald wurde relativ viel Unrath ausgestossen, wahrscheinlich alle im Darm noch enthaltenen Nahrungsballen. Auf das Blutgefässsystem des Schwanzes wirkte der operative Eingriff in der Weise ein, dass die Länge der Blutwellen im Rückengefäss eine bedeutend kürzere wurde; die Diastole betrug meist nur ein Segment, dann folgte die mehrere Segmente lange Systole des Rückeuherzens. Dieser unregelmässige Gang dauerte nicht lange an, die Pulsation wurde wieder eine normale; auch im Bauchgefäss Hess sie sich bemerken wegen der grossen Durchscheinbarkeit des Gewebes. Dass eine eigentliche Contraktion hier statt hatte will ich "nicht gesagt haben, Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 67 wohl aber ein Erblassen und Erröthen des Bauchstammes in gleichem Tempo mit den Pnlsationen des Rtickenge- fässes. Es mag noch angeführt werden, dass zuerst alles Blut in der vorderen oberen Partie des Körpers sich be- fand. Der Blutverlust war ein ganz geringer wohl in Folge der sofortigen Contraktionen der Wundränder. 22. Juli. Das Stück A3 war an den Deckel des Ge- fässes gekrochen und dort fast vertrocknet. Es wurde durch Hineinsetzen in das Wasser nicht wieder zum Leben zurückgerufen. 5. August. A2 hat sich vor ungefähr zwei Tagen in A5 und Aß getheilt, da schon Schwanz- resp. Kopfknospe vorhanden ist. Ag seinerseits hat nochmals eine Theilung in A7 und As vorgenommen. A5 hat einen Kopf aber keinen Schwanz, es misst 2^4 cm, A7 fehlt beides, seine Länge ist 12—13 mm und dem Stück As mangelt der Kopf, es hat aber einen Schwanz; seine Grösse ist 26 — 27 mm. Das Thier Ag war sonach vor der Theilung 6fi cm lang gewesen, mithin kleiner geblieben als das ursprüngliche Thier (A B) L I, welches ca. 9 cm gemessen hatte. Alle Thiere vervollständigten sich und wuchsen be- deutend; Ende September waren sie noch alle am Leben. Thier (AB)LL wurde getheilt in -"- A am 2L Juni B zerfiel freiwillig in theilte sich selbst in Äi 30. Juni A2 Bi 26. Juni B2 wurde zerschnit- theilte sich ten in freiwillig in A3 7. Juli A4 A5 3. Aug. Aß freiwillig in A7 5. Aug. As IL Einem 6V2 cm langen Lumhriculus wurde der Schwanz in einer Länge von 2V2 cm abgeschnitten. Das Hinterende des Thieres war schon einmal regenerirt, es hatte eine Farbe, die ein wenig heller war als der übrige Theil des Körpers. Das Betragen der beiden Theilstücke nach der Theilung war ganz dasselbe wie es schon früher 68 C. Bülow: geschildert wurde. A bewegte sich mehrere Secunden äusserst lebhaft, während B vollkommen ruhig liegen blieb. Blut floss nur in geringer Quantität aus der Wunde dieses Stückes; aus dem Hinterende A überhaupt keins. Viel- leicht ist dieses Verhalten leicht erklärlich aus der Rich- tung, welche das Blut in dem pulsirenden Gefäss nimmt. Temperatur des Wassers: 22^ C. 22. Juni. A zeigt einen kleinen gelben Fleck am Hinterende, B noch nichts derartiges. Beim Hineinkriechen in die Algen zeigt das Schwanzende von B das Bestreben, Bahn für den übrigen Körper zu brechen, d. h. voranzu- gehen. 23. Juni. A ist sehr agil, es reagirt ungemein leb- haft auf Reize. Die gestern erst geringe Knospe hat schon eine Länge von 0,6 mm erreicht, ist also dem unbewaff- neten Auge sehr *wohl erkenntlich. Die Blutwelle geht noch vom letzten unversehrten alten Segment aus. In der Knospe findet von Zeit zu Zeit eine Contraktion statt, wodurch das in ihr enthaltene Blut fast völlig ausgetrieben wird, bei der Extension tritt es wieder zurück. Dies Ein- und Ausströmen scheint unabhängig von den Contraktionen des Rückengefässes zu sein und vielmehr abzuhängen von den Bewegungen des übrigen Körpers. Bei B war jetzt eine Regenerationknospe deutlich zu bemerken, sie hatte indess noch ziemlich geringe Länge. Temperatur des Wassers: 24<> C. 24. Juni, 11 Uhr. A: Schwanz 0,9 mm. Die Contraktion des Rückengefässes beginnt nun schon an dem äussersten Ende des alten Gewebes. Das neu gebildete Stück hat noch keine regelmässige Blutwelle. Es wurde eine Ausleerung von Koth durch den regenerirten Schwanztheil beobachtet. Die Kopfknospe von B hat eine ungefähre Länge von 0,3 — 0,4 mm erreicht; der Schwanz geht noch gerne voran. Temperatur: 24,5» C. 26. Juni, 5 Uhr. Der Schwanz von A hat sich be- deutend verlängert, er mass 2,1— 2,2 mm. Die Anzahl der schon angelegten Gefässschlingen ist eine ganz ansehnliche, sie lassen sich fast bis zur Schwanzspitze verfolgen, von wo aus jetzt auch die Blutwelle des Rückengefässes ihren Ueber Theilnngs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 69 Anfang nimmt. Beim Austritt von Koth kann man die hübsche Erscheinung beobachten, wie mit dem Weiterrücken des Hinterendes des Ballens der Anfang der Blutvrelle in gleichem Schritt nach hinten rückt. Der Schwanz war durch Blut am stärksten roth gefärbt, wenn das Thier ruhig zwischen Algen lag. Nachträglich sei hier noch erwähnt, dass schon am 24. Juni der einseitige Schwund eines contraktilen Blindgefässes bemerkt wurde. Am 26. war diese Stelle bedeutend kenntlicher geworden, das Schwinden des contraktilen Gefässes hatte sich zum Theil auch schon auf die andere Seite fortgesetzt. Ungefähr zwischen dem Kopf und dieser Stelle bemerkte man an der rechten Seite zwei Segmente von gleichem Aussehen, wie es das eben beschriebene vor zwei Tagen gehabt hatte. In der Reizbarkeit des Thieres war dadurch keine Aende- rung vor sich gegangen, vorne, hinten und in der Mitte war das Thier gleich empfindlich. Das Stück B hatte eine Länge von 3,1 — 3,3 cm, der Kopf mass 1,5 — 1,6 mm. Tem- peratur des Wassers: 2374^ C. 27. Juni, 7V4 Uhr. In seinem Aussehen hat sich das Thier A wenig geändert; die zwei Stellen, wo, wie be- merkt, die contraktilen Getässschlingen degenerirt waren, sind ungefähr ebenso geblieben. Der Schwanz hat sich gut verlängert, er misst 5,5— 5,7 mm. Bis zur Spitze zeigte er Gefässschlingen, ganz fein beginnend und immer stärker werdend, je weiter sie sich vom Ende entfernen. Man sieht deutlich, dass auch sie sich contrahiren, indem sie beim Vorüberziehen der Blutwelle für einen Augenblick fast verschwinden, um jedoch gleich wieder roth zu er- scheinen. Der Kopf von B ist 1,6—1,7 mm lang, das ganze Thier ca. 3,3 cm. Temperatur des Wassers : 23» C. 28. Juni. In dem Aussehen der Segmente hat sich nichts geändert. Der regenerirte Schwanz von A hat 7^4 mm Länge. Besonders schön ist in ihm das Gefässsystem zu beobachten. Das contraktile Rückengefäss ist nicht ein an allen Stellen gleich dicker Schlauch, sondern, abgesehen von der Verjüngung, die es am Hinterende erfährt, ist es auch in jedem Segment an derjenigen Stelle breiter, an welcher die Gefässschlingen nach unten steigen um sich mit dem 70 C. Bülow: nicht pulsirenden Bauchstamm zu verbinden. Unterwegs geben sie ganz feine Seitenäsie ab, und zwar um so reichlichere und grössere, je weiter den alten Segmenten zu. Der Koth wurde in langen zusammenhängenden Strän- gen entleert, wobei eine beträchtliche Erweiterung des Afters und der kurz hinter ihm gelegenen Strecke des Schwanzes erfolgt. Der abgegangene Unrath hatte eine Länge von IIV4 mm, übertraf somit die des regenerirten Schwanzes um 4 mm. Das Eintreten in diesen war leicht zu beobachten, da eben die Gewebe in dem jungen Stadium noch sehr durchsichtig sind. Langsam und ohne Aufent- halt durchlief er diesen Theil. Hieraus und aus dem Umstand, dass sich, ausser bei der Entleerung, niemals Nahrungsballen in ihm vorfinden, mögen es nun halb oder ganz verdaute sein, möchte ich schliessen, es wäre der neue Darm bei der genannten Grösse des regenerirten Schwanzes noch nicht soweit ausgebildet, dass er zu ver- dauen im Stande ist. Der Kopf von B scheint ziemlich vollkommen zu sein, da das Thier sich mit ihm sehr gut festzuhalten vermag. Die Borsten thun sicher hierbei das beste, wenngleich es manchmal vorkommen mag, dass durch Ansaugen auch der Mund zum Halten mit beiträgt. Als Mittelzahl aus mehreren Messungen ergiebt sich für diesen regenerirten Theil die Länge von 2,1 mm, doch auch sie bleibt wohl noch etwas ungenau, weil das Thier zu lebhaft war. Nicht ein Herausnehmen aus der Flüssigkeit und ein Auflegen auf ein feuchtes Urglas ver- mochten seine Beweglichkeit zu verhindern. 29. Juni, Morgens. A: Schwanz 9^4 — 10 mm. B: Kopf 2V4 mm. Im Körper sind Nahrungsballen noch nicht zu bemerken. Der Kopf wird also wohl noch nicht zum Fressen tauglich sein. Beim Kriechen ist der Kopflappen in beständiger Auf- und Abbewegung, er wird wahrschein- lich als Tastorgan benutzt. Auf diese Funktion lässt auch der Reichthura an feinen Haaren namentlich an seinem Vorderende schliessen. Wasser 23^2^ C. 80. Juni, Morgens 9 Uhr. A: Schwanz 13,3 mm. In ihm können jetzt schon lange Zeit Nahrungsballen liegen, ohne ausgestossen zu werden, es mögen somit jetzt wohl hier Verdauungsvorgänge stattfinden. B: Kopf 2 V3 mm. üeber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 71 In dem Lymphraum liegen mehrere kleine dunkle Zellen, ähnlich wie sie in dem übrigen regenerirten Theil zu finden sind. Der Kopf wurde mit etwas mehr als drei alten Seg- menten abgeschnitten und einer näheren Besichtigung unter- zogen. Die von Leydig aufgefundene Ausmündungsstelle des Lymphraumes zeigte sich als feiner von der Oberseite sichtbarer Schlitz. Der Mund ist eine quer liegende Spalte mit nach dem Innern zu laufenden Runzein und eigen- thümlichen gelben Körpern in seinen Ecken. Ebensolche Gebilde finden sich auch in der Nähe der Borsten. Ich fand sie zuerst auf mikroskopischen Schnitten, will mich hier indess nicht weiter auf ihre eventuelle Funktion ein- lassen. Die zwei ersten Segmente hatten keine Borsten. Das Rückengefäss theilte sich in zwei nach unten gehende Schlingen, deren äusserste Convexität bis in den Lymphraum reicht. Temperatur des Wassers 22<> C. 1. Juli, Morgens 10^/4 Uhr. A: Schwanz 16,3 mm. Der abgeschnittene Kopf von B : Bi lebt noch. Ausser den zwei vorderen Segmenten sind noch acht borstentragende neue und fast vier alte Rumpfglieder vorhanden. Das grössere Stück Bi bewegt sich langsam ; es hat eine mini- male Regenerationsknospe. 2. Juli, Morgens 10^-4 Uhr. A : Schwanz 17,9 mm. Bi hat eine kleine Schwanzknospe angesetzt; wie es scheint nimmt das Stück Nahrung zu sich. Eine grössere hellere Knospe findet sich am Kopfende von B2. Wasser: 23^ C. 3. Juli, 10'/2 Uhr. A: Schwanz 19V4mm. Die Schwanz- knospe von Bi ist noch nicht messbar; die Kopfknospe von C ist ca. V2 mm. 4. Juli, 93/4 Uhr. Schwanz von A 227^ mm. B, : Schwanz ^'2 mm. C : Kopf 1 mm. 6. Juli. In dem Habitus von A hat sich nichts ge- ändert. Der regenerirte Schwanz wurde in der Weise ab- geschnitten, dass acht von den neuen Segmenten am alten Rumpf sitzen blieben. Nach der Operation traten die gewöhn- lichen Bewegungserscheinungen an „Ai" auf. Auffallend war, dass der After von A2 sich häufig weit öffnete und wieder schloss, ohne dass ein Kothaustritt erfolgte. Bi hat einen feinen V/s mm langen Schwanz. B2 ist scheinbar sehr blutarm. Kopf V/g mm. Temperatur des Wassers 2872^ C. 72 C. Bülow: 12. Juli, 10^4 Uhr. Ai hat sich während der vorher- gehenden Tage im Ganzen in drei Stücke getheilt. Diese Theilung muss in Zwischenräumen vor sich gegangen sein, da die Schwanzknospe des ersten Stückes A2 bedeutend länger war als die von A4, dem Mittelstück, und hier der Kopf wieder stärker entwickelt ist als bei dem dritten Theil A5, wo die Kopf knospe sich überhaupt kaum ange- legt hat; gleiches gilt von der Schwanzknospe von A4. Hieraus folgt, dass der hintere Theil A3, welcher zu gleicher Zeit mit A2 aus Ai entstanden ist, sich, wie wir dies schon sehr häufig anzumerken Gelegenheit hatten, nochmals ge- theilt hat. In dem Kopf von A2 sind schon bei Loupen- vergrösserung Segmente sichtbar. Der Schwanz von Bi ist noch immer sehr dünn, er ist 5 mm lang. Der Kopf von B2 ist recht gut ausgebildet. 24. August Von A5 hat sich ein kleines Stück von 7 mm abgelöst und schon wieder eine Kopfknospe an- gesetzt. Bis Ende September haben sich alle Thiere voll- kommen ausgebildet, sind auch theils bedeutend gewachsen. Dem Thier (A B) IL wurden 2V2 cm vom Hinterende abgeschnitten. Dem Thier A iiTjüni B (2V2cm) wurde wieder Am 30. Juni am 6. Juli der wurde der Schwanz ab- Kopf mit fast geschnitten. 4 alten Seg- 1 — "T^TT- — A menten von Ai b. Juli A2 ^^^ nunmehr zerlegt sich abgeschnit- 31/ ^^ ^ treiwilligm teuer Schwanz. r^j^-^j. ^^ J^_ A2 am 8. od. 9. Juli A3 schnitten. r — 7^\ y * Bi 30. Juni B2 A4 iu. Juii A5 abgeschnittener Kopf. III. Das zu dem folgenden Versuch gebrauchte Thier war 6V2 — 7 cm lang, 4 cm waren regenerirt, von Farbe indess dem übrigen Körper fast ähnlich. Abgeschnitten wurden von dem Kopfende des Lumbriculus die sieben üeber Theilungs- und Regeneratiousvorgänge bei Würmern etc. 73 ersten Segmente des Körpers, also die zwei ersten borsten- losen und die fünf folgenden borstentragenden. Der übrige Körper ß verhält sich fast so, als wenn dem Thiere nichts fehle, nur ab und zu geht es eine kleine Strecke rückwärts, mit dem Schwanz den Weg suchend. Das Kopfstück macht nur wenig Bewegungen von einer Seite zur anderen. Wasser 22« C. 22. Juni, Morgens 9V2 Uhr. Obgleich der Kopf erst am Tage vorher Abends gegen 8 Uhr abgetrennt war, so giebt er doch jetzt schon kein Lebenszeichen mehr von sich, in vollkommener Ueberoinstimmung mit den Angaben Bonnet's. Das Thier B hatte sich in zwei Theile zerlegt, Bi 2V2 cm, B2 3,75 cm. Bi zeigt am Vorderende einen winzigen gelben Flecken. Die Theilung muss vor kurzer Zeit vor sich gegangen sein; denn wenn auch das Hinterende von Bi einigermassen gut vernarbt ist, so kann dies doch nicht von dem Vorderende von B2 gesagt werden. Die Wund- ränder sind wohl zusammengezogen, indessen ist ein voll- kommener Schluss noch nicht erzielt worden; es geht noch ein ganz feiner Streifen von dunkler Substanz fast nach ganz vorne, und kaum darf man annehmen, dass die Vernarbung vollendet sei, bevor er nicht verschwunden ist. 23. Juni IIV2 Uhr. Bj: Kopfknospe ca. 0,3— 0,4 mm, die Schwanzknospe ungefähr um die Hälfte kleiner. So wie diese war auch die Kopfknospe von B2. Bei Bewe- gungen der Thiere wird bei beiden das Blut aus den Knospen ausgetrieben, tritt aber gleich darauf wieder in die regenerirten Theile ein. Das Fortkriechen geht ganz sicher vor sich, in den Algen bahnt das Schwanzende von B2 den Weg. Nicht so Bi, hier und auf dem Boden geht stets das Kopfende voran. Temperatur des Wassers: 23,50 C. 24. Juni 11^4 Uhr. Der Schwanz von Bi hat eine Länge von ca. 0,7 mm, der Kopf eine solche von 0,4— 0,5 mm. Die Blutwelle beginnt noch in dem letzten alten Segment. Beim Berühren des Theiles B2, der vollkommen ver- steckt in den Algen lag, wurde wahrgenommen, dass ge- 74 C. Bülow: linde Reize am Hinterende es nicht veranlassten, das Versteck zu verlassen. Es wurden desshalb die Algenfäden etwas bei Seite geschoben, um das Thier besser beobachten zu können, und da merkte man denn sofort die wahrschein- liche Ursache dieses Verhaltens. Es war nämlich das Thier im Begriff sich ungefähr hinter dem ersten Drittel seiner Länge zu theilen. In den Theilungsvorgang waren zwei Segmente hineingezogen; die betreffende Stelle hatte ein graues Aussehen angenommen und war ganz dünn zu- sammengeschnürt. Die Blutwelle war hier sicher unter- brochen; ebenso ging es mit der Nervenleitung: denn wurde das hintere Ende des Thieres berührt, so bewegte es sich lebhaft und suchte vorwärts zu entkommen, wurde daran jedoch durch das fast unbeweglich bleibende vordere Stück verhindert, welches höchstens wenige Hin- und Herkrümmungeu machte. Diese Bewegungen waren sicher nur veranlasst durch einige geringe Erschütterungen, die das Hinterende durch die eingeschnürte sehr biegsame Stelle auf das Vorderende als kleinen Reiz übertrug. Etwas anders, indess immerhin ähnlich, gestaltete sich die Sache beim Berühren des Vorderkörpers. Sofort nach dem empfan- genen Reiz bewegte er sich lebhaft und riss den Hinter- körper mit in diese Bewegung hinein. Beim Vorwärts- kriechen wurde er einfach mitgezogen. Um eine flüchtige Skizze von dem Verhältniss der Theile zu einander aufzu- nehmen, versuchte ich die noch verketteten Thiere in eine günstigere Lage zu bringen; es gelang in sofern, als sie wenigstens dadurch in eine von Algen weniger einge- nommene Gegend gelangten. Hier wurde schnell ein Bild entworfen. Damit die Einzelheiten genauer gezeichnet werden könnten, trachtete ich danach die Pflanzen mehr und mehr von der Stelle des sich theilenden Lumhricvlits zu entfernen; es konnte dieser Versuch indess nicht mit dem erwünschten Erfolg zu Ende geführt werden, da durch eine etwas stärkere Bewegung des Thieres, als sie bis dahin ausgeführt worden war, sich beide Theile von ein- ander in die Stücke B3 und B4 trennten. B3 behielt die zwei grauen Segmente am Hinterende. Eine klaffende Narbe war kaum eine halbe Minute nach der Zerreissung üeber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 75 nicht mehr zu sehen; ebenso war nach kurzen Augen- blicken das Vorderende von B4 geschlossen. Nach Ver- lauf von einer halben Stunde hatte das hintere Ende von B3 schon ein recht günstiges Aussehen angenommen. Die grauen, eingeschnürt gewesenen Segmente hatten sich an Dicke beträchtlich vermindert und gingen schliesslich ganz zu Grunde, entgegen dem Fall, wo die zwei in Mitleiden- schaft gezogenen Segmente wieder zum übrigen Körper hinzugenommen wurden. Es ist dies verschiedene Ver- halten leicht aus der Thatsache zu erklären, dass dort die betreffenden Körperabschnitte vorne sassen, während sie hier am Hinterende sich befanden, eine Blutwelle also nicht mit einer gewissen Kraft in sie hineingepresst wer- den und sie ernähren konnte. Die Kopfknospe von B3 beträgt 0,4 mm. Temperatur des Wassers: 25<> C. 24. Juni, Abends 7 Uhr. Das hintere Ende von B3 war natürlich vollkommen vernarbt, das letzte Segment indessen etwas missfarben und auch ohne sichtbare Con- traktionen des Blutgefässes. Das Vorderende von B4 war vollkommen normal. Die Temperatur des Wassers betrug: 26 0 C. 26. Juni, 6 Uhr. Bi : Kopf 1,1 mm, Schwanz 2 mm. B3: Kopf 1,1 — 1,2 mm, Schwanz 0,5— 0,6 mm. B4: Kopf 0,4— 0,5 mm. Das ganze Stück ist 3,1— 3,2 cm lang. Im hinteren Theil sind zwei Hälften von Gefässschlingen degenerirt. Wasser 23 Vb^ C. 27. Juni, Abends 8V2 Uhr. Bi: Kopf 1,5-1,7 mm. Schwanz 4 mm. B3: Kopf 1,5—1,7, Schwanz 1—1,2 mm. B4: Kopf 0,8— 0,9 mm. Das Afterende geht noch mit Vor- liebe voran. Alle drei Stücke sind sehr agil. Temperatur des Wassers: 23« C. 28. Juni, 6V4 Uhr. B, : Kopf 2 mm. Mund, Schlund und Kopfdarm müssen schon so weit ausgebildet sein, dass sie Nahrung aufzunehmen im Stande sind; denn zu mehreren Malen wurde Kothentleerung beobachtet. Der Koth war locker und bestand wohl über die Hälfte aus noch Chloro- phyll und Protoplasma enthaltenden, also nicht sonderlich verdauten, Diatomeen. Schwanz 8 mm. B3: Kopf 2 mm, 76 C. Bülow: Schwanz 1,9 mm. B*: Kopf 1,1mm. Das ganze Stück misst 3,4— 3,5 cm. Temperatur des Wassers: 22» C. 29. Juni, 372 Uhr. Bi: Kopf 2V8 mm. Im 10,3 mm langen Schwanz befindet sich Koth. B3: Kopf 2V2 mm, Schwanz 378 mm. B4 : Kopf 2,8 mm. Temperatur des Wassers 24 0 C. 30. Juni, 3 Uhr. Bi : Kopf 2,2 mm, Schwanz 13,7 mm. B3: Kopf 2,6 mm, Schwanz 5 mm. B4 ist ca. 37 mm lang, der Kopf misst 2,4 mm. Temperatur des Wassers: 24" C. I.Juli, 1174 Uhr. Bi: Kopf 2,3 mm, Schwanz: 15,2 mm. B3: Kopf 2,7 mm, Schwanz 7 mm. B4: Kopf 27'2mm. Von B3 riss das regenerirte Schwanzstück (B3") durch einen Zufall ab, der übrig gebliebene alte Theil sei B3'. 2. Juli, 3 Uhr. Bi : Kopf 2,5 mm, Schwanz 18,5 mm. B3': Kopf 2V5nim, am Schwanzende ist eine kleine Rege- nerationsknospe angesetzt. B3" lebt noch, da es auf Reize durch Krümmungen Antwort giebt; es ist fast vollkommen farblos, hat nur einen schwachen Schein in's Gelbliche. Die Blutwelle bemerkt man kaum. B4: Kopf 2^3 mm. Tempe- ratur des Wassers: 25» C. 3. Juli, 1172 Uhr. Bi: Kopf wie früher. Schwanz 19^4 mm. B3': Kopf 3 mm, Schwanz 1 mm. B3": das geringe abgerissene Schwanzende von B3 ist wie erwartet werden musste abgestorben (cf. Bonnet). B4: Kopf 3 mm. Im Lymphraum befinden sich einige schwarze Punkte. Tem- peratur des Wassers: 2472^ C. 6. Juli, Abends 7V4 Uhr. Von Bi und B3 wurden die Köpfe abgeschnitten und zwar so, dass an Bi noch 3/4, an B3' noch 172 Segmente sitzen blieben. Die abgeschnittenen Vorderenden Bi' und b unterscheiden sich schon in so fern von einander, als Bi' nur 6, b aber acht borstentragende Kopfsegmente besass, dann vor allen Dingen auch durch ihre Beweglichkeit. Bi' lag fast vollkommen ruhig da, nur hin und wieder sich ein wenig ausstreckend oder nach links und rechts biegend, b dagegen bewegte sich gleich von Anfang an lebhaft und kroch, als noch gar nicht ein- mal die Wunde vernarbt war, schon mit grosser Sicherheit umher. Nach kurzer Zeit fand er die Algen und versteckte sich in ihnen. üeber Theilungs- und Regenerations Vorgänge bei Würmern etc 77 7. Juli, 10 V2 Uhr. Kopf Bi'*) ist zu Grunde gegangep, b noch am Leben. B5 hat sich in 2 Stücke getheilt, in f und g. f enthält nur alte Segmente, g besteht zum grössten Theil aus dem regenerirten Schwanz, nur vier alte Segmente sind noch daran. 12. Juli, IIV2 Uhr. f hat vielleicht schon einen aus- gebildeten Kopf, da aus dem 5 mm langen Schwanz Koth entleert wird, oder aber man müsste annehmen, dass die Nahrungsballen schon von dem 5. oder 6. Juli her in dem Theilthier sich befanden, g hat im Kopf einen schwarzen Punkt. Dies Stück hatte sich nochmals in gi und g2 ge- theilt. gl ist 14 mm, g2 21mm lang, letzteres besteht voll- kommen aus regenerirtem Gewebe, b ist im ganzen mit dem neugebildeten Schwanz ungefähr 5 mm lang. Der Kopf von B5' ist wahrscheinlich ausgebildet. B4 ist am längsten, seine Grösse beträgt 40—45 mm. Bis zum Ende des September wurden noch alle Thiere lebend gefunden; sie waren gut gewachsen. Thier (A B) III. Am 21. Juni sind 7 Segmente vom Vordertheil abge- schnitten worden. A 21. Juni B Die 7 Segmente waren hatte sich freiwillig am 22. schon zu getheilt in Grunde gegangen Von Bi 22. Juni B2 wurde der Kopf am trennte sich 6. Juli abgeschnitten. in die Stücke Bf^ B5 B3 24. Juni B4 abgeschnittener freiwillig das regenerirte Kopf in Schwanzende riss f 7. Juli ab am 1. Juli --rrn^ B3' 1. Juli B3" gl i^.Juligii g-^p^. ^^^Q_ ^g^ abgeris- schnitten sene Schwanz b 6. Juli B5' ^ S'°f ^l q Kopf. <^™"j'J^e-. t 3. 1) Höchst wahrscheinlich wird bei dem Zählen der Kopfseg- mente von Bj' ein Fehler begangen sein. Wie wir uns erinnern 78 C. Bülow: IV. Das Versuclisthier ist 5— 5V2 cm lang. Es ist noch völlig unregenerirt, die Farbe durchgehends eine pechbraune, gegen den Schwanz zu etwas heller werdend. Der Lum- briculus wurde in drei Theile zerlegt: Ai 2— 2V2 cm, B: 1,3—1,5 cm und C 2,2— 2,5 cm. A und B zeigen nur secun- denlang nach dem Abschneiden eine heftige Bewegung; C ist längere Zeit unbeweglich, dann aber wird sein hinteres Ende sehr agil. Das Benehmen der einzelnen Theilstücke beim Kriechen ist das schon häufiger erwähnte; ich will nur daran erinnert haben. 23. Juni. A reagirt rasch und lebhaft auf einen Reiz. Am Schwanzende findet • sich eine kleine hellgelbe, mit rothem Blut durchsetzte Knospe. Lange nicht so beweglich wie A ist B. Beim Verändern des Platzes geht das Kopf- ende voran. Kopf und Schwanzknospe sind in der Anlage vorhanden. In der Beweglichkeit mit B gleich ist C. Befindet es sich in den Algen, so bricht das Hinterende Bahn, der übrige Körper wird durch Contraktion nach- gezogen. Die Kopfregenerationsknospe ist kaum sichtbar, so minimal ist sie. 24. Juni, 73/4 Uhr. A: Schwanz 0,9 mm. Solche Theil- stücke machen ganz dieselben eigenthümlichen Bewegungen, wie man sie häufig an unverletzten Thieren zu sehen be- bekommt. Berührt mau sie nämlich am Vorderende, so wurden dem unverletzten zu diesem Versuch dienenden Thier 7 Kopf- segmente, also 5 borstentragende, abgeschnitten. Das sechste wird verletzt gewesen sein, ist also auch noch theilweise wieder regenerirt. Neu dazu entstanden sind noch 7 Segmente, nach dem Satz, dass nur 80 viel Kopfsegmente regenerirt werden, wie abgeschnitten wurden. Dieser regenerirte Theil ist nun bedeutend heller als der übrige Körper, somit wohl allein für den Kopf gehalten, während noch zwei der nächstfolgenden borstentragenden mit zu ihm gehörten. Da nun am 6. Juni die zwei ersten und noch ca. 7 der folgenden Kopfsegmente abgetrennt wurden, so ist auch leicht erklärlich, wie sie schon einen Tag später zu Grunde gegangen sein konnten. — Den Irrthum bei der Zählung wird man mir leichter verzeihen, wenn ich sage, dass mein Augenmerk auf diese Dinge damals noch nicht gerichtet war. Zu der Erkenntniss der eigenthümlichen Erscheinungen, die der Kopf bietet, bin ich erst später gekommen. üeber Theilungs- und Regenerationavorgänge bei Würmern etc. 79 genügt ein Ruck des ganzen Körpers, um oft wirklich überraschend schnell das Hinterende an die Stelle zu bringen, wo das Vorderende lag, während dieses meist sich dann an der des Schwanzes befindet. Die beschriebene Bewegungsform mag viel dazu beitragen, dass der Kopf feindlichen Angriffen entgeht, und höchstens der Schwanz die Beute anderer Thiere wird. Ein Lumhriciäus braucht sich durchaus nicht nothwendigerweise, um dies Manöver auszuführen, im freien Wasser zu befinden, er bringt es auch in nicht all zu dichten Algen fertig. Bei der Berüh- rung des Hinterendes erfolgt eine derartige Bewegung, so weit ich beobachten konnte, niemals. B: Kopf 0,3— 0,4 mm, Schwanz 0,6 mm. Ausserhalb des Algenversteckes sucht sich das Kopfende fortwährend festzuhalten, um den übrigen Körper bequem nachziehen zu können; es gelingt indess noch nicht. C: Der Kopf ist noch etwas kleiner als der von B. Temperatur des Wassers: 26» C. 26. Juni, 7 Uhr. A: Schwanz 1,6—1,7 mm. B: Kopf 1mm, Schwanz 1,5— 1,6 mm. C: Kopf 1,1mm. In der Mitte des Körpers ist eine Gefässschlinge degenerirt. Wasser 230 C. 27. Juni, 73/4 Uhr. A: Schwanz 2,7 mm. B: Kopf 1,7 mm, Schwanz 2,5 mm. C: Kopf 1,2— 1,3 mm. Tempe- ratur 230 C. 28. Juni, 7V2 Uhr. A: Schwanz 4 mm. B: Kopf 2,3 mm, Schwanz 4 mm. C: Kopf 2 mm. Wasser 23^ C. 29. Juni, 4V2 Uhr. Ebenso wie alte Thiere beim Tasten den Kopflappen schnell auf und ab bewegen, so auch geschieht es hier mit dem regenerirten noch sehr hellen Lymphraum unserer Thiere. A: Schwanz 574 mm. B: Kopf 2V4mm, Schwanz 5,1mm. C: Kopf 274 mm. Was- ser 24« C. 30. Juni, Nachmittags 6 Uhr. A: Schwanz 6,2 mm. B: Kopf 2,5 mm, Schwanz 6,6 mm. C: Kopf 2,2 mm. Wasser 240 C. 1. Juli, 11 V4 Uhr. A: Schwanz 7,7 mm. B: Kopf 2,5 mm, Schwanz 7,7 mm. C: Kopf 2,3 mm. Temperatur des Wassers: 22» C. 80 C. Bülow: 2. Juli, 3V4 Uhr. A: Schwanz 9,6 mm. Die contrak- tilen Anhänge der Seitengefässe bilden sich aus. B: Kopf 22/3 mm, Schwanz 9,2 mm. C: Kopf 2V3 mm. Temperatur des Wassers 25» C. 3. Juli, 51/4 Uhr. A: Scliwanz 10,9 mm. B: Kopf 277 mm, Schwanz 10,25 mm. C: Kopf 2,5 mm. Temperatur des Wassers: 26« C. 4. Juli, lO'/a Uhr. A: Schwanz 12mm. B: Kopf ist nicht mehr gewachsen, Schwanz 11 mm. C: Kopf 2V2 mm. Wasser 24 72^ C. 14. Juli. B und C sind aus dem Behälter herausge- krochen und vertrocknet. 5. August. Thier A hat sich vor ungefähr 2 Tagen in zwei Stücke getheilt, und jedes dieser Stücke heute nochmals, da an den betreffenden Bruchstellen durchaus keine Regenerationsknospen zu sehen waren. Die Theile wollen wir der Reihe nach A3, A4, x4.5 und Aß nennen A3: 15 mm, A4: 13— 14 mm, A5 9 mm und Ae 19—20 mm. Das ungetheilte Thier mass demnach 57 mm, hatte also um ein Geringes die Grösse des Mutterthieres (ABC) IV überschritten. Ende September sind alle Thiere vervoll- ständigt und wohlauf. Eine Veränderung ausser in ihrer Länge ist nirgends nachzuweisen. Thier (A B C) IV wurde am 21. Juli getheilt in A ^ C Ai 3. Aug. A2 gingen durch A — r^A ^A A — 7^ i Herauskriechen A3 5.Aug. A4 A5 5. Aug. Aß ^^g d^^ Q^fägg zu Grunde. Ein Thier von ungefähr 7 cm Länge wurde in vier Stücke getheilt. A: 2 cm, B: 2 cm, 0: 1,5 cm und D: 1.5 — 2 cm. Einmal schon hat der Lumhriculus den Schwanz regenerirt. In A waren nur alte Segmente vorhanden, B zeigte neben alten noch 15 oder 16 neuere, C und D be- standen demnach natürlich nur aus regenerirtem Gewebe. A, B und C kriechen auf dem Bauch, D ist in seinen Bewegungen unsicherer. Die eine Seite des Bodens des Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 81 Gefässes wurde mit grobem Sand bedeckt. Temperatur des Wassers: 23» C. 23. Juni, 3 Uhr. A ist sehr lebhaft, es hat eine gut erkennbare gelbe Schwanzknospe angesetzt. Beim Berühren verliess es die Algen und vergrub sich in den Sand. Nach Verlauf von mehreren Minuten hat sich das Thier voll- kommen den Blicken entzogen. B und C waren weniger lebhaft; Regenerationsknospen hatten sie an beiden Enden angesetzt. D war eigenthümlicherweise zu Grunde gegangen. Temperatur des Wassers: 25,5^ C. 24. Juni, 772 Uhr. Stück A ist noch vollkommen in dem Sand verborgen. Es wurde durch Bewegen des- selben herausgetrieben, gleich darauf jedoch begann es aufs neue sich einzugraben. Nach Verlauf von kaum einer Minute war diese Arbeit vollendet. B : Kopfknospe 0,3 mm, Schwanz 0,5 mm. Um ca. 0,1 mm kürzer sind beide Stücke bei C. Wasser 26 <> C. 26. Juni, 774 Uhr. Der Schwanz des im Sande ver- grabenen Stückes A hat ein kränkliches Aussehen, er ist nicht so gewachsen wie die übrigen, seine Form ist mehr kolbig. B: Kopf 0,8—0,9 mm, Schwanz 0,4—0,5 mm. C: Kopf 0,7 — 0,8 mm, Schwanz 0,9 — 1 mm. B und C hielten sich in den Algen auf. 27. Juni, Abends 8 Uhr. Schwanz 1,3 — 1,4 mm. C bemühte sich vergebens, als es auf den Sand gebracht worden war, hineinzudringen, alle seine Versuche blieben bei der grossen Elasticität des Kopfes ohne Erfolg. Kopf 1,3 — 1,45, Schwanz 1,9 mm. B: Kopf 1,4 — 1,5 mm, Schwanz 2 — 2,1 mm. Diesem Theilstück gelang der Versuch sich in den Sand zu vergraben, es wurde jedoch wieder heraus- gebracht und veranlasst, das Algenversteck aufzusuchen. Wasser 23» C. 28. Juni. Auch die Stücke B und C, die bis dahin sich in den Pflanzen aufgehalten hatten, haben sich in den Sand zurückgezogen und stecken ihre Schwänze heraus, die nur selten eine geringe Bewegung machen. Ä : Schwanz 1,7 mm. B: Kopf 2,1 mm, Schwanz 3 mm. C: Kopf 1,6 mm, Schwanz 1,8— 1,9 mm. B und C wurden wieder in die Pflanzen zurückgesetzt. Temperatur des Wassers: 2374^ C. Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 6 82 C. Bülow: 29. Juni, 5 Uhr. Nur C steckt noch in den Algen. A: Schwanz 2V2 mm. B: Kopf 2V4mm, Schwanz 4^4 mm. C: Kopf lV2mm, Schwanz 2V2 mm. Wasser 24° C. 30. Juni, 6V2 Uhr. Da das Wachsthum in diesem Gefäss ein so unregelmässiges war, hatte ich den Sand am 29. entfernt und nur die Algen in dem Wasser belassen. Auch heute noch war das Aussehen des Schwanzes von A nicht normal, er war in seinem ersten Theil angeschwollen, seine Länge betrug 3,1mm. B: Kopf 2V2 mm, Schwanz 53/4 mm. C: Kopf IV4 mm, Schwanz 2^4 mm. 1. Juli, 12 Uhr. Die Verkrüppelung des Schwanzes von A hat sich noch nicht gehoben, die drei ersten Gefäss- schlingen sind gut ausgebildet, dann folgt eine dünnere Region und darauf wieder eine dickere, in der die Schlingen wieder besser ausgebildet sind. Länge 3,5 mm. B war fast ganz aus dem Wasser herausgekrochen und dadurch recht matt geworden. Kopf 2 V2 mm, Schwanz 5,2 mm. C: Kopf 2,1 mm. Schwanz 2,75 mm. Alle Thiere sind ziemlich unempfindlich gegen Reize. Wasser 24V'2^ C. 2. Juli, 41/2 Uhr. In dem Gefäss war nur ein Wurm zu finden, es war dies C; beim Suchen wurden die andern beiden Stücke A und B an dem Glassdeckel gefunden in einem halb, theilweise ganz vertrockneten Zustande, trotz alledem wurden sie noch wieder ins Wasser gesetzt. Nach einiger Zeit nahm man Bewegungen an ihnen wahr, nament- lich an A. Der Kopf von C hat dieselbe Grösse behalten wie am letzten Tage, der Schwanz misst 3 mm. Wasser 231/2" C. 3. Juli. Die beiden Stücke A und B sind todt. C. Kopf 2 V3 mm, Schwanz 3^4 mm. Temperatur des Wassers : 24V4O C. 4. Juli. C: Kopf 2V3mm, Schwanz 4V4 mm. 13. Juli. Der Schwanz von C misst 972 mm. Am 7. Oktober ist der eine Lumbriculus noch vor- handen, der regenerirte Schwanz misst jetzt 2— 2V4 cm. lieber Theilungs- und Reg-enerationsvorgäncre bei Würmern etc. 83 Thier (A B C D) V wurde getheilt in die Stücke B C D ^ war am 7. t am 23. Juni, gingen am 2. q^^^^ ^^ Jul, durch Ver- 4 «„ lang, trocknen an den ® Wänden zu Grunde. VI. Ein Lumhriculus von 5V4 cm Länge wurde in fünf Theile zerschnitten. A: 15 mm, B: 9— 10 mm, C: 7—8 ram, D: 7 mm und E: 12 — 13 mm. A und E waren am lebhaftesten. Damit keine Verwechslung der Theile eintreten könne, wurden die einzelnen Stücke in besondere Behälter gethan, in denen sich Algen befanden. Nach weniger als einer Stunde waren die Wunden sehr gut ver- narbt. A, B, C und D hatten ihre gewöhnliche Farbe behalten, E schien etwas blass geworden zu sein. Das vordere Ende jedes Theilstückchens war mit Blut am reichlichsten gefüllt. 24. Juni, Abends 8 Uhr. A ist sehr lebhaft, es hat einen deutlichen gelben Fleck am Schwanzende, als Zeichen der beginnenden Regeneration. Nur der vordere Theil des Rückengefässes von B enthält eine merkliche Menge von Blut, ebenso ist nur an diesem Ende des Theil Stückes eine Regenerationsknospe. Ganz dasselbe, was von B gesagt wurde ist von C zu erwähnen, nur ist die Kopfregenerationsknospe noch geringer. D ist zu Grunde gegangen; E lebt zwar, doch sind die Bewegungserscheinungen, die auf Reize hin ausgelöst werden, äusserst schwach. Eine Kopfknospe ist angesetzt. Wasser 25,5» C. 26. Juni, VU Uhr. A: Schwanz 1 mm. B und C haben Kopf- und Schwanzknospen, E besitzt ebenfalls eine Rege- nerationsknospe. 27. Juni, 4^4 Uhr. A: Schwanz 1,5 mm. Die neu- gebildeten Stücke des Kopf- und Schwanzendes von B sind recht hell. Kopf 0,8 mm, Schwanz 1 mm ; es ist bedeutend lebhafter geworden als in den Tagen vorher. Das rege- nerirte Vorder- und Hinterende von C sind noch heller als 84 C. Bülow: bei B, auch an Grösse geringer. Kopf 0,6 mm, Schwanz 0^7_0,8 mm. Das Rtickengefäss setzt sich in Kopf und Schwanz fort. Es ist ebenfalls weit agiler als früher. E ist beim Vorwärtskriechen ziemlich sicher. Kopf 0,7— 0,8 mm. 29. Juni, IOV2 Uhr. A: Schwanz 4 mm, der Darm des regenerirten Theiles ist mit Nahrungsstoffen erfüllt, ohne dass sie ausgestossen werden. B: Kopf 1,6 mm, Schwanz 2,3 mm. Die Gefässschlingen sind im Schwanz schon ganz gut sichtbar. C: Kopf PAmm, Schwanz 1,6 mm. E: Kopf 1,75 mm. Länge des ganzen Stückes 14 mm. Wasser 22,6o C. 30. Juni, 774 Uhr. A: Schwanz 7,5 mm. B: Im Darm sind schon Kothballen, der Kopf ist demnach so weit vor- gebildet, um Nahrung aufnehmen zu können. Kopf 1,9 mm, Schwanz 4 mm. C: Auch hier lagen verdaute Nahrungs- tiberreste im Darm : kurze Zeit nach Beginn der Beobach- tung gingen sie durch den After langsam ab. Kopf PA mm, Schwanz 2V2nim. E: Kopf 1^4 mm. Das Thier hat einige Luftblasen verschluckt, die es ausserhalb der Algen an der Oberfläche des Wassers erhielten. Danach zu urtheilen ist auch hier der Kopf einigermassen fertig. Wasser 23^ C. I.Juli, 4 Uhr: A: Schwanz 9,8 mm. B: Kopf 2,2 mm, Schwanz 5 mm. C: Kopf 2 mm, Schwanz 3V2 nim. Es wurde wieder das Austreten von Koth beobachtet. E: Kopf 2 mm. Wasser 2472» C. 2. Juli, 472 Uhr. A: Schwanz 10V4mm. B: Kopf ist nicht gewachsen, Schwanz 672 mm. C: Kopf auch nicht grösser geworden, Schwanz 472 mm, E: Kopf 2 mm. 3. Juli 674 Uhr. A: Schwanz 1274 mm. B: Schwanz 7,9 mm. C : Schwanz 4V2 mm. Gerade am Anfang des regenerirten Theiles sitzt eine Luftblase. Kopf 274 mm. E: Kopf 274 mm. Wasser 25 V2« C. 4. Juli, 11 Uhr. A: Schwanz 13,4 mm. B: Schwanz 8,6 mm. C: Kopf 2 V2 mm, Schwanz 6,6 mm. E: Kopf 2V3mm, Wasser 243/4^ C. 12. Juli 43/4 Uhr. A: Schwanz 24— 25 mm. B: Schwanz 19 mm. C: Schwanz 17 mm. E: im Ganzen 23 mm. 22. Juli. B, C und D sind aus den Behältern heraus- lieber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 85 gekrochen und vertrocknet. — Stellen wir zwischen dem Wachsthum der Stücke A, B, C und E einen Vergleich an, so ersehen wir aus den angegebenen Zahlen leicht, dass das Kopfende bis zum 12. Juli bei allen fast die gleiche Länge erreicht hat, der geringe Unterschied wird sich mit der Zeit wohl noch ganz ausgleichen. Nicht so ist es mit dem Schwanzende. Es hat bei A 24 — 25 mm, bei B 19 mm und bei C 17 mm Länge erreicht. E war zu Anfang des Versuches 12—13 mm lang, am 12. Juli 23 mm, es ist mithin während dieser Zeit um 11— 12 mm gewachsen. ' Davon gehen aber für den Kopf noch 2V4 mm ab, so dass für die Grössenzunahme am Schwanzende ca. 9 mm bleiben. Wir müssen somit in diesem Fall ein ungleiches Längen- wachsthum constatiren und zwar nimmt hier die Wachs- thumsgeschwindigkeit von dem Kopftheilthier nach dem Schwanztheilthier zu ab. Bei der Betrachtung dieses Resul- tats dürfen wir nicht vergessen die Ungleichheit der ursprünglichen Stücke in Rücksicht zu ziehen, wodurch sich die Zahlen allerdings ein wenig umgestalten müssten, im grossen und ganzen aber doch das Resultat nicht wesent- lich geändert würde. 8. August, Morgens 7V4 Uhr. Vor einigen Tagen hat sich das Thier A zuerst in 2 Theilstücke Ai und Bi zerlegt, dann aber noch jedes wieder in 2, so dass auf diese Weise die Theilthiere a, b, c, und d entstanden sind, a besteht nur aus alten Segmenten und ist 16 mm lang, b hat ein altes Segment, der übrige Körper ist primär regenerirtes Gewebe : 13 mm, c und d sind natürlich nur aus regene- rirten Segmenten zusammengesetzt, c misst 11 mm und d 20 mm. Die Länge des Lumbriculus A musste also vor der Theilung 60 mm betragen haben. Das ursprüngliche Thier (A B C D E) VI. war nur 5,3 cm gross gewesen, mit- hin von dem ausgewachsenen A an Länge übertroffen. Das Theilstück A hatte 15 mm gemessen, ungefähr ebenso lang war auch jetzt noch das alte Gewebe. 24. August. Thier b hat sich am 21. oder 22. in zwei Theile zerlegt, in ai und bi, und letzteres am 23. noch- mals in f und g. ar. 26 mm, f 14 mm und g 18— 19 mm. Stück b hatte sich also vom 8. bis zum 24. August von 86 C. Bülow: 13 mm auf 58—59 mm vergrössert, demnach zwar nicht die Länge von Ai erreicht, wohl aber, wenn ich so sagen darf, die Länge des Grossmutterthieres (A B C D E) VI. überschritten. Alle Thiere regenerirten und wuchsen gut. ABC DE theilte sich frei- | geht bald zu i willig. Grunde. Ai 6. Aug^ Bi wurden am 22. Juli a 8. Aug b c^XAug. d vertrocknet auf- — ^-^' gefunden. ai 2LAug. bi f23.Aug. g VIL 27. Juni, Morgens 9 Uhr. Der zur Verwendung gekommene Wurm war ungemein gross und dem entsprechend dick. Das schon einmal regenerirte Schwanzende wurde wieder abgeschnitten, und mit ihm noch drei alte Segmente. Dies Stück k hatte die Länge von 2,6—2,7 cm, während das ganze übrige Stück noch 6,6 cm mass. Das unverletzte Thier war also ca. 9 cm gross gewesen. Nach kurzer Zeit hatten sich die Wunden ziemlich gut geschlossen, die des vorderen Thieres etwas früher. Nach Verlauf von ca. fünf Minuten wurde ein weiteres ca. 7 mm langes Stück i abgeschnitten. Es besass 13 Segmente. Bei der Operation ging eine deutliche Menge Blut verloren ; die Pulsation des Rückeugefässes dauert ohne auszusetzen fort, wie wenn nichts geschehen wäre (in diesem Fall habe ich wenigstens keine Aussetzung bemerkt). Die Blutwelle durchlief die 13 Segmente in 21—22 Secunden. Nur selten vollführte i eine Bewegung nach links oder rechts. Lebhafter, dabei aber unsicher war der Schwanz k. Das Afterende ging voran und schleppte den übrigen Körper mit sich. Zwischen dem ersten und zweiten Segment sass eine Luftblase. IOV'2 Uhr wurde die dritte Operation vorgenommen. Das Hinterendc war gut vernarbt. Bei dem Abschneiden wurde Obacht darauf gegeben, dass sich in ihm möglichst viel Blut befand; es gelang, denn das Rückengefäss des Theil- lieber Theilungs- und Regeneratfons Vorgänge bei Würmern etc. 87 ^Stückes war recht roth. Die Länge der Blutwellen schwankte zwischen 4 und 11 Segmenten. Um das ganze Stück (I2V2 Segmente) zu durchlaufen, brauchte sie 15 Sekunden, h mass 6,5 mm. Auf Reize reagirt es lebhaft durch Con- traktionen des ganzen Körpers. Das Kopfende vernarbte bald. Um 11 Uhr wurde das vierte Stück abgetrennt; auch hier nahmen die Pulsationen des ßückengefässes ihren ungestörten Fortgang. Der Schluss der Wunde wurde durch Längencontraktionen der nächstfolgenden Segmente bedeutend unterstützt, g war 8^4 mm lang; die Zahl der Segmente betrug 18 oder 19. Die Blutwelle brauchte 20—21 Sekunden, um den Körper von hinten nach vorne zu durchlaufen, ihre Länge variirt zwischen 6 und 10 Seg- menten. IIV2 Uhr wurde f abgeschnitten, es umschloss 17 Segmente. Das 7. Ringgefäss der linken Seite war ver- krüppelt, dass Rückengefäss ging an dieser Stelle nicht gerade durch, sondern macht einen kleinen Bogen nach der entsprechenden Seite hin. f war ungefähr 7 mm lang. Die Länge der Blutwellen schwankt zwischen 4 und 11 Segmenten, alle 17 wurden in 15 Sekunden durchlaufen. Als sich 12 Uhr das Hinterende des vordersten Thieres geschlossen hatte, wurde noch ein Stück e abgetrennt. Da bei dem Durchschneiden eine relativ grössere Menge Blut verloren ging als es sonst der Fall zu sein pflegt, so war das Rückengefäss nicht stark angefüllt. Es waren 15 pulsirende Grefässabtheilungen in dem Stück, das von der Blutwelle in ca. 15 Sekunden durchlaufen wurde, die Länge der Wellen konnte wegen der fortwährenden Contraktionen des Thieres nicht beobachtet werden. Nachmittags 3 Uhr wurde ein Theil d, 18 Segmente in sich schliessend, abge- schnitten, es war das siebente und hatte eine Länge von 8 mm. Die Blutwelle gebrauchte 20 — 22 Sekunden, um von hinten nach vorne zu gelangen. Die sechste der letzten Gef ässschlingen von hinten war verkümmert. 37* Uhr wurde das achte Stück vom Kopfende abgeschnitten, es hatte nur 9 Segmente. Die Blutwelle durchrann es in 7—8 Segmenten. Nur selten beobachtet man mehr als eine Welle auf der ganzen Länge des Stückes, für gewöhn- lich vergeht noch eine Zeit, während welcher sie ungefähr 88 C. Bülow: 2—3 Segmente weiterrücken könnte, bevor am Hinterende der Anfang einer neuen erscheint. 3V2 Uhr. Das schon ziemlich kurz gewordene Kopf- ende wurde nochmals in die Sücke b und a getheilt, so dass jetzt der Liimbriculus in 10 Theile zerlegt worden war. b hatte 15 Segmente und war 8 mm lang, a hatte 17 und mass 9 mm. In ihm ist scheinbar sehr wenig Blut vorhanden, während in jenem reichlich ist. Die Welle braucht 17—18 Sekunden zum Durcheilen des Stückes. Bei den Operationen wurde stets bemerkt, dass das jeweilen vorderste Stück das lebhafteste in seinen Bewegungen war, das abgeschnittene Hinterende blieb eine Zeit lang bewe- gungslos liegen. Jenes war um so agiler, eine je beträcht- lichere Länge es hatte. Das beweglichste übrigens, ja auch das längste von allen Stücken ist das Schwanzende. In das ziemlich grosse Gefäss wurden nur Algen gethan. Wasser 25« C. 28. Juni, 9 Uhr. Beim näheren Durchsuchen der Algen, Nachzählen und Mustern der einzelnen Stücke, fand man, dass alle noch am Leben waren, das Aussehen keines einzigen war ein solches, dass man auf ein demnächst erfolgendes Absterben hätte schliessen können. Die Beweg- lichkeit hatte sich ungemein erhöht, alle machten auf Reize hin den mehr oder weniger mit Erfolg gekrönten Versuch weiter zu kriechen. Die Anfänge der Regeneration zeigten sich als noch sehr kleine gelbe Stellen bei drei der grössten Theilstücke am Schwanzende, am Kopf nur bei einem. Bei Kriechversuchen sind alle äusserst unsicher, nicht allein, dass sie dabei auf die rechte oder die linke Seite zu liegen kommen, sondern es befindet sich auch manch- mal die Bauchseite nach oben. Wurde ein Stück etwas unsanft berührt, so waren die ausgelösten Bewegungen bei den meisten doch noch so kräftig, um eine merkliche Orts- veränderung zu Stande zu bringen und zwar eine um so grössere, ein je grösseres Theilstück vorlag. In Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der die Blutwelle die Stücke von hinten nach vorne durchläuft, muss bemerkt werden, dass sie nicht dieselbe ist wie am Tage vorher; die Wellen brauchen etwas längere Zeit. Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 89 •V 29. Juni, 12 Uhr. Alle Stücke, selbst die kleinsten haben an beiden Enden Regenerationsknospen angesetzt. Bei manchen ist die Schwanzknospe die grösste, nament- lich wenn das letzte alte Segment das Theilstück eines ganzen war. 30. Juni. Die Theilthiere leben alle, doch sind sie noch immer nicht in ihi*en Bewegungen sicher. Die Rege- nerationsknospen sind sehr wenig gewachsen, Kopf- und Schwanzanlage noch nicht gleich gross. Temperatur des Wassers: 22» C. 1. Juli. Zu Grunde gegangen ist bisher noch kein Stück. Die grösseren bewegen sich lebhaft, wenngleich diese Bewegungen in Bezug auf die Ortsveränderung nicht sonderlich mit Erfolg gekrönt und noch immer sehr un- sicher sind. Verfolgt man die Blutwellen, so will es scheinen als ob sie ungemein langsam von einem Ende des Körpers zum andern gingen. Die Regenerationsknospen haben be- züglich des vorhergehenden Tages ziemlich an Grösse zugenommen; die grössten Kopfknospen sind ungefähr V4 mm lang und stark roth von Aussehen. An den kleineren Stücken sieht man deutlich, dass die Kopfknospe die Schwanzknospe an Grösse überragt, dagegen überwiegt bei den grössten Theilstücken die Regenerationsknospe des Schwanzes. Von allen Anlagen eines Kopfes ist die des Schwanzstückes k die am weitesten ausgebildete. Wasser 23V2« C. 2. Juli, 5V2 Uhr. Die Kopfknospe von k ist lV2mm. Alle Thiere sind am Leben, die ßlutwelle geht aber noch immer sehr langsam, sie braucht z. B., um die 12 — 18 Seg- mente von h zu durchlaufen, ungefähr 25 Sekunden, während sie am 27. Juni denselben Weg in 15 Sekunden zurück- legte, und während sie damals in ihrer Länge zwischen 4 und 11 Segmenten schwankte, war sie jetzt nur 1—2 Segmente lang ^). Heute tibertreffen die Schwanzknospen die des Vordertheils an Grösse. Bis zum Ende des Juli war die Regeneration eine 1) Sollte diese Ersparniss au Kraft, die doch sicher bei der geringeren Intensität der Palsatiou angenommen werden muss, zur Erzeugung der Regenerationsknospen verwendet werden? 90 C. Bülow: ganz normale mit Ausnahme von zwei Sücken, die ein aufgetriebenes Hinterende hatten, keins war zu Grunde gegangen und die Aussicht vorhanden alle Theilstücke zu äusserlich vollkommenen Thieren heranzuziehen. Von dieser Zeit an traten aber Unregelmässigkeiten auf, die auf keine Weise erklärt werden konnten. Das Wachsthum war scheinbar ein ganz abnormes; es verschwanden einige Thiere ganz aus dem Aquarium, bis am 24. August kein einziges mehr aufzufinden war. Eine gründliche Revision des Behälters, namentlich der Algen klärte die Sache durch das Auffinden von 2 Libellenlarven auf, denen die Liim- briculi entschieden eine günstige Beute gewesen waren. Sie mussten mit neu hinzugefügtem Futter hineingekommen sein, da, wie ich sicher behaupten kann, sie zu Anfang des Versuches nicht in dem Behälter sich befanden. Nament- lich des Verhaltens der Blutwellen wegen ist diese leider unvollständige Beobachtung hier angeführt worden. Die Resultate aus diesen sieben Beobachtungen brauche ich wohl kaum zu ziehen; das Hauptsächlichste wird dem Leser ja beim Durchsehen aufgefallen sein, sie stimmen übrigens im Allgemeinen mit den Bonn et 'sehen überein. In den folgenden Zeilen sollen kurz noch einige Beobachtungen über die Regeneration von Kopfsegmenten mitgetheilt werden. Wie schon früher hervorgehoben wurde, entstehen, wenn von dem Kopf eine bestimmte Anzahl Glieder abgeschuitten worden sind, unter günstigen Ver- hältnissen genau ebenso viel neue. Ich will nicht alle beobachteten Fälle hier wieder- geben, sondern nur eine kurze Reihe; ich denke, diese wenigen Angaben werden zum Beweis des Ausgesprochenen genügen. 9. Oktober. Der zum ersten Versuch benutzte Lum- hriculus hatte einen unregenerirten Kopf von tief dunkler Farbe; bis zur Mitte des Körpers war der Wurm pech- braun, von da an heller, also regenerirt. Von dem Kopf wurden nun der Lyraphraum, das folgende borstenlose und noch drei borstentragende Segmente abgeschnitten. Die Borsten sitzen ungefähr in der Mitte zwischen je zwei Einschnürungen, die sich schon äusserlich durch ihre Ueber Theilungs- und Regeuerationsvorgänge bei Würmern etc. 91 dunklere Farbe kennzeichDen. Der erste dunkle Streif liegt zwischen dem letzten bürstentragenden Kopfsegment. An dem abgeschnittenen Stück zählt man 3V2 dunkle Streifen, es muss also gerade zwischen dem dritten und vierten borstentragenden Körperabschnitt zertheilt sein. 2. Einem zweiten Thier von pechbrauner Farbe wurde ein Stuck mit drei dunklen Streifen vom Kopfende weg- geschnitten, es enthielt dies also 2V2 borstentragende Glie- der; in dem halben sassen noch gerade die Borsten des dritten. 8. Der Limihrkulus ist ganz unregenerirt. Entfernt wurden die 9 ersten Kopfsegmente. An dem abgeschnittenen Stück erkennt man schon von aussen die Seitenlinien der Lumhriculij sie ist durch ein etwas anderes Aussehen der Zellen markirt und erstreckt sich bis in den Kopflappen. Entdeckt wurde sie ja von Semper auf Querschnitten bei Naiden. 11. Oktober, 4 Uhr. Der Kopf des Versuchsthieres ist regenerirt, der übrige Körper nicht. Abgeschnitten wurden 5 Segmente, also 3 borstentragende. 21. Oktober. Dem unter zwei näher charakterisirten Lumbriculus wurde der regenerirte Theil des Koi)fes ab- geschnitten. Es waren am 9. 2V2 borstentragende Segmente, natürlich also auch das Mundsegment und der Koi)flapi)en entfernt worden: genau dieselben Stücke, nicht mehr und nicht weniger waren wieder neu gebildet. Das Gewebe war noch sehr hell, der Mund der äusseren Form nach vollkommen ausgebildet, am Mundwinkel und den Borsten die bereits erwähnten eigenthümlichen gelben Körper, wie sie bei alten Thieren ebenfalls zu finden sind. Im 5. Kopf- segment sassen die Borsten in dem neu gebildeten Theil, der durch seine Farbe deutlich von dem übrigen Kopf abgesetzt war. Dem unter 1) beschriebenen Lumbriculus wurde der regenerirte Theil abgenommen: es waren drei borstentra- gende Segmente mit einer Spur alten Gewebes am Hinter- ende. In diesem sassen noch obere Borsten, so dass also vom Rücken im Ganzen vier Paare entfernt worden waren. 3 gehörten dem neuen Gewebe an. Auch hier sind somit 92 C. Bülow: genau so viel Kopfsegmente entstanden wie abgeschnitten wurden. 24. Oktober. Von 3 wurden die Kopfsegmente im achten borstentragenden durchschnitten und dies Stück einer genaueren Revision unterworfen. Bis zum fünften war keine Spur von altem Gewebe zu entdecken, im sechs- ten und siebenten einige dunkle Flecken, doch immer noch in so geringer Menge, dass auch diese Segmente ganz entschieden zu den neu regenerirten gezählt werden müssen. 4. Die fünf vorderen Kopfabschnitte sind neu ent- standen, wie man erwarten musste. Es mag dies genügen, um die oben ausgesprochene Behauptung zu rechtfertigen. Ich könnte noch mehr Fälle anführen, sie würden indess nur ermüden, da sie schliess- lich alle dasselbe Resultat liefern. Vorausgesetzt ist immer, dass die zu den Versuchen verwandten Thiere normal gebaut sind und die mittlere Grösse erreicht haben. Ganz dieselbe Voraussetzung müssen wir machen, um bei der Regeneration von Köpfen die Anzahl von acht borstentragenden Segmenten zu erhalten, wie wir sie bei gut ausgebildeten unregenerirten Thieren mit nur sehr wenigen Ausnahmen stets antreffen. Einmal habe ich neun solcher Kopfsegmente ohne contraktile Getassschlingen an einem neu gebildeten Kopf beobachtet, häufiger dagegen eine geringere Zahl und zwar meist dann, wenn die Thiere aus relativ kleinen Stücken gezogen wurden. Der Kopf erreichte aber trotzdem eine solche Ausbildung, dass er zum Fressen vollkommen tauglich war, nur enthielt er eben nicht die normale Zahl von Kopfsegmenten. Ob viel- leicht nicht doch später, je weiter das Thier auswächst, die Zahl acht erreicht wird, bleibt noch eine offene Frage, ebenso die, auf welche Weise denn die eventuell hinzu- tretenden Segmente gebildet werden, ob durch wirkliche Segmentation, also durch Einschiebung von Segmenten zu den schon gebildeten des Kopfes hin vom Körper her, oder ob einfach alte Körpersegmente zu Kopfgliedern umgebildet werden. Bei normal verlaufenden Regenerationen werden unversehrte Körpersegmente nicht in die Bildung Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgfänge hei Würmern etc. 93 des Kopfes hineingezogen, wie man sich etwa durch fol- genden Versuch tiberzeugen kann. Man sucht sich ein Thier mit regenerirtem Schwanz aus, wenn möglich ein solches bei dem der Vorderköper recht dunkel, der regenerirte Schwanz aber möglichst roth ist, so dass beide Theile scharf von einander abgesetzt sind. Schneidet man nun das Thier in einem der dunklen Segmente nahe dem regenerirten Theil durch, so ist es ja leicht nach Schluss der Wunde und auch schon vorher die Zahl der unverletzt gebliebenen Seg- mete zu constatiren, sie sei z. B. drei, wie dies thatsäch- lich beobachtet wurde. Würden nun in die Bildung des Kopfes Körpersegmente mit hineingezogen, so mtissten es doch eins oder mehrere der ersten sein. Da aber nach der Regeneration die drei alten noch ebenso gut vorhanden waren wie beim Beginn derselben, so bleibt doch wohl nichts anders übrig als zu sagen, es werden in die Bildung des Kopfes keine Körpersegmente hineingezogen, oder aber man müsste annehmen, dass genau so viel rothe Segmente dunkel würden, wie dunkle zur Verwendung gekommen wären. Letzteres scheint mir ziemlich ungereimt zu sein. Eine andere Frage ist die, ob das Material zum Aufbau des Kopfes nicht vielleicht aus den ersten Körper- segmenten genommen werde? Eine Antwort hierauf kann nur die histologische Untersuchung der Regenerations- vorgänge ergeben, wir müssen sie also an diesem Orte offen lassen. Zum Schluss will ich noch einmal auf die ungemein grosse Regenerationsfähigkeit der Liimbriculi hingewiesen haben. Wie wir erinnern, hatte Bonnet einen dieser Würmer in 26 Stücke zerlegt, „dont la plupart ont repris, et dont plusieurs sont devenues des animaux complets." Die einzelnen Theilstücke müssen schon recht klein ge- wesen sein, bei einem Thier von mittlerer Grösse ca. 2 mm. Ich habe diesen Versuch nun zwar nicht in der Form nachgemacht, dass ich einen ganzen Wurm in so viel Theile zerschnitt, sondern es sind nur immer gelegentliche Beobachtungen angestellt. So erzielte ich z. B. mehrere Male bei sorgfältiger Pflege aus Stücken von vier oder fünf Körpersegmenten ganze Thiere. Waren sie 8 oder 9 94 C. Bülow: Segmente gross, so konnte man sicher darauf rechnen aus ihnen vollständige Würmer zu erhalten. Von einem Liim- hrkulus, der in 14 Stücke zerschnitten wurde, ging nur eins zu Grunde, die übrigen regenerirten Kopf und Schwanz, Die Theilung war am 19. Oktober vorgenommen, am 8. December 1881 lebten sie noch. Obgleich fast alle Theile dieselbe Grösse von 3\/2 mm gehabt hatten, war doch das Längenwachsthum am Schwanz kein gleichförmiges. Missbildung habe ich ich nur am Schwanz, nicht am Kopf auftreten sehen, wenn man eben nicht die geringere Anzahl der Segmente, die hier und da zur Beobachtung kam, als eine solche auffassen will. Was B o n n e t als „trompe" oder „langue" beschreibt, ist nichts anders als der vorgestülpte Schlund. Man kann diese Erscheinung häufiger bemerken, na- mentlich, wenn man Köpfe abschneidet und zu dem Wasser, in welchem sie liegen, wenig Alkohol setzt. Manchmal wird dann der Schlund ein ganzes Ende hervorgestreckt. Thiere mit zwei sehr gut ausgebildeten Hinterenden kommen vor. Noch jetzt (9. December 1881) befindet sich in meinem Besitz ein Lumhriculus von ca. 572 cm Länge und einem doppelten Schwanz; jeder einzelne misst P/4 cm. Auf sonstige Missbildungen ist hin und wieder im Text aufmerksam gemacht worden. üeber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern etc. 95 Verzeichniss der benutzten Bücher. Plinius, Historia naturalis, lib. XI, cap. 111 und lib. XXIX. cap. 38. Bonn et, Traite d'Insectologie ou observations sur quelques especes de Vers d'eau douce qui, coupes en morceaux deviennent autant d'Animaux complets: Oeuvres d'histoire naturelle et de Philosophie de Charles Bonnet. T. I. Neufchatel MDCCLXXIX. — Considerations sur les Corps organises. Amsterd. MDCCLXIl. Reaumur, Memoire pour servir ä l'histoire des Insects. T. VI. Preface. Paris MDCCXLII. (In dieser Vorrede sind die Versuche von Trembley, Memoire pour servir ä l'histoire d'un genrede polype, von Bernard de Jussieu, Guettard uud Gerard de Villars näher besprochen.) Dalyell, The Powers of the Creator, p. 31, 72, 91, 100. II. vol. p, 59, 99, 151 etc. — Rare and remarkable Animals of Scotland. Simroth, Anatomie und Schizogonie der Ophiactis virens. Z. f. w. Zool. Bd. XXVII und XXVIII. (Lyonnet und Mazolleni sind mir nur durch Reaumur bekannt geworden.) Duges, Recherches sur la circulation, la respiration et la repro- duction des Anelides abranches. Ann. des Sc. nat. 1828. Quatrefages, Histoire naturelle des Anneies marins et d'eau douce. Paris 1865. — Memoire sur la regeneration alternante des Syllis. Ann. d. Sc. nat. Ser. 4. Zooig. T. II. 1854. p. 143 pl. 4. Ehlers, Die Neubildung des Kopfes und der vorderen Körpertheile bei polychaeten Anneliden. Erlangen 1869. — Die Borstenwürmer (Annolida chaetopoda). Nach systematischen und anatomischen Untersuchungen. Bd. I. Leipzig 1864 — 68. Milne-Edwards, Legons sur la Physiologie, t. Qme, 72me. lec. Paris 1863. Krohn, Ueber die Erscheinungen der Fortpflanzung etc. Arch. f. Naturg. von Wiegmann. 1852. p. 66. Ratzel. Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. Z. f. w. Zool. Bd. XVIII. Claparede, Recherches anatomiques sur les Oligochetes. Geneve et Paris 1862. — Les Annelides Chetopodes du Golfe de Naples, Geneve et Bäle 1868. p. 30 und 31. 96 C. Bülow: Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge etc Semper, Die Verwandtschaftsbeziehnngen der gegliederten Thiere. Arb. aus d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. B. III. — Ueber die Wachsthumsbedingungen des Lymnaeus stagnalis. Arb. aus d. zool.-zoot. Inst. Würzb. Bd. I. Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers. Tübingen 1864. Ed. Grube, Ueber den Lumbricus variegatus Müller's und ihm verwandte Anneliden. Arch. f. Naturg. 1844. 10. Jahrg. 0. F. Müller, Von Würmern des süssen und salzigen Wassers. 4^ Kopenhagen 1771. Langerhaus, Ueber einige canarische Anneliden. Nova Acta d. Kaiserl. Leop.-Carol. Deutsch. Acad. d. Natf. Bd. XLII, Nr. 3. Nicht zu Gebote standen mir folgende Werke: ßosc, Histoire naturelle des Vers. t. I. Paris, p. 128 und 215. Dominici Vandelii philosophi ac medici dissertationes tres. De Aponi Thermis, de nonnullis terrestribus etc. Patavii 1758. (cf. Claparede: Les Annelides etc. p. 30.) Williams, Report on the British Annelids. — Report of the British Association for 1851 p. 247. Carl Voigt, Vorlesungen über nützliche und schädliche, verkannte und verläumdete Thiere. Leipzig 1864 p. 91. Frey und Leuckart, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere 1847. 4. p. 91. Baird, Johnstous Catalogue of british non parasitical Worms. Appendice. van Beneden, Histoire naturelle du genre Capitella. Bullet, de l'acad. roy. de Belgiqne 1857. Kinberg, Ora regenerationen af hufvudet och de främre segmen- terna hos en Annulat. — Oefv. af. k. Vet. Akad. Forh. Stock- holm 1867. u. 2, p. 53 (cf. Clap. a. a. 0. p. 31.) Tauber, Naturhist. Tidsskrift 1874. T. IX. p. 1—100. C. Minor, On natural and artificial section in some Chaetopod Annelids. 0. F. Müller, Zoologia Danica. Vol. IL A. Agassi z, On alternate generation of Annelids and the Embryo- logie of Autolytus cornutus. Boston, Journal of Nat, History Vol. VII. Sie sind mir theils durch Referate, theils durch Citate bekannt geworden. lieber einen auffallenden Gesehlechtsdimorphisnins bei Psoeiden nebst Beschreibung einiger neuer Gattungen und Arten. Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. (Hierzu Tafel I.) Ein eigentlicher Geschlechtsdimorpliismus ist bei Pso- eiden bisher nicht sicher bekannt geworden. Allerdings hat Westwood eine Gattung Lachesilla aufgestellt, die im männlichen Geschlecht kurze, im weiblichen gar keine Flügel haben soll. Westwood hat die Art, für die er diese Gattung gründete, L. fatidica (Z.) genannt, während der Termes fatidicus L. jetzt auf einen Atropos bezogen und als andere Art angesehen wird. Die Gattung Lache- silla Westw. ist aber überhaupt neuerdings nicht wieder aufgefunden und durch West woo d selbst nicht so vollständig charakterisirt worden, dass man den von ihm behaupteten Geschlechtsunterschied ohne weiteres als bewiesen annehmen könnte; nach Mac Lachlan ist sie sogar nur die Nymphe von Caecilius pedicularius (i.). Ferner spricht Westwood die Ansicht aus, dass die Arten mit dreigliederigen Tarsen und freier Hinterrandszelle (also Unterfamilie Caeciliini Kolhe) die Männchen von grösseren Arten mit geschlossener Discoidalzelle und zweigliederigen Tarsen seien (Psocini Kolbe), eine Meinung, der Hagen selbst nach Prüfung der Westwood'schen Typen nicht beipflichten kann. Abgesehen nun von diesem zweifelhaften Falle bei Lachesilla und der erwähnten Vermuthung Westwood's ist ein Geschlechtsdi- Arch. f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 7 98 Ph. Bertkau: morphismus nicht bekannt; nachstehende Beschreibung wird indessen zeigen, dass ein solcher in einigermassen scharf ausgeprägter Form auch bei den Psociden vorkommt. Psocus heteromorphus n. sp. Fig. 1, Griseo-virescens, sanguineo-variegatns. Vertex medio seriebiis ölongitudiiialibus macularum partim confluentium postice divarican- tibus simulque ternis praeter oculos sitis ornatus, ante ocellos macula fiisca , alteram pallidam cingente ; frons longitudinaliter striata. Palpi pallidi, articulo ultimo fasco; autenuae corpore (in ^ aliquanto, in $ paullo) longiores, villosae, fuscae, articulis 2 basa- libus pallidis. Prothorax brevis, fuscus, meso- et metathorax lateribus et marginibus fusco-variegati. Pedes pallidi tarsis fuscis. Abdomen sapra vittis quinque, lateralibus interdum geminatis, saepissime in maculas dissolutis instructum, subtus pallidum, segmento penultimo brunneo-fuscum. Alae ^ corpore longiores, hyalinae, laete iridescentes, venis fuscis non ciliatis; anteriores pterostigmate fusco basi pallidiore; fasciis 3 fuscis, prima a margine interiore Oriente in cellula postra- diali angustius desinente, secunda a pterostigmate versus marginem interiorem currente, cum tertia juxta marginem apicalem currente conjuncta; alae posteriores immaeulatae. Alae in ^ brevissimae vix marginem posteriorem segmenti secundi abdominis superantes, venis apicem versus obsoletioribus. Longitudo ^^ = 3, $ = 4 mm. Habitat in prov. Rhenana locis calidioribus sub lapidibus. Hinzufügen will ich noch, dass Kopf und Rumpf mit eigenthümlichen, am Ende trichterförmig erweiterten Haaren bedeckt ist, die bei schwacher Vergrösserung nageiförmig erscheinen. Die Beine, namentlich Schienbeine, sind dicht mit reihenartig angeordneten Borsten bekleidet; die Krallen der Füsse vor der Spitze gezähnt. Ich fand von dieser Art am 23. August v. J. J" und $ auf dem Hammerstein unter Steinen ; die cT umschwärm- ten die $ unablässig, auch wenn schon ein J" mit einem $ in copula war; die kurzflügeligen Weibchen sah ich auch am 1. September desselben Jahres bei Cochem an der Mosel (im Endert-thal); cT konnte ich hier nicht mehr ent- decken. Ein zweimaliger Besuch des Hammerstein am 27. Mai und 17. Juni d. J. Hess mich die Art vergebens suchen. Dagegen klopfte ich am letzteren Datum eine andere ungefliigelte Holzlaus, die unbeschrieben ist und folgendermassen beschrieben sein mag. Ueb. einen auffallenden Geschlechtsdimorphismus bei Psociden etc. 99 Trocticus n. g. Caput transversum, ocellis destitutum, oculia magnis, globosis. Antennae corpore paullo longiores, 13-articulatae, articulis duobus basalibus brevibus, craseis, ceteris filiformibus, pube- scentibus. Palporum articulus ultimus fusiformis vel cylindriformis. Pectus capite intra oculos sumpto angustius, meso-et metathorace latiore quam prothorax; meso- et metathorax non connati, Alae rudimentariae oculo inermi vix conspicuae, auriculariformes. Tarsi tri- articulati, articulis duobus apicalibus simul sumptis basali multo brevioribus. Abdomen late ovale, apice acuminato, et longitudinaliter et transversaliter supra valde convexum. Tr. gibbulus n. sp. Fig. 2. Glaucescens, sanguineo - variegatus. Vertex antice late san- guineus, postice seriebus 4 macularum eodem colore et binis juxta oculos sitis ornatus; interspatium ellipticum, dilutius sanguineum, flavo-cinctum. Oculi cinerascentes, prominuli. Frons longitudinaliter crebre striata; labrum sulphureum, nigro marginatum; palporum et antennarum a ticuli basales tres pallidi, ceteri fusci; pedes pallidi, femoribus supra sanguineo inconspicue tincti, tarsi fusci. Thorax supra vitta flava; abdomen fascia media lata vittaque a basi usque ad fasciam illam ducta sanguineo-atra, punctis minoribus et majori- bus irroratum, quorum maxima in series transversas et seriem lon- gitudinalem vittam illam in dimidio posteriore continuantem disposita sunt; abdomen subtus cinerascens, apice atro. Longit. corporis = 3,3—3,5 mm. Habitat in provinc. Rhenana locis calidioribus, in frutetis. Von Atropinen waren bisher aus der deutschen Fauna nur die Gattungen TrocteS; Atropos und Hyperetes bekannt geworden mit ihren Synonymen Clothilla, Lepinotus, Para- doxides, Paradoxenus und Liposcelis. Von diesen allen unterscheidet sich • die vorliegende Art durch die faden- förmigen, ISgliederigen Fühler, deren letztes Glied nicht kürzer als die vorhergehenden ist und den buckeiförmig erhobenen Hinterleib. Von dieser Art klopfte ich mehrere Exemplare am 17. Juni d. J. auf dem Hammerstein, zumeist von Prunus Mahaleb, dann von Pr. spinosa und Crataegus oxyacanthus. Ich versuchte sie zu Hause am Leben zu erhalten, indem ich sie in ein grosses Cylinderglas mit feuchter Erde, in die ich Zweige von Pr. Mabaleb gesteckt hatte, setzte. Um die Zweige frisch zu erhalten, hatte ich das Gefäss mit dem eingeriebenen Glasdeckel verschlossen, so dass im 100 Ph. Bertkau: Inneren eine feuchte Atmosphäre herrschte. Am 19. d. M. lag 1 Exemplar todt am Boden, am 20. 8 weitere Exem- plare, nachdem ich vorher Rinde von Platanus in das Ge- fass gestellt hatte, auf der sie sich munter herumtrieben und mit den Mandibeln zu schaffen machten. Ich Hess nun das Gefäss offen stehen und that dadurch der weiteren Sterblichkeit Einhalt; am 22. war noch ein Thier gestorben, das aber vorher verletzt worden war, und am 24. lag wieder eins todt am Boden. Der Körperinhalt desselben war schon ganz zersetzt, und enthielt 8 wohl ausgebildete honiggelbe Eier; die drei übrigen treiben sich jetzt noch lebend auf der Rinde herum; dass sie Eier gelegt haben, habe ich nicht bemerkt. Dieses Thierchen hat in Färbung und Körpergestalt grosse Aehnlichkeit mit Nymphen, die ich am 27. Mai an derselben Stelle klopfte, und aus denen sich bis zum 2. Juni geflügelte Thiere entwickelten, die mir Mesopsocus unipun- ctatus i^Müll.) oder wenigstens sehr nahe damit verwandt zu sein scheinen. Ich kann mich des Gedankens eines genetischen Zusammenhanges zwischen beiden Formen und damit also auch eines Generationsdimorphismus nur schwer erwehren. Sollte ein solcher Zusammenhang wirklich be- stehen, so würde natürlich der neue Gattungs- und Art- name überflüssig sein. Lapithes n. g. Corpus alis omnino destitutum; oculi globosi, magni; ocelli nulli ; antennae 13-articulatae ; articuli duo basales crassi, breves, ceteri filiformes, ultimus praecedentibus non minor, setosi. Maxillae latae, oblique truncatae, dentibus 8 — 9 obtusis instructae; palporum articulus ultimus fusiformis, praecedentibus duobus longitudine aequus. Prothorax mesothoraci fere aequus; meso-et metathorax non connati. Tarsorum articuli bini. Abdomen late oviforme, convexum. Diese Gattung kann mit keiner der ganz flügellosen verwechselt werden, da sie durch die Bildung der Fühler, Taster und namentlich Maxillen so sehr ausgezeichnet ist; auch die zweigliederigen Tarsen sind für eine Atropine sehr bemerkenswerth. L. pulicarius n. sp. Fig. 3. Violaceo fuscus, junior flavescenti-fuscus, subtus pallidior, thorax et abdomeu supra vitta mediana pallida, in abdomine dilatata, late- üeb. einen auffallenden Geschlechtsdimorphismus bei Psociden etc. 101 ribus obscurius cincta, vittamque angustiorem antice angustatam includente. Pedes, palpi antennae anusque nigra. Longitudo cor- poris =3 mm. Habitat in prov. Rhenana locis editioribus sub la- pidibus. Junge Thiere sind gelbbraun, der Streifen über dem Rücken fast weiss; ältere Thiere dunkel bis fast schwarz. Ich fand die Art zuerst im August v. J. im Sieben- gebirge unter Trachyt, dann im Oktober bei Linz unter Basalt; am 10. Juni d. J. zahlreiche Exemplare auf dem Arienfels unter devonischem Schiefer; die Art scheint also an keine bestimmte geologische Formation gebunden zu sein, aber doch die wärmeren Gesteine (Trachyt und Schiefer) dem Basalt vorzuziehen. Bonn, den 27. Juni 1882. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Psocus heteromorphus BertJc. a ^ , b Kopf des ^ von vorn, c Flügel des f/. Fig. 2. Trocticus gibbulus Bertk. a von oben, b stärker vergrössert von der Seite; fj, fj Flügelrudimente. Fig. 3. Lapithes pulicarius BertJc. a von oben, b rechte Maxille, c Labrum (lbr.)^von vorn und Labium (Ibi.) von oben; d Fusskralle. Die Stricbe neben den Figuren bezeichnen die natürliche Grösse. X Paunistische Studien in Japan. EnosMma nnd die Sagami-Bai. Von Dr. Ludwig Döderlein, Conservator des naturhistorischen Museums in Strassburg. (Dazu eine Karte. Taf. U.) Unter den vielen durch Naturschönheit ausgezeich- neten Punkten in Japan ist einer der bekanntesten und berühmtesten das kleine Inselchen Enoshima; es ist reizend gelegen an der Nord-Ost-Seite der Bai von Sagami, nicht weit von der ehemals mächtigen Stadt Kamakura. Auf drei Seiten mit nackten Wänden fast senkrecht aus dem Meere aufspringend, trägt der gegen 50 m hohe Felsen, der die Insel bildet, eine üppige Vegetation. Bei nur etwas unruhiger See bietet die Brandung, die die klippenreiche Küste der Insel peitscht, ein wundervolles abwechslungs- reiches Schauspiel. Berühmt ist EnosBima besonders seiner herrlichen Aussichtspunkte wegen. Gegen Westen über- blickt man die Berge der Halbinsel von Miura bis zur Südspitze, wo die durch ihren Fischreichthum wichtige Stadt Misaki liegt; im Süden fesselt den Blick der Vulkan Oshima mit seiner immerdar aufqualmenden Dampfsäule, die sich aus seinem Krater erhebt, und im Osten ist es der gewaltige Fusiyama, der in unvergleichlicher Schönheit aus dem blauen Meere aufsteigt. Das alles macht dies Fleckchen Erde zu einem der beliebtesten Ausflugspunkte für die Fremden in dem nahen Yokohama und Tokio, von wo aus eine Tour nach Enoshima und wieder zurück in einem Tage gemacht werden kann. Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 103 Für den Japaner hat dieser Felsen noch eine ganz besondere Weihe. An ihn knüpfen sich die Mythen von der schönen Göttin Benten. Eine ihr geweihte Grotte und mehrere ehrwürdige Tempel bilden für den wanderlustigen Japaner Wallfahrtsorte ersten Ranges, und ungezählte Schaaren von Pilgern kehren alljährlich in Enoshima ein, um der Göttin ihre Huldigung darzubringen. Dieser Strom von Besuchern hat das ursprüngliche Fischerdörfchen Enoshima erweitert um eine Reihe statt- licher Theehäuser und ein paar Duzend Verkaufsbuden. In letzteren werden ;,Erinnerungen an Enoshima" feil ge- halten; zu denselben liefert die See fast ausschliesslich das Material: unter den geschickten Händen der Insel- bewohner wird aus den bunten Schalen der Seethiere eine Menge der verschiedensten Gegenstände fabricirt durch Abschleifen der grösseren und Zusammenkleben der klei- neren Schalen. Die Mannigfaltigkeit ist eine erstaunliche: Hier sind reizende Gemälde aus Muscheln zusammengesetzt, dort eine zierliche Theekanne aus einer grossen Schnecken- schale geschliffen. Mit grosser Naturtreue werden Blumen, vollständige Bäume, selbst Schlangen und Hirsche lebens- gross aus Muscheln zusammengeklebt, aus Ehurna japonica wird eine Pfeife, zu Hunderten ist Triton zum Signalhorn verwandelt, Seeigelschalen bilden Kreisel, in grossen Mengen wird Pecten Yessoensis und Hdlioüs gigantea feilgehalten; daneben noch Tausende von mehr oder weniger unverletzten Conchylien und anderen Erzeugnissen der See, die ihrer schönen Farbe oder merkwürdigen Gestalt wegen auf Ver- käufer hoffen können. Selten verlässt ein Besucher die liebliche Insel, ohne sich aus diesen Verkaufbuden ein oder das andere Stück als Andenken mitzunehmen. Hier kann nun auch der Zoologe die reichste Ausbeute machen; er erwirbt daselbst für eine Kleinigkeit manch gutes Stück, das zu den begehrtesten Objekten einer zoologischen Sammlung gehört. Unter den gewöhnlichsten Erscheinungen auf jenem Markte finden wir ausser einer grossen Anzahl der verschiedensten Molluskenschalen die eigenthümlich gedrehten Eihülsen von Cestracion PhiUppi und oft auch diesen sonderbaren Haifisch selbst, ebenso 104 Ludwig Döderlein; den merkwürdigen Monocentris japonicus, an Crustaceen mehrere Arten von Leucosia und Pisa, dann Lamhrus validus und die riesige Macrocheira Kaempferi, von dieser freilich nur einzelne Bruchstücke; an Echinodermen Echinanthiis testudinarius sowie verschiedene Schlangensterne; ausserdem Gorgonien, Amphihelia und Dendrophyllia, Distichopora cocci- nea imd eine ganze Anzahl verschiedener Schwämme, darunter am häufigsten die zusammengedrückt kelchförmige Sipho- nochalma papyracea und die allbekannte Hyalonema Sie- holdii, deren Nadelbündel in Ermangelung des echten Schwammes oft in den eben erwähnten Kieselschw^amm gesteckt sind. Gehört das eben genannte und noch manches andere ebenso auffallende zu den nie fehlenden Gestalten des Naturalienmarktes von Enoshima, so pflegt eine ungleich grössere Reihe von weiteren Formen nur ab und zu einmal zu erscheinen. Dem Sammler fällt daselbst manchmal eine seltene Art in die Hand, die er später Jahre lang vergebens dort suchen kann, während andere Formen mit grosser Sicher- heit von Zeit zu Zeit wieder anzutreffen sind. Wenn einer Mühe und Kosten nicht scheut, sich alle paar Wochen einmal nach dem Inselchen zu begeben, und dann daselbst die ganze Anzahl der Krambuden gründlich zu durchstöbern, so kann er sich in verhältnissmässig kurzer Zeit eine Samm- lung von Seethieren anlegen, die gut ausgestatteten Museen zur Zierde gereichen könnte. Sehr bald bemerken die Ver- käufer, was einen öfteren Besucher interessirt und was nicht, und um die Wette beeifern sie sich, die von diesem begehrten Dinge im Vorrath zu halten. Hunderte von in- teressanten Thierformen, die sich zu den gewöhnlichen Ver- kaufsobjekten nicht recht eignen und daher sonst fortge- worfen werden, tauchen auf einmal auf, weil sich Nach- frage dafür findet. Ich habe im Verlaufe von nicht einem Jahre eine stattliche und interessante Sammlung besonders von Crustaceen, Echinodermen, Bryozoen und Spongien allein in Enoshima zusammengekauft, die in anderer Weise und in ähnlicher Vollständigkeit herzustellen mit ganz aus- serordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Bei öfteren Besuchen in Enoshima wird es aber auf- Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 105 falleo, dass die Menge der zum Verkauf ausgebotenen interessanten Arten in den verschiedenen Jahreszeiten eine sehr verschiedene ist. Wer Anfangs des Jahres mehrmals hintereinander dahin kommt, findet gewöhnlich stets eine ganz überraschend reiche Ausbeute ; dies dauert bis gegen Ende x\pril; da auf einmal tritt eine Stockung ein; die selteneren Formen kommen nicht mehr auf den Markt. Hat man Anfangs Mai die Buden noch einmal gründlich durch- sucht, so lohnt es kaum der Mühe wieder nachzusehen bis gegen Mitte oder Ende November, wo allmählig diese sel- tenen Formen wieder ihr Erscheinen machen. Diese For- men sind nun aber Thiere, deren Leben sich in etwas beträchtlicherer Tiefe abspielt, etwa von 60 Faden bis 400 Faden. Zu diesen Tiefseebewohnern gehören die meisten ßrachiopoden, ein grosse Menge von Mollusken, eine Reihe bemerkenswerther Bryozoen, mehrere Cidariden und Ophiu- ren und besonders viele Spongien, darunter knollige, becherförmige und ästige Lithistiden oder Steinschwämme von oft bedeutenden Dimensionen ') und die eleganten For- men der Hexactinelliden oder Glasschwämme. Die letzteren vor allem sind es, die nur w^ährend des Winters auf den Markt kommen, die schon oben erwähnte Hyalonema in Hunderten von Exemplaren, während die andern Arten auch während dieser Zeit zu den Seltenheiten gehören. Doch konnte ich während eines einzigen Winters etwa ein Dutzend verschiedener Arten mir sichern, freilich meist nur in einem Exemplare, darunter die Gattungen Farrea, ÄphrocallisteSj Myliiisia, Euplectella, Holtenia und andere. Dass solche Formen aber nur im Winter gefangen werden, erklärt sich leicht: Alle die hier in Frage kommen- den Thiere bilden keinen eigentlichen Gegenstand der Fischerei; sie werden beim Fange der essbaren Fische und Krebse gelegentlich mit gewonnen und in Enoshima auf- 1) Während die bisher bekannten lebenden Lithistiden eine sehr bescheidene Grösse erreichten, habe ich daselbst Exemplare erhalten von 30 cm Durchmesser, so dass sich wenigstens der Grössenentwicklung nach die lebenden Arten mit den fossilen wohl messen dürfen. 106 Ludwig Döderlein: bewahrt, weil sie dort Verwendung finden können, während sie in anderen Gegenden, wo sie wohl auch gefangen werden, als nutzlos wieder fortgeworfen werden. Nun ist im Winter in der Bai von Sagami ein wichtiger Gegen- stand der Fischerei der Fang von Tiefseefischen, von denen die wichtigsten Scomhrops chilodipteroides (jap. mutsu), und Pterothrissus gissu (jap. Msti) sind; weniger häufig erhält man Änthias herycoides (jap. akamutsu), JBeryx splen- dens, JB. decadactylus (jap. Mmmedai) und andre Beryciden, Arten von Sehastes und Thyrsites [darunter Th. pretiosus (jap. harmufsu)], sowie viele Arten von Macrurus und Coryphaenoides u. a.; eine Anzahl derselben zeichnet sich aus durch eine prachtvolle goldrothe Farbe sowie auffallend grosse Augen; andere sind einförmig grau oder schwarz gefärbt, dazu nackt oder mit sehr leicht abfallenden Schuppen bedeckt ^). Man fängt diese Fische nicht mit Netzen; solche werden meines Wissens in Japan nur bis zu einer Tiefe von höchstens 40 Faden gebraucht; son- dern mit der Tiefseeangel, bei welcher an einer langen Leine eine grössere Anzahl von Angelhaken befestigt sind. In die Leine verwickelt oder von einem Angelhaken gefasst kommt nun oft statt des gewünschten Fisches ein andres Produkt der Tiefsee herauf, anscheinend am häu- figsten wohl Hyalonema Sieholdii, die lose im Schlamm steckt und von den Haken, die leicht in die Schwamm- masse eindringen können , ohne Mühe herausgehoben wird. Andere Formen, die festgewachsen sind auf dem Boden, wie z. B. Farrea, haben viel weniger Aussicht von der Angel an die Oberfläche befördert zu werden, sie mögen noch so häufig sein in der Tiefe. Daher sind die- selben auch ziemlich selten zu kaufen. Dieser Tiefseefischfang dauert nun bis in den April; da beginnt ein anderer Fang: Mit der wärmeren Jahreszeit kommen nämlich in die Nähe der Küsten Schwärme von Thunfischen und anderen pelagischen Scomberoiden, die im Sommer in ganz Japan für die Fischerei die erste 1) Eine Reihe dieser Fische kommt regelmässig mit vorge- stülptem Magen an die Oberfläche. Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 107 Rolle spielen. Mit Netzen und Angeln verfolgt, die nicht bis zum Grunde reichen, wird bei deren Fang nichts, was den Meeresboden bewohnt, mit gewonnen. Der Fang der Tiefseefische ist jetzt zu Ende. Er weicht nicht nur der Concurrenz des Thunfischfanges, sondern der Grund liegt besonders in der bekannten Thatsache, dass die Tiefseefische im allgemeinen ganz ungemein schnell in Fäulniss über- gehen, so dass sie im Sommer den Transport nach den grossen oft weit entfernten Fischmärkten nicht aushalten und also nicht verwerthet werden können. So hört um diese Zeit der Tiefseefischfang auf und damit der Fang der Glasschwämme und deren Begleiter, und er beginnt erst wieder, wenn mit dem Eintritt der kälteren Jahreszeit, also im November, auch die Thunfische wieder verschwinden. Bezüglich des Fundortes der in Enoshima ausgebotenen Thiere gab ich mir die grösste Mühe, etwas sicheres von den Verkäufern zu erfahren ; doch kam dabei nicht viel heraus. Von einer kleinen Anzahl wusste man, dass dieselben am nächsten Strande aufgelesen werden können in beliebiger Menge, von anderen, dass sie beim Fange der ,^aivabi'^ (die wohlschmeckende Hdlioüs gigantea oder Ohrmuschel, deren Fang eine grosse Menge von Fischern beschäftigt) an bestimm- ten Klippen näher oder ferner der Insel gelegentlich mitge- nommen werden. Doch betreffs des übrigen, besonders der grossen Menge der Tiefseethiere konnte ich lange Zeit nichts genaueres erfahren, als dass sie ferne von Enoshima aus oft sehr bedeutenden Tiefen erhalten würden. Nach und nach kam ich dahinter, dass das wenigste von den Fischern von Enoshima selbst gefangen werde, dass vielmehr das aller- meiste von den Fischern in Misaki stammt, die ihre Funde an die Händler in Enoshima verkaufen. Manches auch kommt von der Provinz Awa und der Vulkan-Insel Oshima, ein kleiner Theil sogar von den weit entfernt im Süden liegenden Ogasawarashima oder Bonin-Inseln. Von hierher kommen z. B. eine Reihe schöner meist riffbildender Korallen, die in Enoshima ausgestellt sind, worunter die Gattungen Madrepora, Fimgia und Tubipora die häufigsten sind; daneben eine Anzahl auffallender Conchylienschalen, wie tropische Arten von Triton^ Cassis, Pteroceras, Ct/praea, Nautilus und verschiedene andere. 108 Ludwig Döderlein: Es ist wichtig das zu beachten; denn solche glänzenden Stücke kommen in nicht geringer Menge aus den Kauf- buden von Enoshima in die europäischen Sammlungen und entstellen den Charakter der japanischen Fauna, in- dem auf Grund dieser Belegstücke eine nicht unbedeutende Anzahl tropischer Elemente fälschlich der japanischen Fauna eingereiht werden. Wenn diesem Umstände mehr Rechnung getragen würde, Hesse sich ein japanisches Faunengebiet vielleicht besser von den tropischen abgren- zen, als es bisher möglich gewesen war. Es liegen eine Anzahl Inseln mit echt tropischer Fauna sehr nahe bei Japan : das sind die Bonin-Inseln, die Liu-Kiu-Inseln und die Goto-Inseln. Sie stehen alle unter japanischer Herrschaft ; die Produkte jener Inseln, darunter auch Fische, Conchylien und Korallen gelangen fast aus- schliesslich in Japan zum Verkauf und werden daselbst nicht weiter von echt japanischen Produkten unterschieden. So erhält man in Kagoshima häufig Liu-Kiu-Formen , auf dem Fischmarkte von Nagasaki verkauft man die Thiere der Goto-Inseln, in Tokio und in Enoshima fand ich vieles von den Bonin-Inseln. Daher wird jetzt von Fischen z. B. die Gattung Triacanthis nach meiner Ansicht mit Unrecht der japanischen Fauna zugezählt, der sie nicht angehört, während sie in zahlreichen Arten an der Zusammensetzung der Fauna jener» drei Inselgruppen theilnimmt; so sind auch Seeschlangen der japanischen Fauna fremd, mit Aus- nahme von Feiamis bicolor; so fehlen den japanischen Küsten die riffbildenden Korallen und ähnliche Beispiele mehr. Genaueres über den Aufenthaltsort einer grösseren Anzahl der in Enoshima feilgehaltenen Thiere erfuhr ich erst als Resultat einer Reihe von Ausflügen, die ich in einem kleinen Fischerkahn in dem Meere rings um Eno- shima und südlich davon bis nach Misaki hin unternahm. Trotz der häufigen Ungunst des Wetters und der fühlbaren Unzulänglichkeit meiner Mittel hatte ich doch dabei man- chen hübschen Erfolg zu verzeichnen. Als ich das erste Mal nach Enoshima kam, fuhr ich wiederholt mit den Fischern hinaus, um mich über die Seefauna in der nächsten Nähe zu unterrichten. Ich benutzte Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 109 ZU dem Zwecke das gewöhnliche japanische Grundzuguetz, das bei ebenem Grunde bis zu einer Tiefe von etwa 20 Faden einen vorzüglichen Fangapparat bildet. Das eigent- liche Netz stellt einen langen ziemlich engmaschigen Sack dar; am offenen Ende ist der untere Theil des Randes mit Thonkugeln beschwert und streift den Boden, der obere Theil wird von Holzschwimmern gehoben, die seit- lichen Ränder laufen in zwei lange weitmaschige Flügel aus, an welchen die beiden je 100 bis 150 Faden langen Seile aus Reisstroh befestigt sind; das Netz wird ausge- worfen, das Boot in möglichster Entfernung von demselben verankert, und nun wird an den beiden Seilen das Netz langsam herangeschleppt; bei ruhiger See sind zwei Mann genügend zur Bedienung. Ich habe diese Netze an allen Küstenplätzen von Japan, die ich besuchte, angetroffen und vielfach dem Schleppnetze vorgezogen. Auf dem seichten Sandboden zwischen Enoshima und der nahen Küste (1 und 2 der Karte) fingen sich Pleuro- nectiden, Garneelen und eine Squilla in grosser Menge, auch einige Salpen und Quallen geriethen ins Netz, dazu unge- heure Mengen von Algen. Die Stelle zeigte sich sehr reich an Individuen, aber arm an Arten. Ein ähnliches wenig befriedigendes Resultat hatte ich auf der etwas tiefern, aber ebenfalls sandigen West- und Süd-West-Seite (3), doch fehlten hier die Algen. Ich versuchte dann einmal Nachts zu fischen an diesen letzteren Stellen und sicherte mir dabei eine Anzahl von Strongylocentrotus tuherculatus, Ästropecten scoparius und aurantiacus sowie einige Krabben, darunter Dorippe sima — diese kleine Krabbe benutzt ihre zwei Paare von Rückeufüssen, um eine Bivalvenschale (Tellina) als Schild über sich zu halten, unter der der ganze Körper des Thieres sich versteckt mit Ausnahme des langen zwei- ten und dritten Fusspaares — sowie einen kleinen Pagu- rus, der regelmässig auf seiner grossen Scheere eine Actinie trug, die, wenn der Krebs sich in seine Schale zurückge- zogen hatte, die Oeffnung derselben verdeckte. Unter mehreren Fischen, die sich noch ebendaselbst fingen, fand sich auch Flotosus Uneatus, der von den Fischern ganz ungemein gefürchtet wird seiner mit Widerhaken besetzten 110 Ludwig Döderlein: Stacheln wegen; da ich nicht erlauben wollte, diesen Fisch sofort wieder wegzuwerfen, brachen sie ihm, ehe ich es verhindern konnte, seine gefährlichen Stacheln ab, aus Sorge, dass ich mich verletzen könnte. Der Boden an der Stid-Ost-Seite ist in der Nähe der Insel zu klippig, um die Anwendung eines Netzes zu ge- statten, dagegen bot die felsige Küste der Insel besonders an der Südseite eine interessante Fundstelle : In den zahl- reichen, gewöhnlich noch etwas erweiterten Spalten des har- ten vulkanischen Tuffgesteines sassen hunderte Yon Sfrongylo- centrotus tuberculatus^ dem japanischen Steinigel, und Hessen sich in vielen Fallen nur in Stücken aus ihren Verstecken her- vorziehen. Etwas seltener fand sich daselbst auch in Spalten und unter Steinen versteckt Sphaerechinus pulcherrimus mit zarten grünen Stacheln. Auf den dunklen Felsen hob sich grell leuchtend ein orangegelber Scytaster ab, der seine Farbe offenbar nicht dazu hat, um ungesehen zu bleiben; denn ich kenne kein anderes Seethier, das schon aus weiter Entfernung so die Aufmerksamkeit auf sich zöge, wie dieser auffallend gefärbte Seestern. Ihm wird das Dasein sauer gemacht 'durch eine kleine parasitische Schnecke. An den Armen oder der Scheibe des Thieres bemerkt man näm- lich gar nicht selten beulenförmige Erhöhungen, die in ihrer Mitte eine kleine Oeffnung erkennen lassen, aus der gerade noch die Schalenspitze einer Eiäima hervorragt. Der Parasit ist vollständig eingeschlossen in seinem Wirthe und kann sich nicht mehr freiwillig aus seiner Behausung entfernen ; die Oeffnung, durch die er noch mit der Aussen- welt in Verbindung bleibt, ist wohl ursprünglich ein Porus in der Körperhaut des Seesternes. Ziemlich häufig begegnen wir hier noch einer hübschen Aplysia, die bei Beunruhigung sich ihres purpurrothen Saftes entledigt. Die unter dem Wasserspiegel gelegenen Felsen selbst sind über und über bedeckt mit Bryozoen, besonders einer schwärzlichen Eschara^ und Algen. Nach Süden, Westen und Osten setzt sich Enoshima fort in eine breite Terrasse, die nur bei Ebbe vom Wasser unbedeckt bleibt. Ihre Oberfläche ist von tausenden von kleineren und grösseren Spalten, Löchern und Ritzen zer- Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 111 rissen, die bei niedrigem Wasserstande natürliche Aquarien bilden, in welchen Fische, Mollusken, Krebse und Würmer ein abwechslungsreiches und anziehendes Leben entfalten. Bei Ebbe aber gewöhnlich ganz im Trocknen lebend finden sich hier noch Colonien von Ostrea, Purpura, Neri- tina, dazwischen Chiton und Patella, in den Felsritzen reihenweise die Cirrhipediengattung Scalpellum mit Indivi- duen von jedem Alter. Daneben eine ansehnliche Spirula, und wo eben das Wasser noch hinspritzt, breitet sich die Spongiengattung Reniera aus, vertreten durch eine orange- rothe und eine sammtschwarze crustirende Varietät, die ich nur für die beiden Geschlechter einer Species zu halten geneigt war: so constant ist ihr Vorkommen neben ein- ander unter genau den gleichen Existenzbedingungen ; sie sind oft innig mit einander verwachsen, die Aehnlichkeit ihrer ganzen Gestalt ist auffallend und die Anzahl der Individuen beider Formen scheint annähernd die gleiche. Die mikroskopische Untersuchung der Nadeln belehrte mich freilich eines bessern. Dass jene interessanten Tiefseeformen, die in den Kaufbuden eine so grosse Anziehungskraft auf mich aus- übten, nicht in der nächsten Nähe von Enoshima ihre Heimath hätten, davon hatte ich mich bald überzeugt; um deren habhaft zu werden, waren offenbar Ausflüge nach weiteren Entfernungen nothwendig. Nachdem ich bei wiederholten Besuchen in Enoshima gewahr geworden war, welch erstaunliche Mannigfaltigkeit von Formen in jenen Tiefen verborgen sein musste, da trieb es mich zu versuchen, was in meinen Kräften stand, um diese Schätze selbst aufzufinden. Dass Versuche, die eigentliche Fundstelle der Tiefseethiere von Enoshima zu entdecken, zu öfteren Malen von verschiedenen Seiten schon unternommen worden waren, wurde mir aufs bestimmteste versichert, doch ging zugleich das Gerücht, dass dieselben stets erfolglos geblieben seien. In wie fern dies begründet oder unbegründet war, war mir in Japan nicht gelungen sicher zu erfahren *). Den Fischern wurde nachgesagt, 1) Die „Challenger-Expedition" hat mit grossem Erfolg in den dortigen Hyalonemaregionen gefischt. 112 Ludwig Döderlein: dass sie die ihnen wohl bekannten Fundstellen sorgfältig geheim hielten vor Fremden und die letzteren absichtlich irre geführt hätten, wenn ihre Ftihrerdienste in Anspruch genommen waren. Meine eignen Erfahrungen aus verschie- denen Gegenden Japans bezüglich der japanischen Fischer Hessen mir letztere Behauptung wenig glaublich erscheinen. So machte ich mich denn selbst hinter verschiedene Fischer, um jenes Geheimniss von ihnen zu erfahren. Die bekannteste und auffallendste von allen jenen For- men, deren Aufenthalt mir ein Räthsel war, ist die Hyalonema Sieholdii, die jedermann in Enoshima unter dem Namen hoshigai kennt. Wenn es mir gelang, den Fundort der hoshigai zu ergründen, dann musste ich daselbst auch eine grosse Reihe der übrigen Thiere erhalten können. Doch abgesehen von ganz unbestimmten Angaben bezüglich des Aufenthaltortes war das einzige sichere, was bei meinen Fragen heraus kam, dass dieser Schwamm nur gelegentlich mit Tiefseeangeln erbeutet würde. Fragte ich einen Fischer, ob er selbst einmal einen solchen Schwamm gefischt habe, so lautete die Antwort regelmässig nein. Ich engagirte zuletzt einen Fischer, der mir zugab, er habe zwar solche Schwämme selbst noch nie gefangen, wüsste aber, wo sie vorkämen: die Stelle sei drei Ri (ca. IV2 deutsche Meilen) von Enoshima in der Nähe der Klippen von Uboshima in eirer Tiefe von 300 hiru (ca. 200 Faden). In Begleitung eines jungen Japaners, des Herrn Takamatsu, den ich als Assistent und Dolmetscher mit mir nahm, und mit einem Schleppnetz und einer Leine von 240 Faden versehen, vertraute ich mich jenem Manne an. Angekommen an dem fraglichen Orte, entdeckten wir trotz aller Mühe aber auch keine Spur von einer Hyalo- nema oder etwas ähnlichem weder im Schleppnetze noch au den daran befestigten Hanfquasten. Was der Fischer mir als Entfernung von Enoshima und als Tiefe angegeben hatte, stellte sich wie gewöhnlich in solchen Fällen als übertrieben heraus. Nun wollte ich gerne tiefere Orte weiter in der See aufsuchen, um dort mein Glück zu probiren. Scheinbar meinem Befehle, weiter herauszufahren, gehor- chend, wussten es die Fischer aber so einzurichten, dass sie der lieben Heimathsinsel stets näher kamen trotz meines Faunistische Studien in Japan. Enoshiraa und die Sagami-Bai. 113 Protestes. Mein Dolmetscher, sonst ganz brauchbar, machte es mir vollends unmöglich, meinen Willen durchzusetzen, indem er mit höflichen Redensarten und Verbeugungen nach echt japanischer Weise seine und meine Wünsche den Leuten gegenüber ausdrückte, was wohl lang dauernde Unterhandlungen, aber kein Resultat zu Tage brachte. Durch diese Erfahrung gewitzigt, machte ich von nun an meine Ausflüge bei Enoshima allein ohne einen Dolmet- scher; der japanischen Sprache so weit mächtig, um mich mit den Fischern direkt verständigen zu können, kam ich dabei vortrefflich aus und habe es nie bereut, dass ich die Hülfe eines solchen hindernden Mediums für die Zukunft verschmäht hatte. lieber die japanischen Fischer kann ich mich im allge- meinen lobend ausdrücken: Die Nationalfehler der Japaner hängen freilich auch ihnen an. Sie nehmen alles gern auf die leichte Schulter, halten es mit der Wahrheit nicht zu genau und sind sehr unzuverlässig in ihren Versprechungen. Ist der Mann aber einmal an der Arbeit, dann ist er be- wundernswerth ; von nicht besonders kräftigem Bau ist seine Ausdauer und Unerraüdlichkeit ganz ausserordentlich. Ich sah die Leute von Morgens 4 Uhr bis Abends 7 Uhr ihre harte Arbeit des Ruderns und Netzziehens nur für die kurze Zeit unterbrechen, die nöthig war, um ihr frugales Mahl einzunehmen, aus Reis, Zwiebeln und Thee bestehend. Zwei Mann genügten, um mich ca. 7 Seemeilen in die offene See hinauszurudern, bei fast beständig ungünstigem Winde, dort zu kreuzen und dabei in 150—300 Faden Tiefe einen schweren Hanfquastenapparat zu schleppen; sie zogen ihn fünf oder sechs Mal herauf und fuhren Abends wieder zurück. Diese Leistung wäre ihnen freilich auch nicht möglich ohne die unvergleichlichen japanischen krummen Ruder, die ungleich ausgiebiger und dazu weniger ermü- dend sind, als die geraden in Europa gebräuchlichen. Ich wiederholte den Ausflug nach Uboshima und süd- lich davon noch verschiedene Male bis in eine Entfernung von 5 Seemeilen von Enoshima. Ursprünglich verwendete ich dabei das Schleppnetz allein oder in Verbindung mit Hanfquasten. Auf der Strecke zwischen Uboshima und Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 8 114 Ludwig Döderlein: Enoshima bei ziemlich festem sandigem Boden machte das Ziehen des Schleppnetzes keine grösseren Schwierigkeiten. Wo aber mehr südlich und in bedeutenderen Tiefen der Boden anfing mudig zu werden, füllte sich der Netzbeutel rasch mit dem zähen Thon und Hess sich nicht weiter von der Stelle bewegen mit unserem kleinen Boote. Das Herauf- ziehen kostete unverhältnissmässige Anstrengung, selbst der Verlust des Netzes war zu befürchten, und der Inhalt lohnte nicht der Mühe. Dabei aber konnte ich bemerken, dass die Hanfquasten fast nie leer heraufkamen und fast' regelmässig das, was das Netz heraufbrachte, selbst in noch grösserer Menge enthielten. Ich sah ein, um das Schleppnetz beibehalten zu können, brauchte ich ein viel grösseres Boot, und musste die Anzahl der Fischer zum mindesten verdoppeln. Abgesehen aber von den bedeutenden Schwierigkeiten, in Enoshima ein grösseres Boot und die dazu nöthige Mannschaft zu erhalten, um zur gewünschten Zeit darüber verfügen zu können — selbst auf die zwei bis drei Manu, die ich gewöhnlich beschäftigte, konnte ich mich trotz ünverhältnissmässig hoher Bezahlung nie sicher verlassen — erlaubten mir die viel bedeutenderen Kosten, die ich aus meinen beschränkten Privatmitteln nicht mehr hätte bestreiten können, die Verwendung eines solchen nicht. So musste ich mich entschliessen, das Schleppnetz wegzulassen und mich auf die Anwendung des Hanfquasten- apparates allein zu beschränken. Ein solcher Apparat — aus einer starken Eisenstange bestehend, an der 4 bis 6 Ketten befestigt waren; jede Kette trug eine oder mehrere dicke Quasten von fein zerschlissenem Hanf, die 3 — 4 Fuss Länge erreichten ~ erwies sich viel handlicher und zum Aufsuchen von günstigen Fangplätzen vorzüglich geeignet; und wenn auch manchmal Klumpen von zähen Thonmassen, die sich an die Quasten anhingen, ihn so beschwerten, dass wir mit Anstrengung aller Kräfte kaum im Stande waren, ihn wieder heraufzubringen, so war ein solcher Fall eben nur eine Ausnahme. An Felsen bleibt dieser Apparat freilich eben so leicht hängen wie das Schleppnetz. Die Lage der Orte, an denen ich fischte, bestimmte ich in Ermangelung eines genaueren Instrumentes durch Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 115 einen Kompass mit Visirvorriclitung ; die Beobachtungen erwiesen sich wenigstens so genau, dass ich die Punkte, die ich einmal festgestellt hatte, mit einiger Sicherheit wieder auffinden konnte, nachdem ich etwas Uebung darin erlangt hatte. Als leicht erkenntliche Visirpunkte dienten mir der Vulkan Oshima, der Fusiyama, besonders aber die Insel Enoshima, ein auffallender Berg auf der Halb- insel Miura (s. Karte) und der Leuchtthurm von Yogashima. Bei den Untersuchungen zwischen Uboshima und Enoshima (4, 5 und 6) konnte ich beobachten, wie drei Arten von Astropecten, die fast allenthalben bei Japan häufig sind, sich gegenseitig vertreten, in je grössere Tiefe man kommt. Bis ungefähr 10 oder 15 Faden ist eine graue Art, A. scoparius, äusserst häufig, bei ca. 30 Faden ist es eine rothe Art, A. aurantiaais, die vollständig deren Stelle übernommen hat; diese wird aber selbst wieder durch eine braune Art ersetzt in einer Tiefe von ca. 60 Faden. Diese Seesterne sondern äusserst viel Schleim ab, wenn sie in etwas mattes Wasser gesetzt werden. Sie sind beständig bedeckt auf der Rückenfläche von einer grauen oder braunen Schmutzschicht; wenn man dieselbe entfernt, so wird sie rasch wieder erneuert, indem aus den zahl- reichen Poren der Körperhaut die erforderlichen Schmutz- theilchen, wohl die Excremente der Thiere, 'ausgestossen werden, nicht nur auf der Rückenfläche der Scheibe, son- dern auch der Arme. Wird diese Schmutzschicht öfter nacheinander entfernt, so geht dem Thiere das nöthige Material allmählig aus. In einer Tiefe von ca. 100 Faden südlich von Uboshima erhielt ich neben anderem eine Ko- lonie von einer hübschen Palithoa, die die von einem Pagu- rus bewohnte Schale völlig ttberkleidet hatte, doch so, dass dem Bewohner der Ausgang nicht verschlossen war. Als ich nach dem letzten dieser durchschnittlich wenig- ergiebigen Ausflüge in dieser Richtung, Ende Mai, gerade im Begriffe stand, wieder nach Tokio zurückzukehren, rief man mich in das Haus eines Fischers, der eben nach zwei- tägiger Abwesenheit wieder in Enoshima angekommen war; er hatte eine ganze Sammlung von anscheinend ziemlich frischen Exemplaren von Hyalomma, Farrea, Aphrocal- 116 Ludwig Döderlein: listeSj Lithistiden, Terehratuliden und ähnlichem mitgebracht neben dutzenden von dem grossen zum Signalhorn benutz- ten Triton. Der Mann erzählte mir dann, das sei alles bei Misaki gefangen; dort und bei der Provinz Awa sei die Fundstelle der Tiefseethiere ; bei Enoshima kämen solche Dinge kaum vor. Ich hatte damals nicht mehr viel Zeit übrig, kaufte dem Manne die Hälfte des Mitgebrachten ab, und Hess mir das Versprechen geben: so bald ich wieder nach Enoshima käme, würde er mich nach Misaki fahren, damit ich selbst mein Glück dort versuchen könnte. Mitte Juli begannen meine Ferien und ich eilte sofort wieder nach Enoshima, um den Mann beim Worte zu nehmen. Angekommen auf der Insel fand ich das Wetter günstig und den Fischer bereit, den Ausflug zu unternehmen. Noch vor der Abfahrt stellte sich aber heraus, dass der Mann jene Dinge gar nicht selbst gefangen, sondern sie nur in Misaki aufgekauft hatte. Er wusste nicht einmal die Orte, wo sie gefangen würden, wollte es aber in Misaki erkun- den. Ich willigte ein, da mir keine Wahl blieb, beschloss aber mit meinen Hanfquasten die Strecke, die wir befahren, zu untersuchen. So fuhren wir ab nach dem etwa 12 See- meilen entfernten Misaki, doch nicht in gerader Richtung, sondern in einem Bogen der Küste der Halbinsel von Miura folgend in einer Entfernung von IV2 Meilen von derselben. Die See wurde nun bald sehr unruhig und die Seekrankheit befiel mich in einer nicht gerade an- genehmen Weise. Etwa sechs Mal warf ich den Quasten- apparat im Laufe dieses Tages in einer Tiefe zwischen 30 und 60 Faden (9, 10, 11). Es war nicht ganz erfolglos, besonders an den tieferen Stellen, wo der Boden bedeckt war mit Bryozoen, deren wir eine grosse Menge fingen. Es waren ziemlich grosse verästelte Stöckchen, besonders von Leprdlia und Entdlophora. Dazu kam unter anderm auch eine kleine rothe Krabbe (gehört in die Nähe von Stenorhynchus)^ so wie eine grosse Peronella-ArU ein Schildigel, der lebend eine gelblichgraue Färbung zeigt, beim Tode aber einen grasgrünen Saft in sehr bedeutender Menge ausscheidet; das Thier erhält dadurch eine voll- Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 117 ständig grüne Farbe; dieselbe blasst bei getrockneten Exemplaren allmählig etwas ab, in Spiritus dagegen erhält sie sich ganz gut. Ein kleines abgestorbenes Bruchstück eines Glasschwammes, das mit herauf kam, gab mir wenig- stens die Hoffnung, dass in der Nähe, wenn auch in grös- serer Tiefe, solche Thiere lebend zu erhalten sein dürften. Durch die Seekrankheit, die mich den ganzen Tag nicht verliess, sehr erschöpft, kam ich in Misaki an, wo wir die Nacht zubrachten. Den nächsten Morgen besuchte ich das dortige Fischerdorf in Begleitung eines meiner Leute. Von Hütte zu Hütte gehend kaufte ich verschiedenes auf, be- sonders ein paar Exemplare von Distichopora coccinea^ der falschen Edelkoralle, wie sie die Japaner nennen. Auch einige ganz hübsche Perlen wurden mir angeboten, die von Haliotis gigantea stammten. Die Saison für Tiefsee- thiere war vorüber; doch sah ich aus dem, was mir von den verschiedensten Seiten vorgezeigt wurde, dass die Fischer von Misaki in der That jene Tiefseethiere fangen, die dann in Enoshima verkauft werden. Wir fuhren endlich ab, um unsern Rückweg nach Enoshima zu machen, diesmal aber in grösserer Entfer- nung von der Küste als den Tag vorher. Etwa 2 V2 Meilen nordöstlich vom Leuchtthurm von Yogashima (12) erreichten wir 60 Faden Tiefe und hatten ähnliche Ausbeute wie den Tag vorher. Eine Meile weiter war wenig Unterschied bei über 100 Faden (13). Ich warf erst wieder aus, als wir 5V2 Meilen von Yogashima hinter uns hatten und über 4 Meilen von der Küste von Miura entfernt waren (14). Län- ger als eine halbe Stunde Hess ich schleppen in 160 — 200 Faden Tiefe und dann heben. Als die Quasten endlich an der Oberfläche erschienen, zeigte sich der Fang über alles Erwarten reich und gut, dazu fast völlig verschieden von allem, was wir bisher erhalten hatten. Da hing, vor allem in die Augen stechend, in die Hanffäden verstrickt ein statt- liches Exemplar der merkwürdigen und seltenen Lithoäes hystrix, der japanischen „Teufelskrabbe", über ein Dutzend Cidariden in drei verschiedenen Arten, dabei eine Gonioci- daris, deren Stacheln auf der aboralen Seite breite etwas concave Platten bilden mit einem auf ein Minimum redu- 118 Ludwig Döderlein: cirten Stiele, Arten von Feronella, sowie Terebratella rubella und Terehratulina caput serpentis an den Zwei- gen einer ÄmphiJielia angeheftet; ausserdem eine ganze Reihe von selteneren Mollusken, Crustaceen, Ophiuren etc., an Menge aber alles andere tiberwiegend mehrere Arten von Bryozoen aus den Gattungen Betepora, Hornera und Entalophora , und zwei Arten von Hexactinelliden, die Gattungen ^2^ÄrocaZ??5^es und Farrea repräsentirend. Von letzteren Formen waren leider nur wenige unverletzte Exemplare vorhanden, dagegen Tausende von Fragmenten durchsetzten die Quasten derart, dass man dieselben that- sächlich nicht berühren konnte, ohne das Knirschen der dabei gedrückten Stückchen zu bemerken. Aus der zahllosen Menge dieser zierlichen Schwämme, die bei diesem Ver- such erhalten wurden, kann man schliessen, dass dieselben auf weite Flächen hin den Meeresboden bewachsen müssen wie Moose, untermischt mit Bryozoen und Korallen. Der Bo- den scheint hier ziemlich fest und ist bedeckt von kleineren und grösseren oft scharfkantigen Steinen vulkanischen Ur- sprungs und Muschelfragmenten, auf welchen die Schwämme etc. festgewachsen sind. Das Erstaunen und die Aufregung meiner beiden Fischer beim Anblick der unerwartet reichen Ausbeute, unter der sie viele von Enoshima her wohlbe- kannte und für sehr selten gehaltene Formen begrüssten, ist nicht zu beschreiben. Sie sprangen im Boote herum und schrieen vor Vergnügen. Bis die Jlanfquasten befreit waren von den delikaten Gestalten, die sich darin verwickelt hatten, war es ziem- lich spät geworden. Doch Hess ich etwa eine Meile von diesem Punkte entfernt in der Richtung von Enoshima den Apparat noch einmal schleppen (15), um mich über die nördliche Grenze dieser Glasschwammregion zu unterrichten. Ich musste dabei fast alle meine Leine nachgeben, bis das Netz den Boden erreichte, 240 Faden. Die Tiefe mochte etwa 190 Faden betragen; als es herauf kam, zeigten ver- schiedene Schlangensterne, dass der Boden berührt war, doch ausser ihnen war nichts weiter vorhanden. Ich konnte mit diesem Tage zufrieden sein; der eine Fang hatte mich für alle Mühe und Enttäuschungen entschädigt, Faunistische Studien in Japan, Enoshima und die Sagami-Bai. 119 die ich vorher hatte. Hier hatte ich den Ort gefunden, wo eine grosse Menge der in Enoshima feilgehaltenen Tiefsee- bewohner lebte. Ich hatte einen Theil derselben wirklich erhalten, vieles andere vermisste ich noch, darunter be- sonders Hyalonema. Doch hatte ich hier nun eine sichere Basis gewonnen für fernere Untersuchungen. Anfang September unternahm ich wieder einen zwei- tägigen Ausflug von Enoshima aus nach der Bai von Sagami. Den ersten Tag ging die See äusserst hoch, so dass ich nur mit Mühe ein paar Mal das Netz werfen lassen konnte ; es war so schlimm, dass einer meiner beiden Fischer see- krank wurde und den ganzen Tag unbrauchbar blieb; der Mann, den das betraf, war ein gewerbsmässiger Fischer und verstand sein Handwerk so gut wie irgend einer. Wir fuhren in einer Entfernung von IV2 Meilen die Küste von Miura entlang nach Süden, wobei wir nicht über 160 Faden erreichten. Aus einer Tiefe von 70 Faden, etwa 5 Meilen von Enoshima (17) zog ich ein sehr schönes Exem- plar der Gattung Fentacrinus herauf. Die Bewegungen des Thieres waren äusserst langsam; in einem Gefäss mit Seewasser lebte es noch etwa eine halbe Stunde. Die Kelcharme waren gerade ausgestreckt und parallel zu ein- ander, als das Thier eben aus dem Meere heraufkam ; nach Verlauf der halben Stunde waren sie sämmtlich so weit als möglich zurückgebogen und der Kelch entfaltet. Mit diesem Fentacrinus erschien angeheftet an ihn eine Coma- tula, ausserdem Terehratella ruhella und die Molluskengat- tung Xenophora in mehreren Exemplaren. Glasschwämme zeigten sich hier nicht; der Boden schien mudig mit vielen Schalenfragmenten bedeckt. Die Nacht brachten wir im Boote zu, nahe der Küste. Den nächsten Morgen fanden wir drei Meilen von der Küste (20) entfernt Bryozoen und Feronella wie im vorigen Juli, und etwa V2 Meile weiter, 5V2 und 6 Meilen von Enoshima, die Glasschwammregion (21, 22); die auffallendste Gestalt in Begleitung der Glasschwämme waren diesmal ein paar blassrothe Astrophyton, während Cidariden und Feronella hier fehlten; an Mollusken erwähne ich besonders von dieser Stelle die Giiilfordia triumphans und eine Xenophora. Der 120 Ludwig Döderlein: Fang war hier wiederum sehr reich, wenn wir auch den Apparat nur ganz kurze Zeit unten lassen konnten des rasch eintretenden schlechten Wetters wegen. Regen und starker Wind zwangen uns schon gegen Mittag den Heimweg zu suchen. Weitere Ausflüge von Enoshima machte ich im fol- genden November. Das Wetter begünstigte mich wieder sehr wenig. Von neun Tagen, die ich auf die ganze Tour verwendete, waren nur vier derartig, dass ich eine Aus- fahrt wagen konnte und nur an zwei Tagen erlaubte es die See, uns weit vom Lande zu entfernen. Zwei Tage brachte ich westlich von Misaki zu. In dieser Richtung begannen drei Meilen vom Lande entfernt die Glas- schwämme in einer Tiefe von ca. 80 Faden (27). Ein bis zwei Meilen nordwestlich von dieser Stelle in noch grös- serer Tiefe (25) fischte ich neben einigen andern Echino- dermen einen bemerkenswerthen krugförmigen Spatangiden von rosenrother Farbe, der Gattung Pourtalesia ange- hörig. Der Boden schien hier felsig zu sein und nicht von losen Steinen bedeckt; die Tiefe wechselt hier sehr plötz- lich; während ich an einer Stelle in 200 Faden den Boden noch nicht erreichte, fand ich denselben kaum V* Meile weiter dem Lande zu in nicht 70 Faden. Näher der Küste zu begann eine sehr reiche Bryozoenregion in einer Tiefe von ca. 40 Faden (29). 5 Meilen westlich von Yogashima (31, 32) machte ich eine sehr ergiebige Ausbeute in 200 Faden an Glasschwämmen, Bryozoen, Penuatuliden, Echinodermen Crustaceen etc. ; ein frisches Bruchstück von Pentacrinus kam ebenfalls zum Vorschein, und was mich am meisten interessirte, das einzige Exemplar einer Hyalonema, das ich zu erbeuten Gelegenheit hatte. Auch dies bestand nur aus dem Nadelbüschel mit der noch lebenden Palithoa. Dieser Schwamm ist an jenem Orte jedenfalls nicht häufig, da ich ausser diesem Exemplar kaum 1—2 einzelne Nadeln in den Hanffäden fand. Zwei andre Tage fischte ich südwestlich von Enoshima in einer Entfernung von 4—7 Meilen von dieser Insel und 4—5 Meilen von der Halbinsel von Miura. Bald in grös- serer Menge, bald mehr vereinzelt kamen hier Glasschwämme Faunistischc Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 121 zum Vorschein ; sie schienen in dieser Gegend nirgends ganz zu fehlen, doch in Menge fand ich sie nur an den südlichsten Punkten (35, 37, 39, 40), die ich in ^esen Tagen berührte. Die begleitenden Formen stimmten zum Theil mit früher erhaltenen überein, doch war auch viel neues dabei; der Boden daselbst zeigte sich äusserst uneben und klippig; der Gebrauch des Fangapparates stiess dadurch auf weit grössere Schwierigkeiten als bisher; zahlreiche Steine und Muschelfragmente bedeckten den Boden. Die Tiefe erwies sich als sehr wechselnd, am bedeutendsten war sie an einem Orte 6 Meilen südlich von Enoshima, 4V2 Meilen von der Halbinsel (35), wo sie 250 Faden erreichte. Ein bis zwei Meilen nordwestlich von dieser Stelle (39, 40) bildete ein zäher Thon, der sich in grossen Klumpen an die Hanfquasten anhing, den Meeresboden; doch fehlten auch Steine an diesem Orte nicht ganz. Der Quasten- apparat blieb an den klippigen Stellen sehr viel hängen; dadurch und durch die schweren anhaftenden Thonklumpen war das Heraufziehen mit ganz ausserordentlicher Mühe verbunden. Hier hatte ich auch Gelegenheit, den berüch- tigten Schwertwal Orca gladiator^ jap. saji, zu beobachten, von dem zwei mächtige Exemplare in der nächsten Nähe unse- res Bootes auftauchten ; nachdem diese Thiere acht bis zehn Mal unter stark zischendem Geräusche Athem geholt hatten, verschwanden sie wieder in der Tiefe. Eintretendes schlechtes Wetter beendete diese Ausflüge wieder früher als mir er- wünscht war und zwang mich nach Tokio zurückzukehren. Mit diesen allerdings nur zum Theil zufriedenstellen- den Resultaten musste ich meine Untersuchungen in der Sagami-Bai zum Abschluss bringen, da ich schon Ende desselben Monats Japan zu verlassen hatte. Die in dieser Weise begonnenen Untersuchungen hätte ich gerne noch einige Zeit fortgesetzt, um dabei das Mate- rial zu sammeln zu einer faunistischen Bearbeitung wenig- stens des östlichen Theils der Sagami-Bai. Nach den schon gewonnenen Erfahrungen schien mir dies Unter- nehmen, wenn nur mit einiger Umsicht und Energie durch- geführt, auch bei geringen Geldmitteln sehr lohnende Re- sultate zu versprechen. Möge sich in Japan bald ein an- 122 Ludwig Döderlein: derer finden, der besser ausgestattet als ich es war, in diesem verhältnissmässig leicht zugänglichen und an Inte- ressantem ^0 überreichen Meerestheile die angefangene Arbeit fortsetzt; die darauf verwendete Mühe wird nicht vergebens sein. Einem solchen werden die oben gege- benen Notizen vielleicht nicht ganz ohne Nutzen sein; sie dürften ihm zum mindesten manches resultatlose Um- hersuchen ersparen. — Das von mir zusammengebrachte Material, das in sehr gutem Zustande in Europa angekom- men ist, denke ich in Verbindung mit meinen nicht unbe- deutenden übrigen Sammlungen aus verschiedenen Gegen- den Japans zu bearbeiten resp. theilweise Specialisten zur Bearbeitung zu überlassen; ich hoffe, dass mir dazu Gele- genheit werde. Sollte einmal der schon öfter in Anregung gebrachte Gedanke verwirklicht werden, eine wissenschaftliche zoo- logische Station an einem japanischen Küstenpunkte anzu- legen, so würde sich meiner jetzigen Erfahrung nach die Stadt Misaki als Ort derselben am besten eignen. Sie kann von Tokio oder Yokohama aus zur See ganz leicht erreicht werden, bietet den Vortheil eines sehr bedeutenden Fischmarktes und giebt durch ihre Lage an der Spitze der Halbinsel die Möglichkeit, Ausflüge mit gleicher Leichtigkeit nach der Bai von Sagami, nach der Bai von Tokio oder nach dem offenen Meere zu unternehmen; ihr Hafen ist ruhig, geschützt durch die Insel Yogashima. Die abwechs- lungsreiche Küste in der Nähe bietet die Existenzbedin- gungen für die verschiedenartigsten Organismen; von be- sonderem Werthe aber ist es, dass man von hier aus in kurzer Zeit nach verhältnissmässig tiefer See gelangen kann, wo ein erstaunlich reiches Thierleben entwickelt ist. Freilich wird die Errichtung einer solchen Station, wenn sie nicht durch Privatmittel geschieht, noch lange ein frommer Wunsch bleiben, so grosse Erfolge man sich auch davon versprechen müsste. Die japanische Regierung wenig- stens wird, so lange sie wie jetzt an chronisch gewordener Geldnoth leidet, die Mittel zu solchen rein wissenschaft- lichen Zwecken nie hergeben. Strassburg, im April 1882. Faunistische Studien in Japan. Enoshima und die Sagami-Bai. 123 Bemerkungen zur Karte. Für die beigegebene Karte ist die japanische Admiralitäts- karte zu Grunde gelegt, auf der jedoch nur sehr wenige für meinen Zweck brauchbare Tiefenangaben zu finden sind. Die angegebenen Tiefen-Linien von 100 und 200 Faden sind nach meinen eigenen Messungen construirt. Die auf der Karte stehenden Zahlen bezeichnen die hauptsäch- lichsten Stellen, an denen ich fischte. Auf sie beziehen sich die im Texte eingeklammerten Zahlen. Beiträge zur Kenntniss der Amphibien und Rep- tilien der Fauna von Corsika. Von Dr. J. V. Bedriaga. Hierzu Tafel III— V. Dem hochverdienten Vice-Präsident der Kaiserl. natur- forschenden Gesellschaft zu Moskau Herrn Geheimrath Dr. K. R e n a r d zu seinem fünfzigjährigen Doctor- Jubi- läum gewidmet. Seltsamer Weise ist die Insel Corsika in naturwissen- schaftlicher Beziehung nahezu eine terra incognita. Wäh- rend von den unter französischer Oberherrschaft stehenden Ländern Algerien von mehreren wissenschaftlichen Expe- ditionen und von einzelnen Naturforschern unzählige Male bereist und bis in das Herz der Sahara hinein durchforscht worden ist, ist bis dato die von Frankreich oder Italien aus so leicht erreichbare Insel Corsika in zoologischer Be- ziehung und zwar hauptsächlich von den französischen Ge- lehrten über alle Gebühr vernachlässigt und den Ausländern zur Exploitation völlig tiberlassen worden. Aber auch für diese scheinen die Schätze der Insel keinen sonderlichen Reiz besessen zu haben. Mit Ausnahme von einzelnen Zoologen, welche nach Corsika Sammelreisen unternommen und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse, wenn überhaupt, in aller Kürze bekannt gemacht haben, wird diese Insel meistentheils nur von Entomologen besucht, welche sich mit dem Sammeln von sehr werthvollen, dort aber in Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 125 grosser Menge vorkommenden Coleopteren befassen. Aber auch auf coleopterologischem Gebiete gelangen die Ergeb- nisse dieser Reisen nicht in die Oeffentlichkeit, denn bis anno 1878 wenigstens existirte noch kein umfangreiches Verzeichniss der auf Corsika einheimischen Käferarten. Als ich im vorigen Sommer auf Corsika landete, hegte ich die Absicht, die Fauna dieser Insel in Augenschein zu nehmen und mich zoogeographischen Studien zu widmen. Namentlich beabsichtigte ich nach solchen Thierformen zu suchen, welche als Verbindungsglieder zwischen der Fauna Corsikas mit der Thierwelt Sardiniens und den nächst gelegenen continentalen Ländern betrachtet werden könnten. Dass derartige Studien für die Wissenschaft von Nutzen sind und dass sie speciell dazu sich eignen, etliche Probleme auf herpetologischem und amphibiologischem Ge- biete aufzuklären, brauche ich wohl kaum hervorzuheben. Wie sehr das circummediterrane Faunenbezirk und die Inselfauna des Mittelmeeres sich zu dergleichen Studien eignen, beweisen die werthvollen amphibiologischen und herpetologischen Arbeiten Genes, De Bettas, Stauch s, Böttgers, Latastes und Boscas. Döderleins allge- meine Betrachtungen über die Thierwelt Siciliens enthal- ten gleichfalls manche interessante Angabe, welche darauf hinweist, dass die Fauna Sicula einen transitorischen Cha- rakter trägt und Repräsentanten, sowohl der europäischen als auch der afrikanischen Thierwelt aufweist. Während meiner Reise in Griechenland und auf den Cykladen ist mir ebenfalls die Thatsache aufgefallen, dass die dortige Fauna durchaus keinen selbstständigen oder etwa durchweg euro- päischen Charakter in sich birgt, sondern dass sie viel- mehr Uebergänge der europäischen Fauna in die asiatische und afrikanische enthält. Die Arbeiten der soeben erwähnten Forscher ergeben ein nicht zu unterschätzendes Resultat in zoogeographischer Beziehung, nämlich dasjenige, dass die in einem gewissen südlichen Küstenbezirke Europas lebenden Kriechthiere in den gegenüber liegenden Lokalitäten der afrikanischen Küste meistentheils wiedergefunden werden, oder durch nahe verwandte Formen vertreten sind. So z. B. werden 126 J. V. Bedriaga: die Reptilien und Amphibien der pyrenäischen Halbinsel, mit Ausnahme einiger endemischen Arten, auf dem alge- rischen Küstenstriche oder im Norden Maroccos ange- troffen. Die Kriechthierfanna des südfranzösischen Lit- torals ist gleichfalls im Norden Algeriens entweder durch die nämlichen Arten oder deren Abarten und Unter- arten vertreten. Andererseits werden die Balearen wie auch Sardinien von europäischen und afrikanischen For- men bevölkert. Abgesehen davon, dass mir Corsika ein Interesse in zoogeographischer Beziehung zu besitzen schien, hoffte ich auf dieser Insel die verschiedensten Thi erformen in grös- serer Anzahl vorzufinden und zwar aus dem einfachen Grunde, dass Corsika einerseits nahe vom Binnenlande, andererseits nahe von Sardinien gelegen ist und dabei, trotz seiner geringen Ausdehnung, Localitäten von überaus verschiedener klimatischer Beschaffenheit aufweist. Gegen alle meine Erwartungen aber fand ich, dass die Thierwelt Corsikas, mit Ausnahme der Vögel und Insekten, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht arm ist und dass sie wenig Uebereinstimmendes mit der Fauna des nahe gelegenen Sardiniens oder derjenigen des euro- päischen Continents bietet. Die corsikanische Fauna be- steht hauptsächlich aus kosmopolitischen Thierarten, aus einigen endemischen und aus Zugvögeln. Von der Absicht alle Thierklassen während meiner Anwesenheit auf Corsika zu berücksichtigen und ein mög- lichst vollständiges Verzeichniss der Species zu liefern, musste ich zu meinem grossen Bedauern wegen einer an- dauernden Krankheit absehen. Da ich jedoch mein Haupt- augenmerk auf die Amphibien und Reptilien gerichtet hatte und im Stande war, einiges Material zu sammeln, so will ich in nachfolgenden Blättern etlicher Resultate, zu denen ich bei meinen Studien gelangt bin, Erwähnung machen. Der erste Abschnitt dieses Aufsatzes behandelt die Arten, welche ich selbst gesammelt habe. Im zweiten Ab- schnitte nenne ich diejenigen Species, welche von anderen auf Corsika constatirt worden sind. Die Lücken, welche Beitr. z. Kenntniss d Amphibien n. Reptilien d. Fauna v. Corsika, 127 in dieser Arbeit zu Tage treten, glaube ich nächstens theilweise ausfüllen zu können. I. Abschnitt. 1. Megapterna montana Savi. Bis vor Kurzem war man der Ansicht, dass des auf Corsika einheimischen tritonenartigen Caudaten zum ersten- mal in der Savi'schen Schrift „Descrizione d'alcune nuovi specie di mammifferri e rettili italiani" erwähnt worden war. Da§s dem aber nicht der Fall ist, glaube ich neuer- dings nachgewiesen zu haben. Ich untersuchte nämlich im Jahre 1879 die Gravenhorst'schen, im Breslauer Museum aufbewahrten Original-Exemplare der „Molge platycephala" sine patria und gewann die Ueberzeugung, dass Graven- horst zwei specifisch verschiedene Molche beschrieben und derart durcheinander gemischt hat, dass man längere Zeit hindurch irrthümlicherweise glaubte, es handle sich in den „Deliciae musei zoologici vratislaviensis" nur um eine ein- zige Species. Ausserdem habe ich mich tiberzeugen können, dass eine dieser von Gravenhorst verkannten Molch- formen nichts anders vorstellt, als die von Savi 1838 als neue und zwar einem neuen Genus angehörende Art be- schriebene „Megapterna montana", dass folglich die Be- nennung „Molge platycephala Gravenh." als eine Collectiv- Bezeichnung zu betrachten ist und als solche eingezogen werden müsste. Die im Zoologischen Anzeiger 1879 veröffentlichten Ergebnisse meiner diesbezüglichen Untersuchungen haben selbstverständlich mein Interesse für den corsikanischen Schwanzlurch dermassen in Anspruch genommen, dass ich nicht eher ruhen konnte, bis sich mir die Gelegenheit bot, lebende Exemplare desselben in A?igenschein zu nehmen und näher zu untersuchen. Mein Hauptaugenmerk habe ich dabei auf die Stellung gerichtet, welche der corsikanische Molch im Systeme einnimmt. Es stellte sich alsbald her- aus, dass es keineswegs genügend war, die während mei- nen Vorarbeiten aufgetauchten Fragen in Bezug auf die 128 J« V. Bedriaga: Euproctus-Angelegenheit durch eine etwaige Untersuchung des auf Corsika einheimischen Caudaten allein zu lösen und ich sah ein, dass man unumgänglich auch die übrigen, mit letzterem bald identificirten, bald zusammengeworfenen und in den Genus ;,Euproctus^ einverleibten Formen, wie z. B. den sardinischen Euproctus Rusconii Gene und den pyrenäischen Euproctus pyrenaeusautor., heranziehen müsse. Ich gestehe offen, dass diese Wahrnehmung meine Aufgabe bedeutend erschwerte, da ich mich durch sie plötzlich einem bedenklichen Ansichtswirrwar gegenüber hingestellt sah und die traurige Erfahrung machen musste, dass das mir zu Gebote stehende, mit grossen Schwierigkeiten erhaltene Material nicht genügen konnte, um mein Unternehmen zu Ende zu führen. Obgleich ich dessen wohl bewusst bin, dass ich manche Aufklärung, namentlich mit Bezug auf die dem corsikanischen Caudaten verwandten, geographisch aber von ihm getrennten Formen schuldig geblieben bin, hege ich die Hoffnung, dass die in beifolgenden Blättern nieder- gelegten Resultate meiner Untersuchungen die Euproctus- Frage einigermassen erläutern werden und dass sie der Amphibiologie von Nutzen sein dürften. Da ich aus eigener Erfahrung weiss, wie schwer es fällt, der Euproctus- und Megapterna- Literatur Meister zu werden und Klarheit in die verworrenen diesbezüglichen Ansichten der Autoren herbeizuschaffen, so glaube ich im Interesse derjenigen, welche sich mit den in Rede stehen- den Urodelen befassen sollten, zu handeln, wenn ich eine geschichtliche Uebersicht meinen Untersuchungen voran- schicke. Da die meisten Schriften, in denen es sich um die uns hier interessirenden Thiere handelt, schwer zu- gänglich sind, so will ich die gewichtigen Angaben der Autoren textuell wiedergeben; dies dürfte umsomehr dem Leser willkommen seiö, als ihm dadurch die Mühe erspart wird, sich durch einen Stoss von Literatur durchzuarbeiten. Aus den von mir im Laufe dieser Arbeit noch zu er- wähnenden Gründen führe ich den auf Sardinien einheimi- schen und von Gene beschriebenen tritonenartigen Cau- daten unter seinem Original-Namen „Euproctus Rusconii'' Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 129 an ; den in den Pyrenäen lebenden und unter dem Namen „Euproctus pyrenaeus" bekannten Molch bezeichne ich vor- läufig einfach als „pyrenäische Molchart"; für den corsi- kanischen Caudaten endlich will ich den Namen „Megap- terna montana Savi" beibehalten. Diesen Namen entlehne ich aus der oben citirten im Nuovo Giornale de' Letterati, Tomo XXXVI, Nr. 211. Pisa 1838 veröffentlichten Schrift Savi's. Diese Schrift enthält folgende ziemlich genaue Gattungs- und Art-Diagnose der Megapterna montana. ;, Genus Megapterna Savi. — Caratteri generici. Gute liscia, molle, porosa. Denti delle mascelle medio- cremente lunghi. Denti palatini disposti in due serie rappresentanti un y con l'apertura rivolta verso le fauci. Lingua ampla, schiacciata; con stretto margine libero, solo SU i lati, e posteriormente. Glandole postorbitali piccole, poco visibili. Estremita anteriori con quatro dita : posteriori con cinque : dita lunghe , sottili, libere : Coda lunga, subcompressa. Coste molto sviluppate, e molto mobili. Specie. Megapterna montana. — Di questo Sa- lamandride, che nell' aspetto molto somiglia al Geotriton fuscus di Bonaparte, ne ho avuti due individui. Esse furono raccolti sopra i monti di Corsika. Mi assicura il D. Chiesi esser colä questo rettile molto comune, e disse mi che Tordinaria sua dimora e dentro i tronchi marci de Faggi, e sotto le scorze morte. I due individui da me esaminati essendo stati conservati in uno spirito di vino assai forte sono uu poco ritirati, ed il loro colore e sbia- dito: con tutto ciö siccome i caratteri che destinguone un tal rettile consistonö nella struttura delle varie parti del suo corpo, e non nei colori, cosi malgrado la cattiva con- servazione de' due individui che possiedo, facile riesce il conoscere che esse differiscono dagli altri rettili fino ad ora conosciuti, non solo per caratteri specifici, ma anche per caratteri generici. — Descrizione. La sua testa e piutosto allungata e notevolmente depressa : ambo le mas- celle d'egual lunghezza: le narici d'apertura orbicolare, poste air estremita del muso. Occhi di mediocre grossezza, con palpebre distinte, e mobili : ambo le mascelle armate Archiv f. Naturg, XLIX. Jahrg. 1. Bd. 9 130 J. V. Bedriaga: di denti, sottili, assai lunghi, e quelli della mascella supe- riore leggermenle curvi in dietro: per i quali caratteri differisce il nostro rettile dai Geotritoni che han denti tanto minuti da non potersi distinguere se non difficilmente. I denti palatini son disposti in due serie le quali dopo esservi conservate parallele fra loro per due terzi circa della totale estensione divergono ad un tratto, e forman cosi la figura d'un y rovesciata, con l'apertura cioe rivolta verso le fauci. II gruppo di glandole succutanee posto all' angolo delle mascelle esiste in quest* animale come nella Salamaudra terrestre, ma e proporzionatamente raolto piu ristretto, e non risulta che da un piccolo numero di ibllicoli. Le glandole succutanee dorsali non ve le ho osservate, e non credo che le abbiano; ma lo statto poco perfetto de' due individui da me posseduti, non rai per- mette di asserire se realmente essi ne fossero privi. Par- lando deir apparecchio cutaneo dirö che questo rettile e vestito da una cute delicata, moUe, diafana, e che sembre contenere un infinita di minutissimi follicoli: e insomma un apparecchio perfettamente simile a quello dei Geotritoni. — Tornando a parlare della bocca noterö che la lingua 6 tanta ampla da occupare quasi tutto lo spazio intermedio alle due brauche della mascella inferiore; che e schiacciata, epoco alta : aderente perfettamente dalla parte anteriore, libera nel margine su i lati e posteriormente, caratteri che fanno distinguere il nostro rettile da quelli componenti tutti gli altri generi di Salamandride, almene degli europei, come vedremo in seguito. II tronco e mediocremente ri- gonfio verso la parte media. Tutte levertebre che formauo il di liu rachide (forse eccettuate solo le ultime due) sono munite di coste rudimentarie perfettamente articolate sulle vertebre cd in numero di dodici paja, per quel che mi e sembrato. Quelle della parte media del tronco sono tanto lunghe da giungere fino alla parte piü esterna del corpo; per consequenza la Megapterna ha le vertebre molto piü sviluppate non solo di quello che le abbia la Salamandra macnlosa, ma fincoYSi la. Salamandrina perspicillata. La coda, che in lunghezza supera tutto il rimanente del corpo , e sottile , alla sua origine e piü larga che alta , ma poi Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 131 ristringendosi diviene piü alta che larga : ad un terzo della siia lunghezza acquista la sua raaggiore altezza; in seguito diminuisce e termina in una punta acuta, ed e affatto priva d'appendici membranosi. Le estremitä anteriori sono lunghe tanto che distese sotto la teste non giungono all' estremitä del muso. Le mani son formate ciascima da quattro dita, sottili, mediocremente lunghe. II dito esterno e rinterno sono i piü corti, e presso a poco d'egual lun- ghezza: il secondo, dal lato esterno, e poco piü lungo del terzo. Le estremitä posteriori ripiegate sul corpo giungono al di lä della mezza lunghezza di questo. II piede resulta di cinque dita libere, e lunghe disegualmente; altro carattere di distinzioni fra quest' animale ed i Geotritoni. II dito esterno e il piü corto: i due medj sono i piü larghi. II margine posteriore della gamba ha sulla parte media una dilatazione che combinandosi colla base del piede fa com- parir questo munito d'un grandissimo calcagno. — I colore de' due individui da me posseduti e un grigio-cenerognolo minutamente punteggiato di nero. — Dimension!: Lunghezza totale: poll. 3 lin. SVs; della coda: poll. 1 lin. 72/3; della testa: lin. 51/2; Larghezza della testa: lin. SV^; Lunghezza della estremitä anteriori: lin. 6V2; della mano: 2V2; deir estremitä posteriori: lin. 7; del piede: lin. 3. Beinahe gleichzeitig mit dem Erscheinen der Cha- rakteristik von Megapterna montana, publicirte Gen 6 seine Synopsis Reptilium Sardiniae indigenorum (Memorie della R. Accademia delle scienze di Torino, Serie II, tomo I, 1839), worin ein der Megapterna montana etwa ähnlich aussehender nnd allem Anschein nach verwandter Molch und zwar der Euproctus Rusconii beschrieben und abge- bildet worden ist. Bonaparte, der Zeitgenosse Savi's und Genö's, kannte sowohl die Megapterna montana als auch den Euproctos Rusconii. Er Hess beide in seiner Iconografia della Fauna italica, fasc. XXVI 1839 unter ihren ursprüng- lichen Namen ,,per rispetto al parere del sullodato pro- fessore (d. h. Sa vi!)" abzeichnen. Dessenungeachtet ver- mochte er nicht die Verschiedenheiten zwischen diesen beiden Molchen ausfindig: zu machen und führte sie im 132 J. V. Bedriaga: Texte unter dem Namen Euproctus platycephalus an ^). Den Speciesuamen „platycephalus" entlehnte er aus dem Gravenhor st' sehen Werke ^Deliciae musei zoologici vratislaviensis" und gab dem Genusnamen „Euproctus Gene" den Vorzug, obschon „Megapterna Savi" etwas älteren Datums ist. Auf diese Weise stiftete Bonaparte die nicht geringe Confusion, welche bis vor kurzem und sogar bis heute noch in Betreff dieser Molchformen geherrscht hat. Die Worte des Prinzen von Canino: „Anche la Me- gapterna montana, Savi, di Corsica, e FEuproctus Rusconii, Gene, di Sardegna, riuniti da noi non solo genericamente ma specificamente, si ritengono diversi, malgrado la nostra opinione, per conscociata asserveranza dei rispettivi fon- datori" ^) lassen vermuthen, dass diese Ansicht Bona- parte's schon damals bestritten worden ist und dass Savi und Gene an ihn ohne Erfolg appellirt haben. Unter den von Bonaparte aufgezählten Merkmalen der Gattung Euproctus (= Euproctus Gene 4- Megapterna Savi) sehen wir die Characteres externi des Euproctus, wie sie von Gene angegeben worden sind, figuriren, dagegen vermissen wir in der Iconografia della Faima italica die hervorragendsten Punkte der S a v i'schen Megapterna-Dia- gnose gänzlich. Bonaparte fügt ausdrücklich hinzu, dass der dem Original-Genus Euproctus von Gene zugeschrie- bene Fronto-temporal-Bogen seinem Genus Euproctus zu- kommt. In die Synonymie seines Euproctus platycephalus versetzte Bon aparte ausser der Megapterna montana Savi und dem Euproctus Rusconii Gene auch Molge platycephala Gravenhorst und Triton Rusconii Gene. In seinem mir leider unzugänglichen „Catalogue of the specimens of Amphibia in the Collection of the British Museum. London 1850" soll Gray die Megapterna Savi, obschon mit einigen Zweifeln, zu Euproctus platycephalus 1) In der Systema Reptilium von Fitzinger (fasc. I, Am- blyglossae. Vindobonae 1843) p. 38 figurirt Euproctus platycphae- lu8 Bonap. als Typus von einer neuen Gattung „Pelonectes". 2) Vergl. die Einleitung zur Iconografia della Fauna italica. Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 133 (= Molge platycephala Gravenh. + Euproctus Rusconii Gene) gestellt haben. Obgleich Dumeril und Bibron die Megapterna montana nur dem Hörensagen nach kannten, Hessen sie sich dennoch verleiten, dieselbe ohne Weiteres in die Sy- nonymie des Euproctus Rusconii zu versetzen. Ihr Capitel über die Gattung Euproctus verräth Mangel an Sorgfalt und übertrifft darin dasjenige, was Bonaparte uns über sei- nen Euproctus platycephalus geboten hat, so z. B. erstreckt sich, laut der generellen Herpetologie (T. IX, pag. 159) der Verbreitungsbezirk des Euproctus Rusconii, i. e. der Megapterna montana, auf Sardinien, Frankreich und Spa- nien; Corsika wird auch mit keiner Sylbe erwähnt! Zahl- reiche Urodele, so der Euproctus platycephalus Gray-Bona- parte, die Hemitritone asper, rugosus, Bibroni, cinereus und punctulatus Duges, die Molge platycephala Otto- Gravenh. und endlich, wie bereits erwähnt, die Megapterna montana werden ohne jedwede Kritik als Synonyme des Euproctus Rusconii aufgefasst, was schon aus dem Grunde nicht stattfinden dürfte, dass in demselben Bande der Erpetologie generale und zwar auf Seite 152 Hemitriton asper Alf. Duges zu Triton repaudus D. B. und die Hemi- tritone cinereus, rugosus, punctulatus und Bibroni Duges in die Synonymie gleichnamiger Tritone versetzt sich be- finden (Vgl. Bd. IX, pag. 150-153). Die Duges' sehen Hemitriton -x\rten, auf die ich später zu sprechen kommen werde, werden somit von Dumeril und Bibron zu zweierlei Zwecken gebraucht, was wohl hinlänglich beweisen dürfte, wie leichtsinnig ihr systematisches Werk bearbeitet worden ist. Wie in der Iconografia della Fauna italica, vermisse ich auch in der generellen Herpetologie die Aufzählung der Kennzeichen der Megapterna montana ; die Charakteristik des Euproctus dagegen ist vorhanden; sie ist nämlich zum grössten Theil aus der Gene'schen Synopsis entnommen. Alles Uebrige gehört augenscheinlich nicht zu dieser Gattung, sondern eher zu dem Genus Glossoliga Bonap. ^). 1) Bei dieser Gelegenheit will ich hinzufügen, dass die Au- toren der Erpetologie generale, gestützt auf die Vermuthung Gene's 134 J. V. Bedriaga: Im Bde. XX der Ann. des scienc. nat. 3e serie ver- gleicht Gervais seine Glossoliga Poireti mit Euproctus Rusconii Gene und bemerkt Folgendes: „La synonymie de Tespece type du genre Euproctus peut etre etablie ainsi qu'il suit: a) Euproctus Rusconii Gene . . . Euproctus platy- cephalus (Molge platycepbala, Otto) Bonap., Amphibia europaea, p. 68 (de Corse et de Sardaigne). — b) Triton glacialis, Philippe ... — c) Triton cinereus, T. rugosus, T. punctulatus, T. Bibronii et repandus, Dumeril ... T. asper (reunissant les precedentes) . . .'^ — Demnach wäre nach Gervais die corsikanische Euproctus-Form, d. h. unsere Megapterna montana, mit der sardinischen und pyrenäischen identisch ! De Betta verfällt in den nämlichen Irrthum. In seiner Mouografia degli Amfibi Urodeli italiani e piu diffu- saraente delle specie vivente nelle provincie venete ^) be- steht er ungeachtet der brieflichen Einwände Savi's auf der Identität der Megapterna montana mit dem sardinischen Euproctus. In der „Sinonimica" finden wir alle die oben erwähnten Namen wieder. Corsika, Sardinien, Spanien und endlich die Pyrenäen werden als Wohngebiete des soge- nannten Euproctus platycephalus Otto-Bonap. bezeichnet. Nach Strauch^), welcher, nebenbei sei es bemerkt, versucht hat, das Salamandriden - System möglichst zu vereinfachen, soll Megapterna Savi zu Triton Laur. als Synonym gehören. Der Umstand, dass dieser treffliche Herpetologe seinen Triton platycephalus auch als auf Cor- sika vorkommend anführt, lässt mich vermuthen, dass er an die Zusammengehörigkeit von Megapterna montana (welche übrigens in der Synonymie des eben genannten Caudaten nicht erwähnt worden ist), und Triton platyce- phalus glaubt. und die Angabe Guichenot's, Triton Poireti Gervais (= Glossoliga Poireti) sei identisch mit Euproctus Rusconii den ersteren in den Genus „Euproctus" einverleibt haben. 1) Mem. R. Instituto Veneto, vol. XI, 1864. 2) Vergl. seine Revision der Salamandriden-Gattungen in Mem. de l'Acad. Imper. des scienc. de St. Petersb. Vlle serie, T, XVI' Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika, 135 Schreiber schloss sich zum Theil den Ansichten Bonaparte's und zum Theil denjenigen Strauch's an und führte uns in seiner Herpetologia europaea Savi's Megapterna montana, Gene's Euproctus Rusconii und Duge's Hemitriton-Arten unter dem Namen Triton platy- cephalus Grav, vor. Ob Schreiber Exemplare seines plattköpfigen Tritons ans den von ihm aufgezählten Loca- litäten, wie z. B. Corsika, Sardinien und den Pyrenäen, selbst gesehen und verglichen hat ist aus seinem Buche nicht ersichtlich und hätten wir nicht auf indirektem Wege und zwar durch eine Publikation Bouleuger's erfahren, dass ihm bis anno 1875 nur pyrenäische und sardinische Euprocten vorgelegen haben, so wäre ich eher geneigt gewesen das auf den platycephalen Triton bezügliche Capitel in der Herpetologia europaea als eine Compilation zu betrachten. Die Diagnose des Hemitriton Dugös tritt daselbst allerdings scharf hervor, die Kennzeichen aber der sogenannten italienischen Formen des Triton platyce- phalus beziehen sich bald auf die sardinische, bald auf die corsikanische Form. Die Angabe Schreibcr's Triton platycephalus komme nach Gervais auch in Algier vor, beruht auf einem Irrthume Gervais, welchen letzterer in seinem in den Ann. des scienc. nat. 1853 veröffentlichten Aufsatze corrigirt zu haben scheint. Gervais hebt näm- lich darin ausdrücklich hervor, dass seine nordafrikauische Glossoliga Poireti und der Gene'sche Euproctus ßuscouii generisch verschieden sind 0. Ferner fügt Gervais eine Skizze des Schädels der Glossoliga Poireti hinzu, aus welcher man sofort scliliessen kann, dass man keinen Eu- proctus- oder Triton-Schädel vor sich hat und endlich er- wähnt Gervais des Euproctus platycephalus als eines Synonyms der „typischen Species aus dem Genus Euproc- tus." Sowohl diese Notitz Gervais als auch die Grün- dung seitens Bouaparte, der Gattung „Glossoliga", welche für die nordafrikanische, ursprünglich von Gervais^) als 1) Es sei bemerkt, dass Gervais in diesem Aufsatze die vom Euproctus Rusconii bewohnten Länder aufzählt und dass Nordafrika unter diesen nicht genannt wird. 2) Vergl. seine Enumeration de quelques especes de Reptiles 136 J. V. Bedriaga: Triton Poireti oder wie es scheint gar als Euproctus Rusconii *) bezeichneten Caudaten bestimmt gewesen war, scheinen Dumeril und Bribon bei ihrem Versuch, Glos- soliga Poireti in den Genus Euproctus einzuverleiben, un- bekannt geblieben zu sein. Aus einem von Dr. Egid Schreiber an Herrn Bou- lenger im Jahre 1878 gerichteten und vom letzteren ver- öffentlichten Schreiben ^) schliessen wir, dass der Verfasser der Herpetologia europaea seinen Irrthum in Betreff des Triton platycephalus eingesehen hat und den corsikanischen Molch „Megapterna montana" vom Euproctus Rusconii Gene getrennt haben will. Da SchVeiber ausserdem einer in den Annali del Museo Civico di storia naturale di Genova vol. XIII, 17 dicembre 1878 publicirten Abhand- lung, deren Autor beide zuletzt genannte Molche verglichen und für specifisch verschieden erklärt haben soll, er- wähnt, so liegt die Vermuthung nahe, dass Schreiber durch diese Schrift beeinflusst worden ist. In der englischen Zeitschrift „Nature" vom 5. Decem- ber 1878 finden wir nochmals obige Ansicht über die Nicht- zusammengehörigkeit des sardinischen und corsikanischen Urodels erläutert. Während der sardinische Molch uns als Euproctus Rusconii Gene in der ,,Nature" vorgeführt wird, erhält Megapterna montana den Namen Euproctus montanus Savi. Die ursprünglichen Diagnosen dieser Thiere sind in dieser Notiz aufrecht erhalten. Darauf hin erklärte De Betta mit Recht, dass diese Ansicht eigentlich nicht als neu betrachtet werden darf^). De Betta hätte allerdings hinzufügen können, dass der Sohn Savi's seiner Zeit auf die Trennungen der Gattungen ^legapterna und Euproctus bestand *) , dass aber seine provenant de Barbarie. Extrait des Ann. des scienc. nat. Novembre 1837, pag. 5. 1) Vergl. Gervais mir leider unbekannte Arbeit „Sur les ani- maux vertebres de l'Algerie. Ann. des scienc. nat. 3. serie. X, 1848. 2) Bulletin de la Soc. zool. de France 1878, pag. 304. 3) Nuova Serie di Note erpetologiche. Atti del R. Istituto Yen. di sc. e lett. Ser. V, T. V. 1879. 4) Vergl. De Betta's Monografia delgi Amfibi Urodeli Italiani. ßeitr. z. Kenutniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 137 Aeusserung bei den Zoologen keinen Anklang gefunden hat. Die Thatsache, dass der Versuch die betreffenden Molcbarten ein für allemal zu trennen erst nachträglich und zwar im Jahre 1878 so gut wie gelungen ist, findet nämlich darin seine Erklärung, dass die Amphibiologie in letzterer Zeit bedeutende Fortschritte gemacht hat und dass heut zu Tage es viel leichter fällt, ein Urtheil über dieses oder jenes Thier zu fällen, als es früher der Fall war. De Betta's Schrift „Nuova serie di note erpetolo- giche" (Venezia 1879) enthält ein Capitel über den Eu- proctus platycephalus, in welchem der Autor der Megapterna montana gedenkt, zugleich aber bemerkt, dass seiner An- sicht nach die specifische Trennung der iusulanischen Uro- Üelen noch nicht nachgewiesen worden ist. In demselben Jahre überraschte uns F. La taste, indem er den beinahe in Vergessenheit gerathenen Triton pyrenaeus D. B. der Synonymie des Triton platycephalus oder Euproctus Rusconii entzog und als selbstständige Art „Euproctus pyrenaeus" erklärte *). Bald darauf publicirte Bou lenger einen Artikel „Quelques mots sur les euproctes" (Bull. Soc. Zool. de France 1878, pag. 304). Obgleich, wie wir es aus dieser Schrift ersehen können, die corsikanische Megapterna dem Verfasser vorgelegen hat, wird letztere dennoch unter dem Namen „Euproctus platycephalus" angegeben und, aller- dings mit Bedenken, für identisch mit Euproctus Rusconii Gene gehalten. Mem. R. Istituto veneto, vol. XI, 1864, p. 558. Bemerkung 1 : „A tergo della lettera del eh. prof. Paolo Savi in data de 24 marzo a. c., egiä citata nel l'articolo della Salamandra corsica il degnissirao ed egregio figlio di lui dott. Adolfo, nello strendere la distinta della specie che tanto generosamente mi venivano trasmesse, sottoposeal N. 7. Euproc- tus Rusconii Gene-Sardegna, la speciale avvertenza che riscontrato nuovamente dal padre suo il genere de Gene col proprio genere Megapterna, trovo ancora di dover ritenere questo ben äistinto da quello, e di non poter quindi convenire col Dumeril che ne fa un sinonimo dell' Euproctus.'''' 1) Revue internationale des sciences, Nr. 42, 1878, pag. 495, 138 J. V. Bedriaga: „II est certain", sagt Boulenger, „que l'Euproctus pyreiiaeus est une espece bien distincte (de l'Euprocte Ruscollii !). En serait-il de meme de Megapterna montana Savi ? (Noiis regrettons de n'avoir pu consulter le Journal daus lequel cette espece a ete decrite pour la premiere fois). C'est ce que nous ne saurions dire, n'ayaut encore vu que cette forme et ne connaissant pas le veritable Rus- conii ou platycephalus. Mais, ä en juger les figures des auteurs (Gene, Bonaparte) qui represeutent le Rusconii avec un museau plus allonge que le Megapterna et l'elar- gissement du tarse arrondi chez celui-ci, triaugulaire ou en forme d'eperou chez celui-lä, il se pourrait que dans ces deux cas encore deux especes eussent ete reunies a tort." — Der Aufsatz Bou lenger 's enthält, als Anhang, den oben erwähnten Brief Schreib er's. Die Gravenhorst'sche Molge platycephala war aber bis dahin ununtersucht geblieben und fand die verschie- densten Verwendungen. Vor zwei Jahren *) nahm ich die Untersuchung der drei im Breslauer Museum übrig ge- bliebenen Original-Molch-Exemplare Gravenhorst's und gelangte zur Ueberzeugung, dass das kleinste Stück einen Euproctus (Megapterna!) montauus vorstellt und es dünkt mir als müssteu die beiden grösseren als Euproctus Rus- conii Gene angesehen werden. Damals standen mir aller- dings sonst keine anderen sardinischen Euprocten zur Ver- fügung und ich habe mich lediglich begnügen müssen, wie ich es auch ausdrücklich hervorgehoben habe, die Identität dieser grösseren Breslauer Molche — welche, nebenbei sei bemerkt, Gravenhorst sub Rubrik 1 „Individua quatuor majora'' in seinem oben citirten Werk beschrieben hat — mit Euproctus Rusconii Gene nur aus den mir vorgelegenen literarischen Hilfsmitteln zu schliessen. Zugleich habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass Euproctus pyreuaeus der Autoren wohl der Fauna der iberischen Halbinsel an- gehören mag. 1) Vergl. meinen Aufsatz „üeber Molge platycephala Gravenh." im Zoologischen Anzeiger 1879. Eeitr. z. Keuutniss d. Amphibien u. Keptilien d. Fauna v. Corsika. 139 In meiner, im Bulletin de la Sog. Imper. des natur. de Moscou 1880 erschienenen Abhandlung über die geo- graphische Verbeitung der europäischen Lurche nannte ich ferner drei Euproctus-Arten und gab an, dass unter dem von Barbosa du Bocage, Boscä, Rosenhauer, Ma- chado, Dumeril und Bibron der Fauna der pyrenäi- schen Halbinsel zugeschriebenen Euproctus Rusconii wohl nichts anders als Euproctus pyrenaeus D. B.-Lataste ge- meint sein kann. Meine diesbezüglichen Muthmassungen haben sich, wie ich aus einem kürzlich erschienen Ver- zeichnisse von Bosca ersehe, als richtig erwiesen. In der neuesten Zeit haben zwei talentvolle Forscher, L. Camerano 0 und Mario Lessona^) die sardinischen und corsikanischen Molche histologisch untersucht und sind beide der Meinung, dass es sich um zwei distinkte Arten handle. Dieser Ansicht schloss ich mich bis ganz vor kurzem an. Seitdem ich aber in Besitz von einigen lebenden corsikanischen Urodelen gelangt bin und zwei Exemplare des Euproctus Rusconii von Prof. Lessona in Turin tauschweise erhalten und meine Aquisitionen einer eingehenden Prüfung unterworfen habe, neige ich mich zur Ansicht, dass die insulanischen Schwanzlurche wohl gener isch verschieden sein dürften. Ich habe auf die- jenigen neuen charakteristischen Merkmale, welche mir bei der corsikanischen Form besonders aufgefallen sind, im zoologischen Anzeiger 1882 bereits hingewiesen. Anderer, ebenfalls gewichtiger Kennzeichen werde ich im Laufe dieser Arbeit gedenken und zugleich versuchen, die Ein- würfe, welche gegen die von mir proponirte generische Trennung der in Rede stehenden Schwanzlurche auftauchen könnten, zu beseitigen. Obgleich Megapterna montana verhältnissmässig selten als Untersuchungsobject gedient zu haben scheint, sind, wie man es aus Vorstehendem ersehen kann, die Schriften, 1) Zoologischer Anzeiger 1881, S. 183. 2) Mein, della R. Accad. delle sc. di Torino, serie II, Tom. XXXIV. „Contributio allo studio della pelle degli Urodeli (Sala- mandrina, Euproctus e Spelerpes)." 140 J. V. Bedriaga: in denen von diesem Molche und vom Euproctus Rusconii die Rede ist, in quantitativer Hinsicht ziemlich zahlreich. Anders aber verhält es sich mit der Qualität derselben, was v^ohl darin seinen Grund haben mag, dass entweder es nur wenigen Forschern vergönnt gewesen ist lebende Indi- duen des Savi'schen Caudaten zu untersuchen und dass diese wenigen Forscher es bis jetzt unterlassen haben uns näher mit ihm bekannt zu macheu, oder dass sie es nicht für werth hielten, wenigstens diejenigen Irrthümer, welche in die äussere Bekennzeichnung der Megapterna montana sich eingeschlichen haben und immer wiederholt worden sind, zu beseitigen. Trotzdem dass mir mehrere lebende Megapterna montana zur Verfügung stehen und dass ich dieselben somit selbstständig oder mit Zuhilfenahme nur der neuesten Schriften — , welche meistens ein Resume davon geben was über den Savi'schen Caudaten berichtet worden ist — , zu bearbeiten im Stande gewesen bin, habe ich vorgezogen die zum Theil schwer zugänglichen und in älteren Zeitschriften zerstreuten Notizen über das uns hier interessirendc Thier erst zu Rathe zu ziehen und dann zu Werke zu gehen. Ich muss offen gestehen, dass diese Vorarbeit mir keineswegs, wie man es erwarten dürfte, zur Orientiruug in der Megapterna-Angelegenheit gedient, sondern dass sie im Gegentheil meine eigenen Unter- suchungen bedeutend erschwert hat und dass ich die Ueber- zeugung gewonnen habe, dass in einigen Fällen es leichter fällt, ein neues Thier zu beschreiben und ihm seinen Platz im System einzuräumen, als sich durch die Diagnosen und Ansichten der Autoren über eine schon „bekannte*' Thier- form hindurch zu arbeiten. Nachdem ich, wie ich glaube, alle Autoren, welche des in Rede stehenden IMolches er- wähnen, durchgeblättert und etliche Ergebnisse meiner Untersuchungen aneinandergereiht habe, wurde mir klar, dass Megapterna montana allerdings schon und zwar mit Recht vom Euproctus Rusconii specifisch getrennt worden ist, dass sie aber weder ausführlich, noch tadellos, wie ich es im Nachfolgenden zu beweisen öfters Gelegenheit haben werde, beschrieben worden war. Abgesehen von der Form des Schwanzes und von Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 141 dem weniger gestreckten Habitus, stimmt der Körperbau der Megapterna moutana im Allgemeinen mit dem Triton überein. Der Körper erscheint allerdings und namentlich bei den weiblichen Individuen kürzer und gedrungener als es z. B. beim cristatus oder beim Triton Blasii der Fall ist und sieht eher demjenigen von Triton alpestris oder Tr. marmoratus ähnlich. Während der Zeit seines Land- aufenthaltes ist beim S a v i'schen Molche eine leichte Depression des Rumpfes zu bemerken. Das Männchen weist entschieden schlankere Formen auf, als das Weibchen. Beim letzteren ist der Rumpf gegen die Abdominal-Gegend zu bauchig verdickt oder aufgetrieben und verleiht ihm ein sogar ziemlich plumpes Aussehen. Diese Eigenthümlichkeit des Weibchens, nebenbei sei es bemerkt, beruht wohl ein fach darauf, dass es bedeutend mehr frisst als das Männ- chen. In beiden Geschlechtern ist der Rumpf an der Unterseite etwas abgeflacht, längs der Vertebrallinie ver- tieft und an den Flanken mit zahlreichen linearen verti- calen Impressionen versehen. Die Configuration des Kopfes ist, je nach dem Geschlechte, so sehr verschieden, dass man das Geschlecht schon danach allein zu bestimmen vermag; auf den ersten Blick könnte man sogar vermuthen, dass man es mit zwei verschiedenen Species zu thun hat. Der beim Weibchen lange, beim Männchen dagegen kurze Kopf ist beim letzteren vom Rumpfe gesondert, während beim crsteren fast gar keine halsartige Einschnürung wahr- nehmbar ist. Die Depression des Kopfes (bei Betrachtung desselben von oben) tritt beim Weibchen stärker hervor; sie erstreckt sich nämlich so ziemlich über die ganze Schädeldeckc , während beim Männchen die Parotiden- gegend stark aufgetrieben erscheint. Der grösste Breiten- Durchmesser des Kopfes geht beim Männchen ungefähr durch jene Region wo die Quadratbeine zu liegen kommen. Beim Weibchen dagegen erscheint der Kopf vom vorderen Rande der Augen angefangen bis zu seinem Ansätze an den Rumpf meistens gleich breit. Bei einigen mir vorlie- genden, weiblichen Megapternen geht der grösste Breiten- durchmesser des Kopfes durch die Augen. Die beim Männ- chen eher zugerundete, beim Weibchen (bei Betrachtung 142 J. V. Bedriaga: des Kopfes von oben) eher schwach abgesetzt aussehende Schnauze ist beim letzteren kürzer als beim ersteren. Die übrigens nur bei günstiger Beleuchtung deutlich sichtbare Abstutzung der Schnauze wird durch eine Vertiefung im Zwischenkiefer verursacht, welche beim Weibchen schärfer als beim Männchen ausgeprägt ist. Betrachtet man den Kopf der Megapterna von der Seite, so fällt die plattge- drückte Form- keineswegs dermassen auf, dass man sich geneigt fühlen könnte das Thier danach als einen platy- cephalen Molch par excellence zu bezeichnen (Vgl. Fig. 44). Die Depression des Kopfes im Gegentheil wird schon da- durch vermindert, dass die Augen stark hervortreten und nach oben gerückt erscheinen, dass ferner Parotidenwülste vorhanden sind und endlich, dass die Muskulatur in der Scheitelbeinregion stark entwickelt ist. Wenn Sa vi angiebt, dass die Augen bei seiner Megapterna montana von „me- diocre grossezza" sind, so beruht dies auf dem Umstände, dass diesem Gelehrten nur schlecht conservirte Sp^-itus- Exemplare dieses Molches zur Verfügung gestanden haben, bei denen die Augenbulbi in die Orbitalhöhlen eingezogen waren. Was die Grösse und Lage der Augen betrifft, so erinnert der corsikanische Molch, meiner Ansicht nach, einerseits an Salamandra maculosa, andererseits sowohl an Chioglossa lusitanica als auch an den italienischen Spelerpes fuscus. Die Parotiden und die Nasenlöcher sind deutlich er- kennbar. Namentlich kommen erstere beim Weibchen stark zum Vorschein. Die Nasenlöcher stehen genau auf der Grenze zwischen der Seiten- und Vordersicht des Kopfes; sie sind ziemlich weit von einander entfernt. Die Mundspalte ist gross. Sobald der Mund geöffnet und ein Druck auf die hinteren freien Enden des ersten Kiemenbogen-Paares verübt wird, erhebt sich die hintere Partie der Zunge (Vergl. Fig. 43) und die freien Ränder derselben werden sichtbar. Die fleischige, grosse, beinahe den ganzen vorderen Theil des Bodens der Mundhöhle einnehmende Zunge ist nämlich seitlich und hinten frei, vorn und in der Mitte ist sie aber angewachsen. Die Configuration der Zunge ist auf dem Bilde 39 angegeben. Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 143 Megapterna montana besitzt, — wie ich es bereits in meiner neuerdings im Zoologischen Anzeiger erschienenen vorläufigen Mittheilung über diesen Molch hervorgehoben habe — , das Vermögen ihre Zunge hinauszuschleudern um sich ihre Nahrung auf diese Weise zuzuführen (Fig. 38). Die Zunge kann allerdings bei diesem Molche nicht so weit hinausgestossen werden wie es beim Spelerpes der Fall ist und zwar aus dem Grunde, dass sie beim letzteren am Rande ringsum vollkommen frei ist, während dieselbe beim ersteren mit ihrem vorderen Rande am Kiefer fest- gewachsen und infolgedessen eigentlich nur herausschlagbar ist, also ähnlich wie es bei manchen Anuren z. ß. bei Phyllomedusa bereits beschrieben worden ist. Bei Megap- terna montana findet folglich nur ein Hervorschleudern des hinteren Theils der Zunge statt, das durch die Aus- dehnungsfähigkeit des Zungenstiels und der Zunge selbst zu Stande kommt. Diese Dehnbarkeit ist aber ziemlich bedeutend, wenn man bedenkt, dass das Thier die von ihm in der Entfernung von etwa 5— 6 mm sich befindenden Fliegen selten verfehlt. Die Gaumenzahnreihen ahmen entweder die Form eines umgekehrten lateinischen V (A) (Vergl. Fig. 3) oder eines ebenfalls nach rückwärts geöffneten Y (Ä) nach. Ueber die Beschaffenheit sowohl der Gaumen- als auch der Kieferzähne wird später die Rede sein. Die ziemlich kurzen vorderen und längeren hinteren Extremitäten sind schlank. Die Vorderbeine überragen beim Männchen um 1 mm die Schnauzenspitze; beim Weib- chen reichen sie entweder bis zur Schnauzenspitze oder nur bis zu den Nasenlöchern. Die Hinterbeine sind ge- wöhnlich halb so lang wie der Rumpf. Die Finger sind ziemlich breit und eher flach. Die hinteren Extremitäten beim Männchen weisen an den Fusswurzeln nach aussen zu abgerundete, scheibenför- mige Hervorragungen auf, welche ich bei der Beschreibung des Skelets nochmals zu berücksichtigen gedenke. Ich will nur noch in Betreff dieser sonderbaren Bildungen an den Hinterbeinen, welche ich auf dem Bilde 4 wiederzugeben versucht habe, bemerken, dass ich nicht mit Unrecht darauf 144 J. V. Bedriaga: hingewiesen habe, class Megapterna montana mangelhaft beschrieben worden ist. Sa vi selbst, dem wir die aus- führlichste Beschreibung dieses Caudeten verdanken, kannte die Geschlechtsunterschiede seiner neuen Species nicht; er erwähnt jedoch „einer sehr grossen Ferse", welche ihr zukommen soll. Sämmtliche Nachfolger Savi's geben aber bestimmt an, dass diese Hervorragung an der Fusswurzel ein ausschliessliches Kennzeichen der weib- lichen Megapterna montana, resp. des Weibchens des sowohl auf Corsika als auch auf Sardinien lebenden „Triton platycephalus" oder „Euproctus platycephalus Bonap." ist. So viel ich weiss ist Bonaparte der erste gewesen, der diese Entdeckung beim corsikanischen Molche gemacht haben wollte. ^^La femina", sagt der Prinz zu Canino, „maggiore in dimensione che il maschio, distinguesi a colpo d'occhio per un tuberculo assai sviluppato quasi a foggia di sprone posto nel margine poste- riore della gamba . . . f). Bonaparte, der die Savi'sche Megapterna vom Gene'schen Euproctus nicht zu unterschei- den vermochte und zwei verschiedene Formen als eine Art betrachtete, hat sich wohl durch die allem Anscheine nach falsche Angabe Gene's in Bezug auf den Euproctus Rus- conii ^) irre leiten lassen. De Betta, indem er sich den diesbezüglichen Ansichten Bonaparte's anschloss ohne die Thiere vorher anatomisch untersucht zu haben, machte sich die erfolgreiche Durchführung seiner Euproctus- resp. Mc- gapterna-Untersuchungen unmöglich. Die Angabe Bonaparte's „das Weibchen sei grösser als das Männchen", was in der Wirklichkeit nicht der Fall ist, beruht ebenfalls auf der Verwechselung der Ge- schlechter. Der beim Weibchen kurze und namentlich an seiner Wurzel verdickte, beim Männchen aber lange, in seinem ersten Drittel sehr breite Greifschwanz erinnert an den- jenigen des Pleurodcles Waltlii Mich, und der Glossoliga HagenmüUeri Lataste. Anfangs ist er oben ziemlich stark 1) Vergfl. seine Iconografia della Fauna italica. 2) Vergrl. seine Synopsis Reptilium eto. 1. c. „Fem in a tihiis posticis calcaratis." Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 145 abgeplattet und in der Medianlinie vertieft. Gegen die Mitte hin erscheint er von den Seiten zusammengedrückt, indess kommt die Comprimirung viel weniger zum Vor- schein, als wie wir sie bei den echten Tritonen kennen gelernt haben. Die Schwanzlänge und die Massenverhält- nisse der übrigen Körpertheile werde ich an einer anderen Stelle geben. Wenn die meisten Amphibiologen meinen, dass bei beiden Geschlechtern ein kegelförmig ausgezogener Cloakenhügel sich vorfinde, oder dass eine nach hinten wie ein stark vorragender Kegel aussehende Cloake der weiblichen Megapterna montana zukomme, so befinden sie sich in einem Irrthume, welcher sich, so zu sagen, vererbt hat. Der betreffende „Kegel" ist im Gegentheil nur bei der männlichen Megapterna montana vorhanden. Die Cloakenwandung erscheint nämlich je nach Umständen mehr oder weniger angeschwollen. Beim post-nuptias Indi- viduum kommt die Kegelform des Cloakenhügels weniger zum Vorschein; die Cloakencoufiguration erinnert eher an diejenige der Tritone, z. B. an diejenige des ausländischen Triton longipes Strauch (Vergl. Strauch's Revision der Salamandriden Gattungen, 1. c, Taf. 1, Fig. 2 b), unterschei- det sich aber von letzteren, — und dies ist zu beachten — , dadurch, dass die Cloake bei Megapterna montana nicht nach unten zu ihrer ganzen Länge nach gespaltet erscheint, sondern vielmehr mit ihrem Ausgang nach hinten schaut. Dabei greift die Cloakenöffnuug theilweise nach unten. Während der Excrementen-Ablage nimmt der Clo- akenwulst eine stark ausgeprägte Kegelform an M; noch stärker tritt der stumpfe Kegel hervor während der Brunst- periode (Vergl. Fig. 4). Die Cloakenwandung besitzt somit eine Turgescenzfähigkeit. Während der Turgescenz dieses Gebildes sind sehr hohe Falten an ihm sichtbar. Es bilden 1) Gleichzeitig sei hier bemerkt, dass das Männchen während der Ablage der Excremente seine kegelförmige Cloake mit den Hinterbeinen hin und her reibt und presst, was wohl auch während der Samenentlehrung stattfinden könnte. Die beschriebenen Hervorra- gungen an den Hinterbeinen dürften dabei zweckmässig sein. Archiv f. Naturg. XL IX. Jahrg. 1. Bd. 10 146 J. V. Bedriaga: sich nämlich durch eine Aufwulstung von innen, innere, lippenähnliche, accessorische Ränder, welche die Afteröff- nung umgeben (Fig. 6). Die äusseren Ränder der Cloake beim brünstigen Männchen erhalten lineare Impressionen und warzenähnliche Bildungen und die Afteröffnung selbst schaut nur nach hinten und nicht nach hinten und zugleich nach unten wie sonst. Bei der weiblichen Megapterna montana habe ich von dieser Kegelbildung nichts wahrnehmen können. Die Cloake ist hier flach und längsgespaltet; in der Mitte er- scheint die Spalte etwas breiter, was den Anschein giebt, als wäre das Cloakenorificium circulär. Die Cloakenlippen schwellen allerdings leicht auf während der iVbblage der Excremente; namentlich ist eine Aufwulstung an den vor- deren Lippenpartien erkennbar. Das nämliche findet wohl während dem Begattungsacte und dem Absetzen der Eier statt. Wirft man eine weibliche Megapterna in Weingeist, so scheinen die Cloakenlippen gleichfalls vorne etwas auf- getrieben. Es ist leicht möglich, dass der von Boulenger neuerdings beschriebene (1. c.) und mit dem provisorischen Namen „Euproctus platycephalus" bezeichnete Molch des Bruxeller Museums ein weibliches Individuum des corsi- kanischen Caudaten vorstellt. Sowohl die Worte Boulen- ger's „il n'y a pas de tubercule au tarse. L'anus est fai- blement tumefie, il est neanmoins conique et ä orifice cir- culaire" wie auch sonst die dem Bruxeller Exemplare zugeschriebenen Merkmale scheinen darauf hinzudeuten, dass der Verfasser eine in Alcohol conservirte, weibliche Gebirgs-Megapterna vor sich gehabt hat. Während der Laichzeit sowohl als wenn die Thiere im Wasser sich aufhalten erscheint die Hautdecke nahezu glatt und fast sich sogar schlüpfrig an. Sonst besitzt die Haut ein chagrinirtes Aussehen; eine grosse Anzahl dicht aneinander stehender winziger Körner sind nämlich auf allen oberen Körperregionen vertheilt. Was die Färbung und Zeichnung anbetrifft, so ist dieselbe allerdings von mehreren Forschern berücksichtigt worden. Da jedoch denjenigen Fachgenossen, welche die- sen Molch einigermassen ausführlich in ihren Werken be- Beitr. z, Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 147 handelt haben — ich habe hiebei besonders Sa vi, Bona- parte und De Betta im Auge — nur Alkohol-Präparate vorgelegen haben, sind die existirenden Beschreibungen des Farbenkleides bei Megapterna montana nicht ohne Mängel. Selbst Sa vi musste sich mit Weingeist-Exemplaren begnügen. „I due individui da me esaminati", sagt er, „essendo stati conservati in un spirito di vino assai forte sono un poco ritirati, ed il loro colore e sbiadito." Infolge- dessen enthält auch der Savi'sche Aufsatz nur die zwei folgenden Zeilen über das Farbenkleid seines Urodels: „II colore de' due individue da me posseduti e un grigio — cenerognolo minutamente punteggiato di nero.'' — Bona- parte äussert sich gleichfalls darüber in aller Kürze; er sagt nämlich in seiner Iconografia der Fauna italica: „II suo colore, certamente alterato dal potentissimo alcool in cui stette immerso, era al di sopra di un grigio cenerog- nolo assai cupo spruzzato minutamente di nero ; al di sotto era di un cenerino giallognolo." — Aus der neuerdings in den Annali del Museo Civico di Genova veröffentlichten Notiz erfahren wir *), dass „ Euproctus montanus " eine rostfarbige fleckenlose Kehle aufweist. Etwas ausführ- licher finden wir die Farben des corsikanischen, sogenann- ten Gebirgs-Euproctus von De Betta (1. c.) beschrieben. Die Oberseite des Körpers soll nach diesem Forscher ent- weder olivenfarbig, braun gefleckt, oder schwarz mit einem Stich ins Olivenfarbige (nerastro olivaceo) sein. Im ersteren Falle ist die Unterseite grau mit rostfarbigem Anfluge (cinereo rubiginoso) und ungefleckt, im zweiten Falle schmutzig grau, gleichfalls fleckenlos. Die Seiten sollen bei den schwarz-olivenfarbigen Individuen olivengrün er- scheinen. De Betta fügt hinzu, dass beim 38 mm langen Individuum der Rücken auf olivenbräunlichem Untergrunde beinahe durchweg braungefleckt ist und dass die unteren Partien des Körpers schmutzig grau mit einem braunen 1) Diese Notiz kenne ich nicht aus eigener Anschauung, sondern nur nach einem in den Atti del R. Istituto Yen. di sc. e lett. 1879 befindlichen Auszuge, Vergl, De Betta, Nuova serie di Note erpetologiche. 148 J. V. Bedriaga: Anfluge (annebiato di bruna) erscheinen; endlich, dass die 34 mm langen Larven oben schwärzlich, unten weisslich gefärbt sind. Was die früheren Angaben De Betta's über die Farbe seines Euproctus platycephalus anbelangt, so können wir dieselben hier nicht in Betracht ziehen, weil Megapterna montana und Euproctus Rusconii als eine und dieselbe Species von ihm beschrieben worden sind. Auch glaube ich kaum, dass De Betta bis vor kurzem den corsikanischen Molch gekannt haben dürfte. „Le parti inferiori", sagt er nämlich in seinen „Reptilien und Am- phibien der Fauna Italiens^ sind beim Euproctus platyce- phalus ;,cli color cinereo sporco piü o meno rubiginoso esparso di punti o di macchie oscure, ora fitte e confluenti, ora rare e molto discoste." Diese Farben dürfte möglicher- weise der sardinische Euproctus Rusconii aufweisen, bei Megapterna montana aber sind die unteren Körperregionen ganz anders gefärbt. Mit mehr Bestimmtheit können wir annehmen, dass die corsikanische Megapterna dem Verfasser der Herpeto- logia europaea im Jahre 1875 nicht vorgelegen hat, denn wir finden in der bereits citirten Arbeit Boul enge r's über die Euprocten die Bemerkung, dass dazumal Schreiber nur sardinische und pyrenäische Euprocten gekannt ha- ben soll. Die nach „gut erhaltenen Spiritus-Exemplaren" ver- fasste und in den Annali del Museo Civico di Storia naturale di Genova Vol. VII, S. 545 erschienene Charakteristik des Euproctus Rusconii bezieht sich auf Gene's in Sardinien, und nicht, wie es in dieser Schrift angegeben ist, auch in Corsika, einheimischen Caudaten. Die eingehende Beschreibung des Farbenkleides bei Megapterna montana dürfte somit von Nutzen sein. Megapterna montana tritt meines Wissens in zwei oder drei Fabenvarietäten auf. Bei der einen, welche ich als Var. marmorata bezeichnen will, ist die Grundfarbe der Oberseite des Körpers dunkel- oder olivenbraun. Hellgrüne, dunkelgrüne oder graugrüne Flecken heben sich, namentlich beim Weibchen, vom Grundtone ab. Diese verschieden geformten Flecken haben bei näherer Untersuchung des Beitr. z. Kenntnies d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 149 Thieres eine Tendenz, sich in mehrere Querreihen zu ordnen und sind von braunen Pünktchen, welche nichts anders als Wärzchen vorstellen, besäet. Auf den Schwanzseiten nehmen die Flecken entschieden an Grösse zu und ver- drängen beinahe gänzlich den Untergrund. Gegen den Bauch zu wird das Grün dieser Flecken heller; die Flecken fliessen meistens zusammen und bilden jederseits Längs- binden. Vom Nacken bis zur Schwanzspitze zieht sich eine gelbe, orangenrothe oder braungelbe Linie hin, welche übrigens öfters von den grünen Rückenflächen durchbrochen wird. Diese, meistens grelle Medianlinie geht nicht auf den Kopf über, sondern wird hier durch ein dunkelbraunes Band vertreten, das die Mittelzone der Kopfoberseite ein- nimmt, die Parotidenwülste trennt und gegen die Augen zu seitliche Aeste sendet. Die Schnauzgegend ist bräun- lich; die Wangen auf hellbraunem Grunde schmutziggrün gefleckt. Die Oberseite der Extremitäten ist auf Hellbraun graugrün gezeichnet. Die Finger erhalten oben hellbraune und graugrüne Querbinden. Was die Färbung der Unter- seite der Körpertheile anbelangt, so muss erwähnt werden, dass dieselbe von den durch die äusserst dünne Haut durch- scheinenden Organen beeinflusst wird. So z. B. wird die meistens vorherrschende graue Pigmentirung vorn durch die Farbe der Leber, in der Kehlgegend und an den Extremitäten durch das Roth der Blutgefässe beeinträchtigt. Der Bauch und namentlich die Bauchseiten erhalten eine bei vielen Individuen sehr stark ausgeprägte, milchweise oder gelb- lichweisse Beperlung. Oefters treten diese hellen Punkte so zahlreich auf, dass sie dem Bauche förmlich eine weiss- liche oder gelbliche Tinte verleihen. Die Pupille ist quer- oval. Iris goldgelb dunkelbraun besprenkelt. Diese Be- sprenklung tritt namentlich vorn stark auf. Auf der Kehle, besonders an den Kehlrändern, sind helle Punkte und Flecken vorhanden. Zur Brunstperiode treten selbstverständlich alle Far- ben etwas schärfer hervor; namentlich ist eine Sättigung derselben beim Männchen constatirbar. Ausserhalb der Paarungszeit aber erscheint das Männchen im Gegentheil weniger schön gekleidet als das Weibchen; es entwickelt 150 J. V. Bedriaga: sich bei ihm nämlich zu dieser Zeit der braune Grundton auf Kosten der grünen Fleckung, welche uns diejenige beim Triton marmoratus erinnert. Es sei jedoch bemerkt, dass sowohl die Form als auch die Zahl und Grösse der grünen Flecken ziemlich veränderlich ist und dass sie bald in schmalen Streifen, bald als deltaförmige Zeich- nungen oder Ocelli auftreten. Im letzteren Falle macht das Grün gewöhnlich einem goldgelben Tone Platz. Der Fundort dieser Farbeuvarietät ist Bastelica. Die in der Umgegend Bastias beobachteten und ge- sammelten Stücke der Megapterna montana sind durch ihre dunkle Grundf^rbung und ihre mit grünen Flecken marmorirte Zeichnung der vorhergehenden Spielart ähnlich. Die Flecken der oberen Körpergegend sind dunkel metal- lisch-grün und verdrängen die dunkelbraune oder schwarze Grundfarbe so sehr, dass dieselbe nur in Form von ge- schlängelten Linien durchbricht. Auf der Unterseite des Körpers ist der Untergrund braun oder dunkelbraun. Zahl- reiche vom Bauche auf die Flanken übergehende, zur Laich- zeit perlmutterglänzende Punkte heben sich vom dunklen Grunde ab und verleihen dem Thierchen ein schmuckes Aussehen. Iris kupferroth, mit einem schwarzen senkrechten Strich. — Diese, mit einem kurzen Schwänze und mit weniger rauher, ja beim Anfassen sogar schlüpfrig erschei- nender Haut versehene Megapterna montana dürfte meiner, meiner Ansicht nach, mit einem besonderen Subspeciesnamen bezeichnet werden, was ich übrigens denjenigen tiberlassen will, denen es vergönnt sein wird eine grössere Anzahl von Exemplaren zu untersuchen. Während diese im Norden Corsikas lebende Megap- terna montana locale Abänderungen in Form und Färbung aufweist, kommt bei Bastelica und zwar im Prunelli-Flusse noch eine dritte constante Farbenvarietät vor, welche mit der oben beschriebenen gemarmelten Form in Gemeinschaft lebt und viel einfacher gekleidet ist. Abgesehen von der orangengelben oder gelben, dorsalen Mittelbinde, welche auch auf den Schwanz übergeht, indem sie hier jedoch ihre Reinheit einbüsst, kommen bei ihr oben zwei Tinten von Braun vor und zwar ein Hellnussbraun, das sich ßeitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v, Corsika. 151 grösstentheils auf Kopf, Rumpf und Schwanz verbreitet und ferner ein braungelber oder grauweisser Thon, der jederseits in Form von einer Seitenbinde auftritt. Diese Seitenbinden trennen die dunkle Rückenzone von den nach aussen gelegenen, bald am Hinterrande der Augen, bald an der Achsel ihren Ursprung nehmenden und bis zu den Wurzeln der Hinterextremitäten und sogar darüber sich hinziehenden dunkelbraunen oder bräunlichen Streifen. Während die braungelben oder grauweissen Binden auf den Kopfseiten nur spurweise angedeutet sind und in den meisten Fällen nur als ein gelblicher Flecken in der Paro- tidengegend erkennbar sind, tritt die dunkle, eben erwähnte Streifung in den Schläfengenden des Thierchens und nament- lich zur Paarungszeit, scharf hervor. Bei genauer Besich- tigung dieser Form nimmt man eine spurweise Andeutung von helleren Flecken auf der Oberseite des Rumpfes wahr. Diese Flecken sind, wie wir es später sehen werden, nichts anders als die Ueberbleibsel derjenigen Mackeln, welche das Jugendgewand der Megapterna montana zieren und welche von der zuerst beschriebeneu Farbenvarietät zum grössten Theil beibehalten worden sind. Ferner entdeckt man, dass die hellen Seitenbinden aus einer Anzahl Flecken bestehen, welche in Längsreihen angeordnet und zusammen- geflossen sind. — Die ursprünglich reich vertretene Fleckung hat sich bei der uns hier interessirenden dritten Form des corsikanischeu Caudaten am besten auf den Schwanzseiten des ausgewachsenen Thieres erhalten, jedoch erscheint sie beim letzteren graugelb, oder gelblich, während die jungen Stücke grüne Mackeln aufweisen. Die oben dunkel- oder hellnussbraunen Extremitäten sind gelblich gefleckt. Der Bauch ist ähnlich colorirt wie bei der gemarmelten Form. Der Cloakenkegel erscheint ebenfalls wie dort gelblich rosa. Zur Laichzeit hellen sich die Farben sehr bedeutend auf. Das Dunkelbraun der Oberseite des Körpers wird gelbbraun und die Rumpfbinden erscheinen gelblichweiss. Bei einer von mir erbeuteten männlichen Megapterna ging die Aufhellung der Farbentöne so weit, dass sie nahezu gelblichweiss und stellenweise fleischfarben erschien. Bei einem andern Männchen waren auf dem Rücken hochgelbe 152 J. V. Bedriaga: Hieroglyphenzeichnungen zu sehen, welche jedoch alsbald im Aquarium eingingen. Junge Exemplare haben, wie bereits angedeutet, grosse Aehnlichkeit mit den weiblichen M. montanae marmoratae. Mir liegen zwei Altersstufen und zwar 48 mm und 54 mm lange Individuen vor, welche im Grossen und Ganzen von einander nicht abweichen. Entweder erscheint der schwarze oder bräunchlichschwarze Fond der Oberseite aller Körper- regionen durch verästelte und untereinander sich verei- nigende, grosse grassgrüne Mackeln unterbrochen und zum Theil verdrängt, oder es treten auf dem Untergrunde kleine, bald grüne, bald metallisch-grüne Ocelli, oder unregel- mässige zusammengeflossene Fleckenstreifen auf, welche der Quere des Rückens nach sich hinstrecken. Oben an den vorderen und hinteren Ecken der Augen sind gold- gelbe Fleckchen vorhanden; bei dunkelgefärbten Exem- plaren treten diese besonders glänzend auf. Von dieser Zierde — , welche eher dem Hochzeitsgewande angehören müsste, denn bei fast allen tritonartigen Urodelen tritt be- kanntlich der Silber- oder Goldglanz während der Liebes- periode stark hervor — , ist meistens bei den Alten keine Spur vorhanden. Nur bei einigen intensiv colorirten ge- schlechtsreifen Megapternen habe ich an der Schnauzen- gegend und am Hinterrande der Orbita eine constante goldgelbe Betupfung oder eine silberglänzende Punktirung auf der Kehle und am Bauche entdecken können. Diese Abwesenheit des Metallglanzes bei den lungenathmenden Exemplaren ist umsomehr auffallend, als die Larven damit reichlich versehen sind. Die Mittellinie auf dem Rücken tritt bei den Jungen im Allgemeinen viel deutlicher her- vor als bei den Alten ; sie erscheint sehr grell orangenroth oder goldgelb. Die 45 mm langen Larven sind, sobald sie im tiefen Wasser sich befinden, schwarz, mit Ausnahme der eben erwähnten goldgelben oder rostrothen Dorsallinie. Setzt man aber diese Larven in ein niedriges, mit Wasser ge- fülltes Gefäss, so hellt sich die Farbe alsbald auf und man nimmt wahr, dass die dunkle Färbung nicht gleich- massig über die Oberseite des Körpers vertheilt ist, son- Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 153 dern vielmehr, dass letztere eine grössere Anzahl eng aneinander auf stahlgranem oder gelbgrauem Grund liegen- der schwarzer Flecken aufweist. Auf den Seiten des Kör- pers und namentlich an den Lippenrändern zeigen sich die Flecken von einem gelben irisirenden Farbstoffe um- geben und erscheinen sowohl an den Bauchgrenzen als auch auf den Schwanzseiten ästig und mit mehr oder weniger deutlichem, braunem Anfluge versehen. Der durch- sichtige Flossensaum am Schwänze zeigt schwach ausge- sprochene graue Flecken. Der Bauch und die Kehlgegend erhalten ebenfalls graue Flecken, deren Contoure häufig verwischt sind. Die Haut unten ist so dünn, dass man Leber, Magen und Gedärme unterscheiden kann. Die Fuss- sohlen sind ungefleckt, hellgrau. Die Kiemen endlich, bur- gunder- oder lilaroth. Der so auffallende Unterschied zwischen den Farben der Larven der Megapterna montana, je nach dem sie sich in mehr oder weniger tiefem Wasser befinden, bewegt mich zur Annahme, dass die Amphibien nicht nur bei „Ent- ziehung des Lichtes und Herunterstimmung des Nerven- systems", sondern auch im Wasser überhaupt und speciell im tiefen Wasser öfters dunkel werden. Die Larven der Gebirgs-Megapterna werden z. B. bedeutend heller, je mehr sie sich ihrer endgültigen Metamorphose nähern und weniger tiefe Reservoire aufsuchen. Das Schwarze ändert sich in Schwarzbraun oder Olivenbraun um; das Stahlgrau oder Gelbgrau macht anfangs dem braungelben oder grünlichen Tone Platz, welcher erst später in Sattgrün übergeht. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass sowohl die ausgewachsenen Megapternen als auch Discoglossus pictus, den ich öfters auf Corsika zu beobachten Gelegenheit gehabt habe, im Wasser dunkler erscheinen als auf dem Lande. Leydig erwähnt eines ähnlichen Falles bei Rana platyr- rhinus. Wenn im Gegentheil bei Tritonen, namentlich bei den kleineren Arten, die Farben während ihres Aufenthaltes im Wasser heller und schöner auftreten als sonst, so ist das wohl durch die Geschlechtsthätigkeit hervorgerufen und mit Recht als Hochzeitsschmuck bezeichnet worden. 154 J. V. ßedriaga: Megapterna montana sowohl als Pleurodeles Waltlii, Glos- soliga HagenmüUeri Lataste und noch andere Arten ge- hören aber zu denjenigen Formen, bei denen die periodisch wechselnden secundären Sexualcharactere gar nicht oder nur in sehr unbedeutendem Grade auftreten. Es entwickeln sich nämlich bei ihnen weder auffallend metallisch glänzende Zeichnungen, Rückenkämme, Schwanzflossen noch hohe Schwanzsäume; die Hinterzehen erhalten keine Schwimm- häute mit denen sogar ein Landmolch — der Spelerpes fuscus — versehen ist; in der Haut endlich treten entweder keine auffallende oder überhaupt gar keine Veränderungen auf. Ob diese Eigenthümlichkeiten von den eben genannten Urodelen noch nicht erworben oder von ihnen schon ein- gebüsst worden sind bleibt fraglich. Die Thatsache, dass diejenigen tritonenartigen Caudaten, bei denen es zu keiner Kammbilduug konmt, meistens eine höhere Organisations- stufe aufweisen als die übrigen, bewegt mich zur Annahme, dass speciell diese secundären Sexualcharaktere nachträg- lich verloren gegangen sein dürften, dass dagegen neue Charaktere, wie z. B. Lataste'sche, sog. copulatorische Bürsten u. s. w. an deren Stelle aufgetreten sind und dass diese selbstverständlich im Zusammenhange mit einem anderen Begattungsmodus stehen. Was die Gestalt der Megapterna-Larven anbelangt, so will ich bemerken, dass letztere den Axolotln im Allgemeinen ähnlich sieht (Vergl. Fig. 45). Nur ist ihre flache, vorn abgerundete Schnauze länger als bei letzteren. Die vertiefte Vertebrallinie ist bei den 40 mm langen Larven sichtbar. Auf den Seiten des Rumpfes und Schwanzes sind Falten oder lineare Impressionen vorhanden. Die Augen sind nach oben gerückt. Die buschigen Kiemen erscheinen kurz, wenigstens bedeutend kürzer als es z. B. bei der Larve des Triton alpestris oder Tr. palustris der Fall ist. Der Hautsaum an der Oberlippe ist bogig geschwungen und verdeckt seitlich den Unterkiefer gänzlich, vorn aber nur zum Theil. Ungefähr am Gelenk-Ende vom Unter- kiefer ist dieser Saum zweilappig und mit seinem inneren Lappen an den Unterkiefer selbst angewachsen. Es ent- steht auf diese Weise eine Art von Blindsackbilduug. Nach Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 155 stattgefundener Metamorphose bleibt sowohl von dieser Blindsackbildung als auch vom herabhängenden Oberlippen- saume nur eine Spur übrig. Der Unterkiefer wird länger und der wenig breite Mundschlitz der Larve bildet sich zu einer grossen Mundspalte aus. Das Thierchen schnappt nicht mehr nach seiner Nahrung, sondern kann von jetzt an seinen Mund weit öffnen und seine früher unansehn- liche, vom Mundboden sich nur wenig abhebende, jetzt aber längliche, ovale Zunge herausschlagen und mittelst eines Secrets die Insekten aufnehmen und dieselben dem Munde zuführen. Zu dieser Periode treten die Augen aus den Orbitalhöhlen stark hervor und die oberen Augen- lider nehmen an Ausdehnung zu. Das bei den 12 bis 20 mm langen Larven parallel mit der Oberkieferzahnreihe stehende Sphenoidalzahnreihenpaar nimmt allmählich die Gestalt eines umgekehrten U an (die Schenkeln erscheinen selbstver- ständlich getrennt); später nähern sich die nach vorn ge- richteten Enden der Schenkeln des U, verlieren an der Stelle, wo sie zusammentreten ihre bogige Gestalt und nehmen bei den 35 bis 40 mm langen Larven die Form eines nach rückwärts geöffneten V (A) an. Bei älteren Stücken macht häufig die V-Form der Gestalt eines eben- falls umgekehrten Y (Ä) Platz. Die Kiemenbüschelrückbildung findet während der Umwandlung am allerersten statt. Ein Schlitz persistirt am Halse ziemlich lange Zeit hindurch. Der ursprünglich hohe, an der Basis des Schwanzes seinen Ursprung neh- mende, obere and untere Hautsaum wird gänzlich einge- büsst. Endlich treten grüne Farbentöne auf und die glatte Beschaffenheit der Haut verschwindet. Die 10 bis 15 mm langen Larven sind unten gelblich und ungefleckt, oben gelblichweiss mit schwarzen Pünkt- chen besetzt, welche gewöhnlich intensiv schwarz am Schwanzsaurae sich zeigen. Bei etwas älteren, etwa 20 bis 25 mm langen Stücken vermehren sich die dunklen Flecken; sie treten jedoch verschwommen auf. Die dunk- len — , schwarzen oder grauschwarzen Flecken — , ver- drängen allmählich den hellen Untergrund und gehen auf die Seiten des Bauches über. Bei noch grösseren Larven 156 J. V. Bedriaga: erhält auch die Mittelbauchzone dunkle Tupfen. Kehle, Abdomen und Unterseite der Beine bleiben ungefleckt; sie sind gelblichgrau. Endlich bei den 40 mm langen Indivi- duen nimmt die schwarze Farbe auf allen oberen Körper- gegenden entschieden Oberhand, denn jetzt erscheint der braune oder graue Untergrund blos in Form von Flecken. Die orangenrothe dorsale Mittellinie tritt auf, begleitet von einem Goldglanz, der sich auf den Seiten der Larve ver- breitet. Die Kiemenbüschel lassen da, wo sie weniger stark schwarz pigmentirt erscheinen, das Roth des Blutes deutlich durchscheinen; an den übrigen Stellen gibt das mit Schwarz gemengte Roth eine burgunderrothe oder violette Tinte. Was die hellen, oben erwähnten Punkte auf der Bauchseite der erwachsenen Megapterna montana anbelangt, so ist zu bemerken, dass sie erst beim lungenathmenden Jungen auftreten. Anfangs ist diese Punktirung goldgelb und spärlich vertreten, nachträglich wird die Anzahl der Punkte grösser, dieselben werden heller, weisslich und greifen über die Kehle. Vom Anus an bis zur Schwanz- spitze zieht sich eine fleischfarbene oder graugelbe Linie hin, welche auch in der Regel von den Ausgewachsenen beibehalten wird und als Rest des unteren Schwanzsaumes der Larve betrachtet werden muss. Die Hervorragung an der hinteren Kante des Unterschenkels, welche wir beim ausgewachsenen Männchen beschrieben haben, ist bei den Larven nicht vorhanden. Sie tritt erst im fünften oder sechsten Monat, nach vollzogener Verwandlung, sichtbar auf. Am Skelet ist sie allerdings schon früher constatirbar. Der Cloakenhügel ist zu, dieser Zeit noch nicht ausge- bildet; Männchen und Weibchen sehen sich folglich in dieser Beziehung vollständig ähnlich. Die Details in Maassen ^) der Megapterna montana sind folgende: ^ $ Larve ") Totallänge des Thieres 9,7 8,9 5,1 Länge des Kopfes ....... 1,2 1,3 0,9 1) Die Maasse sind in Centimetern ausgedrückt. 2) Ausgewachsene, verwandlungsfähige Larve. Beitr. z. Kenntniss d. Amphibien u. Reptilien d. Fauna v. Corsika. 157 Rinne zusammenfällt. Es ist kein Zweifel mehr, wir haben es hier mit den mehrfach erwähnten, rinnenförmigen Anfangstheile des Schlundkopfes zu thun, der sich hier als der Einführungsgang desselben zu er- kennen giebt, und unter demselben mit dem auf compli- cirtere Weise entstandenen, weiter unten genauer zu er- örternden Ausführungsgange der Spritze. An die Rinne legen sich die, im weitern Verlaufe, das grössere, obere Lumen umschliessenden Theile der Maxillen an, während die das kleinere, untere begrenzenden annähernd den Aus- führungsgang der Spritze umfassen. Aber als den Einführungsgang des Schlundkopfes haben wir bisher nur eine nach oben offene Rinne kennen gelernt, und doch ist es nöthig, soll ein Saugen stattfinden, dass ein luftdicht verschlossenes Rohr gebildet wird. Dazu dient die Oberlippe. Die Einführungsrinne des Schlundkopfes wird genau von diesem Gebilde überdeckt, welches zudem, zur weitern Herstellung eines luftdichten Verschlusses, durch die bereits erwätnte Verfalzung mit der Unterlippe (Fig. 6) fest an diese und die Borsten angedrückt erhalten wird und endlich noch die gleichfalls mehrfach erwähnte Füh- rung mit den Mandibeln bewerkstelligt. Die untere La- melle der Oberlippe aber geht, wie uns der Längschnitt lehrte, ganz continuirlich in die Innenfläche des Schlund- kopfes über. Der Einführungsgang des Schlundkopfes und der Aus- führungsgang der Spritze verschmälern sich rasch, die Rinne giebt ihre Führung mit den Maxillen auf, legt sich 340 Otto Geise: als äusserst feine Lamelle scliliesslicli der Innenfläche der oberen Maxillarröhre an und endigt etwas später, als der Gang der Spritze, welcher mit seiner Verschmälerung zu- gleich seine obere Verbindung mit der Rinne fast gänzlich aufgiebt und so von den zusammenstossenden und in Füh- rung sich vereinigenden untern Theilen der Maxillen um- fasst wird. Indem nun zugleich oben die Maxillen mit ihren Falzen ineinander greifen, stellen sie jetzt zwei streng von einander geschiedene , luftdicht verschlossene Röhren dar, das Einführungsrohr für den Schlundkopf, das Ausführungs- rohr für die Spritze. Nur kurz sei hier noch auf eine Thatsache aufmerk- sam gemacht. Der Ausführungsgang der Spritze nämlich wendet sich bei allen von mir untersuchten Arten constant in seinem weitern Verlaufe zur Seite, so dass das ursprüng- lich — abgesehen von der geringen, durch die Führung verursachten Störung — vollkommen symmetrische Bild, welches die Maxillen anfänglich im Querschnitte bieten, nach vorn zu sich verrückt und dann in der Weise, wie Fig. 5 uns zeigt, auffallend unsymmetrisch erscheint. Die Verschiedenheit in der Führung der beiden Ma- xillen, auf welche wir schon aufmerksam wurden und welche darin bestand, dass unten die Längsrinnen über- greifend gestaltet waren und zwar in ausgeprägter Weise, oben aber nicht, erklärt sich auf sehr einfache Art. Wenn wir uns nämlich vorstellen, dass die Borsten durch Con- traction ihrer Muskeln vor- und zurückgeschoben werden — wie dies ja in der That geschieht — so erscheint es offenbar nothwendig, dass die von den Seiten des Kopfes her convergirenden und dem Schlundkopfe sich anschmiegen- den Maxillen die Möglichkeit haben , sich von einander abzuheben und wieder mit einander zu vereinigen. Denn es erhellt, wenn wir uns die Maxillen etwa im Zustande des Vorstosses denken, dass ein Theil derselben, durch Falzung augenblicklich noch vereinigt, beim Rückzuge durch das Divergiren nach den Seiten hin, diese Vereini- gung aufgeben und ferner, dass die Länge dieses Theiles der Grösse des möglichen Verstosses entsprechen Die Mundtheile der Rhynchoten. 341 muss. Eine feste Führung, welche ein leichtes Abheben verhindert, würde also hier durchaus nicht am Platze sein und so sehen wir , dem Bedürfniss vollkommen ent- sprechend, einfache Längsleisten, welche sich in einfache Rinnen beim Zusammentreten der Borsten einlegen, beim Auseinanderweichen derselben aber ebenso leicht wieder von ihnen abheben können. Der erforderliche feste Schluss wird jedoch auch hier nicht vermisst, er wird vielmehr bewerkstelligt durch die hier allein sich findende Führung der Mandibeln. Denn dass durch diese Einrichtung ein seitliches Ausweichen auch der Maxillen verhindert wird, liegt auf der Hand. Es dürfte nun, ehe wir an die Besprechung des Aus- führungsganges der Spritze und dessen Ventilirung gehen, am Platze erscheinen, etwas über die morphologische Stellung des Schlundkopfes zu sagen , da sich nach der Erörterung der dabei in Frage kommenden Thatsachen der Bau dieses Ganges leichter verstehen lässt. Zunächst sei bemerkt, dass es sich bei dem Schlund- kopfe zwar um eine physiologische, nicht aber, wenigstens nicht in seiner Gesammtheit auch anatomische Einheit handelt. Der Schlundkopf setzt sich zusammen, wir haben das schon früher gesehen, aus einer äussern und einer sich ihr anlegenden Innern Fläche und zwar stellt jene die Hypopharyngeallamelle, wie ich sie nenne, dar, diese aber die Epipharyngeallamelle. Schon die altern Autoren haben dies Verhältniss rich- tig erkannt, indem sie die „Wanzenplatte", welche der untern Fläche des Schlundkopfes entspricht, mit dem Namen ligula oder auch Hypopharynx benannten. Einen echten und wirklichen Hypopharynx stellt in der That wenigstens die frei aus dem Kopfe hervorragende und von den Borsten umschlossene Schlundkopfrinne dar. Was die Epipharyngeallamelle anlangt, so sahen wir schon auf dem grossen Längsschnitte eine untere Lamelle der Oberlippe, e, welche sich durch e' continuirlich in e'', e''', e"" und schliesslich in die obere Wand des Oeso- phagus und dann auch des Darmes fortsetzt. Diese Lamelle 342 Otto Geise: ist es, welche ich mit dem Namen der Epipharyngeal- lamelle bezeichnen möchte. Ich spreche da von Lamellen; die Betrachtung des Querschnittes in Fig. 9 wird dies erklären. Der Schnitt ist etwa durch die Mitte des Spritzenganges gelegt. Er zeigt uns den Kopf an dieser Stelle aus drei weniger mit einander verwachsenen, als vielmehr nur lose zusammen- hängenden Theilen bestehend. Auf Schnitten, welche weiter nach hinten durch den Kopf gelegt werden, erscheint dann zunächst die äussere Wand der drei Theile mit einander fest verwachsen oder besser noch nicht getrennt, die hier noch lose sich berührenden innern Flächen verschmelzen mit einander, geben ihre Verbindung mit der äussern Kopf- wand auf, e" und h' werden zu dem frei in der Höhlung liegenden hintern Theile des Schlundkopfes und schliess- lich zu Oesophagus und Darm, 1 e' und hh gehen in die Bildung der Spritze ein. Der von den Wänden le' und li' eingeschlossene Theil ist die Unterlippe, deren erwähnte Wände wir auch im Längsschnitte mit denselben Buchstaben bezeichnet vor uns haben. Die Epipharyngeallamelle muss man, soweit sie, wie in dem Querschnitte e", frei von den übrigen Theilen des Kopfes sich abhebend erscheint, als den innern Theil einer lefzenartigen Faltung des Munddarmes und der Kopf- wandung auffassen, was natürlich geradeso von der Hypo- pharyngeallamelle gilt, die also nichts, wie man dies wohl angenommen, mit der Unterlippe zu thun hat. Sehen wir uns nun einmal den Querschnitt etwas näher an , so bemerken wir , dass die Hypopharyngeal- lamelle eine complicirte Einstülpung treibt , deren eine Portion sich um die äussere Seite der Maxillen und Man- dibeln schlägt und mit letztern in Führung tritt. Die andere Portion schlägt sich an die doppelt ausgehöhlten, innern Flächen der Maxillen hin und tritt auch hier mit den drei Kanten derselben durch Führung in Verbindung. Es wird uns nicht schwer werden , an dieser sonderbaren Einstülpung der Hypopharyugeallamelle die schon früher mehrfach erwähnten Führungsleisten wieder zu erkennen, Die Mundtheile der Rhynchoten. 343 die also auch einen complicirteren Bau aufweisen, als auf den ersten Blick zu vermuthen war. Aber auch unten zeigt sich die Lamelle h h des mitt- leren Kopftheiles complicirt nach oben eingestülpt, in einer Weise, wie es die Figur erkennen lässt. Diese Einstülpung leitet uns nun endlich zu dem oft schon erwähnten, com- plicirt ventilirten Gang der Spritze über, indem sie den obern Theil desselben vorstellt. Seine untere Begrenzung wird von der Lamelle 1 e' gebildet , welche sich hier zu beiden Seiten an h h eng anlegt. So ohne Weiteres wird uns nun allerdings die Con- struction des Ganges nicht verständlich sein ; nehmen wir daher den Längsschnitt und eine Durchschuittszeichnung der Spritze und ihres Ganges, von oben gesehen (Fig. 10a) zu Hülfe. Die Lamelle h h des Querschnitts ist auch im Längs- schnitte mit denselben Buchstaben bezeichnet worden, ebenso 1 e'. Es ist nun die Spritze wohl als eine Einstülpung des Munddarmes zu betrachten, welche, im Laufe der Entwick- lung nach vorn gerückt, als eine Einstülpung des eigent- lichen Hypopharynx erscheint und deren obere Wand h h wir auch noch mit dem Hyopopharynx in continuirlichem Zusammenhange sehen, während die untere, mit der La- melle der Unterlippe fest verwachsen, den Anschein bietet, als ob sie dieser selbst angehöre. In die nunmehr von der Unterlippenlamelle le' und hh gebildete Röhre, welche sich nach unten bedeutend er- weitert, um schliesslich in die Hohlkugel der Spritze selbst überzugehn, schlägt sich nun die Lamelle hh, als h'h' seit- lich ein, so jedoch, dass im Anfange des Ganges noch ein von diesen Einfaltungen nicht erfüllter Hohlraum bleibt. Diese selbst sind natürlich nach der Spritze zu, also am Beginne des Ganges geschlossen, da ja die Lamelle h'h' auch die Wand der Spritze bilden hilft; ausserdem setzen sie sich nicht bis ans Ende des Ausführungsganges fort, sondern endigen etwa im vorletzten Drittel, nachdem sie zuvor sich selbst, 1 e' und zuletzt auch den oberen Theil h h berührend, den sich verengernden Ausführungsgang vorn geschlossen haben. Fig. 10a mag Anfang und Endigung 344 Otto Geise: der Einfaltungen in der Durchsicht zeigen. Im Längs- schnitte , der ja nicht ganz sagittal geführt ist , mussten eigentlich die Einfaltungen getroffen sein, doch würde eine Einzeichnung eher zur Verwirrung, als zur Aufklärung bei- getragen haben und ist deshalb vermieden worden. Zum letzten Verständniss der Zusammenfügung der einzelnen Theile müssen wir uns nun nach vorn und oben alles einander genähert denken: hh verschmilzt mit der Hypopharyngeallamelle h', deren Einstülpung diese Wand ja nur darstellt, die Einfaltungen h'h' haben aufgehört, es ist also der Gang der Spritze im Querschnitt einfach rund zu denken, die Borsten rücken in die Höhe und treten unter gleichzeitigem Schwinden der Führungsleisten mit der Lamelle e der Oberlippe und dem rinnenförmig aus- laufenden Schlundkopfe h' und h in Führung. So leitet sich denn der ganze Complex allmählig zu den Verhältnissen über, deren Bild uns Fig. 8 gab. Die. Rinne des Schlundkopfes oben, unten ein Rohr, getrennt durch eine gemeinschaftliche Wand, welche eins ist mit den verschmolzenen oder noch nicht getrennten h' und hh. Das Rohr stellt natürlich den Ausführungsgang der Spritze dar, dessen untere Wand die hier noch nicht mit der Unter- lippe verwachsene, ursprüngliche Hypopharyngeallamelle oder vielmehr deren Einstülpung ist. Stellen wir uns nun die gefundenen Thatsachen zu einem Gesammtbild von dem Bau des Ganges zusammen, so erhalten wir einen trichterförmigen , mit elastischen Wänden — denn solche stellen die Einfaltungen h'h' ent- schieden doch vor — versehenen Hohlraum, der vorn durch das enge Aneinanderlegen dieser elastischen Wände ge- schlossen erscheint, sich dann aber wieder, wie in Fig. 10 a zu sehen, erweitert und schliesslich in der geschilderten Weise in die untere Borstenröhre einmündet. Fragen wir uns uun nach dem Zwecke der sonder- lichen Bildung des Spritzenganges, so werden wir bald die Ueberzeugung gewinnen, dass damit eine Einrichtung ge- troffen ist, welche wohl dem in der Spritze angesammelten Secrete bei dem Drucke des rückspringenden Stempels ge- stattet nach vorne in die Borstenröhre hinauszudringen, nicht Die Mundtheile der Rhynchoten. 345 aber auch umgekehrt, bei der Pumpbewegung des Stempels der äussern Luft oder den Flüssigkeiten, welche die offene Borstenröhre umgeben, durch dieselbe in die Spritze zu gelangen, welch' letztere Möglichkeit natürlich mit dem Zwecke des ganzen Apparates in directem Widerspruche stehen würde. Der Ausführungsgang, der in seinem vorletzten Drittel von den hier sich eng aneinanderlegenden elastischen Pol- stern für eine kurze Strecke ganz geschlossen erscheint, ist dadurch erklärlicher Weise für äussere Dinge so gut wie unzugänglich. Von innen gesehen ist die Sache an- ders. Denken wir uns nämlich die Spritze mit Secret ge- füllt und den Stempel im Rückspringen begriffen, so drückt letzterer natürlich nach hydrostatischen Gesetzen mit über- wiegender Kraft den Inhalt durch den Trichter, dessen elastische Wände dem Drucke nachgebend von einander weichen und vorn sich öffnen, nach aussen in die Röhre der Borsten. Wir haben im Verlaufe unserer Untersuchung nun schon oft von dem Einführungsgange des Schlundkopfes und von dem ihm zugehörigen Zuleitungsrohre der Ma- xillen gesprochen. Sehen wir nun einmal, wie denn in letzter Instanz unser Thier sich den Zugang zu seinen Nahrungsquellen verschafft. Es lässt sich im Voraus mit Sicherheit vermuthen, dass es eben die Borsten sind, welche, durch die mehrfach erwähnten, wenn auch noch nicht näher beschriebenen Muskeln vorwärts gestossen , verletzend durch die Be- deckungen der unserm Thiere zur Nahrung dienenden Ge- schöpfe eindringen. Wie wir uns aber überzeugen, dass dem wirklich so ist, sehen wir den Lanzettwaffen der Borsten ein anderes zum Munde gehöriges Gebilde zu Hülfe kommen, dessen wir, obgleich es das bei weitem ansehn- lichste und in die Augen fallendste ist, doch nur vorüber- gehend Erwähnung gethan haben; ich meine die Unter- lippe. Bei der Contraction ihrer Muskeln werden die Borsten allerdings nach aussen aus dem Kopfe hervorge- stossen, aber bei der ausserordentlichen Feinheit der be- treffenden Gebilde würde ein solches Vorwärtsstossen der- 346 Otto Geise: selben nie und nimmer, trotz der Verfalziing der Maxillen, im Stande sein, den Widerstand zu überwinden, der sich ihnen in Gestalt der Bedeckung des Nahrungsobjeetes ent- gegenstellt. Auch wäre nicht abzusehen, warum etwa die nicht verfalzten Mandibeln sich zur Verstärkung des Ma- xillarrohres dem letztern fest anlegen sollten. So wird denn, um eine nothwendige Eröffnung der Nahrungsquelle zu ermöglichen, das feine, biegsame Doppel- rohr der Mandibeln und Maxillen, fest umschlossen von einem gewaltigen dritten Rohre, der Unterlippe. In diese nämlich senken sich, wie wir ja wissen, die Borsten ein, vermögen nun in ihr, als einer festen Scheide, gleichsam als der Fortsetzung der Führungsleisten, in welchen sie im Innern des Kopfes verliefen, auf- und abzugleiten und nehmen so, wie es nöthig ist, Theil an der Festigkeit der Scheide, ohne ihre eigne, ebenso nothwendige Biegsamkeit zu verlieren. Aber die Unterlippe unsrer Thiere ist noch mit einer andern Function betraut. Denn ausser ihrer Bedeutung als Führungs- und Schutzeinrichtung kommt ihr noch die Eigenschaft eines sehr beweglichen und äusserst empfind- lichen Tastorganes zu. Auf diese Weise aber sehen wir durch Arbeitstheilung, eine Mannigfaltigkeit der Functionen des ganzen Schnabels ermöglicht, welche etwa feste, starre Chitinborsten niemals erreichen konnten. Das mit reichen Tasthaaren und Tastknöpfchen ver- sehene Ende der Unterlippe hat augenscheinlich für unsre Thiere eine grosse Bedeutung. Denn durch dies endstän- dige Tastorgan der Unterlippe sind die Thiere in den Stand gesetzt, zuvor genau die Beschaffenheit der zu durchbohren- den Bedeckung ihres jeweiligen Nahrungsobjeetes zu prüfen, ehe sie durch das kräftige Vorstossen der Stichwaffen in das innere Gewebe einzudringen versuchen. Was nun den Act des Stechens selbst anlangt, so sehen wir hierbei den Mandibeln die erste und schwierigste Rolle zugetheilt, ganz nach Art der Thätigkeit der homo- logen Organe bei den kauenden Kerfen. Betrachten wir nämlich eine lebende Notonecta unter einer starken Lupe und suchen sie zum Stechen zu reizen, Die Mundtheile der Rhynchoten. 347 was uns leicht gelingt, so bemerken wir, wie zuerst aus der festen, geschlossenen Röhre der Unterlippe mit plötz- lichem Verstösse die scharfgeschliffenen Klingen der Man- dibeln hervordringen, also zunächst in das Gewebe des Nahrungsthieres einschneiden würden. Jetzt erst in zweiter Linie schiessen auch die Maxillen aus dem Rohre, wenn ich so sagen darf, der Mandibeln hervor und zwar sehr weit und mit bedeutender Schnelligkeit. Sie eben sind es, welche von grösserer Länge, als die Mandibeln, durch das von jenen bereits eröffnete festere Gewebe in die säftereichen Weichtheile des Nahrungsthieres eindringen und nun die vorhandene Nahrungsflüssigkeit dem saugenden Schlund- kopfe zuleiten. Der ganze Vorgang gewährt den Anblick eines mit auffallender Akkuratesse arbeitenden Mechanis- mus. Bei festestem Schlüsse der einzelnen Theile gleiten diese doch so leicht und schnell aneinander hin, dass ich stets mit Interesse ihren Bewegungen gefolgt bin. Jetzt endlich, nachdem wir die Verschiedenheit in dem Bewegungsausschlag zwischen Maxillen und Mandibeln kennen gelernt haben , mögen auch die oft erwähnten Muskeln der Borsten genauere Erörterung finden. Ganz einfach gestaltet sich die Muskulatur der Man- dibeln. Ein m. protractor setzt sich an der Aussenfläche der verbreiterten Basen der betreffenden Kiefer an und geht, aufwärts parallel mit den Führungsleisten verlaufend, in der Nähe der Austrittsstelle der Borsten an die Hypo- pharyngeallamelle heran: er besorgt den Verstoss der Mandibel. Sein Antagonist, der m. retractor, bedeutend kleiner, beginnt mit einer feinen Chitinsehne, in welche die Man- dibelbasis sich auszieht, und inserirt an der hintern Kopf- wand : er besorgt also das Zurückziehen der Borste. Eigenthümlicher gestaltet sich aber der Bewegungs- mechanismus der in mancher Beziehung schon ausgezeich- neten Maxillen. Es handelt sich nämlich bei den Maxillen, wie wir bemerkt , um einen sehr weiten Verstoss in das weiche Gewebe. Diesen in hinreichend ausgiebigem Masse zu er- zielen, war die Contraction eines einfachen, von der Basis 348 Otto Geise: der Borste bis zum Zügel verlaufenden Muskels, etwa wie bei der Mandibel, nicht im Stande. Denn bei der Man- dibel sehen wir ja bereits die ganze Länge des verfügbaren Raumes von dem m. protractor durchsetzt, ohne dabei den Bewegungsausschlag der Maxille wahrzunehmen, während doch der Ausschlag einer Muskelcontraction oifenbar von der Länge des betrejßfenden Muskels abhängt. Dem Bedürfniss nach einer grössern Vorwärtsbewe- gung wird nun in vollkommener Weise durch die sinn- reiche Hebelvorrichtung genügt, welche Fig. 18 uns vor- führt. Die Zeichnung ist in die Ebene projicirt. Wir haben in a die untere, seitliche Wand des Kopfes, in c den Ba- saltheil der Maxille vor Augen, an welche sich hinten in mr der m. retractor max. ansetzt, in nichts abweichend von dem entsprechenden Muskel der Mandibel. Der m. pro- tractor max. setzt sich nun aber nicht etwa direct an die Basis des Unterkiefers an, wie dies bei den Oberkiefern geschieht, sondern an ein Chitinstück b, welches an seinem einen Endpunkte mit der Kopfwand , an seinem andern mit der Basis der Maxille gelenkt. Von hier steigt der Muskel schräg nach aufwärts, um sich mit seinem andern Ende an dem Flügel des Schlundkopfes zu befestigen. Der Mechanismus des Ganzen ist ohne Weiteres klar. Bei seiner Contraction dreht der Muskel das Chitinstück b um dessen Endpunkt d, wo dasselbe mit der Kopfwand gelenkt, nach vorwärts und aufwärts. Die Folge davon ist, dass die in d' mit dem Chitinstück gelenkende Maxille in einer Länge nach vorn und oben gehoben wird, welche der Länge des Weges entspricht, den d' bei seiner Drehung um d durchläuft und die offenbar eine sehr bedeutende ist. Selbstverständlich muss jetzt der m. protractor max. einen grössern Querschnitt annehmen, um die nothwendige Leistung zu erfüllen, ohne dass wir desshalb an eine grössere Kraft der Maxille im Vorstoss zu denken haben. Das Chitinstück stellt eben einen einarmigen Hebel vor, einen Hebel, bei welchem die Last an dem Endpunkte d liegt, während die Kraft in der Mitte anfasst. An Kraft geht daher verloren, was am Wege gewonnen wird. Man könnte vielleicht denken, dass die Führungs- Die Mundtheile der Rhynchoten. 849 leisten diesem Hebelmechanismus hinderlich seien, allein ich erinnere an die schon erwähnte Thatsache, dass diese Gebilde am Grunde ihren rinnenartigen Charakter aufgaben und zwar wahrscheinlich auf eine Strecke, welche dem Ausschlag der Hebelbewegung an Länge gleichkommt. Soweit über die Principien der Bewegung und des Baues des Wanzenschnabels unterrichtet, kann es uns nun, um noch einmal auf Früheres zurückzukommen, kaum Wunder nehmen, wenn wir die Maxillen der Taster, obgleich sonst so constant auftretender Gebilde, entbehren sehen. Ein Taster am Maxillarkörper selbst war ebea eine mecha- nische Unmöglichkeit und mit der fortschreitenden Aus- bildung der Kiefer zu glatten, in Röhren auf und nieder- gleitenden Stiletten mussten die Taster schwinden. Wir werden uns daher kaum Huxley anschliessen können, wenn er, eben dieses Mangels der Maxillartaster wegen, die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Ma- xillen ,der Schnabelkerfe überhaupt nicht Homologa der Unterkiefer kauender Insekten seien. (Huxley, Grund- züge d. Anat. der Wirbellosen. Deutsche Ausgabe p. 372). An diese genauere Erörterung des Bewegungsmecha- nismus des Wanzenschnabels werden sich wohl passender Weise einige Worte über die Bedeutung der Spritze an- reihen können, da wir ja vorher nicht Gelegenheit gefunden haben, darauf einzugehen. Wir haben es bei der Spritze mit einem Injections- instrumentchen bester Construction zu thun und ich brauche wohl nur an die jedem Sammler bekannten, schmerzhaften Stiche unsrer Notonecta zu erinnern, um uns sofort auch von der Wirksamkeit der Injection zu überzeugen. Das Secret der grossen, im Kopfe gelegenen Drüsen wird durch die Spritze vermittelst der Maxillarröhre tief in das weiche Gewebe gepresst, um hier durch seine ätzende Beschaffen- heit eine Wirkung zu erzielen, welche die geringe mecha- nische Verletzung niemals auszuüben im Stande wäre. Es sei bemerkt, dass sich Drüsen, wie Spritze bei allen Rhynchoten finden, die ich zu untersuchen Gelegen- heit hatte, ob sie nun von thierischer oder pflanzlicher Nahrung lebten. Ueber ihre Bedeutung für die Thiere Otto Geise: . selbst kann wohl kaum ein Zweifel sein. Dass die Ein- richtung ein Schutzorgan darstellt, ist klar, denn die ge- reizte Wanze sticht, doch dass sie nicht ein einseitiges Schutzorgan darstellt, leuchtet wohl noch mehr ein. Ab- gesehen davon, dass uns in der Spritze nebenbei auch noch eine Angriffswaffe entgegentritt, unter deren Wirkung kleinere Thiere erliegen, werden wir seine hauptsächlichste Bedeutung doch entschieden in den Veränderungen zu suchen haben, welche die Injection in den verletzten Ge- weben hervorruft. Die stark alkalische, ätzende Natur des Secretes be- dingt eine Reizung und damit einen gesteigerten Säftezu- fluss nach der angestochnen Stelle; dies liegt natürlich sehr im Interesse des Thieres, welches jetzt leichter und schneller sein Nahrungsbedürfniss befriedigen kann. Ob ausserdem dem Secrete auch noch die Eigenschaft eines die Nahrungsmittel zubereitenden Speichels innewohnt, bleibe dahin gestellt, ist jedoch, nach Analogie der Func- tion des entsprechenden Drüsensecretes bei Kaukerfen, sehr wahrscheinlich. Kehren wir nun noch einmal zu den Maxillen und Mandibeln zurück, so lässt sich immerhin noch einiges Bemerkenswerthe über ihre Gestaltung dem bereits Ge- sagten hinzufügen. Bei den einzelnen Arten zeigt sich die Form der Borsten im Speciellen sehr dem Wechsel unterworfen, doch bleibt sie im Wesentlichen sich zumeist gleich. Die Man- dibeln weisen stets eine scharf lanzettförmige Spitze und an den Aussenrändern, d. h. den oberen Rändern, welche sich unter dem Deckglase der Krümmung der Borsten wegen stets nach aussen legen, schärfere oder stumpfere Widerhaken auf, welche wohl dazu dienen können, die eingestochenen Chitingebilde während des Saugens in der Wunde zu fixiren. Oft jedoch auch finden sieb Widerhaken, welche so stumpf erscheinen, dass mau unwillkürlich an ein Reibeisen erinnert und zu der Annahme gedrängt wird, dass diese Gebilde zu einer weitern Zerfleischung der Wunde bestimmt seien. Ein anderartiges Gepräge zeigen die Maxillen. Ge- Die Mundtheile der Rhynchoten. 351 mäss ihrer Bestimmung, eine doppelte Röhre zu bilden, sind sie bedeutend breiter, als die Mandibeln, ganz im Gegensatze zu den Behauptungen früherer Beschreiber, welche sie äusserst zart und viel schmäler sein Hessen, als diese. Letztere sind in Wahrheit jedoch nur solider gebaut und mit unverhältnissmässig viel kleinerm Lumen versehen. Auch die Maxillen sind mit seitlichen Stacheln be- setzt, aber diese Stacheln sind lang und lein und eher wohl Haare zu nennen; auch biegen sie sich stark nach innen um, auf diese Weise die Höhlungen der Maxillen gleichsam überwölbend. Zu einem Eindringen in festeres Gewebe erscheinen die Maxillen daher durchaus ungeeignet. Charakteristisch und sehr beständig ist eine Eigenthtimlich- keit der Maxillen, die nämlich, dass beide nicht symme- trisch gebaut sind, eine Eigenschaft, die sich vornehmlich an der Spitze bemerklich macht, wo bei der einen Maxille die langen Haate nach hinten, bei der andern nach vorn gebogen sind. Und zwar sind dies diejenigen, welche den beiden äussern Kanten aufsitzen, die mittleren Kanten, welche durch ihre Vereinigung die beiden Maxillargänge trennen, laufen in einen geraden Stachel aus. Von einer Function der in Rede stehenden Gebilde als Widerhaken ist bei einem solchen Befunde wohl kaum zu sprechen. Ob sie aber, bei der verschiedenen Richtung, in der sie stehen, etwa dazu dienen, durch Verflechtung die bekannte Einfalzung noch zu verstärken und das spitze Ende der Maxillen zum Eindringen in die weichen Ge- webe zu befähigen, will ich dahin gestellt sein lassen, ob- gleich es mich wahrscheinlich dünkt. An den Basen zeigen sich die Borsten und vornehm- lich die Mandibeln stark zusammengedrückt und abgeplattet. Diese verbreiterte Basis entspricht nach G erstfei dt den verschmolzenen cardines und stipites, der verlängerte, borstenförmige Theil aber der Lade. Ich führe dies nur an, um zu sagen, dass von einer Begrenzung hier keine Rede sein kann. Es sind dies Vermuthungen und wenn man dann einmal solche aussprechen will, so liesse sich am Ende die von den Maxillen gebildete Doppelröhre auf Duplicität der Laden zurückführen. 352 Otto Geise: Die herauspräparirten Borsten zeigen stets eine starke Krümmung, welche sich ganz natürlich durch ihre Lage im Kopfe erklärt. Denn seitlich in der Tiefe des Kopfes entspringend, convergirend aufsteigend und dann in die Scheide der Unterlippe sich einsenkend, die zudem bei vielen Wanzen heruntergebogen und an die Brust ange- presst getragen wird, müssen sie selbstverständlich einer Constanten Knickung an ihrer Austrittsstelle unterliegen, welche ebenso selbstverständlich nicht ohne Wirkung auf ihre Gestaltung bleibt. Durch diese Krümmung der Borsten nun hat sich Landois zu einer irrigen Auffassung des Stechvorganges speciell unsrer Bettwanze verleiten lassen, obgleich diese es eben nicht anders macht, als Notonecta glauca. Er spricht sich in seiner Anatomie der Bettwanze (Zeitschrift für wiss. Zool. XVIII) aus, wie folgt. ;,Im Ruhezustande wird daher ( — d. h. weil die Borsten gekrümmt sind — ) das frei aus dem Kopfe hervorstehende Rostrum gegen die Untenfläche des Kopfes durch Elasticität angedrückt. (!) Werden nun durch die m. retractores rostri (— unsern m. retr. max. et mand. — ) die Basen der Borsten gegen das Innere des Kopfes stärker zurückgezogen, so bildet die Kinnfurche das Hypomochlion und die Stechröhre wird ganz unabhängig von den Bewegungen der Unterlippe erigirt. Dieser Vorgang findet allemal statt, wenn das Thier sich zum Stechen anschickt und die Stechröhre aus ihrem Futteral der Unterlippe hervorhebt. Werden sodann wieder die Basen der Borsten durch die m. erectores ( — unsere m. protractores — ) nach vorn gezogen, so federt das Stechorgan wieder in seine Ruhelage zurück." Das Landois mit dieser seiner Annahme im Unrecht ist, lässt sich erstens schon aus der Unwahrscheinlichkeit entnehmen, dass so ganz ausserordentlich zarte Gebilde, wie die Borsten der Wanze, im Stande sein sollten, unsere feste Epidermis zu durchbohren, ohne von der Scheide der Unterlippe geleitet zu werden. Sehen wir doch, dass sie sogar im Kopfe, wo ihnen eventuell die umgebenden Weichtheile wenigstens einige Stütze gewähren könnten in besondern, complicirt gebauten Führungs- und Stützleisten Die Mundtheile der Rbynchoten. 353 laufen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sie, aus der Unterlippe abgehoben, viel eher sich umbiegen, als ein- dringen würden. Zweitens aber spricht gegen diese Ansicht die Un- denkbarkeit der Mechanik des Vorganges. Sehen wir ein- mal zu: die m. retr. contrahiren sich: Folge, dass die Borsten aus der Unterlippe herausspringen und nun völlig frei gerade ausstehen. Jetzt ist nun zweierlei möglich, entweder die m. protr. wirken — aber dann schnellen die Borsten wieder in die Unterlippe zurück und der ganze Act wäre nutzlos gewesen, oder aber die Wanze müsste mit den angezogenen, geradeaus gerichteten Borsten schnell vorwärts laufen, ganz eigentlich stossen — ein Bild, welches für mich des Unwahrscheinlichen allzuviel bietet. Es spricht aber auch zum Dritten gegen Landois die feste Einfalzung der untern Glieder der Unterlippe aller von mir näher untersuchten Wanzen, wie endlich zum Schlüsse meiner Beobachtung des Stechens selbst bei No- tonecta, Naucoris etc. Landois ist übrigens der einzige, welcher von der Existenz der Wanzenspritze eine Wahrnehmung hatte, ohne jedoch von ihrer Gestalt und Function des Nähern unter- richtet zu sein *). In seiner Abhandlung spricht er nämlich 1) Hier muss ich bemerken, dass erst, nachdem das Vor- liegende bereits geschrieben war, mir die Untersuchungen von Paul Meyer zu Händen kamen. Aus ihnen ersehe ich, dass dieser For- scher allerdings nicht blos auf die Existenz der Spritze hingewiesen, sondern auch ihren Bau und ihre Bedeutung im Ganzen richtig er- kannt hat. Wenn ihm die doppelte Ventilirung entgangen ist, so liegt dies vielleicht an der grössern Kleinheit seines Objectes (Pyr- rhocoris apterus), denn nur durch mühsame Untersuchung des ganzen Gebildes unter stärkster Lupe und mit auffallendem Lichte unter dem Mikroskop gewann ich schliesslich, unter Zuhülfenahme von Schnitten , z. B. Aufschluss über den Bau des Ausführungsganges. Ich kann mir um so eher versagen, des Nähern auf seine Untersuchung einzugehen, als die Differenzen in unsern beiderseitigen Ansichten theils durch die Kritik der Landois'schen , theils aber auch ohne Weiteres durch die von mir gefundenen Thatsachen sich erledigen dürften. So z. B. ist selbstverständlich von einer Pump- function der Spritze behufs Aufnahme von Nahrungsstoffeu , welche P. Meyer immerhin in Möglichkeit zieht, nicht die Rede. Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 23 354 Otto Geise: von einem Ringe, welcher den Anfan^stheil des Kropfes umgebe. Dieser Ring aber ist unsere Spritze und einmal mit ihrem Baue bekannt, sieht man scharf abgegrenzt den Stempel und vornehmlich schön den den Ausführungsgang kennzeichnenden Porus, auch wenn man den Kopf in toto betrachtet. Es sei mir übrigens erlaubt, noch auf einen andern Irrthum Landois' hinzuweisen. Er meint nämlich, dass die Maxillen, in ihrem Verlauf nach innen zu sich spalten und mit dem einen Theile an die Seiten des Schlundkopfes, — den er, ohne über seine Bedeutung sich klar zu sein, Kropf nennt — sich anlegen, während die andern Theile ihren normalen Beginn zwischen den zugehörigen Muskeln haben. Landois hat nun, wie ich überzeugt bin„ den Wanzenkopf in toto unter dem Deckglase zusammengepresst und untersucht und die durch den Druck aus ihrer Lage gedrängten Führungsleisten für Abspaltungen der Maxillen genommen. Nach dieser kritischen Excursion und ehe wir uns ganz von Notonecta glauca abwenden, mögen hier noch einige Worte über die Muskulatur der Unterlippe stehen, welche ja, für den Stechact so bedeutsam, durch ihre grosse Beweglichkeit uns die Frage nach dem Mechanis- mus dieser Bewegung nahe legt. Nehmen wir unsern grossen Längsschnitt wieder vor, von dem wir bereits bemerkt, dass er nicht ganz median geführt ist. Wir wissen, dass die Unterlippe vom zweiten Gliede an durch Einstülpung eine oben sich schliessende Röhre bildet und so finden wir denn auch drei Chitin- wände, die obere Wölbung der Unterlippe, die untere Wölbung und in der Mitte die durchschnittene, untere Partie der Einstülpung, der Rinne. Am Ende des ersten Gliedes nun schlägt sich die hier noch rinnenförmige, obere Seite der Unterlippe tief in das Innere derselben ein, indem sie auf diese Weise eine quer spaltförmige Einstülpung bildet. Die Blätter dieser spaltförmigen Einstülpung sind stark chitinisirt und vornehmlich das vordere, wieder aufsteigende, welches sich in die Medianlinie der von hier, dem zweiten Gliede an, Die Mundtheile der Rhynchoten. 355 zur Röhre werdenden Rinne fortsetzt. Diese Medianlinie zeigt sich jedoch mächtig verdickt, wie uns ein Querschnitt in Fig. 4 i vor Augen führt. Sie behält diesen gleichmässig runden Querschnitt bei, bis sie bei i' sich stark vornehm- lich in die Breite ausdehnt, dann sich ganz verliert, bald aber bei i" sich wieder zeigt und zwar, wie ein Querschnitt in Fig. 3 uns lehrt, auch nach oben zu die ganze Einstül- pung ergreifend. Bei i'" geht die Rinne ihrer Verdickung wieder verlustig und endigt schliesslich, indem ihre dünn- chitinigen Wandungen vorn an der Spitze mit der festen äussern Chitinmasse verschmelzen. Nun aber sehen wir, wie von der obern Wand des ersten Gliedes sich starke Muskeln zu der hintern Lamelle der spaltartigen Einstülpung herabsenken, wie die vordere aber zum Insertionspunkte von Muskeln dient, die sich zur Einlenkungsstelle des dritten Gliedes hinziehen, und bemerken zugleich, dass unten vom Beginne des dritten Gliedes sich Muskeln nach der darüber gelegenen Ver- dickung begeben. Die vorderen Muskeln, welche auf unserm Schnitt sich noch zeigen, mögen uns später be- schäftigen. Was nun die ersten grössern Muskelpartien anlangt, so leuchtet ein, dass es eine durch Hebel bewerkstelligte Auf- und Abwärtsbewegung der Unterlippe ist, um die es hier sich handelt. Contrahirt sich der obere Muskel, den wir mit dem Namen m. depressor labii belegen wollen, so findet eine Drehung um den Punkt f und f statt und das labium muss sich senken. Contrahirt sich dagegen der untere Muskel, welchen wir m. levator labii nennen, so findet wiederum eine Drehung, aber um f und f" statt und der stark chitinisirte, unnachgiebige Hebelarm, welcher von den beiden Lamellen der spaltförmigen Einstülpung und der medianen Verdickung der Fläche der Rinne ge- bildet wird, hebt sich nach oben und mit ihm das La- bium. Der vordere, kleinere Muskel m. f. ist mit der Seit- wärtsdrehung des dritten Gliedes betraut. Er ist paarig und geht von der medianen Verdickung nach den Seiten des beginnenden dritten Gliedes. Sein unterer Ansatzpunkt 356 Otto Geise: würde also eigentlich aus der Figur herausfallen. Seine Contractionen drehen, wie leicht ersichtlich, das dritte Glied nach links und rechts. Die Seitwärtsdreher der übrigen Glieder fallen nun gar vollständig aus unsrer Figur heraus und bieten auch eigentlich nichts bemerkenswerthes dar. Von den Seit- wärtsdrehern des vordersten Gliedes sei gesagt, dass sie mit einer langen Chitiusehne an der Seite desselben ent- springen und mit vielen Fiederstrahlen an den Seitenränden des zweiten Gliedes, oben und unten, sich inseriren. Die Seitwärtsdreher des zweiten Gliedes entspringen an den obern, seitlichen Theilen des ersten Gliedes, also neben dem m. depr. labii und setzen sich, schräg nach innen und abwärts laufend, an die Ränder der spaltförmigen Einstül- pung an. Ihre Contractionen müssen ersichtlicher Weise das zweite Glied nach rechts oder links drehen. Es erübrigt nun noch die an der vordersten Ver- dickung sich ansetzenden Muskeln einer Betrachtung zu unterwerfen, was am besten unter Zugrundelegung eines Querschnitts geschieht. Fig. 3 bietet einen solchen. Die röhrenförmige, aber durch Einfalzung geschlossene Ein- stülpung der Unterlippe ist mächtig verdickt. Von ihr nach unten und seitwärts verlaufen die Muskeln, welche wir bereits im Längsschnitte gesehen haben. Das Wahr- scheinlichste ist mir nun, dass sie die Rinne, welche in Wirklichkeit die Borsten eng und fest umschlossen hält, beim Verstoss derselben zu erweitern und durch ihr Nach- lassen und die daraus folgende Verengerung der Rinne die vorgestosseuen Borsten in ihrer Lage zu tixiren be- rufen sind. Ich war früher der Ansicht, dass die Borsten nach hinten zu sich verdickten und die Erweiterung der Röhre dazu diene, für ihren Verstoss Raum zu schaffen. Seit ich mich aber überzeugt habe, dass die Borsten oben und unten den gleichen Querschnitt aufweisen, ward diese Annahme hinfällig. Dass nun meine jetzige Ansicht zweifelsohne der Wahrheit entspreche, will ich nicht behaupten, aber sie möge, wie es ja mit so vielen Erklärungen geht, wenigstens Diu Mundtheile der Rhynchoten. 357 SO lange gelten, bis eine begründetere an ihre Stelle ge- treten ist. Damit sind wir mit der Betrachtung der Mundtheile von Notoneeta glauca zu Ende. Wir haben durch sie einen Einblick in den allgemeinen Aufbau und den ganzen Mechanismus des Wanzenkopfes und Schnabels erhalten. Abweichungen im Einzelnen finden sich selbstredend die Menge, aber wir können uns doch leicht, da uns die Priil- cipien bekannt sind, über sie orientiren. So wird es, hoffe ich, nur kurzer Zeit bedürfen, um uns über den Mundme- chanismus der zweiten, meinen Untersuchungen zu Grunde gelegten Wanze aufzuklären. Nepa cinerea, allgemein in unsern stehenden Ge- wässern, verdient eigentlich nur deshalb dfes Weitern be- schrieben zu werden, weil sie uns den Typus derjenigen Wanzen repräsentirt, deren Oberlippe nicht flach ist, wie im Grossen und Ganzen dies Gebilde bei Notoneeta erschien, sondern rinnenförmig, ja zu einer Köhre umgestaltet die Borsten umschliesst und mächtig verlängert, nun ihrerseits von der Unterlippe fest umschlossen wird. Die Verhältnisse im Innern des Kopfes entsprechen, mit unwesentlichen Abweichungen, denjenigen bei Noto- neeta. Wenden wir uns daher gleich zur Betrachtung ei- niger Querschnitte, welche durch den kurzen, kegelförmigen, viergliedrigen Schnabel gelegt sind. Fig. 19 ist ein Schnitt durch das letzte Glied. Er bietet uns nichts Neues: die Unterlippe, ihre Einstülpung und Verfalzung. Aufmerksam dagegen werden wir bei einem Blicke auf den in der zweiten Figur uns vorliegen- den Schnitt (Fig. 20). Hier tritt uns scheinbar ein neues Gebilde entgegen; sehen wir doch in die Rinne der Unter- lippe eingelagert eine neue Rinne oder Röhre, im Princip ganz gleichartig mit der Unterlippe gebaut, nur dass ihre Spaltöffnung nach unten liegt. Um so auffallender wird diese Aehnlichkeit, wenn wir das in Fig. 21 in stärkerer Vergrösserung dargestellte Gebilde genauer ansehen, denn da zeigt es sich, dass dasselbe sogar die Einfalzung des Längsspaltes mit der Unterlippe, wie sie bei Notoneeta 358 Otto Geise: uns entgegentrat, gemein hat und in seinem Innern, ganz wie jene, von den Borsten ausgefüllt wird. Nichts destoweniger haben wir es mit einem uns längst bekannten Theile des Wanzenmundes zu thun, es ist das labrum, welches wir vor uns sehen. Die Rinne desselben, welche wir schon bei Notonecta wahrgenommen haben, hat sich vertieft, die Ränder haben sich genähert und sich schliesslich mit einander verfalzt. Zu gleicher Zeit hat sich das ganze Gebilde in die mächtig erweiterte Rinne der Unterlippe eingesenkt, welche ihrerseits nun die Verfalzung ihrer Ränder aufgegeben hat, um sie erst gegen ihr Ende hin, nachdem das labrum sich verloren hat oder kurz bevor dies geschieht, wieder zu bewerk- stelligen. In Fig. 21 sehen wir sogar, ganz wie bei No- tonecta die Mandibeln in Führung mit der Epipharyngeal- lamelle der Oberlippe. Fig. 22 zeigt uns einen Querschnitt durch die Einlenkungsstelle des zweiten Gliedes. Das Labium hat sich hier plötzlich verschmälert, seine Rinne sich bedeutend abgeflacht, so dass sie das Labrum hier nicht mehr umschliesst. Die Borsten senken sich also an derselben Stelle in das Labium ein, wie bei Notonecta, nur eben umfasst von der röhrenförmigen, mächtig ver- längerten Oberlippe. In Fig. 23 haben wir das erste Glied der wiederum gewaltig an Durchmesser gewachsenen Unterlippe, seitlich umfasst von einer Faltung des eigentlichen Kopfes. Zu- gleich nehmen wir wahr, was uns in noch gesteigertem Maasse auf dem folgenden Schnitte (Fig. 24) in die Augen fällt, dass sich, wenn ich so sagen darf, die Clypeuslamelle der Oberlippe von der Epipharyngeallamelle weiter abzu- heben beginnt. Dieses Verhältniss leitet uns schliesslich ohne Weiteres zu dem letzten Schnitte über. Das Labium ist mit dem Kopfe und dessen übergreifender Faltung schon verwachsen, ebenso wie die Lamelle des Clypeus in diesen selbst übergegangen ist. Von ihm aus senken sich zu der Epipharyngeallamelle sehr bald Muskeln, welche, nachdem jene mit der Hypopharyngeallamelle, die wir auch bereits antreffen, noch mehr verwachsen ist, den Beginn des saugen- den Abschnittes des Schlundkopfes bezeichnen. Auch die Die Muudtheile der Rhynchoten. 359 Ftihrimgsleisten und die hier schon im Innern des Kopfes gelegenen Borsten finden wir in ganz schematischer Dar- stellung wieder vor. Weitere, bemerkenswerthe Abweichungen von dem Mundbaue der Notonecta sind mir bei Nepa cinerea nicht aufgestossen, ebensowenig, wie bei der ihr sehr nahe stehenden Ranatra linearis. Einen von den bisher geschilderten Verhältnissen be- deutend abweichenden Typus dagegen bieten uns zwei unter sich fast vollkommen übereinstimmend gebaute Wanzen- arten, Sigara und Corixa. Der hinten sonderbar kappenartig ausgezogene Kopf lässt beim ersten Anblick einen Schnabel, wie wir ihn bei andern Wanzen finden, gar nicht erkennen. Er endigt vielmehr breit und stumpf, sodass man zuerst vielleicht geneigt sein könnte, hier rein kauende Mundtheile zu ver- muthen. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich denn auch, dass wir bei frühern Beschreibern stets die Behauptung finden: ;,Schnabel versteckt, Scheide kurz, steckt mit im Kopf^,*wie speciell bei Burmeister zu lesen. Dem ist jedoch nicht so. Die Scheide, d. h. die Unterlippe steckt wenigstens ganz und gar nicht im Kopfe, ihre ungemein breite, stumpfe Gestalt nur, welche einen wie bei andern Wanzen markirten Absatz vom Kopfe nicht gestattet, verleitet uns dazu, sie für einen Theil des Kopfes selbst zu halten. Ganz wie bei andern Wanzen aber zeigt uns die Unterlippe einen obern, medianen Spalt und es gelingt auffallend leicht, das ganze Gebilde von dem Kopfe abzu- lösen. Eine Gliederung lässt es auf den ersten Blick fast gar nicht erkennen oder doch nur eine solche in zwei Theile. Bei Betrachtung des Längsschnittes durch den ganzen Kopf werden wir jedoch finden, dass wir auch bei der Unterlippe dieser Wanzen es mit einer ursprünglich viergliedrigen zu thun haben, wenn auch der Absatz der beiden ersten und der beiden letzten Glieder je vonein- ander fast geschwunden ist. Danach erklärt sich denn die Angabe Fiebers, welcher nach Gerstfeldt das La- 360 Otto Geise: bium unsrer Thiere aus nur zwei Gliedern bestehen lässt. Auch derirrthum z. B.Bur meist er s, dass die Scheide mit im Kopfe stecke, lässt sich erklären und zwar aus dem Umstände, dass die beiden letzten, nur weni^ von einander abgesetzten Glieder von dem zweiten umschlossen werden, in dieses also zurückgezogen sind. Eine Oberlippe, als ein vom Clypeus sich scharf ab- hebendes Gebilde findet sich nicht, aber das Labium greift um den verlängerten Clypeus herum, es steckt also eigent- lich, ganz im Gegensatze zu der angeführten Behauptung, ein Theil des Kopfes mit in der Unterlippe und unsre Wanzen nähern sich dadurch, wenn auch nur um ein ge- ringes und mit Wahrung bedeutendster Verschiedenheit, dem Typus von Nepa, Ranatra etc. Doch ein Längsschnitt durch den Kopf von Sigara wird uns eine bessere Vorstellung von den Verhältnissen zunächst der Unterlippe geben. Wenden wir uns daher zu Fig. 26. Der Schnitt ist wiederum nicht ganz median gelegt. Wir haben in Folge davon, indem wir etwas seit- lich von der Spaltöffnung geschnitten, auch die obere Wöl- bung der Rinne und der Aussenwand auf unserm Bilde. Seitlich hängt natürlich der hier isolirt erscheinende Theil le-li mit dem darunter gelegenen Theile des Labium li'-le' zusammen. Um nun das obere Stück für erst ausser Betracht zu lassen, so zeigt der untere Theil der Unterlippe deutlich eine Gliederung in zwei Abschnitte l-}-2 und 34-4. Aber auch diese zeigen eine Theilung in je zwei Glieder, wie man wohl sagen kann. 1 + 2 wird durch eine Chitinlamelle getrennt, welche sich in das Innere des Labium einsenkt, wieder nach oben schlägt und beiderseits Muskeln zur Insertion dient, fast ganz wie wir dies bei Notonecta ge- sehen haben; 34-4 zeigt dagegen an der Unterseite eine leichte Einschnürung. Wir haben das obere Stück ausser Acht gelassen. Es ist dem ersten und zweiten Gliede zugehörig, ohne Gliederung, wie ja diese sich nur auf die Rinne erstreckt und wie sie auch der untern Seite der beiden ersten Glieder fehlt. Umgekehrt sehen wir bei den vordem Gliedern die Die Muudtheile der ßhynchoten. 361 Abgrenzung nur unten. Es sei übrigens bemerkt, dass von diesen die obere Wölbung der Rinne, da dieselbe weiter offen ist, von dem Schnitte, der dafür zu median gelegt ist, nicht getroffen worden ist. Die Muskulatur der beiden oberen Glieder entspricht mutatis mutandis derjenigen bei Notonecta. Die in Fig. 26 mit 1 e' bezeichnete Lamelle durchsetzt bei Sigara fast den ganzen Kopf oder besser, verwächst nicht mit ihm zum grössten Theile, wie bei Notonecta, ein Umstand, der es erklärt, warum das Labium unsrer Wanze sich so unge- mein leicht vom Kopfe trennen lässt. Die Muskeln wechseln nun ihre Insertionsstelle, indem sie an der Wand le' all- mählig abwärtssteigend schliesslich ihrem ursprünglichen Insertionspunkte gerade gegenüber, im Grunde des Labium sich ansetzen. Zugleich hat auch die spaltförmige Ein- stülpung ihre Lage geändert und ihren spitzen Winkel nach vorn gekehrt. Die Muskelpartie ml hat ihre Insertion an der Gelenkungsstelle des zweiten und dritten Gliedes gewahrt. Die Funktion der Muskeln ist dieselbe geblieben: wir haben auch hier, wie bei Notonecta, einen m. depressor und einen m. levator labii vor Augen. Ueber die Muskulatur der beiden letzten Glieder ver- mag ich nichts zu sagen. Eine Thatsache möchte ich nicht unerwähnt lassen, welche uns bei Betrachtung eines ganz vorn durch den Schnabel gelegten Querschnittes auffällt. Da finden wir nämlich (Fig. 27) unten eingefasst von dem hier noch flach rinnenförmigen, aber sofort weiter hinten röhrenförmig werdenden zweiten Scheidengliede, das dritte Glied — gleichsam in das zweite zurückgezogen. Mehr aber, als dieser Umsstand fällt uns ein andrer noch auf. Wir sehen nämlich, dass das dritte Glied und also natürlich auch das vierte vollkommen seine ursprüngliche Duplicität ge- wahrt hat, also noch nicht mit einander verwachsen ist — ein bei Wanzen bisher ganz einzeln dastehender Fall! Ja, bei der Beobachtung lebender Thiere unter starker Lupe ist es mir manchmal vorgekommen, als ob diese Unterlippenglieder sogar gegen einander bewegt werden 362 Otto Geise: könnten. Muskeln, welche durch ihre Insertionen diese Bewegungsfähigkeit mir bestätigen sollten, konnte ich je- doch bisher nicht finden, was nicht ausschliesst, dass sie dennoch vorhanden sind. In Bezug auf weichere Gewebe zeigt nämlich das Wachs, als Einbettungsmittel, nicht die- selben Vorzüge, welche es für das Schneiden von Chitin- theilen aufweist und ein üebersehen kleiner Muskelpartien ist leicht möglich. So ist denn schon das Labium unsrer Thiere durch mannigfache, charakteristische Eigenschaften vor demje- nigen der von uns früher betrachteten Arten ausgezeichnet. Ehe wir jedoch die speciellere Betrachtung der Unterlippe verlassen, sei es mir erlaubt, auf eine eigenthümliche Bil- dung der oberen Seite des ersten und zweiten Gliedes aufmerksam zu machen. Es giebt sich diese in Querrunzeln zu erkennen, welche über die ganze Breite der obern Fläche des Labium hinziehen. In unserm Längsschnitte sind die- selben quer durchschnitten. Unter dem Mikroskope zeigen sich diese Runzeln als Einsenkungen der sonst glatten Chitinwand, welche mit zahlreichen Haaren in auffälliger Weise besetzt sind. Es ist mir höchst wahrscheinlich, dass wir es hier mit eigenartigen Empfindungshaaren zu thun haben, denn an gewöhnlichen Tasthaaren leidet das Labium keinen Mangel, vielmehr stehen diese wie ein Wald um die Eingangsöffnung herum. Wir gehen nun weiter und lenken unsern Blick auf einen Schnitt, welcher durch den Schnabel etwas hinter der Stelle gelegt ist, wo das erste Glied sich vom zweiten durch die Einstülpung der Chitinlamelle absetzt. (Fig. 28). Was uns zunächst in die Augen fällt, ist das mächtig an Querschnitt gewachsene, ausgesprochen dreieckige La- bium, dessen Ränder sich bereits zur Bildung einer ge- schlossenen Röhre vereinigt haben. Eine Einfalzung lassen dieselben jedoch nicht erkennen. Nehmen wir nun gleich, um die im Innern der Röhre gelegenen Gebilde besser erkennen zu können, Fig. 29 zur Hand, welche uns diesen Theil der Fig. 28 in stärkerer Vergrösser ung zeigt. Dass die untern vier Chitinstücke die durchschnittenen Borsten sind, ist unschwer zu errathen, obgleich die Ma- Die Mundtheile der Rhynchoten. 863 xillen uns durch ihre auffallend unsymmetrische Gestalt in Verwunderung setzen. Räthselhafter jedoch erscheint das obere, massige Chitingebilde, welches in überraschender Weise die Form einer bekannten Figur unsrer Spielkarten nachahmt. Das sonderbare Object ist die stark chitinisirte, solide Spitze des Clypeus, die Oberlippe, wenn wir hier von einer solchen sprechen dürften. Die halbmondförmige Verbreiterung des Stieles dient zu einer Führung der Maxillen und kenn- zeichnet also auch hierin eine Abweichung von den Ver- hältnissen andrer Wanzen, wo nicht die Maxillen, sondern die Mandibeln in Führung der Oberlippe verlaufen. Aber auch die Borsten und speciell die Maxillen bieten uns auffällige Abweichungen vom Typus der Borsten bei Notonecta und verwandten Arten. Eine Asymmetrie in der Bildung der Maxillen konnten wir ja schon bei der erwähnten Wanzenart constatiren, ich erinnere nur an die Seitwärtsdrehung des Spritzen- ganges, sowie an die Richtung der Haare an der Spitze. Aber von einer so bedeutenden Verschiedenheit, wie sie hier sich findet, war doch keine Rede. Und doch zeigt sich diese Verschiedenheit der beiden Maxillen in noch höherem Grade an der völlig asymmetrischen Spitze. Denn hier weist die eine die Gestalt einer breiten, scharfrände- rigen, tief ausgehöhlten Schaufel auf, die ohne jede Spur von Haaren ist, während die andere, derbere, vorn mit Haaren besetzt, sich der Bildung des entsprechenden Or- ganes bei Notonecta nähert. Die Mandibeln sind symmetrisch entwickelt und gleichen an ihrer Spitze auffallend einem Reibeisen, indem die zahnartigen Widerhaken anderer Wanzen zu breiten, derben, aber doch scharfränderigen Erhöhungen geworden sind. Doch wir sind mit der Betrachtung des Querschnittes der Maxillen noch nicht zu Ende. Denn einen wichtigen Unterschied, der sich hier zwischen Sigara und Notonecta findet, haben wir noch nicht erwähnt. Wir finden nämlich nur einen von den Maxillen gebildeten Gang, der also für Spritze und Schlundkopf gemeinsam ist. 364 Otto Geise: Dieser Umstand mag sich aus der ganz ungewöhn- lichen Verkürzung der sämmtlichen eigentlichen Mundtheile erklären. Die äusserst kurzen, aber um so derber gebauten Borsten legen sich nur eine ganz kurze Srecke eng anein- ander an, indem die Maxillen die einfache Röhre bilden. Mandibeln und Maxillen — um alles dies hier mit einem Male zu erledigen — zeigen sich doppelt gekrümmt, so zwar, dass sie etwa einer halben Windung einer sehr lang ausgezogenen Schraubenlinie entsprechen würden. Diese doppelte Krümmung ist bedingt durch das starke Conver- giren von den Seitentheilen des Kopfes her, wo die Borsten in bekannter Weise zwischen ihren Muskeln den Ursprung nehmen, und dann durch eine wiederum höchst seltsame Wendung des Unterlippenrohres nach aufwärts. Die Borsten bewegen sich abwechselnd und vermögen nur wenig aus der Scheide hervorzutreten. Bei der Beobachtung des lebenden Thieres drängt sich uns leicht die Vermuthung auf, dass wir es hier mit einem nicht ausschliesslich saugenden Thiere zu thun haben, insoweit es den Anschein gewinnt, als ob durch die Thätigkeit der wie Reibeisen gestalteten Mandibeln auch festere Substanzen angegriffen und die abgefeilten Theilchen dann etwa mit der aufgesogenen Flüssigkeit dem Darme zugeführt würden. Wir werden bald sehen, dass die Beschaffenheit des noch zu beschreibenden, üb- rigen Theiles des Mundapparates von Sigara diese Ver- muthung in hohem Masse wahrscheinlich macht, ja geradezu die Richtigkeit derselben bestätigt. Zunächst haben wir den Querschnitt in Fig. 30 in Kürze zu besprechen. Der Schnitt geht durch den Aus- führungsgang der Spritze, welche bei unserer Wanze auf- fällig klein bleibt. Wir haben, immer noch vom Labium umhüllt, den Clypeus mit der Epipharyngeallamelle. Be- reits schieben sich Muskeln zwischen beide ein, so dass wir hier schon den Beginn des saugenden Schlundkopfes constatiren können, denn unten haben wir auch die Hypo- pharyngeallamelle getroffen, welche, wie aus dem Längs- schnitte erklärlich, von der Röhre des Labium umfasst er- scheinen muss. Die Mundtheile der Khynchoten. 365 Ueber die Borsten und den Spritzengang ist nichts zu sagen. Führungsleisten, als Einstülpungen der Hypo- pharyngeallamelle finden sich auch hier, doch sind sie, um das Bild nicht zu verwirren, in der Zeichnung fortge- lassen worden. Der folgende Schnitt in Fig. 31 bedarf noch weniger der Erläuterung. Das Labium ist geschwunden, die Epi- pharyngeallamelle greift in Verbindung mit ihrer obern Decke, der Kopfwand, über die Lamelle des Hypopharynx, um auf diese Weise eine Verwachsung einzuleiten. Wir sehen den Schluudkopf ebenso, wie auf dem vorhergehen- den Schnitte, im Momente des Saugens dargestellt. Be- sonders schön charakterisiren sich die Borsten durch ihre Lage als Ober- und Unterkiefer. Lassen wir nun die Betrachtung der Querschnitte und wenden wir uns wieder unserm Längsschnitte zu. Da fällt uns denn sofort der horizontale, dünnwandige, langausge- zogene vordere Theil des Schlundkopfes auf. Er ist un- schwer mit dem ersten Theile des entsprechenden Gebildes bei Notonecta zu homologisiren. Neu ist uns jedoch die Erscheinung, dass während ein vorderer Abschnitt erweitert ist, ein hinterer noch nicht in diesem Zustande sich be- findet. Obgleich ein ähnliches Verhalten bei Notonecta nicht ausgeschlossen ist, so sehen wir doch zuerst hier, wie die Speise durch wellenförmig fortschreitende Bewegungen des vordem Abschnittes des Schlundkopfs nach hinten ge- schafft wird, d. h. wir folgern diese Thatsache aus dem vorliegenden Befunde. Höchst sonderbar und auffällig von den bei Notonecta angetroffenen Verhältnissen verschieden zeigt sich nun aber der hintere Theil des Schlundkopfes. In der Natur dunkel, an der Unterseite fast schwarz chitinisirt und mit mächtig verdickten Wandungen versehen, hebt er sich scharf von dem hellchitinigen, dünnwandigen vordem Theile ab, wie er denn auch in dem Bilde durch seine massige Entwickeluug zu allererst in die Augen fällt. Nach hinten geht er dann in den unverhältnissmässig weiten Schlund über. 366 Otto Geise: Betrachten wir das seltsame Gebilde näher, so be- merken wir bald, dass die obere Wand sich in zwei, mit einander in Gelenkverbindung stehende Abschnitte theilt — einen vordem kleinern, der einen langen Fortsatz nach unten treibt, und einen hintern, welcher schmäler, aber bedeutend länger und mehrfach gebogen ist. Die untere Wand ist ungegliedert und mächtiger noch als die obere. An jeden der beiden Abschnitte der obern Wand setzen sich starke Chitinsehnen, welche von zwei an der Kopfwand sich inserirenden Muskelpartien ausgehen. Was nun das Innere des Organes anlangt, so finden wir dies ausgekleidet mit zahlreichen, längern und kürzern Haaren, Zähnchen und Knöpfchen aller Art, so dass, wenn wir den Querschnitt durch den vordem Theil des Organes (Fig. 32) zu Hülfe nehmen, wir zu der Ansicht gelangen müssen, dass wir hier complicirt gestaltete Reibplatten vor uns haben, vergleichbar etwa den zusammengesetzten Zähnen höherer Thiere. Wie wir zugleich nach dem Querschnitte urtheilen können, stellt unser Organ im Grossen und Ganzen ein viereckiges Kästchen dar, dessen obere Wand durch den Zug der sich an ihr inserirenden Muskeln gehoben werden kann und zwar, entsprecheöd ihrer Gliederung in zwei scharf gesonderte Theile, abwechselnd vom und hinten. In der Ruhelage sind natürlich beide Wände durch die Elasticität ihres Chitins fest aufeinander gepresst. Fragen wir uns nach der Bedeutung dieser ganzen Bildung, so .ist es offenbar nicht zu bezweifeln, dass uns in dem Kästchen ein Apparat vorliegt, der bestimmt ist, festere Nahrungsbestandtheile zu zerkleinern. Erinnern wir uns zugleich an die eigenthümlich reibeisen-ähnliche Gestalt der Mandibeln, so wird es uns nicht schwer fallen, ein Bild der Vorganges bei der Nahrungsaufnahme zu con- struiren. Denken wir uns durch die Wellenbewegung des vordem Schlundkopfes festere, von den Mandibeln abgefeilte Nah- rungspartikelchen zugleich mit einer Flüssigkeit, in der sie suspendirt sind, vor den Eingang unseres Kaukästchens Der Mundtheile der Rhynchoten. 367 gebracht, so lassen sieh mehrere Arten der Aufeinander- folge der Bewegungen vorstellen. Der vordere Zapfen, dies sei noch vorausgeschickt, zeigt sich unten mit langen Haaren besetzt. Man kann nun annehmen, dass die Thiere zunächst die Flüssigkeiten aufnehmen wollen ; alsdann ver- harrt der Zapfen in seiner Ruhelage oder hebt sich doch nur wenig von der untern Wandung ab und es contrahirt sich zunächt der zweite Muskel. Die Folge wäre, dass die Flüssigkeit aus dem sich verengernden, vordem Schlund- kopfe durch das Haarsieb des Zapfens in die sich er- weiternde Kammer des hintersten Abschnittes gebracht und dann, indem sich etwa der Zapfen jetzt fester an die untere Wand anlegte und so den Rückweg nach aussen völlig verschlösse, in den weiten Schlund gepresst würde. Jetzt nun könnte das Kauen der vor dem Siebe gelegenen, festern Theile, die etwa mit einem Reste von Flüssigkeit in das Kästchen gesogen würden, durch abwechselndes Heben und Senken der obern Wände d. h. durch Druck und Reibung beginnen. Auch eine andere Auffassung des Vorganges ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Wenn man will, kann man annehmen, dass die Thiere sogar vorzugsweise von festerer Nahrung leben (der weite Schlund spricht nicht dagegen) und dass dann meist, viel- leicht auch nur häufig, die Flüssigkeit, in diesem Falle wohl Wasser, nur der bequemeren Einfuhr der Theilchen wegen aufgesogen wird. Dann mag der Zapfen wieder als Sieb dienen, welches, nach vorhergegangener Erweite- rung und Füllung des Kästchens die festern Theile zu- rückhält, indess das Wasser durch entgegengesetzte Saug- bewegungen des vordem Schlundkopfes (also wellenförmig von hinten nach vorn schreitende) wieder nach aussen ge- bracht wird. Aber wie nun auch die Thätigkeit des hintern Theiles des Schlundkopfes im Einzelnen sich gestalten möge, eines unterliegt keinem Zweifel, dass er nämlich zum Kauen festerer Substanzen bestimmt ist und dass wir es bei Si- gara und der ihr fast völlig gleich gebauten Corixa in der That mit einer jener üebergangsformen zu thun haben, 368 Otto Geise: auf deren Vorhandensein wir im Eingange unsrer Abhand- lung anspielten. Die Erörterung dieses Kaukästchens der Sigara und Corixa führt uns denn zum Schlüsse noch einmal auf No- tonecta zurück. Ich erinnere an die sonderbare Duplicatur und der von ihr überdeckten Faltungen der Innern Schlund- kopfwand, bei deren Erörterung ich für sie, auf das jetzt uns beschäftigende Gebilde hinweisend. Zerdrückung klei- nerer, festerer Theile als Function in Anspruch nahm. Dass ausserdem das Kaukästchen der Sigara den beiden hintern Theilen des Schlundkopfes bei Notonecta, auch homolog ist, bedarf kaum einer Erwähnung. Bei beiden, sonst so sehr verschiedenen Typen weist also der Schlund- kopf drei Kammern auf oder aber, wenn das Wort nicht gefallen sollte, drei deutlich gesonderte Abschnitte. Damit sind wir mit der Darstellung der Mundtheile auch von Sigara zu Ende gekommen. Nur auf eines möchte ich doch noch die Aufmerksamkeit lenken. In dem vordem Abschnitte der Oberwand des Kaukästchens nehmen wir eine scharf contourirte, hellere Stelle wahr. fz.) Sie zeigt eine lamellöse Structur, welche uns auch der Querschnitt in Fig. 32 erkennen lässt. Unter sehr starker Vergrösserung gewährt sie fast den Anblick einer zelligen Zusammensetzung. Eine ähnliche Dififerenzirung des Chi- tins finden wir auch an der entsprechenden Stelle des Schlundkopfes von Notonecta, also an der ins Innere des- selben hineinragenden Duplicatur (vergl. Fig. 1, d). Ueber ihre Bedeutung vermag ich nichts zu sagen. Ziehen wir zum Schlüsse unsrer Untersuehimg nun noch kurz andere Rhynchoten in unsre Betrachtung hinein, so ergiebt sich, dass im Grossen und Ganzen bei allen Hemiptern, vielleicht mit Ausnahme der Cocciden, der gleiche Plan im Aufbau der Mundorgane befolgt zu sein scheint dass man sonach wohl ein Recht hat, diese grosse Thier- klasse unter der Gesammtbezeichnung der Schnabelkerfe zusammen zu fassen. In Einzelnheiten ändert der Bau des Mundes natürlich bei einer so zahlreichen und durch Gestalt und Lebens- weise verschiedenen Thiergruppe vielfach ab, aber wer Die Mundtheile der Rhynchoten. 369 mag die Einzelnheiten fassen und behalten? Wir müssen uns zumeist mit den Principien begnügen und sind froh, wenn uns die Natur nicht allzu bald von der Hinfälligkeit derselben den Beweis liefert. Eines aber möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen. Ziemlich scharf nämlich lassen sich zwei Typen der Spritze unterscheiden. Es weisen die Landwanzen einen eckigen, mehr quadratischen Bau derselben auf, im Gegensatze zu dem mehr runden Typus der Hydrocoren. In Fig. 10 b liegt die Spritze einer grossen, ostindischen Pentatoma vor, welche zugleich noch eine Umhüllung aufweist, deren Be- deutung ich nicht zu erklären vermag. Leider Hess sich auf dem Schnitte der obere Theil nicht erkennen. Wie es den Anschein hat bedingt dieser eckige Bau eine Vermehrung der elastischen Kraft der Wandungen und es steht damit vielleicht die Thatsache in Verbin- dung, dass den meisten Landwanzen zugleich Pflanzen zur Nahrung dienen. Dann erklärt sich aber das Bedürfniss nach einer möglichst kräftig wirkenden Spritze leicht aus der grössern Consistenz des pflanzlichen Gewebes und des zu- gleich langsamem Säftezuflusses zu der gereizten Stelle, Nachtheile für die Nahrungsaufnahme der Wanzen, welche häufigere und stärkere Injectionen des ätzenden Drüsense- cretes wohl in etwas compensiren könnten. Ich weise schliesslich noch betreffs der Spritze auf die neuere Arbeit Meinerts ^Fluernes Munddele" hin. Aus ihr ersehe ich, dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein ganz ähnliches Gebilde sich auch bei einigen dieser Thiere findet. Schon vorher drängte sich mir die Vermuthung auf, dass die mit ihrem Stiche gewaltige Wirkungen er- zeugenden Dipternarten auch ein analoges Organ zur In- jection ihres giftigen Secretes haben müssten. Nun sehe ich denn wirklich, dass Meinert bei Tabanus eine An- schwellung des Ausführungsgauges der Speicheldrüsen ab- bildet, welche bedeutende Aehnlichkeit mit unsrer Khyn- chotenspritze aufweist. Leider hat Meinert das Gebilde nicht auf Schnitten untersucht, durch deren Zuhülfenahme man natürlich allein Aufschluss über seinen feinern Bau gewinnen kann. Ich beabsichtige indess demnächst diesem Archiv f. Naturg XLIX. Jahrg. Bd. 1. 24 370 Otto Geise: Organe der Diptern ein näheres Studium zu widmen und hoffe dann, über seinen Bau einiges berichten zu können *). Wir sind am Ende unsrer Untersuchung angelangt. Sie hat uns in dem Mundapparat unsrer Wanzen einen hochcomplicirten und mit feinster Akkuratesse zusammen- arbeitenden Mechanismus kennen gelehrt, der, obgleich, wie es scheint, im Princip stets der gleiche, doch auch bedeutender Modificationen sich fähig erweist. Wir werden uns deshalb schwerlich an Grab er anschliessen wollen, wenn er in seinem Insecten werke den „Wanzenschnabel'' einer nähern Beschreibung nicht für werth erklärt, da er ja nur eine zweite Auflage des Fliegenrüssels sei. Man hüte sich, wenn auch nur leise, der Natur Armuth vorzu- werfen, denn wo sie ganz sich offenbart zu haben scheint, da scheint dies immer nur den Augen so, die das Mehr nicht sehen, wie das denn auch mit den meinigen bei vor- liegender Untersuchung der Fall sein muss. Ich kann nicht schliessen ohne zuvor noch meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimerath Professor Dr. R. Leuckart meinen aufrichtigen Dank auszusprechen für die ungemein reiche Anregung und die vielfache Unterweisung, mit welcher er mir, wie früher, so auch jetzt noch insbesondere bei dieser Arbeit zur Seite ge- standen hat. 1) Ich kann schon jetzt constatiren, dass sich bei Tabanus ein analoges Organ findet. Im Querschnitte etwa unsrer Fig. 15 gleichend bietet es auch in der Aufsicht ein dem Schlundkopfe in Fig. 17 ähnelndes Aussehen dar. Seine Muskeln inseriren sich oben an einer etwa h' entsprechenden Stelle. Sein Bau scheint jedoch einfacher zu sein, wie ich denn z. B. eine eigentliche Ventilirung nicht wahr- genommen habe. Die Mundtheile der Rhynchoten. 371 Tafelerklärung. Tafel X. Fig. 1 — 18. Schnitte durch Kopf und Schnabel von Notonecta glauca. Fig. 1. Längsschnitt durch den Kopf; nicht ganz median, c Cly- peus, Ir Lamelle der Oberlippe als Fortsetzung des Clypeus; e e', e" e'", e"" obere und innere — h, h', h", h'" untere und äussere Wand des Schlundkopfes, Epi- und Hypo- pharyngeallamelle, a, a', a", a'" Kammern des Schlund- kopfes, d Reuse (Fig 11), o Oesophagus, m', m^, m^, m'^ — musc. dilatores pharyng. b Hohlraum der Saugspritze; hh obere Wand derselben; le' Lamelle der Unterlippe ; v Ventil ; dr Drüsengang ; s Sehne zum Ansatz der m. dilatores der Saugspritze. 8 Borstenröhre. m d 1 musc. depressor labii ; mllmusc. levator labii; f, ff" Drehpunkte des ersten und zweiten Gliedes des labium, i Verdickung des Grundes der ünterlippenrinne, i' zum An- satz der Seitwärtsdreher der vordem Glieder des Schnabels mf, i" zweite Verdickung zum Ansatz der Muskeln ma. Fig. 2. Querschnitt durch die Spitze des Schnabels. Fig. 3. Querschnitt durch den Schnabel, in der Gegend der Ver- dickung i". Fig. 4. Querschnitt. Fig. 5. Borsten in starker Vergrösserung zur Darstellung der über- greifenden Führungsrinnen. Fig. 6. Querschnitt durch Unterlippe und Oberlippe; s Borsten. Fig. 7. Querschnitt durch Mandibeln und Maxillen; die Führungs- rinnen greifen nicht über, p' Saugröhre; s' Spritzröhre; mx Maxillen; md Mandibeln; e untere Lamelle der Ober- lippe, li oberer Theil der Unterlippe. Fig. 8. Querschnitt, etwas weiter nach hinten, p auslaufende Rinne des Schlundkopfes, eigentlicher Hypopharynx; s Gang der Spritze, i in beiden Figuren die lumina der Matrix , in gleicher Weise wie in den Maxillen in den nach aussen gelegenen Mandibeln vertreten. Ausserdem die Bezeichnung wie in Fig. 7. Fig. 9. Querschnitt. Buchstabenbezeichnung, wie in Fig. 1. h' Hypopharyngeallamelle , welche durch Einstülpung hier Fühlungsleisten für Mandibeln und Maxillen bildet. 372 Otto Geise: hh, h'h', li Begrenzungsflächen und Verschluss des Aiis- führungsganges der Spritze. Fig. 10. a. Durchsichtszeichnung der Spritze von Not. glauca. h'h' Verschluss des Ganges. b Spritze einer ostindischen Pentatoma mit einer Dupli- catur d. (Im Längsschnitt.) Fig. 11. Reusenartige Duplicatur der obern Wand des Schlund- kopfes. Fig. 12. Eine der Fansen in starker Vergrösserung. Fig. 13, 14, 15. Querschnitte des Scblundkopfes ; h, e Hypo- und Epipharyngeallamelle. Fig. 16. Schnitt durch die Flügel des Schlundkopfes (a, b in Fig. 15) in der Richtung der Linie x y in Fig. 17. Die Flügel sind durch schematische Zeichnung verbunden. Buchstaben- bezeichnung zum Theil wie in Fig. 1. d', d" runzelartige Faltungen der Innern Schlundkopfwandung unter der reusenartigen Duplicatur d. Fig. 17. Der frei herauspräparirte Schlundkopf. Fig. 18. Bewegungsmechanismus der Maxillen. Halbschematisch, a Kopfwand, b Hebelstück, c Maxille, d Einlenkungspunkt des Hebels an der Kopfwand, d' an der Maxille. mp musc. protractor. max., mr musc. retractor max. Fig. 19—25. Querschnitte durch den Schnabel und Kopf von Nepa cinerea. « Fig. 19. Schnitt durch die Spitze des Schnabels, li Unterlippe; s Borstenröhre. Fig. 20. Schnitt, weiter aufwärts nach dem Kopfe zu geführt, zeigt die Oberlippe Ir-e mit in der Rinne der Unterlippe liegend. Fig. 21. Oberlippe Ir-e mit den sie ausfüllenden Borsten stärker vergrössert. mx Maxillen ; md Mandibeln. Fig. 22. Schnitt durch die Einlenkungsstelle des zweiten Gliedes der Unterlippe. Fig. 28 u. 24. Querschnitte durch den Schnabel nahe am Kopfe. f übergreifende Faltungen des Kopfes. Fig. 25. Schnitt durch die Stelle, wo das labrum in den Clypeus übergeht, e Epi-, h Hypopharyngeallamelle. Fig. 26 — 32. Quer- und Längsschnitte durch Kopf und Schnabel von Corixa striata. Fig. 26. Die senkrechten Linien zeigen die Lage der Querschnitte an, auf welche die Zahlen verweisen. Längsschnitt durch den Kopf; nicht streng median, e und h Epi- und Hypopha- ryngeallamelle. Die Mundtheile der Rhynchoten. 373 li, li', le, le', obere und untere Wölbung der Unterlippen- röhre, s Borstenröhre. 1, 2, 3, 4 erstes, zweites, drittes und viertes Glied des labium. mdl, mll m. depressor et m. levator labii. z Faserige Stelle in der obern Wand des Kaukästchens k. Fig. 27. Querschnitt durch das zweite und dritte Schnabelglied, (li 2 und li 3). Fig. 28. Querschnitt durch das erste Glied, li labium; e Spitze des Clypeus. Fig. 29. Rinne des Schnabels aus Fig. 28, stärker vergrössert. md Mandibeln; mx die einen einfachen Gang bildenden Ma- xilleu; e stark chitinisirte Endigung des Clypeus. Fig. 30. Querschnitt durch den Schnabel; weiter nach hinten als der vorige Schnitt. Mandibeln und Maxillen; s Spritzen- gang, h u. e Hypo- u, Epipharyngeallamelle, Fig. 31. Querschnitt durch den Kopf; Schlundkopf in Erweiterung , begriffen. Fig. ife. Querschnitt durch den Kopf und das Kaukästchen, z fase- rige Stelle, e Epi- und h Hypopharyngeallamelle. Litteratur. Savigny, Memoires sur les animaux sans vertebres. Paris 1816. Burmeister, Handbuch der Entomologie. Berlin 1855. Claus, Grundzüge der Zoologie. Marburg 1876. Dewitz, Ueber Führung an den Körperanhängen der Insecten. Berlin. Entomol. Zeitschrift. Bd. 26. Heft 1. Dimmock, The anatomy of the mouth-parts and the sucking appa- ratus of some diptera. Boston 1881. Dufour, Recherches sur les Hemipteres. Mem. Acad. des sc. (Sav. etrangers) IV 1833. Erichson, Entomographien. Erstes Heft. Berlin 1840. Fabricius, Systema entomologiae, Flensburg u. Leipzig 1775. Gerstfeld, Ueber die Mundtheile der saugenden Insecten. Leipzig 1853. Grab er, Die Insecten. München 1877. Huxley, Grandzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Deutsche Ausgabe. Leipzig 1878. Landois, Zur Anatomie der Bettwanze. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. 18. Meinert, Fluerues Munddele, Kjöbenhavn 1880. Meyer, Zur Anatomie von Pyrrhocoris apterus. Archiv für Ana- tomie und Physiologie. 1873. Ueber die Gattung Argenna Thor, und einige andere Dietyniden. Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. (Hierzu Tafel XI). Die Gattung Ar gen na wurde von Thor eil 1869 in seiner Review of the European genera of Spiders auf- gestellt und von Dictyna durch die Augenstellung unter- schieden. Einige für die Frage der systematischen Stellung in erster Linie entscheidende Fragen, nament- lich die der Athmungsorgane , blieben von T h o r e 1 1 un erörtert und mussten es bleiben, da Thoreil nur 2 getrocknete Exemplare vor sich hatte. Auch L. Koch, der 1878 in den Abhandl. d. Naturf. Gesellsch. zu Görlitz, XVII p. 56 Fig. 8, zu der typischen Art Thorell's, A. Meng ei, eine zweite Art, A. pallida, hinzufügte, erwähnt hierüber nichts. Thorell und L. Koch sind die einzigen, die die Gattung Argenna ausdrücklich aufführen: weder Menge, noch Simon ^), noch Cambridge erwähnen die- 1) Simon führt sie 1874 in den Aran. nouveaux ou peu connus du Midi de l'Europe unter seinen Dictynidae (= Amaurobiinae Thor.) wohl nur auf die Autorität Thorell's hin an, da nach einer brief- lichen Aeusserung ihm die Gattung ganz unbekannt ist Dr. Ph. Bertkau: Ueb. d. Gatt. Argenna Tfior, u. e. a. Dictynidon. 375 selbe, und die Gattung gehört daher zu denjenigen, die in Gefahr sind, in Vergessenheit zu gerathen. Wegen Unkenntniss der Beschaffenheit der Athmungs- organe musste ich in meinem „Versuch einer natürlichen Anordnung etc." die systematische Stellung von Argenna unentschieden lassen, wenn auch eine grössere Anzahl Gründe für eine Zusammengehörigkeit mit Dictyna und Lethia als mit Amaurobius sprachen, also für die Zuge- hörigkeit zur Familie der Dictynidae und nicht Amauro- biadae in meinem Sinne. Der Fund zweier weiblichen Exemplare dieser Gattung setzt mich nun in den Stand, diese nur vermuthete Zusammengehörigkeit mit aller Be- stimmtheit behaupten und beweisen zu können. Das Tracheensystem (Fig. 1) dieser Gattung ist näm- lich ganz übereinstimmend mit dem bei den Dictyniden herrschenden Typus gebaut. Vor den Spinnwarzen und noch vor dem Cribellum (er.) findet sich ein breiter, etwas geschwungener und an seinen Enden rundlich erweiterter Spalt (s), der zunächst in 2 geräumige Hauptstämme (h) mit starkem, mit Zäpfchen versehenen Spiralfaden führt; von diesen Hauptstämmen gehen an ihrem Ende sowie auch in ihrem früheren Verlauf an einzelnen Stellen Büschel feiner Röhrchen (t) ab, die sich unverzweigt bis in den Cephalothorax und dessen Gliedmafsen hinein erstrecken. Genau kann ich die Vertheilung der feinen Fadenbüschel nicht angeben, da ich nur ein Exemplar, und dieses erst nach mehrmonatlichem Liegen in Alkohol untersucht habe. Das Cribellum (Fig. 2) hat am meisten Aehnlichkeit mit dem der Gattung Diotima Sim. (vgl. die Abbildung in diesem Archiv. 1882 Taf. XVIII Fig. 19); es ist unge- theilt, sein Hinterrand einfach schwach gebogen, der Vorder- rand in gleichem Sinne, aber etwas stärker gebogen, so dass das ganze Organ in der Mitte seiner Breite am nied- rigsten ist; die Zahl der Spinnröhren auf demselben beträgt etwa 200. Von der Tracheenspalte ist das Cribellum durch einen verhältnissmässig weiten Zwischenraum getrennt. Die Fächertracheen (sog. Lungen) sind nur wenig entwickelt und bestehen aus einem länglichen, schräg nach vorn gerichteten Sack, der an der der Medianlinie zuge- 376 Dr. Ph. Bertkau: kehrten Seite 10—12 kleiner, flacher Säckchen (Blätter) trägt; ich kenne keine zweite Art, die deutlicher bewiese, dass die sog. Lungen der Arachniden nichts weiter als eine eigenthümliche Modifikation der Tracheen sind. — Auch Menge (Preuss. Spinnen p. 248) erwähnt von seiner Dictyna albopunctata, einer Argenna-Art, wie ict nachher zeigen werde, die geringe Entwickelung der Fächertracheen; hier sollen sogar die Säckchen zweiter Ordnung ganz fehlen und die Tracheen die einzigen funk- tionierenden Athmungsorgane sein. Sehr eigenthlimlich und in beiden mir vorliegenden Arten fast gleichgestaltet sind die Samentaschen (Fig. 3, 4, und 5 a, b). Oberhalb der Mündung der Eileiter (Fig. 4 s) ist die sog. Epigyne als eine trapezoidische oder breit herzförmige, stärker verhornte Platte bemerkbar; die längere Seite des Trapez liegt vorn. In den vordem Ecken desselben liegt je eine grosse elliptische Vertiefung, die grossen Achsen schräg, von vorn nach hinten diver- girend. In der hinteren Spitze der Ellipse beginnt ein enger Kanal, der nach hinten verläuft und nach einigen Yer- schlingungen, die schwer zu verfolgen sind, in die nieren- förmigen, plattgedrückten Samentaschen einmündet. In beiden Exemplaren sind nun die oben erwähnten 0 Öff- nungen in der Epigyne durch ein fast rein weisses, schwach rosa angehauchtes, wenig gewölbtes Deckelchen geschlossen. Dieses Deckelchen hat ebenfalls einen elliptischen Umriss und ist so gelegt, dass die grosse Achse desselben mit der der Oeffnung ungefähr einen Winkel von 60« macht. Es ist nicht von einer Haut ge- bildet, sondern besteht aus einem Sekret, dessen Herkunft mir zweifelhaft ist. Diese eigenthümliche Einrichtung, die noch bei keiner anderen Gattung gemeldet ist, scheint mir recht geeignet zu sein, um die Gattung Argenna fester zu begründen. Die Brust (Fig. 6 st) ist abgerundet dreieckig, die Spitze des Dreiecks nach hinten vorgezogen und mit langen Haaren wirtelig besetzt; auch der Seitenrand der Brust trägt kürzere, schräg nach vorn gerichtete Haare. Die Lippe (1) ist abgerundet dreieckig, mit stumpf zugerundeter lieber die Gattung Argenna Thor, und einige andere Dictyniden 377 Spitze; die Unterkiefer sind länglich viereckig, an der Spitze abgestutzt, und fast doppelt so lang als die Lippe, nach der sie nur schwach konvergiren. — Die Augenstel- lung (vgl. Fig. 7) ist von Thoreil ausführlich angegeben und ein Grund der gener ischen Trennung gewesen. Ein von Thoreil und Koch übersehener Punkt bei den Scheitel- augen scheint mir alle Beachtung zu verdienen. Es ist dies eine Differenzierung anscheinend der Cornealinse in 2 Hälften, von denen die eine, der Mittellinie zugekehrte, blaugrün schimmert, die äussere bernsteinfarben ist. Das- selbe Auge zeigt also in seinen verschiedenen Theilen die- jenigen Modifikationen vereinigt, die sonst nur auf ver- schiedene Augen vertheilt vorkommen (yeux diurnes und nocturnes Dufour's). In wie weit mit jener Verschieden- heit, in der sich die Cornealinse zeigt, eine Verschieden- heit der übrigen Gewebselemente des Auges verbunden ist, haben auch die Grenach er'schen Untersuchungen nicht gezeigt, da er diesem Unterschiede keine Beachtung geschenkt hat, wie denn überhaupt den meisten unserer heutigen Histiologen der Vorwurf nicht erspart werden kann, dass sie von den mühevollen Arbeiten der „Syste- matiker" weniger Notiz nehmen, als es in ihrem eigensten Interesse zu wünschen wäre. Die bisherigen Angaben beziehen sich vorzugsweise auf Argenna pallida L. Koch, von der sich ein weib- liches Exemplar unter den Vorräthen fand, die ich während der Reblausuntersuchungen im Ahrthal (6. Juli bis 20. August 1882) zusammengebracht habe; unter welchen Um- ständen ich die Art gefunden, kann ich nicht sagen. An der Richtigkeit der Benennung ist kein Zweifel, da ich durch die Gefälligkeit Dr. Z immer man n's Gelegenheit hatte, das typische Exemplar L. Koch's zu sehen; den beiden einzigen bisher bekannten Fundorten für diese Art (Niesky und Nürnberg) kann jetzt demnach auch das Ahr- thal (wahrscheinlich der Fuss der Landskrone) hinzuge- fügt worden. Am 30. Juni v. J. fand ich bei Rheinbrohl an einer etwas feuchten Stelle unter einem Stein ein Exemplar einer Argenna- Art, das fast in allen Merkmalen mit A. pal- 378 Dr. Ph. Bertkau: lida tibereinstimmt, so das es genügt, die Unterschiede hervorzuheben. Zunächst ist die Grundfarbe des Körpers nebst Beinen weit heller, lehmgelb; die (runden) Stirn- augen sind grösser, fast so gross als die (elliptischen) vorderen Seitenaugen; der bernsteinfarbene, nicht schim- mernde Theil der Scheitelaugen nimmt fast ^U des ganzen Auges ein; die hintere Augenreihe ist schwach gebogen. Wichtiger scheint mir noch der Unterschied der Deckelchen der Epigyne zu sein : während die kleinste Entfernung der- selben von einander bei A. pallida fast kleiner als der kleinste Durchmesser eines solchen Deckelchens ist, über- trifft er bei dieser Art fast den grössten Durchmesser. — In einigen der angeführten Punkte stimmt die be- sprochene Art mit A. Mengei überein, bei der z. B. eben- falls die hintere Augenreihe schwach gebogen ist. Nach Thor eil sind bei A. Mengei die Stirnaugen fast um ein drittel kleiner als die übrigen,- nach L. Koch sind sie den Seitenaugen an Grösse gleich. Leider giebt Thor eil die Beschaffenheit der Epigyne nicht an, und da die Farbe eine so verschiedene ist, so scheint es mir angemessen, die Art vorläufig als von A. Mengei verschieden anzusehen ; sie mag A. testacea heissen. Die besprochenen Arten sind nun nicht die einzigen der Gattung Argenna, wenigstens wenn meine Vermuthung richtig ist, dass Dictyna albopunctata Menge und Le- thia albispiraculis Cambridge (Ann. a. Magaz. Nat. Hist. (5) I p. 109 PL XI Fig. 1) ebenfalls zu derselben gehören. Von L. albispiraculis scheint mir dies unzweifel- haft: Cambridge hielt die Deckelchen, die sich auf den Oeffnungen der Samentaschen befinden, für den sog. Lungen- deckel und wählte nach dieser Vorstellung seinen Namen für die Art; dass sie aber auch bei Lethia albispiraculis die Bedeutung haben, die ich oben von ihnen angab, geht daraus hervor, dass Cambridge bei den S von L. albi- spiraculis diese Deckelchen verraisste (s. Spiders of Dorset II p. 571). Von Dictyna albopunctata Menge scheint mir die Zugehörigkeit zu Argenna eben so wenig zweifelhaft» da Menge die „eirunden Deckel" an der Schlossplatte üeber die Gattung Argenna Thor, und einige andere Dictyniden 379 richtig angiebt und zeichnet. Aus der Abbildung (Fig. B, C, D) geht auch hervor, dass die Deckel mit ihrer Längs- achse anders gerichtet sind wie die Oeffnungen, was zum Verständniss der Figuren C und D, die sich zu wider- sprechen scheinen, zu bemerken nicht tiberflüssig sein mag. Wenn die Fig. C ganz korrekt ist, so würden bei A. albo- punctata (Menge) die Deckel noch näher bei einander liegen als bei A. pallida. — Ein fernerer Punkt, der für die Zusammengehörigkeit der genannten Arten spricht, liegt in der Zeichnung des Hinterleibes; dieselbe ist so nahe übereinstimmend, dass daneben die Angabe Menge's: „Augen wie bei Dictyna arundinacea" kaum ins Gewicht fällt. Endlich könnte noch Lethia patula Cambridge (Ann. a. Mag. Nat. Hist. (5) I p. 108), die nach dem Autor selbst mit seiner L. albispiraculis nahe verwandt ist, zu Argenna gehören. Cambridge giebt von dem einzigen Exemplar die Oeffnungen der Samentaschen weit von ein- ander entfernt an, erwähnt aber keinen Deckel. Die weite Entfernung der Oeffnungen würde die Art meiner A. testacea näheren. Der Umstand, das Menge seine Art zu Dictyna, Cambridge zu Lethia stellt, hönnte Zweifel an der Berech- tigung der Gattung Argenna erregen, die aber unbegründet wären. Cambridge wurde wahrscheinlich durch ThorelTs Gattungstabelle (a. a. 0. p. 119) zu dem Missgriff veranlasst, die Argenna neben Dictyna stellt und die Unterschiede von dieser hervorhebt, während Argenna thatsächlich mit Lethia weit näher als mit Dictyna verwandt ist. Zu entscheiden, ob „maxillae in labium inclinatae^ (Argenna und Dictyna) oder „subparallelae" sind, ist überdies nicht so^leicht, und ich möchte daher die Gattung lieber auf die Eigen- thümlichkeit ihrer Samentaschen (Besitz der Deckelchen und Lage der Oeffnung vor den Taschen) begründen. Zu welcher Zeit und woraus übrigens die Deckel entstehen, kann ich nicht angeben. Sind sie ein Produkt von Drüsen des Weibchens oder des Männchens und dann ein Zeichen der vollzogenen Begattung, ähnlich dem „Be- gattungszeichen" des Parnassius und anderer Papilioniden? Müssen sie im ersteren Falle zur Vollziehung der Begattung, 380 Dr. Ph. Bertkau: im letzteren zur Befruchtung der Eier beseitigt werden, und wie geschieht dies? Alles dies sind Fragen, die ich nur anregen, nicht beantworten kann. Doch glaube ich um so mehr, dieselben aussprechen zu sollen, als die Arten der Gattung Argenna nur selten und gelegentlich dem Zoologen zu Gesicht kommen und also nur von einer grossen Zahl aufmerksamer Beobachter eine Lösung dieser immerhin interessanten Frage erwartet werden kann. Im Anschluss an diese Mittheilung will ich etwas ausführlicher auf eine eigenthümliche Erscheinung bei Dictyna viridissima eingehen, deren ich gelegentlich bereits früher gedacht habe (Ueber 5 . . . Weibchen einer Eresus- Art . . . etc. in den Verh. des naturf. Ver. d. preuss. Rhein- lande und Westfalens XXXIY p. 276 Anm. 2). Bei Dictyna viridissima finden sich die Oeffnungen der Samentaschen in einer gemeinsamen flachen Grube von herzförmiger Gestalt; der vordere Theil der Grube ist noch durch eine sich nach hinten allmählich verflachende Leiste getheilt (Fig. 8). Seitlich setzt sich jede der so entstehenden Hälften (c) in einen sich allmählich ver- schmälernden Kanal (t) fort, der Anfangs nach auswärts gekehrt ist, sich dann nach vorn wendet und in einen geräumigen, flachen Sack (s) mündet. Dieser Sack hat eine zarte, in Falten zusammengelegte Wandung; sein Querdurchmesser übertrifft den Längsdurchmesser beträcht- lich, und er ist in der Mitte etwas eingeschnürt. An der der Unterseite des Körpers zugekehrten Wandung sind, der Mittellinie genähert, 2 hornartige, gekrümmte Körper (c) angebracht, die am einen Ende mit weiter Mündung (o") beginnen, sich dann verengern und am anderen Ende mit einer halbmondförmigen Oeffnung (o), an die sich Muskeln inseriren, abschliessen. Hinter diesen Hörnern erheben sich zwei keulenförmige Schläuche (r. s.) mit etwas zarterer Wandung als die genannten Hörner: die Samentaschen. Sie sind zur Zeit der Geschlechtsreife (bei uns von Ende August an) mit Spermatozoen prall erfüllt, und noch am 6. Januar dieses so milden Winters (1883) fand ich ein Exemplar, bei dem die Samentaschen noch reichlich Sper- matozoen enthielten ; ausserdem aber befinden sich Sperma- Üeber die Gattung Argenna Tlior. und einige andere Dictyniden 881 tozoen in den übrigen beschriebenen Theilen, und dieselben strömen an der erwähnten Spalte (o'), wenn sich diese von der davor liegenden Wand abhebt, heraus. In dem grossen Sacke sind nun ferner noch als In- halt 2 vielfach gedrehte und hin- und hergewundene wurst- förmige Körper (f) vorhanden, die das Sekret einer Drüse zu sein scheinen. Bei auffallendem Lichte sind sie weiss, bei durchgehendem dunkel. Sie scheinen aus einer gall- ertigen Masse gebildet zu sein, in der Partieen von ver- schiedenem Lichtbrechungsvermögen mit einander ab- wechseln. Wo und wie sie gebildet werden, kann ich nicht sagen; wahrscheinlich sind die Drüsen, die sie ge- liefert, zur Zeit der Geschlechtsreife bereits abortirt. Hinter den Samentaschen, an deren blindem Ende, erheben sich 2 Lappen (d), die eine deutliche Struktur nicht mehr er- kennen Hessen, und die möglicher Weise bei der Bildung der wurstförmigen Körper betheiligt sind. Diese letzteren sind zu Anfang der Fortpflanzungsperiode mächtiger ent- wickelt und füllen fast den ganzen von den übrigen Or- ganen nicht eingenommenen Hohlraum des Sackes aus; in der späteren Jahreszeit ist ihr Umfang ein geringerer, und bei dem am 6. Januar untersuchten Exemplar sah ich, wie durch leichten Druck des Deckgläschens ein dünn- flüssig gewordener Theil dieser Masse, vermischt mit einigen Spermatozoen, durch den Stiel (t) der Samentaschen nach der äusseren Mündung (o) glitt. Vereinzelte Sperma- tozoen finden sich jederzeit zwischen den Windungen der wurstförmigen Körper; ihre Gestalt ist schon von Balbiani (Ann. Sei. Nat., ZooL, (5) XVIII PI. 14 Fig. 52 A) richtig angegeben. Eine befriedigende, auf unanfechtbare Beobachtungen sich stützende Erklärung dieses so auffallenden Apparates kann ich nicht geben; selbst die Oeffnung im Innern des grossen Sackes, in die der „Eindringer" eingeführt wird, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, da man die Wahl zwischen o' und o" hat. Ich habe in diesem Herbste mehrere in copula befindliche Päärchen, bei denen der Eindringer durch die äussere Oeffnung (o) schon längere Zeit eingeführt war, auf verschiedene Weise zu tödten 882 Dr. Ph. Bertkau: üeb. d. Gatt. Argenna Thor. u. e. a. Dictyniden versucht, in der Hoffnung, die Vereinigung dadurch eben so wenig zu stören, wie dies bei Dictyna uncinata und Tegenaria picta gelingt; aber immer vergebens. Am wahrscheinlichsten ist mir folgende Deutung des Apparates. Der Eindringer wird durch t in die Oeffnung o' eingeführt und füllt von hier aus die zugehörige Samen- tasche mit Samen. Von letzterem gelangt von Zeit zu Zeit eine kleinere Partie durch die Oeffnung o" an die wurstförmigen Körper, von denen sich zur Zeit der Eiab- lage ein Theil in Flüssigkeit verwandelt und mit dem Samen vermischt die Flüssigkeit darstellt, die nachträglich über die Eier ausgegossen wird. Eine ähnliche Vermuthung äusserte Menge (Preuss. Spinnen p. 186) über die Funktion der „Nebensamentaschen^^ seines Tmeticus leptocaulis. — Dictyna viridissima legt wie die übrigen Dictyna-Arten ihre Eier in grösseren Zwischenräumen in 4— 5 Partieen ab. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Fig. 1. Cribellum und Anfang des Tracheensystems von Argenna testacea. Fig. 2. Cribellum stärker vergrössert. Fig. 3. Epigyne von A. pallida. Fig. 4. „ „ „ testacea. Fig. 5. Samentaschen von A. testacea, von innen; die linke (B) mit, die rechte (A) ohne Deckelchen (d). Fig. 6. Brustplatte (st) mit Unterlippe und Unterkiefer von A. pallida. Fig. 7. Cephalothorax von A. pallida mit seiner eigenthümlichen Zeichnung. Fig. 8. Der zu den Samentaschen von Dictyna viridissima gehörende Apparat. Ueber die madagascarischen Dytisciden des Königl. entomologischen Museums zu Berlin. Von H. J. Kolbe, Museums - Assistent in Berlin. Es heisst einem doppelten Zwecke genügenj wenn von irgend einer Thiergruppe irgend eines faunistischen Gebietes das gesammte Material eines Museums in einem Bilde zusammengestellt und dem entomologischen Publicum vorgeführt wird: zum ersten gewinnt der Aussenstehende einen Einblick in die Schätze des Museums; zum anderen wird die Verarbeitung des reichhaltigen Museumsmate-* rials in dem gedachten Sinne ein anschauliches Bild von der betreffenden Fauna liefern, welches, in wissenschaft- lichem Zusammenhange, einen interessanten Anblick von dieser Fauna gewährt. Eine solche Arbeit ist immer von grossem wissenschaftlichen Werthe für die Zoogeographie überhaupt, wie für die eventl. Eigenthümlichkeit des Faunengebietes im besonderen. Leider sind dergleichen faunistische Werke, zumal entomologische, noch selten oder jm gegebenen Falle meist sehr wenig vollständig. Auch die vorliegende Arbeit ist ohne Zweifel noch entfernt von einer Erschöpfung der DytiscidenfaunaMadagas- 384 H. J. Kolbe: Ueber die madagascarischen Dytisciden cars, einer Region, welche fast unausscbliesslich ihre eigenen zoologischen Species und zum grössten Theile auch ihre eigenen Genera besitzt ^). Aber obgleich es wahrscheinlich ist, dass zukünftige Reisende in Madagascar noch mehr Species entdecken werden, so verlockte dennoch das bereits vorhandene und umfangreiche Material des Königl. Museums den Verfasser, eine Bearbeitung dieser Insectenfamilie zu unternehmen, zumal da eine Menge noch nicht in der Literatur verzeichneter Species das Interesse und den Werth der Arbeit erhöhten. Es waren bisher 25 Species von Madagascar bekannt, die durch das Material des Königl. Museums jetzt auf 50 erhöht sind; unter denselben wurden 22 als neue Arten erkannt, und 3 waren bisher nur der Fauna Afrikas eigenthümlich. In- zwischen ist das grosse Dytisciden werk von David Sharp erschienen, welches, wie man auf den gleich folgen- den Seiten finden wird, auch aus Madagascar sehr viel Neues bringt und diese Zahlen um ein Bedeutendes ändert. Das Berliner Entomologische Museum besitzt einen grossen Reichthum an Insecten, der vorzüglich erst in der Vorführung irgend einer bestimmten Insectenfamilie sich kundgiebt. Madagascar ist in letzteren Jahren ausser anderen tüchtigen Männern, wie dem Rev. Mr. Cowan, namentlich durch den verdienstvollen Hildebrandt, der leider zu früh, nämlich dort im fernen Madagascar selbst sein Leben Hess. Vor etwa 50 Jahren war es der Franzose Goudot, durch dessen noch umfangreichere madagascarische In- sectensammlungen das Berliner Museum einen grossen Zu- wachs aus dieser Fauna gewann. Ebenso hatCh. Coquerel Madagascar sehr explorirt. Im Königl. Museum befindet sich, von Goudot ent- deckt, eine neue, systematisch sehr wichtige Gattung, welche Hydatonychus genannt wurde. Die meisten Gattungen 1) Zufällig nicht in der Dytisciden-Familie, welche bekannt- lich über alle Erdtheile in homogenea Generibus ausgebreitet ist. des Königl. entomologischen Museums zu Berlin. 385 heimathen auch auf dem benachbarten afrikanischen Con- tinente, viele sind weit darüber verbreitet, andere finden sich zahlreich an Arten in der orientalischen Region und in Australien , mehrere sind unter verschiedenem Reichthum an Arten über alle Continente der Erde ver- breitet. Die Hyphydrus-Arten stehen den afrikanischen, die Hydro vatus den ostindischen am nächsten. Auch unter den ostindischen Hydaticus finden sich nahe Verwandte der madagassischen Arten. Copelatus und Bidessus haben sehr nahe verwandte Arten in Australien. Selbst der südeuropäische Bidessus bicarinatus ist mit dem madagas- sischen costipennis sehr nahe verwandt. Einer der Haupt- factoren der Aehnlichkeit räumlich so weit getrennter Species ist in manchen Fällen indessen wohl nur die Aehn- lichkeit der Lebensweise, in demselben Medium, dem Wasser. Doch ist die Uebereinstimmung in den generi- schen Auszeichnungen sicher in jedem Falle auf die ur- sprüngliche Stammesverwandtschaft und die gemeinsame Abstammung zurückzuführen. Folgende Uebersicht repräsentirt die Dytiscidengat- tungen Madagascars, unter Anführung der Artenanzahl der madagascarschen Region einerseits und der orientalischen, australischen und äthiopischen Region andererseits. Die systematische Anordnung ist der 1882 erschienenen Mono- graphie der Dytisciden von Dr. D. Sharp entnom- men *). 1) D. Sharp, On aquatic carnivorous Coleoptera or Dytis- cidae. Scientific Transactions of the Royal Dublin Society. Vol. II. (Series II) Part II. 1882 Plate Vü-XVIII. Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 25 386 H. J. Kolbe: Ueber die madagas carisclieii Dytisciden feg .4,§ li sff ^^ ^•& §P5 ^^_ ä <1 ä Anzahl der Arten. I. Dytisci fragmentati. A. Noterides. Hydrocoptini Hydrocoptus . . . Noterini Synchortus . . . Hydrocanthini * Cantbydrus . . . Hydrocantbus . . B. Laccopbilides. * Laccopbilus . . . Neptosternus . . . n. DyiJisci complicati. A. Hydroporides. Hy drovatini Hydatonychus . . * Hydrovatus . . . Biddessini Heterbydrus . . . * Bidessus .... Hy pbydrini ^^ Hypbydrus . . . Hydroporini * Herophydrus . . B. Colymbetides. Agabini * Copelatus . . . Coly mbetini * Rbantus .... C. Hydaticides. Hydaticiui * Hydaticus . . . Tbermonectini Rbanticus .... Cybist rini * Cybister .... 1 8 1 4 6 3 6 2 10 1 10 3 1 13 1 1 12 5 16 6 7 20 4 5 9 26 1 5 9 7 1 1 22 2 Die mit einem * versehenen Gattungen kommen auch in Eu- ropa vor. des Königl. entomologischen Museums zu Berlin. 387 Der Hauptschwerpunkt liegt in der Entfaltung der Noteriden, Hydrovatinen, Hyphydrus, Hydaticus und Cy- bister. Um einen Begriif von der Verschiedenheit der Dytiscidenfauna Madagascars von der Europas zu erhalten, merke man, dass Hydrovatus und die Hydrocanthinen nur sehr vereinzelt und zumeist in südlicheren Gegenden sich finden ; ebenso Cybister nur in 1 Art in Nord- und Mittel- europa. — Andererseits fehlen in Madagascar die Gattungen Cnemidotus, Haliplus, Brychius, Pelobius, Hydroporus, Noterus, Ilybius, Agabus, Colymbetes, Dytiscus, Eunectes und Acilius, welche, mit einigen Ausnahmen, in dem ßeich- thum und der allgemeinen Verbreitung der Species die characteristischen Gattungen der Dytiscidenfauna Europas bilden. Indessen kommt Madagascar in seinen characteri- stischen Gattungen mit Afrika überein, noch mehr indessen mit der Fauna des tropischen Asien. Es kommen hier die verschiedenen Gattungen der Noteriden, die Hydrovatus, Laccophilus, Hyphydrus, Copelatus, Hydaticus und Cybister in Betracht. Von den 69 bis jetzt in der madagascarschen Region constatirten Species der Familie Dytiscidae sind 63 auf Madagascar selbst und 6 nur auf den umliegenden Inseln gefunden. Von den 63 Arten Madagascars leben 19, im Ganzen also 25 Arten auf den kleineren Inseln der mada- gascarschen Region. Ferner sind 13 Species über die Grenzen der Region hinaus verbreitet, einige nur auf der gegenüberliegenden Küste Afrikas, andere über weitere Strecken des Continents, sogar bis Südeuropa, wenige über Südasien und Australien. 50 Arten finden sich nicht ausser- halb der Madagascarschen Region, und 40 sind auf Mada- gascar selbst beschränkt. Die Verwandtschaft mit der Dytisfauna der benach- barten Continente ist, wie schon gezeigt, nicht zu unter- schätzen, doch zeigt die Fauna Madagascars eine Selb- ständigkeit, wie man sie längst aus anderen zoologischen Gruppen dieser grossen Insel erkannt hat. Ganze Reihen artenreicher Gattungen, z. B. der Cetoniidae, Buprestidae, Curculionidae, Carabidae sind nicht ausserhalb Madagascars gefunden worden. 388 H. J. Kolbe: lieber die madagascarschen Dytisciden Eine weitere Verbreitung einzelner Arten Dytisciden über die Grenzen der Region hinaus liegt vielleicht nur in der leichten Locomotion dieser Thiere begründet. Wohl kaum verbreiten sich andere Insecten mit einer solchen Leichtigkeit über weite Strecken, als die Dytisciden; selbst nicht zu breite Meere und Meeresarme sind für sie keine Barrieren. Die südeuropäischen Cybister tripunctatus Oliv., binotatus Klug und senegalensis Aube gehören auch zur Fauna Madagascars, wo indessen erstere Art sich zu einer besonderen Rasse cinctus Sharp und die zweite sich zu madagascariensis ausgebildet hat. Diese weite Ver- breitung über ein so grosses Areal ist gewiss nur die Folge von dem kräftigen Flugvermögen; denn die genannten Species gehören zu den grössten der Familie, deren kräf- tige Flügel eine gute Ausdauer beim Fliegen constatiren, während ihre Körpergrösse gewaltigen Naturhindernissen, etwa Stürmen, leichter Widerstand leisten kann als die winzige Grösse der kleinen Arten. Nur noch von mittel- grossen Arten sind einige mehr oder weniger weit ver- breitet; sie gehören zu den Gattungen Neptosternus, Cope- latus, Rhanticus und Hydaticus. Auch der kleine Cybister auritus Gerst. findet sich ausserhalb Madagascars in Zan- zibar. Wie die Uebersiedelung stattfand, ob von hüben und drüben von Madagascar oder vom Continent Afrika aus, ist wohl in keinem Falle sicher zu entscheiden, weil die Beobachtung darüber nichts zuwege gebracht hat. Wahrscheinlich mag es sein, dass letztgenannte Cybister- Art ursprünglich nur Madagascar angehörte, weil sie auf dem Continent nur ein beschränktes Vorkommen zu be- sitzen scheint. Vielfach mag die gegenseitige Mittheilung von Arten nur auf dem Luftwege stattgefunden haben; möglich ist es aber auch, dass in sehr entlegener Zeit eine grössere continentale Annäherung, vielleicht sogar eine unmittelbare Verbindung zwischen Madagascar und Afrika bestand, die eine beiderseitige Einwanderung von bisher fremden Ele- menten voraussetzt und die Vermuthung aufkommen lässt, dass auf diesem Wege die Gemeinsamkeit der Gattungen auch kleiner Species, die im Laufe der Zeit sich beider- des königl. entomologischeu Museums zu Berlin. 389 seits zu selbständigen Formen herausbildeten, herbeigeführt worden ist. Eine continentale Verbindung Madagas- cars mit Afrika kann indessen eventl. nur in einer sehr alten Zeitperiode bestanden haben. Nach meiner Meinung (denn ich finde darüber gerade keine literarischen Daten) kann eine etwaige derartige Verbindung Madagascars mit dem benachbarten Festlande nicht nach den ersten Epochen der Eocenperiode existirt haben, obgleich hier auch ein Hippopotamus lebte; denn die lemuroiden Affen, die für Madagascar so sehr characteristisch sind, und wovon 2 Unterfamilien mit mehr als 30 Arten nur hier vorkommen, finden sich in Afrika, ähnlich wie in Ostindien nur in ei- nigen viel fernerstehenden und besonderen Unterfamilien angehörenden Gattungen. Auch die übrigen Säugethiere Madagascars sind fast ohne Ausnahme eigenthümliche und phylogenetisch alte Gattungen, wie die Viverriden und Centetiden, Cryptoprocta etc. Es scheint daher, dass die Fauna Madagascars von der Afrikas schon frühzeitig durch eine unübersteigliche Barriere getrennt worden ist. Ebenso finden sich von anderen Familien der Säugethiere, die der Eocenperiode entstammen, hierfür merkwürdige Belege; denn von Edentaten, die für Afrika, speciell Südafrika characteristisch sind, lebt in Madagascar nichts. Eine selbständige Entwickelung des Thierlebens Ma- dagascars während so langer Zeiträume der Isolirung ist daher begreiflich, der Keichthum endemischer Arten nur das Kesultat dieser Isolirung und selbständigen Entwicke- lung, ohne fremde Influirung. Nur beiläufige Immigrationen mögen vielleicht Elemente sein, welche die unausschliess- liche Selbständigkeit der madagascarschen Fauna in ei- nigen Beziehungen stören möchten. Dieselben sind daher bei einer Betrachtung der zoogeographischen Verhältnisse Madagascars thunlichst zu berücksichtigen, um möglichst das unverfälschte Bild dieser Fauna zu eruiren. In diesem Betracht sind die mit einem ausdauernden Flugvermögen ausgerüsteten Insecten, zumal die Dytisciden, aber wohl nur die grösseren Formen, nicht gut geeignet, wenn wir nicht die proponirten fremden Erscheinungen ausser Acht zu lassen im Stande sind. Es scheint mir, dass Cybister 390 H. J. Kolbe: Ueber die madagascarschen Dytisciden senegalensis, Hydaticus leander, H. Petita und Rhanticus congestus erst nach der Isolirung Madagascars hierher ein- gewandert sind. Die obige Uebersicht der geographischen Verbreitung der madagascarschen Gattungen belehrt uns über die ver- wandtschaftliche Stellung der Fauna Madagascars zu den benachbarten Continentalfaunen. Wenn wir nunmehr diese Seite unserer Betrachtungen mit schärferen Augen ansehen, so werden dem aufmerksamen Forscher höchst interessante geographische und faunistische Probleme offenbar. Es ist annehmbar, dass Madagascar, wenn je eine continentale Verbindung dieser grossen Insel mit einem der näheren Continente bestanden bat, in seiner organischen Welt noch jetzt demjenigen Continent in etwa gleicht, mit dem es früher ein zusammenhängendes Ganze bildete. Deshalb treten wir an die Frage über diese Verwandt- schaften heran und betrachten hier das Verhältniss zu der Fauna der äthiopischen, orientalischen und australischen Region. Diese zoologischen Regionen sind hier im grossen Ganzen aufzufassen, wie sie Alfred Rüssel Wallace lehrt. — Madagascar besitzt merkwürdigerweise einen ähn- lichen Reichthum an Species, wie die orientalische Region und ist dadurch sehr verschieden von dem ärmeren Afrika. Auch zeigen manche Species eine nähere Verwandtschaft mit orientalischen als mit afrikanischen, obgleich eine ziemliche Reihe von Arten mit afrikanischen, aber nicht mit indischen Arten identisch ist. Mögen folgende Puncte mit den näheren Details und den, wie man finden wird, recht eigenthümlichen Beziehungen der Dytiscidenfauna Madagascars zu der der benachbarten Continente den ge- neigten Leser bekannt machen. 1. Diejenigen Gattungen, welche in allen Erdtheilen leben, sind auf Madagascar und in der orientalischen Region artenreicher als in Afrika. 2. Sämmtliche kleinen Species (kaum mit einer Aus- nahme) sind der madagascarschen Region eigenthüm- lich; von den mittelgrossen und grossen Arten sind die meisten über die Region hinaus verbreitet. 3. Diejenigen Gattungen, welche die grösseren und des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 391 grössten Dytiscidenformen in sich fassen, sind in Afrika und in dem tropischen Asien verhältnissmässig zahlreich, in Australien aber viel sparsamer. 4. Die nach meiner Auffassung zu den phyloge- netisch älteren Gruppen gehörenden Gattungen Bidessus und Copelatus sind in Madagascar, Afrika und Südasien mehr oder weniger sehr sparsam vertreten, in Australien aber reich an Arten (20 und 26 Arten). 5. Gattungen, welche Madagascar nicht mit der ori- entalischen Kegion gemeinsam hat, finden sich auch nicht in Australien (Herophydrus, Neptosternus, Synchortus, Heterhydrus, Hydatonychus). 6. Die meisten Gattungen sind sowohl in Madagascar (trotz des viel kleineren Areals), als auch in der orienta- lischen Region artenreicher als in Afrika (Canthydrus, Bidessus, Hyphydrus, Hydrovatus, Laccophilus, Copelatus und Hydaticus). 7. Madagascar hat mit der äthiopischen Region 15, mit der orientalischen 12 und mit der australischen 11 Genera gemeinsam. 8. Andererseits fehlen in der madagascarschen Re- gion 13 Genera der äthiopischen, 7 der orientalischen und 17 der australischen Region. 9. Die kleineren und kleinsten Arten sind denen der orientalischen und australischen Fauna näher verwandt als denen der äthiopischen Region. 10. Die Dytisciden der Fauna Madagascars stehen überhaupt den orientalischen und australischen näher als den afrikanischen. 11. Cybister cinctus Sharp steht in sehr naher Be- ziehung zu der südasia tischen Form des tripunctatus Oliv.; madagascariensis Aube ist hingegen sicher eine zur selbständigen Species sich ausbildende Rasse des afrika- nischen binotatus Klug. Erklärung der vorstehenden 11 Puncte. 1. Wenn Madagascar ehemals eine continentale Ver- bindung mit der orientalischen Region hatte, so wird sich 392 H. J. Kolbe: üeber die madagascarschen Dytisciden das reiche Thierleben dieses ehemaligen grösseren Conti- nents über das ganze Land verbreitet haben, von welchem jetzt nur Madagascar im Südwesten und Indien nebst dem Archipel im Nordosten übrig geblieben sind. Afrika, welches auch von anderer Seite für reiche Einwanderungen nicht völlig zugänglich war, erhielt auch von der mada- gassisch-orientalischen Fauna keinen Zufluss. Daher einer- seits der Speciesreichthum Madagascars, andererseits die Armuth Afrikas. 2. Als Madagascar bereits isolirt war, vielleicht aber dem Continente Afrika noch näher gerückt war als gegen- wärtig, vielleicht in einer Ausdehnung bis zu den Comoren, in der Zeitperiode Madagascars wurden, wie es mir scheint, manche der grösseren Formen von Dytisciden von hüben und drüben verschlagen, so dass beide Faunen von ihren Species sich mittheilten. Die kleineren Species wagten sich nicht in die Lüfte und in die Strömungen des Meeres und blieben hier wie dort in ihren alten Wohnsitzen. 3. Die grösseren Dytisciden, Hydaticus, Sandracottus, Cybister etc., sind in Madagascar, Afrika und Südasien viel zahlreicher als in Australien, wo nur bezw. 6, 2 und 2 Species gefunden sind, während man aus der orienta- lischen Region 9, 8 und 22, aus der madagascarschen und afrikanischen, wo Sandracottus nicht heimathet, 10, 10 und 8, 12 kennt. Die Ursache dieser Minderheit in Australien scheint die zu sein, dass diese Gattungen jüngeren phylo- genetischen Zweigen entstammen und sich in verschiedenen Species differenzirten, nachdem Australien von dem austro- indischen Continente bereits separirt war. Daraus leuchtet hervor, dass eine Verbindung Madagascars mit Australien früher gelöst war als mit Indien; und es hat vielleicht eine Verbindung Australiens mit Madagascar nur auf dem indirecten Wege über den Sundatheil des madagasso-indi- schen Continentes stattgehabt. 4. Währenddessen haben sich die phylogenetisch älteren Gattungen Bidessus und Copelatus in Australien reich entwickelt, erstere in 20, letztere in 26 Species. Aber die Trennung von dem Sunda-Archipel und Indien Hess keinen Austausch oder eine weitere Verbreitung der Arten des königl. enlomologischen Museums zu Berlin. 393 ZU Stande kommen. Daher die Armuth der orientalischen Region und Madagascars an Arten aus diesen Gattungen. 5. Phylogenetisch jüngere Gattungen, wie die oben unter 5 erwähnten, scheinen sich erst nach der Trennung von dem madagasso-indischen Continente entwickelt zu haben. Sie leben deswegen nicht in Indien, aus demselben Grunde auch nicht in Australien, sondern nur in Madagas- car-Afrika. 6. Das bereits unter 2 Gesagte gehört auch hierher. 7. Nach der Trennung Madagascars von dem mada- gasso-indischen Continente ging also seine Fauna (jedoch vermuthlich in irgend einer geringen Verbindung mit Afrika), einer selbständigen Entwickelung entgegen. Neue Gattungen scheinen sich ausgebildet zu haben (Neptosternus, Heterhydrus, Hydatonychus) und andere eingewandert zu sein (Herophydrus, Synchortus, andere Typen von Hyphy- drus). Diese Einwanderungen haben anfangs wohl auf dem Landwege, später auf dem unter 1. bezeichneten Luft- oder Wasserwege stattgefunden. Die gegenwärtig grössere Anzahl der Madagascar und Afrika gemeinsamen Gattungen, gegenüber der geringeren der orientalischen Region, ist daher erklärlich, obgleich die Verwandtschaft der Species der mit der orientalischen Region gemeinsamen Gattungen und der analoge Speciesreichthum derselben sich viel mehr dieser Region zuneigt. 8. Das Fehlen der 13 äthiopischen Gattungen in der madagascarschen Region bezeugt die schon seit langer Zeit bestehende Kluft zwischen beiden Regionen. Nur 7 orientalische Gattungen fehlen Madagascar; allerdings beherbergt die orientalische Region auffallend wenig Genera (nur 19, Madagascar 17) bei grossem Reichthum an Arten. Viel ferner steht Australien mit 17 nicht auf Ma- dagascar vorkommenden Gattungen, die grösstentheils (10) der Region eigenthümlich sind, in Folge früherer Sepa- rirung und langer Isolirung. 9. Unter den kleinen und kleinsten Species befinden sich die phylogenetisch ältesten Gattungen der Dytisciden- familie. Da nach unserer Ansicht und auf Grund unserer Schlussfolgerungeu Madagascar im Anfang eine continentale 394 H. J. Kolbe: lieber die madagascarschen Dytisciden Verbindung mit dem sunda-indischen Continente hatte, ohne im Westen mit dem afrikanischen Continente zusammen- zuhängen, so verbreiteten sich naturgemäss die Dytisciden über diesen madagasso-indischen Continent, dessen indo- oceanischer Rumpf demnächst durch eine plutonische Ka- tastrophe verschwand und nur das gebirgige Madagascar nebst kleineren Inseln im Südwesten zurückliess. Daher die noch nahe Verwandtschaft nicht nur der grösseren, sondern auch der kleinen Formen mit denen der orienta- lischen und auch der australischen Region. 10. Hier werden einige madagassische Species, unter Beifügung der sehr nahe verwandten indischen oder austra- lischen Species, aufgeführt. Hydaticus dorsiger Dup. prope luzonicus Esch. (Manilla). Hydaticus bivittatus Lap. prope vittatus Fbr. (Süd- ostasien und Australien), philippensis Wehnke (Philippinen) und ßowringi Clk. (Japan, China, Australien). Indessen steht Hydaticus ornatus n. sp. dem üs- heri Clk. (Oberguinea) am nächsten. Colymbetes latus Fairm. am nächsten mit einigen australischen Arten verwandt. Copelatus elongatus n. sp. hat die unmittelbarste Verwandtschaft mit den zahlreichen (17) glatten Arten Australiens und der 1 Art vom Himalaya, welche die erste Speciesgruppe der Gattung in Sharp's Monographie bilden. Canthydrus concolor Sharp am nächsten einer Art von Hongkong. Hydrovatus nigricans Sharp äusserst nahe mit pi- cipennis Motsch. in Ceylon und Siam verwandt. Ueberhaupt stehen die Hydrovatus Madagascars den indischen Species näher als den afrika- nischen. Bidessus perexiguus n. sp. ist mit den kleinen Bi- dessus-Arten von Ceylon, Sumatra, Siam etc. und mit dem australischen basalis Mach, ausser- dem plagiatus n. sp. mit dem australischen des kÖDigl, entomologischen Museums zu Berlin. 395 bistrigatus Clk. sehr nahe verwandt. Aus der äthiopischen Region ist nur 1 weniger nahe ver- wandte Art bekannt. 11. Die nicht vollständig zur Ausbildung gelangte Färbung des Chitinskelets der Coleoptera besteht in einem hellen, meist bräunlichen Gelb. Obgleich das Chitinskelet bald nach dem Ausschlüpfen aus der Puppe sich erhärtet und damit gewöhnlich eine dunkle Färbung annimmt, so gibt es doch manche Arten, welche die helle Färbung (das Bild einer unreifen, weniger ausgebildeten und weniger vollkommenen Form) als einen Charakter ihrer Art dauernd das ganze Lebensstadium hindurch be- halten. Daraus folgt , dass die mit der Erhärtung der Chitinhtille bald dunkel gefärbten Arten sich in einem höheren Stadium der phylogenetischen Entwicke- lung befinden. Unter den Dytisciden i. sp. Cybister ist ein Theil der Arten breit gelb berandet, andere sind ganz dunkel gefärbt. Die ersteren würden die weniger ausge- bildeten, die letzteren die phylogenetisch jüngeren Species sein. Einen interessanten diesbezüglichen Fall haben wir vor uns in den oben unter 11. bezeichneten Species. Cy- bister cinctus Sharp ist ein directer Sprössling der orien- talischen Rasse des weitverbreiteten tripunctatus Oliv.; madagascariensis eine solche von dem afrikanischen bino- tatus Klug. Tripunctatus ist eine breit gelbgerandete Species, binotatus hingegen ist ganz dunkel gefärbt. Dieser gelbgerandete Tripunctatus wurde der Fauna Madagascars mitgetheilt, als die madagasso-indische Landverbindung noch bestand. Erst nach der Trennung Madagascars von dem indischen Festland wanderte von Afrika her C. bino- tatus in Madagascar ein. Beide Species haben sich hier zu selbständigen Formen ausgebildet. Dass nun der ältere Tripunctatus längere Zeit zur selbständigen Ausbildung zur Verfügung hatte, als der jüngere Binotatus, und in Folge dessen Tripunctatus sich weiter von der Stammart entfernte, als Binotatus, dafür spricht auch der Umstand, dass D« Sharp die Tripunctatus-Rasse bereits als selbständige Ari beschreibt, weil sie reichlich von der Stammart sich diffe- 396 H. J. Kolbe: lieber die madagascarschen Dytisciden renzirt hat, während er die Rasse des Binotatus noch in Verbindung mit dieser Art aufführt. Also ist C. binotatus phylogenetisch für jünger zu halten als C. tripunctatus. Es scheint mir, dass während der Zeitperiode des madagasso-indischen Contineutes diese Art wirklich noch nicht zur Entwickelung gelangt war, noch nicht existirte; es wäre ihr doch sonst ein leichtes gewesen, sich schon zu der Zeit weiter zu verbreiten, so dass sie gleichzeitig mit Tripunctatus den untergegangenen continentalen Landstrich belebte und sich bis Indien ver- breitet hätte, und jetzt noch dort zu finden wäre, was nicht der Fall ist. In Madagascar erfreut sich also die Binotatus-Rasse sicherlich nicht eines so langen Bürgerrechtes, als die Tripunctatus- Rasse, 1) aus dem oben gedachten Grunde, dass Binotatus sich sonst auch in Indien oder auf den Sunda-Inseln finden müsste, neben Tripunctatus; und 2) indem wir annehmen, dass beide Formen, unter demselben Einfluss der äusseren Verhältnisse, dieselbe Zeitdauer zu- rücklegen müssen, um denselben Grad der Abweichungen von der Stammform zu erreichen, was hier nicht der Fall und folglich die weniger differenzirte Binotatus-Rasse erst in einer späteren Zeit anfing, sich morphologisch zu ver- ändern, d. h. erst später ein Bürger Madagascars wurde als Tripunctatus. Diese Betrachtungen der Zoogeographie und Phylo- genie der Dytiscidenfauna Madagascars sind dem jetzt folgenden speciellen Theile, welcher die systematische Auf- zählung und Characterisirung der Species enthält, voraus- geschickt. Es befinden sich in der Königlichen Sammlung 43 Species, deren Beschreibung hier vollständig original ist. Die Arten, welche Klug beschrieben hat, befinden sich im Museum in den typischen Stücken. Bei jeder Gattung ist die geographische Verbreitung erwähnt, jeder Species gleichfalls das etwaige weitere Vorkommen beige- fügt. Als bisher noch unbeschrieben wurden 11 Species aus den Gattungen Hydrovatus, Bidessus, Hydrocanthus, Copelatus, Hydaticus und Cybister erkannt. Bisher war, des königl. entomologischen Museus zu Berlin. 397 wie erwähnt, die Zahl der neuen Species noch grösser, betrug nämlich 22. Da erschien das grosse Werk von David Sharp, welches der Voraussetzung entsprach, dass mehrere neue Species hier schon beschrieben seien. Auch die Zahl der überhaupt von Madagascar bekannten Arten betrug vor kurzem nur 50, wovon 43 im hiesigen Königl. Museum. Der Zuwachs aus Sharp's Werk bringt die Zahl der madagascarschen Dytisciden, einschliesslich der von mir jetzt beschriebenen neuen Species, auf 63 Species. Am Schlüsse dieser Abhandlung sind die sämmtlichen üb- rigen Dytisciden Madagascars (20 Species), sowie die 6 bisher nur auf den madagascarschen Inseln gefundenen Arten unter Beifügung der Characterisirung, die der Autor an dem respectiven Orte geliefert, in einigen Fällen, wie sie Sharp angewandt hat, aufgeführt. Diese Beigabe ist ein sachlicher Vortheil, in der Weise, dass wir in dieser Abhandlung nicht allein eine Vorführung des Museumsmaterials, sondern der gesammten bis jetzt bekannten Dytiscidengattungen und Species ge- winnen, was sowohl gegenwärtig von wissenschaftlichem Nutzen, als auch einem späteren Bearbeiter der madagas- carschen Dytisciden willkommen ist. Nach der Classification des Dr. D. Sharp, welche wir an diesem Orte ohne nähere Erörterung vorläufig in Anwendung bringen wollen, gestaltet sich die systematische Anordnung der madagascarschen Dytisciden in der Weise, wie sie in folgendem angewandt worden ist. I. Dytisci fragmentati. A. Noterides. Genus Hydrocoptus Motsch. Madagascar, orientalische Region (Java, Nordindien, Slam, Borneo) und Nordaustralien. 1. H. seriatus Sharp 1. c. No. 11. Longulus, parum et retrorsum convexus, lateribus parallelis, postice vix attenuatus, fusco-ferrugineus, capite 398 IL J. Kolbe: Ueber die madagascarschen Dytisciden et thorace laete ferrugineis; elytrorum plagis tribus longi- tudinalibus fuscis, obsoletis, suturali et discoidali fusis, illa ad apicem perdueta; thorace infra marginem anticum leviter transversim punctato-sulcato, medio utrinque inter- rupto, punctis 4—5 sat grossis, aequaliter remote distanti- bus; elytris seriatim punctato-striatis, punctis plus niinusve subtilibus, densis, interstitiis exterioribus singulatim distincte vage punctatis. Subtus ferrugineus. Long. 272—27* mm. Madagascar orientalis (Goudot). Am nächsten verwandt mit Hydrocoptus vittatus Sharp (Nordindien und Borneo), nur etwas grösser und mit deut- licheren Punctreihen auf den Flügeldecken. Auch H. bi- vittis Motsch. (Nordindien) steht der madagascarschen Art sehr nahe. Genus Synchortus Sharp. Madagascar, Westafrika und Mosambique. 2. S. duplicatus Sharp 1. c, No. 17. Oblongo-ovalis, postice leviter attenuatus, fuscus, ni- tidus, capite thoraceque castaneo-ferrugineis, subtus brunneus, capite et thorace fere glabris, hoc ad latera antrorsum leviter rotundato; elytris glabris, apice lateribusque, disco minus, laxe et obsolete, nee profunde, punctatis, apicem versus et postice levissime pilosulis; processu prosternali subito dilatata, parum lata, in medio laevi, lateribus punctatis. Long. 3,5 — 4 mm. Madagascar or. (Goudot). Sehr nahe verwandt mit Synchortus simplex Sharp (Gaboon, Westafrika), aber doppelt so gross als dieser. Ausserdem noch 2 Species in Madagascar (s. unten). Genus Canthydrus Sharp. Madagascar, äthiopische Region (je ein Species in West- und Südafrika), orientalische Region (zahlreich), paläarktische Region (sehr vereinzelt au den südlichen des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 399 Grenzen, paläarktische und nearktische Region (in letzterer zahlreich). 3. C. concolor Sharp 1. c. No. 51. Ovalis, postice sat attenuatus, convexus, laete fulvus, nitidulus, elytris postice cum sutura margineque fuscescen- tibus, subtus ad abdomen brunneus; capite et thorace glaberrimis, hoc ad latera aequaliter et levissime rotundatis ; elytris glaberrimis, remote et laxe subseriatim obsolete punctulatis; processu prosternali sensim dilatata, sat lato, laevi, linea laterali impressa, punctulis ad basin versus mediocribus. Long. 2,5 mm. Madagascar or. (Goudot). Sehr ähnlich dem Canthydrus flavus Motsch. (Ostin- dien, Slam, Formosa). 4. C. guttula Aub6. Spec. Hydroc. p. 410. Oblongo- ovalis, valde convexus, postice attenuatus, niger, nitidus, ore, antennis, thoracis angulis anticis, gut- tula elytrorum parva, rotundata, ultra medium propius latera posita, ferrugineis; serie punctorum discoidali dup- licata punctulisque sparsis, ad latera et in parte apicali paulo distinctis ; processu prosternali sensim attenuato, sat lato, subtiliter rugoso, punctulato, nusquam laevi. Long. 274 — 3 mm (die Goudot'schen Stücke 3V3 mm). Madagascar or. (Goudot), interior austral. (Hilde- brandt). Nahe verwandt mit C. notula Er. (Angola, Tanger, Aegypten) und mit arabicus Sharp (Arabien) — Auch auf Mauritius. Var. a frontalis: fronte cum clypeo flavis (Hilde- brandt 2 Exemplare.) Var. b macularis: elytro utroque ornato plagis ultra medium duobus lutescentibus, magnis, longis, longitudina- libus (Goudot 1 Expl.). 400 H. J. Kolbe: üeber die madagascarschen Dytisciden Genus Hydrocanthus Say. Madagascar, vereinzelt in der äthiopischen, orienta- lischen und australischen, wenig zahlreicher in der neotro- pischen und nearktischen Region. 5. H. funebris Fairmaire, Ann. Soc. entom. de France 1869 p. 188. Oblongus, latus, valde convexus, niger, anthracinus, nitidus, labro et antennis ferrugineis, thorace in lateribus brunneo, leviter rotundato, infra marginem anticum et po- ticum, hoc levissime tantum, transversim profundato, puncto antescutellari impresso nullo; elytris ad basin simpliciter transversim punctato-striatis, in disco obsolete triseriatim punctatis, punctis seriei propesuturalis apicalibus remotis, vix seriatis; processu prosternali parum elongato, dilatato, apice fere obtuso, leviter bisinuato, supra laevi, basi late- ribusque obsolete punctatis. Long. 5^4— 6V2 mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Steht wegen seiner Grösse dem H. grandis Lap. (Westafrika) und dem H. Deyrollei Sharp (ibid.) am nächsten. Auch H. australasiae Wehncke (Nordaustralien) ist mit der madagascarschen Art sehr nahe verwandt. 6. H. gracilis n. sp. Oblongo-ovalis, haud fortiter convexus, postice valde attenuatus, niger, nitidus, leviter nigro-picescens, fere le- vissime aeneo perfusus, subtus piceus, ore, antennis, late- ribus thoracis brunneis, his sat rotundatis, puncto antescu- tellari sat profundo; elytris ad basin leviter transversim lineariter impressis, impressione vix punctata, disco distincte triseriatim punctatis, Stria suturali apice abrupta; processu prosternali sat brevi, inter coxas anticas coarctato, sensim dilatato, apice fere obtuso, levissime rotundato, supra cre- berrime punctato. Long. 6,5 mm. Madagascar int. austr. (Hildebrandt). Rarissime iu- ventus. des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 401 Diese Art kann mit H. funebris verwechselt werden, ist aber sogleich durch die Verschiedenheit des Proster- nalfortsatzes zu unterscheiden. Im übrigen ist Gracilis bei gleicher Länge schmäler und flacher; die Punctstreifen der Flügeldecken sind deutlicher, letztere an der Basis mit einer eingedrückten, kaum punctirten Linie versehen. Auch ist die Färbung der Oberseite kein reines Schwarz; dieselbe ist vielmehr pechartig durchscheinend und, mit funebr is verglichen, mit einem leicht metallischen Scheine überhaucht. B. Lacoophilides. Genus Laccophilus Leach. Ueber alle Regionen der Erde verbreitet. Die nächsten Verwandten der madagascarschen Arten vorzüglich im tropischen Asien, weniger in Australien und Afrika. 7. L. lateralis Sharp 1. c. No. 148. Mediocris, obscurus, capite thoraceque testaceis, hoc ad marginem anticum et posticum in medio sat late nigro; elytris fere in medio levissime ampliatis, nigro-suffusis, hinc et illinc, praesertim in parte posteriore, flavidis, pel- luscentibus, marginibus testaceis, intra hos distincte ab- ruptim lineatis, macula obliqua humerali testacea; subtus niger, nitidus, segmentis abdominalibus ad marginem pos- ticum et apicem Ultimi testaceis; abdomine in medio, prae- sertim in segmento postico, longitudinaliter subcarinato. Long. 3^4 mm. Madagascar int. austr. (Goudot). Von den beiden folgenden Arten durch geringere Grösse, sowie oberseits und unterseits durch viel dunklere Färbung, namentlich aber durch die fast kielförmige Aufdachung der Hinterleibsunterseite verschieden. Scheint die von Sharp I. c. unter lateralis be- schriebene Art zu sein. 8. L. rivulosus Klug, Ins. Mad. p. 136. Testaceus, capite postice, thorace antice maculaque Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 26 402 H. J. Kolbe: Ueber die madagascarschen Dytisciden sinuata postica nigris; elytris in medio leviter arapliatis, lineis fuscis, leviter undulatis, duplicatis, numerosis, ad latera maculis tribus pallidis ornatis; subtus testaceus vel rufotestaceus ; segmentis abdominalibus ultimis nigrescen- tibus, ultimo vix subcarinato. Long. 5 mm. Madagascar or. (Goudot). 9. L. complicatus Sharp 1. c. No. 151. Pallide testaceus, capite ad marginem posticum, tho- race antice subnebulose, postice anguste, vix late sinuato, nigris; elytris ante medium leviter ampliatis, mox satis angustatis, eorumque lineis dorsalibus fuscis, valde undu- latis, fere irregularibus, haud duplicatis, numerosis, mar- ginibus pallidis maculaque singula utrinque juxtascutellari rhomboidal! testacea; subtus testaceo-pallidus, pectore pos- tico abdominisque lateribus fuscis; segmento ultimo sub- carinato. Long. 4V4 — 4^4 mm. Madagascar or. (Goudot), inter. austr. (Hildebrandt). Ausserdem sind noch 3 Species von Laccophilus in Madagascar. gefunden, davon 1 auch auf Mauritius, nebst 2 ferneren Arten, welche auf letztere Insel beschränkt sind. II. Dytisci complicati. O. Hydroporides. Genus Hydatonychus (nov. gen.). In 1 Species bekannt und auf Madagascar beschränkt. Corpus crassum, breve, convexum, processu prosternali apice dilatata, unguiculis pedum posterior um aequalibus, anticorum validis, valde elongatis, exteriore arcuato, crassiore, interiore recto, lineari, parum breviore; clypeo marginato; antennis maris in medio crassatis, articulis 5. parum, 6. et 7. valde, 6. maxime latis, compressis, folia- ceis, ceteris tenuibus, feminae simplicibus, tenuioribus, sed intus fere serratis; elytris apice acuminatis. des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 403 Diese Gattung steht Hydrovatus sehr nahe, unterscheidet sich aber durch die in der Mitte sehr verbreiterten Fühler- glieder und die ausserordentliche Entwickelung der Vorder- klauen. 10. H. crassicornis n. sp. Obscure ferrugineus, nitidus, capite thoraceque palli- dioribus, antennis pedibusque et subtus testaceis; elytris obsolete fuscescentibus, vix nebulose maculatis, distincte, sed fere subtiliter, haud densissime punctatis. Long. 2V3— 2V2nim. Madagascar or. (Goudot). Diese Species ist eine interessante und für die Syste- matik wichtige Form. Schon die Bildung des Prosternal- fortsatzes, der hinten in starker Verbreiterung sich dem Metasternum anschliesst, und durch welches Merkmal sich die Hydrovatinen auszeichnen, spricht für eine nähere Verwandtschaft mit den Noteriden. Auch die zugespitzten Flügeldecken erinnern an letztere Gruppe, die ganze Körper- form namentlich an Suphis und Colpius. Sogar besitzt Hydatonychus im männlichen Geschlecht die merkwürdig aufgetriebenen mittleren Fühlerglieder, gleichwie Noterus. Genus Hydrovatus Motsch. Zahlreich in der orientalischen, weniger in den sämmt- lichen übrigen Regionen der alten und neuen Welt. 11. H. dilutus n. sp. Brevis, convexus, nitidulus, subdense punctulatus, piceo-niger, subtus fuscescens, capite castaneo, in medio obscuriore, thorace ad latera diffuse rufocastaneo, elytro utroque fasciis duobus transversis, posteriore sinuata, sutu- ram non attingentibus, in lateribus inter se et cum macula tertia anteapicali conjunctis, ornato; clypeo in medio trun- cato, fere subemarginato, capite supra opaco vel subnitido, subtilissime et remote punctato, juxta oculos oblique longi- tudinaliter impresso; thorace in disco subtilius, ad marginem posticum late et subrugose punctulato, propius latera laevi, 404 H. J. Kolbe: Ueber die madagascarschen Dytisciden marginibus punctatis ; elytris distincte et haud dense punc- tulatis, Seriebus tribus regularibus. Long. 2V2nim. Madagascar or. (Goudot). Dem H. cuspidiatus Kunze (Europa) und obtusus Motsch. (Ind. or.) in Grösse und Form sehr ähnlich, in der Färbung dunkler. 12. H. nigricans Sharp 1. c. No. 212. Major, crassus, subovatus, piceus, fere niger, concolor, nitidulus, sat dense punctatus, subtus castaneo-brunneus, capite piceo-pelluscente, clypeo brevi, antice truncato, supra leviter convexo, glabro, subtilissime dense punctulato, punctis vix conspicuis , antice juxta oculos transversim impresso; thorace fere subrugose et distincte, in disco haud subtilius, punctato, prope latera fere laevi, ad haec ipsa Serie punctorum accumulata, linea mediana longitudinali laevi; elytris sat dense punctatis, seriebus obsoletis aut nullis, interiore ad basin distinctiore. Long. 3V4— 4V4nim. Madagascar or. (Goudot). 13. H. cruentatus n. sp. H. nigropiceo similis, sed crassior, brevior, nigro- castaneus, rubro-castaneo-maculatus, capite rufo-piceo, clypeo brevi, antice distincte emarginato, supra subtiliter et remo- tius punctato, impressione juxtaoculari antice lata, retrorsum elongata; thorace castaneo, margine antico late, postico anguste nigricante, distincte et leviter subrugose punctato, punctis disci subtilioribus, ad latera versus sparsioribus subtilissimisque, ad marginem lateralem distinctis et den- sioribus; elytris castaneis, basi, sutura, disco, macula ante- apicali diffuse atris, punctulatis, punctis fere densis et sub- tilibus, subtilioribus quam in H. nigropiceo, seriebus tribus punctigeris a basi usque ad apicem plus minusve distinctis. Long. 4 mm. Madagascar or. (Goudot). Dem H. nigropiceus ähnlich, aber von dickerem, des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 405 kräftigerem und verhältnissmässig kürzerem Körper, und durch das ausgerandete Kopfschild, abweichende Sculptur des Kopfes, Halsschildes und der Flügeldecken, sowie durch die mannigfaltige Färbung verschieden. 14. H. subpunctatus n. sp. Major, brevis, latus, supra ater, opacus, glaber, mar- ginibus piceis, castaneo dilutis, capite piceo, antice juxta oculos longitudinaliter impresso, supra subtilissime remotius punctato; thorace atropiceo, glabro, lateribus brunneis supra subtiliter subpunctatis, lateribus impunctatis; elytris in disco subtiliter subpunctatis, lateribus laevissimis, seriebus tribus punctigeris distinctis, inter has serie singula, con- stituta punctis, inter se valde remotis. Long. 4,5 mm. Madagascar or. (Goudot). Breiter und kürzer als die vorigen Arten, auch dunkler und nur auf der Scheibe matt. Ausgezeichnet durch die zwischen den gewöhnlichen Punctreihen reihenförmig an- geordneten und weit getrennten Puncto. Die übrige Punc- tirung auf der Scheibe fast verschwindend. Hydrovatus. 1. Elytris aequaliter et distincte punctulatis: a. Clypeo plus minusve obtuso. a. Vertice subtilissime remote punctato, juxta oculos oblique longitudinaliter impresso , elytris haud dense punc- tatis dilutus. ß. Vertice subtilissime dense punctato, juxta oculos transversim impresso, elytris sat dense punctatis .... nigricans. b. Clypeo distincte emarginato, vertice subtiliter remote punctato, fronte juxta oculos ante marginem anticum longitudinaliter retrorsum impressa, elytris fere dense, subtiliter punc- tatis cruentatus. 2. Elytris in disco obsoletius punctatis, lateribus 406 H. J. Kolbe: lieber die madagascarschen Dytisciden laevissimis, inter series longitudinales punctigeras singula serie, constituta paucis punctis distinctis, inter se valde remotis; vertice subtilissime remote punctato snbpunctatus. Ausser diesen Hydrovatus- Arten sind in Madagascar noch 4 gefunden (s. unten). Genus Bidessus Sharp. Ueber alle Erdtheile verbreitet. 15. B. costipennis Fairmaire, Ann. Soc. entom. France 1869 p. 187. Brevis, robustulus, latiusculus, ferrugineus, nigroma- culatus, capite planato, pallide ferrugineo, nitido, oculis majusculis, fronte angustata; thorace utrinque baseos oblique plicato, ad basin utrinque nigricante, ante scutellum trans- versim impresso; elytris mox infra humeros ampliatis, utrinque valde carinatis, carina postice fere exstante, dein tenuiore, obliquata, haud ad apicem perveniente ; linea infra carinam, haud prope suturam, leviter elevata; disco communi dorsali planato, fere late fossulato, ubique dense et grosse punctatis; costis marginalibus valde distinctis, exteriore fere apicem attingente, interiore prope carinam abbreviata. Subtus fuscus, abdomine pallidiore, pedibus ferrugineis. Long. 2V3 mm. Madagascar interior austr. (Hildebrandt). Auch auf Nossi Burra. Nahe verwandt mit porcatus Klug (Aegypten) und bicarinatus Clairv. (Stideuropa). Die Species der Gruppe, welcher costipennis angehört, ist in wenigen Arten über Afrika, Arabien, Südeuropa, Nord- und Südamerika verbreitet. Die merkwürdige Körper- bildung macht es wahrscheinlich, dass ihre Entwickelung in eine späte Zeitperiode fiel, nachdem ihre Gattungsge- nossen bereits über alle Erdtheile verbreitet waren. Auch zeigt ihr Fehlen in der orientalischen Region, dass die des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 407 Gattung auftrat, nachdem diese Region von der afrikani- schen ganz isolirt war. 16. B. perexiguus n. sp. Perparvus, longulus, planatus, pallide flavidus, niti- dulus, capite parum obscurato; thorace utrinque baseos lineola impressa, in elytra continuata, exstructo, ad latera sat rotundato, flavo, laevi, postice utrinque obscurato ; ely- tris ovalibus, in medio leviter ampliatis, apice acuminatis, flavis, basi, sutura, vittis, e basi abortis, longitudinalibus, discoidalibus, ante apicem convenientibus, ad hanc non perductis, nigris, interiore interdum confusa; Stria elytrorum basali tertiana partem occupante, parum obliquata, suturali profunda. Subtus pallidus, pectore obscuro. Long. IVsmm. Madagascar int. austr. (Hildebrandt). Diese Art gehört zur Gruppe des Geminus und hat seine nächsten Verwandten unter den Bidessus-Arten Cey- lons, Sumatras, Slams, Celebes und Australiens. Aus Nordaustralien ist ihm z. B. Basalis Mach sehr nahe ver- wandt. 17. B. plagiatus n. sp. Major, ovalis, nitidulus, pallide flavidus, fusculatus, vertice anguste nigro, clypeo intra apicem biimpresso; thorace ad latera fere recto, flavo-ferrugineo, antice fusco, macula magna, parti posteriori thoracis elytrorumque cir- cascutellari suffusa, plaga horum dorsali, postice bipartita, vittis antice utrinque duobus, prorsum prolatis, exteriore abrupta, fuscis; elytris supra punctulatis, Stria suturali profunda, basali sat brevi. Subtus niger, segmentis abdo- minalibus apice fuscatis, pedibus ferrugineis. Long. 2,5— 2^4 mm. Madagascar or. (Goudot). Gehört zu der Gruppe derjenigen Bidessus-Arten, die zahlreich über Australien und Südamerika bis Nordamerika verbreitet sind. Eine vereinzelte Art lebt in Slam, eine andere auf den Philippinen, eine sehr nahestehende in 408 H. J. Kolbe; üeber die maJagascarschen Dytisciden China und eine fernere in Arabien. Die madagascarsclie Art ist nahe mit B. bistrigatus Clk. in Australien verwandt. Eine vierte Bidessus-Art, strigicoUis Fairm., kommt ausser in Madagascar auch auf Bourbon vor. Sie gehört, gleich perexiguus, zur Geminus-Gruppe. Gattung Hyphydrus Illiger. Afrika, Asien, Australien, Europa. 18. H. distinctus Aube, Hydroc. p. 461. Ovali-rotundatus, crassus, brevissimus, inaequaliter punctatus, ferrugineus, nigro-maculatus, capite toto ferru- gineo, juxta oculos longitudinaliter impresso, thorace nigro, nitido, ad latera haud latissime ferruginato, disco usque ad latera subtilius, antice et postice rugosule punctato, punctis crassioribus intermixtis; elytris ferrugineis, sutura fasciisque longitudinalibus, altera prope suturam, altera discoidali latiore, interrupta, maculaque externa humerali nigris; ubique dense et subtiliter puuctatis, aliis punctis profundioribus remote persparsis ; Stria discoidali punctata ; subtus fusco-piceus, nitidus. Long. 4,5 mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Auch auf Mauritius und Bourbon. Steht der Art grossus Sharp. (Südafrika) sehr nahe. 19. H. madagascariensis Wehnke, Stett. Ent. Zeit. 1877 p. 150. Ovalis, brevis, crassus, dense punctatus, rufo-testaceus, fusco vel fusco-nigro plagiatus, capite ferrugineo, vertice piceo, clypeo utrinque inaequaliter impresso, thorace nigro- piceo, lateribus discoque late ferrugineis, mediocriter, po- stice usque ad latera densius et parum rugose punctato; elytris ferrugineis, basi anguste, sutura fasciisque longitu- dinalibus, quae saepe confluunt et interruptae, maculaque humerali mediocri, rotundata, nigris, ubique dense et di- des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 409 stincte punctulatis , linea discoidali longitudinali leviter impressa; subtus ferrugineo-brunneus. Long. 5 mm. Madagascar or. (Goudot). Den Arten puncticoUis Sharp (Abyssinien) und sig- natus Sharp (Guinea) am nächsten stehend. 20. H. impressus Klug, Ins. Mad. p. 137. Ovatus, minor, crassus, brevis, ferrugineus, supra niger, nitidus, antice et in lateribus diffuse ferrugineus, capite toto ferruginato ; fronte in medio late impresso; tho- race confertim punctato, in disco subtilius, antice et postice densius et paulo rugosule punctato, disco piceo, lateribus ferrugineis; elytris aequalibus, sat dense punctatis, fascia repanda abbreviata baseos et interrupta exigua mediana lateribusque obscure testaceis, linea dorsali leviter impressa vix conspicua. Long. 3,5 mm. Madagascar or. (Goudot). Ausser diesen leben noch drei Hyphydrus-Species in Madagascar, wovon 2 auch auf Bourbon. Genus Herophydrus Sharp. In wenigen Arten über Madagascar, Afrika, Arabien bis Südeuropa verbreitet. 21. H. her OS Sharp, 1. c. No. 375. Major, supra et infra convexus, ovalis, postice fere elatus, niger, nitidus, capite elytrorumque fascia basali et Stria apicali, versus latera et antrorsum producta, sangui- neis, illo macula ovali transversa signato, supra punctulato; juxta oculos, antice, foveola ovali, obliqua, posita; clypeo antice toto marginato ; elytris creberrime, sed fere aequa- liter et distinctissime punctatis, seriebus punctigeris haud pronuntiatis, fere obsoletis ; thorace foveola parva antescu- 410 H. J. Kolbe: lieber die raadagascarschen Dytisciden tellari exstructo; subtus fossulato-punctatus, pedibus rufis, posterioribus castaneis. Long. 5,5 — 6,25 mm. Madagascar or. (Goudot). Eine kräftige Art, ausgezeichnet durch die markirte und ziemlich dichte Punctirung, sowie durch die rothe, oft unregelmässige Querbinde an der Basis der Flügeldecken. 22. H. spadiceus Sharp, 1. c. No. 377. Mediocris, ovalis, supra et infra convexus, niger, niti- dus; capite nigro, vertice oreque rufis, supra dense punc- tulato, juxta oculos longitudinaliter impresso; clypeo antice utrimque marginato, medio integro; thorace rugulose, in disco transversim subtilius punctato; foveola antescutellari parum profunda, supra per transversum lateribusque inter- dum brunneis; elytris punctulatis, nigris, plaga humerali et macula propinqua castaneo-fuscis, diffusis, sat distincte triseriatim punctatis; Stria suturali crebris punctulis consti- tuta, in parte apicali parum impressa. Subtus niger, niti- dus, pedibus ferrugineis. Long. 473— 4 Vi mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Unter den Vorräthen des Museums befindet sich eine Farbenabänderung : Var. lineolata. Variat elytris rufo-castaneis, longi- tudinaliter nigro-lineatis; lineis in disco confusis, apice singulatim, 4—5, exstantibus, antice fere integris; basi elytrorum nigra. Long. 4,5 mm (Goudot 1 Expl.). Ausserdem kommt noch eine dritte Art von Herophy- drus in Madagascar vor. Oolyrabetides. Genus Copelatus Erichson. lieber alle Erdtheile verbreitet, aber fast nur in den wärmeren Zonen derselben. des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 411 23. C. elongatus n. sp. Valde elongatus, nitidus, niger, elytris laevibus, utro- que triseriatim striato-punctato, punctis obsoletis, elongatis, inter se sat remotis, Stria laterali nulla, vitta lineari ad elytrorum margines laterales, in medio interrupta, thora- cisque marginibus rufo-ferrugineis, macula in illis subapi- cali testaceo-ferruginea; thorace utrinque ante marginem posticum atque per transversum ante anticum leviter im- presso, in impressione subtiliter substriolato-puuctato ; subtus piceus, pedibus ferrugineis. Long. 8 mm. Madagascar or. (Goudot). Zunächst mit der zahlreich in Australien, mit einzelnen Ausläufern im tropischen Asien etc. vertretenen Species- gruppe verwandt, die durch die glatten Flügeldecken aus- gezeichnet ist, wozu auch der europäische agilis gehört. 24. C. duodecimstriatus Aube, Hydr. p. 378. Elongato-ovalis, subdepressus, convexiusculus, nigro- piceus, nitidus, labro lateribusque ferrugineis, elytrorum margine utrimque laterali picescente; thorace utrinque ante marginem posticum atque per transversum ante anticum leviter impresso, in impressione subtilissime substriolato- punctulato; elytris in disco utrinque sexstriatis, striis 2., 4., 6. fere e basi nascentibus, apice leviter abbreviatis, 1., 3., 5. antice abbreviatis, apicem haud totis attingentibus, 1. multo ultra medium terminata, 3. fere in medio, usque ad basin punctis solutis inter se remotis continuata, 5. propius basin terminata; Stria laterali in medio antrorsum abbre- viata. Subtus rufopiceus, pedibus testaceo-ferrugineis. Long. 6 mm. Madagascar or. (Goudot). Mauritius, wo die Art bisher allein bekannt war. 25. C. polystrigus Sharp, 1. c. No. 872. Oblongo-ovalis, depressus, niger, fere nigro-piceus, subnitidus, capite piceo vel ferrugineo, vertice obscuriore, 412 H. J. Kolbe: üeber die madagascarschen Dytisciden lateribus thoracis elytrisque prope margines laterales inter strias duas exteriores, maculaque subapicali, ad vittam illam spectante, rufo-ferrugineis; elytrorum striis decem impressis fere basin totis attingentibus, vix inaequaliter abbreviatis, mox ante apicem alternis longioribus et per- parum brevioribus ; Stria laterali antice abbreviata, medium paulo superante. Subtus nigro-piceus, nitidus, pedibus ferrugineis. Long. 5V3— 6V3 mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Natal, Senegal. Scheint mit C. 20-striatus Fairmaire (Madagascar und Ile Mayotte in den Comoren) sehr nahe verwandt, aber wohl nicht identisch zu sein. Denn nicht nur der 2., 4. und 6., sondern auch der 8. und 10. Streif der Flügeldecken erreichen nicht ganz die Spitze; an der Basis sind fast alle ziemlich gleichmässig abgekürzt, indessen erreichen der 7. und 10. die Basis fast vollkommen; der 6. und 9. sind an der Basis etwas kürzer als die übrigen. Bei einem Stück aus Central-Madagascar ist der 5. Streif an der Basis abgekürzt, der 6. erreicht die Basis beinahe völlig. Auch die von Fairmaire bei 20-striatus ange- gegebene Färbung passt nicht auf polystrigus. Sharp beschreibt beide als verschiedene Species. Ist ausserhalb der Region mit einer Art aus Abyssi- nien (Erichsoni Gu^rin) zunächst verwandt. Ausser diesen 3 beschriebenen Arten leben in der madagascarischen Region noch 3 andere, von denen 2 bis jetzt nur auf Mauritius resp. Bourbon gefunden sind. Genus Rhantus Esch. In allen Regionen beider Erdhälften, namentlich in den gemässigten Zonen, in Afrika, Ostindien, dem indischen Archipel und in Brasilien nur vereinzelt. 26. Rh. latus Fairmaire, Ann. Soc. entom. France 1869, p. 191. Oblongo-ovalis, fusco-niger, capite postice ferrugineo- des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 413 testaceo, juxta oculos Digro, thorace ferrugineo, disco fus- cato, in medio nigro, elytris obscure fusco-testaceis, den- sissime nigro-vermiculatis, lateribus ferrugineis vel testaceis, in dorso triseriatim punctato-striatis, punctis distinctis, inter se sat remotis. Subtus piceo-ater, pedibus anticis ferrugineis. Long. 13 mm. Madagascar or (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Zunächst mit australischen Species verwandt. Eine zweite Art lebt auf Rodriguez (s. unten). Hydaticides. Genus Hydaticus Leach. lieber alle Erdtheile verbreitet. Die nächsten Ver- wandten der madagascar sehen Arten in Afrika, im tropi- schen Asien und in Australien. 27. H. dorsiger Aube, Hydr. p. 193. Oblongo-ovalis, testaceus, capite ad margiuem posticum, thorace postice in medio, macula elytrorum dorsali, com- muni, elongata, nigris ; elytris triseriatim punctatis, punctis mediocribus, sat grossis, interioris seriei inter se vix, mediae distincte remotis, serie exteriore obsoleta punctisque remotis. Subtus castaneo-ferrugineus , posticis pedibus concoloribus, anterioribus testaceis. Long. 13— 14 mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Kommt auch in Natal und nach Sharp in Arabien vor. Ein von Natal stammendes Stück des Königlichen Museums ist etwas kleiner als die madagascarschen Stücke. Am nächsten verwandt ist H. luzonicus Esch. (Phi- lippinen). 28. H. sobrinus Aub6, Hydr. p. 156. Oblongo-ovalis, depressiusculus, ferrugineus, capite cum thorace laete testaceis, illo postice sinuate, fronte in 414 H. J. Kolbe: Ueber die madagascarschen Dytisciden medio semicirculariter nigritulo, hoc in medio signaturis nigris transversis colorato; elytris ferrugineis, maculis mi- nimis, partim lineis confluentibus, fascia repanda transversa, fere mediana, postice elata, alteraque anteapicali angusta, sinuata, nigris. Subtus ferrugineo-castaneus, pectore cum pedibus anterioribus testaceis. Long. 12 mm. Madagascar or. (Goudot). Auch auf Mauritius. Soll ferner in Südamerika vorkommen. Ein Exem- plar des Königl. Museums von Pondichery, welches mit der madagascarschen Art congruirt, würde ausserdem für ihre Verbreitung bis in die orientalische Region sprechen. H. matruelis Clk. von der Goldküste steht dem Sobrinus sehr nahe. Die Unterschiede beider Species sind bei Clark in den Trans. Ent. Soc. London 1864 p. 216 verzeichnet. Es scheint mir, dass H. matruelis Clk. mit dem von Fabricius im Syst. Eleutherat. L p. 263 be- schriebenen unifasciatus identisch ist. 29. H. concolor n. sp. Minor, oblongo-ovalis, leviter convexus, retrorsum de- planatus, fusco-piceus, capite ad marginem posticum ely- trorumque plaga suturali, antice et postice abbreviata, diffusa, nigris ; thorace obscure fusco, elytris, limbo excepto, nigro-vermiculatis, supra vix triseriatim punctatis, punctis accumulatis, subtilissimis. Subtus fuscus, pedibus fusco- luteis. Long. 9V4 mm. Madagascar int. austr. (Hildebrandt). Eine kleine Art, durch gleichmässige braune Färbung von den übrigen verschieden. Am nächsten mit H. leander verwandt. 30. H. bivittatus Costelnau, Etud. entom. p. 98. Oblongo-ovalis, parum ellipticus, obscurus, capite postice late nigro; thorace testaceo, postice in medio et elytris nigris, his ad marginem lateralem cum vitta interna longitudinali, margini approximata, ante apicem cum hoc des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 415 confluente, luteo-testaceis, in dorso triseriatim punctatis, punctis serierum 2 interiorum subtilibus, inaequalibus , densis, accumulatis, exterioris majoribus, simplicibus, inter se remotis. Subtus castaneo-niger, pedibus anterioribus testaceis, posticis castaneis. Long. 14 mm. Madagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Ausserdem auf Mauritius und ferner in Caffraria und Senegambien. Sehr nahe verwandt mit H. vittatus Fbr. (Ceylon, Ostindien, Java, China, Japan, Mesopotamien, die meisten Sunda-Inseln und Moluccen, sowie Australien), philippi- nensis Wehnke (Philippinen), Bowringi Clk. (Australien, China, Japan) und noch einigen orientalischen Arten. 31. H. ornatus n. sp. Ovalis, postice depressiusculus , capite thoraceque testaceo-ferrugineis, illo ad extremum marginem posticum nigro, hoc antice et postice vix nigritulis ; elytris ovalibus, testaceis, nigro-maculatis, late transversim maculatis ; altera fascia baseos angusta, abbreviata, sinuata, altera ante medium, lata, ad latera diffusa, bipartita, maculosa, tertia ultramediana obliqua, in marginibus direpta, irregulariter sinuata; apice maculosa; in dorso triseriatim punctatis, punctis inter se remotis, omnibus nigro-cinctis, fere ocel- latis. Subtus ferrugineus, antice cum pedibus anterioribus testaceus. Long. 14 mm. Madagascar or. (Goudot). Nahe mit H. nigromaculatus Clk. (Angola) und H. Usheri Clk. (Ober-Guinea) verwandt. 32. H. exclamationis Aub6, Hydroc. p. 206. Major, oblongo-ovalis, convexiusculus, postice depressus, niger, capite antice, thorace late in lateribus elytrorumque vitta laterali, longitudinali, leviter obliquata, postice tenui, acute terminata, luteis; elytrorum marginibus lateralibus nigris, dorso triseriatim punctato, punctulis subtilibus, 416 H. J. Kolbe: lieber die madagascarechen Bytisciden densis, irregulariter accumulatis , serie interiore alteris distinctiore. Subtus nigro-piceus, pedibus anterioribus fer- rugineis, posticis totis nigris. Long. 15 mm. Madagascar int. aust. (Hildebrandt). Ausserdem im portug. Guinea. Gehört zur Verwandtschaft des H. vittatus. 33. H. Petitii Aub6, Hydroc. p. 204. Major, oblongo-ovalis, latus, convexiusculus, postice depressus, niger, capite ad marginem anticum, thorace late in lateribus elytrorumque vitta lata laterali longitudinali, sat longe ante apicem abruptim abbreviata et macula rhombica anteapicali luteis, margine elytrorum mox pone humeros usque ad apicem nigro, in dorso triseriatim punctatis, punctis subtilibus, dense accumulatis, partim interruptis. Subtus castaneo-niger, pedibus anterioribus testaceis. Long. 16 — 18 mm. Madagascar or. (Goudot). Nach Sharp auch in Südafrika und Abyssinien. Ge- hört gleichfalls zur Verwandtschaft des Vittatus. Genus Rhanticus Sharp. In 1 Species weit über x'^frika, die orientalische Re- gion und Australien verbreitet. 34. Rh. congestus Klug. Ins. Mad. p. 136. Minor, ovalis, testaceo-ferrugineus, interdum supra fuscatus, sat convexus, postice planatus; in capite postice versus oculos macula frontali arcuata, antice fascia te- nuiore nigris; thorace ad marginem anticum et posticum fusco-atrato, maculis discoidalibus transversis, oblongis, margini posteriori propioribus, nigris; elytris irroratis, fasciis duabus obscuris, saepissime dirreptis, obliquis, ante- riore latiore, posteriore angustiore, in dorso triseriatim des königl. entomologischen Museums zu Berlin. 417 pimctatis, piinctis punctulis accumnlatis constitutis, inter se reraotis. Subtus ferrngineo-testaceus. Long. 10—11 mm. Maclagascar or. (Goudot), int. austr. (Hildebrandt). Verbreitung: äthiopische Region: Madagascar, Caffraria, N'Gami, Angola, Guinea, Senegal, Kordofan, Arabien; orientalische Region: Bengalen, Siam, For- mosa, China (nur südl. China?); australische Region: Australien, Neu-Caleäonien. Diese geographischen Angaben sind theils dem Königl. Museum, theils den Literatur-Angaben entnommen. H. signatipennis Lap., welcher Name von Sharp angenommen wurde, ist mit congestus Klug identisch. Genus Cy bist er Curtis. In allen zoogeographischen Regionen, ausser der neo- tropischen nur vereinzelt in Mexico. In der neotropischen, Region tritt die nahe verwandte Gattung Megadytes mit zahlreichen grossen Arten an die Stelle von Cybister. 35. C. operosus Sharp 1. c. No. 1132. Oblongo-ovalis, ellipticus, postice dilatatus, supra con- vexiusculus, retrorsum deplanatus, nitidus, viridi-olivaceus, splendore interdum amethystiuo suffusus, coucolor, macula rufa ante extremum elytrorum vix conspicua; subtus nigro; capite vix subtilissime punctato, elytris seriatim punctatis, punctis distinctis, inter se remotis; pedibus piceo-nigris vel nigris; N. recent. Orbulinen von Rimini Adria Meer, recent. Orbulinen aus dem Wiener Tertiär von Lapugy, den Miocän-Schichten angehörend aus Ost-Ungarn. Orbulinen ebenfalls aus dem Wiener Tertiär von Sz- Somlyo, Miocän-Schichten in NO.-Ungarn. 430 G. Schacko: Um brauchbare Untersuchimgsobjecte zu erlangen wen- dete ich folgendes Verfahren an. • Die Manipulation zur Erlangung der Einschlüsse der Orbulinen erfordert eine gewisse Gewandtheit, da durch falschen Druck die Schale ihrer Sprödigkeit wegen häufig ganz zersprengt wird und die zarten Einschlüsse dann vollständig zerstört worden. Dieses zu vermeiden reinige man die Kugel vollständig und feuchte sie ein wenig an. Die Poren saugen die nöthige Quantität Wasser sofort ein. Hierauf hält man die zu untersuchende Kugel gegen das Licht, und sucht die dunkelste Stelle an ihrer Oberfläche zu finden, denn hier liegt die kleine Globigerine dicht an der Innen- Wandung der Orbuline. Nun legt man die Kugel so auf eine schwach angefeuchtete Glasplatte, dass man den auf der Orbulina als dunkel erkannten Punkt zur linken Hand hat und übt mit dem Nagel des Daumen der rechten Hand einen leichten Druck direct auf die darunter liegende Orbulina aus. Durch einige Uebung wird bald die nöthige Gewandtheit erlangt und ein ausserordentlich feines Gefühl bei Ausübung des noth wendigen Druckes entwickelt. Die Orbulinen-Schale erhält, der Art behandelt, nur Risse und zerspringt nicht in zu kleine Stücke, da die Sprödigkeit durch das Eindringen des Wassers in die Poren beseitigt wird, und man kann nun leicht mit feiner Nadelspitze nachhelfen und dieBruch-Theile der Schale weiter untersuchen. Wenn nicht gerade sehr ungünstige Brüche stattgefunden, so erscheint die kleine äusserst zarte Globi- gerine, regelmässig intact dicht an der Innen-Wandung der Orbulinenschale sitzend, mit der apicalen Seite der Innen- Wand der Orbulina zugekehrt, auf der basalen Seite mit ziemlich weitem Nabel und mit 3, 4 auch 5 deutlich sichtbaren grossen zusammenhängenden kugeligen Kammern mit halbmondförmigen Oeffnungen versehen. Besonders möchte ich noch bemerken, dass bei der grossen Anzahl der untersuchten Schalen von Orbulinen 3mal der Fall beim Zerbrechen der Schale vorkam, dass sich Doppelschalen zeigten, indem sehr grosse Schalenseg- mente absprengten und darunter eine neue Schale zum Vorschein kam. Genau correspondirten die Perforirungen, tJntersuchung'en an Foraminiferen. 431 sowohl die grossen als kleine Poren, wie ich durch mikros- kopische Beobachtung ersehen konnte, nur dass die Dicke der Doppelschalen einen geringen Unterschied zeigten. Die äussere Schale war etwas schwächer. Die Dicke beider Schalen zusammen war gleich der normalen Dicke bei verhältnissmässig gleicher Grösse anderer Individuen. Diese Doppelschalen zeigten sich bei zwei tertiären Individuen aus Miocän-Lagern von Lapugy und gehörten wohl zu einer kleinen Orbulinenspecies. Sie hatten nur Vs der gewöhn- lichen Grösse der Orbulinen von jenem Fundorte erreicht, befanden sich demnach im Entwicklungsstadium. Eine andere Doppelschalen - Bildung zeigt sich bei einem Individum einer noch lebenden grösseren Art von dem Cap-Verden. Auch hier war die vollständige Grösse noch lange nicht erreicht. Dieser Umstand scheint mir eng mit den Wachsthumverhältnissen der Orbulinen-Schalen zusammen zu hängen und könnte wohl darauf hindeuten, worüber bereits M. Schulze seine Ansicht dargethan hat, dass sich das Wachsthum der monothalamen Schalen nur durch innere Resorptions- und äussere Auflagerungs-Er- scheinungen erklären lasse. a) Orbulina von dem Cap-Verden. Die allgemeine gewöhnliche Form der Schale der Orbuline ist die Kugelform. Die von mir untersuchten re- centen Orbulinen von dem Cap-Verden besassen dieselbe vollständig, ohne die geringste Abweichung zu zeigen, so- wohl in der Jugend als bei ausgebildeter typischer Form. Die tertiären jedoch von Sz-Somlyo und noch mehr die von Lapugy weichen vorzüglich im Jugendzustande bedeutend von der typischen Kugelform ab. Junge Exem- plare zeigten nach dem einen Pol zu eine spitzenförmige blasenartige Erhöhung ähnlich einer Birnform, andere mehrere blasenartige und beerenförmige Erhöhungen und zwar genau an der Stelle, wo die kleine Globigerine im Innern an der Innen-Wand der Orbulina lag und wie sich nach weiterer Untersuchung zeigte, schmiegte sich die grobe und starke Orbulinenschale genau an die Aussenwand 432 G. Schacko: der sehr zarten Schale der innen liegenden Globigerine an und war zum Tlieil wie es schien fest mit derselben verwachsen, oft eingebettet, was aber bei den recenten be- stachelten kleinen Globigerinen nicht der Fall war, die sich in den recenten Orbulinen von dem Cap -Verden befanden. Sowohl recente Orbulinen als auch tertiäre zeigten nicht die geringste Spur von Stacheln, erschienen an der Ober- fläche der Schale glatt und zum Theil seidenglänzend, vor- züglich die recenten ; die tertiären hingegen hatten ein etwas rauheres Ansehen in Folge grösserer Porencanäle, deren Oeffnungen nach aussen von erhabenen Kanten umzogen werden und zusammen eine reticuläre Felderung bilden, so dass jede Porenöifnung in einem solchen Feldchen liegt. Die von den Cap-Verden stammenden Exemplare re- center Orbulinen waren rein weiss, seidenglänzend, durchaus kugelrund; sie besassen gleichdicke Wandstärken und einen Durchmesser von 0,3 bis 0,9 Millimetern. Bei dem Auf- brechen der Schale zeigten sämmtliche untersuchten Exem- plare iin Inneren stets eine mehr oder weniger fein be- stachelte kleine zartwandige Globigerine, meist rechts, nur in Einem Falle links gerwunden, und zwar in verschiedenen Entwicklungs-Stadien, so dass 2, 3. 4, auch 5 Kammern bei noch schwacher Vergrösserung schon sichtbar wurden. Bei grossen Exemplaren konnte ich oft nur 2 Kammern, bei den grössten sonderbarerweise nur schwache Andeutungen von Schalenbildung einer Globigerine, jedoch ohne Stachel- besatz auffinden, und es schien als w^äre der ziemlich zarte Schalenbau der kleinen Globigerine zusammengesunken und bilde nur noch einen unscheinbaren Scherbenhaufen. Es scheint mir nicht ganz unwahrscheinlich, dass nach höchster Entwicklung der Orbuline die Globigerine vollständig zu Grunde geht. Vergleicht man die Entwicklungsstadien der Orbulinen mit denen der sie begleitenden Globigerinen, so tritt im ersten Jugendzustand zuerst der Durchmesser der Orbuline gegen den Durchmesser der correspondirenden kleine Globigerine in der Entwicklung verhältnissmässig zurück. Bei 0,7 mm Durchmesser der Orbuline hat die Entwicklung der Globigerine ihren Ilr>hcnpunkt erreicht und scheint dann bei Zunahme des Umfanges und Durch- Untersuchungen an Foraminiferen. 433 messers bei 0,8—0,9 mm der Orbuline vielleicht eine Re- sorption der Kammern der Globigerine stattzufinden, die so weit gehen könnte, dass bei voller Ausbildung der Or- buline die Globigerine vollständig verschwindet. Ich könnte Carpenter's Beobachtung, nicht in allen Orbulinen, Globi- gerinen gefunden zu haben dahin deuten, dass er entweder nur entwickelte Zustände bei Orbulinen oder auch mög- licherweise andere Species beobachtet haben mag. Doch wird für die Zukunft Bestimmteres sich wohl aus weiteren Beobachtungen ergeben, die mit ausgedehnterem Material ausgeführt werden können, als mir zu Gebote stand. Eine junge Orbulina von 0,3 mm Durchmesser enthielt eine Globigerine, die den inneren Raum der Orbuline bis fast -/s erfüllte. Eine Orbuline von 0,7 mm Durchmesser enthielt eine Globigerine von 0,5 mm, das grösste Entwick- lungs-Stadium einer Globigerine, welches ich beobachten konnte. Eine Orbulina von 0,8 jedoch nur eine kleine Globigerine von 0,2 mm und eine Orbulina 0,8 ja 0,9 mm Durchm. eine kaum noch bemerkbare Spur einer Bildung von Globigerinen-Schale. Ob noch andere Umstände als Resorptionsverhältnisse im letzten Fall eingetreten sein mochten, wage ich nicht zu behaupten. Das untersuchte Exemplar war vollständig intact und geschlossen, zeigte durchaus keine andere oder zufällige Oeffnung, oder son- stige andere sichtbare Einwirkung von Aussen. Auch habe ich überhaupt bei den recenten Orbulinen, die ich untersucht, keine runde Oeffnung in der Schale vorge- funden, wohl aber bei anderen, die in grosser Meerestiefe gefunden worden waren, wahrscheinlich abgestorbene Exem- plare, die ausserdem mit feinem Kalkschlamm oft voll- ständig angefüllt waren. Hier war von Erhaltung der Globigerine keine Spur mehr zu finden. Nebensächlich bemerkt, konnte das reichhaltige Material des bekannten Globigerinen-Mergels von Klausenburg in Siebenbürgen, worin wenigstens 75% Globigerinen und Orbulinen ge- funden werden, zur Untersuchung nicht benutzt werden, da dieselben alle vollständig calcinirt waren und sich im Innern der Orbulinen die herrlichsten kleinen Kalkspath- Drusen gebildet hatten. Archiv f. Natwrg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 28 4.14 G. Schacko: Betrachtet man nun die kleine eingeschlossene Globi- gerine genauer, so lindet sie sich stets in der Nähe der Or- bulinen-Waudung, trotz ihrer ansehnlichen Bestachelung. Ob im normalen Zustand frei, mag ich noch nicht ent- scheiden, dennoch konnte ich dieselbe stets nur mit Ge- waltanwendung und Opferung ihres Stachelbesatzes, selbst im Wasser erweicht, nie anders frei zur Beobachtung er- halten. Die Stacheln sind weit länger an den Stellen der Kammern, wo sie sich frei entwickeln können, als an der Stelle, wo sie die Wandung der Orbuline berühren. Sie erlangen hier nur die Länge die ihnen der Zwischenraum gewährt und bleiben oft vielfach beim gewaltsamen Ab- bruch an der Wand der Orbuline hängen, sind selbst durch längere Behandlung mit Wasser nicht zu entfernen, so dass sie auch an der Orbulineu-Schale festgewachsen er- schienen. Frei entwickelte Stacheln haben oft die Länge des Durchmessers der Kammer, auf der sie stehen. Sie sind sehr zart und scheinen sich direct mit kurz verdickter Basis aus der dünnen Schale zu erheben, denn man findet häufig abgebrochene Stacheln an deren Basalende noch vollständig ein rundausgebrochenes Stück der Schale sich befindet. An den Stacheln hing häufig noch angetrocknetes Plasma in Form kleiner Kugeln und Klümpchen oder in Form feiner Fäden, die Spitze des einen Stachels mit der eines andern verbindend. Grössere Ansammlungen von Plasma konnten nicht nachgewiesen werden, sowohl in der Orbuline als in der Globigerine. Dennoch fanden sich grössere Körper oder Kugeln vor, sowohl in der Orbuline als in der letzten Kammer der Globigerine und ich glaube in diesen die von M.Schulze früher in Rotalinen gefundenen dunklen Kugeln wieder in Orbulina und Globigerina ge- sehen zu haben. Sie bildeten grosse zusammenhängende Complexe, entbehrten jeder gemeinsamen Hülle und schienen besonders aus feinem monekülaren schwarzen Körnchen zu bestehen nnd sollen nach früheren Untersuchungen nicht aus thierischer Substanz gebildet sein. Grössere und kleinere Complexe dieser Körper habe ich auch bei tertiären Globigerinen, die Orbulinen ent- nommen waren, gefunden, und waren dieselben hier mit Untersuchungen an Foraminiferen. 435 einem Saum der feinsten und glänzenden Schwefelkieskry- stalle umgeben. Ferner zeigten sich vorzüglich in der letzten Kammer der kleinen Globigerine und sehr selten in der Orbuline grössere Kugeln, ähnlich wie Carpenter auch kugelige etwas ovale zuweilen in Zweitheilung begriffene Körper in Orbulites gesehen hat. Sie waren von einer festen Hülle deutlich umgeben. Mosseley „Note by a naturalist on tho Challenger*', London 1879 p. 292 spricht sich darüber aus und deutet diese Körper als parasitische, einzellige Algen. Lankaster's Ansicht, sie für Zellkerne zu halten scheint mir eben so wenig sicher. Ich möchte die Vermuthung aussprechen, dass diese Körper oder Kugeln, die ich nur spärlich und sehr selten bei meinem geringen Material auffand und nicht mit Säuren untersuchen konnte, einfach die Embryonalkammern der sich anderorts wieder bildenden kleinen Globigerinen sein möchten. Bei genauer Messung der Grösse, Form und Anheftungsfläche der Embryonal- kammer an die 2. Kammer und der Wandungsverhältnisse gaben diese Körper selbst noch bei der stärksten Ver- grösserung ein getreues Bild der Embryonalkammer und der sich daranschliessenden 2. Kammer der kleinen Globi- gerine, die sich innerhalb der Orbuline fand. Da ich diese Untersuchung nur an bereits todten Exemplaren recenter Orbulinen gemacht habe, so möchte ich dieselbe vorläufig nur als Fingerzeig für spätere, an lebenden Orbulinen vor- zunehmende Untersuchungen hingestellt haben. Ich weiss auch nicht, ob bereits schon genauere Untersuchungen über die Embryonalkammer dieser kleinen Globigerinen gemacht worden sind. Oven giebt im Lin. Soc. Journal Zool. Vol. IX Taf. 5 Fig. 2. 3. 4 Abbildungen aufgebrochener Orbulinen-Schalen mit darin eingeschlossenen kleinen Globigerinen, Fig. 2 zeigt auch deutlich die eine Kammer der Globigerine mit Stacheln bewehrt. Er nennt sie G. (Orbulina) acerosa n. s. Dennoch möchte ich meine untersuchte Orbulina von dem Cap Verden nicht mit der Oven's identificiren. Die An- ordnung der 5 abgebildeten Kammern seiner Globigerine, wovon nur die eine Kammer mittlerer Grösse bestachelt 436 G. Schacko: gezeichnet ist, machen durchaus nicht den Eindruck einer regelmässigen Entwicklung, doch mag ich hierüber nicht streiten, es kann ja wirklich eine andere Species vorge- legen haben. Die unter Fig. 4 abgebildete Globigerine harmonirt eher mit meiner Tertiär-Art von Lapugy. Die von mir in der Orbulina von dem Cap Verden aufgefundene kleine Globigerine Taf. XIII Fig. 2 ist ihrer Natur nach stets mehr oder weniger involut und zeigt ober- flächlich betrachtet 5 deutliche runde Kammern. Zerbricht man nun die letzten Kammern, so finden sich noch 7, auch oft 8 sehr kleine Kammern vor, so dass ich klar und deut- lich bei vollständiger Entwicklung der Globigerine 13 aus- gebildete Kammern zählen konnte. Die ersten Kammern von der Embryonalkammer bis zur 8. Kammer sind ganz durchsichtig glashell, ohne Perforation. Die 9. Kammer ist perforirt und die 10., IL, 12. und 13. perforirt und be- stachelt. Ich gebe hier die grössten Durchmesser der einzelnen Kammern der kleinen Globigerine an zur Ver- gleichung der Wachsthumverhältnisse. Embrvonal - Kammer, Durchmesser 0,016 mm 2.' „ „ 0,0135 „ 3. „ „ 0,015 „ 4. „ „ 0,017 „ 5. „ „ 0,019 „ 6. „ „ 0,023 „ 7. „ „ 0,031 „ 8. „ „ 0,036 „ 9. „ „ 0,054 „ 10. „ „ 0,07 „ 11. „ „ 0,095 „ 12. „ „ 0,14 „ 13. „ „ 0,175 „ Die Embryonalkammer erscheint als völlig runde Kugel, nur an der Stelle, wo die Oeffnung zur 2. Kammer führt, fehlt ein kleines Kugelsegment. Hier setzt sich auch die im Durchmesser weit kleinere 2. Kammer an. Es folgen nun die 3., 4., 5., 6., 7. Kammer mit mehr oder weniger seitwärts gedrückter Kugelform. Diese bilden zusammen den ersten Umgang der Globigerine. Die Kammern 8, 9, Untersuchungen an Foraminiferen. 437 10 und 11, ebenfalls fast kugelig, bilden den 2. etwas aus der ursprünglichen Ebene herausgetretenen Umgang. Kammer 12 und 13 vollendet fast den 3. Umgang. Die Oefifnungen der Kammern sind gegen die Nabelhöhle, welche durch die Umgänge gebildet wird, gerichtet, mit einem dicken leistenförmigen Mundsaum umrahmt, der gut die doppelte Stärke der Kammerwand-Dicke besitzt. Embryonal-Kammer bis zur 7. Kammer waren von einer 0,002 dicken Wandung eingefasst, die grösseren Kammern Hessen selbst bei starker Vergrösserung keine Netzstructur um ihre Poren erkennen, zeigten jedoch unregelmässig verbreitete Verstärkungen der Schale, die sich in langgedehnten unregelmässig ge- krümmten Windungen zwischen den Poren hinzogen. Die Poren der letzten Kammer haben etwa einen Durchmesser von 0,0025 mm und zeigen keine trichterförmigen Erweite- rungen, stehen sehr regelmässig in einer Entfernung von 0,01 mm von einander und bedecken die ganze Kammer. Ich habe mich bemüht eine Form dieser kleinen Glo- bigerine im Schlamm, worin die Orbulinen gefunden waren, in freiem Zustande aufzufinden. Es war vergebens, obw^ohl sich Globigerinen-Formen von derselben Grösse frei darin vorfanden, welche jedoch andere Entwicklung und Perfo- ration zeigten, somit andern Species angehören mussten. Auch hierdurch möchte vielleicht meine Vermuthung, dass die in Orbulina erzeugte Globigerine entweder ganz ver- loren gehe oder wenigstens nicht frei würde und im Innern der Orbulina verbliebe, mehr Wahrscheinlichkeit erlangen. Sie ist eine gar zu zarte Erscheinung gegenüber den dick- wandigen Globigerinen, die sich wohl frei ohne Schutzhülle entwickeln könnten. Die Poren der Orbuline sind von sehr verschiedener Grösse. Es giebt grobe Poren von einem Durchmesser von, 0,018 bis 0,024 mm, oft ovale selbst unregelmässige ausgebuchtete Oeffnungen und nur schwache trichterförmige Erweiterungen zeigend, die gegen die Innenfläche der Wan- dung der Orbuline gerichtet sind. Die kleineren Poren sind die häufigsten und haben einen durchschnittlichen Durchmesser von 0,003 mm; dennoch finden sich dazwischen noch feinere Poren von 0,0015 mm darunter. Die mittleren 438 G. Schacko: Poren entwickeln durch die sie umrahmenden Leisten be- deutende Trichtererweiterungen fast auf Vi ihrer ganzen Länge stets an der Oberfläche der Schale nach Aussen. Ich möchte demnach den ganz grossen Poren der Orbeline eine speciellere Function noch zuschreiben. Sie haben nämlich einen bedeutend grösseren Durchmesser, als die Kugeln, welche ich als Embryonen muthmasslich bezeichnet habe. Sind diese zur Reife gekommen, so könnten diese Kugeln allein oder vielleicht, resp. mit ihrem Appendix der 2. Kammer ganz bequem aus der Orbuline ausgestossen werden, um sich weiter frei zu entwickeln und dann mit einer Orbulinenschale sich umgeben. Zur besseren Aus- stossung der Embryonen möchten deshalb die grossen Poren oder Löcher auch ganz schwache Trichteröffnungen nach der Innen - Seite der Orbulinen - Wandung bilden, während die kleineren Poren ihre Trichteröffnung zum Wassereinziehen oder Durchtritt der Pseudopodien an der Oberfläche der Ausseuwanduug der Orbuline zu liegen haben. Doch gebe ich gern zu, dass auch andere Gründe hierzu obwalten mögen. b) Orbulina Nro. 1 von Rimini (Adria Meer). Von geringeren Dimensionen im Umfang, etwa von 0,3 bis 0,6 mm im Durchmesser boten sie fast dieselben Erscheinungen wie die vorherbeschriebenen dar, nur mit einigen Differenzen. Eine grosse Anzahl von Exemplaren war in Doppelbildung ihrer, Schalen begriffen. Die eine Hälfte der oberen Schale war fast immer abgesprengt, die darunter liegende (ob Neu-Bildung) war sehr dünn. Auch konnte man 2 verschiedene Species oder Varietäten an der äusseren Entwicklung der Orbulinen-Schalen beobachten. Die eine Partie zeigte sehr grosse regelmässige Perforation, die andere sichtbar kleinere Perforation mit dicken Wan- dungen der Schale. Die grösseren Orbulinen zeigten auch hier selten den Einschluss von Globigerinen oder theilweise nur Bruchstücke davon, oft waren die Schalen mit körniger feiner Kalkmasse zum Theil angefüllt und hatten dann ein 0,8 mm grosses 6. Kammer 0,031 7. >j 0,042 8. )? 0,06 9. )) 0,068. Untersuchungen an Forarainiferen. 439 Loch in der Wandung der Orbulinen-Schale; diese schienen abgestorbene Exemplare zu sein. (Taf. XIII Fig. 3.) In unversehrten geschlossenen Exemplaren von 0,5 Durchmesser fanden sich ganz schwach gestachelte Globigerinen und zwar waren dieselben von der 9. Kammer an mit kurzen und weichen Stacheln versehen. Die Maasse für die Kammern dieser Globigerine sind. Embryonalkammer 0,019 2. Kammer 0,017 3. „ 0,0175 4. „ 0,02 5. „ 0,029 Sie unterscheiden sich von den früher beschriebenen Cap Verdischen dadurch, das 1. die Embryonalkammer grösser ist und die darauf folgenden Kammern, ebenfalls kräftiger entwickelt, sich gerade zum Centrum der Embryo- nalkammer stellen, nicht schräg gedrückt erscheinen, und bereits die 9. Kammer bestachelt ist. Weitere Entwicklung der folgenden Kammern habe ich nicht verfolgen können. c) Orbulina Var. No. 2 von Rimini. Andere Orbulinen von Rimini zeigten grosse Poren, enthielten nur Globigerinen-Einschluss ohne Bestachelung und konnte hier bei 0,3 mm Durchmesser die bis jetzt grösste Entwicklung der Kammern an Zahl festgestellt werden. (Taf. XIII Fig. 4). Es zeigten sich 14 gut er- haltene deutlich fein perforirte Kammern mit folgenden Durchmesser- Verhältnissen. Embryonalkammer 0,016 8. Kammer 0,023 2. Kammer 0,012 9. „ 0,035 3. „ 0,015 10. „ 0,041 4. „ 0,017 11. „ 0,046 o. 0,012 9. 0,015 10. 0,017 11. 0,019 12. 0,021 13. 0,022 14. 0,057 6. „ 0,021 13. „ 0,078 7. „ 0,022 14. „ 0,11. Diese Globigerine bleibt bei sehr regelmässiger Ent- wicklung gegen die vorige an Grösse zurück und erreicht in voller Vollendung bei der 14. Kammer etwa an Grösse 440 G. Schacko: die 11. Kammer der Globigerine von dem Cap Verden. Die Perforation ist in Grösse der Poren und Abständen den früheren gleich. Nur die Schalenmasse war sehr durch- sichtig und zeigte eine gleichmässige Granulierung. Beide Varietäten No. 1 und No. 2 zeigen in der Spiralanordnung der Kammern bereits Verschiedenheit. Zieht man eine Linie durch die Embryonalkammer, so stellen sich auf die- selbe bei der einen bestachelten Varietät No. 1 die Kammern 1, 2, 7, 5 auf die gerade Linie, während bei der unbe- stachelten Varietät N. 2 diese Linie die 1., 4., 7. und 10. Kammer gerade durchschneidet. Bei No. 1 beginnt die Perforation bei der 9. Kammer und zeigt weitere Zwischen- räume, bei No. 2 beginnt sie erst bei der 12. und ist ent- schieden enger. Will man das Resultat dieser Beobachtungen kurz zusammenfassen, so zeigten sich in morphologischer Beziehung im Bau der Schale von recenten Orbulinen, welche hier behandelt sind, wenige Unterschiede, während bei ihren Einschlüssen, den Globigerinen, sich recht greifbare Unter- schiede zeigen, in Betreff der Bestachelung, Windungsaxe, Perforirung etc. Zu erwähnen ist noch, dass bei allen von mir beobachteten eingeschlossenen Globigerinen die Embryonalkammer und eine Anzahl der darauf folgenden kleinen Kammern nicht perforirt ist. d) Orbulinen ans tertiären Schichten. Zeichnen sich die miocänen Schichten von Lapugy in Siebenbürgen überhaupt durch die schöne Erhaltung der Einschlüsse von Conchylien etc. aus, so ist dies nicht weniger der Fall bei der Erhaltung der Schalen von Fora- miniferen, und es zeigten die Orbulinen noch klar und deutlich den Einschluss der Globigerine. Im Vorhergehen- den ist bereits über den Bau der Orbuline und Globigerinen- Einschluss berichtet worden, und es zeigten sich auch hier recht interessante und bedeutende Unterschiede der Ent- wicklung beider zu einander. Die Orbuline von Lapugy zeigt eine etwas länglich-runde, zitzen-, auch beerenför- mige blasige Anschwellung an dem einen Pol der Kugel, Untersuchungen an Foraminiferen. 441 gerade an der Stelle, wo die Entwicklung der Globigerine stattfindet. Ich fand die Embryonalkammer und den grössten Tbeil der folgenden Kammern stets fest mit der Orbulinen- Schale verwachsen, und konnte dieselben nie ohne Be- schädigung von derselben trennen. Dies hat seinen Grund darin, dass sich die Orbulinen-Schale genau an die Kammer- wände der Globigerine anlegt, die Globigerine somit in den von der Orbuline gebildeten Höhlungen halb verdeckt liegt und auf diese Weise geschützt ist. Ein Bild von diesen Lagerverhältnissen giebt Taf. XIII Fig. 5 und 6. Fig. 6 Embryonalkammer mit Kammer 2, 3, 4, 5, 6 ist imperforirt. Fig. 5 zeigt Kammer 8, 9, 10 und 11 als etwas länglich breitgedrückte perforirte und reticulirte Kammerform. Die Kammern 12, 13 und 14 sind hier vollkommen aufgebrochen, es zeigt sich nur noch der Durchschnitt der Kammerwand und der Rand der Schale, wie er in die darunter liegende Aushöhlung in der Orbuline mit derselben verwachsen ist, ferner die Perfo- rirung der Orbuline, central gestellt zur Hohlfläche derselben, also hier durchaus keine regelmässig gleichmässige Perfo- rirung wie im übrigen Theil der Orbulinen-Schale. Die letzten 3 grossen Kammern waren nur perforirt und zeigten keine Leistenbildung und Reticulation um ihre Porenöff- nungen. Die Embryonalkammer, sehr stark gebaut, ist grösser im Durchmesser als die der recent beobachteten, ebenso ist auch die weitere Entwicklung der Globigerine weit kräftiger, obwohl der Durchmesser der Orbuline ver- hältnissmässig klein ist, denn die Exemplare erreichen kaum die Grösse von 0,6 mm. Der Durchmesser der Embryonalkammer ist 0,023 mm. der 2. Kammer „ 0,019 „ n 3. „ „ 0,022 „ „ 4. „ „ 0,025 „ . 5. „ „ 0,034 „ „ 6. „ „ 0,037 „ „ 7. (wahrscheinlich) „ 0,041 „ „ 8. „ „ 0,045 „ „ 9. „ „ 0,055 „ 442 G. Schacko: Der Durclimesser der 10. Kammer ist 0,066 mm „ 12. „ „ 0,13 „ „ 13. ,, „ 0,15 „ 14 0 10 Die Schalenwandung der Embryonalkamnier hat eine Dicke von 0,002 mm, die der folgenden Kammern kaum 0,0015 mm und die der letzten 3 grossen Kammern sind noch dünner. Dicht an der Peripherie der Kammern, die von der Orbulinen-Schale fast eingeschlossen sind, zeigt sich in der Wand der Orbuline eine grosse Anzahl bedeutender Durchlass-Poren (Fig. 5 und 6 X). Dieselben treten bei verschiedenen Individuen in recht verschiedener Anzahl auf, so dass ich oft an der Peripherie einer Kammer zwei, oft 5, ja auch 6 grosse Porenlöcher zählen konnte; während sie an anderen Stellen der Orbulinen-Schale nur sehr selten anzutreffen waren. Es scheint diese Erscheinung doch sehr eng mit den Bildungsverhältnisseu der Orbulinen-Schale und der Globigerinenschale überhaupt in innigster Ver- bindung zu stehen. Der typische, vielleicht Species- Cha- rakter dieser Globigerine liegt in der reticulirten Perfo- ration bei der 8., 9., 10. und 11. Kammer, und hat somit Aehnlichkeit mit der ungleich stärkeren Reticulation oder Lamellenverstärkung bei der sie umgebenden Orbulinen- Schale. In der 12., 13. und 14. also den letztgebildeten Kammern tritt derselbe jedoch wieder zurück und es zeigt sich hier nur einfache Perforation, und tritt also eine Abschwächung oder Reduction in Betreff der Schalendicke ein, was möglicherweise als ein Anzeichen für das spätere gänzliche Verschwinden der Globigerine in der Orbuline aufgefasst werden könnte. Das Austreten der Globigerine aus der Umhüllung der Orbuline unter dem hier stattfinden- den Verhältniss der Anheftung an die Wandung derselben scheint mir nicht gut erklärbar. Die Globigerine wäre somit nur als die Brutbildungsstätte der Em- bryonen aufzufassen, während die Orbuline nur als eine sie länger überdauernde Cyste anzu- sehen wäre. Untersuchungen au Foraminiferen. 443 Auch in den Tertiär-Lagern fand ich die grösseren Exemplare der Orbulina zum grossen Theil mit einer grossen Oeffnung versehen, vor, stets aber ohne Einschluss einer Globigerine, mit feinem Sande oder Schlamm ausgefüllt, während junge kleine Orbulinen-Schalen, in denen die Sarcodemasse in Schwefelkies umgewandelt war, gut den Abdruck der kleinen Globigerinen-Kammern noch deutlich im Schwefelkies zeigten, wenn gleich die dünnen Kalk- schalen derselben verschwunden waren. Die Orbulina der oberen Miocän-Schichten von Sz.- Somlyo im NO. von Ungarn ist von der von Lapugy wieder verschieden. Die Schale ist feiner perforirt und regelmäs- siger kugelförmig. Die kleine Globigerine ist hier auch mit der Schale der Orbuline eng verwachsen. Die Em- bryonalschale derselben hat mit der recenten Globigerine Fig. 4 sehr viel Aehnlichkeit. Nur zeigt sie eine feinere regelmässige enge Perforirung, aber es zeigen sich bei ihr auch die grossen Durchlassporen an der Peripherie der Kammern, wie bei der von Lapugy. Wie sich nun über- haupt die Embryonal- Globigerinen in den hier untersuchten Orbulinen zu den anderen Embryonen wirklicher frei ent- wickelten grossen Globigerinen verhalten, ist eine Frage, deren Erledigung weiteren Beobachtungen vorbehalten ist. IL Embryonen in Peneroptis proteus. Die wenigen und spärlichen Beobachtungen über die Vermehrungsweise mariner Rhizopoden, welche während einer ziemlich langen Reihe von Jahren bekannt geworden sind, stehen in keinem Verhältniss zu den Beobachtungen, welche an Süsswasser-Rhizopoden vorzüglich in letzter Zeit veröffentlicht worden sind. Diese Erscheinung findet ge- wissermassen ihre Begründung darin, dass man bei Süss- wasser-Rhizopoden ihrer Durchsichtigkeit oder schwachen Beschalung wegen leichter die Entwicklung derselben, und besonders das Verhalten des Plasmas hierzu, verfolgen kann. Dazu lässt sich das Material zur Beobachtung viel leichter beschaffen und. auch erneuern. 444 G. Schacko: Bei marinen Rhizopoden hingegen verhindert der oft sehr starke Schalenbau fast jede Beobachtung innerer Ent- wicklung und so ist man oft nur auf die wenigen dünn- schaligen transparenten Formen oder auch Jugendstadien von Foraminiferen, die einige Einsicht gestatten, ange- wiesen. Ausserdem ist brauchbares Material zu diesen Untersuchungen sehr schwer zu beschaffen um ein Studium mit Erfolg daran knüpfen zu können. Sichere Beobach- tungen über das Erscheinen von Embryonen innerhalb der Schale mariner Rhizopoden sind gemacht von M. Schulze bei Milioliden und Rotalia, von Carpenter und Johns, welche Embryonen, beschalte Brut in den einzelnen Käm- merchen des Scheibenrandes bei Orbitolites beobachteten, und von Semper, Z. f. w. Z. XIII p. 568. Ist nun das Studium der marinen Rhizopoden schon an sich sehr erschwert, so treten noch mannigfache Täusch- ungen in der Beobachtung gerade von Embryonen hinzu. Es sind besonders Diatomeen, welche sich oft aussen aut die dünnen Wandungen der Kalkschaleu von Foraminiferen festsetzen : Pinnularia, Eunotia und besonders Cocconeis. Bei einiger Uebung und guter Präparation des Objectes lässt sich dies jedoch überwinden, theils durch chemische Prüfung, theils durch scharfe Beobachtung mit gutem Mi- kroskop, so dass man hier sicher gegen Täuschung ge- schützt ist. Schwieriger ist es jedoch, wenn Diatomeen durch die Oeffnungen oder wie es häufig geschieht durch die Verletzung der Schale in das Innere derselben gelangen und sich dann an der Innenfläche festsetzen wie ich häufig bei Orbiculina und Orbitolites Gelegenheit hatte zu beo- bachten, da ist die Täuschung sehr leicht möglich und erfordert die höchste Aufmerksamkeit. Besonders war ich darauf bedacht Species zu unter- suchen, welche bei bedeutender Grösse der Kammern und Durchsichtigkeit der Schale nur kleine Ausgangsöffnungen haben, um so gegen Täuschung wo möglich bewahrt zu bleiben. Bot demgemäss früher Orbiculina oder Orbitolites Gelegenheit zur Auffindung von Embryonen, so zeigte sich dieses noch klarer bei Peneroplis proteus d'Orb., einer Art die in morphologischer Hinsicht viel Aehnlichkeit mit Or- Untersucnungen an Foraminiferen. 445 biculina und Orbitolites zeigt. Man findet bei derselben nicht die geringste Andeutung einer sekundären Kammerung, während andere Arten von Peneroplis aus dem Mittel- meer, rothem Meer, Ost-Indien und den Philippinen bereits Andeutungen schon von aussen und durch Leisten-Ver- dickungen im Inneren Anfänge secundärer Kammerbildung f zeigen. Somit bekundet Peneroplis auch hierdurch mit Orbiculina Lam. sehr nahe Verwandtschaft. Peneroplis proteus d'Orb., eine durch Formwechsel im Aufbau der Kammern interessante Art, lebt im West- indischen Meer und wird zu den imperforaten Polythala- mien gestellt. Eine Abbildung dieser Art giebt d'Orbigny in Foraminifores de Tile de Cuba par Ramon de Sagra, Taf. VII Fig. 7, 8, 9. Der Darminhalt einer in Spiritus aufbewahrten Ho- lothurie aus dem Meerbusen von Mexico, welcher unter- sucht worden war, lieferte ausser vielen anderen Forami- niferengattungen auch eine Anzahl gut erhaltener Indivi- duen von P. proteus, unter denen sich auch das mit Em- bryonen angefüllte Exemplar befand, welches ich mit Hilfe des Prisma bei 150facher Vergrösserung gezeichnet, Taf. XII Fig. 1 abgebildet habe. Es ist seiner Grösse und Entwicklung nach noch ein junges Exemplar. Unter den anderen aufgefundenen Individuen von P. proteus, der keine Embryonen enthielten, machten sich, abgesehen von ihrer sonstigen morphologischen Beschaffen- heit, zwei Varietäten besonders kenntlich. Die typische Form, welche d'Orbigny in Fig. 7 und 8 abbildet, ist aus- gezeichnet durch die knopfförmige Verdickung und massige Auflagerung über die Embryonalkammer und über dem ersten cyclischen Kammerumgang. Die andere Form, welche ich hier besonders beobachtete, ist sehr dünn und flach, hat eine fast gleichmässige Dicke, welche bei weiterer Entwicklung der Kammerbildung nur langsam zunimmt, doch bei den letzten zwei Kammern um das Doppelte zu- genommen hat. Auch zeichnet sich diese Form besonders durch Dünnschaligkeit und Zierlichkeit der Kammern aus und bildet gewöhnlich eine einfache Fächerform, während die typische von d'Orbigny abgebildete Form in Gestalt 446 G. Schacko: sehr veränderlich ist, auch gröbere Kammern zeigt und eine Grösse von 1 mm und darüber erreicht. Das zierliche mit Embryonen angefüllte Individuum besass aber kaum eine Länge von 0,5 mm, eine Breite von 0,52 mm. Die Dicke beim Embryonalumgang betrug 0,04 mm und bei den letzten beiden Kammern 0,085 mm ; dasselbe war zwar wohl noch jung aber gut ausgebildet, unverletzt und gehörte der regelmässig gebauten typischen Fächer- form an, war gut und hell durchsichtig, die Schale der Em- bryonalkammer klar und deutlich in jeder verschiedeneu Lage zu erkennen. Plasma oder Sarkodereste zeigten sich nicht. Die eingeschlossenen Embryonal-Schalen sind von der- selben Grösse- Form und gelblich braunen Farbe, wie die Embryonalkammer des Mutterthieres. Tafel XTI Fig. 2 zeigt die Embryonalkammer und ersten Umgänge von P. proteus bei 420facher Vergrösserung. Unterzieht man den Bau der Schale von P. proteus einer genaueren Beobachtung, so fällt die grosse Embryo- nalschale mit ihrer Windung sofort ins Auge. Sie hat eine monothalame, flaschenförmige, den Lageniden nicht un- ähnliche Form, mit langem etwas erweiterten Hals, ist nicht monaxon wie die Lageniden, sondern der Hals hat sich umgebogen, an die Wandung des elliptisch-eiförmigen Theiles gelegt, und ist mit demselben eng verschmolzen zu einer einfachen Wandung. Ebenso hat die flach ge- drückte OefiFnung mit stark verdickter Lippe sich flach au die Wandung angeschmiegt. Hiermit hat die Embryonal- kammer ihren Abschluss erreicht, und ebenso erhalten die Embryonen bis hieher ihre Entwicklung innerhalb der Schale des Mutterthieres, und gleichen der Embryonal- kammer in Form und Grösse vollkommen. Somit ist der monaxone Charakter der Embryonalkammer aufgegeben, der bilaterale dafür eingetreten und die Spirale bereits im Embryo zum typischen Ausdruck gekommen. An die Embryonalkammer setzen sich nun zehn kleine, sackförmige rundliche Kammern in spiraler Ebene perleu- schnurartig an. Ihre Oeffnungen, die als Verbindungsröhren der einzelnen Kammern unter einander fungireu, liegen Untersuchungen an Foraminiferen. 447 zum Theil zuerst dicht an der Wand der Embryonalkammer. Später entfernen sie sich immer mehr und durchbohren die dicken Septalwandflächen, welche die Kammern von einander trennen. Indem die Kammern sich vergrössern, nimmt auch die Zahl der Röhren in der Septalkammer- wandfläche im Verhältniss rasch zu, so dass die letzten Kammern wohl 30 Ausratindungsröhrchen aufzuweisen haben, ja es finden sich sogar zwei alternierte Reihen von Aus- münduugsröhren in den letzten Kammern vor. Alle diese grossen Durchbohrungen oder Löcher der Septalkammer- wände bilden an beiden Seiten der Wand starke Randver- dickungen von klarer glänzend emailleartiger Kalkmasse und sind auf beiden Seiten etwas konisch trichterförmig erweitert, um das Durch- und Zurücktreten des Plasmas und der Pseudopodien zu erleichtern. Die Länge dieser Verbindungsröhren schwankt zwischen 0,007 und 0,15 mm, der Durchmesser von 0,003— 0,0085 mm und derVerdickungs- rand um die Oeffnuug ist 0,0018 mm breit. Diese Ver- dickungsringe verbinden sich untereinander wieder durch feste breite Brücken oder Leisten, so dass hierdurch die Septalwandungen verdickt dem ganzen Gehäuse die Festig- keit geben, wie starke Rippen, ähnlich den Speichen eines Rades. Die Embryonalkammer hat eine Länge von 0,055 mm, eine Breite von 0,041 mm und eine Höhe von 0,04 mm. Der innere kugelige Theil eine Länge von 0,038 mm und Breite 0,033 mm. Der untere Theil der Halsröhren an der Stelle, wo derselbe umbiegt, 0,017 mm breit und 0,004 mm hoch. Die obere Erweiterung des Halses 0,012 mm hoch und 0,016 mm breit. Die eigentliche Oeffnung des Hals- loches und Verbindung zur nächsten Kammer hat jedoch nur im Durchmesser 0,005 mm, indem hier die sich um- biegende Schale in Verbindung mit dem Lippenrand die erste Anlage zu einer Septalkammerwand bildet. Die voll- ständig richtig ausgebildeten Embryonen nun haben ge- nau dieselben Dimensionen, zeigen dieselben Verhältnisse und Formen der eben beschriebenen Embryonalkammer des Mutterthieres. Die auch vorkommenden abweichenden Formen der Embryonen, wie sie Taf. XII Fig. 3 f und g abge- 448 G. Schacko: bildet sind, werden bedingt durch die sich nach einer Seite hin verengende Kammerbildung bei spiralem Umgang der- selben. Die zweite auf die Embryonalkammer folgende Kammer ist weit kleiner als diese, hat eine gedrückt kugelige Form und einen Durchmesser von etwa 0,017 mm. Die folgenden Kammern nehmen eine unregelmässig länglich runde Form an, die an Grösse proportional zunimmt, so dass die zehnte Kammer 0,014 mm hoch und 0,025 mm breit ist. Mit diesen 10 Kammern ist der erste Spiral- Umgang beendet. Es folgen nun, einen halben Umgang bildend nun etwas lang gestreckte Kammern, und bilden sich bald in der Kamraer- septalwand 2 Verbindungsröhren und in der letzten von diesen Kammern erscheint die erste, bereits vollständig beschalte, ausgebildete langgestreckte junge Embryoschale, 900 im^ iiii-e Axe gedreht gegen die Horizontalfläche. Sie nimmt fast zwei Drittel des ganzen Innenraums der Kammer ein. In der vorhergehenden Kammer fand sich noch eine länglich geformte geringe Masse beschälten Plasmas vor, doch war dieselbe nicht zur richtigen Ausbildung eines Embryo gelangt. Die nun jetzt folgenden zehn grossen langgestreckten Kammern nehmen nach aussen an Breite sehr zu, werden aber fast keilförmig, da sie sich dem Centrum stets zuneigen. Alle diese Kammern sind mit Embryonen angefüllt und zwar von verschiedener Form- Entwicklung. Während in den breiten Theil der Kammern die Embryonen regelmässig sich entwickeln können, nehmen die im keilförmigen Theil der Kammer sich befindenden, auch eine keilförmig gedrückte längliche Form an, wie Taf. XII Fig. 3 f und g zeigt und sind die Embryonen hier gewöhnlich um 90% gegen die Spiralebene gedreht. Nachdem sich nun eine keilförmige Kammer entgegen- gesetzt der Richtung der früheren Kammern gebildet und somit eine kürzere Septalkammerwand entstanden (Taf XII Fig. 1 c), tritt hierdurch ein Wendepunkt im Spiralbau des Thieres ein. Durch die Einschiebung der Kammer hat sich eine gerade Basis zum geraden vertikalen Aufbau der Kammern gebildet. Es können nun verschiedene Formen der Kammer- Untersuchungen an Foraminiferen. 449 bildungen entstehen, je nachdem die Kammern sich in gleichmässiger Breite entwickeln, sich stabförmig aufsetzen, oder immer mehr in der Breite sich ausdehnen, so dass dann die verschiedensten kelch- und fächerförmigen Formen entstehen können. Das Embryonen enthaltende Individuum hatte nur noch zwei breite gut und normal entwickelte Kammern gebildet, deren Spiralkammerwände auch an Höhe zu- nehmend, zwei parallellaufende Communikationsröhren mit alternirenden Oeffnungen zeigten. Sämmtliche unter sich communicirenden Kammern des Thieres stehen somit nur allein durch diese 2 Reihen von Oeffnungen in der letzt- gebildeten Septalkammerwand mit der Aussenwelt in Ver- bindung und somit auch sämmtliche in den Kammern ein- geschlossenen Embryonen, die nur durch die Septalkammer- wände in Reihen getrennt werden. Die gut ausgebildeten Embryonen lagen nun in den 2 letzten grossen Kammern (Taf. XII Fig. 1 a); in der ersten 30 Stück, und zwar, da es die Dicke der Kammer hier gestattete, in doppelter Reihe jede zu 15 Stück dicht gedrängt neben und übereinander; alle diese 30 Stück entsprachen vollständig der Grösse der Embryonalkammer des Mutterthieres. Bei Fig. 1 a ragt die unterste zweite Lage der Embryonen noch etwas hervor gegen die erst obere Lage, da die letzte Septalkammerwand am Schluss der Kammer gewöhnlich bei Peneroplis etwas windschief schräg gedreht ist. Es konnte auch bei tieferer Einstellung des Tubus beim Mikroskop die zweite Lage vollständig klar beobachtet werden. Die vorletzte Kammer zeigte ebenfalls zwei Reihen übereinander liegender Embryonen, da sie jedoch nicht so breit war als die erste Kammer, so enthielten die zwei Reihen zusammen nur 26 Stück, Die nun folgenden schon früher erwähnten keilförmigen Kammern sind nur einreihig durchbohrt und liefern zum Theil unregelmässig geformte Embryonen (Taf. XII Fig. 3 f und g), etwa 60 Stück, so dass im vollständigen Thier 118 Stück Embryonen aufge- funden worden sind. Da nun alle Embryonen von regelmässiger oder un- Archiv f. Naturg. XLIX. Jahrg. 1. Bd. 29 450 G. Schacko: regelmässiger Form in allen Kammern fast gleiche Raum- verbältnisse zeigen, so dürfte man vielleicht vermuthen, dass eine sehr regelmässige Abschnürung der Sarcode mit Kernbildung, oder ein recht gleichmässiger Zerfall des ganzen Weichkörpers stattgefunden haben könnte, gerade so wie wir den ganzen Inhalt der Centralkapsel bei den Radiolarien in die Brutbildung eingehen sehen. Die meisten Embryonen der letzten 2 Kammern lagen in horizontaler Lage, nur einige wenige machten davon eine Ausnahme, indem sie sich um 90^ gedreht hatten. Die ganze Kammer- höhe und -Breite ist auf die sorgfältigste Weise zur völligen Entwicklung der Embryonen ausgenutzt. Auch hat die Drehung bei doppelter Lagerung der Embryonen über ein- ander, wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten stattge- funden, da man dieselbe in sehr verschiedener Lage an- trifft. In den anderen Kammern, wo nur eine Reihe Em- bryonen wegen der geringeren Kammerdicke Platz hat, liegen die Embryonen gewöhnlich um 90« gegen die Hori- zontale gedreht; indessen finden auch hier Ausnahmen statt. Am merkwürdigsten ist die Ausbildung der Embryonen in den spitz und keilförmig zugehenden Enden der Kammern, wo die Länge die normale Länge fast um die Hälfte über- schreitet, aber dann die Breite in demselben Verhältniss abnimmt. Das Thier ist sicher unter diesen Verhältnissen bei der Ausbildung seiner Embryonen auf dem Punkt gewesen, wo dieselben bereits reif und zu freier Entwicklung fähig waren, der Tod dasselbe aber überrascht hat. Eine weitere Entwicklung der Embryonen in der Schale des Thieres, bei dem schon sehr beschränkten und unter sich abgeschlossenen Kammerräumen, kann ich mir nicht gut denken. Auch nach meiner Ueberzeugung kann der Embryo, wie schon früher Semper es angiebt nur durch Aufbrechen der Schale des Mutterthieres in das Freie ge- langen. Bei dem Bau von Peneroplis kann dies sicher nur auf diese Art bewerkstelligt werden, und zwar wird dies durch die schwache und oberflächliche Anheftung der obersten dünnen Deckflächen der Kammern auf die Sep- talkammerwand leicht durch schwachen Druck der Em- Untersuchungen an Foraminiferen. 451 biyonen selbst von Innen gegen die Deckfläche geschehen können. Das Mutterthier wird vielleicht ganz zerstört oder höchstens nur diejenigen Kammern mit der Embryonal- kammer erhalten, welche ihrer kleinen Raumverhältnisse wegen keine Embryonen ausbilden können. Folgende Er- scheinung möchte ich hiermit noch in Verbindung bringen. Ich habe häufig früher sowohl recente als auch in tertiären Schichten, Individuen sowohl von Peneroplis, als auch vorzüglich von Dendritina aufgefunden, denen vollständig die feine Deckschale der Kammern fehlte und nur als Rippen die Septalkammerwände allein stehen geblieben waren und nur am letzten Umgang mit der Embryonal- kammer noch in Verbindung waren, nicht unähnlich und vergleichbar nackten Radspeichen an einer Narbe. Ich schrieb früher diese Durchbrechung der Kammern bei todten Thierschalen einer Zersetzung des Kalkes bei der sehr dünnen Deckschale der Kammern zu, glaube aber diesen Zustand vielleicht auf die Entwicklung und Aus- stossung der Embryonen zurückführen zu können. Schliess- lich könnte noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass die unregelmässig entwickelten Embryonen wohl Anlass geben möchten zu der grossen Formverschiedenheit, zu welcher Peneroplis neigt, obgleich sie gerade nicht häufig auftritt. Anderseits würden, da jene abnormen Formen weniger keilförmige Kammern bilden, hier wieder weit mehr regelmässig gebaute Embryonen erzeugt werden können, die dann wieder zu der typischen Fächerform sich aus- bilden könnten. Doch liegen hierüber keine directen Beob- achtungen vor. III. Perforation bei Peneroplis. In Betreff der Perforation gehört nach der Eintheilung der Foraminiferen in Perforata und Imperforata das Genus Peneroplis zu den letzteren, ebenso Orbiculina und Miliola- Die in Taf XII Fig. 2 angedeutete Punktirung, die über die ganze Fläche der Kammern sich ausbreitet, lässt sich bei starker Vergrösserung, in kleine oft unregelmässige 452 G. Schacko: Kreise auf, die abermals von einem kleinen Ring umgeben sind, somit scheinbar das Ansehen von Poren haben; auch breitet sich in weiterer Entfernung um diese Kreise und dazwischen ein zartes feines rundmaschiges Netz aus und liegt so wie wir es oft bei Poren finden, in jeder Masche ein solches Kreisgebilde. Lässt man schräges Spiegellicht auf die Oberfläche der Schale fallen, so erkennt man napf- förmige Vertiefungen oder Porenlöcher, die durch eine ringförmige Verdickung umrahmt sind und deren Oeffnung durch einen flachen Boden unten geschlossen. An kleinen feinen Bruchstücken der Schale erkennt man, dass sie aus zwei verschiedenen Schichten oder Lagen besteht, eine obere sehr dünne, durchsichtig glasig emailleartige Schicht, welche auch die napfförmigen Vertiefungen und den Boden derselben bildet, und einer etwas stärkeren krystallinisch brüchigen gekörnelten Schicht, die dem Inneren der Kammer zugewendet ist. Die Embryonalkammer und die Embryonen scheinen nur^ von der ersten glasigen emaillirten Schicht gebildet zu sein, man erkennt auch die flachen Vertiefungen sowohl an der Embryonalkammer selbst, wie auch deren Durchschnitt oder Vertiefung an den Embryonen, die sich um 900 gedreht haben , sehr deutlich schon hervortritt (Taf. XII Fig. 3 d). Die ganze Dicke dieser dünnen Deck- schale der Kammern beträgt durchschnittlich 0,004 mm, wovon knapp die Hälfte auf die oberste emaillirte Schicht mit ihren Vertiefungen kommt. Eine Durchbohrung der Kammern findet unter diesem Verhältniss hier nicht statt. An den Stellen jedoch wo sich die Deckschale der Kammern über die Rippen oder Septalwand fortzieht und anheftet, fand ich diese Vertiefungen oft fast 3 mal so tief, so dass sie fast röhrenförmig wie Durchlass-Poren er- schienen, und als ich Luft in die Kammern eindringen Hess, zeigten sich nicht blos die grossen Durchgangsröhren der Septalwände damit erfüllt, sondern auch einige Poren- räume in geringer Anzahl, welche zwischen Septalwand und Deckschale sich befanden. Als Interseptalkanäle möchte ich diese Erscheinung noch nicht deuten, denn diese schwachen Reste wirklicher Perforation möchten vielleicht doch im Zusammenhang stehen mit den vorher angeführten Ver- Untersuchungen an Foraminiferen. 453 tiefungen der Oberfläche der Schale, und diese machen den Eindruck, als wäre die obere Schicht der Schale früher wirklich perforirt gewesen, diese Perfo- ration aber später bei weiterer festen Ausbildung der Septalflächen und deren grossen Röhren auf- gegeben worden. Dieselbe Erscheinung zeigt sich zum Theil bei der Oberfläche der Schale von Orbiculina und Orbitolites, die ebenfalls zu den Imperforaten gestellt werden und auch bei einer Miliolina aus dem Pariser Grobkalk, wo ich die Perforation noch recht deutlich verfolgen konnte, nachdem die eine Deckschicht fortgenommen war. Das Verschwinden einer früher vorhandenen Perforation liesse sich wohl so erklären, dass bei Neubildung von Kammern Plasma ausgestossen sich zur Wand differenzirt und provisorisch von Pseudopodie durchbrochen wird, diese aber nach definitiver Gestaltung der Kammern in das Innere zurücktreten, um einen bequemeren Weg durch die grossen Septalwandröhren zu finden, nur müsste dann eine Ver- dickung der Deckschale freilich von Innen stattfinden, wie es ja auch die zweite Schicht der Deckwand, welche von krystallinischer Beschaffenheit ist, wirklich zeigt. 454 G. Schacko: Untersuchungen an Foraminiferen. Erklärung der Tafeln. Taf. XII. Fig. 1 . Peneroplis proteus d'Orb. Schale mit vollständig entwickelten Embryonen. 150 fache Vergrösserung. Fig. 2. Peneroplis proteus d'Orb. e Embryonalschale mit ein und einem halben Umgang der folgenden Kammern, x Durch- lassröhre in der Septalkammerwand. 420 fache Vergrösserung. P'ig. 3. Embryonen von Peneroplis proteus d'Orb. e. Ausgebildeter Embryo von oben gesehen. d. Embryonen von der Seite gesehen, fundg. Embryonen unregelmässig ausgebildet. 420 fache Vergrösserung. Sämmtliche Figuren sind mit dem Prisma gezeichnet. Tafel XIII. Fig. 1. Orhulina von dem Cap- Verden, Durchschnitt, im Innern die bestachelte kleine Glöbigerine zeigend, 90 mal vergrössert. Fig. 2. Bestachelte eingeschlossene Glohigerine von dem Cap-Verden, mit 13 Kammern, 260 mal vergrössert. Fig. 3. Bestachelte eingeschlossene Glohigerine von Rimini Nro. 1 mit Embryonalkammer, 660 mal vergrössert. Fig. 4. Eingeschlossene Glohigerine von Rimini Nro. 2, mit 14 Kam- mern, 210 mal vergrössert. Fig. 5. Eingeschlossene Glohigerine von Lapugy, tertiär, 8, 9, 10, 11 reticulirte Kammern, 12, 13, 14 aufgebrochene Kammern im Durchschnitt, 210 mal vergrössert. Fig. 6. Embryonalkammer und folgende Kammern der eingeschlosse- nen Glöbigerine von Lapugy, 210 mal vergr. lieber eine noch nicht beschriebene Nothrus-Art. Von Ludwig Karpelles. Im entomologischen Museum der Berliner Universität befindet sich ein vom Custos Hrn. Dr. Hilgendorf in Japan, Hakodate, gesammeltes Exemplar einer Milbe, welches einer sehr auifallenden neuen Art der Gattung tfothrus Koch an- gehört. Dasselbe ist ca. 2,5 mm lang auf einem Papier- streifen aufgeklebt, so dass mir bei Schonung des Ob- jectes eine genauere Untersuchung nicht vergönnt war, aus diesem Grunde konnte ich u. A. auch das Geschlecht nicht constatiren. Jedoch ist, wie schon bemerkt, diese Milbe in ihrer Form so auffallend, dass sie äusserlich schon auf den ersten Blick von den bis jetzt beschriebenen unter- schieden werden kann. Da diese Art sowohl charakterisirt ist, so benenne ich sie meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Andreas von Kornhuber (in Wien) zu Ehren: Nothrus KornJmheri n. sp. Der Körper ist im Umrisse fast fünfeckig, vorn schmäler als hinten und plump (Fig. 2). Das Abdomen mit den von einander sehr deutlich geschiedenen Häuten der drei Larvenstadien ist sehr gross, auffallend einem Füllhorn ähnlich, da der Cephalothorax dagegen nur klein ist, so erhält der ganze Körper diese Form (Fig. 1). Das 456 Ludwig Karpelles: Kopf bruststück ist vorn schmal, zugespitzt mit rauher, grob granulirter Oberfläche. Die beiden Stigmen liegen auf seiner Oberseite einander genähert, knapp vor dem Rande des Hinterleibes. Die für viele Arten so charakteristischen Stigmenborsten gingen bei dem vorliegenden Exemplare verloren. Der Hinterleib von der schon wiederholt her- vorgehobenen auffallenden Gestalt ist oben und vorn stark gewölbt mit der Spitze nach hinten gebogen, so dass seine Hinterfläche concav erscheint (Fig. 1). Jede der vier di- stincten Häute hat einen gelben, ziemlich breiten Rand- streifen, sie sind oberhalb dieser Streifen, unten, seitlich und hinten sehr regelmässig und namentlich die unterste mit grosser Deutlichkeit mit Längsfurchen und zwischen diesen liegenden Erhabenheiten versehen. Die Randstreifen greifen wulstförmig über einander und bewirken dadurch wie durch ihre gelbe Farbe die deutliche Trennung der vier Häute. Letztere sind kurzborstig, die Beborstung nimmt von oben nach unten zu. Von den Mundtheilen kann ich blos die Palpen mit Sicherheit erkennen, dieselben verlaufen fast gerade nach vorn, tragen ebenfalls zahlreiche kurze Borsten und sind an ihrer Spitze kaum merklich verdickt. Die lieiden vordersten Fusspaare, von denen das erste die Mundtheile auf der Yentralfläche fast voll- ständig bedeckt, sind knapp hinter einander inserirt, das Erste fast ganz gerade nach vorn, das zweite etwas mehr nach der Seite gerichtet. Die beiden hintern Fusspaare sind einander ebenso wie die beiden ersten genähert und sind nach hinten und aussen respective nach der Seite gerichtet. Die Linie, die man sich zwischen dem dritten und vierten Fusspaare gezogen denkt, halbirt die Ventral- fläche des Thieres. Die Füsse sind sechsgliedrig, ihr zweites Glied ist am längsten und stärksten, sie enden alle mit drei kleinen, schwachen einwärts gekrümmten Krallen, sind alle mehr oder weniger borstig. Das zweite und dritte Fusspaar sind um ein Geringes länger als das erste und vierte. Mit Ausnahme des gelben Randes jeder der vier Häute ist das Thier gleichmässig dunkelbraun und fast ganz mit kurzen zahlreichen Borsten versehen. Ueber eine noch nicht beschriebene Nothrus-Art. 457 Ich fasse die Charakteristik im Kurzen folgender- massen zusammen. 1. 2. 3. Fig. 1. Nothrus Kornhuberi n. sp. von der Seite. Fig. 2. „ „ „ 5, von oben. Fig. 3. ,, „ „ ,, in natürlicher Grösse. Corpus pentag'onale brunneum, cephalothorace minuto, abdomine valde convexo, cornui copiae simillimo, scutis larvarum nympharumque subellipticis , elatis marginibus flavescentibus aucto. Totum corpus, pedes palpique setis curtis brunneis tecta. Tarsi tridactyli. ÜDiversItätsbuchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. ms Tari. Bertkau. ad not. det r.F Schmidt UtA. 1883. Östlicher Theil der SAGAMI BAI /39 ° W "äZ.v: GrcainriA Mcolai'sdie yerla|s -BxidLhanähmö . (R.Stricker ) LiliLAiistvl.Iraatj,Berla i^83. Taf. m. ^. ^C^ e. 1%. i6. W. 4p i3. V.BedricL^a del. C.E Schmidt litfu. 1^83. Taf.iv: T. Bedriaqcv del C.F.Sdwnidi Utk. Taf.F. 39. ^tO. U^ s ^ •^^" ^ -^Ä - - lü^STT^STJ^B-tV* S^. ^ f. Bexirtaga del. C.F.ScfinuJj. iah. TafVIl 7«/ ■/'/// C t'Sdmmlt hÜi i /SS:l Taf'l V. Lmstow aex CFSdnrudbMi /S83. Taf.XI. (^Wf o^ 'r"'"w Wäicr St /' ^ -,-*^^ ~' /m " Berthau, cid not del CJ' Schmidt Utk. /S83. TafXH. ^■A /•/ ^v.^ V—. .^ "iL Schcurkjo del. C.P. Schtni-dt Uth /SS3 TaflM. CFSchmidt M. WH lflö3 Äsf^